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Doketismus und Inkarnation

2014
978-3-7720-5524-9
A. Francke Verlag 
Wichard von Heyden

Die Vorstellung, Jesus habe nur zum Schein existiert und gelitten (Doketismus), ist im frühen Christentum eine relativ späte Erscheinung und ist erstmals für die Gegner des Ignatius von Antiochien (ca. 110 n.Chr.) bezeugt. Doketistische Christologien knüpfen an ältere Vorstellungen vom Auftreten Christi als Mensch unter Menschen (Fleisch, Inkarnation) an und entwickeln diese weiter. Sie greifen dabei zusätzlich auf vulgärphilosophische Gedanken zurück, vor allem aber auf mystisches Allgemeingut des Frühjudentums und des frühen Christentums, insbesondere auf Vorstellungen von der Leidensfreiheit von Engeln (Engeldoketismus). Deutungen neutestamentlicher und anderer frühchristlicher Texte, die irgendeine Form von Doketismus voraussetzen, werden in dieser Arbeit geprüft und revidiert.

Wichard v. Heyden Doketismus und Inkarnation Die Entstehung zweier gegensätzlicher Modelle von Christologie Doketismus und Inkarnation TANZ 58 Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter herausgegeben von Klaus Berger, Matthias Klinghardt, Günter Röhser, Stefan Schreiber und Manuel Vogel Wichard v. Heyden Doketismus und Inkarnation Die Entstehung zweier gegensätzlicher Modelle von Christologie Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISSN 0939-5199 ISBN 978-3-7720-8524-6 Die Drucklegung des Werkes wurde unterstützt durch einen Zuschuss der Evangelisch- Lutherischen Landeskirche Hannovers. 29. September 2013 Meiner Frau Victoria v. Heyden sowie meinen Eltern Botho und Uta v. Heyden Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2013 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Zu danken habe ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Klaus Berger. Von ihm kam der erste Anstoß, zu promovieren, gefolgt von einer anregenden und fördernden Betreuung. In den Jahren des Vikariats und nach dem Einstieg in das Pfarramt wurden die Kontakte weniger, rissen aber nicht ab. Ein sehr herzlicher und weiser Brief nach Geburt unseres zweiten Kindes ließen bei meiner Frau und mir den Entschluss reifen, das Angefangene möglichst bald zu beenden. Darüber hinaus merkt jeder Kundige bei jeder Seite dieser Arbeit, dass ich das Glück hatte, in Heidelberg bei Klaus Berger lernen zu dürfen. Ein weiterer Anstoß zu dieser Promotion kam von meinem Prüfer im Ersten Kirchlichen Examen, Prof. Dr. Helmut Merkel (Osnabrück), der mich aufforderte, noch etwas mehr über 1 Joh herauszuarbeiten, als ich es in der damals vorgelegten Examensarbeit getan hatte. Ich danke meiner Heidelberger Fakultät, die diese Arbeit 15 Jahre nach ihrem Beginn angenommen hat; insbesondere der neutestamentlichen Sozietät danke ich für engagiertes Diskutieren, zuletzt im Sommer 2013. Ein besonderer Dank gilt meinem Zweitkorrektor, Prof. Dr. Helmut Schwier, der mir mit Wohlwollen und Gründlichkeit wertvolle Hinweise zur Überarbeitung mit auf den Weg gab. Den Professoren Dr. Günter Röhser, Dr. Manuel Vogel, Dr. Matthias Klinghardt und Dr. Stefan Schreiber sowie Dr. Klaus Berger vom TANZ-Herausgeberkreis danke ich für die Aufnahme in d Reihe. Während ich das vorliegende Projekt bearbeitete, wurde ich an vielen unterschiedlichen Stellen positiv begleitet und motiviert. Ich danke hier zunächst den Kollegen und Freunden aus dem Bergerschen Doktorandenkolloquium, von denen ich stellvertretend Dr. Markus Sasse und Dr. Julian Petkov nenne. Die liturgischen Mittwoch-Morgen-Gottesdienste der Heidelberger ESG schufen in anderer Hinsicht ein bleibendes Fundament. Für treue Begleitung danke ich Frau Renate und Herrn Prof. Dr. Adolf-Martin Ritter. Ebenso gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek des Wissenschaftlich- Theologischen Seminars der Universität Heidelberg. VIII Getragen und unterstützt wurde ich auch in meinen Vikariats- und Pfarrgemeinden sowie im Kreis der Mitvikarinnen und Mitvikare. Besonderer, herzlicher Dank geht an meine erste Gemeinde, St. Johannis Dahlenburg, wo stellvertretend für andere mein Kollege Pastor Christian Gohde zu nennen ist, der Verständnis für das Spezialinteresse seines jüngeren Kollegen zeigte. Viele interessierte Gemeindeglieder halfen, das Projekt immer wieder in den Blick zu nehmen. Der Bleckeder Superintendent Dr. Wolf-Dietrich Berner tat ein Übriges, mir ausreichend Freiraum zu gewähren. Das ist keine Selbstverständlichkeit! Auch in der Luthergemeinde Soltau bekam ich von verschiedener Seite Rückhalt, bis hin zur Buchbindung für die Handexemplare der Dissertationsschrift. Der Dank geht hier besonders an Elisabeth Encke. Schließlich ist die Gehrdener Margarethengemeinde der Ort, an dem ich diese Zeilen schreibe. Ohne die gute und tragende Gemeinschaft, für die ich stellvertretend für viele andere, meinem Kollegen Pastor Andreas Pöhlmann danke, hätte dieses Buch nicht entstehen können! Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich für die dreijährige finanzielle und ideelle Unterstützung zu Beginn der Arbeit. Der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers danke ich für einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Meine Eltern haben mich von Beginn an unterstützt und mir in den Phasen, in denen keine Aussicht auf Vorwärtskommen bestand, beigestanden. Mein Vater hat mir in den Monaten des Fertigstellens 2012 einige Stellen aus den Pseudo- Ignatianen übersetzt und die Arbeit auf Fehler und Inkonsistenzen durchgearbeitet. Auch meinem Patenonkel Dr. Georg v. Koppenfels sei für seine gründliche Durchsicht der Arbeit kurz vor Drucklegung herzlich gedankt! Meiner Frau danke ich, dass sie mich in den letzten Jahren ge- und ertragen hat, auch wenn ich übermüdet und wenig ansprechbar war. Immer wieder schuf sie nötige Freiräume. Ohne ihre liebevolle Unterstützung, ihr großes Organisationstalent und ihre emotionale Wärme hätte ich das Projekt nicht beendet. Sie hat es gewissermaßen mitgeschrieben! Ihr und meinen Eltern sei dieses Buch gewidmet. Gehrden, an Epiphanias 2014 Wichard v. Heyden Inhaltsverzeichnis 0 Zielsetzung und Übersicht der Arbeit 1 A. Aufgabenstellung und Forschungsgeschichte 2 Zielsetzung und Über 2 1 Einleitung 3 1.1 Gegenstand und Fragestellung 3 1.2 Der Zusammenhang von Inkarnation und Doketismus 3 1.3 Bisherige Aporien und die Suche nach einem neuen Weg 5 1.4 Definition des Begriffs Doketismus 7 1.5 Bezeugungen des Phänomens Doketismus 8 1.6 Doketisten oder Doketen 8 1.7 Gnosis und Doketismus 9 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 12 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 20 1.10 Auswertung des forschungsgeschichtlichen Überblicks 45 1.11 Aufgabenbestimmung 47 B. »Im Fleisch ist er gekommen«: 1 Joh und seine Gegner 49 Zielsetzung und Über . 49 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 49 Zielsetzung und Übersicht 49 2.1 Das Grundproblem der religionsgeschichtlichen Einordnung 50 2.2 Das Vorgehen der Untersuchung 54 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 55 2.4 Ergebnisse der Einleitungsfragen und Schlussfolgerungen 78 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 80 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 97 Zielsetzung und Übersicht 97 3.1 »Wir haben ihn gesehen! Und berührt! » 1 Joh 1,1-4 98 3.2 Lesesignale zum Schluss 105 3.3 Die Rolle Jesu in den Rahmenstücken: Die bisherigen Ergebnisse 112 X 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis 1 Joh 2,18-27 113 3.5 Der Auftritt Jesu in 1 Joh 4 125 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 126 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 142 3.8 Welt und Fleisch im neutestamentlichen Vergleich 150 3.9 »Gekommen« 155 3.10 Das Zelten Gottes in der Welt im Johannesevangelium 175 3.11 Ergebnisse im Blick auf 1 Joh 4,2: Der Christus ist da gewesen! 178 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 182 Zielsetzung und Übersicht 182 4.1 Die Position der Gegner (1 Joh 1,5-10) 183 4.2 Geist, Wasser, Blut die Rolle der Taufe nach 1 Joh 5 192 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 198 4.4 Fürsprecher im Himmel 211 4.5 Liebe, Sünde, Tod 214 5 Ergebnisse zu Inkarnation und Doketismus in 1 Joh 215 C. Das »Fleisch des Messias« im frühen Christentum (ohne Ignatius) 217 Zielsetzung und Übersicht. 217 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament 217 Zielsetzung und Übersicht 217 6.1 Ausgangspunkt 219 6.2 Der Messias im Fleisch 219 6.3 Das Fleisch des Messias bei Johannes 220 6.4 Christus wird Mensch bei Paulus 221 6.5 »Das Fleisch des Christus« bei Paulus 223 6.6 Römer 8,3 227 6.7 Kol 1,20-22 237 6.8 Eph 2,14f 238 6.9 1 Tim 3,16 238 6.10 Hebräerbrief 239 6.11 1 Petr 3,18; 4,1 241 XI 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) 245 Zielsetzung und Übersicht 245 7.1 Der Barnabasbrief 246 7.2 Der Hirt des Hermas (Herm) 256 7.3 Der Zweite Clemensbrief 259 7.4 Thomasevangelium: EvThom 28.29 265 7.5 Die Testamente der zwölf Patriarchen (TestXII) 266 8 Ergebnisse: »Fleisch des Messias« im frühen Christentum 271 D. »Zum Schein hat er gelitten«: Ignatius und seine Gegner 274 9 Die Ignatiusbriefe 274 Zielsetzung und Übersicht 274 9.1 Forschungsüberblick und methodische Orientierung 276 9.2 Das Martyrium des Ignatius 278 9.3 Ignatius als Mystiker 285 9.4 Gegner 289 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 315 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 337 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 347 9.8 Einer ist Arzt (IgnEph 7,2) 359 9.9 Ergebnisse: Inkarnation und Doketismus in den Ignatianen 361 E. Religionsgeschichtliche Entwicklungslinien 363 Zielsetzung und Übersicht. 363 10 Mystik 364 Zielsetzung und Übersicht 364 10.1 Inkarnation und Doketismus »In the Making« 365 10.2 Was ist ein Pneumatiker? 365 10.3 Erfahrungen von Ekstase und Enthusiasmus 367 10.4 Orientierung an Engeln und himmlischen Mächten/ Isangelie 369 10.5 Gestalten von Engeln und Dämonen 370 10.6 Engelshierarchien, Himmelsmächte und die Doketisten 373 XII 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie 373 Zielsetzung und Übersicht 373 11.1 Ansätze der Forschung 375 11.2 Menschen erscheinen äußerlich wie Engel (Verklärung) 376 11.3 Götter gehen unter Menschen umher 383 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) 384 11.5 Metamorphosen und Polymorphie bei Engeln, Aposteln und Christus 392 11.6 Menschen werden »Engel« genannt 398 11.7 Christus wird »Engel« genannt 399 11.8 Christologie und Angelologie bei Justin und Tertullian 403 11.9 Der »Engel des Herrn« und Jesus Christus in früher Exegese 404 11.10 Der Erhöhte in engelhafter Gestalt 404 11.11 Engel oder Gespenst? - Lk 24,37 und Mk 6,49 405 11.12 δοκεῖν zwischen dämonischer Mantik und göttlicher Offenbarung 406 11.13 Das gnostische Täuschungsmotiv in NHC II,4 und 5 409 11.14 Logos und andere »Hypostasen« im Frühjudentum 410 11.15 Lächeln im Angesicht des Todes (Märtyrer) 411 11.16 Ausblick auf die weitere Entwicklung 413 11.17 Ergebnisse: Doketisten, Engel und Judenchristen 419 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 42 Zielsetzung 42 12.1 Problemanzeige Messiaserwartung 422 12.2 Problemanzeige Inkarnation eines Himmelswesens 424 12.3 Christologische Kategorien und Inkarnation 427 12.4 Wie konnte Inkarnation für frühjüdische Menschen denkbar werden? 430 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung 463 Übersicht 463 13.1 Verborgene Epiphanie im Körperkleid 464 13.2 Von Ignatius zu Satornil 466 13.3 Von 1 Joh und Ignatius zu Kerinth 468 13.4 Ergebnis 469 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus 469 Übersicht 469 14.1 Fleisch, Leib, Seele und Geist 470 14.2 Jesus Christus ist nicht ins Fleisch gekommen? 471 1 1 XIII 14.3 Monophysitismus/ Dyophysitismus 471 14.4 Engelchristologie oder Angelomorphologie? 473 14.5 Gegner von 1 Joh und Ignatius 474 14.6 Was also ist Doketismus? 474 14.7 Was also ist Inkarnation? 475 14.8 Zusammenfassung: Entwicklungslinien in Richtung Doketismus 476 F. Ertrag und Ausblick 479 15 Ertrag 479 16 Ausblick 480 G. ANHANG 483 17 Die ignatianische Frage 483 17.1 Wer war Noët? 485 17.2 Themenstellung bei Noët und den Ignatianen 486 17.3 Die Lehre des Noët von Smyrna 487 17.4 Christologisches Gedankengut Noëts in den Ignatianen? 487 17.5 »Regula Fidei« 492 17.6 Ausgangslage für die weitere Beschäftigung mit Ignatius 497 18 Mögliche Reiseroute des Ignatius durch Kleinasien 498 19 Wortfeldtabellen zum 1. Johannesbrief 498 20 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis 503 20.1 Abkürzungen 503 20.2 Verwendete Software zur Erschließung von Quellentexten 504 20.3 Bibelausgaben 507 20.4 Textsammlungen/ Textausgaben 507 20.5 Grammatiken, Wörterbücher, Lexika 510 20.6 Kommentare zu 1 Joh 511 20.7 Weitere Literatur zu 1 Joh/ zum Corpus Johanneum 513 20.8 Ignatius von Antiochien 522 XIV 20.9 Antike Mystik, Engel und Engelchristologie 525 20.10 Gnosis und Doketismus 528 20.11 Weitere Literatur zu den Anfängen der Christologie 530 20.12 Übrige Literatur 535 21 Register 548 21.1 Altes Testament 548 21.2 Alttestamentliche Apokryphen 549 21.3 Neues Testament 549 21.4 Judaica 555 21.5 Frühes Christentum 557 21.6 Kirchenväter 560 21.7 Pagane Texte 561 21.8 Koran 561 21.9 Moderne Autoren 562 21.10 Antike Personen 564 21.11 Himmlisches Personal 564 21.12 Begriffe 565 0 Zielsetzung und Übersicht der Arbeit Die Anfänge der Christologie gelten weithin als ein Rätsel. Wie konnte es dazu kommen, dass ein Jude in christologischen Ausdrücken als »Sohn Gottes«, als »Menschensohn«, als »Herr« bezeichnet wurde? Die beiden gegensätzlichen Positionen »Doketismus« und »Inkarnation« werden weithin als in der Frühzeit des christlichen Glaubens gegeben akzeptiert. Wie aber konnten sie zustande kommen? Die Vorstellung, Jesus habe nur zum Schein existiert und gelitten (Doketismus), ist im frühen Christentum eine relativ späte Erscheinung und ist erstmals für die Gegner des Ignatius von Antiochien (ca. 110 n.Chr.) bezeugt. Doketistische Christologien knüpfen an ältere Vorstellungen vom Auftreten Christi als Mensch unter Menschen (Fleisch; Inkarnation) an und entwickeln diese weiter. Sie greifen dabei zusätzlich auf vulgärphilosophische Gedanken zurück, vor allem aber auf mystisches Allgemeingut des Frühjudentums und des frühen Christentums, insbesondere auf Vorstellungen von der Leidensfreiheit von Engeln (Engeldoketismus). Deutungen neutestamentlicher und anderer frühchristlicher Texte, die irgendeine Form von Doketismus voraussetzen, sind daher zu prüfen und zu revidieren. Eine Inaugenscheinnahme des Gegenstandsfeldes, der theoretischen Voraussetzungen und Untersuchungen der Auslegungs- und Forschungsgeschichte dienen als Einstieg (A.). Der erste Johannesbrief gilt als Kronzeuge für antidoketistische Polemik im frühen Christentum. Nicht nur die Kardinalstelle 1 Joh 4,2f, sondern der ganze 1 Joh wird in der Regel unter dieser Perspektive gelesen und verstanden. Nahezu alle Aussagen und Themen von 1 Joh sind in unterschiedlicher Weise in diesem Rahmen gedeutet worden. Diese intensive exegetische Deutungsarbeit verstärkt den Eindruck, dass trotz Zweifel im Einzelnen das Gesamtbild auf einen doketistisch-antidoketistischen Horizont hinweist. Es ist zu zeigen, wie 1 Joh auf dem Hintergrund der vorliegenden religionsgeschichtlichen Kenntnisse einfacher und mit geringerem hypothetischen Aufwand ohne doketistischen Hintergrund zu verstehen ist (B.). Die Arbeit hat sich dann um alle frühchristlichen Texte zu kümmern, in denen das »Fleisch Christi« thematisiert wird. Es zeigt sich: Nirgends ist Doketismus im Blick. Vielmehr wird deutlich, dass die Rede vom »Fleisch Christi« jeweils andere Hintergründe hat (C.). Erst Ignatius von Antiochien bezeugt Auseinandersetzungen mit doketistischen Auffassungen. Für die Darstellung der Entstehung des Doketismus sind die Argumente des Ignatius und die Wiedergabe der Position seiner Gegner von zentraler Bedeutung. Es ist zu zeigen, dass Ignatius von einer inkarnatorischen Christologie ausgeht und doch zugleich viele, wesentliche Positionen seiner Gegner teilt (D.). 0 Zielsetzung und Übersicht der Arbeit 1 So ergeben die Resultate der Teile B. -D. Ausgangspunkte für die weitere Herleitung doketistischer und inkarnatorischer Positionen: Die Entwicklung inkarnatorischer Vorstellungen in der Frühzeit war keine Reaktion auf doketistische Irrtümer. Das Fleisch-Christi-Motiv ist unter den gegebenen Voraussetzungen von Mystik und Kult schlüssig herzuleiten. Doketismus entwickelt sich erst dort, wo die im Hintergrund stehenden Konzepte nicht mehr verstanden und daher unter veränderten Blickwinkeln, wiederum mit Mitteln der Mystik, neu gedeutet werden (E.). Die Arbeit schließt mit einem zusammenfassenden Ertrag und systematischem Ausblick (F.). A. Aufgabenstellung und Forschungsgeschichte Zielsetzung und Über Die Einleitungsfragen dienen als Prolegomena und verorten die Arbeit forschungsgeschichtlich: a) Grundlegende theologische und historische Fragestellungen zum Thema Doketismus (1.1-1.3) sind zu klären. Dabei geht es nicht nur um den Gegenstand und die Fragestellung (1.1), sondern auch darum, dass der Zusammenhang von Inkarnation und Doketismus (1.2) über eine lange Zeit nur sehr einseitig in den Blick kommt, was an gut benennbaren Aporien der bisherigen Forschungsgeschichte liegt (1.3). b) Eine Definition des Gegenstandsfeldes Doketismus, so wie er in dieser Arbeit verstanden werden soll (1.4), sowie die Darstellung alter Bezeugungen von doketistischen Christologien (1.5-1.8), zeigen den Ausgangspunkt der Arbeit innerhalb der vielfältigen Text- und Gedankenwelten frühchristlicher Texte. c) Wie bedeutend der jeweilige konfessionelle oder philosophische Standpunkt der Forschenden für die religionsgeschichtliche Einordnung der Texte ist, zeigt der Überblick über die Forschungsgeschichte. Hier erweist sich, dass die jeweils eigenen philosophischen, ideologischen oder dogmatischen Konfliktlagen auf die Folie urchristlicher Konflikte aufgetragen wurden und dann in der Folgezeit die Darstellung der frühchristlichen Problemlagen entscheidend verändern (1.9). d) Ein Blick auf die zahlreichen Neuansätze sowohl in Detailfragen als auch in umfassenden theologiegeschichtlichen Modellen (1.9.2-1.9.6) zeigt gegenwärtig gangbare Wege des Herangehens und steckt den Rahmen der vorliegenden Arbeit ab. e) Mit einer Auswertung (1.10) und einer daraus abgeleiteten Aufgabenbestimmung (1.11) schließt der Einleitungsteil, indem er den Ertrag zusammenfasst und weiterführende Akzente setzt. 2 A. Aufgabenstellung und Forschungsgeschichte 1 Einleitung 3 1 Einleitung 1.1 Gegenstand und Fragestellung In der Forschung war es weithin üblich, die Gegner des 1. Johannesbriefes als Doketisten zu bezeichnen, da sie leugnen, dass »Jesus Christus im Fleisch gekommen ist« (1 Joh 4,2). In der Behauptung der Gegner des Ignatius, Christus habe nur »zum Schein gelitten« (IgnSm 3,2) vermutet man weithin eine eng verwandte, wenn nicht gar identische, vom Mainstream frühchristlichen Denkens abweichende Lehre. 1 Über diese Verbindung oder Verwandtschaft der Gegner des Ignatius und der Gegner des 1. Johannesbriefes lässt sich dann leicht eine Brücke schlagen zu der Annahme, auch beim Johannesevangelium und möglicherweise bei weiteren neutestamentlichen Schriften stehe positiv oder negativ eine Form von Doketismus im Hintergrund. Auch wenn in den letzten Jahren die Einhelligkeit in dieser Hinsicht immer weiter aufweicht, indem eine ganze Reihe unterschiedlicher Argumente dem bisherigen Konsens entgegengesetzt wurden, so steht doch eine grundsätzliche Überprüfung des Gegenstandes »Doketismus« in Bezug auf seine »Frühzeit« noch aus. Weithin nimmt man das Phänomen »Doketismus« als gegeben an - und zwar als eine relativ eindeutig zu bestimmende christologische Position -, ohne den Begriff und das bezeichnete Phänomen näher zu untersuchen. Zu fragen ist daher danach, was in Alter Kirche und moderner Forschungsgeschichte unter Doketismus verstanden wird. Erst danach sind 1 Joh und die Ignatianen in eigenständigen Kapiteln auf die in ihnen bekämpften gegnerischen Positionen zu überprüfen. Dabei wird auch positiv und ausführlich nach der Funktion der Inkarnation gefragt, deren herausgehobene Thematisierung oft schon an sich als Hinweis auf eine antidoketistische Position gewertet wird. Insgesamt ist zu fragen, wie man die unterschiedlichen Probleme, die in 1 Joh und den Ignatianen zur Sprache kommen, sachgemäß einordnen kann und wie das Verhältnis der erhobenen Positionen zu dem zu bestimmen ist, was klassisch als »Doketismus« bezeichnet wird. Religionsgeschichtlich ist zudem nach den »Wurzeln« doketistischer und inkarnatorischer Auffassungen zu fragen, d.h. nach den Voraussetzungen, die die Entstehung dieser christologischer Grundvorstellungen ermöglicht haben. 1.2 Der Zusammenhang von Inkarnation und Doketismus Bevor wir uns der Frage, was mit Inkarnation und Doketismus gemeint sein könnte, zuwenden, gilt es ein wesentliches Verständnisproblem wahrzunehmen: Inkarnation wird sowohl von Laien in der Kirchengemeinde als auch von theo- 1 So mit unterschiedlichen Akzentsetzungen die beiden Monographien von P. W EIGANDT und W. U EBELE zum Thema Doketismus. W EIGANDT geht von ähnlichen, verwandten, U EBELE von identischen oder jedenfalls nahezu identischen Gegnerpositionen aus. 4 A. 1 Einleitung logischen Fachleuten als Teil einer Vergottungsstrategie wahrgenommen. 2 Weitläufig ist man bewusst oder unbewusst der Ansicht, die Aussage, Jesus sei Gottes Sohn, verdanke sich einer spät-nachösterlichen Karriere des Andenkens an Jesus bei seinen Jüngern. Es scheint ganz »hohe« und damit späte Christologie darzustellen. 3 Im allgemeinen Bewusstsein unserer Zeit schwingt die Vermutung mit, man habe es hier mit späteren Dogmatisierungen zu tun. Reißerische, pseudowissenschaftliche Veröffentlichungen suggerieren, derartige Aussagen seien erst Erfindungen der altkirchlichen Konzilien. Schon H ENGEL zeigte, dass dies ein Irrtum ist, da derartige Aussagen (vgl. Phil 2,6-11) nicht nur weit vor den Konzilien gemacht wurden, sondern auch noch zu den ältesten und nicht zu den jüngsten schriftlichen Zeugnissen des frühen Christentums gehören. 4 Seither beschäftigt die Frage nach »Christology in the Making« (D UNN ), also die Frage nach den Bedingungen und geistesgeschichtlichen Möglichkeiten für die Entstehung der Inkarnationsvorstellung, die neutestamentliche Forschung. Gefragt wird, wie derartige Aussagen zu Lebzeiten Jesu oder kurz nach Golgatha zustande kommen konnten. Insofern man Inkarnation als Thema einer hohen, späten Christologie im Blick hat, ist paradoxerweise eine gewisse Nähe zur Doketismusvorstellung gegeben: Wenn Jesus nur noch »göttlich« (als Mensch gewordener Gott oder Gott gewordener Mensch) geschildert wird, liegt die Tendenz nahe, den menschlichen Teil Jesu zu minimieren. Darauf zielt der Vorwurf der »Vergottungsstrategie«. Umgekehrt ist »Inkarnation« aber der klassische Widerpart zu »Doketismus«. Wo doketistische Vorstellungen im frühen Christentum und der Alten Kirche begegneten, wurde regelmäßig mit Bezug auf die Inkarnation geantwortet. Daraus wurde in der Forschung der Moderne häufig geschlossen, die Inkarnationsvorstellung sei überhaupt erst in Auseinandersetzung mit doketistischen Vorstellungen entwickelt oder zumindest in diesem Zusammenhang ausgebaut worden. 5 Damit ist eine weithin vorherrschende Ansicht wiedergegeben, wonach massive, inkarnatorische Vorstellungen im Neuen Testament, bei den Apostolischen Vätern und in weiteren frühchristlichen Schriften als Reaktion auf Doke- 2 »Das Motiv der Vergottung bestimmt bekanntlich die ganze Geschichte der altkirchlichen Christologie. Auf ihrer Hauptlinie wurde die Vergottung als Folge der Inkarnation, also einer Bewegung von Gott zum Menschen gedacht« (P ANNENBERG , Grundzüge, 33). Vgl. D UNN , Christology, 1-11. 3 N.T. W RIGHT , Jesus’ Self-Understanding, 50: »We still live in a climate of thought in which two propositions are assumed as axiomatic: (a) no first-century Jew could think of incarnation. (...) (b) no sane people (and we hope Jesus was sane, though even his family said he was mad! ) could think of themselves as the incarnate Sons of God.« 4 H ENGEL , Sohn Gottes, 12-17. Es ist an sich belanglos, ob Phil 2,6-11 paulinisch ist oder nicht (Infragestellung durch B RUCKER , Christushymnen, 311-315). Denn davon unabhängig macht H URTADO wahrscheinlich, dass schon die anfängliche Abwehr des christlichen Glaubens durch Paulus in seiner Frühzeit, also noch in den dreißiger Jahren, auch durch die in Frage stehenden hochchristologischen Aussagen provoziert war (H URTADO , Jesusverehrung, 266-274). Folglich sind diese schon zu diesem Zeitpunkt im Grundsatz vorgegeben. 5 »Die Auseinandersetzung mit dieser Irrlehre zwang die Kirche im 1. und 2. Jahrhundert, die Inkarnation Gottes in Jesus Christus (...) weitaus stärker in den Vordergrund zu stellen, als vor dem Auftreten dieser Irrlehre« (W EIGANDT , Doketismus, 158). 1.3 Bisherige Aporien und die Suche nach einem neuen Weg 5 tismus anzusehen seien. Hier schwingt wieder der Vorwurf verfälschender, kirchlicher Dogmatisierung mit. Vor diesem Hintergrund werden Stellen, die vom »Fleisch Christi« sprechen, vielfach als antidoketistisch wahrgenommen. Die Inkarnationsvorstellung ist daher als eine Antibzw. Zwillingsvorstellung zum Doketismus, deren Entstehung oder Entwicklung eng mit dem Doketismus verknüpft wird, mit in den Blick zu nehmen, wenn die Frage nach den möglichen Anfängen des Doketismus gestellt wird. Zu der Ansicht, die Stellen, die vom »Fleisch Christi« sprechen, seien tendenziell antidoketistisch gemeint, werde ich in dieser Arbeit eine Alternative anbieten. Demnach ist selbst bei Ignatius von Antiochien das christologische Interesse an der Inkarnation Christi nicht erst ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit Doketismus, sondern lange vorgegeben. Und bis zu Ignatius ist festzuhalten, dass keine Stelle, die das »Fleisch des Messias« im Fokus hat, auf einen vorgegebenen Doketismus reagiert. Die Inkarnationsvorstellung hat frühchristlich andere Wurzeln als die Reaktion auf den Doketismus. Umgekehrt ist der Doketismus als Reaktion auf die Verschiebung verschiedener anthropologischer und theologischer Grundauffassungen zu verstehen, so dass daraufhin die Menschwerdung Christi als Grundvorstellung unplausibel erschien. Offensichtlich sah man die Notwendigkeit einer anspruchsvolleren oder jedenfalls glaubhafteren Interpretation der Christus-Geschichte. Zugleich haben die Auffassung von der Menschwerdung Christi und die Vorstellung eines nur scheinbaren Leidens bzw. Menschseins gemeinsame Ursprünge in der frühjüdischen (und frühchristlichen) mystischen Auffassung von Gott und Welt. 1.3 Bisherige Aporien und die Suche nach einem neuen Weg Aporien, die die Erforschung von Doketismus- und Inkarnationsvorstellungen behindert haben, sind: - 1 Joh 4,2 konnte man sich lange nur als Hinweis auf Doketismus vorstellen. Entsprechend hatte man den gesamten 1 Joh im Licht einer antidoketistischen oder antignostischen Auseinandersetzung gelesen und auch andere, sonst schwierig erscheinende Stellen in dieser Weise gelesen und »gelöst«. Seit dem Ende der Hypothese einer vor- oder frühchristlichen Gnosis schon im 1. Jahrhundert helfen auch Spätdatierungen von 1 Joh bis zur Jahrhundertwende kaum weiter. Obwohl man weiß, dass verschiedene Merkmale innerhalb von 1 Joh eindeutig auf frühere Zeitpunkte (Augenzeugenschaft) und nichtgnostische Zusammenhänge verweisen, fällt es schwer, sich vom alten Bild einer antidoketistischen Schrift zu lösen, weil dieses alte Bild in vielen Einzelheiten stimmig ist. - Ignatius von Antiochien gibt Rätsel auf, was den Zusammenhang von judaistischen und doketistischen Gegnern betrifft. Auch die Verbindungslinien zu Gnosis und zum Judentum sind umstritten. Einerseits datiert man Ignatius im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts. Andererseits meint man, die innertextlich gegebenen Stichworte nur mit Begriffen, die späterer Zeit entstammen (Monophysitismus, Modalismus usw.), lösen zu können. 6 A. 1 Einleitung - Die Beschreibung von Doketismus mit Hilfe von Kategorien der antignostischen Häresiologen der Alten Kirche ist problematisch. Immer wieder begegnet massiver Anachronismus in den gewählten Begrifflichkeiten, auch die Bezeichnung »naiv«, um zu kennzeichnen, dass im eigentlichen Sinne die Sache noch gar nicht vorliegt, hilft nicht weiter, sondern erzeugt eine falsche Fokussierung des Blicks. - Durch den mit Hilfe der Kirchenväter-Kategorien gelenkten Blick ist man trotz vielfacher Kritik geneigt, Textstellen, die vom Fleisch Christi handeln, antidoketistisch einzuordnen. So bleibt Doketismus als neutestamentlich-frühchristliche Kategorie erhalten. - Die Inkarnationsvorstellung ist für ein von der Aufklärung geprägtes Denken schwer zu bewältigen. Doketismus kommt dagegen vor allem idealistischen Gedankengängen näher. Daher ist man geneigt, die Inkarnationsvorstellung und mit ihr die Textstellen, die vom »Fleisch Christi« sprechen, für eine notwendige Korrektur der Auflösung von Religion ins rein Geistige zu halten. - Obwohl lange bekannt ist, dass Engelvorstellungen und Mystik im Frühjudentum (in älterem Sprachgebrauch: »Spätjudentum«) und im frühen Christentum eine große Rolle spielten und viele Parallelen zur Inkarnations- und Doketismusvorstellung bieten, liegt diese historisch naheliegende Kategorienwelt bis auf wenige Ausnahmen in der Forschung bislang völlig fern. In diesem Bereich liefern aber die häresiologischen Brillen der Alten Kirche kein scharfes, sondern ein häufig sehr verzerrtes Bild, wie man an den Originaltexten sehen kann. - Aus guten Gründen möchte man die Christologie nicht aus der Angelologie ableiten. Das ist zwar weder nötig noch von den Texten her zu belegen, scheint aber seit M. W ERNERS Theorie einer frühchristlichen Engelchristologie 6 der einzig denkbare Zusammenhang zwischen Christologie und Engellehre zu sein. Durch diese Fehl- Alternative ist das ganze Themenfeld aus dem Blick gerückt. Auch wenn man Christus - und andere Menschen engelhaft beschreibt, heißt das nicht, dass eine ontologische Engelhaftigkeit vorliegen muss. Diese Arbeit beschreitet andere Wege: - 1 Joh ist so zu beschreiben, dass 1 Joh 4,2 zu verstehen ist, ohne dass der erst später sicher belegte Doketismus die Richtung vorgibt. Ebenso sind alle anderen Gegnerstellen schlüssig zu beschreiben. - Ignatius von Antiochien und seine Gegner sind differenzierend und verbindend in den Blick zu nehmen. Die alte Polemik gegenüber den Gegnern ist zu überwinden. Es ist positiv zu fragen, was sie vor Augen haben, wenn sie das Leiden und die Leiblichkeit Christi abstreiten. Ebenso ist nach den Gemeinsamkeiten mit Ignatius zu fragen. Vieles wird im religionsgeschichtlichen Überblick am Schluss dann noch einmal deutlicher. - Früher Doketismus ist mit den Kategorien der Engel-Lehre gut beschreibbar, was hellenistische, philosophische Hintergründe in keiner Weise ausschließt. - Die Stellen zum »Fleisch des Messias« sind zu untersuchen und darzustellen. - Ein neues Verständnis für Inkarnation und Doketismus ist zu entwickeln. - Dafür ist auf die frühjüdische Mystik zurückzugreifen. - Engelvorstellungen sind dabei auf andere Phänomene der frühjüdischen Mystik zu beziehen. 6 W ERNER , M., Die Entstehung des christlichen Dogmas problemgeschichtlich dargestellt, Bern/ Leipzig 1941. Zu W ERNER siehe unten S. 375f; 404 und 473. 1.4 Definition des Begriffs Doketismus 7 - Schließlich ist grundlegend zu beschreiben, wo die Inkarnations- und die Doketismusvorstellung ihre gemeinsamen Wurzeln haben. 1.4 Definition des Begriffs Doketismus Der Begriff des Doketismus wird in der Forschung und bei den Häresiologen der Alten Kirche auf christologische Positionen angewandt, die seit der Zeit des Ignatius von Antiochien, der sich gegen doketistische Positionen wendet, bezeugt sind. Fraglich ist, wie diese Positionen zustande kamen und welche religionsgeschichtlichen Hintergründe und Anlässe den Anstoß gaben. 7 »Was ist eigentlich Doketismus? « 8 Der unten folgende Überblick (S. 9ff) zeigt, dass das, was als »Doketismus« bezeichnet wird, durchaus nicht einheitlich, sondern in sich vielfältig ist: Angefangen bei einem »scharfen« Doketismus, der nur eine Scheinexistenz Christi annimmt, bis hin zu Trennungschristologien, in denen das Leiden Christi entweder auf eine andere Person oder auf einen Personenteil Christi übertragen wird, besteht eine große Bandbreite. Auch verschiedene Formen von polymorphen Transformationen des Leibes Christi, wie sie z.B. in den Johannesakten bezeugt sind, führen dazu, dass in Wirklichkeit etwas anders gegeben ist, als es äußerlich den Anschein hat. Angesichts der vielfach ineinander übergehenden Vorstellungen ist eine Eingrenzung auf einen »scharfen« Doketismus (reine Scheinchristologie), der zudem äußerst spärlich bezeugt ist, nicht sinnvoll. Ich gehe daher im Folgenden von der grundsätzlichen Beobachtung des bloß Scheinbaren an der Person Jesu aus, die m.E. ausreichend definiert, was unter Doketismus zu verstehen ist: Gemeint ist mit Doketismus immer, dass Christi Wirken auf Erden in irgendeiner Hinsicht oder sogar ganz und gar nur als »Schein« (δόκησις) stattgefunden hat. Dies kann sich a) auf sein Leiden beziehen, das nur scheinbar geschehen sei, ist b) auf alle Aspekte des Menschseins anwendbar, sowie c) auf die gesamte Menschwerdung und die Wahrnehmung der Leiblichkeit Christi. 9 7 Siehe dazu etwa W ILLIAMS , Jesus Christus. 8 W EIGANDT , Doketismus, S. 1, verweist auf begriffliche Unklarheiten, die er mit einer klaren Begrenzung des Begriffs überwinden möchte. Ich ziehe dagegen eine weiter gefasste Definition vor. So kann verhindert werden, die Vielfalt der frühchristlichen Entwicklungen vorschnell auf ein Konzept hin zu beschränken. Mir geht es dabei nicht um einen umfassenden Oberbegriff für eine frühchristliche Häresie, sondern um ein weiter verbreitetes Phänomen, das sich bis weit in »orthodoxe« Schriften zeigen lässt (s.u. S. 12ff). 9 Ähnlich definiert K RÜGER , Doketen, 764 Doketismus als »Theorie, welche die Wahrheit und Wirklichkeit der menschlichen Erscheinung Christi bedingungsweise oder völlig leugnet.« L ÖHR bezeichnet Doketismus als »jegliche Art von Christologie (...), die a) die wahre Menschheit des Gottessohnes Jesus Christus durch die Annahme eines Leibes von bes. Qualität einschränkt, oder die b) Leid und Tod Jesu Christi als bloß scheinbar lehrt, oder die c) die Menschheit Christi als nicht zum transzendenten Personkern gehöriges Akzidens charakterisiert und somit Erdenwandel, Leiden und Tod so bestimmt, daß sie den Erlöser nicht wirklich betreffen« (W.A. L ÖHR , Doketismus, 925). Dagegen sind die Kriterien, die W EIGANDT für das, was er im strengen Sinne Doketismus nennen will, nämlich einen subordinationistischen Monophysitismus (s.u.), zu eng. Vorteil eines eher offenen Begriffs ist, dass der Untersuchungsgegenstand, nämlich die Gegner von 1 Joh und die des Ignatius von Antiochien, nicht voreilig auf ein Konzept hin befragt werden müssen, das erst später bezeugt ist und daher zunächst in beiden Fällen anachronistisch wirkt. Kritisch zu W EIGANDT ebenfalls: B ROX , Problemanzeige; V OOR - GANG , Passion, S LUSSER , Docetism. Dagegen definiert B RANKAER , Gnosis 253 jüngst wieder näher an W EIGANDT , Doketismus bedeute, dass Jesus »nur als Mensch (mit einem Scheinleib) erschienen« sei. 8 A. 1 Einleitung 1.5 Bezeugungen des Phänomens Doketismus Als erste ausdrückliche Bezeugung von Doketismus gilt abgesehen von der umstrittenen johanneischen Thematik - Ignatius von Antiochien, der sich zu Beginn des 2. Jahrhunderts über kleinasiatische Gegner äußert. Ausgangspunkt dafür, Gegner des Ignatius von Antiochien als »Doketisten« zu bezeichnen, ist dessen Aussage, seine Gegner seien der Ansicht, Christus habe nur »zum Schein« gelitten gr.: τὸ δοκεῖν. IgnTr 10: Es gibt Leute, die sagen, »τὸ δοκεῖν πεπονθέναι αὐτόν« er habe nur zum Schein gelitten (vgl. auch IgnSm 2). Ignatius selber bezeichnet seine Gegner zwar nicht als »Doketen« oder »Doketisten«, 10 bezeugt aber das Phänomen des Doketismus für seine Zeit. 11 Was genau den Doketismus der Gegner des Ignatius ausmacht, ist damit nicht genau definiert. Wir wissen zunächst einmal nur, dass eben das Leiden Christi in seiner vollen Wirklichkeit bestritten wird. Erst in späterer Zeit bezeichnet Theodoret zusammenfassend unterschiedliche Gruppen gnostischer Gegner als Doketen (»die Lehre Markions und Valentins und Manets und der anderen Doketen«): Ep 82 (PG 83, 1264): τὴν Μαρκίωνος και Βαλεντίνου και Μάνητος καὶ τῶν ἄλλων Δοκιτῶν αἵρεσιν. 1.6 Doketisten oder Doketen Der Begriff »Doketen« meint bei Clemens von Alexandrien eine einzelne Gruppe. 12 Gründer der »Dokesis« sei der Valentinschüler Julius Cassianus (strom. 3,91,1). 13 Er sei zu seiner Lehre gekommen, weil die Geburt Jesu in seinen Augen etwas Schlechtes sei (strom. 3,102,1-3). Was damit aber genau gemeint ist, wird nicht näher geschildert. Auch Hinweise bei Clemens auf die Benutzung eines »Ägypterevangeliums« und bei Euseb auf die Benutzung eines »Petrusevangeliums« durch diese Gruppe bringt kein klares Ergebnis. 14 Dagegen stellt Hippolyt die Lehre der »Doketen« umfangreicher dar, in manchen Punkten den valentinianischen Auffassungen entsprechend (Hipp.haer. 8,8,2-8,10,11). 15 Diese Lehre ist aber eher als spezifisch für diese eine Gruppe anzusehen und nicht zu übertragen auf alle diejenigen Gruppen, die mit der Sammelbezeichnung »Doketen« oder »Doketisten« benannt werden. 16 Schon die weiteren von Theodoret, Ep 82 unter den Begriff »Doketisten« subsumierten Gruppen dürften jedenfalls durchaus andere Christologien vertreten haben. Es ist daher der Forderung von B ROX und W EIGANDT zuzustimmen, mit »Doketen« nur die hier bezeichnete spezifische Gruppe zu bezeichnen; mit »Doketisten« bzw. »Doketismus« hingegen das übergreifende Phänomen als solches. 17 Das bedeutet, dass bei den Ausdrücken »Do- 10 W EIGANDT , Doketismus 27: »Die Bezeichnung Doketismus ist sekundär und erst sehr spät aufgekommen. In der urchristlichen und altkirchlichen Literatur fehlt sie. Abgeleitet ist dieser Name aus der griechischen Wurzel δοκ-ε, mit der auch einige Begriffe gebildet sind, derer sich die antihäretische Literatur bediente, um die doketistische Christologie zu beschreiben. Freilich missbrauchte man sie auch zur Schilderung anderer Irrlehren.« 11 W EIGANDT , Doketismus 28: »Es fällt auf, dass nach Ignatius erst Irenäus wieder versucht hat, das Phänomen Doketismus genauer zu schildern.« 12 Zu den Doketen bietet W EIGANDT einen Exkurs (Doketismus, 74-82), mit ausführlichem Material. 13 R UDOLPH , Gnosis, 181. 14 Vgl. W EIGANDT , Doketismus, 75ff. 15 R UDOLPH , Gnosis, 181, hält die Lehre der »Doketen« für verwandt mit der der Valentinianer. Entsprechungen in beiden Konzepten sind: der substanzielle Dualismus; die Vorstellung einer Äonenwelt; die Unterscheidung zwischen Urgott, Schöpfergott und Erlöser; der Abstieg des Erlösers; die Umgehung des Leids durch den Erlöser. 16 So auch W EIGANDT , Doketismus, 82, B ROX , Doketismus, 305; K RÜGER , Doketen 764. 17 B ROX , Doketismus, 305; W EIGANDT , Doketismus, 82. 1.7 Gnosis und Doketismus 9 ketisten« und »Doketen«, die in der Alten Kirche oder in der älteren Forschung verwandt wurden, im Einzelfall zu prüfen ist, ob »Doketismus« im Sinne der neueren Forschung gemeint sind. Festzuhalten ist: Die »Doketen« Hippolyts vertreten eine gnostische Weltsicht mit doketistischen Elementen. Von einem besonderen Nachdruck, das »Leiden Christi« zu diskutieren oder zu bestreiten, kann man aber in den vorliegenden Texten nicht sprechen. 18 Es bleibt somit auch unklar, wie es zu dieser Bezeichnung kam. 19 1.7 Gnosis und Doketismus In der neutestamentlichen und kirchengeschichtlichen Forschung war es lange Zeit üblich, gnostische Christologien generell als doketistisch anzusehen. Aufgrund des kosmologischen Dualismus der Gnosis und aufgrund häresiologischen Berichte der Kirchenväter meinte man, Gnosis und Christentum seien in der Christologie grundsätzlich verschiedene Wege gegangen. Da die Gnosis »die reale Menschheit Jesu nicht anerkennen« konnte, hätten alle gnostischen Strömungen eine doketistische Auffassung von Jesus vertreten. 20 Wie sich jedoch bei genauerem Hinsehen auf die Lehren der von den Kirchenvätern genannten einzelnen Gruppen bzw. ihrer Gründerfiguren zeigt, sind die so zusammengefassten Lehren keinesfalls einheitlich - und zwar auch in der Christologie nicht. Diese Einsicht wird durch die neu gefundenen Schriftstücke aus Nag Hammadi noch verstärkt. 21 Es gilt daher, dass von einer gnostischen Theologie nicht unbedingt auf doketistische Christologie zu schließen ist. 22 Vor zu viel Vereinheitlichung ist an dieser Stelle zu warnen, schon mit Blick auf die Untersuchungen von T RÖGER und 18 Mit dem Phänomen des Doketismus hängen bei den »Doketen« Hippolyts folgende Aspekte zusammen: a) Die Verborgenheit der Ankunft auf der Erde (scheinbar geschieht sie ja gar nicht). b) Die Vielfalt der Offenbarungsweisen (scheinbar ist es für jede Gruppe ein anderer, der erscheint). c) Der Glanz blendet und macht den im Glanz stehenden Erlöser unsichtbar (und faktisch ungreifbar). d) Im Zusammenhang mit der Kreuzigung verlässt die Seele das Fleisch und bezieht den neuen Leib (Typos). e) Das Stichwort »Leid« fällt zwar nicht, de facto wird das Leiden durch den vorhandenen Ur-Körper aber umgangen. Es ist deutlich, dass die Macht und der Glanz des Erlösers eigentlich jede Form von Finsternis und Leid ausschließen. Offenbar ist aber das Leiden des Erlösers kein Problem, das für sich diskutiert wird. Der Doketismus der Doketen des Hippolyt ist daher in keiner Weise derartig hervorstechend, wie man es von ihrer Bezeichnung her erwarten könnte. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu der Situation, auf die Ignatius von Antiochien reagiert. 19 W EIGANDT meint, dass hier gar kein Doketismus vorliege, da Christus hier als durch die Geburt »mit Fleisch umkleidet« vorgestellt wird. (W EIGANDT , Doketismus, 82). 20 B ULTMANN , Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 6 1968, 172. Die Position Bultmanns nimmt ältere Anschauungen auf, wie man sich schon bei F. C HR . B AUR finden kann: »Die gnostische Ansicht von der Person Christi kann nur als Doketismus bezeichnet werden. Der Doketismus ist im Allgemeinen die Behauptung, dass die menschliche Erscheinung blosser Schein ist, etwas blos Vorgestelltes, die blosse Vorstellung, Meinung von etwas Wirklichem, eine blosse δόκησις, welcher alle objective Realität fehlt. Geht man von der Voraussetzung aus, dass in Christus das Menschliche dieselbe Realität haben müsse, wie das Göttliche, so kann, sobald nur das Göttliche in Christus nicht geläugnet wird, die Antithese eine doppelte sein: entweder wird dem Menschlichen in Christus die objective Realität abgesprochen, sein menschlicher Körper für einen blossen Scheinkörper erklärt, oder es wird wenigstens das Menschliche vom Göttlichen so getrennt, dass zwischen beidem keine persönliche Einheit mehr besteht« (Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte. Das Dogma der Alten Kirche. Erster Abschnitt. Von der Apostolischen Zeit bis zur Synode in Nicäa, Leipzig 1865, 609). 21 V gl. B ROX , Doketismus; T RÖGER , Christologie; K OSCHORKE , Polemik; V OORGANG , Passion. 22 M ARKSCHIES stellt lapidar fest: »Die früher geäußerte Ansicht, die Gnosis (...) sei grundsätzlich (...) doketistisch (...), ist unzutreffend. Sie entstand u.a. durch die Polemik der antignostischen Väter, wird aber jetzt durch die Originalfunde widerlegt.« (Der Neue Pauly Bd. 3, Stuttgart/ Weimar 1997, 729f). Siehe B ROX , Problemanzeige; vgl. auch S LUSSER , docetism. 10 A. 1 Einleitung V OORGANG (s.u. S. 41). Allerdings nehmen in unterschiedlicher Weise viele gnostische Zeugnisse eine veränderte bzw. sich verändernde Leiblichkeit Christi an. Sie ringen mit der Frage, wie himmlischer Christus und irdischer Jesus zueinander passen. Bei den Kirchenvätern finden sich in den »Ketzerreferaten« eine ganze Reihe von Hinweisen auf verschiedene gnostische Christologien, die hier von Interesse sind. W EIGANDT , der ausdrücklich »mit Hilfe der christologischen Termini der alten Dogmengeschichte« eine »präzise Beschreibung der verschiedenen gnostisch-christologischen Auffassungen« 23 darzustellen versucht, hat hierin neben einiger Kritik doch vielfachen Zuspruch und Nachahmung gefunden, nicht zuletzt bei U EBELE . 24 Die Problematik dieses Vorgehens markiert W EIGANDT zwar selbst (ebd.), dennoch wird die Nomenklatur nicht nur von ihm verwendet, sondern in der auf W EIGANDT folgenden Forschung immer wieder als grundlegende Referenz zum Thema Doketismus angegeben. Die aus der späteren Zeit der Dogmenentwicklung stammenden Begriffe auf Phänomene der Anfangszeit anzuwenden, kann jedoch nur in heillosem Anachronismus enden. Dieser Gefahr ist die Doketismusforschung lange erlegen, obwohl viele Ansätze gemacht worden sind, sich der allzu festen Bindung an die systematischen Einordnungen durch häresiologische Begriffe zu entziehen. Jedenfalls ist der Ansatz bei der Außensicht der Dinge (durch die Häresiologen) methodisch als »zweite Wahl« anzusehen, 25 weil die bei den Häresiologen bekämpften Gruppen in ihrer Eigendarstellung mit Sicherheit anders verfahren wären und verfahren sind, wie man neueren Funden zum Thema Gnosis entnehmen kann. 26 U EBELE nimmt in Anschluss an W EIGANDT 27 drei wesentliche Typen von Doketismus an: 28 23 W EIGANDT , P., Doketismus, 17. 24 U EBELE , Verführer, 48 Anm. 18; U EBELE versucht insgesamt, W EIGANDTS Ergebnisse weiter zu präzisieren. 25 Das sieht auch W EIGANDT , Doketismus, 100 und beklagt, dass nur die Johannesakten als Selbstzeugnisse eines »echten« Doketismus erhalten seien. Mit Blick auf die Vielfalt, die unten (S. 363ff: »Religionsgeschichtliche Entwicklungslinien«) gezeigt wird, ist einzuwenden, dass es viel mehr Zeugnisse gibt, wenn man die Einengung auf eine bestimmte dogmatische Begrifflichkeit verlässt. 26 Bahnbrechend in der Darstellung gnostischer Eigensicht in Konfrontation mit den sich durchsetzenden Häresiologen ist die Arbeit von K OSCHORKE (s.u. S. 40). 27 W EIGANDT , Doketismus, 4-17. W EIGANDT führt sieben Formen gnostischer Christologie auf, worunter auch die Urmenschchristologie der Naassener (Hipp.haer. 5,6,6f; 5,8,13f) falle. Die aber spekuliert gar nicht über die Leiblichkeit Christi. Als verbreitetste Form der Christologie macht W EI - GANDT unter dem Sammelbegriff der älteren Forschungsgeschichte (mit Bezug auf H. L IETZMANN und A. V . H ARNACK ) die Pneumachristologie aus, wonach der unsterbliche Gott bzw. Logos sterbliches Menschsein wie ein Kleid angezogen habe (in unterschiedlichen Ausprägungen: Testsim 6,7; Or.Cels 4,15; EpAp 19), oder Christus im Fleisch erschienen sei (1 Tim 3,16; Barn 12,10). Nach W EIGANDT findet sich Pneumachristologie in verschiedenen Spielarten etwa in den Oden Salomos, der Ascensio Jesajae, 3 Kor, KindhEvThom, EvPhil, ActPaul, ActPetr sowie weiteren Schriften. W EIGANDT hat sicher Recht, wenn er darin eine unzulässige Ausweitung des Begriffs sieht. Er verweist darauf, dass Pneumachristologie erst im 4./ 5. Jahrhundert »von der antiochenischen Schule zu letzter Klarheit ausgebaut wurde« (ebd., 13). Zwar kann man auch derartige Phänomene im Zusammenhang mit der Frage nach Doketismus untersuchen (siehe unten S. 392ff und S. 458). Die Ähnlichkeit bezieht sich darauf, dass etwas scheinbar der Fall ist, dass jemand getäuscht wird oder sich täuscht. Aber das Leiden Christi wird nicht notwendigerweise mithilfe derartigen Christologien bestritten, so dass von Doketismus in eigentlichem Sinn so direkt nicht die Rede sein kann. 28 U EBELE , Verführer, 47f. 1.7 Gnosis und Doketismus 11 1. Nicht Jesus, sondern ein anderer Mensch (Simon von Kyrene) wird gekreuzigt (Basilidianer). 2. Der himmlische Christus verlässt den Menschen Jesus, in den er bei der Taufe gekommen ist, vor dem Leiden wieder (Kerinth). Dies sei eine subordinatianische, dyophysitische und dyoprosopische Anschauung, denn »der Mensch Jesus und der Gott Christus bleiben stets in ihren Naturen und Personen voneinander getrennt.« 29 3. Satornil, Kerdon, Markion und vergleichbar auch Valentin seien dem dritten, »radikalen« und »monophysitischen« Typ von Doketismus zuzuordnen: »dieser Typ geht von der Einheitlichkeit der Person aus, die auch gekreuzigt wurde, allerdings von pneumatischer oder psychischer Substanz ist, so dass ein wirkliches Leiden unmöglich ist.« 30 Schon dieser Blick auf die so vollzogene dogmatisch orientierte Typisierung von Doketismus zeigt, dass gnostische Christologie vielfältig war und dass einzelne Vorstellungen immer wieder in andere übergehen (»Mischformen«), wie W EI - GANDT festhält. 31 Und nicht jede gnostische Christologie muss als doketistisch angesehen werden. 32 Durch die Schriften aus Nag Hammadi verstärkt sich dieser Eindruck weiter. Eine ganze Reihe der dort gefundenen Schriften enthält keine doketistische Lehre. 33 Daraus ist zu folgern, dass hier vieles »im Fluss« ist. Wenn das, was hier noch »fließt«, mit späteren, feststehenden, dogmatischen Begriffen gefasst wird, dann besteht kaum eine echte Möglichkeit, das Phänomen an sich wahrzunehmen. Es ergibt sich als ein Ziel dieser Arbeit, von den vordogmatischen Denk- und Wahrnehmungsmöglichkeiten früher Christen auszugehen. Man kann die Klassifizierung doketistischer Positionen auch noch einmal vereinfachen und der dogmatischen Schubladen entkleiden. Demnach geht es in den doketistischen Anschauungen um zwei Grundorientierungen. 34 1. Das Leiden findet statt, aber es wird unterschieden zwischen dem Leidenden und Christus. Christus selbst ist nicht betroffen, weil er entweder die Gestalt getauscht hat oder »ausgestiegen« ist. Alleine der Mensch Jesus ist betroffen. 2. Das Leiden findet nicht statt, weil Gottes Sohn nicht leiden kann. Er kann auch nicht essen, trinken, hat im eigentlichen Sinn keinen wirklich menschlichen Körper, sondern scheint nur als Mensch aufzutreten. Die erste der beiden Grundannahmen findet in der späteren Zwei-Naturen- Lehre ihr Gegenstück. 29 Zitat aus W EIGANDT , Doketismus, 17. 30 U EBELE , Doketismus, 18. 31 W EIGANDT , 17. 32 Vgl. dazu auch B ROX , Problemanzeige? 33 Dazu ausführlich: V OORGANG , D., Passion. V OORGANGS Untersuchung zeichnet insgesamt ein differenziertes Bild der in den »gnostischen« Quellen, das zur Vorsicht mahnt, Gnosis und Doketismus in eins zu setzen. 34 Ähnlich V OORGANG . Schon H ARNACK unterschied so und hielt die »2-Naturen-Christologie« für die eigentlich typische Anschauung der Gnosis vgl. T RÖGER , Christologie, 46. 12 A. 1 Einleitung Die zweite Grundannahme hat, wie zu zeigen ist, ihren Ausgangspunkt in der Anschauung vom Auftritt von Engeln (Engelchristologie). Sie leidet darunter, dass sie im eigentlichen Sinne nicht möglich ist. Denn die Berichte mit ihren vielfachen Bezeugungen der Menschlichkeit Jesu in den Evangelien und anderen frühchristlichen Schriften (Thema: »Fleisch des Messias«) widersprechen einer solchen Auffassung zu deutlich. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass diese Form des Doketismus in den gnostischen Quellen fast gar nicht bzw. nur am Rande vorkommt. Möglicherweise erwies sich diese zweite Grundannahme als unmöglich durchzuhalten und wurde in den systematischeren gnostischen Ansätzen überführt in die hier erstgenannte Variante. 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 1.8.1 Doketismus außerhalb von Gnosis? Während einerseits eine »reine« Scheinchristologie nicht die Christologie der Gnosis ist, ist das Phänomen »Doketismus« im Sinne der eingangs genannten Definition (s.o. S. 7) auch nicht auf gnostische Schriften beschränkt gewesen. Es stellte ein attraktives Modell dar, mit dem man die göttliche Besonderheit Jesu darstellen konnte. So kann man zumindest die doketistische Fragestellung auch bei Leuten bzw. Texten beobachten, die nicht der Gnosis zuzurechnen sind. 35 Exemplarisch sind zu nennen: Clemens von Alexandrien schreibt: 36 »Aber von dem Herrn zu behaupten, dass sein Körper als Körper zu seiner Erhaltung die nötigen Dienstleistungen verlangt habe, wäre lächerlich; denn er aß nicht wegen seines Körpers, der von einer heiligen Kraft erhalten wurde, sondern nur, damit es seiner Umgebung nicht einfalle, verkehrt über ihn zu denken, wie ja später einige meinten, seine Offenbarung sei nur Schein gewesen. Er selbst war aber ausnahmslos frei von Trieben, so dass keinerlei triebhafte Bewegung, weder Lust noch Schmerz, irgendeinen Zugang bei ihm finden konnte« (strom. 6,9,71 - Übersetzung S TÄHLIN ). Allerdings sagt Clemens nicht, Jesus habe nicht oder nur zum Schein gegessen. Jesus aß, obwohl er es nicht nötig hatte. Dass das mit einer vollständig anderen Leiblichkeit zu tun hat, ist nicht unbedingt nötig. Vielmehr kann die teilweise veränderte Leiblichkeit hier kontextbedingt auch durch die Bedürfnislosigkeit der Askese erklärt werden (die allerdings den Asketen »engelsgleich« machen kann). 37 Immerhin aber beschreibt er eine im Grunde veränderte Leiblichkeit Jesu, die nur deswegen essen muss, um nicht als solche aufzufallen. Clemens scheint an einer weiteren Stelle eine nur scheinbare Menschheit Jesu anzunehmen, indem er davon spricht, Christus habe »die Maske eines Menschen angenommen und sich in Fleisch gekleidet (...), um das Drama der Erlösung der Menschheit aufzuführen« (τὸ ἀνθρώπου προσωπεῖον ἀναλαβὼν καὶ σαρκὶ ἀναπλασάμενος). 38 Allerdings geht es Clemens hier nicht um Leidensfreiheit Christi oder um die Frage, welche Beschaffenheit sein Leib gehabt haben mag, sondern um eine Beschreibung des Offenbarwerdens des ewigen Logos unter den Menschen. Die Epiphanie Christi ist demnach mit hoher Geschwindigkeit (durch die rasche Verbreitung des Evangeliums) und mit Macht (Wunder) zu denken. 35 H ARNACK schreibt: »Noch bei Klemens Alex. kann man einen »massvollen Doketismus trotz aller Polemik gegen die eigentliche »δόκησις« wahrnehmen, und zu einem solchen mussten ja auch gewisse Erzählungen in den kanonischen Evangelien anleiten« ( DERS ., Lehrbuch, 215, Anm. 2). Vgl. auch B AUR , Vorlesungen, 617ff; R UDOLPH , Gnosis, 174f. 36 Vgl. grundsätzlich: G RILLMEIER , Jesus, 263-266. 37 Vgl. unten zum Thema Isangelie S. 369 f. 38 Clemens Alexandrinus, Protrepticus 10,111,2. Deutsche Übersetzung von Otto Stählin, BKV 2. Reihe, Bd. 7, München 1934. 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 13 Die Gegner des Ignatius von Antiochien leugnen zwar die Leidensfähigkeit Christi, haben aber kein weitergehendes gnostisches System besessen. Jedenfalls wird davon nichts explizit deutlich. 39 Im Unbekannten Berliner Evangelium (UBE) scheint ähnlich der koptischen ApkPetr eine Trennungschristologie vertreten worden zu sein (UBE 8). Gleichzeitig gibt es ein vertrautes Verhältnis zwischen Heiland und dem himmlischen Vater, was für »Gnosis« jedenfalls untypisch ist. 40 In der Epistula Apostolorum, die einerseits ausdrücklich vor Kerinth und Simon warnt (EpAp 1+7), wird Christus zwar wirklich Mensch (die Schrift wendet sich gegen Doketismus), aber der Durchgang durch die Himmel geschieht so, dass der Heiland sich in jedem Himmel entsprechend verwandelt/ verkleidet, so dass die Bewohner des jeweiligen Himmels ihn für einen der ihren halten (EpAp 13). Allerdings ist das nicht mit Leugnung von Inkarnation und Leid verbunden. Massiver wird eine derartige Polymorphie noch in den Johannesakten. 41 Auch hier könnte man davon sprechen, dass etwas nur zum Schein wirklich ist (zumindest ist die Wirklichkeit Jesu fundamental anders als die normale menschliche, als die sie zunächst erscheint). 42 Origenes sagt gegen Celsus, der Anstoß an der Inkarnation nahm, weil Gott sich dafür vom Guten zum Schlechten verwandeln müsste (Or.Cels 4,14), er möge lernen, »das ›das Wort‹ seinem Wesen nach immer ›Wort‹ bleibt und deshalb von den Leiden, die den Leib und die Seele treffen, nicht berührt wird, bisweilen aber zu dem, der seine Strahlen und den Glanz seiner Göttlichkeit nicht anzuschauen vermag, ›herabsteigt‹ und gleichsam ›Fleisch wird‹ und in körperlicher Weise angesprochen wird, bis derjenige, der es in solcher Gestalt aufgenommen hat, allmählich durch das Wort erhoben, auch seine, wenn ich so sagen darf, vorzüglichste ›Gestalt‹ schauen darf« (Or.Cels. 4,15). Zudem kennt Origenes in Zusammenhang mit der Verklärung Christi nicht nur ältere Berichte über die Polymorphie des Leibes Christi; er hält sie auch für zutreffend. 43 Über Christi Leiden kann Origenes auch sagen: »Er litt, doch litten nur Leib und Seele 44 (...) und nicht der Logos 45 in ihm.« 46 Celsus war der Ansicht, dass Gott sich nicht verändern könne; jedenfalls könne er nicht wirklich Mensch mit sterblichem Leib werden (Or.Cels 4,14.18). Daraufhin prüft er, ob Gott nicht vielleicht nur beim Zuschauer den Anschein hervorruft, er habe sich verwandelt und sei Mensch geworden. Auch das lehnt Celsus ab, da Betrug und Lüge schlimm seien und allenfalls als Heilmittel in bestimmten Fällen erlaubt seien (Or.Cels. 4,18). Origenes nimmt das Argument auf und gibt zu bedenken, dass Gott zum einen die Kraft seines Wortes je nach Würdigkeit dosiert bzw. verändert. Jesu Wesen aber habe sich bei der Inkarnation nicht geändert (4,18). 39 Zu Ignatius und seinen Gegnern siehe unten D. S. 274ff. 40 Vgl. die ApkPetr (kopt). Hier trennt sich der Geist-Christus vor der Kreuzigung von seinem Leib und lacht. 41 G RILLMEIER , Jesus, 174: »Purer Doketismus spricht aus den Johannesakten (K. 90).« 42 In ActJoh 87-93.103-105 erscheint Christus in immer neuer Gestalt, bzw. seine Gestalt verwandelt sich fortlaufend. ActJoh 93: »Manchmal, wenn ich ihn anfassen wollte, stieß ich auf einen materiellen, festen Körper; ein andermal dann wieder, wenn ich ihn berührte, war die Substanz immateriell und unkörperlich und so, als sei sie überhaupt nicht existent« (NTApo). Zwar wird damit weder das Leiden Christi bestritten, noch dass er überhaupt einen Körper gehabt hat. Die Polymorphie dient vielmehr dem Zweck, hinter den vielen Wandlungen die Unwandelbarkeit Christi darzustellen (s. B ROX , Problemanzeige, 310). Dennoch wird die Gestalt Christi zum Thema: Ist er wirklich das, was er zu sein scheint, oder ist er etwas anderes? Wenn er im Grunde unwandelbar ist, dann könnte man auch sagen, dass er leidensunfähig ist (vgl. z.B. Or.Cels 4,15). Zumindest ist die Frage der doketistischen nahe verwandt. 43 Or. in Mt. com.ser. 100; bei G RILLMEIER , Jesus, 175 wie folgt wiedergegeben: »Uns aber war solches von ihm überliefert: es waren nicht nur zwei Gestalten (duae formae, griechisch wohl in Anlehnung an Phil 2,6: μορφὴ anzunehmen) in ihm (die eine, in der ihn alle sahen, die andere aber, nachdem er auf dem Berg vor seinen Jüngern verklärt wurde, da auch ‹sein Angesicht aufleuchtete wie die Sonne› [Mt 17,2]; vielmehr erschien er einem jeden nach dessen Würdigkeit (wie auch die Juden das Manna in der Wüste je nach ihrem Geschmack finden konnten) ... Und diese Überlieferung scheint mir durchaus glaubwürdig, sei es hinsichtlich der Natur des Logos selbst, der nicht allen auf gleiche Weise erscheint.« 44 Or.Cels. 2,62; 7,16. 45 Or.Cels. 4,15. 46 ÜS W EIGANDT , Doketismus, 143. Dort werden viele ähnliche Stellen (Origenes/ andere altkirchlichen Autoren) genannt. 14 A. 1 Einleitung Und auch wenn Origenes selbst an das wahrhaftige Kommen Jesu zu den Menschen glaubt, so geht er doch auf das Argument der Täuschung als Heilmittel ein, indem er darauf hinweist, dass Gott zum Heil der Menschen eine derartige (doketistische) Täuschung durchaus hätte durchführen können bzw. dürfen (4,19). Darüber hinaus vertreten Markion und sein Schüler Apelles, beide werden heute kaum noch der Gnosis zugerechnet, doketistische Lehren. 47 Bei Tertullian fällt in seiner Schrift gegen Markion immer wieder das Wort »Phantasma«, wenn er von der christologischen Vorstellung Markions spricht. 48 Athanasius(! ) schreibt: »Er erlitt ja für seine Person keinen Schaden, da er leidensunfähig und unverweslich, der Logos selbst und Gott war. Die leidende Menschheit aber, derentwegen er das auf sich nahm, hat er in seiner Leidensunfähigkeit bewahrt und gerettet.« 49 Deutlich ist, dass die »Schichtung«, die Athanasius in der Person Jesu Christi vornimmt, nicht mehr weit weg von gnostischen Christologien ist. Vor allem fällt die ausdrückliche Zustimmung zur These der Leidensunfähigkeit Christi auf, die hier lediglich eine andere Lösung erfährt als im Doketismus. Zusammenfassung und Fazit: - Es gibt im nichtgnostischen Christentum eine Reihe an Belegen für christologische Vorstellungen, die man als doketistisch oder als doketismusnah bezeichnen kann. Es scheint so zu sein, dass vor den großen dogmatischen Streitigkeiten und abseits der entsprechenden Streitthemen noch vieles denkbar war, was später als häretisch galt. Eine grundsätzliche Beschränkung doketistischer Christologien auf gnostische Schriften ist damit genauso unmöglich wie die Vermutung, jede gnostische Schrift setze eine doketistische Christologie voraus. - Es wäre hilfreich, diese christologischen Vorstellungen anders zu erfassen als über Kategorien, die immer wieder nach Gnosis »riechen«, wie den Doketismus. Oder umgekehrt: Es wäre nötig, das Phänomen des Doketismus so zu beschreiben, dass man auch die genannten nichtgnostischen Christologien damit angemessener in den Blick bekommt. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist, Angelologie, prophetische Botenvorstellungen und Erfahrungen der frühjüdischen Mystik als Parallelen, wenn nicht gar als Konstruktionshilfen der frühen Christologie in den Blick zu bekommen. 1.8.2 Doketismus im Neuen Testament? 50 Eine verbreitete Annahme besagt, dass bereits im Neuen Testament früh- oder prägnostische Ansichten vertreten bzw. bekämpft werden. Speziell doketistische Prägungen, die explizit erst ab dem zweiten Jahrhundert dokumentiert sind, würden durch einen »naiven Doketismus« präfiguriert. Man meint damit, die frühchristlichen Schriftsteller oder ihre Gegner müssten nicht schon ausgeprägte Doketisten gewesen sein. Sie hätten aber die Konsequenzen ihrer Auffassungen naiverweise nicht bedacht, da sie nicht in den erst später entwickelten Kategorien der Zweinaturenlehre gedacht hätten. Einen Anhaltspunkt für diese Annahme bietet die Theologie der johanneischen Schriften an verschiedenen Stellen. Christus scheint bei Johannes hoheitsvoll durch das Evangelium zu schreiten; selbst der elende Kreuzestod bekommt Züge 47 Vgl. etwa Iren.haer. 2,32,4; 3,1,3; 3,16,6; 3,17,1; 3,18,6f; 3,22,1f; 4,33,2.5. 48 Tert.Marc. 5,8-11. 49 De Incarnatione 54, zitiert nach M ÜLLER , Menschwerdung, 9. 50 Vgl. hierzu ingesamt B ERGER , Auferstehung, 159f. (»Trug oder böser Geist) mit Anmerkungen. 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 15 des Triumphs. 51 Die Umdeutung der Kreuzigung zur »Erhöhung« würde ebenfalls in ein doketistisches Schema passen. Die johanneischen Schriften (mit Fokus auf 1 Joh) sind unten Gegenstand des Abschnitts B. Auch in weiteren neutestamentlichen und frühchristlichen Texten scheint das Phänomen des Doketismus gegeben zu sein: Vor allem die Erfahrungen des epiphan erscheinenden Jesus sind dem Verdacht ausgesetzt, sich auf ein dämonisches Trugbild oder leeres Gespenst zu beziehen. Man hätte es also mit dem Bereich der Toten- und Dämonengeister statt mit Gott zu tun. Nicht erst der Auferstandene, schon der auf dem See wandelnde »irdische« Jesus ist dem Verdacht ausgesetzt, ein φάντασμα zu sein (Mk 6,49 und Mt 14,26). Ähnlich Lk 24,37ff: Die versammelten Jünger haben nach dem Bericht der Emmausjünger gemeinsam eine Erscheinung Jesu. Trotz des soeben Gehörten meinen sie, eine Art Geist zu sehen (ἐδόκουν πνεῦμα θεωρεῖν). Energisch tritt der Auferstandene diesen Vermutungen entgegen, indem er sich anfassen lässt und demonstrativ Fisch isst. Man kann sich fragen, ob diese Passage antidoketistisch konstruiert ist. Denn das Verb, das die falsche Meinung angibt, ist δοκεῖν dasselbe Wort, das später zum Ausgangspunkt für die Bezeichnung »Doketismus« wird. Ähnlich schildert Joh 20,24-29 die Begegnung des Auferstandenen mit Thomas, der zunächst an Trug denkt, als er von den Berichten der anderen Jünger hört. Erst die massive körperliche Wirklichkeit des vor ihm stehenden Auferstandenen löst seine Zweifel: Es ist Jesus! Thomas bekennt kniefällig: »Mein Herr und mein Gott! « Auf die Begegnung mit dem Auferstandenen folgt also bei Johannes sofort eine Bewertung der Erscheinung. Nicht nur die Identität mit dem irdischen Jesus ist geklärt; zugleich wird deutlich, dass die Begegnung mit dem Auferstandenen eine Begegnung mit Gott selbst ist. 52 Ebenso führt die Begegnung mit dem auf dem See wandelnden Herrn nach der Matthäus-Variante zu einem klaren Bekenntnis: »Du bist wahrhaftig Gottes Sohn« (Mt 14,33). Auch hier ist nach der Abweisung der Gespensterfrage die Aussage eindeutig: Gott handelt an dieser Stelle. So sehr man fragen kann, ob derartige Passagen späterem Doketismus das Material lieferten, so sehr zeigt sich gleichzeitig ein großer Unterschied zu doketistischen Christologien: Es geht in den genannten Texten nicht um eine allgemeine 51 »Die Darstellung des über die Erde schreitenden Gottessohnes dominiert, der über alle Anfechtungen erhaben zu sein scheint«. - So U EBELE , Verführer, 103, in Anschluss an K ÄSEMANN , der daraus folgert, dass eine »doketisierende Herrlichkeitschristologie« das Johannesevangelium dominiere (K ÄSE - MANN , Wille, 62). 52 Fragt man nach der Funktion beider Berichte über die Begegnung mit dem Auferstandenen, so klärt die eine Begegnung, dass Jesus nicht ein böser (dämonischer) Geist ist, sondern Jesus, der Christus, Sohn des himmlischen Vaters (Lukas); die andere Begegnung klärt ganz ähnlich, dass im auferstandenen Jesus Gott selbst präsent ist. Man kann also schlussfolgern, dass beide Male genau das in Frage stand: a) haben wir es hier überhaupt mit Jesus - oder mit einem Geist zu tun? b) Wenn es nicht Jesus ist, dann ist die ganze Sache in einen dämonischen Kontext einzuordnen, da es sich um Lüge handelt. c) Wenn es sich um Jesus handelt, dann ist dies eine Offenbarung zugleich über das engstmögliche Verhältnis Jesu zu Gott. Vgl. dazu unten S. 392ff und 405ff. 16 A. 1 Einleitung Bewertung der Körperlichkeit des irdischen Jesus. Schon gar nicht werden Fragen nach der Inkarnation gestellt. Lediglich die Einschätzung visionärer Erscheinungen des »Herrn« steht zur Debatte. Sowohl die Begegnung mit dem auf dem See wandelnden Jesus als auch die mit dem Auferstandenen sind sachgemäß in den Bereich mystischer Widerfahrnisse einzuordnen. Sie ragen in jedem Fall über die »normalen« Begegnungen mit dem irdischen Jesus hinaus. Beim »Doketismus«, wie ihn Kirchenväter bzw. die von ihnen abhängigen späteren Untersuchungen vor Augen haben, wird dagegen anderes behauptet: Das Auftreten Jesu insgesamt oder speziell sein Leiden und Sterben sei »zum Schein«, d.h. als »Trug« erfolgt. Dem Doketismus geht es nicht darum, ob Jesus beim Seewandel oder bei den Auferstehungsvisionen »echt« war oder es sich um eine bösartige Geistererscheinung handelte. Es geht vielmehr darum, ob er überhaupt wirklich Mensch war. Diese Fragestellung ist aber den vorgestellten Bibelstellen fremd. Die Alternative: »Trug und böser Geist« oder: »Wir haben es hier mit Gott und seinem Handeln zu tun«, ist die einfachere, unkompliziertere Erklärung für die genannten neutestamentlichen Stellen (s.u. S. 405f). 1.8.3 Gnostische Systeme ohne Doketismus Die frühere Grundannahme, gnostische Systeme enthielten, soweit sie sich christologisch äußern, in jedem Fall eine doketistische Christologie, ist nicht mehr haltbar. Überzeugend hat D. V OORGANG dargestellt, dass bei den in Nag- Hammadi gefundenen Schriften eine ganze Reihe unterschiedlicher christologischer Formen benutzt wird. Die Spannbreite der Texte geht von Trennungschristologien über Scheinchristologien und Christologien, welche die Inkarnation Jesu voraussetzen und enthalten 53 bis hin zu einer völligen Aussparung von christologischen Fragen. 54 In den 22 Texten (von 53 erhaltenen NHC-Texten insgesamt), in denen überhaupt Passionspassagen auftauchen, 55 begegnet eine reine Schein- Christologie, wie sie in der Forschungsgeschichte 56 zumeist als die eigentliche 53 Die Karpokratianer nach Iren.haer. 1,25,1-6, (V OORGANG , Passion 104-107); eventuell das Evangelium Veritatis (V OORGANG , D., Passion, 125-130); Brief des Rheginus (V OORGANG , Passion, 130-136); auch im Thomas- und Philippusevangelium kann man nicht von Doketismus ausgehen. Kritisch ist anzumerken, dass man bis auf die Karpokratianer des Irenäus und wohl das Evangelium Veritatis kaum wirklich von Gnosis oder wenigstens nicht von einer entwickelten, systematischen Gnosis reden kann. 54 V OORGANG , Passion, 11: »Die Gnosis relativiert die Passion inhaltlich und formal. Das Leiden und der Tod werden für den gnostischen Erlöser geleugnet oder nur auf Seiten seines irdischen Bestandteils gesehen. In keinem gnostischen Text findet sich eine vollständige Passionsdarstellung. Trotzdem ist eine erstaunliche Vielzahl von Passionstraditionen und einzelnen Motiven feststellbar. Diese finden sich nahezu alle auch im NT. Es ist jedoch keine ntl. Schrift als Quelle bevorzugt. Die Relativierung der Passion wird in der Regel durch eine Zwei-Naturen-Konzeption ausgesagt. Der Doketismus ist demgegenüber wesentlich seltener zu finden, er ist mithin nicht das Charakteristikum gnostischer Theologie.« 55 V OORGANG , D., Passion, 241. Ausführliche Passionspassagen, ohne dass dabei aber eine wirkliche Passionsdarstellung enthalten ist, begegnen in folgenden gnostischen Systemen: Ptolemäus, Iren.haer 1,1-8; EvVer, NHC I 3; 2 ApkJak, NHC V 4; 2 LogSeth, NHC VII 2; ApkPetr, NHC BII 3, EpPetr, NHC VIII 2; Melch, NHC IX 1) und in verschiedenen Texten wird der Passion Jesu sogar Heilsbedeutung beigemessen (Ptolemäus, Iren I 7,2; EV, NHC I 3; 2 LogSeth, NHC VII 2; Silv, NHC VII 4; EpPetr, NHC VIII 2; Inter, NHC XI 1). 56 Seit B AUR (s.u. S. 22f); in den jüngeren Monographien v.a. von W EIGANDT und U EBELE vertreten. 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 17 Form des Doketismus vermutet wird, 57 gar nicht. V OORGANG definiert den Doketismusbegriff daher anders, wenn er wie folgt zusammenfasst: »Im Doketismus werden das Leiden und der Tod auf eine vom Erlöser verschiedene, eigene Person übertragen gesehen. Der Soter wird daher von der Passion nicht betroffen. - Die Zwei-Naturen-Konzeption denkt eine innerpersonale Differenzierung des Erlösers. Es wird zwischen mehreren Bestandteilen unterschieden. Der wertvolle, pneumatische oder pleromatische Anteil gelangt nicht unter die Passion. Nur der wertlose, meist sarkische Anteil gerät unter das Leiden und stirbt. Beiden Gedankenkonzeptionen ist der Versuch, die Integrität des Erlösers gegenüber der Welt zu sichern, gemeinsam.« 58 V OORGANG weist damit darauf hin, dass auch die gnostischen Trennungschristologien immerhin das Thema Leiden nicht aussparen, aber auf eine andere »Ebene« der Person Jesu heben bzw. isolieren. 1.8.4 Ein Problem zwischen Hellenismus und Judentum? Der Doketismus, den die Kirchenväter bekämpfen, ist offensichtlich ein Lösungsversuch für ein Problem, das sich mit dem Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Vorstellungsmuster ergab: »Die doketistische Christologie war eine unter mehreren Möglichkeiten, die Aporie zu lösen, in die das hellenistische und gnostische Denken mit seiner strengen Transzendenzidee, die auf dem Dualismus von Geist und Materie/ Kosmos basierte, angesichts der christlichen Vorstellung vom (inkarnatorischen) Kommen des göttlichen Erlösers Christus in diese Welt geriet, nachdem man diese Erlösergestalt rezipiert und mit dem hellenistischen Weltbild zu vereinbaren gezwungen war. Diese Vereinbarung musste ihren Preis kosten. Der Doketismus löste das Dilemma zwischen beiden Horizonten mit seiner Vorstellung von der δόκησις: Die menschliche Gestalt war ganz und gar, von Anfang an und im Prinzip, ein Schein und Trugbild, das allerdings genügte, die Menschen zu Glauben und Erlösung zu bringen.« 59 Genauer ist zu sagen, dass die Trennlinie nicht zwischen hellenistischem bzw. gnostischem Denken einerseits und jüdisch-christlichem Glauben andererseits verlaufen sein wird. Denn das Frühjudentum und damit auch das frühe Christentum waren gegenüber dem Hellenismus nicht abgeschottet. Und eine ausgebildete Gnosis ist vor Mitte des 2. Jahrhunderts nicht nachweisbar. Die Kategorie »gnostisches Denken« ist daher für die davor liegende Zeit nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Allerdings gibt es auch typische Unterschiede zwischen hebräischbiblisch geprägtem Denken und griechisch-philosophischem Denken. Während die griechische Philosophie, speziell der Platonismus, dazu neigt, Leib und Seele auseinanderzuhalten und die existente Welt auf einen »Werkmeister« (Demiurgen) zurückzuführen, 60 der selbst nur die Urformen mehr oder eben weniger per- 57 In der Antike ist diese Form von Doketismus nur von Irenäus für Satornil bezeugt. S.u. S. 37. 58 V OORGANG , D., Passion, 252. 59 B ROX , Problemanzeige, 307. 60 Beispielsweise Platon im Timaios, aber auch in Philebos und Nomoi. 18 A. 1 Einleitung fekt in die Materie übertragen hat, 61 so gehen die biblischen Schriften von einer Einheit bzw. engen Zusammengehörigkeit von Leib und Seele aus - und der Schöpfer ist in jedem Fall souverän und nicht von weiteren Vorgaben abhängig. Die Trennlinie ist wohl zu ziehen zwischen pagan-hellenistischem, philosophischen Denken über Gott 62 und dem biblischen Bild eines Gottes, der durchaus eifert, leidenschaftlich ist, ein positives Bild seiner Schöpfung hat und dessen Sohn Jesus Christus nicht nur geboren ist wie jeder andere Mensch, sondern der am Ende auch noch leiden und sterben musste: »Es gehört zu den Elementen apophatischer hellenistischer Theologie, daß Götter ›ungeworden‹ (...) bzw. ›leidensfrei‹ ( ...) sind (...). Wo die christliche Botschaft in eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser paganen Vorstellung eintrat, war es daher nötig, das ›Leiden‹ des Christus aufs Neue zu begründen und zu verteidigen. Denn mit der Wirklichkeit seines Leidens stand auch seine Göttlichkeit auf dem Spiel. Christlicher Doketismus würde dann besagen: Als göttliches Wesen kann Jesus nicht wirklich gelitten haben.« 63 Wenn die Bestimmung dieser Trennlinie richtig ist, dann kann Doketismus in diesem Sinne als Lösung des sich hier ergebenden Problems erst ab einer Zeit entstanden sein, in der frühchristliche Theologie in die Auseinandersetzung mit pagan-philosophischen Standards gerät. Zwar versucht schon Paulus, seinen nichtjüdischen Mitmenschen den Glauben an Christus plausibel zu machen. Ebenso ist im hellenistischen Judentum nicht nur bei Philo eine Menge an Rezeption und hermeneutischer Leistung erbracht worden, die dann für Doketismus, Gnosis und apologetische Theologie zum Ausgangspunkt wird. Es gibt, wie sich zeigen lässt, eine ganze Reihe an jüdischen »Vorläufern« für christologischen Doketismus. Eine wirklich philosophisch orientierte christliche Debatte aber ist erst ab der Zeit der Apologeten zu beobachten; erst jetzt werden die schon bekannten und teils rezipierten hellenistischen Grundvorstellungen systematisch reflektiert auf den christlichen Glauben angewandt, denn: »Das Christentum begegnete im sogenannten Mittelplatonismus einem geschlossenen, universalen Weltbild, das für viele Gebildete von damals eine geistige Heimat bot. In diese geschlossene Gesellschaft hinein vorzustoßen erforderte große geistige Anstrengung, dies um so mehr, als die Botschaft von einem gekreuzigten Gott für den 61 »Den Mittelplatonikern zufolge entstand die Welt (...) dadurch, daß ein schöpferisches, vernunftbegabtes Wesen die Formen der ungeformten Materie aufprägte. Es gibt drei ursächliche Prinzipien, Gott, die Formen und die Materie« (S TEAD , Philosophie, 132). 62 Or.Cels 4,14: »Gott ist gut, schön und glücklich und befindet sich in dem schönsten und besten Zustande. Steigt er nun zu den Menschen hernieder, so muß er sich einer Veränderung unterziehen, und zwar einer Veränderung vom Guten zum Schlechten, vom Schönen zum Hässlichen, vom Glück zum Unglück und von dem besten zu dem schlimmsten Zustand. Wer möchte nun wohl eine solche Veränderung wählen? Und nur das Sterbliche ist von Natur der Wandelung und Umgestaltung unterworfen, das Unsterbliche aber ist seinem Wesen nach immer ein und dasselbe. Gott könnte also eine derartige Veränderung nicht eingehen.« 4,18: »Entweder verwandelt sich Gott wirklich, wie diese meinen, in einen sterblichen Leib; das ist aber, wie schon gesagt, unmöglich; oder er selbst verwandelt sich nicht, bewirkt aber, dass die Zuschauer glauben, er habe sich verwandelt und führt sie (also) in die Irre und lügt« (BKV). 63 B ERGER , Theologiegeschichte, 746. Vgl. auch M ÜLLER , Menschwerdung, 8ff. 1.8 Gnostische Christologien ohne Doketismus 19 griechischen Geist einfachhin unvollziehbar war. Schon im zweiten Jahrhundert wurden darum die Christen dazu aufgerufen, die Ereignisse der Offenbarung in Christus und seine Person den heidnischen Philosophen und Autoritäten zu deuten, was nur mit Hilfe der griechischen Philosophie geschehen konnte.« 64 Die Doketisten, die Ignatius bekämpft, stehen daher auch in dieser Hinsicht ziemlich am Anfang der späteren Entwicklung. Ihr Auftreten kurz vor oder gleichzeitig mit den ersten Apologeten zeigt, dass sie zwar nicht unbedingt das systematische Anliegen der Apologeten teilten, aber ebenfalls auf eine in der Luft liegende Verschiebung der theologischen und anthropologischen Grundannahmen reagierten, indem sie in diesem Sinne Vorstellungen frühjüdischer Mystik (z.B. Isangelie, Angelomorphologie, Engeldoketismus) auf Christus übertrugen. 1.8.5 Vergleichbare Aussagen aus jüdischem und hellenistisch-paganem Raum Obwohl und gerade wenn man Doketismus für das Ergebnis eines Konflikts an der Trennlinie zwischen pagan-griechischem philosophischem Denken und biblisch-jüdischen Auffassungen hält, muss es auf beiden Seiten der gedachten Grenze Anknüpfungspunkte geben, die es überhaupt möglich machen, eine doketistische Lösung zu finden. 65 Zum einen gibt es die jüdisch-christliche Vorstellung von den Engeln, wie sie von mir unten unter der Bezeichnung »Engeldoketismus« aufgeführt werden (s.u. S. 384ff). Zum andern wurden ähnliche Phänomene auch in Texten geschildert, die das Auftreten von Göttern in Menschengestalt zum Inhalt hatten (s.u. S. 383.406ff). Man kann daher davon ausgehen, dass die doketistische Lösung schon vor- und außerchristlich vorbereitet war. Darüber hinaus ist es nur wahrscheinlich, dass der Doketismus auch binnenchristlich Anknüpfungspunkte fand. So kann man über Ignatius von Antiochien sagen, dass er mit seinen Gegnern das prinzipielle »Interesse am himmlischen Wesen Christi« teilte 66 und über den johanneischen Jesus, dass er trotz starker Hervorhebung der Inkarnation oft wie ein Engel oder wie Gott selber wirkt. 67 Überhaupt ist schon lange beobachtet worden, dass die Berichte der Evangelien in mancher Hinsicht durchaus Anlass geben konnten, zumindest eine veränderte Leiblichkeit Jesu anzunehmen. 68 Allerdings ist zu unterscheiden zwischen offen- 64 G RILLMEIER , Jesus, 137. Vgl. M ARKSCHIES , Welten, 46 und DERS ., Theologie, 379ff. 65 Vgl. dazu K LAUCK , Umwelt II, 179f. 66 M ÜLLER , Menschwerdung, 107; ähnlich schon H ARNACK , Lehrbuch, 213 zur »Geistchristologie«. H ARNACK stellt ebd., 216 Anm. 3 fest, dass der von ihm einer frühen, verbreiteten pneumatischen Christologie zugeordnete Gedanke, »dass das Geistwesen Christus lediglich menschliches Fleisch angenommen habe, (...) an und für sich ein doketischer Gedanke« ist. Vgl. unten S. 314f. und 348ff. 67 Vgl. etwa K ÄSEMANN , Wille, 22, der von der »göttlichen Herrlichkeit des über die Erde schreitenden Christus« spricht und fragt: »In welchem Sinne ist derjenige Fleisch, der über die Wasser und durch verschlossene Türen geht, seinen Häschern ungreifbar ist, am Brunnen von Samaria, müde und einen Trunk verlangend, gleichwohl nicht zu trinken braucht und eine andere Speise hat als die, für welche seine Jünger sorgen? « S. 23: »Wie passt das alles zu einer realistischen Auffassung der Fleischwerdung? « S. 51: Für K ÄSEMANN ist die »Herrlichkeitschristologie des Johannes« »naiver Doketismus«. - Vgl. auch die These B ÜHNERS , der die Kategorie des Engels als eine grundlegende Voraussetzung für die joh Christologie ansieht (Der Gesandte, 427f). 68 Vgl. etwa H ARNACK , Lehrbuch, 215, Anm. 2. 20 A. 1 Einleitung sichtlich doketistischen Positionen und solchen, die späterem Doketismus als mögliche Grundlage dienen konnten. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« Bis heute gibt es nur wenige Monographien, die speziell das Thema Doketismus als Ganzes abhandeln. 69 Dennoch ist der auch für die Dogmatik wichtige Begriff des Doketismus erstaunlich präsent und dabei immer wieder verbunden mit weiterführenden Thesen der Forschung. Gerade für Verbindungen mit Elementen der jeweils leitenden oder abgelehnten Philosophie oder Theologie scheint der Begriff offen - und damit besonders anziehend zu sein. Zudem wirken ältere Vorstellungen und Urteile über das, was Doketismus ist und welche Rolle er gespielt hat, häufig untergründig weiter nach. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Bestimmung von Gegnern häufig zur Profilierung der jeweils darzustellenden Theologie einer Schrift dient. Je verschwommener die Vorstellungen von möglichen Gegnern sind, desto gezielter lässt sich das eigene Feindbild schon unter den Gegnern der frühen Christenheit verankern. Oder umgekehrt: Die eigene Position ist von derartigen Gegnern auf der Ebene der alten Schriften vertreten worden. Der Überblick über die Doketismusforschung dient daher der Vergegenwärtigung unterschiedlicher, fast durchgängig noch wirksamer Doketismustheorien. 70 1.9.1 Ältere Forschungsgeschichte 1.9.1.1 Konfessionelle Gegnerbeschreibungen: M. Luther und J.A. Möhler - M ARTIN L UTHER L UTHER hielt im Pestjahr 1527 in der fast leeren Universität von Wittenberg eine Vorlesung über 1 Joh. Auffällig ist, dass Luther die Beschreibungen der Häretiker der Alten Kirche genauso selbstverständlich übernimmt, wie die Angaben des Irenäus über die Verfasserschaft der johanneischen Schriften durch den »Alten Johannes« und dessen Gegnerschaft zu dem Gnostiker Kerinth. So sind Kerinth und andere Gnostiker direkt von 1 Joh angegangene Gegner, auf die Johannes reagiert. »Johannes hat lange gelebt, und mußte endlich sehen, daß die Welt mit dergleichen bösen Lehren angefüllt wurde. Ist es nicht zu bedauern, daß in so kurzer Zeit so viel Haufen Ketzer in die Kirche eingebrochen sind? Denn alsbald mit dem Worte sind viele Geister, falsche Apostel, die Ebioniten, Cerinther, Nicolaiten, und die Uebrigen, welche des Antichrists Vorläufer waren, in die Kirche eingetreten. Allein diese sind ausgegangen, und waren nicht gesandt.« 71 69 N IEMEYER , W EIGANDT , V OORGANG , M ÜLLER , U EBELE , K INLAW . Zum Thema Inkarnation vgl. unten S. 420ff. 70 Zu 1 Joh, Ignatius und Fragen angelomorpher Christologie folgt in den jeweiligen Abschnitten ein kürzerer Überblick. 71 M. L UTHER , Auslegungen über die 1. Epistel St. Johannis. Aus dem Lateinischen übersetzt von M. Johann Jakob Greif. In: W ALCH , J.G., Dr. Martin Luthers Sämtliche Schriften. Neunter Band. Auslegung des Neuen Testaments, St. Louis 1893, 1471. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 21 L UTHER bringt daraufhin die so ausgemachten Gegner wiederum mit den eigenen Gegnern seiner Zeit in Verbindung. Wie schon im vorangegangenen Zitat angedeutet, sind die Gegner des 1 Joh gegen den Wortlaut dort nicht selbst schon »Antichrist«, sondern nur Vorläufer des Antichristen: »Und der Geist des Pabsts ist von keiner besseren Gattung. Denn der Pabst bekennt zwar dieses Wort: ›Christus ist ins Fleisch kommen‹, aber er leugnet dessen Frucht.« 72 »Der Geist der Sacramentarier leugnet gröblich, daß Christus ins Fleisch kommen sei, wenn sie sagen, das Fleisch Christi nütze nichts«. 73 »Niemand hat die Eigenschaften des Antichrists so listig, so verschlagen erfüllt, als der Pabst. Manichäus zwar, Marcion, Valentinus, kamen auch grob, wenn sie sagten, das Fleisch Christi wäre nur ein Blendwerk gewesen, und hätte nur so geschienen, als ob es Fleisch wäre; und die Schwärmer sagen: Christi Fleisch sei kein Nütze. Aber des Pabsts Geist ist der allersubtilste (...)«. 74 Die vermuteten gnostischen Gegner des 1 Joh werden als Vorgänger der eigenen Gegner entdeckt. Dieses von den Kirchenvätern übernommene Verfahren ist lange wirksam geblieben und die von Luther vorgenommenen bzw. die am reformatorischen Konflikt orientierte Einordnungen der Gegner sind vielfach bis ins 20. Jahrhundert hinein prägend geblieben, wo frühchristliche Strömungen entsprechend zugeordnet werden; jüdisch-enkratische, ebionitische Gruppen werden dem »Frühkatholizismus«, gnostisch-doketistische Gruppen den »Schwärmern«, »Idealisten« usw. zugeordnet. - J OHANN A DAM M ÖHLER Der katholische Kirchengeschichtler J.A. M ÖHLER konterte Anfang des 19. Jahrhunderts, indem er das gnostische Feindbild auf die Reformation anwandte: In der Gnosis, insbesondere bei den Basilidianern, habe man sich nach dem Grundsatz gerichtet: »Der Glaube allein macht selig. (...) So entartete jene ursprüngliche Begeisterung, da sie sich nicht von der Kirche ordnen ließ«. 75 1.9.1.2 Hermann Agathus Niemeyer Die weithin unbeachtet gebliebene lateinische Monographie N IEMEYERS über den Doketismus 76 stellt in drei Kapiteln zunächst die Lehre des Doketismus dar, wobei N IEMEYER seine Linien von manichäischen Lehren bis hin zum 1 Joh zieht. Dann fragt er im zweiten Kapitel nach den Ursprüngen und der Vorgeschichte des Doketismus. Er stellt dafür eine Reihe religionsgeschichtlichen Materials zusammen, wobei das Schwergewicht auf jüdischen Engelvorstellungen aus alt- und zwischentestamentlicher Literatur sowie weiteren frühjüdischen Schriften liegt. Es gelingt ihm so, das Phänomen Doketismus aus jüdischen Vorstellungen herzuleiten. Seine Ergebnisse und seine vorgelegten Materialien sind möglicherweise auch aufgrund der nicht mehr in die Zeit passenden Wissenschaftssprache 72 Ebd., 1472. 73 Ebd., 1473. 74 Ebd., 1474. 75 M ÖHLER , J.A., Kirchengeschichte Bd. 1, hrsg. von Pius B. Cams, Regensburg 1867, 294. 76 N IEMEYER , H. A., De Docetis. Commentatio. histor.theol., Halle 1823. 22 A. 1 Einleitung Latein nicht weiter ausgewertet worden. In einem dritten Kapitel führt er unterschiedliche Positionen verschiedener Gnostiker auf, die in von den Väterschriften als doketisch bezeichnet werden. 1.9.1.3 August Neander Der vom Judentum zum erwecklichen Christentum unter dem Einfluss Schleiermachers konvertierte N EANDER 77 schrieb nach intensiver Beschäftigung u.a. mit der Gnosis der Excerpta ex Theodoto seine Dogmengeschichte, in der er ein Gegenmodell zu den hegelianisch beeinflussten Darstellungen von B AUR und S TRAUSS schuf. Obwohl N EANDER selbst idealistisch beeinflusst war, war es sein Anliegen, die Realien nicht in Ideen aufzulösen, sondern darzustellen, wie sich das göttliche Heil in der menschlichen Geschichte konkret darstellt. Zum Doketismus schreibt er: »Eine Folge der Zerreißung des Göttlichen und Menschlichen durch den Gnosticismus ist der Doketismus, welcher die reale, menschlich-sinnliche Seite des Lebens Christi ganz leugnet und nur die Offenbarung des göttlichen Wesens für real anerkennt. Diese Ansicht war unter jüdischen Theologen vorbereitet durch die Vorstellung, daß es zu den Privilegien eines höhern Geistes gehöre, in mannigfachen Formen erscheinen zu können. Philos Erklärung der Angelophanien und die Christologie der Klementinischen Homilien bezeugen dieß.« 78 Ähnlich wie vor ihm N IEMEYER weist N EANDER für die Herkunft des Doketismus nicht direkt auf den Platonismus, sondern sieht in den Ausführungen Philos und der späteren Pseudoklementinen die angemessene Bezugsgröße zum Verständnis. 1.9.1.4 Ferdinand Christian Baur B AUR entwickelte im Tübingen des 19. Jahrhunderts die für die weitere kritische Betrachtung bahnbrechende These, dass nicht die orthodoxe Wahrheit fester Lehren am Anfang der Dogmengeschichte gestanden habe, sondern dass diese immer erst als Reaktion auf häretische Positionen entstanden seien: »Man kannte nur den Gegensatz zwischen der katholischen Wahrheit und der Häresie. So wenig man eine Veränderung des Dogmas selbst zugeben wollte, so gern sah man in dem Gebiet der Häresie nichts als Veränderung, und der charakteristische Unterschied zwischen der katholischen Wahrheit und der Häresie bestand eben darin, dass, wo die letztere waltet, nichts festen Bestand hat, sondern alles in’s Unendliche sich theilt und trennt und in seinem eigenen Widerspruch untergeht.« 79 Somit sei Dogmengeschichte zuerst als Ketzergeschichte aufgetreten, d.h., als der Versuch, in Auseinandersetzung mit den Häretikern gültige Normen zu begründen. 80 Der radikale Umbruch dieser Auffassung früheren Darstellungen 77 Angaben nach: J ACOBI , J. L., Erinnerungen an A. Neander, Halle, 1882. 78 N EANDER , A., Die christliche Dogmengeschichte. Erster Theil. (Hg.: I.L. Jacobi), Berlin 1857, 205. 79 B AUR , F. C HR ., Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte. Das Dogma der Alten Kirche. Erster Abschnitt. Von der Apostolischen Zeit bis zur Synode in Nicäa, Leipzig 1865, 103. 80 Ebd., 104. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 23 gegenüber, vor allem gegenüber den Darstellungen der Kirchenväter, liegt darin, dass deren Anspruch, nichts weiter als die ursprüngliche, apostolische Wahrheit gegenüber neueren Verwirrungen und Abweichungen zu verteidigen, als Fiktion entlarvt wird. Der jetzt leitende Verdacht ist, dass die »Häresien« älter als die später »orthodox« gewordene kirchliche Lehre sind. Somit besteht auch die Möglichkeit, in bestimmtem Umfang Sympathien für die abgelehnten Lehren der Gegner zu äußern und ihnen ein gewisses eigenes Recht zuzugestehen. Angewandt auf den Doketismus bedeutete das für B AUR : »Eine so eigenthümliche Erscheinung der Doketismus ist, so kann er doch nur als ein Versuch zur Lösung der speculativen Aufgabe betrachtet werden, die gottmenschliche Natur des Erlösers auf ihren adäquaten Begriff zu bringen. Es ist diess (...) auf eine höchst einseitige Weise geschehen; je grösser aber die Einseitigkeit ist, desto mehr wirkte nun der gnostische Doketismus auf die sich bildende kirchliche Lehre in der Beziehung ein, dass man in ihm vor allem eines der beiden Extreme vor Augen hatte, von welchem man sich fern zu halten hatte, um nicht die rechte Grenzlinie zu überschreiten.« 81 B AUR ist der Meinung, die Christologie der Gnosis könne »nur als Doketismus bezeichnet werden.« Und zwar sei der Doketismus »im Allgemeinen die Behauptung, dass die menschliche Erscheinung blosser Schein ist, etwas blos Vorgestelltes, die Blosse Vorstellung, Meinung von etwas Wirklichem, eine blosse δόκησις, welcher alle objective Realität fehlt.« 82 Für B AUR ist also die Gnosis im allgemeinen doketistisch; der von ihr vertretene Doketismus sieht die Gestalt des Jesus von Nazareth insgesamt als eine Scheingestalt an. Allerdings gebe es von diesem Doketismus »im Allgemeinen« auch Abweichungen: »Entweder wird dem Menschlichen in Christus die objective Realität abgesprochen, sein menschlicher Körper für einen blossen Scheinkörper erklärt, oder es wird wenigstens das Menschliche vom Göttlichen so getrennt, dass zwischen beidem keine persönliche Einheit mehr besteht. Die erste Ansicht ist die rein doketische, da nach ihr Christus nur dem Schein nach Mensch war; aber auch die zweite hat mit dem eigentlichen Doketismus wenigstens diess gemein, dass sie die gottmenschliche Einheit des Erlösers für blossen Schein erklärt«. 83 Obwohl B AUR also die Unterschiede zwischen den einzelnen überlieferten christologischen Positionen der Gnostiker wahrnimmt und schon im Grunde ähnlich differenziert wie später etwa W EIGANDT , votiert er doch für eine weitergefasste Definition des Begriffs. Durch die vorgenommene Differenzierung und die Wertung (ähnlich wie später bei W EIGANDT ), nur eine reine Scheinchristologie sei »rein doketistisch«, nimmt Baur die Differenzierungen auf, die durch die Berichte der Kirchenväter schon vorgegeben sind. 81 Ebd., 614. 82 Ebd., 609. 83 Ebd., 609f. 24 A. 1 Einleitung Insgesamt nimmt B AUR neben dem »reinen« Doketismus zwei weitere Grundgestalten an; diesen insgesamt drei Grundgestalten ordnet er jeweils einen frühen Vertreter zu: Markion als Vertreter der reinen Scheinchristologie; Valentin als Vertreter einer modifizierten Scheinchristologie, wonach Christus zwar einen Leib hatte, aber keinen menschlich-fleischlichen, sondern nur einen psychischen, auf den dann das Pneuma gekommen ist; Basilides als Vertreter einer Trennungschristologie, wonach zwischen dem menschlichen Jesus und dem Erstgeborenen zu unterscheiden ist, der sich erst in der Taufe mit dem Menschen Jesus verbunden hat. 84 B AUR räumt dem Phänomen des Doketismus nicht ohne Grund breiten Raum in seinen Darstellungen ein. Er entdeckt im Doketismus das Urprinzip des Idealismus wieder: »Der gnostische Doketismus ist mit einem Worte die Seite der Gnosis, die man, da sie selbst von ἰδέαι spricht, mit um so grösserem Recht Idealismus nennen kann. In ihrem Bestreben, das Absolute zu begreifen, oder das an sich Seiende für das Bewusstsein zu vermitteln, drang sich ihr selbst das Bewusstsein auf, dass sie sich in einem rein phänomenologischen Process bewegt, und mit ihrer Metaphysik über die Subjectivität des Bewusstseins nicht hinauskommt.« 85 Er spricht in diesem Zusammenhang vom »strengen Gegensatz zwischen Geist und Materie« und der »Idee der absoluten Macht des Geistes über die Materie«. 86 Nur der Geist sei das wahrhaft »Substanzielle und an sich Seiende«, die Materie verhalte sich »zu ihm nur wie das Accidens zur Substanz (...). Als blosses Accidens ist die Materie genommen, wenn sie nur die Hülle und Form ist, in welcher der Geist erscheint, um überhaupt in der sichtbaren Welt zu erscheinen.« 87 »Der Doketismus spricht demnach das die erloesende Thaetigkeit bedingende Princip aus, die Freiheit von der Materie.« 88 Da B AUR den Doketismus als eine idealistische Denkfigur darstellt, ist es nur logisch, dass in ihr die (Schein-)Gestalt Christi in keiner Weise einen pneumatischen oder psychischen Grundstoff haben kann, sondern reine Spiegelung der Idee an sich sein muss: Was »auf der einen Seite nur der Schein eines Koerpers, ein koerperloser Schein, eine Scheingestalt ist, ist auf der andern, da der Schein doch immer zugleich ein Schatten und Reflex des Wesens selbst ist, eine bildliche Anschauung, in welcher eine Idee sich darstellt«. 89 »Das Bild, als Widerschein der Idee, ist zwar einerseits, sofern es die Idee in sich enthaelt, und an ihrem Seyn theilnimmt, etwas reales, andererseits, sofern die Idee sich in ihm nur abspiegelt, ein bloßer Schein, die Idee selbst aber kann nie bloßer Schein, ein 84 Ebd., 610f. 85 B AUR , F.C HR ., Kirchengeschichte derDrei Ersten Jahrhunderte, Tübingen 3 1863, 228, FN 2. 86 B AUR , F. C HR ., Vorlesungen, 611. 87 Ebd., 612. 88 B AUR , F.C HR ., Die christliche Gnosis oder die christliche Religions-Philosophie in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Tübingen 1835, 262. 89 Ebd., 266. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 25 bloßes phantasma seyn, sie lebt im Bewußtseyn, wenn man auch von der Realitaet der aeußern Erscheinung, in welcher sie angeschaut wird, abstrahirt.« 90 B AUR reduziert die doketistische Gestalt Christi so auf einen bloßen Reflex, dessen Urbild als Idee wahrer Erlösung aber etwas höchst Reales sei. 91 Ob allerdings diese Bestimmung der doketistischen Erscheinung als bloßer Schatten oder Reflex auch den antiken Denkmustern angemessen gewesen ist, wird heute hinterfragt. 92 Weiterhin stellt B AUR fest, dass der Doketismus wie der Idealismus die Bedeutung des geschichtlichen, konkreten Geschehens leugne. Es »musste sich die Frage aufdringen, wie sich das gnostische Christenthum zum geschichtlichen verhalte, ob nicht durch die Gnosis die Realität der geschichtlichen Thatsachen des Christenthums und der geschichtliche Charakter des Christenthums überhaupt auf eine mit dem christlichen Bewusstsein unverträgliche Weise in Zweifel gestellt werde.« 93 Es ist zu vermuten, dass B AURS idealistische Interpretation des Doketismus, auch wenn sie selbst in manchem dem Idealismus vor allem in seiner Zuspitzung als Doketismus kritisch gegenüberstand, 94 neben den konfessionellen Zuordnungen (s.o.) eine der Ursachen für die spätere Beliebtheit des Doketismus als positiver oder negativer Hintergrund für die Einordnung neutestamentlicher Texte, insbesondere der johanneischen war und ist. Neu gegenüber der vorkritischen Zeit ist, dass aufgrund des geschilderten Ansatzes und aufgrund der eigenen Nähe zum Idealismus, Doketismus nun für Tendenzen und Vorlieben stehen kann, die trotz ihrer Attraktivität und Plausibilität abzulehnen sind. Damit wird hermeneutisch eine große Nähe zwischen zwei durchaus unterschiedlichen Geisteshaltungen (Doketismus und Idealismus) hergestellt. Eine weitere wirkungsgeschichtlich bedeutsame These B AURS ist seine Annahme, die johanneischen Schriften seien nicht als negative Reaktion auf die Gnosis zu verstehen. Vielmehr beobachtet er im Johannesevangelium, dass sich das Historische zum Doketischen verflüchtige und im Evangelium der Leib »des Erlösers nur eine sehr durchsichtige Erscheinungsform seiner Persönlichkeit« darstelle. 95 Von einer polemischen Beziehung auf den gnostischen Doketismus oder auf Kerinth sei nichts zu sehen, 96 womit B AUR wiederum der Darstellung des Irenäus widerspricht. Er fasst zusammen: »Wie nahe ferner das Evangelium an den gnostischen Doketismus hinstreift, ihn sogar durch seine ganze Auffassung der Person Christi hindurchblicken läßt, ist schon 90 Ebd., 267. 91 Ebd., 264ff. 92 So schreibt B ROX , Doketismus, 308: »Streng gedacht konnte es damals ja keine substanzlose δόκησις geben. Man setzte im Fall Christi anstelle des kruden materiellen Leibes der Menschen eine Substanzhaftigkeit, sprich: Leibhaftigkeit anderer (ätherischer, siderischer, psychischer, pneumatischer) Art, daß heißt eine Leibhaftigkeit weniger skandalöser Art, die die δόκησις trug.« Die in dieser Arbeit vertretene Bestimmung des Phänomens Doketismus geht ebenfalls von einem deutlich weiter gefassten Begriff aus (s.o.). 93 B AUR , Kirchengeschichte, 228. 94 B ERGER , Exegese, 46f. 95 B AUR , F.C HR ., Kritische Untersuchungen. Kritische Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zu einander, ihren Charakter und Ursprung, Tübingen 1847, 286. 96 Ebd., 233 Anm. 2. 26 A. 1 Einleitung gezeigt worden. Ganz besonders aber zeigt sich, wie sehr das Evangelium in seinem Ursprung die Gnosis schon zur Voraussetzung gehabt haben muß, darin, daß seine ganze der evangelischen Geschichte zu Grunde liegende Weltanschauung durch Gegensätze derselben Art bedingt ist, wie sie wesentlich zur Gnosis gehörten.« 97 1.9.1.5 David Friedrich Strauss S TRAUSS , wie sein Lehrer B AUR idealistisch beeinflusst, wendet die von Hegel übernommene dialektische Methode auf die Darstellung der Entwicklung der Christologie an: 98 »In Folge des gewaltigen Stosses, welchen die Idee des in Jesu erschienen Messias den Gemüthern gegeben hatte, schwankten, je nach der verschiedenen Beschaffenheit des Vorstellungselements, auf welches der Stoss traf, in der ältesten Kirche die Ansichten zwischen den Extremen eines göttlich angewehten Menschen und eines mit scheinbarer Menschengestalt umflossenen Gottes. Kaum hatten die Apostel es durchgesetzt, dass ein Häuflein aus Juden und Heiden anfing, Jesum für etwas mehr als einen gewöhnlichen Menschen zu halten, seine Salbung mit dem heiligen Geist und göttlicher Kraft anzuerkennen (A.G. 10,38): so traten schon Irrlehrer auf, welche läugneten, dass Christus wirklich im Fleisch erschienen sei (1 Joh. 4,2f vgl. 1 Tim 3,16). Doketismus und Ebionitismus waren die beiden Schlangen, welche die Kirche in ihrer Wiege zu erdrücken hatte; die beiden Klippen, zwischen welchen das Schifflein der orthodoxen Christologie hindurchgesteuert werden musste.« 99 S TRAUSS setzt damit den Doketismus als frühes, noch neutestamentliches Phänomen gleichzeitig mit den Ebioniten an als die beiden christologischen Extreme, für die die frühen Christen eine geeignete Synthese finden mussten. Baurs These, die Kirche habe ihre Dogmen im Grunde erst in Reaktion auf häretische Positionen gefunden, ist hier noch einmal dialektisch differenziert. Immerhin haben beide Positionen wenigstens auf dem Weg zur Synthese ihr beschränktes Recht. S TRAUSS leitet die Entstehung des Doketismus aus jüdischen Vorstellungen ab. Er verhindert so dessen Diffamierung als Abfall von der Orthodoxie und sichert damit gleichzeitig die zeitliche Priorität gegenüber der späteren kirchlichen Lehre: Die Vorstellungen von Christus, »wonach an ihm als einem höheren Wesen das Menschliche nur ein angenommener Schein gewesen sein soll, [waren] in der Art, wie spätere Juden sich die Erscheinungen der Engel vorzustellen pflegten, vorgebildet.« S TRAUSS verweist auf die Abschiedsworte des Engels Raphael an Tobit (Tob 12,19). 100 Ebenso lehrten »mehrere Gnostiker, der λόγος sei jetzt so wenig als da er zu Abraham unter die Terebinthe kam, ein wirklicher Mensch geworden, sondern nur zum Schein, d.h. in einer täuschenden Scheingestalt, sei er auch zuletzt erschienen, und nur in einer solchen habe er auch gelitten«. 101 97 B AUR , Untersuchungen, 373. Diese Auffassung findet sich später bei K ÄSEMANN (s.u.). 98 Vgl. B ERGER , Exegese. 99 S TRAUSS , D.F R ., Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft, Bd. 2, Tübingen u. Stuttgart 1841, 99. 100 Ebd., 100. 101 Ebd., 101. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 27 1.9.1.6 Richard Rothe 102 In seinen 1875 herausgegebenen kirchengeschichtlichen Vorlesungen behandelt R ICHARD R OTHE auch die Frage nach der Herkunft des Doketismus. R OTHE zufolge hatte schon Paulus laut Apg 20,29 und 1 Tim 3,1ff das Problem des Gnostizismus vorhergesehen (S. 93). »Die Schwierigkeit, die Einheit Gottes und des Menschen in Christus zu begreifen, zusammen mit der absoluten Entgegensetzung von Geist und Materie, wie sie der damaligen Wissenschaft geläufig war, führte in der Christologie schon jetzt auf den Doketismus«(S. 93f). Das Phänomen Doketismus selbst stellt sich R OTHE wie S TRAUSS nach »der Art, wie die Juden sich Engelerscheinungen dachten« vor und verweist auf Tobit und Philo. In 1 Joh 2,18.19.22.23; 4,1-3 sowie 2 Joh 7 sieht R OTHE die entscheidenden Hinweise darauf, dass Johannes gegen den Doketismus gekämpft habe; wie dieser aber genau ausgesehen habe, wisse man nicht mehr (S. 94). Damit leitet er Doketismus (und Gnosis) nicht nur wie S TRAUSS und N IEMEYER aus dem Frühjudentum ab, er übernimmt auch nicht die üblichen, seit Irenäus vertrauten Gegnerzuweisungen, die R OTHE »Sage« nennt (insbesondere die angebliche Begegnung von Johannes und Kerinth im Badehaus zu Ephesus - Iren.haer. 3,3,4). Von dieser Position aus ist es konsequent, dass er als deutlichsten Hinweis auf Doketismus in den johanneischen Schriften den ersten und zweiten Johannesbrief nennt. Denn offenbar reicht ihm ein bloßer Verweis auf Inkarnation wie in Joh 1,14 nicht aus, um daraus eine polemische Front des Johannesevangeliums gegen den Doketismus abzuleiten. Er nennt als ersten hier relevanten Gnostiker Kerinth, mit dem der Übergang vom Judentum zu gnostischem System erfolgt sei (ebd.). Mit Kerinth erst beginnen gnostische Systembildungen. Zuvor auch bei den Ignatiusgegnern sei nur von Doketismus als »allgemeine(r) theologische(r) Richtung« zu sprechen (ebd.). Für den nun gnostisch ausgeprägten Doketismus musste nach R OTHE die Erlösung »und das Geschäft des Erlösers, des Christus« darin bestehen, das »Bewußtsein in den Menschengeistern zu erwecken und zu völliger Klarheit und Kräftigkeit zu beleben« (ebd., 133). Die Frage war, wie das Bewusstsein für den höchsten Gott zu wecken sei: »Es mußte ein in der Menschenwelt erscheinender Aeon sein, und zwar ein über den Demiurgen weit erhabener Aeon. Er mußte den Menschen in dieser materiellen Welt erscheinen, um ihnen die eben angegebene Einsicht zu offenbaren. Wenn aber die Erlösung als wesentliche Befreiung von dem Materiellen gedacht wird, so liegt darin als Consequenz, daß dieser als Mensch erscheinende Aeon so viel als möglich von jeder Theilname an der Materie entfernt vorgestellt wurde, d.h. daß er auf doketische Weise gedacht werden mußte« (ebd., 133f). R OTHE zufolge griff also die Gnosis hier auf den schon vorhandenen Doketismus zurück, um ihr Problem zu lösen, den himmlischen Erlöser in der Welt über- 102 R OTHE , R., Vorlesungen über Kirchengeschichte und Geschichte des christlich-kirchlichen Lebens (Hg.: H. W EINGARTEN ), Heidelberg 1875. 28 A. 1 Einleitung haupt vorzustellen. Die Orientierung an Engelvorstellungen ist auch hier noch deutlich. 1.9.1.7 Adolf Hilgenfeld 103 H ILGENFELD wehrt sich gegen die Ansicht, jüdische Vorstellungen stünden im Hintergrund der Gegner von 1 Joh. »Wir haben hier antinomistische oder libertinistische Gnostiker vor uns«. 104 Es handele sich um Leute, die »den geschichtlichen Erlöser in die Doppelpersönlichkeit des göttlichen Christus und des menschlichen Jesus auflösten. (...) Nebenbei mag sich auch schon der reine Doketismus in seinen Anfängen geregt haben«. 105 In seiner wirkmächtigen »Ketzergeschichte des Urchristentums« (Leipzig 1884) geht er auf den Doketismus nicht systematisch ein, führt ihn aber, wie alle gnostische Häresie auf den Samaritaner Simon Magus zurück. Diesem seien als Vertreter doketistischer Ansichten Satornil, Basilides, Kerdon, Markion und viele andere gefolgt (S. 194.200.332 u.ö.). 1.9.1.8 Adolf von Harnack 106 H ARNACK sieht in der frühen Kirche eine adoptianische Christologie einer pneumatischen gegenüberstehen. 107 Ähnlich hatte schon S TRAUSS mit dem dialektischen Paar von Doketismus und Ebionitentum gearbeitet (s.o.). Die adoptianische Christologie stellt sich Christus so vor, dass er in einer die Propheten übertreffenden Weise mit dem Heiligen Geist begabt gewesen sei. Der pneumatischen Christologie galt er »als ein himmlisches Geistwesen (...) welches auf Erden erschienen ist, ein Menschenleben durchlaufen hat und nach Vollendung seines Werkes wieder in den Himmel zurückgekehrt ist (...).« 108 Anhaltspunkte für diese pneumatische Christologie sieht H ARNACK bei Paulus, in Hebr, den johanneischen Schriften, bei Barn, in 1/ 2Clem, Ign, Polyk 103 Historisch-kritische Einleitung in das Neue Testament, Leipzig 1875. In seiner forschungsgeschichtlich wirkmächtig gewordenen Ketzergeschichte folgt H ILGENFELD im Wesentlichen den Quellen der Alten Kirche. Für die christlichen Häresien geht er dabei von Justins Ketzerschrift aus, die er rekonstruierend zu beschreiben sucht. Dabei geht er von der Zuverlässigkeit der Berichte des Irenäus über die frühen Gnostiker aus (heute vielfach bestritten). Die Rekonstruierbarkeit der Justinschrift und damit zusammenhängend viele Einzelentscheidungen in der Rekonstruktion bilden eine zusätzliche Hypothek. Erst recht problematisch wird es, wenn man die so rekonstruierten Ergebnisse aus dem 2. Jahrhundert auf Texte des 1. Jahrhunderts anwendet, anstatt zunächst die Texte des 1. Jahrhunderts zu nehmen und zu fragen, was abgesehen von möglichen späteren Entwicklungen tatsächlich im Text steht. 104 Ebd., 687. 105 Ebd., 689. 106 H ARNACK alsExegetundSchmiedneutestamentlicherHypothesen: M ARKSCHIES ,Harnack,365-395. 107 H ARNACK , Dogmengeschichte, 210ff. Hingewiesen sei hier auf den Umstand, dass sich der Begriff »Adoptianismus« einer Debatte verdankt, die nicht vor Ende des zweiten Jahrhunderts im Schwange war. Die Tendenz, frühe theologische Phänomene mit den Namen viel späterer Entwicklungen zu belegen, ist grundsätzlich problematisch. 108 Ebd., 212. Widerspruch fand H ARNACK früh schon bei L OOFS , Leitfaden, 94ff., der darauf hinweist, man könne nicht einfach eine pneumatische von einer adoptianischen Christologie absetzen. Vielmehr habe man unter jüdischen Denkvoraussetzungen das im Menschen Jesus inkarnierte Pneuma präexistent denken können. Die Grenze zu einer Inspirationsvorstellung sei noch lange Zeit fließend gewesen. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 29 sowie in den Pastoralbriefen. 109 Pneumatische Christologie trete »überall dort entgegen, wo sich eine eindringende Beschäftigung mit dem A.T. findet«. 110 Wir haben es also mit unterschiedlichen, frühen, christologischen Aussagen je eigener Herkunft und mit verschiedenen Kontexten zu tun, die dogmengeschichtlich typisiert und zusammengefasst werden. Inhaltlich geht es immer um Inkarnation bzw. um die Epiphanie des aus der Sphäre Gottes kommenden Christus unter den Menschen bzw. als Mensch. 111 H ARNACK stellt fest, dass für diese Christologien ein »naiver Doketismus oder eine mythologische Verwandlung« charakteristisch sei. 112 Damit ist gemeint, dass der noch naive Doketismus nicht in ein gnostisches System eingebunden ist, und dass er nicht auf seine systematischen Konsequenzen hin zu Ende gedacht ist. H ARNACK orientiert sich damit bei der Bestimmung von frühem Doketismus nicht an Textbefunden, die von scheinbarer Existenz oder scheinbarem Leiden Christi handeln. Stattdessen ordnet er Aussagen über die Erscheinung des aus dem Himmel stammenden Erlösers in menschlicher Wirklichkeit, die ja noch nicht in späterer christologischer Zwei-Naturen-Begrifflichkeit gefasst sein können, zu einer »Pneumachristologie« zusammen. Die wiederum sei in ihrer Tendenz »naiv doketistisch«. Zugespitzt formuliert er: »In der Behauptung aber, dass das Geistwesen Christus lediglich menschliches Fleisch angenommen habe, liegt an und für sich ein doketischer Gedanke, mag man die Realität des Fleisches noch so sehr betonen.« 113 Der Spielraum für die Anwendung des Begriffs Doketismus ist damit radikal ausgeweitet. 114 Methodisch bedeutet das, dass jetzt ein Erschließen von später »häretischen« Momenten möglich ist, ohne dass Hinweise der Alten Kirche oder ausdrückliche Hinweise auf das Grundproblem des Doketismus in den Texten selbst vorliegen müssen. 115 109 Ebd., 212 Anm. 1. H ARNACK nennt als Belege u.a. Barn 5,5f; 12.10; 5,10; 1Clem 16,2.32; 22,1; 27,4. 2Clem 9,5; 14; IgnEph 7,2; IgnMagn 7,2. 110 H ARNACK , Dogmengeschichte, 218f. Anlass zur Rede von einer pneumatischen bzw. einer Geistchristologie haben Stellen wie 2Clem 9,5 gegeben: Χριστὸς (...) ὢν μὲν τὸ πρῶτον πνεῦμα, ἐγένετο σὰρξ. Vgl. auch H AUSCHILD , Lehrbuch Bd. 1., S. 8: H AUSCHILD beschreibt »Geistchristologie« als eine »durch jüdische Vorstellungen beeinflußte Weise, Christi Präexistenz präziser zu denken« durch die Identifikation »seines vorinkarnatorischen Wesens mit Gottes Geist. Das konnte in verschiedener Weise gedacht werden, ohne daß daraus eine kohärente Lehre wurde.« 111 Das Problem liegt nach H ARNACK , Dogmengeschichte, 215, darin, dass zwar noch keine Zwei- Naturenlehre bekannt ist, dennoch schon Fleisch und Geist als zwei bestimmende Seinsweisen erkannt und miteinander in Beziehung gebracht werden. 112 H ARNACK , Dogmengeschichte, 215. 113 Ebd., 216, Anm. 3. 114 Man vergleiche dazu das viel vorsichtigere Vorgehen R OTHE s (s.o.). 115 Die Gefahr ist offensichtlich: Überall, wo unter »frühen Christen« eine »hohe Christologie« vom Auftreten des Christus in Zeit und Raum spricht oder gar von Inkarnation oder dem Fleisch Christi handelt, kann man jetztdenBegriffDoketismus anwenden.Was aberkannderBegriffdannnochgenaubesagenundbeschreiben? W ERNER , Entstehung, 310, kommentiert das von H ARNACK gewählte Vorgehen: »Die Behauptung, die im nachapostolischen Zeitalter in so gewaltigen Erschütterungen sich auslebende Problematik des christologischen Dogmas sei im Christentum keimhaft latent angelegt gewesen, ist eine in jeder Hinsicht unerweisbare Hypothese, mit der man das große geschichtliche Paradox auf wohlfeile Manier loszuwerden trachtet.« 30 A. 1 Einleitung 1.9.2 20. Jahrhundert: Gnosis als religionsgeschichtlicher Hintergrund 1.9.2.1 Rudolf Bultmann und die »Religionsgeschichtliche Schule« Die schon Ende des 19. Jahrhunderts in Göttingen formierte »Religionsgeschichtliche Schule« wurde mit ihren Forschungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Theologie des Neuen Testaments prägend. R. R EITZENSTEIN , W. B OUSSET und andere sahen nicht mehr im Alten Testament den hauptsächlichen religionsgeschichtlichen Hintergrund der neutestamentlichen Schriften, sondern in »spätjüdischer Apokalyptik«. Besonders aber sei als religionsgeschichtlicher Hintergrund die schon vorchristlich bestehende Gnosis anzunehmen, die synkretistisch Elemente aus orientalischen und hellenistischen Traditionen vereinigt habe und die vor allem in den paulinischen und johanneischen Schriften ihren Widerhall gefunden habe. 116 B OUSSET stellt fest, dass doketistische Tendenzen im Umfeld der johanneischen Schriften anzeigen, wie weit man sich auch in christlichen Kreisen schon vom historischen Jesus von Nazareth entfernt habe (»definitive Ablösung der christlichen Religion vom irdischen Leben Jesu von Nazareth«). Und zwar sei der Doketismus als die am frühesten nachzuweisende häretische Erscheinung nicht bloß auf die reine Gnosis beschränkt gewesen, sondern weit in christliche Gemeinden vorgedrungen. Das sehe man daran, dass die Johannesbriefe, Ignatius und Polykarp direkt, das Johannesevangelium indirekt gegen den Doketismus Front machen. 117 Die Gnosis wird als eine synkretistische, aber eigenständige Größe behandelt, die ihren Erlösermythos auf Jesus angewandt habe und die dabei mit der Schwierigkeit eines geschichtlichen Erlösers zurechtkommen musste, was nur durch die Lehre von der nur scheinbar menschlichen Wirklichkeit Christi möglich geworden sei. 118 R UDOLF B ULTMANN pointierte die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Schule und legte sie seiner exegetischen Arbeit zugrunde. »Er ging in der Typisierung noch einen Schritt weiter als B OUSSET (...) und destillierte aus der Literatur geradezu ein Modell vom gnostischen Erlösermythus heraus.« 119 »Der Erlöser erscheint demzufolge als kosmische Gestalt, als das präexistente Gottwesen, der Sohn des Vaters (...), der vom Himmel herabkam und Menschengestalt annahm, der nach seinem irdischen Wirken zur himmlischen Herrlichkeit erhöht wurde und die Herrschaft über die Geistermächte errang. (...) Der gnostische Gedan- 116 Z ELLER , D., Art.: Religionsgeschichtliche Schule, in: LThK Bd. 8 (3. Auflage), 1999, 1056f; C OLPE , C., Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythos, Göttingen 1961. 117 B OUSSET , W., Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenaeus. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit ausführlichen Registern. Göttingen 1921, S. 159. B ULTMANN spricht allerdings doch von christlichen Gnostikern als Gegner der Johannesbriefe ( DERS ., Theologie, 392). 118 Ebd., 210. 119 C OLPE , Schule, 57. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 31 ke, daß das Erdengewand Christi die Verhüllung war, infolge deren die Weltherrscher ihn nicht erkannten«, sei in 1 Kor 2,8f erkennbar. 120 Das Erscheinen des Erlösers bewirkt einen kosmischen Vorgang, in dem er die »präexistenten Menschenseelen, die kraft ihrer Lichtnatur ihm verwandt sind, aus der sie fesselnden Materie (Leib und Seele)« befreit und sie in die Lichtwelt emporführt. 121 Diesen Erlösermythos und seine Begriffe hätten sich schon Paulus und die johanneischen Schriften zunutze gemacht, um das Heilsgeschehen deutlich zu machen. 122 Allerdings hätten sie ihn zu ihren Zwecken an entscheidenden Stellen umfunktionieren müssen, da der postulierte gnostische Erlösermythos eine wirkliche Menschwerdung des Erlösers nicht vorsieht. Gnostische Christologie ist deswegen immer doketistisch und sieht zumindest eine (zeitweilige) Trennung von irdischem Jesus und himmlischem Erlöser vor. 123 Umgekehrt sind die Gegner der Johannesbriefe christliche Gnostiker. 124 Das Evangelium und die Briefe kennen diesen gnostischen Doketismus der Gegner und wenden sich ausdrücklich dagegen. 1.9.2.2 Ernst Käsemann 125 B ULTMANNS Schüler K ÄSEMANN bezog bald darauf die genau entgegengesetzte Position. Für ihn waren 1 Joh und Johannesevangelium selber gnostischdoketistisch geprägt. Er vermutet, sie seien von dem in 3 Joh bekämpften Gemeindeleiter Diotrephes geschrieben worden. K ÄSEMANN dreht damit eine These B ULTMANNS um, der trotz Annahme der Verwendung gnostischer Quellen im Johannesevangelium davon ausgegangen war, das Evangelium selbst wende sich gegen Gnosis (und Doketismus). Nun ist für Käsemann ein von der kirchlichen Orthodoxie bekämpfter Leiter einer christlichen Gruppe, die parallel zur Großgemeinde existiert, Autor von 1 Joh und Johannesevangelium. 126 Dieser habe zwar einen offenen Doketismus bekämpft (»das Wort ward Fleisch«), sei aber doch ein christlicher Gnostiker gewesen. 127 In einer späteren Schrift geht Käsemann weiter und meint, die johanneischen Schriften seien trotz antidoketistischer Aussagen insgesamt doketistisch gewesen, und zwar im Sinne 120 B ULTMANN , R., Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 6 1968, 178f. 121 Ebd., 392f. Für eine umfassende Darstellung und Kritik von B ULTMANN s Modell des Mythos vom gnostischen Erlöser siehe C OLPE , Schule (s.o.). 122 Ebd. 178f. 123 Ebd., 172. 124 Ebd., 392. 125 K ÄSEMANN , E., Ketzer und Zeuge. Zum johanneischen Verfasserproblem. In: Exegetische Versuche und Besinnungen Bd. 1, Göttingen 1960, S. 168. In dieser ursprünglich 1951 in Göttingen als Antrittsvorlesung gehaltenen Schrift findet sich gleich zu Beginn der ausdrückliche Verweis auf B AUER , Rechtgläubigkeit. Dass Käsemann auf dieses Thema gerade während des Kirchenkampfes gestoßen ist, betont er im gleichen Zusammenhang. 126 Auch im Kirchenkampf gab es derartige Konflikte zwischen offizieller Kirche und den Gegen- und Nebenstrukturen der Bekennenden Kirche, der Käsemann angehörte. 127 K ÄSEMANN , Ketzer, 178. 32 A. 1 Einleitung eines »naiven Doketismus«. 128 Diesen Begriff hatte schon H ARNACK (s.o.) verwendet. 129 »In welchem Sinne ist derjenige Fleisch, der über die Wasser und durch verschlossene Türen geht, seinen Häschern ungreifbar ist, am Brunnen von Samaria, müde und einen Trunk verlangend, gleichwohl nicht zu trinken braucht und eine andere Speise hat als die, für welche seine Jünger sorgen? (...) Wie paßt das alles zu einer realistischen Auffassung der Fleischwerdung? Meint die Aussage, daß das Wort Fleisch ward, wirklich mehr, als daß es in die Menschenwelt hinabstieg, mit dem Irdischen in Berührung kam und so Begegnung mit ihm möglich wurde? Steht sie nicht ganz im Schatten der anderen Aussage: ›Wir sahen seine Herrlichkeit‹, durch die sie erst inhaltlich gefüllt wird? « 130 1.9.2.3 Die Kritik durch Carsten Colpe 131 Viele der von B ULTMANN , K ÄSEMANN und anderen aufgestellten Hypothesen wären nicht ohne die Annahme einer ausgeprägten vorchristlichen Gnosis mit dem vorhandenen Typos des »erlösten Erlösers« (s.o.) zustande gekommen. Eben diese Grundannahme des religionsgeschichtlichen Typos vom erlösten Erlöser wurde von C OLPE in seinem 1961 erschienen Buch über die religionsgeschichtliche Schule umfassend demontiert, indem er nachwies, dass dieses religionsgeschichtliche Modell mehr der systematisierenden und typisierenden Intelligenz neuzeitlicher Forschung verdankte, als den sehr verschiedenartigen antiken Quellen. Seither ist die Annahme vorchristlicher Gnosis diffizil geworden. 132 Zugleich wird auch die These eines frühchristlichen Doketismus problematischer. 1.9.2.4 Peter Weigandt 133 Im gleichen Jahr wie Colpe legte P ETER W EIGANDT in Heidelberg eine nicht publizierte Dissertation vor, die den »Doketismus im Urchristentum und in der 128 K ÄSEMANN , E., Wille, besonders 51f: »Man kann die Gefahr seiner Herrlichkeitschristologie unmöglich übersehen: Sie ist der Doketismus, der noch naiv sich geltend macht und als Gefahr noch nicht erkannt ist.« »Der heute oft durchgängig behauptete Antidoketismus des Evangeliums« sei ein »reines Postulat« (Anm. 41). 129 Vgl. auch L IETZMANN , H., Geschichte der Alten Kirche 2, Berlin 1936, 117: Aus der Logoschristologie des Johannes hätte sich ein naiver Doketismus entwickeln können. - Die von H ARNACK und K ÄSE - MANN gewählte Konzeption des naiven Doketismus zielt auf das Problem, wie göttliche Epiphanie in der Welt der Menschen, bzw. in Menschengestalt vorzustellen ist. Die Ausweitung des Begriffs Doketismus auf Texte, die von Doketismus direkt nicht sprechen, sondern in denen es um die Verbindung bzw. das Zusammenspiel von himmlischer Herrlichkeit und irdischer Menschlichkeit geht, wird dem Phänomen nicht gerecht. Dann müsste man annehmen, wirkliche Inkarnation, d.h. die Verbindung oder das direkte Ineinander von Gott und Mensch sei für die frühen Christen (zumindest des johanneischen Umfeldes) nicht denkbar gewesen. Dagegen aber spricht die vielfältige frühe Bezeugung eben dieser auf Jesus Christus bezogenen Behauptung. 130 Ebd. 22f. 131 C OLPE , Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythos, Göttingen 1961. Vgl. auch K.B ERGER , Art. Gnosis. 132 Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an den Grundtheorien der Religionsgeschichtlichen Schule auch die Bemerkungen H ENGEL s, der wesentliche Punkte von C OLPE aufnimmt und weiterführt. -Siehe unten S. 424f. 133 W EIGANDT , P., Der Doketismus im Urchristentum und in der theologischen Entwicklung des zweiten Jahrhunderts, Diss. (masch.), Heidelberg 1961. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 33 theologischen Entwicklung des zweiten Jahrhunderts« untersucht. 134 Lange hat man sich, wenn man die Gegner von 1 Joh oder den Ignatianen als Doketisten bestimmte, aber auch bei allgemeineren Darstellungen des Themas Doketismus, auf diese Untersuchung bezogen. 135 W EIGANDT geht von einer vorchristlichen Gnosis aus (19f), auch wenn er Colpes Ergebnisse zum Forschungsmythos des »Erlösten Erlösers« schon berücksichtigt (62). Seine Arbeit orientiert sich stark an den Ketzerreferaten der Häresiologen, die erkenntnisleitend auch dann wirken, wenn andere, zumeist apokryphe Schriften aus der Zeit der Alten Kirche untersucht werden. In einem ersten Teil stellt W EIGANDT sieben Typen gnostischer Christologie dar. 136 Als eigentlich »doketistisch« lässt er allerdings nur die Christologie Satornils gelten, wonach nicht nur das Leiden Christi zum Schein geschehen sei, sondern seine ganze Existenz Schein war. W EIGANDT nennt diesen »eigentlichen« Doketismus »monophysitisch«. Der Doketismus schwanke zwischen »wohl jüngeren subordinatianischen und älteren modalistischen Vorstellungen«. 137 Er schreibt über die Christologien Kerdons und Satornils: »Jedoch ist zu bedenken, daß dieser subordinatianische, monophysitische Christus auf der Erde nur als Trugbild erscheint. Dieses Trugbild genügt, um die Menschen zum Glauben zu bringen und zu erlösen. Mehr als ein ›Daß‹ dieses Doketismus können wir nicht erheben. Über seine Voraussetzungen wird nichts berichtet.« 138 »Die doketistische Christologie, d.h. der Doketismus im engeren Sinn verstanden, was allein sachgemäß scheint, ist nicht die Lösung, sondern nur eine ganz bestimmte unter vielen anderen, um der Schwierigkeiten Herr zu werden, die sich ergeben, wenn griechisch beeinflußtes, gnostisches Denken mit der auf dem Dualismus von Geist und Materie sich gründenden Transzendenz Gottes und der Vorstellung von der Selbsterlösung des Menschen in Einklang gebracht werden soll mit dem christlichen Glauben an die Menschwerdung des göttlichen Erlösers Jesus Christus.« 139 Insgesamt untersucht W EIGANDT unter diesen Maßgaben eine Fülle von Material aus den Kirchenvätern, den Apostelakten, frühjüdischer Literatur, apokry- 134 W EIGANDT tut gleich im Vorwort die ihm bekannte Untersuchung von B AKKER (s.u.), die das Phänomen Doketismus aus jüdischer Engelchristologie ableitet, als abwegig ab. Die lateinische Monographie N IEMEYERS ist ihm nicht bekannt und auch die entsprechenden Erwägungen R OTHES und S TRAUSS ’ tauchen nicht auf. 135 V OORGANG , Passion, 253: »Nach W EIGANDT ist der Doketismus eine synkretistische, gnostische Christologie, nach der der Erlöser als Gott vorgestellt wird, der als Jenseitiger nicht in die Welt kommen kann. (...) Doketismus sieht W EIGANDT bei Satornil, Kerdon, Markion, in den Johannesakten, in EvVer, in den Testamenten der zwölf Patriarchen und der Epistula Apostolorum, mittelbare Hinweise im Johannesevangelium und in den Briefen des Ignatius nach Tralles und Smyrna. W EIGANDT s Doketismusdefinition ist jedoch zu eng und umfasst nicht all die christologischen Vorstellungen, die die Inkarnation, die Erdenwirksamkeit, die Passion, die Auferstehung und die Realpräsenz in der Eucharistie unter dem Grundgedanken des „Scheinens” (δοκεῖν) relativieren.« 136 Ebd., 4-18. 137 Ebd., 18. 138 Ebd., 66. 139 Ebd., 25f. Vgl. ebd., 35: »Doketismus (...) [ist] ein Produkt des Zusammenstoßes von heidnisch-griechischem Denken und Christusverkündigung.« Dementsprechend habe der Doketismus einen »synkretistischen Charakter«. 34 A. 1 Einleitung phen Evangelien sowie die Johannesbriefe und die Ignatiusbriefe. Bei seiner Abhandlung über die Gegner von 1 Joh kann er allerdings nicht nur den reinen Doketismus feststellen, sondern sieht sich auch an kerinthische, basilidianische und valentinianische Elemente erinnert, so dass »der Kreis der wichtigsten gnostischen, christologischen Irrlehren« im Blick sei. 140 Abschließend formuliert W EI - GANDT Vermutungen, wie der Doketismus von Antiochia über Kleinasien nach Rom gelangt sei, und ordnet Namen zu (S. 154). So sehr W EIGANDTS Zusammenstellung die Vielfalt innerhalb der gnostischen Christologien zeigt und Differenzierungen ermöglicht, muss man m.E. folgende Einschränkungen sehen: 141 - W EIGANDT geht ganz von vorchristlicher Gnosis aus. Diese Auffassung wird heute bezweifelt. 142 - Die Einschränkung auf eine monophysitische Christologie als Doketismus »im engeren Sinne« ist historisch gesehen anachronistisch und damit auch für die Frage nach den Gegnern der Ignatius- und der Johannesbriefe nicht weiterführend. 143 Auch die Kombination mit den Begriffen »Suborditianismus« und »Modalismus« als Bezeichnungen für christologische Entwicklungen von Mitte bzw. Ende des zweiten Jahrhunderts bringt keine Entlastung, sondern ist ebenfalls anachronistisch. - Ein reiner Scheinleib Christi, wie er von W EIGANDT als typisch für den Doketismus im engeren Sinne angenommen wird, ist um die erste Jahrhundertwende nicht vorstellbar. 144 - W EIGANDTS Arbeit sammelt und systematisiert weitgestreutes Material. Da er als kategorisierende »Raster« ausdrücklich die erst viel später gebildeten altkirchlichen dogmengeschichtlichen Begrifflichkeiten wie »Monophysitismus« usw. verwendet, ist zwar eine systematisierende Ordnung des Materials möglich, aber aufgrund des grundlegenden Anachronismus’ seiner Begriffe keine historisch wahrscheinlich zu machende Darstellung der Entwicklung. 1.9.2.5 Udo Schnelle 145 U DO S CHNELLES Arbeit über »Antidoketische Christologie im Johannesevangelium« zielt auf eine Neubewertung des Verhältnisses der johanneischen Schriften zueinander und auf Widerlegung der These eines »naiven Doketismus« im Johannesevangelium. Er will zeigen, dass 1 Joh innerhalb der von ihm vermuteten johanneischen Schule noch vor dem Johannesevangelium abgefasst 140 Ebd. 106. Einerseits mutet W EIGANDT dem 1 Joh zu, eine Art »vorweggenommener Irenäus« im Kampf gegen alle Häresien zu sein (ebd., 106f). Andererseits wird deutlich, dass auch W EIGANDT Schwierigkeiten hat, im Bereich gnostischer Christologien eine genaue Entsprechung zu den Aussagen von 1 Joh zu finden. 141 Ausführliche Kritik u.a. bei S LUSSER , Docetism und bei B ROX , Problemanzeige. 142 Vgl. die unterschiedlichen Gnosis-Darstellungen: M ARKSCHIES , T RÖGER , R UDOLPH , I VERSEN . 143 R ITTER erkennt die ersten Anfänge monophysitischen Denkens in der Christologie des Origenes im dritten Jahrhundert, ausgeprägten Monophysitismus erst bei Apollinaris von Laodicea im vierten Jahrhundert n.Chr. ( DERS .: Art. Monophysiten/ Monophysitismus in: RGG 4, Bd. 5, Tübingen 2002, 1454f). 144 B ROX , Problemanzeige, 308, stellt im Anschluss an S LUSSER fest: »Streng gedacht konnte es damals ja keine substanzlose δόκησις geben.« W EIGANDT selbst wendet dies im Schlussteil seiner Arbeit selber ein. Diese idealistische Vorstellung, die forschungsgeschichtlich schon bei F. C HR . B AUR wichtig ist, kann in Stoa und Mittelplatonismus noch nicht gedacht werden. 145 S CHNELLE , Christologie 1987; DERS ., Johannesbriefe 2010; DERS ., Evangelium 1998. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 35 wurde. Durch den Nachweis antidoketischer Tendenzen an zentralen Stellen des Evangeliums erscheint dieses so als »Reaktion auf doketistische Theologie«(...). »Die Johannesbriefe beschränken sich auf Polemik und Verteidigung des rechten Bekenntnisses, während sich im Evangelium eine umfassende theologische Bewältigung des Doketismus findet.« 146 Wie der bekämpfte gegnerische Doketismus ausgesehen haben mag, stellt S CHNELLE in ausdrücklichem Anschluss an W EIGANDT dar. 147 Es habe sich keinesfalls um naiven Doketismus gehandelt. 148 Vergleichbar sei der frühchristliche Doketismus der Ignatiusgegner, der wiederum als monophysitische Christologie zu bezeichnen ist und bei Satornil, Kerdon, Markion und den Johannesakten auftauche. 149 Verwandt sei auch - und damit wohl in Rechenschaft zu stellen die Lehre Kerinths. 150 In seinem neuesten Ansatz führt S CHNELLE den Doketismus ganz einfach auf den Platonismus zurück. 151 Er geht trotz seiner Ansetzung der Johannesbriefe vor dem Evangelium von einer relativ späten Datierung und einer Verortung in Kleinasien aus. 152 Damit setzt er eine johanneische Schul-Geschichte voraus, die in platonisches Fahrwasser gekommen sei. Undeutlich ist, wie eine rein platonische Weltauffassung an die biblische anknüpfen konnte. S CHNELLE jedenfalls gibt dazu kaum Hinweise. Das ganze Feld des hellenistischen Judentums und der engeldoketischen Texte kommt nicht vor. Problematisch ist dabei m.E. nicht nur der anachronistische Bezug auf eine »monophysitische Christologie« zur Zeit der Entstehung der johanneischen Schriften (s.o.), sondern auch, dass über meh- 146 Ebd., 249. 147 Vgl. auch S CHNELLE , Einführung; DERS ., Johannesbriefe, 138-146 und DERS ., Salbung, 637f. 148 S CHNELLE , Christologie, 76. 149 Ebd., 76-81. Intensiver schildert S CHNELLE seine Sicht in Johannesbriefe, 138ff und Salbung 637f: Demnach ist vor der platonischen Wirklichkeitsauffassung der Gegensatz von Schein und Sein prägend: »Das eigentliche Sein ist das geistig-ideelle Sein (...), die Welt der Ideen. Sie liegen als eigentliche Wirklichkeit allen sinnlichen Wahrnehmungen zugrunde, während die Welt der Wahrnehmungen (aus der Sicht der Doketen das leibliche Sein Jesu) dem Wandel, der Täuschung, dem Vergehen, dem Schein (...) unterworfen sind« (Salbung, 637). - Kritik daran: Die Nähe dieser Darstellung zu den Idealen des deutschen Idealismus ist mit Händen zu greifen. Sie ist deswegen natürlich nicht falsch. Dennoch ist Vorsicht angebracht, weil unklar bleibt, wieso diese christologische Variante, die in der Antike nur geringe Belege findet, ausgerechnet den Hintergrund der Gegner von 1 Joh oder der Ignatianen bilden soll. 150 S CHNELLE , Christologie, 82. 151 S CHNELLE , Johannesbriefe, 138-145. Ebd., 142: »Die im 1Joh attackierten Dissidenten gehörten ehemals zur Gemeinde (1 Joh 2,19) und leugneten aus der Sicht des Briefschreibers die soteriologische Identität zwischen dem irdischen Jesus und dem himmlischen Christus (...). Sie unterschieden strikt zwischen dem allein heilsrelevanten himmlischen Christus und dem irdischen Jesus, der seiner kreatürlichen Erscheinung nach nur einen Scheinleib hatte (vgl. 1 Joh 4,3).« Die Gegner des Ignatius seien damit zu vergleichen: »Allein diese Form einer monophysitischen Christologie, in welcher der Erlöser selbst ausschließlich göttlicher Natur ist und somit nicht er selbst, sondern seine δόκησις auf Erden erscheint, kann Doketismus genannt werden. Ein in dieser Weise definierter Doketismus, dessen Konsequenz eine völlige Entleerung des irdischen Seins Jesu Christi ist, findet sich außer in den Ignatiusbriefen bei Satornil, Kerdon, Markion und in den Johannesakten. Der Doketismus ist eine eigenständige Christologieform, die sich religionsphilosophisch an der platonischen Grundeinsicht orientiert, dass der (vergängliche) Körper nicht heilsrelevant, sondern nur heilshinderlich sein kann.« 152 Das Problem ist nicht die absolute Datierung, sondern das vorausgesetzte Modell der Theologiegeschichte d. frühen Christentums. Solange man von dialektischen oder einlinigen Entwicklungen ausgeht, ist die joh. Literatur irgendwie immer »spät« und nahe an der späteren dogmatischen Entwicklung. 36 A. 1 Einleitung rere Ecken vermittelt (Gegner des Johannesevangeliums - Gegner von 1 Joh - Ignatiusgegner - Satornil u.a. - »Monophysitismus«) eine deutlich entfernte Außenperspektive an die Texte herangetragen wird. Dabei gibt auch Schnelles eigener Textbefund nicht viel mehr her, als dass der Evangelist eben an der Menschlichkeit Jesu ein besonderes Interesse gehabt habe. 153 Eigentlich kann damit nur die These widerlegt werden, das Evangelium sei selber in irgendeiner Weise doketisch geprägt. 154 Es lässt sich auf keinen Fall daraus alleine erweisen, das Evangelium sei umgekehrt bewusst antidoketistisch. 155 1.9.2.6 Wolfram Uebele 156 U EBELES Studie widmet sich nahezu ausschließlich den Gegnern von 1 Joh und den Ignatiusbriefen. Ziel U EBELES ist es, die Lehr-Identität beider Gegnergruppen zu beweisen, und zwar im Gefolge W EIGANDTS als »monophysitisch-doketistische Christologie«, 157 die er im Bereich syrischer und/ oder kleinasiatischer Gnosis vermutet. 158 Versucht wird, das theologische Profil beider Gegnergruppen genauer zu bestimmen, und zwar in genealogischer Abhängigkeit, wobei die Gegner des Ignatius als direkte »Nachkömmlinge« der Gegner von 1 Joh dargestellt werden. 159 »Interessant scheint (! ) für unsere Frage nach einer möglichen historischen Einordnung der ignatianischen und johanneischen Gegner der Antiochener Satornil. Das zeitgleiche Lehren des syrischen Gnostikers (...) lässt es als geradezu unwahrscheinlich erscheinen, dass Ignatius nicht in irgendeiner Weise mit dessen Anschauungen konfrontiert gewesen wäre. Mit Vorläufern dieser Vorstellungen könnte auch der johanneische Kreis bereits in Berührung gekommen sein« (160). »Was Irenäus 153 S CHNELLE , Christologie, 185 u.ö.. Über Joh 1,14 eindrücklich: »Die volle Menschwerdung des Offenbarers ist für Doketen unannehmbar, und als bewusste Polemik gegen Doketen ist deshalb V. 14a auf der Ebene der Tradition und des Evangelisten zu interpretieren«. Für S CHNELLE ist Doketismus vorauszusetzen (schon von 1 Joh her), so dass es nur darum gehen kann, ob eine Stelle für oder gegen Doketismus steht. Dass möglicherweise überhaupt noch kein Doketismus in Sicht ist, zumal nicht als ausgeprägte monophysitische Christologie, wird nicht erwogen. 154 Nachdem K ÄSEMANN und andere »naiven Doketismus« im Evangelium vermutet hatten, dient S CHNELLES Arbeit also dem Gegenbeweis. Die problematische aber vorsichtigere Konzeption des »naiven Doketismus« musste dabei gekippt werden, da eine ausdrückliche Bestreitung von Doketismus nach den vermuteten Auseinandersetzungen um 1 Joh herum kaum noch »naiv«, sondern schon offensichtlich und nicht mehr harmlos sein kann. 155 Vgl. auch die Kritik M ÜLLER s, Menschwerdung, 63, Anm. 157. 156 U EBELE , W., »Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen«. Die Gegner in den Briefen des Ignatius von Antiochien und in den Johannesbriefen, Stuttgart u.a. 2001 (BZWANT 151). 157 Ebd., 147ff. W EIGANDT s Monographie über den Doketismus wird dabei mehr oder weniger unhinterfragt als Ergebnis der bisherigen Forschung zugrunde gelegt. 158 Ebd., 158ff. 159 Ebd., 163. Der Fortschritt der Arbeit U EBELE s bestünde darin, eine einzige, dogmatisch genau beschreibbare Gruppe von Gegnern auszumachen, anstatt ein ganzes Cluster unterschiedlicher Theologien annehmen zu müssen, wie es W EIGANDT tat. Die Darstellung frühchristlicher Theologie- Entwicklung wäre dadurch an einem Punkt einfacher geworden. Es ist nur methodisch zu fragen, ob man »Gegner« so einfach rekonstruieren kann (B ERGER , Gegner), und theologiegeschichtlich, ob man sich »Christology in the Making« (D UNN ) als ein einfach und einlinig ableitbares Voranschreiten vorzustellen hat. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 37 komprimiert über den satornilschen 160 Doketismus überliefert, scheint letztlich in erstaunlicher Entsprechung zu dem zu passen, was wir über die christologische Irrlehre in Kleinasien bei Ignatius und der johanneischen Schule gehört haben« (161). Nach den oben schon gemachten kritischen Anmerkungen zu W EIGANDT sei hier nur kurz wiederholt: Das Problem liegt zunächst in massivem Anachronismus der gewählten Kategorien (Monophysitismus im 1./ 2. Jahrhundert). Es kommt hinzu, dass die häresiologischen Referate der Kirchenväter zum Ausgangspunkt genommen werden; deren zugespitzte Darstellung und Polemik werden in die viel früher entstandenen Texte eingetragen. Dabei führt die weitgehende Ausblendung des nächstliegenden religions- und theologiegeschichtlichen Umfelds, nämlich des Frühjudentums, dazu, dass eine Fülle an religionsgeschichtlichem Material nicht einmal in den Blick kommt. So lenkt der an späterer Dogmengeschichte orientierte Blick von den frühchristlichen Texten und ihrem Umfeld eher ab, als dass ernsthafte Erkenntnisgewinne zu verbuchen wären. 1.9.2.7 Pamela E. Kinlaw 161 K INLAW versteht ihre Untersuchung explizit als Fortführung der Arbeit der Religionsgeschichtlichen Schule (K INLAW , Christ, 176). In den Kapiteln 2 und 3 untersucht sie den antiken, mediterranen Kontext doketistischer Vorstellungen unter den Begriffen »Metamorphose« und »Possession« und nimmt so griechisch-römische wie hellenistisch-jüdische Vorstellungen von Epiphanien, Metamorphosen, Polymorphie, Inspiration, Ekstase, Besessenheiten und dauerhaftes Einwohnen göttlichen Geistes in den Blick. Sie zieht damit lange kaum beachtete Referenzen heran, die in vielen Einzelfällen helfen, den Gesamtkontext näher zu verstehen. K INLAW stellt damit die wichtige und viel zu wenig beachtete Frage nach den Verstehens- und Vorstellungsbedingungen für epiphane Ereignisse, wie sie unter dem Begriff »Doketismus« verstanden werden. In einem Unterkapitel (ebd. 79-91) vergleicht sie die von ihr zusammengestellten Kontexte mit den von den Häresiologen der Alten Kirche kolportierten christologischen Modellen der Gnosis. Da sie ihre religionsgeschichtlichen Kategorien vorher entsprechend 160 Satornil (lat.: Saturninus): Über Satornil ist nur wenig bekannt. (s.u. S. 413ff). »Alle späteren Berichte sind von Irenäus abhängig, der hist. Wert seiner Angaben bleibt unsicher«, schreibt M ARKSCHIES , Satornil, 846 (vgl. W. A. L ÖHR , Basilides 261f). Auch die Datierung zu Lebzeiten des Ignatius in Antiochia ist völlig ungeklärt: »Mehrere antike Autoren datieren Saturninus in die Zeit des Kaisers Hadrian (...). Ob das System auch etwa zu dieser Zeit entstanden ist, wissen wir nicht« (M ARKSCHIES , Gnosis, 80). M ARKSCHIES bezieht sich dabei auf die Angaben bei Euseb, h.e., 4,7,3. Der angegebene Zeitraum liegt nach dem wahrscheinlichen Lebensende des Ignatius. Da wir über Satornil wenig wissen, über Ignatius aber relativ viel, ist es sinnvoller, die geistige Welt des Ignatius zum Ausgangspunkt zu nehmen, um die Umwelt Satornils darzustellen als umgekehrt über Satornil Ignatius zu definieren. Wenn man von Ignatius her Satornils Umwelt darstellen will, findet man relativ viel (s.u. zum Interesse an himmlischen Dingen bei Ignatius und seinen Gegnern). Das heißt: Satornil kann durchaus mit Ignatius in eine Verbindung gebracht werden. Nur die Reihenfolge und die Priorität der Quellen sind zu bedenken. M ARKSCHIES , Gnosis, 79f. vergleicht die Angaben über Satornil mit Vorstellungen Philos. Insgesamt sind m.E. mystische Vorstellungen des Frühjudentums und des frühen Christentums heranzuziehen, wenn man die Angabe über Satornil historisch einordnen will. - Vgl. insgesamt zu Satornil auch P ÉTREMENT , God, 67-70.184f. - Eine spekulative Annäherung wage ich unten S. 466. 161 K INLAW , P. E., The Christ is Jesus. Metamorphosis, Possession and Johannine Christology, Leiden/ Boston 2005. 38 A. 1 Einleitung zugeschnitten hat, gelingt es ihr, »harten Doketismus« als Metamorphose bzw. Epiphanie ohne wirklich körperliche Gestalt darzustellen, vor allem aber die von ihr angenommene kerinthische Trennungschristologie der 1-Joh-Gegner als Inspirationsvorstellungen nicht-dauerhafter Natur gegenüber Einwohnungsvorstellungen dauerhafter Natur, die der Verfasser von 1 Joh vertreten habe, zu profilieren. Durch den Verzicht darauf, von den dargestellten religionsgeschichtlichen Materialien her zu wirklich eigenständigen Kategorien zu kommen und dann die häresiologischen altkirchlichen Berichte kritisch zu hinterfragen, bleibt der Erkenntnisgewinn geringer als es möglich gewesen wäre. 162 1.9.3 20. Jahrhundert: Frühjudentum und Christentum als Hintergrund 1.9.3.1 Ulrich B. Müller 163 M ÜLLER untersucht das Phänomen Doketismus nicht von den Ketzerreferaten der Alten Kirche her, sondern fragt nach den möglichen Vorstufen in den Inkarnationsaussagen bei Paulus und Johannes. Sowohl alte Weisheitstheologie als auch die Vorstellung eines präexistenten Logos kommen in den Blick. M ÜLLER bezieht zur Erklärung der Entstehung von Inkarnationsaussagen frühjüdisches und paganes Material mit ein (ebd., z.B. 20-28). 164 Indem er seinen Ausgangspunkt bei einer sehr alten Sendungschristologie nimmt, gelingt es, Inkarnationsaussagen zu verstehen, ohne jedes Mal eine doketische oder antidoketische Absicht im Hintergrund zu vermuten. Über die Sendungschristologie gibt es auch Nähen zur Angelologie (Angelos = Bote). Allerdings nimmt er an, dass sich der Doketismus der Gegner von 1 Joh aus einseitig betonten Elementen der Inkarnationstheologie des Johannesevangeliums entwickelt habe. Das Johannesevangelium habe zwei Aspekte Jesu, das des gesandten Gottessohnes und das des Menschen, dessen Fleisch Ort der Epiphanie ist. Wenn man diese beiden Aspekte ontologisch auffasse und gegeneinander ausspiele, könne man zu einer »Radikalisierung johanneischer Christologie« kommen, die die Position der Gegner von 1 Joh darstelle (ebd., 102). Diese haben deshalb nach M ÜLLER keinen Doketismus im eigentlichen Sinn vertreten, sondern eher »den himmlischen Gottessohn nur vorübergehend im Menschen Jesus epiphan werden lassen, ihn also grundsätzlich von diesem« getrennt (ebd., 99). Auch für die Gegner des Ignatius nimmt Müller eher jüdische als hellenistisch-pagane Wurzeln ihres Doketismus an, allerdings in diesem Falle einen aus jüdischem, angelophanen Denken stammenden Doketismus, der letztlich den Überzeugungen des Ignatius selbst nicht sehr fern sei. Zugleich seien die von Ignatius bekämpften Haltungen des Judaismus und Doketismus nur »zwei Seiten derselben häretischen Erscheinung« (ebd., 108). 162 Leider kennt K INLAW offensichtlich die weitläufige Literatur zum Thema Engelchristologie, Isangelie, epiphaniale Erscheinungen von Engeln und Menschen usw., wie sie in dieser Arbeit (s.u. S. 364ff) angeführt wird, nicht. 163 U. B. M ÜLLER , Die Menschwerdung des Gottessohnes. Frühchristliche Inkarnationsvorstellungen und die Anfänge des Doketismus, Stuttgart 1990 (SBS 140). 164 Vgl. auch D. Z ELLER , Menschwerdung Gottes - Vergöttlichung von Menschen, Freiburg u.a. 1988, NTOA 7, 141. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 39 1.9.3.2 Jürgen Denker 165 D ENKER vertritt die inzwischen weitgehend bestrittene These, das judenchristlich geprägte Petrusevangelium verfechte eine doketistische Christologie. Das Phänomen Doketismus wird in einem ausführlichen Exkurs mit frühjüdischen Angaben über das Wesen von Engeln und mit frühchristlichen Äußerungen über Christus als Engel bzw. Engelwesen verglichen. 166 Schließlich ergeben sich so für Denker auch Nähen zu den Gegnern des Ignatius von Antiochien, die einerseits jüdisch geprägt, andererseits Vertreter einer doketistischen Anschauung von Jesus waren. 167 1.9.3.3 Kleinere Aufsätze zum Doketismus und zur Ermittlung von Gegnern - A DOLPHINE B AKKER 168 1933 veröffentlichte B AKKER in der ZNW einen Aufsatz, in dem sie unter Hinweis auf unterschiedlichstes Material vorwiegend aus den Kirchenvätern eine Herleitung des frühen Doketismus, den sie v.a. im Hebräerbrief gegeben sieht, aus einer frühen Engelchristologie vorschlägt. - J OHN G. D AVIES 169 Die Frage nach den Wurzeln des Doketismus stellt J.G. D AVIES in ganz ähnlicher Weise, wie viel früher schon N IEMEYER . Indem er neben gnostischen Quellen auch frühjüdische einbezieht, geht er von der Möglichkeit aus, Doketismus habe »twofold origin in Graeco-Oriental and Jewish thought«. 170 Ausdrücklich verweist er auf den Auftritt der drei Männer bei Abraham in Mamre (Gen 18), Philos und Josephus’ Ausgestaltung dieser Erzählung (Abr. 22,113; Ant, 1,11,2) und auf Raphaels Auftritt bei Tobit (Tob 12). Er schließt seine Studie nach intensiver Analyse gnostischen Materials mit der Feststellung: »It will have been noticed that the earlier in time the docetic strand, the greater the apparent influence of Judaistic thougt; conversely the later in time, the greater the influence of Graeco-Oriental speculation. This lends some slight support to the thesis, not infrequently advanced at the present day, that Christian Gnosticism owes not a little in its beginnings to heterodox Jewish sectarian thought.« 171 165 D ENKER , J., Die theologiegeschichtliche Stellung des Petrusevangeliums. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Doketismus, Bern/ Frankfurt 1975. 166 Ebd., 102ff. 167 Ebd., 126ff. 168 B AKKER , A., Christ an Angel? A Study of Early Christian Docetism, in: ZNW 32 (1933), 255-265. Ihr Fazit lautet: »It has more then once been remarked, that the argument of Hebrews is anti-docetic. The preceding study has confirmed this opinion. But this anti-docetism is not, as has been suggested, due to Greek gnostic influence or based upon metaphysical conceptions regarding the relation of soul and body, but is Jewish-Christian in origin and purely soterological in charakter.« Zu ihrem Ergebnis kommt sie durch den Vergleich verschiedener Bemerkungen bei den Kirchenvätern, die Christus einen Engel nennen oder die Engeln wie Michael und Gabriel ähnliche Rollen zukommen lassen, wie speziell im Hebräerbrief Christus sie innehat. 169 D AVIES , J.G., The Origins of Docetism, in: Studia Patristica. Papers presented to the Third International Conference on Patristic Sudies, Berlin 1962, 13-35. 170 Ebd., 16. 171 Ebd., 35. 40 A. 1 Einleitung - M ICHAEL D. G OULDER G OULDER nimmt ebionitische Wurzeln der Gegner in 1 Joh und bei Ignatius an und führt auch den Doketismus darauf zurück. 172 1.9.4 20. Jahrhundert: Auswertung der Nag-Hammadi-Schriften 1.9.4.1 Klaus Koschorke 173 K OSCHORKES Untersuchung dreht die Frage nach den Gegnern um. Er fragt anhand der Nag-Hammadi-Texte, wie die Gnostiker das kirchliche Christentum wahrgenommen haben. Bezüglich der aus den Texten erhebbaren eigenen christologischen Anschauungen der Gnostiker stellt K OSCHORKE fest: »Die Meinung, dass gnostische Christologie gleichzusetzen sei mit doketistischer Christologie, ist ebenso verbreitet wie unzutreffend. Denn Doketismus ist nur eine unter vielen gnostischen Christologien. (...) Diese Vielfalt der christologischen Anschauungen der Gnostiker ist bereits aus den Berichten der Ketzerbestreiter ersichtlich (...). Durch die Texte der Bibliothek von Nag Hammadi tritt sie besonders anschaulich hervor.« 174 Durch die Nag-Hammadi-Texte ist zwar unser Wissen für die Zeit vor Irenäus ausgeweitet, gleichzeitig muss sich die Untersuchung, so schränkt K OSCHORKE ein, auf die Zeit ab den ignatianischen Schriften beschränken und kann keine direkten Aussagen über die Abfassungszeit der neutestamentlichen Schriften machen. 175 1.9.4.2 Karl-Wolfgang Tröger T RÖGER stellt in einem kleinen Aufsatz die christologischen Ansätze in den Nag-Hammadi-Schriften dar. 176 Eines seiner Ergebnisse ist, dass das, was man im Anschluss an W EIGANDT für »Doketismus im engeren und eigentlichen Sinne« hält, nur als Seltenheit vorkomme; 177 weitergehend ist gar festzustellen: »ganz streng genommen findet man ihn gar nicht.« 178 T RÖGER verzichtet dann auch auf die Begrifflichkeiten Weigandts, wenn er die Christologien der NHC-Schriften wie folgt kategorisiert: »I. Nur das Leidensfähige, nur das Sarkikon, nur die fleischliche Hülle des Erlösers hat gelitten; 172 G OULDER , M. A poor Man’s Christology, NTS 45, 1999, 332ff; DERS ., Ignatius’ Docetists, VigChr 53 (1999), 16ff. 173 K OSCHORKE , K., Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum. Unter besonderer Berücksichtigung der Nag-Hammadi-Traktate »Apokalypse des Petrus« (NHC VII, 3) und »Testimonium Veritatis« (NHC IX, 3), Leiden 1978 (NHS 12). 174 Ebd., 44. 175 Ebd., 7. 176 T RÖGER , K.-W., Doketistische Christologie in Nag-Hammadi-Schriften. Ein Beitrag zum Doketismus in frühchristlicher Zeit, in: Kairos 19, 1977, 45-52. 177 Anschließend an diese Beobachtung ist zu folgern: Eine Fokussierung der Frage nach Doketismus auf die einzige christologische Variante, die in den originalen gnostischen Dokumenten gar nicht oder nur am Rande vorkommt (das ist auch eines der Ergebnisse V OORGANGS ), ist ein deutlich erkennbarer Irrweg. Wenn man das Phänomen Doketismus in den Blick bekommen will, dann wird dies nur im Kontext frühchristlicher und frühjüdischer Ansätze überhaupt möglich sein. 178 Ebd., 47. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 41 II. Der Erlöser hat zwar gelitten, aber er ist im Grunde leidensunfähig. III. Der Erlöser hat nur scheinbar gelitten und ist nur scheinbar am Kreuz gestorben; IV. Die Frage des Erlöser-Leidens bleibt in der Schwebe oder wird sogar positiv beurteilt«. 179 1.9.4.3 Dietrich Voorgang 180 V OORGANGS Untersuchung ist die umfassendste derzeit vorhandene Monographie, die das Thema »Doketismus« bearbeitet. V OORGANG bezieht sich sowohl auf die Ketzerreferate der Kirchenväter als auch auf die Schriften aus Nag- Hammadi. V OORGANG befragt sie nach den in ihnen enthaltenen christologischen Konzepten und führt insofern die von T RÖGER gezeigte Aufgabe intensiver fort. Im Gegensatz zu der Untersuchung von W EIGANDT werden die verschiedenen gnostischen Christologien weder unter den Begriff »Doketismus« subsumiert noch auf ihn hin sortiert. Die Untersuchung widmet sich bewusst den unterschiedlichen Christologien der Gnosis, wobei es eines der Ergebnisse ist, dass Zwei- oder Mehr-Naturen-Konzeptionen gegenüber doketistischen Konzeptionen im engeren Sinne deutlich dominieren. Zwar füllt auch V OORGANG »Lücken« in den Schriften aus Nag Hammadi »vorsichtig« mit Ergänzungen aus den von Irenäus her bekannten gnostischen Systemen an, was nicht immer ganz unproblematisch erscheint, aber es gelingt ihm, gnostische Christologien in einer viel größeren Bandbreite und mit wenig polemischen Wertungen darzustellen. Er stellt fest: »Insgesamt hat der Gedanke der Passion Jesu in der Gnosis nur eine geringe Aufnahme gefunden. Von den 53 erhaltenen Nag-Hammadi-Texten findet sich nur in 22 Texten überhaupt ein Hinweis auf die Passion. (...) Zwar finden sich auch ausführliche Passionsaussagen (...), und in verschiedenen Texten wird der Passion Jesu sogar Heilsbedeutung zugemessen (...). Auch die große Zahl von Passionsmotiven, die sich in der Gnosis finden, scheint auf eine gewisse Bedeutung der Passion hinzuweisen. Kein Text bietet jedoch eine wirkliche Passionsdarstellung.« 181 Ein wesentliches Ergebnis, das für alle gnostischen Christologien gilt, ist die »Relativierung« der Passion Christi, die allerdings auf verschiedenen Wegen erreicht wird. Die in der Gnosis dominierende »Trennungschristologie« versteht V OORGANG als Fortentwicklung gegenüber dem einfachen Doketismus, bei dem ganz einfach der ganze Mensch als betroffen oder nicht betroffen gilt. 182 Allerdings scheint mir diese Folgerung nicht die einzig mögliche zu sein, denn es wird zu zeigen sein, dass auch »trennungschristologische« Vorstellungen aus den Ansätzen der frühjüdischen und frühchristlichen Mystik entwickelbar waren. 179 Ebd. 180 V OORGANG , Die Passion Jesu und Christi in der Gnosis, Frankfurt/ M. u.a. 1990. 181 Ebd., 243. 182 Die Trennungschristologien dagegen bemühen sich analog zur späteren Zwei-Naturen-Lehre in der »orthodoxen« Christologie, verschiedene Ebenen oder Schichten der Wirklichkeit voneinander abzuheben. 42 A. 1 Einleitung Voorgangs Untersuchung macht für die neutestamentliche Zeit keine Aussagen. Allerdings können durch die gebündelte Darstellung gnostischer Vorstellungen die unterschiedlichen doketistische Konzepte untereinander sowie mit engelchristologischen Vorstellungen verglichen werden. 1.9.5 20. Jahrhundert: methodische Anfragen und Kritik 1.9.5.1 Michael Slusser 183 S LUSSER versuchte 1981 eine geschichtliche Einordnung des Doketismus. Instruktiv ist der Überblick über Definitionsversuche insbesondere aus dem englischsprachigen Bereich. Weiten Raum nimmt die Beschäftigung mit W EIGANDTS Definition ein, die er nicht als hilfreich ansieht. Einerseits hält S LUSSER in der Zeit des frühen zweiten Jahrhunderts eine Unterscheidung zwischen einem wirklichen Schein-Leib Christi, der wie eine »optical illusion« ohne jede eigene Realität anzusehen wäre und einem »body ›made by ineffable art‹ from psychic elements«, wie Irenäus sie für die Valentinianer bezeugt (Iren.haer. I 6,1), für nicht machbar. 184 Andererseits bemängelt er, dass W EIGANDT davon ausgeht, Irenäus beschreibe im Falle Satornils akkurat, was unter Doketismus zu verstehen ist, verwende den Begriff dann aber für alle möglichen anderen Spielarten gnostischer Christologie. Es sei vielmehr umgekehrt davon auszugehen, dass Irenäus und andere Häresiologen, gerade weil sie signifikante Merkmale von Doketismus bei den von ihnen so klassifizierten Gegnern sahen, diese so bezeichnet haben. 185 »The early opponents of Docetism, whose concern gave rise to the term, lumped so many kinds of Christologies together not out of dishonesty or obtuseness, but because all who they termed docetistic denied that in Jesus Christ the divine Savior was truly the subject of all the human experiences of the historical man. A sound historical definition of Docetism ought to respect and reflect the real issues in the conflict for which the term was coined; for the reasons given above, I believe that only a broad definition is appropriate.« 186 1.9.5.2 Norbert Brox 187 In seiner Problemanzeige hält B ROX die Kenntnis der jeweils bestrittenen Doktrin für die Voraussetzung, polemische Texte des frühen Christentums überhaupt verstehen zu können. Die Gegner seien aber meist »ungenau modelliert«, so dass man Kriterien und Kategorien zu ihrer Unterscheidung und Beschreibung benötige. »Aus pragmatischen Gründen wird im Eifer der Arbeit der Anwendungsbereich solcher Merkmalbegriffe in vielen Fällen ständig ausgeweitet. (...) Der Begriff ›Gnosis‹ (...) hat diesbezüglich besonders gelitten und ist zeitweise zum Schlagwort degeneriert. ›Doketismus‹ ist ebenfalls einer von diesen Begrif- 183 M. S LUSSER , Docetism: A Historical Definition, in: The Second Century 1, 1981, 163-172. 184 Ebd., 167f. 185 Ebd. 168f. 186 Ebd., 172. 187 B ROX , N., »Doketismus« eine Problemanzeige. Otto Kuss zum 80. Geburtstag am 5.1. 1985, in: ZKG 95, 1984, 301-314. 1.9 Forschungsgeschichtlicher Überblick: »Doketismus« 43 fen, die immer großzügiger eingesetzt worden sind.« 188 B ROX definiert Doketismus als eine Christologie, die sagt: »Es war mit Jesus anders, als es zu sein schien. Er schien ein Mensch zu sein (mit leiblicher Geburt, Leben im Leib und gewaltsamem leiblichem Tod), war aber ein Wesen anderer (›geistiger‹, ›jenseitiger‹) Art, das sich durch Berührung oder ›Bekleidung‹ mit Leiblichkeit nicht beeinträchtigen durfte.« 189 Äußerungen über Polymorphie Christi wie in den Johannesakten seien dann nicht unter den Begriff Doketismus zu subsumieren. Wolle man derartige Christologien ebenfalls »Doketismus« nennen, »ist der Begriff nicht mehr brauchbar zur Charakteristik mancher anderer Position, für die er bisher stand, z.B. nicht mehr für die Häretiker der Johannesbriefe. 190 Als ein wesentliches noch zu lösendes Problem sieht B ROX die Frage nach der Herkunft, dem Ursprung des Doketismus an. Es sei für diese Frage nichts gewonnen, sich nur auf einen gnostischen Hintergrund zu beziehen: »Man behandelt das Phänomen regelmäßig als Symptom eines christlich-hellenistischen Synkretismus bzw. Dualismus. Es gibt aber gute Gründe für die These, daß der frühe christologische Doketismus dem judenchristlichen Bemühen um die Intaktheit des (jüdischen) Monotheismus galt. Es sieht sehr danach aus, daß er, religionsgeschichtlich besehen, im Zusammenhang einer Angelomorphie des Christus entstanden ist«. 191 Wo ist also nach dem Entstehungshintergund von Doketismus zu suchen? Im Frühjudentum oder in der Gnosis? Das »Verhältnis beider möglicher Ableitungen zueinander ist ungeklärt«. (...) Der Doketismus gibt nach wie vor Rätsel auf. Sein Wert für die Identifizierung historischer Gruppen und Doktrinen ist solange begrenzt, als die religionsgeschichtliche Ableitung nicht klarer ist und die Definition nicht einheitlicher gehandhabt wird.« 192 1.9.5.3 Neuansätze im Umgang mit »Gegnern« In seinem Aufsatz über die Ermittlung von Gegnern weist B ERGER 193 auf die grundsätzliche Schwierigkeit hin, aus polemischen Aussagen über Gegner deren eigenes Profil zu ermitteln. Grundsätzlich gilt: Um die Entwicklung gegnerischer Positionen verständlich zu machen, ist zunächst von einer Genese aus ursprünglich gemeinsamen Positionen ihrer jetzigen Bestreiter auszugehen. Zum Umgang mit Gegnern ist bezüglich der Gnosis und des Doketismus auf die erwähnte Arbeit von K OSCHORKE hinzuweisen (s.o. S. 40), der den Versuch wagt, einmal nicht in 188 Ebd., 301. 189 Ebd., 309. 190 Ebd., 311. 191 Ebd., 314. 192 Ebd., 314. 193 B ERGER , Gegner. Methodisch bezüglich des 1 Joh bisher am konsequentesten durchgeführt von S TREETT , Identity. 44 A. 1 Einleitung den Bahnen weiterzuschreiben, die seit Irenäus vorgebahnt sind, sondern von den der gnostischen Schriften her (vorwiegend von den Schriften aus Nag Hammadi) das eigene Selbstverständnis der Gnostiker im Konflikt mit den »Kirchenchristen« zu eruieren. Das Bild ändert sich deutlich, weil die Kampfbegriffe der Häresiologen nicht mehr die leitenden Bahnen bieten. 1.9.6 Forschung des 20. Jahrhunderts: d) Theologiegeschichtliche Neuansätze Hatte man in der Vergangenheit eher einlinige oder dialektisch konstruierte Entwicklungsmodelle vor Augen, nach denen in der Theologiegeschichte des Urchristentums jede neue oder je andere Position als Weiterentwicklung oder Vorstufe einer anderen, schon bekannten erklärt werden müsse, ist in der jüngeren Vergangenheit die Einsicht gewachsen, andere Paradigmen der Entwicklung als bloße Fortschritts- oder Dekadenzmodelle zu benutzen. 194 Zu den schwierigen Aufgaben der Rekonstruktion der Entwicklung gehört die Einordnung »abweichender« Theologien, wie sie unter anderem die des Johannesevangeliums im Evangelienkanon des Neuen Testaments darstellt 195 oder wie sie auch beim Phänomen der »Gegner« gegeben ist. 196 Genauso, wie es eine Verkürzung darstellt, die johanneische Theologie einfach als eine »relecture« der ersten drei Evangelien darzustellen 197 oder als Ergebnis eines dialektischen Diskussionsprozesses zwischen synoptischer und paulinischer Theologie zu werten, genauso ist es heute nicht mehr so einfach möglich, abweichende, von neutestamentlichen Schriften als »gegnerisch« bzw. apostatisch usw. gebrandmarkte Theologien einfach als »Abfall« zu werten. Denn es wird immer deutlicher, dass Einheit und Vielfalt, »Unity and Diversity« schon zu den Anfängen des christlichen Glaubens gehören und dass auch die altkirchliche Theologie zunächst als »plurale Identität« darzustellen ist. 198 Wenn für die Kirchengeschichte ab dem 2. Jahrhundert die Aufgabe gilt, die Häretiker in die Kirchengeschichte zu integrieren, 199 dann ist Entsprechendes auch für die Geschichte des frühen Christentums in Angriff zu nehmen. Generell bedeutet das, für die geschichtliche Darstellung die Kategorien »Orthodoxie« und »Häresie« aufzugeben 200 und zunächst anzunehmen, dass 194 So z.B. A NDRESEN / R ITTER , Anfänge, 25: Es »ist von einer Einlinigkeit oder gar geschichtlichen Notwendigkeit der Entwicklung schwerlich zu reden. Es hat eine außerordentliche Vielfalt christologischer Vorstellungen und Modelle in der Frühzeit des Christentums, aber auch früh schon den Abbruch von Traditionen gegeben«. Vgl. die grundsätzlichen Erwägungen bei R ÄISANEN , Theologie; S TRECKER , Theologie; V OUGA , Problem; DERS ., Geschichte; S CHRÖTER , Religionsgeschichte; B ERGER , Theologiegeschichte; D UNN , Unity; L ÖHR , Christentum. 195 B ERGER , Anfang, wagt den Neuansatz, die johanneischen Schriften als gleichzeitig zu den synoptischen Evangelien zu beschreiben und kann so die Aussagen des Johannesevangeliums in neuer Weise für die Frühzeit der theologiegeschichtlichen Entwicklung fruchtbar machen. 196 W. B AUER , Orthodoxie. 197 So jetzt aber wieder T HYEN , Z UMSTEIN und andere. 198 D UNN , Unity; M ARKSCHIES , Theologie, 379ff. Vgl. auch die Überlegungen von W.A. L ÖHR , Christentum. 199 M ARKSCHIES , Theologie. 200 Vgl. die Kritik von M ARKSCHIES , Theologie, am Modell W. B AUERS , in: Theologie, 339ff. 1.10 Auswertung des forschungsgeschichtlichen Überblicks 45 die Entwicklung des frühen Christentums durch verschiedene und vorerst als gleichwertig zu wertende Strömungen geprägt war; allerdings häufig in Auseinandersetzung miteinander. 201 Die »Entwicklungslinien« frühchristlicher Theologien zu beschreiben 202 ist dabei komplizierter, als es scheinbar glatte Lösungen suggerieren. Für die Datierung oder Platzierung der johanneischen Schriften innerhalb des frühchristlichen Schrifttums bedeutet die Entdeckung nichtlinearer und nichtdialektischer Entwicklungen, dass sie als eigenständige, unabhängige Schriften in den Blick kommen können. Eine frühe Datierung ist damit nicht zwingend zu verbinden; allerdings ist eine späte Datierung eben auch nicht mehr nötig. 203 Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte grundsätzlich auch die Person und die Botschaft des irdischen, historischen Jesus sowie sein Geschick gespielt haben, das auf unterschiedliche Menschen mit je unterschiedlicher Bildung eine je verschiedene und jedenfalls enorme Wirkung gehabt hat. So scheint heute das Bild einer »Explosion« der Theologie im frühen Christentum angemessener als einfache, einlinige oder dialektische Entwicklungen. 204 Die Vielfalt und innerhalb der Vielfalt das Gemeinsame und Verbindende darzustellen, erfordert dabei neue Formen der Darstellung. 205 1.10 Auswertung des forschungsgeschichtlichen Überblicks Folgende Ergebnisse sind festzuhalten: - Obwohl die Befragung der biblischen und frühjüdischen Schriften naheliegt, kommt sie zur Bestimmung der Gegner lange Zeit nur in Randbereichen der Forschung in den Blick. - Stattdessen hat man sich in der Regel lange »konservativ« an den Angaben der Kirchenväter orientiert, wie es oben beispielhaft für L UTHER dargestellt ist. Diese Orientierung ist vor allem für theologisch-systematisch denkende Menschen attraktiv, da sich die dogmatische Systematik der Theologie ja nicht unwesentlich auf die Ergebnisse der von den Kirchenvätern wiedergegebenen Debatten stützt. Gleichwohl hat biblische Theologie, jedenfalls soweit sie sich als historisch und als kritisch versteht, durchaus den dogmenkritischen Auftrag, »von der Schrift her« spätere Entwicklungen zu kritisieren oder zumindest neu einzuordnen. Auch die kirchengeschichtliche Forschung setzt sich schon seit geraumer Zeit das Ziel, die (frühen) Gnostiker in die Kirchengeschichte zu integrieren (M ARKSCHIES , L ÖHR und andere). 201 T HEI ß EN , Religion, 18. 202 K OESTER , Entwicklungslinien. 203 Gewonnen ist damit, dass diese Schriften nicht mehr durch fremde Brillen als »relecture« gelesen werden müssen, sondern als vorliegende Quelle genauso ernst genommen werden können, wie andere frühchristliche Quellentexte. 204 V OUGA , Geschichte. 205 Diese Aufgabe ist in den letzten Jahrzehnten vielfach in den Blick genommen und unterschiedlich angenommen worden (V OUGA , Geschichte; K OESTER , Theologie; T HEISSEN , Religion; W RIGHT , Das Neue Testament; vgl. auch die Veröffentlichungen von H URTADO , H ENGEL , D UNN , DE J ONGE und anderen). In der explizit angegangenen Durchführung der genannten Aufgabe bei B ERGER (Theologiegeschichte) wird die Komplexität der urchristlichen Kommunikation und Theoriebildung besonders gut deutlich, da die einzelnen Stränge möglicher Entwicklungen verfolgt werden. 46 A. 1 Einleitung - Durch die Angaben der Häresiologen bekommen deren »gnostische« Gegner mit ihren schon an der Grenze zum Neuplatonismus stehenden Fragen ein größeres Gewicht. Da Platonismus, insbesondere der Neuplatonismus an der Wiege des deutschen Idealismus stand, entsteht hier in der Forschungsgeschichte der letzten 250 Jahre eine gewisse Nähe. Spätestens seit B AUR wird »Gnosis« zum bevorzugten Erklärungshintergrund für die neutestamentliche Exegese. Die fremderen und weniger ideologieanfälligen Aussagen aus Frühjudentum und aus der Bibel Alten und Neuen Testaments müssen sich dem unterordnen oder bekommen geringere Aufmerksamkeit. Der Zusammenhang ist einfach: Je weniger man für die Einordnung frühchristlicher Positionen frühchristliche und frühjüdische Schriften heranzieht, desto offener ist man für die Eintragung teils sehr entfernt liegender Kontexte. - B AURS idealistische Sicht förderte den Blick auf einen völlig substanzlosen Scheinchristus als Gegenstand des Doketismus. Diese Sicht ist bis zu W EIGANDT , U EBELE , S CHNELLE und dem Großteil der Forschung (s.u. zu 1 Joh) wirksam geblieben. Aus dem Blick gerät dabei: a) Substanz ist nach stoischem Denken selbst für Geistwesen unverzichtbar. Daher ist eine einseitige Festlegung auf eine schon sehr früh wirksame Orientierung an neuplatonischem Denken bzw. an den späteren Natur-Begriffen der Dogmengeschichte problematisch. b) Die Frage nach den nächstgelegenen religionsgeschichtlichen Vorstellungen (Engel, Dämonen, Geister, Metamorphosen, Epiphanien) wurde weitgehend verdrängt. Möglicherweise liegt das daran, dass der philosophische Idealismus, von dem viele Forscher geprägt waren, mit derartigen Zwischengrößen zwischen Idee und Abbild nicht viel anfangen kann. c) Der Zusammenhang mit der Entwicklung einer »Trennungs-Christologie«, mit der der Doketismus meist zusammengesehen wird, kann nicht wirklich erklärt werden. - Spätestens H ARNACK hat mit seinen Forschungen zur frühen Geschichte der Christologie durch die Bezeichnung des »naiven Doketismus« den Begriff so weit geöffnet, dass die Versuchung, gegnerische oder eigene Positionen, die im Neuen Testament begegnen, als doketistisch zu bezeichnen, erheblich gestiegen ist. - H ARNACKS Rede von pneumatischer Christologie bereitete a) den Boden für die Annahme eines rein himmlischen Erlösertypen in vorchristlicher Gnosis, schuf b) die Grundlage für die Theorie vom »naiven Doketismus« als verbreitetem frühen Phänomen der Christologie. Damit aber werden die Schriften bzw. ihre Autoren oder deren Gegner für naiv erklärt: Sie haben nicht übersehen, wohin ihre naive Rede am Ende und in späterer Zeit konsequenterweise führt. Zwar werden sie von den späteren Systemen unterschieden, jedoch gerade um so mehr an ihnen gemessen: Sie sind naiv. Andere Bezugsrahmen für die jeweiligen Texte bleiben abseitig. c) Der »naive Doketismus« erlaubt, Doketismus von Gnosis abzuheben. Positiv daran ist, dass jetzt entdeckt werden kann, dass nicht alle Gnosis doketistisch war und dass es auch Zusammenhänge mit nichtgnostischer Christologie gibt. Negativ ist, dass die Versuchung gestiegen ist, auch ohne frühe Belege von außen und ohne direkte Selbstbezeugung (naiven) Doketismus in frühen Texten anzunehmen. - Die religionsgeschichtliche Schule mit B ULTMANN als Sprecher hat lange dafür gesorgt, dass eine vorchristliche Gnosis mit gnostischem Erlösermythos als Deutungshintergrund für die Entstehung der Christologie (und damit auch des Doketismus) angenommen wurde. Dieser Ansatz trägt sich durch bis W EIGANDT und U EBELE sowie zu den Forschern der Bultmannschule und darüber hinaus. Dieser Ansatz führt in der Regel zu einer Ausblendung des religionsgeschichtlichen Materials um das Stichwort Engel; mit einem großen hypothetischen Aufwand wird eine fatale Wir- 1.11 Aufgabenbestimmung 47 kung erreicht, weil man sich sehr festhalten muss an aufwendigen Hypothesenkonstrukten. - Es spinnt sich so ein forschungsgeschichtlicher Faden vom Idealismus B AUR s über den Liberalismus H ARNACK s bis hin zur Existentialphilosophie B ULTMANN s. Jeweils findet die Kategorie »Doketismus« in der verwendeten Meta-Theorie der Forschung gewissermaßen ein Spiegelbild. - Die Frage, wie die Entwicklung vorzustellen ist, ist aber seit der weitgehende Bestreitung vorchristlicher Gnosis mit Erlösermythos, also seit immerhin etwa 50 Jahren (C OLPE ), wieder offen. - Auch die Frage, was mit Doketismus gemeint ist, ist präsent zu halten: Handelt es sich um einen präzise dogmatisch zu bestimmenden Begriff, oder besagt er nur etwas über ein Phänomen bestimmter frühchristlicher oder gnostischer Aussagen über Jesus Christus? Ausgangspunkt wäre dann das Bestreiten, dass Jesus in unserem Sinne ein »normaler« Mensch mit einem »normalen« Körper gewesen ist. - Seit B ROX , B ERGER , V OORGANG und K OSCHORKE ist die Frage nach den Kriterien von Gegnerbestimmung und religionsgeschichtlichem Vergleichen in den Blick geraten. Ein Ergebnis: Grundsätzlich ist mit den nächstliegenden Schriften zu arbeiten. Im Bereich des frühen Christentums ist das zunächst die Bibel, die zwischentestamentliche und frühjüdische Literatur sowie weitere frühchristliche Literatur. Insofern auch christliche Texte des zweiten und dritten Jahrhunderts genutzt werden, können in diesem Rahmen natürlich auch gnostische Schriften herangezogen werden. Zunächst aber ist es die Aufgabe, möglichst mit Eigenmitteln des vorliegenden Textes ein im Text angesprochenes Problem bzw. einen angesprochenen Konflikt zu beschreiben. - Nachdem vor der religionsgeschichtlichen Schule u.a. N IEMEYER , N EANDER , R OTHE und sogar S TRAUSS engelchristologische Vorstellungen im Hintergrund des Doketismus gesehen haben, wird dieser Zusammenhang in neuerer Zeit wieder stärker beachtet (z.B. B AKKER , D AVIES , D ENKER , G OULDER , M ÜLLER und andere). Eine konzentrierte Behandlung der Bedeutung angelophaner oder angelomorpher Christologie für die Entwicklung von Inkarnation und Doketismus ist aber bisher nicht erfolgt. Der religionsgeschichtliche Teil dieser Arbeit wird in stärkerem Maße Verbindungslinien zwischen beiden Bereichen darstellen (s.u. S. 373ff). 1.11 Aufgabenbestimmung A. Texte, die von Gegnern handeln, nutzen regelmäßig eine bestimmte Pragmatik, anhand derer der Rezipient sich mit dem Autor identifizieren und gegen die Gegner verbünden soll. Das führt in der Forschung häufig dazu, die in den Texten gegebenen Positionen mit den eigenen zu vergleichen bzw. zu identifizieren. Man kann verschiedenen Positionen der Gegenwart eine doketistische Christologie unterstellen oder auch sich selbst insgeheim als Doketist fühlen und die biblische Zurechtweisung dann als eine gerade noch nötige Grenze akzeptieren. Zugleich kann man sich auf die »schillernden« Berichte der antignostischen Kirchenväter berufen. So lassen sich antike Texte für die Gegenwart erschließen, indem man immer wieder Fronten findet, die den heutigen entsprechen. Gerade die gefühlte Nähe zum eigenen oder fremden Idealismus als geistesgeschichtliche Größe der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit gibt dem Begriff »Doketis- 48 A. 1 Einleitung mus« die Chance, frühchristliche Probleme als Spiegel der eigenen wahrzunehmen. Der beliebten Verwendung der Kennzeichnung »Doketismus« soll hier der Versuch entgegengesetzt werden, zunächst »einfache« Erklärungen innerhalb der jeweiligen Texte und der in jedem Fall vorauszusetzenden religions- und theologiegeschichtlichen Hintergründe zu suchen, bevor das aus neutestamentlicher Perspektive relativ späte Schlagwort »Doketismus« oder gar eine entwickelte oder sich entwickelnde Gnosis zum Ausgangspunkt der Erklärung gewählt wird. B. Von den diversen gnostischen Christologien fällt der Blick auf die neutestamentlichen Schriften und die Gegner des Ignatius. Merkwürdigerweise fehlen in diesen Schriften wesentliche Elemente, die für die Häresiologen wichtig waren, um doketistische oder gnostische Christologie zu kennzeichnen: - Kein lachender oder weinender Christus steht unter dem Kreuz. - Simon von Kyrene als Tauschpartner Christi taucht nicht auf. - Ein trennungschristologischer Ausstieg eines Geistchristus aus dem Menschen Jesus ist unbekannt. - Metamorphosen des Leibes Christi spielen in 1 Joh und den Ignatianen keine Rolle. - Ein Scheinleib begegnet in 1 Joh nicht; ebenso keine Leugnung des Leidens Christi. - Erst in den Ignatianen tauchen Scheinleib und Leidensbestreitung auf. Fraglich ist die Herkunft der doketistischen Vorstellungen: Wie und aus welchen Wurzeln hat sich der Doketismus entwickelt? Folgende Aufgaben sind daher zu lösen: a) Spielt 1 Joh in diesem Zusammenhang eine Rolle, wie weitläufig angenommen wird, oder ist mit neueren Ansätzen in 1 Joh ein nicht-doketistischer, jüdischer Hintergrund in Anschlag zu bringen? Auf diese Frage antwortet der folgende Teil B. b)Welche Rolle spielt dann aber die Bemerkung, Jesus Christus sei »im Fleisch gekommen« (1 Joh 4,2)? Wie ist überhaupt die Rede vom Fleisch Christi zu verstehen? Welche Zusammenhänge mit der Doketismusvorstellung gibt es hier? Auf diese Frage antwortet der anschließende Teil C. Da die meisten der dafür zu beachtenden Texte auch den Zusammenhang von Geist und Fleisch bearbeiten, kommt zugleich das in den Blick, was H ARNACK Geist-Christologie nennt. c) Was kann man über die Position der Gegner des Ignatius und über ihre Gemeinsamkeiten mit Ignatius ermitteln? Auf diese Frage antwortet Abschnitt D.in dieser Arbeit. d) Welche religionsgeschichtlichen Hintergründe sind für die Entstehung der Inkarnations- und der Doketismusvorstellung in Anschlag zu bringen und wie hängen beide Vorstellungen vorgängig miteinander zusammen? Auf diese Frage antwortet der religionsgeschichtliche Abschnitt E. dieser Arbeit. B. »Im Fleisch ist er gekommen«: 1 Joh und seine Gegner Zielsetzung und Über 1 Joh kennt weder bei seinen Gegnern noch in den eigenen Reihen irgendeine Art von Doketismus. Nirgendwo begegnet eine Infragestellung des Leidens Christi. Nirgends wird sein Tod bestritten. Nirgends ist davon die Rede, dass irgendetwas von dem, was er als Mensch getan oder gesagt hat, in irgendeiner Weise mit Täuschung, Trug oder nur scheinbarer Realität zu tun gehabt hätte. Stattdessen geht es um die brisante Frage, ob der Christus gekommen ist und ob Jesus dieser Christus ist. Letzteres allerdings ist für den Verfasser von 1 Joh die Grundvoraussetzung. Drei Fragestellungen werden in den Kapiteln 2-4 behandelt: a) Die Einleitungsfragen über die religionsgeschichtliche Verortung und über die textpragmatische Struktur von 1 Joh führen ein in die von 1 Joh verwendete Szenerie. Ohne ein Verständnis für das von 1 Joh verwendete »Weltbild« ist ein Verständnis des Textes nicht möglich (2). b) Textanfang und Textende bieten in jedem Text Hinweise zur behandelten Thematik und die vom Verfasser gewünschten Effekte. Daher geht die inhaltliche Analyse von diesen Textstellen aus, um sich dann über die in 1 Joh 2 geschilderte Auseinandersetzung dem entscheidenden Abschnitt von 1 Joh 4,2f zu nähern (3). Es wird deutlich, dass Christus »im Fleisch« die notwendige Reaktion auf die falschen Propheten »in der Welt« ist. Um das so gewonnene Ergebnis zu sichern, werden die Begriffe »Welt«, »Fleisch« und »Gekommen« untersucht. Am Ende steht das Ergebnis fest: Für 1 Joh kommt alles darauf an, dass der Christus da gewesen ist. c) Die übrigen Gegnertexte sowie weitere Stellen werden untersucht (4), um sicherzustellen, dass auch der »Rest des Textes« zur gefundenen Lösung passt. Tatsächlich ist nirgendwo Doketismus festzustellen. Stattdessen wird der kultisch und mystisch orientierte Denkrahmen von 1 Joh deutlicher und bestätigt die schon bisher gemachten Beobachtungen. d) Die zusammenfassenden Ergebnisse (5) zeigen, dass weder Gnosis noch Doketismus im Hintergrund anzunehmen sind. Vielmehr präsentiert sich 1 Joh als Zeugnis eines Christentums, dass noch ganz in jüdischem Rahmen denkbar und wahrscheinlich ist. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Zielsetzung und Übersicht Der Erfahrungsraum des dualistischen Dramas, den 1 Joh voraussetzt, ist zu beschreiben. Die forschungsgeschichtlichen Einleitungsfragen sind zu prüfen und zu vergleichen. 50 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Zum Vorgehen: a) Nachdem mit Hilfe zweier Übersichtsskizzen die Alternativen in den Einleitungsfragen deutlich gemacht sind (2.1.1 und 2.1.2), werden ebendiese forschungsgeschichtlich dargestellt (2.3). Dabei geht es über die diversen jeweils unterschiedlich mit zeitlichen und örtlichen Voraussetzungen verknüpften Gegner-Identifizierungen der Forschungsgeschichte (2.3.1-2.3.10) schließlich hin zum eigenen Ansatz (2.3.11). Wesentlich ist, dass trotz der Uneindeutigkeit des Textes eine konkrete Situation im Hintergrund steht, die zeitlich und räumlich vorstellbar sein muss. Eines der Ergebnisse ist, dass 1 Joh früher als gemeinhin üblich datiert werden kann. Damit sind einseitige Fixierungen überwunden und der religionsgeschichtliche Blick weitet sich. b) Die Untersuchung der den Gesamttext prägenden Wortfelder zeigt ein eigenes Geflecht an Beziehungen im Text, die wichtiger sind als der Versuch, 1 Joh in systematischer Weise zu gliedern (2.5.3). Die Frage nach den Erfahrungen von Verfasser und Adressaten und die Frage nach der Pragmatik des Textes (2.5) zeigt eine lebendige, »echte« Kommunikation (2.5.4) sowie ein alles prägendes Weltbild, wonach »Welt« und »Fleisch« als Bühne des Geschehens zu betrachten sind, das »aus den Kulissen« hinter dem sichtbaren Teil des Stückes beeinflusst wird. Wichtig ist dabei die Frage, »woher« jemand stammt und wessen Bote oder Kind er somit ist. 2.1 Das Grundproblem der religionsgeschichtlichen Einordnung Die Frage, ob in 1 Joh 4,2f Doketismus angesprochen ist, gliedert sich ein in ein Gesamtverständnis des Textes, das in den verschiedensten »klassischen« Auslegungen erstaunlich konstant ist, da immer erklärungsbedürftige Textstellen von diesem allgemein angenommenen religionsgeschichtlichen Hintergrund her gedeutet werden. Auf diese Weise stützen sich einzelne Beobachtungen gegenseitig und machen es schwer, Beobachtungen, die »nicht hineinpassen«, angemessen zu würdigen oder gar zum Ausgangspunkt anderslaufender Bewertungen zu machen. 206 Es reicht also nicht, zu zeigen, dass in 1 Joh 4,2f keine Doketisten oder doketistische Trennungschristologen im Blick sind. 1 Joh als ganzer gilt als Reaktion auf Doketisten. Daher werden traditionell alle wesentlichen Zusammenhänge innerhalb dieser kleinen Schrift auf die vermutete Auseinandersetzung mit den Doketisten bezogen. Streicht man die Doketisten für 1 Joh 4,2f, bleibt also immer noch die Frage, wie der Rest des Textes zu deuten ist. Wenn darauf keine Antwort gegeben werden kann, ist das Ergebnis schnell eine Rückkehr zu den vertrauten Pfaden doketistischer oder antidoketistischer Auseinan- 206 Ich danke an dieser Stelle H ELMUT M ERKEL , Osnabrück, der mich 1998 in Hannover im 1. Theologischen Examen darauf ansprach. Meine Beobachtungen zu 1 Joh 4,2f seien zwar interessant. Es stelle sich aber die Frage, wie das mit dem zusammenpasse, »was sonst noch im Brief steht«. Genau das möchte ich jetzt in den Blick nehmen, indem ich zunächst die klassischen Positionen aufrissartig darstelle. Dieser Gegenentwurf muss im Folgenden validiert, »gefüllt« und begründet werden. 2.1 Das Grundproblem der religionsgeschichtlichen Einordnung 51 dersetzung, sei es auch in sprachlich angepasstem Gewand. 207 Daher hat die Untersuchung zu 1 Joh zum Ziel, insgesamt und in allen fraglichen Teilen 1 Joh als Text vor dem Aufkommen des Doketismus verständlich zu machen. Die Auseinandersetzung mit den Gegnern steht »fraglos im Mittelpunkt« des Schreibens, da diese Auseinandersetzung »der eigentliche Anlass« für die Abfassung von 1 Joh war. 208 Als ausgesprochene, direkt identifizierbare »Gegnertexte« lassen sich erkennen 1 Joh 2,18-27 und 1 Joh 4,1-6, da hier direkt Gegner erwähnt werden. 209 Weitere Gegnertexte sieht man häufig in 1 Joh 1,6.8.10, in 1 Joh 2,4.6.9, in 1 Joh 4,20 und in 1 Joh 5,6-8. 210 Allgemein Schwierigkeiten macht 1 Joh 5,21, da die Warnung vor den Götzen absurd klingt. 211 Im Folgenden skizziere ich zwei Modelle der religionsgeschichtlichen Einordnung von 1 Joh und seinen Gegnern. Das erste Modell orientiert sich an gegenwärtig weitverbreiteten Annahmen der Einleitungs- und Kommentarliteratur. Es umreißt die allgemein vorherrschenden Zuordnungen und Erklärungen für 1 Joh. Es ist insofern verkürzend und bringt ein grobes Bild dessen, was unter »Gegnerbestimmung« unten (S. 55ff) noch genauer in den Blick kommen soll. Das zweite Modell gibt in Kürze einen Überblick über das, was anschließend erwiesen werden soll. Anhand des Vergleichs mit dem ersten Modell zeigen sich die Aufgaben für die anschließende Untersuchung. 2.1.1 Doketismus und Gnosis in 1 Joh? Eine Skizze. Viele Fragen der Auslegung werden geklärt, wenn man annimmt, dass die »Gegner« des Autors eine spirituell fundierte abweichende (dissidente) christologische Überzeugung hatten. 207 Man würde dann vielleicht von naivem Doketismus oder Protodoketismus sprechen oder von Vorstellungen, die in Richtung auf Doketismus laufen. Allerdings ist die beliebte Rede von »Proto- Gnosis« und Ähnlichem ein Ausdruck von Hilflosigkeit: Man weiß, dass die in Gebrauch genommene Kategorie noch gar nicht zur Verfügung steht und sich auch nicht im Text erweisen lässt. Dennoch benutzt man sie als anachronistischen Import aus späterer dogmatischer Lehrentwicklung, um Phänomene der davorliegenden Zeit zu beschreiben. Was aus Sicht systematischer Dogmatik verständlich ist, ist historisch irreführend. Es ist historisch wesentlich, die zur jeweiligen Zeit bekannten Denkformen zu eruieren und mit ihrer Hilfe den jeweiligen Text zu deuten, bevor die Ergebnisse mit späteren Vorstellungszusammenhängen ins Gespräch gebracht werden. 208 H ORN , Johannesbriefe, 319; gegen S TREETT , S CHMID und andere. Der Blick auf das Netz der Wortverknüpfungen (siehe Wortfeldtabellen im Anhang) zeigt, dass die Bekenntnisstellen in 1 Joh 2 und 4 wie Mittelpunkte in einem Spinnennetz wirken, da hier eine hohe Konzentration prägender Vorstellungen zusammenkommt. 209 Vgl. S CHMID , H., Gegner im 1. Johannesbrief? Zur Konstruktion und Selbstreferenz im johanneischen Sinnsystem, Stuttgart 2002 (BWANT 159), 81-93 und 142-161. U EBELE , Verführer, 119, spricht von »Kardinalstellen«, an denen man die christologischen Ansichten der Gegner in besonderer Weise erkennen könne, welche andererseits aber den Text prägen. 210 Vgl. S CHMID , H., Gegner, 186-202. Allerdings lehnt Schmid eine polemische Lesart dieser Textstellen ab und liest sie nicht als Slogans der Gegner (204). Vgl. kritisch S TREETT , Identity, 116ff. 211 Ausnahme: G RIFFITH , Idols. 52 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 1 Joh 2,18-27: Die Gegner verstehen sich als Pneumatiker, die selbst den Geistbesitz für sich reklamieren. Als »Gesalbte« benötigen sie keinen »Gesalbten« in »heilsvermittelndem Sinne, also keinen ›Christus‹ mehr«. 212 Dagegen wehrt sich der Verfasser von 1 Joh, indem er den Geistbesitz an das Bekenntnis zu Jesus Christus koppelt. 213 Außerdem betont der Verfasser, dass alle die »Salbung« empfangen haben, dass also die Gegner keinerlei Vorsprung an Erkenntnis oder Heil haben. Es ergibt sich das Problem, wie man wahren Geistbesitz und wahre Salbung von vorgetäuschtem Geistbesitz unterscheiden kann. Nach 1 Joh 2,22f ist das Bekenntnis zur Messianität bzw. Sohnschaft Jesu Unterscheidungsmerkmale für die Beurteilung des Geistes. 214 1 Joh 4,1-6 nimmt beide nun schon bekannten Momente wieder auf: die Frage der Beurteilung des Geistes und des Bekenntnisses. Das Bekenntnis klärt, »wessen Geistes« jemand ist. Umstritten ist nicht, ob Jesus der Messias ist. Stattdessen steht in Frage, ob er wirklich Mensch oder ob er nur scheinbar Mensch war. Damit ist entweder eine Trennungschristologie oder eine doketistische Scheinchristologie gegeben und wir befinden uns im Bereich (prä-)gnostischer Theologiebildung. 215 Ein Durchgang durch 1 Joh zeigt dann: Der Prolog (1,1-4) hält antidoketistisch die Realität des Gewesenen fest. Die Gegner behaupten, sie hätten »Gemeinschaft mit Gott« (1,6), »keine Sünde« (1,8) bzw. »nicht gesündigt« (1,10). Sie haben Gott bzw. Christus »erkannt« (2,4), »bleiben in ihm« (2,6) und »sind im Licht«. Weiterhin behaupten sie, Gott zu lieben (4,20) und nehmen Geistbesitz für sich in Anspruch (3,24ff). 216 Gleichzeitig fehlt den Gegnern »die soziale Dimension des Heils«, die »Einheit von Gottes- und Bruderliebe ist ihnen (...) verborgen. Durch den Geistempfang stehen sie über der Sünde.« 217 212 B EUTLER , Kommentar, 23. Im Blick sind damit allgemein Gnostiker bzw. Enthusiasten, deren höheres Wissen sie über Fragen von Sünde und Ethik erhebt und das als »Erkenntnis« schon selbst heilstiftend wirkt. 213 Ebd. 214 H ORN , Johannesbriefe, 319 geht so weit, an dieser Stelle aus der Leugnung der Messianität Jesu zu folgern: »Diese Position muss, wenn sie konsequent gelehrt wird, der Inkarnation und dem Kreuzestod, und damit unlöslich verbunden dem Sakrament des Herrenmahls, jegliche Relevanz absprechen. Es gibt im frühen Christentum eine gewisse Parallele zur vermuteten Position der Dissidenten.« H ORN verweist dann auf Kerinth. 215 B ASISBIBEL , 1101: »Der 1. Johannesbrief klärt Fragen, die von einer Gruppe von Irrlehrern« ausgelöst wurden, »die zur sogenannten Gnosis gehören. Sie geht davon aus, dass der Geist des Menschen göttlich und gut ist, sein Leib dagegen böse und schlecht. Durch die von der Gnosis vermittelte Erkenntnis, dass sein Geist göttlich ist, soll der Menschen aus der bösen Welt des Leibes befreit werden und in die göttliche Welt des Geistes gelangen. Nach dieser Lehre hat Jesus nur scheinbar menschliche Gestalt angenommen und ist folglich auch nicht wirklich am Kreuz gestorben.« 216 Die Aufzählungen dieses Absatzes sind entnommen B EUTLER , Johannesbriefe, 22f. 217 B EUTLER , Johannesbriefe, 23f. 2.1 Das Grundproblem der religionsgeschichtlichen Einordnung 53 Während die Gegner die Tradition verlassen (2,19), 218 verteidigt 1 Joh diese. 219 1 Johannes 5,6-8: 220 Die Betonung, dass Jesus in Wasser und Blut gekommen ist und Geist, Wasser und Blut das übereinstimmend bezeugen, gilt als Hinweis auf ein »unernstes« Sakramentsverständnis, das wiederum in der doketistischgnostischen Christologie wurzelt. 221 2.1.2 Ist eine Alternative denkbar? Eine Skizze. 1 Joh ist im Rahmen einer messianisch-jüdischen Gemeinschaft entstanden, die noch nicht einmal eine Selbstbezeichnung hat. Sie ist verbunden durch ihren Bezug auf Jesus, den Christus und das mit ihm ansetzende Heil, das sich in Geist, Salbung und Taufe Ausdruck verschafft. Die gegenseitige »Liebe« der zu Jesus gehörenden Menschen untereinander und zu Gott spielt eine große Rolle. Prolog: Der Autor bezieht seine Autorität aus seiner Augenzeugenschaft. Er gehört zu denen, die Jesus wirklich erlebt haben. Er reagiert auf eine Verunsicherung, die sogar dazu geführt hat, dass einige Mitglieder der Gemeinschaft sich abgewandt haben. Dass sie ihre alten Überzeugungen und Freunde verlassen haben und polemisch oder aggressiv auf sie reagieren, verunsichert die Zurückbleibenden um so mehr. Die Verunsicherung besteht in Folgendem: Man ist als Angehöriger des Messias verbunden mit dem Licht bzw. mit Gott (2,4.6.9). Weil Gott Licht ist und in ihm keine Finsternis existiert (1,5), dürften Sünde und Anfechtung keine Rolle mehr spielen. Dagegen stellt man als Realität fest, dass Sünde ein Problem bleibt (1,6.8.10). Also kann Jesus ja gar nicht der Christus sein! Nachdem zunächst das Problem von Sünde und Heilsstand ausgeführt wird und Jesus Christus als himmlischer Fürsprecher benannt ist (2,1ff), erreicht 1 Joh eine entscheidende Dramatisierung in 2,18ff: Die letzte Stunde ist da, das heißt: Sünde, Bosheit und Finsternis kulminieren. Sie kulminieren vor allem darin, dass sich einige durch die genannte Verunsicherung dazu hinreißen lassen, Jesu Messianität zu bestreiten. 218 H ORN , Johannesbriefe 319: »Diese Dissidenten haben aus dogmatischen Gründen einen Bruch vollzogen, sie stellen aber nach wie vor auch einen Teil der johanneischen Schule dar«. 320: »Der Differenzpunkt zu den Dissidenten liegt (...) in der Christologie. Diese erkennen nach 4,3 den irdischen, den menschlichen Jesus nicht an, sondern allein und ausschließlich den himmlischen Christus.« - Diese Position ist terminologisch leicht angreifbar, da »dogmatische Gründe« sicher nicht die Kategorien frühchristlichen Denkens und Theologietreibens beschreibt. 219 H ORN , Johannesbriefe 320. Dagegen: Ist die »Verteidigung der Tradition« nicht eine gewagte Vorstellung im 1. Jh.? 220 Erklärung in der NGÜ, 576 dazu: »Wahrscheinlich hatte für die in diesem Brief bekämpften Irrlehrer der Tod Jesu am Kreuz keinerlei Heilsbedeutung. Ihrer Ansicht nach verband sich ein vom Himmel kommender Christus bei der Taufe mit dem irdischen Jesus und verließ diesen wieder vor dessen Sterben. Johannes betont deshalb, dass nicht nur die Taufe (das Wasser), sondern auch die Kreuzigung (das Blut) zu dem Weg gehörten, den Jesus Christus im Auftrag seines Vaters zu gehen hatte, und dass beide Geschehnisse ihn als den Sohn Gottes bestätigten.« 221 H ORN , 321. Gerne wird diese Stelle auch als Verweis auf Joh 19,34 interpretiert. Dann ist es zumeist so, dass man die betonte Verbindung von Wasser und Blut als Hinweis darauf sieht, dass die leibhafte Menschlichkeit Jesu bei der Kreuzigung bestritten wird (z.B.: S CHNELLE , Christologie, 224ff.). 54 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Dagegen setzt der Verfasser den Aufruf zur Liebe, der in Christus bzw. Gott selbst gründet (Kapitel 3). Liebe ist die richtige Antwort auf die Verunsicherung und auf den »Abfall«, weil sie auf jeden Fall Ausdruck des Lichtes ist, dessen Wirksamkeit bestritten wird. Die Frage nach dem Geist, auf den sich alle berufen, ist zu klären am Bekenntnis (1 Joh 4,1ff): »Jesus Christus ist als Mensch gekommen«, das heißt: Der Christus war da. Dass Jesus der Christus ist, ist schon in 1 Joh 2 geklärt. Der Christus war da, nämlich Jesus. Genauer gesagt war er da, wo die Verunsicherung am Größten ist: im Fleisch. Er war Mensch. Das Gegenteil dieser Position ist nicht: »Er war ein Geist«, »eine Projektion«, »ein Engel« oder »ein Hologramm«, sondern: »Er war nicht da«. Das ist die Behauptung der Gegner: Christus (Jesus) war nicht da. Dagegen hält 1 Joh: Jesus Christus war genau so da (als Mensch), wie der Gegenspieler jetzt da ist (in der Welt). Das bedeutet, die gegenwärtige Anfechtung durch Sünde und Abfall klärt sich durch das widerstreitende dualistische Drama zwischen Licht und Finsternis, bei dem der endgültige Sieg des Lichtes zwar eingeleitet aber noch nicht vollendet ist. 1 Joh 5,6-8 spricht die Taufe an. Niemand stellt sie in Frage. Im Gegenteil: Sie wird aufgeführt, weil sie zusätzlich zeigen kann, dass Christus längst wirksam ist. Dabei muss man davon ausgehen, dass die Taufe eindrücklich erlebt worden ist. Sie bezeugt daher gemeinsam mit dem Tod Jesu (Blut) und dem Geist, dass Jesus nicht nur ein »Tauferlebnis« war, sondern dass Gott durch Christus »präsent« gemacht wird im Menschen. Wenn die Taufe so erlebt worden ist, dann eben nicht nur des Wassers wegen, sondern weil das Wasser das Blut (bzw. den Tod) Jesu abbildet. Durch seinen Tod hat er schließlich den Zugang zu Gott hergestellt (vgl. 1 Joh 2,1). Der Abschluss in 5,21 ist nicht literarkritisch auszugrenzen, denn auch bei späterer Hinzufügung müsste er erklärt werden. Die Warnung vor dem Abfall ins Heidentum (Götzenbilder) ist im Frühjudentum/ Frühchristentum nicht singulär. Sie zeigt: Hier ist jemand in Gefahr, durch seine abweichende Art zu glauben, den Weg Gottes zu verlassen. Johanneisch gesprochen: Wer den Sohn leugnet, der leugnet den Vater. Diese Aussage ist innerjüdisch und innerchristlich sinnvoll, außerhalb des Glaubens an den einen Gott Israels aber nicht. 2.2 Das Vorgehen der Untersuchung Die aufgeführten beiden Skizzen zeigen, wo der Klärungsbedarf hinsichtlich 1 Joh liegt. Es ist dringend nötig, zu klären, welche Gegnerkonstrukte in Frage kommen. Es ist zu klären, wie die gegnerische Position zu ermitteln ist. Insbesondere ist natürlich 1 Joh 4,2f. selbst, insbesondere die Funktion von »Fleisch« hier, zu klären. Wir gehen folgendermaßen vor: Zunächst werden die Einleitungsfragen und die »Johanneische Frage« in den behandelt. Dazu gehören Klärungen bezüglich der Lokalisierung und den Mög- 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 55 lichkeiten der Datierung. Danach erfolgen an der Pragmatik des Textes orientierte Annäherungen: Die »Bühne« und der »Handlungsrahmen« werden geklärt. Sie erweisen sich als wichtig, wenn man das »gekommen im Fleisch« in 1 Joh 4,2 verstehen möchte. Die Frage nach der Textpragmatik wird ergänzt durch die Frage nach den das Verständnis orientierenden Wortfeldbeziehungen innerhalb des Textes. Es werden als starke Signalgeber für das Textverständnis zunächst der Anfang (1 Joh 1,1-5) und das Ende (1 Joh 5,12-21) in den Blick genommen. Dann wird das erste Auftauchen von Gegnern in 1 Joh 2,18-27 behandelt. Es folgt als zweite 1 Joh 4,1-3, eingebettet in seinen Kontext. Das Gekommensein in Welt und Fleisch von Antichristus und Christus und das Kommen des Propheten stehen dabei im Fokus und werden auch vor dem weiteren neutestamentlichen Kontext untersucht. Schließlich werden weitere Passagen, die zur Gegneridentifizierung herangezogen werden, genauer untersucht. Daraus ergibt sich für 1 Joh eine klar zu benennende Funktion des Fleisches Christi in 1 Joh 4,2f. Offen bleibende Fragen, wie die, warum hier überhaupt von »Fleisch Christi« die Rede ist und nicht andere Möglichkeiten des Ausdrucks genutzt wurden, werden in den dann folgenden Kapiteln angegangen. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 2.3.1 Vorschläge der Forschung zur Gegnerbestimmung Die Frage nach der Geschichte hinter den johanneischen Texten, also nach der Geschichte einer Gemeinde, eines Kreises, einer Schule des Evangelisten, einer Redaktion oder auch vorliegender schriftlicher Quellen, hängt wesentlich davon ab, wie man die Gegner beschreibt - und dann auch, wo und wann man diese ausmacht. 222 Umgekehrt hängt auch die Gegnerbestimmung am zeitlichen und räumlichen Kontext. 2.3.2 Gegnerbestimmung Bei den im Folgenden genannten möglichen »Gegner-Fronten« legen sich die neueren Kommentare in der Regel nicht eindeutig fest. Zu beobachten ist zumeist, dass verschiedene Positionen erwogen werden, die teilweise als einander ergänzend wahrgenommen werden. So wird teilweise »kerinthische« Christologie oder auch ein im Sinne W EIGANDTS harter Doketismus mit einem judenchristlichen Hintergrund verbunden. Andererseits bilden auch Doketismus, Enthusiasmus und gnostische Christologie häufig eine nicht recht entwirrbare Gemengelage. Die entsprechenden Kate- 222 Vgl. den kurzen Überblick bei S CHNELLE , Salbung, 633ff. Bedeutend ist besonders der ausführliche Gesamtüberblick zur Forschungslage mit einem etwas stärkeren Fokus auf der englischsprachigen Literatur bei S TREETT , Identity: Kapitel 1, S. 1-110. S TREETT bespricht ausführlich die diversen Ansätze der Forschung und zeigt Stärken ebenso wie Schwächen auf. In den folgenden Kapiteln 3-6 bespricht er im Einzelnen die Ergebnisse der jeweiligen Richtungen für die fünf Passagen aus 1 und 2 Joh, die für die Rekonstruktion der Gegner allgemein als wesentlich angesehen werden. 56 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« gorien entstammen häresiologischen Bewertungen der patristischen Literatur. Weithin einig ist man sich in der Regel darin, dass die in 1 Joh bekämpften Gegner die Bedeutung der Menschlichkeit Jesu und seines Geschicks, besonders dessen soteriologische Relevanz, abgewertet bzw. heruntergespielt hätten. 223 2.3.3 Gnosis und Trennungschristologie Nach Irenäus ist das Corpus Johanneum, speziell das Johannesevangelium, in Auseinandersetzung mit der Gnosis geschrieben worden. Dabei fallen Namen wie »Marcion«, »Kerinth«, 224 »Nikolaiten« etc. (Iren.haer. 3,11,1; 3,16; vgl. Tert.Marc.; Tert.carn.Chr.). 225 In Anschluss an Irenäus besteht in der Forschung eine verbreitete Tendenz, gnostische oder prägnostische Strömungen als Gegner anzunehmen. 226 Problematisch daran ist allerdings die heute einhellig deutlich später angesetzte gnostische Systembildung. 227 Vor allem findet sich innertextlich kein Hinweis auf eine Abwertung des Alten Testaments oder des Gottes Israels, wie es für einen typisch »gnostischen« Text erwartbar wäre. Die Bezeichnung von Texten als prä- oder protognostisch ist generell unglücklich, da sie frühe Texte im Licht späterer Systeme liest und somit Anachronismus in die Exegese einträgt. Eine Variante der gnostischen bzw. trennungschristologischen These bietet K IN - LAW (s.o. S. 37), die unter Verwendung der Terminologie von »Inspiration«, »Einwohnung«, und »Metamorphose« inhaltlich die für die Gegner von 1 Joh von ihr angenommene kerinthische Trennungschristologie beschreibt. 223 Vgl. K LAUCK , Johannesbrief, 95ff; B ROWN , Epistles, 69ff. Kritisch: S TREETT , Identity, 77-89. 224 S TREETT , Identity, 276: »By far, the dominant position in the last two hundred years of scholarship has been that 1 Joh 5,6 is aimed at refuting a Cerinthian separation-Christology.« 225 Vgl. Beda Venerabilis zu 1 Joh: 1 Joh sei gegen Markion und Kerinth geschrieben worden (PL 93,85). - Irenäus will sicherstellen, dass seine valentinianischen Gegner, die sich augenscheinlich besonders auf das Johannesevangelium stützen, bloßgestellt werden. Daher wird behauptet, das Evangelium richte sich von seiner Intention her von Anfang an gegen sie. Zwar wird man heute einige der genannten Namen nicht unbedingt der Gnosis zuordnen. W EIGANDT , Doketismus, 106 kommt aber in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass in 1 Joh »der Kreis der wichtigsten gnostischen, christologischen Irrlehren umrissen« werde. Es sei anzunehmen, »dass der Verfasser versucht, die Gemeinde oder Gemeinden an die er schreibt, vor allen möglichen Christologien Irrlehren zu warnen, darunter auch sicher vor dem Doketismus.« - »Jede einzelne antihäretische Aussage in den beiden ersten Johannesbriefen ist scharf akzentuiert und trifft jeweils genau eine ganz besondere Irrlehre.« W EIGANDT denkt dabei an Kerinth, Satornil, Markion und die Basilidianer (ebd. 103f). Dieses Ergebnis wird zwar im Einzelnen in den Kommentaren kritisch befragt, aber im Grundsatz doch häufig vorausgesetzt. Auch die von S CHMIT - HALS vorgeschlagene Spätdatierung hat zum Ziel, diesen Hintergrund wahrscheinlich zu machen. Vgl. S TREETT , Identity, 23: »The earlier German critics (...) were able to identify Gnosticism as the problem in the Epistles only by dating the letters to the mid-second century«. 226 Für eine an Kerinth orientierte Gnosis bzw. »Doketismus« sprechen sich B ULTMANN , S CHU - NACK und S CHMITHALS aus. Auch S CHNELLE , S TRECKER und W ENGST erwägen eine an Kerinth orientierte Christologie, zumeist verbunden mit der Einschränkung, dass diese nicht notwendig gnostisch gewesen sein muss, sondern auch aus jüdischen bzw. judenchristlichen Vorstellungen (Engellehre, Engelchristologie) hergeleitet werden könne. Ähnlich K INLAW , B EUTLER , T HEOBALD , G OULDER . Ganz auf Gnosis setzt S CHMITHALS , der sowohl eine Orientierung an kerinthischem Doketismus als auch an »strengem Doketismus« als auch ein (enthusiastisches) Pneumatikertum der Gegner ausmacht (S CHMITHALS , Johannesevangelium, 279ff). Schon H ILGENFELD (Einleitung), H OLTZMANN (Briefe) und W INDISCH (Briefe) gingen von gnostischer, Gegnerschaft aus, zumeist dabei an Satornil denkend. Dagegen konstatiert P OPKES , Polemik, 339 zurecht: Es »muss festgehalten werden, dass die Entstehung gnostischer Traditionsbildungen deutlich später anzusetzen ist als die Abfassungszeit der johanneischen Schriften.« 227 S TREETT , Identity, 22f: »It is thus anachronistic to call the opponents ›Gnostics‹.« 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 57 2.3.4 Doketismus Eine entschärfte Form noch nicht ausgebildeter, früher Gnosis könnte mit dem Doketismus gemeint sein, der von Bemerkungen des Ignatius von Antiochien über seine Gegner bekannt ist (vgl. IgnTr 9f, IgnSm 5,2). 228 Deshalb kommen verschiedene Untersuchungen zu dem Schluss, die Gegner des 1 Joh und die des Ignatius seien entweder identisch oder doch wenigstens historisch oder sozial miteinander verbunden. 229 Anhaltspunkt im Corpus Johanneum bietet u.a. 1 Joh 4,2 (Christus ins Fleisch gekommen). 230 »Die starke Betonung der Inkarnation« 231 z.B. in 1 Joh 1,1f und 5,6 gilt als Beleg. Die doketistische Einordnung der 1 Joh- Gegner ist bis heute insgesamt dominierend. Kritisch ist bemerken, dass weder der Schlüsselbegriff δοκεῖν fällt, noch das Leiden oder der Leib Christi thematisiert werden. 2.3.5 Enthusiasmus Eine entschärfte prägnostische Lösung bietet der Vergleich mit den für 1 und 2 Kor angenommenen Gegnern, die als Enthusiasten oder Pneumatiker bezeichnet werden. 232 Das kann bis dahin gehen, dass das »Kommen im Fleisch« als geistliche Präsenz Christi in den Mitgliedern der johanneischen Gemeinschaft verstanden wird, also als eine Art Inspiration der Christen und als Frage nach der Wirksamkeit Christi bzw. nach der Wirksamkeit des Geistes Christi. 233 Ansatzpunkte in 1 Joh für einen enthusiastischen Hintergrund, wie für 1 und 2 Kor vermutet, sind die wiederholte Einschärfung der Bruderliebe und die Reflexionen über die Faktizität der Sünde. Verbunden ist häufig damit der Vorwurf eines ethischen Libertinismus. Allerdings muss man hier darauf achten, nicht vorschnell Schlüsse zu ziehen, denn ausdrücklich steht davon nichts im Text. 234 228 Früheste Bezeugungen dieser Lesart von 1 Joh: Der Brief Polykarps an die Philipper (Polyk 7,1); Tert.carn.Chr. 24; Tert.Marc. 3,8; 3Kor 1,10-15. 229 Z.B. U EBELE , Verführer, W EIGANDT , Doketismus, S TRECKER , Briefe. 230 B ULTMANN , S TRECKER , S CHNELLE , W ENGST , S CHMITHALS , V OGLER , S MALLEY , U EBELE gehen von Doketismus aus; vorsichtiger K LAUCK , S CHNACKENBURG , F REY ; H ENGEL denkt an Nähe zu Kerinth (Trennungschristologie), der noch nicht als gnostisch zu bezeichnen sei. Ähnlich T HYEN . 231 S CHNELLE , Salbung, 635. 232 Siehe C ONZELMANN / L INDEMANN , Arbeitsbuch 261. B ALZ , S CHUNACK , K LAUCK und andere erwägen diese Möglichkeit. Jüngst schlug auch B ECKER , Christentum, 232f diese Lösung vor. Vgl. B EUT - LER , Johannesbriefe, 23. Richtig daran ist zumindest, dass es bei der Bekenntnisdifferenz auch und gerade um Fragen der Wirksamkeit des Geistes und um das Auftreten »anderer Geister« geht. 233 M INEAR , Idea. 234 Zum Phänomen »Enthusiasmus« vgl. religionsgeschichtlich K INLAW , Christ, 41-56. 58 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 2.3.6 Jüdischer bzw. judenchristlicher Hintergrund 235 Insbesondere im Johannesevangelium sind die direkt erwähnten Gegner Jesu Juden. Wird häufig Kerinth als Gegner angenommen, so fragt T HYEN : »War er wirklich der Gnostiker, als den Irenäus (Iren.haer. 1,26,1) ihn schildert (...)? Oder war er der judenchristlich-gesetzestreue Chiliast, der Jesus für den designierten Messias hielt (...), wie Epiphanius ihn schildert? « 236 Eine streng auf judenchristliche bzw. jüdische Gegner gerichtete Position nahm lange Zeit nur die Untersuchung A LOIS W URMS ein, wonach die »Irrlehre« der Gegner in der Leugnung der Messianität Jesu bestehe. Es sei nicht sachgemäß, in 1 Joh zwischen einem himmlischen Gottwesen (Gottessohn) und einem irdischen Christus zu unterscheiden.Thema sei einfach die Messianität. Während diese Auffassung 237 in den älteren Kommentaren nahezu durchgehend abgewiesen wird, gewinnt sie in jüngerer Zeit immer mehr Anhänger. 238 So nehmen W ENGST , T HYEN , B ERGER , W ILCKENS , M ÜLLER , E RLEMANN , S TREETT , W ITHERINGTON , R USAM , G RIFFITH und andere für das Corpus Johanneum jüdische Gegner an, da sie von einem jüdischen Umfeld ausgehen. 239 Auch S CHNACKENBURG hält einen jüdisch-christlichen Hintergrund in 1 Joh für wahrscheinlich, wenngleich mit starkem Gefälle in Richtung Doketismus. W ENGST zufolge gilt ein jüdischer Hintergrund allerdings nur für das Evangelium, nicht für die Briefe, die erst später in Ephesus in Auseinandersetzung mit einer gnostisch-doketistischen Front entstanden seien. 240 G RIFFITH nimmt den sonst kaum integrierten Briefschluss 1 Joh 5,21 zum Ausgangspunkt der Untersuchung: Es seien wirklich Götzen gemeint, zu denen man nicht abfallen soll. Auf diese Weise soll mit Hilfe von Israels traditioneller Anti- Götzen-Rhetorik die Grenze der Gemeinde nach außen gestärkt werden. 241 Abfall 235 S MALLEY , 1 John, 337-343. Smalley hat die These, dass es drei Gegnergruppen gibt. Eine davon sei jüdisch orientiert, vertrete eine Niedrigkeitschristologie und lehne die Gottheit Christi ab, halte stattdessen am Gesetz als Heilsweg fest. - Ähnlich: S MALLEY , 1, 2, 3, John. - Um die vorletzte Jahrhundertwende plädierten W INDISCH (Die Katholischen Briefe) und B ELSER (Briefe) sowie W URM (Irrlehrer) für judenchristliche Gegner. B LANK , Irrlehrer, 168 verweist darauf, dass die neuere Forschungslage »keine säuberliche Trennung mehr zwischen Judentum bzw. Judenchristentum, Hellenismus bzw. hellenistischem Christentum und Gnosis« erlaube. Auch B LANK nimmt judenchristliche Gegner an (anhand der Bekenntnisformeln in 1 Joh). 236 T HYEN , Johannesbriefe, 188. 237 S TREETT , Identity, 93, FN 373, führt eine ganze Reihe an vorhergehenden Kommentaren zu 1 Joh mit gleicher Zielrichtung an. Diese seien aber genau wie W URM ab dem Zeitpunkt unbeachtet geblieben, als »the history of religions school had achieved dominance and the focus had shifted to Gnosticism as the explanatory matrix for the Johannine literature.« 238 W URM , A., Die Irrlehrer im Ersten Johannesbrief, Freiburg i.Br. 1903, z.B. 8ff. Ausgangspunkt für W URM ist 1 Joh 2,18ff, wo erstmalig Gegner in 1 Joh erwähnt werden. In neuerer Zeit schließt sich dieser Lesart neben E RLEMANN und W ILCKENS auch die große Studie von S TREETT (Identity) an. 239 B ERGER , Theologiegeschichte, z.B. 275 u. 747; DERS ., B/ N, 63f; DERS ., Kommentar 944-946; T HY - EN , Johannesbriefe; W ENGST , K., Gemeinde; W ILCKENS , Gegner 2001. Vgl. auch P OPKES , Polemik, der allerdings meint, Judentum sei kein Thema der Gegenwart der johanneischen Schriften mehr. 240 Schon W REDE , Entstehung, 94, meint, das Evangelium richte sich »gegen das feindliche Judentum«, der Brief dagegen habe es »mit Gnostikern« zu tun, »namentlich solchen, die behaupten, daß der von oben gekommene Christus gar nicht wirklich Fleisch geworden« sei. 241 G RIFFITH , Idols, 28-57 und 192ff. Ich greife diesen Ansatz unten S. 108ff auf. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 59 von Jesus Christus bedeutet Abfall von Gott. Insgesamt gelingt es G RIFFITH , die pastorale Funktion der johanneischen Sprache überzeugend darzustellen. Die Wendung »im Fleisch« in 1 Joh 4,2 sei christologisch »neutral«, betone den Fakt der Inkarnation es geht um die menschliche Sphäre, in der Christus wirksam ist - und frage nicht nach der Art und Weise, wie das geschehen ist. G RIFFITH kann von seinem Einsatz am Schluss her den 1 Joh so lesen, dass ein Eintrag späterer häresiologischer Kategorien unnötig ist. Die in 1 Joh angesprochene Apostasie ist eine, die sich innerhalb des Judentums ereignet. Deswegen ist es auch möglich, 1 Joh zeitlich vor dem Evangelium anzusiedeln und eine frühe Datierung in Palästina für machbar zu halten. 242 E RLEMANN sieht die Konflikte, die in 1 Joh anklingen, im Trennungsprozess des Christentums vom Judentum. 243 Noch taucht die Bezeichnung »Juden« nicht auf, um Fremdes zu bezeichnen. Eine innersynagogale Gruppe von Jesusanhängern muss auf Druck reagieren, der durch die Ablehnung Jesu als Messias und durch das Scheitern der Erwartung völliger Sündlosigkeit nach dem Auftreten des Messias eingetreten ist. 244 S TREETT geht methodisch in Anschluss an G RIFFITH und B ERGER von der Annahme aus, ein extensives »mirror-reading«, in dem Sinne, dass jedes Plus ein Minus enthalte, sei unangemessen (Kap. 2). 245 Man kann nicht, wie es weitläufig üblich ist, aus jeder positiven Aussage schließen, dass diese deswegen getroffen wird, weil sie in Frage gestellt ist. Darum ist ein durchgängig polemisch orientiertes Wahrnehmen der Positionen von 1 Joh unangemessen. 1 Joh 2,18-27 gibt, 242 G RIFFITH , Idols, 209: »The general conclusion of my thesis is that the Jewish matrix of the Johannine tradition has been significantly underplayed with reference to 1 John. (...) Once the need to interpret the letter in the light of later heresies has been removed, the case for arguing that the letter must be later than the Gospel looks much weaker. (...) However, there can be no certainty in this matter (...), I believe that any date between the sixties and nineties is possible, although I lean towards an early dating. Neither do I rule out a Syro-Palestinian setting, especially if 1 John is dated to the sixties CE, for the eruptions of Jewish nationalistic fervour must have caused great difficulties for Jewish Christians in the region at the time. However, a post-70 CE setting in the diaspora would suit just as well, for pressures on Jewish Christians to apostasize could just as easily have been generated by local concerns.« - Dieser Einschätzung schließe ich mich insgesamt an, kann theoretisch aber auch ein »setting« von 60 n.Chr. nicht ausschließen. 243 E RLEMANN , K., 1 Joh und der jüdisch-christliche Trennungsprozess, in: ThZ 55 (1999), 285-302. 244 Eine Variante dieser Annahme jüdischer Gegner stellt die Ansicht von W ILCKENS (Gegner 2003) und T HYEN (Johannesbriefe, 193ff) dar, wonach es um die Infragestellung des jüdischen Monotheismus geht. Diese Annahme kann im Sinne der innerjüdischen Debatten über »Two Powers in Heaven« (vgl. S EGAL s Analysen zu 3Hen) richtig sein, nicht aber in absolutem Sinne, als stelle der johanneische Christusglaube den Monotheismus, was auch immer damit gemeint ist, in Frage. Denn nie wird Christus als Gott in absolutem Sinne (als »Vater«, »Höchster« o.ä.) bezeichnet. Vielmehr kann es natürlich nur um die Frage gehen, ob Jesus zu Recht als alleingültige Mittelgröße zu Gott auftritt, oder ob er sich damit etwas ihm nicht Zustehendes anmaßt und daher Gotteslästerung oder Magie betreibt (vgl. Joh 6). Es ist aber richtig, dass das Johannesevangelium sehr sorgfältig daran arbeitet, einen Verdacht der Verletzung des Monotheismus unmöglich zu machen. Dahinter steht die Notwendigkeit, das Verhältnis von Jesus und Gott auch gerade im jüdischen Kontext genau zu klären. Wenn man von »Apostasie« bei den Gegnern von 1 Joh ausgeht (s.u.), ist allerdings Monotheismus sicher nicht das entscheidende Thema, da in der johanneischen Tradition Jesus immer »nur« der Sohn und der Gesandte ist und die Gegner daran wohl kaum noch Anstoß genommen haben. 245 »Second, a simplistic mirror-reading of the claims results in absurdity. Surely we are not to think that the opponents were advocating hypocrisy, lovelessness, unrighteousness, or even outright libertinism« (S TREETT , Identity, 124). 60 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« was die Gegner betrifft, die entscheidenden Signale, weil dies die erste explizit auf Gegner hin orientierte Stelle ist. Allerdings sei zu bemerken, dass dieser Abschnitt erst gegen Ende des ersten Drittels des Briefes auftauche. Insofern kann man 1 Joh nicht in erster Linie als polemisch gegen Gegner gerichtet lesen, sondern als pastoral auf die Integration der Gemeinde bedacht (Kap. 3). 1 Joh 4,1-6 ist keine Erweiterung des in 1 Joh 2 genannten Bekenntnisses, sondern exakt dasselbe (Kap. 4). Möglicherweise seien allerdings die in den Blick genommenen Personen andere (einmal Apostaten, das andere Mal von außen kommende jüdische Propheten). 1 Joh 5,6ff sei überhaupt nicht polemisch zu lesen, da es nur um die Bezeugung der göttlichen Sohnschaft Jesu durch den Täufer Johannes und den Sühnetod Christi gehe (Kap 5). Kritisch zu bemerken ist als Hauptschwäche des Ansatzes von S TREETT (wie auch von W URM , W ILCKENS , E RLEMANN ), dass insbesondere das ἐν σαρκί in 1 Joh 4,2 kaum erklärt wird. Zwar sind die Hinweise auf die Fleischdes-Messias-Passagen bei S TREETT im Grundsatz richtig. Aber er erklärt an sich noch nicht, warum an derart prominenter Stelle im Bekenntnis dieser Hinweis eingefügt ist. 246 2.3.7 Apostasie, Schismatikertum, Häretiker Trotz der häufigen Orientierung an Außengrößen versucht man häufig die Entstehung der Gegner »von innen« zu erklären, indem man sie Ultra-Johanneer, 247 Schismatiker, 248 Apostaten 249 oder Sezessionisten 250 nennt. 251 Der früher häufiger benutzte Begriff der Irrlehrer oder Häretiker dagegen ließ offen, ob die Gegner sich aus den »eigenen Reihen« entwickelt haben, wofür 1 Joh 2,19 spricht, oder ob sie einfach eine andersdenkende Gruppe waren, mit der sich die johanneische Gemeinde auseinanderzusetzen hatte. M ÜLLER sieht in den Gegnern Gemeindeglieder, die die im Johannesevangelium betonten himmlischen Züge des Offenbarers gegenüber Geburt und Tod dahingehend ausgelegt haben, dass sie »den himmlischen Gottessohn nur vorübergehend im Menschen Jesus epiphan werden lassen, ihn also grundsätzlich von diesem trennen. 252 246 S TREETT , Identity, 358ff. S TREETT bietet insg. den besten Überblick über die bisherige Forschung zu 1 Joh. Zugleich nimmt er konsequent Hinweise zur Erschließung von Gegnern (B ERGER ) auf. Er vermeidet so die von ihm zurecht als anachronistisch bewerteten (Irr-)Wege bisheriger Forschung. 247 V IELHAUER , Literaturgeschichte, 45; B ROWN , Epistles, 69-115. 248 S CHENKE , Schisma. Ähnlich L IEU , Persuasion, 805 und P OPKES , Polemik, 333. 249 So R USAM , Gemeinschaft und A UGENSTEIN , Liebesgebot. 250 DE B OER , Death, 326-346. Die Sezessionisten DE B OER s leugnen mit dem Begriff »Fleisch« nicht die Menschlichkeit Jesu, sondern die ethische Relevanz seines Todes; sie selbst sehen den direkten Kontakt mit Christus stattdessen in der Taufe gegeben. 251 Ähnlich ein Großteil der Forschung an, die Gegner des 1 Joh seien Menschen, die Ansätze vorheriger, gemeinsamer johanneischer Theologie weiterentwickelt oder radikalisiert hätten; z.B. W ENGST , Brief; K OESTER , Einleitung; T HEOBALD , Streit; S MALLEY , John; Z UMSTEIN , Geschichte; K LAUCK , Brief; H ECKEL , Historisierung. 252 M ÜLLER , Menschwerdung, 77-102, hier: 99. Zur Position M ÜLLERS s.o. S. 38. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 61 1 Joh würde dann also darauf reagieren. 253 Insgesamt ist immer eine mit mehr oder weniger vielen Hypothesen erschlossene »johanneische Gemeindegeschichte« vorausgesetzt, die sich in mehr oder weniger vielen Schichten, redaktionellen Zusätzen und Quellen im Text zeige. 254 2.3.8 Uneindeutigkeit des Textes Die Vielfalt der Möglichkeiten, insbesondere auch in der Kombination, verweist auf Unklarheiten, die der Text selber bietet. Offenbar ist Klarheit hier eben nicht einfach gegeben. Trotz der Schärfe prägender dualistischer Begriffe sind genau diese Begriffe und Bezeichnungen zwar in der Abgrenzung deutlich, andererseits in Bezug auf ihre Anwendung für vieles offen. 255 So ist nebenbei auch die Beliebtheit von 1 Joh zu erklären, der im Laufe der Geschichte unterschiedlichste Anwendungen erfahren konnte. 256 Wenn es allerdings darum geht, historisch-exegetisch festzustellen, wie der ursprüngliche »Sitz im Leben« aussah und wie also die ursprüngliche Intention des Verfassers zu bestimmen sein mag, dann ist eine derartige Offenheit und in ihrem Gefolge eine weitestgehend unübersichtliche, schillernde Bestimmung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes insgesamt hinderlich. Gerade weil 1 Joh durchgängig mit scharfen dualistischen Kontrasten arbeitet, ist die Einordnung der Gegner wichtig. Die Gegnerfrage ist für die inhaltliche Analyse von 1 Joh und des gesamten Corpus Johanneum somit keine nebensächliche Randfrage, sondern entscheidet darüber, wo und wie das grundlegende dualistische Koordinatensystem anzusetzen ist. In jüngerer Zeit wurden von zwei extrem entgegengesetzten Seiten aus Lösungsvorschläge gemacht: 2.3.9 Lösungsansatz: »Monophysitisches Denken« W OLFRAM U EBELE : Definition der Gegnerposition als »monophysitischen Doketismus«. U EBELE reagiert auf die von W EIGANDTS Monographie über den Doketismus keineswegs beseitigte Unklarheit, wie die Gegner von 1 Joh denn nun einzuschätzen seien, indem er die von W EIGANDT als »Doketismus im strengen 253 Eine Variante der Beobachtung, dass die Gegner aus der eigenen Gemeinde stammen und sich enttäuscht abgewendet haben, besteht in der These von W ILCKENS und anderen, die Gegner seien wegen christlicher Verletzung des Monotheismus zur Synagoge zurückgekehrt. Ich würde eher sagen: Sie sind zur Synagoge zurückgekehrt, weil sie von Jesus als Christus enttäuscht waren. Vergleichend stellt W ILCKENS (Gegner, 2003) zurecht fest, dass die Gegner von 1 Joh jüdisch, die des Ignatius dagegen doketistisch orientiert sind. 254 S TREETT , Identitiy, 12-15, beschreibt in Kürze das generelle Schema der vermuteten Gemeindegeschichte. Problematisch daran ist, dass man sich häufig nicht bewusst macht, wie viele unbewiesene Hypothesen zur Geschichte von Gemeinde und Texten man als gesichert voraussetzt, bevor man die eigentliche Exegese beginnt. S TREETT , ebd., 16, resümiert: »Scholars are increasingly questioning the overly confident reconstructions of the Joannine community. Many have begun to doubt the assumption that the Fourth Gospel reflects a ›sect‹ or an esoteric group whose writings are narrowly aimed at insiders only.« Auch die Existenz einer johanneischen »Schule« sei fraglich geworden (ebd., 17). 255 Licht - Finsternis, Gebote halten sündigen, Sünde bekennen - Sünde leugnen, Liebe - Hass, aus dem Vater aus dem Teufel, Christus kommt - Antichristus kommt, usw. 256 Man bedenke nur die im forschungsgeschichtlichen Überblick zum Begriff des Doketismus vorgestellten Anwendungen L UTHERS , M ÖHLERS und B AURS . 62 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Sinne« bezeichnete Christologie Satornils und Kerdons (»monophysitisch«) nicht nur bei den Ignatiusgegnern ausmachen will, sondern diese als genealogische Fortsetzung der Johannesgegner erweisen möchte. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass nicht nur eine monophysitisch-doketistische Christologie vorliege, sondern auch die soteriologische Bedeutung von Inkarnation und Kreuz geleugnet und die Eucharistie als Fleisch und Blut Christi abgelehnt werde und gleichzeitig ein Mangel an tätiger Liebe herrsche. 257 Eine Reflexion über die Methodik der Gegnererschließung fehlt völlig. 258 2.3.10 Lösungsansatz: Die Gegner als Funktion des Textes H ANSJÖRG S CHMID : Die Gegner haben eine textpragmatische Funktion, keine historische Rolle. S CHMID stellt in Frage, ob es richtig sei, die Gegnerfrage als hermeneutischen Schlüssel für den ganzen Brief zu benutzen (13). Hermeneutische Basis für dieses konventionelle Vorgehen sei die Annahme, 1 Joh spiegele die Geschichte einer Gemeinde (16ff). Eben dies aber glaubt Schmid nicht. S CHMID warnt davor, »Akte der Fremdbezeichnung und Geschichtskonstruktion (...) vorschnell in vermeintlich rekonstruierte Geschichte aufzulösen« und fordert stattdessen, diese »in ihrer pragmatischen Funktion zu untersuchen. Nicht wer die Gegner waren, lautet dann die Frage, sondern zu welchem Zweck und in welchem Zusammenhang überhaupt von Gegnern gesprochen wird. Dazu gilt es, in und nicht hinter den Text zu schauen« (21). Seine hermeneutische Alternative ist die Erschließung eines »johanneischen Sinnsystems«. Methode und Theorie dazu entwickelt er in einem ersten, längeren Teil seiner Arbeit. Er orientiert sich dabei am systemischen Ansatz N. L UHMANNS und an konstruktivistischen Ansätzen. So entsteht ein theoretischer Vorbau, der ein »unpolemisches« Verständnis von 1 Joh möglich und es zugleich unnötig macht, überhaupt nach historischen Gegnern zu fragen. Hauptgegenstand des von S CHMID entwickelten »Sinnsystems« sind die dualistischen Begriffe dessen, was man andernorts auch »johanneische Sondersprache« genannt hat. Das so entstandene Textmodell verzichtet auf historische Außenimpulse und auf konkrete, historisch eindeutige Wirkabsichten. Es ist nur konsequent, wenn bei der Analyse der Gegnerstellen in 1 Joh deren textpragmatische Funktion zum entscheidenden Mittel der Exegese wird. Da zur Identitätsverstärkung Außengrenzen, von denen man 257 Ebd., 152-162. 258 Zur weiteren Einschätzung siehe oben S. 36f. - U EBELE zeichnet für 1 Joh insgesamt folgendes Bild: »Die doketistisch-gnostischen Gegner hielten sich für Pneumatiker und Propheten (4,1), die für sich den Anspruch auf Sündlosigkeit (1,8.10), der Gemeinschaft mit Gott (1,6; 2,6; 2,9), der Gottesliebe (4,20) und des Aus-Gott-Gezeugtseins (vgl. 5,1; 4,7) erhoben. Von hervorragender Bedeutung für die Gewinnung des Heils war in diesem Zusammenhang die von ihnen beanspruchte »Erkenntnis« Gottes bzw. Christi (2,3f; 3,6b; 4,8), die so die mögliche Behauptung der Irrlehrer mittels einer ekstatischen Gottesschau (4,12.20; 3,6b) erlangt wurde. Aufgrund ihres durch die Gottesgnosis empfangenen Wissens über die Jenseitigkeit ihrer Herkunft und ihres Zieles, über die Zugehörigkeit des Ichs zur himmlischen Sphäre fühlten sich die Gegner zu den obigen Aussagen bewogen. (...) Durch ihren Hochmut gegenüber den nichtwissenden Brüdern und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den materiellen Nöten (3,17) zeichnen sie sich geradezu als ›Bruderhasser‹ (2,9.11 u.ö.) aus. Libertinistische Tendenzen lassen sich bei den Gegnern der Johannesbriefe ebenso wenig feststellen wie bei den von Ignatius bekämpften Irrlehrern.« Das Bild, das U EBELE von den Johannesgegnern hat, ist insgesamt abhängig von einem gnostischen Bild, das aber in jedem Fall anachronistisch sein dürfte. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 63 sich absetzen kann, hilfreich sind, genügt es, die in 1 Joh vorfindlichen, im Konkreten reichlich unscharfen Polemiken als fiktionale Grenzmarkierung zu verstehen, die innerhalb des johanneischen Sinnsystems die Konzentration auf die Mitte (Liebe) erleichtert. »Die Gegner sind somit, was der Leser niemals sein soll.« 259 1 Joh hat dabei die Funktion, die dem Leser bekannten Texte des Evangeliums noch einmal im Sinne einer Lesehilfe besser zu verstehen. Die Unschärfe mancher Begriffe in den johanneischen Schriften nennt S CHMID »Leerstelle«, die der Leser selbst im Akt des Lesens konstruktiv füllt. Zu den Eigenarten des johanneischen Sinnsystems gehört es danach, dass kein historisch einmalig feststehendes System zu suchen ist, sondern dieses Sinnsystem erst während des Lesens beim Leser entsteht. In der konkreten Textanalyse zeigt S CHMID vielfach, dass der Eintrag komplizierter Gegnerkonstrukte, wie sie mit den verschiedensten gnostischen oder doketistischen Positionen gegeben sind, unnötig sind. Man kann den Text ausdrücklich ohne diese und andere Außenbezüge lesen. 260 S CHMID hält fest: »Es gibt die Gegner in 1 Joh, aber nicht außerhalb. Es gibt sie nämlich nur durch den Text als dessen Konstruktion und Selbstreferenz, d.h., die Gegner dienen in erster Linie der Selbstdarstellung der Gemeinde. Damit ist ein mögliches Ereignis, das die Rede von Gegnern erst hervorbrachte, nicht generell ausgeschlossen, wohl aber dessen Rekonstruierbarkeit.« 261 Es entsteht so der Eindruck, dass gerade die mangelnde Möglichkeit einer genauen historischen Einordnung zu einer extremen Zurückhaltung hinsichtlich dieser Frage geführt hat und damit den hermeneutischen Ausweg entstehen ließ, über ein johanneisches Sinnsystem unter weitestgehender Ausblendung der historischen Fragestellung dennoch eine sinnvolle Textauslegung zu ermöglichen. So sehr dieser Versuch fasziniert, und obwohl er sowohl in hermeneutischer Hinsicht als auch an vielen Stellen der Einzelexegese bedeutende Stärken aufweist, so ist doch m.E. die Vorsicht weiter getrieben worden, als notwendig. 262 259 S CHMID , H., Gegner im 1. Joh, 290. 260 Damit stößt S CHMID eine wichtige Debatte noch einmal neu an, die durch Beachtung der Kriterien für die Erschließung von Gegnern in neutestamentlichen Texten (B ERGER ) schon längst anders hätte geführt werden müssen. Vielfältige Reaktionen, zuletzt von S CHNELLE zeigen, dass die literarische Lesetheorie S CHMIDS die Vertreter der häresiologisch orientierten Lesarten irritiert. W ITETSCHEK (Pappkameraden) nimmt die Anregungen S CHMIDS auf und formuliert konsequent auch für das Johannesevangelium eine virtuelle Gegnertheorie, wonach auch der johanneische Judas lediglich ein »Pappkamerad« sei, dessen literarische Funktion in der rhetorischen Bewältigung innergemeindlicher bzw. seelsorglicher Anliegen zu sehen sei. Auch L IEUS rhetorische Analyse von 1 Joh (Persuasion) ist durch S CHMID angeregt. Zurecht weist L IEU auf die Stärke der neuen Lesart hin, die erklären kann, warum 1 Joh eine so breite Wirkungsgeschichte hat (ebd., 819). Durch die offenen und doch in ihrem Dualismus klaren Szenen von 1 Joh können sich Menschen unterschiedlichster Kontexte immer wieder durch 1 Joh angesprochen fühlen. 