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Grundschüler als Experten für Unterricht

Empirische Überprüfung der Validität von Unterrichtsbeurteilungen durch Schüler der dritten und vierten Jahrgangsstufe

von Julia Kloss (Autor:in)
©2014 Dissertation 290 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch zeigt in zwei Teilstudien, dass Grundschüler wider Erwarten recht brauchbare Unterrichtsbeurteilungen abgeben können. Mit Blick auf die Untersuchungsergebnisse konnte ein Fragebogen entwickelt werden, der dem kognitiven Entwicklungsstand der Kinder gerecht wird und ihnen validere Urteile über ihren Unterricht ermöglicht, als dies bisher verfügbare Instrumente tun. Zu diesem Zweck sind die Items unterrichtszentriert sowie weitestgehend sachlich-beschreibend und klassenbezogen formuliert. Eine weitere Studie macht klar, dass Lehrkräfte jene Unterrichtsmerkmale, für die sie eine negative Rückmeldung bekommen, hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für die Unterrichtsqualität herabsetzen. Das deutet auf eine Schutzreaktion der Lehrpersonen hin, die mit der Wahrnehmung einer Selbstwertbedrohung durch das Feedback zusammenhängt. Die Nutzung von Evaluationsverfahren muss demnach stärker beachtet werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Problemstellung
  • 2 Theoretischer Hintergrund
  • 2.1 Unterricht und Unterrichtsqualität
  • 2.1.1 Begriffsbestimmungen
  • 2.1.2 Modelle der Unterrichtsqualität
  • 2.1.3 Bedeutung von Unterricht und Unterrichtsqualität
  • 2.1.4 Zur Rolle der Lehrperson
  • 2.1.5 Klassifikationen von Unterrichtsqualität
  • 2.1.6 Guter Unterricht: effektive Unterrichtspraktiken
  • 2.1.6.1 Quality of Instruction
  • Struktur und Strukturiertheit des Unterrichts
  • Klarheit, Prägnanz, Verständlichkeit
  • Variabilität der Unterrichtsformen
  • Angemessenheit des Tempos (Pacing)
  • Übungsintensität
  • Behandelter Stoffumfang
  • 2.1.6.2 Appropriate levels of instruction
  • Angemessenheit des Schwierigkeitsgrades
  • Differenzierung und Individualisierung
  • Förderungsorientierung
  • 2.1.6.3 Incentive
  • Bedeutungsvolle Lehrinhalte und -ziele
  • Bekannte Erwartungen und Ziele
  • Interesse und Neugier wecken
  • Bekräftigung und Verstärkung
  • Positives Sozialklima in der Klasse
  • 2.1.6.4 Time
  • Verfügbare und genutzte Zeit
  • Klassenmanagement, Klassenführung
  • 2.1.6.5 Zusammenfassung
  • 2.2 Verfahren zur Beurteilung von Unterricht
  • 2.2.1 Begriffsbestimmungen
  • 2.2.2 Arten von Beurteilern
  • 2.2.3 Gütekriterien für Beurteilungsinstrumente
  • 2.2.4 Studien zum Einsatz von Beurteilungsinstrumenten
  • 2.3 Beurteilung – entwicklungspsychologisch betrachtet
  • 2.3.1 Entwicklung des Denkens
  • 2.3.2 Entwicklung der Wahrnehmung
