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Flexibilisierungsbestrebungen der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis und das Recht auf den gesetzlichen Richter

Eine empirische Untersuchung

von Isabelle Marie Voß (Autor:in)
©2019 Dissertation 260 Seiten

Zusammenfassung

Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verlangt, dass der im Einzelfall entscheidende Richter nach abstrakt-generellen Regelungen vorherbestimmt ist. Die Autorin nimmt die Zuordnung von Fall und Richter im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts in den Blick und erforscht Flexibilisierungsbestrebungen der Praxis mittels einer qualitativen empirischen Untersuchung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel: Problemstellung, Zielsetzung und Methodik der Untersuchung
  • A. Forschungsprojekt und wesentliche Untersuchungsfragen
  • B. Methodischer Bezugsrahmen
  • I. Erhebungsverfahren
  • II. Analyseverfahren
  • C. Gang der Untersuchung
  • 2. Kapitel: Rechtlicher Bezugsrahmen
  • A. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
  • I. Gehalt
  • II. Anpassungsdruck
  • B. § 21e GVG
  • I. Anforderungen an den Geschäftsverteilungsplan
  • 1. Jahresgeschäftsverteilungsplan
  • 2. Überprüfungsmaßstab
  • 3. Dokumentationspflichten
  • II. Steuerungspotenzial
  • 1. Wahl des Fallverteilungssystems
  • 2. Unterjährige Änderungen
  • C. § 21g GVG
  • I. Anforderungen an den Mitwirkungsplan
  • II. Steuerungspotenzial
  • 1. Bestimmung des Berichterstatters
  • 2. Zuständigkeit der ehrenamtlichen Richter
  • D. Entstehungsgeschichte und Reformbestrebungen von §§ 222a und § 222b StPO
  • I. Entstehungsgeschichte
  • II. Reformbestrebungen
  • E. § 222a StPO
  • I. Anforderungen an Besetzungsmitteilung
  • II. Steuerungspotenzial
  • F. § 222b StPO
  • I. Anforderungen für die Praxis
  • 1. Präklusion der Revision
  • 2. Anforderungen an Art und Weise des Besetzungseinwandes
  • 3. Entscheidung des Gerichts
  • 4. Rechtsbehelfe
  • 5. § 76 Abs. 2 und 3 GVG und die Rüge der falschen Besetzung
  • II. Taktisches Potenzial
  • G. § 76 GVG
  • I. Anforderungen für die Praxis
  • II. Steuerungspotenzial
  • H. § 338 Nr. 1 StPO
  • I. Anforderungen für die Praxis
  • 1. Präklusion
  • 2. Falschbesetzung des Gerichts
  • II. Revisionsrechtlicher Prüfungsumfang und -maßstab
  • 1. Falschbesetzung wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG
  • 2. Falschbesetzung wegen Verstoßes gegen einfachrechtliche Normen
  • a) Willkürformel und Anwendungsbereich
  • b) Neuere Tendenz in der Rechtsprechung zur Willkürformel
  • I. Zusammenfassung
  • 3. Kapitel: Darstellung und Analyse der empirischen Befunde
  • A. Informelle Programme
  • B. Strukturelle Anlagen für flexible Fallsteuerungen
  • I. Bedürfnis nach Steuerung auf gerichtlicher Ebene
  • II. Bedürfnis nach Steuerung auf staatsanwaltschaftlicher Ebene
  • III. Besonderheiten von Wirtschaftsstrafverfahren
  • 1. Merkmale der Verfahren
  • 2. Strukturelle Anfälligkeit für Fallsteuerungen
  • C. Umgang mit dem Bedürfnis nach Fallsteuerung
  • I. Möglichkeit zur Fallsteuerung auf gerichtlicher Ebene
  • 1. Fallsteuerung durch Geschäftsverteilungsplan
  • a) Plansteuerung durch Wissensvorsprung
  • b) Steuerung durch Fallverteilung
  • (i) Manipulationspotential des Buchstabensystems
  • (ii) Manipulationspotential des Turnussystems
  • (iii) Bewertung der Systeme durch die Interviewpersonen
  • c) Steuerung durch unterjährige Geschäftsverteilungsplanänderungen
  • (i) Gründe für eine unterjährige Planänderung
  • (ii) Maßnahmen der unterjährigen Geschäftsverteilung
  • (1) Turnusänderung
  • (2) Hilfsstrafkammer
  • (3) Spannungsverhältnis mit dem Anspruch auf den gesetzlichen Richtern