261 S CHMID , H., Gegner, 289. 262 Die Frage nach dem »Sitz im Leben« einer Gemeinde ist, was die Evangelien angeht, überbewertet (mündlicher Hinweis von H. T HYEN ). Es ist aber zu beachten, dass gerade das Johannesevangelium nicht Jesus als Einzelfigur, sondern inmitten von »Gemeinde« und »Gegnern« zeigt, so dass es unwahrscheinlich erscheint, der Verfasser habe gänzlich der Versuchung widerstehen können, Gemeindegeschichte mit seinem Jesusbericht zu »bearbeiten«. Dazu kommt aber vor allem die im 1. Johannesbrief ausdrücklich erhebbare Situation der Gegnerbekämpfung. Selbst wenn im Sinne T HYEN s das Johannesevangelium nicht »für eine Gemeinde« geschrieben ist und somit keine »Gegner« einer Gemeinde im Blick sind, so ist doch die Situation bei 1 Joh deutlich anders. Hier werden Gegner direkt angesprochen. 64 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Selbst wenn man für das Johannesevangelium die Frage aktueller Gemeinde- und Gegnerbezüge offenhalten möchte (vgl. T HYEN , Kommentar), so wäre doch 1 Joh wohl kaum als theoretische Schrift einfach für die Schublade produziert worden. Selbst wenn es kein Brief im herkömmlichen Sinne, sondern mehr ein »weisheitlicher Gelegenheitstraktat« ist, so ist doch die Frage nach der Gelegenheit zu stellen, die das Schreiben provoziert hat. In jedem Fall werden sich die ersten Leser gefragt haben, was und wen der Autor meint. Der Autor wird umgekehrt diese erwartbare Fragestellung seiner Leser im Blick gehabt haben. Seine offenen, »weisheitlichen«, vielfach weiter anwendbaren Begriffe lenken den Blick seiner Erstleser auf das hinter den konkreten historischen Erscheinungen stehende »Wesentliche«, erlauben aber nicht gleichzeitig, grundsätzlich zumal bei einer historisch orientierten Auslegung von der Frage der intendierten Erstanwendung zu abstrahieren: »Das textpragmatische Ziel einer Gemeindefestigung in zentralen Fragen des Denkens (Christologie) und Handelns (Ethik) kann nur erreicht werden, wenn es sich bei dem in die Argumentation einfließenden Gemeindewissen um reales Wissen handelt, das vom Autor modelliert in die aktuelle Situation wieder eingespeist wird.« 263 Die von S CHMID gestellten Anfragen sind allerdings im Blick zu behalten: - Was kann man wirklich rekonstruieren? Inwieweit ist es der Text, der die Rekonstruktion bestimmt? Inwieweit sind es eigene Erwartungen, eventuell auch durch den erwarteten religionsgeschichtlichen Hintergrund kaschiert? - Inwieweit ist es wirklich nötig, eine komplette Gemeindegeschichte hinter den Texten zu rekonstruieren? Wie viel (rekonstruierte) Gemeindegeschichte ist nötig, um den vorliegenden Text auch historisch richtig zu verstehen? 2.3.11 Eigener Ansatz Der Überblick über die Forschung zeigt die Vielfalt möglicher Gegnerkonstrukte, die in der jüngsten Vergangenheit in den extremen Positionen mündeten, entweder die Theologie Satornils, die als monophysitisch, gnostisch und doketistisch bezeichnet wird, für den Standpunkt der Gegner zu veranschlagen (U EBE - LE ). Oder man ist im Gegenteil der Meinung, die »Gegner« seien nur ein Konstrukt des Textes selbst (S CHMID ). 264 Der historisch gesehen nächstliegende Ansatz, den jüdischen und alttestamentlichen Hintergrund heranzuziehen, kommt dagegen mit einem weit geringeren Aufwand an moderner Theoriebildung oder antiker Gegnerpolemik aus, und ist daher grundsätzlich vorzuziehen. Die historisch orientierte Fragestellung U EBELES liefert keine historisch wahrscheinlich zu machenden Antworten, weil sie weder grundlegende methodische Fragen hinsichtlich der Ermittlung von Gegnern reflektiert noch überhaupt den Versuch unternimmt, einen weiteren religionsgeschichtlichen Kontext, insbesondere das Frühjudentum, überhaupt ernsthaft einzubeziehen. 263 S CHNELLE , Salbung, 632. 264 Vgl. die prägnante Gegenüberstellung der beiden Ansätze bei S CHNELLE , Salbung, 631. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 65 Die literarisch orientierte Position S CHMIDS dagegen blendet die historische Frage ganz aus. Sie bleibt damit auf einer literarischen und im Wesentlichen ungeschichtlichen, intellektuellen, gewissermaßen einer dem Doketismus ähnlichen Ebene (weil eben eine direkte Bezogenheit des Textes auf eine historische Situation vollständig ausgeklammert wird; Gegner gibt es nur »zum Schein«). Die Ermittlung von »Gegnern« gehört zu den spannendsten Fragen der Erforschung des Neuen Testaments aber auch der Gnosis. 265 Für die johanneischen Schriften gehe ich davon aus, dass wir es mit Zeugnissen der Trennungsprozesse zwischen Synagoge und Kirche zu tun haben (Joh 9,22). 266 Gerade und eigentlich nur hier ist die Frage, ob Jesus der Christus ist oder nicht, brisant. Reine Heidenchristen oder dem christlichen Glauben innerlich fernstehende Gnostiker 267 würden sich nicht gerade an diesem Begriff festhalten; vielleicht würden sie die Sohnschaft Jesu bezweifeln, aber nicht ausgerechnet die Nicht-Juden und Nicht- Christen kaum verständliche Bezeichnung »Christus« zum Kristallisationspunkt ihrer Diskussion machen. Um den theologiegeschichtlichen Hintergrund von 1 Joh zu ermitteln und so etwas über die Gegner und die von ihnen vertretene Position zu erfahren, sind zunächst die äußeren Bezeugungen in der frühen Kirche in den Blick zu nehmen. Ist 1 Joh wirklich, wie Irenäus es glauben macht, schon gegen die »gnostische« Häresie eines Kerinth geschrieben? Wie hat man die entsprechenden Nachrichten zu bewerten? Was lässt sich »von außen« sagen? Erst danach sollen die Aussagen des Textes selber in den Blick genommen werden. 2.3.11.1 Ort und Zeit der Abfassung Mit den verschiedenen Verfahren, den Text zu analysieren (z.B. in Blick auf Einheitlichkeit, Quellenschriften, Redaktionen) und mit den jeweils vermuteten Gegnern bzw. religionsgeschichtlichen Hintergründen geht die jeweilige Notwendigkeit einher, räumliche und zeitliche Voraussetzung für die jeweils vermutete Geschichte darzustellen. 268 Das grundlegende Problem dabei ist, dass 1 Joh und 265 Vgl. die grundlegenden Ansätze von B ERGER (Gegner) und von K OSCHORKE (Polemik). 266 Insgesamt dazu: W ANDER , Trennungsprozesse. Vgl. auch E RLEMANN , 1 Joh; S TREETT , Identity; G RIFFITH , Idols. 267 Falls es solche je gegeben hat: Die neuere Forschung ist dagegen überzeugt, in der Gnosis eine Spielart intellektuell-spekulativer frühchristlicher Theologie vor sich zu haben. 268 Die vermutete Geschichte der johanneischen Schriften, ihrer Autoren, Träger-, Tradenten- und Rezipientenkreise ist ein ausführlich diskutiertes Thema der Forschung (s.o. zur Frage der Apostasie in 1 Joh S. 60 mit FN). Die grundlegenden Alternativen sind mit den neueren Veröffentlichungen von S CHNELLE (Reihenfolge) und H ECKEL (Historisierung) anzugeben. S CHNELLE weist auf den unterschiedlichen Grad von christologischer Durchdringung hin und folgert, dass eine dramatische Entchristologisierung unvorstellbar ist. Diese anzunehmen wäre aber nötig, wenn 1-3 Joh in eben dieser Reihenfolge auf das Evangelium folgten. Ähnliche Auffassungen vertreten B ERGER , S TRECKER und andere. Dagegen setzt H ECKEL das Bild einer Historisierung der joh. Tradition durch die Abfassung von 1 Joh. Insbesondere durch 1 Joh 1,1-4 sei ein historischer Bezug zur Gemeindesituation hergestellt. Das dahinter stehende Modell einer reinen, unhistorischen Botschaft, die nachträglich historisch eingebunden und verortet werden soll, überzeugt allerdings nicht, zumal das Evangelium selbst detailreich die Darstellung historischer Orte, Personen und Vorkommnisse betreibt. 66 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« das Evangelium keinerlei eigene Angaben über den Verfasser, die Zeit oder den Ort geben. 269 Damit ging in der Forschung lange die Tendenz einher, sehr detailreich Vermutungen über eine johanneische Gemeindegeschichte hinter den Texten zu rekonstruieren, die ihre Spuren in Textschichten, Textquellen und redaktionellen Überarbeitungen hinterlassen habe, inklusive vermuteter Blattvertauschungen im Johannesevangelium. Aller eingesetzter Intelligenz und Intensität der Arbeit an den Texten zum Trotz ist es dabei nicht zu einem überzeugenden Konsens gekommen. Denn immer konnte und kann man die Textsignale, die als Bruchstelle im Text gedeutet werden, im Sinne textpragmatischer Funktion interpretieren und formgeschichtlich einordnen. Eine gegenwärtig intensiv diskutierte Frage in diesem Bereich ist die nach der Reihenfolge der johanneischen Schriften. Ist die im Kanon gegebene Folge von Evangelium und Brief richtig oder ist die bei Synoptikern und Paulus konsensual für historisch angesehene Reihenfolge auch auf die johanneischen Briefe anzuwenden, wonach erst die Briefe und dann die Evangelien entstanden sind? Auch wenn einiges dafür spricht, sowie dafür, dass 2 und 3 Joh dem 1 Joh vorausgehen, so kann man letztlich auch hier nichts beweisen. Für diese Arbeit spielt diese Frage aber keine herausragende Rolle. 2 Joh 7 wird zwar einbezogen; aber es ist an sich nicht sinnvoll, von 2 Joh oder 3 Joh aus die Gegnerfrage zu klären. Dafür ist dort zu wenig Material gegeben. Das Verhältnis zum Evangelium kann ebenso offenbleiben. Allerdings ist aus methodischen Gründen 1 Joh unabhängig vom Evangelium zu lesen. Das Evangelium ist natürlich als nächstgelegene Parallele heranzuziehen, aber nicht in dem Sinne, dass 1 Joh sich wie ein Kommentar oder eine Leseanweisung auf das Evangelium bezöge. Nur so ist es möglich, dem Text von 1 Joh sein eigenes Gewicht zu lassen. Wichtiger ist hingegen die Frage, ob 1 Joh, wie S CHMITHALS vorschlägt, deutlich ins zweite Jahrhundert hinein zu datieren ist (Endredaktion Johannesevangelium nach S CHMITHALS : 160-180 n.Chr.), oder ob ein früheres Datum naheliegender ist. Bei einer weit ins zweite Jahrhundert hin verlegten Entstehung von 1 Joh sind die aus den Ignatianen bekannten Doketisten sowie die Anfänge der gnostischen Systembildungen als religionsgeschichtlicher Hintergrund zu berücksichtigen. Genau deswegen nimmt S CHMITHALS (Johannesevangelium) konsequenterweise seine extreme Spätdatierung auch vor. Wenn dagegen diese Spätdatierung ausgeschlossen und eine »Frühdatierung« irgendwann zwischen 33 und 90 nach 269 Vgl. zu diesem Problem insgesamt den Überblick von B ALTZER , Pseudepigraphie. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 67 Christus 270 wahrscheinlich ist, ist es möglich, 1 Joh beispielsweise in seiner beanspruchten Augenzeugenschaft ernstzunehmen. Ein gnostischer Hintergrund ist dann unplausibel; Doketismus ebenfalls unwahrscheinlich. Es ist dann im Gegenteil möglich, 1 Joh als noch innerjüdische Schrift eines sich lösenden jesuanischen Messianismus zu lesen. Die vielfach bezeugten Kenntnisse des Johannesevangeliums über Judentum, Ortskenntnisse in Palästina, Namen usw. sowie über die innerjüdischen Streitigkeiten zur Frage der Messianität Jesu könnten dann sinnvoll als Rahmendaten genommen werden, anstatt sie für Relikte aus früherer Gemeindegeschichte zu halten. 2.3.11.2 Lokalisierung in Ephesus aufgrund altkirchlicher Angaben Informationen über das Corpus Johanneum und seine Verortung bei Irenäus: Altkirchliche Hinweise (Papias, Irenäus, Euseb) lokalisieren das Corpus Johanneum vor allem in Kleinasien, speziell in Ephesus. Sie weisen den Verfasser als einen Schüler Jesu aus, der später in Ephesus gelehrt habe. 271 Unabhängig von Irenäus bezeugt dies Ende des zweiten Jahrhunderts auch der Bischof von Ephesus, Polykrates. 272 Polykrates befindet sich im Streit mit der römischen Gemeinde über den richtigen Termin der Osterfeier. Die »Quartadezimianer«, die er vertritt, orientieren sich im Gegensatz zu Rom an einer Chronologie der Ereignisse, die eher dem Bericht des Johannesevangeliums als dem der Synoptiker entspricht. Und während die römische Seite auf ihre apostolische Überlieferung (Petrus und Paulus) pocht, reagiert Polykrates mit dem Hinweis auf Philippus und Johannes, wobei Philippus bei Polykrates dem Johannes vorgeordnet ist. Das Interesse des Polykrates, im »quartadezimianischen Streit« eine der römischen ebenbürtige apostolische Tradition darstellen zu können (auch Irenäus vertrat ja die gleiche Position und seine Vertrautheit mit der gleichen Tradition mag also kein Zufall sein), ist also deutlich, speziell natürlich die Verbindung mit Johannes, dessen Evangelium die eigene Position stützte. Abgesehen von diesem Interesse ist anzunehmen, dass er auf ältere Johannestraditionen in Kleinasien zurückgreift. Es stellt sich nur die Frage, wie alt und wie belastbar diese Tradition wirklich ist. Möglicherweise hängt die kleinasiatische Lokaltradition für Johannes an einer Gemengelage, zu der die Offenbarung mit dem Presbyter Johannes gehört, zu der ein weiterer Johannes als Ältester kommt, an den sich Papias 270 33 n.Chr. ist das früheste überhaupt denkbare Datum. Wahrscheinlich ist es nicht (allein die Bezüge auf Jesus als Person der jüngsten Vergangenheit müssten deutlicher sein); wahrscheinlicher ist sicher der Bereich irgendwann zwischen 50 und 90 n.Chr. Räumlich vorstellbar ist hier vieles: Palästina (Lokalkolorit im Johannesevangelium! ), Jordanien/ Syrien, nötigenfalls auch Kleinasien. - Vgl. auch die Positionen von E RLEMANN , S TREETT , G RIFFITH , B ERGER . - Nimmt man das Johannesevangelium als Hinweis, so könnte man sich für 1 Joh 1,1-4 eine grundlegende Verkündigungssituation wie in Joh 4 vorstellen und käme so nach Sychar. Das ist zwar nur eine von vielen Möglichkeiten, trotzdem aber interessant: Eine Frau tritt als Erstverkündigerin auf und stellt der samaritanischen Gemeinde Jesus als Messias vor. Auf ihr Zeugnis (Rede) hin kommen viele zum Glauben (Joh 4,29f.39). Man könnte probehalber fragen: Ist die Verfasserin von 1 Joh die Samaritanerin aus Sychar (Vgl. M ACCINI , Testimony)? Folgende Hinweise gäbe es: Samarien galt als halb-heidnisch; die fünf Männer der Samaritanerin könnten sich auf fünf angeblich von den Samaritanern verehrte Götter (vgl. dazu die Untersuchungen von Z ANGENBERG , Christentum, 131ff) beziehen vgl. 1 Joh 5,21. Mit dem Brunnen und den Reflexionen über das lebendige Wasser sind Wasser und Reinigung Thema; die (für die Sündenfrage in 1 Joh wichtige, s.u.) Tempelfrage wird ebenfalls ins Spiel gebracht. Die Rede der Samaritanerin bringt Menschen zum Glauben. Letztlich vermag ihre Autorität als Erstverkündigerin nicht volle Überzeugung herzustellen. Dazu muss erst Jesus selbst die Leute von Sychar besuchen. Das entspräche dem Problem des 1 Joh, dass nämlich die ganze Autorität des Verfassers/ der Verfasserin gefragt ist, ohne dass damit aber ein Erfolg in Reichweite liegt. 271 Iren.haer.3,1,1=Eus.h.e.5,8,4; Iren.haer.2,22,5; 3,1,1=Eus.h.e.5,8,4; Iren.haer2,22,5= Eus.h.e. 3,23,3. 272 Eus.h.e. 3,31,1-3. 68 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« erinnert, sowie eine besondere Beziehung Polykarps zum Verfasser des Johannesevangeliums. Philippus ist im Übrigen nicht nur im Johannesevangelium deutlich profiliert, es gibt auch eine alte Lokaltradition für Hierapolis, dass er dort mit seinen Töchtern gelebt habe; jedenfalls, wenn es sich um denselben Philippus handelt, von dem die Apostelgeschichte redet. Zu beachten ist im Übrigen weiterhin, dass Polykrates nicht sagt, ob der als Lieblingsjünger gezeichnete Johannes auch tatsächlich das Evangelium oder die Briefe geschrieben hat. Diese Identifizierung wird nicht vorgenommen, obwohl sie doch ein gewichtiges Argument in der Argumentation gewesen wäre. Vor allem die Informationen des Irenäus haben in der Geschichtsschreibung von der Alten Kirche bis heute den Eindruck erweckt, die johanneischen Schriften seien frühestens Ende des ersten Jahrhunderts in Ephesus entstanden. Zu bedenken ist, dass die Aussagen des Irenäus jedenfalls auch durch seinen antignostischen Kampf am Ende des zweiten Jahrhunderts bedingt sind. 273 In dieser Situation ist Irenäus »Tradition« in mehrfacher Hinsicht wichtig: Einerseits steht er selber, bzw. der römische Bischof nach Iren.haer. 3,3, in einer direkten Verbindungskette zu den ersten Aposteln (Sukzession). 274 Andererseits stehen die Gegner in einer direkten Tradentenkette zu den ersten Ketzern (Simon Magus, Kerinth, Valentinus, ...). 275 Desweiteren entzieht Irenäus seinen Gegnern die Bibel als Grundlage der Argumentation, indem er seine eigenen, gnostischen Gegner auf diese Frühzeit zurückführt und gleichzeitig behauptet, schon die neutestamentlichen Schriften, speziell die johanneischen, seien in Auseinandersetzung eben mit diesen gnostischen Positionen (z.B. Kerinth - Iren.haer. 3,11.16) entstanden. Umgekehrt ist somit sichergestellt, dass die eigene Argumentation durch die biblischen Bezeugungen gestützt ist. Faszinierend wirkt seine eigene Verbindung zu Johannes, als dessen »Enkelschüler« er sich versteht. Dabei ist aber das, was er selber berichtet, nicht eben viel: Polykarp von Smyrna sei von den Aposteln unterrichtet worden und habe bis ins hohe Alter in Ephesus gelebt; er habe dort gelehrt, was er selbst von den Aposteln gelernt habe. Irenäus in seiner »frühen Jugend« habe Polykarp selbst noch gesehen. Irenäus berichtet von Auseinandersetzungen mit Markion und stellt Polykarp gegen Markion und Valentin. Die Kirchen Kleinasiens und die Nachfolger Polykarps werden als Träger der Polykarptraditionen benannt. 276 Es gebe auch noch Ohrenzeugen, die gehört hätten, wie Polykarp von einer Auseinander- 273 Vgl. M ERKEL , Widersprüche, 51ff. 274 Vgl. M UTSCHLER , Irenäus, 248: »Mit dem Anspruch auf eine historisch gesicherte, nur zweigliedrige Tradentenkette zwischen Johannes und Irenäus steigt nicht nur die kirchliche und parallel zur Verbreitung seines Werkes auch überregionale Autorität des Irenäus, sondern auch sein Anspruch auf die richtige Johannesauslegung. Indem Irenäus sein Verhältnis zu Johannes, der ja eine Generation vor Irenäus’ Geburt verstorben ist, öffentlich erkennen lässt, sieht er sich gewissermaßen in der Rolle des Enkelschülers und wird zum theologischen Sachwalter des ephesinischen Presbyters.« Vgl. C HADWICK , 88f: »Irenäus erklärt, dass er die Wahrheit der kirchlichen Lehre durch die Berufung auf die Sukzession der Lehrer in jeder beliebigen von Aposteln gegründeten Gemeinde beweisen kann. Als nächsten Schritt führt er als besonders gutes Beispiel die römische Liste an, die auf die glorreichen Märtyrer Petrus und Paulus zurückblickt.« 275 In Iren.haer. 1,23-32 werden quasi-genealogisch sämtliche Häresien auf Simon Magus zurückgeführt (23,2: »Simon autem Samaritanus, ex quo universae Haereses substiterunt«). 276 Iren.haer. 3,3,4. Da diese Stelle direkt an die Bischofsliste von Rom anschließt, handelt es sich um den Versuch, in ähnlicher Weise als »Enkelschüler« des Johannes aufzutreten und Polykarp als Zwischenglied zu nutzen. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 69 setzung des Herrenjüngers Johannes in den Thermen von Ephesus mit dem Häretiker Kerinth erzählt habe. 277 An anderer Stelle berichtet er, dass Johannes im fortgeschrittenen Alter in Ephesus gelebt und gelehrt habe. Zusammen mit anderen Aposteln habe er so für die apostolische Verankerung der Gemeinde von Ephesus gesorgt. Von diesen Johannesschülern, den »Alten« habe wiederum er, Irenäus, gelernt. 278 Man darf schon fragen, wie viel Irenäus selbst bei und von Polykarp und anderen »alten Johannesschülern« gehört hat - und was aus späterer Tradition stammt, bzw. aufgrund von vorliegenden Quellen und mündlichen Zeugnissen »erschlossen« worden ist. Ebenso ist zu fragen, warum nicht deutlicher von der Schülerschaft Polykarps bei Johannes geredet wird. Die Traditionslinie an sich steht. Aber wie belastbar ist sie? 279 Dass Irenäus dabei historische und systematische Informationen in großem Ausmaß gesammelt und verwendet hat, ist nicht in Frage zu stellen. M. H ENGEL hat Recht, dass der Wert der Kirchenväter nicht unterschätzt werden sollte. Nur ist man heute skeptisch, was die Angaben des Irenäus über die Lehren und die Biographien früher »Ketzer« wie Valentin oder Basilides betrifft. 280 So weist C HR . M ARKSCHIES auf den problematischen Wert der Informationen des Irenäus hin bezüglich der Lehre und Biographie Valentins. 281 Nicht viel anders urteilt W.A. L ÖHR bezüglich der Informationen des Irenäus über Basi- 277 Ebd. Leider steht nicht da, dass Polykarp von sich aus eine Schülerschaft gegenüber Johannes behauptet habe. Er wird aber als »Apostelschüler« gekennzeichnet - und die Presbyter Kleinasiens gelten als Johannesschüler. 278 Iren.haer. 2,22,5. Auch hier kein Hinweis auf ein direktes »Kennen« von Polykarp und Johannes. H ENGEL , Frage, 115, verweist auf Belege, dass Irenäus Schüler der »Alten« von Ephesus gewesen sei, die (bei) Johannes gehört hätten. 279 Zu den kleinasiatischen Traditionen, die auch Irenäus vorgelegen haben können, stellt M. H EN - GEL , Die johanneische Frage (WUNT I, 67), Tübingen 1993, viel Material zur Verfügung. 280 Eine viel diskutierte Frage ist, welche Quellen Irenäus verwendet haben mag. Stützt er sich, wie H IL - GENFELD meinte, wesentlich auf eine verloren gegangene Schrift Justins? Wie haben die Quellen ausgesehen? Wie zuverlässig waren sie? Welche Rolle spielten Polykarp und Papias? Wie viel, wie lange und was hat er bei Polykarp »studiert«? Oder war er nur ein paar Mal Predigthörer, und alles andere ist Hörensagen? - Gerade auch hinsichtlich der folgenden Kritik an Irenäus ist zu bedenken, dass weder sein Wert für die Entwicklung der kirchlichen Glaubenslehre bezweifelt werden soll; da liegt seine bis heute wichtige Leistung. Noch soll bezweifelt werden, dass Irenäus im Großen und Ganzen viele wichtige und richtige Informationen über die Gnosis usw. gibt. Allerdings gibt es gravierende Einschränkungen, die zu beachten sind und die sich im Wesentlichen auf seinen historischen Standpunkt am Ende des zweiten Jahrhunderts in polemischer Auseinandersetzung mit der seinerzeit zeitgenössischen gnostischen Spekulation beziehen. 281 M ARKSCHIES , Valentinus, S. 294-298. Vornehmlich ginge es darum, die Minderwertigkeit der Ketzer gegenüber der wahren Kirche und ihrer Tradition bzw. Sukzession zu zeigen. S. 379 resümiert er die doxographischen Auskünfte über Valentin bei Irenäus: »Angesichts dieser Widersprüche und Schwierigkeiten sollte von einer Verwendung dieses Paragraphen für Valentin abgesehen werden.« M ARKSCHIES hält den Abschnitt über Valentin »weder für einheitlich (und somit auf eine einheitliche Quelle zurückführbar) noch für ‹wertvoll› und ‹vertrauenswürdig›, was die Rekonstruktion der Lehre Valentins angeht. Er dokumentiert vielmehr eindrücklich die vielfältigen Varianten, die schon etwa zwanzig Jahre nach dem Ende von Valentins Tätigkeit in Rom möglich waren, und zeigt, wenn er historisch ernstzunehmen ist, dass Irenäus’ Bild von der valentinianischen Gnosis als einem wildwuchernden Gewächs nicht nur antihäretische Polemik darstellt.« 70 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« lides. 282 Schon K. R UDOLPH stellte fest, dass sich bei näherem Hinsehen ergebe, dass das Wissen des Irenäus »sehr begrenzt und einseitig gewesen« sei und er »am besten (...) über die Valentinschüler Ptolemaios und Markos orientiert« sei. 283 Auch von den Bischofslisten, die Irenäus überliefert, nimmt man allgemein an, sie seien konstruiert, selbst wenn auch »wahre« Erinnerungen eingeflossen sind. Dies dann freilich im Rückblick und in vereinheitlichter und für die Gegenwart brauchbarer Fassung. 284 Man kann nun fragen, welche Kriterien der Materialauswahl und der Darstellung für Irenäus leitend waren. K. K OSCHORKE weist darauf hin, dass Irenäus sich weitgehend lenken lässt durch den von ihm vorgefundenen gnostischen Mythos der Ptolemäer, den er zu Beginn seines ersten Buches gegen die Häresien ausführlich zitiert. Alles, was dann folgt, sei in Verbindung gebracht zu diesem System oder dieser »Regel« bzw. an ihr gemessen. 285 Man kann auch fragen, ob der Gedanke einer einheitlichen Glaubensregel, den Irenäus erstmals aufbringt, nicht veranlasst ist durch diese »valentinianische Regel« und somit zur interesse- und auswahlleitenden Position wird. 286 Ein Ergebnis der neueren Forschung ist geradezu, dass Irenäus wie offenbar auch vorher schon Justin nur »über sehr allgemeine Informationen« verfügte, die er »nach einem Schema aufgefüllt« hat. 287 Es erscheint mir daher einigermaßen gewagt, nun gerade die Auskünfte des Irenäus über die johanneischen Schriften zum Angelpunkt für die historische Einordnung derselben zu machen, wenn gleichzeitig der direkte und auch der weitere Kontext bei Irenäus als ausgesprochen ungesichert gelten muss.Dazu kommt, dass gerade für die Informationen des Irenäus über die johanneischen Schriften Skepsis 282 L ÖHR , W.A., Basilides und seine Schule, WUNT I, 83 schreibt über Basilidesreferate bei Irenäus (S. 262): »Irenäus entwirft die doxographischen Ketzerreferate bewusst im Gegensatz zur von ihm formulierten ‹regula fidei›» (Iren.haer. 1,22,1). 264: »Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Irenäus das Basilidesreferat konsequent so aufgebaut hat, dass die Lehren des Ketzers als Gegenbild zur kirchlichen Wahrheit der ‹regula fidei› erscheinen.« Im Anschluss stellt L ÖHR die allerdings nicht abschließend beantwortete Frage, wie die Vorlagen des Irenäus aussahen und wie genau er mit ihnen umging. Vgl. ders., Christentum, 259f: »Der moderne Historiker muss auf jeden Fall vermeiden, ungewollt zum Komplizen altchristlicher Häresiologie zu werden und diese sozusagen in moderner Perspektive fortzuschreiben«. 283 R UDOLPH , K., Gnosis, 16. 284 L AMPE , P. Christen, 343, fasst als Fazit zusammen: »Die Liste Iren.haer. 3,3,3 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Geschichtskonstruktion aus den 180er Jahren, als sich in Rom der monarchische Episkopat herausgebildet hat. (...) Die Namen, die in diese Konstruktion hineinverwoben wurden, waren sich nicht frei erfunden, sondern wurden der stadtrömischen Überlieferung entlehnt«. 285 K OSCHORKE , K., Die Polemik der Gnostiker (NHS 12), Leiden 1978, 204ff., 242ff. 286 Siehe W.A. L ÖHR , Basilides., 262.264. 287 M ARKSCHIES , C HR ., Gnosis, 83. »Das muss gar nicht an einer Böswilligkeit dieser Autoren gelegen haben, sondern kann schlicht durch Informationsmangel bedingt gewesen sein. Dieser Befund könnte noch deutlicher werden«, wenn man sich die Berichte des Irenäus über weitere frühe »Häretiker« im Detail anschaue (ebd.). Vgl. die Untersuchungen von L AMPE (Christen), L ÖHR (Basilides), M ARKSCHIES (Valentinus), S CHOLTEN (Probleme), G RESCHAT , (Apelles), F ÖRSTER (Marcus), M UT - SCHLER (Irenäus), W ANKE (Kreuz). 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 71 angebracht ist. So kommt B. M UTSCHLER 288 in einer neueren Untersuchung über die Vertrauenswürdigkeit der Überlieferung des Irenäus zum Johannesevangelium zu dem Ergebnis, »dass der von Irenäus vorgeschlagenen Antwort auf die Verfasserfrage nicht zu folgen ist, da sie ein Amalgam darstellt.« 289 Es ergibt sich, dass die Frage, wie »der Schreibtisch des Irenäus« ausgesehen hat, noch lange nicht gelöst ist. 290 Was waren die ihm vorliegenden Quellen? Wie sahen die einzelnen Informationen aus? Mittels welcher Hermeneutik hat er sie wie kombiniert? Wenn auch dem Bestreben zuzustimmen ist, das sich gegen eine grundsätzliche Disqualifikation und Nichtbeachtung altkirchlicher Informationen (etwa des Irenäus) wendet, so ist doch zunächst darauf zu achten, den Rahmen abzustecken, in dem Irenäus zu verstehen ist und von dem her er seine Informationen bekam. Solange der Quellenwert der »frühen« Informationen weithin relativiert werden muss (ohne dass diese damit »uninteressant« wären), sollte man hinsichtlich der Interpretation frühchristlicher Texte, zu denen Irenäus weitergehende Informationen bietet, diese Informationen wahrnehmen und nennen aber sich doch zunächst darauf beschränken, was die jeweiligen Schriften in sich und im theologie- und religionsgeschichtlichen Vergleich selbst ergeben. 291 Auf eine profilierte Stimme aus der Alten Kirche ist schließlich noch hinzuweisen. Clemens von Alexandrien ging offensichtlich davon aus, dass »die Häresien«, er meint Valentin und andere, erst in der Zeit Hadrians, d.h. zwischen 117 und 138 aufgetreten seien. 292 Das steht in deutlichem Widerspruch zur Auskunft 288 Zwar erklärt M UTSCHLER , Irenäus weise »hinsichtlich Ort und Zeit der Veröffentlichung des Johannesevangeliums in Übereinstimmung mit anderen Daten einen gangbaren Weg«, aber er begründet dies nur mit einem Hinweis auf den langjährigen Konsens der Johannesforschung, der wiederum letztlich von Irenäus abhängig ist: »Hinsichtlich der Entstehungszeit bleibt ein größerer Rahmen offen. Allerdings spricht manches für eine Veröffentlichung im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende oder allerspätestens kurz danach. Gegen eine Veröffentlichung, die erheblich früher stattfand, spricht nicht nur die gesamte frühkirchliche Evangelientradition, die das Johannesevangelium einhellig an die vierte Stelle setzt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines längeren Entstehungsprozesses des Evangeliums selbst« (ebd., 741). 289 M UTSCHLER , B., Irenäus, 742. 290 Die in den letzten Jahren verstärkte Frage nach Irenäus, seinen Quellen und seinem Umgang mit Quellen und biblischen Texten ist daher für die weitere Frage nach dem Verhältnis von altkirchlicher Tradition und frühchristlichen Theologien entscheidend. Vgl. auch W ANKE , Irenäus. 291 M UTSCHLER , B., Irenäus, 741: »Stellt man Irenäus’ Überlieferung im Rahmen der Johannestradition des zweiten Jahrhunderts in den Horizont der neutestamentlichen Einleitungswissenschaft, dann verbietet sich sowohl ein voreiliges Übergehen seines Zeugnisses (auch in Form eines freundlichen Beiseitelegens) als auch eine kritiklose Adaption. Stattdessen sind textimmanente, textvergleichende und frühkirchliche Hinweise zunächst separat und genau zu befragen und zu hören und anschließend in ein konstruktives Gespräch miteinander zu bringen.« - Bezogen auf die johanneische Frage heißt das, die kleinasiatische Wirkungsgeschichte bis Irenäus bei derInterpretation derjoh. Schriftenim Blick zu behalten undins Gespräch zu bringen. 292 strom. 7,17 (= 106,4). »... erst später zu den Zeiten des Kaisers Hadrianus sind die Begründer der Irrlehren aufgetreten und blieben bis zur Zeit des älteren Antoninus, wie es bei Basilides der Fall ist, wenn er auch als seinen Lehrer Glaukias bezeichnet, der, wie die Anhänger des Basilides selbst rühmen, der Dolmetscher des Petrus war. Ebenso behaupten sie auch, dass Valentinus den Theodas gehört habe; dieser war aber ein Schüler des Paulus gewesen.« (S TÄHLIN , BKV) Aus Sicht des Clemens sind die Eigenaussagen der Gnostiker, die sich selbst von den Aposteln herleiten, offensichtlich nicht sehr glaubwürdig. Er beschreitet damit gegenüber Irenäus den umgekehrten Weg. Irenäus hält die »Ahnengalerie« seiner Gegner für echt und erweitert sie gegebenenfalls; dann profiliert er die neutestamentlichen Positionen direkt in Konfrontation dazu. Clemens dagegen lässt die Gegner erst viel später auftreten und bestreitet ihnen auf diese Weise, in der apostolischen Tradition zu stehen. 72 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« des Irenäus, schon die Autoren des Neuen Testaments, speziell Johannes, hätten gegen die Häretiker bzw. Gnostiker gekämpft. Fazit: Für die Lokalisierung und Datierung der johanneischen Schriften ergibt sich: Die altkirchlichen Informationen über Ort und Zeit der Entstehung der johanneischen Schriften sind viel zu unsicher, als dass man sie ernsthaft als entscheidenden Hinweis zur Datierung und Lokalisierung verwenden kann. Deutlich gesagt: Die Orientierung der Forschungsgeschichte an einem relativ späten Entstehungsdatum für die johanneischen Schriften ist zu guten Teilen durch diese altkirchlichen Informationen motiviert oder zumindest unterfüttert gewesen. Dieser Zweig der Argumentation ist aber so »morsch«, dass er nicht hält, jedenfalls nicht ohne feste Stützen. 293 Gleichzeitig zu der fraglichen Außenbezeugung durch Irenäus ist auch der vielfach über Irenäus hergeleitete religionsbzw. theologiegeschichtliche Kontext fraglich geworden. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Johannesevangelium und die Johannesbriefe in Zusammenhang mit dem Streit um Kerinth, die Nikolaiten oder andere (vermeintliche) Vertreter gnostischer Systeme bzw. doketistischer Auffassungen geschrieben wurden. Die äußere Bezeugung bei Irenäus fällt jedenfalls als direkte Geschichtsschreibung aus, wenn man den historischen Kontext der Schriften beschreiben will. Es ist von daher nach weiteren frühen Bezeugungen zu suchen, um wenigstens die Abfassungszeit »nach oben« hin eingrenzen zu können. Zusätzlich kann man aufgrund des Lokalkolorits des Evangeliums und mit Hilfe von theologiegeschichtlichen Vergleichen begrenzte Hypothesen aufstellen, die freilich mit der relativ frühen Wirkungsgeschichte, wie sie schon bald bezeugt ist, kommunizieren müssen. 294 2.3.11.3 Datierung aufgrund früher Bezeugungen In der Datierungsfrage mögen zwar die Meinungen zwischen sehr frühen Datierungen in den 40er bis 50er Jahren des ersten Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts auseinandergehen, dennoch sind gegen die Tendenz zu 293 J. L IEU stellt fest (Persuasion, 805f mit FN 3), dass die dem 1 Joh zu entnehmende schismatische Grundsituation viel zu lange mit den Begriffen und Vorstellungen der christologischen Debatten der Alten Kirche unterfüttert worden sei: »Reasons (...) may be traced to the long-lived authority of the patristic traditions building on the legendary encounter between the apostle John and the heretic Cerinthus« (Iren.haer. 3,3,4; 11,1; 16,5). 294 Zwar wirken Datierungen und Lokalisierungen aufgrund von Lokalkolorit im Evangelium (Palästina) oder theologiegeschichtlichem Vergleich (Syrien) »softer« als etwa die »Hardware« früher Bezeugung. Andererseits kann eine frühe Bezeugung auch nur darlegen, ab wann eine Schrift wo in Gebrauch war. Der Rückschluss von frühen Bezeugungen (z.B.: P 52, 66, 90 - Ägypten) bzw. von der lokalen Verbreitung im zweiten Jahrhundert (z.B. Kleinasien) auf eine zeitlich und räumlich möglichst benachbarte Abfassung ist mindestens ebenso »weich«. Eine verbindende Theorie müsste versuchen, Brücken zu finden, wie es etwa H ENGEL s Vorschlag eines aus Palästina stammenden »Alten Johannes« oder der Vorschlag B ERGERS eines »wandernden Evangelisten« versuchen. Wahrscheinlich wird man allerdings über Hypothesen dieser Art nicht weit hinauskommen. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 73 extremer Spätdatierung einige Argumente zu nennen, die manche religionsgeschichtliche Hypothese unwahrscheinlich machen. 295 1. Die Bezeugung des Johannesevangeliums durch P 52 und Papyrus Egerton 2 Das Johannesevangelium stellt mit dem in Ägypten gefunden Fragment P 52 den ältesten schriftlich belegten Teil des NT dar. A LAND geht von einer Datierung etwa um 125 n.Chr. aus. 296 V IELHAUER folgert daraus die Abfassung des Johannesevangeliums spätestens um 100 n.Chr. 297 Dagegen wird neuerdings mehrfach eingewandt, die frühe Datierung des Papyrus sei nicht gesichert und müsse wahrscheinlich um 25 bis 50 Jahre nach oben korrigiert werden. 298 Immerhin datiert A LAND außerdem P 66 und P 90 im Vergleich zu anderen Schriften sehr früh in das dritte Jahrhundert. Für 1 Joh sind diese Angaben wichtig, weil (s.o.) eine sehr enge Nähe zum Evangelium unabweisbar ist. 2. Bezeugung des Johannesevangeliums bei Justin Justins Logostheorie wirft die Frage auf, ob es dafür Grundlagen in johanneischen Texten wie etwa dem Prolog des Johannesevangeliums gegeben hat. Während die Benutzung der johanneischen Schriften durch Justin in der For- 295 Eine Frühdatierung um etwa 55 n.Chr. schlägt 1997 K. B ERGER vor, ähnlich tritt schon einige Jahre vorher M. B ARTH für eine Datierung des Evangeliums zwischen 45 und 65 n.Chr. ein ( DERS ., Juden, 39-94. Schon 1976 hatte der Anglikaner J.A.T. R OBINSON einen sehr frühen Entstehungszeitraum für die johanneischen Schriften vorgeschlagen (Redating the New Testament) und dies nicht nur mit groben Mängeln und inneren Widersprüchen der Spätdatierungstheorien in der Alten Kirche und bei der modernen Forschung begründet, sondern eine ganze Reihe von traditions-, religions-, lokal- und theologiegeschichtlichen Gründen angeführt, die es ihm wahrscheinlich machten, dass von 30-50 nach Christus der Grundstock johanneischer Überlieferung entstanden, in der ersten Hälfte der 50er Jahre dann eine Erstausgabe des Evangeliums in Ephesus erfolgt sei, etwa zehn Jahre später dann die Johannesbriefe und anschließend kurz nach 65 die Endausgabe des Evangeliums mit Prolog und Anhang herausgegeben worden seien. Auch wenn man R OBINSON in vielen Punkten nicht folgen wird, so stellt seine Arbeit doch immerhin einen ersten, geschlossenen Gegenentwurf zur üblichen Datierung und theologiegeschichtlichen Beschreibung der neutestamentlichen Schriften dar. (Deutsche Übersetzung: R OBINSON , J.A.T., Wann entstand das Neue Testament, Wuppertal/ Paderborn 1986, bes. 265-322). Eine extreme Spätdatierung wagt W. S CHMITHALS , Johannesevangelium, 421f, der im ersten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts ein »Grundevangelium« annimmt, dem um 140 n.Chr. dann die Endfassung die Endfassung des Evangelisten und zwischen 160 und 180 n.Chr. die Endredaktion des Lieblingsjüngers gefolgt sei. 296 So v.a. A LAND , K., Text, 1-10. Eine Unsicherheit von etwa 25 Jahren nach oben und unten wird eingeräumt. 297 V IELHAUER , P H , Geschichte, 460. 298 Vgl. S CHNELLE , U., Einleitung, 541; S CHMITHALS , W., Johannesevangelium, 7ff. S CHNELLE schlägt aufgrund neuerer Forschungen 150 n.Chr. als realistisch vor, datiert also P 52 um 25 Jahre »nach oben«. Vgl. die ausführliche Diskussion bei H ENGEL , Frage, 31f, Anmerkung 60f. 74 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« schung umstritten ist, weisen M ARKSCHIES und H ENGEL darauf hin, dass Justin in der ersten Apologie 61,4 das Johannesevangelium zitiere. 299 3. Die Bezeugung des 1 Joh durch Polykarp 300 In seinem Brief an die Philipper (Polyk 7,1) nimmt Polykarp ganz offensichtlich Worte auf, die aus 1 Joh 4,2f bzw. 2 Joh 7 bekannt sind: »Jeder, der nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist ein Antichrist«. Weil die Datierung und Einschätzung der johanneischen Schriften so eine eindeutige zeitliche Obergrenze bekommen, ist es umstritten, ob es sich hier wirklich um ein Zitat handelt 301 - oder eben nicht. 302 299 M ARKSCHIES , Welten, 80 mit Anm. 163. Ausführlich diskutiert H ENGEL die Frage der Abhängigkeit Justins gegenüber Johannes in (Frage, 61-67). Auch er hält diese und andere Stellen für Anspielungen auf Johannes, schränkt aber mit C HADWICK , Thought, 1966, ein, dass dies zwar nicht sicher, aber doch die einfachste Erklärung sei. Es ist hier also eine gewisse Vorsicht geboten, da Anspielungen, die nicht direkt zitieren, nie wirklich nachgewiesen werden können. H ENGEL kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass »die für Justin bestimmende Logoschristologie sich ohne den Johannesprolog kaum hätte herausbilden können« (ebd., 65). Obwohl dafür einiges spricht, ist trotzdem mit Blick auf Philo festzuhalten, dass Logos-Spekulationen auch ohne Johannes (allerdings anders als bei Johannes und Justin) bekannt waren. B ERGER , Paulus, 125, weist auf das noch zu erklärende Phänomen hin, dass Justin auch Paulus »niemals zitiert, obwohl er hin und wieder Sätze bietet, die Anspielungen sein könnten«. Zusammenfassend: Justins Umgang mit den johanneischen und paulinischen Schriften ist ungeklärt; Zitate lassen sich kaum nachweisen, Anspielungen sind umstritten. Interpretationsbedürftig ist dies, weil der Anschein entsteht, zwei der großen neutestamentlichen Theologien seien Mitte des 2. Jh.s unbekannt oder Zitierung unverfüglich. Mit Blick auf Ignatius, für den Ähnliches gilt, könnte man auch sagen: Lange Zeit, vielleicht bis zum Aufkommen der gnostischen Systeme, war vielerorts das Alte Testament »Die Schrift« und die neutestamentlichen Schriften interessierten nur am Rande, hatten keinen höheren Rang als mündliche Überlieferungen, geistlich gewirkte Predigt und Gesänge. Jedenfalls waren sie weder altehrwürdig noch kanonisch. Zur Frage der Neuheit gegenüber Altehrwürdigem in der Antike vgl. K INZIG , Novitas. 300 Überblick über die Positionen der Forschungsgeschichte bei H ARTOG , Polycarp, 101-105.186-197. 301 Vgl. B EUTLER , Johannesbriefe, 32f, der zudem mit möglichen Anspielungen auf 1 Joh 3,8 rechnet. So auch K LAUCK , Johannesbrief 17; H ENGEL , Frage, 72; V . L OEWENICH , Johannesverständnis 23. 302 So zuletzt S CHMITHALS , Johannesevangelium, 10f. Zwar könne es sich in Polyk 7,1 um eine »prägnante Zusammenfassung von 1 Joh 4,2f und 2 Joh 7 handeln«, aber Polykarp deute nicht an, »dass er sich in 7,1 auf eine autoritative Überlieferung« beziehe oder überhaupt Literatur anführe. »Warum benutzt er 1.2Joh, wenn er die JohBr kannte, nicht stärker in seiner Auseinandersetzung mit dem Doketismus? « Weiter sei die Kenntnis von 1 Joh bei gleichzeitiger Unkenntnis des Evangeliums ungewöhnlich. - Dagegen: Die Zusammenstellung oben deutet eher auf ein Zitat hin. Für eine völlig freie gemeinsame Überlieferung in 1 und 2 Joh und bei Polykarp sind die Übereinstimmungen zu groß. Zu beachten ist auch der genaue Zusammenhang in Polyk 7,1: Drei in gleicher Weise beginnende Sätze kennzeichnen den Gegensatz von richtiger und falscher Lehre. H ENGEL meint, diese gleich konstruierten Gegneraussagen wirkten, als ob sie gemeinsam ein Kompendium der Ketzerbekämpfung darstellen, das Polykarp aufgreift (H ENGEL , Frage, 72f). Dieses »Kompendium« ginge dann inhaltlich weit über das hinaus, was 1 Joh anspricht. Es ginge um das Bekenntnis zum Kreuz, um »Verdrehung von Herrenworten« und wohl damit verbunden um die Leugnung von Auferstehung und Gericht. Dagegen: Polykarp zitiert 1 Joh, allerdings modifiziert er. Nur in der Weiterführung des wohl auch bei seinen Gegnern bekannten Wortes aus 1 Joh konnte die nötige konkrete Schärfe erbracht werden. V . C AMPENHAUSEN hatte schon gemeint (Polykarp, 40f), es handele sich hier um eine »typisch kirchliche Parole im Kampf gegen die Gnosis«. Dagegen hatte V . L OEWENICH eben genau diese Stelle als unabstreitbar aus dem 1. bzw. 2. Johannesbrief stammend bezeichnet (Johannesverständnis, 23). Eine Synopse zeigt die Übereinstimmungen: Auffällig ist also, dass Polykarp Material aus 1 und 2 Joh aufnimmt, ohne indes einen der uns vorliegenden Texte genau zu zitieren. Immerhin sind die Übereinstimmungen sehr weitgehend, so dass entweder ein Mischzitat oder ein »freies Zitat« vorliegt. 303 Die Übereinstimmungen von Polyk mit 1 Joh 4,2f sind dabei stärker als die mit 2 Joh 7. 304 Zusammenfassung: Der Brief des Polykarp an die Philipper zitiert 1 Joh. Immerhin stimmen mit πᾶν/ πᾶς; ὃ/ ὁς; μὴ ὁμολογεῖ/ ῇ Ἰησοῦν Χριστὸν ἐν σαρκί; ἐληλυθ*; ἀντίχριστος/ ου; ἐστιν insgesamt 11 Worte mit nur geringen grammatischen Abweichungen überein. Die These, Polykarp zitiere nicht, sondern greife nur auf gleiches Material zurück, überzeugt nicht. Die Gemeinsamkeiten mit 1 Joh sind wohl größer als mit 2 Joh. Damit ist spätestens zur Zeit der Abfassung seines Philipperbriefs der Erste Johannesbrief dem Polykarp bekannt. Für dessen Märtyrertod werden unterschiedliche Daten vermutet. Entweder 156/ 7, 163, 167/ 8 oder 177. Für den Polykarpbrief an die Philipper kommt eine Abfassung in zeitlicher Nähe zu den Ignatiusbriefen in Betracht (also wohl das zweite Jahrzehnt des zwei- 303 Die Unterschiede erklären sich aber mit Blick auf die vollständig parallel aufgebauten Folgesätze: ὁς ἂν (μή) ὁμομλογῇ / μεθοδεύῃ + Bekenntnisinhalt ist/ ἐστιν Antichrist/ aus dem Teufel/ des Satans. 304 a) »Jeder« (Polyk) bzw. »jeder Geist« (1 Joh 4,2f) steht gegen »viele Irrlehrer«(2 Joh 7). b) 2 Joh 7 verwendet alleine ein Partizip. c) Hier herrscht Übereinstimmung mit Ausnahme von 1 Joh 4,3. Diese mag aber zurückzuführen sein auf den Versuch des Verfassers, sich nicht exakt zu wiederholen. d) Die größte Nähe zu Polyk (Tempus des Verbs) zeigt wiederum 1 Joh 4,2 (und in einigen Handschriften auch 4,3). In den meisten Handschriften ist in 4,3 die Wiederholung von »ἐν σαρκί ἐληλυθότα« vermieden. Sie ist aber auch nicht nötig, da sich 4,3 eindeutig auf 4,2 bezieht. e) Gemeinsam mit 2 Joh fehlt Polyk der Hinweis auf das »Aus- Gott-Sein« bzw. »Nicht-aus-Gott-sein«. Letzteres ist aber in 1 Joh 4 parallel gesetzt zu der Identifikation mit dem Antichrist. f) Gemeinsam mit 2 Joh 7 und 1 Joh 4,3 werden die Gegner in Polyk als »Antichrist« bezeichnet. Dabei ist die größte Gemeinsamkeit mit 2 Joh 7 gegeben. b) anhand Bekenntnis ὁμολογεῖ μὴ ὁμολογεῖ μὴ ὁμολογοῦντες ἂν μὴ ὁμολογῇ c) zu J.C. ᾽Ιησοῦν Χριστὸν τὸν ᾽Ιησοῦν ᾽Ιησοῦν Χριστὸν ᾽Ιησοῦν Χριστὸν d) Näheres zu Jesus ἐν σαρκί ἐληλυθότα (ἐν σαρκί ἐληλυθότα) So aber nur vereinzelte Handschriften. ἐρχόμενον ἐν σαρκί ἐν σαρκὶ ἐληλυθέναι e) Beurteilung 1 ἐκ τοῦ θεοῦ ἐστιν ἐκ τοῦ θεου οὐκ ἔστιν f) Beurteilung 2 και τοῦτο ἐστιν τὸ τοῦ ἀντιχρίστου οὗτός ἐστιν ὁ πλάνος καὶ ὁ ἀντίχριστος ἀντίχριστός ἐστιν. Erläuterung: Unterstrichen und fett markiert sind die Übereinstimmungen von Polyk mit den anderen Texten, die exakt identisch sind. Nur unterstrichen sind die Übereinstimmungen, bei denen sich dennoch Abweichungen in Wortwahl, Tempus etc. zeigen. Beurteilung I und II hängen inhaltlich zusammen, benutzen aber unterschiedliche Motive. πᾶν πνεῦμα ὃ πᾶν πνεῦμα ὃ πολλοὶ πλάνοι οἱ πᾶς γάρ ὁς 1 Joh 4,2 1 Joh 4,3 2 Joh 7 Polyk 7,1 a) zu beurteilen: 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 75 76 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« ten Jahrhunderts) oder, wenn man eine Briefteilung annimmt, eine Abfassung in den 30er Jahren. 305 Denkbar sind, je nach Datum des Martyriums Polykarps, auch weitere, spätere Zeitpunkte. 4. Bezeugung von 1 Joh bei Papias Euseb berichtet, Papias von Hierapolis habe in seinem fünfbändigen Werk über die Auslegung von Herrenworten auch von 1 Joh Gebrauch gemacht (h.e. 3,39,17). 306 Gleichzeitig ist Papias sicher eine Quelle, wenn nicht gar die Quelle aus früher Zeit, die für die kleinasiatische Lokalisierung des Johannesevangeliums bei Irenäus maßgeblich gewesen ist. Denn Papias bezeugt als Erster diese Tradition und es ist nur wahrscheinlich, dass Irenäus und sicher schon vorher andere davon Gebrauch gemacht haben. Allerdings ist einzuschränken, wie schon früh aufgefallen ist, dass bei Papias offenbar verschieden Namensträger des Namens Johannes nebeneinander herlaufen und zur falschen gegenseitigen Identifizierung geradezu einladen. 307 Man hält eine Datierung des Papiaswerkes auf 110 n.Chr. allgemein für wahrscheinlich. 308 5. Weitere Bezeugungen: Nicht nur im Canon Muratori, der allgemein auf Ende des zweiten Jahrhunderts datiert wird, wird 1 Joh 1,4 ausdrücklich zitiert. 309 Auch eine ganze Reihe weiterer Bezeugungen, dass das Johannesevangelium und die Briefe sich im zweiten Jahrhundert einer großen Beliebtheit und Ver- 305 So B AUER / L INDEMANN , Briefe, 112; B/ N, Das Neue Testament, 914. 306 »Derselbe [Papias] hat auch von Zeugnissen aus dem ersten Johannesbrief und ebenso aus dem ersten Petrusbrief Gebrauch gemacht« (Pap 5). K ÖRTNER hält diese Angabe für glaubwürdig (Papias, 197), obwohl fraglich sei, ob Papias das Evangelium und die beiden kleinen Johannesbriefe gekannt habe. Nicht verwunderlich ist, dass der Vertreter der extremen Spätdatierung, S CHMITHALS , die Angabe Eusebs für zu undeutlich hält, um diesen Hinweis als »harte« Bezeugung gelten zu lassen. - In weiteren Papiasfragmenten werden das Evangelium und die Briefe bezeugt: Pap 7 (Hieronymus); Pap 10 (Philippus Sidetes); nach Pap 20 (Stephanus Gobarus) verstand man Papias sogar dahingehend, er habe nach Diktat des Johannes das Evangelium aufgeschrieben. 307 Pap 7 (Hieronymus, über die berühmten Männer 18): »Aus dem Namensverzeichnis ist ersichtlich, dass man zwischen dem Johannes, der zu den Aposteln gehört, und dem anderen Johannes, dem Alten, den Papias nach Aristion nennt, unterscheiden muss.« (ÜS. B/ N) 308 K ÖRTNER plädiert für eine Datierung um 110 n.Chr., ein forschungsgeschichtlicher Überblick zeigt auch als »extrem« bezeichnete Datierungsvorschläge von 80 bis etwa 150 n.Chr. (ebd., 88-94 mit Anm. 39); B/ N, 1066, schließt sich der Datierung um 110 n.Chr. an. Als Gründe für die Datierung um 110 führt K ÖRT - NER unter anderem an: Die relative Chronologie nach Euseb, der im Zusammenhang der Stellen, an denen er Papias erwähnt, nie über die Zeit Hadrians hinausgeht (91); die Polemik der Papiasbücher weise am ehesten auf die Zeit um 110 (225), auch der Tradentenkreis der πρεσβύτεροι weise an die Anfänge des zweiten Jahrhunderts. »Dass ein Bischof noch um die Mitte des 2. Jh.s hätte glauben können, in Kleinasien lebten oder hätten bis vor kurzem persönliche Jünger Jesu gelebt, ist kaum vorstellbar. Papias aber hat dies getan« (225). Dazu passen seine Informationen über die Töchter des Philippus, die noch umlaufenden Herrenworte, die sich durch Augenzeugen rechtfertigen. Schließlich habe Papias nur partiell Kenntnis von den johanneischen Schriften gehabt, was in späterer Zeit nicht denkbar sei (226). 309 NTApo I, 51987: »Was Wunder also, wenn Johannes, so sich gleichbleibend, das Einzelne auch in seinen Briefen vorbringt, wo er von sich selbst sagt: Was wir gesehen haben mit unseren Augen und mit den Ohren gehört haben und unsere Hände betastet haben, das haben wir euch geschrieben«. Damit ist gleichzeitig für den Canon Muratori die gemeinsame Abfassung von 1 Joh und Evangelium durch den Jünger Johannes bezeugt. 2.3 Forschungsüberblick Gegneridentifizierung 77 breitung erfreuten, lassen sich finden, wobei naturgemäß die Bezeugungen mit dem Lauf der Zeit vielfältiger werden. 310 6. Ergebnis 1 Joh ist eine im zweiten Jahrhundert gut bezeugte Schrift, wobei einige Zeugnisse weit in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts zurückgehen. Auch wenn p 52 in seiner genauen Datierung umstritten bleiben sollte, so ist doch mit den Bezeugungen des 1 Joh bei Papias (110 n.Chr.), Polykarp (zwischen 110 und 170 n.Chr.) sowie möglicherweise des Corpus Johanneum bei Justin (um 150 n.Chr.), der dadurch gesetzte Terminus von dem an 1 Joh schon als zitierwürdige Schrift im Gebrauch war, 110 n.Chr. Man muss dann als spätestmöglichen Entstehungszeitraum die Zeit zwischen 90 und 100 n.Chr. für 1 Joh ins Auge fassen, wenn man nicht mit einer direkten Übernahme bei Papias, der doch an »altem« Gut interessiert war, rechnen will. 311 Da gnostische Systembildungen und auch die Auseinandersetzungen um gnostisches Gedankengut erst einige Jahrzehnte später belegt sind, ist es selbst bei einer noch etwas späteren Datierung (erstes Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts) keineswegs wahrscheinlich, dass (geprägte) Gnosis in 1 Joh oder auch den anderen johanneischen Schriften gespiegelt wird. Sollte eine antidoketistische Front nachweisbar sein, so wird die fragliche doketistische Position eher auf frühchristliche bzw. frühjüdische Vorstellungen etwa in der Engellehre oder auch der Christologie zurückzuführen sein. 312 Dass derartige Positionen spätere Gnosis vorbereitet haben können, ist zwar durchaus wahrscheinlich, kann aber für die historische Analyse des Konflikts, in dem 1 Joh stand, nicht von Bedeutung sein. Sollte eine doketistische Front allerdings überhaupt nicht auszumachen sein, so wäre eine Datierung um die erste Jahrhundertwende nicht mehr zwingend. Es können dann auch ganz andere Datierungsvorschläge ins Spiel kommen. Es wird dann sehr darauf ankommen, wie man den Prolog von 1 Joh interpretiert. K LAUCK hält nach der Behandlung unterschiedlicher Versuche, den Prolog zu deuten, fest: »Es führt kein Weg an dem Urteil vorbei: Wer so spricht, wie es in 1 Joh 1,1-4 geschieht, nimmt eine direkte Augenzeugenschaft in Anspruch, die 310 Die ausführliche Untersuchung von T. N AGEL über die Verwendung des Johannesevangeliums im zweiten Jahrhundert weist auf eine insgesamt weite Verbreitung des Evangeliums ab Mitte des zweiten Jahrhunderts, für die Frühzeit können mit einer gewissen Vorsicht Justin, Ignatius und Papias genannt werden: N AGEL , Rezeption, besonders 473-476. Vgl. auch V . L OEWENICH , Johannes-Verständnis und M UTSCHLER , Irenäus. 311 Selbst wenn der Verweis auf Papias, P 52 und Polykarp jeweils in sich umstritten bleibt, weil man zwischen einem und drei Jahrzehnten später datieren kann, so bleibt 1 Joh eine der früh bezeugten Schriften. Von der äußeren Bezeugung her spricht nichts für eine (sehr) späte Abfassung des Textes, auch wenn daraus alleine keineswegs auf eine (sehr) frühe Abfassung geschlossen werden kann. Eine extreme Spätdatierung, wie sie S CHMITHALS vorschlägt, ist auszuschließen. Gleichzeitig sollte man sich nicht unnötig fest an die von der Bezeugung her spätest denkbare Zeit Anfang des 2. Jahrhunderts klammern. Ein bis zwei Jahrzehnte Vorlauf ist möglich und wahrscheinlich. Von der äußeren Bezeugung her ist also als spätester Zeitpunkt die Zeit vor der ersten Jahrhundertwende anzunehmen und als frühest denkbarer Zeitpunkt das Ende des irdischen Wirkens Jesu (+ X) prinzipiell möglich. In den so für die Entstehung von 1 Joh zur Verfügung stehenden 50 Jahren von etwa 40 bis 90 n.Chr. wäre nach vergleichbaren Situationen zu suchen. 312 Vgl. die Ausführungen zu den Gegnern des Ignatius und die Ergebnisse im Schlussteil dieser Arbeit (S. 361ff). 78 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« späteren Christen nicht in gleicher Weise möglich ist.« Dennoch könne »der Brief aus zeitlichen und sachlichen Gründen schwerlich von einem Angehörigen der ersten Generation der Jesusjünger geschrieben sein«. 313 Die zeitlichen und sachlichen Gründe K LAUCKS sind allerdings trotz gründlicher Abwägung in vielem wiederum abhängig von den Angaben des Irenäus und den rekonstruierten Gegnern und damit letztlich von der rekonstruierten theologiegeschichtlichen Situation (Ephesus als erst paulinisch und dann johanneisch geprägte Stadt; die Gegner von 1 Joh als »Ultra-Johanneer«). 314 Die Bestimmung der »Gegnerposition« als relativ späte theologische Entwicklung ist nicht nur für K LAUCK einer der zwingenden Gründe, die johanneischen Schriften für ebenfalls relativ spät zu halten. Auch wenn K LAUCK »Doketismus« anders als S TRECKER , S CHNELLE , B EUTLER , W ENGST und anderen von 1 Joh und den »Gegnern des 1 Joh« fernhält, so folgt er in der Datierung demselben Muster, das schon in der Identifizierung der »Gegner« mit den »Doketisten« gegriffen hatte. 315 2.4 Ergebnisse der Einleitungsfragen und Schlussfolgerungen 1. Es bleibt unklar, ob 1 Joh und Evangelium von einem von mehreren Verfassern geschrieben sind. 2. Gleichzeitig ist deutlich, dass beide Schriften so eng miteinander verwandt sind, dass sie für einen Textvergleich die jeweils nächste Bezugsgröße darstellen. 3. Literarkritische Operationen an 1 Joh sind nicht vorzunehmen. 4. Eine extreme Spätdatierung wie bei S CHMITHALS ist extrem unwahrscheinlich. 5. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass mit Papias um 110 n.Chr. die Johannesbriefe (und das Evangelium) bekannt sind und zitiert werden. 6. Die Entstehung dieser Schriften ist dementsprechend früher anzusetzen. 7. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund kann damit gesagt werden, dass eine gnostische Christologie ausgesprochen unwahrscheinlich ist, unabhängig davon, wo die johanneischen Schriften entstanden sind. 8. Um dennoch von gnostischen oder doketistischen Positionen bei den Gegnern auszugehen, müssten diese daher im Text eindeutig gekennzeichnet sein und nicht nur durch Eintragungen aus der späteren Wirkungsgeschichte ermittelt werden. 9. Dass die johanneischen Schriften, die explizit keine Gemeindestrukturen kennen, wirklich in Ephesus um die Jahrhundertwende entstanden sind nach Paulus und den Pastoralbriefen und kurz vor Ignatius, Polykarp und Papias -, muss als unwahr- 313 K LAUCK , Der erste Johannesbrief, 76. Anders als K LAUCK nimmt B ARTH , Augenzeuge, eben gerade aufgrund der Selbstdarstellung des Verfassers als Augenzeuge eine entsprechend frühe Entstehung an. 314 K LAUCK , Johannesbrief, 40f., 48f. 315 Vgl. B OUSSET , Kyrios, 159: »Wie stark aber die Entfernung von der Person Jesu von Nazareth bereits geworden war, zeigt am deutlichsten eine Erscheinung, die wir grade in der Umgebung des johanneischen Kreises nachweisen können, ich meine den sogenannten Doketismus.« Damit verknüpft ist die weitergehende Vermutung, es in Schriften, die mit »Doketismus« umgehen, nicht weiter mit ursprünglichem Urchristentum zu tun zu haben: »Was aber ist der Doketismus, die Lehre, dass Jesus nicht ἐν σαρκί erschienen sei, dass er als Scheinwesen über die Erde gewandelt sei, anders als die definitive Ablösung der christlichen Religion vom irdischen Leben Jesu von Nazareth! ? Eben erst hat sich aus der Gestalt Jesu von Nazareth der Mythos oder das Dogma ausgestaltet von dem πνεῦμα-κύριος, dem Sohne Gottes, der aus Himmelshöhen in diese Welt herabstieg, um diese wieder zu verlassen und in Himmelshöhen aufzusteigen, da beginnt der Mythos sich gegen die Historie zu wenden und macht den Versuch, diese ganz zu beseitigen und sich allein auf den Thron zu setzen« (ebd.). 2.4 Ergebnisse der Einleitungsfragen und Schlussfolgerungen 79 scheinlich oder jedenfalls extrem erklärungsbedürftig gelten. Jedenfalls muss man dann mit Hilfshypothesen arbeiten, die einen eher abgeschlossenen »johanneischen Kreis« bzw. eine ideologisch abgeschottete »Schule« annehmen. 316 10. Die Berichte über einen »alten Johannes«, »Presbyter« usw. in Ephesus sind ebenso vielfältig wie differenziert zu betrachten. Auf jeden Fall ist von mehreren Namensträgern auszugehen, die nicht miteinander identifiziert werden sollten. 11. Es gibt Traditionen, die die johanneischen Schriften in Kleinasien beheimatet sehen. Ob man diese Hinweise aber als valide Informationen über die Entstehung dieser Schriften deuten soll, oder ob es sich um Bezeugungen einer intensiven Rezeption handelt (vielleicht auch personal vermittelt durch Mitglieder eines »johanneischen Kreises« oder den Autor selbst), bleibt offen. 12. Blickt man dagegen auf das, was im Johannesevangelium an Lokalkolorit gegeben ist, dann ist eine ursprüngliche Verortung in Palästina, zeitlich jedenfalls vor der zweiten Jahrhundertwende wahrscheinlich. Eine Frühdatierung ist möglich, aber natürlich nicht zwingend. Überhaupt hat die Vermutung, Palästina müsse der Entstehungsort sein, seine Gründe darin hat, dass es einerseits über Lokalkolorit, theologische Nähen etwa zu den Schriften aus den Höhlen von Qumran usw. positive Gründe für Palästina gibt; gleichzeitig ist die Annahme einer späten Entstehung in Ephesus nicht ganz so einfach wahrscheinlich zu machen. 13. Eine genaue Datierung und Verortung ist in jedem Fall eine Hypothese, die mit Gründen wahrscheinlich zu machen, aber nicht zu beweisen ist. Zwar ist es lange üblich gewesen, auf derartigen Hypothesen weitere Hypothesen aufzusatteln. 317 Ich möchte mich diesem Verfahren nicht anschließen. Die frühe Datierung und Lokalisierung der johanneischen Schriften im palästinischen Raum halte ich zwar für gut möglich, und zwar auch eine sehr frühe Datierung von 1 Joh, soweit sich zeigen lässt, dass es von frühjüdischen und frühchristlichen Denkvoraussetzungen in dieser Zeit möglich ist. Wichtiger als diese Möglichkeit ist, dass die Spätdatierungen der älteren Forschung eine ganze Reihe von grundsätzlichen Einwänden gegen sich haben. Im Ergebnis gehe ich also von einer frühchristlichen Schrift aus, die noch keine Gnosis kennt, auf keine ausgefeilten Gemeindestrukturen zurückgreift und andere christliche Literatur nicht erkennbar zitiert (jedenfalls 1 Joh tut dies 316 Vgl. die Theorien einer »johanneischen Schule« (S TRECKER , S CHNELLE ) oder eines »johanneischen Kreises« (C ULLMANN ). Damit ist eine Weiterentwicklung der von B ULTMANN vermuteten redaktionellen Schichtungen und Quellen, die ebenfalls unterschiedlichen Orten, Zeiten und religionsgeschichtlichen Hintergründen zuordenbar waren, gegeben. Dagegen sprechen R UCKSTUHL und D SCHULLNIGG von einem »kulturellen Wunder«, wenn eine so einheitliche Sprache, wie im Corpus Johanneum auf verschiedene Verfasser zu verteilen sei. H ENGEL geht von einem »Alten« aus, der am Ende seines Lebens in Ephesus schreibt. T HYEN hält nichts von einem direkten Außenbezug und geht eher von einer mit Anspielungen arbeitenden theologischen Weiterentwicklung gegenüber den Synoptikern (und Paulus) aus. Auch für ihn gibt es nur einen und nicht mehrere Verfasser. Allen diesen Theorien ist eigen, dass sie auch dafür plausible Erklärungen zu schaffen versuchen, wie Ephesus aus einer Stadt des Paulus zu einer Stadt des Johannes wurde. B ERGER s Hypothese eines wandernden Alexandriners versucht dagegen, die späteren Ephesustraditionen in eine Erklärung der Entstehung der johanneischen Schriften einzubeziehen, ohne dass Ephesus »verantwortlich« gemacht wird für die Entstehung der johanneischen Schriften. 317 Vgl. die Kritik von H ENGEL , Evangelien, 11, der von »Hypothesenlabyrinthen« spricht, die entstanden seien, da die Konzentration auf das NT als kleine Schriftensammlung zu einer Hyperspezialisierung geführt habe, die sich durch häufig unkontrollierte und unkontrollierbare Anhäufung von Hypothesen rechtfertigt. Zu den Problemen gehört, dass man häufig vorausgesetzte Hypothesen als solche nicht mehr erkennt. 80 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« nicht). 318 Sie beansprucht Augenzeugenschaft und versucht einen (ehemals? ) innergemeindlichen Konflikt zu lösen. Wahrscheinlich befindet sich die Gemeinschaft noch innerhalb oder am Rande des Judentums. 319 Ein ausdrücklicher Bezug auf das Johannesevangelium ist nicht auszumachen, so dass man umgekehrt eher davon ausgehen kann, dass das Johannesevangelium Probleme des 1 Joh löst, indem sie auf der historischen Ebene des irdischen Jesus dargestellt und diskutiert werden. Die innergemeindlichen Konflikt und Themen aus dem Text selbst zu erarbeiten, ist die Aufgabe. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten Über die Struktur von 1 Joh kann abgesehen von einer ganzen Reihe von mehr oder weniger erhellenden Vorschlägen zur Gliederung nicht viel mehr gesagt werden, als dass eine längs zum Text laufende dualistische Spannung zwischen Licht und Finsternis das Geschehen auf der Bühne (Welt der Menschen) prägt. Auch der Verfasser und die ursprünglichen Adressaten bleiben zunächst im Dunkeln. Dennoch ist zu beobachten, dass der Verfasser einiges über sich, seine eigenen Erfahrungen und über seine Adressaten und deren Erfahrungen mitteilt. Dabei ist zunächst das Verhältnis des Schreibers zu den Empfängern zu beleuchten und so der eigenen Standpunkt, die eigene »Verortung« des Verfassers in Bezug auf das von ihm beschriebene Geschehen deutlich zu machen. 2.5.1 Annäherungen an den Text Weithin ungeklärt sind Form und Struktur des ersten Johannesbriefes. 320 Zwischen »weisheitlichem Traktat« und wiederum doch »Brief« schwanken die Einschätzungen. Und auch hinsichtlich seiner Struktur bietet 1 Joh nicht viel Greifbares. Einen Prolog und einen Schlussteil kann man relativ einfach abgrenzen. Aber danach wird es schwierig. Die wiederum vorliegende Vielfalt von Gliederungsvorschlägen hat ihren tieferen Grund in der besonderen »weisheitlichen« Sprache des Textes. 1 Joh arbeitet mit einfachen, aber klaren Begriffen, um die er in immer neuen Anläufen kreist. 318 T HYEN geht davon aus, dass dem Johannesevangelium die Synoptiker bekannt seien und mit ihnen in Zitaten gespielt wird. Das ist aber unbeweisbar, da »Anspielungen«, die keine Zitate sind, am Ende »Geschmacksfrage« bleiben. Es ist die Gegenfrage zu stellen, ob nicht auch mündliche gemeinsame Traditionen zugrunde liegen können. Es ist darüber hinaus zu beachten, dass es sich ja um Schriftgut handelt, welches dieselbe, reale Hauptfigur und ihr tatsächliches Geschick im Blick hat. Daher ist neben der «Anspielungshypothese« die These zu nennen, dass Übereinstimmungen inkl. Struktur und Wortwahl realgeschichtlich und durch gemeinsame Tradenten bedingt sind. 319 Anders urteilt jüngst B ERGER , Kommentar, 948: »Weil die Gemeinde heidnischen Ursprungs ist, droht ein Rückfall ins Heidentum (Kap. 5). Der Verfasser des Briefes ist demgegenüber Judenchrist.« Nach meinen Ergebnissen zu 1 Joh 5,21 ist ein heidenchristlicher Charakter der Gemeinde weder nötig noch unmöglich (s.u. S. 110ff). Vgl. E RLEMANN , W ILCKENS , T HYEN , G RIFFITH , S TREETT , M ÜLLER , die ähnlich urteilen. 320 S CHMID , H., Gegner, 42 schreibt: »Die Debatte über die Textsorte von 1 Joh ist weit von einem Konsens entfernt. Die Vorentscheidungen in der Gegnerfrage und die daraus abgeleitete polemische Lektüre bestimmen die Textsortenbestimmung oft maßgeblich«. Vgl. die Überblicke bei S CHNELLE , Einleitung und S TREETT , Identity. - S CHMID bietet ebenfalls einen detaillierten Überblick über die Positionen der Forschung zu diesem Thema (S. 42ff). Älterer Überblick: DU R AND , J.A., Johannine Perspectives. Introduction to the Johannine Writings I, Pretoria 1991. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 81 Man kann insgesamt von einer »weisheitlichen« Sprache sprechen. Mithilfe eines im Grunde einfachen Dualismus werden die wichtigen, anstehenden Fragen geklärt. Trotz der Schärfe, die dieses Vorgehen mit sich bringt, nennt 1 Joh jedoch nicht »Ross und Reiter«. Dieses Vorgehen führt dazu, dass der Blick nicht an den konkreten Problemen, die m.E. unzweifelhaft gegeben gewesen sein müssen, hängen bleibt. 321 Der Blick wird vielmehr darauf gelenkt, was »hinter« dem gegenwärtig zu beobachtenden Geschehen liegt. 322 Dadurch wird das, was geschieht, »durchsichtig«. Die treibenden Kräfte kommen in den Blick. So sind nicht einzelne Meinungen, dogmatische oder christologische Auffassungen der Gegner die Kriterien, wonach diese beurteilt werden. Vielmehr werden schlichte Merkmale angegeben, woran man innerhalb und außerhalb der Gemeinde erkennen kann, wes Geistes Kind Menschen sind. Die eine grundlegende Frage ist, ob jemand Jesus als den Messias bekennt. Die andere wesentliche Frage ist, ob das Tun diesem Bekenntnis entspricht, nämlich inwieweit es von Liebe geprägt ist. Sünde kommt zwar vor, kann aber vergeben werden. Mit einer doppelten Ausnahme: Wer den Sohn Gottes nicht anerkennt und wer »die Brüder« »hasst«, begeht offenbar eine Sünde, die nicht vergebbar ist. 2.5.2 Auf der Suche nach der Pragmatik des Textes 323 Die Pragmatik eines Textes besteht in Aspekten des Textes, die über die Elemente des Einzelsatzes hinausgehen. Es geht um die Frage, wie ein Text funktioniert und wie er wirkt. Was ist der Standort des Verfassers, was ist seine Situation? Wie gestaltet er seinen Text in Hinblick auf den Leser, so dass Kommunikation zustande kommen kann? Welche Faktoren und Rahmenbedingungen werden 321 S CHWANKL , Licht, 16f: »Die Stärke des bipolaren Schemas, das der joh Autor(enkreis) mit Vorliebe verwendet, liegt in seinem ‹Charakter äußerster Allgemeinheit und Einfachheit› [P. Ricoer]. Das binäre Klassem liefert eine elementare Ordnung für den Aufbau einer sprachlichen Sinnwelt. Johannes macht von diesem sprachlichen Organisationsmuster, das zu gewissen Maßen in jedem Text enthalten ist, extrem Gebrauch, erhebt es zum dominierenden Prinzip. Nur auf den ersten Blick jedoch wird dadurch die joh Textwelt simpel zweigeteilt. Sieht man genauer hin, so zeigt sich das binäre Grundmuster zu einem derart hochdifferenzierten und -komplexen Gebilde verarbeitet, wie man es bei diesem Organisationsmuster nicht erwarten würde.« Vgl. auch die Analysen des sprachlichen Profils von 1 Joh bei S CHOLTISSEK , Sprache, 343ff. 322 Genau das macht den hermeneutischen Vorzug des 1 Joh aus: Er ist offen für vielerlei Anwendungen, da die entwickelten dualistischen Frontstellungen auch in anderen Konflikten wieder auftreten können bzw. wiederentdeckt werden. Gleichzeitig ist hier das Problem der Forschung grundgelegt, da 1 Joh eben nicht konkret wird. Trotzdem ist gegen S CHMID ein möglicher Sitz im Leben der Gemeinde bzw. des Verfassers mit der gebotenen Vorsicht zu rekonstruieren. Die Entdeckung der »Bodenhaftung« von 1 Joh kann eine heutige Anwendung hermeneutisch erleichtern, da durch den Blick auf einen möglichen oder wahrscheinlichen ursprünglichen »Sitz im Leben« die Art und Weise der Anwendung historische Kriterien bekommt. Allerdings ist Vorsicht nötig, um nicht wieder, wie bei der alten Doketismusthese, mehr ins Spiel zu bringen, als vom Text her unbedingt nötig. 323 Literatur zur Erforschung von Textpragmatik: H ARDMEIER , C HR ., Textwelten der Bibel entdecken. Grundlagen und Verfahren einer textpragmatischen Literaturwissenschaft. 2 Bde., Gütersloh, 2003/ 2004; E HRHARDT , C./ H ERINGER , H. J., Pragmatik, Paderborn 2011. - Im Gegensatz zu S CHMID , Gegner, verzichte ich auf ausladende Theorie zur Funktionalität von Texten. S CHMID macht sich in seinem Werk m.E. von den Prämissen N. L UHMANN s abhängig, indem er von ihm die Grundstruktur seines exegetischen Ansatzes übernimmt. Ich orientiere mich dagegen am Methodenkanon, den B ERGER (Exegese) zur Verfügung stellt. 82 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« gesetzt oder vorausgesetzt, innerhalb derer der Sinn der Aussage erhoben werden kann? Es geht um Prinzipien der Kommunikation, die von den an der Kommunikation beteiligten Menschen beachtet werden und ohne die die Kommunikation nicht gelänge. Es geht also um die Beschreibung der »sprachlichen Ausdrucksformen, der Handlungsmuster, Formulierungs- und Deutungsstrategien«, 324 die gemeinsames Verstehen möglich machen. Also: Was will der Text bewirken, wodurch will er es bewirken und welchen Rahmen setzt er dafür voraus? Um näher zu verstehen, wie die Ablehnung bzw. das Bekenntnis des Messias, der »im Fleisch« gekommen ist, gemeint sein mag, sind die entsprechenden Texte (1 Joh 2; 4; 5) innerhalb eines Gesamtaufrisses von 1 Joh zu verstehen. Eine klassische Gliederung ist in jedem Fall künstlich, da der Verfasser mit Ausnahme eines Prologs (1,1-4) und eines Schlussabschnitts (5,13-21) offenbar keine für uns sichtbaren, deutlichen Gliederungssignale im Text hinterlassen hat. Allerdings hat er dem Text eine Struktur gegeben, die weniger abschnittsweise ist als vielmehr an einer durchgängigen Linie in mehreren Strängen orientiert ist. Denn unzweifelhaft ist der Text von Anfang bis Ende durchzogen und strukturiert durch den für 1 Joh typischen Dualismus. Da sich alles in diese Szenerie einordnet, können die Themen von 1 Joh insgesamt in den Blick genommen werden und auf die Gegner hin befragt werden. Unter den Stichworten »Bühne« und »Dualismus« werden wir diese Fragestellung intensiver in den Blick nehmen. 2.5.3 Darstellung prägender Wortfelder in 1 Joh Die Schwierigkeit, den 1. Johannesbrief und seine Anliegen strukturell klar darzustellen, hat ihren Grund darin, dass er keine klare, logisch argumentierende Struktur hat. Die vielfach wahrgenommene »weisheitliche« Redeform lebt von kreisenden, fließenden Gedanken. Ein Gedanke scheint in den nächsten überzufließen. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass 1 Joh an sich unsauber formuliert oder unklar in seiner Aussage ist. Nur das ist gesagt: Aufgrund der kreisenden Denkbewegungen wird unser analytisches Anliegen, eine ebensolche argumentative oder rhetorische Struktur darzustellen, unterlaufen. Wenn wir nun das Hauptproblemfeld unseres Textes, nämlich 1 Joh 4,2f angehen möchten, dann ist nach der Verankerung und Verknüpfung im Gesamttext von 1 Joh zu fragen. Zwar ist eine Abgrenzung vorne in 1 Joh 4,1 gegenüber 3,23f. deutlich erkennbar und wie eben gezeigt gut darstellbar, trotz der deutlichen Anknüpfungen, die ebenfalls gut aufzuzeigen sind. Auch die Abgrenzung nach hinten ist zunächst unproblematisch, da sowohl 4,3 als auch 4,6 als Einschnitt aufgezeigt werden können; ein weiterer Textabschnitt endet mit 4,10. Damit ist aber eigentlich noch nicht viel gesagt. Das eigentlich spannende Phänomen ist, dass die Argumentation des 1 Joh tatsächlich in 1 Joh 4,1-4, sowie an den beiden anderen Hauptproblemstellen (1 Joh 2 und 1 Joh 5) einen Höhe- 324 E HRHARDT / H ERINGER , Pragmatik, 14. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 83 punkt an semantischer Verknüpfung aufweist. Eine Zusammenstellung der Verben des Er- und Bekennens verdeutlicht dies (s.u. 131ff). Semantische Verknüpfung lässt sich zwar nicht über die Darstellung analytisch-logischer Strukturen zeigen. Deren Fehlen verursacht ja gerade unsere Schwierigkeit einer einfachen Darstellung des Inhalts. Wesentlich für die Darstellung ist daher hier die Erschließung von Wortfeldern bzw. semantischen Kraftfeldern. 325 Zugrunde gelegt ist dabei die Erfahrung, dass es innerhalb von Texten auch quer zu den Satzstrukturen und über Satz- und Abschnittsgrenzen hinweg Wortgeflechte gibt, die man als »semantische Verzahnungen« wahrnehmen kann. 326 Dabei geht man davon aus, dass Bedeutungen von Wörtern nicht im enzyklopädischen Sinn durch die Zusammenschau aller möglichen Bedeutungen, die ein Wort in allen denkbaren Zusammenhängen einmal hatte oder haben könnte, zu erschließen ist, sondern anhand von Sprachbeziehungen ermittelbar ist. Zwar ist der literarische Kontext nicht automatisch mit dem Wortfeld identisch. Man kann sagen, dass der literarische Kontext Wortfelder rezipiert und neu kombiniert. 327 Trotzdem entscheidet der direkte Kontext mit seiner Kombination von Wörtern aus unterschiedlichen semantischen Feldern über die konkrete Bedeutung der Worte. Bedeutung entsteht somit nicht aus einem lexikalisch festgelegten Begriff, sondern aus den Beziehungen der Worte untereinander. Diese Bezogenheit der Worte aufeinander lässt sich durch den Aufweis von Synonymitäten, Opposita, Assoziationen, Affinitäten bzw. spezielle Relationen, wiederholte Assoziationen und durch Wortkomposita darstellen. 328 Diese sind nicht nur im vorliegenden Kontext gültig, sondern auch darüber hinaus. Andererseits ist der Kontext am Ende entscheidend dafür, welche Bereiche welcher Wortfelder jeweils miteinander kombiniert werden und damit welches genaue Bedeutungsgeflecht ergeben. Mit diesen theoretischen Aspekten sind wir auch schon wieder im johanneischen Text. 329 Schauen wir uns die Verben des Kennens, Erkennens, Bekennens an und die mit ihnen verknüpften Worte, so fällt auf, dass nicht nur innerhalb von 1 Joh an den erwähnten Stellen die stärkste Verknüpfung besteht, auch innerhalb des Neuen Testaments ist in 1 Joh 4 gemeinsam mit Joh 1 die größte Dichte an gemeinsamen Vorkommen im Text gegeben. Vorsicht ist angebracht, daraus zu viel zu schließen. Denn damit ist nur gesagt, dass 1 Joh 4 und Joh 1 eine Reihe von Vokabeln kombinieren, die als typisch johanneisch zu bezeichnen sind. 325 Literatur zur Theorie des semantischen Feldes: B ARR , Bibelexegese; K LAUCK , Allegorie, 139-147; B ERGER , Exegese, Kapitel 5: Die Erforschung von semantischen Feldern (137-159); U LRICH , Grundbegriffe; S CHMIDT , Wortfeldforschung; T ÓTH , Wortfeldforschung. 326 B ERGER , Exegese, 138. 327 B ERGER , Exegese, 138. 328 Zu den unterschiedlichen Kategorien sprachlicher Kohärenz vgl. B ERGER , Exegese, 144ff. 329 S CHNACKENBURG , Johannesbrief, 4ff, führt als Stilmittel des 1. Johannesbriefes genau die sprachlichen Mittel an, die man für die Rekonstruktion von Wortfeldern nutzt (vgl. B ERGER , Exegese): gegensätzlicher Parallelismus und Antithese, Variation mit Hilfe synonymer Wendungen, Assoziation. Zusätzliche Stilmittel sind bei S CHNACKENBURG die Wiederholung als kurze Rekapitulation des letzten Wortes oder als Umrahmung eines oder mehrerer Verse einer Gedankeneinheit mit denselben Worten, schließlich als Anaphora die Gleichheit von Anfangsworten in Satz- oder Sinneinheiten. 84 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Allerdings wird es durch die Eruierung der jeweiligen Wortfelder möglich, die weiteren Beziehungen dieser Stellen im Text zu anderen Textstellen zu erhellen und somit einen Beitrag zur Erschließung der Bedeutungszusammenhänge zu leisten. Damit wird das für uns fragliche Bekenntnis in 1 Joh 4,2f durch die semantischen Beziehungen des Umfelds auf andere Stellen im Text bezogen, die hilfreich sein können, wenn es um die Analyse der Stelle selber geht. Einzuräumen ist, dass aufgrund der relationalen Bezogenheit einzelner Elemente aufeinander, die zugleich wiederum auch mit anderen Elementen und Wortfeldern in Verbindung stehen und aufgrund der unterschiedlich dichten Kohärenz einzelner Bestandteile eines Wortfeldes zueinander auch die Abgrenzung eines Wortfeldes immer wieder relativ ist. Ein besonderes Problem in den johanneischen Schriften besteht auch darin, dass Wortfelder »typisch johanneisch« aufeinander bezogen werden, was typisch ist für die »johanneische Sondersprache«. Insofern ist auch bei der Ermittlung von Wortfeldern die Definition eines Feldes revidierbar. Andererseits ist es auch nicht unbedingt nötig, dass Wortfelder ein für alle Mal so und nicht anders definiert werden. Es kommt letztlich darauf an, immer wieder neu die Beziehungen der Worte untereinander darzustellen und so den gemeinten Sinn beschreibend zu rekonstruieren. Das Vorgehen: Aufgrund der konkordanzmäßig sichtbaren Bezogenheit einzelner Vokabeln werden diese zum Teil mit Hilfe der Zuordnungen, die im EWNT genannt werden, sortiert. 330 Die Zuordnungen in einzelne Untertabellen sind zwar nicht zufällig, aber auch relativ. So hängen das »Hören und Sehen« aus Tabelle 1 331 eng mit dem »Verkündigen« von Tabelle 2 332 zusammen. 333 Das gilt auch für Bemerkungen über das Kommen Christi oder des Antichristen in die Welt bzw. in das menschliche Dasein, 334 was dann später besonderer Untersuchungen bedarf als auch für die Themen der vierten Tabelle, 335 wo zur Frage des Haltens der Gebote und des Sündigens naturgemäß das in Tabelle 1 bei »Glauben« und »Erkennen« eingeordnete Thema »Liebe« gehört. Ein längerer Blick auf die Tabelle zeigt aber auch, dass der erste Eindruck eines unkontrollierten Wortschwalls falsch ist. Der Text ist in der Tat organisiert. Ganze Cluster von semantischen Zusammenhängen durchziehen den Text. Manche Vokabel ist ausgesprochen »typisch johanneisch« und begegnet in einer Häufigkeit, die anderen Autoren schon aus stilistischen Gründen wohl nie verziehen werden würde. 330 Das EWNT nimmt Wortverbindungen grundsätzlich in den Blick; spezielle Wortverbindungen innerhalb bestimmter Schriften werden gesondert dargestellt. 331 Siehe Wortfeld-Tabelle 1, unten S. 499. 332 Siehe Wortfeld-Tabelle 2, unten S. 500. 333 Ein klassisches Krippenspiel beginnt mit dem Auftritt eines Erzählers oder (zumeist) einer Erzählerin: »Ihr sollt nun hören und sehen, was damals geschehen ist, ....« Damit ist die biblische Verbindung von Hören und Sehen (die Hirten an der Krippe) und anschließender Verkündigung sehr gut wiedergegeben. - Vergleiche Lk 7,22.24; Mt 2,10; besonders Lk 2,20. Vgl. auch Jes 66,18f; Sir 17,10f. 334 Siehe Wortfeld-Tabelle 3, unten S. 501. 335 Siehe Wortfeld-Tabelle 4, unten S. 502. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 85 2.5.4 Der Verfasser und seine Adressaten Beginnen wir aber zunächst mit den Beobachtungen zur Pragmatik des Textes, bevor die Beachtung der Wortfelder näher in den Blick rückt. 336 2.5.4.1 »Ich«, »Wir«, »Ihr« 1 Joh ist von Anfang bis zum Ende durchzogen von Rede in der 1.Pers.Pl., die nur gelegentlich von der 1.Pers.Sing. abgelöst wird. Zumeist werden die »Ihr« angeredet, manchmal aber auch die »Wir«. 337 »Ich« wird zumeist benutzt, wenn der Verfasser eine Metaebene einschaltet 338 und kundtut, wozu er schreibt (2,1.7.12-14.21.26; 5,13). »Wir« 339 bezieht sich im Wesentlichen auf gemeinsame Traditionen (1 Joh 1,1-5; 4,14.16), Folgerungen allgemeiner Art (1,6-10; 4,19); Aussagen, die entweder allgemeines Glaubensgut sind oder auf deren allgemeine Zustimmungsfähigkeit der Verfasser baut (2,1; 3,1.2; 4,9.10; 5,9), Kennzeichen- und Bestätigungssätze nach dem Schema »wenn-dann«/ »wer-der« (2,3.5.18; 3,14.16.19.21.24; 4,6.13; 5,2), aktuelle Aufforderungen (2,28; 3,16.23; 4,11f), die spezifische Botschaft (3,11.23; 4,16.21) und die gemeinsame Heilszuversicht (5,14f.18-20). Nur in den letzten drei Gruppen werden aus gemeinsamen Überzeugungen Schlussfolgerungen gezogen. Durch die ständige Verwendung der 1.Pers.Plur. erreicht der Verfasser, dass eine Distanzierung zwischen den Adressaten und ihm schwer möglich ist, da er so durch die Form des Schreibens die Gemeinsamkeiten betont. Umso interessanter sind abgesehen von der Ich-Rede, die auf Metaebene die Absichten des Verfassers offenlegt die Stellen, wo die Adressaten in der 2.Pers.Plur. angeredet werden. Dies geschieht häufig in Zusammenhang mit der Ich-Rede (dann geht es speziell um die Funktion des Briefs für die Adressaten: 1,2-5; 2,1.7f.12-14.26; 5,13) aber nicht ausschließlich. In nahezu allen anderen Fällen, in denen die Adressaten in der 2.Pers.Pl. direkt angeredet werden, werden sie angesprochen auf ihr spezifisches Erkennen, Wissen oder Gehörthaben (2,18.20f.24.27.29; 3,5.(6.f)11.(13f).15; 4,2f; 5,13) oder auf ihr Erkennen und Überwinden (2,12-14). Direkte Aufforderungen, die nicht im gleichen Satz mit dem Hinweis auf besondere Erkenntnisse der Angesprochenen oder der Ich- Metaebene verbunden werden, finden sich nur in 5,21; 3,7.13. J. R INKE weist zudem darauf hin, dass nur die Verwendung von »Ich« ausschließlich exkludierenden Charakter habe. Sowohl die »Ihr« als auch die 336 Gegen B ALTZER , Pseudepigraphie, 736-743, ist eines der folgenden Ergebnisse: Pseudepigraphie liegt nicht vor. 337 R INKE , Kerygma, 185 zählt allein für 1 Joh 1,5-5,13 199 explizite Lesesignale, »in denen sich die Autoren- oder Leserseite durch Ich-, Wir- oder Ihr-Formen artikuliert.« Dabei lägen zwei Drittel der Signale auf Seiten des Autors, ein Drittel auf Seiten der Leser. 338 Ausnahmen: 2,4; 4,20: Hier liegt jeweils ein Bedingungssatz vor und mit dem »ich« wird eine kritisch beleuchtete Position zitiert. 339 Vgl. K LAUCK , Johannesbrief, 73-78. 86 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« »Wir« sei meist kommunikativ, inklusiv aufzufassen, also gerade nicht ein Signal der Abgrenzung, sondern der ausdrücklichen Gemeinschaft. 340 Folgerungen: 1. Der Verfasser geht bei seiner Argumentation äußert behutsam vor. Er zielt auf gemeinsame Erfahrungen, gemeinsames Wissen etc. und schließt sich in die allgemeinen Aufforderungen mit ein; er zeigt den Angesprochenen die Konsequenzen aus dem auf, was sie ohne Bezug auf die »wir« sozusagen als spezifisches Erkenntnis- oder Traditionsgut vorweisen können. 341 2. Bei der Verwendung der 1.Pers.Sing. zeigt der Verfasser seine Absichten in einer Metaebene auf und macht damit das Schreiben »durchsichtig«. Niemand kann ihm vorwerfen, dass er mit verdeckten Karten spielt. Er bemüht sich hier besonders, Vorwürfe schon im vorn herein zu entschärfen (z.B. 2,7.21) und den erreichten Heilsstand der Angesprochenen zu betonen (2,12-14). 3. Aus all dem folgt, dass hier ein Verfasser einer mehr oder weniger festen Gruppe schreibt, zu der er sich selbst aufs Engste zugehörig fühlt. Besondere Beachtung verdient in unter dieser Fragestellung der Prolog, insbesondere 1,4f: »Das schreiben wir euch, damit (...). Dies ist die Botschaft, die wir (...) und euch verkünden (...)«. Hier steht eine Gruppe von »wir« den »ihr« gegenüber. Diese Gruppe der »wir« ist wie 1,3.5 deutlich machen eine Gruppe bevorzugter Offenbarungsmittler, die ihre Augenzeugenschaft als Legitimation benutzen, um den »ihr« gegenüber als autoritative Traditionsvermittler aufzutreten. 342 In dem hier genannten Sinn tauchen die »wir« ausschließlich in 1,1-5 auf. Später wird die »Metaebene« immer durch ein eingeschaltetes »ich« gekennzeichnet und die »wir« sind nicht von den Adressaten ablösbar, sondern umfassen Adressaten und Absender. Gleichzeitig geht es bei dem verwendeten »ich« niemals um Traditionsvermittlung, sondern nur um Folgerungen aus der Tradition. Die späteren »wir« beziehen sich häufig auf Tradition die dann aber als gemeinsame gesehen wird. Nur bei der Behauptung der Augenzeugenschaft und der mit ihr verknüpften Grundbotschaft 1,5 wird das »exklusive wir« benutzt. Dieser Befund hat m.E. folgende Gründe: 1. Der Verfasser macht deutlich, dass es sich bei der Augenzeugenschaft nicht um eine Behauptung eines Einzelnen handelt. Er hält sich an die auch später in 1 Joh 5,6ff wichtige Zwei-Zeugenregel, 343 die nötig ist, um etwas mit Anspruch auf Glaubwürdigkeit behaupten zu können. Der Verfasser reiht sich damit ein in die Reihe der Zeugen. Demnach gehört er zu der Gruppe von Zeugen, die das Urgeschehen, auf das Bezug genommen wird, gemeinsam den Adressaten verkündet haben. Der Ver- 340 J. R INKE , Kerygma, 186ff. 341 Es ist nicht entscheidend, ob hier spezifisches Gut der Angesprochenen vorliegt (eher unwahrscheinlich), oder ob den Adressaten nur der Eindruck vermittelt werden soll, dass aus ihren ureigensten Auffassungen - und nicht nur aus denen des Verfassers die entsprechenden Konsequenzen folgen. 342 Vgl. R INKE , Autopsie, 181. 343 Vgl. Dtn 17,6; 19,15, Num 35,30, vgl. auch Mt 18,16; 26,60. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 87 fasser schreibt dann ausweislich V 4 im Auftrag dieser Gruppe oder in einem fiktiven Auftrag. 344 2. Eine andere Möglichkeit ergibt sich aus dem Vergleich mit paulinischen Aussagen: 345 Paulus schreibt häufig von sich selbst in der 1.Pers.Pl., um schließlich ganz unvermittelt in die 1.Pers.Sing. zu verfallen. Zum Ausdruck kommt ein hohes apostolisches Selbstverständnis. 3. Möglich wäre schließlich die Abfassung durch einen Autor und seinen Sekretär. 346 4. Eine weitere Möglichkeit, die hier nicht weiter verfolgt wird, ist, das »wir« für ein »kirchliches« »wir« zu halten, womit kirchliche Kreise späterer Zeit ihren Widerspruch gegen gnostisierende Kreise deutlich machten. 347 Eine andere Spielart desselben Gedankens wird in den Kommentaren mehrfach diskutiert: Geht es doch darum, spirituelle Erfahrungen in übertragenem Sinne durch Begriffe des Erkennens (sehen, hören, fühlen) darzustellen? Hier ist die Ablehnung relativ weitgehend, da die Betonung des sinnlichen Wahrnehmens dafür zu stark sei. 348 5. Der vielfache Wechsel von »wir« zu »ihr« und »ich« ist auf eine diplomatische, »weiche« Argumentationsstrategie zurückzuführen, nach der unterschieden wird zwischen Allgemeingut, spezifischer Ansprache auf eigenes Wissen und Offenlegung der Absichten des Verfassers. 6. Es geht bei der Gemeinde also um eine Gruppe, zu der der Verfasser gehört und die in ihrem grundlegenden Bekenntnis abhängig ist oder war von dem Bekenntnis, das der Verfasser (und eine weitere Gruppe, zu der er gehörte) vermittelt hat. Folgerung: 1 Joh ist von einem Einzelnen abgefasst und einer Gruppe übersandt worden, zu der er sich selbst zugehörig fühlte. Bezüglich der Augenzeugenschaft beruft sich der Verfasser auf einen Vorrang den Adressaten gegenüber, den er wahrscheinlich mit einer Gruppe teilt, in deren (tatsächlichem oder fiktivem) Auftrag er schreibt. Für die Frage gemeinsamer Erfahrungen zwischen Autor und Leser ist also festzuhalten, dass der Autor zwar (als Teil einer Gruppe) einen »Vorsprung« vor den Adressaten hat, indem er selber Augen- und Ohrenzeuge gewesen ist. Andererseits will die zumeist inkludierende Sprache eine überaus starke Solidarität deutlich machen, geradezu eine Gemeinschaft in Erleben und Geschick, mit der der Verfasser den Adressaten gegenübertritt. Dass er dies jedoch nicht in einer Weise tut, die seinen »Offenbarungsvorsprung« und den daraus ableitbaren Autoritätsvorteil infrage stellt, wird bei einem Blick auf die vom Autor verwendeten Anreden deutlich. 344 Vgl. Röm 16,21ff; 1 Kor 16,19f.; Phil 4,22; vgl. dazu auch L OHSE , Paulus, 119: »Die sog. Mitabsender werden angeführt, um die Solidarität zu unterstreichen, in der sie mit dem Apostel verbunden sind. (...) Für den Inhalt seiner Briefe trägt Paulus allein die Verantwortung. Daher sagt er an wichtigen Stellen der Gedankengänge (...) ausdrücklich ‹ich›«. 345 Z.B. 2 Kor 1,1-17.24-2,1; 7,1-5; 9, 3-5; 11,7; 12,19.20; Gal 1,8f; 6,1.11. 346 Vgl. Gal 6,11; 2 Thess 3,17; Phlm 19; besonders: Röm 16,22. Natürlich kann das in 1 Joh 1,4f verwendete »wir« auf die Abfassung durch einen Sekretär hinweisen. Warum gibt es dann aber keine Grußliste wie in den Paulusbriefen? 347 So B ULTMANN , Johannesbriefe, 16f. 348 Vgl. die Kommentare von K LAUCK , W ENGST , R USAM . 88 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 2.5.4.2 Die Anreden Gemeinsam werden die Angeredeten als τέκνα bzw. τεκνία (Kinder/ Kinderchen) angeredet. Gemeinsam werden sie auch als Geliebte (ἀγαπητοί) bezeichnet. Eine weitere gemeinsame Anrede ist »Brüder« (ἀδελφοί) (3,13). In 2,12-14 werden sie differenziert als »Väter«, »Jünglinge« und »Kinder« angeredet. Die dominante Anrede aber ist τέκνα bzw. τεκνία. 349 Auch wenn die »familienmetaphorischen« Anreden 350 natürlich mit dem Gottesverhältnis der Angeredeten zu tun haben, so ist doch auch festzustellen, dass der Autor sie eben selber auch so anredet. Er selber ist damit Teil dieser Gemeinschaft und selber Bruder, Kind Gottes und möglicherweise den explizit als »Kinder« Angeredeten gegenüber auch in einer »väterlichen« Rolle. R USAM konstatiert, dass der Verfasser »die Beziehung zwischen Gott und den Gläubigen in allen ihren Aspekten als eine familiäre [sieht]. Der Gedanke einer großen Familie bildet den Hintergrund für sein Konzept von der Zusammengehörigkeit von Gott und Mensch und deren Gemeinschaft.« 351 Die These einer ausgesprochen engen Geschickgemeinschaft zwischen Autor und Lesern bestätigt sich so. Der Erfahrungshintergrund ist bis auf die Augenzeugenschaft nahezu identisch. Durch diese enge Gemeinschaft ist für den Fortlauf der Untersuchung sichergestellt, dass der Autor mit seiner Beschreibung eines Kampfs zwischen Licht und Finsternis keineswegs die Rolle des unberührbaren Betrachters innehat, sondern in allem mit den Angeschriebenen Anteil am Geschehen hat. Er ist ganz und gar Teil des Kampfes, so wie auch sein Brief ein Instrument im Kampf ist. Zugleich lebt er genau wie die angesprochene Gemeinschaft »in« der Welt, in der der Kampf ausgetragen und erlitten wird. Da sich der Verfasser den Adressaten zugehörig fühlt, ist das von ihm erwähnte Auftreten von Gegnern aus den eigenen Reihen mit einer abweichenden Lehre für ihn, der offensichtlich zu den Erstverkündigern gehörte, ein »Drama«. 352 Denn es betrifft nicht einfach andere, sondern ganz zentral auch ihn und seine eigene Botschaft. 349 Vgl. besonders R USAM , Gemeinschaft, 126ff. 350 P OPKES , Polemik, 333. G RIFFITH , Idols, 80: »The use of the vocative tekna, and its diminutive teknia is very common in Jewish wisdom and testamentary traditions«. Vgl. dazu auch zu 1 Joh 5,21: unten S. 108f. 351 R USAM , Gemeinschaft, 134. 352 Die Frage der geforderten Bruderliebe hat hier ihren »Sitz im Leben« des Verfassers und seiner Adressaten. Denn das aufgrund von Zweifeln oder äußerem Druck aufgegebene Bekenntnis zum Sohn Gottes, Jesus Christus, geht einher mit einer Absage an das geschwisterliche »einander« Beistehen und Lieben. Die Konsequenzen sind »dramatisch«. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 89 2.5.5 Das dualistische Drama 353 Der Dualismus 354 des Johannesevangeliums wird gerne in Begriffen des Schauspiels oder Dramas beschrieben. 355 In ähnlicher Weise finden auch juristische Begrifflichkeiten Verwendung, wenn das Geschehen des Evangeliums anschaulich gemacht werden soll. 356 S CHWANKL meint geradezu, Johannes neige »zum Dramatisieren«. 357 Er stellt fest: Da der »Kontrast unter den dramatischen Techniken eine der stärksten ist, (...) erweist sich das Gegensatzpaar von Licht und Finsternis sogleich als dramatische ›Hightech‹ (...). Das universale Darstellungsmedium Licht ist naturgemäß ein dramaturgisches Werkzeug«. 358 Obwohl das Johannesevangelium, anders als der Brief, eine viel größere Palette eindrucksvoller Darstellungsmöglichkeiten hat, hält S CHWANKL abschließend zur Frage der Dramaturgie fest: »In der lichtmetaphorischen Dramaturgie des Johannes bündelt sich der dramatische Gesamtprozess der Welt- und Heilsgeschichte wie der individuellen Lebensgeschichte. Er wird darin repräsentiert, konzentriert, vorangetrieben und prinzipiell entschieden.« 359 353 Das Geschehen zwischen Gott bzw. Göttern und Menschen wird gerne in »Bühnensprache« metaphorisiert. R OSENAU schreibt über die Stoa: Die vom göttlichen Energiefluss durchzogene Welt sei »eine große Bühne, auf der die Menschen ihre vom Schicksal bestimmte Rolle (persona) möglichst gut zu übernehmen und sich darin zu bewähren haben« (in: NTAK 3, S. 4.). Clemens Alexandrinus schreibt in seiner Mahnrede: »Weder fand die Botschaft Unglauben, als zuerst sein Kommen verheißen wurde, noch blieb er unerkannt, als er die Maske eines Menschen angenommen und sich in Fleisch gekleidet hatte, um das Drama der Erlösung der Menschheit aufzuführen« (Clem.protr. 10; 110,2). Bei Clemens ist also die Bühnenmetaphorik ausdrücklich auf die Fragen von Inkarnation (oder Doketismus) und auf das Kommen des Erlösers hin orientiert. 354 Vgl. auch den pneumatischen Dualismus der in Qumran gefundenen Schrift 1QS (hier: 3,13ff). In der sogenannte »Sektenregel« stehen sich jeweils gegenüber der »Geist der Wahrheit« und der »Geist des Frevels«; die »Quelle des Lichts« und die »Quelle der Finsternis«, der »Fürst des Lichts« und der »Engel der Finsternis«; die Herrschaft über die »Söhne der Gerechtigkeit« und die Herrschaft über die »Söhne des Frevels«; die »Wege des Lichts« und die »Wege der Finsternis«. Der Fürst der Finsternis versucht, Verwirrung über alle Kinder der Gerechtigkeit zu bringen. Alle Verstöße der Kinder der Gerechtigkeit stehen unter der Herrschaft der Finsternis. Aber gegen den Versuch, sie zu Fall zu bringen hilft der Gott des Lichtes den Kindern des Lichtes. In Katalogen wird zusammengefasst, was Gott liebt und was er hasst: Tugend versus Laster. Wahrheit ist auch hier das Merkmal der Welt Gottes. Ergebnis: Der Dualismus von 1 Joh entspricht grundsätzlich dem Weltbild von 1QS. Es ist davon auszugehen, dass dieses dualistische Weltbild im palästinischen Judentum der Zeit Jesu häufiger anzutreffen war. 355 Vgl. etwa die Literaturangaben bei S CHENKE , Johannesevangelium 223; S CHWANKL , O., Licht, 350. Grundlegend zum johanneischen Dualismus und seiner textpragmatischen Funktion im Evangelium ist O NUKI , Gemeinde. Die Arbeit von S CHMID , Gegner, geht ebenfalls konsequent an den dualistischen Strukturen in 1 Joh entlang. Die johanneische Metaphorik von Licht und Finsternis und das Kommen Christi in die Welt gab T OLS - TOI den Rahmen eines autobiographischen Dramas, das posthum herausgegeben und in Deutschland uraufgeführt wurde (1918): T OLSTOI , L.N., Und das Licht scheinet in der Finsternis. Drama in vier Aufzügen, Stuttgart 1959 (Reclam). 356 Vgl. die bei S ASSE , Menschensohn, 51f aufgeführte Literatur. 357 S CHWANKL , Licht, 351. 358 Ebd., 352. 359 Ebd., 354. 90 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 2.5.5.1 Gibt es eine »Bühne«? 360 Zwar sind das Johannesevangelium und erst recht 1 Joh nicht als Bühnenstück geschrieben. Das Geschehen ist dramatisch, die Texte sind aber keine klassischen Dramen. Insofern wirkt die Rede von einer »Bühne« auf den ersten Blick übertrieben. Dennoch sind es zugleich die grundlegenden Metaphern von Licht und Finsternis, die nach dem Raum fragen lassen, in dem das Geschehen stattfindet. Denn »Licht und Raum sind unzertrennlich«, da der durch das Licht aktivierte Sehsinn des Menschen immer räumlich wahrnimmt, insofern stärker räumlich orientiert ist als der Hörsinn. 361 Zum Wahrnehmen des Raumes gehören aber auch die eher »körperlichen« Sinneserfahrungen durch Tasten mit den Händen und Raumerfahrungen durch die Bewegung mittels Beinen und Füßen. S CHWANKL fasst zusammen: »Was dem Auge das Licht, das ist dem Fuß der Raum bzw. der Weg.« Damit steht für ihn fest, dass »Johannes seine komplexe Metaphorik nachhaltig in der Empirie verankert«. 362 2.5.5.2 Die Anordnung der »Kulisse« Als Raum der »Bühne« stellt 1 Joh keine »Geographie« im eigentlichen Sinne des Wortes vor. Es werden keine Orte genannt, keine Häuser erwähnt, keine Wege gegangen. Allerdings: Christus ist gekommen, ist von Gott gesandt, ist Mensch geworden. Die Falschpropheten sind gekommen, sind sogar aus der Gemeinschaft der Gotteskinder hervorgegangen, obwohl sie offensichtlich nicht wirklich »von da« kamen. Auch der Antichrist ist schon in die Welt gekommen. Es geht darum, »in« Gott, dem Licht, der Liebe zu »bleiben« und darum, dass Gott, bzw. die Liebe, das Licht usw. »in« »uns« bleibt. »Wir«, d.h. die angeschriebene Gemeinschaft, gehören also selber zur räumlichen Ausstattung der »Bühne«. Die Beobachtungen zum Verhältnis des Verfassers zu den Adressaten zeigen uns dabei, dass es hier zwar wohl einen Erkenntnisvorsprung seitens des Verfassers gibt, er aber zugleich an den Erfahrungen der Angeschriebenen teilhat. Räumliche Metaphorik kann man vor allem in der immer wieder in den unterschiedlichsten Varianten wiederholten, typisch johanneischen Rede von Immanenz bzw. wechselseitiger, reziproker Immanenz erkennen. 363 Im Blick stehen Aussagen, nach denen jemand »in Christus« bzw. »in Gott« ist, aber auch solche, in denen Gott oder Christus »in« jemandem (den »Wir« bzw. »Ihr«) ist. Mit diesen Ausdrücken wird engste Gemeinschaft ausgedrückt, wie ja auch schon im Prolog des Briefes κοινωνία (1,3) als Ziel genannt ist. 364 Allerdings ist die 360 Beim Begriff »Bühne« unterscheide ich nicht zwischen antikem und modernem Theater. Das Bild der Bühne dient, da 1 Joh sowieso nicht als Theaterstück geschrieben ist, ausschließlich der Bewusstmachung der Raum-Metaphern, die 1 Joh verwendet. 361 S CHWANKL , Licht, 341. 362 Ebd., 342. 363 Vgl. S CHOLTISSEK , B ERGER , S CHNACKENBURG , K LAUCK . 364 Vgl. S CHOLTISSEK , Sprache, 347. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 91 Sprache der Immanenz nicht auf das Verhältnis von Menschen zu Gott beschränkt. Vielmehr geht es zunächst bei den »raumsemantischen Präpositionen« 365 »in«, »aus«, »heraus«, »hinein« um die Beschreibung unterschiedlicher Ebenen und Binnenräume, zwischen denen Austausch herrscht. 366 Es ist dabei zu unterscheiden, welche der im Hintergrund stehenden »Großmächte« jeweils die Gewalt über einen solchen Raum hat und wie stark der jeweilige Binnenraum abgesichert ist vor einer »feindlichen Übernahme« durch die andere Seite. Das wiederum ist verkoppelt mit der Frage, »woher« oder »woraus« man seine Identität und Stärke schöpft und welche der beiden Mächte »in« jemandem ist. »Das räumliche Denken dieser johanneischen Sprachfiguren [sc. reziproker Immanenz v.H.] erkennt und beschreibt die ›Außen‹wie die ›Innensteuerung‹ der Menschen. Heilsbzw. Unheilsmächte, gute oder böse Kraftfelder bestimmen den Menschen von außen wie von innen. Beide Perspektiven werden nicht streng voneinander abgekoppelt. Gerade die im Corpus Johanneum breit ausgeführte Lichtmetaphorik erlaubt die Verwendung des ›Lichtes‹ (bzw. der ›Finsternis‹) sowohl als den Menschen von außen bestimmenden Heilsraum als auch für die den Menschen von innen bestimmende Heilskraft.« 367 Die »Bühne« ist sozusagen nicht als einheitliche Ebene vorzustellen, sondern ist in sich mehrfach gegliedert. Vom Raum der »Welt« gehen zwei Übergänge in die auf einer anderen Ebene liegenden Räume von Gott (Licht, Liebe, Leben) und Teufel (Finsternis, Hass, Tod). Diese dahinterliegenden Räume sind nur ansatzweise sichtbar. Im Blick steht hauptsächlich die »Welt« als Hauptraum. Innerhalb der Welt treten als Akteure Menschen auf, die in ihrem Handeln die beiden dahinter liegenden Räume repräsentieren. Insofern kommen sie »aus« diesen, so wie Diplomaten aus einem Land kommen und dieses in einem anderen repräsentieren. In anderer Weise wird derselbe Sachverhalt durch den Begriff der Kindschaft ausgedrückt oder durch die Bewertung, jemand sei »aus Gott« »geboren«. Auch die Bewegung vom Bereich des Todes in das Licht hinein oder vom Bereich des Teufels oder Gottes in die Welt hinein wird beschrieben. Zugleich sind die handelnden Personen auch selber »Binnenräume« für die wirksamen Mächte Licht und Finsternis bzw. Gott und Teufel. Daher kann gesagt werden, dass »in« ihnen Licht oder Finsternis »ist« oder »bleibt«. Während die Person also auf der Bühne der Welt agiert, ist in ihr selbst das Licht oder die Finsternis gegenwärtig. In der Sprache politischer Diplomatie könnte man den Vergleich wählen, dass Licht, bzw. Finsternis durch einen als Schutzbrief und Bevollmächtigung wirkenden Diplomatenpass »mitreisen«. Umgekehrt sagt 1 Joh, dass derselbe Mensch, der als Weltbewohner sichtbar ist, »im« Licht oder »in« der Finsternis »ist«, »bleibt« oder »wandelt«, so als ob der jeweilige Auftritt von einer bestimmten Beleuchtungsregie begleitet würde und also der hinter 365 S CHWANKL , Licht, 342. 366 Vgl. die Übersicht zum Kommen Christi und des Antichristen in Welt und Fleisch s.u. 146. 367 S CHOLTISSEK , K., Sprache, 367. 92 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« dem Raum der Welt liegende Bereich von Licht oder Finsternis auf diese Weise in den Raum der Welt hineingreift. Der Raum der Welt repräsentiert mitsamt seinen Bewohnern die sichtbare Hauptbühne. Anders als die auf anderer Ebene dahinterliegenden antipodischen Bereiche von Licht und Finsternis steht er selber für keine Macht, obwohl Mächte in ihm wirksam sind. Das Interesse Gottes an diesem Raum und seinen Bewohnern wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Welt »liebt« und daher seinen Sohn zur Rettung sendet. Rettung ist auch dringend nötig, da die »Welt« »im Bösen«, d.h. im Machtbereich des Teufels liegt. Obwohl die »Welt« aus Sicht Gottes also offenbar nicht nur »interessant«, sondern wirklich so wichtig ist, so sehr »geliebt« wird, dass er seinen Sohn »schickt«, ist die Welt aber doch kein neutraler Raum (wie man es von der Schweiz sagt), sondern selber wie ein Satellitenstaat vom Machtbereich des »Bösen« vereinnahmt. Eine dritte Option zwischen Licht und Finsternis, die lauten könnte, sich »nach der Welt zu richten« gibt es als Wahlmöglichkeit und eigenen Wert nicht. Das zeigt sich auch darin, dass die »Welt« vergänglich ist, im Gegensatz zu Gott, und damit die Kräfte von Tod und Teufel in ihr wirksam sind, wie beispielsweise an den »Begierden« des Fleisches und der Augen und in kraftmeierischer Prahlerei zu sehen ist. Die damit verbundene Warnung lautet also, dass wer »nur« »in der Welt« ist, ein »Kind der Welt« ist, der Macht des Todes und des Teufels ausgeliefert ist, weil er nicht zum Macht- und Schutzbereich des Lebens gehört. 2.5.5.3 Metaphern des Botenrechts Die von mir stillschweigend in den letzten Absätzen eingeführten metaphorischen Ausdrücke aus dem Bereich staatlicher Machtpolitik und zwischenstaatlicher Diplomatie sind m.E. gut geeignet, die in 1 Joh verwendete Szenerie zu beschreiben. 368 Denn 1 Joh weist eine ganze Reihe von semantischen Übereinstimmungen mit der Sprache des antiken Gesandtschafts- und Staatsrechts auf, die kaum zufällig sein dürften. Für das Johannesevangelium ist dieser »politische« Hintergrund schon lange bekannt. 369 Allgemein gilt: Die Vorstellung des kommenden Gottesboten ist gestaltet nach dem Bild des menschlichen Gesandten im zwischenstaatlichen Austausch. 370 »Der Bote im Altertum, der Nachricht vom Sendenden zum Empfänger übermittelt, durchläuft einen Weg, der drei Stationen umfasst: die Aussendung durch den Nachrichtengeber, die Durchführung des Auftrags beim Adressaten und die Rückkehr. Bei der Aussendung des Boten wird ihm vom Auftraggeber die Nachricht, die er zu überbringen hat, vorgesprochen oder, wenn es um die Durchführung einer Handlung 368 Vgl. B ERGER , Kommentar, 971, der in 2 Joh 7-9 »Wesentliches zur johanneischen Gesandtenchristologie« sieht: »Wer den Sohn ablehnt, lehnt auch den Vater ab. Das Grundschema ist: Wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat; wer mich sieht, sieht den Vater usw. - Denn der Gesandte trägt etwas von dem Sendenden in sich«. 369 Für das Johannesevangelium hat dies ausführlich J.A. B ÜHNER dargestellt: DERS . Der Gesandte und sein Weg im 4. Evangelium. Die kultur- und religionsgeschichtlichen Grundlagen der johanneischen Sendungschristologie sowie ihre traditionsgeschichtliche Entwicklung, Tübingen 1977 (WUNT 2,2). 370 B ÜHNER , 118-122. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 93 geht, diese in Bezug auf den Willen des Sendenden erklärt. (...) Von der Ausführung ist nur soviel zu sagen, dass sie Gehorsamstat ist und nur in bezug auf den Willen des Sendenden gedeckt ist. (...) Dass der Bote normalerweise zu dem, der ihn gesandt hat, zurückkehrt, hat zwei unterscheidbare Gründe. Einer besteht in der Tatsache, dass der Bote häufig Sklave des Sendenden ist, seine Rückkehr also unabhängig von seinem speziellen Auftrag in seiner Zugehörigkeit zum Haus und zum Herrn begründet ist.« 371 »Als zweiter Grund für die Rückkehr des Boten zum Sendenden ist seine Pflicht zur Überbringung einer Rückantwort bzw. zum Bericht über das, was er getan hat, zu nennen.« 372 Mit diesen grundsätzlichen Bemerkungen zum Botschaftsrecht des Alten Orients ist für unsere Fragestellung ein weiterer Verstehenshintergrund dafür gewonnen, warum in 1 Joh vom »Kommen«, vom »Kommen in«, von »Botschaft« und von »Geboten, die gegeben sind« die Rede ist sowie in 2,1 von Christus, der jetzt beim Vater präsent ist. Diese im johanneischen Denken strukturierend präsenten Kategorien von Sendendem, Gesandten, Botschaft, Weg des Gesandten und Rückkehr des Gesandten erzwingen auch eine besondere Benennung des Auftritts des Gesandten. Dieser kann innerhalb der dargestellten Metaphorik nicht einfach als Mensch geboren und dann nur irgendwie »mental inspiriert« sein, sondern sein Auftritt muss als Kommen aus dem Macht- und Wirkungsbereich des Sendenden beschrieben werden. Seine Rückkehr muss ebenfalls zugleich räumlich vorzustellen sein. Damit ist eine Begründung dafür gegeben, warum wir hier überhaupt eine »räumliche Kulisse« innerhalb des »dualistischen Dramas« haben. Zugleich ist ein Hinweis dafür gegeben, dass die Formulierung ἐν σαρκὶ ἐληλυθότα (im Fleisch gekommen) in diesem Zusammenhang sinnvoll und nötig ist. Gleiches gilt für die Beschreibung des Kommens des Antichrists (4,3), der ebenso angekommen ist und nun ἐν τῷ κόσμῳ (in der Welt) als Bote, Repräsentant und Handelnder der Gegenmacht präsent ist. Fragt man nach der textpragmatischen Funktion dieser Metaphern für den Text und das Verhältnis zwischen Autor und Adressaten, ist es offensichtlich so, dass der Verfasser die angeschriebenen Menschen mit dieser Szenerie über das aufklären will, was sie in der Vergangenheit schon erlebt haben, was ganz aktuell ihre Erfahrungen prägt und was für die Zukunft von ihnen erhofft oder befürchtet wird. Diese Erfahrungen, Erlebnisse, Befürchtungen, Ängste und Hoffnungen sollen im Rahmen des dualistischen »Dramas« eingeordnet und grundsätzlich gedeutet werden. Die gegenwärtigen und früheren Erfahrungen scheinen die von Liebe, Leben, Gemeinschaft, Freude, Salbung, Wissen und Geist zu sein. Sie beinhalten auf jeden Fall im Rückblick »Übergangserfahrungen«, die man auch als »Konversion« bezeichnen kann. 371 B ÜHNER , 123-124. 372 B ÜHNER , 127. 94 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« Andererseits gibt es die Erfahrung von Sünde, speziell und vor allem offensichtlich ganz aktuell die Erfahrung von Lieblosigkeit, Abwendung von der Gemeinschaft, Leugnung des offenbar ehemals gemeinsamen Bekenntnisses zu Jesus als dem Messias, dem Sohn Gottes, dem Retter. Diese Ereignisse wirken gemeinschaftsgefährdend bzw. gemeinschaftszerstörend. All diese Erfahrungen bekommen einen Sinn, wenn sie im »dualistischen Drama« eingeordnet sind; die Raummetaphorik und die Metaphorik des antiken Gesandtenrechts bieten dem Verfasser das Mittel, die Handlungen Gottes und das Auftreten des Gesandten bzw. des Widersachers zu »inszenieren«. 2.5.6 Ergebnis: Der Erfahrungsraum des dualistischen Dramas 1 Joh ist als ein Drama zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gott und Teufel konzipiert. 373 Die Akteure handeln auf der sichtbaren Bühne der Wirklichkeit. Die wirksamen Kräfte des Kampfes aber stehen hinter der Bühne und sind dem ersten Blick verborgen. 374 Wer die Spannung zwischen diesen beiden polaren »Mächten« in 1 Joh verstehen, also gerade die »Gegnertexte« richtig erfassen will, muss diese längs zum Text laufende dualistische Grundstruktur wahrnehmen. Der Dualismus zwischen Licht und Finsternis hängt nicht in »luftleerem Raum«, sondern hat einen deutlichen Sitz im Leben. Die eigenen Erfahrungen des Verfassers und der Adressaten sprechen deutlich davon. In und an sich selbst erfahren sie diese Mächte und den damit verbundenen Kampf. Sie selbst (ἐν ἡμῖν bzw. ἐν ὑμῖν) sind als Menschen ebenso Schauplatz des Kampfes, wie die ganze Welt es ist. Es ist nicht nur wichtig, über die in uns und in der Welt wirksamen Mächte aufgeklärt zu sein, sondern auch, sich selbst aktiv zu beteiligen, nämlich dadurch, dass dem Zugriff der Gegenseite mit seinen Verlockungen, die in der weltlichen und menschlich-fleischlichen Natur des Menschen ihren Ansatzpunkt finden, nicht stattgegeben wird. Es geht darum, diese Anfechtungen zu »besiegen«. Wer seinen Standpunkt »in Gott« behält, »in dem« »bleibt« auch Gott. Mit Formeln gegenseitiger Immanenz wird die absolute Zugehörigkeit ausgedrückt. Umgekehrt wird am Tun und Bekennen des Menschen deutlich, »aus« welchem Geist, von welcher Macht her er handelt, aus welchem der beiden Machtbereiche er seine wahre Identität bezieht. Die wahre Identität eines Menschen wird so nach und nach offenbar. Die eigene Identität ist schon durch die Bezeichnung »Kinder Gottes« geklärt, aber es ist noch nicht offenbar, was noch kommt. Die Identität derer, die die Gemeinschaft abgebrochen haben, ist umgekehrt offenbar geworden. Obwohl der äußere Anschein dagegen sprach, gehörten sie längst in den Machtbereich der Gegenseite, waren schon längst »Kinder des Teufels«. 373 Vgl. S CHWANKL , Licht. S CHWANKL führt diese These im Schlussteil seiner Arbeit ein (S. 330-361). 374 S CHOLTISSEK , S PRACHE , 345, führt als die dualen Oppositionen von Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge usw. als »bestimmende Einfluß- und Machtsphären« an. 2.5 Erfahrungen des Verfassers und seiner Adressaten 95 Zur Beschreibung des dramatischen Geschehens, in das die angesprochene Gemeinschaft mitsamt dem Autor des Briefes verwickelt ist, gehören also zwei Ebenen und mehrere Handlungsabfolgen: - Die Ebene der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes und des Teufels ist die der bestimmenden Mächte. Es geht um Licht und Finsternis und um Leben und Tod. - Auf der Ebene der sichtbaren Welt wird der der Streit ausgetragen. Die beiden bestimmenden Mächte wirken auf diese Ebene unterschiedlich ein, die in 1 Joh im Wesentlichen »Welt« (κόσμος) genannt wird, wozu aber auch die Menschen (wir ihr) mit ihrer menschlichen, fleischlichen Begierde gehören (ἐπιθυμία τῆς σαρκός). - Zeitlich ist zu unterscheiden zwischen dem, was schon geschehen ist, was gerade in mehreren Zügen geschieht und dem, was noch kommen wird. - Was geschieht aktuell? Verwirrung durch widerstreitende Erfahrungen und Meinungen: Zu den negativen Erfahrungen gehört die nicht aufhörende Neigung zur Sünde und die Auflösung der Gemeinschaft, die als Liebesmangel und Hass gekennzeichnet und erfahren wird. Dazu oder daraus folgend kommt die Ansicht Einiger, der Sohn Gottes sei eben offenbar noch nicht erschienen, Jesus Christus sei nicht im Bereich von Welt und Fleisch wirksam, also letztlich auch nicht der Messias. - Dagegen stehen das Chrisma, die Salbung, die eine derartige Belehrung überflüssig macht, die Erfahrung wirklicher Sündenwegnahme durch Christi Einstehen für den Sünder vor Gott, das Vertrauen auf wirksames Gebet und auf die in den Mitgliedern der Gemeinschaft wirksame Liebe Gottes. Sie ist stark, weil sie nicht Menschenwerk ist, sondern hervorgerufen wurde dadurch, dass Gott »uns« zuerst geliebt hat. - Handfest wird die aktuelle Krise durch Auftreten von Gestalten, die entweder falsche Lehre verbreiten (Jesus ist nicht Christus oder Sohn Gottes, er ist nicht in und an unserer menschlichen Wirklichkeit wirksam), oder die geradezu selber Antichristen bzw. Gegen-Messiasse sind. - Diese gegenwärtige Erfahrung gehört zu der erwartbaren und längst erwarteten, endzeitlichen Abfolge des Geschehens. Vor dem endgültigen Offenbarwerden dessen, was noch aussteht, wird der endzeitliche Widersacher in der Welt auftreten und wirksam werden. Es geht also in der Jetztzeit um Beständigkeit, um Bleiben bei dem, was schon geschehen ist, um Standfestigkeit gegen Verwirrung, um Liebe statt Abfall. Es geht auch um Gewissheit und Sicherheit im Bekenntnis. - Was noch sein wird? Darüber spekuliert 1 Joh verhältnismäßig wenig. Klar ist nur, dass das Licht über die Finsternis siegt, die Liebe über den Hass, die Kinder Gottes Gott gleich sein werden und ihn sehen, wie er ist. Die Hoffnung auf vollkommene Freiheit zu Gott hin (παρρησία) steht noch aus, wird sich aber erfüllen. 96 B. 2 Der sogenannte »Erste Johannesbrief« 2.5.7 Vorhang auf für den im Fleisch erscheinenden Retter 3 7 5 Wir haben uns angenähert an die Pragmatik des Textes und ihre grundlegenden Metaphern. Wagen wir es nun, eine »Übersetzung« in freiere Predigtsprache zu unternehmen: Wir haben wie in einem »Trailer« eine Vorschau des Stückes gesehen. Wir sind eingestimmt. Jetzt ist es Zeit, die Bühne freizugeben für den Auftritt der Hauptperson. Es erscheint: in Farbe, in HD- und 3D-Qualität, live und zum Anfassen, sichtbar und hörbar in quadrofonem Dolby-Surround-Sound auf allen Kanälen für alle, die an ihn glauben, präsent, wirklich und unüberbietbar: Jesus Christus, der Sohn Gottes, »im Fleisch gekommen«, der Bote des Vaters! Er ist der Überbringer einer unglaublichen, lichtvollen und lebenschaffenden Botschaft (1 Joh 1,5), er bringt die entscheidende Hilfe gegen die Gegenmacht des Teufels. Also: Bühne frei, Vorhang auf. Hier ist er: Jesus Christus! 375 Dieser Absatz hat keine argumentative, sondern eine demonstrative Funktion. Er nutzt die Sprache der modernen Bühnenpräsentation, der Ansage eines Auftritts. Es wird deutlich, dass die Metaphorik des »im Fleisch Gekommenseins« innerhalb dieser Sprachwelt, die wie gezeigt werden konnte im Text selbst vorliegt, sinnvoll ist. Die Realität und Unüberbietbarkeit des Auftretenden gehört dabei zum Duktus der Ankündigung bzw. Darstellung des Auftritts. Innerhalb einer solchen Präsentation ist sie normal und weist nicht auf die Infragestellung der Realität des Auftretenden hin, wohl aber auf die Absicherung seiner »Präsenz« im Sinne von »Wirksamkeit«. Die von mir hier zur Verdeutlichung gewählte Ankündigung eines Bühnenauftritts entspricht zwar nicht dem Duktus von 1 Joh, denn dort wird kein Auftritt angekündigt. Dort begegnet das Nachdenken über den schon geschehenen Auftritt, das sich sprachlich anders präsentiert. Dennoch ist es sinnvoll, probehalber einen solchen Versuch der Übersetzung zu unternehmen. Er zeigt, dass innerhalb der gewählten Metaphorik und Pragmatik die Aussage des »im Fleisch Gekommenseins« sinnvoll ist. Ein weiterer Hinweis: Die digitale, elektronische Darstellung von Wirklichkeit unserer Tage lebt davon, dass sie »die Wirklichkeit ins Haus holt«. Noch stärker als in der Welt der Technik, geht es aber in Schule, Jugendarbeit und Gemeindepädagogik um »authentische Erfahrungen«, Erfahrungen, die »echt« sind. Die Suche nach Echtheit, also nach »Berührtwerden«, ist geradezu typisch. Ist das so viel anders als die Frage danach, ob Jesus Christus wirklich »da« war? 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 97 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Zielsetzung und Übersicht Weder in 1 Joh 4 noch in den signalgebenden Stellen am Anfang und Schluss des Textes gibt es Hinweise auf Doketismus. Auch die Auseinandersetzung in 1 Joh 2,18-27 weist auf anderes hin. a) Die in 1 Joh 1 behauptete Augenzeugenschaft des Verfassers ist ernstzunehmen. 1 Joh bezieht sich auf den epiphanialen Auftritt des göttlichen Lebens und Lichts im Menschen Jesus (3.1). b) Die Warnung, mit der 1 Joh schließt, nicht ins Heidentum abzufallen, ist innerhalb des Frühjudentums mehrfach belegt. Sie gilt auch für innerjüdische Abspaltungen vom »rechten Glauben«. Die Warnung macht deutlich, worum es hier geht: Wer ohne Jesus an Gott glauben will, ist längst (aus dem Judentum) ins Heidentum abgerutscht (3.2). c) Der grundlegende pneumatische Dualismus des 1 Joh wird, wie die Untersuchung von 1 Joh 2 zeigt, berührt, wenn es um das »Bekennen« des (mit Geist gesalbten) Messias geht. Entweder hat jemand das richtige Bekenntnis und damit den richtigen Geist, oder das falsche Bekenntnis zeigt auch den falschen Geist (3.4). d) Die Ergebnisse von 1 Joh 2 werden in 1 Joh 3,23-4,16 anhand der Verben des Erkennens und Bekennens fortgeführt und bestätigt. Es geht daher grundlegend um die Auseinandersetzung mit gegnerischen »Propheten« bzw. um falsches Bekenntnis, das als Falschprophetie gewertet wird. Im Rahmen des 1 Joh gedacht: Auf der Bühne der Welt agieren unterschiedliche Kräfte, deren Verhältnis zueinander pneumatisch geklärt wird (3.6). e) Der Auftritt Jesu Christi »im Fleisch« ist als Gegenvorstellung zu den »in der Welt« auftretenden Falschpropheten konstruiert. Diese verlieren dadurch an Gewicht, dass ihr Auftritt und ihre Leugnung des wahren Bekenntnisses im Rahmen eines apokalyptischen Szenarios erwartbar waren. Zudem ist der Auftritt Jesu »im Fleisch« zusätzlich noch einmal näher »am Menschen« als die Falschpropheten. Das, was Jesus betrifft, wird als wesentlicher und grundlegender empfunden als der »falsche Geist« der Gegner (3.7). f) Die Untersuchung der Vorstellungen von »Welt« und »Fleisch« sowie vom »Kommen« Gottes bzw. seines Gesandten sowie ein Blick auf die Tempel- Christologie des Johannesevangeliums zeigen abschließend den »Ort« der Inkarnationsvorstellung bei 1 Joh an (3.8-3.10). Es geht um die Wirksamkeit und die Legitimität Christi, die in Frage gestellt sind. Die Behauptung, Jesus sei »im Fleisch« gekommen, impliziert messianisches Wirken. Genau das ist umstritten. 1 Joh tritt in diesen Streit ein. Doketismus oder Antidoketismus begegnen dabei nirgends (3.11). 98 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3.1 »Wir haben ihn gesehen! Und berührt! » 1 Joh 1,1-4 Das bisher eingeführte Bühnenmotiv lässt nach dem Auftritt der Hauptperson fragen. Der »Held des Stückes« ist Jesus Christus. Sein erstes Erscheinen wird gleich zu Anfang geschildert. Sein Auftritt wird als Augenzeugenbericht präsentiert; die Aufregung und die Freude, vielleicht aber auch die Unsicherheit über das eigene Erleben kann man dem stotternden Sprachstil entnehmen. Zu entscheiden ist allerdings, was es ist, das in Form eines Augenzeugenberichtes wiedergegeben wird. 376 Was hat der Autor mit seinen »wir« erlebt? Ist es ein Erlebnis innerhalb der Gemeinde? Geht es um eine mystische Erfahrung, etwa beim Abendmahl, also um »spirituelles Erleben« in der Gemeinschaft der Christen? 377 Oder geht es, wie wir hier vorschlagen, um eine Beschreibung des Auftritts des aus Nazareth stammenden Juden namens Jesus? In beiden Fällen muss man einiges erklären; im letzten Fall vor allem: Wie kann man so über Jesus sprechen? Wie sind vor allem die Relativpartikel, die eindeutig nicht auf einen Menschen gemünzt sind, zu deuten? 1 Joh 1,1-5: (1) »Was von Anfang an war (Ὃ ἦν ἀπ᾿ ἀρχῆς), was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet und was unsere Hände berührt haben vom Wort 378 des Lebens (ὃ ἀκηκόαμεν, ὃ ἑωράκαμεν τοῖς ὀφθαλμοῖς ἡμῶν, ὃ ἐθεασάμεθα καὶ αἱ χεῖρες ἡμῶν ἐψηλάφησαν περὶ τοῦ λόγου τῆς ζωῆς): (2) Das Leben ist erschienen (ἐφανερώθη)! Wir haben es gesehen! Wir bezeugen es! Wir verkündigen euch das Leben, das ewige, welches zuerst beim Vater war und uns 376 Zum Thema der Augenzeugenschaft vergleiche grundsätzlich B ARTH , M., Der Augenzeuge. Eine Untersuchung über die Wahrnehmung des Menschensohnes durch die Apostel, Zollikon/ Zürich 1946. B ARTH untersucht, ausgehend von 1 Joh 1,1-3, die Rolle des Sehens, Hörens, Anfassens Jesu durch die Apostel. Typisch für die in den neutestamentlichen Schriften widergespiegelte Erfahrung mit Jesus sei neben dem Hören und dem gemeinsamen Essen das Sehen (»das sichtbare Heil«) und die «Heiligung durch die Berührung«; auch das Gesundwerden durch eine Berührung Jesu gehört dazu. Augenzeugenschaft bedeutet demnach mehr als nur etwas gesehen oder gehört zu haben: »Durch die Berührung gibt Jesus gleichzeitig Anteil an dem, was er selber ist und hat. Die Berührung durch Jesus Christus, den Heiligen Gottes, hat die Folge der Segnung, Heilung, Errettung und Tröstung des berührten Menschen. Jesu Berührung ist eine ebenso geheimnisvolle wie unübersehbare Verkündigung der Messianität Jesu. (...) Unter dem Zeichen der Berührung vollzieht sich die Aussonderung des berührten Menschen, seine Heiligung und Heilung. Der Mensch bekommt Anteil an Jesu eigenem Wesen und an seiner eigenen Kraft« (ebd., 240). 377 S CHNACKENBURG , Johannesbriefe, 53: »Der streng realistischen Auffassung, die den Nachdruck auf einen historischen Konnex der hier Sprechenden mit Christus legt, steht entgegen, dass es dem Verf. nicht auf das Geschichtliche als solches ankommt, sondern auf das in ein irdisches Gewand gehüllte Göttliche (...). Dieses wird aber trotz aller Sichtbarmachung in ‹Zeichen› (...) doch nur dem Glaubenden fassbar. Ein vorwiegend geschichtliches Interesse an Augenzeugen (...) liegt in 1 Joh nicht vor, vielmehr ein religiöses Interesse.« Schon Didymus, der Blinde, gab in seinem Kommentar zu 1 Joh als »tieferen Sinn« des Augenzeugenberichtes an, dass es darum geht, mit dem Wort des Lebens richtig umzugehen (vgl. ACCS zur Stelle). 378 Zum Thema Logos: K ÜGLER , König, S. 37-71: Jesus als Logos, Logos als königl. Sohn, Logos als Sohn im Schoß des Vaters. K ÜGLER zeigt, wieso Menschen oder abstrakte Personen im Umfeld der Philosophie Philos als göttlich verstanden werden konnten (z.B. S. 160): »Wenn man nun die Überlegungen Philos in Beziehung zum johanneischen Prolog setzt, so kann man sagen: Der Sprachgebrauch, der im johanneischen Text praktiziert wird, wird von Philo theoretisch geklärt. Die philonischen Überlegungen bilden für diesen einen passenden kulturellen Wissenshintergrund. Macht man sich klar, wie eng die johanneische Logoschristologie mit der Logosspekulation der hellenistisch-jüdischen Weisheitstheologie zusammenhängt, so erscheint es geradezu als unabweisbar, die philonische Unterscheidung von θεός mit oder ohne Artikel als Erklärung für den johanneischen Sprachgebrauch zu verstehen.« 3.1 »Wir haben ihn gesehen! Und berührt! » 1 Joh 1,1-4 99 erschienen ist -; (3) Was wir (also) gesehen haben und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt. Die Gemeinschaft aber mit uns ist eine mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus. (4) Und dieses schreiben wir euch, damit eure Freude vollendet wird. (5) Und dieses ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht (ἡ ἀγγελία ἣν ἀκηκόαμεν ἀπ᾿ αὐτοῦ καὶ ἀναγγέλλομεν ὑμῖν, ὅτι ὁ θεὸς φῶς ἐστιν) und Finsternis in ihm gibt es nicht.« 379 Stotternd vor Schreck, stammelnd vor Freude? Der Stil der wie ein Proömium konstruierten 380 Einleitung wirkt verworren; die Zeiten der Verben wechseln einander ab, 381 die Sätze und Teilsätze wirken wenig geordnet. 382 Die sprachliche und inhaltliche Nähe zum Prolog des Evangeliums in Joh 1 sind unübersehbar. Neben vielen anderen Übereinstimmungen ist beiden Texten auch die späte Einführung des Namens »Jesus Christus« (1 Joh 1,3; Joh 1,17) gemein. 383 Irritierend ist der Beginn mit dem neutrischen Pronomen ὃ. Das Relativpronomen ὃ, das in V.1 viermal wiederkehrt und zugleich mehrfach als Subjekt des (Teil-)Satzes fungiert, bezieht sich »in Wahrheit auf nichts anderes (...) als das von dem Verfasser bezeugte Christusgeschehen.« 384 Mit »Christusgeschehen« ist hier gemeint, dass in Jesus der Logos Gottes und die lebenspendende Schöpfungsmacht Gottes »greifbar« wird. 385 Einfacher gesagt: Das Relativpronomen bezieht sich ja zunächst auch gar nicht auf eine Person, sondern auf »das Wort« und »das Leben« sowie auf das, was »von Anfang an« war. Es ist daher sachlich richtig, ein neutrisches Relativpronomen zu verwenden. Fragen wir, was denn »von Anfang an« war, gibt es zwei Möglichkeiten. Einmal: Der Anfang der Geschichte Jesu oder der Kirche ist gemeint. Dafür spräche, dass der Verfasser in Anspruch nimmt, das, was von Anfang an war, gesehen, gehört und berührt zu haben. 386 Die andere Möglichkeit dessen, was mit »von Anfang an« gemeint war, ist: die Schöpfung. Diese Vermutung legt sich deswegen nahe, weil die Stichworte »Anfang«, »Wort« und »Leben« auf Gen 1 passen. 379 Eine schöne Übersetzung bietet die Neue Genfer Übersetzung (NGÜ) für die ersten beiden Verse: »Von allem Anfang an war es da; wir haben es gehört und mit eigenen Augen gesehen, wir haben es angeschaut und mit unseren Händen berührt - das Wort des Lebens. Ja, das Leben ist erschienen; das können wir bezeugen.« 380 P OPKES , Polemik, 333. 381 Übersicht über Tempusgebrauch in 1,1-4 liefert S TRECKER , Johannesbriefe, 61. 382 K LAUCK , Johannesbrief, 54 spricht von einem »einzigen überladenen Satz mit ineinander verschachtelten Teilen und mehreren Wiederholungen. Seine Syntax ist alles andere als durchsichtig.«Vgl. auch S TRECKER , Johannesbriefe, 55f. 383 Vgl. die Synopse beider Prologe bei K LAUCK , Johannesbriefe 56f. Die letztgenannte Aussage stammt dorther, S. 57. 384 S TRECKER , Johannesbriefe 58. 385 Ein »nur« spirituelles Verständnis oder ein kirchlich orientiertes »Wir«, das sich gegen die Gnostiker richtet, wie es z.B. von B ULTMANN erwogen wurde (vgl. S. 87), wird in den Kommentaren vor allem dann vermutet, wenn eine Erklärung benötigt wird für die traditionell späte Datierung der Schrift, die eine so direkte Augenzeugenschaft als Widerspruch erscheinen lässt. Ein Musterbeispiel dieser Haltung bietet K LAUCK . 386 K LAUCK , Johannesbrief, 54, spricht von johanneischer Sondersprache, die öfter ein unpersönliches Pronomen einsetzt, wo Personen gemeint sind. 100 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Nimmt man noch den Prolog des Evangeliums hinzu, 387 fällt auf: Dort werden Leben und Licht miteinander identifiziert (1,4). Der Anfang, der dort beschrieben ist, in dem das Wort (Logos) wirkt, ist die Schöpfung. Dieses lebenschaffende Schöpfungswort ist das Licht der Welt, das in die Welt kommt. In 1 Joh 1,1-5 kann man diese Dinge »mithören«, muss aber bedenken, dass die Darstellung des Briefes selbst doch zunächst den Beginn der Ereignisse beschreibt, mit denen der Glaube an Christus beginnt: sein Auftritt und seine Verkündigung. 388 Man kann festhalten, dass in Joh 1 das Schwergewicht auf dem Logos liegt, der als Wahrheit und Licht in die Welt kommt und Mensch wird (das Thema ist also: Christologie); während in 1 Joh 1,1-5 das Schwergewicht auf dem Leben liegt, das erschienen ist. Das Thema ist daher hier, weil Leben im Brief der Sünde entgegengesetzt wird, zunächst die Soteriologie. Da Licht und Leben zugleich Kennzeichen der Gemeinschaft (1 Joh 1,3.6; vgl. Wortfeldtabelle 1,6) sind, 389 geht es zugleich um das Feld der Ekklesiologie. 390 Die Augenzeugenschaft ist zudem deswegen ekklesiologisch wichtig, weil so Gemeinschaft bzw. Glaubwürdigkeit geschaffen wird. In diesem Zusammenhang fällt das Stichwort κοινωνία. Die »Wir« ist nicht als Pluralis Majestatis und nicht »kommunikativ« zu verstehen. κοινωνία als Gruppe ist zu vergleichen mit dem »Wir« von Joh 1,14; 21,24. Wenn hier die Sprache holpert und stolpert, dann mag das daran liegen, dass das, was der Verfasser zu sagen hat und was er als Erfahrung legitimierend anführt, ein Offenbarungserlebnis ist. Man denke hierbei beispielsweise an die Verklärung Jesu bei den Synoptikern (Mt 17 par), an das gar nicht so unähnlich immer wieder im Johannesevangelium geschilderte Auftreten Jesu 391 und auch an die macht- und eindrucksvollen Erscheinungen des Auferstandenen, die für Frauen, für die Apostel von Petrus bis Paulus und auch für andere Zeugen (z.B. Stephanus) immer wieder geschildert wird. 387 Dass 1 Joh 1,1-4 »in deutlicher Anlehnung an den Evangeliumsprolog« gestaltet sei (U EBELE , Verführer, 125), wie vor allem die ältere Forschung annimmt, ist von neueren Ansätzen bei S TRECKER , S CHNELLE , B ERGER und anderen in Frage gestellt worden, da eher das Evangelium offene Fragen von 1 Joh kläre als umgekehrt. 388 Dies muss festgestellt werden; denn letztlich wissen wir nicht, in welchem Verhältnis Brief und Evangelium zueinander stehen. Ist 1 Joh vor dem Evangelium geschrieben worden (S CHNELLE , B ERGER ) oder nicht? 389 1 Joh 1,7: Das Wandeln im Licht wird mit der Gemeinschaft untereinander gleichgesetzt. 390 »Ekklesiologie« meint hier das Themenfeld der christlichen Gemeinschaft. Eine »Kirche« als abgegrenzte Gemeinschaft ist ja offenbar erst im Entstehen. Vgl. Iren.haer. 5,27,2: »Aber die Gemeinschaft Gottes ist Leben und Licht (κοινωνία δὲ θεοῦ, ζωὴ καὶ φῶς) und freudiger Genuss (aller) seiner Wohltaten«. 391 Dies war für K ÄSEMANN Anlass, die johanneischen Schriften als Zeugen eines frühen Doketismus zu lesen (s.o. 31ff). 3.1 »Wir haben ihn gesehen! Und berührt! » 1 Joh 1,1-4 101 3.1.1 Die Funktion der Augenzeugenschaft: Legitimierung und Impuls Warum bezieht sich der Verfasser auf diese »epiphanen« 392 Erfahrungen mit Jesus? Die von ihm massiv nach vorne geschobene Augenzeugenschaft 393 hat einerseits einen den Verfasser legitimierenden Charakter. 394 Es geht um Autoritätsbegründung aufgrund von Augenzeugenschaft. 395 Für unsere Fragestellung nach dem Bekenntnis zum »Fleisch des Messias« in 4,2f bedeutet das: Das, was vermeintlich zwischen den Gegnern und dem Autor umstritten ist und worüber die angeschriebene Gruppe verunsichert ist, nämlich die Menschlichkeit Jesu, wird hier in einer ausgesprochen deutlichen Weise zur Legitimierung des Verfassers benutzt. Das aber kann nicht funktionieren: Wenn ich mich legitimieren will, dann nicht mit einem Verweis auf etwas, was vollständig fraglich ist. Sondern: Die Legitimierung erfolgt immer mit einem Verweis auf etwas, das bei den Adressaten vertrauenswürdig und unumstritten ist. 396 Wenn der Verfasser sich mit dem Hinweis auf Augenzeugenschaft legitimiert, dann kann die Augenzeugenschaft selbst nicht umstritten sein. 397 Dann kann allerdings auch die Menschlichkeit Jesu selbst kaum in demselben Zusammenhang umstritten sein. 398 392 »Epiphan« meint, dass am Menschen Jesus offenbarendes Wirken Gottes wahrgenommen wird. 393 K LAUCK , Johannesbrief, 75: Augenzeugenschaft anzunehmen ist »konservativ«. Die Versuche bei W INDISCH , (Johannesbrief, 108), H OLTZMANN , (Briefe), D ODD , (Epistles, 13ff), die genannte Augenzeugenschaft anders zu erklären, überzeugen K LAUCK , nicht. Ähnlich W EIGANDT , Doketismus, 104: »Derjenige, der diesen Satz schrieb, verstand sich als Augen- und Ohrenzeuge des irdischen, des historischen, des wirklichen Jesus Christus.« Es gehe darum, die umstrittene Menschheit Jesu zu verteidigen. U EBELE , Verführer, 125: »in den Eingangsversen des 1 Joh und damit an exponierter Stelle (...) in Anspruch genommene Augen- und Ohrenzeugenschaft.« 394 K LAUCK , H.-J., Johannesbrief, 76: »Es führt kein Weg an dem Urteil vorbei: Wer so spricht, wie es in 1Joh 1,1-4 geschieht, nimmt eine direkte Augenzeugenschaft in Anspruch«. Die Legitimierung des Verfassers durch (behauptete) Augenzeugenschaft sehen auch: S CHUNACK , Briefe 8f; W ENGST , Brief, 28ff (der Verf. will den Augenschein erwecken, mit dem Autor des Johannesevangeliums identisch zu sein). S CHNACKENBURG , Johannesbriefe, 56, stellt fest, dass der Autor »zu einem Kreis berufener und qualifizierter Zeugen gerechnet werden will, der die unmittelbare geschichtliche Nähe des inkarnierten Gottessohnes erfuhr.« - Im Vergleich mit 2 Petr 1,16-18 erklärt K LAUCK den 1 Joh (ebenfalls) zu einem pseudepigraphen Schriftstück späterer Zeit. Ähnlich W ENGST , Brief, 28. Der Autor habe sich zudem »als verantwortliches Mitglied der johanneischen Schule« gesehen »und daraus die Berechtigung für sein Vorgehen« bezogen. K LAUCK diskutiert, ob man »plural propheticus sprechen sollte«. (Ebd. 76f). 395 Das Motiv der Legitimierung des Glaubens durch Augenzeugenberichte taucht auch in Joh 20, 29-31 auf. Die Legitimität des Paulus steht umgekehrt immer wieder negativ auf dem Prüfstand, weil er in früherer Zeit die Gemeinde verfolgt hat - und vor allem -, weil er nicht zu den ältesten und »echten« Augenzeugen gehört (Auseinandersetzung in Korinth; vgl. auch Gal 1f). 396 Vgl. 1 Kor 9,1. Paulus fragt: »Bin ich nicht frei? Bin ich nicht Apostel? Habe ich nicht Jesus, den Herrn, gesehen? « Vgl. 1 Kor 15,8 und das dabei wohl zugrundeliegende Ereignis, das in Apg 9,3-5.15 als initiierende Berufung und damit grundlegende Legitimierung für das Wirken Pauli gelten kann. Vgl. die Legitimierung Jesajas (Jes 6) durch sein Berufungserlebnis, das mit Hören und Sehen und dem Vergehen derselben zu tun hatte; ähnlich Paulus. Auch das Thema der Empfehlungsschreiben im paulinischen Umfeld gehört in diesen Zusammenhang. 397 B ERGER , Theologiegeschichte, 725, spricht von einem besonderen Modell von Augenzeugenschaft, das den Autor des Johannesevangeliums inspiriert habe, das Evangelium zu verfassen. 398 Dagegen folgert U EBELE , Verführer, 127: »Es geht somit wie bereits in 1 Joh 4,2 und 2 Joh 7 um die wirkliche Fleischlichkeit Jesu Christi. Für die Gegner kann Jesus Christus als der göttliche Erlöser keinerlei Verbindung, auch keine temporäre (etwa von der Taufe bis zur Passion), mit dem Fleisch, mit der Materie eingehen, und somit bekennen sie nur einen Geist-Christus«. Allerdings muss U EBELE sich dafür a) auf andere Textstellen in 1 Joh und b) damit gleichzeitig auf die für diese Stellen von ihm eingetragenen doketistischen Vorstellungen aus völlig anderen Texten verlassen. 102 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Auch die zweite Erwähnung von Augenzeugenschaft in 1 Joh stützt diese Annahme: 1 Joh 4,14: καὶ ἡμεῖς τεθεάμεθα καὶ μαρτυροῦμεν ὅτι ὁ πατὴρ ἀπέσταλκεν τὸν υἱὸν σωτῆρα τοῦ κόσμου. »Und wir haben gesehen und verkünden, dass der Vater den Sohn als Retter der Welt gesandt hat.« Auch in 4,14 geht es darum, dass aus dem Sehen die Verkündigung erwächst. Die Augenzeugenschaft wird also zum Anlass der Verkündigung. Für eine vorgespielte Augenzeugenschaft gibt es keinen textlichen Anhalt. Die Legitimierung bezieht sich auf die Autorität, die dem Verfasser durch seine Augenzeugenschaft zuwächst, und gibt ihm den entscheidenden »Vorsprung« an Erfahrung und Erkenntnis vor seinen Adressaten. Andererseits geht es bei der Erwähnung der Augenzeugenschaft nicht nur um Legitimation, sondern um ein Motiv, das klassisch mit dem Wortfeld des Sehens und Hörens zusammenhängt. 399 Offenbar ist das Hören und Sehen in epiphanen Zusammenhängen Impulsgeber für Affekte wie Freude und Jubel und für eine damit ausgelöste Verkündigung. Apg 4,20f »Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben. (...) Alle lobten Gott für das, was geschehen war« (οὐ δυνάμεθα γὰρ ἡμεῖς ἃ εἴδαμεν καὶ ἠκούσαμεν μὴ λαλεῖν). Petrus und Paulus berufen sich hier fast mit identischen Worten wie 1 Joh 1,1-4 auf das, »was« sie »gesehen und gehört« haben. Sie haben Erfolg und werden freigelassen. Am Ende steht das Lob Gottes. Ganz ähnlich ist die Aussage von den Hirten in der Geburtsgeschichte Jesu bei Lukas. 400 Wo einerseits die Impulse von Freude, Gotteslob und Verkündigung als Wirkung eines epiphanen, offenbarenden Erlebnisses genannt werden, ist andererseits auch erst einmal ein Zum-Glauben-Kommen als Effekt des Sehens möglich. 401 Insbesondere in den johanneischen Schriften spielen Glauben und Sehen eine besondere Rolle. 402 399 Vgl. die Spalten 4.10.11 in der Wortfeldtabelle im Anhang. 400 »Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.« 401 Vgl. Mt 21,32 (ὑμεῖς δὲ ἰδόντες οὐδὲ μετεμελήθητε ὕστερον τοῦ πιστεῦσαι αὐτῷ); Mk 15,32 (καταβάτω νῦν ἀπὸ τοῦ σταυροῦ, ἵνα ἴδωμεν καὶ πιστεύσωμεν); Joh 4,48 (ἐὰν μὴ σημεῖα καὶ τέρατα ἴδητε, οὐ μὴ πιστεύσητε); 6,30 (τί οὖν ποιεῖς σὺ σημεῖον, ἵνα ἴδωμεν καὶ πιστεύσωμέν σοι); 6,36 (ἑωράκατέ [με] καὶ οὐ πιστεύετε), 20,8 (ὁ ἄλλος μαθητὴς ὁ ἐλθὼν πρῶτος εἰς τὸ μνημεῖον καὶ εἶδεν καὶ ἐπίστευσεν); 20,29 (ὅτι ἑώρακάς με πεπίστευκας; μακάριοι οἱ μὴ ἰδόντες καὶ πιστεύσαντες.); 1 Petr 1,8 (ὃν οὐκ ἰδόντες ἀγαπᾶτε, εἰς ὃν ἄρτι μὴ ὁρῶντες πιστεύοντες). 402 B ARTH , Artikel πίστις, EWNT 3, 216-233, hier 226f: »In der joh Theologie hat πιστεύω (...) zentrale Bedeutung. (...) Jesu σημεῖα führen zum Glauben oder sollten doch zum Glauben führen (2,11.23; 4,53; 7,31; 11,15.42.45; 12,37; 20,31; nach 10,25.37f; 14,11 sollten es Jesu ἔργα).« - »Dass der Glaube an das Wort Jesu oder das Zeugnis von Jesus gebunden ist, wird wiederholt betont (1,7; 4,39.41f.50; 5,24.47; 8,30f; 17,20; vgl. 10,3.16.27; 18,37). Andererseits gibt es ein gläubiges Sehen oder Sehen des Glaubens, für das die Wunder Jesu zu Zeichen für die Gabe werden, die Jesus eigentlich bringt. So werden 6,40 Sehen und Glauben miteinander verbunden, in 12,44f völlig parallelgebraucht, wird 1,14.50f; 14,19; 16,16 einfach vom Sehen gesprochen, wo es deutlich um einen Vorgang des Glaubens geht. Dabei kommt zum Ausdruck, dass zur Struktur des Glaubens ein Erkennen und Wissen gehört«. 3.1 »Wir haben ihn gesehen! Und berührt! » 1 Joh 1,1-4 103 Gegenstand der legitimierenden und zugleich impulsgebenden Augenzeugenschaft ist das »Wort des Lebens« (V 1) bzw. das »(ewige) Leben« (V 2), das sehbar, hörbar und betastbar dargestellt wird wie eine Person. 403 Nicht nur im Johannesevangelium werden Jesus und »Logos« bzw. »Leben« identifiziert oder verknüpft (Joh 1; 12,25; 14,6 u.ö.), sondern auch in 1 Joh (5,11-13). Ziel der Verkündigung dieses personhaften Wortes ist »Gemeinschaft« - (V 3) bzw. Freude (V 4). Damit sind schon im Prolog die drei wichtigen Bezugspunkte angesprochen, die den ganzen Brief bestimmen: die Frage, wie sich das »Wort des Lebens« (in seiner behaupteten Greifbarkeit) zur Gemeinschaft und zu deren Heil verhält: Die Verkündigung des Lebens/ Sohnes schafft Gemeinschaft unter den Glaubenden (Absender und Adressaten) und zwischen ihnen und dem »Vater« und »Sohn«. Diese Gemeinschaft bedeutet Freude/ Segen. 1 Joh 1,5 erläutert den Inhalt der Verkündigung, die im Brief in einem Satz entfaltet werden soll. Gott ist Licht 404 und steht gegen alle Finsternis. 405 Dieser wohl bei Freunden und Gegnern des Verfassers allgemein zustimmungsfähige Satz wird in V 6-10 in fünf Bedingungssätzen auf seine Konsequenzen überprüft. 406 Der Begriff der Botschaft (ἀγγελία), die von Jesus stammt (1,5), wird verändert in 2,25 aufgenommen als Verheißung, die von Jesus stammt (ἐπαγγελία). Inhalt der Verheißung ist das ewige Leben. So ist also das Leben Inhalt der Verheißung, das Licht Inhalt der Botschaft. Und man mag fragen, ob beides nicht synonym oder zumindest teilsynonym zu verstehen ist. 3.1.2 Wortfelder in 1 Joh 1,1-5 Betrachten wir die Wortfeldtabelle zu 1 Joh, fällt auf, dass im Prolog - und in den folgenden Versen von Kapitel 1 auffällig oft von Licht und Finsternis die Rede ist, ebenso vom (ewigen) Leben. Während mit den Worten »Licht« und »Finsternis« der dualistische Rahmen (ein Teil der Bühne) gesetzt ist und im weiteren Durchgang diese Begriffe nicht wieder auftauchen, erscheint das Wort »Leben« noch dreimal in der Mitte des Briefes und dann geballt in Kapitel 5 zum Schluss. Während also Licht und Finsternis den Rahmen abgeben, in dem das Drama spielt, ist »Licht« andererseits Thema der Botschaft Jesus und »Leben« das Thema, auf das der Verfasser am Ende zielt (zugleich Inhalt der Verheißung Jesu). 407 403 Vgl. Joh 1; 20f; Lk 24; Mt 28; 1 Kor 15; Gal 1 aber auch Spr 1,20ff; 8,1ff. 404 Die Aussage, dass Gott Licht ist, gibt ein Motiv wieder, das ebenso bei Philo auftaucht (somn. 1,75: ὁ θεὸς φῶς ἐστι (»Gott ist Licht«), was dort begründet wird mit einem Zitat aus Ps 26,1 (LXX): κύριος γὰρ φωτισμός μου καὶ σωτήρ μου (»denn der Herr ist mein Licht und mein Retter«). 405 Vgl. zeitgenössisch-jüdische Schriften aus Qumran wie 1QM (1,1: »Söhne des Lichtes« stehen im Kampf gegen »Söhne der Finsternis«). Gemeint ist (nicht nur) Apokalyptisch-Realistisches, sondern auch eine »geistliche Frage«. Vgl. auch 1QS (z.B. 1QS 2,16; 3,13 und öfter). 406 Der folgende Abschnitt 1 Joh 1,6-10 wird unten, S. 183 näher betrachtet. 407 Licht und Leben als Motive zu verknüpfen und mit Gott zu identifizieren, ist im frühen Christentum nicht singulär (geblieben): Beleg: die altkirchlich häufig belegte Verknüpfung von ΦΩΣ und ΖΩΗ als Kreuz (vgl. P ETERSON , Εἵς θεός, 37-40). - Vgl. auch Corpus Hermeticum 13,9: »Zu der Wahrheit kam das Gute hinzu, zusammen mit Leben und Licht« (B ERGER / C OLPE , 315, Nr. 602). 104 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Mit den Themen Licht und Finsternis ist zugleich das Thema »Sehen«, »Hören« und »Verkündigen« verknüpft. Das Wort »Verkündigung« begegnet dann noch einmal in 3,1, das »Sehen und Hören« begegnet in dieser Verkündigung bewirkenden Funktion nur hier. Auch das Wort »Gemeinschaft« begegnet nur hier, wird aber durch die Formeln der gegenseitigen Immanenz und das Motiv der geschwisterlichen Liebe immer wieder aufgenommen. Die in 1 Joh 1,1-5 zweimal gewählte Anrede Gottes als «Vater« (einmal »Gott«) wird schwerpunktmäßig in 1 Joh 2 aufgenommen. Der implizit enthaltene Begriff »Sohn« begegnet in 1,3.7 und dann in 2,22-24, wo das Bekenntnis zu Jesus dem Sohn als Bekenntnis zu Gott dem Vater bestimmt wird. In 4,14 wird dies bezogen auf das in 4,2f geforderte Bekenntnis wiederholt. So verwundert es nicht, dass Jesus in 1,1-5 nicht nur als »Jesus Christus«, sondern auch als »Sohn« (und als »Wort«) bezeichnet wird. Genau diese Kombination bestimmt auch die Argumentation in 1,6-10. Der Sohnbegriff dominiert dann im Übrigen im Gesamtbrief, mit deutlichem Schwerpunkt auf dem Ende, so dass deutlich wird, es geht im ersten Johannesbrief insgesamt um den »Sohn Gottes«. Dass er der Gesalbte ist, scheint demgegenüber eine zusätzliche Bestimmung zu sein. Eine Dominanz des Christus-Begriffs kann man nur in 3,23-4,6 erkennen sowie in 1 Joh 2,22, wo Christus als Bekenntnis gefordert wird. 3.1.3 Ergebnisse 1. Der Auftritt Christi auf der Bühne des Geschehens wird so eingeführt, dass der Verfasser des Briefes als Augenzeuge vorgestellt wird. 2. Seine Augenzeugenschaft vermittelt das, wovon er berichtet. 3. Zugleich legitimiert die Augenzeugenschaft den Autor. 4. Sie gibt den entscheidenden Impuls zu glauben und zu verkündigen. 5. Damit ist das Anfangsgeschehen des Christseins und Christwerdens angesprochen: die Verkündigung und das Erleben des irdischen Jesus in epiphanen Ereignissen, in denen Jesus »durchsichtig für Gott« wird. 6. Zugleich ist damit ausgesagt: Der, mit dem wir es hier zu tun haben, hat mit dem Anfang der Welt zu tun; mit Gottes Schöpfungswort, mit seiner Lebensenergie (»das Leben ist erschienen ...«). 7. Als Grundaussage Jesu wird ein Wort über das Licht referiert (1,5 vgl. Mt 5,14; EvThom 24; Joh 3,19; 9,5; 8,12). 8. Licht und Finsternis geben den Rahmen »des Stückes«, zugleich ist »Licht« signalhaft zu Anfang als Inhalt der Botschaft Jesu gesetzt. 9. »Leben« als Korrelationsbegriff zu »Licht« prägt den 1 Joh schon vorher: Denn das Leben ist erschienen. Die Licht-Botschaft geht also von dem erschienenen Leben aus. 10. Es geht damit um das verheißene ewige Leben im Licht (Rettung; Soteriologie). Es legt sich nahe angesichts der Diskussion in 1,6-10 hier ein Thema zu sehen, dass die Auseinandersetzung mit den Gegnern prägt. 11. Das Thema der Gemeinschaft (bleiben, In-sein) hängt mit der Frage von Licht und Leben zusammen, es wird schon hier angesprochen (Ekklesiologie). 12. Gott gilt vorrangig als »Vater«, Christus vorrangig als »Sohn«. 3.2 Lesesignale zum Schluss 105 13. Da der Sohn zugleich der »Gesandte« des Vaters in die Welt ist (4,14), ist damit auch ein Rahmen für das Verständnis von 1 Joh 4,2f gesetzt. 3.2 Lesesignale zum Schluss 3.2.1 Das Wichtigste zum Schluss noch einmal zusammengefasst Der Schlussteil eines Textes bildet gemeinsam mit dem Anfang den Verständnisrahmen. Während der Anfang wichtige Lesesignale »für unterwegs« liefert, hat der Autor im Schlussteil die Möglichkeit noch einmal zu präzisieren, zuzuspitzen und »die Moral von der Geschicht’« explizit zu nennen. Damit gibt der Schlussteil häufig noch einmal eine »Auflösung« von bisher offengebliebenen Fragen - oder er animiert mit einer Anschlussfrage zum Weiterdenken. Vieles davon kann man im Schlussteil von 1 Joh (5,4-21) wiedererkennen. 408 Im Folgenden beschränken wir uns auf einige zentrale Sätze des zweibzw. dreigeteilten Schlussteils. Wir übergehen den ersten Schlussteil und beschränken uns nur auf dessen Schluss-Satz (5,12). Dann überspringen wir die in V. 16-18 ausgebreitete Frage der Sünde inklusive der neuartigen Unterscheidung zwischen »Sünde zum Tode« und »Sünde nicht zum Tode«. Ziel hier ist, den Abschluss in seiner pragmatischen Funktion für den ganzen Text zu lesen, ihn insbesondere für den Auftakt in 1,1-5 transparent zu machen und etwas über die Rolle Jesu als Christus und Gottessohn zu erfahren. 3.2.1.1 Leben gibt es nur bei Jesus (1 Joh 5,12f) Der »erste« Abschluss ist in 5,12 erreicht: 1 Joh 5,12: »Wer den Sohn hat, der hat das Leben (ὁ ἔχων τὸν υἱὸν ἔχει τὴν ζωήν); wer den Sohn Gottes nicht hat, hat auch das Leben nicht.« Der Schluss endet dort, wo der Anfang angefangen hatte: beim Leben, das erschienen ist (1,2), das er, Jesus, auch als Verheißung verkündet hatte (2,25). Die Frage, ob das Leben, das ewig ist, eine Realität für die Adressaten und ihre »Verwirrer« ist, war auch in 3,14f diskutiert worden und prägt nun den ganzen Schlussteil (5,11-20). Jetzt geht es um das »Haben« des Sohnes bzw. des Lebens, d.h. um den festen, beständigen Kontakt zu ihm. 1 Joh 5,13: »Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr dem Namen des Sohnes Gottes glaubt« (τοῖς πιστεύουσιν εἰς τὸ ὄνομα τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ). 409 Auch der Beginn des zweiten Schlussteils bezieht sich auf den Anfang, wo es geheißen hatte, dass »wir schreiben, damit unsere Freude vollkommen sei« (1,4), was im Verlauf des Stückes immer wieder eingespielt wurde: »wir schreiben 408 Ein detaillierter Überblick mit Analyse und Parallelen bei T. G RIFFITH , Idols, 58-89; 192-201. 409 Ein Vergleich mit dem Evangelium zeigt eine verblüffende Übereinstimmung mit Joh 20,31: »Diese (Zeichen, die Jesus tat) aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.« - 1 Joh 5,13: »Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.« Die Struktur dabei: a) Dies habe ich/ ist geschrieben; damit ist gegeben: b) Leben, Name, Glaube an den c) Sohn Gottes. 106 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias euch«, »ich habe euch geschrieben« (2,1.7.8.12-14.21.26). Der Autor rekapituliert immer wieder: Ich suche eure Nähe, ich nehme Kontakt auf, ich schreibe euch, um ..., um zu bestärken gegen Sünde und Hilfe zu geben zum Durchhalten in schwieriger Zeit. Jetzt in der Schlussbetrachtung geht es um die finale Bestätigung: »Ihr habt doch längst ewiges Leben! « Das kann man daran sehen, dass »ihr dem Namen des Sohnes Gottes glaubt«. 410 Der Name des Gottessohnes wird in 3,23 als »Jesus Christus« geführt. Der Name »Jesus Christus« also ist es, der zur Sündenvergebung hilft (vgl. 2,12) 411 und der gleichzeitig dem, der an diesen Namen glaubt, ewiges Leben gibt. »Dem Namen glauben« bedeutet in diesem Zusammenhang, darauf zu vertrauen, dass dies der Name des Gottessohnes ist, der Leben gibt. 3.2.1.2 »Er hört uns« (1 Joh 5,14) 1 Joh 5,14: »Und das ist der Freimut (παρρησία), den wir zu ihm hin haben, dass er hört, worum immer wir unter Berücksichtigung seines Willens bitten« (ἐάν τι αἰτώμεθα κατὰ τὸ θέλημα αὐτοῦ ἀκούει ἡμῶν). Freimut, freier, angstfreier Zugang zu Gott: Das ist die Zusage der Gebetserhörung. Hier begegnet uns das Gegenstück zu Augen- und Ohrenzeugen von 1,1-4: So wie der Verfasser Jesus gesehen und gehört hat, so ist das Verhältnis zu Gott durch Jesus jetzt für die, die glauben: Er hört, wenn die Beter dabei Gottes Willen mit berücksichtigen. Es folgt die Konkretion, worum es geht (5,16-19): Es geht um vergebbare Sünden, die durch Gebet vergeben werden können. Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, soll er für ihn bitten und wird ihm damit helfen, solange es nicht eine Sünde zum Tode ist. 412 3.2.1.3 Die Welt ist des Teufels (1 Joh 5,19) 1 Joh 5,19: »Wir wissen, dass wir aus Gott sind (ἐκ τοῦ θεοῦ ἐσμεν) und die ganze Welt liegt im Bösen« (ὁ κόσμος ὅλος ἐν τῷ πονηρῷ κεῖται). Gott und sein Widersacher werden genannt. Dazwischen liegt die ganze Welt. Der »Böse«ist der Teufel. Auf ihn wird jetzt eine johanneische Immanenzaussage 410 Vgl. G RIFFITH , Idols, 78ff. 411 Damit ist ein aktuelles Problem bzw. eine aktuelle Anfrage der Adressaten angesprochen, die ausführlich noch einmal im Schlussabschnitt des Briefes behandelt wird. 412 Siehe unten S. 214: Die »Sünde zum Tode« ist ein besonderer Topos, der als »unvergebbare Sünde« mit der »Sünde wider den Heiligen Geist« zusammen gesehen werden muss: Mk 3,28f: »Alle Sünden werden den Menschenkindern vergeben, auch die Lästerungen, soviel sie auch lästern. (29) Wer aber etwa über den Heiligen Geist Lästerliches sagt, der wird in Ewigkeit keine Vergebung haben, sondern ist ewiger Sünde schuldig« (ὃς δ᾿ ἂν βλασφημήσῃ εἰς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον, οὐκ ἔχει ἄφεσιν εἰς τὸν αἰῶνα, ἀλλὰ ἔνοχός έστιν αἰωνίου ἁμαρτήματος) und Mt 12,31: »Jede Sünde und jede Lästerung wird den Menschen vergeben, aber die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben.« - Nach Paulus ist nicht vergebbar die Zerstörung der Gemeinde: 1 Kor 3,14-17, insofern die Gemeinde Tempel des Heiligen Geistes ist. Apg 5,3ff: Hananias und Saphira haben den Heiligen Geist belogen und fallen deswegen tot um. - Unvergebbare Sünde hat also jeweils etwas mit dem Heiligen Geist zu tun. Im Einzelnen gibt es unterschiedliche unvergebbare Sünden. Sie sitzen jeweils da, wo der jeweilige theologische Nerv ist. Jedenfalls gilt, dass man den Heiligen Geist nicht beleidigen darf. Das Verhalten zu ihm ist immer mit eschatologischer, direkter Wirkung verbunden. Siehe auch unten S.122f.129f.133ff.214. 3.2 Lesesignale zum Schluss 107 angewandt. Während die angesprochenen Adressaten möglicherweise ein Gewissheitsproblem haben, ob sie wirklich »in Gott« sind und er »in ihnen« samt seinem Geist und seiner Salbung, seinem Samen und seiner Botschaft, seinem Leben, während also die angeschriebene Gemeinschaft offensichtlich mit solchen Gewissheitsfragen kämpft, liegt der Grund dafür ganz sicher darin, dass die ganze Welt »im Bösen liegt«, das heißt: in der Hand des Teufels ist, dem Teufel 413 ausgeliefert ist. Zwei Oppositionen sind hier zu beobachten: Gott und Böser; »wir« und »die ganze Welt«. Dabei sind »wir« ein Teilbereich von der »Welt«. 414 Genauso wie die subjektive Perspektive der Gemeinschaft so den Eindruck haben kann: »Wir sind umzingelt von einer Übermacht des Bösen«, so gibt es umgekehrt eine Asymmetrie der Macht auf der Ebene der herrschenden Kräfte. Denn obwohl »der Böse« die ganze Welt in der Hand hält, sind doch die letztlich bestimmenden Mächte anders gewichtet, denn der Teufel ist kein gleichwertiger Gegner Gottes; seine Macht ist zeitlich begrenzt, wenngleich allerdings durchaus wirksam. 415 3.2.1.4 »Das Kommen des Sohnes setzt uns ein Licht auf« (1 Joh 5,20) 1 Joh 5,20: »Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns Einsicht gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen, das heißt in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahre Gott und ewiges Leben (οὗτός ἐστιν ὁ ἀληθινὸς θεὸς καὶ ζωὴ αἰώνιος)«. Auf das Stichwort der dem Teufel ausgelieferten Welt folgt in V. 20 sofort wieder das Gekommensein des Gottessohnes. Der hat die Erkenntnis des Wahrhaftigen, also seiner selbst gebracht. Da Gleiches durch Gleiches erkannt wird, ist die Aussage sinnvoll. Wie die Welt in der Hand des Bösen ist, sind die, die den Gottessohn erkennen, in seiner, des Wahrhaftigen, Hand. Die Spitzenaussage, dass Jesus Gott ist, wie in Joh 1,1.18 und beim Thomasbekenntnis (»Mein Herr und mein Gott! «), ist in Joh 20,28 sowie in IgnEph 7,2; 18,2 und an verschiedenen weiteren Stellen der frühchristlichen Literatur 413 Die Übersetzung der Lutherbibel (die Welt liegt im Argen) suggeriert hier, dass die Welt »krank« oder »schlecht« ist. πονηρός kann zwar auch arg, übel, schlecht heißen. Mit bestimmtem Artikel und in Opposition zu θεός kann eigentlich nur der Widersacher Gottes, der Teufel, gemeint sein. Vgl. den folgenden Vers, wo ό ἀληθινός Jesus bezeichnet. Die Bezeichnung einer Person durch ein substantiviertes Adjektiv mit bestimmtem Artikel stellt in 1 Joh durchaus ein Stilmittel dar. 414 Genau so verhält es sich mit der Welt, in die der Antichrist in 1 Joh 4,2ff kommt, gegenüber dem Fleisch, in dem oder in das der Sohn Gottes gekommen ist. Auch das Fleisch Christi ist ein Teilbereich der Welt. 415 1 Joh 2,17: »Die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.« Der Teufel hält zwar die Welt in der Hand, aber »die Welt ist nicht genug«, sie ist nicht alles, vor allem ist sie begrenzt und sterblich. Ewigkeit, Beständigkeit u. Leben gibt es nur bei Gott. 108 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias belegt. 416 Gemeint ist hier die Transparenz Jesu für Gott, die ja auch schon in 1 Joh 1,1f angebahnt ist: »Begegnet (...) der Glaubende der Wirklichkeit Gottes nicht anders als durch Christus, dann besteht die Gleichung ›Jesus Christus = wahrer Gott und ewiges Leben‹ zu Recht.« 417 3.2.1.5 »Kinderchen, hütet euch! « (1 Joh 5,21) 418 1 Joh 5,21: »Kinderchen, hütet euch vor den Götzenbildern« (Τεκνία, φυλάξατε ἑαυτὰ ἀπὸ τῶν εἰδώλων). »Kinderchen«, so hatte der Verf. innerhalb des Briefes die Adressaten zwar mehrfach angeredet. Hier am Schluss kommt die Anrede dennoch überraschend. Es ist eine typisch weisheitliche Mahnung, die diese »lehrerhafte« Anrede pflegt. 419 Die Warnung vor den Götzenbildern ist vor allem deswegen überraschend, weil überhaupt nicht von Götzendienst oder Heidentum die Rede war. Sollten also unsere Überlegungen über eine Situierung des Briefes innerhalb des Judentums völlig fehlgegangen sein? Dagegen spricht: - Formal ist der Schlusssatz als Peroratio zu werten. 420 In der Peroratio wird oft das Wichtigste gesagt; entweder zum ersten Mal oder als Zusammenfassung. Inhaltlich mahnen solche brieflichen Schlussparänesen im Neuen Testament zu Wachsamkeit oder zum Gebet, nennen häufig Werke, warnen davor, nachzulassen, enthalten häufig Verheißungen und enthalten oft pauschale All-Aussagen. - Die Warnung vor dem Abfall ins Heidentum erfolgt direkt nachdem endgültig festgestellt worden ist, dass Jesus Christus »Gott« ist, d.h. ein besonderes Code-Wort für den Zugang zu Gott darstellt (5,20). Nur wer Jesus Christus als Sohn Gottes anerkennt und ernstnimmt, hat ewiges Leben. - Die Warnung vor den Götzenbildern ist innerhalb des Judentums und des Christentums sinnvoll. Andere Kulte haben kein Problem mit Kultbildern. 416 Z.B.: TestAd 2,1: »Adam sprach zu seinem Sohne Seth: ‹Du weißt, mein Sohn Seth, dass Gott vom Himmel auf die Erde am Ende der Zeiten herabsteigen wird, dass er aus einer Jungfrau geboren wird, sich mit einem Körper bekleidet, wie ein Mensch zur Welt kommt, aufwächst wie ein gewöhnliches Kind (...). 4 Er war es, der Messias, der mir im Paradiese sagte: Du hast von der Frucht genommen, die den Tod in sich barg›« (AJS). Gott und Jesus werden identifiziert, bzw. Jesus wird Gott genannt (vgl. TestXII). Ähnlich auch die Stelle aus dem »Leben Johannes des Täufers« in der ApkPetr 2 (arab.), B ERGER , K., Welt und Wüste, 103: »In jenen Tagen kam der Heiland von Galiläa an den Jordan und sagte zu ihm: ‹Taufe mich! › Als Johannes sah, dass Gott vor ihm stand ...«. Etwas anders dagegen EvPhil 20 (B/ N): »›Christus› umfasst alles: Mensch, Engel, Geheimnis und Vater«. - Es geht hier möglicherweise um erste theologische Spekulationen über das, was später die Zwei-Naturen-Lehre wurde: Verschiedene Aspekte und Aussagen, die einander eigentlich widersprechen, werden doch auf Jesus angewandt, ohne allerdings genau die Bedingungen zu nennen, unter denen sie gelten. - Die hier aufgeführten Stellen unterscheiden sich allerdings von den beiden johanneischen darin, dass in den johanneischen Schriften viel deutlicher die Brückenfunktion Jesu (Weg, Tür, Weinstock), d.h. seine Funktion als Bindeglied zwischen Gott und Mensch herausgestellt wird. So wird Jesus transparent für den in ihm »wohnenden« oder »in ihm begegnenden« Gott. - Vgl. auch die Diskussion zu Ignatius (Anhang: S. 487ff). 417 S TRECKER , G., Johannesbriefe, 309. 418 Lit.: S TEGEMANN , Kindlein, 291f; G RIFFITH , Idols, 12-57; H ILLS , Children, 285ff; S CHNELLE , Johannesbriefe 184f. 419 Vgl. G RIFFITH , Idols, 58-73. 420 B ERGER , Formgeschichte, 141f, über briefliche Schlussparänesen im Neuen Testament: »Diese Paränesen haben innerhalb der Briefe die Funktion der peroratio; sie geben das Wichtigste noch einmal kurz an, wobei auch durchaus die Besonderheit des jeweiligen Briefes ein Stück weit erkennbar wird.« 3.2 Lesesignale zum Schluss 109 - Die Frage ist aber: Ist das Christentum, das hier vor dem Abfall ins Heidentum gewarnt wird, noch innerhalb eines jüdischen Zusammenhangs zu sehen, oder außerhalb? Entweder geht es hier also um Judenchristen, die in Diaspora aufgrund von Opportunismus sich zu den Heiden wenden könnten, oder es geht um Heidenchristen, die vor dem Rückfall ins Heidentum gewarnt werden sollen. Der Schluss ist gerade deswegen interessant, weil von Götzen vorher nicht die Rede war. Man könnte sagen: Wer hier nicht mitmacht, tut Götzendienst! Denn den einzigen wahren und lebendigen Gott findet man in Jesus Christus. Seine Gegenwart aber ist eine der Liebe und Sündenvergebung. Wer aus dieser Liebe herausfällt, indem er hasst, schließt sich aus der Gemeinde aus und tut Götzendienst. Immerhin ist 1 Joh 5,21 nicht so ganz singulär innerhalb von Judentum und Judenchristentum. 421 Die Anrede »Kinderchen« verbunden mit Mahnungen, sich zu hüten, gibt es auch sonst. 422 Auch der Vorwurf, Götzendiener zu sein oder in den Götzendienst abzurutschen, ist gut bekannt; sowohl christlich 423 also auch jüdisch. 424 Bousset betont, im Frühjudentum gelte Götzendienst als ein großes Unrecht, als eine Erfindung Satans (Mastemas) »auch für das palästi- 421 Vgl. D ÖPP , Zerstörung, 122f.299f.: In Offb 11 wird der 2. Tempel so dargestellt, dass man seine Zerstörung mit der dort geschehenen Anbetung in Bezug setzen kann. Diese Anbetung ist aber eine Anbetung auf der Erde, die in strengem Gegensatz zu der himmlischen steht - und die in der Offenbarung des Johannes jedenfalls sonst immer dem Tier gilt. Also ist die Anbetung im existierenden Jerusalemer Tempel als eine falsche, ja götzendienerische zu betrachten und somit Begründung für die erfolgte (oder: zu erwartende, mögliche) Zerstörung des Tempels. D ÖPP , 141ff. 153ff. 196ff. 295: frühjüdische und rabbinische Deutungen des Falls von Jerusalem und Tempel als Antwort auf götzendienerisches Verhalten Israels: ApkAbr; 4.+5. Buch der Sibyllinischen Orakel; Patriarchentestamente: Asser u. Juda; Paralipomena Jeremiae; Neues Jeremia Apocryphon (NJA); kopt. Jeremia Apokryphon (ApokrJer (kopt.)). Bei letzteren Schriften vermutet D ÖPP , die Funktion der Schilderung bestehe darin, die aus Jerusalem und Palästina von Hadrian vertriebenen Juden vor Abfall zu warnen. Vgl. insgesamt G RIFFITH , Idols. 422 VitAdEv, 30: »Also nun, meine Kinderchen (τεκνία μου), ich habe euch die Weise gezeigt, auf die wir getäuscht wurden. Also hütet Euch davor (ὑμεῖς δῷ φυλάξατε ἑαυτοῦς), das Gute außer Acht zu lassen«. Vgl. zur weisheitlichen Sprache Sir 4,23; 11,34; 12,11; 22,15; 32,26; 37,9. Weitere Belege aus biblischem Umfeld, wo weisheitlich zu Achtsamkeit gemahnt wird: 2 Sam 18,12 (LXX); 2 Kön 17,13 (LXX); Weish 1,11; JosAs 7,6; Apg 21,25. Mit προσέχειν formulierend begegnen folgende Stellen: Ex 23,21 (LXX); Dtn 12,30 (LXX); Dtn 23,10 (LXX); Jos 6,18 (LXX); Tob 4,6.13 (»Hüte dich, mein Sohn, vor aller Hurerei« - Hurerei entspricht als metaphorisierter Topos oft dem Götzendienst); Mt 10,17; 16,6.11; Lk 12,1.15; 20,56. Eine ganze Reihe der Belege verbindet das »Hütet euch! « oder »Hüte dich! « mit Anreden wie »Kinder« oder »Sohn«. 423 Barn 4,6-8: Vor allem Barn 6,8: »Da sie sich aber den Götzenbildern zuwandten, verloren sie ihn« (den Bund). Aus der Geschichte des Goldenen Kalbes wird abgeleitet, dass die Juden der Gegenwart Götzendiener seien. Did 3,1.4 warnt vor dem Bösen, wozu auch Götzendienst gehört. Die äthiopische Petrus-Apokalypse (1,6) weist auf den Zusammenhang von mangelndem Christus-Bekenntnis und Götzendienst hin: »Unser Herr antwortete: Gebt acht, dass man euch nicht verführt, dass ihr nicht zweifelt und fremden Göttern dient. (7) Viele werden kommenin meinemNamen und sagen: Ich bin derChristus. Glaubtihnen nichtund gehtnichtzuihnen hin.« 424 In 1QH 4,15.19 wird deutlich, wieso Götzen zusammen mit Gegnern auftauchen können. Die Gegner verfolgen falsche Lehre (Lügenpropheten). Zwar sind sie Juden/ Israeliten (Vers 14: Sie suchen und in der Wahrheit zu stehen ist für sie wichtig) aber sie haben ein geteiltes Herz und stehen nicht fest in der Wahrheit. Das geteilte Herz gibt wiederum Auskunft über die Herkunft der Vorstellung: Es geht um den eifersüchtigen Gott, der nichts neben sich duldet: keine anderen Götter - und hier eben wohl auch keine anderen Wege zu Gott außer dem, den der Beter vorAugen hat. Alles andere istLüge, Falschprophetie und gar Götzendienst.In derZielrichtung des Abfalls vom einzig richtigen Gottesdienst und vom einzig richtigen Anbetungsort kann nur der Abfall in den Götzendienst stehen zumal ja Belial, Teufel, Dämonen und Fremdgötter etwas miteinander zu tun haben und die Welt, in die man abfallenwürde, sowieso(tendenziell)desTeufels ist(solange sie sichnicht zudem einzigwahrenGottbekennt). 110 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias nensische Judentum (Jub 11,3-5), eine Erbschaft der gefallenen aufrührerischen Engel (1Hen 19,1)«. 425 3.2.1.6 »Du Heide! « - Polemik und Paränese im frühen Christentum Dass man sich auch innerhalb des Judentums bzw. frühen Christentums Heidentum vorwerfen kann, zeigen eine Reihe neutestamentlicher Belege: Mt 18,17: Der Bruder, der sich nicht zurechtweisen lässt, wird als Zöllner oder Heide angesehen bzw. betrachtet, behandelt. Obwohl er Jude bzw. Christ ist, soll er als Heide gelten! Mt 6,7: Das Vaterunser wird eingeleitet mit der Aufforderung, nicht zu plappern, wie die Heiden. Der Kontext seit Mt 6,1 spricht davon, dass man sich nicht wie die Heuchler in den Synagogen und auf den Straßen verhalten soll bezüglich Almosen und Beten. Hier ist der Heide wohl ein zugespitztes Bild des gegnerischen synagogalen Juden. Mt 6,32: Da man nicht Gott und dem Mammon dienen kann, soll man sich nicht einmal um das Lebensnotwendige kümmern. Das tun nämlich die Heiden. 6,33: Stattdessen Ausrichtung auf das Reich Gottes, dann kommt auch alles andere. Es geht also darum, bei der Ausrichtung auf das Reich Gottes keine Nebengedanken zu verfolgen. Man soll dieses wirklich an allererste Stelle setzen. Es handelt sich hier um eine Wertfrage, die fast so zugespitzt wie das erste Gebot wirkt. Vergleichbar mit der Sorge um Ansehen ist auch die um Reichtum oder auch nur bloßes Überleben. Dagegen ist alle Konzentration auf das Reich Gottes zu richten. Die, die nicht so handeln, werden einmal als Heuchler, ein andermal als Heiden bezeichnet. Auch hier kommen ganz ungleiche Gruppen in einen Topf. Lk 12,30 antwortet Jesus (Parallele zu Mt 6,32) auf die Bitte eines Menschen aus dem Volk nach den Worten vom Nicht-Sorgen um Reichtum und gar das Lebensnotwendige: »Nach dem allen trachten die Heiden in der Welt; aber der himmlische Vater weiß, dass ihr dessen bedürft.« Wenn schon die bloße Überlebensfrage eine heidnische ist, so sie nicht rein auf Gott gerichtet ist um wie viel mehr muss sich der im Zusammenhang erwähnte »Bruder« mit dem Erbschaftsproblem als ein »Heide« angesprochen fühlen! - Apg 4,25.27: Nachdem die Hohenpriester und Ältesten Petrus und Johannes gehen gelassen haben, erhebt die (judenchristliche) Gemeinde die Stimme zum Gebet und zitiert als Kommentar (! ) des erfolgten Verhörs etc. - Ps. 2,1f: »Warum toben die Heiden« etc. Im deutenden Gebet V. 27-30 werden in einer Reihe genannt: Herodes, Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, die sich gegen Gottes Gesalbten, Jesus, zusammengetan haben. Der Psalm ist eindeutig: Herodes und die Stämme Israels (! ) werden unter die Heiden und Völker subsumiert. Und auch im Deutegebet ist die Situation nicht viel besser: Die heidnischen Völker und die Stämme Israels haben sich ja offenkundig mit den falschen Ordnungsmächten Pilatus und Herodes gegen Gott und Jesus zusammengetan. - Apg 21,21 macht deutlich, dass der Abfall vom Judentum ins Heidentum der Vorwurf gegen Paulus ist. Paulus, der Jude und Pharisäer wird geradezu als Apostat gesehen, der wichtige Abgrenzungskriterien des Judentums über Bord wirft. Das ist allerdings etwas anderes als in Mt, Lk und den vorherigen Stellen der Apg, da dort Heidenmission direkt noch keine Rolle spielte. Immerhin zeigt Apg 21,21, dass auch umgekehrt ein Jude der Nähe zum Heidentum bezichtigt werden konnte. Allerdings spielen Götter hier in der Argumentation keine Rolle, aber Paulus bietet ja auch so genügend Anlass; das jedoch kann man von den Gegnern des 1 Joh nicht sagen. Der Aspekt Heidentum kommt ja erst im letzten Vers in den Blick. - Röm 2,25-29 (bes. 29): Der ist Jude, der inwendig beschnitten ist. Nicht ausgeführter Umkehrschluss: Wer nicht zu Jesus gehört, den Geist nicht hat, ist eben in Wirklichkeit unbeschnitten und somit ein Heide. Vgl. Röm 9,30ff. - Röm 11 zeigt dann, wohin es bei frühen Heidenchristen kommen kann, die sich erhaben fühlen über nichtchristliche Juden. Dagegen muss Paulus sich entschieden wehren. Und das ist auch erst die Frucht längeren Nachdenkens bei ihm! Er schreckt jetzt vor der Konsequenz zurück, alle nichtchristlichen Juden in einen Topf mit den nichtgläubigen Heiden zu werfen. - 1 Kor 12,2: »Als ihr Heiden 425 B OUSSET , W., Religion des Judentums, 305. Dort weiter: »Nach Jub 11,3f. ist Mastema, (...) der Urheber des Götzendienstes, 19,28 verführen die Geister Mastemas zum Götzendienst; vgl. Jub 22,16f. Die Dämonen werden auch bereits den in der Unterwelt wohnenden Seelen der Abgeschiedenen gleichgestellt«. 3.2 Lesesignale zum Schluss 111 wart, zog es euch mit aller Macht zu den stummen Götzen.« Heiden sind eben dadurch gekennzeichnet, dass sie sich zu den »Götzen« wenden. Wenn das eine ganz banale und richtige Gleichung ist, dann liegt in der Konsequenz der obengenannten matthäischen, lukanischen u. zum Teil paulinischen Aussagen die Möglichkeit, Juden die Gefahr des Götzendienstes vorzuhalten. Dieser Gefahr setzen sie sich möglicherweise schon dadurch aus, dass sie zwar irgendwie noch Juden sind, aber eben nicht mehr richtig dazugehören. »Dazu« bedeutet dann jetzt: zu Jesus. Hier ist das richtige Judentum. Nirgends sonst. Die umgekehrte Beobachtung zur Rolle Jesu innerhalb des frühchristlichen und frühjüdischen dualistischen Denkens bestätigt das Beschriebene: »Entweder man akzeptiert den Anspruch Jesu oder man bestreitet, dass er in der Autorität Gottes wirkt, und sieht ihn mit dem Satan im Bunde. Neutralität wäre keine Option.« 426 »Das Abfallen zum Götzendienst ist aus der Sicht des Verfassers die direkte Konsequenz der Ablehnung des christlichen Credos. Denn wenn die Welt in der Hand des Teufels ist, dann ist sie auch voller Götzen. Beides ist identisch. Wer Christus leugnet, dem bleiben nur die Götzen. (...) Daher ist nicht von einer akuten Gefahr in der Gemeinde auszugehen, sondern der Verfasser meint seine Warnung grundsätzlich.« 427 Die Zielgruppe für diese Mahnungen ist daher die Insider-Gruppe der angesprochenen, im Rahmen des Judentums beheimateten johanneischen Christen. 428 3.2.1.7 Schlussfolgerungen aus 1 Joh 5,21 Die überraschende Peroratio bringt auf den Punkt, was der ganze erste Johannesbrief sagt: Es geht beim Bekenntnis zu Jesus um ein grundsätzliches Verhalten zu Gott. Wer Jesus nicht in seiner Rolle als Christus und Sohn Gottes akzeptiert, beleidigt den Heiligen Geist und damit den heiligen Gott selbst. Wer das tut, verfehlt Gott so wie Israel in seinem falschen Kult um das Goldene Kalb. Die Kultverfehlung wird zum Abrutschen ins Heidentum. Die Götzenbilder selbst spielen keine Rolle; die Tatsache allein, dass Religion ohne Gott, den Vater und Schöpfer praktiziert wird, ist Heidentum. Genau das ist bei den Gegnern aus Sicht des 1 Joh der Fall: Weil sie Jesus als den Christus nicht akzeptieren, haben sie keinen Zugang zum Sohn Gottes und damit auch nicht zum Vater, d.h., sie sind ausgeschlossen von der Gottesbeziehung. Sie sind (wie) Heiden. Genau davor werden die Adressaten gewarnt. 3.2.2 Ergebnisse aus 1 Joh 5,12-21 Das Wichtigste kommt zum Schluss: 429 1. »Sohn« ist identisch mit »Leben«. Wer den Sohn nicht hat, hat das Leben nicht. 2. Der Zugang des Augenzeugen, der im Prolog geschildert wurde, zu Jesus gilt auch jetzt für den Beter. Diesmal ist es umgekehrt: Gott bzw. Jesus hört den Beter. 426 S CHRÖTER , Jesus, 151. Man braucht von diesem Gedanken her nur umgedreht zu sagen: Jesus bedeutet Gemeinschaft mit Gott; wer sich gegen Jesus stellt, steht entweder selbst mit dem Teufel im Bunde oder ist eben ein Heide. 427 B ERGER , Kommentar, 969. 428 So das Ergebnis von G RIFFITH , Idols, 56f. 429 G RIFFITH , Idols, 89: »It is literally the last word, and its specific contribution to John’s closural strategy should not be overlooked.« 112 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3. »Die Welt ist des Teufels. Es ist alles verloren.« Die Gegenmacht des Teufels wird als überwältigend erlebt. Die Frage ist, woher hier Hilfe kommen kann, die in der Lage ist einer solchen Übermacht zu widerstehen. 4. Die Antwort auf die teuflische Besetzung der Welt besteht im Kommen des Sohnes Gottes. 5. Sein Kommen bewirkt Erkenntnis Gottes und damit Zugang zu Gott. 6. Es geht dabei um Wahrhaftigkeit, Beständigkeit, Treue. Diese Wahrhaftigkeit kann man insbesondere in Jesus sehen. 7. Daher ist Jesus der einzige Zugang zum Gott; er selbst kann daher »wahrer Gott« genannt werden. 8. Der Schlussakkord (»Kinderchen, hütet euch«) fasst in überraschender Form präzise zusammen, worum es geht: Leben mit Gott oder ohne Gott. Das heißt: Im Glauben stehen oder Heide sein. 9. Der Schlusssatz nimmt damit die Funktion der Peroratio ein, die auch in anderen Texten bekannt ist. Es besteht keinen Grund, sie literarkritisch auszuscheiden. 10. Vielmehr gibt sie Hinweise zum Kontext: Die Warnung vor Abfall ins Heidentum ist jüdisch. Nur Juden und Christen kennen die Unterscheidung zwischen Gottesgemeinde und Heiden. 11. Zudem ist die weisheitliche Sprache (»Kinderchen«, »Hütet euch«) aus frühjüdischer Literatur bekannt. Schließlich werden kommunikative Signale aus dem Vorangegangenen aufgegriffen. 12. Die Warnung vor dem Abfall ins Heidentum ist frühchristlich und frühjüdisch mehrfach belegt, und zwar auch bei Menschen, die gar nicht wirklich in Gefahr stehen, zu paganisieren. 13. Es geht darum, den Glauben an den Gott Israels ernstzunehmen und den einzigen Weg zu ihm zu nutzen. Wer dies nicht tut, lehnt Gott ab und ist daher dann »wie ein Heide«. 3.3 Die Rolle Jesu in den Rahmenstücken: Die bisherigen Ergebnisse 1 Joh vertritt in den die Texterfassung prägenden Rahmenstücken diese Thesen: 1. Außerhalb des Glaubens an Jesus gibt es keinen Zugang zu Israels Gott: Jesus oder Heidentum. 2. Die Welt ist des Teufels, wenn sie nicht auf Jesus hört. D.h.: Die Gegner sind des Teufels. 3. Salbung/ Geist schützt vor dem Teufel und seiner falschen Lehre. 4. Richtiges Bekenntnis und echte Zugehörigkeit sind nur durch den Geist möglich. 5. Geist und Christus gehören zusammen. Man kann ohne Christus nicht Pneumatiker sein. 6. Nur durch Christus gibt es Erkenntnis, Licht und Leben. Er selber ist Erkenntnis, Licht, Leben. 7. Der Verfasser von 1 Joh hat Jesus persönlich erlebt. Seine Legitimität bezieht er aus diesem Erleben. 8. Die stammelnde Rekapitulation der Christusbegegnung entspricht typischem Epiphanieschrecken. 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis 1 Joh 2,18-27 113 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis 1 Joh 2,18-27 Im folgenden Abschnitt setzt sich 1 Joh erstmals explizit mit seinen Gegnern auseinander. Wir erfahren, woher sie stammen (»aus uns« bzw. »aus unserer Mitte«) und was der Streitpunkt ist (Leugnung der Messianität Jesu). Es geht dabei um Fragen der Lehre und der Salbung und von Wahrheit und Lüge. Die Verunsicherung der Adressaten ist mit Händen zu greifen. 1 Joh 2, 18-27: »Kinder, es ist die letzte Stunde (Παιδία, ἐσχάτη ὥρα ἐστίν). Und wie ihr gehört habt, dass ein Gegenchristus kommt, und jetzt sind schon viele Gegenchristusse aufgetreten (ἠκούσατε ὅτι ἀντίχριστος ἔρχεται, καὶ νῦν ἀντίχριστοι πολλοὶ γεγόνασιν), daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist. (19) Aus uns sind sie hervorgegangen, aber sie stammten nicht (wirklich) von uns (ἐξ ἡμῶν ἐξῆλθαν ἀλλ᾿ οὐκ ἦσαν ἐξ ἡμῶν): Wenn sie nämlich (wirklich) von uns gewesen wären, wären sie ja bei uns geblieben; aber an ihnen sollte sichtbar werden: Nicht alle stammen von uns. (20) Und ihr habt die Salbung (χρῖσμα) von dem Heiligen und wisst alles. (21) Nicht habe ich euch geschrieben, weil ihr die Wahrheit nicht kennt, sondern weil ihr sie kennt und weil keine Lüge aus der Wahrheit kommt. (22) Wer ist der Lügner wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist; dieser ist der Gegenchristus, der den Vater und den Sohn leugnet (Τίς ἐστιν ὁ ψεύστης εἰ μὴ ὁ ἀρνούμενος ὅτι Ἰησοῦς οὐκ ἔστιν ὁ χριστός; οὗτός ἐστιν ὁ ἀντίχριστος, ὁ ἀρνούμενος τὸν πατέρα καὶ τὸν υἱόν). (23) Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater (ὁ ἀρνούμενος τὸν υἱὸν οὐδὲ τὸν πατέρα ἔχει, ὁ ὁμολογῶν τὸν υἱὸν καὶ τὸν πατέρα ἔχει). (24) Für euch gilt: Was ihr gehört habt von Anfang an, das bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, werdet auch ihr im Sohn und im Vater bleiben. (25) Und dies ist die Verheißung, die er uns verkündet hat: das ewige Leben. (26) Dieses habe ich euch geschrieben über die, die euch irreführen. (27) Für euch gilt aber: die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, die bleibt in euch. Und ihr habt es nicht nötig, das jemand euch belehrt. Sondern so wie seine Salbung euch über alles belehrt, so ist es auch wahr und ist keine Lüge (ὑμεῖς τὸ χρῖσμα ὃ ἐλάβετε ἀπ᾿ αὐτοῦ, μένει ἐν ὑμῖν καὶ οὐ χρείαν ἔχετε ἵνα τις διδάσκῃ ὑμᾶς, ἀλλ᾿ ὡς τὸ αὐτοῦ χρῖσμα διδάσκει ὑμᾶς περὶ πάντων καὶ ἀληθές ἐστιν καὶ οὐκ ἔστιν ψεῦδος). Und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt in ihm.« 3.4.1 Struktur und Inhalt Mit 2,18 beginnt ein neuer, großer Abschnitt, der bis 3,24 reicht, 430 also direkt bis zum zweiten »Gegnertext«. Allerdings interessiert uns hauptsächlich der erste, bis 2,27 reichende, selbst in sich wieder gut unterteilbare Abschnitt. 430 So übereinstimmend die Kommentare von K LAUCK , S CHNACKENBURG , S CHUNACK , W ENGST , anders S TRECKER , der mit 2,28 einen neuen Hauptteil einsetzen lässt und B EUTLER , der noch einmal anders die Grenzen der Hauptabschnitte setzt. Übereinstimmung herrscht aber allgemein darin, dass 2,18-27 als Einheit zu behandeln sind. - - 114 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Unser Abschnitt beginnt mit einem dramatischen Neueinsatz: Wir befinden uns in einer eschatologischen Situation. Es geht sozusagen um Leben und Tod, um Licht oder Finsternis, um Wahrheit und Lüge, um Christus oder seine Widersacher. Die Gegner der Gemeinde, die die Gemeinde verwirren, sind solche Gegen-Christen (nicht: »der Antichrist«). 3.4.2 Leitworte im Text Unser Abschnitt, den man mit den verschiedenen Vorschlägen der Literatur auch anders unterteilen kann, 431 wird zusammengehalten von folgenden Worten: In der Mitte (2,22) stehen χριστός und ἀντίχριστος. Sie verweisen auf 2,18, wo es als Zeichen der letzten Stunde gilt, dass der bzw. die Antichristen »kommen« bzw. »gekommen« sind. Das »Kommen« in 2,18 ist nicht nur theoretisches Merkmal der »letzten Stunde«, 432 sondern vor allem konkrete Erfahrung: in 2,18.19 sind es die Gegner, die »geworden« oder »gekommen« sind »aus uns« bzw. »aus unserer Mitte«. Daran, dass diese Gegner nicht »geblieben« sind (2,19) ist zu erkennen, dass sie in Wahrheit nie dazugehört haben. Das Stichwort »Bleiben« bezieht sich auf die Gemeinschaft untereinander und die Gemeinschaft mit Gott bzw. Jesus, die unter anderem durch das Bekenntnis hergestellt wird. Diese Gemeinschaft (»Bleiben«; »In-Sein«) ist Thema in 2,24 und 2,27, so dass dieses Thema nach hinten hin eine Klammer bildet. Gehen wir noch einmal von der Mitte des Abschnitts aus: Das Stichwort »Christus« bzw. »Antichristus« bildet zugleich eine Brücke zum Wort »Chrisma« (Salbung). 433 Die einzigartige Erwähnung des Salböls »Chrisma«, das die Grundlage für den Christus-Titel bildet, weist auf die ebenfalls einzigartige Verbindung zwischen den Adressaten und Christus hin, der als »der Heilige« 434 als Geber des Geistes bzw. Chrismas benannt ist. 435 Da es hier weniger um Öl als vielmehr um Geist geht, ist eine Verbindung zu allen weiteren »Pneuma-Stellen« in 431 Vgl. die unterschiedlichen Vorschläge der gängigen Kommentare. 432 Vgl. die kommende bzw. gekommene Stunde Jesu oder des Menschensohns in Mt 24,44; Lk 12,14; Joh 5,25; 16,32; Offb 3,3; 14,7; 18,10. Vgl. auch den Tag des H ERRN : Ps 37,13; Jes 2,12; 13,6; 22,5; 34,5; Ez 7,6-13; 30,3; Joel 1,15; 3,4; Mal 3,2.23; Lk 12,46; Apg 2,20; 1 Thess 5,2.4; 2 Petr 3,12. - Mit der »letzten Stunde« zieht 1 Joh eine eschatologische Perspektive ein, die auch in 1 Joh 4 eine Rolle spielt. In apokalyptischer Sicht können Ereignisse der Gegenwart, die als drängend erlebt werden, in ein größeres Ganzes eingeordnet werden, dessen grundsätzlicher Ablauf bekannt oder zumindest erwartbar ist. Dazu gehört das Auftreten des oder der endzeitlichen Gegner. Dieses Geschehen, so eingeordnet, kann nicht mehr irritieren, sondern bestätigt eher die eigene Haltung. 433 Zum Thema Chrisma s.u. S.192ff. 434 Die Frage, ob hier mit dem »Heiligen« Jesus oder Gott gemeint ist, wird in den Kommentaren vorsichtig diskutiert, um letztlich doch zu dem Schluss zu gelangen, dass wohl Jesus gemeint ist. Der Grund der Unsicherheit liegt darin, dass »der Heilige« sonst eine Bezeichnung Gottes ist, die allerdings offenbar auch auf Jesus übertragen werden kann. Im Zusammenhang ist deutlich, dass er als Geber von Geist und Chrisma mit dem »Heiligen« gemeint ist. 435 Nach den Evangelien ist Christus der einzige Gesalbte; nach 1 Joh sind alle Christen gesalbt. Dabei stammt die Salbung aber vom »Heiligen« (2,20), d.h. von Jesus (vgl. Mk 1,24; Lk 1,35; 4,34; Joh 6,69; Offb 3,7; Apg 4,27.30. Während in den Evangelien nun wiederum nur Jesus »der Heilige« ist, ist die Anrede »Heilige« (Plural) im frühen Christentum weiter verbreitet und hängt wiederum mit dem gemeinsamen Heiligen Geist zusammen (vgl. Eph 1,1.15; Phil 1,1; 4,21; Kol 1,4; Phlm 5; Hebr 3,1; Offb 14,12). 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis - 1 Joh 2,18-27 115 1 Joh gegeben. Die Bezeichnung »Christus« wird also an dieses Motiv besonders gebunden. Mit der Thematik »Salbung« ist die Thematik »Wissen«(2,18.20) 436 und »Wahrheit« (2,21.27) 437 versus »Verwirrung« (2,26), 438 »Leugnung« (2,22), »Lüge« bzw. »Lügner«(2,21.22.27), falsche oder richtige »Lehre« (2,27) verknüpft. Hierhin gehört auch die Aussage, dass das, was die Adressaten »von Anfang an gehört« (2,24) haben, in ihnen bleiben soll. Das Wort »Bekennen« (ὁμολογεῖν) begegnet nicht nur in 2,23, sondern ist auch durch den Gegenbegriff des Leugnens oder Abstreitens (ἀρνεῖσθαι) mit gesetzt. Mit dem Kontext ist unser Abschnitt bestens verknüpft. Besonders deutlich knüpft das ἔγραψα (2,21) wörtlich und inhaltlich an 2,14ff an: »Ich habe euch nicht geschrieben, als ob ihr die Wahrheit nicht kennt« (V21) - »Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennt den Vater« (V14). Die Thematik des Bekennens, des Geistes, des Wissens, der Lehre und des Christus/ Antichristus- Motivs verweist direkt auf 1 Joh 4. 436 Vgl. Wortfeldtabelle 1,2. 437 Damit sind metaphorische Verknüpfungen in den Kontext gegeben: siehe 1,6.8; 2,4.8.; 3,18.19; 4,6; 5,6.20. Vgl. auch Wortfeldtabelle 2 insgesamt. 438 Vgl. 1,8; 3,7. 3.4.3 Ist Jesus der Christus? Welches Verhältnis hat er zu Gott? Die Frage, um die es in 2,22 zunächst geht, ist: Ist Jesus der Christus, oder ist er es nicht? 439 Seine Messianität wird von den Gegnern des Briefes bestritten. 440 Das wiederum ist für den Verfasser des Briefes absurd: Jesus ist für ihn nicht nur der Gesalbte (und wohl Heilige Gottes, vgl. 2,20), sondern er ist auch der Sohn des Vaters. Das ist sicher nicht der Punkt, den die Gegner kritisieren. Sie stören sich am Christus-Begriff. Der ist aber für 1 Joh unlösbar an die Sohn-Metapher geknüpft und damit an das Kindschafts- und Gesandten-Verhältnis Jesu zum himmlischen Vater, der ihn ja als Heiland der Welt gesandt hat (4,14). Wer stört sich in der Antike an der Bezeichnung »Christus«? 441 Die Antwort ist eindeutig: Nur Juden können sich an dieser Bezeichnung stoßen, weil Griechen, Römer und andere Kulturen des Mittelmeer-Raumes und des Nahen Ostens einen solchen Ausdruck entweder gar nicht kennen oder jedenfalls nicht verbinden würden mit Erwartungen einer alles verändernden messianischen Heilsge- 439 W EIGANDT , Doketismus, 104 folgert an dieser Stelle: »Hier wird Jesus von Christus getrennt, wohl auch nicht als Gottessohn angesehen. Diese Anschauung erinnert sehr an die Christologie des Kleinasiaten Kerinth.« Er interpretiert weiter (ebd., 105): »Die Häretiker bekannten wohl Christus, aber nicht Jesus, der für ihr Heil bedeutungslos, gar schädlich war«. Die Interpretation stützt sich auf Vergleiche mit Markion und den Basilidianern. Ähnlich W ENGST , Häresie, 15-17; S CHNELLE , Christologie, 75. - Dagegen meint zu Recht B EUTLER , Johannesbriefe (ANRW) 1988, 3775, dass hier zum Ausdruck gebracht werden soll, »dass Jesus der Christus ist und nicht umgekehrt«. Denn es geht hier darum, »die Heilsbedeutung Jesu festzuhalten, nicht seine hypostatische Einheit.« Vgl. auch K OESTER , Einleitung und K INLAW , Christ, 101. - U EBELE , Verführer, 135f, hingegen meint, es handele sich um »altes, bekenntnishaftes Traditionsgut (...), das aber einer anderen Sachlage entspringt, andere Verhältnisse vor Augen hat und im Konflikt mit dem Doketismus letztlich sein Ziel verfehlt. (...) Eine den doketistischen Gegnern mit der Aufnahme der alten Bekenntnisse vorgeworfene, von diesen in Wirklichkeit aber wohl eher nicht vertretene, Bestreitung der Messianität und Gottessohnschaft Jesu kann dann wohl im Zusammenhang der bisher untersuchten Stellen (bes. 1 Joh 4,2) nur darauf abzielen, den Doketisten die Leugnung des wirklichen Menschseins Jesu Christi vorzuwerfen«. Wieder muss U EBELE vom vorliegenden Text ablenken, um zu seinem Ziel zu kommen. Die von ihm konstruierte Hypothese von aufgenommenem, zugleich aber schlecht passendem Traditionsgut, das erst im Licht einer anderen Stelle (1 Joh 4,2) den richtigen Sinn bekommt, ist abwegig. Das Problem, innerhalb von 1 Joh ganz andere Positionen zu finden, als sie zu seinem Gesamtbild passen, löst er wiederholt so: »Bei den (...) Bekenntnissätzen (1 Joh 2,22; 4,15; vgl. 5,1.5) dürften alte Formeln zugrunde liegen (›Jesus ist der Christus‹; 2,22 u.a.), die ursprünglich wohl in der Auseinandersetzung mit dem Judentum um die Messianität und Gottessohnschaft Jesu formuliert worden waren. Angesichts der gnostisch-doketistischen Gefahr scheint die johanneische Schule nun auch auf altes Traditionsgut zurückgegriffen zu haben, das jedoch auf die neuen Gegner nicht mehr wirklich passt« (137). S TREETT , Identity, 135, hält zurecht fest: »The anti-Cerinthian reading of 1 John 2: 22 requires that one read later passages (4: 2; 5: 6) in the Epistles back into 2: 22. Without these other passages no one would ever have supposed that 2: 22 dealt with a Cerinthian Christology.« - Ebenso hält S TREETT eine im eigentlichen Sinne doketistische Interpretation von 1 Joh 2,22 für ausgeschlossen: »First John 2: 22 is the Achilles’ heel of the anti-docetic view. It is the first explicitly polemical passage and the most clear and direct statement of the opponents’ view.« Die Gegner werden ausdrücklich zitiert. Umgekehrt wird weder von Kerdon noch von Marcion oder Satornil jemals berichtet, sie leugneten die Messianität Jesu, um die es hier ja ausdrücklich geht (S TREETT , ebd. 137). 440 B ERGER , Kommentar, 952: »zentrale Irrlehre der Gegner«. Ähnlich S TREETT , Identity, 157. 441 Vgl. die halb-unverstandenen Aussagen im Bericht von Sueton (Suet.Cl. 25,4) über jüdische Unruhen in Rom, welche das sogenannte Claudiusedikt motivierten (siehe L AMPE , Christen, 4ff): Die Juden hätten, auf Anregung eines »Chrestos« Unruhe gestiftet und seien von Kaiser Claudius der Stadt verwiesen worden. - Es geht deutlich erkennbar um innerjüdische Unruhen über die Frage, ob Jesus der Christus ist oder nicht. Die waren stark genug, eine Verbannung von Juden aus Rom zu bewirken. - Vgl. Apg 18,2; Datierung des Claudiusedikts: 49 n.Chr. 116 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis - 1 Joh 2,18-27 117 stalt. Nur für Juden ist der Begriff in diesem Sinne erstens verständlich und zweitens wichtig. 442 An dieser Stelle der schriftlichen Auseinandersetzung des Autors mit seinen Gegnern befinden wir uns also eindeutig im Rahmen des Judentums (und nur dort). 443 Die entscheidende Frage, ob Jesus der Christus ist, fungiert dabei als Grenzlinie zwischen denen, die zur Gemeinschaft gehören und denen, die nicht (mehr) dazugehören: 444 »Da das Gesalbtenverständnis aus dem Judentum erwächst, müssen wir damit rechnen, dass einzelne Christen aus der neuen Gemeinde ins Judentum zurückkehren. (...) Wenn Gemeindeglieder von Jesus zu einem Gesalbtenverständnis der Synagoge zurückkehren, erscheinen sie dem 1 Joh deshalb als ›Anti-Gesalbte‹«. 445 Die Frage der Messianität (»Christus«) Jesu ist nun zunächst für den Verfasser eine Frage, die mit »Salbung« 446 und »Lehre« zusammenhängt. 447 Die Christen als per Chrisma ebenfalls (Geist-)Gesalbte 448 haben Erkenntnis 449 über die (Geist-)Salbung Jesu. 450 Die Salbung der Christen kann man sich als einen 442 Damit sind die von K ARRER , Jesus, 140ff u.ö. zusammengestellten Belege für Salbungsvorstellungen in der hellenistisch-paganen Antike nicht aus dem Blick. Dass man auch etwa von einem Gott gesalbt und so selber Gott werden kann, diese Vorstellung (Ovid über Aeneas: Ov.met. 14,599ff) ist belegt. Das ist aber etwas anderes als eine heilschaffende, göttliche bzw. dem einzigen Gott absolut nahestehende Figur, deren Erscheinen endzeitliche Bedeutung hat. Insofern ist zwar sichergestellt, dass die pagane Antike nicht völlig irritiert ist durch die Bezeichnung »Gesalbter«, umgekehrt ist es aber auch nichts, worauf sie gewartet oder wovon sie gesprochen hat. Die falsche Wiedergabe Suetons, ein gewisser »Chrestos« habe in Rom für Unruhe gesorgt, zeigt, dass ein automatisches Verständnis jedenfalls nicht mit dem Namen bzw. Titel »Christus« verbunden war (Suet.Cl. 25,4.). 443 K LAUCK , Johannesbrief, 162 zitiert hierzu W URM : »Entweder ist damit gesagt: Jesus ist nicht der verheißene Messias, oder: Jesus ist nicht identisch mit dem himmlischen Geistwesen, namens Christus« (W URM , Irrlehrer, 24f). - Während W URM sich für die erste Lösung entscheidet, zeigt K LAUCK im Folgenden, warum die zweite Lösung attraktiv scheint: Solange die Frage ungelöst ist, wie »im Fleisch« in 1 Joh 4,2 zu bewerten ist, kommt immer wieder eine gnostische oder doketistische Fragestellung zum Tragen, die dann das Leseverständnis von 1 Joh 2,22 bestimmt. Wir gehen genau andersherum vor und fragen von dem, was sicher ist, weiter nach dem, was unsicher ist. Sicher ist: 1 Joh 2,18-27 findet im Judentum und nicht in sich entwickelnder Gnosis statt. Jedenfalls ist das die einfachste Lesart des Textes selbst. Es wird daher in 1 Joh 4,2f zu fragen sein, ob sich das »im Fleisch« schlüssig in diese Lesart fügt und auch 1 Joh 4 damit stimmig erklärt werden kann. Wenn das so sein sollte, wie ich unten zeige, dann ist die Frage nach einem himmlischen Geistwesen »Christus« hier als von außen eingetragen abzuweisen. In einem Gesamtblick kann man natürlich dennoch Christus vor der Inkarnation in den Blick nehmen (s.u. S. 424ff); 1 Joh gibt darüber aber keine Auskünfte und stellt auch keine Spekulationen dazu an. 444 »Boundary marker of the Johannine community and its litmus test for teachers« (S TREETT , Identity, 163). 445 K ARRER , Jesus, 155. 446 W ENGST , Brief, 109: Chrisma meint nicht nur Salböl, sondern kann für »Salbung« stehen. 447 Vgl. insgesamt: K ARRER , Der Gesalbte, DERS ., Jesus, B ERGER , Hoheitstitel, DERS ., Problem, DERS ., Messiastraditionen; C HARLESWORTH (Hg.), Messiah. 448 Das Chrisma ist dabei vorzustellen als eine initiale Geistbegabung aller Christen. Damit ist auch die Fähigkeit zu rechtem verbalen Bekenntnis gegeben. Wie der Duktus von 1 Joh zeigt, geht es hier nicht um wunderhaftes Charismatikertum, sondern es geht um gerechtes, wahrhaftiges und liebevolles Verhalten und Bekenntnis der Christen zueinander und zu Christus. 449 W ENGST , Briefe, 111: »In 2,20 ist Jesus Christus der Heilige als Geber des Geistes. Die mit ihm Begabten werden damit ausgesondert, vom Geber mit Beschlag belegt; sie werden ‹geheiligt›. Die Gabe stellt in den Bereich des Gebers, der selber heilig ist. Die mit der Versicherung an die Leser, dass sie Salböl vom Heiligen haben, beabsichtigte Spitze wird in Vers 20b deutlich: ‹Und ihr seid alle Wissende›«. 450 Vgl. Joh 14,26: »Aber der Tröster (παράκλητος), der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.« 118 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Bestandteil des Christwerdens vorstellen, er muss aber nicht ausdrücklich Teil einer »Taufliturgie« gewesen sein. 451 Es geht bei der Salbung jedenfalls um »Geist«. Die Frage der Beurteilung Jesu wird so zu einer pneumatischen Frage. Wir befinden uns also schon hier in der für 1 Joh 4,1ff brisanten Thematik der Beurteilung des Geistes: »Die Begründung des Christus-Titels im Heiligen Geist ist keine Erfindung des 1 Joh. Sie gründet in der großen Bedeutung, die Jes 61,1f für Judentum (11QMelch) und Neues Testament hat«. 452 Zugleich hängt hier »Salbung« mit »Lehre« zusammen. 453 Denn es geht wohl um falsche Lehre (Abstreiten der Messianität Jesu; »Lüge«), die es zu erkennen und zu beurteilen gilt (2,27). Die »Lehre« wiederum greift das vorher schon mehrfach genannte »Wissen« und »Kennen« Jesu auf. 454 Wer gesalbt ist, wer zu Christus gehört, ihn und die Botschaft »in sich behält«, ist immun gegen die Falschlehre der Gegner. 455 Das Phänomen der sogenannten »Irrlehrer« begegnet auch an anderen Stellen des Neuen Testaments. Es geht jedes Mal darum, dass eine irritierende Lehre mit einer Endzeitgestalt identifiziert wird. Es geht um archaische Bewältigung des »Orthodoxie-Problems« durch den Topos des nötigen Abfalls vor dem Ende durch einige, die eigentlich zu den Geretteten gehörten. Der Begriff des ἀντίχριστος ist dabei ein Neologismus. 456 Es handelt sich hier also insgesamt um 451 Vgl. 2 Kor 1,21-22: »Gott ist’s aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt (22) und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.« Eph 1,13f.: »… in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, (14) welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.« Eph 4,30: »… betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.« 452 B ERGER , Kommentar, 952, mit dem ntl. Hinweis auf das Zitat von Jes 61 in Lk 4. 453 Vgl. dazu aus Qumran CDII, 12f: »Und er belehrte sie durch die Gesalbten seines heiligen Geistes und die Seher der (13) Wahrheit«. Hier geht es um alttestamentliche Propheten. Jedenfalls gibt es einen Zusammenhang zwischen Salbung, Gesalbtem, Heiligem Geist und Lehre. 454 Zur Institution des Lehrers im frühen Christentum und ihre Ersetzung durch die Evangelien-Literatur siehe B ERGER , Theologiegeschichte, 103f. 455 Vgl. EpAp 41,6 (B/ N): »Amen, ich sage euch: Jeder, der auf euch hört und an mich glaubt, erhält das Licht des Siegels und die Taufe durch mich, und durch mich werdet ihr Väter und Lehrer.« Zwar ist hier von »Siegel« und nicht von »Salbung« die Rede, dennoch geht es hier um Wirkungen des von Jesus ausgehenden Geistes, zu denen unter anderem gehört, dass die Apostel zu Lehrern (wie Jesus) werden, die selber Lehre weitergeben können. Vgl. auch EvPhil 25: »Durch Wasser und Feuer wird alles, der ganze Ort, die ganze Welt, gereinigt. (2) Das Sichtbare wird durch das Sichtbare gereinigt, das Unsichtbare durch das Unsichtbare. (3) Manche Dinge sind verborgen, weil das Sichtbare den Zugang verstellt. (4) So gibt es zum Beispiel [himmlisches Lebens-] Wasser im sichtbaren Wasser und unsichtbares Feuer im Salböl (Chrisma)«. Offensichtlich geht es um das Taufwasser und das in Zusammenhang mit der Taufe gebrauchte Salböl. Das himmlische Wasser verbirgt sich im irdischen Wasser, himmlisches Feuer im Salböl. Damit ist für das 2. Jahrhundert nicht nur der Zusammenhang von Salbung und Taufe gezeigt, sondern auch, dass das Chrisma wie himmlisches Feuer wirkt. Zugleich ist das Motiv der »verborgenen Epiphanie« angesprochen. Vgl. zur Begabung mit Hl. Geist in Mt 3,11 par Lk 3,16 den Ausspruch Johannes des Täufers: »Der nach mir kommt (...) wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen«. 456 Über den Begriff des »Antichristus« informiert S TRECKER , Antichrist, 247-254. Dort schreibt er S. 248 über den erwarteten Lügenpropheten: »Mit Ausnahme der johanneischen Literatur wird dieser in Verbindung mit ›Zeichen und Wundern‹ erwartet. Hierdurch veranlasst er die Menschen zum Abfall.« Religionsgeschichtliches Material liefert auch S CHNACKENBURG , Johannesbriefe, 145-149 (Exkurs 7: Zur Vorgeschichte der ›Antichrist-Erwartung‹) sowie S TRECKER , Johannesbriefe, 337-345 (Exkurs: Der Antichrist); B OUSSET , Antichrist. 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis - 1 Joh 2,18-27 119 einen Topos der frühchristlichen Ketzerpolemik. 457 Dabei geht es inhaltlich um die Leugnung Christi. Es ist aber nur für jüdische Gegner interessant, ob Jesus Messias ist oder nicht (s.o.). Formal ist festzuhalten, dass statt mit Argumenten mit Etiketten gearbeitet wird. Der Deuterahmen ist insgesamt die Endzeit. Das »Chrisma« nun versichert die Adressaten über ihre bestehende und beständige Gemeinschaft mit Christus und mit Gott. Dementsprechend ist innerhalb des dualistischen, endzeitlichen Deuterahmens klar, dass die Gegner nur von einem Ungeist getrieben sein können, das heißt also, dass sie aus »dem Bösen« sind und in der Tradition Kains stehen (3,14). Die bestehende und beständige Gemeinschaft wird durch die johanneischen Immanenz-Formeln und die Rede vom »Bleiben« ausgedrückt. Es geht dabei um Stabilität, Wahrhaftigkeit und Treue. In dieser Stabilität, Wahrhaftigkeit und Treue sollen und müssen sich die Adressaten von niemandem irritieren lassen. Wer sich daran hält, dass er Chrisma, Same, Taufe usw. in sich hat, der wird auch nicht wirklich irritiert werden können. Darin sie zu bestärken und zu bestätigen schreibt der Autor den Adressaten seinen Brief. 3.4.4 Salbung als gnostisches Sakrament? 458 Die Kirchen der Reformation kannten Salbung als kirchlichen Akt (bisher) nicht. Die vorwiegend vom deutschen Neuprotestantismus geprägte Erforschung von NT und Gnosis fand die Tatsache vor, dass gnostische Schriften häufig von »Salbung« sprechen und ihr hohe Bedeutung zumessen. Da man selbst dies als fremdartig empfand, konnte man folgern, »Salbung« sei ein typisch gnostisches und nicht etwa wie es wohl eher der Wirklichkeit entspricht und wie es die folgenden Texte zeigen ein allgemein kirchliches Thema gewesen. In einem ausführlichen Exkurs zum Thema Χρῖσμα trägt S TRECKER zusammen, wo überall die Stichworte »Öl« und »Salbung« (χρῖσμα, ἔλαιον, μύρον) oder »salben« (χρίειν, ἀλείφειν) vorkommen. S TRECKER sieht schließlich »eine gewisse Nähe (...) zu gnostischen Wendungen« und verweist auf Pistis Sophia 86; 112; 128; 130; EvVer 36; OdSal 36,6; ActThom 27; Iren.haer. 1, 21,3-5; EvPhil 68; 95, sowie auf mandäische Literatur. 459 Abgesehen von der Frage, ob alle genannten Stellen wirklich als »gnostisch« zu gelten haben, scheint das frühe Christentum zum Thema Salbung doch mehr zu bieten als diese relative Verengung: 460 457 Nach Mk 13,6.22 und Mt 24,24 führen die Gegner in die Irre (πλανάω) und sind ψευδόχριστοι und ψευδοπροφῆται. Diese stehen in Kontrast zum »Bleiben« bei der Lehre, die Jesus hinterlässt. - Apg 20,29 (Testament des Paulus): »Habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde (...). Nach meinem Tod werden verderbliche Wölfe zu euch hereinkommen, die die Herde nicht schonen.« - 1 Tim 4,1: Hier geht es um die διδασκαλία: »... in späteren Zeiten einige vom Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen«. - 2 Petr 2,1: Hier geht es um Falschlehrer und Häresien: »Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volke, so wie unter euch falsche Lehrer sein werden, welche verderbliche Sekten nebeneinführen werden und den Gebieter verleugnen, der sie erkauft hat, und sich selbst schnelles Verderben zuziehen«. 458 B OUSSET , Hauptprobleme, 296-305 widmet dem »Ölsakrament« in der Gnosis ein ganzes Unterkapitel. Spätestens seit jetzt gilt »Chrisma« als verdächtig »gnostisch« und gilt damit als ein weiteres Indiz für die These, 1 Joh reagiere auf Gnosis in seinem Umfeld oder sei selbst gnostisch beeinflusst. 459 S TRECKER , G., Johannesbriefe, 126-128. 460 Vgl. auch das von S CHNELLE , Salbung, 638ff, gesammelte Material. Vgl. auch K ARRER , Jesu, 149 mit FN 225. 120 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Didache 10,8 (kopt.): 461 »Wir danken dir, Vater für den Wohlgeruch des Salböls, welches du uns kundgemacht hast durch Jesus, deinen Knecht (...).« Tertullian, Bapt 7,1: »Aus dem Taufbade herausgestiegen, werden wir gesalbt mit der gesegneten Salbung ... unde christi dicti a chrismate ...«. 462 Cyrill, in seiner mystagogischen Katechese 3,1-7 schreibt: 463 »Nachdem ihr nun an dem Gesalbten Anteil erhalten habt, werdet ihr mit Recht Gesalbte genannt. Von euch hat Gott gesagt: ›Vergreifet euch nicht an meinen Gesalbten! ‹ Gesalbte aber seid ihr geworden, weil ihr das Abbild (ἀντίτυπον) des Geistes empfangen habt. Alles ist bildlich an euch vorgenommen worden, weil ihr Bilder Christi seid. Als Christus bei der Taufe im Jordan den Wassern vom Wohlgeruch seiner Gottheit mitgeteilt hatte, stieg er heraus, und der Hl. Geist kam persönlich auf ihn herab, so dass der Gleiche auf dem Gleichen ruhte. So wurde euch, als ihr dem heiligen Bade entstiegen waret, die Salbung gegeben, ein Abbild (ἀντίτυπον) jener Salbung, welche Christus empfangen hatte. Diese ist der Hl. Geist« (3,1). »Während Christus mit dem geistigen Öl der Freude gesalbt wurde, d, i. mit dem Hl. Geist, der als Quelle der geistigen Freude das Öl der Freude heißt, wurdet ihr mit Salbe (μύρον) gesalbt, nachdem ihr Teilnehmer und Genossen Christi geworden waret« (3,2). »Doch darfst du ja nicht meinen, jene Salbe sei nur Salbe. Denn gleichwie das Brot der Eucharistie nach der Anrufung des Hl. Geistes nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern der Leib Christi, so ist diese heilige Salbe nach der Anrufung nicht mehr einfache Salbe und nicht, wie man sagen möchte, gemein, vielmehr ist sie Gnade Christi und wirkt durch die Gegenwart von Christi Gottheit den Hl. Geist«. (3,3) »Zuerst wurdet ihr auf die Stirne gesalbt, um von der Schande, welche der erste sündige Mensch überallhin trug, befreit zu werden und um ›die Herrlichkeit des Herrn mit unverhülltem Antlitz widerzuspiegeln‹. Darauf wurdet ihr an den Ohren gesalbt, damit ihr Ohren erhieltet, welche die göttlichen Geheimnisse hören (...). Sodann wurdet ihr an der Nase gesalbt, damit ihr nach Empfang der göttlichen Salbe saget: ›Christi Wohlgeruch sind wir für Gott unter den Geretteten‹. Hierauf wurdet ihr auf der Brust gesalbt, damit ihr, ›angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit‹, »gegen die Schliche des Teufels fest stehet« (3,4). »Dieser heiligen Salbung gewürdigt, werdet ihr Christen genannt« (3,5). IgnEph 17,1: »Deswegen tat der Herr Myrrhe (-n-Öl) auf seinen Kopf (μῦρον ἔλαβεν ἐπὶ τῆς κεφαλῆς [αὐτοῦ]), um der Kirche den Duft der Unvergänglichkeit zukommen zu lassen (ἵνα πνέῃ τῇ ἐκκλησίᾳ ἀφθαρσίαν).« JosAs 8,5: »Es schickt sich nicht für einen gottesfürchtigen Mann, der mit seinem Mund den lebendigen Gott lobt, und der das gesegnete Brot des Lebens isst, und trinkt den gesegneten Kelch der Unsterblichkeit und gesalbt ist mit der gesegneten Salbung der Unvergänglichkeit (πίνει ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας καὶ χρίεται χρίσματι εὐλογημένῳ ἀφθαρσίας), eine fremde Frau zu lieben ...«. JosAs 15,4: »Siehe, vom heutigen Tag an wirst du erneuert und ganz verändert und wirst ein neues Leben bekommen (ἀνακαινισθήσῃ καὶ ἀναπλασθήσῃ καὶ ἀναζωοποιηθήσῃ) und wirst essen Brot des Lebens und trinken den Kelch der Unsterblichkeit und gesalbt werden mit der Salbung der Unvergänglichkeit (καὶ χρισθήσῃ χρίσματι τῆς ἀφθαρσίας).« Justins Dialog mit dem Juden Tryphon (86): Justin schildert, wie Jakob nach der Schau der Himmelsleiter den Stein, auf dem er gelegen hat, mit Myrrhe salbt: »Jakob goss Öl auf den Stein (ἐπὶ λίθου καταχέας ἔλαιον), an diesem Ort.« - »Und der Stein, durch viele Schriften bezeugt, verkündigte Christus«. Anschließend wird diskutiert, was für ein Öl das Salböl, das jetzt als χρῖσμα bezeichnet wird, war. Schließlich heißt es: »Deswegen hat dich Gott gesalbt (ἔχρισέ σε ὁ Θεός), dein Gott, mit Salböl von sehr großer Freude« (ἔλαιον ἀγαλλιάσεως). Von Thaddäus heißt es, dass er eine große Menge von Juden, Griechen, Armeniern und Syrern tauft und salbt: ActThad 4,3: »Er taufte sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und salbte sie mit dem heiligen Salböl« (χρίσας αὐτοὺς τῷ ἁγίῳ μύρῳ). In den Pilatusakten (15,7) schildert Joseph von Arimathia seine erste Begegnung mit dem Auferstandenen. Während er in verschlossenem Haus nachts betet, sieht er ein starkes Licht, er bekommt Angst fällt zu Boden und wird von jemandem wieder aufgerichtet. »Und Salböl floss an meiner Nase herunter« (καὶ μύρου ἦλθεν περὶ τοὺς μυκτῆράς μου); andere Übersetzung: »Ein 461 Die Zuordnung zum ursprünglichem Text der Didache gilt als unsicher laut L INDEMANN / P AUL - SEN . B/ N haben gleich ganz auf diesen »Zusatz« verzichtet. 462 Nach K LAUCK , Johannesbrief, 158 Anm. 332. 463 Zitiert nach: Des heiligen Cyrillus Bischofs von Jerusalem Katechesen (P H . H AEUSER , BKV I, 41) Kempten u.a., 1922. 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis - 1 Joh 2,18-27 121 Geruch von Salböl stieg in meine Nase«. Jetzt erkennt er den Auferstandenen, der zu ihm gekommen ist. Ebenfalls in den Pilatusakten (19,1) schildert Seth, der Sohn Adams, wie er, um seinem kranken Vater zu helfen, zur Paradies-Pforte geht und um Öl vom Baum der Wohltat (oder des Mitleids) zu holen, um seinen Vater damit zu salben. Ein Engel kommt und fragt ihn: »Was, Seth, erbittest du? Bittest du um Öl, das Kranke wieder aufstehen lässt (ἔλαιον αἰτεῖς τὸ τοὺς ἀσθενεῖς ἀνιστῶν), oder möchtest Du den Baum, von dem das Öl herunterfließt für die Krankheit deines Vaters? « Das könne jetzt nicht gefunden werden erst in ferner Zeit werde der menschgewordene eingeborene Sohn Gottes in die Welt kommen: (»Jener wird ihn salben mit diesem Öl (ἀλείψει αὐτὸν τῷ τοιούτῳ ἐλαίῳ) und er wird auferstehen, und im Wasser und Heiligem Geist wäscht er sowohl ihn als auch die, die von ihm abstammen. Und dann wird er von aller Krankheit gesund gemacht. Jetzt aber kann dieses nicht geschehen«. Leicht verändert erzählt diese Geschichte auch ApkMos 9,3; 13,2. Vgl. auch MartMatth 27,3: Der bekehrte König lässt sich taufen und salben und nimmt das heilige Abendmahl. ActThom 25,2: Ein anderer König soll gewaschen (getauft) werden und gesalbt mit dem Öl des Apostels, um frei zu werden von allem Irrtum, der ihn umgibt. Vgl. ActThom 27,3. Auch in ActThom 67,2 geht es um Befreiung von Irrtum, von falschen Bindungen und Vergänglichkeit durch die Salbung mit dem heilenden Öl. Vgl. 2 Kor 2,15f: »Denn wir sind für Gott ein Wohlgeruch Christi unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren werden: (16) diesen ein Geruch des Todes zum Tode, jenen aber ein Geruch des Lebens zum Leben.« Ergebnis: Die dargestellten Texte zeigen eine weite kirchliche Verbreitung der Salbungsvorstellung. Vieles ist uneinheitlich. Gemeinsam ist, dass die Salbung für Heil, Unvergänglichkeit, Gottesnähe steht. Die Vorstellung der Salbung ist so weit verbreitet, dass es unnötig ist, sie auf eine spezielle kirchliche Entwicklung (Gnosis) festzulegen; es ist eher so, dass auch die Gnostiker die verbreitete Vorstellung der Salbung (mit dem Heiligen Geist) aufnahmen. 464 Altkirchlich ist »Salbung« als metaphorischer Ausdruck für »Heiliger Geist« empfunden worden, wie etwa der Kommentar von Beda Venerabilis zeigt. 465 Die Verbreitung in unterschiedlichen Texten macht deutlich, dass es sich um eine gängige Praxis mit alten Wurzeln handelt. Elemente, die in einzelnen Texten wichtig sind: »Wohlgeruch«/ »Duft«; »Unvergänglichkeit«; »Unsterblichkeit«; Verbindung zu Taufe; Abbildung des heiligen Geistes; Verbindung zur Salbung bzw. zum Geist Christi; »Erkennen«/ «Wissen«/ »Irrtum und Wahrheit«. Einige dieser Elemente kann man als Weiterentwicklungen von Themen ansehen, die schon in 1 Joh mit der Salbung verbunden sind, denn auch dort geht es um Einsicht, Lehre, Falschlehre, geistliche Beurteilung, Verbindung zu Jesus und Gott und damit zum ewigen Leben. 3.4.5 Der »Sohn«, der »Christus« und das »Chrisma« Während also das Ausgangsproblem der Gegner, der Adressaten und des Autors in der geistlichen Einschätzung Jesu, des Geist-Gesalbten und der (geistbestimm- 464 B ERGER , Kommentar, 952: »In der biblischen Tradition ist Salböl ein Zeichen für die Salbung mit Heiligem Geist, der als Wasser oder als Öl vorgestellt wird. Es ist nicht ganz klar, ob 1 Joh 2,20 bereits an eine ritualisierte Metapher denkt (...) oder die Salbung mit Öl lediglich ein Bild für die empfangene Geisttaufe ist.« 465 Beda Venerabilis, Kommentar zu 1 Joh, PG 39,1775: »Die geistliche Salbung ist der Heilige Geist selbst, der im Sakrament der Salbung gegeben wird.« 122 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias ten) Lehre über ihn wurzelt, kombiniert 1 Joh in einzigartiger Weise »Christus« und »Sohn« (2,22.23). Das Christus-Sein Jesu wird hier ganz von seinem »Sohn-Sein« umschlossen und ist daher nicht angreifbar, es sei denn, man sagt sich von Gott, dem Vater los. Zugrunde liegt eine Tradition, die sich auf Psalm 2,2.7 beruft. 466 Die Bezeichnung Jesu als »Sohn« des »Vaters« ist neutestamentlich weiträumig belegt. 467 Dabei geht es um eine exklusive Beziehung, in der nur Vater und Sohn einander kennen, 468 in der der Sohn exklusives Wissen hat, indem der Vater ihm alles zeigt. 469 Sohn und Vater sind also untrennbar; Sohn und Christus sind wie in Psalm 2,2.7 miteinander verbunden, und zwar so, dass es keine Unterscheidung oder Trennung zwischen beiden Vorstellungsbereichen mehr geben kann. Damit wird die geistliche Frage (Chrisma, Lehre) nach der Christus-Qualität Jesu zu einer Frage, die das Sein Gottes selbst bzw. die Beziehung zu ihm berührt. Man kann sich dieser Frage stellen, indem man (2,22f) leugnet (ἀρνεῖσθαι) oder bekennt (2,23: ὁμολογεῖν) und bleibt (2,24 μένειν). 3.4.6 Warum ist das Bekenntnis so wichtig? Während »bekennen« im Frühjudentum eine sehr viel geringere Rolle spielt, weil es sich um eine in sich geschlossene Größe handelte, die eher kultisch ausgerichtet war und nicht oder nicht vorwiegend Mission betrieb und es nicht nötig war, bestimmte Sätze als Voraussetzung des Judeseins zu reklamieren, 470 wandelt sich das Bild im Neuen Testament vollständig: Mt 12,32.34: »Wer irgendein Wort reden wird gegen den Sohn, dem wird vergeben werden, wer aber wider den heiligen Geist reden wird, dem wird nicht vergeben werden; weder in diesem noch in jenem Äon. (...) Otternbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund.« 1 Kor 12,3: »Niemand, im Heiligen Geist redend, sagt: Fluch über Jesus - und niemand kann sagen ›Herr Jesus‹, als allein im Heiligen Geist.« Nur im heiligen Geist kann man sagen »Herr Jesus«. Was die Christen sagen, weist darauf hin, was sie sind. Das Bekenntnis ist also zugleich ein Zeichen über den Geist, der den Bekenner oder Leugner treibt. Den Sohn könnte man an sich leugnen (Mt 12), allerdings tritt ein Problem auf, wenn der Heilige Geist betroffen wird. Das ist in 1 Joh der Fall. 466 Es gibt eine besondere Beziehung der christologischen Begriffe »Sohn« und »Messias«. In Ps. 2 toben die Völker gegen den Gesalbten Gottes (2,2). Gottes Reaktion: Er nennt ihn seinen »Sohn« (2,7). Ps 2,7 wird im NT ausdrücklich nur noch zitiert in Apg 13,33 und Hebr 1,5. 467 Vgl. zum Begriff Sohn B ERGER , Theologiegeschichte §121: Die Rede von Vater und Sohn ist ein alter Ausdruck, der vorkommt in JohEv, Synoptikern, Paulus, 1 Joh. Es handelt sich um eine alte Tradition, da wohl kaum alle genannten Verfasser sich gegenseitig bzw. die Schriften der jeweils anderen gekannt haben. 468 Mt 11,27; Lk 10,22; Joh 10,14f. 469 Joh 5,20 vs. Mk 13,32. 470 In diesem Sinne ist das Sch e ma Israel kein »Glaubensbekenntnis«, denn es dient »nur« der Vergewisserung des glaubenden Juden in seinem Glauben; es fungiert nicht als Bekenntnis nach außen. 3.4 Klare Verhältnisse durch Bekenntnis - 1 Joh 2,18-27 123 Im Christentum geht es um aktives Bekennen. 471 Gerade weil sich die Christen mit ihrem Lebensstil nicht wesentlich von den Juden unterscheiden, müssen sie es durch das Bekennen als verbales Handeln tun. 472 Die Artikulation christlichen Glaubens in Bekenntnissen ist seitdem eine Besonderheit des Christentums, 473 was sich auch an der Entwicklung von Taufbekenntnissen zeigt. 474 Das in 2,22 geforderte Bekenntnis steht der Leugnung der Gegner genau so gegenüber, wie es in 1 Joh 1,20 von Johannes dem Täufer heißt: »Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: ›Ich bin nicht der Christus.‹« 475 Die Position der Gegner, darauf weist W ENGST hin, muss man sich allerdings nicht notwendigerweise so vorstellen, dass sie aggressiv die Messianität Jesu bestritten hätten. »Sie werden vielmehr ihre Ansichten über Christus und Jesus positiv dargelegt und sie wenn wie überhaupt auf das Bekenntnis eingegangen sind als dessen Interpretation, als das eigentlich in ihm Gemeinte, ausgegeben haben.« 476 Wichtig ist, sich nicht auf die im dualistischen Rahmen von 1 Joh gegebene Dämonisierung der Gegner zu fixieren. Die Gegner sind als eigenständige Vertreter des frühen Christentums ernstzunehmen, auch in ihrer Abwendung. Die Position von 1 Joh erlaubt nun, da der Heilige Geist betroffen ist, innerhalb des dualistischen Rahmens keine Halbheiten. Wer die Salbung Jesu (sein Christus-Sein) bestreitet, bestreitet auch die Salbung der Christen und stellt sich selbst damit auf die Gegenseite, wird zum »Gegen-Christen«, hat nicht den richtigen Geist, kommt aus der Lüge. Man kann sagen: Das, was die Gegner nicht glauben, wird ihnen negativ gespiegelt »angehängt«. Spätere Tradition schmückt die Vorstellung eines kommenden Antichristen wort- und bildreich aus. Einige dieser späteren Facetten sind für die Betrachtung unserer Stelle interessant, insgesamt muss man aber feststellen, dass die Fixierung auf den in der späteren Ketzerpole- 471 Während in der Alten Kirche das Credo zur Abgrenzung in innerkirchlichen Streitigkeiten diente, muss man im Islam den Anfang des Korans aufsagen, wenn man Moslem werden will, nicht aber ein besonderes Bekenntnis ablegen. 472 K LAUCK , Johannesbrief, 161: »Das Bekennen stellt ein Problem besonderer Art dar. Die Gemeinde sieht sich starkem jüdischem Druck ausgesetzt. Das Bekenntnis zu Jesus als Christus (20,31), das heißt als Messias Israels (1,41), führt zum Synagogenausschluss (9,22), was viele potentielle Anhänger vom öffentlichen Bekenntnis abhält (12,42).« 473 Zur Entwicklung der frühesten Glaubensbekenntnisse im Christentum vgl. K ELLY , Glaubensbekenntnisse, Kap. 1-3. 474 Vgl. K ELLY . Ob allerdings W ENGST , Brief, 116 recht hat, der probehalber hier die Rückführung auf ein Taufbekenntnis versucht, muss offenbleiben. Jedenfalls sieht er hier eine »Analogiebildung zum Taufbekenntnis«, wobei sich aber der Ton verschoben habe. Es gehe hier nicht um die Betonung, dass es sich bei Jesus um den Gottessohn respektive den Christus handele, sondern darum, dass er, Jesus, eben dieser Christus bzw. Sohn Gottes sei. 475 Siehe dazu besonders K LAUCK , Johannesbrief, 161. 476 W ENGST , Brief, 114. 124 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias mik klassisch gewordenen »Anti-Christus« problematisch ist, wenn man die historische Situation des 1 Joh zu eruieren versucht. 477 3.4.7 Ergebnisse: Bekenntnis zu Jesus als Messias angesichts seiner Infragestellung 1. Das Auftreten von Gegnern wird als massives Problem erlebt. 2. Deren Benennung als »Anti-Christ« verdankt sich der durch den Autor vorgenommenen Spiegelung ihrer Haltung zur Messianität Jesu. 3. Der Begriff »Anti-Christ« ist dabei nicht vorgegeben, sondern eine Innovation des 1 Joh und bezeichnet zunächst nur, dass derjenige, der das Christus-Sein des Christus bestreitet, im Widerspruch zum Geist des Christus steht und somit den Gegen- Geist in sich trägt, also der Gegen-Christus ist. 4. Das Motiv »Antichrist« wird in den gegebenen Rahmen »Auftreten des endzeitlichen Widersachers« gesetzt und hat daher eschatologischen Charakter. Es handelt sich dabei konkret um eine Weiterführung des Kampfes um richtige und falsche Prophetie (Gen 18,18-22). 478 5. Damit verbunden ist die Bewegung des »Auftretens« bzw. »Kommens«. Die Existenz, das Auftreten, das Entstehen dieser gegensätzlichen Haltung zu Jesus als dem Christus ist das Verwirrende und Gefährdende. Das Kommen bzw. Auftreten dieser Gestalten noch dazu aus den eigenen Reihen soll erklärt werden. 6. Mit dem Motiv des Christus bzw. Anti-Christus ist das Motiv des Chrismas verbunden, das sich auf die Geistbegabung (Salbung) der Adressaten bezieht und diese in eine grundsätzliche Verbundenheit zu Christus stellt. 7. Die Salbung bzw. Geistbegabung ist der innere Schutz der Adressaten gegen falsche Lehre. 477 Erste Einblicke in dieses Thema verdanke ich J. P ETKOV , der seinerzeit in B ERGERS Doktorandenkolloquium mit einer Arbeit über bulgarische Apokalypsen des 10.-12. Jahrhunderts beschäftigt war (vgl. jetzt: P ETKOV , J., Altslavische Eschatologie, Diss. Heidelberg 2012 bzw. Tübingen 2013/ TANZ). Interessant sind aus der näheren Wirkungsgeschichte unter anderem die Schilderungen in ApkElia 33-35 (s.u. S. 397). - Vgl. auch die Schilderungen des Samariters Simon (Simon Magus) in ActPetr 4 (»Ist er Christus selbst? «); 23; 28 »... dann glaubt ihm als einem Engel Gottes; « (31) »Ich werde hinauffliegen zu Gott, dessen Kraft ich bin, wenn auch schwach geworden. Wenn ihr nun gefallen seid, siehe, ich bin der Stehende. Und ich gehe hinauf zum Vater (...)« (NTApo). Merkmal des Antichristen nach all diesen Berichten ist seine verwechselbare Ähnlichkeit mit dem Original, das er zugleich kopiert und negiert. In 1 Joh ist dieses Merkmal schon gegeben: Es scheint schwierig zu sein, den Antichristen zu erkennen. Letztlich geht das nur durch Bekenntnis und Ethik (nämlich: Bleiben in der Gemeinschaft oder Zerstörung derselben). 478 Gen 18: Der »Kommende« wird ein Prophet sein. Er ist geistlich zu prüfen. Maßstab ist das Eintreten des von ihm Angekündigten. In gleicher Weise wird auch der Antichrist von 1 Joh als »gekommen« bezeichnet. Es geht um die prophetische Linie innerhalb der Christus-/ Antichristus-Genese: Der »Gesalbte« und seine Gegner werden als prophetische Gestalten gedacht. Wo Christus dagegen im Sinne eines herrscherlichen, königlichen Messiasideals gedeutet werden soll (z.B. Joh 6,15; 19,12) handelt es sich um eine Fehlinterpretation durch die Gegenseite, die von Christus und denjenigen, die zu ihm gehören, abgelehnt wird. Der Versuchung durch weltliche Macht widersteht Christus auch in den synoptischen Versuchungsgeschichten, genauso wie der Versuchung durch Petrus (Mt 16,22f), dem Leiden zu entfliehen. Machtgewinn und Vermeidung von Leiden entspricht der Denkungsart des Teufels, der selber »Macht« ist und kein Leiden kennt. Gleichzeitig fordert aber Dtn 18,22 die Erfüllung der prophetischen Worte als Kriterium für die Echtheit der Prophetie. Die Gegner des 1 Joh können sich hier einordnen: Jesus, schon am Kreuz gescheitert, enttäuscht auch in der Folgezeit die auf seine Rückkehr hoffende und die Errichtung leid- und sündenloser Heilszeit erwartende Anhängerschaft. Er kann daher vielleicht als großer Prophet gelten, vielleicht auch als in den Himmel aufgenommene Gestalt mit gewisser Macht, bestimmt aber nicht als der endzeitliche Messias Gottes. Aus Sicht der Gegner muss die Behauptung der Gottessohnschaft Jesu dann als überhebliche Überbewertung der Macht Jesu gelten. Eine solche Neubewertung der Gestalt Jesu hätte selber »prophetische Qualität«, wäre aus Sicht der Christen Falsch-Prophetie, die dann auch zur Entwicklung der Bezeichnung »Anti-Christ« für die Gegner führen kann, da Jesus aus christlicher Sicht nun einmal der Christus ist und die Bestreitung des Geistes Christi auf einen Gegengeist zurückgehen muss. Vgl. grundlegend: B ERGER , Bekenntnis, 1-10. 3.5 Der Auftritt Jesu in 1 Joh 4 125 8. Die Leugnung, dass Jesus der Christus ist, betrifft den Heiligen Geist, der im Chrisma Jesu gegenwärtig ist und überhaupt nur von der Salbung des Gesalbten her in der Gemeinde präsent ist. 9. Der Autor verbindet das Motiv des Gesalbten (Christus) mit dem des Sohnes des Vaters. Dadurch erreicht er, dass die Leugnung der Messianität Jesu auch auf eine Leugnung seiner Gottessohnschaft hinausläuft. Mit der Leugnung der Gottessohnschaft Jesu ist zugleich eine Bestreitung der Existenz oder Wirksamkeit des Vaters gegeben. Somit stellen sich die Bestreiter der Messianität Jesu außerhalb jedes Diskussionszusammenhanges. 10. Da die Bestreitung von Messianität ein rein jüdisches Thema ist, ist der vorliegende Textausschnitt zunächst nur innerjüdisch denkbar und lesbar. 11. Das durch 1 Joh 4,2f gegebene Motiv, dass der Christus »im Fleisch« gekommen ist, muss daher zunächst vor diesem Hintergrund erklärt werden. Erst wenn das nicht möglich wäre, wäre umgekehrt 1 Joh 2,22 von anderen Voraussetzungen her zu erklären. Allerdings ergibt sich auch dann das grundlegende Problem: Eine echte Gnosis gibt es zu keinem der in der Forschung ernsthaft diskutierten Abfassungsdaten bis etwa 100 n.Chr., nicht einmal wirklich »im Entstehen«. Innerhalb von jüdisch geprägter Gnosis könnte man darüber nachdenken, ob die Leugnung der Messianität Jesu einen Sinn hat. Solange aber derartige Systeme erst ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts in Frage kommen und ihre Vorbereitung (erster ausdrücklicher Doketismus bei den Ignatius-Gegnern um 110; Entstehung der Lehren des Markion, des Markus, Kerinth, Valentin und anderer im ersten und vor allem zweiten Drittel des zweiten Jahrhunderts), gibt es keine sinnvolle Möglichkeit über derartige Zuweisungen unsere Textstelle zu erklären. 1 3.5 Der Auftritt Jesu in 1 Joh 4 Bevor mit der Frage nach dem direkten Kontext die nächsten retardierenden Momente eingeschoben werden, soll ein erster Blick auf die Frage geworfen werden: Ist Jesus gekommen, »oder sollen wir auf einen anderen warten? « 479 Korrigiert 1 Joh 4,2 das, was in 2,18ff gesagt wurde (Jesus ist der Messias), durch ein weiteres oder weiterentwickelteres Bekenntnis? 480 πᾶν πνεῦμα ὃ ὁμολογεῖ Ἰησοῦν Χριστὸν ἐν σαρκὶ ἐληλυθότα ἐκ τοῦ θεοῦ ἐστίν. »Jeder Geist, der bekennt: ›Jesus Christus ist als Mensch gekommen‹, ist aus Gott.« (4,2) 1. πᾶν πνεῦμα: Eine generelle Regel wird aufgestellt, über jeden, bzw. jeden Geist. Wie aus dem Folgenden ersichtlich, geht es um Handlung und Verhalten. Gemeint ist also jeder, der sich in bestimmter Weise verhält bzw. nicht verhält. Diese handelnden Personen sind die Adressaten und ihre Gegner. Mit πνεῦμα ist dabei keine anthropologische Größe gemeint (S CHNELLE , Johannesbriefe), sondern im apokalyptischdualistischen Rahmen geht es um eine Kraft aus der unsichtbaren Hälfte der Wirklichkeit, deren Herkunft (von Gott oder vom Teufel) zu klären ist. 2. ὃ ὁμολογεῖ: Das Handeln, bzw. Verhalten, um das es geht, ist das Bekenntnis, die Zustimmung, das Stehen zu einer Position, bzw. auch zu Personen. ὃ bedeutet: Jeder, der bekennt, oder nicht bekennt, ist angesprochen. 479 Mt 11,2.13; Lk 7,18ff. 480 Ähnliche Fragestellung z.B. bei G RIFFITH , Idols, 179, der zu dem Schluss kommt: Nein, das Bekenntnis ist identisch. 126 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3. Dieses Handeln/ Bekennen bezieht sich auf Ἰησοῦς Χριστός. Damit ist festgehalten, dass Jesus überhaupt als Christus benannt und akzeptiert wird. Es geht um den Messias Jesus. 4. Dann geht es um die Frage, ob er ἐν σαρκί ἐληλυθότα, im Fleisch, in Menschennatur gekommen ist. Diese Frage hat in sich zwei Bestandteile: 5. Es geht um die Frage, ob er gekommen ist. Diese Frage lässt Valenzen offen, die danach fragen: Woher und von wem ist er gekommen? Wozu ist er gekommen? Wann und wo ist er gekommen? Wie ist er gekommen? Wohin ist er gekommen? 6. Der zweite Bestandteil löst zumindest teilweise die letztgenannte Valenz: ἐν σαρκί ist er gekommen. Im Bereich von »Fleisch«, in Gestalt von »Fleisch« oder letztlich auch in das »Fleisch«. 481 7. Welche Funktion hat das Bekennen? 8. Welche Rolle hat Jesus in 1 Joh? Genauer: Was ist die Funktion der Benennung »Christus«? 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 Struktur, Aufbau und Gliederung von 1 Joh 4,1-6 sind vielfach dargestellt worden. 482 Ich nehme für unsere Untersuchung zunächst die Verse 3,23f hinzu, da hier eine entscheidende Vorbereitung für die eigentliche »Bekenntnis- Passage« geleistet wird. 3,24 wird mit 3,23 durch das Motiv des Glaubens, der Gebote und den Bezug auf Jesus Christus zusammengehalten. »Geist« begegnet erstmalig in 3,24 und durchzieht den Text bis 4,6.13. Das Thema »Liebe«, das in 3,23 und 4,1 in Fortführung von 3,1-18 aufgenommen wird, wird intensiv in 4,7-12 weitergeführt. Die Anrede »Geliebte« in 4,1 kann somit als Fortführung eines schon eingeführten Themas verstanden werden; andererseits signalisiert es einen neuen Abschnitt, allerdings in Weiterführung des schon Gesagten. Das wird auch daran deutlich, dass die Aufforderung zu glauben in 4,1 das Gebot des Glaubens und der Liebe aus 3,23f aufnimmt. Während es in 3,23f zunächst vorwiegend um die Gemeinschaft mit Gott/ Christus geht, wird schon in 3,24 die Frage gestellt, »woher« bzw. »aus« welcher Quelle die Erkenntnis kommt (aus dem Geist). Die Fragestellung, »von woher« jemand stammt oder nicht stammt (»aus Gott«), durchzieht den Text von 4,1-6. Das Thema der Gemeinschaft mit Gott (reziproke Immanenz) begegnet dann wieder in 4,15f. Von 4,2f hin zu 4,9 und 4,14 ist das Gekommensein Jesu bzw. sein Gesandt-Sein vom Vater Thema, verbunden in 4,3.9.14 mit der Zielangabe »in die Welt«. 4,2 bietet an dieser Stelle das umstrittene ἐν σαρκὶ. Das Thema »Bekenntnis« 481 »Ins Fleisch« ist eigentlich nicht korrekt übersetzt und sicher auch nicht die erstgemeinte Bedeutung. Aber durch das »Kommen in« ist der durative Aspekt logisch mitzudenken, auch wenn er nicht direkt ausgesprochen wird. 482 Eine an Syntax und Struktur orientierte Vers-für-Vers-Analyse bieten über unsere oben gegebene Darstellung hinausgehend z.B. S CHMID , Gegner, 142ff; vgl. auch K LAUCK , Johannesbrief, 238ff; B EUT - LER , Johannesbriefe, 100ff; W ENGST , Brief, 165-177; S TRECKER , Johannesbrief, 207-220, G RIFFITH , Idols, 179ff; S TREETT , Identity, 228-255. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 127 begegnet in 4,2.3.15. Das Thema Glauben (3,23; 4,1) und Erkennen (3,24; 4,2) rahmt und durchzieht den Text bis 4,13-16. Für unseren Zusammenhang konzentrieren wir uns auf die Frage des Glaubens, Erkennens und Bekennens. 3.6.1 Der Glaube an den Namen des Gottessohnes Jesus Christus in 3,23 3,23 bildet inhaltlich den Auftakt zu 1 Joh 4. Zumindest ist hier ein entscheidendes Bindeglied zum vorangegangenen Text gegeben. 483 1 Joh 3,23: »Und dies ist sein Gebot (αὕτη ἐστὶν ἡ ἐντολὴ αὐτοῦ), dass wir den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben (πιστεύσωμεν τῷ ὀνόματι τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ Ἰησοῦ Χριστοῦ) und uns einander lieben (ἀγαπῶμεν ἀλλήλους), so wie er 484 uns das Gebot gegeben hat.« 485 Glaube und Liebe werden als Gebot gefasst 486 und an den Namen des Gottessohns Jesus Christus geknüpft. Der Name des Gottessohnes, an den zu glauben ist, ist »Jesus Christus«, nicht etwa nur »Jesus«. Das noch in 2,22 und später in 5,1 wieder geforderte Bekenntnis dazu, dass Jesus der Christus ist, 487 ist schon erfolgt und steht hier nur im Hintergrund. Jesus ist der Christus. Und so wird Christus jetzt als Ehrenname geführt (ähnlich wie die im Urchristentum durchgängige Benennung »Simon Petrus« und »Donnersöhne« (für Johannes und Jakobus Zebedäus). 