  • 2.3.3 Entwicklung des Gedächtnisses und der Wissensorganisation
  • 2.3.4 Entwicklung der Urteilsbildung
  • 2.3.5 Die Entwicklung des kausalen Verständnisses
  • 2.3.6 Einflussgrößen auf die Beurteilungsfähigkeit
  • 2.3.7 Entwicklung von Beurteilungsfähigkeit
  • 2.3.8 Psychometrische Befunde zur Beurteilung im Kindesalter
  • 2.4 Beurteilung von Unterricht durch Schüler
  • 2.4.1 Pädagogische Diskussion
  • 2.4.2 Erfahrungen mit der Schülerbeurteilung
  • 2.4.3 Zur Rolle der Sympathie
  • 2.4.4 Zur Rolle motivationaler Faktoren
  • 2.4.5 Zur Rolle unterrichtlicher Strukturmerkmale
  • 2.5 Umgang von Lehrkräften mit Schüler-Feedback
  • 2.6 Zusammenfassung
  • 3 Empirische Untersuchungen
  • 3.1 Zur Validität von Schülerurteilen über Unterricht
  • 3.1.1 Fragestellung und Hypothesen
  • 3.1.1.1 Hypothesen zu Voraussetzungen für Zusammenhänge
  • Hyp. 1 Zusammenhang der Fähigkeitseinschätzung mit der Leistung
  • Hyp. 2 Einfluss des Geschlechts auf die Sympathieeinschätzung
  • Hyp. 3 Einfluss des Geschlechts auf die Unterrichtsbeurteilung
  • 3.1.1.2 Zusammenhänge der Unterrichtsbeurteilung mit verschiedenen Faktoren
  • Hyp. 5 Zusammenhang mit Fähigkeitseinschätzung
  • Hyp. 6 Zusammenhang mit Sympathie
  • Hyp. 7 Zusammenhang mit Interesse
  • 3.1.1.3 Einflüsse auf den Zusammenhang der Unterrichtsbeurteilung mit Sympathie, Interesse und Fähigkeitseinschätzung
  • Hyp. 9 Einfluss des Geschlechts
  • Hyp. 10 Einfluss der Itemformulierung
  • Hyp. 11 Einfluss der Itemqualität
  • Hyp. 12 Einfluss des Personenbezugs
  • 3.1.2 Methode
  • 3.1.2.1 Design
  • 3.1.2.2 Instrument
  • 3.1.2.3 Stichprobenplanung
  • 3.1.2.4 Durchführung und realisierte Stichprobe
  • 3.1.2.5 Auswertungsdesign
  • Korrelationen
  • Varianzanalysen
  • Voraussetzungstests
  • 3.1.3 Ergebnisse
  • 3.1.3.1 Hypothesen zu Voraussetzungen für Zusammenhänge
  • 3.1.3.2 Zusammenhänge der Unterrichtsbeurteilung mit verschiedenen Faktoren
  • 3.1.3.3 Einflüsse auf den Zusammenhang der Unterrichtsbeurteilung mit Sympathie, Interesse und Fähigkeitseinschätzung
  • 3.1.3.4 Weitere Analysen
  • 3.1.4 Diskussion
  • 3.2 Zur Kausalrichtung des Zusammenhangs zwischen Unterrichtsbeurteilung und Sympathie
  • 3.2.1 Fragestellung und Hypothesen
  • 3.2.1.1 Beeinflusst die Unterrichtsqualität die Sympathieeinschätzung?
  • Hyp. 1 Qualität der Unterrichtsbeispiele
  • Hyp. 2 Unterscheidung der Experimentalgruppen I und II
  • Hyp. 3 Einfluss der Unterrichtsqualität auf die Sympathie der Lehrerin
  • 3.2.1.2 Beeinflusst die Sympathie zur Lehrerin die Unterrichtsbeurteilung?
  • Hyp. 4 Qualität der Lehrerinnenprofile
  • Hyp. 5 Unterscheidung der Experimentalgruppen III und IV
  • Hyp. 6 Einfluss der sympathischen Lehrerin auf die Unterrichtsbeurteilung
  • Hyp. 7 Einfluss der unsympathischen Lehrerin auf die Unterrichtsbeurteilung