  • (4) Bewertung durch die Verteidigung
  • (iii) Entwicklung der rechtlichen Anforderungen an unterjährige Planänderungen
  • d) Konzentrationsgrundsatz
  • 2. Fallsteuerung durch Mitwirkungsplan
  • 3. Steuerung durch Gerichtsbesetzung (§ 76 Abs. 3 GVG)
  • 4. Fallsteuerung durch Terminierung
  • a) Phänomen der Schöffenauswahl
  • b) Rechtliche Rechtfertigung
  • 5. Zwischenergebnis
  • II. Möglichkeit zur Fallsteuerung auf staatsanwaltschaftlicher Ebene
  • 1. Behördeninterne Mechanismen
  • 2. Anklageverhalten
  • a) Fallsteuerungsmöglichkeit kraft Gesetzes: bewegliche Zuständigkeiten
  • (i) Örtliche Zuständigkeiten
  • (ii) Sachliche Zuständigkeiten
  • (iii) Darstellung der dazugehörigen empirischen Daten
  • (1) Staatsanwaltschaftlicher Umgang mit Handlungsspielraum aus Sicht der Verteidigung
  • (2) Bewertung des rechtlichen Status-quo durch Verteidigung und Gericht
  • (3) Standpunkt Staatsanwaltschaft
  • b) Kritik am Begriff der beweglichen Zuständigkeiten
  • c) Fallsteuerungsmöglichkeit durch Geschäftsverteilungsplan
  • d) Eruierung der Informationsherkunft
  • e) Motivlage der Staatsanwaltschaft bei Fallsteuerungen
  • (i) Strafmaßhärte
  • (ii) Sachkompetenz
  • (iii) Zeitliche Komponente
  • (iv) Umgang mit Beweisen
  • (v) Motivbündel oder singuläre Motivation
  • f) Bewertung der Motive
  • g) Standpunkt der Staatsanwaltschaft
  • 3. Zwischenergebnis
  • III. Umgang der Verteidigung mit Fallsteuerungen
  • 1. Besetzungseinwände und -beschluss
  • a) Informationen über die Gerichtsbesetzung
  • b) Inhaltliche Anforderungen an die Besetzungseinwände
  • c) Gerichtliche Beschlüsse zu Besetzungseinwänden
  • 2. Besetzungsrügen und Taktik
  • a) Besetzungsanalyse und Taktik
  • b) Motivlage bei Besetzungseinwendungen und Besetzungsrügen
  • c) Ungeeignete Konstellationen für Besetzungsrügen
  • d) Erfolgschance und Zweifel
  • e) Besetzungsrügen und Verteidigerkultur
  • f) Besetzungsrügen als Ausdruck einer „älteren Strafverteidigerkultur“?
  • g) Gerichtliche Taktik analog § 29 StPO
  • h) Zwischenergebnis
  • 3. Wirkung von Besetzungseinwänden
  • a) Besetzungseinwände und Präklusion
  • b) Einfluss auf das Prozessklima
  • c) Gerichtlicher Umgang mit Besetzungsrügen
  • d) Haltung der Verteidigung zu §§ 222a, 222b StPO
  • 4. Zusammenhang zwischen Besetzungseinwand und Konfliktverteidigung
  • a) Definition Konfliktverteidigung
  • b) Haltung zu Konfliktverteidigung
  • c) Besetzungseinwand als Mittel einer Konfliktverteidigung
  • d) Konfliktverteidigung und informelles Programm
  • 5. Entwicklung und Reformbestrebungen zu Besetzungsrügen
  • a) Entwicklung
  • b) Bewertung Reformbestrebungen
  • 6. Zwischenergebnis
  • D. Spannungsverhältnis zwischen Anspruch auf den gesetzlichen Richter und Effektivität der Strafrechtspflege in der Praxis
  • I. Bewertung Gesetzeslage
  • II. Flexibilität innerhalb des Gerichts- und Fallmanagements und gesetzlicher Richter
  • E. Zusammenfassung
  • 4. Kapitel: Zusammenfassung der empirischen Erkenntnisse
  • 5. Kapitel: Schlussfolgerungen
  • A. Rückblick und Zusammenfassung
  • B. Ausblick und Lösungsvorschlag
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang: Interviewleitfäden

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Einleitung

Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist in Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG festgeschrieben und verlangt, dass der im Einzelfall entscheidende Richter nach abstrakt-generellen Regelungen vorherbestimmt ist. Die Untersuchung blickt auf die Zuordnung von Fall und Richter im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts und erforscht Flexibilisierungsbestrebungen der Praxis im Regelungsbereich dieses Verfassungsprinzips.

Nichts anderes als eine effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafprozesses sollte erreicht werden, als in der letzten Legislaturperiode durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine Expertenkommission ins Leben gerufen wurde. Ihre Vorschläge von Oktober 20151 sind zwar nur teilweise in Gesetzesform2 gegossen worden, aber der aktuelle gesetzgeberische Blickwinkel auf das Strafrecht wurde besonders deutlich. Effektiv und ressourcenschonend soll es sein.3 Die gesetzgeberischen Überlegungen zur Reform des Strafprozesses haben dazu geführt, dass auch aus den Reihen der Praktiker Forderungen an den Gesetzgeber laut wurden. So gründete sich als Reaktion auf das Gesetzgebungsvorhaben der Strafkammertag, ein Zusammenschluss von Strafsenats- und -kammervorsitzenden.4 Ebenso wie die ←13 | 14→regelmäßig stattfindende OLG-Präsidentenkonferenz zielen die Forderungen des Strafkammertages im Allgemeinen darauf, Effektivität im Strafprozess durch eine gesetzgeberisch legitimierte flexiblere Handhabung von Rechtsgrundsätzen und einer Beschränkung von Revisionsrechten zu erreichen.5 Dies mag eine Folge davon sein, dass Forderungen nach einer besseren auch personellen Ausstattung der Justiz bislang oft unberücksichtigt verhallt sind6 und es scheint, als sei der Gesetzgeber nur dazu bereit, an rechtlichen Stellschrauben zu drehen.7 Der deutsche Anwaltverein jedenfalls vertritt eine andere Position und forderte jüngst erneut, die deutschen Gerichte durch mehr Personal und mehr Investitionen zu entlasten.8

←14 | 15→

Diese Ausgangslage verdeutlicht die Spannungslage, in der die Justiz agieren muss. Sie muss im Alltag mit dem gesetzlichen Status-quo zurechtkommen und das Fallaufkommen mit den vorhandenen personellen Mitteln bewältigen. Als Folge dieses Effizienzdrucks ist zu beobachten, dass sie Wege hin zu einem flexibleren Strafprozess sucht, um so Ressourcen möglichst optimal nutzen zu können.9 In spektakulären und medial vielbeachteten Verfahren wurde den Gerichten unlängst immer wieder vorgeworfen, Kammern gezielt für bestimmte Verfahren gebildet und die Verfahrensverteilung bewusst gesteuert zu haben.10 Die Arbeit konzentriert sich darauf, diese Bestrebungen im Gewährleistungsbereich des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu beleuchten. Denn dort treffen in besonderem Maße unterschiedliche Interessen und Rechtsgüter aufeinander. So fordert das rechtsstaatliche Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege eine praktikable und effektive Strafjustiz und der Beschleunigungsgrundsatz eine zügige Behandlung der Verfahren. Das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters wiederum verlangt eine abstrakt-generelle, gleichsam eine „blindlings“ Bestimmung des Richters im Einzelfall.11 Er ist ein Rechtsgrundsatz, der seinem Grundgedanken nach den Bestrebungen der Praxis nach Flexibilität und Eigenverantwortung entgegensteht. Dies ←15 | 16→führt zu einer Spannungslage. Die Motivation für eine flexible Fallzuteilung ist naturgemäß dann am größten, wenn es um komplexe und umfangreiche Sachverhalte geht, wie dies insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität der Fall ist. Dort potenzieren sich die angesprochenen Probleme, weshalb Wirtschaftsstrafverfahren auch den Fokus der Untersuchung bilden.