488 Der Glaube »an den Namen« oder »auf den Namen« bedeutet, dass mit diesem Namen selbst Heil verbunden sein muss. Es ist nicht der Glaube an die Person allein, sondern an ihren Namen. Das heißt, dass der Doppelname »Jesus Christus« schon als ein solcher Heilsname verstanden wird. Im JohEv wird deutlich: Wer »an seinen Namen« glaubt, bekommt die Macht, Kind Gottes zu sein (Joh 1,12); beim Passafest in Jerusalem kommen viele zum Glauben »an seinen Namen« wegen der Wunderzeichen (Joh 2,23). Wer an Jesus glaubt, wird gerettet, wer aber nicht, »ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes glaubt« (Joh 3,18). 483 Zur weiteren Anbindung von 1 Joh 3,23f an 3,11.22 sowie an 4,13 s. K LAUCK , Johannesbrief, 223. 484 In der Literatur wird diskutiert, wie das Pronomen hier zu beziehen ist, auf Gott oder auf Jesus. Ich entscheide mich mit B EUTLER , Johannesbriefe, 99 gegen K LAUCK , Johannesbrief, 224, der bedachtsam abwägend unterschiedliche Positionen (Literatur! ) nennt, dafür, Jesus als den Urheber der Gebote anzusehen (vgl. Joh 13,34. Auch mit Blick auf 1 Joh ist festzustellen: 1 Joh 2,5f spricht von Jesu Wort; 2,7 dann vom Gebot ohne nähere Zuordnung. Beides ist zu halten und scheint dasselbe Gegenstandsfeld abzudecken. Der Verweis K LAUCKS auf die Immanenzformel in 4,15f. ist kein Gegenargument, da natürlich auch das gilt: Jesus ist in Gott und Gott in ihm; dasselbe gilt auch für die, die an Jesus glauben. Nur macht diese immer wieder verschränkte Reziprozität nicht unmöglich, Jesus als den »Gesetzgeber« zu sehen, wie es durch Joh 13 und 1 Joh 2 vorauszusetzen ist. 485 Literatur: M USSNER , Kurzformel, TThZ 79 (1970), 49-52. 486 Lit.: S CHRÖTER , Jesus, 231-243 (Jesus und das Gesetz), bes. S. 232ff (Doppelgebot der Liebe). 487 Vgl. Joh 20,31; Apg 9,22; 18,5.28. Die Stellen aus der Apg gehen eindeutig dahin, dass »den Juden« bewiesen werden muss, dass Jesus der Christus ist. Das wird auch für Joh 20,31, für 1 Joh 2,22 und für 5,1 gelten. 488 B ERGER , Hintergrund, 392: »Die Verleihung eines Namens im Zusammenhang mit Berufung und Einsetzung spielt im Spätjudentum besonders in der zur Bekehrungsvision vulgarisierten prophetischen Berufungsvision eine Rolle«. So werde Aseneth in JosAs 19(! ) »ein neuer Name verliehen, der ihre neue Funktion angibt«. Tatsächlich wird Aseneth in JosAs 15,6 in πόλις καταφυγῆς (Zufluchtsort) umbenannt, weil in ihr viele Völker Zuflucht finden werden (διότι ἐν σοὶ καταφεύξονται ἔθνη πολλά). 128 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Man kann überlegen, wie Jesu Name zu solcher Bedeutung kommt. Joh 10,25 gibt möglicherweise die Antwort: Alles, was Jesus tut, tut er »im Namen meines Vaters«. Das heißt, dass die Vorstellung im Hintergrund steht: Jesus trägt den Namen Gottes, ist mit ihm »bekleidet«. 489 Dass dieser Name übertragen werden kann, 490 zeigt schon Joh 10,43: Denn durch den Glauben kann man »in seinem Namen« Leben haben. Dem entspricht dann auch 1 Joh 5,13, denn ewiges Leben haben die, die an seinen Namen glauben. 491 Darum kann 1 Joh 5,16f zwischen Sünde »nicht zum Tode« und »Sünde zum Tode« unterscheiden. Diejenigen, die »in ihm bleiben«, »an seinen Namen glauben«, werden durch Fürbitte der Gemeinde oder auch Christi (2,1) aus der »Sünde nicht zum Tode« gerettet. 492 Der Name Jesu wird also zum Problem: Für die einen ist er gleichbedeutend mit höchstem Heil. Für die anderen ist er ein Stein des Anstoßes. Dabei geht es nicht um die Phonetik oder die Buchstaben des Namens, sondern darum, dass der Name »Jesus Christus« als gleichbedeutend mit dem Gottesnamen (Kyrios) angesehen wird. 493 Es ist auch zu erwägen, ob hier eine Beziehung zu 1 Joh 1,1-4 besteht, wo vom »Wort des Lebens« die Rede ist gemeint ist dort offensichtlich Jesus selbst. Wer an die johanneischen Spitzenaussagen als gemeinchristliches Repertoire gewöhnt ist, merkt gegebenenfalls nicht, welchen Sprengstoff eine solche Aussage enthält. Angenommen, der Prolog von 1 Joh bezieht sich tatsächlich auf eine Augenzeugenschaft und bezieht sich auf das irdische, historische Auftreten Jesu: Natürlich sind die getroffenen Aussagen dann wertend. Aber erstaunlich ist, welche Bedeutung Jesus zugemessen wird. »Wort des Lebens«, das ist kaum unterscheidbar von »Schöpfungswort« und erklärt auch die wiederholte Betonung, hier von Dingen zu sprechen, die »von Anfang an« da waren. Wenn Jesus hier mit dem Schöpfungswort Gottes identifiziert wird, dann ist das zumindest eine enge Parallele zur Aussage, Jesus sei der Sohn Gottes, ja Gott selbst sei in ihm und an ihm erschienen. 489 Vgl. dazu die Vorstellung im Memar Marqa (unten S. 173), in den Oden Salomos und in der Menschensohnfigur z.B. in der Henoch- und Hekhalotliteratur (dazu mehr unten S. 435ff). 490 Im Hirten des Hermas findet sich eine entsprechende Auffassung von der Taufe: Herm sim 9,17,4: Der Engel sagt, dass »alle Nationen, die unter dem Himmel wohnen auf ihr Hören und Glauben hin mit dem Namen des Sohnes Gottes benannt werden. Wenn sie das Siegel erhalten, sind sie einig im Fühlen und Denken, ihr Glaube und ihre Liebe sind eine einzige, und zusammen mit dem Namen tragen sie auch die Geister der Jungfrauen« (B/ N). B ERGER erklärt in einer Fußnote dazu: »In der Taufe wird der Name des Sohnes Gottes über ihnen ausgerufen. Damit wird der Name auf sie gelegt, und sie werden dessen Träger. Wenn der Name das Wichtigste ist, dann sind die Christen durch diesen Akt mit Christus ›identisch‹«. 491 Vgl. ApkPaul 49: »Selig sind die, die durch dich (Paulus) an den Namen (εἰς τὸ ὄνομα) unseres Herrn Jesus Christus geglaubt haben, denn ihnen ist ewiges Leben bereitet.« 492 Der Glaube an den Namen Jesu hilft, von Sünden gerettet zu werden: KerPetr Frgm. 8 (B/ N; bei NTApo Frgm. 3a): ἐὰν μὲν οὖν τις θελήσῃ τοῦ Ἰσραὴλ μετανοήσας διὰ τοῦ ὀνόματός μου πιστεύειν ἐπὶ τὸν θεόν, ἀφεθήσονται αὐτῷ αἱ ἁμαρτίαι. (Christus spricht: ) »Wenn nun einer aus Israel umkehren will und im Blick auf mich und meinen Namen an Gott glaubt, dann werden ihm die Sünden vergeben werden« (strom 6,5,43). 493 Mehr zum »Namen Gottes« unten S. 279ff. 435f. 457. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 129 Für die Betrachtung der Aussage, dass »Jesus Christus im Fleisch gekommen« ist, ist so viel gewonnen: Der Name »Jesus Christus« fungiert hier schon als Substitut des Gottesnamens. Die Haltung, die man zum Namen Jesu einnimmt, ist gleichzeitig Bekenntnis oder Ablehnung des Gottesnamens. Während die Gestalt Jesu von Nazareth anerkanntermaßen von Fleisch und Blut war, so ist doch das, was Jesus als Träger des Gottesnamens verkörpert, mehr und anders: Er ist »das Licht der Welt«, »die Auferstehung und das Leben«, »der gute Hirte«, der »wahre Weinstock«. Er ist der Träger des Namens und der Heiligkeit Gottes. Er ist das »Wort des Lebens«. Die Frage, um die es geht, ist also die, ob diese Zuordnungen stimmen oder nicht. Anders gesagt: Ist nun der Name (oder das Wort) Gottes als Mensch aufgetreten? 494 Ist der Name (Jesus Christus = κύριος = ) als Mensch da gewesen? Die Frage, die hier gestellt wird, ist also keine historische nach der Person Jesus von Nazareth, sondern eher eine »wirkungsgeschichtliche«. Ist er ER? Ist ER in die Welt gekommen? ER, den man als Jesus-Anhänger mit dem Namen Jesu identifiziert? Was mit dem Streit um den Namen Jesu verbunden sein kann, schildert Justin 495 in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon. 496 Justin beklagt sich: Just.dial. 122: »Die Proselyten aber belassen es nicht dabei, nicht zu glauben, sondern doppelt so stark wie ihr verleumden sie seinen Namen (βλασφημοῦσιν εἰς τὸ ὄνομα αὐτοῦ). Und uns, die an ihn glauben, möchten sie am liebsten umbringen und verletzen.« In der von Justin geschilderten Situation ist alles enthalten, was man braucht, um die Gegnerproblematik von 1 Joh plastisch vorstellbar zu machen. Es gibt Menschen, hier »Proselyten« genannt, die dem christlichen Glauben den Rücken kehren und (wieder - oder hier vielleicht: erstmalig) Juden werden. Justin schildert die Befindlichkeit der »zurückgebliebenen« Christen. Sie merken, dass ihre einstigen Parteigänger nun den Namen Jesu beschmutzen. Zugleich fühlen sie sich von diesen mehr bedrängt als von anderen, denn die sogenannten Proselyten belassen es nicht bei der Ablehnung und Beschimpfung des Namens Jesu, sondern drohen mit Mord oder körperlicher Züchtigung. Mit der Aggressivität den Christen gegenüber sind sie ein Musterbeispiel dafür, wie Glaube und Liebe in der Sicht von 1 Joh zusammenhängen: Wird der Glaube an Jesus und seinen Namen aufgegeben, ist für die sozialen Kontakte das Schlimmste zu befürchten. 3.6.2 Das Beachten der Gebote und das Wissen des Geistes in 3,24 1 Joh 3,24: »Und wer seine Gebote hält (ὁ τηρῶν τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ), bleibt in ihm und er in ihm; und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt, mit Hilfe des Geistes (ἐκ τοῦ πνεύματος), den er uns gegeben hat.« Das Gebot der geschwisterlichen Liebe in der Gemeinde (3,23) ist ein Zentralthema nicht nur des 1. Johannesbriefes, sondern auch des Johannes- 494 Dahinter steht die Vorstellung, dass der Name wie ein Siegel auf- und eingeprägt ist und schöpferische sowie richtende Macht in höchster Potenz besitzt. 495 Literatur: B AMMEL , Justin; C AMPENHAUSEN , Kirchenväter; R ITTER , Kirche; DERS . Anfänge. 496 Zumeist wird der Dialog mit dem Juden Tryphon zwischen 150 und 155 n.Chr. datiert. 130 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias evangeliums. 497 In 3,24 wird das »Beachten« bzw. »Halten« der Gebote eingeschärft, auch dies ein Lieblingsmotiv der johanneischen Schriften. 498 Gleichzeitig verbindet sich das Halten der Gebote im Corpus Johanneum mit der Liebe. Denn wer Gott liebt, wird seine Gebote halten (Joh 14,15). Umgekehrt liebt derjenige, der Jesu Gebote hält, Jesus und wird ihn in seiner Offenbarung epiphan erleben (Joh 15,9). Am Halten der Gebote merkt man, dass man ihn kennt und dann ist die Liebe Gottes vollkommen (1 Joh 2,5). In 1 Joh 3,23 werden als Inhalt des Gebots Glaube und Liebe genannt. In 1 Joh 5,2f werden die Gebote dann wieder in der Liebe verwirklicht. 1 Joh 3,23f bindet also den Glauben an den Namen Jesu eng zusammen mit dem Beachten seiner Gebote. Dabei ist zu beachten, dass klassisch gesehen es ja eigentlich Gott ist, der die Gebote (am Sinai) gibt. Die Auffassung Jesu als »Gesetzgeber« »wie Mose« ist in den johanneischen Schriften nur deswegen möglich, weil Jesus nichts weiter als der Repräsentant Gottes ist. Die Liebe zu ihm und die Liebe, die von ihm ausgeht, ist daher gleichbedeutend mit der Liebe zu Gott und von Gott. Daher kann 1 Joh 2,7 auch betonen, dass das neue Gebot Jesu zugleich das alte ist; so, wie der synoptische Jesus mit dem Doppelgebot der Liebe nichts anderes tut, als auf die Frage einer Zusammenfassung bzw. Fokussierung der alttestamentlichen Gebote eine knappe und präzise Auskunft zu geben. Dennoch ist die Verknüpfung vom »Halten der Gebote« mit »Liebe« typisch johanneisch. Sonst liegt die Verbindung zum Leben, das Gott denen gibt, die seine Gebote halten, näher. Vgl. Mt 19,16; 1 Tim 6,13; Offb 14,12f; Theophilus von Antiochien äußert sich ähnlich: 2 Theophil 29: (Was wäre gewesen, wenn der Mensch nicht gesündigt hätte und nicht des Paradieses verwiesen worden wäre: ) »Er hätte das Gebot Gottes beachtet (τηρήσας τὴν ἐντολὴν τοῦ Θεοῦ) und hätte als Lohn von ihm die Unsterblichkeit erhalten und wäre Gott geworden.« Ganz ähnlich auch Pastor Hermae, wo die Wortverbindung häufig auftaucht: Herm sim 5,5: »Beachte seine Gebote (τήρησον τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ), indem du in seinen Ordnungen wandelst. Keine böse Begierde steige in deinem Herzen auf. Glaube aber an Gott. Und wenn du dieses tust und fürchtest ihn und dich aller bösen Dinge enthältst, wirst Du leben bei Gott.« Herm mand 7,5: »Weswegen Herr, sagte ich, hast du über die, die seine Gebote beachten, gesagt (εἶπας περὶ τῶν τηρούντων τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ·): Sie werden bei Gott Leben haben? - Deswegen, sagte er, weil alle Kreatur den Herrn fürchtet, aber seine Gebote halten sie nicht. Von denen also, die ihn fürchten und seine Gebote halten, von jenen ist gesagt, dass ihr Leben bei Gott ist. Von denen aber, die die Gebote nicht halten, ist gesagt: Sie haben kein Leben in ihm.« Das Motiv des Lebens allein in Verbindung mit Christus ist nun ebenso johanneisch, man denke nur an das Bild vom Weinstock und den Reben (Joh 15). Das Motiv, Leben zu haben allein »in« Gott oder »in« Christus, ist allgegenwärtig 497 A UGENSTEIN , Liebesgebot; P OPKES , Theologie, 100-161. 498 Innerhalb des Neuen Testaments begegnet dieses Motiv 11-mal in den johanneischen Schriften, je einmal bei Matthäus und 1 Tim und schließlich 4-mal in der Offenbarung des Johannes. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 131 und verbindet sich mit dem Motiv des »Bleibens-in« (1 Joh 3,24: ἐν αὐτῷ μένει καὶ αὐτὸς ἐν αὐτῷ). Dieses wiederum wird durch die konkreten Lebensäußerungen von Bruderliebe (3,23) und Jesusbekenntnis (4,1ff) verdeutlicht. Die Erkenntnis des gegenwärtigen Heilsstandes (in ihm bleiben) geschieht nicht automatisch, sondern ἐκ τοῦ πνεύματος (aus dem Geist, dank des Geistes, mit Hilfe des Geistes), ebenso in 4,13. Das ist kein Zufall, denn die Verbindung zu Gott durch Jesus ist eine Verbindung in Richtung Himmel. Hier gilt: »Was vom Fleisch geboren ist, ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, ist Geist« (Joh 3,6). Damit ist in Joh 3 zugleich die Frage der Herkunft eines Menschen und des Neuwerdens durch den Geist angesprochen. 499 Aber wie kann man beurteilen, ob Jesus in Joh 3 nun »nur« ein »Lehrer« ist, »der von Gott gekommen ist« (Nikodemus), oder ober er der Menschensohn ist, der vom Himmel kommt (Joh 3,13f)? Auch in Joh 3 ist das eine Entscheidung des Geistes. Fest steht, dass Gott seinen Sohn »in die Welt« gesandt hat (3,17), um die Welt zu retten. Allein die Welt (bzw. die Menschheit) erkennt, will und glaubt nicht (3,19). Genau wie in 1 Joh 3,23f geht es auch in Joh 3 somit um einen geistlichen Erkenntnisprozess zur Frage, ob Jesus der vom Himmel »in die Welt« bzw. »ins Fleisch« gekommene Retter ist. 3.6.3 Signale für 1 Joh 4: γινώσκειν, πιστεύειν, ὁμολογεῖν, μαρτυρεῖν und ἀπαγγέλλει ν Mit den Signalwörtern »Glaube« und »Geist«, die beide erstmalig hier im 1. Johannesbrief erscheinen, wird der Themenbereich der Auseinandersetzung mit den Gegnern in 1 Joh 4 angeschnitten. Die Aufforderung, zu glauben, begegnet in den Schriften des Alten und Neuen Testaments und der Umwelt häufig. Dass dies aber als Gebot bezeichnet wird, ist neutestamentlich singulär nur hier in 1 Joh gegeben. Das Liebesgebot ist hier mit dem neutestamentlich singulären Glaubensgebot verknüpft. 500 Das »Glauben« (3,23; 4,1) wird sowohl vom »Wissen« (3,24) also auch vom »Bekennen« (4,2f) gespiegelt. γινώσκειν in 3,23 (vgl. 4,1) bedeutet zu »kennen, erkennen, (...) verstehen, erfahren, (...) spüren, wissen, anerkennen«, 501 dass wir in ihm bleiben. 499 Vgl. Joh 3: »von oben«/ »von neuem« geboren; Aufu. Abstieg d. Menschensohns; S ASSE , Menschensohn, 79-156. 500 Die ungewöhnliche Verbindung begegnet auch in Sir 32,2 (wer dem Gesetz glaubt, hält die Gebote) und in Herm sim 5,5: Dem Halten der Gebote und dem Vermeiden von Übeltaten wird die Aufforderung, an Gott zu glauben, gegenübergestellt. Letztlich zeigen beide Stellen, dass ein Gebot mit dem Inhalt »Glaubt! « sonst nicht bekannt ist. 501 K ASSÜHLKE , Wörterbuch. 132 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Der Moment des Anerkennens, der durch das Verb γινώσκειν mit abgebildet wird, entspricht sehr gut dem Bekenntnischarakter von ὁμολογεῖν. 502 Zu beachten ist, dass γινώσκειν hier, wie auch sonst in 1 Joh gegenüber den anderen beiden Verben dominant ist. 503 Es bezieht sich fast durchgängig auf die Sicherheit, wirklich erkannt zu haben, bzw. wirklich jeweils angesprochene Zugehörigkeit zu haben. 504 Um so wichtiger ist, dass es jetzt zunächst mit πιστεύειν, dessen Bedeutungsgehalt neben »für-wahr-halten« auch »anerkennen« und »vertrauen auf« umfasst. 505 In 1 Joh geht es dabei vor allem darum, dem Namen Jesu zu vertrauen/ glauben (3,23; 5,13), nicht aber »jedem Geist« (4,1); es gilt, der Liebe Gottes zu trauen (4,16) und anzuerkennen, dass Jesus der Christus (5,1) bzw. der Sohn Gottes (5,5) ist. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das nötige Zeugnis dafür in sich (5,10) und ist damit gegen die gegnerische »Lüge« gewappnet. Mit dem Stichwort ὁμολογεῖν, »bekennen« 506 (4,2f; vgl. 2 Joh 7), befinden wir uns schon im folgenden Abschnitt 1 Joh 4. Da es aber hier um das Zusammenspiel der drei aufeinander bezogenen Verben geht, ist es sinnvoll, schon hier eine nähere Betrachtung zu unternehmen. ὁμολογεῖν begegnet in 1 Joh in unterschiedlichen Zusammenhängen. Es geht darum, zu seiner Sünde zu stehen, damit auch Christus 502 Damit relativiert sich der Streit darum, ob das πιστεύειν von 3,23; 4,1 eher dem γινώσκειν oder eher dem ὁμολογεῖν entspricht. S TRECKER , Johannesbriefe, 202 verweist darauf, dass »πιστεύειν nicht im intellektuellen Sinn für ein bloßes ‹Fürwahrhalten›« stehe, sondern »die Bedeutung von ‹Anerkennen›, das ein ‹Verwirklichen›« impliziere und »insofern dem johanneischen γινώσκειν« nahestehe. Dem ist zu folgen; seiner Ablehnung der von B ULTMANN , Johannesbriefe, 64, und von S CHNACKEN - BURG , Johannesbriefe 206, geäußerten Auffassung dagegen nicht, dass eine Parallelität oder Identität mit ὁμολογεῖν bestehe. Es ist im Gegensatz zu S TRECKER zu beachten, dass alle drei Vokabeln ähnliche Wortfelder haben und somit Bedeutungsüberschneidungen entstehen, die im Text her genutzt werden. So kann der Autor nuanciert mit den möglichen, einander kommentierenden Bedeutungen spielen. 503 γινώσκειν begegnet in 1 Joh 25-mal (im Johannesevangelium 57-mal, in 2 Joh 1-mal; im übrigen NT insgesamt 139-mal): 1 Joh 2,3-5.13.14.18.29-3,1; 3,6.16.19-20.24; 4,2.6-8.13.16; 5,2.20; 2 Joh 1,1. πιστεύειν dagegen ist zwar im Johannesevangelium mit 98 Vorkommen präsent, begegnet in 1 Joh aber nur 9-mal: 1 Joh 3,23; 4,1.16; 5,1.5.10.13. ὁμολογεῖν kommt im NT insgesamt 23-mal vor, davon im Johannesevangelium 4-mal; in 1-2 Joh insgesamt 5-mal: 1 Joh 1,9; 2,23; 4,2-3.15; 2 Joh 7. 504 Es geht um Bestätigung und Sicherheit, wirklich erkannt zu haben, die sich am Halten der Gebote zeigt (2,3-5). 2,13f: Das Selbstverständnis der Adressaten drückt sich offensichtlich darin aus, dass sie »den Vater erkannt« haben (oder ist hier auch gerade die Frage der Gegner mit untergebracht? ). 2,18: Gewissheit, dass die letzte Stunde da ist, weil so viele Gegen-Messiasse da sind. Gewissheit, dass die Täter der Gerechtigkeit »aus ihm« stammen (2,29). Der Kosmos erkennt uns nicht, weil er ihn nicht erkennt (3,1). Wer sündigt, hat ihn nicht erkannt und bleibt nicht »in ihm« (3,6). Daran haben wir die Liebe erkannt, dass jener für uns sein Leben gab (3,16). An der Liebe erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind (3,19). Gott erkennt alles (3,20). Am Halten der Gebote und mit Hilfe des Geistes erkennt man, dass man in ihm bleibt (3,24). Den Geist Gottes erkennt man am Bekenntnis, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist (4,2). Wer Gott erkennt, hört auf die, die aus Gott sind (4,6) daran ist der Geist der Wahrheit und des Irrtums zu erkennen (4,7), also: daran, ob jemand zuhört / hört, wenn jemand redet, der aus Gott ist. - Ausschlusskriterium sehr einfach: Wer nicht hört, gehört nicht dazu, kommt von der Gegenseite. Wer liebt, erkennt Gott; wer nicht liebt, erkennt Gott nicht (4,7f). An der Liebe erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns - und das geschieht mit Hilfe des Geistes (4,13). Wir haben erkannt die Liebe, die Gott zu uns hat (4,16). Wir erkennen, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote tun (5,2). Der Sohn Gottes ist gekommen und hat uns Einsicht geschenkt, dass wir die Wahrheit erkennen. (5,20) 505 B AUER / A LAND , Wörterbuch. 506 K ASSÜHLKE , Wörterbuch: »eingestehen, zugeben; (Schuld) bekennen; (Schuld) erklären; jd. bekennen, sich zu jd. bekennen; versprechen«. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 133 zu uns steht (1,9); es geht darum, sich zu Christus und dadurch zu Gott zu bekennen (2,23). In 4,2 wird nach der Aufforderung nicht jedem Geist zu glauben (4,1), als Unterscheidungskriterium das Bekenntnis des jeweiligen Geistes angegeben. Bekennt er sich zum menschgewordenen Jesus Christus, ist er von Gott. Bekennt er sich nicht zu Jesus, ist er vom Antichrist. Das wird in 4,15 weiter ausgeführt als Bekenntnis dazu, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Dieses Bekenntnis bedeutet zugleich, dass der Bekennende zu Gott gehört. 3.6.3.1 Überblick über die Verben der Er- und Bekenntnisse in 1 Joh Beobachtungen : Deutlich wird, dass trotz inhaltlicher Überschneidungen doch ganz unterschiedliche Felder abgedeckt werden, deren Kombination allerdings nun die Besonderheit des γινώσκειν πιστεύειν ὁμολογεῖν Er- und Bekenntnisse μαρτυρεῖν / ἀν-/ erkennen vertrauen bekennen Grundbedeutung verkünden, bezeugen den Vater, ihn, uns, die Liebe, die Wahrheit dass: letzte Stunde; »aus Gott stammen«, »in ihm sein« dem Namen Jesu oder »jedem Geist« bzw. den falschen Messiassen, dem Sohn Gottes. dass: Jesus der Christus / Sohn Gottes ist. Sünden, Gott, Jesus Christus dass: Jesus Christus als Mensch gekommen Objekt das Leben, das uns erschienen ist; was wir gesehen und gehört haben; dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt; dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist; gekommen durch Wasser und Blut; dass Gott uns ewiges Leben in seinem Sohn gegeben hat. Liebe, Tun der Gebote, Geist Zeugnis Gottes in sich haben Voraussetzung gesehen, gehört, selbst erlebt hören auf, lieben, tun der Gebote, in ihm bleiben Überwindung der Welt Konsequenz Ziel: Freude, Gemeinschaft nicht erkennen Unglaube macht Gott zum Lügner leugnen (ἀρνεῖσθαι) Gegenbegriff 134 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Textes darstellt. Während ὁμολογεῖν, μαρτυρεῖν, ἀν- und ἀπαγγέλλειν den Auftritt nach außen betreffen, bezieht sich γινώσκειν eher auf eine Leistung des Verstandes, während πιστεύειν affektorientierter ist. Eine Querverbindung zwischen Glauben und Bekennen besteht zusätzlich darin, dass als Gegenbegriff zu πιστεύειν in 5,10 Gott zum Lügner erklärt wird, während als Gegenbegriff zu ὁμολογεῖν leugnen ἀρνεῖσθαι genannt wird. Während die johanneisch zentrale Vokabel des »Bekennens« sowohl mit »Glauben« als auch »Bezeugen« und »Verkünden« verknüpft wird, zum Teil auch über den Umweg des Gehört- und Gesehen-Habens, werden das Bekennen und das Erkennen nicht direkt verknüpft, obwohl sie manchmal parallel stehen. »Glaube« hat also genau wie die »Bezeugung« und die »Verkündigung« mit grundlegenden »Erkenntnissen« und Einsichten zu tun, die man mit Gott gemacht hat. Dabei bedeutet »Erkenntnis« nicht bloß eine intellektuelle Leistung, sondern stellt auch eine »Einheit« mit dem erkannten Objekt, hier Gott bzw. Jesus, her. Man kann sagen: Das »Erkennen« (im Prolog über die sinnliche Wahrnehmung eingeleitet) ist Voraussetzung für den Glauben und die Verkündigung/ Zeugenschaft und zugleich Grundlage des Bekennens. Das »Bekenntnis« hier nennt dann aber nicht das persönliche »Erkannthaben«, sondern nennt einen »Satz« (»Jesus ist Christus«, »Jesus ist Sohn Gottes«), der umstritten ist. Für unsere Fragestellung wichtig: nur das ὁμολογεῖν ist umstritten zwischen den Gegnern und dem Autor des 1 Joh. Glaube, Erkenntnis, Zeugnis, Verkündigung sind nicht die Streitpunkte, obwohl eine große Deckung oder Teildeckung in den Wortfeldern zu beobachten ist. Die »Leugnung« (ἀρνεῖσθαι) bezieht sich nur auf das Bekennen; als Gegenbegriff zur Erkenntnis wird sonst »Lüge« genannt. Beziehen wir unsere Überlegungen auf den Heiligen Geist und auf die »Sünde wider den Heiligen Geist«: - Chrisma und Christus hängen zusammen. Die Christus-Bezeichnung ist für 1 Joh pneumatisch orientiert und entspricht dem Selbstverständnis, das Chrisma, d.h. den Geist zu haben. - Die Sünde wider den Heiligen Geist besteht darin, nicht zu bejahen (bekennen), dass Jesus der Christus ist, weil mit dem Träger des Geistes/ Chrismas (Jesus) zugleich der Geist selbst beschädigt wird. Die »Bejahung« ist nicht nur öffentlich, wie das Bezeugen und Verkündigen, es ist vor allem auch ein »Einstimmen« oder »Zusammenstimmen« des eigenen Ichs (bzw. des Geistes, der in einem ist) mit dem Geist des Geistträgers (Jesus), um den es geht. Das gilt auch für das Bekennen der eigenen Sünden (1,9). Sie zu bekennen und nicht zu leugnen, ist kein Zustimmen, aber ein Zugeben, auf das Christus dann mit seiner Treue reagieren kann. Es geht also um Wahrhaftigkeit im Umgang mit der Sünde, die sich darin zeigt, ob man zugeben und bekennen kann, was an Sünde da ist. Bezogen auf Jesus: Wenn das Einstimmen, Zustimmen, Bejahen, Zusammenstimmen des eigenen Geistes mit dem hervorgehobenen Geistträger und seinem Geist grundsätzlich unterbrochen bzw. sogar abgebrochen wird, ist klar, dass der eigene Geist nicht dem Geist des Geistträgers entspricht, ihm sogar entgegengesetzt ist. Auch dies ist eine Frage der Wahrhaftigkeit und Treue (Stichwort 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 135 »Lüge« für die Gegner in 2,22f). So wird aus dem Nicht-Bekenner in der Perspektive von 1 Joh ein »Gegen-Christ«. Der »Gegen-Christ« mit seinem »Nicht-Zustimmen« und seiner »Disharmonie« zum Geist des ausgezeichneten Geistträgers beeinträchtigt zugleich die Gemeinschaft derer, die ihr Chrisma vom Christus haben. Der Auftritt des »Gegen-Christen« aus den Reihen der Christen zeigt also einen »Gegen-Geist«. Alle Folgerungen, der »Gegen-Christ« stamme nicht wirklich aus den eigenen Reihen, sondern sei von Anfang an von der Gegenseite infiziert, ist eine logische Konsequenz für 1 Joh. Wer den Sohn bekennt, der der Christus ist, hat den Vater (2,22f), ist aus Gott (4,2), hat Gott in sich und bleibt in Gott (4,15). Das Bekenntnis zum Sohn verläuft aber ganz offensichtlich über Christus; die Verknüpfung »Christus« mit »Sohn« ist dabei die für die Argumentation von 1 Joh wesentliche Voraussetzung. Das Bekenntnis zum Sohn, das Einstimmen darin, dass er der Sohn ist, bedeutet Zustimmung zum Vater. Die Leugnung der Sohnschaft bedeutet damit zugleich, den im Begriff »Sohn« mitgesetzten »Vater« zu streichen. 3.6.3.1.1 Die Sendung des Geistes als Beistand in Joh 16 Im Johannesevangelium kann man etwas Ähnliches beobachten in der Verheißung des Beistandes des Heiligen Geistes (Joh 16,4-15): Der Geist wird als Beistand (Paraklet) verheißen für den in der Welt der Jünger laufenden »Prozess«, d.h. für die immer wieder öffentlich zu leistende Verteidigung und das Einstehen für den Glauben an Christus. Der Geist wird nicht nur in die Wahrheit führen, sondern auch die Gegner (Welt) »überführen«. Die Jünger werden nach Jesu Weggang den Prozess Gottes mit der Welt weiterführen müssen: »Bereits Jesu eigenes ›Zeugnis‹ hat von Anfang an diesen Charakter des göttlichen Parts im letzten, entscheidenden Rechtsstreit mit der Welt des Unglaubens.« Dahinter » steht eine breite jüdische Tradition der Erwartung eines endgütig entscheidenden Gerichtes Gottes über die Gesamtheit der Ungerechten und Frevler aller Zeiten und zugleich der endgültigen Scheidung und Befreiung der Gerechten aller Zeiten aus ihrer Hand.« 507 Das Kommen des »Anwalts« zu den Jüngern bedeute »eine unentbehrliche Hilfe für sie in ihrem nachösterlichen Zeugnis gegenüber der Welt«. 508 Anders als in 1 Joh bezieht sich das Geistwirken auf das Bezeugen und Verkünden. 3.6.3.1.2 Das Bekennen des Messias in Konfrontation mit (inner-)synagogalen Gegnern Wenn man aber die drei Vorkommen von ὁμολογεῖν im Johannesevangelium betrachtet, wird deutlich, dass ὁμολογεῖν immer die Außenfront des Glaubens an Christus insbesondere in der Konfrontation mit den nicht an Jesus glaubenden Juden darstellt: 507 W ILCKENS , Evangelium, 250. 508 W ILCKENS , Evangelium, 251. 136 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Joh 9,22: »Die Juden hatten sich geeinigt, dass wenn jemand ihn als Christus bekenne, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden solle« (ἐάν τις αὐτὸν ὁμολογήσῃ χριστόν, ἀποσυνάγωγος γένηται); Joh 12,42: »Viele der Anführer glaubten an ihn, aber wegen der Pharisäer bekannten sie es nicht, damit sie nicht aus der Synagoge ausgeschlossen würden« (ἵνα μὴ ἀποσυνάγωγοι γένωνται). Das Bekenntnis hat hier die Frontstellung innerhalb des synagogalen Judentums zu den Pharisäern. Das Bekenntnis führt zum Ausschluss aus der Synagoge. Massiver Druck und Angst sind im Spiel. Das Bekenntnis bezieht sich in 9,22 auf Christus, in 12,42 möglicherweise auf den Menschensohn (12,34), wahrscheinlicher aber auch auf den Christus (12,33), da der »Menschensohn« von 12,34 hier eine Näherbestimmung des Christus-Begriffs ist. Auch in Joh 1,20 geht es um das Bekenntnis dazu, wer der Christus ist, wenn es von Johannes dem Täufer heißt: »Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: ›Ich bin nicht der Christus‹« (καὶ ὡμολόγησεν καὶ οὐκ ἠρνήσατο, καὶ ὡμολόγησεν ὅτι ἐγὼ οὐκ εἰμὶ ὁ χριστός). 3.6.3.1.3 Fazit Das Johannesevangelium liefert einen Bericht über ein präsentisch gedachtes Gericht Gottes mit der Welt. Die Jünger übernehmen nach dem Weggang Jesu darin seine Position. Der Geist, den Jesus als Anwalt schickt, hilft ihnen, aufzutreten, zu bezeugen, zu verkünden. Offensichtlich geht es dabei um mehr als ein bloßes Bekennen; das unterscheidet das Johannesevangelium vom Ersten Johannesbrief. Das Bekennen hat allerdings zugleich mit der real erfahrenen Leidensgeschichte der Christen innerhalb oder am Rande des Judentums in den ersten Jahren und Jahrzehnten zu tun. Das Bekenntnis dazu, dass Jesus der Christus ist, führt zum Synagogenausschluss. Im Prozess Gottes mit der Welt bildet das Bekennen der Christen die Ursache für die Konfrontation seitens der Gegner. Der Geist hilft positiv, die eigene Position nicht in Rückzugsgefechten bloß verteidigend zu halten, sondern offensiv »nach vorne« zu gehen und aktiv darzulegen. Dahinter steht das Wissen, Teil des Gesamtprozesses zu sein, der für die Gegner nur negativ ausfallen kann, zumal einige an sich auch Ja sagen würden, nur aus Angst nicht aus der Deckung kommen. 3.6.3.2 »Bekennen« in den nicht-johanneischen Schriften 509 Die Kombination von »Geist« und »bekennen« in 1 Joh ist typisch johanneisch, sonst aber im Neuen Testament und Umgebung ungewöhnlich. Im Neuen 509 »Bekennen« begegnet im Neuen Testament insgesamt 26-mal. Die johanneischen Schriften liegen mit insgesamt 10 Vorkommen an der Spitze (Joh 4-mal, 1 Joh 5-mal, 2 Joh 1-mal), gefolgt von Matthäus (4-mal) und den Paulinen (Römer 2-mal, 1 Tim 1-mal; Tit 1-mal). Die Apostelgeschichte und das Lukasevangelium haben drei bzw. zwei Erwähnungen, Hebräer ebenfalls zwei und die Offenbarung ein Vorkommen. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 137 Testament begegnet sie sonst nur in Apg 23,8. Dort werden die Positionen der Sadduzäer und der Pharisäer so wiedergegeben: »Die Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung, auch weder Engel noch Geist (πνεῦμα); die Pharisäer aber bekennen (ὁμολογοῦσιν) sich zu beidem.« 510 Hier wird von den Sadduzäern die Existenz oder die Wirksamkeit göttlichen Geistes (andere übersetzen: »Geister« oder »übernatürliche Wesen«) bestritten. Zwar wird der Geist in Frage gestellt bzw. von den Pharisäern bekannt. Jedoch ist das handelnde Subjekt nicht ein pneumatisch erfüllter Mensch, sondern es sind schlicht »die Pharisäer« bzw. »die Sadduzäer«. 511 Justins jüdischer Kontrahent Trypho bezweifelt (dial. 55), dass der prophetische Geist eine weiten Gott neben dem Schöpfer bekennt: »Beweise uns, dass der prophetische Geist außer dem Weltschöpfer noch einen anderen Gott anerkannt hat« (ἀπόδειξον ἡμῖν ὅτι ἕτερος Θεὸς (...) ὑπὸ τοῦ προφητικοῦ Πνεύματος ὡμολόγηται εἶναι).« 512 Justin wird aufgefordert, zu zeigen, dass der göttlich-prophetische Geist in den Schriften einen »zweiten Gott«, d.h. Jesus Christus bezeugt. Es geht also um einen Schriftbeweis mit vorausgesetzter pneumatischer Schriftinspiration. Das ist aber durchaus etwas anderes, als wenn konkrete Menschen mit abweichenden Auffassungen pneumatisch anhand ihres Bekenntnisses beurteilt werden sollen. Vergleicht man also beide Textstellen mit 1 Joh, wird deutlich, dass die Besonderheit von 1 Joh hier darin besteht, den Geist am Bekenntnis zu messen. Diese Besonderheit klärt sich dadurch, dass das Bekenntnis auf den Geistträger, den Geistgesalbten, gerichtet ist, von dem die Angesprochenen (und ihre »abgefallenen« Gegner) den Geist haben. Wenn Jesus der geistgesalbte Träger prophetisch-göttlichen Geistes ist, dann muss tatsächlich der pneumatische Anspruch anderer daran gemessen werden, wie dieser Anspruch zum eigentlichen und einzigen Hauptträger und Vermittler des Geistes steht. Wenn zwar der Bezug auf »Geist« und »Christus« typisch johanneisch ist, so ist die Beobachtung, dass es sich auch sonst um eine Vokabel aus der Frontstellung gegenüber anderen handelt, nicht von der Hand zu weisen. 513 Dem Bekenntnis zu Jesus entspricht im Übrigen das Bekenntnis Jesu zu dem, der ihn bekennt. 514 Das 510 Übersetzung: S CHLACHTER . 511 In 1 Joh geht es um eine existentielle Frage in der Beurteilung »des Geistes« konkret handelnder Personen; in Apg 23 geht es dagegen um eine Tatsachenfrage: Gibt es so etwas wie Engel, Geist und Auferstehung? Die konservative Antwort der Sadduzäer lautet darauf: »Nein! « Sie leugnen das Gegenstandsfeld überhaupt. 512 Übersetzung: H AUSER , Ph., BKV 1, 33, Kempten & München 1917. 513 Mt 10,32: »Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater«; Lk 23,8: »Ich sage euch aber: Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes«; Apg 24,14: (Paulus: ) »Das bekenne ich dir aber, dass ich nach dem Weg, den sie eine Sekte nennen, dem Gott meiner Väter so diene«; Röm 10,9: »Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, (...) so wirst du gerettet. (10) Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet«; 1 Tim 6,12: »Kämpfe (...) wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen«; Hebr 13,15: » seinen Namen bekennen.« 514 Mt 7,23: »... werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt«; Mt 10,32; Lk 23,8; Offb 3,8: »Ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln«. 138 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias entspricht der johanneisch vorausgesetzten Wechselwirkung: Wer Christus bejaht, dessen Chrisma ist echt; wer ihn nicht mehr bejaht, dessen Chrisma, hängt nicht mit dem des Gottessohnes, d.h. letztlich mit Gott zusammen und ist vom Teufel. 3.6.3.3 Ergebnisse 1. »Bekennen« ist ein Ausdruck, der im frühchristlichen Kontext eine öffentliche Festlegung in Konfrontation mit anderen bedeutet. 2. In den johanneischen Schriften ist »Bekennen« fast ausschließlich an die Frage gebunden, ob Jesus der Christus oder der als Christus bezeichnete Sohn Gottes ist. 3. Chrisma und Christus hängen in der Bekenntnisfrage eng zusammen. Denn wenn Bekennen auch »Zustimmen« und »Bejahen« bedeutet, stimmt der eigene Geist dem Geist des Geistträgers, stimmt die eigene Salbung der Salbung des Gesalbten zu. Geschieht diese Zustimmung zu Unrecht nicht, setzt sich der »Leugner« nicht nur ins Unrecht. Er selbst hat dann offensichtlich einen »Gegen-Geist«, ist des Teufels und jedenfalls ein Gegen-Christ. Man kann sagen, dass es beim Bekenntnis um die Frage geht, wes Geistes Kind man ist und ob man zustimmen kann, dasselbe sagen kann. Auch heute gilt: In wichtigen Dingen muss eine Gemeinschaft dasselbe sagen, sonst hat sie nicht denselben Geist. 4. Für den, der bekennt oder leugnet, bleibt die eigene Entscheidung nicht folgenlos. Denn Christus reagiert auf das Bekennen oder Nichtbekennen mit eigener Aktion. Er bekennt oder verleugnet.515 Diese wechselseitige Wirkung entspricht der Verbundenheit durch das Chrisma bzw. den Geist, die in 1 Joh grundlegend ist. 5. Für die Frage nach der Christologie ist hier gewonnen, dass es sich, jedenfalls unter den Stichworten Chrisma und Christus in 1 Joh um das Thema der pneumatischen Beurteilung bzw. im Falle des Fehlurteils hinsichtlich des Gesalbten um Sünde wider den Heiligen Geist handelt. Das liegt in 1 Joh an der Fokussierung auf die Geistsalbung, die die Gemeinschaft mit Christus verbindet. 6. Damit ist auch deutlich, dass ein pneumatisches Fehlurteil über Christus zugleich ekklesiologisch zerstörerisch wirkt. 3.6.4 Ergebnisse aus der Übersicht zu 1 Joh 3,23f und den Erkenntnis-Vokabeln 1. Glaube an Jesus Christus und geschwisterliche Liebe untereinander bilden das Gebot Christi. 2. Dieses Doppelgebot gilt es zu erfüllen, um die Zugehörigkeit zu Gott/ Christus zu »sichern«. 3. Der Geist hilft, diese Vergewisserung zu erfahren. Damit hilft er auch, die Gebote zu halten. 4. Der Glaube an Jesus ist zugleich der Glaube an den Namen Jesu. 5. Der »Name« ist der Name des Sohnes Gottes. Es geht also nicht einfach um »Jesus Christus«, sondern dahinter steht ein Konzept, das die Übertragung des Gottesnamens auf Jesus voraussetzt. 515 Zusätzlich gibt es Belege, dass mündliches »Bekennen« nicht das einzige Kriterium dafür ist, wie Christus sich gegenüber denen verhält, die sich so oder anders zu ihm stellen. Ganz im Sinne von 1 Joh kann man so Mt 7,21; 25,31ff lesen. Das dort geforderte bzw. konstatierte konkrete Verhalten gegenüber den Mitchristen (bzw. Mitmenschen) wird als Bekenntnis zu oder gegen Jesus gewertet. Im Sinne von 1 Joh ist das z.B. wegen 1 Joh 3,18: »Lasst uns nicht lieben mit Worten und schönen Reden, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.« 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 139 6. Das in 4,2f geforderte »Bekennen« ist die Außenaktivität des innerlich erfolgten oder erfolgenden Vertrauens und Erkennens. Das setzt Hilfe des Geistes voraus. 7. Bekennen ist eine Frage des Geistes, besonders wenn Christus und Chrisma betroffen sind. 8. Beim in 4,2f geforderten Bekenntnis geht es um ein Kriterium für die Scheidung der Geister. 9. Eine falsche Entscheidung beim Bekenntnis für/ gegen die Messianität Jesu zeigt, dass der eigene Geist ein Geist der Verwirrung und Lüge ist; der Leugner wird zum Gegen-Christ. 3.6.5 Unterscheidung der Geister und die Falschpropheten (1 Joh 4,1) 516 Mit dem Topos der »Scheidung der Geister« fasst 1 Joh ein »brandheißes« Eisen an, bei dem, wie wir gesehen haben, äußerste Vorsicht angebracht ist in der Beurteilung, Überprüfung und Unterscheidung der Geister. Im Falle eines Fehlurteils hat man es direkt mit dem Geber des Geistes als Gegner zu tun. Andererseits scheint die Unterscheidung nötig geworden zu sein, da die Gegner sich offensichtlich in gleicher Weise wie der Verfasser und die Adressaten als »gesalbt« und »geistbegabt« ansehen oder zumindest auf den Geist berufen in ihrem abweichenden Bekenntnis. Was aber tut man, wenn zwei einander ausschließende Bekenntnisse im Raum stehen, beide mit Berufung auf den Heiligen Geist ausgesprochen? Man muss also doch unterscheiden. 1 Joh sucht nach einem Kriterium: 1 Joh 4,1: »Ihr Lieben, glaubt nicht jedem Geist, sondern überprüft die Geister (δοκιμάζετε τὰ πνεύματα), ob sie aus Gott sind. Denn viele Falsch-Propheten sind in die Welt hinausgegangen« (πολλοὶ ψευδοπροφῆται ἐξεληλύθασιν εἰς τὸν κόσμον). Das πνεῦμα des vorangegangenen Satzes 3,24 wird aufgenommen und in den Plural gesetzt. Erstmalig ist hier also von einem Plural von Geistern die Rede (das sonstige Corpus Johanneum kennt diesen Plural nicht). Es geht also nicht mehr um »den« Geist Gottes, sondern um mehrere, aus denen man den richtigen herausfinden muss. Wie man in 4,2f und 4,6 sehen kann, ist die Mehrzahl aber dualistisch begrenzt: Der »Geist aus Gott« steht dem »Geist nicht aus Gott« (4,2f) gegenüber; entsprechend der »Geist der Wahrheit« dem »Geist des Irrtums« (4,6). In den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte sind »Geister« (im Plural) durchweg unreine oder böse Geister, Dämonen oder Totengeister, die vor Jesus weichen müssen. 517 Paulus dagegen kennt die Unterscheidung der Geister, 518 geistliche Gaben, die er »Geister« nennt (1 Kor 14,12), und »Geister der Propheten« d.h. besondere Geistbegabungen der frühchristlichen Propheten (1 Kor 14,32). 1 Tim 4,1 spricht von verführerischen Geistern, Hebr wiederum von Geistern im Sinne von Engeln oder Gaben, 519 1 Petr 3,19 nennt die Geister der 516 S.o. S. 124. Vgl. E RLEMANN , Unfassbar? , besonders S. 58-96; L EISEGANG , Pneuma, bes. S. 96-112; B ERGER , Theologiegeschichte, 220-224. Ebd., 222: »Besondere Bedeutung hat das Urteilen darüber, ›wes Geistes Kind jemand‹ ist, bei der Bekenntnisbildung. Denn durchgehend sind frühe Bekenntnisse (jedenfalls in binnenchristlicher Funktion) nichts anderes als Urteile dieser Art.« 517 Mt 8,16; 10,1; 12,45; Mk 1,27; 3,11; 5,13; 6,7; Lk 4,36; 6,18; 7,21; 8,2; 10,20; 11,26; Apg 5,16; 8,7; 19,12f. 518 Dass in 1 Kor 12,10 die διακρίσεις πνευμάτων (Unterscheidung der Geister) als besondere Gnadengabe erwähnt wird, zeigt, dass die Notwendigkeit dazu bestand, zugleich aber nicht jeder dazu fähig war. Man kann 1 Joh 4,1ff als eine Anleitung dazu lesen. 519 Hebr 1,7.14; 12,9.23. 140 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Verstorbenen, denen Jesus gepredigt hat. Die Offenbarung schließlich kennt in ihren ersten fünf Kapiteln die »sieben Geister Gottes« (Erzengel? ), sowie unreine Geister des falschen Propheten (16,13) und die (richtigen) Geister der (richtigen) Propheten (22,6). Ganz eng mit 1 Joh 4,1 verwandt ist Did 11,8: »Nicht jeder, der im Geist redet, ist ein Prophet« (οὐ πᾶς δὲ ὁ λαλῶν ἐν πνεύματι προφήτης ἐστίν). Man muss also unterscheiden zwischen »dem« Geist Gottes, dem »Heiligen Geist« und anderen Geistern, wobei die »Geister der Propheten« als Teil »des« Heiligen Geistes oder als dessen »Unterabteilung« angesehen werden können. Zugleich ist sichtbar, dass die Vielzahl von Geistern gefährlich ist, jedenfalls solange sie sich nicht als Ausprägung »des« Geistes versteht. Die Vielzahl der Geister weist dann auf das Gegen-Lager hin, auf Tod, Teufel, Dämonen, Unreinheit, Bosheit. Das »Prüfen« in 1 Joh 4,1 entspricht also einem »Unterscheiden«, weil es ja genau darum geht, in einer Auswahl von zwei unterschiedlichen Geistern die richtige Entscheidung und Zuordnung zu treffen. Der Grundsatz ist, dass Geist nur durch Geist erkannt und beurteilt werden kann. Das Auftreten Jesu wird wie in 1 Joh auch in den synoptischen Evangelien im Rahmen eines pneumatischen Dualismus gedeutet. In den ersten drei Evangelien folgt auf die Taufe Jesu hin, in der seine Geistbegabung und daraus folgend sein Sohn-Sein dargestellt wird, die Geschichte der Versuchung in der Wüste. Der Teufel ringt mit Jesus. »Wenn du der Sohn Gottes bist, dann ...«. - Es geht nicht um die Messianität, sondern um das Sohn-Sein. Dennoch geht es zugleich um die Beurteilung, »woher« Jesus ist und zugleich damit um die Frage, wes Geistes er ist. Satan prüft Jesus, er unternimmt die »Beurteilung des Geistes«. Damit ist zu Beginn der Synoptiker Jesus eindeutig beurteilt. Auf des Teufels Urteil darf man sich verlassen, weil er selbst zur Welt der Geister und Engel gehört. Auch sonst sind es gerade die bösen Geister, die Jesus erkennen. So bekennt in Mk 1,24 ausgerechnet ein »unreiner Geist« als Erster, dass Jesus der »Heilige Gottes« ist. Für Mk übernimmt der unreine Geist, dessen Auftreten aber auch in den Parallelen überliefert wird, die Funktion des expressis verbis formulierten Bekenntnisses und der Beurteilung Jesu, die bei Mt und Lk der Teufel als oberster Dämon übernimmt (vgl. Lk 4,34; Mt 8,29). 520 Ergebnisse in Blick auf 1 Joh: 1. Die Beurteilung Jesu ist, da es um seine Geistbegabung geht, selber pneumatisch. 2. Das Auftreten Jesu als Geistträger provoziert den Auftritt der Gegenseite. 3. Die Versuchung Jesu durch den Teufel geschieht, um herauszufinden, ob wirklich »kein Blatt Papier zwischen Jesus und Gott passt«. Wäre das der Fall, wäre Jesus nicht der geistbegabte Sohn. 4. Es geht also bei der Frage, wes Geistes Kind Jesus ist, darum, wie eng er mit Gott zusammen gehört. 5. Bei den Synoptikern erkennen gerade die bösen Geister, dass hier nichts zu machen ist, dass er wirklich der »Heilige Gottes« ist bzw. der Sohn Gottes, gegen den man nichts unternehmen kann. 6. Die geistliche Beurteilung Jesu betrifft seine Messianität oder Sohnschaft und fragt nicht nach der vorausgesetzten - Tatsächlichkeit seines Auftretens. 7. 1 Joh 4,2f fragt im Unterschied zu den Synoptikern aber nicht nur danach, ob Jesus der exklusive Geistträger ist, sondern auch danach, ob es auch wahr ist in dem Sinne, ob es mit eigener Erfahrung in Deckung zu bringen ist (»im Fleisch« wirksam - oder nicht? ). 520 Siehe dazu: E RLEMANN , Unfassbar? , 47ff. 3.6 Der Textzusammenhang von 1 Joh 3,23-4,16 141 Dass nun als Pendant zu den Geistern von Wahrheit und Irrtum (4,6) auch Falschpropheten (und damit implizit deren Opposition: Propheten) aufgeführt werden, ist nach den angegebenen Textstellen aus den Briefen des Neuen Testaments verständlich. Gleichzeitig erfahren wir möglicherweise etwas über den »Ruf« oder das »Selbstverständnis« der Gegner (beides muss aber nicht identisch sein), nämlich, dass sie »Propheten« seien, bzw. prophetische Gaben haben. 521 Das Problem der Falschpropheten, die zu »unterscheiden« sind von den richtigen, taucht also im Frühjudentum und im frühen Christentum häufiger auf, 522 es ist aber auch schon alttestamentlich vorbereitet. In Dtn 13 und 18,15-22 ist ganz ähnlich vom Kommen (ἔρχομαι) von Falschpropheten aus den eigenen Reihen der Gemeinde Israel die Rede, die dann zur Verwirrung (πλανάω) führen, bis hin zu Götzendienst und Abfall (vgl. 1 Joh 5,21). 523 In der Zeit Jesu und der ersten Gemeinden in Israel bis zum Untergang des Tempels stellten (»falsche«) Prophezeiungen und prophetische Bewegungen auch ein erhebliches politisches Problem dar: Justin, dial. 82: Falschpropheten (ψευδοπροφῆται) zur Zeit der richtigen Propheten damals heute Falschlehrer (ψευδοδιδάσκαλοι) das ist Thema gegenüber dem Juden Trypho. - Jos.Ant. 20,97: Theudas überredet eine große Menge, mit ihm in die Wüste an den Jordan zu gehen, dessen Wasser er zu teilen versprach, er nannte sich einen Propheten (προφήτης γὰρ ἔλεγεν εἶναι). - Vgl. Apg 5,36. Apg 5,37: Judas Galiläus als Aufrührer; vgl. Flav.Jos.Ant.17,271. Flav.Jos.Bell. 6,300f: Ein Prophet »Jesus« schreit Jahre vor dem jüdischen Krieg, Stadt und Tempel seien dem Untergang geweiht (φωνὴ ἐπὶ Ἱεροσόλυμα καὶ τὸν ναόν). Für 1 Joh ist wichtig, dass das Thema »Prophetie« traditionell mit dem Problem »Falschprophetie« zusammenhängt und sich in beiden Fällen immer die Frage stellt, welcher »Geist« aus dem Propheten redet, denn prophetisches Reden ist mit einem Blick auf die neutestamentlichen Briefe - Reden »aus dem Geist«. Im Übrigen gibt es auch eine weitgefasste Erwartung, dass das Auftreten des geisterfüllten Lehrers immer Falschpropheten, d.h. Bestreiter des Anspruchs oder der Lehre des Lehrers resp. Propheten nach sich ziehen. 524 Interessant ist, dass ein derartiges Problem in dieser Weise erörtert werden muss: Wenn das Problem von Falschprophetie auch im frühen Christentum bekannt ist, dann scheint die hier gegebene Lösung sehr klassisch oder gar banal zu 521 Prophet zu sein oder prophetische Gaben zu haben, ist ein Teil der frühchristlichen Erfahrungsbreite, die an einzelnen Personen festgemacht wurde. Vgl. z.B.: Mt 7,22.26.68; Mk 14,65; Lk 1,67; 22,65; Joh 11,51; Apg 2,17f; 19,6; 21,9, 1 Kor 11,4f; 13,9; 14,1-5.24-39; Offb. 10,11; 11,3. 522 Ez 22,27; Mt10,16; 24,11.24; Mk 13,22; Lk 6,26; Joh 10,12; Apg 20,29; 2 Petr 2,1; 1 Joh 4,1; Offb 16,13; Just.dial 35. 523 Vgl. S TREETT , Identity, 232f. An den Kriterien von Dtn 13 und 18 gemessen kann man die Frage stellen, ob Jesus der Christus ist, bzw. ob der Christus schon aufgetreten ist. Denn das dort genannte Kriterium ist die Wirksamkeit und Zuverlässigkeit seiner Vorhersagen. Schon das irdisches Schicksal Jesu wirft Fragen auf. 524 B ERGER , Kommentar, 951, bespricht in diesem Zusammenhang mehrere frühchristliche Bezeugungen dieser Grunderwartung. Die Ähnlichkeit des Widersachers mit dem »Original« lädt dazu ein, am Bild des Widersachers Merkmale festzustellen, die auch das »Original« besser verständlich machen. S.u. S. 397f. 142 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias sein. Oder ist für die angefochtene Gruppe der Adressaten in ihrer konkreten Situation mit konkreten, eigentlich zur Gemeinschaft gehörenden, vielleicht sehr angesehenen, prophetischen Gestalten die Unterscheidung doch nicht so einfach? Vielleicht, so kann man es jedenfalls lesen, ist es zugleich ein Hinweis darauf, dass hier einer der ersten Versuche unternommen wird, die Frage von Falschprophetie innerhalb des frühen Christentums zu klären. Dann allerdings müsste man ein relativ frühes Alter von 1 Joh annehmen. 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 3.7.1 Der erklärungsbedürftige Ausgangspunkt in 1 Joh 4,2 Der eigentliche Aufhänger für die Deutung der Gegner des Johannesbriefes als »Doketisten« sind zwei Sätze in 1 Joh 4,2bf und parallel in 2 Joh 7. Ihre Interpretation ist entscheidend, wenn man »Doketismus« im Umfeld der johanneischen Schriften be- oder abweisen will. 525 1 Joh 4,2: »Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch (als Mensch, in den Bereich des menschlichen Fleisches) gekommen ist (πᾶν πνεῦμα ὃ ὁμολογεῖ Ἰησοῦν Χριστὸν ἐν σαρκὶ ἐληλυθότα), ist aus Gott und jeder Geist, der nicht Jesus bekennt (ὃ μὴ ὁμολογεῖ τὸν Ἰησοῦν), ist nicht aus Gott.« Auffällig sind folgende Elemente: 1. Das Bekenntnis bezieht sich im ersten Teil des Verses auf »Jesus Christus«. Der Name wird hier als Doppelname gehandhabt, nachdem in 2,22 das Bekenntnis lautete, Jesus sei der Christus. Aus dem Bekenntnis von 2,22 ist also jetzt ein »Name« geworden. Da 2,22 noch nicht weit zurückliegt und zwischendurch über den »Namen« Jesu reflektiert wurde, kann man davon ausgehen, dass der Gebrauch des Doppelnamens »Jesus Christus« hier nicht zufällig oder oberflächlich geschieht, sondern in klarem Bewusstsein der Bedeutung dieses Namens, so wie es in 2,22 dargestellt wurde: »Jesus ist der Christus.« 2. Im zweiten Teil des Verses, in der Verneinung, wird vielleicht der Kürze halber nur noch der Name Jesus genannt, zu dem man sich (nicht) bekennt. Damit wird deutlich, dass es um ein Bekenntnis oder Nicht-Bekenntnis zu Jesus geht. Damit geht es einerseits um das Bekenntnis von 2,22 (Jesus ist der Christus oder auch nicht) und um das Bekenntnis, dass Jesus Christus »im Fleisch« war, das heißt die Bühne der Wirklichkeit betreten hat. 3. Die Dativ-Verbindung ἐν σαρκὶ ist problematisch, weil nicht einfach zu klären ist, ob gemeint ist, dass er »in das« Fleisch kommt, oder ob er »im« Fleisch kommt bzw. erscheint. Klar ist aber, dass »Fleisch« der Wirkungsort Jesu ist, der hier wichtig wird. 4. Er ist gekommen, so wie es unserem »dualistischen Drama« entspricht: Der Held bekommt seinen Auftritt. Die Frage wird sein, von wo er auf die Bühne kommt und was er dort macht. Die Bühne ist entweder das »Fleisch« oder die im Folgenden häufiger begegnende »Welt«. 5. Der Frage nach Auftritt u. Abtritt entspricht die nach dem »woher« des Geistes. 525 Im Hintergrund sehen einige Beiträge die Christologie Kerinths (H ILGENFELD , Ketzergeschichte, 411-421; W ENGST , Häresie, 24-34; M ÜLLER , Menschwerdung. Andere (U EBELE , W EIGANDT , S CHNEL - LE ) vermuten eine Christologie wie bei Satornil. Andere sind offener in der Zuschreibung, bleiben aber im Bereich Doketismus (K LAUCK , B ROWN ). 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 143 6. Nur hier in 1 Joh steht das Wort »Fleisch« in christologischem Zusammenhang. 526 Was kann mit dem Bekenntnis gemeint sein? Was ist der religionsgeschichtliche Bezugsrahmen? Drei Lösungsansätze stehen im Raum: 1. Lösung: Die Gegner sind Doketisten. Sie vertreten die Auffassung, dass Gottes Sohn nur scheinbar Fleisch und Blut angenommen hat. Schließlich sind Fleisch und Blut viel zu minderwertig für Gott, als dass er sich damit verbinden wolle und könne. Ziel der Erlösung sei ja gerade, dass auch die Menschen sich von ihrem Fleisch und Blut immer weiter distanzierten und asketisch auf den reinen Geist sich konzentrierten. 2. Lösung: Wenn schon aus historischen Gründen Gnosis als Deuterahmen ausfällt, kann man weiterfragen: Geht es um die Abweisung einer Engelchristologie? Behaupten die Gegner, Jesus sei ein Engel oder ein köperloser Dämon? 3. Lösung: Liegt der Ton auf der Messianität? Kommt es darauf an, dass Jesus nicht nur Lehrer und Prophet, sondern der Christus ist, wie der Vergleich mit 1 Joh 2,22 zeigt? 4. Lösung: »Die Irrlehre besteht darin, dass das konkrete Menschsein Jesu bestritten wird. 527 Wenn Jesus nicht Mensch war, kann er auch nicht durch sein Blut stellvertretend Erlösung gebracht haben.« 528 Obwohl nach den bisherigen Ergebnissen die dritte Option die naheliegendste ist, muss jetzt untersucht werden, was das »im Fleisch« bedeutet. Denn dafür, dass hier ein Hinweis auf Doketismus bei den Gegnern vorliegt, spricht die eigenartige Formulierung, Jesus Christus sei ἐν σαρκὶ ἐληλυθότα (im Fleisch gekommen). Dieses Bekenntnis wird offensichtlich von den Gegnern nicht geteilt. Sie bestreiten genau das. Wenn man jetzt annimmt, die Gegner würden genau das Gegenteil glauben, nämlich, dass Jesus eben als eine Gestalt ohne Fleisch (und Blut) gekommen ist, dann hat man den Glauben an eine Schein-Gestalt, an ein Gespenst, Dämon, Geist oder einen Engel. In dieser Variante sagen also die Gegner: Jesus ist gekommen. Er ist der Christus. Er ist ein Engelwesen, eine Geistgestalt, ein Scheinwesen, ein Schatten oder Ähnliches. Was nicht klar ist, ist dann noch, ob dies philosophisch mit der Leidensfreiheit Gottes begründet wird, wofür man sich auf die Ignatiusgegner berufen könnte, oder ob hier einfach so eine jüdisch geprägte Engelchristologie im Hintergrund steht, nach der Jesus eben einfach ein Himmelswesen von Geist- oder Engelqualität ist. 526 Es taucht überhaupt nur zweimal auf. Das andere Mal in 1 Joh 2,16 geht es um Fragen der Ethik. Vgl. S TREETT , 197. 527 Dennoch ist nach B ERGER , Kommentar, 952, die »zentrale Irrlehre der Gegner (...) die Bestreitung, dass Jesus der Christus ist.« Das heißt: Es geht einerseits zwar um die Menschheit Jesu, andererseits ist dies aber einzuordnen in das zunächst genannte Feld der Bestreitung der Messianität Jesu. 528 B ERGER , Kommentar, 946. Die Lösung B ERGERS scheint auf den ersten Blick der unter 1. genannten (doketistischen) zu entsprechen. Man kann sich eine Bestreitung des Menschseins Jesu in der Regel nur unter gnostisch-doketistischen Denkbedingungen vorstellen. Es steht aber auch die hier genannte 2. Lösung als Hintergrund zur Verfügung und schließlich das, was im religionsgeschichtlichen Teil dieser Arbeit über die Inkarnation von Himmelswesen (S. 424ff) und über die Vorstellungen von Erhöhungsvorstellungen von Henoch zum Menschensohn und zum Logos gesagt ist (S. 435ff). Die unten gefundene Lösung könnte dann so heißen: »Jesus Christus« ist schon sehr früh nicht nur quasi als Doppelname benutzt worden, sondern auch als austauschbarer Name für die himmlische Heilsgabe bzw. den himmlischen Mittler, den man sonst auch Logos, Menschensohn, Paraklet, »Herr« usw. nennen konnte. Die Ablehnung der Menschlichkeit Jesu würde demnach wiederum bedeuteten: Der himmlische Gesandte und Mittler (Messias) war eben noch nicht da, er ist noch nicht gekommen, auch nicht in der Gestalt des Jesus von Nazareth. 144 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Wenn bestritten werden soll, dass hier auf Doketismus angespielt wird, dann muss erklärt werden, was die Auskunft des Kommens »im Fleisch« hier bedeutet. Die Auskunft von S TREETT , das Bekenntnis von 1 Joh 4,2f sei substantiell identisch mit dem von 2,22 ist zwar grundsätzlich richtig. Auch stimme ich mit seiner Deutung überein, dass die »Fleisch-Terminologie« standardmäßig im frühen Christentum benutzt wird, um vom Kommen Christi zu sprechen. 529 Aber erklärt werden muss, warum das mit diesem Terminus geschieht und warum dies hier so geschieht. Man hätte ja auch anders und ohne den Begriff »Fleisch« vom Kommen Christi sprechen können. Ausführlich soll später darauf eingegangen werden, was das »im Fleisch« vor dem Hintergrund vergleichbarer Aussagen des Neuen Testaments und der apostolischen Väter bedeutet. 530 Ist etwa jedes Mal, wenn vom Fleisch Christi die Rede ist, im Hintergrund die Bestreitung desselben anzunehmen? Sicher nicht. Ein Anlass, so zu denken, kann aber gerade unsere Stelle hier bieten, da es hier ausdrücklich um ein Bekenntnis zu diesem Sachverhalt geht. Allerdings kann schon jetzt ein Seitenblick auf das Johannesevangelium hilfreich sein, einen nach den Überlegungen zu 1 Joh 1,1-4 weiteren Zugang zu bekommen zu der Frage, warum hier die Physis Jesu wichtig wird. In Joh 13,8b ist es Jesus wichtig, den physischen Kontakt zu Petrus zu haben, sonst hat Petrus keinen Anteil an ihm. Der physische Kontakt entspricht der konkreten Zuwendung zum Nächsten innerhalb der Gemeinde (»Liebe«), die hier keine Frage der Gefühle, sondern der praktischen Zuwendung zum Anderen darstellt. 531 Überträgt man das auf 1 Joh, so wäre die Frage nach dem »im Fleisch« von 1 Joh 4,2f damit schon gelöst. Es geht darum, dass die Wirksamkeit des Christentums in der konkreten Zuwendung liegt und dass ebenso die Wirksamkeit Christi ihre Basis im konkreten Kontakt mit der menschlichen Wirklichkeit hat. So geht es auch 529 S TRETT , Identity, 239 und 255. 530 S. 217ff und S. 246ff. 531 Vgl. B ERGER , Anfang, 218-222: Anhand der Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vollzieht, sagt er in Joh 13,8b zu Petrus: »Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir.« »Die Annahme des physischen Dienstes Jesu steht zu Joh 1,14 in Beziehung. Denn es geht um das Annehmen seiner konkreten physischen Existenz. Sie ist nicht ablösbar von dem Wort, das er ausgerichtet hat. Und genauso geht es dann auch darum, dass die Jünger gegenseitig ihre konkrete physische Existenz annehmen. Denn erst das schafft ein Miteinander in der Gemeinde. Auf diese Weise hängt Jesus als Mensch zusammen mit der konkreten Existenz der christlichen Gemeinschaft der Jünger (»Gemeinde«) im JohEv. Die Seligpreisung in 13,17 ist so zu verstehen, dass dieser persönlich-physische Aspekt zum Verstehen hinzutritt und notwendig ist. Nach Joh 15,20 wird dann bei der Verfolgung auch die physische Existenz der Jünger betroffen sein. (...) Das Akzeptieren der physischen Zuwendung hat nach dem JohEv konstitutiv ekklesiologische Funktion und wird »lieben« genannt. Die Jünger sollen dieses einander tun, das heißt, sie sollen einander in ihrer physischen und persönlichen Existenz annehmen. - Indem Judas Jesus übergibt, leistet er Anti-Diakonie. Nach Joh 3,16 liebt Gott die Welt, indem er Jesus sendet. Die Liebe, verstanden im Sinne von Joh 13 hat daher in Gottes eigenem Handeln ihren Ursprung. Bei der Frage der physisch-persönlichen Annahme von Jesu Dienst als Mensch geht es nicht um die Frage des Doketismus (...). Vielmehr ist das Problem: Ist das Christentum eine mehr oder weniger allgemeine Heilslehre - oder wird der Mensch Jesus als der Messias akzeptiert? Das scheint auch das Problem des 1 Joh nach 4,2 zu sein. Auch darin hat 1 Joh recht: Ein solches Bekenntnis hat unmittelbar ekklesiologische Folgen. So hängen Einander-Lieben und das christologische Bekenntnis auf dieser Basis eng zusammen, wie 1 Joh immer wieder betont. Man könnte daher Joh 13 als ein Seitenstück zu 1 Joh ansehen.« 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 145 nicht um ein himmlisches Logoswesen, sondern um das Leben, das in Jesus erschienen ist. Fazit 1. Einzelne Elemente wie »Kommen in« und »Fleisch« sind weiter zu klären. 2. Immer noch geht es um die Frage der pneumatischen Beurteilung. 3. An 1 Joh 4,2f entscheidet, ob wir es mit Doketismus, Engelchristologie oder schlicht einem Bekenntnis zur Messianität Jesu zu tun haben. 4. Wie ein Blick auf Joh 13 zeigt, ist die Frage nach der Physis Jesu allerdings kein »Unfall«, der von außen kommen muss (als Frage doketistischer, gnostischer oder engelspekulativer Gegner), sondern sie ist die entscheidende Frage nach der Wirksamkeit des Messias. 3.7.2 Der Anti-Christ ist in der Welt 1 Joh 4,3 In 4,3 wird ausgehend vom Dualismus der Geister und von Christus und Gegen- Christus die Gegenwartserfahrung der Adressaten gedeutet: 1 Joh 4,3: »Und jeder Geist, der nicht Jesus bekennt (πᾶν πνεῦμα ὃ μὴ ὁμολογεῖ τὸν Ἰησοῦν), ist nicht aus Gott. 532 Und dieses ist der Geist des Gegen-Christus (τοῦτό ἐστιν τὸ τοῦ ἀντιχρίστου), von dem ihr gehört habt, dass er kommt, und jetzt ist er schon in der Welt.« Auffällig sind folgende Elemente: 1. Wieder geht es »nur« um das Bekenntnis zu Jesus. Obwohl es sich hier um die umgekehrte Variante von 1 Joh 4,2 handelt, wird dieses so zusammengefasst: Es geht um das Bekenntnis zu Jesus. Auch wenn die Textvariante λύει richtig sein sollte, ändert das daran nichts. 2. Im Fall der Verweigerung des Bekenntnisses zu Jesus ist geklärt, dass der Geist des Verweigernden vom Gegen-Christus ist. Damit ist noch einmal die schon gemachte Beobachtung bestätigt, dass es hier um die Frage der Messianität geht. Es geht darum, wer der Christus ist bzw. ob der Christus schon da gewesen ist, und ob der Christus Jesus ist. 3. Der Gegen-Christus gilt als bekannte Figur; die Adressaten haben von ihm gehört. 4. Merkmal des Gegen-Christus ist, dass »er kommt«. 5. Gegenwartsdeutung oder -erfahrung des Verfassers bzw. der Adressaten ist: »Der Anti-Christ ist schon in der Welt.« 6. Der Anti-Christ in der Welt ist ein Pendant zu Jesus (4,2), der im Fleisch (gekommen) ist. 533 Insbesondere die letzte Beobachtung wirft Fragen auf: - Inwieweit sind »Welt« und »Fleisch« Komplementärbegriffe? - Wenn der Widersacher »in der Welt« ist (vgl. »die Welt ist des Teufels« 1 Joh 5,19), welche Bedeutung hat es dann, wenn Christus oder Gott »im Fleisch« ist? 534 532 Einige Textvarianten haben statt ὁμολογεῖ (»bekennt«) λύει (»auflöst«). P. W EIGANDT , Doketismus, 105, mit Blick auf die Markioniten »Hier wird also nicht Jesus Christus aufgelöst, sondern es wird behauptet, die Häretiker eliminierten Jesus aus ihrer Lehre, leugneten die menschliche Seite des Erlösers.« U EBELE , Verführer, 121f, der auf die schlechte textkritische Bezeugung von λύει hinweist, gibt einen Forschungsüberblick zu dieser Frage, ebenfalls S CHNELLE , Salbung 636, FN 25. 533 Vgl. PetrApk (äth.) 2,13 (B/ N): »Sie [die Pseudomessiasse] werden große Versprechungen machen und sagen: ›Ich bin der Christus, der in die Welt gekommen ist.‹« 534 S CHMID , Gegner, 168, spricht von einer »Karikatur des Kommens Christi«, S TREETT , Identity, 144, von einer »diabolical parody of Christ’s coming that signals the last hour’s arrival.« 3.7.3 Das Kommen von Christus und Antichristus in 1 Joh 4 und 2 Joh 7 Der Blick auf den Zusammenhang von 1 Joh 4,1-9 zeigt, dass nicht nur von Jesus Christus als dem »in« etwas Gekommenen gesprochen wird. Auch der Antichrist wird entsprechend geschildert. Und sowohl für den Antichrist als auch für Christus werden noch weitere Umschreibungen ihres Gekommenseins bzw. Daseins gewählt. Da der Antichrist die spiegelbildliche Figur zu Christus ist, interpretieren beide Figuren einander direkt. Denn was für Christus gilt, gilt auch für den Antichrist. Überhaupt kann man sagen, dass die endzeitliche Figur des Widersachers, des Falschpropheten oder falschen Christus ebenso wie der Antichrist ganz genau ihrem positiven Gegenstück entspricht. Ihr Makel ist, dass sie fälschlich vorgeben, was sie nicht sind. Ihr Makel ist, dass sie unter dem Deckmantel des Vorbildes die Arbeit des Gegners betreiben. Das Perfide daran ist, dass man sie von ihrem Vorbild äußerlich kaum oder gar nicht unterscheiden kann. Genau das ist die Grundlage dafür, dass der Antichrist auch in unserem Fall direkt zur Interpretation des Christus taugt. Abgesehen davon sind auch beide Figuren textlich parallel geschildert. Der Unterschied liegt wohl darin, dass die Inspiration des Falschpropheten nicht von Gott ist. Es ist der Heilige Geist, der in den Christen präsent ist und es ermöglicht, zu unterscheiden. 535 3.7.4 Christus und der/ die Widersacher in 1 Joh 4 und 2 Joh 7 im Überblick 3.7.4.1 Inhaltliche Auswertung a) Die handelnden Figuren sind in 1 Joh 4 je einmal Jesus Christus, der Antichrist, viele Falschpropheten, »der in uns/ in der Welt«, der eingeborene Sohn Gottes. In 2 Joh 7 sind Jesus Christus und die Verwirrer (πλάνοι) Akteure. 535 B ERGER , Kommentar, 959. Akteur Handeln Präposition Verortung 1 Joh 4,1 πολλοὶ ψευδοπροφῆται ἐξεληλύθασιν εἰς τὸν κόσμον 1 Joh 4,2 Ἰησοῦν Χριστὸν ἐληλυθότα ἐν σαρκί 1 Joh 4,2 1 Joh 4,3 τὸ τοῦ ἀντιχρίστου ἔρχεται καὶ ἐστὶν ἐν τῷ κόσμῳ 1 Joh 4,3 1 Joh 4,4 ὁ ἐν ὑμῖν/ ὁ ἐν τῷ κόσμῳ μείζων ἐστὶν (2x ἐν) (ὑμῖν / τῷ κόσμῳ) 2 Joh 7 πολλοὶ πλάνοι ἐξῆλθον εἰς τὸν κόσμον, 2 Joh 7 Ἰησοῦν Χριστὸν ἐρχόμενον ἐν σαρκί 1 Joh 4,9 τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ ἀπέσταλκεν ὁ θεὸς ἀπέσταλκεν ἵνα ζήσωμεν εἰς τὸν κόσμον πᾶν πνεῦμα (ὁμολογεῖ) ... ἐστὶν τοῦ θεοῦ ἐκ τοῦ θεοῦ ἐκ (μὴ ὁμολογεῖ) ... οὐκ ἔστιν πᾶν πνεῦμα 146 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 147 b) Positiv entsprechen sich Jesus Christus, der eingeborene Sohn und »der in uns« einerseits und die Pseudopropheten, der Antichrist (bzw. der Geist des Antichristen), »der in der Welt« und die »vielen Verwirrer« andererseits. c) Christus, Sohn und »der in uns« sind insofern synonym, als sie auf Jesus Christus weisen. d) Die Falschpropheten, der Antichrist, »der in der Welt« und die Verwirrer sind nicht in gleicher Weise miteinander zu identifizieren, entsprechen einander aber. Es handelt sich um das Auftreten der endzeitlichen Widersacher. e) Beide Gruppen entsprechen einander darin, dass die Figuren jeweils »gekommen« oder »gesandt« sind oder »in« etwas sind. f) Der »Ort« ihres Seins bzw. das Ziel ihres »Kommens« sind im Falle der Christusgruppe Fleisch, »wir« (ἐν ὑμῖν), Welt. g) Ort und Ziel des »Kommens« ist im Fall der Antichristgruppe der Kosmos. h) Das Bekenntnis, dass Christus im Fleisch gekommen bzw. nicht gekommen ist, ist ein Zeichen dafür, ob jemand »aus« Gott ist. Hier ist die Abkunft angesprochen, die geistlich oder genetisch gemeint sein kann, jedenfalls wie auch bei εἰς und ἐν eine räumliche Präposition verwendet. i) Das präsentische ἐρχόμενον in 2 Joh 7 ist nicht futurisch zu verstehen, 536 sondern im Sinne von 1 Joh 4,3 in Hinblick auf die Wirkung Jesu jetzt. Dabei wäre auch die Möglichkeit gegeben, dass es sich um den Geist Jesu handelt, der im Blick ist bzw. im Sinne der joh. Immanenz (Christus in mir) gemeint ist: Jesus ist kommend, präsentisch jetzt wirksam. 3.7.4.2 Sind »Welt« und »Fleisch« hier komplementäre Begriffe? Ein noch kaum für die Interpretation von 1 Joh 4 beachtetes Feld ist das Verhältnis von Welt und Fleisch. 537 Zunächst ist 1 Joh 4 selbst interessant. Dem Kommen in das Fleisch und dem Sein in uns von Seiten Jesu entspricht das Kommen in die Welt und das Sein in der Welt von Seiten des Antichristen bzw. der Verwirrer und Pseudopropheten. Und die Geister werden nun danach geschieden, ob das Kommen bzw. das Sein Christi in der Welt/ in den Christen/ der Gemeinde anerkannt wird. Wenn nicht so der Umkehrschluss -, liegt eine Beherrschung durch den Geist des Antichristen vor, der parallel zum Christus als »in die Welt kommend« verstanden wird. Die zu lösende Frage wäre zunächst 538 die, ob und in wieweit Fleisch und Welt tatsächlich austauschbare oder zumindest komplementäre Begriffe sind. Ist also das Kommen Jesu Christi ἐν σαρκί nur ein anderer Ausdruck für das im Falle des Antichristen verwendeten ἐν τῷ κόσμῳ? Immerhin kommt Jesus Christus nach 1 Joh 4,9 allerdings mit anderer Präposition versehen akkusativisch auch εἰς τὸν κόσμον. Er entspricht damit aber wieder exakt dem Auftreten der Verwirrer in 2 Joh 7, die ebenfalls εἰς τὸν κόσμον kommen. 536 Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten bei U EBELE , Verführer, 123. 537 Vgl. allerdings G RIFFITH und S TRETT , die beide das Wesentliche erfassen. 538 G RIFFITH , Idols, 183, zu Recht: »It is apparent here that ἐν σαρκί takes on the neutral sense of ἐν κόσμω.« 148 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3.7.4.3 Präpositionen Zwar gelten die Präpositionen ἐν und εἰς im Neugriechischen bzw. im Griechisch des Neuen Testaments als weitgehend austauschbar, was aber vor allem für die außerjohanneischen Texte gilt. 539 Daneben gibt es eine jeweilige Grundbedeutung, die sehr wohl unterschieden werden kann: εἰς hat als Grundbedeutung »hinein« und steht vorzugsweise mit dem Akkusativ. Lokale Bedeutung ist »in, hinein«; modale Bedeutung: »im Hinblick auf«. ἐν hat die Grundbedeutung »innen drin«, wird vorzugsweise mit dem Dativ verwendet und kann dann im lokalen Sinn als »in, auf bei« und im modalen Sinn auch als »auf Grund von« oder als Ausdruck einer Qualität übersetzt werden. 540 Zu entscheiden ist in unserem Falle, ob eine lokale oder modale Verwendung gemeint ist. Im Falle einer lokalen Verwendung: Ist die Zielrichtung »in hinein« gemeint oder eher ein »innerhalb«? Leider ist diese Frage von der Grammatik her nicht beantwortbar, da zwischen »wo? « und »wohin? « im neutestamentlichen Griechisch nicht unterschieden wird. 541 1. ἐν + Dativ: Der Antichrist kommt bzw. ist ἐν τῷ κόσμῳ, Christus ohne Artikel ἐν σαρκί. Man kann lokal übersetzen: X tritt auf innerhalb von (dem) Y. Also: Christus tritt innerhalb von Fleisch/ Mensch auf. Entsprechend ist er (oder sein Geist) ja auch »in uns« (1 Joh 4,4) - und der Antichrist oder sein Geist »in der Welt«. Modal könnte man ohne Artikel übersetzen: X tritt wie/ als Y auf bzw. in Gestalt von Y. Beim Antichristen funktioniert diese modale Übersetzung aber nicht, da sie durch den Artikel und auch durch das sachlich unmögliche Verständnis verhindert wird, dass der Antichrist »als Welt« oder »in der Gestalt der Welt« aufgetreten ist. Er muss also »in« bzw. »innerhalb« der Welt aufgetreten sein. 1 Joh 4,4 hilft hier zum Verständnis: Auch das »in uns« ist notwendigerweise ohne Artikel formuliert. Dass kein »an« uns gemeint sein kann, macht das parallele »in der Welt« deutlich. Es stehen einander gegenüber »in uns« und »in der Welt«. Wenden wir diese Beobachtung auf 1 Joh 4,2 an, dann ist auch dort »im Fleisch« gemeint als Ort des Auftretens. Was »im Fleisch« heißt, ist weiter zu klären: Es geht wohl um die menschliche Natur oder Gestalt. Anders gesagt: Jesus tritt als Mensch auf. Von der lokalen Grundbedeutung her ist dies aber nicht als eine austauschbare Sache anzusehen, sondern so, dass er eben innerhalb von Fleisch (für uns: als Mensch) erscheint. 2. εἰς + Akkusativ: Wie oben schon festgestellt, ist hier die Grundbedeutung von »hinein« gegeben. Der Antichrist ist also in die Welt hineingekommen. 3. Es geht bei allen drei Präpositionen um in ihrer Grundbedeutung räumlich gedachte Beziehungen: »Aus« Gott sind die, die bekennen, dass Jesus Christus »in« Fleisch erschienen bzw. gekommen ist. »Aus« dem Geist des Antichrist sind die, die das Gegenteil behaupten - und gleichzeitig ist auch der Antichrist schon »in« der Welt bzw. »in die« Welt hineingekommen. 539 B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF §§ 205-207.218-220. 540 Vgl. S CHMIDT , Syntax, 96f. Natürlich sind Schmidts Zuordnungen mehr Faustregeln, als dass sie im neutestamentlichen Griechisch durchgängig so gebraucht würden. Das zeigt schon ein Blick in die entsprechenden Paragraphen bei B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF . 541 Ebd. §103,1. 3.7 Gekommen in Welt und Fleisch: 1 Joh 4,2f 149 4. Artikel: Der Unterschied zwischen artikellosem ἐν σαρκί und dem ἐν τῷ κόσμῳ mit Artikel fällt auf, lässt sich aber relativ einfach erklären: - Im neutestamentlichen Griechisch fehlt bei Abstrakta der Artikel oft: »Je abstrakter ein Wort gebraucht wird, um so weniger nimmt es einen anderen Artikel als den generischen an.« 542 Besonders »σάρξ neigt sehr zu abstraktem Sinn (...); daher oft ἐν σαρκί«. 543 Zieht man die Konkordanz zu Rate, fällt auf, dass in den johanneischen Schriften die Kombination von Präposition und σάρξ immer artikellos gebraucht wird - und in den anderen biblischen Büchern jedenfalls vorzugsweise so. D.h.: Man müsste eher fragen, wieso σάρξ hier mit Artikel stünde, als das man das Fehlen des Artikels begründen muss. 544 - Zwar fehlt auch bei κόσμος hin und wieder der Artikel, besonders in Redewendungen; allerdings handelt es sich eher um eine Ausnahme von der Regel. 545 Eine Durchsicht durch den neutestamentlichen Gebrauch ergibt, dass zwar auch ἐν κόσμῳ ohne Artikel vorkommt, 546 aber eben nicht in den johanneischen Schriften. Dort 547 und auch sonst überwiegend 548 begegnet ἐν τῷ κόσμῳ mit Artikel. Für εἰς τὸν κόσμον gilt dies noch eindeutiger: Kosmos mit εἰς gibt es nur im Akkusativ und mit Artikel. 549 - Ergebnis: Dass »Fleisch« und »Welt« hier als Parallelbegriffe fungieren, kann durch den unterschiedlichen Gebrauch nicht widerlegt werden. 3.7.5 Welt und Fleisch in 1 Joh 2,15-17 Wie »Welt« und »Fleisch« zueinanderstehen, kann nicht über die rein philologische Ebene gelöst werden. Immerhin ist aber geklärt, dass die Unterschiede in der Artikelverwendung konventionell sind und also nicht dazu dienen können, »Welt« und »Fleisch« hier gegeneinander auszuspielen. Durch die Verwendung von Raum- Präpositionen ist ebenfalls geklärt, dass sowohl Fleisch als auch Welt Dinge oder Orte sind, »in« denen man sein und wirken kann oder »in die« »hinein« etwas kommen kann. Wie aber stehen »Welt« und »Fleisch« genau zueinander? In 1 Joh tauchen beide Worte an anderer Stelle noch einmal auf, in 1 Joh 2,15-17: Fleisch wird hier zur Konkretion dessen benutzt, was mit Welt gemeint ist. Das ist eine von mehreren Konkretionen, die mit ἐππιθυμία verbunden werden. In V. 17 542 B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF § 258. 543 Ebd. § 258,3. 544 Vgl. ebd. 545 Ebd. § 253.4. 546 Röm 5,13; 1 Kor 8,4; 14,10; Phil 2,15; Kol 2,20; 1 Tim 3,16. 547 Joh 1,10; 9,5; 12,25; 13,1; 16,33; 17,11.13; 1 Joh 2,15f; 4,3f.17. 548 2 Kor 1,12; 5,19; Eph 2,12; 1 Tim 2,9; 1 Petr 5,9; 2 Petr 1,4. 549 Weish 2,24; 14,14; Mk 16,15; Joh 1,9; 3,17.19; 6,14; 8,26; 9,39; 10,36; 11,27; 12,46; 16,21.28; 17,18; 18,37; Röm 5,12; 1 Tim 1,15; 6,7; Hebr 10,5; 1 Joh 4,1.9; 2 Joh 1,7. a) Teilhabe an b) Konsequenz 1 Joh 2,15 Liebe zur Welt (μὴ ἀγαπᾶτε τὸν κόσμον) Keine Liebe des Vaters in ihm 1 Joh 2,16 Konkret: was in der Welt ist (τὰ ἐν τῷ κόσμῳ): Begierde des Fleisches, der Augen ... (ἡ ἐπιθυμία τῆς σαρκὸς καὶ ἡ ἐπιθυμία τῶν ὀφθαλμῶν ...) Was in der Welt ist, ist nicht aus dem Vater, sondern aus der Welt (οὐκ ἔστιν ἐκ τοῦ πατρὸς ἀλλ᾿ ἐκ τοῦ κόσμου ἐστίν). 1 Joh 2,17 Willen des Vaters tun in Ewigkeit bleiben. Welt mit ihrer Begierde vergeht 150 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias wird dann ἐπιθυμία ausschließlich mit κόσμος verbunden. Ἐπιθυμία ist sowohl für Welt als auch für Fleisch typisch, wobei die Begierde des Fleisches konkret angibt, was mit Welt gemeint ist. Die Begierde wird dreimal mit Genitiv-Verbindungen näher erläutert: Gemeint ist die Begierde des Fleisches, der Augen und der Hochmut des Lebens. 550 Ergebnisse Die Zuordnung von »Welt« und »Fleisch« ist in 1 Joh 2,15-17 eher indirekt. Dabei bildet »Welt« den Oberbegriff, der durch »Begierde« näher erläutert wird. Was wiederum »Begierde« meint, wird mit Bezug auf »Fleisch« erläutert. Die Begierde wiederum ist »in« der Welt. Das bedeutet, dass »Fleisch« eine Komponente innerhalb dessen ist, was »Welt« meint. »Weltliebe« im Gegensatz zur »Vaterliebe« ist unter anderem aber an erster Stelle durch das Drängen des »Fleisches« bestimmt. Fleisch meint wieder umfassend die menschliche Natur. 3.7.6 Das weitere Vorgehen Als zu klärende Merkmale, die auch die folgenden Verse betreffen, haben wir ermittelt: - Das Kommen Jesu Christi und des Antichristen in Welt und Fleisch, - Die Frage, was mit »Welt« und »Fleisch« gemeint ist, ist zu klären; nicht nur innerhalb der johanneischen Schriften, sondern zunächst im neutestamentlichen Kontext. - Die Frage ist zu klären, ob es ein Vorbild gibt dafür, dass der Christus »in die Welt« oder »im Fleisch« kommt. - Die Frage ist zu klären, ob es ein Vorbild gibt dafür, dass Gott oder sein Christus »in der Welt« oder »im Fleisch«, »unter den Menschen« gegenwärtig sind. 3.8 Welt und Fleisch im neutestamentlichen Vergleich 3.8.1 Welt und Fleisch in Eph 2 Eph 2,1-16 ist durchzogen von der aus 1 Joh 2,15ff geläufigen Thematik: Das Leben nach Art dieser Welt (κατὰ τὸν αἰῶνα τοῦ κόσμου τούτου) bestimmte einst die Existenz der Angesprochenen: Durch Übertretung und Sünde waren sie Kinder des Ungehorsams und (Gott gegenüber) tot (2,1f). Beherrscht wird diese Welt durch den Beherrscher der Luft, durch den jetzt wirksamen Geist (2,2; vgl. 1 Joh 4,1.3). Ausdruck dieser Herrschaft ist, dass Verfasser und Adressaten »einst« den Begierden und dem Willen des Fleisches folgten (ἐν ταῖς ἐπιθυμίαις τῆς σαρκὸς ἡμῶν ... τὰ θελήματα τῆς σαρκός) und somit Kinder des Zorns und nicht Kinder Gottes waren (2,3). Dieses Leben ohne Christus wird als Hoffnungslosigkeit und Gottlosigkeit »in der Welt« bezeichnet. Genauer: Es gab keine Teilhabe an Israel und dessen Verheißungen, sondern Feindschaft. Diese war den Heiden gegenüber durch das Gesetz als Mauer, Grenzschranke wirksam (2,12f). Gedacht ist dabei sicher an die Trennmauer, die innerhalb des Tempels den Bereich des Heidenvorhofs abtrennte. 551 Die Erlösung trat durch Christus ein, der diese Schranke mit 550 Dass hier σάρξ mit Genitiv-Artikel steht, ist einfach zu begründen: Es handelt sich nicht, wie in 1 Joh 4, um eine Verbindung mit einer Präposition; es handelt sich weiter um eine Näherbestimmung von »Begierde«, wofür eine Verbindung mit Artikel jedenfalls präziser ist, wenn auch nicht notwendig; es handelt sich um ein Glied in einer Dreier-Reihung, wo jedes einzelne Glied mit Genitiv-Artikel verbunden ist. 551 Ein Warnschild für Nichtjuden, bei Todesstrafe diese Grenze nicht zu überschreiten, ist archäologisch dokumentiert (vgl. z.B. die Abbildung bei A RNOLD , C L . E. (Hg.), Zondervan Illustrated Backgrounds Commentary. New Testament, Bd. 3 (Romans to Philemon), Grand Rapids 2002, 313. Die dokumentierte Tafel befindet sich im Archäologischen Museum von Istanbul, eine weitere, allerdings beschädigte, Tafel befindet sich im Rockefeller Museum in Jerusalem. Vgl. auch die Hinweise bei Josephus, Bell. 5,193f.; 6.124-126; Ant. 15,417. Siehe auch unten S. 238 mit Anmerkungen. 3.8 Welt und Fleisch im neutestamentlichen Vergleich 151 seinem Fleisch (ἐν τῇ σαρκὶ αὐτοῦ) überwindet und Zugang ermöglicht, Feindschaft besiegt, Bürgerrecht gewährt. D.h.: Nun können die Heiden teilhaben an Israels Heil (2,14). Feindschaft: Diese ist wohl als Macht gedacht, die Juden gegen Heiden aufhetzt (und mindestens die Heiden fernhält von Gott). Die Art der Überwindung: Versöhnung beider mit Gott und endgültige Besiegung der Feindschaft. Die Feindschaft überwindet und tötet er »in sich selbst« (ἀποκτείνας τὴν ἔχθραν ἐν αὐτῷ) (2,16). Christus überwindet somit in seiner menschlichen Existenz (Fleisch) die allgemein in der menschlichen Existenz (Fleisch) wirksamen Mächte. Damit sind die Gemeindeglieder dem Machtbereich der Welt entnommen (2,12) und eingetreten in den Tempel und die Gemeinschaft Gottes (2,18ff). Das Fleisch Christi ist Gegenbegriff zu der starren Mauer im Tempel (s.u. S. 238). Auswertung: Das Leben ohne Christus ist ein Leben nach Art dieser Welt. Beides ist einander entgegengesetzt. Das Leben nach Art dieser Welt wird durch die schon bekannten Worte »Begierde« und »Fleisch« gekennzeichnet. Es handelt sich um Mächte, die den Begriffen Welt und Fleisch zugeordnet sind, deren Wirksamkeit aber durch den Hinweis über eine in diesem Bereich wirkende Geistmacht erklärt wird. Gleichzeitig ist aber auch »Fleisch« der Ansatzpunkt zur Rettung. In seinem Fleisch d.h. in seiner menschlichen Gestalt überwindet Jesus die Feindschaft, die in der Welt die Heiden von Israel und Gott fernhielt. Wie genau die Feindschaft besiegt wird, wird nicht gesagt allerdings angedeutet. Sie wird »getötet« was dem Tod Christi entspricht. Und man kann wohl annehmen, dass Christus« die Feindschaft, nämlich die Trennung der beiden voneinander sowie der Heiden von Gott wie »magisch in sich aufnimmt und durch seinen Tod mit absterben lässt. Sein Fleisch wirkt jetzt umgekehrt wie eine Mauer, d.h. wie ein Zugang (statt Abtrennung: Öffnung). »Fleisch« ist auch hier kennzeichnend für »Welt«. Damit ist »Fleisch« das, was den Menschen direkt betrifft - und gleichzeitig die Stelle, an der Christus in besonderer Weise wirksam wurde. Man kann auch sagen: »Fleisch« ist die direkt den Menschen betreffende Seite der »Welt«, die an sich noch umfassender zu denken ist, sich aber um den Menschen herum bildet. 552 3.8.2 Welt und Fleisch im Johannesevangelium 1. Joh 1,9.10.14; 11,27 Das wahre Licht (Jesus) kam in die Welt (Joh 1,9). Er war in der Welt (Joh 1,10). Das Wort wurde Fleisch (Joh 1,14). Jesus ist der Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist (Joh 11,27). - Joh 1,14 expliziert mit σὰρξ ἐγένετο, was zuvor mit ἐρχόμενον εἰς τὸν κόσμον und mit ἐν τῷ κόσμῳ ἦν ausgedrückt wurde. 553 Mehr zur »Fleischwerdung« unten S. 420-463. 2. Joh 6,51 Jesus ist das Brot vom Himmel, das er selber gibt. »Ich bin« das Brot heißt: Das ist mein Fleisch, meine Existenz. Gegeben wird das Fleisch, die Existenz Jesu, damit die Welt Leben hat. ὁ ἄρτος δὲ ὃν ἐγὼ δώσω ἡ σάρξ μού ἐστιν ὑπὲρ τῆς τοῦ κόσμου ζωῆς. - Das Fleisch Jesu als seine Existenz ist damit der Punkt in oder an der Welt, wo der Ansatzpunkt für deren Rettung liegt. 3. Joh 8,12.15 Jesus ist das Licht der Welt (Joh 8,12). Dass die Gegner dies nicht erkennen, liegt daran, dass sie nach dem Fleisch richten, während Jesus gar nicht richtet (Joh 8,15). - Das Fleisch als Orien- 552 Vgl. dazu unten S. 449ff. 553 B ERGER , Wort: Es geht hier nicht um eine Verwandlung von Wort in Fleisch, sondern um das Auftreten oder Erscheinen des Wortes im Fleisch. B ERGER , Anfang, 135: Joh 1,14 ist »nicht im Sinne einer wunderhaften Mutation aufzufassen, sondern in dem Sinne, dass das Wort Gottes im Fleisch, das heißt in einem sterblichen Menschen, erschienen ist.« M ÜLLER , Menschwerdung, 46-51 trägt für diese These, die er an sich kritisch bespricht (Fußnote 117), dennoch weiteres Material zusammen, um schließlich zu konstatieren: »›Der Logos ward Fleisch‹ heißt deshalb nichts anderes als ›er erschien im Fleisch‹« (ebd., 50). Dagegen gehen andere davon aus, dass die Aussage von Joh 1,14 antidoketistisch motiviert sei: vgl. U EBELE , Verführer, 105: »Die Betonung der realen Menschwerdung und des wirklichen Menschseins des Logos in 1,14a weicht nun deutlich von der durchgehenden Tendenz des Evangeliums ab, die Göttlichkeit Jesu und seine Messianität in den Vordergrund zu rücken (...); es ist im Hinblick auf diese Tendenz leicht begreiflich, dass die Inkarnation im Evangelium nur eine sehr untergeordnete Rolle (auf der Ebene der Redaktion) spielt.« - Ebd.: eine Übersicht über ähnliche Auffassungen in der Forschung (Anm. 461f). - U EBELE trägt im selben Zusammenhang das ganze Arsenal späterer doketistischer und dogmatischer Begriffe (Monophysitismus) an die Stelle heran (Anachronismusproblem). 152 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias tierungsgröße hindert die Gegner, das Licht der Welt zu erkennen. Die Welt ist als Objekt der gewollten Rettung benannt. Sofern die Gegner die Welt repräsentieren, wird die Rettung durch die menschliche Fehlwahrnehmung blockiert. 4. Joh 16,33; 17,2 Jesus sagt zu seinen Jüngern: »In der Welt habt ihr Trübsal, aber habt Mut, weil ich die Welt besiegt habe« (16,33). Jesus bittet den Vater um Verherrlichung, so wie er ihn verherrlicht. Denn Gott hat ihm Macht über alles Fleisch gegeben, um allen, die Gott ihm gegeben hat, ewiges Leben zu geben. (17,1f). - Die Verherrlichung des Vaters erfolgt hier wohl als Folge dessen, dass Jesus Menschen zu Gott führt und ihnen Teilhabe am Leben schenkt. Dies kann dadurch geschehen, dass Gott ihm die entsprechende Vollmacht gegeben hat. Wirkt sich diese Vollmacht in der Überwindung der Welt aus? Ist Teilhabe des Fleisches am Leben dann automatisch Teilhabe an der Überwindung der Welt? Das hieße: Ein Stück Welt (einzelne Menschen/ Fleisch) wird dem Zugriff der Welt entnommen. 3.8.3 Welt und Fleisch bei Paulus 1. Röm 3,19f Mit den Worten des Gesetzes soll den selbstsicheren Juden (-Christen) »das Maul gestopft werden« [ÜS. nach B/ N] und die ganze Welt soll schuldig vor Gott dastehen (ὑπόδικος γένηται πᾶς ὁ κόσμος τῷ θεῷ) - und zwar (3,20) weil kein Fleisch vor Gott durch Tun des Gesetzes gerecht wird, sondern durch das Gesetz nur die Sünde erkennt (διότι ἐξ ἔργων νόμου οὐ δικαιωθήσεται πᾶσα σὰρξ ἐνώπιον αὐτοῦ). - Der Mensch (Fleisch) ist Teil der Welt - und zwar dergestalt, dass das Schicksal des Fleisches kausal entscheidend ist für das Ergehen der Welt. 2. Röm 11,12.14.15 Der Fall Israels ist Reichtum für die Welt (11,12). Paulus möchte sein Fleisch (sein Volk, sein Israel) ebenfalls retten und hofft, dass Israel zum Nacheifern angeregt wird (11,14). Denn wenn ihr Unglück Glück für die andern (11,12) bzw. Versöhnung der Welt ist (11,15), dann wird ihre Rettung noch viel größeren Reichtum für die Welt bedeuten bzw. ist so gut wie die Auferstehung der Toten (11,12.15). - Wie in Eph 2 ist zunächst das Heil der Welt auf einen Bereich des Fleisches beschränkt (Israel). Erst dessen Abweisung des Heils führt zur Öffnung für anderes Fleisch (Heiden) bzw. »die Welt«. Ziel ist die Rettung allen Fleisches (nämlich auch Israels) und letztlich der ganzen Welt. 3. 1 Kor 1,27-29 Gott erwählt das, was in den Augen der Welt schwach, gering und töricht ist (1,27f). Daher kann sich kein Fleisch rühmen. - Fleisch ist auch hier Teilbegriff von Welt: In der Welt schwach zu sein bedeutet, als Mensch keinen Ruhm zu haben, da die Wertbegriffe der Welt grundlegend für den Ruhm oder den Mangel an Ruhm bei den Menschen sind. 4. 1 Kor 7,28-31 Wer unbedingt heiraten will, soll das tun. Er wird aber dadurch bezüglich des Fleisches in Bedrängnis kommen (28). Wer verheiratet ist, soll es natürlich bleiben. Aber grundsätzlich gilt: Man soll so tun, als sei man es nicht, man soll weinen, als weinte man nicht usw. (29f). Zusammengefasst: Man soll diese Welt gebrauchen, als gebrauchte man sie nicht. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht (31). - Weil die Gestalt dieser Welt vergeht, sind alle Verknüpfungen mit dieser Welt Verknüpfungen mit einem Bereich, der dem Untergang und der Bedrängnis geweiht ist. Deswegen soll man, soweit man an diesen Verknüpfungen nicht vorbei kommt, so tun, als gäbe es sie gar nicht, ihnen keinen Wert beimessen. Denn sonst kommt man bezüglich des Fleisches (des eigenen Menschseins) selbst mit in Bedrängnis. Hier ist »Fleisch« deutlich die Schnittstelle zu »Welt«. 5. 2 Kor 1,12 Paulus rühmt sich, sein Leben in der Welt nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes geführt zu haben. Das heißt wohl: Er hat in der Welt so gelebt, als gebe es die Bedingungen menschlicher Schwachheit (Fleisch) nicht. Die Kontaktstelle »fleischliche Weisheit« hat er möglichst unberührt gelassen. 3.8 Welt und Fleisch im neutestamentlichen Vergleich 153 6. 2 Kor 5,15-19 Weil Christus gestorben ist (15), kennen wir nun niemanden mehr nach seiner fleischlichen Natur das gilt selbst für Christus (16). Denn wer in Christus ist, ist eine neue Schöpfung (17). Seinen Ursprung hat das alles bei Gott, der uns mit sich versöhnt über Christus (18). »Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst« (19). - Der Tod Christi überwindet hier die Normalbedingungen des Menschendaseins in einer Neuschöpfung. So werden wir mit Gott versöhnt durch Christus; so wird auch die Welt mit Gott versöhnt. Wir bzw. »Fleisch« ist wiederum die menschliche Seite der Welt. 7. Gal 6,12-14 Die, die Ansehen haben nach dem Fleisch, wollen die Beschneidung (12) um sich des Fleisches der Galater zu rühmen (13). Für Paulus aber gilt, dass sein Ruhm/ Ansehen allein am Kreuz Christi hängt, mit dem die Welt gekreuzigt ist (14). - Paulus dreht den Spieß um. Seine Gegner sind am Fleisch orientiert. Paulus dagegen ist an dem orientiert, was die Welt komplett auf den Kopf stellt - und damit die Fleischorientierung ins offene Messer laufen lässt. Die Umwertung der Werte geht vom Kreuz Christi aus und betrifft »die Welt«. So hat Paulus die Möglichkeit dem »Ansehen nach dem Fleisch« und dem »menschlichen Ruhm« ganz entsprechend auch das Kreuz entgegenzuhalten. 3.8.4 Welt und Fleisch in den Nebenpaulinen Eph 2 ist oben schon vorgestellt worden. Die dort gemachten Beobachtungen können fortgeführt werden: 1. Eph 6,12 Mit Fleisch und Blut (Menschen) könnte man kämpfen, nicht aber mit den Mächtigen (gemeint sind wohl dämonische Engelwesen), die die Welt beherrschen. - Das Problem der Welt ist also nicht das Weltsein an sich; genauso ist auch das Fleisch kein Problem an sich. Das Problem sind die Geistmächte, die genau hier in der Welt herrschen. 2. Kol 2,8-11 Die Christen sollen nicht auf die Mächte der Welt und daran orientierte Lehren achten (8), sondern auf Christus, der mehr ist als alle diese Mächte und den Christen an seiner Macht Anteil gibt (9f). In ihm nämlich sind sie mit einer Beschneidung beschnitten, die nicht mit Händen geschehen ist, sondern durch Christus und im Ausziehen des Fleischleibes besteht (11). - Den Mächten der Welt entkommt man also durch Ablegen des Fleisches, des »normalen« Menschseins, was wiederum durch Anteil an Christus und geistliche Beschneidung möglich ist. 3. Kol 2,20.23 Wenn die Christen mit Christus den Mächten der Welt gestorben sind, dann ist es inkonsequent, sich Satzungen aufzuerlegen, die nur bezüglich der Welt interessant sind (20). Sie haben zwar den Schein von Weisheit, befriedigen aber nur das Fleisch (23). 4. Ergebnis Nebenpaulinen Anders als bei Paulus oder Johannes ist ein besonderes Interesse an himmlischen Mächten gegeben, die als dämonisch wahrgenommen werden und im Bereich von Welt und Fleisch wirksam sind. Da Christus aber ebenso eine geistliche Macht ist, ist es mit seiner Hilfe möglich im Bereich von Welt und Fleisch zu bestehen, indem man sich allerdings am Himmel/ an Christus orientiert. 5. 1 Tim 3,16 554 In dieser hymnisch-umfassenden Darstellung des Heilsgeschehens entsprechen Fleisch, Nationen und Welt einander genauso wie umgekehrt Geist, Engel, Herrlichkeit. Die Offenbarung (den Menschen gegenüber) erfolgt im Fleisch bzw. als Mensch. Sie wird bestätigt oder gerechtfertigt im Geist. Denn der Geist ist die entscheidende Größe, wenn es um die Beurteilung der Offenbarungswahrnehmung geht. Jesus ist Vertreter des Gottesgeistes, muss also auch von hier seine Bestätigung erfahren. Dieser Rechtfertigung durch den Geist entspricht seine Vorstellung vor den Engeln, die ihn also gesehen haben müssen, um seine Installation annehmen zu können. 554 Vgl. dazu unten S. 243.238. W EIGANDT , Doketismus, 14, sieht hier ein Beispiel einer Geistchristologie, die in der Alten Kirche und der Gnosis verbreitet sei, aber vom eigentlichen Doketismus zu unterscheiden. S. u. S. 427. 154 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Den vielen Engeln entsprechen die vielen Völker - und man kann sich fragen, ob es die Engel der Völker waren, denen er vorgestellt wurde. Der Predigt unter den Völkern entspricht dann der Glaube in der Welt. Universaler Schlussakkord ist die Aufnahme in die (himmlische) Herrlichkeit. Von der punktuellen Offenbarung im Fleisch, als Mensch, spannt sich der Bogen also bis in die himmlische Herrlichkeit. Ein Glied ergibt das andere. Der Bogen wird vom einzelnen Punkt, dem Menschen Jesus (Fleisch), gespannt über die Völker bis zur universalen Ebene der Welt. Entsprechend geht es vom Geist über die Engel bis zur endgültigen Herrlichkeit. 555 Festzuhalten für unsere Frage nach dem Verhältnis von Fleisch und Welt ist ein Unterschied in Reichweite und Universalität. Fleisch ist eher individuell mit einer begrenzten Reichweite. Welt ist das große Ganze. Dabei ist Jesus als Mensch (Fleisch) aber Ausgangs- und Hebelpunkt für die ganze Welt. 3.8.5 Mt 24 und 2 Petr 2 Die Kombination von Welt und Fleisch kommt außerhalb des johanneischen und des paulinischen Sprachgebrauchs nur noch zweimal im NT vor. 1. Mt 24,21f Nach dem Aufstellen des Gräuelbilds der Verwüstung wird die größte Bedrängnis seit Anfang der Welt entstehen. Ohne Verkürzung dieser schlimmen Zeit könnte kein Fleisch gerettet werden. - Die Welt wird bedrängt das ist Bedrohung des Fleisches. Fleisch (Menschen und vielleicht auch Tiere) ist Teilbegriff der bedrohten Welt. 2. 2 Petr 2,1-22 Über Irrlehrer und Pseudopropheten, die den Befleckungen des Fleisches anheimfallen, die obwohl einst schon gerettet -, sich wieder der Welt zugewandt haben. Eine Rolle spielen himmlische Mächte, die auch nicht für ihre Sünden geschont wurden. Von der Sintflut und von Sodom und Gomorrha ist die Rede, und von Menschen, die in unreiner Begierde des Fleisches leben und die Engelmächte lästern. Es handelt sich ganz offenbar um die Gegenposition zu der von den Nebenpaulinen bezogenen. Auch hier ist die Begierde des Fleisches irgendwie auf die Engelmächte bezogen. Die Irrlehrer und Pseudopropheten sind wie in 1 Joh 4 in der Welt wirksam und haben sich am Fleisch und seiner Begierde orientiert. Fleisch ist also wiederum Teil der Welt und Orientierungspunkt für die Gegner. 3.8.6 Ergebnisse der erweiterten Untersuchung zu »Welt« und »Fleisch« 1. Welt und Fleisch sind in der Regel nicht einfach austauschbare Begriffe, obwohl sie einander entsprechen und einander erläutern. Welt ist der universalere Ausdruck. Fleisch ist individueller und bezeichnet entweder den einzelnen Menschen, Jesus Christus, die Menschheit oder das Menschsein oder möglicherweise auch einmal alle atmende Kreatur. 2. Welt und Fleisch bieten einander Orientierungsrahmen. Dies lässt sich auch für 1 Joh zeigen - und zwar sowohl an 1 Joh 2,15-19 als auch an 1 Joh 4. 3. Johanneisch und paulinisch sind Welt und Fleisch erlösungsbedürftig. Mit dem Menschen Jesus fängt die Erlösung an. Zu beantworten bleibt immer wieder, warum die Welt oder das übrige Fleisch dies nicht angenommen hat. 555 S CHRÖTER , Jesus, 315, sieht im Schema »Erscheinen unter den Menschen - Erhöhung zu Gott« ein »altes christologisches Modell«. Bei der Erhöhung geht es nicht nur um eine Bestätigung des irdischen Wirkens (»Fleisch«), sondern um das Einsetzen in eine Machtposition. M ÜLLER , Menschwerdung, 58, verweist auf die Ähnlichkeit zu Joh 1,14. Vgl. unten die Schilderungen über das Einsetzen Henochs in die Position des Menschensohns, Messias und Logos gelangt zu sein (S. 435). Vgl. auch B ERGER , Kommentar, 799f. 3.9 »Gekommen« 155 4. In den Neben- oder Nachpaulinen ist die Orientierung an den Himmelsmächten besonders stark. Falsche Himmelsmächte wirken besonders im Fleisch und in der Welt und stehen der Himmelsmacht des Geistes direkt gegenüber. 5. Hin und wieder werden Widersacher genannt, deren Problem es ist, sich an den falschen Maßstäben zu orientieren (1 Kor 1,27) oder eine falsche Einstellung zum Geist Gottes bzw. zu den Mächten des Himmels zu haben (2 Petr 2; Nebenpaulinen). 6. Das Fleisch Jesu bildet den Ansatzpunkt, die Welt zu überwinden (vgl. Eph 2; 1 Tim 3,16; Kol 2,20.23; 2 Kor 5,15-19). Wenn also Welt und Fleisch aufeinander bezogene Größen und auch also solche in 1 Joh erkennbar sind, dann wird die Frage drängender, wie das Gekommensein Jesu in Fleisch und Welt und das der Gegner in die Welt sich zueinander verhalten. Soviel hat aber unsere Untersuchung bisher schon ergeben: Doketismus steht keinesfalls als Sachproblem im Hintergrund, wenn das Wortfeld von Welt und Fleisch begegnet als »Orte« »in« denen Christus und/ oder Gegenspieler wirksam sind. Vielmehr geht es eher darum, dass ein Bogen gespannt wird vom Einzelnen oder vom begrenzten Widerfahrnis zur universalen Wirkung bzw. umgekehrt. Sei es das Fleisch Christi oder das des einzelnen Christen oder Gegners: Was der Mensch an seinem Fleisch erlebt oder durchlebt und bewirkt (Christus) steht in kausalem Zusammenhang mit dem universaleren Horizont der »Welt«. 3.9 »Gekommen« 556 Die bisherigen Beobachtungen zeigen zwar, dass Welt und Fleisch einander interpretieren und man insofern in 1 Joh 4 die gezeigten Entsprechungen des Kommens von Christus und seinen Gegnern in Welt und Fleisch ernstnehmen muss. Offen ist aber, warum der Auftritt Jesu als »Kommen in« dargestellt wird. Hätte es nicht sowohl für Christus als auch für die Gegner/ den Geist des Gegners gereicht, dass sie »auftreten«, »kommen«, »da sind«? Wozu ist die Betonung so wichtig, dass Jesus »in die Welt« bzw. »ins Fleisch« kommt? 3.9.1 Jesus sagt: »Ich bin gekommen ...« 557 Nicht nur die Kirchenlieder besingen das Gekommensein des wahren Erlösers. 558 Das Gekommensein Jesu, des Lichts, des Christus ist eine im Neuen Testament 556 Zur Bedeutung von ἔρχομαι (kommen; ankommen, eintreffen; erscheinen, auftreten; wiederkommen - K ASSÜHLKE , Wörterbuch) s. S CHRAMM , ἔρχομαι, 138ff. Das Verb wird benutzt »im Blick auf Personen, die Zeit, auf Dinge und eintretende Begebenheiten (...) und durch Präpositionen wie ἀπό, εἰς, ἐξ, πρός u.a. vielfältig näher bestimmt. Der für die bibl. Lit. bedeutsame (uneigtl. bzw. kultische) Gebrauch des Wortes zur Umschreibung des geistlichen Kommens« Gottes habe antike Analogien in den Zauberpapyri und Hymnen. Ähnlich S CHNEIDER , ἔρχομαι, 662ff. 557 Vgl.: V . H ARNACK , »Ich bin gekommen«, 1-30. 558 Beispielsweise: Advent: EG 5: »Gottes Sohn ist kommen«, vgl. EG 1,1: »(...) es kommt der Herr der Herrlichkeit«; EG 14,1.4 »Dein König kommt in niedern Hüllen«. Epiphanias: EG 66, 1: »Jesus ist kommen«; Passion: EG 75,2: »Wäre nicht gekommen Christus in die Welt und hätt angenommen unser arm Gestalt und für unsre Sünde gestorben williglich, so hätten wir müssen verdammt sein ewiglich.« - Ende des Kirchenjahres: EG 152, 1: »Wir warten dein, o Gottes Sohn (...) du kommst uns ja zum Segen.« - EG 331, 6 »Du (...) hast die Menschheit angenommen, bist vom hohen Himmelsthron zu uns auf die Welt gekommen«. EG 619 (Hannover), 1: »Damit aus Fremden Freunde werden, kommst du als Mensch in unsre Zeit.« 156 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias sehr weit verbreitete Auskunft über den Erlöser. 559 Das Kommen Jesu hat an diesen Stellen häufig einen bestimmten Zweck. Er sagt von sich: »Ich bin gekommen«, nicht um die Propheten aufzulösen, sondern sie zu erfüllen (Mt 5,17); um die Sünder zu rufen (Buße), nicht die Gerechten (Mt 9,13; Mk 2,17; Lk 5,32); nicht um Frieden, sondern Zwietracht zu bringen (Mt 10,34f; Lk 12,51); um auch in anderen Städten zu predigen (Mk 1,38); um ein Feuer anzuzünden auf Erden (Lk 12,49, vgl. EvThom 82; UBE 9,6-8; Agraphon 80); um »Frucht zu suchen« (Gleichnis Lk 13,7); nicht um den eigenen Willen zu tun, sondern den dessen, der gesandt hat (Joh 6,38), als Brot vom Himmel, das gegeben wird für das Leben der Welt (Joh 6,51); zum Gericht in die Welt, dass Sehende blind und Blinde sehend werden (Joh 9,39); damit sie das Leben und volle Genüge haben (Joh 10,10); um dieses »Schicksal« zu durchstehen, die »Mission« zu erfüllen (Joh 12,27); 560 nicht um zu richten, sondern zu retten (Joh 12,47); um die Wahrheit zu bezeugen (Joh 18,37). Es geht durchgängig um eine Aufgabe in »letzter Stunde«, sei es zum Gericht, zur Umkehr oder zur Rettung. Jesus zeigt sich damit als die für die Menschen entscheidende Figur der einbrechenden oder schon eingebrochenen Endzeit. An anderen Stellen, in denen er von seinem eigenen Gekommensein 561 spricht, geht es darum, dass man sich ihm gegenüber richtig verhalten sollte: - Lk 7,44: Die »Sünderin« verhält sich in ihrer Maßlosigkeit, Jesus teuer zu salben, richtig im Gegensatz zum Pharisäer Simon, der ihm weder die Füße gewaschen, noch einen Begrüßungskuss gegeben hat. Dass Jesus »gekommen« ist, müsste eigentlich auch bei ihm eine überschwängliche Freude wie bei der Frau hervorrufen. - Joh 5,43: Jesus wird als gekommener Gesandter Gottes nicht akzeptiert andere, die im eigenen Namen kommen, werden es. Es geht wie in Lk 7,44 darum, dass das Gekommensein Jesu keine Neutralität zulässt. In Joh 5,43 ist darüber hinaus deutlich, warum: weil er im Namen (und mit dem Namen) des Vaters kommt. - Joh 7,28; 8,14.42; 16,28: Die Frage ist wichtig, woher bzw. von wem Jesus gekommen ist. Wer hat ihn gesandt, in wessen Auftrag ist er unterwegs. Das sagt mehr als geographische oder familiäre Herkunft. Er kommt vom Vater, ist von ihm ausgegangen. Er kommt nicht im eigenen Namen, sondern als Gesandter. - In Joh 1,31 hatte der Täufer Johannes über sein eigenes Gekommensein gesprochen. Auch hier geht es um einen Zweck: Er ist nicht als der gekommen, auf den alle warten, sondern als der, der ihn bekannt macht. So kommentiert Joh 1,31 die Aussagen des johanneischen Jesus. Es geht um die Legitimität Jesu, der von Gott gekommen ist als Gesandter mit einem Auftrag. Ähnlich ist auch Johannes mit einem Auftrag gekommen, der aber nicht mit dem Jesu vergleichbar ist. 3.9.2 Jesus sagt: »Der Menschensohn ist gekommen« In vergleichbarer Weise redet Jesus davon, dass der Menschensohn gekommen ist. Wenn er vom gekommenen Menschensohn spricht, spricht er von sich selbst. Ob der gekommene und der leidende Menschensohn anders als der kommende zu 559 Von sich selbst sagt Jesus in allen vier kanonischen Evangelien insgesamt knapp 30-mal, dass er gekommen ist: Mt 5,17; 9,13; 10,34f; Mk 1,38; 2,17; Lk 5,32; 7,44; 12,49.51; Joh 5,43; 6,38.41f.51; 7,28; 8,14.42; 9,39; 10,10; 12,27.46f; 16,28.32; 18,37. Vgl. EvThom 28. Lk 13,7 im Gleichnis. 560 Jesus erlebt die Stunde der höchsten Anfechtung durch die nahende Passion und die Verherrlichung zugleich. Das ist sein Schicksal bzw. seine Mission. 561 Vgl. B ERGER , Formgeschichte, 262-265 (Ich-Worte vom Gekommensein und Gesandtsein). 3.9 »Gekommen« 157 bewerten ist, ist umstritten. Jedenfalls ist der (auf den Wolken des Himmels) kommende Menschensohn am ehesten mit der aus Daniel und den Henochbüchern bekannten himmlischen Hoheitsfigur und Richtergestalt zu vergleichen. 562 Was Kopfzerbrechen macht, ist, dass in der Tradition dieser Menschensohnvorstellung weder ein normal-irdisches Auftreten des Menschensohns noch gar sein Leiden oder Sterben vorgesehen oder vorgebildet war. 3.9.3 Der Anspruch Jesu trifft auf Zweifel und Ablehnung Jesus wird von seinen Gegnern als »unmöglich« angesehen - und bezeichnet sich doch als gekommenen »Menschensohn«. 563 Der Kontrast von Selbsteinschätzung Jesu (Menschensohn) zur verwunderten Feststellung der Gegner, dass Jesus sich selbst ins Abseits stellt, kann kaum größer sein. Würde man diesen Skeptikern sagen: Hier ist der Messias oder gar der Menschensohn gekommen, dann hätten sie gute Gegenargumente: »Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie: Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! »(Mt 11,25 par Lk 7,34) Wo Jesus sich als Menschensohn sieht, sehen die Gegner nur einen Menschen, der sich den Bauch vollschlägt. Der Gegensatz zwischen der Wahrnehmung Jesu als geistig-himmlischer Figur und als weltverhaftetem Menschen könnte kaum größer sein. Das Bindeglied ist das Wort »Mensch«, das aber im »Menschensohn« doch etwas ganz anderes meint. Vergleicht man Mt 11,25 mit 1 Joh 4,2f, so fallen Übereinstimmungen und Gegensätze auf: Zunächst das, was nicht übereinstimmt: In Mt 11,25 geht es nicht um ein gefordertes Bekenntnis und es geht auch nicht direkt um die Frage, ob Jesus der Messias ist oder ob er in die Welt gekommen ist. Es geht aber um die Frage, wer da gekommen ist. Die Haltung der Gegner wird nicht direkt bewertet. Das, was ich als »Wirkweise/ -ort« bezeichnet habe, stimmt nur partiell überein. In 1 Joh 4 ist nichts über die Wirkung gesagt - und in Mt 11,25 geht es nur um auffälliges, unpassendes Verhalten. Hier liegt die Irritation. Die Frage nach der Irritation zeigt die Übereinstimmung: Das Element C ist in beiden Fällen das irritierende. An ihm entscheidet sich das Bekenntnis B bzw. die Rechtmäßigkeit des Selbst- 562 Zum Menschensohn in der Henochliteratur s.u. S. 435ff. 563 Zu Jesu Selbsteinschätzung als Menschensohn s.u. S. 379f. 290 (Doppelgänger/ Schutzengel)u. 427ff. A B C D x ist gekommen Wirkweise/ -ort Schlussfolgerung 1 Joh 4,2 Jesus Christus zustimmendes Bekenntnis in Fleisch Bekenntnis ist von Gott. 1 Joh 4,3 Jesus Christus ablehnendes Bekenntnis in Fleisch Bekenntnis ist vom Antichrist. Mt 11,25 Menschensohn Selbstzeugnis essen, trinken, falscher Umgang (Er kann wohl kaum der Messias sein; Ärgernis). 158 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias zeugnisses und damit der Anspruch, A zu sein, beziehungsweise (als A) gekommen (B) zu sein. D zieht den Schluss aus der Einschätzung von C. In Mt 11,25 ist zu fragen: Was bedeutet diese Irritation? Ist er es nicht? Oder muss man die eigenen Erwartungen korrigieren? In 1 Joh 4 ist zu fragen: Woran macht man es denn fest, ob er »in Fleisch« oder »in die Welt« gekommen ist? Sicher nicht daran, ob er isst und trinkt. Aber die Wirkung seines Auftretens spielt eine Rolle. 3.9.4 Das Kommen Jesu als Dienst Jesu Gekommensein als Menschensohn erfüllt einen Zweck: nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele einzusetzen (Mt 20,28; Mk 10,45). Der Gedanke, dass der Menschensohn sein Leben riskiert oder als Lösegeld einsetzt, 564 ist gegenüber alttestamentlicher und frühjüdischer Auffassung vom Menschensohn neu. 565 Das Ziel aber ist die Erlösung der Menschen, wie auch Lk 19,10 sagt, wonach der Menschensohn gekommen ist, das Verlorene zu suchen und zu retten. Hier haben wir ein Bindeglied zu den unter a) genannten Menschensohnworten: Auch dort ging es um Jesu Kontakt mit Sündern, die hier als zu rettend im Blick sind. In c) und d) ist gleichzeitig eines klar: Diejenigen, die nicht zu den bevorzugten Rettungsgruppen Jesu gehören, sind irritiert (z.B. Lk 19,7). Die Frage wird nicht immer direkt ausgesprochen, erhebt sich aber zwangsläufig: Ist der Christus oder der Prophet, auf den alle gewartet haben, nun mit dieser Person Jesus gekommen - oder nicht? Anders gefragt: Wer ist da nun gekommen? Wer ist dieser Jesus? 3.9.5 Himmel oder Erde? - Die Frage nach Herkunft und Ziel Nach Joh 3,13 ist niemand vom Himmel herabgekommen bis auf den Menschensohn. Genauso ist auch niemand bis auf ihn heraufgefahren. Joh 3 ist für die Menschensohnchristologie - und damit für die gesamte Christologie des Johannesevangeliums entscheidend. 566 Hier wird entschieden, dass Jesus der aus dem Himmel gekommene Menschensohn ist, was sämtliche Legitimitätsfragen klärt. Das Gekommensein aus dem Himmel bzw. vom Vater ist die einzig entscheidende Legitimierung des Anspruchs Jesu Sohn Gottes, Menschensohn usw. zu sein. Das ist auch in Joh 6 die Frage: Ist er das vom Himmel gekommene Himmelsbrot? Das Bekenntnis dazu entscheidet über Heil und Unheil. Der Unterschied zu den Synoptikern liegt darin, dass die gesamte Christologie von der Menschen- 564 S CHRÖTER , Jesus, 295: »Die Metapher vom ›Lösegeld‹ bezeichnet eine Ersatzleistung, die von Jesus erbracht wird, um die Menschen (...) zu befreien. Woraus sie befreit werden müssen, wird nicht explizit gesagt. Vorausgesetzt ist offensichtlich, dass sich die Menschen in einem gestörten Gottesverhältnis befinden, das durch Jesus in ein intaktes Verhältnis verwandelt wird. Die ›Ersatzleistung‹, die dafür erbracht wird, ist sein eigenes Leben. Man muss dies nicht ausschließlich auf seinen Tod beziehen. Das Leben, das der Menschensohn Jesus als Lösegeld gibt, kann seine gesamte Existenz meinen, also sein Wirken für andere bis hin zum Tod umfassen. (...) Es handelt sich also (...) um eine Gesamtdeutung des Weges Jesu«. Siehe auch unten S. 205. 565 Vgl. allerdings Hiob 33,23-28 und dazu J OHANSSON , Parakletoi, 25: Der Gedanke eines himmlischen Fürbitters, der ein Lösegeld einlegt, ist zwar sonst nicht vom Menschensohn, aber vom Fürbitter (Paraklet) bekannt. Vgl. auch J OHANSSONS Erwägungen zu den Gottesknechtsliedern bei Jesaja (Parakletoi, 49-64). 566 S ASSE , Menschensohn, 263f. 3.9 »Gekommen« 159 sohnchristologie geregelt wird und somit das Auftreten Jesu nicht bloß das eines nach Umkehr rufenden, auf das kommende Gericht hinweisenden und das Reich Gottes proleptisch antizipierenden Messiasprätendenten ist, sondern mit dem Auftreten Jesu tritt direkt das Gericht ein. An seinem Auftreten und der Haltung der Menschen dazu entscheidet sich direkt Heil und Unheil. Eben darum liegt auch alles Gewicht darauf, dass der Menschensohn gekommen ist aus dem Himmel in die Welt bzw. zu den Menschen. Die Frage, ob dies geschehen ist, ist entscheidend. 3.9.6 Wird Jesus als Menschensohn kommen? Zu 1 Joh 2,1 Bei den Synoptikern spricht Jesus mehrfach von dem kommenden Menschensohn, mit dem er sich offenkundig identifiziert. 567 B ERGER vermutet für Apg 10,40-43 (der »Titel« Menschensohn begegnet nicht, aber sachlich ist Ähnliches, wenn nicht gar Identisches im Blick): »Jesus ist deshalb etwa der Christos, weil eine spannungsreiche Beziehung zwischen seinem ersten Kommen (als ›Prophet‹) und seinem zweiten Kommen (als ›Richter‹ über die, die ihm glaubten oder nicht glaubten), besteht.« 568 Bezogen auf 1 Joh ist hier möglicherweise ein Schlüssel zum Verständnis gegeben: 1 Joh 2,1 nennt Jesus Paraklet bzw. Fürsprecher beim Vater. Als Erhöhter ist er in der Position, die Schwierigkeiten zwischen seinem ersten, schon vergangenen, und seinem zweiten, noch ausstehenden, Kommen auszugleichen. Die Gegner von 1 Joh beachten das zweite Kommen entweder nicht, weil sie es nicht kennen oder sie kennen die Rolle des Erhöhten nicht in der Weise wie 1 Joh. 3.9.7 Ergebnisse 1. Das Gekommensein Jesu wird in den Worten, die von ihm überliefert sind, meist mit einem Zweck verbunden, der mit dem anbrechenden Gottesreich oder dem Gericht zusammenhängt. 2. Besonders in den johanneischen Worten geht es bei der Frage des Gekommenseins auch um die Legitimierung. Die dahinterstehende Frage ist weniger: »Wozu ist er gekommen? «, sondern: »Woher ist er gekommen? « »Wer ist der Auftraggeber? « »Wer ist der, dessen Bote er ist? « 3. Das Kommen des Menschensohns ist doppelt (gekommen und noch kommend) in den Blick zu nehmen. Die Erhöhungsaussage von 1 Joh 2,1 könnte in diesem Sinne als Lösung der Frage nach der ausbleibenden Heilszeit gemeint sein. 3.9.8 Von Jesus wird gesagt: »Er ist gekommen ...« Von Jesu Gekommensein wird auch in der dritten Person gesprochen. Die Stellen sind fast alle johanneisch oder deuteropaulinisch. 1. Deuteropaulinen und Umfeld Eph 2,17: »Er ist gekommen und hat Frieden verkündigt.« Über die Geographie seines Kommens wird nichts gesagt. Aus dem Kontext ist aber klar: Er ist zu menschlichen Streitparteien gekommen und hat den Streitpunkt überwunden. Da er dann Zugang zum himmlischen Gottes- 567 Mt 10,23; 16,28; ; 24,30; 25,31; 26,64; Mk 8,38; 9,12; 13,26; 14,62; Lk 9,26; 18,8; 21,27. 568 B ERGER , Auferstehung, 187. 160 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias haus gibt, kommt er wohl auch dorther. 1 Tim 1,15: »Christus Jesus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen.« Hebr 9,11: Christus ist als Hoherpriester der zukünftigen Güter gekommen. Der Zweck, die künftigen Güter zu vermitteln, die Sünder selig zu machen und Frieden zu schaffen, ist jeweils verbunden mit dem Gekommensein, dass sich nur als von Gott/ aus dem Himmel zu den Menschen/ in die Welt/ als Mensch denken lässt. 2. Die Frage des Johannesevangeliums nach der Legitimität des Gekommenen Nach Joh 3,19 ist das Licht in die Welt gekommen. Das ist mehr als Nikodemus in 3,2 vermutet hatte, der Jesus als von Gott gekommenen Lehrer bezeichnete. In Joh 6,41.51.58 ist Jesus das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Sowohl in Joh 3 als auch in Joh 6 geht es in ausführlichen Dialogen darum, Argumente und Hinweise zu finden, dass diese Behauptungen Jesu auch stimmen und legitim sind. Besonders wichtig ist für die Frage nach der Bedeutung von 1 Joh 4,2f, dass das »Gekommensein des Christus« geradezu eine johanneische Spezialaussage gegenüber den synoptischen Evangelien ist. Bei den Synoptikern ist nur die Aussage bekannt, dass falsche Christusse kommen werden, was mit 1 Joh 2,18 und 4,3 vergleichbar ist. Bei Johannes wird das Kommen bzw. Gekommensein des Messias in Joh 4,25f diskutiert: Der Christus soll kommen. Jesus sagt: »Das ist schon geschehen.« »Ich bin es«. Es geht also um Frage, ob Jesu Anspruch, der Messias zu sein, zu Recht erhoben wird, oder nicht. Die Samariterin nimmt als positives Zeichen Jesu Gabe der Herzenserkenntnis, die ansonsten nur von Gott (oder seinem bevollmächtigten Gesandten) zu erwarten war. Joh 7,27-31.40-42.52 nimmt die Frage der Legitimität der Christusbezeichnung auf: Wenn der Christus kommen wird, wird niemand wissen, woher er kommt. Woher Jesus kommt, ist ja bekannt (27). Vergleichbar ist die Situation in Mt 4,17 (s.u.). Jesus bestreitet daraufhin zwar nicht seine bekannte Herkunft, hebt aber darauf ab, dass es wichtiger ist, dass »der Wahrhaftige« ihn »gesandt« hat (28), den er kennt und von dem er ist (29). Diesen skeptischen Anfragen setzen andere die wohl rhetorisch gemeinte Frage entgegen, ob der Christus bei seinem Kommen etwa noch mehr Zeichen tun könne (χριστὸς ὅταν ἔλθῃ μὴ πλείονα σημεῖα ποιήσει) (31). Die Frage nach dem Woher ist damit noch nicht beendet. Denn es ist immer noch die Frage, ob Jesus »der Prophet« ist oder »der Christus« (oder nichts von alledem) (40f). Es wird deutlich, dass nicht die familiäre Herkunft als »störend« empfunden wird, sondern dass diskutiert wird, ob der Messias nicht aus Bethlehem kommen müsse. Und ist Galiläa nicht überhaupt außerhalb jeder Diskussionswürdigkeit (41f.), denn aus Galiläa steht nicht einmal ein Prophet auf (52) und was kann überhaupt schon aus Nazareth Gutes kommen? (1,46). Solches sind, wie das Beispiel Nathanaels aus 1,46 zeigt, Fragen gerade frommer Israeliten, die durchaus offen für Gottes Wirken in Jesus sind, die nur genau danach fragen, mit welcher Kategorie dieser Mensch und damit das ganze Geschehen zu fassen ist. Besonders wenn man eine frühe, gleichursprüngliche Entstehung des Johannesevangeliums mit den Synoptikern in Erwägung zieht, wird deutlich, dass die Frage der Herkunft Jesu offenbar in weiten Kreisen diskutiert wurde. Man kann die Anfänge aller vier Evangelien als je eigenen Beitrag zur Klärung bzw. Deutung dieser Frage und der mit Jesu Herkunft verbundenen Traditionen sehen. In Joh 11,27 bekennt sich Marta: »Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.« Das Bekenntnis geht zunächst dahin, dass Jesus der Christus ist. Die Bezeichnung Christus wird dann dadurch näher erläutert, dass er der Sohn Gottes ist, der in die Welt gekommen ist. Die Welt der Marta ist im Augenblick dieses Bekenntnisses durch den Tod ihres Bruders bestimmt. Ihr Bekenntnis ist motiviert durch die angesichts des Todes geäußerte Selbstbezeichnung Jesu als Auferstehung und Leben (11,25). Marias Bekenntnis, der Bruder wäre nicht gestorben, wenn Jesus da gewesen wäre, entspricht 11,32. Denn das Kommen und die Anwesenheit des Christus Jesus, des Sohnes Gottes, der Auferstehung und Leben ist, hätte dem Tod die Macht genommen. So kommt Jesus jetzt zum Grab (11,34) und erweist sich wirksam als Auferstehung und Leben für Lazarus. Es ist zu fragen, ob und wie sich in diese Fragen nach dem gekommenen Messias die Debatte um den in Fleisch und Welt gekommenen Messias des 1. Johannesbriefes einfügt. 3.9 »Gekommen« 161 Der sehr massive Befund der Fragestellung im Evangelium, ob Jesus der Gekommene, speziell der gekommene Messias ist, macht es wahrscheinlich, dass auch in den Briefen die Frage nach dem Gekommensein des Jesus Christus auf Herkunft und Legitimität zielt. 3. Der Befund zu »der Christus ist gekommen« in 1 und 2 Joh In 1 Joh 2,18 ist der Antichrist in der letzten Stunde gekommen. In 1 Joh 4,2 und 2 Joh 7 ist Jesus Christus im Fleisch gekommen. Der Antichrist ist in die Welt gekommen. 1 Joh 5,6 ist Jesus durch Wasser und Blut gekommen und 1 Joh 5,20 ist der Sohn Gottes gekommen, um uns den Sinn zu geben, Gott zu erkennen. 4. Der Sohn ist gekommen ... Dass der Sohn oder der Sohn Gottes gekommen sei, wird nur an wenigen Stellen gesagt: - Mt 8,29 wird Jesus von zwei Besessenen angeschrien, warum er, der Sohn Gottes, vor der Zeit gekommen sei, sie zu quälen. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Dämonen der Besessenen diejenigen sind, die eigentlich rufen und Jesus mit Schrecken als ihren Bezwinger erkennen. 569 Deutlich ist, dass es beim gekommenen Sohn um das Thema Geist und Bekenntnis geht. - Johannes 11,27: Marta bekennt sich zum Christus, zum »Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist« (s.o.). 5. ... in die Welt gekommen ... Dass Jesus »in die Welt gekommen« (εἰς τὸν κόσμον) ist, ist eine typisch johanneische Wendung, die sonst nur noch in 1 Tim 1,15 begegnet. Er ist als das Licht in die Welt gekommen, um den Glaubenden zu leuchten (3,19; 12,46). Der Christus, der Sohn Gottes, der sich selbst als Auferstehung und Leben bezeichnet hatte, ist angesichts des Todes von Lazarus in die Welt gekommen und bewirkt dann auch Auferstehung und Leben (11,25ff). Die Liebe der Jünger zu Jesus und ihr Glaube, dass er von Gott gesandt ist, bewirken durch Jesus freien Zugang im Gebet zu Gott. Das geschieht, weil Jesus vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen ist - und wieder zum Vater zurückkehrt (16,26-28). Als »König« ist Jesus in die Welt gekommen, die Wahrheit zu bezeugen (18,37) und erweist sich somit gegenüber Pilatus im Angesicht der bevorstehenden Hinrichtung dennoch als Herrscher im Sinne der »Wahrheit« bzw. des himmlischen Lebens. Dass er »geboren und in die Welt gekommen ist«, wird in 18,37 nicht als Widerspruch gesehen (vgl. die Diskussionen um Jesu doppelte Herkunft in Joh 7). Nach 1 Tim 1,15 ist »Jesus Christus in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen«. Zusammengefasst: a) Die Wendung, dass Jesus in die Welt gekommen ist, ist typisch johanneisch. b) Es geht sowohl bei Johannes als auch in 1 Tim um Wirkung (innerhalb der Welt): - Leuchten (Erkenntnis), - Auferstehung und Leben, - Zugang zu Gott im Gebet, - Bezeugung der Wahrheit angesichts des weltlichen Herrschers. - Seligmachung der Sünder. 6. Ergebnisse: a) Bei den wenigen Belegen im Umfeld des Paulus geht es immer um einen Zweck des Gekommenseins des Christus. Er ist gekommen, zu retten, selig zu machen, 569 Vgl. Mt 4,3; 8,29; Lk 4,34.41; 8,28f; Mk 1,23.24.34; 3,11; 5,1-20. Vgl. auch 1 Joh 3,8. 162 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias Frieden zu stiften, Zugang zum Himmel zu ermöglichen und Güter des Heils auszuteilen. Für das Johannesevangelium gilt: b) Die Erwartung, dass der Messias kommen soll, prägt das Evangelium in besonderer Weise. c) Das Besondere ist, dass diskutiert wird, ob der, der kommen soll (Messias, Prophet, Elia), schon gekommen ist oder nicht. d) Besonders für Jesus (auch für den Täufer Johannes) wird diese Frage verhandelt. e) Dabei geht es um Kriterien dafür, ob Jesus zu den Erwartungen und Vorstellungen vom kommenden Messias, Elia oder Propheten passt. f) Darum werden seine Zeichen und seine Herkunft in besonderer Weise diskutiert. g) Jesus nimmt diese Debatte auf oder regt sie sogar an, indem er selber davon spricht »gekommen« zu sein - und zwar vom himmlischen Vater. h) Natürlich hat auch hier das Gekommensein einen Zweck bzw. eine Wirkung, die aber nicht expliziert wird: Licht leuchtet - und Himmelsbrot gibt geistliche Grundnahrung. i) 1 Joh 5,6 spielt auf die Taufe an (vgl. die Taufe in den Tod Christi (Blut) in Röm 6,3). j) Das Gekommensein des Antichristen in die (Erfahrungs-)Welt der Gemeinde hat keinen besonderen Zweck, erklärt aber vieles (nämlich Verwirrung und Ablehnung des ursprünglichen Bekenntnisses) und ist möglicherweise überhaupt die Motivation überhaupt vom Gekommensein des Jesus Christus »in« Welt und Fleisch zu reden. k) Fazit: Angesichts der breiten Diskussion über das Gekommensein Christi, Elias oder des Propheten wäre es erstaunlich, wenn in 1 Joh 4 bei der Rede vom Gekommensein »in« mit einem Mal ein Streit über die Realität oder Qualität des Leibes Jesu eine Rolle spielen sollte. 3.9.9 In die Welt gesandt ... 5 7 0 Zum johanneischen Wortfeld des Gekommenseins Jesu gehört auch sein Gesandtsein. 571 Auch hier geht es um Herkunft, Legitimität, Ort, Ziel und Wirkung des Auftretens Jesu. Deutlich wird das in Joh 3,17: »Gott hat seinen Sohn nicht zu richten, sondern zu retten in die Welt gesandt«. Diese Aussage entspricht völlig den schon bekannten Aussagen über das Gekommensein Jesu (in die Welt). Joh 10,36 fügt dem allerdings etwas hinzu: Nachdem Jesus in Joh 10,30 gesagt hatte: »Ich und der Vater sind eins« (ἐγὼ καὶ ὁ πατὴρ ἕν ἐσμεν), kommt es zu wütendem Protest und Mordabsichten aufgrund von vermuteter Gotteslästerung (10,33). Jesus kontert mit einem Hinweis auf Ps 82,6 (vgl. Ex 4,16; 7,1). Die vermeintliche Gotteslästerung (»ich und der Vater sind eins«) erklärt Jesus mit seinem Anspruch, »Gottes Sohn« zu sein, der »in die Welt gesandt« ist (10,36). Die 570 Vgl. B ERGER , Formgeschichte, 256-277 (Ich-Rede, das Ich des Sendenden, das Ich des Gesandten, Ich-Worte vom Gekommensein und Gesandtsein, usw.; S. 317 (Beauftragung von Boten). 571 DE J ONGE , Christologie, 29: »›Gott sandte seinen Sohn, damit ...‹ scheint für das Urchristentum ein brauchbares gedankliches Modell gewesen zu sein. Es wurde dazu benutzt, die besondere Autorität Jesu als Resultat seiner einzigartigen Sendung durch Gott darzustellen.« Zur Gesandtenchristologie des Johannesevangeliums: B ÜHNER , Der Gesandte; vgl. auch M ÜLLER , Menschwerdung 62-83. Das griechische Wort für Bote ἄγγελος ist sonst meist als »Engel« zu übersetzen. Weil die Propheten ebenfalls »Boten« Gottes sind, legt sich hier eine Verbindung dieser Vorstellungsbereiche nahe: Es geht einerseits um prophetisches Gesandtsein, andererseits um einen himmlischen Gesandten, der auf Erden auftritt und als Bote den Auftraggeber präsentiert, darstellt und »verkörpert«. 3.9 »Gekommen« 163 »Sendung in die Welt« von Seiten Gottes erklärt also aus Sicht des johanneischen Jesus dem antiken Gesandtenrecht entsprechend die anstößigen Aussagen über seine Einheit mit dem sendenden Vater. Entsprechend ist auch Joh 5,23 zu verstehen, wo der Sohn als Gesandter des Vaters wie der Vater geehrt werden soll. Der Sohn ist nach dieser Auffassung als Sohn zu ehren, weil er ganz für den Vater da steht zugleich ist der Sohn aber nur der Gesandte, der Bote, nicht Gott selber. Das Einssein mit dem Vater ist also ein Einssein, das dem Gesandtenrecht entspringt. Die Aussage »in die Welt gesandt« dient im Zusammenhang von Joh 10 also der Legitimierung und richtigen Interpretation des Anspruchs Jesu, als Sohn Gottes eins mit dem Vater zu sein. 1 Joh 4,7-21 verhandelt ein ähnliches Problem wie Joh 10,30-36, allerdings bezogen auf die Gemeinde. War in Joh 10 die Behauptung Jesu, eins mit dem Vater zu sein, anstößig, so ist in 1 Joh 4, 7-10 die Einheit der Gemeinde mit Gott in Frage gestellt. Die Einheit mit Gott ist nicht so exklusiv gefasst wie in Joh 10, denn es geht »nur« darum »in Gott« zu bleiben und sicher zu sein, dass »Gott in uns« bleibt (4,13). Sichergestellt wird das durch die gegenseitige Liebe, an der man erkennen kann, dass ein Mensch von Gott geboren ist. Das Zeichen der Liebe Gottes ist, dass er seinen einziggeborenen Sohn in die Welt gesandt hat zur Versöhnung für die Sünden der Gemeinde bzw. der Christen, und um »Leben« für sie ermöglichen (4,9f). Die Sendung des Sohnes in die Welt ist somit vergewisserndes Zeichen der Liebe Gottes zur Gemeinde und dient gleichzeitig der Sühnung der Sünden und damit dem neuen Leben mit Gott. Die Sendung des Sohnes verbindet also ausdrücklich Gemeinde und Gott miteinander in anderer, aber vergleichbarer Weise, wie es in Joh 10,30-36 Jesus für sich selbst in Anspruch nimmt. Da es um Verbindung von Gott und Mensch geht, sind beide Teile notwendig: die Sendung von Gott her in die Welt hinein. Nur so kann die Verbindung und Einheit gewonnen werden. 1 Joh 4,11 nimmt nicht nur die Anrede »ihr Lieben«, sondern auch diese gesamte Thematik von 7-10 noch einmal auf. Allerdings geht es jetzt verstärkt um die Frage, wie man sich sicher sein kann, in der Einheit der Liebe mit Gott zu stehen. Das Problem ist, dass niemand Gott je gesehen hat (4,12), und dass die Liebe bedroht ist (4,18.19.20). Es gibt aber zwei wichtige Argumente auf Seiten der Gemeinde: Zum einen hat Gott der Gemeinde von seinem Geist gegeben (4,13), was das Bekenntnis überhaupt erst ermöglicht (4,1f). Zum anderen »haben wir gesehen und bezeugen«, dass »der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt«. Der gesandte Sohn ist sichtbarer Beweis dafür, dass Gott die Welt retten will. Der gesandte Sohn konnte gesehen werden was im Falle des Vaters unmittelbar nicht möglich ist. Die Sendung des Sohnes ist also Beweis für den Einheits- und Rettungswillen und die Liebe Gottes. Dass der Sohn nicht als Retter der Gemeinde oder der einzelnen Christen, sondern als Retter der Welt vorgestellt wird, zeigt, dass es sich hier nicht um eine Sektenmentalität handelt, sondern um die Frage, wie die eigene, offensichtlich durch die Umwelt stark angefochtene Existenz in Hinblick auf Christus gedeutet werden kann. Die »Welt« ist dabei nicht einfach schlecht, sondern rettungsbedürftig. Die Adressaten schotten sich nicht ab, sondern sind offen für die Rettung der anderen. Aber wichtig ist auch, dass diejenigen, die sich durch den von Christus stammenden Geist zum Retter der Welt bekennen, selber gerettet und somit in Einheit bzw. Gemeinschaft mit dem Vater sind. Wiederum ist die Sendung des Sohnes unersetzbare Vergewisserung für die Einheit mit Gott. Zugleich liegt hier ein positiver Impuls zum Umgang mit der umgebenden Welt, da sie eine Zukunft im Rettungsplan Gottes hat, an dem die Adressaten durch ihre Einheit mit Vater und Sohn teilhaben. Ergebnis: 1. Es geht bei der Sendung des Sohnes um die Frage der Einheit entweder Jesu mit dem Vater (Johannesevangelium) oder der Gemeinde mit Gott (1 Joh). 2. In 1 Joh ist mit der Sendung des Sohnes auch der Gedanke einer Sühnung der Sünden verbunden, was im Evangelium so nicht zu finden ist. 3. In 1 Joh dient die Sendung des Sohnes als Vergewisserung für die Liebe und den Rettungswillen des Vaters. 164 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 4. In Joh 10 dient die Aussage von der Sendung des Sohnes der Interpretation der Aussagen vom Einssein mit dem Vater und von der Sohnschaft Jesu. 572 3.9.10 »Gott sendet seinen Sohn« - Johannes und Paulus im Vergleich Folgende Übereinstimmungen sind zu beobachten: - Gott ist jedes mal Subjekt. - Er sendet bzw. gibt. Senden und Geben sind hier synonym gebraucht. - Der Gesandte ist Gottes Sohn. Das ist nicht selbstverständlich: Der Gesandte hätte auch als Messias oder der Kyrios bezeichnet werden können. Nach den johanneischen Schriften geht es speziell um den einzigen Sohn. - Dieser Sohn wird in die Ferne geschickt (Gottferne) entweder aus einer Frau geboren oder als schwacher Mensch oder in die Welt gesandt. - Die Sendung hat einen Zweck, der jeweils mit »damit« (ἵνα) angegeben wird. - Dieser Zweck ist bezogen auf Gesetz, Loskaufen, Leben. Es geht mithin um »Rettung«. Der Unterschied zwischen Joh und 1 Joh 4: 1 Joh 4 hat zusätzlich die Aussage über die Wiedergutmachung der Schuld. Zudem geht es in 1 Joh um die 1. Pers. Plur.: »Darin wurde Gottes Liebe unter uns sichtbar, damit wir leben durch ihn.« Es handelt sich um eine Aussage der Gemeinde über sich selber während es in Joh 3 um neutrale Aussage geht. Dort ist Bezugspunkt eher die Welt. In 1 Joh und Joh 3 geht es um Gottes Liebe. E. Schweizer sprach von Sendungsformel (geprägtes frühchristliches Gut). Gemeint ist damit eine Gesamtübersicht über das frühchristliche Bekenntnis in einer Formel, die Jesu Geschick anhand seiner Sendung kurz darstellt. Ergebnis: Bei Johannes und Paulus ist die Sendungsformel »Gott sandte/ gab seinen Sohn, damit ...« immer verbunden mit einer Zielangabe bzw. einem Hinweis auf die Welt des Fleisches. Der Zweck ist immer der, dass die Menschen, die 572 »In den johannischen Worten vom Gekommensein geht es in erster Linie um die Kardinalfrage der Legitimität der Sendung Jesu« (B ERGER , Formgeschichte, 264). Dieser für die Adressaten der Sendung wichtigen Frage ist eine andere gegenübergestellt: Die Gegenwart, in der der Bote auftritt, ist entscheidend: Wie verhalten sich die Adressaten gegenüber dem Boten und damit auch gegenüber Sender des Gesandten? Gal 4,4f Röm 8,3f 1 Joh 4,9 Joh 3,16 ἐξαπέστειλεν πέμψας ἀπέσταλκεν ἔδωκεν ὁ θεός ὁ θεός ὁ θεός ὁ θεός τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν ἑαυτοῦ υἱὸν τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ τὸν υἱὸν τὸν μονογενῆ (γενόμενον ἐκ γυναικός, γενόμενον ὑπὸ νόμον) έν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας εἰς τὸν κόσμον (ἠγάπησεν τὸν κόσμον) ἵνα ἵνα ἵνα ἵνα ἐξαγοράσῃ, τὴν υἱοθεσίαν ἀπολάβωμεν δικαίωμα τοῦ νόμου πληρωθῇ ἐν ἡμῖν ζήσωμεν δι᾿ αὐτοῦ πᾶς ὁ πιστεύων ... ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον 3.9 »Gekommen« 165 unter den Bedingungen der Gegenwart »in der Welt« (oder »im Fleisch«) leben, Leben haben bzw. in einer gerechten Beziehung zu Gott leben oder gar die Kindschaft zu Gott empfangen. Für unsere Frage nach der Funktion des »im Fleisch-Kommens« Jesu in 1 Joh ist gewonnen: Es ist nicht ungewöhnlich, so von Jesus zu sprechen. 1 Joh spielt lediglich in der Ausdrucksweise, nicht vom Inhalt her eine gewisse Sonderrolle. 3.9.11 Es ist gekommen ... Vielfach wird nicht vom Gekommensein Jesu gesprochen, sondern davon, dass mit seinem Auftreten etwas Besonderes, zumeist als endzeitlich Erwartetes, gekommen ist: - Das Reich Gottes ist gekommen (Mt 12,28; Mk 10,9; 11,20). Dies geschieht z.B. durch Exorzismen Jesu. Die Frage, ob das Reich Gottes gekommen ist, hängt an einer Bewertung und Einordnung des Wirkens Jesu. - Die Stunde/ Jesu Stunde ist gekommen (Mk 14,41; Joh 2,4; 12,23f.27; 16,32). Das Auftreten Jesu hat eschatologische Bedeutung und Wirkung. Schmerz und damit scheinbare Widerlegung des Evangeliums und Freude hängen dabei so eng zusammen wie Schmerz und Freude bei einer in Wehen liegenden Frau (Joh 16,21). - In der Offenbarung ist vielfach von der Gerichtsstunde die Rede, die gekommen ist (11,18; 14,7.15; 18,10. Vgl. 1 Petr 4,7). Danach kann dann gesagt werden, dass die Hochzeit des Lammes gekommen ist (Offb 19,7). - Bei Paulus sind es vor allem Sünde und Tod, die in die Welt gekommen sind (Röm 5,12.18; 1 Kor 15,21). Ihnen entgegen steht, dass wiederum durch einen (Christus) die Rechtfertigung für alle und die Auferstehung gekommen sind. Ebenso kann Paulus sagen, dass durch Christus die Gnade als Freiheit vom Gesetz gekommen ist (Gal 3,25). Kol 1,6 betont, dass das Evangelium zu der Gemeinde gekommen ist. - Bei Paulus geht es jeweils um Mächte und die Deutung ihres Auftretens, ihrer Wirksamkeit. Den Mächten von Sünde und Tod werden die Wirkungen entgegengesetzt, die durch oder mit Christus gekommen sind. Man kann festhalten, dass mit Jesu Auftreten das Gekommensein verschiedener zumeist eschatologischer Ereignisse oder Wirkungen verbunden wird. Ergebnisse 1. Das Gekommensein Jesu hat zumeist ausdrücklich soteriologische Bedeutung. 2. Besonders in den johanneischen Belegen geht es bei der Frage des Gekommenseins um das raummetaphorische »Woher«? - und damit um die Frage der Legitimität des Auftretens Jesu. Nicht das Gekommensein an sich - und auch nicht das Gekommensein etwa »in die Welt« steht zur Debatte, sondern die Frage: Wer oder was steht dahinter? 3. Insofern sind die Belege in 1 Joh 4,2f und 2 Joh 7 weiterhin »besonders«, da sie weder eine soteriologische Bedeutung an sich zeigen, noch die Frage des Woher beantworten. 4. Allerdings werden beide Fragen in 1 Joh ausführlich behandelt (s.u.). Daher kann man das »Gekommen in Fleisch« nicht gegen die Legitimitäts- und Heilsfrage ausspielen. Beide spielen schon vom Wortfeld her im Kontext ausdrücklich eine Rolle. 5. Der Vergleich mit dem gekommenen Menschensohn machte deutlich, dass auch anderswo die Frage nach der Legitimität des Auftretens oder des Anspruchs Jesu zunächst an der Art und Weise seines Wirkens gemessen wird. 6. Es könnte also sein, dass mit dem »gekommen in das Fleisch« Wirkung und Legitimation Jesu in Frage stehen. Damit ist nicht die spätere, doketistische Auffassung 166 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias eines nur scheinbar gekommenen Jesus gemeint, sondern umgekehrt: Wenn er nicht im Bereich Fleisch wirkungsvoll gewesen ist, wie sich das für einen Messias gehört, dann ist der Christus (Jesus) wohl nicht gekommen. Damit wäre dann nicht die Person Jesu in Frage gestellt, sondern nur, dass mit der Gestalt Jesu zugleich eine endzeitliche Gestalt Gottes aufgetreten ist. 7. Zu bedenken ist auch die Rolle des gekommenen Antichristen. Da dieser »in die Welt gekommen ist«, muss auch Christus entsprechend geschildert werden. Dadurch, dass Christus »im Fleisch« gekommen ist, ist er vielleicht noch »etwas näher dran« an der Gemeinde der Angesprochenen, als wenn er nur »in der Welt« wäre, da »die Welt« im johanneischen Sprachgebrauch zwar Zielort für die Erlösung ist, aber zugleich abweisend und feindselig erlebt wird. »Fleisch« bedeutet hier etwas, was auch in der Gemeinde »da« ist. Folgerungen: 8. Wenn die raummetaphorische Frage nach dem Woher mit Legitimitätsfragen und umstrittener Deutung der Wirkung verbunden ist, dann ist die raummetaphorische Frage nach dem Wohin oder Wo des Auftretens entsprechend zu deuten. 9. Nirgendwo ging es um ein nur scheinbares Kommen Jesu. Bevor die raummetaphorische Frage des »Wo« oder »Wohin« des Wirkens Jesu weiter untersucht werden soll, ist zunächst noch ein weiterer Aspekt des Gekommenseins in den Blick zu nehmen. 3.9.12 Der Prophet, der in die Welt kommen soll Die wunderbare Volksspeisung am See Genezareth führt die Anwesenden dazu, zu sagen: »Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll« (ὁ προφήτης ὁ ἐρχόμενος εἰς τὸν κόσμον) (Joh 6,14). 573 Sachlich bedeutet dies die Feststellung, dass »der Prophet« in der Gestalt Jesu »wiedererkannt« wird - und dass er tatsächlich »in die Welt gekommen« ist. Eine Totenerweckung führt bei Lukas dazu, dass die Anwesenden sagen: »Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk besucht« (Lk 7,16). »Prophet war ein positiv besetzter und nicht ganz scharfer Ausdruck. Er erinnerte an die Schriftpropheten, durch die Gott sich maßgeblich künden ließ (...). 574 Mehr noch rief er die Hoffnung auf einen Propheten des Endes wach, auf den wiederkehrenden Elija (Mal 3,23), einen Propheten wie Mose (Dtn 18,15.18) oder allgemein auf Propheten heilvoller politischer Vollmacht (vgl. Sib 3,78f.).« 575 3.9.13 Der lukanische Jesus wird als Prophet bezeichnet; Anbruch der Heilszeit Jesus wird im Neuen Testament vor allem im lukanischen Werk und im Johannesevangelium als »Prophet« bezeichnet. 576 573 Vgl. den Ausspruch Jesu nach dem Jesus-Agraphon 52 (B/ N), überliefert in PsClem H 53: »Ich bin der, den Mose gemeint hat, als er prophezeite: ‹Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, unser Gott, aus euren Brüdern erwecken. Auf ihn hört in allen Dingen! Wer auf jenen Propheten nicht hört, wird sterben.›«. 574 Vgl. 11QMelch 2,15ff; 1QpHab 2,9f.; 7,5; 4 QTestimonia; 1QS 9,11. 575 K ARRER , Jesus Christus, 217. Er weist auf die bald nach Jesus und Johannes auftretenden Zeichenpropheten hin, über Josephus (Antiquitates 20,167-172) berichtet. 576 Vgl. dazu: K ARRER , Jesus Christus, 218f. Karrer redet von einer »Prophetenchristologie«. 3.9 »Gekommen« 167 Lk 4,16-30: Jesus tritt in Nazareth in der Synagoge auf (ἦλθεν εἰς Ναζαρά ... καὶ εἰσῆλθεν ... εἰς τὴν συναγωγὴν). Dort liest er das »Evangelium« aus Jesaja 61,1, in dem sich der jesajanische Prophet als Geistgesalbter bezeichnet, der Evangelium verkündet und Freiheit (z.B. von Krankheit) predigt und damit den Beginn der Heilszeit markiert. 577 Jesus wendet das auf sich an, in seinem Auftreten ist diese Aussage erfüllt (Lk 4,21). Auf die Verwunderung der Leute, die sich fragen, wie ein solcher Anspruch mit seiner Herkunft als Sohn Josefs zusammenpasst, sagt Jesus, dass kein Prophet in seinem Vaterland etwas gilt (4,24). Dass dies keine zufällige Selbstbezeichnung ist, wird durch die folgende Hinweise auf Elia und Elisa deutlich (4,25-27). Der Selbstanspruch, ein Prophet in der Weise von Jes 61 und in der Art von Elia und Elisa zu sein, führt zu Handgreiflichkeiten mit versuchtem Mordanschlag und zum Rauswurf aus Synagoge und Ort (4,29f). In ähnlicher Weise spricht er in Lk 13,33f davon, dass ein Prophet in Jerusalem sterben muss. 578 Die Selbststilisierung Jesu als Prophet in Lk 4 ist von besonderer Bedeutung, da es sein erster öffentlicher Auftritt ist. Die von ihm in der Synagoge gelesenen und kommentierten Worte aus Jes 61 kann man getrost als das lukanische »Programm Jesu« ansehen. Er sieht sich ganz offensichtlich als geistgesalbten Verkünder des Evangeliums, der auch im Fortgang des Evangeliums insbesondere die Freiheit von Krankheit und Dämonen bewirkt. Die Ablehnung eines solchen Anspruchs ist in seiner Heimatsynagoge Nazaret verständlich. Dies aber mit der in deuteronomistischer Sicht üblichen Prophetenverfolgung zusammenzubringen und sich dann auch noch mit den in der frühjüdischen Eschatologie eine besondere Rolle spielenden Propheten Elia und Elisa zu vergleichen, bedeutet: Der lukanische Jesus wird zu Anfang seines öffentlichen Auftretens mit der Kategorie des verfolgten Propheten gedeutet. Dieser Deutung am Anfang entspricht auch die Deutung am Schluss: - In Lk 24,19f reden die Emmausjünger von Jesus, einem Propheten, »mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk«. Dieser sei zur Todesstrafe ausgeliefert und gekreuzigt worden. - Entsprechend hatte Jesus in Lk 13,33f vom Sterben der Propheten in Jerusalem gesprochen. Gerade sein Tod ist damit der typische Prophetentod (vgl. auch Lk 6,23; Apg 7,52). - Der Auferstandene legt daraufhin den Jüngern die Schrift aus, dass es so kommen musste. Er nimmt dabei die Rede vom Propheten nicht auf, sondern spricht vom Christus. Aber er kritisiert die Rede vom Propheten auch nicht. Die Kategorie »Prophet« mag zwar nicht alles erfassen, wird aber auch nicht abgelehnt. Sie scheint insbesondere zum Thema Verfolgung und Sterbenmüssen zu passen. Möglicherweise ist die Fortführung durch die Rede vom Christus so zu deuten, dass der »Christus« eine besondere prophetische Gestalt ist. Immerhin ist der Christus der (mit Heiligem Geist) »Gesalbte« - und als ebensolcher hatte der lukanische Jesus sich in Lk 4 als Prophet gedeutet. - Ähnlich Lk 7,26: Dort sagt Jesus von Johannes, er sei mehr als ein Prophet gewesen. Dabei ist Johannes eindeutig als Prophet bezeichnet worden (Lk 1,76). »Mehr als ein Prophet« heißt daher: nicht einfach »irgendein« Prophet, sondern »der Bote«. Da dies von Johannes gesagt wird, der von Jesus noch überboten wird, ist die Bezeichnung »Prophet« für Jesus in mancher Hinsicht »zu wenig«. Denn nach Lk 16,16 reichen Mose und die Propheten bis zu Johannes. Mit Johannes fängt aber die Predigt vom Reich Gottes man vergleiche Jesu ersten Auftritt in Nazareth Lk 4 an. Das ist »mehr« als bei den Propheten. 577 »Die Ansage der in Jesu Wirken anbrechenden Gottesherrschaft (...) kennzeichnete (...) die Gegenwart als Heilszeit. Dieser Aspekt ist in Jesu Bewusstsein von seiner spezifischen Rolle im Heilsplan Gottes begründet«. - »Die Zeit Jesu ist Freudenzeit, eine Zeit der Mähler, die allen offen stehen, die Zeit der heilvollen Zuwendung Gottes zu den Menschen.« (S CHRÖTER , Jesus, 203) - S CHRÖTER zitiert in diesem Zusammenhang Lk 10,23f: »Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht und die Ohren, die hören, was ihr hört ...«. Man kann fragen: Wenn das die Ursprungserfahrung von Menschen mit Jesus ist, was ist dann, wenn in Abwesenheit des irdischen Jesus diese Weise der Welterfahrung durch negative Ereignisse gestört oder gar zerstört wird? Ist Jesus dann immer noch der Christus? - Man kann noch weiter fragen: Nach Lk 10,9 ist es Auftrag Jesu an seine Jünger, es ihm gleich zu tun und die Gottesherrschaft auszubreiten u.a. durch Heilen von Kranken usw. Wie aber ist es zu deuten, wenn das Reich Gottes nicht wachsen will, die Gemeinde auf der Stelle tritt, Krankheiten, Schicksalsschläge, Intrigen und Kontroversen das Heil, das eigentlich da sein sollte, aus dem Blick geraten lassen? Ist der Christus dann wirklich gekommen? 578 Dass es umstritten war, Jesus als den gekommenen Propheten anzuerkennen, zeigt die kleine Übersicht bei S CHRÖTER , Jesus, 159.09 168 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias - In Lk 7,16 sagt nach den Totenerweckungen in Kapernaum und Nain das Volk, ein großer Prophet sei »unter uns aufgestanden« und Gott habe »sein Volk besucht«. Da Elia und Elisa ähnliche Totenerweckungen durchgeführt haben (1 Kön 17,21-24; 2 Kön 4,32-37), ist es nur natürlich, dass auch Jesus in ähnlicher Weise als »großer Prophet« bezeichnet wird. - In Lk 9,19 wird Jesus nach der in mancher Hinsicht an Elia und Elisa erinnernden Volksspeisung (1 Kön 17,11-16; 2 Kön 4,42ff) als Johannes, Elia oder einer der großen Propheten bezeichnet. - In Apg 3,22 deutet Petrus in seiner zweiten öffentlichen Predigt im Tempel Jesus als den von Mose verheißenen »Propheten wie Mose« (Dtn 18,15). Im Kontext geht es darum, dass Petrus gerade mit Bezug auf Dtn 18 seinen Hörern die Pistole auf die Brust setzt, indem er weiter Dtn 18,19 zitiert (Lk 3,23): »wer diesen Propheten nicht hören wird, der soll vertilgt werden aus dem Volk.« - In Apg 7,37 zitiert Stephanus in seiner Martyriumspredigt ebenfalls Dtn 18,15 und gibt damit die Kategorie an, in die man Jesus einzuordnen hat: als den erwarteten endzeitlichen Propheten wie Mose. Sein Tod ist wiederum der typische Prophetentod (Apg 7,52). Entscheidend ist in beiden Reden der Apostelgeschichte, dass man akzeptiert, dass Jesus dieser »Prophet wie Mose« ist. 579 Das erwartete Kommen des endzeitlichen Propheten ist mit dem Auftreten Jesu realisiert. Der erwartete Prophet ist gekommen. Festzuhalten ist: 1. Die Kategorie des Propheten wird zu Anfang seines öffentlichen Wirkens benutzt, um den Anspruch seines Auftretens und die Gründe für die Ablehnung zu deuten. 2. Die Kategorie des Propheten ist im lukanischen Werk wichtig, um den Tod Jesu einzuordnen. 3. Die Bezeichnung »Prophet« ist zwar nicht durchgängig und wird wohl auch durch »Christus« überboten und fortgeführt. Damit ist auch der »Christus« möglicherweise als prophetische Gestalt anzusehen allerdings immer mit der Betonung, dass hier »mehr« ist als bloß einer der Propheten oder Mose. 4. In Lk 7 wird Jesus als ein großer Prophet wie Elia gezeichnet und in Apg 3 und 7 als »der Prophet wie Mose«. Beides hängt zusammen. Mose und Elia sind jeweils auf den Horeb gestiegen (Ex 24ff; 1 Kön 19). Sie haben jeweils dort eine besondere Theophanie erlebt (Ex 34,6ff; 1 Kön 19,11ff). Und von beiden sagt die Tradition, dass sie entrückt worden sind. 580 Nur deswegen können Elia und Mose auch in den Verklärungsgeschichten zu Jesus kommen und mit ihm reden. - Für Elia und Mose 579 Dass Jesus ein bzw. der Prophet wie Mose ist, wird implizit an vielen Stellen deutlich, wo Jesus mit Mose gemeinsam »auftritt«: bei den synoptischen Verklärungsgeschichten (Mk 9 parr) und in der Berg- und Feldrede (Mt/ Lk) da Jesus dort als neuer Gesetzgeber die Gesetzgebung des Mose fortführt und überbietet. Überhaupt ist seine bei den Synoptikern betonte »vollmächtige« Schriftauslegung, die mit der nicht vollmächtigen Predigt der Pharisäer kontrastiert wird, nicht nur ein Zeichen prophetischer »Begabung«, sondern hebt Jesus auf die Ebene der Propheten und Moses’. Im Gegensatz zu seinen »Konkurrenten« begnügt sich Jesus nicht mit gelehrter, frommer Auslegung. Er wird in seiner Predigt als einer empfunden, der mit Mose und den Propheten mindestens »auf Augenhöhe« steht. 580 Für Elia ist diese Tradition in 2 Kön 2,11 biblisch bezeugt. Für Mose ist diese Vorstellung biblisch nicht belegt. Dennoch hat der Bericht in Dtn 34, wonach Mose von Gott selbst beerdigt wurde und niemand bei seinem Tod und der Beerdigung zugegen war, zu verschiedenen Mutmaßungen geführt, von denen neutestamentlich Jud 1,9 einen Nachhall bietet (Michael und der Teufel im Streit um den Leib des Mose). Philo berichtet in VitMos 2,288-291, dass Mose sterbend Kontakt mit Engeln hatte und von diesen bestattet wurde. In Quaest in Gen 1,86 schildert Philo das Sterben des Mose als ein Verwandeltwerden, wobei er aber auf dem wirklichen Tod des Mose besteht. Ähnlich LAB 19, 12.16: Mose stirbt zwar, wird aber wieder auferweckt werden; bei seinem Tod verwandelt sich sein Antlitz. Da in LAB 48 von Phinees, der wohl mit Elia zu identifizieren ist, eine ähnlich geschilderte Entrückung berichtet wird, die während oder statt des eigentlichen Sterbens stattfindet, mag auch für LAB 19 Ähnliches angenommen werden: statt des normalen Sterbens ein Übergang in den Himmel. Vgl. AssMos 11,5-8. Angesichts der gemeinsamen Gegenwart von Mose und Elia in der Verklärung legt es sich schließlich nahe, für Mose eine Tradition der Entrückung anzunehmen. Vgl. auch Philo Quaest in Gen 1,86. Vgl. ausdrücklich Josephus, Bell 4,8,326ff: Mose wird entrückt, statt zu sterben. 3.9 »Gekommen« 169 könnte auch die Aussage gelten, dass sie mehr als »irgendein« Prophet sind, obwohl beide zugleich als Prototypen der Prophetie angesehen werden. Aber beide stehen schon durch die genannten Gemeinsamkeiten und zusätzlich durch die Gesetzgebung bzw. Wiederaufrichtung der Tora »über« den anderen Propheten. 5. Da sowohl Elia als auch der Prophet nach Dtn 18 als endzeitliche Gestalten gelten, wird Jesus also mit Figuren verglichen oder identifiziert, die eschatologische Bedeutung haben. 3.9.14 Der johanneische Jesus als Prophet wie Mose Deutlicher noch als bei Lukas ist bei Johannes die Rede vom verheißenen endzeitlichen Propheten wie Mose. Schon in Joh 1,17 wird Mose von Jesus fortgeführt und weit überboten. In Joh 1,21.25 wird der Täufer gefragt, ob er Christus, Elia oder »der Prophet« sei, was er ablehnt. Im Fortgang des ersten Kapitels werden von den ersten beiden Jüngern zwei weitere gewonnen. Während Andreas seinem Bruder Simon Jesus als den Messias präsentiert (1,41), weist Philippus den Nathanael auf den hin, »von dem Mose und die Propheten geschrieben haben« (1,45). Im Dialog mit der samaritanischen Frau wird Jesus zunächst aufgrund seiner Herzenserkenntnis als »ein Prophet« klassifiziert (4,19). Die Frau erkennt, dass Jesus Dinge redet, die eigentlich vom Messias zu erwarten sind, woraufhin Jesus sich »outet« (4,26). Die Samariterin ist beeindruckt und bittet die Einwohner des Dorfes um Prüfung, ob nicht dieser der Christus sei (4,29: μήτι οὗτός ἐστιν ὁ χριστός). Und obwohl auf die Rede der Frau hin viele an ihn glauben, hält sich Jesus an die auch für christliche Missionare später in der Didache bezeugte Regel, nicht länger als zwei Tage am selben Ort zu bleiben (Did 12,2). Die Begründung ist interessant: »weil ein Prophet daheim nichts gilt« (4,44 vgl. Mt 4). Offensichtlich genügt ein Bleiben länger als zwei Tage, um »heimisch« zu werden und das Charisma des Propheten einzubüßen, was aber immerhin heißt, dass der johanneische Jesus sich trotz Christusbekenntnis immer noch als Prophet sieht. In Joh 5,45 steht Jesus in Konflikt mit Leuten, die in dreifacher Hinsicht Anstoß an ihm nehmen: a) Jesus hatte am Sabbat einen Lahmen geheilt (5,8). b) Er hatte ihm den Auftrag gegeben, (am Sabbat) seinen Strohsack nach Hause zu tragen (5,8ff). c) Jesus hatte Gott als seinen Vater bezeichnet und sich in den Augen der Gegner, die ihn nicht einmal besonders böswillig interpretieren müssen, Gott gleichgemacht (5,18). Nun sagt Jesus, er sei der, von dem Mose geschrieben habe (5,45). Dass Mose eine Gestalt angekündigt hätte, die mit Gott eins sei, ist sonst zwar unbekannt. Immerhin mag die Wahrnehmung der Menschen in Lk 7,16 als Kommentar dienen, wo es heißt, es sei »ein großer Prophet unter uns (ἐν ἡμῖν) aufgestanden« und (somit) habe Gott sich um sein Volk gekümmert bzw. dieses besucht. 581 581 Den Wettbewerb um den Titel »größter Prophet« dürfte Mose noch vor Elia für sich entscheiden. Gegenüber Johannes dem Täufer wäre der Ausgang von den Evangelien her gesehen vielleicht nicht so klar; Jesus aber übertrifft in der Darstellung der Evangelien auch Mose, Elia und Johannes. 170 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias In Joh 6,14 reagieren die Menschen wie in Lk 9,19 auf die Volksspeisung mit der Einordnung als Prophet. Und zwar nicht irgendein Prophet ist Jesus, sondern der, »der in die Welt kommen soll«. In Joh 6,15 wollen sie ihn daraufhin gleich zum König machen, was bedeutet, dass sich für sie die Kategorie des Propheten mit der des Herrschers überlappt, wie man es etwa für David denken konnte, der auch als Prophet galt. Aber auch Mose gilt bei Philo (als Gesetzgeber) als Musterbeispiel eines guten und gerechten Herrschers. 582 Der Prophet, der in die Welt kommen soll, hat aber sicher nichts mit den Verheißungen für das davidische Königshaus zu tun, die später in die davidisch-messianischen Vorstellungen mündeten, wie man sie aus PsSal 17 kennt. Denn in diesem Fall würde man nicht vom Propheten, sondern direkt vom Messias und vor allem von David sprechen. Die Reaktion, Jesus zum König zu machen, gilt im Evangelium als Fehleinschätzung. Zugrunde liegt sicher die sich als falsch herausstellende Vermutung, dass jemand, der in der Weise antiker Herrscher eine Volksspeisung durchführt, auch als ein solcher Herrscher anzusehen ist. David wird im Johannesevangelium ganz anders als in den vielen Belegen der Synoptiker überhaupt nicht herangezogen, um Jesus zu deuten. Ein einziger Beleg in Joh 7,42 weist nur auf eine Debatte hin, die im Johannesevangelium eine Debatte am Rande ist. Ein davidisch verstandener Messias ist der johanneische Jesus also nicht. Will man die Christologie des Johannesevangeliums verstehen, kommt man besser nicht von national-messianischen Vorstellungen im Gefolge der Davids- und Königsideologie her. Die Deutung Jesu als Prophet ist besser. Sie deutet das gleiche Ereignis von der Elia-Elisa-Typologie 583 und den Wüstenspeisungen mit Fleisch und Himmelsbrot 584 zur Zeit des Mose (Ex 16). Letzteres hat den besonderen Charme, große Teile der Metaphorik von Ex 16 und Joh 6 gemeinsam zu haben. Dennoch gilt: Dass Jesus der Prophet sein soll, »der in die Welt kommen soll«, kann sich prinzipiell sowohl auf Mose als auch auf Elia beziehen. Nach Dtn 18,15ff ist ein Prophet »wie Mose« zu erwarten. Sein Auftreten wird in Dtn 18,15.18 allerdings nicht als ein »Kommen in die Welt« oder ein »Kommen vom Vater« geschildert, sondern als ein »Erwecken aus den Brüdern«. 585 Bei Elia sieht dies anders aus. Die letzten Worte des alttestamentlichen Kanons kündigen das Kommen des Elia an. 586 Elia ist der Prophet, der vor Gott hergesandt wird, der kommt. Die Verbindung zu Mose ist gegeben. Es geht bei Elia um Umkehr zu dem, was durch Mose gegeben ist. Allerdings ist damit trotz der Übereinstimmungen nicht gesagt, dass Elia im Blick steht, wenn Jesus in Joh 6 als »Prophet« bezeichnet wird, der in die Welt kommen soll. Denn sowohl bei Matthäus (Mt 11,14; 17,10-12) als auch bei Markus (Mk 9,11f) und Lukas (Lk 1,17) wird Elia eindeutig mit dem Täufer 582 Philo an verschiedenen Stellen in VitMos. 583 L ÖHR , Bemerkungen; Ö HLER , Elia. Vgl. S CHRÖTER , Jesus, 134. 584 Vgl. die Rede Jesu vom Himmelsbrot und von seinem »Fleisch« im Kontext von Joh 6. 585 Da Mose nach Dtn 34,5f gestorben und begraben wurde, gilt er allgemein als gestorben und nicht als entrückt (anders Josephus, Bell 4,8,326ff). Bei Elia ist das anders. Er ist entrückt und kann daher auch »wiederkommen«. 586 Mal 3,22-24: »Gedenket an das Gesetz meines Knechtes Mose, das ich ihm befohlen habe auf dem Berge Horeb für ganz Israel, an alle Gebote und Rechte! Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.« 3.9 »Gekommen« 171 Johannes verbunden, dessen Predigt in der Tat als Umkehrpredigt wiedergegeben wird (vgl. Mk 1,2-5). Nur gilt umgekehrt genau diese Zuordnung von Elia und Täufer in Johannes nicht. Denn der Täufer reagiert auf die Frage ob er Elia oder »der Prophet« oder der Christus sei, eindeutig ablehnend (Joh 1,21.25). »Elia«, »Prophet« und »Christus« stehen als Bezeichnungen nebeneinander. Vielmehr ist Jesus der, der kommen soll: nämlich der, von dem Johannes gesagt hat, dass er (nach ihm) kommen soll. Auch der Messias soll ja kommen (s.o.). 587 Geschickt wird offengehalten, welche Bezeichnung stimmt. Zu den Verheißungen alt- und zwischentestamentlicher Provenienz kommt die Verheißung des Johannes eines nach ihm Kommenden. Johannes selbst übertrifft schon alles Vorherige und ist doch weniger als der, der kommt. Die Uneindeutigkeit, welche Bezeichnung die »richtige« ist, hängt möglicherweise nicht nur damit zusammen, dass eben mehrere Erwartungen im Raum stehen, sondern möglicherweise auch damit, dass es geradezu angemessen ist, Jesus mit unterschiedlichen Kategorien zu fassen. Er ist möglicherweise Prophet in der Weise des Elia und Messias in der Weise des mosaischen Propheten, geistgesalbter, endzeitlicher Prophet von der Art eines Elia, Elia-ähnlicher Messias. Allen drei Figuren ist Folgendes gemeinsam: Salbung; Sendung von Gott; Erwartung des Kommens aufgrund von Verheißung. Vor allem aber ist Jesus der, dessen Kommen der Täufer ankündigte. Dabei darf auch die pikante Überlegung einfließen, dass sich der historische Johannes möglicherweise (zunächst wenigstens) als direkter Vorläufer des Kommens Gottes ansah. Wenn das Evangelium (oder die vorhergehende Tradition oder gar der Täufer selbst) diese Ankündigung nun auf Jesus bezieht, dann wird deutlich, in welch unerhörter Weise die Erwartungen der Menschen überboten werden. 3.9.15 Ist Elia gekommen? Oder ist Johannes wieder auferstanden? Der Mensch, das gilt auch für Christus, ist nicht als »abgeschlossene« Einheit gedacht. Vor allem ist er nicht in Seele und Leib gespalten. »Mächte« können von ihm Besitz ergreifen, wie bei dämonischer Besessenheit. Ein im Geist Elias kommender Johannes 588 muss nicht so aussehen wie Elia und ein als auferstandener Johannes bezeichneter Jesus nicht wie Johannes. Da Elia neben Henoch (und in gewisser Weise neben Mose) als entrückter Prophet der Vorzeit galt, der im Himmel in eine Ehrenstellung eingerückt ist, wäre sein Wiederkommen sehr real vorzustellen. In der Verklärungsszene der Synoptiker begegnen Mose und Elia Jesus als himmlische, lebendige, existente Größen, d.h. auch Mose ist hier als »entrückt« oder durch den Tod hindurch zu Gott erhöht gewertet. 587 Joh 4,25; 7,27.31.41.42; 1 Joh 4,2.3; 2 Joh 7. 588 Zu Johannes dem Täufer vgl. S CHRÖTER , Jesus, 139ff, sowie M ÜLLER , Johannes. 172 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias 3.9.16 Woran ein Prophet wie Mose nach Dtn 18 gemessen wird Aus den vorhergehenden Untersuchungen geht hervor, dass Jesus jedenfalls auch als der von Mose angekündigte, kommende Prophet wie Mose gesehen wurde. 589 Möglicherweise ist auch seine Messianität in diesem Sinne prophetisch zu deuten bzw. empfängt ihre Kriterien daher. Da es in Dtn 18 auch und gerade um die Legitimität des von Gott gesandten Propheten (als Nachfolger des Mose gedacht: Josua; erst später messianisch aufgeladen) geht, bietet Dtn 18 in hervorragender Weise Kriterien zur Beurteilung von Propheten und Falschpropheten. Auch Jesus kommt nicht daran vorbei, an den Kriterien von Dtn 18 gemessen zu werden. 590 Wenn die Worte des Propheten nicht eintreten und er offensichtlich durch die Ereignisse widerlegt wird, dann ist er nicht ein Prophet im Gefolge des Mose. Das lässt sich im Übrigen auch auf den Kreuzestod Jesu übertragen. Zwar hat Jesus dieses Schicksal laut synoptischen Leidensweissagungen angekündigt. Dennoch bietet das Schicksal Jesu Gründe für Anfechtungen zuhauf. Denn an sich ist nirgendwo vorgesehen, dass der Messias bzw. der Prophet wie Mose leidet und stirbt (es sei denn in hohem Alter auf einem Berg, begleitet und gestützt von Gott selbst). Die Rede von der »Schande des Kreuzes« (1 Kor 1,23) bei Paulus ist ein Hinweis auf Gründe, die jüdische Zeitgenossen des Paulus haben konnten, sich gegen Jesus als Messias zu entscheiden. 3.9.17 Christus als gesalbter Prophet Welchen Wert haben nun die dargestellten Vorstellungen, Jesus sei so etwas wie der erwartete, kommende Prophet »wie Mose«? Da wir aus der christlichen Tradition eine ausgebaute Christologie kennen und auch die Zielrichtung des Neuen Testaments nicht dahin geht, Jesus als »Propheten« und sei es in der Qualität des Mose oder des Elia zu sehen, legt es sich nahe, die in Bezug auf Jesu geäußerte Erwartung, er sei ein »Prophet wie Mose«, für eine christologische Unterbewertung zu halten. Dennoch gibt es traditionsgeschichtlich einige Verbindungslinien, die den Begriff des »Gesalbten« aus »dem Bild des gesalbten Propheten« aus Deuterojesaja verständlich machen können. 591 Demnach bezeichnen durch Deuterojesaja beeinflusste prophetisch-levitische Tradentenkreise »die zukünftige Heilsgestalt als Gesalbten, weil sie eine Salbung durch den Geist Gottes annehmen.« 592 Genau darum geht es nicht nur in Joh 6, sondern vor allem in 1 Joh, wo in den Kapiteln 2-5 die Frage der Salbung bzw. des Geistes und des »in Gott Seins« thematisiert 589 Vgl. insgesamt B OISMARD , Moïse und M EEKS , Prophet King. 590 Dtn 18, 20: »Doch wenn ein Prophet so vermessen ist, dass er redet in meinem Namen, was ich ihm nicht geboten habe, und wenn einer redet in dem Namen anderer Götter, dieser Prophet soll sterben. (21) Wenn du aber in deinem Herzen sagen würdest: Wie kann ich merken, welches Wort der Herr nicht geredet hat? - (22) Wenn der Prophet redet in dem Namen des Herrn und es wird nichts daraus und es tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der Herr nicht geredet hat. Der Prophet hat’s aus Vermessenheit geredet; darum scheue dich nicht vor ihm. » 591 B ERGER , Hintergrund, 393. 592 B ERGER , Hintergrund, 395. 3.9 »Gekommen« 173 wird und bezogen wird auf den »Gesalbten«, von dem Geist, Salbung und Taufe ausgehen und für den sie Zeugnis geben. 3.9.18 Die Erwartung eines Propheten wie Mose 593 bei den Samaritanern 594 »Bei den Samaritanern kennen wir aus eigenen Quellen keine Messiaserwartung um das 1. Jh.« 595 Dennoch wird orientiert an Dtn 18 die Hoffnung auf einen Propheten nach Mose entfaltet. 596 Mose ist von einzigartiger Heiligkeit, ist unvergleichlich und wird in der Endzeit wiederkehren. 597 Memar Marqa 598 stellt Mose so dar, dass er selbst göttliche Qualitäten bekommt: 599 »Wo ist (jemand) wie Mose, und wer gleicht dem Mose, dem sein Herr offenkundig erschien und ihm die Schrift seiner Hand gab. Wo ist (jemand) wie Mose und wer gleich dem Mose, dessen Herren Name zu seinem (eigenen) Namen gemacht wurde« (Memar Marqa IV, 134). 600 - Es »ist sein (Gottes) Name, mit dem er ihn (Moses) umkleidete 601 und seinen Rang erhob« (Memar Marqa IV, 68). 602 In der hier zitierten samaritanischen Tradition bekommt Mose selbst einen geradezu göttlichen Rang. 603 Denn Gott umkleidet ihn mit seinem Namen. 604 Das genau bietet eine Entsprechung zur »Karriere« Jesu: Auch er wird mit Gottes Namen genannt (Kyrios). Er ist der »Prophet wie Mose«, dessen Existenz Memar Marqa ablehnt, da er bestreitet, dass es einen Propheten gibt, dem in dieser Hinsicht Gleiches wie Mose geschehen ist. Die samaritanische Lösung, einen Propheten »wie Mose« abzulehnen, dafür aber Mose selbst »als« endzeitlichen Propheten wieder zu erwarten, ist in den Besonderheiten der samaritanischen 593 K IPPENBERG / W EWERS , Textbuch 100, weisen darauf hin, dass die samaritanischen messianischen Traditionen des »Propheten wie Mose« und des »Taheb« anders als z.B. unten im Zitat von Feldman voneinander zu unterscheiden seien und erst im 14. Jh. miteinander verknüpft werden. Ebenso auch schon R ETTIG , Memar Marqa, 31f. Obgleich K IPPENBERG / W EWERS selbst eine Textstelle aus dem Memar Marqa für den Taheb (Umkehrenden) zitieren, konzentrieren wir uns im Folgenden auf das Motiv des »Propheten wie Mose«. 594 Über den Stand der Samaritanerforschung informiert umfassend: D EXINGER / P UMMER , Samaritaner; C ROWN , Samaritans; sowie kurz: Z ANGENBERG , Samaritaner, in: NTAK 3, 47-50 (Neukirchen 2005). 595 K ARRER , Jesus Christus, 154. 596 D EXINGER , Taheb. 597 Texte dazu in K IPPENBERG / W EWERS , Textbuch, 98 ff. 598 Die Datierung ist umstritten: zwischen der Zeit Philos und der islamischen Epoche. 599 F ELDMAN , Josephus’s interpretation, 397, Fußnote 47: »Moreover, for the Samaritans, Moses is the Taheb (›Restorer‹), the expected messiah-like eschatological figure who will bring about a golden age and will pray for the guilty and save them. The Samaritans alone give prominence to the title ›man of God‹ for Moses (…). Moses is a second God, God’s vice-regent upon earth (Memar Marqah 1.2), whose very name includes the title ›Elokim‹ (God) (Memar Marqah 5.4), so that he who believes in him believes in his LORD (Memar Marqah 4.7).« Die Gleichsetzung des Tahebs mit dem Messias ist aber für die frühe samaritanische Zeit umstritten. 600 R ETTIG , Memar Marqa, 65. 601 Vgl. dazu die von K IPPENBERG / W EWERS , Textbuch, 98f. angegebene Stelle aus Durrān 6: »Er wurde fürwahr mit einem Kleid bekleidet, was kein König anziehen kann. Er wurde fürwahr in der Wolke verhüllt, und sein Gesicht wurde mit dem Strahl des Lichtes bekleidet (...). (...) Mose soll sich mit meinem Namen bekleiden«. 602 R ETTIG , Memar Marqa, 71. 603 Vgl. auch Memar Marqa 4,6 (Mose in der Mitte der Unsichtbaren als Priester seines Volkes). 604 Vgl. dazu die Oden Salomos, in denen genau das von Christus ausgesagt wird. 174 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias »Konfession« begründet. 605 Die Fokussierung auf die Tora und die Ablehnung späterer Offenbarungen durch Propheten führt dazu, dass man auf eschatologische und pneumatische Erwartungen und Erfahrungen nur so reagieren kann, dass das Gewesene wieder erscheint. Dies muss aber zugleich offen gehalten werden, damit niemand die Position eines Propheten »wie Mose« einnimmt. 606 3.9.19 »Ist der Messias gekommen? « als aktuelle jüdische Anfrage Die Frage, ob der Messias gekommen ist oder nicht ist bis heute die hauptsächliche Trennlinie zwischen Juden und Christen. Wenn man sagt, er sei gekommen, muss man allerdings sagen, wer er denn gewesen sein soll. Für die Christen und den johanneischen Jesus ist die Antwort klar: Der Messias ist Jesus. Er ist schon gekommen. In Frage steht dann die Legitimierung. Was sind die Zeichen dafür (Joh 4,48)? Die Frage stellt sich nicht nur für Juden zur Zeit des Frühjudentums, 607 sondern bleibt bis ins 20./ 21. Jahrhundert aktuell. M ARTIN B UBER schreibt: »Die Kirche steht auf dem Glauben an das Gekommensein Christi, als an die der Menschheit durch Gott zuteil gewordene Erlösung. Wir Israel vermögen das nicht zu glauben. (...) Tiefer, echter wissen wir, dass die Weltgeschichte nicht bis auf ihren Grund aufgebrochen, dass die Welt noch nicht erlöst ist. Wir spüren die Unerlöstheit der Welt. (...) Erlösung der Welt ist uns unverbrüchlich eins mit der Vollendung der Schöpfung, mit der Aufrichtung der durch nichts mehr behinderten, keinen Widerspruch mehr erleidenden, in all der Vielfältigkeit der Welt verwirklichten Einheit, eins mit dem erfüllten Königtum Gottes. Eine Vorwegnahme der vollzogenen Welterlösung zu irgendeinem Teil, etwa ein Schonerlöstsein der Seele, vermögen wir nicht zu fassen, wiewohl sich auch uns in unsern sterblichen Stunden Erlösung und Erlöstwerden kundtut. Eine Zäsur nehmen wir in der Geschichte nicht wahr. Wir kennen in ihr keine Mitte, sondern nur ein Ziel, das Ziel des Weges Gottes, der nicht innehält auf seinem Weg.« 608 Der Glaube an das Gekommensein Christi wird abgelehnt aus geschichtlichen Gründen. Denn der Messias müsste andere Wirkungen gehabt haben, die zu spüren sein müssten. Hier zeigt sich, dass »das messianische Fragment« Jesu (s.u. S. 186) aus innerjüdischen Gründen nicht akzeptabel scheint. Eine der christlichen Lösungen für dieses Problem ist eine gestufte Erlösungs- und Christuslehre: Die eigentliche Erlösung steht noch aus; durch Jesu Tod sind Sünde und Tod als Grenze zu Gott überwunden, durch seine Erhöhung haben wir Zugang zum himmlischen Thron, durch seine Menschwerdung hat Gott die Menschheit als solche besucht und unter ihr gewohnt und uns damit ein »Neues Sein«, den prophetisch-messianischen Heiligen Geist, darin sich selber, geschenkt. Diese 605 Z ANGENBERG , Samaritaner, 48f., beschreibt die Samaritaner als »eine in spätnachexilischer Zeit entstandene Sondergruppe des Judentums«, deren »strenge Konzentration auf Mose (...) zur Ausprägung einer besonderen Form der Eschatologie« führte (Verweis auf Dtn 18,15.18). 606 Dieser Anspruch ist mit F OSSUM , Angel, zu unterstellen für Simon Magus, Dositheus und Menander. 607 Justin, dial. 110,1»... eure Lehrer (...) sie aber sagen, er sei noch nicht gekommen (...). Falls sie aber behaupten, er sei erschienen, sagen sie, man weiß nicht, wer er ist; erst wenn er offen in Herrlichkeit auftritt, dann wird man erkennen«. 608 B UBER , M., Der Jude und sein Judentum, Köln 1963, 562. 3.10 Das Zelten Gottes in der Welt im Johannesevangelium 175 Lösungen sind aber nicht einfach und sofort offensichtlich. Deutlich ist: Das Gekommensein des Christus als Erlösung der Menschheit (in Menschheit) kann man als Jude auch in der Neuzeit noch leugnen, ohne dass das irgendwie »doketisch« motiviert wäre. 3.9.20 Ergebnisse der Untersuchung zum Gekommensein Jesu 1. Die Aussage, dass Jesus kommt/ gekommen ist, ist eine Basisannahme des NT. 2. Meist wird ein soteriologisches Ziel als Zweck des Kommens genannt. 3. Oft wird nach dem »Woher« des Kommens gefragt. Es klärt die Legitimität Jesu. 4. Das »Kommen als X« wird als Erfüllung von Schriftverheißungen verstanden. 5. Man sucht zugleich damit nach der Kategorie zur Erfassung der Person Jesu. 6. Nie wird diskutiert, Jesus sei nicht als Mensch oder nur scheinbar gekommen. 7. Die jüdische Infragestellung des Kommens bezieht sich auf die Messianität. 3.10 Das Zelten Gottes in der Welt im Johannesevangelium Im Johannesevangelium ist Jesus anders als bei den Synoptikern nicht nur zum Schluss in Jerusalem im Tempel, sondern immer wieder, zu jedem wichtigen jüdischen Fest ist Jesus dort, so dass man den Evangelisten auch den »evangelist van de feesten« genannt hat. 609 Besonders die Szene der Tempelreinigung relativ zu Beginn des Evangeliums, statt wie bei den Synoptikern am Ende, signalisiert die besondere Bedeutung, die dem Tempelmotiv für die Theologie des Johannesevangeliums zukommt. 610 »Mit der exponierten Stellung der Tempelreinigung zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu verbindet Johannes (...) zentrale theologische Aussagen: (...) Bei der Tempelreinigung handelt es sich nicht um eine beliebige Episode aus dem Leben Jesu, sondern bereits hier geht es um das Verstehen der ganzen Sendung Jesu. Damit gewinnt die Tempelreinigung den Charakter einer Grundsatzerklärung! (...) Für Johannes ist Jesus selbst der Ort der bleibenden Gegenwart Gottes (vgl. Joh 10,38; 14,6.9) und damit der wahre Tempel. Mit dieser kult- und tempelkritischen Haltung knüpft der Evangelist an Joh 2,6 an und bereitet zugleich die grundlegende Aussage über die Verehrung Gottes an heiligen Orten in Joh 4,20-24 vor. Nicht mehr im Tempel aus Stein, sondern in Jesus Christus treffen Himmel und Erde aufeinander (Joh 1,51), eröffnet sich der Zugang zum Vater.« 611 Um den Tempel geht es direkt oder in Anspielungen im Evangelium mehrfach: - Joh 1,14: Der Logos zeltete unter uns (Stiftshütte) - Fülle (1,16). - Joh 1,51: In Bethel schaute Jakob die Himmelsleiter; ähnlich der Menschensohn. - Joh 2 zeigt in Kana Fülle, um dann im Tempel den Skandal der Tempelreinigung zu inszenieren und dann auch noch Jesus als Tempel zu bezeichnen (2,19-21). 612 - Joh 4: Auf welchem Berg soll angebetet werden? In Geist und in Wahrheit: in Jesus. 609 B OENDERMAKER / M ONSHOUWER , Johannes. Vgl. auch D AISE , Feasts. 610 Vgl. C OLOE , God; H OSKINS , Jesus; K ERR , Temple; K ÖSTENBERGER , Destruction; L IEU , Temple. 611 S CHNELLE , Evangelium, 66 - (Lit S. 63). Vgl. B ERGER , Anfang 190: Die »Anwesenheit Gottes in Jesus ist auch mit dem Bild des Tempels zu beschreiben. Der Tempel ist ganz irdisch, aber in ihm wohnt Gott. Er ist Gottes Zelt unter den Menschen. (...) Derjenige, in dem Gott so wohnt (Jesus) durch den Gott in der Welt ist, wird damit ganz erfüllt von Gott - und bleibt doch Mensch.« Vgl. zum Thema »Jesus als Tempel« unten S. 449ff. 612 S CHNELLE , Tempelreinigung, 359-373. 176 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias - Joh 5: Der geheilte Gelähmte vom Bethesda-Teich trifft Jesus im Tempel. Kontext: Furcht vor den Juden und Synagogenausschluss. Thema Bekenntnis. - Joh 7: Zum Laubhüttenfest ist Jesus wieder dabei: Er lehrt im Tempel (7,14.28). Diskutiert wird, ob er der Christus ist; Jesus redet von dem, der ihn gesandt hat. - Joh 8: Laubhüttenfest. Tempel als Ort der Lehre Jesu: »ehe Abraham war, bin ich«. - Joh 10,19: Tempelweihfest, Salomohalle: »Bist du der Christus? « - Joh 11: Vor dem Passa fragen sich die Gegner im Tempel, ob Jesus zum Fest kommt. - Joh 18,20: Abwehr; Jesus hat allezeit in Tempel und Synagoge frei und offen gelehrt. Sechsmal ist Jesus im Evangelium im Tempel, mindestens zweimal nimmt er Stellung zum Tempel (4 und 2,22ff); mehrfach bezieht er den Tempel auf sich selbst: 1,14, 2,22; (1,51), (4 - Wahrheit ist er selbst). Mittels (reziproker) Immanenz ist Gott in Jesus (10,38; 14,10f). Das Johannesevangelium kann diesen Sachverhalt auch anders ausdrücken: - Joh 1,14 sagt: Das Wort »wohnte« bzw. »zeltete« unter uns«. 613 1,16-18 redet von Fülle und Gnade, vom Eingeborenen, der Gott ist, den Vater kennt und verkündet und weit mehr als Mose ist. Nach Joh 1,15 ist Jesus schon vor Johannes da gewesen. 614 - 1 Joh 4,4ff redet von dem, der ἐν ὑμῖν ist vergleichbar dem ἐν σαρκὶ Gekommenen. »Unter uns« und »im Fleisch« sind parallel gebraucht. Mit diesem Ereignis ist die Heilszeit angebrochen, für die ja das Wohnen Gottes mitten unter den Menschen verheißen war. 615 Damit ist etwas benannt, was andere Autoren des Neuen Testaments etwa so ausdrücken: 616 - Kol 2,9f: »In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (ἐν αὐτῷ κατοικεῖ πᾶν τὸ πλήρωμα τῆς θεότητος σωματικῶς,), 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist«(ὅς ἐστιν ἡ κεφαλὴ πάσης ἀρχῆς καὶ ἐξουσίας). 613 Vgl. B ARTH , Augenzeuge, 6f: Mit »zelten« bringe der Evangelist zum Ausdruck, dass er »durch die Erscheinung des Wortes im Fleisch, durch Jesu Christi Wirken in seiner menschlichen Gestalt als Gesandter und durch seine Gemeinschaft mit seinen Zeugen die alttestamentlichen Verheißungen über die eschatologische Gemeinschaft von Gott und Mensch als erfüllt ansieht. (...) In Zukunft, auch nach Jesu Christi Hingang zum Vater, kann es sich nach Johannes nur darum handeln, in Jesus Christus, also in der schon geschaffenen Gemeinschaft mit ihm, zu ‹bleiben› (Joh 15,4 u.ö.). (...) Ziel der Verkündigung an solche, die nicht zu Jesu Christi Lebzeiten in Gemeinschaft mit ihm kamen, ist: dass die Hörer (bzw. Leser) Anteil an der schon bestehenden Gemeinschaft mit Gott und Jesus Christus bekommen.« - Vgl. Weish 9: Erst soll die Weisheit in den Tempel auf dem heiligen Berg ziehen; dann wird vom Himmel als eigentlichem Wohnort im Gegensatz zur sterblichen Hütte geredet. Dabei ist die sterbliche Hütte wohl auf den Menschen bezogen, der nicht genug Weisheit hat. Das kann ein wichtiges Bindeglied sein, um vom Wohnen Gottes unter den Menschen zu der Inkarnation in Jesus zu gelangen. - Vgl. den Ansatz von N.T. W RIGHT , St Paul. 614 Vgl. Mk 12,36f. 615 Ez 37,27f; 43,9; Jer 7,3.7. 616 Auch Pseudo-Ignatius (4. Jh.) gibt einen guten Kommentar zu Joh 1,14 ab, indem er die entscheidenden Motive von Tempel und Wohnen Gottes unter den Menschen aufeinander bezieht: PsIgn 2,2: »Also wohnte das Wort im Fleisch; denn die Weisheit baute für sich selbst ein Haus. Das Wort errichtete seinen Tempel, der von den Christus bekämpfenden Juden zerstört war, am dritten Tag wieder (οὐκοῦν ὁ λόγος ἐν σαρκὶ ᾤκησεν· ἡ σοφία γὰρ ἑαυτῇ ᾠκοδόμησεν οἶκον. ὁ λόγος τὸν 3 ἑαυτοῦ ναόν, λυθέντα ὑπὸ τῶν χριστομάχων Ἰουδαίων, ἀνέστησεν τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ). Das Wort zog, nachdem sein Fleisch wie die eherne Schlange in der Wüste erhöht worden war, alle zu sich in die ewige Erlösung« (ÜS: B.v.H.). 3.10 Das Zelten Gottes in der Welt im Johannesevangelium 177 - Offb 21: »Die Hütte Gottes bei den Menschen«. 617 Gott wohnt inmitten/ unter den Menschen, wie es alttestamentlich geweissagt ist. 618 »Jesus als Stiftshütte« bzw. »als Tempel« ist also ein Motiv, das das Johannesevangelium prägt und das auch anderswo im Neuen Testament seine Parallelen hat. Er ist der Kultort, auf den es letztlich ankommt. Er ist nicht nur wie Mose Mittler (und schon der wird durch den Kontakt mit Gott körperlich verändert), sondern er ist sozusagen Mose und Stiftshütte in einem. Damit verwirklicht sich in Christus das angekündigte Wohnen Gottes unter den Menschen. Damit ist die Heilszeit angebrochen. Indem Christus im Fleisch ist, ist er real unter uns, sehbar, hörbar, greifbar (1 Joh 1,1-4). Indem Christus (im) Fleisch ist, kann er der Ort in der Welt sein, an dem Gott wohnt. 619 Joh 1,14-18 und Offb 20 zeigen, dass man Jesus als die Hütte, den Tempel Gottes bei den Menschen sehen kann. Damit ist die Heilszeit angebrochen bzw. realisiert. Zwar ist das für das Johannesevangelium und Offb 21 skizzierte Ergebnis nur in einer »Schwund- oder Vorstufe« in 1 Joh zu finden. Immerhin zeigt der Blick auf das Evangelium, was das »unter« bzw. »in uns« - und darüber auch das »im Fleisch« für eine soteriologische Bedeutung haben kann: Es ist die neue Art und Weise, wie Gott »mitten unter« den Menschen wohnt. Zwei Unterschiede sind zu bemerken: - In 1 Joh 4 geht es nicht um Gottes Wohnen unter den Menschen, sondern darum, dass Jesus Christus, der »Sohn« im Fleisch (d.h.: unter den Menschen) da ist, angekommen ist, wirksam ist. Also nicht Gott ist der, um den es geht, sondern Jesus. Die Frage ist, ob er der Christus ist und ob er als Christus im Bereich von Welt und Fleisch wirksam war bzw. ist. - Es geht in 1 Joh 4,2f nicht in erster Linie um Rettung von Sünden, sondern um Widerstand gegen den Geist des Antichristen. Der »in« bzw. »unter« den Angefochtenen wirksame Christus ist stärker als die gegnerische Macht. »In« bzw. »unter« den Christen ist Christus aber nur als fleischlicher gegeben. Das begründet sich zunächst darin, dass der Antichrist eben auch »in der Welt« aktiv ist bzw. handgreiflich auftritt. Man könnte einwenden, dass es dafür nicht nötig gewesen wäre, dass Jesus als Mensch auftritt. Hätte nicht der Heilige Geist gereicht, um Widerstand gegen den Teufel und seine Anhänger zu leisten? Die Antwort stützt sich in zweifacher Hinsicht auf faktisch gegebene Erfahrung: 617 Zu beachten ist folgender Unterschied zum Johannesevangelium: In Joh 1,14 geht es darum, dass Gott in Jesus seine Stiftshütte aufschlägt; in Offb 21 geht es darum, dass er in der endzeitlich transformierten Welt noch einmal in anderer Weise als bisher im Tempel unter den Menschen wohnt; das Tempelmotiv ist dabei ausdrücklich Vorbild; Jesus Christus ist dabei offensichtlich nicht im Blick. 618 Offb 21,3; Ez 37,27; 43,9; 2 Kor 6,16. Vgl. Jer 7,3.7. 619 Einen ähnlichen Gedanken äußert 2Clem 14,3: »Die Kirche aber, die geistlich ist, wurde offenbar im Fleisch Christi (ἐν τῇ σαρκὶ χριστοῦ) und tat uns kund, dass, wenn einer von uns sie im Fleisch bewahrt und nicht zugrunde richtet, er sie im heiligen Geist empfangen wird. Denn dieses Fleisch ist das Gegenbild des Geistes. Niemand nun, der das Gegenbild zugrunde richtet, wird das Urbild empfangen. Das meint nun Folgendes: Brüder bewahrt das Fleisch, damit ihr am Geist Anteil bekommt. ...« 178 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias - Jesus hat unleugbar gelebt; daran zweifelt weder der Autor noch irgendein Gegner. 620 - Dass Jesus der Messias war, erkennt man schon am Auftreten der Gegen-Christusse: Wenn man in Gegnern die »Inkarnation Satans« sieht (Teufelskinder) dann wird eben die »Inkarnation Gottes« als Gegenaussage provoziert. Das heißt dann aber - und das führt das Johannesevangelium aus, dass Gott »unter den Menschen wohnte« (Joh 1,14: ἐσκήνωσεν ἐν ἡμῖν), seine »Hütte« hier nahm (vgl. Offb 21: ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ μετὰ τῶν ἀνθρώπων, καὶ σκηνώσει μετ᾿ αὐτῶν). Im AT heißt die Stiftshütte (der Tempel des Mose) ἡ σκηνὴ τοῦ μαρτυρίου. 621 Wörtlich heißt das etwa: »Zelt der Verkündigung, des Zeugnisses«. Somit gehört also zum Sein Gottes »unter uns« gleichzeitig das Element der Verkündigung. Joh 1,14 redet von Gottes Zelten unter uns. Und in Joh 1,15 zeugt Johannes von ihm. Offb 21 aktualisiert dieses nur für die Heilszeit. Offb 21 ist insofern an der Zukunft orientiert und identifiziert den Tempel nicht mit Christus, was umgekehrt das Johannesevangelium gerade tut und schon von daher das Heil als eher gegenwärtig schon angebrochen versteht. Hier ergäbe sich wieder eine Brücke zu den Gegnern von 1 Joh, die in diesem Sinne den Anbruch der Heilszeit verleugnen würden (Frage nach Zeichen und Wundern). 1 Joh 4 bleibt dagegen relativ unbestimmt. Was »im Fleisch« oder »in Euch« heißt, wird nicht gesagt. Es ist einerseits die Brücke zu den »In- Aussagen« in Joh 14 und 15 möglich, wo ja auch die Verknüpfung mit »Liebe« als Gemeinschaftsstiftung und damit auch als Stärkung gegen die Welt zu sehen ist. Andererseits könnte gerade über Dtn 18 als Referenzstelle und die Verwandtschaft mit Joh 1,14 das tempelartige Wohnen Gottes unter den Menschen dahinter stehen. Diese Vorstellung wird aber hier gerade nicht ausgeführt. Der Blick auf das »Zelten Gottes im Fleisch Jesu« zeigt also einerseits eine direkte Parallele zu 1 Joh 4,2f und hilft so, zu verstehen, was dort ausgesagt ist. Es geht um das »Mitsein« Gottes, um sein »Wohnen« unter seinen Menschen. Andererseits ist in 1 Joh eben gerade nicht vom »Zelten Gottes« in Jesus die Rede. Damit ist Joh 1 in Bezug auf 1 Joh nur ein Modell, das uns heute zeigen kann, was in etwa sich der Autor vorgestellt haben könnte. Grundsätzlich kann man sagen: wo Joh 1 theologisch formuliert, da formuliert 1 Joh christologisch. 3.11 Ergebnisse im Blick auf 1 Joh 4,2: Der Christus ist da gewesen! 3.11.1 Wozu musste Christus nach Brief und Evangelium im Fleisch erscheinen? 1 Joh 4,2f ist wesentlich durch das Auftreten von Gegenspielern bedingt, die als eschatologische Gegenspieler (dis-)qualifiziert werden. Im Sinne von Offb 12 ist es logisch, dass die Gegenspieler gerade »am Ende« in der Welt auftreten. Es ist ebenso logisch, dass dieses Auftreten als eine Sache empfunden wird, die »neu in die Welt kommt«. Dabei ist Offb 12 selbst wohl nur Deutung dieser Empfin- 620 Ein Zweifel an der Existenz Jesu ist im NT unbekannt, es sei denn, man deutet 1 Joh 4,2f antidoketistisch. 621 Ex 27,21; 30,36; 40,26; Lev 4,7.18; 16,16f; 24,3; Num 1,1; 2,17; 3,25; 4,3.15.23-47; Num 8,22-26; 17,19-22; 18,21.31; 2 Chr 1,3. 3.11 Ergebnisse im Blick auf 1 Joh 4,2: Der Christus ist da gewesen! 179 dung, weist aber zugleich auf ein Szenario hin, das als Hintergrund sehr wohl auch in 1 Joh in Frage kommt. Ergebnis: Die Rede davon, dass Jesus in das Fleisch gekommen ist, bzw. im Fleisch ist, wird auch provoziert durch das Kommen der Gegner in die Welt und ihr Dasein in der Welt (insbesondere des Geistes des Antichristen). Jesu Kommen im Fleisch ist eine Replik darauf. Jesus kommt in 1 Joh 4,2f deswegen »im Fleisch« und nicht einfach nur »in die Welt«, weil dies spezifischer den Teilbereich der Welt anspricht, der auch die Gemeinde prägt. »In uns« in 1 Joh 4 ist stark parallel zu »im Fleisch«. Fleisch macht die Verfasstheit des Menschen aus. Auch wer weltabgewandt lebt, hat einen fleischlichen Körper. So, wie die Gemeinde »im Fleisch« lebt, so auch Jesus. So wird der Gegner überwunden. Vgl. dazu Joh 14f: das gegenseitige »Drin-Bleiben« ist Voraussetzung für Überwindung der Welt, für Anteilhabe an Gott, an Liebe. Vgl. in 1 Joh 4 die direkt anschließende Rede von der Liebe. Für die Gemeinde gilt: Der in/ unter uns (im Fleisch) wirksame Messias ist größer als die Gegenspieler, die in der Welt herumirren (z.B. die Beherrscher der Welt in den Lüften). Ein Verweis auf Röm 11,1ff, in der Paulus auf seine Verwandtschaft, seine Zugehörigkeit zu Israel verweist, zeigt: Fleisch als Verwandtschaft deutet auf Nähe und Solidarität, Verflochtenheit. Dies ist zwar nur ein sehr allgemeiner Gedanke. Er kann aber deutlich machen, warum angesichts der Verfasstheit der Welt und speziell des Menschen/ der Gemeinde das Auftreten Jesu ganz besonders im Fleisch wichtig ist, wenn es gilt, von Seiten des Fleisches (Christen/ Gemeinde) der Welt (und ihren Dämonen) zu widerstehen. Das Kommen im Fleisch hat in 1 Joh 4,2f die Funktion, das Widerstehen gegen die Welt zu begründen und gleichzeitig das Mittel des Widerstands (Messias) so dicht wie möglich am Christen/ in der Gemeinschaft verankert zu sehen (Solidarität, Verflochtenheit). Prinzipiell kann »im Fleisch kommen« oder »erscheinen« auch darauf hindeuten, dass es sich hier um ein notwendiges Medium handelt. Ohne »Fleisch« wäre die Erscheinung unsichtbar oder vernichtend (Barn 5f). Im Johannesevangelium (1,14 passim) und in 1 Tim 3,16 ist Fleisch Offenbarungsmedium. Offenbarung vermittelt Anteil. In 1 Tim 3,16 hat das etwas zu tun mit Verkündigung, die so ermöglicht wird. Im Johannesevangelium gibt Jesus so selbst Anteil an sich (Brot v. Himmel), kann Durchgangsmedium sein (Tür). Vor allem aber ist das »Sehen seiner Herrlichkeit« Voraussetzung, selbst Anteil an dieser Herrlichkeit zu erlangen. »Weil Du mich siehst, glaubst Du«, sagt Jesus in Joh 20 zu Thomas. Glaube wird also durch das Sehen/ Schauen provoziert. Allerdings ist dieses im Johannesevangelium zunächst einfach Voraussetzung für Augenzeugenschaft. So wird belegt, dass es sich beim Auferstandenen nicht einfach um einen Dämon bzw. einen Totengeist handelt, um ein Phantasma gar, das die Leute nur narrt und in die Irre führt. »Selig sind die, die nicht sehen und doch 180 B. 3 Der Auftritt des erwarteten Messias glauben«. 622 Dies (Zeugenschaft als Voraussetzung für die Verlässlichkeit) ist letztlich auch Thema im Prolog und anderswo im Evangelium. Es wird auch im Prolog von 1 Joh darauf angespielt: 1,3: Was wir gehört und gesehen haben, verkünden wir auch euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt.»Im Fleisch« kann Voraussetzung für weitere Verkündigung sein (so 1 Tim 3) bzw. Voraussetzung für Augenzeugenschaft, die sicherstellt, dass man nicht genarrt wird. 3.11.2 Die Fleischwerdung als Voraussetzung der Aufnahme durch die Menschen Das Kommen bzw. die Erscheinung im Fleisch im Prolog des Johannesevangeliums bedeutet noch mehr: »Das Licht scheint in der Finsternis«; »er kam in sein Eigentum«. Das Kommen Jesu wirft also Licht in die Welt. Das kann man als Verkündigung des rechten Zugangs zum Vater sehen. Aber nur, wenn das Licht in der Welt ist, kann es auch in der Welt scheinen. Dieses Licht erleuchtet alle Menschen, die in die Welt kommen. Die Welt nimmt das Licht/ den Messias nicht auf. Diejenigen aber (also eine Teilmenge ähnlich wie »Fleisch«), die ihn aufnehmen, bekommen die Macht, Gottes Kinder zu werden. Das Fleisch-Werden Christi ist somit Voraussetzung für Aufnahme. Denn man kann nichts und niemanden aufnehmen, den es in dieser Welt gar nicht gibt. Es handelt sich auch um äußerste Zuwendung zu der Welt, die also an einem Punkt in ihr selbst die Möglichkeit hat, ihr Heil zu sehen und zu finden. Fleisch-Werden ist gleichzeitig Voraussetzung dafür, dass Menschen »erleuchtet« werden, angestrahlt von der Herrlichkeit des Herrn und so selbst an diesem Glanz teilhaben somit selbst im Bereich des Lichtes, des Heils sind. Für 1 Joh gilt 1,3: »(...) verkündigen wir auch euch, damit ihr Gemeinschaft mit uns habt. Und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und dem Sohn.« Zuvor war aber nur vom Sehen, Hören, Fühlen Jesu die Rede. Bei diesem Hinweis auf Augenzeugenschaft geht es um die reale Präsenz inmitten der ersten Gemeinde, die Gemeinschaft stiftet (glaubwürdige Liebe Jesu, die zu gegenseitiger Liebe provoziert). Ergebnis: Im Johannesevangelium und in 1 Joh ist das Kommen in die Welt/ im Fleisch Voraussetzung für Anteilhabe am Licht, für Aufnahme Jesu, für Gemeinschaft mit ihm. Diese Gemeinschaft wird durch die Verkündigung und die gegenseitige Liebe dann nur fortgesetzt. Insofern können auch Menschen, die das fleischgewordene Wort des Lebens nicht selbst gesehen haben durch Gemeinschaft mit Augenzeugen ebenso Gemeinschaft mit dem Wort des Lebens gewinnen und so Gottes Kinder werden. 3.11.3 Ertrag Die Vergleiche zum Thema »Welt und Fleisch«, dem »Gekommensein« Jesu und zum Wohnen bzw. Zelten Gottes in der Welt zeigen als Kontext deutlich, wie es zu verstehen ist, wenn in 1 Joh 4,2 davon die Rede ist, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. 622 Siehe in dieser Arbeit S. 98ff und S. 331ff. 3.11 Ergebnisse im Blick auf 1 Joh 4,2: Der Christus ist da gewesen! 181 Festzuhalten ist: 1. Jedes verwendete Element ist typisch für frühchristliche Aussagen über Jesus. 2. Es geht insgesamt gesehen um Gottes Heil, das zu den Menschen kommt. 3. Ob dies faktisch stimmt, ist umstritten, da die Erfahrung Gegenbeispiele bietet. 4. Es geht damit oft um die Legitimität des gesandten Boten (Jesus). 5. »Wie« der Bote aus dem Himmel auf die Erde kommt, wird nicht geschildert. 6. Die Frage der Falschprophetie steht im Raum. 7. Die verwendete Raumsemantik zeigt: In Jesus ist das Heil wie im Tempel präsent. 8. Die von 1 Joh verwendete kultische Metaphorik zeigt Christus in sühnender bzw. fürbittender Funktion im Heiligtum und beantwortet so die Anfragen der Gegner. 9. Die Metaphorik des Tempelkults ist für den Verfasser von 1 Joh damit eine wesentliche Bezugsgröße, die für Christus zur deutungsgebenden Kategorie wird. 10. Nie steht die Tatsache der Existenz Jesu zur Debatte, wohl aber seine Messianität. 11. Die Botschaft von 1 Joh 4,2 lautet daher: »Der Christus ist da gewesen! « Der Ausblick auf johanneische und andere neutestamentliche Textstellen bestätigt somit, was schon die Analyse von 1 Joh 4,2 (mit Kontext) nahelegte: 1. Das Kommen Christi ins Fleisch hat sein Pendant im Kommen des Antichristen in die Welt. Behauptet wird: »Der Christus ist da gewesen und ist wirksam.« 2. Ob dies aber wirklich und wirksam geschehen ist, ist aber strittig. 3. Die bisher gemachten Beobachtungen zu anderen Stellen aus 1 Joh bestätigen dies. 4. »Falschprophetie« ist der Anlass für die Frage nach der Herkunft des Geistes. 5. Die Tempelbezogenheit Jesu im Johannesevangelium macht verständlich, warum viele der weiteren Gegnertexte kultische Metaphorik benutzen. 6. Wie das »Kommen im Fleisch« vorstellbar ist, kann aus 1 Joh selbst nicht erschlossen werden. Hierzu ist eine Sichtung des religionsgeschichtlichen Umfelds nötig (s.u. S. 420ff). Dort ist in den Blick zu nehmen, welche Bedeutung die Vorstellungen von erhöhten Gerechten der Vergangenheit (z.B. Henoch), von Henoch, von der Investitur mit dem Namen Gottes (JHWH), vom Einwohnen Gottes im Tempel, von Mediatoren zwischen Gott und Mensch (Engel, »Hypostasen«, Priester, Gerechte) und welche Bedeutung einzelne Elemente des Kults bzw. des Tempels (z.B. Rolle des fürbittenden Hohenpriesters, Kleidung der Priester, Tempelvorhang) hatten. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh Zielsetzung und Übersicht Für die Doketismus-Verfechter in der Forschung zu 1 Joh steht in der Regel fest, dass nicht nur 1 Joh 4,2f für Doketismus spricht, sondern auch, dass eine ganze Reihe anderer Stellen Ausdruck des in 1 Joh gespiegelten anti-doketistischen Konfliktes seien. Damit schließt sich häufig ein argumentativer Zirkel. Es reicht daher nicht, nur darzulegen, dass 1 Joh 4,2f ohne Doketismus verstanden werden kann. Es muss ebenfalls dargestellt werden, dass dies für 1 Joh insgesamt gilt. Es lässt sich zeigen: a) Die Gegner haben offensichtlich ein Problem mit noch geschehender Sünde nach dem Auftritt dessen, der als Messias dieses Problem bewältigt haben sollte. Auch die weitere Existenz von Leid und gar zunehmender Verfolgung passen in dieses Wahrnehmungs-Schema (4.1). b) Die Taufe ist für 1 Joh von zentraler Bedeutung. Sie bietet eine den Adressaten noch gut präsente Erfahrungsebene, die sie stärkt und Gewissheit verschafft. Denn sie verbindet mit Leben und Tod Jesu, sowie mit dem Geist als wesentlichem Erfahrungsträger christlichen Selbstverständnisses (4.2). c) Das Problem der noch geschehenden Sünde wird von 1 Joh metaphorisch in Bildern des Jerusalemer Tempelkults gelöst. Wie beim Bundesschluss am Sinai ist die Gemeinde mit dem Leben (Blut) Jesu in Berührung gekommen und bildet dadurch eine Einheit. Nur so können ihr Sünden vergeben werden. Wer aus der Gemeinschaft ausbricht, bricht auch aus dem einzig hilfreichen Sühnegeschehen aus und hat dann erst Recht ein Sündenproblem (4.3.). d) Mit der Kultmetaphorik verwandt ist die Vorstellung des gerechten Fürsprechers im Himmel (4.4). Auch diese Vorstellung dient dazu, die von den »Gegnern« gestiftete Verwirrung zu beenden. Denn es kommt jetzt alles darauf an, mit diesem Fürsprecher, nämlich Jesus, verbunden zu sein. Zugleich erfährt das »messianische Fragment« eine Deutung: Die nichtvollendete messianische Tat, nämlich die Herbeiführung der messianischen Zeit (Endzeit), steht zwar noch aus. Dennoch ist das, was Christus wirklich getan hat, seine Lebenshingabe am Kreuz, für uns längst wirksam. e) Innerhalb des Konzepts von 1 Joh ist daher der Umgang mit unterschiedlichen Graden von Sünde konsequent: Liebe als Kraft der Einheit verbindet die metaphorisch als kultisch geeint wahrgenommene Gemeindeglieder untereinander und mit Christus. So können durch Fürbitte und Liebe Sünden vergeben werden. In der Folge wird der »Sünder« alles tun, um im Bereich der Liebe (d.h. auch: im Tun der Gebote) zu bleiben. Wer sich allerdings von der Gemeinschaft trennt, weil er das alles nicht für richtig oder authentisch hält, begeht die wahre Sünde, die ihn von Sühne und Vergebung abtrennt und somit in den Bereich des Todes stellt (4.5). 182 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 4.1 Die Position der Gegner (1 Joh 1,5-10) 183 f) Insgesamt ist zu sagen: Doketismus ist an keiner Stelle im Blick. Vielmehr zeigt sich eine innerhalb des frühjüdischen Spektrums gut vorstellbare messianische Gemeinde im Kampf um die Deutung des »messianischen Fragments« Jesu. Das »Fleisch Christi« ist vor diesem Hintergrund vor allem »Ort« des Auftritts des Messias bzw. seine »Kontaktfläche« zur Welt (5). 4.1 Die Position der Gegner (1 Joh 1,5-10) 1 Joh 1,5-10 wird in der Regel als Diskussion eines Konfliktes mit den Gegnern gelesen. Dem schließe ich mich an. Allerdings rekonstruiere ich Diskussionsbeiträge konträr zum herrschenden Konsens. 623 4.1.1 Die Grundstruktur von 1 Joh 1,5-10 Zunächst betrachten wir die grundlegende Struktur: V 5 erläutert den Inhalt der Verkündigung, die im Brief in einem Satz entfaltet werden soll. Gott ist Licht und steht gegen alle Finsternis. Dieser bei Freunden und Gegnern des Verfassers allgemein zustimmungsfähige Satz wird in V 6-10 in fünf Bedingungssätzen auf seine Konsequenzen überprüft: Wer X tut, ist Y. 624 Zwei einander ausschließende grundsätzliche Haltungen werden gegenübergestellt und jeweils dem Licht bzw. der Finsternis zugeordnet. Das Problem, das verhandelt wird, ist das der Sünde in der Gemeinschaft des Lichts. VV 7.9 bieten zwei Lösungen des Problems im Brief: - »Wandeln im Licht« als Bedingung für Gemeinschaft, was wiederum Bedingung für die an Jesu Blut geknüpfte Vergebung von Sünde ist. - Sündenbekenntnis, was Sündenvergebung bzw. Reinigung zufolge hat. 4.1.2 Verkennen die Gegner ihre Situation vor Gott? Allgemein werden VV. 6.8.10 den Gegnern zugeschrieben 625 . Dies ist möglich und hätte zur Folge, dass die Gegner behaupten, Gemeinschaft mit Gott zu haben (wie es auch der Verfasser des Briefes tut). Gleichzeitig aber würden sie mit oder ohne Absicht sündigen und dabei behaupten, sie täten es nicht. Die Gegner hätten dann ein unausgeprägtes ethisches Verständnis. Sie wären Enthusiasten, Libertinisten, Doketisten oder allgemeiner pneumatisch-spirituell orientierte Menschen, die sich auf dem Weg zur Gnosis befinden: Die reale Welt und reale Beziehungen in ihr wären ihnen unwichtig, wichtig wäre allein eine rein innerliche Beziehung zu Gott. 626 Angesichts ihrer Gotteserkenntnis wären sie der Ansicht, nicht mehr sündigen zu können. 627 Will man vermeiden, die Gegner gleich mit 623 Die Textanalyse schließt an Abschnitt 3.1 an, oben S. 98. Vgl. die Analysen von G RIFFITH (Idols), S TREETT (Identity), B ERGER (Kommentar), E RLEMANN (1Joh), W ILCKENS (Gegner 2001). 624 Vgl. B ERGER , K., Formgeschichte, 186-188. 625 So z.B. W ENGST , Brief, 52ff. 626 Dieses Szenario ist weder nötig noch wahrscheinlich. Wahrscheinlich ist es deswegen nicht, weil es gar keine Belege für »Libertinismus« im frühen Christentum gibt; vielmehr ist der Vorwurf des Libertinismus m.E. ein gängiger Topos in der Polemik gegenüber Gegnern, denen man Tabu-Brüche im Sinne von Hostienschändung, Atheismus (»Asebeia«) oder eben ethischen Nihilismus vorwarf bzw. gerne auch heute noch vorwirft. 627 Ebd. - Vgl. in diesem Sinn zur Sündlosigkeit in 1 Joh: M ILLS , Concept. Dagegen: G RIFFITH , Reading; H ILL , Sin. Vgl. K RUSE , Sin; S MILIE , Sin; W ARD , Sin. 184 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh derartigen »Markennamen« zu belegen, könnte man auch sagen: Sie sind bigott und überspielen ihre durch Sünde geprägte Realität, indem sie sich verbal besonders auf ihre Gemeinschaft mit Gott beziehen. 4.1.3 Die Gegner nehmen die immer noch existente Sünde sehr ernst! Das gezeichnete Bild bigotter (Halb-)Gnostiker mit enthusiastischer Überspanntheit scheint mir nicht realistisch zu sein. Es entspricht zu sehr üblicher Polemik. Auch wäre zu erwarten, dass die angegebenen Positionen noch etwas deutlich benannt würden. Folgendes Szenario ist historisch wahrscheinlicher: V 6 ist nicht die Position der Gegner, sondern die von ihnen abgelehnte. Der Verfasser greift damit die gegnerische Argumentation hier in der Entfaltung von V 5 auf. 628 Das Problem der Gegner ist nicht ein mangelndes Verständnis für ethische Konsequenzen des Glaubens, sondern im Gegenteil: Weil Gott Licht und in ihm keine Finsternis ist, kann jemand, der Gemeinschaft mit ihm hat, nicht sündigen. Wenn das Licht alle Finsternis vertreibt, ist Sünde unmöglich. Wenn Sünde dennoch geschieht, kann die Konsequenz nur lauten, dass eben das Licht nicht erschienen, Jesus nicht der Christus ist und der Sohn Gottes nicht (ins Fleisch) gekommen ist. Wenn man die Gegner zitieren möchte, müsste das so lauten: - »Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, dürfte keiner von uns in der Finsternis wandeln. Da das nicht der Fall ist, ist es Lüge und nicht Wahrheit! « (1 Joh 1,6). - »Wir müssten sagen können, dass wir keine Sünde (mehr) haben. Aber wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns« (1 Joh 1,8). - »Wir müssten sagen können, dass wir nicht (mehr) gesündigt haben. Wenn wir das aber sagen, machen wir Gott zum Lügner und seine Wahrheit ist nicht in uns« (1 Joh 1,10). 629 Diese Konsequenz wird in VV 7.9 vom Autor des 1 Joh abgewiesen durch den Hinweis auf eine nicht nur punktuelle Bekehrung oder Taufe, sondern eine demgegenüber beständig geschehende Vergebung/ Reinigung, die aber an die Bedingung von Gemeinschaft und Sündenbekenntnis gebunden ist und durch Christus ermöglicht wird: 628 P OPKES , Polemik, 337: Es sei zu beachten, »dass die Verwendung der lichtmetaphorischen Motive offensichtlich durch einen entsprechenden Sprachgebrauch der Konkurrenten provoziert wurde.« Das muss natürlich nicht sein, es kann auch sein, dass die Gegner die gemeinsame, vielfach belegte Grundauffassung teilen, dass Gott Licht ist und einfach andere Schlüsse als 1 Joh ziehen. 629 1 Joh 2,4 kann als Position der Gegner gelten: »Wer sagt, dass er Ihn erkannt hat und seine Gebote nicht beachtet, ist ein Lügner«. Demnach präsentiert uns 1 Joh hier eine Anfrage der Gegner, die der Verfasser von 1 Joh löst. Wesentlich ist, Sünde zuzugeben, sich vergeben zu lassen und geschwisterliche Liebe zu praktizieren. Unklar ist die Einordnung von 1 Joh 4,20: »Wenn jemand sagt: ›Ich liebe Gott‹, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner«. Damit kann gemeint sein, dass Gegner kritisiert werden, durch Aufkündigung der (Bekenntnis-) Gemeinschaft die größte Sünde überhaupt getan zu haben. Andererseits könnte hierin auch eine Kritik der Gegner gegenüber den Adressaten zitiert worden sein. Dann allerdings richtet sich der Satz gegen die Gegner selbst. Denn sie sind es, die die Gemeinschaft verlassen haben und damit im »Abseits« stehen. 4.1 Die Position der Gegner 185 - »Wir sind auf dem Weg des Lichts unterwegs. Das bedeutet: Wir haben Gemeinschaft miteinander. Das bedeutet nicht, dass es gar keine Sünde mehr gibt. Aber es bedeutet, dass die Sünde durch das Blut Jesu abgewaschen wird« (1 Joh 1,7) - Unsere Sündhaftigkeit und Ungerechtigkeit steht seiner Treue und Gerechtigkeit entgegen. Das Mindestmaß, das uns allerdings abverlangt wird, besteht darin, dass wir unsere Sünde zugeben müssen. Dann kann Gottes bzw. Jesu Treue und Gerechtigkeit wirken, indem er uns vergibt und von Ungerechtigkeit reinigt (1 Joh 1,9). Im Übrigen aber haben die Gegner recht: Wir dürfen als Menschen seiner Gemeinschaft nicht in der Finsternis wandeln (1,6), wir dürfen nicht sündigen (1,8). Wenn wir aber sündigen, ist dies ein Verstoß gegen die Wahrheit (1,8), d.h. gegen Christus, den Wahrhaftigen selbst (5,20). Wer behauptet, nicht zu sündigen, widerspricht sich selbst, denn das ist ja Lüge (1,10). Somit wird das Problem, das die Gegner bewegt, deutlicher: Ihr Ziel war, Gemeinschaft mit Gott zu haben, ohne Sünde und Lüge gerecht zu leben, den Weg Gottes, d.h. den Weg des Lichts zu gehen. Dieses Ziel sollte durch den Messias (Christus) erreicht werden, vermutlich, weil mit dem Auftreten des Messias das »Reich Gottes«, das »Himmelreich«, bzw. das »endzeitliche Heil« erreicht sein sollte. Dieses Ziel ist doppelt konterkariert: a) durch die doch geschehende Sünde; b) durch das »bigotte« Überspielen der Sünde (Behauptung, dennoch Gemeinschaft mit Gott zu haben). Für die Rolle, die Jesus für die Gegner spielt, kann man vermuten, dass die Frage der Wirklichkeitsveränderung in Richtung auf messianische, endzeitliche Heilszeit an der Christusbezeichnung hängt. Der Christus müsste in dieser Weise wirksam sein. Wäre der Christus im Fleisch erschienen und damit dort wirksam, 630 gäbe es das Sündenproblem nicht mehr. 631 4.1.4 Ergebnisse 1 Joh 1,5-10 1. Die Gegner sind Menschen, die eine endgültige, sichtbare Befreiung von Sünden erhofften und nun aus Enttäuschung das Heilsgeschehen in Jesus generell leugnen. Dass sie die gegenwärtige Welt so gering achten, dass sie die Faktizität von Sünde nicht mehr wahrnehmen oder leugnen, müsste deutlicher und auch im weiteren Text klarer benannt werden. 2. Für 1 Joh hängt Verkündigung/ Erkenntnis des Lebens/ Sohnes/ Vaters eng zusammen mit der Ablehnung von Sünde und der Gemeinschaft der Christen untereinander. 630 Vgl. Lk 7,22f (Logienquelle): Jesus antwortet auf die Frage der Täuferjünger, ob er der erwartete »Kommende« sei: »Geht und richtet Johannes aus, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen umher, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt, und Armen wird das Evangelium verkündigt. Und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.« - Vgl. die von Jesus in seiner »Antrittspredigt« verwendete Perikope aus Jes 61,1-3 in Lk 4,18, deren Programm den Evangelien zufolge durch Jesu Auftreten umgesetzt wurde. Aber was, wenn nach der irdischen Wirksamkeit Jesu diese Wirkungen nicht mehr spürbar sind? Siehe oben auch S. 166f. 631 Vgl. den Fall »Bar Kochba« (Sternensohn), dessen Ambitionen ebenso wie die in ihn gesetzten Erwartungen einerseits »politischer« als die Jesu waren, von dem man andererseits aber ebenfalls der Ansicht war, er sei entscheidender Teil eines apokalyptischen Dramas. Die Nichterfüllung der in ihn gesetzten Erwartungen führte zur rabbinischen Verballhornung »Bar Kosiba« (Lügensohn). So ist aus einem Bezug auf den Himmel, die Sterne (Engel) und das Licht ein Hinweis auf Irrtum und Betrug geworden, was wiederum sehr gut zu der desillusionierten Reaktion der Gegner des 1 Joh passt. Trotz aller Unterschiede wird die zugrundeliegende gleiche Grundhoffnung auf eine fundamentale Wende im Weltgeschehen enttäuscht. Vgl. F ABRY , Messias, 40. 186 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 4.1.5 Kennzeichen der Endzeit: Heil und Sündlosigkeit 4.1.5.1 Der Anbruch des endzeitlichen Heils 632 Um zu verstehen, warum die Gegner möglicherweise eine derartige vollständige Freiheit von Sünde erwartet haben und nun enttäuscht sind, genügt ein Blick auf die vielfältig verheißene, als gegenwärtig anbrechend verkündete Gottesherrschaft, von der Jesus nach Mk 9,1 sagt, die Anwesenden würden sie noch vor ihrem Tod sehen. 633 Auch im Vaterunser wird um das Kommen des Reiches Gottes gebeten. Das Reich Gottes 634 und die mit dem Messias 635 einsetzende Zeitenwende 636 gehören zu den eschatologischen Erwartungen, die mit Jesus verknüpft werden. 637 Jesus erfüllt diese Erwartungen nur teilweise; er hinterlässt ein »messianisches Fragment«. 638 Die unterschiedlichen Messiasvorstellungen des Frühjudentums, sofern sie überhaupt ausdrücklich artikuliert werden, 639 sind mit der Erwartung des anbrechenden Heils verknüpft. 640 Dem entspricht auch, dass mit Jesu Kommen, mit seiner Predigt und mit seinem Heilshandeln das Reich Gottes den 632 B OUSSET , Religion, 240f, schreibt über die »Glückseligkeit der neuen Zeit«: »Mit besonderer Vorliebe wird die äußere Glückseligkeit des messianischen Zeitalters ausgemalt. (...) Ein allgemeiner Friede soll herrschen, der sich selbst auf die Tiere erstreckt. Sorge und Trübsal soll aufhören. In Frieden sollen die Gerechten wohnen. Überfluss soll herrschen (...). Die Frommen sollen das Heil Gottes schauen; alles Gute soll ihnen bereitet sein. Die Erde wird von wunderbarer Fruchtbarkeit sein, besonders wird die unsagbare Fruchtbarkeit des Weinstockes hervorgehoben, Manna wird vom Himmel fallen und die Speise der Frommen sein. Namentlich soll (...) großer Kinderreichtum herrschen. Die Frauen sollen ohne Schmerzen gebären. In ewiger Gesundheit und langem Leben sollen die Frommen ihre Tage zubringen.« B OUSSET führt eine Vielzahl von Belegen an. 633 Im Markusevangelium geht der Bezug dann allerdings zur Verklärung auf dem Berg. Das ändert aber nichts an der geäußerten Erwartung und an der Frage, wieso die Verklärungssituation der unmittelbaren Gottesgegenwart inklusive transformierter Welterfahrung kein bleibendes Ereignis gewesen ist. 634 Vgl. insgesamt V ANONI / H EININGER , Reich Gottes. 635 Vgl. insgesamt F ABRY / S CHOLTISSEK , Messias. 636 Vgl. K OENEN / K ÜHSCHELM , Zeitenwende. K ARRER , Jesus, 153: »Die Gesalbtenhoffnung verband sich mit der Erwartung heilvoller, wunderbarer Zeit«. K ARRER verweist ebd. auf die neutestamentlichen und qumranischen Zitate von Jes 61,1 (z.B. 4Q521,2 II,7-11). 637 Die Verbindung zwischen Endzeit und Messias ist differenziert zu betrachten. B ERGER , Theologiegeschichte, 58f, stellt fest: »1. In der zeitgenössischen jüdischen Apokalyptik werden zwei traditionelle Eschatologien miteinander kombiniert: die an der Gestalt eines Messias orientierte und die auf die Erwartung von Gottes Gericht und Reich bezogene. Die Messias-Eschatologie wird vorangestellt. Der Messias regiert nicht im Reich Gottes, sondern vorher. Der Messias bereitet das Reich Gottes vor: Er besiegt die Feinde (Israels und) Gottes und übernimmt bezüglich der inneren Vorbereitung des Volkes Züge aus dem Eliabild des Judentums. (...) 2. Das frühe Christentum ist ‹magischer Messianismus›. Denn der Messias ist traditionell ein Befreier. Als solcher hat er wunderbare Kraft. In den Evangelien befreit Jesus von Krankheiten und Dämonen. (...) Magischer Messianismus heißt demnach: Jesus vollzieht die messianischen Befreiungstaten nicht militärisch als Besiegung der Römer, sondern er besiegt die unsichtbaren Feinde, Krankheiten und Dämonen durch sein bloßes wirkmächtiges Wort und durch scheinbar geringfügige Gesten.« 638 B ERGER , Theologiegeschichte, 56: »Nach dem Tod Jesu ist der christliche Weg eine gewissermaßen post-messianische Religion. Das wäre nie zuvor auch nur denkbar gewesen, da man zwar Messiasreich und Gottesreich in einer Abfolge annahm, aber nur in Kategorien des apokalyptischen Mythos darüber reden konnte (...). Viel wichtiger als das Problem der Parusieverzögerung war offensichtlich, dass Jesus nur ein ‹messianisches Fragment› hinterlassen hatte.« 639 Viele Vorstellungen von einer künftigen Heilszeit kamen ohne Messias aus. Die Messiasvorstellungen selbst sind im Frühjudentum höchst unterschiedlich (siehe unten S. 422). 640 Die Verbindung von Endzeit und Messias ist keine notwendige. Endzeitvorstellungen gab es auch, ohne dass ein »Messias« darin eine Rolle spielte (B OUSSET , Religion, 222). Andererseits ist mit der Erwartung des Messias eigentlich immer die Hoffnung auf eine apokalyptische Wende verbunden. 4.1 Die Position der Gegner 187 synoptischen Evangelien zufolge schon gegeben ist (vgl. Mk 1,15: »Das Reich Gottes ist herbeigekommen« vgl. Lk 11,20: »Wenn ich die bösen Geister durch Gottes Finger austreibe, so ist ja Gottes Reich zu euch gekommen«). Bezogen auf den johanneischen Jesus ist dies interessant. Denn an der Annahme oder Ablehnung seiner Botschaft und seiner Person entscheidet sich schon »jetzt« alles. Nach dieser Sichtweise geschieht das Entscheidende (der Begriff »Reich Gottes« allerdings taucht gar nicht auf, er scheint als Begriff mit einer mehr futurischen Eschatologie verknüpft zu sein) schon, indem Gott durch seinen Gesandten Jesus Kontakt zu den Menschen herstellt, die so »Kinder« des Vaters werden können. So legt sich dann auch nahe, dass damit das Böse schon verschwunden sein müsste. Denn die einfachere Eschatologie rechnet wohl nur mit einem Kommen eines Retters und der damit beginnenden Heilszeit. Dem entspricht, dass Jesus von einem ganz nahen Reich Gottes spricht, das entweder schon in seiner Gegenwart, in seinem Handeln und Predigen Gestalt gewinnt, oder das in allernächster Zukunft zu erwarten ist (wenn z.B. die Rede davon ist, dass einige der Anwesenden das (volle) Hereinbrechen des Reiches noch erleben werden (Lk 9,27; Joh 21,22). Von einer doppelten Eschatologie auszugehen 641 ist sicher das Kompliziertere und nicht das, was man zunächst erwarten möchte. Es handelt sich möglicherweise auch hier um einen Erklärungsversuch, wieso endgültiges Heil noch nicht gekommen ist, ja wieso der Messias Jesus wieder gehen musste. 642 Die Frage, woran man das Reich Gottes erkennen kann, scheint überhaupt sehr virulent gewesen zu sein. Das konkrete Aufzeigen »hier« oder »da« wird von Jesus abgelehnt. Zeichen können falsch gedeutet werden (Lk 17,20ff). Jedenfalls ist die Frage »Wunder und Zeichen« auch verknüpft mit der Frage »Heil« oder Unheil. Bindeglied ist zumindest das Reich Gottes, das sich auf diese Weise andeutet. Berücksichtigt man diese Erwartungen und sieht gleichzeitig das »Ausbleiben der 641 Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte, 75ff (in Anschluss an K. K OCH ). 642 4Esr 6,26-28: Am Ende der Endzeit wird für die Übriggebliebenen das eintreten, was möglicherweise die Gegner von 1 Joh als durch Christus schon geschehen erhofften: »Dann wird das Herz der Erdbewohner verwandelt und zu einer anderen Gesinnung hingelenkt. (27) Denn das Böse wird zerstört, die Hinterlist ausgelöscht. (28) Der Glaube aber blüht, die Verderbnis wird überwunden, die Wahrheit herausgestellt, die so lange Zeit ohne Frucht geblieben war« (AJS). Melito von Sardes, Passah- Homilie 66: Nicht die Sünde, aber das Leiden wird beseitigt: »So kam er aus dem Himmel auf die Erde um des Leidenden willen, und nachdem er sich mit eben diesem durch die Jungfrau bekleidet hatte und als Mensch hervorgegangen war, nahm er die Leiden des Leidenden auf sich mittels des Leibes, der zu leiden vermag, und vernichtete die Leiden des Fleisches. Aber mit dem Geiste (Pneuma), der nicht zu sterben vermag, tötete er den menschenmordenden Tod« (B/ N). - EvÄg Fragment 2 (B/ N, 985): »Der Erlöser selbst hat gesagt: ›Ich bin gekommen, die Werke des Weiblichen zu zerstören.‹« - Offb 3,10: »Weil du mein Wort in Geduld bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Zeit der Versuchung, die über die ganze Erde kommen wird, mit der ich die Bewohner der Erde versuchen werde«. - Betont wird die alle Bekanntes steigernde und übersteigende Heilszeit in den Schilderungen, bei Papias von Hierapolis (Pap 1): Fülle und Fruchtbarkeit. 188 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh Vollendung«, so ist es gut vorstellbar, dass frühe Christen sich wieder abwenden, weil offensichtlich das Heil nicht eingetreten ist und eine Enttäuschung da ist. 643 4.1.5.2 Die endzeitliche Freiheit von Sünde 644 Solange man die Gegner von 1 Joh als Doketisten, Gnostiker oder sonst irgendwie pneumatische Schwärmer ansieht, ist man schnell bei der Hand, sie des ethischen Libertinismus zu zeihen. 645 Die »libertinistische« Lösung, dass »alles erlaubt« sei, ist aber im frühen Christentum am ehesten mit dem Apostel Paulus verbunden. 646 Will man den Gegnern von 1 Joh keinen Libertinismus vorwerfen, so besteht durchaus die andere, von mir für 1 Joh 1,5-10 diskutierte Möglichkeit, dass die Gegner irritiert sind, durch die weiter existierende Sünde auch unter getauften und gesalbten, d.h. von Gottes Geist erfüllten Christen. Diese Irritation über die weiter existierende Sünde hätte dann ihre Gründe darin, dass es eine alte Erwartung gibt, mit dem Auftreten des Messias bzw. dem Anbruch des Himmelreichs auch das Ende der Sünde zu erhoffen, zumindest für diejenigen, die zum Messias gehören. 647 Sündlosigkeit als Zustand ist traditionell der Zustand im Garten Eden vor dem Sündenfall (Gen 3). In verschiedenen frühjüdischen Texten wird beschrieben, dass der Sündenfall nur dadurch möglich wurde, dass himmlische Mächte (Engel), die als »Aufpasser« fungierten, aus Zwecken der Anbetung im himmlischen Thronsaal gerade nicht im Paradies anwesend waren, als der Versucher an die Eva 643 Vgl. Mt 27,40-44: »Andern habe er geholfen, nun helfe er sich selbst, nun greife Gott zu seinen Gunsten ein, wenn er wirklich der Sohn Gottes sei.« Die Machtlosigkeit des Retters anhand des eigenen Todes kann verglichen werden mit der scheinbaren Machtlosigkeit der Gemeinde. - Vgl. B/ N, Agraphon 141: »Unser ›Erlöser‹ sagte zu den Jüngern: ›Euer Körper ist den Engeln gleich geworden, und ihr werdet Wunder tun wie ich; siehe, ich habe euch die Gabe verliehen, Tote aufzuerwecken, und euch die Macht gegeben, Kranke zu heilen und alle Macht des Feindes zu besiegen‹«. Die »engelgleichen« Jünger können das Böse in der Welt besiegen bzw. die Kraft des Guten austeilen. Wenn das nicht geschieht, sind grundsätzliche Anfragen zu stellen. - Vgl. Mk 6,5f: Ohne Glauben kann Jesus keine Wunder tun. Die Frage der Wirksamkeit wurde also auch im markinischen Traditionskreis gestellt. - Die, die vergeblich nach Zeichen Ausschau gehalten haben, werden eine andere Sicht gehabt haben. Wahrscheinlich folgern sie: Keine Zeichen kein Messias. 644 B OUSSET , Religion, 241, gibt folgende Texte an, die von der Sündlosigkeit im messianischen Zeitalter sprechen: 1Hen 10,22; 69,29; 90,32.35; Jub 4,26; 50,5; TestLev 18; 2Hen 65,9; syr.Bar 73,4. B OUS - SET führt aus: »Es ist natürlich für jeden Apokalyptiker selbstverständlich, dass die messianische Zeit eine Zeit der Reinheit, Sündlosigkeit und Gerechtigkeit sein werde.« 645 U EBELE , Verführer, 139f, zeichnet folgendes Bild: »Das eigentliche Ich, der göttliche Lichtfunke im Menschen gehört der himmlischen Sphäre an, ist Licht vom jenseitigen Urlicht, vom Licht Gottes (1,5; 2,6.9-11! ), und in dieser Zusammengehörigkeit besteht die behauptete Gemeinschaft mit Gott. Die Möglichkeit des Sündigens, der Beschmutzung mit der Materie ist angesichts des göttlichen Ursprungs des Pneuma-Selbst, des Ich des Menschen ausgeschlossen. Lediglich ein äußeres Verstricktwerden, welches das Selbst aber in keiner Weise zu tangieren vermag, ist möglich.« Dabei habe die von den Gegnern beanspruchte »Gnosis«, das könne man »aufgrund der allgemeinen Tendenz der Gnosis und trotz des Fehlens näherer Angaben sagen,« die Funktion die Seele über ihren geistig-göttlichen Ursprung aufzuklären und damit die Wiedergeburt einzuleiten (ebd., 141). - Festzuhalten ist: Trotz Fehlens der entscheidenden Vorstellungen im Text trägt U EBELE diese von außen heran. U EBELE spitzt hier zu, was andere ähnlich sehen: S CHNACKENBURG , Kommentar, 84; S CHMITHALS , Johannesevangelium, 282f; weitere Belege bei U EBELE , 139, Anm. 653. 646 1 Kor 6,12; 10,23. 647 Ähnlich B ERGER , Kommentar, 947. 4.1 Die Position der Gegner 189 herantrat (ApkMos 7,2; VitAd 33,1). Es hatte also ursprünglich eine Art »Schutz« oder »Sicherung« gegen die Sünde gegeben, die dann allerdings teuflisch überlistet wurde. Auch sonst wurde erwartet, dass himmlische Mächte zumindest in der Endzeit den Auserwählten im Kampf gegen die Mächte der Finsternis beistehen. 648 Das vierte Esrabuch beschreibt, dass am Ende der Endzeit für die Übriggebliebenen das eintreten wird, was möglicherweise im Umfeld von 1 Joh als schon geschehen geglaubt und gehofft wurde: 4Esr 6,25-28: »Aber jeder, der übrig gelassen wird von all dem, was ich dir vorhergesagt habe, wird gerettet werden und mein Heil und das Ende meiner Welt sehen. (26) Dann schaut man die Männer, die entrückt wurden und den Tod seit ihrer Geburt nicht verkosteten. Dann wird das Herz der Erdbewohner verwandelt und zu einer anderen Gesinnung hingelenkt. (27) Denn das Böse wird zerstört, die Hinterlist ausgelöscht. (28) Der Glaube aber blüht, die Verderbnis wird überwunden, die Wahrheit herausgestellt, die so lange Zeit ohne Frucht geblieben war« (AJS). 649 Man vergleiche dazu die Aussagen von 1 Joh 3,8f: »Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. Wer aus Gott geboren ist, der tut keine Sünde ...«. In beiden Fällen wird das Böse bzw. werden die Werke des Bösen zerstört. Der anderen Gesinnung im Herzen der Menschen in 4Esr entspricht die Unterlassung von Sünde in 1 Joh. Der Rückschau auf die Sündlosigkeit im Anfang vor dem Sündenfall entspräche demnach der erhoffte Heilsstand am Ende: Das Böse ist zerstört, die Herzen bekommen eine andere Gesinnung oder einen anderen Geist und Sünde findet nicht mehr statt. 650 Das schon in die Gegenwart hineinreichende Heil der Endzeit ist besonders in Schriften aus Qumran beobachtet worden. 651 Dort ist von Menschen »der Vollkommenheit« die Rede (CD 20,2,5,7; 4Q 257,1.2.5) und von der Wiederherstellung von Adams ursprünglichem Zustand und der Zerstörung alles Bösen (1QS 4,18-26). 652 Vergleichbar generell ist auch Offb 21,3ff, wonach Gott mitten unter 648 Vgl. z.B. 1QS 3,24ff. Vgl. grundsätzlich: B ERGER , Qumran, 79ff. 649 Gemeinsame Themen mit 1 Joh an dieser Stelle: Rettung (1 Joh 4,14 - Retter), sehen (1 Joh 1-3; 3,2.6; 4,12.14), andere Gesinnung (entspricht in 1 Joh Liebe, Gebote halten), Zerstörung bzw. Überwindung des Bösen (2,13f; 5,18 allerdings ist die Zerstörung des Bösen hier eben nicht vorausgesetzt, sondern nur der siegreiche Kampf des Einzelnen gegen das Böse bzw. Bewahrung durch Gott), überwinden (1 Joh 2,13f; 5,4), Wahrheit (1 Joh 1,6.8; 2,4.21; 3,18f; 4,6; 5,6.20), ohne Frucht geblieben (entspricht wohl dem in 1 Joh angesprochenen Problem: Wahrheit, Licht und Leben werden behauptet, ziehen aber nicht die erhofften Konsequenzen nach sich). Ergebnis: Die Hoffnung auf eine Überwindung der Widerstände (»Böser«, »Sünde«, Gottferne) ist bei 4Esr mit der Endzeit verbunden und entspricht in vielem dem, was offenbar in 1 Joh zwar gehofft wurde, aber als noch nicht vollständig realisiert wahrgenommen wird. 650 M ILLS , Concept, weist in Teil II seiner Arbeit auf eine ganze Reihe von Parallelen in AT, NT, Frühjudentum, frühchristlichem und gnostischem Schriftgut hin. Interessant sind m.E. besonders Ez 11,19f; 36,23-29; Jes 60,21; Weish 3,1; 5,16f; 1Hen 5,8f; TestJud 24,1; TestBenj 3,8; TestLev 17,8-11. 651 Vgl. K UHN , Enderwartung. 652 Eine ausführliche Analyse dazu bei M ILLS , Concept, 201-207. 190 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh den Menschen wohnen wird und kein Leid und kein Geschrei mehr sein wird, also alles, was irdisch als Plage erlebt worden ist, vorüber ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen: 1. Das Konzept, am Anfang (Paradies) bzw. am Ende (Eschaton) Freiheit bzw. Schutz vor Sünde zu haben, ist schon vor und neben 1 Joh weit verbreitet. 2. Wie besonders die genannten Qumranstellen zeigen, konnte die Endzeiterwartung so »dicht« werden, dass man sie wenigstens partiell schon in der Gegenwart erfüllt sah. Bezieht man die Frage von Endzeit, Messias und Sünde auf 1 Joh, fällt auf: a) 1 Joh kennt im Gegensatz zum Johannesevangelium Endzeiterwartungen, die aber offensichtlich verschränkt sind mit Erwartungen, die schon für die Gegenwart gelten (1 Joh 2,28-3,3). Das, was »schon« ist und das, was »noch nicht« ist, steht in Spannung. b) Gerade die Frage, ob der Messias schon gekommen ist, gehört zu den wesentlichen und dringenden Fragen und wird zudem von den Gegnern bestritten (1 Joh 4,2.3.9.10; 5,18-20). c) Dagegen wird wahrgenommen, dass endgültige Vollendung nicht erreicht ist. d) Indem aber das Licht schon scheint, ist das Ende der Finsternis eingeleitet. e) Zwar liegt die Welt noch im Bereich des Bösen, aber der Sohn Gottes ist erschienen, dass er die Werke des Teufels zerstöre (3,8). f) In diese Situation hinein gehören die gegensätzlichen Aussagen, dass ein Kind Gottes nicht sündigt, ja überhaupt nicht sündigen kann, dass andererseits schon jetzt für eben doch geschehende Sünden Sündenvergebung erwirkt werden kann. Dazu gehört auch die Differenzierung zwischen »Sünde zum Tode« und »Sünde nicht zum Tode«. Weiterhin kann man sagen: Es gibt im Frühjudentum und im frühen Christentum Vorstellungen von himmlischem Schutz gegenüber Mächten, die den Menschen in Versuchung zur Sünde führen. Der Schutz kann gewährleistet werden durch Gott, Christus, Schutzengel oder den Ehemann. 653 Als zusätzliche Schutzmaßnahme sollte die Frau sich insbesondere während des Gottesdienstes verschleiern bzw. den Kopf bedecken (1 Kor 11,5-10). Die Mächte, die zur Sünde verführen, sind entweder als Schlange/ Drache/ Satan zu denken (nach Gen 3) oder als Engelwesen bzw. dämonische Geistwesen. Ihr Auftreten bewirkt die Entstehung böser Dämonen, die Verführung zur Sünde und schließlich falsches Denken und Fühlen. Böse Geistwesen nimmt auch Paulus als ganz reale Gefahr an, wenn er in 1 Kor 10,20 davon spricht, dass man über Götzenopfer möglicherweise Gemeinschaft mit der- 653 Vgl. zu beiden letztgenannten Vorstellungen folgende Stellen: ApkMos 7,2: Adam spricht: »Als aber die Stunde für die Engel nahte, die unsere Mutter bewachten, hinaufzugehen und den Herrn anzubeten, fand sie der Feind allein und gab ihr und ließ sie essen von dem Baum, erkannt habend, dass ich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe war und nicht die heiligen Engel« (ÜS AJS). VitAd 33,1: Adam spricht: »Es gab uns Gott der Herr zwei Engel, uns zu bewachen. 2 Es kam die Stunde, da die Engel hinaufstiegen vor das Angesicht Gottes, um anzubeten. Sofort fand der Feind, der Teufel, die Gelegenheit, als die Engel abwesend waren und es verführte der Teufel eure Mutter, so dass sie von dem verbotenen und uns verwehrten Baum aß« (ÜS AJS). Vgl. dazu ProtEvJak 13,1: »Wiederholt sich bei mir etwa die Geschichte Adams? Als der sich zum Lobpreis Gottes eine Zeitlang entfernt hatte, kam die Schlange, fand Eva allein und verführte sie« (B/ N). 4.1 Die Position der Gegner 191 artigen Mächten haben könnte. Hier handelt es sich dann allerdings zusätzlich um eine Verknüpfung mit der Fremdkultthematik (die ihrerseits wiederum mit sexueller Befleckung konnotiert ist). Diesen Mächten entgegenzusetzen sind Geistbzw. Engelmächte, die »rein« sind und stark genug, die unerlaubten Vermischungen zurückzudrängen. Schließlich ist Sünde bei Paulus als eine außerhalb des Menschen existente Macht gedacht, die auf diesen Einfluss nimmt, ihn überfällt und mit Macht dazu zwingt, Dinge zu tun, die er eigentlich nicht selber will (vgl. dazu nur Röm 6, sowie Gen 4,7 sowie Sir 27,11). Gegen diese Macht der Sünde hilft nur eine Gegenmacht. Paulus löst dieses Problem im Römerbrief so, dass er von Zonen unterschiedlicher Qualität in der menschlichen Wirklichkeit ausgeht. Ist die Sünde einmal in den Bereich Mensch/ Fleisch eingedrungen, ist sie aktiv (s. Röm 6). Möglicherweise ist sie deshalb wirksam, weil sie jetzt schon nicht mehr von außen kommt, sondern im »Bereich Mensch/ Fleisch« wie ein Virus »da ist«. Mit dieser Krankheit muss nun gelebt werden. Nach Röm 6 gilt dieses auch für diejenigen Menschen, die wie Paulus eigentlich schon zur »befreiten Zone« der Wirklichkeit gehören. Obwohl Paulus als Angehöriger Christi von dessen Heilstat gegen die Sünde profitiert, kann er diesen Profit noch nicht vollständig nutzen. Die Krankheit »Sünde« ist für ihn nun zwar keine Krankheit zum Tode mehr, aber doch immerhin noch eine Krankheit, gegen die das »Fleisch« sich eben nicht wehren kann. Damit ist bei Paulus eine ganz andere Lösung gegeben als vermutlich bei den Gegnern von 1 Joh. Diese scheinen von einer »Totalbefreiung« des Menschen auszugehen und damit Sünde in jeder Gestalt ausschließen zu wollen. Christus hätte hier eben die Funktion, den Zustand vor dem Sündenfall gänzlich herzustellen, den Sünden- und Todes-Virus aus dem Menschen/ Fleisch vollständig zu entfernen. Ähnlich wie bei Paulus, der eine gestufte Anthropologie (schon noch nicht; was ich will was ich nicht will, tue ich) entwirft, um auf dieses Problem zu antworten, konzipiert 1 Joh eine zweischrittige Eschatologie, die allerdings auf alte Grundlagen aufbaut: »Noch ist nicht erschienen, was wir sein werden.« Dazu gehört der Hinweis auf den schon gekommenen Antichrist als Erfüllung geradezu von Dtn 5 - Warnung vor den Falschpropheten. 4.1.5.3 Verfolgung der Gemeinde Ein Zeichen für das Ausbleiben der Heilszeit kann das Erleben von zunehmendem Druck und Verfolgung sein. Wäre Jesus wirklich der Christus, so dürfte dies alles nicht geschehen. Dies alles: Angefangen bei Johannes dem Täufer und beim Schicksal Jesu selbst (Mt 27,40). Auch Petrus kann zunächst mit der Schicksal Jesu wenig anfangen und stellt sich quer (Mt 16,22f; Mk 8,32f). Die Liste der frühen Verfolgungen und der ersten »Märtyrer« ist lang genug, dass auch andere Mitglieder der Jesusbewegung »kirre werden« konnten: Johan- 192 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh nes der Täufer 654 , Jesus, Stephanus (Apg 6f), Jakobus Zebedäus (Apg 12,2), Jakobus d. Ä. (Jos.Ant. 20,200) 655 , Paulus als Verfolger und Verfolgter. 656 Die von Euseb in h.e. 3,5,3 geschilderte Flucht der Christen vor den Kämpfen um Jerusalem passt in dieses Bild. Ebenso passt, dass es schon früh in der Kirche für jeden der Apostel Märtyrerberichte gab (Märtyrerakten). Es bedarf also keiner ausgesprochen groß angelegten Christenverfolgung, um eine massive Stress-Situation unter den ersten Christen auszumachen. All diese Einzelereignisse sind jedes für sich Grund genug, zu fragen: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? « (Mk 15,34). 4.2 Geist, Wasser, Blut die Rolle der Taufe nach 1 Joh 5 1 Joh 5,6: »Dieser ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut (ὁ ἐλθὼν δι᾿ ὕδατος καὶ αἵματος), Jesus Christus. Nicht im Wasser allein ist er gekommen, sondern im Wasser und im Blut; und der Geist ist es, der das bezeugt. Denn der Geist ist die Wahrheit. (7) Denn drei sind es, die Zeugnis geben (τρεῖς εἰσιν οἱ μαρτυροῦντες), (8) der Geist und das Wasser und das Blut. Und die Drei sind eins (οἱ τρεῖς εἰς τὸ ἕν εἰσιν).« 4.2.1 Adoption, Doketismus oder Sakramentalismus? 1 Johannes 5,6f gilt häufig als weiterer »Gegnertext«, 657 wobei die Frage, was eigentlich gemeint ist und wogegen sich die Gegner hier richten sollen, immer wieder unterschiedlich beantwortet wird. K LAUCK konzentriert die Vielfalt der Möglichkeiten 658 auf drei große Denkrichtungen: 659 1. Es geht um die Taufe Jesu und die dabei erfolgte »Adoption« durch Gott (Adoptionschristologie). 2. Es geht um Doketismus, wobei im Hintergrund an die Position Kerinths zu denken ist. Demnach hat sich das Geistwesen »Christus« zeitweilig mit dem Menschen Jesus verbunden und hat sich vor dessen Kreuzigung wieder von ihm getrennt. 660 Innerhalb des doketistischen Denkrahmens wäre auch folgendes möglich: Es ist an Joh 19,34, an die Öffnung der Seite Jesu durch einen Lanzenstich zu denken. Es ginge dann hier um die Frage, ob Jesus wirklich gestorben ist. 3. Es ist an die Sakramente Abendmahl und Taufe zu denken. 661 654 Siehe Jos.Ant. 18,116-118; Mk 6,27parr. 655 Der Hohepriester Hannas lässt nach dem Tod des Festus den Herrenbruder Jakobus steinigen (Jos.Ant.20,200). 656 Z.B. Apg 23,12-16; 2 Kor 11,24-27.33; Apg 9,25; 1 Kor 15,9; Gal 6,12; 1 Thess 2,15. Vgl. Hebr 11. 657 Ein nichtpolemisches Verständnis dagegen begründen in jüngerer Zeit ausführlich S TREETT , Identity und G RIFFITH , Idols. G RIFFITH , Idols, 154 hält fest: »If the context of 5.6 ist not polemical, then neither is its form.« 658 Darüber hinausgehend meint R ICHTER , Blut, 131, dass die Mandäer »vom Eintritt des Erlösers in die Welt die gleiche oder wenigstens eine ähnliche Vorstellung« gehabt hätten, was nach U EBELE , Verführer, 132f, der R ICHTER hierin zustimmt, bedeutet, dass ein radikaler Doketismus der Gegner aus den eigenen Reihen im Blick sei, da auch in den mandäischen Quellen nicht von einem wirklichen, sondern einem aus Wasser bestehenden Leib die Rede sei. 659 K LAUCK , Johannesbrief, 294-298. 