  • Hyp. 8 Einfluss der Lehrerinnen auf die Unterrichtsbeurteilung
  • 3.2.1.3 Einfluss verschiedener Faktoren
  • Hyp. 9 Einfluss des Geschlechts auf die Sympathieeinschätzung
  • Hyp. 10 Einfluss des Alters auf den Zusammenhang zwischen Sympathie- und Unterrichtsbeurteilung
  • Hyp. 11 Einfluss des Alters auf die Beurteilung der Unterrichtsbeispiele
  • Hyp. 12 Einfluss des Lerninteresses auf die Beurteilung der Unterrichtsbeispiele
  • Hyp. 13 Einfluss der Fähigkeitsselbsteinschätzung auf die Beurteilung der Unterrichtsbeispiele
  • 3.2.2 Methode
  • 3.2.2.1 Design
  • 3.2.2.2 Instrumente
  • Unterrichtsbeispiele
  • Profile der Lehrerinnen
  • Fragebögen
  • 3.2.2.3 Stichprobenplanung
  • 3.2.2.4 Durchführung und realisierte Stichprobe
  • 3.2.2.5 Auswertungsdesign
  • 3.2.3 Ergebnisse
  • 3.2.3.1 Beeinflusst die Unterrichtsqualität die Sympathieeinschätzung?
  • 3.2.3.2 Beeinflusst die Sympathie zur Lehrerin die Unterrichtsbeurteilung?
  • 3.2.3.3 Einfluss verschiedener Faktoren
  • 3.2.4 Diskussion
  • 3.3 Zum Umgang von Lehrkräften mit Schüler-Feedback zum Unterricht
  • 3.3.1 Fragestellung und Hypothesen
  • 3.3.1.1 Bedrohung des Selbstwerts durch Unterrichtsbeurteilung
  • Hyp. 1 Keine Veränderung der Relevanzeinschätzung
  • 3.3.1.2 Einflüsse auf die Bedrohung des Selbstwerts
  • Hyp. 4 Einfluss der Itemformulierung auf die Bedrohung des Selbstwerts durch die Unterrichtsbeurteilung
  • Hyp. 5 Einfluss der Itemqualität auf die Bedrohung des Selbstwerts durch die Unterrichtsbeurteilung
  • 3.3.2 Methode
  • 3.3.2.1 Design
  • 3.3.2.2 Instrumente
  • 3.3.2.3 Stichprobenplanung
  • 3.3.2.4 Durchführung und realisierte Stichprobe
  • 3.3.2.5 Auswertungsdesign
  • 3.3.3 Ergebnisse
  • 3.3.3.1 Bedrohung des Selbstwertes durch die Unterrichtsbeurteilung
  • 3.3.3.2 Einflüsse auf die Bedrohung des Selbstwertes
  • 3.3.3.3 Weitere Analysen
  • 3.3.4 Diskussion
  • 3.4 Allgemeine Gesamtdiskussion
  • 3.4.1 Zur Diskriminierungs- und Beurteilungsleistung im Grundschulalter
  • 3.4.2 Relevante Unterrichtsmerkmale und ihre Erfassung
  • 3.4.3 Vorschlag für ein Instrument zur Unterrichtsbeurteilung
  • 3.4.4 Gestaltung des Feedbacks für die Lehrperson
  • 3.5 Reflexion der eigenen Untersuchungen
  • 3.5.1 Aussagekraft der Befunde
  • 3.5.2 Begrenztheit der Befunde
  • 3.5.3 Desiderate
  • Literatur- und Quellenverzeichnis
  • Tabellenverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Anhang
  • A Teilstudie I
  • A.1 Items und Fragebogen
  • A.2 Skalen
  • A.3 Tabellen
  • B Teilstudie II
  • B.1 Items, Materialien und Fragebögen
  • B.2 Skalen
  • B.3 Tabellen
  • C Teilstudie III
  • C.1 Items und Fragebögen
  • C.2 Skalen
  • D Beispiel für ein verständliches und nützliches Feedback an Lehrpersonen