Das GVG als gesetzliche Konkretisierung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist das Gerüst der gerichtlichen Geschäftsverteilung, lässt aber Spielräume, um den Besonderheiten und Bedürfnissen der Gerichte deutschlandweit Rechnung zu tragen.12 Dies ist eine gesetzgeberische Wertentscheidung im Rahmen der gesetzgeberischen Ausgestaltungsfreiheit.13 Gesetzlich nicht vorgesehen ist es, diesen Freiraum für Einzelfallzuweisungen zu nutzen. Flexibilisierungsbestrebungen zeigen sich insbesondere in dem Anliegen der Fallsteuerung, das heißt einer Einflussnahme auf die Zuordnung von Fall und Richter im Wege der unterjährigen Geschäftsverteilungsplanänderungen, oder indem die Staatsanwaltschaft das gerichtliche Fallverteilungssystem gezielt nutzt, um ein bestimmtes Verfahren bei einer bestimmten Kammer zu lozieren. Einen Einfluss auf das zuständige Gericht wird der Staatsanwaltschaft aber gesetzlich nur im Bereich der beweglichen Zuständigkeiten eingeräumt. Sie kann bei mehreren örtlich oder sachlich zuständigen Gerichten auswählen, wo sie Anklage erhebt. Der Fokus der Untersuchung ist aber nicht auf die Erforschung bewusst gesetzlich geschaffener Freiräume gerichtet, sondern auf die Sichtbarmachung von Handlungsweisen, die sich durch Lücken und Ungenauigkeiten im normativen Bestand gebildet haben. Es geht dabei nicht darum, das formelle gesetzliche Programm zu beleuchten, sondern es soll das informelle Programm14 erforscht werden. Darunter ist ein Set an Verhaltensweisen gemeint, das sich neben dem normativen Programm in der Praxis gebildet hat. Diese im Gewährleistungsbereich des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter sichtbar zu machen, ist Ziel der Untersuchung, denn dieser Bereich ist noch nicht erforscht.15 Deshalb, und weil es auch gerade um die Anwendung gerichtsinterner Regelungen, wie der Geschäftsverteilungsplan einer ist, geht, wurde der Weg einer empirischen Untersuchung gewählt. Trotz ←16 | 17→des mehrfach artikulierten Rufes nach empirischen Untersuchungen, existiert eine solche bisher nicht.16

Die Untersuchung möchte erforschen, ob es möglich ist, dass diese rechtlichen Lücken von Staatsanwaltschaft und Gericht dazu genutzt werden, bestimmte Verfahren zu bestimmten Kammern zu lozieren und welche Motive dahinter stehen können. Sie möchte der Frage nachgehen, ob eine flexible Fallzuweisung tatsächlich, unbemerkt, in die Gerichtspraxis Einzug gehalten hat. Daneben sollen auch der Sicht der Verteidigung auf diese Thematik Raum gegeben werden und die ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel beleuchtet werden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter ist ein tradiertes Rechtsprinzip. Er wurde etabliert, um Kabinettsjustiz zu verhindern und vor Einflüssen der Exekutive zu schützen. Die angesprochenen Flexibilitätsbestrebungen zeigen aber, dass die gesetzliche Position des Richters nicht so sehr durch originär exekutivische Einflussnahmen bedroht ist, sondern vielmehr durch Maßnahmen der Judikative selbst.17 Wichtig ist daher heute eher der Schutz der Rechte des Angeklagten als der Schutz der Unabhängigkeit der Gerichte. Dies hat zu einer „Renaissance“18 ←17 | 18→der Bedeutung der Besetzungsrüge geführt als Mittel der Verteidigung gegen Entscheidungen des ungesetzlichen Richters.19 Es ist unklar, ob tatsächlich im Gerichtsalltag eine Zunahme zu verzeichnen ist, es ist jedoch eine Zunahme höchstgerichtlicher Judikatur festzustellen. Diese wird ausdifferenzierter und konkreter. In der Praxis sind dabei Fälle fehlender gerichtlicher Dokumentation von unterjährigen Geschäftsverteilungsplanänderungen20 und die Einrichtung von Hilfsstrafkammern, die ohne tragbares Gesamtkonzept gebildet werden,21 von besonderer Bedeutung.22 Diese Kehrtwende mutet als ein nicht mehr allzu ←18 | 19→versteckter „Appell“ an die deutsche Justiz an.23 Sie verweist darauf, dass die Richter der höchsten deutschen Gerichte die aktuelle, teils sehr flexible Handhabe des gesetzlichen Richters in der Gerichtspraxis missbilligen und der aktuellen Entwicklung im Gerichtsalltag Einhalt gebieten wollen. Die Erkenntnisse der empirischen Untersuchung sollen dazu genutzt werden, darüber nachzudenken, ob und wie Flexibilität im Gerichtsalltag Einzug halten kann, ohne die Gewährleistungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter auszuhöhlen.

←19 | 20→

1 Siehe den Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglichen Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendgerichtlichen Verfahrens, abrufbar mit Gutachten und Protokollen unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Abschlussbericht_Reform_StPO_Kommission.pdf?__blob=publicationFile&v=2; zuletzt abgerufen am 15.02.2019.

2 Siehe das darauf aufbauende Gesetz vom 17.08.2017 – BGBl. Teil I 2017, Nr. 58, S. 3202. In diesem wurden aber die Empfehlungen der Expertenkommission nur teilweise eingearbeitet, Änderungen im Gewährleistungsbereich des gesetzlichen Richters gab es nicht. Zu den Änderungen allgemein Radtke, Das Strafverfahren – effektiv und praxistauglich?, DRiZ 2017, 190, 190 f.

3 Diese Sichtweise wurde auch kürzlich im „Pakt für den Rechtsstaat“ deutlich, bei dem die Länder und der Bund am 31.01.2019 u.a. vereinbart haben, dass die Strafprozessordnung reformiert werden muss, um Verfahren effektiver zu gestalten. Dazu auch Landau, Die Pflicht des Staates zum Erhalt einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, NStZ 2007, 121, 121 f.

4 Dazu der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Clemens Lückemann, als Veranstalter des 2. Strafkammertages am 26.09.2017 zu Legal Tribune Online (LTO), abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/strafkammertag-wuerzburg-interview-clemens-lueckemann-stpo-reform; zuletzt abgerufen am 15.02.2019. Dazu auch Sandherr, Zwölf Forderungen für einen effektiveren Strafprozess, DRiZ 2017, 338, 338 ff.; Fischer, Die Suche nach dem guten Gesetz, Die Zeit 2017 Nr. 46, 14. Siehe etwa zum Strafkammertag am 16.02.2016 die Pressemitteilung vom OLG Stuttgart und die erarbeiteten Thesen, abrufbar unter http://www.olg-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/Reform+des+Strafprozesses+_+Praktiker+melden+sich+beim+bundesweiten+_Strafkammertag_+am+16_+Februar+2016+zu+Wort/?LISTPAGE=1178276; zuletzt abgerufen am 15.02.2019.

5 Zu den Forderungen der OLG-Präsidentenkonferenz vom September 2015 siehe http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/archiv/Pressemitteilungen_aus_2015/20151013_PM_Gemeinsame-Presseerklaerung/Gesetzgebungsvorschlaege-der-OLG-Praesidentenkonferenz-Fassung-Oktober-2015.pdf; zuletzt abgerufen am 15.02.2019.

6 So etwa die als obiter dictum formulierte Forderung des BGH im „Kölner Müllskandal“, schuldangemessene Strafen in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen seien nur durch eine „spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich“ möglich, BGH, Urteil vom 02.12.2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 929.

7 Der Gesetzgeber hat unterschiedliche Versuche unternommen, mit der Flut an Fällen zurecht zu kommmen: in den 90er Jahren, bedingt durch die Wiedervereinigung, wurde die Justiz personell aufgestockt und danach nach rechtlichen Wegen gesucht, Verfahren zu beschleunigen. Aktuell wird die Verantwortung, mit dem Fallaufkommen zurecht zu kommen, auf die Gericht und ihre Organisation verlagert. Siehe dazu Wiebel, Effizienz und Gerichtsverfassung: Der Versuch eines Ansatzes zur Pflege der Rechtspflege, ZRP 1998, 221, 221 ff; Hamm, in: Nelles (Hrsg.), Strafverteidigung in Forschung und Praxis, Braucht die StPO, um wieder zu gelten, ein Dealgesetz?, S. 57 f. Ob mit dem „Pakt für den Rechtsstaat“, der am 31.01.2019 zwischen Bund und Ländern geschlossen wurde, eine Trendwende in Hinblick auf den Personalaufbau in der Justiz eingeläutet wurde, bleibt abzuwarten.