660 Texte dazu s.u. S. 413f. Übersicht über die Forschungspositionen bei U EBELE , Verführer, 108. 661 U EBELE , Verführer, 108ff und 128ff, stellt im Wesentlichen zustimmend Forschungspositionen zusammen, die davon ausgehen, dass in Joh 6 und 1 Joh 5 das Abendmahl in antidoketistischer Perspektive im Blick sei. - 4.2 Geist, Wasser, Blut die Rolle der Taufe nach 1 Joh 5 193 Gegen alle drei Lösungsversuche lassen sich gute Argumente finden: ad 1: Von einer Adoption wird im Text nichts gesagt. Man muss sie sich erschließen, was natürlich möglich wäre. Allerdings wäre nach der Funktion der Adoption, die hier einmalig auftauchen würde, für den Argumentationszusammenhang in 1 Joh zu fragen: Jesus wäre dann in der Perspektive der Gegner nicht wirklich von Gott als Sohn angenommen worden. Somit ginge es hier wieder um die Frage, ob Jesus der Christus ist. Zwar meine ich auch, dass es genau darum geht und dass die Taufe hier im Blick ist. Dennoch sehe ich nicht, dass dabei die Vorstellung einer Adoption eine Rolle spielt. 662 ad 2: Von einer doketistischen oder gnostischen Differenzierung zwischen Jesus und Christus, zwischen menschlichem und himmlischem Anteil in der Person Christi wird nichts gesagt. Allerdings haben wir nun mehrfach festgestellt, dass derartige Vorstellungen erst im zweiten Jahrhundert (ab 110, Ignatiusgegner) auftauchen. 1 Joh müsste dafür also sehr viel später abgefasst sein, als seine frühesten Bezeugungen es wahrscheinlich machen. Vor allem aber: Wenn hier auf Joh 19,34 angespielt sein sollte, warum geschieht dies so versteckt und nicht ausdrücklich? Und wenn Joh 19,34 eine antidoketistische Funktion im Evangelium haben soll, warum wird das im Evangelium selbst nicht deutlicher gesagt? Sonst ist doch das Johannesevangelium mit seinem Spiel von Missverständnis und Erklärung ausgesprochen didaktisch angelegt: Die Verstehensschwierigkeiten werden ausdrücklich benannt und immer wieder neu erklärt. Warum geschieht das ausgerechnet in einem so wichtigen Punkt nicht, der sich auf eine aktuelle, scharfe, die Gemeinde gefährdende Auseinandersetzung mit gegenwärtig existierenden Gegnern bezieht? ad 3: Abendmahl und Taufe legen sich nahe, weil in beiden Sakramenten die hier genannten Flüssigkeiten eine Rolle spielen: Wasser und Blut. Es fehlt aber in der Aufzählung das Fleisch. Außerdem wäre Wasser nicht-metaphorisch sondern direkt aufgeführt. Blut wäre dagegen als symbolische Bedeutung des Weins genannt. Das andere Element des Abendmahls (Brot) käme nicht vor. Die Deuteworte Jesu wären nicht genannt. Davon, dass wir hier eine Auseinandersetzung um die Bedeutung der Sakramente haben, ist sonst in 1 Joh nichts zu sehen. 663 Schließlich ist zu bedenken, dass gerade im johanneischen Kontext die Anspielung auf das letzte Abendmahl Jesu mit (Brot und) Wein singulär wäre, da im Evangelium anders als bei den Synoptikern statt von Eucharistie von Fußwaschung die Rede ist. 662 Das christologische Modell des Adoptianismus ist im dogmengeschichtlichen Sinn erst mit Theodotus dem Älteren um 200 n.Chr. belegt (G RILLMEIER , Jesus, 186f). Dieses Modell hier einzutragen, wäre also begrifflich anachronistisch. Aber auch, wenn sich die Rekonstruktion des Gemeinten nicht direkt von späterem Adoptianismus leiten lässt, bleibt unklar, wieso die Elemente Wasser (Taufe) und Blut (Mensch Jesus) für Adoption sprechen sollen. Der Geist kommt erst später und »nur« als weiterer »Zeuge« ins Spiel. Er wäre dann als die göttliche Stimme, die die Adoption ausspricht, zu denken und hätte demnach hier das Wesentliche zu tun. 663 Man muss sich auch hier hüten, nicht aus anderen Texten zu viel einzutragen. Wenn man sowieso an Doketismus denkt, legt es sich nahe, an die Gegner des Ignatius in Kleinasien zu denken, über die er sich beklagt, dass sie den Versammlungen und damit auch der Eucharistie fernbleiben. - 194 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 4.2.2 Taufe, Tod und Geist Die auf den folgenden Seiten zu erschließenden Funktionen von Wasser, Blut und Geist in Bezug auf Taufe und Sühne (ἱλασμός) entstammen der Metaphorik des Tempelkults. 664 Das Abendmahl ist mit »Blut« nicht angesprochen, da keinerlei Hinweis auf das im Abendmahl zugehörige »Fleisch«, auf die Substitute Wein und Brot oder auf ein gemeinsames Verzehren gegeben ist. Den Elementen Wasser und Blut ist in kultischer Hinsicht nicht nur gemein, dass sie Flüssigkeiten sind. Gemeinsam haben sie auch, dass sie kultische Mittel der Reinigung sind. 665 Das gilt besonders für das Blut Jesu: 1 Joh 1,7: »Das Blut Jesu Christi reinigt uns von aller Sünde«. Geht es auch in 1 Joh 5 um Reinigung und um Befreiung von Schuld? Zunächst ist festzustellen, dass die kultisch reinigenden Flüssigkeiten Wasser und Blut einander metaphorisch »ersetzen« oder »substituieren« können. 666 Die Entstehung des Gedankengangs kann man dann so ableiten: a) Die Verbindung von Blut und Wasser ist als Substitution aufzufassen, denn: b) Der Kreuzestod ist im Wesentlichen unblutig. Am Kreuz ist kaum Blut vergossen worden. 667 c) Blut steht für Leben. 668 Wo Jesus am Kreuz sein Leben abgibt, gibt er metaphorisch sein Blut ab. 664 Wichtige Anregungen verdanke ich Hinweisen innerhalb des Heidelberger Doktorandenkolloquiums. Lit.: H AGENOW , Gemeinde; F ASSBECK , Tempel; E BERHARDT , Studien; E BERHARDT , Ritual; J ANOWSKI , Sühne; S CHRÖTER , Sühne, 51-71; M AIER , Zwischen den Testamenten, 218-247. Knapp, aber umfassend: B ERGER , Theologiegeschichte, 216-220; 458ff; DERS ., Kommentar, 509f (zu Röm 3,23) und ebd. 867-881 (zu Hebr 8-10). Vgl. auch S CHLUND , C HR ., Knochen; R ENDTORFF , Theologie Bd. 2, 89-120. Ältere Darstellung: G ESE , H., Sühne. Vgl. auch B ETZ , Sühne, B REYTENBACH , Versöhnung; K ARRER , Jesus Christus, 109-132, bes. 119ff; B ARKER , Earth; DIES ., Gate; DIES ., Temple Themes, DIES ., Tempel Mysticism, R ÖHSER , Sühne (RGG) Tempel (NTAK) und Stellvertretung (2001). 665 Diese Auslegung wird bestätigt durch die bei E BERHARDT , Studien, 267-270 dargestellten alttestamentlichen Flüssigkeitsapplikationen: Bei Kultinitiationen (Weihe von Priestern bzw. Weihe des Heiligtums) dienen Wasser, Blut und Öl der vorbereitenden Reinigung, Heiligung und Herstellung der Kultfähigkeit. 666 B ERGER , Kommentar, 952, setzt Öl und Geist gleich, so dass er sagen kann: »Geist (=Öl), Wasser und Blut sind die drei Flüssigkeiten, an denen das Heil hängt. Alle drei haben mit der Taufe zu tun: Das Blut Jesu reinigt von Sünden, was in der Taufe durch Wasser dargestellt wird.« Über das Stichwort »Öl« komme der Aspekt des Heiligen Geistes ins Spiel, so dass die Wassertaufe auf den Tod Christi verbunden wird mit der Geisttaufe. 667 Häufig meint man, »Blut« stehe hier für den Tod Christi am Kreuz im Sinne eines Sühn- oder Reinigungsopfers. Da wir abendländisch insbesondere durch die Theorie des Anselm v. Canterbury geprägt sind, wonach Gott eine Satisfaktionsleistung für das an ihm begangene Unrecht in Form des Opfers Christi erhalten habe, fällt uns in der Regel nicht auf, dass a) ein Menschenopfer im eigentlichen Sinne jüdisch wie christlich undenkbar ist (vgl. Gen 22; Lev 18; 20; 2 Kön 23,10; Jer 32,35 u.ö.); dass b) im Falle Jesu keinerlei Kultpersonal oder sonstige kultische Tätigkeit eine Rolle spielt und dass c) Golgatha auch nicht der allein legitime Jerusalemer Altar ist. Dementsprechend finden weder eine Schächtung noch eine Verbrennung statt. Schließlich (d) ist das Passahfest ist nicht identisch mit dem Jom Kippur, dessen Versöhnungsterminologie der metaphorischen Deutung des Todes Jesu im NT zugrunde liegt. - Mit diesen Beobachtungen ist klar, dass Opferterminologie im NT immer erst eine »metaphorische Transformation« durchlaufen haben muss, wenn sie überhaupt auf Jesus angewendet werden soll. - D.h.: Die Opfermetaphorik ist ernstzunehmen und zunächst auf der von ihr angesprochenen Bildebene zu begreifen, bevor die in den Texten vollzogene Anwendung auf die Inhalte des Heilsgeschehens in Christus nachvollzogen werden kann. 668 Gen 9,4; Lev 17,11.14; Dtn 12,23; vgl. Joh 6,53f. - Lev 17,11 (im Kontext von Stiftshütte und Versöhnungstag sind die Worte »Blut«, »Leben« und »Sühne« verknüpft): »Denn des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch für den Altar gegeben, dass ihr damit entsühnt werdet. Denn das Blut ist die Entsühnung, weil das Leben in ihm ist.« 4.2 Geist, Wasser, Blut die Rolle der Taufe nach 1 Joh 5 195 d) Man kann den Kreuzestod als »Blut Jesu« bezeichnen. 669 »Blut« wird zum Realsymbol für das, was sich am Kreuz abspielt. Indem das Blut Pars pro Toto ist, hat es die Funktion, zu zeigen, dass es hier entweder um Stellvertretung durch die Person Jesu oder um Reinigung durch Jesu Lebenskraft (Blut) geht. e) Blut ist zugleich Mittel kultischer Reinigung. 670 Insbesondere das Blut Jesu wird im NT mehrfach als »Reinigungsmittel« hinsichtlich der Sünde angeführt. 671 f) In einer weiteren metaphorischen Substitution kann »Blut« wiedergegeben werden durch »Wasser«, das auch eine Flüssigkeit ist, das eine ähnliche Wirkung im kultischen Bereich hat, wie Blut: Es dient der Reinigung. 672 Betrachtet man die genannten Elemente, liegt es nahe, Röm 6 als Parallele zu betrachten: Auch dort ist in Röm 6,3ff davon die Rede, dass der Tod Jesu (in 1 Joh das Blut Jesu) verbunden wird mit dem Wasser der Taufe (»getauft in den Tod Jesu hinein«). Das Wasser stellt dar, was durch den Tod Jesu getan ist. Es geht um eine Flüssigkeit, durch die man rein wird bzw. durch die man mit dem Tod Jesu verbunden und somit frei wird (Röm 6,7). 673 Hinzu kommt in 1 Joh 5,6.8 die Rede vom Pneuma, weil es sich in weiten Bereichen des frühen Christentums um die Geisttaufe handelt. Vgl. 1 Joh 4,13: »Er hat uns von seinem Geist gegeben«. Es geht um die Präsenz Gottes im Menschen. 674 Man hat sich dabei die Geisttaufe entweder nicht mehr formlos vorgestellt oder sie doch innerlich bezogen auf die »äußerliche« Wassertaufe. Ob ausdrücklich oder implizit: Die Geisttaufe hat damit liturgisch Gestalt gewonnen; entweder als Wassertaufe oder als damit verbundene Salbung. Joh 3,5 führt dies vor Augen, wo es heißt, man müsse »wiedergeboren aus Wasser und Geist«, um ins Reich Gottes einzugehen. 675 4.2.3 Die Funktion der Zeugen 1 Joh 5: Gewissheit In 1 Joh 5, 6 geht es darum, die in 5,4 aufgeworfene Frage nach »Gewissheit« zu lösen: Wer hat denn die Welt überwunden bzw. besiegt? Dahinter steht vermutlich die Frage der Gegner: »Wie kann man behaupten, Gemeinschaft mit Gott oder dem Messias zu haben, wenn man weiterhin sündig lebt? « Die erste 669 Mt 27,25; Kol 1,20. 670 Ex 24,8; 29,12-20; 30,10; Lev 1,11; 3,2.8.13; 4; 8; 9; 14,7.28.51; 16,14.18.27; Num 19,4 und öfter. - Auf die kultische Reinigung durch Blut bezieht sich i.d.R. das Wortfeld, das in 1 Joh 2,2 und 4,10 mit dem Begriff ἱλασμός eingeführt ist. 671 1 Petr 1,2.19; 3,21: Blut Jesu reinigt in der Taufe; Offb 7,14: Gewänder gewaschen, weiß gemacht im »Blut des Lammes«; 1 Joh 1,7.9: Blut Jesu reinigt von aller Sünde und Ungerechtigkeit. 672 Z.B. Lev 14,8; 15,13; Num 8,7; 19,18; Ez 36,25; Hebr 10,22. 673 Beda Venerabilis, Kommentar zu 1 Joh (PL 93,114) hält fest: »Der Sohn Gottes kam nicht allein im Wasser, um uns von unseren Sünden zu reinigen, sondern auch mit dem Blut seines Leidens, durch das er das Sakrament unserer Taufe heiligte, indem er sein Blut für uns gab, um uns zu erlösen durch sein Leiden und uns zu stärken mit seinen Sakramenten, dass wir das Heil erlangen.« 674 Anders EvJoh: Entweder sind die Worte Jesu Geist (Joh 6,63) oder der Paraklet erinnert an die Worte (Joh 14,24). Das Johannesevangelium denkt den Geist offenbar sehr worthaft, während 1 Joh den Geist als Kraft innerhalb des Menschen wahrnimmt, wie auch die Rede vom Chrisma deutlich macht. Ähnlich denkt Paulus, für den der Geist Gottes auch ein »Angeld« ist, mit dem Gott quasi ein Stück von sich selbst in den Menschen hineinlegt (2 Kor 1,22; 5,5). Vgl. H ORN , Angeld. 675 Vergleichbar ist die triadische Formel von Mt 28,19, wo ebenso die Wassertaufe mit der Geistvermittlung verknüpft ist. Ursprünglich war wohl beides zu unterscheiden. Für den Täufer Johannes nach Mk 1,8 stehen Wasser- und Geisttaufe noch gegenüber: »Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen«. 196 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh Antwort von 5,4: »Was von Gott geboren ist, überwindet die Welt«. Was aber ist das, was von Gott geboren ist? Zweite Antwort: »Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.« Wie aber bekommt man Gewissheit über diesen Glauben? Das ist gerade mit Blick auf die Fragen der Gegner ein entscheidender Punkt. Wenn hier Unsicherheit herrscht, dann ist die Position der Gegner zumindest verständlich. Denn wenn die eigene Lebenserfahrung (hier: Sünde) nicht auch durch eine andere eigene Erfahrung relativiert oder positiv überboten werden kann, bleiben die vorher angebotenen Lösungen (Christus tritt als Fürbitter für uns ein; sein Blut bewirkt die Versöhnung für unsere Sünden) 676 auf der Ebene bloßer Behauptungen ohne echten Realitätsbezug. Als wesentliche »Glaubenserfahrung« der Adressaten, die ja anders als der Verfasser nicht Augenzeugen waren, verweist er also auf Wasser und Blut und die zusätzliche Bezeugung durch den Geist. Die Aussage des Verfassers lässt sich dann so »entschlüsseln«: »Erinnert euch an eure Taufe. Ihr seid mit Wasser getauft worden und seid damit gereinigt worden. Zugleich hat euch die Taufe mit dem Tod Jesu verbunden. Sein Blut ist das stärkste Reinigungsmittel in Blick auf die Sünde, das man sich nur denken kann. Dieses ist dauerhaft wirksam. Dass das kein bloßer Gedankengang und reine Spekulation ist, das habt ihr zugleich erfahren durch den Geist, der seitdem in euch wirkt.« 677 Der Geist ist hier sicher keine zufällige Beigabe, sondern tatsächlich entscheidend dafür, sich an die einmal liturgisch inszenierte Taufe und an die damit symbolisch vollzogene Beziehung auf den Tod Jesu zu »erinnern« bzw. sie aktuell als wirksam zu erfahren. 678 Deswegen wird er auch »Zeuge« genannt. Formal fällt auf, dass die so getätigte Aussage im Rahmen der zu neutestamentlicher Zeit offensichtlich hoch im Kurs stehenden Zweibzw. Drei-Zeugenregel aus Dtn 17,6 und 19,15 dargestellt wird: Zwei oder drei Zeugen müssen vorhanden sein, um etwas gültig zu bezeugen. 679 Auch hier ist eine Metaphorisierung vollzogen, da keine Personen genannt werden, die aber alttestamentlich absolut erforderlich waren. Stattdessen sind drei Ebenen der christlichen Initiation vor Augen: Christi heilschaffender Tod, dessen Verbindung mit dem einzelnen Christen in der Taufe und die (starken) Erfahrungen als Christ im Geist. 676 Zu Christus als Fürbitter und als Versöhnung siehe unten S.198ff. 677 Vgl. B ERGER , Kommentar, 966: »Jesus Christus wird wirksam in Wasser und Blut. Denn er hat Blut vergossen bei seinem Tod, und dieses wird wirksam im Wasser der Taufe, das uns wäscht. Der Heilige Geist gibt Zeugnis von dem, was in der Taufe geschieht: Wir werden Kinder Gottes.« 678 Vgl. IgnRöm 7,2: Kein Feuer »ist in mir, welches das Äußerliche liebt, sondern lebendiges, redendes Wasser, dass mir innerlich sagt: ›Auf, zum Vater! ‹«. Hier ist das Wasser Bild des Geistes. Vgl. B OMMES , Weizen, 176. 679 Vgl. dazu S TREETT , Identity, 300ff. 4.2 Geist, Wasser, Blut die Rolle der Taufe nach 1 Joh 5 197 4.2.4 Ein Vergleich: die Funktion des Geistes in 1QS 4,20-22 680 Während die johanneischen Schriften die Vorstellung eines präsentischen Gerichts betonen, ist die Vorstellung, dass Gott in einem gerichtlich zu entscheidenden Rechtsstreit mit der »Welt« liegt, anderswo als zukünftiges Geschehen im Blick. Dennoch gibt es weite Überschneidungen in den Vorstellungsmustern und -bildern. Betrachten wir ein annähernd »zeitgenössisches« Dokument aus dem palästinischen Frühjudentum. 681 Die in einer Höhle oberhalb der Siedlung Qumran am Toten Meer gefundene sogenannte »Sektenregel« bemerkt: 1QS 4,20 (zur Zeit des festgesetzten Gerichtstermins): »Dann sichtet Gott durch Seine Wahrheit alle Werke eines Mannes (...), um allen Unrechtsgeist zu tilgen aus dem Gebinde (21) seines Fleisches, und um ihn zu reinigen durch Heiligkeits-Geist von allen Freveltaten. Und Er sprengt auf ihn den Wahrheits-Geist wie Wasser (der) Reinigung von allen Lügengräueln und von Befleckung (22) durch unreinen Geist, um Rechtschaffenen Einsicht zu schenken ins Wissen des Höchsten und Weisheit von Himmelssöhnen zu lehren den vollkommen Wandelnden. Denn sie hat Gott erwählt zu ewigem Bund« (TTM). Es geht um den Geist der Heiligkeit vs. den des Unrechts; es geht um Wahrheitsgeist vs. Lügen und Befleckung durch einen unreinen Geist. Es geht um Einsicht (Erkenntnis) in die Pläne des Höchsten; es geht um Lehre, die den Himmelssöhnen (Engeln) entspricht. Diese ist denen weiterzugeben, die »vollkommen wandeln«, also kein Sünder sind. Diese stehen in einem engen Verhältnis zu Gott (Bund). Der Geist der Wahrheit wird wie Wasser zur Reinigung »gesprengt« auf alles durch Lügen »Befleckte«. Parallelen in 1 Joh: - In 1 Joh ist es Jesu Blut, das reinmacht. Blut und Wasser sind verbunden. - Sowohl in 1QS als auch in 1 Joh ist der Geist Gottes das Mittel, das die Mitglieder der Gemeinschaft resp. des Bundes von Sünde rein macht und zugleich Zugang zu Gott (durch Erkenntnis) sowie Ausbreitung der Botschaft durch Lehre möglich macht. Lehre folgt aus Geistbesitz. - In der Auseinandersetzung des Gerichtes ist also das »Haben« des »richtigen« Geistes sowohl in 1 Joh als auch in 1QS das entscheidende Kriterium der Rettung. - Ein besonderes Augenmerk gilt der Verbindung von Geist und Fleisch: Das Fleisch des Menschen ist nach 1QS Sitz des Unrechtsgeistes; hier ist die Reinigung durch den Geist der Heiligkeit bzw. der Wahrheit nötig. - Entsprechend werden in 1 Joh 2 die Adressaten gewarnt, dem Fleisch (der Verlockung durch die Augen usw.) nachzugeben; schließlich kommt Christus in das Fleisch, während der Antichrist schon längst in der Welt wirksam ist. 680 Schon lange wird beobachtet, dass die johanneischen Schriften große Gemeinsamkeiten mit Schriften haben, die in der judäischen Wüste, insbesondere in den oberhalb der antiken Ortschaft Qumran gelegenen Höhlen gefunden wurden. Vgl. z.B. B ROWN , Schriftrollen; B AUCKHAM , The Qumran Community, 105-115. Zur Frage, wer die gefundenen Schriften an welchem Ort und wann aufgeschrieben hat: H IRSCHFELD , Qumran; G OLB , Qumran; R OHRHIRSCH , Wissenschaftstheorie; B ERGER , Qumran. Vertreter der »alten« Theorie einer Sekte (oder modifiziert: einer abgesonderten Schreibstube) sind u.a.: DE V AUX , Archaeology und S TEGEMANN , Essener. 681 1QS wird von A BEGG auf 100 bis 50 v. Chr. datiert. 198 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh Als Ergebnis für die Deutung von 1 Joh 5 ist festzuhalten, dass die dort gewählten metaphorischen Verknüpfungen von Wasser und Geist aus frühjüdischer Perspektive verständlich und sinnvoll sind. Es geht um Reinigung bzw. Befreiung von Sünde. In Verbindung mit dem in Röm 6 belegten Bild von der Taufe auf den Tod Christi sowie Offb 7,14 (»Kleider gewaschen im Blut des Lammes«) ist das Bild in 1 Joh 5 sinnvoll und bedarf keiner weiteren religionsgeschichtlichen Ableitung aus doketistischen oder gnostischen Zusammenhängen. Das führt uns zu einem weiteren Thema aus der Bildersprache des Kultes, nämlich zur Frage, wie Sühne »gemacht« wird. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 4.3.1 Der metaphernspendende Bezug: Bundesschluss und Tempelkult 682 In Joh 2,2; 4,10 wird Jesus als »Sühne« (ἱλασμός) bezeichnet. Damit ist ein in Juden- und Heidentum vielfach rezipiertes und verwendetes Wortfeld aufgenommen, das seinen Ort zumindest ursprünglich im kultischen Bereich hat, aber auch anderswo offen für vielfältige Metaphorisierungen ist. 683 In 1 Joh taucht der Begriff kaum zufällig auf, so das F. Büchsel sagt: »Der ἱλασμός ist für Joh viel mehr als nur ein Begriff der christlichen Lehre; er ist die Wirklichkeit, von der 1 Joh lebt.« 684 Denn immerhin geht es beim Begriff des ἱλασμός darum, eine plausible Erklärung für das zu bieten, was sich durch den Messias Jesus hinsichtlich der Realität der Sünde wirklich und wirksam geändert hat. Allerdings ist zugleich Vorsicht angesagt, alle alttestamentlichen oder heidnischen Vorstellungen von kultischer Sühnung durch Opfer auf das Neue Testament zu übertragen. Insbesondere ist zu beachten, dass Menschenopfer schon in AT und Judentum absolut ausgeschlossen sind; von daher fällt es schwer, direkt den Tod Jesu wirklich als »Sühnopfer« anzunehmen, 685 wie dies allerdings in späterer christlicher Tradition weitläufig geschehen ist. 686 Für diejenigen, die noch ganz im Rahmen des Frühjudentums in ihrem Glauben groß geworden sind, wäre eine derartige Vorstellung aber mehr als ungewöhnlich. 687 Im NT ist also grundsätzlich mit einer metaphorisierten Redeweise zu rechnen (s.o.). 688 Zugleich ist festzustellen, dass Sühne auch im frühen Christentum »die wirksame 682 Grundlegende Literaturangaben oben auf S. 194 (Anmerkungen). Biblische Grundlagen: Lev 16; 23ff; Mischna: m.Yoma 5-6; 8. Vgl. auch die Mischna zum Rosch HaSchana vgl. auch unten zur Aufnahme des Motivs bei Barnabas (S. 7.1ff). Einen gestrafften Überblick über das Thema im NT verschafft E RLEMANN , Jesus, 93-98 (»Vollendung des Jom-Kippur-Opfers« und »Weihe des himmlischen Hohenpriesters«). 683 Vgl. zur Metaphorisierung von Sühne-Sprache: K LAUCK , Religion, 82-117. 684 B ÜCHSEL , ἱλασμός, 318. 685 Vgl. E BERHART , Studien und S CHLUND , Knochen; anders J ANOWSKI , Sühne. 686 Vgl. die Passa-Homilie Melitos. Auch in der jüngeren Vergangenheit wird immer wieder angenommen, die Rede von »Sühne« und Reinigung durch »Blut« in 1 Joh weise daraufhin, dass Jesu Kreuzestod als »atoning sacrifice« zu verstehen sei (M ICHELS , Water, 162; S TREETT , Identity, 315). 687 So auch R ÖHSER , Sühne, 1844f. 688 Vgl. E BERHARDT , Sacrifice. Auch die späteren Aufnahmen der aus Levitikus bekannten Sühnopfervorstellungen z.B. bei Origenes geschieht in Form von allegorischen Übertragungen (siehe dazu T SETKOVA -G LASER , A., Pentateuchauslegung, 397-412. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 199 Aufhebung von Sündenschuld durch ein von Gott gnädig gewährtes bzw. akzeptiertes (kultisches oder unkultisches) Verfahren« bezeichnet. »Im NT ist dies zentral das universale, eschatologische stellvertretende Heilswerk Jesu Christi«. 689 Gerade 1 Joh bezieht sich (1,7; 2,2; 4,10) auf kultische Reinigung durch Blut. 690 4.3.2 Opfer, Blut und Sühne in Israel Um ntl. Aussagen zu Opfer, Blut und Sühne einordnen zu können, ist es wichtig, die alttestamentlich beschriebene und definierte Opferpraxis, wie sie zu neutestamentlicher Zeit üblich war, zu kennen und zu verstehen. Wesentlich ist, dass der Tempelkult und die riesige, beeindruckende Tempelanlage in Jerusalem mit den dort praktizierten Liturgien und Opferpraktiken einen kaum zu vernachlässigenden Einfluss auf das religiöse Bewusstsein der urchristlichen und frühjüdischen Menschen gehabt hat. Anders aber als den Verfassern und ersten Rezipienten der frühjüdischen und frühchristlichen Schriften steht uns diese Art des Kultes nicht mehr vor Augen. Wir erleben sie nirgends und nehmen auch die grundlegenden alt- und zwischentestamentlichen Schriften, die den Kult beschreiben, kaum wahr. So kommt es, dass wir in der Regel weder die unterschiedlichen Opfer-Arten 691 differenzieren, noch die Abläufe kennen. Dabei ist gerade im Ablauf eines Tier-Opfers zu bedenken, dass in jedem Fall mehrere Phasen zu bedenken sind: Vorbereitend wird das Tier auf Reinheit geprüft, dann mit Handaufstemmung vor dem Tempel »präsentiert«. Das Schächten (Schlachten) gehört noch zu der vorbereitenden Phase. Grundlegend für die Interpretation der hier verwendeten Metaphorik ist: 692 - Allen kultischen, rituellen Opfern des AT ist gemeinsam, dass sie als Höhepunkt eine gänzliche oder teilweise Verbrennung der Gabe zum Ziel haben. - Die Verbrennung dient sowohl der Kontaktaufnahme mit Gott als auch bei Sühnopfern der Beseitigung / Sühne nichtkultischer Sünde auf Seiten des Opfergebers. - Diese Sühne geschieht auch dann, wenn es sich um ein nicht-tierisches, also auch nicht-blutiges Speiseopfer handelt. Das Entscheidende des Opfers ist daher die (z.T. partielle) Verbrennung. - Die Schlachtung bzw. Schächtung des Opfertieres gehört zu den vorbereitenden Handlungen des eigentlichen Opfers. - Ziel der Schächtung ist Gewinnung von Blut bzw. das Ausbluten des Opfertieres. - Das vergossene Blut wird in jedem Falle aufgefangen und am Sockel des Brandopferaltars der Erde zugeführt. Denn das Recht auf Leben (Blut=Leben) gehört alleine Gott. Das Blutvergießen selbst ist weder notwendiger Bestandteil des Opfers (Tieropfer können vollwertig durch pflanzliche Opfer ersetzt werden) noch ist es das Ziel, auf das das Opfer hinausläuft. 689 R ÖHSER , Sühne, 1844. 690 Vgl. auch die Vorstellungen in Röm 3,23 und Hebr 2,17; 9,12.14.23.25f. 691 Übersicht bei E BERHARDT , Studien 178. Vgl. auch R ÖHSER , Stellvertretung, 58ff. 692 Ich folge hier E BERHARDT s Darstellungen in Sacrifice, 60-101 und Studien, 177-186. 200 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh - In einigen Fällen wird ein Teil des bei tierischem Opfer gewonnenen Blutes abgezweigt und für folgende sühnende bzw. reinigende Maßnahmen verwendet: 693 - Am Jom Kippur (Lev 16) wird ein Teil des Opferblutes vom Hohenpriester 694 ins Allerheiligste genommen und dort an den Versöhnungsort (ἱλαστήριον) 695 »gesprengt«. Die Bundeslade bzw. der »Thron« Gottes im Allerheiligsten gilt als der heiligste Ort überhaupt, 696 der wegen seiner Heiligkeit die Sünde des Volkes quasi magnetisch anzieht und daher vor Beginn des eigentlichen Sühnopfers (Verbrennung des Tieres) gereinigt werden muss. Dieses geschieht mit Hilfe des reinen Blutes (Blut = Leben) des reinen Opfertieres. Es geht hier nicht zunächst um moralische Schuldfragen, sondern um die kultische Kategorie der Reinheit: ohne kultische Reinheit keine Kontaktmöglichkeit mit der Gottheit. Die Sühnefunktion des Blutes an dieser Stelle bezieht sich also auf die Herstellung der Kultfähigkeit des Allerheiligsten durch Reinigung aufgrund der Berührung mit »reinem« Leben (Blut) des reinen Opfertieres. - Bei der in Exodus 24 geschilderten Einsetzung des Kultes am Sinai wird sowohl der Altar als auch das umherstehende Volk mit Blut bespritzt und so »gereinigt« (24,8). 697 Die Kultfähigkeit wird somit auf beiden Seiten hergestellt. 698 Am Sinai hat sich auf diese Weise in der Vorzeit die Gemeinde konstituiert. - Der Ritus von Exodus 24 erklärt sich durch eine weitere rituelle Praxis: Bei der Weihe von Priestern (Ex 29,20; Lev 8,23) werden auch diese nicht nur mit Wasser gewaschen und mit Öl gesalbt, sondern auch (minimal) mit reinem Opferblut bestrichen (je ein Finger, Zehe, Ohrläppchen). Auch hier geht es bei der Blutapplikation also um die Herstellung der Kultfähigkeit. - Es legt sich daher nahe, auch für das in Ex 24 gezeichnete Idealbild der Gemeinde eine »priesterliche« Gesamtverfassung anzunehmen. - Bei der Schlachtung des Passalamms, das ursprünglich nicht als »Opfer« gedacht war, wird ein Teil des Blutes an die Türpfosten der heimatlichen Wohnung bzw. zu neutestamentlicher Zeit, als die Schlachtung im Tempel erfolgte, an die »Pfosten« des Tempels gestrichen, so dass der Todesengel an dem gekennzeichneten Haus vorübergeht. Es handelt sich nicht um eine sühnende oder reinigende Maßnahme, sondern um eine Kennzeichnung mit apotropäischem (verschonendem) Ziel. Ergebnis: Es gibt zwei Formen von Sühnemaßnahmen. Die vorbereitende Besprengung mit Blut sorgt dafür, dass der Kultort bzw. das Kultpersonal überhaupt in der Lage sind, den nötigen Kontakt zum heiligen Gott aufzunehmen und Sühne für andere zu wirken. Das eigentliche Opfer besteht dann in der Verbrennung, d.h. in der Gabe für Gott. Wenn Gott diese Gabe gnädig annimmt, wird beim Sühnopfer die Schuld des Opfernden damit beseitigt oder zugedeckt. 693 Die bei E BERHARDT gebotenen atl. Stellen sind frühjüdisch zu ergänzen: 4Q156 frgm 1,7; frgm 2,2; 4Q220 frgm 1,3; 4Q276 frgm 1,4; 4Q365 frgm 9bii,2-3; 4Q375 frgm 1ii,6; 11Q19 16,3.17; 20,3; 22,5; 52,21; 11Q20 5,25. Vgl. auch Philo, Mos. 2,152; Spec.leg. 1,199.231.268; vgl. Flavius Josephus: Ant 3,205.226.228.231.242; 4,79; Bell 5,17. 694 S.u. die Vorstellung des fürsprechenden Priesters als Engel S. 355 und das Zitat von Sir 50. 695 Röm 3,25; Hebr 9,5. 696 Ex 25,17.20f; 31,7; 35,12; 38,5.8; Lev 16,13ff. 697 Vgl. die Darstellungen bei W ILCKENS , Brief, 190-196 u. B ERGER , Theologiegeschichte, 218f. 698 Eine gesonderte Reinigung bzw. Entsühnung des Allerheiligsten entfällt, weil noch kein Heiligtum existiert. Allerdings entfällt dies auch bei der Heiligtumsweihe in den folgenden Kapiteln. Erst am Jom Kippur (Lev 16) kommt es zur Besprengung des Sühnorts im Heiligtum mit Blut. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 201 4.3.3 Die Aufnahme des Motivs in 1 Joh 699 1 Joh 1,7: »Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde (αὶ τὸ αἷμα Ἰησοῦ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ καθαρίζει ἡμᾶς ἀπὸ πάσης ἁμαρτίας).« 1 Joh 2,2: »Und er ist die Sühne für unsere Sünden (αὐτὸς ἱλασμός ἐστιν περὶ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν), nicht nur für unsere allein, sondern auch für die der ganzen Welt.« 1 Joh 4,10: »Darin zeigt sich die Liebe: Nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt hat seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden (ἀπέστειλεν τὸν υἱὸν αὐτοῦ ἱλασμὸν περὶ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν).« In 1,7 geht es um Gemeinschaft untereinander, die durch die Reinigung von Sünden wieder hergestellt werden kann. Die Begriffe »Sühne« oder »Opfer« fallen hier bezeichnenderweise nicht, sondern die kultische Reinigung durch Blut wird geschildert. In 4,10 geht es darum, dass Gottes Liebe größer ist, als der Mangel an Liebe bei den Christen und daher die Sendung des Sohnes Sühne bewirkt. Sühne, so zeigt 2,2, hat Auswirkungen bis in den Bereich der »ganzen Welt« hinein, von der wir sonst nur wissen, dass sie des Teufels ist (5,19). 1 Joh 4,9 redet von Sendung des Sohnes in die Welt, damit wir leben können. 1 Joh 4,10: Dass Leben Liebe bedeutet, wird zwar nicht gesagt, ist aber durch 4,7 vorbereitet. Darauf aufbauend heißt es nun, dass nicht unsere Liebe zu Gott entscheidend ist, sondern seine zu uns. Diese Liebe besteht in der Sendung des Sohnes zu uns, deren Zweck die Versöhnung für unsere Sünden ist. 4.3.4 Rekonstruktion des Vorstellungszusammenhangs in 1 Joh 1,7 1 Joh 1,7: »Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde (αὶ τὸ αἷμα Ἰησοῦ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ καθαρίζει ἡμᾶς ἀπὸ πάσης ἁμαρτίας).« 1 Joh 1,7 spricht von der Gemeinschaft, die Grundlage dafür ist, dass das Blut Christi reinigend wirken kann. Die oben skizzierten Opfer-Abläufe, vor allem aber der Hinweis auf Ex 24, erklären deutlich, was hier gemeint ist. Nimmt man die Szenerie von Ex 24 als Ausgangsbild, so ergibt sich: - Am Sinai wird die Gemeinde konstituiert, indem der Kult als Zugang zu Gott verbunden mit der Gabe der Gebote gegeben wird. Die Gemeinde steht geschlossen vor Mose, der sie kultisch reinigt, indem er sie mit Blut der Opfertiere besprengt. Kultfähigkeit ist also vor Beginn des eigentlichen Opfers hergestellt. - 1 Joh spielt offenkundig auf eben diese Szenerie an und löst damit folgende Probleme gleich zu Beginn des Schreibens: Die Frage nach weiter geschehender Schuld wird beantwortet damit, dass Jesus selbst die Sühne ist (das muss kein Opfer im eigentlichen Sinne sein). - Damit aber die durch Christus geleistete Sühne, also die Aufhebung von Schuld bei dem einzelnen Gemeindeglied wirken kann, ist es nötig, dass es in der Gemeinschaft der Gemeinde bleibt. Denn nur die Gemeinde als Ganze ist kultfähig, nicht der einzelne, der sich absentiert. Damit ist gleich hier, zu Beginn des Briefes klar, dass das Aus- 699 Vgl. R ÖHSER , Stellvertretung, 109f. 202 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh brechen aus der Gemeinschaft keine Lösung des Problems geschehender Sünde ist, sondern eine wesentliche Verschärfung, da nun keine Sühne mehr möglich ist. - Festzuhalten ist: Die Gemeinde muss »geschlossen einig« sein, damit die Befreiung von Sünde (im Bild: die Applikation mit Blut) geschehen kann. Durch frühjüdische und neutestamentliche Parallelen wird das Bild deutlicher: 4.3.4.1 1QS: Der Rat der Einung fungiert als sühnendes Heiligtum 1 QS schildert Rituale und Abläufe einer an Heiligkeit und Reinheit orientierten Gruppe. 1 QS 1f stellt die Aufnahme in die Einung/ in den Bund dar. 700 In 1 QS 8 wird der aus 12 Männern und 3 Priestern bestehende Rat beschrieben, dessen Aufgabe es ist »exemplarisch durch demütige Geisteshaltung, rechten Lebenswandel und Studium der heiligen Schriften Sühne ( , 1QS 8,6.10; 9,4) für die Unreinheit Israels zu erwirken«. 701 Der »Rat der Einung« (resp. des Bundes) wird dabei als »bewährte Mauer«, »kostbarer Eckstein«, »Fundament der Einung«, »Stätte von Allerheiligstem für Aaron«, »Haus der Vollkommenheit«, und als »Heiligtum« bezeichnet (1QS 8,5-10). Wohlgemerkt: Es geht hier um ein »Heiligtum« oder »Tempel« aus Menschen. Ganz ähnliche Bezeichnungen und Konzeptes sind von Jesus bekannt (z.B.: Eckstein, Simon als Fels und Fundament, 12 Jünger als Grundlage eines neuen Bundes, der Bundesschluss mit diesen 12 Jüngern beim letzten Abendmahl). Innerhalb des Wirkungskreises dieser 12 + 3 Männer ist Reinheit und Heiligkeit gegeben. Konsequenterweise hat der Sünder bzw. Übertreter der Ordnungen den Bund zu verlassen (1 QS 8,20-9,2). An der zu bewahrenden Einheit liegt hier alles. Dann kann die sühnende Funktion des Rates des Bundes (ohne dass hier ausdrücklich Brandopferpraxis im Blick ist) 702 für die Gemeinde wirken. Dennoch ist metaphorisch die Tempelkultpraxis ausdrücklich im Blick. Wenn der Rat als »Allerheiligstes« (8,5f) bezeichnet wird und im nächsten Halbsatz davon gesprochen wird, dass Sühne für das Land gewirkt werden soll (8,6), dann weist das auf den Versöhnungstag (Jom Kippur) hin, an dem der Hohepriester im Allerheiligsten den Sühneort mit Blut eines reinen Opfers besprengt. 703 Festzuhalten ist auch hier: Die Einheit des Rates und des Bundes sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass Sühne geleistet werden kann. Die Sühne selbst kommt durch die vollständige Lebenshingabe der Mitglieder des Rates an Tora- Observanz z.B. durch Demut zustande. 4.3.4.2 Erster Petrusbrief: Die Gemeinde der »Besprengten« Auch das frühe Christentum kennt die Vorstellung, dass die Gemeinde Tempel bzw. Heiligtum ist. 704 Insbesondere Petrus und Jesus gelten als Fels bzw. Eck- und 700 Vgl. B ERGER , Qumran, 81ff. 701 E BERHARDT , Studien 386. 702 Die Sühne wird hier wohl eher durch Demut, liebevolle Einheit und Gebet erwirkt (1QS 8,2-3.12). Vgl. 1QS 5,6f. 703 Ähnlich auch E BERHARDT , Sacrifice,92f. 704 Christen/ Gemeinde als Tempel bzw. Ort, wo Gott/ Gottes Geist wohnt: 1 Kor 6,19; 2 Kor 6,16; Barn 4,11; IgnEph 15,3; IgnPhld 7,2; vgl. Röm 8,9-11; Eph 3,17; 2 Tim 1,14; Jak 4,5; 1 Joh 3,24; 2Clem 9,3; Barn 4,11; 6,15; 16,1-10; Philo sobr. 64. Gemeinde als Tempel aus lebendigen Steinen: 1 Petr 2,5; Eph 2,20-22; Mt 16,18; Offb 3,12; IgnEph 9,1; PHerm Vis 3,5,1-5; 3,8,11; PHerm Sim 9,1-9,9. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 203 Grundstein der Gemeinde bzw. des Heiligtums. 705 Dabei geht die Vorstellung, dass Jesus selbst der Tempel ist, 706 sozusagen organisch auf die auf dieses Fundament aufbauenden »Steine« über. Die Vorstellung, dass die Gemeinde eine heilige, geradezu priesterliche Gemeinschaft ist, begegnet im AT häufiger. 707 In 1 Petr 1f wird die Gemeinde als mit Blut geheiligte Einheit präsentiert: 1 Petr 1,2: Die auserwählten Fremdlinge sind ausersehen zur »Besprengung mit dem Blut Christi« (ῥαντισμὸν αἵματος Ἰησοῦ Χριστοῦ). 1,16: Es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 1,18f: Erlösung der Adressaten nicht mit Gold und Silber, sondern mit Christi Blut. 2,4f: Als lebendige Steine sollen die Adressaten auf den auserwählten Stein Jesus sich aufbauen zu einem geistlichen Haus und zu heiliger Priesterschaft. 2,9: So sind die Adressaten auserwähltes Geschlecht, königliche Priesterschaft, heiliges Volk, Volk des Eigentums. Im Vergleich zu 1 QS fällt auf, dass die ganze Gemeinde als Tempel fungiert. Die Kultfähigkeit wird so hergestellt, wie man es aus Ex 29 und Lev 16 für die Kultfähigkeit der Priester kennt und wie es sonst nur in Ex 24 dargestellt wird. 4.3.4.3 Ergebnisse zu 1 Joh 1,7 (Reinigung durch Blut) 1. Die Reinigung durch Blut ist vermutlich in erster Linie in Analogie zur Kultinitiation nach Ex 24 zu verstehen. 2. Dabei wird zugleich eine Gemeinschaft in priesterlicher Einigkeit und Reinheit hergestellt. 708 3. Die Einheit als Gemeinde, Volk oder spiritueller Tempel ist Voraussetzung dafür, dass die Reinigung »wirkt« und nicht ins Gegenteil umschlägt. 4. Damit hat 1 Joh ein starkes Argument, das die »Apostaten« grundsätzlich ins Unrecht setzt. 4.3.5 Jesus als »Sühne für Sünden« 1 Joh 2,2: »Und er ist die Sühne für unsere Sünden (αὐτὸς ἱλασμός ἐστιν περὶ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν), nicht nur für unsere allein, sondern auch für die der ganzen Welt.« 1 Joh 4,10: »Darin zeigt sich die Liebe: Nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt hat seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden (ἀπέστειλεν τὸν υἱὸν αὐτοῦ ἱλασμὸν περὶ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν).« Da im bisherigen Verlauf nicht von einem Allerheiligsten und einem darin befindlichen Sühnort geredet worden war, ist es auszuschließen, dass hier in direkt bildlicher Weise vom Jom Kippur gesprochen wird. Dabei stellt eigentlich der Jom Kippur das Bildmaterial zur Verfügung, um eine Entsühnung des ganzen Landes (oder erweitert: der ganzen Welt) darzustellen. Auch die in 1,7 genannte Besprengung der Gemeinde kann nicht Sühne in diesem weiten Sinn bedeuten. Die Besprengung von Kultpersonal oder Kultbauten ist klar lokal begrenzt; vor allem 705 Mt 16,18 (Petrus); Mt 21,42; Mk 12,10; Lk 20,17; Apg 4,11; Eph 2,20; 1 Petr 2,4.6-7 (aus Ps 118,22 u. Jes 28,16). 706 Mt 26, 61; Mk 14,58; Joh 2,19, Apg 6,14. Vgl. Joh 4,21-24; 2Bar 4,2. 707 Ex 19,6; Dtn 7,6; 14,2; Jes 61,6. Volk des Eigentums: Dtn 4,20; 10,15; 14,2; 26,18; Mal 3,17; Tit 2,14. 708 Vgl. die Kleider der Gerechten, die im Blut Jesu rein gewaschen sind in Offb 7,14. 204 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh handelt es sich ja überhaupt nur um eine das eigentliche Opfer vorbereitende Maßnahme (s.o.). Außerdem ist auch nicht die Rede davon, dass Jesus geopfert (d.h. verbrannt) wird. Fazit: Wenn hier von »Sühne« geredet wird, ist nach Sühne-Möglichkeiten zu suchen, die außerhalb oder neben den rituellen Sühnopfern existiert. 4.3.5.1 Nichtkultische Sühne Wenn man 1 Joh 1,7 (Jesu Blut reinigt von Sünden) kombiniert mit 1 Joh 2,2 dann ist die Versöhnung dennoch in Entsprechung zum Tempel-Geschehen zu verstehen. Jesus liefert Blut zur Reinigung. Das Bekenntnis der Sünden (1,8ff) ist Voraussetzung, und als Beichte mit Buße zu verstehen. So können das Blut und die Lebenshingabe Christi wirksam werden. Schon die Sühne, die in 1QS beschrieben wird, wirkt zunächst nicht durch Opfer, sondern durch Gebet, Demut und Tora-Observanz. PsSal 3,8ff kennt Ähnliches, wenn auch nur auf den Einzelnen bezogen: Der »Gerechte« sühnt für seine unbeabsichtigten Fehler mit Fasten, Gebet/ Vertrauen auf Gott und Tora-Observanz: Der Gerechte gibt sein Leben ganz in Gottes Hand. Wie aber ist es zu verstehen, dass nach 2,2 Jesus als Sühne für die Sünden der ganzen Welt gilt? - Eingeschoben ist 1 Joh 2,1: »Wenn jemand sündigt, 709 so haben wir einen Fürsprecher beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten«. 710 - - Die Fürsprache Jesu ist hier mit der Versöhnung verknüpft. 711 - Die Fürsprache 712 ist komplementär zur Sündenabwaschung durch das Blut gedacht. 713 - Zwar ist kultisch von »Reinwaschen« die Rede. Dennoch besteht auch der hier metaphernspendende Opferkult nicht nur aus einem Blut- und Verbrennungsritual, sondern ist mit den Gebeten der Priester und der Gemeinde verknüpft. Zugleich ist das Blut des Gerechten Voraussetzung dafür, dass es wie das Kains zu Gott emporschreit nur genau anders als bei Kain (Gen 4,10). 709 Die Lesarten von 1 Joh 2,1b bespricht ausführlich D O , That you may not sin, 77ff. 710 B ERGER , ThG, 164: »Der Geist hat gerade in seiner Wirksamkeit in der Stephanusrede deutliche Entsprechungen zur ‹überführenden› Funktion des Parakleten im JohEv. Der Rolle des Menschensohnes nach Apg 7,56 entspricht christologisch die Rolle des erhöhten Herrn als Fürsprecher nach 1 Joh 2,1. D.h.: Die Grundstruktur der johanneischen Christologie und Parakletlehre ist hier angedeutet. - Zugleich entsteht die Frage nach dem Ursprung der lukanisch-johanneischen Gemeinsamkeiten auf einer frühen Vermittlungsebene.« - Vgl. dazu 4 Makk 6,28 (s.u. S. 204). 711 Vgl. zur Rolle des Gerechten unten S. 438f. 712 Röm 8,26f: Der Geist hilft beim Beten und vertritt mit unaussprechlichem Seufzen (ὸ πνεῦμα ὑπερεντυγχάνει στεναγμοῖς ἀλαλήτοις), was mit Herzenserkenntnis dessen zu tun hat, der die Heiligen vertritt, wie es Gott gefällt (κατὰ θεὸν ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἁγίων). Röm 8,34: Wer will verdammen? (Kontext: Mächte u. Gewalten als Gefahr) - »Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.« Hebr 7,25: »Daher kann (..) selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt für immer und bittet für sie«. 713 Vgl. Hiob 16,19, wo Hiob auf den Fürsprecher im Himmel setzt, der den Satan zurückweisen wird. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 205 Das Blut des Gerechten 714 wirkt als Anwalt 715 und unterstützt die Aussage des Gerechten. 716 Vgl. 4 Makk 6,28f: »Sei deinem Volke gnädig, lass dir genügen mit der Strafe, die wir für sie ausstehen. Mache mein Blut zu einer Reinigung für sie, nimm mein Leben als ein Lösegeld für sie.« Das Blut des gerechten Märtyrers übernimmt in 4 Makk genau diese Funktion des fürbittenden Eintretens vor Gott. 717 Zu beachten ist, dass das menschliche Blut hier metaphorisch als Reinigung für die Gemeinde gedacht ist und zugleich die Lebenshingabe des Märtyrers damit verknüpft wird. Das »Leben als Lösegeld 718 « bezieht sich dabei nicht nur auf das Blut, sondern auf den ganzen Lebenseinsatz und ist vergleichbar mit 1QS 8 (s.o.), wo die Männer des Rates der Einung durch Lebenshingabe (Demut, Gebet, Absonderung, Tora-Observanz) Sühne bewirken. 4.3.5.2 Zusammenhang von Opfer und Gebet Ein Beispiel einer Verknüpfung von Opfer und Gebet bietet Hiob: Hi 42,7: »(...) der HERR (...). Mein Zorn ist entbrannt über dich und über deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob«. Hi 42,8: »So nehmt nun sieben junge Stiere und sieben Widder und geht hin zu meinem Knecht Hiob und opfert Brandopfer für euch; aber mein Knecht Hiob (ποιήσει κάρπωσιν περὶ ὑμῶν Ιωβ) soll für euch Fürbitte tun; denn ihn will ich erhören, dass ich nicht töricht an euch handle. Denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob.« TestHiob 42,5: Gott spricht zu Eliphas: »›Warum, Eliphas, hast du gesündigt und deine beiden Freunde? Ihr habt ja nicht die Wahrheit über meinen Diener Job gesagt. (6) Darum beeilt euch und seht zu, dass er für euch Opfer darbringt, damit eure 714 Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte, 446, über das Motiv des anwaltlich aktiv werdenden Blutes in 1 Petr und in Hebr: »Offenbar ist das Blut Jesu das zentrale Argument bei der Abweisung der Ankläger des Menschen. So ist wohl die Rolle des himmlischen Fürbitters auch in 1 Joh 2,1f gedacht.« 715 Zwar ist in Lev 16 von einer zusätzlichen Fürbitte zu Opfer und Blutbesprengung nicht die Rede. Im Blick auf Hi 42 ist aber zu fragen, ob eine solche Kombination von kultischer Handlung und anschließender oder gleichzeitiger Fürbitte nicht vorausgesetzt ist. Allgemein gilt, dass der aufsteigende Rauch der Opferbrände als Kontaktaufnahme zu Gott verstanden werden konnte und sich sozusagen als aufsteigende Trägersubstanz mit den Gebeten verbinden konnte, die somit vor das Angesicht Gottes getragen werden. Grundsätzlich: E BERHARDT , Studien 368. Vgl. auch 1 Sam 7,9; 2 Chr 29,29; Judit 16,8; Spr. 15,8; Sir 50,19; 1 Makk 12,11; 2Makk 1,23. Der Sprachgebrauch, Gebete darzubringen oder zu opfern, begegnet insgesamt häufig (z.B. Aristeas 17. Vgl. auch Targ. Onkelos zu 1 Sam 7,9; Jes 56,7; Joel 2,14; Ps 141,2; Targ. Neofiti zu Ex 20,24; Targ. Ps.-Jonathan: Lev 9,24; 23,36; Philo: Cain 70; 72; Immut 132; Plant 162; Ebr 79; 130; Abr 235; Vit.Mos 1,219; 280; 2,133 usw.; Flavius Josephus: Ant 6,2,1; 12,2,6 14,10,24; Bell 7,5,6). 716 Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte 405f (§ 246 Der Anwalt und sein Blut): »Die dem Menschen feindlichen und gegen ihn als Ankläger auftretenden Mächte werden dadurch ausgeschaltet, dass Jesus a) als Erhöhter Anwalt der Menschen ist, und b) dabei auf die Reinigung durch sein Blut verweisen kann.« Vgl. Röm 8,33-39; Kol 1,20; 2,13-15; Offb 12,10f: Der Ankläger wurde besiegt durch das Blut Jesu und durch das Wort des Zeugnisses der Christen. 717 Der Märtyrer bittet hier (Fürsprache) für seine »Angehörigen«. Sein stärkstes Mittel, das er mit Hilfe des Gebets bzw. mit Hilfe Gottes einsetzen möchte, ist sein (noch zu vergießendes) Blut. Vgl. dazu auch den Kommentar des Bernhard v. Clairvaux in Sent. 3,70 (zitiert bei B ERGER , Kommentar, 949), wo der erhöhte Sohn dem Vater den Sünder vorstellt: »Sieh, Vater, den Gegenwert für mein Blut. Wenn du ihn wegen seiner Sünde zur Rechenschaft ziehst, sieh für ihn auf mein Blut«. 718 »Lösegeld« (ἀντίψυχον) kann im Hebräischen mit kofär (Wurzel: ) ausgedrückt werden und ist damit sprachlich eng mit »Sühne« mit kultischen Sinne verwandt. 206 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh Sünde weggenommen werde. Denn wenn er nicht wäre, ich hätte euch (bereits) vernichtet.‹ (7) Und sie brachten mir Opfertiere. (8) Und ich nahm (sie) und brachte (sie) für sie dar. Und der Herr nahm die Opfer an und erließ ihnen ihre Sünde« (JSHRZ). Unterschiede: a) In Hi bringen die Freunde selbst das Opfer dar, in TestHiob ist auch dies nur Aufgabe für Hiob. b) In Hi haben die Freunde falsch über Gott geredet, in TestHiob falsch über Hiob. - Hiob rückt also in eine viel stärkere Mittlerposition. Das gilt nicht nur für das Opfer und das Gebet, das gilt auch dafür, dass man vermuten kann, die falsche Rede über Hiob sei auch falsche Rede über Gott. Und das wäre wieder parallel zum johanneischen Christus. Gebet und Opfer liegen dicht beieinander. Man wird zumindest das Opfer kaum ohne Gebet denken können. Und so wird nach und nach das Gebet auch zu einem Pars pro Toto oder Ergänzungsbegriff zum Opfer. 719 Gebet wird vielerorts als Fürbitte verstanden. 720 Es ist zu vermuten, dass Hi 42 in Verbund mit TestHiob 42, Jes 56,6 und 1 Sam 1 etwas über die generelle kultische Praxis und Vorstellungswelt aussagt. Dabei muss das Gebet in Zusammenhang mit dem Opfer nicht Fürbitte, sondern kann auch Anbetung sein. 721 Immerhin kann, wie in 1 Sam 1, die Anbetung anlässlich des Opfers auch mit Fürbitte verbunden sein oder darin übergehen. Das Besondere der Stellen Hi 42/ TestHiob 42 besteht darin, dass hier ein direkter Bezug zwischen den Elementen Opfer, Sühnung von Sünden und Fürbitte besteht. 722 4.3.5.3 Zusammenhang von Priester, Versöhnung und Heiligtum 1Q28b (=1QSb), 4,24f: »Und du, (25) wie ein Angesichtsengel an heiliger Stätte zur Ehre des Gottes der Heerscharen ...« (27) »Und Er mache dich zu einem Heilig[tum] in Seinem Volk und zu einem Licht [... zu erleuchten] die Welt durch Erkenntnis und zu erhellen das Angesicht Vieler« (TTM). Hier, in 1Q28b wird der »Maskîl« angeredet, der »Einsichtsvolle«/ »Weise« oder aramäisch der »Schauende«, der einen besonderen Zugang zur himmlischen Liturgie hat und wohl eine priesterliche Figur ist. 723 Offensichtlich betritt er das Heiligtum, gar das Allerheiligste und gerät dabei in die Funktion eines Engels, sogar des höchsten Dienst- oder Repräsentationsengels Gottes; zugleich wird er selbst als »Heiligtum« bezeichnet (ausführlicher zum Thema der Isangelie und zu mystischen Transformationserfahrungen unten S. 364ff). Interessant ist hier vor 719 Vgl. Ex 8,24; 1 Sam 1,3.10-20; 1 Chr 7,1 (vgl. dazu Gen 4,3-5); 7,12-15; 2 Chr 29,27-30; Jes 16,12; Ez 46,2ff; Dan 9,21. Deutlich Jes 56,6: »Ihre Brandopfer und ihre Schlachtopfer sollen mir ein Wohlgefallen sein auf meinem Altar. Denn mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Völker«. Gebete konnten metaphorisch selbst mit Opferterminologie bezeichnet werden (Ps 141,2: »Lass als Rauchopfer vor dir stehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als Speisopfer am Abend«). 720 Bspw.: 2 Kön 19,4; Jes 37,4; Jer 7,16; 11,14; Apg 12,5; Röm 15,30; 2 Kor 1,11; 9,14. S.u. 459. 721 Vgl. z.B. 1 Sam 1,3; Ez 42; 2 Chr 29,28. 722 Eine andere Möglichkeit der Interpretation der Sühnevorstellung hier zeigt B ERGER , Kommentar, 959: »Das Stichwort ›Sühne‹ muss sich nicht notwendig auf den Kreuzestod Jesu bezeihen, es kann (wie hebr.: kafar in 1QS 8) auch eine Folge der Gerechtheit der Gerechten in der Welt sein, verstanden als Ausgleich gegenüber aller Sünde.« 723 Vgl. dazu die mögliche Querverbindung zu Jakob/ Israel: der, der Gott sieht (s.u. S. 442ff). 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 207 allem, dass ein Mensch Zugang zu himmlischer Liturgie erhält, dabei mit der Repräsentanz Gottes verglichen oder gleichgesetzt werden kann und dann auch noch als Heiligtum selbst bezeichnet wird. Gewonnen für unsere Betrachtung zu 1 Joh ist vor allem, dass a) derartige Vergleiche oder Gleichsetzungen möglich waren und dass b) dabei die Metaphorik grundsätzlich »ins Schwimmen« gerät. Zudem ist c) zu beachten, dass himmlische Liturgie immer auch mit »Versöhnung« zusammenhängt, indem dort Fürbitte geleistet wird. Sollte d) mit dem Maskîl eine hohepriesterliche Figur im Blick sein und mit dem Heiligtum das Allerheiligste steht in diesem Zusammenhang direkt und unverstellt der Versöhnungstag (Jom Kippur) mit seinen Reinigungsriten (durch Blut=Leben) vor Augen. 4.3.5.4 Kultische Sühnemetaphorik im Römer- und Hebräerbrief Neutestamentlich begegnet ἱλασμός nur in 1 Joh 2,2; 4,10. Während ἱλασμός »Sühne, Sühnung, Sühnemittel, Versöhnung« bedeutet und auf den Akt des Versöhnens hin auszulegen ist, begegnet im Römer- und im Hebräerbrief auch der damit verwandte Begriff ἱλαστήριον, der den Sühneort (hebr. ) im Allerheiligsten bezeichnet. Während in Röm 3,25 Jesus selber mit dem ἱλαστήριον identifiziert wird, das in einem jede Vorstellung sprengenden Akt mit dem eigenen Blut besprengt wird, hat Hebr 9,5 den realen Sühneort im Allerheiligsten vor Augen, der allerdings abgelöst wird durch das Heiligtum des Neuen Bundes, nämlich das Himmlische Heiligtum 9,23, das als Urbild des irdischen galt. Auch dort gibt es einen »Gnadenthron« (4,16; 8,1). Im Neuen Bund ist Christus als Hoherpriester tätig (8,1), um die Sünden des Volkes zu sühnen (2,17: εἰς τὸ ἱλάσκεσθαι τὰς ἁμαρτίας τοῦ λαοῦ). Auch in Hebr wird die Sühne mit dem Blut Christi in Verbindung gebracht: Das Blut Christi reinigt die Gewissen (Hebr 9,14; 10,22). Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang die Szene des großen Versöhnungstages (Ex 24,8) mit der Besprengung des Volkes zitiert (9,19). Aber auch im Heiligtum selbst wirkt Christus Sühne durch Blut, wie aus 9,21-25 zu schließen ist. Das Wesentliche aber ist sein »Opfer« (9,23.26; 10,11.12.26), womit wohl umfassend Jesu Lebenshingabe gemeint ist (vgl. dazu oben »Leben als Lösegeld« in 4Makk (S. 205). Ergebnisse 1. Während Röm 3 als Vergleich nicht viel erbringt, weil in 1 Joh eine Besprengung des Allerheiligsten nicht erwähnt wird, bietet die kultische Metaphorik des Hebräerbriefes interessante Vergleichsmöglichkeiten: Wie in 1 Joh und 1 Petr wird auf Ex 24 (Bundesschluss am Sinai) angespielt und auf die Besprengung der Gemeinde mit Blut. 2. Zudem wird der neue Kult ausdrücklich metaphorisiert oder spiritualisiert aufgefasst. D.h., dass ein echtes »Opfer« Jesu gar nicht im Blick ist, sondern wie in 4Makk und 1QS 8 die demütige, vollständige Lebenshingabe des Gerechten. 4.3.5.5 Die Szene des Versöhnungstages mit Christus Die Szenerie könnte so aussehen: 1. Das Blut Christi reinigt uns und wird wie bei der Kultinitiation in Ex 24 auf das Volk gesprengt d.h. auf uns. Als reine Flüssigkeit hat es offensiv reinigende Kraft. 208 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 2. Anschließend wird durch die Priester Fürbitte gehalten. 3. Gemeinsam aus den Elementen 1 und 2 ergibt sich mit dem Handeln Gottes (der dies Gesehehen akzeptiert) die Versöhnung. 4.3.5.6 Drei Ebenen der Versöhnungs-Szene Die genannte Szene aus setzt zugleich drei unterschiedliche Ebenen voraus: - 1. Ebene: Jesus ist vor seinem Tod auf Golgatha Ort der Präsenz Gottes unter den Menschen. 724 Dazu ist er gekommen, dass mitten unter den Menschen Gott präsent ist (wohnt). Der »Kultort Jesus« ist viel näher als ein Gebäude, das von Menschenhänden gemacht ist. 725 - 2. Ebene: Jesus lässt sein Leben und vergießt dabei Blut. Dieses Blut dient als Reinigung von Sünden und bereitet Sühne vor. Die Reinigung kommt zustande, indem Blut appliziert an die Gemeinde, die damit Zugang zu Gott bekommt. - 3. Ebene: Jesus ist Fürsprecher vor Gottes Thron (1 Joh 2,1). Das kann »oben« sein; es kann auch wie bei Hiob schon irdisch so gesehen werden. 4.3.5.7 Einzelprobleme der Metaphorisierung Festzuhalten ist: a) Blut wird vergossen. b) Wir werden durch das Blut gereinigt. D.h.: Die Besprengung der Gemeinde ist vorausgesetzt. c) Dies ist jedenfalls eine kultische Handlung. d) Kultische Angelegenheiten regelt man am Heiligtum. e) Es spricht nichts dagegen, auch das Heiligtum durch das Blut zu reinigen. 726 f) Über die Reinigung des Heiligtums wird aber nichts gesagt (wenn es sich um das himmlische handeln sollte, ist das genauso überflüssig, wie wenn es sich um den Leib Jesu handelt. Beide sind per se heilig). g) Auch über ein Verbrennungsopfer wird nichts gesagt. h) Jesu Fürsprache bei Gott könnte hier als Ersatz des Brandopfers stehen. i) Mit der Fürsprache ist die eher magische Ebene verlassen - Appell an das Erbarmen Gottes. j) Ort der Fürsprache ist entweder der Himmel als Heiligtum wo Jesus agiert. k) Oder Ort der Fürsprache ist die Gemeinde als geistliches Heiligtum hier (Fürbitte innerhalb der Gemeinde). l) Jesus bewirkt die Reinigung mittels seines Blutes und schließt damit die Gemeinde als solche zusammen. Vgl. die fast identische Metaphorik beim letzten Abendmahl. m) Er ist nicht nur Spender des Blutes, sondern auch Zelebrant der Sühnehandlung. 724 Vgl. dazu oben »Jesus als Tempel« S. 175ff. Vgl. S TREETT , Identity, 328: »The Spirit that God gives provides knowledge and assurance that God/ Jesus dwells in or among the author and his audience (έν ἡμῖν).« 725 Dem entspricht der Gedanke, dass die Gemeinde selbst das eigentliche Heiligtum bzw. der eigentliche, auf den Grundstein Jesus gebaute Tempel ist (s.o. S. 202). 726 So beispielsweise am großen Versöhnungstag: Da wird auch das Allerheiligste mit reinem Opferblut besprengt. Aber auch bei der Kultinitiation wird es mit Blut gereinigt. 4.3 Der ἱλασμός: Sühne und Fürsprache 209 Jesus ist aber weder im Tempelvorhof gestorben, noch wurde sein Blut an den Tempel oder an Menschen appliziert, noch hat er dies gar selber zelebriert. Bleibt die Frage: Wo und wie soll das ganze stattgefunden haben? n) Es handelt sich offensichtlich um eine metaphorisch bzw. geistlich zu nennende Handlung. Ort ist die »Gemeinde« bzw. die Herzen und Seelen (1 Petr 1,22). 727 o) Offen bleibt in jedem Fall die Frage, wie das Blut zu den Menschen gelangt ist, um sie zu reinigen. Es bietet sich hierfür nur eine metaphorische Lösung an. Abgesehen von Taufe und Abendmahl werden keine Flüssigkeiten ausgegeben. Entweder wird auf eine dieser Handlungen angespielt (auf eine Salbung wohl gar nicht da ist eine metaphorische Umformung nicht vorbereitet) - oder die Besprengung ist sowieso ganz unkörperlich erfolgt (so wie »Weihrauch und Widder sind dankbare Lieder« besingt, dass die Opfer nur rein metaphorisch vollzogen werden). 728 p) Wenn wir aber schon eine nahezu rein metaphorische Ebene annehmen müssen jedenfalls was den irdischen Jesus und sein Blut anlangt, können auch Heiligtum und Zelebrant metaphorisch sein. Das Heiligtum wäre der Himmel. Das Blut stammt von Jesus. Er selbst reinigt die Gemeinde damit (1 Joh 1,9). q) Eine himmlische Reinigung des Sühnortes wird in 1 Joh nicht erwähnt. r) Die Sühne für die Sünden, die in 1 Joh 2,2 und 4,10 erwähnt wird, ist durch 2,1 an die Fürsprache angeschlossen und kann daher auch als Lebenshingabe (»Opfer«) zugunsten der ihm Angehörenden verstanden werden. s) Die Inkarnation ist für uns der Ort der Gottesbegegnung. Als Mensch (»Fleisch«) ist Christus vergleichbar mit dem »Zelt der Begegnung« (Joh 1,14, vgl. 1 Joh 1,1-4) zwischen Gott und Mensch. t) Wenn vom »Blut« Jesu die Rede ist, ist Jesus nicht gleichzeitig als »Zelt der Begegnung« im Blick. D.h.: Die Perspektive springt zu einer neuen, ganz anders gestalteten Szenerie: Der Blick ist nur noch auf das »Blut«, d.h. die Lebenshingabe Jesu fokussiert. Die anschließende Deutung (»Reinigung« und »Sühne«) bezieht sich ausdrücklich auf das Blut Jesu bzw. auf die »Lebenshingabe« insgesamt. u) Das Besprengen mit Blut hat dabei nicht nur eine kultisch-reinigende Funktion, sondern schließt auch die Gemeinde als solche zusammen (Konstitution der Gemeinde). v) Das Ausbrechen aus der Gemeinde seitens der Gegner von 1 Joh ist daher wie man z.B. in 1QS oder in Hebr sehen kann der Kardinalfehler schlechthin; in Worten des 1 Joh: »Sünde zum Tode«. w) Damit ist eine Verknüpfung geleistet zwischen der Frage nach geschehender Sünde, ihrer Sühne, Einheit der Gemeinde und dem aus Sicht der Gegner möglicherweise problematischen Tod Jesu. 727 Das hat in 1 Petr 1,22 ebenso wie in 1 Joh 4,10 mit Wahrheit, Bruderliebe und Gehorsam zu tun. 1 Joh 2,2ff bietet Ähnliches: Beachten der Gebote ist Grundlage der erfolgenden Sühne, ganz ähnlich wie in PsSal 3 der treue Umgang mit den Geboten als Sühne für die »lässlichen Sünden« des Gerechten gewertet wird. 728 EG 449,3 (»Die güldne Sonne«). 210 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh 4.3.5.8 Ergebnisse Die in 1 Joh hier zugrunde gelegte Metaphorik gerät »gründlich aus den Fugen«. Allerdings ist das nicht so ungewöhnlich, weil Beispiele überhaupt »hinken« und weil dies die Erfahrung bei vielen Metaphorisierungen sonst ist. Ich denke hier speziell an Röm 3,25, wo Jesus als Sühneort (ἱλαστήριον) bezeichnet wird und die Metaphorik in ganz ähnliche Schwierigkeiten gestürzt wird. Trotzdem kann man festhalten: 1. Fürsprache und Versöhnung hängen in 1 Joh zusammen. 2. Versöhnung ist dabei in den metaphorischen Kategorien der Kultinitiation (Ex 24) gedacht. 3. Hierdurch wird dir Rolle des Blutes Jesu in 1,7 und 5,6 geklärt: Es reinigt. 4. Der Vorstellungsrahmen ist durch den Tempelkult in Jerusalem geprägt. 5. Diese Prägung bedeutet aber kein festes »Klammern« an kultische Gegebenheiten, sondern metaphorisches »Spiel«, um die Besonderheit Jesu auszudrücken. 6. Jesus ersetzt oder überbietet das Versöhnungsgeschehen am Tempel (Joh 4,23f). 7. Die »Sühne«, die er bietet, ist metaphorisch zu verstehen, nicht wörtlich. 8. D.h.: Es geht nicht um ein »Menschenopfer«, das Gott gnädig gestimmt hat. 9. Vielmehr bekommen Jesu Blut als das des Gerechten sowie der Einsatz seines ganzen Lebens eine besondere Rolle im himmlischen Gericht (vgl. Gen 4,10 und 4Makk 6,28ff). 10. Zugleich wirkt das Blut (also: Leben und Tod Jesu) »reinigend«. 11. Da auch Wasser »reinigend« wirkt, besteht hier eine direkte Brücke zu 1 Joh 5,6 (Taufe). 729 12. Das Problem der Gegner von 1 Joh (die bestehende Sünde trotz angeblichen Kommens des Messias) wird somit durch metaphorisierte Kultterminologie gelöst. 13. Dass gerade diese Terminologie eine Rolle spielt, weist darauf hin, dass die damit angesprochenen Kategorien bei den Adressaten und/ oder den »Gegnern« eine Rolle spielen. Man kann also schlussfolgern, dass die Adressaten und sicher auch die »Gegner« an der in ihren Augen wohl kultisch zu lösenden Frage nach Freiheit von Sünde interessiert waren. 14. Die Rolle des Blutes ist nicht, die Tatsächlichkeit des Auftretens Jesu zu betonen. Vielmehr ist dieses vorausgesetzt. Denn nur so, indem es wirklich da ist bzw. da war, kann es wirken - und damit einen Beitrag leisten, die Gewissheitsfrage der Adressaten zu lösen. Grundsätzlich gilt: Die hier geleisteten Metaphorisierungen sind für uns wesentlich ungewöhnlicher als für die Verfasser und ersten Adressaten der hier besprochenen Texte. In jedem Fall konnten Opfer und Gebet, Heiligtum und Gemeinde bzw. »Rat« einander metaphorisch »ersetzen«. Auch das applizierte Blut trifft entweder die Herzen und die Gewissen und nicht die Haut des Menschen. Oder es konnte per Substitut (Wasser, Wein) in Taufe und Abendmahl angeeignet werden. 729 Auch Jesu »Geist« wirkt offensiv reinigend. So stellt sich das offenbar auch 1QS vor (siehe S.195.183f). - Auch »Geist« wird »flüssig« vorgestellt (nicht nur das Salböl). Geist spielt zugleich bei der Taufe eine Rolle. 4.4 Fürsprecher im Himmel 211 4.4 Fürsprecher im Himmel 730 1 Joh 2,1: »Meine Kinder! Dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber jemand sündigt, dann haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten« (ἐάν τις ἁμάρτῃ, παράκλητον ἔχομεν πρὸς τὸν πατέρα Ἰησοῦν Χριστὸν δίκαιον). Umklammert von der Frage nach kultisch vorgestellter Sühne, wird hier auf die Fürsprache des »Anwalts« bei Gott verwiesen, des »Parakleten«. 731 Anders als im Evangelium ist damit aber nicht der Geist Jesu gemeint, der den Jüngern nach dem Weggang Jesu hilft, sich zu erinnern und den Prozess zwischen Gott und Welt gut zu überstehen, sondern Christus selbst ist gemeint. Das Gericht, das hier im Blick ist, ist nicht ein präsentisches zwischen Welt und Gott, sondern ein zukünftiges zwischen dem einzelnen Christen oder der Gemeinschaft der Christen und Gott. Während man sich im Johannesevangelium im Grunde einfach für Jesus entscheiden und sich zu ihm bekennen soll, um auch künftig auf der Seite des Lebens, der Rettung, des Lichtes zu stehen, ist diese Lösung in 1 Joh aufgrund der aktuellen Krisensituation (Bewältigung von Sünde) nicht möglich. 732 Somit begegnet uns eine Szenerie, die im Johannesevangelium völlig fehlt, dafür aber beispielsweise in der Offenbarung in aller Ausführlichkeit gegeben ist: die Szenerie um Gottes Thron. 733 Vorausgesetzt ist zudem ein Motiv, das im Evangelium ebenfalls fehlt: das der Himmelfahrt. 734 Jesus Christus ist also »Paraklet«, Fürsprecher. Er übernimmt damit eine Rolle, die im Alten Testament in besonderer Weise Mose innehatte. 735 Gegenseitige Fürbitte ist im Alten Testament an sich unbekannt. Als Fürbitter tauchen vornehmlich Propheten auf, 736 die Zugang zum göttlichen Rat haben und dort Fürbitte oder Anklage leisten können. 737 Dazu gehören auch die Erzväter, 738 aber auch Aaron als Priester. 739 Wichtig zum Verständnis der Fürbitter-Rolle Jesu in 1 Joh 2,1 ist besonders eine Bemerkung Hiobs in Hiob 33,23-28: 730 Lit.: J OHANSSON , Parakletoi. - Vgl. unten 459. 731 Einen das Wesentliche zusammenfassenden Überblick gibt dazu B ERGER , Kommentar, 948f. 732 Ausführlich dazu B ERGER , K., Theologiegeschichte, 723f. 733 Die Szenerie um Gottes Thron gehört nach B ERGER , K., Theologiegeschichte zu den zentralen Vorstellungsmustern, die fast allen urchristlichen Theologien zugrunde liegt. 734 Die »Erhöhung« Jesu wird im Evangelium in Kontrast zu allen anderen neutestamentlichen Belegen auf die Kreuzigung bezogen (Joh 3,14; 8,28; 12,32.34). 735 Ex 32,31ff: Mose bittet für das Volk, das das Goldene Kalb gebaut hatte. 736 Samuel: 1 Sam 7,8f; 12,9f; 15; Elia: 1 Kön 17; David: 2 Sam 24; Salomo: 1 Kön 8; Hiskia: 2 Chron 30; Amos: Am 7,5f; Hosea: Hos 9,14; Jesaja: Jes 73,4; Jeremia: Jer 7,16; 11,14; 14,11; 15,1; 18,20; 42,2; Ezechiel: Ez 9,8; 11,13; 13,5; 22,30. 737 J OHANSSON , Parakletoi, Kapitel 1. - Vgl. zum Thema Fürbitte/ Mittlerdienst unten S. 459f. 738 Gen 18,22-33; Gen 20,17; Gen 25,1; Ex 8,4ff; Ex 32,11-14; Num 12; 14,19ff.; Dtn 9. 739 Gemeinsam mit Mose: Num 16,20-22. Vgl. auch unten S. 379 (Priester als Engel) und das Zitat von Sir 50, S. 355. 212 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh »Gibt es über ihm einen Engel, einen Fürsprecher, 740 einen von tausend, dem Menschen seine Pflicht zu verkünden, so lässt er ihn seine Sünde sehen, erbarmt sich seiner und sagt: ›lass ihn losgekauft sein, ich habe das Lösegeld gefunden für sein Leben.‹ Und dann schwillt sein Fleisch vor jugendlicher Kraft, und er wird wieder wie in den Tagen seiner Jugend. Betet er zu Gott, ist er ihm gnädig, und er sieht sein Angesicht mit Jubel, er verkündet vor den Menschen seine Gerechtigkeit, er singt vor den Menschen und sagt: ›Ich sündigte und verkehrte das Recht, aber er vergalt mir nicht nach meiner Übertretung, er rettete meine Seele davor, in das Grab hinabzukommen, und meine Seele sieht das Licht.‹« 741 Der Fürbitter hier ist ein Engel. Der Engel hält Fürbitte vor Gottes Thron. Das hebt ihn ab von den menschlichen Fürbittern. Nur dieser Engel, der wohl auch als persönlicher Schutzengel Hiobs gedacht ist, hat direkten Zugang zu Gottes Thron. Nur er kann sich schützend vor Hiob stellen und dem Ankläger (Satan) begegnen. 742 Ähnlich ist in anderen, späteren alttestamentlichen Schriften vom fürbittenden Eingreifen der Engel die Rede. Insbesondere Michael als Völkerengel Israels ist »Verteidiger« seiner »Kinder« im Rat Gottes. 743 Der Völkerengel Michael ist es offenbar auch, der im Rat Gottes den Teufel, der die Kinder Israels verklagt, besiegen wird (AssMos 10,1f). Ganz ähnlich wird auch die Figur Henochs bzw. des Menschensohns im äthiopischen Henochbuch (1Hen) beschrieben. Er selbst übernimmt eine besondere Ehrenstellung im Raum um den Thron Gottes und wird als »Menschensohn« bezeichnet bzw. installiert (1Hen 71). Er wird in 1Hen 37-71 (Bilderreden) immer wieder »Menschensohn«, »Gerechter«, »Auserwählter« und »Gesalbter« genannt. 744 Der Menschensohn ist mit überragender Weisheit vom Herrn der Geister ausgestattet und kann Gerechte und Heilige auserwählen zur Rettung. 745 Ergebnisse in Bezug auf 1 Joh: 1. »Paraklet« bezieht sich in 1 Joh nicht auf den Geist, sondern auf Christus. 2. Damit geht es auch nicht um präsentische Unterstützung im Gerichtsprozess Gottes mit der Welt, sondern um Beistand im Gericht Gottes über die Sünde. 3. Jesus übernimmt die Fürbittfunktion, die im AT Propheten (insbesondere Mose) und im Kult Priester innehaben. 740 Hebräisch melis entspricht dem griechischen »Paraklet«, das in der LXX allerdings nie verwendet wird. 741 Übersetzung J OHANNSON , Parakletoi, 25. 742 Vgl. dazu ausführlicher J OHANNSON , Parakletoi, 26ff. 743 Dan 12,1: »Zu der Zeit wird Michael, der große Fürst, auftreten, er, der als Verteidiger der Söhne deines Volkes dasteht, und dann wird eine Zeit der Bedrückung sein, wie sie nicht gewesen ist seit dem Tage, an dem die Menschen geschaffen wurden und bis zu jener Zeit. Aber zu der Zeit werden von deinem Volke alle gerettet werden, die im Buch geschrieben sind.« Vgl. J OHANNSON , Parakletoi, 76f. 744 J OHANNSON , Parakletoi, 101f. Vgl. auch unten S. 435ff. 745 J OHANNSON , Parakletoi, 105f. 4.4 Fürsprecher im Himmel 213 4. Seine Stellung als »Anwalt« am Thron Gottes entspricht der des persönlichen Schutzengels bei Hiob. Auch die Rolle des Erzengels Michael in Daniel 12 ist vergleichbar. 5. Ähnlich ist auch die Rolle Henochs, der als Menschensohn installiert, direkten Zugang zu Gott hat. Als »Menschensohn« ist Henoch eher ein Himmelsals ein Erdenwesen. 6. Ähnlich wie Henoch wird Jesus als »Gerechter« bezeichnet. Gerechtigkeit ist auch bei den Propheten und Erzvätern Voraussetzung für gelingende Fürbitte. 7. 1 Joh 2,1 bietet mit diesen Querverbindungen eine Möglichkeit, noch einmal anders nach einer Engelchristologie oder nach »Doketismus« zu fragen. Denn hier besteht ein Ansatzpunkt, Jesus nicht als irdisches, sondern als himmlisches Wesen wahrzunehmen. Allerdings muss die Einschränkung sogleich genannt werden: Als engelhaftes Wesen begegnet Jesus uns in 1 Joh nur hier, wenn man ihn in seiner Erhöhung angelomorph vor Augen hat. Ansonsten geht es um sein irdisches Auftreten als Messias, dessen Infragestellung nicht intellektuell-spekulativ motiviert ist, sondern aufgrund mangelnder Wirkung fraglich scheint. Denkbar wäre auch, dass die Gegner von 1 Joh eine Situation in Unmittelbarkeit zum Thron Gottes erwartet haben. Sie hätten sich dann am Menschensohn von Dan 7 und den zu ihm gehörenden Heiligen orientieren können. Sie hätten im Sinne des henochischen Menschensohns für Christus und die zu ihm gehörenden Christen erwartet, direkten Zugang zu Gott zu haben, wie es ja in der Verheißungen über das Mitsein Gottes bzw. über das Wohnen Gottes unter den Menschen angesprochen ist. Dagegen hält 1 Joh 3,2 fest: »Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.« Das heißt: Einerseits sind wir »Gottes Kinder«. Andererseits steht noch etwas aus. Vor allem wird erst »aufgedeckt« werden, was wir sein werden. Dazu wird gehören, in Unmittelbarkeit zu Gott zu leben. Damit sind das Problem und die Problemlösung beschrieben: - Weil noch nicht alles vollendet ist, geschieht Sünde. - Christus aber ist schon vollendet und tritt für uns ein, gegen die Sünde. - Noch steht Vollendung aus, aber wir sind schon Gottes Kinder, gehören zum Licht. - Wir gehören zum Licht, weil Christus als Mensch in dieser Welt aufgetreten ist. Zur Stellung des Motivs »Fürsprecher« und »Sühne« innerhalb von 1 Joh kann man feststellen: Die fürsprechende und Sühne wirkende Funktion Christi ist das Erste, was abgesehen von seinem herrlichen Erscheinen in 1,1-5, von ihm gesagt wird. Es handelt sich um die erste christologische Aussage in 1 Joh. Damit haben wir in jedem Falle einen entscheidenen Punkt in der Christologie des 1 Joh vor Augen. Christus ist der, der Fürbitte leistet und Sühne vollbringt. Die Infragestellung Jesu ist als eine Infragestellung auch dieser Funktion zu verstehen bzw. die starke Betonung der Fürsprache und Sühne durch Christus ist zugleich Antwort auf die Infragestellung. Sowohl die Metaphorik der Sühne als auch die der Fürspra- 214 B. 4 Weitere »Gegnertexte« in 1 Joh che bewegt sich im Bereich kultischer Vorstellungen. Das in 1 Joh 4,2 in Frage gestellte Fleisch des Messias könnte insofern ebenfalls in diesem Rahmen verstanden und erklärt werden. 746 4.5 Liebe, Sünde, Tod Eine wesentliche Anfrage an das messianische Konzept des Verfassers von 1 Joh dürfte die noch geschehene Sünde gewesen sein. In der Reaktion darauf wurde die Messianität Jesu von Teilen der angesprochenen Gemeinschaft in Frage gestellt. Es folgte die Trennung von der Gemeinde, die man möglicherweise in 2 und 3 Joh (2 Joh 7-10; 3 Joh 8-10) angesprochen finden kann. Auch Joh 6 kann so verstanden werden, dass diese schmerzliche Erfahrung verarbeitet wird. In Joh 6,41f.66 wird von vielen Anhängern Jesu nicht akzeptiert, dass Jesus die entscheidende Heilsgabe Gottes ist: Himmelsbrot. 1 Joh beantwortet 747 die Frage nach der noch geschehenden Sünde angesichts erwarteter Sündlosigkeit, indem ein eschatologischer Rahmen geöffnet wird, innerhalb dessen mit Widerständen und Unheil gerade kurz vor dem Ende zu rechnen ist (vgl. 1 Joh 2,18). Die Frage nach der Sünde und ihrem Gegenteil, der Einheit mit Gott, wird durch das grundsätzliche Gebot der Liebe beantwortet (1 Joh 2,7). Alle Ethik ist darin zusammengefasst. Liebe gilt gegenüber Gott und gegenüber den Mitmenschen/ Mitchristen. Der hier gesetzte Anspruch ist ganz offensichtlich hoch, wie schon an der Reaktion der Gegner sichtbar ist. Sünde besteht darin, diese Liebe zu verletzen. Bestehende Sünde (d.h. dann: Lieblosigkeit, die sich verschieden äußern kann) behält aber für 1 Joh kein überwältigendes Gewicht, da durch Sühneaktionen Christi, respektive sein Eintreten als Fürsprecher vor Gott, gegebenenfalls auch durch Fürbitte der Gemeinde, Sünde überwunden werden kann (1 Joh 1,7f; 2,1f; 5,16). - Wenn im Wort »Liebe« alles zusammengefasst ist, was von menschlicher Seite nötig ist, um durch die Sünden bewältigenden Aktionen Christi und der Gemeinde im Bereich des Heils (wiederum: Liebe) zu bleiben, dann ist die von 1 Joh angebotene Konsequenz folgerichtig: Grundsätzliche Verletzungen des Liebesgebotes wirken tödlich. Grundsätzliche Verletzungen sind einerseits der »Bruch« mit Christus, weil damit auch der Bruch mit Gott vollzogen ist, wie 1 Joh deutlich macht. Andererseits ist der Bruch mit der Gemeinde, das Verlassen und Verraten derselben ebenfalls tödlich. In jedem Fall ist dies auch eine geistliche Frage. Denn der Geist, der als Chrisma mit Christus und den anderen Chrismaträgern (Gemeindegliedern) verband, erweist sich als Täuschung. Er war konsequent gedacht offensichtlich nie vorhanden, sondern nur vorgetäuscht. Ein Trug-Geist aber ist schnell als Toten-Geist, als Dämon bzw. als Götzenmacht identifiziert 748 . Damit ist 1 Joh 5,21 eine logische Schlussfolgerung. - Die grundsätzliche Verletzung des Liebesgebotes hat daher ganz prinzipiell ein ganz anderes 746 Vgl. dazu unten die Überlegungen zur priesterlichen Kleidermetaphorik: S. 449-454 u. 458f. 747 S.o. S. 183-192. 748 S.u. S. 405ff. 215 Gewicht als einzelne Lieblosigkeiten (Sünden). Deswegen führt 1 Joh die folgenreiche Unterscheidung von Sünde nicht zum Tode einerseits ein (vergebbare Sünden durch die im Brief dargestellten Zusammenhänge, zu denen die Zugehörigkeit qua Taufe gehört), andererseits die Sünde zum Tode (1 Joh 5, 16), 749 die als endgültiger Bruch denjenigen, der sich vom Bekenntnis bzw. von der Gemeinde abwendet, in den Bereich des Todes stellt. 5 Ergebnisse zu Inkarnation und Doketismus in 1 Joh Ausgehend von den Einleitungsfragen wurde zunächst der grobe zeitliche und örtliche Rahmen (1. Jahrhundert, vermutlich Palästina/ Syrien) ermittelt und dann der textpragmatische Rahmen mit seinen Anreden und seiner doppelten Bühne der Wirklichkeit (Himmel und Erde) in den Blick genommen. Daraufhin sind wir im dualistischen Drama dem Auftritt des »Helden« gefolgt und haben als Pendant den Abschluss des Stückes angeschaut. Dann kamen die kritischen Stellen zur Gegnerthematik in ihren Kontexten in den Blick. Die Beachtung der in 1 Joh verknüpften Wortfelder half, verschiedene Einzelzusammenhänge zu erkennen, wie z.B. die Frage des Bekennens in Verbindung mit dem Heiligen Geist. Ausführlich wurde danach gefragt, wie das Kommen Jesu in Welt und Fleisch im neutestamentlichen Kontext einzuordnen ist. Die Entdeckung der kultischen Metaphorik (Stiftshütte) im Johannesevangelium fand ihre Entsprechung in kultischer Metaphorik in Zusammenhang mit der Beseitigung von Sünde und in der Bezugnahme auf die Taufe. Folgende Ergebnisse sind damit festzuhalten: 1. Die frühen Bezeugungen von 1 Joh führen zu einer Datierung vor der Gnosis. 2. Die Inkarnation ist in 1 Joh nicht Thema, weil sie in Frage gestellt worden wäre. 3. Vielmehr ist die Inkarnation Thema, weil nur sie sicherstellt, dass der Christus dort war, wo auch sein Gegenspieler aktiv ist: in Welt und Fleisch. 4. Das Argument der Gegner war also nicht: »Jesus war nicht Mensch«, sondern: »Christus war nicht da«. Das impliziert: »Jesus war nicht der Messias«. 5. Das Kommen Jesu in die Welt entspricht spiegelbildlich dem Kommen des/ der Gegenspieler. 6. Das Kommen Jesu in Fleisch und Welt hat soteriologische Bedeutung. 7. Das Bekenntnis zu Christus ist eine Frage, die den Heiligen Geist betrifft. 8. Der Heilige Geist ist betroffen, da er Jesu Geist ist, der in den Gliedern der Gemeinde wirkt. 9. Die Infragestellung der Messianität Jesu stellt für 1 Joh die seine Eigenschaft als Sohn und damit auch die Vaterschaft Gottes, mithin Gottes selbst in Frage. 10. Die gewählte Raumsemantik und die kultische Metaphorik ist um den Jerusalemer Tempel konzentriert. Sie bietet dem Verfasser die Argumente, mit denen er seinen Gegnern begegnet. 11. Die Infragestellung Jesu durch Sünde, Leidensdruck und Verfolgung bezeugt paradoxerweise gerade seine Messianität. Das alles ist erwartetes und erwartbares Zeichen der Ankunft des Messias. 749 Vgl. oben S. 106 mit FN. 5 Ergebnisse zu Inkarnation und Doketismus in 1 Joh 216 B. 5 Ergebnisse zu Inkarnation und Doketismus in 1 Joh 12. Der offensichtlich grundlegenden Frage der Gegner nach dem Ausbleiben der Heilszeit und dem weiteren Geschehen von Sünde wird auf verschiedene Weisen begegnet: 13. Sünde wird differenziert in tödlich und nicht-tödlich. Kriterien sind Liebe und Bekenntnis. 14. Die Reinigung von Sünde als Sühne durch Christus, durch sein Blut und seine Fürsprache wird der Infragestellung des Heilsstandes entgegengestellt. 15. Dabei ist Jesus zunächst als Fürsprecher bzw. Mittler im Blick. Dies ist sicher nicht nur eine kurzfristige Antwort auf die Anfragen der Gegner, sondern eine grundlegende christologische Auffassung des Verfassers. 16. Die Taufe wird als vergewissernde Erfahrung nicht nur rückgekoppelt an den Tod Jesu und seine Wirkungen, sondern auch an die Geisterfahrungen der Adressaten. 17. Jesus ist metaphorisch gesehen »Priester«, »Reinigungsmittel« und Gabe zugleich. Das Kippen der Metaphern ist typisch für frühjüdische und frühchristliche Allegorisierungen. 18. Insgesamt ist anhand der Metaphern und Vorstellungszusammenhänge aus dem kultischen Bereich Israels eine religionsgeschichtliche Verortung von 1 Joh am ehesten noch im Rahmen des Judentums vor der Trennung von Juden- und Christentum anzunehmen. 19. Aussagen über eine absolute Datierung sind damit nicht verbunden, abgesehen von dem Hinweis, dass frühe Datierungen aus den genannten religionsgeschichtlichen Gründen »einfacher« sind. 20. Anders als man denken sollte, wenn man von einem doketistischen Hintergrund ausgeht, ist nirgends vom Leiden Christi die Rede. Es wird auch nirgendwo in Frage gestellt. 21. Auch ist nirgendwo von einer irgendwie vorgetäuschten Schein-Existenz die Rede. 1 Joh 1,1-4 zeigt ganz in die entgegengesetzte Richtung: Seine physische Anfassbarkeit ist vorausgesetzt und dient der Autoritätssteigerung dessen, der eben in physischem Kontakt mit Jesus gestanden hat. Der ganze Text bekommt dadurch ein erhöhtes »Gewicht«. Offene, im Folgenden noch zu lösende Aufgaben sind: a) Wie kam die Rede vom Fleisch des Christus zustande? (Kap. 6 - 9)? b) Wie ist das Kommen ins/ im Fleisch (Inkarnation) überhaupt denkbar gewesen? (Kap.12) c) Wie sehen Entwicklungslinien von 1 Joh zu doketistischen Vorstellungen aus? (Kap. 13) d) In Kapitel 14 werden die dabei berührten Fragestellungen noch einmal zusammengeführt. C. Das »Fleisch des Messias«im frühen Christentum (ohne Ignatius) Zielsetzung und Übersicht Nicht nur 1 Joh, sondern auch eine ganze Reihe der »Fleisch-Christi«-Stellen des frühen Christentums galten lange als Reaktionen auf doketistische Tendenzen. Sie wurden bzw. werden daher häufig antidoketistisch ausgelegt. Wären diese Auslegungen im Recht, würde dies zwar die bisherigen Beobachtungen und Schlussfolgerungen nicht umstoßen. Dennoch wäre die Frage nach dem Ursprung des Ausdrucks »Fleisch Christi« wiederum anders zu stellen. Möglicherweise wäre dann in 1 Joh und an anderen Stellen ein Sprachgebrauch aufgenommen, der seine Herkunft in einem weiter zurückliegenden doketistischen Streit hätte. Diesen Überlegungen kann im Folgenden nicht nur dezidiert, sondern vor allem detailliert mit allen in Frage kommenden Stellen begegnet werden. So unterschiedlich die Fleisch-Christi Stellen im frühen Christentum auch sind: Doketismus und Gnosis stehen nirgendwo im Raum. Das gilt sowohl für die Texte des Neuen Testaments (6) als auch für die Texte der sogenannten »Apostolischen Väter« (7). Stattdessen sehen wir vielfältige, unterschiedliche Konzepte, die aber alle auf eine gleiche Wurzel zurückgehen müssen. So wird im Abschnitt C. vorbereitet, was später im Abschnitt E. (insbesondere unter 12) religionsgeschichtlich weiter entfaltet werden soll. In Kapitel 8 wird eine zusammenfassende Gesamtschau geliefert, die einige Hinweise auf die Funktion und Zweck sowie Herkunft der Rede vom »Fleisch Christi« liefert. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Zielsetzung und Übersicht Doketismus ist nicht im Blick, wenn vom »Fleisch Christi« geredet wird. Was aber dann? Im Folgenden gewinnen wir einen Einblick in die unterschiedlichen Funktionen und Kontexte des »Fleisches Christi« im Neuen Testament. Es zeigt sich, dass die Erwähnung des Fleisches Christi folgende Funktionen haben kann: - Die Betonung der Wirksamkeit des Heils bei den Menschen (Soteriologie). - Die Betonung der Einheit der Gemeinde (Ekklesiologie). - Die Beschreibung der Sendung des Sohnes vom Vater (Christologie). - Die Darstellung des Zusammenspiels von Geist und Fleisch im Menschen (Pneumatologie). - Die Anwendung von Adam- und Abbildmotiv auf Christus: Christus ist in doppelter Weise »gleich«, nämlich Gott und den Menschen gegenüber. - Die Übertragung tempeltheologischer bzw. kulttheologischer Vorstellungen auf Christus. Vor allem durch den zuletzt genannten Punkt ist deutlich: Es geht bei der Rede vom »Fleisch Christi« immer um die Anwesenheit des göttlichen Heils bei den Menschen. Die folgenden Analysen sind nicht inhaltlich, sondern nach den jeweiligen neutestamentlichen Schriften geordnet. Nach einer Beschreibung des Ausgangspunkts für 6 und 7 (6.1) und der Problemanzeige, dass der »Messias im Fleisch« vorchristlich nirgends begegnet (6.2), werden die neutestamentlichen Bezeugungen dieses Konzepts nacheinander erörtert. In Kürze vom johanneischen Konzept ausgehend, das schon in Teil B. ausgiebig erörtert ist (6.3), nehmen wir die Äußerungen des Paulus und seiner direkten Umgebung in Augenschein (6.4-6.9). Bei den Darstellungen der Menschwerdung Christi in Gal 4,4 und Phil 2,6-11 beginnend, wird insbesondere Römer 8,3, eine der Kardinalstellen späterer Inkarnationschristologie, untersucht (6.6). Die Frage, was hier mit »Gleichgestalt des sündigen Fleisches« gemeint ist, wird im größeren und näheren Kontext und im Vergleich der eruierbaren Wortfeldbeziehungen gezeigt. In Kol 1,20ff und Eph 2,14f fungiert das »Fleisch Christi« dann als Versöhnung und Frieden schaffendes Mittel der Verbindung (6.7 und 6.8). 1 Tim 3,16 verbindet auf der irdischen Ebene das Fleisch mit dem Geist aus der himmlischen Ebene (6.9). Dabei geht es nicht um Geistchristologie oder Doketismus, sondern um das Fleisch als notwendige »Bühne« für den Geist. Der Hebräerbrief bietet gleich drei Bezugnahmen auf das »Fleisch Christi«, von denen die ersten beiden den irdischen Jesus gegenüber dem später erhöhten meinen. Die dritte Stelle in Hebr 10 geht darüber hinaus, indem das Fleisch Christi mit dem Tempelvorhang gleichgesetzt wird als Ort des Durchgangs vom Allerheiligsten in die Welt und von der Welt ins Allerheiligste (6.10). In 1 Petr schließlich begegnet das Fleisch Christi in Kombination mit »Leiden«, doch auch hier ohne doketistischen Hintergrund, da das Leiden nicht in Frage steht, sondern also tröstender Hinweis auf die Geschickgemeinschaft Jesu mit den Angesprochenen fungiert (6.11). Insgesamt kann nachgewiesen werden: a) Eine ausdrückliche Thematisierung des »Fleisches Christi« ist nicht als »Antithese zur Leugnung der wahren Menschlichkeit Christi« zu verstehen. 750 b) Positiv können die Funktionen des Begriffes »Fleisch Christi« im NT gezeigt werden. 750 So z.B. H ENGEL , Frage, 185, über den Sprachgebrauch bei Johannes. 218 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament 6.1 Ausgangspunkt 219 6.1 Ausgangspunkt Die Untersuchungen zu 1 Joh haben ergeben, dass doketistische Abwehrkämpfe nicht zu erkennen sind, obwohl die »verdächtig« erscheinende Formulierung des »im Fleisch gekommenen« Jesus dies nahezulegen schien. In diesem Zusammenhang wurde auch die gegenseitige Abhängigkeit der Begriffe »Welt« und »Fleisch« in 1 Joh und in anderen Schriften des Neuen Testaments festgestellt. 751 Somit ist die Doketismusfrage für 1 Joh negativ beantwortet. Dennoch bleibt die Frage offen, wieso überhaupt der Begriff »Fleisch« eine derart starke Rolle spielt, insbesondere das »Fleisch des Messias«. Denn erstaunlicherweise begegnet diese Wortkombination vorchristlich überhaupt nicht. 752 Im Folgenden sollen die Stellen zum Thema »Fleisch des Messias« im Neuen Testament, anschließend bei den apostolischen Vätern untersucht werden. Ein Lösungsvorschlag, wie es überhaupt dazu kommt, dass dieser Begriff so weitläufig behandelt und bedacht wird, ohne dass Doketismus im Hintergrund steht, wird dann im letzten Teil dieser Arbeit gemacht (Kapitel E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? ). Der Begriff »Fleisch« 753 deckt, wie sich schon bisher gezeigt hat, die »Sphäre des Menschen«, sein »Menschsein« ab und bezieht sich nicht allein auf die äußere Gestalt (Körper), sondern auf die Existenz als Mensch an sich unter den Bedingungen von Sünde und Tod. 754 6.2 Der Messias im Fleisch Die Frage, wie mit Aussagen des Neuen Testaments zur »Inkarnation« bzw. zum »Fleisch des Christus« umgegangen werden soll, ist brisant, weil die bloße Betonung der Inkarnation in ntl. Schriften gerne als Beleg für eine gegen doketistische Lehren 755 aufgebaute Abwehrhaltung (und damit für einen Doketismus im Hintergrund des jeweiligen Textes) gewertet wird. 756 Hatte noch die dialektische Wort-Gottestheologie B ULTMANNS vor dem Hintergrund ihres existentialphilosophischen Programms die Frage nach dem irdischen bzw. historischen Jesus für letztlich irrelevant für den Glauben erklärt und die Entwicklung »hoher Christologie« für eine relativ späte, nachösterliche 751 Einige der zu untersuchenden Stellen sind so schon besprochen und werden nicht wiederholt. 752 B ERGER , Theologiegeschichte, behandelt in mehreren Paragraphen (115-122) das Thema »Fleisch des Christus«, das insbesondere im Johannesevangelium und der Briefliteratur, sowie bei Ignatius, 2Clem, Herm und Barn auftaucht. Zu erklären ist das Phänomen, dass in vielen dezidiert judenchristlichen Texten das »Fleisch des Christus« fehlt und bisher auch kein alttestamentlicher oder jüdischer Text bekannt sei, der vom Fleisch des Messias rede (ebd. 225). Einige der hier zu untersuchenden Stellen hat auch S TREETT , 204-216 in den Blick genommen. 753 Lit.: M EIER , Mystik, bes. 246- 268; F REY , Fleisch; B ARRET , Fleisch. Hier: s.u. S. 271f.328ff. 754 Vgl. auch die Ausführungen unten S. 329ff. 755 P AULSEN , Überlieferung, führt eine Reihe von zumeist älteren Positionen an, die diskutieren, ob Röm 8 doketistisch geprägt sei (ebd., 61 Anm. 198). 756 So z.B. P AULSEN , Überlieferung, 61. H ENGEL , Jesuszeugnisse, 146: »Man sollte Paulus noch keinen Doketismus unterstellen, als habe er die Menschheit Jesu nicht ernst genommen. (...) Seine Kreuzestheologie ist notwendigerweise antidoketisch.« So sehr H ENGEL und P AULSEN sachlich Recht haben, so sehr ist die Frage historisch unnötig. Paulus ist weder Doketist noch argumentiert er antidoketistisch. 220 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Entwicklung gehalten, 757 fragt man heute eher nach der »Jesusrezeption des Urchristentums« oder nach den Bedingungen und Prozessen der Entstehung der Lehre von Christus und der Inkarnation. 758 Es geht verstärkt um die Prozesse, die zu »hohen« Aussagen über den »historischen Jesus« geführt haben. Viele dieser »hohen« Inkarnationsaussagen werden längst einem recht frühen Stadium der urchristlichen Geschichte zugeordnet. 759 In Blick auf 1 Joh 4,2f. (ἐν σαρκί) muss die hier zu untersuchende Frage nach der Inkarnation präzise lauten: Was bedeutet die frühchristliche Rede vom »Fleisch des Christus«, wenn man von den Doketismus-Streitigkeiten, die uns in ausgeprägter Form erst deutlich später begegnen, absieht? Das Problem ist dabei ein doppeltes: Zum einen sind einige der Stellen, die vom »Fleisch Christi« sprechen, paulinisch oder sogar vorpaulinisch (Röm 1,3f.; 8,3; 9,5; vgl. Gal 4,4; Phil 2, 6-11 usw.). Diese Aussagen gehören zu dem Ältesten, was wir an schriftlicher christlicher Theologie haben. Zum andern gibt es aber keine direkten Vorlagen im Alten Testament oder im Frühjudentum, wo jemals vom »Fleisch des Messias« geredet worden wäre. 760 Das gilt im Übrigen auch für die pagan-hellenistische Umwelt, denn auch dort ist »die reale Inkarnation eines Gottwesens, das sich seiner Göttlichkeit radikal entäußert, ohne geeignetes Vorbild.« 761 Trotz der Vielzahl an Parallelen bei Heroisierungen von Menschen oder bei menschenähnlichen Epiphanien von Göttern ist die Christologie der frühen Gemeinden nicht aus Vorstellungen der heidnischen Umwelt ableitbar. 762 Wie also ist die offenbar recht schnell innerhalb der Gemeinden verbreitete Rede vom »Fleisch des Messias« zu Stande gekommen? Was bedeutet die Rede vom »Fleisch des Christus« im frühen Christentum? 6.3 Das Fleisch des Messias bei Johannes - Da uns johanneische Stellen zum »Fleisch des Messias« schon begegnet sind, 763 ist nur Folgendes zusammenzufassen bzw. zu ergänzen: Joh 1,14 handelt vom Auftritt im Fleisch, erläutert durch das »Zelten« als Stiftshütte unter uns. 764 Es geht nicht um die Materialisierung eines Geistes. 765 757 B ULTMANN , Jesus, 10f.: »Denn freilich bin ich der Meinung, dass wir vom Leben und von der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können, da die christlichen Quellen sich dafür nicht interessiert haben, außerdem sehr fragmentarisch und von der Legende überwuchert sind (...). Ich habe (...) diese Frage überhaupt nicht berücksichtigt, und zwar im letzten Grunde nicht deshalb, weil sich darüber nichts Sicheres sagen lässt, sondern weil ich die Frage für nebensächlich halte.« 758 Z.B.: D E J ONGE , Christologie; D UNN , Christology. Vgl. V OLLENWEIDER , B ERGER , H URTADO . 759 H ENGEL , Der Sohn Gottes. 760 So B ERGER , Theologiegeschichte, 225. 761 M ÜLLER , Menschwerdung, 21. 762 Vgl. Z ELLER , Menschwerdung, 173. Siehe auch unten S. 273.367.383ff. 763 Siehe oben S. 151ff unter der Überschrift »Welt und Fleisch im Johannesevangelium«. Hier nur nötige Ergänzungen. 764 Siehe oben S. 175f. 765 Ausführliche Argumentation dazu unten S. 424ff. 6.4 Christus wird Mensch bei Paulus 221 - Joh 6,51.54f handelt nicht vom Abendmahl (s.o. 151f). 766 Wesentlich in Joh 6,51 ist, dass Jesus sich erst selbst »Brot des Lebens« nennt und dann das Brot als sein »Fleisch« bezeichnet. Die Ich-bin-Worte Jesu im Johannesevangelium helfen insgesamt zum Verständnis: Jesus ist Brot, Wein, Licht (Lebensmittel), Tür, Weg, Pforte (Zugang), Hirte (Wegleiter), Wahrheit, Auferstehung, Leben und Licht (Gott/ Kraft Gottes). Der Lebensmittel-, Wegleiter- und der Zugangscharakter Jesu entsprechen sich. Nur durch das Gehen dieses Weges oder die Aufnahme dieses Lebensmittels, d.h. nur durch Gemeinschaft mit ihm kommt man in den Genuss dessen, was er am Ende schon selbst in sich hat: Kraft und Gegenwart Gottes. Das Fleisch Jesu essen heißt demnach nach Joh 6,54f, ganz mit Jesus verbunden sein, ganz und gar Anteil an ihm haben. - Fleisch gehört zum Bereich der Welt, Geist zum Bereich Gottes. Daher kann man fragen, aus welchem Bereich ein Mensch »stammt«: aus dem Fleisch oder aus dem Geist (Joh 3,6). 6.4 Christus wird Mensch bei Paulus In den meist als vorpaulinisch eingestuften Stellen in Gal 4,4 und Phil 2,6-11 beschreibt Paulus auf unterschiedliche Weise die Menschwerdung Christi und ihre Funktion, ohne das Fleisch Christi zu nennen. 6.4.1 Gal 4,4 767 In Gal 3,25-4,11 unterscheidet Paulus zwei Zeitstufen: die Zeit vor Christus als Zeit der Unmündigkeit und Sklaverei (3,25-4,3) und die Zeit nach und mit Christus als die Zeit der Kindschaft. Gal 4,4f.: »Als die Zeit erfüllt war, sandte (ἐξαπέστειλεν) Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen«. Gal 4,4 ist damit genau an dem Punkt platziert, an dem die Heilsgeschichte Gottes ihre entscheidende Wende nimmt. Wo vorher Unmündigkeit und Sklaverei bestimmend waren, sind es jetzt Freiheit, Erbe und Kindschaft. Der Umschwung geschieht durch die Sendung des Sohnes, die als irdische Geburt durch eine Frau umgesetzt wird. Damit befindet sich der Sohn »unter dem Gesetz« und kann diejenigen, die unter den Bedingungen des Gesetzes leben, erlösen. Um diese Knechtschaft zu lösen, muss der Erlöser offensichtlich zunächst in eine Geschickgemeinschaft mit den zu Erlösenden eintreten. Der Ausdruck »Geboren von einer Frau« stimmt sachlich überein mit Aussagen wie: »Er kam als Mensch«, »er kam im Fleisch« oder »er war/ wurde Mensch«. 768 Gal 4,6: »Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt (ἐξαπέστειλεν) in unsere Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater«. 766 Weder 1. Wein noch 2. ein abendliches Jüngermahl werden genannt. 3. Es ist keine Abschiedssituation gegeben. 4. Es ist vom Fleisch, nicht vom Leib die Rede. 4. Sündenvergebung wird nicht genannt. 5. Kein Wiederholungsbefehl. 767 Vgl. D UNN , Christology, 38-44; F EE , St Paul; A LETTI , Romans 8; B ERGER , Theologiegeschichte, 541-556. 768 D UNN , Christology, 40, nennt als Belege: Hiob 14,1; 15,14; 25,4; 1QS 11,20f; 1QH 13,14; 18,12f; 16; Mt 11,11. Die massive Betonung des Menschseins Jesu könne gegebenenfalls auch als Bestreitung einer Position angesehen werden, die vom Auftritt eines (nur) himmlischen Wesens ausgeht (ebd., 43). 222 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Der Sendung des Sohnes steht die Sendung des Geistes parallel. Der Geist hilft zur Anrufung Gottes als Vater (vgl. 1 Joh 4,1). Während bei der Sendung des Sohnes nicht ausgesagt wird, wohinein oder in welcher Gestalt die Sendung geschieht, so ist der Geist gesandt εἰς τὰς καρδίας ἡμῶν. Gott ist hier der Sender, der Geist ist der Geist des Sohnes. 6.4.2 Phil 2,6-11 769 Das Christus-Enkomion 770 in Phil 2,6-11 geht von »demjenigen« (aus 2,5 wissen wir, dass es Christus Jesus ist) aus, »der in göttlicher Gestalt« (ἐν μορφῇ θεοῦ) war (2,6). 771 Diese μορφή wird abgelegt in einer Selbsterniedrigung und stattdessen die »Gestalt eines Sklaven« angenommen (μορφὴν δούλου λαβών) (2,7). 772 Er tritt nun auf in »Gleichgestalt von Menschen« (ἐν ὁμοιώματι ἀνθρώπων) und »von der Erscheinung her wie ein Mensch« (σχήματι ὡς ἄνθρωπος) (2,7). Erniedrigung und Gehorsam werden bis zum Tod am Kreuz durchgehalten (2,8), 773 sodass Gott ihn als Folge erhöht hat und ihm den Namen über alle Namen gegeben hat (2,9), also offensichtlich den heiligen Namen Gottes selbst. Daraufhin beugen sich alle himmlischen und irdischen Mächte »im Namen Jesu« so, als sei er der Schöpfer selbst und bekennen ihn als Herrn, selbstverständlich zur Ehre des Vaters (10-11). Das Kommen Jesu wird nicht als Sendung von Gott, sondern als eigene Entscheidung dargestellt. Dabei handelt es sich um den Wechsel zwischen zwei Räumen (»Himmel« und Bereich der Menschen). Dieser Wechsel ist verbunden mit einem Gestaltwechsel. Die Annahme menschlicher Gestalt (σχῆμα; 769 Lit.: H ENGEL , Sohn Gottes; V OLLENWEIDER , Charakter; DERS ., Umfeld; DERS ., Horizonte; DERS ., Raub; G IESCHEN , Christology, 337-346; D UNN , Christology, 114-121; DE J ONGE , Christologie, 108ff; M ÜLLER , Menschwerdung, 20-32; B ERGER , Kommentar. 770 Überblick formgeschichtlicher Einordnungen: V OLLENWEIDER , Raub, 414. Vgl. B ERGER , Formgeschichte. 771 DE J ONGE , Christologie, 109, weist darauf hin, dass hier implizit Adam im Blick sein könne: Der war nach dem Bild/ der Gestalt Gottes geschaffen; das Thema Raub ist mit Blick auf die Gier beim Sündenfall im Raum; Adam ist im Gegensatz zu Christus ungehorsam; Christus erhält den »Namen über alle Namen«, also ein Sein »wie Gott«, was Adam durch den Sündenfall nicht erreicht, sondern verwirkt hat. Siehe unten (zu Röm 8,3 - Gen 1,26) S. 235. Vgl. auch unten S. 439 (Christus, der neue Adam, der himmlische Mensch). 772 Zur damit geschilderten »Metamorphose des Gottessohnes« hat neben Z ELLER und M ÜLLER besonders V OLLENWEIDER (Metamorphose) reichlich Material vorgelegt. S.u. S. 383 (Götter gehen unter Menschen umher) u. S. 439 (Christus, der neue Adam, der himmlische Mensch). V OLLENWEI - DER fasst (ebd., 114f) zusammen: »Die beiden ›Gestalten‹ von Phil 2,6f. lassen sich traditionsgeschichtlich gut in die umfassende thematische Konfiguration der ›verborgenen Epiphanie‹ einzeichnen. Sowohl die ›Gestalt des Sklaven‹ (V. 7b) wie die ›Ähnlichkeit‹ und ›Erscheinung‹ eines Menschen (V. 7c/ d) scheinen das Muster der Verhüllung eines Gottwesens in menschlicher Gestalt zu variieren. Es empfiehlt sich, auch die ›Gottesgestalt‹ (V. 6a) zunächst in diesen sich vom Kontext her aufdrängenden epiphanialen Zusammenhang zu stellen. Die μορφή ist hier als leibhaftige, im Prinzip sichtbare Lichtgestalt anzusprechen, mit der das Himmelswesen bekleidet ist. Gerade der Erzähltyp der verborgenen Epiphanie lebt von der Spannung zwischen der Verhüllung und der wahren, überaus schönen Gestalt des göttlichen Wesens eine Spannung, die sich meist am Schluss durch deren Offenbarung endlich löst.« 773 Vgl. 2 Kor 8,9: »Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet. 6.5 »Das Fleisch des Christus« bei Paulus 223 ὁμοίωμα) 774 ist Teil des geleisteten Gehorsams und somit Voraussetzung der nach dem Tod am Kreuz von Gott bewirkten Erhöhung und Ehrung. Die Annahme des vollen menschlichen Schicksals inklusive menschlicher »Gleichgestalt« 775 ist dann auch Voraussetzung, an Gottes Thron etwas für die Menschen bewirken zu können - und zwar als einmaliger Repräsentant Gottes selbst. 776 Auch hier ist auf andere Weise das Ziel der Erhöhung der Lobpreis oder das Bekenntnis (ἐξομολογέω). Der Unterschied zwischen Gal 4,4 und Phil 2,11 gegenüber 1 Joh 4,1 ist die Zielrichtung: In dem einen Fall geht es um anbetendes Bekenntnis (Paulus), in dem anderen um das öffentliche Bekenntnis. 777 Festzuhalten ist: Sowohl in Gal 4,4 als auch in Phil 2,6-11 geht es um den Wechsel Jesu vom Bereich des Himmels/ Gottes her, der in Gal 4,4 als »Sender« auftritt, in den Bereich der Menschen. Dabei wird das menschliche Geschick (Gal 4: »unter dem Gesetz«), bzw. die Gestalt der Menschen (Phil 2) angenommen. Das Geschick Jesu wird in Phil 2 direkt genannt, in Gal 4 nur mit dem Hinweis auf das »Unter-dem-Gesetz-Sein«. Was das bedeutet, hatte Paulus allerdings schon in Gal 3,1 hinreichend deutlich betont. 778 Jeweils also kommt Jesus Christus von Gott her, teilt menschliches Geschick und Gestalt, erleidet den Tod und wirkt durch dieses ganze Geschehen die Erlösung der Menschen. 6.5 »Das Fleisch des Christus« bei Paulus 779 Wenn der Sache nach das Geschehen der Menschwerdung Christi auch ohne den Begriff »Fleisch« auskommen konnte, was ist der genaue Sinn, diesen Begriff dennoch zu verwenden? 6.5.1 Röm 1,3f und Röm 9,5 Im einleitenden Briefformular des Paulus an die ihm unbekannte »Gemeinde« in Rom 780 stellt der Apostel den Inhalt des Evangeliums, das er in Gottes Auftrag verkündet, vor. 781 774 Wie in Röm 8,3 (s.u.); B ERGER , Theologiegeschichte 309 weist auf die Zusätze zu AscJes hin (10,9.15), wo davon gesprochen wird, dass Christus sich jeweils in die »forma« der himmlischen Engelklassen transfiguriert, um schließlich die »forma« der Menschen anzunehmen: »Die forma entspricht exakt der ›Gestalt‹ von Röm 8,3.« 775 Vgl. Röm 8,3. D UNN , Christology, 117, vergleicht beide Stellen: »What is expressed in one phrase in Rom 8,3, ›sent in the very likness (ὁμοιώματι) of sinful flesh‹, is expressed in two phrases in Phil 2,7, ›taking the form of a slave, bekoming in the very likeness (ὁμοιώματι) of men.‹« 776 Vgl. B ERGER , Kommentar zur Stelle. 777 Zu fragen wäre, wie beides miteinander zusammenhängt. 778 Vgl. Gal 5,11.24; 6,12.14. 779 Vgl. F EE , St Paul and the Incarnation; A LETTI , Romans 8; D UNN , Christology, B ERGER , Theologiegeschichte. 780 Von einer eigentlichen Gemeinde im paulinischen Sinn kann man wohl nicht sprechen, da Paulus das Wort ekklesia nicht einmal benutzt, sondern die Adressaten eher als »Heilige« anredet. Davon ausgehend, dass Kapitel 16 originärer Bestandteil des Briefes ist, sind dem Paulus eine Reihe dieser römischen Christen bekannt. 781 W ILCKENS , Brief, Bd. 1, 15: »Es ist eine noch unbekannte Gemeinde, zu der er zum ersten Mal Kontakt aufnimmt. Sein Brief ist eine Art Selbstvorstellung. Das zeigt sich schon im Präskript (1,1-7), in dem die Absenderangabe durch eine gedrängte Zusammenfassung des Evangeliums erweitert ist (1,2-6).« 224 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Es ist das Evangelium von und über Gottes Sohn (vgl. 1,1 mit 1,3a). 782 Von diesem Sohn Gottes schreibt er einleitend: Auffällig ist: Jesu irdisches Dasein wird der Einsetzung zum Sohn Gottes in Kraft entgegengesetzt. Das irdische Dasein wird als κατὰ σάρκα gekennzeichnet, das himmlische als κατὰ πνεῦμα ἁγιωσύνης. Zu fragen ist hier: 1. Was bedeutet es für Paulus, dass Jesus als leiblicher, menschlicher Nachkomme Davids bezeichnet wird, eine Aussage, die sich bei Paulus nicht wiederholt? Der jüdische König und »Gottessohn« David spielt überhaupt nur im Römerbrief des Heidenapostels eine Rolle (1,3; 4,6; 11,9), sowie in 2. Tim (2,8). Der bei den Synoptikern beliebte Titel »Sohn Davids« fehlt bei Paulus völlig. 2. Was meint Paulus damit, dass Jesus »eingesetzt« wurde durch den Heiligen Geist - und das offenbar im Zusammenhang mit der Auferstehung? Kann man sagen: Erst war er Mensch; dann, nach dem Osterereignis himmlisches Wesen? 3. Handelt es sich um eine antithetische Formulierung, in der die zweite Hälfte die erste überbieten will? Geht es also gleich zu Beginn des Römerbriefes um eine Überbietung des Jüdischseins Jesu? Ist es also wahr, dass Paulus nicht am irdisch-menschlichen Jesus interessiert war? Die Fragen lösen sich, wenn man den Gesamtzusammenhang beachtet. Paulus schreibt den Römerbrief an die Christen bzw. christlichen Gruppen in Rom, die er entweder als Basis für künftige Missionsunternehmungen im Westen gewinnen will, oder deren einflussreiche Fürsprache er für seine anstehende Jerusalemreise in Zusammenhang mit dem weiter schwelenden Konflikt nach dem »antiochenischen Zwischenfall« erhofft. 783 Jedenfalls ist die Gemeinde in Rom aus Heiden- und Judenchristen zusammengesetzt. Der antiochenische Zwischenfall, dessen bittere persönliche Konsequenzen dem Apostel noch bevorstehen, entzündete sich genau an der Frage der Gültigkeit jüdischer Kultvorschriften auch für die paulinischen Gemeinden aus Juden- und Heidenchristen. Nachdem Paulus in den Anfangsphasen des Konflikts seine Position in seinen eigenen Gemeinden durchzusetzen versuchte und dabei konfliktverschärfend aufgetreten war, wie aus dem Galaterbrief ersichtlich ist, geht es nun um ein diplomatisches Schreiben an im Großen und Ganzen »fremde« Christen. 784 Sein Anliegen ist es, nach Kompromissen zu suchen, um seiner generelle Linie wenigstens Anerkennung und gegebenenfalls Unterstützung zu verschaffen. Die Kompromisse bestehen maßgeblich darin, dass stärker paulinisch geprägte Menschen, die sich nicht an jüdische Kultvorschriften gebunden fühlen, Rücksicht nehmen auf solche Judenchristen, für die es hier um Grundsätzliches geht. Zugleich geht es darum, beiden Gruppen den gegenseitigen Respekt dadurch zu ermöglichen, dass um Verständnis für die jeweilige Eigenart 782 Lit. J EWETT , Redaction, 99-122; S CHWEIZER , E., Röm 1,3f., B ERGER , Kommentar, 497ff. 783 Lit.: L OHSE , Paulus, 92-96; S CHLIER , Grundzüge; S ANDERS , Paulus; B ERGER , Paulus, 12-18; D UNN , Christology, 33-36; DE J ONGE , Christologie, 35f. 784 Z ELLER , Brief, 17, Römerbrief als »Visitenkarte des Apostels«, aus der »ein eindrucksvoller Traktat wird«. Röm 1,3 περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ τοῦ γενομένου ἐκ σπέρματος Δαυὶδ κατὰ σάρκα Röm 1,4 τοῦ ὁρισθέντος υἱοῦ θεοῦ ἐν δυνάμει κατὰ πνεῦμα ἁγιωσύνης ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν, Ἰησοῦ Χρισττοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν über seinen (Gottes) Sohn, der aus dem Samen Davids stammt, was das Fleisch betrifft, der als Sohn Gottes in Kraft eingesetzt ist was den Geist der Heiligkeit betrifft, aus Auferstehung von (den) Toten, Jesus Christus, unser Herr. 6.5 »Das Fleisch des Christus« bei Paulus 225 geworben und die jeweilige Funktion im Heilsplan Gottes erklärt wird. Es geht also im Römerbrief um einen Ausgleich zwischen Juden- und Heidenchristen. Die sonst bei Paulus singuläre Verwendung der Davidfigur erklärt sich nun schon alleine dadurch: Jesus als Davidsohn entstammt den Heilstraditionen Israels, die im Römerbrief gerade nicht abqualifiziert, sondern positiv gewertet und neu eingeordnet werden. Eine Herabsetzung ist also in Röm 1 nicht zu erwarten. Dennoch nimmt die Erwähnung der Abstammung von David einen kleineren Raum ein als der Bezug auf seine gemäß dem Heiligen Geist erfolgte Einsetzung zum Sohn Gottes. Handelt es sich also doch nur um eine rhetorische Finesse des Paulus? Spielt am Ende der Davidsohn Jesus doch keine Rolle? In 1,3a wird der Gottessohn schon genannt, bevor er mit dem Nachkommen Davids identifiziert wird. Es ist der Sohn Gottes, der menschlich gesehen von David abstammt, der aber geistlich gesehen seine Gottessohnschaft aus dem Geist der Heiligkeit und der Auferstehung hat. Damit überbietet zwar die geistliche Abkunft die menschlich-irdische. Gleichzeitig sind aber gerade die menschlichen Bande, aus denen er stammt von besonderem Interesse. Dass sie überboten werden, bedeutet keine grundsätzliche Abwertung. Innerweltlich könnte man sogar von einer besonderen Wertschätzung und Aufwertung sprechen, die nur angesichts des Größeren, das mit der Auferstehung angebrochen ist und mit dem Geist Gottes zusammenhängt, aber nicht in ihrer ganzen Fülle zur Geltung kommt. 785 B ERGER spricht in Anschluss an K OCH von einer zweiphasigen Christologie und leitet diese aus einer zweiphasigen Messianologie in 4Esr, ApkBar(syr) und Entsprechungen in der ApkAbr ab. 786 In 4Esr 12,32 spielt der von David abstammende Messias eine irdische, begrenzte Rolle für Israel. Ähnlich wird in frühchristlichen Summarien dir Rolle des irdischen Jesus eingeordnet (Röm 1,3; 2 Tim 2,8; IgnSm 1,1). 787 S ÖDING , der diese These aufgreift, stellt in seiner Untersuchung zu Röm 1,3f. fest, dass Röm 1,3f. »ein Schlüsselsatz vorpaulinischer und paulinischer Christologie, ein Zeugnis frühen Nachdenkens über den Irdischen wie den Erhöhten, nicht zuletzt aber ein Dokument gezielter Anverwandlung alttestamentlich-jüdischer Messianologie im hellenistischen Kontext« ist. 788 Vergleicht man nun Röm 1,3 mit Röm 9,5, wo auch von Christus κατὰ σάρκα die Rede ist, fällt auf, wie positiv dieses κατὰ σάρκα gesehen wird. Zunächst betont Paulus in 9,1-3 seine eigene Verbindung zu Israel κατὰ σάρκα, die für ihn Grund zu Traurigkeit und Herzensschmerz ist, so dass er sich selbst (9,3) verflucht wissen will (ἀνάθεμα εἶναι) für seine »Brüder und Verwandten nach dem Fleisch« (ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν μου τῶν 785 Ähnlich sagt Jesus über Johannes den Täufer: Dieser ist der Größte von allen Menschen, soweit es diese Welt betrifft. Das Reich Gottes aber, das mit Jesus anbricht, ist so beschaffen, dass der Kleinste im Reich Gottes den Größten aus der Alten Ordnung (Johannes) noch überragt (Lk 7,28). - Der Unterschied zu so einer »freundlichen« Überbietung findet sich z.B. in der Gegenüberstellung von Adam und Christus, wo Adam für das Prinzip des sündigen, vergänglichen Menschen steht, das überwunden wird (Röm 5,12-21). Hier geht es um den Gegensatz von Gnade und Sünde. - Bei der Überbietung des Johannes durch Jesus (Lk 7,28) oder des durch David gekennzeichneten »fleischlichen« durch den »pneumatischen« Sohn Gottes (Röm 1,3f.) geht es dagegen wesentlich um Verwandlung und Vollendung. Das vor der Verwandlung liegende Stadium ist dabei nicht negativ, nur eben noch nicht vollendet. Es ist als notwendige Vorstufe für das Kommende wertvoll. 786 B ERGER , Theologiegeschichte, 75-78. Im Wesentlichen zustimmend diskutiert von S ÖDING , Davidssohn, 325-355. 787 Ebd., 76. 788 S ÖDING , Davidssohn, 325. 226 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament συγγενῶν μου κατὰ σάρκα). κατὰ σάρκα bedeutet hier also die engstmögliche Verbindung und Geschickgemeinschaft, die für Paulus so weit geht, dass er das für ihn denkbar schlimmste Schicksal auf sich nehmen würde, um sein Volk, sein »Fleisch und Blut« vom Untergang zu retten. Es geht damit in 9,3 um Geschickgemeinschaft und um die daraus abgeleitete Konsequenz, für diejenigen, mit denen diese Geschickgemeinschaft besteht, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen. Paulus betont auf diese Weise unüberbietbar seine persönliche Verbundenheit und Liebe zu seinem Volk. In 9,4f. weist er auf die Heilsgüter hin, die Israel »gehören«, und zwar wohl unverlierbar, auch wenn Paulus im Folgenden (9,6ff.) deutlich macht, dass diejenigen Juden, die Christus nicht als Heiland anerkennen, in Wirklichkeit außerhalb des wahren Israel stehen. Zu den Heilsgütern Israels, die Paulus aufzählt (9,4f.), gehören Kindschaft, Herrlichkeit, der Bund, das Gesetz, der Gottesdienst, die Verheißungen und die Väter. Als Letztes in der Aufzählung folgt das wichtigste Argument für die Wert- und Hochschätzung Israels: ἐξ ὧν ὁ Χριστὸς τὸ κατὰ σάρκα, ὁ ὢν ἐπὶ πάντων θεὸς εὐλογητὸς εἰς τοὺς αἰῶνας (»aus denen auch der Christus gemäß seiner leiblichen Abstammung stammt, der über alles Gott ist, der gelobt wird in Ewigkeit«). Wieder meint κατὰ σάρκα die enge, positive Verbundenheit mit Israel und seinen Verheißungen. Wenden wir das auf Röm 1,3f. an, so ist deutlich, dass auch hier die Abstammung Jesu von David κατὰ σάρκα zunächst einmal als »höchstes Lob« für Israel und seine Messiastraditionen zu werten ist, die den prägenden Rahmen für den Menschen Jesus abgeben, der zugleich der durch den Geist der Heiligkeit in der Auferstehung »eingesetzte« Gottessohn ist. Zwar ist Paulus auch hier nicht an dem »historischen Jesus« interessiert. Er macht aber durch das κατὰ σάρκα deutlich, dass die »fleischliche« Erdenexistenz Jesu theologisch eine Rolle spielt. Und das wohl in doppelter Hinsicht. Einmal wird sie in Röm 9,5 wie ein Höhepunkt an die Spitze der Vorzüge und Heilgüter Israels gesetzt. Somit wird Israels Wert »an sich« innerhalb der Debatte um Juden- und Heidenchristen deutlich gemacht. Zum anderen ist, wie aus Röm 1,3f. ersichtlich, genau diese Verortung in der Geschickgemeinschaft der Menschen, speziell in der mit Israel - und zwar als Abkömmling Davids - Voraussetzung dafür, dass die »Einsetzung« zum »Sohn Gottes« κατὰ πνεῦμα überhaupt erfolgen kann. Im Rahmen der paulinischen Soteriologie und Anthropologie heißt das, dass in Israel die erste »Gottessohnschaft« durch den Heiligen Geist in der Person Jesu besteht. Durch denselben Geist können die Christen Anteil an dieser Gottessohnschaft erlangen, auch wenn sie noch nicht vollendet und noch »im Fleisch« sind, d.h. zwar das Innere schon, aber noch nicht die leibliche Hülle pneumatisch verwandelt ist. Die pneumatische Verwandlung des Leibes bedeutet die Vollendung, nicht die Vernichtung des Irdischen. Mit diesen Betrachtungen lässt sich für die beiden bisher besprochenen Stellen nicht nur jeder Doketismusverdacht abwehren, sondern auch positiv zeigen, zu welchem Zweck Paulus hier von Christus »in seiner menschlichen Natur« spricht. Es geht um Geschickgemeinschaft Jesu mit seinem Volk, es geht um die Voraussetzung für seine Gottessohnschaft. Schlussendlich bedeutet das, dass die irdische Existenz Jesu für Paulus von wesentlicher soteriologischer Relevanz ist. Auf diese Relevanz weist er im Römerbrief nicht hin, weil irgendwelche doketisti- 6.6 Römer 8,3 227 schen Gegner im Raume wären, sondern um seine Position hinsichtlich der bleibenden Rolle und theologischen Funktion Israels zu klären. Wie in den Inkarnationsaussagen Gal 4,4 und Phil 2,6-11 spielt in Röm 1,3f der Geist die Rolle dessen, der den irdischen, menschlichen Raum verwandelt und für Gott öffnet. Im Gegensatz zu Gal 4,4 und Phil 2,6-11 wird allerdings der Prozess der Menschwerdung nicht thematisiert, sondern nur die soteriologische Relevanz der irdischen Existenz Jesu hervorgehoben. 789 6.6 Römer 8,3 In Röm 8,3, dem späteren Locus Classicus der Inkarnationslehre der Alten Kirche, 790 verbindet Paulus die Rede vom »Fleisch Christi« mit der Reflexion des Inkarnationsvorgangs. 791 Röm 8,3 ist insgesamt als die engste paulinische Parallele zur Inkarnationsaussage von 1 Joh 4,2 anzusehen. 6.6.1 Kontext: Römer 6-8 Röm 8,3 ist Teil eines größeren Gesamtkomplexes innerhalb des Römerbriefes, der mit dem Ende von Röm 8 endet (Röm 8,39). Über den Anfang kann gestritten werden. Setzt man den Schnitt nach vorne »vor Röm 5 oder vor Röm 6 bzw. nach 5,11«? 792 Jedenfalls wird ab Röm 6 das Thema Sünde, verbunden mit der Frage nach der Freiheit vom Gesetz thematisiert sehen. 793 Die leitende Frage in Röm 6 ist: Wie geht man mit der Gegebenheit von »Sünde« um? Insbesondere dann, wenn kein leitendes, bindendes »Gesetz« für Klarheit sorgt (6,14f.)? Dass »Sünde« keine Option für Christen ist, ist zwar klar, muss aber offensichtlich gesagt werden, schon um nach den Argumentationsgängen zur »Freiheit vom Gesetz« Missverständnisse zu vermeiden. 794 Denn das Ergebnis von Sünde ist Tod, die Gabe Gottes dagegen ist ewiges Leben (6,23). Auf der anderen Seite hat die Taufe Anteil am Geschick Jesu bewirkt, der in den Tod gegangen ist. Dementsprechend besteht Hoffnung auf Anteilhabe am Auferstehungsleib und auf Freiheit von Sünde (6,2-11). Denn durch den Tod Christi sind auch die zu ihm Gehörenden für die Sünde »gestorben« (6,11). Die Aufforderung, nun auch wirklich nicht zu sündigen, ist nötig, weil die Sünde nach wie vor »in« den Menschen (6,12), genauer gesagt »in mir«, bzw. »in meinem Fleisch« »wohnt« (7,17f.). 795 789 Ich sehe in Röm 1,3 die zeitliche Abfolge Mensch - Erhöhung - Sohn Gottes als nicht entscheidend an. Es geht nicht um eine postmortale Vergottung Jesu, sondern es geht um die Gottessohnschaft, deren Inkraftsetzung in der Auferstehung deutlich wird. Das heißt aber nicht, dass sie vorher gar nicht da war, sondern eben noch nicht in Kraft gesetzt. - Anders M ÜLLER , Menschwerdung, 14. 790 W ILCKENS , Kommentar Bd. 2, 125 mit Anm. 511. 791 Grundlegend insgesamt: S TARNITZKE , Struktur; B RANICK , V. P., Sinful Flesh; G ILLMAN , F.M., Another Look. Vgl. auch D UNN , Christology, 44f. Vgl. B ERGER , Kommentar, 523-540, der (ebd., 529) Röm 8,1-11 als wichtigstes Kapitel paulinischer Theologie bezeichnet, wobei es um eine kompakte Theologie des Heiligen Geistes geht. Vgl. K RUG , Kraft. 792 P AULSEN , Röm 8,6. P AULSEN diskutiert diese Frage und die Positionen der älteren Forschung S. 5-21. Z ELLER warnt vor allzu festen Festlegungen, da man mit »Zwischengedanken, Exkursen zur Vermeidung von Missverständnissen und dadurch bedingten Wiederaufnahmen rechnen« müsse (Römerbrief, 8). 793 P REU ß/ B ERGER , Bibelkunde, 351ff. Vgl. N IEBUHR , Grundinformation, 204: »Paulus will (...) darlegen, dass erstens im Evangelium Gott erfahrbar wirksam geworden ist (1,18-5,21), dass zweitens sich dieses Wirken Gottes für die Menschen, die glauben, heilsam auswirkt (6,1-8,39), und dass drittens dies im Besonderen für Juden und Nichtjuden gilt (9,1-11,36). (...) Kap. 6-8 zieht die Konsequenzen (...) für das gegenwärtige Leben derer, die an Christus glauben.« 794 Paulus reagiert damit auf eine mögliche Fehldeutung seiner Aussage in 5,20f. Was hier eher rhetorisch klingt, mag historisch gesehen eine Reaktion auf eine (verzerrte) Fehlinterpretation von andernorts gegebenen ähnlichen Aussagen des Paulus durch seine Gegner gewesen sein. So auch S CHLIER , Römerbrief, 190. 795 Zu den »paulinischen Einwohnungsaussagen« vgl. M EIER , Mystik, 246-268. 228 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Es geht also um die Machtfrage, welche Kraft den Menschen beherrscht. Ist es die »Sünde«, die sich die menschliche Verfassung (»Fleisch«) zu Nutze macht? Oder regiert schon der »Geist«, der ebenfalls »in« den Christen »wohnt« (8,9.11)? 796 Ansatzpunkte findet die Sünde an zwei Stellen. Erstens ist das »Fleisch« durch Leidenschaften geprägt. Zweitens sollte das Gesetz regulierend wirken. Die Sünde erreicht, dass die Begierden sich gegen die Gebote richten und sie verletzen. Statt zum Leben zu führen, führt das Gesetz auf diese Weise zum Tod (Röm 7,5-11). Dabei ist das Gesetz an sich gut (7,12), es ist nur von der Sünde gegen seine eigene Intention missbraucht worden (7,21). Das Problem liegt darin, dass das Gesetz »geistlich« ist, der Mensch aber »fleischlich, verkauft unter die Sünde« (7,13). Dieses »Verkauftsein« äußert sich in Fremdbestimmung über den Menschen, der am Ende nicht das tut, was er will, sondern von der in ihm »wohnenden Sünde« bestimmt ist, die eigenmächtig handelt (7,17.20). 797 Gleichzeitig gibt es aber auch etwas am Menschen, das nicht von dieser Sündenmacht bestimmt wird. Paulus nennt es den »inneren Menschen« (Röm 7,22f.). 798 Nur kann dieser eben nicht frei handeln und sich durchsetzen. 799 Der Mensch ist von zwei widerstreitenden Mächten bzw. Gesetzen hin- und hergerissen. »Dem Verstand nach« dient er dem »Gesetz Gottes, andererseits aber dem Gesetz der Sünde, dem Fleische nach« (7,25). Auf diese Weise hat Paulus also in Röm 6 und 7 aus seiner Sicht das Dilemma des Christen beschrieben: Einerseits ist er befreit von der Sünde (6,14.18). Und dennoch hat die Sünde einen Angriffspunkt im Menschen, der nicht beseitigt ist: die Begierden des Fleisches. Durch diese Begierden ist selbst das Gesetz Gottes unbrauchbar gemacht worden und richtet sich gegen den Menschen. Der Mensch, der im Fleisch unter der Macht der Sünde ist, findet keine Möglichkeit, sich zu wehren. Nur der »innere Mensch« ist von der Sünde nicht affiziert, die als fremde Außenmacht wahrgenommen wird. Die Macht der Sünde treibt den Menschen dazu, aufgrund seiner fleischlichen Konstitution gegen das geistlich bestimmte Gesetz zu handeln, weil Fleisch und Blut niemals im geistlichen Sinne ausreichend handeln können. Daraufhin setzt Paulus in Röm 8,1 mit einer neuen These ein: »Für diejenigen, die ›in Christus Jesus sind‹ gibt es keine Verurteilung mehr.« Nach dem Gesagten verwundert dies. Aber Paulus führt die Aussagen aus Röm 6,14 weiter, dass die Sünde nicht herrschen kann über die, die unter der Gnade stehen. Röm 8,2 begründet: »Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat dich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.« - Ansatzpunkt ist die »Verurteilung« durch das Gesetz, nicht die Sünde selbst. Deren reale Existenz hatte Paulus 796 Vgl. Z ELLER , Römerbrief, 142-144 (Der Konflikt im Menschen nach griechischer und jüdischer Tradition). Z ELLER weist darauf hin, dass die Konzeption der im Innern des Menschen widerstreitenden Mächte sowohl durch pagan-griechisches Denken, als auch »über jüdische Kanäle vermittelt worden sein« kann (143). Aus 1QH 1,27 kann man entnehmen, dass die irdische Beschaffenheit des Menschen dazu führt, dass er im Dienst der Sünde steht. Nach 1QH 13,15f. ist der Mensch von einem verkehrten Geist beherrscht. Und nach der »Sektenregel« 1QS 4,23 kämpfen im Menschen die Geister der Wahrheit und des Frevels. 797 M EIER , Mystik, 266ff, spricht von schädlicher Immanenz. Allerdings ist sowohl in Röm 7 als auch in 2 Kor 12,7 zu beachten, dass »der Raum, den die satanischen Gegenmächte okkupieren können, klar begrenzt« ist. »In beiden Fällen ist der Radius ihres Wirkens auf die biologisch-organische Dimension des Leibes beschränkt. Nur im Fleisch bzw. in den Körperteilen können Satansengel und Sündenmacht den Menschen affizieren, nur hier können sie ihm Schmerzen zufügen und ihren Willen aufzwingen (vgl. auch 1 Kor 5,5).« 798 M EIER stellt ebd. Anm. 75, fest, dass »Paulus den ἔσω ἄνθρωπος ohne Einschränkung positiv sieht. Das Verderben kommt ‹von außen›.« 799 M EIER , Mystik, 268: »Paulus bietet (...) eine eigenständige Fassung des traditionellen dualistischen Schemas: Weder schließt die göttliche Einwohnung von vornherein jede Form einer negativen Einwohnung aus, noch stehen sich umgekehrt die unterschiedlichen den Menschen erfüllenden Kräfte als gleichberechtigte Gegner gegenüber. Durch die Unterscheidung der Einwohnungsbereiche kann Paulus negative Immanenzerfahrungen zur Sprache bringen, ohne gleichzeitig die Gültigkeit und Überlegenheit der positiven Immanenz in Frage zu stellen. Damit wird außerdem deutlich, dass die dunklen Aussagen in Röm 7,14-25 keinesfalls nur die vorchristliche Existenz des Menschen beschreiben, sondern gelten, solange der Mensch σαρκινός ist (7,14). Mit der entscheidend neuen Situation, der sich Paulus in Röm 8 zuwendet, wurde ihm zwar eine neue, nämlich die pneumatische Dimension eröffnet, doch die Angriffe der Sünde auf den äußeren Menschen sind damit nicht beendet. Aus eigener Kraft kann auch ein Christ dem nichts entgegensetzen.« 6.6 Römer 8,3 229 zuvor beschrieben. Der Skandal ist, dass Gottes gutes Gesetz von der Sünde zur Verurteilung des Menschen missbraucht wird. Indem Paulus differenziert zwischen »Gesetz des Geistes des Lebens« und dem »Gesetz der Sünde und des Todes«, setzt er zwei normgebende Instanzen einander gegenüber. Es muss jetzt nicht mehr einfach von dem einen Gesetz des Mose geredet werden, sondern dieses eine Gesetz ist je nach Anwendung vom Geist Gottes oder vom Geist der Sünde in den Dienst genommen. Wie kann unter diesem Gesichtspunkt mit der Gegebenheit von Sünde umgegangen werden? Bisher konnte sie durch das Gesetz die Verurteilung des Menschen bewirken. Paulus sucht die Lösung nicht in der vollständigen Beseitigung der Sünde, denn die gehört zur fleischlichen Existenz des Menschen, solange noch nicht die endgültige Verwandlung eingetreten ist. Die zu beantwortende Frage lautet: Wo und wie kann die in den Tod treibende Macht der Sünde durchbrochen werden? Wie ist es möglich, dass das Gesetz nicht mehr verurteilt? Kann umgekehrt (mit dem Gesetz des Geistes) die Sünde verurteilt, in den Schatten und ins Aus gesetzt werden? An welcher Stelle ist auf welcher Weise dem tödlichen Wirken der Sünde begegnet worden? Röm 8,3 liefert die Antwort: Röm 8,3: »Das, was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war: Gott tat es. Seinen eigenen Sohn sandte er in der Gleichgestalt sündigen Fleisches und verurteilte der Sünde wegen die Sünde im Fleisch.« Die zu beantwortende Frage ist für Paulus also durch eine Aktion Gottes im Bereich der menschlichen Schwäche und Anfälligkeit von Sünde gelöst worden. In einer noch genauer zu beobachtenden Weise lässt er »seinen eigenen Sohn« im Machtbereich der Sünde auftreten. Das, was dem Gesetz unmöglich war, gelingt jetzt: Die Sünde wird verurteilt. Bisher hatte sie in diesem Bereich die Macht und konnte das Gesetz gegen den Menschen verwenden. Jetzt ist sie selber verurteilt worden nicht durch das Gesetz Gottes, sondern durch Gottes Handeln durch die Sendung des Sohnes. 800 Welche Konsequenzen das hat, zeigt Paulus direkt im Anschluss: Durch dieses Geschehen ist »in uns« die Forderung des Gesetzes erfüllt (8,4). »In uns« besteht jetzt, nach 8,3, eine Möglichkeit, sich grundsätzlich eher κατὰ σάρκα auszurichten - oder eben κατὰ πνεῦμα zu leben und als Konsequenz im ersten Fall den Tod, im zweiten Fall das Leben zu empfangen (8,4ff.). Die Begründung ist: Wer ἐν σαρκί ist, kann Gott nicht gefallen (8,8). Allerdings sind die Angeschriebenen gar nicht ἐν σαρκί, sondern ἐν πνεύματι, wenn nämlich Gottes Geist wirklich »in« 800 Paulus beantwortet so eine brisante Anfrage an seine Theologie: Die Freiheit vom Gesetz als Norm müsste der Sünde endgültig freie Bahn lassen. Tatsache ist, dass Sünde geschieht. Kein Wunder, wenn einer das Gesetz für nichtig erklärt. Tatsache ist aber auch, dass auch unter dem Gesetz Sünde geschieht. Paulus zeigt, dass die regulierende Wirkung des Gesetzes sich am Ende gegen den Menschen wendet, der so gerade keine Freiheit von Sünde erfährt. Die Freiheit vom Gesetz ist darum möglich, weil eine weitere Größe eingeführt wird, die mehr Möglichkeiten hat, als das Gesetz: Gottes Handeln durch seinen Sohn. Indem als Kernproblem erkannt ist, dass Sünde nicht einfach eine moralische Frage ist, die von der freien Entscheidungsfähigkeit des Menschen her zu beurteilen ist, sondern eine Macht, die sich im Menschen festgesetzt hat und diesen auch gegen seinen eigenen Willen bestimmt, ist deutlich, dass genau an dieser Stelle etwas getan werden muss. Der Gegensatz des geistlichen Gesetzes gegenüber dem schwachen Menschen (Fleisch) ist deutlich. Paulus setzt argumentativ sowohl eine Stufe »tiefer« an, um das Problem von Sünde und Freiheit zu lösen, nämlich bei den Bedingungen von Sünde im Menschen (Fleisch), als auch eine Stufe »höher«, indem die Lösung nicht von einer Mittelgröße (Gesetz) herkommt, sondern durch eine eigene Handlung Gottes, nämlich in der Sendung seines Sohnes. 230 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament ihnen »wohnt«. Umgekehrt: Wer den Geist nicht hat, gehört nicht zu Christus (8,9). 801 Im Folgenden wird auch davon gesprochen, dass Christus in den Adressaten ist (8,10), dass der Geist dessen, der Jesus auferweckt hat, in ihnen ist (8,11). Anschließend werden die Adressaten aufgefordert, dies auch zu realisieren. Sie sollen sich nach den Maßstäben des Geistes richten (8,12), der kein Sklavengeist ist (8,15), sondern der von Kindern, die Zugang zum himmlischen Vater haben (8,16). Darum hat ein solcher Mensch die Fähigkeit der Entscheidung gegen eine rein »menschliche«, »fleischliche« Lebensweise und für eine »geistliche«, indem durch den Geist die Handlungen des Fleisches bekämpft, bzw. gar getötet werden (8,13). In einem Ausblick weist Paulus auf das Ziel hin, die Erlösung. So, wie die Christen Gott als Vater anrufen können, so wie Jesus (8,14), so sind sie auch Miterben Christi, die mit ihm leiden und mit ihm erhöht werden (8,17). Denn sie sollen als Ziel der Erlösung dem Bild des Sohnes Gottes gleichgestaltet sein (συμμόρφους τῆς εἰκόνος τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ) (8,29). Aber nicht nur die leibliche Geschickgemeinschaft der Kinder Gottes mit Christus durch das Leid bis zur Herrlichkeit wird erwähnt, auch die Schöpfung als ganze leidet mit und sehnt sich nach der Erlösung, die ihr nur dadurch zuteilwerden kann, dass die Gotteskinder erlöst werden (8,19-23). Zusammenfassend sind folgende Aussagen zu Immanenz und Geschickgemeinschaft zu nennen: 6.6.2 Immanenzaussagen a) Die Sünde droht im sterblichen Leib (σῶμα) zu herrschen, ist dort zu bekämpfen (6,12). b) Als wir »im Fleisch« waren, waren die Leidenschaften der Sünde »in unsern Gliedern« mächtig (7,5). c) Die Sünde nimmt das Gesetz zum Anlass und wirkt »in mir« (ἐν ἐμοὶ) Begierden (7,8). d) Die Sünde »in mir« wirkt gegen das geistliche Gesetz und den eigenen Willen (7,17.20). e) Daher wohnt nichts Gutes »in mir« bzw. »in meinem Fleisch« (ἐν τῇ σαρκί μου) (7,18). f) Paulus redet vom »inneren Menschen« (ἔσω ἄνθρωπος), der die Sünde nicht will (7,22). g) Dem steht das Gesetz der Sünde »in meinen Gliedern« (ἐν τοῖς μέλεσίν μου) gegenüber. h) Gott sendet seinen Sohn »in Gleichgestalt des Sündenfleisches« (ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας) und verurteilt die Sünde »im Fleisch« (ἐν τῇ σαρκί) (8,3). i) »In uns« (ἐν ἡμῖν) ist nun die Forderung des Gesetzes erfüllt (8,4). j) Es gibt zwei Möglichkeiten zu leben: ausgerichtet an den Möglichkeiten des menschlichen Daseins (ἐν σαρκί), oder ausgerichtet an den Möglichkeiten des göttlichen Geistes (ἐν πνεύματι). Dabei bedeutet ἐν, dass man sich in den Herrschaftsbereich der genannten Sphäre, die als Macht erfahren wird, stellt. Jemand ist ἐν πνεύματι, wenn Gottes Geist »in« ihm »wohnt« (8,9). k) Wenn Christus »in euch« ist, ist der Leib wegen der Sünde tot, aber der Geist lebt (8,10). l) Dieser lebende Geist hat Christus vom Tod erweckt. Das bedeutet Hoffnung für die eben als »tot« bezeichneten Leiber: Wenn dieser Geist »in« ihnen »wohnt«, wird er auch sie lebendig machen (8,11). Ergebnis: Es geht um den »Innenraum« des Menschen, in dem verschiedene Kräfte um die Macht ringen. Die sterbliche Sphäre des Menschen wird »Fleisch« 801 Vgl. zu 1 Joh 4: Der Geist ist der Maßstab der Zugehörigkeit. In 1 Joh erkennt man die Gabe des Geistes am Bekennen und am Handeln; in Röm 8 wird nicht gesagt, an welchem Kriterium man messen kann, ob jemand den Geist hat. Allerdings geht es hier auch nicht um die Frage, ob ein anderer Mensch nun Heiligen Geist hat, sondern individueller darum, ob ich selbst Anteil an Christus habe. Der Geist ist dabei offenbar eine eher unstrittige, erfahrbare Größe. Gestritten wird vielmehr über die bleibende Rolle der Sünde und des Gesetzes. 6.6 Römer 8,3 231 genannt. Die feindliche Macht heißt »Sünde« und sie hat sich auch das eigentlich geistliche »Gesetz« Gottes zunutze gemacht und gegen den Menschen gewendet. Der »innere Mensch« kann dies nur hilflos beobachten, aber nicht selber verändern. Die Veränderung und Rettung kommt von außen (8,3), indem Gott seinen Sohn ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας sendet, um die Sünde ἐν τῇ σαρκί zu verurteilen. Dadurch ist »in uns« die Forderung des Gesetzes erfüllt und man kann sich nun entscheiden, ob man »im Fleisch« oder »im Geist« leben möchte. Es geht darum, sich nicht mehr an den Wirkmächten menschlicher Existenz, sondern am Geist zu orientieren. Wer dies tut, hat den Geist Gottes oder Christus »in« sich. 6.6.3 Aussagen zur Geschickgemeinschaft mit Jesus 802 a) Taufe bedeutet Verbindung mit dem Tod Christi (6,3). b) Daraus folgt Anteilhabe an Auferstehung (6,4). c) Weil wir mit ihm verbunden sind dadurch, dass wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein (6,5). d) Unser alter Mensch ist mit Christus gekreuzigt (6,6). e) Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben (6,8). f) Die Konsequenz: Fernhalten von Sünde; auf Christus hin leben (6,11ff.). g) So wie die Frau nach dem Tod ihres Mannes eine neue Ehe eingehen kann (7,3), so sind auch die Christen durch den Leib Christi dem Gesetz getötet und gehören nun diesem an (7,4). h) Gott lässt seinen Sohn »in Gleichgestalt des Sündenfleisches« Anteil haben am Geschick der Menschen. Dadurch erhält er die Möglichkeit, dieses Geschick zu verändern, indem er die Sünde »im Fleisch« verurteilt (8,3). i) Für die Menschen ergibt sich daraus die Möglichkeit, sich nicht an der Macht des Fleisches, sondern des Geistes auszurichten (8,4ff.). Jetzt kann der Geist im Menschen wohnen (8,9). j) Wer Christi Geist hat, hat Anteil an seinem Auferweckungsgeschick (8,11). k) Es ist jetzt möglich, wie Jesus Gott »Abba« zu nennen und Gottes Kind zu sein (8,14ff.). l) Aus der mit dem Gottessohn geteilten Kindschaft folgt das Miterbe (8,17). m) Die ganze Schöpfung »fiebert«, seufzt und leidet mit (8,19-23). n) Das Ziel ist, am Ende ganz dem Bild des Gottessohnes gleich zu werden, damit er Erstgeborener unter vielen Brüdern ist (8,29). o) Mit Gottes Sohn wird den Auserwählten »alles geschenkt« (8,32). p) »Kein Blatt« passt jetzt zwischen Christus und seine Christen (8,33-39). Ergebnis: Die Geschickaussagen in Röm 6-8 präsentieren sich in zwei Blöcken. In Röm 6-7 geht es, ausgehend vom Thema Taufe, um die durch die Taufe hergestellte Gemeinschaft des Christen mit Christus im Tod, aus der sich eine Gemeinschaft auch in der Auferstehung ergibt. Die Konsequenz lautet: Man muss nun auch dieser Gemeinschaft entsprechend Sünde vermeiden und Christus zum Maßstab des Handelns machen. Dieser Neuorientierung entspricht auch, dass nicht mehr das Gesetz den Maßstab setzt, sondern Christus. In Röm 8 geht es dann um das, was aus der Sendung des Gottessohnes folgt. Dieser ist in Gleichge- 802 Zum Geschick Jesu nach dem Römerbrief: V . D . O STEN -S ACKEN , Römer 8, 155.239.281.287. 232 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament stalt des Sündenfleisches aufgetreten und hat dadurch die Sünde »im Fleisch« getötet. Die Konsequenz für den Menschen besteht darin, dass er sich nun nach dem Geist richten kann, weil der jetzt im Menschen wohnt. Dadurch, dass Christus das Geschick der Menschen teilt (8,3), werden diese nicht nur von der Verurteilung wegen der Sünde freigesprochen, sondern haben Gottes Geist in sich. Dadurch sind sie mit Jesus Gottes Kinder, Miterben, werden wie er auferweckt usw. Gleichzeitig fiebert die Schöpfung mit und nimmt Anteil. Die Gemeinschaft zwischen den Christen und Christus ist so eng, dass der Versuch, sie auseinanderzubringen oder gegeneinander auszuspielen, gescheitert ist. 6.6.4 Röm 8,3: Einbettung in den näheren Kontext γάρ schließt an die Behauptung der beiden vorangegangenen Verse an, es gebe keine Verdammnis mehr für die, die mit Christus verbunden sind, da Christus vom Gesetz der Sünde und des Todes freigemacht habe. Dass Gott befreit hat, ist das, was mit Röm 8,3 begründet wird. Nach hinten ist das eigentliche Argument mit dem Ende von Röm 8,3 zwar abgeschlossen. Röm 8,4 setzt mit einem ἵνα + Konjunktiv ein und macht damit allerdings den Zweck der in 8,3 geschilderten Handlung Gottes deutlich. Es geht jetzt um die Entfaltung dessen, was das Argument von 8,3 anthropologisch und soteriologisch bedeutet. Das wird dann im Weiteren in Röm 8 fortgeführt. So sehr Röm 8,3 auf den vorhergehenden als auch auf den nachfolgenden Kontext bezogen ist, siehe Kontextanalyse, in der Röm 8,3 an einer Schaltstelle der Argumentation steht, indem es die entscheidende Antwort auf ein zuvor dargelegtes Problemfeld bietet, so sehr ist nun aber Röm 8,3 auch ein in sich geschlossener Gedankengang, in dem es um eine Handlung Gottes durch seinen Sohn geht. Diese Handlung, es geht um Befreiung, beginnt und endet in Röm 8,3. 6.6.5 Aufbau von Röm 8,3 Subjekt des Satzes ist ὁ θεός. Gott handelt, indem er seinen eigenen Sohn sendet (3c) und durch das so eingeleitete Geschehen die Sünde verurteilt (3e). Vor diese eigentliche Handlung setzt Paulus in 3a ein passivisch aufzufassendes, substantiviertes Anakoluth, 803 das mit einem kurzen Relativsatz (3b) erläutert wird. 804 ἐν ᾧ 805 ist wohl als Relativpartikel zu sehen. 806 Paulus bringt damit noch einmal in gebündelter Form das Problem auf den Punkt, auf das Gott reagiert: Das Gesetz ist an seine Grenze gekommen. Die Grenze besteht darin, dass das Gesetz in der Sphäre des Fleisches dauerhaft geschwächt ist (Imperfekt). Zuvor hatte Paulus ja gezeigt, dass es sogar gegen seine eigene Intention von der Sünde missbraucht werden konnte, um dem Menschen zu 803 So W ILCKENS , Brief, Bd. 2, 124 mit Anm. 499 und 501 gegen S CHLIER , der einen Anakoluth für ausgeschlossen hält, da 3ab in 3c seine Fortsetzung finde und daher als vorangestellte Satzapposition oder als absoluter Nominativ bzw. Akkusativ aufzufassen sei (Römerbrief, 240). Als Anakoluth ist Röm 8,3ab als in sich abgeschlossene Aussage aufzufassen; als acc.abs. oder nom.abs. hätte man es mit einem adverbialen Partizip zu tun, das syntaktisch ebenfalls unabhängig ist (B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF § 417), bzw. dessen Verknüpfung im Satzgefüge inhaltlich entschieden werden muss. Inhaltlich ist zu fragen: Was war dem Gesetz unmöglich? Natürlich kann es nicht Gottes Sohn schicken. Das wäre Unsinn, weil es sich hier um eine neue Größe handelt, die an sich nichts mit dem Gesetz zu tun hat. Befreiung (8,2) von Sünde wäre eine Möglichkeit, die aber auch nicht in Frage kommt, weil das Gesetz als normierende Größe nicht selber aktiv handelt. Innerhalb von Röm 8,3 kommt nur in Frage, es auf 3ef zu beziehen: die Aburteilung der Sünde. Damit ist der Bezug von 8,3ab auf 3ef hergestellt. 804 Vgl. B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF , §§ 417; 424; 458; 466; 480.6. 805 Von einem Anakoluth oder einem absoluten Akkusativ auszugehen, hat den Vorteil, 3ab auch ohne die Anbindung an den vorhergehenden Vers oder die folgenden Teilverse beschreiben zu können. 806 B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF § 219,1f. a) τὸ γὰρ ἀδύνατον τοῦ νόμου b) ἐν ᾧ ἠσθένει διὰ τῆς σαρκός, c) ὁ θεὸς τὸν ἑαυτοῦ υἱὸν πέμψας d) ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας e) καὶ περὶ ἁμαρτίας κατέκρινεν f ) τὴν ἁμαρτίαν ἐν τῇ σαρκί. Das, was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war: Gott tat es: Seinen eigenen Sohn sandte er in der Gleichgestalt sündigen Fleisches und verurteilte der Sünde wegen die Sünde im Fleisch 6.6 Römer 8,3 233 schaden, anstatt zu helfen. 807 Bezogen auf 8,2 bedeutet das: Das Gesetz ist nicht in der Lage, Freiheit von Sünde herzustellen. Mit ὁ θεός einsetzend beginnt in 3c die eigentliche Aussage und Handlung. Indem Gott zu einem bestimmten Zeitpunkt (Part.Aorist) seinen Sohn gesandt hat, 808 verurteilte (κατέκρινεν) er die Sünde (3e). Interessant sind eine Reihe von näheren Bestimmungen, die gemacht werden: Es handelt sich um »seinen eigenen Sohn« (3c), nicht jemanden Fremdes. Dieser eigene Sohn wird geschickt ἐν ὁμοιώματι σαρκὸς ἁμαρτίας (3d), um ἐν τῇ σαρκί (3f) die Sünde abzuurteilen. Dies geschieht wiederum περὶ ἁμαρτίας (3e). Auch wenn das κατέκρινεν in 3e das finite Verb des Satzes ist, so ist es doch durch die Konjunktion καὶ dem πέμψας von 3c eher gleichals übergeordnet. Der Partizipialsatz von 3cd mit seiner Aussage über die Sendung und ihre näheren Umstände, die durch ἐν mit einem instrumentalen Dativ, bestimmt werden (ἐν ὁμοιώματι σαρκκὸς ἁμαρτίας), 809 ist also relativ selbständig, sodass die Fortführung in 3e im Wesentlichen die Zielrichtung der Sendung angibt, nämlich die Aburteilung der Sünde. Diese wird ἐν τῇ σαρκί (3f) verurteilt, womit eine »Lokalisierung« (B LASS -D EBRUNNER - R EHKOPF §218) angegeben sein kann. Die andere Möglichkeit ist, dass der Ausdruck wiederum als ein Dativ mit instrumentalem Sinn (B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF § 195,1) aufzufassen ist und dann bedeutet: »durch« oder »mit« dem Fleisch ist die Sünde verurteilt. 6.6.6 Funktion und Zweck von Römer 8,3 Dass das Gesetz gegenüber der Macht der Sünde ungenügend ist und dass dies etwas mit der fleischlichen Beschaffenheit des Menschen zu tun hat, hat Paulus erörtert. Wichtig ist die Verbindung von Schwachsein und Fleisch, da hier ausdrücklich auf ein wesentliches Kennzeichen der Kategorie »Sarx« für die Bezeichnung menschlicher Existenz hingewiesen ist. Der Ansatzpunkt liegt also in der Schwäche des Fleisches gegenüber der Macht der Sünde und der Nichtentsprechung des Geistes. An dieser Stelle ist das geistliche Gesetz machtlos. Es kann nicht (3a) wie Gott die Sünde wirksam verurteilen (3ef). Nachdem die Ursache des Missstands benannt ist, entschließt sich Gott zur Sendung des Sohns. Wohin ein Zielort wird nicht direkt benannt. Allerdings kann man die Konstruktionen von ἐν + Dativ in 3d.f nicht nur instrumentell, sondern auch tendenziell lokal verstehen. Dann wäre klar, dass die Gestalt sündigen Fleisches nicht nur Mittel ist, sondern zugleich auch den Ort markiert, der das Ziel der Sendung war. Ebenso kann man für 3f auch beide Deutungen annehmen. Zwar ist die Verurteilung der Sünde wohl »mit« oder »durch« das Fleisch zu denken. Da die Sünde aber für Paulus auch »in mir«, »in meinem Fleisch« (7,18) 807 Zur Rolle des Gesetzes als »Retter« vgl. grundlegend S ONNTAG , ΝΟΜΟΣ ΣΩΤΗΡ. 808 Zu Aorist/ PartAor: B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF , § 318: »Die ursprüngliche Funktion der sogenannten Tempusstämme des Verbums war in den indogermanischen Sprachen nicht die von Zeitstufen(...), sondern von Aktionsarten (...) oder Aspekten (...). In weit geringerem Maß ist im Griech. die Zeitstufenbedeutung von den Indikativen auch auf die Modi (Konj. und Opt., auch Infin. und Partiz.) übergegangen, und zwar ist es dann die sog. relative Zeitstufe, d.h. das zeitliche Verhältnis zu etwas Anderem, das in der Rede oder Erzählung vorkommt.« - Aorist als momentane, punktuelle Aktionsart, wobei die Handlung als Moment gedacht ist, »und zwar wird entweder der Anfangs- oder der Endpunkt hervorgehoben (...) oder die Handlung wird an sich als Ganzes ohne Rücksicht auf die Dauer ins Auge gefasst«. - §339: das Partizipium des Präsens und Aorists. »Die Partizipia hatten ursprünglich keine temporale Funktion, sondern bezeichneten nur die Aktionsart; das Verhältnis zum Verbum Finitum ergab sich aus dem Zusammenhang. (...).« PartAor. bezeichnet oft relative Vergangenheit im Verhältnis zum finiten Verb. Ist das aber auch im Aorist, kann man oft nichts mehr ausmachen.) 809 Vgl. B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF §§ 187; 195. Das Hebräische be kann für die Verbindung von en mit Dativ im biblischen Griechisch häufig als Vorbild gelten. Der folgende doppelte Genitiv bestimmt als Genitivus appositivus den Inhalt der »Gleichgestalt« (B LASS -D EBRUNNER -R EHKOPF § 167). 234 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament sitzt, spielt sich das Geschehen zumindest auch »in« dem Fleisch ab, das damit als Zielort deutlich wird. 810 6.6.7 Was bedeutet »Gleichgestalt« - Untersuchung des Wortfelds 6.6.7.1 Bisherige Ergebnisse zu Röm 8,3 Die Untersuchung vom Röm 8,3 innerhalb des Kontextes von Röm 6-8 hat ergeben, dass es bei dem Kommen bzw. Gesandtsein in den Bereich des Fleisches ganz ähnlich wie in 1 Joh 4,2f um Raumsemantik, Legitimation (Wer sendet wen wohin? ) sowie um Wirksamkeit zum Heil innerhalb des Bereichs des Fleisches geht. Hierin finden die Untersuchungen zu 1 Joh 4,2f Bestätigung. Offen ist allerdings die Ausdrucksweise »ἐν ὁμοιώματι« in »Gleichgestalt«. Sie ist zunächst sehr einfach zu erklären. Christus kommt zwar in den Bereich des Fleisches, wo die Sünde wohnt, also in den Bereich des Fleisches der Sünde. Paulus will aber verhindern, Jesus selbst mit Sünde zu identifizieren oder zu infizieren. Also spricht er von Gleichheit des Fleisches der Sünde und vermeidet eine Totalidentifizierung. 811 6.6.7.2 Wortfeldvergleiche zu »Gleichgestalt Um die Bedeutung des Wortes ὁμοίωμα einschätzen zu können, das im Deutschen jedenfalls auch die doketistisch zu denkende Möglichkeit offen lässt, er sei eben »nur« in gleicher Gestalt wie ein Mensch gekommen, nicht aber wirklich als Mensch, soll im Folgenden mit Hilfe einer »doppelten Wortfelduntersuchung« überprüft werden, welche Möglichkeiten des Ausdrucks für Paulus an dieser Stelle überhaupt zur Verfügung standen. Wenn das Feld der Möglichkeiten wenigstens andeutungsweise deutlich wird, ist es einfacher, einzuschätzen, was hier genau gesagt werden soll. 812 Mit »doppelter Wortfelduntersuchung« meine ich ein Verfahren, dass in der Übersetzungswissenschaft Verwendung findet und die »doppelte Bindung« des zu transportierenden Inhalts in Ausgangs- und Zielsprache berücksichtigt. Nachdem man in etwa weiß, was gemeint ist, aber sich über die präzise Bedeutung des Originals, und damit auch über die genauen Ausdrücke der Zielsprache der Übersetzung nicht im Klaren ist, steckt man mit Hilfe einer Wortfelduntersuchung in der Zielsprache das sachliche Feld ab (Typisierung). Dann wird mit Hilfe des Wörterbuchs in der Originalsprache nach den jeweiligen Entsprechungen und ihren dort bekannten Wortfeldern gesucht. Anhand des doppelten Vergleichs kommt man der Bedeutung in der Originalsprache und den Übersetzungsmöglichkeiten in die Zielsprache näher. 6.6.7.3 Klärung des Feldes im Deutschen (Klärung des Sachfeldes) 813 Zwei Elemente sind zu prüfen: 1. Die Frage der Gleichheit; 2. die der Gestalt. A. Gleichheit 814 Im Deutschen stehen folgende Ausdrücke einander sehr nahe: 810 Ähnlich D UNN , Christology, 45. Der Fokus liege auf einer »affirmation of the complete oneness of Christ with the sinful man making his death effective for the condemnation of sin by the destruction of its power base (the Flesh).« 811 Vgl. M ÜLLER , Menschwerdung, 16. 812 L IT .: S CHMIDT , Wortfeldforschung; E CO , Quasi dasselbe. - Weitere Literatur zur Wortfeldforschung oben, S. 82. 813 Deutsche Worttypisierungen anhand von W EHRLE / E GGERS , Wortschatz. 814 Vgl. G. H AUFE , ὁμοίω, 1252f. 6.6 Römer 8,3 235 Ähnlichkeit, Gleichheit, Selbigkeit, Identität. Auch die Konjunktion »als« oder »wie« kann Ähnlichkeit, Gleichheit oder gar Identität bezeichnen. Der Begriff der Ähnlichkeit scheidet hier als zu schwach aus. Identität und Selbigkeit gehen »zu weit«, weil jedenfalls im Deutschen Identität einer Person mit einer »Sphäre« (wie z.B. Fleisch) nicht aussagbar ist. Dennoch bleibt die Frage, ob die Gestalt Christi nur dem Fleisch gleicht, oder ob sie Fleisch »ist«. Ist also die Art der Gestalt Jesu identisch mit der Art der Gestalt von Menschen sonst? Laut W EHRLE / E GGERS stehen zur Verfügung (S. 6f)die Ausdrücke der Übereinstimmung (Wortfeld 23) mit den Aspekten von Gleichartigkeit, Gleichförmigkeit. Das Wortfeld »Gleichheit - Ungleichheit« (Wortfeld 27, W EHRLE / E GGERS , 7f) eignet sich nicht so sehr, weil dort im Wesentlichen die Gleichheit der Höhe, des Gewichts usw. im Blick ist, es insgesamt eher darum geht, dass zwei Dinge sich »gleichen«, nicht um das »Gleichsein«, was hier als gemeintes Ergebnis vor Augen steht. Als griechische Äquivalente stehen zur Verfügung: 815 1. ὡς: »Das erläuternde ‚als‘ verbindet (...) das Prädicatsnomen mit dem Prädicat. In diesem Falle wird es Griechisch meistens nicht durch ein besonderes Wort ausgedrückt«. 816 2. Für das Wortfeld »gleich« stehen mit den besonderen Aspekten von »gleich«, »ähnlich«, »identisch« zur Verfügung: »von einerlei Beschaffenheit, Wesen, ἴσος, u. poet. ἰσήρης, ες, fast gleich, παραπλήσιος 2, ὅμοιος, ähnlich, ὁ αὐτός, ἡ αὐτή, (...) derselbe. (...) Außerdem bilden die Griechen viele Zusammensetzungen mit ἰσοu. ὁμοιο- (...).« 817 Paulus verwendet aber nicht den Wortstamm ἰσο-, sondern ὁμοιο-, der auch als »gleich« übersetzt werden kann, wie z.B. in »Gleich und Gleich gesellt sich gern« (ὅμοιος ὅμοιον παρκαλεῖ). Überhaupt geht es bei den mit ὁμοιοgebildeten Vokabeln um das Gleichsein, zwar nicht unter dem Aspekt der Exaktheit wie bei den mit ἰσοgebildeten Vokabeln, aber doch im Sinne von Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit, sprich von Gleichheit. Dies gilt insbesondere für das neutestamentliche Griechisch. 818 Im Sprachgebrauch des Paulus selbst geht es im Wesentlichen um Gleichheit. In Röm 1,23 benutzt Paulus ὁμοίωμα in dem schon aus der LXX bekannten Sinn eines Götterbildes, 819 d.h. eines verkehrten Abbildes. In Röm 5,14 ist die Gleichheit der Übertretung seit Adam als Grund der Todesherrschaft für alle Menschen seit dem Sündenfall genannt. Dabei ist Gen 1,26f im Blick, wo der Mensch als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen worden ist. 820 In Röm 6,5 ist es die Gleichwerdung mit Christi Tod, die Christen Hoffnung auf Gleichwerdung mit seiner Auferstehung schenkt. In Phil 2,7 geht es um das Gleichsein mit den Menschen, was insbesondere für die Gestalt (σχῆμα) verdeutlicht wird. Mit Blick auf die Verwendung von ὁμοίωμα in der LXX (Götterbild/ Erscheinung Gottes/ Erscheinung der Thronengel in menschlicher Gestalt) ist das, was Paulus in Röm 8,3 und Phil 2,7 formuliert, höchst anstößig. Bisher durften die Menschen kein irdisches »Gleichnis« Gottes herstellen, weil die »Gleichheit« Gottes unsichtbar oder alles Erträgliche übersteigend ist. Jetzt aber ist Gottes Sohn im »Gleichnis« der Menschen bzw. des Fleisches der Sünde gekommen 815 Unter Verwendung von: P APE , Handwörterbuch und K ASSÜHLKE , Wörterbuch. 816 P APE , Handwörterbuch, 36. 817 P APE , Handwörterbuch, 378f. 818 K ASSÜHLKE , Wörterbuch 132f, gibt folgende Wortverbindungen an: ὁμοιοπαθής, ές von gleicher Art, gleichgeartet ὅμοιος, α, ον gleich, gleichartig, vergleichbar, ähnlich; ὁμοιότης, ητος, f, Gleichheit, Gleichartigkeit, Übereinstimmung, Ähnlichkeit; ὁμοιόω gleichmachen; vergleichen; pass. gleich/ ähnlich werden; ὁμοίωμα, τος, n, Gleichheit; Aussehen, Gestalt; Darstellung, Bild; ὁμοίως, adv., in gleicher Weise, gleichermaßen, ebenso, ebenso auch; ὁμοίωσις, εως, f, Ähnlichkeit, Übereinstimmung. 819 Ex 20,4; Dtn 4,25; 5,8; Jes 40,18 und öfter. Aufschlussreich ist Dtn 4,15-18. Weil kein ὁμοίωμα Gottes bei der Theophanie am Sinai zu sehen war, soll auch kein ὁμοίωμα angefertigt werden. Dagegen verstieß Israel, wie Ps 105,19f (LXX) bemerkt: »Sie machten ein Kalb am Horeb und beteten das gegossene Bild an (20) und verwandelten die Herrlichkeit ihres Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frisst (ἐν ὁμοιώματι μόσχου ἔσθοντος χόρτον).« Die vier Gestalten, die Ezechiel in seiner Vision am Thronwagen Gottes sieht, »waren vom Aussehen gleich einem Menschen« (αὕτη ἡ ὅρασις αὐτῶν· ὁμοίωμα ἀνθρώπου - Ez 1,5). In Ez 8,2 wird Ezechiel durch einen Engel in Gestalt eines Mannes (ὁμοίωμα ἀνδρός) entrückt. In Dan 3,19 (LXX) sieht Nebukadnezar eine vierte Gestalt im Feuerofen in Gleichheit eines Engels Gottes (ὁμοίωμα ἀγγέλου θεοῦ). 820 Vgl. die Untersuchungen bei F OSSUM , Angel, 269-271.284 und Image, 35: Nach F OSSUM sind μορφή, εἰκών und ὁμοίωσις als Synonyme zu betrachten. Textgrundlage seiner Analyse sind u.a. Phil 2, Poimandres, die Sibyllinen sowie eine »Naassener-Homilie«. F OSSUM identifiziert so eine Tradition, »which hypostasizes the ›image and likeness‹ of God in Gen 1,26 as a heavenly man« (Angel, 270). D UNN , Christology, 111f, sieht hier eine Adam-Christologie; ähnlich in Gal 4,4 und 2 Kor 5,21. Siehe auch zu Adam und Phil 2,6-11 oben S. 222 ( DE J ONGE ). 236 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament bzw. gesandt worden. 821 Weiter, mit Blick auf Gen 1,26f: Christus als himmlischer Mensch ist das Gleich-Bild Gottes; er ist als solcher aber Mensch, so wie Adam es ja auch war/ ist. Christus ist der neue Adam. Paulus kippt bewusst die Metaphorik: Nicht mehr das Gleichbild Gottes, sondern das des Menschen ist jetzt im Blick. Musikalisch würde man von einer »Umkehrung des Themas« sprechen. B. Gestalt Es stehen sich nahe: Gestalt, Form, Körper, Aussehen, Erscheinung. Die letzten beiden Ausdrücke zeigen eine scheinbare Ähnlichkeit, Gleichheit oder Identität an. Etwas sieht »nur« so aus, erscheint »nur« so, ohne wirklich so zu sein. Aber auch Gestalt und Form können eben nur »so« sein, das wahre Wesen aber ist anders. W EHRLE / E GGERS bietet als Wortfeld 240 (S.79) Form, Gestalt, Figur, Prägung, Statur, Typ usw. an. Das Gegenbild der Formlosigkeit (Wortfeld 241) macht deutlich, worum es in unserem Zusammenhang gehen muss bzw. eben nicht gehen darf: »formlos, gestaltlos, amorph, verwaschen, verschwommen, nebelhaft« usw. ist das Auftreten Christi nicht, sondern im Gegenteil: als Mensch erkennbar. Wortfeld 448 (W EHRLE / E GGERS ) bietet das Feld des Erscheinens, Sichtbarwerdens, der Darstellung, der Vorstellung und des Auftritts. Es geht um das Phänomen des Sichtbaren, des Bildes oder Spiegelbildes, verwandt auch mit Vision, Anschein, Traum und Gespenstererscheinung. Es kann um Bühnenbilder, (Bühnen-)Auftritte, Bühneneffekte und Ähnliches gehen. Beide Wortfelder (Form/ Gestalt und Erscheinen) können natürlich eng zusammenhängen, wenn jemand in einer bestimmten Gestalt etwa auf der Bühne in Erscheinung tritt. Von den zur Verfügung stehenden Äquivalenten liegen die allermeisten mit ihrem Bedeutungsgehalt offensichtlich fernab von dem, was hier gemeint ist: Es geht weder um Körper (σῶμα), noch um Natur oder Körperbau (φύσις), noch um eingebildete Bilder (φαντασία) oder Vorbilder (παράδειγμα), noch um die physische, äußere Gestalt an sich (σχῆμα oder μορφή), sondern um eine grundlegende Gleichartigkeit oder Gleichheit, die sich eben auch als Gestalt ausdrückt bzw. als »Gleichgestalt« oder »Gestalt« im Deutschen übersetzt werden kann. Im neutestamentlichen Griechisch ist dies neben den zuletzt genannten Begriffen auch für εἴδος, εἰκών und τύπος möglich, bei denen aber jeweils das Bildhafte überwiegt. 6.6.7.4 Ergebnis Paulus verwendet die für ihn als griechischen Juden geprägte Vokabel ὁμοίωμα bewusst. Sie bezeichnet für ihn Übereinstimmung im Äußeren, weswegen man auch »Gestalt« übersetzen kann, wie auch im Grundsätzlichen und Wesentlichen, weshalb die Übersetzung »Gleichheit« ebenfalls angebracht ist. 822 Bei der Gleichheit geht es um grundsätzliches Gleichsein (wie etwa: »im Tod sind alle gleich« vgl. Röm 6,5). Dieses grundsätzliche Gleichsein spielt zugleich auf die alttestamentliche Urbild-Abbild-Frage und die Götzenbildproblematik an. Die himmlische Erscheinung am Sinai blieb den Israeliten verborgen, daher sollen sie kein Gleichnis/ Abbild herstellen. Jedes Gleichnis/ Abbild wäre fehlerhaft. Andere alttestamentliche Texte zeigen aber, dass als Gleichnis/ Abbild eine menschliche oder menschenähnliche Gestalt vor Augen war (Ez/ Dan). Jetzt wird der Sohn Gottes in der Gestalt oder im Gleichsein der Menschen (ein neuer Adam) offenbar. Damit geschieht etwas, was zwar für die Zukunft erhofft war (Gott wohnt 821 Das so genannte »Gleichsein« oder die »Gleichheit« wird in anderen Worten in Hebr 4,15 erklärt: Christus gilt als Hoherpriester, der »in allem wie wir, doch ohne Sünde« war und so ein glaubwürdiger Vertreter vor Gott ist. Hebr 2,14-17 ist noch deutlicher: Weil die Menschen aus Fleisch und Blut sind und es nicht um die Rettung von Engeln ging, hat auch der Sohn in gleicher Weise (παραπλησίως) Fleisch angenommen, um die Menschen vom Tod zu erlösen. »Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden« (Hebr 2,18). 822 Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte, 533: »›Gleichheit‹ bedeutet im Griechischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, Identität und Nicht-Identität. Nicht die Gestalt unterschied ihn, doch Träger und Gestalt sind unterschieden«. 6.7 Kol 1,20-22 237 unter den Menschen), was aber bis dato so nicht gesagt werden konnte. Damit hat Paulus zwei Probleme gleichzeitig gelöst: a) Er kann das Menschsein Jesu nennen, ohne ihn mit Sünde zu »infizieren«. b) Er kann die Menschwerdung des Gottessohnes direkt als Umkehrung des alttestamentlichen Verbergens Gottes im Unsichtbaren oder im Allerheiligsten aussagen: Hier lässt sich der Gottessohn sehen als ein Mensch. Die damit gegebene Erinnerung an die Gestalt des Menschensohnes aus Ezechiel und Daniel ist sicher nicht ohne Relevanz. 6.6.8 Ergebnis und Fazit Röm 8,3 1. Bei der Sendung des Sohnes im Gleichbild des Sündenfleisches geht es um Befreiung von Sünde. 2. Das Geschick Jesu inklusive Leiden wird soteriologisch eingeordnet und gedeutet. 3. Durch organisierte Nähe kann Gottes Sohn die Macht der Sünde überwinden, weil er im Bereich des Sündenfleisches stärker ist als die Macht, die für den Bereich der Welt bzw. des Fleisches eigentlich tonangebend ist. 823 4. Das Menschsein des Gottessohnes Jesus ist in musikalischer Metaphorik gesagt thematische Umkehrung der Gottesebenbildlichkeit des »Ur-Menschen« Adam. 5. In Jesus wird Gott selbst zugänglich (Umkehrung des Themas »Bildnis Gottes«). 6. Mit der Überwindung der Sünde im Fleisch besteht die Möglichkeit, »sich am Geist zu orientieren und so die Forderung des Gesetzes zu erfüllen« und so »in Christus« zu sein. 824 7. Mit 1 Joh sind hier gemeinsame Themen: Sendung bzw. Kommen des Sohnes von Gott (Himmel) in die Welt (Fleisch), Frage der Wirkmächtigkeit im Fleisch/ Welt, Frage der Sünde, Gegenmacht existiert in der Welt (Sünde/ Antichrist), es geht um Immanenz Gottes/ der Gegenmacht im Menschen; Jesus ist sozusagen der archimedische Punkt, an dem geklärt wird, ob und wie die Gegenmacht zu Gott besiegt werden kann oder grundsätzlich schon besiegt ist. 8. Doketismus klingt weder positiv noch negativ an. Die Frage der Scheinbarkeit des Auftretens des Gottessohnes oder die Vorstellung, Gott könne unmöglich leiden, steht nicht zur Debatte. 6.7 Kol 1,20-22 Kol 1,20ff »Und um durch ihn alles, sei es auf der Erde oder im Himmel, zu versöhnen, hat er in ihm Frieden gemacht durch das Blut seines Kreuzes. (21) Auch euch, die ihr ihm früher fremd und feind wart in eurer Gesinnung durch böse Taten. (22) Jetzt aber hat er euch versöhnt in seinem fleischlichen Leib durch seinen Tod (ἀποκατήλλαξεν ἐν τῷ σώματι τῆς σαρκὸς αὐτοῦ διὰ τοῦ θανάτου).« Das Blut am Kreuz und der Tod des fleischlichen Leibes werden als Versöhnungsmittel genannt. »Blut des Kreuzes« bedeutet den Tod Jesu am Kreuz. Der fleischliche Leib steht in Korrespondenz zu den Adressaten. Die Versöhnung durch den 823 B ERGER , Theologiegeschichte, 532f: »Jesus trat als von Gott Gesandter in den Bereich der Sünde ein, und zwar in der ›Gleichheit‹ (...) des Fleisches, das in seiner Schwäche Sitz und Ort der Sünde war. (...) Verurteilen heißt: Den Anspruch beseitigen, die diktatorische Macht der Geltung aufheben, die Zwangsläufigkeit beseitigen, mit der die Sünde alle beherrschte. Jesus war dazu wohl in der Lage durch seine Unschuld und Gerechtigkeit. Indem er im Bereich der Sünde erschien, brach er ihren Bann.« 824 B ERGER , Theologiegeschichte 542. 238 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament Tod 825 steht in Korrespondenz zur Feindschaft durch die falsche Gesinnung und die bösen Taten. Es handelt sich also um direkte Entsprechungen. Der fleischliche Leib Christi bekommt im Kontext eine derart wichtige Rolle, weil er es ist, der als Ebenbild Gottes (1,15) die Fülle der Schöpfung (1,19) und damit alles inklusive der Gegensätze in sich umfasst. Die neue Gemeinschaft wird als gemeinsamer Leib Christi erfahren (1,18). Das Thema Leib ist also auf die Gemeinde Christi bezogen, der Ausdruck »fleischlicher Leib« bezieht sich dann deutlich auf den irdischen Jesus. Da der irdische Jesus aber der Ausgangspunkt für den Leib Christi als Gemeinde ist, ist das, was dem irdischen Jesus begegnet ist, für die Gemeinde insgesamt relevant. Ergebnis: Auch hier geht es nicht um Doketismus, sondern um ekklesiologische Fragen, die zurückgeführt werden auf den irdischen Jesus und bei ihm ihre Lösung finden. Insbesondere geht es um den Zusammenhalt über Unterschiede hinweg, die mit Blick auf Kreuz und Tod Jesu irrelevant werden. 6.8 Eph 2,14f Eph 2,14f: »Er selbst ist unser Friede. Denn er hat die zwei Teile zu einem gemacht und die trennende Trennwand niedergerissen: Die Feindschaft hat er in seinem Fleisch beseitigt (λύσας τὴν ἔχθραν ἐν τῇ σαρκὶ αὐτοῦ), indem er das Gesetz der Gebote außer Kraft setzte mit seinen Vorschriften ...« Besser als die Luther-Übersetzung erscheint mir hier die Beobachtung, dass das, was aufgelöst und niedergerissen wird, nicht nur die Mauer ist, sondern damit auch die Feindschaft. 826 So wie die Trennwand materiell zwischen Juden und Heiden zu denken ist, so gibt es jetzt geradezu materiell eine Verbindung zwischen beiden. Die Trennwand zwischen Juden und Heiden im Tempel zu Jerusalem steht hier im Hintergrund. 827 Sie hat direkt mit den Reinheitsvorstellungen Israels zu tun. 828 Ergebnis: Das Fleisch Christi hat hier versöhnende Funktion. Die Materie Christi wird sozusagen der trennenden Materie der Trennmauer im Tempel verbindend entgegengestellt. 829 Doketistische Fragen sind nicht in Sicht. 6.9 1 Tim 3,16 1 Tim 3,16 »Und unbestreitbar ist das Geheimnis des Glaubens groß: Er erschien im Fleisch (ἐφανερώθη ἐν σαρκί), wurde gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, 825 4Makk6,28f: DerMärtyrerbittetGott,BlutundTodalsVersöhnungsmittelanzunehmen-s.o. S.205. 826 Vgl. oben S. 150. 827 S ASSE , M., Geschichte, 268, schreibt über die Trennwand im Tempel des Herodes: »Äußerer Vorhof und innere Vorhöfe waren durch ein ca. 1,50 m hohes Steingitter dem von Josephus so bezeichneten Soreq voneinander getrennt. Dort angebrachte Warntafeln [warnten] Nichtjuden vor dem Betreten der inneren Höfe.« Siehe auch schon oben S. 150 mit Anmerkung. 828 Vgl. die Gegenüberstellung mit Hebr 7,18; 10,19f bei B ERGER , Theologiegeschichte, 448, der sowohl für Hebr als auch für Eph auf den neuen kultischen Zugang zu Gott durch das Fleisch Christi hinweist. 829 Ausführlicher S. 449. 6.10 Hebräerbrief 239 verkündet den Völkern, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.« Die bisherige Beschäftigung mit 1 Tim 3,16 in dieser Arbeit 830 lässt sich so zusammenfassen: Dem Erscheinen Christi im Fleisch entspricht der Glaube in der Welt. Damit sind ein universaler und ein eher lokaler Aspekt die Pole, zwischen denen sich die Spannung in diesem Text aufbaut (Welt und Fleisch). Damit verbunden sind die Aspekte himmlisch und irdisch. Doketismus ist in keiner Weise im Hintergrund erkennbar. Vielmehr wird positiv das Ziel der Inkarnation in einer globalen Perspektive erkennbar, insofern dem Erscheinen Jesu im Fleisch auf anderen Ebenen andere Geschehnisse zugeordnet werden. 6.10 Hebräerbrief 6.10.1 Hebr 2,14-18 Weil die zu rettenden Kinder aus Fleisch und Blut sind, nimmt der Sohn es ebenfalls an, um dem Teufel die Macht über den Tod zu nehmen und sie so zu erlösen. Daher musste er »in allem« seinen Brüdern »gleich werden«, um so ein barmherziger Hoherpriester zu sein. »Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden« (Hebr 2,18). 831 Ergebnis: Sowohl Röm 8,3 als auch 1 Joh 4,2f können so zusammengefasst werden. Es geht um Rettung, es geht um ein Kommen aus dem Bereich Gottes ins Fleisch, es geht um himmlische Fürsprache. 6.10.2 Hebr 5,7 Hebr 5,7: »Er hat in den Tagen seines Fleisches (ἐν ταῖς ἡμέραις τῆς σαρκὸς) sowohl Bitten als auch Flehen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte. Das tat er mit lautem Schreien und unter Tränen. Wegen seiner Ehrfurcht (vor Gott) ist er auch erhört worden.« Die »Tage seines Fleisches« übersetzt man im Deutschen besser mit: »Tage seines irdischen Lebens« (Luther; Basisbibel). Damit ist auch die Bedeutung geklärt: Der irdische Jesus von Nazareth ist im Blick. Bedeutsam ist, dass der irdische Jesus hier mit Leid, Tränen und Angst dargestellt wird. Hebr 4,15 war Jesus als großer Hoherpriester bezeichnet, der seine Funktion als Mittler deswegen ausfüllen kann, weil er mitgelitten hat und alle Versuchungen mit erduldet hat. Seine Fähigkeit, für den Menschen einzutreten, hängt also ganz entscheidend davon ab, dass er einer von ihnen ist, wenn auch frei von Sünde (4,15). Alles andere: Leid, Versuchung, Tränen und Flehen, hat er mit durchgemacht; er hat mitgelitten. 832 Das wird hier nicht betont, weil dieser Zusammenhang an sich in Frage stünde, sondern weil die soteriologische und sicher seelsorgliche Frage im Raum steht, woher Trost, Heil und Vergebung kommen (können). Jesus wird hier als der 830 S. 153 und S. 243f. Vgl. B ERGER , Kommentar, 799f. 831 Vgl. oben 234f. Zum Inkarnationsverständnis des Hebr: M ÜLLER , Menschwerdung, 33-39 u. K ARRER , Hebräerbrief. 832 M ÜLLER , Menschwerdung, 35: »Der Inkarnierte nimmt teil an der Menschlichkeit, verfällt jedoch nicht der ›Todesfurcht‹ und durchbricht mit seiner Person exemplarisch das Verhängnis«. 240 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament glaubwürdige und wirkmächtige Mittler vorgestellt. Doketismus ist nicht im Blick. 6.10.3 Hebr 10,19-22 Hebr 10,19-22: 833 »Wir haben also, liebe Brüder, durch das Blut Jesu die Freiheit zum Zugang des Allerheiligsten (παρρησίαν εἰς τὴν εἴσοδον τῶν ἁγίων ἐν τῷ αἵματι Ἰησοῦ). 20 Diesen Zugang hat er uns eröffnet als einen vorher nicht vorhandenen, lebendigen Weg durch den Vorhang, gemeint ist durch sein Fleisch (ἣν ἐνεκαίνισεν ἡμῖν ὁδὸν πρόσφατον καὶ ζῶσαν διὰ τοῦ καταπετάσματος, τοῦτ᾿ ἔστιν τῆς σαρκὸς αὐτοῦ). 21 Und wir haben (so) einen großen Priester, der im Haus Gottes verantwortlich ist. 22 Wir wollen uns also nähern mit wahrhaftigem Herzen, ganz und gar überzeugt im Glauben, mit Herzen, die abgewaschen sind von schlechtem Gewissen und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.« Zwei Themen von Hebr 5,7 sind weitergeführt: Es geht um den Mittler Jesus als Hoherpriester. Und die Mittlerschaft ist nur durch das Fleisch (und Blut) Jesu möglich. Allerdings ist nicht mehr das Beten Jesu vor seinem Tod im Blick, sondern Jesus wird ganz als Hoherpriester am Haus Gottes gesehen, als der, der hauptverantwortlich ist für das (himmlische) Heiligtum. Er gewährt sogar Zugang zum Allerheiligsten, was weit über das hinausgeht, was dem jüdischen Kult bekannt ist. Die Mittel sind typisch und bekannt: Besprengung mit Blut (10,19) und mit Wasser (10,22) ermöglicht die Reinigung. Das Blut Christi wirkt reinigend, so dass Freimut und Zugang überhaupt möglich sind (10,19). Der Zugang ist etwas Neues, das nur durch Jesus zustande kommen konnte und deswegen auch vorher nicht bekannt war (2,20). In einem neuen Bild wird vom Vorhang gesprochen (καταπέτασμα), der innerhalb des Tempels das Allerheiligste vom übrigen Tempel trennte (Flav.Jos.Ant. 3,125ff). 834 Die Tempelmetaphorik als eine Sprache, die den Zugang zu Gott beschreibt, wird also weiter ausgeführt. 835 Die Frage ist, wer kann durch den Vorhang gehen und wie ist das möglich angesichts der großen Heiligkeit dahinter? Möglich ist es, weil jetzt der Vorhang materialiter aus dem Fleisch Jesu besteht, also aus seiner Menschlichkeit inklusive all dessen, was in 5,7 genannt ist. Das Fleisch des Hohenpriesters bildet also die Brücke bzw. den Zugang zu Gott. Der neue Zugang, der über die Möglichkeiten des irdischen, Jerusalemer Kultes weit hinausgeht, ist daher möglich, weil Jesus »den Weg freimacht« (ausführlich unten S. 449ff). 833 Vgl. hierzu noch einmal ausführlicher unten 449f. 834 Der Tempelvorhang war bunt aus blauen, purpurnen, roten und weißen Fäden gewebt, bestickt mit Cherubinen (2 Chr 3,14, vgl. Ex 26,31; 36,35). Laut Josephus handelte es sich dabei um babylonische Stoffe. Der bestickte Vorhang zeigte den Himmel (Flav.Jos.Bell. 5,212f). Philo vergleicht das Allerheiligste mehrfach mit dem Himmel. Der Hohepriester, der durch den Vorhang ins Allerheiligste geht, verlässt die Sphäre des Menschlichen und wird selbst zu einem Mittelwesen. Vgl. die Beschreibung der Bekleidung des Hohenpriesters in Flav.Jos.Ant. 3,7,7: Sie ist selbst Abbild oder Mittel der Epiphanie Gottes; vgl. die Beschreibung des Hohenpriesters Simon in Sir 50,6-15 (s.u. S. 355f). Über das Wegführen des kostbaren Vorhanges/ der kostbaren Vorhänge berichtet unter anderem 1 Makk 1,21f; 2 Makk 6,2. Ausführliche Rekonstruktion bei B USINK , Tempel, 1121ff: Der Vorhang sei etwa 17m hoch und etwa 8m breit gewesen. 835 Ausführlich analysiert B ARKER diese Metaphorik in Gate, 103-132. S.u. S. 449ff. 6.11 1 Petr 3,18; 4,1 241 Ergebnis: Hebr 10,20 ist Teil der tempelmetaphorischen Begründung der neuen, christlichen Freiheit im Zugang zu Gott durch Jesus Christus. 836 Das Fleisch Jesu spielt dabei innerhalb der verwendeten Metaphorik dir Rolle des Zugangs (Vorhang). Doketismus ist nicht im Blick. 6.11 1 Petr 3,18; 4,1 In 1. Petr ist an zwei kontextuell verbundenen Stellen nicht nur vom Fleisch Christi die Rede, sondern auch davon, dass er »im Fleisch gelitten« habe. 1 Petr 3,18: »Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten (περὶ ἁμαρτιῶν ἔπαθεν), der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte, und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist (θανατωθεὶς μὲν σαρκὶ ζῳοποιηθεὶς δὲ πνεύματι).« 837 Für 1 Petr 3,18 existieren eine Reihe textlicher Varianten. Relevant ist, ob das von Nestle- Aland 27 für ursprünglich gehaltene ἔπαθεν in 3,18a ursprünglich ist oder das von einer Vielzahl von Belegen genannte ἀπέθανεν. Dass das »Gestorben« die einfachere Lösung wäre und somit gegenüber ἔπαθεν als lectio difficilior vorzuziehen sei, wie F ELDMEIER meint (Kommentar, 133), überzeugt nicht. Der Kontext gibt Leiden als Stichwort vor. Im Umfeld der Leidenstheologie des 1 Petr ist es erwartbar. 838 6.11.1 Kontext 839 1 Petr will eine Gemeinde stützen, die in der Minderheit von anderen angegriffen wird. Es kommt jetzt darauf an, durch vorbildliches Verhalten zu überzeugen. Nach Abschnitten, in denen die Adressaten getröstet (1,3-9) und ihrer Identität als Gemeinde vergewissert werden (1,10-2,12), kommt der Verf. zu seinem Anliegen: vorbildliches Verhalten als missionarische Chance (2,13-3,7). Als Pendant dazu folgt ein Abschnitt, worin es darum geht, dem Druck von außen standzuhalten (3,8-4,6). Unsere Perikopen befinden sich in diesem Abschnitt. Es folgen Mahnungen für das Gemeindeleben und Worte über die Führung in der Gemeinde (4,7-19; 5,1-11). Im direkten Kontext unserer Stellen geht es zunächst darum, dass man auf die Angriffe von außen mit der Bereitschaft zum Leiden reagieren sollte (3,14.17). Dieses Leiden ist nicht schädlich, sondern die Leidenden sind in Wirklichkeit selig (3,14). 1 Petr 3,18 bietet dann das Vorbild und Beispiel Christus an, der auch einmal für die Sünden gelitten hat, und zwar nicht für die eigenen, sondern als Gerechter für die Sünden der Ungerechten. Christus ist hier der »Führer« zum Leben, dessen Vorbild unbedingt Beachtung finden soll. Das Beispiel wird in 3,19 exkursartig verdeutlicht und in ein umfassendes Geschehen eingeordnet. Wir erfahren etwas über Christi Geschick in der Unterwelt, 840 wie er durch seine Predigt auch dort rettet. Noahs Arche ist Vorbild für die Taufe: Nur wenige werden gerettet. Aber es geht nicht nur um das Abwaschen von äußerlichem Schmutz, sondern um gutes Gewissen, bewirkt durch die Erhöhung Christi infolge der Auferstehung. Christus steht zur Rechten Gottes und ist Herr über Mächte und Gewalten. Damit ist benannt, was das Martyrium Christi bewirkt hat der Märtyrer wird über alles erhaben. Zugleich sind die Getauften mit Christus in diesem Martyrium verbunden. So begründet der Abschnitt 3,18-22 insgesamt christologisch die vorhergehenden Aufforderungen aus 3,8-17. 841 Indem die Welt vor Christus als Beispiel herangezogen 836 M ÜLLER , Menschwerdung, 37: Wegschema der Inkarnation: Präexistenz - Erniedrigung - Erhöhung (wie Phil 2,6-11). 837 Hier wäre zu zeigen (vgl. Barn, Herm, Ign usw.), dass es erst einmal um himmlisch-irdisch als Gegensatz im Sinne von der Art und Weise, von der Gesetzmäßigkeit, die herrscht, geht: himmlisch oder irdisch, göttlich oder menschlich. 838 Vgl. M ILLAUER , Leiden. M ILLAUER geht in seiner Untersuchung unabhängig von dieser Überlegung davon aus, dass in 3,18 ἀπέθανεν zu lesen ist (z.B. S. 128f.). 839 In der Einteilung des Briefes folge ich im Wesentlichen P REU ß-B ERGER , 434. Ähnlicher Aufriss bei F ELDMEIER , Petrusbrief, 326, in: N IEBUHR , Grundinformation. 840 Vgl. B ROX , Petrusbrief, 182-189. 841 Vgl. B ERGER , Formgeschichte, 98f. 242 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament wird, wird das Geschehen der Gegenwart universell eingeordnet: Die Predigt Jesu bei den Totengeistern ist Vorbild für die Ausbreitung des Evangeliums in der Gegenwart; die Sintflut bildet die Taufe vor. 1 Petr 4,1 nimmt 3,18 auf. Wiederum ist Christus Vorbild. Einmal hat er im Fleisch gelitten. Also sollen auch die Nachfolger gewappnet sein. Dem Verfasser gelingt es im Folgenden, zwei Themenkreise miteinander zu verbinden: den des Leidens und den der Sünde. Wer leidet, sündigt nicht mehr. 842 Die beispielhafte Lebensführung ergibt sich fast von selbst, wenn man im Leiden standhaft bleibt. Also sollen die Angesprochenen »die übrige Zeit im Fleisch« sich nicht an menschlichen Begierden, sondern am Willen Gottes orientieren (4,2). Was das heißt, wird im Folgenden geschildert: Es geht um Ausschweifung, Trunkenheit, Völlerei, Sauferei, Götzendienst (4,3). Das ist die frühere Lebensweise, die nun nicht mehr bestimmend ist, was die Umwelt irritiert und für den Druck sorgt (4,4). 1 Petr will seine angefochtene Gemeinde also gerade in dieser Situation stärken. Hierbei ist das Leiden Jesu Vorbild für die Lösung von den Gesetzmäßigkeiten und Begierden des »Fleisches«, die ebenfalls leidvoll erfahren wird. Das leitende Stichwort in diesem Zusammenhang heißt »Leid«. 843 M ILLAUER fasst zusammen: »Leiden ist (...) Teilhabe am Leidensweg Christi (...), es ist Kennzeichen der Nachfolge und Ausdruck der Gemeinschaft mit Christus. Gott beruft in diese Nachfolge. Deshalb ist das Leiden nichts Befremdliches (4,12), es geschieht nach dem Willen Gottes (3,17; vgl. 1,6) und ist Erweis seiner Liebe gegenüber dem Glaubenden. (...) Das Leiden ist (...) Berufung in die Gemeinschaft mit Christus (3,14), in die Nachfolge durch das Leiden hindurch zur ewigen Herrlichkeit«. 844 6.11.2 1 Petrus und Doketismus? Geht man davon aus, dass Doketismus eine sehr frühe christologische Denkform gewesen ist, über die schon zu neutestamentlicher Zeit gestritten wurde, dann sollten die in 1 Petr begegnenden Stichworte »Leiden Christi« und »im/ am Fleisch« eigentlich erwarten lassen, hier in irgendeiner Weise Doketismus diskutiert zu finden. Diese Erwartung wird nicht bestätigt. Nichts deutet auf einen doketistischen Hintergrund hin. Vielmehr geht es um eine eigene, soteriologisch und christologisch orientierte Theologie. Das Fleisch als kennzeichnend menschliche Existenzweise ist von Leiden betroffen. Das Leiden der von 1 Petr angesprochenen Menschen bzw. Gemeinden wird in eine Beziehung zum Leiden Christi gesetzt. Zugleich werden das Leiden Christi und das Leiden der Frommen allgemein auf das ebenfalls menschliche (Fleisch! ) Phänomen der Sünde und des geforderten rechten Verhaltens bezogen. Die Sünde ist durch das Leiden Christi abgetan. Das Leid der Frommen der Gegenwart dient nun dazu, der Macht der Sünde zu entkommen und verbindet zugleich mit dem Leidensgeschick Christi. Man kann also durchaus festhalten, dass wir es hier mit einem seelsorglich orientierten Gedankengang zu tun haben, der den Adressaten Heilsgewissheit vermitteln und zu rechtem Verhalten anleiten will. 842 Umstritten ist, ob diese Aussage so allgemein stehen bleiben kann. Dafür spricht die oben gezeigte Verschränkung von Geschick Christi und seiner Wirkung einerseits sowie der Vorbildhaftigkeit dieses Geschicks als Aufforderung zur Nachfolge andererseits. Dagegen könnte die Aussage aus 1 Petr 3,18 stehen, wonach Christus ein für alle Mal für die Sünden gelitten hat und insofern weitere Sühne nicht mehr notwendig wäre. Letztlich ist beides möglich. 843 Vgl. L OHSE , Paränese, 82. L OHSE vertritt die These, hier sei ein jüdischer Gedanke aufgenommen worden, wonach Leiden der Frommen an sich Sünden sühnt. 844 M ILLAUER , Leiden, 98. 6.11 1 Petr 3,18; 4,1 243 6.11.3 Geist und Fleisch Sowohl für die Frage nach Doketismus als auch für die Vorstellung der Inkarnation ist das Verhältnis von Geist und Fleisch interessant. »Geist« steht dabei für die himmlisch-göttliche, »Fleisch« für die irdisch-menschliche Sphäre. Das Geschick Jesu wird in 1 Petr 3,18 ebenso wie in Röm 1,3f (s.o.) und 1 Tim 3,16 in einander entgegengesetzte Stadien bzw. Aspekte unterteilt, die jeweils diesen Bereichen zugeordnet werden. - Menschlich-fleischlich ist von Jesus zu sagen: Himmlisch-pneumatisch ist von Jesus zu sagen: Insgesamt kann man von Fleisch und Geist als den »Existenzweisen des Christus« sprechen, die hier »das Geschick Jesu bündig formulieren.« 845 6.11.4 Auswertung zu 1 Petr 3,18 1. Die Aussagen über das Fleisch Christi betreffen seine irdische Herkunft, sein Auftreten bzw. Erscheinen als Mensch und seinen Tod als Mensch. 2. Die Aussagen über den Geist sprechen von der Rechtfertigung bzw. Legitimation des irdischen Auftretens Jesu durch den Geist, von der Auferweckung des getöteten Menschen Jesus und von der himmlischen Amtseinsetzung des menschlichen Nachfahren Davids. 3. Die himmlisch-pneumatische Dimension dient jeweils dazu, die irdisch-menschliche Aktion zu übertreffen und/ oder zu korrigieren. 4. Das irdisch-menschliche Geschick Jesu wird damit von der himmlisch-pneumatischen Ebene her gedeutet bzw. zu seinem eigentlichen Ziel und Ende geführt. 5. Zweck der drei antithetisch formulierten Aussagen ist nicht, logische oder ontologische Paradoxien zu behaupten, sondern das irdische Geschick Jesu aus der Perspektive des Geistes zu interpretieren. 6. Da es nicht um Paradoxien sondern um andere Perspektiven und Fortführungen geht, haben »Fleisch« und »Geist« hier nichts mit späteren philosophisch und dogmatisch orientierten Diskussionen über Gottheit und Menschheit Jesu zu tun. 7. Da die antithetische Formulierungen nicht als Paradoxien konstruiert sind, gibt es keinen Anlass für einen Doketismusverdacht. 845 B ERGER , Theologiegeschichte, 423, der dort ähnlich 1 Petr, Röm 1 und 1 Tim 3 vergleicht und konstatiert: »An die Stelle schwer zu erklärender isolierter kontingenter Ereignisse tritt ein gänzlich unanstößiges lokal orientiertes Schema. Die Zusammengehörigkeit der beiden Gegensätze Fleisch und Geist lässt das Geschick Jesu geradezu als notwendig geradeso verlaufen verstehen.« Vgl. ebd., 799: »In drei Gegensatzpaaren wird vor allem Jesu nachösterliches Geschick und seine Bedeutung für die ganze Welt (...) dargestellt.« 1 Petr 3,18 θανατωθεὶς μὲν σαρκί er ist getötet worden als Mensch Tod 1 Tim 3,16 ἐφανερώθη ἐν σαρκί er ist erschienen in menschlicher Sphäre Auftritt Röm 1,3 γενομένου ἐκ σπέρματος Δαυὶδ κατὰ σάρκα er stammt menschlich gesehen ab von David Abstammung 1 Petr 3,18 ζῳοποιηθεὶς δὲ πνεύματι er ist lebendiggemacht durch den Geist Auferweckung 1 Tim 3,16 ἐδικαιώθη ἐν πνεύμματι er ist gerechtfertigt im Geist Rechtfertigung Röm 1,4 τοῦ ὁρισθέντος υἱοῦ θεοῦ ἐν δυνάμει κατὰ πνεῦμα ἁγιωσύνης ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν er ist zum Sohn Gottes eingesetzt in Kraft durch den Heiligen Geist aus der Totenauferstehung Amtseinsetzung im Himmel 244 C. 6 Das »Fleisch Christi«: Neues Testament 8. Positiv gilt: Die Fleisch-Aussagen sind Voraussetzungen für die Geist-Aussagen. Ohne das Fleisch Christi könnte man nichts über Gottes Handeln an ihm sagen. Die Aussage über die menschliche Herkunft Jesu bietet die Vorlage für die Aussage über seine himmlische Funktion und Macht. Sein Auftreten und Erscheinen als Mensch dient als Folie für die Rechtfertigung des Geistes. Sein Tod am Kreuz ist Voraussetzung für die Auferweckung. Jeweils ist das »menschliche« Glied der Zweierkette Anlass für eine darüberhinausgehende Aussage bezüglich des Geistes. 6.11.5 Das Leiden Christi im Fleisch als Beispiel und Vorbild (1 Petr 4,1) 1 Petr 4,1: »Weil nun Christus im Fleisch gelitten hat (Χριστοῦ οὖν παθόντος σαρκί), so wappnet euch auch mit demselben Sinn; denn wer im Fleisch gelitten hat, der hat aufgehört mit der Sünde«. Wie in 1 Petr 3,18 ist hier deutlich, dass das Leiden Christi im Fleisch Heil für die ihm Angehörenden bedeutet. Hintergrund ist nicht eine Auseinandersetzung um Doketismus, sondern die konkrete Schwierigkeit mit der Lebenswirklichkeit der Menschen, die als umkämpft wahrgenommen wird. Absage an Allgemein- Menschliches wird als eine Art Absterben und Tod empfunden, da man getrennt und ausgesondert von vielen »bürgerlichen« Vergnügen ist. Christus wird als Vorbild herangezogen, da auch er im Fleisch gelitten hat, und zwar für die Sünden der Ungerechten, und nun durch den Geist lebendig gemacht wurde. Es geht also um die Aufforderung, es Christus gleichzutun, soweit dies in der Abschwächung bei normalen Menschen möglich ist. 1 Petr 3,13f. fragt, wer oder was den Gemeindegliedern schaden kann, wenn sie dem Guten nachjagen. Trotz Leiden, die um der Gerechtigkeit willen auftreten, sind die Angesprochenen selig. Daraufhin wird als Beispiel in 3,20f die Flut Noahs als Beispiel genannt. Sie zeigt auch die Funktion der Taufe im Vorhinein an. Die Höllenfahrt Jesu, die durch Fleisch und Leiden erfolgte, wirkt in noch größerer Weise rettend, als die Rettung Noahs und seiner Angehörigen durch die Wasser der Fluten hindurch. 1 Petr 4,1 stellt ähnlich das Leiden Christi als Vorbild und Beispiel für das Geschick der Christen in der Gegenwart vor Augen. Sein Leiden hat die Sünde überwunden. Das gegenwärtige Leid der angesprochenen Christen hat ähnliche Wirkung im Kleinen, wie das Leid Christi im Großen. Ergebnis: Das Leiden Christi im Fleisch hat eine soteriologische Funktion und dient als Vorbild für die Christen. Christi Leiden wird nicht erwähnt, weil es in Frage steht, sondern weil den Adressaten in ihrer Not auf diese Weise Christus an die Seite gestellt ist. Es geht um Seelsorge und Trost. 245 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Zielsetzung und Übersicht In der frühchristlichen Literatur außerhalb des Neuen Testaments finden sich einige Stellen, die explizit auf Doketismus verweisen zu scheinen. Denn anders als in 1 Joh und den anderen neutestamentlichen Schriften bringt z.B. der Barnabasbrief das Thema »Fleisch« mit »Leiden« und »ins Fleisch-Kommen« zusammen. PHerm differenziert ganz im Sinne des späteren Doketismus zwischen dem »Fleisch« und dem »Geist« Christi. 2Clem schließlich spricht davon, dass Christus erst Geist und dann Fleisch war, EvThom spricht von der Offenbarung Jesu im Fleisch. Beides könnte wie in TestXII als nur scheinbares Fleischwerden aufgefasst werden. In den Patriarchentestamenten wird mehrfach davon gesprochen, dass Gott »wie ein Mensch«, »in Gestalt eines Menschen«, wie ein »Schauspieler, der einen Menschen darstellt« auftreten wird. Hier hätte man im Sinne des noch darzustellenden Engeldoketismus einen eindeutigen Beleg für frühchristlichen Doketismus. Im Folgenden geht es darum, die genannten Textstellen im jeweiligen Kontext zu verstehen: Barn nutzt das Motiv des Fleisches Christi, um einen Midrasch zu den Themen »Gelobtes Land« und »Tempel« zu liefern (7.1). PHerm differenziert zwar zwischen Fleisch und Geist, ist aber im wesentlichen pneumatologisch an dem Zusammenspiel dieser beiden Größen im Menschen interessiert (7.2). 2Clem nutzt die »Fleisch«-Terminologie für ekklesiologische und seelsorgliche Aussagen (7.3). EvThom spricht vom Kommen Jesu ins Fleisch, um sein Kommen in die Not der Menschen zu darzustellen (7.4). Die doketistisch wirkenden Stellen in TestXII sprechen nicht von Jesus, sondern von Gott. Sie werden kontrastiert von ganz und gar nicht doketistischen Bezugnahmen auf Jesus. Die besondere Theologie der TestXII zwischen Juden- und Christentum dürfte hier im Hintergrund stehen. Da die vorliegenden Fassungen der TestXII nicht vor Mitte des 2. Jahrhunderts anzusetzen sind, ist hier möglicherweise tatsächlich ein Hinweis auf Doketismus zu entdecken. Damit gehören die TestXII allerdings auch nicht mehr zu der ganz frühen frühchristlichen Literatur (7.5). Letztendlich ist nirgends von Doketismus die Rede. Auch die TestXII kennen nicht die Bestreitung des Leidens oder des Todes Jesu. Doketistisch erscheinende Aussagen werden immer wieder von ganz und gar nicht doketistischen kommentiert und weitergeführt. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) 246 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Wesentlich bei allen folgenden Textauslegungen ist, dass der direkte Kontext Beachtung findet. In jedem einzelnen Fall ist die Nähe zu klassischen Positionen des Judentums näher als zu späterer Gnosis. Dies ist nicht nur im Großen und Ganzen zu behaupten, sondern wird im Einzelnen am Text belegt, so dass in manchen Fällen für bisher gängige Bewertungen und Einordnungen Alternativen angeboten werden können. Darüber hinaus bieten die dargebotenen Texte weitere Hinweise auf die Funktionen, die das Begriffspaar »Fleisch« und »Christus« einnehmen konnten, was für die spätere Betrachtung der Frage, wo die Vorstellungen von Inkarnation und Doketismus ihren Wurzelgrund haben, von Bedeutung ist (siehe im religionsgeschichtlichen Teil E.). 7.1 Der Barnabasbrief 846 7.1.1 Überblick über die kritischen Stellen Der Barnabasbrief bietet einige Stellen zum Thema »Fleisch« an, die für unsere Frage nach »Doketismus« besonders interessant erscheinen. Denn hier treffen die späteren Reiz-Worte und -Vorstellungen »Fleisch«, »leiden« und »Kreuz« aufeinander. Dazu kommen doketistisch klingende Formulierungen. Gleichzeitig ist theologiegeschichtlich eher ein frühes Stadium gegeben. Denn diverse judenchristliche Themen aus der Frühzeit des Christentums werden diskutiert. Man kann Barnabas gar als »einen dezidierten und äußerst interessanten Gegner des Paulus und Hebr« sehen. 847 846 P ROSTMEIER , Barnabasbrief; L INDEMANN / P AULSEN , Väter; G RILLMEIER , Jesus, 160f. P ROSTMEIER datiert »sicher nach dem Jahr 70« und zwingend »vor 190« (a.a.O., 111), um dann (118) zu präzisieren: »Die Abfassung des Barn wäre also zwischen Frühjahr 130 und Februar/ März 132 erfolgt.« Die von ihm angebotenen Datierungen orientieren sich am von Barn ausführlich behandelten Tempelmotiv, was die Frage aufwirft, welcher Untergang welches Tempels hier im Blick ist. P ROSTMEI - ER , der von »antijüdischen Invektiven« in Barn ausgeht, sieht den Untergang des herodianischen Tempels in deutlich zurückliegender Vergangenheit noch vor dem jüdischen Aufstand von 132-135 unter Bar Kochba. - Anders vermutet F ASSBECK , Tempel, 123-125, aufgrund der an der entscheidenden Stelle in Barn 16 zitierten Jesaja-Weissagungen, dass die »historische Situation der frühen nachexilischen Zeit im Blick ist«. - Es ist also zu fragen, ob nicht die für Israel/ das Frühjudentum liturgisch und theologisch immer präsente Katastrophe der Schleifung Jerusalems durch die Babylonier im 6. Jahrhundert vor Christus im Barnabasbrief die Folie zur Erklärung der eigenen Gegenwart darstellt, die dann durchaus im ersten Jahrhundert und sogar bzw. gerade vor dem Jahre 70 vorstellbar ist. Was »antijüdisch« ist, ist im Übrigen sicher auch eine Bewertungsfrage. Bezogen auf Frühjudentum und frühes Christentum kann man etwa bei Paulus ein Schwanken zwischen totaler Identifikation mit Israel und größtmöglicher Enttäuschung und Ablehnung feststellen. Warum sollte das bei einer Schrift, die nach dem »väterlichen Freund« und Reisebegleiter des Paulus benannt ist, anders sein? Aus methodischen Gründen ist es sinnvoll, Barn für unsere Fragestellung zunächst einmal für eine »frühe« Schrift zu halten. Denn wenn Barn eine späte Schrift aus der Mitte oder dem Ende des zweiten Jahrhunderts ist, ist Doketismus längst eine bekannte Größe und die in Frage kommenden Stellen werden dann in jedem Fall mit Blick auf doketistische Fragen verfasst worden sein. So im Wesentlichen P ROSTMEIER . - Geht man dagegen, wie im Folgenden, von einer frühen Datierung und gar möglichen Verortung im Umfeld des Apostels Paulus aus (all die Schriftbeweise, die um das Verhältnis Israel/ christliche Gemeinde kreisen, machen dies eher wahrscheinlich), dann ist die Frage zu stellen, wie entsprechende, »verdächtige« Passagen aus sich heraus anders verstanden werden können als durch Doketismus. 847 B ERGER , K., Theologiegeschichte, 562. Siehe dort die entsprechende Argumentation. 7.1 Der Barnabasbrief 247 Barn 5: Der Herr erschien notwendigerweise im Fleisch (ἐν σαρκὶ ἔδει αὐτὸν φανερωθῆναι) (5,6); er ist »im Fleisch gekommen« (ἦλθεν ἐν σαρκί) (5,10) bzw. »ins Fleisch gekommen (ἐν σαρκὶ ἦλθεν) (5,11); es ging dabei darum, zu leiden und das Fleisch ans Kreuz zu nageln (ἔδει γάρ, ἵνα ἐπὶ ξύλου πάθῃ ... καθήλωσόν μου τὰς σάρκας)(5,13). 848 Barn 6: Er wollte »im Fleisch erscheinen und leiden« (ἐν σαρκὶ οὖν αὐτοῦ μέλλοντος φανεροῦσθαι καὶ πάσχειν)(6,7); die Erkenntnis (γνῶσις) verweist auf Jesus, der »euch im Fleisch erscheinen will/ soll« (τὸν ἐν σαρκὶ μέλλοντα φανεροῦσθαι) (6,9); die Weissagungen von Ez 11,19 und 36,26 vom fleischernen Herzen, das Gott schenken will (vgl. 2 Kor 3,3) werden interpretiert als: »denn er selbst wollte/ sollte sich im Fleisch offenbaren und in uns wohnen« (αὐτὸς ἐν σαρκὶ ἔμελλεν φανεροῦσθαι καὶ ἐν ἡμῖν κατοικεῖν) (6,14). Barn 7 zitiert eine (uns unbekannte) Prophetenstelle, die als Jesusrede zu verstehen davon spricht, dass Christus für die Sünden seines »neuen Volkes« sein Fleisch darbringen und für sie leiden müsse (ὑπὲρ ἁμαρτιῶν μέλλοντα τοῦ λαοῦ μου τοῦ καινοῦ προσφέρειν τὴν σάρκα μου) (7,5). Ab 7,6 legt Barn die Anweisungen aus Lev 16 über den Sündenbock bzw. die Sündenböcke aus, die einander gleichen der eine wird in die Wüste geschickt und lebt, der andere wird als Opfer geschlachtet. Barn 7,9 spricht dann vom Tag des Gerichts bzw. der Wiederkehr Christi, vom »pupurfarbenen Gewand über dem Fleisch« des wiederkommenen Christus und von der Verwunderung, dass der, »den wir damals gekreuzigt haben« hier auftritt. Bedenkenswert: hier wird erstmalig die Gestalt Jesu Christi als Gekreuzigter und Auferstanden-Wiederkommender auf zwei Figuren verteilt (die zwei Böcke aus Lev 16 als Vorbild nehmend). Auch wenn keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden, ist dies genau die Argumentation späterer doketistischer Christologien. Barn 12,9 deutet dann schließlich Josua, den Nachfolger Moses, als »Jesus, nicht Menschensohn, sondern Gottessohn, als Vorzeichen im Fleisch erschienen« (τύπῳ δὲ ἐν σαρκὶ φανερωθείς). - Also wäre Josua quasi Inkarnation oder (doketistische) fleischliche Erscheinungsweise im vorhinein des erst später wahrhaftig aufgetretenen Christus. Wollen wir vermeiden, diese Textstellen von vornherein doketistisch zu lesen, ist es hilfreich, die Argumentation des Barnabas an diesen Stellen insgesamt in den Blick zu nehmen. Auffallend ist, dass sich im Barnabasbrief ein Schriftbeweis an den andern reiht. 849 Keine heute noch so abseitig scheinende Konstruktion ist zu schade, um nachzuweisen, dass die Schrift schon immer von dem als Mensch unter Menschen 848 Das Annageln des Leibes bzw. Fleisches ans Kreuz ist ein in den doketistischen Theorien vielfach diskutiertes Thema siehe z.B. die äthiopische Petrusapokalpse oder EpAp. 849 B/ N weist in den Anmerkungen 86 alttestamentliche Stellen nach, die zitiert oder kommentiert werden, darunter einige Mehrfachnennungen. Schwerpunkte sind bei der Tora, Jesaja, Jeremia und den Psalmen zu erkennen; sechsmal werden »unbekannte« Stellen (Propheten, frühjüdische Schriften) zitiert, einmal der äthiopische Henoch (89,56.66). Mögliche Anspielungen auf neutestamentliche Stellen werden viermal genannt; ab Barn 19 wird im Verlauf der »Zwei-Wege-Lehre« eine große Parallelität zu Did 1-4 deutlich. 248 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) aufgetretenen und gestorbenen Jesus kündet. Dabei werden auch Schriftstellen verwendet, die uns heute nicht mehr zugänglich sind, die aber offensichtlich in Teilen des Frühjudentums bekannt waren. Andere Schriftstellen, wie z.B. aus Levitikus, beschäftigen sich mit der Ritualgesetzgebung. 850 Dabei zitiert der Verfasser »biblische Bücher ausschließlich in Griechisch; ein Rückgriff auf den hebräischen Text ist nicht zu erweisen.« 851 Aufmerksam macht eine bei P ROST - MEIER wiedergegebene Tabelle der Schriftzitate des Barn, die der jüdischen liturgischen Leseordnung, der Haftara in ihrem babylonischen Zyklus, entsprechen. 852 Zwar begegnet keine der dort genannten Stellen direkt in unserem Zusammenhang - und es ist auch nicht ganz klar, ab wann die babylonische Haftaroth anzusetzen sind; dennoch ist schon durch die Zusammenstellung der Texte bei P ROST - MEIER sowie durch die immense Fülle der Schriftzitate deutlich, dass der Verfasser nicht nur schriftgelehrt ist, sondern eine Reihe von »Lieblingsstellen« der späteren jüdischen Liturgie aufgreift. Ein judenchristlicher Entstehungshintergrund ist daher wahrscheinlich. Barnabas kommentiert in großer Schriftgelehrsamkeit alttestamentliche Texte und zeigt, wie sie auf Jesus Christus verweisen. Daraus ergeben sich Hinweise darauf, wieso und in welcher Hinsicht Barnabas »das Fleisch des Christus« thematisiert. Zwei Möglichkeiten sind denkbar, wie die Kombinationen zustande kommen: a) Die Texte sind vorgegeben - und die Frage steht im Raum: Was hat das mit Christus zu tun? Vorausgesetzt wäre: Hier sind Judenchristen und nichtchristliche Juden zusammen - oder zumindest sehr schriftbewanderte, interessierte Heidenchristen - und diskutieren die Frage, ob Jesus der Christus ist, was im Zweifel alttestamentlich angekündigt sein müsste. Barnabas würde somit seinen exegetischen und hermeneutischen Scharfsinn einsetzen, infrage stehende Stellen zu interpretieren. - Ein gutes Beispiel für eine solche Diskussion gibt die Debatte zwischen Justin und dem Juden Tryphon. 853 b) Die Frage des »Fleisches« Christi steht irgendwie im Raum und wird mit Hilfe dieser Bibelstellen beantwortet. Barnabas würde somit zu seiner Fragestellung ihm hilfreich erscheinende Stellen heranziehen und interpretieren. Beide Möglichkeiten schließen einander nicht aus, können also kombiniert werden. Insgesamt: Die infrage stehenden Schriftbeweise wollen einerseits zeigen, dass das Leiden Jesu nötig gewesen ist. Genau das kennen wir aus den Evangelien: Gerade weil das Leiden Jesu nicht erwartet worden war, sind seine Anhänger irri- 850 Obwohl diese für Heidenchristen an sich uninteressant sein dürfte, gehen große Teile der Forschung davon aus, die Schrift sei von einem Heidenchristen mit großer Schriftkenntnis für andere Heidenchristen geschrieben worden (z.B. P ROSTMEIER , dort ausgiebig Pro- und Kontra-Argumente). 851 P ROSTMEIER , Barnabasbrief 94. Dort: »Das größte Kontingent [der Zitate] stammt aus Jes, gefolgt vom Psalter. Weit geringer ist die Zahl der Zitate aus Jer, Ez und Dan.« Dazu kommen Übernahmen und Anklänge aus Gen, Ex, Lev, Num und Dtn. »Die hohe Zahl der Zitate aus Jes, Ps und Gen ist eine indirekte Folge davon, dass diese Bücher bei Juden und Christen gleichermaßen beliebt« waren. 852 Ebd. 95f, Anm. 21. 853 G RESCHAT / T ILLY , Dialog. 7.1 Der Barnabasbrief 249 tiert und müssen diese Irritation zu deuten lernen. - Die Frage, warum das Thema »Fleisch« hiermit in Zusammenhang gebracht wird, kann man sehr einfach und grundsätzlich beantworten: Es war nun einmal so, dass Jesus als Mensch gelitten hat. Leiden gehört zur Sphäre des Menschlich-Fleischlichen, nicht zu der des Göttlich-Himmlischen. Andererseits wollen die Schriftbeweise sichern, dass Jesus Christus Thema der Schrift (des Alten Testaments) ist und dass er, der Gottessohn, jetzt als Mensch (Fleisch) zum Heil der Menschen in Erscheinung getreten ist. 7.1.2 Themen und Positionen des Barnabas Deutlich wird das alles, wenn wir den Barnabasbrief selbst zu Worte kommen lassen, indem wir kursorisch die für uns kritischen Aussagen mit den anderen Themen und Absichten des Barnabasbriefes in Verbindung bringen. Erst im Anschluss daran sollen die Fleisch- und Leidensstellen noch einmal gesondert in den Blick genommen werden: Barnabas behandelt insgesamt den Weg der Gerechtigkeit (1,4), der mit Hilfe des Heiligen Geistes zu finden ist. Die Adressaten sollen mehr davon kennen lernen, was auch nötig ist angesichts der schlechten Zeiten, in denen der Satan die Regie führt (Barn 2). Die erste Frage dreht sich um die Bedeutung des Jerusalemer Tempelkults. Im Sinne alttestamentlicher Kultkritik wird gezeigt, dass dieser keinen Sinn mehr hat; Barn schließt sich der symbolisierend deutenden Linie im Judentum an. So auch beim Thema Fasten (Barn 3): Hier ist gemeint: Gerechtigkeit üben (Jes 58). Mit Fasten und Opfer war aber der Bund Gottes verbunden. Barn 4 bearbeitet die Frage, wem der Bund vom Sinai nun gilt und wie er auszulegen ist. Jene (Israel) haben ihn verloren, dagegen ist er als Bund Jesu »in unsere Herzen« wie mit einem Siegel eingeprägt worden. So heißt es in Barn 5,1, dass Jesus sein Fleisch der Vernichtung auslieferte, um uns zu retten. Barn 5,7 zeigt, dass die Christen das neue Volk sind, von dem die Schrift redet. Barn 6: Dass Christus sein Fleisch hart gemacht hat, ist ein Zeichen dafür, dass er wirklich der Eckstein ist. Biblisch ist da vom Leiden des Messias die Rede, wo vom verheißenen Land gesprochen wird, in das Josua die Israeliten führte (Ex 33,1.3). Schließlich verbindet sich in V.14 der Nachweis der Neuschöpfung aus leidendem Land/ Christus mit der Prophezeiung, dass die steinernen Herzen der Menschen durch fleischerne ersetzt werden (Ez 11,19; 36,26). Zugleich wird damit in mehrfacher Hinsicht die alte Verheißung erfüllt, dass Gott unter/ in den Menschen wohnen wollte. Aus all dem ergibt sich, dass »wir« diejenigen sind, die in das Gelobte Land geführt worden sind. Das Gelobte Land ist dabei Christus selbst oder die von ihm veränderte, erneuerte Menschheit (6,16). 854 Die Vollkommenheit steht noch aus, da auch der vom Herrn verheißene Bund erst Wirklichkeit werden kann, wenn wir selbst zur Vollendung gelangt sind (6,19). Das alles ist schon vorher offenbart worden (7,1). Dass Jesus gelitten hat und gestorben ist, ist nicht problematisch, da er es unseretwegen und nicht aus Unvermögen oder Mangel an Kraft tat (7,2). Wesentlicher ist die Frage, ob er am Kreuz noch den Sabbat entheiligte und ob das der Grund ist, warum Gott ihm nicht half. In diesem Zusammenhang werden Isaak und der Sündenbock des Alten Testaments erwähnt (7,3-11). Weitere Opferpraktiken (Barn 8), die Praxis der Beschneidung (Barn 9) und die Speisegebote (Barn 10) werden überprüft. Sie alle zeigen im Sinne des eingangs genannten Weges der Gerechtigkeit am Ende auf etwas anderes, nämlich auf Christus. Barn 11 liefert Schriftbeweise für die Taufe. Barn 12 zeigt für das anstößige Kreuzeszeichen alttestamentliche Vorbilder. Barn 13 nimmt die Frage noch einmal auf, wem der Bund gilt und löst die Frage mit Hinweis auf Geschichten, wo bei zwei Söhnen die Verheißung jeweils an den jüngeren geht. Dabei hatte der Bund ursprünglich den Vätern gegolten, nur hat das Volk unwürdigerweise Gussbilder angefertigt (Barn 14). Deswegen sind »wir« zum Erbvolk geworden. Noch einmal folgt das Sabbatgebot, dessen mögliche Verletzung durch Jesus in Barn 7 diskutiert wurde (Barn 15): Die richtige Einhaltung des Gebots wird erst möglich sein, wenn mit dem Kommen des Sohnes und dem Gericht über die Gesetzlosigkeit und mit der Rechtfertigung 854 Man fühlt sich in dieser nicht einfach zu durchschauenden Konstruktion an die johanneische Argumentationsfigur der »reziproken Immanenz« erinnert. 250 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) eine neue Zeit angebrochen ist, in der keine Ungerechtigkeit mehr herrscht. - Dann erst kann Gott auch wirklich ruhen. Die jetzigen Sabbate sind dagegen mit prophetischer Kultkritik abzulehnen. In diesem Sinne ist der richtige Tempel auch das menschliche Herz, in uns, wo Gott wohnt (Barn 16). Barn fasst in einem ersten Schlusswort zusammen, dass er Aufschluss geben wollte über das, was geschehen ist (Barn 17). Wie man sich nun aber konkret verhalten soll, wird anhand der zwei Wege dargestellt (Barn 18), und zwar anhand des Weges des Lichts (Barn 19) und der Dunkelheit (wörtl.: »des Schwarzen«) (Barn 20). Im abschließenden zweiten Schlusswort wird gesagt, dass alle Gebote einzuhalten sind (Barn 20,8). 7.1.3 Ergebnis der kursorischen Lektüre des Barnabasbriefes Die Frage nach dem Fleisch und dem Leiden des Messias ist keineswegs das einzig bestimmende Thema. Vielmehr ordnet sich die uns hier besonders interessierende Fragestellung bei Barnabas in den Kontext verschiedenartigster Schriftbeweise ein, die sowohl den Zusammenhang von kultischen Themen der Schrift mit Christus - und damit ihren eigentlichen Sinn zeigen sollen, als auch auf die Frage reagieren, wie denn nun Christus als Mensch und Gottessohn »ein neues Volk« schaffen und damit auch einen »neuen Weg« einschlagen konnte. Diese Themenstellung war im Umfeld der paulinischen Mission hochaktuell und drängend. Damit verbunden sind die Fragen nach den Verheißungen (Land, Bund, Segen, Gesetz) der Schrift. Was bedeuten sie und wem gelten sie? Ist Christus denn nun wirklich in der Schrift vorhergesagt? - Barnabas zeigt dies vielfältig. Der Barnabasbrief steht mitten in den Streitthemen, die in der Zeit der Trennung von Kirche und Israel brisant sind. Eine durch Doketismus positiv oder negativ motivierte Fragestellung ist im Gesamtaufriss des Briefes nicht sichtbar. 7.1.4 Die Fleisch- und Leidensstellen des Barnabasbriefes Nachdem die großen, ausladenden Züge der Argumentation des Barnabas in den Blick gekommen sind, fragen wir, welche Funktionen »Fleisch« und »Leiden Christi« bei Barnabas haben. Gefragt wird in tabellarischer Darstellung danach, wer was für wen oder wozu macht. Die Tabelle zeigt die soteriologische Funktion der »Fleisch-Stellen«. Es geht nicht allgemein um die theoretisch-philosophische Frage, ob Gott Mensch sein kann und leidensfähig ist, sondern darum, wozu dies geschehen ist. Allerdings taucht die genannte »theoretische Frage« auch auf (7,2), wird aber durch die Tatsachenfeststellung beantwortet, dass es eben so gewesen sei. Hinzu kommt eine Differenzierung zwischen dem Sohn Gottes einerseits, der tatsächlich gelitten hat, und dem kommenden Richter andererseits, der nicht leiden kann. a) Barn 5 wer tut was wozu 5,1 Kyrios hat standgehalten; Fleisch der Vernichtung übergeben, damit wir mit Blut besprengt sind gereinigt durch Vergebung d. Sünden. 5,6 Er hielt darin stand, dass er notwendigerweise im Fleisch erschien, um den Tod zu vernichten, um die Auferstehung der Toten zu zeigen. 5,7 Er hat sich ein neues Volk eingesetzt. Rettung für die Menschen. 7.1 Der Barnabasbrief 251 Auswertung: 1. Barn 5 spricht vom »Fleisch« des Herrn, wo es um »Rettung« derer geht, die zum »neuen Volk« gehören (durch Sündenvergebung, Vernichtung des Todes, Auferstehung) (5,1.6.10). 2. Das messianische »Kommen im Fleisch« macht das Maß an Prophetenverfolgung voll und führt so auch zum Untergang der »Schafe«. 3. Das Leiden Christi wird nicht theoretisch problematisiert (»Wie kann Gott leiden? «). 4. Allerdings hat der Tod Christi dramatische Folgen für die Mörder (sie sterben). 5. Damit steht die Frage nach der Schuld am Tod Jesu im Raum. 6. Schließlich heißt es, dass er selber leiden wollte, weil es sich aus der Schrift ergibt. b) Barn 6 855 855 x Land bedeute Mensch, sagt Barn. In doppelter Hinsicht: Christus wurde Mensch, um unter Menschen zu wohnen. Und er zieht in den Menschen ein und erobert ihn von innen. Gemeint ist aber wohl jetzt, dass die Geretteten in das neugeschaffene Land, in den neuen Menschen einziehen, in dem Christus wohnt. Das Bild wird hierdurch etwas gesprengt, indem die Erde, aus der Adam gemacht ist, identifiziert wird mit dem Gelobten Land, in das das Volk Gottes einzieht. xx Nachdem in 6,9 das leidende Land der Mensch war, werden nun die Geretteten ins Gelobte Land, das neue Menschsein, geführt. 5,8 verkündigte die Botschaft und zeigte Israel große Liebe. 5,9 offenbarte sich überaus sündigen Menschen als Sohn Gottes; 5,10 wäre er nicht im Fleisch gekommen: keine Rettung durch seinen Anblick 5,11 ist ins Fleisch gekommen, damit die Fülle der Sünden der Prophetenverfolger voll werde. 5,12 Sie sind für Wunde/ Tod verantwortlich. haben Hirten umgebracht. Folge: Schafe sterben. 5,13 Er wollte so leiden, weil die Schrift es so will/ hergibt. wer tut was wozu 6,3-4 Kyrios hat sein Fleisch in Stärke hingestellt wie dauerhaften Fels, 6,4: um Eckstein zu werden, der zuerst verworfen, dann tragende Stütze ist. 6,7 Er sollte/ wollte im Fleisch erscheinen, Konsequenz: Leiden (ist vorhergesagt) 6,8- 12 Schriftgelehrte Erkenntnis sagt/ erklärt Ex 33,1.3 (Landnahme) + Gen 1,26.28 (Menschwerdung), damit wir verstehen: die Schrift sagt, dass Christus uns neu macht. 6,9 Land hat Gewalt erlitten; Mensch wurde aus dem Land gemacht. 6,10 Land “fließt” mit Milch und Honig. 6,11 Sohn vergibt Sünden, macht neuen Menschen. 6,12 Gott spricht zum Sohn: Menschen machen nach unserem Bilde. Ziel: Wachset und mehret euch. Auswertung: 1. Es geht, bildlich gesprochen und dargestellt, um die »Grundlage« des »neuen Menschen«. 2. Dabei ist Christus der »Eckstein« - und zwar in seinem »Fleisch«. 3. Mit dem Thema »Fleisch« ist auch das Thema »Leiden« gesetzt notwendigerweise (9). 4. Das Leid wird mit dem »Land«, das als Typos für Christus steht, verbunden. 5. Es wird als nötig angesehen, um »Menschen zu machen«. Die Abfolge 6,9f zeigt: Das Land 856 ist Jesus, der litt und auferstand. Es geht also um einen Leidensweissagungsbeweis. 6. Übertragen folgen Sündenvergebung und Schöpfung des neuen Menschen (11). 7. Auftraggeber ist Gott: Es geschieht nach seinem Willen und ist kein Unfall (12). 8. Dass die letzten Dinge wie die ersten sein sollen (13), bedeutet zusammen mit dem im Folgenden genannten Einzug des Volkes ins Gelobte Land, dass das neue Volk (jüdische und heidnische Christen) das Heilsgut (Land) inklusive Milch und Honig (Vergebung der Sünden) bekommt. 9. Damit ist dieses Volk auch das Volk, »in dem« Gott wohnt (»unter uns«). 10. Fazit Barn 6: Die Bilder von Eckstein, Land, Erde und Fleisch (inklusive Leiden) stellen hier dar, wie und wieso die Christen die eigentlichen und letzten Träger der Verheißungen sind. c) Barn 7 856 Eine ähnliche Interpretation des »Landes« liefert Philo, Quis rerum divinum heres sit 69: »Land, das ist der ‚Körper‘«. 6,13 Gott macht die letzten Dinge wie die ersten. Sie sollen ins Land ziehen und es unterwerfen. x (FN 855 S. 251) 6,14 Der Herr will steinerne Herzen herausreißen u. fleischerne einpflanzen. Wir sind somit neu geschaffen. Er wurde als Mensch sichtbar und wohnte unter uns, Unser Herz ist Wohnung, Tempel für den Herrn. Ziel: Gott wohnt unter uns. 6,16 Er hat uns in das gute Land geführt. xx Rettung wird aus der Schrift erwiesen. wer tut was wozu 7,1 Ihr/ Wir Freude, weil alles schriftgemäß ist. sind Gott Dank schuldig. 7,2 Sohn Gottes; Herr und künftiger Richter hat gelitten, konnte gar nicht leiden, Erstmals taucht das Problem auf, dass der Sohn Gottes doch eigentlich gar nicht leiden konnte - und doch gelitten hat. hat Wunder getan. Sie sollten uns lebendig machen. 7,3 Der Herr befiehlt, am Fastentag(! ) am Kreuz mit Essig u. Öl getränkt zu werden. Vorbild Isaak ist auf dem Altar dargebracht worden. 252 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) 7.1 Der Barnabasbrief 253 Auswertung: 857 1. Das Leiden Jesu ist ein Leiden »für« (7,4f.). 2. Das Leiden ist damit nicht sinnlos, sondern hat einen (nötigen) Zweck. 3. Dieser Zweck soll in Barn 7 erklärt und schriftgemäß begründet werden. 4. Gefragt wird, wie der Sohn Gottes, der »nicht leiden kann« (7,2), doch leiden und sterben konnte. 5. An dieser Stelle wird nicht von Christus oder von Jesus gesprochen, sondern vom »Herrn«, vom »Sohn Gottes« und vom »künftigen Richter«. Dass er eigentlich nicht leiden kann, hat also vermutlich mit seiner himmlischen, göttlichen Herkunft, Beschaffenheit oder schlicht Hoheit zu tun. 6. Die Wunder des Herrn hatten den Zweck, lebendig zu machen (7,2). Dasselbe gilt wohl auch für das im Folgenden geschilderte Wunder, dass der, der eigentlich nicht leiden kann, doch litt. 7. Barnabas greift auf den in Levitikus 16 geschilderten Ritus am Versöhnungstag zurück, wo zwei vollständig gleiche Ziegenböcke als Opfertiere dienen. Der eine wird am Ende wirklich geopfert und stirbt, der andere wird nach der Auskunft des Mischna-Traktats Joma 6 zu einer Klippe oberhalb einer Schlucht geführt und dort dem Dämon Azazel geopfert. 858 8. Barnabas nimmt hier erstmalig eine Unterscheidung vor, die später für verschiedene doketistische Christologien prägend sein wird: Der eine leidet der andere nicht. Beide sind äußerlich ganz und gar gleich. 857 Das Motiv »Ziegenbock« wird in V.4 eingeführt, weil mit diesem am Versöhnungstag etwas trotz Feiertag geschehen ist. Am Ende essen die Priester(! ) von dem mit Essig behandelten Ziegenbock (V. 4), so wie Jesus am Kreuz Essig zu trinken bekommt. Es geht also in diesem ersten Teil ausschließlich um die Frage der Feiertagsobservanz, die auf die Tränkung Jesu mit Essig bezogen wird. Im zweiten Teil geht es dann auch nicht darum, Jesus direkt mit dem Ziegenbock als Opfer zu vergleichen, sondern darum, dass der zweite, in die Wüste geschickte Sündenbock, mit dem ersten identisch ist. Der Ablauf ist so: Der erste Bock wird für den H ERRN geopfert, dann taucht der zweite, äußerlich identische Bock auf und wird »in die Wüste geschickt«.D.h.: Ein Bock stirbt, ein identischer (Zwillings-)Bock taucht kurz danach wieder auf. Dass er mit roter Wolle bekränzt ist (V. 9), weist auf die Wundmale Jesu. Es geht hier um einen »Beweis« aus der Kultpraxis für die Parusie Christi. So, wie die Menschen sich beim zweiten Bock fragen, ob das nicht der ist, den sie gerade geopfert haben, so werden sie sich bei der Parusie fragen, ob das nicht der ist, den sie gekreuzigt haben. D.h.: Die Opfer- und Sündenbockthematik wird nicht direkt auf Jesus angewendet, denn die Pointe liegt hier auf dem Wiedererkennen bei der Wiederkunft. - Das heißt weiter: Es geht um das Kommen Jesu, das in Frage steht. 858 Vgl. entsprechend C ORRENS , Mischna, 220ff (Joma 6). B ARKER , Temple Mysticism, 42, weist auf 1Hen 10,4-7 hin, wo von Azazel berichtet wird, dass er von Erzengel Raphael genau in der Gegend, in der der zweite Bock beim Versöhnungstag seinen Tod findet, gebunden und eingesperrt worden sei. Der Herr gebot, dass Jesus/ Gefäß d. Hl. Geistes wie ein Opfer dargebracht wurde. 7,4 Sie essen Ziegenbock, Ziegenbock wird dargebracht für Sünder. 7,5 Er/ Jesus leidet durch sie (Volk). Ich/ Jesus bringe mein Fleisch dar für die Sünden meines neuen Volkes. Er/ Jesus muss leiden für sie. 7,9 2. Bock purpurnes Gewand über dem Fleisch. wird verhöhnt, durchbohrt, gekreuzigt. 9. Allerdings bleibt diese Unterscheidung bzw. Trennung ausschließlich Teil des verwendeten Bildes und wird nicht direkt auf Jesus übertragen. Die doketistische Konsequenz wird weder gezogen noch abgelehnt und ist damit nicht im Blick. 10. Der gezogene Vergleich soll allein die Frage beantworten, ob die sich eigentlich gegenseitig ausschließenden Sachverhalte (»er konnte gar nicht leiden« versus »er hat aber gelitten«) in der Schrift vorabgebildet sind. Dass der Vergleich in mehrfacher Weise hinkt und an sich überhaupt unmöglich ist, weil Jesus weder kultisch geopfert, noch in die Wüste gejagt wurde und mit seinem Blut auch niemand besprengt wurde und schließlich Menschenopfer sowieso ausgeschlossen sind, wird vom Autor offensichtlich in Kauf genommen. Der springende Punkt sind für ihn offenbar nicht diese »unmöglichen« Komponenten, sondern die Tatsache, dass an dieser Stelle in der Schrift bei »gleichartigem Auftritt« - und dennoch einander ausschließend gegensätzliche Geschicke erzählt werden und so als Vorabbildung für das widersprüchliche Geschick Jesu gelten können. d) Barn 12 859 Auswertung: 1. Fleisch und Leiden werden an dieser Stelle nicht direkt miteinander verbunden. 2. »Fleisch« wird mit dem Mose-Nachfolger Josua, Namensvetter Jesu, verbunden. 859 x In Ex 17,14 ist nicht vom Sohn Gottes die Rede. Dort ist der Kyrios der, der befiehlt und ankündigt, er werde solches tun. Wenn nun der Kyrios von Ex 17,14 als Sohn Gottes aufgefasst wird, ist das richtig. Fraglich bleibt, inwiefern Jesus als Sohn Gottes Amalek ausgerottet hat. Das geht nur, wenn Amalek eine Metapher für Sünde, Bosheit etc. ist. xx W EIGANDT , Doketismus, 14 sieht hier ein Beispiel einer Geistchristologie. S.u. 427f. wer tut was wozu 12,1-7 Schriftbeweis für das Kreuz und das Leiden Christi. 12,7 Schlange ist Vorschein der Herrlichkeit Christi: am Pfahl macht lebendig. 12,8 Mose nennt Naues Sohn »Jesus«, damit das ganze Volk weiß, dass der Vater alles über seinen Sohn offenbart. Der Vater offenbart alles über Jesus, damit sein Volk es weiß. 12,9 Mose befiehlt. Josua nimmt Buch und schreibt. Sohn Gottes x wird Amalek ausrotten. 12,10a Jesus nicht der Menschensohn (wohl Josua), sondern der Gottessohn (wohl Jesus) ist im Fleisch (Josuas? ) erschienen, xx damit er ein Typos, ein Vorabbild gebe man weiß so, dass er (Jesus) als Mensch erscheint. 12,10b (Man wird sagen): Christus ist Sohn Davids, (und damit implizit Unter- oder Einordnung unter bestehende jüdische Strukturen erwarten). David prophezeit, um dem Irrtum der Sünder zu begegnen, «Der Herr spricht zu meinem Herrn: « »setze dich zu meiner Rechten, damit ich deine Feinde niederlege.« 254 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) 7.1 Der Barnabasbrief 255 3. Josua ist kein Gottessohn, sondern Menschensohn im direkten Sinne des Wortes ohne apokalyptische Spezialbedeutung. 4. Am »Fleisch«, d.h., an der menschlichen Realität des legendären Mose-Schülers zeigt sich im Typos, im Vorabbild, dass der Gottessohn Jesus als Mensch (Fleisch) erscheinen wollte bzw. sollte. 5. Damit lässt sich die Frage stellen, als was er sonst hätte erscheinen sollen. 6. Die Frage nach einer »Mehrzahl« von »Herren« oder »Mächten« im Himmel taucht hier im Zitat von Ps 110,1 auf. 860 7. Da man im griechischen Text nicht zwischen »H ERR « und »Herr« unterscheidet, wird Ps 110,1 nicht mehr als ein Gespräch des Gottes Israels mit dem König gelesen, 861 sondern als ein Gespräch einer übergeordneten himmlischen Herrschaft (Gott-Vater) mit einer unter- oder beigeordneten Herrschaft (Sohn). Damit ist die Bezeichnung »Sohn« aus der himmlischen Relation Jesu zu Gott abgeleitet, was ihn gegenüber David und jedem anderen zu einer göttlichen Größe (»Herr«) macht. Als »Sohn Davids« ist er also nicht korrekt anzusprechen, wie man an Davids Aussage in Ps 110,1 sehen kann das wäre absurd. 8. Es geht also bei dem Schriftbeweis in Barn 12,8-10 darum, dass eine göttliche Macht (Gottes-Sohn/ Herr) in menschlicher Gestalt erscheint und dabei sowohl durch die Schrift angekündigt ist (Typos Josua) als auch nicht auf die menschliche (und nationalbzw. religiös-jüdische) Gestalt reduzierbar ist. Derjenige, der also angekündigt durch das menschliche (»Fleisch«) Wesen Josuas als Mensch/ im Fleisch erscheint, ist nicht Menschen-, sondern Gottes-Sohn. 9. Fazit Barn 12: Der Streit um das »Fleisch« des Messias ist hier ein Streit um die Zugehörigkeit: Wem gehört er? Israel (Sohn Davids)? Oder universaler allen Menschen, die an ihn glauben (Sohn Gottes). Wir sind damit also wieder in einer Diskussion aus den Trennungsprozessen von Kirche und Israel. Keinesfalls ist hier irgendein Doketismus im Blick. 7.1.5 Ergebnisse Das Fleisch Christi wird bei Barnabas in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert. Es ist dabei nicht auszuschließen und nicht unwahrscheinlich, dass manche der hier entwickelten Argumentationen »Vorarbeit« für späteren Doketismus leisteten. Trotzdem geht es aber erweisbar bei Barnabas »nur« um: - Schriftbeweise für Geschick, Leiden und Tod Jesu, - Aufforderung zur Standhaftigkeit anhand des Beispieles Jesu (Barn 5), soteriologische Deutung des Leidens (Barn 5.7) das »neue Volk«, die diesem Volk im AT vorhergesagten Verheißungen und Gottes »Wohnen« inmitten dieses Volkes (Barn 6), 860 Vgl. die übereinstimmenden Zitate in Mk 12,36 parr. im Munde Jesu und in Apg 2,34 im Munde des Petrus anlässlich seiner Pfingstpredigt. Das Zitat i.S. des oben gezeigten Verständnisses ist ein beliebtes frühchristliches Argumentationsmittel, wenn es darum geht, wie Jesus als Messias zu verstehen ist: in der Nachfolge Davids, machtpolitisch und jüdisch-national oder als eigentlich himmlische Größe - und als solche sowohl universal wie auch in jeder Hinsicht neue Maßstäbe setzend. 861 Damit ist deutlich, dass die Grundlage der an diesen Stellen argumentierenden Akteure nicht das alttestamentliche Hebräisch, sondern die schon seit langem weit verbreitete griechische Septuaginta ist. Griechisch als Weltsprache beherrscht nicht nur außerpalästinisches, hellenistisches Judentum. Auch das Judentum Palästinas zur Zeit Jesu und Pauli kann man sich zumindest teilweise griechisch sprechend und denkend vorstellen. 256 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) - Schriftbeweis für das Nicht-Leiden-Können und gleichzeitig notwendige Leiden- Müssen (Barn 7). - Klärung, wer Jesus ist und wem er »gehört«: Israel oder der Kirche (Barn 12). - Fazit: Die Ergebnisse der kursorischen Lektüre des gesamten Barn werden somit bestätigt: Der Kontext ist eine jüdisch-christliche Diskussion über das richtige Schrift-, Gottes-, Messias- und Selbstverständnis im Zusammenhang mit den Trennungsprozessen zwischen Israel und der frühen Kirche. 7.2 Der Hirt des Hermas (Herm) Im »Hirten des Hermas« (Pastor Hermae), 862 einer lange höchst populären »apokalyptischen Bußschrift«, 863 abgefasst in Rom in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, 864 die vor allem dem damals brennenden Problem der sogenannten »zweiten Buße« eine Chance einräumt, begegnet der Zusammenhang von Geist und Fleisch mehrfach. Allerdings besteht nur einmal ein direkter Bezug auf Christus. Um diese Stelle zu verstehen, schauen wir uns zunächst kurz die anderen Stellen an, an denen von Geist und Fleisch die Rede ist. Herm mand 3,1,1: »Wieder sprach er zu mir: ›Liebe die Wahrheit, und alle Wahrheit aus deinem Mund wird hervorgehen, damit der Geist, den Gott in diesem Fleisch hat wohnen lassen (ἵνα τὸ πνεῦμα, ὃ ὁ Θεὸς κατῴκισεν ἐν τῇ σαρκὶ ταύτῃ), als wahr gefunden werde bei allen Menschen und so der Herr, der in dir wohnt, verherrlicht wird: Denn der Herr ist wahrhaftig in jedem Wort, und nichts bei ihm ist Lüge.‹« In diesem kurzen Stück wird ein Problem des Hirten deutlich: »Herr« und »Geist« scheinen austauschbar. Der Geist wohnte in diesem Fleisch (Jesus oder Hermas? ). Der »Herr« wiederum »wohnt« in Hermas. 865 Wahrscheinlich ist gemeint, dass der Geist in Hermas wohnt und mit dem Herrn identisch ist. 866 Es stellt sich die Wahrheitsfrage: Wenn der Geist bzw. der Herr involviert ist, dann kann und darf keine Lüge gesprochen werden. Das Fleisch ist hier der Präsenzort des Göttlichen und darf deswegen nicht durch Lüge in irgendeiner Weise desavouiert oder kontaminiert werden. 862 Lit.: S TUIBER / A LTANER , Patrologie, 55-58; G RILLMEIER , Jesus; B ROX , Hirt; R EILING , Hermas; H ILHORST , Hermas; H ENNE , L’unité; W ILSON , Reassessment. 863 Z ELLER , Einleitung. 864 B ROX , Hirt, 22-25 plädiert für eine Abfassungszeit um 140 n.Chr., referiert aber auch den breiteren Forschungskonsens, der eine frühere Abfassung zu Beginn des 2. Jahrhunderts vertritt. B ERGER geht von etwa 120 n.Chr. aus (vgl. B/ N, 815ff). Im Canon Muratori (200 n.Chr.) wird Herm als »jüngst verfasst« bezeichnet. 865 Vgl. Herm 9,1,2: Der Geist ist der Herr. - Zum »Wohnen«: »Das Bild vom ‹Wohnen›«, 549-551 in: B ROX , Hirt. Zur Pneumatologie dieser Stelle ebd., 542 (Exkurs Pneumatologie): »Die Rede des H ist (...) verwirrend, weil er, wie in der Christologie (...) so auch bei den Christen vom Einwohnen des Geistes (...) spricht (Mand 3,1; 10,2,6) und Christologie und Anthropologie unter dem Leitmotiv der Bewährung stark parallelisiert.« B ERGER , Theologiegeschichte, 194, bemerkt: »Die Christologie wird ganz von der Pneumatologie her konzipiert. Das ist singulär, aber (...) beachtenswert. Denn Jesus Christus wird so auch in seiner pneumatologischen Dignität nachahmbar.« 866 Vgl. die Exkurse »Christologie« (476-484) u. »Pneumatologie« (541-545) bei B ROX , Hirt. 7.2 Der Hirt des Hermas (Herm) 257 Diese Vermutung wird gestützt durch die nächste, sehr ähnliche Stelle: Herm mand 10,2,6: »Der Geist Gottes, der in dieses Fleisch gegeben wurde (δοθὲν εἰς τὴν σάρκα ταύτην), erträgt weder Trauer noch Enge« (B/ N). Im Zusammenhang geht es in mand 10 um den Geist der Traurigkeit, gemeint wäre mit modernen Begriffen so etwas wie Depression oder Schwermut, die die Freiheit und Freude des Heiligen Geistes bedrängt. Wiederum geht es also um den Geist Gottes im Menschen nicht speziell aber in Jesus. Ganz ähnlich auch in den Gleichnissen der Hermas: Herm sim 5,7,1: »›Höre weiter‹, fuhr er fort. ›Bewahre dies dein Fleisch rein und unbefleckt, damit der Geist, der in ihm wohnt (τὴν σάρκα σου ταύτην φύλασσε καθαρὰν καὶ ἀμίαντον, ἵνα τὸ πνεῦμα τὸ κατοικοῦν ἐν αὐτῇ), für es zeugen kann und dein Fleisch als gerecht anerkannt wird‹« (B/ N). Das menschliche Dasein des Hermas ist Wohnort des Geistes. Der Geist ist nicht vom Fleisch zu trennen. Das Fleisch soll nicht als vergänglich angesehen werden, da es zum Geist gehört und gerettet wird. Hier gehen der Geist Christi und der »Lebensgeist« des Menschen Hermas offenbar eine so starke Symbiose ein, dass auch das mit dem Lebensgeist des Hermas verbundene Fleisch also seine ganze Menschlichkeit gerettet wird. 867 Das führt uns zum 5. Gleichnis des Hermas: 868 Herm sim 5,6,5: »Den Heiligen Geist, (...) ließ Gott im Fleisch wohnen, das er bestimmt hatte (τὸ πνεῦμα ... κατῴκισεν ὁ Θεὸς εἰς σάρκα). Dieses Fleisch also, in dem der Heilige Geist wohnte, diente dem Geist gut (ἡ σάρξ, ἐν ᾗ κατῴκησε τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον, ἐδούλευσε τῷ πνεύματι καλῶς) durch heiligen und ehrbaren Umgang, und er befleckte den Geist nicht. (6) Da er also gut zusammengelebt hatte und rein und gut zusammengearbeitet hatte mit dem Geist in jeder Hinsicht, wurde er stark und männlich. (...) Gott gefiel der Wandel dieser Menschennatur (ἤρεσε γὰρ [...] ἡ πορεία τῆς σαρκὸς ταύτης), weil sie sich nicht befleckt hatte, solange sie auf Erden den heiligen Geist in sich trug. Da beriet er sich darüber mit dem Sohn und den herrlichen Engeln, damit auch dieses Fleisch, das dem Geist so gut gedient hatte, eine Wohnung erhielte und es nicht schiene, als sei sie um den Lohn für ihren Dienst gekommen. Denn jedes Fleisch wird seinen Lohn empfangen, das unbefleckt und ohne Fehl erfunden wird, in welcher der Heilige Geist gewohnt hat« (B/ N). 867 Vgl. unten die Bemerkungen zu 2Clem 9 und 14. 868 Hier sieht K ÖSTER den Beleg für eine »adoptianistische Christologie« des Hermas. K ÖSTER , Einführung, 696: »Die Christologie ist (...) an dieser einzigen Stelle des Buches, wo überhaupt auf den irdischen Jesus angespielt wird, adoptianisch«, da der Sohn Gottes, »der den Herrn bei der Anlage des Weinbergs mit den Engeln unterstützt«, der Heilige Geist ist. Der gute Knecht »ist dagegen ‹ein Fleisch›, in dem der Heilige Geist wohnt und der so zum Sohn Gottes und Miterben gemacht wird«. Dagegen stellt B ROX , Hirt, 494 fest, dass »eine Typisierung dieser Christologie mit Hilfe der gängigen dogmenhistorischen Kategorien (z.B. kommen in Frage Adoptianismus, Antimodalismus, Geist- und Engelchristologie) (...) äußerst zurückhaltend gehandhabt werden« müsse. 258 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Hermas entwickelt kurz und nebenbei 869 eine eigene Theorie vom Miteinander von Geist Gottes und menschlicher Natur (Fleisch) bei Jesus. 870 Ihm geht es hier darum, dass auch der menschliche Leib Jesu an der Erlösung teilhat. Im Grunde ist eine Vorform der späteren Zwei-Naturen-Lehre gegeben, die allerdings (s.o.) ganz in Entsprechung zu den Überlegungen der Rettung anderer Menschen wie beispielsweise des Hermas selbst entwickelt wird. Für die Frage nach doketistischen Fragestellungen ergibt sich daraus eher nichts: Denn schließlich wird der Zusammenhang Geist-Fleisch an den oben genannten Stellen auch für den Menschen Hermas beschrieben. 871 Der Unterschied bei Jesus ist hier »nur« seine Unbeflecktheit (Bewährung) auch in seiner menschlichen Natur und die Betonung, dass der in ihm einwohnende Geist der Schöpfungsgeist in voller Potenz war bzw. ist. 872 - Die menschliche Natur (Fleisch) ist für Hermas offenbar fraglos der Ort der göttlichen Offenbarung gelöst werden muss hier nur das weitergehende Problem, was sozusagen »in der Ewigkeit« mit dem Leib Christi geschieht. Diese Frage aber ist für Doketisten absurd und wird von ihnen nicht traktiert, wohl aber von Ignatius (IgnSm 3f). Bei Ignatius ist die Betonung, dass Christus als Auferstandener gegessen und getrunken hat, Beleg dafür, dass er selbst da 869 B ROX , Hirt 485, bemerkt, dass Hermas »die Christologie in seiner langen Schrift nur selten thematisiert und sie überdies nur ungenau und fragmentarisch entfaltet«. Zudem mache er »die hochkarätigsten Aussagen in einer eher kategorischen und aphoristischen Form, die mehr voraussetzt als mitteilt.« S. 486 bemerkt B ROX , »der Versuch einer von vornherein systematisierenden Wiedergabe« sei »nicht glücklich«. Man müsse besonders eng den schwierigen Texten folgen: »Die Reihenfolge, in der man die Texte liest, ist nicht beliebig. Man beginnt am besten mit sim 5,2-7, weil das der umfassendste Text zum Thema ist.« Hermas liefere hier Voraussetzungen und Klärungen; die »Komposition dieser ganzen Passage sim 5,2-7« sei aber »literarisch und thematisch (...) kompliziert.« Zur Komposition (vgl. B ROX , 306f): sim 5 behandelt zu Anfang die Frage des Fastens, die auch als Frage des richtigen (sozialen) Handelns beschrieben wird (sim 5,3,5: Wahres Fasten besteht u.a. im Tun der Gebote des Herrn). In zwei Parabeln wird dies dargestellt: Zunächst wird von einem übereifrigen Sklaven erzählt, der die Gebote seines Herrn übererfüllt; auch der Sklave der zweiten Parabel erfüllt die Gebote der Nächstenliebe mehr als erwartbar. Das Motiv der Übererfüllung der »normal-bürgerlichen Pflicht« wird daraufhin aufgenommen und mit Christus in Verbindung gebracht. Auch er hat weit mehr getan, als erwartbar gewesen wäre. Das ist das Thema des Abschnitts: Was ist der Lohn für die Übererfüllung der Gebote? - Das heißt also: Zwar kann man hier herausarbeiten, was sich der Verfasser christologisch »gedacht« hat und woran er geglaubt hat; allerdings muss dabei im Blick behalten werden, dass seine konkreten Äußerungen, auch die zum Fleisch des Christus, motiviert sind von seinem Leit- Thema: dem der Buße und des Lohns für den geläuterten und bewährten Christen. Christus dient hier nur als (starkes) Beispiel. 870 Dazu B ROX , Hirt, 486: »Hier ist am Anfang ein ‹Leib› (σάρξ) (...) es ist der Mensch Jesus. Ihn erwählte Gott (...) und ließ den präexistenten Heiligen Geist, der hier der Schöpfer genannt wird, in ihm wohnen - (...) eine Adoption, durch die es offenbar überhaupt erst zur Existenz des Sohnes kam, der er als bloßer ‹Leib› (Mensch) noch nicht war. Die Einwohnung (Inkarnation) wird von H nirgends erklärt. Dieser ‹Leib› bewährte sich einzigartig im Dienst an dem in ihm wohnenden Geist, mit dem zusammen er wirkte und sich abmühte. Auf diese Bewährung hin nahm Gott ihn als (ständigen) ‹Gefährten (κοινωνός)› des Heiligen Geistes.« 871 Dabei wirkt das spannungsvolle Miteinander von Geist und Fleisch hier so, wie im Platonismus das von Körper und Seele. Sprachliche Ähnlichkeiten zu Ignatius fallen dabei auf (s.u. S. 329f). 872 H ARNACKS Kategorie der »Geistchristologie« hat hier einen entscheidenden »Aufhänger«. Vgl. auch P ANNENBERG , Grundzüge, 120. - Vgl. dagegen aber die Kritik von B ROX , Hirt, 494. - Gerade in Herm müsste man aber nach dem Zusammenhang dieser »Geist-Christologie« mit Angelologie oder angelomorpher Christologie fragen, da Engel (=Geister Gottes) mit »Geist Gottes« verwandt sind und angelophane Christusdarstellung des Herm dazu einlädt. 