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1 Problemstellung

Nach dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler bei diversen Vergleichsstudien, wie PISA1 und TIMSS2, wurde der Ruf nach Ursachenforschung laut (Wößmann, 2005). Wie kommt es, dass die Ergebnisse deutscher Schüler in der Gruppe vergleichbarer Staaten im unteren Bereich liegen?

Im Zuge der Antwortfindung blühte die Forschung auf dem Gebiet der Schul- und Unterrichtsforschung regelrecht auf (ebd.). Eine weitere Folge sind die Referate für Qualitätsentwicklung, die mittlerweile fast jedes Schulamt eingerichtet hat. Diese Abteilungen tragen hauptsächlich Verantwortung für die externe Evaluation von Schulen und Unterricht.

Die Qualitätsentwicklung von Unterricht zielt auf die Verbesserung von Unterrichtsabläufen, welche die Leistung der Schüler positiv beeinflussen. Zu Beginn des Prozesses „Unterrichtsentwicklung“ steht immer das Sammeln von Daten, um den Ist-Zustand festzustellen und Hinweise darauf zu bekommen, in welchem Bereich der Unterricht Verbesserungspotenzial besitzt. Dies kann durch die Beobachtung und Beurteilung des Unterrichts durch Kollegen, Eltern, den Schulleiter oder externe Personen geschehen. Eine Schülerbefragung erscheint jedoch am ökonomischsten, da Schüler sehr viele Unterrichtsstunden verschiedener Lehrer erleben und viele Beurteiler zur Gesamteinschätzung beitragen. Dadurch gleichen sich individuelle Präferenzen und Wahrnehmungen der Urteilenden aus. Entsprechende Fragebögen für Grundschüler zur Beurteilung von Unterricht werden bei ThüNIS3, EVIT4, SEIS5, IGLU6 und EiS7 (s. Teilkapitel 2.4.2) eingesetzt. Jedoch wurde bisher nicht überprüft, ob und in welcher Weise Kinder Unterricht beurteilen können. Das hängt in erheblichem Maß von ihrer kognitiven Entwicklung ab, die deshalb in dieser Arbeit im Vordergrund steht. Dabei geht es meist nicht um die externe Evaluation durch das ← 11 | 12 → Schulamt, sondern zunehmend um eine interne Evaluation allein für den Lehrer oder die Schule im Zuge der sogenannten neuen Steuerung des Bildungswesens (Koch & Gräsel, 2004). Sammlungen von als inhaltsvalide betrachteten Aussagen werden daher bereits in die Hände von Grundschülern gegeben, ohne dass zuvor geklärt wurde, ob diese Schüler aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung in der Lage sind, mit den Instrumenten sachgerecht umzugehen. Die Ergebnisse von Schülerfragebögen deuten an, dass offensichtlich selbst in der Sekundarstufe keine mehrdimensionale Einschätzung des Unterrichts erfolgt (Kämpfe, 2009b). Zu vermuten ist vielmehr, dass ein Globalfaktor, z. B. die Sympathie zur Lehrkraft, die differenzierte Beurteilung des Unterrichts überlagert. Wir befinden uns also in Deutschland in der Situation, dass immer mehr Schulen und Schulämter ihre Schüler selbst als „Experten“ für die Beurteilung von Unterricht betrachten, ohne dass dies in geeigneten Studien zuvor untersucht und bestätigt worden wäre. Die zentrale Frage, die in dieser Dissertation beantwortet werden soll, lautet deshalb: Sind Schüler der Grundschule bereits in der Lage, ihren Unterricht zu beurteilen?

Nur wenn entwicklungspsychologisch aufgezeigt werden kann, dass Kinder im Grundschulalter zu solchen Einschätzungen in der Lage sind, ist es sinnvoll, sich über die Form solcher Befragungen und ihre Funktion im Rahmen der Qualitätsentwicklung Gedanken zu machen. Wenn Grundschüler zur Unterrichtsbeurteilung herangezogen werden,

 müssen sie die entsprechenden kognitiven Voraussetzungen erfüllen,

 müssen mit Fragebögen selbstständig umgehen können und

 dürfen sich dabei nicht von irrelevanten Faktoren beeinflussen lassen.

In dieser Arbeit steht die Verzerrung von Unterrichtsurteilen durch die Sympathie gegenüber der Lehrperson im Vordergrund, aber auch Zusammenhänge mit Schulleistungen, schulischem Interesse und schulbezogener Fähigkeitseinschätzung werden thematisiert.

Zu diesem Zweck wird zunächst der theoretische Hintergrund beleuchtet (Kapitel 2). Anschließend werden die eigenen empirischen Untersuchungen beschrieben und diskutiert sowie daraus resultierende Konsequenzen dargestellt (Kapitel 3).

1 Programme for International Student Assessment.

2 Third International Mathematics and Science Study.

3 ThüNIS (Thüringer Netzwerk innovativer Schulen) ist ein Projekt von kompetenztest.de im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. https://www.kompetenztest.de/thuenis/thuenis1.html

4 EVIT (Externe Evaluation im Team) ist ein Projekt des Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein und des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH). http://evit.lernnetz2.de/index.php3

5 Selbstevaluation in Schulen. http://www.seis-deutschland.de/

6 Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung. http://www.iqb.hu-berlin.de/arbbereiche/fdz/Studien/?st=stud_3&lang=de

7 Evaluationsinstrumente für Schulen. http://www.schule-bw.de/entwicklung/qualieval/as/sevstart/eisneu/

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2 Theoretischer Hintergrund

In dieser Arbeit wird die Validität von Schülerurteilen über den erlebten Unterricht dadurch infrage gestellt, dass enge Zusammenhänge zwischen Unterrichtseinschätzungen und irrelevanten Faktoren, wie Sympathie zur Lehrperson, vermutet werden. Die thematisierte Problemstellung erfordert einen Überblick über Theorien des Unterrichts und der Unterrichtsqualität (Unterkapitel 2.1) sowie über die verfügbaren Verfahren zur Beurteilung des Schulunterrichts (Unterkapitel 2.2). Des Weiteren müssen die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen der Grundschulkinder bezogen auf eine Unterrichtsbeurteilung beleuchtet werden (Unterkapitel 2.3). Anschließend wird der aktuelle Stand der Forschung zur Beurteilung von Unterrichtsqualität diskutiert (Unterkapitel 2.4). Damit Unterrichtsevaluation nicht nur zum Selbstzweck durchgeführt wird, sondern der Unterrichtsentwicklung dient, erforscht diese Arbeit auch den Umgang der Lehrkräfte mit Schülerfeedback. Der Stand der Forschung und relevante theoretische Bezüge hierzu werden in Unterkapitel 2.5 thematisiert. Abschließend wird der theoretische Bezugsrahmen zusammengefasst (Unterkapitel 2.6).

2.1 Unterricht und Unterrichtsqualität

Diese Dissertation soll einen Beitrag leisten zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung von Grundschulunterricht. Daher sollen zunächst die in der Arbeit verwendeten relevanten Begriffe definiert werden (Teilkapitel 2.1.1). Es folgt eine Darstellung von Unterrichtsmodellen, welche auf Unterrichtsqualität Bezug nehmen (Teilkapitel 2.1.2). Nach der Klärung, was Unterrichtsqualität bedeutet (Teilkapitel 2.1.3) und welche Rolle die Persönlichkeit der Lehrkraft dabei spielt (Teilkapitel 2.1.4), soll es um verschiedene Klassifikationen von Merkmalen guten Unterrichts gehen (Teilkapitel 2.1.5). Die für diese Arbeit zen-trale Klassifikation von Slavin wird in Teilkapitel 2.1.6 ausführlich besprochen.

2.1.1 Begriffsbestimmungen

Als Unterricht wird das institutionalisierte und systematische (also geplante und dauerhafte) Lernen bezeichnet (Horster & Rolff, 2001). Die Qualitätsentwicklung von Unterricht zielt auf die Verbesserung von Unterrichtsabläufen, sodass die Lernleistung der Schüler maximiert wird. Sie erscheint besonders notwendig, seit sich die Leistungen deutscher Schüler bei TIMSS unter dem OECD8-Durchschnitt wiederfanden (Wellenreuther, 2008). Hany (2008) versteht Schulleistung als Ergebnis von langfristigen Lern- und Leistungsprozessen. Obwohl ← 13 | 14 → das Resultat der Schülerleistung zwar v. a. von Kompetenzen des Heranwachsenden, aber auch von der Lehrweise und der Lernumgebung abhängt, wird sie meist dem Schüler zugeschrieben. Dieses Problem thematisiert auch Weinert (s. dazu Weinert, 2001). D. h., Unterrichtsqualität trägt entscheidend zur Schulleistung bei und kann diese befördern oder herabsetzen.