8 So der Präsident des DAV Ulrich Schellenberg gegenüber Legal Tribune Online (LTO) am 06.10.2017 abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/dav-kritisiert-strafkammertag-vorschlaege-stpo-reform; zuletzt abgerufen am 15.02.2019. Kritik an den Vorschlägen des Strafkammertages wurde auch von der Redaktion des Strafverteidigers geäußert am 09.11.2017 auf LTO, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kritik-reformvorschlaege-stpo-2-strafkammertag-jumiko; zuletzt abgerufen am 15.02.2019.

9 So bereits Theile, in: Heinz/Rengier/Hilgendorf (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Heinz, Flexible Fallzuweisung und gesetzlicher Richter (Art. 101 I 2 GG) – eine Problemskizze am Beispiel der Wirtschaftsstrafkammern, S. 892 ff.

10 Schmitz, Rangierkunst oder Entgleisung – Die Besetzungsrüge nach Änderung des Geschäftsverteilungsplanes, StraFo 2016, 397, 401 m.w.N. mit Verweis auch auf das „Teldafax“-Verfahren vor dem LG Bonn, Beschluss vom 06.03.2014 – 27a KLs 1/13. So wurde etwa im Sal. Oppenheim-Verfahren 2013 am LG Köln durch die Verteidigung vorgetragen, dass die Staatsanwaltschaft bewusst die Anklagerhebung verzögert habe, um ein bestimmtes Verfahren zu einer bestimmten Wirtschaftsstrafkammer zu bekommen, vgl. LG Köln, Beschluss vom 14.03.2013 – 116 KLS 2/12, BeckRS 2013, 06336; oder jüngst im „Gruppe-Freital“ Prozess der Vorwurf der Verteidiger, die Kammer sei zielgenau für diese Verfahren gebildet worden https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-03/prozess-gruppe-freital-dresden-rechtsextremismus-terroristische-vereinigung; zuletzt abgerufen am 15.02.2019.

11 BVerfG (Plenum), Beschluss vom 08.04.1997 – 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 328 f.; NJW 1997, 1497, 1498; BGH, Beschluss vom 12.05.2015 – 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597, 2598. Die „Blindlingstheorie“ wurde vom BGH 1954 entwickelt, BGH, Urteil vom 28.09.1954 – 5 StR 275/53, BGHSt 7, 23, 24; NJW 1955, 152, 152. Dazu auch Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, S. 198 ff., 811 ff.

12 Rasehorn, Der Geschäftsverteilungsplan als Organisationsinstrument, ZRP 1972, 181, 181.

13 BVerfG, Beschluss vom 08.06.1993 – 1 BvR 878/90, NJW 2013, 2229, 2229 f.

14 Aus der Kriminalitätsforschung dazu MacNaughton-Smith, in: Lüderssen/Sack (Hrsg.), Seminar: Abweichendes Verhalten II, Der zweite Code, S. 197 ff.

15 Begriffsprägend ist der Aufsatz von Hassemer, Informelle Programme im Strafprozeß, StV 1982, 377, 377 ff. Dazu bereits zuvor MacNaughton-Smith, in: Lüderssen/Sack (Hrsg.), Seminar: Abweichendes Verhalten II, Der zweite Code, S. 197 ff.

Details

Seiten
260
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631791776
ISBN (ePUB)
9783631791783
ISBN (MOBI)
9783631791790
ISBN (Hardcover)
9783631791028
DOI
10.3726/b15713
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Gesetzlicher Richter Wirtschaftsstrafrecht Flexibilisierungsbestrebungen Qualitative empirische Untersuchung Effizienzdruck der Strafrechtspraxis Steuerungspotential
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 260 S.

Biographische Angaben

Isabelle Marie Voß (Autor:in)

Isabelle Marie Voß hat Rechtswissenschaft in Konstanz und in Warwick (Großbritannien) studiert. Nach ihrem Referendariat am Landgericht Frankfurt (Oder) war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Kriminologie der Universität Konstanz. Seit 2018 ist die Autorin Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Berlin.

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