7.3 Der Zweite Clemensbrief 259 »Fleisch« war/ hatte. Die präzise Frage nach der Aufnahme des Fleisches Christi wird bei Ignatius nicht behandelt. Umgekehrt geht Herm nicht auf doketistische Fragen ein. Es ist daher davon ausgehen, dass Doketismus nicht im Blick ist. 873 Das Interesse am Fleisch Christi im Himmel ist eher ähnlich wie das des Ignatius eigenständig pneumatologisch motiviert. 7.3 Der Zweite Clemensbrief 7.3.1 Einleitungsfragen Der sogenannte »2. Clemensbrief« hat, so der einhellige Konsens der Forschung, nichts mit dem 1. Clemensbrief zu tun, bis darauf, dass er »in den Handschriften immer zusammen mit dem Letzteren abgeschrieben worden ist«. 874 Erstmals ausdrücklich erwähnt ist der Text bei Euseb h.e. 3,38,4. Euseb weist im gleichen Zusammenhang darauf hin, dass er nicht genauso anerkannt ist, wie der 1. Clemensbrief. 875 Formgeschichtlich handelt es sich nicht um einen Brief, sondern um eine Predigt, genauer eine Mahnrede. 876 Datierung und religionsgeschichtliche Einordnung sind umstritten. Die ältere, auch im Kommentar von P RAT - SCHER durchgehaltene Positionierung lautet: Mitte 2. Jahrhundert. »Der Prediger setzt Gnostiker, im Speziellen wohl Valentinianer, voraus, die er bewusst polemisch bekämpft, indem er gnostische Terminologie und Vorstellungen aufgreift, diese aber in seinem Sinn interpretiert. So wird der zweite Clemensbrief zu einem wichtigen Dokument für die Auseinandersetzung der werdenden Großkirche mit der Gnosis.« 877 Der damit formulierte, langjährige Forschungskonsens wendet sich unter anderem gegen die vorhergehende ältere Position der Arbeit von H. W INDISCH , die 2Clem religionsgeschichtlich im Frühjudentum (in früherem Sprachgebrauch »Spätjudentum«) und in synoptisch geprägtem Umfeld verortete. 878 873 Interessant ist für die Entstehung doketistischer, bzw. trennungschristologischer Konzepte im frühen Christentum hier der Gedanke, dass der Sohn Gottes eigentlich Geist war und im Fleisch wohnte und dass über das Schicksal dieser Fleischnatur nachgedacht wird (vgl. K INLAW , Christ). 874 K ÖSTER , Einführung, 671. B/ N, 723: »Es ist auch ausgeschlossen, dass es sich um denselben Verfasser handelt.« 875 L INDEMANN / P AULSEN , Väter, 152. 876 Vgl. P RATSCHER , W., Der zweite Clemensbrief. Kommentar zu den Apostolischen Vätern (KAV 3), Band 3, Göttingen 2007, L INDEMANN / P AULSEN , a.a.O.; B/ N, 723 (»Vorlage zu einer vorgelesenen Predigt (...) wiederholte Mahnung zur Umkehr«). 877 P RATSCHER , W., a.a.O., Einleitung. K ÖSTER , a.a.O. 671 nimmt ägyptische Herkunft (P RATSCHER »östliche« Herkunft) an und wehrt sich gegen die Auffassung H. W INDISCH s, der 2Clem im »Spätjudentum« verwurzelt sah. Dagegen setzt K ÖSTER a.a.O. 672 die Auffassung eines Gemeindechristentums, »das sich auf die Grundprinzipien praktischer und aktiver Frömmigkeit beruft, um sich so gegen die vorherrschende gnostische Richtung berufen zu können. Dass der Verfasser sich im Kampf mit den Gnostikern befindet, ist ganz eindeutig.« Daher interpretieren beide Autoren auch das Motiv des »Christus im Fleisch« als scharf antidoketistisch. G RILLMEIER , Jesus, 161-163, sieht 2Clem im Einflussbereich von Herm in Rom zwischen 120 und 150 und spricht von einem »spätjüdischen, synoptischprophetischen Typ der Predigt« (161). Gegen die gnostische Verachtung von Leib und Auferstehung sei hier »eine dogmatische Grundlage für die Aufwertung der menschlichen Natur in der Betonung der Inkarnation geschaffen« worden (ebd.). Dennoch habe sich der Homilet unmerklich »gnostischen Vorstellungen« angenähert, indem er von einer präexistenten Kirche gesprochen habe. 878 W INDISCH , Christentum, besonders 120ff.; dort auch die bei K ÖSTER zitierte Grundsatzposition (vorige FN). 260 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Die neuere Position, von K. B ERGER in kurzen Sätzen dargestellt, führt W IN - DISCH weiter und lautet: »Die allgemeinen christlichen Themen sind noch nicht intensiv durchdrungen. Das heißt: 2Clem hat nur begrenzt Anteil an gemeinchristlichen Überlieferungen.« Er folgert daraus eine frühe, weit vor allen antignostischen Auseinandersetzungen liegende Entstehung; möglich sei das (nach vorne) bis ins Jahr 75 (B/ N 723). So ist der Blick religionsgeschichtlich geöffnet und die Gnosis-Fixierung damit auch die Einordnung in das spätere zweite Jahrhundert nicht mehr nötig. Grundlage dafür sind theologiegeschichtliche Beobachtungen, wie sie schon W INDISCH gemacht hatte. 879 7.3.2 Der Sprachgebrauch des 2Clem Die uns interessierende Frage hängt mit diesen Verortungen zusammen, ist aber zunächst innertextlich zu lösen: die Frage nach der Rede vom Fleisch des Messias. Sie begegnet ausdrücklich an zwei Stellen (2Clem 9 u. 14). Bevor wir uns diese Stellen direkt anschauen, ist es sinnvoll, den Sprachgebrauch des 2. Clemensbriefes hinsichtlich des Wortes »Fleisch« (σάρξ) zu analysieren. 5,5: »Der Aufenthalt dieses Fleisches in diesem Kosmos ist kurz« (ἡ ἐπιδημία ἡ ἐν τῷ κόσμῳ τούτῳ τῆς σαρκὸς ταύτης μικρά ἐστιν.) 7,6: Die, die Wettkampf-Regeln verletzen, »die werden zum Schauspiel für alles Fleisch« (ἔσονται εἰς ὅρασιν πάσῃ σαρκί). 8,2: »Lasst uns, solange wir in dieser Welt sind, von den bösen Taten, die wir im Fleisch getan haben (ἐν τῇ σαρκὶ ἃ ἐπράξαμεν πονηρὰ), aus ganzem Herzen umkehren«. 8,4: »Haltet das Fleisch rein (τὴν σάρκα ἁγνὴν τηρήσσαντες) und beachtet die Gebote des Herrn«. 8,6: »Bewahrt das Fleisch rein (τηρήσατε τὴν σάρκα ἁγνήν) und das Siegel makellos, um das ewige Leben zu empfangen« (B/ N) 880 (9,1-5 und 14,3-5 werden unten ausführlicher betrachtet.) 17,5: »Die Ungläubigen (...) werden zum Schauspiel für alles Fleisch (οἱ ἄπιστοι (...) ἔσονται εἰς ὅρασιν πάσῃ σαρκί)« (B/ N). Auswertung: 1. Schauspiel für alle Welt/ für alle Menschen sind die Ungläubigen bzw. diejenigen, die die Regeln verletzen (7,6; 17,5). »Fleisch« meint die Menschen, das Publikum oder die ganze belebte Welt. 2. In 5,5 ist mit »Fleisch« das menschliche Leben gemeint, das nur kurz ist im Vergleich mit der himmlischen Ewigkeit. 879 Theologiegeschichtlich stellt B ERGER -N ORD auch eine Verwandtschaft »zu Eph 5 und zu allen christlichen Autoren« fest, für die das »Fleisch des Messias« ein Thema sei (die johanneischen und ignatianischen Texte, sowie der Hirt des Hermas). - Hier liegt m.E. auch eine der Begründungen dafür, dass man 2Clem lange im antignostischen Kampf verortete: »Das Nichtverstehen der Rede vom Fleisch des Messias hatte in der neutestamentlichen Forschung die verheerende Folge, dass überall ein antidoketischer Kampf angenommen werden musste, ohne dass es doch in der Regel Doketen schon gab oder hätte geben können« (B ERGER , Theologiegeschichte, 231). 880 Vgl. Röm 4,11, wo die Beschneidung als Siegel der Glaubensgerechtigkeit bezeichnet wird. Sonst ist aber im Neuen Testament das »Siegel« oder die Aussage »X ist versiegelt« zumeist eine Aussage über den Heiligen Geist oder über sichtbare Bestätigungen des Apostelamtes anhand der geisterfüllten, vom Apostel gegründeten Gemeinde. Vgl. Joh 3,32ff; 6,27; 1 Kor 9,2.11; 2 Kor 1,22; Eph 1,13; 4,30; 2 Tim 2,19. Die Siegel aus Offenbarung 5,6.20 sind dagegen als Bild direkter und plastischer vorzustellen, während Offb 6f. das Versiegeln von Menschen (an ihrer Stirn wie beim Kains-Mal) kennt. Die Funktion ist apotropäisch-schützend. 7.3 Der Zweite Clemensbrief 261 3. Die in 8,2 genannten bösen Taten sind »als Mensch« getan, natürlich leiblich, aber der Schwerpunkt liegt wohl dabei auf dem »als Mensch«, »in der Verfasstheit als Mensch«, und zwar unter den Bedingungen »dieser Welt«, d.h. der irdischen, durch Bosheit und Sünde gefährdeten Existenz. Somit geht es auch darum, als Mensch dieser Welt jetzt noch aus ganzem Herzen umzukehren. Damit ist schon das Vorzeichen für das Kommende gesetzt; denn trotz der prinzipiellen Veränderung durch Christus gilt es, die Gegenwart und gegenwärtige Existenz ernstzunehmen, und in diesem gegenwärtigen Leben der künftigen Entwicklung schon zu entsprechen. 4. »Reinheit« des Fleisches und die Bewahrung der »Versiegelung« in 8,6 weist auf eine Zuspitzung hin: »Siegel« gelten immer konkreten Dingen (Büchern, Herzen, Menschen, Stirnen), nie einer Größe wie »Menschheit allgemein«. Damit ist auch nicht die Reinheit allen Fleisches an sich im Fokus, sondern die Reinheit der konkreten, leiblich verfassten Adressaten von 2Clem, allerdings bezogen auf deren Eigenschaft als Mensch (Fleisch). - Das Thema Reinheit weist schon nach vorn (2Clem 9) wo das Stichwort »Tempel« auftaucht. 7.3.3 Ausweitung des Sprachgebrauchs: »Fleisch als Tempel« 881 In Anschluss an die zuletzt genannte Stelle in 2Clem 8 beginnt mit 2Clem 9 ein neuer Abschnitt, in dem der Sprachgebrauch des Ausdrucks »Fleisch« eine weitere, jetzt über den neutestamentlich bekannten Usus hinausgehende Bedeutung bekommt: 2Clem 9,1ff: »Und niemand von euch sage, dass dieses Fleisch nicht gerichtet werde und nicht auferstehe. (2) Erkennt: Worin seid ihr gerettet worden, worin seid ihr wieder sehend geworden, wenn nicht in diesem Fleisch existierend (ἐν τίνι ἐσώθητε, ἐν τίνι ἀνεβλέψατε, εἰ μὴ ἐν τῇ σαρκὶ ταύτῃ ὄντες; )? (3) Es ist also nötig, dass wir wie ein Tempel Gottes das Fleisch schützen (ὡς ναὸν θεοῦ φυλάσσειν τὴν σάρκα). (4) Auf welche Weise ihr nämlich im Fleisch berufen seid, so werdet ihr auch im Fleisch erlöst (ὃν τρόπον γὰρ ἐν τῇ σαρκὶ ἐκλήθητε, καὶ ἐν τῇ σαρκὶ ἐλεύσεσθε). (5) Wenn Christus, der Herr und unser Retter, der zuerst Geist war, Fleisch wurde 882 und uns so gerufen hat, so werden auch wir in diesem Fleisch den Lohn empfangen (τὸ πρῶτον πνεῦμα, ἐγένετο σὰρξ καὶ οὕτως ἡμᾶς ἐκάλεσεν· οὕτως καὶ ἡμεῖς ἐν ταύτῃ τῇ σαρκὶ ἀποληψόμεθα τὸν μισθόν). 883 Texte wie 1 Kor 6,19 und Joh 2,21 sprechen vom »Tempel des Leibes« und meinen damit, dass Gott bzw. sein Geist »im Menschen« bzw. »in Christus« wohnt. 884 2Clem pflegt, kennt oder entwickelt einen anderen Sprachgebrauch. Das, was an den genannten Stellen als σῶμα bezeichnet wird, nämlich der sichtbare Leib, ist für 2Clem σὰρξ. Umgekehrt ist »Fleisch« sonst eher das, was das Menschsein ausmacht im Gegensatz zum Himmel und ist nicht als Körper oder Leib zu verstehen. In 2Clem 9 ist aber der Sprachgebrauch »Tempel des Leibes«, den wir aus 1 Kor 6,19 und Joh 2,21 kennen, mit »Tempel des Fleisches« wiedergegeben. 881 Vgl. dazu die oben zum Hirten des Hermas gemachten Bemerkungen (sim 5,6,5ff; 7,1). 882 Für W EIGANDT , Doketismus 14, ist dies ein Beleg für quasi-doketistische »Pneumachristologie«. Ähnlich P ANNENBERG , Grundzüge, 120: »Die ältere Geistchristologie konnte, wie der Hirt des Hermas und der sogenannte zweite Clemensbrief zeigen, auch eine präexistente Hypostase im Sinne haben, die in Jesus ›Fleisch‹ angenommen hat. Hier ist die Geistgegenwart, als Gegenwart eines präexistenten Geistwesens, durchaus substantiell gedacht. 883 Erinnerung an Joh 1,14 und Joh 6. 884 Verwandt damit sind Stellen wie Eph 2,20-22, 1 Petr 2,4; 2 Kor 6,16; 1 Kor 3,16; Kol 1,19; 2,9. 262 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Zu 9,1: Dass Fleisch gerichtet wird, ist auch sonst gängig, 885 ebenfalls die Auferstehung des Fleisches, 886 aber es geht dabei immer darum, dass kollektiv »alles Fleisch« auferstehen und gerichtet werden wird; nie geht es um den einzelnen, konkreten Menschen. Auch Joh 5,29, wo zwar nicht das Stichwort »Fleisch« vorkommt, aber Auferstehung und Gericht kombiniert sind, ist von der Auferstehung und dem Gericht aller die Rede. 887 Eine Ausnahme stellt neben 2Clem sonst nur Ignatius dar. 888 Vom Text her ist es auch in 2Clem 9,1 nicht nötig, »Fleisch« individuell als einzelnen Leib zu sehen; zwar ist der Einzelne schon seit 2Clem 8 im Blick, dennoch ist die Aussage von 9,1 auch allgemein: »Dieses« Fleisch ist nicht als Fleisch eines bestimmten Menschen im Blick. Allerdings ist mit diesem, das Fleisch näher zeigenden Demonstrativpronomen etwas Neues erfolgt. Der Ansatz für 2Clem ist ein doppelter: Zum einen geht er auf den Erfahrungsraum seiner Adressaten ein (9,2). Für sie ist das »Fleisch« der Ort der Bewährung oder des Abfalls. Zum anderen ist genau an diesem »Ort« oder in dieser »Art und Weise« Christus selbst Fleisch geworden. Zwar war er erst »Geist«, ist aber als Mensch aufgetreten (Fleisch) und hat so die Berufung zur Nachfolge ausgesprochen. Damit ist das Fleisch zumindest eine notwendige und beachtenswerte Station seines Weges - und so des Weges auch aller seiner Nachfolger. Daher wird jetzt das Fleisch als »Tempel« Gottes bezeichnet, da Christus selbst im Fleisch gewohnt hat (9,3). Das Fleischwerden des Geistes in 9,5 erinnert dann an Joh 1,14, wo das Fleischwerden des Logos als ein Zelten im Tempel des Menschen Jesus genannt wird. Schließlich wird das Herz im Menschen (traditionell mit »Fleisch« konnotiert - Jer 17,5; Ez 11,19; 36,26) angesprochen. Wenn der Lobpreis von Herzen kommt und also echt ist, dann sind Umkehr, Rettung und Heilung ebenfalls echt (7-10). Festzuhalten ist: »Fleisch«, der Ort bzw. die Daseinsweise von Schwäche und Versuchung ist in der Gemeinde bzw. bei Einzelnen zum Problem geworden. »Dieses Fleisch«, »diese« gegenwärtige menschliche Kondition ist es, die den Adressaten offensichtlich Schwierigkeiten macht. Die damit verbundene Verunsicherung wird unterlaufen, indem darauf hingewiesen wird, dass Jesus selbst Fleisch geworden ist und gerade in »diesem« Zustand, in »diesem« Fleisch als Retter offenbar wurde. Damit ist an dieser Stelle eines gesichert: Es geht nicht um doketistische Fragen der Adressaten oder des Verfassers, sondern um die lebenspraktische oder soteriologische Verunsicherung in der Gemeinde, die dadurch aufgefangen wird, dass Jesus selbst mit seinem Menschsein zum »Aufhänger« gemacht wird. 7.3.4 Der Zusammenhang von »Fleisch« und »Kirche« in 2Clem 14 Nun entwickelt Clemens eine »Inkarnationstheologie«, die sich zugleich auf die Kirche bezieht: 885 Vgl. Sib 8,218f.: Der himmlische König kommt, das Fleisch und die ganze Welt zu richten. 886 Vgl. Iren. haer. 1,10,1, wo das Bekenntnis abgelegt wird, dass Jesus kommen wird, alles Fleisch auferstehen zu lassen, damit sich wirklich »alle Knie« beugen können; in VitAdEv 13,2 wird Seth, dem Sohn Adams von Michael prophezeit, dass am Ende der Zeiten alles Fleisch, d.h. alle Menschen von Adam an, soweit sie heilig gelebt haben, auferstehen wird. 887 Das gilt auch an anderen Stellen, wo von Auferstehung und Gericht die Rede ist: Dan 12,2; Mt 25; 2 Kor 5,10. Es geht jeweils nicht um ein individuelles, sondern kollektives Geschehen, bei dem freilich das Individuum gerichtet wird aber Gericht und Auferstehung geschehen gemeinsam. 888 Zum Sprachgebrauch des Ignatius s.u. S. 315ff. Bei Ignatius ist es offensichtlich sein eigner Sprachgebrauch, der das, was sonst mit σῶμα bezeichnet wird, auch »Fleisch« nennen kann. Ignatius übernimmt diese Wortwahl nicht von seinen Gegnern. Wir haben es also bei Ignatius nicht mit einem doketistisch veranlassten Sprachgebrauch zu tun. Die Lösung für diese Veränderung im Sprachgebrauch sowohl bei 2Clem als auch bei Ignatius dürfte darin bestehen, dass sowohl 2Clem als auch Ignatius Texte des 2. Jahrhunderts sind (gegen B ERGER , der 2Clem um 75 n.Chr. datiert). 7.3 Der Zweite Clemensbrief 263 2Clem 14: »Also, Brüder, wenn wir den Willen Gottes, unseres Vaters tun, dann werden wir zu der ersten Kirche gehören, die von Geist durchwirkt ist und die vor der Sonne und dem Mond geschaffen wurde. (...) (2) Ich bin sicher, dass ihr genau wisst, dass die lebendige Kirche der Leib Christi ist (ἐκκλησία ζῶσα σῶμά ἐστιν Χριστοῦ). Die Schrift sagt nämlich: Gott schuf den Menschen männlich und weiblich. Männlich das ist Christus; weiblich das ist die Kirche. Und weil die Bibel und die Apostel nicht [sagen], dass die Kirche (erst) jetzt existiert, sondern (erneut und) von oben, [ist es offensichtlich, dass] sie nämlich geistig war, wie auch unser Jesus. Sie ist aber in diesen letzten Tagen offenbar geworden, damit wir gerettet würden. (3) Die Kirche, die geistlich ist, wurde offenbar im Fleisch Christi (ἡ ἐκκλησία δὲ πνευματικὴ οὖσα ἐφανερώθη ἐν τῇ σαρκὶ Χριστοῦ). Sie tat uns kund, dass, wenn jemand von uns sie im Fleische bewahrt (ἐάν τις ἡμῶν τηρήσῃ αὐτὴν ἐν τῇ σαρκὶ) und nicht zugrunde richtet, er sie im heiligen Geist empfangen wird. Denn dieses Fleisch ist das Gegenbild des Geistes (ἡ γὰρ σὰρξ αὕτη ἀντίτυπός ἐστιν τοῦ πνεύματος). Niemand nun, der das Gegenbild zugrunde richtet, wird das Urbild empfangen. Das bedeutet nun Folgendes: Brüder, bewahrt das Fleisch, damit ihr am Geist Anteil bekommt. (4) Wenn wir aber sagen, das Fleisch sei die Kirche und der Geist Christus, so hat folglich der, der gegen das Fleisch frevelt, gegen die Kirche gefrevelt. So jemand wird daher nicht Anteil bekommen am Geist, welcher ist Christus. (5) Ein so großartiges Leben und Unvergänglichkeit kann dieses Fleisch empfangen, wenn sich der Heilige Geist fest mit ihm verbindet (τοσαύτην δύναται ἡ σὰρξ αὕτη μεταλαβεῖν ζωὴν καὶ ἀθανασίαν, κολληθέντος αὐτῇ τοῦ πνεύματος τοῦ ἁγίου). Niemand kann aussagen, noch verkünden, was der Herr seinen Auserwählten bereitet hat« (B/ N). Ad 1: Es geht um das Verhalten der Angesprochenen und um die Zugehörigkeit zur ersten, »ursprünglichen« Kirche, die ganz aus Heiligem Geist besteht. Der Heilige Geist ist die Macht Gottes, die in der Schöpfung schon über den Wassern schwebte (Gen 1) und die also auch vor den Gestirnen schon machtvoll bestand. Das ist außerordentlich, weil Sonne und Mond als »Lichter dieser Welt« zugleich Himmelskörper sind und daher Gott und den Engeln nahe stehen. Wer zu dieser »Kirche« gehört, hat Verbindung zur Schöpfungsmacht Gottes. Diese außergewöhnliche Gemeinschaft wird für die Wirklichkeit, die »den Willen Gottes tun«. Anlass der Ausführungen sind also Fragen des praktischen Lebens als Christ in der Gemeinde. Ad 2: Der Verfasser entwickelt nun eine spezielle Lehre über den Zusammenhang von Kirche und Christus. Die Schöpfung des Menschen als Mann und Frau 889 gewinnt für den Verfasser neue Plausibilität, indem er feststellt: Mit dem Mann sei Christus, mit der Frau die Kirche gemeint. Dabei greift er auf die im Frühjudentum verbreitete Vorstellung zurück, Gott habe zunächst einen geistlichen, himmlischen Menschen geschaffen. Bei Philo gibt es sogar die auch hier rezipierte Vorstellung, der himmlische Urmensch sei ein zweifacher. 890 Für die 889 Gen 1,27; 5,2; Mt 19,4. 890 Vgl. bei Paulus 1 Kor 15,45; bei Philo opif. 134-147; LA I.31-42; virt. 199-205. Das Motiv des (doppelten) himmlischen Urmenschen bei Philo ist ausführlich dargestellt in: S ELLIN , Streit, 90-173. S ELLIN zieht breites Vergleichsmaterial aus dem Frühjudentum heran; vor allem aber die Werke Philos selbst. 264 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) spätere gnostische Spekulation bieten diese Motive vielfach weitergeführtes Material. 891 Der Verfasser führt mit diesen Bildern Gedankengänge fort, die er in Kapitel 12 schon angesprochen hatte: Dort hatte er ein Wort Jesu zitiert, das sonst nur aus EvThom 22 bekannt ist. Demnach spricht Jesus vom Himmelreich als der Zeit, in der »aus zwei eins wird« und es keine Unterschiede zwischen oben und unten, innen und außen, Mann und Frau geben wird. 892 Während in EvThom 22 die Pointe darin liegt, sich miteinander zu versöhnen, um als Versöhnte Eingang in Gottes Reich zu bekommen, geht es in 2Clem 12 einerseits darum, Worte und Taten in Einklang zu bringen; andererseits soll die Begegnung von Männern und Frauen in der Gemeinde nicht durch erotische Anziehung geprägt sein. Vielleicht liegt hier eines der Probleme, auf die 2Clem reagiert. Auch das Stichwort »Fleisch« wäre noch durch ein weiteres Moment motiviert. 14,2 endet mit der Bemerkung, die Kirche sei »in den letzten Tagen« sichtbar geworden. Wir befinden uns als Adressaten also »in den letzten Tagen« und haben in und an der Kirche Anteil an Gottes Erscheinung in der Welt und werden so gerettet. Ad 3: Ein nächster Schritt wird getan, indem die Art und Weise der Erscheinung der himmlischen, menschlichen Kirche auf der Erde näher bezeichnet wird. Die Erscheinung beginnt mit der Menschwerdung Jesu. Hier kippt also das Bild des himmlischen Paares, indem Jesus nicht mehr nur himmlischer Partner der himmlischen (oder irdischen) Kirche ist. Er selbst ist jetzt der Anfang der Kirche. Fortgeführt wird die Argumentation damit, dass die Adressaten als irdische Menschen die pneumatische Kirche (gemeint ist wohl die Teilhabe an der himmlischen Kirche durch den Heiligen Geist) empfangen können, wenn sie die irdische Kirche sorgsam bewahren. Denn, so 2Clem, die irdische Kirche ist ein Gegenbild (Antitypus) zum himmlischen Urbild. Das himmlische Urbild ist direkt betroffen, wenn das irdische Gegenbild geschädigt wird. Wird es dagegen bewahrt, dann wird die Verheißung, den Geist zu bekommen, wahr. Ad 4: Der Geist, so erfahren wir, ist Christus selbst. 893 Ad 5: Zielpunkt d. Argumentation: Dieses Fleisch, diese irdische Existenz kann so großartiges Leben empfangen, wenn es sich durch den Geist bestimmen lässt. 891 Vgl. R UDOLPH , Gnosis, 101f; B OUSSET , Hauptprobleme, bespricht in seinem 4. Kapitel (»Der Urmensch«) die Entwicklungen vom Frühjudentum (Schwerpunkt Philo) bis hin zur »entwickelten« Gnosis. Im Unterschied zu S ELLIN sieht B OUSSET schon in Frühjudentum und Frühchristentum gnostische Einflüsse, während man heute eher umgekehrt feststellen muss: Hier liegen die Materialien vor, aus denen die Gnosis ihre spekulativen, mythologischen Erzählungen geformt hat. 892 Vgl. ActPetr 38 (= MartPetr 9): Petrus hängt als Gegenbild zu Christus und dabei ihn, den »ersten Menschen« abbildend, kopfüber am Kreuz. Als letzte Predigt offenbart er ein Geheimnis Christi: Der Herr sagt in einem Geheimniswort (ἐν μυστηρίῳ): »Wenn ihr nicht das Rechte wie das Linke macht und das Linke nicht wie das Rechte und das Obere wie das Untere und das Äußere wie das Innere, erkennt ihr nicht das Königreich Gottes.« Petrus rechtfertigt so seine Lage, verkehrt herum am Kreuz zu hängen: Christus, der erste Mensch, von dem alles seinen Ursprung nahm, hat in dieser Welt, die ihn nicht erkannte, die Maßstäbe umgedreht. 893 Vgl. Christologie und Ekklesiologie des Herm: Christus ist Geist bzw. Engel und begegnet so dem Bau der Kirche. 7.4 Thomasevangelium: EvThom 28.29 265 7.3.5 Auswertung 1. Aus 2Clem 9 ist in 2Clem 14 aufgenommen: a) der Gegensatz Geist - Fleisch; b) das Problem, dass im Fleisch, d.h. in der gegenwärtigen Verfassung der Gemeinde »der Wurm« ist; c) der Versuch, Fleisch und Geist in der Gegenwart aufeinander zu beziehen. Aus Kapitel 12 stammt das Thema der zwei aufeinander bezogenen Gegensätze. Dort soll dazu motiviert werden, authentisch als Christ zu leben; zu diesem Gedankengang gehört der richtige, nicht-erotische Umgang von Mann und Frau in der geistlichen Gemeinschaft der Gemeinde. 2. Das Thema von Kapitel 14 ist in V. 1 angegeben: die Kirche. 3. Die Kirche wird näher bestimmt als Teil der ursprünglichen, vor Beginn der Schöpfung bestehenden, himmlisch-urmenschlichen Zweiheit. Dabei ist die Kirche der weibliche, irdische Teil, Christus der männliche, geistliche Teil. 4. Christus ist im Bereich des Irdischen der Beginn der Kirche unter den Bedingungen dieser Welt. Es geht darum, ihm nachzueifern, um schon unter den Bedingungen dieser Welt Anteil und Verheißung am himmlischen Leben zu gewinnen. 5. Fazit: Für unsere Fragestellung nach möglichem Doketismus ergibt sich wiederum nichts. Denn wiederum wird die Frage nach der irdischen Leiblichkeit Christi gar nicht gestellt. Der Verweis auf Christus als Mensch (Fleisch) dient gerade umgekehrt dazu, den angefochtenen Christen der Gemeinde Trost, Hilfe und Anreiz zu geben, dem Glauben treu zu bleiben und glaubwürdig als Christen zu leben. Das heißt: Da, wo etwas umstritten sein müsste, nämlich der Verweis auf den Fleisch gewordenen Geist- Christus, ist offenbar höchste, übereinstimmende Gewissheit gegeben. Nur so kann der Bezug auf Christus hier zum hilfreichen Argument für die Adressaten werden. 7.4 Thomasevangelium: EvThom 28.29 894 EvThom 28: »Jesus spricht: ›Ich stand in der Mitte der Welt, und ich erschien 895 ihnen im Fleisch. (2) Ich fand sie alle trunken. Niemanden unter ihnen fand ich durstig. (3) Und meine Seele empfand Schmerz über die Kinder der Menschen, weil sie blind sind in ihrem Herzen, und sie sehen nicht; denn leer kamen sie in die Welt (und) suchen auch wieder leer aus der Welt herauszukommen. (4) Doch jetzt sind sie trunken. Wenn sie (jedoch) ihren Wein(rausch) abschütteln, dann werden sie umdenken‹.« EvThom 29: »Jesus spricht: ›Wenn das Fleisch entstanden ist wegen des Geistes, ist es ein Wunder. (2) Wenn aber der Geist wegen des Körpers entstanden ist, ist es ein wunderbares Wunder. (3) Jedoch wundere ich mich darüber, wie dieser große Reichtum in dieser Armut Wohnung genommen hat‹.« Ad 28: Die Begriffe »Welt« und »Fleisch« korrespondieren. Das Erscheinen im Fleisch ist notwendige Voraussetzung, um unter den Bedingungen der Welt erkannt zu werden. Die Klage über ihr »Leer-Sein« entspricht schon fast den bei Ignatius begegnenden Vorwürfen an seine Gegner, dämonisch und »Leichenträger« zu sein (IgnSm 3f). Gemeint ist aber hier nicht das Gefangensein in einem 894 ÜS P LISCH , Thomasevangelium. 895 Der kopt. Text lässt auch die Übersetzung zu »offenbarte mich ihnen«; der gr. Text von P. Oxy. 655 und die Parallele in 1 Tim 3,16 veranlassen P LISCH zu der Übersetzung »erschien«. Damit kann man nach P LISCH sagen, dass er sich fleischlich, d.h. mit dem körperlichen Auge habe sehen lassen, aber eigentlich und geistlich nicht verstanden wurde. 266 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) Körper, sondern die mangelnde Offenheit für die Befreiung von falschen Bindungen und Täuschungen (Blindheit, Rausch). Für EvThom sind sowohl Fleisch und Seele als auch Leib und Seele Gegensatzpaare; 896 »Seele« taucht nur in dieser Kombination auf. Dafür existiert das paulinische Gegensatzpaar Fleisch-Geist nicht in dieser Weise. 897 Ad 29: Über die Art des Erscheinens wird in EvThom 28 nichts gesagt. Allerdings ist EvThom 29 sicher darauf zu beziehen und als Kommentar zu nutzen. Grundhaltung ist das Staunen (EvThom 2). Das erste Staunen betrifft die Entstehung der Materie aufgrund der Initiative des Geistes. Das Schöpfungsstaunen wird überboten durch noch Erstaunlicheres: Der Geist sei wegen des Körpers entstanden. Gemeint ist wohl der Leib Christi. 898 Seinetwegen gibt es den Geist in ihm und durch ihn in der Gemeinde. Die Armut der Wohnung wertet den Leib grundsätzlich nicht ab, sondern überbietet nur seinen Wert total. Kombiniert mit EvThom 28: In dieser Armut (Blindheit, Berauschtheit, nicht einmal Durst) ist Christus erschienen (vgl. Joh 1,5: »Das Licht scheint in der Finsternis«). Angesichts der totalen Überbietung durch den Geist, der in der Armut von Welt und Fleisch wohnt, wird deren Armut und Leere augenfällig deutlich. Ergebnis: EvThom 28 zeigt die Funktion der Inkarnation. Sie ist notwendige Voraussetzung dafür, dass jemand Jesus wahrnimmt. Man soll also anfangen, das Suchen und Staunen zu lernen. 7.5 Die Testamente der zwölf Patriarchen (TestXII) 7.5.1 Einleitung Die sogenannten Patriarchentestamente gehören zur griechisch überlieferten Literatur des hellenistischen Judentums (Frühjudentum) bzw. zur Literatur des frühen Christentums. Sie erzählen im jeweiligen Lebensrückblick der Söhne Jakobs, der Stammväter der zwölf Stämme Israels, die persönliche Lebensgeschichte. Sie schließen jeweils mit apokalyptischen Weissagungen. Da diese Ausblicke in die Zukunft an unterschiedlichen Stellen wiederholt Weissagungen enthalten, die eindeutig Jesus Christus im Blick haben, geht man weitgehend davon aus, dass sie in der vorliegenden Form »in oberflächlicher 896 EvThom 112: »Jesus spricht: ›Wehe dem Fleisch, das an der Seele hängt. (2) Wehe der Seele, die am Fleische hängt.‹«Vgl. EvThom 87: »Es spricht Jesus: ›Elend ist der Leib, der an einem Leibe hängt. (2) Und elend ist die Seele, die an diesen beiden hängt‹« (ÜS P LISCH ). Zu erwägen wäre, welchen Anteil EvThom an der hellenistischen Anthropologie mit ihrem Leib-Seele-Dualismus hat. Möglicherweise ist dieser Anteil aber nicht sehr hoch. Denn es geht nicht um grundsätzliche Trennung, sondern um die Frage, welches »Element« tonangebend ist. Die »Seele« ist hier in der Rolle, die sonst »Geist« im Verhältnis zum »Fleisch hat. - Das Stichwort »Geist« in EvThom 29 ist dann dadurch bedingt, dass vom Geist Jesu die Rede ist, der weitergegeben wird. Das lässt sich natürlich nur vom Geist und nicht von der Seele sagen. 897 Die Belegstellen für »Geist« in EvThom (14.29.44.53.114) haben nur wenig mit neutestamentlicher Pneumatologie zu tun. Nur in EvThom 29 (s.o.) sind Fleisch und Geist gemeinsam genannt. 898 Das entspricht den Ergebnissen der Untersuchung zu 2Clem. Auch dort ist das Fleisch Christi Ursprung, Prägung und Anreiz für das Christsein in der Kirche. 7.5 Die Testamente der zwölf Patriarchen (TestXII) 267 christlicher Bearbeitung aus dem 2. Jh. n.Chr.« stammen. 899 Da in Qumran mehrere aramäische und hebräische Fragmente gefunden wurden, ist von einer beginnenden Textentstehung vor oder um die Zeitenwende auszugehen. 900 Theologisch interessant und erstaunlich ist die wiederholte Rede davon, dass Gott sich dereinst als Mensch zeigen wird. 901 An anderen Stellen ist von Jesus die Rede, dem Sohn Gottes. Das Leiden Jesu wird erwähnt; aber auch da, wo von der Erscheinung Gottes die Rede ist, wird von »Niedrigkeit« und »Armut« gesprochen. In der Vergangenheit versuchte man, die theologischen und philologischen Probleme, die der Text bietet (in jüdischen Texten die Rede von Jesus als Heiland; die Rede von Gott als oder »wie ein« Mensch parallel in denselben Texten die Reden von Jesus Christus als Mensch), über die schon angesprochene Interpolationstheorie zu erklären. In jüngster Zeit gibt es Versuche, die Texte stärker einheitlich wahrzunehmen und theologisch in ihrer vorliegenden Gestalt zu interpretieren. 902 So spricht K UROWSKI davon, dass man doppelt-synchron die Patriarchentestamente sowohl jüdisch als auch christlich interpretieren kann. Gerade da, wo sie dezidiert christlich seien, seien sie absolut und entschieden jüdisch. Umgekehrt gilt dasselbe: Wo sie dezidiert jüdisch sind, seien sie ganz klar auch christlich. 903 Seiner Meinung nach verstehen die TestXII »ihr Christentum als Weiterentwicklung, als eine Art ›Update‹ ihres Judentums. Es genügen zu ihrer jüdischen Tradition eigentlich nur ein paar interpretierende Zufügungen (...), um authentisches Zeugnis ihres Glaubens zu sein. 904 7.5.2 Texte über Gottes Erscheinung unter den Menschen (Textgruppe 1) TestNaph 8,3: »Sie werden Gott sehen, wohnend unter Menschen (ὀφθήσεται θεὸς κατοικῶν ἐν ἀνθρώποις) auf der Erde, zu retten das Volk Israel.«TestLevi 2,11: »Durch dich (Levi) und durch Juda wird der Herr zu sehen sein unter den Menschen (ὀφθήσεται κύριος ἐν ἀνθρώποις), zu retten von ihnen das ganze Volk der Menschen.« TestDan 5,13: »Der Herr wird in ihrer Mitte sein (κύριος ἔσται ἐν μέσῳ αὐτῆς), mit den Menschen zusammenlebend. Und der Heilige Israels wird herrschen über sie in Niedrigkeit und Armut; und wer an ihn glaubt, wird herrschen in Wahrheit in den Himmeln.« 905 899 K ÖSTER , Einleitung, 269. Damit ist der weite Forschungskonsens angegeben, der jüngst von P HI - LIPP K UROWSKI infrage gestellt wurde in seiner Heidelberger Dissertation: Der menschliche Gott aus Levi und Juda. Die »Testamente der zwölf Patriarchen« als Quelle judenchristlicher Theologie, Tübingen 2010 (TANZ 52). Für den Forschungskonsens, der von christlichen Interpolationen ausgeht, stehen unter anderem B ECKER , Untersuchungen und J ERVELL , Interpolator, 30-61. 900 K ÖSTER , Einleitung, a.a.O. 901 Man fühlt sich manches Mal erinnert an hellenistische Geschichten von Göttern, die als Menschen (verkleidet) Menschen besuchen (vgl. Apg 14,11, s.u. S. 383ff). 902 K UROWSKI , Gott (s.o.); DE J ONGE , Testaments. 903 K UROWSKI , Gott, 179. 904 Ebd., 183. 905 EvThom 2: »Wer sucht, soll so lange suchen, bis er findet. Er wird erschrocken sein. Und wenn er erschrocken ist, wird er staunen. Wenn er staunt, wird er herrschen über die unsichtbare Welt« (B/ N). 268 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) TestAscher 7,2f: »Der Höchste wird die Erde besuchen. (3) Er wird kommen wie ein Mensch, mit Menschen essen und trinken (καὶ αὐτὸς ἐλθὼν ὡς ἄνθρωπος, μετὰ ἀνθρώπων ἐσθίων καὶ πίνων). Schweigend wird er den Kopf des Drachen unter Wasser drücken; so wird er Israel und alle Völker retten: Gott, der wie ein Schauspieler einen Mann darstellt« (θεὸς εἰς ἄνδρα ὑποκρινόμενος). TestBenj 10,7f: »Dann wird auch jeder von uns aufstehen, auf unser Patriarchenzepter gestützt, und wir werden den König der Himmel anbeten, der auf der Erde erschienen ist in Gestalt eines Menschen in Niedrigkeit (τὸν ἐπὶ γῆς φανέντα μορφῇ ἀνθρώπου ταπεινώσεως). (8) Dann werden alle auferstehen, die einen zur Herrlichkeit, die anderen aber zur Schande. Und der Herr wird Israel zuerst richten wegen seiner Sünde: Denn, als Gott im Fleisch als Retter auftrat, haben sie nicht geglaubt« (παραγενόμενον θεὸν ἐν σαρκὶ ἐλευθερωτὴν οὐκ ἐπίστευσαν). TestSim 6,5-7: »Der Herr, der große Gott Israels, wenn er erscheint auf der Erde als Mensch (φαινόμενος ἐπὶ γῆς ὡς ἄνθρωπος), dann wird er retten unter ihnen den Adam. (6) Dann werden die Geister der Verwirrung zertreten und die Menschen werden über die bösen Geister herrschen. (7) Dann werde ich auferstehen mit Freude und ich werde den Höchsten loben wegen seiner Wunder. Denn Gott, einen Körper annehmend und mit den Menschen essend, wird die Menschen retten« (θεός, σῶμα λαβὼν καὶ συνεσθίων ἀνθρώποις, ἔσωσεν ἀνθρώπους). 906 TestSeb 9,8: »Danach wird euch der Herr selbst aufgehen als Licht der Gerechtigkeit und es wird sein Heilung und Erbarmen unter seinen Flügeln. Er wird loskaufen alle Menschenkinder vom Teufel und jeder Geist der Verwirrung wird überwunden werden. Und er wird bekehren alle Völker, ihm nachzueifern. Und ihr werdet Gott sehen in der Gestalt eines Menschen« (ὄψεσθε θεὸν ἐν σχήματι ἀνθρώπου). 7.5.3 Texte über den Sohn Gottes und sein Leiden (Textgruppe 2) 907 In längeren Passagen wird parallel zu der Rede von Gottes Erscheinen als Mensch vom Auftreten seines Sohnes gesprochen: TestLev 8,15: »Seine Ankunft wird unbeschreiblich sein wie die eines höchsten Propheten aus dem Samen Abrahams unseres Vaters«. TestLev 16,3ff: »Und den Mann, der in der Kraft des Höchsten das Gesetz erneuert, werdet ihr als Irrlehrer bezeichnen, und zuletzt werdet ihr glauben ihn getötet zu haben doch von seiner Auferstehung werdet ihr nichts wissen, und sein unschuldiges Blut habt ihr in Bosheit auf euer Haupt kommen lassen.« TestJud 24,1: »... aus meinem Geschlecht wird ein Mensch aufstehen wie die Sonne der Gerechtigkeit. Er wird leben unter den Menschen in Sanftmut und Gerechtheit, und man wird keine Sünde an ihm finden. (...) Und ihr werdet seine Kinder sein in Wahrheit (...). Er wird Sproß Gottes sein, und dies ist die Quelle zum Leben für alle Menschen« TestJos 19,3: Und ich sah, dass aus dem Stamme Juda eine Jungfrau geboren wurde, bekleidet mit einem Leinengewand. Aus ihr ging ein makelloses Lamm hervor, an 906 Hier sieht W EIGANDT , Doketismus, 14, als Fall von Geist-Christologie, ähnlich in Orig.Cels. 4,15. 907 Übersetzungen: B/ N, 1335-1338. 7.5 Die Testamente der zwölf Patriarchen (TestXII) 269 dessen linker Seite war etwas wie ein Löwe. Und alle Tiere stürmten gegen ihn, doch das Lamm besiegte sie ...« TestBenj 3,8: »Durch den gewaltsamen, blutigen Tod beim Bundesschluss wird ein Unschuldiger übergeben werden für die Ungerechten ...« TestBenj 9,2f: »Die zwölf Stämme werden sich dort [im Tempel in Jerusalem] versammeln (...). Und dort [in Jerusalem] wird der Herr misshandelt, verhöhnt und am Kreuz erhöht werden. TestBenj 11,2: »In der letzten Zeit wird aus meinem Stamm ein Auserwählter des Herrn erstehen.« 7.5.4 Auswertung Textgruppe 1 1. Leitmotiv der angegebenen Verheißungen ist das offenbare Mit-Sein bzw. »Mit- Wohnen« Gottes mit seinem Volk in den letzten Tagen, wie man es auch sonst aus den biblischen Schriften kennt. 908 2. Die Erscheinung Gottes, die geschildert wird, unterscheidet sich deutlich von Vorstellungen wie dem »Tag des Herrn« oder anderen epiphanen Erscheinungen, die in der alttestamentlichen Literatur eine Rolle spielen. Hier erscheint Gott als Mensch oder in Gestalt eines Menschen. 3. Von dieser Erscheinung wird gesagt: a) Er wird zu sehen sein (er lässt sich sehen). b) Dies geschieht in der Mitte der Menschen, ohne dass die Menschen dadurch gefährdet sind (ähnlich: Gottes Spaziergang im Garten Eden in Gen 3; vgl. auch Gen 18 - Mamre -). 909 c) Gott wird mit den Menschen zusammenleben. d) Gott kommt in Niedrigkeit und Armut. e) Er wird bei seiner Erscheinung »wie« oder »als« ein Mensch (mehrfach griechisch: ὡς ἄνθρωπος) auftreten; 910 f) Sein Erscheinen wird geschehen in Gestalt bzw. mit dem Körper eines Menschen (TestBenj 10,7: φανέντα μορφῇ ἀνθρώπου; TestSim 6,7: σῶμα λαβὼν; TestSeb 9,8: ἐν σχήματι ἀνθρώπου). g) Gemeint ist keine bloß flüchtige Erscheinung, da er auch mit den Menschen essen wird. h) Er wird herrschen, d.h. er wird machtvoll wahrgenommen werden. 911 i) Gottes Erscheinung ist schon geschehen »im Fleisch« (TestBenj 10,8); bei seiner Wiederkunft wird er danach urteilen, wie man ihn damals behandelt hat (Glauben/ Unglauben). 4. Weder der Name Jesu noch sein Geschick werden genannt (Ausnahme wohl 3i). 5. Obwohl Jesus nicht genannt ist, ist doch der Auftritt Gottes als Mensch sonst in der ganzen übrigen Literatur des Frühjudentums nicht bezeugt. Insbesondere durch den Hinweis auf Niedrigkeit und Armut kann man durchaus an Jesus denken (vgl. Phil 2). 908 Joel 4,21; Ez 37,27; 43,9; 2 Kor 6,16; Offb 7,15; 21,3; vgl. auch Joh 1,14. 909 Wie Justin, dial. 56 zeigt, ist »Engeldoketismus« nicht die einzig mögliche jüdische Interpretation gewesen. Auch ein an Gen 3 erinnernder »menschlicher Auftritt« Gottes galt als diskutabel. 910 K UROWSKI spricht von »Hos-Anthropos-Stellen«, a.a.O., 42-82. 911 Wie das allerdings mit dem (ersten) Auftritt Jesu zusammenpasst, wird erstaunlicherweise nicht reflektiert, auch wenn von seiner Niedrigkeit gesprochen wird. « 270 C. 7 Das »Fleisch Christi«: Apostolische Väter (ohne Ignatius) 6. Umgekehrt kann man auch die »Erscheinung« als Mensch als »Schauspielerei« interpretieren (TestAscher 7,2: ἄνδρα ὑποκρινόμενος). Die Betonung des gemeinsamen Essens ist auch von mancher Engelserscheinung bekannt (siehe dazu unten zum Thema Engeldoketismus S.383ff), die auf diese Weise ein zu frühes Erkanntwerden verhindert. So ist in diesem Zusammenhang zu vermuten, dass es um eine Art engelhaftes Auftreten Gottes unter den Menschen geht. 912 7.5.5 Auswertung Textgruppe 2 1. Der erwartete endzeitliche Prophet ist unzweifelhaft ein Mensch, da er als Nachkomme Judas (an anderer Stelle auch Levis) bezeichnet wird. 2. Weder der Name Jesus noch Christus wird erwähnt. Es ist allerdings an anderen, hier nicht dargestellten Stellen, vom Retter (σωτήρ) die Rede (TestLev 10,2; 14,2; TestBenj 3,8). 3. Die in den dargestellten Ausschnitten gegebenen Stichworte (Jungfrau, Spross Gottes, Sieg des Lammes, blutiger Tod beim Bundesschluss in Jerusalem, Misshandlung des Herrn, Verhöhnung, Erhöhung am Kreuz) weisen unzweifelhaft auf Jesus. 4. Doketismus ist an diesen Stellen nicht erkennbar, auch nicht als Gegnerfront, da nicht diskutiert wird, Menschsein, Leiden und Sterben Jesu stünden irgendwie zur Debatte. 7.5.6 Christologische Besonderheiten zwischen Juden- und Christentum Bei den Passagen, die davon sprechen, dass Gott »wie« oder »als« Mensch erscheint, kommt es zu Zuspitzungen, wie in TestLev 4,1, wo vom »Leiden des Höchsten« die Rede ist. »Im Hintergrund stehen ›Christus ist Gott‹-Vorstellungen (...). Sie können sogar das Leiden Gottes aussagen und sind sowohl für jüdische, wie auch hellenistische Ohren« schwierig. 913 Für jüdisches Denken besteht die Schwierigkeit darin, dass man sich von griechischen Vorstellungen abgrenzen möchte, wonach Götter in Menschengestalt auf der Erde umhergehen. Für die philosophisch geprägte griechische Auffassung dagegen ist die Vorstellung, »der leidensunfähige, unveränderliche Gott« könne »essen und trinken, leiden und sterben« unannehmbar. 914 Wenn man sich aber die entsprechenden Passagen genau anschaue, so fasst K UROWSKI zusammen, so falle auf, »dass die TestXII ihren ganz eigenen Weg haben, beide Missverständnisse zu vermeiden. Sie distanzieren sich von antikgriechischen Vorstellungen wandelnder Götter auf Erden, indem sie Gottes Erscheinen eben nicht als eine Epiphanie in Machterweisen schildern. Vielmehr sind die TestXII bemüht, das Erscheinen, aber auch das Wesen Gottes grundsätzlich in Kategorien der Niedrigkeit, des Erbarmens, ja sogar des Mitleids zu 912 Denkbar wäre auch, dass es einfach um den sinnfälligen Beweis geht, dass Gott wirklich unter den Menschen wohnt, ähnlich wie in Gen 3 Gott im Garten Eden spazieren geht und nach Adam und Eva sucht. Allerdings sind die Übereinstimmungen mit dem in dieser Arbeit so genannten »Engeldoketismus« sehr weitgehend. Denn das, was hier als direkte Epiphanie Gottes dargestellt wird, muss ja irgendwie »umgesetzt« werden. Direkte Epiphanien aus einem Dornbusch oder in unaussprechlicher Herrlichkeit, die man nur »von hinten« betrachten kann, sind das eine. Das andere ist ein menschlicher Auftritt, für den frühjüdisch sprachlich die Beschreibung als Engel verwendet wird. 913 K UROWSKI , Gott, 140. 914 A.a.O., 140. 8 Ergebnisse: »Fleisch des Messias« im frühen Christentum 271 beschreiben. Insofern ist sein mitmenschliches Erscheinen keine Tarnung, sondern Ausdruck seines Wesens.« Daher sei »sein Leben und sein Leiden mit und unter den Menschen echt« und tue »seinem göttlichen Wesen nicht den geringsten Abbruch.« 915 Die hier begegnende Sichtweise ist also »weniger durch hellenistische Philosophie« geprägt, sondern zeigt »den Einfluss des hebräisch-jüdischen Gottesbildes, das keineswegs in unbewegter Transzendenz verharrt«. 916 Damit sei die sonst gerne verwendete Klassifizierung als »modalistisch« oder »monarchianisch« höchstens als Vorstufe erkennbar. 917 Schließlich ist festzuhalten, dass das Erscheinen Gottes als Mensch und das Auftreten seines Auserwählten für TestXII Zeichen der Endzeit, der Vollendung und des bald eintretenden Heils sind. Weil Gott mit den Menschen ist, bei ihnen wohnt, unter ihnen ist, sogar mit ihnen isst, wie man es sonst nur aus den biblischen Erzählungen der Urgeschichte und der Patriarchenzeit kennt, darum sind Heil und Rettung für die Adressaten als Heilsgut da. Die Heilszeit hat mit Christus angefangen und wird mit seiner Wiederkunft vollendet. Das Mensch- und Fleischwerden Gottes ist Zeichen des Heils, das zu den Menschen kommt. Ein Doketismus, der ja gerade das Leiden des Christus bzw. Gottes nicht denken kann oder möchte, ist so für K UROWSKI ebenfalls ausgeschlossen. 918 Hinzuzufügen ist: Die Vorgeschichte (Engeldoketismus) ist aber ganz offensichtlich bekannt und im Blick. Und: Auf der Ebene der Redaktion mit den christlichen Elementen von Textgruppe 2 hat jemand ein bewusstes Spiel mit Elementen zugelassen, die anderswo eindeutig als Doketismus zu klassifizieren wären. Das ist hier nur durch die Parallelstellung mit ganz anderen christologischen Auffassungen aufgefangen. 919 8 Ergebnisse: »Fleisch des Messias« im frühen Christentum Die folgende Übersicht über die bisher gewonnenen Einsichten zum »Fleisch des Messias« gibt die Vielfalt der Vorstellungen wieder, die nicht einheitlich zu systematisieren ist. Andererseits wird auch deutlich, dass die einzelnen Elemente durchaus zueinander passen. Wäre dies nicht der Fall, hätte man im frühen Christentum schwerlich miteinander kommunizieren können. Vorauszusetzen ist eine frühe, gemeinsame Grundtradition. - Wenn frühchristlich vom Fleisch Christi geredet wird, dann ist umfassend die menschliche Sphäre im Blick, an der Christus »Anteil hat«, zu der er gehört. - Raumsemantisch geht es häufig darum, dass Christus aus einem Raum (Himmel/ Gott) in einen anderen (Welt/ Fleisch) kommt oder gesandt wird. 915 A.a.O., 141. 916 A.a.O., 141. 917 A.a.O., 79ff. 918 A.a.O., 141, Anm. 20. 919 S.u. S. 389. - Zur vermuteten Zeit der Redaktion der TestXII Mitte/ Ende 2. Jh. n.Chr. war Doketismus bekannt. Daher liegt hier nicht »Naivität« vor, sondern ein bewusster Umgang. 272 C. 8 Ergebnisse: »Fleisch des Messias« im frühen Christentum - Fleisch ist dabei ein Teilbereich von Welt, wobei Fleisch der Ansatzpunkt im konkreten Menschen ist (so besonders in 1 Joh). - Die Frage nach Jesu Kommen im Fleisch fragt, ob er als Messias da war (1 Joh). 920 - Sie stellt sich, weil Jesu Wirksamkeit nicht spürbar wird; das Heil steht in Frage. 921 - Zweck der Sendung bzw. des Kommens ist die Rettung der Menschen. - Im Hintergrund steht eine Sendungschristologie, bei der der Gesandte bzw. Bote das darstellt und vermittelt, was der Sender (Gott) ist. Daher ist die Begegnung mit Christus, dem Gesandten, eine Begegnung mit Gott, dem Sender. - Das Fleisch/ die Menschen ist/ sind zu retten, weil in Welt und Fleisch menschenfeindliche Mächte herrschen, (Engel, Teufel, Sünde, Tod) (Paulus/ Ignatius). - Dem Auftritt Jesu als Mensch entspricht der Geist in denen, die zu Jesus gehören. - Der Geist für die Menschen ist nur wegen des Auftritts Jesu als Mensch existent (Ev- Thom). - Eine besondere Form der Raumsemantik ist die Bezeichnung Jesu als Tempel. - So sollen auch die Christen ihre Leiber als Tempel Gottes hüten (Paulus/ Herm/ 2Clem/ Ign). - Indem Jesus als neue Stiftshütte in sich den Logos Gottes hütet (Joh), der durch ihn in Erscheinung tritt, ist eine Verbindung zu kultischem Handeln als für viele Texte geltendes Leitmotiv gegeben: - Fürsprache, Sühne, und Versöhnung sind bei Jesus möglich (1 Joh/ Hebr/ Paulus). - Jesu Fleisch öffnet den Heidenvorhof zum vorderen Tempelhof hin (Eph). - Jesus ist mit seinem Fleisch der Zugang zum Allerheiligsten (Vorhang - Hebr). - Das Fleisch Jesu, seine Menschheit, wird also umfassend als Ort der Offenbarung und des (priesterlichen) Mittlerdienstes in jüdischer, kultischer Metaphorik beschrieben (Hebr/ 1 Joh/ Paulus). - Das Fleisch Christi kann bei Barn mit den Heilsgütern verglichen und identifiziert werden: Gelobtes Land (Israel), Erde (Garten Eden), Eckstein (Tempel). Es geht um Räume, in denen Gott als anwesend und »unter den Menschen wohnend« gilt. - Gottes Wohnen unter den Menschen wird in TestXII »als Mensch« ausgedrückt. - Es gibt einen Zusammenhang zwischen Bilderverbot im Alten Testament und dem Auftritt in ὁμοιώματι des Fleisches/ der Menschen in Röm 8 und Phil 2. - Es geht dabei weniger um die äußere Gestalt als um Gleichsein mit den Menschen. - Fleisch Jesu hat mit Herkunft, Auftreten, Erscheinen, Tod Jesu zu tun (1 Petr) - »Kommen im Fleisch« bedeutet Überwindung der Gegenmacht (1 Joh/ Röm). - Dem Kommen Jesu ins Fleisch entspricht das des Antichristen in die Welt (1 Joh). - Es stellt sich die Frage, wie Falschprophetie bzw. Geistliches beurteilbar ist (1 Joh). - Der Geist rechtfertigt, legitimiert den Menschen (Fleisch) Jesus (1 Petr 3,18). - Nur durch Annahme von Fleisch und Blut konnte Christus glaubwürdig fürbittend und sühnend für die Christen eintreten (1 Joh/ Hebr/ Paulus). - Die Abstammung Jesu von Israel ist eine Tatsache, die als Lob für Israel und als Legitimierung Christi dargestellt werden kann (Paulus). 920 S TREETT , Identity, 217 kommt ähnlich zum Ergebnis: »Thus, it is common in early Christian confessions to describe the earthly phase of the Messiah’s mission or career by using terms that denote his humanity such as ›flesh‹ or ›body‹ (and related terms). These are not used with any polemical intent. (...) They are a standard part of early confessions and in no case do they have docetic Christology as polemical target.« 921 M ÜLLER , Menschwerdung, 8: Das »Nachdenken über die Inkarnation [verdankt sich] in bleibender Weise echtem Erlösungsbedürfnis.« 8 Ergebnisse: »Fleisch des Messias« im frühen Christentum 273 - Regelmäßig sind jüdische Debatten im Kontext erkennbar. Nie ist eine engelchristologische oder doketistische Debatte im Blick, abgesehen vielleicht von TestXII (textliche Endgestalt). - Als Gegenbegriff ist häufig »Geist« mitzudenken. Einiges von dem, was H ARNACK Geistchristologie nannte, hat in diesem Gegensatz und Miteinander seinen Grund. - Die Kategorien von Fleisch und Geist boten sich an, das Geschick Jesu zu erfassen, das irdisches Auftreten und himmlische Erhöhung / himmlische Herkunft umfasst. 922 Mit Blick auf die Ergebnisse zur »Inkarnation« bei Ignatius (s.u. S. 361 ff) gilt: - Auch bei Ignatius ist das Thema Inkarnation in erster Linie nicht als Reaktion auf die Doketisten zu verstehen, sondern eine eigenständige, vordoketistische Vorstellung des Ignatius, die er allerdings in der Diskussion mit den Doketisten antidoketistisch einsetzt. - Das Fleisch Christi hat für Ignatius in erweitertem Sinn die Bedeutung einer gemeinsamen »Sphäre« innerhalb der Gemeinde (Gebet, Glaube, Evangelium), die Anteil an Christus bedeutet. - »Fleisch« ist für Ignatius wichtig als notwendige »Trägersubstanz« des Geistes. - Gerade den Äonen-Mächten, Engeln u. dem Teufel ist Christi Menschwerdung verborgen. - Ähnlich ist auch in 2Clem und Herm das Fleisch Christi konstitutiv für die »Kirche«, weil es entweder den Anfang derselben darstellt oder die in der Kirche wirkende Sphäre darstellt. - Das Thema »Verborgenheit« ist mit der Offenbarung im Fleisch verbunden. - Vgl. EvThom: Die Menschen sind zu blind, das Geschehen überhaupt wahrzunehmen. - Glaube und persönliches Schicksal verbinden sich gerade in der Frage von Leid und Fleisch bei Ignatius: Als Nachahmer der Leiden Christi gibt auch er sein Fleisch (auf), um durch den Untergang den Neuaufgang bei Gott zu erleben. Das Märtyrerschicksal wird als Nachahmung des Geschicks Jesu verstanden, womit gesagt ist, dass das Fleisch Christi von der Bedeutung des Fleisches im Martyrium eine Funktion gewinnt, bis hin zum »Lösegeld« für andere. Offene, im religionsgeschichtlichen Teil (E.) zu lösende Fragen sind: a) Die Texte beinhalten jeweils einen klaren Zweck der Rede vom Fleisch Christi (zumeist in der Soteriologie); sie sagen aber nicht, wie das Motiv des Fleisches Christi entstanden ist; das Motiv des Fleisches des Messias ist vorchristlich nicht belegt. - Siehe unten S. 420ff (12). b) Die Texte haben zwar alle nichts originär mit einer doketistisch-antidoketistischen Auseinandersetzung zu tun. Dennoch ist es gerade durch die spätere Entgegensetzung von Doketismus und Inkarnation wahrscheinlich, dass bei allem Widerspruch gemeinsame Wurzeln zwischen Inkarnations- und Doketismusvorstellung bestehen. - Siehe unten S. 463ff (13 und 14). 922 Vgl. dazu umfassender B ERGER , Theologiegeschichte, 228. D. »Zum Schein hat er gelitten«: Ignatius und seine Gegner 9 Die Ignatiusbriefe Zielsetzung und Übersicht Für unsere Fragestellung nach der Entstehung des Doketismus im frühen Christentum stoßen wir bei Ignatius 923 das erste Mal auf wirklich festen Boden. 924 Der Bischof von Antiochien hat tatsächlich Gegner, die an der real-menschlichen Wirklichkeit des Leidens Jesu zweifeln. Wenn man sich die Argumentation des Ignatius genau anschaut und auf die Reihenfolge seiner Begegnungen mit Gemeinden und aus diesen Gemeinden erwachsenden Gegnern achtet, fällt am Ende auf, dass die Gegner von der Leiblosigkeit Christi sprechen, Ignatius dagegen den Begriff des Fleisches Christi ins Feld führt. Das Thema »Fleisch des Messias« hat Ignatius daher offensichtlich schon vor dem Kontakt mit seinen Gegnern in Kleinasien beschäftigt. Es ist unabhängig von der Doketismusfrage vorgegeben. Ignatius bietet somit nicht nur als Erster Bezeugungen von Doketismus in seiner Umwelt (unter seinen Gegnern), sondern er ist auch der Erste, der den Begriff des »Fleisches Christi« gegen den doketistische Positionen ins Feld führt. Somit begegnet uns zu Beginn der für uns wirklich greifbaren Entwicklung des Doketismus auch zugleich dessen Bestreitung mit Hilfe inkarnationschristologischer Begrifflichkeit. Im Hintergrund steht eine veränderte theologische und anthropologische Grundkonzeption, die die Gegner des Ignatius von Ignatius und auch den früheren christlichen Texten unterscheidet. Um diese Kernthesen zeigen zu können, gehen wir wie folgt vor: a) Ein Forschungsüberblick und eine Reflexion der verwendeten Methoden sowie einer im Anhang ausführlichen Diskussion der Argumente über die Abfassungsverhältnisse führen zu dem Schluss, die mittlere Rezension der Ignatianen als »echt« anzusehen und sich somit auf die in den Briefen gebotenen Informationen einzulassen. Nur, wenn die Abfassungsverhältnisse als einigermaßen gesichert gelten können, kann man sie zur Grundlage weitergehender Beobachtungen machen (9.1 und unten 17) b) Zu fragen ist nach den erkennbaren oder zu vermutenden Gründen für das Märtyrerschicksal des Ignatius (9.2.1) und über seine eigene Bewertung und Begründung seiner Situation (9.2.2). 923 Ignatius von Antiochien und die Gemeinden Kleinasiens - Lit.: W EIJENBORG , Les lettres; B OMMES , Weizen; P AULSEN , Studien; DERS ., Ignatius; J OLY , Le dossier; R IUS -C AMPS , Letters; W EHR , Arznei; J OLY , Ignatius; S CHOEDEL , Briefe; T REVETT , Study; H ÜBNER , Thesen; L IGHTFOOT , The Apostolic Fathers; Z AHN , Ignatius; G ÜNTHER , Einleitung, 10f.64-75.122f . 924 B OMMES , Weizen, 13: Die Ignatiusbriefe wurden »schon sehr bald gesammelt und weiterverbreitet (...) der erste Zeuge hierfür ist Polykarp von Smyrna« (Polyk 13,2). L IGHTFOOT , The Apostolic Fathers II, 127-221, untersucht vielfältigen Bezeugungen für Ignatius in der Alten Kirche. Die wichtigsten sind: Iren.haer. 5,28,4; Or.hom. in Lk. 6,4; Eus.h.e. 3,36,7f.; Hier.vill.ill. 16. c) Die Selbstwahrnehmung und Selbstbeschreibung als Pneumatiker bzw. Mystiker ist eng mit der Märtyrersituation verbunden und wird auch für den Konflikt mit den Doketisten entscheidend sein (9.3). Es geht neben dem Umgang mit der Schrift besonders um die Selbstbezeichnung »Gottesträger« und um den Bereich des Offenbarungsempfangs. d) Der folgende, längere Abschnitt (9.4) widmet sich den unterschiedlichen Gegnern des Ignatius, und zwar in der Reihenfolge ihres Auftauchens in den Briefen (9.4.4-9.4.10). Es wird deutlich, dass Ignatius nur in Philadelphia und in Smyrna direkten Kontakt mit Gegnern hatte. Diese Kontakte prägen die Darstellung von Gegnern auch in anderen Briefen. Es zeigt sich, dass die Briefe »Rundbriefcharakter« hatten und ausgehend von tatsächlichen Konflikten auch mögliche oder tatsächliche Gegner in anderen Gemeinden mit in den Blick nehmen (9.4.11). Schließlich wird zwischen Judaisten und Doketisten sowohl differenziert, als auch die Zugehörigkeit der Doketisten zum weiteren Kreis der Judaisten wahrscheinlich gemacht (9.4.12). e) Der Begriff »Fleisch« bei Ignatius ist im Gegensatz zu dem von den Gegnern offensichtlich bevorzugten »Leib« Thema des Abschnitts 9.5: »Fleisch« ist für Ignatius mehr als die Materie des Körpers. Es geht um die Sphäre menschlicher Gemeinschaft auch und gerade mit Christus. Daher können auch Glaube, Evangelium, Gebet usw. als »Fleisch Christi« gelten (9.5.2). Die Untersuchung der Begriffe »Leib« und »Fleisch« (9.5.3) bringt das schon genannte Ergebnis, dass Ignatius am »Fleisch«, die Gegner am »Leib« interessiert sind, was auf eine anders geartete anthropologische Grundkonzeption hinweist. Das heißt: Der Doketismus der Doketisten richtet sich zunächst möglicherweise gar nicht ausdrücklich gegen die Inkarnationsvorstellung. Die Doketisten haben hier möglicherweise »naiv« traditionelle Aussagen unter Einfluss von mystischen Erfahrungen und vulgärphilosophischen Einflüssen aus dem pagan-griechischen Bereich ihre Auffassungen weiterentwickelt und werden erst durch Ignatius mit Macht auf die Konsequenzen ihrer Vorstellungen hingewiesen. Die Theologie des Ignatius, so zeigt sich, lässt sich nicht in ein einfaches dogmatisches Raster pressen. Sie wächst aus lebendigen Erfahrungen heraus. Der intensive Durchgang durch IgnSm 1-7, IgnEph 19 und IgnEph 7 (9.6-9.8) zeigt, wie eng mystisches, martyriologisches, judenchristliches und dann auch doketistisches Gedankengut miteinander zusammenhängen: f) Der Durchgang durch IgnSm 1-7 (9.6) ergibt, dass die Gegner in einem Milieu frühjüdischer Mystik zuhause sind (9.6.8.1). »Leiblosigkeit« ist höchstwahrscheinlich ein für Ignatius neues Thema (9.6.8.2). Das Leiden Christi ist für sogenannte »Judaisten« aus anderen Gründen als für die »Doketisten« ein Problem. Dennoch sind die Doketisten wahrscheinlich innerhalb des Bereichs der Judaisten einzuordnen (9.6.8.3). Zwar hat Ignatius mit seinen doketistischen Gegnern das Interesse am Himmel gemeinsam; dennoch geht seine Theologie gerade im und durch das Martyrium weit darüber hinaus (9.6.8.4). 9 Die Ignatiusbriefe 275 276 D. 9 Die Ignatiusbriefe g) Dieses Interesse am Himmel zeigt sich insbesondere im Sternenhymnus von IgnEph 19. Hier profiliert Ignatius seine These, dass durch den Auftritt Jesu, der astralprophetisch gedeutet wird, zugleich die himmlische Sphäre neu geordnet ist. Somit gibt es keine eigenständige himmlische Welt mehr, die an sich von Interesse wäre, sondern nur noch eine, die mit dem im Geheimnis verborgenen, Mensch gewordenen Gott zusammenhängt. So unterläuft Ignatius die Argumente seiner Gegner (9.7). h) Auch IgnEph 7,2 ist als grundsätzliche Antwort an die Doketisten zu verstehen, da Ignatius hier den Zusammenhang von Leiden Christi und grundsätzlichem Nicht-Leiden-Können beantwortet. Wer an himmlischem Geist interessiert ist, muss wissen, dass das »Fleisch« in dieser Welt der notwendige Offenbarungsort ist (9.8). i) Abschließend werden die herausgearbeiteten christologischen Positionen des Ignatius und seiner doketistischen Gegner noch einmal einander gegenübergestellt (9.9). 9.1 Forschungsüberblick und methodische Orientierung 9.1.1 Forschungsüberblick Nachdem Z AHN , L IGHTFOOT und F UNK Ende des 19. Jahrhunderts die bis dahin offene Frage, welche der drei Rezensionen der Ignatiusbriefe als echt anzuerkennen sei, zugunsten der sogenannten »mittleren Rezension« entschieden hatten, 925 erschien eine ganze Reihe von Textausgaben, Kommentaren und Übersetzungen. 926 Es folgten Untersuchungen zur Theologie und Christologie ( V . D . G OLTZ , E LZE , R ACKL ) 927 sowie verschiedene Versuche, den religionsgeschichtlichen Hintergrund der in den Ignatius-Briefen aufleuchtenden Auseinandersetzung zwischen Ignatius und seinen Gegnern in den kleinasiatischen Gemeinden näher zu bestimmen. H. S CHLIER positionierte dabei Ignatius und seine Theologie im Umfeld der aufkommenden Gnosis. 928 Er verwendet als Vergleichsmaterial einerseits mandäische Texte, andererseits verweist er häufig auf die Oden Salomos, die Epistula Apostolorum und die Ascensio Jesajae. Zwar ist »Gnosis« für den Anfang des 2. Jahrhunderts aus heutiger Sicht eine noch nicht existente Kategorie. Das gilt allerdings auch für OdSal und AscJes, die so in der Tat trotzdem treffende Vergleiche bieten. So passen S CHLIER s religionsgeschichtliche Hinweise vielfach, nur dass man heute die beschriebenen Zusammenhänge nicht als gnostisch beschreiben würde. Die Hinweise auf die mandäische Literatur, die für S CHLIER wesentlich sind, um das gnostische Umfeld inklusive des vermuteten einheitlichen, gnostischen Erlösermodells zu zeigen, fallen allerdings zur Beschreibung der Texte aus, da diese Texte heute deutlich später angesetzt werden und auch der völlig andere Entstehungskontext die mandäische Literatur eher als einen Teil der Wirkungsgeschichte antiker Gnosis, denn als frühe Gnosis selbst erscheinen lässt. Ähnliches gilt für B ARTSCH und die in der Folge immer wieder gerne wiederholten Hinweise in der Literatur auf gnostische oder auf Gnosis hinführende religionsgeschichtliche Kontexte. 929 Vielfach wird in der Ignatius-Literatur des 20. Jahrhunderts von Texten gesprochen, die sich »auf dem Weg zur Gnosis« befinden. Das mag richtig sein, insofern spätere Gnostiker aus den Positionen des Ignatius oder seiner Gegner Honig zogen. Aber dass eine Schrift später von der einen oder anderen theologischen Richtung in Anspruch genommen wird, heißt nicht, dass man die entsprechende 925 F UNK , Patres Apostolici; L IGHTFOOT , The Apostolic Fathers; Z AHN , Epistulae. Vgl. B OMMES , Weizen, 14. 926 H ILGENFELD , Epistulae; K RÜGER , Briefe; Z ELLER , Die Apostolischen Väter; B AUER , Briefe; B IHLMEYER , Die apostolischen Väter; F ISCHER , Die Apostolischen Väter; P AULSEN , Briefe; S CHOEDEL , Briefe; B/ N. 927 V . D . G OLTZ , Ignatius; E LZE , Untersuchungen; R ACKL , Christologie; N IEDERWIMMER , Grundriss. 928 S CHLIER , Untersuchungen. 929 B ARTSCH , Gut. 9.1 Forschungsüberblick und methodische Orientierung 277 Schrift schon unter diesem Aspekt zu lesen hat. Denn die Schrift und ihr Autor wissen in der Regel ja nicht, dass sie »auf dem Weg« dort oder dorthin sind. Einzeluntersuchungen zur Frage des Martyriums (B OMMES , B ROX , G ÜNTHER ), 930 der Mystik des Ignatius (D ÖLGER , H ÖRMANN , M EINHOLD , R ÜSCH ), 931 zu seinen ekklesiologischen Positionen (P ADBERG , W AGNER ) 932 , seinem Evangeliumsverständnis (B ROWN ) 933 sowie weiteren Einzelfragen (L ONA : »Fleisch«; V OGT : Markionitische Gegner; N ICKLAS : Leid; D ÖLGER : Gottesstimme; B ERGER : Theologiegeschichtlicher Standort des Ignatius 934 ) führen stärker an die Fragen des Ignatius heran. Insbesondere das Martyrium des Ignatius, das dieser geradezu sucht, berührt ganz direkt parallele Fragen in der Christologie: nämlich die Frage, ob das Leiden nötig ist und wozu es dient. Einmal richtet sich die Frage an den Märtyrer und sein Leiden, zum anderen richtet sich die Frage an Christus und sein Geschick. Damit ist die Frage nach den unterschiedlichen mystischen Programmen (Wege zu Gott bzw. Christus) und nach dem ekklesiologischen Konzept bei Ignatius und seinen Gegnern zu stellen. In der jüngeren Zeit ist eine Debatte wiederbelebt worden, die schon mit Z AHN und anderen beendet zu sein schien, nämlich der Echtheit der Ignatiusbriefe und ihrer (theologie-)historischen Verortung (siehe Diskussion im Anhang S. 483ff). 9.1.2 Methodisches Vorgehen bei der Exegese der Ignatiusbriefe Bei den Ignatius-Briefen existieren anders als bei 1 Joh klar erkennbare Äußerungen von Gegnern, ihre Abgrenzung und Zuordnung ist allerdings nicht überall eindeutig. Ein wesentliches Problem ist die in jüngster Zeit debattierte Frage der Echtheit der Ignatiusbriefe. Sollte schon die als »echt« anerkannte mittlere Rezension reine Pseudepigraphie sein, um in späteren dogmatischen Auseinandersetzungen »Futter« zu gewinnen, dann müssen wir uns hier nicht weiter mit den Ignatianen als erster deutliche Bezeugung von Doketismus auseinandersetzen. Im Gegensatz zu den johanneischen Schriften, bei denen es letztlich nicht entscheidend ist, ob sie schon vor dem Fall Jerusalems in Palästina oder um die Jahrhundertwende in Ephesus oder anderswo geschrieben worden sind der judenchristliche Hintergrund ist in jedem Fall möglich und erweisbar -, wäre bei den Ignatianen eine Spätdatierung ein wirkliches Problem. Daher ist im Folgenden zu erst der historische Hintergrund zu sichern (9.1.3 Abfassungsverhältnisse). Anschließend gehen wir der Martyriumsreise des Ignatius und seinen dabei erfolgenden Gegnerbegegnungen nach. Die Frage nach seinem Martyrium ist zunächst zu stellen, dann die nach seinen eigenen Auffassungen als Pneumatiker bzw. Mystiker. Es erfolgt ein Überblick über seine Gegnerkontakte anhand der Briefe. 9.1.3 Abfassungsverhältnisse Die sogenannte »ignatianische Frage« wird unten in einem Anhang zu dieser Arbeit näher beleuchtet. 935 In Frage steht, ob es überhaupt einen Briefe schreibenden Ignatius Anfang des zweiten Jahrhunderts gab, oder ob das Schicksal eines ansonsten unbedeutenden Märtyrers knapp hundert Jahre später von einem pseu- 930 B OMMES , Weizen; B ROX , Zeuge; G ÜNTHER , Zeuge; vgl. auch: V . C AMPENHAUSEN , Idee. 931 D ÖLGER , Christophorus; DERS ., θεοῦ φωνή; H ÖRMANN , Geistreden; M EINHOLD , Episkope; DERS ., Bischöfe; R ÜSCH , Entstehung; siehe auch: C HADWICK , Silence. 932 P ADBERG , Liebe; W AGNER , Anfänge. Vgl. die Untersuchungen von B OMMES , G OLTZ , E LZE , M EINHOLD , Z AHN . 933 B ROWN , Gospel. 934 B ERGER , Theologiegeschichte, 748-752: »Der Standort des Ignatius von Antiochien«. 935 Siehe unten 17 Die ignatianische Frage, S. 483ff. 278 D. 9 Die Ignatiusbriefe depigraphen Verfasser als Folie für seine eigene christologische Debatte an der Wende vom zweiten zum dritten Jahrhundert genutzt wurde. Die von H ÜBNER und L ECHNER genannten Argumente überzeugen allerdings nicht. 936 Den bereits in der Literatur genannten Gegenargumenten lässt sich einiges hinzufügen, wie im Anhang zu zeigen ist. Das Ergebnis ist: Es gibt keinen überzeugenden Grund für die Annahme einer späteren, pseudepigraphen Abfassung der sieben als »echt« anerkannten Briefe. Bis zum Erweis des Gegenteils behält die in den Ignatianen selbst widergespiegelte und die von Euseb berichtete Geschichte eine gewisse Plausibilität. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Ignatianen im 2. Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts von Ignatius auf seinem Weg ins Martyrium verfasst wurden. Mit Sicherheit ist die extreme Spätdatierung Hübners auszuschließen. Man kann sich letztlich nur B ROWN ’s Warnung anschließen und konstatieren: »This being said, it is necessary to recognize that Ignatius is still early in Christological debates: using later technical theological terms to describe Ignatius’ theology is dangerous.« 937 9.2 Das Martyrium des Ignatius Die Frage nach dem Martyrium des Ignatius ist die Frage nach seiner eigenen »Betroffenheit«, nach seiner eigenen lebensweltlichen Verhaftung mit dem Thema der Inkarnation und des Leidens Christi. Er selbst stellt verschiedentlich Parallelen her. Zugleich ergibt sich an dieser Stelle mindestens ein Konflikt mit Gegnern in den kleinasiatischen Gemeinden. 9.2.1 Warum wurde Ignatius Märtyrer? 9.2.1.1 Berichte über das Leben und Wirken des Ignatius aus zweiter Hand Die Briefe des Ignatius sind in der frühen Kirche schnell und vielfältig rezipiert worden. Sie werden von Polykarp (Polyk 9; 13) Irenäus (haer. 5,28,4), Origenes (Hom. in Luc. 6,4), Euseb (h.e. 36,7), Hieronymus (vir.ill. 16) und anderen zitiert. 938 Insbesondere die recht genaue Darstellung bei Euseb (h.e. 36) spielte dann für L IGHTFOOT und Z AHN eine wesentliche Grundlage für ihre allgemein akzeptierten Argumentationen zugunsten der »Echtheit« der sogenannten »mittleren Rezension«, der sieben ignatianischen Briefe. 939 Aber auch und gerade die beiden anderen »Rezensionen« zeigen, dass Ignatius für die spätere Zeit ausgesprochen interessant war. Besonders anhand der längeren Rezension mit zusätzlichen (pseudepigraphischen) Ignatius-Briefen kann man zeigen, dass Person und Theologie des Ignatius Anknüpfungspunkte für spätere christologische Debatten bereithielten. 936 Siehe Anhang: S. 483ff. 937 B ROWN , Gospel, 134. 938 Eine ausführliche Analyse und Darstellung bietet L IGHTFOOT , Apostolic Fathers II, 127-221. 939 Zur Geschichte der drei Rezensionen: S CHOEDEL , Briefe, 21-32. 9.2 Das Martyrium des Ignatius 279 Legendarische Berichte darüber, dass Ignatius das Kind gewesen sei, das Jesus in die Mitte der Jünger als Vorbild für den Glauben stellt, 940 sowie verschiedene Darstellungen seines Martyriums 941 stammen ebenfalls aus deutlich späterer Zeit und zeigen somit eher die spätere Wirkungsgeschichte, als dass sie historisch verwertbare Auskünfte über das Leben und Sterben des Ignatius liefern. Bei Euseb (h.e. 3,22) liest man, dass Ignatius nach Petrus der insgesamt dritte Anführer der Gemeinde von Antiochien war: »Bei denen von Antiochia war Ignatius als zweiter (Bischof) bekannt, einer der berühmten, nachdem Euodius als Erster (zum Bischof) eingesetzt war«. 942 Dass sein Nachfolger Heros war, 943 berichtet Euseb in h.e. 3,36. Dort wird Ignatius ebenfalls als Zeitgenosse von Polykarp und Papias aufgeführt. 944 9.2.1.2 Was war der Anlass für das Martyrium des Ignatius? Weder die genannten Berichte über Ignatius noch seine eigenen Briefe geben direkt Auskunft über den Anlass seines Martyriums, so dass man auf Mutmaßungen angewiesen ist. 945 »Es stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser Bedrängnis um eine Verfolgung von außen, um innere Unruhen und Spaltungen in der Gemeinde oder um beides zugleich gehandelt habe.« 946 9.2.1.3 Äußerer Anlass 947 Die Spannungssituationen, die frühe Christen aushalten mussten, werden schon in der Apostelgeschichte beschrieben, etwa, wenn sich in Ephesus die Silberschmiede gegen das geschäftsschädigende Ausbreiten des christlichen Glaubens wehren (Apg 19,8ff). Auch Kelsos bei Origenes wehrt sich im 2. Jahrhundert 940 Diese Legende, die sich auf Mt 18,4 bezieht, begegnet bei Symeon Metaphrastes (9.-10. Jh.) und den griechischen Menäen (ebenfalls um die 1. Jahrtausendwende). 941 Stellen bei L IGHTFOOT , The Apostolic Fathers, II, 363ff. Zu den Acta Romana ausführlich B OL - HUIS , Acta Romana, 143-153; Martyrium Ignatii, Migne, CPG 1036. 942 Euseb, h.e. 3,22: τῶν ἐπ᾿ Ἀντιοχείας Εὐοδίου πρώτου καταστάντος, δεύτερος ἐν τοῖς δηλουμένοις Ἰγνάτιος ἐγνωρίζετο. 943 An Heros hält die spätere lange Rezension der Ignatiusbriefe ein Schreiben bereit (PsIgnHer). 944 Eusebius, Kirchengeschichte, BKV, 2. Reihe, Band 1, München 1932. 945 W EIGANDT , Doketismus, 108f, meint aufgrund der christologischen Terminologie des Ignatius, dass »ihm und seiner Kirche viele Ausdrücke und Aussagen bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind, die das Neue Testament gar nicht kennt. Daraus erhellt, dass die Häresie, die Ignatius bekämpfte, nicht erst entstanden sein kann, als er seine Briefe schrieb, sondern älter sein muss.« Auch wenn das zum Teil richtig ist, ergibt sich doch, wie zu zeigen ist, ein ganz anderes Bild. Auch die Mutmaßungen, die E SSIG anstellt, überzeugen nicht. Er greift auf byzantinische Überlieferungen zurück, die mit dem Namen des Johannes Malalas verbunden sind, und ins 6. Jahrhundert datieren. Danach sei Ignatius erst 115/ 116 n.Chr. von Kaiser Trajan selbst nach Rom geschickt worden. Trajan war zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Partherfeldzüge in Antiochien. In dieser Zeit habe Ignatius den vor Ort weilenden Kaiser öffentlich angegriffen und beleidigt und somit das crimen lasae majestatis begangen. Als dann ein Erdbeben Antiochien (datiert auf den 13.12.115) erschütterte, sei er zum Martyrium nach Rom geschickt worden: E SSIG , Mutmassungen, 105-117. 946 B OMMES , Weizen, 184. 947 W EIGANDT 114: »Der Ausgangspunkt des von Ignatius bekämpften Doketismus ist Syrien, vermutlich die weitere Umgebung von Antiochia. Gegen diesen Doketismus musste sich die antiochenische Gemeinde schon früh abgesetzt haben. (...) Der kleinasiatische Doketismus in Tralles und Smyrna ist damit nur als ein Ausläufer des syrischen anzusehen.« - Weiter S. 118: Ignatius habe daher antidoketistisches Traditionsgut aus Syrien mitgebracht. Allerdings genügten die alten Formeln »nicht mehr den Anforderungen, die der Kampf gegen den Doketismus stellte, weil sie ursprünglich nicht in Antithese zu dieser Häresie gebildet wurden und daher nicht eindeutig genug waren. Überlieferte Formeln mussten also erweitert werden«. - 280 D. 9 Die Ignatiusbriefe gegen das Nachlassen des traditionellen Kultes aufgrund der Konkurrenz durch das Christentum. 948 Auf staatlicher Seite kennen wir aus der Zeit, in der Ignatius auf dem Weg zum Martyrium war, den Briefwechsel zwischen Plinius d. Jüngeren, kaiserlichem Legaten mit Vollmacht eines Konsuls in Pontus (Bithynien), mit Kaiser Trajan. 949 Plinius beklagt »die schon fast verödeten Tempel« (10,96,10). Zwar gibt dieser Briefwechsel kein Zeugnis einer allgemeinen Verfolgung der Christen, zeigt aber gut, da Plinius kein Einzelfall gewesen sein wird, wie römische Gerichtsbarkeit und Verwaltung auf die genannten Probleme durch das Aufkommen des christlichen Glaubens reagierten. Plinius fragt den Kaiser unter anderem, »ob [schließlich] der bloße [Christen-] Name (nomen ipsum), auch wenn kein Verbrechen vorliegt, oder [nur] die mit dem Namen zusammenhängenden Verbrechen bestraft werden müssen« (10,96,2). Auch wenn der Kaiser antwortet, man solle nicht offensiv nach den Christen fahnden (10,97,2), so bestätigt er doch, dass jeder, der als Christ angezeigt wird und nicht das Gegenteil durch ein Opfer für die Götter beweist, bestraft (d.h. hingerichtet) werden soll. 950 Das »nomen ipsum«, der »Name allein« reicht also zu einer Verurteilung (Hinrichtung). Allerdings wird keine Überführung nach Rom angeordnet, sondern die Hinrichtung findet wohl in Pontus statt. Dennoch könnte dieser Hinweis auf die etwa gleichzeitig zur Reise des Ignatius stattfindende Bedrängung von Christen auf der anderen Seite Kleinasiens zeigen, worum es auch bei Ignatius geht: um das »nomen ipsum«. Wenn gilt, dass schon der Name »Christ« häufig negative Reaktionen, von »Spott bis hin zur blutigen Verfolgung« verursachte, 951 dann ist es umso auffälliger, wie häufig Ignatius den »Namen« »Christ« bzw. »Christus« thematisiert: Ignatius ist nach IgnEph 1,2 aufgrund des gemeinsamen Namens und der gemeinsamen Hoffnung gefesselt (δεδεμένον ... ὑπὲρ τοῦ κοινοῦ ὀνόματος καὶ ἐλπίδος); er ist nach IgnEph 3,1 »im Namen« gebunden (δέδεμαι ἐν τῷ ὀνόματι). Es geziemt sich nicht, so Ignatius an die Magnesier 4,1, nur »Christen« zu 948 Eine sich daraus ergebende, die Gemeinschaft der Menschen umfassend bedrohende Gefahr des neuen Glaubens beschreibt um 270 n.Chr. Porphyrius, Fragment 80 (bei R ITTER , Alte Kirche, 110): »Jetzt aber wundert man sich, wenn in unserer Stadt [Rom? ] seit so vielen Jahren die Seuche wütet, da sich kein Besuch (ἐπιδημία) des [Heilgottes] Asklepios und der übrigen Götter mehr ereignet hat; denn seitdem Jesus [göttliche] Ehren empfängt, hat man nichts mehr davon wahrgenommen, dass Götter auch nur ein einziges Mal öffentlich hilfreich eingegriffen hätten.« Um diese Position zu widerlegen, schreibt später Augustin sein Werk »de Civitate Dei«. Die Auseinandersetzung des 3. und 4. Jahrhunderts ist natürlich zu Beginn des 2. Jahrhunderts noch nicht ausgebildet. Der Sache nach aber ist der Aspekt mitzubedenken, da der Vorwurf der Gottlosigkeit wesentlich älter ist und schon dem Sokrates gemacht wurde. Ähnliche Vorwürfe kann man auch bei Plinius lesen. Und auch Kelsos in seiner Streitschrift 'Aληθής Λόγος wirft um 180 den Christen immer wieder Gottlosigkeit vor, so dass Origenes sich in seiner Antwort (Κατὰ Κέλσου) an unzähligen Stellen dagegen verwahrt. 949 Plinius d. Jüngere, Briefe 10,96f. Hier zitiert nach R ITTER , Alte Kirche. 950 In ähnlicher Weise wird Polykarp nach dem Bericht von MartPol 8,1; 9,3 von den Staatsvertretern gefragt: »Was ist es denn Schlimmes zu sagen: ›Herr ist der Kaiser‹, zu opfern, die Dinge, die sich daraus ergeben zu tun und sich so zu retten? « - »Schwöre, und ich lasse dich frei, lästere Christus! « (ÜS L INDEMANN / P AULSEN ). 951 B OMMES , Weizen, führt S. 30, Anm. 32, dafür außer den hier schon genannten Quellen an: die Verwendung des Namens durch Agrippa beim Prozess gegen Paulus in Apg 26,28 sowie die frühen heidnischen Zeugnisse: Tacitus, Annales CV, 44,2; Sueton, Claudius 25,4. 9.2 Das Martyrium des Ignatius 281 heißen, man müsse es auch sein (πρέπον οὖν ἐστὶν μὴ μόνον καλεῖσθαι Χριστιανούς, ἀλλὰ καὶ εἶναι). Für Ignatius kommt es darauf an, gerade mit dem Martyrium zu zeigen, dass er nicht nur »Christ« heißt, sondern dass er sich auch als solcher bewährt (IgnRöm 3,2: ἵνα μὴ μόνον λέγωμαι Χριστιανός, ἀλλὰ καὶ εὑρεθῶ). Er beteuert, um des Namens Christi willen zu leiden (IgnPhil 8,2). Überhaupt hat die christliche Existenz ihren Ort in Christus bzw. in seinem Namen (IgnEph 3,1; IgnRöm 2,1; 9,3; IgnPhilad 10,1; IgnRöm 9,4; IgnSm 4,2; 12,2; IgnPol 5,1; Ign- Phil 8,2; 10,3). 952 Nun geht es nicht darum, das Martyrium des Ignatius monokausal abzuleiten. Die genauen Zustände und Verhältnisse in Antiochien zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung und Verurteilung kennen wir nicht. 953 Gewonnen ist aber ein Eindruck der Atmosphäre, in der die Fahrt zum Martyrium und die Begegnung mit den Gegnern in Kleinasien stattfinden. Sie ist vermutlich einer von mehreren Faktoren, die zu seiner Martyriumsreise führten. Gewonnen ist damit zunächst, dass die beliebte Rückführung der ignatianischen Gegnerpolemik auf die angeblich in Syrien (Antiochia) schon bestehende Auseinandersetzung, z.B. mit Satornil unnötig ist. 954 Weitere Zusammenhänge liegen auf der Hand: Wenn Ignatius seine eigene Martyriumsreise inszeniert, so kann man davon ausgehen, dass auch umgekehrt seine Verurteilung als eine Art Exempel an einem herausragenden Glied der Gemeinde Antiochiens, das offensichtlich schon überregionale Bedeutung hatte, statuiert werden sollte. 955 Da Ignatius der römischen Gemeinde schreibt, er wolle durch sein Martyrium »als Christ erfunden werden«, geht es ihm offensichtlich darum, eine Demonstration der Standhaftigkeit seines christlichen Glaubens abzulegen und gleichzeitig den Gemeinden, mit denen er bis dahin in Berührung kommt, ein Zeichen zu setzen. Die besondere Ansprache an Polykarp von Smyrna in einem eigenen Brief und die (durch diesen? ) erfolgte Sammlung der Briefe des Ignatius sind ebenfalls kaum als Zufall zu betrachten. Die von Ignatius trotz seiner Gefangenschaft inszenierte Fahrt nach Rom 956 hat 952 Vgl. B OMMES , Weizen, die die Nennungen des Namens »Christ«, des Ausdrucks »Name« (nämlich: Christ) und die Bezüge auf »den Namen Jesu«, das Handeln »im Namen« Christi oder »um des Namens willen« intensiv untersucht und bewertet: S. 30-38; 120-146; 187ff. Zur Bedeutung des Namens Christi s.u. S. 435f. 953 So weist B OMMES , Weizen, 26, darauf hin, dass Ignatius niemals ausdrücklich von seinem Christus-Bekenntnis als Ursache des Martyriums spricht, sondern über den Anlass schweigt. Aber: Was könnte sonst der Grund sein? Innergemeindliche Auseinandersetzungen in Antiochia können höchstens begleitend eine Rolle spielen. 954 Satornil als Orientierungsmarke nutzen W EIGANDT und besonders U EBELE (s.o. S. 36). Insgesamt s.u. S. 466. 955 B OMMES , Weizen, 183f. 956 Zur »Geschichte und Schaustellung« der Reise des Ignatius: S CHOEDEL , Briefe, 39ff. Ebd., S. 40: »Ignatius beschreibt seine Reise in keiner Weise mit nüchternen historischen Begriffen. Er sieht sie eher als einen Triumphmarsch (...) von mythischen Ausmaßen (...). Dadurch fordert er seine Mitchristen auf, über das äußere Erscheinungsbild hinwegzublicken und den verborgenen Sinn seiner elenden Umstände zu entdecken.« Zudem konstatiert S CHOEDEL , dass »die dem Märtyrer zuteilgewordene spontane Anerkennung und Unterstützung z.T. von sorgfältigen Planungen durch Ignatius und seine Freunde abhing« (ebd.). 282 D. 9 Die Ignatiusbriefe offensichtlich den Zweck, aus dem nun einmal unumgänglichen Martyrium noch etwas »zu machen«. Ignatius funktionalisiert sein Martyrium von einem tragischen Ereignis um zu einem den Glauben stärkenden, die Gemeinden aufbauenden Ereignis. »In und mit diesem äußeren Weg, der ὁδὸς κατά σάρκα (IgnRöm 9,3) vollzieht sich der Weg des Märtyrers zu Gott.« 957 Dies ist funktional »friedenstiftend« in Blick auf die Gemeinde in Syrien. Möglicherweise gibt es »innere Anlässe« für seinen Weg, die aus der Gemeindesituation in Antiochia und seinem Verhalten als Anführer der Gemeinde resultieren: 9.2.1.4 »Innere Anlässe« Wenn der »Name« ein Grund des Martyriums des Ignatius war, dann ist das vielleicht der »offizielle« Grund bzw. der Begründungszusammenhang, auf den Ignatius selber gerne anspielt. Dafür und für die Einheit und den Frieden seiner Gemeinde geht Ignatius ins Martyrium. Nun spricht er aber auch davon, dass er sich selbst als »Lösegeld« 958 bzw. »Opfer« 959 für die Gemeinde sehe. Das heißt, er deutet sein Märtyrersein als Ereignis, das »für« die Gemeinde geschieht, und »für« sie etwas bewirkt. Das kann man einmal abgesehen von den kultischen Zusammenhängen des Bildmaterials und abgesehen von der Frage, inwieweit er sein Märtyrerschicksal mit dem heilstiftenden Leiden und Tod Jesu zusammenschließt einerseits darauf zurückführen, dass er als Anführer der Gemeinde in Antiochien die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gezogen hat und damit eine Entlastung für die Gemeinden bewirkt hat. Eine ähnliche Situation, wie fünfzig Jahre später beim Martyrium des Polykarp, ist jedenfalls denkbar. 960 Über diesen hatte seine Gemeinde geschrieben, dass er mit seinem Martyrium »wie mit einem Siegel durch sein Zeugnis die Verfolgung beendet hat« (MartPol 1,1). 961 - Andererseits bemerkt S CHOEDEL zu IgnPol 7, dass das Ende einer Christenverfolgung an sich es nicht nötig gemacht hätte, derartig diplomatische Gesandtschaften nach Antiochien zu schicken, wie es Ignatius in seinen Briefen an Polykarp, an die Smyrnäer und Epheser wünscht. Vielmehr bestünde eine Erklärung darin, dass diese die Amtsführung des Ignatius gleichzeitig rechtfertigen sollten. 962 Gegen diese Erklärung ist zwar einzuwenden, dass 957 B OMMES , Weizen, 159. 958 IgnEph 21,1: Ἀντίψυχον ὑμῶν ἐγὼ; IgnSm 10,2: ἀντίψυχον ὑμῶν τὸ πνεῦμά μου, καὶ τὰ δεσμά μου. - Vgl. zum Thema Lösegeld oben S. 158.204 (4 Makk 6,28f). 212. Vgl. J OHANSSON , Parakletoi, 219ff. 959 IgnRöm 2,2: σπονδισθῆναι Θεῷ, ὡς ἔτι θυσιαστήριον ἕτοιμόν ἐστιν; IgnRöm 4,2: Θεοῦ θυσία εὑρεθῶ; - Ob IgnEph 8,1 und 18,1 auch auf Opfermetaphorik anspielen, ist ungewiss (gegen S CHOEDEL ); zwar steht das dort verwendete Wort περίψημα in IgnEph 8,1 in ähnlichem Zusammenhang, wie das Lösegeld in IgnEph 21,1 und IgnSm 10,2 (IgnEph 8,1: περίψημα ὑμῶν), dennoch ist die Grundbedeutung von περίψημα ›Unrat‹, ›Schmutz‹, ›Abschaum‹; zudem ist das Wort »mehr und mehr zu einem der Verkehrssprache geläufigen Ausdruck der höfl. Selbsterniedrigung geworden« (B AUER / A LAND ). Innerhalb der LXX kommt nur Tob 5,19 tatsächlich an die Bedeutung von ›Opfer‹ oder ›Lösegeld‹ für περίψημα heran (ἀλλὰ περίψημα τοῦ παιδίου ἡμῶν γένοιτο). Und auch hier kann man sich streiten, ob man nicht besser übersetzt: »Es ist nichts, verglichen mit dem Leben unseres Sohnes« (Einheitsübersetzung), statt »(Es) hätte das Lösegeld für das Leben unseres Kindes darstellen sollen« (H. M ENGE ). 960 Zwar ist das »Lösegeld« bezogen auf die Gemeinden in Ephesus und Smyrna (IgnEph 21,1; IgnSm 10,2; IgnPol 3,2; 6,1; ebenso »Opfer« in IgnEph 8,1; 18,1; in IgnRöm 4,1 möglicherweise mit einem weiter gedachten Bezug; trotzdem kann man annehmen, dass dieser Gedanke nicht für die Gemeinden entwickelt ist, denen Ignatius begegnet, sondern dass wir hier einem Grundmotiv des Ignatius auch hinsichtlich seiner Gemeinde in Antiochien begegnen, das er dann unterwegs auf die anderen Gemeinden anwendet. 961 MartPol 1,1: ὅστις ὥσπερ διά τῆς μαρτυρίας αὐτοῦ κατέπαυσεν τὸν διωγμόν dt. ÜS: L INDEMANN / P AULSEN , 263. 962 S CHOEDEL , Briefe, 433. 9.2 Das Martyrium des Ignatius 283 es Ignatius ja ebenfalls darum geht, durch sein »Aushalten« die Gemeinde zu stärken. Dieses stärkste denkbare propagandistische Mittel muss nun einmal auch bekannt gemacht werden. Dennoch kann man natürlich fragen, ob der Unfriede in Antiochien, dessen Überwindung durch die Martyriumsreise des Ignatius beginnt, nicht doch seinen Ursprung auch in Provokationen seitens Ignatius hat. Wie man seinen Briefen entnehmen kann, hat er Gemeindekonflikte, die er in den Gemeinden entdeckt, mit denen er unterwegs Kontakt hat, selber polarisiert oder gar erst provoziert. Im Hintergrund steht die von Ignatius vertretene Konzeption der Einheitlichkeit und Harmonie der Gemeinde besonders in Hinblick auf den Bischof, der diese in persona zu gewähren hat. Das bedeutet aber zugleich, dass starke, abweichende Einzelmeinungen von Personen oder Gruppen in der Gemeinde in dieser Konzeption keinen Raum haben; vor allem, wenn sie nicht ausdrücklich innerhalb des vom Bischof gesetzten Rahmens propagiert werden. Wenn Ignatius in ähnlicher Weise kompromisslos gegen abweichendes Denken innerhalb seiner antiochener Gemeinde angegangen ist, dann können erhebliche innergemeindliche Spannungen dort auf sein eigenes Konto zurückgehen. Und obwohl er häufig eher positiv von nichtchristlichen Mitmenschen der Umgebung spricht, so ist es sehr gut denkbar, dass er selbst auch zur Verschärfung der Lage der Gemeinde beigetragen hat, deren Überwindung er nun mit seinem Martyrium einleitet. Der Stolz darauf, Pneumatiker zu sein, kann auch zu einer Konfrontation mit der nichtchristlichen Umgebung in Antiochien geführt haben und die Gemeinde in »unnötige« Schwierigkeiten gebracht haben, deren Lösung durch das »Opfer« d s Ignatius eingeleitet wird. 963 9.2.2 Verursacher des Martyriums (Bedrängnisse, Satan, Gegner, Gott) Wichtig ist bei der »Inszenierung« der Martyriumsreise, dass die äußere Not, die Ignatius erfährt, nicht zufällig und aufgrund eigener Unzulänglichkeit geschieht. Nicht Ignatius ist, z.B. aus unbedachtem Verhalten den Behörden gegenüber, schuld an seinem Schicksal, sondern es ist über ihn verhängt. 9.2.2.1 Bedrängung und Standhalten »Von einer Bedrängnis der syrischen Kirche und ihrem schließlichen Aufhören ist (...) in jedem seiner Briefe die Rede.« 964 Ebenso spricht Ignatius häufig von der Bedrängung, die die Gemeinden und er erfahren und die mit »Geduld« bzw. »Standhalten« (ὑπομονή) zu beantworten ist. »Das Standhaftsein in Geduld ist das der grundsätzlichen Leidensberufung der Kirche angemessene Verhalten.« 965 Leid und Standhalten gegen das Leid sind einerseits auf den Druck von außen zu beziehen, können andererseits auch durch »Spaltungen« im Inneren der Gemeinden hervorgerufen werden, wobei man, wie ich meine, vorsichtig mit dem späteren Häresiebegriff sein sollte. Derartig verfestigte Fronten gibt es sicher noch nicht. Eher muss man annehmen, dass Ignatius polarisierend dazu beigetragen hat, 963 Insofern hat Malalas recht, dass er Ignatius als jemanden sieht, der sein eigenes Schicksal provoziert hat (s.o. S. 279f). 964 B OMMES , Weizen, 184. 965 B OMMES , Weizen, 227-241 (hier: 233), untersucht ausführlich das gemeinsame Leidensgeschick von Märtyrer und Gemeinde. ὑπομονή bedeutet demnach zumeist eher etwas wie »Durchhalten«, »Aushalten«, »Standhalten« und nicht nur »Geduld«. Geduld ist die geistliche Antwort auf die Bedrängnis (ebd. 229). 284 D. 9 Die Ignatiusbriefe unterschiedliche Positionen zu profilieren und polemisch voneinander abzusetzen. Ergebnis: Für Ignatius ist die Antwort auf physische und psychische Bedrängung »Standhalten«: sowohl körperlich bis hin zum Martyrium als auch mental, sozial und seelisch. 9.2.2.2 Teufelsherrschaft Während also die Bedrängung physisch-real von Staat und innergemeindlichen Konfrontationen ausgeht, sieht Ignatius letztlich dahinter einerseits den Gegenspieler Gottes stehen, den »Fürsten dieser Welt« 966 bzw. den Teufel. 967 In den Pseudo-Ignatiusbriefen wird dieses Motiv weiter ausgeführt. Der Teufel ist sowohl für körperliche Leiden (IgnRöm 5,3) als auch für Spaltungen (IgnEph 10,3; 13,1; IgnSm 9,1) und falsche Lehre (IgnEph 17,1; IgnRöm 7,1) verantwortlich. Spaltungen und falsche Lehre hängen für Ignatius zusammen. Als »Fürst dieser Welt« (ἄρχων τοῦ αἰῶνος τούτου) ist der Teufel zugleich Teil der himmlischen »Fürsten« bzw. Engel (IgnSm 6,1), die (ebenfalls) gerichtet werden, wenn sie nicht an das Blut Christi glauben. Ergebnis: Die Auseinandersetzung innerhalb der sichtbaren Welt hat einen unsichtbaren Hintergrund, wobei der Teufel als Gegner verantwortlich ist für falsche Lehre, Spaltung und physische Vernichtung. 9.2.2.3 Gott als Verursacher und Ziel des Martyriums Andererseits kann Ignatius auch Gott als Verursacher und Ziel seines Martyriums benennen, 968 da das »Standhalten« immer in Blick auf Gott bzw. Christus geschieht. 969 Während die Gemeinde durch ihre zu wahrende Einheit auch so in Gemeinschaft mit Gott steht, 970 ist Ignatius als Märtyrer auf einen besonderen Weg gewiesen, der, wenn er erfolgreich sein soll, mit dem Tod als neuer Geburt enden muss, durch die er Anteil an Gott bzw. Christus erhält. 971 Der Märtyrer ist dabei Schüler und Nachahmer Christi. 972 Nachdem ihm die besondere Rolle des Nachahmens Christi als Märtyrer zugefallen ist, ist er ein Lernender auf dem Weg zu Gott. Diesen Weg des Lernens und Leidens als Mensch 973 darf er nicht unterbrechen, wenn er vom Sichtbaren zum Unsichtbaren gelangen will. Ergebnis: Für Ignatius in seiner besonderen Situation ist der Weg des Leidens stärker noch als für die Gemeinden ein wesentlicher Schritt auf die neue Geburt, 966 IgnEph 17,1 (Lehre d. Fürsten d. Welt); IgnEph 19,1; IgnMagn 1,2; IgnTr 4,2; IgnRöm 7,1; IgnPhld 6,2; IgnSm 6,1. 967 IgnEph 13,1; IgnTr 8,1; IgnRöm 5,3; IgnSm 9,1. 968 Dazu umfassend B OMMES , Weizen, 147-164. 969 B OMMES , Weizen, 234. 970 Dazu umfassend B OMMES , Weizen, 198ff. 971 Geburt: IgnRöm 6,1. Untergang der Welt gegenüber als Aufgang zu Gott: IgnRöm 2,2. 972 Dazu umfassend B OMMES , Weizen, 29-50; 86-107; 120-147. 973 IgnRöm 9,3 spricht von der Martyriumsreise als von »diesem« ὁδός »κατὰ σάρκα«. 9.3 Ignatius als Mystiker 285 auf das Sein bei Christus zu. Das Ziel ist dabei geistlich-himmlisch, 974 der Weg geht über irdisches Leid. 9.3 Ignatius als Mystiker Wir haben die äußeren Veranlassungen des Martyriums und einige von Ignatius´ eigenen Bewertungen und Einschätzungen in den Blick genommen. Wir nehmen wahr, dass er sein Martyrium als Weg zur geistlich-himmlischen Gemeinschaft mit Gott ansieht. Wir stellen ebenfalls fest, dass Ignatius als Rhetoriker und Theologe über erstaunliche Fähigkeiten 975 verfügt, die ihn später in der Wirkungsgeschichte interessant machen. 976 Insgesamt versteht sich Ignatius als Pneumatiker bzw. Mystiker. 977 Dazu gehört das Wissen um himmlische Machtverhältnisse und Rangstufen den Engel (IgnTr 5), gemeint ist wohl auch apokalyptisches Offenbarungswissen (IgnEph 19). 9.3.1 Der Umgang mit »der Schrift« Die Frage, welche Texte und Quellen Ignatius kennt, ist stark umstritten. Zwischen fünf und fünfzig Zitate, Anspielungen und Bezüge zum Neuen Testament hat man in der jüngeren Ignatius-Forschung gezählt. 978 Vor allem ein unterschiedliches methodisches Herangehen ist verantwortlich für diese weite Diskrepanz. 979 Auch wenn es schwer vorstellbar scheint, dass Ignatius »wenig« neutestamentliche Texte kennen sollte, so muss man meiner Ansicht nach in Betracht ziehen, dass er zumindest vorsichtig ist, sich auf Zitate einzulassen. Wenn das aber so ist, dann kann man eigentlich schwer eine Entscheidung treffen, ob er etwas, was er nicht ausdrücklich zitiert, kennt. Die Zurückhaltung des Ignatius bei Zitaten aus Altem und Neuem Testament kann neben seiner besonderen rhetorischen Fähigkeit, eigene Sprachbilder zu erzeugen, die sicherlich als Wirkung des Geistes erlebt worden ist, auch darauf zurückgeführt werden, dass Ignatius an diesem Punkt der Zitierung von Texten selber eine Schwäche sah. Sei es, dass er sich selbst vor allem in Blick auf Gegner wie in Philadelphia nicht kompetent genug fühlte, verlässlich (und auswendig: er ist ja als Gefangener unterwegs, hat also kaum Möglichkeiten, Textstellen nachzuprüfen) zu zitieren. Oder sei es, dass vielleicht auch in den Diskussionen in Phila- 974 Hippolyt Dan. 3,24,2: Wenn wegen Gott jemand stirbt, muss er sich darüber freuen, dass er das ewige Leben findet (bei B ERGER , Auferstehung, 378; dort eine Vielzahl an Stellen, die die Vorstellung des himmlischen Lohns und Ziels des Martyriums belegen, z.B. Hebr 11,35, TestJud 25,4; Syrische Didaskalie 20). Vgl. auch ebd., 379-381 (Anm. 497). 975 IgnTr 8,1: Ignatius sieht die geheimen Anschläge des Teufels voraus. IgnEph 20,2: Der Herr offenbart Ignatius den Zustand der Gemeinde. IgnPhld 7: Ignatius soll dem Fleisch nach getäuscht werden, aber der Geist lässt sich nicht täuschen. Ohne menschliche Mitteilung trifft Ignatius seine Gegner mit seiner pneumatischen Rede empfindlich. 976 Zunächst zeigen seine rhetorischen Wendungen lediglich, dass er in seiner eigenen Situation in herausragender Weise »sprachmächtig« war und souverän mit verschiedenen Kategorien aus hellenistischer Populärphilosophie und biblischen Traditionen umgehen konnte. Dies größtenteils sogar ohne sie direkt zu zitieren, so dass man nie ganz sicher sein kann, ob und was er eigentlich wirklich kennt oder gar voraussetzt. Allerdings ist das, was dann an »Offenbarungserlebnissen« hinzukommt, sei es in mystischer Schau, sei es in überraschend treffender Rede, noch einmal gesondert zu betrachten und nicht einfach auf die besondere Sprach- und Kommunikationsbegabung des Ignatius zu reduzieren. 977 Vgl. insgesamt: B OMMES , Weizen, 165-181. - Ignatius kann relativierend auch alle Christen als Pneumatiker sehen (IgnEph 8,f). 978 B ARTON , Holy Writings, 18f. 979 M ITCHELL , Bodiless demons, 223. 286 D. 9 Die Ignatiusbriefe delphia ein weiteres Problem aufgetaucht ist, das aus Justins Dialog mit dem Juden Trypho bekannt ist, und das durch die jüngere Textforschung neues Gewicht bekommt: Die Frage nämlich, welche Textfassung »echt« ist und welche möglicherweise »verändert« oder gar »gefälscht« ist. Eine weitere Unsicherheit kann darin bestanden haben, dass man sich über die Texte an sich nicht einig war, nämlich, was als »Urkunde« bzw. »Heilige Schrift« zu gelten habe. 980 In jedem dieser genannten Fälle wäre das Ergebnis: Ignatius ist in seinen Äußerungen lieber ungeschützt durch Zitate, dafür aber nicht angreifbar durch die Behauptung, »die Schrift« falsch gebraucht zu haben. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung des Ignatius in der ausdrücklichen Zitierung von Schriftstellen (Alten und Neuen Testaments) kann darin bestehen, dass er ein »mündliches Konzept« hatte von dem, was er »Evangelium« nennt. Gerade als »Pneumatiker« hat er noch andere Möglichkeiten der Evangeliums- Verkündigung, als »nur« den Schriftbeweis, der allerdings andernorts auch als geistgewirkt gelten kann. 981 C HARLES T. B ROWN hat in seiner Untersuchung zum Charakter des »Evangeliums« bei Ignatius festgestellt, dass Ignatius ein rein mündliches Konzept von »Evangelium« hat. 982 Sein Konzept ähnelt dabei dem des Paulus. 983 Das Evangelium ist immer Verkündigung bzw. Predigt, 984 die wiederum als eine Wirkung des Geistes wahrgenommen wird. 985 Ignatius kenne oder benutze keine schriftlichen Evangelien, obwohl verschiedene Anklänge sichtbar sind. 9.3.2 Gottesträger Ignatius nennt sich in den Präskripten stets und ausdrücklich »Ignatius, auch Theophorus genannt«. Die ausdrückliche Betonung dieses Zweit-Namens zeigt, dass er eine besondere Bedeutung für das Selbstverständnis des Ignatius hat. Wer auch immer Ignatius diesen Namen beigelegt hat, den »umfassendsten Ausdruck 980 Neben dem AT käme auch Literatur des Frühjudentums als Bezugsgröße in Frage. 981 Der generellen Zurückhaltung des Ignatius schriftlichen Zeugnissen und Traditionen gegenüber könnte ein charismatisches Konzept zugrunde liegen. Nicht umsonst nennt er sich Gottesträger. Vielleicht argumentieren die Gegner mit Schriften, so wie man das aus Justins Dialog mit dem Juden Tryphon kennt. Vgl. auch Barn, Hebr, Paulus etc. Darauf ließe Ignatius sich dann prinzipiell nicht ein. Er verfährt damit ganz anders als z.B. später Irenäus, dem der Traditionsbeweis ganz wichtig ist. Für Ignatius wäre dann eine derartige Rückbeziehung nicht nötig. In ihm und den Ortsbischöfen aktualisiert sich auch so die Gottesbeziehung. Das Stichwort lautet Repräsentanz. Deswegen auch ist die Einheit der Kirche so wichtig. Das Stichwort Einheit kann er also gegen alle Gegner setzen egal, wie sie „spekulieren”, welche Theorien sie verbreiten. 982 B ROWN , Gospel, 118: »For Ignatius the gospel is an oral, preached message which is centered on the salvific πάθος and ἀνάστασις of Jesus. (...) There are no authoritative Christian textes in Ignatius’ world.« 983 B ROWN , Gospel, 79: »Thus, we can say that in general Ignatius’ idea of the gospel is most like Paul in that the εὐαγγέλιον is preached.« 984 Oft spricht Ignatius von: λαλεῖν Ἰησοῦν Χριστόν (IgnEph 6,2; IgnMagn 10,3; IgnTr 9,1; IgnRöm 7,1; IgnPhld 6,1). B ROWN , Gospel, 119: »In the Ignatian context this phrase is best translated as ›to preach Jesus Christ‹«. 985 Häufig geht es darum, dass er »im Geist predigt«: IgnEph 20; IgnTr 4-5; Röm 7,2; IgnPhld 6-7 (nach B ROWN , 119). Worte der Übertragung und Annahme des Evangeliums sind dabei καταγέλλω (IgnPhld 9,2), ἐπαγγέλλομαι (IgnEph 14,2), πληροφορέω (IgnMagn 11,1), ὁμολογέω (IgnSm 5,2). 9.3 Ignatius als Mystiker 287 findet das Gottesverhältnis des Ignatius in seinem Beinamen«, 986 nämlich »Gottesträger« zu sein. Die für uns merkwürdig klingende Bezeichnung wird in ihrer Bedeutung erhellt, wenn man in Betracht zieht, dass bei verschiedenen Prozessionen in der hellenistisch-paganen Welt heilige Gegenstände, insbesondere auch Götterstatuen herumgetragen wurden. 987 Der jeweilige Träger galt als »Gottes- Träger« oder »Heiligkeits-Träger«. Das dabei getragene Abbild des jeweiligen Gottes ist als Ort der Präsenz der göttlichen Macht gedacht. Die Prozession hat den Zweck, den Zuschauern die Eigenart und die Macht der Gottheit zu verdeutlichen, sowohl in heilspendender Weise als auch zur Frömmigkeit mahnend. So gibt auch Ignatius »den Christen von Ephesus im Hinblick auf die Artemisprozession die Mahnung (...), Weggenossen, Gott-Träger, Tempelträger, Christusträger, Heiligtumsträger« zu sein. 988 Während Ignatius in IgnEph 9,2 den Ephesus prägenden Artemiskult vor Augen hat, ist die Parallele zu seiner eigenen Fahrt nach Rom augenfällig. Auch sie ist trotz aller Schicksalhaftigkeit und teuflischen Zerstörungswut von Gott bzw. Ignatius inszeniert und bezweckt, in irgendeiner Weise Christus anschaulich zu machen. Während im metaphernspendenden Bereich der Kultprozession ein heiliger Gegenstand, der wiederum Ort oder Sitz der Gottheit ist, herumgetragen wird, bedeutet die christliche Übertragung, dass derjenige, der Gott oder Christus »trägt«, ebenfalls in besonderer Weise mit der Gottheit verbunden ist. In gewisser Weise ist der Gottesträger dabei selbst Ort der Anschauung des unsichtbaren Gottes. Denn die pagane hellenistische Antike ging weitgehend davon aus, dass die Götterstatue nicht selbst die Gottheit ist, sondern dass sie diese abbildet bzw. als Kontaktorgan zur Gottheit fungiert. Neutestamentlich ist das Bild des Körpers bzw. des Herzens als Tempel Gottes oder des Heiligen Geistes mehrfach belegt und bildet einen Grundbaustein für die hier weiterentwickelte Vorstellung der Präsenz Gottes in einem Menschen. Nach Paulus haben die Christen in der Taufe »Christus angezogen« (Gal 3,27), womit die aus Frühjudentum und frühem Christentum vielfach belegte Bekleidungsmetapher benutzt ist. 989 Nachdem Paulus in 1 Kor 6,20 die Korinther darauf hinweist, dass ihr Leib ein Tempel Gottes ist, fordert er sie auf, Gott mit ihrem Leib zu preisen. 990 Die Vulgata übersetzt: »portate deum in corpore vestro.« Gott im 986 B OMMES , Weizen, 147. Vgl. den Exkurs zum Thema ebd., 257f. 987 S CHOEDEL , Briefe, 128, mit Bezug auf D ÖLGER . 988 D ÖLGER , Christophorus, 73. Christus/ Sohn Gottes und Geist werden von Ignatius häufig eng zusammen genannt: IgnEph 9,1; IgnMagn 15; IgnPhld inscr. - Das Wirken des Geistes erscheint als Wirken Christi in IgnEph 1,3; 2,2; 4,1f; 20,2; IgnRöm 2,2; 8,2. Auch sonst spricht Ignatius vom Wirken des Geistes an sich: IgnTr 5; 8,1; IgnMagn 1,2; IgnRöm 7,2. »Das gesamte Sprechen und Schreiben des Ignatius geschieht (...) im Geist« (B OMMES , Weizen, 166). 989 Im Hintergrund stehen unter anderem die Anweisungen zum Bekleiden des Hohenpriesters mit den Insignien und dem Namen Gottes im Alten Testament. Durch seine Bekleidung wird der Hohepriester in Jerusalem so in gewisser Weise ebenso zum »Gottesträger«, jedenfalls aber zum Kontaktorgan zwischen Gott und Mensch; vgl. z.B. Sach 3,1-5; bei Philo mehrfach belegt: Hohepriester, Bekleidung, dadurch Abbild des Logos somn. 1,215f; geistliche Ekstase: her. 69; 74; 85; 265; LA. III, 41; migr. 84 usw. Vgl. auch unten S. 378f. 990 Es geht dabei um Reinheit und ethisches Verhalten. 288 D. 9 Die Ignatiusbriefe Körper zu tragen wäre demnach gleichbedeutend mit »Gottes Tempel zu sein« und zeigt eine außergewöhnlich enge Beziehung zu Gott an. Die besondere Betonung dieser Funktion des »Gottesträgers« jeweils in den Einleitungssätzen der Briefe sowie die verschiedentlichen Rückbezüge auf das Tragen Gottes bzw. Christi zeigen, dass Ignatius für sich in besonderer Weise in Anspruch nahm, Gott bzw. göttlichen Geist in sich zu haben. Die Vorstellung, Gott in sich zu haben, 991 wird anderswo auch durch das Verb θεοφορεῖν ausgedrückt: Philo benutzt das Wort mehrfach, um auszudrücken, dass ein Mensch mystisch »von Gott erfüllt« oder »inspiriert« ist, sich von wunderbarer Liebe Gottes erfüllt spürt, »außer sich gerät«, »Visionen« oder »Auditionen« hat, bzw. Gottes Nähe »real« spürt. Der Ausdruck ist zumindest teilsynonym zum Begriff des Enthusiasmus. Philo berichtet darüber besonders ausführlich in einer Schrift, die die Trunkenheit mit mystischen Erlebnissen vergleicht (vgl. aber schon Apg 2,15). 992 Möglicherweise würde Ignatius sich selbst gut wiederfinden in der Aussage aus dem Rheginusbrief 4: 993 »Der Erlöser hat den Tod verschlungen das weißt du sehr wohl. (2) Er legte die vergehende Welt beiseite. (3) Er verwandelte sich in einen Äon, eine unvergängliche Himmelsmacht. (4) Er ließ das Sichtbare durch das Unsichtbare verschlungen werden und erstand von den Toten auf. (5) So hat er uns den Weg geschenkt, auf dem wir unsterblich werden können. (6) Dann gilt, was der Apostel sagt: ›Wir leiden mit ihm, wir stehen mit ihm von den Toten auf, wir gehen in den Himmel mit ihm.‹ (7) Es ist deutlich, dass wir in dieser Welt ihn tragen« (B/ N 1044). Ignatius würde hier wohl nur hinzufügen, dass die Fleischlichkeit Christi auch in der Auferstehung gilt. In metaphorischer Umformung kann Ignatius sogar seine Gefängnisketten als von ihm getragene »geistliche Perlen« bezeichnen (IgnEph 11,2), so dass also für ihn in der Tat das gegenwärtige, von ihm zu ertragene Leid als ein Tragen himmlischer Herrlichkeit verstanden werden kann. 991 K LAUCK , Umwelt 2, 100f bietet Beispiele aus der paganen Umwelt: Seneca, ep. 41,1-3: »Gott in sich« zu haben, bedeutet einen Schutzgeist und ein Gewissen in sich zu haben. Epiktet diss. 2,8,12: »Einen Gott trägst du mit dir herum, du Armer, und weißt es nicht.« Einen großen Überblick über das Motiv »Gott haben« bietet die Untersuchung von H ANSE , ›Gott haben‹, Berlin 1939. 992 ebr. 99; 147; aber auch Deus 138; her. 69; 258; 265; congr. 132 (von Mose); fug. 90; mut. 120.203; somn. 1,254; 2,2.232; Mos. 1,210.283; 2,69 und öfter. Justin spricht in seiner 1. Apologie mit demselben Ausdruck davon, dass Jesaja mit prophetischem Geist erfüllt war und daher im Namen Gottes sprach (1 apol. 33; 35). Auch bei Plutarch begegnet der Ausdruck mehrfach, beispielsweise in Themistocles 1,26,2,1, wo der »gotterfüllte« laute Ausruf des Lehrers bei Nacht wiederum visionäre Erlebnisse hervorruft. Vgl. zur offenbarenden, fremden Stimme, die als »gotterfüllt« gedeutet wird, auch Plutarch, Über das Hören, 45,5. 993 Rheg kennt dieselbe Vorstellung wie Ignatius, denn er fährt fort: »Wir sind die Strahlen (er ist die Sonne). Er umfasst uns bis zu unserem Versinken, das heißt, bis zu unserem leiblichen Tod in diesem Leben. (9) Dann zieht er uns zum Himmel, wie die Sonne ihre Strahlen einsammelt. Nichts hält uns dabei zurück. (10) Das ist die Auferstehung durch den Heiligen Geist« (B/ N 1044). Vgl. dazu IgnRöm 2,2; 3,3 (s.u. S. 320). 9.4 Gegner 289 9.3.3 Offenbarungen und Unsichtbarkeit Diese Beobachtungen passen zu einer Begebenheit, die Ignatius in seinem Brief an die Philadelphier erwähnt. Dort hatte er in einer Versammlung bzw. im Gottesdienst eine seiner zentralen Botschaft möglicherweise in höchster Erregung und vielleicht in abnormer Lautstärke vorgetragen: »Nichts ohne den Bischof! « Er selbst deutet diesen Auftritt und sein »Schreien« (ἐλάλουν μεγάλῃ φωνῇ) als »Stimme Gottes« (θεοῦ φωνῇ) (IgnPhld 7,1f). Mitglieder der örtlichen Gemeinde allerdings fühlen sich angesprochen und meinen, Ignatius sei über Besonderheiten der Gemeinde informiert. 994 Ignatius erlebt dieses selber als prophetische Offenbarung. Er erfährt aber auch weitere Offenbarungen, die sich auf Himmlisches beziehen (IgnTr 4f). IgnEph 19 mag ein Beispiel dafür sein. Da sich die Offenbarungen auf Unsichtbares beziehen, das durch die Offenbarung sichtbar wird, ist es sehr die Frage, ob das Sichtbare das Unsichtbare »aushalten« kann. Das Ziel aller Offenbarung ist also das Unsichtbare. Der Märtyrerweg des Ignatius ist sozusagen die letzte Stufe auf dem Weg zu vollendeter Jüngerschaft, weil jetzt, wie bei Christus, das Irdische untergeht und unsichtbar wird, um im Unsichtbaren, bei Gott, aufzugehen (IgnRöm 2,2; 3,3; s. u. S. 320; s.u. zu IgnPol 3,2 S. 299f). 995 9.4 Gegner 9.4.1 Verschiedenheit oder Einheitlichkeit der gegnerischen Gruppen Drei Fragen stellen sich, wenn man die Gegnerbeschreibungen des Ignatius anschaut: 1. Gab es in allen kleinasiatischen Gemeinden, mit denen Ignatius auf seiner Gefangenschaftsreise Kontakt hatte, die Gefahr, zu »judaisieren«, was auch immer das genau dann bedeutet haben mag? Oder galt diese Gefahr nur für Magnesia und Philadelphia? 2. Gab es in allen Gemeinden doketistische Bestrebungen und Lehren, oder nur einige, die vielleicht auch sehr von den »judaisierenden« zu unterscheiden sind? 3. Was genau hat man sich unter »Doketismus« bei den Gegnern vorzustellen? 996 Auffällig ist, dass ein Brief des Ignatius gar keine ausdrücklichen Hinweise auf Gegner enthält, nämlich der an die Römer. Die Erklärung ist einfach: In Rom war Ignatius noch nicht; er hat dort (noch) keine Gegner. Man kann umgekehrt auch schlussfolgern, dass Ignatius nicht unnötig Dinge anspricht, die nicht vorliegen. 994 Das Phänomen der Θεοῦ φωνῇ analysiert ausführlich D ÖLGER , a.a.O. Generell kann man sagen, dass das Ertönen einer (lauten, klingenden) Stimme ein beliebtes Signal für die gottgewirkte Verkündigung eines bisher verborgenen Geheimnisses ist, sei es auf Himmelsreisen (vgl. Offb), sei es prophetisch (vgl. den Propheten Jesus, der den Untergang Jerusalems bei Josephus ankündigte), seien es Auditionen im Schlaf oder wachend, von denen vielfach die Rede ist. 995 B OMMES , Weizen, 69: »Das Christsein jedes einzelnen Gläubigen und die Kirche als Ganze haben nach Ignatius ihren Ursprung und Grund in der wahren Menschheit und im Leiden des Herrn (...). Daher hat das Christsein einen grundsätzlichen Bezug zum Leiden Christi und eine besondere Affinität zum Leiden überhaupt (...), die so weit geht, dass Leiden Christi und rechter Christenglaube geradezu identisch sind«. 996 Die gleichen Fragen stellt G OULDER , Ignatius’ Docetists, 16. 290 D. 9 Die Ignatiusbriefe D.h.: Man kann jeweils von dem ausgehen, was ausdrücklich genannt ist und sollte vermeiden, alle Gegner aller Briefe über einen Kamm zu scheren. Ignatius selbst belegt seine Gegner und ihre Positionen mit Worten wie ἡ αἵρεσις 997 (IgnEph 6,2; IgnTr 6,1) und ἡ ἑτεροδοξία 998 (IgnMagn 8,1; IgnSm 6,2). Ausdrücke wie συνήγοροι τοῦ θανάτου (»Anwälte des Todes«) oder νεκροφόρος (»Leichenträger«) fallen und diskreditieren die Gegner (IgnSm 5,1f), ohne dabei konkrete Informationen über sie mitzuteilen. Fünf von sieben ignatianischen Briefen richten sich teils polemisch gegen Gruppen von Gemeindegliedern, die nach Auffassung des Ignatius die Einheit der Gemeinde stören. Unklar ist, wie diese Gegner zu beschreiben sind - und ob sie eine einheitliche Gruppe darstellen. 999 Nur die Briefe an die Smyrnäer und die Philadelphier zeigen eine direkte Auseinandersetzung des Ignatius mit den jeweiligen Gegnern. In den Briefen an die Epheser und an Polykarp werden (doketistische) Gegner überhaupt nicht direkt erwähnt; nur aus der Art der Argumentation kann man (implizit) schließen, dass sie im Blick sind. 1000 Diese Tatsache vor Augen, sowie die Methodendiskussion zur Frage der Erschließung von gegnerischen Gruppen und ihrer Positionen aus polemischen Schriften, ist eine allzu einfache Anwendung der von Ignatius genannten Positionen auf die Gegner nicht möglich. 1001 Vielmehr ist ein vorsichtigeres Vorgehen angemessen. Es geht darum, behutsam zu eruieren, 1002 was an gesicherten Informationen vorliegt und was sich dann aus dem gebotenen Material daran anschließen 997 Das Wort meint hier so etwas wie »Sondergruppe«. 998 Gemeint ist eine fremde, abweichende und falsche Meinung. 999 Eine einzige Gegnergruppe aus dann irgendwie doketistischen Judaisten nehmen an: Z AHN , L IGHTFOOT , B ARRETT ; M ÜLLER . Vgl. auch V IELHAUER , Geschichte, 546, D ENKER , Petrusevangelium, 126, P RATSCHER , Christentum, 279. In unterschiedlicher Weise wird die Betonung mehr auf den jüdischen Anteil oder auf die beginnende Gnosis (mit dann mehr oder weniger starkem jüdischem Hintergrund) gelegt. U EBELE , Verführer 82, ist z.B. selbst bei den eindeutig als »Judaisten« gekennzeichneten Gegnern in Philadelphia der Ansicht, dass damit »ausschließlich die Schriftauslegung der Gegner gemeint« sei, nicht aber eine jüdische Praxis. Zwar kann man so weit folgen, nicht aber der Konsequenz, dass es sich (trotz mangelnder weitergehender Informationen über die Gegner) wohl um eine »radikale Spielart« des Doketismus handeln müsse, die dort vertreten werde. Einziges Argument ist »der Kontext der übrigen Briefe«, die U EBELE rein doketistisch-antidoketistisch liest. - S CHOEDEL , S TRECKER , M EIN - HOLD , T REVETT und andere sind der Ansicht, zwei verschiedene Positionen vor sich zu haben. W EI - GANDT , Doketismus, 111, betont die »Zweigleisigkeit«, da es in den Ignatianen teilweise nur gegen Judaisten und teilweise nur gegen Doketisten gehe; niemals seien Mischformen im Blick. 1000 So auch B ROWN , Gospel, 196: »With respect to the error evident in the Ignatian letters, we have seen that there are two discrete errors: judaizing in Magnesians and Philadelphians, and docetic in Trallians and Smyrnaeans.« 1001 R ACKL , Christologie, 119, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass »Ignatius es mit ausgesprochener Absicht vermieden hat, Namen zu nennen und nur in unbestimmten Ausdrücken, besonders häufig τινές (IgnEph 7,1; 9,1; IgnTrall 10; IgnPhld 7,1; IgnSmyr 2; 5,1) von seinen Gegnern redet.« Er fährt fort: »Bekennt man sich aber zu der Anschauung, dass der Doketismus aus dem Bemühen hervorgewachsen ist, die Feinde des Christentums mit der, Juden wie Heiden gleich verhassten, Lehre vom Kreuze auszusöhnen, dann wird man zugeben müssen, es ist geschichtlich nicht undenkbar, dass Judenchristen zugleich Doketen waren, und man wird es begreiflich finden, wenn bei Ignatius antidoketische und antijudaistische Polemik vermengt wird.« 1002 Ich schließe mich dem Vorgehen von S CHOEDEL , B OMMES , B ROWN an, die jedenfalls vorsichtiger und behutsamer als E LZE , R ACKL , S CHLIER , B ARTSCH die Verhältnisse zu eruieren versuchen. 9.4 Gegner 291 könnte. 1003 Es erscheint angemessen, die Reiseroute und die Kontakte des Ignatius auf seiner Reise nachzuvollziehen. So ergibt sich ein Profil nicht nur geografisch, sondern auch der Reihenfolge der Kontakte, die für die Bezüge innerhalb seiner Briefe wichtig sind. 9.4.2 Begegnungen auf der Reise Die Reiseroute ist einfach: 1004 Von Antiochien in Syrien reist die Gruppe von Soldaten 1005 und Gefangenen entweder per Schiff oder auf dem Landweg zur Südküste Kleinasiens, wahrscheinlich nach Attalia (heute: Antalya). Vermutlich wollte man über Land nach Ephesus, um sich von dort per Schiff nach Rom zu begeben. Wenn man über die römischen Straßen reist, wäre man dann über Termessus auf zwei möglichen Routen nach Kolossä oder nach dem benachbarten Hierapolis weitergereist, um von dort über Laodicäa, Nysa und Tralles nach Ephesus weiterzureisen. Es kommt aber zu einer Planänderung. Man reist stattdessen über Laodicäa nach Philadelphia, wo es zu intensiven Kontakten mit der dortigen Gemeinde kommt, und anschließend nach Smyrna. Dort ist wieder ein längerer Aufenthalt mit intensiven Kontakten mit der dortigen Gemeinde und dem dortigen Bischof Polykarp. Aus Ephesus, Magnesia und Tralles kommen Gesandte, die von dort aus (die ersten) Briefe jeweils an ihre Gemeinde mitnehmen; der Brief an die Gemeinde(n) in Rom wird ebenfalls per Bote auf die Reise gebracht. Bei einem kurzen Zwischenhalt in Troas erfuhr Ignatius offensichtlich vom »Frieden« in Antiochia. In Eile werden die Briefe an die Philadelphier, an die Smyrnäer und an Polykarp geschrieben. Die nächste Station ist Neapolis bei Philippi in Griechenland, was sich den Philipperbriefen des Polykarp entnehmen lässt. Die weitere Reise, vermutlich über die Via Egnatia zur Westküste und von dort per Schiff nach Italien/ Rom spielt für die Briefe selbst keine Rolle mehr. Die genaueren Umstände liegen im Dunklen. 1003 Vgl. M EINHOLD , Bischöfe. M EINHOLD beschreibt detailliert, was man von Ignatius über seine Gegner erfährt (18-32). Nicht zustimmen kann ich der direkten Anwendung verschiedener Vorwürfe des Ignatius auf seine Gegner. Manches ist topisch in der polemischen Gegnerbekämpfung und dann ist z.B. unklar, ob etwaige Absonderungen in den Gemeinden auf explizite, abweichende Gemeindekonzepte zurückgehen, oder ob sich manches einfach so ergeben hat. Die Frage nach dem Monepiskopat als Gemeindeverfassung ist zwar zu stellen (siehe jüngst dazu W AGNER , Anfänge). Allerdings ist zu beachten, dass Ignatius zwar ein Konzept von Gemeinde hat (Bischof im Zentrum, umgeben von Presbytern und Diakonen; Diakone mit besonderer Aufgabe des Dienens; Bischöfe mit der Aufgabe die Einheit zu gewährleisten, zentrale Funktion im Gottesdienst); auch kann er das zumindest ansatzweise in den angeschriebenen Gemeinden voraussetzen. Ja, es ist eines seiner wesentlichen Anliegen, die zentrale Funktion und Rolle des Bischofs zu stärken (siehe IgnEph 4). Aber das eigentliche Interesse des Ignatius geht nicht so sehr auf die genaue Verfassung. Das mag einer der Gründe sein, warum die Rolle der von Ignatius erwähnten Diakone so ungenau bestimmt bleibt und auch über die Rolle der Presbyter nicht viel zu erfahren ist. Wichtig sind ihm die Themen »Einheit« und »Nachahmung« (vgl. B OMMES , Weizen, 38-41). Weil in diesen Fragen jede Sondermeinung und jede ungeordnete Sondergruppe stört, wirft er seinen Gegnern absichtliches Verlassen der Gemeinschaft vor, was aber, wie wir sehen werden, nicht notwendigerweise auch die Meinung der angeschriebenen Gemeinden und ihrer Leitungen ist. 1004 Ich folge der Darstellung S CHOEDELS , Briefe, 36f., sowie den Überlegungen ZAHNS , Ignatius. 1005 Menschen als Tiere (Leoparden) zu bezeichnen, findet Entsprechungen bei Philo, Abr. 33,3f; Mos. 1,43,4 u.ö.. 292 D. 9 Die Ignatiusbriefe Die eingeschlagene Reiseroute 1006 folgt ab der Höhe von Kolossä, Hierapolis, Laodicäa und Philadelphia (Hochebene unterhalb der phrygischen Pforte) dem Flusstal des Hermos. Ignatius hatte offensichtlich zunächst gedacht, von dort durch das Mäander-Tal Richtung Ephesus zu reisen und hat möglicherweise sich entsprechend flussabwärts ankündigen lassen, weswegen insbesondere Kontakte zu den Gemeinden am Mäander (Magnesia und Tralles; nicht weit entfernt dann Ephesus) geknüpft wurden. Auffällig ist, dass Ignatius an zwei Orten direkten Gemeindekontakt hat: In Philadelphia trifft er Gemeindeglieder, die »judaistisch« diskutieren, allerdings offenbar auch und gerade über Themen, die auch für die Doketismusdebatte wichtig sind (siehe unten). Smyrna ist der Ort, an dem Vertreter verschiedener Gemeinden mit Ignatius - und auch miteinander zusammenkamen. In Smyrna selbst gibt es eine doketistische Debatte. Das hat Ignatius direkt miterlebt. Die Weiterreise geht über den Hafen Troas weiter Richtung Neapolis/ Philippi und dann weiter nach Rom. Mindestens bis Troas wird Ignatius von Gemeindevertretern begleitet und schreibt dort noch einmal an die Philadelphier, die Smyrnäer und Polykarp, also an diejenigen, mit denen er den direktesten Kontakt und damit auch eine eigene Auseinandersetzung über die jeweils strittigen Themen hatte. Ergebnis: Da Ignatius nur an zwei Stellen aus erster Hand mit Gegner-Positionen zu tun bekommt, kann man nur an diesen Stellen mit Gewissheit die gegnerische Position beschreiben. An allen anderen Orten besteht die Kenntnis nur aus zweiter Hand. Da sich die verschiedenen Streitfragen argumentativ verknüpft haben können, und zwar sowohl für Ignatius selbst als auch in den Gesprächen der Gemeindevertreter mit ihm und der Gemeindevertreter untereinander, 1007 kann man nur von der Sichtweise ausgehen, die Ignatius selbst wiedergibt. Diese Sichtweise muss nicht automatisch die Situation vor Ort korrekt beschreiben. Allerdings gibt es eine Ignatiusschrift, die nicht so direkt von Gemeindekontakten geprägt ist und auf Probleme vor Ort reagiert, nämlich den Römerbrief des Ignatius. 9.4.3 Themen der Doketisten Im Vorgriff auf die Ergebnisse der Untersuchung sind hier Themen und Signalworte für doketistische Auffassungen zu nennen, wie sie in den Ignatianen zu beobachten sind, um anhand dessen genauer beobachten zu können, wie die doketistischen Themen mit »jüdischen«, »pneumatischen« und anderen Themen verknüpft bzw. verwandt sind. 1006 Vgl. die Darstellung auf einer Karte unten S. 498. 1007 Vgl. IgnTr 13,1: »Smyrnäer und Epheser grüßen euch herzlich« (B/ N); IgnMagn 15,1 (Leute von Ephesus grüßen die Gemeinde in Magnesia); IgnRöm 9: Verschiedene Gemeinden, deren Vertreter in Smyrna anwesend sind, grüßen die Römer. In Troas ist Ignatius von Vertretern verschiedener Gemeinden umgeben (IgnPhil 11,2; IgnSm 12). 9.4 Gegner 293 1. Die doketistischen Gegner sind an der himmlischen Welt interessiert. 1008 2. Die doketistischen Gegner bestreiten das Leiden Christi. 1009 3. Die doketistischen Gegner bestreiten, dass Jesus einen menschlichen Leib hatte. 1010 4. Die doketistischen Gegner bestreiten daher alle weiteren menschlichen Funktionen wie Essen, Trinken, Geburt, Abstammung, aber auch die Auferstehung und Erhöhung, weil diese ja nicht nötig ist. 1011 5. Markierwort für von Gegnern bestrittene Sachlagen ist das Adverb ἀληθῶς (wahrhaftig, tatsächlich, wirklich). 1012 IgnRöm 4,2; 8,2, wo Ignatius von sich selbst spricht, machen deutlich, dass es um eine Gewissheit des Glaubens geht, die grundlegend ist. Es darf im Glauben nicht um Vorgetäuschtes gehen. Kreuz und Auferstehung sind Wahrzeichen des Glaubens. 9.4.4 Die Diskussion mit den Gegnern in Philadelphia (IgnPhld 8f) 9.4.4.1 Streit um die Schrift In Philadelphia macht der Gefangenenzug aus Antiochia Station. Ignatius hat einen intensiven Kontakt zur Gemeinde, nimmt an Versammlung und Gottesdienst teil. Zudem diskutiert Ignatius mit Gemeindegliedern über »das Evangelium«. »Urkunden« werden herangezogen. Die Meinungen gehen hoch her: »Das ist sehr die Frage! «, wird einem vermeintlichen Beweis des Ignatius aus der Schrift entgegengehalten (8,2). Eindrücke eines solchen Streitgesprächs bekommt man, wenn man sich die von Justin vermutlich in Ephesus eine Generation nach Ignatius niedergeschriebene Diskussion »mit dem Juden Tryphon« anschaut. Dort geht es immer wieder um die Frage, ob alttestamentliche Schriften von Christus sprechen und wenn ja, wie. 1013 Ignatius muss »passen«, er kommt schriftgelehrt offensichtlich nicht gegen seine Gegner an (8,2). Er entzieht sich dem Schriftbeweis, indem er Jesus Christus 1008 IgnSm 6,1; IgnTr 4f: Die Gegner scheinen vom Himmels-Wissen des Ignatius fasziniert zu sein; er aber lehnt es ab, allzu viel davon zu sagen, weil es einerseits hochmütig macht, andererseits die Hörer überfordern könnte. IgnEph 13: Himmlische Mächte, die im Streit stehen, sind im Blick, gerade in der Auseinandersetzung um Einheit der Gemeinde und spaltende, gegnerische Ansätze. - Der »Fürst dieser Welt« ist Thema in IgnEph 17,1; 19,1; IgnMagn 1,2; IgnTr 4,2; IgnRöm 7,1; IgnPhld 6,2. Weitere Stichworte sind »Rangordnungen der Engel« und »Unsichtbares«. Der »Fürst dieser Welt« (Teufel) ist als unsichtbare Macht, die feindlich in der sichtbaren Welt agiert, Zeichen für die Gefährdungen, denen man sich in diesem Bereich besonders aussetzt. 1009 IgnTr 10; IgnSm 2. 1010 IgnSm 2f. 1011 IgnTr 9; IgnSm 3,3. 1012 Dazu s.u. S. 349. Textbelege: IgnEph 15,2: Wer das Wort wirklich besitzt, kann auch auf die Stille hören hier geht es um die Frage, wo und wie Erkenntnis zustande kommt; möglicherweise auch mit den Doketisten umstritten; IgnEph 17,2: Die Gnadengabe der Erkenntnis ist vom Herrn wahrhaftig gesandt. Wird das etwa zum Teil bestritten? IgnMagn 11,1: Geburt, Leiden und Auferstehung zur Zeit des Pontius Pilatus wahrhaftig und gewiss (βεβαίως) vollbracht. IgnTr 9 (in IgnTr 10 werden diese Leute als Leidens-Bestreiter identifiziert): wirklich geboren, wirklich gegessen und getrunken, wirklich gekreuzigt, und gestorben, wirklich von den Toten auferweckt. IgnSm 1f: Wahrhaftig stammt Jesus aus dem Haus Davids, wahrhaftig geboren von einer Jungfrau und getauft von Johannes, wahrhaftig angenagelt im Fleisch, durch die Auferstehung für alle Zeit als Wahrzeichen gesetzt. Wahrhaftig litt er und wahrhaftig wurde er auferweckt. 1013 Der Schriftbeweis, der schon im Neuen Testament eine entscheidende Rolle in der Argumentation spielt, steht in hohem Kurs. Meisterhaft und spekulativ betrieben wird er beispielsweise im neutestamentlichen Hebräerbrief, im Barnabasbrief und den Briefen, die unter dem Namen des Clemens von Rom überliefert sind. 294 D. 9 Die Ignatiusbriefe und sein Geschick zu seiner Haupturkunde erklärt. Dass seine Gegner ihm nun nicht wohlgesonnen sind (11), ist daher mehr als verständlich. Denn gerade, wenn es am Judentum interessierte und orientierte Gemeindeglieder sind, die sich hier mit ihm gestritten haben, dann ist die Pluralität der Meinungen und die Diskussion über »die Schrift« bzw. »heilige Schriften« eine Lebensäußerung des Glaubens. Aus Sicht der Gegner der Ignatius geht es also sicher nicht »nur« und vorwiegend um Einzelfragen der Exegese, sondern um Glaubwürdigkeit. 9.4.4.2 Diskussionen an der Grenze von jüdischem und christlichem Glauben Ein von Clemens von Alexandrien überliefertes Fragment des Kerygmas Petri kann geradezu als Szenerie für die in IgnPhld 8 angesprochene Diskussion gelten: »Wir rollten die Bücher der Propheten auf, die wir da hatten. Sie nennen Jesus Christus teils mit verschlüsselten Worten, teils in Rätseln, teils zuverlässig und mit klaren Worten. So fanden wir darin seine Ankunft, seinen Tod und sein Kreuz beschrieben und auch all die übrigen Martern, die die Juden ihm angetan haben. Wir fanden auch, dass seine Auferweckung und seine Aufnahme in den Himmel beschrieben waren, bevor Jerusalem gegründet wurde. All das, was er leiden musste und was nach ihm geschehen würde, fanden wir aufgeschrieben. Das alles konnten wir anerkennen und so an Gott glauben durch all das, was als Hinweis auf ihn geschrieben stand« (B/ N, 974f - Fragment 11 des Kerygmas Petri nach Clemens Alexandrinus, Stromateis 6,15,128). Folgende Elemente sind für die Interpretation der Ignatius-Briefe relevant: 1. Die Situation, dass man zusammenkommt, Schriftrollen und Bücher öffnet und gemeinsam nach Hinweisen in alttestamentlichen Schriften nach Jesus und seinem Geschick sucht, ist typisch für frühchristliche Diskussionen, gerade auch im Blick auf jüdische Debattenbeiträge. 2. Es wird unterschieden zwischen offenen und klaren Worten einerseits und Rätseln und verschlüsselten Worten andererseits. Wesentlich ist, dass man vor allem für Letztere sich auf gleiche Interpretationsstandards oder Codes einigen kann. In Philadelphia gelingt dies offensichtlich nicht oder nur teilweise. 3. Die Elemente, nach denen gesucht wird, sind: a) seine Ankunft, b) Kreuz, c) Tod, d) Marter und Leiden, verursacht durch die Juden, e) Auferweckung und Aufnahme in den Himmel, f) die Zeit nach ihm (wohl bis zur Gegenwart). 4. In diesen Punkten Gewissheit durch die Schriften zu erhalten, ermöglicht (gemeinsamen) Glauben. 5. Übereinstimmung gibt es mit Ignatius in drei Elementen, die bei ihm immer wiederkehren, und die auch in IgnPhld 9,2, der Zusammenfassung der Diskussion, eine Rolle spielen: a) Das Kommen des Erlösers, b) er hat gelitten; c) er ist auferstanden. 9.4 Gegner 295 6. Da es sich hier für Ignatius um »Heilstatsachen« mit entscheidender »Heilsbedeutung« handelt, 1014 reagiert Ignatius auf deren Infragestellung allergisch. 7. Dazu kommt vielleicht ein Interpretationsansatz des Ignatius, nämlich seine Überzeugung, dass das Evangelium (das Jesus-Geschehen) als Vollendung der alttestamentlichen Überlieferungen anzusehen ist und daher (! ) alles im Licht dieses Geschehens auszulegen ist und nicht etwa umgekehrt an den alttestamentlichen Texten zu prüfen ist, wie es möglicherweise die Gegner tun. 8. Die Übereinstimmungen zwischen dem Kerygma Petri 1015 und Ignatius zeigen: Man hat insbesondere in judenchristlichen Zusammenhängen über Auftritt und Geburt Christi, sein Leiden, seine Auferstehung und seine Rolle nach der Himmelfahrt gestritten. Das aber sind exakt die Themen, mit denen sich Ignatius auch in der Diskussion mit seinen doketistischen Gegnern beschäftigt. Ergebnis: Die Schilderung des Ignatius über seine Diskussion mit Gemeindegliedern in Philadelphia passt einerseits gut in das hinein, was wir über Diskussionen besonders im Grenzbereich zwischen Judentum und Christentum kennen. Andererseits wird deutlich, dass die dabei offenbar standardmäßig zur Sprache kommenden Themen gleichzeitig Themen sind, die für die Doketismus-Diskussion zentral sind. Dass Ignatius für solche Dispute kein Verständnis hat, hat mit seiner »Einheits-Konzeption« von Gemeinde zu tun. 1016 Interessant ist die Stelle aus KerPetr auch deswegen, weil diese Schrift schon um 150 n. Christus durch ein Zitat des Heracleon bekannt ist und daher in der ersten Hälfte, wenn nicht gar im ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts entstanden ist. 1017 Die Szenerie ist also zudem als »zeitgenössisch« zu Ignatius zu sehen. Überdies lässt sich mit einem Blick auf die sogenannten »judenchristlichen Evangelien« sehen, dass auch diese genau an den Anfang einer dann doketistisch werdenden Debatte passen würden. Denn dort wird von der Geburt Christi berichtet, entweder aus einer Engelsmacht (Michael), die irdisch als »Maria« auftritt. 1018 Oder aus den Augen Jesu tritt ein erschreckendes Licht aus, so dass die Umstehenden fliehen. 1019 9.4.4.3 Pluralität von Meinungen statt bischöflicher Meinungsführerschaft Abgesehen von der konkreten Auseinandersetzung fällt auf: Die Gegner in Philadelphia sind weder von Ignatius überwunden, noch irgendwie sonst der Gemeinde verwiesen worden. Im Gegenteil: Sie behandeln Abgesandte des Igna- 1014 So fasst V . D . G OLTZ es zusammen in: Ignatius, 28ff. 1015 Insgesamt gehört das Kerygma Petri nicht zu den judenchristlichen Schriften; vielmehr setzt es sich polemisch mit »zu viel Judentum« auseinander. Dennoch beschreibt es hier eine aus seiner Sicht typische Situation. 1016 »Einheit« ist als Dreh- und Angelpunkt des ignatianischen Denkens lange erkannt. B ARTSCH , Gut, macht daher ausdrücklich die »Idee der Einheit Gottes« zum Ausgangspunkt seiner Untersuchungen (9-23). Vgl. auch S CHLIER , Untersuchungen 33f; S TOCKMEIER , Bischofsamt, 321-335; R OGGE , Ἕνωσις, 45-51; P AULSEN , Studien zur Theologie, 132; M EINHOLD , Studien, 58. 1017 Siehe NTApo 2,35. 1018 »Als Christus zu den Menschen auf die Erde kommen wollte, erwählte Gott Vater eine starke Kraft im Himmel. Sie hieß Michael. Der Fürsorge dieser Kraft vertraute er Christus an. Die Kraft kam in die Welt, sie wurde Maria genannt, und Christus war sieben Monate in ihrem Leib« (EvHebr Frgm. 8 bei B/ N; aus Pseudo-Cyrill). Vgl. dazu auch unten S. 401 (KindhEvThom 7.17) über den Eindruck Jesu als Kind. 1019 EvNaz Frgm. 8 bei B/ N, zitiert nach Petrus v. Riga, bei NTApo 1, 136 als Frgm. 25. Das Fragment ist erst mittelalterlich belegt, was allerdings nicht heißt, dass es aus dem Mittelalter stammt, sondern nur, dass wir keine früheren Zeugnisse dieses Zitates aus der Evangelienschrift haben. S.u. S. 396. 296 D. 9 Die Ignatiusbriefe tius bzw. der Gemeinde von Antiochia schlecht (IgnPhld 11) und sind mit ihrer Lehre mitten in der Gemeinde weiterhin eine Bedrohung für diese (IgnPhld 3). Insgesamt bekommt man gar den Eindruck, dass Ignatius mit seinem Brief neben der aus seiner Sicht nötigen Abgrenzung und Gegnerabwehr vorsichtige Diplomatie betreibt, um seine Boten zu schützen bzw. zu finanzieren. 1020 Obwohl Einheit für Ignatius das Wichtigste in der Gemeinde zu sein scheint (vgl. IgnEph 2,1-6,1) und er den Bischof in besonderer Weise lobt, bemerkt er doch auch dessen Geduld und Schweigen, möglicherweise besonders in Bezug auf die Gegner. Die Position des Bischofs würde man gerne kennen; jedenfalls aber kann man vermuten, dass das, was für Ignatius problematisch ist, nämlich das heiße Interesse am Judentum seitens einiger Gemeindeglieder, für den Bischof von Philadelphia und für die dortige Gemeinde nicht als so problematisch empfunden wurde. Die Gemeinde kann also unterschiedliche Positionen besser aushalten als Ignatius. Für Ignatius geht es dabei nicht nur um unterschiedliche Meinungen, sondern um sein grundlegendes Konzept von Einheit. 1021 9.4.4.4 Grabsäulen und Totenhügel IgnPhld 6,1: »Besser ist es, von einem beschnittenen Manne Christentum zu hören als von einem unbeschnittenen Judentum. Wenn aber beide nicht von Jesus Christus reden, so sind mir diese Grabsäulen und Totenhügel (στῆλαί εἰσιν καὶ τάφοι νεκρῶν), auf denen nur Menschennamen geschrieben stehen«. 1022 Wie bei der Diskussion in Smyrna polemisiert Ignatius, allerdings mit anderen Worten, seine Gegner seien lebende Leichen. Systematisch steht die Auffassung dahinter, nur mit Christus wahres Leben zu haben. Wer sich von Christus trennt, trennt sich vom Leben. Trotzdem ist diese Übereinstimmung interessant, denn sie zeigt, dass für Ignatius die Gegner von Philadelphia und die von Smyrna nicht sehr weit auseinander sind, jedenfalls nicht in der Konsequenz ihrer Lehre. 9.4.5 Die Diskussion mit Gegnern in Smyrna 1 0 2 3 In der folgenden kurzen Darstellung geht es um einen kurzen Überblick über die Situation in Smyrna. Eine ausführliche Analyse von IgnSm 1-7 folgt unten (S. 337ff), da Ignatius in IgnSm die einzigen doketistischen Gegner zitiert, die er selbst zweifelsfrei getroffen hat. Von den Gegnern in Philadelphia kann man eher annehmen, dass sie keine Doketisten waren, auch wenn aus Sicht des Ignatius das eine sehr eng mit dem anderen zu tun hat. 9.4.5.1 Doketisten als Glieder der Gemeinde Polykarps von Smyrna Ignatius wird bei seiner Ankunft in Smyrna von seinen späteren Gegnern ganz offensichtlich bewundert: »Und mit einem, der mich lobt, aber über meinen Herrn Schlechtes sagt, weil er nicht zugeben kann, dass er einen menschlichen Leib besaß, kann ich erst recht nichts anfangen« (IgnSm 5,2 - B/ N). »Diese erstaunliche Bemerkung zeigt an, dass ihr theologisches Denken sich in anderen Bahnen bewegte und dass Ignatius, und nicht die Doketisten, die Situation polari- 1020 S CHOEDEL , Briefe, 313f; 338f. 1021 Vgl. S CHOEDEL , Briefe, 57f. 1022 ÜS F ISCHER / W ENGST . 1023 IgnSm. 9.4 Gegner 297 siert hatte«. 1024 Auch weiterhin sind diese Gegner, »unter« ihrem Bischof Polykarp Mitglieder der Gemeinde von Smyrna, obwohl man von Polykarp aus dessen Philipperbrief(en) eine strikte Ablehnung jeglicher Form von Doketismus ablesen kann. Für Ignatius sind sie Leute, deren Namen er lieber nicht mehr nennen möchte (5,3). Da in diesem Zusammenhang in 6,1 von sichtbaren und unsichtbaren Mächten gesprochen wird, sowie davon, dass niemand aufgrund seiner Stellung aufgebläht sein möge (τόπος μηδένα φυσιούτω), 1025 kann man damit rechnen, dass die Vertreter des Doketismus nicht nur weiterhin in der Gemeinde leben, sondern zumindest ein Vertreter der doketistischen Ansichten eine besondere Stellung hat, sei es innerhalb oder außerhalb der Gemeinde. Wenn es sich um eine besondere Stellung innerhalb der Gemeinde handelt, dann wohl um die eines Presbyters. 1026 9.4.5.2 »Er hat zum Schein gelitten« Ignatius geht mit den schon im Brief an die Philadelphier genannten »Heilstatsachen« in eine breite theologische Argumentation. Dreh- und Angelpunkt ist für die Lebenswirklichkeit des Märtyrers Ignatius besonders brisant die Frage des Leidens (IgnSm 2f): IgnSm 2,1: »Er hat dieses nämlich alles gelitten für uns, damit wir gerettet würden. Und er hat wahrhaftig gelitten, wie er sich auch wahrhaftig auferweckte; nicht, wie gewisse Ungläubige sagen: ›Er hat zum Schein gelitten‹« (τὸ δοκεῖν αὐτὸν πεπονθέναι). Das eigentliche Gegnerzitat ist kurz: »Er hat zum Schein gelitten«. Ignatius begegnet dieser Aussage mit der wiederholten Aussage, Christus habe gelitten - und zwar für uns und zu unserer Rettung. Er habe wahrhaftig gelitten, wie er auch wahrhaftig auferweckt sei, resp. sich auferweckt habe. Die Betonung des »wahrhaftig« (ἀληθῶς) signalisiert, dass etwas gegen Widerstände festzuhalten ist. Der Widerstand der Gegner gegen die Vorstellung, dass Christus gelitten hat, ist deutlich. In IgnSm 1 wird mit gleicher Formel (ἀληθῶς) die Tatsächlichkeit von Geburt, Inkarnation, Menschsein, Leiden, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu festgehalten, die offensichtlich ebenfalls zur Disposition stehen, wobei aber die Frage des Leidens dominiert. 1027 Was mit dem »Leiden zum Schein« (τὸ δοκεῖν αὐτὸν πεπονθέναι) gemeint ist, wird deutlich, wenn Ignatius im Folgenden (IgnSm 2f) die Frage des Leibes und Fleisches für Dämonen (Gespenster) und für den Auferstandenen anspricht. Ein Dämon kann nach antiker Auffassung nur als »Schein-« oder »Schattenwesen« im Bereich des Leiblich-Sichtbaren erscheinen. Ignatius sieht an dieser Stelle die Wahrhaftigkeit und die Wirklichkeit der Erlösung durch Christus in Frage gestellt. Nicht sicher ist aber, ob das dezidiert auch das Anliegen seiner Gegner 1024 S CHOEDEL , Briefe, 267f. 1025 Ich folge hier denÜbersetzungen u. Interpretationen von S CHOEDEL und B ERGER (B/ N) zur Stelle. 1026 S CHOEDEL , Briefe, 368ff. 1027 Wahrscheinlich ist das Leiden Christi wie bei den Gegnern in Philadelphia oder auch schon den Leidensankündigungen in den Evangelien der Ansatzpunkt der Gegner, der sie dazu führt, eben das Leiden zu bestreiten und Jesus stattdessen zu einem Geistwesen zu erklären mit den oben genannten, logischen Konsequenzen. 298 D. 9 Die Ignatiusbriefe war, oder ob diese Schlussfolgerungen erst durch die Debatte mit Ignatius ins Spiel kamen. 9.4.5.3 Liebloses Fernbleiben vom Gottesdienst Eine andere Thematik spricht Ignatius in IgnSm 6,2 an, wo er über die Vertreter fremder Lehren sagt, dass sie sich nicht um die geforderte Liebe kümmern, genauer gesagt nicht um Witwen und Waisen, nicht um einen Bedrängten, einen Gefesselten, nicht um einen Hungernden und Dürstenden. Mit dieser an Mt 25 erinnernden Aufzählung der auch im AT bezeugten und geforderten Option Gottes und der Glaubenden für die Schwachen, mag Ignatius »beleidigt« seine eigene Behandlung durch die Gegner im Blick haben oder allgemein Schwächen bei ihnen sehen. Von mangelhafter Praxis her wird die Lehre in Frage gestellt, so dass die Gegner insgesamt als »unmöglich« erscheinen. Der Hinweis, dass die Gegner sich zudem von Gottesdienst und Gebet fernhalten, folgt gleich (7,1) und wird verbunden mit dem Hinweis, die Gegner würden nicht bekennen, dass das Lobgebet (Eucharistie) direkt mit dem Fleisch Christi zu tun hat, das für uns gelitten hat: IgnSm 7,1 »Vom Lobgebet und dem Fürbittgebet bleiben sie weg, weil sie nicht bekennen, dass das Gebet Fleisch unseres Retters Jesus Christus ist (μὴ ὁμολογεῖν τὴν εὐχαριστίαν σάρκα εἶναι τοῦ σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ), das für unsere Sünden gelitten, das der Vater in seiner Güte auferweckt hat.« Mehrere Informationen kommen zusammen: 1. Die Beobachtung oder Unterstellung (bewussten) Fernbleibens vom Gottesdienst. 2. Die Gegner leugnen laut Ignatius den Zusammenhang von Lobgebet oder Abendmahl und Fleisch Christi. Dieser Punkt ist allerdings nicht zwingend, da sich das mangelnde Bekenntnis auch auf die folgenden näheren Beschreibungen des Fleisches Christi beziehen kann: 3. Die Gegner bekennen nicht, dass das Fleisch Christi für uns gelitten hat. 4. Die Gegner bekennen nicht, dass Gott das Fleisch Christi auferweckt hat. In jedem Fall geht es wieder darum, dass das Leiden Christi in Frage steht. Wiederum ist dies von Seiten der Gegner oder des Ignatius verknüpft mit der Frage nach dem Fleisch Christi. Dazu kommt der Vorwurf des Fernbleibens vom gemeinsamen Gottesdienst, was als Fortführung des Vorwurfs mangelnder Nächstenliebe genannt wird. 9.4.5.4 Himmlische Welt IgnSm 6 zeigt Interesse an himmlischen Mächten, Herrlichkeiten der Engel usw., das ganz offensichtlich von den Gegnern ausgeht. 9.4.5.5 Ergebnisse Da Ignatius in den ersten sieben Kapiteln seines Briefes an die Smyrnäer insgesamt am deutlichsten wird, was seine doketistischen Gegner betrifft, werden wir uns mit der Gesamtstelle später noch einmal beschäftigen müssen (s.u. S. 337ff). Festzuhalten ist aber jetzt schon: 9.4 Gegner 299 1. Als sichere Aussage der Gegner haben wir das Zitat: »Er hat zum Schein gelitten«. 2. Diese Auffassung verbindet sich mit einer Diskussion über die Leiblichkeit bzw. das Fleisch Christi. Sie lehnen laut Ignatius eine wirklich menschlich-materielle Realität für den Leib Christi ab und damit auch alles, was zu dieser Realität gehört (essen, trinken usw.). 3. Sie scheinen an Fragen himmlischer Herrlichkeiten und Engel interessiert zu sein. 4. In Fragen der Nächstenliebe bleiben die Gegner aus der Sicht des Ignatius hinter den christlichen Standards zurück. 5. Offensichtlich sind die Gegner entweder aus Gründen innerer Unabhängigkeit, aus persönlichen Zwangslagen oder wie unterstellt aus inhaltlicher Überzeugung nicht regelmäßig im Gottesdienst. 9.4.6 Gegner im Brief an Polykarp, Bischof von Smyrna (IgnPol) 9.4.6.1 Stützung des Bischofs Wie in den Präskripten an die Gemeinden stellt sich Ignatius vollständig loyal zum Gemeindebischof. Er kritisiert jedenfalls nicht direkt Nachlässigkeiten im Blick auf Verwirrungen und Irrlehren in der Gemeinde. Im Grunde geht es in allem darum, den Bischof in seiner Funktion als Gemeindeleiter zu stärken. Da der Polykarpbrief wie alle anderen Briefe als öffentlich zu gelten hat, nimmt Ignatius auch keinen direkten Bezug auf die Irrlehrer. Der Gemeindebischof soll offenbar souverän in seiner Haltung den Irrlehrern gegenüber auftreten können und nicht »Anweisungen« von Ignatius im Rücken haben, die Ignatius erstens wohl nicht zustehen würden, die andererseits auch den Gegnern eher in die Hände spielen könnten. Insofern verläuft die Argumentation des Ignatius auf die Gesamtheit der kleinasiatischen Briefe gesehen zweilinig. Auf der einen Linie setzt er sich engagiert, erregt und auch grundsätzlich mit Positionen von Gegnern auseinander. Auf der anderen Linie fordert er einfach die Einheit mit dem Bischof ein. Wenn sich die Gemeinden auf sein Einheitskonzept einlassen, dann bedeutet das automatisch jedenfalls so lange der Bischof nicht selber zu den »Irrlehrern« gehört -, dass die Vertreter von Sondermeinungen unter Druck geraten, an den Rand oder gar aus der Gemeinde gedrängt werden, wenn sie an ihren verwirrenden Sondermeinungen festhalten. 9.4.6.2 Umgang mit Gegnern durch Polykarp Immerhin kann man noch etwas erfahren, wie Polykarp mit Gegnern umgeht bzw. umgehen soll. Seine Aufgabe besteht im Mahnen und Erklären mit aller Sorgfalt. Alle sollen in Liebe geduldet werden, wie es allerdings schon Polykarps Praxis entspricht (1). Stärker verderbte Gemeindeglieder sollen durch Milde wieder zur Unterordnung gebracht werden (2,1). Dabei soll Polykarp klug wie eine Schlange aber rein wie eine Taube vorgehen (2,2). Ignatius spricht damit wahrscheinlich Polykarps besondere Weise an, als Bischof zu leiten, d.h.: Polykarp wird diesem Bild entsprechen und eher ausgleichend, klug argumentierend agieren. Ignatius fordert ihn auf (3,1), sich nicht durch scheinbar glaubwürdige Leute verunsichern zu lassen (Οἱ δοκοῦντες ἀξιόπιστοι εἶναι καὶ ἑτεροδιδασκαλοῦντες μή σε καταπλησσέτωσαν). Das könnte die ursprüngliche Haltung des Polykarp spiegeln, der vielleicht gegenüber den doketistischen Gegnern beschwichtigen wollte und auf die Ernsthaftigkeit dieser Leute hingewiesen hat. Das würde gut zu der Beobachtung aus dem Smyrnäerbrief passen (s.o. S. 296), wonach die Gegner nicht nur Gemeindeglieder sind, sondern zum Teil auch zu den führenden Vertretern der Gemeinde gehören. 1028 9.4.6.3 Begründung der für Doketisten widersprüchlichen Aussagen In IgnPol 3,2 wird noch einmal in der für Ignatius typischen Weise mit kurzen Gegensatzpaaren eine kleine antidoketistische Grundlegung gebracht. IgnPol 3,2: »Erwarte den, der über der Zeit ist (τὸν ὑπὲρ καιρὸν προσδόκα): den, der zeitlos ist (τὸν ἄχρονον), 1028 Vgl. S CHOEDEL , Briefe, 414. Dagegen spricht die harsche Redeweise im Brief des Polykarp selbst. Allerdings könnte die wiederum Ergebnis der durch Ignatius angeheizten Debatte gewesen sein. 300 D. 9 Die Ignatiusbriefe den, der unsichtbar ist (τὸν ἀόρατον), den, der für uns sichtbar wurde (τὸν δι᾿ ἡμᾶς ὁρατόν), den, der nicht zu greifen ist (τὸν ἀψηλάφητον), den, der nicht leiden kann (τὸν ἀπαθῆ), den, der für uns dem Leiden unterworfen war (τὸν δι᾿ ἡμᾶς παθητόν), den, der auf jede Weise für uns erduldet hat (τὸν κατὰ πάντα τρόπον δι᾿ ἡμᾶς ὑπομείναντα).« Die besondere Betonung liegt darauf, dass dies alles »für uns« geschehen ist. »Unseretwegen« ist der Unsichtbare sichtbar geworden, »unseretwegen« hat er gelitten, »unseretwegen« hat er alles Mögliche ausgehalten. Abgesehen davon aber ist Christus als »über der Zeit« stehend, als zeitlos, unsichtbar, ungreifbar, leidensunfähig anzusehen. Da der Kontext hier (implizit, nicht explizit) antidoketistisch ist, kann man schließen, dass die Gegner des Ignatius diesen Begriffen negativer Theologie zustimmen würden, nur eben nicht der Durchbrechung. Die Durchbrechung der »negativen Theologie« durch die Begriffe der Menschwerdung, des Leidens und Erduldens wird hier kurz erklärt aus der dahinter stehenden Motivation: Weil es um uns Menschen geht, die wir sichtbar, endlich, leidend usw. sind, hat der Unsichtbare, Leidensunfähige usw. dieses auf sich genommen. Das heißt, man kann den Gegnern prinzipiell zustimmen, wenn auch mit entscheidenden Modifikationen. Es geht, kurz gesagt, um die Epiphanie des Unsichtbaren im Sichtbaren, des Himmlischen im Irdischen, des Leidensfreien im Leiden, des Fleischlosen im Fleisch: »Im Christus παθητός geschieht die Eröffnung des unzugänglichen, unsichtbaren Gottes zum Menschen hin.« 1029 Gibt Ignatius hier vielleicht auch eine Zusammenfassung seiner diesbezüglichen Erörterung mit Polykarp? Ist es ein Stück des Umgangs Polykarps mit seinen Gegnern, was wir hier gespiegelt bekommen? Wie dem auch sei: Wieder sind mit den genannten Durchbrechungen der grundlegenden negativen Theologie einige der für Ignatius entscheidenden Heilstatsachen genannt: Geburt bzw. Menschwerdung (Sichtbarwerden), Leiden und Erdulden. 9.4.7 Informationen über Gegner in Ephesus (IgnEph) 9.4.7.1 Die Informationsquellen des Ignatius Über die Gemeinde von Ephesus ist Ignatius gut informiert, da er intensiv Kontakt zu ihrem Bischof Onesimus und zu weiteren Gemeindevertretern hat: Burrhus, der als Diakon und Mitknecht des Ignatius bezeichnet wird, sowie Krokus, Euplous und Fronto werden genannt (IgnEph 2,1). Vermutlich hatte Ignatius schon vor seiner Ankunft in Smyrna Kontakt mit Ephesus aufgenommen, da er davon ausging, in Ephesus Station zu machen. Obwohl Ignatius viel Gutes über den Zusammenhalt in Ephesus gehört hat, fordert er zu Harmonie und Zusammenhalt auf, was sicher grundsätzlich zu verstehen ist: als Modell, wie er sich Verschiedenheit von Ämtern und Personen einerseits und Einheit andererseits denkt. Wesentlich ist dabei die Gemeinschaft im Gottesdienst (4-6; 13; 15). 9.4.7.2 Die Gefahr des Doketismus In 6,2 wird die Möglichkeit erwähnt, dass Spaltungen aufkommen können, wenn die Epheser auf Leute hören, die nicht die Wahrheit über Jesus Christus 1029 B OMMES , Weizen, 56. 9.4 Gegner 301 sagen. Diese seien (7,1) Menschen, die sich Christen nennen (»den Namen herumtragen«), aber unwürdige Dinge tun. Was das für Dinge sind, wird nicht gesagt, es folgt aber ein bekenntnis- oder hymnusartiger Abschnitt, dessen Achtergewicht auf dem Bekenntnis zum Leiden Jesu liegt, eingeleitet mit dem Bekenntnis zu dessen doppelter Herkunft aus Gott und Maria. Explizit wird aber nicht gesagt, dass in Ephesus (wie in Smyrna) Gegner aufgetreten seien, die das Gegenteil behauptet hätten. Die Bezeichnung Christi als Arzt stellt eine Querbeziehung her zu der Aussage aus IgnTr 6, wo vom Beimischen Christi zu einer todbringenden Arznei bzw. einem Gift gesprochen wird. Auch in IgnTr sind die Gegner Doketisten (s.u.). Außerdem behandelt der Abschnitt in kurzen Sätzen die »Heilstatsachen« 1030 von Geburt aus Maria, Tod und Leiden sowie Auferstehung, die bei Ignatius immer wieder begegnen und die ihre Zielrichtung in der Widerlegung des Doketismus haben, wie man in IgnSm 1-3 und IgnMagn 9f gut erkennen kann. 9.4.7.3 Gefahren durch wirre Wanderprediger? Im Folgenden geht Ignatius auf Wanderprediger ein, die offensichtlich auch durch Ephesus gezogen sind und »falsche« oder »schlechte« Lehre verbreitet haben (9,1). Mehr wird darüber nicht gesagt. Es können Doketisten sein, die aus Smyrna dorthin und zurückgereist sind, vielleicht als Händler. Es können doketistisch oder judaistisch denkende und lehrende Menschen von anderswo sein. Oder einfach: der fremde Prediger, der mit großem Elan und starker Überzeugungskraft auftritt und die Leute »verwirrt« mit irgendwelchen Themen. Gerade im frühen Christentum mit seinen wandernden Propheten und Predigern ist es immer wieder zu derartigen »Verwirrungen« gekommen. Man vergleiche beispielsweise nur die Probleme, die Paulus in beiden Korintherbriefen gegenüber Fremd-Aposteln in seiner Gemeinde hat, zu denen immerhin Gestalten wie Apollos und Petrus gehören. Und auch der Auftritt des Ignatius wird die Gemeinden, mit denen er Kontakt hat, gehörig durcheinandergewirbelt haben. In IgnEph 10 werden die Epheser zum Gebet für solche Leute aufgefordert; man begegne ihrer Wildheit mit Sanftmut. Aber auch jetzt bleibt unklar, was gemeint ist. Meine Vermutung ist, dass es sich um die Doketisten von Smyrna handelt. 1031 Denn immerhin schließt IgnEph 9f im Kontext an 7f an, wo es eindeutig um Doketismus geht. Die nächste eindeutige Gegnerpassage beginnt in IgnEph 16 und endet mit dem »Hymnus« von IgnEph 19, wo es nun wiederum eindeutig um das Thema Inkarnation versus Doketismus geht. Wenn man versucht, sich die Situation des Ignatius vorzustellen, dann ist er ja immerhin in Smyrna unter ständiger Polizei- oder Militär-Aufsicht. Er hat eine ganze Reihe von Kontakten und er hat zwei brennende Konflikte in der Provinz Asia. Zugleich treibt ihn die Sorge 1030 Ausdruck bei V . D .G OLTZ , Ignatius, 28-40. 1031 Wenn S CHOEDEL recht hat und der »Hauptgegner« in Smyrna zur Gemeindeleitung gehört (Presbyter), ist er vielleicht eine Persönlichkeit mit weiten Verbindungen und Geschäften. Ein zwischenzeitlicher Aufenthalt in der benachbarten Hauptstadt der Provinz Asia wäre gut vorstellbar. 302 D. 9 Die Ignatiusbriefe um seine eigene Gemeinde in Antiochien um. Worauf soll Ignatius eigentlich noch alles reagieren? Äußerungen über irgendwelche Wanderprediger kann er zwar von Bischof Onesimus oder Diakon Burrhus gehört haben; warum aber erfolgt dann keine Benennung des Grundirrtums und dessen Widerlegung? Wie kann Ignatius hier überhaupt differenzieren? 1032 9.4.7.4 Gefahr durch Verwirrung der Gemeinde und des Gottesdienstes In 16,1 werden noch einmal Gegner angesprochen: »Häuserverderber werden das Reich Gottes nicht erben«. - Vorher war es um Zusammenkünfte bzw. Gottesdienste gegangen: Es geht also um Störung der Gemeinde bzw. des Gottesdienstes. Wer die Gemeinde durch Verwirrung und falsche Lehre zerstört, steht außerhalb des Heils. IgnEph 17 macht deutlich, dass es um Lehre geht, die letztlich von Christus ausgehen muss - oder eben falsch ist. Vielleicht bietet IgnEph 18 einen weiteren Hinweis, auch wenn die Worte von Paulus (1 Kor 1f) entlehnt sind: Es geht um »kluge« Leute, die gerne diskutieren. Wieder wird das Stichwort »Leiden« erwähnt, so dass dies eine Anspielung auf die Leugnung des Leidens Christi sein dürfte. 9.4.7.5 Der Umgang mit den großen Geheimnissen IgnEph 19,1 schließt an das von 1 Kor beeinflusste - Thema der Klugheit an, indem es von der Verborgenheit dreier Geheimnisse redet: Jungfrauenschaft Mariens, Geburt Jesu, Tod des Herrn. Es folgt der berühmte »Hymnus« des Ignatius, dessen Achtergewicht darauf liegt, dass Gott sich als Mensch offenbarte, um ewiges Leben zu bringen (19,3). Der »Hymnus« beinhaltet insgesamt eine ganze Reihe von Vorstellungen, die das Geschick Jesu betreffen, und dürfte als grundsätzliche Äußerung verstanden werden, deren Zielrichtung eben die gegnerische, doketistische Position ist. Zu den in IgnEph 19 genannten Positionen gehört: 1. Bei den großen Fragen des Geschicks Jesu handelt es sich um Dinge, die dem Teufel verborgen und ihm gegenüber geheim gehalten wurden. - Damit sind diejenigen, die hier etwa etwas in Frage stellen, in einen eindeutigen Zusammenhang gestellt. (19,1) 2. Die großen Stationen des Geschicks Jesu sind a) die Jungfrauenschaft Mariens, b) ihre Niederkunft, c) der Tod des Herrn. 3. Alles das ist »in der Stille Gottes« vollbracht worden als Geheimnis eines Schreis. 4. Bekannt wurde all dies durch das Erstrahlen eines neuen, überaus hellen Sterns am Himmel, durch den die anderen himmlischen, astral gedachten Mächte überstrahlt wurden (19,2). 5. Die Wirkung dieses Sterns besteht in der Zerstörung der Zauberei, Beseitigung von Bosheit und Unwissenheit; der Tod wird vernichtet (19,3). Der Epheserhymnus soll unten genauer betrachtet werden (S.347ff), so viel aber kann man hier zur Frage der Gegner entnehmen: Die Gegner laufen im Gefolge des Teufels, da auch sie nicht erkennen, was zu erkennen ist. Dabei bietet das, was 1032 Möglich bleibt es natürlich, dass es einfach Wanderprediger waren; in meinen Augen wahrscheinlicher ist ein Kurzbesuch eines der Doketisten in Ephesus, ohne dass dieser auf Anklang stieß. 9.4 Gegner 303 geschieht, für die, die glauben, Hilfe gegen Bosheit, Unwissenheit, Zauberei und Tod. Das heißt, wenn man richtig versteht, was die Gegner offensichtlich in Frage stellen, ist man ihren Einflüsterungen gegenüber gewappnet. 9.4.7.6 Ergebnisse Explizit wird über Gegner in Ephesus nicht viel gesagt, außer dass durchziehende Prediger da waren. Diese müssen aber nicht identisch sein mit den Doketisten, um die es offensichtlich geht. Es ist auch nicht ausgemacht, dass in Ephesus wirklich Doketisten aufgetreten sind, man kann auch davon ausgehen, dass hier einfach eine grundsätzliche Zurüstung geschieht, aus den Erfahrungen in Smyrna und mit Blick darauf, dass Ephesus eine wesentliche Rolle im Zusammenspiel der kleinasiatischen Gemeinden gespielt haben dürfte. Im Wesentlichen haben wir es also mit grundsätzlichen Erwägungen des Ignatius zu tun, die mit großer Sicherheit gegen Doketisten gerichtet sind, die aber möglicherweise eher in Smyrna als in Ephesus präsent sind. Aufgrund der Verbundenheit der Gemeinden geht es also vielleicht eher darum, die Epheser und andere zu »immunisieren«. Für die Beschreibung dessen, was als Doketismus zu bezeichnen ist, können die Äußerungen des Ignatius in diesem Brief daher eine wichtige Hilfe, aber nicht der Ausgangspunkt sein. Der Ausgangspunkt müsste sicher Smyrna - und mit gewissen Abstrichen, weil nur aus zweiter Hand dem Ignatius bekannt -, Tralles sein. 9.4.8 Informationen über Gegner in Magnesia (IgnMagn) 9.4.8.1 Informationsquellen des Ignatius; Zusammenhalt in der Gemeinde Informationen über die Lage in Magnesia hat Ignatius vor allem von den Gemeindevertretern Damas, dem Bischof, den Presbytern Bassus und Apollonius und dem Diakon Zotion (IgnMagn 2). Bischof Damas wird als besonders »jugendlich« bezeichnet, was mit der Gefahr einhergeht, dass dieser nicht die nötige Autorität aufbringen könnte, als Gewährleister der Einheit der Gemeinde zu fungieren. Natürlich wird genau das auch gleichzeitig wieder in Abrede gestellt (IgnMagn 3). Trotzdem wird unverblümt angesprochen, dass manche Gemeindeglieder zwar den Bischof dem Namen nach ehren, »aber alles ohne ihn tun« (IgnMagn 4). Gemeint sind damit offenbar Versammlungen ohne öffentliche Einladung oder ohne Information an den Bischof (ebd.). 9.4.8.2 Doketisten oder Judaisten? Mehrfach erscheinen die aus den antidoketistischen Briefen des Ignatius bekannten Wortfelder des Leidens und Sterbens (IgnMagn 5,1.2; 9,1 sowie die Thematik »Fleisch« (1,2; 3,2; 6,2; 13,1-2). Damit belegt der Magnesierbrief nach den eindeutig auf Doketisten reagierenden Briefen (Epheser, Smyrnäer, Traller) den vierten Platz. Man würde von daher vermuten, dass die angesprochenen Gegner ebenfalls Doketisten sind. Allerdings wird die Leseerwartung getäuscht. IgnMagn 8,1 handelt von »Irrlehren und (...) alten Fabeln« und von der Option »gemäß dem Judentum zu leben«. Auch 9f bleibt bei diesem Thema: »Es ist unsinnig, ›Jesus Christus‹ zu sagen und jüdisch zu leben; denn das Christentum glaubte nicht an das Judentum, sondern das Judentum an das Christentum« (10,3). - Wir entnehmen dieser Passage immerhin, dass die Gegner, die Ignatius 304 D. 9 Die Ignatiusbriefe vor Augen hat, sich an jüdischen »Fabeln« sowie jüdischen Gebräuchen orientieren. Von Beschneidung sagt er nichts, so dass es kaum um den vollzogenen Übertritt von Heidenchristen zum Judentum geht. Es scheint eher um die Frage, ob der Sabbat oder der Sonntag zu halten ist, gegangen zu sein (IgnMagn 9,1). 1033 Außerdem lesen wir, dass die hier angesprochenen Gegner unter dem Namen »Christ« firmierten bzw. sich zum Namen Jesu bekannten, so wie es Ignatius wichtig ist. Die folgende Passage in IgnMagn 11,1 verwirrt: »Meine geliebten (Christen in Magnesia), ich schreibe euch dieses nicht, weil ich wüsste, dass es einige von euch so halten, sondern ...«. Ist das nur Rhetorik? Hat Ignatius in Wirklichkeit vieles gehört, lässt aber den Magnesiern hier Raum, selbst zu handeln? Auch wenn das nicht auszuschließen ist, liegt es auf der Hand, ihn beim Wort zu nehmen, zumal er nie wirklich konkret geworden ist, was Namen, Umstände oder konkrete Inhalte von Gegnern in Magnesia betrifft. Allerdings fügt er an, man möge sich vor dem Wahn hüten und sich nicht von den Überzeugungen hinsichtlich Geburt, Leiden und Auferstehung Jesu abbringen lassen. Das also sind die Inhalte des Judaisierens, vor dem er mehr grundsätzlich als konkret in seinem Brief an die Magnesier warnt. Genauer und schärfer weist er in IgnMagn 9,1 darauf hin, dass seine Gegner den Tod Christi leugnen. Erstaunlicherweise begegnen wir genau diesen Fragen auch bei der Diskussion mit den Doketisten. 9.4.8.3 Ergebnisse 1. Ignatius kennt die Gegner in Magnesia nicht und er nennt auch nichts Konkretes. 2. Viele angesprochene Themen würden sich eignen, doketistische Tendenzen zu bekämpfen. 3. Dennoch nennt Ignatius ausdrücklich (nur) die Gefahr des »Judaisierens«. Eine Konversion ins Judentum ist dabei offenbar nicht im Blick; es geht um eine (zu) starke Orientierung an jüdischen Lehren und einzelnen jüdischen Praktiken. 1034 4. Dabei sind die Gegner, die er im Blick hat, eindeutig Christen, die sich selbst unter dem Namen »Jesus Christus« präsentieren. 5. In jedem Fall fließen aber judaistische und doketistische Äußerungen in IgnMagn zusammen. 9.4.9 Informationen über Gegner in Tralles 9.4.9.1 Die Einheit der Gemeinde und die Informationen des Bischofs Dem Präskript des Briefes kann man entnehmen, dass voller Friede herrscht (IgnTr Präscr: εἰρηνευούσῃ ἐν σαρκὶ καὶ πνεύματι), also keine Gegner aktuell eine Bedrohung darstellen. Auch in IgnTr 8,1 betont er, dass er nichts über Spaltungen oder Häresien, die er dann beschreibt, aus Tralles gehört habe. Der in Tralles herrschende Friede in Fleisch und Geist gründet sich laut Präscript auf das Leiden Christi, wodurch hier, in Tralles, schon auf die später im Brief erörterte Doketis- 1033 Vgl. dazu die Ausführungen von P ÉTREMENT , God, 68ff. 1034 Ähnlich W EIGANDT u. S CHOEDEL . U EBELE , sieht auch hier monophysitischen Doketismus. 9.4 Gegner 305 tenproblematik angespielt sein dürfte. 1035 Damit wäre hier, im Trallerbrief, klar, dass die entsprechenden Worte von Ignatius bewusst im Blick auf die Doketistenfrage verwendet werden. Im Rückschluss darf man fragen, wie mit entsprechenden Worten etwa im Magnesierbrief (s.o.) umzugehen ist. Von und über die Gemeinde in Tralles ist Ignatius offensichtlich hauptsächlich über deren Bischof Polybius informiert, der aber nicht versäumt hat, die Festigkeit und Unerschütterlichkeit seiner Gemeinde zu betonen (1). Dennoch fährt Ignatius mit dem Thema »Einheit mit Bischof, Presbyterium und Diakonen« fort (2 und 3). 9.4.9.2 Offenbarungen des Himmels und die Gefahren der Abspaltung Eine besondere Note ist die Erwähnung himmlischer Offenbarungen inklusive herrschender Gewalten, Wohnungen der Engel usw. (4f). Inhaltlich gibt IgnEph 19 Hinweise, woran man etwa denken kann. 1036 Ignatius hält sich aber den Trallern gegenüber in dieser Frage zurück, weil er damit Unmündigen Schaden zufügen könnte (5,1), und weil es als Zeichen von Überheblichkeit und Aufgeblasenheit gelten könnte (4). Damit leitet er über zu den (potentiellen) Gegnern, auf die man nicht hereinfällt, wenn man nicht aufgeblasen ist (7,1). Die Gegner sind eine »fremde Pflanze, die Abspaltung ist« (6,1). Sie mischen ihrem Gift Jesus Christus als Zugabe bei, um vertrauenswürdig zu erscheinen (6,2: οἳ καὶ ἰῷ παρεμπλέκουσιν Ἰησοῦν Χριστὸν καταξιοπιστευόμενοι). Ganz wie in IgnEph 6,2; 7,1 und IgnMagn 10,3 sind also die Gegner Christen. Aus Sicht des Ignatius ist genau das gefährlich, weil Christus hier nur eine Beigabe zu anderem ist, also wie ein falsches Etikett wirkt. Ein Hinweis über richtiges Verhalten (dem Nächsten in der Gemeinde gegenüber) folgt, damit auch die Heiden keinen Anlass zu Spott und Lästerei haben (8). 9.4.9.3 Abwehr gegen Doketisten In IgnTr 9-11 folgt dann eine direkte Auseinandersetzung mit den Gegnern. Wiederum ist es der eine Satz (vgl. IgnSm 2,1; 4,2), den er zitiert: »Christus hat nur zum Schein gelitten« (λέγουσιν, τὸ δοκεῖν πεπονθέναι αὐτόν). Um dies einzuleiten, warnt er vor Irrlehrern in folgender Weise: IgnTr 9: »Seid also taub, wenn jemand zu euch ohne Jesus Christus spricht, der aus Davids Familie stammt, der von Maria stammt, der wahrhaftig geboren ist, der sowohl gegessen als auch getrunken hat, wahrhaftig verfolgt wurde unter Pontius Pilatus, der wahrhaftig gekreuzigt wurde und starb (ὃς ἀληθῶς ἐγεννήθη, ἔφαγέν τε καὶ ἔπιεν, ἀληθῶς ἐδιώχθη ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου, ἀληθῶς ἐσταυρώθη καὶ ἀπέθανεν), während alle (Mächte) des Himmels, der Erde und unter der Erde zuschauten. 1037 (2) Dieser 1035 S CHOEDEL , Briefe, 228. 1036 Siehe unten S. 347ff 1037 Pseudo-Ignatius (Tr 9,3,1) ergänzt hier: »Er (...) starb unter den Augen der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen: der Himmlischen als der körperlosen Wesen (ὡς τῶν ἀσωμάτων φύσεων) und der Irdischen (als der) Juden und Römer und der Menschen, die in jenem Augenblick, als der Herr gekreuzigt war, anwesend waren; der Unterirdischen aber als der Menge, die mit dem Herrn aufersteht« (ÜS. B.v.H.). 306 D. 9 Die Ignatiusbriefe wurde auch wahrhaftig auferweckt (ἀληθῶς ἠγέρθη) von den Toten, indem ihn sein Vater auferweckte; sein Vater, der auch in gleicherweise uns, die wir ihm vertrauen, so auferwecken wird in Jesus Christus, ohne den wir das ewige Leben nicht haben.« Wiederum ist die ganze Zahl der »Heilstatsachen« angeführt. Deutlicher noch als in IgnSm wird hier davon gesprochen, dass »jemand« ohne Jesus Christus spricht, von dem gilt, was im Folgenden ausgeführt wird. Da wir zuvor gesehen hatten, dass die Gegner Christen sind (6,1), geht es hier nicht darum, dass jemand nicht von Jesus Christus spricht. Es geht vielmehr darum, wie er von Christus spricht. Und ganz offensichtlich werden die folgenden näheren Bestimmungen geleugnet oder anders interpretiert: 1. Christus stammt aus der Familie Davids, 2. er stammt von Maria, 3. er ist wahrhaftig geboren, 4. er hat gegessen und getrunken, 5. er wurde wahrhaftig verfolgt unter Pontius Pilatus, 6. er wurde wahrhaftig gekreuzigt und er starb; keine Macht im Himmel oder auf oder unter der Erde griff ein, denn sie schauten nur zu. 7. Das heißt: Die unsichtbaren, körperlosen Mächte haben das Leiden des Leibhaften »übersehen« oder billigend in Kauf genommen. 1038 8. Er wurde wahrhaftig von den Toten auferweckt; dies tat sein Vater im Himmel. 9.4.10 Keine Gegner im Brief an die Römer (IgnRöm) Der Römerbrief des Ignatius kennt keine Gegner, wenn man davon absieht, dass Ignatius die römischen Christen abhalten will, ihn aus seinem Martyrium zu befreien. 1039 Das zeigt, dass Ignatius direkt und gezielt auf die jeweilige Situation hin schreibt. Was seine grundsätzlichen Positionen betrifft, die er im Römerbrief äußert, so werden dies allerdings dieselben sein, mit denen er in den kleinasiatischen Gemeinden aufgetreten ist und die bei den dortigen Gegnern auf Kritik stießen. Daher liegt eine wichtige Besonderheit des Römerbriefes darin, in einer unpolemischen Situation Grundpositionen des Ignatius kennenzulernen, die andernorts auf Widerstände gestoßen waren. Dass Ignatius keine Gegner nennt, wird daran liegen, dass er in Rom keine Gegner hat und dass er keine schlafenden Hunde wecken möchte, da er ja ein dringendes Anliegen hat: Er möchte nicht von den Römern »befreit« werden. 9.4.11 Die Briefe des Ignatius als Rundbriefe für alle Ich gehe davon aus, dass der Charakter der Ignatiusbriefe grundsätzlich öffentlich ist. Sie sind (abgesehen vielleicht vom Römerbrief) geschrieben, um den Gemeinden insgesamt etwas an die Hand zu geben. Selbst nach Antiochien werden sie in Abschrift gelangt sein. Deutlich wird das z.B. in IgnMagn 1. Ignatius schreibt an viele Gemeinden gleichzeitig, mit dem Ziel, dass sie einig sind. Aus dem Brief Polykarps an die Philipper wissen wir, dass es unter anderem Polykarps Anliegen war, für die Sammlung und Verbreitung dieser Schriften zu sorgen (Polyk 13). 1038 Damit dürfte eine Argumentation der Gegner »umgedreht« sein: Verlässlich ist hier nicht der Bereich des Unsichtbar-Körperlosen, sondern Heilstatsache ist das, was sichtbar, leiblich wirklich geschehen ist. 1039 Die »zehn Leoparden«, die »Bestien« (IgnRöm 5), gemeint sind die römischen Soldaten, die ihn bewachen, zählen nicht zu den Gegnern, da sie in keine Debatte eingreifen und letztlich nur ausführen, was in Antiochia begonnen hat. 9.4 Gegner 307 Für Ephesus als Hauptstadtgemeinde der Provinz Asia würde dann gelten: Ignatius hat den Ephesern von Smyrna aus unter dem Eindruck der dortigen doketistischen Debatten und möglicherweise aufgrund von nicht ganz eindeutigen Reaktionen der Gemeindevertreter aus Ephesus etwas eher Grundsätzliches geschrieben, um diese Gemeinde speziell geistlich zuzurüsten. Immerhin hat die Gemeinde von Ephesus als Metropolengemeinde wahrscheinlich mit einem gewissen Prestige auch eine relative Autorität für andere in der Region. Die eng mit Ephesus verbundenen Gemeinden Tralles und Magnesia bekommen unterschiedliche Akzente, wiederum aufgrund der jeweiligen Reaktionen der Gemeindevertreter auf die Debatte in Smyrna. Die Informationen sind nicht sehr konkret, die Ignatius verwendet. Vielleicht haben die Gemeindevertreter einfach nur den Eindruck hinterlassen: »So etwas würde bei uns auch auf fruchtbaren Boden fallen«, oder: »Ähnliches haben wir schon einmal bei uns diskutiert«. Zusammengenommen geben die Briefe an Ephesus, Tralles und Magnesia also den Gemeinden inhaltlich »Futter« gegen in der Luft liegende Verwirrungen und »falsche« Lehren. Ignatius geht es dabei neben den inhaltlichen Überzeugungen im Einzelnen um sein (möglicherweise besonders durch seine Erfahrungen aus Antiochia geprägtes) Konzept von Einheit in der Gemeinde: Einigkeit vernichtet die Mächte Satans; Frieden beendet jeden Kampf himmlischer und irdischer Mächte, die die Gemeinde zerstören können (IgnEph 13). 1040 Ein in derartiger Einigkeit gefeiertes Abendmahl ist sogar »Unsterblichkeitsmedizin, ein Gegengift gegen den Tod« (IgnEph 20,2). Immer wieder geht es Ignatius auch darum, mit seinen Gesprächspartnern einig zu sein, sowohl menschlich als auch geistlich. Das zentrale Motiv der Einigkeit hinsichtlich der Gemeinde gibt auch einen Beweggrund an, gegen unterschiedliche »Abweichungen« und »Störungen« anzutreten. Sie gefährden mit der Einheit der Gemeinde zugleich deren Funktion als Abbild der göttlichen Kräfte und damit die Heilswirkung der Gemeinde. Somit ist hier ein wesentlicher Impuls für Ignatius, sich sowohl gegen judaistische als auch doketistische Gruppen zu wehren. 1041 Bei dem sogenannten Judaismus ist es viel unklarer, worum es inhaltlich geht; an sich geht es wohl einfach darum, dass Leute sich von jüdischer Argumentation und Lehre angezogen fühlen. 1040 Pseudo-Ignatius kommentiert mit seinen Erweiterungen: »Nichts ist besser als der Friede gemäß Christus, in dem jeder Krieg von Luft- und Erdgeistern unwirksam gemacht wird; denn wir haben es nicht mit einem Ringen gegen Blut und Fleisch zu tun, sondern gegen Herrschaften und Gewalten und gegen die Weltenherrscher der Finsternis, gegen die Geister der Bosheit unter den Himmlischen« (Ps.-IgnEph 13,2; ÜS: B.v.H.). - Vgl. Kol 1,16; 2,10.15. 1041 B ROWN , Gospel, 197: »We have observed as well that for Ignatius the fundamental difficulty with both of these errors is the same: they destroy the unity of the church. Because the ground of church unity is common belief in the salvific message of the gospel, Ignatius is able to confront both errors by uphulding for the church the centrality of the εὐαγγέλιον.« 308 D. 9 Die Ignatiusbriefe Man kann nun auch die zeitliche Abfolge und Ordnung der Briefe bedenken: A. Eph, Magn, Trall sind (gemeinsam mit Röm) »in einem Zuge« in Smyrna entstanden; B. Smyrn, Phld und Pol in einem Zuge in Troas. 1042 A. Epheserbrief: Allgemeines und Grundsätzliches (gegen die Doketisten); Magnesierbrief: gegen Judaisten; Trallerbrief: Gegen Doketisten. B. Polykarpbrief: Allgemeines, Grundsätzliches (auch gegen die Doketisten); Philadelphierbrief: Gegen Judaisten; Smyrnäerbrief: Gegen Doketisten. Zwischen beiden Reihen gibt es zwar deutliche Unterschiede; der Polykarpbrief geht beispielsweise nur knapp auf die dem Doketismus zugrundeliegende Problematik ein. Er versucht im Wesentlichen über die Stärkung der Autorität des Bischofs Einheit herzustellen und damit die Gegner strukturell zu schwächen, während der Epheserbrief eine echte Grundlegung in den zur Debatte stehenden doketistischen Fragen versucht, grundlegender noch als der direkter argumentierende Smyrnäer- und der Trallerbrief. Wenn nun die doketistische Debatte eine Art Spezialfall innerhalb der judaistischen Debatte wäre, dann bekämen der Brief an die Philadelphier und der an die Magnesier hier noch eine besondere Rolle, indem sie die Zentrierung auf Christus als Ausgangs-, Ziel-, Hebel- und Wendepunkt jeder Debatte mit jüdisch orientierten Gemeindegliedern festziehen. Nicht irgendwelche Texte oder gar Fabeln sind entscheidend, sondern Christus selbst und, wie es dann die antidoketistischen Passagen klarstellen, Christus in seinem ganzen wahrhaftigen Geschick in dieser sichtbaren und zeitlichen Welt. Geht man vom Rundbriefcharakter der Briefe aus, so kann man eine gemeinsame, sich wiederholende Konzeption erkennen. Einerseits wird einer Gemeinde oder einer Person etwas Grundsätzliches geschrieben, andererseits werden andere auf die bei ihnen vorliegenden oder vermuteten Schwächen angesprochen. Wenn man aber alles zusammennimmt, dann hat für Ignatius die je unterschiedliche Debatte offensichtlich so etwas wie zwei Seiten einer Münze. 9.4.12 Konkretionen: Doketisten oder Judaisten? 9.4.12.1 Kerinth und Markion? Kerinth oder Markion? Valentinus Gnosticus? Z AHN und L IGHTFOOT hatten die Meinung vertreten, Doketismus und Judaismus seien ein und dasselbe. Auch G OULDER , der in jüngster Zeit wieder die Ansicht vertrat, es handele sich insgesamt um Ebioniten, die im Hintergrund stünden, geht letztlich auf dasselbe Ergebnis hin. 1043 Da der häufig als Gnostiker bezeichnete Kerinth ebenfalls als judenchristlicher Vertreter von Engellehren dargestellt wird, ist es nur natürlich, dass in der Literatur häufig Kerinth als Name 1042 Der Römerbrief ist aufgrund der Tatsache, dass er überhaupt nicht auf örtliche Gegner reagiert und ein ganz anderes Ziel hat, für die Gegnerfrage auszunehmen. 1043 Vgl. G RILLMEIER , 184ff. G RILLMEIER konstatiert, dass man eigentlich nicht viel über die Ebioniten wisse und dass die Notiz, sie seien Doketisten gewesen, auf häresiologischer Übertreibung beruhen könne (ebd., 186). 9.4 Gegner 309 auftaucht, wenn man Gegner dingfest machen möchte. 1044 Ich halte es zwar für sehr gut möglich, dass wir hier das Milieu haben, in dem Kerinth Widerhall gefunden hat, halte aber eine so deutliche Zuordnung für zu weitgreifend. Weder wird Kerinth noch werden »Ebioniten« von Ignatius selbst erwähnt, auch nicht von Euseb oder anderen Kirchenvätern im Zusammenhang mit Ignatius. Dem Zwang zur Systematisierung müssen wir heute nicht noch stärker folgen, als es die Kirchenväter taten. Wenn man mehr in heidenchristlichen Hintergründen sucht, kommt der Name Markion gerne ins Gespräch, da Markion einen scharfen, antijudaistischen Doketismus gelehrt hat. Auch er ist zeitlich und geografisch durchaus »in der Nähe«. Wenn hier Markion im Hintergrund stünde, müsste man, wie überhaupt, wenn man von echten gnostischen Auseinandersetzungen ausgeht, scharf zwischen Judaismus und Doketismus trennen. S CHLIER und viele andere im Gefolge der sogenannten »Religionsgeschichtlichen Schule« des frühen 20. Jahrhunderts haben genau dies getan. Problematisch ist daran, dass man auf engem Raum zwei einander völlig ausschließende und bekämpfende, stark profilierte und festgelegte Irrlehren hätte, zwischen denen dann die Kirche ihren »dritten Weg« gesucht hätte. Aber dann ist auch zu erwarten, dass Ignatius die beiden »Irrlehren« gegeneinander ausspielen und auf ihre verwirrenden, gegenseitig ablehnenden Haltungen verweisen würde. Genau das tut er aber nicht. An keiner Stelle lässt Ignatius erkennen, dass er es gleichzeitig mit völlig verschiedenen Gegnern zu tun hat, deren Aufeinandertreffen ja auch unabhängig von Ignatius interessant gewesen wäre. Was Beziehungen der Gegner zu Markion betrifft, so würde man jedenfalls vom späteren Markion herkommend erwarten, dass die Gegner das Alte Testament ablehnen. Davon ist den Ignatianen aber nichts zu entnehmen. Wenn wir also bei den Gegnern auf ur-markionitisches Milieu gestoßen sein sollten, dann jedenfalls bevor Markion seine wesentlichen, großen Schlussfolgerungen gezogen und verbreitet hat. Dann aber ist diese Spekulation überflüssig, da sie jedenfalls für die Ignatianen zu keinem echten Erkenntnisgewinn führen kann. 1045 Gleiches gilt für Vermutungen, wir hätten es bei den doketistischen Gegnern mit dem »Gnostiker« Valentin zu tun. 1046 Selbst wenn dieser zur Gruppe der Gegner gehört haben sollte, so wird er in den Beschreibungen des Ignatius nicht erkennbar profiliert. Also ist festzustellen, dass es für die Ignatianen keinen 1044 Kerinth und Simon Magus sind besonders in der Epistula Apostolorum als Gegner im Blick. Besonders im Blick ist dabei der mit ihnen verbundene Doketismus. 1045 Eine ausführliche und gut begründete Einrede gegen die Vermutung, es gebe Verbindungen zwischen den Positionen der ignatianischen Gegner und antimarkionitisch verstandenen Stellen der bei Clemens von Alexandrien überlieferten Stellen aus dem Kerygma Petri, liefert V OGT , Ignatius-Briefe. Das Ergebnis ist negativ: »Ignatius hat eine Vorlage weder gehabt noch gebraucht; und von einem Markion-Gegner beeinflusst ist er auch nicht« (S. 19). Damit richtet sich V OGT gegen die Argumentationen von V INZENT , Geistwesen. V INZENTS Argumentation einer antimarkionitischen Position des Ignatius setzt voraus, dass markionitische Positionen bei den Gegnern gegeben sind. Das ist für V INZENT gut möglich, da er, hier von H ÜBNER abhängig, von einer sehr späten Entstehung der Ignatianen ausgeht, die m.E. (siehe oben) insgesamt unbegründet ist. 1046 So L ECHNER , Ignatius. 310 D. 9 Die Ignatiusbriefe Erkenntnisgewinn gibt, wenn man hier unsichere Zuordnungen wagt. Umgekehrt mag es interessant sein, so die Meinung dieser Arbeit, von den in den Ignatianen bezeugten Anfängen doketistischer Theoriebildung her zu prüfen, wo spätere Vertreter doketistischer und gnostischer Auffassungen in diesem Milieu ihre Wurzeln haben könnten. Historisch gesehen kommt hinzu, dass man Anfang des 2. Jahrhunderts nicht Positionen des späten 2. Jahrhunderts voraussetzen sollte. 1047 Positiv kann man dagegen sagen, dass judenchristliche Milieus und eine teils aggressive Auseinandersetzung zwischen Juden, Judenchristen und Heidenchristen gerade in Kleinasien schon in diversen neutestamentlichen Zeugnissen breit belegt ist. Damit bekommt eine Auseinandersetzung innerhalb des Rahmens der Frage nach den Argumenten schriftgelehrter Juden eine hohe Plausibilität auch für die Einordnung des Doketismus. 1048 Aber auch das Polykarpmartyrium liefert Hinweise aus der Folgezeit, die ebenfalls auf eine Auseinandersetzung zwischen Synagogen-Juden und Christen hinweist. 1049 9.4.12.2 Folgerungen Konkretionen hinsichtlich von Namen von Personen oder Schulen im Sinne der späteren Ketzer-Systematik sind nicht weiterführend. Die Gegner des Ignatius stehen für das Milieu, in dem die späteren Entwicklungen mit ihren jeweiligen Vertretern Anklang fanden. 1047 Hier ist es nötig, noch einmal die Rolle des Apologeten Irenäus von Lyon am Ende des 2. Jahrhunderts wahrzunehmen, dessen Bücher gegen die Häresien so erfolgreich in der Prägung von Meinungen über diverse unterschiedliche theologische Ansätze der Frühzeit waren. Irenäus konstruiert in seinen Büchern über die Sondergruppen (Häresien) Theologiegeschichte, indem er wenige historische Informationen über »Schulgründer« oder Entstehungshintergründe von Sondermeinungen und Sondergruppen in der Vergangenheit mit den aus seiner Sicht abstrusen, komplexen theologischen Entwürfen seiner Gegenwart Ende des 2. Jahrhunderts verbindet. Im Ergebnis hat man dann den Eindruck, schon die ersten Schulgründer, auf die Irenäus die Sonderlehren zurückführt, hätten gnostisch, adoptianistisch oder in irgendeiner anderen Weise häretisch gedacht. Historisch ist das aber eher unwahrscheinlich. Da nun der überwiegende Anteil der auf Irenäus folgenden »ketzerbekämpfenden« Literatur von Irenäus abhängig ist, erscheinen seine Geschichtskonstruktionen als allgemein anerkannte Tatsachen über das frühe Christentum. Wenn man sich diesen Zusammenhang vor Augen führt, dann kann man nur sehr vorsichtig mit derartigen Namen und Informationen umgehen. - S.o. S. 67ff. 1048 Über Philadelphia und über Smyrna sagt die Offenbarung des Johannes, dass in diesen Orten jeweils eine »Synagoge des Satans« existiere (Offb 2,9; 3,9), also eine starke jüdische Gemeinde, die durch Bedrängung oder starke Argumentation eine Gefahr für die jeweilige Gemeinde darstellt. - Über Ephesus wissen wir vor allem durch Paulus und die Apostelgeschichte, dass es dort eine starke Synagoge gab (Apg 18,19; 19,8). Apollos, der ebenfalls durch Ephesus kam, »widerlegte die Juden kräftig und erwies öffentlich durch die Schrift, dass Jesus der Christus ist« (Apg 18,28). Paulus erlebt in Ephesus den Aufstand der Silberschmiede (Apg 19), im Rückblick aber erinnert man sich hauptsächlich an die »Nachstellungen der Juden« (Apg 20,19). Schließlich aber entwirft Paulus oder einer seiner Schüler und Nachfolger im Epheserbrief eine Gemeindekonzeption, die das Verhältnis zwischen Heidenchristen und Judenchristen, zwischen Kirche und Israel klärt (Versöhnung durch das Kreuz; Friede: Eph 2). 1049 Das in einem Brief der Gemeinde von Smyrna an die Gemeinde in Philomelium (Phrygien) bezeugte Martyrium Polykarps, aufgeschrieben kurz nach dessen Tod 155/ 156 oder 166 bzw. 177 n.Chr. (Datierungsvorschläge bei L INDEMANN / P AULSEN , Väter, 258) liefert Hinweise: Nach MartPol 12,2 sind an der Hinrichtung des Polykarp Juden und Heiden beteiligt, insbesondere die Juden seien besonders eifrig dabei gewesen (13,1; 17,2). Und noch nach seinem Tod sind es Juden, die gegen die Herausgabe des Leichnams an die Gemeinde intervenieren (MartPol 17,2). Die besondere Bosheit der jüdischen Gegner Polykarps fällt sogar dem Centurio unangenehm auf (18,1). 9.4 Gegner 311 Zweifellos kann man dagegen feststellen: seit der Gemeindegründung bis weit nach dem Tod des Ignatius findet in den schriftlichen Quellen die teils aggressive Gegnerschaft von Judentum und Christentum in der Provinz Asia ihren Nachhall. Dass diese Gegnerschaft in den gemeinsamen Wurzeln gemeinsamer heiliger Schriften wurzelt, macht den Konflikt noch brisanter. Für die Frage, mit wem es Ignatius in Kleinasien zu tun hat, gewinnen wir einen wichtigen Hintergrund: Die Aggressivität in der Ablehnung der judaistisch interessierten Gemeindeglieder in Philadelphia und anderswo erklärt sich. Aber auch die Entstehung des Doketismus wird letztlich im selben Milieu zu suchen sein. Denn obwohl sicher Denkmuster hellenistischer Philosophie im Hintergrund Pate gestanden haben, so ist dies nicht eine akademisch-theoretische Frage gewesen, sondern hat in eben diesem Milieu stattgefunden. Damit werden die Gegner des Ignatius nicht über einen Kamm geschoren. Warum sollen die verschiedenen angesprochenen Sachverhalte alle auf eine einzige bestimmte Sondergruppe zurückgeführt werden? Allerdings kann man festhalten, dass an verschiedenen Stellen jüdisch orientierte Diskussionen geführt werden und dass andererseits in eben diesem Milieu verschiedentlich das Leiden und möglicherweise auch die Leiblichkeit Christi in Frage gestellt werden. Dazu kommt, dass die Frage nach den »Heilstatsachen« (Geburt, Leiden und Tod, Auferstehung) sowohl in der judaistischen wie der doketistischen Debatte diskutiert wird. Das heißt: Die Inhalte entsprechen sich bei partiell unterschiedlicher Fragerichtung. Die rundbriefartige Zielrichtung der Briefe macht zudem deutlich, dass Ignatius für alle formuliert und argumentiert. Somit ist es durchaus möglich, dass er Argumentationen, die den einen Sachverhalt betreffen auch auf den anderen anwendet. Er wird damit aber nicht völlig falsch liegen, sondern die Realität treffen, jedenfalls was die grundsätzliche Zuordnung betrifft. Wäre dies nicht der Fall, wäre also die Argumentation des Ignatius völlig abstrus und an den tatsächlichen Linien der Doketisten vorbeilaufend, wäre die frühe Rezeption nicht zu erklären oder zumindest nur auf Einzelaktionen etwa von Bischof Polykarp zurückzuführen. Dafür aber werden zu viele Namen genannt; zudem zeigt auch der Philipperbrief des Polykarp, dass es offensichtlich ein weites Interesse an den Briefen des Ignatius gab. Das Interesse ist sicher auf die bedeutende Gestalt und ihr Schicksal zurückzuführen, sowie auf den starken persönlichen Eindruck. Wenn aber das, was Ignatius inhaltlich geäußert und aufgeschrieben hat, »wie aus einem falschen Film« die Wirklichkeit vor Ort nicht schlüssig interpretiert hätte, wäre es zur Sammlung und Verbreitung seiner Briefe wohl eher nicht gekommen. 1050 1050 Eine andere Frage ist die spätere Rezeption. In den christologischen Debatten der Alten Kirche wurden die Briefe des Ignatius aufgrund der Themen und der Begriffsbildungen zu einer gefragten Bezugsgröße. Hier aber geht es mir darum, dass in einer Zeit, als diese späteren Debatten noch nicht existierten, die Menschen vor Ort in den kleinasiatischen Gemeinden und in Philippi sich in der ignatianischen Beschreibung theologischer Debatten wiederfanden. 312 D. 9 Die Ignatiusbriefe 9.4.12.3 Überblick: erkennbare Positionen der »Judaisten« Was wissen wir also über die »Judaisten«? Sie lesen alte, jüdische Geschichten, offensichtlich insbesondere solche, die nicht Teil der Heiligen Schrift sind, da Ignatius sonst nicht von »alten Fabeln« reden könnte. Sie diskutieren über die Schrift, gemeint sind sicher die Schriften des Alten Testaments. Dabei verfügen sie über erhebliches Fachwissen. Sie sind dabei interessiert, die Wendepunkte des Geschicks Jesu biblisch zu belegen oder zu kommentieren und zu bewerten: Geburt, Leid, Tod und Auferstehung. Dabei dient die Schrift auch als Maßstab dessen, was man von Jesus »glauben« bzw. annehmen kann, und was nicht. Was nicht von der Schrift belegbar erscheint, gilt daher nicht. Ignatius verwahrt sich dagegen, die alttestamentlichen Schriften in dieser Weise zum Maßstab dessen zu machen, wer Jesus war oder zu sein hatte. Vielmehr müsse man andersherum Jesus Christus zum Ausgangspunkt nehmen, sein Geschick als »Ur-Urkunde« lesen und von daher die alttestamentlichen Schriften befragen. Offensichtlich finden die judaistischen Gegner das Judentum in mehrfacher Hinsicht attraktiv: einmal hinsichtlich der Schriften und der nachbiblischen Geschichten; zum andern hinsichtlich der Gewandtheit in der schriftkundigen Argumentation. Schließlich ist das Judentum auch hinsichtlich seines Lebensstils und seiner Bräuche (Sabbat) attraktiv, wobei aber von einem Übertritt zum Judentum, inklusive des schmerzhaften Eingriffs der Beschneidung für nichtjüdische Christen nichts zu lesen und zu hören ist. Wir befinden uns also eher in dem Stadium der starken Attraktion. Dahinter steht auch das nicht letztgültig geklärte Verhältnis zwischen Synagoge und Kirche, zwischen Israel und Christenheit. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang wahrzunehmen, dass genau diese Fragen für große Gruppen innerhalb der Kirche, am Rande Israels, auch noch für längere Zeit nicht geklärt waren und eine Vielzahl von literarischen Produkten erzeugt hat, deren genaue Zuordnung bis heute schwerfällt. 1051 9.4.12.4 Erkennbare Positionen der »Doketisten« Gesichert ist, dass die Doketisten in Smyrna plakativ behaupteten: »Christus hat nur zum Schein gelitten.« Zumindest in der Diskussion mit Ignatius haben sie die Tatsächlichkeit seiner Geburt, seines Leidens und Sterbens hinterfragt, wobei es ganz offensichtlich um die Art seiner Leiblichkeit gegangen ist. Die Behauptung, er sei »unleiblich« und »von der Art eines Dämons« gewesen, bedeutet sicher nicht, dass er eine Fata Morgana gewesen ist, sondern in der feinstofflichen Art, in der man sich die Schattenwesen der Totenwelt oder die Lichtwesen des Himmels (Engel, Geist) vorstellte. 1052 Ihr offensichtliches Interesse an einer Schau himmlischer Mächte und Engelgestalten bestätigt dies. Möglicherweise sind sie auch magisch interessiert. Denn mit Hilfe himmlischen Wissens begegnet man 1051 Vgl. dazu die unten aufgeführten Themen und Texte: S. 367ff. 1052 Auch W EIGANDT , Doketismus, 149f sieht, dass »δόκησις nicht substanzlos gedacht sein kann.« 9.4 Gegner 313 anderswo (z.B. TestSal) besonders auch bösen Geistern. 1053 Daraus ergibt sich eine Diskussion, die man sich lebhaft vorstellen kann, nämlich indem Ignatius darauf hinweist, dass Jesus doch in leibhaftigem Kontakt zu seiner Umwelt stand, dass er doch aus Maria geboren sei, zur Familie Davids gehörte, vor allem, dass die Menschen ihn angefasst und mit ihm gegessen haben (IgnSm 3,3; IgnTr 9,1). Auf Seiten der Doketisten sind Texte und Themen, wie sie unten (Thema: Engeldoketismus - S. 383ff) gezeigt werden, als mögliches Belegmaterial bzw. Ausgangspunkt für ihre Überlegungen vorstellbar. 1054 Ausgangspunkt der Doketisten ist offensichtlich eine im Brief an Polykarp (IgnPol 3,2) ganz deutlich angesprochene »negative« Theologie, die davon ausgeht, dass Gott über der Zeit und der Zeitlichkeit steht, daher auch nicht leiden und sterben kann, auch weil er unveränderlich ist. Dass Ignatius Jesus häufig »Gott« nennt, kann auch hier seine Ursache haben. Er teilt möglicherweise mit den Gegnern die Auffassung, Jesus und den himmlischen Vater ganz »in eins« zu sehen. Aber wenn man den Sohn und den Vater derartig »in eins« sieht, dann kann man fragen, ob die Position der Doketisten nicht doch sehr gut begründet ist, denn dann ist die Frage der Unveränderlichkeit und Leidensunfähigkeit in der Tat für Jesus zu stellen. 9.4.12.5 Gemeinsamkeiten von Doketisten und Judaisten Das Verhältnis von Doketisten und Judaisten ist, wie wir gesehen hatten, gewiss nicht als Identität, das heißt, nicht als völlige Übereinstimmung von Personen und Positionen zu bestimmen. Zwar stimmen die doketistischen Positionen in oftmals mit den judaistischen überein. Sie haben Anteil an »judaistischen Fragestellungen«, wobei sie eher als Spezialdebatte innerhalb oder am Rande der judaistischen Debatte zu verorten sind. Folgende Übereinstimmungen fallen auf: 1. Gemeinsames Interesse an der Heiligen Schrift und ihrer Auslegung. 2. Von beiden Gruppen oder Lagern ist eine teilweise Bewunderung für Ignatius gezeigt worden, die in eine Gegnerschaft umgewandelt wurde. 3. Beide Gruppen interessieren sich für die entscheidenden Wendepunkte im Leben Jesu. Dafür sind bei beiden die Rückbezüge auf die Heilige Schrift entscheidend. 4. Beide Gegnergruppen sehen sich als Christen. Zusätzlich sind folgende Gemeinsamkeiten beobachtbar, ohne dass hier notwendig Rückschlüsse auf die Positionen der Gegner gezogen werden müssen: 5. In IgnPhld 3,3 wird gesagt, wer einem »Spalter« folge, der stimme »mit den Leiden Christi nicht überein«. Sicher ist also, dass die »Leiden Christi« den (judaistischen) Gegnern in Philadelphia gegenüber angesprochen werden können. Unsicher ist, ob Ignatius das hier tut, weil die Gegner in Wirklichkeit »mit den Leiden Christi übereinstimmen« wollen; dann wären sie deutlich nicht doketistisch orientiert. 1053 Die Doketisten könnten eine Parallele zu den von Plutarch geschilderten Menschen, die dem Aberglauben verfallen sind, sein: Zu großer Wissensdurst führt auf Abwege. - K LAUCK , Umwelt 2, 128ff. 1054 Die bei W EIGANDT , Doketismus, 90 zusammengestellten Stellen aus den Thomasakten (3. Jh.) wirken wie ein Kommentar zu den Ignatiusgegnern: Die Dämonen sind getäuscht durch das veränderte Aussehen Christi (ActThom 143) und sehen ihn als einen σαρκόφορος ἀνήρ an, obwohl er es nicht ist (ActThom 45). 314 D. 9 Die Ignatiusbriefe Oder geht es hier doch darum, dass auch die Gegner in Philadelphia das Leiden Christi leugnen und hier überführt werden sollen, indem die Leugnung der Leidensfähigkeit mit der Sondergruppenbildung in Philadelphia zusammengezogen wird? Obwohl beides denkbar ist, ist die erste Variante die vorsichtigere und daher vorzuziehen. Hinzu kommt aber eine weitere Beobachtung: Gerade das Leiden Christi ist im jüdischen Kontext umstritten. Nicht umsonst ist es Thema vieler Schriftbeweise. Denn dass der Messias leidet und stirbt, ist zunächst jedenfalls nicht erwartet worden. 1055 »Die großen jüdischen Traditionen zum leidenden Messias (...) sind nachneutestamentlich. 1056 Ergo: Das Thema »Leiden Christi« ist auch für die Gegner in Philadelphia wichtig. 1057 Das aber ist immerhin eine wenn auch negative thematische Übereinstimmung mit den Doketisten in Smyrna. 6. Die schon in 1. angesprochene Orientierung an der Heiligen Schrift kann auch in IgnSm so ausgelegt werden, dass die Diskussion über Mose Ursprung oder Brennpunkt der Debatte ist, wobei immerhin exakt die gleichen Themen verhandelt werden wie in Philadelphia oder in anderen jüdisch-christlichen Debatten der Zeit. Sind also die Gegnergruppen doch identisch? Ich meine auch hier, dass es sinnvoller ist, zu differenzieren. Zwar sind die Beobachtungen auffällig. Insofern wird man die doketistischen Gegner innerhalb der jüdisch-christlichen Debatte, und zwar zumindest auch mit Tendenzen, die beim »Judaismus« in Philadelphia und anderswo zu beobachten sind, zusammensehen müssen. Dennoch handelt es sich innerhalb dieser Debatte eher um einen Spezialfall, dessen Implikationen jedenfalls weiter gehen als bei der Frage zu beharren, ob das Leiden Jesu im AT vorhergesagt ist. 9.4.12.6 Unterschiede Doketisten - Judaisten 1. Das Interesse an den Fragen himmlischer Mächte zeigt sich auffällig stark in den eindeutig antidoketistischen Briefen an die Smyrnäer, Traller und Epheser. In IgnPhld und IgnMagn ist dieser Zusammenhang so nicht zu beobachten. 2. Die Doketisten stellen die Frage nach dem Leib und der menschlichen Verankerung Jesu. Die Judaisten fragen dagegen, ob Jesus der Messias war, nicht in welcher Gestalt er da war. 9.4.12.7 Gemeinsamkeiten von doketistischen Gegnern und Ignatius Das Verhältnis des Ignatius zu seinen Gegnern ist mehrschichtig. Denn nicht nur die Polarisierung und Ablehnung der Gegner stehen im Raum, auch deren Anerkennung und Lob für Ignatius, sowie die vielfachen Hinweise, dass zumindest einzelne der Gegner als ausgesprochen »würdig« galten. Eine Ausnahme 1055 Für R ACKL , Christologie, 119, folgt daraus, dass »der Doketismus aus dem Bemühen hervorgewachsen ist, die Feinde des Christentums mit der, Juden wie Heiden gleich verhassten, Lehre vom Kreuz auszusöhnen (...).« Daher sei es nicht unwahrscheinlich, dass »Judenchristen zugleich Doketen waren«. Allerdings sei es ebenso wahrscheinlich, »dass nicht ausschließlich unter den zum Judentum hinneigenden Christen sich Doketen befanden, sondern auch unter den Heidenchristen.« Vgl. Anmerkung zu R ACKL S. 290. 1056 K ARRER , Jesus, 151, FN 231. 1057 Vgl. G OLDSTEIN / S TROUMSA , Origins: »From the earliest days of the Gospel preaching the Cross of Christ was a ›stumbling block‹ to the Jews.When even the apostles found it difficult to reconcile the idea of suffering with that of Messiahship, it is not surprising, that Jewish Christians, mindful of the precept in the Law that ›he that is hanged is accursed of God,‹ should seek to remove this skandalon by accepting a docetic christ« (1 Kor 1,23; Dtn 21,23; Gal 8,13). »In all probability, the original core of Docetism did not lie in its Platonic elements, which became apparent only at later stages, but in the rejection of Jesus’s passion on the cross.« 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 315 sind da vielleicht nur die im Epheserbrief erwähnten durchreisenden Propheten oder Prediger, die hier aber nicht genau zugeordnet werden können. Folgende Gemeinsamkeiten des Ignatius mit seinen Gegnern sind erkennbar: 1058 1. Gegner schätzen Ignatius. Sie achten ihn und sein Martyrium (IgnSm 5,1). 1059 2. Sie haben Interesse an der himmlischen Welt (IgnSm 6,1), sind ähnlich als Pneumatiker anzusehen, wie Ignatius (z.B.: IgnEph 8,2). 1060 3. Sie sind an der Frage der Leiblichkeit Christi interessiert; für Ignatius spielt der Topos »Fleisch Christi« eine wesentliche Rolle (z.B. IgnSm 2). 4. Sie vertreten, wie Ignatius, eine grundsätzlich »negative Theologie« (IgnPol 3,2). 5. Sie stehen mit Ignatius in einer Diskussion darüber, wie man etwas Genaues bzw. etwas Sicheres über die Wendepunkte des Geschicks Jesu erfahren kann, nämlich aus der Schrift (IgnSm 5,1) oder auch aus (pneumatischer) Offenbarung (IgnSm 6,1; IgnEph 19,1). 6. Zu diesem Themenkomplex gehört die Frage, wie man bisher verborgene Inhalte offenbar machen oder in der Schrift offenbarte Inhalte verstehen kann. Für die explizit judaistischen Gegner bezeugt das IgnMagn 9,2; aber auch in IgnEph 19,1 argumentiert Ignatius genau so gegen doketistische Positionen. Und schließlich ist mit dem Interesse der Gegner an himmlischen Dingen die Frage verbunden, ob und wie man über Sichtbares und Unsichtbares sprechen kann, bzw. hier zu Erkenntnissen kommt (IgnTr 4,2-5,2). 7. Ignatius nennt Jesus »unser Gott«. Gut denkbar ist, dass diese Anrede Zustimmung bei den Gegnern gefunden hat, zumal sie das Leiden wohl wegen der Göttlichkeit Jesu ablehnen. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius Im Laufe der vorliegenden Arbeit sind die Stellen zum Thema »Fleisch des Messias« im Neuen Testament sowie in den apostolischen Vätern untersucht worden. Das Ergebnis hinsichtlich der Frage nach Doketismus im Hintergrund war jedes Mal negativ. Ignatius bietet nun die klar erkennbare Ausnahme. Er hat eindeutig doketistische Gegner. Ist aber deswegen der Gebrauch des Wortes σάρξ in diesem Falle antidoketistisch beeinflusst? Zu bedenken ist, dass es abgesehen von Paulus »keinen anderen altchristlichen Verfasser« gibt, der den Begriff σάρξ so häufig und semantisch so vielschichtig verwendet wie Ignatius«. 1061 Ja, man kann sogar sagen, dass Ignatius eine regelrechte 1058 Vgl. auch vgl. M ÜLLER , Menschwerdung, 102ff. 1059 In IgnSm 5,1 heißt es, dass die Leiden (des Ignatius und anderer) die Gegner nicht überzeugt haben. Das bedeutet nicht, dass das Leiden/ das Martyrium abgelehnt wird. Vielmehr staunt Ignatius hier darüber, dass das für ihn plausibelste Argument, nämlich das Leiden um Christi willen, nicht zu einem Umdenken bei den Gegnern führt. Denn es hätte sie doch dazu bringen müssen, dem Leiden ›für andere‹ eine grundsätzlich positive und essentielle Bedeutung zuzumessen und daher in der Frage, ob Jesus ›für uns‹ gelitten hat, umzudenken. Vgl. die Beobachtungen von B OMMES , Weizen, 69-146: Es gibt einen grundsätzlichen Bezug von Christenglaube und Leiden, besonders Leiden Christi. Insofern man an Ignatius und seinem (offenbar bewunderten! ) Martyriumsweg etwas Göttliches erblicken kann, ist die konstant bleibende Ablehnung des Leidens Christi durch die Gegner für Ignatius befremdlich. 1060 Vgl. S CHOEDEL , Briefe, 159. 1061 L ONA , Sprachgebrauch, 383. 316 D. 9 Die Ignatiusbriefe »Theologie des Fleisches« bietet. 1062 Besonders interessant ist bei Ignatius, dass wir bei ihm das Wechselspiel der eigenen Überzeugungen zum Thema »Fleisch des Messias« mit ihrer Funktionalisierung in der Abwehr der doketistischen Überzeugungen der Gegner beobachten können, wobei es nicht immer möglich sein wird, das eine ganz und gar vom anderen zu scheiden. 9.5.1 Überblick über die Wortfelder »Fleisch« und »Leid« Als beherrschende Begriffe des Doketismus kann man die Wortfelder von Leid und Leiden sowie von Fleisch und Leib ausmachen. Das Wortfeld »Fleisch« und »Leib« begegnet in IgnEph 8-mal, IgnMagn 6-mal, IgnTr 3-mal, IgnRöm 8-mal, IgnPhld 6-mal, IgnSm 12-mal; IgnPol 4-mal. 1063 Das Wortfeld »Leid, Leiden« (πάθος, πάσχω, ἀποθνῄσκω, σταυρός, θάνατοs) begegnet in IgnEph 10-mal, IgnMagn 5-mal, IgnTr 12-mal, IgnRöm 9-mal, IgnPhld 5-mal, IgnSm 14-mal; IgnPol 1-mal. Die besondere Dichte des Vorkommens beider Wortfelder in IgnSm sticht heraus und ist kein Zufall, da in Smyrna die Doketisten-Diskussion ihren Ort hat. Gemeinsam mit »Leid« oder »leiden« begegnen das Wortfeld »Fleisch« in IgnTr 2.8; IgnRöm 8; IgnSm 1.6.12. Das Leiden Jesu Christi begegnet explizit in IgnEph inscr., 18,2; 20,1; IgnMagn 5,2; 11,1; IgnTr inscr.; 11,2; IgnRöm 6,3; IgnPhld inscr.; 3,3; 9,2; IgnSm 1,2; 5,3; 7,2; 12,2. Hervorzuheben ist: - Wortverbindungen mit »Fleisch« und »Leib« hängen einerseits eng mit der Doketistenfrage zusammen; das zeigt das Vorkommen in IgnSm 1-3 und Eph 7,2. Der Zusammenhang von Leiden u. Fleisch/ Leib in IgnTr und IgnSm bestätigt das. - Diese Wortverbindungen können auch in Zusammenhängen erscheinen, die die Doketistenfrage überhaupt nicht (direkt) berühren (z.B. im Römerbrief). - Auch und gerade dort, wo es »nur« um Judaisten als Gegner geht (IgnPhld und IgnMagn), ist ein statistisch hoher Anteil gegeben, allerdings sind die Verknüpfungen dann anders. - Dagegen begegnen keine Wortverbindungen mit dem Stichwort Fleisch/ Leib in grundlegenden antidoketistischen Zusammenhängen wie IgnEph 19 oder IgnTr 9f. - Fragt man allerdings nach dem Leiden Jesu, 1064 dann wird es in allen Briefen abgesehen von dem an Polykarp ausdrücklich thematisiert. Besondere Schwerpunkte sind antidoketistische Passagen; aber auch nicht explizit antidoketistische Passagen enthalten diese Thematik. - Genauer besehen wird das »Fleisch« Christi »nur ein einziges Mal im Zusammenhang mit der Passion« gebraucht (IgnSm 1,2: »angenagelt für uns im Fleische«). 1065 Ergebnis: »Fleisch« und »Leib« spielen zwar in bestimmten doketistisch-antidoketistischen Zusammenhängen eine wesentliche Rolle, aber nicht nur dort und auch dort nicht ausschließlich. Bevor wir noch einmal konkret nach der Rolle der Wortverbindungen »Fleisch« für die Christologie des Ignatius und seiner 1062 N IEDERWIMMER , Grundriss. 1063 σαρκικός (fleischlich-weltlich: 9-mal), σαρκικῶς (fleischlich-menschlich: 1-mal); σαρκίον (Stück Fleisch: 1-mal); σαρκοφόρος (Fleischträger: 1-mal); σάρξ (Fleisch, Leib, endliche Natur: 37-mal); ἀσώματος (körperlos: 2-mal); σῶμα (Körper: 10-mal); σωματεῖον (körperlich: 1-mal); σωμάτιον (kleiner Körper: 1-mal). 1064 Ausführlich zum Leiden Jesu Christi: B OMMES , Weizen, 51-56. 1065 B OMMES , Weizen, 52 FN 67. Dort: »Fleisch« betone sonst die wirkliche Menschlichkeit Christi. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 317 Gegner fragen, schauen wir uns die besondere Prägung an, die »Fleisch« und »Leib« bei Ignatius haben. 9.5.2 »Fleisch« 9.5.2.1 Fleisch und Geist des Menschen zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem »Es ist für Ignatius charakteristisch, dass er von Einheit in einander gegenübergestellten Begriffen spricht. Einige ergänzen einander, andere bilden Gegensätze; zusammen drücken sie jedoch ein Ganzes aus.« 1066 Das Pendant zu »Fleisch« ist häufig »Geist«. »Fleisch« und »Geist« sind die beiden »Sphären, in denen sich die menschliche Existenz bewegt.« 1067 Ignatius geht von »der Voraussetzung aus, dass das Fleisch nicht die Sphäre der Sünde, sondern der Verderblichkeit darstellt.« 1068 Wenn also im Präskript des Römerbriefes die römischen Christen als Menschen angesprochen werden, die im Geist und im Fleisch einig sind mit jedem Gebot Gottes, dann ist hier Vollständigkeit angesprochen: Sowohl nach den menschlichen Maßstäben als auch nach den himmlischen Maßstäben entsprechen die römischen Christen Gottes Willen. 1069 Ähnlich heißt es in IgnTr 12,1, dass Ignatius durch die Gemeindevertreter im »Fleisch und im Geist« gestärkt worden ist. Fleisch und Geist ergänzen einander. In IgnPol 5,1 fordert Ignatius Mann und Frau auf, vollständig auf Einheit zu achten, sowohl in menschlicher Hinsicht als auch geistlich (σαρκὶ καὶ πνεύματι). Die grundsätzliche Unterschiedenheit von Geist und Fleisch verdeutlicht IgnRöm 9,3, wo Ignatius von denen schreibt, denen er auf seinem fleischlichen Wege nicht begegnet ist, denen er aber (im Geiste) nachfolgt. Umgekehrt ist es sein Geist, der die Römer grüßt (IgnRöm 9,3). Den Unterschied erklärt IgnPhld 7,1: Man kann κατὰ σάρκα verwirrt und getäuscht werden, ἀλλὰ τὸ πνεῦμα οὐ πλανᾶται, aber der Geist wird nicht getäuscht. Menschlich gesehen ist Täuschung deswegen möglich, weil es zum Menschlichen gehört, Wesentliches nicht zu wissen, z.B., was im Menschen ist, bzw. was hinter den Kulissen auf der Bühne des Unsichtbaren gespielt wird. Für das, was unsichtbar geschieht, braucht man Offenbarung und das genau ist mit der Frage nach »fleischlich« und »geistlich« verbunden: IgnPol 2,2 »Darum bist du fleischlich und geistlich (σαρκικὸς εἶ καὶ πνευματικός), damit du das, was dir vor Angesicht erscheint, mit guten Worten gewinnst; was aber das Unsichtbare betrifft, bitte, damit es dir offenbart werde (τὰ δὲ ἀόρατα αἴτει ἵνα σοι φανερωθῇ), so dass es dir an nichts fehle und du an jedem Gnadengeschenk Überfluss hast.« Anders gesagt soll Polykarp seinen Charme, sein Wissen, sein Auftreten nutzen, um die Menschen für das Evangelium oder auch für die Einheit in der Gemeinde einzunehmen. Das Eigentliche aber, das Unsichtbare, kann immer nur erbetenes Geschenk sein, aus dem alles andere erwächst. Aber wenn das Sichtbare, auch das sichtbare Fleisch, vom Unsichtbaren, auch vom unsichtbaren Geist, durchdrungen ist, dann gilt, höchste Vorsicht schon im Umgang mit dem Sichtbaren, das das Unsichtbare in sich trägt. Wenn man z.B. den (irdischen) Bischof täuscht, bekommt man es in Wahrheit mit Gott zu tun: 1066 S CHOEDEL , Briefe 60. 1067 Ebd. Damit ist die Annahme unnötig, dieser Sprachgebrauch sei von den Gegnern des Ignatius übernommen, wie E LZE , Untersuchungen, 76, meint. 1068 S CHOEDEL , Briefe, 61. 1069 Der Römerbrief des Ignatius bietet Einblick in die Bandbreite und grundsätzliche Verankerung der mit »Fleisch« und »Leib« zusammenhängenden Wortverbindungen und Wortfelder. Da die Situation unbelastet ist, ist die Wahrscheinlichkeit hier hoch, etwas über den Standpunkt des Ignatius zu erfahren abgesehen von polemischem Streit. 318 D. 9 Die Ignatiusbriefe »(So) jemand täuscht nämlich nicht diesen Bischof, den man sehen kann (τὸν ἐπίσκοπον τοῦτον τὸν βλεπόμενον), sondern er betrügt den unsichtbaren (ἀλλὰ τὸν ἀόρατον). In so einem Fall ist das nicht eine Sache, die das Fleisch betrifft (οὐ πρὸς σάρκα), sondern sie betrifft Gott, der das Verborgene weiß.« Einerseits repräsentiert der Bischof Gott (indem er ihn nachahmt). Andererseits ist er in gewisser Weise wie Ignatius ein »Gottesträger«, der Gott an oder in sich hat, weswegen ein Betrügen oder Täuschen des menschlichen Bischofs im Grunde der Sünde wider den Heiligen Geist (Mk 3,29) gleichkommt. So wendet Ignatius diesen Gedanken auch auf sich selbst an: IgnPhld 7,1: »Auch wenn mich nämlich einige als Mensch (Fleisch κατὰ σάρκα) täuschen wollten, so lässt sich aber der Geist nicht täuschen (ἀλλὰ τὸ πνεῦμα οὐ πλανᾶται), der von Gott ist. Denn er weiß, woher er kommt und wohin er geht, und das Verborgene deckt er auf (τὰ κρυπτὰ ἐλέγχει).« Der Mensch (»Fleisch«) ist irrtumsfähig, nicht aber der im Menschen (»Fleisch«) wohnende Geist. Fast schon als Zitat 1070 von Joh 3,8 wird vom Wissen des Geistes gesprochen: Vom Wissen über sein »Woher«, damit ist sicher Gott gemeint, und über sein »Wohin«, damit ist sicher die gegenwärtige Situation mit allem, was dazugehört, gemeint. »Jedenfalls erscheint Ignatius hier als jemand, der vom Geist getrieben wird (...) und der es deshalb für selbstverständlich hält, dass der Geist durch die eingesetzten Träger der Autorität und für sie spricht.« 1071 Aber nicht nur vom Bischof, sondern auch von den anderen Christen (in Ephesus) kann Ignatius sagen, sie seien »allesamt Gottesträger und Tempelträger, Christusträger, Träger von Heiligem, in jeder Hinsicht geschmückt mit den Geboten 1072 Jesu Christi« (IgnEph 9,2). Und die Christen in Philadelphia werden aufgefordert: τὴν σάρκα ὑμῶν ὡς ναὸν Θεοῦ τηρεῖτε (»bewahrt euer Fleisch als Tempel Gottes«). 1073 Hier ist deutlich ein Ineinander von Geist im Fleisch zu sehen, wobei der Geist als unsichtbarer Bestandteil das sichtbare Fleisch an Bedeutung übertrifft. Denn der Geist lässt sich nicht irreführen (IgnMagn 3,2; IgnPhld 7,1); er ist auch »Gott«, nicht schon im strikt trinitarischen Sinne, aber doch als Kraft oder Macht Gottes und stellt einen Teil der Gottheit im Menschen dar. Überhaupt ist für Ignatius das Unsichtbare wichtiger als das Sichtbare. Seine Sehnsucht nach dem Martyrium ist zugleich eine Sehnsucht, »zu Gott zu gelangen«. Allerdings ist die Konsequenz dieser Rangordnung nicht eine völlige 1070 Zur Frage neutestamentlicher Zitate bei Ignatius hat schon V . D . G OLTZ ausführlich Texte verglichen und ist zu einem negativen Gesamturteil gekommen. So auch S CHOEDEL , Briefe, 325, mit Verweis auf P AULSEN , Studien, 36f: »Diese Stelle kommt der möglichen Abhängigkeit des Ignatius vom Johannesevangelium am nächsten; doch da andere positive Zeugnisse einer solchen Abhängigkeit fehlen, muss die Frage offen bleiben«. 1071 S CHOEDEL , Briefe, 325. 1072 Der jüdischen Sitte, in den Gebetsriemen (Tefillin) Teile der Tora (Gebote) anzulegen und an sich zu tragen, setzt Ignatius hier nicht nur das Tragen des Heiligen selbst, sondern auch die Gebote Jesu entgegen. Neben doketistischen Kontexten spricht er also hier nebenbei auch »judaistische« mit an. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass die durchreisenden Propheten, von denen IgnEph 9,1 spricht, »judaistisch« argumentiert haben. 1073 Neutestamentliche Parallelen: Joh 2,21; 4,20-24; 1 Kor 3,16; 6,19; Mt 12,45; Lk 11,26: Böse Geister wohnen im Besessenen; Röm 7,18; 8,9.11.23; Eph 2,22; 2 Tim 1,14; Jak 4,5. Lk 1,15.41; Joh 1,33. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 319 Entwertung des Sichtbaren bzw. des Fleisches. Vielmehr ist das Fleisch als Realität des Menschen notwendige Trägersubstanz des Geistes bzw. des Unsichtbaren. Zudem ist für Ignatius der Weg zu Gott nur über den Weg des Fleisches inklusive Martyrium gangbar. Offenbarungserfahrungen, die nicht auf die Konditionen des menschlichen Daseins Rücksicht nehmen, machen überheblich und sind dem Menschen nicht zuträglich. Schlimmer noch: Innergemeindliches Ansehen infolge derartiger Offenbarungen macht aufgeblasen und führt letztlich zum Niedergang. IgnTr 4,1 »Ich sinne über vieles nach vor Gott, aber mich selbst mäßige ich, damit ich nicht im Prahlen zugrunde gehe. Denn jetzt muss ich mehr fürchten und darf mich nicht einlassen auf diejenigen, die mich aufgeblasen sein lassen. Die, die so zu mir reden, tun mir damit weh. (2) Allerdings liebe ich das Leiden, aber ich weiß nicht, ob ich würdig bin. Denn der brennende Eifer fällt zwar vielen nicht auf, ist für mich aber umsomehr eine echte Anfechtung. Also habe ich Geduld nötig, an der der Fürst dieser Welt scheitert. (5,1) Kann ich euch etwa nicht über die himmlischen Dinge schreiben (Μὴ οὐ δύναμαι ὑμῖν τὰ ἐπουράνια γράψαι)? (ich kann! ) Aber ich fürchte, Euch, die ihr noch nicht reif dafür seid, Schaden zuzufügen. Verzeiht mir! Solange ihr nicht fähig seid, es zu fassen, erwürgt es euch. (2) Denn auch ich bin noch kein Jünger, nur weil ich gebunden bin und die himmlische Welt, die Rangordnungen der Engel und die Verbände der Engelscharen und insgesamt Sichtbares und Unsichtbares wahrnehme (τὰ ἐπουράνια καὶ τὰς τοποθεσίας τὰς ἀγγελικὰς καὶ τὰς συστάσεις τὰς ἀρχοντικάς, ὁρατά τε καὶ ἀόρατα,). Denn wir machen viele Fehler, sodass wir auch Gott verfehlen können.« Ignatius hat demnach außergewöhnliches Wissen (4,1; 5,1), was aber die Gefahr birgt, sich selbst oder anderen zu schaden. Das außergewöhnliche Wissen bezieht sich auf Himmlisches, Sichtbares und Unsichtbares, auf Engel. Die Gefahr besteht darin, in diesem Wissen sowie in brennendem Eifer und Ehrgeiz Fehler zu machen und dabei Gott (aus den Augen) zu verlieren. Ähnlich hatte auch Paulus das Prahlen mit Offenbarungserlebnissen gefürchtet (2 Kor 10-12), obwohl gleichzeitig die Christen Haushalter über Gottes Geheimnisse sind (1 Kor 4,1). Dass Ignatius hier auf Offenbarungen eingeht, wie er sie dann wohl in IgnEph 19 doch öffentlich macht, ist in IgnTr wohl durch die Auseinandersetzung mit den doketistischen Gegnern veranlasst. Diese haben offensichtlich neben ihrer Leugnung des Leidens Christi und seines irdisch-menschlichen Leibes ein großes Interesse an Himmlischem, Unsichtbarem und an den Engeln. Immerhin bestätigt sich so, dass der »Pneumatiker« Ignatius derartige Offenbarungen hatte und dass er das Verhältnis zwischen derartigen geistigen Offenbarungen und dem menschlichen Dasein (gemeint ist hier das, was er sonst »Fleisch« nennt) kritisch einschätzte. Denn die irdische Verfassung des Menschen ist nicht ohne weiteres in der Lage, himmlische Offenbarungen zu ertragen und aufzunehmen. Man würde, wenn man noch nicht reif dafür ist, daran ersticken oder davon erwürgt werden (5,1). Selbst »trainierte« Personen wie Ignatius müssen hier vorsichtig sein. Es ist also eine den Menschen (in ignatianischem 320 D. 9 Die Ignatiusbriefe Sprachgebrauch: »Fleisch«) realistisch in seinen begrenzten Möglichkeiten einschätzende Vorsicht, die Ignatius dazu führt, Abstand zu nehmen von zu viel Spekulation über Himmlisches und Englisches. 1074 Denn grundsätzlich gilt, dass die »Fleischlichen« das »Geistliche« nicht tun können (IgnEph 8,2), womit gemeint ist: Menschen, die an der menschlichen Kondition orientiert und festgelegt sind, sind Beschränkungen unterworfen, wenn es um Gottes Geist geht. Dennoch ist es gerade das Anliegen des Ignatius, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen und Beschränkungen des Fleisches der Mensch dennoch auch Geistliches tun kann: IgnEph 8,2: »Aber auch das, was ihr unter den Bedingungen des Fleisches tut, auch das ist geistgewirkt (κατὰ σάρκα πράσσετε, ταῦτα πνευματικά ἐστιν). Denn ihr tut alles in Jesus Christus.« Es ist also tatsächlich möglich, »Gottesträger«, »geisterfüllt«, »Tempel Gottes« usw. zu sein. Eine Verknüpfung zwischen Fleisch und Geist ist möglich; ohne Fleisch ist aber die geistliche Erfahrung nicht machbar. Nur mit dem Fleisch ist dies denkbar. Dabei muss auf die Begrenzungen des Fleisches Rücksicht genommen werden. Dass diese Verbindung möglich ist, ist für Ignatius ganz an Jesus Christus geknüpft, wie er im Epheserbrief kurz zuvor geschrieben hatte: »Einer ist Arzt, aus Fleisch, zugleich aus Geist (...) im Fleisch erschienener Gott« (IgnEph 7,2). 9.5.2.2 Zu Gott gelangen durch den Untergang des Fleisches Die Konsequenz, die Ignatius persönlich aus dieser Verknüpfung von Fleisch und Geist zieht, um als Mensch in den Bereich Gottes zu gelangen, ist seine Martyriumssehnsucht. Er will der irdischen Welt gegenüber untergehen, um in der unsichtbaren Welt Gottes wieder aufzugehen. 1075 So schreibt Ignatius in seinem Römerbrief (IgnRöm 3,3), er habe nicht nach Art des Fleisches, sondern nach der Meinung Gottes, sprich: auf »geistliche Weise« geschrieben (οὐ κατὰ σάρκα ὑμῖν ἔγραψα, ἀλλὰ κατὰ γνώμην Θεοῦ). Er orientiert sich nicht an menschlichen Maßstäben (κατὰ σάρκα), sondern an der Absicht Gottes, d.h. am Geist bzw. an Offenbarungen, die er hat. Inhaltlich geht es um seinen Wunsch, das Leiden, bzw. das Martyrium zu vollenden. Wenn die römischen Christen nur sein Fleisch lieben, das heißt, ihn als irdischen Menschen erhalten wollen, wird sein Vorhaben zunichte (IgnRöm 2,1). Sein Ziel aber ist, von der Welt unterzugehen zu Gott hin, um bei ihm aufzugehen (IgnRöm 2,2), weil »nichts Sichtbares gut ist« (οὐδὲν φαινόμενον καλόν); denn »unser Gott Jesus Christus tritt immer stärker in Erscheinung dadurch, dass er im Vater ist (IgnRöm 3,3: ὁ γὰρ Θεὸς ἡμῶν Ἰησοῦς Χριστός, ἐν πατρὶ ὤν, μᾶλλον φαίνεται).« Ignatius hat also in seiner Sehnsucht nach dem Martyrium die Hoffnung, mit seinem ganzen 1074 Damit ist ein Großteil apokalyptischer Literatur und des sie produzierenden Milieus im Frühjudentum im Blick, das in IgnMagn 8,1 gemeint sein könnte, wenn Ignatius dort von alten Fabeln spricht, die nichts taugen. 1075 Vgl. B OMMES , Weizen, 41ff. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 321 menschlichen Sein und seiner Unvollkommenheit »unterzugehen« wie die Sonne, um »aufzugehen bei Gott« (IgnRöm 2,2). 1076 Das ist nicht eine rein geistige Bewegung, sondern betrifft den ganzen Menschen. Insofern vertritt Ignatius hier den alten, biblischen Ansatz der »Ganzheitlichkeit« entgegen dem hellenistischen Leib-Seele-Dualismus. 9.5.2.3 Glaube als Fleisch Christi IgnTr 8,1: »Nehmt ihr also die Sanftmut an und lasst euch neu schaffen im Glauben, der das Fleisch des Herrn ist (ἀνακτήσασθε ἑαυτοὺς ἐν πίστει, ὅ ἐστιν σὰρξ τοῦ Κυρίου) und in der Liebe, die das Blut Christi ist«. 1077 Glaube und Liebe gehören für Ignatius zu den wesentlichen Merkmalen der christlichen Existenz. Ignatius sagt von ihnen, dass sie »alles« sind (IgnSm 6,1). 1078 Gemeint ist damit »alles« im Blick auf Gott bzw. Jesus Christus. »Alles« im Blick auf den Menschen sind die beiden Sphären, in denen sich der Mensch bewegt, nämlich »Fleisch« und »Geist«. In IgnTr 8,1 wird also die Conditio Humana zwischen Himmel und Erde direkt verbunden mit dem Modus der Gottverbundenheit: Glaube und Liebe. Über Glaube und Liebe schreibt Ignatius, dass sie »Anfang und Ende« und damit »Gott« seien. 1079 IgnEph 14,1: »Von diesen Dingen bleibt euch nichts verborgen, wenn ihr vollkommenerweise auf Jesus Christus Glaube und Liebe richtet; diese sind Anfang und Ende des Lebens. Der Anfang ist der Glaube, das Ende die Liebe. Wenn aber die beiden zu einer Einheit geworden sind, ist das Gott (ἀρχὴ μὲν πίστις, τέλος δὲ ἀγάπη· τὰ δὲ δύο ἐν ἑνότητι γενόμενα Θεός ἐστιν). Und alles andere, was schön und gut ist, folgt daraus«. Glaube und Liebe als Anfang und Ende des Lebens: Wenn Glaube und Liebe, Anfang und Ende, eins werden, dann ist das Gott. Das wirft ein Licht auf die Vorstellung des Ignatius, der vom einen Ende der Welt zum anderen reist, vom Aufgang der Sonne zum Untergang, vom Osten zum Westen, um unterzugehen gegenüber der Welt und aufzugehen bei Gott. Führt er so den Anfang dem Ende entgegen und bekräftigt Glaube und Liebe? Jedenfalls hofft er, so zu Gott zu gelangen (IgnRöm 2). Wenn die Einheit von Glaube und Liebe Gott ist, dann ist es nötig, Glaube und Liebe zu realisieren, weshalb Ignatius auch die Einigung von Glaube und Liebe immer wieder thematisiert (z.B. IgnMagn 1,1; 13,1; IgnSm 13,1). Wenn »Fleisch« die Wirklichkeit des Menschen an sich darstellt und Glaube und Liebe die Wirklichkeit Gottes darstellen, dann ist es folgerichtig, Fleisch und Blut Christi, also seine ganze, den Menschen in seiner irdischen Wirklichkeit betreffende Existenz, mit Glaube und Liebe gleichzusetzen. Denn Glaube und Liebe sind nicht nur Wirklichkeit Gottes, sondern auch im Menschen reali- 1076 Ausführlich dazu B OMMES , Weizen, 151. 1077 Glaube und Liebe sind somit als Fleisch und Blut Christi der Gegensatz zu den in IgnTr 6 genannten »giftigen« Täuschungen der Gegner, die nur vorgeben, die Wirklichkeit Christi zu repräsentieren. Die Wirklichkeit Christi ist dagegen in seinem Blut, das Liebe bedeutet und in seinem Fleisch, das Glaube bedeutet, gegeben. Die Aussage des Ignatius ist also hier eine weitere Zuspitzung: Der Glaube ist die Wirklichkeit (= Fleisch) Christi, die Liebe ist sein Leben (= Blut). 1078 S CHOEDEL , W., Briefe, 63. 1079 Vgl. Offb 21,6; 22,12. 322 D. 9 Die Ignatiusbriefe sierbar. Sie verbinden den Menschen von Fleisch und Blut mit der Wirklichkeit des Himmels. Wenn also vom Glauben gesagt wird, er sei das Fleisch des Herrn, heißt das wohl: Das ist die Wirklichkeit, um die es uns geht. Das ist die Wirklichkeit des Himmels, mit der wir glaubend Kontakt haben. Das Gleiche gilt vom Blut Christi, das metaphorisch die Liebe darstellt. Blut ist Leben und das »für andere« vergossene Blut Christi ist zugleich Zeichen der Liebe Gottes. »Liebe« ist also der Lebenssaft, das Blut Jesu. Fleisch und Blut Christi entsprechen in dieser Weise dem Glauben in der Liebe. Festzuhalten ist, dass das Fleisch Christi hier einerseits nicht auf physische Realität reduziert ist, sondern geradezu geistig durch Metaphorisierung und Übertragung auf den (geistigen) Glauben ausgeweitet ist. Andererseits geht es, wenn es um das Fleisch Christi geht, also um seine Wirklichkeit. Hier geht es, genauer gesagt, um seine für Menschen zugängliche Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist durch Glauben und durch Liebe gegeben. Die Metaphorisierung der Liebe als Blut Christi weist auf die Lebenshingabe Christi hin, auf den »für« andere geschehenen Tod Jesu. Sicher steht hier schon im Hintergrund ein antidoketistischer Argumentationsstrang. Trotzdem ist dies aber auch eine grundsätzliche Erklärung, die zudem in wiederum anderer Form begegnet, z.B., wenn Ignatius sagt, Jesus Christus sei »unser unerschütterliches Leben« (IgnEph 3,2: τὸ ἀδιάκριτον ἡμῶν ζῆν) bzw. das selbst »im Tod wahre Leben« (IgnEph 7,2: ἐν θανάτῳ ζωὴ ἀληθινή). Die Wirklichkeit, die mit Jesus Christus verbunden ist, ist also, wie es sich für die Wirklichkeit des Unsichtbaren gehört, unzerstörbar, wahr und vom Tod nicht aufhebbar. Wenn Jesus das Leben selbst ist, dann ist sein »Fleisch« als seine irdische Wirklichkeit die Wirklichkeit des Glaubens, die sich an das Geschick Jesu »anschließt« und den Menschen mit ihm verbindet. 9.5.2.4 Evangelium als Fleisch Christi Das Wort »Evangelium« begegnet bei Ignatius nur in den Briefen an die Philadelphier und die Smyrnäer; insgesamt 8-mal. 1080 Dies ist sicher kein Zufall, denn wenn die Beobachtung von B ROWN stimmt, dass die Bezeichnung »Evangelium« bei Ignatius immer auf mündlich verkündigtes Wort hinweist, 1081 dann kann Ignatius auch nur den Philadelphiern und Smyrnäern gegenüber darauf verweisen. Nur ihnen hat er gepredigt, nur ihnen hat er mündlich verkündigt. Das heißt, nur sie haben von ihm mündlich Evangelium empfangen. Wenn man vor Augen hat, dass Predigt für Ignatius eine Angelegenheit des Geistes ist, 1082 dann wird deutlich, dass auch der Prediger etwas bei der Predigt empfängt, was ihn dann mit den (anderen) Predigthörern verbindet. 1083 1080 B ROWN , Gospel, 15. 1081 Siehe dazu in dieser Arbeit S. 285f mit Anmerkungen. 1082 IgnEph 20; IgnTr 4-5; IgnRöm 7,2; IgnPhld 6-7. 1083 Ein Beispiel dafür ist IgnPhld 7,1, wo Ignatius, vom Geist getrieben, mit lauter Stimme »prophetisch« nach Einheit in der Gemeinde ruft und damit unwissentlich einige Gemeindeglieder »ertappt«. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 323 Inhalt der Evangeliumspredigt 1084 ist das Geschick Jesu mit seinen entscheidenden »Wendepunkten«. 1085 Jesus selbst ist »unsere Hoffnung«, 1086 d.h., es geht nicht um Vergangenes, sondern um Offenheit für Gottes Wirken in der Gegenwart. Die Voraussetzung dafür und die Verbindung dazu ist die Gemeinschaft mit Jesus Christus und mit der Kirche: IgnPhld 5,1 προσφυγὼν τῷ εὐαγγελίῳ ὡς σαρκὶ Ἰησοῦ καὶ τοῖς ἀποστόλοις ὡς πρεσβυτερίῳ ἐκκλησίας. »Ich nehme Zuflucht beim Evangelium als dem Fleisch Jesu und bei den Aposteln als dem Presbyterium der Kirche.« Zunächst: Ignatius nimmt Zuflucht zum Evangelium. Das ist nötig, weil er in Philadelphia den Streit hatte, ob etwas, was nicht (von Ignatius und seinen Gegnern) in den »Urkunden« auffindbar war, glaubwürdiges Evangelium sein konnte. Ignatius hatte sich dem entzogen, indem er Jesus Christus und dessen Geschick selbst zur entscheidenden Urkunde erklärte (IgnPhld 8). Ebenso nimmt er Zuflucht zu den Aposteln, die nach Christus die höchste Lehrautorität verkörpern und als seine ersten Jünger und Nachahmer eine besondere Stellung in der von Ignatius propagierten Nachahmungs-Nachfolge innehaben. Sie sind die ersten Nachfolger und Schüler Christi und daher am »dichtesten dran«. 1087 Die Zuordnung von Presbytern und Aposteln begegnet innerhalb des Nachahmungsschemas mehrfach. 1088 Demnach »repräsentiert« der Bischof Gott-Vater; die Diakone stellen Christus dar und die Presbyter die Apostel (IgnTr 3,1; anders geordnet: IgnSm 8,1, dort steht Jesus Christus für den Bischof). Wenn Ignatius nun Zuflucht zu den Aposteln und zum Fleisch Jesu nimmt, dann entspricht das der Autorität der Gemeindeleitung aus Bischof/ Diakon plus Presbyterium. Es geht um eine gemeinsame Autoritätsbasis, die die Position des Ignatius gegenüber Zweifeln und Zweiflern vertreten kann. Nun nimmt Ignatius nicht einfach Zuflucht zu »Jesus Christus«, sondern zum »Fleisch Christi«. Zwar kann dieser Ausdruck hier durch die antidoketistischen Kämpfe in Smyrna bedingt sein. 1089 Andererseits begegnet uns der Ausdruck »Fleisch Christi« in der frühchristlichen Literatur und auch bei Ignatius an so vielen des Doketismus unverdächtigen Stellen, dass wir auch hier davon ausgehen können, eine originäre, nicht in antidoketistischem Sinne gemeinte Aussage vor uns zu haben. »Fleisch« als begrenzte aber nötige Conditio Humana ohne die nichts, auch nichts Geistliches möglich ist, wird zunächst Jesus zugeordnet. Jesus war demnach zweifelsfrei Mensch. Die frohe Botschaft besteht aber wohl auch darin, dass Jesu 1084 Vgl. dazu B ROWN , Gospel, 133-172. 1085 Siehe dazu schon oben S. 294 (»Heilstatsachen«). 1086 IgnEph 1,2; 21,2; IgnMagn 11,1; IgnTr inscr.; IgnPhld 11,2. 1087 Deshalb bezieht sich Ignatius vielfach auf die Apostel als wichtige Referenzgröße: IgnEph 11,2; IgnMagn 6,1; 7,1; 13,1; IgnTr 2,2; 3,1; 7,1; 12,2; IgnRöm 4,3; IgnPhld 5,1; 9,1; IgnSm 8,1. 1088 An fast allen Stellen, an denen die Apostel genanntwerden(s.o.), werden sie auf die Presbyterbezogen. 1089 Nach Smyrna reist er erst später. Wie sich zeigt, ist eine Verwandtschaft der Vorstellungen sicher gegeben. Dennoch wird im Brief an die Philadelphier Doketismus sonstjedenfalls nicht ausdrücklich thematisiert. 324 D. 9 Die Ignatiusbriefe Fleisch Träger göttlichen Geistes ist, so dass man Jesus als »Gott« bezeichnen oder auch davon reden kann, dass Gott im Fleisch erschienen ist. Gleichzeitig wird der Begriff metaphorisierend auf den Begriff »Evangelium« angewandt, so wie wir es eben beim Begriff »Glauben« beobachten konnten. Wenn das Evangelium, das mündlich verkündigt wird und hörende Gemeinschaft herstellt, »Fleisch Christi« genannt wird, dann geht es zumindest auch um die zwischen Hörern und Jesus gemeinsame menschliche Fleisch-Existenz. Allerdings wird Jesu menschliche Existenz jetzt ausgeweitet und abgebildet durch die Evangeliumsverkündigung. Evangelium bedeutet, dass in Jesu menschlichem Leben, Leiden und Sterben Gott selbst offenbar wird. Dies ist zugänglich durch mündliche Verkündigung des Evangeliums, die wiederum Glauben provoziert. Dass dies nicht immer erfolgreich geschieht, bezeugt IgnPhld 8,2, wenn dort die gegnerische Aussage referiert wird: »Wenn ich es nicht in den Urkunden finde, so glaube ich dem Evangelium nicht! « 1090 Das Evangelium ist damit eine Sache des Glaubens (s.o.: Glaube als Fleisch Christi) 1091 und realisiert gewissermaßen das, wovon es spricht. 1092 Die Berufung auf die Autorität der Apostel und das Fleisch Christi ist also eine Berufung auf das Heilsgeschehen nicht nur als Vergangenheit, sondern als Gegenwart. Die Gegner stehen damit außerhalb der Gemeinschaft und abseits des Evangeliums. Wenn Ignatius in IgnPhld 8,2 davon spricht, dass für ihn Jesus Christus die entscheidende Urkunde sei (ἀρχεῖά ἐστιν Ἰησοῦς Χριστός), dann liegt das auf einer ähnlichen Ebene, auch wenn sprachlich an etwas Schriftliches gegenüber dem mündlichen Evangelium zu denken ist. Übereinstimmend wird aber Jesus Christus metaphorisch auf ein mündliches oder schriftliches Textmedium angewandt, das ihn bezeugt. Das Evangelium schätzt Ignatius dabei als an sich überzeugend ein, wenn er verwundert schreibt, dass (erstaunlicherweise) die Gegner weder vom Gesetz des Mose, noch vom Evangelium, noch von seinen Leiden beeindruckt oder überzeugt werden konnten (IgnSm 5,1). Die Inhalte des Evangeliums, also die Aussagen über Jesus, werden genauer als »Ankunft des Erlösers«, »sein Leiden« und »die Auferstehung« (IgnPhld 9,2; vgl. IgnSm 7,2) bezeichnet. Ergebnis: Wenn Evangeliumsverkündigung »Fleisch Jesu« genannt wird, dann deswegen, weil sowohl die Evangeliumsverkündigung als auch das Fleisch Jesu 1090 Ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχείοις εὕρω, ἐν τῷ εὐαγγελίῳ οὐ πιστεύω (ÜS B AUER / P AULSEN , Briefe, 85). Dort auch S. 86 eine Begründung für die Übersetzung »so glaube ich dem Evangelium nicht«: Wenn Ignatius keine schriftlichen neutestamentlichen Schriften kennt oder sie bewusst nicht als autoritative Texte nutzt, dann kann es hier nicht darum gehen, an etwas zu glauben, was im Evangelium steht, sondern nur darum, dem Evangelium zu glauben. 1091 Vgl. IgnPhld 9,2: »Das Evangelium ist Vollendung der Unvergänglichkeit. Alles zusammen ist gut, wenn ihr in Liebe glaubt.« 1092 Das Evangelium ist hier »die christliche Heilsbotschaft. (...) In ihr tritt Jesus dem Hörer entgegen, und deshalb kann das Evangelium als Fleisch, d.h. als die Verkörperung Jesu, bezeichnet werden« (B AUER / P AULSEN , Briefe, 83). 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 325 »Orte« der Offenbarung Gottes sind. Zudem verbindet die Evangeliumsverkündigung den Prediger und Hörer auch miteinander; das »Fleisch« Jesu verbindet Jesus mit der »fleischlichen« Existenz der Menschen. Es ist dieselbe Sphäre, in der die Hörer des Evangeliums »zu Hause« sind, in der die Offenbarung Gottes stattfindet. Das Wort »Fleisch« bildet hier also die Conditio Humana als Ort der Offenbarung und des Heils ab. 9.5.2.5 Brot Gottes 1. Die Wortkombination »Christi Fleisch« steht bei Ignatius nicht nur für »Evangelium« und »Glauben«, sondern wird auch »Brot Gottes« genannt. Um diese neue Kombination zu verstehen, ist zunächst ein Blick darauf nötig, wie Ignatius sonst mit »Brot Gottes« oder »Brot Christi« umgeht. Er bezeichnet einerseits das Fleisch Jesu als »Brot Gottes« (IgnRöm 7,3). Andererseits will auch er, Ignatius selber, »Brot Gottes« sein: IgnRöm 4,1: »Weizen Gottes bin ich (σῖτός εἰμι Θεοῦ). Durch die Zähne der Tiere werde ich gemahlen, damit ich als reines Brot Christi eingeschätzt werde (καθαρὸς ἄρτος εὑρεθῶ τοῦ Χριστοῦ)«. Wie in IgnEph 5,2 bei der Aufforderung, innerhalb der Altarschranken zu bleiben und dort das Brot Gottes zu essen, 1093 geht es auch hier nicht 1094 um die sakramentale Abendmahlsfeier. 1095 Vielmehr geht es in seinem Leiden und Sterben um einen schmerzhaften Prozess, der am Ende zu einem neuen Dasein führt (reines Brot). Mit reinem Brot kann einerseits ganz einfach qualitativ hochwertiges Brot gemeint sein, das aber andererseits gerade aus kultischen Kontexten bekannt ist, nicht zuletzt auch aus dem alt- und neutestamentlichen Zusammenhängen. 1096 Das durch Schmerzen erreichte neue Dasein des Ignatius wäre dann seine Existenz als »Gottesbrot« - und das ist, wie 1 Sam 21,7 zeigt, nicht als Nahrungsmittel gedacht. Gottesbrot gehört an das Heiligtum. In der Metaphorisierung des 1093 IgnEph 5,2: »Niemand lasse sich irreführen. Wenn sich jemand nicht innerhalb der Altarschranken aufhält, muss er das Gottesbrot entbehren (ἐὰν μή τις ᾖ ἐντὸς τοῦ θυσιαστηρίου, ὑστερεῖται τοῦ ἄρτου τοῦ Θεοῦ). Wenn aber schon das von einem oder zwei Menschen ausgehende Gebet solche Macht hat, um wie vieles mehr dann das Gebet, das gemeinsam vom Bischof und der ganzen Kirche ausgeht! « 1094 S CHOEDEL , Briefe 109, bemerkt dazu: »Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, dass Ignatius einen wirklichen Altar meint. Einige frühchristliche Autoren verneinen ausdrücklich das Vorhandensein derartiger Altäre in der Kirche.« Dementsprechend kann der metaphernspendende Bereich in diesem Fall nicht die Abendmahlsfeier sein, sondern die pagan überall beobachtbaren Riten von gemeinsamem Essen innerhalb der Altarschranken übertragen hier auf die Gemeinschaft der Christen. Nach S CHOE - DEL versteht Ignatius den Ausdruck ›Brot Gottes‹ »wahrscheinlich als Schnittpunkt zwischen dem Gebet der Glaubenden und der Gegenwart Gottes oder Christi« (ebd.). 