Mit Qualität werden laut Helmke (2004) Aussagen über die Güte, den Wert oder das Niveau eines Gegenstandes gemacht. Einsiedler (2002, S. 195) definiert Unterrichtsqualität „als Bündel von Unterrichtsmerkmalen, die sich als ‚Bedingungsseite‘ (oder Prozessqualität) auf Unterrichts- und Erziehungsziele (‚Kriterienseite‘ oder Produktqualität) positiv auswirken, wobei die Kriterienseite überwiegend von normativen Festlegungen bestimmt ist und der Zusammenhang von Unterrichtsmerkmalen und Zielerreichung von empirischen Aussagen geleitet ist.“ Unterrichtsqualität wird demnach bestimmt durch den Unterrichtsprozess, der dann hochwertig ist, wenn er möglichst viele empirisch bestimmte Merkmale erfüllt. Diese Merkmale führen zur Erreichung der gesetzten Lernziele. Es ist also wichtig, dass nicht beliebige Unterrichtsmerkmale für die Bestimmung herangezogen werden, sondern solche, deren Wirksamkeit auf den Lernzuwachs und die Erziehung der Schüler empirisch nachgewiesen ist.

Klieme und Tippelt (2008, S. 9) verstehen Qualitätssicherung als Gesamtheit aller „formalisierten und institutionalisierten Verfahren, mit denen die Qualität von Organisationen im Bildungssystem, insbesondere deren Prozess- und Ergebnisqualität, beschrieben und vergleichend bewertet werden“. Qualitätssicherung geht demnach immer von einer übergeordneten Institution aus (z. B. dem Schulamt), welche standardisierte Verfahren einsetzt, um die Unterrichts- und Schulqualität (Bedingungsseite) sowie die Lernleistungen der Schüler einer Lerngruppe (Kriterienseite) zu beurteilen und mit anderen Klassen und Schulen zu vergleichen.

Laut Ewringmann, Hruza-Mayer, Huber und Schätz (2004) zielen Qualitätssicherung und -entwicklung direkt oder indirekt immer auf die Verbesserung der Unterrichtsqualität. Diese stellt ein theoretisches Konstrukt dar und kann daher nur mit Hilfe von Indikatoren gemessen werden, die beobachtbar sind. Ewringmann et al. (2004) unterscheiden zwischen Ergebnis- und Prozessqualität. Ergebnisqualität bezieht sich dabei auf die Ziele, die durch Unterricht erreicht werden sollen. Prozessqualität fragt dagegen nach stabilen Merkmalen von Unterricht, besonders was Planung und Durchführung anbelangt. In dieser Auffassung stimmen sie mit Einsiedler (2002) überein. Klieme und Tippelt (2008) stellen fest, dass sich in der pädagogischen Diskussion durchgesetzt zu haben scheint, dass Bildungsqualität hauptsächlich an die Qualität von Prozessen gebunden ist. Nationale wie internationale Vergleichsstudien konzentrieren sich jedoch zumeist auf die Erreichung bestimmter Kompetenzen, die beispielsweise ← 14 | 15 → in den Bildungsstandards festgelegt sind, und somit auf die Ergebnisqualität von Unterricht. Doch was nützt das Ergebnis, wenn die Ursachen, die Prozesse, nicht erfasst werden? In dieser Arbeit steht daher die Bedingungsseite des Unterrichts im Vordergrund.

Details

Seiten
290
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653038972
ISBN (ePUB)
9783653990881
ISBN (MOBI)
9783653990874
ISBN (Hardcover)
9783631648698
DOI
10.3726/978-3-653-03897-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Schlagworte
Unterrichtsentwicklung Unterrichtsbeurteilung Schülerfeedback Unterrichtsqualität und Sympathie
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 290 S., 4 s/w Abb., 38 Tab.

Biographische Angaben

Julia Kloss (Autor:in)

Julia Kloss studierte Pädagogik der Kindheit und Lehramt an Grundschulen an der Universität Erfurt. Anschließend promovierte sie mit einer Förderung durch die Jutta-Heidemann-Stiftung. Derzeit ist sie als Grundschullehrerin tätig.

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