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Auf Tuchfühlung

2013
978-3-8649-6365-0
UVK Verlag 
Marc Spohr

Ravensburg war über Jahrhunderte hinweg eine Textilstadt. Die Produktion von Leinwand und dem Baumwollmischgewebe Barchent brachten der Stadt und der gesamten Region Bodensee-Oberschwaben im Spätmittelalter Reichtum. Das Gebiet vom Schwarzwald bis zum Lech und von der Schwäbischen Alb bis über den Bodensee nach St. Gallen war im Spätmittelalter eines der wichtigsten Textilreviere Europas. Mit den städtischen Zentren St. Gallen, Konstanz, Ravensburg, Biberach, Ulm und Augsburg bildete die Region ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet. In den Städten und auf dem Land schossen tagein tagaus die Webschiffchen durch die Webstühle. Die gesamte ummauerte Reichsstadt Ravensburg war mit Orten, Institutionen und Menschen besiedelt, die Textilien produzierten, veredelten und verkauften. Ihre Erzeugnisse wurden von den süddeutschen Handelsgesellschaften nach ganz Europa exportiert. Durch den Dreißigjährigen Krieg und die Entstehung neuer Textilreviere verlor Ravensburg während der frühen Neuzeit an Bedeutung. Die Stadt nahm nur noch eine Zulieferfunktion für die aufstrebende St. Galler Textilwirtschaft ein, die sie mit Garn und Arbeitskräften für die Stickerei versorgte. Während des 19. Jahrhunderts erlebte die Textilwirtschaft in Süddeutschland eine Renaissance. Sie wurde zum Leitsektor der frühen Industrialisierung. In Ravensburg entstanden mechanisierte Webereien, Spinnereien und Stickereien. Durch die Globalisierung fand die Textilproduktion im 20. Jahrhundert ein jähes Ende und die Tradition Ravensburgs als Textilstandort wurde endgültig begraben.

Historische Stadt Ravensburg Herausgegeben von Andreas Schmauder und Franz Schwarzbauer Bd. 6 Begleitband zur Ausstellung: »Auf Tuchfühlung. 1000 Jahre Textilgeschichte in Ravensburg und am Bodensee« Vom 26. April bis 13. Oktober 2013 Museum Humpis-Quartier Ravensburg M arc S pohr Auf Tuchfühlung 1000 Jahre Textilgeschichte in Ravensburg und am Bodensee UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz und München Gedruckt mit Förderung durch die Ladnerinnen der Museumsgesellschaft Ravensburg e.V. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1615-5750 ISBN 978-3-86496-365-0 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2013 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandabbildung: Ausschnitt aus David Miesers »Ansicht der Stadt Ravensburg aus der Vogelperspektive«, 1625 Druck und Bindung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de Inhaltsverzeichnis Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Einleitung: Reichtum durch Leinwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Die Grundlage textiler Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Rohstoffe Wolle, Baumwolle, Seide, Hanf und Flachs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Der Flachsanbau und die Mär vom »blauen Allgäu« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich . . . . . . . 23 Die Gewinnung der Flachsfaser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Die spinnenden Schwaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf« . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Der Garn- und Wergmarkt in der Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Zu Gast bei armen Leuten: Die Weberzunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Die Textilprofiteure: Die Schneiderzunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilindustrie . . . . . . . . 67 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Oberdeutsche Kaufleute und das Verlagswesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Barchent: Ein Baumwollmischgewebe als Exportschlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 Der Niedergang der Ravensburger Weberzunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Passiver Veredelungsverkehr: Sticken im Auftrag St. Gallens . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Die Erfolgsgeschichte des Augsburger Kattundrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts. . . 119 Die Färberei und Weberei Kutter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 8. Das Ende der Ravensburger Textilwirtschaft im 20. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6 Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Ausstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Geleitwort Ravensburg war über Jahrhunderte hinweg eine Textilstadt. Die Produktion von Leinwand und dem Baumwollmischgewebe Barchent brachten der Stadt und der gesamten Region Bodensee-Oberschwaben im Spätmittelalter Reichtum. Das Gebiet vom Schwarzwald bis zum Lech und von der Schwäbischen Alb bis über den Bodensee nach St. Gallen war vom 13. bis zum 16. Jahrhundert eines der wichtigsten Textilreviere Europas. Mit den städtischen Zentren St. Gallen, Konstanz, Ravensburg, Biberach, Ulm und Augsburg bildete die Region ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet. Die gesamte ummauerte Reichsstadt Ravensburg war mit Orten, Institutionen und Menschen besiedelt, die Textilien produzierten, veredelten und verkauften. Ihre Erzeugnisse wurden von der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft unter der Leitung der Familie Humpis nach ganz Europa exportiert. Mit dem Ende der Handelsgesellschaft verlor Ravensburg seine Bedeutung als Textilstadt. Während der Industrialisierung feierte die Textilwirtschaft in Ravensburg eine Wiederauferstehung. Es entstanden mechanisierte Webereien, Spinnereien und Stickereien. Im Königreich Württemberg gehörte Ravensburg zu einem der bedeutendesten Textilstandorte des Landes. Anlass für das Museum Humpis-Quartier, sich 2013 in einer großen Sonderausstellung und im vorliegenden Band mit dem Titel »Auf Tuchfühlung - 1000 Textilgeschichte in Ravensburg und am Bodensee« mit der Thematik auseinanderzusetzen. Möglich geworden sind Buch und Ausstellung erst durch das langjährige ehrenamtliche Engagement der Ladnerinnen der Museumsgesellschaft Ravensburg e.V., von denen die Idee zu dieser Ausstellung stammt und die durch ihren unermüdlichen Verkauf von gespendeten Objekten aus der Bürgerschaft den finanziellen Grundstock für das Buch, die Sonderausstellung und drei Wunderkammern im Gebäude Humpisstraße 3 geschaffen haben. Für dieses vorbildliche Engagement bedanken wir uns ganz herzlich, namentlich bei der Leiterin des Ladens, Frau Elsbeth Rieke, und - stellvertretend für alle Aktiven - beim Vorsitzenden Bodo Rudolf. Unser Dank gilt auch insbesondere denjenigen Ravensburgerinnen und Ravensburgern, die den Museumsladen seit Jahren mit ihren Sachspenden bereichern. Realisiert werden konnte die Ausstellung nur durch die Leihgaben benachbarter Museen und durch die großzügige Überlassung von Objekten aus der ehemaligen Färberei und Weberei Kutter aus der Bachstraße/ Weinbergstraße in Ravensburg. Dafür bedanken wir uns bei Frau Heidi Gairing geb. Kutter und allen anderen Leihgebern und Spendern. Herr Marc Spohr M.A. hat als wissenschaftlicher Volontär des Museums Humpis-Quartier die ihm gebotene Chance, selbständig eine große Sonderausstellung zu kuratieren und den Begleitband zu verfassen, ganz hervorragend genutzt. Buch und Ausstellung tragen wesentlich seine Handschrift, profitieren von seinen Forschungsergebnissen 8 Geleitwort und Ideen. Für seine Leistungsbereitschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken wir uns ganz herzlich und gratulieren zum großartigen Erfolg. Allen, die darüber hinaus am Ausstellungs- und Buchprojekt beteiligt waren, dem Ausstellungsteam und der UVK Verlagsgesellschaft Konstanz danken wir sehr. Ravensburg, im März 2013 Dr. Daniel Rapp Dr. Andreas Schmauder Oberbürgermeister Direktor Museum Humpis-Quartier 1. Reichtum durch Leinwand Ravensburg war über Jahrhunderte hinweg eine Textilstadt. Die Produktion von Leinwand stellte im späten Mittelalter die Basis ihrer wirtschaftlichen Stärke dar. Die Blütezeit, die Ravensburg und die anderen oberschwäbischen Reichsstädte im 14. und 15. Jahrhundert erlebten, verdankten sie der Produktion und Ausfuhr von Leinwand. 1 Kleidung war für Menschen schon immer überlebenswichtig. Ihre Produktion ist daher seit Jahrtausenden wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens. Im Laufe des Mittelalters und der frühen Neuzeit bildeten sich in Europa Landschaften heraus, in denen diese Erzeugnisse den Schwerpunkt der Produktion bildeten. Das Gebiet vom Schwarzwald bis zum Lech und von der Schwäbischen Alb bis über den Bodensee nach St. Gallen war im späten Mittelalter eines der wichtigsten Textilreviere Europas. Mit den städtischen Zentren St. Gallen, Konstanz, Ravensburg, Biberach, Ulm und Augsburg bildete die Region ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet. 2 Die Bauern lieferten mit dem blau blühenden Flachs den Rohstoff für die Leinwandproduktion. Auf den großen Höfen des Allgäus und Oberschwabens wurde der Flachs in mühsamer Arbeit angebaut, verarbeitet und zu Garn versponnen. Das angebliche »blaue Allgäu« und das ländliche Oberschwaben waren die Rohstoffkammern für die Weber der Region. In den Städten und auf dem Land schossen tagein tagaus die Webschiffchen durch die Webstühle und erzeugten Leinwand und Barchent. Die gesamte ummauerte Reichsstadt Ravensburg war mit Orten, Institutionen und Menschen besiedelt, die Textilien produzierten, veredelten und verkauften. Viele der im späten Mittelalter entstandenen süddeutschen Handelsgesellschaften begannen ihren Handel mit der heimischen Leinwand. 3 Sie exportierten die gefertigten Waren nach ganz Europa und profitierten besonders von der räumlichen Nähe zu den wichtigen Handelsstädten Norditaliens. Der Handel mit dem heimischen Produkt war Grundlage für den Aufstieg zahlreicher Kaufleute zu wichtigen Akteuren im europäischen Handelssystem. Die Handelsgesellschaften und Kaufleute waren es auch, die mit ihrem Innovationsstreben den Barchent, ein Baumwollmischgewebe, als neues Erzeugnis im hiesigen Textilrevier etablierten und es zum Exportschlager machten. Durch den Dreißigjährigen Krieg und die Entstehung neuer Textilreviere verlor Ravensburg während der frühen Neuzeit an Bedeutung. Die gesamte Region nahm nur noch eine Zulieferfunktion für die aufstrebende St. Galler Textilwirtschaft ein, die sie mit Garn für deren überlegene Leinwandproduktion und Arbeitskräften für die Stickerei versorgte. Das süddeutsche Textilrevier befand sich im Niedergang. Die zünftisch organisierten Weber hatten besonders zu leiden, ihr Handwerk ernährte sie nicht mehr. Es gab nur wenige Städte, wie Augsburg, die durch Spezialisierung auf den Kattundruck oder andere Luxuserzeugnisse ihre Bedeutung für die Textilwirtschaft wahren konnten. Während des 19. Jahrhunderts feierte die Textilproduktion in Süddeutschland eine Wiederauferstehung. Sie wurde zum Leitsektor der frühen Industrialisierung. In Ra- 10 1. Reichtum durch Leinwand vensburg entstanden mechanisierte Webereien, Spinnereien und Stickereien. Die ehemalige Reichsstadt wurde durch den auflebenden Textilsektor zur »industriellen Insel« in Oberschwaben. 4 Bedeutende Unternehmen wie die Spohnsche Spinnerei, die Kunststickerei Osiander, die Gardinenfabrik Albert Schwarz oder die Baumwollfeinweberei Manz und Stimmler ließen Ravensburg zu neuer wirtschaftlicher Kraft aufsteigen. Durch die Globalisierung fand die Renaissance der Textilproduktion im 20. Jahrhundert ein jähes Ende. Im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde die Textilproduktion fast vollständig in asiatische Länder ausgelagert. Nur wenigen Kennern der Geschichte ist daher bewusst, dass bis dahin Produktion und Handel textiler Stoffe über Jahrhunderte hinweg wichtige Faktoren und Indikatoren für Wohlstand und Reichtum in Ravensburg waren. Vom einfachen Bauern aus dem Umland, dem städtischen Weber in seinem Webkeller, bis hin zu den reichen Kaufleuten übten Textilien und deren Herstellung großen Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt aus. Ravensburg und die gesamte Region waren über nahezu 1000 Jahre eng mit der Textilproduktion »verwoben«. Anmerkungen 1 Ammann, Hektor: Die Anfänge der Leinenindustrie des Bodenseegebiets, in: Alemannisches Jahrbuch 1953, S. 251-314, S. 290. 2 Schremmer, Eckart: Die oberschwäbische Textillandschaft bis zum Beginn des Merkantilismus, in: Max Spindler (Hg.): Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd.III/ 2, München 1971-1975, S. 1073-1080, S. 1076. 3 Göttmann, Frank: Die Bedeutung des textilen Verlagswesens und die Konstanz- Memminger Handelsgesellschaft Grimmel Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Angelika Westermann(Hg.): Beschaffungs- und Absatzmärkte oberdeutscher Firmen im Zeitalter der Welser und Fugger, Husum 2011, S. 143-158, S. 152-153. 4 Kuhn, Elmar L.: Industrialisierung in Oberschwaben und am Bodensee. Beiträge und Daten zur Entwicklung von Bevölkerung, Agrarstruktur, Industrie, Berufstätigkeit, Wahlverhalten, Arbeiterbewegung und Lebenshaltungskosten (Geschichte am See 24), Bd. 1, Friedrichshafen 1984, S. 107. 2. Die Grundlage textiler Stoffe Grundlage für jedes textile Produkt sind geeignete Rohstoffe, aus denen in verschiedenen Arbeitsschritten Textilien gefertigt werden können. Als Grundlage kamen jene Materialien in Betracht, aus denen Fasern gewonnen werden konnten, die zum verspinnen und damit zur Garngewinnung geeignet waren. Zugleich mussten die Fasern eine gewisse Reißfestigkeit und Belastbarkeit besitzen, gleichzeitig aber auch weich und geschmeidig genug sein, um ein Mindestmaß an Tragekomfort sicher zu stellen. Diese Eigenschaften wurden im Mittelalter am ehesten der Schafwolle, der importierten Baumwolle und mit Abstrichen dem Hanf zugesprochen. Der wichtigste Rohstoff für die Textilproduktion im Raum Bodensee-Oberschwaben sollte jedoch bis in das 19.- Jahrhundert hinein der Flachs sein. Der Flachsanbau nahm in den landwirtschaftlichen Gebieten des Allgäus eine solch große Rolle ein, dass vielerorts vom »blauen Allgäu« gesprochen wurde. Das Bild wurde geprägt von den ehemals blau blühenden Flachsfeldern, die sich den Bewohnern und Besuchern der Region von Juli bis August zeigten. Die Rohstoffe, Wolle, Baumwolle, Seide, Hanf und Flachs Schafwolle Die gebräuchlichste tierische Faser für die textile Produktion liefert die Schafwolle. Schafe werden meist gegen Ende des Frühjahres geschoren, manchmal noch ein zweites Mal im Herbst. Die beste Wollqualität, die Schurwolle, liefert das lebend geschorene Schaf. Sie stammt im besten Fall von der Schulter, vom Hals oder von der Seite des dreibis sechsjährigen Schafs. Die Schur erfolgt in der Regel einmal im Jahr per Hand mit Hilfe von Schermaschinen. Dabei wird versucht, die Schafwolle möglichst ohne Verletzung der Tiere am Stück zu gewinnen. Die gesamte zusammenhängende Wollfläche wird als Vlies bezeichnet. Bevor Wolle versponnen werden kann, muss sie gereinigt und gewaschen werden. Dadurch werden die Verschmutzungen und das Wollwachs aus der Wolle ausgeschieden. Gezielte Züchtungen brachten über Jahrhunderte unterschiedliche Schafrassen mit jeweils anderen Wolltypen hervor. Berühmt wurden aufgrund ihrer Wollqualität die Merinoschafe, die erst seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland gezüchtet wurden. In den Städten des oberdeutschen Textilreviers war die Wolltuchproduktion von unterordneter Bedeutung. Eine Ausnahme bildete Ulm. Die Wollweber- oder auch Grautucher-Zunft war hier bis ins 14. Jahrhundert hinein die wirtschaftlich führende Zunft. Sie spendete 1408 ein Fenster für das Nordostportal des Ulmer Münsters, in dem das Handwerkszeichen der Wollweber abgebildet ist. 1 Darauf ist ein barocker Sargschild mit einem rot gekrönten Löwen dargestellt, der ihnen angeblich für ihren besonderen 12 2. Die Grundlage textiler Stoffe Einsatz bei einem Überfall auf Ulm 1316 verliehen worden war. Die Ulmer Leinenweber stifteten ebenfalls, um 1385 und um 1400, je ein Marienfenster im Chor des Münsters. Das zweite Münsterfenster zeigt ein Weberschiffchen. In den restlichen Gebieten des hier behandelten Textilreviers ging die Wollweberei zumeist nicht über eine Versorgung des lokalen Marktes hinaus. 2 Während die Wollproduktion hier im Verlaufe des Mittelalters zurückging, wuchs sie in einigen Teilen des nördlichen Schwabens und Frankens bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu erheblicher Größe. 3 Die Ravensburger Handelsgesellschaft, die wie kaum eine andere Gesellschaft am Handel mit oberschwäbischen Textilien beteiligt war, nahm am Export der Wolltuche kaum teil. 4 Baumwolle Baumwolle ist heute weltweit die am häufigsten verarbeitete Naturfaser. Der Rohstoff Baumwolle gelangte seit dem 14. Jahrhundert als Importware über die Handelsstädte Genua und Venedig nach Süddeutschland. Ursprünglich kommt die Baumwolle aus Indien, wo sie schon 1400 Jahre vor Christus in alten Schriften erwähnt ist. Sie verbreitete sich bis an das östliche Mittelmeer. Die oberdeutschen Kaufleute, wie die Ravensburger Handelsgesellschaft, handelten mit Baumwolle aus dem östlichen Mittelmeer. Besonders begehrt war die syrische Baumwolle, die durch ihre Qualität überzeugte. Sie wurde von den Ravensburgern über die norditalienischen Hafenstädte gehandelt und vertrieben. 5 Bis zum 17. Jahrhundert war Venedig der Haupthandelsplatz für Baumwolle, verlor jedoch durch die Entdeckung Amerikas und den verstärkten Überseehandel seine Bedeutung. 6 Die Baumwollfasern werden aus den Blüten der Pflanze gewonnen. Im Verlauf des Reifungsprozesses bilden sich die hellgelben - rosa Blüten zu wallnussgroßen Kapseln aus. Zur Reifezeit platzen die Kapseln auf und die Baumwolle quillt heraus. Diese besteht aus den sehr feinen Samenfasern, die sich um die Samenkörner der Pflanze bilden. Die Baumwollernte wurde lange Zeit nur von Hand bewerkstelligt. Heute reißen in Industrieländern wie den USA die Pflückmaschinen die Samenfasern aus den Kapseln heraus. In Ländern Afrikas oder in Indien wird heute noch von Hand geerntet. Die Baumwolle gedeiht vor allem in tropischen und subtropischen Klimazonen. Sie wird hauptsächlich in China, den USA und Indien angebaut, die zusammen heute etwa drei Fünftel der Weltproduktion bestreiten. Die Produktion geschieht überwiegend in großflächigen Monokulturen unter ökologisch oft bedenklichen Bedingungen. Die Baumwollpflanze ist sehr schädlingsanfällig. Beim Anbau kommen daher vielerorts große Mengen und zum Teil auch verbotene und giftige Pestizide zum Einsatz. Ihre Aufbereitung ist im Gegensatz zur Wolle und vor allem zum Flachs sehr einfach und kostengünstig. Hier muss nur der Samen von der Faser, die als Flughilfe dient, getrennt werden. Die Fasern der Baumwolle sind jedoch kürzer als die des Flachs, das Verspinnen der Baumwolle zu einem reißfesten Faden stellte in Europa lange Zeit eine große Herausforderung dar. Die Rohstoffe, Wolle, Baumwolle, Seide, Hanf und Flachs 13 Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden nicht nur fertige Baumwolltextilien nach Süddeutschland importiert, sondern auch Baumwolle als Rohstoff und hier von den örtlichen Webern zu einem Mischgewebe aus Baumwolle und Flachs, dem sogenannten Barchent verarbeitet. Zu Zentren der Barchentproduktion entwickelten sich besonders Ulm, Augsburg, Biberach und Memmingen. Im südlichen Oberschwaben war Ravensburg die einzige Stadt die sich ebenfalls der Barchentproduktion annahm. 7 Im Stadtrecht von 1420 sind erstmals Einfuhrgebühren auf die Baumwolle überliefert: »Es ist ouch ain Raut ze Raut worden und haut gesetzt von der Kouflut wegen, wenn ainer Bonwoll verkouft, die sol er verzollen …« 8 Seide Den textilen Rohstoff für die Seide, die bis heute zu den edelsten Textilien gehört, liefert der zu den Insekten gehörende Seidenspinner. Der bedeutendste seiner Art ist der in China und Japan gezüchtete Maulbeerspinner. Seine gefräßigen Raupen ernähren sich von den Blättern des Maulbeerbaums. Innerhalb von etwa 35 Tagen wachsen die einzelnen Raupen von nur drei Millimetern auf die Größe eines Zeigefingers. Zwei weitere Tage dauert es, bis sich die Maulbeerspinnerraupen mit ihren Seidenfäden einspinnen und den so genannten Kokon bilden. Dabei produziert die Raupe einen Faden in der Länge von etwa dreibis viertausend Metern. Nach der Verpuppung werden die eingesponnenen Larven von den Züchtern abgetötet, um die Seide gewinnen zu kön- Baumwollfeld zur Erntezeit. 14 2. Die Grundlage textiler Stoffe nen. Dazu muss zunächst der Seidenleim gelöst werden, mit dessen Hilfe die Raupe ihre Fäden miteinander verklebt. Erst danach lässt sich der Seidenfaden auf Haspeln abwickeln und weiterverarbeiten. Für ein Paar Seidenstrümpfe benötigt man die Fasern von etwa 350 Kokons, für ein Kleid 1700 Kokons bzw. ein halbes Kilogramm Seide. 9 Seide war bis in das hohe Mittelalter hinein lediglich als Importware im deutschsprachigen Raum zu erwerben. Auf europäischen Boden soll der Seidenanbau und die Seidenmanufaktur von Kaiser Justinian (527 bis 565 n. Chr.) in Byzanz begründet worden sein. Von dort aus verbreitete sich die Seidenindustrie im 12. und 13. Jahrhundert in den oberitalienischen Städten und in Paris und kam hier zur Blüte. Nördlich der Alpen blieb Seide hingegen lange Importware. Erst im 14. Jahrhundert konnte sich das Seidengewerbe - neben Paris - lediglich in Köln und Zürich im Wirtschaftsleben etablieren. 10 Heute wird der Hauptanteil des Garns in China, Japan und Indien produziert. Im 19.- Jahrhundert gab es mehrfach erfolglose Versuche die Seidenspinnerei und -weberei in Ravensburg anzusiedeln. 11 Die Seide ist bis heute ein klassisches Importgut geblieben. Hanf Hanf ist eine sehr alte Kulturpflanze, mit den Ursprüngen ihrer Verbreitung vor mehreren tausend Jahren in Indien und China. Auch in Europa wurde in den vergangenen Jahrhunderten bereits Hanf angebaut. Das aus der Hanfpflanze gewonnene Garn wurde für die Herstellung von groben textilen Stoffen, Segeln, Tauen und Seilen genutzt. Hanf wurde zu Hanfleinwand verarbeitet, die im Mittelalter unter der Bezeichnung »welsche Leinwand« vertrieben wurde. Ihr kam im süddeutschen Textilrevier eine untergeordnete Rolle zu, auch wenn sie in den Lieferlisten der Ravensburger Handelsgesellschaft zu finden ist. 12 Ihre Produktion blieb aber zumeist auf den lokalen Markt beschränkt. In manchen Städten war der Gebrauch des Hanfs lediglich für den eigenen Gebrauch vorgeschrieben, ein Export war dort verboten. 13 Flachs Flachs ist die älteste Kulturpflanze, die zur Textilgewinnung genutzt wurde. Funde in den Pfahlbauten von Sipplingen am Bodensee datieren bis zum Jahre 2500 v.-Chr. zurück. 14 Im Federseemuseum in Bad Buchau sind heute noch letzte Stoffreste der im See gefundenen Leinenprodukte, die in der Jungsteinzeit gefertigt wurden, zu sehen. 15 Für die Region Bodensee-Oberschwaben war der Flachs der wichtigste natürliche Rohstoff zur Gewinnung von Leinwand. Die Leinwand war ein universal einsetzbares Produkt, das für die Bekleidung der armen Bevölkerungsschichten und für zahlreiche andere Zwecke, wie Bett- und Tischwäsche, Zelt und Wagentücher genutzt wurde. 16 Waren die Kleider abgetragen, wurden sie als Lumpen für die Papierherstellung weiter genutzt. Dass in Ravensburg seit 1392/ 93 die zweitälteste Papiermühle Deutschlands stand und sich hier eine bedeutende Papierproduktion entwickelte, hängt eng mit der Die Rohstoffe, Wolle, Baumwolle, Seide, Hanf und Flachs 15 Im Sommer blühten die Flachsfelder im Allgäu und Oberschwaben blau. Trotz der Farbenpracht der Flachsfelder ist die Formulierung »blaues Allgäu« falsch. Der Anbau der arbeitsintensiven Pflanze beschränkte sich auf einzelne Felder. 16 2. Die Grundlage textiler Stoffe Bedeutung des Flachsanbaus und der daraus gewonnenen Leinwand zusammen. 17 Das relativ milde Klima der Voralpenlandschaft ließ vom Schwarzwald bis zum Bodensee und in das Allgäu hinein bis zum Lech eine offenbar besonders feine und langfaserige Flachsart gedeihen. Besonders das Allgäu brachte aufgrund seiner klimatischen Bedingungen beste Voraussetzungen für den Anbau mit. »Das Untersuchungsgebiet weist ein gemäßigt ozeanisches Klima mit kontinentalem Einschlag auf. Bedingt durch die Stauwirkung der Alpen nehmen die Niederschläge im Alpenvorland von Nordwesten nach Südosten hin zu, während die Temperaturen in dieser Richtung abnehmen.« 18 Unter den klimatischen Bedingungen des Untersuchungsgebietes bildet die Flachspflanze einen 60 bis 90 cm hohen Stängel aus. Die Pflanze entwickelt von Juni bis Mitte Juli eine blaue, manche Sorten weiße, Blüte. Für den Anbau eignet sich am besten ein lehhmiger Sandboden. Die im Süddeutschen angepflanzte Sorte des Kreuzleins entwickelte eine blaue Blüte. Ausgesät wurde der Flachs zumeist Ende Mai, Anfang Juni. In einem Lehensbrief des Heilig-Geist-Spitals Ravensburg vom Februar 1653, wird ein »Hanfacker« erwähnt, auf dem ungefähr am 4. Juni die Samen gesät werden sollten. 19 Geerntet wird die Flachspflanze rund drei Monate nach der Aussaat, zwischen August und September; wenn die Blätter abfallen und die Stängel sich gelb färben. Während des Anbaus musste auf den Flachsfeldern das Unkraut gejätet werden, dies wurde häufig von Frauen auf den Knien rutschend verrichtet. Als höchster Ertrag auf einem Hektar Flachsland rechnet man etwa 6 Dutzend Flachsfasern und 25 Zentner Stroh. Der Flachsanbau und die Mär vom »blauen Allgäu« Bis heute ist nicht genau nachgewiesen, wo und in welchem Umfang der Flachs im südwestdeutschen Raum angebaut wurde. In der Literatur ist oftmals vom »blauen Allgäu« die Rede, da in seiner Landschaft so viel blau blühender Flachs angebaut worden sein soll. Die These vom »blauen Allgäu« wird zunehmend angezweifelt. 20 Nichtsdestoweniger dürften die zahlreichen blaublühenden Parzellen in unmittelbarer Umgebung der Häuser und Orte nachhaltig auf den Betrachter gewirkt haben. Vielleicht leitet sich hieraus die spätere Behauptung her, dass das ganze Allgäu zur Zeit der Flachsblüte einem »blauen Meer« geglichen habe. 21 Von einem »blauen Allgäu« im Gegensatz zum heutigen »grünen Allgäu« zu reden, ist sicherlich übertrieben. Flachs konnte nur alle paar Jahre auf den gleichen Äckern angebaut werden, so dass höchstens ein Sechstel der ohnehin geringen Ackerflächen während der Blütezeit des Leins blau war. 22 Aufgrund der großen Bodenbelastung durch den Flachs und die Bebauung im Zuge der Dreifelderwirtschaft nahm der Flachsanbau selbst in einer Flachsregion wie dem Allgäu durchschnittlich wohl nur drei bis acht Prozent der Ackerflächen in Anspruch. 23 Der Flachsanbau und die Mär vom »blauen Allgäu« 17 Urbar von 1414 mit dem Verzeichnis der Besitzrechte des Herrschaftsgebiets der Grafen von Waldburg-Wolfegg. In dem Urbar wird für die Höfe in Waldsee ein sogenannter »Werkzehnt«, also der zehnte Teil der Flachsernte, als Abgabe festgelegt. 18 2. Die Grundlage textiler Stoffe Weiteren Aufschluss über den Flachsanbau in der Region geben die Urbare der Landesherren. Die Urbare sind Verzeichnisse über Besitzrechte einer Grundherrschaft und der zu erbringenden Leistungen der Lehensbauern. In der Umgebung Ravensburgs gab es vier Grundherrschaften, die im Besitz größerer Anbauflächen waren. Die Grafen von Waldburg-Wolfegg, denen große Teile des württembergischen Allgäus gehörten, die beiden Klöster Weingarten und Weißenau sowie das Heilig-Geist-Spital in Ravensburg. Das Urbar der Herrschaft Wolfegg von 1414 zeigt, dass von einigen Höfen eine jährliche Flachsabgabe zu entrichten war. Neben anderen zu entrichtenden Lehensabgaben hatten einige Höfe eine bestimmte Anzahl an »Kloben Werk« zu entrichten. »Kloben« heißt hier soviel wie Büschel, und »werk« bezeichnet geernteten und zum Verspinnen vorbereiteten Flachs oder Hanf. Die vier Höfe in Oppenreute bei Wolfegg mussten zusammen beispielsweise vier Kloben Werg an die Herrschaft entrichten. »Item die vier Güter, gen Offenroty geltend jährlich zwölff Schöffel Harber und ein Pfund und vier Schilling Pfenning an Fleisch und 16 Hühner und hundert und vierzig Eier und vier Kloben Werks dem haiß uns des bucken Gut. item das ander wacken Gut. item und uns boten Gut. item und uns des genners Gut.« 24 Die Werg-Abgabe war nur von einem Teil der Höfe zu entrichten. Es ist allerdings nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Abgabe bestimmt wurde. Während in einigen Gegenden der Herrschaft viele Höfe eine Werg-Abgabe zu zahlen hatten, erscheint die Flachsabgabe in anderen Regionen überhaupt nicht. Eine Systematik in der Höhe der Abgabe nach Größe des Hofs ist ebenfalls nicht ersichtlich. Eine erstaunliche Beobachtung lässt sich für Waldsee machen. Nach dem Urbar von 1414 war hier ein sogenannter Werg-Zehnt zu zahlen, das heißt der zehnte Teil des in Waldsee angebauten und verarbeiteten Flachs ging direkt an die Grafen von Waldburg-Wolfegg. »Hubgeld in Waldsee. Item der Großzehnt, der Werkzehnt und der Kleinzehnt zu der Stadt.« 25 In einem späteren Urbar von 1568 wird weiterhin von einigen Höfen die Abgabe von verarbeitetem Flachs verlangt - nun unter der Bezeichnung »Reisten Werckh«, was ebenfalls ein Büschel Flachs bezeichnet. Bei etwa der Hälfte der Güter, die zur Herrschaft Waldburg-Wolfegg gehörten, wurde die Abgabe fällig. Es handelt sich zumeist um größere Höfe ab ca. 10 Jauchert Acker- und Wiesenfläche, wobei ein Jauchert etwa 0,47 Hektar Grundfläche entspricht. So zahlte beispielsweise Matheus Ratt aus Oppenreute für sein Gut mit 27 Jauchert Acker, 6 Mannsmahd Wiesen, was zusammen ca. 15 Hektar entspricht, jährlich 4 Pfund 10 Schilling Heller, 6 Scheffel Harfer, 50 Eier, 5 Hühner und zwei »Reisten Werckh«. 26 Seit dem 18. Jahrhundert wurde der Lehenszins fast ausschließlich in Geldzahlungen abgeglichen, so dass Flachs- oder Wergabgaben in dem Wolfegger Urbar von 1717 nicht mehr nachweisbar sind. 27 Erfasst sind in den Urbaren nur die Abgaben, die an den Grundherrn gezahlt worden, die von den Bauern selbst produzierten bzw. verarbeiteten Güter werden hier nicht aufgeführt. Doch lässt sich durch die Erkenntnisse aus den Urbaren die Behauptung des »blauen Allgäus« sehr stark in Zweifel ziehen. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sowohl Anbau auch als Verarbeitung des Flachs sehr arbeitsintensiv waren, wie noch zu zeigen ist. Der Flachsanbau und die Mär vom »blauen Allgäu« 19 In der direkten Umgebung Ravensburgs waren die beiden Klöster Weingarten und Weißenau einflussreiche Territorialbesitzer. Das Kloster Weißenau besaß nach den Urbaren der Jahre 1700-1721/ 25 in Oberzell 7 große und 8 kleine Lehenhöfe, in Oberweiler einen großen Lehenhof und in Taldorf 3 große und 9 kleine Lehenhöfe und in Alberskrich einen großen Lehenhof. 28 An jährlichen Abgaben an den Grundherrn hatten die großen Lehenhöfe durchschnittlich 5 Scheffel Dinkel, 5 Scheffel Hafer, 110 Eier, 6 Hühner, 1 Henne, 6 »Rikh« Garn und eine gewisse Anzahl Bargeld zu leisten. Die großen Weißenauer Lehenhöfe mit Acker- und Wiesenland ab 25 Jauchert, zahlten somit jährlich an das Kloster 6 »Rikh« Garn. Unter Rikh Garn ist eine Maßeinheit zu verstehen, die mit Hilfe einer Haspel abgemessen wurde. Das Garn wird auf die Haspel aufgewickelt. 100 Umdrehungen auf der Haspel entsprechen einem Rick, 1000 Umdrehungen waren ein Schneller. Eine Umdrehung entsprach etwa 2 Ellen, also rund 120 cm. 6 Rick waren 600 Umdrehungen, was einer Länge von 720 Metern gesponnenem Garn entsprach. Mit der Handspindel konnte eine gute Spinnerin in einer Stunde 120 Meter Garn spinnen. 29 Die Abgabe von 720 Metern gesponnenem Garn scheint daher nicht allzu groß gewesen zu sein. Desweiteren geben uns die Urbare auch Aufschluss über die Bestandteile der Höfe. Diese waren zumeist Haus, Stadel, Schopf, Hofraite, Holz- und Dunglege, Brunnen sowie Baum- und Krautgärten beim Hof, Wiesen und Äcker. Bei einem Teil der großen Höfe wird auch ausdrücklich neben den Baum- und Krautgärten ein »Hanfland« oder »Hanfacker« genannt. Bei den kleinen Höfen wird keine Garnabgabe oder Hanfland erwähnt. Bei dem Hof von Johann Georg Spengler in Taldorf wird für 1707 ein Hanfland im Umfang von 0,5 Jauchert erwähnt, beim Hof von Joseph Bauknecht ein Hanfacker im Umfang von 3 Viertel Morgen und 51 Ruten. 30 Neben den beiden Klöstern war das Heilig-Geist-Spital einer der größten Grundbesitzer in der Ravensburger Umgebung. Es besaß im Jahre 1478 in 45 Ortschaften insgesamt 86 Höfe und Güter. 31 Das Spital verpachtete die in seinem Besitz befindlichen Höfe an die Bauern der Umgebung. Direkte Abgaben an Flachs, Hanf, Werk oder Garn, wie bei Höfen der Herrschaft Waldburg-Wolfegg oder des Klosters Weißenau, waren die Ausnahme. Die Höfe hatten zumeist Vesen, Hafer, Hennen, Hühner, Eier und zum Teil Geldleistungen als Abgaben an das Spital zu zahlen, nicht aber Flachs oder Garn. 32 In den Lehensbriefen des Spitals wurde der Lehenbauer mit dem von ihm zu zahlenden jährliche Zins aufgeführt und die zum Hof gehörenden Güter und Besitzungen aufgezählt. In wenigen Fällen gehörten zu den Höfen Hanfäcker. Wie bei den Besitzungen des Hauses Waldburg-Wolfegg und des Klosters Weißenau waren es eher große Höfe, ab ca. 15 Jauchert, die über Hanfäcker verfügten. So wie beim Hof zu Alberskirchen, den Andreas Prielmeyer und seine Hausfrau Margaretha Wepp vom Spital zu Lehen inne hatten. Der Lehensbrief vom 31.1.1658 führt als Besitz ein Haus, Stadel, eine Hofstatt samt dem Garten, Kraut- und Baumgarten, 3 Hanfäcker, 7 ½ Jauchert Acker im ersten, 7 ¼ Jauchert im zweiten, 9 Jauchert im dritten Ösch und an Wiesen 1 Mannsmahd auf. 33 20 2. Die Grundlage textiler Stoffe Die Erzeugnisse aus den Hanfäckern - also Flachs, Hanf oder Garn - wurden vom Spital nicht als Abgabe verlangt. Eine Ausnahme war der an Michael Umohsackler und Maria Mayer verpachtete Hof in Funkenhausen. Neben 6 Scheffeln Vesen, 4 Scheffel Hafer, 100 Eier, 6 Hühner, einer Henne, 3 Gulden, 25 Kreuzern und 4 Heller war es weitere Bedingung, 6 Rick gesponnenes Garn als Zins abzuliefern. 34 Die Ergebnisse zeigen, dass Flachs in der Region Bodensee-Oberschwaben sicherlich auf einigen Höfen angebaut wurde. Das arbeitsintensive Heranziehen der Pflanze wurde aber wohl eher auf größeren Höfen, ab 10 Jauchert aufwärts, betrieben. Der Anbau von Flachs und die Weiterverarbeitung zu Garn war für die Bauern ein guter Zusatzverdienst. Doch das Bild eines »blauen Allgäus«, das den flächendeckenden Anbau der Flachspflanze auf nahezu allen Höfen der Region impliziert, kann durch die Stichproben in den Urbaren nicht bestätigt werden. Nichtsdestoweniger war der Anblick von der Sommersonne angestrahlter blauer Flachsfelder beeindruckend und einprägsam. Anmerkungen 21 Anmerkungen 1 Rieber, Albrecht: Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm (Ulmer Stadtgeschichte 9), Ulm 1976, S.-2. 2 Vgl. Ammann, Hektor: Konstanzer Wirtschaft nach dem Konzil (Sonderdruck aus Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69), Friedrichshafen 1950, S. 74. 3 Vgl. Schremmer: Textillandschaft, S. 1075. 4 Vgl. Schulte, Aloys: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft. 1380-1530 Bd.1, Stuttgart und Berlin 1923, S. 106. 5 Vgl. Veronesi, Marco: Genua - La Superba. Katalog zur Ausstellung »Die Humpis in Genua. Palazzi, luoghi und caruggi« im Museum Humpis-Quartier in Ravensburg (Die Humpis in Europa 1), Ravensburg 2012, S.-36. 6 Vgl. Bohnsack, Almut: Spinnen und Weben. Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe, Reinbeck bei Hamburg 1981, S. 170. 7 Vgl. Rieber, Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm, S. 2. 8 Müller, Karl Otto: Die älteren Stadtrechte der Reichsstadt Ravensburg, Württembergische Geschichtsquellen 21, Stuttgart 1924, S. 220. 9 Vgl. Murr, Karl Borromäus/ Loibl, Richard (Hg.): Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg. Museumsführer, Augsburg 2010, S. 65. 10 Vgl. Irsigler, Franz: Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert. Strukturanalyse einer spätmittelalterlichen Exportgewerbe- und Fernhandelsstadt (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 65), Wiesbaden 1979, S. 1-ff. 11 Vgl. Kapitel 7, S. 131-132. 12 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd. 3, Nr. 33 Bestellung Diepold Bucklins für Valencia 1472, S. 235-237. 13 Vgl. Westermann, Ascan: Zur Geschichte der Memminger Weberzunft und ihrer Erzeugnisse im 15. und 16. Jahrhundert, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 12 (1914), S. 385-403 und S. 567-592, S. 393. 14 Vgl. Lohß, Max: Vom Flachs und seiner Verarbeitung, insonderheit im Schwäbischen, in: Schwäbische Heimat 1960, S. 170-180, S. 170. 15 Vgl. Banghart, Karl/ Baumeister, Ralf u.a (Hg.): Urgeschichte erleben. Führer zum Federseemuseum mit archäologischem Freigelände und Moorlehrpfad, Bad Buchau 2002. 16 Hauptmeyer, Carl-Hans: Verfassung und Herrschaft in Isny. Untersuchungen zur reichsstädtischen Rechts-, Verfassungs- und Sozialgeschichte, vornehmlich in der Frühen Neuzeit, Göppingen 1976, S. 23. 17 Vgl. Sporhan-Krempel, Lore: Ochsenkopf und Doppelturm. Die Geschichte der Papiermacherei in Ravensburg, Stuttgart 1952, S. 23. 18 Konold, Werner/ Schwineköper, Katrin/ Seifert, Peter (Hg.): Analyse und Entwicklung von Kulturlandschaften: Das Beispiel Westallgäuer Hügelland. Landsberg 1994, S. 8. 19 SpitalA RV (Spitalarchiv Ravensburg) 15/ 2/ w. 20 Vgl. Eckel, Siegbert: Wo der Flachs nur spärlich stand, in: Heimat Allgäu 2/ 2011, S. 30-32. 21 Vgl. Kurz, Andreas: Flachs als Sonderkultur im Allgäu, in: Niederstätter, Alois (Hg.): Aspekte der Landwirtschaft in der Bodenseeregion: Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bregenz 1999, S.-139-147, S. 139. 22 Vgl. ebd., S. 142-144. 23 Sczesny, Anke: Zwischen Kontinuität und Wandel. Ländliches Gewerbe und ländliche Gesellschaft im Ostschwaben des 17. und 18. Jahrhunderts, Tübingen 2002, S. 85. 24 Archiv des Hauses Waldburg-Wolfegg, WoWo 8701, Urbar von 1414. 25 Ebd. 26 Archiv des Hauses Waldburg-Wolfegg, WoWo 2042, Bd. 5, Urbar von 1563. 27 Vgl. Archiv des Hauses Waldburg-Wolfegg, WoWo 2050, Bd. 5, Urbar von 1717. 22 2. Die Grundlage textiler Stoffe 28 Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 235 Bd. 267, Urbar von 1700-1721/ 25. 29 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S. 146 ff. 30 Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 235 Bd. 267, Urbar von 1700-1721/ 25. 31 Vgl. Strodel, Gebhard: Das Heilig-Geist-Spital in Ravensburg. Von seinen Anfängen bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts, Tübingen 1959, S. 79. 32 Vgl. SpitalA RV 13/ 1/ a-30/ 2/ s. 33 SpitalA RV 13/ 1/ r. 34 SpitalA RV 15/ 2/ a. 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich »Wir haben großes Gut geschaffen und viel Reichtum ist durch die Gesellschaft in unsere Lande gekommen […] Leinwand ist hier nicht übel geraten. Da Wein und Korn heuer sehr teuer sind, müssen die armen Leute spinnen […]« (aus einem Brief des Mitgliedes der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Andreas Sattler für Hans Hinderofen und mehrere Handelsgesellen, 1477). 1 Wie dieser Auszug aus einem Brief der Ravensburger Handelsgesellschaft zeigt, waren die Leinenweberei und die Handelsgesellschaften, die die fertigen Produkte exportierten, auf das auf dem Land hergestellte Flachsgarn angewiesen. Die Flachspflanze wurde nicht nur auf dem Land angebaut, sondern auch dort in vielen teils aufwändigen Schritten abgeerntet, bearbeitet und versponnen. Der Anbau und die Verarbeitung des Flachs ermöglichten vielen Bauern eine erträgliche Nebeneinkunft. Das Spinnen war Frauen- und Kinderarbeit. Es wurde mit der Handspindel, dem Handspinnrad und später mit dem Tretspinnrad betrieben. Trotz der Neuerungen im Spinnprozess war das Spinnen aufwändiger als das Weben. Es waren immer mehrere Spinnerinnen nötig, um einen Weber mit Garn zu versorgen. Das fertige Garn wurde zum Teil von den Bauern auf eigenen Webstühlen verwebt, zum Teil auf den städtischen Märkten der Umgebung verkauft. Durch die mühevolle Gewinnung des Garns sowie der wachsenden Nachfrage danach wurde es zum Spekulationsobjekt. Seit dem späten Mittelalter kam es vermehrt zu Garnmangel. Diesem versuchten die Reichsstädte des Bodensees, Oberschwabens und des Allgäus seit dem 15. Jahrhundert durch Garnbünde zu begegnen. Sie hatten die Stärkung der städtischen Märkte als Garnumschlagplätze sowie die Schwächung der Landweber gegenüber den Stadtwebern zum Ziel. Die Versorgung der städtischen Weber mit ausreichend Garn für die Produktion der Leinwand sollte hierdurch sichergestellt werden. Die Gewinnung der Flachsfaser Der Anbau und die Ernte der Flachsfaser waren äußerst arbeits- und zeitintensiv. Die Flachs-Äcker mussten regelmäßig vom Unkraut befreit werden. Nicht umsonst heißt es in einem Allgäuer Spruch zum Flachsanbau: »A Morge Wergland brucht 96 Wibertäg«. Noch 1935 erforderte Flachs bis zur Ernte beinahe den sechsfachen Handarbeitsaufwand von Getreide. 2 Nach rund 100 Tagen, wenn die Pflanzen gelb wurden und sich die Samen verfärbten, wurde der Flachs Ende August, Anfang September abgeerntet. Die Flachspflanzen wurden mitsamt der Wurzel aus dem Boden gerissen, um später eine möglichst 24 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich lange Faser aus der Pflanze gewinnen zu können. Der Vorgang wird als »Liechen« bezeichnet. Nach der Ernte folgte das Riffeln. Die Pflanze wurde durch grobe Eisenkämme gezogen, um Blätter und Samenkapseln vom Stängel zu entfernen. Die Samenkapseln verarbeiteten die Bauern zu Leinsamen-Öl, das als Nahrungs- und Heilmittel genutzt wurde. Um die Faser aus dem Stängel gewinnen zu können, folgte die Tauröste. Mit der Tauröste wurde ein Zersetzungsvorgang erzeugt, bei dem der Pflanzenleim von dem Der Kupferstich um 1700 zeigt die aufwendige Ernte der Flachsfasern. Zu den Arbeitsschritten gehörte das Liechen, Riffeln und Rösten des Flachses. Flachsriffel zum Lösen der Blätter und Samen vom Stängel, 1903. Die Gewinnung der Flachsfaser 25 Stängel gelöst wurde. Hierfür wurden die Flachsbüschel mehrere Wochen auf den Feldern ausgelegt, wodurch ein Verottungs-Prozess ausgelöst wurde. Alle unbrauchbaren Stängelteile verfaulten. Der Vorgang nahm etwa sechs Wochen in Anspruch Eine andere Methode war die Wasserröste, bei der der Flachs zwei bis drei Tage in ein fließendes Gewässer gelegt wurde. Diese Handhabung fand beispielsweise während der Industrialisierung in der Spohnschen Flachsrösterei in Ravensburg-Ittenbeuren Anwendung. Die Wasserbecken nahe der Straße sind immer noch erhalten. Im Oberdeutschen Raum war während des Mittelalters und der frühen Neuzeit die Taurröste die gängige Methode. 3 Nach der Röste wurde der Flachs zusammengebunden und zu sogenannten Kapellen aufgestellt, damit der Wind zum Trocknen durch die Stängel ziehen konnte. 4 Um die Flachsfaser nun aus dem Stängel gewinnen zu können, wurde der Flachs gedörrt und dann gebrochen. Um den Flachs brechen zu können, musste er rösch gemacht werden. Dazu benutzte man die dörflichen Backhäuser oder eigens errichtete Brechhütten, wo der Flachs in Öfen gedörrt wurde. Diese mussten aufgrund der Feuergefahr abgesetzt von den Wohn- und Wirtschaftshäusern stehen. So erließ der Ravensburger Rat 1762 aufgrund »den so vilmahls aus solchen Anlass entstandenen Feuersbrünsten« eine Ratsverordnung betreffend des Gespinnstdörrens. Flachs sollte demnach nur in entsprechender Entfernung von Wohnhäusern bzw. in gesonderten Brechhütten gedörrt werden. In kleinen Dörfern, wenn der Brechofen weit Nach der Ernte wurde der Flachs in Brechöfen geröstet. Mit der Flachsbreche, dem Schwingmesser und der Flachshechel wurde anschließend die Faser aus der Pflanze gewonnen; Kupferstich um 1700. 26 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich genug von anderen Häusern entfernt stand, war das Dörren unter strengen Bedingungen erlaubt. Der Ofen brauchte eine spezielle Auflage für den Flachs und er musste nach dem Dörren stets gereinigt werden. Die Feuerstelle musste zudem eine Mindestentfernung von 2 Schuh zur Stube aufweisen. Zur Durchsetzung der Maßnahmen sollten im Herbst »Visitationen« durchgeführt werden. 5 Auf dem Land waren die Brechhäuser wichtige Treffpunkte des dörflichen Lebens. Hier traf sich das ganze Dorf im Spätherbst, wenn die Hauptarbeit auf den Feldern und dem Hof gemacht war, zum gemeinsamen Arbeiten. Der gedörrte Flachs wurde mit einer Flachsbreche bearbeitet. So zerkleinerte man die nun spröden Holzteile der Flachsfaser. Die Flachsbreche hat einen Hebelarm, mit dem die Fasern wieder und wieder Flachsbreche zum Zerkleinern von Holzbestandteilen des Pflanzenstängels, Anfang 20. Jahrhundert. Leihgeber: Ostdeutsche Heimatsammlung Ravensburg. Flachshechel zum Auskämmen der Flachsfasern, Anfang 20. Jahrhundert. Die spinnenden Schwaben 27 eingeklemmt und gebrochen wurden. So zersplitterten die holzigen Stängelbestandteile und wurden im nächsten Schritt mit dem Schwingmesser von den über einem Schwingbock gelegten Fasern abgetrennt. Sie fielen dann beim Schwingen heraus. Vor der Stadtmauer Ravensburgs stand unmittelbar nördlich des Frauentors ebenfalls ein sogenanntes Schwinghaus, wo wohl Flachs geschwungen wurde. 6 Bei dem anschließenden mehrfachen Hecheln wurden die Fasern durch immer feinere Kämme gezogen und so verfeinert. Fertig gehechelten Flachs band man zu sogenannten Kloben, Reisten und Büscheln zusammen. Die Bepflanzung der Felder, die Ernte und die Gewinnung der Flachsfaser war eine äußerst beschwerliche Arbeit. Für die Bebauung von ¼ Hektar mit Flachs und dem daraus zu spinnenden Garn war eine Arbeitskraft ganzjährig ausgelastet. 7 Nachdem die Flachsfasern aus den Pflanzen gewonnen waren, mussten sie noch zu Garn versponnen werden. Dies war weniger körperlich anstrengend, erforderte jedoch höchste Geschicklichkeit, um ein feines, gleichmäßiges Garn zu erzeugen. Die spinnenden Schwaben Flachs- und Baumwollverarbeitung war Kinder- und Frauenarbeit und wurde überwiegend auf dem Land betrieben. Die Landbevölkerung spann in Lohnarbeit, im Nebenerwerb oder betrieb es als einzigen Verdienst. Der Lohn war äußerst gering. Oftmals versuchten Spinnerinnen sich mit Unterschlagung zu wehren. Das Spinnen setzte im großen Umfang im Dezember ein und dauerte den Winter und Frühling hindurch. Im Sommer hingegen arbeitete die Landbevölkerung auf den Feldern, so dass wenig Garn auf die Märkte Oberschwabens gelangte. 8 Durch die Einfuhr von Baumwolle und dem zunehmenden Garnhunger in den Städten wurde dort vermehrt Garn gesponnen. Flachs wurde hauptsächlich auf dem Land, Baumwolle eher in der Stadt versponnen. 9 Auch in den Bürgerstuben spielte das Spinnen eine große Rolle, allerdings eher als Freizeitbeschäftigung. In jedem besseren Haus befand sich eine Wäschekammer mit Spinnrädern, Haspeln und anderem Handwerksgerät. Ein schöner, aber nicht überraschender Fund sind daher Spinnwirtel aus dem Baukonvolut der Marktstraße 45 in Ravensburg, dem heutigen Museum Humpis-Quartier. Auch in diesem ehemaligen Patrizieranwesen und späteren Sitz von Handwerkern war es anscheinend nicht unüblich zum Zeitvertreib zu spinnen. Im Haus zur Kunkel, nahe des Konstanzer Münster gelegen, beschreibt ein mittelalterliches Wandgemälde bestehend aus neun Bildern die einzelnen Tätigkeiten, die von der Flachsernte bis zum Verspinnen zu erledigen waren. Das Fresko stammt aus dem beginnenden 14. Jahrhundert und ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Bedeutung des Garns und der daraus gewonnenen Leinwand für die Region. Das Wandbild zeigt auch die Tätigkeit des Spinnens, die auf dem Verdrehen loser Fasern mit Hilfe eines Gerätes zu einem Garn beruht. 10 28 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich Handspindel Zum eigentlichen Spinnen wurde bis ins Mittelalter hinein lediglich die Handspindel verwendet. Sie besteht aus einem Spindelstab und einem Spinnwirtel. 11 Die Spinnwirtel bestehen zumeist aus Stein, Ton oder Holz. Sie sind perlenförmig, mit einem Durchmesser von mehr als 2 Zentimetern, mit einer Durchbohrung in der Mitte, die groß genug für einen Stab sein musste. Je feiner das Garn sein sollte, desto leichter musste der Spinnwirtel sein. 12 Für eine einfache Leinenbluse benötigte man etwa ½-m² Stoff, d.h. etwa 500 Meter Garn für die Kette und 800 Meter für den Schuss. Mit der Spindel schaffte eine gute Spinnerin ca. 120 Meter in der Stunde, das heißt sie musste 11 Stunden konzentriert arbeiten um die erforderliche Menge zu produzieren. Der Spinnwirtel beschwerte den Spindelstab, an dem ein Faden befestigt war. Durch Drehbewegungen, die durch das Gewicht des Spinnwirtels verstärkt wurden, verdrehten sich die zugeführten Fasern zu einem Garnstrang. Fund im Gebäude Marktstraße 45, heute Museum Humpis- Quartier, spätes Mittelalter. Gipsabdruck mit Darstellung einer Handspinnerin, 18.-Jahrhundert. Die spinnenden Schwaben 29 Handspinnrad Im 13. Jahrhundert sind erstmals für Mitteleuropa frühe Formen des Handspinnrades belegt. Anstöße für Veränderungen im Produktionsprozess können durchaus von Fernhändlern ausgegangen sein. Besonders beim Handspinnrad ist zu vermuten, dass seine Entwicklung und Ausbreitung mit der Einführung des in Europa bisher unbekannten Rohstoffes Baumwolle zusammenhing und dass mit dem neuen Rohstoff auch die neuen Verarbeitungstechniken importiert wurden. 13 Beim Handspinnrad hatte eine Umdrehung des großen Rades die vielfache Umdrehung des kleinen Rades zur Folge. Durch den ununterbrochenen schnellen Antrieb wurde der Spinnprozess im Verhältnis zur Handspindel um fast das Doppelte beschleunigt. Mit der einen Hand drehte man das Schwungrad, mit der anderen wurde währenddessen das Spinngut gehalten und die Fasern herausgezogen. Für sehr feine Garne griffen erfahrene Spinnerinnen weiterhin auf die Handspindel zurück. Nicht nur bei der Handspindel, sondern auch beim Handspinnrad musste der Spinnprozess unterbrochen werden, um den fertigen Faden aufzuwickeln. Die Spinnerin musste zum einen von der Kunkel, auf der das Werg festgemacht war, Fasernachschub herausziehen, das Schwungrad in gleichbleibender Geschwindigkeit bedienen und immer wieder den Faden aufwickeln. Durch die Erfindung des Flügelspinnrades musste der Spinnprozess für das Aufspulen des fertigen Garns nicht mehr unterbrochen werden. Statt einer Spindel wurde mit dem Riemen des Schwungrades nun eine Spule mit V-oder U-förmigen An der Kunkel wurde das zu verspinnende Material angebracht und von dort dem Spinnrad sukzessive zugeführt, Ende 19. Jahrhundert. 30 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich Flügeln angetrieben. Über die an der U-Form angebrachten Häkchen drehte sich der Faden selber auf. Eine Unterbrechung des Spinnprozesses zum Aufwickeln des Fadens war nicht mehr nötig. Die älteste Abbildung eines Spinnrades mit Flügelspindel von 1480 findet sich im Mittelalterlichen Hausbuch der Familie Waldburg-Wolfegg. Hierauf ist ein Handspinnrad zu sehen, bei dem das Schwungrad und die Spindel auf einer Bank aufgesetzt sind. Die Achsenwellen von Handrad und Spindel liegen etwa auf einer horizontal verlaufenden Ebene. An der Spindel ist deutlich der U-förmige Flügel zu erkennen, über den sich der Faden aufspulte. Älteste Darstellung eines Handspinnrads mit Flügelspindel aus dem Hausbuch der Familie Waldburg-Wolfegg um 1480. Handrad und Spindel sind auf einer Bank aufgesetzt. Die Achsen von Handrad und Spindel liegen etwa auf einer Ebene. Die spinnenden Schwaben 31 Tretspinnrad Seit 1530 verbreitete sich ein Spinnrad, das mit Flügelspindel und Tretantrieb versehen war. Dadurch waren erstmals beide Hände zum Verspinnen frei, das Fasergut wurde gleichmäßig zugeführt und der Spinnprozess wurde nicht mehr durch das Aufwickeln auf der Spindel unterbrochen. 14 Es eignete sich nur zur Verarbeitung langfaseriger Rohstoffe wie Flachs und Hanf. Ein kurzhaariger Baumwollfaden wäre bei der hohen Zugbelastung durch die Spindelumdrehung gerissen. Im Gegensatz zum einfachen Handspinnrad verbreitete sich das Tretspinnrad in den folgenden Jahrhunderten in der ländlichen Hausindustrie sehr schnell. Es wurde später in fast jedem Bauern- und Bürgerhaushalt zum Spinnen und Verzwirnen benutzt. Das Spinnen war die Grundlage für die Weberei. Nur wenn genug Garn vorhanden war, konnten die Weber auf dem Land und in der Stadt die für den Export benötigten Mengen an Leinwand und Barchent herstellen. Auf dem Land trafen sich die Frauen in sogenannten Kunkelstuben zum gemeinschaftlichen Verspinnen von Flachs zu Garn. Die geselligen Zusammenkünfte waren der Obrigkeit vielerorts ein Dorn im Auge. Jungen Gesellen war der Zutritt zu den Häusern vielfach verboten. 15 Das Spinnen in der Landschaft vom Schwarzwald bis zum Lech und von der Schwäbischen Alb bis nach St. Gallen nahm ein erhebliches Ausmaß an. Der Anblick der spinnenden Landbevölkerung wurde in der Literatur oftmals aufgenommen. Johann Wolfgang Goethe geht in seinem Werk »Wilhelm Meisters Wanderjahre« im fünften Kapitel des dritten Bandes detailliert auf das Spinnen und Weben der Schweizer Bevölkerung ein. »Die Spinnende sitzt vor dem Rade, nicht zu hoch; mehrere hielten dasselbe mit übereinandergelegten Füßen in festem Stande, andere nur mit dem rechten Fuß, den linken zurücksetzend. Mit der rechten Hand dreht sie die Scheibe und langt aus, so weit und so hoch sie nur reichen kann, wodurch schöne Bewegungen entstehen und eine schlanke Gestalt sich durch zierliche Wendung des Körpers und runde Fülle der Arme gar vorteilhaft auszeichnet; die Richtung besonders der letzten Spinnweise gewährt einen sehr malerischen Kontrast, so daß unsere schönsten Damen an wahrem Reiz und Anmut zu verlieren nicht fürchten dürften, wenn sie einmal anstatt der Gitarre das Spinnrad handhaben wollten.« 16 Bedeutende deutsche Chronisten, wie der aus Donauwörth stammende Sebastian Frank bemerkte zum Spinnen in Schwaben: »Die mühsamen Schwaben arbeiten vor anderen Handwerkern am meisten Flachs, Wolle und Leinwand. Nicht allein Frauen und Mägde, sondern auch Männer und Knechte spinnen; man sieht das Widersprechende, sie arbeiten und reden wie die Weiber und sind doch freisam streitbare Leut, wie sie nur irgend ein Land haben mag.« 17 Franks Zeitgenosse Sebastian Münster bemerkte gleichfalls in seiner Cosmographia: »die Männer an ettlichen Öttern und besunder im Algöw so fast spinnen als die weyber«. 18 Das fertig gesponnene Garn wurde auf der Haspel abgemessen, an der nach einer bestimmten Umdrehungszahl ein Brettchen anschlug. Daran erkannte man die Länge des gesponnenen Fadens. Eine Umdrehung entsprach 2 Ellen bzw. rund 120 cm. Nach 100 Umdrehungen hatte man einen »Rick«, nach 500 ein »Mäusle«, nach 1000 einen Schneller. 19 32 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich Flügelspinnrad mit Tretantrieb in senkrechter Bauweise mit Kunkel, 1902. Die spinnenden Schwaben 33 Das Spinnen war eine mühselige Arbeit. Durch technische Neuerungen im Webverfahren wuchs der Bedarf an Garn über die Jahrhunderte hinweg immer weiter. Durch die Erfindung des Schnellschützens 1733 durch John Kay verdoppelte sich die Produktivität der Webstühle nahezu. Im 18. Jahrhundert entstand daraufhin ein regelrechter »Garnhunger«. Die Differenz in der Produktivität von Spinnerin und Weber wuchs weiter an. Daher nutzte man vermehrt öffentliche Einrichtungen in den Städten, wie das städtische Spital oder das Zuchthaus, um die dortigen Bewohner Garn spinnen oder verarbeiten zu lassen. Spital Vom 14. bis 16. Jahrhundert erlangte das Heilig-Geist-Spital Ravensburg den größten Teil seines Herrschafts- und Grundbesitzes. Im Jahre 1800 waren 120 Lehenshöfe im Besitz des Spitals. Ergänzend zu der breiten Kapitalbasis aus Grund- und Zehntherrschaft führte das Spital zur weiteren unmittelbaren Versorgung seiner Insassen zusätzlich handwerkliche und landwirtschaftliche Eigenbetriebe. 20 Haspel aus Nadelholz mit Zählwerk, 19. Jahrhundert. Eine Umdrehung auf der Haspel entsprach 2 Ellen bzw. rund 120 cm. 100 Umdrehungen entsprachen einem «Rick», 1000 Umdrehungen einem »Schneller« Garn. 34 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich In dem gleichzeitig mit dem Spitalgebäude erbauten Kindshaus oder später sogenannten Pfründnerhaus, das an der Stadtmauer auf der Hofseite liegt, waren weitere Personen untergebracht. Im Jahr 1777 standen in der katholischen Kindsstube neun Kunkeln. 1764 mussten die Pfründnerinnen der Armenstube im Winter wöchentlich drei Schneller und im Sommer vier Schneller Flachs verspinnen. 21 Bruderhaus und Kreiszuchthaus Neben dem Spital wurde auch im Bruderhaus sowie ab 1725 im Kreiszuchthaus (heute Hauptgebäude Bruderhaus) Garn versponnen. In den sechs vorhandenen Arbeitsstuben des Kreiszuchthauses wurden von den Männern Brasilholz bzw. Rotholz zum Färben von Wolle und Stoffen geraspelt und Tabakblätter gerieben, während die Frauen Wolle und Flachs spinnen mussten. 1740 forcierte man die Einrichtung einer Tuch- und Wollfabrik nach dem Vorbild des 1736 errichteten Kreiszuchthauses in Ludwigsburg. Unter dem Fabrikanten Heinrich Leuz produzierten 67 Züchtlinge das erste Probetuch von 60 Ellen, rund 36 Meter. In der zuchthauseigenen Tuch- und Wollfabrik wurden ab Jugendliche mit Kunkel im Arbeitsinstitut des Heilig-Geist-Spitals Ravensburg. Das Spinnen wurde in den Städten seit dem 18. Jahrhundert verstärkt im Bereich der Armenfürsorge eingesetzt. Kolorierte Lithographie von J.A. Gradmann, 1817 Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf 35 1753 auch das rote Unterfutter für die Baden-Badener und Fürstenberger Regimenter hergestellt. 22 1823 wurde das inzwischen 400 Jahre alte, baufällige Bruderhaus gegenüber dem Zuchthaus abgebrochen und die Institution in das ehemalige Kreiszuchthaus verlegt. Ergänzend zur reinen Armenfürsorge war in der neuen Bleibe die Einrichtung eines Zwangs- und Arbeitslokals für sogenannte »Arbeitsscheue« und Personen mit schlechtem Lebenswandel geplant. Hier mussten die unter obrigkeitliche Aufsicht gestellten Insassen Flachs verspinnen und weben. 23 Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf« Die in der Stadt ansässigen und in der Zunft organisierten Weber waren bestrebt mit ausreichend billigem Garn aus dem Umland versorgt zu werden. Doch das aufwendig produzierte Garn weckte Begehrlichkeiten und wurde zum Spekulationsobjekt. Zum einen wurde es zum Teil auf dem Lande von den Bauern selbst im Nebenerwerb verwebt, zum anderen kauften sogenannte Fürkäufer oder Grempler das Garn auf. Ein Fürkäufer war nach der Ravensburger Garnkaufordnung von 1592 »welcher das Garn auf gemeyn aufkaufen, und es wider verkaufen wurde, und daßelb nit selbs verwürkhen, oder in sein hauß verwürkhen laßen wöllte». 24 Der Fürkauf fand bereits meist außerhalb des Marktbezirks in den zum Markt führenden Straßen und Gassen oder bereits vor den Stadttoren auf dem Land statt. Die Stadt befürchtete durch den Fürkauf nicht nur eine Erhöhung der Garnpreise für die Weber, ihr entgingen dadurch auch wichtige Zolleinnahmen und Gebühren. Wie in der Garnkaufordnung von 1592 stellte der Rat den Fürkauf immer wieder unter Strafe. Allerdings erfolglos. Das Thema beschäftigte die Region während des gesamten späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Für die Weber, Garnsieder, Wepfenmacher und Seiler war die Versorgung mit preiswertem Garn von existenzieller Bedeutung. Garnknappheit wirkte sich indirekt auf Bleicher, Färber und Leinwandhändler in der Stadt aus, die an der textilen Produktionskette beteiligt waren. Daher versuchte man durch Verordnungen alles im Umland gesponnene Garn auf den eigenen Markt zu lenken. Damit jedermann vom Verbot des Fürkaufs Kenntnis nehmen konnte, ließ der Rat seine Verordnungen 1748 auch an alle vier Stadttoren anschlagen. Zur Begründung gab der Rat an: »ohnehin verbotenen Vorkäufe gereichen hiesigem Markts und des publici zum Nachstand und sind damit gegen alle gute Ordnung« 25 . Wer des Fürkaufs überführt wurde, musste mit der Konfiszierung der erhandelten Waren rechnen, spätestens seit 1744 wurde eine Geldstrafe erhoben, die sich nach dem Wert der unrechtmäßig gekauften Ware richtete. 26 Die Problematik betraf genauso andere Reichsstädte des Textilreviers. In Augsburg wurde 1565 ebenfalls an den Stadttoren und dem Weberhaus angeschlagen, dass der Garnkauf in Wirtshäusern oder vor den Toren der Stadt verboten sei. 27 Ein weiterer eher hilfloser Akt des Ravensburger Stadtrates war es, Verbote von der Kanzel in der Kirche und auf dem Markt selbst verkünden zu lassen. Der Entschluss 36 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich Das Gebiet vom Schwarzwald bis zum Lech und von der Schwäbischen Alb bis über den Bodensee nach St. Gallen war im späten Mittelalter eines der wichtigsten Textilreviere Europas. Einzelne Städte dieser Region bildeten im 15. und 16. Jahrhundert mehrfach Garnbünde zur Stärkung ihrer Garn- Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf 37 märkte und der Sicherung der städtischen Textilproduktion. Auszug aus der Karte des Schwäbischen Reichskreises von David Seltzlin, 1572. 38 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich erfolgte auf Initiative der beiden Zunftvorsteher des Weberhandwerks, die den Rat gebeten hatten, »den garn markt wider in ehre zu bringen«. 28 Die Maßnahmen der Stadt Ravensburg alleine brachten kaum Abhilfe, da die Fürkäufer auf andere Marktflecken ausweichen konnten, um ihre Ware zu verkaufen. Da die Weber aller oberschwäbischen Städte ebenfalls unter Garnmangel und Umgehung der örtlichen Märkte litten, war es naheliegend, eine gemeinsame Lösung anzustreben. Daher schlossen sich viele der Reichsstädte des Raumes Bodensee-Oberschwaben-Allgäu in Bündnissen zusammen, um den für sie wirtschaftlich so wichtigen Zweig der Textilproduktion zu stärken. Das Bündnis der Städte ist ein deutliches Zeichen, dass es sich bei dem Gebiet um den Bodensee über Oberschwaben bis in das Allgäu um ein zusammenhängendes Wirtschaftsgebiet handelte, das seinen Schwerpunkt in der Textilproduktion besaß. Die Reichsstädte dieses Bezirks hatten daher das gemeinsame Interesse den wichtigsten Wirtschaftszweig durch eine verstärkte Zusammenarbeit zu schützen. Garnbund 1476 Seit 1476 schlossen die oberschwäbischen Reichsstädte immer wieder auf sogenannten Kaudertagen Vereinbarungen gegen den von den Gremplern betriebenen Aufkauf von Flachs und Garn. Die beteiligten Städte beschlossen die Bildung eines zusammenhängenden Revieres, in dem Regeln zur Vermeidung des Fürkaufs aufgestellt wurden. Beim ersten großen Garnbündnis von 1476 handelte es sich um einen Zusammenschluss von elf Städten und deren Weberzünften, nämlich den Reichsstädten Memmingen, Kempten, Ravensburg, Leutkirch, Isny, Wangen und Lindau sowie dem an die Waldburg verpfändeten vorderösterreichischen Waldsee, bei den restlichen drei könnte es sich um Wurzach, Tettnang und Markdorf oder Buchhorn handeln. Die Städte verabschiedeten einen ganzen Maßnahmenkatalog, mit dem sie sich gemeinsame Regeln auferlegten und ihre Position stärken wollten. Zum Ersten sollten die Städte keine Leinwand, die in einer anderen Stadt des Bündnisses gewebt worden war, schauen, bleichen, färben oder schneiden. Die Schau war, wie später noch zu zeigen ist, eine städtische Einrichtung zur Qualitätskontrolle von Leinwand und Barchent. Leinwand von Städten außerhalb des Bündnisses durfte hingegen zur Schau gestellt werden. 29 Um die Leinwand den einzelnen Städten genau zuordnen zu können, sollte jede der beteiligten Städte ihr »eigen Zeichen« auf dem hergestellten Tuch anbringen, um es eindeutig identifizieren zu können. 30 Zumeist wurde das Stadtwappen als Erkennungsmerkmal genutzt, wie in Ravensburg, wo das »Zaichen, der Zwayer Ravenspurger Thürmle« die höchste Qualitätsstufe symbolisierte. 31 Zudem wurde der Erwerb von auf dem Land hergstellter Wepfe verboten. Die Wepfe war eine Art Zwischenprodukt und konnte direkt in den Webstuhl eingezogen werden. Die Bündnispartner befürchteten durch die Wepfe den Qualitätsverlust der städtischen Leinwand. Die Weber sollten das von ihnen benötigte Garn nur auf den Märkten des Bündnisses kaufen und nicht von den Gremplern und Fürkäufern erwerben. Der Besuch auf dem Garnmarkt war streng reglementiert. Der einzelne Käufer durfte nicht Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf 39 Abschrift der Ordnung der Weber der Städte Memmingen, Kempten, Ravensburg, Leutkirch, Isny, Wangen und Lindau sowie dem an die Waldburg verpfändeten vorderösterreichischen Waldsee und dreier weiterer Städte von 1476. In der gemeinsamen Ordnung legen die Städte Regeln und Bezirke für den Garnhandel und die Produktion von Leinwand und Barchent fest. 40 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich mehr als 25 Pfund Garn kaufen. Die Spekulation mit dem für die Weberei dringend benötigten Produkt sollte verhindert werden. Ausgenommen von der Regelung waren die Gebiete um Immenstadt und der Herrschaft Staufen, da man sonst die Ausfuhr des Garns von dort Richtung Österreich und Schweiz befürchtete. 32 Die Zahl der Webstühle für den einzelnen Weber wurde ebenfalls festgelegt. Sie wurde auf zwei Stühle pro Meister begrenzt. Ausgenommen waren die Weber zu Memmingen, die zwei Leinwand- und drei Barchentstühle betreiben durften. Auch für die Ravensburger Barchentweber galten mit drei Barchentstühlen und einem Leinwandstuhl Sonderregelungen. Die Zahl der Lehrknechte wurde auf einen pro Meister festgelegt, um die Übersetzung des Handwerks zu verhindern. Mit dem Garnbund von 1476 vereinbarten die Städte und deren Weberzünfte erstmals ein gemeinsames geschlossenes Revier, innerhalb dessen der ausschließlich städtische Markt- und Schauzwang zur Abwehr der ländlichen Konkurrenz gelten sollten. 33 Wichtigster Punkt des Bündnisses war das Verbot, innerhalb einer zwei Meilen Bannzone um die Städte herum das örtlich hergestellte Garn aufzukaufen. Das Garn sollte in den abgesteckten Bezirken nur auf den städtischen Märkten verkauft werden. Die Bauern der Region hatten ihre Flachs-, Hanf- und Garnerzeugnisse auf den nächsten Markt zu bringen und durften diese nicht über Zwischenhändler verkaufen. Der Export von Garn und Flachs wurde strikt verboten. Der Versuch, das Garn aus der Umgebung auf die städtischen Märkte zu bringen, richtete sich nicht nur gegen die Fürkäufer, sondern auch gegen die Landweber, die im Nebenerwerb das Garn zu Leinwand verarbeiteten. Zusätzlich wurde den Landwebern verboten, die von ihnen produzierte Leinwand auf die städtische Schau zu bringen, deren Gütezeichen die Produkte für den Absatz dringend benötigten. Mit den Maßnahmen gegen das Landwebertum, das durch keine Zunftzwänge eingeengt wurde und sich zu einer zunehmenden Konkurrenz des städtischen Webertums entwickelte, sollte die Stadt als Produktionsort gestärkt werden. Das Ziel der Weberzunft war es ganz offensichtlich, ihren ländlichen Genossen den städtischen Markt zu verschließen und das Land auf eine Rolle als Rohstofflieferant zu begrenzen. 34 Dort wo es gelang, die Produktion der Gäuleinwand einzudämmen, behalfen sich die Landweber weiterhin mit der Herstellung der Wepfe. Damit ist die Kette, also der Längsfaden der Leinwand gemeint, der in den Webstuhl eingespannt wurde. Diese wurde von den Landwebern in der benötigten Kettfädenzahl für die Stadtweber angefertigt und setzte sich seit dem 15. Jahrhundert durch. 35 Die Herstellung dieses Zwischenproduktes wurde zwar im Garnbund ebenfalls untersagt und den Webern vorgeschrieben »das dieselben Wepfen selbs gemacht und nit ufkhaufft haben …« 36 . Ein dauerhaftes Verbot konnte allerdings nicht durchgesetzt werden. Denn 1569 fragte Kempten beim Ravensburger Stadtrat erneut nach dem Umgang mit auf dem Land hergestellter Wepfe nach. »Es will sich bey uns begeben und zutragen, daß die Bauersleuth, und andere außerhalb unser Statt sich understeen, daß Roh Garn zu sieden, und Wepffen darauß zu machen, und also erst dann zu failen kauf in unsere Statt zupringen …«. 37 Obwohl der Import der Halbfertigwaren die Produktivität der städtischen Weber erhöhte, war er von der Ob- Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf 41 rigkeit nicht erwünscht. 38 Kempten fragt in dem Brief, wie Ravensburg mit dieser Situation umgehe und erbittet um Antwort, da man um die Qualität der Leinwand fürchte: »Nun ist aber unseren Bürger, den Webern, biß daher verpotten geweßen, wie auch noch, sollche frembd gemachte Wepffen zukauffen, umb vilerlay erfahren willen und sonderlich darumben, daß mit außlendischen oder sonst untauglichen Garn, hierinnen allerley fallsch gebraucht und aingereischellt, auch etwar die gewisse Anzahl, den Faden im Zettel, nit ordenlich gepraucht und verrichtet …«. 39 Einige Städte, wie Ulm, gingen dazu über, eigene städtische Wepfenmacher zu beschäftigen. Für Ravensburg ist hierzu nichts bekannt. 40 Auflösung des Garnbundes 1508 Der Garnbund von 1476 war keine dauerhafte Lösung. Der Garnmangel und die damit einhergehende Garnspekulation konnten nicht aufgehalten werden. Die Maßnahmen des Bündnisses erwiesen sich als ungeeignet. Der Garnbund löste sich daher 1508 auf. Die Herrschaftsstruktur des schwäbischen Raums stellte eine übergreifende Lösung infrage. Das Übereinkommen der Reichsstädte war lückenhaft, solange die adeligen und kirchlichen Territorien ausgeklammert blieben, aber auch solange die drei großen Städte Augsburg, Ulm und Biberach abseits standen. Ohnehin werden sich manche der Vertragspartner im Zwiespalt zu diesem Bund entschlossen haben. Sicher wird die Initiative zu diesem Zusammenschluss von den Weberzünften der beteiligten Städte ausgegangen sein. Sie besaßen das größte Interesse an billigem Garn und dem Zurückdrängen der Landweber. Verabschiedet wurde das Bündnis jedoch von den Stadträten. In selbigen saßen zu großen Teilen Kaufleute und Mitglieder von Handelsgesellschaften. 41 Diese Kaufleute waren natürlich auch weiterhin an der zusätzlichen Produktion der Landweber interessiert. Tatsächlich waren sie für den Export des Massenartikels Leinwand auf die zusätzlichen Erzeugnisse auf dem Land angewiesen. Zum Teil wurden die Leinwandhändler selber als Garnaufkäufer auffällig, so wie der Konstanzer Kaufmann Ulrich Imholz, der 1423/ 1424 Ziel einer Beschwerde der städtischen Leinenweberzunft wurde. Diese besagte, dass er und seine Angehörigen in großem Umfang Garnaufkäufe in der Stadt und auf dem Land betrieben und somit den städtischen Markt umgingen. 42 Der Garnbund von 1532 1532 unternahmen mehrere Städte einen erneuten Versuch zur Gründung eines umfassenden Garnbündnisses. Memmingen berief im April 1532 einen Tag ein, der ein neues Bündnis mit Ravensburg, Kempten, Wangen, Isny und Leutkirch zum Ergebnis hatte. Auch dieser Zusammenschluss besaß eine starke Tendenz gegen die Land- oder auch Gäuweber genannten Landhandwerker, die erneut von der städtischen Schau ausgeschlossen wurden. Den Landwebern sollte kein Stück in den Städten der Vereinigung gebleicht, geschaut, gefärbt, geschnitten oder mit städtischem Zeichen versehen 42 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich werden. Beschränkte Zahlen für den Eigenverbrauch waren ausgenommen. Der Absicherung der städtischen Weber diente auch das Verbot, fertige Waren anderer Städte unter dem eigenen Zeichen aufzunehmen. 43 Die Weber der Vereinigung durften, wie schon 1476 zum Garnkauf nur die städtischen Wochenmärkte und die alten gebannten Landjahrmärkte besuchen, auf keinen Fall aber neu errichtete Märkte in den Dörfern. Innerhalb eines festgelegten Bezirks war der Garnkauf von Fürkäufern grundsätzlich untersagt. Dagegen wurde der Aufkauf von Gremplern, die außerhalb des Reviers südlich von Kempten und Isny mit Ausnahme von Immenstadt und (Ober-)Staufen saßen, zugelassen, da sonst die Gefahr bestünde »dasselb garn mocht über see geen Sant Gallen und usserhalb des gezircks gehen«. 44 Auf den Wochenmärkten der Einung durften wiederum maximal 25 Pfund Garn bei höchstens zwei Marktbesuchen erworben werden. Nur außerhalb des Bezirks war der Aufkauf zum Wiederverkauf gestattet. Der Import des sogenannten langen Garns aus Sachsen und Schlesien wurde streng verboten. Es wurde beim Sieden, einer für das Weben erforderlichen Vorarbeit, nicht weiß und wurde daher als minderwertig angesehen. Die bereits angesprochene Verarbeitung von auf dem Land hergestellten Wepfen wurde ebenso verboten. Hinzu kamen Handelsverbote mit einigen Städten und Territorien. 45 Der Bezirk wurde durch folgende Punkte abgesteckt: Waldsee, Schwarzach, Ellwangen, Mönchsrot, Erolzheim, (Iller-)Aichen, Bleichen, Krumbach, Pfaffenhausen/ Mindel, Mindelheim, Buchloe, Schongau, Bernbeuren, Nesselwang, St. Stephan/ Rettenberg, Immenstadt, Rugenstein, Jugendach, Gullenbach/ Sulzberg (südwestlich Oberstaufen), Bregenz, Lindau, Langenargen, Immenstaad, Hagnau, Markdorf, Homberg, Zußdorf, Ostrach, Altshausen, Gaisbeuren. 46 Ende des Garnbündnisses 1536 Das Garnbündnis war jedoch nicht von langer Dauer. 1534 ergaben sich bereits Klagen über die Missachtung der Vereinbarung. Als das Bündnis 1536 verlängert werden sollte, wurde im Memminger Rat festgehalten, dass der Vertrag von etlichen Städten nicht eingehalten worden sei und zudem ständig neue Bleichen und Schauen in den Landschaften der Territorialherren eingerichtet würden. Die Fürkäufer und Gäuweber fanden daher stets Abnehmer für ihre Produkte. Den städtischen Webern gelang es nicht, ihre Konkurrenz auf dem Land auszuschalten 47 1570 erneute Verhandlungen über Garnbündnisse 1570 fand ein letzter Versuch zur Gründung eines umfassenden Bündnisses statt. Hierbei sollten alle wichtigen Regionen einbezogen werden. Doch auch diese Initiative scheiterte. Beauftragte des Augsburger Bischofs argumentierten gegen ein Bündnis, da eine solche Regelung die bäuerliche Bevölkerung benachteilige. 48 Diese konnten sich oftmals die weite und teure Reise zum nächsten Markt aus Zeit- und Kostengrün- Garnbünde: Die Reichsstädte im Kampf gegen den »Fürkauf 43 den nicht leisten. Das Garn auf den nächsten städtischen Markt zu bringen sei daher vielen Bauern überhaupt nicht möglich gewesen. Der Fürkauf war der einfachste Weg für die Spinner auf dem Land ihr Garn zu verkaufen. Die Städte kehrten erneut zu ihren mangelhaften Einzellösungen zurück, die noch weniger Erfolg als die Garnbündnisse versprachen. In einem erneuten Garnkaufakt der Stadt Ravensburg mit anderen Städten Württembergs, von 1602, schrieben die Städte ihren Webern vor, »kein Weber so alhie in der Statt Ravensburg künftig und fürohin keinen Fürkäufer oder Kauderer, kein Garn bezal oder vihl weder auf den Märckhten alhie, noch anders wo, weder heimlich noch öfentlich, nit mehr abkaufen, noch sonst in all ander weg, wie die erdacht worden möchten, mit denselben umb Garn pactieren …«. 49 Der Verstoß gegen den Garnkaufakt wurde erneut unter Strafe gestellt. »Und welcher das in geringsten überfüre, denselbig solte durch das Handtwercks fürgesetzte nach Erkendtnis und Gestalt des Verbrechens, unnachläßlich und ufs höchst, darumben angesehen und gestrafft werden.« 50 Die Städte und Herrschaften überzogen sich gegenseitig mit Beschwerden, den Garnkauf und die Verteuerung des Garns zu fördern beziehungsweise nicht zu verhindern. 1589 schreiben die beiden Städte Wangen und Ravensburg an die »Amtsleute der Landvogteien im oberen und niederen Schwaben« bezüglich des »beschwerlichens auf und fürkaufs im Garns«, der »vielleicht aus Vergessen oder Farläßigkeit der Amptleut nicht in Achtung genommen worden«. Die Herrschaften wurden gebeten, ihre Untertanen anzuweisen, »ir Garn so sy zuverkaufen willens auf die gefreyten Jar und Wochenmärkte nach indes Gelegenheit zufüren, zutragen, oder zuschicken …« 51 Adressiert wurde der Brief an die Herren zu Weingarten, an den Landkomtur zu Altshausen, die Grafen zu Montfort, Königsegg und Kißlegg. 1603 erzielten Ravensburg und die benachbarten Landvogteien eine Einigung. Die Garnkäufer wurden nicht mehr vom Markt ausgeschlossen, es wurde ihnen lediglich verboten, das Garn, welches sie an einem Tag gekauft hatten, am selbigen Tag zu verkaufen. 52 Trotz aller Versuche, den Garnverbrauch zu steuern, blieb die Garnfrage durch die Jahrhunderte hinweg bis zur Einführung des Maschinengarns der wunde Punkt des Leinengewerbes. Ungeachtet des Scheiterns der Versuche, ordnungspolitisch in die Wirtschaft einzugreifen, zeigte sich in der engen Zusammenarbeit der Städte, dass es sich bei dem oberdeutschen Leinwand- und später auch Barchentgebiet um eine mehr oder weniger geschlossene »Gewerbezone« handelte, die ihr wirtschaftliches Wachstum zu großen Teilen aus dem Textilgewerbe zog. 53 44 3. Vom Flachs zum Garn: Produktion im ländlichen Bereich Anmerkungen 1 Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 3, Nr. 6. Große Rekordanz für Genf, Avignon, Barcelona, Saragossa, Valencia und Lyon, verfasst von Andreas Sattler für Hans Hinderofen und die Gesellen 1477, S. 52-71, S.-57. 2 Zitiert nach: Flad, Max: Flachs und Leinen. Vom Flachsanbau, Spinnen und Weben in Oberschwaben und auf der Alb, Ravensburg 1984, S.-11. 3 Vgl. Adler, Reinhold: Menschen und Tuche. Weberei und Textilhandel in der Stadt Biberach in der Frühen Neuzeit (Biberacher Geschichte(n) 1), Biberach 2010, S.-148. 4 Vgl. Flad, Flachs und Leinen, S.-12. 5 Vgl. StadtA RV (Stadtarchiv Ravensburg) Bü 1086/ b. 6 Vgl. Dreher, Alfons: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg und ihrer Landschaft von den Anfängen bis zur Mediatisierung 1802, Weißenhorn 1972, S.-519. 7 Vgl. Sczesny: Zwischen Kontinuität und Wandel, S.-84. 8 Vgl. Clasen, Claus Peter: Die Augsburger Weber. Leistungen und Krisen des Textilgewerbes um 1600 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Schriftenreihe des Stadtarchivs Augsburg 27), Augsburg 1981, S.-141. 9 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-398. 10 Vgl. Lohß: Vom Flachs und seiner Verarbeitung, S.-172. 11 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S.-33. 12 Vgl. ebd., S.-61. 13 Vgl. ebd., S.-114. 14 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-134. 15 Vgl. Flad: Flachs und Leinen, S.-28. 16 Goethe, Johann Wolfgang: Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden, Stuttgart und Tübingen, 1821, S.-341-342. 17 Weitnauer, Alfred: Allgäuer Chronik (Bd.3), 2. Auflage, Kempten 1982, S.-64. 18 Zitiert nach: Flad: Flachs und Leinen, S.-29. 19 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-134-135. 20 Vgl. Falk, Beate: Machtfaktor Spital: Herrschaft und Besitz, in: Schmauder, Andreas (Hg.): Die Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital (Historische Stadt Ravensburg 1), Konstanz 2000, S.-58-71, S.-62. 21 Vgl. Falk, Beate: Die Bewohner des Spitals: Arme Leute, Kinder, Sieche und Geisteskranke sowie Pfründer, in: Schmauder, Andreas (Hg.): Die Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital (Historische Stadt Ravensburg 1), Konstanz 2000, S.-43-57, S.-45. 22 Vgl. Eitel, Peter: Bruderhaus Ravensburg. Zeughaus - Zuchthaus - Fromme Stiftung - Haus der Altenhilfe, Ravensburg 2000, S.-10. 23 Vgl. ebd., S.-14. 24 StadtA RV Bü 399 d/ 6. 25 StadtA RV Bü 1003/ b. 26 Vgl. Mücke, Sabine: Kontrolle, Konflikte und Kommerz. Ravensburger Marktleben in der frühen Neuzeit, in: Schmauder, Andreas (Hg.): Die Zeit der Händler - 850 Jahre Markt in Ravensburg (Historische Stadt Ravensburg 3), Konstanz 2002, S. 119-142, S. 128. 27 Vgl. Clasen: Die Augsburger Weber, S. 142. 28 StadtA RV RP Bü 247, S. 403. 29 Vgl. StadtA RV Bü 37-b/ 3. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Vgl. ebd. Anmerkungen 45 33 Vgl. Kießling, Rolf: Das Umlandgefüge ostschwäbischer Städte vom 14. bis zur Mitte des 16.-Jahrhunderts, in: Schulze, Hans K. (Hg.): Städtisches Um- und Hinterland in vorindustrieller Zeit, Köln/ Wien/ Böhlau, 1985, S. 33-60, S.-47. 34 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-582. 35 Vgl. Kießling: Das Umlandgefüge ostschwäbischer Städte, S.-43. 36 StadtA RV Bü 37 b/ 3. 37 StadtA RV Bü 399 b/ 8. 38 Vgl. Holbach, Rudolf: Frühformen von Verlag und Großbetrieb in der gewerblichen Produktion (13. - 16. Jahrhundert) (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beiheft Nr. 110), Stuttgart 1994, S.-183. 39 StadtA RV Bü 399 b/ 8. 40 Vgl. Kümmerlen, Amtmann in Leutkirch: Die Leinenweberei Leutkirchs, Stuttgart 1903, S.-148. 41 Vgl. Hauptmeyer: Verfassung und Herrschaft in Isny, S.-34. 42 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-156. 43 Vgl. Kießling, Rolf: Die Stadt und ihr Land. Umlandpolitik, Bürgerbesitz und Wirtschaftsgefüge in Ostschwaben vom 14. bis ins 16. Jahrhundert (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 29), Köln und Wien 1989, S.-494. 44 Zitiert nach: Kießling: Die Stadt und ihr Land, S.-494-495. 45 Vgl. Safely, Thomas Max: Production Transaction and Proletarianization: The Textile Industry in upper Swabia 1580 - 1660, London 1993, S.-124-125. 46 Vgl. Kießling: Die Stadt und ihr Land, S.-495. 47 Vgl. ebd., S.-496. 48 Vgl. Safely: Production, Transaction and Proletarianization, S.-125. 49 StadtA RV Bü 400 a/ 3. 50 StadtA RV Bü 400 a/ 3, siehe auch: StadtA RV Bü 400 c/ 7. 51 StadtA RV Bü 399 d/ 2. 52 Vgl. StadtA RV Bü 400 a/ 6. 53 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-165. 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Die Reichsstädte der Region vom Bodensee über Oberschwaben bis in das Allgäu hinein waren im späten Mittelalter Zentren der Textilwirtschaft. Die Städte waren mit Einrichtungen, Institutionen und Menschen besiedelt, die für die Produktion, Veredelung und den Verkauf von Textilien sorgten. Hier fanden die großen Garnmärkte statt, auf denen sich die Weber der Region mit Garn versorgen konnten. Die städtischen Weber, die in Zünften organsiert waren, produzierten in kalten, feuchten, halb unterirdischen Weberwerkstätten die Massenprodukte Leinwand und Barchent, die der Region großen Reichtum brachten. Durch städtische Institutionen wie der Qualitätskontrolle und der Veredelung in der Bleiche oder Mang wurden die Tuche für den Export gerüstet. Der Weber als Produzent der textilen Gewebe bildete das Rückgrat dieser Produktionskette. Er gehörte trotz seiner Bedeutung für die Textilwirtschaft zu der ärmsten Schicht unter den städtischen Bürgern. Es waren die Händler, Kaufleute und verarbeitenden Gewerbe, die in Ravensburg in der Schneiderzunft organisiert waren und von der Textilproduktion profitierten. Der Garn- und Wergmarkt in der Stadt »Wa der Garnmarket sol sin. Darnach ist gesetzet, daz Garne Markete und der Werch Market gen dem obern Tor gileit ist und daz nieman enkain Garn noch kain Werch anderswa weder kufen noch verkufen sol …« 1 (Stadtrecht der Reichsstadt Ravensburg, 1330) Das Zentrum und Kennzeichen der hiesigen Reichsstädte war der Markt. Auf ihn liefen die wichtigsten Straßen der Umgebung zu. Er war in Verbindung mit Rathaus und Kirche nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer und gesellschaftlicher Mittelpunkt des städtischen Lebens. Durch das Wachstum der Städte sowie die Intensivierung des Handels wuchsen die Marktflächen, und es wurden spezielle Nebenmärkte geschaffen. 2 Einer dieser Nebenmärkte war der Garn- und Wergmarkt. Hier sollten die Bauern das auf dem Land erzeugte Garn an die städtischen Weber verkaufen. Wie erwähnt, wurde die Position des Marktes durch den Fürkauf immer wieder geschwächt. Auch innerhalb der Stadtmauern wurde der Markt umgangen. Immer wieder kam es zu heimlichen Verkäufen in den »Württsheußern, Trinkhstuben und andern Ortten«. 3 Die frühe Bedeutung des Garns für Ravensburg und die anderen Reichsstädte der Region zeigte sich daran, dass der Verkauf desselben schon im ersten überlieferten Stadtrecht von 1330 geregelt worden war. Die Grundstoffe Garn und Werg wurden nach dem Stadtrecht beim Obertor verkauft. Der Verkauf an anderen Orten der Stadt wurde streng unter Strafe gestellt. 1356 wurde der Garnmarkt oberhalb des Gebäudes Marktstraße 37/ 39 - ebenfalls in der Nähe des Obertors - abgehalten, während der Flachs- 48 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt markt im Bereich zwischen der Rathausstraße und dem Waaghaus stattfand. Im Zuge der Stadterweiterung ist der Garnmarkt wohl während des 15. Jahrhunderts in die Herrenstraße verlegt wurden. Erstmals bezeugt ist er dort 1573. Er erstreckte sich von der Vehrengasse bis zum Amtsgericht. 4 Waaghaus Spätestens seit dem Dreißigjährigen Krieg war die Leinwandproduktion in Ravensburg rückläufig. Dies spiegelte sich auch in der Geschichte des Garnmarktes wieder. Der allgemeine Rückgang von Handel und Gewerbe nach dem Krieg zwang die Stadt zur Konzentration des Warenverkaufs im Waaghaus. 1751 ist vom Garnmarkt auf dem Waaghaus die Rede und dass dort gleichzeitig Tabak geraucht und Bretter gehobelt würden, weshalb eine erhebliche Brandgefahr bestünde. Der Garnmarkt wurde daher erneut verlegt. Er sollte in Zukunft entweder im Erdgeschoss des Waaghauses oder in der Brotlaube abgehalten werden. 5 Eine neue Heimat fand der Garnmarkt am heutigen Gespinnstmarkt. Dort wurde er fortan hinter der Schlachtmetzig, am heutigen Gespinstmarkt abgehalten. Aus der alten Adresse »hinter der Schlachtmetzig« wurde 1717 erstmals der Gespinstmarkt. Der Name Gespinst bezeichnet hierbei zum Verspinnen geeignetes Material bzw. auch schon versponnenes Garn. 1837 wurde der Gespinstmarkt aufgeteilt. Der Verkauf von Flachs und Werg fand nun getrennt vom Garnmarkt statt. Während der Werg- oder Flachsmarkt nach wie vor beim Schlachthaus stattfand, beorderte man den Garnmarkt 1837 zum Waaghaus. Diese Ausdehnung führte dazu, dass 1860 der gesamte Straßenzug zwischen Waaghaus und Schlachtmetzig in Gespinnstmarkt umbenannt wurde. 6 Den Niedergang der Ravensburger Leinwandproduktion dokumentierte die Schließung des Garn- und Gespinstmarktes 1875. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in der Textilproduktion fast ausschließlich Baumwolle verarbeitet. Anbau und Verkauf von Flachs waren nicht mehr rentabel. Die mechanisierten Spinnereien und Webstühle verarbeiteten, mit wenigen Ausnahmen, nur noch Baumwolle. Ablauf des Garnmarktes Auf dem Garnmarkt begann mit dem Aufstecken der Marktfahne an Wochenmarkttagen jeweils um 9: 00 Uhr der Verkauf, wobei der Flachsmarkt erst um 10: 30 Uhr eröffnet wurde. Die armen Leute erhielten die Möglichkeit, zuerst ihr Garn an die Weber und Händler zu verkaufen, damit sie mit dem Erlös sofort wieder Flachs zum Verspinnen erwerben konnten. 7 Die Stadtwaage war zentrales Element jedes Marktgeschehens in der Stadt. In Ravensburg befand sie sich ab 1498 im Waaghaus. Neben der großen Waage gab es kleinere Zunft- und Spezialwaagen. Zu diesen gehörte die Gespinstwaage, mit der an Ort und Stelle Flachs und Garn abgewogen werden konnten. Die Gespinstwaage besorgte 1765 Der Garn- und Wergmarkt in der Stadt 49 Christina Hauserin, die dafür folgende Instruktionen erhielt: »Sie soll die Gespinst Waag, alle Markttag aus dem Waaghaus abholen, und nirgend dann an herkömmlicher Stelle damit auswägen, auch nach vollendeter Markt, sothan die Waag wieder in das Waaghaus liefern.« 8 Für den Garnverkauf auf dem städtischen Markt zog die Stadt Zoll ein. Nach einer Ratsbestimmung betreffend den Garnzoll und -verkauf von 1635 betrug der Zoll einen Kreuzer (60 Kreuzer = 1 Gulden). »Erstlich solle fürohin ein jeder Garnkäuffer, Er kauff gleich uff dem Markht oder usserhalb des Markhts von jedem Gulden werth Garns gemeiner stadt 1 Kreuzer Zoll zugeben schuldig sein.« 9 Trotz der Regelungen für den Garnverkauf in der Stadt und den Versuchen zur Einschränkungen des Fürkaufs war die Garnbeschaffung für die Weber ein stetes Problem. Arme Weber klagten in Ravensburg, dass sie auf den Wochenmärkten der Umgebung kein günstiges Garn fanden, hierauf aber dringend angewiesen waren, da sie es sich nicht leisten konnten, ihre Webstühle stillstehen zu lassen. »Weile fürkompt, das mit auf- Garnwaage, erstes Drittel 20. Jahrhundert. Die Stadtwaage sowie die Zunft- und kleineren Spezialwaagen waren zentrales Element jeden Marktgeschehens. Hierzu gehörte die Gespinstwaage, mit der an Ort und Stelle Flachs und Garn abgewogen werden konnten. 50 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt kauffung deß Garns vor den Thoren, grossen Schad und Nachteil dem Weberhandwerckh, beschehen. In dem nit allen den armen Webern alhie, welche von einem Wochmarkht zum andren uff den Garnkauff wartten. Ihr Nahrung entzog, sondern auch der Markt merklich geschmälert und consequenter samt Statt der Zoll entzog wirt …« 10 Die Situation verschärfte sich noch zusätzlich, weil seit dem Dreißigjährigen Krieg vermehrt Schweizer Händler in Ravensburg Garn aufkauften, um es der hochentwickelten Schweizer Webereiproduktion zuzuführen. Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt Der Weber war der Handwerker, der mit seinem Webstuhl die Garnfäden zu einem flächigen Gewebe verarbeitete. Seine Werkstatt, die sogenannte Dunk, war ein stickiger, halb unterirdischer Raum mit hoher Luftfeuchtigkeit. Die hohe Luftfeuchtigkeit wurde für den Flachs benötigt, der nur unter bestimmten Bedingungen geschmeidig blieb. Daher befanden sich die Weberwerkstätten zumeist in Kellergewölben, halb unterirdisch. 11 Völlig unter der Erde durfte sich die Werkstatt nicht befinden, da für die Arbeit Tageslicht benötigt wurde. Die Mehrheit der Ravensburger Weber war in der Unterstadt angesiedelt. Hier lebten sie in kleinen, schmalen Häusern, in deren Kellern die Werkstatt eingerichtet war. Ein Beispiel für eine geschlossene Webersiedlung mit den charakteristischen Weberhäusern ist der Weberberg in Biberach, der das Zentrum der dortigen Textilwirtschaft während des späten Mittelalters bildete. Bevor der Weber am Webstuhl das Garn zum Textilgewebe verarbeiten konnte, waren mehrere Arbeitsschritte notwendig. Teilweise war die ganze Familie von der Hausfrau bis zu den Mägden, Knechten und Kindern daran beteiligt. 12 Garnsieder: Bevor das Kettgarn verwoben werden konnte, musste es durch Sieden geschmeidiger gemacht werden. Grobes Garn wurde in einem Kessel zwei bis drei Stunden gekocht und danach getrocknet. Feines Garn wurde mit einer heißen Lauge aus Buchenasche übergossen und darin eine Stunde liegen gelassen oder eine viertel Stunde gekocht. Nach vier Tagen wurde das Garn ausgespült. 13 Danach war das Garn für die Verarbeitung durch die Andreherin vorbereitet. Andreherinnen: Ihre Aufgabe war es, die Kettfäden vom Kettbaum durch die Zähne des Geschirrs am Webstuhl zu ziehen und mit den Kettfäden eines bereits gewobenen Stoffes zu verbinden. Blättersetzer: Er richtete am Blatt oder auch Riet des Webstuhls die richtige, stets gleichbleibende Breite und die vorgeschriebene Anzahl von Fächern für die einzelnen Fäden ein. Durch das Blatt war die Breite des damit herzustellenden Tuches vorgegeben. 14 Ein Blatt musste je nach Breite und Dichte des Gewebes so viele Zähne haben, wie das Tuch Kettfäden aufwies. Blättersetzer waren mit ihrer komplexen Arbeit eine Art Webstuhlmechaniker. 15 Die Lehrzeit der Ravensburger Blättersetzer betrug laut Satzung vier Jahre sowie ein weiteres Jahr Wanderschaft. 16 Die lange Anlernzeit zeugt von der Bedeutung und der Komplexität des Berufs. Die Webstühle wurden von der Weber- Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt 51 Die Weberwerkstatt befand sich in kleinen, beengten, halb unterirdischen Kellerräumen. Der Weber bediente den Webstuhl zumeist barfüßig, um ein besseres Gefühl für die Tritte zu haben. Darstellung eines Webers um 1425. 52 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt zunft alle drei Monate auf die korrekten Einstellungen des Blattes hin überprüft. »… alle viertel Jahr von zwey von der Obrigkeit verordnete Maister geschau, wann ein Maister erfunden wurde, daß er ein Blat auff dem Stul hatt, und hatte Statt Zaichen nit, wurde darumben gestrafft.« 17 Mit den Kontrollen sollte die standardisierte Produktion, die für einen massenhaften Exportartikel wie die Leinwand notwendig war, gewährleistet werden. Nach Vorbereitung des Webstuhls wurde das Garn mit Hilfe eines Spulrades auf Spulen aufgezogen. Nach dem Spulen begann das Aufziehen der Kette. Als Kette wird die Gesamtzahl der Längstfäden bezeichnet. Sie wurden durch das Blatt in den Webstuhl eingezogen. Durch die Kettfäden wurde während des Webverfahrens das Webschiffchen hindurchgeschossen. Um die Kette in den Webstuhl einspannen zu können, wurde sie aufgeschert. Da in den Webstuben für alle Spulen und Längen nicht genügend Platz vorhanden war, bedurfte es bestimmter Vorrichtungen, um den Webstuhl zu versorgen: Von der Spulleiter mit in der Regel 20 Spulen wurden die Fäden durch ein Scherbrett gezogen und auf einen Scherrahmen, den Scherbaum, gewickelt, der seinen Namen dadurch erhielt, dass er zur Straffung der Stränge ausgeschert werden konnte. Die Fäden der Kette, die so in eine bestimmte Anordnung von Strängen gebracht worden war, wurden mit kleinen nummerierten Zetteln gekennzeichnet. Der gesamte Vorgang Spulrad zum Aufspulen des losen Garns auf Spulen. Die Spulen wurden in die Webschiffchen oder in den Spulleiter eingesetzt, von dem aus die Kette gebildet wurde. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt 53 wurde deshalb auch »Zetteln« genannt. Die Kette konnte dann in einer bestimmten Weise abgenommen und abgebunden werden, damit die Fäden nicht wieder durcheinander gerieten. Sie wurde dann in Zöpfe geschlungen. Diese aufwendige und komplizierte Arbeit bedurfte hoher Konzentration, sie wurde nur von erfahrenen Webern verrichtet. Ein kleiner Fehler konnte unter Umständen ein Durcheinander in der gesamten Kette bewirken. Die damit Beschäftigten durften sich also nicht »verzetteln«. Vom Spulleiter aus wurde mit Hilfe von Scherbrettern die Kette, also die nötige Anzahl an Längsfäden parallel aufgezogen, die dann auf den Scherbaum gespannt wurde. Von hier aus konnte die Kette in den Webstuhl eingezogen und mit dem Querfaden bzw. Schussfaden verwebt werden. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. Mit Hilfe von Scherbrettern wurde die Kette auf den Scherbaum und den Webstuhl aufgezogen, erste Hälfte 20. Jahrhundert. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. 54 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Die Kette musste zunächst auf den Kettbaum des Stuhls mit Hilfe eines Aufziehkamms gebracht werden. Die Fäden wurden mühsam durch die Ösen an den Litzen der zwei Schäfte gezogen, durch die Schlitze des Blattes gefädelt und einzeln an einen Stock geknotet, der bei der vollständigen Einrüstung des Webstuhles über den Brustbaum geführt und in eine Nute des Warenbaums gesteckt wurde, auf den man die fertige Leinwand aufwickelte. Nachdem die Tritte mit den Schäften verschnürt worden waren, konnte angewebt und beobachtet werden, ob auch alles einwandfrei funktionierte. Das Prinzip des Webens bestand nun darin, dass Fäden verkreuzt wurden und ein flächiges Gewebe entstand. Mit Hilfe eines Tritts wurde einer der beiden Schäfte, durch den die Kettfäden laufen, gehoben. Durch den dabei entstehenden Webschaft zwischen den geraden und ungeraden Fäden wurde das Schiffchen mit dem Schussfaden geworfen. Der eingebrachte Schussfaden musste dann mit dem Blatt, das in der Lade Handwebstuhl mit zwei Tritten zur Herstellung von Gewebe in Leinwandbindung, Mitte 20. Jahrhundert. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt 55 steckt, fest an das vorhandene Gewebe gedrückt werden. Anschließend wurde durch Betätigung des anderen Tritts ein neues Fach geöffnet, durch das der Weber das Schiffchen zurückwarf. Um das Kettgarn glatt und gleitfähig zu halten, wurde es früher mit einer Masse aus Mehl und Talg oder Wachs »geschlichtet«. Von Zeit zu Zeit wurde die Kette, wenn die Schlichte zu sehr eintrocknete, mit Wasser besprengt, damit sie geschmeidig blieb. 18 Schema eines Webstuhls: a) Webstuhlgestell b) Kettbaum c) Streichbaum d) Kreuzruten e) Schäfte f ) Lade g) Ladenklotz mit Weberblatt und Schützenbahn h) Brustbaum i) Querbaum k) Warenbaum l) Tritte zum Bewegen der Schäfte m) Vorrichtung zum Bewegen der Schützen n) Vorrichtung zum Nachlassen der Kette 56 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Der eigentliche Webprozess war eine sehr monotone Arbeit. Der Arbeitsablauf bestand aus: einen Tritt zur Fächerbildung betätigen, Schiffchen werfen, Schiffchen auffangen, Lade anschlagen um den Querfaden an das bereits gewebte Tuch zu pressen, den anderen Tritt betätigen um ein neues Fach zu bilden, Schiffchen werfen usw. Die einfachsten Webstühle besaßen zwei Tritte, mit denen zwei Webfächer gebildet werden konnten. Auf diesen Stühlen wurde in der sogenannten Leinwandbindung gewebt. Sie ist die simpelste Bindungsart. Dadurch, dass jeder Kettfaden regelmäßig unter und über dem Schussfaden liegt, weist es eine so enge Verkreuzung auf, wie kein anderes Gewebe. Es gab jedoch auch Webstühle mit drei, vier oder mehr Tritten, mit denen in Körperbindung gewebt wurde. Aufgrund des technisch höheren Anspruchs standen diese Stühle zumeist in der Stadt. Durch die Möglichkeit mehrere Schäfte bedienen und damit auch Webfächer in unterschiedlichen Reihenfolgen bilden zu können, war es möglich, gemusterte Stoffe zu weben. Noch heute werden Jeansstoffe in Körperbindung gewebt. Eine dritte Bindungsart vieler feiner Importstoffe war die Atlasbindung. Hier führt der Schussfaden unter einem Kettfaden hindurch und danach wieder über mehr als zwei hinweg. Der Schussfaden in der nächst höheren Reihe verlagert dieses System um mindestens zwei Kettfäden nach rechts. Auf der Oberseite überwiegen daher die Schussfäden. Der Stoff erhält bei einem feinen Schussfaden einen höheren Glanz, ist aber insgesamt wenig strapazierfähig. Die Atlasbindung wurde daher bei feinen Importstoffen wie Atlas oder Damast angewandt. An den heimischen Webstühlen wurde sie kaum genutzt. Die meisten Stoffe, die mit dem Trittwebstuhl gewebt wurden, hatten etwa eine Spannbreite von 70-cm. Sie entspricht der Spannbreite der Arme zum Entgegennehmen des Schiffchens. 19 Die Breite und Dichte richtete sich nach der Anzahl der Kettfäden. 1616 bis 1630 unterschied man in Ravensburg nach 14er, 16er, 18er und 20er Stücken mit 1400 bis 2000 Kettfäden. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts kamen sogenannte breite Tuche auf. Der Umfang ihrer Produktion veranlasste den Rat, eine Satzung betreffend die breiten Tuchstücke zu erlassen. 20 Hinzu kam grobe Leinwand mit 1200 Kettfäden, die als Golschen bezeichnet wurde. In Ravensburg wurde auch welsche Leinwand aus Hanf gefertigt. Aufgrund des gröberen Garns war hier die Zahl der Kettefäden noch geringer. weiß=Schussfaden Leinwandbindung Köperbindung Atlasbindung Die Dunk: Der Weber in seiner Werkstatt 57 Neben diesen Sorten wurde am Webstuhl auch Barchent produziert. Der Kettfaden war wie bei der Leinwand aus Flachs, der querlaufende Schussfaden aus Baumwolle. Das Gewebe wurde seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Süddeutschland produziert. Es schwang sich neben der Leinwand zum wichtigsten Exportgut der Region auf. Barchent wurde zumeist an Webstühlen mit mehreren Tritten, die die Bildung mehrerer Fächer zuließen, gewebt. Im Verlaufe des 15. und 16. Jahrhunderts entwickelte sich das Baumwollmischgewebe neben der Leinwand zum Hauptproduktionsgut der Ravensburger Textilwirtschaft. In einigen Städten, wie Biberach löste die Produktion des Mischgewebes die Leinwand nahezu vollständig ab. 21 Die durchschnittliche Arbeitsleistung am Trittwebstuhl betrug 20 Schuss in der Minute. Bei einem schon recht feinen Stoff von 20 Schussfäden pro Zentimeter, kam der Weber, wenn er fortlaufend webte, in der Stunde auf 60 cm. Das sind rund sechs Meter pro Tag. 22 Die Webleistung verdeutlicht noch einmal das Missverhältnis in der Produktivität gegenüber den Spinnerinnen. Etwa acht Handspindelspinnerinnen, neun Tretradspinnerinnen oder vier Handradspinnerinnen konnten einen Weber versorgen, wenn alle ganztägig arbeiteten. Es verwundert daher nicht, dass Garnmangel immer wieder bestimmendes Thema in der Leinwandproduktion war. Im Sommer begann der Weber sein Handwerk zumeist um 4 Uhr in der Früh, im Winter um 5 Uhr. Es galt das Tageslicht so effizient wie möglich zu nutzen. Um 7 Uhr gab es eine Pause von einer Stunde, um 11 Uhr folgte eine zweite für das Mittagessen. Dann ging es weiter bis mindestens 6 Uhr abends. 23 Die Weber erstellten oftmals Auftragsarbeiten für die Kaufleute und Handelsgesellschaften, die die Produkte der Weber exportierten. Ihnen wurde dabei Geld auf die herzustellende Leinwand geliehen. Das hierbei angewandte Verlagswesen wird später noch beschrieben. 24 Es gab einen besonderen Rechnungstag auf Martini, am 11. November. Bis Lichtmess, am 2. Februar, war die Ware zu liefern. Sollte die Ware zusätzlich gebleicht, also durch spezielle Behandlungen weiß gemacht werden, war sie zu Viti, dem Veitstag am 15. Juni, wo ein alter Jahrmarkt stattfand, zu liefern. Dieselben Bestimmungen galten auch für Barchent. »Linwat lihen. Es ist och Gesetz von der Linwat: wer uff Linwat lihen wil sin Gelt, der sol es alsus lihen und mit der Bescheidenhait, das er das lihen sol Webern uff ain Raitung, wie denn die Burger und das Antwerch ainer Raitung jarlich vor sant Martistag mit anander in ain koment und sond denn die Weber die Linwat ieren Geltern geben uff die Liechmis, man welli inen si gern lan stan uff Wislinwat sol man inen den Blaichlon davon herus geben und sond denn die Weber die Linwat geben uff sant Vitz tag …«. 25 (Stadtrecht 1379) Fremden Händlern war zu dieser Zeit das Erteilen von Vorschüssen verboten, sie oder ihre Knechte mussten persönlich in der Stadt erscheinen und bei einem Wirte wohnen, um Einkäufe zu machen. Als Zwischenhändler fungierte bei ortsfremden Einkäufern der sogenannte Unterkäufer, der zwischen Kaufinteressenten und einheimischen Produzenten vermittelte. Die Weber standen mit dem Verlagssystem in der Gewalt der 58 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Exporthändler, sie durften nur in Monatsfrist das selbst Produzierte verkaufen. Den Gewinn machten die Kaufleute, die die Erzeugnisse exportierten. Das hier praktizierte Verlagswesen wurde im deutschen Raum erstmals in der südwestdeutschen Textilwirtschaft eingeführt und machte erst die erfolgreiche massenhafte Ausfuhr der textilen Produkte möglich. Zu Gast bei armen Leuten: Die Weberzunft Die Weber gehörten zu den ärmsten Handwerkern der Stadt. Ihre Löhne waren niedrig, die Materialkosten schwankten, die Kontrolle ihrer Produkte war gebührenpflichtig, und sie waren der Konkurrenz der Landbzw. Gäuweber ausgesetzt. Da die oberschwäbische Leinwand seit jeher ein Exportartikel war, bestand die Gefahr der Abhängigkeit der Weber von den Kaufleuten, in deren Auftrag sie arbeiteten. Um annähernd ihre Interessen gegenüber mächtigen Kaufleuten und der Konkurrenz der Landweber durchsetzen zu können, waren sie in einer von acht Ravensburger Zünften organisiert. Die Weberzunft vertrat die wirtschaftlichen Interessen gegenüber stadtfremder Konkurrenz sowie dem Rat. Sie war die Keimzelle des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens in den oberschwäbischen Reichsstädten des späten Mittelalters. 26 Zunft leitet sich vom Wort »ziemen« ab und bedeutet daher »was sich ziemt«, »was Brauch und Sitte ist«. So schrieb die Zunft dem einzelnen Weber genau vor, wie und was nach alter Sitte produziert werden sollte. Sie legte die Zahl der Webstühle pro Weber fest und auf welche Weise diese betrieben werden durften. In den wenigsten Fällen war es die alleinige Entscheidung des einzelnen Webers, welche Produkte in welcher Qualität er auf seinen Webstühlen herstellen durfte. Sie regulierte durch Angabe von Lehrjahren und Anzahl von aufzunehmenden Lehrknappen die Größe des Handwerks. Im »Saz dem Weberhandwerckh« vom 3. August 1612 beschreibt sie die Ausbildung des Webernachwuchses. Hatte der Lehrknecht seine Lehrjahre bei seinem Meister abgeschlossen, musste er fünf Jahre »den Knappenstuhl allhie od. Anderorten zu würkhen » 27 . Danach stand ihm das Recht zu, Meister zu werden. Nach Erlangung der Meisterwürden durfte er die ersten beiden Jahre keinen Lehrknecht aufnehmen. Nahm er später einen Lehrknecht an, musste nach dessen Ausbildungsende wieder eine Zeitraum von zwei Jahren vergehen, bis der nächste Lehrknecht aufgenommen werden durfte. Durch den Zunftzwang - einem Produktions- und Absatzmonopol mit den Vorteilen der Absatzbeschränkung und der Abgrenzung gegenüber stadtfremden Anbietern - nahm die Zunft eine »kartellähnliche Funktion« ein. 28 Trotz dieses Zunftzwanges erreichten die Weber aber nicht das ausschließliche Recht zur Benutzung von Webstühlen. Die Hausarbeit war vielerorts in Oberschwaben frei, das heißt, die Bewohner konnten die für den Eigenbedarf benötigten Textilien selber herstellen. 29 Die heimischen Weber arbeiteten daher größtenteils für den Export. Zu Gast bei armen Leuten: Die Weberzunft 59 In sämtlichen leinwandproduzierenden Städten Oberdeutschlands wies die Weberzunft bis in das 15. Jahrhundert hinein gegenüber den anderen zunftmäßigen Gruppen die jeweils größte Mitgliederzahl auf. Sie stellten 15 bis 31 Prozent der Bürgerschaft. 30 In Leutkirch war die Weberzunft noch Ende des 16. Jahrhunderts mit 200 bis 250 Bürgern die mit Abstand größte Zunft. Demgegenüber kamen alle anderen Zünfte zusammengerechnet lediglich auf 109 Vertreter. 31 In Ravensburg waren die Weber im Jahre 1521 mit 77 Mitgliedern die drittgrößte Zunft und gehörten gleichzeitig mit ihrem Vermögen pro Kopf zu den ärmsten Handwerkern. 32 Trotz ihrer zahlenmäßigen Größe war die Weberzunft in den öffentlichen Ämtern unterrepräsentiert. 33 Betrachtet man die Vermögenslage der einzelnen Zünfte in den oberschwäbischen Reichsstädten, wird schnell deutlich, dass die Weber in allen Städten eine der ärmsten, wenn nicht die ärmste Berufsgruppe darstellten. 34 In der sozialen Rangfolge der Stadt standen sie gerade noch vor den Tagewerkern, Knechten, Hirten oder den einfachen Bediensteten der Stadt, des Spitals oder der Kirche. Die Weber bildeten »die eigentliche Unterschicht der Bürgerschaft«. 35 Mit ihrer Größe und der sozial niederen Stellung barg das Weberhandwerk ein hohes Maß an Konfliktpotential. Besonders bei saisonal aufkommenden Absatzschwankungen und zunehmenden Konkurrenzprodukten kam es vielerorts zu Weberaufständen, wie in Ulm Ende des 14. Jahrhunderts. 36 Auch in Isny veranlasste die Einfuhr fremder Leinwand und des langen Garns aus Sachsen und Schlesien die Mitglieder der Weberzunft zwischen 1580 und 1598 zu drei Weberaufständen. 1598 griffen 300 Isnyer Weber sogar zu den Waffen, so dass der dortige Rat bewaffnete Bürger aus Memmingen, Lindau und Kempten anfordern musste, um die Situation zu beruhigen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts folgten Webererhebungen in Memmingen, Kempten und Leutkirch, die den zunehmenden Missstand und Niedergang im oberdeutschen Weberhandwerk Siegelstempel der Ravensburger Weberzunft, 1651. Am Rand verläuft der Schriftzug »Der Weberzunft in Ravensburg«. In der Mitte des Zunftstempels ist das Ravensburger Stadtwappen, der Reichsadler und die Zahl 1651 eingraviert. Als Zeichen der Weberzunft sind ein Webschiffchen und ein Webstuhl dargestellt. 60 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt dokumentieren, auf den noch später eingegangen wird. 37 In Ravensburg ist über eine Erhebung der Weberzunft nichts bekannt. Jedoch waren Not und Armut der Weber auch hier so groß, dass sie sich 1544 an den Rat der Stadt wandten. Die Weber baten den Rat ihnen ihre Produkte abzukaufen, da die Auftragslage so gering war. Der städtische Rat gewährte ihnen, zur Minderung ihrer Notlage, einen Kredit auf die herzustellenden Leinwand- und Golschenstücke. »Auf obgemelten Tag [28. November 1544] sien baid Zunftmaister sampt etlich von der Ailf des Weberhantwercks vor Radt erschinen, bitten, die wil ir Hantwerckh ietz gar stilstande und gar kainen schliß habe, ain e[rsahmer]. r[at]. wolle inen ain Fursatz thun und in ghain anderer Gestalt, dann wann ainer ain Golschen habe, das ain Rat den von inen nemen wolle umbs Gelt, darmit si ir Weib und Kind dest baß ernören mögen, denn wo inen ain Radt nit fürstand thue, so mogen si ir Weib und Kind nit ernören.« 38 Als Zeichen der ehemaligen Größe und Bedeutung der Weberzünfte stehen in vielen Städten Schwabens noch die Zunfthäuser, die den Webern im Spätmittelalter als Trinkstuben, Festsäle, Versammlungsorte und für Geschäftsbesprechungen dienten. Hervorzuheben sind hier das Weberzunfthaus in Wangen und das Haus der Weber in Augsburg. 39 Während das Wangener Zunfthaus aus dem 15. Jahrhundert weitgehend in seiner originalen Bausubstanz zu bewundern ist, wurde das Augsburger Weberhaus, erbaut 1389, im 20. Jahrhundert gleich zweimal neu errichtet. 40 Das Zunfthaus in Ravensburg ist als solches heute nicht mehr erkennbar, steht allerdings noch im Kern bis heute im Zentrum der Stadt. Die Herberge der Leinenweber »Zum Löwen« befand sich in der Bachstraße- 4 (heute unteres Modehaus Bredl). Durch einen Ausleger war das Haus als öffentliche Trinkstube und Versammlungsort der Weber gekennzeichnet. Das Zunfthaus wurde 1521 erstmals an dieser Stelle erwähnt. Es war neben dem Haus der Rebleutezunft das einzige Zunftgebäude in der Unterstadt. Alle anderen Zunfthäuser befanden sich am Marienplatz oder der Oberstadt. 41 Im Zunfthaus bzw. der Trinkstube versammelten sich die Weber zu geschäftlichen Besprechungen, zu politischen Beratungen oder auch nur zum geselligen Trunk. Hier feierten sie Hochzeiten und ähnliche Feste. Der Zunftkauf Seit dem 15. Jahrhundert setzte sich in den Städten des Bodensees und Oberschwabens das sogenannte Zunftkaufsystem durch. 42 Die Kaufleute und Handelsgesellschaften kauften nicht mehr die Ware der einzelnen Weber auf, sondern schlossen unter Mitwirkung und Preiskontrolle des Rats mit den Vorgesetzten der Weberzunft Lieferverträge ab. Das erste Zeugnis für Ravensburg findet sich in Artikel 141 des Stadtrechts von 1539. Ziel des Zunftkaufs war es, durch die Vertretung aller Weber eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Kaufleuten zu erreichen und eine gleichmäßige Auftragsverteilung auf alle Mitglieder der Weberzunft zu bewirken, um eine Benachtei- Zu Gast bei armen Leuten: Die Weberzunft 61 ligung einzelner zu verhindern. Der Kaufmann auf der anderen Seite musste sich bei großen Bestellmengen lediglich mit den Zunftvorgesetzten und nicht mit allen Webern einzeln auseinandersetzen. 43 Artikel 141 zeigt, wie der Zunftkauf funktionierte. Der Kaufmann, der eine größere Menge Leinwand oder Barchent in einer Stadt herstellen lassen wollte, begab sich zum Zunfthaus, um sich mit den Zunftmeistern über die den Auftrag zu einigen. Es gab, wie bei den Einzelaufträgen einen Stichtag, an dem die Aufträge erteilt wurden. In dem hier beschriebenen Falle fragen die Weber beim Rat an, ob sie den vorgeschrieben Stichtag umgehen könnten, um die Bestellung bereits früher zu bearbeiten, da die Auftragslage der Weber in diesem Jahr äußerst schlecht war. »Uf Mentag nach U.Fr. Liechtm. Tag im 1539. Jar sind Zunftmaister und ain erbere Ailf der Weberzunft vor aim ers. Rat erschinen und ainem Rat angezeigt, es si uf gestrigen Tag ain Koufman bei dem Zunftmaister erschinen und an ihn begert, er wolle dem Hantwerck sagen und si zu samen berufen lassen grad auf den mornigen Tag wolle er besehen, ob er sich ains kaufs mit ime verglichen mog. Daruf er Zunftmaister ime zu Antwurt geben, si habend ain Saz der Koef halb, das si so ilend nit fur sich selbs torfend Koef geben, sunder sollend Inhalt des Satz (so sich ainer auf ainen Cauf angibt) etlich Tag still sten und wer dann in disen Tagen ouch komm und sich umb Koeff an geb, der sol mit dem ersten glich Gerechtigkeit haben. Daruf aber der frembd Kaufman gesagt: Im sie nit gelegen lang zu warten. Darauf obgemelt Zunftmaister und Ailf auf disen Tag ain Rat gebeten haben, die wil die Maister des Handtwerchs diser Zit an der Noudt standend und gantz bestückt siend mit den Koefen, bettend si, ain ers. Radt wolle inen erlauben, damit si unangesechen dem Satz dem frembden Kaufmann - disen Cauf wider faren lassen.« Der Rat antwortet: Der Satz bleibe bestehen; mit Rücksicht darauf, dass sie anzeigten »das die Maister des Handwerchs dieser Zit des Kaufs gantz noudtürftig sien«, wolle er ihr Begehr in dieser Zeit bewilligen. 44 Zu Beginn des Zunftkaufs war die Beteiligung aller Zunftmitglieder verpflichtend. Später wurde der Zwang zur Teilnahme aufgehoben. Die Weber konnten nun selber entscheiden, ob sie sich an dem Auftrag beteiligten oder nicht. Den Auftraggebern musste daraufhin in einer vereinbarten Zeit eine vorgegebene Anzahl an Tuchstücken in der vorgegeben Qualitätsstufe produziert werden. Jedoch wurden die Lieferfristen nicht von allen Webern eingehalten, so dass der Verstoß gegen den Liefertermin unter Strafe gestellt wurde. » … das nun hinfüro man kain Weber mer in die Coeff zwingen solle, sunder so ain oder mer Caufleut komend und Golschen ald ander Linwadt vom Handtwerckh coüfen wollend, sollend die Zunftmaister das gantz Hantwerck zu samend beruefen und wölche guts Willens in dem Couf sein wollend, die mogend den Couf thun und mit dem Koufherren deßhalb sich verainigen; welche aberin sollichem Coüf nit sein wil, den sol man darzü nit noeten; doch wölche also ain Couf bewilgend und zusagend, da sollend die Zunftmaister und ailf zun Webern darob sein, bei iren Strafen, damit die selbigen ire zugesagte Coef halten …« 45 62 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Der Zunftkauf diente besonders der Barchentweberei, um große Mengen an Baumwolle von den Kaufleuten aufzukaufen und auf die Weber zu verteilen. Die Weber in Memmingen verpflichteten sich, den auf sie entfallenden Betrag eines Zunftkaufs innerhalb eines vorgeschrieben Zeitraumes nicht der Zunft, sondern direkt dem Baumwollhändler zu zahlen. Der Eintrag in das amtliche Wollbuch war die Anerkennung dieser Schuld. 46 Auch die Ravensburger Handelsgesellschaft beteiligte sich am System des Zunftkaufs. Sie hatte zu diesem Zweck ein ganzes Netz von Einkäufern über Oberschwaben gespannt, mit denen sie in Memmingen, Kaufbeuren, Kempten, Isny, Biberach und wahrscheinlich auch in Immenstadt vertreten war. 47 Eine Rechnung des Gesellschaftsmit- Zunftscheibe der Ravensburger Weber von 1754 bis 1826. Die Zunftscheibe der Weber hing im Zunfthaus in der Bachstraße 4, wo sie die Zunftstube schmückte. Zu Gast bei armen Leuten: Die Weberzunft 63 glieds Jakob Eberhard zeigt die Mengen, die er von 1500 bis 1502 in Kempten in Auftrag gegeben hatte und in einem zweiten Schritt die jeweiligen Produktionsmengen der einzelnen Weber. 48 Im Leinengewerbe Mittel- und Ostdeutschlands war der Zunftkauf noch sehr viel präsenter als in Süddeutschland. Es waren vor allem oberdeutsche Kaufleute, wie die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, die Diesbach-Watt-Gesellschaft aus St. Gallen, die Puffler aus Isny, die Vöhlin-Welser aus Memmingen und Augsburg und die Besserer ebenfalls aus Memmingen, die das Zunftkaufprinzip dort etablierten. 49 Landweber Die Zunft diente auch dazu, Probleme wie Garnmangel vor den Rat zu bringen, oder ungenügende Produktionsprozesse in anderen Städten anzuprangern. Auch das Problem der Landweber wurde hier thematisiert. Die Gäuweber wurden verachtet, da diese das Weben nur als Nebenerwerb betrieben und Konkurrenz um den Rohstoff Garn darstellten. Sie waren lange Zeit nicht in Zünften organisiert und unterlagen daher nicht den strengen Regeln der städtischen Weber. Die Kombination von Handwerk und Landwirtschaft in einem Haushalt diente insgesamt der Minderung von Krisen sowohl im gewerblichen als auch im agrarischen Bereich. 50 Als häusliches Nebengewerbe bot sich Weberei besonders an, da der Rohstoff auf dem eigenen Hof angebaut werden konnte und die Produktion einfacher Leinwand keine hohen technischen Anforderungen stellte. Zwar wurden die Landweber von der städtischen Konkurrenz verachtet, doch ohne die zusätzliche Produktion der Gäuweber wäre die große Nachfrage nach Leinwand und Barchent, die durch Kaufleute wie die der Ravensburger Handelsgesellschaft geschaffen wurde, kaum zu befriedigen gewesen. 51 Die Landweber bildeten für die großen Handelsgesellschaften eine »industrielle Reservearmee«. 52 Zudem erhielt die Konkurrenz zwischen Stadt und Land den gesamten Produktionsprozess erst über so viele Jahrhunderte lebens- und wettbewerbsfähig. 53 So waren die Landweber zur Vergrößerung des Arbeitskräfteangebots bei großen Exportaufträgen willkommen, wurden aber in Zeiten knapper Auftragslagen von den städtischen Webern bekämpft, wie bereits bei den Garnbünden des 15. und 16. Jahrhunderts gesehen. 54 Die Konsequenzen, die der Ausschluss der Gäuweber auf die Stadt hatte, zeigten sich 1467 in Memmingen. Hier wurden die um Memmingen sitzenden Dorfweber von der städtischen Schau ausgeschlossen, woraufhin die Gäuweber in Ulm um Aufnahme baten und dort ihre Artikel an die Schau brachten. Nach kurzer Zeit nahm die Stadt Memmingen das Schauverbot zurück. Der Bedarf an ländlicher Leinwand sowie der Druck der Kaufleute wird eine wichtige Rolle gespielt haben. 55 Auch in Ravensburg zeigten die Maßnahmen des beschriebenen Garnbundes von 1476, der sich auch gegen die Landweber richtete, Auswirkungen. Die Einnahmen aus der Leinwand- und Barchent-Schau, bei der jedes Tuch auf seine Qualität hin geprüft wurde, sanken in den Jahren nach 1476 beträchtlich. Die Einnahmen aus der Leinwandschau gingen von 10 Pfund, 3 Schilling und 9 Pfennig im Jahre 1472 auf 0 Pfund, 64 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt 9-Schilling und 8 Pfennig im Jahre 1484 zurück. Die Barchent-Schau hatte mit 7 Pfund, 19 Schilling und 5 Pfennig (1472) zu 3 Pfund, 7 Schilling und 3 Pfennig (1484) ebenfalls einen Rückgang zu verzeichnen. 56 Seit dem späten 15. und 16. Jahrhundert setzte die flächenhafte Verzunftung auch auf dem Land ein. 57 Die Entstehung der Landzünfte war ein Zeichen der zunehmenden Professionalisierung des Landhandwerks. Auf dem Land führte die Entwicklung vom Nebenerwerb zur landwirtschaftlichen Tätigkeit hin zu einer gewinnbringenden Hauptbeschäftigung, die wiederum die Landwirtschaft in eine Nebenbeschäftigung drängte. 58 Unterstützt wurden die Landhandwerker bei der Verzunftung durch ihre Landesherren. Durch die fortwährenden Ausgrenzungsversuche der Stadt gegenüber dem Land gingen die Territorialherren dazu über, die Verzunftung auf dem Land voran zu treiben und zunehmend unabhängig von den Städten textile Stoffe zu produzieren. Den Handelszentren erwuchs eine ernstzunehmende Konkurrenz; denn mit der obrigkeitlichen Verrechtlichung und Verschriftlichung der ländlichen Handwerkszünfte war den Städten die Möglichkeit genommen, die Landhandwerker von ihren Märkten auszuschließen bzw. deren Produktion zu kontingentieren, so dass sich bei der Leinwandproduktion das Gewicht von den bedeutendsten Städten hin zu den kleinen Landstädten und aufs Land selbst verschob. 59 Beispielhaft hierfür ist die Handelsgesellschaft der Fugger, die seit 1507 in Weißenhorn mit königlicher Genehmigung einen Markt und eine eigene Schau einrichtete. 60 Das Färben, Mangen, Bleichen und die Schau waren die Einrichtungen, die die Rolle der Stadt als Textilstandorte wahrten. 61 In den Städten gewann die Veredelung und Weiterverarbeitung von Leinwand und Barchent gegenüber dem Weberhandwerk an Bedeutung. Die hierfür zuständigen Professionen waren in Ravensburg zu großen Teilen in der Schneiderzunft organisiert. Die Textilprofiteure: Die Schneiderzunft Die Ravensburger Schneiderzunft war in Ravensburg die zweite Zunft, die mit der Produktion und Veredelung von Textilien betraut war. Im Unterschied zu den Webern waren die Mitglieder dieser Zunft zu großen Teilen sehr wohlhabend. Nach dem Dreißigjährigen Krieg bildete die Schneiderzunft eine Art Sammelbecken für alle möglichen Gewerbe: Nach Ausweis der 1719 wieder einsetzenden Steuerbücher gehörten ihr Säckler, Knopfmacher, Strumpfstricker, Kürschner, Wollweber oder Grautucher, Zeugmacher, Seiler, Kamm- und Perückenmacher, Maler, Färber, Manger, Blättersetzer, Seifensieder, Hutmacher und als gesondert geführte Gruppe die Papierer an. 62 Als sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Stadt während des 18.- Jahrhunderts besserten, wurde unter allen Zünften und Gesellschaften die der Schneider den anderen finanziell weit überlegen. 63 Das Weberhandwerk verlor in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts allmählich an Bedeutung. Seither gingen mehrere seiner Berufsgruppen zu den Schneidern über. Die Textilprofiteure: Die Schneiderzunft 65 Neue Berufe, wie die Strumpfstricker und -wirker schlossen sich von vornherein der höher angesehenen Schneider- und nicht der Weberzunft an. Dieser neue Berufszweig war entstanden, da seit dem 16. Jahrhundert durch modische Veränderungen immer kürzere Hosen getragen wurden, was das Tragen von Strümpfen erforderlich machte. Ihr Arbeitsgerät war der Strumpfwirkstuhl, mit dem Fäden durch Schlaufenbildung zu schlauchförmigen Geweben verarbeitet werden konnten, aus denen Strümpfe und Hosen gefertigt wurden. 64 Die Berufe der Hutmacher oder Knopfmacher profitierten ebenfalls vom wachsenden Modebewusstsein. 65 Zunftscheibe der Mitglieder der Ravensburger Schneiderzunft von 1779 bis 1794. Die Zunftscheibe der Schneider zeigt die Vielfältigkeit der verschiedenen Berufsgruppen, die sich in dieser Zunft sammelten. Auf ihr finden sich Papiermacher, Strumpfwirker, Bortenmacher, Hutmacher, wohlhabende Kaufleute und noch viele andere Professionen. 66 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Die reichsten Mitglieder der Schneiderzunft waren Kaufleute, die das Gewerbe des Gewandschnitts betrieben. Die Vertreter des Gewandschnitts fertigten keine Textilien, sondern befassten sich nur mit dem Tuchhandel. Die Gefahr lag nahe, dass sie den produzierenden Handwerksmeistern beim Absatz der Waren Konkurrenz machten. Deshalb schloss man die Gewandschneider vom Vertrieb einheimischer Waren für den örtlichen Bedarf möglichst aus und überließ ihn den Herstellern. Was für den Export bestimmt war, wurde über die großen Handelsgesellschaften ausgeführt. Aufgabe des Gewandschnitts war daher die Deckung des Bedarfs mit edlen Importstoffen. Eine Ordnung der Gewandschneider von 1618 steckte die Zuständigkeiten des Gewandschnitts genau ab. Ihm stand der Detailhandel in wollenen englischen und sonstigen feinen Tüchern zu, in lindischen (London) und nichtlindischen, in französischen, Mailänder, Meißner und anderen Wollgeweben, in Loden (Wollprodukten) jeder Art, in Bai (Krepp oder Flanell), wollenen Futterstoffen, Machayer (grobes Wollzeug), Bombasin (italienische Gewebe aus Seide, Wolle und Kamelhaar) und auswärtigem Barchent. 66 Die feinen auswärtigen Tuche wurden in der Tuchhalle im Waaghaus verkauft. Die Vermögensverhältnisse der Mitglieder der Schneider- und der Weberzunft illustrieren den Gegensatz der beiden Berufsgruppen. Nach den Steuerbüchern von 1789 war Johann Elias Kutter mit einem liegenden Vermögen von 17.241 Pfund und einem fahrenden Vermögen von 11.344 Pfund, was einem Gesamtbesitz von 28.585 Pfund entspricht, eines der reichsten Mitglieder der Schneiderzunft. Vermögender war lediglich die Witwe des Andreas Spieler. Johann Elias Kutter wohnte in bester Lage neben dem Waaghaus. Er war Mitglied einer alteingesessenen Ravensburger Familie, deren Vorfahren sich bis 1565 in Ravensburg zurückverfolgen lassen. Die Familie brachte es als Händler und Papierfabrikanten zu enormen Reichtum. Das Familienmitglied Johann Elias Kutter gehörte zu den einflussreichen evangelischen Kaufleuten, die sich im Verlaufe des 18. Jahrhunderts in Ravensburg hochgearbeitet hatten. Das Selbstbewusstsein dieser städtischen Gruppe zeigt sich daran, dass sich Kutter in einem Ölgemälde portraitieren ließ. Der Portrait des Johann Elias Kutter (1736-1798). Er gehörte zu den wohlhabendsten Vertretern der Schneiderzunft. Das Selbstbewusstsein des aufstrebenden Bürgertums zeigt sich darin, dass sich Kutter in einem Ölgemälde portraitieren ließ. Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 67 Gegensatz zwischen armen Webern und reichen Kaufleuten führte zu Konflikten. Die älteste nachgewiesene Auseinandersetzung ist die in der frühen Leinwand-Hochburg Konstanz. 1425 hatte die Weberzunft das Verbot von Handelsgesellschaften durchgesetzt. Diese nutzen ihrer Meinung nach ihre Machtposition zu sehr aus und brachten die Weber um ihr Geld. Der Erfolg der Maßnahme blieb aber aus, da andere Städte dem Konstanzer Beispiel nicht folgten. Der Rat nahm 1429 die Entscheidung zurück. Der Konflikt gährte weiter und konnte erst von König Sigismund selbst geschlichtet werden, der kurzerhand die Konstanzer Weberzunft auflöste. 67 Die gesamte Ravensburger Weberzunft besaß zusammengerechnet lediglich ein Gesamtvermögen von 9.559 Pfund, insgesamt nur ein Drittel des Vermögens des Johann Elias Kutter. Gewiss muss berücksichtigt werden, dass die Weberei seit dem Dreißigjährigen Krieg in der ganzen Region rückgängig war und sich seit dem 18. Jahrhundert endgültig in der Krise befand, doch verdeutlicht die Gegenüberstellung die Divergenz zwischen den Produzenten auf der einen und den Veredlern und Verkäufern auf der anderen Seite. 68 In den Steuerlisten von 1789 begegnet uns ebenfalls ein Schönfärber Kutter. Seine Nachfahren werden uns später noch begegnen. Aus der von ihm geführten Schönfärberei entstand Anfang des 20. Jahrhunderts eine der letzten Handwebereien der Region. 69 Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft In den Reichsstädten Oberschwabens gab es gleich mehrere Einrichtungen, die für die Textilproduktion, -veredelung und den Vertrieb von zentraler Bedeutung waren. Diese Einrichtungen waren es, die die Städte als Zentren der Textilwirtschaft im späten Mittelalter etablierten. Sie sorgten mit ihren Vorschriften und der Überwachung der einzelnen Herstellungsschritte für eine standardisierte Produktion von Leinwand und Barchent. Durch die gesicherte gleichbleibende Qualität, die durch das städtische Zeichen auf den einzelnen Stücken besiegelt wurde, war es erst möglich die Textilien massenhaft zu exportieren. Zu den Einrichtungen, die die standardisierte Produktion gewährleisteten, gehörten die Schau, die Mang und die Bleiche. Die Schau Die Schau war das zentrale Element in der Qualitätssicherung der städtischen Textilproduktion. Hatte der Weber die Leinwand fertig gestellt und sein Meisterzeichen mit schwer abwaschbaren Ölfarben aufgebracht, musste er sie auf der Roh-Schau begutachten lassen. Entscheidend für die weitere Verarbeitung der Gewebe war ihre dortige Einstufung. Entsprach das textile Produkt den höchsten Ansprüchen, durfte es gebleicht werden. Mittlere Qualität wurde gefärbt und schlechteste Produkte durften 68 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt nicht weiter veredelt werden. Nach den entsprechenden Veredelungsschritten wurden die Gewebe erneut auf der Schwarzschau - für gefärbte Stücke - und auf der Weißschau - für gebleichte Stücke - beschaut und besiegelt. Erst danach waren die Stoffe zum Verkauf freigegeben. Die gleichen Schauen gab es sowohl für Barchent als auch für Golschentuche. Auf der Schau wurden die Tuche auf ihre Qualität hin untersucht. Denn oberschwäbische Leinwand und Barchent waren Markenprodukte, nur ein Markenprodukt von bester und vor allem gleichbleibender Qualität konnte erfolgreich exportiert werden. Aufschluss über die Schau geben uns die Eide, die von den Schauern jährlich abgelegt werden mussten. Sie zeigen den Ablauf der Tätigkeit und veranschaulichen die Bedeutung der Schau. Auch in der Frage der Tuchschau gab es Kooperationsbemühungen zwischen den Städten der Region. So holte beispielsweise Überlingen bei Ravensburg Erkundigung über die Tuchschauerlöhne ein. 70 Der Eid der Rohgolschen-Schauer gewährt Einblick in den Ablauf der Roh-Schau, die über die weitere Verarbeitung der Stoffe entschied. Diese fand jeweils mittwochs und samstags im Rathaus statt, wo sie seit spätestens 1530 beheimatet war. 71 Im Rathaus wurden die Gewebe über einen Tisch gezogen und auf ihre Fadenzahl, Webdichte und Qualität hin untersucht. Die Textilien wurden auch auf ihre korrekte Länge hin abgemessen. Das Abmessen nannte man Raif. Diejenigen, die den Raif inne hatten, mussten ebenfalls einen Eid schwören. Die von ihnen gemessenen Ergebnisse hatten sie laut auszurufen. »Und wann er ainen Raif außmißt, soll er allweg lautt schreyen, die Zal, ainen, zween, drey, und für und für, biß ain jedes Stückh außgemeßen würdt.« Die Gebühr für den Leinwandraif nutzte die Stadt nach dem Stadtrecht von 1347, als Sold des Bürgermeisters: »umb die üblun Zit und umb die Dienste, die er der Stadt und den Burger tut …«. 72 Die Schauer besaßen für die genaue Begutachtung der Tuche ein Musterbzw. Probetuch, mit dem sie die zur Schau gestellten Stücke vergleichen konnten. Waren die Tuche hinreichend untersucht, wurden sie in vier Qualitätsstufen eingeteilt. Beste Ware wurde mit dem Zeichen der zwei Ravensburger Türme aufgestoßen. Die weniger gute erhielt das Zeichen mit einem Turm. Mit dem Aufstoßen der beiden Zeichen wurden die Tuche für die weitere Verarbeitung auf der Bleiche freigegeben. Minderwertige Ware wurde in 3 Stücke, sogenannte »Schetter« von gleicher Länge geschnitten. Sie wurden gefärbt und unter der Bezeichnung Gugler verkauft. Versuche, die Stücke, die zum Färben bestimmt waren, auf die Bleiche zu legen, standen unter Strafe. Die minderwertigste Ware wurde in kleinere Stücke sogenannte »Bletzen« geschnitten und so auch nicht fürs Färben zugelassen. »Item Sie die Schauer sollen hinfüro, biß ain aines Raths Enden auf dem Rathaus, auf zwee Tag in der Woche, nemlich auf Mitwoch, und Samstag alle Leinwat die an die Schau kompt und für sie gelegt würdt, ordentlich und fleißig schauen, alle Stück am Bendt aufthun, und jedes Stückh über ainen Tisch ab der lenge nach durch aus ziehen, und besichtigen, zu den Ortten, und in der Mit, und bey jedem Golschen Stückh das muster, so inen zugestölt, und gegeben, neben inen haben, und darnach schauen, und wölch Golsch also gout, als die Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 69 fürgelegt Prob, an allen deigen, und auf ir ayd, die selbigen Schau nach irem erkennen behalten ist, den sollen Sie mit dem besten Zaichen, der Zwayer Ravenspurger Thürmle bezaichnen und aufstoßen. Item wölche Golschen aber ain wenig minder waren und das beser Zaiche nach der Schauer Erkantnis nit behalten möcht, dem sollen sy das minder guott Zaiche, das erst ein Thurm aufstoßen. Item wölche Golschen aber in der schau die zway obstehenden Zaichen, alls die zwee, oder den einen Thurm nit behalten wurden, und dennocht zimlich Kaufmans Guot zubrauchen weren, die sollen sie zu Gugler schauen, auch nach fürgelegter Prob und Muster, das sy alßdann auch neben Inene liegen haben sollen, und die selben Golschen Stückh alsdann in drey Stückhlein allweg 20 Ellen, 3 quart an ain Stückhlein schneiden, und der selben stücklin Jedem ain Zaichen, das ist ain Gensfues aufstoßen, und soll der Kaufman oder factor die mit dem Guglern oder Schnitten handleten ufs wenigest bey Straf aines Ersmaen Raths den halben thail sollicher Rauften Gugler in der Farb,und danne den andren halben Theil der erkauft Gugler, so er der Kaufman will, auf die Blaiche thun, Wann dann dem ferber Gugler in die Farb zugestölt werden alßdann soll der Ferber die selbigen Zaichen die Gensfues verbinden, so sy aus der Ferb kommen die Schwarz Schauer erkennen mögen. Item was aber die Rau Schauer an Golschen Stückhen zu den zwayen guotten Zaichen, oder dem Gensfues zu Gugler nit guot und gmein sein an der Schau erkanten und minder war. die selben Stückh sollen sy bey Iren Aiden umgeendts zerschneiden an Zehen oder Sechs Ellen, wie sich nach Gestalt aines jeden sollichen Golschen zustrafen und zuschneiden erkennen oder den selben Schnitten gar kain Zaichen geben, und in sollichen schauen, alle Iren höchsten Fleiß ankeren und die Schau mit wißen, zu kainen Zeitten mindern sonder eher beßern, damit sy zum wenigsten bey oben geregter Prob bleiben mögen, und darin gar verwandts raicher noch armer verschonen, aus kainerlay Ursach, alles getreulich und ohn all Gefärd, die weber sollen auch den schauern in ir Schau nichts reden, bey schwerer Straf aines Raths und nach dem befunden worden, das etliche guotegolschen am Raif nit lang genug gewesen, und doch für guot und mit gepürenden Zaichen durch die verordneten Schauer bezaichnet gewesen verkauft worden, zu Fürkomung daselben, soll der Meßer solche Golschen die am Maß zu kurz , Jeder Zeit den verordneten Schauern widernüben überantwurtten, alsdann sollen der schauer solchen golschen in Stückhlein zu 20 ¾ Elen verschneiden, und mit dem Gensfues Zaichen, und das letste Stücklin allain zu zehn Ellen schneiden, aber nit bezaichnen.« 73 Der Schauschreiber zog das festgesetzte Schaugeld ein. Nach Begutachtung brachte der »Aufstoßer« im Schlaghaus das Schauzeichen an. 74 1655 musste der Rat die Kaufleute ermahnen, die Tuche vom städtischen Siegler aufstoßen zu lassen und nicht »mehr Wahre sey sy gleich hie od. ander Orth gewürkht, wie die immer nahmen haben mög, kein stosses in Ihren Häusern.« 75 Seit 1314 lässt sich ein Schlaghaus nachweisen, wo die Stoffbahnen wohl besiegelt wurden. 76 Die Schauer lagerten ihre Schauzeichen im Rathaus, wo sie bei krankheitsbedingten Ausfällen ihre Kollegen zu vertreten hatten. »Es sollen auch Rau, Schwarz und wais schauer Jede Zaiche auf dem Rathaus in ainer son- 70 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Auf der städtischen Schau wurden die Tuche auf ihre korrekte Länge und Qualität hin vermessen und kontrolliert. Die Stadt zog für die Kontrolle von Leinwand und Barchent Schaugebühren ein; Holzschnitt, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 71 dern behaltnis und ain jeder schauer ainen schlüßel darzu haben, sy sollen auch allweg mit ain andren all schauen und wann ainer nicht hir sein möcht oder krankh waer, soll er dem Bürgermaister das ansagen, der ainen andern ansein statt ordnen mag, damit die schau versehen werde …«. 77 Die Schau und das Ausmessen des Tuchs durch geschworene Messer kosteten den Weber den entsprechenden Zoll und Messgebühren. Die Schauer wurden häufig aus dem Kreis der Zunftvorsteher rekrutiert. 78 Sie standen unter dem Druck der Zunftgenossen und der Kaufleute, die für ihre Produkte die bestmögliche Qualität besiegelt haben wollten, um die Erzeugnisse weiterverarbeiten und mit Gewinn absetzen zu können. Der Druck der Kaufleute auf die Schauer wurde so groß, dass der Ravensburger Rat 1603 in einer Satzung betreffend die Mitwirkung der Kaufleute bei der Leinwandschau, dieselbigen von der Schau ausschloss. »Nach dem die Heren Kaufleut und Factoren bisher allerlay Unordnung und Misßbrauch wider alt Herkomm und Ordnung … an die Leinwatschau auf das Rathaus gegang und dadurch den Webern soviel Anleitung gegeben, das sy die Golschen, Schnitt, wellsche Stücklen und anderer Leinwat zum fürderlichen, dem anderen zutragen … auch dadruch allerlay Gezannkh und Unainigkeit erwörkht und verursacht haben.« 79 1621 wiederholte der Rat das Verbot der Kaufleute bei der Schau zu erscheinen und die vereidigten Schauer zu beeinflussen. 80 Auch von Seiten der Weber wurden die Schauer unter Druck gesetzt. Für die Weber war die Schau von existenzieller Bedeutung. Denn Gewinn oder Verlust hingen von dem Urteil der Schauer ab. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Schauern und Webern kam. Einem Ravensburger Ratsprotokollauszug ist zu entnehmen, dass sich ein Grautuch- und Lodenschauer über den Wollweber Jacob Wollhüter beschwerte, der sich schon zum zweiten oder dritten Male gegenüber ihm »verfehlet« und »loße Worth« verwandt hatte. Woraufhin der Rat Wolhüter strafte und ermahnte: »… der Schau auch mehreren Respect also geben …«. 81 Die fest vorgeschriebene Vorgehensweise bei der Schau verdeutlicht, dass es sich bei den Produkten Leinwand, Barchent oder auch Golschen um Markenprodukte handelte. Der Ablauf der Qualitätskontrolle verlief in den anderen Städten der Region ähnlich. 82 Ravensburger Elle, 1823. Sie war zentrales Instrument der städtischen Schau. Eine Ravensburger Elle entspricht 61,595 cm. 72 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Das aufgebrachte Stadtzeichen bürgte für Qualität. Die so gewahrte Sicherung des Herstellungsstandards machte die Textilproduktion des oberdeutschen Textilrevieres über mehrere Jahrhunderte auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig. Da die Gewebe durch die Schau als städtisches Markenprodukt gekennzeichnet wurden, sollten nur Textilien, die in der Stadt gewebt und veredelt wurden hier geschaut und für sie mit dem Stadtwappen gebürgt werden. In Ravensburg machte man Ausnahmen für die Produkte aus den nahen Städten Weingarten, Tettnang und Langenargen. 83 Während die Städte in Oberschwaben und dem Allgäu bei den Leinwandprodukten jeweils eigene Schauzeichen nutzten, waren diese bei der Barchent-Schau einheitlich. Es wurden die vier Qualitätsstufen Ochse, Löwe, Traube und Brief verwendet. Die Qualitätseinteilung fand so auch in Ravensburg Anwendung, wo »parchettuch halb ochsen und halb löwen, gutt Ravensburger zaichen« begehrt waren. 84 Der Ochsenkopf wurde wenig später von den Ravensburger Papiermachern als Qualitätssiegel bzw. Wasserzeichen übernommen. 85 Lediglich die beiden besten Schauzeichen Löwe und Ochse wurden zur Bleiche zugelassen. 86 Die Sorten Traube und Brief wurden wie die minderwertigen Leinwandwaren gefärbt oder gar nicht weiterverarbeitet. Textilveredelung Nach der Roh-Schau konnten Leinwand, Barchent und Golschen veredelt werden. Die Textilveredlung umfasste alle Produktionsprozesse, in denen die textile Ware das vom Endverbraucher gewünschte Erscheinungsbild sowie die erforderlichen Trage- und Pflegeeigenschaften erhielt, z.B. Waschen, Bleichen, Färben und Bedrucken. Diese Arbeitsschritte fanden in der Mang und in der Bleiche statt. Sie waren in städtischer Hand. Das Nutzungsrecht für beide Einrichtungen wurde verpachtet. Die Stadt versuchte des Öfteren die Ausfuhr unbehandelter Leinwand aus der Stadt zu verbieten. Nur veredelte Produkte sollten die Stadt verlassen und »keines wegs Rohes versandt werden«. 87 Lieferlisten der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft zeigen jedoch, dass sich das Verbot nicht dauerhaft durchsetzen ließ und auch rohe Leinwand, bzw. »row linwatt« exportiert wurde. 88 Bleiche »Es ist ouch gesetzet, daz kain weber noch niemant andrer kain ungeblaicht linwat usse der stat nit furen noch tragen sol ze verkofend, sie sige smal oder brait … Es sol och niemant kain brait noch smal linwattuch uf die blaichi legen un der burger zaichen …« 89 (Stadtrecht der Reichsstadt Ravensburg 1356) Für die Bleiche waren die auf der Schau in die besten Qualitätsstufen eingeordneten Gewebe vorgesehen. Von der Bleiche wurde das hochwertigste Endprodukt hergestellt, weiße Tuche. Dieser Abschnitt aus dem Stadtrecht des Jahres 1356 verbot die Ausfuhr ungebleichter Leinwand sowie das Bleichen von Geweben, die nicht auf der eigenen Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 73 Schau begutachtet worden waren. Zuwiderhandlung wurde unter Strafe gestellt. Das Bestreben der Stadt blieb erfolglos. Eine Ravensburger Satzung betreffend die fremde Leinwand aus dem Jahre 1589 schrieb die Zolltarife sowohl für einheimische, als auch für fremde Leinwand, die »nit alhie gewirkhet aber alhie gewalkhet und geferbt oder gar abgeblaicht« wurde vor. 90 In der Stadt gab es zwei Bleichen. Eine kleinere »obere« und vielleicht ältere im Ölschwang und eine ausgedehnte »untere«, die anfänglich wohl auf Höhe des heutigen Bahnhofsgelände gelegen haben muss. Letztere wurde zu unbekannten Zeitpunkt nach Norden »uff die Kuppeln«, etwa auf Höhe des heutigen Kuppelnauparkplatzes verlegt. 91 Die Bleiche war in städtischer Hand und wurde an die Bleicher verpachtet. Bleichen war die wünschenswerteste und gefährlichste Veredlung zugleich. Es gab keine Zunft in der das Handwerk organsiert war und die das Anlernen der Meister übernahm oder allgemeine Standards festlegte. Bei der Rasenbleiche wurden die Stoffe auf großen, mit dichtem Gras bewachsenen Feldern ausgelegt und abwechselnd dem Sonnenlicht ausgesetzt, mit Wasser bespritzt und mit einer Laugenmischung behandelt. 92 Entscheidend für die Bleiche waren Holz und Asche. Alle acht Tage kam das Bleichgut in ein Fass mit einer Lauge aus Laubholzasche. Für diese Zwecke wurde dem Bleicher in Ravensburg eine große Menge Holz aus dem städtischen Wald zugesprochen. 1711 bekam er so- Ausschnitt aus dem Ravensburger Stadtprospekt von David Mieser, 1625. Zur Bleiche gehörten ein Haus, Hofstatt, Stadel, ein Schauhaus, eine Walkmühle, 3 Gärten, 20 Mahd Wiesen als Bleichefläche sowie 15 Jauchert Felder. Die Bleichen lagen stets an Flüssen, da sie für ihren Betrieb große Mengen Wasser benötigten. Die Bleiche in Ravensburg befand sich am sogenannten Bleicherbach, einem Seitenarm der Scherzach. 74 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt wohl aus dem städtischen als auch aus dem Spitalwald jeweils 30 Klafter, also insgesamt 60 Klafter Holz zugesprochen. 93 Ein Klafter entsprach einem Holzstapel mit einer Länge und Höhe von ca. 1,80 Meter. Die Tiefe entsprach der Länge der Holzscheite. Der bei intensiver Sonnenbestrahlung freiwerdende Sauerstoff wirkte bleichend auf die im Gewebe befindlichen Naturfasern. Während der verschiedenen Veredlungsprozesse mussten die Gewebebahnen immer wieder gründlich gewaschen werden. Der enorme Wasserbedarf bestimmte von jeher den Standort der Veredlungsbetriebe an Flüssen. Das Bleichen von Leinwand war ein langwieriger Prozess und konnte bis zu drei Monate dauern. Die erste Auflage der Ware auf den Bleichefeldern erfolgte je nach Wetterlage Mitte bis Ende März. Der letzte Termin für die Auslage war Ende Juli, Anfang August. Bei einer Dauer des Bleichevorganges von 8 bis10 Wochen ergaben sich drei Bleicheperioden. Eine erste von März bis Ende Mai, eine zweite von Juni bis Ende Juli und eine letzte von August bis Anfang Oktober. 94 Wohlgemerkt nur, wenn die Wetterlage es zuließ. Denn das wichtigste Werkzeug des Bleichers war die Sonne. Das hervorragende Gemälde der Ravensburger Landschaft, vom Wangener Maler Johann Andreas Rauch, vermittelt eindrucksvoll die Größe der Ravensburger Bleiche. Das Landschaftsgemälde von 1622 zeigt die ummauerte Reichsstadt Ravensburg mit der nördlich der Stadt gelegenen »unteren« Bleiche, hier am unteren Bildrand. Die Bleiche nimmt im Verhältnis zur Stadt eine Fläche ein, die nahezu so groß ist, wie die gesamte Ravensburger Oberstadt. Dass der Künstler die tatsächliche Größe der Bleiche wiedergegeben hat, zeigt eine Bestandsliste der Bleiche aus dem 18. Jahrhundert. Zu ihrem Besitz gehörten demnach ein Haus, Hofstatt, Stadel, Walken, ein Schauhaus, drei Gärten, 20 Mahd Wiesen als Bleichefläche sowie 15 Jauchert Felder. 95 Sowohl ein Mahd als auch ein Jauchert entsprechen einem Morgen Land, was wiederum durchschnittlich 0,4723 Hektar entspricht. Die Bleiche war daher mit allen Besitzungen etwa 16 bis 17 Hektar groß. Damit war sie genauso groß wie die gesamte Ravensburger Oberstadt, die eine Grundfläche von 17 Hektar umfasst. Aufgrund des langwierigen Arbeitsprozesses und dem Auslegen der Tücher benötigten die Bleichen diese großen Grundflächen in Flußnähe. Nicht nur in Ravensburg, sondern auch in den anderen Zentren der spätmittelalterlichen Textilproduktion waren die Bleichen Zeugnisse der blühenden Textilwirtschaft. So auch in Biberach, wo die Bleiche eine größere Fläche einnahm als die ummauerte Stadt. Noch heute erinnern in nahezu allen Städten des Bodenseegebiets und Oberschwabens Straßennamen wie Bleicheweg oder Bleichestraße von dieser ehemals großen und wichtigen Einrichtung. Die Bleichen wurden auf den Stadtansichten der frühen Neuzeit nicht in allen Regionen und Darstellungen völlig originalgetreu dargestellt. In den Niederlanden, einem ebenfalls wichtigen Textilrevier, gab es eine Vielzahl von Stadtansichten mit tendenziell utopischen und einer gewissen Ästhetisierung unterworfenen Darstellungen der Bleichefelder. 96 Sie wurden hier als Symbole der Reinheit und Gottesfurcht der christlichen Stadt inszeniert. 97 In den bedeutenden Ravensburger Landschaftsansichten von David Mieser und Andreas Rauch ist die Bleiche jedoch in ihrer tatsächlichen Größe ohne jede Inszenierung wiedergegeben. Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 75 Stadtansicht mit Bleiche aus »Geographische und respektive chorographische Designation der schönen Landschaft und Gelegenheit umb des Ehrwürdigen Reichsgotthaus Weissenau und Statt Ravenspurg« von Johann Andreas Rauch, 1622. Die Bleiche nahm eine Fläche ein, die so groß war wie die gesamte Ravensburger Oberstadt. Sie befand sich am nördlichsten Zipfel des Ravensburger Hoheitsgebietes, markiert durch eine rote Linie. 76 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Aufschluss über die Besitzverhältnisse der unteren Bleiche in Ravensburg gibt eine Urkunde aus dem Jahre 1480. In der ältesten Urkunde zur Bleiche wird Conrat Bock zu ihrem Pächter bestellt. »Ich Conrat Bock von Ehingen bekenn offentlich mit diesem Brieff für mich und alle min erben. mich zu zu dem Blaicher drei Jar die nechsten nacheinander komende uff der undern Blaichen uff der Kuppeln gelegen funfftzehen Pfund Pfennig järlich und zu ainem jedem Jare men daran zu rechtem Zins zugebende und auch das ich die selben die Blaichen an Graben und allen Dingen zu guten Eren […] halten.« In der Urkunde bezeugt er weiter, für schadhafte Leinwand, »Schaden ob der zu miner Gewalt bescherhe« zu haften. Für den Pachtvertrag dienten sein Bruder Clauß Bock und Ulrich Mayer, beide Bürger zu Ravensburg, als Bürgen. 98 Neben der größeren gab es, wie bereits erwähnt, eine kleinere obere Bleiche, die im Ölschwang gelegen haben muss. Auch hier wurde der Bleicher vom Rat und Bürgermeister der Stadt bestellt. »Ich Jörg S. der Weberbürger zu R.[avensburg] bekenn ortenlich und thun kunth allenweniglich mit dem Brief, als mich die […] und Bürgermaister und Rathe der Statt R. [avensburg], mein günstig Herre, auff mein amtlich Pit zu ir und gemainer iren Statt Blaicher auff die oberen Blaiche, ain Jar lang […] bestält haben.« 99 Jörg S. verpflichtete sich weiterhin die Bleicherknechte und -gesellen den Bleicher-Eid schwören zu lassen, so dass sie pfleglich mit den Geweben umgehen würden. Wie bei der unteren Bleiche musste der Pächter Bürgen angeben, die bei Beschädigung der Tuche durch den Bleicher im schlimmsten Falle mit 200 Gulden in Haftung traten. Waren die Stücke gebleicht, wurden sie erneut zur Schau gestellt. Zum Besitz der unteren Bleiche gehörte ein eigenes »Schauhaus«, wo die Weißschau abgehalten werden konnte. 100 Die Stücke wurden hier mit einer Ulmer Probe verglichen. Waren die Stücke ausreichend gebleicht, wurden sie mit dem Stadtwappen besiegelt, »mit dem Blay Thürmlin, so dem Sigler geben ist, am schlagen, und besigeln laßen …«. 101 Nach der Schau wurden die Tuche von einem vereidigten Schlagmeister zu Ballen zusammen gebunden und für den Versand zubereitet. 102 In der frühen Neuzeit, besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg, schwand die Bedeutung der Leinwand- und Barchentproduktion, mit ihr nahm die Bedeutung der Bleiche ab. Wohl seit dem 18. Jahrhundert war sie von der Stadt in Privatbesitz übergegangen. 1789 kam sie durch einen Kaufvertrag mit Johann Nepomuk Baschan, Stadtgerichtsassesor und Schmaleggscher Vogt in Ravensburg, in den Besitz des Ravensburger Heilig- Geist-Spitals. 103 Die Mang Das mechanische Bearbeiten der Gewebebahnen durch Walken und Glätten, oft auch das Färben, geschah in der Mang. In Ravensburg gab es zwei Mangen, eine untere und eine obere Mang. Beide Häuser stehen heute noch. Die obere Mang befindet sich in der Burgstraße 14 (Wirtschaft zur Räuberhöhle), die untere Mang ist noch heute Blickfang am nördlichen Marienplatz (Ecke Marienplatz und Grüner-Turm Straße, Apotheke Vetter). 104 Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 77 Die Betreiber der Mangen mussten jährlich Färber- und Mangeraide ablegen, um die Erlaubnis zur Behandlung der Stoffe zu erhalten. Nach dem Eid von 1551 hatten die Färber und Manger zu schwören, nur Stoffe zu bearbeiten, die »vor den Schauern oder den Sieglern geschnitten und bezaichnet seyen«. 105 Sie durften daher keine Leinwand- oder Barchentstücke annehmen, die der schlechtesten Qualitätsstufe entsprachen. In den Eiden wurde den Mangern ins Gewissen geredet, pfleglich mit den Geweben, hier der groben Leinwandart Golschen, umzugehen. »… das sy die Golsche in Mangen nit zuviel rezen, das jemandts dardurch Schad zustandt, dann wo ainem also ain Schad begegnen wurde, sollen sy ganz denselben zubekenne schuldig sein.« 106 Das Färben Zum Färben wurden lediglich die minderwertigeren Stücke geschickt. Sie sollten hierdurch noch verkaufsfähig gemacht werden. Im Vergleich zu Wolle, Baumwolle oder Seide ließ sich Leinen nur schwer färben. Sie nahm eher dunkle Farben wie schwarz, blau, braun oder grün an. Das Färben der Leinwand fiel daher den sogenannten Schwarzfärbern zu. 107 Zum Schwarzfärben sollte alleine das aus Blei hergestellte Färbemittel Rausch benutzt werden und kein Sägemehl, so wie es anscheinend zuvor geschehen sein musste. 108 Untere Mang auf dem Ravensburger Marienplatz (heute Apotheke Vetter), um 1836. Hier wurden Leinwand und Barchent gefärbt und geglättet. Zum Trocknen wurden die gefärbten Stoffe auf Tuchrechen im Giebel aufgehängt. 78 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Mit Ascheaufgüssen, Kalklaugen, Zinnsalzen und Urin bearbeiteten die Färber die Stoffe, damit sie die gewünschte Farbe aufnahmen. Darstellung eines Färbers, um 1425. Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 79 Auch in anderen Städten wurde des Gebot mit Rausch zu färben umgangen. Daher schrieb Ravensburg 1581 an Memmingen, dass dortige Färber das Gebot umgingen. Memmingen versicherte in der Antwort, dass auch nach ihrer Färberordnung nur mit Rausch gefärbt werden dürfe und das Färben mit Sägemehl unter Strafe stehe. »… bey ime unseren Ferber Handtwercks allhie bey seinem geschworenen Ayd auferlegt und eingebunden, ainich Kauffmans oder andere Wahren, auß Seegmell sonder allein auß dem Rausch zuferben …« 109 Die Abstimmung der Reichsstädte über die Herstellung der Leinwand zeigt einmal mehr, dass es sich im Raum Bodensee-Oberschwaben um ein geschlossenes Textilrevier handelte, das auf die Einhaltung hoher Standards bei den textilen Markenprodukten bedacht war. Nach dem Färbevorgang musste das jeweilige Meisterzeichen auf dem Tuch angebracht und auf die Schwarzschau gebracht werden, die wiederum strengstens vom Rat geregelt war. 110 Es wurde festgelegt, »… das sie auf zum gewissen Schautag namlichen am Mitwoch zu mittag umb zwölff uhr und am Samstag morgens umb siben Uhren alle die Stücke so sy zu schauen haben, auf das Rathaus tragen und den verordnetten Schauern zu schauen fürlegen und sie darüber erkennen lassen, ob sy schwarz genug seyen.« 111 Um die Qualität zu überprüfen, wurden die gefärbten Stücke mit einem Ulmer Probestück verglichen. »Item so die Ferber die golschen Stückhlen, die zu Gugler geschauet, geschnitten und bezaichnet sind, geferbt, das sy auchten schwarz genug seyen, inen den Schauern fürlegen, so sollen sy die selben, ob ys schwarz genug seyen schauen, und doch nach der Prob und schwarzer der Stuckh deßhalb von Ulm komen …«. 112 Nach der Schwarzschau wurde dem Tuch erneut ein Zeichen für ihre Güte aufgesiegelt. Bei der Schwarz-Golschen-Schau handelte es sich um ein R bei ausreichender Qualität. Doch damit nicht genug. Nun musste der Färber das beschaute Tuch klären und mangen und erneut auf die Schau bringen. Erst danach erhielt er letztlich bei bester Beschaffenheit das Ravensburger Stadtwappen als Qualitätszeichen. »… so sollen die schwarz Schauer in das Stücklin bezaichnen mit ainem R: so mag es dann der Ferber klären und mangen, und darnach auf das Rathaus, wider für die Schauer tragen, und darüber erkennen laßen ob sie Recht klärt und gemanget seyend, was alß von den Schauern für gout erkandt, soll der Sigler derselben stücklin Jedes mit ainem bley thürmlin angehenckht, besiglen, und wölche Stückh aber in erster Schau vor dem klären nit schwarz gnuog weren, die sollen die Ferber wider ainstoßen, solang biß sie nach der Schauer erkennen genuog haben, und soll jeder Ferber von ainem jeden Stücklin das nit gnug geferbt ist, 3 k. [reuzer] Buoß und Strafgelt der statt in die Büchs geben«. 113 Waren die Stoffe nicht ausreichend gefärbt, gingen sie in die Mang zurück und mussten nachgefärbt werden und der Färber hatte eine Strafe von drei Kreuzern zu zahlen. 114 Wurden die Tücher nicht schwarz sondern in anderen Farben gefärbt, war der Rat mit den Vorschriften nicht so streng wie bei der Schwarzschau, sondern überließ es den Färbern und Kaufleuten sich zu einigen. »Und dann von wegen der Blauen, und all der anderen geferbten Stückhen […] will ain ersamer Rath den Kauffleuten, Factoren und Ferbern hirmit zulassen, und vorgenommen, das sy derneben jederzeit selbs miteinander handeln.« 115 80 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Im 12. und 13. Jahrhundert brachte der Levantehandel die Verbreitung neuer Farben und Techniken. Durch das Beizen der Tuche mit Laugen wurde die Farbaufnahme erleichtert. Seit dem 15. Jahrhundert gelangten vor allem Indigo, das über Venedig von der Ravensburger Handelsgesellschaft vertrieben wurde, Farbhölzer (Rotbzw. Brasilholz für Leinwand), Safran, Saflor, Krapp und Galläpfel zum Färben nach Süddeutschland. 116 Am Ober- und Niederrhein, in Schlesien und in der Region um Erfurt wurden - von den Städten organisiert - als Sonderkulturen die Farbpflanzen Krapp (rot, für Wolle) und Waid (blau) angebaut. 117 Karminrot wurde aus der getrockneten Körperflüssigkeit der Cochenillelaus hergestellt und damit der Scharlach (Schafwolle, Seide) gefärbt. Neben Ascheaufgüssen, Kalklaugen, Zinnsalzen und Urin verbreitete sich Alaun als Beizmittel für die textilen Gewebe. Mit der Färberei und dem damit verbundenem Waschen, Beizen und Spülen der Stoffe mit Chemikalien war oftmals eine erhebliche Verunreinigung der Umwelt verbunden. 1747 beklagten sich Nachbarn eines Färbers in Ravensburg über den »abscheulich stinkenden Dampf und Rauch«, verursacht durch die erhitzten Farbflüssigkeiten der ihnen an den Stubenfenstern hinaufziehe und »in die Stube hineinfahre«. 118 Eine interessante Persönlichkeit unter den Färbern der Region war der Konstanzer Färber Ulrich Imholz. Ausgehend von seiner ursprünglichen Profession beteiligte er sich am Garn- und Flachshandel in der Region. Als Garnaufkäufer geriet er in Konflikt mit den Konstanzer Webern und verlagerte sich auf den Handel mit fertiger Leinwand. Imholz betätigte sich ebenfalls im Venedighandel mit Färbemitteln und der für die Produktion des Barchents benötigten Baumwolle. Er gelangte zwischenzeitlich zu großem Reichtum. 119 In Konstanz belegt das Ammanngerichtsbuch für Imholz Ankäufe von Leinwand, im Wert von weit über 20.000 Gulden. Der Färbermeister bezog seine Leinwand von Lindau, über Isny und Biberach, bis hin nach Rapperswil in der Schweiz. Innerhalb kürzester Zeit war er zu einem der reichsten Bürger Konstanz aufgestiegen. So steil sein Aufstieg war, so steil war auch sein Absturz. Gleichfalls in kürzester Zeit verlor er sein Vermögen und verließ 1443 die Stadt. 120 Er ließ seine Leinwand auch in Ravensburg färben. Erhalten sind Urkunden aus dem Konstanzer Ammangerichtsbuch von 1428/ 29, nach denen er die Ravensburger Färber und Manger Heinrich Moll und Jörg Vade belieferte. 121 Er lieferte den Ravensburger Färbern Indigo. Sie übernahmen die Bezahlung sowohl in Geld als auch durch das Färbern der Leinwand des Konstanzer Kaufmannes. »Jöryg Vade der manger von Ravensburg teneteur Uolrichen Imholtz 68 lb. 9 sch. d. umb endi und galffen bezalen in die herpstmess ze Frankfurt in gold nächst nach wechsels recht. Er sol och värwen 29 braitter Ysner linwat Tuch minus ½ ort sat blaw uff stuk, wenn man im die ingit zu Ravenspurg in der statt und da sol er in die wider antwurten. An Schaden nemen, in bekümbern.« 122 Die Tatsache, dass ein Konstanzer Kaufmann Leinwand aus Isnyer Produktion zum Färben nach Ravensburg bringt, zeigt nochmals deutlich die Vernetzung des Textil- Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 81 reviers, das von St. Gallen bis zur Schwäbischen Alb und vom Schwarzwald bis zum Lech reichte. Das Walken und Glätten Alle Sorten von Barchent und Leinwand wurden nach dem Bleichen und Färben gemangt, wodurch sie nicht nur geglättet, sondern auch weich und glänzend gemacht wurden, so dass sie für den Vertrieb bereit waren. Die Mang war zumeist ein Holzgestell, in dem ein mit Steinen beschwerter Holzkasten über die auf die Manghölzer gewundenen Tücher hin und hergezogen wurde. 123 Die schweren Holzkästen und Manghölzer wurden durch Treträder oder auch Pferde in Bewegung gesetzt. Sie rollten über die Leinwand und glätteten diese mit ihrem Gewicht. Oftmals wurden die Stücke auch noch kardiert. Damit ist das Aufrauen der Leinen- und Baumwolltücher gemeint, um das Material weicher und flauschiger zu machen. Als Werkzeug diente eine Pflanze, der Kopf der sogenannten Weberkarde. Mit der Mechanisierung des Prozesses wuchs der Bedarf am Anbau der Pflanze. In der oberschwäbischen Gemeinde Baienfurt nutze man dies und führte in den 1830er Jahren den Anbau der Weberkarde ein. Der Anbau brachte dem Ort einen gewissen Wohlstand ein und führte dazu, dass fortan die Weberkarde zum Wappenmotiv der Gemeinde wurde. Seit dem späten 17. Jahrhundert entwickelte sich der Blaudruck zu einer lukrativen Nebeneinkunft vieler Färber. Mit sogenannten Druckmodeln wurde das Muster direkt auf den Stoff aufgedruckt. Blaudruckmodel, 19. Jahrhundert. Leihgeber: Städtische Museen Wangen im Allgäu. 82 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Eng verbunden mit der Färberei entwickelte sich seit dem späten 17. Jahrhundert der Blaudruck. Durch die Ostindische Kompanie kamen blau-weiß bedruckte Stoffe, sogenante »Indiennes« nach Europa. Ihnen folgte die Nachahmung des Blaufärbens nach »holländischer Art«. Aus diesen beiden Techniken entwickelte sich der Blaudruck, der auch Porzellandruck genannt wurde. Hier kam die Technik des Reservedrucks zum Einsatz. Durch Aufdrucken der Reserve wurde während des anschließenden Färbens das Muster ausgespart bzw. reserviert, während der Zeugdruck dagegen als Direktdruck ausgeführt wurde. Blaudrucke fanden vor allem Absatz bei der Landbevölkerung. Den Färbern ermöglichte der Blaudruck begrenzt Arbeit auf Vorrat und Betätigung im Handel; meist wurde in der »toten Zeit« die Kapazität der Färberei durch den Blaudruck ausgelastet. Hierzu war ein umfangreicher Vorrat an Druckmodeln nötig; einzelne Werkstätten besaßen mehr als 1000 solcher Druckformen. 124 In Ulm besaßen die Manger und Färber besonders große Fertigkeiten. Auf einer Zunfttafel von 1596, auf der die Meisterzeichen der jeweiligen Färber- und Mangmeister verewigt sind, befindet sich in der Mitte eine Darstellung des Mang- und Färberbetriebes der Mangmeisterfamilie Miller. 125 Die Fertigkeiten der Ulmer Färber setzten auch Maßstäbe für die anderen Reichsstädte. In Ravensburg verglich man bei der Schau die gefärbten Tücher der hiesigen Färber mit einem Ulmer Probestück. 126 Der große spätgotische Saal im Obergeschoss des Waaghauses wird von 14 Holzstützen getragen. Er war im 16. und 17. Jahrhundert als Tuchhalle bekannt. Tuchhändler verkauften in mehreren Standreihen Tuche aus nah und fern. Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 83 Auch Augsburg, die größte schwäbische Handelsstadt, war mit zwischenzeitlich 40 Färberhäusern ein Zentrum der Färberei. 127 Durch den Kattundruck entwickelte es sich seit dem 18. Jahrhundert zur wichtigsten süddeutschen Textilstadt. Waaghaus Der Verkauf von Textilien war auf verschiedene Gruppen aufgeteilt. Für den Export der heimischen Leinwand waren die großen Handelsfamilien und -gesellschaften zuständig, deren Mitglieder in Ravensburg in der Patriziergesellschaft »Zum Esel« organisiert waren. Nur sie konnten mit ihrem Handelsnetz die Nachfrage nach süddeutschen Textilien auf fremden europäischen Märkten erfragen und den Transport dorthin gewährleisten. Die Weber durften nur die von ihnen selbst in Monatsfrist hergestellte Ware verkaufen; sofern sie nicht ohnehin in Auftragsarbeit für einen Kaufmann gewebt hatten, konnten sie ihre Waren auf dem Ravensburger Markt anbieten. Der Handel mit auswärtigen Tuchen fiel, wie bereits erläutert, den Mitgliedern der Schneiderzunft zu, die das Gewerbe des Gewandschnitts inne hatten. Aufgrund ihrer Wetterempfindlichkeit wurden die Textilien nicht auf offener Straße, sondern in dem 1498 errichteten Waaghaus verkauft. Das Waaghaus war eine städtische Einrichtung zur Kontrolle und Förderung des Großhandels. Es diente als Umschlagsplatz, Lagerhaus und Zollstätte in einem. Vorgänger des Waaghauses war wohl das 1382 erwähnte »Kramhaus«, das sich aber nicht genau lokalisieren lässt. 128 Der große Saal im ersten Stock des Waaghauses, heute als Schwörsaal bekannt, diente dem Textilhandwerk, besonders dem Leinwandhandel. Hierauf geht die zwischenzeitliche Bezeichnung des Waaghauses als Tuchhaus zurück. Der Schwörsaal wurde zwischen 1539 bis 1751 immer wieder als Tuchhalle bezeichnet. 129 Dort war im 17. Jahrhundert alles zugerüstet für den Warenverkauf der Tucher und Kürschner. 130 Die in der Halle aufgebauten Standreihen boten vor allem schwere, rheinische, lindische, französische, mailändische und meißnerische Wolltuche an. Tuchhändler mit qualitativ hochwertigen Waren wurden gegen einen nochmaligen Aufpreis des Platzgeldes auf eine bessere, äußere Standreihe gewiesen. Gewandschneider mit weniger guten Waren wurden in die zweite inwendige Reihe gestellt. Da die Ravensburger Tuchhändler gegenüber fremden Anbietern einer hohen Konkurrenz ausgesetzt waren, durften fremde Händler seit 1683 ihre Waren erst nach 12 Uhr auslegen, während den Lindauern und Biberacher Tuchern und Kürschnern das Ravensburger Tuchhaus ganz verboten war. 131 Ballengesellschaft Neben dem Tuch- oder Waaghaus fand auf dem Haus der Ballengesellschaft im Gebäude Marktstraße 23 an Wochen- und Jahrmärkten der Verkauf von Leinentuch, Wolltüchern, Zwillich (eine mit mehreren Schäfften hergestellte, gemusterte Leinwand) und Garn statt. Der Name der Gesellschaft leitet sich von den hier gehandelten Waren ab, 84 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt Städtische Einrichtungen und ihre Funktionen für die Textilwirtschaft 85 Standorte des Garnmarktes in reichsstädtischer Zeit Wohnviertel der Ravensburger Weber 1 Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft 2 Haus der Ballengesellschaft 3 Rathaus: Ort der Leinwand und Barchentschau 4 Waaghaus: Ort des Tuchverkaufs 5 Obere Mang 6 Untere Mang 7 Heilig-Geist-Spital 8 Bruder Haus 9 Kreiszuchthaus 10 Bleiche 11 Schneiderzunfthaus 12 Versammlungshaus der Patriziergesellschaft »Zum Esel« 86 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt da die Leinen- und Wolltücher entweder als Ballenware oder in Säcken auf das Gesellschaftshaus geliefert wurden. Eine der wenigen Quellen zum dortigen Handel ist eine Satzung aus dem Jahre 1616 den Tuchhandel in der Ballengesellschaft betreffend. Hier wurde Leinen und Zwillich im Sommer ab 8 und im Winter ab 9 Uhr verkauft. Die Kaufleute hatten selber im Haus der Ballengesellschaft zu erscheinen und durften keine Zwischenhändler schicken. Der Handel erfolgte unter öffentlicher Aufsicht. Ein Leinwandmesser der Stadt musste hierbei anwesend zu sein. 132 »Item wenn einer dergleichen Leinwat in die Ballen zuverkauffen bringen werden, soll es gleich als bald öffnen und offentlich wie sich gebüre Fail haben und verkaufen.« 133 Da jeder Ravensburger Bürger zusätzlich zu seinem Handwerk ein Handelsgewerbe ausüben durfte, bestanden die Mitglieder der Ballengesellschaft vornehmlich aus Textilhandwerkern, die in der Schneiderzunft beheimatet waren und bei denen die Handelstätigkeit die eigene Handwerksproduktion bereits überflügelt hatte. 1425 hatte die Gesellschaft eine eigene Ordnung. Im Jahr 1600 schloss sie die handelnden Zunfthandwerker aus. Sie bildete eine Art »Zwischenstufe« zwischen den Zünften und der Patriziergesellschaft zum Esel. Die Mitgliedschaft war Zeichen gehobener sozialen Stellung im Vergleich zu den Zünften. 134 Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Bedeutung der Gesellschaft zu. Sie bestand mehrheitlich aus protestantischen Mitgliedern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts löste sich die traditionsreiche Gesellschaft der Kaufleute auf. 1810 verkaufte sie ihr Versammlungshaus, das mit Billardzimmer und Versammlungssaal eingerichtet war. 135 Bei Betrachtung aller Institutionen und Menschen, die in Textilproduktion, -veredelung und -verkauf involviert waren, wird deutlich, dass Ravensburg im späten Mittelalter eine von der Textilwirtschaft dominierte Stadt war. Das Textilgewerbe war »Leitsektor« der städtischen Wirtschaft. 136 Es beherrschte den Handel und das Gewerbe sowohl innerhalb der Stadtmauern als auch im Umland. Anmerkungen 87 Anmerkungen 1 Müller: Die älteren Stadtrechte, S.-81. 2 Vgl. Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S.-62-64. 3 StadtA RV Bü 399 d/ 6. 4 Falk, Beate: Marktplätze und Markthäuser in reichsstädtischer Zeit, in: Schmauder, Andreas (Hg.), Die Zeit der Händler - 850 Jahre Markt in Ravensburg (Historische Stadt Ravensburg 3), Konstanz 2002, S.-55-118, S.-62. 5 Vgl. Eitel, Peter: Das Waaghaus. Geschichte und Funktionswandel eines Ravensburger Gebäudes, in: Kreissparkasse Ravensburg (Hg.): Das Waaghaus in Ravensburg, Ravensburg 1988, S.-28-44, S.-36. 6 Vgl. Falk: Marktplätze und Markthäuser in reichsstädtischer Zeit, S.-62. 7 Vgl. Falk: Marktplätze und Markthäuser in reichsstädtischer Zeit, S.-63. 8 StadtA RV RP 1765, S.-168. 9 StadtA RV Bü 400 c/ 7. 10 StA RV RP 1653, S.-264-265. 11 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S.-56. 12 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-127. 13 Vgl. Ebd.: S.-141. 14 Vgl. Funk, Dieter: Biberacher Barchent. Herstellung und Vertrieb im Spätmittelalter und zur beginnenden Neuzeit, Basel 1963, S.-38. 15 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-140. 16 Vgl. StadtA RV Bü 400 a/ 2. 17 StadtA RV Bü 1086/ a. 18 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S.-78 ff. 19 Vgl. ebd., S.-66. 20 Vgl. StadtA RV Bü 400-a/ 12. 21 Vgl. Zur Entwicklung der Barchentproduktion siehe Kapitel 5., S.-100-104. 22 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S.-92. 23 Vgl. Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-515. 24 Vgl. Beschreibung des Verlagssystems als Basis der süddeutschen Textilwirtschaft, Kapitel 5., S.-98-100. 25 Müller, Die älteren Stadtrechte, S.-184. 26 Vgl. Eitel, Peter: Die oberschwäbischen Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft. Untersuchungen zu ihrer politischen und sozialen Struktur unter besonderer Berücksichtigung der Städte Lindau, Memmingen, Ravensburg und Überlingen (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 8), Stuttgart 1970, S.-22-23. 27 StadtA RV Bü 400 a/ 10. 28 Vgl. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S.-346. 29 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-391. 30 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-29. 31 Vgl. Kümmerlen, Die Leinenweberei Leutkirchs, S.-139. 32 Vgl. Eitel: Die oberschwäbischen Städte im Zeitalter der Zunftherrschaft, S.-144. 33 Vgl. ebd., S.-163-265. 34 Vgl. ebd., S.-143-147. 35 Vgl. ebd., S.-149. 36 Vgl. Hauptmeyer: Verfassung und Herrschaft in Isny, S.-36-37. 37 Vgl. Ebd., S.-35-36. 38 Müller, Die älteren Stadtrechte, S.-293. 88 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt 39 Vgl. Wüst, Wolfgang: Die süddeutsche Textillandschaft 1500-1800, in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-9-38, S.-14-16. 40 Sachs-Gleich, Petra: Handelsniederlassung - Zunfthaus - Trinkstube. Aus der wechselvollen Hausgeschichte, in: Denkmalstiftung Baden-Württemberg (Hg.): Das Weberzunfthaus in Wangen im Allgäu. Denkmal Reichsstädtischen Kulturlebens, Stuttgart 1998, S.-16-23. 41 Vgl. Falk, Beate: Die alten Zunftäuser der Weber und Schmiede im neuen Glanz. Modehaus Bredel - historisch, in Ravensburger Stadtmagazin 66, 10.05.2007, StadtA RV ZR XIII/ 14. 42 Vgl. Aubin, Gustav/ Kunze, Arno: Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland zur Zeit der Zunftkäufe. Ein Beitrag zur industriellen Kolonisation des Ostens, Stuttgart 1940, S.-56. 43 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-583. 44 Müller: Die älteren Stadtrechte, S.-271-272. 45 Ebd.: S.-281-282. 46 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-397. 47 Vgl. Aubin/ Kunze: Leinenerzeugung und Leinenabsatz, S.-56. 48 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr.-93 Jakob Eberhards Rechnung von Kempten von der Leinwant, so er gekauft hat seit 20. August 1500 bis auf 7. Mai 1502, S.-457-459. 49 Vgl. Aubin/ Kunze Leinenerzeugung und Leinenabsatz, S.-30-32. 50 Vgl. Sczesny: Zwischen Kontinuität und Wandel, S.-328. 51 Vgl Sczesny, Anke: Von Handwerkern, Zünften und Bauern: Gewerbe und Gesellschaft im ländlichen Ostschwaben der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 95 (2002), S.-139-158, S.-141. 52 Vgl. Kießling, Rolf: Entwicklungstendenzen im ostschwäbischen Textilrevier während der Frühen Neuzeit, in: Jahn, Joachim / Hartung, Wolfgang (Hg.): Gewerbe und Handel vor der Industrialisierung: Regionale und überregionale Verflechtungen im 17. und 18. Jahrhundert, Sigmaringendorf 1991, S.-27-48, S.-33. 53 Vgl. Hauptmeyer: Verfassung und Herrschaft in Isny, S.-24. 54 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-165-166. 55 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-583. 56 Vgl. Dreher, Alfons: Neue Akten zur Ravensburger Handelstätigkeit im 15. und 16. Jahrhundert, Ravensburg undatiert, StadtA RV X194. 57 Vgl. Wüst: Die süddeutsche Textillandschaft, S.-14. 58 Vgl. Sczesny, Anke: Die Zunft im Dorf: Handlungsfelder von Webern in ländlichen Gemeinden Ostschwabens, in: Holenstein, André (Hg.): Nachbarn, Gemeindegenossen und die anderen Minderheiten und Sondergruppen im Südwesten des Reiches während der Frühen Neuzeit, Epfendorf 2004, S.-33-46, S.-45-46. 59 Vgl. Amman: Leinenindustrie, S.-256. 60 Rieber: Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm, S.-3. 61 Vgl. Ammann: Konstanzer Wirtschaft, S.-73-74. 62 Vgl StadtA RV Bü 1301 und 1302. 63 Vgl. Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-507. 64 Vgl. StadtA RV Bü 1085/ a, Ordnung der Ravensburger Strumpfstricker. 65 Vgl. Rieber: Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm, S.-5. 66 Vgl. Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-508-510. 67 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-1, S.-36-37. 68 Vgl. StadtA RV Bü 1301 und 1302. 69 Vgl. Kapitel 7., S.-138-144. 70 StadtA RV Bü 399 b/ 2. 71 StadtA RV Bü 399 a/ 5. Anmerkungen 89 72 Müller: Die älteren Stadtrechte, S.-149. 73 StadtA RV Bü 399 c/ 4. 74 Vgl. StadtA RV Bü 400 c/ 3. 75 StadtA RV Bü 1086/ c. 76 Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-512. 77 StadtA RV Bü 399-c/ 4. 78 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-43. 79 StadtA RV Bü 400 a/ 5 und Bü 400-a/ 12. 80 Vgl. StadtA RV Bü 400 b/ 12. 81 StadtA RV Bü 1086/ a. 82 Vgl. Kümmerlen: Die Leinenweberei Leutkirchs, S.-151. 83 Vgl. StadtA RV Bü 37 b/ 3 (2). 84 StadtA RV U4130. 85 Vgl. Sporhan-Krempel: Ochsenkopf und Doppelturm, S.-59. 86 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.- 43-46. 87 StadtA RV Bü 400 a/ 12. 88 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr.33. Bestellung Diepold Bucklins für Valencia 1472, S.-235-237. 89 Müller: Die älteren Stadtrechte, S.-112. 90 StadtA RV Bü 399 d/ 1. 91 StadtA RV Bü 22 a/ 234. 92 Vgl. Preger, Max: Geschichte der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt in Weißenau, in: Eitel, Peter (Hg.): Weißenau in Geschichte und Gegenwart, Sigmaringen 1983, S.-317-350, S.-317. 93 Vgl. SpitalA RV 69/ a/ 2. 94 Vgl. Kießling, Rolf: Frühe Verlagsverträge im ostschwäbischen Textilrevier, in: Mordek, Hubert (Hg.): Aus Archiven und Bibliotheken. Festschrift für Raymund Kottje zum 65. Geburtstag, Frankfurt am Main 1992, S.-443-458, S.-447. 95 Vgl. SpitalA RV 9/ 2/ r, 2798. 96 Vgl. Roeck, Bernd: Stadtdarstellung der frühen Neuzeit: Realität und Abbildung, in: Roeck, Bernd (Hg.): Stadtbilder der Neuzeit. Die europäische Stadtansicht von den Anfängen bis zum Photo (Stadt in der Geschichte 32), Ostfildern 2006, S.-19-40,S.-34. 97 Michalski, Sergiusz: Die emblematische Bedeutung der Bleichen in den »Haarlempjes« des Jacob van Ruisdael, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 31 (1992), S.- 68-76. 98 StadtA RV Bü 22 a/ 234. 99 StadtA RV Bü 379 a/ 9. 100 Vgl. SpitalA RV Bü 9/ 2/ s, 2799. 101 StadtA RV Bü 399 c/ 4. 102 Vgl. StadtA RV Bü 399 a/ 8. 103 Vgl. Spital A RV Bü 9/ 2/ s, 2799. 104 Vgl. Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-147. 105 StadtA RV Bü 399 a/ 9. 106 StadtA RV Bü 399 c/ 4. 107 Vgl. Reith, Reinhold: Lexikon des alten Handwerks. Vom späten Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 1990, S.-71. 108 Vgl. StadtA RV Bü 399 a/ 9 und Bü 399 c/ 4. 109 StadtA RV Bü 399 c/ 2. 110 Vgl. StadtA RV Bü 399 c/ 4. 111 Ebd. 112 Ebd. 113 Ebd. 90 4. Textilproduktion und -handel in der Stadt 114 Vgl. StadtA RV Bü 399 a/ 9. 115 StadtA RV Bü 399 c/ 4. 116 Vgl. Eitel, Peter: Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft (Ravensburger Stadtgeschichte 13), Ravensburg 1984, S.-6. 117 Vgl. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S.-350. 118 Zitiert nach: Falk, Beate: Die Leinwandproduktion in der Region Bodensee-Allgäu-Oberschwaben - vom »blauen« zum »grünen« Allgäu, in: Festschrift zum 37. Deutschen Färbertag, Ravensburg 1990, S.-72-81, S.-79. 119 Vgl. Ammann: Konstanzer Wirtschaft, S.-91-92. 120 Vgl. ebd., S.-91-92. 121 Vg. ebd., S.-138 Art. 464, S.-140 Art. 491, S.-141 Art. 494., S.-148 Art. 568, S.-149 Art. 578. 122 Zitiert nach ebd., S.-145, Art. 545. 123 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-193. 124 Vgl. Reith: Lexikon des alten Handwerks, S.-73. 125 Vgl. Rieber: Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm, S.-4. 126 Vgl. StadtA RV Bü 399 c/ 4. 127 Vgl. Reith, Reith: Lexikon des alten Handwerks, S.-74. 128 Vgl. Eitel: Das Waaghaus, S.-28. 129 Vgl. Dreher: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, S.-508. 130 Vgl. Eitel: Das Waaghaus, S.-36. 131 Vgl. Falk: Marktplätze und Markthäuser in reichsstädtischer Zeit, S.-86. 132 Vgl. StadtA RV Bü 400 a/ 13. 133 Ebd. 134 Vgl. Lutz, Alfred: Zwischen Beharrung und Aufbruch. Ravensburg in den Jahren 1810 bis 1847, Münster 2005, S.-287-288. 135 Vgl. ebd., S.-291. 136 Vgl. Sczesny: Von Handwerkern, Zünften und Bauern, S.-143. 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa »Zusammen 142 Ballen deutsches Gut. Ist eine ehrbare Summe Gutes für ein Jahr, das viel Geld wird laufen. Ihr mögt es mehren oder mindern. Ich ließe es aber bleiben.« 1 (Diepold Bucklin, Handelsgeselle der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft in Valencia, bestellt 1472 für das Gelieger in Valencia 142 Ballen Textilien) Für Ravensburg und den gesamten Raum Bodensee-Oberschwaben war die Leinwand der erste große Exportartikel, das einzige Fertigfabrikat, das von Deutschland auch in größeren Mengen in den internationalen Güteraustausch gebracht werden konnte. 2 Die Leinwandprodukte, die bis zu ihrer Fertigstellung durch viele Hände gingen, wurden nach ganz Europa exportiert. Bereits seit dem 13. Jahrhundert handelten Kaufleute süddeutsche Leinwand in den Mittelmeerstädten Italiens. 3 Zusammenschlüsse, wie die Ravensburger Handelsgesellschaft, organisierten seit dem 14. Jahrhundert Produktion und Vertrieb der oberschwäbischen Textilien. Durch ihre Niederlassungen in den wichtigsten Handelsstädten Europas konnte sie die Nachfrage nach oberschwäbischen Produkten erfragen und durch Auftragsarbeiten in der schwäbischen Heimat bedienen. Die süddeutschen Handelsgesellschaften organisierten die Herstellung der Leinwand in der Wirtschaftsform des Verlagswesens. Sie führten mit der neuen Wirtschaftsordnung seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch die Produktion von Barchent in Süddeutschland ein. Sie waren im praktizierten Verlagssystem das Bindeglied zwischen den einheimischen Webern und den Abnehmern in den Handelsmetropolen Europas. Hauptabnehmer der süddeutschen Produkte war Spanien. Von den großen Handelshäfen Barcelonas und Valencias wurden die Waren bis nach Nordafrika exportiert. Die Produktion und der Vertrieb der Leinwand und des Barchents brachten sowohl den Handelsgesellschaften als auch der ganzen Region im späten Mittelalter Reichtum. Das Wachstum der süddeutschen Städte war eng mit der erfolgreichen Textilwirtschaft verknüpft. Schon vor der Gründung der Ravensburger Handelsgesellschaft, um 1380, blühte der Handel mit Leinwand aus der Region Bodensee-Oberschwaben. Bereits im 13. Jahrhundert wurde Leinwand aus Süddeutschland unter der Bezeichnung »deutsche Leinwand« nach ganz Europa exportiert. Notare aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Marseille machten bereits Geschäfte mit »tele de Alamannia«, der deutschen Leinwand. Sie gelangte über die Messen in der Champagne nach Marseille und von dort bis nach Akkon in Syrien. 4 1314 sind »thobalea Alamanica«, Tischtücher aus Deutschland, im Inventar des päpstlichen Schatzes aufgeführt. 5 Kaufleute aus den Städten des Bodenseeraums, auch aus Ravensburg, sind bereits am Beginn des 13. Jahrhunderts in Genua nachweisbar, wo sie mit oberschwäbischer Leinwand handelten. 6 In Venedig ist Bodenseeleinwand 1320 zum ersten Mal belegt. Die Einfuhr erfolgte durch Kaufleute aus Konstanz. 7 Auch auf den Messen der Champagne war Leinwand aus Deutschland 92 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa so wichtig, das sie in dem Zolltarif der Champagne aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter den verhältnismäßig wenigen genau erwähnten Waren ausdrücklich als »Toilles d‘Alemaigne« aufgeführt wurde. 8 Wie die Belege zeigen, war »deutsche Leinwand«, d.h. Leinwand aus dem Raum Bodensee-Oberschwaben bereits im 13. Jahrhundert sowohl in Italien wie in Südfrankreich und Spanien allgemein verbreitet und wurde durch umfassenden Handel in alle Randländer des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres ausgeführt, bis nach Asien hinein. 9 Mit der Gründung und dem Wachstum der Reichsstädte Süddeutschlands erlangten die Leinwandproduktion und der Handel damit eine noch größere Dimension. Handelsgesellschaften, wie die große Ravensburger, machten sich die durch die Städte normierte Leinwandproduktion zu Nutze und verkauften im späten Mittelalter die heimischen Textilien massenhaft. Sie tauschten die Gewebe gegen exotische Produkte ein und steigerten so ihren Warenumschlag, der ihnen Reichtum brachte. Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft Die Ravensburger Handelsgesellschaft (1380-1530) unter der Leitung der Familie Humpis war im System des internationalen Warenhandels ein herausragender Akteur. Das Rückgrat der Gesellschaft bildete der Vertrieb der Leinwand und des Barchents der Bodenseegebiete und Oberschwabens. 10 Den Hauptanteil ihrer Exporte bestritt die Gesellschaft durch Leinwand, die in den Städten Konstanz, St. Gallen und Ravensburg sowie deren Nachbarstädten gewoben wurde. 11 In Ravensburg wurden besonders breite und schmale Leinwand sowie welsche Leinwand aus Hanf und gefärbte Flachsleinwand, sogenannte Gugler aufgekauft. Dem Handel mit diesen Textilien verdankte die Gesellschaft ihren Aufstieg zur »Magna Societas Alemannorum«. Die benötigte Leinwand wurde sowohl in den großen Reichsstädten als auch in den kleineren Städten der Region wie Kempten, Oberstaufen, Wangen, Isny und Memmingen eingekauft. 12 Hier erlangte die Gesellschaft als Aufkäufer eine Monopolstellung. Einige Städte gerieten gar in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Handelsgesellschaft. 13 Die Handelsgesellschaft exportierte die Erzeugnisse Ravensburgs und anderer oberschwäbischer Städte nach ganz Europa. Nach Norden gingen die textilen Produkte über die Messen in Lyon, Frankfurt und Genf. Über Nürnberg gingen Leinwand und Barchent weiter Richtung Osten. 14 Die Handelstätigkeit der Ravensburger Gesellschaft und anderer großer oberdeutscher Kaufleute im östlichen Mitteldeutschland führten dort zur Bildung eines neuen Textilreviers in der Gegend von Sachsen bis Schlesien. 15 In Italien wurden kaum oberschwäbische Textilien abgesetzt. Besonders die Lombardei mit dem Zentrum Mailand verfügte selber über eine starke Textilproduktion. Von Oberitalien kamen die Barchentstoffe, die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Süddeutschland produziert wurden. Italien war nicht Abnehmer deutscher Textilien, sondern fungierte vielmehr als Handelsdrehkreuz für die deutsche Textilwirtschaft. Über den Hafen in Venedig gelangte Baumwolle nach Süddeutschland, die die schwä- Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft 93 bischen Barchentweber zu Baumwollmischgeweben verarbeiteten. Über den Hafen in Genua wurden die fertigen Produkte weiter nach Spanien, dem wichtigsten Abnehmerland, verschifft. Besonders die großen Hafenstädte Barcelona und Valencia nahmen die textilen Produkte der Ravensburger Handelsgesellschaft in großen Mengen ab. In einem Brief von 1436 schreibt Faktor Hans Frei aus Barcelona an das »Gelieger« (Niederlassung) in Genua und berichtet, welche Waren er von einem aus Genua kommenden Schiff in Barcelona ablädt und welche weiter nach Valencia gehen. 29 Ballen unbestimmter Textilien sind in Barcelona geblieben, 37 Ballen, darunter 24 Ballen gebleichte welsche Leinwand, vier Ballen schmal weiße, vier Ballen gemeine Ravensburger und fünf Ballen Barchent waren für Valencia bestimmt und wurden auf dem Schiff belassen. 16 Der wichtigste Handelspartner der Ravensburger Handelsgesellschaft auf der iberischen Halbinsel war Barcelona. In den Zollbüchern der Stadt, den »Libre del dret dels Alamanys e Saboienchs« von 1425 bis 1440 ist die Ravensburger Gesellschaft der Humpis bei den Einfuhren mit Abstand an erster Stelle genannt. Zwischen 1426 und 1440 wurden insgesamt 2163 Ballen textile Stoffe nach Barcelona eingeführt, davon entfielen allein 1752 auf die Ravensburger Handelsgesellschaft. Oftmals lieferte sie die einzigen textilen Importe. Die große Nachfrage nach deutschen Textilprodukten lässt sich u.a. aus Spaniens geografischer Nähe zu Afrika erklären: Der spanische Markt belieferte auch die Kolonien, wo die Sklaven vorwiegend in Leinen gekleidet wurden. 17 Der Handel mit Leinwand und Barchent war großen Schwankungen unterworfen. Der geringste Warenumsatz betrug 12 Ballen Textilien (1433), während 1435 220 Ballen und 1436 215 Ballen von der Ravensburger Handelsgesellschaft nach Barcelona gebracht wurden. 18 Die Schwankungen erklären sich aus der langen Produktionskette, die durch Missernten, politische Konflikte usw. beeinträchtigt werden konnte. Ein besonders gutes Jahr für den Textilhandel der Gesellschaft mit Spanien war das Jahr 1472, aus dem uns eine Bestellliste des Diepolt Bucklin vom zweiten wichtigen Gelieger der Gesellschaft in Spanien, nämlich Valencia, vorliegt. Auch in Valencia war die Große Ravensburger Handelsgesellschaft im Geschäft mit Leinwand und Barchent sehr aktiv. Diepolt Bucklin, Handelsgeselle in Valencia, orderte 1472 von der Zentrale in Ravensburg die gesamte Bandbreite der von der Gesellschaft gehandelten Textilwaren. Neben den Bestellmengen zeigt uns der Brief auch, in welchen deutschen Städten die Organisation ihre Waren einkaufte und welche Produkte in jenen Jahren besonders begehrt waren. Bucklin verkauft das Baumwollmischgewebe Barchent, weiße Leinwand beziehungsweise gebleichte Leinwand, »row linwatt« - die weder gebleicht noch gefärbt war und welsche Leinwand aus Hanf. Insgesamt bestellt Bucklin 142 Ballen »deutsches Gut«. Von diesen 142 Ballen sind 8 Ballen welsche Leinwand, 14 Ballen Barchent und 120 Ballen Leinwand. Auf die Herkunft der 8 Ballen welscher Leinwand scheint Bucklin keinen Wert zu legen, zumindest gibt er keinen gewünschten Herkunftsort an. Die 14 Ballen Barchent entfallen auf Memmingen (4), Augsburg (4) und Ulm (6). Den mit Abstand größten Posten stellt die Leinwand dar. Diese verteilt Bucklin auf St. Gallen (60), Ravensburg (40) und auf andere Städte der Region 94 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa (20). Schon zu diesem Zeitpunkt scheint die St. Galler Leinwand die hochwertigste und begehrteste Leinwand gewesen zu sein. Ravensburger Leinwand findet mit 20 Ballen gebleichter Leinwand und 20 Ballen roher, also ungefärbter und ungebleichter Leinwand, ebenfalls guten Absatz. Diepold Bucklin beschließt den Abschnitt zu den deutschen Produkten mit einem das Jahr abschließenden Fazit, das treffender nicht sein könnte. »Zusammen 142 Ballen deutsches Gut. Ist eine ehrbare Summe Gutes für ein Jahr, das viel Geld wird laufen. Ihr mögt es mehren oder mindern. Ich ließe es aber bleiben.« 19 Bestellung Diepold Bucklins für Valencia 1472, 22.-September »Hie nauch so staut ain luter recept von gutt, so unss die heren sond laussen bestellen per Valentz diss winter in Tútschland, die ist wie hie nauch staut uff 22.set. 1472 gemacht per man de Typaut Bucklin. 4 Ballen Augsburger Barchent, 30 Stück per Ballen, Stück 32 Schilling . Haben gute Frage. 6 Ballen Ulmer weißer Barchent, 24 Stück per Ballen. 4 Ballen Memminger Barchent. Biberacher Barchent geht müßig, man will ihn nicht. 60 Ballen St. Galler Leinwand. 10 Ballen von 19 Pfennig die Elle. 15 von 20 Pfennig, 10 von 21, 10 von 24,5 von 25 in 30, 10 von 32 in 50. Kleine deutsche Leinwand hat große Frage. Haben nicht 1 palma. 20 Ballen Ravensburger weiße Leinwand. 17 Stück per Ballen, möglichst alle von 15 Pfennig. Ich habe noch 19 Ballen im Hause. Ein guter Teil ist auf der Straße. Bestellt nicht mehr, legt das Geld an St. Galler, daran ist mehr Profit. 5 Ballen gemeine weiße Leinwand. Man vertreibt ihr nicht so viel, als man sollte. 16 ½ Pfennig die Elle. Schmal weiße Leinwand. Ich habe in meiner Zeit verkauft 14 Ballen, habe noch 29 ohne die, so auf der Straße ist. Bestellt nichts, ihr wolltet denn Euer Geld verstecken oder Ihr wolltet es hier anhängen an böse Schuldner. Bestellt keine welsche weiß Leinwand , haben 1 Ballen, will nicht ab Statt. 20 Ballen brayt Ravensburger »row linwatt«. 8 Stück per Ballo. Je 7 von 14 Pfennig. 15 Ballen schmal row Leinwand. 9 Stück per Ballo. Sollen gern 17 Pfennig gelten. 8 Ballen welsch row Leinwand. 10 Stück per Ballin. Die Elle soll gern 14 Pfennig gelten. Zusammen 142 Ballen deutsches Gut. Ist eine ehrbare Summe Gutes für ein Jahr, das viel Geld wird laufen. Ihr mögt es mehren oder mindern. Ich ließe es aber bleiben.« 20 Um sich den Umfang der hier gehandelten Waren vergegenwärtigen zu können, sei hier kurz auf einen einzelnen Posten eingegangen. Diepold Bucklin bestellt 20 Ballen Ravensburger weiße Leinwand. Ein Ballen soll dabei 17 Stück enthalten. Um 1478 umfasste ein Ballen Ravensburger gebleichter Leinwand 420 Ellen. 21 Die Ravensburger Elle entsprach einer Länge von rund 60 cm. Ein einzelnes Stück Leinwand aus dem Ballen war 24,7 Ellen bzw. 14,8 Meter lang. Das heißt, dass ein Ballen mit 17 Stück ca. 252 Metern Tuch entsprochen haben muss. Eine Bestellmenge von 20 Ballen Ravensburger weißer Leinwand entspricht daher 5040 Metern Tuch. Eine große Summe, die verdeut- Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft 95 licht, welche Dimensionen Leinwandproduktion in den Städten Oberschwabens eingenommen haben muss. Der Transport solcher Bestellmengen muss wahre Karawanen in Gang gesetzt haben, die sich vom Bodensee über die Alpenpässe, nach Como und von dort nach Genua aufmachten. Von der italienischen Hafenstadt wurde die Ware auf Schiffen weiter transportiert. An der Mittelmeerküste entlang ging es über Bouc nach Barcelona und weiter nach Valencia. 22 Über die spanischen Städte wurde die Leinwand weiter nach Marokko, Algerien, Ägypten und über Sizilien nach Akkon in Syrien, dem damaligen christlichen Haupthafen im Heiligen Land gebracht. In den Ländern des südlichen Mittelmeerraums war Leinwand wegen seiner kühlenden Eigenschaft sehr gefragt, konnte aber aufgrund klimatischer Bedingungen dort nicht selbst angebaut werden. 23 Ein Kaufmann in seinem Handelskontor. Im Hintergrund werden Ballen mit Waren zum Transport fertig gemacht; Kupferstich, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. 96 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa Bevor das Endprodukt in die Händen des Käufers ging, musste es erst einmal aus den einzelnen Städten Oberschwabens zusammengetragen werden. Der Fuhrlohn für die oberschwäbische Leinwand wurde fast immer nach dem Stück berechnet. Er betrug von Wangen, Isny oder Kempten aus nach Ravensburg gleichermaßen vier Kreuzer für das Stück, trotz der verschiedenen Entfernungen. 24 Zu den reinen Transportkosten kamen noch Zölle, Seilerlohn, Binderlohn, Ladegebühren und andere Unkosten. Vom Bodensee ging es weiter über die Alpen. Der Geselle Hans Her, der für die Gesellschaft regelmäßig Transporte über die Alpenpässe durchführte, beschreibt in seinem Wegebuch den mühevollen und kostspieligen Transport der Waren. Sein »Straßenbüchlein« vom 6. November 1499 bis zum 30. März 1500 zeigt, dass er auch im Winter außerordentlich oft die Alpen überquerte. Er beförderte mehrfach Waren von Lindau und Friedrichshafen, dem ehemaligen Buchhorn bis nach Como, dabei überquerte er einige Male den Splügen- und den Septimerpass, die die Schweiz mit Italien verbinden und die schon von den Römern genutzt wurden. Eine riesige Herausforderung, bedenkt man die Höhe von über 2000 Metern und das wohl sehr menschenfeindliche Wetter im Winter. Von November bis Ende März war Hans Her insgesamt 114 Tage auf Fahrten gewesen und hatte achtmal die Alpen überquert. Die meiste Zeit war er dabei zu Fuß unterwegs. Ein einzelner Warentransport von Ravensburg nach Como dauerte rund 13 Tage. 25 Er begann entweder in Buchhorn oder in Lindau. Gegen Zahlung eines Schifflohnes ging es auf die österreichische Bodenseeseite nach Fußach, wo wiederum Zollgebühren fällig wurden. Von Fußach aus ging es gegen Zahlung eines Fuhrlohnes weiter hinauf nach Feldkirch, in Vorarlberg gelegen. War man hier angekommen mussten auch hier Zoll, Hausgeld und Wagengeld entrichtet werden. Auch in Vaduz kam man nicht um die Zahlung des örtlichen Zolls herum. Nächste Station war das weiter rheinaufwärts im Kanton St. Gallen gelegene Maienfeld. Nach Zahlung von Fuhrgeld und Zoll ging es weiter durch das Tal des Alpenrheins nach Chur. Von Chur aus folgte die längste und anspruchsvollste Etappe für den ein Großteil der Transportkosten anfiel. Denn von Chur ging es direkt über den Splügenpass nach Chiavenna. Ein letzter Landtransport führte von Chiavenna an das nördliche Ufer des Comer Sees. Dort wurden die Waren mit dem Schiff zum südlichen Ufer, nach Como gebracht. »Was ich aus gib auf 80 Stück allerlei Gut: Zu Linden von 38 ½ Saum Gut Zoll, Gredgeld 1 Gulden 16 Schillinge 2 Pfennig; Schifflohn von Linden und Buchorn gen Fusach von 80 Stück Gut und Leererlohn und Zoll und ›piettgelt‹ 1 Gulden 12 Schilling 10 Pfennig; Fuhrlohn von Fusach gen Feldkirch 9 Gulden 3 Schilling 6 Pfennig, zu Feldkirch Zoll, Hausgeld, Wagengeld 3 Gulden 4 Schilling 6 Pfennig; Zoll zu Faducz 1 Gulden 17 Schilling 2 Pfennig; Fuhrlohn von Feldkirch gen Mayfeld 9 Gulden 3 Schilling 6 Kreuzer; zu Mayfeld Zoll, Hausgeld und ›piettgelt‹ 2 Gulden 6 Schilling 8 Pfennig; Fuhrlohn von Mayfeld gen Chur (von 80 Stück) 5 Gulden 13 Schilling 6 Pfennig; zu Chur, Zoll Hausgeld, Fürleite 4 Gulden 8 Schilling 9 Pfennig; Fuhrlohn von Chur gen Cläffen 45 Gulden 12 Schilling 6 Pfennig; zu Cläffa, Zoll, Fuhrlohn an See, Schifflohn und zu Chom in das Haus tragen 8 Gulden 6 Schilling 6 Pfennig; Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft 97 zu Linden, Feldkirch, Chur, Cläffa zu binden 10 Schilling 9 Pfennig; 21 Dezember gegeben Hainrich Stainhúsler zu Chur auf Zehrung 3 Gulden. Errechnete Summe 79 Gulden 16 Schilling 4 Pfennig.« 26 Wie der Bericht des Hans Her zeigt, war der Transport der Waren eine anspruchsvolle, teure und langwierige Unternehmung. Der Transport eines einzigen Ballens St. Galler Leinwand vom Bodensee bis Valencia belief sich auf insgesamt etwa 12 Gulden. 27 Im Sommer wurden die Waren auf Lasttieren, im Winter wohl auf Schlitten und kleinen Wägen über die Berge gebracht. Nach der Überquerung der Alpen mussten die Güter weiter zu den Mittelmeerhäfen gebracht werden. Von Como gingen die Waren über Mailand nach Genua. Dort wurden sie auf Schiffe geladen und entlang der Mittelmeerküste über Bouc, bei Avignon, nach Barcelona und weiter nach Valencia geschifft. Der Transport der Leinwand durch ganz Europa war enorm aufwändig, langwierig und gefährlich. Die Transportkosten sowie Beschädigung oder Verlust von Ware mussten in die Produktpreise stets eingerechnet werden. 28 Hinzu kamen der Weberlohn, Bleicherlohn, Mangerlohn, der Ankaufspreis und der Lohn des Gesellen der Handelsgesell- Kaufleute auf dem Kai eines Hafenbeckens, in dem ankommende Ballen mit Hilfe eines Lastkrans von einem Boot an Land verladen werden; Kupferstich, 2. Hälfte 16. Jahrhundert. 98 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa schaft. Dass sich der aufwendige Export bis nach Spanien nichtsdestoweniger für die Gesellschaft lohnte, zeigt die Wertigkeit und das Ansehen der oberdeutschen Textilien im Ausland. Der Ankaufspreis richtete sich auch danach, ob in der schwäbischen Heimat Korn und Wein geraten waren oder nicht. Missriet die Ernte, so waren die Herren der Ravensburger Gesellschaft sicher, dass die Bauern fleißig spannen und webten und billiger verkauften als in guten Jahren. »So ist es sonst ein gut Jahr geworden mit Wein und Korn, so daß zu sorgen ist, daß sie dei Leinwand heuer nicht nachgeben als früher …« 29 1530 löste sich die Große Ravensburger Handelsgesellschaft auf, der in der Regel auf drei oder sechs Jahre auf alle Teilhaber abgeschlossene Gesellschaftervertrag wurde nicht mehr verlängert. Viele der Kaufleute hatten andere Pläne, sie zielten nach Nobelierung und Aufstieg in den Adelsstand. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts hatten die meisten Teilhaber, mit den Humpis an der Spitze, eine Menge Kapital in den Erwerb von Grundherrschaften verarmter Adeliger in der Nähe von Ravensburg gesteckt und eine Vielzahl von Burgen, Schlössern, Wäldern und Weinbergen aufgekauft. Außerdem erwarben sie sich Adelstitel und versuchten ihre Kinder mit den Kindern verarmter Adelsfamilien zu verheiraten. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verließen die meisten der ehemaligen Kaufleute der Großen Ravensburger Handelsgesellschaften die Reichsstädte und führten das Leben von Landadeligen, die Humpis zum Beispiel in den Herrschaften Ratzenried, Waltrams, Bettenreute, oder Brochenzell. Oberdeutsche Kaufleute und das Verlagswesen Neben der Ravensburger Handelsgesellschaft gab es noch weitere Gesellschaften im süddeutschen Raum, die ihren Handel mit Textilien in Gang setzten. Beispielhaft sei hier die St. Galler Diesbach-Watt-Gesellschaft genannt, die großen Anteil an der im 15. Jahrhundert aufstrebenden Schweizer Textilwirtschaft hatte. 30 In Memmingen profitierten die Zangmeister oder die Vöhlin-Welser vom Handel mit Textilien oder auch die Familie Muntprat in Konstanz. 31 Eines der prominentesten Beispiele ist die vom Mitglied der Augsburger Weberzunft, Hans Fugger gegründete Kaufmannsgesellschaft. Der Textilhandel war die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und den Aufstieg der Fugger. 32 Die Handelsgesellschaften machten sich das Wirtschaftssystem des Verlags zu Nutze. Es entwickelte sich im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit zur prägenden Organisationsform der gewerblichen Wirtschaft, besonders der Exportwirtschaft. Das neue Wirtschaftsprinzip wurde erstmals im deutschsprachigen Raum in der süddeutschen Textilwirtschaft angewandt. Erst der Verlag ermöglichte der Textilwirtschaft ihre Artikel in einem für den Export lohnenden Umfang herzustellen. 33 Er beruhte darauf, dass der Verleger einen oder mehrere Teilabschnitte des ökonomischen bzw. technischen Prozesses an sich zog. Dieser begann bei der Lieferung des Rohstoffes über das Spinnen, Weben, Färben, Veredeln und ging bis zum Absatz. 34 Oberdeutsche Kaufleute und das Verlagswesen 99 Das Wort Verlag leitet sich von Vorschuss bzw. Vorlage her, das heißt der Kaufmann gibt dem Weber Geld oder Rohstoff als Vorschuss auf die erst noch zu fertigende Ware. Der Kaufmann gewährte dem Weber einen Kredit, den dieser abarbeiten musste. 35 Die Verlagsverträge wurden - entweder mit einem einzelnen Weber oder mit einer Vielzahl von Webern - in den bereits erwähnten Zunftkäufen abgeschlossen. 36 Während in vielen anderen Berufen der Handwerker alle Arbeitsschritte in seiner Hand hatte, vom Bezug des Rohstoffs über Produktion und Verkauf des Produktes, wurde die Tätigkeit des Einzelnen im Verlagswesen auf wenige Arbeitsschritte begrenzt. Da der Großteil der Erzeugnisse ins Ausland ging, lag der Verkauf der Ware nicht mehr in der Hand der Weber, sondern in der der Kaufleute. Handelsgesellschaften, wie die Große Ravensburger, bereiteten mit ihren Niederlassungen und Handelsbeziehungen den nötigen Markt für den Absatz der textilen Stoffe. Sie besaßen im Gegensatz zu den Produzenten die Kenntnis entfernter Märkte und dortiger Verbraucherbedürfnisse. Der Kaufmann als Exporteur nahm somit die Schlüsselfunktion in der auf Export ausgelegten Textilwirtschaft ein und wurde zum Leiter der Produktion. 37 Seine Rolle als Verleger war in der Textilwirtschaft unverzichtbar. 38 Neben die Abhängigkeit beim Absatz trat oftmals die Abhängigkeit bei der Beschaffung des zu verarbeitenden Rohstoffs. Viele Weber waren finanziell nicht in der Lage, den Rohstoff selber zu kaufen, so dass der Kaufmann mit seinem Geld in Vorlage ging, um dem Weber den Rohstoff zu finanzieren. Ein noch höherer Grad der Abhängigkeit war in der Barchentproduktion festzustellen. Die Hälfte des zu verarbeitenden Rohstoffes war Baumwolle, also Importware, die nur über Kaufleute bezogen werden konnte. Das neue Wirtschaftssystem steigerte durch Arbeitsteilung das Produktionsvolumen, verbesserte die Beschäftigtenlage und ermöglichte vielen Menschen ein Einkommen. Auf der anderen Seite stufte der Verlag den Weber zu einem einfachen Lohnhandwerker herab, der in wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit der Kaufleute geriet. 39 Trotz dieses Abhängigkeitsverhältnisses bot das Verlagswesen auch Vorteile. Erst dieses System brachte viele Menschen in Lohn und Brot und ermöglichte ihnen eine lebenswerte Perspektive. Der Kaufmann war zudem ebenfalls vom Weber abhängig, da er diesen zumeist im Voraus auszahlte und ihm vertrauen musste, das bestellte Produkt zur vereinbarten Zeit abzuliefern. Das System basierte daher auf dem gegenseitigen Vertrauen der Vertragspartnern. 40 Das Leihen von Geld auf die von den Webern herzustellende Tuchlieferung war im süddeutschen Raum gängige Praxis. Es unterlag den Bedingungen des Vertragsabschlusses bis November sowie der Einhaltung der Liefertermine bis Februar. Da es immer wieder zu schwankenden Rohstoffpreisen kam und man Verluste der Weber während der Fertigungszeit vermeiden wollte, nahm man in Ravensburg die Bindung der Leinwandpreise an die zukünftige »Raitung«, d.h. an die Einigung von Bürgern und Handwerkern über die Leinwandpreise vor, um überhöhte Gewinne bzw. Verluste zu vermeiden. »Es ist och gesetz von der Linwat: wer uff Linwat lihen wil sin Gelt, der sol es alsus lihen und mit der Bescheidenhait, das er das Lihen sol Webern uff ain Raitung, wie denn die Burger und das Antwerch ainer Raitung jarlich vor Sant Martistag mit anander in ain koment und sond 100 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa denn die Weber die Linwat ieren Geltern geben uff die Liechmis …« Später wurde die Regelung auch auf die Barchentproduktion ausgeweitet. Wer gegen diese Verordnung verstieß wurde bestraft. »Es ouch gesetzt, welher Linwat oder Barchat turo verkouft, denn der gewonlich und gemain louf war, daz man den darumb strafen und bessern wil nach dez Ratz Erkenntnis.« 41 Zusammenfassend lässt sich das Verlagswesen als die dezentrale Fertigung bestimmter Produkte durch in der Regel ohne direkte Beziehungen zum Konsumenten arbeitende, rechtlich mehr oder weniger selbstständige Produzenten für einen oder mehrere, zumindest Teile der Finanzierung oder Ausstattung übernehmende Abnehmer und Weiterverkäufer beschreiben. 42 Die Wirtschaftsordnung des Verlagswesens war die Grundlage für die massenhafte Produktion der Exportartikel Leinwand und Barchent. Barchent: Ein Baumwollmischgewebe als Exportschlager Eng verknüpft mit der Verbreitung des Verlagswesens war die Einführung der Barchentproduktion in Süddeutschland. Barchent war ein Baumwollmischgewebe: Der Kettfaden bestand wie bei der herkömmlichen Leinwand aus Flachsgarn, der Schussfaden hingegen aus levantinischer Baumwolle. Es war weicher und wärmer als die traditionelle Leinwand, aber auch billiger als pure Baumwollprodukte. 43 Barchent und seine lateinische Bezeichnung »fustaneus« sind Lehnsworte aus dem Arabischen. Dort bedeutet »barakan« grober Stoff und »fustan« Gewand. 44 Ursprünglich kam die Baumwolle aus Indien, wo sie schon 1400 Jahre vor Christus in alten Schriften erwähnt ist und im Altertum und frühen Mittelalter als exotisches Gewebe im mediterranen Raum erscheint. Da die Baumwolle zum Reifen ca. 150 frostfreie Tage braucht, konnte der Anbau nur langsam bis in geeignete Mittelmeergebiete wie Griechenland, Süditalien oder Südspanien vordringen. Barchent war im deutschsprachigen Raum lange Zeit nur als Importartikel erhältlich. Er wurde bereits Ende des 12. Jahrhunderts in Bologna, Venedig und der Lombardei hergestellt. Zu Hauptorten der italienischen Barchentindustrie entwickelten sich Mailand und Piacenza. 45 Die große Nachfrage nach dem Baumwoll- Leinengewebe veranlasste die oberdeutschen Kaufleute und Weber seit Mitte des 14. Jahrhunderts zur Produktion des Stoffes. Die Umstellung von Leinwand auf Barchent geschah oft auf Initiative von Kaufleuten und Stadtherrschaft oder anderen Herrschaftsträgern. »Die Gründung der Oberdeutschen Baumwoll-Barchentindustrie ist der prägnante Musterfall für die Leistungen der Verlagsunternehmen. Sie besorgten den Rohstoff und aus Oberitalien das Know-How und die modischen Webmuster.« 46 Diese fast merkantilistische Gründungs- und Förderungspolitik führte dazu, dass sich innerhalb kürzester Zeit mit dem Baumwollgewerbe ein neuer Produktionszweig etablierte. 47 Es ist daher auch anzunehmenen, dass die Einführung eines einheitlichen Schausystems für den Barchent im ganzen oberdeutschen Textilrevier auf die Initiative der Kaufleute zurückging. Während bei der Leinwandschau in den süddeutschen Reichs- Barchent: Ein Baumwollmischgewebe als Exportschlager 101 städten jeweils unterschiedliche Gütezeichen genutzt wurden, kamen bei der Barchentschau in der ganzen Region die Schauzeichen Ochse, Löwe, Traube, Brief zur Anwendung. Dank dieser marktwirksamen Standardisierung des Produktions- und Schauprozesses, schlugen die deutschen Kaufleute in kürzester Zeit in ganz Mittel- und Osteuropa die italienische Konkurrenz aus dem Feld und brachen sogar in die traditionell italienischen Märkte in Spanien und England ein. 48 Die von den süddeutschen Webern verarbeitete Baumwolle kam ursprünglich wohl überwiegend aus dem östlichen Mittelmeerraum, aus Syrien oder Zypern. Von dort wurde sie über Venedig - lange Zeit der Haupthandelsplatz für Baumwolle - aber auch über die Handelsstädte Mailand und Florenz vertrieben. 49 Die geographische Nähe zu den italienischen Mittelmeerhäfen wirkte sich daher für das süddeutsche Barchentrevier besonders positiv aus. Die Abhängigkeit der Barchentweber von den Kaufleuten war in dem praktizierten Verlagssystem sehr hoch. Da der Rohstoff Baumwolle als Importgut bezogen werden musste, konnten die Weber auf Angebotsmengen, Preis und Qualität der Baumwolle kaum Einfluss nehmen. 50 Der lange Transportweg über Land und Meer, durch Halbwüsten und über Gebirgspässe, der Zwischenhandel und die Zölle verteuerten die Baumwolle. Die Weber waren daher von den Verlegern noch abhängiger als die Leinenweber, die den lokal verfügbaren Rohstoff Flachs- und Hanfgarn verarbeiteten. Auch die Ravensburger Handelsgesellschaft betrieb in den wichtigen Barchentstädten der Region, wie Biberach und Memmingen, Verkaufsstellen für Baumwolle und kaufte die fertigen Produkte von den Barchentwebern erneut ein. 51 In Biberach wurden im Weberbüchlein die säumigen Weber festgehalten, die den Garnhändlern noch Barchent schuldig Besondere Verbreitung fand der Barchent als Regentuch. Es wurde überwiegend für den Export gefertigt. Noch heute kennt man den Begriff »Bettbarchent«. 102 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa waren. 52 Der Lohn des Barchentwebers bestand im Wert der Baumwolle, die nach Erfüllung der Lieferverpflichtung übrig blieb und die er selber zu Tuch verarbeiten und verkaufen konnte. 53 Das neue Gewebe wurde nicht in allen oberdeutschen Städten produziert. Die Einführung der Baumwolle führte zu einer Aufteilung der schwäbisch-schweizerischen Textilregion. Es gab Bezirke, in denen hauptsächlich Barchent oder Leinwand produziert wurde. Führend in der Barchentherstellung wurden Ulm und Augsburg, gefolgt von Biberach, Memmingen und Kaufbeuren. Besonders Biberach, wo die Barchentproduktion seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Leinenproduktion nahezu vollständig abgelöst hatte, entwickelte sich zu einer Hochburg der Barchentherstellung im oberdeutschen Textilrevier. Die Herstellung des Barchents prägte das Biberacher Stadtbild im späten Mittelalter in hohem Maße. Das Baumwollmischgewebe der oberschwäbischen Reichsstadt war ein Qualitätsprodukt von internationalem Ruf. 54 In Ulm, das an der Spitze der Barchentproduktion stand, nahm man die Konkurrenz der kleineren südlich gelegenen Reichsstadt wahr. 55 In Basel wurde ab 1409 die Biberacher Produktion sogar nachgeahmt. 56 Der Biberacher Weberberg zeugt heute noch von der Erfolgsgeschichte der Barchentweber. Es handelt sich um das älteste Stadtviertel Biberachs, das von den Webern, mit ihren Häusern und Webkellern, besiedelt wurde. Zunftlade der Biberacher Weber, 1674. In der Zunftlade wurden Geld, wichtige Dokumente und Objekte wie Siegelstempel, Zunftbücher, Weberordnungen und Namensverzeichnisse aufbewahrt. Die Biberacher Weberzunft stellte ihre Produktion im Laufe des 14. Jahrhunderts nahezu vollständig von Leinwand auf das Baumwollmischgewebe Barchent um. Leihgeber: Braith-Mali-Museum Biberach. Barchent: Ein Baumwollmischgewebe als Exportschlager 103 Mit Ausnahme Ravensburgs blieb der ganze südliche Teil Schwabens der Leinenweberei treu. 57 Vielerorts wurde das Potential des neuen Gewebes erkannt und führte zu Kompetenzstreitigkeiten. Sowohl in Memmingen als auch in Ulm stritten die Tucher bzw. Wollweber mit den Leinenwebern um das Recht, Baumwolle verarbeiten zu dürfen. 58 In den meisten Fällen erhielten die Leinenweber die Erlaubnis den Barchent zu wirken. St. Gallen als eines der wichtigsten Zentren des oberdeutschen Textilrevieres produzierte hingegen bis ins 18. Jahrhundert hinein keine Baumwollprodukte. Später ging man zur Herstellung von sogenannten Musselinen, gemusterten Baumswollstoffen über. Barchent erstmals in Ravensburg Eine im Jahr 1379 niedergeschriebene Bestimmung im Stadtrecht von Ravensburg über »Linwart lihen« verfügt, »das dan umb den barchat och gehalten werd.« Die Vorschrift regelte den Leinen- und Barchentverlag. Sie ist der früheste schriftliche Beweis für die Barchentproduktion in Ravensburg. Die Barchentproduktion wird sich schon einige Jahre zuvor in Ravensburg angesiedelt haben. Die nächste Nachricht über Ravensburger Barchent fand sich erst 1398 in Köln, wo der Nürnberger Kaufmann Andreas Haller drei Fadel davon vertrieb. 59 Die Einnahmen der Ravensburger Leinwand- und Barchentschau von 1459-1491 zeigen, wie sich der Barchent als zweites wichtiges textiles Gewebe neben der Leinwand etabliert hatte. In manchen Jahren übertrafen die Gewinne aus der Barchentschau die der Leinwandschau. 60 Anders als in Städten wie Biberach blieb die Leinwandproduktion in Ravensburg weiterhin bedeutend. Barchent entwickelte sich ebenso wie die oberschwäbische Leinwand zum Exportschlager. Im 14. und 15. Jahrhundert konnten die oberdeutschen Städte, die bis dahin in der Barchentproduktion führenden oberitalienischen Städte überflügeln. Im 15. Jahrhundert wurde nördlich der Alpen kaum noch italienischer Barchent vertrieben. Es ging soweit, dass italienische Kaufleute deutschen Barchent kauften und ihn nach England exportierten. 61 Schwäbischer Barchent wurde sehr erfolgreich Richtung iberischer Halbinsel exportiert. Es war dem Vordringen der oberdeutschen Handelshäuser nach Spanien zu verdanken, u.a. der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft. Die Verbreitung des schwäbischen und bayerischen Barchents nach Norden besorgten die Messen Frankfurts und Kölns. 62 Wie die oberschwäbische Leinwand wurde auch der Barchent verstärkt nach Spanien exportiert. In den Zollbüchern Barcelonas wurde von 1440 bis 1443 eine Gesamteinfuhr von 683 Ballen festgehalten, davon entfielen zweifellos 413 auf die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, 62 weitere gelten als wahrscheinlich. Der Barchenthandel der Ravensburger Gesellschaft war im Allgemeinen sehr unregelmäßig. Besonders in Spanien aber nahm er zu Anfang einen bedeutenden Umfang an. Obwohl bei den Geschäften der Gesellschaft Barchent aus Ulm, Biberach, Memmingen und Augsburg immer wieder genannt wird, bleiben genauere Angaben zu den Herkunftsorten der Barchenttuche versagt. 63 104 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa Für die Konstanz-Memminger Handelsgesellschaft Grimmel war das Baumwollgeschäft und die Verlagsproduktion von Barchenttuchen und deren Veredelung das Hauptstandbein ihres Geschäfts. Insgesamt machte der Einkauf von Textilien in den zehn Jahren ihres Bestehens 90 Prozent des Gesamtvolumens aus. 64 Der Barchentabsatz Oberschwabens ging in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts allgemein zurück und kam während des Dreißigjährigen Krieges nahezu vollständig zum Erliegen. 65 Er erholte sich nicht mehr. Durch die Entdeckung Amerikas und die damit veränderten Bezugsmöglichkeiten für Rohbaumwolle blühten die zunehmend überlegenen Baumwollexportgewerbe in den Niederlanden wie in England auf. 66 Anstelle der levantinischen Baumwolle begann die amerikanische den Markt zu beherrschen. Für ihren Bezug waren die Niederlande und England gegenüber den süddeutschen Gebieten geographisch begünstigt. Die Zukunft gehörte den reinen Baumwollgeweben. Hinzu kam die verstärkte Konkurrenz französischer und schlesischer Textilprodukte. 67 Anmerkungen 105 Anmerkungen 1 Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr. 33. Bestellung Diepold Bucklins für Valencia 1472, S.-235-237. 2 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-1, S.-34. 3 Vgl. Eitel, Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, S.-6. 4 Amman: Leinenindustrie, S.-273. 5 Ebd., S.-274 6 Vgl. Eitel: Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, S.-6. 7 Vgl. Amman: Leinenindustrie, S.-283-284. 8 Vgl. ebd., S.-287. 9 Vgl. ebd., S.-288. 10 Vgl. Eitel: Die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, S.-6. 11 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-2, S.-74. 12 Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, S.-456-461. 13 Vgl. Eitel, Peter: Neue Forschungen zur Geschichte des Fernhandels der schwäbischen Städte bis zum Ende des alten Reiches. Beiträge und Berichte, in: Zeitschrift für Stadtgeschichte 3 (1976), S.-282-289, S.-282. 14 Vgl. Funk: Biberacher Barchent, S.-94. 15 Vgl. Aubin/ Kunze: Leinenerzeugung und Leinenabsatz, S.-30 ff. 16 Vgl. Veronesi: Genua - La Superba, S.-80-82. 17 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-2, S.-89. 18 Vgl. ebd., Bd.-2, S.-83. 19 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr. 33. Bestellung Diepold Bucklins für Valencia 1472, S.-235-237. 20 Ebd., Kopialbuch 1688, fol 1-4. Wasserzeichen: Ring mit Krone. War als Brief gefaltet, vom Verschluß keine Spur. Von der Hand Diepold Bucklins. 21 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr. 34. Rekordanz für Jörg Geisberg, vor allem über Berechnung von Unkosten und Preis von Leinwand in Handel nach Valencia, Konstanz, 20. Januar 1478 und später, S.-237-239. 22 Vgl. ebd., Nr. 31. Acht Ladeberichte auf Venetianer und Florentiner Galeeren, im Verkehr zwischen Valencia und Genua und dazwischenliegenden Häfen. 1475/ 76, S.-230-235. 23 Vgl. Falk: Leinwandproduktion, S.-73. 24 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-2, S.-45. 25 Vgl. ebd., S.- 44-45. 26 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr.-40. Straßenbüchlein für Hans Her über Fahrten zwischen Bodensee und Como, 7.-Dezember 1499 bis 30. März 1500, S.-251-253. 27 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-2, S.-47. 28 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr. 34. Rekordanz für Jörg Geisberg, vor allem über Berechnung von Unkosten und Preis von Leinwand in Handel nach Valencia, Konstanz, 20. Januar 1478 und später, S.-237-239. 29 Vgl. Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr.-9. Rekordanz für Jakob Rudolf auf die Straße in Katalonien bis gen Valencia (Lyon, Avignon, Barcelona, Saragossa und Valencia). Ravensburg, 9. Okt. 1478, S.-127-157, S.-149. 30 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-60. 31 Vgl. Ammann: Konstanzer Wirtschaft, S.-94. 32 Vgl. Loibl, Richard: Textillandschaft Schwaben, in: Kraus, Werner (Hg.): Schauplätze der Industriekultur in Bayern, Regensburg 2006, S.-226-231, S.-226. 33 Vgl. Stromer, Wolfgang von: Der Verlag als strategisches System einer an gutem Geld armen 106 5. Oberschwäbische Textilien erobern Europa Wirtschaft, am Beispiel Oberdeutschlands im Mittelalter und früher Neuzeit, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 78 (1991), S.-153-171, S.-156. 34 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-77. 35 Vgl. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S.-353. 36 Vgl. Aubin/ Kunze: Leinenerzeugung und Leinenabsatz, S.- 43. 37 Vgl. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S.-352-353. 38 Vgl. Kießling: Frühe Verlagsverträge im ostschwäbischen Textilrevier, S.-451-452. 39 Vgl. Lösche, Dietrich: Zur Geschichte der Entwicklung der Produktionsverhältnisse in der Leinen- und Barchentproduktion oberdeutscher Städte von 1450 bis 1750, Berlin 1952, S.-7. 40 Vgl. Göttman: Verlagswesen, S.-148-149. 41 Müller: Die älteren Stadtrechte, S.-185. 42 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-30. 43 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-14. 44 Vgl. Stromer, Wolfgang von: Die Gründung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa: Wirtschaftspolitik im Spätmittelalter, Stuttgart 1978, S.-22. 45 Vgl. ebd., S.-24-25. 46 Vgl. Stromer: Der Verlag als strategisches System, S.-168. 47 Vgl. Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, S.-349. 48 Vgl. Stromer: Der Verlag als strategisches System, S.-168. 49 Vgl. Göttmann: Verlagswesen, S.-153. 50 Vgl. Stromer: Die Gründung der Baumwollindustrie, S.- 78. 51 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-1, S.-502. 52 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-31. 53 Vgl. Göttmann: Verlagswesen, S.-154. 54 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-15-16. 55 Vgl. Stromer: Die Gründung der Baumwollindustrie, S.-37. 56 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-191. 57 Vgl. Flad: Flachs und Leinen, S.-40. 58 Vgl. Westermann: Geschichte der Memminger Weberzunft, S.-392. 59 Vgl. Stromer: Die Gründung der Baumwollindustrie, S.-93. 60 Vgl. Dreher, Alfons: Neue Akten zur Ravensburger Handelstätigkeit im 15. und 16. Jahrhundert, Ravensburg undatiert, StadtA RV X194. 61 Vgl. Stromer: Die Gründung der Baumwollindustrie, S.-86. 62 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-2, S.-100-102. 63 Vgl. Funk: Biberacher Barchent, S.-85. 64 Vgl. Göttmann: Verlagswesens, S.- 152-153. 65 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-18. 66 Vgl. Kellenbenz: Die Wirtschaft der schwäbischen Reichsstädte nach dem Dreißigjährigen Krieg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte 11 (1965), S.128-166, S.160. 67 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-16. 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg »Schade, und tausendmal Schade ist es, daß unsere Landsleuten auf dem Schwarzwald eben so wie diejenigen, so von demselben an, bis an den Rhein wohnen, die allerschlechtesten Spinner sind, welche man nur erdenken kann. Unser schöner Flachs wird daher von unsern inländischen Spinnerinnen entweder zu geringen Tuchen vertrollet, oder er gehet roh aus dem Lande.« 1 (Johann Jacob Reinhard,1764) Mit dem Ende der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft um 1530 begann der Niedergang der oberschwäbischen Leinwandproduktion. 2 Seit dem 16. Jahrhundert verdrängte die Konkurrenz der niederländischen, französischen, schlesischen und besonders Schweizer Textilreviere die süddeutschen Produkte von den Märkten Europas. Daneben entwickelte sich im nordwestdeutschen Raum eine bedeutende Leinenproduktion, die ihren Schwerpunkt in der ländlichen Hausindustrie hatte. Bielefeld, Osnabrück und das Bergische Land waren dessen Zentren. 3 Der Niedergang des Leinen- und Barchentreviers zeigte sich deutlich an der Entwicklung der süddeutschen Weberzünfte. In den Reichsstädten des Bodenseegebiets, Oberschwabens und des Allgäus sanken seit dem 17. Jahrhundert ihre Mitgliederzahlen rapide. Das Weberhandwerk ernährte seine Angehörigen kaum noch und der Rohstoff Garn ging unverarbeitet aus dem Land. Das südliche Schwaben wurde zum Rohstofflieferanten der Schweiz und lieferte neben Garn billige Arbeitskräfte für die dortige Stickerei. Eine Ausnahme in dieser Entwicklung bildete Augsburg, das durch die Spezialisierung auf den Kattundruck die Textilwirtschaft als wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Stadt hielt. Der Niedergang der Ravensburger Weberzunft Die süddeutsche Textilwirtschaft, die sich bereits seit dem 16. Jahrhundert im Rückgang befand, wurde durch den Dreißigjährigen Krieg beinahe vollständig zum Erliegen gebracht. Der Krieg hatte Oberschwaben großes Elend gebracht. Wie auf alle Wirtschaftszweige hatte der Krieg auch auf die Leinen- und Barchentproduktion der Region verheerende Folgen. Er brachte Ravensburg und die anderen Reichsstädte gegenüber den gar nicht oder nur wenig vom Krieg tangierten Gebieten der Schweiz und Voralbergs ins Hintertreffen. Zusammen mit der Stadt verarmten auch die Ravensburger Weber. 1626 wandten sich die Vorgesetzten der Weberzunft an den Rat. Um ihre elende Lage zu verbessern, baten sie den Rat um das Recht, in größerem Maße Leinwand selber verkaufen zu dürfen. Ihnen war nach altem Recht lediglich erlaubt, das in Monatsfrist selber produzierte zu verkaufen. Nur so sahen sie sich zur »Underhaltung [von] Weib und Khinde« in der Lage. 4 108 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg Ravensburg und ganz Oberschwaben begannen zum Tuch- und noch stärker zum Garnlieferanten für Schweizer Kaufleute zu werden. Die Entwicklung begann bereits im 16. Jahrhundert, und verstärkte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg. Aufgrund von technischen Neuerungen im Webverfahren kam es Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer Garnverknappung. Dadurch verstärkte sich noch der Schweizer Garnaufkauf in Oberschwaben, insbesondere in Lindau, Biberach und Ravensburg. 5 »dz ganz umbderen, uß dem Schweizland hoch kommend und den Markht besuchender Schweizer, uff offene failer Markht bisher zutragbefolen werde«. 6 Seit 1770 wurden immer wieder ausdrückliche Garnexportverbote ausgesprochen, ohne dass es gelungen wäre, die Garnausfuhr in die Schweiz auf Dauer zu unterbinden. Das Garn konnte nicht im Land gehalten werden, da die Schweizer Webstühle den schwäbischen qualitativ überlegen waren. Es war zu dieser Zeit der Handel mit dem Rohstoff, der das Geld brachte und nicht die Produktion. 7 Am deutlichsten zeigte sich der Abwärtstrend in den Weberzünften der Region. Im 17.-Jahrhundert waren die Mitgliedszahlen der Ravensburger Weberzunft auf nur noch ein Zehntel der Ravensburger Bürgerschaft gefallen. 8 1720 war die Mitgliederzahl weiter auf nur noch 7,5 Prozent der Zunftbürger zurückgegangen. Sie war nur noch die sechstgrößte unter den acht Ravensburger Zünften. Die Weber mussten 1776 ihr Zunfthaus in der Bachstraße- 4 an die Spitalbrauerei verkaufen. Diese überließ ihnen eine Stube als Zunftraum. 9 Später fanden sie bei den Schuhmachern in der Marktstraße-16 Obdach. 10 1789 hatte sich die Anzahl der Leinenweber in Ravensburg weiter auf 19 Meister reduziert. 11 Der Garnmarkt verlor zusehends an Bedeutung und wurde 1875 endgültig aufgelöst. In den großen Reichsstädten wie Ulm und Augsburg konnte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg die Leinwandproduktion erholen. Auf lange Sicht hatte aber auch diese unter der billigen Produktion aus Schlesien und den qualitativ hochwertigen Erzeugnissen der Schweiz zu leiden. 12 Die Napoleonischen Kriege sowie die nach dem Ende der Kontinentalsperre (1806-1814) einsetzende Überflutung Deutschlands mit Baumwollstoffen brachte das Leinengewerbe zum Erliegen. 13 Symbolisch für den Niedergang der Ravensburger Weberzunft war der Brief des Webermeisters Johann Michael Hasel an den Stadtrat. 15 Jahre nachdem dieser die Meisterwürde erlangt hatte, bat er den Rat um Hilfe, da ihn sein Handwerk nicht mehr ernähre. Hasel, seit 1790 Webermeister gehörte nach den Steuerbüchern von 1789 zu den reicheren Webern. Er war mit einem Vermögen von 800 Pfund liegendem und 500 Pfund fahrendem Besitz das zweitreichste Mitglied seiner Zunft. 14 Sein Wohnsitz befand sich hinter dem Kornhaus in der Oberstadt, während nahezu alle seine Zunftgenossen in den engen Gassen der Unterstadt beheimatet waren. Bis 1802 stieg das Vermögen Hasels auf insgesamt 4025 Pfund. 15 Vermutlich ist dies auf die Geldentwertung durch die Napoleonischen Kriege zurückzuführen. Sein Geschäft muss in den darauffolgenden Jahren eine solch negative Entwicklung genommen haben, dass er keinen Ausweg mehr sah, denn dem Rat sein Leid zu klagen und Veränderungen in der Organisation des Handwerks zu verlangen. In dem Brief listet er die Gründe für den Misserfolg und die Armut der Weber generell auf. Der Niedergang der Ravensburger Weberzunft 109 Er klagte, dass er, wie auch das Steuerbuch zeige, nicht vermögend sei und es mit seinem kleinen Gewerbe schwer habe. Die Artikel der Weber seien einfache Produkte, womit nicht viel Gewinn zu machen sei, zumal die Konkurrenz in den letzten Jahren gewachsen war. Sein Gewerbe liege weder am Markt, noch an einer Torstraße, so dass ihm der Absatz seiner Produkte schwer falle. Da sein wenig erspartes Vermögen ihn nicht mehr trage, fordert er einen Kredit von der Stadt, wie ihn selbst der Kurfürst in seinen Landen zahlen würde. Um seine Lage zu verbessern, wünschte er, die Arbeit von fremden Gesellen verkaufen zu dürfen, was nach der Weberzunftordnung verboten war. Er bittet um diese Maßnahme, da seine Frau krank sei und er diese versorgen müsse. Um die Lage der armen Weber zu bessern, fordert er weiterhin eine Erhöhung der Abgaben für wohlhabende Weber. Da der Hauptteil der Webaufträge an einen kleinen Kreis von Webern gehe, die in zwei Tagen so viel verdienen, wie er in einer Woche. Zum Abschluss fordert Hasel von der Obrigkeit die Reform seines Handwerks. »Churfürstl. Gnäd. Herr Stadt Commissar Dessen hoch u. wohl löbl. Verwaltungsrath. Unterzagner befindt sich nochmahls genöthiget, Bittweiß einzukommen, u. schriftliche Erklärung, über den Ratschluß v. 6. Feb. in Antworth der eingereichten Bittschrift v. 25. Jan. darzuthun. In Hinsicht meines Vermögens, welches noch nicht so bedeutend und glänzend ist, als es angesehen wird, ist mit dem Steurbuch zubeweisen, u. selbst thut in meinem kleinen Gewerb der Credit sehr vieles. Wappen des Webermeisters Johann Michael Hasel auf der Weberzunftscheibe von 1754 bis 1826. Obwohl er zu den wohlhabenderen Mitgliedern seiner Zunft gehörte, klagte er 1805 in einem Brief dem Ravensburger Rat sein Leid über das darbende Weberhandwerk. 110 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg Die Artikel der Gewebs-Waaren sind von ganz gemeiner u. geringer Art, wo weder Industry, noch Speculation anwendbar sind, besonders da Ich in einer ganz abgelegenen Gasse, u. nicht am Markt, auch nicht in einer Thorgasse oder noch sonst am Anlauf, wohne, deswegen muß gleichsam durch gute Waar, wohlfeile Preise, u überhaupt durch billiche u. angenehme Bedienung, eine kundsame Absatz erzielt u. erzwungen werden. Das wenig erspahrte Vermögen hat nicht mein Ordinary Gewerb u. Profession getragen, sondern die Kriegszeit die Ich gleichsam benuzte, u. das 12 bis 15 jährige zu Häußliche u. gemen Benehmen, waren Schuld hieran, im Gegenthail hätten es auch verschwenden kunnen, wie andere. Damahls war Ich bereits allein, u. jetzt sind 4 bis 5 die sich im kleinen od. großen, dieses Geschäfts abgeben, u. bewerben. Das die Weberey od. dessen Umtrieb versungen, u. abgegangen seye, u. selbst 100 Jahre lang, die Profession von keinem Bürgers-Sohn, erlernt worden seye, ist allgemein bekannt u. erweißlich, u. hat mich wirklich Mühe u. Aufwand genug gekostet, als der Erste dieses Geschäfft einzuführen. Nun seyd 12 bis 15 Jahren zubliehe anfängt, u. wäre zu wünschen, wan Selbiges wie ehemals hier exesstierte in Forkommen würde, dadurch viele Menschen Verdienst empfingen. Selbst Sr. Churfürstl. Durchlauchtst unser gnädigster Landes-Vatter, sind gütigst geneigt u. bereitwillig, dergleichen Gewerbe u. Künsten in seinen Provinzen einzuführen, u. Ihenen die Lasten zuerleichtern, gnädigst zugerufen. Ferner hofe ich Genehmigung meiner Bitte zuempfangen da ich jetzt noch u. immer auf meiner Profession arbeite u. nur die Arbeit die mir von fremden Gesellen gemacht wurden, einheimischen Leuten zukommen lassen, u. diese Änderung mußte getrofen werden wegen zu vielen langwieringen Krankheiten meiner Haußfrau. Selbst die liegende wenige Gütter sind zubekant, indeme Ich selbe noch keine ½ Jahr besize, u. noch Restanten [wohl Verbindlichkeiten] darauf haften mögen, auch bey der löbl. Policey-Anstalt erspahre Ich nichts bis dato, wann ich allen Bettlern u. Handwerks- Burschen, welche in diese Webergaß kommen Allmosen, od. Spahrpfennig abreichen will. Es gibt ja Bürger welche theils mein eigenes Geschäfft treiben, thails noch bessere Gewerb haben, u. theils höher bemittelt sind, u. geben uns 5, 6 höchstens 8 Kreuzer Wochentl. ab, zu deren erhöhung ich folge leistete, u. mich gehorsam bezeugte, u. schon 3 mahl die 8 Kreuzer abreichte. Feinde mögen mich verläumdt haben, aber auf deren Erhöhung od. Erniedrigung komt es nicht an. soviel sie Feinde sind, sondern Ich u. das Steurbuch wenigsten wissen was Ich thun kan, der Hauptstoff aber nur von einem Weib herrühren mag, dessen Geschäfft ihres Mannes, Wochentlich in 2 Tägen, so viel u. oft mehreres abwirft, als bey mir die ganze Wochen u. braucht nur 3 bis 400 Verlag, daher er billicher Massen wie mit 8 Kreuzer gestelt werden konte. Sollte sich eine Reform über kurz oder lang ereignen, u. sich meine Umstände verbessern, so werde ich jederzeit bey Erhöhung dessen, mich als gehorsamer Bürger zeigen u. darthun. Ich müßte ja einer der ersten Weltglücklichen hier syn, wann ich es mit meinem geringen Amfang, in so wenig Jahren, in dem geringen gemeinen Gewerb so weit gebracht haben solte, um einen solchen Betrag leisten zukönnen. Über häußliche Angelegenheiten, Krankheiten u. sonstige Unglücks, u. Veränderungs- Umstände, will ich für dißmahl nichts anführen, u. keine Erklärung machen, sondern wiederhole meine erste Bitte, u. halte mich vollkommen, Gerechtigkeits Liebe wohlmögend über- Passiver Veredelungsverkehr: Sticken im Auftrag St.-Gallens 111 zeugt bin, u. bitte schließchlich nochmals, einigst u. gehorsam, mich bey ersterer Erhöhung, Wochentlich Betrag der 8 Kreuzer zubelassen, Einen Churf. Gnäd. Herrn Stadt Comiss. + Churfl. hochlöbl. Verwaltungs-Rath verbleibe mit wahrer Hochachtung, der Unterthänigster u. Gehorsamer Bürger Johann Michael Hasel« 16 Passiver Veredelungsverkehr: Sticken im Auftrag St.-Gallens Trotz des massiven Rückgangs der Leinwand und Barchentproduktion war das Textilhandwerk in der Stadt Ravensburg weiterhin präsent. Es nahm im 18. Jahrhundert zunehmend eine Zulieferfunktion für die bedeutende St. Galler Textilregion ein. Bereits seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich St. Gallen zur größten Konkurrenz der damals führenden Leinwandstadt Konstanz. 17 Ihre Produkte gingen nicht nur nach Spanien und Italien, sondern auch nach Südostbzw. Nordosteuropa. 18 Die Ravensburger Handelsgesellschaft beteiligte sich sehr stark an dem Handel mit St. Galler Leinwand. »In sunder von finer Santgaler linvat […] verkoft sich wol …« 19 Sie galten als die edelsten Leinwandprodukte des oberdeutschen Textilrevieres. 20 Da St. Gallen, anders als die Oberschwäbische Region vom Dreißigjährigen Krieg verschont geblieben war und seine Produktions- und Handelsstrukturen erhalten blieben, war die Region, spätestens seit dem 17. Jahrhundert, der führende Textilstandort des schweizerisch-schwäbischen Textilreviers. Die wirtschaftliche Not der ehemaligen textilen Zentren Oberschwabens spiegelt sich in ihrer Bitte an die prosperierende Textilstadt St. Gallen, ihnen Kredite zu gewähren. 21 Das Aufblühen der St. Galler Textilwirtschaft war eng verknüpft mit ihren hochwertigen Leinenprodukten und den seit dem 18. Jahrhundert produzierten Musselinen. Die halbdurchsichtigen Baumwollgewebe galten als besondere Appenzeller Spezialität. Die feinsten und teuersten Exportartikel der schweizerischen Textilindustrie, die auch am Bodensee auf den Markt kamen, waren aber seit dem 18. Jahrhundert die St. Galler Stickereien. Das Stickerei-Handwerk hatte in den Schweizer Gebieten südlich des Bodensees große Tradition. Die hier seit dem späten Mittelalter ansässige Leinenstickerei war die Grundlage des Erfolges im 18. und 19. Jahrhundert. Ein Beispiel für die Fertigkeiten der Schweizer Leinwandstickerei ist die hier vorliegende Arbeit aus dem Jahre 1595. Sie stammt aus dem Schweizer Bodenseeraum zwischen Schaffhausen und St. -Gallen. Die ungefärbte Leinwand ist hauptsächlich mit weißem, braunem und blauem Leinengarn bestickt. Das Motiv zeigt verschiedene Szenen, die sich um ein Mittelmedaillon gruppieren. In dem Mittelmedaillon ist der Sündenfall von Adam und Eva dargestellt. Eingerahmt von einem Blattwerk- und Blütenkranz ist das Paar im Paradies unter dem Baum der Erkenntnis mit der Schlange dargestellt. Das Paradies wird zwischen Ranken- 112 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg werk von allerlei Tieren bevölkert, zwischen denen ein Jäger mit einer Lanze Jagd auf einen Hirsch macht. In den vier Eckmedaillons sind die Evangelistensymbole dargestellt und mit den jeweiligen Namen gekennzeichnet. Der Adler steht für den heiligen Johannes, gefolgt von einem Engel für Matthäus, einem Löwen für Markus sowie einem Stier für Lukas. Das Tuch, das vermutlich als Wandbehang genutzt wurde, ist unten mit der eingestickten Jahreszahl 1595 datiert. Es gehört zu einer Gruppe von ca. 450 verwandten Schweizer Stickereiarbeiten aus dem Zeitraum vom 15. bis 17 Jahrhundert, die sich in Sammlungen innerhalb und außerhalb der Schweiz erhalten haben. 22 Die meisten Stickereien stammen, wie die hier vorliegende Arbeit, aus dem dritten Viertel des 16. Jahrhunderts. Wer diese Stickereien ausführte ist bisher unbekannt, in einer Zunft waren die Schweizer Stickerinnen zumindest nicht organisiert. Illustrationen und Vorlagen für die Stickereien kamen im 16. Jahrhundert oftmals aus dem Kloster St. Gallen, später erfolgten Anregungen aus der Buchmalerei. 23 Die Schweizer Stickerei-Industrie wurde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Verlagsbasis in St. Gallen aufgezogen. Sie machte sich die über Jahrhunderte gewachsenen Handelsbeziehungen zu Süddeutschland zu nutze. St. Galler Fabrikanten vergaben verstärkt Aufträge nach Oberschwaben. Die Vergabe dieser Veredelungsaufträge ins Leinenstickerei Adam und Eva, St. Gallen 1595. Die bräunliche Leinwand ist mit blauem, braunem und weißem Leinengarn bestickt. Das Tuch diente als Wandbehang oder Tischtuch. Die Stickerei erzählt in vielen Details den Sündenfall Adam und Evas, der zur Verbannung aus dem Paradies führte. Leihgeber: Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen. Passiver Veredelungsverkehr: Sticken im Auftrag St.-Gallens 113 Ausland wird als »passiver Veredlungsverkehr« bezeichnet. Hierunter wird das Heranziehen fremder, im Inland nicht erhältlicher Arbeitskräfte verstanden. Die rückläufige Textillandschaft Oberschwabens bot den Schweizer Unternehmern ein reichhaltiges Reservoir an Arbeitskräften. Diese waren mit ihrem niedrigen ausländischen Lohnniveau für die Schweizer Stickereiverleger äußerst attraktiv. Das schwäbische Arbeitskräftereservoir nutzten die Schweizer Verleger, um die begehrten Stickerei in ausreichender Masse für den Export produzieren zu lassen. Um das Jahr 1790 betrug die Zahl der Stickerinnen, welche für St. Gallen arbeiteten, in Schwaben angeblich zwischen 30.000 und 40.000. 24 Größter Abnehmer der gefertigten Stickereien war Frankreich. Ein neuer Markt waren ab 1820 die USA. Wichtigster Exportartikel wurde der sogenannte »Triangel«. Dabei handelt es sich um dreieckige Schultertücher mit bestickter unterer Ecke und Rändern. 25 Die Stickerei in Heimarbeit konnte je nach Konjunktur bezahlt werden. Vollkommene Fertigkeit erreichte die Stickerin erst nach mindestens einem Jahr Übung. Die Stickerei für die St. Galler Auftraggeber war für viele einfache Leute der einzige Erwerb, der ihre Existenz sicherte. Der in Waldsee wirkende Physikus und ehemalige Leibarzt des Fürsten Metternich, Dr. Schirt, schreibt über das Sticken in der Stadt Bad Waldsee: »Die Stickerei ist für die Mehrzahl der Bewohner beinahe der einzige und größte Nahrungserwerbszweig. Kinder und Erwachsene, und die ersten schon in der frühesten Jugend, sitzen den größten Teil des Tages und oft noch weit nach Mitternacht an den Stickrahmen.« 26 Die Stickerei in Heimarbeit nahm ein solches Ausmaß an, dass sich die Ravensburger Wollweber und Strumpfstricker veranlasst sahen, offiziell Beschwerde beim Rat wegen des Mangels an billigen Arbeitskräften einzulegen. Sie waren für die Ausübung ihrer Handwerke auf die Unterstützung billiger Hilfsarbeiter angewiesen, »… so ihr Professionen unmöglich mit eigener Hand treiben können, sondern zur Beförderung derselben einige 100 Menschen unentbehrlich benöthiget sein …«. 27 Der Arbeitskräftemangel war nach ihrer Auffassung dadurch entstanden, dass in Ravensburg die »Stickerei nach St.-Gallen« eingeführt worden war. Am 8. Juni 1761 wandten sich die Strumpfstricker, Grautucher, Strumpfwirker und Zeugmacher an den Rat. Um die weitere Versorgung mit billigen Arbeitskräften zu gewährleisten, forderten die Handwerker mehrere Maßnahmen, um ihre Lage zu verbessern. Zum ersten sollten die Menschen erst nach getaner Arbeit entlohnt werden, da sonst die Arbeitsmoral leide. Auch würden sie gerne Kinder beschäftigen, um den Arbeitermangel zu beheben. Als heraufziehende Gefahr sahen die Ravensburger Handwerker insbesondere die zunehmende Auftragsstickerei vieler Frauen für die St. Galler Industrie. »Weilen sich nun eine Gelegenheit äussert, nemlich die bekannte, und bey vielen sehr beliebte Stickerei nach St. Gallen. Worüber wir zwar wegen vorgenommen Arbeithen biß dato noch kein gegründete Klagen zu suchen, sondern nur ein bevorstehende Gefahr vorzustellen haben […] so wird eben hierdurch der Nuzen eines frembden befördert, und die Nahrung derer verbürgerten sehr merklich geschwächet und gehindert […] Ein bekannte 114 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg Sache, daß insonderheit die Stadt viele Arbeits-Leuthe in Weihngarthen haben, wie leicht konnte es geschehen, oder ist vielleicht schon in Werck, daß selbigen bemeldte Stickery könnte beliebt gemachet werde, daß sie diejenige Arbeit, wovon sie schon zimliche Jahre her das brodt hatten beyseite legten, und dieses ergreiffen, wie übel würde man angesezt und besonders, von uns hiesigen verbürgerte und underthanen auch noch solten entführet werden«. 28 Der Lohnanstieg, der durch die gewachsene Konkurrenz um die Arbeitskräfte enstanden war, wurde beklagt und vor dem Ende vieler Textilhandwerker gewarnt. »… auch wird ein hochedler und hochweiser Magistrat in die Fortsetzung obbemaleldter Professionen keinen Zweifel sezen, als möchten solche ein Ende nehmen, als es sich bey der St. Galler Fabric durch Veränderung derzeit leitlich geschehen könnte.« 29 Die Strumpfstricker beklagten zudem, dass die Spinnereien in der Landvogtei vermehrt Garn nach St. Gallen liefern würden, was bei ihnen zu Garnmangel führe. Aus diesen Gründen bat man den Rat abschließend um Schutz gegen »frembde schädliche Eingriffe«. 30 Das Schreiben der Wollarbeiter war wohl wenig erfolgreich, denn in der Folge verstärkte sich die Stickerei St. Galler Stickerei, um 1800. An allen vier Seiten bestickt mit floralen Motiven, bestehend aus Seiden- und Silbergarn in Kett- und Hohlsaumstich. Diese Art von Tüchern ließen St. Galler Unternehmer massenhaft in Schwaben besticken. Sie wurden bis nach Amerika exportiert, wo sie oftmals als Schultertücher getragen wurden. Die Erfolgsgeschichte des Augsburger Kattundrucks 115 nach St. Gallen weiter. In Schwaben wurden Tücher, wie die hier vorliegenden aus der Sammlung des Museums Humpis-Quartier, im Verlag für die Schweizer Auftraggeber bestickt. Die drei Tücher, um 1800 entstanden, zeigen feine florale Motive, mit Kettstich bestickt. Es könnte sich hierbei um Schultertücher handeln. Die Stickerei nach St. Gallen war mit der Ausbildung vieler geschulter Textilhandwerker die Grundlage für das Erstarken der Ravensburger Textilwirtschaft während der aufziehenden Industrialisierung. Neue Unternehmen, wie der Stickereibetrieb Osiander oder die Gardinenfabrik Albert Schwarz, konnten auf geschultes Personal für ihre Unternehmen zurückgreifen. Die Erfolgsgeschichte des Augsburger Kattundrucks In Süddeutschland erlangte während der frühen Neuzeit Augsburg eine bedeutende Rolle in der Textilproduktion. Bereits im Mittelalter war es eines der wichtigsten Zentren der oberdeutschen Textilregion. Es hatte sich neben Ulm zum wichtigsten Barchentstandort Deutschlands entwickelt. Sein Einzugsbereich für die Beschaffung des Garns reichte bis zu 70 Kilometer ins Umland. 31 In der frühen Neuzeit entwickelte sich hier der Kattundruck zu einem erheblichen Wirtschaftsfaktor, der auch ein Grund für den Niedergang der oberschwäbischen Leinenweberei darstellte. Die in Augsburg bedruckten Stoffe senkten die Nachfrage nach den oberschwäbischen Textilprodukten. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts wurde in Augsburg der Kattundruck betrieben und bildetete dort während der aufziehenden Industrialisierung einen bedeutenden Teil des in Süddeutschland einmaligen Augsburger Textilviertels. 32 Als Kattundruck wurde das Bedrucken von Baumwollstoffen mit farbenfrohen Mustern bezeichnet. Die aus Baumwolle in Indien hergestellten Kattunstoffe ließen sich mit ihrer glatten Oberfläche wesentlich besser bemalen und bedrucken als die gröbere Leinwand. Sie erfreuten sich seit dem 17. Jahrhundert größter Beliebtheit und wurden massenhaft importiert 33 Bevor man in Augsburg zum Kattundruck überging, wurde die einheimische Leinwand zumeist mit Ölfarben veredelt. Zudem wurde der Zeugdruck mit Farbe und Modeln angewandt, ein erster Schritt Richtung Kattundruck. Augsburger Unternehmer kopierten die Herstellungsweise der Kattunware der ersten europäischen Kattunfabriken in den Niederlanden und England. Sie sahen das Potential der bunt bedruckten und bis dahin aus Indien eingeführten Stoffe. 1693 nahm der Rat der Stadt Augsburg den Kattundruck in die zünftischen Organisationen auf. 34 Bei der Herstellung wurden Kupferplatten als Druckmedium verwandt, die das Aufbringen eines großflächigen und vielteiligen Musters erlaubten. Kurze Zeit nach Gründung des Handwerks in Augsburg erlangten die Kattundrucker große Fertigkeiten. Die Gruppe der Kattundrucker sammelte sich aus handwerklich anspruchsvollen Berufen wie Kupferstecher und Goldschmiede. Sie übernahmen das Übertragen der Muster auf die Kupferplatten. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts erreichte die Augsburger Kattundruckerei ihre erste Blütezeit. Die Weber der Region profitierten kaum von der neuen Industrie. Die für den Druck genutzten 116 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg Stoffe stammten zumeist aus Ostindien, der Schweiz oder dem Vogtland, nur wenige der Baumwollstoffe wurden in Augsburg hergestellt. 35 Zu den ersten Kattundruckereien gehörte der Familienbetrieb Apfel, der von 1702 bis 1782 in Augsburg produzierte. Nachdem der Betrieb im 18. Jahrhunderts unter verschiedenen Inhabern und Geschäftsführern produzierte, wurde das Unternehmen 1880 unter dem Namen »Augsburger Kattunfabrik« in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nach mehreren Schwierigkeiten kam es 1885 zu einer Neugründung des Betriebes unter dem Namen »Neue Augsburger Kattunfabrik« (NAK). Die Neue Augsburger Kattunfabrik war eine der größten ihrer Art in ganz Europa. Sie produzierte bis 1996 in der Fuggerstadt und belieferte Kunden sowohl in Europa als auch in Übersee. Stille Zeugen ihrer Erfolgsgeschichte sind die 555 Textilmusterbücher mit über einer Million Musterproben, die im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim) aufbewahrt werden und zum Teil dort ausgestellt sind. Der Bestand an Textilmusterbüchern, der von der Geschichte dieses Unternehmens und eines ganzen Wirtschaftszweiges erzählt, umfasst Bände aus der Zeit von 1792 bis 1994. Der Bestand ist in seiner Geschlossenheit und Vielfältigkeit einzigartig. In der Sammlung befinden sich sogenannte Eigenmusterbücher und Fremdmusterbücher. Bei den Musterbüchern unterscheidet man zudem nach Kollektionsbüchern, Rezeptbüchern, Ent- Musterbuch der Neuen Augsburger Kattunfabrik (NAK) aus den 1820er Jahren. 555 Textilmusterbücher der NAK, mit über einer Millionen Musterproben, haben sich in der Sammlung des Staatlichen Textil- und Industriemuseums Augsburg erhalten. Sie dienten zur Dokumentation von Kollektionen, der Inspiration für neue Muster und zur Vorlage bei Kunden. Leihgeber: Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg. Anmerkungen 117 wurfsbüchern, Walzen- und Gravurbüchern. Die verschiedenen Musterbücher dienten zur Dokumentation von Kollektionen, der Inspiration für neue Muster, zur Vorlage bei Kunden und zur technischen Erklärung von Herstellungsverfahren. Die Muster der NAK bestechen durch ihre farbenfrohen und abwechslungsreichen Motive, die dem sich immer schneller wandelnden Modegeschmack entsprachen. 36 Der Kattundruck als wichtiger Bestandteil der Augsburger Industrialisierungsgeschichte zeigte früh auf, dass die überkommenen Strukturen des Handwerks im 18. Jahrhundert nicht mehr lange Bestand haben würde. Die Zukunft gehörte den auf Arbeitsteilung und Spezialisierung ausgelegten Fabriken, die die Industrialisierung ab dem 19.-Jahrhundert prägten. Anmerkungen 1 Johann Jacob Reinhards Marggrävl. Baden-durlachischen wirklichen geheimden Raths vermischte Schriften, Frankfurt und Leipzig 1760-1769, zitiert nach: Johann Georg Krunis ökonomisch-technologische Encyklopädie oder allgemeines Enstem der Staats- Stadt- Haus- und Land- Wirtschaft, der Erdbeschreibung, Kunst- und Naturgeschichte in alphabetischer Ordnung Bd.-76, Berlin 1806, S.-144. 2 Vgl. Falk: Leinwandproduktion, S.-74. 3 Vgl. Bohnsack: S.-172. 4 Vgl. StadtA RV Bü 400 c/ 4. 5 Vgl. Eitel, Peter: Handel und Verkehr im Bodenseeraum während der frühen Neuzeit, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 91 (1973), S.-67- 90, S.-76-77. 6 StadtA RV RP Bü 251, S.-264-265. 7 Vgl. Adler: Menschen und Tuche, S.-153-155. 8 Wolf, Thomas, Reichsstädte in Kriegszeiten. Untersuchungen zur Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Isny, Lindau, Memmingen und Ravensburg im 17. Jahrhundert, Memmingen 1991, S.-200. 9 Vgl. Falk: Die alten Zunfthäuser. 10 Vgl. Lutz: Beharrung, S.-504. 11 Vgl. StadtA RV Bü 1301 und 1302. 12 Vgl. Rieber: Textil-Handwerk und Gewerbe in Ulm, S.-3. 13 Vgl. Murr, Karls Borromäus: Die Entwicklung der bayerischschwäbischen Textilindustrie im »langen« 19. Jahrhundert. in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-39-66, S.-42. 14 StadtA RV Bü 1301 und 1302. 15 StadtA RV Bü 1327 und 1328. 16 StadtA RV Bü 1891/ b 17 Vgl. Ammann: Konstanzer Konzil, S.-68. 18 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-160. 19 Vgl. Schulte: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Bd.-3, Nr.12. Rekordanz des Hans Hinderhofen für sich und Konrad Munprat, S.-183-194, S.-192. 20 Vgl. ebd., Bd.-2, S.-85. 118 6. Umbruch und Wandel der Textilwirtschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg 21 Vgl. Mayer, Marcel: Textilwirtschaft in der Bodenseeregion. Die Beziehungen zwischen St. Gallen und den »überseeischen Gebieten«, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 31 (2008), S.-46-53, S.-47. 22 Vgl. Wanner-JeanRichard, Anne: Die Treuesucherin. Tischdecke mit Leinenstickerei, in: Museumsbrief 71, St. Gallen 1994, S.- 9. 23 Vgl. ebd., S.-10. 24 Vgl. Karbacher, Ursula: St. Galler Sticker als Auftraggeber im ländlichen Oberschwaben, in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-161-170, S.-162. 25 Vgl. ebd., S.-164. 26 Zitiert nach: Mayer, Hermann: Bad Waldsee, in: Chronik des Kreises Ravensburg, Hinterzarten 1975, S.-187-228, S.-210-211. 27 StadtA RV Bü 1085/ b. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Vgl. Holbach: Frühformen von Verlag und Großbetrieb, S.-190. 32 Vgl. Nagler, Gregor: Reise in die Industrielandschaft. Eine Analyse am Beispiel des »Augsburger Textilviertels«, in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-213-256. 33 Vgl. Loibl: Textillandschaft Schwaben, S.-226. 34 Fahn, Monika: Die Musterbücher der Neuen Augsburger Kattunfabrik, in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-413-446, S.-414. 35 Vgl. ebd., S.-433. 36 Vgl. ebd., S.-421-426. 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung Nachdem die Textilwirtschaft Süddeutschlands seit der frühen Neuzeit in die Bedeutungslosigkeit gefallen war, feierte sie in einigen Städten während der Industrialisierung eine Renaissance. In Ravensburg war sie Leitsektor der ersten Phase der Industrialisierung. Die Mechanisierung in Ravensburg begann mit dem Aufstellen der ersten Spinnmaschinen. In der Folge ließen einige innovative Textilunternehmen Ravensburg erneut zu einer Textilstadt aufsteigen. Die Textilwirtschaft war wieder ein wichtiger Arbeitgeber der Region. 1861 arbeiteten schon wieder nahezu 15 Prozent der Ravensburger Bevölkerung im Bereich der Textilindustrie. 1 Die Industrialisierung Ravensburgs ist durch den ehmaligen Ravensburger Stadtarchivar Dr. Peter Eitel bereits sehr gut erforscht. 2 Es ist gilt nun zusammenfassend die Entwicklung des Textilsektors, mit den wichtigsten Unternehmen, vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis heute darzustellen. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts Das Handwerk in Württemberg war Anfang des 19. Jahrhunderts mit seinen verkrusteten Ordnungen Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung. Viele Handwerker, wie der bereits beschriebene Webermeister Johann Michael Hasel, waren völlig verarmt, auf Nebenerwerb angewiesen oder gar völlig ohne Arbeit. Dieses Schicksal betraf besonders Textilhandwerker wie Strumpfwirker, Tuchmacher, Leinenweber und Schneider. Seit dem 17. Jahrhundert waren Tendenzen zu erkennen, dass viele Handwerker zum Überleben Nebenerwerbstätigkeiten aufnehmen mussten. 3 Diese Entwicklung nahm im 19. Jahrhundert noch zu. Viele waren gezwungen die städtische Armenfürsorge in Anspruch zu nehmen. Die städtische Verwaltung war darum bemüht, die notleidenden Handwerker durch Nebenerwerbsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst zu unterstützen. Sie wurden mit Stellen als Nacht- oder Turmwächter, als Helfer im Kornhaus oder beim Wege- oder Straßenbau eingesetzt. 4 Die Zunftpolitik hemmte durch die starre Beharrung auf Erhaltung und Stabilisierung der bestehenden Wirtschaftsordnung den technischen Fortschritt. War sie im späten Mittelalter noch die schützende Hand über dem einzelnen städtischen Handwerker, schadete sie diesem nun mit ihrer Rückwärtsgewandheit. Eine Reform der Gewerbeordnung war unausweichlich, um den Weg für die fabrikmäßige Produktion frei zu machen. Mit der »Allgemeinen Gewerbeordnung« vom 22.4.1828 erhielt Württemberg und das nun zum Württembergischen Königreich gehörende Ravensburg ein einheitliches Gewerbegesetz. Dieses harmonisierte die Gewerbeordnung für ganz Württemberg und reformierte Handwerk und Wirtschaft. Mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung 120 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung wurde das Fabrikwesen eindeutig definiert und deutlicher vom Handwerk abgegrenzt. Innovative Unternehmer erhielten eine gesicherte Rechtsgrundlage für ihre Betriebe. Der Einfluss der Zünfte wurde hingegen stark reduziert. 5 Insgesamt behielten 44 Gewerbe zünftischen Charakter, darunter sämtliche stark besetzten. Zwar blieb der Zunftzwang erhalten, aber andere Beschränkungen fielen weg. Es gab nun sogenannte Zunftvereine. Diese sollten nur Mitglieder desselben Gewerbes umfassen und in ihrem Geltungsbereich das gesamte Gebiet des Oberamtes, also nicht nur die städtischen Handwerker, sondern auch die Landhandwerker umfassen. Die Bedeutung der Zunft als gesellschaftliche Organisation verschwand fast vollständig. 6 Anstelle der acht im 14. Jahrhundert entstandenen Zünfte wurden in Ravensburg 26 neue »Zunftvereine« gebildet und am 12.7.1830 deren Obmänner bestimmt. Der größte neue Zunftverein waren die Leinenweber. Während sie in der Stadt in der Bedeutungslosigkeit versunken waren, gab es auf dem Land noch zahlreiche Weber. Daher kamen von den 166 Mitgliedern lediglich 16 aus Ravensburg selbst, der Rest stammte aus dem Umland. Ihr Versammlungsort war der Gasthof Dreikönig in der Marktstraße. 7 Mit der Gewerbeordnung und der seit Ende der 1820er Jahre einsetzenden staatlichen Wirtschaftsförderung wurde der Grundstein für die Industrialisierung der Stadt Ravens- Zunftzeichen der Leinen- und Barchentweber,1830. Nach der Gewerbeordnung von 1828 wurden die acht Ravensburger Zünfte aufgelöst. Anstelle der im 14. Jahrhundert entstandenen Zünfte wurden in Ravensburg 26 neue »Zunftvereine« gebildet. Der größte Zunftverein waren die Leinen- und Barchentweber mit 166 Mitgliedern aus dem ganzen Oberamt Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 121 burg gelegt. Leitsektor der frühen Industrialisierung wurde die Textilindustrie. Mit der Antriebskraft des Flappbachs und dem unternehmerischen Geschick einflussreicher Ravensburger Bürger gelang es der Stadt zur »industriellen Insel im agrarischen Oberschwaben« aufzusteigen, die bis zum Ersten Weltkrieg der wichtigste Handelsplatz in Oberschwaben war und dessen wirtschaftliches Zentrum bildete. 8 Dadurch, dass sich die Leinwandindustrie hier so zäh und langlebig auch während der Industrialisierung halten konnte, unterschied sich die Ravensburger Textilwirtschaft von jener des übrigen Bodenseegebiets. 9 Im Allgäu gab es vereinzelt Ausnahmen, wo es zu Fabrikgründungen kam, die sich auf das Spinnen oder Weben mit Maschinen spezialisiert hatten. 10 Als Beispiel sei hier die »Baumwollindustrie Erlangen-Bamberg« genannt, besser bekannt als ERBA, die als einziger Betrieb in Deutschland in der Lage war, das Gewebe für die Gaszellen des Luftschiffs »Graf Zeppelin« herzustellen. 11 Wie die meisten Ravensburger Unternehmen nutzte auch die ERBA zunächst die Wasserkraft der Umgebung zum Antrieb ihrer Maschinen. In Ravensburg waren die Wasserkraft des Flappbachs sowie der Unternehmergeist einzelner Persönlichkeiten und die zunehmende staatliche Wirtschaftsförderung die wichtigsten Elemente der frühen Ravensburger Industrialisierung. Als »Geburtsstunde« der Ravensburger Industrialisierung kann die Anfrage des Schlossermeisters Anton Erb an den Rat der Stadt Ravensburg zur Förderung seines Gewerbes und die daraufhin folgende Antwort der Stadt gelten. 12 Der Schlossermeister Anton Erb teilte dem Stadtrat am 18.Februar 1828 mit, dass er bereits drei Maschinen zum Spinnen von Schafwolle für die Tuchmacher gefertigt habe und diese in der ehemaligen Kirche zu St. Leonhard, an der Wangener Straße aufstellen wolle. Um diese mechanisch betreiben zu können, wollte er ein Wasserrad in den Flappbach einsetzen. Erb wurde zu seiner Initiative in einem Ratsprotokoll von Franz von Zwerger, dem Ravensburger Stadtschultheiß beglückwünscht und eine wohlwollene Prüfung seines Anliegens veranlasst. Im Stadtratsprotokoll heißt es hierzu: »Schlossermeister Erb zeigt an, dass er bereits 3 Maschinen zum Spinnen der Schafwolle für die Tuchmacher gefertigt habe und willens sei solche in der ehemaligen Kirche zu St. Leonhard im Oelschwang aufzustellen. Zum Betrieb dieser Maschinen durch das Wasser bitt er nun Erlaubnis, in den Stadtbach ein unterschlechtiges Rad einbauen zu dürfen. Entschluss: 1) Den Schlossermeister Erb für diese ruhmliche Bemühung, ein so nüzliches Unternehmen ins Werk zusetzen das wohlverdiente Lob zu ertheilen 2) Der Ausführbarkeit seiner Bitte durch das bewusst nach Anhörung der nächsten Mühlwerks sitzen mit der Nachkomme untersuchen zu lassen, das Unternehmen auf jeder möglich Weise zu fördern.« 13 Nach erteilter Erlaubnis und Belobigung der Initiative durch den städtischen Rat machte sich Erb umgehend ans Werk. Als sich die ersten Erfolge einstellten, mietete er 1829 zur Ausdehnung seiner Wollspinnerei Räumlichkeiten im zentral gelegenen Lederhaus, wo er ebenfalls ein Wasserrad einsetzte. 122 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung Auszug aus dem Ravensburger Stadtratsprotokoll vom 18. Februar 1828. Stadtschultheiß Franz von Zwerger begrüßt die Initiative Anton Erbs zur Aufstellung von Spinnmaschinen in der ehemaligen Leonhardskapelle. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 123 Erb stellte zwar die erste Spinnmaschine Ravensburgs auf, in anderen Regionen hatte die Industrialisierung jedoch schon wesentlich früher begonnen. 1764 war mit der »Spinning Jenny« in England die erste mechanische Spinnmaschine erfunden wurden. Der englische Weber James Hargreaves hatte mit der Maschine, die zuerst acht, dann 16 und später bis zu 100 Spindeln gleichzeitig bedienen konnte, die weltweite Industrialisierung eingeleitet. 1785 beantragte Edmond Cartwright das Patent auf den ersten mechanischen Webstuhl. Weitere Spinnmaschinen wie die »Water-Frame« von Richard Arkwright oder die »Spinning-Mule« von Samuel Crompton folgten. Die erste Spinnmaschine im Raum Bodensee-Oberschwaben wurde 1795 in St. Gallen aufgestellt. 14 Das maschinell hergestellte Garn beendete das Jahrhunderte andauernde Missverhältnis in der Produktivität von Spinn- und Webverfahren. Ausgehend von der Textilwirtschaft eroberten die Maschinen im Laufe des Jahrhunderts immer weitere Arbeitsbereiche. Der geschäftige Schlossermeister Erb hatte beim Stadtschultheißen Franz von Zwerger wohl größeren Eindruck hinterlassen. Denn 1830, zwei Jahre nach der Anfrage Erbs beim Stadtrat, beteiligte sich Zwerger zusammen mit seinem Schwiegervater, dem reichen Ravensburger Bankier Franz Xaver Gosner an dem Betrieb. 15 Franz von Zwerger Die Leonhardskapelle, an der Ecke Leonhardstraße-Wangener Straße, wurde Anfang des 15. Jahrhunderts von Angehörigen der Ravensburger Handelsfamilie Humpis gestiftet. Noch heute zeugen die vermauerten Kirchenfenster von der einstigen religiösen Nutzung des Gebäudes. Der an dem Gebäude vorbeifließende Flappbach war die Antriebsquelle für die ersten Spinnmaschinen der Stadt. 124 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung prägte während seiner 36 Jahre währenden Amtszeit die Stadt und ihr Erscheinungsbild. Auf seine Initiative ging der Anschluss Ravensburgs an die Eisenbahn und die Ansiedlung der Schweizer Motorenfirma Escher Wyss zurück. Doch er war nicht nur auf der politischen Bühne äußerst aktiv, sondern engagierte sich in der Folge verstärkt in der Textilwirtschaft und wurde einer ihrer größten Förderer und Akteure. 16 1832 erwarb die Firma Anton Erb & CO zwei weitere Häuser für ihre Betriebszwecke, das ehemaligen Rebleutezunfthaus in der Schulgasse und ein Haus westlich der alten Stadtmauer gelegen, Meersburger Straße 20. 1833 verkaufte der Firmengründer Erb seine Betriebsanteile an Gossner und Zwerger, welche die Firma danach unter dem Namen »Schafswollspinnerei und Streichgarnfabrik Gosner & Co« weiterführten. Als Streichgarn wird eine spezielle Form von Wollgarn bezeichnet. Zur Erweiterung ihres Betriebes erwarben die beiden Besitzer 1835 die Ballenmühle am unteren Ende der Roßbachstraße. Um 1835 waren bei der Firma »Gosner & Co« etwa 35 Arbeiter beschäftigt, dies war der damals größte Ravensburger Betrieb aus der kleinen Werkstatt Erbs in der Leonhardskapelle war rasch eine ansehnliche Fabrik geworden. 17 Während die ersten mechanisch betriebenen Spinnereien Schafwolle verarbeiteten, kamen seit Mitte des 19. Jahrhunderts erste Baumwollfabriken auf. Franz Xaver Gosner gründete zusammen mit dem Unternehmer Georg Friedrich Staib die erste Baumwollfabrik Ravensburgs. Franz von Zwerger, zwischenzeitlich Mitglied des Landtages in Stuttgart, konnte über seine politischen Beziehungen kostengünstige Darlehen für Franz von Zwerger (1791-1856) war als Stadtschultheiß von 1821 bis 1856 eine der prägenden Figuren des wirtschaftlichen Aufschwungs Ravensburgs während der Industrialisierung. Als Abgeordneter im Württembergischen Landtag gelang es ihm, Gelder und Investoren für lokale Firmen und Projekte zu gewinnen. Zwerger betätigte sich ebenfalls als Unternehmer in der aufblühenden Ravensburger Textilwirtschaft. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 125 die Unternehmung besorgen. Mit den Darlehen wollte die Politik die Importabhängigkeit des württembergischen Staates von Schweizer Baumwollwaren vermindern. 18 Die Baumwollweberei und Weißstickerei nahm 1842 ihren Betrieb auf. 19 1838 trennte sich Staib von den Teilhabern Franz Xaver Gossner und Franz von Zwerger. Für ihn trat der finanzkräftige Esslinger Blechwarenfabrikant Carl Christian Deffner, einer der bedeutendsten Unternehmer Württembergs, als neuer Teilhaber in den Betrieb ein. Über Zwergers Beziehungen in die Landespolitik wurde der liberale Parlamentsfreund in das Unternehmen geholt. Der Betrieb wurde unter dem Firmennamen »Zwerger und Deffner« eingetragen. Mit dem kapitalkräftigen Deffner konnte als wichtigster Fortschritt die Jaquardweberei eingeführt werden. Die Jaquardwebstühle wurden mit Lochkarten gesteuert und erlaubten das Weben komplizierter Muster. Nur durch die Kapitalkraft des neuen Teilhabers war es möglich die teuren Webstühle zu kaufen. Auf den Württembergischen Kunst- und Industrieausstellungen der Jahre 1839 und 1842 wurden Zwerger und Deffner für ihre ausgestellten Baumwollfabrikate mit der silbernen bzw. goldenen Medaille ausgezeichnet. 20 1844 wurde das ehemalige Refektorium des 1806 aufgehobenen Franziskanerklosters beim Mehlsack von den Unternehmern zu Webräumen umgebaut. Mit dem Eintritt des bisherigen Prokuristen Wilhelm Alexander Weiß als weiteren Teilhaber bei »Zwerger & Deffner« wurde 1846 die mechanische Wolltuchweberei eingeführt. 1851 zahlte von Zwerger seine Teilhaber aus und alle drei machten sich selbstständig. Von Zwerger baute in der Vorstadt Ölschwang ein neues Fabrikgebäude, das Die Ballenmühle beheimatete die erste mechanisierte Baumwollweberei Ravensburgs. Auch in der Ballenmühle wurde die Antriebskraft des Flappbachs zum Betrieb der Maschinen genutzt. Zeichnung von Joseph Bayer, 19. Jahrhundert. 126 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung später von Manz und Stimmler übernommen wurde. Deffner eröffnete einen Betrieb beim Bahnhof und Weiß einen in der Mühlgasse-1, im Öhlschwang. 1856 waren alle drei Fabriken in Betrieb. 21 Franz von Zwerger übernahm nach dem Tod seines Schwiegervaters auch die Stammfirma »Gossner u Co.« als alleiniger Inhaber. Manz & Stimmler Nach dem Tode Zwergers 1856 übernahmen seine Söhne die Textilbetriebe. Den Betrieb im Ölschwang mussten sie aufgrund der Gründerkrise aufgeben und Mitte der 1870er Jahre an die Weißwarenfabrikanten Manz & Stimmler abtreten. Die Baumwollfeinweberei war eine der bedeutendsten Neugründungen im Bereich der Baumwollverarbeitung. Sie wurde 1871 von den beiden Kaufleuten Ulrich Manz und Johann Stimmler gegründet. Die Spezialität von Manz & Stimmler waren feine Baumwollgewebe für bestickte Vorhänge, Taschentücher, Blusen, Unterwäsche und für die Portrait des Esslinger Unternehmers und Politikers Carl Christian Deffner (1789-1846). Mit der Beteiligung Deffners gewann der Ravensburger Stadtschultheiß Franz von Zwerger einen kapitalkräftigen und einflussreichen Teilhaber für seine Baumwollfabrik.« Portrait Wilhelm Alexander Weiß (1811-1893). Weiß gründete 1856 die Baumwollweberei W.A. Weiß in der Mühlgasse 1 im Ölschwang. 1875 ging der Betrieb an die neuen Besitzer Walther und Krauß über. Seit 1901 produzierte die Weberei unter dem alleinigen Inhaber Krauß mit 60 Arbeitern. 1916 erfolgte die Umwandlung in die Gardinenfabrik Kraus OHG. Die Fabrik befand sich bis 1980 in der Mühlgasse. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 127 Herstellung künstlicher Blumen, die damals als Schmuck für Damenhüte dienten und teils aus Baumwolle, teils aus Seide bestanden. Der Betrieb florierte und entwickelte sich bis 1914 zur bedeutendsten Ravensburger Textilfabrik. Die Zahl der dort beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter wuchs von 44 im Jahre 1876 auf 100 im Jahr 1908. 22 Hervorgegangen aus dem 1861 in Weißenau gegründeten kleinen Weißwaren- und Stickereibetrieb Bildstein, Manz & Co, bezog die Firma die Gebäude der im gleichen Jahr stillgelegten Baumwollweberei Zwerger im Ölschwang. Kurze Zeit nach dem Umzug der Firma standen auf dem Gelände 60 Webstühle, deren Zahl in den folgenden Jahrzehnten noch weiter wachsen sollte. Diese Webstühle wurden mit der Wasserkraft des vorbeifließenden Flappbachs betrieben. Durch den Einbau immer leistungsfähigerer Wasserturbinen wurde die Energieversorgung gewährleistet. Carl Stimmler, zwischenzeitlich alleiniger Inhaber der Firma, erhöhte die Anzahl der Webstühle auf 220. Gleichzeitig wurde ein zusätzliches Firmengelände in der Ravensburger Bleicherstraße erworben, das zum Betrieb von 100 weiteren Webstühlen genutzt wurde. 1938 wurde das unrentable Gelände am neuen Standort wieder aufgegeben. Der Verkauf setzte Kapital frei, das für einen Neubau auf dem Hauptgelände eingesetzt wurde. Der Neubau der Wangener Straße 17, der im März 1939 fertiggestellt wurde, beherbergte zu Beginn 160 Webstühle. 23 Die Zahl der Webstühle steigerte sich in der Folge auf 345. Auch von der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde der Betrieb kaum tangiert. »Dank unseres Fertigungsprogramms waren wir bis Kriegsende auch gut mit Rohstoffen versorgt und konnten daher als erster Fabrikationsbetrieb in Ravensburg die Arbeit schon am 12. Juni 1945 wieder aufnehmen.« 24 Nachdem sich die Firmenleitung 1953 zum Bau eines neuen Fabrikgebäudes entschieden hatte, wurde dieses bereits 1954 mit 159 Stühlen in Betrieb genommen. Der Neubau war notwendig geworden, da » nach Ansicht der Bausachverständigen ein nahezu 130 Jahre altes mehrgeschossiges Betriebsgebäude den enormen Belastungen durch die Vielzahl der Webstühle auf die Dauer nicht mehr gewachsen war«. 25 Die neue Fabrikhalle besaß ein markant wellenförmiges Shed-Dach. Ein ursprünglich zweigeschossig geplanter Bau scheiterte am Widerstand der Nachbarschaft. Die Konstruktion des auffallenden Shed-Dachs ermöglichte einen hohen Lichteinfall durch die Deckenfenster sowie einen 1500 qm großen Websaal ohne jede Zwischenstütze. Das Gebäude steht heute noch an der Wangener Straße als stiller Zeuge der Ravensburger Textilgeschichte. Bereits in der Festschrift zum 100-jährigen Firmenjubiläum 1971 wurde die Sorge vor dem zunehmenden Wandel, dem die heimische Textilwirtschaft durch die Globalisierung unterlag, sichtbar. »Der damit gewonnene Rationalisierungsgrad reicht aber immer noch nicht aus, um gegen die Niedriglohnpreisländer sowie eine erdrückende in- und ausländische Konkurrenz ankommen zu können. Die technische Entwicklung schreitet unaufhaltsam vorwärts. Es muß auch damit gerechnet werden, daß mit dem Zusammenwachsen des gemeinsamen Marktes der Wettbewerb und dadurch der Ausleseprozeß noch größere Schärfe als bisher annimmt und deshalb müssen wir unseren Betrieb vollständig durchautomatisieren, woraus hervorgeht, daß wir nach wie vor riesige Aufgaben zu erfüllen haben.« 26 128 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung Die 1954 errichtete Fabrikhalle von Manz und Stimmler an der Wangener Straße. Geprägt wird der Bau durch das wellenförmige Shed-Dach. Im Hintergrund ist das Obertor der Ravensburger Altstadt zu erkennen. Innenansicht der Weberei Manz und Stimmler. Durch technische Fortschritte waren immer weniger Beschäftigte notwendig, um immer mehr Webstühle bedienen zu können. Ein Arbeiter betreute bis zu 20 Webstühle. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 129 Die Gardinen und Stickereifabrik Albert Schwarz Zu einem der größten Betriebe im Bereich Weißwaren und Gardinenstoffe entwickelte sich die 1872 von Albert Schwarz und Carl Pomer gegründete Firma Albert Schwarz Gardinen- und Stickereifabrik. Als Pomer bereits 1873 starb, wurde Schwarz, der zuvor in der Textilfirma Teilheimer & Co als Vertreter gearbeitet hatte, Alleininhaber. Seinen Sitz hatte das Unternehmen zu Beginn in der Roßbachstraße 15. Hier fertigte der Betrieb im Erdgeschoss Bordüren und betrieb ein wenig Handweberei. Durch den wachsenden Erfolg des Unternehmens wich Schwarz auf ein neues Gelände aus. Dieses fand er 1880 am Hirschgraben 17, südlich der Altstadt (das Haus wurde 1974 abgebrochen). Das Wohn- und Geschäftshaus wurde in den 1880er Jahren zweimal ausgebaut. 1887 fusionierte Schwarz mit der Gardinenfabrik Durner. Das Unternehmen war in der Folge sehr erfolgreich. Dokumentiert wurde der Aufstieg durch die Teilnahme an der Weltausstellung 1893 in Chicago. In der Denkschrift zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Gardinen und Stickerei-Firma Albert Schwarz heißt es hierzu: »Mutig gemacht durch die bisher erzielten Erfolge und Auszeichnungen, stellte das Haus seine Erzeugnisse 1893 auf der Weltausstellung in Chicago zur Schau, um sich dann 1896 in Stuttgart in vollsten Glanze zu zeigen und dort ungewöhnliche Erfolge (Goldene Medaille) zu erzielen, die dann später in St. Louis noch gefestigt werden sollten.« 27 Der Erfolg scheint nicht zuletzt durch die guten Beziehungen in höchste Kreise begründet zu sein. Am 6. Juli 1893 stattete König Wilhelm von Württemberg der Osianderschen Kunststickerei, der Pinselfabrik Sterkel und der Gardinenfabrik Albert Schwarz einen Besuch ab. 28 Zum 25-jährigen Firmenjubiläum wurde Albert Schwarz mit dem Ehren- Briefkopf der Gardinen- und Stickereifabrik Albert Schwarz, 1911. Der Hauptsitz des Unternehmens befand sich am Hirschgraben 17 in Ravensburg. Die Firmenansichten dieser Zeit zeigen oftmals ästhetisierende und euphemistische Darstellungen des jeweiligen Fabrikgeländes. 130 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung titel königlicher Kommerzienrat ausgezeichnet. Er fertigte auch die hier vorliegenden Mustergardinen für das Neue Schloss in Stuttgart. Bei den Gardinen handelt es sich um eine Schenkung von Frau Friederike Moers aus Köln. 1899 baute Schwarz das Unternehmen durch Gründung einer zweiten Filiale in Plauen weiter aus. Plauen hatte sich zum bedeutendsten Standort für die Produktion von Gardinen in Deutschland entwickelt. Dort fand Schwarz ein neues Fachkräftereservoir für seine Fabrik. 29 Innerhalb Plauens zog die Firma 1907 in ein 200 qm großes Geschäfts- und Fabrikhaus um. 1910 übergab Albert Schwarz Senior die Geschäfte an seine beiden Söhne Albert und Max Schwarz. Die beiden setzten verstärkt auf Automatenstickmaschinen, die in den Filialen installiert wurden. 1922 brachte es die Firma in Ravensburg und Plauen auf 300 Angestellte und Arbeiter. Hinzu kamen noch die in Heimarbeit Beschäftigten, die die Zahl der fest Angestellten wohl noch weit übertrafen. 30 Neben der Produktion der Stoffe war deren Behandlung von ebenso großer Bedeutung, um ein herausragendes Endprodukt zu erhalten. Der umtriebige Albert Schwarz erwarb daher mit mehreren Geschäftsfreunden 1887 die örtliche Bleicherei und Appreturanstalt Weißenau. Die Appreturanstalt hatte sich nach ihrer Gründung in den 1840er Jahren zu einem der wichtigsten Textilbetriebe Ravensburgs entwickelt. Auf sie wird Ausschnitt aus einer Mustergardine, gefertigt von der Gardinen- und Stickereifabrik Albert Schwarz für das Neue Schloss in Stuttgart. Die hierfür gefertigten Gardinen weisen eine Höhe von 4 Metern auf und sind mit aufwendig verzierten Mustern, Blumenstickereien und Bordüren versehen. Schenkung: Friederike Moers, Köln. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 131 später auch noch einzugehen sein. Schwarz beteiligte sich ebenfalls an der Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Schornreute, einer der drei Ravensburger Spinnereien. 31 Die wichtigste dieser Spinnereien war die der Gebrüder Spohn. Die Spohn’sche Abwergspinnerei 1829 kaufte Johann Georg Spohn die ehemalige Papiermühle »Oberer Hammer« in der Gewerbevorstadt Ölschwang. Dort führte er noch kurze Zeit die Papierherstellung fort. 1832/ 33 richtete sein jüngerer Bruder Christian Paul Spohn mit Unterstützung Johann Georgs in dieser Papiermühle eine zunächst kleine Flachs- und Florettseidenspinnerei ein. Bei der Florettseidenspinnerei wird aus Seidenabfällen, schadhaften Seidenkokons und Flockseide Seidengarn hergestellt. 1836 zog Christian Paul mit seiner Spinnerei in das Lederhaus, in dem zuvor schon Anton Erb Garn gesponnen hatte. Seit 1842 konzentrierte sich Spohn auf die Feinspinnerei und die Herstellung von Bettbezügen und Teppichen. 32 Zwei Jahre später verlegte er sich auf das Zwirnen von Garn aus Abwerg, das vor allem zur Herstellung von Kornsäcken verwendet wurde. 1845 gab Christian Paul Spohn die Florettseidenspinnerei ganz auf. Immer besser hingegen lief die Abwergspinnerei im Lohn für die oberschwäbischen Bauern. Innenansicht der Fabrikationshalle in der Zweigstelle Plauen, um 1920. Die Söhne von Albert Schwarz steigerten die Produktivität durch den Einsatz neuer Stickmaschinen. 132 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung 1847 entschlossen sich die Gebrüder Spohn zusammen im »oberen Hammer« eine neue große Abwergspinnerei einzurichten. Moderne Maschinen aus Belgien und dem Elsass wurden erworben und der erste Dampfkessel Oberschwabens aufgestellt. 33 1849 ging die »Spohn’sche mechanische Abwergspinnerei« in Betrieb. Das Unternehmen gehörte über Jahrzehnte zu den größten Firmen dieser Art in ganz Süddeutschland, es zählte 1861 erst 29, 1868 bereits 210 und 1876 362 Beschäftigte und war damit lange Zeit größter Arbeitgeber Ravensburgs und der größte derartige Betrieb im gesamten württembergischen Königreich. 34 Der Großteil der Angestellten waren Frauen, die mit Hilfstätigkeiten die Spinnmaschinen bedienten und ihnen zuarbeiteten. 35 1868 richteten die Gebrüder Spohn, die bislang nur für Lohn gesponnen hatten, eine neue Weberei ein. 1868 wurden zwei Dampfmaschinen mit zusammen 70 PS und eine Wasserturbine mit 10 PS in Betrieb genommen. Drei Jahre später wurde der Betrieb um eine Leinwandbleiche ergänzt. 36 Ein wesentlicher Grund für das Aufblühen der Leinwandindustrie in den 1860er Jahre war das Ausbleiben der Baumwollimporte aus Nordamerika infolge des Sezessionskrieges 1861-65. Flachs und Wolle waren Ersatzmittel. 1868 wurden in der Spohn‘schen Spinnerei 2000 Spindeln betrieben. 37 Leinwand wurde ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend von der billigeren Baumwolle verdrängt. So musste Spohn immer mehr auf die gröberen Hanf- und ab 1886 auf Jutegewebe umstellen, die zu Säcken, Gewebebahnen für Bodenbeläge, Packstoffen, Segeltüchern und Planen für Eisenbahnwagons verarbeitet wurden. Nur der Umstellung auf die gröberen Faserstoffe war es zu verdanken, dass der Betrieb sich überhaupt so lange halten konnten. 1900 erfolgte die Stilllegung des Werks in Ravensburg und die Gründung einer verkehrsgünstiger gelegenen Fabrik in Neckarsulm. Fabrikationsgelände der Spohn’schen Abwergspinnerei. Links auf dem Bild ist die ehemalige Papiermühle »Oberer Hammer« zu sehen. Sie war das Stammhaus des Betriebs. Die weiteren Gebäude entstanden später durch den rasch wachsenden Erfolg der Spinnerei. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 133 Die Osiandersche Kunststickerei In Ravensburg spezialisierten sich viele Textilbetriebe auf hochwertige Stoffe und bestickte Waren, um den Nachteil der hohen Frachtkosten, die durch den Standort am Rand des Reiches bedingt waren, auszugleichen. Die Ravensburger Produkte entwickelten sich in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zu regelrechten Exportschlagern. Maßgeblich mitverantwortlich hierfür war die Firma Osiander. Sie wurde 1858 von den Schwestern Bertha und Fanny Osiander in der Kirchstraße 13 in Ravensburg gegründet. In dem Familienbetrieb wurden zunächst per Hand, später mit Stickmaschinen hochwertige liturgische Gewänder und Fahnen gefertigte. Desweiteren wurden Paramentenstickereien für kirchliche Gewänder, Reliquienkissen und Altardecken hergestellt. 1873 zog der wachsende Betrieb in die Ravensburger Gartenstraße um. Seit den 1870er Jahren belieferte das Familienunternehmen zahlreiche Vereine und Firmen im In- und Ausland mit bestickten Standarten, Wimpeln und Fahnen. Der Betrieb wurde zum königlichen Hochlieferanten ernannt. Viele Aufträge kamen aus Österreich-Ungarn, später auch aus Amerika. 1893 beschäftigte das Unternehmen 80 Mitarbeiter, fast ausschließlich Frauen. Trotz der Expansion blieb die Kirche wichtiger Auftraggeber. Osiander belieferte Kardinäle und Bischöfe mit Kaseln und anderen liturgischen Gewändern. 1906 beurkundete Papst Pius X. der Firma den Titel des päpstlichen Lieferanten und erteilte die Erlaubnis das päpstliche Wappen in das osiandersche Firmenzeichen aufzunehmen. Der osianderschen Kunststickerei kam in Ravensburg das große Reservoir an gelernten Stickerinnen, die zuvor für St. Gallen gearbeitet hatten, zugute. Die Tradition als Textilstadt war ein Grund für die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreich florierenden Textilbetriebe Ravensburgs. Kasel der Kunststickerei Osiander, Mitte 20. Jahrhundert. Das liturgische Gewand weist einen beigefarbenen Untergrund auf, bestickt mit floralen Motiven in Blumenbzw. Blätterrankenoptik. 134 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung Die Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Schornreute Durch den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) kam es zu einer Baumwollverknappung in Europa, die eine »Leinwandrenaissance« auslöste. 38 Durch den gewachsenen Bedarf an Leinengarn kam es zu zwei Neugründungen im Bereich der Leinenspinnerei. 1865 wurde die Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Weingarten-Ravensburg AG gegründet, die von 1872 bis 1886 ihren Firmensitz in Ravensburg hatte. Ihr folgte 1870 die Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Schornreute. Beide Spinnereien wurden als Aktiengesellschaften ins Leben gerufen. Nur mit einer ausreichenden Kapitaldecke war es möglich, die nötige Mechanisierung der Betriebe zu gewährleisten. Mit ihren drei Spinnereien war Ravensburg das unangefochtene Zentrum der mechanischen Leinenspinnerei in Württemberg. 39 Die Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Schornreute AG war die kleinste der drei Ravensburger Spinnereien, konnte sich jedoch am längsten am Markt halten. Wie auch die Spohnsche Spinnerei nutzte der Betrieb eine der alten Ravensburger Papiermühlen zum Antrieb seiner Maschinen. Seit 1870 wurde in der mittleren Schornreuter Papiermühle, in der Wangener Straße 163, produziert. Für die Produktion wurden zwei Dampfkessel eingebaut. Zur Spinnerei kam 1891 noch ein kleines Hanfwebgebäude hinzu. Die Gründungsmitglieder des Schornreuter Betriebes sind zwar nicht bekannt, später engagierten sich hier die Ravensburger Gardinenfabrikanten August Walter, Friedrich Krauß und der bereits vorgestellte Albert Schwarz. Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Spinnerei einen unverhofften Aufstieg. »Das Geschäft hat gegenüber dem Vorjahre einen bedeutenden Aufschwung genommen, weil ein Papstwappen aus Holz mit goldener Lackierung vom Firmengelände Osiander, Mitte 20. Jahrhundert. Papst Pius X. hatte der Firma den Titel des päpstlichen Lieferanten erteilt und ihr die Erlaubnis gegeben, das päpstliche Wappen in das Osiandersche Firmenzeichen aufzunehmen. Schenkung: Manfred Hepperle, Ravensburg. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 135 am Platze bestehendes Konkurrenzgeschäft, die Spinnerei und Weberei vollständig aufgegeben hat. In dessen Folge mußten die Betriebsanlagen um die Hälfte vergrößert und die Arbeiterzahl vermehrt werden.« 40 Bei dem genannten Betrieb handelte es sich um die schon erwähnte Abwergspinnerei Spohn, die 1900 nach Neckarsulm verzogen war. Die Spinnerei Schornreute expandierte in der Folge mit einem Fabrikanbau, einem neuen Kesselhaus und einem neuen größerem Dampfkessel. Die Arbeiterzahl vergrößerte sich 1902 auf 80 Mitarbeiter und die Spindelzahl auf 500. 41 Bis zum Zweiten Weltkrieg stieg die Beschäftigtenzahl auf 140 an. Diesen Aufschwung verdankte die Firma der Autarkiepolitik der nationalsozialistischen Regierung, die sich von Baumwollimporten unabhängig machen wollte und den Flachsanbau förderte. 42 Von dieser Wirtschaftsförderung profitierte auch die Flachsröste in Ittenbeuren, die 1957 als letztes Unternehmen der Familie Spohn in Ravensburg schloss. 43 Anders als die Spinnerei in Weingarten überdauerte die FHAS Schornreute den Zweiten Weltkrieg und stellte schon nach kurzer Zeit wieder Arbeiter ein, unter ihnen auch Heimatvertriebene. 44 1949 beschäftigte die Spinnerei bereits wieder 150 Arbeiterinnen, musste jedoch fünf Jahre später als letzte Ravensburger Spinnerei stillgelegt werden. Der Siegeszug der Baumwolle war nun endgültig nicht mehr aufzuhalten. Die Anlernzeit der größtenteils weiblichen Arbeiterschaft beschränkte sich auf wenige Wochen bis maximal zwei Monate. Sie mussten Hilfsarbeiten, wie das Aufstecken und Abnehmen von Spulen, Andrehen von gerissenen Fäden und das Befreien von Räumen und Maschinen vom Faserflug erledigen. 45 Hohe Staubbelastung und hohe Luftfeuch- Firmenschild der Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Schornreute, um 1900. Sie war die kleinste und zugleich langlebigste unter den drei Ravensburger Spinnereien. 136 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung tigkeit prägten den Arbeitsalltag. In der Spinnerei herrschten, wie im Webkeller des Mittelalters, eine hohe Luftfeuchtigkeit von 80 bis 85 Prozent und eine Temperatur von 20 Grad, um das Garn geschmeidig und reißfest zu halten. 46 Die Bleicherei und Appreturanstalt Weißenau Das Bleichen und Appretieren von Stoffen war schon im Mittelalter der wichtigste Arbeitsprozess, um edle Stoffe zu gewinnen und zu veredeln. Mit dem Aufblühen der Ravensburger Textilwirtschaft bestand zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Bedarf nach einem lokalen Veredelungsbertrieb für die Stickereien und Webereien der Umgebung. Die oberschwäbischen Webereien konnten ihre Produkte zuvor nur in St. Gallen oder im sächsischen Plauen bleichen oder appretieren lassen, womit hohe Zoll- und Transportkosten verbunden waren. Das Appretieren der Gewebe bedeutete, dass diese nach dem Weben und Säubern durch mechanische Bearbeitung qualitätserhöhende und für Das Motiv zeigt eine romantisierende Darstellung der Spinnereifabrik Schornreute aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die eigentliche Spinntätigkeit wurde nicht von Frauen an einzelnen Spinnrädern sitzend vollzogen, sondern von Maschinen, die bis zu 500 Spindeln bewegten. Ravensburger Textilunternehmen während des 19. und 20. Jahrhunderts 137 den Käufer attraktivere Eigenschaften wie Glätte, Glanz, angenehmen Griff oder gleichmäßige Rauheit erhielten. 47 Wie bereits bei der Gründung der ersten Spinnerei oder der ersten Baumwollfabrik war der Ravensburger Stadtschultheiß Franz von Zwerger auch bei der Gründung der Bleicherei und Appreturanstalt Weißenau maßgeblich beteiligt. Zwerger, der Beziehungen zu St. Gallener Appreteuren wie zu den wichtigsten Stuttgarter Regierungsstellen unterhielt, war es 1839 gelungen, den Schweizer Unternehmer und Politiker Eduard Erpf aus St. Gallen für das Projekt in Ravensburg zu gewinnen. Dieser errichtete eine moderne »Bleich- und Appreturanstalt zur Veredlung von Leinwand, Spitzen und Weißzeugstickereien« in den bestehenden Gebäuden des ehemaligen Klosters Weißenau. Ravensburg wurde hierdurch zu einem Zentrum der Weißwarenherstellung in Württemberg. 48 Bei der Standortauswahl fiel die Entscheidung auf das Kloster Weißenau, das viele Vorzüge für den Unternehmer aufwies. Es war äußerst groß, die Schussen bot genügend Wasserkraft und die Baumwollweberei von Zwerger und Deffner war ein potenter Kunde. Die Gebrüder Erpf beantragten in ihrem 1839 gestellten Konzessionsantrag als Gewerbezweige des Unternehmens: »Bleicherei und Appretieren für Leinen- und Baumwollwaren, Weberei für Wollen-, Baumwollen- und Leinenwaren. Färberei besagter Stoffe, Lithographie auf Papier und Zeugstoffen, Druckerei leinener und baumwollener Gewebe und die mechanische Flachspinnerei.« 49 Nach Gründung des Unternehmens beschränkten sich die Brüder zunächst auf das Bleichen und Appretieren von Leinen- und Baumwollwaren. Erpf ließ ein modernes Wasserrad mit einer Leistung von 48 PS einbauen. Im Frühjahr 1840 nahm die Bleicherei, Färberei und Appreturantsalt Weißenau ihren Betrieb mit 80 zum größten Teil aus der Nordschweiz ausgewanderten Fachkräften auf. Die Bleicherei entwickelte sich in der Folgezeit zum Motor für die Weißwarenproduktion in Ravensburg und darüber hinaus in ganz Württemberg. 1858 ließen in Weißenau 155 Firmen Baumwollwaren veredeln, 1860 waren es sogar 259. 50 In Ravensburg und Oberschwaben begann durch den neuen Betrieb ein Aufschwung in der Herstellung von »Weißwaren«, d.h. in der Herstellung von gebleichten, ungefärbten, baumwollenen und leinenen Geweben wie Musselin, Gaze, Shirting, Drell, Gardinen- und Vorhangstoffen und von Weißstickereien. 51 Obwohl das Unternehmen wegen seiner hervorragenden technischen Leistungen auf dem Gebiet des Bleichens und Appretierens immer mit Aufträgen versehen war und entsprechende Einnahmen verbuchen konnte, trug die Firma Erpf ihre hohen Schulden an den württembergischen Staat nicht ab und blieb sogar die Zinsen schuldig. Die Gebrüder Erpf legten nämlich größeren Fokus auf ihren Stammbetrieb in St. Gallen als auf ihre Niederlassung in Ravensburg. Sie waren bestrebt, möglichst viel Geld aus dem Weißenauer Betrieb für sich herauszuholen, um dieses im kriselnden Stammbetrieb in der Schweiz zu investieren. Nach dem Tod Eduard Erpfs im Jahre 1851 kaufte der württembergische Staat den Betrieb mit allen Gebäuden, Grundstücken, Maschinen und Zubehör für 168.553 Gulden auf. 52 Die folgenden Jahre hatte der Weißenauer Betrieb 138 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung unter zunehmender Konkurrenz, auch in Ravensburg, zu kämpfen. Unter der Führung durch den württembergischen Staat blieben dringend notwendige Investitionen in den Betrieb aus, er stagnierte. Die Ravensburger Weißwarenfabrikanten Albert Schwarz, August Walther und Friedrich Kraus traten im Jahr 1887 mit dem Staat in Verhandlungen, um die Bleicherei und Appreturanstalt pachtweise zu übernehmen. Hinzu trat 1888 der größte Kunde der Anstalt, die Firma Steiger & Deschler, Feinweberei in Söflingen bei Ulm, die von nun an die Entwicklung der Anstalt maßgeblich bestimmte. Die Fabrikanten Ulrich Steiger, Albrecht Deschler, Albert Schwarz, August Walther und Friedrich Krauß gründeten am 1. Januar 1888 die Firma »Steiger, Deschler und Co Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt Weißenau«. Großen Erfolg erzielte die Weißenauer Anstalt forthin mit der Veredelung von bestickten Stoffen. Selbst Schweizer Stickereibetriebe in St. Gallen und Appenzell gaben häufig ihre bestickte Ware zur Veredelung nach Weißenau. 53 Um den gestiegenen Leistungsbedarf der vielen Maschinen und Apparate decken zu können, waren schon vor 1900 zwei Dampfmaschinen und zusätzliche Dampfkessel in Betrieb genommen worden. 1921 wurden erstmals Kunststoffe aus Ulm appretiert. 1943/ 44 war ein Teil des Weißenauer Betriebs für die Rüstungsindustrie beschlagnahmt wurden, und ab 1945 diente ein großer Teil der Betriebsräume als Lazarett. Die Firma Steiger & Deschler GmbH hatte inzwischen in Ulm Webereigebäude mit modernster maschineller Einrichtung erstellt und widmete sich mehr und mehr dem Weben synthetischer Stoffe. Der Weißenauer Veredelungsbetrieb übernahm nach dem Zweiten Weltkrieg das Veredeln, Färben und Bedrucken dieser High-Tech-Stoffe. Die Güte ihrer Erzeugnisse führte dazu, dass der Betrieb 1968 die Stoffe für die Schwimmanzüge der deutschen Olympiamannschaft fertigte und die Einbände der Nobelpreisbücher appretierte. 1982 waren in der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt etwa 500 Personen auf einer ca. 30.000 m² großen überdachten Werkfläche tätig. 54 Nachdem die Firma zwischenzeitlich in »Ulmia« umbenannt wurde und an italienische Eigner übergegangen war, folgte 2006 das endgültige Ende der Bleicherei Weißenau. Der Ravensburger Textilstandort konnte im Preiskampf der Herstellungsorte mit Asien nicht mehr mithalten. Die Färberei und Weberei Kutter Neben großen Textilunternehmen, wie Manz und Stimmler oder der Spinnerei und Weberei ERBA in Wangen, gelang es auch kleineren Familienbetrieben, die noch von Hand produzierten, sich im 19. und 20. Jahrhundert wirtschaftlich zu behaupten. Einer von ihnen war die Färberei und Weberei Kutter, die auch gleichzeitig eines der traditionsreichsten Unternehmen Ravensburgs war. Denn der Betrieb war im Besitz der alteingesessenen evangelischen Bürgerfamilie Kutter. Der älteste bekannte Vorfahr Hans Kutter wanderte mit seinem Sohn Jakob aus Albris bei Kempten nach Ravensburg ein und erhielt 1525 das Bürgerrecht. Vorher waren Kutters im Allgäu schon als Papierhersteller und Färber tätig gewesen. 55 Die Färberei und Weberei Kutter 139 Hans Kutters Sohn, Jakob Kutter I., war ebenfalls in der Textilverarbeitung als Manger in Ravensburg tätig. Zum Papierhandwerk hatte er als Neubürger wohl keinen Zugang. 56 Sein Sohn Jakob Kutter II. war als Färber und Schuster tätig. Es zeigt sich, dass die ersten drei Generationen der Kutters in Ravensburg allesamt als Färber arbeiteten. In den folgenden Jahrhunderten zweigte sich die Familie immer weiter auf. Viele der Kutterschen Familienangehörigen kamen durch Handel, den Betrieb von Papiermühlen oder Strumpffabriken zu Reichtum. Sie waren nahezu allesamt in der Zunft der Schneider oder der Ballengesellschaft organisiert. 57 Der Familienzweig, der bis ins 20. Jahrhundert nachzuvollziehen ist, umfasst von der ersten Generation des Hans Kutters bis zu Johannes Kutter, der die Weberei und Färberei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte, zwölf Generationen. Neun dieser Generationen waren Färber. Der Familie ist daher eine umfassende Tradition im Textilbereich nachzuweisen. Seit Christian Paul Kutter (1753-1819) waren die Färber der Familie in den Steuerlisten der Stadt jeweils als »Schönfärber Kutter« bezeichnet. Der Sitz der Familie und der Färberei befand sich in der Bachstraße-27 und dem Hinterhaus, in der Weinbergstraße-3. 1836 begegnet uns in den Akten des Ravensburger Archivs ein Rechtsstreit über die Unbrauchbarkeit grüngefärbter Schafwolle, die Schönfärber Kutter für den Tuchmacher Wucherer eingefärbt hatte. Um die Frage zu klären, ob der Schonfärber Kutter Das Stammhaus der Schönfärber Kutter befand sich in der Bachstraße 27 (Haus links); Fotografie um 1926. 140 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung oder der Tuchmacher Wucherer für die Unbrauchbarkeit der Wolle verantwortlich waren, wurde vom Rat der Stadt ein Experte zur Prüfung bestellt, den die beiden Parteien anteilig bezahlen mussten. 58 In den nächsten Jahrzehnten profitierte die Färberei Kutter von der in Ravensburg aufstrebenden Textilindustrie. Spinnereien und Webereien, die im Zuge der Mechanisierung ihre Betriebe immer größere Warenmengen produzierten, waren sicherlich wichtige Kunden. Der Familienbetrieb expandierte im Laufe der Jahrzehnte zunehmend. Unter den 14 Kindern des Schönfärbers Johann Peter Kutter waren drei in der Färberei tätig. Zuerst übernahm Eduard Kutter (1849-1912) den Betrieb. Nach seiner Hochzeit mit der Tochter eines Schönfärbers aus Göppingen verließ er Ravensburg. Der Besitz wurde zwischen den anderen beiden Brüdern, Peter und Johannes, aufgeteilt. Peter Kutter übernahm spätestens seit 1872 in der Bachstraße 27 die Färberei, die er in eine Dampffärberei umwandelte. Johannes Kutter betrieb seit 1871 im Hinterhaus, Weinbergstraße 3, eine Seilerwarenfabrik. Alle drei blieben Teilhaber der Färberei. 1895 übernahm Johannes Kutter von seinen Brüdern Eduard und Peter die Färberei. Er gab die Seilerwarenfabrik auf und konzentrierte sich erneut auf die Färberei. Seit 1927/ 28 wurde der Betrieb um eine Weberei erweitert. Das Unternehmen beschäftigte 50-60 Mitarbeiter. Bereits in den 1880er Jahren wurde eine Dampfmaschine genutzt, die 1929 durch ein neueres Modell ersetzt wurde. Im Vordergebäude, Bachstraße 27, befand sich die Tuchweberei, im Keller der Weinbergstraße 3 wurden die Teppiche hergestellt und hinter dem Haus befand sich die Färberei. Zu den gefertigten Produkten gehörten kunstgewerbliche Teppiche, Möbelbezugsstoffe, Dekorationsstoffe, Tischdecken, Kissen sowie die Lohnverarbeitung von Altmaterialien. Der Betrieb florierte besonders in den 1930er und 40er Jahren unter dem Namen »Handweberei Kutter Ravensburg (württ.) - Kunsthandwerkliche Weberei und Färberei für Teppiche, Decken und Dekorationsstoffe, Tischdecken, Kissen sowie die Lohnverarbeitung von Altmaterialie aus Wolle und Baumwolle«. Johannes Kutter war Mitglied des deutschen Heimatwerkes, einem nationalsozialistisch geprägtem Instrument zur Verbreitung von Erzeugnissen, die der traditionellen Volkskunst und dem bäuerlichen Hausrat zugerechnet wurden. Die Vereinigung deutscher Handwerker wurde als GmbH geführt und diente besonders zum Vertrieb von Einrichtungsgegenständen für Büros, Hotels, Gasträume und Privathaushalte. 59 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb von Johannes Kutters Witwe Pauline und dem Geschäftsführer Friedrich Frick weitergeführt. Bereits 1946 beschäftigte der Betrieb wieder 13 Arbeiterinnen und sieben Lehrlinge. 1948 begab sich Pauline Kutter aktiv auf Suche nach jungen Arbeitskräften, um den Betrieb wieder in Gang zu setzen. Hierfür fragte sie in Webereien und Webereischulen bis nach Wuppertal und Berlin nach. In einer kurzen Korrespondenz mit einer Absolventin der Wuppertaler Textilingenieursschule, wirbt sie 1948 für Ihre Weberei und das vom Krieg verschonte Ravensburg: Die Färberei und Weberei Kutter 141 »Durch Ihre Schule, Textilingenieursschule Barmen, erfahre ich, dass Sie im Frühjahr Ihre Gesellenprüfung ablegen und Interesse haben, eventuell in meiner Werkstätte als Gesellin zu arbeiten. Zu Ihrer Orientierung möchte ich bemerken, dass die Stadt Ravensburg von Kriegswirkungen verschont blieb und etwa 30 km vom Bodensee entfernt ist. Ich beschäftige in meinem Betrieb etwa 33 Leute und Sie kämen vor allen Dingen für Arbeit auf Flachwebstühlen unter Umständen auch auf Hochwebstühlen in Frage. Ich stelle in meiner Werkstätte keine Massenware sondern in der Hauptsache Einzelstücke nach eigenen Entwürfen her. Sollten Sie Interesse für diese Arbeit haben und bereit sein eine Stelle in meiner Werkstätte als Gesellin anzunehmen, so bitte ich Sie, mir möglichst umgehend Nachricht zukommen zu lassen.« Die junge Dame nahm das Arbeitsangebot letztendlich nicht an, da ihr die neue Arbeitsstelle zu weit von ihrer Heimat entfernt lag. Firmenkatalog der Handweberei Kutter aus den 1930er Jahren. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. 142 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung 1952 war die Färberei und Weberei bereits wieder auf 30 Mitarbeiter angewachsen. Nach Angaben für die Baden-Württembergische Handwerkszählung von 1956 beschäftigte die Handweberei Kutter unter der Leitung von Pauline Kutter 28 Mitarbeiter, davon 27 weibliche. Neun der 28 Angestellten waren Heimatvertriebene. Es zeigt sehr beispielhaft, dass viele Heimatvertriebene in der Ravensburger Textilwirtschaft Arbeit fanden. 60 Nach Ausweis der Handwerkszählung handelte es sich bei den ausgeübten Handwerken um die Weberei und die Färberei. 30 Prozent der hergestellten Materialien wurden in der damals französisch besetzten Zone abgesetzt, 70 Prozent gingen in andere Besatzungszonen bzw. ins Ausland. Zu Beginn der 1950er Jahre war die Weberei Kutter einer der ersten Testbetriebe der von Bayer neu vertriebenen Kunstfaser Cuprama. Die erste Lieferung der neuen Kunstfaser wurde am 27.9.1951 von Düsseldorf nach Ravensburg geschickt. In der Nachkriegszeit wurden zumeist Flickenteppiche hergestellt. Kunden sandten altes Stoffmaterial ein, das zu Teppichen verwebt wurde. Farb- und Musterwünsche konnten die Auftraggeber selbst vorgeben. So heißt es in einem Auftrag von Gertrud Haug aus Stuttgart: »Wie Ihnen bereits mitgeteilt, hätte ich am liebsten, wenn der Teppich meliert würde d.h. es sollten keine breiteren Streifen in einer Farbe hervortreten, da das Zimmer, in welches er zu liegen kommt, ohnehin schon sehr farbenfroh ausgestattet ist […] Da der Teppich unser Familienfest am 2. Juni d.J. krönen soll, so müsste er spätestens am 1. Juni in meinem Besitz sein.« Haupthaus der Weberei Kutter in der Weinbergstraße-3. Hinter dem Haus befand sich die Färberei, im Erdgeschoss des Hauses wurden Teppiche gewebt, im Vorderhaus Bachstraße 27 befand sich die Tuchweberei. Die Färberei und Weberei Kutter 143 Firmenschild der Handweberei Kutter. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg. Hochwebstuhl zur Herstellung von Wandteppichen. Die Vorlage mit dem Muster wurde im Webstuhl hinten eingespannt und vom Weber auf den zu webenden Teppich übertragen. Schenkung: Heidi Gairing, Ravensburg 144 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung Über den Erfolg der Weberei wurde auch in der Schwäbischen Zeitung von 1953 berichtet. »Unaufhörlich klappern in gleichmäßigem Rhythmus die schmalen, hölzernen Schifflein durch die straff gespannten Fäden an den dreißig Webstühlen. Wir sind in der Handweberei Kutter, der größten und ältesten Handweberei in Ravensburg, die in einer schmalen Gasse im Stadtzentrum ihre großen Werkstatträume hat. Dem Passanten fällt dieser etwas verborgen liegende Betrieb in der Weinbergstraße kaum auf, dessen Arbeiten in Westdeutschland und im Ausland geschätzt und begehrt sind […] Etwa 15.000 Meter handgewobene Stoffe verlassen jedes Jahr diesen Betrieb, in dem viele Heimatvertriebene Beschäftigung gefunden haben.« 61 Seit den 1960er Jahren ging es der Weberei Kutter wie allen Textilfabriken und -unternehmern der Region. Ausländische Konkurrenz machte die Produktion von Textilien aller Art in Deutschland immer unrentabler. Ende der 1960er Jahre ließ Inhaberin Pauline Kutter das Geschäft auslaufen. Es verschwand wie so viele andere Unternehmen von der textilen Landkarte. Ein großer Dank sei an dieser Stelle an Frau Heidi Gairing (geb. Kutter) gerichtet, die sowohl das Buchals auch das Ausstellungsprojekt mit Objekten und Unterlagen zur Weberei Kutter unterstützt hat. Anmerkungen 145 Anmerkungen 1 Vgl. Eitel, Peter: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert: Politik, Wirtschaft, Bevölkerung, Kirche, Kultur, Alltag, Ostfildern 2004, S.-70. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. StadtA RV Bü 1061/ b. 4 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-61. 5 Vgl. Lutz: Ravensburg in den Jahren 1810-1847, S.- 620. 6 Vgl. ebd., S.-511. 7 Vgl. ebd., S.-516. 8 Vgl. Kuhn: Industrialisierung in Oberschwaben und am Bodensee Bd.-1, S.-107. 9 Vgl. Mayer: Textilwirtschaft in der Bodenseeregion, S.-48. 10 Vgl. Loibl: Textillandschaft Schwaben, S.-228. 11 Vgl. Knoepfli, Adrian: Eine Schaffhauser Gründung im Allgäu. Die Baumwollspinnerei Wangen (1859-1992), in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 78 (2004), S.-239-298. 12 Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-64. 13 StadtA RV Bü B2/ 161. 14 Vgl. Eitel: Handel und Verkehr im Bodenseeraum, S.-69. 15 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-65. 16 Vgl. Lutz, Alfred: Die Ära Franz von Zwerger (Ravensburger Stadtgeschichte 19), Ravensburg 1990, S.-13 ff. 17 Vgl. ebd., S.-13. 18 Vgl. Mayer: Textilwirtschaft in der Bodenseeregion, S.-47. 19 Vgl. Gestrich, Andreas: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg im 19. Jahrhundert (1810-1895), Tübingen 1952, S.-64. 20 Vgl. Lutz: Ravensburg in den Jahren 1810-1847, S.-643. 21 Vgl. Gestrich: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-69. 22 Vgl. Eitel, Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-147. 23 Vgl. 100 Jahre Manz & Stimmler GmbH Ravensburg, Ravensburg 1973, StadtA RV R417, S.-4-6. 24 Vgl. ebd., S.-6 25 Ebd., S.-8. 26 Ebd., S.-11. 27 Schwarz, Albert: Denkschrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens der Gardinen- und Stickerei-Firma Albert Schwarz, Ravensburg-Plauen, Plauen 1922, StadtA RV X 585/ 5, S.-4. 28 Vgl. StadtA RV X 585/ 5. 29 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-147. 30 Vgl. Schwarz: Denkschrift, S.-9. 31 Vgl. Lochmaier, Friedrich: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg 1890-1914, Diplomarbeit vorgelegt an der Universität Mannheim 1986, S.-51. 32 Vgl. Lutz: Ravensburg in den Jahren 1810-1847, S.-660. 33 Vgl. ebd., S.-661. 34 Vgl. Borscheid, Peter: Textilarbeiterschaft in der Industrialisierung. Soziale Lage und Mobilität in Württemberg (19. Jahrhundert), Stuttgart 1978, S.-116. 35 Vgl. Breucker, Dorothee: Fabrikarbeiterinnen in der Flachs-, Hanf- und Abwergspinnerei Spohn, in: Breucker, Dorothee (Hg.): Frauenorte in Ravensburg. Ein Spaziergang durch die Geschichte, Ravensburg 1996, S.-46-52, S.-47. 36 Vgl. Gestrich: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-78. 37 Lochmaier: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-47. 38 Vgl. Gestrich: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-76. 39 Vgl. Borscheid: Textilarbeiterschaft, S.-116. 146 7. Die Textilwirtschaft als Leitsektor der Ravensburger Industrialisierung 40 Zitiert nach: Lochmaier: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-52. 41 Vgl. ebd., S.-47. 42 Vgl. Lauschke, Karl: Die süddeutsche Textilindustrie im 20. Jahrhundert. in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010,S.-85-94, S.-86-89. 43 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-261. 44 Am Institut für Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München entsteht derzeit eine Dissertation zum Thema Heimatvertriebene in Ravensburg, die näher auf die Beschäftigungsverhältnisse der Vertriebenen eingeht und in dieser Reihe erscheinen wird. 45 Vgl. Bohnsack: Spinnen und Weben, S.-220. 46 Vgl. Breucker: Fabrikarbeiterinnen, S.-49. 47 Vgl. Preger: Geschichte der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt in Weißenau, S.-318. 48 Vgl. Lutz: Die Ära Franz von Zwerger, S.-13 ff. 49 Vgl. Preger: Geschichte der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt in Weißenau, S.-320. 50 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, S.-67-68. 51 Vgl. Gestrich: Die Industrialisierung der Stadt Ravensburg, S.-63. 52 Vgl. Preger: Geschichte der Bleicherei, Färberei und Appreturanstalt in Weißenau, S.-324. 53 Vgl. ebd., S.-330. 54 Vgl. ebd., S.-330-333. 55 Vgl. StadtA RV GE17, Ahnenliste Kutter-Möhrlin, aufgestellt von Dr. Frida Rübens, S.-13. 56 Vgl. ebd., S.-7. 57 Vgl. Dreher, Alfons: Das Patriziat der Stadt Ravensburg. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1966, S.-538-542. 58 Vgl. StadtA RV Bü 2374/ a. 59 Vgl. Ständecke, Monika Luise: Textilkultur in den Europäischen Heimatwerken, in: Murr, Karl Borromäus/ Wüst, Wolfgang u.a. (Hg.): Die süddeutsche Textillandschaft. Geschichte und Erinnerung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, Augsburg 2010, S.-459-474, S.-460-465. 60 Vgl. Fußnote 44. 61 Schwäbische Zeitung, 3. Januar 1953. 8. Das Ende der Ravensburger Textilwirtschaft im 20. Jahrhundert Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Textilwirtschaft in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftszweig. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges war die Textilindustrie im Deutschen Reich mit 860.920 Arbeitnehmern, allein in den Betrieben mit zehn oder mehr Beschäftigten, ein wichtiger Arbeitgeber. Die Textilindustrie war sowohl Deutschlands größter Importeur als auch Exporteur. Auf sie entfielen selbst im Krisenjahr 1930 18,9 Prozent aller Einfuhren und 14,8 Prozent aller Ausfuhren. 1 1936 drehten sich in Schwaben fast eine Million Spindeln und 22.000 Webstühle. Das entsprach einem Zehntel der gesamten deutschen Textilindustrie. 2 Nach dem Zweiten Weltkrieg lief die Produktion von Textilien nur langsam wieder an. Es mangelte an Rohstoffen, aber auch an leistungsfähigen Fachkräften. Betriebe wie Manz und Stimmler hatten unter ihren Beschäftigten viele Tote zu beklagen. 3 Mit der Währungsreform und dem Marshallplan besserte sich die Lage nachhaltig, die dringend benötigte Baumwolle kam wieder ins Land. Mit der Hilfe von vielen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen konnte zudem der Arbeitskräftemangel behoben werden. 4 Sie bildeten in den 1950er und 60er Jahren das Rückgrat der kurzzeitigen Widerbelebung der Textilwirtschaft. Die Leinenspinnerei Schornreute erhielt schon wenige Monate nach Kriegsende Aufträge der französischen Besatzer und stellte im April 1946 fünfzig neue Arbeitskräfte ein. Gesucht wurden vor allem heimatvertriebene Facharbeiter aus Schlesien. Auch die Baumwollweberei Manz & Stimmler zählte Ende 1946 schon wieder mehr als 100 Beschäftigte. Hinzu kamen von Heimatvertriebenen neu gegründete Firmen. Zwischen 1946 und 1952 eröffneten einige dieser Unternehmer, die schon vor dem Krieg geschäftliche Beziehungen zu Ravensburger Firmen besessen hatten, neue Textilfabriken. Dabei handelte es sich vor allem um Firmen aus dem Vogtland und dem Sudetenland. 1946 nahm die Spitzen- und Stickereifabrik Franz Bartl in der unteren Papiermühle Schornreute den Betrieb auf. Sie war auf Blusen und Wäsche spezialisiert. Hier fanden sehr viele Heimatvertriebene eine Anstellung. Bartl baute für die Beschäftigten neben dem Fabrikgelände eine Arbeitersiedlung. Der Name der Straße, Karlsbader Weg, zeugt noch heute von der Herkunft der Arbeiter. 1948 folgte die Kurt Helbig KG, die ebenfalls Spitzen und Blusen herstellte, sowie 1952 die Württembergische Stickereifabrik Ernst Verleger. 5 Der kurze Aufschwung der Textilwirtschaft nahm ein jähes Ende. In den 1960er Jahren begann der fast vollständige Untergang der Textilindustrie in Ravensburg. Wichtige Unternehmen der Region waren im Zuge der wachsenden Globalisierung von der asiatischen Konkurrenz abgehängt worden. Die preisgünstige Produktion durch Billiglöhne machte es den Ravensburger Unternehmen unmöglich, konkurrenzfähige Produkte zu liefern. 1969 schloss die Firma Osiander, 1978 erfolgte der Konkurs der Baumwoll- 148 8. Das Ende der Ravensburger Textilwirtschaft im 20. Jahrhundert feinweberei Manz & Stimmler. Als einzige Textilfabrik blieb die von einem italienischen Konzern übernommene Bleicherei und Appreturanstalt Weißenau unter dem neuen Namen Ulmia Stoffe GmbH. Ihr Arbeitsschwerpunkt blieb die Veredlung von Textilien. Noch Ende des Jahres 2000 beschäftigte der Betrieb 440 Arbeiter. 6 2006 musste die Bleicherei als letzter großer Ravensburger Textilverarbeitungsbetrieb schließen. Mit der Schließung der Bleicherei Weißenau verloren nicht nur die 200 Beschäftigten ihre Arbeit, sondern auch die Stadt Ravensburg endgültig ihr letztes Stück Identität als ehemals großer Textilstandort. Innerhalb von nur wenigen Jahren war die Textilproduktion in Ravensburg, die nahezu 1000 Jahre lang die Stadtgeschichte beeinflusst hatte, ausgestorben. Vom einstigen Markenzeichen der Textilien »Made in Ravensburg« ist nichts mehr übrig geblieben. Das Bewusstsein für die komplexen Herstellungsverfahren ist aus den Köpfen gewichen. Heutzutage zeigen Etiketten wie »Made in China« oder »Made in Bangladesch« die Herkunft der Mode. Über die genauen Produktionsbedingungen geben die Hersteller nur selten Aufschluss. Das Eine Wohnungskommission entschied in Ravensburg über die Zuzugsgenehmigung für Kriegsflüchtlinge und Heimatvertriebene. Die Erlaubnis wurde oftmals nur gegen strenge Auflagen erteilt. Auszug aus der 9. Sitzung der Wohnungskommission der Stadt Ravensburg am 17. Juli 1946. Viele der nach Ravensburg flüchtenden Heimatvertriebenen waren in ihrer alten Heimat in der Textilwirtschaft tätig. Ihnen war es zu verdanken, dass die Ravensburger Textilwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg einen kurzzeitigen Aufschwung erlebte. Auszug aus der 10. Sitzung der Wohnungskommission der Stadt Ravensburg am 6. August 1946. Anmerkungen 149 oftmals lediglich 1 Prozent des Kaufpreises der Näherin im Produktionsland zugute kommt und in Asien riesige Monokulturen mit Baumwollplantagen entstehen, ist uns bei der »Jagd nach Schnäppchen« daher oftmals nicht bewusst. Zudem wird unsere Kleidung vielfach unter Missachtung aller Arbeitsrechte in Fabriken hergestellt, die aus Kostengründen kaum Sicherheitsauflagen erfüllen und ihre Arbeiterinnen und Arbeiter damit großer Gefahr aussetzen. Die Billigprodukte der Importmärkte führen zu einem enormen Textilverbrauch. Derzeit ist Deutschland mit einem pro Kopf Verbrauch von 26 Kilogramm Textilien im Jahr »Weltmeister«. Die gleiche Menge wird Jahr für Jahr »entsorgt«. Nahezu weltweit haben unsere westlichen Altkleider innerhalb weniger Jahre die originale Kleidung der verschiedenen Ethnien z.B. in Afrika, Asien vollkommen verdrängt und das ehemals oft sehr bedeutsame Textilhandwerk in den Ruin getrieben. Manche dieser Länder haben sogar die Einfuhr von Altkleidern aus Europa verboten. 7 Anmerkungen 1 Vgl. Lauschke: Die süddeutsche Textillandschaft, Bd.-85-88. 2 Vgl. Loibl: Textillandschaft Schwaben, Bd.-230. 3 Vgl Festschrift 100 Jahre Manz und Stimmler, S.-6-7. 4 Vgl. Lauschke: Die süddeutsche Textillandschaft, S.-90. 5 StadtA RV Bü A/ 1 3564. 6 Vgl. Eitel: Ravensburg im 19. und 20. Jahrhundert, Bd.-365. 7 Vgl. Kampagne für Saubere Kleidung, www.saubere-kleidung.de. Artikel der Schwäbischen Zeitung zur Schließung der Bleicherei in Weißenau vom 20. Juni 2006. 150 8. Das Ende der Ravensburger Textilwirtschaft im 20. Jahrhundert Leinenkleider, 19. Jahrhundert, aus dem Laden »Trödel und Antik« der Museumsgesellschaft Ravensburg. Literaturverzeichnis Adler, Reinhold: Menschen und Tuche. Weberei und Textilhandel in der Stadt Biberach in der Frühen Neuzeit (Biberacher Geschichte(n) 1), Biberach 2010. 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TZ 22, Foto: Udo Dilger; S.62 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 384, Foto: Udo Dilger; S.65 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 386, Foto: Udo Dilger; S.66 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr.87/ 320, Foto: Udo Dilger; S.70 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph Res. A: 20; S.71 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 88/ 973, Foto: Udo Dilger; S.73 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 88/ 1070, Foto: Udo Dilger; S.75 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 516, Foto: Udo Dilger; S.77 StadtA RV Fotosammlung; S.78 Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung zu Nürnberg, Blatt 37V; S.81 Leihgeber: Städtische Museen Wangen im Allgäu, Foto: Udo Dilger; S.82 Foto: Udo Dilger; S.84-85 StadtA RV An 41, Grafik: Susanne Fuellhaas; S.95 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph. Res. B: 146; S.97 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Graph. Res. D: 312.1; S.101 Ständebuch von Chr. Weigel ,1766, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; S.102 © Braith-Mali Museum Biberach, Inv.-Nr. 1992/ 13267; S.109 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 384, Foto: Udo Dilger; S.112 © Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen, Inv.-Nr. G_23050; S.114 Museum Humpis-Quartier Inv.- Nr. 88/ 1503, Foto: Udo Dilger; S.116 © Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg; S.120 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 591, Foto: Udo Dilger; S.122 StadtA RV Bü B2/ 161; S.123 StadtA RV Fotosammlung, S.124 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 87/ 46, Foto: Udo Dilger; S.125 StadtA RV An 22; S.126l StadtA RV Museum Humpis- Quartier Inv.-Nr. 89/ 1106a.b; S.126r Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 2011/ 0019.2, Foto: Udo Dilger; S.128 Leihgeber: Wolfram Frommlet; S.129 StadtA RV X 177/ II; S.130 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 2011/ 0132.9, Foto: Udo Dilger; S.131 StadtA RV Bü X 585; S.132 StadtA RV Fotosammlung; S.133 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 2011/ 0185.2, Foto: Udo Dilger; S.134 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 2004/ 0026, 158 Bildnachweis Foto: Udo Dilger; S.135 Museum Humpis-Quartier Inv.-Nr. 2001/ 0070, Foto: Udo Dilger; S.136 StadtA RV Sammlung Zitrell; S.139 StadtA RV Fotosammlung; S.141 Schenkung: Frau Heidi Gairing; S.142 Leihgeber: Frau Heidi Gairing; S.143 Schenkung: Frau Heidi Gairing, Foto: Udo Dilger; S.143 Leihgeber: Frau Heidi Gairing, Foto: Udo Dilger; S.148 StadtA RV Bü A1/ 3564; S.149 StadtA RV Sammlung Schwäbische Zeitung; S.150 Leihgeber Museumsgesellschaft Ravensburg, Foto: Udo Dilger. Ausstellung Projektleitung Dr. Andreas Schmauder Wiss. Kurator Marc Spohr M.A. Ausstellungsarchitektur, -gestaltung und Grafik-Design Space4, Stuttgart: Oliver Mack, Matthias Mödinger, Angelika Vogel Marketing Vesna Babic M.A. Restaurierung/ Objektbetreuung Britta de Jans M.A. Ausstellungssekretariat Gisela Fricke Fotografie Udo Dilger, Ravensburg Abbildungen Deutsches Museum München, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Sammlung des Hauses Waldburg-Wolfegg Leihgeber Bauernhaus-Museum Wolfegg, Braith-Mali-Museum Biberach, Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen, Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg, Städtische Museen Wangen im Allgäu, Heidi Gairing Ravensburg Museumsgesellschaft Ravensburg e.V. Ostdeutsche Heimatsammlung Ravensburg Führungen Maria Eberle, Andreas Schmauder, Marc Spohr, Christoph Stehle