1095 Gegen W EIGANDT , Doketismus, 129f, der einen sakramentalistischen Streit sieht: »Ihm sind nicht mehr Bot und Kelch die Elemente, sondern Fleisch und Blut Christi. (...) Die Eucharistie ist für die Gegner des Ignatius nicht das Fleisch Jesu Christi, das gelitten hat und das der Vater auferweckt hat (...). Eine Eucharistie, wie sie der Bischof von Syrien feiert, kann für diese Häretiker nicht nachvollziehbar sein. Sie feiern deshalb offenbar eine eigene Eucharistie.« 1096 Zu IgnRöm 4,1 bemerkt S CHOEDEL , Briefe, 282, dass ›reines Brot‹ »die Bezeichnung für Brot von besonders hoher Qualität war« und dass deswegen »die Bilder der ganzen Stelle aus dem Bereich dieser Sprache« kämen. Für IgnEph 5,2 kann man an die alttestamentliche Typologie aus Lev 24,5-9 denken, die auch in Mk 2,26 aufgegriffen wird (B/ N, 780, Anm. 2). 326 D. 9 Die Ignatiusbriefe Ignatius kann nur das himmlische Heiligtum gemeint sein, das »Sein bei Gott«, das hier mit dem »Brot Gottes« oder »Brot Christi« gemeint ist. 2. Wenn Ignatius sich selbst metaphorisch als Gottesbrot (»Brot Christi«) im Bereich des himmlischen Heiligtums sieht (IgnRöm 4,1) und andererseits das Essen des Gottesbrotes metaphorisch nutzen kann, um auf das gemeinschaftliche In-Kontakt-Treten mit Gott und die damit verbundene »himmlische Nahrung« hinzuweisen (IgnEph 5,2), dann wundert es auch nicht sehr, wenn auch das Fleisch Christi als Brot Gottes bezeichnet werden kann: IgnRöm 7,3: »Ich freue mich nicht an vergänglicher Nahrung und an den Vergnügungen dieses Lebens. Brot Gottes will ich, das ist das Fleisch Christi (ἄρτον Θεοῦ θέλω, ὅ ἐστιν σὰρξ τοῦ Χριστοῦ), 1097 der von David stammt; und Trank will ich, sein Blut (πόμα θέλω τὸ αἷμα αὐτοῦ,), das ist unvergängliche Liebe.« Der erste Hauptgegensatz besteht zwischen vergänglicher, irdischer Speise und dem Brot Gottes. »Brot Gottes« ist aber nicht notwendigerweise in heutigem Sinne sakramental zu verstehen, schon gar nicht als realistische Abendmahlsauffassung. Vielmehr ist schon johanneisch das »Himmelsbrot«, das »Manna«, ein Zeichen für die Funktion Jesu als »Lebensmittel«, der somit als Mittel zum Leben und als Verbindung zum Himmel fungiert (Joh 6). Und auch sonst ist das Anteilgewinnen am Judentum bzw. am Himmel durch das gemeinsame Essen gesegneten Brotes und Weines so wesentlich, dass nicht das christliche Abendmahl als metaphernspendender Bereich herangezogen werden muss. So spricht im Aseneth-Roman der Engel zu Aseneth: JosAs 15,4: Ἰδοὺ ἀπὸ τῆς σήμερον ἀνακαινισθήσῃ καὶ ἀναπλασθήσῃ καὶ ἀναζωοποιηθήσῃ καὶ φάγῃ ἄρτον ζωῆς καὶ πίεσαι ποτήριον ἀθανασίας. »Siehe! Vom heutigen Tag an wirst du ganz erneuert und neu gestaltet und wirst ein neues Leben bekommen. Und du wirst Brot des Lebens essen und den Kelch der Unsterblichkeit trinken.« Im sogenannten »Unbekannten Berliner Evangelium« spricht der Auferstandene in einer Offenbarung auf dem Berg. Er erklärt und zeigt seinen Jüngern die Himmelsräume. Er fordert sie zu Anteilnahme und Gemeinschaft beim Gang durch die Himmelsräume mit ihm auf: UBE 6: (1) »Wer nicht meinen Leib und mein Blut empfängt, der gehört nicht zu mir. Amen. (2) Die zur Rechten und die zur Linken werden mich begleiten« (in die himmlischen Räume) (B/ N 929). Auch hier geht es zunächst also einfach darum, Jesus als Leib und Blut zu empfangen. Weder von »Brot und Wein« noch von »Fleisch und Blut« ist die Rede. Die Szenerie passt auch nicht zum letzten Abendmahl. Man kann natürlich an eine Aufforderung zur Eucharistiefeier in der Gemeinde denken. Dennoch sind zunächst die prägenden Ausdrücke nicht vorhanden, sondern nur Christus als Grundlebensmittel, ohne das im Sinne einer Stärkung das Neue, nämlich die Himmelsreise, nicht möglich ist. Genauso ist es für Aseneth nötig, das gesegnete 1097 Hier übersetzt nach der von L IGHTFOOT und H ILGENFELD vorgeschlagenen Textvariante (s.o.): »Christus«, nicht »Jesus Christus.« L INDEMANN / P AULSEN , 214, entscheidet sich dagegen für »Jesus Christus«. Siehe dort mit textkritischem Apparat. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 327 Brot und den Kelch zu trinken. Auch sie braucht die Stärkung des Himmels für ein neues Leben. 3. Ganz ähnlich ist also Ignatius nicht mehr an irdischer Speise, sondern an himmlischer Stärkung interessiert. Himmlische Stärkung besteht sonst für ihn aus (gemeinschaftlichem) Gebet, Evangelium (Verkündigung), Glaube und Liebe. Nichts spricht dagegen, zunächst auch jetzt Glaube, Liebe, Hoffnung, 1098 Evangelium und Gebet als die von Ignatius gemeinte Stärkung anzusehen. 1099 Anklänge an das Abendmahl sind damit nicht gänzlich verneint. Aber es scheint zunächst ein »geistliches Geschehen« zu sein, das hier als »Brot Gottes« bezeichnet wird. 4. Anders ist der Gebrauch von »Fleisch Christi« in IgnPhld 4,1 und IgnEph 20,2. Dort wird jeweils ganz eindeutig auf eine gemeinsame Abendmahlsfeier angespielt: IgnPhld 4,1 »Bemüht euch also, eine einzige (gemeinsame) Danksagung zu feiern. Denn es gibt auch nur einziges Fleisch unseres Herrn Jesus Christus und auch einen einzigen Kelch zur Vereinigung mit seinem Blut. Einen Altar gibt es, 1100 wie es einen Bischof zusammen mit dem Presbyterium und den Diakonen, meinen Mitknechten, gibt, damit ihr, was auch immer ihr tut, ihr es nach Gottes Willen tut.« Das »eine Fleisch« steht in einer Reihe von durch »ein« eingeführten Begriffen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie auf einen Mittelpunkt zentriert sind und somit die Gemeinschaft der Gemeinde zusammenführen. Ein einziges, gemeinsames Eucharistiegebet soll es geben - und nicht, wie möglicherweise üblich, unterschiedliche Feiern in unterschiedlicher Öffentlichkeit für die verschiedenen Gemeindeglieder. Einen einzigen Altar gibt es (hier eher symbolisch für die Einheit der Gemeinde um den Heiligen in ihrer Mitte: Christus). 1101 Ebenfalls ist die Gemeindeleitung aus Bischof, Presbytern und Diakonen auch einheitlich. Ebenso ist es ein einziges Fleisch Jesu Christi und ein einziger Kelch, der mit Christi Blut, d.h. aber auch untereinander verbindet. Vor Augen steht damit ein vom Dankgebet (Eucharistie) ausgehendes, gemeinsam mit der Gemeindeleitung um Christus herum als gedachte Mitte gefeiertes (Abend-)Mahl, bei dem zwar die Worte »Brot« und »Wein« fehlen, die aber mit Fleisch und Blut Christi innerhalb dieses Rahmens eindeutig bezeichnet sind. 1098 Oft nennt Ignatius Jesus »unsere Hoffnung« (IgnEph 21,2; IgnMagn 11,2; IgnTr inscr; 2,2; IgnPhld 11,2). 1099 In ähnlicher Weise spricht auch Jesus in Joh 4,32.34 davon, dass er eine Speise zur Nahrung hat, von der seine Jünger nichts wissen und dass diese Speise darin besteht, dass er den Willen Gottes erfüllt. 1100 S CHOEDEL , Briefe, 315: »Die enge Verbindung zwischen dem einen Fleisch, dem einen Kelch und dem einen Altar hat die Ansicht aufkommen lassen, Ignatius denke hier an einen wirklichen Altar (und stelle sich deshalb die Eucharistie in Opferbegriffen vor). Doch muss das im Hinblick auf den symbolischen Gebrauch des Wortes ›Altar‹ sonst in den Briefen angezweifelt werden.« Die nächste Parallele innerhalb der Ignatianen finde man in IgnMagn 7, wo eine vergleichbare Liste von durch »ein« eingeführten Begriffen vorkommt. Dort stehe ›ein Altar‹ »deutlich symbolisch für das Einssein der christlichen Gemeinschaft«. Das könne genauso für die Stelle in IgnPhld 4 gelten. 1101 Siehe dazu D ÖLGER , Altar, 182f, der den Gebrauch des Begriffs »Altar« zur Bezeichnung für Christus bei späteren patristischen Autoren dokumentiert. 328 D. 9 Die Ignatiusbriefe Es geht auch nicht darum, dass es wirklich ein einziges Brot ist, das hier vor Augen ist, sondern gefeiert wird die eine, gemeinsame Feier, die mit Christus verbindet. Fleisch und Blut sind dabei als traditionell gesetzt aufzufassen, bedeuten aber ganz sicher für Ignatius das menschliche Sein Christi, innerhalb dessen das göttliche aufscheint. IgnEph 20,2: »(Wenn) ihr ein einziges Brot miteinander brecht, ist das die Medizin der Unsterblichkeit, ein Gegengift gegen das Sterben (ἕνα ἄρτον κλῶντες, ὅ ἐστιν φάρμακον ἀθανασίας, ἀντίδοτος τοῦ μὴ ἀποθανεῖν), ja, im Gegenteil, es ist ein Mittel, um in jeder Hinsicht in Jesus Christus zu leben.« IgnEph 20 bestätigt die schon gemachte Beobachtung. Denn auch hier geht es im Kontext um Einigkeit in der Gemeinde um den Bischof und das Presbyterium herum. Das in der Abendmahlsfeier gemeinsam und in Einigkeit gegessene Brot wirkt Wunder. Die Macht des Todes wird überwunden. 1102 Da Ignatius die Eucharistiefeier mit der Bezeichnung »Fleisch Christi« und »Blut Christi« kannte (IgnPhld 4,1), geht es hier nicht nur um Brot, sondern um das Brot, das als Fleisch oder Leib Christi bezeichnet wird. 9.5.2.6 ApkElia 42,4: »Geistiges Fleisch im Himmel« Die Vorstellung geistigen Fleisches, wie Ignatius sie hat oder entwickelt, ist ungewöhnlich, aber nicht vollständig ohne Parallele im religionsgeschichtlichen Umfeld. Von Henoch und Elia, die beide als bei lebendigem Leibe entrückt gelten, heißt in der Elia-Apokalypse in Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Antichrist: ApkElia 42,4: »Und Henoch und Elias kommen dann herab, sie legen ab das Fleisch der Welt 1103 und kleiden sich in geistiges Fleisch (ἀποθήσονται τὴν σάρκα τοῦ κόσμ[ο]υ [καὶ περιβαλοῦνται τὴν σάρκα π¯ν¯ς¯)« (AJS). 1104 Das Fleisch des Auferstandenen nach IgnSm 3 wird damit vorstellbarer, ebenso, wieso es möglich ist, Evangelium und Glaube als Fleisch Christi zu bezeichnen. Evangelium und Glaube sind geistliche Größen, die auf der Seite des Menschen wirken können. Gerät der Mensch in den Wirkungskreis von Evangelium und Glaube, gerät er in den Bereich des geistlichen Fleisches Christi, so kann man Ignatius mit ApkElia hier weiterführen. 9.5.3 Die Begriffe »Leib« und »Fleisch« in den Ignatianen Der Begriff σῶμα oder damit gebildete Wortkombinationen fehlen in den Briefen an die Epheser, Magnesier und Traller, sowie im Brief an die Philadelphier völlig. Im Brief an die Römer gibt es insgesamt drei Vorkommen (IgnRöm 4: 1102 Vgl. dazu JosAs 15,4, oben S. 326. 1103 Beide sind entrückt, also in menschlichem Normalkörper. Dieser wird jetzt erst abgelegt! Offenbar wäre im menschlich-sterblichen Körper ein Kampf gegen den Antichrist nicht möglich. Folgerung: Auch der Antichrist ist nicht in normalem Körper. Es kommt auf Waffengleichheit und die Wahl des richtigen Kampfplatzes an. 1104 Es geht um geistigen Stoff, der Fleisch genannt wird. Der Antichrist besteht sicher auch daraus. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 329 2-mal; IgnRöm 5: 1-mal). Im Brief an die Smyrnäer gibt es ingesamt 4 Vorkommen, je eines in den Kapiteln 1-3 und eines in Kapitel 11. Für die Frage nach dem Leib Christi fällt auch der Römerbrief aus. Dort geht es nur um das Märtyrerschicksal des Ignatius. Sachlich geht es um das bevorstehende Sterben und Leiden des Ignatius, um die Vernichtung seines Leibes. Mit der Vernichtung seines Leibes hängt für Ignatius das von ihm ersehnte Unsichtbarwerden vor der Welt zusammen. 1105 Nur im Brief an die Smyrnäer begegnet der Begriff »Leib« häufiger. Abgesehen von Kapitel 11, wo es um die Gemeinschaft oder die Körperschaft der antiochenischen Gemeinde geht, die inzwischen wiederhergestellt ist, sind es IgnSm 1-3, die den Begriff σῶμα bzw. ἀσώματος in den Ignatianen prägen. 1106 Das Thema ebenjener Kapitel sind die Doketisten und ihre Positionen. Der Gesamtabschnitt, der sich direkt mit den doketistischen Gegnern beschäftigt, reicht bis Kapitel 7, so dass mehr als die Hälfte des Smyrnäerbriefes von diesen Gegnern handelt. Nachdem die Ignatiusbriefe an vielen Stellen nach möglichen Gegnerpositionen und ihren Widerlegungen abgeklopft worden sind, ist dieser Gesamtabschnitt näher zu betrachten, zumal hier mit der Kobination von »Fleisch« und »Leib« etwas Besonderes vorliegt, das entweder auf die Doketisten selbst zurückgeht, was ich vermute, oder von Ignatius aufgrund einer nicht korrekt zitierten Stelle aus Lukas 24 konstruiert wurde, was immerhin möglich ist. Zuvor ist von den in IgnSm gemachten Beobachtungen aus nach der Konzeption von Fleisch und Leib zu fragen. 9.5.3.1 Exkurs: ΣΑΡΞ und ΣΩΜΑ als anthropologische Grundbegriffe1 1 0 7 1. ΣΑΡΞ Während das Wort »Fleisch« ein typisches Wort für die biblischen Texte des Alten und Neuen Testaments ist und damit für die biblische, frühchristliche und frühjüdische Anthropologie prägend ist, 1108 ist das Wort »Leib« im Hebräischen ohne Äquivalent. »Fleisch« meint im eigentlichen Sinne den Stoff, der bei Tieren und Menschen die Knochen überzieht. 1109 Mit Blick auf die frühjüdischen Texte kann man 1105 Die Römer mögen den Bestien schmeicheln, damit sein Leib (σῶμα) in ihnen begraben werde. Ignatius wird erst, wenn die Welt seinen Leib (σῶμα) nicht mehr sieht, ein Jünger sein (IgnRöm 4,2). - In IgnRöm 5,3 wünscht er, dass die Bestien über ihn kommen, hofft auf Feuer und Kreuz, Zerreißen der Knochen, Zerschlagung der Glieder, Zermalmung des ganzen Körpers (σῶμα), des Teufels böse Plagen, nur damit er (durch das Martyrium) zu Christus gelangt. 1106 Bei (späteren) Doketisten begegnen die gleichen Stichworte: ἀσώματος, ἀγένητος, ἄνειδος sei Christus, soll Satornil gesagt haben (Hipp. haer. 7,28,4) und er die Ansicht vertreten haben, Christus habe nicht wirklich menschliches Fleisch und menschlichen Geist angenommen (Filistratus haer. 31,6). Ähnliches wird von Markion berichtet: Christus sei nicht aus Fleisch gewesen (Iren. haer. 4,33,2), habe keinen Köper gehabt (Tert.Marc. 4,9,5; 4,21,11), sei ἄσαρκος gewesen (Epiphanius pan. 42,11,15; Hipp. haer. 49.51b). Diese und weitere Belege bei W EIGANDT , Doketismus, 39. 1107 Vgl. grundsätzlich S CORNAIENCHI , L., Sarx und Soma bei Paulus, Göttingen 2008 (NTOA 67). 1108 S AND , σάρξ, 549 weist darauf hin, dass σάρξ im NT zu den Wörtern mit dem größten Häufigkeitsindex gehört und nach ἄνθρωπος und καρδία den 3. Platz einnimmt. 1109 Definition von B AUER / A LAND , 1487. 330 D. 9 Die Ignatiusbriefe sagen, dass Fleisch als »Ausdruck für die gesamte menschliche Person«, kollektiv für »die Menschheit«, als Bezeichnung der Vergänglichkeit und mit Bezug auf die Sündhaftigkeit des Menschen verwendet wird. Im Neuen Testament wird ganz ähnlich mit «Fleisch und Blut« der Mensch in seiner Begrenztheit gegenüber Gott bezeichnet. »Fleisch« kann auch für »Körper« benutzt werden; im Wesentlichen aber ist besonders gut bei Paulus zu sehen, »σάρξ als irdische Sphäre« 1110 im Blick. »Fleisch ist demnach nicht ein von anderen irdischen Dingen abzugrenzender Bezirk, der an sich schlecht oder besonders gefährlich wäre. Böse wird es erst dadurch, dass der Mensch sein Leben darauf baut.« 1111 »Der Mensch hat nicht Fleisch und Seele, er ist beides, vergänglich und doch lebendig (...). Nur als solche Einheit existiert er. 1112 Der Mensch wird dabei nicht von seiner Natur, sondern von seiner Beziehung zu Gott verstanden, von dem er sowohl den Lebensatem als auch das Fleisch hat. Bei Ignatius hatten wir gesehen, dass das Fleisch des Menschen zwar seine Begrenztheit Gott gegenüber zeigt, aber eben auch Ort der Offenbarung sein kann, und zwar als notwendige Bedingung für Offenbarung. Es kommt dabei darauf an, an der Sphäre Anteil zu haben, an der Jesus auch Anteil hat - und umgekehrt ist es wichtig, dass Jesus Anteil an unserer menschlichen Sphäre hat, damit er erlösend wirken kann. Deutlich wird das besonders, wenn Glaube und Evangeliumsverkündigung »Fleisch Christi« genannt werden. Es geht also um Jesu ganzheitliche, mit dem Geist verbundene Daseinsform als Mensch, die uns Menschen wiederum Anteil haben lässt an der Wirklichkeit Jesu. 2. ΣΩΜΑ Demgegenüber ist σῶμα ein dem hebräischen Denken zunächst fremder Begriff, der sich erst in Texten ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. zeigt. »Während in dem Begriff Fleisch (...) der Mensch in der Regel als ganze Person erfasst wird, schwingt bei Leib von vornherein der Gedanke des Hohlen oder Leeren mit, das einer Ausfüllung bedarf.« 1113 Hier liegt ein ganz anderes anthropologisches Konzept zugrunde, wie es insbesondere im Platonismus und dem damit verbundenen Leib- Seele-Dualismus zum Ausdruck kommt. 1114 In der Septuaginta steht σῶμα nur an einer von sieben Stellen für . 1115 Schon im klassischen Griechisch bezeichnet σῶμα häufig auch den Leichnam. Zugleich gilt er als Gefängnis 1116 oder unfreiwilliger Wohnort für die Seele. Das Sprichwort, der Leib sei das Grab der Seele (σῶμα σῆμα), stammt möglicherweise schon aus der Zeit der Vorsokratiker, ist aber zur 1110 E. S CHWEIZER , Art. σάρξ, in: ThWNT VII, 125. 1111 E. S CHWEIZER , Art. σάρξ, in: ThWNT VII, 135f. 1112 E. S CHWEIZER , Art. σῶμα, in: EWNT III, 772. 1113 E. S CHWEIZER , Art. σῶμα, in: ΤHWNT VII, 1042. 1114 Ε. S CHWEIZER , Art. σάρξ, in: ThWNT VII, 116. 1115 E. S CHWEIZER , Art. σῶμα, in: ΤHWNT VII, 1043. 1116 Vgl. z.B. Iren.haer. 1,25,4 (über den Gnostiker Karpokrates). 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 331 Zeit des Mittelplatonismus eine gängige Auffassung. 1117 So kann auch Philo davon sprechen, die Seele sei »begraben im Leib« (spec. 4,188; LA 1,108 1118 ). Insgesamt benutzt Philo den Begriff σῶμα wesentlich häufiger als den Begriff σάρξ (1237-mal gegenüber 131-mal) und steht damit in krassem Gegensatz zur Septuaginta (164: 225), zum Neuen Testament (146: 158) und auch zu Ignatius (7: 43) 1119 . Auffallend ist auch in diesem Vergleich die starke Gewichtung von σάρξ als anthropologische und christologische Kategorie bei Ignatius nicht nur gegenüber einem hellenistischen Juden wie Philo, sondern sogar gegenüber der hellenistisch-biblischen Tradition. Innerhalb des Neuen Testaments ist es vor allem Paulus, der den Begriff nutzt und christlich prägt. Der Leib ist vor allem auch das Kontaktorgan des Menschen zu der ihn umgebenden Wirklichkeit, das Organ durch das er handelt und an dem er Leiden erfährt (z.B. Phil 1,20; Gal 6,17). Er entwickelt ein Interesse an der »Auferstehung des Leibes« (1 Kor 15,35-55; 2 Kor 5,1-10; Röm 8,11.23; 6,12). Eine Körperlosigkeit kann er sich auch in der Auferstehung nicht vorstellen. Allerdings wird der Leib verwandelt. Wichtig ist es für Paulus, am Leib des Herrn Anteil zu bekommen. »Leib des Herrn« kann einmal auf das Abendmahl bezogen werden (1 Kor 11), andererseits geht es um die Gemeinde als Leib Christi (1 Kor 10; Röm 12). Für unsere Fragestellung ist einerseits vor allem interessant, dass »Leib« ein Thema bei den Leiden, bei der Sterblichkeit und beim Thema Leichnam ist; der Vorwurf des Ignatius an seine Gegner, sie seien Leichenträger, bekommt so einen weiteren Hintergrund (IgnSm 5,2). Andererseits ist das Interesse neutestamentlicher Schriften am »Leib« der Auferstehung wichtig für die Bestimmung des Kontextes der Bezeichnung ἀσώματος. 9.5.3.2 Körperlose Dämonen und wandelnde Leichname Die Doketisten des Ignatius behaupten, Jesus habe nur zum Schein gelitten. Diese Aussage zitiert Ignatius. Daraus scheinen sie abgeleitet zu haben, Jesus sei so etwas wie ein körperloser Dämon gewesen (IgnSm 2; 3,2). Das Zitat (»zum Schein gelitten«) schließt bei Ignatius an seinen Gruß und seine Anrede an die Smyrnäer an, sie seien im Glauben wie »festgeheftet am Kreuz« in Liebe und Vertrauen auf Christus fest. Es folgt eine ausführliche Aufzählung von »Heilstatsachen« bzw. Geschickaussagen über Jesus. Die Worte »Fleisch« und »Blut« fallen. Darauf erst folgt die Aussage über die »körperlosen Dämonen«. Zu bedenken ist, dass Ignatius fast durchgängig an σάρξ orientiert ist; nur da, wo er auf 1117 Viele Belege bei E. S CHWEIZER , Art. σῶμα, in: ΤHWNT VII, 1026ff. Vgl. z.B. Poimandres (Corp. Herm. 7,2): »Zuerst aber musst du das Kleid, das du trägst, zerreißen, das Gewebe der Unwissenheit, den Grund der Bosheit, die Fessel des Verderbens, die finstere Mauer, den lebendigen Tod, den fühlenden Toten, das mit dir herumgetragene Grab, den Räuber in dir« (F OERSTER , Gnosis 1,429). 1118 LA 1,108: »Solange wir leben, ist die Seele (wie) gestorben, und zwar als wenn sie im Grab, also im Leib begraben wäre (ὅτε ζῶμεν, τεθνηκυίας τῆς ψυχῆς καὶ ὡς ἂν ἐν σήματι τῷ σώματι ἐντετυμβευμένης). Wenn wir aber sterben, lebt die Seele ihr eigentliches, eigenes Leben, und es weicht die schlechte sterbliche Bindung an den Körper.« 1119 Jeweils mit allen Worten, die mit dem jeweiligen Wortstamm gebildet sind. 332 D. 9 Die Ignatiusbriefe Gegner zu sprechen kommt, fällt der negative Ausdruck »körperloser Dämon« (δαιμόνιον ἀσώματον). Ist das eine eigenständige Position der Gegner oder haben wir hier einen Versuch des Ignatius vor uns, die Position der Gegner zu beschreiben und auch unmöglich zu machen? 1120 Direkt nach der Aussage über das in den Augen der Gegner nur scheinbar geschehene Leiden Christi wirft Ignatius ihnen entgegen, sie existierten zum einen selbst wohl nur zum Schein. Zum anderen: IgnSm 2 καθὼς φρονοῦσιν, καὶ συμβήσεται αὐτοῖς, οὖσιν ἀσωμάτοις καὶ δαιμονικοῖς: »Genau so, wie sie sich das denken, wird es über sie kommen, wenn sie (einst) körperlose und dämonische Geister sein werden«. Es schließt sich in IgnSm 4,1 das Stichwort »Fleisch« an sowie die Frage, wie die Auferstehung Jesu vorzustellen sei. Das Thema »Schein« bleibt auch in IgnSm 4,2 erhalten und wird dort mit dem Thema »Leiden« verbunden. IgnSm 5 handelt wiederum von einer Auseinandersetzung mit den Gegnern über das Fleisch bzw. den Leib Christi. IgnSm 6 spricht dann von himmlischen Mächten und irdischen Rängen, von der Frage der Liebe als Ausdruck des Glaubens, woran IgnSm 7 anschließt mit dem Vorwurf, die Gegner blieben dem Gottesdienst fern und lehnten einen Bezug von Gottesdienst (sei es nun das Abendmahl als »Sakrament«, sei es auch nur das Lobgebet) und Fleisch Christi ab, zumal unter dem von ihnen abgelehnten Aspekt des Leidens Christi. Es ist die Frage zu untersuchen, warum Ignatius hier eine solche Anzahl an Fragestellungen zum Geschick Jesu, zu seinem »Fleisch« und seinem »Leib« aufwirft. Ist dies einfach seine Gewohnheit bzw. sein »Evangelium«, das er eben immer wieder vorbringt? Immerhin hat er ganz ähnliche Punkte auch mit den »Judaisten« in Philadelphia diskutiert. Aber auch dann müsste er nicht Dinge aufführen, die zu weit entfernt liegen. Wenn die Doketisten nur gesagt haben sollten, Christus habe nicht gelitten oder leiden können, dann hätten sie das ja auch so begründen können, dass vor der Kreuzigung eine Verwandlung oder eine Vertauschung stattgefunden haben könnte, wie spätere doketistische Theorien es tun. Wenn wir ausgehen von dem Satz der Doketisten, Christus habe nur zum Schein gelitten, dann hat die logische Gegenfrage zwei Teile: 1. Wieso soll das so sein? 2. Wie stellt ihr euch das vor? 1. Wieso soll Christus nur zum Schein gelitten haben? Antwort: Das ist logisch, wenn man eine negative Theologie vertritt, wie Ignatius sie selbst in modifizierter Form im Polykarpbrief (3,2) verwendet. Wenn man zugleich Christus als Gott bezeichnet, dann ist Leiden ein Widerspruch. Im Gegensatz zu den Judaisten, die ebenfalls das Leiden Christi in Frage stellen, ist der Widerspruch aber nicht in erster Linie dadurch motiviert, dass sich nichts in »den alten Urkunden findet«, sondern, eher grundsätzlich, weil es nicht denkbar ist, dass Gott leidet. 1120 Siehe dazu schon oben 9.4.5.2. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 333 2. »Wie stellt ihr euch das vor? Antwort: IgnSm 2ff legt als Auffassung der Doketisten nahe, er sei körperlos und in der Art eines Dämons zu verstehen. 1121 Sie haben dann wahrscheinlich auch gesagt, dass Christus kein Fleischträger ist - (IgnSm 5,2: μὴ ὁμολογῶν αὐτὸν σαρκοφόρον), vielleicht auf Nachfrage: »Bekennt ihr etwa nicht, dass ...«. Die Polemik, sie seien dementsprechend »Leichenträger« (IgnSm 5,2), spielt nicht nur mit dem Bildmaterial des »Gottesträgers« (IgnSm inscr.), der »Heiligkeitsträger« (ebd.) sondern auch der σῶμα-σῆμα- Auffassung. 1122 9.5.3.3 Körperlos - oder feinstofflicher Körper? 1123 Was bedeutet »körperlos«? Einerseits ist in der Antike die Vorstellung verbreitet, dass jedes, auch ein geistiges Wesen, einen Körper zumindest in feinstofflicher Art haben müsse. 1124 Origenes dagegen schreibt in seinem Johanneskommentar: »Jeder Geist (...) hat einen Körper (πᾶν πνεῦμα (...) σῶμα τυγχάνον)«; 1125 im Vorwort zu de Principiis schreibt er (Kap 9): 1126 »Hier heißt es ›körperloses Gespenst‹ in dem Sinn, dass die Gestalt oder der Umriss eines gespenstischen Wesens nicht unserm festeren und sichtbaren Körper ähnlich ist.« Es gehe bei dieser Bezeichnung um einen »Körper, wie die Gespenster, von Natur fein und dünn wie die Luft, der deswegen von dem Volke für unkörperlich gehalten und so genannt werde. (...) Im gemeinen Leben nennt der Unerfahrene freilich alles, was nicht von der Art ist, körperlos; wie man die uns umgebende Luft unkörperlich nennen will, weil sie kein solcher Körper ist, der angetastet und festgehalten werden kann und dem Druck widersteht.« Andererseits hält derselbe Origenes an anderen Stellen aus prinzipiellen Erwägungen an der Körperlosigkeit Gottes und der Engel fest, 1127 vor allem, wenn er sich gegen die Vorstellung der Stoiker abgrenzen möchte, die Gott als alles verbin- 1121 L ONA , Sprachgebrauch, 389, Anm. 17: σωματικός wird in der altchristlichen Literatur nur hier verwendet. 1122 Siehe oben 9.5.3.1, S. 329f. 1123 Siehe auch unten S. 370. 1124 Pseudo-Makarius (4. Jh.): »Jedes Wesen nämlich ist nach der ihm eigenen Natur ein Körper: der Engel, die [menschliche] Seele, der Dämon. Denn wenn sie auch fein sind, so sind sie doch in ihrer Substanz, Eigenart und Form entsprechend der Feinheit ihrer Natur feine Körper.« (Ps.-Makarius hom. 4,9; BKV 1,10, 1913). 1125 Or. in Ioann. 13,21 (zu Joh 4,24). 1126 Or.princ., Vorrede, Kap 9 (ÜS: S CHNITZLER , Origenes). - Zur Stelle vgl. V OGT , Ignatiusbriefe, 3f. 1127 Origenes schreibt öfter, Seelen seien körperlos. »Nach der Ansicht der Stoiker, sage ich, wäre auch das Wort Gottes, das bis zu den Menschen (...) herabsteigt, nichts anderes als ein körperlicher Geist, nach der Lehre von uns Christen aber, die wir nachzuweisen versuchen, dass die vernünftige Seele besser ist, als alle körperlichen Dinge, und dass sie ein unsichtbares und unkörperliches Wesen ist, kann Gott, das Wort, durch das alles geworden ist, kein Körper sein, jenes Wort, welches nicht allein bis zu den Menschen, sondern sogar bis zu den am geringsten geschätzten und nur von der Natur regierten Wesen hindurchdringt, damit alles durch das Wort geschieht. Die Stoiker mögen immerhin lehren, dass alle Dinge durch Feuer zerstört werden; wir aber wissen nichts davon, dass ein unkörperliches Wesen durch Feuer zerstört, oder dass die Seele des Menschen oder die Substanz der Engel oder ›Der Throne oder der Hoheiten oder der Herrschaften oder der Gewalten‹ in Feuer aufgelöst werden können« Or. Cels. 6,71 (BKV, S CHNITZLER ). 334 D. 9 Die Ignatiusbriefe denden und alles durchdringenden Urstoff des Kosmos ansehen. 1128 Wo es also auf der einen Seite um die Abweisung der stoischen Lehre der Alles-Durchdringung durch göttliche Substanz geht, wird die Körperlosigkeit Gottes hervorgehoben. Wo es aber andererseits darum geht, sich einen »Geist« oder eine »Seele«, einen »Geist« vorzustellen, da wird doch aus Gründen der Gestalt-Vorstellung nicht auf einen »feinstofflichen« Körper verzichtet. Allein Gott und der Heilige Geist bleiben in de Principiis letztlich von der Stoff-Vorstellung ausgespart. Stofflich vorgestellt wird also die Zwischenebene der Seelen, Geister und Engel. Ausdrücklich, und das ist für unseren Zusammenhang wichtig, ist Origenes wie viele andere altkirchliche Schriftsteller davon überzeugt, 1129 dass selbstverständlich mit »körperlos« nicht die vollständige Abwesenheit eines Körpers, sondern nur das Fehlen eines handgreiflich betastbaren Körpers gemeint ist, wenn in Lk 24 oder in IgnSm 2f davon gesprochen wird, eine himmlische Gestalt sei »körperlos«. Damit ist die dogmengeschichtliche Vorstellung, Doketismus beziehe sich auf einen »reinen« Schein, d.h. auf eine bloße Projektion, einen Schatten ohne jede Substanz, jedenfalls für Ignatius und seine Gegner zu bezweifeln. 9.5.3.4 Schriftbeweise für den Leib Jesu? Im folgenden Satz besteht Ignatius darauf, dass Jesus sogar nach seiner Auferstehung noch im Fleisch ist (ἐγὼ γὰρ καὶ μετὰ τὴν ἀνάστασιν ἐν σαρκὶ αὐτὸν οἶδα καὶ πιστεύω ὄντα), womit die Diskussion über die Leiblichkeit Christi auf die Spitze getrieben wird (IgnSm 3,1). Es folgt als »Beweis« ein Bericht über die Begegnung des Auferstandenen mit Petrus, die sehr an Lk 24, 37f bzw. eine Mischung verschiedener Auferstehungsberichte erinnert, ohne mit dieser oder einer anderen bekannten Stelle identisch zu sein: IgnSm 3,2 »Und dann kam er zu denen, die bei Petrus waren, und sagte: ›Fasst mich an, betastet mich und seht: Ich bin kein körperloser Dämon (Λάβετε, ψηλαφήσατέ με καὶ ἴδετε ὅτι οὐκ εἰμι δαιμόνιον ἀσώματον).‹ Und sogleich berührten sie ihn und glaubten, da sie sich so mit seinem Fleisch und Geist verbunden hatten (ἐπίστευσαν, κραθέντες τῇ σαρκὶ αὐτοῦ καὶ τῷ αἵματι). Deswegen verachteten sie auch den Tod, da sie über den Tod hinausgelangt waren. (3,3) Aber nach der Auferstehung aß er mit ihnen und trank mit ihnen als Mensch aus Fleisch (und Blut), obwohl er geistlich mit dem Vater vereint war.« Auswertung: 1. Den Gegnern wird geschehen, wie sie es sich vorstellen: Körperlosigkeit, Dämonenexistenz (IgnSm 2). Das ist zwar kein direktes, einwandfrei erkennbares Zitat, wird die gegnerische Auffassung aber doch wiedergeben. Diese würden sich dementsprechend vorstellen, dass Jesus deswegen leidensfrei gewesen sei, weil er wie ein Dämon keinen echten Körper (σῶμα) gehabt hätte. 1128 Zusammenfassend beschreibt der Stoiker und Kaiser Mark Aurel diese Vorstellung in seinen Selbstbetrachtungen 7,9: »Alles ist wie durch ein heiliges Band miteinander verflochten. (...) Aus allem zusammengesetzt ist eine Welt vorhanden, ein Gott, alles durchdringend, ein Körperstoff, ein Gesetz, eine Vernunft, allen vernünftigen Wesen gemein, und eine Wahrheit, so wie es auch eine Vollkommenheit für all diese verwandten, derselben Vernunft teilhaftigen Wesen gibt« (M ARK A UREL , Selbstbetrachtungen). 1129 Angaben dazu bei S TIEFENHOFER , BKV 1,10, dort Anm. 1 zu Hom 4,9. 9.5 »Fleisch« bei Ignatius 335 2. Diese Auffassung könnte einer Tradition entstammen, wie Ignatius sie selber anführt, allerdings aus Traditionen oder Schriftstellen, die mehr die veränderte Leiblichkeit Jesu in der Auferstehung oder bei epiphanen Ereignissen, etwa bei der Verklärung, betonten (siehe unten S. 392ff). 3. Außerdem dürfte die sowohl jüdisch als auch pagan-hellenistisch belegte Auffassung von der »Körperlosigkeit« (jedenfalls in einem handgreiflichen Sinn, s.o.) von Dämonen, Geistern und Engeln eine wesentliche Rolle spielen (s.u. S. 370f). 4. Da Ignatius dieses Argument aber nur gegenüber der Gemeinde in Smyrna bringt und nicht in den grundsätzlicher angelegten Briefen an Polykarp, die Epheser oder sonst irgendwo wiederholt, ist es wahrscheinlich, dass er hier direkt einen Debattenbeitrag aus Smyrna kontert. Schließlich spricht er es ja direkt an: Sie stellen es sich so vor (IgnSm 2: φρονοῦσιν). Was stellen sie sich so vor? Sicher nicht ihre eigene Existenz, wie es Ignatius umdreht. Es geht ja um Christus. Also geht es auch bei dieser Vorstellung um ihn: Er ist »körperlos« und in der Art von Dämonen, Geistern, Mittelwesen zwischen Gott und Mensch, vorzustellen. 5. Ignatius argumentiert, dass der Auferstandene mit den Menschen gegessen habe. Ob dies als Argument von ihm stammt, oder ob er auf die gegenteilige Behauptung der Doketisten reagiert, lässt sich nicht beweisen. Sicher ist, dass das Thema in der Luft lag. Lk 24 und Joh 21 stehen für weit verbreitete Traditionen, die so oder so diskutiert werden konnten. 1130 Die Frage, woher die Stelle mit dem »körperlosen Dämon« stammt, beschäftigte schon in der Antike die Kommentatoren. Während Hieronymus in seiner Schrift de Viris Illustribus 16 vermutet, Ignatius zitiere hier ein hebräisches Evangelium, das er, Hieronymus, kurz vor Abfassung seiner hier zitierten Schrift übersetzt habe, kommen V IELHAUER und S TRECKER in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass Hieronymus, der bei Abfassung der genannten Schrift weder die Ignatiusbriefe noch das von ihm erwähnte hebräische Evangelium 1131 vor sich gehabt habe, zu einer »falschen Identifizierung« gelangt sei. 1132 Ob der auch bei Origenes zitierte Ausspruch, dem dortigen Zusammenhang folgend, ursprünglich einer »Lehre des Petrus« entstammte, wird immerhin weiter diskutiert. 1133 1130 Celsus (Ende 2. Jh.) wendet ein (Or.Cels. 1,69): Celsus’ Jude an Jesus gerichtet: »Ein solcher Leib wie der deinige dürfte wohl kaum der Leib eines Gottes sein« (hier steht die Geburt und die Frage nach dem leiblichen Vater Jesu im Hintergrund; Celsus geht von Legionär Panthera als leiblichem Vater Jesu aus). Or.Cels. 1, 70: »Der Leib eines Gottes nimmt auch nicht solche Nahrung zu sich.« 1131 Unklar ist, was das »hebräische Evangelium« ist. Hieronymus hat vermutlich das fragliche hebräische Evangelium mit dem Lukasevangelium verwechselt, was erklärbar wäre, wenn es sich etwa um das Matthäus-Evangelium gehandelt hätte, von dessen hebräischem Ursprung Hieronymus überzeugt war. Die Verwechslung bzw. Kombination von Lukas und Matthäus (Mt 14,26 mit Lk 24,37f) wäre immerhin erklärbar bei einem Zitat »aus dem Kopf«; zudem zitiert er »aus dem Kopf« auch Ignatius falsch, indem er vom Polykarpbrief des Ignatius spricht, aber den Smyrnäerbrief meint. 1132 Die relativ komplexen Zusammenhänge erläutern V IELHAUER und S TRECKER in NTApo I, 121-123. Damit ist der immer noch - und ohne Bezug auf die von ihnen vorgetragenen Argumente geführten Diskussion in englischsprachigen Veröffentlichungen über eine Abhängigkeit des Ignatius von einem Hebräerevangelium weitgehend der Boden entzogen. Zuletzt für eine Abhängigkeit des Ignatius vom Hebräer-Evangelium votierte B EATRICE , Gospel. Eine Widerlegung dieses Standpunktes bietet M ITSCHELL , Bodiless demons. M ITSCHELL geht statt von einer Abhängigkeit von einem Hebräer- Evangelium eher von mündlicher Tradition aus, wie vor ihm auch schon B ROWN , Gospel und K OESTER , Gospels, vertreten haben. Einen aktuellen, ausführlichen Überblick über die Mündlichkeitsforschung bietet insgesamt M OURNET , Oral Tradition. 1133 NTApo I, 122. - Vgl. B/ N: Kerygma Petri; dort im Anhang als Fragment 11. 336 D. 9 Die Ignatiusbriefe Insgesamt wird man eher davon ausgehen, dass Ignatius sich hier entweder auf Lk 24,37f bezieht bzw. aus mit dem Lukasevangelium gemeinsamer mündlicher Tradition »schöpft«. 1134 Das Thema der Leiblichkeit Jesu führt Ignatius in IgnSm 5,2 fort, wenn er das Lob eines Gegners abwehrt, der ja gleichzeitig den Herrn lästert, indem er »nicht bekennt, dass er (Christus) ein Fleischträger ist« (μὴ ὁμολογῶν αὐτὸν σαρκοφόρον). Damit ist deutlich, dass in der Auseinandersetzung in Smyrna genau diese Frage gestellt und von den Gegnern bzw. ihrem exponiertesten Vertreter verneint wurde. 9.5.4 Fazit Fleisch und Leib 1. Der Begriff »Leib« ist der von den Doketisten verwandte, der Begriff »Fleisch« der von Ignatius verwendete. Diese Zuordnung kann mit gewisser Vorsicht schon hindeuten auf die unterschiedlichen Vorstellungszusammenhänge: 2. »Fleisch« ist bei Ignatius zwar nicht mehr wie im neutestamentlichen Schrifttum nur Bezeichnung für die Conditio Humana mit der Konnotation der Korrumpiertheit durch Sünde. »Fleisch« bezeichnet häufig auch den Leib des Menschen in seiner Schwäche und Sterblichkeit. Dennoch ist »Fleisch« für Ignatius der Wohnort des göttlichen Geistes in dieser Welt und insofern notwendiger und keinesfalls zu ignorierender Bestandteil des menschlichen Wesens und der göttlichen Offenbarung am und für den Menschen. Trotz des Mangels und der Begrenztheit von »Fleisch« ist diese zugleich notwendige Durchgangsstation, notwendiger Ort göttlicher Offenbarung und schließlich die menschliche Sphäre, in der Glaube und Evangelium möglich sind. 3. »Leib« dagegen partizipiert grundsätzlich am Leib-Seele-Dualismus der griechischphilosophischen Theologie, die zudem, wenn sie »negative Theologie« ist, alles Menschliche für das Göttliche explizit ausschließt. Der Mittelplatonismus überbrückte diese harte Trennung durch ein ausführliches Bedenken von Mittel-Instanzen wie z.B. Dämonen oder Engel. Im hellenistisch-jüdischen Bereich gab es parallel dazu entsprechende Spekulationen; man kann, wenn man will, einen guten Teil der apokalyptischen Literatur der Zeit auf genau diese Problematik zurückführen. Nämlich: Wie kann der transzendente, gute, ewige Gott Kontakt halten und Anteil nehmen am Geschick der kontingenten, sündigen, dem Tod und der Endlichkeit unterworfenen Welt und ihrer Geschöpfe? Die Antwort lautet: durch Engel, d.h. durch personalisierte Mächte und Gewalten. Durch derartige Kräfte kann der Höchste Botschaften senden, Menschen den Weg weisen, für Schutz sorgen, Nachrichten der Beter empfangen und durch die Boten wiederum reagieren. 4. Das Thema »Leid« kommt gleichzeitig mit dem Thema »Leib« ins Spiel. 5. Die mit den Judaisten und den Doketisten diskutierten Themen gleichen sich. Nur orientieren die einen sich an der Frage, ob etwas aus der Schrift an sich zeigbar ist z.B. das Leiden, das eigentlich gegen Jesus als Messias spricht. Die anderen orientieren sich sicher auch an der Schrift, fragen aber nicht so sehr, ob Jesus der Messias ist, sondern wie man es verstehen soll, dass er, der doch Gott ist, gelitten hat. Ihr Ergeb- 1134 Zur mündlichen Tradition: oben S. 537. - Im Grunde muss es sich, wenn schriftliche Evangelien im Hintergrund stehen, um eine Kombination anderer Stellen mit Lk 24,37ff handeln, wo ja nicht von einem δαιμόνιον, sondern von einem πνεῦμα die Rede ist, dass weder (39) Fleisch noch Knochen habe (σάρκα καὶ ὀστέα οὐκ ἔχει). Interessanterweise begegnet in Lk 24,37 zudem das Verb, das auf von äußerem Schein irregeleitete Vermutung hinweist (δοκεῖν): »Sie meinten, einen Geist zu sehen« (ἐδόκουν πνεῦμα θεωρεῖν). Ähnliche Äußerungen fallen anlässlich Jesu Seewandels: »Es ist ein Gespenst! « (φάντασμά ἐστιν) in Mt 14,26 und Mk 6,49. Diese beiden Stellen könnten mit Lk 24 kombiniert sein. Allerdings ist dort auch nicht von δαιμόνιον, sondern von φάντασμά die Rede. Ähnlich, aber anders in der Wortwahl, vermuten die Gemeindeglieder in Apg 12,15, nicht der gefangene Petrus, sondern sein Engel stünde vor der Tür (ὁ ἄγγελός ἐστιν αὐτοῦ). 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 337 nis ist ein mittelplatonisch und jüdisch-apokalyptisch motivierbarer Ansatz, nämlich Jesus auf der Ebene von Engeln und Dämonen eben so zu charakterisieren. Im Grunde ist man da schon in einer Fragestellung, die die Christologie und die Trinitätstheologie bestimmen wird: nämlich wie das Verhältnis von Sohn zu Vater (und Geist) ist. 1135 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 Das bisher Beobachtete soll nun in einem Kurzdurchgang durch IgnSm 1-7 »gesichert« werden. Noch einmal ist festzuhalten: Hier ist die einzige Stelle in den Ignatianen, wo Ignatius eine Gemeinde mit doketistischen Gegnern anspricht, die er selbst erlebt hat und mit denen er in Diskussion stand. Sein Brief gibt den direkten Nachhall dieser Diskussion wieder; da andere Beteiligte oder Beobachter der Diskussion zwischen Ignatius und seinen Gegnern ihn lesen sollen, muss er so verfasst sein, dass die Diskussion nicht vollständig verzerrt erscheint. Festzuhalten ist, dass der Zentralsatz der Gegner sich auf das nur scheinbare Leiden Christi bezog und dass damit die Vorstellung verbunden war, dass der Leib Christi »anders«, gar »körperlos« bzw. »dämonisch« vorzustellen sei, wobei nicht letztgültig zu klären sein wird, welchen Anteil an diesen Formulierungen Ignatius schon in der Debatte in Smyrna selbst hatte. Jedenfalls aber werden die Gegner die Argumentation mit diesen Kategorien nicht gänzlich abgelehnt haben. Wenn das stimmt, dann trifft auch die Betonung der »Heilstatsachen« entweder einen wunden Punkt der Gegner oder durchaus wahrscheinlich deren tatsächlich so vertretene Haltung. So bettet Ignatius bewusst die Passion »in den Zusammenhang des gesamten Christusgeschehens« ein. 1136 9.6.1 Inscriptio und IgnSm 1 inscr. »Ignatius, der auch Gottesträger genannt wird (ὁ καὶ Θεοφόρος), an die Gemeinde Gottes, des Vaters und des von ihm geliebten Jesus Christus, eine Gemeinde mit jeglicher Gnadengabe, erfüllt von Glaube und Liebe, ohne Mangel an irgendeiner Gnadengabe, eine Gemeinde, die Gott wohlgefällig ist und eine Trägerin des Heiligen (ἁγιοφόρῳ), an die Gemeinde, die in Smyrna (Asien) ist. In ungeteiltem Geist und Wort Gottes grüße ich euch! « IgnSm 1 »Ich rühme Jesus Christus, den Gott, der euch so weise gemacht hat: Denn ich weiß, dass ihr in unverrückbarem Glauben fest zusammenhaltet, als ob ihr angenagelt wäret an das Kreuz des Herrn Jesus Christus sowohl im Fleisch als auch im Geist (καθηλωμένους ἐν τῷ σταυρῷ ... σαρκί τε καὶ πνεύματι); und fest seid in der Liebe, nämlich im Blut Christi (ἐν ἀγάπῃ ἐν τῷ αἵματι Χριστοῦ), indem ihr ganz auf unsern Herrn vertraut, der wahrhaftig aus der Familie Davids stammte nach dem Fleisch (ἀληθῶς ὄντα ἐκ γένους Δαυεὶδ κατὰ σάρκα), Sohn Gottes aber nach dem Willen und der Kraft ist, geboren wahrhaftig aus einer Jungfrau, getauft von Johannes, damit erfüllt werde 1135 Dies hat mit einem Kategorienwechsel in den Grundvorstellungen von Gott und Mensch zu tun. Siehe unten S. 465. 1136 B OMMES , Weizen, 110. Vgl. den unter diesem Blickwinkel gestalteten Abriss von IgnSm 1-7 bei B OMMES , 110ff. 338 D. 9 Die Ignatiusbriefe jegliche Gerechtigkeit von ihm, (2) wahrhaftig (ἀληθῶς) unter Pontius Pilatus und Herodes dem Tetrarchen für uns im Fleisch angenagelt wurde (καθηλωμένον ὑπὲρ ἡμῶν ἐν σαρκί), dessen Frucht uns seine gottseligen Leiden sind, damit er ein Zeichen setze für alle Zeiten durch die Auferstehung für die, die heilig sind und an ihn glauben, ob unter Juden oder Heiden, in dem einen Leib seiner Kirche«. Schon die Anschrift nennt das Thema des »Tragens« doppelt: »Trägerin des Heiligen« und »Gottesträger«. Mit »Glaube und Liebe« wird ein Thema genannt, das für Ignatius die Sphäre des Christlichen umschreibt. IgnSm 1,1 nimmt das auf, wenn die Verbindung zu Christus in Fleisch und Geist der Liebe, die das Blut Christi ist, gegenübergesetzt wird. Indem IgnSm 1,1 die Christen von Smyrna »ans Kreuz angenagelt« sein lässt, verhaftet er sie bei der Überzeugung des Ignatius, dass es sich auch bei Jesus um wahrhaftige menschliche Abstammung, wahrhaftige Geburt von einer Jungfrau, wahrhaftiges Leiden unter Pontius Pilatus und Herodes handelt. Parallel, nicht so betont, wird auch auf die himmlische Herkunft Christi verwiesen (Sohn Gottes und Auferstehung); diese sind vermutlich ein Ausgangspunkt der gegnerischen Überlegungen. 9.6.2 IgnSm 2 IgnSm 2: »Denn dieses alles hat er für uns erlitten (πάντα ἔπαθεν δι᾿ ἡμᾶς), damit wir gerettet würden. Und er hat wirklich gelitten (ἀληθῶς ἔπαθεν), wie er auch wirklich selbst auferstanden ist, nicht wie gewisse Leute, die nicht glauben, sagen, er habe zum Schein gelitten (λέγουσιν τὸ δοκεῖν αὐτὸν πεπονθέναι): Sie selbst existieren zum Schein (αὐτοὶ τὸ δοκεῖν ὄντες). Und genau so, wie sie sich das denken, wird es über sie kommen, wenn sie körperlose und dämonische Geister sein werden (οὖσιν ἀσωμάτοις καὶ δαιμονικοῖς)«. IgnSm 2 gibt als eigentliches Thema für das Tragen des Heiligen, die wahrhaftige menschliche Abstammung usw. aus der Inscriptio und Kap 1 das Leiden Christi an. All das ist aber nicht »an sich« interessant, sondern von seinem Ziel her: »für uns«, »damit wir gerettet würden«. Diese soteriologische Absicht würde zunichtegemacht, wenn hier etwas nur scheinbar gewesen wäre. Die polemische Antwort auf die These, Christus habe zum Schein gelitten, lautet, dass die Gegner selbst nur »scheinbar« existierten. Scheinbare Existenz ist aber gemeinantik vor allem für Geisterwesen, Dämonen und Engel bekannt. Da über die Gegner gesagt wird, ihnen selbst werde nach ihrer eigenen Vorstellung geschehen (καθὼς φρονοῦσιν), kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass die folgende Aussage »körperlos« und wahrscheinlich auch »dämonisch, nach der Art von geisterhaften Zwischenwesen« auf die Gegner zurückzuführen ist oder jedenfalls von ihnen in der Diskussion mit Ignatius bejaht wurde. 9.6.3 IgnSm 3 IgnSm 3, »Ich aber weiß und glaube, dass er nach der Auferstehung im Fleisch war: (2) Und dann kam er zu denen, die bei Petrus waren, und sagte: ›Fasst mich an, betastet mich und seht: Ich bin kein körperloser Dämon (οὐκ εἰμι δαιμόνιον ἀσώματον).‹ Und sogleich berührten sie ihn und glaubten, da sie sich so mit seinem Fleisch und 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 339 Geist verbunden hatten. Deswegen verachteten sie auch den Tod, da sie über den Tod hinausgelangt waren. (3) Aber nach der Auferstehung aß er mit ihnen und trank mit ihnen als Mensch aus Fleisch (und Blut), obwohl er geistlich mit dem Vater vereint war. Hier setzt die inhaltliche Replik ein, indem Ignatius auf den ihm und anderen bekannten Auftritt des Auferstandenen vor einer Gruppe um Petrus verweist. Ob damit nun direkt Lk 24 angesprochen ist und die Unterschiede im Text darauf zurückzuführen sind, dass Ignatius aus dem Kopf zitiert, oder ob sein mündliches Evangeliums-Konzept dahinter steht, ist für unsere Fragestellung am Ende nicht entscheidend. Die Berührung der Auferstehungszeugen wird als »Vermischung« oder »Verbindung« mit Christus angesehen, und zwar in einer Weise, dass die so mit ihm Verbundenen »über den Tod hinaus« schauen können. 1137 Dies ist handgreiflich die »Sphäre«, die anderswo mit »Glaube und Liebe« und mit »Fleisch und Blut« angesprochen ist, z.B. in IgnSm 1. Ein wesentlicher Punkt in der Antwort des Ignatius ist das Essen und Trinken nach der Auferstehung, weil selbst für diesen Zeitpunkt Christus trotz veränderter Leiblichkeit sich eben doch als Mensch aus Fleisch und Blut erweist. Das Essen und Trinken des Auferstandenen ist aber auch sonst geradezu ein Topos, wenn es darum geht, entweder menschliche Wirklichkeit vorzuspiegeln (z.B. von Engeln s.u. S. 384ff) oder zu beweisen. 9.6.4 IgnSm 4 IgnSm 4 »Das alles lege ich euch ans Herz, meine Lieben, obgleich ich weiß, dass auch ihr es so haltet. Ich warne euch aber vor den Tieren in Menschengestalt, die ihr nicht nur nicht anerkennen dürft, sondern wenn möglich nicht einmal treffen; allein aber: Betet für sie, ob sie vielleicht umkehren, was aber schwer ist. Diese Macht aber hat Jesus Christus, unser wahres Leben. (2) Wenn nämlich dieses zum Schein von unserem Herrn getan worden wäre, dann bin auch ich zum Schein gebunden (εἰ γὰρ τὸ δοκεῖν ταῦτα ἐπράχθη ὑπὸ τοῦ Κυρίου ἡμῶν, κἀγὼ τὸ δοκεῖν δέδεμαι). Warum aber habe ich mich selbst dem Tod ausgeliefert: dem Feuer, den Schwertern, den Tieren? - Aber: Nahe den Schwertern ist nahe bei Gott! Mitten unter den Tieren ist mitten in Gott! Alles allein im Namen Jesus Christi, um mit ihm zu leiden. Alles ertrage ich, weil der vollkommene Mensch mich stark macht.« Nach der inhaltlichen Replik geht es um konkrete Handlungsanweisungen zum Umgang mit den Gegnern (IgnSm4,1). Sie sind nicht einfach nur Durchreisende, wie Z AHN es annahm, sondern höchst präsent. Ihre Namen nicht zu nennen, ist der Versuch quasi einer Exkommunikation, die aber Ignatius gar nicht zukommt und die die Smyrnäer wahrscheinlich bisher nicht übernommen haben (vgl. IgnSm 6f). Das Gebet um Umkehr der Gegner bekommt so erst seinen Sinn. Ein weiteres Argument bezieht Ignatius aus seinem eigenen Leiden, das allgemein, auch von den Gegnern, in seiner Zeichenhaftigkeit anerkannt wird (vgl. 1137 B OMMES , Weizen, 79: »Die Berührung und Verbindung mit dem Herrn, der wahrhaft gelitten hat und im Fleisch auferstanden ist, führt zu einer inneren Einstellung gegenüber Leiden und Tod, die der natürlich-menschlichen genau entgegengesetzt ist: Leiden und Tod werden nicht mehr in Angst und Furcht ertragen und durchgestanden, sondern als Teilhabe am Leiden des Herrn in einer letzten Weise als sinnvoll erfahren.« 340 D. 9 Die Ignatiusbriefe IgnSm5,2). Das Konzept des Ignatius, dass Nachfolge Nachahmen und Abbilden bedeutet, heißt übersetzt hier: Wenn Christus leidet, dann ist Leiden ein Weg der Nachfolge. Wenn Christus nicht gelitten hat, dann ist der auch von den Gegnern anerkannte - Martyriumsweg sinnlos. Weil aber der Martyriumsweg des Ignatius offensichtlich allgemein nicht als sinnlos, sondern als zeichenhaft anerkannt wird, gewinnt Ignatius hier ein »handgreifliches« Argument gegen seine Gegner. Vermutlich gibt er noch einen weiteren Hinweis auf die Haltung seiner Gegner, wenn er »nahe bei Gott« und »mitten in Gott« als Ziel seines Weges angibt. Wenn seine Gegner ihm in der Zustimmung zum Martyrium und in dem Ziel »mitten in Gott« zu sein, beipflichten (vgl. IgnRöm 3,2f), dann hätte Ignatius hier eine Verknüpfung erreicht, die die Gegner ad absurdum führt: »Ignatius nimmt das Martyrium auf sich, um mit dem Leiden des Herrn zu leiden.« 1138 Und mit »der Realität und dem Wert des Leidens Christi steht und fällt auch das Leiden des Ignatius.« 1139 So zeigt Ignatius, wie er es sich vorstellt, »zu Gott zu gelangen«, »mitten in Gott« bzw. »nahe bei Gott« zu sein. Eine mögliche weitere Anspielung auf die Gegner könnte der Begriff »vollkommener Mensch« sein, der sich hier auf Christus bezieht. 1140 Die Vorstellung des »vollkommenen Menschen«, die man im frühen Christentum, 1141 bei Philo 1142 und anderswo beobachten kann, steht für das himmlische Urbild des Menschen oder für Adam vor dem Fall. Dieser himmlische Urmensch wird häufig im Sinne eines Engel-Wesens gedeutet, jedenfalls nicht als normal-irdisch angesehen. Ignatius würde hier einen weiteren Begriff seiner Gegner in den Dienst nehmen. 9.6.5 IgnSm 5 IgnSm 5,1 »Den (aber) ignorieren gewisse Leute, indem sie ihn verleugnen. Eigentlich aber werden sie von ihm verleugnet, denn sie sind Anwälte des Todes eher als der Wahrheit. Weder die Propheten haben sie überzeugt noch das Gesetz des Mose, sondern bis jetzt überzeugen sie weder das Evangelium noch die Leiden eines jeden von uns. (2) Denn auch über uns denken sie dasselbe (wie über Jesus). Was aber nutzt es mir, wenn mich jemand lobt, aber meinen Herrn lästert, indem er nicht bekennt, dass 1138 S CHLIER , Untersuchungen, 159. 1139 B OMMES , Weizen, 87. Ebd., 100: Sein »eigenes Sterben ist ein Hineinsterben in den Tod Christi«. 1140 Vgl. IgnEph 20,1, wo Christus als der »neue Mensch« bezeichnet wird. »Neu« ist Christus in IgnSm 20 genauso wie der neue Stern in IgnSm 19, der metaphorisch ihn selbst darstellt. Das Auftreten des neuen Sterns ist absolut vergleichbar mit dem, was den »vollkommenen Menschen« ausmacht: Macht über die Bosheit und die Sterblichkeit. 1141 Melito, Frgm. VI 226, 11 über Christus: θεὸς γὰρ ὤν ὁμοῦ τε καὶ ἄνθρωπος τέλειος (»Er war nämlich sowohl Gott als auch zugleich vollkommener Mensch« (zitiert nach B AUER / P AULSEN , Briefe, 94); EvMar 9,6: »Wir sollten uns schämen und den vollkommenen Menschen (τὸν τ[έλειο]ν ἄνθρωπον) wie ein Gewand anziehen« (B/ N); vgl. Eph 4,24: »Zieht den neuen Menschen an« (τὸν καινὸν ἄνθρωπον) gemeint ist hier das neue »Sein in Christus«, in der Metaphorik ist das Bild aber auch möglich, dass Christus angezogen wird. Deutlicher vom neuen Menschen als von Christus spricht das Martyrium des Andreas (5,3: ἀναγκαῖον ἦν ἐξ ἀμώμου παρθένου κυηθεὶς ὁ τέλειος ἄνθρωπος, ἐν ᾧ ὁ τοῦ θεοῦ υἱὸς ὁ πρώην ποιήσας τὸν ἄνθρωπον, ζωὴν τὴν αἰώνιον, ἣν ἀπώλεσαν διὰ τοῦ Ἀδὰμ οἱ ἄνθρωποι, ἑτοιμάσῃ: »Es war nötig, dass aus einer untadeligen Jungfrau der vollkommene Mensch geboren wurde, in dem der Sohn Gottes (...) das ewige Leben bereithielt«). Vgl. auch unten S. 439f. 1142 virt. 177; conf. 146; evtl. auch migr. 220. 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 341 er ein ›Fleischträger‹ (σαρκοφόρον) war. Der aber dies nicht sagt und ihn so völlig verleugnet, der ist ein Leichenträger (νεκροφόρος). (3) Aber die Namen von diesen Leuten, die nicht glauben, schienen mir nicht wert, sie aufzuschreiben. Sondern ganz gewiss werde ich mich an sie nicht erinnern, solange sie nicht umkehren zu dem Leid, das unsere Auferstehung ist.« Wenn Ignatius in 5,1 die Gegner als »Anwälte des Todes« nennt, die eben keinesfalls »Anwälte der Wahrheit« seien, dann dürfte Letzteres dem Selbstverständnis der Gegner entsprechen. Vielleicht ist hier ihr Protest gegen den von Ignatius ausgeübten Druck zu hören. Sie lassen sich nicht mit aus ihrer Sicht schlechten Argumenten unter Druck setzen, sie sind Anwälte der Wahrheit. Eine ähnliche Szenerie kann man sich für Philadelphia und die dortige Schrift- Debatte mit Ignatius denken. Auch hier werden jetzt die Schriften angeführt, die Evangeliumsverkündigung des Ignatius und sein Leiden. 5,2 dürfte im ersten Satz eine falsche Unterstellung sein. Gewiss denken die Gegner nicht, Ignatius sei kein »Fleischträger«. Ignatius zieht hier sein Argument von 4,2 noch einmal aus, dass nämlich eine Verbindung zwischen dem nachahmenden Schicksal des Märtyrers und dem Ur- und Vorbild Christus existiert. Wer so über Christus denkt, denkt dann wohl auch so über Ignatius? Das ist natürlich absurd. Oder geht es darum, das Leiden des Märtyrers als im eigentlichen Sinne nicht geschehend zu sehen, wie z.B. im MartPol (2,2)später geschrieben wird, die Märtyrer verachteten die Qual und seien sogar während der Tortur gar nicht im Leib, sondern außerhalb desselben? Ob die Gegner wirklich gesagt haben, Jesus sei kein »Fleischträger« gewesen, ist mir unklar, da die mit φόρος zusammengesetzten Worte sich sonst ganz offensichtlich einem Wortspiel des Ignatius mit seinem eigenen Beinamen verdanken. Die Position »kein Fleischträger« entspricht hier jedenfalls dem schon bekannten »körperlos«. In ignatianischer Sprache ist der Körperlose zugleich der Fleischlose, der, der keinen Anteil an der Sphäre des Menschen hat. Der Mensch kann mit seinem Fleisch sonst auch Geist, Heiligkeit, Göttliches, Christus, Gott selbst »tragen«. Umgekehrt muss also Christus auch »das Menschliche« tragen oder anziehen. Wird das geleugnet, wird aus dem (vollkommenen) Menschen Jesus ein bloßer (Toten-)Geist, biblisch gesehen ein Dämon. So werden Menschen, die sich selbst als spirituelle, sogar pneumatisch orientierte Christen verstehen und sich in ignatianischer Sprache als »Träger des Heiligen« bezeichnen könnten, Toten- und Leichenträger. Gerade sie, die der σῶμα-σῆμα-Falle entgehen wollten, 1143 indem sie den menschlichen Leib Christi leugnen, werden in der Sichtweise des Ignatius selber zu lebenden Leichen bzw. umherirrenden Totengeistern. 1143 Siehe S. 329. 342 D. 9 Die Ignatiusbriefe 9.6.6 IgnSm 6 IgnSm 6 »Niemand lasse sich täuschen! Sowohl die himmlischen Mächte als auch die Herrlichkeit der Engel und die Mächte, sichtbare und unsichtbare, wenn sie nicht an das Blut Christi glauben, dann kommt das Gericht über sie (τὰ ἐπουράνια καὶ ἡ δόξα τῶν ἀγγέλων καὶ οἱ ἄρχοντες ὁρατοί τε καὶ ἀόρατοι, ἐὰν μὴ πιστεύσωσιν εἰς τὸ αἷμα Χριστοῦ [τοῦ Θεοῦ], κἀκείνοις κρίσις ἐστίν). Wer es fassen kann, fasse es. Ein besonderer Rang mache niemanden aufgebläht (τόπος μηδένα φυσιούτω); denn in allem geht es um Glauben und Liebe, nichts ist wichtiger. (2) Beobachtet aber diejenigen genau, die fremde Ideen vertreten (ἑτεροδοξοῦντας) über die Gnade Jesu Christi, die zu uns gekommen ist, wie sie dem Denken Gottes entgegengesetzt sind. Um die Liebe kümmern sie sich nicht, auch nicht um die Witwe oder das Waisenkind oder den Bedrängten oder den Gebundene oder um den Hungrigen oder Durstigen.« Dass in Zusammenhang mit der Leib- und Fleischleugnung nun die himmlischen Mächte angeführt werden, verwundert nicht. Denn einerseits gehören sie selbst zu den »körperlosen Existenzen«. Andererseits gibt es eine weitverbreitete Vorstellung des Siegs über die dem Menschen feindlichen Mächte durch den Messias bzw. durch Christus. 1144 Gut möglich ist es, dass die Gegner sich auf die himmlische Welt berufen haben als Mittler zwischen Mensch und Gott. Christus wäre dann »beigemengt« als Bestandteil in einem weiteren, nicht christologisch-enggeführten Himmelsverständnis. Dem würde Ignatius hier begegnen mit dem Hinweis der Überlegenheit Christi über die Engelsmächte. 1145 Der Ausspruch »wer es fassen kann (...)« erinnert an die Zweifel, die Ignatius hat, ob die Christen in Tralles himmlische Offenbarungen fassen können (IgnTr 5,1). Im Übrigen ist es »offensichtlich eine homiletische Formel, die schwierige Aussprüche empfehlen soll.« 1146 »Aufgeblähtsein« und Überheblichkeit gehören zu den Standard-Problemen bei charismatischen Erlebnissen (vgl. 2 Kor 12,7). Auch das lässt sich so deuten, dass die Gegner eben gerade an solchen Erlebnissen Anteil und Interesse hatten. Der anschließende Verweis auf Glaube und Liebe erinnert an die Abfolge von 1 Kor 12 und 13 und bestätigt so das eben Bemerkte. In 6,2 wird über die »fremden« oder »falschen« Vorstellungen der Gegner gesagt, dass sie die Gnade Jesu Christi betreffen, die zu uns gekommen ist. Man fühlt sich an 1 Joh 4,2 erinnert. Auch hier bei Ignatius hat das Kommen ein Ziel (»zu uns«) und einen Zweck (Glaube und Liebe). 9.6.7 IgnSm 7 IgnSm 7 »Dem Lobgebet und dem Dankgebet bleiben sie fern (εὐχαριστίας καὶ προσευχῆς ἀπέχονται), weil sie nicht zustimmen, dass das Lobgebet sich auf das Fleisch unseres Retters Jesus Christus bezieht (τὴν εὐχαριστίαν σάρκα εἶναι), das für unsere Sünden gelitten hat, das durch die Güte des Vaters auferweckt wurde. Diese Menschen also, die gegen das Geschenk Gottes anreden, sterben an ihrem Streit. Es wäre ihnen nützlicher, sie würden Liebe üben, damit auch sie auferstehen. (2) Es wäre pas- 1144 Vgl. Röm 8,38f; Eph 6,11f. Vgl. auch TestSal 8,3. 1145 Schon Hebr 1 thematisiert das Verhältnis Christus - Engel; er ist ihnen bei weitem überlegen. 1146 S CHOEDEL , Briefe, 370 mit Verweis auf Mt 19,12 und Mk 4,9. 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 343 send, sich von diesen Leuten fernzuhalten und weder privat noch öffentlich von ihnen zu sprechen. Gebt lieber acht auf die Propheten, besonders aber auf das Evangelium, in dem uns das Leiden verdeutlicht und die Auferstehung vollendet wird.« Ob nun mit »εὐχαριστίας καὶ προσευχῆς ἀπέχονται« Abendmahl und Gebet gemeint sind, oder wie ich vorsichtiger annehme, 1147 ob es hier noch nicht um Abendmahlstheologie (gar mit Fragen wie der nach »Realpräsenz« usw.) geht, lässt sich letztlich vom Text her nicht entscheiden. Die Eucharistie als »Fleisch Christi« kann genau wie der Glaube und das Evangelium als die Sphäre der Verbundenheit zwischen Christus und den Menschen angesehen werden. Gerade in der einheitlichen, gemeinsamen Gottesdienstfeier ist Christus gegenwärtig, indem er das Ganze prägt. Die Unterstellung, die Gegner blieben deswegen der Feier fern, ist sicher überzogen. Die Gründe für (häufigeres) Fernbleiben können bei einer Einzelperson z.B. auch in Reisen (wie der von mir angenommenen nach Ephesus) liegen. Die Unterstellung trifft hier aber, denn das Fernbleiben wird als ein Beleg für die Verachtung des Fleisches Christi herangezogen. Das muss die Gegner nicht wirklich treffen, wenn sie, wie es nur wahrscheinlich ist, dem Fleisch-Konzept des Ignatius gar nicht folgen. Dann wäre für sie der gemeinsame Gottesdienst mit Lobgebet und Abendmahl auch nicht »Fleisch Christi«. So aber, in der Argumentation des Ignatius, wirkt es wie ein inhaltlich begründeter Selbstausschluss der Gegner aus der Gemeinde, den dann die Gemeinde nur noch zu bestärken und zu bestätigen hätte. In 6,2 wurde gesagt, dass die Gegner über die zu uns gekommene Gnade Gottes sprechen. Nun wird erklärt, die Gegner würden gegen das Geschenk Gottes anreden und hätten dabei Streit im Sinn. Man kann mehrere Argumentationsstufen erkennen: 1. Das Geschenk Gottes: »Leid und Tod Christi«, wodurch die Verbindung der gottesdienstlichen Gemeinde mit dem Gott des Himmels möglich wird. 2. Gegen das Geschenk Gottes anreden: »Er kann doch gar nicht gelitten haben! « 3. Gerade Leiden und Sterben Christi (zusammengenommen: sein Fleisch, seine Art, für die Menschen zu existieren) vereint die Menschen im gemeinsamen Gottesdienst. Diesem Gottesdienst bleiben die Gegner fern. 4. Sie werden sterben an ihrem Streit ist das ein Wunder, wo sie das für uns geschehene Sterben Christi und dessen »Anwendung« für die Gemeinde im Gottesdienst leugnen? 5. Würden sie Liebe üben (so, wie Jesus sein Blut vergossen hat) und praktisch für die anderen da sein, auch in Bedürftigkeit und Leid, so würden auch sie auferstehen. Dabei ist klar, dass es sich hier um die Argumentation des Ignatius handelt. Ob und inwieweit sich die Gegner wirklich lieblos und unchristlich verhalten haben, lässt sich aus seinen Äußerungen schwer einschätzen. Wenn Ignatius in 7,2 dazu auffordert, lieber auf die Propheten zu achten, verweist er auf den zentralen Maßstab, die Schriften des Alten Testaments. Typisch für Ignatius ist es, dass er die Propheten aber nicht alleine nennt, sondern das 1147 Mit B ERGER , B/ N, 808. 344 D. 9 Die Ignatiusbriefe Evangelium (also: die Verkündigung der Heilstatsachen) dazu stellt. In allem geht es um das Leiden Christi und die vollendete Auferstehung. 9.6.8 Antidoketistische Standpunkte des Ignatius in IgnSm Mit dem Durchgang durch IgnSm 1-7 ergeben sich Präzisierungen und Erweiterungen des schon einmal kürzer dargestellten Bildes (s.o. S. 312ff): 9.6.8.1 Informationen aus IgnSm Gehen wir aus von dem, was Ignatius in IgnSm 1-3 ausführt, so gewinnen wir ein Bild davon, was Ignatius, ganz offensichtlich gegen seine Gegner, festhält: 1. Jesus Christus stammt als Mensch aus der Familie Davids, 2. ist wahrhaftig aus einer Jungfrau geboren, 3. wurde von Johannes getauft, 4. wurde für uns angenagelt im Fleisch unter Pontius Pilatus und Herodes. 5. Sein damit verbundenes Leiden war gottselig und ihre Frucht ist das Christentum der Gegenwart. 6. Das Ziel des Leidens liegt in der Auferstehung als Zeichen des Glaubens. 7. Zusammengefasst sind Juden und Heiden in der einen Kirche. 8. Sein Leiden ist unseretwegen und zu unserer Rettung geschehen. 9. Sein Leiden ist wahrhaftig geschehen, wie auch seine Auferweckung. Mindestens sein Leiden ist umstritten. 10. Sogar nach seiner Auferstehung war er im Leib. 11. Diskutiert wird, ob Jesus nach der Auferstehung ein leibloser Dämon war. 12. Dies wird abgewiesen durch die überlieferte Tradition, dass er sich anfassen und betasten ließ und dass er aß und trank. 13. Jesus wird als »vollkommener Mensch« bezeichnet, der Ignatius starkmacht im Leiden. Er kann das, weil er selbst gelitten hat. 14. Das Martyrium ist der Weg des Ignatius, zu Gott zu gelangen. 15. Die Wahrheitsfrage steht im Raum. Wird sie falsch beantwortet, werden Anwälte der Wahrheit zu Anwälten des Todes. 16. Was Wahrheit ist, misst sich an »den Propheten« und »dem Evangelium«. »Unsere Leiden« sind ein weiteres Argument oder ein weiterer Hinweis. 17. Was ich trage, bestimmt mein Sein. Heiligkeitsträger, Christusträger und Gottesträger kann man nur sein, wenn Gott (d.h. Christus) auch »tragbar« ist, »Fleisch« oder »Leib« hat; ansonsten hätte man es mit einem Dämon zu tun, wäre dementsprechend selber »dämonisch-geisterhaft« und Träger eines (Toten-)Geistes, also ein Leichenträger. 18. Christi Leid bedeutet für uns Auferstehung. 19. Bei alledem geht es auch um die Frage, welche himmlische (Engels-)Macht wie reagiert. Aber eigentlich ist die Frage schon falsch gestellt, denn keine Himmelsmacht kann bestehen, wenn sie sich nicht zum Blut, d.h. auch zur Liebe Christi und zu seiner damit verbundenen Menschheit und seinem Leiden bekennt. 20. Die Frage des bloßen Anscheins der Leiden Christi wird in IgnSm 6 verknüpft mit der Warnung, sich nicht zu täuschen. Die Täuschungsmöglichkeiten beziehen sich hier genau so auf die himmlischen Mächte und ihre Bedeutung für die Menschen, wie das scheinbare Leiden sich auf den körperlosen Christus in IgnSm 2f bezieht. 9.6 Durchgang durch IgnSm 1-7 345 21. Ein Abweichen in den Grundfragen des Glaubens hängt zusammen mit der Lieblosigkeit im Miteinander, mit unchristlichem Verhalten. 22. Ebenfalls folgt das Fernbleiben vom Gottesdienst der Leugnung der Menschheit Christi, die im Gottesdienst als gemeinsame »Sphäre« bestimmend ist. Ist die Liste von Einzelfragen zum Geschick Jesu in IgnSm 1-3 (hier 1-12) nun von Ignatius als Antwort auf die Leugnung des Leidens Christi durch die Doketisten zusammengestellt worden, um zu zeigen, dass die Leugnung des Leidens Jesu keinen Anhalt hat an der Tradition? Oder ist einiges von dem, was Ignatius hier aufführt, auch schon von den Gegnern in Smyrna diskutiert worden? Eine eindeutige Entscheidung ist nicht zu treffen, da die Gegner nicht direkt genannt werden. Alles kann auch als Konsequenz ihrer Ablehnung des Leidens Christi ihnen entgegengebracht werden. Andererseits wiederholt Ignatius diese Fragen nicht nur in IgnEph 19 und in IgnTr 9f, sondern auch an anderen Stellen immer wieder. Mit Blick auf die unten zusammengestellten frühjüdischen und frühchristlichen Beiträge zum »Engeldoketismus« (S. 383ff), zu »Isangelie« (S. 369f) und »Polymorphie« (S. 392ff) ist es wahrscheinlich, dass die Gegner des Ignatius selbst in diesem Milieu zu Hause waren und die von Ignatius angeführten Einzelfragen zum Geschick Jesu tatsächlich so beantwortet haben. Das bedeutet: Zwar gibt es keine klare und letzte Sicherheit in dieser Frage. Wenn man aber mit gehöriger Vorsicht die verschiedenen Möglichkeiten eruiert, kann man immerhin das Spektrum, innerhalb dessen sich der Doketismus der Gegner entfaltet, darstellen. Die antidoketistischen Aussagen des Ignatius sind massiv genug, um zu dem Schluss zu kommen, dass Ignatius hier weiterführt oder auch wiedergibt, was es schon in Smyrna an Diskussionen mit den Gegnern gegeben hat. 9.6.8.2 Leiblosigkeit als neue Problemstellung für Ignatius 1148 Dieselbe Beobachtung gilt auch für alle anderen aufgeführten Punkte. Letzte Sicherheit, dass die Gegner die Leiblosigkeit Christi behauptet und dieses mit dem Stichwort »dämonisch« begleitet haben, lässt sich nicht gewinnen; es ist aber wahrscheinlich. Selbst wenn sie nur eine von Ignatius ins Spiel gebrachte und von den Gegnern nicht abgelehnte Position wäre, wäre sie zutreffend. Wahrscheinlicher ist aber, dass das Stichwort der Leiblosigkeit von den Gegnern stammt, da Ignatius sonst am Begriff des Leibes, insbesondere bezogen auf Christus, kein Interesse hat. Es ist nicht sein Denken, was er hier zitiert. Die Leiblosigkeit würde auch gut zu einer negativen Theologie passen, wie Ignatius selbst sie im Polykarpbrief (3,2) vertritt und wie sie auch sonst im hellenistischen Judentum und in der Alten Kirche vorkommt. 1149 Die Leiblosigkeit passt damit letztlich auch gut zur eigenen Wortwahl des Ignatius, der Christus »unser Gott« nennt und damit ungeschützt ist für derartige Übertragungen aus der negativen, philosophischen Theologie. Bis hierher also geht eine wichtige Gemeinschaft mit den 1148 Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund siehe grundsätzlich unten S. 329ff und 370f. 1149 Vgl. oben zum Thema »feinstofflicher Körper« 9.5.3.3, S. 333. 346 D. 9 Die Ignatiusbriefe Gegnern; 1150 aber weiter geht sie eben auch nicht. Die Leiblosigkeit Christi ist sozusagen neu für Ignatius. Seine Antwort mit »gestückelten« Zitaten aus den Evangelien oder vielmehr aus seiner mündlichen Tradition, passt dann recht gut als Antwort, ist aber offenbar für die Gegner nicht überzeugend. Sicher berufen sie sich auf andere Quellen und Traditionen. Vor allem die Propheten, die hier genannt werden, sind wichtig, um zu wissen, wo und wie die Gegner einzuordnen sind: Die Propheten scheinen also eine gemeinsame Grundlage zu sein, sonst müsste Ignatius sich nicht auf sie berufen. Woran Ignatius dabei denkt, wird hier nicht deutlich. Es mögen beispielsweise die Gottesknechtslieder Jesajas sein, auf die er sich selbst berufen hat, denn hier wird von Leid und dem Tragen von Schmerzen zugunsten der Gemeinde geredet. Nur, und das können die Gegner geantwortet haben, ist durch nichts zu beweisen, dass sich das auf den Christus, den Messias bezieht. 9.6.8.3 Zwischen Philadelphia und Smyrna Auch in Philadelphia war die Frage des Leidens Christi offensichtlich gestellt worden. Diese Frage begleitet das frühe Christentum und überhaupt das Christentum bis heute, soweit es kritisch denkende Kräfte gibt. Insbesondere vom Alten Testament und vom Frühjudentum herkommend, ist man irritiert, weil sich mit klassischen Messias-Vorstellungen alles andere als eine gescheiterte und gekreuzigte Figur verbindet. Die Christen haben hier einen Erklärungsdruck. Aus der damit gegebenen grundsätzlichen Übereinstimmung der Diskussionen mit den Judaisten und den Doketisten wurde früher häufig geschlossen, dass beide Gruppen identisch seien. 1151 Ich schlage vor, nicht von einer Total-Identität auszugehen, sondern eher die Gegner in Smyrna als Spezial- und Sondergruppe innerhalb eines mit dem Judentum in Streit und gegenseitiger Anziehung und Auseinandersetzung befindlichen jungen Christentums zu betrachten. 9.6.8.4 Die Rolle des Fleisches beim Umgang mit himmlischen Offenbarungen Die doketistischen Gegner sind an den himmlischen Rängen und Mächten interessiert. Damit steht auch das Thema Offenbarung im Raum und damit auch die Frage, von dem was wirklich wahr ist. Hat er wirklich gelitten oder gibt es eine andere Betrachtungsweise, die seine Erscheinung deuten kann? Welche Geheimnisse warten hier auf die Offenbarung? Aber genau mit solchen Fragen steht auch die Verwirrung als Möglichkeit im Raum. Und vor allem muss man festhalten, dass, wenn man sich schon mit himmlischen Mächten beschäftigt, der Maßstab des Umgangs geklärt werden 1150 E LZE , Untersuchungen, 6, meint, Ignatius reagiere mit dieser Formulierung auf die Auffassungen der Gegner, um sie so zu bekämpfen. Ich meine: Hier liegt ein Sprachgebrauch des Ignatius selbst vor, der freilich bei den Gegnern - und den Adressaten der Ignatianen anschlussfähig gewesen sein dürfte. Vgl. S CHOEDEL , der bemerkt, dass Gott und Jesus »so eng aufeinander bezogen« seien, dass Ignatius Jesus mit »unser Gott« gleichsetzen konnte (Briefe, 83). 1151 Z AHN , L IGHTFOOT , V . D . G OLTZ , R ACKL argumentierten in der älteren Diskussion für eine Identität der Gruppen. Heute spricht sich unter der Überschrift »Ebionismus« G OULDER dafür aus. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 347 muss. Für Ignatius orientiert der sich eindeutig an Christi Leiden und an seiner Menschheit. Das »Gelangen-zu-Gott« ist Thema des Ignatius - und vermutlich auch seiner Gegner. Der Vorwurf an die Gegner ist gezielt: Wenn ihr Körperlosigkeit annehmt und Christus als reinen Geist geistern lasst, dann trennt ihr Körper und Geist. Ihr selbst seid dann nur Körper, das heißt, Leichen. Das bedeutet Gottesferne; das Ziel, zu Gott zu gelangen, könnte ferner nicht sein. Der Gegenentwurf oder das Gegenbild, das Ignatius hat, ist: Fleisch und Geist können ein Miteinander haben. Zwar ist das Fleisch dem Geist unterlegen und letztlich ist nichts Sichtbares gut. Aber in der Sphäre des Fleisches kann auch der Geist zum Zuge kommen und das Fleisch kann dann zu einem Mittel werden, zu Gott zu gelangen. Das Gegenbild liefert eine hellenistisch-ekstatische Überzeugung, dass der Leib »ausgeschaltet« werden muss, um reine Schau zu haben. In gewisser Weise stimmt Ignatius dem sogar zu, wenn er seinen Leib im Martyrium zermalmt sehen möchte. Aber der Leib hat dabei mit seinen Leiden eine positive Funktion in Hinsicht auf das Gelangen zu Gott. Ohne geht es nicht. Ignatius »überholt« mit seinem Martyrium die an Engels- und Himmelsoffenbarungen interessierten Gegner, denn erstens erkennen sie das Martyrium an. Zweitens hat man in apokalyptischen Vorstellungen oft Märtyrern ein Rang in besonderer Gottesnähe eingeräumt (vgl. Mk 10,40). 1152 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 9.7.1 Gnosis oder frühe syrische christliche Theologie? S CHLIER ordnete IgnEph 19 in seinen großen religionsgeschichtlichen Untersuchungen einer syrisch-gnostischen Strömung zu, der er Ignatius dann zurechnet (S CHLIER , Untersuchungen). 1153 Das von ihm zusammengestellte Material ist eindrucksvoll und kann auch heute vieles erschließen. Die von ihm vollzogene Kategorisierung »gnostisch« wird man heute für die meisten der von ihm herangezogenen Materialien aber nicht stehen lassen; 1154 mandäische Quellen wird man nicht heranziehen, da sie heute im Wesentlichen als später entstanden bewertet werden. Die von ihm vorausgesetzten gnostischen Motive von Geheimnis, Abstieg und Aufstieg usw. finden sich auch in nicht-gnostischen, früheren Quellen. Die eindeutig gnostischen Quellen, die Ähnliches bieten, sind erst viel später zu datieren und daher jedenfalls nicht zum Beweis eines vorgängigen Schemas zu gebrauchen. Man kann heute feststellen, dass alle wesentlichen Elemente, die in IgnEph 19 eine Rolle spielen, schon in neutestamentlichen und anderen frühchristlichen Texten 1152 Besonders deutlich wird in der Offenbarung R. Josuas ben Levis denen, die für die Sünden Israels starben, der 7. Himmel offengehalten (bei B ERGER , Auferstehung, S. 376). B ERGER bietet ebd. eine große Zahl an Belegen für diese Vorstellung. Ignatius wäre, wenn diese Vorstellung von ihm oder seinen Gegnern auf ihn angewendet sein sollte, tatsächlich »als Erster im Ziel«, und schon deswegen hätten seine Gegner, das hätte er ja offensichtlich auch erwartet, auf ihn hören müssen, was die Inkarnationsfrage betrifft. 1153 U EBELES Vermutung, Ignatius habe schon in Syrien mit Satornil zu tun gehabt, dessen Lehre sich dann schon vor derMartyriumsreise des Ignatius nach Kleinasien verbreitet hätte, baut auf diesenÜberlegungen auf. 1154 Nicht nur die Materialien, die Gnosis belegen sollen, sind nicht gnostisch (Oden Salomos: so auch schon W EIGANDT , Doketismus, 96: »nicht-gnostisch«; sowie: Ascensio Jesajae); vor allem fällt auf, dass Ignatius als Anti-Doketist systematisch betrachtet auch eher als Anti-Gnostiker einzustufen wäre. Ähnlich B ARTSCH . 348 D. 9 Die Ignatiusbriefe anklingen und begegnen. Das Material entstammt nicht der Gnosis, sondern der apokalyptischen Menschensohntradition. »Gemeinsames Merkmal aller heidenchristlichen antiochenischen Theologien (ohne Hebr) ist die Auffassung, dass es sich bei der Botschaft über Jesus um ein Geheimnis handelt, welches generell oder vor denen, die eigentlich Geheimnisse kennen müssten, oder seit Anbeginn verborgen gewesen ist und welches jetzt erst ganz anderen als den Alten und Weisen geoffenbart wurde und wird.« 1155 Bei dem zugehörigen Wortfeld begegnen laut B ERGER immer wieder die Elemente von Geheimnis, Verborgensein, Schweigen, Ewigkeit/ Äon, Herrscher, offenbart sein, Weisheit. 1156 Alle genannten Stichworte begegnen in IgnEph 19 bzw. in dessen Kontext. Es ist daher für die Einordnung unseres Textes unnötig, auf entferntere Parallelen auszuweichen. Weitergehende religionsgeschichtliche Parallelen können aber helfen, Einzelelemente besser zu verstehen. 9.7.2 Die Bedeutung von himmlischen Mächten für Ignatius 1157 In IgnTr 5 hatte Ignatius erklärt, er habe Kenntnis von Engelsmächten. 1158 Dieses Wissen sei aber für Unmündige zu gefährlich. Hier besteht eine offenkundige Gemeinsamkeit zwischen seinen Gegnern und ihm: Himmlisches bzw. himmlische Mächte spielen eine Rolle. Himmlische Dinge sind faszinierend, 1159 wie die große Fülle an apokalyptischen Schriften der frühjüdischen und frühchristlichen Mystik zeigt. 1160 Allerdings ordnet Ignatius das Wissen um Engel und Mächte anders als seine Gegner. Entscheidend sind für ihn diese Dinge nicht. Entscheidend ist der Bezug auf Jesus Christus. Wenn der nicht gegeben ist, dann geschieht es, dass selbst die Mächte des Himmels und der Erde getäuscht werden. 9.7.3 Kontext Der »Sternenhymnus« in IgnEph 19 reagiert auf drohende Irreführungen, von denen in IgnSm 16 die Rede ist. Doketisten werden in IgnEph nicht ausdrücklich genannt, dafür aber Wanderprediger bzw. womöglich »Besucher« aus Smyrna. 1161 In IgnEph 9,2 werden die Epheser direkt nach der Erwähnung von 1155 B ERGER , Theologiegeschichte, 306: Jesus Christus als Geheimnis. 1156 Ebd.; B ERGER nennt folgende Texte: 1 Kor 1,18-2,10; Mt 11,25-29; Mt 2; IgnEph 19; Mt 13,35; Justin 1 apol. 54-60; Röm 16,25; 1 Petr 1,20; Kol 1,26; Eph 3,5.9-11; 1 Tim 3,9; 2 Tim 1,9-11; Tit 1,1-3. 1157 Vgl. oben zu den Gemeinsamkeiten der Gegner mit Ignatius: S. 314f. 1158 Vgl. S CHOEDEL , Briefe, 159. 1159 »Die Herrschermacht und Majestät Gottes hingegen, die überwältigende und alles andere verdunkelnde Erfahrung des Merkaba-Mystikers wird uns nicht nur angekündigt, sondern in strömender Fülle und bis zum Übermaß geschildert.« Was S CHOLEM , Mystik, 61, von der Hekhalot-Mystik schreibt, kann mit der notwendigen Vorsicht aufgrund des zeitlichen Abstands einen Eindruck davon geben, was so faszinierend und daher für Ignatius brandgefährlich war. 1160 Mehr dazu unten S. 438. 1161 Vgl. dazu oben S. 300ff. Die Vermutung muss nicht zutreffen; ihr steht entgegen, dass in IgnEph 9,1 gesagt wird, die Leute, von denen Ignatius spricht, seien ἐκεῖθεν (von dorther) durchgezogen. Gemeint sein kann dabei eigentlich nur Ephesus. Demnach hätten die Prediger dort Station gemacht, bevor sie in Smyrna auftauchten. - Wenn die hier genannten Gegner nicht die Smyrnäer Doketisten sind, dann vielleicht einfach Verwirrung stiftende Prediger, die in der Darstellung des Ignatius nun mit doketistischen Positionen zusammengebracht werden. Denn offensichtlich zitiert er keinen speziellen Slogan der Gegner, sondern reagiert etwas, indem er Themen, die durch die Auseinandersetzung in Smyrna wichtig geworden sind, damit in Verbindung bringt. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 349 Gegnern als Träger von Gott, Tempel, Christus und heiligen Dingen bezeichnet, was an IgnSm inscr. 1; 5 erinnert, wo es um Doketisten als Gegner geht. Die Gemeinde wird aufgefordert, häufig gemeinsam Gottesdienst zu feiern, um so den Kampf himmlischer und irdischer Mächte zu beenden (13). Verborgenheit und Erkennen sowie Schweigen sind Stichworte der Kapitel 14f. Auch hier wird mutmaßlich auf mögliche Verunsicherungen angespielt: Woher nämlich weiß man, dass das, was unsichtbar geglaubt wird, auch wirklich real ist? Zumal wenn wesentliche Dinge schweigend geschehen? Vielleicht gibt es hier besondere Anfragen. Jedenfalls sind wir mit diesen Stichworten schon mitten im Thema von der veröffentlichten Verborgenheit des Geheimnisses, das aus dem Schweigen hervorgeht (IgnEph 19,1). Die Gegner von IgnEph 16 werden als »Häuserverderber« dargestellt, also wie Menschen, die in eine fremde Ehe einbrechen. 1162 In diesem Zusammenhang begegnen die Stichworte »Fleisch« und »sterben«, bezogen zunächst auf »Häuserverderber«, dann auf die, die »den Glauben an Gott zerstören, für den Christus gekreuzigt wurde« (16,2). Diese Aussage lässt ziemlich weiten Raum für das, was als Position der Gegner vorgelegen haben mag. IgnEph 17 spricht von Unvergänglichkeit, die vom gesalbten Haupt Christi der Kirche zuströmt. Also könnte »Unvergänglichkeit« ein Thema der Gegner sein. Sie werden mit dem »Herrscher dieser Weltzeit« identifiziert, was aber Polemik ist und wohl kaum bedeutet, dass sie sich mit dem Satan identifiziert haben. Schließlich stellt Ignatius die Frage: IgnSm 17,2: »Warum empfangen wir nicht alle die Weisheit Gottes, das heißt Jesus Christus (Θεοῦ γνῶσιν, ὅ ἐστιν Ἰησοῦς Χριστός)? Wollen wir etwa töricht zugrunde gehen, indem wir die Gnadengabe ignorieren, die der Herr wahrhaftig gesandt hat (ἀγνοοῦντες τὸ χάρισμα ὃ πέπομφεν ἀληθῶς ὁ Κύριος)? « Das Signalwort »wahrhaftig« (ἀληθῶς) zeigt bei Ignatius, dass Umstrittenes sichergestellt werden muss; 1163 meist geht es um die doketistische Auseinandersetzung zum Stichwort »scheinbar« (τὸ δοκεῖν) 1164 bzw. die damit zusammenhängenden Fragen nach dem »wirklichen« Geschick Jesu (siehe oben S. 292f). Der Ausdruck »der Herr« ist die »Erkenntnis« Gottes bzw. Jesus Christus selbst. Was genau ist aber daran umstritten innerhalb eines christlichen Kontextes? IgnEph 18 liefert eine Antwort und greift auf paulinisches Material zurück: das Ärgernis vom Kreuz. 1165 1162 Vgl. S CHOEDEL , Briefe, zur Stelle. 1163 Siehe in: IgnEph 15; 17; IgnMagn 11; IgnTr 9; IgnRöm 4; 8; IgnSm 1f. 1164 IgnTr 10,1; IgnSm 2; 4,2. 1165 1 Kor 1,23: »Wir aber predigen Christus als gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis (σκάνδαλον), den Heiden aber eine Torheit (μωρίαν).« - IgnEph 18,1: »Unrat (περίψημα) ist mein Geist und gehört zum Kreuz, das ein Ärgernis ist (ὅ ἐστιν σκάνδαλον) denen, die nicht glauben, uns aber Heil und ewiges Leben bedeutet.« - Stück für Stück kann man die Parallelen zu 1 Kor durchbuchstabieren: Töricht, Unrat, Kreuz, Ärgernis, der Gegensatz von »denen, die ...« und »uns, die wir ...«; auch das Kreuz scheint zur Disposition zu stehen. - Zu περίψημα vgl. auch 1 Kor 1,27: τὰ μωρὰ τοῦ κόσμου ἐξελέξατο ὁ θεός (»das in der Welt als töricht Angesehene hat Gott erwählt«). 350 D. 9 Die Ignatiusbriefe IgnEph 18,2: »Er wurde getauft, damit er durch sein Leiden das Wasser reinige« (ἐβαπτίσθη ἵνα τῷ πάθει τὸ ὕδωρ καθαρίσῃ) möglicherweise steht auch die Taufe zur Debatte, vielleicht in der Weise, dass Auffassungen wie im paulinischen Röm 6 (Taufe in den Tod Christi) infrage gestellt wurden (tot unrein; Christus als Gottes Sohn kann auch nicht mit Tod und Unreinheit in Verbindung gebracht werden). 1166 Möglich ist dabei eine magische oder exorzistische Anschauung mit im Blick, nach der Jesus in seiner Taufe »das Wasser (der Flüsse) reinigt von den in ihm hausenden, unreinen Dämonen«. 1167 Falls diese Anschauung für das früheste Christentum wirklich erwiesen werden könnte, wäre damit ein wichtiger Bezug für IgnEph 19 gewonnen: Die Zerstörung aller Magie und Zauberei hätte schon in der Taufe ihren Ursprung. Schon die Taufe, die dem Herrscher der Weltzeit verborgen war, wäre damit ein unscheinbares, daher auch unerkanntes und dennoch mächtiges Zeichen. Dazu kommt in IgnEph 18,2 die Betonung, dass Jesus, »unser Gott«, im Leib der Maria war, aus Davids Geschlecht und doch auch aus Heiligem Geist stammte, geboren und getauft wurde. Auch hier besteht eine direkte Brücke zu IgnEph 19: Denn genau das, was hier offensichtlich in Frage steht, ist auch dem Herrscher der Weltzeit verborgen geblieben. Ergebnisse: 1. Die Elemente »himmlische Mächte«, »Verborgenheit« und »Schweigen« werden genannt (IgnEph 13-15) und verweisen möglicherweise auf Fragen der Gegner oder der Adressaten. 2. Das Thema »Unvergänglichkeit« steht im Raum und wird von Ignatius mit Christus verbunden (IgnEph 17,1). »Unvergänglichkeit« ist Gegensatz zum Schicksal der Gegner und zugleich die Antwort auf die Zerstörung der Lehre vom Kreuz (16,2) durch die Gegner. 3. Das eigentliche Wissen, auf das es ankommt, ist Jesus Christus selbst (17,2). - Womöglich sind die Gegner wie in 1 Kor besonders stolz auf ihr eigenes Wissen. 4. Das Wissen, auf das es ankommt, ist für Ignatius Jesus Christus selbst als die Gnadengabe, die Gott gesandt hat. Da dies mit »wahrhaftig« betont wird, bekommt das Folgende Gewicht: 5. Das Kreuz ist ein Skandal (das Gegenteil von Unvergänglichkeit), ein Anstoß für die, die nicht glauben. - Damit wird unter Verwendung paulinischer Wortwahl (1 Kor 1,23) ein Thema angeschnitten, das auf die schon bei Paulus bestehenden Anfragen hinweist, warum und ob der Christus überhaupt leiden sollte. Diese Fragestellung steht mit großer Sicherheit auch bei den judaistischen Gegnern des Ignatius in Philadelphia im Raum. 1166 S CHOEDEL , Briefe, 155, Anm. 6, schlägt hier in Anschluss an E LZE , Untersuchungen, 7, vor, der vorliegende Finalsatz könne »einen weiteren Schritt in der Geschichte der Tradition darstellen, in der der Grund für Jesu Taufe ermittelt wurde: Er wurde getauft, nicht um gereinigt zu werden, sondern um zu reinigen«. B AUER , Ignatius, 216, weist dafür eine Parallele aus Clemens Alexandrinus, Eclogae Propheticae 7,1 hin: »Und deshalb wurde der Erlöser getauft, nicht weil er selbst es nötig hatte (μὴ χρῄζων αὐτός), sondern damit er für die Wiedergeborenen alles Wasser heilige.« - Vgl. EvPhil 89: Jesus lässt sich taufen, um (das Wasser) zu reinigen. 1167 S CHLIER , Untersuchungen, 44. S CHLIER findet diese Vorstellung v.a. in alten syrischen Texten. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 351 6. Ignatius führt dies Thema aber weg vom Schriftbeweis (»der Messias musste leiden ...«); stattdessen betont er die Gegensätze zwischen Gott (Jesus) und dem Mutterleib Mariens, zwischen der Herkunft von David und dem Geist Gottes. Auch verknüpft er damit Geburt, Taufe, Wasser und Leid. Da mit derartigen Äußerungen gegenüber rein judaistisch nach Schriftbeweisen fragenden Menschen nichts zu gewinnen ist, liegt der Schluss nahe, zumal nach dem »wahrhaftig« von 17,2, dass genau diese Dinge umstritten sind oder zumindest im Hintergrund eine Rolle spielen. Vom Kontext her gesehen antwortet IgnEph 19 also auf Fragen nach Unvergänglichkeit, nach dem Anstoß des Kreuzes und des Leidens und nach der Wirklichkeit des Auftretens Gottes in Menschlichkeit, Vergänglichkeit und Leid. 9.7.4 Die grundsätzliche Darstellung des Heilsplanes Gottes Der Sternhymnus antwortet grundsätzlich auf einige grundsätzliche im Raum stehende Probleme. Ignatius nennt das, was er beschreibt, mindestens zweimal οἰκονομία, Heilsplan/ Haushalt. Es geht um die grundlegende Ordnung der Dinge von Gott her. In welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Was ist die innere Ordnung? In 18,2 wird die Schwangerschaft Mariens in den Heilsplan bzw. die Ordnung »eingeordnet«. In 6,1 wird der Bischof als Garant der Ordnung genannt. In 20,1 kündigt Ignatius an, unter der Voraussetzung, dass die Epheser weiter ordentlich zusammenkommen in geordnetem Glauben und Gottesdienst (20,2), die angefangene Darstellung des Heilsplans Gottes (προσδηλώσω ὑμῖν ἧς ἠρξάμην οἰκονομίας) in einer weiteren Schrift (ἐν τῷ δευτέρῳ βιβλιδίῳ) fortzuführen. Der Heilsplan hat dabei einen Inhalt bzw. ein Ziel: den neuen Menschen Jesus Christus, mit dem durch Liebe und Glaube eine Verbindung besteht, die Leiden und Auferstehung umfasst (εἰς τὸν καινὸν ἄνθρωπον Ἰησοῦν Χριστόν, ἐν τῇ αὐτοῦ πίστει καὶ ἐν τῇ αὐτοῦ ἀγάπῃ, ἐν πάθει αὐτοῦ καὶ ἀναστάσει - 20,1). Damit ist der Anspruch genannt, der genauso schon für die vorliegende wie auch für die leider nicht erhaltene oder nie geschriebene, angekündigte zweite Schrift gilt: Grundsätzlich soll die Ordnung des Heils dargestellt werden. Es geht um ein Stück Systematik. Der Ausgangspunkt ist der Kontakt mit verwirrenden Lehren insbesondere wohl von Doketisten, aber auch (anderen) judaisierenden Christen. Innerhalb von IgnEph sind die IgnEph 7,2 und IgnEph 19 diejenigen Abschnitte, in denen Ignatius nicht auf Gemeindeverhältnisse oder Gegner reagiert, sondern wirklich etwas grundsätzlich darlegt. 9.7.5 Durchgang durch IgnEph 19 1168 9.7.5.1 Das Motiv der Verborgenheit, die Jungfräulichkeit, die Geburt, der Tod. 19,1 »Und unbemerkt blieb (ἔλαθεν) dem Herrscher dieser gegenwärtigen Weltzeit (τὸν ἄρχοντα τοῦ αἰῶνος τούτου) die Jungfräulichkeit Marias (ἡ παρθενία Μαρίας) und die von ihr vollbrachte Geburt, in gleicher Weise auch der Tod des Herrn. Drei Geheimnisse eines lauten Schreis (τρία μυστήρια κραυγῆς), 1168 Positionen bei S CHLIER , Untersuchungen, 5ff; B ARTSCH , Gut, 133ff; S TANDER , Starhymn, 209-214. 352 D. 9 Die Ignatiusbriefe welche in der Stille Gottes vollbracht wurden (ἐν ἡσυχίᾳ Θεοῦ ἐπράχθη).« Diejenigen, die etwas wissen müssten, bleiben arglos. So, wie in Mt 2 der verblüffte König Herodes unwissend von den Magiern aus dem Osten mit der Frage nach dem Stern und dem neugeborenen König der Juden konfrontiert wird, so ist hier der ἄρχων τοῦ αἰῶνος τούτου ahnungslos. Das verwendete Schema von Verborgenheit und Offenbarung begegnet schon im NT: 1169 1. Paulus (1 Kor 1,18-38; 2, 6-8): Den Weisen, Verständigen und Herrschern ist es verborgen. Wäre es ihnen nicht verborgen gewesen, hätten sie Christus nicht umgebracht (1 Kor 2,8). 2. Mt 11,25-29: Den Weisen und Verständigen ist das Geheimnis verborgen; offenbart wird es den Unmündigen. Nur der Sohn kennt das Geheimnis vom Vater. Beidemale ist a) Jesus selbst das Geheimnis, b) wird das Geheimnis denen verborgen, die es wissen müssten, c) wird das Geheimnis denen offenbar, von denen man es nicht denken würde. Der Teufel bekommt alleine durch die Bezeichnung, Beherrscher der Gegenwart zu sein, eine hohe Bedeutung für die Welterfahrung des Ignatius. Aber eben diese Welterfahrung hat einen Hoffnungsschimmer, da dem Weltherrscher der Fehler unterlaufen ist, die sich anbahnende Revolution völlig zu übersehen. Wie dies vorzustellen sei, dafür geben die von S CHLIER genannten Stellen aus der Ascensio Jesajae (AscJes 10-11) ebenso wie ähnliche Stellen aus der Epistula Apostolorum (EpAp 13-14) Auskunft. 1170 Es geht dabei jedes Mal um die Frage, wie sich die Mächte bzw. der Teufel hatten täuschen können. Szenisch wird in EpAp und AscJes dargestellt, wie der Sohn Gottes aus dem obersten Himmel in der Verkleidung der jeweils unter ihm stehenden Mächte unerkannt an diesen vorbei kommt und so nach unten auf die Erde absteigt, wo er wiederum als »Kleid« die menschliche Gestalt annimmt. Die Geburt Jesu erfolgt plötzlich und ohne echte Schwangerschaft. 1171 Die Engelmächte sind höchst erstaunt, als sie dies erfahren. 1172 In EpAp 14 ist es gar der Erzengel Gabriel, der identisch ist mit Jesus Christus und der in der Verkündigung bei Maria Glauben fand und so durch ihren Glauben in ihr Mensch wurde. - Allerdings ist zu beachten, dass mit diesen religionsgeschichtlichen Hinweisen eine Vorstellung benannt wird, die auch hier im Hintergrund stehen kann; dennoch ist deutlich, dass von einem Abstieg einer Himmelsmacht inklusive Verkleidung bei Ignatius nicht die Rede ist. Immerhin gibt es hier eine Verbindung von Verborgenheit und Täuschung derer, die es eigentlich hätten mitbekommen müssen. Das Thema Täuschung ist auch ein Grundmotiv des Doketismus. 1173 Das Motiv der Verborgenheit wird mit dem Begriff des Geheimnisses fortgeführt. Drei Geheimnisse sind es, die verborgen geblieben sind: Jungfräulichkeit, Geburt, Tod. Mit der Jungfräulichkeit oder Jungfrauenschaft ist wohl kaum die Tatsache an sich gemeint, denn die wäre ja für ein junges Mädchen nicht unbe- 1169 Weitere Stellen nennt B ERGER , Theologiegeschichte, 306. 1170 Vergleichbar ist, allerdings weniger stark, auch das Nikodemusevangelium. In EvNik 20 geht es um den Abstieg Jesu in die Totenwelt und um die Befreiung der dort Gefangenen. Auch hier merken Tod und Teufel erst zu spät, dass sie sich den falschen ausgesucht haben, als sie ihn ans Kreuz schlugen. Zwar war er auffällig durch seine Macht zu heilen und Leute lebendig zu machen. Damit hatte er der Macht des Teufels und des Todes schon zu lange widersprochen. Er ist also ein logisches Ziel der Finsternis-Mächte. Dennoch ist die wirkliche Identität Christi den Fürsten der Unterwelt verborgen. Als sie Klarheit darüber erlangen, ist es für sie zu spät. 1171 AscJes 11,7-9.11: »Und nach zwei Monaten und Tagen, während Joseph in seinem Hause war, und Maria sein Weib, aber alleine, geschah es, als sie alleine waren, dass Maria alsbald mit ihren Augen hinschaute und ein kleines Kind sah, und sie war bestürzt. Nachdem die Bestürzung gewichen war, wurde ihr Leib befunden wie zuvor, ehe sie schwanger war. (...) Und ich sah: In Nazareth säugte er an der Brust wie ein Säugling, und wie es Sitte war, damit er nicht erkannt würde« (zitiert nach W EIGANDT , Doketismus, 96). - Valentin nach Epiphanius, Panarion 31,7,4: »Sie sagen aber, dass sein Körper (...) wie Wasser durch eine Röhre, so durch die Jungfrau Maria hindurchgeegangen sei« (F OERSTER , Gnosis 1,306). 1172 Vgl. auch EvPhil 26 (B/ N): »Jesus hat sein Körperkleid unbemerkt gewechselt. (...) Er offenbarte sich den Großen als Großer und den Kleinen als Kleiner, den Engeln als Engel und den Menschen als Mensch.« 1173 Religionsgeschichtliche Zusammenhänge zum Thema Täuschung siehe unten S. 406ff. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 353 dingt verwunderlich. Vielmehr handelt es sich bei der Jungfräulichkeit Mariens um die Besonderheit, dass sie zugleich schwanger war. Dieser Zusammenhang verdient in der Tat, als verborgenes Geheimnis bezeichnet zu werden. Wenn Maria Jungfrau ist, bleibt ihre Schwangerschaft verborgen. Oder umgekehrt: Wenn offensichtlich ist, dass Maria schwanger ist, dann ist auch offensichtlich, dass sie nicht mehr jungfräulich ist. Wenn der Teufel also die Jungfräulichkeit Mariens nicht wahrnimmt, dann nimmt er auch das Besondere ihrer Schwangerschaft und ihres Kindes nicht wahr. Damit ist dann auch geklärt, warum die Geburt übersehen wird. Sicher ist es wieder nicht die Geburt an sich, die den Mächten der Welt verborgen bleibt; vielmehr besteht das Besondere an der Geburt Jesu darin, dass ER es ist, der Sohn Gottes, der hier zur Welt kommt. Wenn nicht gesehen wird, dass Jesus als Sohn Gottes zur Welt gekommen ist, weil schon die Jungfräulichkeit Mariens übersehen wurde, 1174 dann ist auch der Tod Jesu etwas, das in seiner Bedeutung völlig verkannt wird. 1175 »Wenn Beginn und Ende des Lebens dem Herrscher der Welt verborgen sind, ist alles verborgen. Seinen Eingang in die Welt hat er nicht gewusst (...) und seinen Tod unwissend verursacht.« 1176 9.7.5.2 Der Schrei des Geheimnisses Die Verborgenheit der drei Geheimnisse (jungfräuliche Schwangerschaft, Geburt des Gottessohnes, Tod des Herrn) hat ihren Grund im Schweigen Gottes (ἐν ἡσυχίᾳ Θεοῦ). Hier gibt es zunächst einen deutlichen Bezug zu den Aussagen des Ignatius über das Schweigen des Bischofs in IgnEph 6,1, der wie der Herr selbst 1174 PsIgnPhil 8,1-4 ergänzt bzw. füllt die drei Geheimnisse kommentierend auf: (1) »Denn vieles ist dir verborgen: die Jungfrauschaft Marias; ihre wunderbare Niederkunft, wer auch immer in dem Leib war; der den Weg weisende Stern derer im Osten, der Geschenke bringenden Magier; des Erzengels Gruß an die Jungfrau; die wunderbare Empfängnis der Jungfrau, die verlobt war; des kindlichen Vorläufers Verkündigung über den, (der) von der Jungfrau (geboren werden sollte), und das Hüpfen im Mutterleib auf Grund des Vorhergesehen; (2) der Engel Gesänge über den Neugeborenen; der Hirten gute Nachricht; des Herodes Angst davor, dass ihm die Königsherrschaft weggenommen würde, die kindermordende Anordnung; die Auswanderung nach Ägypten; die Rückkehr von dort in die Gegend hier; die Kinderwindeln; die Volkszählung; die Ernährung mit Muttermilch; der Name eines Vaters, der nicht gezeugt hatte; die Krippe, weil kein Platz mehr war, keine menschenwürdige Ausstattung; der Fortschritt des Heranwachsens; Menschen bewegende Aussprüche; Hunger, Durst, Fußmärsche, Mühe, das Beschaffen von Opfern, dann auch die Beschneidung; (3) die Taufe; die Stimme Gottes über dem Getauften; wer er war und woher; das Zeugnis des Geistes und Gottes von oben; die Stimme des Propheten Johannes, die auf das Leiden hinwies durch die Bezeichnung als Lamm; das Wirken verschiedener Wunder, mannigfaltige Heilungen; der gebieterische Tadel, der Meer und Winden gebietet; böse Geister vertrieben; du selbst gequält, da du wegen der sich zeigenden Macht beschimpft wurdest, ohne (etwas) zu haben, was du (dagegen) tun könntest. (4) Als du dieses siehst, wird dir schwindelig, und dass eine Jungfrau die Gebärende war, erkanntest du nicht. Aber der Lobgesang der Engel erschreckte dich, der Kniefall der Magier, der Aufgang des Sterns. In die Unwissenheit ziehst du dich zurück wegen Geringfügigkeit. Denn für unbedeutend hältst du Windeln, Krippe, Beschneidung und Muttermilch. Diese Dinge erscheinen dir angesichts Gottes unwürdig« (ÜS: B.v.H.). - Richtig sieht Pseudo-Ignatius, dass mit den »drei Geheimnissen« das ganze Erdenwirken Jesu inklusive seines Kontaktes zum Himmel gemeint ist. Dieses »übersehen« zu haben, ist das Problem der feindlichen Mächte. Der letzte Satz sagt, wie das geschehen konnte: Wegen der »Geringfügigkeit«. Windeln, Krippe, Beschneidung und Muttermilch sind zu gering oder unwürdig, als dass sie von Himmelsmächten in den Blick genommen werden oder dem Sohn Gottes angemessen sein können. Dies ist zugleich als Denkfehler der Ignatius-Gegner kommentiert. 1175 So in EvNik 20 (= Höllenfahrt Christi 4). 1176 B ERGER , Theologiegeschichte 307. Dort das Zitat aus AscJes 9,14: »princeps mundi illius (...) occidet nesciens qui sit« (der Fürst dieser Welt wird ihn töten, ohne zu wissen, wer er ist). 354 D. 9 Die Ignatiusbriefe anzusehen ist. Er ist nicht seines Schweigens wegen gering zu schätzen. Sodann folgt in IgnEph 15,1f eine Erklärung: »Besser schweigen und sein als reden und nicht sein. Lehren ist gut, wenn man tut, was man sagt«. - Es geht also um das Handeln, das aus der Stille kommt. Es geht sogar darum, auf die Stille zu hören: »Wer das Wort Jesu hat, der kann wahrhaftig auch auf seine Stille hören, damit er vollkommen ist. So kann er durch sein Schweigen wirken und durch seine Taten erkannt werden.« Schweigen und Stille (ἡσυχίᾳ und σιγή) sind hier synonym verwendet. Das Schweigen Gottes ist also das, was zunächst wahrzunehmen ist. Denn aus der Stille heraus erfolgen sowohl Taten als auch Worte. Deutlich ist dieser Zusammenhang auch in IgnRöm 2,1, wo Ignatius die Römer auffordert, zu schweigen und also nichts zu seinen Gunsten zu unternehmen. Wenn sie dies tun, wird er, Ignatius ein »Wort Gottes« sein, d.h. ein sprechendes, sichtbares Zeichen für den Glauben (ἐὰν γὰρ σιωπήσητε ἀπ᾿ ἐμοῦ, ἐγὼ λόγος Θεοῦ). Wenn die römischen Christen aber nicht schweigen, sondern eingreifen, dann wird nur eine Stimme sein (ἔσομαι φωνή). 1177 Das Stichwort »Wort Gottes« mag auch der Schlüssel zum Verständnis des Schreis in IgnEph 19,1 sein. Denn die Frage ist, wer hier schreit und warum. Dass Jesus im Tod schreit, ist klar; dass Maria bei der Geburt geschrien hat, zu vermuten. Aber bei einer jungfräulichen Schwangerschaft wäre Schreien nicht zu vermuten. Es ist daher wohl so: Wie in der Schöpfung nach anfänglicher Stille das Wort Gottes ertönte und die Welt erschuf, 1178 so wird auch hier laut das Wort Gottes oder gar der Name Gottes, das Geheimnis Gottes ausgerufen. 1179 Das laute Rufen oder Schreien offenbart in der Stille den Rufer. Er bleibt nicht verborgen. Der Rufer kann hier nur Gott oder Jesus sein. Denn schon in IgnMagn 8,2 heißt es: »Dieser ist sein Wort, das aus dem Schweigen hervorging« (ὅς ἐστιν αὐτοῦ λόγος 1177 Im Brief an die Philadelphier hatte Ignatius davon geschrieben, dass er dort mit lauter Stimme, mit der »Stimme Gottes« gerufen habe. D ÖLGER , Gottesstimme, beschreibt dazu, wie in der Antike eine sehr laute Stimme vor allem in Kontrast zu vorheriger Stille als offenbarende Stimme Gottes gedeutet wurde. 1178 S CHLIER , Untersuchungen 39, stellt fest, dass im Gegensatz zur valentinianischen Gnosis, wo der hypostasierte λόγος aus der hypostasierten σιγή hervorgeht (Exc. ex Theod. 29,12), bei Ignatius eher eine Vorstellung vorliegt, »die die göttliche Sphäre allgemein als σιγή bezeichnet, ähnlich der ἡσυχία« in IgnEph 19,1. B ERGER (B/ N, 783, Anm. 6) bemerkt, dass »neuerdings auch in den Hymnen von Qumran das Flüstern als eigene Art der Verlautbarung Gottes belegt« sei, im Gegensatz zum lauten Gesang Engel (vgl. 4Q405, 20,2; 21-22; 4Q405,19 ABCD; 11Q 5-6). 1179 Vgl. Justin dial. 76: ἐν μυστηρίῳ τὸ αὐτὸ κέκραγε. In der Schriftdiskussion zwischen Justin und Trypho kommen beide an eine Stelle aus Daniel, deren uneigentliches Verständnis »im Geheimnis laut dasselbe ruft«. Es geht hier also um Offenbarungssprache. - Diese Beobachtung wird bestätigt durch 4Q403 frgm 1 II, 26, wo nacheinander sieben Geheimnisse von sieben Engeln offenbart gemacht werden; bei jedem weiteren offenbarten Geheimnis ist dann die rufende Stimme siebenmal lauter, was darauf hinweist, dass bei zunehmendem Geheimnis der Schrei intensiver ist. - Ähnlich sieht das auch die Offenbarung des Johannes: Jedes Mal, wenn ein Siegel geöffnet wird (das ja auch jeweils ein Geheimnis verborgen hielt), ist etwas zu hören: eine (Donner-)Stimme oder gar ein Erdbeben (Offb 6). Das letzte und siebte Siegel ruft dagegen zunächst eine beeindruckende Stille hervor (Offb 8,1), die freilich als Luftholen vor den dann folgenden Donner-Stimmen und Erdbeben (8,5) zu deuten ist. - Umgekehrt gibt es Stellen wie ApkEsr 1,2, wo der Pneumatiker schreit, damit Gott seine Geheimnisse offenbart (ἔκραξα λέγων πρὸς τὸν ὕψιστον· κύριε, δὸς τὴν δόξαν, ἵνα ἴδω τὰ μυστήριά σου); ähnlich auch ActThom 50,1-2. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 355 ἀπὸ σιγῆς προελθών); zugleich wird Christus als Offenbarer der göttlichen Dinge in IgnRöm 8,2 »trugloser Mund« Gottes genannt. Ergebnis: Es geht in IgnEph 19,2 um Offenbarung an einer Stelle, die niemand vermutet hätte, aus dem Schweigen Gottes heraus. Das ist vergleichbar mit Offenbarung Gottes im Fleisch Christi (IgnEph 7,2). 9.7.5.3 Ein Stern geht auf IgnEph 19,2 »Wie also zeigte sich das den Weltmächten (πῶς οὖν ἐφανερώθη τοῖς αἰῶσιν)? Ein Stern strahlte auf am Himmel, mehr als alle Sterne (ἀστὴρ ἐν οὐρανῷ ἔλαμψεν ὑπὲρ πάντας τοὺς ἀστέρας), und sein Licht war unaussprechlich und seine Neuheit wirkte fremdartig (ξενισμὸν παρεῖχεν ἡ καινότης αὐτοῦ), aber alle anderen Sterne gemeinsam mit Sonne und Mond bildeten einen Chorreigen (χορὸς) für den Stern, sein Licht aber, ja, das übertraf alle anderen. Unruhe entstand sowie die Frage: ›Woher kommt diese für sie maßlose Neuheit‹ (καινότης ἡ ἀνόμοιος)? « Die Frage, wie diese Offenbarung geschah, ist für Ignatius nicht ausreichend mit dem Hinweis des Schreis aus der Stille (19,1) beantwortet. Zu sehr ist das Rufen aus der Stille bzw. aus dem Schweigen Offenbarungssprache. Ignatius greift auf ein Bild aus der Astrologie zurück. Ein heller Stern geht auf und überstrahlt alle anderen, so wie der Polarstern und die Venus. Nur ist der Stern, der hier aufgeht, völlig neu. Die astrale Sprache 1180 ist bewusst gewählt, da Himmelskörper im antiken Kontext als himmlische Abbildung von wirkenden Mächten und Kräften angesehen wurden. 1181 Wenn tatsächlich ein neuer Stern am Himmel aufgeht und das Machtgefüge dort neu organisiert durch seine Helligkeit und seine Anziehungskraft (alle anderen bildeten einen Chor-Reigen), dann bedeutet das Umsturz und Revolution im Bereich der unsichtbaren Mächte. Die »Äonen« müssen nicht gleichbedeutend mit der teuflischen Macht sein; es sind einfach zunächst die himmlischen Mächte, die in Aufruhr geraten. Auch aus dem Jerusalemer Tempelgottesdienst ist eine ganz ähnliche Metaphorik überliefert, wenn Jesus Sirach über den Hohenpriester Simon schreibt: Sir 50, 6: »Wenn er hinter dem Vorhang hervortrat, so leuchtete er wie der Morgenstern durch die Wolken wie der volle Mond an den Festtagen, wie die Sonne scheint 1180 Vgl. insgesamt C OLLINS , The Scepter and the Star (bes. 204ff). 1181 M ALINA , Offenbarung, 39ff, spricht von Astralprophetie, deren Kennzeichen Himmelsreisen und Himmelsvisionen seien. Demnach ist das Schauen von astronomischen Ereignissen astrologisch übertragbar und wiederum apokalyptisch-visionär anwendbar. K LAUCK , Umwelt 2, 48 zeigt, um nur eines von vielen möglichen Beispielen zu nennen, wie Caesar nach Ovid (Metamorphosen 15,745ff) durch seine Kriege zu einem Stern mit glänzendem Schweif wurde. Venus, die göttliche Mutter Caesars, bringt die Seele ihres Sohnes zu den himmlischen Sternen, von woher Caesar für immer auf das Kapitol herabblickt. Entfernt verwandt ist der Vergleich mit Bar Kochba (Bar Kosiba) s.o. S. 185 (Anm.). - Auch Num 24,17 (zitiert u.a. in 1QM 11,2f vgl. Mt 2,2) spricht vom aufgehenden Stern, der Moab (= feindliche Macht/ Magie) zerschlägt. 356 D. 9 Die Ignatiusbriefe auf den Tempel des Höchsten, wie der Regenbogen glänzt mit seinen schönen Farben, (8) wie eine Rosenblüte im Lenz, (...). (12) Wenn er das herrliche Gewand anzog und den prachtvollen Schmuck anlegte und zum heiligen Altar hinaufschritt, so verlieh er dem Heiligtum herrlichen Glanz. Wenn er aber aus den Händen der Priester die Opferstücke nahm und bei dem Feuer stand, das auf dem Altar brannte, (14) so standen seine Brüder rings um ihn her wie die Zedern auf dem Libanon, und wie Palmzweige umringten ihn (15) alle Söhne Aarons in ihrem Schmuck, mit dem Opfer für den Herrn in ihren Händen vor der ganzen Gemeinde Israel.« 1182 Der Auftritt des Hohenpriesters wie ein Stern, auf den hin sich alles orientiert, hat hier als Ziel die Verherrlichung Gottes, dessen Glanz er der Gemeinde darstellt, bildlich deutlich gemacht durch die Beschreibung des Glanzes und der Farben, die man sonst nur von Engeln kennt. 1183 Fraglich ist, worauf sich der Stern bei Ignatius bezieht. Wenn ein Stern aufgeht, bezeichnet er nach antiker Vorstellung einen besonders erwählten Menschen. 1184 Anders als in Mt 2 und ProtEvJak 19.21 ist aber im Zusammenhang mit dem Stern nicht von der Geburt Christi die Rede. Andererseits sind die drei Geheimnisse, die genannt sind, Werden und Geburt sowie Tod Christi. Die Auferstehung ist nicht im Blick. Das durch den Stern epiphane Ereignis hat also drei Zeitpunkte, die aus der Sicht im Nachhinein aber zusammenfallen. In allen drei Dingen geht es um »Erleuchtung«, um hell strahlende Neuigkeit. Die drei rufenden Geheimnisse sind zudem Aussagen über den ganzen Christus, von der Entstehung bis zum irdischen Ableben. In jedem Fall bewirkt das Aufleuchten des neuen Sterns am Himmel Unruhe unter den anderen Himmelskörpern, die einerseits überstrahlt werden, andererseits im Kreis um die neue Mitte tanzen (man vergleiche das Tanzlied aus den Johannesakten; B/ N, 1349ff). Sie sind erstaunt über das Neue und über die Veränderung, die damit einhergeht. 9.7.5.4 Die Vernichtung der Zauberkraft IgnEph 19,3: »Von da an wurde jede Zauberkraft gesprengt und jede Fessel gelöst (ἐλύετο πᾶσα μαγεία καὶ πᾶς δεσμός) vernichtet wurde die Unwissenheit der Schlechtigkeit (ἠφανίζετο κακίας ἄγνοια), zertrümmert und zerstört die alte Königsherrschaft, im Erscheinen Gottes als Mensch (Θεοῦ ἀνθρωπίνως φανερουμένου) 1185 zu neuem, ewigem Leben. Den Anfang nahm das, was bei Gott vorbereitet war. Von da an wurde alles aufgehetzt, weil nun der Plan umgesetzt wurde, den Tod aufzulösen (τὸ μελετᾶσθαι θανάτου κατάλυσιν).« 1182 Vgl. die Beschreibung der Bekleidung des Hohenpriesters in Flav.Jos.Ant. 3,7,7: Sie ist selbst Abbild oder Mittel der Epiphanie Gottes. Was in Sir von Simon gesagt wird, gilt tendenziell für alle rechtmäßigen Hohenpriester im Heiligtum auf dem Zion. Vgl. die Darstellung Jesu als Hoherpriester in Hebr, s.o. S. 240f. 1183 S.u. S. 369f. 1184 Auch in der von W ÜNSCHE , Bd. 1, S. 14 aufgeführten Kindheitsgeschichte Abrahams scheint ein Stern auf. 1185 Für W EIGANDT , Doketismus, 112, belegt diese Stelle eine Neigung zum Modalismus bei Ignatius. 9.7 Offenbarung des Verborgenen in IgnEph 19 357 Was es mit der Neuigkeit auf sich hat, bleibt nicht lange unklar. Die Welt der Magie mit ihren Bindungen wird gesprengt. 1186 Bosheit und Unwissenheit nehmen ebenso ein Ende wie die Macht des Teufels. 1187 Der Aufgang des Sterns hat exorzistische Wirkung, wie sie von Christus in zahllosen Dämonenaustreibungen berichtet wird. 1188 Das sogenannte »Testament Salomos« gibt einen guten Einblick in die Vorstellungen, die mit »Magie« verbunden waren. 1189 Dass der »historische Sohn Davids« Macht über die Dämonen gehabt haben soll, gehörte zum Allgemeingut der Zeit Jesu. 1190 Es geht dabei um Praktiken, die einerseits religiös sind, andererseits aber zur Beeinflussung anderer, zumeist zu deren Schaden oder gegen deren Willen, eingesetzt werden. Vielfach geht es auch einfach darum, »Besessenheiten« zu lösen, indem man den »richtigen Namen« weiß, den man anrufen kann (vgl. auch Justin, dial. 85,2f). 1191 Vorausgesetzt ist, dass jeder böse Dämon einen himmlischen Gegenspieler hat, einen Engel, den man um Hilfe rufen kann. Diese weitverbreitete Vorstellung 1192 hat Ignatius hier im Blick, wenn er davon spricht, dass grundsätzlich in diesem Bereich eine Revolution der Macht stattgefunden hat. 1193 Das Auftreten Gottes als Mensch unter Menschen bedeutet den ultimativen Exorzismus. 1194 Wenn Gott im Bereich des Menschen erscheint, dann muss jeder böse Geist vor ihm fliehen. Es ist zu fragen, ob auch hier (doketistische) Gegner im Blick sind, 1195 deren Interesse an den himmlischen Gewalten durchaus einen soteriologischen Nebenklang gehabt haben kann. Ignatius weist diesen Vorstellungen jedenfalls neue 1186 1. Henoch schildert die Entstehung von Dämonen und Zauberei aus dem Fall der Engel (1Hen 6ff). 1187 Die Bindung der Dämonen durch Engel berichtet 1Hen 10; Engelbeschwörung gegen Zauber: 1Hen 69. Vgl. TestSal. Vgl. auch 2LogSeth 51,20ff. 1188 So wie Jesus, als Sohn Davids bezeichnet, Dämonen austrieb, so wird auch von Salomo, dem leiblichen Sohn Davids berichtet, er habe Kenntnisse gehabt zur Bekämpfung von Dämonen mittels Einsatz von Engeln (Flav.Jos.Ant. 8,2,5). 1189 B USCH , Das Testament Salomos; DERS ., Magie. 1190 Vgl. Flav.Jos.Ant. 8,46-49. - Durch die von Gott geschenkte Weisheit hatte der Sohn Davids (Salomo) Macht über die Dämonen; eine Macht, die noch zu Josephus’ Lebzeiten von Exorzisten genutzt wurde. 1191 Vgl. dazu S CHOEDEL , Briefe, 169. 1192 Vgl. dazu unten S. 370-373. 1193 Vgl. dazu auch die Darstellungen des jüngst veröffentlichen Judasevangeliums: EvJud (Codex Tchacos 3,36-55) begegnet das Motiv Engel/ Stern häufiger, verbunden mit dem Stichwort »Magie«. Bezeichnend ist vor allem EvJud 55: »Es sprach [Judas]: ›Lehrer, [weshalb lachst du über uns? ]‹ Es antwortete [Jesus (und) sprach]: [Nicht über euch (sic! )] lache ich, [sondern] über die Täuschung der Sterne. Denn diese sechs Sterne irren samt den fünf Kriegern, führen in die Irre, und diese alle werden zerstört werden, mit(samt) ihrer Schöpfung« (ÜS: B RANKAER , J., Gnosis 246/ Codex Tchacos). Es handelt sich um eine sicher deutlich spätere Aufnahme und Weiterführung des bei Ignatius gebotenen Motivs. Gnosis und Doketismus liegen hier schon in ausgebildeter Form vor. Interessant ist vor allem, dass das von Ignatius gegen die Doketisten ins Feld geführte Material hier positiv in einem gnostisch und doketistisch orientierten Text aufgenommen wird. 1194 Vgl. die Evangelienberichte, wonach Jesus böse Geister bannen und erfolgreich als Exorzist auftreten konnte. 1195 Dass spätere Gnostiker ähnlich denken und formulieren konnten, zeigt z.B. die »Dreigestaltige Protennoia« p.41f (NHC 13,1 - NHD 559f). Der Text wirkt zu Teilen wie eine Weiterführung von IgnEph 19. Somit waren Vorstellungen des Ignatius in (deutlich späteren) gnostischen Kontexten anschlussfähig. 358 D. 9 Die Ignatiusbriefe Bahnen. Nicht einzelne Engel sind von Belang, sondern das Grundsätzliche, nämlich der Auftritt Gottes als Mensch und die damit zusammenbrechende Teufelsherrschaft. Dass wir es hier mit einem »Heilsplan« zu tun haben, macht Ignatius deutlich auch dadurch, dass er sagt, dass alles das schon lange bei Gott vorbereitet war. Damit ist auch geklärt, dass alttestamentliche Schriften, von Gott inspiriert, in Einklang mit diesem Plan stehen. Der letzte Satz macht vielleicht auf die persönliche Betroffenheit des Ignatius und seiner Leser aufmerksam: Alles gerät in Aufruhr, alles wird aufgehetzt, weil das endgültige Aus für den Herrscher dieser Weltzeit inklusive Tod ansteht. 1196 9.7.5.5 Fazit Wenn Christus dem Herrscher der Weltzeit verborgen geblieben ist, dann ist das eine Parallele zu dem Verborgenbleiben seiner Leiblichkeit, also zum Gedanken, er sei nur zum Schein Mensch geworden. - Das Motiv ist das Gleiche: Was nicht möglich ist, kann man nicht erfassen. Der Herrscher der Weltzeit kann Geburt und Tod Christi nicht erfassen, weil Christus sich anders verhält, als es von einem Himmelswesen erwartbar wäre. Der Herrscher der Weltzeit hätte sich dann vielleicht selbst anders verhalten. Es ist so, wie wenn ein investigativer Journalist oder gar der Konzernchef selbst »under cover« im Betrieb an verschiedenen Stellen mitarbeitet und Dinge bis zum bitteren Ende auskostet, um sie hinterher ganz und gar abstellen zu können. Würde er sich (quasi mit Name und Dienstgrad) vorstellen, bekäme er die Probleme, auf die er stößt, gar nicht erst zu Gesicht, insbesondere kein echtes Leid. Für die Frage nach der Entstehung des Doketismus einerseits, für die Frage nach der Inkarnation andererseits, führt uns der Sternenhymnus des Ignatius ein in die grundlegende Sicht der Dinge, die er in weiten Stücken mit seinen Gegnern teilt. Es geht um Himmlisches, es geht um Geheimnisse, um Offenbar-Sein und Verborgen-Sein. Wir gewinnen also noch einmal mit anderem Bildmaterial einen Blick auf etwas, das der Sache nach der Frage nach Inkarnation und Doketismus zumindest ähnlich ist. Die Frage ist: Wo ist die Offenbarung? Was bedeutet die Menschwerdung? Woran kann man das erkennen? Warum haben andere es nicht erkannt? Ignatius arbeitet zur Beantwortung dieser Fragen mit dem Geheimnismotiv sowie mit dem Bild einer astralen Epiphanie. Man kann sagen, dass das irdische Leben Jesu inklusive seines Leibes, in seiner himmlischen Bedeutung durch die Spiegelung dieser Geschichte an das Firmament verdeutlicht wird. Damit reagiert Ignatius auf die Himmels- und Unsichtbarkeitsorientierung seiner Gegner. Auch seine Sicht der Menschwerdung wird hier soteriologisch, antimagisch und antidoketistisch motiviert. Möglich ist daher, dass auch die Doketisten, denen er begeg- 1196 Vgl. dazu Offb 12,12. 9.8 Einer ist Arzt (IgnEph 7,2) 359 nete, magische Vorstellungen mit den von ihnen mit Aufmerksamkeit bedachten Engelsmächten verbanden. 9.8 Einer ist Arzt (IgnEph 7,2) Die antithetischen Formulierungen 1197 sind noch direkter als in IgnEph 19 als Antwort auf die doketistischen Gegner erkennbar, zumal wenn man die Parallelen in IgnPol 3,2 mit zur Kenntnis nimmt. Dort heißt es, Christus sei zwar eigentlich unsichtbar aber unseretwegen sichtbar geworden, er sei eigentlich leidensunfähig, sei aber unseretwegen leidensfähig geworden. 1198 Hier heißt es umgekehrt, dass Christus erst gelitten hat, dann aber leidensfrei war. Die von den Gegnern geforderte Leidensfreiheit wird hier genau andersherum wie in IgnPol 3,2 aufgenommen und in eine Abfolge eingeordnet. Die Bezeichnung Jesu als Arzt spiegelt sich innerhalb der Ignatianen im Interesse an Kräutern, Arznei und Gift wider. 1199 Immer geht es dabei um Gegner. Bei der Vernichtung aller Magie in IgnEph 19,2 (s.o. S. 356) sowie der Reinigung des Wassers durch Jesus in IgnEph 18,2 (s.o. S. 350) kann man aber auch die heilende, exorzistische Wirkung Jesu insgesamt im Blick haben. Gesundsein bzw. Gesundwerden gehört für Ignatius zur Einheit, die er mit dem einen Arzt betont. Dessen Zuständigkeitsbereiche sind sowohl menschlich-irdisch als auch geistlich himmlisch. Beiden Ebenen kann er gerecht werden, weil er aus beiden Ebenen stammt: geboren und auch nicht geboren; aus Maria und aus Gott. Ignatius hier von der späteren Zwei-Naturen-Diskussion her zu lesen und die Antithesen in paradoxem Sinne zu verstehen, geht dabei an der Sache vorbei. Denn Ignatius will hier keine Paradoxien darstellen, sondern wiederum die Einheit des Verschiedenen darstellen, die ihm auch in der Gemeinde wichtig ist. So, wie Paulus in 1 Kor 12f verschiedenste Charismen darstellen kann, die doch aber in der Liebe eins sind, so ist das Prinzip der Einheit für Ignatius Christus selbst. 1200 1197 Hier ist wie auch sonst bei Ignatius nicht spätere Dogmatik motivierend für paradoxe Aussagen, sondern der rhetorisch begabte und womöglich geschulte Ignatius setzt einerseits das ein, was man von Heraklit als die Zusammenschau von Gegensätzen kannte, andererseits wird die neutestamentlich übliche Formulierung in »Doppelformeln« vorangetrieben (vgl. dazu DE J ONGE , Christologie, 23f). S CHOEDEL , Briefe, 118, weist auf Entsprechungen in der Passa-Homilie Melitos hin: »Man hat nachgewiesen, dass in einer Homilie die gleichen rhetorischen Impulse wie bei Ignatius wirksam sind. So bietet diese Stelle wohl eher eine rhetorische Erweiterung von bekenntnisartigen Antithesen als einen Hymnus.« 1198 Siehe oben: 9.4.6.3, S. 299. 1199 IgnTr 6,2; Eph 20,2. 1200 B ROWN , Gospel, 135: »The union is vital for Ignatius; for, not only does this expression of the incarnation counter the docetic error (and, thus, argues for church unity), but Jesus’ unity of flesh and spirit in the incarnation also defines the individual Christian’s union with Jesus (or God).« εἷς ἰατρός ἐστιν, Einer ist Arzt, σαρκικὸς καὶ πνευματικός, fleischlich-menschlich und geistlich γεννητὸς καὶ ἀγέννητος, geboren und nicht geboren ἐν ἀνθρώπῳ Θεός, ἐν θανάτῳ ζωὴ ἀληθινή, im Menschen: Gott; im Tod: wahres Leben καὶ ἐκ Μαρίας καὶ ἐκ Θεοῦ sowohl aus Maria als aus Gott πρῶτον παθητὸς καὶ τότε ἀπαθής, zuerst leidend, dann ohne Leiden, Ἰησοῦς Χριστὸς ὁ Κύριος ἡμῶν. Jesus Christus, unser Herr. 360 D. 9 Die Ignatiusbriefe Es gibt für Ignatius nicht zwei Ebenen nebeneinander, etwa die der Engel für Fragen des Geistes und dann die Ebene des Miteinanders unter dem Stichwort Liebe. Beide Ebenen, die des konkreten sozialen und diakonischen Miteinanders einerseits und die Wirklichkeit Gottes kommen im Glauben zusammen, ja sogar in jedem Menschen. Umso mehr - und als Voraussetzung für alles andere auch notwendigerweise kommt Gott im Menschen Jesus zur Geltung. Diese bipolare Beschreibung Jesu als »Fleisch und Geist« stammt wohl am ehesten aus einer zweiphasigen Christologie, die uns im paulinischen Römerbrief schon begegnet ist, in Röm 1,3 (s.o. S. 223ff, besonders S. 225): »geboren (...), was das Fleisch betrifft; eingesetzt als Sohn Gottes (...) was den Geist betrifft«. Allerdings »übersteigt« Ignatius die Zweiphasigkeit paulinischer Christologie. Denn für ihn gibt es die Abfolge nicht mehr: erst Fleisch, dann Geist, obwohl er genauso beim Thema »Leiden« argumentiert. Für ihn gibt es nur die Überbietung des Fleischs durch den Geist, 1201 mit dem Ergebnis, dass das Fleisch der notwendige Ort der Offenbarung des Geistes ist. Am Ende kann er sogar vom Fleisch des Auferstandenen sprechen und den Glauben an ihn oder die Evangeliumspredigt von ihm als »Fleisch« Christi bezeichnen. 1202 Dabei geht es, anders als in Joh 1,14, nicht um die Fleischwerdung Christi an sich, sondern um »eine Wirkung von dieser, nämlich das Erscheinen, das Sichtbarwerden Gottes ἐν σαρκί. In einer inhaltlich ähnlichen Aussage gibt IgnEph 19,3 als Grund für die Beseitigung der Unwissenheit und der alten Herrschaft Θεοῦ ἀνθρωπίνως φανερουμένου an«. 1203 Am Ende ist es tatsächlich eine gemeinsame »Sphäre«, in der Christus ebenso wie die an ihn Glaubenden lebt. Denn »Fleisch« ist jetzt auch ein Ausdruck für die Gemeinschaft mit Christus im Glauben. Zwar hat »Fleisch« weiterhin die besondere Konnotation der Sterblichkeit und des Irdischen, aber dennoch ist durch die Beziehung auf den Auferstandenen und auf Glaube und Evangelium hier das rein-irdisch Sichtbare in Richtung auf den Himmel durchbrochen. Umgekehrt ist »Geist« eben nicht platonisch als in den Leib widerwillig eingesperrter Lichtfunke zu sehen, sondern als den Menschen zugewandte Kraft Gottes, die am und im Menschen, seinem Fleisch und Blut gegenwärtig ist bzw. sein kann. »Im Menschen Gott im Tod wahres Leben« mit diesem Slogan sagt Ignatius, worum es bei der Inkarnation geht: um den Ort der Offenbarung und des Heils. Dieser Ort ist nicht eine Entrückung in den Himmel, wo dann die Offenbarung stattfindet und wo das Heil zu schauen wäre. Sondern Ort der Offenbarung, der epiphanen Gottesnähe, ist der Mensch. »Im Tod - Leben« in direktem Zusammenhang mit dem »Menschen« weist auf dessen Sterblichkeit hin, die durch die Anwesenheit Gottes überwunden wird. 1201 S.o. S. 317ff. 1202 S.o. S. 321ff. 1203 L ONA , Sprachgebrauch, 386. Vgl. auch die antithetischen Formulierungen in 1 Tim 3,16. 9.9 Ergebnisse: Inkarnation und Doketismus in den Ignatianen 361 9.9 Ergebnisse: Inkarnation und Doketismus in den Ignatianen Ignatius war vor allem auch darin ein »apostolischer Vater«, dass er in dieser Gemengelage trotz eigener Bedrängnis in zwar manchmal sehr scharfer Form, aber immerhin klärend für eine theologisch sinnvolle Ordnung und damit auch für eine seelsorglich wichtige Grundorientierung in den Gemeinden Kleinasiens gesorgt hat: 9.9.1 Inkarnation in der Sicht des Ignatius 1. Inkarnation ist schon vor der Begegnung mit den Doketisten ein für Ignatius wichtiges Thema. 2. Der Begriff des »Fleisches« ist bei Ignatius gegenüber dem neutestamentlichen Gebrauch erweitert. Auch der Auferstandene hat Fleisch, aber auch Glaube, Evangelium und Gebet können als Fleisch Christi bezeichnet werden. Fleisch ist also die Bezeichnung für das Gemeinsame und Menschliche sowohl an Christus als auch in der Gemeinde, das selbst nach dem Tod existent ist. 3. »Geist« ist zwar auch bei Ignatius ein Gegenbegriff zu »Fleisch«, aber nicht in einem absolut gegengesetzten Sinn, sondern als die überbietende, stärkere Größe. 4. »Geist« im »Fleisch« bedeutet, dass das Fleisch schon Anteil bekommt an der Macht des Geistes. Das Fleisch ist dabei die notwendige Trägergröße für den Geist und hat durch den Geist gewandelt eine eigenständige Bedeutung. 5. Die Einheit von Geist und Fleisch bei Christus hat ihr Pendant in der Einheit der Gemeinde und in der Einheit der Christen mit Gott oder Jesus. 6. Jesus Christus ist der Garant der Einheit von Gott und Mensch, weil in ihm Geist und Fleisch eins sind. Die Einheit ist nicht als Verschmelzung oder Identifizierung zu denken, sondern als Symbiose. 7. Mit der Einheit von Fleisch und Geist in Christus ist für den Glaubenden der Fixpunkt gesetzt, von dem her das Heil auch für ihn seinen Lauf nimmt. 8. Lebensgeschichtlich wichtig ist dies für Ignatius, weil er sein Martyrium nicht nur für den Frieden seiner Gemeinde, sondern auch für die Einheit der Christen erleidet und weil er sich dabei als Nachahmer und Schüler in die Spuren Jesu begibt, um durch den Untergang des Fleisches hier den Aufgang dort bei Gott zu erleben und so letztgültige Einheit mit Gott zu erlangen. 9. Für die Frage nach dem »Fleisch des Christus« und seiner Funktion als Gegenbegriff zum Doketismus ist also auch hier, bei Ignatius, negativ festzustellen: »Fleisch« ist selbst für Ignatius in seinem antidoketistischen Kampf nicht (in erster Linie) ein Gegenbegriff zum Doketismus seiner Gegner, sondern wird dann nur dafür auch in den Dienst genommen. Allerdings ist das Stichwort seiner Gegner nicht »Fleisch«, sondern »Leib«. 9.9.2 Christologie in der Sicht seiner doketistischen Gegner 1. Wie Ignatius denken die doketistischen Gegner grundsätzlich in Begriffen einer apophatischen, »negativen« Theologie, 1204 die über Gott vor allem aussagt, was ihn von der Welt der Menschen trennt: Er ist ungeworden, unveränderlich, damit auch ohne Leid und selbstverständlich ohne Tod. Er ist »reines Sein«, zu dem man mystisch Zugang bekommt. Mittel des Zugangs zum himmlischen Bereich können Kon- 1204 Vgl. zu den philosophischen Hintergründen S CHOEDEL , Briefe 118f.; 414-416. 362 D. 9 Die Ignatiusbriefe takte oder das Wissen um die himmlischen Mächte sein. Anders als Ignatius setzen die doketistischen Gegner keine Priorität auf eine besondere Rolle Jesu, bzw. können mit dem Gedanken der Inkarnation nichts oder jedenfalls nicht viel anfangen. 2. Ihr Problem mit der Inkarnation besteht in der Frage, ob Christus leiden kann. Dies verneinen sie. 3. Um die Leidensfreiheit sicherzustellen, stellen sich die Gegner eine andere Leiblichkeit für Jesus vor. Die Schlagworte »körperlos« und »dämonisch« werden genannt und deuten sicher nicht auf eine absolute Körperlosigkeit, sondern auf eine geisterhafte, feinstoffliche Existenz hin. 4. Im Gegensatz zu Ignatius ist das Hauptschlagwort dabei »Leib«. Der Begriff »Fleisch« taucht nur zur Erklärung der Leiblosigkeit auf, wenn Ignatius die Behauptung wiedergibt, Christus sei kein Fleischträger gewesen. Das aber kann auch auf Ignatius zurückgehen. 5. Zur Klärung christologischer Fragen sind die Gegner zumindest auf alttestamentliche und jüdische Schriften hin ansprechbar. Höchstwahrscheinlich stellten sie eine besondere Gruppe innerhalb der größeren Schar von Menschen dar, die für judaisierende Tendenzen offen waren. 9.9.3 Offene Fragen Das Schlagwort »negative« oder »apophatische« Theologie in Bezug auf die Gegner beschreibt zwar, was man an Aussagen beobachten kann. Nicht geklärt ist aber, aus welchen Quellen die Inspiration für die Aussagen und Auffassungen der Gegner stammt. Die durch die Texte nahegelegte Vermutung, auch die Doketisten seien letztlich im »judaisierenden« Bereich der Gemeinde zu suchen, schließt pagangriechische Hintergründe nicht völlig aus, so wie auch Ignatius ganz offensichtlich über eine gute, pagan-griechische Bildung verfügt. Offene, in Teil E. zu lösende Fragen: Im Folgenden geht es darum, mögliche religionsgeschichtliche Hintergründe für die Entstehung des Doketismus zu eruieren aufgrund der in dieser Arbeit aufgezeigten Sach-Zusammenhänge (insbesondere in den Kapiteln 10 und 11, fortgeführt in Kapitel 13). Auch das für Ignatius selbst wichtige Thema »Fleisch« kann weitergeführt (12) und der Zusammenhang mit der Entstehung des Dokteismus deutlich gemacht werden (13 und 14). E. Religionsgeschichtliche Entwicklungslinien Zielsetzung und Übersicht Nachdem alle bekannten frühchristlichen Stellen zum Thema »Fleisch Christi« erörtert sind, steht fest: Doketismus begegnet in den älteren Schriften nirgendwo. Erst Ignatius zeigt den offensichtlichen Gegensatz der Auffassungen seiner Gegner zur Vorstellung der wirklichen Menschwerdung Christi auf. a) Zwar sind auch zugleich bei Ignatius einige Hinweise dafür gefunden worden, wo die Ursprünge doketistischer Auffassungen liegen könnten (Orientierung am Himmel, Wertschätzung von Engeln, Prägung durch negative, apophatische Theologie); eine richtige Vorstellung davon, wie dies geschehen ist, haben wir bisher aber noch nicht. Fest steht, dass es sich um den Bereich der frühjüdischen »Mystik« handeln muss, deren Vielfalt hier nur angedeutet werden kann (10). b) Woher genau stammt der Impuls und woher das »Material« für den sich jetzt entwickelnden Doketismus (11)? Insbesondere die Angelologie und der vielfach zu beobachtende »Engeldoketismus« kommen dafür in Frage. Aber auch Verklärungsphänomene, Metamorphosen und Polymorphie stehen im Hintergrund. Engelchristologische Ansätze und Fragen nach Wahn oder Wirklichkeit begegnen in diesem Umfeld mehrfach. Was das Leiden betrifft, gibt es auch im Bereich des rein Menschlichen Phänomene, die das Leiden für unwirklich erklären, wie z.B. bei Märtyrern zu beobachten ist. Insgesamt steht somit eine Fülle von Beobachtungen bereit, die den Hintergrund für die Entstehung von Doketismus aus Frühjudentum und frühen Christentum schlüssig belegen. Entwickelte gnostische Systeme sind daher ebensowenig als Voraussetzung der Entstehung von Doketismus anzusehen wie ein rein philosophisch gedachter Platonismus. Wenn der sogenannte Mittelplatonismus hier gewirkt hat, was nicht zu bestreiten ist, dann doch über den Umweg frühchristlicher und frühjüdischer Mystik. c) Auch die Gegenfrage nach der Entstehung der Inkarnationsvorstellung ist nun in aller Deutlichkeit zu stellen. Bisher ist das Inkarnationsthema nur als Reaktion auf doketistische Fragestellungen untersucht worden mit durchgängig negativem Ergebnis. Aber wenn Doketismus und Inkarnation in späterer Zeit als zerstrittenes Geschwisterpaar erscheinen, dann muss es, wie schon die bisherigen Untersuchungen andeuteten, gemeinsame Wurzeln geben. Dazu ist zunächst zu fragen, wie überhaupt die Vorstellung vom »Fleisch Christi«, d.h. von Inkarnation zustande kommen konnte (ohne Doketismus). Wie kann etwas, das offensichtlich nirgendwo direkt vorbereitet ist (die Rede vom »Fleisch des Messias« fehlt in den vorchristlichen jüdischen Schriften), ad hoc und in großem Radius als Kategorie zur Deutung der Person Jesu Verbreitung finden? Es gäbe genügend Argumente, die überhaupt gegen eine derartige Entwicklung sprächen, da einerseits die Messiaserwartungen allgemein unterschiedlich und teilweise unausgeprägt waren. Andererseits war die Inkarnation eines Himmelswesens vorher eigentlich nirgends vorgesehen. Die dazu naheliegende These ist: Verschiedene Bausteine der späteren Inkarnationsthematik müssen schon ganz am Anfang der Deutung Jesu bereitgelegen haben, vorbereitet durch entsprechende Motive des vorchristlichen Judentums. Jesus selbst wird Anteil gehabt haben an der Deutung seines Auftretens mit dem Stichwort »Fleisch«. Ob dies nur implizit oder wohl eher explizit der Fall war, ist am Ende nicht entscheidend. Sicher erscheint mir dagegen, dass Jesus selbst Erfahrungen gemacht hat, die unter dem Stichwort »Geist« nach einer Verortung (»Fleisch«) fragen lassen und die zugleich ihn selbst als Boten und Sohn Gottes in dieser Welt auftreten lassen (12): - Wahrscheinlich ist, dass Jesus selbst Ascensionserfahrungen gemacht hat, die er als starke Inspirationserfahrung gedeutet haben kann. - In jedem Fall kommt die irdische Inspirationserfahrung dazu. - Die Menschensohnvorstellung, die Orientierung an den Patriarchen der Vorzeit, an der Idealgestalt des beispiellos Gerechten, an dem himmlischen Adam und an mystischen Metamorphosen bieten gemeinsam mit der Kategorie »Kleidung als Repräsentanz und Schutz« Stoff zuhauf, um die Entstehung der Begriffskombination »Fleisch des Messias« einordnen zu können. d) Ausgehend von diesen Grundmustern und dem dabei gebotenen Material kann spekulierend dargestellt werden, wie aus der Inkarnationsvorstellung doketistische Konzepte entstehen konnten und welche Weichenstellungen dafür nötig waren (13). e) In einem abschließenden Fazit zu Inkarnation und Doketismus werden die so erarbeiteten Linien noch einmal zusammenfassend präsentiert (14). Zielsetzung und Übersicht Eine der zentralen Thesen des Ignatiuskapitels besteht darin, dass Ignatius als Pneumatiker und Mystiker mit seinen doketistischen Gegnern mehr gemein hat, als man denken sollte. Dazu gehören das Interesse an den Mächten des Himmels, die Hoffnung, zu Gott zu gelangen, möglicherweise auch ekstatische und visionäre Phänomene sowie das, was man »Aufstiegserfahrungen« oder »apokalyptische Himmelsreisen« nennen könnte. Das Ziel des folgenden Abschnittes ist es, in Kürze den frühjüdischen und frühchristlichen Hintergrund dieser Erfahrungen und Vorstellungen darzustellen. 1205 Grundlegend: M EIER , Mystik; B ERGER , Theologiegeschichte, Abschnitt »Mystik« (ebd., 45-49.50-56), R ÖHSER , Mystik (NTAK), S CHÄFER , Ursprünge. F OSSUM , Image, 1 beschreibt frühjüdische Mystik als »vertical apocalyptism«. Ebd., S. 2: »Given the fact that early Christianity is far from avoid of mysticism, it is rather strange, that Jewish mysticism has not been the subject of more attention in modern New Testament Scholarship.« F OSSUM bietet einen ausführlichen Forschungsüberblick zum Thema. 364 E. 10 Mystik 10 Mystik 10.1 Inkarnation und Doketismus »In the Making« 365 Die These dabei ist, dass die frühjüdische und frühchristliche Mystik sowohl den Kontext für die Entstehung der doketistischen Vorstellungen in der Christologie bietet als auch den Hintergrund für die inkarnatorische Rede vom Fleisch Christi stellt (10). Diese beiden Komplexe sollen dann aber in einzelnen Unterkapiteln (11 und 12) weiterentwickelt werden. Hier geht es zunächst aber um die Frage, in welchen Rahmen die Pneumatiker- Existenz des Ignatius und seiner Gegner einzuordnen ist (10.2) und was in diesem Zusammenhang »Ekstase« bedeutet (10.3). Die Orientierung an himmlischen Mächten, an Engeln und Dämonen (10.4) sowie das Interesse für die Hierarchie himmlischer Mächte (10.6) ist nicht nur für die Doketisten des Ignatius vorauszusetzen, sondern in gewissem Maße auch für ihn selbst. 10.1 Inkarnation und Doketismus »In the Making« Zwar ist im Bisherigen geklärt, dass weder 1 Joh noch seine Gegner, noch Ignatius noch irgendjemand sonst bis zu den Gegnern des Ignatius als Doketist identifiziert werden kann. Die Betonung der Menschlichkeit Jesu hat jedes Mal andere Ursachen; zumeist geht es einfach um Fragen des Heils, die geklärt werden sollen. Aber nicht geklärt ist die Frage, wieso die Vorstellung der Inkarnation überhaupt als etwas Neues aufkommen konnte. In vorneutestamentlichen Schriften begegnet sie nicht. Wo sind die religionsgeschichtlichen Wurzeln und Motivationen? Die andere Frage hängt damit zusammen: Wo sind die religionsgeschichtlichen Motivationen und Traditionen zu suchen, aus denen die Vorstellung des Doketismus entstand? Wir beginnen mit der Frage nach der Herkunft des Doketismus. Auszugehen ist dabei von den konkreten Beobachtungen anhand der Ignatianen. Folgende Elemente sind zu untersuchen: - Allgemeine mystische Vorstellungen: Was sind Pneumatiker? - Ähnlichkeit mit den Engeln bei Mystikern. - Visionen von Entrückung und himmlischem Beistand bei Märtyrern. - Was versteht man zur Zeit des Ignatius unter himmlischen Mächten? - Wie ist die Erscheinung von Dämonen und Engeln denkbar? - Essen, Trinken und Anfassen als Beweis von realer Leiblichkeit bei Engeln und Dämonen. - Gott, Götter oder Engel als Menschen. 10.2 Was ist ein Pneumatiker? Über den Pneumatiker Ignatius und die Hintergründe seiner Selbstbezeichnung als »Gottesträger« und über sein Sprechen mit der »Stimme Gottes« ist oben schon einiges gesagt. Worin aber wird die pneumatische Existenz deutlich? 366 E. 10 Mystik In Philos Buch über die Träume (de Somniis) geht es um die Frage, wie ein Mensch sich durch Ekstase 1206 selbst »aufschwingen« kann, um göttliche Schau zu erlangen. Ausgangspunkt ist Gen 28 (Jakob träumt die Himmelsleiter). Die Paragraphen 72-119 behandeln die Frage, warum »die Sonne untergegangen war« (Gen 28,11). 1207 Vier Bedeutungen arbeitet Philo heraus: 1. Die Sonne ist Gott, der verschwindet, wenn die Lichter zweiten Ranges, die Logoi aufgehen, so wie die Sonne vor den Sternen verblasst (72-76). 2. Die Sonne ist der menschliche Geist, dessen Lichter beim Aufgehen der Sinnlichkeit verlöschen (77-84). 3. Die Sonne ist der göttliche Logos. 4. Die Sonne ist Gott. 1208 Das Ziel des Ignatius, zu Gott zu gelangen, wie eine Sonne, die untergeht und bei Gott neu aufgeht (IgnRöm 2,2), gewinnt durch Philos Beschreibung an »Farbe«. Seine Gegner haben das gleiche Interesse, Gottes Nähe zu erlangen. Wahrscheinlich denken sie sich das in der von Philo bezeugten ekstatischen Aufschwingung, wobei das Sichtbare ganz in den Hintergrund tritt bzw. verschwindet, das Unsichtbare und Himmlische dagegen alles umfasst. Das schon genannte Zitat aus dem Brief an Rheginus verdeutlicht dies. 1209 Das Himmlische, Unsichtbare ist das eigentliche Ziel des Glaubens, wie das Thomasevangelium deutlich macht: EvThom 2: »Wer sucht, soll so lange weitersuchen, bis er findet. Wenn er aber findet, wird er erschrocken sein. Wenn er erschrocken ist, wird er staunen. Und er wird König sein über die unsichtbare Welt« (B/ N). Damit könnte die Motivation der doketistischen Gegner des Ignatius benannt sein. Allerdings gibt es auch in EvThom einen Einwand, der zumindest teilweise mit der kritischen Haltung des Ignatius korrespondiert: EvThom 67: »Wer die unsichtbare göttliche Welt erkennt, aber nicht sich selbst, der hat alles verfehlt.« Der unsichtbaren, göttlichen Welt wird hier ein Stück »Realismus« entgegengehalten. Fehlt die richtige Einschätzung der eigenen Realität, nützt die ganze Himmelsschau nichts. Das Ziel, Gott zu erlangen oder gar »Gott zu werden«, beschreibt Theophilus von Antiochien, der zugleich den Grund angibt, weswegen dies im Allgemeinen nicht möglich ist: 2. Theophilus 29: Was wäre gewesen, wenn der Mensch nicht gesündigt hätte und nicht des Paradieses verwiesen worden wäre: »Er hätte das Gebot Gottes beachtet (τηρήσας τὴν ἐντολήν) und hätte als Lohn von ihm die Unsterblichkeit erhalten und wäre Gott geworden (γένηται Θεός).« 1206 Zum Thema Ekstase vgl. K INLAW , Christ, 41-55; zu inspirierter Sprache ebd, 41ff und F ORBES , Prophecy. Eine prägnante Einführung in die Funktion der Ekstase bei Philo bietet S CHAEFER , Ursprünge, 231,ff. 1207 Vgl. oben S. 320f. 1208 Philo kann auch davon sprechen, dass der Ekstatiker Gott verwandt und damit wahrhaft göttlich wird. Vgl. dazu S CHAEFER , Ursprünge, 233. 1209 Vgl. oben S. 286f und S. 320f. 10.3 Erfahrungen von Ekstase und Enthusiasmus 367 Buße als notwendige Grundhaltung des Menschen, wie sie für Hermas dann so wichtig ist, begegnet in den Ignatianen allerdings nicht. Dennoch können auch asketische Vorbereitungen wie Fasten und Beten ebenso wenig ausgeschlossen werden, 1210 wie andere Mittel, die Philo 1211 und der zwar heidnische aber mittelplatonisch »verwandte« Plutarch 1212 für den Offenbarungsempfang nennen oder die bei Philo bezeugte »Schriftekstase«, die der von H ARNACK vermuteten Nähe von Pneumatikertum und christologischer Schriftauslegung nahekommt. 1213 Nicht zuletzt Musik ist ein mögliches Mittel, offen für den prophetischen Geist zu werden. 1214 10.3 Erfahrungen von Ekstase und Enthusiasmus IgnPhld 7,2 zeigt, dass schon geisterfülltes Reden und Hören als Offenbarung erlebt werden können. Träume gelten als wichtiges, 1215 aber auch gefährliches Instrument 1216 ebenso wie Visionen, die in Wachzuständen erlebt werden. 1217 Auch apokalyptische Visionen, wie sie in frühchristlicher und frühjüdischer Literatur zuhauf in der Regel anonym bzw. pseudepigraph überliefert sind, gehören 1210 So z.B. in Herm vis 1,3 und Herm vis 2,1f. 1211 Z.B. her. 69; 74; 85; 265; LA 3, 41. 1212 Plutarch stellt in Defectu Oraculorum 38 die Frage »nach der Ursache und der Kraft, deren sich die Dämonen bedienen, um die Propheten und die Prophetinnen für den Enthusiasmus empfänglich und fähig zu machen, sich Vorstellungen von der Zukunft zu bilden.« Es sei wichtig, zu warten und die durch die Materie abgelenkte Seele empfänglich zu machen, heißt es in def. 39. »Obschon nun also diese den Seelen eingeborene Kraft nur schwach ist und nicht leicht Vorstellungen schafft, so geschieht es doch oft, dass manche Seelen sie aufblühen und aufleuchten lassen in Träumen oder in der Stunde ihres Todes, wenn der Körper rein wird oder eine hierfür günstige Verfassung annimmt, so daß die Kraft zu denken und zu überlegen nachlässt und die Seelen sich von der Gegenwart lösen, sich aber mit ihrer ohne Denken nur Vorstellungsbilder schaffenden Kraft der Zukunft zuwenden« (def. 40). Es kommt dafür auf eine bestimmte Verfassung an, die man Enthusiasmus nenne. Die Wirkung beschreibt Plutarch wie folgt: »Denn viele Verdrießlichkeiten und Störungen erfassen so, dass sie es merkt, und noch mehr, ohne dass sie es merkt, ihren Körper und dringen zu ihrer Seele, und wenn sie davon erfüllt ist, dann ist es nicht gut, daß sie dahin geht und sich dem Gotte hingibt, weil sie dann nicht ganz rein ist wie ein wohlgestimmtes, schönklingendes Instrument, sondern von Leidenschaften getrübt und verstört« (def. 50). Zitiert nach: P LUTARCH , Gott (ÜS Z IEGLER ). 1213 H ARNACK , bezeichnet christologische Schriftauslegung als Merkmal der Pneumatiker (s.o. S. 28ff). 1214 Flav.Jos.Ant. 9,3,1: »Als man (...) jemand herbeigerufen hatte, der die Zither zu spielen verstand (...), wurde Elissaeus während des Spiels vom Geiste Gottes ergriffen und befahl ...«. Vgl. die Rolle der Musik bei David (1 Sam 16,23; 18,10; 19,9: David musiziert auf den Saiten der Harfe um den bösen Geist Sauls zu bekämpfen; 2 Sam 6,14ff: David tanzt in Ekstase vor der Bundeslade). Vgl. Montanus (spätes 2. Jh.), der den Menschen für ein Lyra hält und sich selbst für das Plektron, das die Musik erzeugt (Epiphanius, Pan. 48,4,1). Es ist zu überlegen, ob das Musikmotiv aus IgnEph 4 einen ähnlichen Hintergrund hat, auch in dem Sinne gemeinsamer Erfahrung von Ignatius, Gemeinden und »Gegnern« in ekstatischen Phänomenen im Zusammenhang mit dem Gottesdienst. Vgl. unten S. 444ff. 1215 Vorbilder: Jakobs Traum (Gen 28); Daniel als Traumdeuter und Träumer (Dan 2; 4; 7); Joseph als Traumdeuter und Träumer (Gen 37; 40f). Im Neuen Testament ist Apg 16,9 sicher als Traumerlebnis zu deuten; Jesu irdischer Vater Josef wird mehrfach mit Träumen bedacht (Mt 1,20; 2,12; 2,19.22). In seiner Pfingstpredigt bezieht sich Petrus positiv auf Joels Weissagung der Zeit der Träume (Apg 2,17; Joel 3). Flavius Josephus versteht sich selbst als Traumempfänger und Traumdeuter (z.B. Bell. 3,8,3), auch sonst gilt er und inszeniert sich als prophetisch begabt (z.B. Bell. 3,8,9). 1216 Vgl. Sir 34; Weish 18,17ff; Jer 23,28.32. Auch im Neuen Testament kann das Wort »Träumer« ausgesprochen negativ konnotiert sein wie in Jud 8. 1217 Vgl. Apg 11,5, wo Petrus im Gebet in Ekstase/ Verzückung gerät und eine Vision hat; Lk 10,18: Jesus sieht den Satansfall; Joh 1,32: Johannes sieht das Herabkommen des Geistes auf Jesus; Apg 9,3ff; 22, 6ff; 26,9f: die Berufungsvision des Paulus; vgl. auch 1 Kor 15,8; Gal 1,15f. 368 E. 10 Mystik hier hin. Der Märtyrer Stefanus gibt die Grunderfahrung wieder: »Ich sah den Himmel offen«. 1218 Bei den Visionen des offenen Himmels bezieht sich die Erfahrung in aller Regel auf himmlische Ordnungen und Machtverhältnisse, deren Spiegelung in den Verhältnissen auf der Erde entweder schon jetzt vorauszusetzen ist oder für die Zukunft gelten wird. Der so aufgeklärte Mensch weiß Bescheid über die Brüchigkeit der scheinbar so festen gegen ihn gerichteten Bedrohungen durch staatliche und andere Mächte. Die Wirkung ist daher oft befreiend, da der verfolgte Mensch sich eines höheren Beistandes und einer höheren Gerechtigkeit versichert sieht. Daher ist es eine häufige Erfahrung von Märtyrern, 1219 dass ihnen Engel beistehen 1220 oder dass die während des Martyriums gemachten pneumatischen Erfahrungen (inklusive visionärem Zugang zum Himmel) das Leid entweder ausschalten oder erträglich machen. 1221 Wer in dieser Weise apokalyptisch denkt, sieht die Welt in mehreren Ebenen, Schichten oder zeitlichen Abfolgen geordnet, wie es später die Gnosis mit ihren, dann allerdings stärker ontologisch gedachten Schichtenmodellen der Wirklichkeit auch tun wird. In jedem Fall geht es darum, Aufklärung über die hinter dem Sichtbaren stehenden unsichtbaren Kräfte und Bewegründe zu erhalten. Ignatius und seine Gegner sind offensichtlich von dieser Fragestellung fasziniert. Anders als seine Gegner hat Ignatius einen Offenbarungsbegriff, der der Inkarnation eine wesentliche Bedeutung zumisst. Er wertet insbesondere die Erfahrungen des Fleisches (Christi und des eigenen) und des Miteinanders in der Gemeinde höher als visionäre, enthusiastische oder ekstatische Erlebnisse und Einsichten. Hier gibt es m.E. einen Zusammenhang mit der zwischen Doketisten und Ignatius umstrittenen Wertung des Leibes bzw. des Fleisches Christi bzw. allgemein von Menschen: Wenn man, wie die Doketisten gemeinsam mit einer breiten hellenistischen Überzeugung, wie sie z.B. für Philo nachweisbar ist, davon ausgeht, dass der Körper reine Hülle ist, in dem die Seele, der Geist oder der Logos gefangen oder begraben ist (σῶμα σῆμα), dann sind ekstatische Vision und enthusiastische Erfahrungen Befreiung schlechthin, weil sie alles materielle Dasein vergessen lassen. Leid und jede Art von Veränderung sind dann zumindest für den Ekstatiker und Enthusiasten in der mystischen Erfahrung (punktuell) überwunden. 1218 Apg 7,56. Vgl. z.B. 2 Kor 12; Pastor Hermae und die Offenbarung des Johannes. 1219 Vgl. dazu J OHANSSON , Parakletoi 71ff und unten S. 411. Dass ansonsten Engel als Fürsprecher bekannt sind, belegt J OHANSSON , a.a.O., ausführlich S. 75-83. 1220 Dan 6,23; Apg 5,19f; 12,7; viele Berichte in den neutestamentlichen Apokryphen, besonders den Apostelakten. 1221 Besonders gut in der Ascensio Jesajae zu beobachten: Während Jesaja zersägt wird, schwingt sich sein Geist zu einer Himmelfahrt auf. Im Martyrium Polykarps verfällt Polykarp während der Qual in eine Vision und ist daher weitgehend dem Leiden enthoben. Im Bericht des Flavius Josephus über die sogenannten »Essener« heißt es: »Schmerzen überwinden sie durch Seelenstärke und einen ruhmvollen Tod ziehen sie dem längsten Leben vor. (...) Kein bittendes Wort an ihre Peiniger kam über ihre Lippen, und ihre Augen blieben tränenleer. Lächelnd unter Schmerzen spotteten sie ihrer Henker« (Bell. 2,8,10). 10.4 Orientierung an Engeln und himmlischen Mächten/ Isangelie 369 Wenn man dagegen, wie Ignatius in Anschluss und Überbietung biblischer Ansätze das Fleisch für den notwendigen Offenbarungsort Gottes hält, der durch die Offenbarung berührt und verändert, schließlich sogar ganz verwandelt wird, dann erscheint gerade in der Inkarnation Jesu, in seinem Leiden und Tod genau wie in der Leiderfahrung der an ihn Glaubenden, besonders natürlich der Märtyrer, Gottes Heil. Das irdische Dasein (Fleisch) zeigt zwar nur die Spitze des Eisbergs, aber so wird es zur notwendigen Tür, wirklich zu Gott zu gelangen. 10.4 Orientierung an Engeln und himmlischen Mächten/ Isangelie Zu neutestamentlicher Zeit ist die Orientierung an Engeln innerjüdisch (noch) umstritten. Paulus spaltet in Apg 23,6-9 mit Hinweis auf Auferstehung und Engel seine Gegner in Pharisäer und Sadduzäer. Während die Sadduzäer beide Vorstellungen strikt ablehnen, können die pharisäischen Paulusgegner sogar fragen: »Vielleicht hat ein Engel oder ein Geist mit ihm geredet? « Die Möglichkeit, dass Paulus in Kontakt mit den Engeln oder anderen Geistern steht, wird damit eingestanden. Der Vorwurf der Jesusgegner in den Evangelien, Jesus sei von einem bösen Geist besessen, 1222 ist dazu die Negativ-Variante. 1223 Verschiedentlich geht man davon aus, dass im Gottesdienst oder in Äußerungen der Nächstenliebe 1224 eine Nähe, gar eine Ähnlichkeit zu den Engeln hergestellt wird, 1225 was damit zu tun hat, dass der irdische Gottesdienst als Abbild der himmlischen Liturgie gedacht werden kann. 1226 Dass dies auch für Werke der Nächstenliebe gilt, hängt mit der Selbstidentifizierung Gottes mit dem Nächsten bzw. dem Schwachen zusammen. 1227 Das heißt: In Gebet und Gottesdienst und gelebter Nächstenliebe können die Grenzen zwischen Himmlischem und Engeln einerseits und den Menschen andererseits verschwimmen, Menschen erleben sich in Gemeinschaft mit den Engeln (Isangelie). 1228 Dies gilt insbesondere für die Rolle von Priestern, die Fürbitte 1222 Vgl. das auf S. 138f zum Thema »Sünde wider den Heiligen Geist« Gesagte. 1223 Mt 11,18 par.; Mk 3,29; Joh 10,20; Mt 12,24; Mk 3,22; Lk 11,15. 1224 Hebr 13,2: Viele haben in Gäste aufgenommen und dabei »ohne ihr Wissen Engel beherbergt«. 1225 Siehe unten Sir 50,6ff: S. 355. 1226 Vgl. z.B. die Beschreibungen himmlischer Liturgien in 4Q400-4Q408, s. dazu S CHAEFER , Ursprünge, 177-185; ebd. 183 schreibt S CHAEFER über die Qumran-Leute: »Als priesterliche Gemeinschaft auf Erden sind sie Engel und privilegiert, an deren Liturgie und Gemeinschaft teilzuhaben.« Vgl. auch Sach 3, wo der Hohepriester Jeschua vor dem Engel des Herrn steht und Satan ihn verklagt. Der Engel des Herrn weist die Klage ab und gibt neue, reine Kleider, d.h. er gewährt vergebend Zugang zur himmlischen Liturgie. Vgl., M ARKSCHIES , Welten, 37: »Überträgt man die platonische Vorstellung einer konstitutiven Beziehung zwischen Urbild und Abbild, zwischen Idee und Realität auf den Gottesdienst, so kann man dies über ihn sagen: Er ist der ›Himmel auf Erden‹, nämlich die göttliche Liturgie der Engel im Abbild des irdischen Gottesdienstes.« Zu ergänzen wäre: Urbild-Abbild ist abgesehen vom Platonismus schon vorher in anderer Variation in Israel bekannt; die Bemerkungen von M ARKSCHIES treffen also auch Wesentliches, wenn man sie auf die frühjüdischen Vorstellungen vom Gottesdienst anwendet. Einen Überblick gibt M ARKSCHIES , Theologie, 136-210. 1227 Vgl. »Was ihr getan habt einem dieser meiner geringsten Brüder ...« (Mt 25,40). 1228 B ETZ , Isangelie, 945ff. Vgl. 1QS 11,7ff: »Denen, die Gott erwählt hat, (...) er gab ihnen (so) Anteil am Los (8) der Heiligen, und mit den Söhnen des Himmels verband er ihren Kreis zu einem Rat der Einung (...) für alle (9) kommende Zeit« (zitiert nach S CHAEFER , Rivalität 40). 370 E. 10 Mystik halten. 1229 Hier gehen die Vorstellungen oft über in die des Stehens im himmlischen Rat, 1230 was auch über die Vorstellung der Himmelsreise ausgedrückt werden kann (dazu unten S. 435f und 444f). Auf der menschlichen Seite kann eine vollkommene Bedürfnislosigkeit irdischen Grundbedürfnissen gegenüber einsetzen. 1231 Allerdings kann Fasten auch zu Begegnungen mit der dämonischen Gegenseite führen. 1232 Aber auch prophetische Rede und Glossolalie (Reden in den Sprachen der Engel) werden als engelsgleich erlebt. 1233 10.5 Gestalten von Engeln und Dämonen Engel 1234 und Dämonen 1235 sind, mit den Worten des Ignatius und seiner Gegner gesagt, ἀσώματος καὶ δαιμονικός, körperlos und geisterhaft. Diese Vorstellung begegnet bei Plutarch und Philo, die als mittelplatonische Philosophen eine Zwischenebene zwischen der absoluten Transzendenz Gottes und der Menschenwelt benötigen, um überhaupt eine Vermittlung zwischen beiden Ebenen erreichen zu können. 1236 Schon bei Plato ist diese Mittelebene 1229 Vgl. unten 449ff. Wie in Sir 50 (s.o. 355f) gezeigt werden kann, changiert die Rolle des Hohenpriesters zwischen Gott und Mensch. Als Mensch tritt er fürbittend vor Gott ein. Als Mensch erscheint er innerhalb des Gottesdienstes »wie ein Engel«. Das zeigt, dass Isangelie kultisch erlebt werden kann, insbesondere auf Seiten dessen, der fürbittend für andere eintritt (vgl. insgesamt dazu J OHANSSON , Parakletoi). B ARKER , Temple Themes, 76, weist auf den griechischen Autor Hecataeus hin, der etwa 300 v. Chr. (zitiert bei Diodorus Siculus XL 3,5-6) davon spricht, dass der Hohepriester dem Volk als verehrungswürdiger Engel galt. - Auch umgekehrt gilt die Isangelie, vgl. Sach 1,12; 3,1-7, wo Satan den Hohepriester Josua verklagt und ein gemeinsames Stehen vor Gott im Rate Gottes vorausgesetzt ist. Vgl. dazu J OHANSSON , Parakletoi, 34-36. 1230 1QSb 4,22-26: »Er hat dich erwählt [...] (23) und an der Spitze der Heiligen zu stehen und dein Volk zu seg[nen] [...] durch deine Hand (24) die Männer des Rates Gottes. ... Du (25) [mögest dienen] wie ein Angesichtsengel an der heiligen Wohnstatt, zur Ehre des Gottes der Heerscha[ren in Ewigkeit. Und] ringsum mögest du sein ein Diener im Palast (26) des Königtums und das Los werfend mit den Angesichtsengeln. Ein gemeinsamer Rat [mit den Heiligen] für ewige Zeit« (zitiert nach S CHAE - FER , Rivalität 39). 1231 Nach LibAnt19,5 hat das Volk Israel 40 Jahre Himmelsbrot gegessen. Abraham hat nach ApkAbr 12,1 vierzig Tage und Nächte nichts gegessen oder getrunken, da das Sehen seines Begleitengels Nahrung und das Hören seiner Rede Trank genug war. Vgl. Jesu Selbstbezeichnung als Himmelsbrot Joh 6 und seine himmlische Speise in Joh 4; vgl. dazu IgnRöm 7,3: »Gottesbrot will ich! « Vgl. auch EvBarth 2,15-21: Maria bekommt vom Engel Himmelsspeise; daraufhin kommt aus ihrem Mund Feuer. 1232 Versuchung Jesu in der Wüste durch den Teufel: Mt 4,1 parr. 1233 In TestHiob 48 bekommt Hemera, Hiobs Tochter, nach Anlegen des Gürtels des Heiligen Geistes, ein verändertes Herz, so dass alles Irdische aus ihrem Sinn weicht und sie in Engelssprache redet und nach Art der Engel ein Lied für Gott singt. Das hat solche Auswirkungen, dass sogar ihr Kleid, d.h. ihr Aussehen, ihre Gestalt als verändert wahrgenommen wird. Zur späteren prophetischen Bewegung des Montanismus vgl. M ARKSCHIES , Theologie, 109ff. 1234 Ausführliche Darstellung bei: M ICHL , Engel I-IX; vgl. auch S CHAEFER , Rivalität, 51-53. 1235 B ENK , Light of the Moon. Demonology in the Early Imperial Period, in: ANRW II, 16.3, S. 2068-2145; Index in ANRW II, 36.2, S. 1300-1322. 1236 Z INTZEN , Geister, 640-668. Z INTZEN konstatiert dort, 640: »Die gesamte nachplatonische Dämonologie fußt auf Plat. Symp. 202 d/ e, wonach die Dämonen in der Mitte zwischen Menschen u. Göttern stehen. Sie bringen die Opfer u. Bitten der Menschen zu den Göttern, deren Befehle u. Belohnungen zu den Menschen u. binden so das All zusammen.« 10.5 Gestalten von Engeln und Dämonen 371 genannt. 1237 Philo kann Engel und Dämonen prinzipiell miteinander identifizieren. 1238 Plutarchs Dämonen stehen unter der Stufe der Gottheit und fungieren als Diener. 1239 Ähnlich wie Philos Engel sind sie den Seelen eng verwandt; 1240 Verstorbene können »dämonisch« werden, was die neutestamentliche Vorstellung der Besessenheit von bösen Geistern (Dämonen) gut erläutert. 1241 Engel ebenso wie Dämonen stellt man sich körperlos bzw. feinstofflich vor. 1242 Ähnlich wie die Schatten der Unterwelt sind auch Lichtwesen (Engel) in ihrer Körperlosigkeit am ehesten zweidimensional vorstellbar. 1243 Diese Vorstellungen sind also nicht an das Judentum gebunden, sondern in einem sehr weitgefassten antiken Kontext weitläufig vorauszusetzen. Dabei spielt der sogenannte Mittelplatonismus 1244 eine wesentliche Rolle. Judentum und Hellenismus sind zu neutestamentlicher und frühchristlicher Zeit bei aller Abgrenzung des Judentums längst in eine enge Symbiose getreten, wofür Philo nur ein Beispiel ist. 1245 1237 Platon Symposion 23 (nach K LAUCK , Umwelt, 140): »Denn alles Dämonische ist ein Mittleres zwischen Gott und Mensch ... Es wirkt als Dolmetsch und Bote von den Menschen bei den Göttern und von den Göttern bei den Menschen: Von diesen übermittelt es Gebete und Opfer, von jenen Befehle und Belohnungen der Opfer (...). Durch diese Dämonenkraft wird auch die gesamte Seherkunst in Gang gehalten wie auch die Kunst der der Priester (...) wie derer, die sich auf Besprechungen und Zauberkünste aller Art verstehen.« 1238 Philo, gig. 6: »Diese Wesen, die andere Philosophen ›Dämonen‹ nennen, bezeichnet Mose gewöhnlich als ›Engel‹«; ähnlich: somn. 1,141. 1239 Plutarch, def. 16: »Dass nicht Götter den Orakeln vorstehen, denen es gebührt, von den irdischen Dingen losgelöst zu sein, sondern Dämonen, Diener von Göttern, das scheint mir keine falsche Anschauung« (ÜS Z IEGLER , 125). 1240 def. 39: »Seelen, die vom Körper abgetrennt (...) oder überhaupt nicht mit einem solchen verbunden gewesen sind (...), [sind] Dämonen«. sacr. 5: »Auch Abraham wurde, als er das Irdische verließ, ›dem Volke Gottes zugesellt‹ (1 Mos 25,8) und genießt, den Engeln gleich geworden, Unsterblichkeit. Denn die Engel, körperlose, selige Seelen, sind das Heer Gottes.« Hier geht Philo platonisch von der Trennung von Leib und Seele aus; die Seelen können direkt als »Engel« im Himmel »übernommen« werden. 1241 Vgl. def. 10: Es gebe in Anlehnung an Hesiod »vier Gattungen vernunftbegabter Wesen (...): Götter, dann Dämonen, dann Heroen und nach allen Menschen.« Diese Abfolge wird später von Iamblich und Porphyrius wiederholt (Z INTZEN , Geister, 660). Dazwischen gibt es Übergänge und Wandlungsmöglichkeiten: »So vollziehen die besseren Seelen die Wandlung aus Menschen in Heroen, aus Heroen in Dämonen, und aus dem Dämonenstand haben sich einige wenige in langer Zeit durch ihre Vollkommenheit ganz gereinigt und sind ganz der Göttlichkeit teilhaft geworden« (ÜS: Z IEGLER , 117). 1242 Die Feinstofflichkeit von Dämonen diskutiert Plutarch in Defectu Oraculorum mehrfach; zu Philos Vorstellung von Feinstofflichkeit s.o. S. 333f. Die Körperlosigkeit von Engeln kann Philo dennoch nennen (Philo sacr. 5): »Die Engel nämlich sind das Heer Gottes, körperlose und glückselige Seelen (ἀσώματοι καὶ εὐδαίμονες ψυχαί)«. Überhaupt gilt auch für pagan-hellenistische Autoren: »Ein allgemeines Kennzeichen der höheren Wesen ist, dass sie nicht über einen Leib verfügen also nicht durch ihr σῶμα gegeneinander abzugrenzen sind« (Z INTZEN , Geister, mit Bezug besonders auf Iamblich und Porphyrius: Sp. 660). Vgl. die Himmelsschau Abrahams ApkAbr 19,6: »Ich schaute (...) und sah dort eine Menge Engel, Geister ohne Leiber« (AJS). 1243 »Es ist nun Eigenart himmlischer Wesen nach visionären Darstellungen, dass sie nicht räumlich sind. Denn Raum wird mit Körper verknüpft gedacht. Himmlische Wesen aber sind körperlos, daher sind sie nicht räumlich, sondern flächenhaft. Gerade so werden in den ›Hymnen‹ aus Qumran Engel im Himmel wie flächenhafte Zeichnungen vorgestellt« (B ERGER , Anfang, 164). Vgl. 4Q405 XX. 1244 Z INTZEN , Mittelplatonismus; D ILLON , Middle Platonists; D ILLON , Entwicklung; A TTRIDGE , Critique. 1245 Grundlegend: H ENGEL , Judentum. Grundlegende Überblicke für das frühe Christentum in NTAK 1-5. Für die Frühzeit: B URKERT , Griechen. 372 E. 10 Mystik Eine besondere Rolle spielen in der griechisch-römischen Antike die Totengeister aus der Schattenwelt des Hades. Sie sind, um nur die bekanntesten Quellen zu nennen, zunächst aus der Odyssee Homers bekannt (11. Gesang), wo Odysseus auf Kirkes Anraten den toten Seher Teiresias trifft, um ihn nach seinem weiteren Schicksal zu befragen. Dort begegnet er auch seiner verstorbenen Mutter, gefallenen Gefährten aus dem Trojanischen Krieg und weiteren Totengeistern. 1246 Ähnlich schildert die viel rezipierte Äneis Vergils in Buch 6 den Abstieg des Äneas mit der Seherin Sybille bei Cumae in die Schattenwelt. 1247 Hier sind die »Geister« Totengeister, Schattenwesen, also ebenfalls körperlos, zweidimensional, anders aber als in der Engelvorstellung blass, leblos, ohne eigene Kraft. Zwar ohne Leiden, aber gleichzeitig auch ohne eigentliches Sein. Das steht sicher im Hintergrund bei dem Vorwurf des Ignatius an seine Gegner in Smyrna, sie seien selber körperlose Leichenträger. Auch der Vorwurf der Zauberei ist nicht fern, wenn man an die alttestamentliche Kritik an derartigen Praktiken denkt. 1248 Schon die Geschichte der »Hexe von Endor« in 1 Sam 28 zeigt nicht nur die Bekanntschaft auch alttestamentlicher Religiosität mit diesem Thema, sondern vor allem die grundsätzliche Ablehnung. 1249 Häufig wird auch der Gegenseite zugesprochen, sie agiere magisch. Ignatius hat hier Anteil an weit verbreiteter Anti-Gegnerpolemik. In ActPetr heißt es von Simon Magus, er habe das Volk getäuscht und zu diesem Zweck »einige Geister« auftreten lassen, »Scheinwesen ohne Wirklichkeit«. 1250 In den vielen frühjüdischen und frühchristlichen Engelpassagen ist jeweils zu unterscheiden, ob die Betonung funktional auf der Bedeutung »Bote« liegt, oder ob hier Mitglieder des himmlischen Hofstaates vor Augen sind. Ist Letzteres der Fall, wie in den allermeisten Texten, die von Engeln sprechen, dann wird in der Regel das helle, gleißende Licht 1251 um den Engel herum betont, der selbst (wie) aus Feuer ist; 1252 wunderbare Farbigkeit (bunt, weiß, purpur) und eine oft enervierende Schönheit werden genannt sowie das Erschrecken der Menschen beim Auftritt des Engels. Der Engel muss den Visionär beruhigen (»fürchtet euch 1246 W EIHER , A. (ÜS.), Homer: Odyssee. Griechisch-deutsch, Düsseldorf 2003. 1247 G ÖTTE , J. (ÜS.), Aeneis. Lateinisch-deutsch, Zürich 10 2002. 1248 Beispielsweise in Jes 8,19; 29,4; Lev 20,27; vgl. 1 Sam 28. 1249 Vgl. dazu MartPionii 14, wo die Erscheinung Samuels mit der Erscheinung Jesu verglichen wird. Allerdings wird hier der Unterschied betont: Im Falle der Beschwörung des Totengeistes Samuels ist dessen Gestalt nur vom Teufel nachgeahmt; »nicht Samuel erschien«. - Vgl. die Aufnahme des Motivs bei Josephus, Ant. 6,14,2: Samuel erscheint in der Form eines Gottes (d.h.: nicht-körperlich), ist aber erkennbar; seine Gestalt ist aber flüchtig. 1250 ActPetr 31 bei NTApo 2. 1251 In 1QM und 1QS werden die Engel als »Lichtsöhne« bezeichnet. Vom Gesicht eines Engels können geradezu Lichtstrahlen ausgehen (ActJoh 76). Häufig sind es Gewänder, die leuchten (z.B. EvPetr 9; 13). 1252 Vom Engel des Herrn sagt Philo, er sei erschienen als »eine wunderherrliche Gestalt, keinem der sichtbaren Wesen vergleichbar, ein göttliches Bild; blitzend strahlte ihr Licht, glänzender als das des Feuers, für ein Abbild des Seienden mochte man sie halten« (Mos. 1,65). Feurige Engel: ActAndr (NTApo 2,125); EvBarth 4,53 sagt der als erster Engel erschaffene Satan: »Ich bin Feuer vom Feuer.« In 4,28ff erzählt Satan, dass auch alle anderen Erzengel aus Feuer erschaffen worden sind. 10.6 Engelshierarchien, Himmelsmächte und das Interesse der Doketisten 373 nicht! «). 1253 Glanz und Herrlichkeit 1254 gehen mit Engelserscheinungen einher (Sir 45,2). 1255 Anders liegt der Fall, wo die Vision bzw. das Erleben eines Engels nicht nur in unsagbarer Herrlichkeit erschreckend wirkt, sondern massiv körperlich beeinflusst, wie z.B. in Gen 32 (Jakob kämpft am Flussübergang, der Landesgrenze, mit einem »Mann«, der sich als Personifizierung des Herrn herausstellt, und trägt eine »verrenkte Hüfte« davon.), in Jes 6,1-7 (Serafim-Engel brennen mit glühender Kohle alle Sünde von den Lippen Jesajas weg) oder in 2 Makk 3,25ff (der in den Tempel eindringende Heliodor wird von Engelsgestalten zurückgeschlagen und stirbt an den Folgen). 10.6 Engelshierarchien, Himmelsmächte und das Interesse der Doketisten Das ermittelte Interesse der Doketisten an Engeln und Himmelsmächten kann folgendermaßen motiviert sein: - Eigene Engel-Erlebnisse oder Interesse an Engelberichten von anderen; - Bewusstsein, gemeinsam mit Engeln Gottesdienst zu feiern (Isangelie). - Magisches Interesse (Heilung; Exorzismus von schädlichen Dämonen). - Offenbarungserlebnis (Audition/ Vision); Glossolalie, prophetische Rede mit Engelsmotiven. - Faszination durch apokalyptische Literatur; eigene Himmelsreisen? 1256 - Interesse an den die Gegenwart bestimmenden Kräften (Frage der späteren Gnosis). - Herleitung der Christologie aus der Angelologie. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Zielsetzung und Übersicht Ziel des folgenden Unterkapitels ist die Darstellung des religionsgeschichtlichen Entwicklungshintergundes des christologischen Doketismus Anfang bis Mitte des zweiten Jahrhunderts. Doketismus ist nicht Ergebnis einer unvermittelten Anwendung von Platonismus auf die Christologie. Zwar steht der Mittelplatonismus im Hintergrund 1253 Einen typischen Auftritt eines Engels zeigt Lk 2,9f: »Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! « 1254 Regelmäßig begegnet das Wortfeld Glanz, Weiß, Farbe, Purpur, wenn der Engel oder himmlische Hierarchien bzw. Geister Gottes geschaut werden. Beispielsweise 4Q405 (= 4QShirShabbf): XX,10 »wie Feuererscheinungen. Geister des Allerheiligsten ringsum, Erscheinungen von Feuerflammen (...) (11) [aus Strahleng]lanz, durchflochten mit Herrlichkeit von wunderbaren Farben, polierter reiner Glanz. (...) (8) inmitten von Herrlichkeit, Purpurerscheinungen, Licht-Farben, (...) Farben [der Reinheit (? )] inmitten weißer Erscheinungen und (als) ein Abbild von Herrlichkeits-Geist wie Ophirim-Gebilde leuchten[d von] (10) [Lic]ht. Und all ihre Kunstgebilde, glanzpoliert, kunstvoll gestaltet wie ein Gewebe, das sind die Häupter von Wunderbekleideten«. Vgl. auch ApkAbr 11,2: »Sein Leib glich einem Saphir, sein Antlitz einem Chrysolith und seines Hauptes Haar dem Schnee und seines Hauptes Diadem dem Regenbogen und sein Gewand dem Purpur« (ÜS M AYER ). 1255 Vgl. JosAs 14 die Beschreibung des Erzengels Michael: Es »glich sein Antlitz einem Blitz und seine Augen waren wie der Sonnenglanz, sein Haupthaar wie ein Fackelfeuerbrand und seine Hände samt den Füßen glichen glühendem Eisen, wie denn auch Funken von den Händen und den Füßen fuhren« (AJS). 1256 Siehe unten S. 435f und 444f. 374 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Pate. Da aber schon die frühjüdische Engelspekulation sowie verschiedene mystische Erfahrungen im Frühjudentum und frühen Christentum die nächsten religionsgeschichtlichen Vergleichsmöglichkeiten bieten, ist von einem durch ebendiese Mystik vermittelten Zusammenhang auszugehen. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang bei dem von mir so genannten »Engeldoketismus« (11.4). Dass auch pagangriechische Vorstellungen ähnlich gelagert waren (11.2-11.3), zeigt die Einbettung des frühjüdischen Zusammenhangs in den gemeinantiken Kontext. Dass dieser Zusammenhang bisher kaum in den Blick kam, hat etwas mit der Konfliktgeschichte innerhalb der Forschung zum Thema »Engelchristologie« im 20. Jahrhundert zu tun (11.1). Neben dem reinen »Engeldoketismus« sind auch die Phänomene von Polymorphie und Metamorphosen (11.5), die in manchen doketistischen Positionen begegnen, aus dem Hintergrund früher mystischer Erfahrung zu erklären. Mehrere Beispiele für die Interpretation der Figur Christi durch die Kategorie »Engel« zeigen, dass man über Jesus in dieser Weise explizit nachdenken konnte, ohne dabei in jedem Fall gleich »häretisch« zu sein (11.6-11.11). Das für den Doketismus wesentliche Täuschungsmotiv begegnet gerade und ausdrücklich im Zusammenhang von göttlichen, engelhaften und dämonischen Erscheinungen. Hier ist eine für die Gesamtdeutung des Doketismusphänomens wesentliche Hauptthese zu nennen, die in diesem Zusammenhang entwickelt wird: Der Doketismus verdankt sich einer gegenüber den biblischen Schriften veränderten Theologie und Anthropologie (11.12). Ausblicke in die Gnosis und in die frühjüdische Hypostasenspekulationen bestätigen die gemachten Beobachtungen (11.13-11.14). Martyriumserfahrungen kommen schließlich als weiterer Deutungshintergrund für die im Doketismus behauptete Leidensfreiheit in Frage (11.15). Von diesen Beobachtungen aus zeigt der Ausblick auf die weitere Entwicklung des Doketismus deutlich, dass keines der dort begegnenden Elemente nicht schon in der frühjüdischen und frühchristlichen angelegt war (11.16). Abschließend sind die Ergebnisse noch einmal zusammenzufassen und zu bündeln (11.17). Dabei führe ich die in 11.12 entwickelte Grundthese weiter, dass ein Umschwung in der theologischen und anthropologischen Grundanschauung die Ausbildung explizit doketistischen Denkens motiviert hat. 11.1 Ansätze der Forschung 375 11.1 Ansätze der Forschung 1257 M ARTIN W ERNER 1258 hatte in einem spektakulären dogmengeschichtlichen Neuansatz eine große Linie von den Streitigkeiten um den Arianismus des 4. Jahrhunderts zurück zu einer von ihm als ursprünglich angesehenen urchristlichen Engelchristologie gezogen. 1259 Diese sei in einem durch die Parusieverzögerung hervorgerufenen Enteschatologisierungsprozess verdrängt worden. 1260 Daraus hätten sich die späteren Probleme in der Dogmenbildung ergeben. Mit dem Arianismus als letztem Vertreter der ursprünglichen Engelchristologie (Christus als geschaffenes Engelwesen) sei es deswegen noch einmal zu einem großen Knall gekommen. Kritik gab es teils schnell und bis heute und von mehreren Seiten. 1261 Seither ist nach langer Pause eine neue Beschäftigung mit dem Thema der Engelchristologie zu beobachten. Viele der erschienenen Beiträge sind allerdings Spezial-Untersuchungen 1262 etwa zur Offenbarung des Johannes, wo die Konstruktion des himmlischen Erzengels Michael als himmlischen Doubles Christi Anlass zu Fragen und Untersuchungen bietet. Die These V OLLENWEIDERS , 1263 man könne nur von einer angelomorphen Christologie sprechen, was die Frühzeit des Christentums betrifft, kann man mit Blick auf die neutestamentlichen Schriften sicher zustimmen. Auch ist die Beobachtung weiterführend, dass es häufig um das Wahrnehmen veränderter Leiblichkeit bei Jesus als Ausgangspunkt für entsprechende angelomorphe Äuße- 1257 Ausführlicher Forschungsüberblick bei G IESCHEN , Christology, 7-29; neuer V OLLENWEIDER , Umfeld. 1258 W ERNER , M., Die Entstehung des christlichen Dogmas problemgeschichtlich dargestellt, Bern/ Leipzig 1941. 1259 Anlässe, »Engelchristologie« neutestamentlich gegeben anzusehen, boten u.a. Phil 2, die johanneische Rede vom Logos Gottes, Verweise in Hebr auf Engel sowie Szenen aus der Offenbarung des Johannes. 1260 Damit dienen damals aktuelle Theorien zur Entstehung des Christentums, teils von seinem Lehrer A. S CHWEITZER entwickelt, als Instrument, die Theologie- und Dogmengeschichte neu zu ordnen. Heute sind allerdings sowohl Parusieverzögerung als auch Enteschatologisierung fraglich geworden (s. E RLEMANN , Naherwartung). 1261 M ICHAELIS , Engelchristologie; B ARBEL , Christos Angelos; G RILLMEIER , Jesus: zu Engelchristologie Abschnitt „Christos Angelos” 150-157; zu Doketen, Gnostikern und anderen christologischen Häresien des 2. Jh.s 184-197. G RILLMEIER warnt S. 151: »Wir dürfen wegen einer Überschätzung von Christos Angelos die Gültigkeit dieser Idee innerhalb bestimmter Grenzen nicht leugnen.« G IESCHEN , Christology, 13 hält die Dokumentation W ERNER s für zu mager, um für 1. Jahrhundert eine Engelchristologie (Christus als geschaffener Engel) zu belegen; dies liege allerdings daran, dass die ontologischen Fragestellungen an der Sache vorbeiliefen. Einen Überblick über den Streit und die Forschungsgeschichte bietet V OLLENWEIDER , Monotheismus. Vgl. auch H URTADO , One God, 17ff und die Überblicke bei H URTADO , Lord Jesus Christ. 1262 H ANNAH , Michael; S TUCKENBRUCK , Angel Veneration; E SKOLA , Messiah; V OLLENWEIDER , Monotheismus; F OSTER , Christology; B RIGHTON , Angel; G UNDRY , Christology; C ARRELL , Jesus; G IE - SCHEN , Christology; R OWLAN , Heaven; F OSSUM , Name; DERS ., Christology; DERS ., Kyrios Jesus; DERS ., Image; S EGAL , Two Powers; DERS ., The Risen Christ; S TROUMSA , Forms of God; DIES ., Polymorphie. 1263 Vgl. G IESCHEN , Christology, 26-48, der gut definiert, was mit Angelomorphie, Göttlichkeit usw. gemeint ist. 376 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie rungen geht. 1264 Die Bezeichnung der Angelologie als »präparatio christologica« (V OLLENWEIDER ) 1265 kann zwar nicht meinen, dass die Funktion der Angelologie sich darin erschöpft. Aber man kann mit Gieschen feststellen: »Angelomorphic traditions, especially those growing from the Angel of the Lord traditions had a significant impact on the early expression of Christology to the extent that evidence of an Angelomorphic Christology is discernible in several documents dated between 50 and 150 c.e.« 1266 Für die Frage nach der Entstehung des Doketismus und nach der Entstehung des Inkarnationsgedankens ergeben sich aus der Angelologie Anregungen bzw. Probleme, die jedenfalls Teil der Entstehungsgeschichte von Doketismus und Inkarnation sind. Die Tatsache, dass das Neue Testament keine Engelchristologie enthält, schließt nicht aus, dass die diversen Vorstellungen von Engeln, Isangelie und Angelomorphie von Menschen gemeinsam mit den Elementen ›Gottesname Herr‹, Logos als oberster Engel oder Teil Gottes, die Tradition des ›zweiten Gottes‹ usw. eine Rolle gespielt haben. 1267 Denn bis zu den Festlegungen des Konzils von Nizäa (325 n.Chr.) war nicht nur vieles noch möglich, sondern gerade in dieser Zeit ist eine große Zahl an engelchristologischen Schriften bzw. Schriften mit angelomorpher Christologie entstanden. 1268 11.2 Menschen erscheinen äußerlich wie Engel (Verklärung) 1269 Eine Vielzahl von Belegen aus den ersten Jahrhunderten zeigt die Vorstellung, dass besondere Menschen »wie Engel« erscheinen können. In Geschichten, die 1264 V OLLENWEIDER schließt sich damit den Ergebnissen der englischsprachigen Forschung (z.B. G IE - SCHEN ) an. F OSTER , Christology, xviii unterscheidet 1. »Engelchristologie« als Konzept, das von W ERNER ins Spiel gebracht wurde: Christus als geschaffenes Engelwesen (H ANNAH versteht darunter aber alle Christologie, die Anlehnungen aus der Angelologie macht, hat also einen ganz anderen, offenen Begriff); 2. Angelomorphe Christologie (S TUCKENBROCK ) mit dem Ausgangspunkt bei der altkirchlichen Identifizierung Christi mit Engeln (Engeln des H ERR n) im AT; nicht das Wesen Christi ist engelhaft, nur seine Erscheinung wirkt so; 3. Angelophane Christologie: fast nicht von 2. unterscheidbar; das Gewicht liegt auf der Erscheinung; 4. Angelomorphismen allgemein. Es geht um die Frage, ob erhöhte Himmelswesen - F OSTER , Angelomorphic Christology, Einleitung S. 20, nennt Adam, Abel, Henoch, Gabriel, Michael und Metatron in der Gestalt von Engeln auftreten oder sich in solche verwandeln können. 1265 V OLLENWEIDER , Monotheismus, 16ff. 1266 G IESCHEN , Christology, 6. G IESCHEN zeigt in seiner großen, bei F OSSUM geschriebenen Dissertation Verknüpfungen von Weisheits-Traditionen und Engel-des-Herrn-Traditionen. Seine Arbeit zeigt, »that the root of Wisdom Christology, Spirit Christology, Name Christology, Glory Christology, Son of Man Christology, Image Christology and Anthropos Christology are angelomorphic traditions« (ebd., 5f). An dieses schon sehr weit gesteckte Beweisziel knüpft später B ARKER mit diversen noch wesentlich weitergehenden Thesen an (vor allem: The Great Angel). 1267 G IESCHEN , Christology, 349, stellt die Frage: »Where and how did early Christians use the variegated angelomorphic traditions from the OT and other sources to express Christology? « G IESCHEN zeigt, dass angelomorphe Traditionen frühe Christologie gerade über die sog. »hohe Christologie« maßgeblich beeinflusst haben. Dadurch, dass man Christus als die sichtbare Manifestation Gottes wahrgenommen habe (»Engel des H ERRN «), sei der Weg zu Aussagen wie »Jesus ist der H ERR « geebnet worden (ebd., 350). 1268 G IESCHEN , Christology, 7. 1269 Vgl. G RILLMEIER , Jesus, 174-176. 11.2 Menschen erscheinen äußerlich wie Engel (Verklärung) 377 von der wunderbaren Geburt eines Retters oder eines Gerechten erzählen, können epiphane Motive verwendet werden, die (später) in apokryphen Kindheitsevangelien äußerst beliebt sind. Die Besonderheit des geborenen Kindes ist geradezu mit Händen zu greifen, weil die als epiphan erlebte Ankunft des Kindes alles bisher Denkbare geradezu in den Schatten stellt. Die folgende Szene von der Geburt Noahs aus dem äthiopischen Henoch ist auch in Qumran in mehrfach vorausgesetzt bzw. wiedergegeben, so dass man von breiter Rezeption, d.h. einem hohen Bekanntheitsgrad ausgehen kann. 1270 »Sein Körper war weiß wie Schnee und rot wie eine Rosenblüte, und das Haar seines Hauptes und seine Locken weiß wie Wolle, und seine Augen (waren) schön. Und wenn er seine Augen öffnete, erhellten sie das ganze Haus wie die Sonne, so dass das ganze Haus überall hell wurde. (3) Und als er sich von der Hand der Hebamme aufrichtete, öffnete er seinen Mund und sprach mit dem Herrn der Herrlichkeit. (...) (5) ›Ich habe einen sonderbaren Sohn gezeugt; er ist nicht wie ein Mensch, sondern er gleicht den Kindern der Engel des Himmels, und seine Art ist anders, und er ist nicht wie wir, und seine Augen (sind) wie die Strahlen der Sonne und sein Angesicht herrlich. (...) (10) Seine Farbe ist weißer als Schnee und röter als die Blüte der Rose, und das Haar seines Hauptes ist weißer als weiße Wolle, und seine Augen (sind) wie die Strahlen der Sonne; und er öffnete seine Augen und erhellte das ganze Haus‹« (1Hen 106). 1271 Auch von anderen Kindern wird in apokrypher Literatur eine wunderbare Geburt berichtet: Elia wird bei seiner Geburt von weiß glänzenden Männern begrüßt und bekommt Feuerflammen zu essen. 1272 Dies ist die Umkehrung der später näher zu beleuchtenden Fälle, in denen Engel statt Himmelsspeise irdische Speise zu sich 1270 1Q 19, Frgm. 3,1; 1Q 20,2; 5f; 4Q 204 Frgm. 5ii,20. 1271 ÜS U HLIG , JSHRZ V/ 6. Vgl. ProtEvJak 19,1; vgl. auch das lateinische Kindheitsevangelium (Arundel-Hs.), das bei NTApo I, 370 zitiert wird: »(...) als er geboren wurde, (...) das Licht selbst, das geboren wurde, vervielfachte sich und verdunkelte mit der Helligkeit seiner Leuchtkraft das Sonnenlicht. Und diese Höhle wurde von hellem Licht erfüllt samt dem süßesten Duft. So wurde dies Licht geboren, wie Tau vom Himmel auf die Erde herniedersteigt. Denn sein Duft riecht stärker als aller Wohlgeruch von Salben. Ich aber stand, starr vor Verwunderung, und Furcht ergriff mich. Denn ich schaute in den gewaltigen Glanz des geborenen Lichtes. Das Licht selbst aber zog sich allmählich in sich zurück, glich sich einem Kinde an, und in einem Augenblick wurde es zum Kinde, wie Kinder geboren zu werden pflegen. Und ich fasste Mut, neigte mich, berührte es, hob es in die Höhe mit meinen Händen in großer Furcht, und ich erstarrte vor Angst, denn es hatte kein Gewicht, so wie andere Menschenkinder, die zur Welt kommen. Und ich schaute es an, und es war keine Verunreinigung an ihm, sondern es war glänzend am Körper wie vom Tau des höchsten Gottes, leicht zu tragen, strahlend anzuschauen. Und während ich mich sehr darüber wunderte, dass es nicht weinte, wie neugeborene Kinder zu weinen pflegen, und während ich es hielt und in sein Gesicht schaute, lachte es mich an mit dem lieblichsten Lächeln, öffnete seine Augen und schaute mich scharf an. Da trat plötzlich aus seinen Augen ein großes Licht hervor wie ein gewaltiger Blitzstrahl.« Vgl. auch die Sibyllina 8,456-473; ProtEvJak 19,2ff und EpAp 14. Lit.: K LAUCK , Das göttliche Kind; vgl. S CHRÖTER , Jesus, 135. 1272 S CHWEMER , Vitae, 643: Später gilt der entrückte Elia als, körperlich gesehen, engelhaftes Wesen (ApkAbr 15). 378 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie nehmen oder dieses zu tun scheinen. 1273 Dass so etwas Erschrecken unter den Menschen hervorrufen kann, zeigt schon das leuchtende Antlitz des Mose. Es war in Ex 34 Grund genug, eine Decke zum Schutz der Gemeinde vor dem himmlischen Strahlen darüber zu legen (vgl. auch LibAnt 12). Auch die Geburt des Mose konnte man wunderbar schildern und davon sprechen, es habe göttliche Gestalt παῖδα μορφῇ θεῖον - und sei nahezu gewichtslos (Ant. 2,9,6f). Von Moses Tod berichtet Josephus, anders als der biblische Bericht, er sei von Gott entrückt worden (Ant. 4,8,48f). Derartige Berichte sind nicht nur innerhalb frühjüdischer und frühchristlicher Mystik bekannt, sondern auch in hellenistischem Sprach- und Denkraum gängig. Die Alexandervita des Plutarch lässt Alexanders Mutter Olympia in der Brautnacht von Feuer, Blitz und Donner träumen (2,2); Philipp sieht durchs Schlüsselloch Apollo in der Gestalt einer Schlange sich mit ihr vereinen (2,4). »Am Tag der Geburt Alexanders brennt nach Plutarch der Tempel der Artemis in Ephesus ab (3,3). Magier, die sich zufällig dort aufhalten, geraten in Aufregung und kündigen großes Unheil für Asien an» (3,4). »Von der äußeren Erscheinung Alexanders weiß Plutarch u.a. noch zu berichten, dass sein ganzer Körper höchst angenehmen Duft ausströmte (...), was sonst gelegentlich von der Epiphanie von Gottheiten ausgesagt wird. Noch als Knabe empfing Alexander in Abwesenheit Philipps Gesandtschaften, unterhielt sich mit ihnen und beeindruckte sie durch seine keineswegs knabenhaften, sondern intelligenten und geschäftsmäßigen Fragen«. 1274 Ein Spezialfall sind die als Engel verklärt erscheinenden Menschen, die sich durch Askese, 1275 Martyrium 1276 und priesterliche Tätigkeit auszeichnen. Insbesondere wer als Bote Gottes erwartet wird, bekommt nicht nur funktional Züge des 1273 Weitere Beispiele: Targum Ps-Jonathan zu Gen 4,1: »Adam erkannte sein Weib Eva, die von Samael, dem Engel Gottes empfangen hatte, und sie wurde schwanger und gebar den Kain; dieser aber glich den Oberen und nicht den Unteren. Da sprach sie: Ich habe einen Mann erworben, den Engel des Herrn.« Eine ähnliche Parallele dazu bei P IRQUE , D ’R ABBI E LIESER (PRE), Warschau 1851/ 52, Kap 21 S. 48a bei S CHÄFER , Rivalität 100. 1274 Zitiert nach K LAUCK , Umwelt 2, 31. 1275 TestJos 3,4: Durch Fasten bekommt Joseph einen engelgleichen Körper (vgl. JosAs). Siehe auch M ARKSCHIES , Welten, 167-176. Ebd., 174, über den Styliten Simeon: »Als ihn einmal ein Pilger (...) fragte, ob er ein Mensch oder ein unkörperliches Wesen (also ein Engel) sei, zeigte Simeon ihm diese böse eitrige Wunde«. Mit Staunen erfährt der Mann, dass Simeon tatsächlich Nahrung zu sich nimmt und also auch deswegen kein Engel ist. 1276 MartPetr (Ps-Linus) 8,5: »Da begann das Antlitz des Apostels zu leuchten wie die Sonne« (NTApo); vgl. Stephanus in Apg 6,15: die Synhedriumsmitglieder »sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht« (εἶδον τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡσεὶ πρόσωπον ἀγγέλου).” 11.2 Menschen erscheinen äußerlich wie Engel (Verklärung) 379 Himmlischen. 1277 In den Akten des Paulus und der Thecla wird das Aussehen des Paulus als changierend zwischen einer sehr irdischen, nicht besonders schönen Gestalt und etwas ganz anderem konstatiert: »Zeitweise sah er aus wie ein Mensch, dann wieder wie ein Engel« (ActPaulThecl 3,4). Auch Aseneth, die in ihrem geliebten Josef zugleich den Boten Gottes sieht, bewundert ihn, weil er wie ein Engel oder wie ein Riese aussieht (JosAs 22). Es kann auch gesagt werden, dass eine Christuserscheinung so geschieht, dass der erscheinende Christus zunächst das Aussehen eines ganz anderen, speziell eines Apostels, annimmt, bzw. der am oder im Apostel erkannt wird (Paulus, Johannes, Thomas). 1278 Damit kann die Schutzengelvorstellung bzw. die Vorstellung eines himmlischen »Doppelgängers« zu tun haben, 1279 die möglicherweise auch für die Beziehung von Jesus und Michael in der Offenbarung und in Herm sowie für das Verständnis Jesu vom Menschensohn (Jesus sagt nie: »Ich bin der 1277 Sir 50 der Hohepriester Joschua vgl. oben S. 355 (Thema Auflösung von Magie bei Ignatius) und 198-215 (Thema Sühne und Gebet in 1 Joh). In TestLev 8,1 wird in ähnlicher Weise von Levi gesprochen.Vgl. zu Melchisedek die Analysen bei G IESCHEN , Christology, 171-173. Zu Mose als himmlischem Priester siehe Memar Marqa 4,6 (s.o. S. 173). Weitere Belege bei F OSSUM , Angel, 129-144. Vgl. auch Midrasch Haggadol on the Pentateuch, Exodus, Hg. von M. M ARGULIES , Jerusalem 1956, S. 629 (zitiert bei P. S CHAEFER , Rivalität, 202): »Komm und sieh, wie groß die Heiligkeit des Hohenpriesters ist, denn weder ein Engel noch ein Seraph kann das Angesicht der Schekinah sehen, der Hohepriester aber geht hinein mit den acht Kleidungsstücken und dem Mantel; seine Stimme ertönt, und die Dienstengel erzittern vor ihm; er geht hinein in Frieden und kommt heraus in Frieden. ... Große Ehre erwies der Heilige, er sei gepriesen, da er ihn ›Engel‹ nennt, wie geschrieben steht ... (Mal 2,7).« Vgl. auch Bet ha-Midrasch VI. Sammlung kleiner Midraschim, Hg. von A. J ELLIN - KEK , Jerusalem 2 1938, S. 87 (zitiert nach P. S CHÄFER , Rivalität, 203): »Der Priester, der größte von seinen Brüdern (Lev 32,20). Er ist größer als Michael, der große Fürst, von dem es heißt: zu jener Zeit tritt Michael auf, der große Fürst (Dan 12,1). Michael ist nämlich der Fürsprecher in Worten, doch der Hohepriester tut etwas, indem er ins Allerheiligste hineingeht und nicht weicht, bis ich die Sünden Israels verzeihe.« Vgl. auch MTann zum Deuteronomium, S. 19 (zitiert nach S CHÄFER , Rivalität, 213): »Der Heilige, er sei gepriesen sprach zu ihm (Moses): Ich habe dich über die Dienstengel erhoben. Denn den Dienstengeln habe ich nur erlaubt, vor mir zu stehen, nicht aber, vor mir zu sitzen.« Nach PRE, Kapitel 46, S. 111a (zitiert nach P. S CHÄFER , Rivalität, 188) findet der Satan (jeweils) am Versöhungstag Israel und sagt: »Herr der Welt, du hast ein Volk, das den Dienstengeln im Himmel gleicht. So wie die Dienstengel keine Kniegelenke haben, so steht auch Israel auf seinen Füßen am Versöhnungstag [ohne sich zu setzen]. So wie die Dienstengel nicht essen und trinken, so isst und trinkt auch Israel nicht am Versöhnungstag. So wie unter den Dienstengeln Friede herrscht, so herrscht auch in Israel Friede am Versöhnungstag. Der Heilige, er sei gepriesen, erhört das Gebet Israels anstelle [der Anklage] ihres Anklägers und entsühnt den Altar, die Priester und die ganze Gemeinde.« Ausführlich erklärt Flav.Jos.Ant 3,7,7 die Bekleidung des Hohenpriesters und ihre kosmische Bedeutung. 1278 »Als sie (Thecla) in die Menge blickte, sah sie plötzlich den Herrn in der Gestalt des Paulus dort sitzen« (ActPaulThecl 21,4, B/ N). Hier ist es allerdings Christus, der wie Paulus aussieht. Anders ist es in den Johannes- und Thomasakten. In den Johannesakten wird Johannes ActJoh 28 als dem Herrn ebenbildlich gezeigt; in den Thomasakten ist dies regelrecht ein Spiel mit dem neutestamentlichen Beinamen »Zwilling« für Thomas (vgl. ActThom 11; 34): Der Apostel sieht wie ein Zwilling identisch aus wie der Herr. 1279 Zur Täuschung durch (Schutz-)Engel und -Geister unten S. 405f (Lk 24,37 und Mk 6,49). 380 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Menschensohn«, sondern redet immer in dritter Person von ihm) grundlegend ist. 1280 Es handelt sich bei den äußerlichen Verklärungen von Menschen um eine bestimmte Art der Epiphanie Gottes am Menschen, wie sie sonst vor allem aus den Verklärungsberichten der Synoptiker bekannt sind (Mk 9; Mt 17; Lk 9). Das die Verklärung anzeigende Verb μεταμορφοῦσθαι in Mk 9,2 und Mt 17,2 begegnet wieder in 2 Kor 3,18, wo Paulus von einer fortlaufenden Verklärung der Glaubenden ausgeht, die sich anders als bei Mose und dem Volk Israel in Ex 34 nötig - Christus ohne weiteren Schutz nähern können und von ihm angestrahlt und verwandelt werden in Richtung auf himmlischen Glanz bzw. Herrlichkeit. 1281 Dieses Konzept der Verklärung von Menschen, bei dem am Verklärten äußerlich Engelgleichheit erkannt wird, ist nicht nur das ersehnte Ziel von Märtyrern, 1282 es ist auch das, was Märtyrer im Martyrium selbst erfahren können, wenn sie wie Jesaja während des Leids in Trance verfallen und so eine »Himmelsreise« erleben (Asc- Jes 1,2). Auch andere können an der Gestalt des Märtyrers Zeichen der Verwandlung erkennen. 1283 Propheten als Gottesboten konnten gegebenenfalls auch in summa als Engel gelten. 1284 Schließlich kommt es von paganer Seite zu Fehlinterpretationen der sich an und in den Boten Gottes zeigenden Macht: »Als aber das Volk sah, was Paulus getan hatte, erhoben sie ihre Stimme und riefen auf Lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgekommen» (Apg 1280 Rabbinischer Vergleich zu »Schutzengel« aus Midrasch Tehillim: »Wenn der Mensch auf Reisen ist, dann gehen Ebenbilder von Engeln vor ihm her, die ausrufen und sprechen: Gebt Platz den Ebenbildern des Heiligen, er sei gepriesen! « (MTeh 17,8, bei S CHÄFER , Rivalität, 61). Es geht um Bewahrung durch Engel vor dämonischen Mächten. Vgl. Apg 12,15: Die Jünger glauben, da Petrus im Gefängnis sitzt, es sei sein Engel, der an das Tor geklopft und um Einlass gebeten hat. Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte, 46: »Die ›doppelte Wirklichkeit‹ in der Mystik.« 1281 Dazu bietet LibAnt 12 eine Weiterführung: »Moses stieg herab. Und weil er mit unsichtbarem Licht übergossen war, war er ja an den Ort gekommen, wo das Sonnen- und Mondlicht ist, so übertraf seines Angesichtes Licht den Glanz der Sonne und des Mondes; er selber aber wusste nichts davon. Als er nun zu den Israeliten hinabstieg, sahen sie ihn zwar, aber erkannten ihn nicht. Erst als er redete, erkannten sie ihn. Es war ähnlich, wie in Ägypten, als Joseph seine Brüder erkannte, sie ihn aber nicht. Als aber später Moses wusste, dass sein Antlitz glänzend geworden war, machte er sich einen Schleier, um sein Angesicht zu bedecken« (AJS). 1282 Philippus bittet, schon im Sterben: μεταμόρφωσον τὴν μορφὴν τοῦ σώματός μου ἐν ἀγγελικῇ δόξῃ (ActPhil 144,6). 4Esr 7,97.117.119.125: Den im Gericht geretteten Gerechten wird in sieben Stufen Erlösung zuteil. Auf der 6. Stufe wird, »ihnen gezeigt, wie ihr Gesicht wie die Sonne leuchten soll und wie sie dem Licht der Sterne gleichen sollen, von nun an nicht mehr vergänglich« (4Esr 7,97). 1283 Oft wird vom leuchtenden Gesicht des Märtyrers gesprochen (s.o.). In Mt 27,547Mk 15,39 reagiert der Hauptmann auf die Art des Sterbens Jesu bzw. die damit einhergehenden Zeichen von Epiphanie mit dem Ausspruch: »Dieser ist Gottes Sohn gewesen«. Eine leibliche Veränderung schildert ApkPaul 11,5: »Als aber der Henker ihm den Kopf abschlug, spritzte Milch auf die Kleider des Soldaten. Der Soldat aber und alle, die dabei standen, wunderten sich, als sie das sahen, und priesen Gott, der dem Paulus solche Herrlichkeit gegeben hatte.« 1284 Jedenfalls im rabbinischen Judentum: Midrasch Wajjikra Rabbah (MHG Wa, zitiert nach S CHÄ - FER , Rivalität 227): »Die Propheten werden Engel genannt. Das ist es, was geschrieben steht: Und er sandte einen Engel und führte uns heraus aus Ägypten (Num 20,16). War das denn ein Engel und nicht vielmehr Moses? ! Warum nennt [der Vers] ihn dann Engel? Vielmehr: Aus dieser Stelle [ist zu ersehen], dass die Propheten Engel genannt werden« (es folgen weitere Belege aus der Schrift, dass Propheten Engel genannt werden). 11.2 Menschen erscheinen äußerlich wie Engel (Verklärung) 381 14,11). 1285 Allerdings geht es hier nicht um das Aussehen, sondern um die Wirkung von Gottesboten, die zur Zuschreibung der Göttlichkeit führt. 1286 Dass Himmelsreisen mit Metamorphosen einhergehen (können), ist naheliegend, da die himmlischen Welten mit einem irdischen Körper nicht passierbar wären. Dennoch sieht sich der Himmelsreisende in der Regel weiterhin als Mensch und kann fragen: »Wer bin ich, ein sterblicher Mensch, dass ich für Engel beten sollte? « (2Hen 7,4). Andererseits ist der (dauerhaft) entrückte Henoch den Engeln sehr ähnlich: »Von jenem Tag, wo mich der Herr mit seinem Glorienöl salbte, kam keine Speise mehr in mich. Mich verlangt’s nicht nach irdischer Speise« (2Hen 56,2). 1287 In einer späteren Version der Verklärungsgeschichte werden Mose und Elia, die ebenfalls als entrückt galten, als Engel-Wesen dargestellt: »Wir konnten nicht in ihr Gesicht blicken, denn es ging von ihnen ein Licht aus, das heller als die Sonne leuchtete. Ihre Gewänder glänzten. (6) Man kann das gar nicht erklären. Nichts in der Welt ist damit zu vergleichen. Mit menschlicher Sprache kann man nicht ausreichend die Lieblichkeit und die Schönheit ihrer Gestalten beschreiben. (7) In der Tat war ihr Anblick wunderbar und staunenswert. (8) Ihr Anblick war leuchtender als Kristall. Ihr Körper und ihr Haupt ist anzusehen wie eine Rose. (9) Ihr Haupt (ist wunderbar). Seine Haare fielen auf die Schultern, duftend wie Narde, verziert mit schönen Blumen. (10) Wie ein Regenbogen, der ins Wasser eintaucht, war sein Haar. (11) So war die Schönheit seines Aussehens, wie mit schönstem Schmuck geziert. (12) Als wir diese plötzlich sahen, gerieten wir in Staunen« (ApkPetr (äth.) 15,5ff; B/ N). Von dauerhafterer Art ist die Vorstellung, die Elihu von seinem Freund Hiob hat, wenn er ihn fragt (TestHiob 31,5): »Bist du der, der wie die Sonne den ganzen Tag die Erde beschien (ὁ ὡς ὁ ἥλιος τῆς ἡμέρας λάμπων)? Bis du der, der wie der Mond und die Sterne mitten in der Nacht schien (ὁ ὡς σελήνη καὶ οἱ ἀστέρες ἐν τῷ μεσονυκτίῳ φαίνοντες)? « 1288 1285 Vgl.: KindhEv (arab.), NTApo I, 365: Nach einer Wunderheilung, die vom Badewannenwasser Jesu ausgeht, sagen die Leute: »Es besteht kein Zweifel: Joseph und Maria und dieser Knabe sind Götter, keine Menschen.« 1286 Philo, sacr. 7,9 kennt allerdings auch die funktionale Benennung des Mose als ›Gott‹: »Als Gott dem Moses noch die irdischen Wesen überließ und ihm den Verkehr mit ihnen gestattete, gab er ihm freilich auch keine gewöhnliche Herrscher- und Königsgewalt, durch die er kräftig über die Leidenschaften der Seele gebieten sollte, sondern erwählte ihn zu einem Gotte und erklärte das ganze Gebiet des Körperlichen und den es beherrschenden Geist für seine Untertanen und Sklaven. ›Denn ich gebe (mache) dich‹, sagt er ›zum Gott des Pharaos‹ (2 Mos 7,1). Ein Gott aber erleidet keine Verringerung und keine Hinzufügung, da er vollkommen ist und sich immer gleich bleibt«. 1287 AJS. Die Darstellungen im hebräischen Henoch (3Hen) sind noch deutlicher: Henoch als Metatron bekommt engelhafte Gestalt. Zurückhaltender schildert das auch der Slawische Henoch in 2Hen 22 (Henoch ist in den siebten Himmel geführt worden und vor Gott erschienen): (4) »Da fiel ich nieder, konnte aber den Herrn, Gott, nicht sehen. Ich betete aber den Herrn an. (8) Und der Herr Gott sprach zu Michael: Nimm Henoch und entkleide ihn der irdischen Gewänder! Salb ihn mit süßem Öl und kleid ihn in die Gewänder der Glorie! (9) Und Michael entkleidete mich meiner Gewänder und salbte mich mit süßem Öl. Und dieses Öl war mehr, als strahlend Licht; seine Salbung glich süßem Tau; sein Duft glich der Myrrhe und sein Glanz den Sonnenstrahlen« (AJS). Vgl. auch 1Hen 70: »Da fiel ich auf mein Angesicht; mein ganzer Körper war aufgelöst und mein Geist verwandelt« (AJS). 1288 4Esra 8,25 »Ich spreche so zu ihr, da glänzt ihr Angesicht auf einmal auf; ihr Aussehen wird wie Blitzes Schein« (AJS). 382 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Menschen werden »Engel« genannt und bekommen Engelsfunktion oder Engelsgestalt: Auch von Adam wird gesagt, er sei vor dem Fall ein Engel gewesen (2Hen 30,11), 1289 Abel ist nach Angabe von TestAbr A, 12f in Engelsfunktion (oder Menschensohnfunktion) im Himmel eingesetzt, ist engelhaft. Der Prophet Haggai wird in Hag 1,13 (LXX) Engel genannt: καὶ εἶπεν Αγγαιος ὁ ἄγγελος κυρίου. Philo sagt über Mose (Mos. 1,58), dass Mose Gott und König genannt wurde und dass er in die formlose Dunkelheit Gottes einging, was nur bedeuten kann, dass er hier als engelartig gedacht wird. Elias Wiederkehr wird bei Maleachi 3,1 (LXX) als das Kommen des Engels des Bundes angekündigt (ἰδοὺ ἐγὼ ἐξαποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου (...) ὁ ἄγγελος τῆς διαθήκης). Propheten allgemein sind in EvThom 88 im Blick, wo Engel/ Boten und Propheten in einem Atemzug genannt werden. 1290 Folgerungen: Irdische Menschen können in frühjüdischer und frühchristlicher Mystik wie Engel erscheinen. Derartige Erscheinungen sind einerseits als Epiphanien des Himmels zu werten, andererseits spiegeln sie die besondere und einzigartige Nähe des Verklärten zu Gott bzw. Christus. Dreh- und Angelpunkt der Vorstellung, dass nicht nur Jesus, sondern auch seine Jünger verklärt werden können, ist 2 Kor 3,18: Durch den Anblick Jesu (im Glauben) wirkt die Kraft himmlischer Verwandlung auf die Glaubenden, so dass derartige Wirkungen vorstellbar werden. Dies kann man auch auf heilige Gestalten der Vorzeit übertragen, die als entrückt gelten und im Himmel eine engelgleiche Existenz haben. Allerdings haben diese Figuren (Mose, Elia, Henoch) dann auch keine normal-irdische Lebensform, in die sie wieder zurückkehren, so wie es bei zeitweiligen Verklärungen der Fall ist. Speziell prophetische und priesterliche Gestalten können als engelhaft nicht nur in funktionalem Sinne, sondern im Sinne grundlegender leiblicher Metamorphose erlebt werden. Angelomorphie ist daher nicht eine ausschließliche Angelegenheit eines angelomorph oder doketistisch zu denkenden Christus; auch bedeutet zeitweilige Verklärung (Metamorphose) nicht den totalen Ausschluss von irdischer Realität inklusive Leid. Zugleich ist das Erscheinen in der Gestalt eines anderen und die Idee eines himmlischen Doppelgängers mit identischem Aussehen eine mögliche Quelle für die von einigen Doketisten angenommene Trennung von Christus und Jesus bzw. der Vertauschung der Personen Jesus und Simon. 1289 S.u. S. 439. 1290 P LISCH , Thomasevangelium, verweist aber im Kommentar zur Stelle im Gegensatz zu G IESCHEN (178) auf den »Vergleich mit Didache 11,3«, der ergebe, »dass aggelos hier einfach als Synonym für „Apostel“ (= „Gesandter“) im Sinne von umherziehenden Wandermissionaren zu verstehen ist.« 11.3 Götter gehen unter Menschen umher 383 11.3 Götter gehen unter Menschen umher 1291 »Wie oft nahm geringere Gestalten an er selbst, der Himmel und Wolken lenkt« (Sen.phaedr. 299f), so beschreibt Seneca das Auftreten des Zeus in verwandelter Gestalt in der sichtbaren Welt. Im Corpus Hermeticum heißt es, Gott sei größer als jeder Name, zugleich unsichtbar und sichtbar, leiblos (ἀσώματος) und vielleibig (πολυσώματος), womit Polymorphie im folgenden Sinne angedeutet sein dürfte: 1292 »Das uralte Motiv des Götterbesuchs, verborgen in Menschengestalt, begegnet uns schon in der Odyssee (17,484ff.), wo die Jünglinge einen der Freier schelten, der gegenüber dem Bettler Odysseus das Gastrecht verletzte: ›Verwünschter du! Wenn ein Gott es, ein Himmlischer wäre! Götter gehn ja doch auch durch die Städte, in manchen Gestalten kommen sie, sehen dann aus, als wären sie Fremde vom Ausland.‹ 1293 Philo verweist auf dieses Beispiel, um die Epiphanien Gottes bzw. richtiger seiner Mittlergestalten in der Genesis (vgl. Gen 18,1ff.) zu erklären, wobei er gleichzeitig betont, dass ›Gott nicht wie ein Mensch ist‹ (Num 23,19), keine Gestalt besitzt und darum auch nie einen Körper annehmen könnte« (somn. 1,232ff). 1294 Also musste schon in vorchristlicher Zeit das dualistische Denken der heidnischen, griechischen Philosophie die Frage beantworten, wie man als Mensch etwas von Gott oder den Göttern wissen könne, wenn doch eine strenge Trennung zwischen dem Bereich des Geistes und der Materie anzunehmen ist. So erscheint das Schattenbild des Herakles in der Unterwelt (Homer, Od 11,601f); bei Euripides besaß Paris nur ein beseeltes Abbild der Helena, d.h., er hatte sie nur zum Schein (Hel 33,36); schließlich wurde nach Ovid, Fasti 3,696-702 nicht Caesar selbst von den Dolchen der Mörder getroffen, sondern nur sein Schatten, der selbst von der Göttin Vesta weggeführt worden war. 1295 Insgesamt geht es in pagan-hellenistischem Denken häufig um die Theophanie, 1296 um das Erscheinen der Gottheit. Das Motiv des menschliche 1291 Zur Forschungsgeschichte schreibt V OLLENWEIDER , Metamorphose, 108: »Spätestens seit J. J. Wettstein wird (...) auf die (...) griechisch/ hellenistischen Verwandlungen von Göttern hingewiesen, zumal auf den Gestaltwandel des Dionysos bei Euripides und auf die Bewirtung von Jupiter und Merkur durch Philemon und Baucis in Ovids Metamorphosen.« Im Kontext geht es bei V OLLENWEIDER um die Auslegung von Phil 2,6-8. - Im Folgenden stellt V OLLENWEIDER kurz weitere Entwicklungen in der Forschungsgeschichte zum Thema dar. 1292 CH 5,10 zitiert nach K LAUCK , Bibel, 324. 1293 Vgl. die Bemerkungen Senecas über Metamorphosen des Zeus: »Wie oft nahm geringere Gestalten an er selbst, der Himmel und Wolken lenkt« (Sen.phaedr. 299ff; zitiert nach V OLLENWEIDER , Metamorphose, 114). 1294 Zitiert aus H ENGEL , Sohn, 64. H ENGEL zitiert ebd., Anm. 82, Themistius 7, p. 90: »Reine und göttliche Kräfte betreten zum Wohl der Menschen die Erde, indem sie vom Himmel herabkommen, nicht in luftiger Gestalt, wie Hesiod behauptet, sondern mit Leibern bekleidet, die unseren ähnlich sind, und indem sie ein unter ihrer Natur stehendes Leben auf sich nehmen, um der Gemeinschaft mit uns willen.« Es sei aber christlicher Einfluss anzunehmen. 1295 Die letztgenannten Belege nach K LAUCK , Umwelt, 179f. Weitere Belege bei M ÜLLER , Menschwerdung, 10ff.24f, bei V OLLENWEIDER , Metamorphose, 119ff (»Die Metamorphose der Engel«), bei Z ELLER , Menschwerdung, 159ff sowie Hinweise auf das Thema bei O EMING , Angelologie, 282, Anm. 29. 1296 Die Funktion von Theophanien in der »altgriechischen Religion: »Das Göttliche kann nur erfahren werden«, so O TTO , Theophania, 8. 384 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Gestalt annehmenden Gottes 1297 ist zumeist im Rahmen der »verborgenen Epiphanie« (V OLLENWEIDER ) zu verorten. Allerdings ist trotz vielfältiger Belege des Grundgedankens zu konstatieren: »Der Gedanke realer Inkarnation widerspricht hellenistischem Denken, das gerade an der hilfreichen Macht der ungeschmälerten Epiphanie des Göttlichen interessiert ist, nicht an der Aufgabe derselben.« 1298 Im antiken religionsgeschichtlichen Vergleich konnte man die paganen Götter auch mit den Engeln von Juden und Christen gleichsetzen. 1299 Damit ist die Anschlussfähigkeit der Vorstellungen gesichert: »Es kann nicht darum gehen, die Christologie der griechisch-sprechenden Gemeinde (...) aus ihrer Umwelt abzuleiten«; 1300 umgekehrt ist eher auf die Gemeinsamkeit der Grundvorstellung in Frühjudentum und zeitgleicher pagan-hellenistischer Mystik hinzuweisen. Die ausführlichen Darstellungen besonders bei V OLLENWEIDER liefern dazu nicht nur Material, sondern auch weiterführende Erkenntnisse. Da insgesamt die Basis des frühen Christentums im Rahmen des Frühjudentums historisch sicher ist, lohnt sich zwar der Blick auf das weitere Umfeld, der Hauptfokus muss jedoch, zumindest was die Frühzeit der Entwicklungen angeht, im jüdischen Ausgangsfeld liegen. Ergebnis: 1. Das Auftreten der Götter in Menschengestalt ist ebenso wie der nachfolgend zu untersuchende Engeldoketismus eine Sache der Täuschung. 1301 2. Positiv formuliert geht es um Epiphanien des Göttlichen im Verborgenen. Es gilt: 3. Die Gottheit hat strahlendes, lichtvolles, himmlisches Wesen, das hinter oder unter der Gestalt scheinbar menschlich-materiellen Daseins verborgen wird. 4. Scheinbar bedeutet: Durch visionäre Elemente hat der menschliche Betrachter den Eindruck, mit Menschen zu tun zu haben. 5. Ein echter Inkarnationsgedanke liegt dabei in weiter Ferne. 6. Pagan-griechisch gedacht würde man der Gottheit deshalb auch keinen Trug vorwerfen, da das Wesentliche die irgendwann offenbar werdende Epiphanie ist, deren Aufscheinen und Aufstrahlen nicht nur Erkenntnisgewinn, sondern im positiven Fall Heil, im negativen Fall Gericht für die Menschen bedeutet, also entweder Erbarmen oder zumindest Gerechtigkeit. 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) Die typische Engelsgestalt ist, wie wir gesehen hatten, mit Glanz und Glorie umgeben. Sie ist geschlechtslos, bildlich vorgestellt als Mann oder Jüngling. In der Regel ist es nicht Aufgabe eines Engels, in allzu nahem Kontakt zu den Menschen 1297 Z ELLER , Menschwerdung, 172, fasst zusammen: »Im hellenistischen Raum war (...) der Gedanke möglich, dass ein Gott menschliche Gestalt annimmt. Er konnte auf historische Gestalten angewendet werden, um auszudrücken, dass sie zu einem segensvollen Wirken von den Göttern zu den Menschen gekommen sind. Damit kann das Sendungsmotiv zusammengehen. Der Mythos vom Herabsteigen einer Gottheit überschneidet sich mit den Vorstellungen über Heroen und ›göttliche Männer‹.« 1298 M ÜLLER , Menschwerdung, 11. 1299 Siehe Dtn 4,19; 32,8ff; Ps 82,2. Vgl. die Vorstellung der Völkerengel (z.B. bei M ACH , Entwicklungsstadien, 23ff und öfter). Vgl. Porphyrius, Gegen die Christen, Frgm. 76 (H ARNACK ), bei M ARK - SCHIES , Welten, 118: »Der Unterschied ist nicht groß, ob jemand sie Götter oder Engel nennt«. 1300 So Z ELLER , Menschwerdung, 173, zustimmend zitiert auch bei M ÜLLER , Menschwerdung, 11. 1301 S.u. S. 406 (δοκεῖν). 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) 385 zu stehen. Er ist als Bote des Höchsten mit einem Auftrag versehen, den er zu erfüllen hat - und sei es als Schutzengel. Jedenfalls ist er als körperloses, zweidimensional gedachtes Wesen nicht als irdische Figur vorgesehen. Prinzipiell ausgeschlossen sind für Engel genau die Dinge, die Ignatius in IgnSm 3f diskutiert: essen und trinken, anfassen und angefasst werden. Dennoch gibt es Beispiele, an denen Derartiges beobachtet wird. Wenn Engel oder Götter als Menschen auf der Erde erscheinen, müssen sie sich verkleiden, so dass man erst hinterher feststellt, dass man offenbar »unwissentlich Engel beherbergt« hat (Hebr 13,2). Damit spielt Hebr 13 sicherlich auf Abraham und seine Gottesbegegnung in Mamre (Gen 18) an. An dieser Stelle und im Tobitbuch begegnet Gott durch Engel einem Menschen als Mensch, so dass erst hinterher die Täuschung aufgeklärt werden muss. Das Problem in Gen 18 und in Tobit ist, dass der/ die Engel nicht nur handgreiflich und anfassbar menschlich dargestellt werden. Sie essen und trinken auch. 1302 11.4.1 Tobit und die Engelserscheinung (Tob 12) 1303 Am Ende der Tobiterzählung heißt es in Tob 12,19, dass das Essen und Trinken des Erzengels Rafael nicht real war. Nicht nur das, sondern überhaupt ist die Begegnung mit dem Reisebegleiter in vieler Hinsicht anders gewesen, als Tobit das vermuten konnte: Tob 12,19 πάσας τὰς ἡμέρας ὠπτανόμην ὑμῖν καὶ οὐκ ἔφαγον οὐδὲ ἔπιον ἀλλὰ ὅρασιν ὑμεῖς ἐθεωρεῖτε: »Die ganze Zeit über, in der ich euch erschienen bin, habe ich auch weder gegessen noch getrunken, sondern ihr habt eine Erscheinung gesehen.« Der ganze Auftritt des Engels erweist sich im Nachhinein als eine bloß scheinbar reale Veranstaltung. Insbesondere bezüglich des Essens und Trinkens wird klargestellt: Ihr habt eine ὅρασις geschaut. ὅρασις bedeutet keine subjektive Einbildung, zumal hier mehrere beteiligt sind. Es ist eine zumindest intersubjektive wenn nicht gar objektive Erscheinung, die von Gott ausgeht, die allen sichtbar ist, aber eben doch zugleich die Sinne täuscht. Von der Wortwahl anders, in der Sache aber gleich, behaupten die Gegner des Ignatius in Smyrna, Jesus habe nur scheinbar gelitten. Ignatius begegnet dieser Behauptung ausgerechnet mit dem Hinweis auf das Essen und Trinken Jesu nach der Auferstehung. Man kann daher sagen, dass der Engel des Tobit sachlich auf der gleichen Ebene angesiedelt ist wie der Christus der Doketisten in Smyrna. Ein wesentlicher 1302 Vgl. dazu etwa G IESCHEN , Christology; B ARKER , Angel; M ÜLLER , Menschwerdung, 116ff. 1303 O EMING , Angelologie, 281, weist auf die Ähnlichkeiten zwischen der Angelologie des Tobitbuches und der Christologie hin: »Die sogenannte ›U-förmige‹ christologische Linie (bei Gott sein - Menschengestalt annehmen und herabsteigen auf Erden unerkannt zum Heil wirken zum Abschied eine Offenbarungsrede halten zu dem hinauffahren, der ihn gesandt hat, und zu seiner himmlischen Herrlichkeit erneut hinzutreten) ist im Tobit-Buch vollständig ausgebildet. Die Angelologie des Tobitbuches gibt damit einen weitreichenden Deutungsrahmen für die Christologie überhaupt vor.« Oeming schränkt mit Blick auf die Unterschiede (ebd. 282) ein: a) Der Engel leidet nicht, b) Tobit kennt keine wirkliche Inkarnationsvorstellung, da er nicht wirklich isst und trinkt, c) das Heilshandeln betrifft nicht die ganze Welt, sondern nur einen kleinen Personenkreis, d) der Engel ist wesensverschieden von Gott und Mensch, während Christus Fleisch wird. 386 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Unterschied besteht allerdings darin, dass über den Engel Rafael nicht gesagt wird, er habe gelitten oder gar Leiden vorgetäuscht. 11.4.2 Abrahams Gäste: der Herr und seine Engel in Mamre (Gen 18) Die Abrahamserzählung von Gen 18 lässt Abraham mit seiner Frau Sara in einem Zelt in Mamre den Besuch dreier Männer empfangen, deren Auftritt und Bewirtung zunächst ein Fall orientalischer Gastfreundschaft zu sein scheint. Zwar begegnet Abraham den Wanderern äußerst unterwürfig und redet sie als »Herr« an, aber dies ist zunächst im Rahmen üblicher Freundlichkeit zu verstehen. Mit der Weissagung der Geburt eines Kindes fängt allerdings schon etwas Neues an, kulminierend in dem Ausspruch eines der drei Männer, der schon in Gen 18,13 »Herr« genannt wird: »Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? « (Gen 18,14). Spätestens jetzt wissen Abraham und der Leser, dass hier eine Gottesbegegnung stattfindet. / κύριος selbst hat geredet; die beiden anderen sind Engel (Gen 19,1). Die Geschichte von Gen 18 ist in der frühchristlichen und frühjüdischen Literatur vielfach rezipiert und verwertet worden. Sie spielt in der Argumentation Justins gegenüber dem Juden Trypho eine wichtige Rolle (dial. 56 und 126), 1304 gehört also zu den Stellen, die man sich genau anschaute, wenn man als Christ jüdischen Gesprächspartnern einen Schriftbeweis für Christus liefern wollte. 1305 Denn auch jüdisches Interesse genau an dieser Fragestellung ist mehrfach belegt. 1306 11.4.3 Abrahams Gäste: Engel in Mamre bei Flavius Josephus Flav.Jos.Ant. 1,11,2: »Als nun Gott dieses beschlossen, sah Abram, an der Tür seines Hauses in Mambre sitzend, drei Engel, und im Glauben, sie seien Fremdlinge, stand er auf; begrüßte sie und bat sie, seine Gastfreundschaft anzunehmen. Jene sagten zu, und er ließ sogleich Brot aus Weizenmehl bereiten, ein Kalb schlachten, zubereiten und ihnen unter einer Eiche das Mahl herrichten. Sie taten nun, als ob sie speisten (οἱ δὲ δόξαν αὐτῷ παρέσχον ἐσθιόντων), und fragten auch, wo seine Gattin Sarra sei. (...) Da verstellten sie sich nicht länger und bekannten, dass sie Engel Gottes seien; einer von ihnen sei gesandt, um ihm den Sohn zu verkündigen, die beiden anderen, um die Sodomiter auszurotten« (ÜS K LEMENTZ ). 1304 Justins Interesse besteht darin, von der Schilderung des Gottesbesuchs her über die Kategorie »anderer Gott« (ἄλλος Θεὸς) Christus als den Besucher Abrahams zu erweisen. ἄλλος Θεὸς: dial. 11; 50; 56. dial. 127,4: »Also weder Abraham, noch Isaak, noch Jakob, noch sonst jemand sah den Vater und unnennbaren Herrn aller überhaupt und auch Christi. Sie sahen vielmehr den, der durch den Willen des Vaters Gott war, seinen Sohn, den, der Engel war, da er dem Willen des Vaters diente, den, der nach dem Willen des Vaters durch die Jungfrau auch Mensch wurde und geboren worden ist, den, der einst Feuer war, als er vom Dornstrauch aus mit Moses sprach« (BKV). Christus wird hier von Justin zunächst als Engel, dann als Mensch in den Blick genommen. Damit ist klar, dass Jesus als Mensch nicht Engel war. Umgekehrt ist aber der thematische Bezug klar, inklusive des Bezugs auf die Szene mit Abraham in Mamre. 1305 Vgl. auch Tert.carn.Chr. 3. Vgl. Eusebs Präparatio Evangelica 1,5: Der, der den Patriarchen erschien, wurde manchmal Gott, manchmal Engel genannt. Er ist der »Große Engel«, der »Gesalbte« für Euseb: Christus. Vgl. Origenes (Cels. 5,53): Der Sohn (Christus) war im AT ein Engel, resp. der »Engel des große Rates«. 1306 In Qumran sicher in 4Q180 Fragm. 2 4ii,1; Philo spricht die Frage, wer in Gen 18 die Besucher sind, an in Abr. 131f. Zu Abr. 113 siehe unten. 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) 387 Im Gegensatz zum christlichen Schriftbeweis, der in einem der Männer Christus wiedererkennt, werden alle drei hier »Engel« genannt. Dass sie sich, wie hier behauptet, als Engel ausdrücklich zu erkennen geben, ist aus Gen 18 gerade nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Dort ist die Selbstvorstellung in Gen 18,12f deutlich und unmissverständlich: Der κύριος redet. Diese besonders anstößige Passage übergeht Flavius und deutet sie um, indem er aus dem Herrn einen von drei Engeln macht. 1307 Aber auch dann bleibt die Passage anstößig. Daher betont Flavius interpretierend, dass die Engel nur scheinbar gegessen hätten, indem sie einen Schein (δόξα) vorgetäuscht hätten. Damit ist das zum Verb δοκεῖν gehörige Substantiv zum Einsatz gebracht; das Verb δοκεῖν allerdings kennen wir von den Ignatius-Gegnern, die behaupten Christus habe zum Schein (τὸ δοκεῖν) gelitten, und denen Ignatius vorhält, selbst der Auferstandene habe noch gegessen. Das Thema »Essen und Trinken« als Zeichen menschlicher Wirklichkeit steht gleichermaßen zur Debatte. 11.4.4 Das Lachen der Sara und die neue Erkenntnis bei Philo Philo berichtet in Abr. 107-113, dass Abraham mit viel gutem Willen und Gastfreundlichkeit seine drei Gäste bewirtet, die sich darüber freuen, allerdings weniger über das Essen selbst, als vielmehr über den guten Willen und die Gastfreundschaft des Gastgebers (Abr. 110). Als sie daraufhin die Geburt eines Kindes für Abraham und Sara ankündigen, lacht diese und beide werden vermahnt. Daraufhin bekommt Sara eine andere Vorstellung von den Erschienenen (ὁρωμένων), nämlich eine edle, entweder von Propheten oder Engeln (ἢ προφητῶν ἢ ἀγγέλων), die sich aus geistigen oder seelischen Seinszuständen in menschliche Erscheinung verwandelt hätten (μεταβαλόντων ἀπὸ πνευματικῆς καὶ ψυχοειδοῦς οὐσίας εἰς ἀνθρωπόμορφον ἰδέαν) (Abr. 113). Nach dem Lachen der Sara setzt die direkte Ansprache durch die Engel die Erkenntnis frei, wen Abraham und Sara hier beherbergen: Propheten oder Engel. Von zwei Propheten wurde eine engelhafte Natur angenommen, da sie als entrückt galten: Henoch und Elia. Möglicherweise wären diese hier in einem scheinbar menschlichen Auftreten rahmend neben dem Engel des Herrn aufgetreten. 1308 11.4.5 Das Anpassungsproblem der Engel und seine Lösung In der längeren Version des Testaments Abrahams (TestAbr A, 4,9) 1309 geht es in einer Art Neuauflage der Situation von Gen 18, darum, Abraham auf seinen Tod vorzubereiten. Diese Aufgabe hat Erzengel Michael übernommen, der als überaus schöner, stattlicher Krieger erscheint (2,2ff). TestAbr A 4,9: »Und der Anführer der Engel (ὁ ἀρχιστράτηγος) sagte: ›Herr, alle himmlischen Geister sind körperlos (πάντα τὰ ἐπουράνια πνεύματα ὑπάρχουσιν 1307 Allerdings ist in der LXX der Gottesname nicht so eindeutig gekennzeichnet wie im hebräischen Text. 1308 Vgl. dazu B ERGER , Auferstehung, 572, Anm. 423. 1309 Zu den Varianten von TestAbr: A LLISON , Testament, 27. Allison sieht TestAbr als Satire. 388 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie ἀσώματα), so dass sie weder essen noch trinken (οὔτε ἐσθίουσιν οὔτε πίνουσιν). Aber dieser Mann hat mir einen Tisch vorgesetzt mit einem Überfluss an allen Gütern der Irdischen und Sterblichen. Und jetzt, Herr, was soll ich tun? Wie verberge ich es vor ihm (πῶς διαλάθωμαι τοῦτον), wenn ich mit ihm an einem Tisch sitze? ‹« Der Engel meldet ein grundsätzliches Problem. Gemeinsam essen und trinken geht nicht, da Geister körperlos (ἀσώματα) sind. Die Lösung: Es muss dem Gastgeber verborgen werden, er muss getäuscht werden über die wahre Natur der Engel. Prinzipiell ist das genau das Problem, das Ignatius von seinen Gegnern berichtet. Gott beruhigt seinen Engel und sagt ihm Hilfe zu: TestAbr A 4,10: »Ich werde dir einen alles fressenden Geist senden (πνεῦμα παμφάγον), und er wird aus deinen Händen und durch deinen Mund alles verschlingen, was auf dem Tisch ist.« Denn es kommt im Kontext darauf an, dass Abraham schonend auf sein nahes Ende und auf das zu bestellende Haus hingewiesen wird. Er soll keineswegs erschreckt werden. So wird das, was Abraham offenkundig schon längst gemerkt hat, aus Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen nicht ausgesprochen, sondern verborgen. Dennoch lässt sich Michael die Füße waschen (3,9), wobei aufgrund von Vorahnungen Abraham zu weinen anfängt, was wiederum den Engel veranlasst, ebenfalls (! ) zu weinen (ἰδὼν δὲ ὁ ἀρχιστράτηγος αὐτοὺς κλαίοντας συνεδάκρυσεν καὶ αὐτὸς μετ᾿αὐτῶν). Die Tränen des (immer wieder als ›körperlos‹ bezeichneten) Engels fallen zu Boden und werden zu wertvollen Edelsteinen (3,10). Schließlich umfasst Sarah die Füße des Körperlosen (περιεπλάκη τοῖς ποσὶν τοῦ ἀσωμάτου). - Ein weinender Erzengel ist an sich genauso unvorstellbar wie das Umfassen seiner Füße, da er ja ausdrücklich körperlos ist. Ob nun TestAbr als Satire geschrieben ist oder nicht, in jedem Fall werden hier genau die Merkmale vorgeführt, die wir von den ignatianischen Doketisten kennen. Nur scheinbar isst und trinkt der Engel, er täuscht Körperlichkeit vor in massiver Weise, mehr noch, Menschlichkeit inklusive Weinen (vgl. Hebr 5,7). Weinen als Ausdruck von Leid oder Mitleid, als Erregung des Gemüts ist eine Vorstellung, die eigentlich nicht zu einem Engel passt. Hier wird dies alles als nötig dargestellt, damit der Engel zu seinem Ziel kommen kann. 11.4.6 Scheinbares Essen der Engel in den Targumen Die Targume Neofiti und Jeruschalmi 1 (Pseudo-Jonathan) bestätigen die breite Diskussion des Frühjudentums zu Gen 18 über das nur scheinbare Essen und Trinken der Engel: T. Neofiti: »Dann nahm er Butter und Milch und einen jungen Ochsen, den er vorbereitet hatte, und setzte ihnen den vor. Und er stand über ihnen unter dem Baum und sie schienen, als ob sie äßen und tränken.« T. Jeruschalmi 1/ TPsJ: »Und er diente ihnen und sie saßen <...> und es erschien ihm, als ob sie äßen«. 1310 Hier wird nicht berichtet, dass die Engel bewusst getäuscht hätten; die Täuschung kann auch im Auge des Betrachters entstanden sein. 1310 Übersetzung nach E. C LEM und dem bei Accordance gebotenen hebräischen Text. 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) 389 11.4.7 Scheinbares Essen der Engel im Midrasch Bereschit Rabba Im Midrasch Bereschit Rabba heißt es zu Gen 18,5 über die Engel, deren Namen als Michael und Gabriel angegeben werden, der Dritte ist die Schekinah: 1311 »R. Josua: (...) Die Engel sprachen: Thue so, wie du gesprochen. Sie wollten damit zu erkennen geben: Für uns kann von Essen und Trinken keine Rede sein, wohl aber für dich, thue darum so, wie du gesagt hast«. Der erste Lösungsversuch im Midrasch besteht in der Vermutung, die eigentlich positive Antwort der Engel auf die Frage, ob sie etwas essen möchten, sei im Grunde als Ablehnung des Essens zu verstehen. Zu Gen 18,8 heißt es: »Und er stand bei ihnen. Hier heisst es: Er stand bei ihnen und weiter heisst es: sie standen bei ihm, wie ist das zu verstehen? Bevor er seine Pflichten gegen sie erfüllt hatte, standen sie bei ihm, nachher aber stand er bei ihnen. Schrecken bemächtigte sich ihrer, Michael erzitterte und Gabriel ebenfalls. R. Tanchuma sagte von R. Eleasar und R. Abun im Namen des R. Meïr: Daher kommt das Sprichwort: Kommst du in eine Stadt, so richte dich nach ihren Sitten. Oben (im Himmel) ist weder Essen noch Trinken, denn Mose stieg zur Höhe und ass nicht s. Deut 9,9; hier unten (auf der Erde) aber, wo gegessen und getrunken wird, stand er bei ihnen unter den Bäumen und sie assen d.i. sie assen nicht wirklich, sondern es schien nur so, und einer erhob sich nach dem anderen.« 1312 Im Dialog der verschiedenen Positionen wird ermittelt, dass die Engel Michael und Gabriel erschreckt werden durch den Gedanken, essen und trinken zu müssen. Sie fangen an zu zittern. Die rabbinische Bemerkung dazu, dass man sich sozusagen den jeweiligen Sitten anpasst, dass also der Pneumatiker Mose auf dem Sinai weder essen noch trinken musste, dass aber umgekehrt die Engel auf Erden selbstverständlich das mittun müssen, überzeugt am Ende nicht. Denn am Ende wird wieder gesagt, sie hätten dem Anschein nach gegessen, aber eben nur zum Schein. 11.4.8 Gott wohnt unter den Menschen: Patriarchentestamente TestSim 6,5-7: »Der Herr, der große Gott Israels, wenn er erscheint auf der Erde als Mensch (φαινόμενος ἐπὶ γῆς ὡς ἄνθρωπος), dann wird er retten unter ihnen den Adam. (...) Denn Gott, einen Körper annehmend und mit den Menschen essend, hat die Menschen gerettet« (θεός, σῶμα λαβὼν καὶ συνεσθίων ἀνθρώποις, ἔσωσεν ἀνθρώπους). - TestAscher 7,2f: »Der Höchste wird die Erde besuchen. (3) Er wird kommen wie ein Mensch, mit Menschen essen und trinken (καὶ αὐτὸς ἐλθὼν ὡς ἄνθρωπος, μετὰ ἀνθρώπων ἐσθίων καὶ πίνων). (...) Gott, der wie ein Schauspieler einen Mann darstellt« (θεὸς εἰς ἄνδρα ὑποκρινόμενος). Beide Textstellen sind schon besprochen. Meine Vermutung, hier keine Diskussion über Jesus, sondern über Gott selbst vorliegen zu haben, habe ich oben dargestellt (S. 267ff). Dann wären diese Textstellen ein weiterer Beleg für eine sehr weit- 1311 W ÜNSCHE , A., Der Midrasch Bereschit Rabba. D.i. die haggadische Auslegung d. Genesis, Leipzig 1881, 226. 1312 Ebd. 227. Anders übersetzt F REEDMAN , H., Midrash Rabbah. Genesis, Vol I,S.416 (XLVIII) über Gen 18: »But below, where there is eating and drinking, we find, And He Stood By Them Under The Tree, And They Did Eat. Did they then eat? They pretended to eat, removing each course in turn.« 390 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie gehende, frühjüdische Debatte über Gen 18. 1313 Es ist allerdings auch möglich, das Auftreten Gottes hier als angelomorphe Epiphanie Gottes zu deuten. 1314 11.4.9 Tertullians Markioniten Tert.Marc. 5,9 »Man glaubt, uns bei dieser Frage die Engel des Schöpfergottes entgegenhalten zu müssen, da sie bei Abraham und Lot auch als Phantasmen mit einem Scheinleibe gehandelt hätten und doch wirklich gekommen seien, gegessen und getan hätten, was ihnen befohlen war.« 1315 Offensichtlich haben sich entweder Markion oder seine Anhänger in ihrer Argumentation für eine doketistische Christologie auf die Engel-Gestalten von Gen 18 berufen. Sie haben die Scheinbarkeit des Essens der Engel dort mit den nur scheinbar menschlichen Vollzügen des Lebens Jesu verglichen. Die Argumentation verläuft offenbar genau anhand der bisher herausgearbeiteten Linien: Phantasmen mit einem Scheinleib haben scheinbar gegessen. 1316 11.4.10 Ergebnis: Engeldoketismus als Parallele zum christlichen Doketismus 1. Verschiedene frühjüdische Autoren, deren Werke heute noch vorliegen, beschäftigen sich mit Gen 18 und der Frage, wie körperlose Geister einen ganz und gar irdisch-menschlichen Auftritt erzeugen können. Exakt die gleiche Frage stellt sich für Tobit und den Erzengel Rafael. 2. Offensichtlich berufen sich Doketisten späterer Zeit ausdrücklich auf diese Bibelpassagen. 3. In jedem Fall wird eine Täuschung Abrahams und anderer konstatiert. Mehrfach wird die Täuschung sogar aktiv vom Engel oder von Gott betrieben. 4. In einem Fall (Flav.Jos.Ant. 1) wird sogar die gleich Wortwurzel benutzt, um die Täuschung zu beschreiben, die bei den Doketisten des Ignatius verwendet wird. 5. Wiederholt wird die Täuschung als »Vision« oder »Schein« bezeichnet, so dass ein visionäres Element den Mystiker (Abraham) über die physische Realität des Nicht-Essens hinwegsehen lässt. 6. Der Engel-Auftritt, der die Engel zum Essen/ Trinken nötigt, ist wie eine Himmelsreise in umgekehrter Richtung dargestellt. Während sonst der in den Himmel versetzte Mystiker Angst hat vor den Offenbarungen, die er nicht ertragen kann, sind 1313 Innerhalb der Patriarchenliteratur sind die Patriarchen Folie und Modell für die eigene Gegenwart und Zukunft, zumal ja auch Verheißungen für die Zukunft ausgesprochen werden. Das würde bedeuten, dass Gen 18 in diesem Zusammenhang vorchristlich diskutiert wurde. Als judenchristliche Schrift wurde es dann später mit christologischen Passagen ganz anderer Art kombiniert. Wie auch sonst für die Patriarchentestamente von P H . K UROWSKI gezeigt, ist dieser Befund als Spiel mit unterschiedlichen Themen aus unterschiedlichen Denkwelten zu verstehen, wobei sich die Verfasser oder Redaktoren der Patriarchentestamente offensichtlich den dogmatischen Denkmustern der Umgebung verweigert haben. Anstatt dogmatische Formeln zu benutzen, halten sie das Spiel mit unterschiedlichen Kategorien für angemessener, das Phänomen Jesus zu beschreiben. 1314 G IESCHEN , Christology, 51-69. G IESCHEN zeigt anhand der »Engel-des-Herrn«-Stellen aus dem AT, dass damit einen angelomorphe Erscheinung Gottes gemeint ist. Übertragen auf TestXII könnte das heißen, dass hier von Gott geredet wird, aber der »Engel des Herrn« als Vorstellung im Hintergrund steht. 1315 ÜS BKV. 1316 Vgl. dazu den Bericht des Clemens Alexandrinus über Valentins Auffassung, dass Christus nicht wirklich gegessen und verdaut, resp. ausgeschieden habe (strom 3,7,59,3) siehe G RILLMEIER , Jesus, 266. W EIGANDT , Doketismus 87 führt aus den Petrusakten weitere Parallelen an. 11.4 Engel erscheinen äußerlich wie Menschen (Engeldoketismus) 391 hier die Engel erschüttert, dass sie wie Menschen essen und trinken müssen. Am Ende heißt es dann doch: Es schien nur so, als hätten sie es getan. 7. Gemeinsame Elemente zwischen den Ignatiusgegnern und dem Engeldoketismus: das Element der Täuschung; der mehrfach begegnende Ausdruck von der Körperlosigkeit (des Engels), das umstrittene Moment des Essens und Trinkens (als Element der Täuschung hier; als Gegenbeweis bei Ignatius). In einem äußersten Fall wird sogar das Weinen des Erzengels Michael angenommen und seine Füße werden umfasst. In ähnlicher Weise stellen die Auferstehungsvisionen der Evangelien sicher, dass Jesus kein Geist ist. 8. Gen 18 ist unabhängig von der Täuschungsfrage eine Stelle, an denen das frühe Christentum anhand der Schrift zeigen konnte, dass Jesus (»der Herr«) schon im AT bezeugt ist. 1317 9. Bestätigt werden die genannten Parallelen dadurch, dass mit den von Tertullian genannten Markioniten ein Beispiel dafür gegeben ist, dass Doketisten Ende des zweiten, Anfang des dritten Jahrhunderts ganz so argumentiert haben, wie es die Texte zeigen. Obwohl die Parallelen 1318 eher stark sind, ist relativierend zu sagen, dass damit nicht das Phänomen des Doketismus auf eine einzige Wurzel rückführbar ist. Nur ist deutlich, dass diese engel-doketistische Vorstellung hilfreich gewesen sein dürfte, um einen christologischen Doketismus zu verfechten. Verknüpft man einmal diesen Engeldoketismus in den Auslegungen zu Gen 18 mit dem, was wir aus IgnPhld 8 über die Auseinandersetzung in Philadelphia wissen, dann könnte man entsprechend für Smyrna zu folgendem Ergebnis kommen: Die Schriftrollen werden in Gegenwart des Ignatius ausgerollt. Man unterhält sich über Schriftbeweise und Anfragen; gegenseitige Erkenntnisse und Entdeckungen werden mitgeteilt. Man kommt auf Gen 18 zu sprechen. Man ist sich schnell einig darin, dass mit dem Träger des Gottesnamens nur Jesus gemeint sein kann. Dann kommen die Einwände; das Wort »körperloser Geist« wird eingeworfen. Gegenrede: »Er hat doch gegessen und getrunken! « Antwort: »Alles nur zum Schein. Gott kann ja gar nicht essen und trinken oder gar leiden«. »Aber er hat gelitten, das steht doch geschrieben! « - Es folgt der Versuch, aus der Schrift und mündlicher Tradition zu beweisen, dass Christus nicht gelitten hat. Die Behauptung ist: »Es steht geschrieben! « Antwort des Ignatius: »Das ist noch sehr die Frage«. - Auch wenn ein derartiger Dialog denkbar wäre, ist zu beachten, dass Ignatius durchaus zwischen Judaisten im eigentlichen Sinne und Doketisten unterscheidet. 11.4.11 Weitere Erscheinungen von Engeln in menschlicher Gestalt Von den übrigen Erscheinungen von Engeln in menschlicher Gestalt seien zwei herausgegriffen, die von der »Gegenseite« berichten. Sie können einen »Spiegel« für die bisherigen Geschichten darstellen. 1319 In TestHiob 23,1 wird berichtet, wie Satan sich in einen Bäcker verwandelt, um Hiobs Frau zu täuschen: ὁ Σατανᾶς (...) μετεσχηματίσθη εἰς ἀρτοπράτην· - Eine Metamorphose (siehe 11.5) ist 1317 Justin geht es um den Beweis eines »zweiten Gottes« im AT, den er dann mit Christus identifiziert. 1318 Weitere Belege zum vermeintlichen Essen und Trinken der Abrahamsbesucher bietet B ERGER , Auferstehung, 455f, Anm. 98. Vgl. auch Ps.Clem. H 7,2. - B ERGER , Auferstehung., 445 Anm. 62 kennt noch eine Fortführung des Motivs scheinbaren Essens aus Palaia (ed. Vassiliev p. 215): Das gegessene Kalb wird wieder lebendig. 1319 Gemeint ist damit: Wenn vom Satan oder vom Antichrist etwas Ähnliches berichtet wird, wie von Gott oder von Christus, dann bestätigt das Beobachtungen, die an anderen Texten gemacht worden sind, weil die Gegenfigur (Satan, Antichrist) häufig einfach als negativer Spiegel der positiven Seite gedacht ist, also fast identische Eigenschaften und Fähigkeiten zeigt. 392 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Grundlage für die Täuschung der Frau. Der Engel tritt anthropomorph auf (vgl. auch TestHiob 7,1.6). In TestRub 5,7 wird vom Engelfall bzw. der Verführung der Menschenfrauen durch die Engel berichtet. Die »prächtigen Erscheinungen der Engel« werden von den Frauen begehrt (ἐπιθυμοῦσαι τῇ διανοίᾳ τὰς φαντασίας αὐτῶν). »Phantasien«, bzw. »prächtige Erscheinungen« sind zunächst äußerlich. Das verwandte Wort φάντασμα (Gespenst) klingt an. In jedem Fall werden diese Engel in ihrer äußerlich prächtigen Erscheinung (Schein) wahrgenommen, die aber gleichwohl von einer Wirklichkeit ist, die sich durch die anschließende Schwangerschaft nicht auf eine reine Geistigkeit reduzieren lässt. Das Ergebnis sind ungeheuerliche Kinder, gefährliche Riesen, die Mord und Totschlag üben, so jedenfalls die Version von 1Hen 7ff. 1320 Ergebnis: Die Begegnung mit Engeln lässt immer die Frage mitschwingen: Was ist echt? Ist dies eine Begegnung mit dem Himmel oder mit der Gegenseite? Das Frage der Täuschung stellt sich auch im positiven Falle. 11.5 Metamorphosen und Polymorphie bei Engeln, Aposteln und Christus Mit dem Engeldoketismus ist eine wichtige Wurzel des Doketismus erkannt. 1321 Wie aber stellt man sich eine derartige Täuschung praktisch vor? Wie ist die Leiblichkeit eines körperlosen Wesens so zu denken, dass es als leiblich erscheint? Oder wie umgekehrt ist es möglich, dass ein Mensch wie ein Engel erscheint? Veränderte Leiblichkeit wird in neutestamentlichen Schriften z.B. von Christus berichtet, 1322 wo er in der Verklärung erstrahlt (Mk 9), über das Wasser läuft (Mt 14,26; Mk 6,49) oder als Auferstandener nicht erkannt wird (Lk 24,16), in anderer Gestalt (ἐν ἑτέρᾳ μορφῇ) erscheint (Mk 16,12) und trotz geschlossener Türen Räume betreten und verlassen kann (Joh 20,19). 1323 11.5.1 Polymorphie bei Engeln und Christus Wenn Paulus als sein missionarisches Prinzip angibt, allen alles zu werden (1 Kor 9,22), so kommt das dem nahe, was im Folgenden unter dem Stichwort Poly- 1320 Das ist der Grund für die Angst Lamechs, sein Kind Noah könne in Wirklichkeit von einer ehebrecherischen Engelsmacht stammen, die Lamechs Frau demnach geschwängert hätte (1Hen 106f). 1321 Vgl. W EIGANDT , Doketismus, 40-56: Exkurs II: Ἰησοῦς πολύμορφος. W EIGANDT führt, anders als es hier geschieht, die Vorstellung der Polymorphie auf den »Glauben an den Sonnengott der ägyptischen Spätzeit« zurück (ebd., 51). So umgeht er die jüdischen Parallelen und das auch sonst in der Antike (und Gegenwart) beliebte Spiel mit Metamorphosen in anderen Texten und Zusammenhängen. 1322 Vgl. weiter: Joh 20,15: Maria dachte (δοκοῦσα), dass er der Gärtner sei; Mt 17,2: Er wurde verklärt (μετεμορφώθη). 1323 U EBELE , Verführer, 114, konstatiert für Joh 20: »Die ›pneumatisch‹ anmutende Seins- und Erscheinungsweise Jesu in Joh 20,19-23 (vgl. bereits 20,14-17), die es ihm ermöglicht, durch geschlossene Türen in den Versammlungsraum der Jünger zu treten (20,19), dürfte die Doketisten in ihrer Ansicht jedenfalls durchaus bestärkt haben. Der Redaktor dringt aus diesem Grunde nun mittels der Thomasgeschichte mit größtmöglichem Nachdruck auf die leiblich-fleischliche Identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten«. Zwar ist U EBELES Auffassung einer doketistisch-antidoketischen Auseinandersetzung zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums bei jeder denkbaren Datierung desselben anachronistisch, dennoch sieht er korrekt, dass der Erscheinung Jesu hier in ihrer transformierten Leiblichkeit der Aspekt des trügerischen Scheins anhaftet. 11.5 Metamorphosen und Polymorphie bei Engeln, Aposteln und Christus 393 morphie als eine Eigenschaft insbesondere der Engel bekannt ist. Ihre schon erwähnte Buntheit und ihr Schillern (4Q405) 1324 geben ihnen offensichtlich auch die Möglichkeit zum Gestaltwechsel. Wichtig wird dieser, wenn ein himmlischer Bereich verlassen und ein anderer betreten wird - oder eben, wenn die irdische Welt zum Handlungsort wird. In der Ascensio Jesajae (AscJes 8f) 1325 und der Epistula Apostolorum (EpAp 13) »verkleidet« sich Christus, um von den Engeln der unteren Himmel nicht erkannt zu werden. In AscJes 8, 8ff spricht der begleitende Engel zu Jesaja: »Ich bin (...) gesandt worden, um dich hier hinaufzubringen, dass du (...) sehest den Herrn aller jener Himmel und dieser Throne sich verwandeln, bis er euer Aussehen und eure Gestalt bekommt« (NTApo). Bei Himmelsreisen wird beobachtet, dass die Engel Aussehen und Gestalt ständig ändern (ApkAbr 15,6). Die eigene menschliche Leiblichkeit bei einer solchen Entrückung schien schon Paulus ungewiss (2 Kor 12), er vermutete, möglicherweise nur »im Geist«, d.h. in geistiger Ekstase sein Entrückungserlebnis gemacht zu haben. Wenn Leiblichkeit für die beiden Klassiker der Entrückung, nämlich Henoch und Elia vorausgesetzt wird (Offb 11), so gilt doch der Himmel insgesamt als ein Bereich des Geistes, in dem eine andere Leiblichkeit wie ein Kleid angezogen werden muss (AscJes 8f). Über Christus gibt es in der apokryphen Literatur eine Reihe von Berichten, nach denen sein Aussehen oder seine Leiblichkeit »anders«, »fremdartig« und Veränderungen unterworfen sein konnte. 1326 Fraglich ist dabei, was als Metamorphose und was als Polymorphie im Sinne der engelhaften Verwandlungen gelten soll; 1327 immerhin ist das Thema »Verwandlung« allgemeiner gesehen auch im sonstigen antiken Kontext bekannt und beliebt (z.B. Ovid 1328 und Apuleius, 1329 weitere Belege bei K LAUCK , Bibel, 303-308). Über die Verklärung Jesu (Mk 9) berichtet das Philippusevangelium: 1330 EvPhil 26: „Jesus hat sein Körperkleid unbemerkt gewechselt. (2) Denn er erschien nicht so, wie er wirklich war, (3) sondern so, wie sie ihn ertragen konnten. (4) Er 1324 S.o. S. 373. 1325 AscJes 9, 13 fährt fort: »Es wird nämlich in den letzten Tagen der Herr, der Christus genannt werden soll, in die Welt hinabsteigen. (...) Man wird meinen, er wäre Fleisch und ein Mensch. (14) Und der Gott jener Welt wird die Hand gegen seinen Sohn ausstrecken, und sie werden Hand an ihn legen und ihn kreuzigen am Holze, ohne zu wissen, wer er ist. (15) Und so wird sein Herabkommen, wie du sehen wirst, den Himmeln verborgen sein, so dass unbemerkt bleibt, wer er ist« (NTApo). Ähnlich ApkElia 20,2: »Als er zu uns kam, tat er es keinem Engel kund, noch einem Erzengel, noch irgendeiner Macht; er wandelte sich vielmehr wie in einen Menschen um, um uns zu retten« (AJS). 1326 K LAUCK , Bibel, Kap. 7. K LAUCK führt Belege, Definitionen und Vergleiche an. 1327 K LAUCK , Bibel, 308-311. 1328 Vgl. die Metamorphosen des Ovid und des Apuleius ( V . A LBRECHT (Hg): Metamorphosen). Der römische Dichter Ovid verfasste sein mythologisches Werk kurz nach der Zeitenwende und verarbeitet etwa 250 Sagen. Es gehört zu den populärsten mythologischen Werken der Antike. Es enthält viele Verwandlungsgeschichten, in denen sich ein Mensch oder ein Gott in eine Pflanze, Tier oder Sternbild verwandelt. Den krönenden Abschluss bildet die Verwandlung der Seele Caesars in einen Stern. 1329 H ELM , Apuleius. Apuleius, um 123 in Madaurus geboren, gestorben vermutlich nach 170, gilt als mittelplatonischer Schriftsteller. Sein »Goldener Esel«, eine spöttische, teils erotische, teils religiös orientierte Schrift schildert die verschiedenen Verwandlungen des Titelhelden. 1330 Vgl. auch K LAUCK , Bibel, 366-369. 394 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie offenbarte sich den Großen als Großer und den Kleinen als Kleiner, den Engeln als Engel und den Menschen als Mensch. (5) Sein Logos, also sein wahres Wesen, blieb für alle unsichtbar. (6) Nur einige sahen ihn, dachten aber, sie sähen sich selbst. (7) Als er seinen Jüngern auf dem Berg in Herrlichkeit erschien, war er nicht klein, sondern groß geworden. (8) Aber zuvor hatte er die Jünger groß gemacht, damit sie ihn in seiner Größe sehen könnten. (9) Jesus sagte an jenem Tage in der Danksagung (Eucharistie): ›Du, Gott, hast den Vollkommenen, das Licht, vereinigt mit dem Heiligen Geist. Vereinige die Engel auch mit uns, ihren Abbildern‹« (B/ N). Klar benannt sind die Kriterien und Motive der Verwandlung: Seine Erscheinung richtet sich nach der Erkenntnisfähigkeit 1331 seiner Gesprächspartner (2f). 1332 »Klein« und »groß« kann sich auf die unterschiedlichen himmlischen Potenzen oder auf körperliche Größe 1333 beziehen (4). Damit ist auch der Orientierungsrahmen geklärt. Ähnlich wie in EpAp und AscJes bekommen auch die himmlischen Mächte nur das zu sehen, was er selbst für richtig hält. Zudem hat Jesus die Fähigkeit, in Gestalt eines Engels oder eines Menschen aufzutreten, kann sein »Körperkleid« also wie in EpAp 19,17 unbemerkt wechseln (1). Darin übertrifft er offensichtlich auch die Engel. Sein wahres Wesen, sein Logos bleibt aber unsichtbar (5). Es besteht die Notwendigkeit, Formen zu finden, ohne sich an sie zu binden. Die Vielgestaltigkeit macht unterschiedliche Offenbarungen für unterschiedliche Personen möglich. Wenn es heißt, einige meinten, sich selbst zu sehen (6), dann ist damit wahrscheinlich gemeint, dass Jesus als himmlischer Doppelgänger, also wie ein Schutzengel, erscheint. 1334 Denn abschließend stellt Jesus in einem Gebet klar, dass die Menschen Abbilder der Engel sind, d.h., dass das eigentliche »Ich« und »Wesen« eines Menschen himmlischer Natur und von der irdischen Erscheinung zu trennen ist. Wir befinden uns also schon mitten in der für die Gnosis so faszinierenden Doppelbödigkeit der Wirklichkeit, in der das Geschehen auf verschiedenen Ebenen spielt. Damit muss aber keine Ablehnung der Passion Christi einhergehen, wie sie für den ignatianischen Doketismus typisch ist: In EpAp 20,19 sagt Jesus: „Ich habe eure irdische Natur wie ein Kleid angezogen. Darin bin ich geboren, getötet, begraben und auferstanden« (B/ N). Verwechslung bzw. zwillingshafte Ähnlichkeit gibt es zwischen Joseph und seinem Engel in JosAs 14 und bei Thomas in ActThom 31,4; 39,1. In Gestalt von Aposteln begegnet Christus auch sonst mehrfach (ActAndr 14,3; ActPaulThecl 21,4 und öfter). 1331 K LAUCK , Bibel, 367: »Im Zentrum steht (...) das Prinzip der Akkomodation (...). Die Erscheinungsweisen des Göttlichen passen sich dem Fassungsvermögen der Menschen an. Da dieses Fassungsvermögen individuell verschieden ausfällt, kommt es auch zu verschiedenen Formen der Selbstoffenbarung Jesu.« Vgl. UBE 9,2 (B/ N). 1332 Vgl. Or.Cels. 2,64: »Auch wenn er sich sehen ließ, erschien er denen, die ihn sahen, nicht in der gleichen Weise, sondern so, wie die, die ihn sahen, ihn zu fassen vermochten«. 1333 Dass Jesus als »groß« und »klein«, als »alter Mann« und dann wieder als »Jüngling« erscheint, ist ein beliebtes Motiv in den Apostelakten. Vgl. etwa ActPetr 20: »... Auf dass ihr ihn liebt, diesen Großen und ganz Kleinen, den Schönen und Hässlichen, Jüngling und Greis« (NTApo 2). 1334 Zum Thema Schutzengel siehe auch oben S. 379. 11.5 Metamorphosen und Polymorphie bei Engeln, Aposteln und Christus 395 11.5.2 Metamorphosen bei Aposteln und Christus ActPhil 60,4: »Als sie also zu Philippus, dem Apostel Christi kamen und ihn sahen wie eine Art großes Licht, seine Schüler im Kreis um ihn herum, war es ihnen nicht möglich, näher heranzukommen. Und Ireus fürchtete Philippus (und fragte sich), wie und auch auf was für einem Wege er sich selbst in eine andere Gestalt verwandelt hatte (πῶς οὕτως μετεμόρφωσεν ἑαυτόν).« - 61,1: Als aber Philippus erkannte, dass er das Gewicht des Lichtes nicht länger ertragen konnte, erinnerte er sich an Jesus und bekam wieder seine frühere Gestalt (καὶ ἐγένετο πάλιν ἐν τῇ εἰκόνι τῇ πρώτῃ). Und Philippus sagte: ›Steht auf und fürchtet euch nicht‹« (NTApo II). Hier wird der Apostel »angelomorph« 1335 bzw. »lichtgestaltig«. Wie ein Engel muss er zum Abschluss dieser epiphanen Verklärung sagen: »Fürchtet euch nicht.« Er selbst kann den Prozess steuern. Allerdings ist das Licht selbst am Ende zu stark für ihn und er muss in seine irdische Gestalt zurückkehren. Über Christus gibt es viele Berichte, seine Gestalt sei wandelbar. Johannes berichtet: ActJoh 93: »Manchmal, wenn ich ihn anfassen wollte, stieß ich auf einen materiellen, festen Körper (ἐν ὑλώδει καὶ παχεῖ σώματι προσέβαλλον); ein andermal wieder, wenn ich ihn berührte, war er immateriell und unkörperlich und so, als sei sie überhaupt nicht existent (ποτε πάλιν ψηλαφῶντός μου αὐτὸν ἄυλον ἦν καὶ ἀσώματον τὸ ὑποκείμενον καὶ ὡς μηδὲ ὅλως ὄν). (...) Ich wollte aber oft, wenn ich mit ihm ging, sehen, ob seine Spur sich auf der Erde zeigte sah ich doch, dass er sich von der Erde erhob -, und sah (sie) niemals«(NTApo II). Im Folgenden wird berichtet, dass unklar ist, ob Jesu Füße die Erde berühren, manchmal scheint es so, manchmal nicht. 1336 Mehrfach wird ein Changieren zwischen materiell und immateriell berichtet: An der Brust Jesu liegend, fühlt diese sich für Johannes manchmal »glatt und weich«, manchmal »hart wie Felsen« an. »Ich versuchte (...), ihn für sich allein zu sehen, und niemals sah ich seine Augen sich schließen«(ActJoh 89). Überhaupt wirkt Jesus häufig als klein und wenig ansehnlich, dann wieder von himmlischer Größe. Mal kahlköpfig und bärtig, dann flaumbärtig und als Jüngling zeigt er sich den Jüngern immer wieder in anderer Gestalt. Schließlich berichtet Johannes von einer Einladung im Hause eines Pharisäers (ActJoh 92). Jesus isst sein Brot nicht selbst, sondern segnet es und verteilt es unter die Jünger. Jesus selbst nimmt keine irdische Nahrung zu sich, so als sei er ein Engel (vgl. ActPetr 20). 1337 Als Engel Lithargoel erscheint Jesus den Jüngern nach den kopt. Acta Petri 8f (NHC). Erst als Lithargoel seinen Umhang ablegt, kann Petrus Jesus erkennen. 1335 Vgl. die Darstellung des Johannes aus dem Mund des Priesters Seusipp (NTApo II, 11; irischer Anhang Beatha Eoin Bruinne zu den Johannesakten): »engelhafter Johannes«. 1336 Vgl. EpAp 11,8f: »Und du Andreas, sieh nach, ob mein Fuß die Erde berührt und einen Abdruck hinterlässt. Denn beim Propheten steht geschrieben: ›Ein Gespenst, ein Dämon, macht keine Spur auf der Erde‹« (NTApo I). 1337 Vgl. ActPetr 20: »Er hat gegessen und getrunken unsertwegen, obwohl er weder hungrig noch durstig war, er hat ertragen und Beschimpfungen erduldet unsertwegen, er ist gestorben und auferstanden um unsertwillen« (NTApo II). 396 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Bei der Ankündigung der Schwangerschaft Marias und der anstehenden Geburt Jesu verkleidet sich Jesus in der EpAp als Erzengel Gabriel. 1338 Am Ende der Johannesakten (ActJoh 104) werden die Gegensätze (materiell immateriell; körperlich unkörperlich usw.) 1339 »in ihrer paradoxen Gleichzeitigkeit (...) in negative, apophatische Theologie überführt. Johannes verkündet einen ›unveränderlichen Gott, einen unfassbaren Gott‹, der sich ›oberhalb jeder Autorität und Macht‹ befindet, der ‹älter und stärker ist als alle Engel und die ganze Schöpfung‹. Das scheint der eigentliche Clou der Polymorphie zu sein, dass Christus als Gott zuletzt gar keine Gestalt mehr hat, die man sprachlich schildern könnte.« 1340 11.5.3 Christus aus Feuer und Licht Das »Unbekannte Berliner Evangelium« (UBE) bietet in einer Art Abschiedsdialog eine interessante Diskussion über die Leiblichkeit Christi. Es geht um die Frage, in welcher Gestalt Christus bei der Parusie erscheinen wird. Damit wird zwischen der irdischen Gestalt Jesu und seiner nach der Erhöhung verklärten oder verwandelten deutlich unterschieden. Die Frage ist, ob die Gestalt Jesu erträglich sein wird. Jesus beruhigt die Jünger, weist sie aber an, ihn nicht zu berühren: UBE 9 (1) »Wir wandten uns an ihn: ›Herr, lehre uns, in welcher Gestalt du dich uns zeigen und in welchem Leib du kommen wirst.‹ (2) Johannes bat: ›Herr, wenn du dich uns bei deiner Wiederkunft offenbarst, dann zeige dich uns nicht in deiner ganzen herrlichen Gestalt, sondern tausche deine herrliche Gestalt gegen eine Gestalt geringerer Herrlichkeit ein, damit wir sie ertragen können. (3) Sonst werden wir schwach vor Angst, wenn wir dich sehen.‹ (4) Da erwiderte der Erlöser: ›(Ich werde) euch (keine) Angst (machen), damit ihr seht und glauben könnt. (5) Doch berühren dürft ihr mich nicht, bis ich zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott, zu meinem Herrn und eurem Herrn hinaufgestiegen bin. (6) Denn wenn mir einer zu nahe kommt, wird er verbrennen. (7) Ich bin das lodernde Feuer. (8) Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nahe. (9) Wer mir fern ist, der ist dem Leben fern. (10) Jetzt also versammelt euch bei mir, meine heiligen Glieder« (B/ N). 1338 EpAp 14: »[Dann fragte er uns: ] ›Wisst ihr, dass der Engel Gabriel zu Maria kam, um ihr die Botschaft zu bringen? ‹ (...) (3) Da sagte er: ›Ich war es, der Maria in Gestalt des Engels Gabriel erschien und mit ihr sprach. Ihr Herz nahm mich auf, sie glaubte und lachte. Ich ging in ihren Leib hinein und wurde Mensch. (4) Da Engel als Boten dienen, nahm ich Engelsgestalt an und wurde dadurch ein Dienstbote meiner selbst. (5) Dann ging ich zu meinem Vater zurück‹« (B/ N). Vgl. auch schon eindeutig gnostisch - Pistis Sophia 7f. - Vgl. auch EvHebr 8 »Als Christus zu den Menschen auf die Erde kommen wollte, erwählte Gott Vater eine starke Kraft im Himmel. Sie hieß Michael. Der Fürsorge dieser Kraft vertraute er Christus an. Die Kraft kam in die Welt, sie wurde Maria genannt, und Christus war sieben Monate in ihrem Leib« (B/ N). Hier ist Maria ein Engelwesen, das letztlich zum Schein(? ) Mensch wird! Vgl. den Bericht aus AscJes. 10, wonach Christus nach der Verkündigung direkt aus dem Leib der Maria kam, so dass keine Schwangerschaft erkennbar war. - Vgl. dazu die Berichte über die Christologie Valentins, der nach PsTert haer. 4,5; Tert.carn.Chr. 15,1-3 und Clemens Alexandrinus strom. 3,59,3 mit einem »corpus spirituale« oder »corpus animale« bekleidet, nur kurz durch den Leib der Maria hindurchging. 1339 Vgl. die Betonung der Unkörperlichkeit bzw. Fleischlosigkeit bei den Doketisten des Ignatius und bei Satornil und Markion (s.o. S. 329 mit Anmerkungen). 1340 K LAUCK , Bibel 324. Vgl. PsClem H 17,16, wo Petrus sagt: »Denn ich behaupte, dass die Augen der Sterblichen das unfleischliche Wesen des Vaters oder des Sohnes nicht sehen können, weil es von einem unerträglichen Licht umstrahlt wird.« 11.5 Metamorphosen und Polymorphie bei Engeln, Aposteln und Christus 397 Dass Jesus Feuer ist, ist mehrfach belegt. 1341 Auch das Erschrecken vor seinem Erscheinen in Licht und Feuer kommt anderswo vor. Überhaupt ist Jesus häufig mit Feuer verbunden. 1342 Er selbst ist das »Licht der Welt« (Joh 8,12; 9,5), »das Licht, das über allem ist. Ich bin die himmlische Welt. Sie ist aus mir hervorgegangen, und in mir hat sie ihr Ziel erreicht« (EvThom 77). 1343 Er ist aus Feuer hervorgegangen. 1344 So kann es auch unmöglich sein, dies Licht zu beschreiben. 1345 11.5.4 Die Wunder der Gegenseite Von der Gegenseite ist Ähnliches zu berichten: 1346 Der Antichrist wandelt sich: »Bald wird er alt, bald wieder jung« (ApkElia 34,1). Überhaupt ist er Christus in vielem gleich: ApkElia 34, 1 »Er schreitet auf dem Meer und auf den Flüssen wie im Trocknen. Er macht die Lahmen gehen und die Stummen reden; die Blinden macht er sehend, rein die Aussätzigen. 2 Er heilt die Kranken, und aus Besessenen vertreibt er Geister; er tut vor jedermann viel Wunder und viel Zeichen. 3 Er tut die Werke, die der Gesalbte tat, allein die Toten kann er nicht erwecken« (AJS). In den Acta Petri tritt Simon Magus als Antichrist-Gestalt auf und behauptet, er sei die »große Kraft Gottes« (ActPetr 4). Sollte Simon in der Lage sein, Leichname aufzuerwecken, dann dürfe man ihm als einem Engel Gottes glauben (Act- Petr 28), gesteht Petrus zu. 1347 - Wenn man das auf Jesus überträgt, der Tote erweckte, dann darf man also, der Logik des Petrus hier folgend, Jesus einen Engel nennen? Der folgende Versuch des Simon, die Himmelfahrt Christi zu imitieren, 1341 Vgl. Agraphon Nr. 80 (B/ N): »Wer mir nahe ist, der ist dem Feuer nahe. Und wer fern von mir ist, der ist fern von Gottes Heil.« 1342 EvThom 10: »Ich habe Feuer in die Welt geworfen und will aufpassen, dass es nicht ausgeht, bevor es lodert«; EvThom 13,8 (Thomas spricht): »Wenn ich nur eines von den Worten, die Jesus mir gesagt hat, weitersagen würde, würdet ihr Steine nehmen und mich damit bewerfen (...). Doch aus den Steinen würde Feuer schlagen und euch verbrennen« (B/ N). Mt 3,11 und Lk 3,16: »der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen«. Lk 12,49: »Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden; was wollte ich lieber, als dass es schon brennte! « 1343 Vgl. EvNaz 8: »Solche Strahlen gingen aus seinen Augen hervor, dass sie erschreckt wurden und flohen« (s.o. S. 295). ProtEvJak 19,2 »Die Hebamme sprach (...). Und sogleich verschwand die Wolke aus der Höhle, und ein großes Licht erschien in der Höhle, so dass die Augen es nicht ertragen konnten. Kurz darauf zog sich jenes Licht zurück, bis das Kind erschien, und es kam und nahm die Brust von seiner Mutter Maria. Und die Hebamme schrie auf und sprach: ›Was für ein großer Tag ist das heute für mich, dass ich dies nie dagewesene Schauspiel gesehen habe‹« (B/ N). - Vgl. die oben genannten Geburtsgeschichten von Noah und Elia S. 376f. - ActPtr 21: Eine gleißende Lichterscheinung geschieht während des Gebets, innerhalb derer polymorph sich wandelnd Christus erscheint und Blindheit heilt. Vgl. auch das Damaskuserlebnis des Paulus (Apg 9; 22; 26). 1344 ActPaul 8,13: »... sandte den (heiligen) Geist (durch Feuer) in Maria, die Galiläerin« (B/ N). 1345 ActJoh 90 »Wir sahen (an) ihm ein solches Licht, dass ein Mensch, der sich vergänglicher Rede bedient, unmöglich aussprechen kann, welcher Art es war. (...) Und (ich sehe, dass) seine Füße weißer sind [...] als Schnee, so dass auch die Erde dort von seinen Füßen erhellt wird« (NTApo). 1346 Klassisch ist 2 Kor 11,13-15: »Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter und verstellen sich als Apostel Christi. Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit; deren Ende wird sein nach ihren Werken.« - Der Teufel täuscht Engelhaftigkeit vor genau wie Falschpropheten echte Propheten zu sein vorgeben. 1347 Ähnliche Belege dieser Vorstellung für Simon Magus bietet W EIGANDT , Doketismus, 47: PsClem H 2,32,2; 2,34,2; syr R 2,9,5; ActPetr 35; MartPetr 14. Einen größeren Überblick über das vielfältige apokryphe Material zu Simon folgt, ebd., 58-63. W EIGANDT , der Simon für einen heidnischen Gnostiker hält, lehnt es zu Recht ab, den Doketismus auf Simon zurückzuführen (ebd., 63). 398 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie endet mit einem völligen Absturz. 1348 Auch Satan persönlich 1349 sowie seine Dämonen erscheinen polymorph. 1350 11.6 Menschen werden »Engel« genannt Im »Gebet Josephs« (1. oder 2. Jh. n.Chr.), Frgm.1 wird Jakob nicht nur »Engel« genannt, er erlebt als Himmelswesen geradezu etwas wie eine »Inkarnation«: »Denn der zu euch redet, ich bin es, Jakob und Israel, Engel Gottes bin ich und anfangshafter Geist. (...) Ich aber bin Jakob, von den Menschen Jakob genannt, mein Name aber ist Israel, genannt von Gott Israel, ›der Mann, der Gott sieht‹, denn ich bin Erstgeborener jeglichen Lebewesens, das Leben hat von Gott ... Als ich aber von Mesopotamien in Syrien kam, da ging aus Uriel, der Engel Gottes. Und er sagte: ›Ich bin auf die Erde herabgestiegen und habe gezeltet unter den Menschen, und ich wurde mit dem Namen Jakob genannt‹« ( B ERGER / C OLPE , S. 148, Nr. 248). 1351 Auch Philo conf. 146 bezeichnet Israel als »Sohn Gottes«, Erzengel, Name, Logos, Gottes usw. 1352 Ähnlich geht auch Justin (dial. 125,3) vor, wenn er davon spricht, dass Jakob mit Gottes Namen gesegnet worden sei. 1353 Die Assumptio Mosis 11,17 nennt Mose »magnus nuntius«. Johansson vermutet wohl zu Recht, dass dies die lateinische Fassung von μέγας ἄγελλος ist. 1354 Als »großer Engel« begegnet sonst im Alten Testament häufig der »Engel des Herrn«, der von frühchristlichen Schriftstellen (ab Justin belegt) mit Christus identifiziert wird. Offensichtlich ist die fürbittende Funktion des Menschen Mose, die der Funktion eines Hohenpriesters (auch der Hohepriester erscheint gelegentlich als oder wie ein Engel) und der Funktion von Fürbittengeln entspricht, Anlass, ihn selbst ganz in die Rolle des Engels hineinzunehmen. 1355 Vgl. dazu unten die Bemerkungen zur Mittler- und Fürbitterfunktion (S. 459). 1348 Weitere Parallelen zwischen Simon Magus und Jesus Christus siehe unten S. 444f. 1349 ActJoh 70: πολύμορφος Σατανᾶς; in ActPhil 11 gilt der διάβολος als ἄμὸρφος (...) μὴ ἔχοντος μορφὴν. Polymorphe Dämonen begegnen u.a. in ActThom 43-45. Diese und weitere Belege bei W EIGANDT , Doketismus, 46f. - Auch der Jaldabaoth des Johannesapokryphons galt als polymorph (BG 42,10ff, F OERSTER , Gnosis 1,150). 1350 K INLAW , Christ, 38, die andere, ebenso treffende Darstellungen von Polymorphie bei Satan und den Dämonen bietet, folgert: »In Jewish circles, therefore, it appears that polymorphism was a talent viewed as having only a deceitful purpose.« Dem kann ich mich nach den oben gebotenen Materialien zwar nicht anschließen, gebe ihr allerdings darin recht, dass der Verdacht der Täuschung, der unrechtmäßigen Magie und der Totengeister bei Metamorphosen nahelag. 1351 Vgl. G IESCHEN , Christology, 137f. Vgl. M ÜLLER , Menschwerdung, 55: »Das vorfindliche gegenwärtige Israel hat sein himmlisches Gegenstück in der Gestalt des Patriarchen Jakob, der zugleich der höchste Engel ist. (...) Das ›Gebet Josephs‹ will auf der mythischen Ebene den Sieg Jakob/ Israels als des höchsten Engelwesens über Uriel festhalten; der Text verteidigt auf diese Weise den himmlischen Charakter der wahren Söhne Israels.« 1352 κἂν μηδέπω μέντοι τυγχάνῃ τις ἀξιόχρεως ὢν υἱὸς θεοῦ προσαγορεύεσθαι σπουδαζέτω κοσμεῖσθαι κατὰ τὸν πρωτόγονον αὐτοῦ λόγον, τὸν ἀγγέλων πρεσβύτατον, ὡς ἂν ἀρχάγγελον, πολυώνυμον ὑπάρχοντα· καὶ γὰρ ἀρχὴ καὶ ὄνομα θεοῦ καὶ λόγος καὶ ὁ κατ᾿ εἰκόνα ἄνθρωπος καὶ ὁ ὁρῶν, Ἰσραήλ, προσαγορεύεται. 1353 Weitere Hinweise bei G IESCHEN , Christology, 139ff. 1354 J OHANSSON , Parakletoi, 67. 1355 Vgl. Ex 7,1: »Der Herr sprach zu Mose: Siehe, ich habe dich zum Gott gesetzt für den Pharao.« 11.7 Christus wird »Engel« genannt 399 11.7 Christus wird »Engel« genannt V OLLENWEIDER konstatiert: »Gegen Ende des ersten Jahrhunderts nimmt das Bedürfnis zu, das Verhältnis zwischen Christus und den Engeln zu klären, wahrscheinlich aufgrund christlicher Selbstdefinitionen im Gegenüber zum Judentum (...). Erst im zweiten und dritten Jahrhundert stoßen wir aber in stärkerem Ausmaß auf Ansätze zu einer Engelchristologie im eigentlichen Sinn.« 1356 Dennoch ist speziell zur Frage nach der Entstehung des Doketismus zu sagen, dass dieser sich erst in dieser Zeit entwickelte. Man kann also mit einer parallelen Entwicklung rechnen, wobei sowohl die Engelchristologie als auch der Doketismus die gleichen, weiter in die Frühzeit zurückreichenden Wurzeln haben: »Zu dieser Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Mann nennen darf«, schreibt Flavius oder ein späterer Interpolator. 1357 Wer auch immer der Autor ist, er sagt, dass man über Jesus mehr sagen muss, als ihn mit dem Begriff Mann oder Mensch zu kennzeichnen. Schon Paulus konnte sagen (Gal 4,14): »Wie einen Engel Gottes habt ihr mich aufgenommen, wie Christus Jesus.« Demnach parallelisiert auch Paulus Christus und Engel, auch wenn möglicherweise der »Engel« hier mehr funktional als »Bote« im Blick ist. 1358 Nicht funktional, sondern direkt in unserem Sinne Engel ist Christus bei Justin, 1359 der mittels Schriftbeweis Christi Wirken im Alten Testament zeigt: 1360 1356 V OLLENWEIDER , Monotheismus, 20. W ERNER hatte die Auffassung vertreten, dass schon in neutestamentlicher Sicht »der präexistente Christus für sein Erscheinen die Gestalt eines Engels gewählt« habe (W ERNER , a.a.O., 300f). M ICHAELIS hatte mit einer eigenen Schrift (Engelchristologie) sofort gekontert. 1357 Testamentum Flavianum (Flav.Jos.Ant. 18,3,3). 1358 Vgl. aber Hebr 13,2 und ActPaulThecl 21,4 . Zu bedenken ist allerdings auch, dass in Gal 3 ausführlich von Abraham gehandelt wurde. »Wie ein Engel« ist der »H ERR « Abraham erschienen (Gen 18), wie Götter werden Paulus und Barnabas in Lykaonien (Provinz Galatien) aufgenommen (Apg 14,11). Gal 4,14 könnte darauf anspielen, zumal die Fortsetzung lautet: »wie Christus Jesus«. So wie aus frühchristlicher Sicht in Gen 18 Christus in engelhafter Erscheinung auftritt, so ist auch Paulus wie Christus wie ein Engel aufgetreten. 1359 Bei Justin und anderen Schriftstellern wird Christus häufig »Engel« genannt. Vgl. apol. 1,63; dial. 56,4.10; 61,1; 86,3; 93,2; 126,1.6; 127,4; 128,1.4; Clemens Alexandrinus paed. 1,59,1; Tert.scorp. 8; Hipp. Trad.Apost. 3,3; Or.Cels. 5,53.58; 8,27. Sachlich geht es zumeist um einen Schriftbeweis für Christus aus dem AT. In christologischer Lektüre identifizierte man atl. Engel, besonders den »Engel des Herrn« mit Jesus Christus. Ähnlich Ptolemäus Gnosticus, Exc. ex Theod. 43,2: Jesus ist der vom Vater gesandte »Engel des Rates«. Theodot selbst hat Jesus als »Engel des Pleromas« bezeichnet (Exc. ex Theod. 35,1; F OERSTER , Gnosis 1,294). 1360 v. C AMPENHAUSEN , Griechische Kirchenväter, 19: Justin »möchte den Schriftbeweis erschöpfend führen. So wird der Dialog zu einem umfassenden Kompendium aller alttestamentlichen Belegstellen für den Christusglauben.« B ARKER , Angel, nimmt Justin beim Wort und behauptet eine weitgehende Identität zwischen Jesus Christus und JHWH bzw. dem »Engel des H ERRN «. 400 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie »Christus, der Herr, Gott und Sohn Gottes, der einst wunderbar sich offenbarte als Mann und Engel, auch in Feuerpracht wie im Dornstrauch« (Justin, dial. 128,1). 1361 Sowohl in den neutestamentlichen Schriften als auch in der übrigen frühchristlichen Literatur begegnet der laufende Versuch durch Nebeneinanderstellung von einander ergänzenden oder in bestimmter Hinsicht widersprüchlichen Aussagen die Person Jesu »einzufangen« (vgl. Joh 3). So auch der Dialog zwischen Jesus und seinen Jüngern im Thomasevangelium. EvThom 13: Jesus sagte zu seinen Jüngern: ›Vergleicht mich mit anderen Gestalten und sagt mir, wem ich gleiche.‹ (2) Simon Petrus sagte zu ihm: ›Du bist wie ein gerechter Engel.‹ (3) Matthäus sagte zu ihm: ›Du bist wie ein kluger Philosoph.‹ (4) Thomas sagte zu ihm: ›Meister, mein Mund kann es überhaupt nicht ertragen zu sagen, wem du gleichst.‹«(B/ N). Interessant ist, wer sich wie äußert: Matthäus, dessen Evangelium viel zum Thema »Lehre« und »Lehrer« sagt, nennt Jesus einen »klugen Philosophen«. Thomas, der hier in Lieblingsjüngerfunktion ist, gleicht dem Staunenden aus EvThom 2. Er äußert die im Sinne des Thomasevangeliums angemessene Haltung dem Geheimnis gegenüber. Petrus hingegen, der nach den neutestamentlichen Evangelien der erste der »Boten« Jesu ist und die Erkenntnis hat, dass Jesus der »Heilige Gottes« bzw. der Christus ist (Joh 6,67; Mk 8,29; Lk 9,20), bekennt ihn hier als »Engel«. Selbst wenn durch die Reihung der drei Bekenntnisse dieses Bekenntnis relativiert wird, zumal es ganz am Anfang steht und damit zweimal fortgeführt oder überboten wird, so ist es doch immerhin Petrus, der sich so äußert. Damit ist in jedem Fall das Bekenntnis zu Jesus als Engel mit einem prominenten Anführer der frühen Kirche verbunden. Während im Thomasevangelium verschiedene Kategorien auf Jesus angewendet und so ausprobiert werden, ohne dass damit gesagt wäre, dass sie alle zutreffen, versucht das Philippusevangelium 1362 schon weiter zu systematisieren. EvPhil 20: »Christus umfasst alles: Mensch, Engel, Geheimnis und Vater« (B/ N). In beiden Fällen handelt es sich um christologische Sprachversuche vor den großen christologischen Festlegungen der Kirche. Christus kann jedenfalls in Kombination mit gegensätzlichen Begriffen -, als Engel bezeichnet werden. 1363 Auch im Kindheitsevangelium des Thomas wird Christus versuchsweise zwischen Gott, Engel und Mensch angesiedelt. 1364 1361 So auch dial. 58,3: »Meine Brüder! Wiederholt hat Moses geschrieben, dass der, welcher den Patriarchen erschien, Gott genannt wird und Engel und Herr heißt, damit ihr aus dieser Benennung erkennet, dass er, wie ihr bereits zugegeben habt, dem Vater der Welt dient. Ihr sollt euch mehrfach überzeugen, um fest zu bleiben.« dial. 59,1: »Gestattet mir, dass ich euch noch aus dem Buche Exodus beweise, dass er, der dem Abraham und Jakob sich als Engel, Gott, Herr, Mann und Mensch geoffenbart hatte, dem Moses im Feuer der Flamme aus dem Dornbusch erschien und mit ihm sprach! « 1362 W EIGANDT , Doketismus, 138: »Das Philippusevangelium (...) verrät keine Einwirkung doketistischer Gedanken, steht vielmehr in seiner Terminologie nicht weit entfernt vom Neuen Testament, obschon es diese Aussagen stark spiritualisiert.« 1363 EvVer 22,2: »Er gleicht einem Engel«; Buch Elchesai Fragment 1: Christus und der Heilige Geist als Engelsgestalten. 1364 Eine weitere Variation ist der oben S. 295 angegebene Bericht aus EvHebr Frgm 8, wonach der Erzengel Michael in der Gestalt der Maria auf Erden aufgetreten sei und den Jesus geboren habe. 11.7 Christus wird »Engel« genannt 401 KindhEvThom 7: Der Lehrer Jesu beklagt sich, er könne seinen strengen Blick nicht mehr ertragen. Das Kind habe eine herzlose Weise zu reden, könne Feuer bändigen und sei wohl schon vor der Erschaffung der Welt da gewesen. Welcher Leib das Kind geboren habe, wisse er nicht. Er habe einen Schüler gewollt und einen Lehrer bekommen. Er möchte am liebsten sterben. Schließlich bittet er Joseph: »Nimm ihn wieder mit nach Hause. Dieses Kind ist irgendetwas Großes, ein Gott, ein Engel oder ich weiß nicht, was sonst.« KindhEvThom 17: Ein Nachbarskind stirbt. Jesus befiehlt ihm, nicht tot, sondern gesund zu sein und bei seiner Mutter zu leben. So geschieht es. »Als die Umstehenden das sahen, gerieten sie ins Staunen und sagten: ›Dieses Kind ist wahrhaft Gott oder Engel Gottes, denn jedes seiner Worte ist zugleich schon fertige Tat‹« (B/ N). In diesem Zusammenhang sind Engel und Gott offenbar fast Synonyme. So gibt es auch Traditionen, die heidnische Götter mit Engeln gleichzusetzen sowie Engel als »Gott« zu identifizieren aufgrund der im Engel wohnenden göttlichen Macht. Auch Jesus wird des öfteren »Gott« genannt. 1365 Celsus, der als Mittelplatoniker die Gleichung Engel = Geist = Dämon machen konnte, schreibt: Or.Cels. 8,39 (BKV): »Weißt du also nicht, mein Bester, dass gar mancher hintritt und auch deinen Dämon nicht nur lästert, sondern auch aus allen Ländern und Meeren verbannt und dich selbst, der ihm wie ein Götterbild geweiht ist, bindet und abführt und an das Kreuz schlägt; und dein Dämon oder, wie du sagst, der Sohn Gottes sich gar nicht an jenem rächt? « Im Testament Salomos wird Jesus als Engel mit höchster exorzistischer Wirkung benannt: TestSal 22,19f (Rec. A) »Da fragte ich (Salomo) ihn (den Geist) und sagte: ›Sag mir, wer bist du? ‹ Es sagte der Geist von drinnen: ›Ich bin der Dämon, den man Ephippas nennt, der in Arabien ist.‹ (20) Und ich sprach zu ihm: ›Von welchem Engel wirst du unschädlich gemacht? ‹ Er sagt: ›Von dem, der von einer Jungfrau geboren werden wird, zumal ihn auch die Engel anbeten, und der von den Juden gekreuzigt werden wird.‹« 1366 In den koptischen »Taten des Petrus und der 12 Apostel« (NHC 6,1) wird Christus sogar direkt als Engel (»Lithargoel«) vorgestellt, der sich erst später als Christus offenbart (s.o. S. 395). Eine besondere Rolle spielt die Engelchristologie des Hirten des Hermas (Herm vis 5; sim 7,5; 9,1.12). Hermas hat eigentlich keine richtige Christologie; Pneuma und Christus scheinen eins zu sein. 1367 Der Bußengel, der dem Hermas erscheint, ist ausgesandt von »dem herrlichen, erhabenen Engel« (sim 9,1,3; mand 5,1,7). Dieser Engel scheint mit Christus identisch zu sein. Doch dann wird der Engel namentlich »Michael« genannt (sim 1365 Vgl. neben Joh 1,1f die unten angeführten Stellen S. 107 (zu 1 Joh 5,20) sowie die TestXII (S. 266ff) und Ignatius (320). 1366 ÜS B USCH , Das Testament Salomos. 1367 Vgl. dazu oben S. 258. 402 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie 8,3,2f). »Entweder dupliziert Hermas hier seine Gestalten (dass nämlich der Herr der Kirche zuerst Christus ist, dann Michael), oder er identifiziert beide, so dass der Sohn Gottes Michael ist oder Michael der Sohn Gottes.« 1368 In sim 9 heißt es von der Engelsgestalt, die als oberste der sieben Erzengel auftritt: Herm sim 9,12,8: »›Der Mann in himmlischer Herrlichkeit ist der Sohn Gottes‹, sagte er, ›und die sechs Männer sind herrliche Engel, die ihn rechts und links geleiten. Von diesen herrlichen Engeln‹, sagte er, ›gelangt keiner zu Gott, außer durch ihn. Wer seinen Namen nicht annimmt, wird nicht in das Reich Gottes eingehen« (B/ N). Hier geht der oberste der sieben 1369 Erzengel ans Werk. Damit ist Christus, da er den Erzengeln nicht als achter gegenübersteht, selber einer von ihnen. Gleichzeitig ist auch klar, dass der oberste Engel nicht etwa Michael sein kann, denn insbesondere die letzten Aussagen (»keiner gelangt zu Gott ohne ihn«, »keiner kommt ins Reich Gottes, ohne seinen Namen anzunehmen«) sind eindeutig auf Christus bezogen. 1370 Auch in den Rekognitionen der Pseudoclementinen ist Ähnliches zu beobachten. 1371 Die Beobachtung aus Herm ist zu ergänzen durch einen Fund, den J. D URAND 1878 auf der Pariser Weltausstellung machte. Er hatte dort die Gelegenheit, einen aus dem 3./ 4. Jahrhundert stammenden, etwa quadratischen Amethyst, etwa 3x3 cm, zu sehen und zu beschreiben, der sich als Phylakterion, d.h. als Schmuck mit magisch schützender Aufschrift, entpuppte. 1372 Derartige »magische Gemmen« begegnen in der Antike häufig. 1373 Eingraviert sind laut D URAND als Mittel der Dämonenabwehr die Namen von sieben 1374 Erzengeln. Von einer Christus darstellenden Gestalt wird dieses Pergament mit der rechten Hand gehalten. Es handelt sich um folgende Namen: 1368 G RILLMEIER , Jesus, Bd. 1, 152. 1369 Sieben Erzengel: Tobit 12,15; 1Hen 90,21f; TestLev 8,2 (sieben Männer in weißen Kleidern). Andere Zählungen sprechen von vier Erzengeln: 1Hen 9,1 kennt Michael, Uriel, Raphael und Gabriel; in 1Hen 40,9; 71,9f.13 sind die vier »Gesichter« Michael, Raphael, Gabriel und Phanuel; 1QM 9,15: Michael, Gabriel, Sariel, Raphael. 1370 Die Identifizierung Christi mit Michael ist demnach in Herm hier punktuell gegeben und nicht durchgängig, wie J. B ARBEL , Christos Angelos, 228 betont. 1371 PsClem R 2,42: »But to the one among the archangels who is the greatest, was commited the government of those who, before all others, received the worship and knowledge of the Most High God [...]. But Christ is god of princes, who is Judge of all« (S CHAFF , Ante-Nicene Fathers Bd. 8, 172). - Christus wird hier letzlich mit Michael, dem Engel des Volkes Israel identifiziert. 1372 Vgl. 1QM 9,14f, wo die Namen der (hier vier) Erzengel ebenfalls Schutz bieten: »Und auf alle Schilde der Türme soll man schreiben: auf den ersten: Mi[chae]l, [auf den zweiten: Gabriel, auf den dritten: ] Sariel, auf den vierten: Raphael« (zitiert nach S CHÄFER , Rivalität, 34). 1373 Vgl. grundlegend M ICHEL , S., Die magischen Gemmen, 1-234. 1374 Die Namen der Erzengel sind insgesamt immer »in Bewegung« gewesen; daher kann es nicht überraschen, hier Namen zu finden, die anderswo nicht so bezeugt sind. 11.8 Christologie in Anlehnung an Angelologie bei Justin und Tertullian 403 ΡΑΦΑΕΛ, ΡΕΝΕΛ, ΥΡΙΕΛ, ΙΧΘΥΣ, ΜΙΧΑΕΛ, ΓΑΒΡΙΕΛ, ΑΖΑΕΛ. 1375 Während Rafael, Uriel, Michael und Gabriel als die klassischen vier Erzengel immer wieder begegnen, begegnen Renel und Azael seltener. 1376 Ichthys ist dokumentiert als Geheimname Christi: »Jesus Christus, Sohn Gottes, Heiland«, eine Reihung, die an EvPhil 20 erinnert. 1377 In jedem Fall steht Christus (Ichthys) hier in der obersten Position der sieben Erzengel. In der linken Hand hält die Christusgestalt ebenfalls eine Karte mit der Aufschrift: ΕΝΑ ΡΧΗ ΗΝΟ Λ(Ο)Γ ΟΣ. 1378 »Im Anfang war das Wort.« Schlussfolgerung: Vor allem durch Herm, verbunden dann mit TestSal und weiteren Belegen ist ab Mitte des 2. Jahrhunderts eine engelchristologische Anschauung belegt, die Jesus Christus als obersten 1379 der sieben Erzengel ansieht. 1380 11.8 Christologie in Anlehnung an Angelologie bei Justin und Tertullian Justin apol. 1,6,1: »Ihn und seinen Sohn, der von ihm gekommen ist und uns diese Dinge gelehrt hat, auch das Heer der anderen guten Engel, die ihm anhangen und ganz ähnlich sind, und den prophetischen Geist verehren und beten wir an.« 1381 1375 Besprochen bei B ARBEL , Christos Angelos, 208f; D ANIÉLOU , History, 122f.; bei B ARKER , The Great Angel, 203f. Neuerdings dokumentiert S IMONE M ICHEL , Die Magischen Gemmen, Berlin 2004, 126f mit Tafel 94 (Abb. 1, S. 464) ein als »Dumbarton Oaks-Amethyst« bezeichnetes ovales Schmuckstück, das ganz der oben gegebenen Beschreibung entspricht, abgesehen kleinen Unterschieden (s.u.) und das ins 5./ 6. Jahrhundert datiert wird. Die Ähnlichkeit in nahezu allen Details zum von D URAND und anderen (siehe die hier gemachten Literaturangaben) beschriebenen Amethysten sind verblüffend. An Unterschieden fallen allerdings auf: Die Form (oval vs. quadratisch), die Maße (3,9 x 2,9 statt 3 x 3 cm), der Engel-Name »Renel« wird bei M ICHEL als »Remiel« wiedergegeben (in der Abbildung ist das nicht deutlich erkennbar), auf dem Dumbarton Oaks-Ametheyst sind die Engelnamen zwar wie beschrieben unterhalb der Hand Christi angeordnet, aber sie hängen dort in keiner Weise. - Wenn D URANDS Beschreibung korrekt war, handelt es sich also um ein anderes, aber sehr ähnliches Stück. M ICHEL , a.a.O., 127 stellt grundsätzlich fest: Der Dumbarton Oaks-Amethyst »steht in Größe, Schneideart und apotropäischem Inhalt ganz in der Tradition der antiken Amulett-Gemmen«. Vgl. auch die ebenda in FN 667 angegebene Literatur.. 1376 Azael wird in den Oracula Sibyllina 2,215f als einer von fünf Engeln aufgeführt, die über die individuellen Sünden von Menschen Bescheid wissen. 1377 Vgl. aus dem koptisch überlieferten »Ägypterevangelium« NHC III,2 (Nag Hammadi Deutsch, Berlin 2007, 239): »Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser. ΙΧΘΥΣ«, L ÜDEMANN / J ANSSEN , Bibel, übersetzen: »Fisch«. Die »Lehren des Silvanus« (NHC VII,4) enthalten nach der Übersetzung L ÜDE - MANN / J ANSSEN , Bibel, 441, folgende Zusammenfassung: »Denn der Baum des Lebens ist Christus. Er ist die Weisheit. Er ist nämlich die Weisheit. Er ist ebenso das Wort. Er ist das Leben, die Kraft und die Tür. Er ist das Licht, der Engel und der gute Hirte.« S CHENKE / F UNK in Nag Hammadi Deutsch, 428, übersetzen statt Engel »Bote«. 1378 Im Original untereinander. Leider ist der Amethyst offensichtlich seit der Weltausstellung von 1878 verschwunden. Vgl. aber den Dumbarton Oaks-Amethyst bei M ICHEL , 126f.464 (s.o.). 1379 Oberster: Er steht in der Mitte. Die mittlere Kerze der Menorah ist in der Regel die höchste. Zur Menora insgesamt vgl. V O ß, Menora. 1380 Schon bei Philo her. 215-220 wird der mittlere Zweig der Menorah als das Wort/ der Logos bezeichnet. Vgl. Offb 1,12f: In der Mitte/ als Mitte von sieben goldenen Leuchter steht eine Gestalt wie ein Menschensohn. Eine Beziehung Christi zu den sieben Geistern/ Leuchten des siebenarmigen Leuchters sieht auch Clemens von Alexandrien in strom. 5,6,34f. Vgl. auch Irenäus, Epideixis 9. 1381 ÜS: R AUSCHEN , Frühchristliche Apologeten, BKV 1/ 12. 404 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Auffällig ist a), dass Engel so gemacht sind wie Christus (ἐξομοιουμένος) und b), dass sie offensichtlich mit angebetet werden (σεβόμεθα καὶ προσκυνοῦμεν). 1382 Tertullian, 1383 der an sich einer voll ausgeprägten Engelchristologie kritisch gegenübersteht, 1384 kann dennoch gleich mehrfach Christus und den Engel des Herrn identifizieren (Tert.Prax. 16; Tert.carn.Chr. 14,17ff und öfter). 1385 Auch wenn es sich nicht um eine Identifizierung mit den Engeln handelt, sondern nur um ein Auftreten Jesu in Gestalt oder Erscheinung von Engeln, so ist gleichzeitig von Foster herausgearbeitet worden, dass keine grundsätzliche, ontologische Kluft zwischen Christus und den Engeln besteht. 1386 Damit sind zwei frühe kirchliche Schriftsteller genannt, die trotz klarer Distinktion von Gnosis und Doketismus selber den Doketisten sehr verwandte christologische Vorstellungen haben. 1387 Auch von frühen Gnostikern wird berichtet, sie seien von einem im wahrsten Sinne des Wortes »himmlischen« (ouranosarkischen) Leib Christi ausgegangen, da Christus sich das Fleisch für seinen Auftritt auf Erden von den Sternen bzw. aus dem Himmel geholt habe. 1388 So ist also sein irdischer Auftritt in einem Leib gedacht, der aber aus himmlischer, geistiger Materie besteht. 11.9 Der »Engel des Herrn« und Jesus Christus in früher Exegese Anschließend an mehrere oben im Verlauf gemachte Bemerkungen ist festzustellen, dass in der frühen Christenheit das Alte Testament allgemein als Zeugnis von Jesus Christus gelesen wurde. Speziell Engelsbegegnungen (Mamre und anderes) wurden als Begegnung mit Jesus Christus gelesen. Wenn es also aus Sicht der frühen Christen Allgemeingut ist, dass Jesus Christus im AT unter anderem durch Engel repräsentiert wird, dann ist der Weg nicht weit dahin, ihn selbst für einen Engel zu halten. 11.10 Der Erhöhte in engelhafter Gestalt M ARTIN W ERNER war der Auffassung, dass die Erhöhung Jesu Ausgangspunkt einer Engelchristologie war, da man sich den Erhöhten natürlich irgendwie in 1382 G IESCHEN , Christology, 193f; vgl. F OSTER , Angelomorphic Christology, 8f. 1383 Zu Tertullians Kampf für die Inkarnationsvorstellung und gegen die mit dem Doketismus bei seinen Gegnern verbundenen modalistischen und patripassianistischen Vorstellungen siehe G RILLMEI - ER , A., Jesus, 245-257. 1384 G RILLMEIER , Jesus, 155 stellte fest: »Tertullian, ein Kämpfer gegen die Verleugnung der Inkarnation Christi durch die Doketen, zeigt, dass (...) zu diesem Zeitpunkt eine bewusste Ablehnung der Engel-Christologie möglich war.« 1385 F OSTER , Christology, 79 spricht in Anschluss an S TUCKENBROCK und gegen D ANIELOU (History) von einer angelophanen oder angelomorphen Christologie. 1386 F OSTER , ebd. 1387 Vorausgesetzt ist dabei, dass Doketismus seinen Ursprung wesentlich in der Angelologie hat und als eine Form von Engelchristologie oder angelomorpher Christologie anzusehen ist. 1388 Vgl. S TREETT , Identity, 46: Markions Schüler Apelles ging ebenso von einem ouranosarkischen Fleisch Christi aus (Tert.carn.Chr 6: »de sideribus et de substantiis superioris mundi mutuatus est carnem«); ähnliche Berichte gibt es über die Auffassung des Valentin (Tert.carn.Chr. 1,15; Iren.haer. 1,6,1; Hipp.haer. 6,45,5-7; Cl.Exc.Theod. 1,1-2.). 11.11 Engel oder Gespenst? Lk 24,37 und Mk 6,49 405 Analogie zu den Engeln vorstellen musste. 1389 Ohne dies hier mit weiteren Beispielen darzustellen und auszufüllen, kann festgehalten werden, dass natürlich die Begegnungen mit Jesus als Verklärter und als Auferstandener ein besonderes Erkenntnisproblem hervorriefen: Wie soll man das deuten, wenn ein Mensch in verwandeltem Leib mit übermenschlichen Fähigkeiten (Verschwinden, auf dem Wasser gehen, geschlossene Räume betreten, gleichzeitiges Erscheinen an verschiedenen Orten) begegnet? Ist er ein Engel oder ein Gespenst? Legt man sich auf die »bessere Variante«, nämlich »Engel« fest, hat man einen Ausgangspunkt für eine doketistische Christologie. 11.11 Engel oder Gespenst? Lk 24,37 und Mk 6,49 1390 Mk 6,49: »Als sie ihn auf dem See gehen sahen, meinten sie, es wäre ein Gespenst (ἔδοξαν ὅτι φάντασμά ἐστιν).« Lk 24,37: »Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist (ἐδόκουν πνεῦμα θεωρεῖν).« 1391 In Lk 24,28 begegnet Jesus der Fehleinschätzung (δοκεῖν) der Jünger mit der Frage: »Warum kommen solche Gedanken in euer Herz? « Die Vision hat also ihren Sitz in Denken und Herz. Aber es ist nun gar keine Vision dieser Art. Sehr handgreiflich geht Jesus zum Beweis über: »Seht meine Hände und meine Füße, ich bin’s selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.« Dennoch können die Jünger es vor Freude nicht fassen. Endlich muss Jesus etwas essen, damit die Frage der Täuschung geklärt ist (Lk 24,43). Jetzt ist klar, dass er kein Gespenst oder Geist ist. In Mk 6,49 ist die Meinung, es handele sich um ein Gespenst, zunächst vernünftig. Denn nur ein körperloser Geist kann über das Wasser kommen. Wenn man fragt, was für ein Gespenst es sein könne, dann vielleicht der »Totengeist« Jesu, unter der Annahme, er wäre gestorben - oder sein himmlischer, engelhafter Doppelgänger. Aber dann wäre das Wort »Engel« benutzt worden. In Acta Pilati 15,6 sieht Joseph v. Arimathia Jesus, meint aber (ἐδόκουν), er sei ein Gespenst (φάντασμα). In der Pistis Sophia (K. 61) kommt das Pneuma Jesu zu Maria nach Hause und sucht Jesus, um sich mit ihm zu vereinigen. Maria, die vermutet, von einem φάντασμα versucht zu werden, fesselt den Geist ans Bett und sucht Josef. Jesus, der das mitbekommt, läuft zu seinem Geist, auf den er schon gewartet hat, um sich mit ihm zu vereinigen (NTApo). Deutlich ist trotz ganz anderer Perspektive auch hier: Maria täuscht sich, denkt ein böser Geist wolle Böses von ihr. 1392 Darum bindet sie ihn (das geht eigentlich nur mit Magie). In Wirklich- 1389 W ERNER , Entstehung 313ff. Vgl. dazu H URTADO , One God, 73f. 1390 Vgl. B ERGER , Auferstehung 159-171 und 454-461 mit einer Fülle an Material, das hier nicht auszuschöpfen ist. 1391 Siehe oben die altkirchliche Diskussion über Lk 24 und Ignatius: S. 335. 1392 Vgl. dazu auch 2 Kor 11,14. - - 406 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie keit aber ist der Geist kein Dämon, sondern das himmlische Alter Ego Jesu 1393 bzw. der Heilige Geist. 1394 11.12 δοκεῖν zwischen dämonischer Mantik und göttlicher Offenbarung ApkPaul II (spätere Paulus-Apokalypse nach NTApo): »Unter dem Konsulat des Theodosius Augustus des Jüngeren, und des Cynegius 1395 offenbarte einem angesehenen Manne, der damals in Tarsus in dem Hause, das dem heiligen Paulus gehört hatte, wohnte, ein Engel, ihm nachts erscheinend und sagte, er solle die Fundamente des Hauses aufbrechen und was er gefunden hätte, veröffentlichen. Er meinte aber, dies sei eine Täuschung (φαντασία).« Das Täuschungsproblem, hier aus viel späterer Zeit aber dennoch die Sache treffend, bedeutet aus der Perspektive des Visionärs oder des Träumenden, dass er sich nicht sicher ist über seine Erfahrung. 1396 War es eine echte Vision - und wenn ja, war sie von Gott oder von der Gegenseite? 1397 Ignatius kann dieser Fragestellung ausweichen, da der irdische Jesus kein Gespenst war. Allerdings sieht er genau dieses Problem bei seinen Gegnern: Sie sehen Gespenster, 1398 am Ende werden sie selber zu solchen. τό δοκεῖν bedeutet bei Ignatius, dass sich jemand täuscht oder getäuscht wird. 1399 »Zum Schein gelitten« zu haben, bedeutet eben in Wirklichkeit nicht gelitten zu haben. Das von Ignatius benutzte Adjektiv »dämonisch« mag von seinen Gegnern stammen oder von ihm selber; jedenfalls bekommt sein Bericht über die gegnerische Seite gleich etwas Pejoratives, da damit auch der Vorwurf im Raum 1393 Zur Täuschung durch (Schutz-)Engel und -Geister siehe Lk 24,37 und Mk 6,49 und S. 379 (Schutzengel). 1394 Vgl. die Geschichte aus PapyrHambActPaul (gr.): 3,16ff: »Ein junger Mann, der Paulus ähnlich sah und nicht mit der Laterne, sondern mit dem Licht leuchtete, das von seinem heiligen Leib ausstrahlte, ging ihnen voraus. (...) 20 (Paulus) sagte: ›Du, der du strahlst und leuchtest, komm zu Hilfe‹« (B/ N). Es ist entweder der Schutzengel des Paulus oder Christus in der Gestalt des Paulus. Vgl. dazu unten (Schutzengelvorstellung) S. 379. 1395 Daraus ergibt sich nach NTApo das Jahr 388. 1396 Vgl. dazu mit ausführlichen Vergleichsstellen: B ERGER , Auferstehung, 159-161.454-461 (Anm. 94-114). 1397 Sir 34, 1-3: »Unweise Leute betrügen sich selbst mit törichten Hoffnungen, und Narren verlassen sich auf Träume. (2) Wer auf Träume hält, der greift nach dem Schatten und will den Wind haschen. (3) Träume sind nichts anderes als Bilder ohne Wirklichkeit. » 1398 Or.Cels 2, 60: »Auch Plato sagt in seiner Abhandlung ›Über die Seele‹, dass einigen Leuten ›schattenartige Gespenster‹ der schon Verstorbenen bei Grabdenkmälern erschienen wären. Diese Schattenbilder Verstorbener bei Grabdenkmälern haben jedenfalls eine gewisse Voraussetzung, nämlich das Vorhandensein der Seele in den sogenannten lichtähnlichen Körpern. Celsus aber lässt eine solche Annahme nicht gelten; er will, dass manche Leute auch wachend ›träumen‹ und ›nach ihrem Belieben sich als Opfer irregeleiteter Phantasie ein Trugbild schaffen‹«. Vgl. Plato, Phaidon 30,81. Or.Cels 2,61: Nach Meinung des Celsus »sandte nun auch Jesus nach dem Tode ein Phantasiebild aus von den Wunden am Kreuz, ohne in Wirklichkeit ein solcher Verwundeter zu sein«. 1399 Vgl. PsClem Hom 17,16,6: »Niemand vermag die unfleischliche Kraft des Sohnes und nicht einmal die eines Engels zu sehen. Wer aber eine Vision hat, der möge erkennen, dass dies das Werk eines bösen Dämons ist.« Flav.Jos.Ant. 20,5,1: »Theudas tat so, als könne er das Jordanwasser teilen und täuschte so die Menge.« ActPetr 31: Simon lässt Geisterwesen auftreten, um die Leute zu beeindrucken. Er lässt sich anschließend von Dämonen zu einem »Flug über Rom« tragen, bis Petrus und Paulus den Dämonen scharf ins Auge schauen und diese Simon daraufhin fallen lassen. Die von ihm benutzte Magie »trägt« am Ende nicht wirklich und wird als illegitime Inanspruchnahme Gottes öffentlich sichtbar entlarvt. 11.12 δοκεῖν zwischen dämonischer Mantik und göttlicher Offenbarung 407 steht, sich an »Gespenstern« oder gar am Teufel zu orientieren. 1400 Das von den Gegnern verwendete Verb δοκεῖν ist ein häufiges Signal zu Beginn eines Berichts, von dem der pagan hellenistische Leser nun erwarten darf, weiterreichende Auskünfte per Vision zu erhalten: »Interessant ist dabei nun, dass sich dieses (...) Signal auch in neutestamentlichen Visionsberichten findet, aber grundsätzlich nur zur Einleitung einer Fehlwahrnehmung (...); 1401 dann meint also jemand, etwas (eine besondere Offenbarung mantischer Art) zu sehen, aber es ist gar nicht wirklich so.« 1402 In der Sicht der Doketisten könnte δοκεῖν dagegen positiv verstanden worden sein: als Ausdruck von visionärer Offenbarung. Im Sinne dessen, was Flavius über die Szene von Gen 18 zu sagen weiß (οἱ δὲ δόξαν αὐτῷ παρέσχον ἐσθιόντων) 1403 und im Sinne dessen, was der Engel dem Tobit als Erklärung mitgibt (ὅρασιν ὑμεῖς ἐθεωρεῖτε), 1404 ginge es also nicht um eine Täuschung im eigentlichen Sinn, sondern um die pneumatische Erfahrung einer Vision, wenn Jesus am Kreuz hängt (und in Wirklichkeit dort nicht hängt). 1405 Umgekehrt kann man feststellen: Ein Grund für Antidoketismus ist die Gefahr der Täuschung. Es ist nämlich nicht nur eine Frage, ob Jesus wirklich gelitten hat oder nicht, sondern bei einer - und dann auch noch mit δοκεῖν bezeichneten - Vision geht es automatisch um die Frage: Handelt es sich bei der Erscheinung um einen Engel oder einen teuflischen Dämon? Es geht also um einen archimedischen Punkt in der Erkenntnis bzw. Beurteilung/ Bewertung derartiger Phänomene. Die Gegner lösen das Problem wahrscheinlich a) mit der Unabweisbarkeit der gemachten Erfahrung und b) durch die Unterordnung unter den einen Gott und die damit zusammenhängenden ethischen Werte, sowie c) durch eine Mehrzahl von Visionen, die sich gegenseitig bestätigen. 1406 Anders gesagt: a) Die Visionen haben stattgefunden: die vom Kreuz; die des Auferstandenen sowie weitere Visionen, die die Doketisten möglicherweise selbst gehabt haben. b) Derartige visionäre Erscheinungen, in denen dann Engel eine wesentliche Rolle spielen, sind kein Problem, solange sie nur Gott und Jesus Christus untergeordnet werden. Das Problem hat offensichtlich erst Ignatius, der diese Unterordnung so nicht glaubt, zumal er selbst ein sehr hierarchisches Schema der Abbildung bzw. Nachahmung vor Augen hat. c) Schließlich sind Visionen dann 1400 ApkMos 17 »Die Schlange hing sich alsbald an die Paradiesesmauer. Und um die Stunde, wo die Engel Gottes kamen, Gott anzubeten, nahm Satan die Gestalt des Engels an und lobte Gott, den Engeln gleich. Ich beug mich über jene Mauer und seh ihn einem Engel gleich. Er fragt noch: Bist du Eva? Ich sagte: Ja, ich bin’s. Er fragt noch weiter: Was tust du in dem Paradies? « (AJS). 1401 Mk 6,49; Lk 24,37; Joh 20,15; Apg 12,9. 1402 B ERGER , Visionsberichte. 1403 Siehe oben 11.4.3. 1404 Siehe oben 11.4.1. 1405 W EIGANDT , Doketismus, 84ff stellt eine Reihe von Belegen für doketistische Täuschungen in den apokryphen Apostelakten zusammen. Nicht alle überzeugen. 1406 Wie problematisch es ist, wenn man nicht genau erkennt, mit wem man es zu tun hat, zeigen oben alle Texte zum Thema Engelsdoketismus, besonders aber Philo Abr 113 (s.o. S. 387). 408 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie keine Dämonie oder bloßer Trug, wenn sie, wie die Auferstehungsvisionen, keine Privatvision sind und verschiedene Visionen und Ereignisse einander stützen. Gestützt werden diese Beobachtungen durch die Untersuchungen von G OLD - STEIN / S TROUMSA und K INLAW zur Funktion des Begriffs εἴδωλον in Texten pagan-griechischer Mythologie. 1407 Während im Judengriechisch der LXX und den darauf aufbauenden jüdischen Texten εἴδωλον ein Begriff für »Götterbild« oder »Götze« ist, bedeutet es im klassischen Griechisch im Grunde so etwas wie Phantasma, Dokesis, Erscheinung, Trugbild. εἴδωλον »ist das Wirklichkeitslose, das von törichten Menschen an die Stelle des wirklichen Gottes gesetzt wird.« 1408 Beispiele zeigen, dass ein solches Trugbild eingesetzt wird, um die Göttlichkeit von vergöttlichten Menschen zu schützen. 1409 Nicht Helena hat sich auf den wilden Paris eingelassen, sondern Paris hat nicht erkannt, dass er nur mit dem Trugbild unterwegs war. Nicht Iphigenie wurde der Artemis geopfert, es war bloß ihr Trugbild, das auf dem Altar war. 1410 Das Trugbild sichert zu, dass die Göttlichkeit des Gottes unverletzt bleibt. Der Getäuschte merkt es nicht. »Die Götter der Griechen werden zwar geboren, vergnügen sich wie Menschen, u. U. auch mit Menschen, sie können aber nicht sterben. Ihre körperliche Gestalt ist nur ›Schein‹, und erst recht ihre Unsterblichkeit unterscheidet sie grundsätzlich von den vergänglichen ›Sterblichen.‹« 1411 Das Wort δόκησις in der Bedeutung »Erscheinung« oder »Phantom« begegnet im klassischen Griechisch nur gemeinsam mit εἴδωλον. εἴδωλον stellt dabei häufig das himmlische oder geistige Zwillingsstück zur irdischen Wirklichkeit dar. »Εἴδωλον, φάντασμα and φαντασία (...) emphasize a nonsubstantial appearance.« Die »Substanz«, d.h. das Wesen des Erscheinenden, bleibt aber »echt«. 1412 Ergebnis: Das Konzept einer visionären Täuschung zum Schutz der unveränderlichen Wirklichkeit der Gottheit gehört zur religiösen Wahrnehmung breiter Kreise im zeitgenössischen Hellenismus. 1413 Es wird an sich, jedenfalls im paganen Hellenismus, als in keiner Weise anstößig wahrgenommen. Hier bietet sich den Doketisten Nahrung und Raum für ihre christologische Position. Damit ist nicht 1407 G OLDSTEIN / S TROUMSA , Origins; K INLAW , Christ, 20ff. S.o., 383 (Götter gehen unter Menschen umher). 1408 B ÜCHSEL , Art. εἴδωλον (ThWNT 2, 374). 1409 Vgl. beispielhaft: ApkAbr 10,5: »Da kommt zu mir der Engel (..) in eines Mannes Ähnlichkeit«. 1410 G OLDSTEIN / S TROUMSA , Origins, 425-429. 1411 H ENGEL , Sohn Gottes, 64f. H ENGEL fügt (gegen W EIGANDT ) hinzu: »Dem Geheimnis der Entstehung der Christologie kommen wir mit alledem kaum näher.« Damit hat er für die vordoketistische Christologie recht. Für den Doketismus hingegen ist hier zumindest ein jüdisch wie griechisch funktionierendes Denkmuster vorgegeben, das letztlich nur noch auf die Christologie angewandt werden musste. 1412 K INLAW , Christ, Zitat S. 26 und sinngemäß S. 29. 1413 Dieselben Belege schon bei W EIGANDT , Doketismus, 32-39. W EIGANDT folgert: »Der Anknüpfungspunkt der δὀκησις ist heidnisch, altgriechisch, der Doketismus als christologische Irrlehre ein Produkt des Zusammenstoßes von heidnisch-griechischem Denken und Christusverkündigung. Diese Tatsache wirft ein bezeichnendes Licht auf den synkretistischen Charakter der doketistischen Christologie.« 11.13 Das gnostische Täuschungsmotiv in NHC II,4 und 5 409 gesagt, dass die Doketisten pagan-hellenistisch orientiert waren, 1414 da Hellenismus und Judentum, wie man schon bei Philo sehen kann, sich vielfältig gegenseitig erhellen und interpretieren können. Deutlich wird aber, dass das Konzept sich einer gegenüber den biblischen Schriften veränderten Theologie und Anthropologie verdankt. 1415 11.13 Das gnostische Täuschungsmotiv in NHC II,4 und 5 Ein etwas anders gelagertes Beispiel aus zwei gnostischen Systemen des 3. Jahrhunderts: In der Hypostase der Archonten (NHC II,4: HA 89, 18-31) und in der Schrift vom Ursprung der Welt (NHC II,5: UW 116, 8-117) 1416 reagiert die geistige Eva auf sexuelle Bedrängung durch feindliche Engelmächte, indem sie flüchtet, und, um die Engel zu täuschen, ein schattenhaftes Alter Ego zurücklässt. Die feindlichen Mächte täuschen sich letztendlich wirklich und halten den Schatten bzw. das schattenhafte Abbild Evas für das Original. Aus der darauf folgenden Vergewaltigung der Abbild- Eva resultieren Abel und alle weiteren Kinder Evas. Adam wird hierbei als »gehörnter Ehemann« ausgeschaltet. 1417 Da die Mächte von der geistigen Eva, die über die Blindheit der feindlichen Mächte lacht(! ), getäuscht werden, ist auch dies gewissermaßen ein Fall von Doketismus. Das Abbild Evas 1418 besitzt so viel Realität, dass es von den feindlichen Mächten vergewaltigt werden kann, also leidet. Es werden wie in IgnEph 19 himmlische Mächte getäuscht. Insgesamt handelt es sich um eine Umkehrung des Doketismus-Motivs, da das schattenhafte Abbild der geistigen Eva nichts anderes als die erste menschliche Frau (d.h.: Eva) ist. Orientierung gibt die platonische Ideenlehre (vgl. Platons Höhlengleichnis), in der der geistigen Idee die wahre Realität zukommt und die sichtbare, anfassbare physische Realität als schatten- und abbildhafte Wirklichkeit zweiter Klasse gewertet wird. Das Täuschungsmotiv liegt also vor nur dass hier die Physis Evas als täuschendes Abbild der geistigen Eva fungiert, während sonst δόκησις oder εἴδωλον auf Vortäuschung physischer Realität zielen. 1414 Vgl. die bei Origenes in Teilen überlieferte Streitschrift des pagan-griechischen Mittelplatonikers Celsus Ἀληθής λόγος (etwa 178 n.Chr.). Nicht nur, dass Celsus gegen das Christentum doketistisch argumentiert, nein, er lässt auch einen Juden mit ganz ähnlichen Ansichten auftreten. Die hier oben im Text dargestellten visionären Täuschungsmotive werden von Celsus sowohl als jüdische als auch als pagan-griechische Ansicht gegen die Inkarnationschristologie eingewandt (vgl. z.B.: OrCels 1,69.70; 2,23.60.61; 4,18; 5,2). Celsus kann sich schon eines entwickelten doketistischen Arsenals bedienen, was er auch tut. Deutlich wird die Ablehnung, die im Reich der Ideen angesiedelte Gottheit Materie annehmen und leiden zu lassen. Täuschungsmotiv, Phantasiebild, Engel und Dämonen sind bei Celsus die Stichworte, die wir auch bisher schon innerhalb frühjüdischer Mystik als mögliche Voraussetzungen zur Entwicklung doketistischer Anschauungen herausgearbeitet hatten. Pagan-griechische und jüdische Argumentation gehen hier Hand in Hand. 1415 Vgl. S TEAD , Philosophie, S. 69-77 (Griechische und hebräische Gottesvorstellungen). 1416 C LAUDIA L OSEKAM hat beide Stellen intensiv ausgewertet in: L OSEKAM , Sünde der Engel, 231ff und 316ff. 1417 Hier gibt es eine Verwandtschaft zum Motiv der Teufelskinder (1 Joh 3,10). 1418 Der Übergang von dem Motiv der Täuschung durch ein eigens dafür produziertes Abbild hin zu dem insgesamt für Gnosis typischen »Schichten-Denken« liegt nahe. Die Personalität Evas, so könnte man sagen, bekommt eine weitere Schichtung. Da in der Gnosis ähnlich auch verschiedene Emanationsprozesse im himmlischen Urgeschehen als Ausdifferenzierung personaler Schichtungen oder strukturierter Mächte vorgestellt werden, besteht hier vermutlich eine besondere Verbindung zwischen doketistischen personalen Trennungsvorstellungen und der Produktion gnostischer Ursprungsmythen. 410 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie 11.14 Logos und andere »Hypostasen« im Frühjudentum Zu den Wurzeln von Engelchristologie und Doketismus mag weiterhin gehören, dass Christus johanneisch als »Logos« bezeichnet wird. Philo von Alexandrien spricht parallel von dem Logos als Erzengel und Gottes erster Kraft. 1419 Conf. 146: »Wenn aber jemand noch nicht würdig ist, Sohn Gottes zu heißen, so bestrebe er sich, sich zuzuordnen dem Logos, seinem Erstgeborenen, dem Ältesten unter den Engeln, da er Erzengel und vielnamig ist (κοσμεῖσθαι κατὰ τὸν πρωτόγονον αὐτοῦ λόγον, τὸν ἀγγέλων πρεσβύτατον, ὡς ἂν ἀρχάγγελον, πολυώνυμον ὑπάρχοντα). Er heißt nämlich: Anfang, Namen und Wort Gottes, der ebenbildliche Mensch und der Schauende, Israel. (147) (...) Denn wenn wir auch noch nicht tüchtig (genug) sind, als Söhne Gottes erachtet zu werden, so doch (wenigstens) seines formlosen Abbildes, des hochheiligen Logos; der ehrwürdige Logos ist nämlich das Ebenbild Gottes.« 1420 Philos Bedeutung für die Entwicklung der Christologie, gerade auch von engelchristologischen Vorstellungen, ist hier mit Händen zu greifen. Der Logos als Anfang, Name und Wort Gottes ist der Erstgeborene, ein vielnamiger Engel bzw. Erzengel. Ungeachtet der Fragen, wie man Philo an sich richtig auslegt 1421 bzw. wie man mit seinen (und anderen frühjüdischen) Hypostasierungen von Eigenschaften Gottes bzw. mit Mittelwesen/ mediators 1422 umgeht, 1423 ist hier jedenfalls Material gegeben, das spätestens seit Justin explizit aufgenommen wurde. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Gedanken Philos auch so Teil der sehr heterogenen jüdischen Gesprächskultur waren. In dem Moment, in dem man anfängt, den 1419 Vgl. dazu H ENGEL , Sohn Gottes, 82-89. 1420 Vgl. auch Philo her. 205: »Dem Erzengel aber, dem allerersten Logos, gab der Vater, der das Weltall geschaffen hat, ein auserlesenes Geschenk, dass er, auf der Grenzscheide stehend, das Geschöpf von dem Schöpfer absondere. Er ist einerseits der Fürsprecher der stets hilfsbedürftigen Sterblichen bei dem Unvergänglichen, andererseits der Abgesandte des Herrschers an den Untertan.« Vgl. auch Philo somn. 1,239; 2,45; fug. 12. 1421 Philo gilt gemeinhin als mittelplatonischer, jüdischer Hellenist. Fraglich ist aber, ob er die Ebene der »Mittelwesen« wie Logos und Kosmos erfunden bzw. aus dem Platonismus »entliehen« und dann auf seinen jüdischen Glauben interpretierend angewendet hat, oder ob er die durch den Platonismus gegebenen Sprachformen nutzt, um etwas zu beschreiben und weiter auszuführen, was in seiner Form des Judentums schon gegeben war. Die letztgenannte Position vertritt im Grundsatz überzeugend B ARKER (Angel). 1422 B OUSSET / G RESSMANN , Religion, 342: »Die ‹Hypostasen‹ sind wie die Engel Mittelwesen zwischen Gott und Welt, die sein Wirken auf der Erde ermöglichen. Sie sind nur abstrakter, schemenhafter, schwerer zu fassen«. 1423 Die Grundfrage ist, ob Hypostasierungen von »Wort Gottes«, »Weisheit«, »Name«, »Geist« (ebenso wie Engel) wirklich als eigenständige Personen gedacht sind, oder ob ihr personähnliches Auftreten nur eine Sache des Moments ist und von Gott dafür in Szene gesetzt wird (so D UNN , Christology, 252: »they never really reach the status of divine beings independent of God in Jewish thought. They all remain in the literature of our period (Philo included) ways of speaking of God’s powerful interaction with his world and his people« gegen A.F. S EGAL , J. F OSSUM und andere, die genau hier auch Ansätze bzw. Parallelen für die christliche Rede von Christus sehen: vgl. F OSSUM , Name; ders., Image; S EGAL , Powers; B ARKER , Angel usw.). Forschungsüberblick bei G IESCHEN , Christology, 36-45. G IESCHENS eigene Definition ist: »an HYPOSTASIS is an aspect of the deity that is depicted with independent personhood of varying degrees.« Eine Vielzahl von Belegen folgt ebd., 70-123: (Name, Herrlichkeit, Weisheit, Wort/ Memra, Geist, Macht). - Vgl. aus dogmatischer Sicht P ANNENBERG , Grundzüge, 121ff. 11.15 Lächeln im Angesicht des Todes (Märtyrer) 411 johanneischen Logos mit dem Logosgedanken Philos zu verbinden, finden sich schnell Wege, Christus in der Weise Philos als Engel zu sehen. Neben dem Logos Philos ist als wichtigste weitere Mittelgröße zwischen Gott und der Welt Gottes Weisheit zu nennen. 1424 - Das Aufkommen von Mittlergrößen ist wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem sich entwickelnden Mittelplatonismus zu sehen. Fraglich ist, ob solche Hypostasierungen »lebensfähig« waren, d.h. eigenständig gedacht waren, oder nur als Darstellungen der wirkenden Macht Gottes anzusehen sind. Anschlussfähigkeit für pagan-griechische Ohren ist gegeben, weil man auch von Hermes, dem Sohn des Zeus sagen konnte, er sei der »Logos, den die Götter aus dem Himmel zu uns gesandt haben« und den man als »Keryx« und »Angelos« bezeichnen konnte (Cornutus, Theol. Graec. 16). 1425 Justin wiederum »vergleicht den Logos mit Hermes, dem Logosinterpreten des Zeus, 1426 wenn er ihn in apol 1,21,2; 22,2 den λόγον τὸν ἑρμηνευτικόν nennt. 11.15 Lächeln im Angesicht des Todes (Märtyrer) ActAndr 5: Andreas wird an das Kreuz gebunden. Seine Qualen sollen lang und entwürdigend sein. »Und die umstehenden Brüder (...) sahen, wie jene weggingen, dem Seligen aber nichts von dem angetan hatten, was Gekreuzigte (sonst) erleiden, und sie erwarteten, wieder etwas von ihm zu hören, denn der Gekreuzigte bewegte seinen Kopf und lächelte. Und Stratokles fragte ihn: ›Warum lächelst du, Andreas, Diener Gottes, wo doch dein Lachen uns trauern und weinen macht, weil wir deiner beraubt werden? ‹ Er antwortete ihm: ›Soll ich nicht lachen, mein Kind Stratokles, über den nichtigen Anschlag des Aegeates, durch den er sich an uns zu rächen glaubt? (350) Er hat sich noch nicht davon überzeugt, dass wir ihm und seinen Plänen fremd sind. Er kann (aber) nicht hören, denn wenn er es könnte, hätte er verstanden, dass Jesus ein Mensch war, den man nicht strafen konnte. Dies wird ihm in Zukunft klar werden« (NTApo). Das Schicksal des Andreas gleicht ganz dem Jesu. Ans Kreuz gebunden, wird er verspottet. Entgegen der Erwartung lächelt er. Denn der Anschlag ist nichtig. Jesus, der getroffen werden soll, konnte nicht gestraft werden; ähnlich Andreas. Dass Jesus nicht gestraft werden konnte, liegt offensichtlich daran, dass er hier als über den Dingen stehend und von Strafe/ Leid nicht betroffen gilt. Andreas wird ihm in seinem Martyrium darin ähnlich. 4Esr 5,18 bemerkt grundsätzlich: »So können die Gerechten wohl die Enge aushalten, weil sie die Weite hoffen. Die Gottlosen erdulden zwar die Enge, doch werden sie die Weite niemals sehen« (AJS). 1Hen 48b ergänzt: »Ungerechtigkeit vergeht wie ein Schatten und hat keinen festen Stand« (Uhlig). 1424 Spr 8,22.29f; Sir 1,9; Philo Quaest. Gen 4,97: Weisheit als »Tochter Gottes und erstgeborene Mutter des Alls«; Weish 7,25: »Hauch der Kraft Gottes«; sie beherrscht den Kosmos (wie es bei Philo der Logos tut). Sie lebt mit Gott in »Symbiose« (8,1.3); sie sitzt mit auf seinem Thron (9,4). 1425 Zitiert nach H ENGEL , M., Sohn Gottes, 58. Vgl. J. S CHNIEWIND , Euangelion, 218-247, der eine Reihe von Belegen dafür anführt, dass griechische Götter »Angelos« genannt werden konnten. 1426 G RILLMEIER , A., Jesus, 228. 412 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Gemeinsam ist beiden Stellen, dass die unfreundliche Gegenwart keine Wirklichkeit hat, gegenüber der Wirklichkeit auf die der Gerechte bzw. Märtyrer hofft. So kann das Unrecht der Gegenwart selbst zu einem Gespenst bzw. Schatten werden. Beispielhaft lässt sich das in 2 Makk 7,39 beobachten. 1427 Der König, der schon sechs von sieben Brüdern gemartert und ermordet hat, fühlt sich von den Märtyrern aufgrund ihrer Standhaftigkeit und Gelassenheit schlecht behandelt. Der Hymnus Christi 6 (Tanzlied aus den ActJoh) 6,3.8: »Wenn du tanzt, dann schau, wie ich tanze; denn das Menschen-Leiden, das ich jetzt erleide, ist dein Leiden. (...) (8) Wenn du um mein Leiden wüsstest, hättest du die Freiheit vom Leiden. Erkenne das Leiden, dann bist du vom Leiden frei« (B/ N). Wer Christi Leiden im Blick hat, dem verliert das eigene an Gewicht. Gewichtiger für unsere Fragestellung ist die letzte Aussage: Wer das Leiden erkennt, ist frei vom Leiden. Wenn man so vom Leiden reden kann, dann kann man auch sagen: »Christus hat gar nicht gelitten.« Dass ein Märtyrer sein Schicksal derartig gelassen tragen kann, 1428 kann etwas mit himmlischem Beistand und ekstatischen Zuständen zu tun haben (s.o. S. 367f). Jedenfalls kann man am Kreuz auch ganz anderes als nur Leid wahrnehmen: MartPetr (Ps.-Linus) 12,14ff: »Als Petrus dies gesagt hatte, öffnete Gott die Augen derer, die trauerten und über sein Martyrium Tränen vergossen. Sie sahen Engel mit Kränzen aus Rosenblüten und Lilien dastehen. Im Scheitelpunkt des aufgerichteten Kreuzes stand Petrus und empfing von Christus ein Buch. Die Worte, die er sagte, las er daraus vor. Als sie das sahen, wurden sie so fröhlich im Herrn, dass auch die Nichtgläubigen und die Henkersknechte plötzlich verschwanden und sich wie Rauch auflösten, als sie sahen, dass diejenigen, die zuvor traurig gewesen waren und geweint hatten, nun jubelten und fröhlich waren«(NTApo). Die geschilderte Martyriumsfreude 1429 lässt die Gegner sich in Rauch auflösen. Sie sind wie unwirkliche Schatten plötzlich verschwunden. Der Fortgang der Geschichte zeigt, dass dies keine die physische Realität betreffende Erfahrung ist, denn das Sterben des Apostels geht weiter, sondern eine seelische. Wer derart wunderbar im Sterben von Christus getröstet und gestärkt wird, für den und dessen Angehörigen verlieren Tod und Teufel an Schrecken und sind trotz realem Sterben nicht die Wirklichkeit, von der man hinterher spricht. 1430 Auch sonst können Umstehende im Martyrium Wunderbares, sogar Himmlisches, zumindest aber leuchtende Antlitze erleben. 1431 Zudem kann gerade der Märtyrer 1427 Zur Einschätzung der makkabäischen Märtyrer vgl. R ÖHSER , Stellvertretung, 68ff. 1428 Vgl. auch die verwandte, pagan-hellenistische Vorstellung des »stoischen« Weisen, wie sie beispielhaft über Sokrates kolportiert wurde: Alkibiades berichtet in Platons Symposion (220c3-d5), Sokrates sei im Krieg gegen Potideia bei kältestem Frost wie gewöhnlich barfuß unterwegs gewesen . Einmal sei er von einem Morgen bis zum nächsten regungslos stehengeblieben, um nachzudenken. Auch die Regungslosigkeit, mit der er den Schierlingsbecher annimmt, wird so dargestellt, als sei Sokrates über das menschliche Leiden und über die Beeinflussung durch Emotionen erhaben. 1429 Vergleiche das Motiv des strahlenden Antlitzes des Märtyrers: MartPetr (Ps.-Linus) 8,5. 1430 Beim Lachen Christi, das in manchen doketistischen Versionen begegnet, mag ebenso wie beim hier genannten Lachen oder Lächeln des Märtyrers darüber hinaus auch Psalm 2,4 eine Rolle gespielt haben: »Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer (ὁ κατοικῶν ἐν οὐρανοῖς ἐκγελάσεται αὐτούς), und der Herr spottet ihrer.« 1431 Z.B. die Milch, die aus dem abgeschlagenen Haupt Pauli nach ApkPaul 11,5 spritzt (s.o. S. 380). 11.16 Ausblick auf die weitere Entwicklung 413 besondere Macht in der Fürbitte erlangen, da er als beispiellos Gerechter für seine Gottesbeziehung (Gerechtigkeit) sogar den Tod auf sich nimmt. 1432 In Hinblick auf die Doketisten des Ignatius lässt sich somit zum einen sagen, dass vieles von dem, was sie sich offensichtlich an Himmlischem erhoffen und denken, durchaus typischen Märtyrererfahrungen entspricht. Deswegen wohl wird Ignatius von ihnen zunächst hofiert (IgnSm 3f). Zum anderen kann gerade eine solche Auffassung vom Martyrium dazu führen, dass man sagt: Es hat den Gerechten bzw. die Gottheit nicht wirklich getroffen: »Natürlich hat Christus am Kreuz gelacht! « - Das Bild des lachenden Christus begegnet zwar noch nicht bei den Ignatiusgegnern, könnte sich aber in der Tat schnell entwickelt haben, möglicherweise mit Rückgriff auf Ps 2,4: »Der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer.« Hiermit aber befindet man sich schon sehr im Bereich der Spekulation über die möglichen Wege der Schriftauslegung, die Doketisten zu ihrer Haltung geführt oder in ihr bestärkt haben könnten. 1433 11.16 Ausblick auf die weitere Entwicklung 1434 Die bisher dargestellten religionsgeschichtlichen Bezüge verdeutlichen, in welchem Umfeld und aus welchen Quellen sich doketistische Ansätze, wie wir sie bei den Ignatiusgegnern sehen können, gespeist haben mögen. Dabei gehörte vieles selbst schon zum »gnostischen« Umfeld, wie z.B. einige der Apostelakten. Allerdings waren es im Wesentlichen Einzelmerkmale, die zu beobachten waren und die auf ein Gesamtbild der Vorstellungszusammenhänge hin ausgewertet wurden. Ein erster Ausblick auf die weitere Entwicklung des Doketismus sei exemplarisch anhand der koptischen Petrusapokalypse gewagt: ApkPetr (kopt.) 10: »Nachdem der Erlöser dieses gesagt hatte, erschien es mir, als würde er von oben ergriffen. (2) und ich fragte: ›Was sehe ich, Herr? Greifen sie nach dir, und greifst du nach mir? (3) Oder wer steht da neben dem Kreuz, heiter und lachend, während sie einem andern auf Füße und Hände schlagen? ‹ (4) Der Erlöser antwortete: ›Der, den du heiter und lachend neben dem Kreuz stehen siehst, das ist der lebendige Jesus. (5) Der, in dessen Hände und Füße sie die Nägel schlagen, ist dagegen nur sein schwaches, sterbliches Abbild. Er ist das sogenannte Lösegeld, ihn alleine können sie zerstören. (6) Er ist nur nach dem Bild des lebendigen Jesus entstanden. Sieh ihn und mich doch genau an! ‹ (...) (8) ›Ich habe dir doch gesagt, dass sie blind sind. Lass sie gewähren! (9) An dem, was sie reden, kannst du doch erkennen, wie wenig Einsicht sie haben. (10) Denn anstelle meines Sklaven haben sie den zerstört, den sie sich in ihrer leeren Herrlichkeit eingebildet haben.‹ (11) Dann sah ich 1432 Vgl. 2 Makk 7,37f; 4 Makk 6,28f; 17,20-22; 18,4; 4 Esr 8,14.17-19.23-33.45; 12,48. 1433 Vgl. dazu den Aufsatz von G OLDSTEIN / S TROUMSA , Origins. Ich halte allerdings Vorsicht für angebracht, den Doketismus zu sehr von solchen Stellen abhängig zu machen. Für relativ abseitig, wenn auch nicht unmöglich, halte ich S TROUMSAS Vorschlag, das Lachen Saras bei der Verkündigung ihrer Schwangerschaft in Gen 18 zum Ursprung des Doketismus zu machen (S TROUMSA , Christ’s Laughter). Zudem ist zu bedenken: Das Motiv des Lachens Christi über seine Gegner ist zumindest bei den Gegnern des Ignatius noch nicht dokumentiert. 1434 Lit.: grundlegend V OORGANG , D., Jesus. Vgl. auch G RILLMEIER , Jesus, 193-197. 414 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie jemanden näherkommen, der aussah wie der Erlöser und wie der, der lachend neben dem Kreuz stand. (12) Er war ganz erfüllt mit Heiligem Geist, der Erlöser. (13) Ein unaussprechliches Licht umgab sie beide, eine große Schar unbeschreiblich herrlicher Engel, die sie lobten. (...) (15) Er sagte zu mir: ›(...) Denn dir ist es gegeben, die Geheimnisse unverhüllt zu erkennen. Der, den sie angenagelt haben, ist der Erstgeborene, das Haus der Dämonen, der Steinkrug. (16) In ihm wohnen die Dämonen, der Mensch des Elohim ist er, des minderwertigen Schöpfers, der Mensch des Kreuzes unter dem Gesetz. (17) Doch der andere, der neben ihm steht, das ist der lebendige Erlöser. Er war zuvor in ihm. (18) Doch dann wurde er ergriffen, und der Erlöser entkam. Nun steht er schadenfroh dabei und sieht, dass die, welche ihm Böses angetan haben, untereinander zerspalten sind. Daher lacht er über ihre Blindheit, denn er weiß, dass sie Blindgeborene sind. (19) Es leidet nur das, was leiden kann, eben der Körper, der nur Lösegeld ist. (20) Doch der, der ihnen entkommen ist, das ist mein körperloser Leib. (21) Ich selbst bin nur geistlich wahrzunehmen wie Gottes Geist, erfüllt von strahlendem Licht. (22) Diesen hast du zu mir kommen sehen. (23) Wenn das vollkommene Licht mit meinem heiligen Geist verbunden wird, dann sind alle Christusgestalten eins« (B/ N). Vieles von dem, was bei den Ignatiusgegnern zu beobachten war, und manches von den Beobachtungen über δόκησις und εἴδωλον begegnet wieder. Leiden kann nur der menschliche Leib (19). Dieser ist ein »Lösegeld« (vgl. IgnEph 21,1; IgnSm 10,2; IgnPol 3,2; 6,1; ebenso »Opfer« in IgnEph 8,1; 18,1; IgnRöm 4,1). Allerdings wird hier differenziert. Im Sinne griechischer Anthropologie ist der Angenagelte nur ein Steinkrug, in dem Dämonen wohnen (15). Man könnte dies direkt als eine Replik auf IgnSm verstehen; Ignatius macht ja genau diesen Vorwurf seinen Gegnern. Der Leib als Urne der Totengeister wird hier aber entkoppelt, da der Lebensgeist entwichen ist. Der Lebensgeist ist der eigentliche Erlöser, der vorher da war und der den Leib nur als eine Art Verkleidung über seiner eigenen Leiblichkeit(! ) angenommen hat (20). Er ist zudem vom Geist Gottes zu unterscheiden. Auch das Element des »Greifens« ist aufgenommen (nicht allerdings das des Essens und Trinkens). Allerdings haben die Gegner eben nur den Leib gegriffen, nicht den eigentlichen Erlöser. Abgesehen davon, dass wir es mit einem fortgeschrittenen Stadium doketistischer bzw. trennungschristologischer Gedanken zu tun haben, zeigt die Szene, wie man sich Visionen vorstellen könnte, die das Kreuz Christi anders als im offensichtlichen Sinne deuten. Schließlich geht es auch hier um das Thema »Verborgenheit und Offenbarung«. Alle sind blind und sehen nicht, was sie tun. Petrus aber wird es offenbart. Petrus könnte hier wie in der jüdischen Offenbarungsliteratur üblich, die Offenbarungen immer nur unter dem Namen einer bekannten Figur der Vorzeit möglich sein lässt ein Alter Ego des Verfassers sein. Dann wäre der Verfasser selbst derjenige, der in der Gestalt des Petrus diese Vision gehabt hätte. Einen weiteren Ausblick auf die Entwicklung vielfältiger doketistischer Ansätze gewinnen wir durch die bisher nicht einbezogenen Kirchenväterreferate. Ihr Fehlen bisher ist darin begründet, dass die Kirchenväter versuchten, fertige Lehren 11.16 Ausblick auf die weitere Entwicklung 415 vor Augen zu stellen, 1435 während der Versuch dieser Arbeit darin besteht, vor den eigentlichen Systembildungen anzusetzen und so die Entstehungsbedingungen besser in den Blick zu bekommen. Exemplarisch seien im Folgenden einige weitere Positionen genannt. 1436 In Zusammenhang mit doketistischen Gnostikern werden Magie und Engelkult erwähnt, wie sich z.B. an einem Bericht des Irenäus über Basilides und seine Anhänger zeigt. 1437 Das Leiden Jesu wird häufig geleugnet. 1438 Von Simon Magus wird gesagt: 1439 Iren.haer. 1,23,3: Er selbst sei vom Himmel als Erlöser gekommen, da die Engel die Welt schlecht verwalteten, habe »sich verwandelt und sich den Kräften, Mächten und Engeln angeglichen und sei so herabgestiegen, dass er auch den Menschen als ein Mensch erschien, ohne ein Mensch zu sein; man meinte auch, er habe in Judäa gelitten, wo er doch nicht gelitten hat.« Kerinth, der häufig als »Judenchrist« gilt, habe Jesus »aufgeteilt«: 1440 Iren.haer. 3,11,1: »Der eine sei der Sohn des Schöpfers, der andere, Christus, stamme von dem Oberen, sei leidensunfähig und auf Jesus, des Schöpfers Sohn hinabgestiegen und sei (...) in sein Pneuma zurückgeflogen.» - Jesus sei leiblicher Sohn Josefs gewesen, wie jeder andere Mensch: Iren.haer. 1,26,1: »Nach der Taufe sei auf ihn (...) Christus in der Gestalt einer Taube herabgestiegen (...). Am Ende aber habe sich Christus wieder von Jesus getrennt, Jesus sei gekreuzigt worden und auferstanden, Christus aber sei leidensunfähig geblieben, da er pneumatisch gewesen sei.« Satornil: 1441 Iren.haer. 1,24,2: »Den Heiland nahm er als ungeboren, unkörperlich und ohne Gestalt an, er sei zum Scheine als Mensch erschienen. Und der Gott der Juden, sagt er, sei einer der Engel, und weil 1435 Dazu kommt eine teils problematische Abhängigkeit auch späterer häresiologischer Berichte von Irenäus, dessen Rolle wiederum selbst schwierig ist. Siehe oben 67ff. Vgl. z.B. W.A. L ÖHR , Basilides; ders. Christentum. Vgl. auch die einschlägigen Äußerungen von M ARKSCHIES , W ANKE , M UTSCHLER und anderen. 1436 ÜS: F OERSTER . 1437 Iren.haer. 1,24,5: »Die üben aber auch Zauberei, Totenbeschwörung, Zauberformeln, Anrufungen und alles übrige Okkulte aus. Sie erfinden auch Engelnamen, sagen, die einen seien im ersten, andere aber im zweiten Himmel, und bemühen sich dann, Namen, Führer, Engel und Gewalten der 365 erdichteten Himmel zu nennen« (F OERSTER ). 1438 1 ApcJac NHC V 3, 31,18-20: »Nie habe ich gelitten oder bin gequält worden.« 2. LogSeth NHC VII 2, 55,15-19: »Ich war doch überhaupt nicht dem Leiden unterworfen. Jene bestraften mich (mit dem Tode), doch ich starb nicht wirklich, sondern dem Anschein nach.« EpPt NHC VIII 2, 139,21f: »Jesus ist ein Fremder gegenüber dem Leiden.« Inter NHC XI 1, 5,32: »Nicht [star]b er wirklich. D[enn nich]t war er würdig zu sterben.« 1439 Zwar ist Simon kaum Doketist im eigentlichen Sinne gewesen, gilt aber den Häersiologen als Vater der Häresien und somit auch als Urheber der doketistischen Häresie. Zu Simons Christologie vgl. V OORGANG , Passion, 99-101. Zu der hier wiedergegebenen Darstellung Simons siehe in dieser Arbeit die Überlegungen S. 444ff. 1440 Vgl. V OORGANG , Passion, 107-110. Ebd., 110: »Die Unterscheidung zwischen dem leidensunfähigen Christus und dem Menschen Jesus ist hier noch nicht weitergedacht.« Noch ist keine entwickelte gnostische Christologie gegeben. Zu den möglichen Verbindungslinien von 1 Joh und Ignatius vgl. unten S. 464ff. S TREETT , Identity, 56-64, gibt folgende frühe Bezeugungen der Auffassung an, die johanneischen Schriften seien in Zusammenhang mit dem Auftritt Kerinths geschrieben: EpAp; Iren.haer. 1,23-28; Hipp.haer. 7,21; 10,17; Ps.Tert.haer 3; Victorinus, In Apocalypsin 11,1; Eus.h.e. 3,28; Epiphanus, Panarion 28. Streett, Identity, 65ff. stellt drei Rekonstruktionen der Forschung zu Kerinth dar: 1. Kerinth als Chiliast, der die Göttlichkeit Christi leugnete und auf ein tausendjähriges, messianisches Zeitalter gewartet habe; 2. Kerinth als Gnostiker und 3. Kerinth als jüdischer Gnostiker. 1441 V OORGANG , Passion, 47: »Satornil lässt ebenfalls den Menschen ein ›Engelgebilde‹ sein, das aber (...) nur kriechen konnte. Darum schickte ›die obere Kraft‹ einen ›Funken des Lebens‹, der ihn aufrichtete. Satornil soll als erster zwei Arten von Menschen unterschieden haben.« Vgl. unten S. 466. Vgl. L ÖHR , Basilides, 261f. 416 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie den Vater alle „Mächte” vernichten wollten, sei Christus zur Vernichtung des Gottes der Juden erschienen und zur Rettung derer, die ihm glauben, das seien die, die den Lebensfunken in sich hätten.« Basilides: 1442 Iren.haer. 1,24,4: »Der ungewordene und unnennbare Vater, da er ihre Verderbnis sah, habe seinen erstgeborenen Nus das sei der, der Christus heißt gesandt, die, die ihm glauben, von der Macht derer, die die Welt gemacht hätten, zu befreien. Ihren (der Engel) Völkern sei er auf Erden als Mensch erschienen und habe Wundertaten vollbracht. Darum habe er auch nicht gelitten, sondern ein Simon von Kyrene habe, dazu gezwungen, das Kreuz für ihn getragen; er (Simon) sei von ihm (Jesus) verwandelt worden, dass er für Jesus gehalten wurde, und sei aus Unwissenheit und Irrtum gekreuzigt worden, Jesus aber habe Simons Gestalt angenommen, dabeigestanden und sie verlacht. Denn da er eine unkörperliche Kraft sei und das Nus des ungewordenen Vaters, habe er sich verwandelt, wie er wollte, und sei zu dem aufgestiegen, der ihn gesandt habe, und habe sie verlacht, da sie ihn nicht halten konnten und er allen unsichtbar war.« 1443 Filastrius dagegen meint, »Basilides habe behauptet, Jesus Christus habe nur ›quasi per umbram putative‹ gelitten (Fil. haer. 32,6-8). 1444 Ophiten: 1445 Iren.haer. 1,30,9: „Adam und Eva hätten vordem leichte, leuchtende und gleichsam geistliche Körper gehabt, wie sie auch geschaffen waren; als sie aber hierhin (in diese Welt) gekommen seien, hätten sie sich zum Dunkleren, Dickeren und Trägeren verändert. Aber auch die Seele sei gleichgültig und träge geworden. 1446 Iren.haer 1,30,12: »Da die untere Sophia erkannte, dass zu ihr ihr Bruder herabstieg, habe sie (...) im Voraus Jesus zubereitet, damit Christus, wenn er herabstiege, ein reines Gefäß vorfinde. (...) Mit der Sophia verbunden sei Christus herabgestiegen, und sei so Jesus Christus geworden. 1,30,13: »Viele seiner Jünger hätten nicht erkannt, dass Christus auf ihn herabgestiegen sei, sagen sie, aber erst, als Christus auf Jesus herabgestiegen sei, habe er angefangen, Machttaten zu verrichten, zu heilen und den unbekannten Vater zu verkündigen und sich offen als Sohn des ersten Menschen zu bekennen. Darum wurden die Mächte und der Vater über Jesus zornig und bewirkten seinen Tod. Als er dazu abgeführt wurde, habe Christus mit der Sophia sich von ihm weg in den unvergänglichen Äon begeben, sagen sie, Jesus aber sei gekreuzigt worden.« Valentin 1447 und Valentinianer: 1448 Wie W ANKE in Anschluss an M ARKSCHIES zeigt, 1449 hat Irenäus, kein Interesse an der historisch korrekten Zuordnung, sondern ist vor allem systematisch interessiert. Während von 1442 Vgl. V OORGANG , Passion, 101-104: Basilides wird häufig mit Satornil zusammen genannt. Vgl. unten S.464. Umfassend und grundsätzlich zu Basilides informiert W.A. L ÖHR , Basilides und seine Schule. Die hier wiedergegebene Darstellung des Irenäus hält L ÖHR vermutlich zu Recht für problematisch. Möglicherweise hat Basilides keinen Doketismus vertreten. 1443 Vorstellung wohl einer doppelten Metamorphose: Jesus verwandelt sein Äußeres, so dass er als Simon erscheint und verwandelt zugleich das Äußere Simons, dass er als Jesus erscheint. 1444 W EIGANDT , 10. 1445 Vgl. V OORGANG , Passion, 14-20: Die Ophiten vertreten damit eine schon weiterentwickelte doketistische Lehre. Das Leiden Jesu wird von Christus und Sophia ferngehalten: Jesus stirbt (und leidet), Christus nicht. 1446 Hier sind die Verbindungslinien zur Adamchristologie und der Vorstellung eines ursprünglich geschaffenen, ersten himmlischen Menschen deutlich. Die im Folgenden berichtete Sendung des Christus ist dann auch eine Sendung, die vom ersten Menschen und von der ersten Frau (obere Sophia) ausgeht (Iren.haer. 1,30,10). 1447 Zu Valentin gibt es sehr unterschiedliche Berichte, die auch mit den Entwicklungen seiner Schüler zu tun haben. Vgl. M ARKSCHIES , Valentinus Gnosticus? - Das hier wiedergegebene Fragment dürfte zu dem gehören, was am Anfang der Entwicklung bei Valentin gestanden hat. Wirklicher Doketismus wäre das noch nicht, eher ein vermittelndes Glied. 1448 Valentinianer: Aus kleineren Anfängen bei Valentin wächst ein größeres System. Der valentinianische, spätere Doketismus ist immer noch mit Hilfe jüdischer oder judenchristlicher Terminologie konstruiert. Als Schüler Valentins mit je unterschiedlicher Ausprägung werden überliefert: Ptolemaeus, Herakleon, Secundus, Marcus, Theotimus und Axionicus (F OERSTER , Gnosis, 162). 1449 W ANKE , Kreuz, 52-54.91-103. Umfassend zu Valentin: M ARKSCHIES , C HR ., Valentinus. 11.16 Ausblick auf die weitere Entwicklung 417 Valentin selbst kein ausdrückliches Leugnen des Leidens Christi, aber immerhin ein doketistisch auslegbares Fragment vorhanden ist (a), sind bei seinen Schülern unterschiedliche, aber verwandte Systeme belegt, die von der »Grenze« (Horos) sprechen, an der durch Leiden eines Teils des himmlischen Pleromas der »Sündenfall« der materiellen Schöpfung entstand. Theodot scheint (b) Jesus Christus als Engel, Logos bzw. Sophia gedeutet zu haben, der diese Grenze überschreiten kann. Implizit ist dabei von einem Engeldoketismus auszugehen. Ausdrücklichen Doketismus vertritt dann z.B. Ptolemäus (c), 1450 der explizit eine Ausdifferenzierung der Gestalt Jesu Christ vornimmt und nur zwei von vier Anteilen Jesu Christi dem Leiden unterworfen sein lässt. a) Fragment 3: Clemens Alexandrinus, strom. 3, 7 = 59,3: »Valentin sagt in dem Brief an Agathopus: ›Indem er alles ertrug, war er enthaltsam. Jesus brachte Göttlichkeit zustande; er aß und trank auf besondere Weise, indem er die Speise nicht wieder von sich gab. So groß war die Kraft seiner Enthaltsamkeit, dass die Speise in ihm auch nicht verzehrt wurde, da er das Verzehren nicht hatte.‹« b) Clemens Alexandrinus, Excerpta ex Theodoto 25,1: »Die Valentinianer definierten den Engel als Logos, der eine Botschaft von dem Seienden hat. Sie nennen auch die Äonen, wie den Logos, Logoi. (...) (26,1) Das Sichtbare Jesu war die Sophia und die Gemeinde der besonderen Senf(-körner), die er durch das Fleisch anzog, wie Theodot sagt, das Unsichtbare aber war der Name, das ist der eingeborene Sohn. 2. Darum, wenn er sagt: ‘Ich bin die Tür’ (Joh 10,7), sagt er ‘Bis zum Horos (Grenze), wo ich bin, werdet ihr gelangen, ihr, die ihr zum besonderen Samen gehört’. 3. Wenn er aber selbst (ins Pleroma) eingeht, dann geht auch der Same mit ihm hinein, vereinigt und eingeführt durch die ‘Tür’”. (....) c) Iren.haer. 1,2 über das System des Valentinschüler Ptolemäus: »Es gibt aber auch solche, die sagen, er [der Demiurg] habe auch Christus, seinen eignen Sohn, hervorgebracht, (...) psychisch (...). Das sei der, der durch Maria hindurchging, wie Wasser durch eine Röhre geht, 1451 und auf diesen sei bei der Taufe der aus dem Pleroma von allen (gebildete) Heiland in Gestalt einer Taube herabgekommen. In ihm sei auch der pneumatische Same von der Mutter gewesen. Sie sagen also, dass unser Herr aus diesen vier (Teilen) zusammengesetzt sei und dabei das Vorbild der uranfänglichen, ersten Vierheit bewahrt habe: 1452 aus dem Pneumatischen, das von der Achamoth kam, aus dem Psychischen, das vom Demiurgen kam, aus der Oikonomia, das mit unsagbarer Kunst bereitet war, und aus dem Heiland, was die auf ihn kommende Taube war. Und dieser soll leidensunfähig geblieben sein denn es war nicht möglich, dass er litt, weil er unangreifbar und unsichtbar war -, und deswegen wurde, als er zu Pilatus geführt wurde, der in ihn gelegte Geist Christi hinaufgenommen. Aber auch der Same von der Mutter soll nicht gelitten haben, auch er war leidensunfähig, pneumatisch und unsichtbar auch für den Demiurgen selbst. Es litt der nach ihnen psychische Christus und der aus der Oikonomia geheimnisvoll Zubereitete, damit daran die Mutter das Urbild des oberen Christus zeige.« Markion: 1453 Die Lehre des Markion ist nur fragmentarisch erhalten. Folgende Informationen sind hier von Interesse: 1450 Das System des Ptolemäus ist das am Ausführlichsten referierte valentinianische System und wird hier trotz vieler Unterschiede im Einzelnen stellvertretend für die anderen bekannten valentinianischen Systeme nach dem Bericht des Irenäus vorgestellt. 1451 Das Motiv begegnet auch im Bericht des Epiphanius über den Valentinianismus: Panarion 31,7,4. 1452 Im Grundsatz berichtet Irenäus Ähnliches vom System des Valentinschülers Markus: Iren.haer.1,15,1-3. Vgl. auch den Bericht des Hippolyt, ref. 34,1; 35,2.5f; 36,1-4. 1453 Weitere Belege für die Christologie Markions bei W EIGANDT , Doketismus, 66-73 und bei V OOR - GANG , Jesus. W EIGANDT fasst (Doketismus, 71) zusammen: »Die Grundlinien aller Berichte sind deutlich: Jesus ist ungeboren und hat sich als eine Erschinung Gottes im 15. Jahr des Tiberius auf Erden offenbart. Ihm haftet nichts Vergängliches, nichts Irdisches an. Um überhaupt sich manifestieren zu können, ist er als Mensch erschienen und war doch kein Mensch, sondern eine δόκησις, wie die Häresiologen meinen. Dennoch hält Markion an der ›vollen Wirklichkeit‹ von Kreuz, Tod, Begräbnis und sogar Höllenfahrt fest.« - Vgl. auch Voorgang, Passion, 89-99. Einen Überblick zu Markion bieten R ITTER / A NDRESEN , Handbuch, 65-69. Tert.Marc. 5,8 spricht von dem von den Markioniten vertretenen »Phantasma«-Gedanken. Tertullian stellt in diesem Zusammenhang eine erstaunliche Nähe Markions zu jüdischen Vorstellungen fest: »Nun sollen aber die Häretiker aufhören, ihr Gift vom Juden zu borgen«. 418 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie Iren.haer. 1,27,2: »Jesus stammt aber vom Vater, der über dem Weltschöpfergott ist. Er trat in Judäa auf (...). Er zeigte sich den Bewohnen von Judäa in Menschengestalt« (in hominis forma manifestatum his qui in Iudaea erant). 1454 Markion hat offensichtlich gelehrt, dass Jesus nur einen Scheinleib gehabt habe. Deutlich ist die Schilderung Hippolyts: »Christus sei der Sohn des Guten und sei von ihm zur Rettung der Seelen gesandt worden; Markion nennt ihn den innerlichen Menschen und behauptet, er habe Mensch geschienen, obwohl er es nicht war, und habe scheinbar Fleisch angenommen und sei doch nicht Fleisch geworden; er habe sich nur dem Scheine nach gezeigt und habe weder Geburt noch Leiden auf sich genommen, sondern alles nur dem Scheine nach« (Ref. 10,19). Allerdings ist es nach Auswertung anderer Quellen wahrscheinlicher, dass Markions Ansicht war, dass Jesus in seinem Scheinleib »ganz real am Kreuz« stirbt. 1455 Apelles: 1456 Hipp.haer. 7,38,3: »Diesen, der erschienen ist, hält er nicht für aus der Jungfrau geboren noch für einen, der kein Fleisch getragen hat, sondern er habe aus der Substanz des Alls Teile angenommen, Warmes, Kaltes, Feuchtes und Trockenes und (so) einen Körper gebildet. In diesem Körper hätte er, verborgen vor den kosmischen Mächten, solange er in der Welt weilte, gelebt.« Vgl. auch Tert.carn.Chr 6. Trotz der von Apelles angenommenen »ouranosarkischen« Substanz des Leibes Christi, geht er von einem »echten« Tod Jesu am Kreuz aus. Der Ansatzpunkt zum Doketismus ist also in der andersartigen Beschaffenheit des Leibes Christi zu sehen (eine Art Engelsleib), wobei die Konsequenz der Leidensfreiheit ebenso wie bei Markion aus theologischen Gründen (Anlehnung an Paulus) nicht gezogen wird. Bei diesem kleinen Durchgang trifft man nach der Beschäftigung mit Ignatius und seinen Doketisten »viele Alte Bekannte« wieder, ohne dass Identität festzustellen ist. Wir haben es im Wesentlichen mit Weiterentwicklungen zu tun, die uns allerdings hier nur (! ) durch die Filter und Systematisierungen des Irenäus und seiner Nachfolger erreichen. Auch gegenüber der mystischen Orientierung des Ignatius wirkt vieles wie eine einseitige Weiterentwicklung. 1457 D. V OORGANG ist zuzustimmen, wenn er schreibt: »Bemerkenswert ist die Spannweite der Passionsvorstellungen, die in der Gnosis möglich ist. Sie entspricht der großen Zahl von Motiven, die zur Beschreibung der Passion verwendet sind. Die mögliche Interpretation reicht von gänzlicher Leugnung und polemischer Abgrenzung bis zur Heilsaussage.« 1458 Die Konzeption verschiedener Bestandteile des Erlösers, die als Grundlage der Trennungschristologien gelten kann, nennt er »gegenüber dem Doketismus eine gedankliche Weiterentwick- 1454 Irenäus von Lyon, übers. und eingeleitet von N. B ROX , Freiburg 1993 (Fontes Christiani 8). 1455 M ARKSCHIES , Gnosis, 89; vgl. auch R UDOLPH , Gnosis, 339. ÜS oben: BKV. 1456 Apelles gilt als Schüler Markions. Deutlich ist, dass die »Körperlosigkeit« im Sinne eines feinstofflichen, engelhaften Körpers zu verstehen ist. Das Motiv der Verborgenheit vor den Mächten (vgl. IgnEph 19) spielt eine wichtige Rolle. Diese Grundidee mag aus jüdischen bzw. judenchristlichen Traditionen vermittelt sein. 1457 Siehe unten Beispiele für derartige Entwicklungen: S. 463ff. 1458 V OORGANG , Jesus, 292. 11.17 Ergebnisse: Doketisten, Engel und Judenchristen 419 lung.« 1459 Das mag für die spätere Entwicklung gnostischer Christologie einerseits richtig sein. Andererseits lässt sich auch zeigen, dass aus der Kleidermetaphorik in Verbindung mit dem »Fleisch« des Messias eine derartige Trennungschristologie im Ansatz jedenfalls schon früh entwickelt worden sein kann (s.u. S. 463ff). Es zeigt sich dabei eine Parallelität zwischen der Zunahme an Komplexität bei der Darstellung einer vielfach geschichteten kosmologischen Wirklichkeits- Sicht und einer Zunahme an »Persönlichkeitsebenen« Christi, die miteinander und mit der Welt auf unterschiedliche Weise in Beziehung treten. 11.17 Ergebnisse: Doketisten, Engel und Judenchristen Festzuhalten ist: - Die Kategorien, mit denen die Doketisten des Ignatius arbeiten, werden durch den religionsgeschichtlichen Vergleich mit frühjüdischen und judenchristlichen Dokumenten erhellt. - Auch weitere frühe Zeugnisse des Doketismus sind ganz innerhalb des hellenistischen Judentums bzw. des Judenchristentums verwurzelt. - Das frühjüdische und frühchristliche Interesse an Engeln und an Erfahrungen der Gemeinschaft mit Engeln bis hin zu visionären Erlebnissen und Himmelsreisen gibt den Rahmen ab, innerhalb dessen Jesus von den Doketisten gedeutet wurde. - Verschiedene Schwierigkeiten, die sich aus der Frage des »scheinbaren« Essens oder des »scheinbaren« Leidens ergeben, lassen sich innerhalb dieses Rahmens mit dem Verweis auf ähnliche Erfahrungen etwa bei Tobit und Abraham beantworten. - Ebenso kann die Erfahrung von Askese, Martyrium und Bedürfnislosigkeit (Fasten usw.) angesichts der Nähe Gottes die Vorstellung verständlich machen, Christus habe eigentlich gar nicht leiden können oder nur scheinbar gegessen und getrunken. Die Erfahrung von Verklärungen kann den Hintergrund für die Vorstellung völlig veränderter Leibhaftigkeit abgeben. - Auch die Vorstellung von geisthafter Leiblosigkeit Christi gemeint ist Leiblosigkeit im Sinne greifbarer Materialität, ist mit Blick auf den Auftritt von Engeln zu erklären. - Insbesondere frühchristlicher Schriftbeweis, wie er in den Schriften des frühen Christentums zuhauf vorliegt und wie er von Ignatius für Philadelphia ausdrücklich genannt wird, bildet eine wahrscheinlich zu machende Quelle für doketistische Spe- 1459 V OORGANG , Passion, 275. Insgesamt stellt er fest (255f): »Die Grenze zwischen Doketismus und Zwei-Naturen-Konzeption ist fließend. (...) Der Doketismus unterscheidet nicht zwischen mehreren Bestandteilen des Erlösers, sondern versucht, ihn als Einheit zu denken. Die irdische Erscheinung wird darum nicht ernstgenommen, weil der Erlöser nicht selbst Mensch geworden ist und kein menschliches Leben oder Schicksal erlitten hat. Dagegen wird die Tatsache des Leidens und des Todes jedoch insofern wichtiggenommen, als sie nicht als bedeutungslos angesehen werden kann. Die doketistische Lösung des problematischen Nebeneinanders von Einheit des Erlösers einerseits und Leiden und Tod andererseits ist die Vorstellung des Scheins. (...) - Kennzeichen der Zwei-Naturen-Konzeption ist die Auflösung der Einheit des Erlösers (...). Auch hier werden das Leiden und der Tod nicht ernstgenommen. Im Gegensatz zum Doketismus drückt sich diese Relativierung aber nicht in dem Gedanken des Scheins aus, sondern für den Erlöser wird neben dem wertvollen Pneuma ein bedeutungsloser sarkischer Bestandteil genommen, der dem Leiden getrost überlassen werden kann. Das Irdische wird jedoch insofern ernstgenommen, als das Leiden nicht nur ein scheinbares ist, sondern real. Im Gegensatz zum Doketismus ist das Problem hier nicht das Nebeneinander von Einheit des Soters und Leiden und die Lösung des Scheinleidens, sondern das Nebeneinander von wahrem göttlichen Erlöser und wahrem Leiden. Die Lösung ist die Auflösung der Einheit des Soters. Das Nebeneinander von göttlichem und menschlichem Bestandteil über die bloße Getrenntheit hinaus zu denken, das ist die Aufgabe der beginnenden Dogmenbildung, die Balance zu finden, die besondere Schwierigkeit.” kulationen. Die Debatte Justins mit Trypho bildet hier ein Beispiel. Justins Versuch, den Auftritt Christi als »zweiten Gott« im Alten Testament nachzuweisen, führt immer wieder auf den »Engel des Herrn« bzw. auf Engelauftritte wie in Gen 18. Mit R OWAN D. W ILLIAMS ist zu konstatieren: »Zweifel an der Menschheit Jesu (...) nach dem Fleische sind nicht Zeichen eines fremden philos. Einflusses (...), sondern ergeben sich von selbst aus der Vorstellung von Jesus als einem präexistenten, engelhaften Mittler und Richter.« Die jüngere Forschung habe »zunehmend die jüd. Wurzeln dieser ›hohen Christologie‹ betont.« 1460 Das schließt keineswegs starke pagan-hellenistische, philosophische Einflüsse aus. Nur sind diese Einflüsse nicht im Sinne eines neuen Synkretismus zu werten, sondern sind im zeitgenössischen Judentum und im beginnenden Christentum längst integriert. 1461 Zwar kann man in der Tat einen Umschwung vom alttestamentlichen Gottes- und Menschenbild zu einem platonisch beeinflussten feststellen. Dieser Umschwung geschieht aber noch innerhalb des frühjüdischen Rahmens. Innerhalb dieses Rahmens fängt man an, Kategorien negativer apophatischer hellenistischer Theologie auf den eigenen jüdischen oder judenchristlichen Glauben anzuwenden. Damit ist allerdings der Raum geöffnet für Anschlussmöglichkeiten in den hellenistisch-philosophischen Bereich hinein. Insofern kann man das Auftauchen des Doketismus in den Ignatianen gleichzeitig auch als ein erstes Anzeichen für christliche Versuche werten, mit Hilfe der innerchristlich und innerjüdisch möglichen Kategorien Sprachfähigkeit in Richtung auf die allgemein-hellenistische Vorstellungswelt im Bereich von Anthropologie und Religion zu gewinnen. 1460 W ILLIAMS , R.D., Art. Christologie, in: RGG 4, Bd. 1, Tübingen 1999, 273-322, hier: 289. 1461 Vgl. dazu z.B. H URTADO , One God, 7f. 420 E. 11 Entwicklungslinien von der Angelologie zur Christologie 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Übersicht Das »Fleisch des Messias« ist im vorchristlichen Judentum deshalb niemals thematisiert worden, weil man den Messias entweder als königliche, priesterliche oder prophetische Figur dachte, also als Mensch, der dann natürlich auch »Fleisch« ist, was aber ein banales Faktum ist, das keiner weiteren Reflexion bedarf (12.1). Oder man dachte sich den Messias als eine Figur des Himmels, wie etwa der Menschensohn bzw. entrückte und verwandelte Gestalten wie Henoch, Elia und in gewisser Weise auch Mose. In diesem Fall ist über »Fleisch« ebenfalls nicht nachzudenken, da die Substanz ihrer Körperlichkeit in jedem Fall himmlisch, geistlich und jedenfalls nicht menschlich-fleischern ist (12.2). Obwohl die begriffliche Kombination von »Fleisch« und »Messias« neu ist und damit eine Innovation des frühen Christentums darstellt, hat das Thema »Fleisch Christi« und dadurch die Inkarnationschristologie ihren Hintergrund in mystischen Vorstellungen des Frühjudentums. Wahrscheinlich ist dieses Motiv schon von Jesus selbst bzw. seinem engsten Umfeld rezipiert, aus anderen Vorstellungen kombiniert und auf die Person Jesu angewandt worden (12.3-12.4). Die Erfahrungen und Vorstellungen, die hierbei eine Rolle gespielt haben dürften, liegen höchstwahrscheinlich im Bereich der sogenannten Ascensionsvorstellungen und sind andererseits in Gestalt einer hochpotenten Inspirationserfahrung denkbar (12.4.1 und 12.4.2). Von dieser Hauptthese ausgehend findet sich im Umfeld der Henochtraditionen Material, dass diese These unterfüttert. Der Eindruck der »Gerechtigkeit Jesu« führt zur Figur des beispiellos Gerechten. Auch die Idee eines himmlischen Adam und die Gestalten der Patriarchen in Verbindung mit dem Menschensohnmotiv zeigen die Richtung an, in die man hier denken kann (12.4.3-12.4.6). Es lässt sich zeigen, dass offensichtlich auch andere Zeitgenossen des frühen Christentums, häufig selbst messianisch gedeutet, die von den Christen auch aus diesem Grund in der Regel als Häretiker wahrgenommen wurden, ähnliche Erfahrungen gemacht haben (12.4.7). Eine zweite Hauptthese schließt sich an: Für die Ascensionserfahrungen konnte gezeigt werden, dass eine Veränderung von Körperlichkeit mit ihnen einhergeht, die als »Kleiderwechsel« bezeichnet wurde. Die in den Ascensions- und Visionserfahrungen immer wieder benutzte Kleidermetaphorik gewinnt einen plastischen Hintergrund vor der Folie des realen Tempelkults und seiner Kleider sowie der Tempelvorhänge. Nun wird das Fleisch Christi mehrfach mit dem Tempel und speziell mit dem Tempelvorhang in eine enge Verbindung gebracht. Das Motiv des Fleisches Jesu hängt daher eng mit der Vorstellung zusammen, dass die Kleider der Priester und der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Jerusalemer Tempel sowohl Kontaktfläche des Heiligen mit der Welt, als auch Schutz der Welt vor der Macht des Heiligen darstellen. Das Motiv des »Fleisches« Christi ist in dieser kultisch-tempeltheologischen Weise eingeordnet worden (12.4.8-12.4.9 und 12.4.11). Mit dem Bereich Tempel/ Allerheiligstes/ Priesterkleidung geht auch das Motiv einher, dass jemand (der Hohepriester) den Namen Gottes trägt. - Die Vorstellung, dass Jesus den Namen Gottes trägt, ist entweder unerträglich, oder sie erklärt seine 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 421 Hoheitsstellung. Zugleich würde eine solche Vorstellung die Frage aufwerfen, wie der Name Gottes, anders gesagt: das Schöpfungswort Gottes »in solche menschliche Armut« (EvThom) kommen konnte. Entweder ist der Logos wirklich nicht in die Welt gekommen oder man muss tatsächlich in paulinischer Diktion bekennen: »Jesus ist der Herr« (12.4.10). Beide Thesen zeigen so, wie Jesus als himmlischer und irdischer Messias Mittler zwischen dem Thron Gottes und der Welt der Menschen sein konnte. Die erste (Doppel-)These geht von der möglichen mystischen Erfahrung und Vorstellung Jesu und seiner Jünger aus. Die andere These geht von der Funktion des Fleisches bzw. des Menschseins aus und dient somit der Erklärung, wie Jesus als menschlicher Messias gleichzeitig (himmlischer) Menschensohn sein kann. In jedem Fall ist das, was hier beschrieben wird, die Aufnahme des Motivs der Vermittlung zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Hälfte der Wirklichkeit. Jesus ordnet sich dabei in vielerlei Hinsicht in die Kategorie der Mittlergestalten ein, deren Aufgabe es ist, fürbittend zwischen der Gemeinde und dem Thron Gottes zu vermitteln. Er steht so in einer Reihe mit den Fürbittengeln und mit dem Hohenpriester, die ebenfalls an der Schnittstelle zwischen Himmel (bzw. Allerheiligstes) und Welt (bzw. Tempelvorhof) agieren (12.4.12). Wir haben gesehen, dass die Vorstellungen des ersten Johannesbriefs vom Kommen Christi »im Fleisch« keinerlei Bezug zu der späteren Doketismusproblematik aufweist. Ebenso ist bis auf Ignatius an keiner anderen Stelle aus dem Neuen Testament oder den Apostolischen Vätern und anderer Literatur der frühesten Zeit im Christentum die Wortkombination »Fleisch des Messias« mit doketistischen oder antidoketistischen Motiven verbunden. Bei Ignatius ist geradezu zu sehen, dass das Wort »Fleisch« eher seinem eigenen Sprachgebrauch zuzurechnen ist, das Wort »Leib« oder »Leiblosigkeit« dem seiner Gegner. Die gängige Vermutung, vor Ignatius schon Doketismus in naiver oder offener Form oder eine Abwehr gegen Doketismus im Neuen Testament anzutreffen, hat sich damit als haltlos erwiesen und kann als widerlegt gelten. Was bleibt, ist die Frage, was der Anlass war, überhaupt die Wortkombination »Fleisch des Messias« so geballt und über sehr unterschiedliche theologische Ansätze hinweg immer wieder zu behandeln. Hängt das allein mit der soteriologischen Funktion des Fleisches Christi zusammen? Hätte man da nicht andere Sprachbilder wählen können? - Mit dem folgenden Versuch soll zugleich auf eine grundlegende Gemeinsamkeit zwischen den Vorstellungen der Inkarnation und des Doketismus hingewiesen werden, die dann später dafür sorgte, dass Vertreter beider Vorstellungszusammenhänge in einen erbitterten Streit miteinander gerieten. 12.1 Problemanzeige Messiaserwartung 1462 »Messianische Gestalten, die den Namen ›Messias‹ tragen, begegnen erst um die Zeitenwende.« 1463 1462 Lit.: S CHRÖTER , Jesus, 188-212 (Anbruch der Gottesherrschaft); ebd., 243-265 (Repräsentant Gottes oder Israels); K ARRER , Jesus Christus, 132ff; B ERGER , Theologiegeschichte, 57ff; ders., Messiastraditionen; ders., Hintergrund; F RANKEMÖLLE , Messiaserwartung; M ARTÍNEZ , Erwartungen; H AA - CKER , Messias, O EGEMA , Der Gesalbte; DE J ONGE , Christologie; D UNN , Christology; E RLEMANN , Christus; B OUSSET , Religion; C HARLESWORTH , Messiah. 1463 T HEI ß EN / M ERZ , Jesus, 464. 422 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Noch Flavius Josephus spricht nicht von Messiassen, sondern von falschen Propheten. Bezeichnenderweise ist Jesus der Einzige, den er als »Christus« bezeichnet, falls die Stelle von ihm stammt. 1464 Insgesamt sagen »die uns vorliegenden literarischen Quellen sehr wenig über die Erwartung eines eschatologischen Königs. Es wird aber auch erstaunlich selten auf einen zukünftigen ›Gesalbten‹ Bezug genommen. Und trotzdem erhielt die Bezeichnung χριστός (...) im Gegensatz zu der Bezeichnung ›der Prophet‹ eine so große Bedeutung im Urchristentum, dass sie bereits in den paulinischen Briefen praktisch synonym mit dem Namen Jesus gebraucht wird.« 1465 Dieser Befund wirkt deshalb überraschend, weil wir es gewohnt sind, Jesus als den langerwarteten Messias Israels zu sehen, und weil unsere Sicht durch Beschreibungen geprägt ist, 1466 die von einer messianischen Erwartung zur Zeit Jesu ausgehen, die sich auf all die Schriftstellen berufen, die neutestamentlich als Weissagungen auf den Christus Jesus hin ausgelegt wurden. Doch schon B OUSSET stellte fest: »Die Gestalt des Messias gehört nicht zum eisernen Bestand der eschatologischen Hoffnungen Israels und des Judentums. In so manchen, ja den meisten Zukunftsschilderungen der älteren Zeit wird der Messias überhaupt nicht erwähnt oder bleibt seine Gestalt im Hintergrunde stehen. (...) Wenn nicht noch andere Quellen neben denen der jüdischen Apokalyptik vorlägen, namentlich die neutestamentlichen Schriften, könnte man fast zu der Anschauung kommen, als hätte im späthellenistischen Judentum die Gestalt des Messias kaum noch existiert.« 1467 Der Begriff des »Gesalbten« im Alten Testament und im Frühjudentum wird zudem ausgesprochen vielfältig verwendet. 1468 Während im AT einerseits die Könige Israels gesalbt werden auch der Perserkönig Kyros kann »Gesalbter« genannt werden -, gelten doch auch die Priester und teilweise die Propheten als »gesalbt«, wobei die Salbung des Königs insgesamt mehr Gewicht zu haben scheint. Deutlich wird dies z.B. in den bei Qumran gefundenen Texten. 1469 Sonst ist nur in PsSal 17 von einem nationalen Befreier-König die Rede, der »Messias« genannt wird. Man kann also sagen, dass nicht nur »die Erwartungen des Frühjudentums an ein endzeitliches Handeln Gottes« vielfältig waren, sondern auch dementsprechend »verschiedene Vorstellungen vom Gesalbten Gottes« begegnen. 1470 In den Henochschriften bekommt der Begriff »Messias« einen weiteren Bezug, wenn der gerechte Henoch als »Messias« bezeichnet wird (erstmalig 1Hen 48,10; 52,1). 1471 »Gesalbt« wird in der pagan-griechischen Antike sonst das Götterbild. Die duftende Salbung gibt den Gläubigen einen Eindruck von der Aura der Gottheit, die an 1464 Testamentum Flavianum (Flav.Jos.Ant. 18,3,3). Die Chancen, dass die Stelle von Flavius stammt, steigen, wenn »Christus« keine für Flavius kritische Größe ist. 1465 DE J ONGE , Christologie, 156. 1466 Vergleiche z.B. H ORSLEY / H ANSON Bandits, Prophets and Messiahs.. 1467 B OUSSET , Religion, 222. 1468 Vgl. insgesamt K ARRER , Der Gesalbte. O EGEMA , Der Gesalbte, 305, hält gar fest: Von »einer messianischen ›Idee‹ im Judentum kann nicht die Rede sein, noch von einem ideengeschichtlichen Verlauf der messianischen Erwartungen.« Vgl. insgesamt auch N EUSNER , Judaisms; C HARLESWORTH , Jewish Messianology. 1469 DE J ONGE , Christologie, 156. 1470 S CHRÖTER , Jesus, 256. 1471 Weitere Belege bei DE J ONGE , a.a.O. 12.1 Problemanzeige Messiaserwartung 423 oder in dem Bild wohnt. 1472 Im Judentum gibt es kein Götterbild. Hier werden Menschen gesalbt. Damit drückt sich ihre absolute und unübertreffliche Nähe zu Gott aus (vgl. Ps 89,20-30). Wenn »der Gesalbte« erwartet wird, dann ist das eine Gestalt, an der man die Nähe Gottes sehen oder spüren kann. Prinzipiell sind daher die Personengruppen König, Priester und Prophet klassische Hoffnungsträger, deren Salbung man sich nur wünschen kann. »Der Messias« muss dann eine Gestalt sein, an der man nicht nur das wiedererkennt, was man schon bei anderen Gesalbten gesehen hat, sondern der sie deutlich übertrifft. Solange unklar ist, welcher Art »der Messias« sein soll, kann offenbleiben, ob er Priester oder König ist, wie dies durch die Doppelung der Messiasse in qumranischen Schriften und den Patriarchentestamenten deutlich wird. 12.2 Problemanzeige Inkarnation eines Himmelswesens Im englischsprachigen Bereich der Forschung war J AMES D.G. D UNN mit seinem Buch »Christology in the Making« bahnbrechend für die Frage nach der entscheidenden Neuerung, die das Christentum theologisch gebracht hat. 1473 D UNN sah das frühe Christentum als eine intensive Periode von Innovation und Entwicklung im Bereich dessen, was wir heute »Christologie« nennen. Er geht von der lapidaren Feststellung aus, dass es vor Jesus keinerlei Christologie gegeben hat, höchstens sehr unterschiedliche, kaum miteinander verbundene »messianische« Erwartungen. 1474 M ARTIN H ENGEL hatte zuvor im deutschsprachigen Raum darauf verwiesen, dass die sogenannte »hohe Christologie« keine Erfindung einer möglicherweise fehlgeleiteten späteren Entwicklung im Christentum gewesen sein kann, sondern in anerkannten Traditions-Texten wie Phil 2,6-11 schon vorpaulinisch vorliegt: 1475 »Die Diskrepanz zwischen dem schändlichen Tod eines jüdischen Staatsverbrechers und jenem Bekenntnis, das diesen Exekutierten als präexistente göttliche Gestalt schildert, die Mensch wird und sich bis zum Sklaventod erniedrigt, diese soweit ich 1472 K ARRER , Jesus Christus, 141: »Vielerorts salbte man bis zur Spätantike die Statuen, die für die Götter standen (und oft einfach Gott hießen). Deren Segensausstrahlung spürten die Kultteilnehmer im herab triefenden Öl.« 1473 D UNN wehrte sich mit seinem Buch gegen die vorher veröffentlichten Thesen von J OHN H ICK (The Myth of God Incarnate), der ein Stück deutsche Entmythologisierung in Amerika betrieb. Mit D UNN und den Veröffentlichungen von L ARRY W. H URTADO setzte eine neue Frage nach der Inkarnation ein, die zu vielfältigen Publikationen und Kongressen über die Rolle von Mittlergestalten führte. Einen kurzen Überblick bietet der 2002 erschienene Band von D AVIS u.a. (Hg.), The Incarnation. An Interdisciplinary Symposium on the Incarnation of the Son of God, Oxford 2 2009. Vgl. auch den Band von D AVILA (u.a.) über die Ergebnisse der St.Andrew-Conference über himmlische Mittlerwesen von 1998. 1474 D UNN , Christology, 253: »we have found nothing in pre-Christian Judaism or the wider religious thought of the Hellenistic world which provides sufficient explanation of the origin of the doctrine of the incarnation, no way of speaking about God, the gods, or intermediary beings which so far as we can tell would have given birth to this doctrine apart from Christianity.« Mit der letzten Bemerkung hat D UNN zweifelsfrei recht, denn der entscheidende »Knackpunkt« für die Entstehung der Christologie hat etwas mit den Erfahrungen Jesu und seiner Anhänger zu tun (s.u.). Strittig sind aber die anderen von ihm aufgestellten Behauptungen, wie die Arbeiten von S EGAL , F OSSUM , G IESCHEN und anderen (s.u.) zeigen. - Auch die Vermutung, Jesus habe sich selbst nicht bewusst als inkarnierten Sohn Gottes gesehen (ebd. 254), ist zu hinterfragen, wie auch seine Verortung der Entwicklung der Christologie kurz vor Ende des ersten Jahrhunderts bei den dahin datierten johanneischen Schriften und dem Hebräerbrief. 1475 Ob Phil 2,6-11 wirklich vorpaulinisch ist, ist umstritten. Vgl. B RUCKER , Christushymnen. 424 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 12.2 Problemanzeige Inkarnation eines Himmelswesens 425 sehe, auch für die antike Welt analogielose - Diskrepanz beleuchtet das Rätsel der Entstehung der urkirchlichen Christologie.« 1476 Christologie ist damit kein Unfall oder Abweg des frühchristlichen Glaubens an Jesus, sondern steht originär am Anfang. 1477 Mit D UNN ist dann allerdings zu fragen, woher und wie die christologischen Entwürfe des frühen Christentums zustande kamen. P ANNENBERG fordert zu Recht: »Die historische Rekonstruktion der Gestalt und der Verkündigung Jesu ist immer verpflichtet zu erklären, wie vom Geschick Jesu her die urchristliche Christusverkündigung entstehen konnte.« 1478 Ähnlich fragt L ARRY W. H URTADO : »How on earth did Jesus become a God? « 1479 H URTADO , D UNN 1480 und andere 1481 stellen in diesem Sinne die Frage, wie das frühe Christentum auf der Suche nach angemessenen Beschreibungen ihrer Jesus-Erfahrungen verschiedene Kategorien (früher sprach man von »Hoheitstiteln«) in Bezug auf Jesus ausprobierte und anwandte. 1482 Mit jeder 1476 H ENGEL , Sohn Gottes, 9. H ENGEL widerlegt die These, dass die christliche Rede vom »Sohn Gottes« sich einem pagan-synkretistischen Sprachgebrauch verdanke, denn das hieße, »dass dieser angebliche ›Sündenfall‹ der spekulativen ›Hellenisierung‹ der Christologie bereits in der Urgemeinde vor Paulus erfolgt sein müsste« (ebd., 19). Ebenso widerlegt er die These eines neuen ›hellenistischen« Christentums, das B ULTMANN »gewissermaßen als Sprecher der religionsgeschichtlichen Schule« als »im Grunde eine ganz neue Religion gegenüber dem palästinischen Urchristentum« (B ULTMANN , Glauben und Verstehen 1, Tübingen 1933, 253) profiliert hatte (ebd., 32). »Wenn B ULTMANN , seine Lehrer B OUSSET und H EITMÜLLER und seine Nachfolger, die diese These bis zur Ermüdung, ohne sie freilich zureichend an antiken Quellen zu verifizieren, wiederholten, recht hätten, dann müsste sich wenige Jahre nach dem Tode Jesu unter der geistigen Führung von Judenchristen wie Barnabas oder dem ehemaligen Schriftgelehrten und Pharisäer Paulus wirklich eine ›akute Hellenisierung‹, exakter eine synkretistische Paganisierung des Urchristentums ereignet haben, und zwar entweder in Palästina selbst oder aber im benachbarten Syrien« (ebd. 33f.). Den von der Religionsgeschichtlichen Schule postulierten »gnostischen Erlösermythos« kennzeichnet H ENGEL als »pseudowissenschaftliche Mythenbildung«: »Man sollte doch endlich aufhören, manichäische Texte des 3. Jahrhunderts (...) als Zeugnis angeblich vorchristlicher Gnosis auszugeben und ins 1. Jahrhundert vor Christus zurückzudatieren« (ebd. 53f). H ENGELS eigenes Postulat allerdings, dass »die Dogmenbildung in der Alten Kirche in der ihr notwendigerweise vorgegebenen griechischen Sprach- und Denkform (...) im Grunde nur konsequent weiterführte und vollendete, was sich im Urgeschehen der ersten beiden Jahrhunderte bereits entfaltet hatte« (ebd. S. 11), mag zwar grundsätzlich stimmen, blockiert aber, wenn sie als erkenntnisleitendes Prinzip gesetzt wird, schnell die Wahrnehmung der frühchristlichen Kategorien vor der einsetzenden dogmatischen Diskussion im eigentlichen Sinne. 1477 Ähnlich: H URTADO , Lord Jesus, 564f. Vgl. W ELKERS Darstellung, Gottes Offenbarung, 70ff. 1478 P ANNENBERG , Grundzüge, 17 (in Aufnahme eines Anstoßes von M. Kähler). 1479 H URTADO , How on Earth. Vgl. D EARMAN , Theophany, 45: »There is no line of thought which leads inevitably from the OT to the Christian docrine of the incarnation.« Und dennoch ist es ebenfalls unabweisbar, »that Jesus believed himself called to do and be things which, in the traditions to which he fell heir, only Israel’s God, YHWH, was to do and be« (Wright, Jesus’ Self-Understanding, 59). 1480 Während D UNN ausdrücklich nach der Entstehung der Inkarnationsvorstellung fragt und diese erst im späten 1. Jh. für entwickelt hält, interessiert sich H URTADO im Wesentlichen für die Entwicklung der frühchristlichen göttlichen Verehrung Jesu, die aber erstaunlicherweise zu den Anfängen des Christentums gehört habe. 1481 Z.B.: D UNN , Christology; B ERGER , Auferstehung; W RIGHT , Das Neue Testament; V OLLENWEI - DER , Metamorphose; H URTADO , One God. 1482 Vgl. auch H URTADO , Lord Jesus Christ; ders., Jesusverehrung 267ff: H URTADO argumentiert, schon Paulus habe sich im Wesentlichen zu eben dem hochchristlich beschriebenen Christus bekehrt, den er zuvor ablehnte. Wright, Jesus’ Self-Understanding, 55, weist darauf hin, dass man nicht nur nach idealisierten Mittlerfiguren schauen sollte, sondern nach dem, was jeweils von einer Figur erzählt wird. W RIGHT hält nicht ganz zu unrecht die Mittlerfiguren wie Weisheit, Wort usw. für überbewertet und geht von einer direkten Theophanie JHWHs in Christus (als Tempel) aus. 426 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? dieser Kategorien sind traditionelle Vorstellungsgehalte verbunden. Ihre Kombination und gegenseitige Verschränkung ist das, was innerhalb des frühen Christentums so maßgeblich innovativ wirkte. Besonders gilt dies für das, was wir heute »Inkarnation« nennen. In der frühjüdischen und alttestamentlichen Literatur gibt es kein Beispiel dafür, dass jemals eine »Inkarnation« erwartet worden wäre. Dementsprechend hat es auch nie eine Wortkombination »Fleisch des Messias« gegeben. Denn, wie wir sahen, hat das Fleisch des Messias immer soteriologisch etwas mit Heil und Zugang zu Gott zu tun. Vorchristlich ist niemand auf den Gedanken gekommen, für soteriologische Fragen das Menschsein einer Mittelperson als relevant zu erachten. Denn entweder war der Mittler sowieso menschlich, wie jeder irdische Gesalbte (König, Priester, Prophet) vor Jesus. Dann konnte dessen Menschlichkeit (Fleisch) auch keine Brücke zu Gott sein, dafür kam nur der Geist infrage. Auch musste man dann gar nicht über Inkarnation nachdenken. 1483 Oder die Mittelperson war nicht menschlich, wie z.B. die Figur des »Engels des Herrn«, wie andere Engel oder wie Henoch und Elia, deren Leiblichkeit unter den Bedingungen der Entrückung nur als vollständig verwandelt gedacht werden kann. Dann aber gab es kein Fleisch, über das man reden konnte. Trotzdem hat V OLLENWEIDER recht, wenn er feststellt, dass eine echte Engelchristologie wie sie sich meiner Meinung nach parallel zum Doketismus entwickelte, dabei dessen Entstehung begünstigend und unterfütternd zu neutestamentlicher Zeit nicht gegeben ist. Die Existenz »hoher Christologie« im Neuen Testament, anders gesagt: Das Auftreten eines himmlischen Gesandten oder Gottes-Sohnes als Mensch ist zu erklären. Die aufgeklärte Exegese vergangener Zeiten ging im Gegensatz zu hochchristologischen Formulierungen von Dogmatikern wie K ARL B ARTH weithin über diese Frage hinweg. Denn genau der Sachverhalt der Inkarnation Gottes in einem Menschen, der auch mit Epiphanien, Wunderzeichen, Transformationen, apokalyptischen, ekstatischen, enthusiastischen und angelophanen Phänomenen zu tun hat, ist dem Denken der Moderne unangenehm gewesen. Dies ist ein Gegenstand, den die Aufklärung an sich nicht dulden konnte, nämlich die Behauptung von über reine Rationalität weit hinausgehenden religiösen Erfahrungen bis hin zu den massiven Wundern im Wirkungsbereich Jesu. So können die Versuche der liberalen, später der existentialen, der sozialkritischen, der psychologischen Ansätze in der Exegese sowie zahlloser weiterer modern motivierter Ansätze letztlich nicht auf die Phänomene von Epiphanie und Inkarnation eingehen. Beide Phänomene gehören neutestamentlich 1483 Grundsätzlich richtig M ÜLLER , Menschwerdung, 14: »Allein im Rahmen der Präexistenzchristologie konnte das Problem wirklich auftauchen.« Einschränkung: Das Problem liegt nicht in der Präexistenz, sondern darin, dass ein Wesen des Himmels von himmlischer, resp. engelhafter Art Artgenosse der Menschen wird. Dieses Problem ist vorher nicht aufgetaucht, weil bisher niemand die himmlischen Erlöser- und Mittlergestalten wie Weisheit, Wort, Engel des Herrn, Name, Menschensohn usw. mit der Erwartung irdischer Propheten oder Messiasse identifiziert hatte. 12.3 Christologische Kategorien und Inkarnation 427 zusammen: Inkarnation bedeutet, dass an diesem Menschen (Jesus) epiphan Gottes Wirklichkeit erlebt werden kann. Epiphanien stellen in jedem Fall ein Überschreiten der an naturwissenschaftlichen, kausalen Zusammenhängen orientierten technischen Rationalität des Menschen dar. Inkarnation fällt damit aus dem Raster des wissenschaftlich und philosophisch Sprachfähigen. Das allerdings ist zunächst »unser« Problem; die Texte sprechen ja genau davon, dass Gott Mensch geworden ist, dass der, der in göttlicher Gestalt war, sich als Mensch den Menschen zeigte. Der Ansatz D UNNS , die Innovation der Christologie inklusive Inkarnation bis zum Selbstverständnis Jesu zurückzuführen, andererseits eine prägende Entwicklung bis zum Ende der zweiten Generation nach Jesus anzunehmen, 1484 ist grundsätzlich plausibel. Denn die alte B ULTMANN ’sche These, dass Christologie erst nach Ostern beginnt, ist in der Tat nicht mehr einleuchtend. H ENGEL und H UR - TADO betonen zurecht, dass entscheidende Weichenstellungen schon früh, vorpaulinisch, gestellt worden sein müssen. Da insbesondere das Kreuz Christi und sein schimpflicher Tod für römischgriechische Ohren nur »Skandalon« und »Stein des Anstoßes« gewesen sein können, war in pagan-hellenistischem Denkraum keine Entwicklungsmöglichkeit gegeben, sich Derartiges auszudenken. 1485 Auch P ANNENBERG konstatiert: »Der Rückgang hinter die Texte des Neuen Testaments auf Jesus selbst ist (...) unumgänglich. Nur auf diese Weise nämlich wird die Einheit, die die neutestamentlichen Zeugnisse verbindet, sichtbar.« 1486 Umgekehrt gesagt: Nur wenn schon in den Anfängen entscheidende Impulse, Themen und Motive gesetzt sind, ist deren weit verstreutes Auftreten in ganz unterschiedlichen, nicht aufeinander Bezug nehmenden frühen Schriften erklärbar. So ist zu beobachten, dass auch, wenn man von den johanneischen Schriften absieht, die Rede vom »Fleisch des Messias« breiten Raum in den unterschiedlichsten frühchristlichen Schriften einnimmt. Damit ist, auch wenn das »Fleisch des Messias« in der Regel in soteriologischen Zusammenhängen begegnet, das Thema »Menschwerdung« angesprochen. Es gehört geradezu zum Grundbestandteil christlichen Glaubens. 12.3 Christologische Kategorien und Inkarnation Die Vielfalt der unterschiedlichen Bezeichnungen Jesu ist »Dokument einer intensiven theologischen Deutungsarbeit und Auseinandersetzung mit dem 1484 D UNN , Christology, 252ff. E RLEMANN , Jesus, 35, fragt: »Wusste Jesus, wer er war? «: Auch wenn Jesus an ihn herangetragene Rollenerwartungen stillschweigend akzeptiert haben sollte, hätte er sie sich so zueigen gemacht. 1485 Vgl. H ENGEL , Sohn Gottes, besonders 66ff. 1486 P ANNENBERG , Grundzüge, 18. 428 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Phänomen Jesus.« 1487 Mit Hilfe unterschiedlicher Benennungen, 1488 denen häufig frühjüdische Mittlervorstellungen entsprechen, 1489 wie »Sohn Gottes«, »Menschensohn«, »letzter Adam«, 1490 »Geist«, 1491 »Engel«, »Weisheit Gottes«, »Wort Gottes«, »Herr«, »Christus« 1492 usw. werden traditionell bekannte Mittler-Kategorien auf Jesus angewandt. 1493 Die Anwendung traditioneller Vorstellungen ist die einzige Möglichkeit, jeweils Neues zu erfassen. Neuartige Kombinationen führen zur Innovation von Vorstellungen. Für die Fragestellung nach der Inkarnation sind folgende Beobachtungen von Bedeutung: - »Sohn Gottes« ist eine im Frühjudentum mögliche Benennung eines Charismatikers, die in gewisser Spannung zu den Engeln steht, die auch »Söhne Gottes« (aber nie im Singular) heißen. Beispielsweise kann Henoch »Sohn Gottes« genannt werden. - »Herr« als Hoheitsaussage ist im vorchristlichen Judentum die Bezeichnung Gottes bzw. des heiligen Gottesnamens. Wenn Jesus »Herr« genannt wird, dann ist damit im Blick, dass er wie Henoch in den Henochschriften mit dem Namen Gottes belegt wird. - »Menschensohn«, soweit nicht lapidar »ein Mensch« gemeint ist, repräsentiert im Gefolge von Dan 7 ein Hoheitswesen des Himmels, das Gott darstellt. Dieses verbindet sich verschiedentlich mit der Gestalt Henochs, kann mit dem Namen Gottes 1487 B ERGER , Theologiegeschichte, 61. Nach B ERGER sind die jeweiligen »Titel« Steuerungselemente der Theologie. In den Evangelien sind sie wie folgt zugeordnet (Berger, a.a.O.): Der Charismatiker Jesus wird als »Sohn Gottes« und »Logos« bezeichnet. In seiner Funktion als Gesandter wird er »Apostel«, »Prophet«, »Lehrer« genannt. Als Repräsentant Gottes heißt er »Herr«, »Menschensohn«, »Logos« usw., als Befreier: »Messias«, »Sohn Davids«, »Retter«, »Hirte« usw. und als der Gerechte schlechthin wird er »Gerechter«, »getreuer Zeuge«, »Heiliger Gottes«, »Lamm« und »Hoherpriester« genannt. 1488 Vgl. die großen Untersuchungen von D UNN , Christology; K ARRER , Jesus; B ERGER , Theologiegeschichte; H URTADO , One God, 41-128, H AHN , Hoheitstitel. Ein kurzer Überblick bei S CHRÖ - TER , Jesus, 243-266. 1489 Vgl. z.B. H URTADO , One God, 17-39. Ausführliche Überblicke hat auch B OUSSET , Religion, 319-331. 1490 1 Kor 15,45. Vgl. das Motiv des »himmlischen Adams« (s.u. S. 439 und s.o. S. 234ff). 1491 H ARNACK und L IETZMANN (s.o. S. 28) hatten von einer »Pneuma-« oder »Geist-Christologie« gesprochen, um auszudrücken, dass in verschiedenen frühchristlichen Texten ein himmlisches Element (Geist) in Jesus Raum nimmt und als gegenwärtig erlebt wird. Der Begriff der Pneuma-Christologie stammt aus dem 4./ 5. Jahrhundert (s. W EIGANDT , Doketismus, 13) und ist von daher dogmatisch festgelegt. Dennoch ist das gemeinte Phänomen zu beobachten, aber in der Forschung kaum mit der Frage nach Engel-Christologie verbunden worden, obwohl die Nähe von Engeln (als Geistern Gottes) und Geist auf der Hand liegt. Es könnte also sein, dass die hier dargestellten Versuche Lösungen gerade auch für die Frage einer frühen »Geist-Christologie« bieten. - Vgl. dazu die Bemerkungen zum Stichwort »Geistchristologie« bei P ANNENBERG (Grundzüge, 114ff) und W ELKER (Offenbarung). 1492 K ARRER , Jesus, 137: »In Jesus sammelt sich der ideale Gottesbezug, den Israel dem Begriff des Gesalbten beilegt.« 1493 Die International Conference on the Historical Origins of the Worship of Jesus der St.Andrews-University 1998 (veröffentlicht von D AVILA u.a., Roots, 1999; weitere Texte und Kommentare im Internet im November 2012 noch einsehbar unter http: / / www.st-andrews.ac.uk/ divinity/ rt/ otp/ dmf/ ) zeigte mit einer Vielzahl von Beiträgen, dass die Kategorie des »Mittlers« (»mediator«) von zentraler Bedeutung ist für die Erfassung der frühchristlichen Versuche, Jesus zu deuten. 12.3 Christologische Kategorien und Inkarnation 429 belegt werden, Messias und Logos genannt werden. 1494 Eine gewisse Nähe zum »himmlischen Menschen« (himmlischer Adam) sowie zu menschenähnlichen, himmlischen Repräsentanzen Gottes ist grundsätzlich gegeben. 1495 - »Wort« kann einerseits den »Namen« Gottes meinen (F OSSUM ), andererseits steht mit der Logostheologie Philos eine Mittlerebene zur Verfügung, in der Gott einen wesentlichen Teil von sich selbst als Logos ausdifferenziert. Dabei ist der Logos als Repräsentation Gottes der Welt gegenüber zu denken. 1496 In einer breit angelegten Studie über Berichte früher Rabbinen über das Christentum und den Gnostizismus ging A LAN F. S EGAL 1976 1497 den rabbinischen Angaben über »häretische« Gruppen nach, die von einer göttlichen Pluralität im Himmel ausgingen. Philo, der den Logos als einen »zweiten Gott« bezeichnen kann, 1498 kommt dabei ebenso in den Blick, wie die Menschensohntradition bei Daniel und den Henochschriften. S EGAL kommt zu dem Schluss, die Entwicklung des Gnostizismus als Ergebnis einer scharfen Auseinandersetzung zwischen Rabbinen, Christen und anderen »two-powers-sectarians« anzusehen, die am Rande des Judentums zu finden waren. 1499 Kennzeichen dieser Gruppen sei die Auffassung gewesen, dass eine zweite Macht im Himmel Göttlichkeit und Thron mit Gott teile. Diese Macht kann z.B. »der Engel des Rates«, »des Herrn«, Metatron, Logos, Weisheit usw. sein. 1500 »The battle was recorded as a debate over the meaning of several scriptural passages, among which were all the angelic or theophany texts of the Old Testament, followed closely by the plurals used by or about God in scripture.« 1501 1494 Lit.: B ERGER , Theologiegeschichte, 664-674; S ASSE , Menschensohn; C OLPE , Begriff; M ICHEL , Menschensohn; T HEISOHN , Richter; K ARRER , Jesus, 287ff; C OLLINS , Son of Man; H URTADO , Son of Man. B ERGER , Auferstehung, 149, differenziert: »Für die Menschensohnchristologie ist nicht mit einer geradlinigen Entwicklung zu rechnen, sondern mit mindestens drei Ansätzen: a) Jesus wird mit dem kommenden Menschensohn identifiziert, weil der Verkündiger Richter sein wird, b) Dan 7 wird als Abfolge von Niedrigkeit und Erhöhung des Menschensohnes gelesen, c) Dan 7,13 LXX gab Anlass zur Bildung der Worte über das Gekommensein des Menschensohnes auf die Erde, weil man das ›er kam‹ (...) als Kommen zum Visionär, bzw. auf die Erde auffassen konnte«. B ERGER , Anfang, 157ff, leitet die Menschensohn-Darstellung des Johannesevangeliums dagegen (zusätzlich) von Ezechiel ab. 1495 S.u. S. 439ff. 1496 Bei Philo nimmt der Logos eine wesentliche Mittler-Rolle ein, die man auch als Rolle eines himmlischen Hohenpriesters deuten kann (B ARKER , Gate, 115ff). Philo, QG II,62: Logos als »zweiter Gott«; somn. I,215: Zwei Heiligtümer: Im himmlischen Heiligtum ist der Logos, im irdischen ein echter Mensch Hoherpriester. her 205f: Der Logos als Erzengel steht zwischen dem unsterblichen Gott und den sterblichen Menschen. 1497 S EGAL , Two Powers inHeaven. 1498 Quaest. in Gen 2,62: »Kein Sterblicher kann den Höchsten, den Vater aller Dinge, darstellen, sondern nur den zweiten Gott, der dessen Wort ist«. 1499 D UNN und H URTADO versuchen, an mehreren Stellen S EGAL zu widerlegen. Ihrer Meinung nach sind die von S EGAL untersuchten Größen nie wirklich eigenständige Figuren neben Gott, was sich aber nach Segal in einigen Fällen begrenzt nahelegt. Eine weiträumige Debatte über die Rolle von »mediators« im Frühjudentum schloss sich daran an. 1500 Vgl. damit die Konzeption des »Engels des Angesichts« (Jes 63,9) bzw. »der Gegenwart«, die sowohl mit dem »Engel des Herrn« als auch mit dem »Menschensohn« verwandt sind. Stellen z.B.: Jub 1,27ff; 2,1ff; TestLev 3,7; 18,5; 1Hen 40,2; TestJud 25,2; 2Bar 67,2; 1QS 4,25.26; 1QHa 14,16; 4Q 216,5,5; Lk 1,19; Offb 14,10; Targum zu Ps 68,18 und Ps 96,1. Dabei ist die Vorstellung der Gegenwartsengel durchaus uneinheitlich. Einerseits sind es Engel, die Zugang zu Gottes Thron haben, andererseits seine Gegenwart nach außen repräsentieren. Lit.: B ARKER , Angel, 85f; dies., The Great High Priest, 110f; O RLOV , The Enoch-Metaton Tradition, Tübingen 2005 (TSAJ 107), 126. 1501 S EGAL , Powers, 265. 430 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? J ARL E. F OSSUM präzisiert in seiner Untersuchung zu samaritanischen und jüdischen Texten: »Whereas God’s agent formerly was not clearly distinguishable from God himself and had existence only as long as the situation for which he was required lasted, he acquired a distinct personality and permanent existence through a personal name. The rabbis opposed this development because it impinged upon the mono-theistic doctrine«. 1502 Der besondere Schritt, mit D UNN gesprochen: die besondere »Innovation« ist es demnach, dass ältere Konzepte von Boten Gottes, seien es sein(e) Engel, sein »Name«, seine »Weisheit«, sein »Wort« oder seine »Herrlichkeit« nicht mehr als aktuelle epiphane Erscheinungsweisen Gottes gelten, sondern (gegen D UNN ) als mit eigener Personalität versehene Wesen angesehen werden. Fraglich ist, ob dieser Schritt erst parallel zur Entstehung des Christentums geschah, wie meist vermutet wird oder ob er schon vorgegeben oder vorbereitet war. Allerdings bleibt so offen, wie es zu diesem entscheidenden Schritt kommen konnte. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? Wichtig sind zunächst die vorchristlichen Vorstellungen davon, dass Gott sich epiphan durch ein Mittelwesen zeigen kann. Die eben genannten christologischen Kategorien gehören in diesen Bereich. Sie sind nicht erst für die Gestalt Jesu entwickelt worden, sondern stellen schon vorhandene Erwartungen bzw. mystische Erfahrungen und mythische Erinnerungen innerhalb des frühen Judentums dar. Allerdings sind diese Erwartungen zunächst nicht in der dann christologisch auf Jesus von Nazareth bezogenen Weise miteinander verknüpft gewesen. 1. Es ist also zum einen zu fragen, wie Jesus in die Rolle des Gottessohnes, des Menschensohnes, des Messias usw. hineinkommen konnte. Wie war dieses als Geschehen denkbar? 2. Zum anderen ist zu fragen, an welche irdisch erfahrbaren Voraussetzungen angeknüpft werden konnte, wenn man Jesus derartig als Gottes Boten auf Erden verstand. 3. Schließlich ist die Frage nach dem verwendeten Bildmaterial zu stellen, dass sich einerseits auf kultische Zusammenhänge (Tempel) und zum anderen auf himmlische Erfahrungen (Ascensionen, Visionen) stützt. Ad 1.: Die Frage nach dem direkten Zugang zu Gott, d.h. zu Gottes himmlischen Thron, lässt sich prinzipiell auf folgende Weisen bewältigen. a) Einmal ist es möglich, dass eine Ascensionserfahrung Jesu vorliegt. Jesus wäre ein »Himmelsreisender« gewesen, wie dies in der frühjüdischen und frühchristlichen Mystik von verschiedenen Personen berichtet wird. Im Rahmen einer Ascensionserfahrung Jesu ließe sich auch eine Installation zum (künftigen oder gegenwärtigen) Menschensohn unterbringen (s.u. S. 433). 1502 F OSSUM , J.E., The Name of God and the Angel of the Lord. Samaritan and Jewish Concepts of Intermediation and the Origin of Gnosticism, Tübingen 1985 (WUNT 36), 337. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 431 b) Zum anderen kann man den Aspekt der Geistbegabung (Chrisma - Geistsalbung) in den Vordergrund stellen und beispielsweise eine Geistbegabung anlässlich der Taufe durch Johannes für ausschlaggebend halten (s.u. S. 434). c) Ergänzend kann man diese jeweilige mystische Erfahrung als Spiegelung kultischer Praxis im Tempel sehen, wo der (Hohe-)Priester Zugang zum Allerheiligsten hat und als Mittler zwischen Gott und Mensch agiert. d) Schließlich ist darauf zu achten, dass alle drei genannten Ansätze sich gegenseitig interpretieren und ergänzen können. In jedem Fall handelt es sich um ein mystisches Erlebnis, das möglicherweise auch nur schillernd und changierend zu beschreiben ist. Es ist ja auch bei Paulus in 2 Kor 12 so, dass er sich nicht sicher ist, welcher Art sein Himmelserlebnis ist: War es »nur« eine Vision oder war es eine wirkliche, leibhaftige Versetzung in den Himmel? e) Außerdem ist festzuhalten, dass es einerseits möglich ist, dass Jesus selbst derartige Erfahrungen gemacht hat und somit als Ursprung der Hohen Christologie selbst zu nennen ist. Angesichts der von Anfang an in großer Vielfalt und in unterschiedlichsten Texten entfalteten Hohen Christologie hat diese Vorstellung vieles für sich. Andererseits ist es aber ebenso gut vorstellbar, dass derartige Erfahrungen dem Jesus von Nazareth aufgrund seines charismatischen Auftretens nur von anderen Charismatikern und von seinen Anhängern zugeschrieben worden sind und sein Auftreten in entsprechender Weise gedeutet wurde. ad 2. Voraussetzung dafür, dass Jesus überhaupt »Kandidat« für derartige Zuschreibungen wurde, ist seine offensichtlich enorme Wirkung auf seine Jünger und andere Zeitgenossen. Diese Wirkung ist mit dem Wort »charismatisch« nur vorsichtig angedeutet. Jesu Wundertätigkeit und seine heilende Wirkung gehören in diesen Bereich. Vor allem aber ist zu beachten, dass Jesus verschiedentlich als »Gerechter« 1503 beschrieben wird. 1504 Damit ist nicht einfach eine moralische Bewertung gemeint, sondern vor allem hat der »Gerechte« direkten Zugang zu Gott. Jesus hat offensichtlich auf viele wie ein Gerechter gewirkt um dessentwillen die Erde geschaffen ist 1505 oder der aufgrund seiner Gerechtigkeit Zugang zum Himmel hat (s.u. S. 438). 1506 1503 Schon im Frühjudentum heißt der Messias »gerecht«, »weil sein ganzes Wesen und Tun genau der Norm des Gotteswillens entspricht« (G. S CHRENK , Art. δίκαιος, in: ThWNT 2, 188. Dort S CHRENK führt ebd., 188-191 eine Reihe von Belegen an, dass messianische Vorstellungen mit dem Gerechtsein des Gesalbten einhergingen: So ist z.B. anhand von 1Hen 38,2 und 53,6 zu belegen, dass »es ein durchgehender Grundgedanke des Buches [ist], dass Gerechtigkeit das Kennzeichen der messianischen Zeit sei« (ebd.). 1504 Mt 27,19; Joh 5,30; 8,16; Apg 3,14; Apg 22,14; Röm 3,25f; 1 Petr 3,18; 1 Joh 1,9; 2,1; 3,7; Hebr 1,8f; Jak 5,6. 1505 Vgl. grundsätzlich G OLDBERG , Der Gerechte ist der Grund der Welt, Judaica 33 (1977), 147-160, sowie V ANDERKAM , The Righteous One. Messiah. 1506 »Gerechtigkeit« ist nicht als etwas Statisches, sondern als eine Verhältnisbeschreibung zwischen zwei oder mehr personalen Größen zu verstehen vgl. B ERGER , ThG, 84f: Gerechtigkeit ermöglicht, die Schwelle zur Zugehörigkeit zum anderen zu überschreiten. Die Vorstellung, dass Gerechtigkeit Erde und Himmel bzw. Mensch und Gott verbindet, ist z.B. an folgenden Stellen zu sehen: 1 Kön 8,32; 2 Chr 6,23; Ps 71,19; Dan 12,3; Mt 5,10.20; Lk 15,7; 2 Petr 3,13; Hebr 12,23. 432 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? ad 3. Der Zugang zum Himmel bzw. zu Gott ist traditionell kultisch durch die Tätigkeiten der Priester im Tempel gegeben. Alternativ oder ergänzend kommen die oben genannten visionären und inspiratorischen Weisen des Zugangs zu Gott hinzu. Auch bei visionären Zugängen ist der Tempelkult häufig Bildgeber für die Vorstellung, wie ein Zugang zu Gott »funktioniert«: Das himmlische und das irdische Heiligtum entsprechen einander. Das gilt auch für die handelnden Personen (Priester - Engel - Menschensohn), die einander ebenso entsprechen wie der Tempelvorhang die Trennung bzw. Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen sichtbar und unsichtbar symbolisiert. Interessanterweise öffnet gerade der Tempelvorhang gemeinsam mit den Gewändern des Hohenpriesters einen Weg, das »Fleisch des Messias« besser zu verstehen. Alle drei genannten Zusammenhänge ermöglichen es, einen irdischen Menschen mit dem Menschensohn, dem himmlischen Adam oder anderen Mittlergrößen des Himmels (Logos, Sophia, Engel) zu identifizieren, bzw. ihn »als« himmlische Figur im irdischen Bereich auftreten zu lassen. Insbesondere die funktionale Beschreibung von Mittel- oder Mittler-Größen als »Fürbitter« zeigt auf, wie sehr man sich im Bereich der Isangelie befindet, wenn Menschen als Fürbitter für andere auftreten. Denn sowohl Engel 1507 als auch Priester, Gerechte, Märtyrer, Propheten oder Entrückte 1508 und schließlich hypostasierte Eigenschaften Gottes (z.B. Weisheit, Wort) treten biblisch und frühjüdisch als Fürbitter für andere auf. Andererseits ist das besondere Gottesverhältnis der »Patriarchen« und des Mose so außergewöhnlich, dass ihre fürbittende Gottesbegegnung frühjüdisch oftmals so gedacht werden konnte, dass sie selbst zumindest im Akt der Fürbitte oder Gottesbegegnung himmlisch transformiert wurden. Der Fall des Henoch zeigt, wie ein »Gerechter« in den Status des »Menschensohns« einrücken konnte. Mit Blick auf die Patriarchen, Mose und andere zeigt sich, dass dies zwar außergewöhnlich ist, aber nicht ganz ohne Parallele. 1507 Vgl. J OHANSSON , Parakletoi, 22-62 sowie S CHÄFER , Rivalität. 1508 Vgl. dazu insgesamt die ausführliche und materialreiche Studie von J OHANSSON (Parakletoi, Lund 1940). 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 433 12.4.1 Ascensionserfahrungen Einen Vorschlag 1509 für das Johannesevangelium hat J. A. B ÜHNER 1510 gemacht. 1511 Er nimmt eine visionäre Himmelsreise Jesu an, innerhalb derer Jesus zum Menschensohn-Messias deklariert und mit dem Namen Gottes (Kyrios), 1512 das heißt mit höchster göttlicher Vollmacht und Identität ausgerüstet worden sei. Dieser Vorschlag, im Blick auf das Johannesevangelium gemacht, leuchtet einerseits ein, da er eine Vorstellung davon gibt, wie Jesus selbst in die von ihm in den Evangelien häufig beanspruchte gegenwärtige oder künftige Rolle des Menschensohns 1513 geraten konnte und wieso die Bezeichnung »Herr« für ihn durch alle Schriften des frühen Christentums hinweg üblich werden konnte. B ÜHNER zeigt so, was nach den von uns heute ermittelten frühjüdischen Denkbedingungen damals vorstellbar war. Andererseits kann nicht letztgültig beweisen werden, ob diese Hypothese eine initiale Erfahrung Jesu korrekt beschreibt. 1514 1509 Vgl. den Vorschlag von M ARGARET B ARKER (The Great Angel: Israels Second God), die von einer kritisch von ihr erschlossenen vordeuteronomistischen Religion Israels ausgeht. JHWH/ der Engel JHWHs seien vordeuteronomistisch göttliche Figuren, die im Gegensatz zu El Elyon für den Kontakt zu Israel zuständig seien, während El als Weltschöpfer eine übergeordnete Rolle spielte. In späteren Texten sei diese Rolle auf den »Engel des Großen Rates«, den »Menschensohn«, den »Logos« und Metatron (3Hen) übergegangen. Jesus sei mit dem Logos bzw. dem Menschensohn identifiziert worden. Barker zieht Parallelen bis in die Gnosis und die mittelalterlichen mystischen Schriften des Judentums. B ARKERS Theorie steht in Spannung zu den Ergebnissen von D UNN , S EGAL , F OSSUM und anderen. Sie hat den Nachteil, dass sie mehr miteinander verknüpft als nötig. Allerdings hat sie darin recht, dass Verknüpfungen verschiedener messianischer Vorstellungen (gegen Dunn) schon vor dem Auftritt Jesu jedenfalls angebahnt gewesen sein müssen. 1510 B ÜHNER , Der Gesandte. Bühner zeigt, dass beim johanneischen Jesus die Kategorien des Propheten und des Engels kombiniert werden. Die Tradition eines vom Himmel herabgekommenen Menschensohnes sei auf Jesus übertragen worden, der als prophetischer Visionär himmlischen Aufstieg und Transformationserfahrungen erlebt hat. 1511 B ERGER zeigte schon vorher, dass Verbindungslinien zwischen alter Märtyrerliteratur und der Einordnung des Geschicks Jesu einerseits und anderseits antiken Visionserfahrungen und -berichten und den Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen existieren: Berger, Auferstehung (1975). 1512 Vgl. dazu insgesamt F OSSUM , Name. V OLLENWEIDER , Metamorphose, 118, fasst für Phil 2 wie folgt zusammen: »Die Übereignung des Gottesnamens an den erhöhten Jesus und seine Inthronisation zur Rechten Gottes hat auffällige Analogien in angelologischen Texten des antiken Judentums, zumal im Bereich der jüdischen Mystik. Wenn diese traditionsgeschichtliche Situierung (...) richtig ist, dann führt sie auf das älteste Judenchristentum zurück, das Jesu Hoheitsstellung primär im Horizont der himmlischen und eschatologischen Königsherrschaft Gottes reflektiert hat.« Vgl. unten 3.6.1 zu Joh 3,23 (S. 127f mit Fußnoten). 1513 S CHRÖTER , Jesus, 248: »Bereits in der ältesten Jesusüberlieferung wurde der Ausdruck (...) als zentrale Selbstbezeichnung Jesu verstanden.« Weiter (ebd. 264f): »Die Bezeichnungen ›Menschensohn‹ und ›Christus‹ erfassen wichtige Merkmale des Auftretens Jesu. (...) [Es] handelt sich um frühjüdische Bezeichnungen für Personen, die von Gott erwählt und mit einem besonderen Auftrag ausgestattet wurden. Dabei kann es sich um irdische Menschen oder überirdische Wesen handeln. Geht es also im Frühjudentum um Funktionsbezeichnungen, so werden diese Ausdrücke in christlicher Verwendung zu ›christologischen Hoheitstiteln‹. Beide Ausdrücke sind bereits im irdischen Wirken Jesu verankert - ›Menschensohn‹ als Selbstbezeichnung Jesu, ›Christus‹ als eine solche, mit der sein Wirken und Geschick von seinen ersten Anhängern gedeutet wurden.« 1514 Kritisch z.B. S ASSE , Menschensohn, 135f: Im Johannesevangelium steht davon nichts ausdrücklich. Das dort gezeichnete Bild geht von Abstieg und folgendem Aufstieg Jesu aus, nicht umgekehrt. Allerdings spricht für B ÜHNER , dass Joh 1,51 und 3,13 entsprechende Hinweise geben. Einmal ist die Himmelsleiter Jakobs inklusive Auf- und Abstieg von Engeln im Blick, womit entsprechende visionäre Erfahrungen angesprochen sind. Das andere Mal ist vom Ab- und Aufstieg des Menschensohns selbst die Rede. Auch der visionär von Jesus berichtete Satanssturz in Lk 10,18 gibt einen Hinweis. Vgl. S CHRÖ - TER , Jesus, 143 und E BNER , Jesus, 100-104. 434 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 12.4.2 Inkarnation als starke Variante der Inspiration B ERGER spricht auch von einer Art Superinspiration, die Jesus erlebt habe: »Das Verhältnis zwischen Logos und Jesus ist das von ›Inspiration‹ und ›Identität‹. Dass diese Deutung möglicherweise zutrifft, lehrt uns das JohEv selbst, denn es kennt die Verquickung von Inspirations- und Seinsaussage auch für den Fall der Gegeninspiration. Nach Joh 6,70 sagt Jesus: Einer von euch ist (griech.: estin) der Teufel. 1515 Denselben Sachverhalt kann er in Joh 13,27 auch so ausdrücken: Dann ging in ihn der Satan hinein. Die Identitätsaussage kann daher auch als Aussage über das Hineingehen formuliert sein. In diesem Sinne ist Jesus Gott, weil er Gott in sich trägt, weil der Logos Gottes seine Inspiration ist.« 1516 »Es wird nicht einfach gesagt, Jesus sei der Logos, sondern sehr differenziert: In ihm ist der Logos erschienen. Aber Jesus kann sagen: ›Ich war im Anfang bei Gott‹, weil es eben nicht seine persönlich-subjektiven privaten Worte sind, die er als der Gesandte von sich gibt. Nicht der Gesandte ist (mit Haut und Haaren) der Logos, aber sein Wort ist das Schöpfungswort.« 1517 Dieses an Joh 1 entwickelte Modell ist durchaus auf 1 Joh 1 übertragbar, auch wenn es dort noch nicht so ausformuliert vorliegt wie im Evangelium, und im Detail Verschiebungen zu beobachten sind. Das Geschehen kann auch als Geistsalbung in einer Berufungsvision gedacht werden, in der der Gesalbte von Gott Erkenntnis und Lehre empfing. 1518 Damit kann die Verknüpfung von prophetischer Christologie und von einer an einem himmlischen Menschensohn orientierten Christologie im Blick sein. Möglich ist gleichzeitig aber auch, dass es tatsächlich »nur« um eine hochpotente Inspiration geht, 1519 bei der eintritt, was sonst als nicht möglich erscheint und auch bei den Propheten der Vergangenheit nicht so vollkommen ausgeprägt gedacht wäre: Der Geist Gottes bleibt permanent in Christus. 1520 Dieser Vorschlag bietet eine Möglichkeit, den entscheidenden Schwachpunkt anderer Versuche zu vermeiden, die nicht angeben können, wie Jesus überhaupt in die Lage kommen konnte, als Menschensohn, Wort Gottes, Kyrios usw. zu gelten. Da diese Zuordnungen entweder schon zu Lebzeiten Jesu oder wenigstens ganz kurz danach erfolgt sein müssen, ist es lohnend, dieser Spur zu folgen. 1515 Vgl. dazu das Auftreten eines Menschen »als« Mose, Elia oder Prophet bzw. »im Geist« des X/ Y (s.o. S. 171). 1516 B ERGER , Anfang, 134f. - Ebd., 190: »Der Logos ist in Jesus, dem Menschen, sichtbar geworden. Das ist zu denken wie eine einzigartige (weil zugespitzte und in Fülle gegebene) Inspiration und wie eine ebenso einzigartige Sendung.« 1517 B ERGER , Anfang, 139. 1518 B ERGER , Hintergrund, 396. Ebd. 392: »Die Verleihung eines Namens im Zusammenhang mit Berufung und Einsetzung spielt im Spätjudentum bes. in der zur Bekehrungsvision vulgarisierten prophetischen Berufungsvision eine Rolle: In der Darstellung wird die Übernahme von Gotteserkenntnis und Lehre durch eine Theophanie legitimiert, dabei wird der neue Name verliehen«. 1519 Vgl. auch den mit Material unterfütterten Vorschlag von K INLAW , die mit ihrer Unterscheidung von normaler Inspiration und dauerhafter Einwohnung/ Immanenz (»indwelling«) zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt: Typisch für die johanneische Christologie von 1 Joh sei im Unterschied zu Vorstellungen der Gegenseite, dass nicht Inspiration, sondern dauerhafte Einheit von Geist und Fleisch in Christus angenommen werde (Christ, 67ff. 107ff). 1520 Vgl. Phil gig. 29: Weil die 70 Ältesten »Fleisch« sind, ist es dem göttlichen Geist nicht möglich, dauerhaft zu bleiben (διὰ τὸ εἶναι αὐτοὺς σάρκας μὴ δύνασθαι τὸ θεῖον πνεῦμα καταμεῖναι). 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 435 12.4.3 Explikation: Henoch wird Menschensohn, Messias und Logos Viele Belege dafür, dass die aus Dan 7 stammende Menschensohnvorstellung einen Einfluss auf Hoffnungen von Juden im 1. Jahrhundert hatte, 1521 zeigen, wie die Verbindung eines irdischen Menschen mit höchster himmlischer Macht vorgestellt werden konnte. 1522 Im Folgenden sei anhand der Henochliteratur dargestellt, wie die Verbindung von Mensch und Gott traditionell vor und parallel zur Entwicklung der Christologie jüdisch für die Person Henochs gedacht wurde. 1523 Die Pointe besteht dabei offensichtlich in Folgendem: »Ein himmlisches Wesen, eine Fürsprechergestalt, die ihre Wohnung bei Gott hat, konnte sich in einem Menschen inkarnieren. Solange dieser auf Erden wanderte, war es den Vielen verborgen, wer er war. Die Auserwählten, deren Augen für sein Geheimnis geöffnet worden waren, hatten damit eine Offenbarung von Gott selbst erhalten.« 1524 Damit wird expliziert, wie Ascensions- oder Inspirationserfahrungen vorgestellt werden können: Innerhalb einer Himmelsreise verbindet sich der irdische Mensch mit der himmlischen Gestalt, wird in diese hineinverwandelt 1525 - oder umgekehrt sie inkarniert in den verwandelten Menschen. Sobald dieser zu Abschiedszwecken noch einmal die Erde besucht, und seine Angehörigen belehrt, ist es zwar Henoch, aber eben doch auch der Menschensohn. Die Henochliteratur bietet in ihrer Vielfalt unter anderem folgende Aussagen über Henoch als Menschensohn: Während in 1Hen 45f. Henoch den Menschensohn noch in engelhafter Schönheit auf dem Himmelsthron sieht, hört er von seinen Eigenschaften und seiner Bestimmung: Er sei gerecht und offenbar wegen seiner Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit ist er der Menschensohn. Er hat die Vollmacht und Aufgabe zu richten. Er soll das Licht der Völker und Hoffnung der Betrübten sein (1Hen 48). Anschließend wird der »Auserwählte«, der eben noch als »Menschensohn« bezeichnet wurde, »Messias« genannt (1Hen 48,10). Dann aber gerät Henoch selbst immer wieder in die Rolle des Menschensohns (1Hen 60.62.70), bekommt die Geheimnisse der Schöpfung mitgeteilt, wird in den Himmel geführt, wo sich sein ganzer Körper auflöst und sein Geist verwandelt wird, während er als Menschensohn eingesetzt wird (70f). In 2Hen 22,8f wird Michael von Gott beauftragt: »Nimm Henoch und entkleide ihn der irdischen Gewänder! Salb ihn mit süßem Öl und kleid ihn in die Gewänder der Glorie! (9) Und Michael entkleidete mich meiner Gewänder und salbte mich 1526 mit süßem Öl. Und dieses Öl 1521 Vgl. DE J ONGE , Christologie 161. B ERGER , Theologiegeschichte, 666: »Im übrigen gilt für die Henochliteratur und das 1.Jh.n.Chr. im Judentum eine partielle und funktionale Identifizierung von Messias und Menschensohn.« B ERGER verweist auf 1Hen 46-69; 4Esr 13; Sib 5,414f; Justin, dial. 32,1; ApkDan (pers.) 2; ApkDan (syr.) 1,8ff. 1522 Vgl. die »Verklärungsberichte« der Synoptiker (Mk 9; Mt 17; Lk 9); siehe auch S CHRÖTER , Jesus, 313-321. 1523 Vgl. dazu auch J OHANNSON , Parakletoi, insbesondere ab S. 100; siehe auch oben, S. 211. - Es gilt allerdings, eine gewisse Vorsicht zu üben in der direkten Übertragung der Henoch-Erzählungen auf Jesus. Die zu beachtenden Unterschiede hat Berger, Art. Henoch (RAC), zusammengestellt. Zum »Setting« der Henoch-Erzählung gehört die an die Erhöhung anschließende kurzzeitige Wiederkehr Henochs zur Belehrung seiner Angehörigen. - In den Evangelien ist die Himmelfahrt Jesu der Abschluss der Erzählung. - Vgl. D AVILA , Of Methodology, Monotheism and Metatron, 3-20. 1524 J OHANSSON , Parakletoi, 107. 1525 Vgl. die Beschreibung Zephanjas in ApkZeph 13: Zephanja bekommt Engelskleider angezogen. 1526 Die Beschreibung der Salbung Henochs zeigt, dass er auch in 2Hen als »Gesalbter« galt. 436 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? war mehr, als strahlend Licht; seine Salbung glich süßem Tau; sein Duft glich der Myrrhe und sein Glanz den Sonnenstrahlen.« 1527 Im hebräischen Henochbuch (3Hen), 1528 das freilich erst frühestens ab Ende des 3. Jahrhunderts datiert wird und in Babylon geschrieben sein dürfte, 1529 wird Henoch mit dem großen Engel Metatron, der auch »kleiner JHWH« genannt wird, identifiziert. Er wird mit dem Namen des Schöpfers genannt (siebzig Namen), heißt auch »Fürst des Angesichts«. Gott hat ihm einen strahlenden Mantel und eine Krone gemacht. Dabei hat er ihn »Kleiner YWY« genannt. »Er schrieb er mit seinem Finger, mit einem flammenden Griffel, auf die Krone auf meinem Haupte (die) Buchstaben, mit denen Himmel und Erde erschaffen wurden, (die) Buchstaben, mit denen Meere und Flüsse erschaffen wurden, (die) Buchstaben, mit denen Berge und Hügel erschaffen wurden (...). Jeder einzelne Buchstabe zuckt ein ums andere mal wie Blitze, ein ums andere Mal wie Fackeln«. Bei der Indienstnahme durch Gott als Metatron verwandelte sich sein Fleisch in Feuer, seine Augen in Blitze. R. Aher bzw. Elisa, der als Mystiker eine himmlische Vision hat, fürchtet sich und stellt fest, dass es zwei Mächte im Himmel gibt. Daraufhin gibt es keine Gnade für Aher/ Elisa, und Metatron wird (wohl wegen seines Hochmuts) mit Lichtschlägen bestraft. 1530 Zwar ist 3Hen eine sehr späte Quelle. 1531 Es ist aber zu fragen, wieso jüdische Mystiker sich nach der Entstehung des Christentums aus dem Judentum eine derartige himmlische Gestalt ausgedacht haben. Mit derartigen Geschichten spielen sie ja eher den christlichen Schriftgelehrten in die Hände, die auch sonst (s.o. 386f) schnell dabei sind, himmlische Boten Gottes mit Christus zu identifizieren. Wahrscheinlicher ist, dass hier ältere Traditionen aufgenommen werden und in einer Umgebung, wo der Druck durch das Christentum nicht so groß ist, weitergeführt werden können. Das hieße, dass wir es zumindest mit einer parallelen Entwicklung zu tun haben, wenn sie nicht sogar auf gemeinsame, ältere Wurzeln verweist. Immerhin lebte, um ein eher »weiches Argument« zu nennen, der Mystiker Elisha, dessen Asensions-Erlebnis Ausgangspunkt von 3Hen ist, kurz nach der Tempelzerstörung 70 n.Chr. in Palästina und dürfte somit Zeitgenosse der Evangelisten gewesen sein. 1527 AJS. - S CHÄFER , Ursprünge, 354 spricht bezogen auf die spätere Merkava-Mystik davon, dass der Merkava-Mystiker quasi-messianische Eigenschaften hatte. »Der Merkava-Mystiker wird zum Messias« (ebd. 376). Die Verbindung einer derartigen mystischen Erfahrung mit dem Thema Messias ist also im späteren Judentum belegt. 1528 3Hen will ein Bericht des visionären, mystischen Aufstiegs Rabbi Ismaels (1. Hälfte 2. Jahrhundert) sein. Vgl. auch die talmudischen Berichte bei Schäfer, Ursprünge, 328ff. 1529 Vgl. S CHÄFER , Übersetzung, L-LV. Spätester Entstehungszeitpunkt: 900 n.Chr. 1530 3Hen 1; 9; 15; 16; 19; 20; 72. - 3Hen 73: »Ich habe seinen Thron mit der Majestät meines Throns groß gemacht und seine Herrlichkeit durch die Majestät meiner Herrlichkeit vermehrt. Ich habe sein Fleisch in Feuerfackeln verwandelt und alle Knochen seines Körpers in Feuerkohlen: der Anblick seiner beiden Augen ist wie der Anblick von Wetterleuchten und das Licht seiner Augenwimpern wie das Licht, das nicht vergeht. Ich habe sein Angesicht aufleuchten lassen wie das Licht des Sonnenglanzes und das Strahlen seiner Augen wie den Glanz des Throns der Herrlichkeit. Ich habe zu seinem Kleid Majestät und Zier gemacht, zu seinem Umhang Pracht, Stolz und Macht und zu seinem Diadem eine Königskrone von 500 mal 500 Parasangen« (S CHÄFER ). - 3Hen 12 die Gestalt des Henoch/ Metatron wird zu kosmischer Größe vergrößert. - 3Hen 16: Das Tragen der Krone mit dem Gottesnamen bedeutet: »Mein Name ist in seinem Inneren« (S CHÄFER ). 1531 Allerdings gibt es innerhalb der Hekhalot-Literatur viele Spuren und Zeugnisse der wichtigsten Äußerungen aus 3Hen, die z.T. wiederum als älter gelten. Vgl. dazu S CHÄFER , P., Der verborgene und offenbare Gott. Hauptthemen der jüdischen Mystik, Tübingen 1991, 43. Der Merkava-Mystiker trete öfter »an die Stelle des Messias (...). Von daher ist es nicht überraschend, dass der Messias und die messianische Zeit/ Erlösung (...) keine besondere Rolle spielen«. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 437 Zudem werden einzelne Details bestätigt durch den Vergleich mit anderen Texten. 1532 Im samaritanischen Memar Marqa wird Mose mit dem Namen Gottes umkleidet und beliehen (s.o. S. 173). Wenn in Apg 4,12 gesagt wird, es gebe keinen anderen Namen im Himmel und auf Erden, durch den man selig werden könne, dann ist das nur im Sinne von Hebr 1,4 zu verstehen, nämlich, dass der Name, den Jesus trägt, ererbt ist und höher ist als die Engel. Das heißt: Er hat noch zusätzlich etwas verliehen bekommen, ähnlich wie Mose in Memar Marqa und Henoch in 3Hen. Vergleichbar ist Offb 19,13, wo der Reiter (wohl der Menschensohn) als Namen hat: »Das Wort Gottes«. Hier ist der Menschensohn mit dem Logos identisch. Möglicherweise meint Logos hier aber auch ganz einfach den »Namen«. 1533 Ein Beispiel dafür wäre Philo conf. 146: »Der große, vielnamige Erzengel, der Älteste der Engel wird genannt: Anfang, Name Gottes, das Wort, (...)«. - Philo conf. 146 zeigt die mögliche Gleichsetzung »Name Gottes« = »Logos«. - Offb 19 zeigt, dass der Menschensohn den Namen Gottes trägt: »Logos«. - Hebr 1,4 belegt, dass Jesus einen Namen verliehen bekommen hat. - Apg 4,12 redet von einem Namen Jesu, der Seligkeit für alle bedeutet. - Memar Marqa und 3Hen zeigen, dass ein Mensch den Namen Gottes verliehen bekommen kann. - Die Namensverleihung bedeutet Umkleiden oder Aufschrift auf die Krone (vgl. 2Hen). 1534 - Der Name, so wird in 3Hen gesagt, ist das, womit Himmel und Erde und alles Weitere erschaffen wurde. Dann wäre der Logos, der nach Joh 1 im Anfang war und der Logos, den Philo nennt, möglicherweise identisch mit dem »Namen« Gottes. 1535 - Die Benennung Henochs in 3Hen als »Kleiner YWY« verdeutlicht, was mit dem Namen Jesu und der Bezeichnung »Herr« für Jesus gemeint sein kann. 1532 S CHÄFER , Gott, stellt für die Hekhalot-Mystik Texte zusammen, die die Traditionen von 3Hen enthalten, deren Datierung aber bis ins erste Jahrhundert n.Chr. für wahrscheinlich gehalten wird. - Vgl. aus dem frühen Christentum exemplarisch 1Clem 36: »Er ist der Hohepriester, der unsere Opfergaben vor Gott bringt, er ist unser Schutzpatron, und hilft uns in unserer Schwachheit. (2) Wenn wir auf ihn sehen, können wir durch ihn in die Höhen des Himmels blicken. An ihm sehen wir wie in einem Spiegel Gottes reines, erhabenes Antlitz. Er hat die Augen unseres Herzens [für Gott] geöffnet. (...) Denn auf Jesus liegt der Widerschein der Hoheit Gottes. Über die Engel ist er erhoben, weil sein Name [Herr und Gottes Sohn] von ihrem verschieden ist. (3) Denn so steht es in der Schrift (Ps 103,4): „Er macht Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen.“ (4) Über seinen Sohn sagt der Herr aber (Ps 2,7): ›Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt. Du brauchst mich nur darum zu bitten, dann gebe ich dir die Heidenvölker zum Erbe und die ganze Erde als Besitz.‹ (5) An einer anderen Stelle (Ps 109,1) sagt er zu ihm: ›Setze dich an meine rechte Seite, und ich will dir deine Feinde als Schemel unter dein Füße legen.‹ (6) Wer anderes sind die „Feinde“ als die Bösen und die, die sich Gottes Willen widersetzen? « (B/ N). - 1533 Schon D ANIÉLOU , Development, 150 schlägt vor, dass die Formulierung »Das Wort wohnte unter uns« (Joh 1,14) auf einer älteren Formel basiere, nämlich: »Der Name (...) wohnte unter uns«: »In the Old Testament such dwelling is in fact the property of the Name, and not of the Word.« 1534 Auch der Hohepriester trug eine Tiara mit der Aufschrift des Gottesnamens: Philo Mos. II,114; Aristeas 98. 1535 So, wie der Logos im Anfang steht und in der Schöpfung handelt (Joh 1 und Philo, Spec 1,81 und öfter), so ist es in den Targumen die Memra (das Wort Gottes), die sagt: »Es werde Licht« (Targum Neofiti zu Gen 1,3 und öfter). Beklagt wird: »Sie vergaßen die Memra JHWHs, die sie geschaffen hat» (Targum Neofiti zu Dtn 32,15), denn: »Die Welt wurde durch seine Memra geschaffen« (Targum Onkelos zu Dtn 33,27). 438 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? - Zudem ist in 1Hen eine Gleichsetzung von Menschensohn/ Henoch und Messias bezeugt. - Die Bekleidungsmetaphorik und die Verleihung oder Krönung mit dem Namen Gottes entspricht dem Auftritt des Hohenpriesters: dem Auftritt des irdischen wie des himmlischen, denn der Hohepriester trägt ebenso wie der Logos bei Philo ein entsprechendes Gewand und den Namen Gottes auf der Kopfbekleidung. 1536 Ergebnis: Eine Verknüpfung wesentlicher Vorstellungszusammenhänge, die für die Christologie eine Rolle spielen, lässt sich schon vor Christus oder parallel zur Entwicklung des Christentums zeigen. 1537 Visionäre Aspekte (Ascensio), inspiratorische Momente, kultische Metaphorik (priesterliches Handeln und priesterliche Kleidung im Tempel als Bildgeber) sowie Eindrücke besonderer ethischer Qualitäten (»Rechtschaffenheit«, »Gerechtigkeit«) gehen dabei offensichtlich Hand in Hand bzw. ergänzen und durchdringen sich gegenseitig. 12.4.4 »Der Gerechte« um dessentwillen die Welt erschaffen wurde In diesen Zusammenhang gehört die Vorstellung, dass um des Gerechten willen Himmel und Erde geschaffen sind: EvThom 12,2: »Zu Jakobus dem Gerechten sollt ihr gehen, um dessentwillen der Himmel und die Erde entstanden sind«. 1538 Vgl. aus dem rabbinischen Judentum: »R. Chijja b. Abba sagt i. N. R. Jochanans: Sogar um eines einzigen Gerechten willen besteht die Welt, wie es heißt: Der Gerechte ist der Grund der Welt (Spr 10,25).« 1539 Mindestens für das spätere, rabbinische Judentum gilt: »Der Gerechte par exellence ist Moses. Er ist der besondere Vertraute Gottes 1540 und sogar über die Engel gesetzt. Deswegen ist auch seine Fürsprache vor Gott wertvoller als die der Engel«. 1541 Das Sterben des Mose wird deshalb zu einem Problem, denn wer soll die Seele des (gerechten) Mose holen: »Danach sprach er zu Samael: Geh und bring mir die Seele des Moses! Sofort (...) ging (er) zu Moses. Als er ihn aber erblickte, wie er saß und den unaussprechlichen Gottesnamen schrieb der Glanz seines Angesichts (mar’ehu) glich der Sonne, und er sah aus wie ein Engel des Herrn der Heerscharen da fürchtete sich Samael vor Moses und sprach: In der Tat können die Engel die Seele des Moses nicht nehmen! ... Und er vermochte Moses nicht anzusprechen, bis Moses zu Samael sagte ...«(Jalq wajjeläkh 940). 1542 1536 Vgl. EvPhil 12: Jesus ist, was er ist, weil er den Namen des Vaters hat. Vgl. EvVer 10,11; 24,1 (»Der Name des Vaters ist der Sohn«) (B/ N). 1537 Das hier vorgelegte Material erlaubt natürlich nur eine Skizze. Weiteres Material bei F OSSUM und B ARKER a.a.O. 1538 Evangelium Thomae Copticum, 522, Stuttgart 1996. 1539 b Jom 38 b zitiert nach S CHÄFER , P, Rivalität 230. 1540 MTeh 90,8. Gott sagt dort u.a. über Moses: »Ich erweise ihm Großes und nenne ihn Vater der Propheten, Vater der Engel, Vater der Beter« (Schäfer, Rivalität, 212) - Vgl. SiphNu 103: »In meinem ganzen Haus ist er vertraut außer den Dienstengeln! R. Jose sagt: Auch mehr als die Dienstengel! « vgl. Jalq beha’alotekha § 739 S. 483 b o: »Ich habe ihm gezeigt, was oben und was unten, was vorne und was hinten ist, was war und was sein wird« (S CHÄFER , P, Rivalität 210). 1541 S CHÄFER , Rivalität 230. 1542 S CHÄFER , Rivalität, 214. Vgl. Flav.Jos.Bell 4,8,326ff: Mose wird entrückt, statt zu sterben. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 439 Im vorrabbinischen Judentum ist es häufig Henoch, der als der Gerechte angesprochen ist: 1Hen dort ist Henoch gemeint bzw. der Menschensohn oder der Messias (die letztlich zumindest zeitweise eine Person sind). 1543 Andere Beispiele sind Abel 1544 und Noah. 1545 Abel bietet den Anknüpfungspunkt in Richtung Martyrium: Der leidende Gerechte ist Gott besonders nahe und kann sich »Sohn Gottes« nennen, wird deswegen verfolgt und leidet (Weish 2,13.17-20). 1546 Ergebnis: Auch menschliche Personen unter ihnen der Bruder Jesu haben eine geradezu kosmische Bedeutung. Dies ist zwar kein Beispiel für eine vorgebildete Inkarnationsvorstellung, aber zeigt die Richtung an, in der die Erfahrung von Menschen mit Jesus zu suchen ist, die ihn dann als Schöpfungsmittler, als Gesandten des Himmels in Menschengestalt erlebten. Bedeutsam für die Frage nach Inkarnation ist das auch und gerade mit Blick auf 1 Joh: »Jesus Christus, der gerecht ist«, ist der »Fürsprecher beim Vater« (1 Joh 2,1). Gerechtigkeit und (priesterliche) Mittlerschaft hängen eng zusammen. Die Erfahrung massiver, geradezu spürbarer Gerechtigkeit (und damit Gottes- und Engelsgemeinschaft) in der Person Jesu 1547 mag also einer der Gründe gewesen sein, ihn als Menschensohn, Sohn Gottes, Herr usw. zu bezeichnen. Zugleich hängt Gottesgemeinschaft und Gerechtigkeit mindestens im Fall des Mose (und des Henoch in 3Hen) zusammen mit dem Tragen des Gottesnamens (als Krone oder in sich), so dass auch der Titel »Gottesträger« des Ignatius beleuchtet wird. Der Pneumatiker hat also in sich etwas, was in apokalyptischer Literatur dem unüberbietbar Gerechten zukommt und steht damit in einer engen Verbindung zum Himmel und zu himmlischer Schau. 12.4.5 Christus, der neue Adam, der himmlische Mensch D UNN resümiert am Ende seines Kapitels über die Adams-Christologie: »Adam Christology provides not only a plausible context of thought for Phil 2,6-11 (and 2 Cor 8,9) but also the most plausible context of thought.« 1548 1543 1Hen 15,1f; 53 und öfter. Gen 5,22 bietet als Notiz nur, dass Henoch mit Gott wandelte. Das ist aber offensichtlich Kristallisationspunkt für die weitverbreitete Vorstellung von seiner besonderen Gerechtigkeit. 1544 TestAbr 12: Adams Sohn Abel, der erste unschuldig ermordete Gerechte, richtet die Seelen. Auf einem feurigen, kristallähnlichen Thron im Himmel sitzend, erscheint er als wunderbarer Mann, der wie die Sonne glänzt, ähnlich einem Sohn Gottes. Abel ist traditionell »der Gerechte«: TestBenj 7,4; Jub 4,1. - Mit der Einsetzung des Gerechten zum Richter ist auch einer der Kristallisationspunkte der Menschensohnvorstellung bei Daniel und Henoch gegeben. 1545 Zu Noah siehe die Geburtsgeschichte in 1Hen (oben S. 376f). 1546 Siehe unten S. 459. 1547 Vgl. Jak 5,6 (»Ihr habt den Gerechten getötet«), Hebr 7,2 (Melchisedek = Christus = König der Gerechtigkeit), Mt 27,19 (die Frau des Pilatus: »Habe nichts zu schaffen mit diesem Gerechten«), Apg 7,52 (»das Kommen des Gerechten«), Apg 22,14 (Paulus sollte in seiner Berufungsvision »den Gerechten sehen«). - Zu Jesu Lehre im Matthäusevangelium: Strecker, Der Weg der Gerechtigkeit. 1548 D UNN , Christology, 125. Vgl. auch O SWALD , »Urmensch« (Diss. masch. Berlin 1970). 440 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Die Vorstellung aus Gen 1,26f, dass der Mensch als Ebenbild Gottes (Imago Dei) geschaffen ist, 1549 ist zwar alttestamentlich relativ isoliert, wird aber im Frühjudentum (z.B. in der Adamliteratur und bei Philo: opif. 69-71; 134f; LA 1,31-42; Quaest in Gen 1,8), im frühen Christentum (z.B. 1 Kor 15,20-49; Röm 5,7; 2 Kor 4,4) und mehrfach in gnostischen Schriften (z.B.: »Vom Ursprung der Welt«) aufgegriffen und im Sinne der Mythenvarianz neu erzählt und umgedeutet. Aus den vielfältigen Untersuchungen zu diesem komplexen Thema ist mit Blick auf die Vorstellungen des Apostels Paulus und anderer frühchristlicher Autoren zunächst das ebenfalls zusammenfassende Ergebnis Vollenweiders zu nennen: »Die Imago Dei scheint ihren spezifischen Ort im Kontext einer Doxa-Christologie bekommen zu haben, worin Christus als Träger des göttlichen Kabod in die höchste himmlische Position einrückt. Das Profil dieser frühen Christologie, die noch ganz aus der jüdischen Vorstellungswelt schöpft und im Gottesdienst entwickelt wie vergegenwärtigt wurde, zeichnet sich durch apokalyptische und mystische Spekulationen über Adam und über die himmlischen Engel, über den Menschensohn und wahrscheinlich auch über Ezechiels Thronwagen mit seiner ›menschengleichenden Gestalt‹ (Ez 1,26; vgl. 8,2) aus. Jesus Christus ist das Bild Gottes, das von göttlicher Herrlichkeit umspielt ist. Auf seinem Angesicht glänzt der Kabod Gottes auf. Doxa und Eikon durchdringen sich, ohne miteinander identisch zu sein. Die Eikon scheint die Doxa zu reflektieren, sie wird zum Spiegel, welcher das göttliche Licht in die Welt hineinstrahlt. Die Glaubenden werden ihrerseits zu Spiegeln für das Strahlen der göttlichen Herrlichkeit. Sie gewinnen Anteil an derjenigen Doxa, von der Christus umstrahlt ist. Vielleicht besteht auch die Berufungserfahrung des Paulus in einer Vision von Jesus Christus als Träger von göttlicher Doxa und als Bild Gottes.« 1550 Demnach wäre auch dieser Vorstellungszusammenhang vorpaulinisch und folglich sehr alt. Der »himmlische Mensch«, der »neue Mensch«, der »neue Adam« wäre eine weitere Variation der himmlischen Mittlergestalt, mit der Christus identifiziert wird. Die Nähe zur Menschensohnvorstellung, zu weiteren himmlischen Mittlervorstellungen mit menschlicher Gestalt und zur kultischen Vorstellung eines Hohenpriesters, der ein himmlisches Heiligtum um den Thron Gottes betritt, liegt auf der Hand. Auffällig ist bei allen Berichten des Alten Testaments, die von einer Erscheinung Gottes sprechen, dass, wenn überhaupt die Erscheinung näher geschildert wird, immer ein »Mann« oder ein »Mensch« genannt wird. 1551 Auch wenn der »Engel des Herrn« auftritt, so immer in Menschengestalt. Hier befindet sich ja auch via Engeldoketismus die Schnittstelle zum christologischen Doketismus. Für uns hier interessant ist, dass überhaupt vom Auftreten Gottes nur als Mensch und im Gegensatz zu den ägyptischen Vorstellungen nie als Tier geredet wird (Aus- 1549 Siehe oben zu Röm 8,3 S.234ff. Vgl. insgesamt J ERVELL , Bild; B ØRRESEN , Image; K LAUCK , Erleuchtung; T OBIN , Creation, S ELLIN , Streit, 92ff; S CHALLER , Gen 1.2; S TONE , History, L EVISON , Portraits, V OLLENWEIDER , Ebenbild, D UNN , Christology, F OSSUM , Image; H URTADO , God. 1550 V OLLENWEIDER , Ebenbild, 133f. 1551 Hesekiel sieht ihn als Menschengestalt (Ez 1,26). Daniel sieht einen wie einen Menschensohn (Dan 7,13; vgl. 8,15; 10,18). Sacharja 1,8 spricht von einem Mann, der sich später als »Engel des Herrn« herausstellt. - In der mythischen Urzeit kann man sogar von einem menschlichen Spazierengehen Gottes im Garten Eden sprechen (Gen 3,8). nahmen sind Adler und Glucke, aber das eher wohl metaphorisch). Und im Gegensatz zu griechischen und anderen orientalischen Vorstellungen begegnet keine Frauengestalt und kein Raubtier. Der Herr ist in Visionen immer »Mensch«. 1552 Auch von daher kann Gott nur als Mensch erscheinen - oder eben gar nicht. Denn wenn er anders erschiene, wäre er nicht als der Gott wiedererkennbar, der sich schon offenbart hat. Dazu tritt die Beobachtung, dass bei Philo das »Wort« (das zumindest partiell auch für den »Namen« Gottes und damit für Gott selbst steht), als »Mann« oder »Mensch« bezeichnet und dargestellt wird. 1553 Im Targum Neofiti zu Gen 1,27 wird der Mensch nach dem Bild des Wortes (Memra) geschaffen. 1554 Im Targum Pseudo-Jonathan zu Gen 2,7 wird beschrieben, dass Adam aus Staub von der Stelle gemacht wurde, wo sich später das Allerheiligste des Tempels zu Jerusalem befand. Damit ist eine Verknüpfung erstellt, die auch sonst begegnet: Das Allerheiligste des Tempels gilt sowieso als Abbild des Himmels bzw. des Himmlischen Heiligtums und als Abbild des Gartens Eden bzw. des Paradieses. Dieser Hintergrund ist in Pseudo-Jonathan vorausgesetzt. Adam wird geschaffen: Im Garten Eden, im Paradies, im Allerheiligsten, im Himmel. Das heißt: Vor dem Fall ist er als himmlischer Mensch anzusehen, in Gottebenbildlichkeit und in freiem Zugang zu Gott und Gottes Thron. Wenn der Garten Eden bzw. der Himmel mit dem Allerheiligsten identifiziert oder vom Allerheiligsten abgebildet wird, dann ist Adam zugleich in der Rolle dessen, der Zugang zum Allerheiligsten/ Himmel/ Paradies hat, bzw. dort zu Hause ist. Das ist von menschlicher Seite her sonst nur der Hohepriester, der, entsprechend gereinigt und gekleidet, durch den Vorhang hindurchtreten darf. Von göttlicher Seite ist es JHWH, bzw. dessen Engel, dessen Herrlichkeit, Name oder Logos, der am Thron Gottes ansprechbar ist und versöhnend agieren kann. Die menschliche und die göttliche Seite entsprechen sich. 1555 Ist Adam also als eine Figur des Himmels oder des Allerheiligsten identifiziert, dann liegt die Rolle des Logos oder des Hohenpriesters nahe. Zudem ist Adam der personifizierte Mensch schlechthin. Festzuhalten wäre damit, dass die Vorstellung vom himmlischen Adam als fürsprechende oder schützende Himmelsmacht nicht nur das eigentliche Sein des Menschen darstellt, sondern auch, dass natürlich das Hervortreten dieses eigent- 1552 Siehe dazu die Studie von N EUSNER , The Incarnation of God. The Character of Divinity in Formative Judaism, Philadelphia 1988. N EUSNER geht von der Beobachtung aus, dass in einigen frühjüdischen Texten Gott wie ein Mensch umhergeht, spricht und handelt (S. 21). Besonders im babylonischen Talmud wird Gott dann Mensch (S. 107). - Vgl. dazu unten die Bemerkungen zu 3Hen (S. 435f). 1553 Vgl. z.B. Philo, conf. 41 (ἄνθρωπος θεοῦ, ὃς τοῦ ἀιδίου λόγος ὢν); 146 (καὶ ὄνομα θεοῦ καὶ λόγος καὶ ὁ κατ᾿ εἰκόνα ἄνθρωπος). Vgl. dazu wiederum spec.leg. 1,81: λόγος δ᾿ ἐστὶν εἰκὼν θεοῦ, δι᾿ οὗ σύμπας ὁ κόσμος ἐδημιουργεῖτο (»Das Wort ist das Bild Gottes, durch das der ganze Kosmos gebildet wurde«). Dieses wiederum ist im Kontext auf den Hohenpriester bezogen, der das Allerheiligste betritt und in die Funktion des Logos eintritt. 1554 - »Und das Wort des Herrn schuf den Menschen nach seinem Bild«. 1555 Es handelt sich um eine ähnliche Parallelität wie bei der Vorstellung vom »himmlischen Doppelgänger«, wonach ein Mensch einen abgesehen von der Körperlichkeit identischen Doppelgänger als Schutzengel und als fürsprechenden Engel im Himmel hat. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 441 442 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? lichen Menschen erlösend für die Menschen der sichtbaren Welt wirken müsste. Die Frage wäre nur, wie das Hervortreten des »Ersten Adams« aus der Himmelswelt bzw. dem Heiligtum in die Welt der Materie vorzustellen ist. 1556 Es gibt eine weitere Verknüpfung zur Vorstellung des Menschensohns. Der Menschensohn bei Daniel und in der Henochliteratur ist zwar jeweils unterschiedlich konzeptioniert, bei Ezechiel noch einmal ganz anders. Man kann aber dennoch allgemein feststellen, dass der Menschensohn bei Daniel und Henoch eine himmlische Figur ist, die deswegen Menschensohn heißt, weil sie vom Aussehen einem Menschen ähnlich ist. Adam als der himmlische Mensch wäre also eine direkte Entsprechung zum Menschensohn, zumal der Menschensohn eben gerade derjenige ist, der in alles überragender Weise Zugang zum Thron Gottes (Allerheiligstes) hat. 12.4.6 Der Menschensohn, Jakob und die Patriarchen Die Konzeption des Menschensohns steht in einer weiteren Verbindung zu Gestalten der Frühzeit, zu den Patriarchen, in Besonderheit zu Jakob. Wenn Jesus nach den synoptischen Berichten davon spricht, der Menschensohn habe nichts, was ihm als Kopfkissen dient (Mt 8,20; Lk 9,58), so übertrifft er damit Jakob, der in Bethel einen Stein als Unterlage nimmt (Gen 28,11). Im johanneischen Bericht verweist Jesus ausdrücklich auf Jakob, als er im Vorbeigang an Bethel vom Menschensohn (sich selbst) spricht, über dem der Himmel offenstehen wird (Joh 1,51). 1557 Jakob ist derjenige, der den Himmel offenstehen sieht und an heiliger Stelle (das Allerheiligste des Tempels zu Bethel ist hier im Blick) schläft und eine Himmelsvision hat. Es handelt sich zwar nicht um eine Ascensio, aber Jakob ist derjenige, der einen unverstellten Zugang zu Gott hat, ja sogar den Herrn an der Spitze der Himmelsleiter erblickt. Er ist in einer solchen Gottesnähe, 1558 wie es rituell nur dem Hohenpriester im Tempel möglich ist und mythisch aus der Adamsgeschichte sowie dann aus den Patriarchenerzählungen bekannt ist. Philo deutet den Namen Israel immer wieder als »der, der Gott sieht« (somn. 1,171: Ἰσραήλ, ὁ θεὸν ὁρῶν) bzw. als »Gott sehend« (somn. 2,173: Ἰσραήλ (...) γὰρ ἑρμηνεύεται θεὸν ὁρῶν). 1559 Der Sehende ist dabei zugleich der Logos, der als Erzengel und Hoherpriester Gott schauen kann (conf. 145f). Offensichtlich hat das den Menschen sonst prinzipiell unmögliche Sehen Gottes zur Voraussetzung oder zur Folge, dass der 1556 Mehr dazu unten S. 449-458. 1557 Auch sonstist der von Jesus genannte Menschensohn von Engeln umgeben: Mt 13,41; 25,31; Lk 9,26. 1558 Für das spätere Judentum ist die Vorstellung belegt, dass der Thron Gottes mit dem Bild Jakobs verziert ist (S CHÄFER , Ursprünge, 359). 1559 Laut J.Z. S MITH , The Prayer of Joseph, in: Neusner (Hg.), Religions, 253-294, deutet Philo an insgesamt 27 Stellen den Namen »Israel« in dieser Weise. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 443 Sehende selbst zumindest vorübergehend in himmlisches Wesen transformiert wird. 1560 Auch Abraham hat direkten Gotteskontakt und sieht Gott (Gen 12,7; 17,1; 18). Er opfert seinen Sohn Isaak beinahe die Tradition lokalisiert diese Beinahe- Opferung und das hilfreiche Eingreifen Gottes auf den Berg Moria (Gen 22,2) und identifiziert den Ort mit dem späteren Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels (2 Chr 3,1). Auch ihm erscheint Gott (Gen 26,2.24). Man kann allgemein sagen auch mit Blick auf die Patriarchentestamente -, dass die Patriarchen in idealer Zeit geschildert werden mit einem direkten und unverstellten Gotteszugang, 1561 wie er sonst nur himmlisch, visionär oder kultisch im Tempelheiligtum vorstellbar ist. Zugleich ist aber dieser Zugang nicht an einen bestimmten Ort (Allerheiligstes in Jerusalem) gebunden, sondern noch vor der Existenz von Heiligtümern gedacht. Insofern bieten die Patriarchen ein Modell für das Verständnis des Gottesbezugs Jesu, da auch Jesus trotz seiner in der Regel positiven Beziehung zum Jerusalemer Tempel in einer ständigen Gottesbeziehung steht, die sogar die Tempeltradition übertrifft: 1562 »Niemand hat Gott je gesehen als allein der Sohn« (Joh 1,18 vgl. 1 Joh 4,12). Wenn man auf eine Zeit wartet, in der Gott inmitten seines Volkes zugänglich ist, dann ist die Patriarchenzeit nach der Paradies-Zeit die nächste mögliche Verankerung einer solchen Hoffnung in der mythischen Geschichte Israels. 1563 Die Patriarchen sind somit Typus des mystisch »offenen« Menschen und zugleich, zumindest in der Gestalt des Jakob, mögliches Vorbild für eine Menschensohnvorstellung, bei der Gottheit und Menschheit ineinander übergehen. Beleg: Für Philo ist Israel/ Jakob der Gott Israels, obwohl er ja zugleich Mensch und Patriarch ist (conf. 145f). Ähnliches gilt für den gleich nach den Patriarchen zu nennenden Mose, der in seiner fürbittenden Funktion (ähnlich der des Abraham angesichts Sodoms und Gomorrhas) von Philo als »Gott« bezeichnet wird und doch Mensch ist. 1564 1560 Vgl. dazu das »Gebet Josephs« - B ERGER / C OLPE , Textbuch Nr. 248 (148f): »Denn der zu euch redet, ich bin es, Jakob und Israel, Engel Gottes bin ich und anfanghafter Geist. Ich aber bin Jakob, von den Menschen Jakob genannt, mein Name aber ist Israel, genannt von Gott Israel, ›der Mann, der Gott sieht‹, denn ich bin Erstgeborener jeglichen Lebewesens, das Leben hat von Gott«. 1561 Vgl. J OHANSSON , Parakletoi, 161ff. 1562 Jesus ist »Ort der Gottesbegegnung«, dabei aber in seinen Wanderungen ähnlich mobil wie die Patriarchen. 1563 Vgl. auch Ri 6,12; 13; 1 Sam 3,21; 9,9; Jes 6. 1564 Sie dazu die materialreiche Darstellung bei J OHANSSON , Parakletoi, 3-21. Dort S. 6 über den Einfluss der alten »Gottesmänner« bei Gott« »Ihr Einfluss bei JHWH machte sie zu Thavmaturgen. Es ist nicht einmal denkbar, dass Moses Fürbitte seine Wirkung verfehlen könnte.« - Für die spätere Zeit gilt, dass die Propheten Moses Geist haben und insofern ebenfalls als Fürbitter auftreten könne (ebd., S. 9). Ihre kultische Funktion sei in früher Zeit vermutlich die Fürbitte gewesen (ebd., 19). Und schon in Ex 8 und Num 16 tritt Aaron seinem Bruder Mose zur Seite, so dass auch die kultische Priesterschaft in diese Funktion mit eintritt. - Überhaupt hatten schon in den alten Erzählungen »Fürbitter wie Mose und Samuel Verbindung mit dem Kult« (ebd., 21). 444 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? »Mit ihm sprach Gott von Angesicht zu Angesicht, wie wenn ein Mensch zum anderen redet« (Ex 33,11). 1565 Die unverstellte Offenheit und der direkte Zugang zum Thron Gottes machen die Patriarchen und Mose zu stellvertretenden Figuren, die in einzelnen Vorstellungszusammenhängen zwischen Menschheit und Gottheit changieren können. Das eigentlich für Menschen unmögliche Sehen Gottes, das für diese Gestalten der Frühzeit ausdrücklich bezeugt ist - und z.B. von den Patriarchentestamenten für die Zukunft angekündigt wird -, hat zugleich in verschiedenen Texten eine verändernde Wirkung auf den sehenden Menschen. Nur wenige Beispiele seien genannt: Mose muss sich eine Decke über das Gesicht ziehen (Ex 34,34), der Hohepriester Simon leuchtet wie der Himmel (Sir 50), Jesus wird mit strahlendem Licht »verklärt« (Mt 17,2). 1566 12.4.7 Metamorphosen und Messianität von Simon Magus zu den Oden Salomos Himmelfahrtserfahrungen (Ascensionen), Metamorphosen und Verklärungserscheinungen sind nicht nur aus pseudepigraphen Apokalypsen als mystische Erfahrungen bezeugt, 1567 sondern auch im weiteren Umfeld der ersten Christen (vgl. 1 Kor 12). Die spätere Hekhalot-Mystik ist voll von derartigen Bezeugungen. 1568 Auch ausdrücklich als Konkurrenten Jesu und der ersten Christen auftretende oder erlebte Personen, die daraufhin später als »gnostisch« eingeordnet wurden, sind von Ascensionserfahrungen geprägt gewesen: F OSSUM , Angel, 142-144, weist auf zwei Stellen zum samaritanischen »Gnostiker« Menander hin, der wie Dositheus und Simon Magus beanspruchte, der Prophet »wie Mose« zu sein (s.o. S. 173). 1569 Menander behauptete, nicht zu sterben, und habe dies auch seinen Anhängern versprochen (Justin 1 apol 26,4; Irenäus, haer. 1,23,5). 1570 Im Hintergrund stehen die Taufe der Dositheaner und möglicherweise Taufvorstellungen, wie sie aus Röm 6 bekannt sind. 1571 Das Erstaunen Justins und Irenäus’ über die Behauptung Menanders, den Tod umgehen zu können, ließe sich dann wie folgt auflösen: Menander wäre derartig von seiner himmlischen Verwandlung/ Verwandlungsfähigkeit überzeugt, dass er glaubt, per Angelomorphie den Tod zu vermeiden. 1565 Philo nennt Mose deswegen an vielfach »Gott« oder »göttlich« (Material z.B. bei H URTADO , One God, 59-63). Auch der Tragiker Ezechiel (ca. 200 v. Chr.) berichtet in seinen erhaltenen Fragmenten (AJS, 68-84) von einer an Henochs Einsetzung zum Menschensohn erinnernden Szene: Mose sieht auf dem Sinai einen großen Thron, auf dem ein prächtiger Mann sitzt, Szepter und Diadem als Insignien der Herrschaft an Hand und Kopf. Mose wird eingeladen sich auf den Thron zu setzen, bekommt beides übertragen. Mose sieht die ganze Schöpfung - Sterne fallen vor ihm nieder. 1566 Vgl. dazu oben die Verklärungen von Menschen S. 376. 1567 Vgl. 3 Henoch: die Erfahrungen des Rabbis Ismael, 2. Jahrhundert werden wiedergegeben. 1568 Vgl. S CHOLEM , Mystik; S CHÄFER , Hekhalot-Mystik. 1569 Vgl. insgesamt: F OSSUM , Name, 55-75; 112-143; 292-307. 1570 Ganz ähnlich verspricht Simon Magus seinen Anhängern, ihnen Unsterblichkeit zu verleihen in PsClem R 3,47. Auch für Dositheus wurde Unsterblichkeit behauptet (Origenes, in Joh. XIII,27 (zu Joh 4,25). 1571 Vgl. die Vorstellung bei Memar Marqa 4,6, dass Moses Himmelsaufstieg mit einem Reinigungsbad (wie bei der Taufe) zusammenhing. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 445 Ähnliches lässt sich auch für Simon Magus sagen, der mehrfach als »Stehend« (im Rat Gottes) bezeichnet wird (vgl. Memar Marqa). Damit wäre ein Hintergrund angegeben für die in der kirchlichen Literatur mit Erstaunen und Entsetzen geschilderten Berichte über Simon. Dieser habe beansprucht, die »große Kraft Gottes« zu sein und behauptet, Menschen neu zu erschaffen. Er sei polymorph gewesen 1572 und habe gar »Flugversuche« gemacht 1573 (ActPetr; Pseudoclementinen). 1574 Simon muss sich, wenn die polemisch gezeichneten Bilder über seine Person und Lehre ein Körnchen Wahrheit enthalten sollten, in seiner Selbstwahrnehmung als einer verstanden haben, der Macht über die Gestalt seines Körpers hat. Er müsste dann Angelomorphie für verfügbar gehalten haben. 1575 Simon, der in der kirchlichen Literatur gerne als Antitypus zu Christus, ja geradezu als Antichrist gezeichnet wird, könnte so in besonderer Weise einen Hinweis dafür geben, wie sich der Anspruch der Christen erklärt, dass Jesus der Christus bzw. Menschensohn ist. Denn für Simon Magus ergeben die samaritanischen Quellen nicht nur ein pneumatisches Charismatikertum mit Anspruch, Prophet wie Mose zu sein, sondern zeigen mit Blick auf die samaritanischen Mose-Vorstellungen enge Parallelen, so dass man davon ausgehen kann, dass für Simon selbst Ascensionserfahrungen im Hintergrund standen. 1576 So ist auch der Anspruch, die »große Kraft Gottes« zu sein, 1577 den Simon erhebt, ebenso erklärbar wie der Anspruch Jesu, Menschensohn zu sein. Man kann mit F OSSUM , Image, S. 2 festhalten: »The one who ascended to heaven was transformed and assimilated to the Glory; he could even be mystically identified with the man-like figure on the throne.« Die von S CHLIER (Untersuchungen) zur Analyse von IgnEph 19 herangezogene Ascensio Jesajae bietet ein gutes Beispiel dafür, wie man sich vorstellte, dass insbesondere Propheten und Märtyrer derartige Erfahrungen machten. Besonders 1572 Celsus schreibt (Or.Cels 7,9), dass auch im pagan-griechischen Bereich Menschen unterwegs waren, die sich für eine Verkörperung (eines) vom Himmel gekommenen, rettenden Gottes hielten. Irenäus berichtet (Iren.haer. 1,23,3), Simon habe behauptet, er »habe sich verwandelt und sich Kräften, Mächten und Engeln angeglichen und sei so herabgestiegen, dass er auch den Menschen als Mensch erschien, ohne ein Mensch zu sein« (F OERSTER , Gnosis 1, 43). Simon wird hier geschildert wie Christus in EpAp. 1573 Acta Vercellenses K. 17 (sein Name ist der Name des Herrn); ActPetr (gr.) K. 2ff: Simon kündigt seine Himmelfahrt an und stürzt ab. PsClem H 2,26 (Simon schildert, wie er aus Geist/ Luft einen neuen Menschen schafft nicht aus Erde, sondern aus Luft); PsClem H 2,24 (Simons Körper ist durchlässig wie Rauch, als Dositheus nach ihm schlägt). Vgl. Iren.haer. 1,23,1: »Er dachte, dass er selbst der eine war, der den Juden als Sohn erschienen war, in Samaria als Vater herabgestiegen und zu den anderen Völkern als Heiliger Geist gekommen.« Vgl. Strecker, Judenchristentum. 1574 Weitere Belege oben S. 397. 1575 Die andere Möglichkeit ist, die Geschichten aus PsClem und ApkPetr ganz der Phantasie der kirchlichen Autoren zuzuschreiben. Aber auch dann geben diese Geschichten Aufschlüsse über die positiven christologischen Vorstellungen, weil die Beschreibung des Anti-Christ sich immer an der Vorstellung des Christus orientiert, ebenso wie die Beschreibung des Pseudo-Propheten am (richtigen) Propheten und die des Teufels an Gott orientiert ist. Merkmal des Bösen ist regelmäßig, dass es erst im Vorteil ist, dann aber doch weniger Macht hat und »abstürzt«. 1576 F OSSUM , Name, bespricht die entsprechenden Stellen ausführlich: 112-143. 1577 Vgl. ActPetr (gr.) 2,11: αὔριον γὰρ ἐγὼ καταλιπὼν ὑμᾶς (...), ἀναπτήξομαι πρὸς τὸν θεόν, οὗ ἡ δύναμις ἐγώ εἰμι. 446 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? aber die »Oden Salomos« sind in diesem Zusammenhang zu beachten. 1578 Sie geben, so kann man sagen, messianische Erfahrungen eines christlichen Mystikers wieder und sind als »hymnische Offenbarungsrede Jesu Christi« konzipiert. 1579 Es ist oft unklar, wer redet. Ob es Frage - Antwort ist oder chorisch, oder ob wie in mantischer Besessenheit der Christusinspirierte redet mit sich selbst oder anderen: OdSal 4 (6) »Denn niemand, der das Kleid deiner Gnade anzieht, kann dann noch in Ungnade fallen. (7) Denn alle kennen dein Siegel, das deine Geschöpfe tragen, (8) das deine himmlischen Geschöpfe besitzen und deine auserwählten Erzengel. (9) Du gabst uns Gemeinschaft mit dir, doch nicht, weil du uns brauchtest, sondern weil wir dich brauchen immerdar« (B/ N). Das Siegel haben die Engel das Kleid die Menschen. Dabei geht es nicht um Gegensätze, sondern um Komplementäres. Jedenfalls gibt es die Nähe des Messias und der von ihm "Ergriffenen" zu den Engeln. OdSal 1 (1) »Wie ein Kranz auf meinem Haupt so ist für mich der Herr. Nie werde ich ihn ablegen. (2) Zu einem Kranz ist Gottes Wirklichkeit für mich geflochten, sie ließ deine Zweige in mir aufsprießen. (3) Denn dieser Kranz ist nicht verwelkt, sondern kann herrlich treiben. (4) Lebendig bist du auf meinem Haupt und hast Knospen angesetzt auf mir. (5) Prall und reif sind deine Früchte, voll von dem Heil, das du schenkst« (B/ N). Der Mystiker erfährt den »Herrn« als »Kranz auf dem Kopf«. 1580 Der Mystiker: Das kann ein Christ sein, der in mystischer Offenbarung sich mit dem Herrn identisch weiß, es kann aber auch Jesus sein, der in dieser Weise mit dem Namen des Herrn belegt und so mit dem Herrn identisch wird. OdSal 3: (1) »Wie ein Kleid ziehe ich an (...). (7) Ich wurde mit ihm vereint, denn der Liebende fand den Geliebten. Weil ich ihn liebe, den Sohn, werde ich selbst zum Sohn. (8) Denn wer sich an den hängt, der nicht stirbt, wird sicher selbst dem Tod entrinnen« (B/ N). OdSal 15,7ff: »Weil er so freigebig ist, hat er mir gegeben. Herrlich schön, wie er ist, hat er auch mich gemacht. (8) Wie ein Kleid zog ich Unvergänglichkeit an, weil er durch seinen Namen an mir wirkte, und legte Vergänglichkeit ab, weil er gütig ist. (9) Vor meinen Augen hat er den Tod vernichtet, das Totenreich hat er durch mein Wort zerstört« (B/ N). Es geht um das Anziehen eines neuen Kleides/ Körpers/ Seins. Der Sprecher wird dadurch selbst zum Sohn, der dem Tod entrinnt, der durch den Gottesnamen die Vergänglichkeit ablegt und der durch sein eigenes Wort das Totenreich zerstört. Wenn man fragt, wer das von sich behaupten kann, dann kann es eigentlich nur Christus sein, mit dem über den hymnischen Gesang hier Gemeinschaft bzw. Identität hergestellt wird. Vgl. dazu OdSal 17: 1578 K. B ERGER hat die Oden Salomos im Doktoranden-Kolloquium 1999/ 2000 behandelt. 1579 B/ N, 933. 1580 Vgl. OdSal 9,8f: »Gottes Wirklichkeit ist ein Kranz, der nicht welkt. Selig alle, die diesen Kranz auf ihrem Hupt tragen. (9) Gottes Wirklichkeit ist wie ein kostbarer Stein in diesem Kranz, um den Kriege geführt werden, wie um eine Krone. (...) 11 Setzt den Kranz auf im treuen Bund mit dem Herrn, dann werden alle, die gesiegt haben, ins Buch des Lebens geschrieben werden« (B/ N). 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 447 OdSal 17: (1) »Mein Gott hat mich bekränzt. Mein Kranz ist Leben. (2) Mein Gott hat mich als gerecht erklärt und mich für immer erlöst. (3) Er hat mich befreit von allem, was sinnlos ist, und mich nicht verurteilt. (4) Er hat meine Fesseln zerrissen mit seinen Händen. (5) Er hat mein Gesicht und meine Gestalt neu gemacht, so wurde ich eine neue Person. Als diese lebe ich und wurde erlöst. (6) Alle, die mich sahen, staunten sehr, weil ich ihnen wie ein Fremder 1581 erschien. (7) Doch Gott kennt mich und hat mich erhöht. Er ist der Höchste, der Vollkommene. Er verherrlichte mich in seiner Gnade. Er hat mein Denken in die Höhe seiner Göttlichkeit erhoben. (8) Vom Himmel her lenkte er meine Schritte. Ich konnte verschlossene Türen öffnen. (9) Ich zerschlug die eisernen Riegel. Meine Ketten glühten und schmolzen vor mir. (10) Nichts blieb mir verschlossen, weil ich alles öffnen konnte. (11) Ich ging zu allen, die mit mir eingeschlossen waren, um sie zu befreien. Keinen wollte ich gebunden lassen oder binden. (12) Reichlich teilte ich meine Einsicht mit, voller Liebe leistete ich Fürbitte. (13) Ich säte meine Frucht in ihre Herzen und ließ sie wachsen. (14) Sie konnten meinen Segen empfangen und lebten, ich sammelte sie bei mir und erlöste sie. (15) Denn sie sind meine Glieder, und ich bin ihr Haupt. Halleluja« (B/ N). Hier ist deutlich der Erlöser (Christus) Sprecher/ Sänger des Liedes. So kam er in seine Position: OdSal 36: »Ich fand Ruhe auf dem Heiligen Geist. Er hob mich zur Höhe. 1582 (2) In der Himmelshöhe des Herrn stellte er mich auf meine Füße vor seine vollkommene Herrlichkeit. Ich lobte ihn, indem ich ein Lied an das andere reihte. (3) Im Angesicht Gottes gebar mich der Heilige Geist. Ich war ein Mensch, wurde aber doch Lichtglanz, Sohn Gottes, genannt. (4) Ich lobte Gott im Kreis der anderen, die ihn verherrlichten. Dabei war ich groß unter den Großen. (5) Denn so groß, wie er selbst ist, hat mich der Herr gemacht, wie er selbst Erneuerung ist, hat er mich erneuert. (6) Vollkommen, wie er ist, hat er auch mich gesalbt. Ich wurde einer von denen, die nahe bei ihm stehen« (B/ N). - Vgl.: OdSal 38,1: »Ich stieg hinauf in das Licht der Wirklichkeit Gottes wie zum Thronwagen. Gottes Treue leitete und führte mich«; OdSal 40,4: »Durch ihn bin ich ein strahlender Mensch« (B/ N). Auswertung: 1. Der Sänger (meist ist es Christus oder jemand, der mit ihm per mystischer Vision eins ist) hat einen Kranz auf dem Kopf, der Leben bedeutet. 1583 2. Der Kranz auf dem Kopf ist offenbar gekennzeichnet durch den Namen Gottes. 3. Die neue Wirklichkeit wurde angezogen wie ein Kleid. Das setzt voraus, dass es eine alte Wirklichkeit gibt. Das ganze Geschehen ist als Himmelsreise geschildert. 1581 Vgl. OdSal 41, 7ff: »All jene, die mich sehen, werden staunen, denn ich komme von einem anderen Ort. (8) Der himmlische Vater hat an mich gedacht. Ich war bei ihm als sein Eigentum von Anbeginn der Welt. 9 Ich wurde geboren aus seinem reichen, göttlichen Leben und aus dem Denken seines Herzens. (12) Der Sohn des Allerhöchsten ist erschienen in der Vollkommenheit seines Vaters. (13) Licht strahlte auf vom Wort, das von Anbeginn der Welt in ihm wohnt« (B/ N). 1582 Vgl. die Beschreibung einer in Ich-Form erzählten sehr ähnlichen Erfahrung in 1QHa XI, 19-23. Vgl. auch den »Selbstverherrlichungshymnus« in Qumran (4Q491c Frgm 1; s. S CHÄFER , Ursprünge, 206ff): Die in OdSal beschriebenen Vorstellungen entsprechen sehr weitgehend den Berichten dieser qumranischer Texte. 1583 Vgl. die Kronen der Offenbarung (insbesondere Offb. 19,12), beschrieben mit himmlischen Zeichen, hier vermutlich: dem Namen Gottes (JHWH). 448 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 4. Der sich offenbarende Sohn Gottes kommt »als Fremder« in die Welt, so dass alle staunen. Er ist von Gott, ist aus Gott geboren, vielleicht (OdSal 41,12) schon von Anbeginn der Welt. 5. So treffen sich zwei Linien, eine auf- und eine absteigende. Aufsteigend empfängt der Seher (Jesus) »den Herrn« (als Kleid, Kranz, Namen). Absteigend offenbart sich in Jesus der Sohn Gottes. Die von M. Lattke 1584 auf etwa 130 n.Chr. datierten Oden Salomos geben uns damit ein Modell an die Hand, das, wie gezeigt, schon vorher existierte und das man schon im frühen Christentum auf Christus übertragen konnte. Das Modell, das Bühner in seinem Buch über das Johannesevangelium beschrieben hat, hat Berger durch die Vorstellung einer Art Super-Inspiration alternativ oder komplementär ergänzt. Zudem ist ein Weiteres zu bedenken. Egal, ob die Bezeichnung »Hymnus« 1585 für den Johannesprolog, für Phil 2, 6-11 und andere ntl. Passagen 1586 richtig ist oder nicht, die poetische Struktur derartiger Stücke, ähnlich IgnEph 7 und 19 und ähnlich OdSal, entspricht offenbar dem, wovon gesprochen oder gesungen wird eher als reine Prosa. 1587 Auch die Erfahrungen, die in den Oden Salomos wiedergegeben werden, werden ähnlich ausgedrückt. Apokalyptik, Mystik, Isangelie, Hymnus, Liturgie: eine Kette von möglichen Erfahrungen wird vorstellbar. 1588 Denn auch in pagan-hellenistischer Mythologie gilt: »Das Wesenhafte und Große will gesungen werden«. 1589 Dogmatische und antihäretische Funktionen erhalten diese Perikopen erst (wesentlich) später. 1584 Lit. OdSal: Lattke, Oden Salomos 1995; ders.: Oden Salomos 1986; ders.: Oden Salomos 1999; B/ N, 933-971. 1585 B RUCKER , Christushymnen; Deichgräber, Gotteshymnus; L ÖHR , Studien. 1586 Joh 1,1-18; Phil 2,5-11; 1 Tim 3,16; Kol 1,15-20; Eph 1,3-14; Hebr 1,3. Vgl. auch die »Tanzlieder« aus den Johannesakten (B/ N). 1587 S CHOEDEL , Briefe, benutzt den Begriff »Hymnus« nur vorsichtig. Am Beispiel von IgnEph 7 in Vergleich mit Melitos Passah-Homilie zeigt sich (ebd., 118): Nichts »ist charakteristischer für eine Homilie als Folgen paralleler, für rhetorische Wirkung zusammengeäufter Ausdrücke.« 1588 Vgl. (anachronistisch) Hammerstein, Musik. Trotz der völlig veränderten Epoche ist in der Vorstellung, gottesdienstliche Musik sei »Musik der Engel« ein sehr altes, tradiertes Element. Vgl. IgnEph 4. Vgl. oben S. 367. 1589 O TTO , Theophania, 32. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 449 12.4.8 Kleider, Vorhänge, Decken und das Fleisch des Erlösers 12.4.8.1 »Wohnort« und »Kleidung« Christi Der Zusammenhang von »Fleisch«, »Kleidern« 1590 und »Tempel«, 1591 in denen jeweils Christus wohnt, begegnet unter anderem in folgenden Elementen: - Joh 1,14: Das Wort zeltete unter uns. Es geht um Stoffe und Umhüllung wie bei Kleidern; 1592 zugleich geht es um den Tempel, das »Zelt«, die σκηνή (s.o. S. 175-178). - Die Gemeinde oder das Herz der Christen ist das neue Zelt (Stiftshütte/ Tempel). - Durch Christi Fleisch wird die Trennmauer im Tempel zwischen Heiden- und Judenchristen eingerissen (Eph 2). - Die fleischlich-leibliche Existenz Jesu wird mehrfach mit dem Tempelvorhang 1593 in Verbindung gebracht. Interessant ist, dass dies gerade an den entscheidenden Stellen geschieht: Bei bzw. kurz vor seinem »Auftritt« in der Welt (Geburt) und bei seinem »Abtritt« (Tod). a) Bemerkenswert für den Bezug von Fleisch Christi und Tempelvorhang ist die Geschichte in ProtEvJak 10-12: Maria bestickt als Jungfrau sozusagen in Vorbereitung ihrer Schwangerschaft den Tempelvorhang. b) Ebenso bemerkenswert ist das Zerreißen des Tempelvorhangs, das zeitgleich zum Sterben Jesu am Kreuz geschildert wird und eine breite Bezeugung, d.h. eine weite Wirkung hatte. Bezeugungen finden sich u.a.: Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45; TestLev 10,3; TestBenj 9,4; EvPetr 5,20; ActaPilati 9,5; 11,1. EvNaz Frgm 4 (B-N) hat als Variante: »Die riesige oberste Stufe des Tempelportals spaltete sich«. c) In beiden Szenerien spielt Maria eine Rolle. Sie ist der »biologische Zugang« Jesu zur Welt. 1594 So, wie sie nach ProtEvJak 10 Erzeugerin des Tempelvorhanges ist, ist sie auch die Mutter Jesu. Beide »wachsen« gleichzeitig durch Maria heran, beide »zerreißen« gleichzeitig, als sie vor den Mauern Jerusalems unter dem Kreuz ihres Sohnes steht. Auch der Himmel, der übertragen dem Vorhang entspricht, wird finster, und die Erde als Grundelement der Materie bebt und reißt auf (Mt 27). 1590 »Kleid« = »Körper« ist usuelle Metapher der Zeit. Vgl. z.B. Poimandres 7,2f (Corp. Herm.). 1591 Zum Thema Tempel s.o. S. 175f (Jesus als Stiftshütte); vgl. auch B ARKER , Gate; diess., Temple Symbolism. Barker, Gate 107f weist darauf hin, dass die Kleidermetaphorik eng mit den diversen Vorhängen, die vor dem Heiligem und dem Allerheiligste hängen, zusammenhängt, da die priesterliche Kleidung als Kleidung der Engel genau die Schnittstelle zwischen Himmel und Erde repräsentiert, so wie die Vorhänge des Tempels. Man vergleiche dazu auch die Symbolik der dargestellten Figuren und Zeichen auf den Stoffen. Die Vorhänge des Tempels (vgl. dazu zum Fleisch des Messias im Hebräerbrief oben S. 194ff) dürften dabei zugleich symbolischer Hinweis auf das »ursprüngliche« Zeltheiligtum sein. Weitere Lit.-Angaben zum Tempelkult oben S. 192-198. B ARKER , Gate, 105, fasst zusammen: »Inseparable from the veil were the vestments of the high priest, elaborately woven and embroidered in almost the same way as the veil. Veil and vestments were complementary imagery; the veil symbolized all that stood between human perception and the divine in that same material world which also concealed it. Thus the veil and the priestly vestments provided the first Christians with ready imagery to convey what they meant by the incarnation.« 1592 Exc. ex Theod. 59,4: »Ein Körper also wurde ihm gewebt« (F ÖRSTER , Gnosis 1,200): Textilie = Körper. - Vgl. auch Jes 38,12, wo Hiskia klagt: »Meine Hütte ist abgebrochen und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden.« 1593 Der Tempelvorhang wird innerhalb der Bibel erwähnt: Ex 26,31.33.35; 27,21; 30,6; 35,12; 36,35; 38,27; 39,34; 40,3.21-22.26; Lev 4,6.17; 16,2.12.15; 21,23; 24,3; Num 3,25-26.31; 4,5.25-26; 18,7; 2 Chr 3,14; Judit 14,12-13; Sir 50,6; 1 Makk 1,23; 4,51; Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45; Hebr 6,19; 9,3; 10,20. Auch die Register zu den qumranischen Schriften, zu Philo, Josephus, den Targumim, der Mischna usw. zeigen deutlich, dass der Tempelvorhang ein verbreitetes Thema für Beschreibungen und Reflexionen ist. 1594 Das sieht z.B. schon Isaak der Syrer in seinen »asketischen Homilien« (77) zitiert in ACCS NT, Bd. 10,161. 450 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Christi Fleisch wird ausdrücklich mit dem Tempelvorhang in Hebr 10, 20 identifiziert (s.o. S. 240). Wer durch ihn eintritt, gelangt zur Gegenwart Gottes. Zu beachten ist, dass die Luther-Fassung von Hebr 10,20, die vom »Opfer seines Leibes« erklärt, im Text keinen Anhalt hat. In der griechischen Fassung heißt es nämlich: Hebr. 10,19f: Ἔχοντες οὖν, ἀδελφοί, παρρησίαν εἰς τὴν εἴσοδον τῶν ἁγίων ἐν τῷ αἵματι Ἰησοῦ, ἣν ἐνεκαίνισεν ἡμῖν ὁδὸν πρόσφατον καὶ ζῶσαν διὰ τοῦ καταπετάσματος, τοῦτ᾿ ἔστιν τῆς σαρκὸς αὐτοῦ.» »Also haben wir, liebe Geschwister, jetzt durch das Blut Jesu einen freien Zugang in das Heiligtum, den er unseretwegen als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, d.h. durch sein Fleisch, eröffnet hat.« Der Zugang in das Heiligtum erfolgt also ausdrücklich durch den mit der menschlichen Materie Jesu gleichgesetzten Vorhang. Das Hindurchgehen durch den Vorhang ist dabei metaphorisch verzahnt mit dem Hindurchgehen durch die Himmel. Jesus ist mehr als Himmel und Vorhang, aber er nutzt Himmel und Vorhang, indem er vorangeht und sein eigenes Fleisch zum Durchgangsort zum Himmel werden lässt. 1595 Ab jetzt geht es damit um einen neuen Sühnort (im Himmel) und einen neuen Tempel (Himmel) sowie einen neuen Zugang (Jesu Menschheit/ Fleisch als »Vorhang«), d.h. um einen neuen Kult und eine neue Gemeinde. 1596 - »Fleisch« ist, so das Ergebnis der Untersuchungen zu 1 Joh, die »Schnittstelle« zwischen Welt und Gott. Hier kommt der Mensch mit der Welt in Berührung, ist Teil der Welt, während in ihm noch etwas anderes ist: Geist von Gott oder der Gegenseite. 1595 Jesus hat nach Hebr 4,14 die Himmel durchschritten (διεληλυθότα τοὺς οὐρανούς). Interessanterweise ist der Tempelvorhang nach außen mit einer Darstellung des Kosmos, d.h. auch mit himmlischen Motiven bestickt (s.o. S. 240). Es folgt in 4,16 die (erst durch 10,19f erklärte) Aufforderung, mit Freimut zum Gnadenthron hinzuzutreten. Vom Text her bereitet somit das »Hindurchgehen durch die Himmel« auf Seiten Jesu das »Hinzutreten« zum Gnadenthron vor, das wiederum bildlich nur als ein »Hindurchgehen« durch den Tempelvorhang denkbar ist. Hebr 6,19f führt das Bild weiter: Die Verheißungen und Hoffnungen haben einen starken Anker, der hindurchgegangen ist in das Innere hinter dem Vorhang (εἰσερχομένην εἰς τὸ ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος). Dieser feste Anker ist Christus, der dorthinein als unser »Vorläufer« vorgegangen ist. Das heißt: Jesus ist der, der den Weg durch den Vorhang öffnet und für uns hinter dem Vorhang (im Allerheiligsten/ im Himmel) aktiv ist. Dort kann er wirksamer für uns eintreten, als jeder levitische Priester, weil er selbst höher als die Himmel (d.h. auch: mehr als der Vorhang) ist (7,26). 1596 Das Bild wird im Sinne des präsenten Tempelkults fortgeführt: Jesus bringt durch den Vorhang Blut in das Allerheiligste (d.h. in den Himmel), um dort die am Jom Kippur geforderte Blutapplikation am Sühneort durchzuführen. Das Blut, das er bringt, sprengt allerdings die Metaphorik, da es sein eigenes ist und nicht das eines Opfertieres. D.h., er bringt sein eigenes Leben, um mit der reinen und heiligen Kraft seines Lebens, alle Sünde, die den Zugang zu Gott versperrt, abzuwaschen (9,11.24ff). Dem Hebr. geht es darum, den Tod Jesu als Höhepunkt eines neuen Bundesschlusses darzustellen, durch den es auch einen neuen Zugang gibt. Daher wird die Besprengung der Gemeinde mit Blut dargestellt, wie sie sonst nur in Exodus 24 beim Bundesschluss am Sinai berichtet wird. Durch die »Besprengung in unseren Herzen« wird also die Kultfähigkeit, d.h. der Zugang möglich gemacht (10,22). Somit ist die Gemeinde auch nicht zum sichtbaren Berg Sinai (Bundesschluss, Gebote, Heiligtum) hinzugetreten, wo mit Feuer und Rauch geopfert wird (11,18ff), sondern zum himmlischen Berg Zion, zur Himmelsstadt Jerusalem (11,22). Das Hinausgehen aus dem Lager der jüdischen Tempel- und Synagogengemeinde (13,12f) bedeutet daher einerseits Trennung und Neuanfang und andererseits Solidarität mit Jesus, der vor den Mauern der sichtbaren Stadt, starb. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 451 In der Welt ist erst einmal der Gegen-Geist anzunehmen. Da das Fleisch teilhat an der Welt, ist es selbst erlösungsbedürftig. - Anders ist das Fleisch Christi, da er nicht gesündigt hat. Das Fleisch bleibt rein. - Christi Existenz im Fleisch kann als Wohnen Gottes unter uns interpretiert werden (Barn), was wiederum der Tempelmetaphorik entspricht. - Christi Fleisch ist Ort der Versöhnung (wie im Tempel): Sünde betrifft auch den Tempel. Dort wird Sünde vergeben, aber der Tempel und alles, was dazugehört, soll unbefleckt bleiben. Fazit: Beim »Fleisch des Messias« geht es eigentlich immer um Soteriologisches (Heil für die Menschen), 1597 um Kontakt mit Gott, auch um die notwendige Distanz von Gott, um Unsterblichkeit und vor allem um den Geist Gottes, der im Fleisch oder am Fleisch (schon und vorläufig) wirksam wird. 1598 12.4.8.2 Durch den Tempelvorhang gehen Fleisch kann also mit dem Tempelvorhang, der die Gegenwart Gottes abschirmt, gleichgesetzt werden (Hebr 10). Der Vorhang 1599 wiederum entspricht den Kleidern 1600 der Hohenpriester 1601 , die in die Gegenwart Gottes hineingehen 1602 und die Gegenwart des Höchsten draußen repräsentieren. Der 1597 P ANNENBERG , Grundzüge, 39 nennt auf einen weiteren Faktor, der in der Moderne das Verständnis für die Inkarnationsvorstellung stört: »Vergleicht man die neuprotestantische Christologie (...) mit den vorigen Typen soteriologischer Motivierung der Christologie, so fällt die Bescheidenheit des soteriologischen Interesses auf: Es geht (...) nur noch um die Ermöglichung der Menschlichkeit des irdischen Lebens; es geht nicht mehr um die Überwindung des Todes, um das Thema der Auferstehung, und auch um die Frage der Sündenvergebung geht es nur noch in dem Sinne, dass von Jesus die Möglichkeit für jeden einzelnen, die Sünde zu überwinden, ausgeht.« 1598 Phil gig 29: Weil die 70 Ältesten »Fleisch« sind, ist es dem göttlichen Geist nicht möglich, dauerhaft zu bleiben (διὰ τὸ εἶναι αὐτοὺς σάρκας μὴ δύνασθαι τὸ θεῖον πνεῦμα καταμεῖναι). Die grundsätzliche Spannung, dass der heilschaffende göttliche Geist nur vorübergehend am oder im Menschen wirksam sein könne, wäre also bei Jesus in einzigartiger Weise aufgehoben. 1599 Zu Pracht und Symbolik der auf dem Tempelvorhang dargestellten Zeichen s.o. S. 240 (Hebr 10). Die Mischna diskutiert in Joma 5,1, ob es zwei Vorhänge gegeben hat, zwischen denen der Hohepriester sich bewegt: Der Hohepriester »ging im Tempel umher, bis er zwischen die zwei Vorhänge kam, die das Heilige vom Allerheiligsten trennten, und zwischen ihnen war eine Elle«. Dies wird von anderen bestritten, die davon ausgehen, es sei ein einziger Vorhang gewesen. Vgl. auch Philo, Congr. 1,117; Mos. 2,84-87.90.93.95.101. Philo, Mos. 2,101 unterscheidet zwei Vorhänge Philo, Congr. 117 schildert, dass die von Mose für die Herstellung verwendeten (bzw. verordneten) Materialien die vier Elemente der Welt (Erde, Feuer, Wasser, Luft) darstellten. 1600 Ähnlich wie den Tempelvorhang stellt Josephus die Priestergewänder dar. Im ersten Satz entspricht die Materialbeschreibung ganz der, die Philo vom Vorhang gibt. Danach folgen Beschreibungen der weiteren Bestandteile der Kleidung, die verdeutlichen, dass der aus dem Allerheiligsten tretende Priester die Natur der Welt angenommen hat, wobei er gleichzeitig den in Himmel und Erde wohnenden Gott repräsentiert: Ant. 3,1841-87: »Ebenso bedeutet das Gewand des Hohepriesters, weil es von Leinen ist, die Erde, der Hyacinth aber den Himmel. Die Granatäpfel bedeuten den Blitz, der Schall der Glocken den Donner. Das Ephud, das aus vier Stoffen gewebt ist und unter dem Auge Gottes steht, zieht die ganze Natur an und das ihr beigewirkte Gold bedeutet nach meinem Dafürhalten den Lichtglanz, der alles überstrahlt. Der Brustlatz in der Mitte des Ephuds entspricht gleichfalls der Erde, die in der Mitte der Welt gelegen ist, der Gürtel aber dem Ozean, der die ganze Welt umfließt. (...) Der Kopfbund endlich scheint mir ein Bild des Himmels zu sein, da er von Hyacinth ist (er könnte sonst den Namen Gottes nicht an sich tragen), und eine leuchtende goldene Krone sich an ihm befindet, entsprechend dem Glanze, der Gott umgibt« (C LEMENTZ ). Vgl. Philo spec.leg. 1,82ff; TestLev 8,1. 1601 Vgl. Ex 26,31ff; 28,2-40; Josephus Ant. 3,184 und Philo spec.1,82ff; 96f. - Vgl. insgesamt B ARKER , Gate, 111ff. 1602 Deswegen nennt Philo den Hohenpriester auch Logos bzw. identifiziert den Logos mit dem Hohenpriester. In spec.leg. 1,81 identifiziert Philo die Seele des Hohenpriesters mit dem Logos. 452 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Durchgang des Hohenpriesters durch den Tempelvorhang jedenfalls hat mit Kleiderwechsel zu tun: Geht er nach innen, zieht er sich ein weißes Leinengewand an (wie die Engel); 1603 tritt er nach draußen, zieht er sich ein prachtvolles Gewand an, das dem Tempelvorhang, der wiederum den Kosmos symbolisch darstellt, entspricht: 1604 »Auf seinem langen Gewand war die ganze Welt abgebildet, und die Ehrennamen der Väter waren in die vier Reihen der Steine eingegraben und deine Herrlichkeit auf dem Stirnband 1605 seines Haupts« (WeishSal 18,24). Da nun der Tempel generell als Abbild der himmlischen Wirklichkeit galt, oder auch als Tor zum Himmel, 1606 ist es nicht erstaunlich, dass häufiger, besonders in Psalmen, davon gesprochen wird, dass Gott den Himmel als Zelt aufgespannt habe (Stiftshütte) und auch davon, dass ein himmlisches Heiligtum Vorbild des irdischen sei. Wenn also ein Wesen aus dem himmlischen Heiligtum in die irdische Realität wechselt, so muss es den Vorhang, der dazwischen ist, durchschreiten. Davon spricht Hebr 10. 12.4.8.3 Die Decke über dem Gesicht des Mose Der Zusammenhang zwischen Tempelvorhang, Kleidung und menschlichem Fleisch begegnet zudem in der Geschichte von der »Decke«, mit der Mose sein Gesicht verbirgt, um die Gemeinde nicht zu gefährden durch den Glanz, der nun von ihm ausgeht (Ex 34). Mose, der 40 Tage lang ohne zu essen und zu trinken (! ) in der Gegenwart Gottes verbracht hatte (Ex 34,28) ist nicht nur in Bezug auf die fehlende Nahrungsaufnahme »transformiert«, er hat auch den Glanz Gottes angenommen und strahlt ihn nun ab. Er selbst trägt also Präsenz Gottes mit sich herum und hat etwas Göttliches oder Engelhaftes, das seine Umgebung gefährdet. Die Lösung besteht darin, dass er eine Decke (im Griechisch der LXX: κάλυμμα) nimmt und damit sein Gesicht verhüllt, wenn er aus der Stiftshütte/ dem Aller- 1603 Vgl. H IMMELFARB , Ascent, 16ff. 1604 B ARKER , Gate, 104-132, stellt materialreich dar, dass im Jerusalemer Tempelkult der Hohepriester beim Gang in das Allerheiligste ein weißes Leinengewand anzieht die Kleidung der Engel. Wenn er aber aus dem Allerheiligsten durch den Vorhang hinaustritt, der die Herrlichkeit Gottes in der geschaffenen Welt symbolisiert, dann kleidet sich der Hohepriester entsprechend: das sind die vielbeschriebenen hohenpriesterlichen, prachtvollen Gewänder, die ihn als Repräsentanten Gottes, als Träger des heiligen Gottesnamens und wenn man so will als »Gottesträger« zeigen. Der Tempelvorhang ist dabei die Grenze von sichtbar und unsichtbar, von materiell und immateriell. Die Außenseite des Vorhangs zeigt die Seite der Materie genau in diesen Stoff hüllt sich der Hohepriester dann, wenn er hinauskommt. Überträgt man dieses auf die Menschwerdung Jesu, dann ist wie in Hebr - Jesu Fleisch selbst ein Stück des bei seinem Tod zerreißenden Tempelvorhangs, der Himmel und Erde voneinander trennt. Als Mensch ist Christus aber nur in dieser Gestalt greifbar und denkbar. 1605 Gemeint ist wiederum der Gottesname. Ähnlich auch der Aristeasbrief, Kap 98. 1606 Die Erfahrungen der späteren Merkava-Mystiker werden als Durchgang durch verschiedene Tempelvorhöfe und hallen geschildert. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 453 heiligsten herauskommt. Wenn er aber in das Allerheiligste hineingeht, nimmt er die Decke (κάλυμμα) ab (Ex 34,33-35). 1607 Nun ist in der LXX das Wort κάλυμμα eine von mehreren Möglichkeiten, auch den Tempelvorhang zu benennen. 1608 In 1 Makk 6,2, wo vom Tempelraub des Antiochus berichtet wird, werden auch die Priestergewänder eben so genannt: καλύμματα. Auch wird das, womit das Allerheiligste verborgen, verhüllt und »eingepackt« wird, wenn das Zeltheiligtum unterwegs ist, als κάλυμμα bezeichnet (Num 4,10-25). Die »Decke« auf dem Angesicht des Mose entspricht also dem Tempelvorhang und den Priesterkleidungen. Sie dient dem Schutz der Gemeinde. Sie lässt Mose »menschlich« erscheinen, da die göttliche Macht, die sich in seinem Gesicht spiegelt, wie bei einem Elektrokabel »isoliert« wird. Dasselbe Prinzip gilt bei den Decken, die zum Tragen der heiligen Gegenstände verwendet werden, zu sehen. Wiederum das Gleiche gilt für die Kleidung des Hohenpriesters. Sie entspricht dem Vorhang und verhindert den ungeschützten Kontakt der Menschen mit dem Allerheiligsten, das am Hohenpriester durch sein weißes (Engel-)Gewand symbolisiert wird. Ergebnis: Das Fleisch des Messias ist zugleich Erscheinungsort der Epiphanie Gottes (wie der Tempel), Schutz der Umgebenden vor der unendlichen Macht Gottes und wiederum Kontaktfläche zum Allerheiligsten. Diese kultischen Zusammenhänge erklären die schon beobachtete soteriologische Funktion des Fleisches Christi. Zudem bietet sich ein Zusammenhang mit dem apokalyptisch, visionär oder einfach mystisch-geistlich erlebbaren bzw. erhofften Kleiderwechsel (Jesus wechselt sein Körperkleid; bei der Taufe zieht der Getaufte »den Neuen Menschen« an). Weiterführung des Themas in der Gnosis In der späteren Gnosis wird das Thema des Tempelvorhangs mehrfach aufgenommen und weitergeführt. So hat z.B. die in verschiedenen gnostischen Systemen genannte und mit einer zentralen Funktion versehene »Grenze« (Horos) zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt 1609 die Funktion, dass an ihr der Kontakt, auch der falsche Kontakt, zwischen beiden Welten geschieht. Dabei wird durch den Kontakt auch die Entstehung der Materie und dann auch die Erlösung in Szene gesetzt. Letzteres 1607 Vgl. die Interpretation dieser Geschichte bei Paulus: 2 Kor 3,10-18. 1608 Ex 27,16; 35,11; 39,20; 40,5; Num 3,25; 4,25. 1609 Vgl. z.B. B. A LAND , Gnosis (2009), 32f; R UDOLPH , Gnosis, 346, W ANKE , Kreuz, 16-55; 91ff. 454 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? wird deutlich, wo der Horos als »Kreuz« Christi, das zumindest z.T. auch für den Leib Christi steht, begegnet. 1610 Ausdrücklich von einem Vorhang spricht beispielsweise die titellose Schrift im Codex Brucianus, wobei hier der Vorhang zwischen zwei materiellen Welten hängt. 1611 Das Motiv begegnet weiterhin in der »Sapientia Jesu Christi« 1612 und in EvPhil 76 und 125. Deutlicher und unserem Thema näher steht die Aufnahme des Motivs z.B. in der »Hypostase der Archonten« (p.94, 5f): »Es gibt einen Vorhang zwischen denen, die nach oben gehören, und den Äonen, die unten sind. Und es entstand ein Schatten unterhalb des Vorhangs. Und dieser Schatten wurde zur Materie« (NHD 172). 1613 Der »Vorhang« wird in diesem späteren Text also ganz eng mit dem Thema »Materie« (=«Fleisch«) verbunden und kann als Aufnahme und Weiterführung und des bisher Beobachteten gelten. Das Motiv »Schatten« entstammt der platonischen Mythologie (Höhlengleichnis) und dient zur Deutung des jüdischchristlich vorgegebenen kultischen Vorhang-Motivs. 1614 12.4.9 »Nicht im Fleisch gekommen! « Egal, ob das Heilsdrama von 1 Joh mit einer doppelbödigen Wirklichkeit von Himmel und Welt oder von Allerheiligsten und Heiligem rechnet: In jedem Fall 1610 Iren.haer 1,3,5 (über Ptolemäus): Horos = Kreuz = Heiland. Zwei Wirkungen: Befestigend und scheidend. Iren.haer 1,11,1 (über Markus): 2 Horoi. 1 Horos trennt die Urmutter vom Pleroma. An einer Grenze entsteht ein Schatten aus der Mutter = Christus. Schatten und Christus werden dann wieder getrennt. Exc. ex Theod. 22,4: Über den Zugang verstorbener Seelen zum Himmel: Sie müssen an der Grenze (Horos) bzw. dem Kreuz vorbei, was ihnen aufgrund des mit der Taufe verliehenen Namens gelingt. Exc. ex. Theod. 35,1: Jesus geht als Engel des Pleromas über die Grenze (Horos) hinaus, um zu erlösen. Exc. ex Theod. 42, 1: Kreuz als Grenze im Pleroma, das Ungläubige von Gläubigen und Nichtpleroma von Pleroma trennt. Weitere Stellen zum Thema »Horos« bei den Häresiologen über die Gnosis sind z.B.: Hippolyt, Ref. 5,26,15; Ref 6,31,5ff; Ref 7,23,2; 25,2; Iren.haer 1,2,2ff; 1,3,5; 1,11,1. Die Horos-Spekulationen entspringen wohl einer Auslegung von Gen 3,24, wo der Mensch aus dem Garten Eden, der im kultischen Bereich dem Allerheiligsten entspricht, verwiesen wird. An dieser Bruchlinie erhält er (3,21 vgl. Jub 3,26-34, vgl. Inter 10,5) von Gott Kleidung(! ). Im Jerusalemer Tempel war der innere Vorhang wiederum mit den das Paradies bewachenden Cherubim geschmückt (Ex 25f; 36f; Num 7,89). - In der Gnosis geht es nun darum, diese Bruchlinie, an der die Materie (Kleidung) entsteht und der Mensch aus dem Pleroma/ Paradies herausfällt, neu zu deuten. Teilweise geht die Deutung dahin, dass Christus bzw. sein Kreuz als Grenzbefestigung für die zu ihm Gehörenden zum Durchlass zum Baum des Lebens wird (vgl. Offb. 2,7; 22,14; TestLev 18,10; VitAdEv 28,3f; 2Hen 32; Targ. Ps.-Jonathan zu Gen 3,24). Insgesamt ist die Genesis-Interpretation für die Entwicklung der eigenen christlichen Weltsicht von nicht zu unterschätzender Bedeutung im Frühen Christentum und der Alten Kirche gewesen (vgl. für die Alte Kirche grundlegend: K ÖCKERT , Kosmologie). 1611 Vgl. B RANKAER , Gnosis, 32. 1612 NHC 3,114/ Codex Berolinensis Gnosticus 8502 (Papyrus Berolinensis) 118f s. NHD 281f. 1613 Auch die Schrift »Vom Ursprung der Welt«, 98, spricht von einem solchen Vorhang, der die Menschen von der darüber liegenden Welt trennt. 1614 Auch das jüngst veröffentlichte Judasevangelium (Codex Tchacos 3) spielt das Thema »Kultort«, »Jesus und der Tempel« lange und intensiv durch (38-41). Dem EvJud geht es dabei um eine Kritik an der »Großkirche« seiner Zeit, es nutzt allerdings die kultischen Begriffe, die folglich immer noch zur Beschreibung Jesu und seiner Gemeinde als tauglich erschienen. D.h.: Die in der ntl. Exegese nahezu unbeachtet gebliebene tempelkultische Metaphorik ist dringend wieder zu entdecken und für die Auslegung nutzbar zu machen. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 455 tritt der »Sohn« in die »Welt«, indem er die Grenze von Ouranos und Kosmos überschreitet und dabei das Material des Kosmos (Fleisch) annimmt. Im Tempel wird diese Szene mit dem Tempelvorhang dargestellt. 1615 In 1 Joh wird Jesus als »Bote« gesehen, der in der Szenerie der »Welt« auftritt und das »Fleisch« als »Kleid« benötigt. Hat er dieses Gewand nicht, kann er nicht auftreten, also: Dann ist er nicht da gewesen. Die Bestreitung des Im-Fleisch- Kommens bedeutet kein Kommen ohne Fleisch, sondern dass er nicht gekommen ist. Die Bestreitung des Im-Fleisch-Kommens bedeutet, dass der Menschensohn/ der himmlische Christus da geblieben ist, wo ihn die Apokalyptiker sehen: auf himmlischem Thron und mit der Aussage, künftig zu kommen. Denn egal wann er kommt, er kommt auf jeden Fall in einem »Gewand«. Wenn es nicht menschlich ist, dann ist es im Zweifel unerträglich, wie die Beschäftigung mit den Himmelsreisen oder auch nur den Transformationserfahrungen der Pneumatiker zeigt. Das heißt, wenn er nicht im Fleisch kommt, sondern in Form von Feuer, Licht und Glorie, dann ist das am Ende unerträglich und wirkt vernichtend. Auch das mag ein Grund sein, sein Kommen im Fleisch für unmöglich zu halten. Es kommt eben darauf an, ob man den entscheidenden Schritt tun kann, die Identifizierung des himmlischen Christus oder des himmlischen Logos, des »Großen Engels« oder des »kleinen YWYs« mit einem konkreten Menschen anzunehmen. Rabbi Aher in 3Hen sieht in der Gottgleichheit Metatrons ein Problem und staunt: »Es gibt zwei Kräfte im Himmel! « Damit beschreibt er zwar Offensichtliches, untergräbt aber die Einzigkeit Gottes. 1616 Metatron ist ganz und gar abhängig von Gott, seine Göttlichkeit ist nur »geliehen«. Seine Macht repräsentiert nur die höhere Macht. Der Fall zeigt die Gefährdungen, in die der Apokalyptiker geraten kann, selbst wenn er so weit verwandelt wird, dass er am Ende selbst Menschensohn und Repräsentant des Höchsten ist. Damit ist ein Hinweis gegeben, warum Apokalypsen mit wenigen Ausnahmen, zu denen die Offenbarung des Johannes gehört, nie in eigenem Namen verfasst sind, sondern immer 1615 Die oben unter 2.5.5 bis 2.5.7 entwickelte Bühnenmetaphorik zur Beschreibung des vorausgesetzten räumlichen Denkens in 1 Joh habe ich zu Anfang meiner Beschäftigung mit dem Thema entwickelt, lange bevor ich auf das Thema »Tempelvorhang« gestoßen bin. Wenn die oben gemachte Beschreibung von 1 Joh richtig ist, wird sie durch das Bild des Tempelvorhangs, der auf die Grenze zwischen Himmel und Erde übertragen werden kann, bestätigt und weitergeführt. 1616 Vgl. die Untersuchung von S EGAL genau zu diesem Thema (Two Powers) und die Weiterführungen und Zusammenfassungen zunächst bei Fossum und den Ergebnissen von S EGAL und F OSSUM kritisch gegenüber - bei H URTADO , One God, 93ff und How on Earth, 111-131. H URTADO verweist darauf, dass in 3Hen der jüdische Monotheismus gesprengt wird, wie er im 1. Jh. noch gegolten habe. Deswegen ist die göttliche Verehrung, die dem erhöhten Christus seit frühesten Zeiten des Christentums dargebracht wird, die entscheidende Innovation des Christentums. Dem ist nicht zu widersprechen. Allerdings ist zu beachten, dass die himmlischen Mächte, die die entscheidenden Kategorien abgaben, um den erhöhten Christus zu deuten, zu Teilen schon eine relativ große personale Selbständigkeit hatten (z.B. eigene »Engelpersönlichkeiten«). Allerdings sind sie immer dienend und werden nie angebetet. Genau das gilt auch für den irdischen Jesus. Erst als Erhöhter wird er angebetet, was mit dem ihm verliehenen »Namen über alle Namen« zusammenhängen wird. Das bedeutet wiederum: Auch im Erhöhten wird kein eigenständiges Wesen, sondern Gott angebetet. 456 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? pseudepigraph. 1617 Der Apokalyptiker nimmt die Rolle einer Figur der Vergangenheit ein, etwa Henochs oder Elisas oder Abrahams. Dann kann er schildern, wie er selbst als Figur der Vergangenheit durch Verwandlung seines Körpers und Geistes in die Rolle eines partiell »gottgleichen« oder engelhaften Wesens gelangt ist. Von Christus sagt Paulus, er habe es nicht für einen festzuhaltenden Besitz gehalten, Gott gleich zu sein (Phil 2). Das könnte heißen: Jesus ist der Pneumatiker, der diese Rolle angenommen hat. Er ist der Menschensohn bzw. Christus. Er hat den entscheidenden Schritt getan bzw. er hat ihn sich schenken lassen und hat ihn gläubig als »Gerechter« angenommen. Im Gegensatz zu anderen Pneumatikern, die sich gegen das Verlassen des Himmels gewehrt haben, hat er die Gottgleichheit auch dann nicht wie einen Besitz festgehalten, sondern hat seine Sendung angenommen und ist als Mensch unter Menschen aufgetreten. 1618 Noch einmal zurück zum ersten Johannesbrief: Dadurch, dass der Christus im Fleisch gekommen ist, anfassbar, sichtbar, fühlbar, menschlich, dadurch ist die Brücke auch geschlagen zu seiner Rolle als (endgültig) Erhöhter in 1 Joh 2,1. Wäre er nicht als Mensch in der Menschenwelt aufgetreten, könnte er diese Mittlerrolle nicht in dem Maße übernehmen. Dies gilt, auch wenn die Metaphorik immer wieder »schwimmt«. Mal sind es direkt Tempelzusammenhänge, die im Blick sind. Mal ist es Kleidungsmetaphorik. »Kleider machen Leute«, heißt es bei uns. Auf die jüdisch-christliche Antike übertragen kann man ergänzen: Kleider machen auch Engel, Gerechte, Gerettete, Kinder Gottes, Fürsprecher bei Gott, Priester. 1619 Für die biblische Kleidermetaphorik in Hinblick auf den »Neuen Menschen« durch Christus ist es aber wiederum häufig die kultische Kleidermetaphorik. Ein Kleid, das weißgewaschen ist im Blut des Lammes, ist Voraussetzung, am himmlischen Gottesdienst teilnehmen zu können. Die kultische Symbolik aufnehmend, kann man auch sagen: Der Mittler trägt, wie der Hohepriester, Menschlichkeit inklusive Nöte, Vergänglichkeit und Sünde in das Allerheiligste, in die Gegenwart Gottes, wo all das verwandelt werden kann. Sogar der Hohepriester selbst kann hier in ein engelhaftes Wesen verwandelt werden. 1620 Durch verschiedene Aktionen (Gebet, Opfer, Applizierung von Blut und Wasser an Altar und Volk) wird der Hohepriester aktiv und vermittelt göttliches Heil in die Welt der Menschen. Wenn man Jesus in dieser Rolle sieht, dann ist es nötig, dass er als Mensch das Menschliche in den Raum Gottes trägt. Der Raum Gottes ist 1617 Offenbar konnte Johannes im Windschatten Jesu ein anderes Verhältnis zu seinem Erlebnis finden, als andere. Von Paulus und Ignatius und dem Judasbrief kennen wir dagegen die große Vorsicht gegenüber pneumatischen Ereignissen dieser Art, selbst und gerade wenn es eigene Erlebnisse sind. Die Gegner des Ignatius in Kleinasien haben darüber aber offenbar anders gedacht. Judas 8 spricht von Träumern, »die ihr Fleisch beflecken, jede Herrschaft verachten und die himmlischen Mächte lästern«. Das wäre genau das: Falsche Einmischung in die Ränge und Grade der Engel. Dort gemachte Fehler führen zu Bosheit und ziehen Strafe nach sich. Genau hier liegt eine wesentliche Gefährdung durch ungeschützte Himmelsreisen und pneumatische Erlebnisse. 1618 Vgl. B ERGER , Kommentar, 722. 1619 Zur paganen gr.-röm. Antike O PPENHEIM : The Golden Garments of the Gods (1949). 1620 S.o. 378 (Priester als Engel), 355 (Auflösung von Magie: Ignatius) u. 198-215 (Sühne/ Gebet). 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 457 jetzt aber als das himmlische Heiligtum gedacht, nicht als das Allerheiligste auf dem Zion. Jesus muss also in beiden Bereichen zu Hause sein. Er muss Mensch sein, um Sorgen und Sünden wirksam vor Gott bringen und versöhnen zu können. 12.4.10 Bekenntnis: »Jesus ist der Herr« Wagen wir einen weiteren, hier nur holzschnittartig ausgeführten Versuch, 1 Joh 4,2f zu erklären. Im Vergleich zu Paulus fällt an den in 1 Joh geforderten Bekenntnissen Folgendes auf: In Röm 10,9; 1621 2 Kor 4,5; 1622 Phil 2,11 1623 geht es darum, zu bekennen, dass Jesus der »Herr« ist. 1624 Der »Herr« aber ist alttestamentlich-jüdisch gesehen immer der Gott Israels. Das Bekenntnis »Jesus ist der Herr« könnte also »übersetzt« werden mit: »Jesus ist JHWH.« Das heißt: Der Mensch Jesus ist identisch mit/ repräsentiert in Vollmacht Israels Gott. Strukturell wird damit etwas Ähnliches gesagt wie in 1 Joh: Es entsprechen sich hierbei »Jesus« (Paulus) und »Mensch« (1 Joh) einerseits sowie »Gott« (Paulus) und »Jesus Christus« (1 Joh) andererseits. Zieht man also diese frühe Gleichung von Jesus und »Herr« bei Paulus zur Hilfe heran, dann wäre Jesus Christus in 1 Joh ebenfalls identisch mit dem Gott Israels. Dieser tritt aber frühjüdisch (mit Ausnahme einiger Stellen der Patriarchentestamente) nicht direkt unter Menschen auf, sondern wird immer durch Engel repräsentiert. Die hier aufgemachte Gleichung würde besagen, dass Jesus Christus identisch mit JHWH ist. Das heißt: JHWH ist im Fleisch gekommen, Mensch geworden. Diese Aussage ist aber innerhalb frühjüdischer Denkvoraussetzungen mit guten Gründen zu bestreiten. 1625 Identifiziert man aber dennoch »Jesus« oder »Jesus Christus« mit »JHWH«, dann ist die Gegenposition verständlich, die bestreitet, dass JHWH »im Fleisch« gekommen ist. Vorausgesetzt für diese kühne Gleichung ist, dass im Christentum, dem der Verfasser und die Adressaten von 1 Joh angehörten, Jesus und Gott oder Jesus und JHWH als identische Größen galten, wie es ja offensichtlich in weiten Teilen des frühen Christentums der Fall war. Die Gegner von 1 Joh würden also sagen: »Der Herr« wir benutzen den in christlichen Kreisen teilsynonymen Namen »Jesus Christus« dafür ist nicht als Mensch unter uns Menschen aufgetreten. Die Gestalt des historisch existenten 1621 Röm 10,9: »Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.» 1622 2 Kor 4,5: »Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist.« 1623 Phil 2,11: »Alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist.« 1624 Mit ähnlicher Pointe vgl. H URTADO , One God, 108-111. 1625 Die Lösung des Johannesevangeliums dafür wäre das Zelten Gottes im Menschen Jesus. Der Prolog von 1 Joh könnte ebenfalls so gelesen werden, wenn man das Wort des Lebens und sein Aufstrahlen mit dem Gott Israels, der ganz und gar Licht ist, identifiziert. Der Mensch Jesus ist JHWH - Paulus - Jesus Christus ist als Mensch aufgetreten (= im Fleisch gekommen). - 1 Joh - 458 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Jesus ist nicht dieser Jesus Christus respektive JHWH gewesen, auf den wir gewartet haben. 1626 Interessanterweise ist in 1 Joh das Wort »Herr« überhaupt nicht in Gebrauch. Dagegen expliziert das (möglicherweise spätere) Johannesevangelium an mehreren Stellen, dass genau das Bekenntnis zu Jesus als dem »Herrn« der eigentliche Streitpunkt ist. 1627 12.4.11 Anziehen, zelten und sein »Kleider machen Leute«: Der gern als Werbeslogan genutzte Titel einer Novelle von G OTTFRIED K ELLER 1628 klärt, was für Joh 1,14a in der deutschen Forschung der letzten 40 Jahre umstritten war. 1629 Joh 1,14 lautet insgesamt: »Das Wort ward Fleisch und zeltete unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit«. Die Fleischwerdung des Logos erfolgt durch das »Zelten« (als Stiftshütte). Mit der hier vereinigten Kleider- und Tempelmetaphorik ist eine räumliche Vorstellung gegeben. In den Raum zieht jemand ein. Das Wort ist im Zelt erschienen. In der Stiftshütte, im neuen Tempel, im Leib Jesu erscheint der Logos Gottes. Ähnlich ist das Anziehen des neuen Menschen bei Paulus gedacht. Es ist schon etwas Neues geschehen. Der zu Christus gehörige Mensch hat Christus schon angezogen. Er wird ihn auch im Tod nicht ausziehen, sondern dann ganz in ihm vollendet werden. Hier ist die Metaphorik umgekehrt. Nicht Christus im menschlichen Kleid, sondern der Mensch im himmlischen. Vom Prinzip her ist das aber dasselbe. Das Entscheidende ist, dass das Kleid nicht beliebig, sondern prägend für das Sein des Menschen ist. Ebenso ist das Sein Christi als Mensch nicht beliebig, sondern ganz an sein Menschsein, an sein menschliches »Gewand« geknüpft. »Er hat sein Körperkleid unbemerkt gewechselt« (EvPhil 26,1). Mit dieser Aussage wird mehrfach, insbesondere in Berichten von Himmelsreisen (EpAp; AscJes) gesagt, dass Christus in der Lage ist, verschiedene Kleider anzuziehen. Er erscheint dann in dem jeweiligen Kleid als Engel der jeweiligen Hierarchiestufe oder eben als Mensch. Der Durchgang durch den Himmel und die dort gezeigte Polymorphie Christi durch Gewandwechsel ist in den verschiedenen Texten vorübergehend. 1630 Die Menschwerdung Jesu ist nach dem neutestamentlichen Befund nicht vorübergehend, sondern beständig. Christus »entäußerte sich selbst 1626 Diese Überlegung hat die religionsgeschichtlichen Erwägungen unten S.424-461 zur Voraussetzung. Demnach ist die Vorstellung verbreitet, dass Menschen (z.B. der Hohepriester) oder andere Mittlerwesen mit dem Namen Gottes »versehen« werden können und somit Gott repräsentieren. 1627 Joh 1,23; 9,38; 11,27.32; 20,28. 1628 G OTTFRIED K ELLER , Kleider machen Leute. Text, Materialien, Kommentar, hg. von Klaus Jeziorkowski, München/ Wien 1984. 1629 Vor gut 40 Jahren wies K. B ERGER mit Hilfe mehrerer Belege nach, dass das »Werden« (der Logos »wurde« Fleisch) in Joh 1,14a die Bedeutung von »erschien als« oder »erschien im« Fleisch hat. B ERGER , Zu: »Das Wort ward Fleisch«; vgl. auch mit neuem Material M ÜLLER , Menschwerdung, 46-51 (s.o. S. 151f). 1630 Hier ist einer der Übergänge zur Gnosis gegeben, wie sie z.B. in der »dreigestaltigen Protennoia« (NHC XIII 47,14-18) vorliegt. Dort nimmt der gnostische Erlöser ganz ähnlich die Gestalt jedes Äons an, ohne davon wirklich berührt zu sein. Die Konsequenzen, die dort daraus gezogen werden, sind im Gegensatz zu EpAp und AscJes in der Tat doketistisch. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 459 und nahm Knechtsgestalt an« (Phil 2). Bis zum Tod am Kreuz bleibt er dieser Gestalt treu, so dass sogar eine Auferweckung des nun verwandelt zu denkenden Leibes stattfindet. Umgekehrt, von der hier vermuteten »Superinspiration« Christi her gedacht, könnte das zweierlei heißen: a) Jesus macht eine »Himmelsreise«, im Leib oder außerhalb des Leibes (vgl. 2 Kor 12). Er wird dort als Menschensohn identifiziert und installiert. Als wahrer Gerechter kann er die Gottgleichheit annehmen und sie dann auch wieder loslassen. Paradoxerweise behält er sie gerade dadurch. Als »Sohn« ist ihm bewusst, dass die verliehene Gottgleichheit ganz vom himmlischen Vater abhängig und von ihm verliehen ist. Er klammert sich nicht an die himmlische Pracht, sondern nimmt seinen Auftrag an. b) Er »kehrt zurück«, d.h. die Vision bzw. Himmelsreise findet ihr Ende. Der Logos, Menschensohn, Christus (also: die himmlische, gottgleiche Mittelsperson) hat sich mit Jesus vereinigt und wird auf diese Weise Mensch. Sie inkarniert, sie wohnt im menschlichen Leib Jesu wie in einem Kleid, Zelt, Tempel oder Haus. 1631 12.4.12 Der Mittler Alle beschriebenen himmlischen Größen inklusive der Kleider- und Tempelmetaphorik haben etwas mit dem Thema Fürbitte zu tun. Fürbitter sind in den frühjüdischen und frühchristlichen Schriften neben den Engeln auch erhöhte Patriarchen, hypostasierte Eigenschaften Gottes wie Weisheit und Logos, der himmlische Mensch (Adam) usw. Ähnlich wie die Beschreibung »Fürbitter« ist auch die etwas stärkere Bezeichnung »Mittler« zunächst funktional: Ein Mittler ist eine »Mittelsperson«, die vermittelt (Heil, Botschaften, Bitten). 1632 Der Ausdruck μεσίτης kommt in diesem Sinne neutestamentlich bei Paulus und im Hebräerbrief vor: »Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus« (1 Tim 2,5), weil er sich selbst als Lösegeld gegeben hat (2,6); Jesus ist Mittler eines neuen besseren Bundes (Hebr 8,6; 9,15; 12,24). Bei den Stellen aus dem Hebräerbrief geht es im Kontext um die Frage der Priesterordnung. 1631 Die Spannung zu anderen Vorstellungen von der Gottessohnschaft Jesu etwa durch die Entstehung aus Heiligem Geist im Mutterleib der Maria oder durch die Deklaration zum Sohn Gottes bei der Taufe durch Johannes kann aber muss man nicht ausgleichen. Denn dass in unterschiedlichen Texten, ja sogar in ein und demselben Text unterschiedliche Vorstellungen begegnen, ist in der ersten Experimentierphase der Christologie nicht verwunderlich und oft geht ein Bild ins andere über, ohne dass eine vollständige Konsistenz gegeben ist. Dennoch gibt es auch Brücken. Die Erscheinung am Jordan wird bei Johannes so wiedergegeben, dass der Täufer die Erscheinung hat. Sie bestätigt ihm, dass Jesus der Christus ist. Nur bei den Synoptikern ist es Jesus selbst, der den Himmel offen sieht. Auch dies mag eine zutreffende Beschreibung des Erlebens Jesu gewesen sein. Es wäre dann der Anfang oder Abschluss seiner Himmelsreise oder einfach ein zusätzlich bestätigendes Signal des Himmels. Die Entstehung aus Heiligem Geist im Mutterleib ist zunächst als Überbietung der von Propheten und Aposteln berichteten »Erwählung von Mutterleib an« zu werten. Sie schließt weder eine spätere Himmelsreise noch eine Vision bei der Taufe aus. Denn schließlich muss das, was an Jesus von Mutterleib an geschehen ist, diesem auch bewusst werden. - Ähnlich wie bei der Taufe heute: Wer als Kind, Konfirmand oder Erwachsener getauft wird, ist damit Kind Gottes. Ob man aber mit dem Neuen Sein als Christ Erfahrungen macht, es aktualisiert und lebt, es in Anspruch nimmt und einlöst, ist damit überhaupt nicht gesagt. 1632 Vgl. den Abschnitt zu 1 Joh »Fürsprecher im Himmel« oben S. 211. 460 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? Geklärt werden muss Jesu Mittlerschaft. Eigentlich hängt eine derartige Mittlerschaft an priesterlicher Abstammung und Funktion, die bei Jesus zunächst einmal nicht gegeben ist. Sie ist aber dennoch gegeben, weil Jesus nach Hebr. ein Priester nach der Ordnung und Weise des Melchisedek ist und einen anderen Bund vertritt, innerhalb dessen er in dieser Weise als Mittler auftritt. In Gal 3,19 ist offenbar eine doppelte Mittlerschaft im Blick, wenn Paulus davon spricht, dass das Gesetz von Engeln verordnet sei durch die Hand eines Mittlers. Das Problem dieser Mittlerschaft sei, dass sie nicht auf den einen Gott hin vermittelt habe, sondern auf eine Vielzahl (von Engeln) hin. Gemeint ist mit dem Mittler hier ganz offensichtlich Mose. Das wird auch deutlich durch den Vergleich mit der Assumptio Mosis: In AssMos 1 spricht Mose davon, dass Gott ihn vor der Schaffung der Welt ausersehen habe, Mittler des Bundes zu werden. Nimmt man die Fürbitterfunktion mit in den Blick, dann sind menschliche Mittler offensichtlich die Parallele zu himmlischen Fürbittern, von denen zunächst die Engel zu nennen sind. 1633 Hinzu kommen dann aber auch Mittlerfiguren wie Henoch, der Menschensohn, Moses, der Logos, usw. 1634 Wenn z.B. in TestDan 6,2 vom Fürbittengel für Israel die Rede ist, der für das Volk vor Gott eintritt, dann wird dieser innerhalb der TestXII auch wiederum mit Christus in Verbindung gebracht. Das heißt: Auch hier ist eine Verbindung zur Engelchristologie sichtbar. Bei Philo ist oft Mose in der Rolle der fürbittenden Mittlerschaft. Mose genießt zunächst auf dem Berg die unvorstellbare Freude der Gottesgegenwart, um nach dem »Abfall« des Volkes vom Berg herabzusteigen und als Mittler zwischen Gott und Volk zu wirken (Vit.Mos 2,165ff). Insbesondere der Märtyrer ist eine wichtige Mittler- und Fürbittergestalt. 1635 »Ebenso wie das Blut Abels aus der Erde gen Himmel gerufen hatte, als er ermordet worden war (...), so steigen jetzt die Fürbitten der Märtyrer gen Himmel. Die Ekstase, die das Martyrium oft mit sich brachte, gab der Fürbitte besondere Kraft.« 1636 Zur Wirkung der Fürbitte kommt die häufig begegnende Vorstellung hinzu, dass der Märtyrer im Augenblick des Martyriums Visionen hat, den Himmel offen stehen sieht (Apg 7, 56; Joh 1,51) oder gar Ascensionserfahrungen hat (AscJes). Auch diese Fürbitt- und Mittlertätigkeit Christi kann »echten Erfahrungen« entstammen und bietet jedenfalls eine Kategorie zur Erfassung des Besonderen an Jesus. Dabei ist das Sein »mitten dazwischen« interessant, da es genau die Schwierigkeiten bündelt, die sich in der Frage von Menschheit und Gottheit in der Person Jesu ergeben. Denn die Tätigkeit oder Aufgabe des Mittlers schwankt offensichtlich zwischen rein irdischem Dasein, himmlischem Zutritt und wiede- 1633 Eine Vielzahl an Belegen bei J OHANSSON , Parakletoi, 75-83. 1634 Übersicht und Belege bei J OHANSSON , Parakletoi, 84ff; 96ff; 120ff; 181ff; 286ff. 1635 Zum Thema Märtyrer siehe schon oben S. 411 und 438. Material und große Übersichten über das Thema bei J OHANSSON , Parakletoi und bei B ERGER , Auferstehung. 1636 J OHANSSON , Parakletoi, 71. 12.4 Wie konnte »Inkarnation« für frühjüdische Menschen denkbar werden? 461 rum irdischem Auftritt. Die so erfolgte Isangelie muss dabei nicht nur funktional bleiben, sondern kann vielfach auch als Metamorphose wahrgenommen werden. Nimmt man noch einmal die kultische Bildwelt des Tempels zur Hilfe, dann ist der, der in der Mitte ist, der, der durch den Vorhang tritt oder sogar der, der sich zwischen den Vorhängen befindet (vgl. z.B. Philo spec. leg. 1,237). 12.4.13 Zusammenfassung und Fazit Eigen- und Fremderfahrungen Jesu, leibliche, bloß visionäre und auditive Erfahrungen, Inspirationserfahrungen, Kategorien zur Erfassung eigener Erfahrungen oder der Erfassung der Jesusbegegegnung: Vieles mischt sich in den unterschiedlichen Textzusammenhängen. Es ist unnötig, alle genannten Mittlergestalten und Mittlervorstellungen miteinander zu identifizieren. Auch wenn es kaum ein Zufall sein wird, dass einerseits über den himmlischen Menschen spekuliert wird, andererseits von menschenähnlichen Engeln, von menschlichen Erscheinungen Gottes und vom Menschensohn die Rede ist, der wiederum mit einem konkreten Menschen identifiziert werden kann, so ist hier nicht der Ort, daraus religionsgeschichtliche Konstrukte zu bauen. 1637 Auch der Zusammenhang zwischen den »großen Engeln«, dem »Engel des Herrn«, der Entwicklungsgeschichte der jüdischen bzw. israelitischen Religion ist hier nicht zu lösen. Und das »Stehen im Rat«, das als Anspruch des Simon Magus berichtet wird, muss nicht notwendigerweise auf eine Himmelfahrtserfahrung deuten. Hier sind häufig Versuche eines großen Wurfes gemacht worden, die aber meist zu viele Dinge über größere zeitliche oder inhaltliche Distanzen hinweg miteinander verbinden. Ebenso deutet keinesfalls jegliche Kleidermetaphorik immer gleich in Richtung Tempel, so wie auch Allerheiligstes und Himmel bzw. Eden nicht automatisch identisch sein müssen. Es wird eher so sein, dass sich die verschiedenen Elemente gegenseitig interpretieren ohne in jedem Fall identisch oder mit einer vollständig gemeinsamen Wurzel versehen zu sein. Vielmehr reicht es, wenn man bemerkt, dass es hier viele Vorstellungen gab, die zu Zeit des entstehenden Christentums identifizierbar oder kombinierbar waren. Wie dies genau geschehen ist, wird man nie genau wissen können. Allenfalls sind Skizzen möglich. 1638 Als Fazit lässt sich aber festhalten: 1. Inspiration bzw. »Einwohnung« des Geistes Gottes in Jesus konnte mit anderen Elementen zusammen gesehen werden. 1637 Wenn J OHANSSON , Parakletoi, 300, vom »Zusammenhang zwischen dem Menschensohn und dem weitverzweigten Mythos vom Urmenschen« spricht, so passt dies zwar zu den oben gemachten Beobachtungen im Umfeld von Mensch, himmlischem Adam, menschenähnlichen Engeln usw.. Dennoch ist es für unsere Zwecke unnötig, mehr zu konstruieren. Denn es geht hier nicht um weiter zurückliegende Zusammenhänge, sondern einfach um die Frage, auf welche Vorstellungen die frühe Christenheit zurückgriff, wenn sie Jesus als himmlische Mittlerfigur begriff. 1638 Der Skizzencharakter gilt in besonderem Maße für alles, was ich hier im religionsgeschichtlichen Teil der Arbeit darlege. In nahezu jedem Einzelpunkt gibt es größere und genauere Darstellungen. Das gilt auch für die großen Zusammenhänge von Engelchristologie und Inkarnation an sich. 462 E. 12 Wie entstand die Vorstellung von der Menschwerdung Gottes? 2. Insbesondere Erfahrungen der Ascensio und/ oder der visionären Gottesschau dürften zu den Eigenerfahrungen Jesu gehört haben. 3. Das neue Sein Jesu konnte mit Kleidermetaphorik ausgedrückt werden. 4. Dabei konnte zum Ausdruck kommen, dass der Jude Jesus aus Nazareth in die Rolle und Funktion, d.h. in das Wesen eines vorgegebenen himmlischen Wesens »geschlüpft« ist. 5. Umgekehrt gesagt: Das himmlische Wesen, der neue Adam, der Sohn Gottes, der die Gottgleichheit nicht wie ein Besitztum festhielt, durchschritt den Grenzvorhang zur Welt und kleidete sich (wieder) mit dem Stoff der Welt (Fleisch). 6. Der Tempel als Kultort dient bei diesen mythischen Erfahrungen und Vorstellungen häufig als bildspendender Bereich. 7. In der fürbittenden Funktion entspricht der fürbittende Mensch dem fürbittenden Engel. Das kann einerseits zu einer geschichteten Wahrnehmung der Wirklichkeit führen, wonach der konkrete Mensch Spiegel- und Abbild seines himmlischen Doppelgängers ist. Andererseits kann es auch zu Rivalitäten zwischen himmlischen und irdischen Größen kommen. 8. Verklärungs- und Transformationserfahrungen machen den Übergang vom Menschlichen zum Göttlichen ebenso denkbar wie umgekehrt. 9. Dabei ist zumindest in den Henochberichten der gerechte Henoch derjenige, der wegen seiner Gerechtigkeit in den Himmel geholt und dort »verwandelt« wird. Ähnliches wird von Jesus spätestens ab dem Zeitpunkt von Auferstehung und Himmelfahrt angenommen. 10. Transformationserfahrungen sind aber schon vorher denkbar und wahrscheinlich, jedenfalls wenn man sich an den Patriarchen als Fürbitter und als Vorbilder Jesu orientiert. 11. »Dadurch, dass Jesus von Nazareth der alleinige Fürsprecher wurde,« wurden »die mythischen Fürsprechergestalten durch eine geschichtliche Person ersetzt.«1639 12. »Damit, dass Jesus von Nazareth der Fürsprecher wurde, wurden die Vorstellungen, die vorher an mehrere verschiedene Gestalten geknüpft waren, mit einer einzigen verbunden.«1640 13. Die Person Jesu selbst muss historisch gesehen Quelle starker mystischer Erfahrungen gewesen sein, die Jesus selbst gemacht hat und die andere an ihm gemacht haben. Wie genau aber das Selbstbewusstsein Jesu oder die ersten Kategorisierungen der ersten Jünger waren, lässt sich nicht vollständig klären. Die Vielzahl und Massivität früher Äußerungen gibt aber Linien vor, zu denen z.B. gehört, dass Jesus als »Sohn Gottes« (charismatische Figur mit engstem Gottesbezug) und als »Herr« (Träger des heiligen Gottesnamens) gesehen wurde. 1639 J OHANSSON , Parakletoi, 305. 1640 J OHANSSON , Parakletoi, 306. 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung 463 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung Übersicht Doketismus und Inkarnation liegen in ihren Ursprüngen nahe beieinander. Für beide Vorstellungen konnte der mystische frühjüdisch-frühchristliche Hintergrund deutlich gemacht werden. Darüberhinausgehend gibt es zwar nichts Sicheres. Wie genau diese beiden christologischen Grundvorstellungen entstanden sind, muss offen bleiben, weil wir für genauere Angaben Näheres über die handelnden Personen und die genauen Umstände wissen müssten. Dennoch lassen sich Entwicklungslinien zeigen. Sowohl die Entstehung eines an Satornil orientierten Doketismus als auch einer an Kerinth orientierten geschichteten Christologie (Unterscheidung von Jesus und Christus) lässt sich mit nur wenigen Zwischenschritten aus den genannten inkarnationschristologischen Zusammenhängen ableiten (13.1-13.3). Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war die Frage nach der Entstehung des Doketismus. Nachdem für 1 Joh und für alle bekannten Texte des frühen Christentums, die vom »Fleisch Christi« sprechen, ein doketistischer oder antidoketistischer Hintergrund ausgeschlossen werden konnte, stellte sich selbst bei Ignatius von Antiochien heraus, dass die Rede vom »Fleisch Christi« eher auf ihn selbst als auf seine Gegner zurückging. Auch seine Gegner werden eher nicht gnostischgriechisch orientiert gewesen sein, sondern die Kristallisationspunkte ihrer veränderten christologischen Auffassung aus dem Frühjudentum bzw. dem frühen Christentum bezogen haben, um sie dann unter verschobenen anthropologischphilosophischen Vorzeichen neu zu deuten. Im ersten Teil der spezifisch religionsgeschichtlichen Frage nach den Hintergründen des Doketismus waren wir auf mystische Vorstellungen von Transformation, Engelmorphologie, Martyriumserfahrungen, auf visionäre Elemente und schließlich auf »Engeldoketismus« gestoßen. Als Gegenprobe haben wir noch einmal nach der Inkarnation gefragt, also nach dem Thema, das hinter der Frage nach dem »Fleisch des Messias« steht. Ich behaupte nicht, diese Frage gelöst zu haben. Es handelt sich vielmehr um eine Skizze, die versucht, überhaupt eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Vorstellung der Inkarnation für frühjüdische Menschen möglich werden konnte. Es geht also insgesamt eher um die Möglichkeiten und gedanklichen Alternativen, aus denen die frühen Christen geschöpft haben mögen, um in so vielen unterschiedlichen, voneinander unabhängigen, frühen Texten von der Menschwerdung Jesu zu sprechen. Holzschnittartig geht es nun abschließend weiter. Wir fragen, wie ausgehend von dem gezeigten Tableau erster christologischer Elemente, die in die unterschiedlichen christologischen Entwürfe eingeflossen sind, doketistische Formen von Christologie entwickelt werden konnten. All dies aber wiederum ist hypothe- 464 E. 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung tisch. Es ist nicht gesagt, dass es so war, sondern nur, dass die folgenden Möglichkeiten einen Ansatz bieten, die Entwicklung zu doketistischen Christologien erahnend nachzuzeichnen. 13.1 Verborgene Epiphanie im Körperkleid Doketismus und Inkarnation hängen mehrfach miteinander zusammen. Auf aufkommende doketistische Vorstellungen hat man im 2. Jahrhundert mit dem Hinweis auf die Inkarnation geantwortet. Dabei muss es zugleich auch gemeinsame Vorstellungsgrundlagen gegeben haben. V OLLENWEIDER weist auf den epiphanialen Charakter der Menschwerdung Christi (z.B. in Phil 2) hin. Exemplarisch für die Praxis der frühen Kirche kann man Justin nehmen, der später die Inkarnation Christi als »Kulmination alttestamentlicher Theophanien bzw. Angelophanien, in denen sich der Logos offenbarte«, deutete. 1641 Darüber hinaus konnte man im religionsgeschichtlichen Kontext (wie wir auch oben unter »Engeldoketismus«, 11.4, gesehen haben), das Erdenleben Jesu als »verborgene Epiphanie eines Himmelswesens« deuten. 1642 Der Übergang von den neutestamentlichen Inkarnationsvorstellungen zu den Versuchen, mit Hilfe doketistischer Anschauungen die Epiphanie des Gottessohnes in menschlicher Gestalt zu beschreiben, ist beispielhaft darzustellen anhand der Kleidungsmetaphorik: Nimmt man die Kleidung des Hohenpriesters und den entsprechend gestalteten Vorhang vor dem Allerheiligsten, dann ist Christus als Im-Fleisch-Gekommener der, der durch den Vorhang in die Welt hineingetreten ist, dabei die Materie (Fleisch) annehmend, die im Tempel durch den Vorhang bzw. die Priesterkleider symbolisiert wird. Die Darstellung in Hebr 10,20 ist daher ganz wesentlich zum Verständnis dessen, was 1 Joh 4,2f mit »im Fleisch gekommen« meint (s.o. S. 240). Wenn man aber diesen Zusammenhang der Tempelmetaphorik außer Acht lässt und sich stärker auf die philosophisch-monotheistische Frage nach dem ewigen Gott konzentriert, der nicht mit Zeitlichkeit und Leid affiziert werden kann, dann sind natürlich andere Lösungen für das Phänomen der menschlichen Epiphanie des Gottessohnes zu suchen. Die Lösung der Doketisten lässt sich gleichwohl aus der Kleidermetaphorik ableiten allerdings unter der Prämisse, dass die Metaphorik von Zeltheiligtum, Tempelvorhängen und Priesterkleidern nicht mehr im Blick ist. Aus den kleidermetaphorischen Deutungen des Fleischs Christi ergeben sich dann folgende Hinweise: 1641 V OLLENWEIDER , Metamorphose, 122. 1642 V OLLENWEIDER , Metamorphose, 123. 13.1 Verborgene Epiphanie im Körperkleid 465 - Wer ein menschliches Körperkleid bewusst anzieht, kann es auch wieder ausziehen. - Christus hat den Menschen Jesus angezogen; er hat sein Körperkleid gewechselt (Ev- Phil 26,1). - Er könnte auch einfach das menschliche Körperkleid verlassen und ein geistiges Unsichtbares angenommen haben. Hier wäre eine Trennungschristologie aus der Gewandmetaphorik entstanden bzw. abgeleitet. Sie hat zur Voraussetzung, dass man die Gewandmetaphorik im Sinne des griechischen Leib-Seele-Dualismus und im Sinne einer rein negativen, apophatischen Theologie anwendet. Der entscheidende Wendepunkt ist also der Wechsel von einem »hebräisch« zu einem »griechisch« orientierten Denken in dem Sinne, dass das Leid des göttlichen Wesens »Christus« ausgeschlossen wird. 1643 Statt der »Ganzheitlichkeit« biblischer Anthropologie, wonach Leib und Seele eins sind, wäre hier zudem die Möglichkeit, die die Metaphorik des Kleiderwechselns bietet, weiterführend genutzt worden: nämlich im Sinne der Vorstellung, dass der Köper nur Gefäß oder Grab der Seele ist. Wendet man diese Vorstellung auf den Logos an, dann kann er den Leib natürlich auch wieder verlassen. Da er nicht einfach gebundene Seele ist, sondern aktiven Kleiderwechsel betreiben kann, ist das sogar noch eher vorstellbar als bei einem »normalen Menschen« mit Leib und Seele. Fest steht, dass es mehrere Möglichkeiten gab, Christi Leiden auszuschließen: - Orientierung an der Irrelevanz des Leidens für den wahren Gerechten und Märtyrer. Er nimmt es einfach nicht wahr. Es trifft ihn nicht, da er schon »im Geist« in himmlischen Sphären weilt. - Orientierung an der Vorstellung des »Engeldoketismus«. Der Engel scheint Mensch zu sein, anfassbar, essend und trinkend. Dennoch kann man manchmal beobachten, dass die Füße nicht wirklich den Boden berühren oder dass nicht wirklich gegessen wird. Das Menschliche ist nur vorgetäuscht im Sinne einer δόκησις oder ὅρασις. In Wirklichkeit ist die Gestalt Christi ἀσώματος und δαιμόνικος. - Orientierung an Verklärungserfahrungen: Der Leib wird verwandelt, bekommt engelhafte Natur und kann in diesem Zustand Dinge tun, die sonst nur einem Geist möglich wären (über das Wasser gehen, auferstehen, geschlossene Räume betreten). In einem solchen Zustand würde das Leid nicht »treffen«. Oder: Der Christus, der seinen Leib wandeln kann, kann das äußerliche Aussehen eines anderen erzeugen (Simon von Kyrene) und einen anderen zur Erscheinung seiner selbst (Jesus) verwandeln. All diesen Äußerungen des Doketismus ist gemeinsam, dass sie das Leiden ausschließen (ganz oder teilweise) oder abtrennen, die menschliche Leiblichkeit (in unterschiedlichem Maße) abwerten, sich an himmlischen, engelhaften Erfahrungen orientieren. Die Gegner des Ignatius scheinen sich nach dem Aufgeführten am ehesten am »Engeldoketismus« orientiert zu haben. Wie die Inkarnationsaussagen des frühen Christentums so ist auch der Doketismus zunächst nichts weiter ist als ein Experimentieren mit geeigneten Kategorien 1643 Vgl. S TEAD , Philosophie, S. 69-77 (Griechische und hebräische Gottesvorstellungen). 466 E. 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung zur Erfassung der Gestalt Jesu. Der Knackpunkt liegt im Wechsel der Grundorientierung von der »hebräischen« zur »griechischen« Vorstellung, 1644 was nicht dasselbe ist wie die von H ARNACK beschriebene »Hellenisierung« des Christentums. Hellenisiert war das Christentum ebenso wie das Frühjudentum in unterschiedlichen Graden von Anfang an. 1645 Gemeint ist vielmehr der Wechsel in der anthropologischen Grundanschauung kombiniert mit der Auffassung von Gott als leiden- und leidenschaftsfreiem, durch nichts affizierbarem Wesen. Sowohl diese negative Theologie als auch eine Unterscheidung von Leib und Seele konnten hellenistische Juden und Christen auch vorher schon denken. Solange sie es aber letztlich einordneten in das Grundkonzept der Einheitlichkeit des Menschen als Fleisch, als Leib und Seele, und solange sie Leidenschaften Gottes und Leid, zumindest als Mitleid, zugestehen konnten, war die Fragestellung des Doketismus noch nicht gegeben. Erst in dem Moment, als diese Gedankengänge stärker in den Vordergrund geholt und auf ihre Konsequenzen hin befragt wurden, bestand die Notwendigkeit, weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen. 1646 Insofern könnte man schlussendlich meinen, dass der Harnacksche Ausdruck des »naiven Doketismus« in neutestamentlichen Schriften insofern berechtigt sei, als er ausdrückt: Wenn der angesprochene Sachverhalt konsequent im Sinne hellenistischer Philosophie zu Ende gedacht wird, dann ist das Ergebnis Doketismus. Da aber das zur Voraussetzung hat, dass man einen Wechsel des theologischen sowie anthropologischen Grundmodells vollzieht, der in den neutestamentlichen Texten nirgends intendiert ist, bringt die Rede vom »naiven Doketismus« neutestamentlich gesehen nur eine falsche Kategorie ins Spiel. 13.2 Von Ignatius zu Satornil 1. Problemanzeige: Über Satornil weiß man wenig, obwohl er oft als der Maßstab schlechthin für Doketismus bei den Gegnern von 1 Joh und Ignatius verwendet wird (s.o. S. 37 mit FN). Es ist damit unsinnig, Satornil, dessen »Auftritt« nach dem Ende des Ignatius gelegen haben wird, zum Ausgangspunkt der Beschreibung der Ignatiusgegner zu machen. Nach Eus.h.e. 4,7,3 ist »Saturninus« (der lateinische Planetenname mag bezeichnend sein) zur Zeit Hadrians aufgetreten. Iren.haer. 1,24,1f zufolge denkt Satornil sich die Schöpfung als von sieben Engeln gestaltet. Auch der Mensch sei von den Engeln geschaffen, allerdings mangelhaft, da das Bild Gottes, nach dem er erschaffen wurde, den Engeln nur kurz sichtbar war. Er bekommt dennoch einen Lebensfunken von der oberen Kraft, der nach dem Tod des Menschen 1644 Vgl. oben 1.8.4 Ein Problem zwischen Hellenismus und Judentum? (17f) und 11.12 δοκεῖν zwischen dämonischer Mantik und göttlicher Offenbarung (406ff). 1645 H ENGEL , Sohn Gottes, 67 weist darauf hin, dass »die religiöse Denkbewegung im Mutterland und in der Diaspora seit dem Exil und erst recht seit Alexander mehr und mehr auf eine Begegnung mit dem griechischen Geist hinführte. Wir können uns das religiöse jüdische Denken um die Zeitwende nicht vielseitig genug vorstellen. Die einzigartige intellektuelle, immer neue Denkanstöße integrierende Begabung des Volkes wird schon in der Antike sichtbar. Die Quellen für das frühchristliche Denken sind in erster Linie hier und nicht unmittelbar im paganen Bereich zu suchen.« S. dazu H ENGEL , Judentum. 1646 Ähnlich H ENGEL , der (Sohn Gottes, 67) schreibt: »Die ›Hellenisierung‹ der Christologie musste (...) zum Doketismus führen: Die Menschheit und der Tod Jesu waren nur als ›Schein‹ erträglich.« 13.2 Von Ignatius zu Satornil 467 wieder nach oben eilt. Der Heiland sei ungeboren, unkörperlich und ohne Gestalt, sei zum Schein als Mensch erschienen (24,2 Salvatorem autem innatum demonstravit et incorporalem et sine figura, putative autem visum hominem). Der Gott der Juden sei einer der beteiligten Engel. Offensichtlich gibt es unter den Engeln Krieg gegen Gott seitens der Mächte, zu denen der Judengott gehört. Christus hat die Aufgabe, den Judengott zu vernichten und die zu retten, die an Christus bzw. an Gott glauben. 2. Problemanzeige: An keiner Stelle, weder bei Ignatius noch im Corpus Johanneum gibt es auch nur näherungsweise Anzeichen, die darauf hin deuten, dass diese Schriften selbst oder von ihnen bekämpfte Gegner ein derartiges System gekannt hätten. 3. Problemanzeige: Dennoch ist das christologische Element, das Satornil zugeschrieben wird, nämlich das der Körperlosigkeit und des Scheins (putative ... visum hominem) ähnlich für die Ignatiusgegner belegt. Gibt es also trotz der Unterschiede eine Verbindung? Wie könnte eine solche Entwicklungslinie aussehen? Da die Ignatiusgegner in Kleinasien, Satornil aber wie Ignatius in Antiochia verortet werden, versuchen wir, spielerisch eine Linie direkt von Ignatius zu Satornil zu ziehen. 1647 Wir gehen von folgenden Elementen aus: IgnEph 19 spricht astralprophetisch von einem aufgegangenen neuen Stern, der andere Sterne in Verwirrung stürzt und sie dann unterwirft. Sterne sind in diesem Zusammenhang als Himmelslichter die astronomisch beobachtbaren Gegenstücke zu den Engeln. Auf der anderen Seite spricht Satornil offensichtlich von sieben Engeln, gemeint sind sicher die sieben Erzengel, die Wirkmächte Gottes, die auch in der Menora abgebildet sind (vgl. Offb 1ff). Diese sieben Engel haben sich aber verselbständigt gegenüber der Macht, deren Wirkungen sie eigentlich sind. Daher sind sie nicht in der Lage, das Bild des Menschen, das sie kurz zu sehen bekommen, richtig umzusetzen. Chaos und menschliche Unvollkommenheit sind die Folge. Es entsteht daraufhin eine Rivalität zwischen den Engeln, zu denen der Judengott gehört (vielleicht als Jaoel oder Michael gedacht). Diese Rivalität wird durch die verpatzte Schaffung des Menschen ausgelöst und richtet sich letztlich gegen Gott selbst. Gott löst das Problem durch die Sendung Christi, der die Aufgabe hat, den diabolischen Judengott zu vernichten und die Glaubenden zu erlösen. Der »schroff antijüdische Akzent« (M ARKSCHIES ) verwundert, und P ÉTRE - MENT hat sicher recht, dass es Satornil wohl darum gegangen ist, sich stärker vom Judentum abzusetzen. Dennoch ist der Sache nach alles innerhalb jüdischer apokalyptischer Formen gedacht. Von Ignatius könnte man zu Satornil so kommen: Der neue Stern, der aufgegangen ist und alle Magie zerstört (man denke an magische Praxis unter Ein- 1647 M ARKSCHIES (Gnosis) zieht die Entwicklungslinie von Philo her, P ÉTREMENT (God) von der frühjüdischen Apokalyptik her. Beide haben gute, nicht zu bestreitende Gründe für ihre Ansätze. Hier geht es nicht darum, diese zu ersetzen, sondern nur zu ergänzen durch einen weiteren möglichen Zusammenhang. 468 E. 13 Entstehung des Doketismus aus der Inkarnationsvorstellung beziehung des Gottesnamens) ist Christus, der alle Bosheit beendet. Er ordnet das Chaos, das unter den anderen Sternen (Engeln) entstanden ist. Auf der irdischen Ebene ist der Mensch durch die Engel unvollkommen geschaffen. Er ist nicht in der Lage, Christus so wahrzunehmen, wie er ist. Wenn Christus als Stern unter Sternen, sprich: als Engel unter Engeln, als Himmelsmacht unter Himmelsmächten, gedacht ist, dann muss auch sein Auftritt als Mensch entsprechend gestaltet sein. Der Engeldoketismus um Tobit und Gen 18 herum wäre dann der Ausgangspunkt. Man muss also von den prophetischpneumatischen Vorstellungen des Ignatius nicht weit gehen, um zu Satornil zu gelangen. 13.3 Von 1 Joh und Ignatius zu Kerinth 1648 Wie gerade eben gezeigt (13.1), kommt man über die mit der Sarx verbundene Kleidermetaphorik relativ einfach zu einer »Trennungschristologie«. 1649 Von Ignatius aus wäre (spielerisch) die Linie so zu ziehen: Der Märtyrer kümmert sich um das Schicksal seines Leibes nur noch unter dem Aspekt der Vernichtung desselben (Weizen Gottes). Ohne den (menschlichen) Leib wird er ganz in das Unsichtbare der Wirklichkeit Gottes gelangen. Er versteht seinen Weg als Nachahmung Christi. Dann wäre im Umkehrschluss auch Christus das Schicksal seines Körpers egal gewesen, weil sein eigentliches Ich, der wahre Christus, sich rechtzeitig vom irdischen Leib verabschieden würde. Unter Zuhilfenahme der Kleidermetaphorik (s.o.) ließe sich das noch genauer gestalten. Ignatius liefert einen wichtigen Hinweis. Er nennt seine Gegner Fleischträger, sich selbst Gottesträger und von ihm hofierte Christen »Christusträger«. Der Fleischträger ist offensichtlich jemand, der eben nur Fleisch und nicht Geist, Gott oder Christus in sich trägt. 1648 Die Nachrichten über Kerinth führen in der Forschung zu äußerst unterschiedlichen Annahmen. Während P ÉTREMENT , God, annimmt, Kerinth habe nie exisistiert und H ENGEL , Johanneische Frage, ihn mit Irenäus für den Gegner des johanneischen Gemeindehaupts in Ephesus hält, versucht M ARK - SCHIES , Kerinth, 69ff einen Mittelweg und positioniert ihn Ende d. 1. Jhs. n.Chr. oder Anfang des 2. Jh.s in Kleinasien. Sollte das stimmen, wäre Kerinth möglicherweise tatsächlich unter den Gegnern des Ignatius. Nur ist zugleich Vorsicht angebracht: Von einer Trennungschristologie ist bei den Ignatiusgegnern nichts jedenfalls nicht deutlich zu erkennen. Eher weisen die Angaben auf einen christologisch umgesetzten Engelsdoketismus. Ansätze in Richtung Kerinth (s.o.) sind aber immerhin denkbar. M ARK - SCHIES hält abschließend (ebd., 75f) fest: »Wirkliche Sicherheit über das theologische Profil lässt sich nicht mehr gewinnen (...). War er nun ein ›Judenchrist‹ oder mindestens von ›judenchristlichen Theologumena‹ fasziniert? (...) Es ist durchaus möglich, Kerinths Interesse an der Unterscheidung, wenn nicht gar der Trennung von Gott dem Schöpfer bzw. Christus und Jesus und sein Eintreten für den Chiliasmus von daher zu erklären.« Insgesamt ist festzuhalten, dass wir uns hier insgesamt im Bereich von historischer und theologiegeschichtlicher Spekulation befinden. Für eine saubere Darstellung ist es hilfreicher, die möglichen Verbindungen oder Entwicklungsmöglichkeiten zwar zu benennen, aber keine Zuordnung zu vollziehen, die im Detail dann problematisch bzw. unwahrscheinlich wird. 1649 K INLAW , Christ, 107, schlägt dagegen den Weg über eine Inspirationstheologie vor. Ich halte diese Vorstellung für weniger stark. Denn auch die 1 Joh-Gegner werden Jesus in einer besonderen, ausgezeichneten Gottesnähe gesehen haben, die über gewöhnliche Inspiration (die angesprochenen Christen sehen sich alle als Geistträger, die Gegner offensichtlich auch! ) weit hinausgeht bzw. diese erst begründet. Das aber bezeichnet Kinlaw als »indwelling« und weist dieses Konzept dem Autor und seinen Lesern zu. Aus welchem Grund sollen aber die Gegner von 1 Joh das abgelehnt haben? Seit wann ist ein Märtyrer, sobald er leidet, von allen guten Geistern verlassen? Gerade das Gegenteil bezeugen doch die alten Märtyrerberichte: Gerade im Leid wird der Gottesfürchtige von Gottes Geist getragen. 13.4 Ergebnis 469 Dennoch ist der Gottesträger Ignatius ein Mensch aus Fleisch und Blut. Sein eigenes Fleisch ist also gewissermaßen Gottesträger. Genauso wäre bei Christus zu denken, dass Christi Fleisch Christusträger war. Allerdings wäre die Konzeption jetzt so umgesetzt, dass es nicht »nur« um den Geist Christi ginge, sondern in ganzer Fülle um die Himmelsgestalt »Christus«. Diese hätte sich dann das Fleisch »angezogen«, wäre insofern (zwischenzeitlich) zum Fleischträger geworden, das Fleisch Christi (zwischenzeitlich) zum Christusträger. Von Leid und Emotion hätte sich der himmlische Christus dann ferngehalten und wäre ganz einfach rechtzeitig »gegangen«. Von 1 Joh her kommend: Wenn Christus ins Fleisch gekommen ist, dann kann er auch wieder gehen. Man muss auf die Fleisch-des-Messias-Vorstellungen und auf das, was H ARNACK »Geistchristologie« genannt hat, nur die platonische Unvereinbarkeit von Geist und Fleisch anwenden, um zur Notwendigkeit zu gelangen, den offenkundigen Widerspruch durch eine Theorie des getrennten und nur vorübergehenden Miteinanders von Geist und Fleisch zu lösen. 13.4 Ergebnis Die hier genannten Entwicklungslinien sind hypothetisch und exemplarisch. Sie zeigen, wie es gewesen sein könnte. Das Ergebnis ist einfach zu beschreiben: 1 Joh und die Gegner von 1 Joh und Ignatius sind zwar selbst nicht Doketisten, ihre Vorstellungen, auch die vielfältigen Vorstellungen anderer frühchristlicher Schriften unter der Überschrift »Fleisch des Messias«, sind aber unter veränderten Rahmenbedingungen relativ einfach in doketistische Anschauungen zu überführen. Grundlage dafür ist die Anwendung platonischer Grundüberzeugungen; das Material dafür liegt im Frühjudentum und im frühen Christentum schon ausreichend parat. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus Zielsetzung Im Folgenden werden die Linien, die in dieser Arbeit gezogen werden, gebündelt und noch einmal zusammengeführt. Ausgehend vom Grundverständnis der Kategorien »Fleisch«, »Leib«, »Seele« und »Geist« (14.1) wird das Ergebnis dieser Arbeit hinsichtlich der Gegner des Ersten Johannesbriefes zusammengefasst (14.2-14.3). Die Bedeutung von Engelchristologie und Angelomorphie für die Entstehung des Doketismus wird gesichert (14.4). Die Positionen der Gegner von 1 Joh und Ignatius werden noch einmal in ihrer Unterschiedlichkeit gewürdigt (14.5). Es folgen kurzgefasste Stellungnahmen zu der Frage, was denn nun Inkarnation und Doketismus jeweils ist (14.6 und 14.7). Die Zusammenfassung der Entwicklungslinien von der Inkarnationszur Doketismusvorstellung profiliert die Entwicklung der Inkarnationsvorstellung und die dabei erkennbare Offenheit auch für eine doketistische Weiterführung (14.8 ). 470 E. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus 14.1 Fleisch, Leib, Seele und Geist Beim Begriff »Fleisch des Messias« geht es regelmäßig um Raumsemantik (kommen woher wohin), um seine Erscheinung als Mensch, und zwar im Fleisch, im Körperkleid, als Tempel. Der Begriff des »Fleisches« ist gewählt statt des Leibes, weil das Menschsein gemeint ist, nicht nur die Erscheinung wie ein Mensch. Außerdem geht es nicht um die Seele (das Pendant zu Leib), sondern um den Geist (das Pendant zu Fleisch). Natürlich kann man beides auch anders kombinieren. Aber das Fleisch ist der Ort, wo Geist in Erscheinung tritt. Denn Fleisch ist gewissermaßen eine Teilkategorie von Welt. In der Welt herrschen Geister, gute und schlechte. Daher kommt die Neigung des Fleisches zur Sünde. Der Fürst dieser Welt ist der Teufel. Darum ist es nötig, dass das Fleisch als Teilbegriff von Welt unter die Herrschaft Christi kommt. Somit ist es wesentlich, dass Christus als Mensch in diese Welt gekommen ist. Seele und Leib bezeichnen als Begriffspaar individueller den jeweiligen Menschen. Das Wort »Leib« kann man sowohl auf leiblose Dämonen wie auf Engel anwenden, denn im strengen Sinne sind sie natürlich nicht körperlos, sondern haben einen feinstofflichen Leib. Nur ist dieser im Sinne von anfassbarer Materialität nicht greifbar, so dass sie körperlos wirken. Sie sind also im Sinne von materiellem Betasten usw. körperlos, können aber zeitweilig, wenn sie den Menschen begegnen, Menschsein vorgeben. Leib und Seele zu haben ist zwar menschlich, aber Seelen überdauern den Tod und haben, wenn sie nicht ganz ins Schattenreich abgesunken sind, einen verwandelten Leib, so wie es sich Paulus oder etwa die Offenbarung des Johannes vorstellt. Immer noch kann man also von Leib und Seele reden, wenn auch in veränderter Weise. Wovon man eigentlich jedenfalls bis zu Ignatius nicht mehr reden kann, ist, dass sie Fleisch und Blut sind. Ignatius redet so von Jesus, nicht von Engeln. Er konterkariert damit seine Gegner an der Stelle, wo es ihnen am meisten weh tut. Wenn man ausdrücken will, dass ein Himmelswesen im Bereich der Welt als Mensch auftritt, in einem Sinne, so voll als möglich, so ganzheitlich Mensch wie jeder andere Mensch, dann kann man also nicht einfach sagen, dass das Himmelswesen morphologisch eine phänomenologisch als menschlich beschreibbare Gestalt annahm, also nur wie ein Mensch oder als ein Mensch auftrat, sondern dann muss man das Element benennen, was für das Menschsein bestimmend ist: Fleisch, das irdische, menschliche Element. 1650 1650 Die hier genannten Überlegungen zeigen zugleich einen engen Zusammenhang zwischen der Logos-Christologie Justins und der pneumachristologischen Äußerungen etwa bei Herm einerseits mit doketistischer Trennungschristologie andererseits. Dieselbe Grundannahme, nämlich das Einwohnen einer himmlischen Macht oder Person im konkreten Menschen Jesus, wird im trennungschristologischen Doketismus so weitergeführt, dass das Einwohnen nur vorübergehend und vor allem nicht wesentlich zu denken ist. Ähnlich schon L IETZMANN , Geschichte 2, 117. 14.2 Jesus Christus ist nicht ins Fleisch gekommen? 471 14.2 Jesus Christus ist nicht ins Fleisch gekommen? Der merkwürdige Ausdruck, Jesus Christus sei (nicht) ins Fleisch gekommen, ist nach den Ergebnissen der erweiterten religionsgeschichtlichen Untersuchung wie folgt erklärbar: - Die Gegner von 1 Joh sind Christen. - Sie haben Anteil an der Vorstellung, dass der Christus ein himmlischer Gesandter ist, ein himmlisches Wesen wie der Menschensohn bei Henoch. - Sie haben sich schon sehr daran gewöhnt, Jesus Christus als den zum Menschensohn erhöhten Herrn anzuerkennen. D.h., dass für sie die Gleichung gilt: Messias = Jesus. Wobei »Messias« für sie eine himmlische Gestalt ist. Bisher haben sie anerkannt, dass Jesus der himmlische Gesandte ist. Mit den Gedanken der Gesandtenchristologie (B ÜHNER ) bzw. der Superinspirationstheorie (B ERGER ) gesagt: Jesus ist der von Gott in Funktion und Gestalt des himmlischen Herrn installierte Prophet, der da kommen soll. - Es kommen also verschiedene Dinge zusammen, die man schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Christentums so kombiniert hat, dass man eigentlich nicht umhin kommt, schon eine vorjesuanische Kombination derartiger Elemente zu konstatieren. Jesus erfüllt die Beschreibungen dieser Grundkombination, die in verschiedensten Elementen immer weiter experimentell durchgespielt wurde. - Die Irritation der Gegner des 1 Joh tritt demnach zu einem Zeitpunkt und bei Leuten ein, die schon so ganz und gar Christen waren, dass Jesus Christus und himmlischer Messias für sie Synonyme geworden waren. Ihr Ausscheiden oder Absondern von der Gemeinschaft ist erklärbar durch die Frustration, die man früher Parusieverzögerung nannte, die aber tatsächlich immer wieder anhand von Verfolgungs- und Sündenerfahrungen auftrat und ihren ursächlichen Grund in der fragmentarischen Gestalt der von Jesus hinterlassenen Messianität hat. Zum Fragmenthaften gehört der klassisch nicht erwartete Leidensweg Jesu ebenso wie das Nichteintreten der endgültigen Erlösung. 14.3 Monophysitismus/ Dyophysitismus Mit diesen dogmatischen Begriffen des dritten bzw. vierten Jahrhunderts beschreiben W EIGANDT , U EBELE und andere die Gegner des 1 Joh und/ oder die des Ignatius. Die Begriffe wirken aufgrund ihres massiven Anachronismus merkwürdig. Sie sind zwar mit Bedacht gewählt und haben ihren Hintergrund in altkirchlichen Kategorisierungsbemühungen. Sie geben damit den systematischen Stand der Alten Kirche wieder, nicht jedoch die historische Entwicklung, wie man sie heute rekonstruieren kann. Zwar sind die Beobachtungen, die anhand dieser Begrifflichkeiten gemacht werden, von einer gewissen, teils hohen Plausibilität. Aber es fehlen verschiedene Grundvoraussetzungen für die gewählten Begriffe und die damit gegebenen grundsätzlichen Einordnungen innerhalb der Entwicklungsgeschichte der frühen Christologie, unabhängig von dem, was an den Texten selbst zu beobachten ist. Wer von Mono- oder Dyophysitismus spricht, setzt voraus, dass über die »Natur« Jesu Christi, genauer gesagt über die Anzahl der Naturen Christi, gesprochen wird. Das ist aber beim Doketismus des zweiten 472 E. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus Jahrhunderts nicht der Fall. Beim Doketismus der Ignatiusgegner ist in der Tat nur »eine Natur« im Blick, aber nicht aus dem Grund, das eine Zwei-Naturen- Christologie abgelehnt würde, sondern aus dem, dass eine solche noch gar nicht vorhanden ist. Beim Doketismus, der in der koptischen Petrusapokalypse deutlich wird, ist in der Tat eine Vermehrung von Ebenen festzustellen, wie sie dann in der Gnosis noch weiter ausgebaut werden wird. Die Vermehrung von anthropologischen und kosmologischen Ebenen aber geschieht eigenständig und entweder parallel zur Entwicklung der später vorherrschenden Christologie oder wahrscheinlich sogar vorgängig. Der Anlass ist auch hier nicht die Ablehnung einer Zweinaturen-Lehre, die in irgendeiner Art und Weise im Verdacht stand, Ebenen zu vermischen, sondern Anlass ist der Versuch, Unterschiedliches und Widersprechendes gleichzeitig auszudrücken. Einen anderen Versuch, einander scheinbar Widersprechendes gleichzeitig auszudrücken, haben wir in den TestXII vorliegen, einen wiederum anderen bei Ignatius. Das scheinbar Widersprüchliche ist die Darstellung epiphaner Offenbarung des Himmlischen in irdischer Verhüllung. Der religions- und philosophiegeschichtliche Hintergrund der Entwicklungen bei den Doketisten ist eher eine Engellehre bzw. eine Vorstellung vom himmlischen Gesandten, der aus Sicht einer in den Vordergrund rückenden hellenistischvulgärphilosophischen Sicht nicht leiden und sterben kann und der auch keinen menschlichen Körper haben kann. Damit sehen die Doketisten des Ignatius also an einer Stelle ein Problem, wo in den neutestamentlichen Schriften bis dato kein Problem erkennbar war, nämlich in der grundsätzlichen Fähigkeit Gottes, zu leiden oder Mitleid zu haben. Anlass für die doketistischen Spekulationen ist immer wieder das gerade im Kontext mit dem Judentum umstrittene Leiden Christi. Das ist dort umstritten, weil es für einen Messias einfach nicht vorgesehen war. Dies wird im Doketismus dahin »umgebogen«, prinzipiell unvorstellbar zu sein. Die Lösung liegt dafür im Aufgreifen einer Engelchristologie. Früher Doketismus, wenn nicht (altkirchlicher) Doketismus überhaupt ist als ein Ergebnis der Anwendung von Engelvorstellungen (insbesondere Engeldoketismus) auf die Christologie anzusehen. Das begrenzte Recht der Begriffe »Monophysitismus«, »Dyophysitismus« und »dyoprosopischer Doketismus« (W EIGANDT ) liegt darin, dass mit diesen Begrifflichkeiten der späteren christologischen Lehrentwicklung tatsächlich verschiedene Formen von Scheinchristologie beschrieben werden können. Die Begrifflichkeiten zeigen, wie viele Ebenen zur Beschreibung Christi im jeweiligen Modell erscheinen und wie sie gelagert sind: a) eine Ebene: Christus leidet zum Schein, ist eine Scheingestalt: Monophysitismus; b) Christus hat Jesus als Körper benutzt und ist vor der Kreuzigung »ausgestiegen«, steht als Geist oder in seinem eigentlichen Christuskörper neben dem leidenden Jesus: Dyophysitismus. c) Christus hat den Körper Jesu benutzt und im Moment der Kreuzigung Körper- 14.4 Engelchristologie oder Angelomorphologie? 473 tausch oder Tausch des Aussehens mit Simon von Kyrene betrieben: Dyoprosopismus. So sehr man also zeigen kann, dass die traditionell zur Beschreibung des Doketismus verwandten Begriffe eine gewisse Plausibilität haben, so sind doch die hier genannten Dinge einfacher mit Begriffen zu beschreiben, die nicht gleich die ganze spätere Christologie enthalten, die schon aus Gründen eines vollständigen Anachronismus noch nicht vorhanden sein kann. Es reicht ganz und gar aus, von den unterschiedlichen Ebenen der Personen zu sprechen, von einer geschichteten Anthropologie oder Kosmologie und einer ebenso geschichteten Christologie. Nur so kann man auch die Engellehre in den Blick bekommen, die nicht erst nach den Ergebnissen dieser Arbeit (gemeinsam mit Parallelen in der griechischen Theophanievorstellung) als einziges originäres, vorgängig vorhandenes Modell angesehen werden kann, an dem sich die christologische Lehrbildung der Gegner orientiert haben muss. Solange die Lehrbegriffe späterer christologischer Lehrbildungen die Beschreibung prägen, ist die Herleitung aus der Angelologie nur schwer nachvollziehbar. Denn obwohl die Angelologie sowie die diversen Mittlervorstellungen religionsgeschichtlich die nächstliegenden und phänomenologisch ähnlichsten Parallelen zum frühen Doketismus bieten, passen diese frühjüdischen, jedenfalls zumeist vor- und nebenchristlich existierenden Vorstellungen nicht in das dogmengeschichtlich gegebene Raster. Aus diesem einfachen Grunde konnten sie bisher nicht wirklich verwertet werden. Hat man aber diesen Grundfehler erkannt, wie dies in der neueren Erforschung der Gnosis ja überhaupt geschieht, kann man die Entstehung gnostischer und speziell auch doketistischer Vorstellungen aus frühjüdischen Überzeugungen darstellen. 14.4 Engelchristologie oder Angelomorphologie? Engelchristologie im eigentlichen Sinne bezeichnete bei M.W ERNER den Ansatz, dass etwa in Phil 2 oder in Joh 1 Christus als in die Welt gekommener Engel vorgestellt worden sei. Das ist aber eigentlich nirgendwo neutestamentlich erweisbar. Engel, Engelerfahrungen, Isangelie, Himmelsreisen usw. bilden in der Tat einen wesentlichen Hintergrund für die Vorstellung vom himmlischen Gesandten und Christus Jesus. Ein himmlisches Wesen kann natürlich zunächst nur als Engel bzw. in der Art eines Engels gezeigt und vorgestellt werden. Es ist aber nirgendwo neutestamentlich die Konsequenz daraus gezogen worden, dass Jesus ein Engel war. Vielmehr kann seine Engelhaftigkeit anhand körperlicher bzw. körperuntypischer Merkmale genannt werden, gleichzeitig aber auch betont werden, dass er Fleisch war und aus der Familie Davids stammte. Die Herkunft aus dem Himmel und die Himmelserfahrungen mit dem Menschen Jesus führen also immer wieder dazu, Jesus als engelhaft zu erfahren und zu beschreiben. Dabei gibt aber Hebr 1f die Maßgabe an, die auch für Joh 1 und Phil 2 gilt: Er ist (als Logos bei Joh und als der, 474 E. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus der in Gottes Gestalt war in Phil 2) höher als alle Engel, weil sein Name (Herr) auch höher ist als der aller Engel. Im Neuen Testament gibt es also Textstellen, die die ursprüngliche oder zeitweilige Angelomorphie Christi aussagen. Ansonsten steht das Menschsein für die Menschen und zu ihrem Heil im Vordergrund. In der Zeit des aufkommenden Doketismus wendet sich das Blatt. Die angelomorphologischen Ansätze des Urchristentums, die ihren Ansatz wiederum durchaus in der Vorstellung von der Inkarnation des himmlischen Christus in Jesus von Nazareth haben, werden zum Ansatz genommen, Christus insgesamt nur als Engelwesen wahrzunehmen, das mit seinem »Körperkleid« entweder gar nicht wirklich Mensch war oder »changierend« umgehen kann. 14.5 Gegner von 1 Joh und Ignatius Die Gegner von 1 Joh haben kein Doketismusproblem. Sie haben als Problem wahrscheinlich aber das wird nicht einmal ausdrücklich gesagt das Leiden Christi, sowie Sünden- und Leiderfahrungen und Enttäuschung über das messianische Fragment inklusive des Ausbleibens des endgültigen Heils. Die Gegner des Ignatius haben als Ausgangspunkt ebenfalls das Leiden Christi, das für sie aber nicht nur deswegen ausgeschlossen ist, weil es biblisch als nicht vorgesehen galt, sondern das auch deswegen undenkbar war, weil Jesus, wie auch bei Ignatius und den TestXII, als Gott bezeichnet wird und man das »griechische« durch ein »hebräisches« Denken in den Grundelementen von Theologie und Anthropologie ersetzt. 14.6 Was also ist Doketismus? Die Gottheit wird im Griechischen per Theophanie oder über Singen und Hören erfahren. Ästhetik spielt eine große Rolle. 1651 Die Grundauffassung der frühen Doketisten mag im Wesentlichen ähnlich gewesen sein. Allerdings ist diese Grundauffassung nicht herzuleiten aus einem an sich fremden Hellenismus. Hintergrund ist zunächst vielmehr das schon vorhandene hellenistische Judentum, das genau diese Elemente kannte. Doketismus ist in diesem Sinne der Versuch, mit Kategorien der Engellehre und/ oder der Isangelie in mystischen Glaubenserfahrungen das Geschick Jesu so zu deuten, dass die neu in den Vordergrund gerückten Prinzipien griechischer, negativer apophatischer Theologie nicht verletzt würden. Diese Prinzipien waren schon vorher bekannt und teilweise berücksichtigt, bekommen aber im beginnenden 2. Jahrhundert ein wesentlich massiveres Gewicht. Doketismus in diesem Sinne kann unterschiedliche Ausprägungen haben, je nachdem mit welchem Vorstellungsbereich (reine Engellehre/ Angelomorphologie von Menschen/ Märtyrern usw.) »experimentiert« wurde. 1651 Ähnliches gilt für den deutschen Idealismus mit seiner Orientierung am Guten, Schönen und Wahren, der nicht ohne Grund an der geistigen Welt der Griechen interessiert war. 14.7 Was also ist Inkarnation? 475 14.7 Was also ist Inkarnation? Inkarnation ist die Grunderfahrung des Christentums. Sie besteht in dem unbestreitbaren Auftreten Jesu als einer massiv wirkmächtigen (»vollmächtigen«) Gestalt, deren »Macht« des Wortes, der Heilung und des Exorzismus die Frage nach dem »woher« stellen lässt. Die christliche Antwort ist von Anfang an die, dass Jesus in irgendeiner Weise mit einer himmlischen Gestalt (Messias, Sohn Gottes, Menschensohn) identisch ist. Diese Identität ist vorstellbar, wie man an den viel späteren Erlebnissen des Rabbis Aher anhand des »kleinen Jahwes« »Metatron« in 3Hen sehen kann. Eine ganze Reihe früherer Texte zeigt, dass derartige Vorstellungen auch zu Jesu Lebzeiten bekannt waren. Was bei Jesus zusammenkommt, ist: Ein realer Mensch aus Fleisch und Blut (Jesus) wird (von sich selbst und anderen) mit der himmlischen Gestalt eines göttlichen Gesandten oder Repräsentanten (Menschensohn, Logos, »Herr«, usw.) identifiziert. Dieses Zusammentreffen vorgegebener, schon verknüpfter Vorstellungen (Messias, Menschensohn, entrückter Gerechter) mit der Erfahrung einer realen, menschlichen Person (Jesus aus Nazareth), an der man epiphan Gottes Vollmacht sehen, hören und befreiend und heilend erleben kann, führt zur Rede vom »Fleisch« Christi. »Fleisch« ist dabei der Ort der Erscheinung, der Offenbarung. Das Fleisch Christi ist daher der »Tempel«. Es ist das Kleid und die Gestalt des H ERRN , mit der Er unter uns Menschen sichtbar werden konnte, so dass er erstens überhaupt sichtbar werden konnte und dies zweitens in einer Art und Weise, die für die Menschheit nicht als vernichtende Herrlichkeit erschien. Schließlich und endlich: Wer von Erlösung und der Herrschaft des Geistes sprechen will, muss vom Fleisch Christi reden, denn hier vollzieht sich beides erstmalig. R UDOLF B ULTMANNS Diktum vom »Dass« des Auftretens Jesu aufnehmend, kann man sagen: Das » DASS « des Gekommenseins des Messias als Mensch ist in der Tat der Startpunkt der christlichen Theologie, der lebendigen Predigt des Evangeliums vom nahegekommenen Gottesreich, von Gottes Wohnen unter Menschen, von der Menschwerdung des Logos, des Lichtes, des Lebens. Das »Fleisch des Messias« war vor Jesus kein Thema, weil man nie auf den Gedanken kam, verschiedene eschatologische und messianische Begriffe so miteinander zu verknüpfen, wie es dann bei Jesus und seinem Umfeld geschah. Insbesondere die Verknüpfung der himmlischen Retter- und Mittler-Ebene mit der irdischen ist vor dem Auftreten Jesu offenbar nie gedacht worden, obwohl ganz offensichtlich auch hier schon »Vorarbeit« geleistet wurde, indem verschiedene Vorstellungen von Mittlerschaft und Messianität schon kombiniert wurden oder als kombinierbar galten. Was als kombinierbar galt, wurde dann Anfang des 2. Jahrhunderts noch einmal strittig durch anthropologische und kosmologische Verschiebungen, auf die die Doketisten mit im Wesentlichen aus der jüdisch-christlichen Tradition entnommenen, an Engeln orientierten Vorstellungen reagierten. 476 E. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus 14.8 Zusammenfassung: Entwicklungslinien in Richtung Doketismus »Christology in the Making«, mit diesem griffigen Titel hat im englischsprachigen Raum J.D.G. D UNN für einen Neuansatz in der Bewertung der Anfänge der Christologie gesorgt. Sein Anliegen: Nicht mit den gestanzten und vorgeprägten Begriffen der später entwickelten Dogmatik die Anfänge beschreiben, sondern mit den Möglichkeiten der damaligen Zeit. Die Frage ist vor allem, wie und woher konnten sich die Vorstellungen entwickeln, die schließlich in die christliche Lehre von Christus inklusive Zwei-Naturen-Lehre mündete? Für den Ersten Johannesbrief ist der jüdische bzw. judenchristliche Hintergrund irgendwann im 1. Jahrhundert nach Christus meiner Meinung nach gesichert. Auch ist geklärt, dass das Bekenntnis, Jesus sei »im Fleisch« gekommen, innerhalb von 1 Joh sinnvoll ist. Es handelt sich um ein Bekenntnis dazu, dass Christus in dieser Welt - und zwar konkret: in der Wirklichkeit des Menschen - Wirkung erzielte. Er war Mensch, d.h.: Er war da. Er war Fleisch, d.h.: »Wir haben ihn ja gesehen, gehört, angefasst, ihn erlebt: Natürlich ist der Messias da gewesen. Jesus ist der Messias, Jesus ist der Sohn Gottes, Jesus Christus ist der Name des Sohnes Gottes, wir haben Jesus erlebt. Wie kann man dann sagen, er sei nicht der Messias? Er hat doch unter uns gelebt! « So in etwa verknüpft 1 Joh die Begriffe und wehrt so die Bestreitung der Messianität Jesu ab. Bei unseren Untersuchungen zu 1 Joh wurde deutlich, dass der Begriff des Fleisches neben der textpragmatischen Funktion (»Kommen wohin woher«/ »Bühne«/ »Auftritt«) vor allem soteriologische und dann auch ekklesiologische Bedeutung hat. Es geht um das Heil der Menschen innerhalb einer Welt, die des Teufels ist. »Im Fleisch gekommen« begründet die Hoffnung, »in uns« Gott, Geist, Same, Leben usw. »halten« zu können bzw. umgekehrt »in Gott, ...« bleiben zu können und so ewiges Leben zu haben. Die Untersuchungen zum »Fleisch des Messias« in den Belegstellen des Neuen Testaments und der sogenannten Apostolischen Väter (ohne Ignatius) bestätigte die soteriologische Funktion des »Fleisches« Christi. Es geht immer um das heilvolle Erscheinen Gottes oder seiner Macht bzw. seines Boten in der wirklichen Welt gegenwärtiger Heillosigkeit. Das kann dargestellt werden als »Auftritt« oder als tempelartiges »Wohnen unter« den Menschen oder auch als kultischer Zugang zum Heil Gottes. An keiner einzigen Stelle vor Ignatius fand sich ein begründbarer Hinweis auf eine antidoketistische Diskussion. Bei der Betonung des »Fleisches« bzw. der Menschheit Christi ist an keiner Stelle eine Haltung im Blick, die Jesus als Scheinwesen, als »nur scheinbar gelitten«, »nur scheinbar gestorben« oder Ähnliches in den Blick nimmt. An keiner Stelle ist ein gnostischer Hintergrund erweisbar. Dennoch blieb im Wesentlichen eine Frage offen: Wie ist der Topos vom »Fleisch des Messias«, der dogmengeschichtlich große Wirkungen hatte (bis hin zur Zwei-Naturen-Lehre einerseits, bis hin zu Doketismus, Gnosis und Mani- 14.8 Zusammenfassung: Entwicklungslinien in Richtung Doketismus 477 chäismus andererseits), entstanden? An welche Traditionen und Erfahrungen knüpfen hier die frühen Christen an? Das Dilemma besteht vor allem darin, dass es sich um eine vollständige begriffliche Neubildung handelt, die an vielen unterschiedlichen Stellen der frühchristlichen Literatur begegnet, so dass es sich um eine Grundüberzeugung der Christen von Anfang an handeln muss. Nur: Wie konnte diese entstehen? Entgegen einer oberflächlichen Grunderwartung, die davon ausgeht, es finde sich schon alles an messianischer Erwartung in den Schriften des Alten Testaments oder des Frühjudentums, muss man sagen: Ja, es findet sich vieles, vielleicht sogar alles, aber nicht in den Verknüpfungen, die das Christentum vornimmt. Die Genitivverbindung von »Fleisch« und »Messias« lässt sich gar nicht finden. Möglicherweise bieten unsere im Ersten Johannesbrief gemachten Beobachtungen eine Lösung: Die Argumentation des 1 Joh lebt von den Verknüpfungen, die er durchführt. Die Frage der Gegner wird gewesen sein, ob man Jesus nun wirklich als Messias bezeichnen könne. Vielleicht haben sie seine Wirksamkeit in Frage gestellt. Vielleicht haben sie das Ausbleiben des endzeitlichen Heils vermisst. Oder sie waren von anderen charismatischen, messianischen Gestalten beeindruckt. Es sind insbesondere für Juden mehrere Gründe denkbar, die Messianität Jesu zu bezweifeln. Vielleicht war mit der Bestreitung der Messianität auch schon eine Bestreitung der Gottessohnschaft verknüpft, aber das ist nicht so deutlich zu erkennen. Anstatt aber nur auf diese Frage der Messianität Jesu einzugehen, stellt der Verfasser von 1 Joh ein Junktim her zwischen den Elementen a) »Jesus« und »Christus«, b) »Jesus Christus« und »Name des Gottessohnes« und c) »Jesus Christus« und »Sohn« sowie d) zwischen »Sohn« und »Vater«. In dieser Kette unauflöslich zusammengehöriger Begriffe ist es unmöglich, einen Begriff (»Christus«) herauszunehmen. Man stellt damit zugleich Gott den Vater in Frage. Damit hängt für 1 Joh einerseits die Frage pneumatischer Beurteilung (Chrisma - Christus - Lehre usw.) zusammen (s.o.). Andererseits wird mit der Bestreitung der Messianität Jesu auch sein Sohn-Sein in Frage gestellt wird. Wie also sind die neuen Motivkombinationen im frühen Christentum zustande gekommen? Die Kombination »Fleisch des Messias« ist in vorchristlichen Schriften nicht belegt, weil zum Konzept des Messias normalerweise gehört, dass er Mensch ist (oder nur ein engelhaftes Wesen, dann aber ohne Menschheit). Wenn nun aber von einem »Kommen des Sohnes« aus dem Bereich Gottes in den Bereich »dieser Welt« die Rede ist, dann muss eine Lokalität der Gegenwart dieses Gottessohnes benannt werden. Der Vergleich mit dem Tempelkonzept zeigt: Wenn Gott in einem Tempel (Kultort) oder durch eine Person repräsentiert »unter den Menschen wohnt«, dann gewinnt diese »Wohnung« an Bedeutung. Das Neuartige ist, dass Jesus nicht nur als Messias erlebt wird, sondern als Ort der Präsenz Gottes. Diese Erfahrung wird dargestellt, indem in 1 Joh »Sohn« und 478 E. 14 Fazit zu Inkarnation und Doketismus »Messias« und »Name des Sohnes« miteinander verbunden werden. In den Evangelien sind die Verknüpfungen und Beziehungen häufig viel komplexer. Man kann das für den johanneischen Bereich gut am Johannesevangelium aufzeigen. Die Untersuchung von M. S ASSE zum Begriff des Menschensohns im Johannesevangelium jedenfalls macht deutlich, dass dieser, obwohl nicht durch eine Masse an Belegen im Evangelium präsent, doch so eingesetzt wird, dass er die Christologie des Evangeliums entscheidend prägt. 1652 Auch der Menschensohn ist eine Gestalt, die »vom Himmel kommt« und zum Himmel geht und deren menschliche Präsenz dann durch die Kombination und Verknüpfung mit anderen Vorstellungen dargestellt wird. Ähnliche Verknüpfungsleistungen lassen sich für die synoptischen Evangelien, für Paulus und sein Umfeld (ohne Menschensohnbegriff) und die weiteren neutestamentlichen Schriften gut zeigen. Das heißt: Die Verknüpfung unterschiedlicher Begriffe war für die frühen Christen nötig, um ihre Erfahrungen mit Jesus zu klären. Ihre Erfahrungen mit Jesus waren offensichtlich, mit einem Wort gesagt: umwerfend. Aber wie stellt man derartige Erfahrungen dar? Die Messiasbegrifflichkeit allein reicht nicht. Denn der Messias ist letztlich nur ein Gesalbter. Die Rede vom »Fleisch des Messias« zeigt: Hier geht es um epiphane Erlebnisse. In Anschluss an B ERGER könnte man von einer Art »Superinspiration« sprechen. In jedem Fall fängt man an, den Menschen Jesus epiphanial wahrzunehmen und zu beschreiben. Wenn Jesus aber »Ort« himmlischer Epiphanie ist, dann wohnt oder zeltet in ihm Gott oder ein göttliches Wesen. Damit beginnt das Nachdenken über den Auftritt Gottes oder des Gottesboten in menschlicher Gestalt. Wie es im Kult auch ist, so auch bei Jesus: Der Ort der Gottespräsenz bekommt eine wesentliche Bedeutung und wird vielfach bedacht. Damit ist das »Fleisch« Jesu als »Wohnung« oder »Stiftshütte« Gottes in den Blickpunkt und in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Nicht nur das, sondern auch das Fleisch der zu Jesus Gehörenden ist Objekt des Interesses: Denn im Menschen wohnt ab jetzt Gott, Gottes Geist. Bei den Menschen nicht in absoluter Dauerhaftigkeit bei Jesus aber vollständig und ganz. Darum ist das »Fleisch des Messias« im frühen Christentum nahezu überall von Interesse. Solange der Mensch Jesus als solcher aktuell vor Augen ist, kann man bei aller epiphanialer Erfahrung nicht auf den Gedanken kommen, er sei wie ein Engel bloß zum Schein Mensch. In späterer Zeit, vor allem unter der Voraussetzung verschobener anthropologischer Grundauffassungen, kann die epiphaniale Erfahrung stärker engelhaft gedeutet (Doketismus) oder in einer doketistischen Trennungschristologie dargestellt werden. 1652 S ASSE , Menschensohn, 265f. F. Ertrag und Ausblick 15 Ertrag 1. Im ersten Abschnitt wurde anhand der Forschungsgeschichte deutlich, welche eigenen Interessen und geistesgeschichtlichen Verankerungen dafür sorgen, fast schon im Sinne einer Ideologie an einem wie auch immer gearteten »Doketismus« als Hintergrund neutestamentlicher Schriften festzuhalten. Dagegen hilft zunächst eine konsequente Orientierung an den vorliegenden Texten und dann an den historisch nächstliegenden religiösen Kontexten aus hellenistischem Judentum und Mittelplatonismus. 2. Im zweiten Abschnitt wurde die grundsätzliche Dramaturgie des 1 Joh zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gott und Götzen und zwischen Geist und Welt/ Fleisch dargestellt. Wenn Jesus der Christus war, muss er in der Welt als Mensch wirksam gewesen sein. Wenn er nicht wirksam ist, ist er nicht der Christus. Dann ist Jesus Christus nicht als Mensch in der Welt aufgetreten, das heißt, er ist dann gar nicht aufgetreten. Da aber sein Auftritt gut verbürgt ist (Augenzeugen) und das Auftreten von Widersachern und von Unheil gut in den bekannten apokalyptischen Fahrplan passt (»letzte Stunde«), ist auch dank der eigenen Erfahrungen (Taufe, Geist, Salbung) die gegenwärtige Anfechtung eher eine Bestätigung als eine wirkliche Verunsicherung. Das grundlegende Problem, das sicher auch die Gegner haben, die noch existente Sünde, wird gelöst, indem Jesus in vielfacher Hinsicht kultisch und nichtkultisch als Überwinder von Sünde und Gottesferne dargestellt und die Gemeinde auf die »Liebe« verpflichtet wird. 3. Im dritten Abschnitt wurde gezeigt, dass das »Fleisch des Messias« immer eine Aussage über die Nähe Gottes und über das Heilswirken Christi in der Welt beinhaltet. Die Darstellung kann vom Wohnen unter den Menschen ausgehen, vom epiphanialen Auftritt des Gottesboten oder von kultischen Darstellungen der Überwindung des Unheils und der Gottesferne. 4. Im vierten Abschnitt wurde gezeigt, dass Ignatius ein eigenes Konzept von »Fleisch Christi« hat, das schon vor der Auseinandersetzung mit den Doketisten vorhanden gewesen sein muss. Bei Ignatius geht es um die gleiche »Sphäre« mit Christus, die auch im Glauben und im mündlichen Evangelium gegeben ist. Es wurde deutlich, dass die Doketisten in Smyrna und anderswo offensichtlich zu der größeren Gruppe der »judaistischen« Fragesteller gehören, nur unter schon verschobenen Grundauffassungen: Die zu guten Teilen von Ignatius geteilte negative, apophatische Theologie des Hellenismus, die auch vorher schon in jüdischen und christlichen Äußerungen gegeben war, bekam stärkeres Gewicht und bewirkte die Suche nach neuen Konzepten, die höchstwahrscheinlich in erster Linie dem hellenistischen Judentum entstammen (Engeldoketismus, frühjüdische Mystik). 5. Im fünften Abschnitt schließlich wurden zunächst Elemente frühjüdischer Mystik dargestellt, die mit doketistischen oder trennungschristologischen Vorstel- 480 F. 16 Ausblick lungen verwandt sind. Insbesondere im »Engeldoketismus« wurde ein Erklärungsmodell für den Doketismus der Ignatiusgegner gefunden. Die Inkarnationsvorstellung orientiert sich an mehrfach nicht-christologisch bezeugten mystischen Motiven wie Inspiration, Ascensio und Begabung mit dem Namen Gottes. Die verschiedenen Motive müssen nicht jeweils »vollständig« vorliegen. Sie zeigen nur die Richtung an, in die man denken konnte. Hinzu kommt eine durch kultische Kleider-Metaphorik geprägte Wahrnehmung. Wie der Hohepriester den mit kosmischen Motiven durchwirkten Tempelvorhang durchschreitet und dabei zum Mittler zwischen dem Unsichtbaren und dem Sichtbaren wird, wobei er sich jeweils in in entsprechende Gewänder hüllt, so nimmt der Gottessohn als Messias Fleisch an. Das Fleisch des Messias erweist sich als notwendiger Trägerstoff für seine Epiphanie. Nötig wird diese Kombination, weil der Messias hier als himmlisches Wesen gedacht ist und zugleich mit dem irdischen Jesus identifiziert wird. Jesus selbst ist Ort der Gottesbegegnung und kann mit dem himmlischen Messias identifiziert werden. Eine Trennung zwischen irdischem Jesus und geglaubtem Christus wird dabei unnötig. 16 Ausblick »Christophobie.« 1653 Auf diese Kurzformel bringt M ICHAEL W ELKER die gegenwärtige geistliche und theologische Verfassung der Christenheit in den USA und Westeuropa. Von Christus sei in den Kirchen und in der Öffentlichkeit kaum die Rede. Man vermeide es tunlichst, sich auf Jesus zu beziehen, bzw. wenn, dann nur auf den »historischen«, was auch immer man jeweils darunter versteht. Meine Erfahrung ist entsprechend: Sobald Konfirmanden, Traupaare oder Taufeltern sich ein biblisches Leitwort selber aussuchen, wählen sie etwas »Unverfängliches« aus den Psalmen oder Mahnworte von Paulus. Möglich ist auch ein Wort Jesu aus den synoptischen Evangelien. Christologische Worte etwa aus dem Johannesevangelium oder von Paulus machen weniger als 10% der gewählten Losungsworte aus. Bei Taufen wünschen sich mittlerweile gut 50% meiner Taufeltern Psalm 91,11: »Denn er hat seinen Engeln befohlen ...«. Die »Tatsache«, dass Jesus nie gelebt hat, dass er aber gleichzeitig mit Maria Magdalena verheiratet war, ist auch nach anderthalb Jahren Konfirmandenunterricht bei den interessierteren Konfirmanden präsent. »Christophobie« bedeutet daher, dass Menschen unserer Zeit christologische Rede mit unglaubwürdigen christologischen Leerformeln verbinden, deren phrasenhafte Wiederholung ihre Inhaltslosigkeit nicht verdecken kann. Inhaltslos deswegen, weil es ja anerkanntermaßen Ergebnis der historischen Forschung sei, dass historisch gesehen nahezu nichts von den biblischen Berichten über Jesus und die Anfänge der Christenheit stimmt. Die Menschwerdung Gottes wird heute auch 1653 W ELKER , Offenbarung, 28ff übernimmt mit diesem Leitwort die Diagnose des jüdisch-orthodoxen Juristen J.H.H. Weiler (vgl. ebd., 29., Anm. 3). Andere diagnostizieren »Herzrhythmusstörungen« im »Herzstück« christlicher Theologie: D ANZ / M URRMANN -K AHL , Problemhorizont, 6. 16 Ausblick 481 deswegen als unplausibel empfunden, weil man längst eine Erklärung für diese Vorstellung hat: menschengemachte Divinisierung bzw. Vergöttlichung des an sich vermutlich ganz anderen - oder gar nicht existenten - Jesus. 1654 Inhaltslos ist die christologische Rede aber auch deswegen für viele, weil wir in einer Zeit leben, in der die Oberfläche der Dinge eine immer größere Bedeutung bekommt, in der greifbare Erfolge das Maß aller Dinge sind und in der Geist und Seele nur noch medizinisch untergeordnete Funktionen des Körpers zu sein scheinen, die man entsprechend medikamentös in den Griff bekommen möchte. Wenn Oberfläche, Erfolg und Materialität (Fleisch) die Hauptbezugsgrößen menschlicher Wahrnehmung sind, dann rutscht die »unsichtbare Hälfte der Wirklichkeit« natürlich sehr in den Hintergrund. »Gott«? Was ist das? Mir scheint das die eigentliche Frage zu sein. Das heißt, gegenwärtig herrscht eine Art »umgekehrter Doketismus«. Wirklichkeit hat nur noch das Greifbare. Das Ungreifbare wird lieber vorsichtig halb-esoterisch ausgedrückt, in Ahnungen und Anspielungen. Christophobie herrscht schließlich deswegen, weil Christus das Gegenteil einer alles beherrschenden beziehungsfeindlichen Vorstellungswelt ist. In Christus ist die lebendige Gottesbeziehung derart manifest, dass in ihm Gott selber ansichtig wird. Dies alles ist natürlich unglaubwürdig, solange Jesus nur eine erdachte Kunstfigur ist. Es ist absolut einsichtig, die Rede von Christus dann zu meiden, da sie nur mit dogmatisierender, unglaubwürdiger Einengung des eigenen Glaubens und Denkens verbunden sein kann. Mit allen hermeneutischen und philosophisch gegenwartsorientierten Anstrengungen wird man unter diesen Bedingungen nicht für die Gegenwart »sprachfähig« werden, solange die Kernaufgaben nicht gelöst werden. Derartige zentrale Aufgaben der Theologie als Funktion der Kirche wären: - Jesus ist als menschliche Person in Raum und Zeit wahrzunehmen und historisch zu sichern. - Die Kategorie Gott/ Himmel/ Geist ist sowohl bildhaft als auch abstrakt und in andeutungsweiser Komplexität so zu beschreiben, dass eine immer mehr der Oberfläche und der Materie verhaftete Welt überhaupt eine Ahnung von den sie tragenden unsichtbaren Kräften und Mächten bekommt. - Die Kategorie Gott/ Himmel/ Geist ist so auf Jesus zu beziehen, dass diese Historisierung des vermeintlichen Abstraktums Gott befreiend wirkt. - Inkarnation ist als Wirkung und Quelle des Geistes darzustellen, die immer wieder Initialzündung für kirchliche und persönliche christliche Spiritualität war und ist. Da Menschen gerade und auch trotz herrschender materialistischer Orientierung nach glaubwürdiger spiritueller Erfahrung suchen, bietet die Darstellung der mystischen bzw. spirituellen Basis Jesu und der ersten Christen im Frühjuden- 1654 Die Trennung zwischen »historischem Jesus und dogmatischem Christus« (vgl. D ANZ / M URR - MANN -K AHL , Jesus) folgt einerseits dem grundsätzlich berechtigten Anliegen historischer Kritik gegenüber späterer Dogmatisierung oder Ideologisierung. Andererseits ist vieles von dem, was man für »dogmatisch« halten könnte, schon Bestandteil des frühesten Christentums, noch vor aller systematischen und dogmatischen Fassung. 482 F. 16 Ausblick tum/ im frühen Christentum eine besondere Chance. Die Auffassung, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes, das menschgewordene Wort Gottes ist, ist nicht in erster Linie »dogmatisch«, sondern kann als Ausdruck persönlicher Erfahrung wahrgenommen werden, die ansatzweise auch heute spirituell »wiederholt« werden kann. Die Wiederentdeckung des »Heiligen Geistes« als »Erfahrungsträger« von christlicher Existenz kann dazu viel beitragen. Die Erfahrungen der Zeitgenossen Jesu mit »IHM« können insbesondere dann anschlussfähig werden, wenn die geistliche Welt Jesu und seiner Umwelt überhaupt wahrgenommen wird. Auch diese Welt ist »historisch«, auch diese Welt ist »real«. Zugleich ist es möglich, an einer entscheidenden Trennlinie zwischen Islam und Christentum, die exakt mit den Begriffen von Doketismus und Inkarnation zu beschreiben ist, 1655 eine neue Sprachfähigkeit zu gewinnen. Nur in einer historischen Darstellung Jesu, die die geistlichen Hintergründe Jesu und seiner Anhänger als etwas Wesentliches berücksichtigt, kann Jesu Bedeutung für die damalige Zeit - und gegebenenfalls für die heutige plausibel werden. Die vorgelegte Arbeit ist in diesem Horizont geschrieben worden. 1655 Vgl. Koran Sure 2,87.116.136; Sure 3,42f.45-49.51-55.59.62; Sure 4,157-159.171; Sure 112, 1. M OHAMMED stellt mit seinen Offenbarungsäußerungen die Einzigkeit Gottes gegen die Behauptung der Christen, Jesus sei Gottes »Sohn« und fordert einen strengen Monotheismus. Zudem ist für ihn das Leid Jesu nicht zusammenzubringen mit der Unverletzbarkeit Gottes. Beides sind Themen, die seit den Anfängen der doketistischen Christologie im 2. Jahrhundert immer wieder die Kirche beschäftigt haben. G. ANHANG 17 Die ignatianische Frage Im Folgenden ist die Frage nach den Hintergründen zu stellen, die zur Abfassung der Ignatiusbriefe geführt haben. 1656 Stammen sie vom Märtyrer und Bischof Ignatius, wie sie selber angeben, 1657 oder sind die sie als Pseudepigraphie zu werten? Sind sie pseudepigraph, zu welchem Zweck und unter welchen Umständen sind sie verfasst? 1658 Anlass und Orientierung bietet die Debatte um die theologiegeschichtliche Einordnung der Ignatianen: In der ersten Ausgabe der Zeitschrift für Antikes Christentum (ZAC) stellte R.M. H ÜBNER 1998 seine gemeinsam mit seinem Schüler T H . L ECHNER 1659 entwickelten Thesen über die theologiegeschichtliche Verortung der Ignatianen vor. Im Kern geht es um die These, die ignatianischen Briefe seien als pseudepigraphe Fälschungen anzusehen. Die Diskussion ist für die vorliegende Arbeit von Belang, da eine Spätdatierung der Ignatiusbriefe den ersten Zeugen für erkennbaren Doketismus um über ein halbes Jahrhundert weiter vom »neutestamentlichen Zeitalter« weg - und in den Kontext antignostischer Streitigkeiten stellen würde. 1656 Einen Literaturüberblick zur ignatianischen Frage bietet Schoedel, Polycarp, 286-292. 1657 IgnRöm 2,2 u.ö. 1658 Das Thema der Pseudepigraphie legt sich als Anfrage nahe, da die Entstehung der ignatianischen Literatur insgesamt als recht kompliziert zu bewerten ist und jedenfalls mehrfach pseudepigraphe Fortschreibungen (und unterschiedliche Übersetzungen) fand. Die von L IGHTFOOT (The Apostolic Fathers. Part II, London 21889) und Z AHN (Ignatius von Antiochien, Gotha 1873) als ursprünglich ermittelte »mittlere« Edition der sieben Ignatiusbriefe als echt gegenüber einer verkürzten syrischen und einer längeren, zudem um weitere sechs Briefe erweiterten Fassung, wird heute in der Regel zu Grunde gelegt auch von denen, die Kritik am Konsens über die Entstehungszeit und den Autor anmelden. Die heute als pseudepigraph angesehenen griechischen und lateinischen Briefe finden sich u.a. bei D IEKAMP , F., Patres Apostolici Volumen II, Tübingen 1888. 1659 L ECHNER , Ignatius. L ECHNER kommt zu dem Ergebnis, dass als einziges Zeugnis für eine »zuverlässige chronologische Einordnung« der Ignatianen das Zitat von IgnRöm 4,1 in Irenäus Iren.haer. 5,28,4 sei (ebd., 68f., 116). Daraus ergebe sich eine Abfassung vor 180 n.Chr. Da alle anderen Bezeugungen unsicher seien, könne eine exakte Datierung nur mit Hilfe theologiegeschichtlicher Studien erfolgen. Ergebnis dieser Studien ist, dass »der Verfasser der Ignatianen um 165-175 in Kleinasien gelebt« habe und dort bekanntes »Formelgut verwendet« habe. Mit seinem Lehrer H ÜBNER geht er davon aus, dass IgnEph 7,2 und IgnPol 3,2 auf eine »antivalentinianische Glaubensformel des Noët von Smyrna zurückgehen« (ebd., 306). Auch IgnEph 16-20 sei als Argumentation gegen die Valentinianer zu verstehen (ebd.), indem z.B. IgnEph 19,1-3 »einen polemischen Kommentar zum valentinianischen Mythos darstellt (297), wie überhaupt immer wieder eindeutige Reaktionen auf valentinianische Argumentation zu erkennen seien. Dabei geht L ECHNER allerdings davon aus, dass man nach den Forschungen von M ARKSCHIES (Valentinus Gnosticus? ) nicht mehr von »dem« valentinianischen Mythos reden könne. Daher könne man nur prüfen, ob Aussagen des Ignatius »kontextspezifisch Aussagen widerlegen, die von einzelnen valentinianischen Lehrern vertreten wurden« (ebd., XXII). - Es wäre dagegen aber zu fragen, ob die Zuordnung zu valentinianischen Lehren überhaupt noch so einfach möglich ist, oder ob man bei Übereinstimmungen einzelner ignatianischer Aussagen mit unterschiedlichen valentinianischen Lehrmeinungen (sollten sich diese Übereinstimmungen denn herausstellen) nicht zunächst danach fragen sollte, ob in den unterschiedlichen Diskussionslagen des zweiten Jahrhunderts bestimmte theologische Elemente in unterschiedlichen Konstellationen auch so immer wieder begegnen können, ohne dass jeweils eine Konfrontation mit (später so bezeichneten) valentinianischen Positionen vorliegen muss. 484 G. 17 Die ignatianische Frage Der Zusammenhang mit der frühchristlichen Christologie wäre dann kaum noch plausibel zu machen. Eine Entstehung doketistischer Auffassungen im Rahmen des frühen Christentums wäre dann kaum verständlich zu machen. H ÜBNER führt eine Vielzahl von Argumenten zugunsten der Spätdatierung der ignatianischen Briefe an: 1660 1. Die Schriften enthalten keine genauen Abfassungsdaten. Die Ignatiuschronologie beruht auf Angaben bei Euseb und Origenes, die aber mit Schwierigkeiten behaftet sind (S. 46f). 2. Schwierigkeiten machen auch das vorausgesetzte monarchische Bischofsamt und entsprechend strukturierte Gemeinden. Das sei erst später vorstellbar (47f.). 3. Der Brief Polykarps an die Philipper könne nicht als Beleg für eine frühe Entstehung gelten, da er selbst interpoliert sei (48-50). 4. Die von H ÜBNER gegen den bisherigen Konsens textkritisch vorgezogene griechische Handschrift G bietet in IgnEph 1,2 eine technische Verwendung des Martyriumsbegriffs, wie er sonst erst in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts belegt sei. (50f). 5. Mit einigen Textzeugen hält H ÜBNER in IgnMagn 8,2 die Aussage für ursprünglich, der Sohn sei als das ewige Wort nicht aus dem Schweigen (σιγή) hervorgegangen. Die in der Forschung allgemein für ursprünglicher gehaltene Fassung, wonach der Sohn eben gerade aus Schweigen hervorgegangen ist, sei nicht ursprünglich. Die vorzuziehende Variante sei antignostisch, antivalentinianisch und somit erst Ende des zweiten Jahrhunderts denkbar. 6. H ÜBNER führt eine ganze Reihe von Argumenten an, die seine Kernthese belegen sollen, Ignatius setze Noët von Smyrna voraus. Schließlich bietet er in Anschluss an seinen Schüler L ECHNER (s.o.) eine neue Chronologie und erklärt das Zustandekommen und die Funktion der pseudepigraphen Ignatiusschriften Ende des 2. Jahrhunderts: Im Kampf gegen valentinianische Gegner habe der Verfasser der Ignatianen eine monarchische Bischofsverfassung durchsetzen wollen und dazu eine durchsetzungsfähige Autorität gebraucht. Apostelbriefe zu fälschen sei Ende des 2. Jh.s zu riskant geworden, Prophetie war durch die montanistischen Streitigkeiten diskreditiert. »Die Stimme aber des pneumatischen Märtyrers erfreute sich zu dieser Zeit der höchsten Wertschätzung« (67f.). »Die Martyrergestalt (...) besorgte er sich aus dem neunten Kapitel des Briefes des Polykarp an die Philipper und versetzte sie in das (...) entfernte Antiochien bzw. Syrien. (...) Aus dem seligen Martyrer (...) machte er einen Bischof« (69). Zugleich habe der Verf. sichergestellt (IgnRöm 4-5), dass von dem sonst relativ unbekannten Märtyrer bei seinem Martyrium keine Reliquien übriggeblieben sind, weswegen er auch bis dato nirgendwo verehrt wurde (69f). Theologisch habe er sich an dem vor kurzem verstorbenen Noët orientiert, der »aber nicht platt abgeschrieben, sondern elegant verarbeitet wurde« (59). Polykarp, dessen Philipperbrief der Verf. interpoliert, müsse schon vor längerer Zeit gestorben sein (60). Vielfältiger Widerspruch folgte auf dem Fuße, so dass die ZAC in ihren ersten Ausgaben mit einer spannenden Diskussion zu Frage der Datierung der Ignatianen startete. Vielen der kritischen Äußerungen wird man sich anschließen können. Allerdings ist auch grundsätzlich die Frage zu stellen, ob Motive, die an spätere Diskussionen erinnern, wirklich auf diese spätere Diskussion zu beziehen sind, oder ob es nicht sinnvoller ist, den Verstehenshintergrund der entsprechenden Äußerungen 1660 ZAC 1, 44-72. 17.1 Wer war Noët? 485 vor der als wahrscheinlich geltenden historischen Situation verständlich zu machen. 1661 Die entscheidende Frage ist, ob der Nachweis gelingt, dass die Ignatianen von Formulierungen Noëts abhängig sind. 1662 In jedem Fall bleibt die theologiegeschichtliche Frage brisant. Denn egal, ob Noët nun die Vorlage zu Äußerungen innerhalb der Ignatianen geliefert hat, wofür ein beträchtlicher Hypothesenaufwand erforderlich ist, oder ob die Ignatianen ohne Kenntnis Noëts und wohl deutlich früher geschrieben wurden, steht die Frage nach dem theologie- und religionsgeschichtlichen Kontext im Raum, innerhalb dessen sie vorstellbar sind. Muss man wirklich von einer antivalentinianischen Front in den Ignatianen ausgehen (L ECHNER , H ÜBNER )? Oder können die entsprechenden Aussagen zumindest auch anders erklärt werden? Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang wieder auf den Aufsatz Bergers zur Erschließung von Gegnern im NT, der auch im Bereich der Kirchengeschichte zu beachten wäre. 17.1 Wer war Noët? Noët war Ende des 2. Jahrhunderts Bischof in Smyrna und soll in Rom durch seinen Schüler Epigonos gewirkt haben. 1663 Eigenständige Schriften Noëts, der Mitte bis Ende des 2. Jahrhunderts wirkte, sind nicht überliefert. Seine Position ist lediglich aus den gegen ihn gerichteten Schriften Hippolyts von Rom zu erkennen. 1664 Hippolyt schreibt über Noët an vier Stellen seiner »Widerlegung aller Häresien«. 1665 Außerdem ist eine kleine Schrift »Contra Noëtum« unter 1661 In den folgenden Ausgaben der ZAC (1-3) ist in mehreren Anläufen widersprochen worden (L INDEMANN , Antwort; S CHÖLLGEN , Ignatianen; E DWARDS , Ignatius; V OGT , Bemerkungen. Einige Gegenargumente sollen genannt, aber nicht ausgeführt werden, da die Diskussion in der ZAC ausführlich geführt wurde. 1. Die Schwierigkeiten mit der Datierung werden im allgemeinen zugegeben (L INDE - MANN 186). 2. Die Ignatianen vertreten keinen monarchischen Episkopat im späteren Sinne, sondern sind allerdings frühe Zeugen eines Monepiskopats. Allerdings sind die Pastoralbriefe hier vergleichbar (S CHÖLLGEN 24f.). 3. Die Behauptung, der Verf. der Ignatianen habe zugleich den Polykarpbrief K. 13 interpoliert, ist eine Hypothese zweiten Grades, die nirgendwo belegt ist (S CHÖLLGEN , 20). Zudem müsste sie ungeschickt gemacht sein, da Polykarps Hinweis auf seine Beauftragung für die Verbreitung der Ignatianen in den Ignatianen selbst keine Entsprechung findet (L INDEMANN 186f.). 4. L INDEMANN hält aus textkritischer Sicht H ÜBNERS Vorzug der Handschrift G in IgnEph 1,2 für problematisch (ebd. 187). 5. Ebenfalls aus textkritischen Gründen widerspricht er bei IgnMagn 8,2 (ebd. 188). V OGT bestreitet, dass das strittige Wort σιγή als Merkmal für eine gnostische oder antignostische Positionierung überhaupt taugt (ebd. 50-53). 6. Die Fälschungsthese ist, so wie H ÜBNER sie darstellt, insgesamt nicht plausibler als die Annahme der Authentizität, die allerdings dadurch alleine auch nicht bewiesen ist. Entscheidend ist, ob man zeigen kann, dass Noët dem Verf. der Ignatianen als Vorlage diente, oder nicht. (S CHÖLLGEN 25). 1662 Genau dieser Nachweis ist das Ziel auch der weiteren, im Wesentlichen theologiegeschichtlich argumentierenden Arbeiten H ÜBNERS zur Frage einer von ihm angenommenen antivalentinianischen Glaubensregel des Noët, die inzwischen gesammelt vorliegen in: ders., Der Paradox Eine. - M.E. ergibt allerdings schon die in der ZAC geführte Debatte, dass H ÜBNER eine Vielzahl von Hilfshypothesen benötigt und einer Reihe von Quellen ihren Wert absprechen muss, um eine Spätdatierung der Ignatianen überhaupt möglich zu machen. Nur so gewinnt er überhaupt die theologiegeschichtliche Möglichkeit, die umstrittenen Aussagen innerhalb späterer christologischer bzw. antignostischer Debatten verorten zu können. 1663 W OLTER , Noët von Smyrna; F RICKEL , Hippolyt; vgl. Hipp.haer. 9,7; 10,27. 1664 R ITTER , Dogma, in: A NDRESEN / R ITTER , Handbuch, 132f. 1665 Hipp.haer. VIII, 29,3; 10,26; 10,27; IX,10-12. Hippolyts Schrift kann erst nach dem Tod des Kalixt von Rom entstanden sein (Hipp.haer. IX,7,1-8,1), also nach 222 n.Chr. 486 G. 17 Die ignatianische Frage dem Namen Hippolyts überliefert, die sich ausführlich mit der Widerlegung Noëts beschäftigt und dabei eine eigene Trinitätslehre entwickelt. Aus verschiedenen Gründen wird diese Schrift von einigen Forschern auch für eine Pseudepigraphie des 4. Jh.s gehalten, 1666 ohne dass sich diese These bisher durchgesetzt hat. 1667 Unabhängig aber von dem Zeitpunkt der Endfassung der Homilie gegen Noët gehen auch diejenigen, die die Schrift ins 4. Jh. datieren, davon aus, dass dies vor allem Aussagen über die Sohnschaft des Logos betrifft. Contra Noëtum sei somit ein genuines Produkt Hippolyts, das erst später im Sinne der aktuellen christologischen Debatte des 4. Jh.s überarbeitet worden sei. 1668 Alternativ wird auch von zwei Autoren »Hippolyt« ausgegangen, beide im 3. Jh. 1669 Folglich ist »Contra Noëtum« zur Rekonstruktion der Theologie Noëts bei gehöriger Vorsicht durchaus verwertbar. Zugleich ist aber festzuhalten, dass die Quellenlage damit immer noch äußerst dürftig ist, zumal beide Schriften über Noët von einem oder mehreren ausgewiesenen Gegnern stammen, deren Ziel die Widerlegung und Diskreditierung Noëts ist, und nicht die korrekte Wiedergabe seiner Theologie. 17.2 Themenstellung bei Noët und den Ignatianen Was wir von Noët wissen, ist also nicht eben viel. Zu dem wenigen, was sicher ist, gehört, dass es Noët um die Frage ging, inwieweit Vater und Sohn in eins zu sehen sind. Seine Lösung war ein christologischer Monarchianismus, wonach kein Unterschied zwischen Jesus und seinem Geschick einerseits und Gott andererseits zu machen ist. 1670 Gott Vater und Sohn sind nur modi derselben göttlichen Macht. Daraus folgt, dass das Leiden Christi zugleich das Leiden des Schöpfers ist (Patripassianismus). Hat diese Fragestellung Noëts einen Anhaltspunkt in den Ignatiusbriefen? 1666 Zur älteren Diskussion s. B UTTERWORTH , Contra Noëtum, London 1977, 19-32. In jüngster Zeit wurden im Anschluss ähnliche Positionen vertreten von: H ÜBNER , Melito und von F RICKEL , Hippolyts Schrift. Vgl. auch: F RICKEL , Hippolyt, 1783f.: »Als Logostheologe lehrte er Vater und Sohn als zwei Personen (πρόσωπα/ prósopa) in Gott (....).« Contra Noëtum verwirre dadurch, dass erst der menschgewordene Logos wirklich ‹Sohn› genannt wird. Diese These widerspreche den Aussagen Hippolyts in seinen anderen Schriften. 1667 H.-J. S IEBEN fasst die Diskussion zusammen in: Tertullian, 76f. S IEBEN weist hin auf: Contra Noëto, herausgegeben und übersetzt von M. S IMONETTI , Bologna 2000, 64-66; S IMONETTI , M., Contra Noëto, Ippolito e Melitone: RSLR 31 (1995), 393-414; ders., Due note su Ippolito: Ricerche su Ippolito = SEAug 13 (1977), 126-136; U RRÍBARI B ILBAO , G., Monarquía y trinidad. El concepto teológico »monarquía« en la controversia »monarquiana« (PUPCM 62), Madrid 1996, 249-280. 1668 S. F RICKEL , Hippolyt, 1784. 1669 So F RICKEL , Hippolyt, 1784. Vgl. G RILLMEIER , Jesus, 231-240; S IEBEN , Tertullian, 72, Anm. 133. 1670 »Die namhaftesten Vertreter des Monarchianismus (Modalismus) waren der aus Smyrna stammende (...) Noët und der wenig später (seit 215) (...) sich (...) in Rom aufhaltende Sabellius. Ihnen beiden wird die Ansicht zugeschrieben (...), dass Christus und der Vater schlechthin identisch, Erscheinungsweisen (modi) des einen Gottes (...) mit verschiedenen Namen seien« (R ITTER , Dogma und Lehre, 132f.). 17.3 Die Lehre des Noët von Smyrna 487 17.3 Die Lehre des Noët von Smyrna Wie genau die Lehre Noëts ausgesehen haben mag, ist umstritten. 1671 Hippolyt schreibt in haer. 9,10: »Ein und derselbe Gott sei der Gestalter und Vater aller Dinge, er sei nach seinem Gutdünken den ersten Gerechten erschienen, obwohl er unsichtbar war.« Wo die frühe christliche Schriftauslegung also gerne Offenbarungen Gottes oder seiner Engel in den Schriften des AT als Offenbarungen Christi deutet (z.B. Justin), 1672 da geht Noët einen anderen Weg. Er setzt Vater und Sohn in eins. Hippolyt fährt wenig später fort: »Dieser eine, welcher erschienen sei, der die Geburt aus der Jungfrau auf sich genommen, und als Mensch unter Menschen geweilt habe, bekannte sich den Augenzeugen gegenüber als Sohn wegen der erfolgten Zeugung; denen aber, die es fassten, verbarg er es nicht, dass er der Vater sei. Ihn, der an das qualvolle Kreuz geheftet ward und sich selbst seinen Geist übergab, der starb und nicht starb, und sich selbst am dritten Tage auferweckte, der im Grabmal beigesetzt und mit der Lanze und den Nägeln durchbohrt war, von diesem sagen Kleomenes und sein Anhang, er sei der Gott des Alls und der Vater und bringen so das Dunkel des Heraklitus über viele« (Hipp.haer. 9,10). Fraglich ist nun, ob die Auffassung des Noët überhaupt korrekt wiedergeben ist. R ITTER jedenfalls hält es für wahrscheinlich, dass der »ganze Schluss bereits Polemik, nicht mehr Referat« sei. »Denn was schon Zeitgenossen unangenehm auffiel, war die Konsequenz des ›Patripassianismus‹.« 1673 Denkbar wäre auch, dass sich einiges dem späteren Wirken des ausdrücklich erwähnten Noët-Schülers Kleomenes verdankt. Jedenfalls geht es zunächst um einen modalistischen Monarchianismus, dessen Konsequenz eben darin besteht, dass Gottvater selber am Kreuz stirbt und sich selbst auferweckt. Dass Noët diesen Patripassianismus in der von Hippolyt beschriebenen Härte selber vertreten hat, ist möglich, aber nicht unbedingt nötig. 17.4 Christologisches Gedankengut Noëts in den Ignatianen? Wenn die Ignatianen von Noët abhängen sollen, müsste man Spuren von Noëts Christologie dort finden. Die Christologie Noëts war infolge seines monarchianisch-modalistischen Konzepts in der Christologie patripassianisch. Die Frage ist also: Finden wir in den Ignatianen monarchianische, modalistische oder patripassianische Tendenzen? 17.4.1 Jesus als »Gott« in den Ignatiusbriefen Ignatius nennt Jesus mehrfach »Gott«, 1674 in einer Art und Weise, wie es später, besonders nach den modalistischen Streitigkeiten, nur noch in apokrypher 1671 Vgl. R ITTER , Dogma 133. 1672 Just.apol. 1, 6,63; dial. 56-61; 76,3; 93,2; (116,1); 126-128. 1673 Ebd.; ähnlich H ÜBNER , Glaubensregel 46ff. 1674 IgnEph inscr; 7,2; 15,3; 18,2; IgnTr 7,1; IgnRöm inscr; 3,3; 6,3 (»Leiden meines Gottes«); IgnSm 1,1; 10,1; IgnPol 8,3; (IgnRöm 9,1). 488 G. 17 Die ignatianische Frage Literatur möglich war, 1675 zuvor aber in der frühchristlichen Literatur mehrfach belegt ist. 1676 Selbst Justin, Miltiades, Tatian, Clemens, Irenäus, Melito und andere konnten so verstanden werden, dass sie von Christus als von Gott sprachen (θεολογεῖν). 1677 Was aber bedeutet es, wenn Jesus »Gott« genannt wird? 1678 Während H ÜB - NERS Beweisziel darin besteht, monarchianische oder monarchianisch klingende Äußerungen des 2. Jahrhunderts insgesamt als eine Reaktion auf valentinianische Aussagen zu erweisen, eröffnet die Vielzahl der frühen Belege, in denen Christus als »Gott« bezeichnet wird, auch andere Möglichkeiten. 1679 So ist festzuhalten, dass schon der Kontext nicht so einlinig auf antivalentinianische Polemik zurückzuführen ist. 1680 Wenn also Jesus in frühchristlicher Literatur »Gott« genannt wird, ist damit nicht automatisch eine vollständige Identi- 1675 Diese könnte damit »neben« der »offiziellen« Theologie ältere Auffassungen bewahrt haben. 1676 G RILLMEIER , Jesus, 136 (mit Anm. 8f.). - Jesus wird im NT »Gott« (ὁ θεός) genannt: Joh 20,28; Tit 2,13; 2 Petr 1,1. Vgl. auch EvThom 13.77.106.108. Besonders: EvPhil 20: »Christus umfasst alles: Mensch, Engel, Geheimnis und Vater.« - Justin nennt Jesus »Gott«: dial. 126.128; Melito in seiner Passah-Homilie 5.82.96. Tert.carn.Chr. 5,1 spricht davon, dass Gott gekreuzigt, geboren, gestorben sei, gelitten habe. Vom Leiden Gottes spricht auch Tatian, Or 13,3. Gemeint ist jedes mal Jesus, der »Gott« genannt wird. - Clemens Alexandrinus nennt Jesus den »(zweiten) Gott«: Lehrer, 1,2; ebenso Novatian, de trinitate 18. Eine Vielzahl weiterer Stellen, die Christus als »zweiten Gott« bezeugen, hat Barker zusammengestellt (Great Angel, Kap. 10). - Das Phänomen, von Jesus Christus als »Gott« und sogar von »Gottes Leiden« zu sprechen, tritt besonders gehäuft in den Patriarchentestamenten auf. Vgl. dazu K UROWSKI , Gott, s.o. S. 266ff. Vgl. auch die Übersicht über die Belege bei B/ N, 1333-1335. - H ÜBNER selbst liefert eine Auswahl von Belegen, in denen Jesus »Gott« genannt wird: Die Ignatianen, 177-202, bes. S.189, Anm. 185, sowie ders.: ΕΙΣ ΘΕΟΣ, 216-240. Seiner Ansicht nach sind alle diese Belege Hinweise auf einen verbreiteten christologischen Monarchianismus im 2. Jahrhundert. - Jedenfalls ist es im frühen Christentum offenbar nicht ganz unüblich, Christus als »Gott« zu bezeichnen (vgl. nur Joh 1 sowie die genannten weiteren Stellen). Und die Identifizierung des Erlösers mit Gott Vater ist sicher öfter vollzogen worden, worauf auch Bemerkungen des Irenäus über die seiner Auffassung nach sehr alte Lehre der Simonianer hindeuten können, wonach der Schöpfergott selber scheinbar inkarniert, um die seelenwandernde Ennoia zu erlösen (Iren.haer. 1,23,2-3). Bemerkungen des Celsus über ähnliche Selbstbehauptungen syrischer Propheten gehen in die gleiche Richtung (Or.Cels. 7,9). 1677 Vgl. die bei Euseb übermittelten Aussagen eines unbekannten Autors: Eus.h.e. 5,28,4f. 1678 Vgl. H ÜBNER , Ignatianen, 177-202. 1679 Vgl. oben die ignatianischen Stellen, in denen Christus »Gott« genannt wird. Kann es sich hier nicht um eine Theologie handeln, in der ganz in Kategorien der Repräsentation gedacht wird? Ein Ergebnis der Forschung zum Apostolatsbegriff des Paulus ist die Entdeckung des Schaliach-Prinzips: Der Gesandte ist wie der, der ihn sendet. Er bildet ihn ganz und gar ab. Vgl. B ERGER , Theologiegeschichte, § 547ff.; § 100: Der Apostel ist wie der, der ihn sendet; § 102 Der Apostel als Repräsentant Gottes. - Eine andere, in Deutschland noch kaum beachtete oder diskutierte These vertritt M. B ARKER , die u.a. in Anschluss an M. W ERNER (Die Entstehung des christlichen Dogmas) von einem in der Religionsgeschichte Israels tief verankerten Konzept eines »Second God« ausgeht, eines »Great Angel«, so dass die Bezeichnung Jesu als »Gott« oder »Herr« oder die Belegung mit einem »Namen über alle Namen« (Phil 2,9) sich dadurch erklärt, dass Jesus mit diesem »kleinen Jahwe« identifiziert wird. - Einen dritten Weg, die Bezeichnung Jesu als »Gott« zu erklären, geht im Gefolge der älteren Dogemengeschichtsschreibung G RILLMEIER , der einfach darauf aufmerksam macht, dass die frühe Kirche zunächst versucht habe, mit immer »neuen Formeln und Anstrengungen (...) dem Unaussprechlichen neuen Ausdruck zu geben«. »Man wusste, dass das mysterium jenseits der Worte war. (...) Doch die Kirche maß neu entstehende Lehren mehr an ihrer Intuition als an ihren Formeln« (G RILLMEIER , 136). Hier geht es darum, die Bezeichnung Jesu als »Gott« als Zwischenstadium in einer größeren Suchbewegung nach passenden Ausdrücken und Begriffen für Gestalt und Auftreten Jesu zu deuten. Vgl. in dieser Arbeit oben S. 373ff. 1680 Monokausale Ableitungen bergen zumindest die Schwierigkeit in sich, dass sie mögliche andere Faktoren höchstens sekundär einbeziehen können. Eine im zweiten Jahrhundert und darüber hinaus zeitlich und räumlich breit belegte Benennung Jesu als »Gott« als Reaktion auf eine bestimmte gnostische Lehre über Christus zurückzuführen, erscheint daher methodisch als problematisch. 17.4 Christologisches Gedankengut Noëts in den Ignatianen? 489 fizierung mit dem »Vater« gemeint. Es käme daher darauf an, zu zeigen, dass diese Aussagen monarchianisch, patripassianisch oder modalistisch zu verstehen sind. Zwar können nicht alle von H ÜBNER angeführten Belege für patripassianische bzw. monarchianische Äußerungen über Christus hier einzeln geprüft und kommentiert werden. 1681 Dennoch lässt sich an einigen ausgewählten Beispielen zeigen, dass Hübners Vermutungen einer Abhängigkeit von Noët unnötig und im Wesentlichen nicht einleuchtend sind. 1682 17.4.2 Monarchianismus? Ignatius betont mehrfach, dass es nur einen Gott gebe. Ihm liegt an der »Einheit« in der Gemeinde, die die Einheit Gottes widerspiegelt. An einer Stelle spricht er auch davon, dass Jesus sich selbst auferweckt habe. Liegt also eine monarchianische Auffassung zugrunde? Ignatius betont in IgnMagn 8,2, dass es nur »einen Gott gibt« (εἷς θεός ἐστιν). Allerdings fährt er fort: ὁ φανερώσας ἑαυτὸν διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, ὅς ἐστιν αὐτοῦ λόγος (...). - Im Gegensatz dazu gibt Hippolyt Noëts monarchianisches Bekenntnis so wieder, dass es nur einen Gott und Vater aller Dinge gebe und dass Jesus Christus sich nur einigen Augenzeugen als Sohn offenbart hat, in Wirklichkeit aber der Vater selbst war (Hipp.haer. 9,10). Festzuhalten ist: Eine ausdrückliche Ein-Gott-Lehre im Sinne des Monarchianismus wird in den Ignatianen nicht vertreten. IgnMagn 8,2, wo speziell und ausdrücklich die Frage der Einheit Gottes thematisiert wird, kann nicht im monarchianischem Sinne gedeutet werden, da gleich anschließend zwischen Gott und Jesus, dem Sohn und Wort Gottes, unterschieden wird (»ein Gott, der sich offenbart hat durch Jesus Christus, seinen Sohn, der sein Wort ist (...) und in allem dem gefiel, der ihn gesandt hat«. Noët scheint laut contra noëtum 3,2 gelehrt zu haben, dass Christus αὐτὸς ἑαυτὸν ἤγειρειν (sich selbst auferweckt habe). Nach Hipp.haer. 9,10,12 behaupten die Auferstehung Jesu aus eigener Kraft mit etwas anderen Worten auch die Noëtianer zu Hippolyts Zeit. In IgnSm 2,1 begegnet, wie H ÜBNER betont, die »einzige sichere Parallele« zu diesen Aussagen im zweiten Jahrhundert. 1683 Dort heißt es nämlich über Christus, dass er ἀληθῶς ἀνέστησεν ἑαυτόν, er »sich wahrhaftig selbst auferweckt hat.« 1684 1681 H ÜBNER stellt diese zusammen in: Die Ignatianen, besonders 177-202. 1682 Vgl. oben S. 366 das Zitat des Apologeten Theophilus von Antiochien: Hätte es keinen Sündenfall gegeben und wäre der Mensch ohne Sünde in Einklang mit Gott geblieben, wäre er »Gott« bzw. »göttlich« geworden. Genau das konstatiert Ignatius für Jesus. 1683 H ÜBNER , Die Ignatianen, 170f. 1684 Vgl. dagegen aber das Referat, das Origenes über die antichristliche Polemik des Celsus gibt in Or.Cels. 5,52: »Denn der Sohn Gottes konnte, wie es scheint, das Grab nicht selber öffnen, sondern bedurfte eines andern, der den Stein entfernen musste.« Celsus hat also Mitte des 2. Jahrhunderts genau diese Frage reflektiert und war der Auffassung, ein göttliches Wesen wie der Sohn Gottes müsse natürlich die Auferstehung in die eigene Hand genommen haben. Dies ist hier die Position eines Christenbekämpfers. Warum sollen aber nicht umgekehrt auch Christen auf diesen Gedanken gekommen sein und ihn in ihre Theologie eingebaut haben? ` 490 G. 17 Die ignatianische Frage Dennoch kommt diese Stelle aus zwei Gründen nicht als Beleg für einen ignatianischen Monarchianismus in Frage: 1. An anderen Stellen spricht Ignatius davon, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, 1685 so wie auch im NT mehrheitlich von der Auferstehung Jesu gesprochen wird. D.h.: Im Allgemeinen vertritt Ignatius keinen Monarchianismus hinsichtlich der Auferstehung Jesu. Nur an dieser einen Stelle würde Ignatius eine monarchianistische Variante bringen. 2. Auch innerhalb des Neuen Testaments begegnen vergleichbare Aussagen, wonach Jesus sich offenbar selbst auferweckt. 1686 Sie haben sachlich ihren Grund darin, dass Jesus und Gott ganz in eins gesehen werden, 1687 ohne dass aber eine modalistische, monarchianische Konsequenz daraus gezogen würde. 1688 Wenn also feststeht, dass Ignatius im Allgemeinen keine monarchianische Form der Auferstehung Jesu propagiert und gleichzeitig die einmalige Aussage von IgnSm 2 auch ohne die Annahme eines dahinterstehenden Monarchianismus erklärt werden kann, besteht innertextlich kein Grund, einen solchen Hintergrund anzunehmen. 17.4.3 Patripassianismus? H ÜBNER möchte folgende Stellen als theopaschitisch erweisen: IgnEph 1,1; IgnRöm 6,3; IgnEph 18,2; IgnSm1,1f; IgnTr 11,1. 1689 - IgnEph 1,1: »Nachahmer Gottes, wiederbelebt in Gottes Blut« (μιμηταὶ ὄντες θεοῦ, ἀναζωπυρήσαντες ἐν αἵματι θεοῦ). Zuvor war allerdings im selben Vers vom Retter Jesus Christus die Rede. Worauf sich die »Nachahmer Gottes« beziehen, ist nicht eindeutig. Angesichts der Tatsache, dass Jesus einfach auch »Gott« genannt wird, legt sich schon für den ersten Teil nahe, dass es darum geht, Christus nachzuahmen. 1690 Selbst wenn das aber nicht zu erweisen wäre, ist der vorliegende Ausdruck im zweiten Teil überhaupt nur insofern »theopaschitisch«, als vom Blut Gottes die Rede ist. Aber patripassianisch wäre der Ausdruck erst, wenn es ausdrücklich um das Blut des Schöpfers, des Vaters, ginge oder gleichzeitig eine Totalidentiät zwischen Vater und Sohn behauptet würde, was weder an dieser Stelle noch sonst in den Ignatianen vorkommt. Bis zum Beweis des Gegenteils ist also davon auszugehen, dass hier »Gott«, der nachzuahmen ist und dessen Blut für »Wiederbelebung« gesorgt hat, der ist, den man nachahmen kann, und der sein Leben/ Blut eingesetzt hat: Jesus Christus. 1691 1685 IgnTr 9,2; IgnSm 7,1. 1686 Mt 26,60; 27,40; Mk 14,58; 15,29: Jesus will den Tempel (seinen Körper) abreißen und nach drei Tagen wieder aufbauen. Lk 16,31: Jemand steht von den Toten auf (ἐάν τις ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ) aktivisch formuliert (ohne Gott als den »Auferwecker« zu nennen) wie in IgnSm 2, es fehlt aber das ἑαυτόν. Joh 10,17f.: Jesus lässt und nimmt sein Leben. Die Macht dazu hat ihm sein Vater gegeben. Joh 11,25: Jesus selbst ist die Auferstehung und das Leben. 1687 Vgl. Johannes 5,19: »Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.« 1688 Ignatius sieht Jesus in IgnMagn 9,2 als den, der überhaupt aus den Toten erweckt. Man braucht nur diese Aussage »starkzumachen«, um zum Ergebnis zu kommen, dass auch Jesu eigene Auferweckung etwas mit der in Jesus wohnenden Auferstehungsmacht zu tun haben muss. 1689 Ebd. 179ff. 1690 Vgl. 1 Petr 2,21; Phil 2,5ff.; 1 Kor 11,1; 1 Thess 1,6; Eph 5,1 (5,1: »Folgt nun Gottes Beispiel«, ist sprachlich auf den vorhergehenden und den folgenden Abschnitt bezogen, wo es um das Handeln Gottes in Jesus Christus geht). Anders Lk 6,36: »Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist«; vgl. die Vergebungsbitte im Vaterunser Mt 6,12 par. Lk 11,4. 1691 Vgl. dazu auch TestXII (oben S. 266ff) und die FN zu 1 Joh 5,20 (S. 107). 17.4 Christologisches Gedankengut Noëts in den Ignatianen? 491 - IgnRöm 6,3: Ignatius bittet die Römer darum, ihn »Nachahmer des Leidens meines Gottes« sein zu lassen (μιμητὴν εἶναι τοῦ πάθους τοῦ θεοῦ μου). In IgnRöm 6,1 war vom Sterben und Auferstehen Jesu die Rede. Ihn »sucht« Ignatius, ihn will er durch das Martyrium erreichen. Die Nachahmung kann sich im Zusammenhang nur darauf beziehen, nicht auf eine allgemeine Imitatio Dei. 1692 Im folgenden Vers 7,1 fordert Ignatius seine Adressaten auf, in der Nachfolge Jesu Christi konsequent zu sein. Das Nennen des Namens reicht nicht, konsequente Nachfolge verlangt wirkliche Absage an die Welt. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass in 6,3 nur die Nachfolge Christi gemeint sein kann, den Ignatius hier »Gott« nennt. - IgnEph 18,2: »Unser Gott Jesus Christus« (ὁ θεὸς ἡμῶν Ἰησοῦς ὁ Χριστὸς) wurde im Leib Marias getragen (ἐκυοφορήθη ὑπὸ Μαρίας), dem Heilsplan Gottes entsprechend, aus Davids Samen(! ), doch eigentlich aus dem Heiligen Geist, wurde geboren und getauft, um durch sein Leiden das Wasser zu reinigen (ἵνα τῷ πάθει τὸ ὕδωρ καθαρίσῃ). Das Leiden Gottes ist hier das Leiden Christi, der hier als Gott bezeichnet wird. 1693 - IgnSm 1,1f: Wir stammen von Christus, dem Sohn Gottes, von seinem »gottgepriesenen Leiden« (ἀπὸ τοῦ θεομακαρίστου αὐτοῦ πάθους). Dieses »gottselige« Leiden ist das Christi, nicht des Vaters. Es ergibt sich: An keiner der von H ÜBNER genannten Stellen 1694 findet sich ein Hinweis darauf, dass Gottvater leidet oder stirbt. Das Leiden Gottes ist im Zusammenhang immer das Jesu, der zwar »Gott« genannt wird, aber durchaus, und zwar nicht nur modal, vom »Vater« unterschieden wird. 1695 Von daher lässt sich Patripassianismus in den Ignatianen nicht erkennen. 17.4.4 Modalismus? Hippolyt beschreibt den Modalismus der Noëtianer wie folgt: »Diesen Vater halten sie zugleich für den Sohn, der zeitweise je nach den Umständen bald den einen, bald den anderen Namen führe« (Hipp.haer. 10,27). 1696 Eine derartige Aussage über eine an den jeweiligen Umständen orientierte Benennung Gottes als Vater oder Sohn findet sich in den Ignatianen nicht. Dass Jesus »Gott« genannt wird, lässt sich im Rahmen der ignatianischen Schriften einfacher und besser erklären. 1697 Auch das wiederholt begegnende Ineinander von Aussagen über Jesus und über Gottvater erklärt sich ohne modalistischen Hintergrund leichter, wenn man eine weitgehende Identifizierung nach dem Konzept der Repräsentation Gottes durch seinen Gesandten bzw. Sohn annimmt. 1692 Zur »Nachahmung Gottes« vgl. S CHOEPS , Imitatio Dei, 286-301; B OMMES , Weizen, 38-41. 1693 W EIGANDT , Doketismus 112: hier ist Neigung zum Modalismus. E LZE , Untersuchungen, 6: der Sprachgebrauch »unser Gott« ist eine Reaktion auf die Gegner, um sie rhetorisch zu »überholen«. 1694 Er führt weiterhin IgnTr 1,1f. als Beispiel an. Hier geht es wieder um die »Nachahmer Gottes«, nicht »des Vaters«, sondern dem Kontext zufolge um das Nachahmen Jesu (2,1). 1695 Z.B. IgnEph inscr.: ἐν θελήματι τοῦ πατρὸς καὶ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ θεοῦ ἡμῶν; IgnEph 3,2: Jesus Christus stellt den Willen/ den Sinn des Vaters dar; IgnEph 4,2: Gott, dem Vater sollen die Adressaten durch Jesus Christus Lob singen, damit er sie als Glieder seines Sohnes anerkennt. - Die Differenzierung zwischen Vater und Sohn ist trotz der Bezeichnung Jesu als »Sohn« durchgehend gegeben. 1696 Τοῦτον τὸν πατέ(ρ)α αὐτὸν υἱὸν ὀνομάζουσι, κατὰ καιροὺς καλούμενον πρὸς τὰ συμβαίνοντα. Vgl. 9,10,11: ἕν καὶ τὸ αὐτὸ φάσκων ὑπάρχειν πατέρα καὶ υἱὸν καλούμεν, (...) ὀνόματι μὲν πατέρα καὶ υἱὸν καλούμεννον κατὰ χρόνων τροπήν. 1697 Rackl, Christologie, 89ff; 150ff; v.d.Goltz, Untersuchungen, 82-102; Schoedel, Briefe, 83f; Schlier, Untersuchungen 5ff., Elze, Christologie, 60ff; B AUER / P AULSEN , Briefe, 23f. 492 G. 17 Die ignatianische Frage 17.4.5 Ergebnis Weder Monarchianismus an sich noch Patripassianismus sind aus den von H ÜBNER genannten Belegen bei Ignatius nachzuweisen. Modalismus im Sinne der von Hippolyt angeführten noëtianischen Äußerungen liegt ebenfalls nicht vor. Damit ist eine erste Prüfung von angegebenen Belegen innerhalb der Ignatianen negativ verlaufen. Es soll aber noch abschließend geprüft werden, ob und in welcher Hinsicht die von H ÜBNER als »antivalentinianische Glaubensformel Noëts« genannten Stellen bei Hippolyt mit entsprechenden antithetischen Aussagen über Gott bei Ignatius vergleichbar sind. 17.5 »Regula Fidei« Allgemein geht man davon aus, dass der Topos einer »Regula Fidei« oder »Regula Veritatis« kurz vor 200 n.Chr. auftaucht und in Zusammenhang mit dem Osterfeststreit bzw. mit antignostischen Auseinandersetzungen begegnet. 1698 Es geht dabei nicht um Zitierung eines formelhaften Glaubensbekenntnisses, sondern darum, »in individueller Formulierung, meist in Abgrenzung gegen eine Häresie und im Rückbezug auf die apostolische Tradition, die Hauptpunkte des Glaubens« herauszustellen. 1699 Ähnlich wie die »Glaubensformeln« des Ignatius betont die Regula Fidei die Hauptaspekte des christlichen Glaubens. 1700 Gegen diesen älteren Konsens der Forschung zur Regula Fidei führt H ÜBNER nun verschiedene als »Regula Fidei« bezeichnete Äußerungen bei Tertullian, Irenäus, Hippolyt und schließlich bei Ignatius auf eine von ihm als Grundlage angenommene, ursprüngliche »Paschahhomilie« des Noët von Smyrna zurück. 1701 Während hier die Frage außer Betracht bleiben kann, ob und wie die einzelnen »Glaubensregeln« voneinander abhängen und unter welchen Voraussetzungen genau sie entstanden sind, 1702 so sind v.a. die von schon lange beobachteten und von H ÜBNER nun in besonderer Weise gedeuteten Ähnlichkeiten zwischen ignatianischen »Glaubensformeln« und solchen des Noët bei Hippolyt zu betrachten. 1698 D RECOLL , Regula fidei, 199. 1699 Ebd. 1700 R ITTER , Glaubensbekenntnis(se), 403.405. 1701 H ÜBNER , Ignatianen, 154-177. 1702 Für die ältere, »klassische« Symbolforschung ist »kennzeichnend, dass man überall in den Texten der ersten Jahrhunderte Taufbekenntnisse oder doch wenigstens Spuren davon (resp. Paraphrasen) zu finden geneigt war«, die »meist als Abgrenzung gegen falsche Lehren, in jedem Fall als Zusammenfassung dessen, was jeweils als Kerninhalt des Glaubens erschien«, angesehen wurden (R ITTER , Art. Alte Kirche (TRE), 399). Ein Festhalten an dieser Sicht ist aufgrund grundlegender Forschungen nicht mehr möglich (ebd., 400). - Mit andern Worten: Die Ableitung von theologischen oder christologischen Aussagen mit Bekenntnischarakter von einem einzigen Urbekenntnis, das dann jeweils weiterentwickelt wird, wird grundsätzlich als problematisch eingestuft. 17.5 »Regula Fidei« 493 17.5.1 Vergleich Hipp.haer. 9,10 + 10,27 mit IgnEph 7,2 + IgnPol 3,2 1703 1703 H ÜBNER vergleicht antithetische Aussagen aus IgnPol 3,2 und IgnEph 7,2 einerseits mit Aussagen aus Hippolyt, haer. 9,10,9-10 und 10,27,2 andererseits. Dass Noët und Ignatius insbesondere an diesen Stellen verwandt sind, hängt mit ihren antithetisch konstruierten christologischen Aussagen zusammen. Die Verwandtschaft bzw. Vergleichbarkeit beider ist schon lange beobachtet worden. Zu prüfen ist hier, ob sich aus diesem Vergleich eine literarische Abhängigkeit und eine vergleichbare theologiegeschichtliche Situation wahrscheinlich machen lässt. Ob bei Erweis einer literarischen Abhängigkeit Ignatius von Noët abhängt oder umgekehrt, wäre eine zweite zu beantwortende Frage. Nach H ÜBNER , Ignatianen, 158f., der allerdings nur IgnPol und IgnEph direkt in einer Tabelle gegenüberstellt und die Texte aus Hippolyt gesondert und in Übersetzung wiedergibt. Noëtianer (Hipp.haer. 9,10,9-10) Hippolyt gibt an dieser Stelle die Lehre der Nachfolger Noëts wieder. Inwieweit dies auch Noët selber trifft, muss offenbleiben. IgnEph 7,2 IgnPol 3,2 ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν εἶναι πάντων δημιουργὸν καὶ πατέρα, εὐδοκήσαντα μὲν πεφηνέναι τοῖς ἀρχῆθεν δικαίοις, ὄντα ἀόρατον. ὅτε μὲν γὰρ ουχ ὁρᾶται, εστὶν ἀόρατος, <ὅτε δὲ ὁρᾶται, ὁρατός· καὶ> ἀχώρητος μὲν ὅτε μὴ χωρεῖσθαι θθέλει, χωρητὸς δὲ_ ὅτε χωρεῖται· οὕτως κατὰ τὸν αὐτὸν λόγον ἀκράτητος καὶ κρατητός ἀγέν<ν>ητος <καὶ γεννητός> ἀθάνατος καὶ θνητός.“ Ein und derselbe Gott sei der Gestalter und Vater aller Dinge, er sei nach seinem Gutdünken den ersten Gerechten erschienen, obwohl er unsichtbar war; wenn er nämlich nicht gesehen wurde, war er unsichtbar; wenn er gesehen wurde, sichtbar; unfassbar, wenn er nicht erfasst sein wollte, und fassbar, wenn er erfasst wurde: so ist er aus demselben Grunde unüberwindlich und überwindlich, unerzeugt und erzeugt, unsterblich und sterblich” (ÜS. G RAF P REYSING ). Hipp.haer. 10,27,2: Gott ist ἀπαθῆ καὶ ἀθάνατον, ὅταν (μ)ὴ πάσχῃ μηδὲ θνῄσκῃ, ἐπὰν δὲ πάθει προσέλθῃ, πάσχειν καὶ θνῄσκειν. εἷς ἰατρός ἐστιν, σαρκικός τε καὶ πνευματικός, γεννητός καὶ ἀγέννητος, ἐν ἀνθρώπῳ θεός, ἐν θανάτῳ ζωὴ ἀληθινή, καὶ ἐκ Μαρίας καὶ ἐκ θεοῦ, πρῶτον παθητός καὶ τότε ἀπαθής, Ἰησοῦς Χριστὸς ὁ κύριος ἡμῶν. »Einer nur ist Arzt, fleischlich zugleich und geistlich, gezeugt und ungezeugt, im Menschen Gott, im Tode wahres Leben, aus Maria sowohl wie aus Gott, erst dem Leiden unterworfen und dann unfähig zu leiden, Jesus Christus unser Herr«. τὸν ὑπὲρ καιρὸν προοσδόκα, τὸν ἄχρονον, τὸν ἀόρατον, τὸν δι᾿ ἡμᾶς ὁρατόν τὸν ἀψηλάφητον, τὸν ἀπαθῆ, τὸν δι᾿ ἡμᾶς παθητόν, τὸν κατὰ πάντα τρόπον δι᾿ ἡμᾶς ὑπομείναντα“ (Warte auf den,) der über der Zeit ist, den Ungreifbaren, den Leidensunfähigen, der um unseretwillen leidensfähig wurde, den, der in jeder Hinsicht um unseretwillen erduldet hat” (Übersetzung P AUL - SEN ). 494 G. 17 Die ignatianische Frage 17.5.2 Ergebnisse des Textvergleichs Folgende wörtliche Übereinstimmungen sind festzustellen: 1704 - Der Gegensatz sichtbar unsichtbar (ἀόρατος ὁρατός) in Hipp.haer. 9 u. IgnPol 3,2. - Das »ungeworden-geworden« (ἀγεννητός-γεννητός) in Hipp.haer. 9 entspricht dem Antithesenpaar aus IgnPol 3,2. - Der Gegensatz von ἀπαθής-παθητός aus Hipp.haer. 10,27 findet Entsprechungen in IgnPol 3,2 und IgnEph 7,2. Folgende sachliche Übereinstimmungen stellt H ÜBNER fest: 1705 - Die doppelte Antithese fassbar-unfassbar (ἀκράτητος-κρατητός), greifbar-ungreifbar (ἀχώρητος-χωρητός) aus Hipp.haer. 9 findet eine Entsprechung in dem innerhalb der Antithesenreihe von IgnPol 3 ergänzbaren ἀψηλάφητος (ψηλαφητός). - Der Gegensatz unsterblich sterblich (ἀθάνατος θνητός) in Hipp.haer. 9 entspricht dem »im Tod ewiges Leben (ἐν θανάτῳ ζωὴ ἀληθινή) in IgnEph 7,2. - H ÜBNER sieht eine sachliche Übereinstimmung der Antithesen ἀόρατος ὁρατός in Hipp.haer. 9 mit dem σαρκικός τε καὶ πνευματικός in IgnEph 7,2. Festzuhalten ist: 1. Sachliche und stilistisch-strukturelle Übereinstimmungen sind in der Tat augenfällig und bedürfen einer Erklärung. 2. Dennoch ist zum vorgelegten Textvergleich anzumerken, dass jeweils zwei unterschiedliche Texte »zusammengezogen« werden, um dann als zwei (statt vier) Texte gegeneinander gehalten zu werden. So wie in der Zusammenstellung hier tauchen die Begriffe in der Massivität weder in den Berichten Hippolyts über Noët noch in den Ignatianen auf. 3. H ÜBNER behauptet, IgnPol 3,2 und IgnEph 7,2 stammten »ursprünglich aus einem Text« und seien von Ignatius aus literarischen Gründen auf zwei Stellen verteilt worden. Abgesehen von der letztgenannten Behauptung, die sich weder beweisen noch widerlegen lässt, sind die Begründungen, die er für die ursprünglich angenommene Texteinheit bietet, nicht überzeugend. 1706 4. Dass Hippolyt in Hipp.haer. 9,10 und in 10,27 dieselbe Quelle referiert, ist zwar möglich, aber nicht beweisbar. 5. Die bei Hippolyt wiedergegebene Lehre Noëts bezieht sich mit ihren Antithesen zunächst auf Gott, den Schöpfer. Er ist der Unsichtbare, Unfassbare, Ungreifbare, Unerzeugte und Unsterbliche. Die antithetischen, paradox formulierten Gegenthesen dazu sprechen von seinen Epiphanien (Plural! ) in den alten (und neuen) Zeiten: Sichtbar, greifbar, fassbar, gezeugt, sterblich. Nur die letzten beiden Aus- 1704 S. H ÜBNER , Ignatianen, 160f. 1705 Ebd. 1706 Die Tatsache, dass ein Antithesenpaar in beiden Texten entsprechend ist (ebd., 160), kann kaum ausreichen. In IgnEph 7,2 lautet das Antithesenpaar πρῶτον παθηττὸς καὶ τότε ἀπαθής, in IgnPol 3,2 heißt es: τὸν ἀπαθῆ, τὸν δι᾿ ἡμᾶς παθητόν. Es liegt zwar ein entsprechendes Antithesenpaar vor, allerdings grammatikalisch anders konstruiert und jeweils in einen anderen Kontext eingebettet. - Zudem sind die Antithesen in IgnEph und IgnPol genau gegensätzlich konstruiert: In IgnEph wird zuerst der sichtbare (irdische) Bereich genannt und gegen den unsichtbaren (himmlischen) gehalten. IgnPol konstruiert genau umgekehrt. IgnEph geht dabei von der Inkarnation aus. IgnPol dagegen bettet die Antithesen in eine eschatologische Aussage über den (wieder-)kommenden Herrn der Zeit ein. Dass beide Texte zusammen eine gute Vergleichsgrundlage zu Hipp.haer. 9,10 + Hipp.haer. 10,27 abgeben, wäre ein Zirkelschluss und kann nicht als Argument dienen. 17.5 »Regula Fidei« 495 sagen beziehen sich eindeutig auf Christus, alles andere kann man auch auf Erscheinungen des Alten Bundes beziehen. 1707 Also: Es geht um Gott und seine Epiphanien seit alters her. 6. Bei Ignatius geht es an beiden Stellen um Christus. Die Antithesen dienen hier der Sicherung seiner »Leibhaftigkeit«, obwohl er als »Gott« zugleich die Aussagen der philosophischen, negativen griechischen Theologie auf sich zieht. 1708 7. Beide Ignatius-Stellen laufen auf die Aussage hinaus, dass der Leidensunfähige gelitten hat (IgnPol 3,2), bzw. dass der, der gelitten hat, jetzt ohne Leiden ist (IgnEph 7,2). In jedem Fall geht es darum, in unterschiedlicher Hinsicht den Zusammenhang von menschlichem Leid und göttlicher Leidenslosigkeit in Jesus deutlich zu machen. 8. Dagegen wird in Hipp.haer. 9,10 das Thema »Leid« gar nicht erwähnt, es sei denn, man sieht es sachlich in der Erwähnung des Todes gegeben. In 10,27 sind Leid und Tod dann auch miteinander verwoben. Es geht Noët offenbar, wenn man die Aussagen beider Texte vergleicht, darum, mit Hilfe der Antithesen göttliche und menschliche Attribute in eine Verbindung zu bringen. Durch die Vorstellung einer modalistischen Monarchie können die menschlichen Attribute Jesu als vorübergehende Erscheinungsweisen der Epiphanie Gottes in menschlicher Gestalt aufgefasst und somit auch relativiert werden. 9. Es scheint dabei also eher um die grundsätzliche Frage der Vereinbarkeit von Mensch und Gott zu gehen und nicht, wie bei Ignatius, um die konkrete Frage des Leidens Christi. 17.5.3 Literarische Abhängigkeit? Übereinstimmungen sind konstatiert worden, methodische und inhaltliche Einschränkungen des angestellten Vergleichs auch. 1709 Was ergibt sich? H ÜBNER kommt zu dem Ergebnis, dass »solche Übereinstimmung in so kurzen Texten nicht auf Zufall beruhen kann, sondern irgendeine literarische Grundlage haben« müsse: Das sei »vernünftigerweise nicht zu bezweifeln.« 1710 Im Gegensatz zu H ÜBNER halte ich die Zweifel aber für vernünftig, da er erst in einem Mix aus sachlichen und inhaltlichen Übereinstimmungen für jeweils zwei kombinierte Texte einen jeweils gemeinsamen Grundtext postuliert. Dann folgert er eine literarische Abhängigkeit der beiden Grundtexte voneinander. In meinen Augen ist das eine recht aufwändige und unnötige Hypothesenkonstruktion. Zudem zeigen die kontextuellen Unterschiede jeweils unterschiedliche 1707 Bei Justin kann man wiederholt sehen, dass Epiphanien Gottes oder eines Engels im Alten Testament als Epiphanien Christi aufgefasst werden. Vgl. TestXII. 1708 Zum griechisch-philosophischen Hintergrund der hier begegnenden negativen Theologie vgl. Schoedel, Briefe 118f.; 414-416. 1709 Kleinere Nicht-Übereinstimmungen im Text stellt H ÜBNER a.a.O., 161 zusammen. 1710 Ebd., 161. 496 G. 17 Die ignatianische Frage Aussageabsichten. 1711 Damit muss die These der direkten literarischen Abhängigkeit des Ignatius von Noët (oder umgekehrt) vorerst als unwahrscheinlich gelten. 1712 Unklar ist auch, inwieweit man als Gegner der ignatianischen Schriften Gnostiker, speziell Leute aus dem Umfeld oder der Schule des Valentinus ausmachen kann. 1713 17.5.4 Alternative Erklärungen? Nicht geklärt ist, wie die tatsächlich bestehenden Übereinstimmungen zu erklären sind. Die Forschung bietet dafür den Hinweis auf »asianische Rhetorik« an, zu deren Merkmalen ein Denken in Gegensätzen und Antithesen gehört habe. 1714 Auch wenn diese Beobachtung das Phänomen nicht vollständig erklärt, ist sie vorerst einer Ableitung von späterer Gnosis vorzuziehen. 1715 Hippolyt greift zur Erklärung und Denunzierung der noëtischen Antithesen dagegen auf Heraklit von Ephesus (ca. 500 v. Chr.) zurück. Heraklit sei die geistige Quelle, aus der Noët schöpfe. 1716 Diese antike Theorie über Noët kann zumindest als Hinweis darauf gelten, dass nicht nur Hippolyt, sondern auch unabhängig voneinander Noët und Ignatius aus rhetorischer Kenntnis oder vulgärphilosophischem Wissen den Gebrauch von heraklitischen, antithetischen Formulierungen kennen und sie - 1711 Überraschend ist, dass überhaupt auf eine direkte, literarische Abhängigkeit des einen vom andern spekuliert wird. Denn allgemein geht man heute eher davon aus, dass die Regula Fidei nicht im Sinne festgefügter Formeln zu interpretieren sei (s.o.). Allerdings geht es H ÜBNER wohl gerade darum, eine gradlinige Abhängigkeit des einen Textblocks vom andern zu zeigen. Das ist unnötig, wenn man mit ganz anderen, mündlichen Verständigungs- und Diskussionsprozessen rechnet. Dann können zwar Übereinstimmungen konstatiert werden, im Wesentlichen ist aber nach der Eigenaussage der jeweiligen Textstelle zu fragen und sie auf ihren direkten literarischen und historischen Kontext zu beziehen, so weit das eben möglich ist. Wenn man dagegen eine direkte literarische Abhängigkeit vermutet, kann man eine bestimmte Reihe von Aussagen schnell auf ein einziges zugrundeliegendes Problem reduzieren, das dann eben im Laufe der Zeit in immer neuen Kontexten neu thematisiert wurde. Natürlich kann es auch dann Unterschiede geben. Aber im Wesentlichen kann man bei direkt weitergegebenen Formeln davon ausgehen, einen vergleichbaren, allerhöchstens minimal weiter entwickelten theologiegeschichtlichen Hintergrund vorliegen zu haben. 1712 Undeutlich bleibt H ÜBNERS Argumentation, Noët könne nicht von Ignatius abhängen, sondern nur umgekehrt. Seiner Meinung nach greifen die bei Ignatius »fehlenden Antithesen (ἀχώρητος χωρητός, ἀκράτητος κρατητός) (...) unmittelbar valentinianische Terminologie« auf und seien deswegen bei Noët »sicherlich ursprünglich und nicht wegzudenken« (a.a.O., 161). Das mag stimmen. Aber daraus ergibt sich nicht, dass Ignatius von Noët abhängt. Denn warum sollte Ignatius den direkten Angriff auf die Valentinianer unterlassen, wenn sein eigenes Interesse an einer von Noët stammenden Glaubensformel sich eben dem Kampf gegen die Valentinianer verdankt? Viel einfacher wäre dann die Annahme, dass Noët von Smyrna aus Smyrna die Briefe des Ignatius kennt, verwendet und dabei eigene Formulierungen, die auf seine Zeit passen, einbringt. 1713 V OGT , a.a.O., 53, bemerkt zu der Frage, ob Ignatius in IgnMagn 8,2 mit dem Wort σιγῆ gnostische Begrifflichkeit aufgreife: »Man würde sich auch wundern, dass Ignatius, der sonst so offen und hart gegen Doketen und Judaisten polemisiert, sich gegen die Gnosis nur so verstohlen geäußert hätte. Aber das hat er eben nicht«. 1714 Vgl. dazu S CHOEDEL , Die Briefe des Ignatius, 33f.; P ERLER , Das vierte Makkabäerbuch, 413-415. 1715 Vielleicht ist es ja so, wie in einem Ausblick dieser Arbeit gezeigt wird, dass in der Theologie des zweiten Jahrhunderts die Frage des Doketismus, verwandt mit der Vorstellung der Polymorphie von Engeln, über weite Zeiten und Räume virulent war. Sowohl der spätere Modalismus (respektive Monarchianismus) als auch verschiedene gnostische Lehren (z.B. aus Umfeld und Schule des Valentin) sind leicht als jeweils spezifische Weiterentwicklungen oder Abgrenzungen dieses dann älteren, in seiner Christologie häufig »angelomorph« sich äußernden Christentums zu verstehen. 1716 Hipp.haer. 9,10. Zu Heraklits Denken, das Hippolyt für den Ursprung des monarchianischen Denkens hält, vgl. H AMMER , Einheit und Vielheit bei Heraklit von Ephesus, Würzburg 1991. 17.6 Ausgangslage für die weitere Beschäftigung mit Ignatius 497 anders als Hippolyt zu schätzen wissen, wo es um die Beschreibung des Ineinanders von scheinbaren oder tatsächlichen Gegensätzen geht. Antithetische Formulierungen, angeregt durch Heraklit, sind beispielsweise auch im Judentum Philos umstritten und werden jedenfalls von Philo diskutiert (und abgelehnt). 1717 Bei Ignatius kann man an mehreren Stellen Anklänge an Heraklit finden. 1718 Auch neutestamentlich sind antithetische oder dualistische Aussagen kein Einzelfall. 1719 Es wäre nur zu klären, auf welchem Wege man sich eine Weiterentwicklung am einfachsten vorstellen kann. 1720 Weiterhin sind die Umstände der Entstehung der Pseudo-Ignatianen nicht geklärt. Ebenfalls ungeklärt bleibt, ob die historische Einordnung des Ignatius durch Euseb haltbar ist, bzw. ob die kritischen Anfragen der »Spätdatierer« an Euseb stichhaltig sind. 17.6 Ausgangslage für die weitere Beschäftigung mit Ignatius Gewonnen wurde für die folgende weitere Beschäftigung mit Ignatius, dass eine Festlegung auf einen antignostischen Hintergrund Ende des zweiten Jahrhunderts vermeidbar und unnötig ist. Vielmehr kann man zunächst von einem frühen Zeitpunkt der Abfassung durch Ignatius selbst ausgehen. 1721 Für den Umgang mit dem Text bedeutet das die Befreiung aus einer engen Festlegung auf ein spezifisches Umfeld bzw. eine bestimmte Situation, die insbesondere für die spätere Dogmenentwicklung interessant ist. Stattdessen ist es möglich, die ignatianischen Texte unbefangener in sich und im Vergleich mit möglichen religionsgeschichtlichen Parallelen zu betrachten. 1722 1717 Philo, her. 215. Heraklit ist bei Philo der nach den großen Platonikern meist zitierte Philosoph. 1718 Vgl. z.B. S CHOEDEL , Briefe, 103 (zu IgnEph 4,1). Es ist davon auszugehen, dass Ignatius mit heraklitischem Denken, wie viele andere in seiner Zeit, gut vertraut war. 1719 Beispiele: Der Gegensatz von Licht und Finsternis in den johanneischen Schriften; der Gegensatz von Stärke und Schwäche in der Apostolatskonzeption des Paulus (s. Krug, Kraft); der Gegensatz von Weisheit und Torheit in 1 Kor; der Gegensatz von Fleisch und Herrlichkeit in 1 Tim 3,6f.; die paulinische Anthropologie mit ihren Gegensätzen von Geist und Fleisch in Röm 6-8. Vgl. die Rolle des Heiligen Geistes in der Vielfalt der Gegensätze von Gal 3,26-28; vgl. 1 Kor 12f. Bezeichnend ist, dass in der neueren Interpretationsgeschichte dieser Texte häufig von »Paradoxien« die Rede war. 1720 Tatsächlich sind antithetische Formulierungen in späterer spekulativer Theologie in sehr unterschiedlichen Texten in Gebrauch (vgl. z.B. die gnostischen oder gnosisnahen Texte ActJoh 94-96; Bronte; Melch 5,2-11; in der Entwicklung der Bekenntnisse der Alten Kirche wird vielfach auf dieses Mittel zurückgegriffen: Textbelege bei K ELLY ). Schon in frühen Bekenntnissen und Homilien (z.B. Melito) wird bevorzugt antithetisch formuliert. Hintergrund ist sicher die verborgene Epiphanie des Himmlischen im Irdischen, die so besonders gut in den Blick kommen kann. 1721 S CHOEDEL , Briefe, 20f konstatiert, dass Ignatius eine starke Wirkung auf spätere Theologen in der Alten Kirche hatte: Erst war er für Theodoret und andere »antiochenische« Theologen interessant, dann »entdeckten die Monophysiten, dass Ignatius‘ ungeschützte Sprache über ‹die Leiden meines Gottes› (Röm 6,3) und über anderes sich mit ihrer Lehre vertrug. Die Chalkedonischen Theologen waren selbstverständlich gleichfalls davon überzeugt, er spreche ihre Sprache. Er besaß solche Autorität, dass bereits im späten 4. Jahrhundert eine lange Rezension seiner Briefe erschien, die die religiösen und sozialen Gegebenheiten jener Zeit widerspiegelte.« 1722 Wie schon bei der »johanneischen Frage« geht es also auch bei der »ignatianischen Frage« darum, ob man spätere dogmatische Fragestellungen zum Ausgangspunkt der Betrachtung machen kann, indem man diese Fragestellungen entweder als schon in der Frühzeit gegeben voraussetzt, oder indem man die jeweiligen Texte eben entsprechend spät datiert. Was jeweils verloren geht, liegt auf der Hand: Die Möglichkeit zu eruieren, was die jeweils fraglichen Textaussagen vor der späteren dogmatischen Diskussion bedeutet haben könnten. 498 G. 18 Mögliche Reiseroute des Ignatius durch Kleinasien 18 Mögliche Reiseroute des Ignatius durch Kleinasien In Attalia ankommend scheint die Reisegesellschaft über die damals existenten römischen Wege (eingezeichnet) bis in die Gegend von Colossae, Hierapolis, Laodicea und Aphrodisias unterhalb der »phrygischen Pforte« gekommen zu sein. Offensichtlich hat es spätestens hier eine Planänderung gegeben und man reist statt durch das Mäandertal durch das Hermostal in Richtung Ägäis. Ignatius hatte offensichtlich per Vorausboten die Gemeinde in Ephesus und möglicherweise auch die auf dem Weg liegenden Gemeinden in Tralles und Magnesia informiert. Durch die Planänderung kommt er nun stattdessen durch Philadelphia (Auseinandersetzung mit Judaisten) und hat einen längeren Aufenthalt in Smyrna (Auseinandersetzung mit Doketisten). Die informierten Gemeinden aus dem Mäandertal kommen zeitweilig »zu Besuch« und werden in die Auseinandersetzungen von Philadelphia und Smyrna »einbezogen«, bevor es weiter nach Troas geht, von wo aus man offensichtlich nach Neapolis/ Philippi übergesetzt ist. Erstellt mit Accordance Bibel-Atlas 2.0, v. Heyden 2012 19 Wortfeldtabellen zum 1. Johannesbrief Die folgenden Wortfeld-Tabellen sind als Arbeitshilfe und Übersicht entstanden. Sie gruppieren Worte nach Wortgruppe, Synonymität und Opposition. Deutlich wird in dem dadurch entstehenden Überblick, dass Begriffe clusterartig ganze Passagen dominieren. Manchmal pointieren aber Einzelbegriffe, die nur ganz selten vorkommen, wie z.B. »Licht« und »Finsternis« in 1 Joh 1 oder »Fleisch« in 1 Joh 4 tatsächlich die vom Kontext vorgegebenen Themen. In einer Tabelle, die am Ende über 60 verschiedene Vokabeln umfasst, zusammenfasst, ordnet, ist es nur natürlich, dass Zuordnungen häufig auch anders getroffen werden können, als in der Tabellendarstellung. Die Nummerierung der Wortfeld-Tabelle I 499 Zeilen und Spalten soll dazu helfen, semantische Verzahnungen, die sich durch den Text ziehen, zu benennen. Die Unterteilung des Textes erhebt weder Anspruch auf Originalität noch auf Gleichbehandlung von Textstellen. Ein besonderes Gewicht hat in dieser Untersuchung neben dem direkten Kontext von 1 Joh 4,2f und 1 Joh 2,18-22 auch der Prolog und die dann folgende Diskussion des Themas des Briefes. Daher sind hier die Abschnitte zielgerichtet und kürzer ausgesucht; alles andere ordnet sich der uns gegebenen Fragestellung nach. Dennoch sind die Clusterbildungen typisch und zumeist jeweils innerhalb des ausgewählten Rahmens geblieben. Wortfeld-Tabelle I Wort / Stelle 1 πιστεύειν / πίστις 2 γινώσκειν / οἴδα 3 ἀγαπᾶν / ἀγάπη 4 ὁρᾶν / θεᾶσθαι / φαίνεσθαι 5 ἀκούειν ψηλαφᾶν 6 ἐν ἡμῖν / ἐν ὑμῶν / ἐν θεὸς / ἐν ἀγάπη / (κοινωνία) / ἐν ((αἷμα, ὕδωρ)) 7 πνεῦμα 8 μένειν A 1,1-5 xxxxxx xxxx (xx) B 1,6-10 xx C 2,1-6 xxxx x x D 2,7-17 xxxx x xx xxx E 2,18-29 xxxxxx xx xxx xxxxxxx xxxxxxx F 3,1-22 xxxxxxxx xx xxxxxxx x xxx xxxxx xxxxx G 3,23-4,6 xx xxxx x xxxx xxx xxxxxx xx xx H 4,7-21 x xxxx xxxxxxx xxxxxxx xxxxxxx xx xxx xxxxxx x xxxx J 5,1-12 xxxxxx x xxxxx xx ((xxx)) xxx K 5,13-21 x xxxxxx x xx 500 G. 19 Wortfeldtabellen zum 1. Johannesbrief Wortfeldtabelle II Wort / Stelle 9 ὁμολογεῖν 10 μαρτυρεῖν μαρτυρία 11 ἀπαγγέλλειν, ἀναγγέλλειν ἐπαγγέλλεσθαι ἐπαγγελία ἀγγελία 12 ἀρνεῖσθαι ψεύστης ψεύδεσθαι ψεῦδος (ψευδοπροφήτης) 13 ἀλήθεια A 1,1-5 x xxxx x B 1,6-10 x x xx C 2,1-6 x x D 2,7-17 E 2,18-29 x xx xxx xxx xx F 3,1-22 x xx G 3,23-4,6 xx (x) x H 4,7-21 x x x J 5,1-12 xxxxxxxx xx x K 5,13-21 x Wortfeldtabelle III 501 Wortfeldtabelle III Wort / Stelle 14 ἔρχεσθαι ἐξ-ε. (παρουσία) ((γίνεσθαι)) μεταβαίνειν ἥκειν 15 κόσμος 16 σάρξ 17 χριστός ἀντίχριστος ιησοῦς χρ. ιησοῦς (ὑιός) ((λόγος)) 18 αἷμα ὕδωρ 19 χρῖσμα σπέρμα A 1,1-5 x (x) ((x)) B 1,6-10 x (x) ((x)) x C 2,1-6 x x ((x)) D 2,7-17 xxxxxx x ((xx)) E 2,18-29 x (x) ((x)) x xxx x (xxxx) xxx F 3,1-22 x xxx (x) ((x)) x G 3,23-4,6 xxx xxxxxx x x xx x (x) H 4,7-21 xxx x (xxxx) J 5,1-12 x xxx x x xx (xxxxxxx) xxx xxxx K 5,13-21 x x (xxx) 502 G. 19 Wortfeldtabellen zum 1. Johannesbrief Wortfeldtabelle IV * mitgezählt sind auch die beiden Vorkommen der Anrede πατέρες in 2,13f. Die Wortfeldtabellen zeigen die Schwerpunkte und Verknüpfungen einzelner Themen innerhalb von 1 Joh an. Besonders an den entscheidenden Bekenntnis- Stellen in 2,18-29 und noch stärker im Bereich um 1 Joh 4,2f ist zu beobachten, dass eine Vielzahl von Vokabeln verknüpft wird. Damit sind diese Stellen zentral. Zugleich lässt sich verfolgen, wie die Themen innerhalb von 1 Joh vorangebracht werden und ineinander übergehen. Wort / Stelle 20 ἐντολή 21 ἁμαρτία ἁμαρτάνειν 22 τηρεῖν ποιεῖν 23 ἀλλήλων ἀδελφός 24 πονηρός, διάβολος 25 δίκαιος δικαιοσύνη 26 θεός πατήρ 27 φῶς σκοτία ζωή A 1,1-5 xx x x x xxx B 1,6-10 xxxxx xx x x xxxxx xxxxx C 2,1-6 xx xxx xxx x x x D 2,7-17 xxxx x x xxx xx xxxxx* xx xxx xxxxx E 2,18-29 x xx xxxx x F 3,1-22 x xxxxxxxxx x x xxxxxxx x xxxxxxxx xx xxxx xxxxx x xxxxxx xxxx xx G 3,23-4,6 xxx xx x x xxxxxx xx H 4,7-21 x x xxx xxx x xxxxxx xxxx xxxxxx xxxxxx J 5,1-12 xxx x x xxxxxx xxxxxx x xxxx K 5,13-21 xxxxxxx x x xx xxxxxx xxx 503 20 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis 20.1 Abkürzungen Abkürzungen im Wesentlichen nach dem Abkürzungsverzeichnis der RGG: Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaften nach RGG 4, Tübingen 2007. Bei den biblischen Büchern richten sich die Abkürzungen nach den Loccumer Richtlinien (1981). Regelmäßige Abkürzungen, die zum Teil darüber hinaus gehen: AJS: Altjüdisches Schrifttum (R IESSLER ). B.v.H.: Botho v. Heyden: Pseudo-Ignatius (Übersetzung in Auszügen, Manuskript 2012). B/ N: B ERGER -N ORD , Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. BKV: Bibliothek der Kirchenväter. NHD: Nag Hammadi Deutsch. NTAK: Neues Testament und Antike Kultur, E RLEMANN , K. (u.a.: Hg.), Neukirchen 2004ff. NTApo: (Neutestamentliche Apokryphen, S CHNEEMELCHER ). PG: Patrologia Graeca (Migne). PL: Patrologia Latina (Migne). TTM: J OHANN M AIER , Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer. ÜS: Übersetzung. Weitere Abkürzungen: Acta Pauli et Theclae: ActPaulThecl Clemens Alexandrinus, Protrepticus: Clem.protr. Clemens Alexandrinus, stromateis : Clem.strom. Epiphanius, »Hausapotheke« (Panarion): Epiph.pan. Exzerpte aus Theodot: Exc. ex Theod. Filastrius, Haereses: Fil.haer. Hippolyt, Traditio Apostolicae: Trad.Apost. Klemens Alexandrinus, Der Erzieher (Paidagogos): Clem.paed. Martyrium Pionii: MartPionii Papyrus Hamburgiensis Actae Pauli: PapyrHambActPaul Plutarch: de Defectu Oraculorum: def. Pseudo-Ignatianen: PsIgn Pseudo-Tertullian, Adversus haereses: PsTert haer. Tertullian, Arznei gegen Skorpionstich (Scorpiace): Tert.scorp. Testament Hiobs: TestHi Die Herkunft der Übersetzung ist regelmäßig durch diese Kürzel oder gegebenenfalls durch vollständigere Bezeichnungen ausgewiesen. Ausnahmen sind Bibel- Zitate, die im Fließtext in der Regel der Lutherübersetzung (Fassung von 1984) entstammen. Nichtausgewiesene, in die Mitte gestellte und ausführlicher besprochene Zitate stammen von mir. Deutsche Textzitate anderer antiker Quellen, deren Übersetzung nicht extra ausgewiesen ist, stammen von mir, häufig in Anlehnung an andere, im Quellenverzeichnis ausgewiesene, deutsch- oder englischsprachige Übersetzungen. Die in den Fußnoten verwendeten Kurztitel verwenden jeweils den Autorennamen, in der Regel das erste Substantiv des Titels und gegebenenfalls noch weitere Hinweise wie z.B. das Erscheinungsjahr. Da sich die Kurztitel auf diese Weise 20 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis 504 G. 20 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis selbst erschließen, kann auf weitere Kennzeichnungen im Literaturverzeichnis verzichtet werden. Zitate von Beginn des 20. Jahrhunderts an wurden sprachlich vorsichtig an die neue Rechtschreibung angepasst. 20.2 Verwendete Software zur Erschließung von Quellentexten - BibleWorks 6, Norfolk/ VA (USA) 2004. - Accordance Bible Software 9.6.6, OakTree Software, Altamonte Springs/ Florida (USA) 2012. Folgende Textsammlungen von Accordance Bible Software wurden verwendet: - Apocryphal Acts (English), Edited and/ or translated by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA (Version 1.0), OakTree Software 2010. - Apocryphal Acts. Electronic text prepared and morphologically tagged by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA, OakTree Software 2011 (Version 1.2). - Aramaic Targums (Cairo Geniza). This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional tagging and gloss preparation by Dr. Edward M. Cook. OakTree Software 2007 (Version 1.1). - Aramaic Targums (Fragments). This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional tagging and gloss preparation by Dr. Edward M. Cook. OakTree Software 2007 (Version 1.0). - Aramaic Targums (Neofiti and Esther Sheni). This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional tagging and gloss preparation by Dr. Edward M. Cook with the assistance of Stephen W. Marler. OakTree Software 2011 (Version 2.0). - Aramaic Targums (Onkelos, Jonathan, and the Writings). This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional tagging and gloss preparation by Dr. Edward M. Cook with the assistance of Stephen W. Marler. OakTree Software 2011 (Version 4.7). - Aramaic Targums (Pseudo-Jonathan). This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional tagging and gloss preparation by Dr. Edward M. Cook with the assistance of Stephen W. Marler. OakTree Software 2011 (1.8). - Ecclesiastical History of Eusebius (English). Edited by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA. OakTree Software 2009 (Version 2.0). - Ecclesiastical History of Eusebius. Morphologically tagged by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA. OakaTree Software 2009 (Version 2.2). - Judean Desert Manuscripts. Judean text and grammatical tags by Martin G. Abegg, Jr. OakTree Software 2009 (2.0). 20.2 Verwendete Software zur Erschließung von Quellentexten 505 - Kaufmann Mishna (grammatically tagged). Based upon the Kaufmann A 50 manuscript. Grammatical tagging supervised by Dr. Martin Abegg, with assistance from students at Trinity Western University, BC, (Canada). OakTree Software 2009 (2.2). - Marginal Readings for Aramaic Targum Neofiti. This text is based upon the electronic text of The Complete Aramaic Lexicon Project (CAL) of Hebrew Union College, Cincinnati, OH, USA. Used by permission of Professor Stephen A. Kaufmann. Additional morphological tagging by Dr. Edward M. Cook. OakTree Software 2011 (Version 1.0). - Morphologically tagged by Rex A. Koivisto, OakTree Software 2010 (Version 1.1). - Qumran Non-biblical Manuscripts Qumran text and grammatical tags by Martin G. Abegg, Jr. OakTree Software1999-2009 (Version 3.2). - Qumran Non-biblical Manuscripts: A New English Translation based upon the book “The Dead Sea Scrolls: A New English Translation,” edited by Michael O. Wise, Martin G. Abegg, Jr., Edward M. Cook (New York/ San Francisco 2009). Version 2.2. - Six Divisions of the Mishna (Shisha Sidrei Mishna). Eshkol Edition. Electronic text used by permission of D.B.S., Jerusalem, Israel. Morphological separators added by OakTree Software (2000)Version 1.8. - Targum Neofiti (English). Translation of Targum Neofiti by Dr. Eldon Clem. OakTree Software 2007 (Version 1.3). - Targum Onkelos and Jonathan (English). Translation of Targum Onkelos and Jonathan by Dr. Eldon Clem. Translation of Psalms courtesy of Dr. Edward M. Cook, The Catholic University of America. Translation of Lamentations and Ruth courtesy of Dr. Christian M. M. Brady, Penn State University. OakTree Software 2012 (Version 2.6). - Targum Pseudo-Jonathan (English). Translation of Targum Pseudo-Jonathan by Dr. Eldon Clem. OakTree Software 2007 (Version 1.0). - The Apocryphal Apocalypses (English). Edited and/ or translated by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA, OakTree Software 2010 (Version 1.1). - The Apocryphal Apocalypses. Electronic text prepared by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada) and Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA. - The Apocryphal Gospels (English Parallel Text), Translated by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada), OakTree Software 2009. - The Apocryphal Gospels (English). Translated by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada), OakTree Software 2008. - The Apocryphal Gospels (Latin portions). Prepared by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada). Morphologically tagged by Marco V. Fabbri, Pontificia Università della S. Croce, Rome, Italy, OakTree Software 2010. - The Apocryphal Gospels. Electronic text prepared by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada). Morphologically tagged by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA, OakTree Software 2008. 506 G. 20 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis - The Apostolic Fathers, Translated by J.B. Lightfoot. Public Domain (Version 1.2), OakTree Software 2008. - The Apostolic Fathers: Revised Greek Texts, Edited by J. B. Lightfoot and J. R. Harmer, MacMillan: London, 1891. Lemmas and grammatical tags added by Dr. Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon 2008. - The Christian Apologists (English). English derived from the public domain translations of the Ante-Nicene Fathers. Language updated and modernized by Rex A. Koivisto, OakTree Software 2007 (Version 1.0). - The Christian Apologists. A digital version of selected works from Jacques-Paul Migne, Patrologiae Graecae (Paris, 1866). Volume 6. Morphologically tagged by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA. Corrected and improved with the help of Marco V. Fabbri, Pontificia Università della S. Croce, Rome, OakTree Software 2009 (Version 1.6). - The Greek Pseudepigrapha. Electronic text entered by Craig A. Evans, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada). Morphologically tagged by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA with the assistance of Marco V. Fabbri, Pontificia Università della S. Croce, Rome, Italy. Sibyllines tagged by Marco V. Fabbri. 3 and 4 Maccabees entered and tagged by Rex A. Koivisto. OakTree Software 2009 (Version 4.5). - The Mishnah: A New Translation by Jacob Neusner (Yale 1988). OakTree Software Version 2.1. - The Pseudepigrapha (English). Translated by Craig A. Evans, assisted by Danny Zacharias, Matt Walsh, and Scott Kohler, Acadia Divinity College, Wolfville, Nova Scotia (Canada). Portions also translated by Daniel Christiansen. OakTree Software 2009 (Version 2.5). - The Works of Flavius Josephus. The Works of Flavius Josephus, Complete and Unabridged. New Updated Edition, translated by William Whiston, A.M. (Peabody/ Mass 1987); OakTree Software (Version 1.3). - The Works of Philo. Completed and Unabridged. New Updated Edition. Translated by C. D. Yonge (Peabody/ Mass 1993). Oaktree Software Version 1.1. - Works of Flavius Josephus (Introductions with morphological tagging). The morphological tagging in The Works of Flavius Josephus is the result of a collaboration between Dr. Jean-Noel Aletti and Dr. A. Gieniusz of the Pontifical Biblical Institute, and Michael Bushell of BibleWorks, and is copyright © 2005 by BibleWorks, LLC, (OakTree Software Version 1.1). - Works of Flavius Josephus (with morphological tagging). The Greek text is based on the 1890 Niese edition (public domain). The morphological tagging is the result of a collaboration between Dr. Jean-Noel Aletti and Dr. A. Gieniusz of the Pontifical Biblical Institute, and Michael Bushell of BibleWorks. Copyright © 2005 by BibleWorks, LLC (Version 1.8). - Works of Philo. The Norwegian Philo Concordance Project (Peder Borgen, Kåre Fuglseth, Roald Skarsten 2005). Morphological tagging extensively revised and updated by Rex A. Koivisto, Multnomah University, Portland, Oregon USA. Further revised with the help of Marco V. Fabbri, Pontificia Università della S. Croce, Rome, Italy. Oaktree Software 2009 (Version 2.7). 20.3 Bibelausgaben 507 20.3 Bibelausgaben Basisbibel: Das Neue Testament, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2010. Bibel der Neuen Genfer Übersetzung — Neues Testament und Psalmen. Genf 2011. Biblia Hebraica Stuttgartensia hg. v. Karl Elliger und Wilhelm Rudolph, fünfte, verbesserte Auflage, hg. v. Adrian Schenker, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1997. Biblia Sacra Iuxta Vulgatam, 4. überarbeitete Aufl.. Hg. von Robert Weber. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1994. Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1999. Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen- Brixen, des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft, Stuttgart 1980. Die Bibel. Elberfelder Übersetzung. Revidierte Fassung, Wuppertal/ Zürich 1991. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Unter Berücksichtigung der besten Übersetzungen nach dem Urtext übersetzt von Franz Eugen Schlachter. Neu bearbeitete Textfassung, Genf 1951. Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe. 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(Hg.), Der Mittelplatonismus, Darmstadt 1981 (WdF 70). 21 Register 21.1 Altes Testament Genesis Gen 1,26f 235, 440 Gen 1,27 263, 441 Gen 3,8 440 Gen 4,3-5 206 Gen 4,7 191 Gen 4,10 204, 210 Gen 5,2 263 Gen 5,22 439 Gen 9,4 194 Gen 12,7 443 Gen 17,1 443 Gen 18 269, 383, 385-391, 399, 407, 420, 468 Gen 18,18-22 124 Gen 18,22-33 211 Gen 20,17 211 Gen 25,1 211 Gen 26,2.24 443 Gen 28,11 366, 442 Gen 32 373 Gen 37 367 Gen 40f 367 Exodus Ex 4,16 162 Ex 7,1 162 Ex 8,4ff 211 Ex 8,24 206 Ex 19,6 203 Ex 20,4 235 Ex 23,21 109 Ex 24 450 Ex 24,8 195, 207 Ex 25,17.20f 200 Ex 26,31 240 Ex 26,31.33.35 449 Ex 26,31ff 451 Ex 27,21 178 Ex 28,2-40 451 Ex 29,12-20 195 Ex 29,20 200 Ex 30,10 195 Ex 30,36 178 Ex 31,7 200 Ex 32,11-14 211 Ex 32,31ff 211 Ex 33,1.3 249 Ex 33,11 444 Ex 34 380, 452 Ex 34,6ff 168 Ex 34,34 444 Ex 35,12 200 Ex 36,35 240 Ex 38,5.8 200 Ex 40,26 178 Leviticus Lev 1,11 195 Lev 3,2.8.13 195 Lev 4,6.17 449 Lev 4,7.18 178 Lev 8,23 200 Lev 14,8 195 Lev 15,13 195 Lev 16,13ff 200 Lev 16,16f 178 Lev 17,11.14 194 Lev 20,27 372 Lev 24,3 178 Lev 24,5-9 325 Lev 32,20 379 Numeri Num 1,1 178 Num 2,17 178 Num 3,25 178, 449 Num 4,10-25 453 Num 8,7 195 Num 8,22-26 178 Num 12 211 Num 14,19ff 211 Num 16,20-22 211 Num 17,19-22 178 Num 18,21.31 178 Num 19,4 195 Num 19,18 195 Num 23,19 383 Num 35,30 86 Deuteronomium Dtn 4,15-18 235 Dtn 4,19 384 Dtn 4,20 203 Dtn 4,25 235 Dtn 5,8 235 Dtn 7,6 203 Dtn 9 211 Dtn 10,15 203 Dtn 12,23 194 Dtn 12,30 109 Dtn 13 141 Dtn 14,2 203 Dtn 17,6 196 Dtn 17,6; 19,15 86 Dtn 18 141 Dtn 18, 20 172 Dtn 18,15 168 Dtn 18,15-22 141 Dtn 18,15.18 166, 170, 174 Dtn 18,15ff 170 Dtn 18,19 168 Dtn 18,22 124 Dtn 19,15 86 Dtn 23,10 109 Dtn 26,18 203 Dtn 32,8ff 384 Dtn 34,5f 170 Josua Jos 6,18 109 Richter Ri 6,12 443 1. Samuel 1 Sam 1,3.10-20 206 1 Sam 3,21 443 1 Sam 7,8f 211 1 Sam 7,9 205 1 Sam 9,9 443 1 Sam 12,9f 211 1 Sam 16,23 367 1 Sam 18,10 367 1 Sam 19,9 367 1 Sam 21,7 325 1 Sam 28 372 2. Samuel 2 Sam 6,14ff 367 2 Sam 18,12 109 2 Sam 24 211 1. Könige 1 Kön 8 211 1 Kön 17,11-16 168 1 Kön 17,21-24 168 1 Kön 19,11ff 168 2. Könige 2 Kön 2,11 168 2 Kön 4,32-37 168 2 Kön 4,42ff 168 2 Kön 17,13 109 2 Kön 19,4 206 2 Kön 23,10 194 1. Chronik 1 Chr 7,1.12-15 206 2. Chronik 2 Chr 3,1 443 2 Chr 3,14 240, 449 2 Chr 29,27-30 205f 2 Chron 30 211 Hiob Hiob 14,1 221 Hiob 15,14 221 Hiob 16,19 204 Hiob 25,4 221 Hiob 33,23-28 158, 211 Hiob 42,7 205 Hiob 42,8 205 Psalter Ps 2,1 110 Ps 2,2.7 122 Ps 2,4 413 Ps 2,7 122 Ps 26,1 103 Ps 37,13 114 Ps 82,2 384 Ps 82,6 162 Ps 89,20-30 424 Ps 91,11 480 Ps 105,19f 235 Ps 118,22 203 Ps 141,2 206 Sprüche Salomos Spr 1,20ff 103 Spr 8,1ff 103 Spr 8,22.29f 411 Spr 15,8 205 548 G. 21 Register 21.2 Alttestamentliche Apokryphen 549 Jesaja Jes 2,12 114 Jes 6,1-7 373 Jes 6,1ff 443 Jes 8,19 372 Jes 13,6 114 Jes 16,12 206 Jes 22,5 114 Jes 28,16 203 Jes 29,4 372 Jes 34,5 114 Jes 37,4 206 Jes 40,18 235 Jes 56,6 206 Jes 60,21 189 Jes 61,1 167, 186 Jes 61,1-3 185 Jes 61,1f 118 Jes 61,6 203 Jes 73,4 211 Jeremia Jer 7,3.7 176-177 Jer 7,16 206, 211 Jer 11,14 206, 211 Jer 14,11 211 Jer 15,1 211 Jer 17,5 262 Jer 18,20 211 Jer 23,28.32 367 Jer 32,35 194 Jer 42,2 211 Ezechiel Ez 1,26 440 Ez 7,6-13 114 Ez 8,2 235, 440 Ez 9,8 211 Ez 11,13 211 Ez 11,19 249, 262 Ez 11,19f 189 Ez 13,5 211 Ez 22,27 141 Ez 22,30 211 Ez 30,3 114 Ez 36,23-29 189 Ez 36,25 195 Ez 36,26 249, 262 Ez 37,27 176f, 269 Ez 43,9 177, 269 Ez 46,2ff 206 Daniel Dan 2 367 Dan 3,19 235 Dan 4 367 Dan 6,23 368 Dan 7 367 Dan 7,13 429, 440 Dan 8,15 440 Dan 9,21 206 Dan 10,18 440 Dan 12,1 212, 379 Dan 12,2 262 Hosea Hos 9,14 21 Joel Joel 1,15 114 Joel 3 367 Joel 3,4 114 Joel 4,21 269 Amos Am 7,5f 211 Sacharja Sach 1,8 440 Sach 1,12 370 Sach 3,1-5 287 Sach 3,1-7 370 Maleachi Mal 3,1 382 Mal 3,2.23 114 Mal 3,17 203 Mal 3,22-24 170 Mal 3,23 166 21.2 Alttestamentliche Apokryphen 1. Makkabäer 1 Makk 1,21f 240 1 Makk 1,23 449 1 Makk 4,51 449 1 Makk 6,2 453 1 Makk 12,11 205 2. Makkabäer 2 Makk 1,23. 205 2 Makk 3,25ff 373 2 Makk 6,2 240 2 Makk 7,37f 413 2 Makk 7,39 412 Judit Judit 14,12-13 449 Judit 16,8 205 Jesus Sirach Sir 1,9 411 Sir 4,23 109 Sir 11,34 109 Sir 12,11 109 Sir 22,15 109 Sir 27,11 191 Sir 32,26 109 Sir 34, 1-3 406 Sir 37,9 109 Sir 45,2 373 Sir 50 355, 370, 379, 444 Sir 50,6 449 Sir 50,6-15 240 Sir 50,6ff 369 Sir 50,19 205 Tobit Tob 4,6.13 109 Tob 5,19 282 Tob 12 39 Tob 12,15 402 Tob 12,19 26, 385 Weisheit Salomos Weish 1,11 109 Weish 2,13.17-20 439 Weish 2,24 149 Weish 3,1 189 Weish 14,14 149 Weish 18,17ff 367 Weish 18,24 452 Weish 43,9 176 21.3 Neues Testament Matthäus Mt 1,20 367 Mt 2,2 355 Mt 2,12 367 Mt 2,19.22 367 Mt 3,11 118, 397 Mt 4,3 161 Mt 5,14 104 Mt 5,17 156 Mt 6,7 110 Mt 6,12 490 Mt 6,32 110 Mt 7,21 138 Mt 7,22.26.68 141 Mt 7,23 137 Mt 8,16 139 Mt 8,20 442 Mt 8,29 140, 161 Mt 9,13 156 Mt 10,1 139 Mt 10,16 141 Mt 10,17 109 Mt 10,23 159 Mt 10,32 137 Mt 10,34f 156 Mt 11,2.13 125 Mt 11,11 221 Mt 11,14 170 Mt 11,18 369 Mt 11,25 157 Mt 11,25-29 348, 352 Mt 11,27 122 Mt 12 123 Mt 12,24 369 Mt 12,28 165 Mt 12,31 106 Mt 12,32.34 122 Mt 12,45 139, 318 Mt 13,35 348 Mt 13,41 442 Mt 14,26 335-336, 392 Mt 16,6.11 109 Mt 16,18 203 Mt 16,22f 124, 191 Mt 16,28 159 Mt 17,2 380, 392, 444 Mt 17,10-12 170 Mt 18,16 86 Mt 18,17 110 Mt 19,4 263 Mt 19,12 342 Mt 19,16 130 Mt 20,28 158 Mt 21,32 102 Mt 21,42 203 550 G. 21 Register Mt 24,11.24 141 Mt 24,21f 154 Mt 24,24 119 Mt 24,30 159 Mt 24,44 114 Mt 25 262, 298 Mt 25,31 159, 442 Mt 25,31ff 138 Mt 25,40 369 Mt 26,60 86, 490 Mt 26,61 203 Mt 26,64 159 Mt 27,19 431, 439 Mt 27,25 195 Mt 27,40 191, 490 Mt 27,40-44 188 Mt 27,51 449 Mt 28,19 195 Markus Mk 1,2-5 171 Mk 1,8 195 Mk 1,15 187 Mk 1,23f.34 161 Mk 1,24 114, 140 Mk 1,27 139 Mk 1,38 156 Mk 2,17 156 Mk 3,11 139, 161 Mk 3,22 369 Mk 3,28f 106 Mk 3,29 318, 369 Mk 4,9 342 Mk 5,1-20 161 Mk 5,13 139 Mk 6,5f 188 Mk 6,7 139 Mk 6,27 192 Mk 6,49 336, 379, 392, 405-406 Mk 8,29 400 Mk 8,32f 191 Mk 8,38 159 Mk 9 392 Mk 9,1 186 Mk 9,2 380 Mk 9,11f 170 Mk 9,12 159 Mk 10,9 165 Mk 10,40 347 Mk 10,45 158 Mk 11,20 165 Mk 12,10 203 Mk 12,36f 176 Mk 13,6 119 Mk 13,22 119, 141 Mk 13,26 159 Mk 13,32 122 Mk 14,41 165 Mk 14,58 203, 490 Mk 14,62 159 Mk 14,65 141 Mk 15,29 490 Mk 15,32 102 Mk 15,34 192 Mk 15,38 449 Mk 16,12 392 Mk 16,15 149 Lukas Lk 1,15 318 Lk 1,17 170 Lk 1,19 429 Lk 1,35 114 Lk 1,41 318 Lk 1,67 141 Lk 1,76 167 Lk 2,9f 373 Lk 3,16 118, 397 Lk 3,23 168 Lk 4,16-30 167 Lk 4,18 185 Lk 4,21 167 Lk 4,24 167 Lk 4,25-27 167 Lk 4,29f 167 Lk 4,34 114, 140, 161 Lk 4,36 139 Lk 4,41 161 Lk 5,32 156 Lk 6,18 139 Lk 6,23 167 Lk 6,26 141 Lk 6,36 490 Lk 7,16 166, 168-169 Lk 7,18ff 125 Lk 7,21 139 Lk 7,22f 185 Lk 7,26 167 Lk 7,28 225 Lk 7,34 157 Lk 7,44 156 Lk 8,2 139 Lk 8,28f 161 Lk 9,19 170 Lk 9,20 400 Lk 9,26 159, 442 Lk 9,27 187 Lk 9,58 442 Lk 10,9 167 Lk 10,18 367, 433 Lk 10,20 139 Lk 10,22 122 Lk 10,23f 167 Lk 11,4 490 Lk 11,15 369 Lk 11,20 187 Lk 11,26 139, 318 Lk 12,1 109 Lk 12,14 114 Lk 12,15 109 Lk 12,30 110 Lk 12,46 114 Lk 12,49 156, 397 Lk 12,49.51 156 Lk 13,7 156 Lk 13,33f 167 Lk 16,16 167 Lk 16,31 490 Lk 17,20ff 187 Lk 18,8 159 Lk 19,7 158 Lk 19,10 158 Lk 20,17 203 Lk 20,56 109 Lk 21,27 159 Lk 22,65 141 Lk 23,8 137 Lk 23,45 449 Lk 24, 37f 334 Lk 24,16 392 Lk 24,19f 167 Lk 24,28 405 Lk 24,37 379, 405-406 Lk 24,37f 335-336 Lk 24,43 405 Johannes Joh 1 103 Joh 1,1 503 Joh 1,1-18 107, 448 Joh 1,1f 401 Joh 1,5 266 Joh 1,7 102 Joh 1,9 149 Joh 1,9f 151 Joh 1,10 149 Joh 1,12 127 Joh 1,14 100, 151, 176 Joh 1,14f 102 Joh 1,15 176, 178 Joh 1,16-18 176 Joh 1,17 99, 169 Joh 1,18 443 Joh 1,20 136 Joh 1,21.25 169, 171 Joh 1,31 156 Joh 1,32 367 Joh 1,33 318 Joh 1,41 123, 169 Joh 1,45 169 Joh 1,50f 102 Joh 1,51 175-176, 433, 442 Joh 2,4 165 Joh 2,6 175 Joh 2,19 203 Joh 2,21 261, 318 Joh 2,22ff 176 Joh 2,23 127 Joh 3,5 195 Joh 3,6 131, 221 Joh 3,8 318 Joh 3,13 158, 433 Joh 3,13f 131 Joh 3,14 211 Joh 3,16 164 Joh 3,17 149, 162 Joh 3,18 127 Joh 3,19 104, 149, 160-161 Joh 3,23 433 Joh 3,32ff 260 Joh 4,9f 163 Joh 4,13 163 Joh 4,19 169 Joh 4,20-24 175, 318 Joh 4,21-24 203 Joh 4,23f 210 Joh 4,25 171, 444 Joh 4,25f 160 Joh 4,26 169 Joh 4,29 169 Joh 4,29f. 67 21.3 Neues Testament 551 Joh 4,32 327 Joh 4,34 327 Joh 4,39 67, 102 Joh 4,41f 102 Joh 4,48 102, 174 Joh 4,50 102 Joh 5,8 169 Joh 5,18 169 Joh 5,19 490 Joh 5,20 122 Joh 5,23 163 Joh 5,24 102 Joh 5,25 114 Joh 5,30 431 Joh 5,43 156 Joh 5,45 169 Joh 5,47 102 Joh 6 326 Joh 6,14 149, 166, 170 Joh 6,15 124, 170 Joh 6,27 260 Joh 6,30 102 Joh 6,36 102 Joh 6,38 156 Joh 6,40 102 Joh 6,41 160 Joh 6,41f 156, 214 Joh 6,51 151, 156, 160, 221 Joh 6,53f 194 Joh 6,54f 221 Joh 6,58 160 Joh 6,63 195 Joh 6,66 214 Joh 6,67 400 Joh 6,69 114 Joh 6,70 434 Joh 7,14 176 Joh 7,27 171 Joh 7,27-31 160 Joh 7,28 156, 176 Joh 7,31 102, 171 Joh 7,40-42 160 Joh 7,41 171 Joh 7,42 170f Joh 7,52 160 Joh 8,12 151, 397 Joh 8,14 156 Joh 8,15 151 Joh 8,16 431 Joh 8,26 149 Joh 8,28 211 Joh 8,30f 102 Joh 8,42 156 Joh 9,5 104, 149, 397 Joh 9,22 65, 123, 136 Joh 9,39 149, 156 Joh 10,3 102 Joh 10,10 156 Joh 10,12 141 Joh 10,14f 122 Joh 10,16 102 Joh 10,17f 490 Joh 10,19 176 Joh 10,20 369 Joh 10,25 102 Joh 10,27 102 Joh 10,30 162 Joh 10,30-36 163 Joh 10,33 162 Joh 10,36 149, 162 Joh 10,37f 102 Joh 10,38 175-176 Joh 11,12 152 Joh 11,15 102, 152 Joh 11,25 160, 490 Joh 11,25ff 161 Joh 11,27 149, 151, 160-161 Joh 11,32 160 Joh 11,34 160 Joh 11,42 102 Joh 11,45 102 Joh 11,51 141 Joh 12,23f. 165 Joh 12,25 103, 149 Joh 12,27 156, 165 Joh 12,32 211 Joh 12,33 136 Joh 12,34 136, 211 Joh 12,37 102 Joh 12,42 123, 136 Joh 12,44f 102 Joh 12,46 149, 161 Joh 12,46f 156 Joh 12,47 156 Joh 13,1 149 Joh 13,8b 144 Joh 13,17 144 Joh 13,27 434 Joh 13,34 127 Joh 14,6 103, 175 Joh 14,9 175 Joh 14,10f 176 Joh 14,11 102 Joh 14,15 130 Joh 14,19 102 Joh 14,26 118 Joh 14-15 179 Joh 15 130 Joh 15,4 176 Joh 15,9 130 Joh 15,20 144 Joh 16,4-15 135 Joh 16,16 102 Joh 16,21 149, 165 Joh 16,26-28 161 Joh 16,28 149, 156 Joh 16,32 114, 156, 165 Joh 16,33 149, 152 Joh 17,2 152 Joh 17,11 149 Joh 17,13 149 Joh 17,18 149 Joh 17,20 102 Joh 18,20 176 Joh 18,37 102, 149, 156, 161 Joh 19,12 124 Joh 19,34 192-193 Joh 20,8 102 Joh 20,14-17 392 Joh 20,15 392 Joh 20,19 392 Joh 20,19-23 392 Joh 20,28 107, 488 Joh 20,29 102 Joh 20,31 102, 105, 123, 127 Joh 21,22 187 Joh 21,24 100 Apostelgeschichte Apg 2,17 367 Apg 2,17f 141 Apg 2,20 114 Apg 3,14 431 Apg 3,22 168 Apg 4,11 203 Apg 4,12 437 Apg 4,20f 102 Apg 4,25 110 Apg 4,27 110, 114 Apg 4,27-30 110 Apg 4,30 114 Apg 5,16 139 Apg 5,19f 368 Apg 5,36 141 Apg 5,37 141 Apg 6,14 203 Apg 6-7 192 Apg 7,37 168 Apg 7,52 167-168, 439 Apg 7,56 204, 368 Apg 8,7 139 Apg 9,3ff 367 Apg 9,25 192 Apg 10,40-43 159 Apg 11,5 367 Apg 12,2 192 Apg 12,5 206 Apg 12,7 368 Apg 12,15 336, 380 Apg 13,33 122 Apg 14,11 380, 399 Apg 16,9 367 Apg 18,28 310 Apg 19 310 Apg 19,6 141 Apg 19,8ff 279 Apg 19,12f 139 Apg 20,19 310 Apg 20,29 141 Apg 21,9 141 Apg 21,21 110 Apg 21,25 109 Apg 22,6ff 367 Apg 22,14 431, 439 Apg 23,6-9 369 Apg 23,8 137 Apg 23,12-16 192 Apg 24,14 137 Apg 26,9f 367 Römerbrief Röm 1,1 224 Röm 1,3 224-225, 360 Röm 1,3f 220, 223, 227, 243 Röm 1,4 224, 243 Röm 1,23 235 Röm 2,25-29 110 Röm 3,19f 152 Röm 3,23 199 Röm 3,25 200, 207, 210 Röm 3,25f 431 552 G. 21 Register Röm 4,6 224 Röm 4,11 260 Röm 5,7 440 Röm 5,11 227 Röm 5,12 149, 165 Röm 5,12-21 225 Röm 5,13 149 Röm 5,18 165 Röm 6,3 162, 231 Röm 6,3ff 195 Röm 6,4 231 Röm 6,5 231, 235-236 Röm 6,6 231 Röm 6,7 195 Röm 6,8 231 Röm 6,11 227 Röm 6,11ff 231 Röm 6,12 227, 230 Röm 6,14f 227f Röm 6,18 228 Röm 6,23 227 Röm 7,2 286 Röm 7,3 231 Röm 7,4 231 Röm 7,5 230 Röm 7,5-11 228 Röm 7,8 230 Röm 7,12 228 Röm 7,13 228 Röm 7,14 228 Röm 7,14-25 228 Röm 7,17 228, 230 Röm 7,17f 227 Röm 7,18 230, 318 Röm 7,20 228, 230 Röm 7,21 228 Röm 7,22 230 Röm 7,22f 228 Röm 7,25 228 Röm 8,1 228 Röm 8,2 228 Röm 8,3 220, 227, 229-232, 239 Röm 8,3f 164 Röm 8,4 229-230, 232 Röm 8,4ff 231 Röm 8,8 229 Röm 8,9 228, 230-231, 318 Röm 8,9-11 202 Röm 8,10 230 Röm 8,11 228, 230-231, 318 Röm 8,12 230 Röm 8,13 230 Röm 8,14 230 Röm 8,14ff 231 Röm 8,15 230 Röm 8,16 230 Röm 8,17 230-231 Röm 8,19-23 230-231 Röm 8,23 318, 331 Röm 8,26f 204 Röm 8,29 230-231 Röm 8,32 231 Röm 8,33-39 205, 231 Röm 8,34 204 Röm 8,38f 342 Röm 8,39 227 Röm 9,4f 226 Röm 9,5 220, 223, 225 Röm 9,6ff 226 Röm 9,30ff 110 Röm 10,9 137, 457 Röm 11 110 Röm 11,1ff 179 Röm 11,9 224 Röm 11,12 152 Röm 11,14 152 Röm 11,15 152 Röm 15,30 206 Röm 16,25 348 1. Korintherbrief 1 Kor 1,18 348 1 Kor 1,18-38 352 1 Kor 1,23 172, 349-350 1 Kor 1,27 155, 349 1 Kor 1,27-29 152 1 Kor 1f 302 1 Kor 2, 6-8 352 1 Kor 2,10 348 1 Kor 3,14-17 106 1 Kor 3,16 261, 318 1 Kor 4,1 319 1 Kor 5,5 228 1 Kor 6,19 202, 261, 318 1 Kor 6,20 287 1 Kor 7,28-31 152 1 Kor 8,4 149 1 Kor 9,1 101 1 Kor 9,2 260 1 Kor 9,11 260 1 Kor 9,22 392 1 Kor 10,20 190 1 Kor 11,1 490 1 Kor 11,4f 141 1 Kor 11,5-1 190 1 Kor 12 342, 359, 444 1 Kor 12,2 110 1 Kor 12,3 122 1 Kor 12,10 139 1 Kor 12f 497 1 Kor 13,9 141 1 Kor 14,1-5 141 1 Kor 14,10 149 1 Kor 14,12 139 1 Kor 14,24-39 141 1 Kor 14,32 139 1 Kor 15,8 101, 367 1 Kor 15,9 192 1 Kor 15,20-49 440 1 Kor 15,35-55 331 1 Kor 15,45 263, 428 2. Korintherbrief 2 Kor 1,11 206 2 Kor 1,12 149, 152 2 Kor 1,21-22 118 2 Kor 1,22 195, 260 2 Kor 2,15f 121 2 Kor 3,10-18 453 2 Kor 3,18 380, 382 2 Kor 4,4 440 2 Kor 5,1-10 331 2 Kor 5,10 262 2 Kor 5,15-19 153, 155 2 Kor 5,19 149 2 Kor 6,16 177, 202, 261, 269 2 Kor 8,9 222 2 Kor 9,14 206 2 Kor 10-12 319 2 Kor 11,13-15 397 2 Kor 11,24-27 192 2 Kor 11,33 192 2 Kor 12 393, 431, 459 2 Kor 12,7 228, 342 Galaterbrief Gal 1,15f 367 Gal 3,25 165 Gal 3,27 287 Gal 4,4 218, 220-221, 223, 227 Gal 4,4f 164, 221 Gal 4,6 221 Gal 4,14 399 Gal 6,1 87 Gal 6,11 87 Gal 6,12 192 Gal 6,12-14 153 Gal 6,17 331 Epheserbrief Eph 1,1 114 Eph 1,3-14 448 Eph 1,13 260 Eph 1,13f 118 Eph 1,15 114 Eph 2,1-16 150 Eph 2,12 149 Eph 2,14f 218, 238 Eph 2,17 159 Eph 2,18ff 151 Eph 2,20 203 Eph 2,20-22 261 Eph 2,22 318 Eph 3,5 348 Eph 3,9-11 348 Eph 3,17 202 Eph 4,30 118, 260 Eph 5,1 490 Eph 6,11f 342 Eph 6,12 153 Philipperbrief Phil 1,1 114 Phil 1,20 331 Phil 2,5 222 Phil 2,5-11 448 Phil 2,5ff 490 Phil 2,6-11 218, 220-223, 227, 235, 424 Phil 2,7 235 Phil 2,15 149 Phil 4,21 114 Kolosserbrief Kol 1,4 114 Kol 1,6 165 Kol 1,15 238 Kol 1,15-20 448 Kol 1,16 307 Kol 1,18 238 21.3 Neues Testament 553 Kol 1,19 238 Kol 1,20 195, 205 Kol 1,20-22 237 Kol 1,20ff 218 Kol 1,26 348 Kol 2,8-11 153 Kol 2,9 261 Kol 2,9f 176 Kol 2,10 307 Kol 2,13-15 205 Kol 2,15 307 Kol 2,20 149, 153, 155 Kol 2,23 153, 155 1. Thessalonicherbrief 1 Thess 1,6 490 1 Thess 2,15 192 1 Thess 5,2.4 114 1. Timotheusbrief 1 Tim 1,15 149, 160, 161 1 Tim 2,9 149 1 Tim 3,9 348 1 Tim 3,16 149, 243, 265, 360, 448 1 Tim 4,1 119, 139 1 Tim 6,7 149 1 Tim 6,12 137 1 Tim 6,13 130 2. Timotheusbrief 2 Tim 1,9-11 348 2 Tim 1,14 202, 318 2 Tim 2,8 225 2 Tim 2,19 260 Titusbrief Tit 1,1-3 348 Tit 2,13 488 Tit 2,14 203 Philemonbrief Phlm 5 114 1. Petrusbrief 1 Petr 1,2 195, 203 1 Petr 1,3-9 241 1 Petr 1,6 242 1 Petr 1,8 102 1 Petr 1,10-2,12 241 1 Petr 1,16 203 1 Petr 1,18f 203 1 Petr 1,19 195 1 Petr 1,20 348 1 Petr 1,22 209 1 Petr 2,4 203, 261 1 Petr 2,4f 203 1 Petr 2,6-7 203 1 Petr 2,9 203 1 Petr 2,13-3,7 241 1 Petr 2,21 490 1 Petr 3,8-4,6 241 1 Petr 3,13f 244 1 Petr 3,14 241, 242 1 Petr 3,17 241, 242 1 Petr 3,18 241, 243-244, 272, 431 1 Petr 3,19 139 1 Petr 3,20f 244 1 Petr 3,21 195 1 Petr 4,1 241-242, 244 1 Petr 4,2 242 1 Petr 4,3 242 1 Petr 4,4 242 1 Petr 4,7 165 1 Petr 4,7-19 241 1 Petr 4,12 242 1 Petr 5,1-11 241 1 Petr 5,9 149 2. Petrusbrief 2 Petr 1,1 488 2 Petr 1,4 149 2 Petr 2,1 119, 141, 154 2 Petr 3,12 114 1. Johannesbrief 1 Joh 1,1 103 1 Joh 1,1-4 52, 65, 78, 82, 98-99, 102, 106, 128, 144, 177, 1 Joh 1,1-5 55, 85f, 98, 100, 103-105, 213 1 Joh 1,2 103, 105 1 Joh 1,2-5 85 1 Joh 1,3 99-100, 104, 180 1 Joh 1,4 100, 105 1 Joh 1,5 53, 86, 96, 103-104, 184 1 Joh 1,5-10 183, 188 1 Joh 1,6 52-53, 62, 85, 104, 115, 184, 189 1 Joh 1,6 115, 183, 189 1 Joh 1,6-10 103-104, 183 1 Joh 1,7 104, 183-185, 194f, 201, 203-204, 210, 214 1 Joh 1,8 52, 62,115, 183-185, 189 1 Joh 1,8ff 204 1 Joh 1,9 133-134, 183-185, 195, 209, 431 1 Joh 1,10 52, 62, 183-185 1 Joh 1,16 175 1 Joh 1,20 123 1 Joh 1-3 189 1 Joh 2, 23 102 1 Joh 2,1 85, 93, 106, 128, 159, 204, 208-209, 211, 213f, 431, 439 1 Joh 2,1 85, 106 1 Joh 2,1f 53, 214 1 Joh 2,2 198, 201, 203-204, 207, 209 1 Joh 2,2ff 209 1 Joh 2,3 85, 150 1 Joh 2,3-5 132 1 Joh 2,3f 62 1 Joh 2,3-5 132 1 Joh 2,4 52f, 85, 115, 184, 189 1 Joh 2,5 130 1 Joh 2,5f 127 1 Joh 2,6 52f 1 Joh 2,7 86, 130, 214 1 Joh 2,7f 85 1 Joh 2,8 115 1 Joh 2,9 53, 62 1 Joh 2,11 62, 102 1 Joh 2,12 106 1 Joh 2,12-14 85-86, 88 1 Joh 2,12f 150 1 Joh 2,13f 132, 189 1 Joh 2,14 151 1 Joh 2,14ff 115 1 Joh 2,15 149 1 Joh 2,15-17 149 1 Joh 2,15-19 154 1 Joh 2,15f 149 1 Joh 2,15ff 150 1 Joh 2,16 143, 149, 151 1 Joh 2,17 107, 149 1 Joh 2,18 27, 85, 113-114, 132, 160f 1 Joh 2,18-22 499 1 Joh 2,18-27 51-52, 55, 59, 97, 113, 117, 499 1 Joh 2,18ff 53, 115,125 1 Joh 2,19 35, 53, 114 1 Joh 2,19-21 175 1 Joh 2,20 116-117, 121 1 Joh 2,21 86, 115,189 1 Joh 2,22 52, 104, 114-116, 123, 125, 127, 142-143 1 Joh 2,22-24 104 1 Joh 2,22f 122, 135 1 Joh 2,23 115, 122, 132-133 1 Joh 2,24 114-115, 122 1 Joh 2,25 103, 105 1 Joh 2,26 85, 115 1 Joh 2,27 113-115, 118 1 Joh 2,28 85 1 Joh 2,28-3,3 190 1 Joh 2,29 132 1 Joh 3,1 104, 132 1 Joh 3,1-18 126 1 Joh 3,2 213 1 Joh 3,6 62, 100, 189, 132 1 Joh 3,7 115, 431 1 Joh 3,8 161, 190 1 Joh 3,8f 189 1 Joh 3,11 85, 127 1 Joh 3,13 88 1 Joh 3,14 119 1 Joh 3,14f 105 1 Joh 3,16 132 1 Joh 3,18 138 1 Joh 3,18f 115, 189 1 Joh 3,19 132 1 Joh 3,20 132 1 Joh 3,22 127 1 Joh 3,23 85, 106, 126-127, 130-132 1 Joh 3,23-4,16 97, 126 1 Joh 3,23f 126-127, 130-131, 138 1 Joh 3,24 52, 113, 126-127, 129-132, 139, 202 1 Joh 4,1 54-55, 82, 118, 126-127, 554 G. 21 Register 131-133, 139-140, 146, 149f, 222-223 1 Joh 4,1-6 51-52, 60, 126 1 Joh 4,1-9 146 1 Joh 4,1f 163 1 Joh 4,1ff 131 1 Joh 4,2 1, 3, 5-6, 48-51, 54-55, 57, 59-60, 75, 82, 84, 101, 105, 116-117, 125, 127, 132-133, 135, 140, 142, 144-146, 148, 157, 160f, 165, 177-182, 190, 214, 220, 227, 234, 239, 342, 499, 457, 464, 502 1 Joh 4,2-3 132 1 Joh 4,2f 26, 74, 104, 131-132, 139, 171, 182 1 Joh 4,3 35, 75, 82, 93, 126f, 145-147, 157, 160 1 Joh 4,3f 149 1 Joh 4,4 146, 148 1 Joh 4,4ff 176 1 Joh 4,6 82, 115, 132, 139, 141, 189 1 Joh 4,6 126 1 Joh 4,6-8 132 1 Joh 4,7 62, 132 1 Joh 4,7-10 163 1 Joh 4,7-12 126 1 Joh 4,7-21 163 1 Joh 4,8 62 1 Joh 4,9 126, 146f, 149, 164, 201 1 Joh 4,10 82, 201, 203, 207, 209 1 Joh 4,11 163 1 Joh 4,12 62, 163, 189, 443 1 Joh 4,13 126f, 131-132, 163, 195 1 Joh 4,14 85, 102, 104-105, 126, 116, 189 1 Joh 4,15 116, 132f, 135 1 Joh 4,15f 126-127 1 Joh 4,16 85, 132 1 Joh 4,17 149 1 Joh 4,18f 163 1 Joh 4,19 85 1 Joh 4,20 52, 62, 85, 163, 184 1 Joh 4,21 85 1 Joh 4,53 102 1 Joh 5,1 62, 116, 127, 132 1 Joh 5,2 132 1 Joh 5,2f 130 1 Joh 5,4 87, 189, 195 1 Joh 5,4-21 105 1 Joh 5,5 116, 132, 195 1 Joh 5,6 57, 115f, 161-162, 189, 192, 195, 210 1 Joh 5,8 195 1 Joh 5,10 132 1 Joh 5,11-20 105 1 Joh 5,12 55, 105, 111 1 Joh 5,13 85, 105, 128, 132 1 Joh 5,13-21 82 1 Joh 5,14 106 1 Joh 5,14f 85 1 Joh 5,18-20 85 1 Joh 5,16 214f 1 Joh 5,16-18 105 1 Joh 5,16-19 106 1 Joh 5,16f 128 1 Joh 5,18 189 1 Joh 5,19 106, 145, 201 1 Joh 5,20 107-108, 115, 132, 161, 185, 189, 401, 490 1 Joh 5,21 51, 58, 80, 85,108-109, 111, 141, 214, 516 2. Johannesbrief 2 Joh 1,1 132 2 Joh 1,7 149 2 Joh 7 27, 66, 74f, 132, 142, 146-147, 161, 165, 171, 214, 521 3. Johannesbrief 3 Joh 8-10 214 Hebräerbrief Hebr 1,3 448 Hebr 1,4 437 Hebr 1,5 122 Hebr 1,7 139 Hebr 1,8f 431 Hebr 1,14 139 Hebr 2,14-17 236 Hebr 2,14-18 239 Hebr 2,17 199, 207 Hebr 2,18 236 Hebr 2,20 240 Hebr 3,1 114 Hebr 4,14 450 Hebr 4,15 236, 239 Hebr 4,16 207, 450 Hebr 5,7 239-240, 388 Hebr 6,19 449 Hebr 6,19f 450 Hebr 7,2 439 Hebr 7,18 238 Hebr 7,25 204 Hebr 7,26 450 Hebr 8,1 207 Hebr 9,3 449 Hebr 9,5 200, 207 Hebr 9,11 160, 450 Hebr 9,12 199 Hebr 9,14 199, 207 Hebr 9,19 207 Hebr 9,21-25 207 Hebr 9,23 199, 207 Hebr 9,24ff 450 Hebr 9,25f 199 Hebr 9,26 207 Hebr 10 218 Hebr 10,5 149 Hebr 10,11 207 Hebr 10,12 207 Hebr 10,19 240 Hebr 10,19-22 240 Hebr 10,19f 238 Hebr 10,20 241, 449f Hebr 10,22 195, 207, 240, 450 Hebr 10,26 207 Hebr 11,18ff 450 Hebr 11,22 450 Hebr 11,35 285 Hebr 12,9 139 Hebr 12,23 139 Hebr 13,2 369, 385, 399 Hebr 13,12f 450 Hebr 13,15 137 Jakobusbrief Jak 4,5 202, 318 Jak 5,6 431, 439 Judasbrief Jud 9 168 Jud 8 367 Offenbarung des Johannes Offb 1,12f 403 Offb 2,9 310 Offb 3,3 114 Offb 3,7 114 Offb 3,8 137 Offb 3,9 310 Offb 5,6 260 Offb 5,20 260 Offb 7,14 195, 198 Offb 7,15 269 Offb 8,1 354 Offb 8,5 354 Offb 10,11 141 Offb 11,3 141 Offb 11,18 165 Offb 12,10f 205 Offb 12,12 358 Offb 14,7 114, 165 Offb 14,10 429 Offb 14,12 130 Offb 14,15 165 Offb 16,13 141 Offb 18,10 114, 165 Offb 19,7 165 Offb 19,13 437 Offb 21,3 177, 269 Offb 21,6 321 Offb 22,6 140 Offb 22,12 321 21.4 Judaica 21.4.1 Textfunde aus Qumran CD 2,12f 118 CD 20,2,5,7 189 1Q 19, Frgm. 3,1 377 1Q 20,2 377 1QH 1,27 228 1QH 13,14 221 1QH 13,15f. 228 1QH 18,12f 221 1QHa 14,16 429 1QHa XI, 19-23 447 21.4 Judaica 555 1QM 9,14f 402 1QM 9,15 402 1QM 11,2f 355 1QpHab 2,9f 166 1QpHab 7,5 166 1QS 2,16 103 1QS 3,13 103 1QS 3,13ff 89 1QS 3,24ff 189 1QS 4,18-26 189 1QS 4,20-22 197 1QS 4,23 228 1QS 4,25.26 429 1QS 5,6f 202 1QS 8 202, 205-207 1QS 8,2-3.12 202 1QS 9,11 166 1QS 11,7ff 369 1QS 11,20f 221 4Q204 Frgm. 5ii,20 377 4Q216,5,5 429 4Q257,1.2.5 189 4Q405 373, 393 4Q405,19 354 4Q405,20 354, 371 4Q405,21-22 354 4Q491c 447 11Q 5-6 354 11QMelch 118 11QMelch 2,15ff 166 21.4.2 Henochliteratur Äthiopischer Henoch 1Hen 5,8f 189 1Hen 6ff 357 1Hen 7ff 392 1Hen 9,1 402 1Hen 10 357 1Hen 10,4-7 253 1Hen 10,22 188 1Hen 15,1f; 439 1Hen 19,1 110 1Hen 37-71 212 1Hen 38,2 431 1Hen 40,2 429 1Hen 40,9 402 1Hen 45f 435 1Hen 46-69 435 1Hen 48 411, 435 1Hen 48,10 423 1Hen 52,1 423 1Hen 53 439 1Hen 53,6 431 1Hen 60.62.70 435 1Hen 69 357 1Hen 69,29 188 1Hen 70 381 1Hen 70f 435 1Hen 71 212 1Hen 71,9f.13 402 1Hen 89 247 1Hen 90,21f 402 1Hen 90,32.35 188 1Hen 106 377 1Hen 106f 392 Slawischer Henoch 2Hen 7,4 381 2Hen 22 381 2Hen 22,8f 435 2Hen 30,11 382 2Hen 32 454 2Hen 56,2 381 2Hen 65,9 188 Hebräischer Henoch 3Hen 1 436 3Hen 9 436 3Hen 12 436 3Hen 15 436 3Hen 16 436 3Hen 19 436 3Hen 20 436 3Hen 72 436 3Hen 73 436 21.4.3 Weitere frühjüdische Apokryphen Aristeasbrief Aristeas 17 205 Aristeas 98 437 Joseph und Aseneth JosAs 8,5 120 JosAs 14 394 JosAs 15,4 120, 326, 328 JosAs 22 379 Jubiläenbuch Jub 1,27ff 429 Jub 2,1ff 429 Jub 3,26-34 454 Jub 4,1 439 Jub 4,26 188 Jub 11,3-5 110 Jub 11,3f 110 Jub 22,16f 110 Jub 50,5 188 4. Makkabäer 4 Makk 6,28f 238 4 Makk 205 4 Makk 6,28 204 4 Makk 6,28f 282 4 Makk 6,28f 413 4 Makk 17,20-22 413 4 Makk 18,4 413 Leben Adams und Evas VitAdEv 13,2 262 VitAdEv 28,3f 454 VitAdEv 30 109 VitAdEv 33,1 189-190 Psalmen Salomos PsSal 3,8ff 204 PsSal 3 209 PsSal 17 170, 423 Apokalypse Abrahams ApkAbr 10,5 408 ApkAbr 11,2 373 ApkAbr 12,1 370 ApkAbr 19,6 371 ApkAbr 15 377 ApkAbr; 4.+5. 109 Apokalypse Daniels ApkDan (pers.) 2 435 ApkDan (syr.) 1,8ff 435 Apokalypse Elias ApkElia 20,2 393 ApkElia 42,4 328 Apokalypse des Mose ApkMos 7,2 189-190 ApkMos 9,3 121 ApkMos 13,2 121 ApkMos 17 407 Apokalypse Zephanias ApkZeph 13: 435 Ascensio Jesaiae AscJes 1,2 380 AscJes 8, 8ff 393 AscJes 8f 393 AscJes 9, 13 393 AscJes 9,14: 353 AscJes 10,9.15 223 AscJes 10-11 352 AscJes 11,7-9.11 352 AscJes. 10 396 Assumptio Mosis AssMos 10,1f 212 AssMos 11,5-8 168 2. Baruch 2Bar (syr.) 225 2Bar 67,2 (syr.) 429 2Bar 73,4 (syr.) 188 Sybyllinen Sib 3,78f. 166 Sib 5,414f 435 Sib 8,218f. 262 Sib 8,456-473 377 21.4.4 Testamenten- Literatur Testament Abrahams TestAbr 12 439 TestAbr A 4,9 387 TestAbr A 4,10 388 TestAbr A, 4,9 387 TestAbr A, 12f 382 556 G. 21 Register Testament Hiobs TestHiob 7,1.6 392 TestHiob 42,5 205 Testament Salomos TestSal 8,3 342 TestSal 22,19f 401 Testamente der XII Patriarchen TestAscher 7,2 270 TestAscher 7,2f 268, 389 TestBenj 3,8 269-270 TestBenj 7,4 439 TestBenj 9,2f 269 TestBenj 9,4 449 TestBenj 10,7 269 TestBenj 10,7f 268 TestBenj 10,8 269 TestBenj 11,2 269 TestDan 5,13 267 TestDan 6,2 460 TestJos 3,4 378 TestJos 19,3 268 TestJud 24,1 189, 268 TestJud 25,2 429 TestJud 25,4 285 TestLev 3,7 429 TestLev 4,1 270 TestLev 8,1 379, 451 TestLev 8,2 402 TestLev 8,15 268 TestLev 10,2 270 TestLev 10,3 449 TestLev 14,2 270 TestLev 16,3ff 268 TestLev 17,8-11 189 TestLev 18 188 TestLev 18,5 429 TestLev 18,10 454 TestNaph 8,3 267 TestRub 5,7 392 TestSeb 9,8 268-269 TestSim 6,5-7 268, 389 TestSim 6,7 10, 269 21.4.5 Flavius Josephus Flav.Jos.Ant. 1 390 Flav.Jos.Ant. 1,11,2 39, 386 Flav.Jos.Ant. 2,9,6f 378 Flav.Jos.Ant. 3,7,7 240, 356, 379 Flav.Jos.Ant. 3,125ff 240 Flav.Jos.Ant. 3,181-87 451 Flav.Jos.Ant. 3,184 451 Flav.Jos.Ant. 4,8,48f 378 Flav.Jos.Ant. 6,14,2 372 Flav.Jos.Ant. 8,2,5 357 Flav.Jos.Ant. 8,46-49 357 Flav.Jos.Ant. 9,3,1 367 Flav.Jos.Ant. 15,417 150 Flav.Jos.Ant. 17,271 141 Flav.Jos.Ant. 18,3,3 399, 422 Flav.Jos.Ant. 18,116-118 192 Flav.Jos.Ant. 20,5,1 406 Flav.Jos.Ant. 20,97 141 Flav.Jos.Ant. 20,167-172 166 Flav.Jos.Ant. 20,200 192 Flav.Jos.Bell. 2,8,10 368 Flav.Jos.Bell. 3,8,3 367 Flav.Jos.Bell. 3,8,9 367 Flav.Jos.Bell. 4,8,326ff 438 Flav.Jos.Bell. 5,193f 150 Flav.Jos.Bell. 5,212f 240 Flav.Jos.Bell. 6,300f 141 Flav.Jos.Bell. 6.124-126 150 21.4.6 Philo Philo Abr. 22,113 39 Philo Abr. 131f 386 Philo conf. 41 441 Philo conf. 146 441 Philo congr. 132 288 Philo def. 10: 371 Philo def. 39 371 Philo Deus 138 288 Philo ebr. 99 288 Philo ebr. 147 288 Philo fug. 12 410 Philo fug. 90 288 Philo gig. 6 371 Philo her. 69 288 Philo her. 205 410 Philo her. 205f 429 Philo her. 215 497 Philo her. 215-220 403 Philo her. 258 288 Philo her. 265 288 Philo LA 1,108 331 Philo LA 1,31-42 263 Philo, LA 19,12.16 168 Philo Mos. 1,65 372 Philo Mos. 1,210.283 288 Philo Mos. 2,69 288 Philo Mos. 2,114 437 Philo Mos. 2,165ff 460 Philo mut. 120.203 288 Philo opif. 134-147 263 Philo QG 2,62 429 Philo QG 4,97 411 Philo sacr. 5 371 Philo sacr. 7,9 381 Philo somn. 1,239; 410 Philo somn. 1,254 288 Philo somn. 2,2.232 288 Philo somn. 2,45 410 Philo somn. I,215 429 Philo spec. 1,81 437, 441 Philo spec. 1,237 461 Philo spec. 4,188 331 Philo virt. 199-205 263 21.4.7 Späteres Judentum Midraschim, Hekhalot Bet ha-Midrasch 379 MHG Wa 379f MTann 379 MTeh 380 MTeh 17,8 380 MTeh 90,8 438 Midrasch Bereschit Rabba 389 Midrasch Wajjikra Rabbah 380 PRE 24 378 PRE 46 379 Jalq beha’alotekha 438 SiphNu 438 Targum Neofiti Targ. Neofiti zu Gen 1,3 437 Targ. Neofiti zu Gen 1,27 441 Targ. Neofiti zu Ex 20,24 205 Targ. Neofiti zu Dtn 32,15 437 Targum Onkelos Targ. Onkelos zu Dtn 33,27 437 Targ. Onkelos zu 1 Sam 7,9 205 Targum Pseudo-Jonathan Targ. Ps.-Jonathan 205 Targ. Ps.-Jonathan zu Gen 2,7 441 Targ. Ps.-Jonathan zu Gen 3,24 454 Targ. Ps.-Jonathan zu Gen 4,1 378 Mischna Joma 5,1 451 Joma 6 253 Talmud b Jom 38 b 438 21.5 Frühes Christentum 557 21.4.8 Samaritanische Texte Memar Marqa Memar Marqa 4,6 173, 379, 444 Memar Marqa 4,68 173 Memar Marqa 4,134 173 Memar Marqa 65 173 Memar Marqa 71 173 21.5 Frühes Christentum 21.5.1 Apostolische Väter Barnabasbrief Barn 1-20 249f Barn 4,6-8 109 Barn 4,11 202 Barn 5 247 Barn 5,1 249 Barn 5,5f 29 Barn 5,10 29 Barn 5.7 255 Barn 5f 179 Barn 6 247, 249, 251, 255 Barn 6,8 109 Barn 6,15 202 Barn 7 247, 249, 252, 256 Barn 12 249, 254-256 Barn 12,9 247 Barn 12,10 10, 29 Barn 16,1-10 202 Barn 19 247 1. Clemensbrief 1Clem 22,1 29 1Clem 16,2.32 29 1Clem 36 437 2. Clemensbrief 2Clem 5,5 260 2Clem 7,6 260 2Clem 8 261-262 2Clem 8,2 260 2Clem 8,4 260 2Clem 8,6 260 2Clem 9 260f, 265 2Clem 9,1-5 260 2Clem 9,5 29 2Clem 14 29, 260, 262f, 265 2Clem 14,3-5 260 Hirt des Hermas P.Herm mand 3,1,1 256 P.Herm mand 5,1,7 401 P.Herm mand 7,5 130 P.Herm mand 10,2,6 257 P.Herm sim 5,5 130-131 P.Herm sim 5,6,5 257 P.Herm sim 5,7,1 257 P.Herm sim 7,5 401 P.Herm sim 9,1,3 401 P.Herm sim 9,1.12 401 P.Herm sim 9,12,8 402 P.Herm vis 5 401 Papiasfragmente Pap 1 187 Pap 5 76 Pap 7 76 Pap 10 76 Pap 20 76 Oden Salomos OdSal 10 OdSal 1 446 OdSal 3 446 OdSal 4 446 OdSal 9,8f 446 OdSal 17 446 OdSal 36,6 119 OdSal 41 447 Polykarp von Smyrna an die Gemeinde in Philippi Polyk 7,1 57, 74-75 Polyk 9 278 Polyk 13 274, 278, 306 21.5.2 Ignatius von Antiochien An die Gemeinde von Ephesus IgnEph inscr 316, 487, 491 IgnEph 1,1 490 IgnEph 1,2 280, 323, 484-485 IgnEph 1,3 287 IgnEph 2,1 300 IgnEph 2,1-6,1 296 IgnEph 2,2 287 IgnEph 3,1 280 IgnEph 3,2 322, 491 IgnEph 4 448 IgnEph 4,1 497 IgnEph 4,1f 287 IgnEph 4,2 491 IgnEph 4-6 300 IgnEph 5,2 325-326 IgnEph 6,1 351, 353 IgnEph 6,2 286, 290, 300 IgnEph 7 275 IgnEph 7,1 290, 301 IgnEph 7,2 29 IgnEph 7,2 29, 107, 276, 320, 322, 351, 355, 359, 483, 487, 493-495 IgnEph 7f 301 IgnEph 8,1 282, 414 IgnEph 8,2 315, 320 IgnEph 8,f 285 IgnEph 9,1 287, 290, 301 IgnEph 9,2 287, 318, 348 IgnEph 9f 301 IgnEph 10 301 IgnEph 10,3 284 IgnEph 11,2 323 IgnEph 13 293, 300, 307, 349 IgnEph 13,1 284 IgnEph 13-15 350 IgnEph 14 349 IgnEph 14,1 321 IgnEph 14,2 286 IgnEph 15 300, 349 IgnEph 15,1f 354 IgnEph 15,2 293 IgnEph 15,3 202, 487 IgnEph 16 301, 349 IgnEph 16,2 350 IgnEph 16-20 483 IgnEph 17 302, 349 IgnEph 17,1 284, 350 IgnEph 17,2 293 IgnEph 18 302, 349 IgnEph 18,1 282, 349, 414 IgnEph 18,2 316, 351, 359, 487, 490-491 IgnEph 19 275-276, 285, 289, 301, 316, 319, 345, 347-348, 350-351, 409, 418, 445, 483 IgnEph 19,1 284, 293, 302, 315, 349, 354-355 IgnEph 19,2 302, 359 IgnEph 19,3 302, 356, 360 IgnEph 20 286, 322 IgnEph 20,1 316, 351 IgnEph 20,2 285, 287, 307, 327-328 IgnEph 21,1 282, 414 IgnEph 21,2 323, 327 An die Gemeinde von Magnesia IgnMagn 1,1 321 IgnMagn 1,2 284, 287, 293, 303 IgnMagn 3,2 303, 318 IgnMagn 4,1 280 IgnMagn 5,1 303 IgnMagn 5,2 316 IgnMagn 6,1 323 IgnMagn 6,2 303 IgnMagn 7 323, 327 IgnMagn 7,2 29 IgnMagn 8,1 290 IgnMagn 8,1 303 IgnMagn 8,2 354, 484-485, 489 IgnMagn 9,1 303-304 IgnMagn 9,2 315, 490 IgnMagn 9f 301, 303 IgnMagn 10,3 286, 303, 305 IgnMagn 11,1 286, 293, 304, 316, 323, 349 IgnMagn 11,2 327 IgnMagn 13,1 321, 323 IgnMagn 13,1-2 303 IgnMagn 15 287, 292 An die Gemeinde von Philadelphia IgnPhld inscr 287, 316 IgnPhld 3 296 IgnPhld 3,3 313, 316 IgnPhld 4 327 IgnPhld 4,1 327-328 IgnPhld 5,1 323 IgnPhld 6,1 286, 296 IgnPhld 6,2 284, 293 IgnPhld 6-7 286, 322 558 G. 21 Register IgnPhld 7 285 IgnPhld 7,1 290, 317-318, 322 IgnPhld 7,1f 289 IgnPhld 7,2 202, 367 IgnPhld 8 294, 323, 391 IgnPhld 8,2 281, 324 IgnPhld 8f 293 IgnPhld 9,1 323 IgnPhld 9,2 286, 294, 316, 324 IgnPhld 10,1 281 IgnPhld 10,3 281 IgnPhld 11 296 IgnPhld 11,2 292, 323, 327 An Polykarp von Smyrna IgnPol 1 299 IgnPol 2,1 299 IgnPol 2,2 299, 317 IgnPol 3,1 299 IgnPol 3,2 282, 289, 299, 313, 315, 332, 345, 359, 414, 483, 493-495 IgnPol 5,1 281, 317 IgnPol 6,1 282, 414 IgnPol 7 282 IgnPol 8,3 487 An die Gemeinde in Rom IgnRöm inscr 487 IgnRöm 2 321 IgnRöm 2,1 281, 320, 354 IgnRöm 2,2 282, 284, 287-289, 320-321, 366, 483 IgnRöm 3,2 281 IgnRöm 3,2f 340 IgnRöm 3,3 288-289, 320, 487 IgnRöm 4 328, 349 IgnRöm 4,1 282, 325-326, 414, 483 IgnRöm 4,2 293, 329 IgnRöm 4,3 323 IgnRöm 5 306, 329 IgnRöm 5,3 284, 329 IgnRöm 6,1 491 IgnRöm 6,3 316, 490-491 IgnRöm 7,1 284, 286, 293, 491 IgnRöm 7,2 196, 287, 322 IgnRöm 7,3 325-326, 370 IgnRöm 8 316, 349 IgnRöm 8,2 287, 293, 355 IgnRöm 9 292 IgnRöm 9,1 487 IgnRöm 9,3 281-282, 284, 317 IgnRöm 9,4 281 An die Gemeinde in Smyrna IgnSm inscr 333, 349 IgnSm 1 337, 339 IgnSm 1,1 316, 225, 487 IgnSm 1,1f 490f IgnSm 1,2 316 IgnSm 1-3 301, 316, 329, 344-345 IgnSm 1-7 275, 296 IgnSm 1f 293, 349 IgnSm 2 8, 290, 293, 315, 331, 333-334, 338, 349, 490 IgnSm 2,1 305, 489 IgnSm 2f 293, 297 IgnSm 3 338 IgnSm 3 328 IgnSm 3,1 334 IgnSm 3,2 3 IgnSm 3,2 331, 334 IgnSm 3,3 293, 313, 334 IgnSm 3f 258, 265, 385 IgnSm 4 339, 349 IgnSm 4,1 332, 339 IgnSm 4,2 281, 305, 332, 341 IgnSm 5 290, 332, 340 IgnSm 5,1 315, 324 IgnSm 5,1f 290 IgnSm 5,2 286, 296, 331, 333, 336, 340 IgnSm 5,3 297, 316 IgnSm 6 298, 342 IgnSm 6,1 284, 293, 297, 315, 321 IgnSm 6,2 290, 298, 342-343 IgnSm 6f 339 IgnSm 7 329, 332, 342 IgnSm 7,1 298, 490 IgnSm 7,2 316, 324, 343 IgnSm 8,1 323 IgnSm 9,1 284 IgnSm 10,1 487 IgnSm 10,2 282, 414 IgnSm 11 329 IgnSm 12 292 IgnSm 12,2 281, 316 IgnSm 13,1 321 IgnSm 16 348 IgnSm 19 340 An die Gemeinde in Tralles IgnTr inscr 304, 316, 323, 327 IgnTr 1 305 IgnTr 1,1f 491 IgnTr 2 305 IgnTr 2,1 491 IgnTr 2,2 323, 327 IgnTr 2.8 316 IgnTr 3 305 IgnTr 3,1 323 IgnTr 4 305 IgnTr 4,1 319 IgnTr 4,2 284, 293 IgnTr 4,2-5,2 315 IgnTr 4-5 286, 322 IgnTr 4f 289, 293, 305 IgnTr 5 285, 287, 319, 348 IgnTr 5,1 305, 319, 342 IgnTr 6 301, 321 IgnTr 6,1 290, 305-306 IgnTr 6,2 305, 359 IgnTr 7,1 305, 323, 487 IgnTr 8 305 IgnTr 8,1 284-285, 287, 304, 321 IgnTr 9 293, 305, 349 IgnTr 9,1 286, 313 IgnTr 9,2 490 IgnTr 9-11 305 IgnTr 9f 316, 345 IgnTr 10 8, 290, 293 IgnTr 10,1 349 IgnTr 11,1 490 IgnTr 11,2 316 IgnTr 12,1 317 IgnTr 12,2 323 IgnTr 13,1 292 Pseudo-Ignatius PsIgnEph 13,2 307 PsIgnPhil 8,1-4 353 PsIgnTr 9,3,1 305 21.5.3 Pseudepigraphe Aposteltexte Acta Vercellenses K. 17 445 Andreas-Akten ActAndr 14,3 394 ActAndr 5 411 Johannes-Akten ActJoh 6,3.8 412 ActJoh 28 379 ActJoh 70 398 ActJoh 76 372 ActJoh 87-93 13 ActJoh 89 395 ActJoh 90 397 ActJoh 92 395 ActJoh 93 13, 395 ActJoh 94-96 497 ActJoh 103-105 13 ActJoh 104 396 Paulus-Akten ActPaul 10, 379, 397, 399 ActPaulThecl 3,4 379 ActPaulThecl 21,4 394 PapyrHambActPaul 406 3. Korintherbrief 3Kor 10 3Kor 1,10-15 57 Paulus-Apokalypse ApkPaul 11,5 380, 412 ApkPaul 49 128 ApkPaul II 406 Petrusakten ActPetr 2ff 445 ActPetr 4 124, 397 ActPetr 20 394-395 ActPetr 23 124 ActPetr 28 124, 397 ActPetr 31 406 ActPetr 35 397 ActPetr 38 264 ActPetr 10, 372, 445 21.5 Frühes Christentum 559 kopt. Acta Petri 8f 395 Apokalypse Petri ApkPetr 13, 108, 381, 413, 445 Kerygma Petri KerPetr. 8 128 Martyrium des Petrus MartPetr 8,5 378, 412 MartPetr 9 264 MartPetr 12,14ff 412 MartPetr 14 397 Philippus-Akten ActPhil 60,4 395 ActPhil 144,6 380 ActPhil 11 398 Pilatus-Akten/ NikodemusEv ActPil 15,6 405 ActPil 15,7 121 ActPil 19,1 121 ActPil 19,5 449 Thaddäus-Akten ActThad 4,3 121 Thomas-Akten ActThom 121 ActThom 11 379 ActThom 25,2 121 ActThom 27 119 ActThom 31,4 394 ActThom 34 379 ActThom 39,1 394 ActThom 43-45 398 ActThom 45 313 ActThom 50,1-2. 354 ActThom 67,2 121 ActThom 143 313 Pseudo-Clementinen PsClem H 2,32,2; 2,34,2 397 PsClem H 2,34,2 397 PsClem H 2,24 445 PsClem H 2,26 445 PsClem H 7,2 391 PsClem H 17,16 396, 406 PsClem R 2,42 402 PsClem R 3,47 444 Martyrium des Matthäus MartMatth 27,3 121 Epistula Apostolorum EpAp 1 13 EpAp 7 13 EpAp 13 13, 393 EpAp 13-14 352 EpAp 14 396 EpAp 19 10 EpAp 19,17 394 EpAp 20,19 394 21.5.4 Apokryphe Evangelien Petrusevangelium 39 EvPetr 5,20 449 Hebräerevangelium EvHebr 8 295, 396, 400 Unbekanntes Berliner Evangelium (UBE) UBE 13, 156, 326, 396 UBE 8 13 UBE 9,2 394 Nazarenerevangelium EvNaz 4 449 EvNaz 8 295, 397 Papyrus Egerton 2 73 Judasevangelium EvJud 454 arab. Kindheitsevangelium 381 lat. Kindheitsevangelium 377 Kindheitsevangelium des Thomas KindhEvThom 10 KindhEvThom 7 295, 401 KindhEvThom 17 295, 401 Prot-Evangelium des Jakobus ProtEvJak 10 449 ProtEvJak 10-12 449 ProtEvJak 13,1 190 ProtEvJak 19,2ff 377 ProtEvJak 19,1 377 ProtEvJak 19,2 397 ProtEvJak 19 356 ProtEvJak 21 356 21.5.5 Textfunde aus Nag Hammadi Thomasevangelium EvThom 2 266, 366, 400 EvThom 10 397 EvThom 12 438 EvThom 13 397, 400 EvThom 14 266 EvThom 22 264 EvThom 24 104 EvThom 28 265-266 EvThom 29 265-266 EvThom 44 266 EvThom 53 266 EvThom 67 366 EvThom 77 397 EvThom 82 156 EvThom 88 382 EvThom 114 266 Philippusevangelium EvPhil 10, 108, 118, 352, 488 EvPhil 26,1 458, 465 EvPhil 20 400, 403 EvPhil 26 393 EvPhil 68 120 EvPhil 76 454 EvPhil 89 350 EvPhil 95 120 EvPhil 125 454 Evangelium Veritatis EvVer 33, 40 EvVer 3 16 EvVer 10,11 438 EvVer 22,2 400 EvVer 24,1 438 EvVer 36 119 Pistis Sophia Pistis Sophia 7f 396 Pistis Sophia 61 405 Pistis Sophia 86 119 Pistis Sophia 112 119 Pistis Sophia 128 119 Weitere NHC-Texte 3-gestaltige Protennoia 41f 357 3-gestaltige Protennoia 47,14-18 458 1 ApcJac 415 2ApcJac 16 2LogSeth 16, 415 2LogSeth 51,20ff 357 ApcPtr 16, 40 EpPt 16 EpPt 2,139,21 - 415 EvÄg 403 EvÄg 2 187 HA 89, 18-31 409 HA 94, 5f 454 I Inter 16, 415 Inter 10,5 454 Melch 379, 439 Melch 1 16 Melch 5 497 Rheg 4 288 Sapientia Jesu Christi 454 Silv 16, 403 UW 440, 454 UW 116, 8-117 409 560 G. 21 Register 21.6 Kirchenväter Justin Just.apol. 1,6,1 403 Just.apol. 1,21,2 411 Just.apol. 1,22,2 411 Just.apol. 1,63 399 Just.dial. 32,1 435 Just.dial. 55 137 Just.dial. 56,4.10 399 Just.dial. 61,1 399 Just.dial. 82 141 Just.dial. 85,2f 357 Just.dial. 86 120 Just.dial. 86,3 399 Just.dial. 93,2 399 Just.dial. 122 129 Just.dial. 125,3 398 Just.dial. 126,1.6 399 Just.dial. 126.128 488 Just.dial. 127,4 399 Just.dial. 128,1.4 399 Tatian, Or 13,3 488 Melito von Sardes Melito Passah-Homilie 5.82.96 488 Melito Passah-Homilie 66 187 Melito, Frgm. VI 226, 11 340 Irenäus von Lyon Iren.Epideixis 9 403 Iren.haer. 1,1-8 16 Iren.haer. 1,2,2ff; 454 Iren.haer. 1,3,5 454 Iren.haer. 1,6,1 404 Iren.haer. 1,7,2; 16 Iren.haer. 1,10,1 262 Iren.haer. 1,11,1 454 Iren.haer. 1,15,1-3 417 Iren.haer. 1,22,1 70 Iren.haer. 1,23,1 445 Iren.haer. 1,23,2-3 488 Iren.haer. 1,23,3 445 Iren.haer. 1,23-28 415 Iren.haer. 1,23-32 68 Iren.haer. 1,24,5 415 Iren.haer. 1,25,1-6 16 Iren.haer. 1,25,4 330 Iren.haer. 1,30,10 416 Iren.haer. 2,22,5 67, 69 Iren.haer. 2,23,4 14 Iren.haer. 3,1,1 67 Iren.haer. 3,1,3 14 Iren.haer. 3,3,3 70 Iren.haer. 3,3,4 27, 68, 72 Iren.haer. 3,11,1 72 Iren.haer. 3,16 56 Iren.haer. 3,16,5 72 Iren.haer. 3,16,6 14 Iren.haer. 3,17,1 14 Iren.haer. 3,18,6f 14 Iren.haer. 3,22,1f 14 Iren.haer. 4,33,2 329 Iren.haer. 4,33,2.5 14 Iren.haer. 5,27,2 100 Iren.haer. 5,28,4 274, 483 Tertullian Ps.Tert.haer 3; 415 Tert.carn.Chr 6 404 Tert.carn.Chr. 1,15 404 Tert.carn.Chr. 3 386 Tert.carn.Chr. 5,1 488 Tert.carn.Chr. 15,1-3 396 Tert.carn.Chr. 24 57 Tert.Incarn. 54 14 Tert.Marc. 3,8 57 Tert.Marc. 5,8 417 Tert.Marc. 5,8-11 14 Tert.Marc. 5,9 390 Tert.Prax. 16 404 Tert.scorp. 8 399 Clemens Alexandrinus Clem.Alex.päd. 1,2 488 Clem.Alex.päd. 1,59,1 399 Clem.Alex.protr. 10,111,2 12 Clem.Alex.strom. 3, 7 417 Clem.Alex.strom. 3,59,3 396 Clem.Alex.strom. 3,91,1 8 Clem.Alex.strom. 3,102,1-3 8 Clem.Alex.strom. 5,6,34f. 403 Clem.Alex.strom. 6,9,71 12 Clem.Alex.strom. 7,17 71 Exc. ex Theod. 22 Exc. ex Theod. 1,1-2 404 Exc. ex Theod. 22,4 454 Exc. ex Theod. 29,12 354 Exc. ex Theod. 35,1 399, 454 Exc. ex Theod. 42, 1 454 Exc. ex Theod. 43,2 399 Exc. ex Theod. 59,4 449 Hippolyt von Rom Hipp.haer. 5,6,6f 10 Hipp.haer. 5,8,13f 10 Hipp.haer. 7,21 415 Hipp.haer. 7,28,4 329 Hipp.haer. 8,8,2-8,10,11 8 Hipp.haer. 49.51b 329 Hipp.ref 6,31,5ff 454 Hipp.ref 7,23,2 454 Hipp.ref. 5,26 454 Hipp.ref. 10,19 418 Hipp.ref. 25,2 454 Hipp.ref. 34,1 417 Hipp.ref. 35,2.5f 417 Hipp.ref. 36,1-4 417 Hipp.Trad.Apost. 3,3 399 Origenes Or. in Ioann. 13,21 333 Or. in Joh. XIII,27 444 Or. in Mt. com.ser. 100 13 Or.Cels 1,69 335, 409 Or.Cels 1,70 335, 409 Or.Cels 2, 60 406 Or.Cels 2,23.60.61 409 Or.Cels 4,14 13, 18 Or.Cels 4,14.18 13 Or.Cels 4,15 10 Or.Cels 7,9 445 Or.Cels. 2,62; 7,16 13 Or.Cels. 2,64 394 Or.Cels. 4,15 13 Or.Cels. 4,18 13 Or.Cels. 5,52 489 Or.Cels. 5,53 386 Or.Cels. 6,71 333 Or.Cels. 7,9 488 Or.Cels. 7,16 13 Or.Cels. 8,39 401 Or.Hom. in Luc. 6,4 278 Or.princ., Vorrede, Kap 9 333 Euseb von Caesarea Eus.h.e. 3,5,3 192 Eus.h.e. 3,22 279 Eus.h.e. 3,23,3 67 Eus.h.e. 3,28 415 Eus.h.e. 3,31,1-3. 67 Eus.h.e. 3,36 279 Eus.h.e. 3,36,7f 274 Eus.h.e. 3,38,4 259 Eus.h.e. 3,39,17 76 Eus.h.e. 4,7,3 37 Eus.h.e. 5,28,4f 488 Eus.h.e. 36,7 278 Eus.h.e. 5,8,4 67 Epiphanius von Salamis Epiphanius, Pan 31,7,4 417 Epiphanius, Pan. 42,11,15 329 Epiphanius, Pan. 31,7,4 352 Epiphanius, Pan. 48,4,1 367 Hieronymus Hieronymus vir.ill. 16 278, 335 Filistratus Filistratus haer. 31,6 329 Pseudo-Makarius Ps.-Makarius hom. 4,9 333 Novatian Novatian, de trinitate 18 488 Theodoret Theodoret Ep 82 8 21.7 Pagane Texte 561 Syrische Didaskalie 20 285 21.7 Pagane Texte Corpus Hermeticum 5,10 383 Poimandres 7,2f 449 Euripides, Helena 33,36 383 Homer, Odyssee 11,601f 383 Mark Aurel Selbstbetrachtungen 7,9 334 Ovid, Fasti 3,696-702 383 Platon 17, 35, 258, 314, 369, 371, 410, 412, 497 Plinius: Briefwechsel mit Trajan Plinius Traj. 10,96,2 280 Plinius Traj. 10,96,10 280 Plinius Traj. 10,96f 280 Plinius Traj. 10,97,2 280 Plutarch Alexandervita 2,2-3,4 378 def.or. 38 367 Porphyrius, Gegen die Christen Porphyrius, Frgm. 76 384 Porphyrius, Fragm. 80 280 21.8 Koran Sure 2,87.116.136 482 Sure 3,42f.45-49. 482 Sure 3, 51-55.59.62 482 Sure 4,157-159.171 482 Sure 112, 1 482 Syrische Didaskalie 562 G. 21 Register 21.9 Moderne Autoren Bakker 33, 39, 47, 528 Balz 57, 510-511, 518 Barbel 375, 402-403, 525 Barker 194, 240, 253, 370, 376, 385, 399, 403, 410, 429, 433, 438, 449, 451-452, 488, 525 Barth, M. 98, 176, 513, 536 Bartsch 276, 290, 295, 347, 351, 522, 536 Basisbibel 52 Bauer 31, 44, 76, 132, 276, 282, 324, 329, 340, 350, 491, 510, 513, 522, 524, 536 Baur 9, 12, 16, 22-26, 34, 46-47, 61, 511, 513, 528, 536 Becker 57, 267, 507, 509, 513, 518, 528, 536, 543, 546 Berger 14, 18, 25-26, 32, 36, 43-45, 47, 58-60, 63, 65, 67, 72-74, 79-81, 83, 90, 92, 100-101, 103, 108, 111, 116-118, 121-122, 124, 127-128, 139, 141, 143-144, 146, 151, 154, 156, 159, 162, 164, 172, 175, 183, 186-189, 194, 196-197, 200, 202, 204-206, 211, 219-225, 227, 236-239, 241, 243, 246, 256, 260, 262, 273, 277, 285, 297, 343, 347-348, 352-354, 364, 371, 380, 387, 391, 398, 405-407, 422, 425, 428-429, 431, 433-435, 443, 446, 448, 456, 458, 460, 478, 485, 488, 503, 507, 511, 513, 522, 525, 528, 531, 535-537, 543 Beutler 52, 56-57, 74, 78, 113, 116, 126-127, 511, 513-514 Blank 58, 514 Boismard 58, 172, 514 Bommes 196, 274, 276-277, 279-285, 287, 289-291, 300, 315-316, 320-321, 337, 339-340, 491, 522 Borgen 417, 506, 514, 522, 536 Bousset 30, 78, 109-110, 119, 186, 188, 264, 410, 422-423, 425, 428, 525, 528, 531, 536 Brown 56, 60, 142, 197, 277-278, 286, 290, 307, 322-323, 335, 359 Brox 7-9, 11, 13, 17, 25, 34, 42-43, 47, 241, 256-258, 277, 418, 507, 528, 536-537 Büchsel 198, 408, 511, 537 Bühner 19, 92-93, 162, 433, 448, 514 Bultmann 9, 30-32, 46-47, 56-57, 79, 87, 99, 132, 219-220, 425, 427, 475, 511, 514, 531, 537 Busch 357, 401, 507, 525, 537 Carson 511, 514-515 Chadwick 68, 74, 277, 522, 531, 537 Charlesworth 117, 422-423, 514-515, 520, 526, 528, 531, 535, 537 Collins 355, 429, 526, 531, 537 Colpe 30-33, 47, 103, 398, 429, 443, 507, 528, 537 Conzelmann 57, 535, 537 Daniélou 403, 437, 537 Davies 39, 47, 522, 529 Davila 424, 428, 435, 523, 531-533, 537-538, 542 Denker 39, 47, 290, 538 Dölger 277, 287, 289, 327, 354, 523 Dunn 4, 36, 44-45, 220-224, 227, 234-235, 410, 422, 424-425, 427-430, 433, 439-440, 476, 532, 538 Eberhardt 194, 198-200, 202, 205, 538 Elze 276-277, 290, 317, 346, 350, 491, 523 Erlemann 58-60, 65, 67, 80, 139-140, 183, 198, 375, 422, 427, 503, 515, 522, 538 Foerster 331, 352, 398-399, 415-416, 445, 508 Fossum 429-430, 444-445, 526 Frenschkowski 526, 538 Frey 57, 219, 515-516, 518, 534, 538-539, 545 Gieschen 222, 375-376, 379, 382, 385, 390, 398, 404, 410, 424, 515, 526 v. d. Goltz 276, 295, 318, 346, 523 Goulder 40, 47, 56, 289, 308, 346, 529, 532 Griffith 51, 58-59, 65, 67, 80, 88, 105-106, 108-109, 111, 125-126, 147, 183, 192, 515 Grillmeier 12-13, 19, 193, 246, 256, 259, 308, 375-376, 390, 402, 404, 411, 413, 486, 488, 529, 533 Hannah 375-376, 526, 529 Häresiologen 6-7, 10, 33, 37, 42, 44, 46, 48 Harnack 10-12, 19, 28-29, 32, 46-48, 155, 258, 273, 367, 384, 428, 466, 469, 510, 516, 533, 539, 542, 546 Hengel 4, 32, 45, 57, 69, 72-74, 79, 218-220, 222, 371, 383, 408, 410-411, 424-425, 427, 466, 468, 508, 516, 526, 529, 531, 533, 539, 541, 546 Hilgenfeld 28, 56, 69, 142, 276, 326, 516, 523, 539-540 Hipp 418, 487, 489, 491, 493-496 Holtzmann 56, 101, 512 Horn 51-53, 195, 516, 520, 540 Hübner 274, 278, 309, 483-496, 523-524, 530, 540 Hurtado 4, 45, 220, 375, 405, 420, 424-425, 427-429, 440, 444, 455, 457, 533, 540 Janowski 194, 198, 540 Johansson 158, 211, 282, 368, 370, 398, 432, 435, 443, 460-462, 540 de Jonge 45, 162, 220, 222, 224, 235, 267, 359, 422-423, 435, 512, 516, 531, 533, 540 Karrer 117, 120, 166, 173, 186, 194, 239, 314, 422-423, 428-429, 522, 533-534, 544 Käsemann 15, 19, 26, 31-32, 36, 100, 516, 540 Kinlaw 20, 37-38, 56-57, 116, 259, 366, 398, 408, 434, 468, 529 Klauck 19, 56-57, 60, 74, 78, 83, 85, 87, 90, 99, 101, 113, 117, 120, 123, 126-127, 142, 192, 198, 288, 313, 355, 371, 377-378, 383, 393-394, 396, 440, 508, 512, 517, 523, 540-541 Koester 45, 60, 116, 335 Körtner 76, 508, 541 Koschorke 9-10, 40, 43, 47, 65, 70, 529 Krüger 7-8, 276 Kurowski 267, 269-271, 390, 488, 541 Lampe 70, 116, 541 Lattke 448, 508, 527 Lechner 278, 309, 483-485, 523 Leisegang 139, 541 Lietzmann 10, 32, 428, 470, 541 Lieu 60, 63, 72, 175, 512, 518 Lightfoot 274, 276, 278-279, 290, 308, 326, 346, 483, 506, 509 Lindemann 57, 76, 120, 246, 259, 280, 282, 310, 326, 485, 509, 518, 523, 537 Löhr 7, 37, 44-45, 69-70, 170, 415-416, 448, 527, 529, 534, 542 Losekam 409, 529 Luther 20-21, 45, 61, 107, 238-239, 503, 507-508, 512 Malina 355, 542 Markschies 9, 19, 28, 34, 37, 44-45, 69-70, 74, 369-370, 378, 384, 415-416, 418, 467-468, 483, 529-530, 542 Meeks 172, 518, 534 21.9 Moderne Autoren 563 Meier, H.Chr. 219, 227-228, 364, 527, 534 Meinhold 277, 290-291, 295, 523-524 Merkel 50, 68, 509, 518, 542 Michaelis 527 Michaels 518 Michl 370, 512, 527 Minear 57, 518 Möhler 20-21, 61, 542 Müller, U.B. 14, 18-20, 36, 38, 47, 58, 60, 80, 142, 151, 154, 162, 171, 220, 222, 227, 234, 239, 241, 272, 290, 315, 383-385, 398, 426, 458, 518, 524, 528, 530, 536, 543, 546 Neander 22, 47, 512, 540 Neusner 423, 441-442, 506, 514, 526, 531, 534, 542 Niemeyer 20-22, 27, 33, 39, 47, 530 Pannenberg 4, 258, 261, 410, 425, 427-428, 451, 534, 543 Paulsen 120, 219, 227, 246, 259, 274, 276, 280, 282, 295, 310, 318, 324, 326, 340, 491, 493, 509, 517, 522, 524, 543 Pétrement 37,304,467-468, 530 Popkes 56, 58, 60, 88, 99, 130, 184, 519 Rackl 276, 290, 314, 346, 491, 524 Ritter 34, 44, 129, 280, 417, 485-487, 492, 535, 537, 543 Röhser 194, 198-199, 527, 544 Rothe 27, 29, 33, 47, 544 Rudolph 8, 12, 34, 70, 264, 418, 453, 508, 519, 530 Rusam 58, 60, 87-88, 519 Sanders 224, 534, 544 Sasse 89, 131, 158, 238, 429, 433, 478, 519, 544 Schäfer, P. 378-380, 402, 432, 436-438, 442, 444, 447, 508-509, 527, 544 Schenke 60, 89, 197, 247, 403, 456, 507, 509, 519, 530 Schlier 224, 227, 232, 276, 290, 295, 309, 340, 347, 350-352, 354, 445, 491, 524, 544 Schmid 51, 62-65, 80-81, 83, 89, 126, 145, 148, 234, 511, 515, 520, 544 Schmithals 56-57, 66, 73-74, 76-77, 188, 512, 530 Schnackenburg 57-58, 83, 90, 98, 101, 113, 119, 132, 188, 512-513, 544 Schneemelcher 503, 507, 520, 530 Schnelle 34-36, 46, 53, 55-57, 63-65, 73, 78-80, 100, 108, 116, 119-120, 125, 142, 145, 175, 512, 515, 520, 530 Schoedel 274, 276, 278, 281-282, 287, 290-291, 296-297, 299, 301, 304-305, 315, 317-318, 321, 325, 327, 342, 346, 348-350, 357, 359, 361, 448, 483, 491, 495-497, 524, 544 Scholem 348, 444, 527 Scholtissek 81, 90-91, 94, 186, 520, 532 Schröter 44, 111, 127, 154, 158, 167, 170-171, 194, 377, 422-423, 428, 433, 435, 534, 545 Schunack 56-57, 101, 113, 512 Schwankl 81, 89-91, 94, 520 Schweitzer Schweizer 164, 224, 330-331, 375, 521, 535, 545 Segal 59, 375, 410, 424, 429, 433, 455, 527-528, 545 Sellin 263-264, 440, 535, 545 Slusser 7, 9, 34, 42, 530 Smalley 57-58, 60, 512, 520 Stead 18, 409, 465, 545 Stegemann 108, 197, 513, 519-520, 534, 540, 545 Strauss 22, 26-28, 33, 47, 545 Strecker 44, 56-57, 65, 78-79, 99-100, 108, 113, 119-120, 126, 132, 290, 335, 439, 445, 510, 512, 518, 520, 545 Streett 43, 51, 55-56, 58-61, 65, 67, 80, 116-117, 126, 141, 143-145, 183, 192, 196, 198, 208, 219, 272, 404, 415, 520 Stroumsa 314, 375, 408, 413, 528-530, 535, 545 Theißen 5, 45, 422, 535, 545-546 Theobald 56, 60, 521 Thyen 44, 57-59, 63-64, 79-80, 521 Tröger 9, 11, 34, 40-41, 521, 530 Uebele 3, 10-11, 15-16, 20, 36, 46, 51, 57, 61-62, 64, 100-101, 116, 142, 145, 147, 151, 188, 192, 281, 290, 304, 347, 392, 471, 530 Vielhauer 60, 73, 290, 335, 546 Vinzent 309, 523, 530 Vogler 512, 520-521 Vollenweider 220, 222, 375-376, 383-384, 399, 425-426, 433, 440, 464, 528 Voorgang 7, 9-11, 16-17, 20, 33, 40-42, 47, 413, 415-419, 530 Vouga 44-45, 513, 521, 546 Weigandt 3-4, 7-11, 13, 16, 20, 23, 32-37, 40-42, 46, 55-57, 61, 101, 116, 142, 145, 153, 254, 261, 268, 279, 281, 290, 304, 312-313, 325, 329, 347, 352, 356, 390, 392, 397-398, 400, 407-408, 416-417, 428, 471-472, 491, 530 Welker 425, 428, 480, 535 Wengst 56-58, 60, 78, 87, 101, 113, 116-117, 123, 126, 142, 183, 296, 510, 513, 521 Werner 6, 29, 375-376, 399, 404-405, 473, 488, 527-528 Wilckens 58-61, 80, 135, 183, 200, 223, 227, 232, 522, 546 Williams 7, 420, 535 Windisch 56, 58, 101, 259-260, 513, 546 Witherington 58, 513, 522 Wrede 58 Wright 4, 45, 176, 425, 510, 535, 547 Wurm 58, 60, 117, 265, 522, 530 Zahn 274, 276-278, 290-291, 308, 339, 346, 483, 510, 525 Zangenberg 67, 173-174, 510, 547 Zeller 30, 38, 220, 222, 224, 227-228, 256, 276, 383-384, 510, 535, 547 Zintzen 370-371, 528, 547 Zumstein 44, 60, 522 564 G. 21 Register 21.10 Antike Personen Athanasius 14 Basilides 24, 28, 37, 69-71, 415-416, 529 Celsus 13, 335, 401, 406, 409, 445, 488-489, 508 Doketen 8-9, 529-530 Dositheus 444 Heraklit 1, 359, 487, 496-497, 539 Ignatius 1, 3, 5-8, 13, 19, 27, 30, 34-40, 48, 57, 62, 76, 79, 125, 143, 193, 217, 245, 258-259, 262, 265, 272-332, 334-366, 368-370, 372, 385, 387-388, 390-391, 406-407, 413-414, 418-419, 422, 439, 463, 465-472, 474, 476, 479-480, 483-484, 486-487, 489-498, 503, 508-509, 519, 522-525, 529-530, 543 Irenäus 20, 25, 27, 36, 40-42, 44, 56, 58, 65, 67-72, 76, 78, 278, 415-416, 418, 444, 488, 492, 507, 524-525, 536, 542, 546 Justin 70, 73-74, 77, 120, 129, 137, 141, 248, 286, 293, 357, 386, 398-400, 403, 410-411, 420, 444, 464, 487-488, 508, 535, 538, 540, 542, 546 Karpokratianer 16 Kerdon 11, 28, 33, 35, 62, 116 Kerinth 11, 13, 20, 25, 27, 34-35, 38, 55-56, 58, 65, 68-69, 72, 125, 192, 308-309, 415, 463, 468, 530 Markion 8, 11, 14, 24, 28, 33, 35, 56, 68, 116, 125, 145, 277, 308-309, 329, 390-391, 404, 417-418 Menander 444 Naassener 10, 235 Noët 484-487, 489, 491-492, 494-496 Ophiten 416 Ptolemäus 16 Satornil 11, 17, 28, 33, 35-37, 42, 56, 62, 64, 116, 142, 281, 329, 347, 396, 415-416, 463, 466-468, 529 Simon Magus 28, 68, 372, 397, 415, 444-445, 461, 528-529 Tertullian 14, 120, 390-391, 403-404, 492, 503, 510, 526 Theodoret 8 Valentin 8, 11, 21, 24, 34, 42, 68-71, 125, 259, 308-309, 416-417, 484, 488, 496, 523, 529-530 21.11 Himmlisches Personal Adam 236, 237, 268 Antichrist: Sachregister Elia 162, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 328, 377, 381, 382, 387, 393, 397, 420, 426, 434, Engel allgemein: Sachregister Gabriel 39, 352, 376, 389, 396, 402-403 Henoch 157, 171, 181, 212-213, 328, 377, 381-382, 387, 393, 420-421, 423, 426, 428-429, 432, 435-439, 442, 456, 460, 462, 471, 507, 510, 535 Jaoel 467 Jakob 120, 175, 206, 366, 373, 386, 398, 400, 442-443 Lithargoel 395, 401 Logos 10, 12, 13, 14, 38, 99, 100, 103, 175, 262, 272, 366, 368, 376, 394, 398, 410, 411, 417, 421, 429, 432, 434, 435, 437, 438, 441, 442, 455, 458, 459, 460, 464, 465, 473, 475, 486, Memra 410, 437, 441 Menschensohn 131, 136, 156-159, 165, 175, 212-213, 237, 247, 254-255, 348, 364, 379-380, 382, 420-421, 428-430, 432-435, 437-440, 442-443, 445, 455-456, 459-461, 471, 475, 478, 513, 519, 531-532, 534-537, 541, 543 Messias siehe Sachregister Metatron 376, 381, 429, 433, 435-436, 455, 475, 527, 532, 535, 545 Michael 212-213, 295, 375, 379, 387-389, 391, 401-403, 435, 467 Name siehe Sachregister Noah 392, 397, 439 Raphael 26, 39, 253, 385, 402 Satan 110, 140, 190, 204, 212, 249, 283, 391, 397, 434, Teufel 91-92, 94-96, 106-107, 111-112, 120, 125, 138, 140, 145, 177-178, 189-190, 201, 212, 239, 268, 272-273, 284, 302, 352-353, 357-358, 407, 412, 434, 470, 476, 513, 521 Schekinah 379, 389 Sohn siehe Sachregister Vater siehe Sachregister Uriel 398, 403 21.12 Begriffe 565 21.12 Begriffe 2-Naturen-Christologie 11, 17 Antichrist 20-21, 55, 74, 84, 90, 93, 95, 114-115, 123-124, 133, 145-148, 150, 161-162, 166, 177, 179, 181, 191, 197, 237, 272, 328, 397, 445, 517, 520, 536, 538, 540 Ascensio 276, 352, 364, 393, 421, 430, 433, 435, 438, 442, 444-445, 460, 462, 480, 523, 529 Augenzeugenschaft 5, 53, 67, 78, 80, 86-88, 100-104, 128, 179-180 Bekenntnis 15, 35, 52, 54, 60, 75, 81-82, 84, 87, 94-95, 97, 101, 104, 111-114, 122-127, 129, 132-140, 142-145, 147, 157-158, 160-164, 176, 204, 215-216, 223, 298, 301, 400, 424, 457-458, 476, 489, 502, 517, 531 Besessenheiten 37, 357 Blut 53-54, 62, 129, 133, 143, 153, 161-162, 182-183, 185, 192-205, 207-210, 216, 226, 228, 237, 239-240, 250, 254, 268-270, 272, 280, 284, 321-322, 326-328, 330-331, 334, 337-339, 342-344, 360, 450, 456, 460, 469-470, 475, 490, 519, 521, 538 Doketismus 3-35, 37-43, 46-48, 50-51, 55, 57-58, 61, 65-67, 78, 125, 142-145, 155, 183, 188, 192, 213, 215, 219-220, 226, 237-244, 246, 250, 255, 258-259, 265, 270-271, 273-275, 277, 289, 292, 295-297, 300-301, 303, 308-311, 315-316, 323, 334, 345, 352, 358, 361-365, 373-374, 376, 390-392, 394, 399, 404, 409-410, 413, 417-420, 422, 426, 440, 463-466, 469, 471-474, 476, 478-481, 483, 520, 528-530, 538 naiv(er Doketismus) 6, 14, 19, 29, 32, 34-36, 46, 51, 271 275, 422, 466 Doketisten 3, 8, 14, 19, 33, 50, 66, 78, 142-143, 183, 188, 258, 273, 292, 296, 299, 301, 303-305, 308, 311-314, 316, 329, 331-332, 335-336, 345-346, 348-349, 351, 358, 361-362, 368, 373, 382, 385, 388, 390-391, 404, 407-409, 413, 418-419, 469, 472, 474-475, 479, 498 doketistisch 1-5, 7, 9, 11-12, 14-17, 19-21, 25, 28, 30, 33, 35-37, 39-42, 47-48, 50, 52, 57-58, 62-63, 72, 77-78, 145, 165, 182, 192-193, 198, 216-219, 226, 238, 242, 245, 247, 253-254, 258-259, 262, 273-276, 289-290, 292-293, 295-299, 302, 304, 307-311, 313-316, 319, 329, 332, 337, 346, 349, 357, 359, 361-364, 366, 368, 373, 382, 385, 388, 390-391, 405, 407-409, 413-415, 418-419, 422, 464, 469, 472-473, 478-479, 484, 530 antidoketistisch 3, 5-6, 15, 31, 36, 50, 52, 77, 193, 273, 299-300, 303, 308, 314-316, 322-323, 344-345, 358, 361, 422, 476 Engeldoketismus 1, 19, 245, 270-271, 313, 345, 363, 374, 384, 390-392, 417, 440, 463-465, 468, 472, 479-480. Engelchristologie 6, 12, 39, 143, 145, 213, 375-376, 399, 401, 404, 410, 426, 428, 472-473, 525, 527-528 Angelologie 6, 14, 38, 373, 376, 403, 473, 527 angelomorph 213, 382, 496 engelhaft 6, 213, 270, 382, 387, 393, 405, 420, 435, 456, 465, 473, 477-478 Engel 1, 12, 19, 39, 139, 153-154, 197, 238, 257, 263, 273, 319, 335, 337, 339, 356, 363, 365, 369-370, 372-373, 376, 381, 384, 387, 391-394, 399, 401-402, 404-405, 410, 415, 419, 428, 446, 459-461, 466-468, 470, 475, 480, 527 Engelvorstellungen 6, 21, 28, 472 Enthusiasmus 55, 57, 288, 367 Epiphanie 12, 29, 37-38, 46, 112, 220, 270, 300, 358, 378, 380, 382-384, 390, 426-427, 453, 464, 478, 494-495, 526 Ekstase 37, 365-367, 393, 460 Fleisch 1-3, 5-6, 12-13, 21, 24, 26, 29, 31-32, 38, 40, 48-50, 54-55, 57, 59-60, 62, 74, 82, 92-97, 101, 125-126, 129, 131, 140, 142-145, 147-155, 157-158, 160-162, 164-166, 170, 176-181, 183-185, 191, 193-194, 197, 209, 212, 214-221, 223-235, 237-266, 268-269, 271-277, 288, 297-300, 303-304, 315-334, 336-339, 341-344, 346-347, 349, 355, 359-365, 368-369, 404-405, 417-422, 426-427, 432, 436, 449-458, 462-464, 466, 468-471, 473, 475-479, 481, 493, 498, 513, 515, 521, 531, 535-536, 539, 545 Fürsprache 198, 204, 208-211, 213, 216, 224, 239, 272, 438 Gegner 1, 3, 5-6, 8, 13-14, 19-21, 23, 27-28, 31, 33-36, 38-40, 42-58, 60-66, 68, 78, 81-82, 88, 94, 97, 101, 103-104, 107, 110-114, 116-119, 122-125, 129, 131-132, 134-137, 139, 141-143, 145-146, 151-155, 157, 159, 169, 176-179, 181-186, 188, 190-193, 195-196, 209-210, 213-216, 227, 246, 265, 270, 274-278, 281, 283-285, 289-290, 292-306, 308-317, 319, 323-324, 329, 331-332, 334, 336-351, 357-359, 361-366, 368-370, 372, 385, 387-388, 406-407, 412, 414, 422, 457, 463, 465-471, 473-474, 477, 479, 484-486, 496, 517, 520, 522, 530, 536 Geistchristologie 19, 29, 153, 218, 254, 258, 261, 273, 428, 469 gesalbt 52, 97, 104, 110, 116-118, 120-122, 125, 138-139, 167, 172-173, 188, 200, 212, 349, 397, 422-424, 426, 434, 447, 478, 534-535 Gnosis 5, 8-14, 16-18, 21-27, 30-34, 36-37, 41-43, 46-48, 51-52, 56-58, 65, 69-70, 74, 77, 80, 117, 119, 121, 125, 143, 153, 183, 188, 215, 259-260, 264, 276, 290, 347-348, 354, 368, 373, 394, 404, 409, 418, 425, 433, 458, 467, 472-473, 476, 496-497, 507-508, 521, 527-530, 541 Häretiker 20, 22, 43-44, 60, 69, 72, 509, 546 Himmel 13, 28-30, 131, 151, 153, 156-160, 162, 171, 175, 179, 181-182, 208-209, 211, 213, 215, 222-223, 237, 243, 255, 259, 261, 267-268, 271, 275-276, 288, 294, 302, 305-306, 312, 321-322, 326-328, 343, 348, 352, 355-356, 358, 360, 363-364, 368, 377, 382-383, 389-390, 392-393, 404, 411, 413, 415, 420, 422, 428-429, 431-432, 435-439, 441-442, 444, 447, 566 G. 21 Register 449-450, 452, 454-456, 458, 460-462, 469-470, 473, 478, 481 Idealismus 24-25, 46-47 Inkarnation 1-7, 13, 16, 19-20, 27, 29, 32-33, 38, 47-48, 52, 57, 59, 62, 89, 97, 117, 143, 151, 176, 178, 209, 215-216, 218-220, 227, 239, 241, 243, 246-247, 258-259, 262, 266, 272-275, 278, 297, 301, 347, 358, 360-365, 368-369, 376, 384-385, 398, 404, 420, 422, 424, 426-428, 430, 434, 439, 451, 463-465, 469, 474-475, 481, 494, 530, 532 Inspiration 37-38, 56-57, 146, 362, 364, 421, 434-435, 448, 461, 541 Isangelie 12, 19, 38, 206, 345, 369, 373, 376, 448, 473-474, 525 Kleider 198, 419, 421, 449, 451-453, 456, 458-459, 461-462, 464-465, 468, 480, 540 Kleidung 181, 364, 438, 449, 452-453, 456, 464 Kult 2, 49, 109, 111, 116, 122, 175, 177, 181-182, 194-195, 198-201, 203-204, 206-212, 214-216, 218, 224, 240, 249-250, 254, 272, 280, 282, 287, 325, 421, 430-432, 438, 440, 443, 450, 453-454, 456, 461-462, 476-479, 503, 510, 514, 526, 529, 538, 541, 547 Leib 6-7, 10, 12-13, 17-19, 24-25, 31, 42-43, 48, 57, 120, 162, 171, 176, 208, 224, 226, 230-231, 237-238, 240, 258, 261-263, 265-266, 272, 274-275, 287, 293, 296-297, 299, 306, 311-317, 319, 321, 326, 328-332, 334-339, 341-342, 344-347, 350, 358, 360-362, 365, 368, 375, 382-383, 392-393, 396, 401, 404-405, 414-415, 418-419, 422, 426, 431, 449-450, 454, 458-459, 461, 465-466, 468-470, 491, 495, 519, 540 Leiden 1, 5-9, 11-14, 16-18, 29, 33, 40-41, 48-49, 57, 136, 143, 156-157, 172, 215-216, 218, 228, 230, 237, 241-242, 244-256, 267-268, 270-271, 273-278, 281-284, 288, 293-295, 297-298, 300-304, 306, 311-316, 319-320, 324-325, 329, 331-332, 334, 336-341, 343-347, 350-351, 359-360, 362-363, 369, 372, 374, 386, 391, 412, 414-415, 417-419, 439, 465-466, 471-472, 474, 486, 491, 493, 495, 516-518, 522-523, 525-526, 528-534, 536-540, 542-543, 545-546 Liebe 52-54, 62-63, 81, 84, 90-91, 93, 95, 104, 109, 120, 126-127, 129-133, 138-139, 144, 149, 161, 163-164, 178-180, 182, 201, 203, 213-214, 216, 221, 226, 240, 242, 251, 256, 286, 288, 297-299, 319-322, 326-327, 331-332, 337-339, 342-344, 351, 359-360, 446-447, 450, 479, 481, 513, 517-519, 521, 543 Märtyrer 75, 191-192, 205, 241, 273-275, 277-278, 282, 284, 289, 297, 329, 341, 347, 363, 365, 368-369, 380, 411-413, 432, 445, 460, 465, 468, 474, 483-484, 509, 519, 523, 535, 537-539 Memra s. himmlisches Personal Menschensohn s. himmlisches Personal Menschwerdung 5, 7, 31, 33, 60, 174, 219, 221, 223, 227, 237, 251, 264, 273, 300, 358, 420, 427, 458, 464, 475, 480, 530, 535, 541 Messias 5-6, 12, 26, 52-53, 58-60, 81-82, 94-95, 97, 101, 119, 124-126, 133, 135, 145, 157, 159-162, 164, 166, 169-174, 178-180, 182-183, 185-188, 190, 195, 198, 210, 213-215, 217-220, 225-226, 249-250, 255-256, 260, 271-274, 314-316, 336, 342, 346, 351, 363-364, 419-424, 426-427, 429-430, 432-433, 435, 438-439, 446, 451, 453, 463, 469-472, 475-480, 532-534 Metamorphose 37-38, 46, 56, 363-364, 374, 381-382, 391-393, 395, 444, 461, 507-508, 528 Mittelplatonismus 18, 331, 336, 371, 411, 479, 538, 547 Mittler 177, 206, 216, 239-240, 272, 274, 276-278, 342, 383, 398, 411, 420-422, 426, 428-429, 431-432, 439-440, 456, 459-461, 473, 475, 480, 535, 548 Modalismus 5, 34, 491-492 Monophysitismus 5, 7, 34, 36-37, 151 471-472, 543 Mystik 2, 6, 14, 19, 41, 275, 277, 285, 348, 363-365, 374, 378, 382, 384, 390, 430, 436, 444, 446, 448, 479, 525, 527, 541 Name 34, 56, 67, 76, 79, 98-99, 105-106, 121, 127-130, 132-133, 138, 142, 156, 173, 181, 222, 254, 269-270, 280-282, 286, 297, 301, 303-304, 308-311, 339, 341, 354, 357-358, 383, 389, 398, 401-402, 410, 414, 417, 421-423, 428-430, 433, 436-438, 441-442, 446-448, 455, 457, 474, 476-478, 480, 486, 491, 525-526, 528, 533 Neuplatonismus 46 Patripassianismus 486 Pneumachristologie 10, 29, 261, 428 Polymorphie 13, 37, 43, 345, 383, 392-393, 396, 458, 528, 532 Salbung 26, 35, 52-53, 55, 57, 64, 93, 95, 107, 112-115, 117-121, 120-121, 123-125, 138, 145, 171-173, 195, 209, 381, 423-424, 435-436, 479, 520, 541, 547 Schein 3-8, 11-17, 20, 23-24, 26, 29-30, 33-34, 36-37, 41-42, 45-46, 48, 52, 65, 82, 93, 104, 120, 139, 143, 153, 165-167, 174-175, 180, 184, 187, 190-191, 213, 236-237, 247, 256, 266, 274, 285, 296-297, 299, 304-305, 312, 327, 331-332, 334, 337-339, 344, 346, 349, 355, 358, 368, 372, 378, 383-392, 395-396, 401, 406, 408, 415, 419, 423, 440, 465, 467, 472, 476, 478, 481, 489, 495, 497-498, 521, 546 Scheinchristologie 12 Sendungschristologie 38, 272, 514 Sohn 4, 11, 15, 18, 30, 52, 54, 60, 65, 81, 92, 94-96, 99, 102-108, 111-113, 116, 121-123, 125, 127-128, 131-135, 138, 140, 143, 146-147, 151, 158, 160-164, 167, 177, 180, 184-185, 189-190, 193, 201, 203, 215, 217, 221-222, 224-226, 229-233, 235-237, 239, 243, 249-255, 257, 267-268, 313, 337-338, 350, 352-353, 357, 360, 364, 377, 386, 398, 400-403, 410-411, 415-418, 426, 428, 439, 443, 446-449, 455, 459, 462, 475-478, 482, 484, 486-487, 489-491, 522, 533-535 Suborditianismus 34 21.12 Begriffe 567 Sühne 60, 181-182, 194, 198--211, 213-214, 216, 242, 272, 379, 450, 456, 536, 539-541, 544-545, 547 Sünde 52-54, 57, 81, 94-95, 100, 105-106, 109, 128, 132-134, 138, 150, 152, 154, 156-158, 160-161, 163, 165, 174, 177, 182-186, 188-191, 194-204, 206-216, 219, 227-235, 237, 239, 241-242, 244, 247, 249-254, 261, 268, 272, 298, 317-318, 336, 342, 373, 417, 451, 456-457, 470-471, 474, 479, 513-514, 516, 518, 521, 529, 537, 539, 545-547 Taufe 11, 24, 53-54, 119-121, 140, 162, 173, 184, 192-196, 198, 209-210, 215-216, 227, 231, 241-242, 244, 249, 287, 350-351, 415, 444, 459, 479-480, 520 Tempel 67, 97, 106, 109, 141, 150-151, 168, 175-178, 181-182, 194, 198-200, 202-204, 208-210, 215, 218, 238, 240-241, 245-246, 249-250, 252, 261-262, 269, 272, 280, 287-288, 318, 320, 349, 355-356, 373, 378, 421-422, 425, 430-432, 436, 438, 441-443, 449-456, 458-459, 461-462, 464, 470, 475-477, 480, 490, 519-520, 527, 533-534, 536-538, 541-542, 544-546 Transformation 7, 206, 426, 455, 528 Trennungschristologie 7, 13, 16-17, 24, 38, 41, 52, 56, 418-419, 465, 468, 478 Vater 13, 30, 54, 93, 96, 98-99, 102-105, 110-111, 113, 115-116, 120-122, 125-126, 128, 135, 152, 156, 158-159, 161-164, 167, 185, 187, 204, 211, 215, 217, 221-222, 230, 255, 263, 298, 306, 313, 320, 323, 334, 337, 339, 342, 352, 396, 400, 416, 418, 439, 459, 477, 486-487, 489-491 Vergebung 106, 182-184, 239, 250, 252, 490, 545 Versöhnung 151-152, 163, 196, 200-202, 204, 206-208, 210, 218, 237, 253, 272, 451, 536 Vorhang 240-241, 272, 355, 421, 441, 449-454, 461, 464 δόκησις 7, 17, 23, 408-409, 414, 465 062912 Auslieferung Juli 2012.indd 12 16.07.12 13: 42 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de JETZT BESTELLEN! Matthias Klinghardt Hal Taussig (Hrsg.) Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum Meals and Religious Identity in Early Christianity Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, 56 2012, 372 Seiten €[D] 78,00/ SFr 105,00 ISBN 978-3-7720-8446-1 Das gemeinsame Essen und Trinken prägte wesentlich die Identität antiker Gemeinschaften: Soziales und religiöses Selbstverständnis, Zugehörigkeit und innere Struktur sowie die Abgrenzung von anderen Gruppen waren in hohem Maße durch das gemeinsame Mahl bestimmt. Unter diesem Paradigma behandeln die Beiträge des vorliegenden Bandes frühchristliche Gemeinschaftsmähler in ihrem kulturellen und religionsgeschichtlichen Kontext. Sie untersuchen die rituelle Mahlpraxis und den Diskurs über Mähler vom klassischen Athen über Qumran, die neutestamentlichen Schriften und die Kirchenväter bis hin zu den ältesten Klosterregeln. 048012 Auslieferung Mai 2012.indd 8 24.05.12 08: 42 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@francke.de • www.francke.de JETZT BES TELLEN! Philipp F. Bartholomä The Johannine Discourses and the Teaching of Jesus in the Synoptics Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, Band 57 2012, XIV, 491 Seiten €[D] 78,00/ SFr 97,90 ISBN 978-3-7720-8457-7 Especially those scholars with a negative attitude towards Johannine authenticity have frequently employed the argument based on vast differences between John and the Synoptics as to substantiate their view. Having established the methodological necessity for a clear differentiation between similarity in wording and similarity in content, the study’s main result is that what we nd in the Johannine discourses is a representation of the teaching of Jesus that corresponds conceptually to a signi cant degree with the picture offered by Matthew, Mark, and Luke, though couched in a very different idiom. Indeed, other historical questions need to be answered in order to demonstrate positively the historical reliability of Jesus’ words in the Fourth Gospel. However, detailed comparisons between the teaching of Jesus in the Synoptics and Jesus’ words in John show that to deny the possible authenticity of the Johannine discourses based upon an alleged incoherence with Jesus’ teaching in the Synoptic Gospels is unjusti ed in light of the evidence. 062912 Auslieferung Juli 2012.indd 12 16.07.12 13: 42 Doketismus und Inkarnation als diametral entgegengesetzte Positionen der frühen Christologie werden erstmals in ihrem Zusammenhang und von ihren Entstehungsmöglichkeiten her erklärt und analysiert. Der Erste Johannesbrief, der lange als Kronzeuge für doketistische Christologie galt, hat im Gegensatz zu den späteren Ignatiusschriften zwar mit Doketismus noch nichts zu tun, liefert aber Hinweise auf die Entstehung der Inkarnationschristologie, die wiederum Voraussetzung für spätere doketistische und gnostische Auffassungen ist. Für beide Positionen spielt die Orientierung an Engeln, frühjüdischer Mystik und Tempelkult eine herausragende Rolle. Die Entstehung der Christologie, das Zentrum christlicher Theologie, wird mit dieser Arbeit in neuer Weise erschlossen. TANZ 58 Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter