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Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern

2013
978-3-8233-7802-0
Gunter Narr Verlag 
Silvana Rizzi

Die Arbeit untersucht den Einfluss des Bilinguismus auf den Spracherwerb bei bilingual deutsch-italienischen Kindern am Beispiel des Adjektivs. Dieser Bereich ist für die linguistische Forschung deshalb von besonderem Interesse, da er zum einen bisher wenig untersucht ist und zum anderen, da er in den beiden Sprachen sehr unterschiedlichen Regeln unterliegt. Dazu wurde die frühkindliche Sprachentwicklung von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern sowie von jeweils einem deutschen und italienischen monolingualen Kind analysiert. Die vorliegende Arbeit unterstreicht die Komplexität der Interaktion der deutschen und italienischen Sprache beim Adjektiverwerb von bilingualen Kindern. Diese Komplexität wird insbesondere daran deutlich, dass Abweichungen von der Zielsprache bei bilingualen Kindern nur in bestimmten grammatischen Bereichen anzutreffen sind.

Silvana Rizzi Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutschitalienischen Kindern Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 544 Silvana Rizzi Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutschitalienischen Kindern Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISSN 0564-7959 ISBN 978-3-8233-6802-1 Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Phänomene der Zweisprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Ist das Kind bereits mit seinen ersten Äußerungen bilingual? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2.1 Das fusionierte Sprachsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2.2 Zwei getrennte Sprachsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2.3 Die Spracheneinflusshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.3 Anfällige und robuste Sprachdomänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.4 Die schwache und die starke Sprache beim bilingualen Kind im Vergleich zum L2- und Erstspracherwerb . . . . . . . . . . . . . 27 1.5 Die Rolle des Inputs bei dem Erst- und Zweitspracherwerb 29 1.6 Arbeitshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2 Das Adjektiv und das Genussystem in den Zielsprachen Italienisch und Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.1 Die verwendete Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.2 Das Adjektiv in der Zielsprache Italienisch . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.2.1 Die qualifizierenden Adjektive im Italienischen . . . 40 2.2.2 Die bestimmenden Adjektive im Italienischen . . . . . 48 2.2.3 Die Demonstrativa im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.2.4 Die Indefinita im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.2.5 Die Interrogativa im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.2.6 Die Zahlenadjektive im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . 55 2.3 Das Adjektiv in der Zielsprache Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.3.1 Die qualifizierenden Adjektive im Deutschen . . . . . 57 2.3.2 Die bestimmenden Adjektive im Deutschen . . . . . . . 61 2.3.3 Der Einfluss der Präposition auf die Kasuswahl . . . 65 2.4 Adjektiv , Kurzgefasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.5 Das Genussystem und die Genuszuweisungsregeln im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.6 Das Genussystem und die Genuszuweisungsregeln im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.7 Genussystem , Kurzgefasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5 3 Der Erwerb des Adjektivs im Italienischen und Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.1 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen . . . . 78 3.2 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen . . 78 3.3 Kurzgefasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4 Der Erwerb des attributiven Adjektivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4.1 Erwerbsphasen von Position und Flexion des attributiven Adjektivs im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4.2 Erwerb des Numerus in Bezug auf Genus und Kasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.4.3 Der Erwerb der Kasus und deren Kongruenzregeln beim Adjektiv im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4 Material und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.1 Untersuchungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.2 Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.3 Transkriptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.4 Die untersuchten Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.4.1 Die untersuchten bilingualen Kinder . . . . . . . . . . . . . . 109 4.4.2 Die untersuchten monolingualen Kinder . . . . . . . . . . 118 4.4.3 Kurzgefasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.4.4 Die Elterninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1 Hypothese 1: Trotz des frühkindlichen Bestehens von zwei getrennten linguistischen Systemen unterscheidet sich das bilinguale Kind beim Spracherwerb vom monolingualen Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1.2 Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen und Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1.3 Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Italienischen und im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . 134 5.1.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 5.2 Hypothese 2: Der Spracheneinfluss manifestiert sich in der Wahl der Adjektivstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.2.2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.2.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.2.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6 5.3 Hypothese 3: Monolingual deutsche und italienische sowie bilingual deutsch-italienische Kinder zeigen dieselben robusten und fehleranfälligen Bereiche beim Adjektiverwerb unabhängig vom Bilinguismustyp . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5.3.2 Das prädikative Adjektiv im Deutschen und Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5.3.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.3.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.3.5 Position des Possessivums und Gebrauch des bestimmten Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.3.6 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 5.3.7 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5.4 Hypothese 4: Das bilinguale Kind folgt beim Adjektiverwerb nicht demselben Spracherwerbverlauf eines L2-Lerners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5.4.2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5.4.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5.4.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5.5 Hypothese 5: Der nichtzielsprachliche Adjektivgebrauch der Kinder läßt sich auf den Input, dem sie ausgesetzt sind, zurückführen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.5.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 5.5.3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 7 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 8 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 9 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7 Einleitung Die Bedeutung des Begriffs Bilinguismus, der Fähigkeit, sich für Zwecke der Kommunikation zwei verschiedener Sprachen bedienen zu können, ist auf den ersten Blick klar. In Wirklichkeit kann seine Bedeutung allerdings verschwimmen, abhängig davon, ob der Begriff des Bilinguismus unter einer soziolinguistischen, psycholinguistischen oder pädagogischen Herangehensweise betrachtet wird. Der Bilinguismus ist ein beständiges Phänomen vor allem in Grenzregionen, dort wo die Staatsgrenzen nicht mit den Grenzen des Gebrauchs der nationalen Sprachen übereinstimmen. Es ließe sich eine Skalierung erstellen, nach der man ausgehend von horizontalen bi- oder plurilingualen Gemeinschaften, in denen alle gebrauchten Sprachen den gleichen sozialen Status haben, über bi- oder plurilinguale, aber regional monolinguale Gemeinschaften, wie etwa die Schweiz, fortschreitet zu Situationen eines vertikalen Bilinguismus (Diglossie), bei dem nur eine Sprache offiziell anerkannt ist, wie es etwa der Fall bei mundsartsprechenden Gemeinschaften ist, und schließlich bei Situationen eines isolierten Bilinguismus angelangt, bei dem einer monolingualen Gemeinschaft ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen gegenüber steht, die aus familiären Gründen oder infolge einer Immigration in ihrem Sprachrepertoire über mehr als einen Code verfügen. Bei genauerer Betrachtung der Erwerbsart ist ein primärer oder natürlicher Bilinguismus, bei dem die Sprachcodes in einem frühen Alter (1. - 3. Lebensjahr) als Muttersprachen und somit ohne die Notwendigkeit eines formalen Unterrichts erworben werden, von einem sekundären Bilinguismus zu unterscheiden, der substantiell mit dem Erwerb von Zweitsprachen übereinstimmt und bei dem der Erwerb einer oder mehrerer weiterer Sprachen nicht mit dem der eigentlichen Muttersprache zusammenfällt. Diese beiden unterschiedlichen Erwerbtypen bringen offenkundig beträchtliche Unterschiede in den Ergebnissen mit sich, insbesondere in Bereichen wie die Phonologie, bei denen das Erwerbsalter eine fundamentale Rolle spielt. Der Erwerb einer zweiten Sprache zu einem späteren Zeitpunkt und in Situationen, in denen der psycho- und soziolinguistische Druck besonders hoch ist, wie etwa im Falle einer Immigration, kann zu einem asymmetrischen Bilingualismus führen, bei dem die Fähigkeit, zwei Sprachen zu dekodieren, mit der Fähigkeit zum aktiven Gebrauch nur einer Sprache kombiniert sein kann. Aus pädagogischer Sicht gilt die anfängliche Ablehnung des Bilinguismus, die auf der fälschlichen Interpretation als mögliche Quelle von Interferenzen beruhte, inzwischen als überwunden, angesichts der offen- 9 sichtlichen Vorteile, zu denen ein frühzeitiger Gebrauch von metalinguistischen Strategien und Fähigkeiten gehört. Auch unter politisch-sozialer Betrachtung hat die Beherrschung mehrerer Sprachen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Eine bilinguale Erziehung bringt für das Kind und für den zukünftigen Erwachsenen eine Reihe von Vorteilen mit sich, über die das monolinguale Kind nicht verfügt: Unter einem kulturellen Aspekt hat das bilinguale Kind von Geburt an die Möglichkeit, zwei Kulturen, die unter Umständen sehr unterschiedlich sind, kennenzulernen und diese Kenntnisse zu vertiefen. Eine Sprache zu beherrschen bedeutet viel mehr als nur die Vokabeln zu kennen und sie entsprechend bestimmter Regeln zusammenzufügen. Eine Sprache spiegelt auch die Weise, zu denken und zu handeln, sowie die Geschichte und Kultur des Volkes, die sie spricht, wider. Unter einem emotionalen Aspekt ist die Beziehung zwischen Eltern und Kind natürlich authentischer, wenn beide Elternteile einer binationalen Beziehung mit dem Kind in ihrer Muttersprache kommunizieren. Die Spontanität und die Genauigkeit der intrinsischen semantischen Nuancierungen in einem Witz, einem Wortspiel, einem Lied oder einem Gedicht sind schwierig zu erfassen in einer Sprache, die man nicht als Muttersprachler beherrscht. Diese Fähigkeit stellt für das bilinguale Kind zweifelsohne eine unschätzbare Gabe dar und wirkt sich positiv auf die emotionale Entwicklung des Kindes und die Beziehung zwischen Eltern und Kind aus. Unter einem praktischen Aspekt erfordert die heutige Berufswelt immer häufiger die perfekte sprachliche und schriftliche Beherrschung mehrerer Sprachen. Da letztlich die Beherrschung mehrerer Fremdsprachen eine notwendige Bedingung für den beruflichen Erfolg darstellt, können sich für den Bilingualen ausgezeichnete berufliche Möglichkeiten eröffnen. Der Erwerb der Sprachen von Geburt an ermöglicht dem bilingualen Kind einen nativen Spracherwerb, ohne dass ein Akzent besteht. Zudem stellt diese Art des Spracherwerbs die einfachste Art dar, eine zweite Sprache zu erlernen. Das Kind erlernt die Sprache sprichwörtlich spielend, ohne dass Übungseinheiten, Grammatikbücher, Sprach-DVDs oder andere mitunter von dem Lernenden als langweilig empfundene Hilfsmittel vonnöten wären. Zudem ist diese Art des Lernens sehr günstig und kostet abgesehen von dem ein oder anderen Buch oder Musik-CD, die man gemeinsam hört, nichts. Aus kognitiver und sprachlicher Sicht bringt der Bilinguismus, wie eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen belegen konnte, zahlreiche positive Effekte auf die kognitive Entwicklung des Kindes mit sich (Bialystok, 2007; Mechelli et al., 2004; Green, Crinion & Price, 2007). Ein für das Erreichen einer sicheren Beherrschung beider Sprachen entscheidender Faktor ist das Alter, in dem das Kind den Erwerb der beiden Sprachen beginnt: 10 „ [. . .] je früher die Mehrsprachigkeit eingesetzt hat und je besser die zweite Sprache beherrscht wurde [. . .] “ (Müller, 2011: 58). Aber was lässt den Bilinguismus zu einer solch guten kognitiven Übung werden? Ein außerordentlich wichtiger Faktor, der zu den vorteilhaften kognitiven Effekten der Mehrsprachigkeit beiträgt, ist die Kontrolle über das sprachliche Wissen vom Wortschatz über die Grammatik bis hin zu den suprasegmentalen Merkmalen. Auch wenn Bilinguale nur eine der beiden Sprachen gebrauchen, so sind doch beide Sprachen aktiv (Grainger & Beauvillain, 1987; Brybaert, 1998; Grosjean 2001; Kroll & Dijkstra 2002). Dies stellt für den Bilingualen deshalb eine Herausforderung dar, da er ständig eine Sprachform aus zwei oder mehreren auswählen muss, die dem sprachlichen Kontext gerecht wird und alle linguistischen Kriterien erfüllt. Die Entscheidung für die der jeweiligen Situation angemessenen Sprache und gegen die konkurrierende Sprache stellt eine komplexe kognitive Funktion dar. Darüber hinaus hat die Mehrsprachigkeit im frühen Kindesalter auch günstigen Einfluss auf nicht-sprachliche Fähigkeiten. So konnte etwa gezeigt werden, dass es mehrsprachig aufwachsenden Kindern in einer Testsituation besser gelang, besonders auffällige, aber für die Lösung der Aufgabe nicht relevante Informationen zu unterdrücken als monolingualen Gleichaltrigen (Bialystok, 2001). Der frühkindliche Bilinguismus kann sich aber auch auf den Erwerb einzelner Sprachbereiche negativ auswirken, in dem Sinne, dass es zu zwischenzeitlichen Interferenzen und Spracheneinflüssen kommen kann. Diese negativen Einflüsse der einen Sprache auf die andere bilden sich jedoch mit der weiteren Sprachentwicklung des Kindes zurück, vorausgesetzt, dass die Bilingualität kontinuierlich gefördert wird. Somit kann der Bilinguismus sowohl eine Beschleunigung als auch eine Verlangsamung des Erwerbs einer oder auch beider Sprachen mit sich bringen. Zahlreiche Faktoren nehmen zudem Einfluss auf den Erfolg eines bilingualen Spracherwerbs, wie etwa psychosoziale Faktoren oder die Kombination der Sprachen, die das Kind zu erwerben hat. In der vorliegenden Arbeit, die sich ausschließlich mit linguistischen Aspekten des Bilinguismus beschäftigt, wurde an sechs deutsch-italienischen Kindern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, einem monolingual italienischen Jungen und einem monolingual deutschen Mädchen der Einfluss des Bilinguismus auf den Erwerb des Adjektivs untersucht, mit seinen eventuellen resultierenden Phänomenen, wie Interferenzen, Spracheinflüssen, Beschleunigungen und Verlangsamungen des Spracherwerbs. Dieser Bereich ist für die linguistische Forschung deshalb von Interesse, da er zum einem bisher wenig untersucht ist und zum anderen, da er in den beiden Sprachen sehr unterschiedlichen Regeln unterliegt. 11 Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Nach der Einleitung folgt das erste Kapitel über die verschiedenen Phänomene des Bilinguismus, die direkt oder indirekt mit dem bilingualen Adjektiverwerb verbunden sein können, und die daraus resultierenden Arbeitshypothesen dieser Untersuchung. Im Anschluss werden in dem zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen zu den prädikativen und attributiven Adjektiven und dem Genussystem in den beiden Zielsprachen Deutsch und Italienisch vermittelt, um in dem dritten Kapitel einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu dem Erwerb der prädikativen und attributiven Adjektive in beiden Sprachen zu geben. Das sich anschließende vierte Kapitel gibt Auskunft über die verwendeten Materialien und Methoden. In dem fünften Kapitel werden die Arbeitshypothesen beantwortet. Das abschließende sechste Kapitel umfasst eine komprimierte Zusammenfassung der gezogenen Schlussfolgerungen. 12 1 Phänomene der Zweisprachigkeit 1.1 Einleitung Die Beobachtung der Sprachproduktion des zweisprachig aufwachsenden Kindes ergibt zumindest in ihren frühesten Phasen eine Reihe von Phänomenen des Spracheneinflusses. In den vergangenen Jahrzehnten sind verschiedene Theorien entwickelt worden, um diese Phänomene zu erklären. „ Das fusionierte Sprachsystem “ , dessen vielleicht größten Verfechter Volterra und Taeschner (1978) sind, stellte einen der ersten Erklärungsversuche dar, gilt heute aber nicht mehr als allgemeingültig. Stattdessen wurde in den folgenden Jahren von verschiedenen Sprachwissenschaftlern die Theorie zu den „ zwei getrennten Sprachsystemen “ entwickelt, die sich darauf begründet, dass das bilinguale Kind von Anfang an über zwei getrennte linguistische Systeme verfügt (Meisel, 1987; Genesee, 1989). Eine weitere Entwicklung in der Zweisprachigkeitsforschung ergab sich durch die Einführung der von Hulk und Müller (2000) vertretenen Spracheneinflusshypothese. Im Folgenden sollen die drei zuvor genannten Theorien vorgestellt werden. Besonderes Augenmerk soll auf die Spracheneinflusshypothese von Hulk und Müller (2000) gelegt werden, da sie eine der Grundlagen der vorliegenden Arbeit darstellt. Manifestationsformen des Spracheneinflusses stellen die Interferenz und die beiden Kategorien positiver und negativer Transfer dar. Interferenzen können sich in linguistischen und auch nicht-linguistischen Bereichen manifestieren. Linguistische Interferenzen umfassen grammatische, phonologische, lexikalische, semantische und syntaktische Interferenzen. Hingegen kann ein Transfer abhängig davon, ob das Erlernen der anderen Sprache begünstigt (positiver Transfer) oder beeinträchtigt (negativer Transfer) wird, zu einer Beschleunigung oder auch zu einer Verlangsamung des Auftretens eines grammatischen Phänomens im Vergleich zu dem monolingualen Erwerb führen. Als Erklärung für die Existenz des Spracheneinflusses herrscht heutzutage die in der Arbeit von Müller und Hulk (2000) formulierte Auffassung vor, dass sich der Spracheneinfluss nicht auf die Gesamtheit einer Sprache bezieht, sondern sich lediglich in bestimmten grammatischen Bereichen manifestiert. Darüber hinaus ist der Spracheneinfluss von der spezifischen Kombination der beiden von dem Kind zu erlernenden Sprachen abhängig. Während früher davon ausgegangen wurde, dass der Spracheneinfluss unidirektional sei und sich ausschließlich von der starken auf die schwache Sprache auswirke (Grosjean, 1982), haben in der 13 Zwischenzeit Müller, Cantone, Kupisch und Schmitz (2002) gezeigt, dass (1) sich der Spracheneinfluss auch bei Kindern mit einem balancierten Bilinguismus manifestiert und dass (2) der Spracheneinfluss bidirektional ist, dass er sich also nicht nur von der starken auf die schwache Sprache auswirkt, sondern auch von der schwachen auf die starke Sprache. In der Literatur finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass der Erwerb bestimmter grammatischer Bereiche in der starken Sprache bei bilingualen Kindern entsprechend dem Erwerb in der Muttersprache bei monolingualen Kindern verläuft (Schlyter & Håkannson, 1994; Schlyter, 1994). Dagegen wurden Unterschiede zwischen der Entwicklung der starken und der schwachen Sprache berichtet und einige Autoren stellten sogar Ähnlichkeiten beim Erwerb verschiedener grammatischer Bereiche in der schwachen Sprache mit einer Zweitsprache fest (Schlyter, 1993, 1994; Schlyter & Håkansson, 1994; Bernardini, 2003). Allerdings ist die Auffassung, dass der Erwerb der starken und der schwachen Sprache grundsätzlich voneinander verschieden ist, heutzutage sehr umstritten. Ein weiteres Phänomen, das Einfluss auf den Prozess des Spracherwerbs nicht nur des monolingualen Kindes sondern auch des Kindes hat, das sich anschickt, zwei Sprachen zu erwerben, ist der linguistische Input, dem das Kind in der Umgebung, in der es lebt, ausgesetzt ist. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass nicht alle Fehler an Sprachmischungen auf die fehlerhafte Verwendung durch das Kind zurück zu führen sind, sondern dass häufig Sprachmischungen in der Sprache des Kindes erst durch die gleichzeitige Analyse des sprachlichen Inputs, dem das Kind ausgesetzt ist, zu erklären sind (Murrell, 1966; di Ronjat, 1913; Redlinger & Park, 1980; Goodz, 1989; Genesee, 1989, 1995; Comeau, Genesee & Lapaquette, 2003). 1.2 Ist das Kind bereits mit seinen ersten Äußerungen bilingual? 1.2.1 Das fusionierte Sprachsystem Die Vertreter der Hypothese des fusionierten Sprachsystems (englisch: Unitary Language System Hypothesis), zu denen insbesondere Volterra und Taeschner (1978), aber auch eine Reihe anderer Autoren zählen, wie etwa Leopold (1939, 1949, 1954), Imedadze (1967), Swain (1972), Fantini (1979), Redlinger und Park (1980), Vihman (1985) und Schlyter (1987), betrachten die im Rahmen des bilingualen Erstspracherwerbs auftretenden Sprachmischungen als Ausdruck einer mangelnden Differenzierung der beiden Sprachen im frühen Kindesalter. Entsprechend dieser Annahme gelingt mit zunehmender Sprachentwicklung eine bessere Differenzierung der beiden 14 Sprachsysteme, was sich in der Abnahme der Sprachmischungen widerspiegelt. Bereits im Jahre 1939 wies Leopold auf die mangelnde Sprachdifferenzierung seiner bilingual englisch-deutschen Tochter Hildegard hin und führte den Begriff des ‚ hybriden Systems ‘ ein. Darüber hinaus zeigten sich in dieser Untersuchung aber auch Defizite in anderen Bereichen, wie Sprachverstehen, Aussprache oder gewählte Sprache mit dem Interaktionspartner. Eine der ersten Arbeiten, die eine bilinguale Sprachentwicklung in zwei grundlegenden Phasen postulierte, war die von Swain (1944) mit dem Titel „ Bilingualism as a first language “ . In dieser Untersuchung zu dem Erwerb der Fragesatz-Strukturen bei vier bilingual englisch-französischen Kindern kam Swain unter anderen zu dem Schluss, dass, zumindest in einer frühen Phase, ein einziges linguistisches System bei bilingualen Kindern existiert. Entsprechend formulierte Swain: „ [. . .] there was the mix of French and English vocabulary that occurred most frequently in the utterances of the youngest child. This mixing suggests that what was stored in the head was a set of vocabulary without any indication that they belonged to separate languages. At this time the child had essentially one code. “ (Swain, 1944: 239). Dagegen vermutete Imedadze (1967) einen Verlauf des bilingualen Spracherwerbs, in dem einer Phase der gemischten Sprachsysteme (englisch: mixed speech) eine Phase folgt, in der eine Differenzierung der Sprachsysteme möglich ist. Volterra und Taeschner (1978) griffen diese Interpretation auf und bauten sie zu dem folgenden Phasenmodell aus, in dem die frühkindlichen Phänomene des Spracheneinflusses als Beleg für die mangelnde Differenzierung zwischen den Sprachen gedeutet werden: 1. Phase: In dieser Phase, die durch ein einziges lexikalisches System mit Wörtern aus den beiden Sprachen charakterisiert ist, herrschen gemischtsprachliche Konstruktionen vor. 2. Phase: Zwei unterschiedliche Lexika werden zwar unterschieden, dieselben syntaktischen Regeln finden jedoch in beiden Sprachen Verwendung. 3. Phase: Erst in dieser Phase der Sprachentwicklung ist das Kind wirklich zweisprachig, da es nun über zwei linguistische Codes verfügt, die sich sowohl hinsichtlich des Wortschatzes als auch der Syntax unterscheiden. Diese Annahme spiegelt sich auch in dem nachfolgenden Auszug aus der Arbeit von Volterra und Taeschner wider: 15 „ In this phase the twoor three-word constructions appear as a mixture of words taken from both languages, and it is difficult to make any assessment concerning syntax. In practice, the bilingual child speaks only one language which is a language system of his own. “ (Volterra & Taeschner, 1978: 317). Vihman (1985) bestätigte zwar durch die Untersuchung an ihrem englischestnischen Sohn die ersten beiden Entwicklungsphasen von Volterra und Taeschner, jedoch ist in ihrer Arbeit eine gewisse Änderung der Sichtweise zu verzeichnen. Nach Vihman schließt sich den ersten beiden Phasen ein Entwicklungsschritt an, in dem das Kind auch nach Erhalt der Fähigkeit, die beiden linguistischen Systeme zu differenzieren, durchaus noch gemischtsprachige Äußerungen verwendet. Auch wenn sich die zuvor genannten Arbeiten hinsichtlich der Anzahl und der Reihenfolge der Entwicklungsphasen voneinander unterscheiden, ist ihnen doch gemeinsam, dass sie von einer initialen Phase, in der noch keine Differenzierung zwischen den beiden Erstsprachen stattfindet, und dem Erwerb dieser Fähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt, oft gegen Ende des zweiten Lebensjahrs, ausgehen. Als Beleg für die mangelnde Sprachenunterscheidung werden vor allem die unterschiedlichen Phänomenen des Spracheneinflusses genannt. 1.2.2 Zwei getrennte Sprachsysteme In demselben Jahr, in dem Volterra und Taeschner (1978) ihr Phasenmodell zum fusionierten Sprachsystem vorstellten, berichteten Lindholm und Padilla (1978), dass die verschiedenen Phänomene des Spracheneinflusses bei den von Ihnen untersuchten bilingual spanisch-englischen Kindern a) durch lexikalische Defizite in einer der beiden Erstsprachen und b) durch die Salienz eines bestimmten Ausdrucks (basierend auf der Frequenz) erklärbar waren (Lindholm & Padilla, 1978: 331 - 2). Diese Befunde sprechen nicht dafür, dass das bilinguale Kind die beiden Sprachen infolge des Bestehens eines einzigen Sprachsystems mischt, sondern bestätigen vielmehr die Existenz zweier separater Sprachsysteme, zumal die Autorinnen beobachteten, dass immer dann, wenn die Kinder gemischte Äußerungen produzierten, die strukturelle Kohärenz der Äußerungen erhalten blieb: “ The analyses reveal that bilingual children employ language mixes either when they lack the lexical entry in the appropriate language or when the mixed entry is more salient to the child. The mixes are predominately English nouns inserted into Spanish utterances. Further, when these mixes occur, the structural consistency of the utterance is maintained. These findings strengthen our earlier conclusion [. . .] that bilingual children are able, from an early age, to differentiate their two linguistic systems. “ (Lindholm & Padilla, 1978: 334). 16 In den folgenden Jahren mehrten sich die Arbeiten, darunter die von Meisel (1987), Genesee (1989), De Houwer (1990), Müller (1993), Genesee, Nicoladis und Paradis (1995) und Gawlitzek-Maiwald und Tracy (1996), die die ‚ Unitary Language System Hypothesis ‘ infrage stellten und auf die Schwachpunkte dieser Hypothese und insbesondere des Entwicklungsmodells von Volterra und Taeschner hinwiesen. Meisel (1987) sah in seiner Analyse der Wortstellung und Verbflexion bei zwei bilingual deutsch-französischen Kindern eine der Ursachen für die Sprachmischung in der Natur des linguistischen Inputs, mit dem das Kind konfrontiert wird. Die Eltern bzw. ihre Stellvertreter hatten nicht in einer angemessenen Art das Eine-Sprache-eine-Person-Prinzip angewendet (Meisel, 1987: 6). Als weitere mögliche Ursachen der Sprachmischung gab Meisel sozio-psychologische Faktoren an, wie etwa die Umgebungssprache zum Zeitpunkt der Aufnahme oder die dominante Sprache des Kindes in dieser besonderen Phase des Spracherwerbs (Meisel, 1987: 5). Seine Kritik an dem Drei-Phasen-Modell von Volterra und Taeschner (1978) machte er an den folgenden Punkten fest: - Die Beschreibung der Sprachentwicklung war insbesondere in der zweiten Phase außerordentlich vage (Meisel, 1987: 4). - Die berichteten Daten wurden nicht in Bezug zu unabhängigen Variablen, wie Alter, MLU oder anderen die drei Phasen beschränkenden Angaben gesetzt (Meisel, 1987: 4). - Sprachmischungen traten noch in der zweiten Phase auf, in der das Kind eigentlich schon über zwei getrennte Lexika verfügen sollte (Meisel, 1987: 4). - Die Abfolge der drei Phasen muß nicht zwangsläufig chronologisch sein (Meisel, 1987: 5). - Das Modell beruht letztlich nur auf den Ergebnissen zu einem einzigen Kind (Lisa). Die Daten zu dem zweiten Kind (Giulia) wurden nicht berücksichtigt, da es aufgrund seines jungen Alters noch nicht alle Entwicklungsstufen durchlaufen hatte (Meisel, 1987: 5, 6). - Obwohl die Autorin selbst feststellte, dass Italienisch die starke Sprache des Kindes (Lisa) war (Taeschner, 1983: 102, 107), fanden bei der Erstellung des Drei-Phasen-Modells die Sprachdominanz und der ausgeprägtere Kontakt des Kindes zum Italienischen keine Berücksichtigung (Meisel, 1987: 5). Nach Meisel sollte eine mangelnde Sprachentrennung nicht allein an dem Vorliegen eines einzelnen Kriteriums, dem Mixing, festgemacht werden. Vielmehr unterstrich Meisel die Wichtigkeit der Wahl geeigneter Sprachphänomene zum Beweis bzw. zur Widerlegung des Bestehens eines oder 17 zweier getrennter linguistischer Systeme. Insbesondere bieten sich solche grammatische Strukturen an, in denen sich die beiden Sprachen unterscheiden: „ One should only consider those aspects of grammar where the two ADULT TARGET SYSTEMS DIFFER 1 . If, for example, both languages acquired by the child allow for SVO ordering, SVO sequences in the speech of bilinguals do not support one or the other claim. “ (Meisel, 1987: 6). Unter Anwendung dieses Prinzips zeigte Meisel im Rahmen einer Untersuchung der Wortstellung sowie der Subjekt-Verb-Kongruenz bei zwei bilingual deutsch-französischen Kindern, dass das bilinguale Kind sich im frühen Alter in ähnlicher linguistischer Weise wie die einsprachigen Kinder in den beiden entsprechenden Sprachen verhält und zwei unterschiedliche grammatische Systeme besitzt: „ Analyzing the speech of the bilingual children reveals that they acquire each of the two languages very much like monolingual children. “ (Meisel, 1987: 16). Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen daraufhin, dass die untersuchten Kinder zu Beginn die gleiche Wortstellung SV(O) in beiden Sprachen bevorzugen, mit dem Erwerb der Zwei- oder Mehr-Wort-Sätze jedoch bereits die spezifische Wortstellung der entsprechenden Sprache verwenden: „ [. . .] I believe I have shown that bilingual children use different word order sequences in both languages as soon as they begin to produce multiword utterances. They do this in cases where the two target systems as well as monolingual child speech in the respective languages are distinct [. . .]. “ (Meisel, 1987: 14). Genesee (1989), ein weiterer Vertreter der frühen Sprachentrennung, lehnte ähnlich wie Meisel (1987) die Hypothesen von Volterra und Taeschner (1978) kategorisch ab, da sie ihre Theorie, nach der lediglich ein einziges linguistisches System existiert, nicht ausreichend wissenschaftlich belegen konnten. Er machte seine Kritik insbesondere daran fest, dass das Lernmodell von Volterra und Taeschner auf isolierten Beispielen von lexikalischen Mixing des Kindes im Kontakt mit der Mutter, die deutsche Muttersprachlerin war, beruhte. Hingegen wurde die Sprachproduktion des Kindes im Kontakt mit dem Vater, der italienischer Muttersprachler war, nicht untersucht. Deshalb war es letztlich nicht möglich, durch einen Vergleich der beiden Sprachen zu unterscheiden, ob das Kind das bereits 1 Von dem Autor im Originaltext in Großbuchstaben geschrieben. 18 erlernte linguistische Repertoire in einer differenzierten Weise verwendete (Genesee, 1989: 166). Von Volterra und Taeschner (1978: 317 - 318) wurde als ein Beleg für die fehlende Sprachdifferenzierung die Verwendung des italienischen Wortes occhiali, das sich in diesem Fall auf die Brille des italienischen Vaters bezog, von der bilingualen Lisa in der Interaktion mit der monolingual deutschen Mutter angeführt. Allerdings merkte Genesee an, dass das Mädchen möglicherweise deshalb das italienische Wort occhiali verwendete, da die Brille von dem monolingual italienischen Vater war und somit der italienischen Wissenswelt angehörte (Genesee, 1989: 167). Genesee deutete die zuvor beschriebene Beobachtung vielmehr als Ausdruck des Erwerbsverlaufs, dem auch monolinguale Kinder unterliegen. In Übereinstimmung mit dieser Annahme beobachtete bereits Griffiths (1986) das Phänomen der lexikalischen Übergeneralisierung bei monolingualen Kindern. Während monolinguale Kinder lediglich innnerhalb ihrer einzigen Sprache, also intralingual, übergeneralisieren, findet dies bei bilingualen Kindern interlingual, also von der einen auf die andere Sprache übergreifend statt. Ein weiterer Kritikpunkt an der Untersuchung von Volterra und Taeschner stellt die fehlende Berücksichtigung des möglichen Einflusses der elterlichen Sprachmischungen auf die des Kindes dar. Dabei wiesen eine Reihe von Arbeiten, darunter die von Goodz (1989), auf die Existenz eines Bezugs zwischen den kindlichen Sprachmischungen und den Sprachmischungen der Eltern hin. Genesee kritisierte weitere Arbeiten von Vertretern der Sprachfusionstheorie, so etwa die von Redlinger und Park (1980). Nach Genesee belegten diese Autoren weder ihre Theorie systematisch mit Daten über den Anteil des Mixing 2 in beiden Sprachen, noch stellten sie einen Vergleich mit einer Zielsprache an. Zudem beobachtete Genesee, anders als von Redling und Park (1980) angenommen, dass die Abnahme des Mixing mit der Zeit nicht zwangsläufig bedeutete, dass die Kinder fortschreitend erlernten, die beiden linguistischen Systeme zu unterscheiden. Vielmehr kann die Reduktion des Mixing auch darauf hindeuten, dass das Kind gerade das eigene linguistisch-kommunikative Repertoire in dieser bestimmten Sprache erweitert (Genesee, 1989: 166). Genesee bemängelte, dass andere Sprachwissenschaftler durchaus den Kontext, in dem die untersuchten Kinder aufwuchsen, berücksichtigten, aber letztlich nicht in zuverlässiger Weise. So untersuchte beispielsweise Vihman (1985) bei einem bilingual englischestnischen Kind den Erwerb des Englischen sowohl im englischen als auch 2 Die Autorin verwendete den Begriff Mixing mit der folgenden Bedeutung: „ The term MIXING will be used to refer to interactions between the bilingual child ’ s developing languages systems. “ 19 im estnischen Kontext, lieferte allerdings nicht die entsprechenden Daten für die estnische Sprache in den beiden Kontexten (Genesee, 1989: 166). Der Hypothese des fusionierten Sprachsystems wird die der zwei getrennten Sprachsysteme (englisch: Language Separation Hypothesis) entgegen gestellt. Diese Theorie beruht darauf, dass beim simultanen Spracherwerb bilingual aufwachsender Kinder die Differenzierung zweier Sprachsysteme hinsichtlich der Grammatik und des Lexikons schon in sehr frühem Kindesalter möglich ist. Als Hinweise auf die frühzeitige Fähigkeit, die beiden Sprachsysteme zu unterscheiden, werden die unveränderte Struktur der Äußerung trotz einer Sprachmischung (Lindholm und Padilla, 1978) sowie die frühe Fähigkeit des Kindes, die beiden Sprachen funktionell differenziert zu verwenden (Genesee, 1989), genannt. De Houwer (1990), eine weitere Vertreterin der Sprachentrennungstheorie, formulierte auf der Grundlage der Analyse des bilingual englisch-niederländischen Kindes Kate die so genannte „ Separate Development Hypothesis “ . Bei der Bewertung dieser wie auch anderer Hypothesen ist zu berücksichtigen, dass sich die Aussagen auf eine sehr begrenzte Anzahl untersuchter Kinder beziehen. Auch wenn die Autorin von einer frühzeitigen Sprachentrennung ausging, so wies sie doch auch auf die Schwierigkeiten bei der Ursachenforschung für die lexikalischen Sprachmischungen hin. De Houwer vermutete sozio- und psycholinguistische Phänomene als Einfluss nehmende externe Faktoren auf die Sprachentwicklung des Kindes. Lanza (1997, 2004) ging der seit Anfang der neunziger Jahre vorherrschenden Meinung nach, dass, auch wenn ein Kind im frühen Alter zahlreiche Sprachmischungen zeigt, die Ursachen nicht in einem gemeinsamen Sprachsystem liegen. Die Autorin kam zu dem Ergebnis, dass die Gründe für das Auftreten von Sprachmischungen sowohl in der Existenz einer dominanten Sprache, als auch in der Qualität und Quantität des linguistischen Inputs, dem das Kind ausgesetzt ist und dessen Rolle in Kapitel 1.5 im Detail besprochen wird, zu suchen sind. Allein mit diesem Ansatz lässt sich jedoch die reziproke Auswirkung der Sprachen in einigen Bereichen nicht hinreichend erklären. Nicht zuletzt deshalb wurde in den folgenden Jahren die Spracheneinflusshypothese (Hulk & Müller, 2000) entwickelt, die im folgenden Abschnitt beschrieben werden soll. 1.2.3 Die Spracheneinflusshypothese Die von Hulk und Müller (2000) aufgestellte Spracheneinflusshypothese (englisch: Cross-linguistic Influence Hypothesis) stellt eine Weiterentwicklung der Sprachentrennungshypothese dar. Diese beiden Hypothesen haben gemeinsam, dass das bilinguale Kind seine beiden Sprachsysteme schon in sehr frühem Alter differenzieren kann (Hulk & Müller, 2000; Müller & Hulk, 2001). Entsprechend der Spracheneinflusshypothese können sich die bei- 20 den Erstsprachen des Kindes jedoch im Rahmen der autonomen Sprachentwicklung unter gewissen Voraussetzungen gegenseitig beeinflussen, was zu einer Sprachentwicklung führt, die sich von der eines monolingualen Kindes unterscheidet. Während die Spracheneinflusshypothese kein gemischtes Sprachsystem vorsieht, umfasst der Spracheneinfluss die Beschleunigung, die Verzögerung sowie den Transfer (Genesee et al., 1995). Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen Manifestationen des Spracheneinflusses im Detail dargestellt. 1.2.3.1 Phänomene des Spracheneinflusses beim Zweisprachenerwerb Manifestationsformen des Spracheneinflusses stellen positiver und negativer Transfer dar. Infolge der Überlagerung von Regeln der beiden Sprachen kommt es zu grammatischen Umstrukturierungen, die durch Auftreten von Fehlern nach außen sichtbar werden. Angesichts der auch im Spracherwerb von monolingualen Kindern zu beobachtenden zahlreichen Fehlern, ist es bei bilingualen Kindern mitunter schwierig zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um einen Spracheneinfluss oder aber lediglich um einen im natürlichen Spracherwerb auftretenden Fehler handelt. Auch wenn die Entscheidung nicht immer eindeutig ist, so existieren doch Fehler, die eindeutig auf das Vorliegen eines Spracheneinflusses hinweisen, wie insbesondere das Phänomen der Sprachmischungen: „ [. . .] bilingual children acquire two languages at a rate comparable to that of monolingual English speaking children [. . .]. One aspect not present in the speech of children acquiring a single language, but which is observable in bilingual children, is that of language mixing. “ (Lindholm & Padilla, 1978: 327). In der linguistischen Literatur wird der Begriff Spracheneinfluss häufig als eine Art Oberbegriff der beiden Phänomene Transfer und Interferenz verwendet (Sharwood-Smith & Kellerman, 1986; Müller, 2007). Interferenzen können sich in linguistischen und auch nicht-linguistischen Bereichen manifestieren. Linguistische Interferenzen umfassen grammatische, phonologische, lexikalische, semantische und syntaktische Interferenzen. Eine grammatische Interferenz stellt beispielsweise die pränominale Position des Adjektivs im akadischen Französisch, einer Variante des Französischen, das in Nouvelle-Écosse, Nova Scotia gesprochen wird (Pöll, 1988), im Vergleich zu anderen Varietäten des Französichen dar (Mackey, 1962: 77). In Anlehnung an die englische Sprache kommt es so zu komplexen Nominalsyntagmen, wie z. B. une des plus grandes jamais vue dans la région (one of the biggest ever seen in the area). Eine phonologische Interferenz liegt etwa vor, wenn ein deutsch-italienisches Kind bei Verwendung der italienischen Sprache den deutschen 21 Sprachrhythmus einsetzt oder bei Gebrauch der deutschen Sprache stimmhafte Konsonanten bevorzugt verwendet. Interferenzen aus dem lexikalischen Bereich äußern sich in der Einbettung eines Lexems aus der einen Sprache in den Kontext der anderen Sprache. So sagte beispielsweise die deutsch-italienische Carlotta im Alter von 2; 9,25 „ das ist ein pannolino klein* 3 “ , das zielsprachlich hieße „ das ist eine kleine Windel “ . Der Arbeit von Müller (2007: 18) entstammt ein Beispiel für eine Interferenz aus dem semantischen Bereich. Das deutsch-französische Kind übersetzte den deutschen Ausdruck „ wie gut er es hat “ ins Französische mit „ je vais te montrer comment bien il a “ . Die auf nicht-linguistischer Ebene auftretenden Interferenzen umfassen insbesondere die Gestik. So könnte beispielsweise ein deutsch-italienisches Kind gleichzeitig Deutsch sprechen und auf die, der italienischen Sprache eigenen, gestenreichen Kommunikation zurückgreifen oder Italienisch sprechen mit einer Haltung, die aus der Sicht eines Italieners wenig lebendig erschiene. Interferenzen, die in der Literatur als Performanzphänome bezeichnet werden (Müller, 2007: 19), weisen einen individuellen Charakter auf. Im Gegensatz dazu charakterisieren Entlehnungen (englisch: borrowing) als Kompetenzphänomen die Sprache einer ganzen Gemeinschaft. Während also Interferenzen nicht stabil und unsystematisch verwendet werden, ist der Gebrauch von Entlehnungen stabil und systematisch (Müller, 2007: 18 - 19). Die Häufigkeit von Interferenzen beim zweisprachigen Kind ergibt sich aus den folgenden Faktoren: 1) Die Redefunktion: Die Zahl der Interferenzen hängt davon ab, ob das bilinguale Kind eine Geschichte erzählt, einen sichtbaren Gegenstand beschreibt oder in der direkten Rede interagiert. In den beiden letzten Fällen können Faktoren, wie etwa die Deixis als auch der situative Kontext, eventuelle lexikalische und grammatische Unzulänglichkeiten in der Sprache des Kindes kompensieren und somit die verbale Expression des Kindes vereinfachen. 2) Das Sprachregister: Je nachdem ob der Sprecher in einer formellen oder informellen Situation verbal interagiert, wählt er ein Register aus, das seinem kommunikativen Ziel entspricht. So würde ein Kind der Klassenlehrerin oder Erzieherin gegenüber eher ein höheres Sprachregister auswählen und Interferenzen vermeiden, während es in der verbalen Interaktion mit gleichaltrigen Freunden eher ein informelles Register bevorzugen würde mit der Folge, dass die Interferenzen einen größeren Raum einnehmen. Sicherlich verfügt 3 Der Stern (*) markiert in diesem und folgenden Beispielen den nicht-zielsprachlichen Gebrauch. 22 ein Kind im Vorschulalter noch nicht über die Fähigkeit, das eigene Sprachregister situativ bedingt unterschiedlichen Niveaus bewusst anzupassen, allerdings zeigte Lanza (2004), dass das bilinguale Kind bereits im Alter von zwei Jahren sensibel gegenüber kontextualen Parametern ist, in denen die Interaktion stattfindet. Dies lässt vermuten, dass das Kind entsprechend seiner Fähigkeiten die eigene Sprache hinsichtlich der Toleranz gegenüber Sprachmischungen und der Empathie des Gesprächpartners anpasst. 3) Der Code: In der gesprochene Sprache sind häufiger Interferenzen zu beobachten als in der geschriebenen Sprache (Müller, 2007: 18 - 19). Alle diese Faktoren können einzeln oder auch gemeinsam auftreten und so den Redefluss mehr oder weniger durch Interferenzen beeinflussen. 1.2.3.2 Negativer Transfer Ein negativer Transfer liegt dann vor, wenn grammatische Unterschiede zwischen den beiden Sprachen bestehen und das Kind fälschlicherweise die Regeln der einen Sprache auf die andere Sprache anwendet. Der negative Transfer ist, da er sich durch die Nichtbeachtung grammatischer Regeln einer bestimmten Sprache manifestiert, leicht nachweisbar und deshalb der linguistischen Forschung gut zugänglich. Beispielsweise untersuchte Müller (1998) bei einem deutsch-italienischen Kind den Erwerb des zielsprachlichen Gebrauchs der Verbposition in Nebensätzen in der deutschen Sprache. Im Italienischen steht das finite Verb sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz in derselben Position, d. h. nach dem Substantiv, auch wenn es nicht sichtbar ist oder nicht an erster Stelle steht, im Sinne einer Wortstellung SVO: (1) Adesso Marco mangia la mela perché ha fame. (It.) ‚ Jetzt isst Markus den Apfel, weil er Hunger hat. ‘ (Dt.) In diesem Fall liegt eine Symmetrie von Haupt- und Nebensatz vor. Hingegen weisen im Deutschen Haupt- und Nebensatz verschiedene Anordnungen der Konstituenten auf. Während der Hauptsatz durch die Wortstellung SVO charakterisiert ist: (2) Markus isst den Apfel. weist der Nebensatz, der häufig durch Präpositionen, wie wenn, als, obwohl, weil oder dass, eingeleitet wird, die Wortstellung SOV auf: (3) Markus isst den Apfel, weil er Hunger hat. In der deutschen Sprache besteht also eine Asymmetrie zwischen Haupt- und Nebensatz. Müller (1998) beobachtete bei einem Italiener, der im 23 Jugendalter nach Deutschland gekommen war, dass er bei der Verbproduktion im Deutschen im Nebensatz das Finitum nicht-zielsprachlich nach dem Subjekt positionierte. Während im Italienischen sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz das Verb unmittelbar nach dem Subjekt auftritt, ist dies im Deutschen nur im Hauptsatz der Fall und im Nebensatz befindet sich das Verb an der letzten Position. Der Lerner wendete also die italienische Haupt-Nebensatz-Symmetrie im Deutschen an. Angesichts der Haupt-Nebensatz-Asymmetrie im Deutschen besteht somit ein negativer Transfer und in der Folge eine Verlangsamung des Spracherwerbs (Müller, 2007: 22 - 27). 1.2.3.3 Positiver Transfer Ein positiver Transfer liegt vor, wenn sich Erst- und Zweitsprache in einem grammatischen Bereich gleichen und das bilinguale Kind die Regeln der einen Sprache auf die der anderen Sprache überträgt. Der positive Transfer ermöglicht also bei dem Zweitsprachenerwerb rasch zielsprachliche Resultate und begünstigt das fehlerlose Erlernen der Zweitsprache. Das folgende Beispiel zur Verdeutlichung dieses Phänomens entstammt der Arbeit von Müller und Kupisch (2005) über den Erwerb der Zweitsprache Französisch bei einer spanischen, erwachsenen Muttersprachlerin. Die beiden Sprachen Französisch und Spanisch haben gemeinsam, dass sie eine Determinante vor den Nomina erfordern. Hingegen sind Nomina nicht erforderlich bei Eigennamen, prädikativer Verwendung: (4) Pablo es médico. (Sp.) Paul est médecin. (Fr.) ‚ Pablo ist Arzt. ‘ (Dt.) und einigen Präpositionen: (5) Nous voyagions en avion. (Fr.) Nosotros vamos por avión. (Sp.) ‚ Wir reisen mit dem Flugzeug. ‘ (Dt.). Die Untersuchung ergab, dass die Teilnehmerin von Beginn des Erwerbs der Zweitsprache Französisch an nur wenige „ nackte Nomina “ verwendete. Demnach gebrauchte sie vor allem determinierte Nomina und setzte die determinierten Nomina von Anfang an vornehmlich zielsprachlich ein, ohne dass sie also, wie es für Einsprachige beim Französischlernen die Regel ist, eine Phase durchlief, in der sie für eine durchaus längere Zeit anfangs ausschließlich und in der Folge hauptsächlich nackte Nomina verwenden. Der frühzeitige Erwerb des korrekten Gebrauchs der Determinanten vor dem Nomen war somit Ausdruck des günstigen Einflusses einer Sprache auf die andere (Müller, 2007: 28 - 29). 24 1.2.3.4 Wie lässt sich die Existenz des Spracheneinflusses erklären? Heutzutage herrscht die in der Arbeit von Müller und Hulk (2000) formulierte Auffassung vor, dass sich der Spracheneinfluss nicht auf die Gesamtheit einer Sprache bezieht, sondern sich lediglich in bestimmten grammatischen Bereichen manifestiert. Darüber hinaus ist der Spracheneinfluss von der spezifischen Kombination der beiden von dem Kind zu erlernenden Sprachen abhängig. Nach Müller und Hulk (2000) hat das Auftreten eines Spracheneinflusses zur Voraussetzung, dass zumindest eines der beiden nachfolgenden Kriterien erfüllt ist: 1. Die Sprache A verfügt über Konstruktionen, die dadurch charakterisiert sind, dass sie mehr als eine grammatische Analyse zulassen, und die Sprache B weist eine dieser möglichen Analysen auf. 2. Das betroffene grammatische Phänomen liegt an der Schnittstelle zwischen zwei verschiedenen grammatischen Modulen, wie zum Beispiel zwischen Morphologie und Syntax oder zwischen Syntax und Pragmatik. 1.2.3.5 Richtung des Spracheneinflusses Grosjean (1982) vermutete die Gründe des Spracheneinflusses in der Sprachdominanz infolge (1) des von außen auf das Kind einwirkenden Druckes, die Sprache der Umgebung zu beherrschen, und des damit einhergehenden überlagernden Inputs der starken Sprache und (2) der Komplexität beziehungsweise Einfachheit einiger sprachlicher Strukturen, die das Kind dazu veranlassen, sich der einfacheren Struktur in beiden Sprachen zu bedienen. Im Gegensatz zu dieser Annahme gelang es Müller, Cantone, Kupisch und Schmitz (2002) zu zeigen, dass (1) der Spracheneinfluss auch bei sprachlich balancierten Kindern auftritt und dass (2) der Spracheneinfluss nicht nur von der starken Sprache in Richtung der schwachen Sprache abläuft (unidirektional), sondern auch von der schwachen Sprache in Richtung der starken Sprache (bidirektional). Das Kind verwendet also die einfachere Struktur aus den beiden Sprachen unabhängig davon, welche der beiden Sprachen die eigentliche starke Sprache ist. Jakubowicz (2002) definierte die Komplexität von sprachlichen Strukturen wie folgt: 1. Bei Vorliegen einer funktionalen Kategorie in allen Sätzen, ist eine Analyse der Syntax weniger komplex, als wenn eine funktionale Kategorie nur in einigen Sätzen vorhanden ist. 2. Die Komplexität einer syntaktischen Analyse ist vermindert, wenn ein Argument in der lexikalischen Domäne kanonisch mit seinem 25 Prädikat verbunden werden kann, und erhöht, wenn ein Argument in der funktionalen Domäne mit seinem Prädikat verbunden werden kann. Daraus ergibt sich, dass (1) die syntaktischen Kategorien in lexikalische und funktionale aufgeteilt sind, (2) die funktionalen Kategorien aus solchen bestehen, die syntaktisch unabdingbar sind, und aus solchen, die auch semantisch begründet sind, (3) die Analyse der syntaktisch unerlässlichen funktionalen Kategorien weniger komplex ist als die Analyse der semantisch motivierten funktionalen Kategorien und (4) die syntaktische Analyse der lexikalischen Domäne einen höheren Komplexitätsgrad aufweist als die syntaktische Analyse der funktionalen Domäne. Die zuvor genannten Kriterien dienen dazu, für ein bestimmtes grammatisches Phänomen sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Richtung des Spracheneinflusses abzuschätzen. Insbesondere der Komplexitätsgrad des Phänomens kann erklären, warum in bestimmten grammatischen Bereichen keinerlei Spracheneinfluss zu erkennen ist und warum eine linguistische Funktion in einer Sprache früher auftritt als in der anderen. Letzteres ist Ausdruck dessen, dass eine Sprache einen geringeren Komplexitätsgrad im Vergleich mit der anderen aufweist. 1.3 Anfällige und robuste Sprachdomänen Untersuchungen zu dem Spracherwerb konnten zeigen, dass Kinder in bestimmten grammatischen Bereichen Schwierigkeiten aufweisen. Die grammatischen Strukturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie erst relativ spät auftreten und Fehlern gegenüber sehr anfällig sind. Bevor die entsprechenden sprachlichen Strukturen zielsprachlich verwendet werden, wird eine Phase durchlaufen, in der diese Strukturen nicht-zielsprachlich verwendet werden. Diese Domänen werden auch als für einen Spracheneinfluss anfällig bezeichnet und unterscheiden sich von den robusten insofern, dass letztere frühzeitig erworben werden, ohne dass sie ein Stadium der nichtzielsprachlichen Verwendung durchmachen. Vermutlich erfordern die anfälligen Domänen eine komplexere syntaktische, morphologische und semantische Analyse (Roeper, 1996; Jakubowicz, Nash, Rigaut & Gérard, 1999; Sorace, 2000; Platzack, 2001; Müller, Cantone, Kupisch & Schmitz, 2002). Entsprechend dieser Annahme konnte Kupisch (2003) in ihrer Untersuchung der Struktur der DP (engl.: Determinant phrase) im Erwerbsprozess des Französischen an einem monolingualen Kind und zwei bilingual deutsch-französischen Kindern, von denen eines einen balancierten Bilinguismus und das andere Französisch als schwache Sprache aufwies, zeigen, 26 dass bei allen drei untersuchten Kindern die DP-Domäne nicht anfällig für den Spracheneinfluss war. Kupisch schloss daraus, dass die Anfälligkeit eines bestimmten Phänomens für einen Spracheneinfluss letztlich nicht in jedem Fall an die Art der Schnittstelle gebunden sein muss, sondern auch von anderen Faktoren abhängig sein kann. Die Inkonsistenz in der syntaktischen Aufteilung, die Frequenz sowie die Transparenz des grammatischen Einkodierens scheinen eine bedeutsame Rolle beim Erwerb der entsprechenden grammatischen Bereiche zu spielen (Kupisch, 2003). 1.4 Die schwache und die starke Sprache beim bilingualen Kind im Vergleich zum L2- und Erstspracherwerb In der linguistischen Forschung zum Bilinguismus wird der Spracherwerb von zweisprachig aufwachsenden Kindern wie folgt klassifiziert: 1. Ein balancierter Spracherwerb liegt vor, wenn das Erlernen beider Sprachen in gleichen Schritten erfolgt und sich nicht von dem monolingualer Kinder unterscheidet. 2. Bei einem nicht-balancierten Spracherwerb hingegen verfügt das Kind über eine weiter entwickelte Sprache, die so genannte starke Sprache, und eine weniger entwickelte, die so genannte schwache Sprache. 3. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass beide Sprachen des Kindes schwach sind (Müller & Pillunat, 2008). Viele bilinguale Kinder weisen einen nicht-balancierten Bilinguismus auf, bei dem eine Sprache stärker entwickelt ist (starke Sprache) als die andere (schwache Sprache), und es besteht allgemeine Übereinstimmung, dass sich der Erwerb bestimmter grammatischer Bereiche in der starken Sprache beim bilingualen Kind nicht von dem beim monolingualen Kind unterscheidet. So wurde etwa gezeigt, dass der Erwerb von Verbmorphologie und Pluralbildung bei Nomen in der starken Sprache des bilingualen Kindes dem Erwerb in der Muttersprache der monolingualen Kinder ähnelt (Schlyter & Håkannson, 1994; Schlyter, 1994). Anders verhält es sich hingegen mit dem Erwerb der schwachen Sprache durch das bilinguale Kind. Einige Autoren stellten Ähnlichkeiten beim Erwerb verschiedener grammatischer Bereiche in der schwachen Sprache mit dem in einer Zweitsprache fest, nicht aber mit der Erstsprache (Schlyter, 1993, 1994; Schlyter & Håkansson, 1994; Bernardini, 2003). Dies bewog sie dazu, den Doppelerstspracherwerb in Frage zu stellen und die Hypothese zu formulieren, dass die schwache Sprache demselben Erwerbsmodell wie eine L2 folgt. 27 Bernardini (2003) untersuchte den Erwerb der DP-Domäne bei der Sprachkombination Schwedisch/ Italienisch an vier italienischen Kindern, zwei Erwachsenen, die Italienisch als Zweitsprache erworben hatten, und zwei italienisch-schwedischen Kindern und kam zu dem Ergebnis, dass die italienische Sprache bei italienisch-schwedischen Kindern, bei denen Italienisch die schwache Sprache ist, einen Spracherwerb aufweisen, der mit dem von Erwachsenen, die Italienisch als Zweitsprache lernen, vergleichbar ist: „ [. . .] in cases where one language develops slower in a bilingual child exposed to both languages from birth, production data show evidence for interaction between the two languages. This kind of interaction is similar to that found in L2 acquisition, where it is often reported that the learners use their knowledge of L1 in their use of L2. “ (Bernardini, 2003: 43). Bereits in den 90er Jahren war Schlyter (1993, 1994, 1995, 1999) bei der Analyse des Erwerbs der Wortstellung, des Artikels und der Verbmorphologie zu dem Schluss gekommen, dass die schwache Sprache der bilingualen Kinder einen anderen Verlauf nimmt als die starke Sprache und somit auch als die Erstsprache bei monolingualen Kindern. In Übereinstimmung zu Bernardini vertrat Schlyter die Ansicht, dass der Erwerb der schwachen Sprache dem Erwerb der L2 sehr ähnelt: „ [. . .] Swedish as the strong language in these Swedish-French bilinguals had the same properties as Swedish in normal, monolingual children whereas Swedish as the weaker language did not, but rather shared certain properties with Swedish acquired as a second language. “ (Schlyter & Håkansson, 1994: 83). Die Auffassung, dass der Erwerb der starken und der schwachen Sprache grundsätzlich voneinander verschieden ist, wird heutzutage in der Literatur kontrovers diskutiert. In zahlreichen Arbeiten konnte kein Beleg für Parallelen zwischen dem Erwerb der schwachen Sprache und dem Erwerb einer Zweitsprache gefunden werden. Eher kamen Autoren, wie etwa Müller und Kupisch (2003), Rieckborn (2006), Meisel (2007), Müller und Pillunat (2008) sowie Arencibia Guerra (2008), zu dem Schluss, dass der Erwerb der schwachen Sprache des bilingualen Kindes ähnlich wie der der Erstsprache eines monolingualen Kindes erfolgt, auch wenn Kinder phasenweise in ihrer schwachen Sprache deutlich mehr nicht-zielsprachliche Äußerungen als in ihrer starken Sprache zeigen. Diese Konstellation besteht jedoch nur vorübergehend und im Laufe der Zeit verläuft die Entwicklung der grammatischen Bereiche in der starken und schwachen Sprache nicht mehr unterschiedlich: 28 „ Les résultats montrent que l ’ enfant dit déséquilibré passe par les mêmes stades d ’ acquisition qu ’ un enfant monolingue ou un enfant bilingue dit équilibré. Ainsi, la trajectoire d ’ acquisition de la langue faible ne diverge pas de manière qualitative de celle de la langue forte. Toutefois, la langue faible se développe avec un certain retard. “ (Müller & Kupisch, 2003: 145). Diese Ergebnisse wurden in einer aktuellen Studie bestätigt (Arencibia Guerra, 2008). In ihrer Untersuchung zum Erwerb der Determinanten, der nicht-zielsprachlichen Objektauslassungen und des Subjekts im Italienischen an zwei bilingual deutsch-italienischen Kindern, davon eines mit Italienisch als starker Sprache und eines mit Italienisch als schwacher Sprache, konnte Arencibia Guerra zeigen, dass der Erwerb der untersuchten Parameter bei den beiden Kindern auf ähnliche Weise erfolgte, auch wenn das Kind mit Italienisch als schwache Sprache die entsprechenden grammatischen Strukturen erst zu einem späteren Zeitpunkt erwarb im Vergleich mit dem monolingualen Kind und dem mit Italienisch als starke Sprache. Daraus folgerte die Autorin, in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Untersuchung von Müller und Pillunat (2008), dass bei bilingualen Kindern im Vergleich zwischen starker und schwacher Sprache für bestimmte grammatische Bereiche zwar durchaus eine zeitliche Verzögerung möglich ist, dass diese jedoch nicht dazu rechtfertigt, den Erwerb der schwachen Sprache mit dem einer Fremdsprache gleichzusetzen: „ In fast allen hier untersuchten Bereichen ist Aurelio beim Erwerb des Italienischen schneller. Die Verzögerung der schwachen Sprache beträgt je nach grammatischem Bereich ca. sechs Monate bis knapp ein Jahr. Qualitativ betrachtet sind keine Unterschiede beim Erwerb der hier analysierten grammatischen Bereiche zu beobachten. Die Kinder, unabhängig davon, ob sie das Italienische als starke oder schwache Sprache erwerben, weisen keine von monolingualen Kindern abweichenden Erwerbsmuster auf. “ (Arencibia Guerra, 2008: 194). 1.5 Die Rolle des Inputs bei dem Erst- und Zweitspracherwerb Sprachen zu lernen ist eine angeborene, genetisch determinierte kognitive Fähigkeit beim Menschen. Diese mentale Fertigkeit, die dem Kind den Spracherwerb ermöglicht, basiert auf universalen Eigenschaften, die als Teil der Universalgrammatik (UG) alle Sprachen gemeinsam haben. Kinder verfügen zusätzlich zur UG über angeborene sprachliche Fähigkeiten, die es ihnen erlauben, Items im sprachlichen Input zu identifizieren, zu analysieren und zu speichern, eine Fertigkeit, die Chomsky auch als language acquisition device (LAD) bezeichnete (Chomsky, 1965). 29 Der Prozess des Spracherwerbs beschränkt sich nicht auf ein ausschließlich genetisch-physiologisches Phänomen und das Herausbilden der Sprachkompetenz ist somit nicht vollständig determiniert. Vielmehr versieht die Umgebung das Kind mit einem linguistischen Input, der eine entscheidende Rolle beim Erwerb sowohl der lexikalischen Strukturen als auch der syntaktischen, semantischen, pragmatischen, morphologischen und phonetischen Elemente spielt. Zur Unterstützung dieser Annahme kann eine ganze Reihe von Untersuchungen besonderer Fälle angeführt werden, in denen der Mangel an einem adäquaten linguistischen Input negative Auswirkungen auf die linguistischen Fähigkeiten dieser Individuen hatte. Die Konsequenzen zeigten sich vor allem in den funktionalen Aspekten der Sprache. Ein historsiches Beispiel stellt der von Jean Itard untersuchte Fall von Victor, dem wilden Jungen von Aveyron dar (zu finden in Gineste & Postel, 1980). Victor wuchs im Wald weit entfernt jeglichen menschlichen linguistischen Stimulus auf und wurde als Jugendlicher ohne das Vermögen, auch nur im Entferntesten Wörtern ähnelnde Töne von sich zu geben, aufgefunden. Dieses Unvermögen konnte aber nicht etwa auf eine Gehörlosigkeit zurückgeführt werden, sondern begründete sich in einem Leben, ohne jemals einen Menschen sprechen gehört zu haben. Ein ähnlicher Fall wurde auch von Curtiss (1977) berichtet. Die Autorin hatte ein Mädchen namens Genie eingehend untersucht, das von ihrem Vater 13 Jahre lang in einem Abstellraum eingesperrt worden war. Infolge der fehlenden Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren, verfügte Genie, als sie aufgefunden wurde, über keine Sprache. Bereits nach fünf Monaten Rehabilitation konnte sie bis fünf zählen, die Farben durch Verwendung der entsprechenden Nomen unterscheiden und einige Verben und Nomen verwenden, um sich auszudrücken und sich auf nahezu aller Gegenstände, die sie umgaben, beziehen. Allerdings gelang es Genie auch in der Folge nie, einen syntaktisch annehmbaren Satz zu bilden, ohne in Standardfloskeln zu verfallen. Ohne einen angemessenen linguistischen Input hatten beide zuvor beschriebene Kinder keine Möglichkeit, die Strukturen der eigenen Sprache kennen zu lernen und zu erwerben. Die sehr wichtige Rolle des Inputs beim Spracherwerb wurde auch durch weitere Studien bestätigt. Mehler (1990) zeigte, dass ein Kind bereits im Alter von vier Tagen empfänglich für einen sprachlichen Input in Form der Sprache der Mutter war und diese fremden Sprachen vorzog. Das Kind schien besonders empfänglich gegenüber der Prosodie bzw. gegenüber den suprasegmentalen Merkmalen der Sprache, die den Rhythmus und die Betonungsstruktur einer Sprache bestimmen (Mehler, 1990). In einer Studie zur Vereinheitlichung phonologischer Phänomene mit strukturellen Eigenschaften untersuchte Spelke (1979) den Einfluß der Pause innerhalb einer Äußerung bei Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Monaten und kam zu dem Ergebnis, dass die Kinder eine eindeutige Präferenz zeigten für 30 die Anordnung der Pausen in Übereinstimmung mit den charakteristischen syntaktischen Grenzen der eigenen Sprache. Dies schließt natürlich nicht mit ein, dass die Kinder bereits die syntaktischen Eigenschaften der entsprechenden Sprache erworben haben, sondern vielmehr, dass der Erwerb der Syntax von prosodischen Elementen unterstützt wird, die im Input vorhanden sind, dem gegenüber die Kinder bereits im Alter von sechs bis zehn Monaten empfänglich sind. In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen zeigten Saffran, Aslin und Newport (1996) in ihrer Untersuchung an 24 Kleinkindern, dass Kinder bereits im Alter von acht Monaten über ausgeprägte Mechanismen verfügen, die sie dazu befähigen, nach einem nur zweiminütigen Sprachinput (1) die einzelnen Wörter innerhalb eines Redeflusses zu unterteilen, (2) die Wörter von den Nicht-Wörtern zu unterscheiden und (3) die Silben innerhalb eines Wortes von denen außerhalb eines Wortes zu unterschieden. Zum Beispiel sind Kinder in der Lage, innerhalb des Ausdrucks pretty#baby die Silben innerhalb des Wortes pretty von denen außerhalb ty#ba zu unterscheiden (Saffran, Aslin & Newport, 1996). Zu den zahlreichen anderen Studien, die die Rolle des Inputs beim Spracherwerb bestätigten, gehört auch die von Klein (1974), der zeigte, dass einige in der Kindersprache vorhandenen Charakteristika, wie die Ordnung der Satzbestandteile Subjekt (S), Verb (V) und Objekt (O), von ihrer Frequenz in der Erwachsenensprache, der die Kinder häufig ausgesetzt sind, determiniert werden. Wenn also in der Sprache der Mutter mit einer hohen Frequenz die Reihenfolge SVO vertreten ist, eignet sich das Kind dieselbe Reihenfolge an. Wenn hingegen in der Sprache der Mutter verschiedene Reihenfolgen der zuvor genannten Satzbestandteile anzutreffen sind, verwendet das Kind sie mit derselben Präferenz der Mutter (Bowerman, 1973). Andere Aspekte scheinen hingegen nicht von der Häufigkeit, mit der sie in der Sprache der Mutter verwendet werden, abhängig zu sein. Dazu zählen Funktionswörter, wie zum Beispiel Konjunktionen, Präpositionen und Artikel, und die Flexion, deren Erwerb durch das Kind mehr durch die grammatische und semantische Komplexität und weniger durch die Frequenz im mütterlichen Input beeinflusst wird (Brown, 1973). Dies gilt auch für die Reihenfolge des Erwerbs grammatischer Strukturen, wie Fragen und Verneinungen (Brown & Hanlon, 1970). Auch für bilinguale Kinder konnte die Bedeutung des Inputs im Verlauf des Spracherwerbs in zahlreichen Studien gezeigt werden (Ronjat, 1913; Murrell, 1966; Meisel, 1987; Genesee, 1989; Redlinger & Park, 1980; Goodz, 1989; Comeau, Genesee, & Lapaquette, 2003), wenn auch nicht in allen (Genesee, Nicoladis & Paradis, 1995). Bereits Ronjat unterstrich in seiner im Jahre 1913 erschienen Arbeit Le développement du langage observé chez un enfant bilingue die Unentbehrlichkeit 31 eines adäquaten Inputs für den korrekten Spracherwerb des bilingualen Kindes. Dem Kind einen adäquaten linguistischen Input anzubieten, bedeutet für Ronjat, auf die Empfehlung von Grammont (1902) hin, die beiden Sprachen der Eltern getrennt zu halten mittels der heute etablierten Methode une persone - une langue. Nur so hat das Kind die Möglichkeit, ein ganzes linguistisches System kennenzulernen mit seinen verschiedenen Teilen: Syntaktische, morphologische, phonetische und semantische. Zur Unterstützung seiner Annahme führte Ronjat (1913: 3 - 4) das in der Arbeit von Grammont (1902: 74 - 82) zu findende Beispiel eines französischen Mädchen an, das eine Amme hatte, das Französisch mit einem starken italienischen Akzent sprach, und in dem Moment, in dem das Kind zu sprechen begann, wies es phonetische Züge auf, die der Sprache seiner Amme sehr ähnlich waren: „ Une petite fille française ayant eu une nourrice italienne qui parlait français avec un fort accent italien, s ’ étant mise à parler un mois après le départ de cette nourrice, a parlé français avec un vocabulaire dû presque à ses parents et une phonétique due à sa nourrice, la personne qu ’ elle avait le plus entendu parler dans la première année de sa vie. “ (Ronjat, 1913: 3 - 4). Von besonderem Interesse bei dieser Beobachtung ist, dass das Mädchen bereits einen Input von der Amme erhielt, bevor es die Kapazität erworben hatte, sich verbal zu äußern: „ Néanmoins son langage est tout à fait singulier et toutes le particularités qui le caractérisent paraissent être dues à ce fait qu ’ elle a eu une nourrice italienne. Elle prononce tout à l ’ italienne. Cela nous a paru d ’ autant plus remarquable que lorsqu ’ elle a commencé à parler, sa nourrice était partie depuis un mois, [. . .] c ’ est-à-dire que depuis un mois l ’ enfant n ’ avait plus entendu un seul mot italien ou prononcé à l ’ italienne [. . .] La petite fille [. . .] avait donc emmagasiné cet accent pendant qu ’ elle ne pouvais pas encore parler. “ (Grammont, 1902: 74). In Übereinstimmung mit der Einschätzung von Grammont und Ronjat, betonte Murrell die Unvollständigkeit jedweder Studie zum Prozess des Spracherwerbs eines Kindes, die eine ausführliche Beobachtung der Umgebungssprache nicht berücksichtigt (Murrell, 1966: 35). Weitere Bestätigung erhielt die These von Ronjat (1913) durch die Arbeit von Redlinger und Park (1980) an vier bilingualen Kindern. Die Autoren zeigten, dass die Kinder, deren Eltern sich strikt an die Methode une langue - une personne hielten, weniger die beiden Sprachen miteinander vermischten. Interessanterweise fand Goodz (1989) in ihrer Studie an vier bilingual französisch-englischen Kindern und deren Eltern, dass die Eltern während 32 der Kommunikation mit den Kindern ständig die beiden Sprachen mit einander mischten, obwohl sie vor Beginn der Untersuchung angegeben hatten, ausschließlich in ihrer Muttersprache mit ihren Kindern zu sprechen. Eine Reihe von Gründen können für das Verlassen der strengen Trennung der beiden Sprachen und der Verwendung von Wörtern und Strukturen außerhalb der eigenen Muttersprache, von denen sie wussten, dass das Kind sie verstanden, angeführt werden. Dazu zählen unter anderem die Notwendigkeit, in einer unmittelbaren Art mit dem Kind zu sprechen, das Bestreben, seine Aufmerksamkeit zu erzielen, oder der intensive Wunsch, insbesondere von Seiten der Mutter, mit dem Kind zu kommunizieren auf Kosten der „ reinen “ Linguistik. Goodz (1989) beobachtete, dass die Eltern in besonders relevanten Situationen oder in Momenten, in denen die Kinder besonders aufmerksam waren, dazu neigten, die beiden Sprachen miteinander zu vermischen, mit der Folge, dass das von den Eltern Gesagte eine einflussreiche Funktion im Sinne eines linguistischen Modells ausübte. Allerdings handelte es sich um ein falsches linguistisches Modell. Daraus schloss die Autorin, dass die zweisprachig aufwachsenden Kinder, die Lemmata der einen Sprache in Kombination mit der anderen Sprache verwendeten, das sprachliche Verhalten der Eltern widerspiegelten. Kinder, die von den Eltern einen aus Elementen beider Sprachen bestehenden Input erhielten, hatten somit nicht die Gelegenheit, zu erlernen, die beiden Sprachen zu trennen: „ The evidence on parental mixing provides another line of argument against interpreting children ’ s mixing as an indication of linguistic confusion. If parents actually model mixed utterances, the children have non way of knowing that a strict separation of languages should be a goal. “ (Goodz, 1989: 43). Die Ergebnisse von Goodz wurden durch die in demselben Jahr veröffentlichte Arbeit von Genesee bestätigt: „ [. . .] it is possible that bilingual children mix because they have heard mixing by their parents or other speakers in the environment. [. . .] it is necessary to study the language models to whom bilingual children are exposed in order to understand possible sources of mixing. “ (Genesee, 1989: 163). In ihrer Arbeit an fünf bilingual französisch-englischen Kindern und deren Eltern gingen Genesee, Nicoladis und Paradis (1995) der Frage nach, welche Faktoren dazu führen, dass bilinguale Kinder die beiden Sprachen vermischen unter der Annahme, dass einer der Gründe sein könnte, dass die Eltern selbst die beiden Sprachen nicht strikt voneinander trennen. In der Tat mischten die Eltern die beiden Sprachen miteinander, auch wenn sie, 33 einschließlich die mit dem größten Anteil an Sprachmischungen, vor den Aufnahmen angegeben hatten, ihre schwache Sprache während der Kommunikation mit den Kindern nie zu verwenden. Allerdings war die Häufigkeit an Sprachmischungen bei allen untersuchten Eltern niedrig und es konnte kein Zusammenhang zwischen der Neigung der Kinder, die beiden Sprachen miteinander zu vermischen, und der Sprachäußerungen der Eltern hergestellt werden. Dessen ungeachtet schmälerten die Autoren nicht die Rolle der Qualität des Inputs (Genesee, Nicoladis & Paradis, 1995: 628). In einer aktuelleren Untersuchung überprüften Comeau, Genesee und Lapaquette (2003) die Existenz der von ihnen aufgestellten Modeling Hypothesis, nach der das bilinguale Codemixing (BCM) der Kinder direkt mit dem im Input enthaltenen BCM korreliert. In dieser Arbeit zeigte sich, dass die untersuchten bilingualen Kinder (1) besonders sensibel gegenüber dem Anteil an Mischäußerungen im Input waren und (2) ihre eigene Sprachproduktion in Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Input modellierten (Comeau, Genesee & Lapaquette, 2003: 113 - 126). Dem Einfluß von Sprachmischungen im Input ging auch Lanza (2004) in einer Querschnittstudie an Kindern im Alter von zwei Jahren mit der Sprachkombination Norwegisch und Englisch nach. In Übereinstimmung mit Goodz (1989) zeigte sich erneut, dass die Eltern durchaus Sprachmischungen verwendeten trotz ihrer Beteuerung, dies nicht zu tun, und dass nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Inputs eine wichtige Rolle bei der Sprachentwicklung spielte. Die Kinder zeigten sich besonders sensibel gegenüber kontextualen Parametern, in denen die Interaktion eingebetet war. „ This study indicated that young children do indeed appear to pay attention to fine details of the linguistic input available to them. “ (Lanza, 2004: 325). Zusammenfassend setzt sich das Sprachvermögen aus einer biologisch determinierten Komponente und darüber hinaus aus einer aus der Umgebung zugänglichen Komponente zusammen, die eine entscheidende Rolle beim Erwerb der lexikalischen und grammatischen Elemente spielt, die letztlich die universellen linguistischen Fertigkeiten festlegen mittels der korrekten Verwendung der in verschiedenen Kontexten erworbenen funktionalen und positionalen Elemente bis hin zu den lexikalischen Elementen. Die aktive Komponente in dem gesamten Prozess ist sehr gering: Das Kind nimmt die Sprache unbewußt und ohne Anstrengung auf über linguistische Parameter, die es normalerweise in seiner Umgebung erwirbt. Ein adäquater Input erleichtert jedoch den schellen und zielsprachlichen Erwerb der beiden Sprachen. 34 1.6 Arbeitshypothesen 1. Hypothese: Auch wenn das bilinguale Kind mit Beginn des Sprechens über zwei getrennte linguistische Systeme verfügt, unterscheidet es sich nichtsdestoweniger beim Erwerb der beiden Sprachen von den monolingualen Kindern. Nach Meisel sollte eine mangelnde Sprachentrennung nicht allein an einem einzelnen Kriterium, dem Mixing, festgemacht werden. Vielmehr unterstrich Meisel die Wichtigkeit der Wahl geeigneter Sprachphänomene zum Beweis bzw. zur Widerlegung des Bestehens eines oder zweier getrennter linguistischer Systeme (Meisel, 1987). Auf der Grundlage dieser Auffassung galt es, in der vorliegenden Arbeit anhand geeigneter grammatischer Strukturen zu untersuchen, ob das Kind schon seit Beginn seines Spracherwerbs zwei separate Systeme aufbaut. Dazu wurden die folgenden Strukturen gewählt: 1) Die Genuskongruenz des prädikativen Adjektivs hinsichtlich des Genus, das im Italienischen immer flektiert wird und im Deutschen dagegen immer in der unveränderten Form verwendet wird, d. h. ohne Morphem weder des Genus noch des Numerus. 2) Die Genuskongruenz des attributiven Adjektivs im Italienischen und im Deutschen. Durch den Vergleich mit dem entsprechenden Genus des Substantivs in der anderen Sprache sollte in der vorliegenden Arbeit der Frage nachgegangen werden, ob die beim Kind beobachteten Genusfehler allein Folge des Spracheneinflusses sind, oder ob es sich möglicherweise auch um Fehler handelt, die die natürliche Entwicklung des Genussytems in der deutschen und italienischen Sprache anzeigen und somit Folge entweder verschiedener sich überlagernder Regeln der Genuszuweisung oder des noch nicht abgeschlossenen Erwerbs aller Regeln der Genuszuweisung sind. Das bilinguale Kind aktiviert also möglicherweise dieselben Kriterien des Genuserwerbs, die für Monolinguale beobachtet worden sind. Auch wenn von den ersten Sprachäußerungen bilingualer Kinder an zwei getrennte Sprachsysteme bestehen, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Spracherwerb von monolingualen und bilingualen Kindern Unterschiede aufweist. 2. Hypothese: Der Spracheneinfluss manifestiert sich bei der Verwendung des Adjektivs. Ausgehend von der in der Arbeit von Müller und Hulk (2000) formulierten Auffassung, dass sich der Spracheneinfluss nicht auf die Gesamtheit einer 35 Sprache bezieht, sondern sich lediglich in bestimmten grammatischen Bereichen manifestiert, galt es in der vorliegenden Arbeit zu untersuchen, ob sich ein Spracheneinfluss bei dem Erwerb des Adjektivs zeigt. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf den positiven wie auch negativen Transfer und der daraus folgenden Beschleunigung oder Verlangsamung gelegt werden. Ein möglicher Spracheneinfluss wurde an der Position des attributiven Adjektivs im Italienischen und im Deutschen untersucht. Während im Deutschen bei Kindern im Vorschulalter Adjektive lediglich in pränominaler Position Verwendung finden, treten im Italienischen in diesem Zeitraum Adjektive auf, die sowohl präals auch postnominal positioniert werden können. Im Italienischen kann die Verwendung einiger attributiver Adjektive in einer pränominalen Position dem Satz oder dem Satzgefüge, das es enthält, einen gehobenen Ton verleihen (vgl. Kapitel 2.2.1.2). Entsprechend findet sich ein solcher Gebrauch der pränominalen Position im Allgemeinen selten in der gesprochenen Alltagssprache, sondern vielmehr in der formalen Schriftsprache. Möglicherweise weist das bilingual deutsch-italienische Kind durch den Einfluss der deutschen Sprache auf die italienische Sprache eine Tendenz auf, auch im Italienischen die pränominale Position des attributiven Adjektivs zu bevorzugen und verleiht seiner Sprache somit, wenn auch möglicherweise unbewusst, eine literarische Schattierung, im Sinne eines positiven Transfers. Darüber hinaus sollte basierend auf der Arbeit von Müller, Cantone, Kupisch und Schmitz (2002) untersucht werden, ob der Spracheneinfluss bei der Verwendung des Adjektivs auch bei sprachlich balancierten Kindern auftritt und ob der Spracheneinfluss nicht nur von der starken Sprache in Richtung der schwachen Sprache abläuft (unidirektional), sondern auch von der schwachen Sprache in Richtung der starken Sprache (bidirektional). 3. Hypothese: Beim Erwerb des Adjektivs zeigen sich sowohl bei bilingual deutsch-italienischen Kindern als auch bei monolingualen Kindern dieser beiden Sprachen robuste wie auch fehleranfällige Bereiche, sowohl im Italienischen als auch im Deutschen, und dies unabhängig davon, ob es sich um die starke oder schwache Sprache des Kindes handelt. Die Analyse der robusten Bereiche umfasste den Erwerb: 1) Des prädikativen Adjektivs. 36 Dagegen beinhaltete die Analyse der fehleranfälligen Bereiche: 2) Die Possessivumstellung im Italienischen und im Deutschen 3) Der Gebrauch des Artikels vor den Possessiva sowohl im Italienischen als auch im Deutschen. 4. Hypothese: Das bilinguale Kind folgt beim Erwerb des Adjektivs nicht demselben Spracherwerbsverlauf eines L2-Lerners, weder in seiner starken und noch in seiner schwachen Sprache. In der linguistischen Forschung des Bilinguismus wird die Frage, ob der Erwerb beider Sprachen des doppelten Erstspracherwerbs demselben Verlauf folgt wie der Erwerb einer L1, also dem Erstspracherwerb, oder ob die schwache Sprache des bilingualen Kindes einen Verlauf nimmt, der dem einer L2 und nicht dem einer L1 ähnelt, sehr kontrovers diskutiert. In der vorliegenden Untersuchung an bilingualen Kindern, die in einem natürlichen Umfeld die beiden Sprachen Deutsch und Italienisch erwarben, galt es zu zeigen, welche der beiden zuvor genannten Theorien auf den Erwerb der folgenden Strukturen zutrifft: 1) Der Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv im Deutschen unter besonderer Berücksichtigung der Reihenfolge des Erwerbs, der Schwierigkeiten und der Art der Fehler 2) Der Erwerbsreihenfolge der Kasus- und Genusmarkierung am attributiven Adjektiv. Zur Bearbeitung der Frage, ob die starke und die schwache Sprache eines bilingualen Kindes den Verlauf einer L1 oder einer L2 folgt, wurden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit auch mit denen anderer Studien verglichen. Zuletzt galt es zu zeigen, dass das bilinguale Kind beim Erwerb des Adjektivs allenfalls eine Zeitverzögerung, aber keine Entwicklungsverzögerung aufweist. 5. Hypothese: Der nicht-zielsprachliche Adjektivgebrauch der Kinder lässt sich auf den Input, dem sie ausgesetzt sind, zurückführen. Zur Untersuchung dieser Hypothese galt es, eine Reihe von Interviews, die mit den Eltern der Kinder durchgeführt wurden, zu analysieren mit dem Ziel, Strukturen zu identifizieren, die diese Hypothese unterstützen bzw. widerlegen. 37 2 Das Adjektiv und das Genussystem in den Zielsprachen Italienisch und Deutsch 2.1 Die verwendete Terminologie Vor der Beschreibung des Adjektivs in den beiden Zielsprachen Italienisch und Deutsch gilt es an dieser Stelle, die verwendete Terminologie genauer zu definieren unter besonderer Berücksichtigung des eigentlichen Schwerpunktes der vorliegenden Arbeit, dem Erwerb der Flexion des Adjektivs und seiner korrekten Position in Bezug auf das Nomen, auf das es sich bezieht. Bedauerlicherweise existiert weder in der Grammatik noch in der Linguistik ein allgemeingültiger Konsens darüber, welche Wörter zu der Kategorie der Adjektive zu zählen sind. Die traditionellen italienischen Grammatiken schließen im Allgemeinen in die Kategorie der Adjektive sowohl die qualifizierenden als auch die determinativen Adjektive, die die Subklassen der possessiven (aggettivi possessivi), demonstrativen (aggettivi dimostrativi) und indefiniten Adjektive (aggettivi indefiniti) sowie die Zahladjektive (aggettivi numerali) umfassen, mit ein (Dardano, 1999; Calboli, 1989; Salvi, 2004). Hingegen grenzen die deutschen Grammatiken der italienischen Sprache diese beiden Kategorien voneinander ab und ordnen die determinativen Adjektive nach den Klassen von Nomina, die die Determinierer normalerweise beschreiben (Schwarze, 1988). Bei der Beschreibung des Adjektivs in der deutschen Sprache sind folgende Aspekte zu beachten: Die traditionellen deutschen Grammatiken schließen in die Kategorie des Adjektivs nur qualifizierende Adjektive ein und betrachten die determinativen Adjektive nicht als Adjektive, sondern als Pronomina (Duden, 1995). Im Gegensatz zu dieser Betrachtungsweise formulierte der amerikanische Grammatiker Curme (1964): „ Adjectives may be divided into two general classes - descriptive and limiting adjectives. A descriptive adjective is one that expresses some quality or attribute of the object designated by the noun. A limiting adjective is one that merely defines or restricts the meaning of a noun. “ (Curme, 1964: 126). Zudem vertritt Curme die Ansicht, dass: „ Limiting adjectives are devided into two classes - numeral and pronominal adjectives. “ (Curme, 1964: 147). 38 Zu der letzteren Adjektivklasse gehören auch die, die in den traditionellen deutschen Grammatiken als Demonstrativpronomina, Indefinitpronomina, Possessivpronomina und Interrogativpronomina bezeichnet werden. Curme verwendet demnach den Begriff Adjektiv, indem er ihm einen Sinn zuschreibt, der dem in italienischen Grammatiken sehr ähnlich ist. In den vergangenen Jahren hat sich in der Linguistik eine lebhafte Diskussion entwickelt, ob Demonstrativ-, Indefinit-, Possessiv- und Interrogativpronomina im Deutschen, wie in anderen Sprachen, als Determinanten oder Adjektive zu betrachten sind. Vater (1981, 1984) postulierte für die deutsche Sprache eine Klasse, die er zunächst „ Artikelformen “ (1951) nannte und in der Folge Determinantien (1979). Dieser Gruppe gehören neben den Demonstrativa und den Quantoren, wie all-, jed-, einige, mehrere etc., auch die Possessiva an. Letztere verbreiten aber aufgrund ihrer inhärenten pronominalen Funktion viel Untersicherheit hinsichtlich ihrer Kategorisierung. So schlossen Olsen (1989, 1991) und Vater (1991) die Possessiva aus der Kategorie der Determinantien aus und fügten sie zu den Pronomina hinzu. Gallmann (1990) gruppierte die bestimmten Artikel, die Demonstrativa und die Possessiva zunächst unter dem allgemeinen Ausdruck „ adjektivartige Lexeme “ , bezeichnete sie in der Folge aber, wie bereits von Helbig und Buscha (1984) vorgeschlagen, als „ Artikelwörter “ : „ Ich habe gesagt, daß die Artikelwörter adjektivartig sind. Dies betrifft unter anderem die folgenden Signifiè- und Signifiant-Merkmale: Sie sind nach Kasus, Numerus und Genus bestimmt. Ihre Flexionssuffixe entsprechen weitgehend denjenigen der starken Adjektive. “ (Gallmann, 1990: 199). Die Klassifikation der „ bestimmenden Adjektive “ und die mit ihr verbundene Terminologie werden demnach weder in den traditionellen Grammatiken noch in der linguistischen Forschung einheitlich gebraucht. Aus diesem Grunde findet in dieser Arbeit eine möglichst neutrale Terminologie Verwendung. Als Oberbegriffe dienen, angelehnt an die traditionellen italienischen Grammatiken, die bestimmenden Adjektive (aggettivi determinativi) und die qualifizierenden Adjektive (aggettivi qualificativi). Innerhalb dieser Gruppen werden sowohl im Italienischen als auch im Deutschen die Begriffe Possessiva, Indefinita, Demonstrativa, Interrogativa, Numeralia, etc. gebraucht. Die Determinantien als Adjektive zu werten, bietet sich deshalb an, da sie, mit Ausnahme einiger Indefinita, als gemeinsames Charakteristikum mit den qualifizierenden Adjektiven neben der Kongruenz mit dem Nomen hinsichtlich Genus und Numerus (im Deutschen auch hinsichtlich des Kasus) die unmittelbare Nähe zum Substantiv aufweisen. 39 2.2 Das Adjektiv in der Zielsprache Italienisch 2.2.1 Die qualifizierenden Adjektive im Italienischen Das Adjektiv hat die Funktion, ein Substantiv oder einen anderen Teil des Satzes semantisch zu modifizieren, von dem es syntaktisch abhängt und mit dem es hinsichtlich Genus und Numerus immer übereinstimmt. In der italienischen Grammatik werden Adjektive traditionell in die beiden Hauptkategorien qualifizierende Adjektive (aggettivi qualificativi) und bestimmende Adjektive (aggettivi determinativi) eingeteilt. Während qualifizierende Adjektive eine Qualität des Substantivs, auf das sie sich beziehen, zum Ausdruck bringen, präzisieren bestimmende Adjektive das Nomen, das sie begleiten, etwa hinsichtlich des Besitzes, der räumlichen Position und der Quantität. Eine besondere Art der qualifizierenden Adjektive stellen die Beziehungs- oder Relationsadjektive dar (Dardano, 2002). Unter relationalen Adjektiven, auch als untypische Adjektive bezeichnet (Schwarze, 1988), werden die Adjektive zusammengefasst, die sich von einem Nomen ableiten, wie etwa mensile ‚ monatlich ‘ von mese ‚ Monat ‘ oder suina ‚ Schweine- ‘ von suino ‚ Schwein ‘ , und somit eine Verbindung herstellen zwischen dem Nomen, von dem sie sich ableiten, und dem Substantiv, auf das sie sich beziehen. Diese Adjektive verfügen über die folgenden ihrer Gruppe eigenen Regeln: - Sie werden nie vor dem Nomen verwendet. - Sie verfügen nicht über komparative oder superlative Formen. - Sie werden nicht in prädikativer Funktion verwendet. 2.2.1.1 Die Funktionen der qualifizierenden Adjektive im Italienischen Innerhalb des Satzes kann das qualifizierende Adjektiv unterschiedliche Funktionen erfüllen. Im Italienischen, wie auch im Deutschen können die qualifizierenden Adjektive die folgenden Funktionen aufweisen: - Attributive Funktion - Prädikative Funktion - Substantivierte Funktion (Nominalisierung) - Adverbiale Funktion. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Erwerb der attributiven und prädikativen Adjektive liegt, sollen nur diese genauer dargestellt werden. 40 I. Eine attributive Funktion liegt vor, wenn Adjektiv und Substantiv direkt miteinander verbunden sind, wie z. B. in: (6) la casa moderna ‚ das moderne Haus ‘ . II. Eine prädikative Funktion besteht, wenn eine Verbindung zwischen Adjektiv und Substantiv durch ein kopulatives Verb, wie etwa essere ‚ sein ‘ , sembrare ‚ scheinen ‘ oder parere ‚ aussehen ‘ , hergestellt wird, wie in dem Beispiel: (7) La casa è moderna. ‚ Das Haus ist modern. ‘ oder durch ein Verb, das zu einer der folgenden Gruppen gehört: - Appellative Verben, wie z. B. essere chiamato ‚ gerufen werden ‘ , essere soprannominato ‚ genannt werden ‘ - Elektive Verben, wie z. B. essere eletto ‚ gewählt werden ‘ , essere proclamato ‚ ausgerufen werden ‘ - Effektive Verben, wie z. B. essere fatto ‚ gemacht werden ‘ . 2.2.1.2 Die Position der qualifizierenden attributiven Adjektive im Italienischen Das attributive Adjektiv kann in pränominaler als auch postnominaler Position auftreten. In einigen Fällen kann die Änderung der Position einen Wechsel des sprachlichen Registers mit sich bringen. Beispielsweise erhält der Satz (8) Nel viso bianco, gli occhi troppo intensi parevano divorare le guance smunte e la fronte pallida. 1 ‚ . . ., bleichem Gesicht und beherrschenden brennenden Augen. Sie schienen die fahle Stirn, die eingefallenen Wangen gleichsam verzehren zu wollen. ‘ 2 nach Änderung der Adjektivposition zu (9) Nel bianco viso, i troppo intensi occhi parevano divorare le smunte guance e la pallida fronte. 1 Entnommen aus Dardano, M. & P. Trifone 2002 Grammatica italiana modulare. Bologna: Zanichelli, Seite 136. 2 Entnommen aus der deutschen Übersetzung Der Ungehorsam (1964) Wien / München / Basel: Verlag Kurt Desch des Romans La Disubbidienza von Alberto Moravia. 41 einen gesteigerten literarischen Ausdruck. Nicht selten hat die Änderung der Adjektivposition einen Bedeutungswechsel zu folge. In einigen Fällen ist die Veränderung der Position nicht erlaubt. Das dem Nomen vorstehende attributive Adjektiv hat eine rein deskriptive Funktion (Adorno, 1999), wie in dem folgenden Beispiel: (10) Ho incontrato la giovane sorella di Giuseppe. ‚ Ich habe die junge Schwester von Giuseppe getroffen. ‘ . Hingegen hat es in postnominaler Position eine restriktive attributive Funktion (Adorno, 1999), indem es das Substantiv, auf das es sich bezieht, näher spezifiziert. Die Änderung der Position des Adjektivs in dem zuvor angeführten Beispiel zu: (11) Ho incontrato la sorella giovane di Giuseppe (non quella vecchia). ‚ Ich habe die junge Schwester von Giuseppe getroffen (nicht die ältere). ‘ unterstreicht, dass die junge und nicht etwa die ältere Schwester getroffen wurde. Darüber hinaus erhalten einige Adjektive eine besondere Bedeutung, abhängig davon, ob sie prä- oder postnominal gebraucht werden, wie anhand der folgenden Beispiele gezeigt werden soll: (12) un uomo povero ‚ ein armer Mann ‘ (13) un pover ’ uomo ‚ ein armer Teufel ‘ (14) un uomo grande ‚ ein großer Mann ‘ (15) un grand ’ uomo ‚ ein bedeutender Mann ‘ . Die folgenden semantischen Adjektivkategorien kommen ausschließlich in postnominaler Position vor: Farben, wie z. B.: (16) la camicia rossa ‚ das rote Hemd ‘ Formen, wie z. B.: (17) la borsa tonda ‚ die runde Tasche ‘ Nationale/ regionale Zugehörigkeit, wie z. B.: (18) il popolo francese ‚ das französiche Volk ‘ Religiöse Zugehörigkeit, wie z. B.: (19) il prete cattolico ‚ der katholische Priester ‘ Adjektivisch gebrauchte Partizipien, wie z. B.: (20) il prosciutto affumicato ‚ der geräucherte Schinken ‘ Mehrere Adjektive hintereinander, wie z. B.: (21) case belle e grandi ‚ schöne und große Häuser ‘ 42 Näher bestimmte Adjektive, wie z. B.: (22) persone proprio strane ‚ wirklich komische Personen ‘ Relationsadjektive, wie z. B.: (23) la situazione finanziaria ‚ die Finanzlage ‘ . 2.2.1.3 Die syntaktische Analyse des Adjektivs Die Frage nach dem kategorialen Status und den entsprechenden syntaktischen Derivationen prä- und postnominaler Adjektive innerhalb der DP ist in der Literatur viel diskutiert worden. Die Mehrzahl der Autoren stimmt darin überein, Adjektive wie lexikalische Köpfe zu behandeln. Jedoch nahm Abney (1987) an, dass Adjektive nicht lexikalische, sondern funktionelle Köpfe sind und ihre Komplemente (NPn, DPn, APn) im Sinne einer F-Selektion auswählen. Für die vorliegende Arbeit war es aber letztlich nicht entscheidend, ob Adjektive lexikalische oder funktionelle Kategorien sind. Hinsichtlich der syntaktischen Derivation des Adjektivs existieren mindestens zwei Hauptbetrachtungsweisen, die von zwei unterschiedlichen syntaktischen Derivationen ausgehen. Auf der einen Seite beruht der Satzstruktur-Ansatz darauf, dass Adjektive mittels einer Satzstruktur- Regel entweder links oder rechts von der NP generiert werden, wie in den Beispielen (24) und (25): (24) [ DP D [ AP A[ NP N]]] (25) [ DP D [ AP [ NP N] A]]. Diese Analyse wird zwar durch die beiden Eigenschaften von attributiven Adjektiven, die der Iteration und der Optionalität bestätigt, kann allerdings nicht erklären, dass es einer gewissen Begrenzung bei der Anzahl an attributiven Adjektiven bedarf, die in der NP bereitgestellt werden. Romanische Sprachen beispielsweise begrenzen die Zahl attributiver Adjektive, über die eine NP verfügen kann (Cinque, 1995). Darüber hinaus kann die Satzstruktur-Analyse nicht die lineare Anordnung von Adjektiven untereinander erklären, auch nicht die Position rechts oder links vom Nomen (Cinque, 1995). Auf der anderen Seite geht der Universal-Base-Ansatz von einer gemeinsamen zugrunde liegenden syntaktischen Struktur für prä- und postnominale Adjektive aus (Cinque, 1990, 1993, 1994; Valois, 1991; Delsing, 1993; Svenonius, 1994; Rowlett, 2007; unter anderen). Die Oberflächenposition des Adjektivs wird als eine N-Bewegung oder das Setzen der NP an den Anfang des Satzes beschrieben (Ross, 1986; Kayne, 1994; Cinque, 2010). Innerhalb des Universal-Base-Ansatzes schlägt Kayne (1994) vor, dass 43 attributive Adjektive ihren Ursprung in ihrem prädikativen Gebrauch haben und deshalb reduzierte Relativsätze umfassen. Genauer formuliert, entstammen attributive Adjektive der Komplementposition eines Relativsatzes, einem CP-Komplement von D, der ein nominales Subjekt in Spec,IP aufnimmt. In dem Falle eines pränominalen Adjektivs beeinflusst der Anstieg innerhalb des reduzierten Nebensatzes die AP: Die AP bewegt sich zu Spec,CP über die Subjekt-NP, wie in dem Beispiel (26) gezeigt. Wenn das Adjektiv postnominal auftritt, sind mehr Bewegungsabläufe sowohl der AP als auch der NP erforderlich, wie in Beispiel (27) gezeigt. (26) [ DP [ D la] [ CP [ AP pálida] [ C ] [ IP [ NP luz] [ I [ AP pálida]]]]] ‚ das blasse Licht ‘ (27) [ DP [ D la] [ FP [ F luz] [ CP [ AP pálida] [ C [ N luz]] [ IP [ NP luz] [ I [ AP pálida]]]]]] ‚ das Licht blass ‘ Die syntaktischen Abläufe, die für die postnominale Position des Adjektivs benötigt werden, können wie folgt beschrieben werden: Zu aller erst bewegt sich die AP in Spec,CP, wie es auch für pränominale Adjektive der Fall ist. Anschließend bewegt sich der NP-Kopf von Spec,IP nach C und schreitet schließlich weiter voran nach F, einer funktionalen Projektion lokalisiert zwischen DP und CP, die zum Beispiel NumP entsprechen könnte. Deshalb erfordert, entsprechend diesem Ansatz, die pränominale Adjektivplatzierung nur einen Bewegungsschritt, nämlich die AP-Bewegung, wohingegen postnominale Adjektive mittels einer größeren Anzahl von Derivationsschritten generiert werden (AP-Bewegung und N-Bewegung). Aus diesem Grunde ist die syntaktische Derivation pränominaler Adjektive ökonomischer als die postnominale Platzierung. Kaynes (1994) Ansatz hat jedoch einige Schwächen. Erstens bleibt es unerklärt, warum es attributiven Adjektiven in germanischen Sprachen nur erlaubt ist, in pränominaler Position aufzutreten, wohingegen reduzierte Relativsätze in diesen Sprachen auch postnominal platzierte Adjektive aufweisen, wie zum Beispiel reduzierte Partizipialsätze wie die Katze schlafend (Cinque, 2010: 61). Zweitens, falls die Prädikation der Grund für die syntaktische Analyse wäre, sollte die Verteilung der prädikativen Adjektive verbreiteter sein; jedoch ist das Gegenteil der Fall (Alexiadou & Wilder, 1998; Pysz, 2006). Angesichts dieser Schwächen schlug Cinque (2010) vor, dass Adjektive an der Derivation der DPn auf zwei unterschiedliche Weisen beteiligt sind, abhängig von ihrer Interpretation: als phrasaler Spezifizierer einiger erweiteter Projektionen von N oder als Prädikate eines reduzierten Nebensatzes. Somit ist die genaue Adjektivderivation nicht abschließend geklärt und noch Gegenstand der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. Die syntaktische Analyse der Adjektive in der vorliegenden Arbeit beruht trotz 44 der zuvor angeführten Schwächen auf dem Ansatz von Kayne, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: (1) Die postnominale Adjektivplatzierung ist komplexer als die pränominale und (2) postnominale attributive Adjektive sind vermutlich auf eine zugrunde liegende Struktur zurückzuführen, die auch für die pränominale Position notwendig ist. Auch wenn in romanischen Sprachen die Wortstellung ein syntaktisches Mittel ist, Informationen zu übermitteln über Präsupposition, Fokus usw., und somit die Diskurspragmatik bei der Adjektivreihenfolge über eine bestimmte syntaktische Derivation entscheiden könnte (vgl. auch López, 2009 für die invasive Funktion der Pragmatik auf die Syntax), so ist im Italienischen die Diskurspragmatik nur für einen besonderen pränominalen Adjektivgebrauch relevant und für die meisten Aspekte der Adjektivplatzierung irrelevant (Giusti, 2006). Somit liegt keine Schnittstelle zwischen Pragmatik und Syntax vor und Bedingung (2) für einen crosslinguistischen Einfluss ist nicht erfüllt. In Übereinstimmung mit Bedingung (1) für einen crosslinguistischen Einfluss sollten die Oberflächenstrukturen der beiden Sprachen A und B ableitbar sein in Form von der syntaktischen Derivation von einer Sprache (die weniger komplex ist). Die in der vorliegenden Arbeit analysierten Sprachen weisen zwei Arten der Derivation auf, eine für prä- und eine andere (komplexere) Analyse für eine postnominale Adjektivplatzierung. Zwar kann die postnominale Reihenfolge generiert werden, indem die Derivation der pränominalen Adjektivplatzierung verwendet wird, nicht jedoch umgekehrt. Aus diesem Grunde ist auch Bedingung (1) nicht erfüllt. Da demnach keine der beiden Kriterien vorliegen, sollte kein crosslinguistischer Einfluss auftreten, in dem Sinne, dass das Kind eine weniger komplexe Ableitung von Sprache A verwendet, wenn es DPn erstellt, die ein Adjektiv in Sprache A und in Sprache B enthalten (Hulk & Müller, 2000; Müller & Patuto, 2009). Die Adjektivplatzierung bei bilingualen Kindern ist somit ein geeigneter Bereich, den Einfluss von Inputfrequenzen zu testen. Es lassen sich also die folgenden Vorhersagen für die Adjektivplatzierung bei bilingual deutsch-italienischen Kindern machen: 1. Falls die Berechnungskomplexität 3 eine Rolle spielt bei den bei bilingualen Kindern zu beobachteten Problemen, sollten die nicht-zielsprachlichen Platzierungen pränominale Adjektive betreffen, da die pränominale Platzierung einen Schritt bei der postnominalen Platzierung darstellt. 3 Berechnungskomplexität (engl. computational complexity): Annahme, dass die Bildung eines Satzes eine syntaxinterne Berechnung zufolge hat, deren Aufwändigkeit abhängig von der Komplexität des Satzes ist (Müller, Kupisch, Schmitz & Cantone, 2006). 45 2. Falls die Berechnungskomplexität der Grund für nicht-zielsprachliche Adjektivplatzierung ist, sollte das Ausmaß, zu dem bilinguale Kinder Probleme haben, unabhängig von der Sprachdominanz sein, sondern lediglich von dem Umstand abhängen, dass das Kind zwei Sprachen erwirbt. 2.2.1.4 Die Flexion der qualifizierenden Adjektive im Italienischen Das qualifizierende Adjektiv stimmt hinsichtlich des Genus und Numerus mit dem Substantiv überein, auf das es sich bezieht. Bezüglich der Flexion gliedern sich die qualifizierenden Adjektive im Allgemeinen in zwei Hauptklassen. Die erste Klasse umfasst vier Endungen mit verschiedenen Formen für Genus und Numerus: -o für Maskulinum Singular, wie z. B. buono ‚ gut ‘ -a für Femininum Singular, wie z. B. bella ‚ schön ‘ -i für Maskulinum Plural, wie z. B. uomini coraggiosi ‚ mutige Männer ‘ -e für Femininum Plural, wie z. B. giornate luminose ‚ helle Tage ‘ . Die zweite Klasse beinhaltet die Adjektive mit zwei Endungen also je eine Form im Plural und Singular unabhängig vom Genus: -e für Maskulinum und Femininum Singular, wie z. B. amica gentile ‚ nette Freundin ‘ , ragazzo umile ‚ bescheidener Junge ‘ -i für Maskulinum und Femininum Plural, wie z. B. amiche gentili ‚ nette Freundinnen ‘ , ragazzi umili ‚ bescheidene Jungen ‘ . Eine Zusammenfassung der Flexionsregeln für die qualifizierenden Adjektive findet sich in Tabelle 1. Tabelle 1: Das Flexionssystem der italienischen qualifizierenden Adjektive. Maskulinum Femininum 1. Klasse Singular -o -a Plural -i -e 2. Klasse Singular -e -e Plural -i -i Ausnahmen bestehen für: - Einige Adjektive, die im Singular unabhängig vom Genus mit -a enden, im Plural in der weiblichen Form auf -e und in der männ- 46 lichen Form auf -i enden. Zu dieser Gruppe gehören Adjektive mit den Endungen - ista, -ida, -ita, wie z.B: (28) una donna egoista ‚ eine egoistische Frau ‘ (29) due donne suicide ‚ zwei selbstmörderische Frauen ‘ (30) due uomini ipocriti ‚ zwei scheinheilige Männer ‘ . - Die folgenden Kategorien, die hinsichtlich Genus und Numerus nicht unterschieden werden können: - Farbadjektive, wie z. B. rosa ‚ rosa ‘ , lilla ‚ lilafarben ‘ , viola ‚ veilchenblau ‘ , beige ‚ beige ‘ , indaco ‚ indigoblau ‘ - Adjektve, die mit einem betonten Vokal enden, wie z.B blu ’ ‚ blau ‘ , rococo ’ ‚ Rokoko- ‘ , blase ’ ‚ blasiert ‘ - Adjektive, die Farbnuancen anzeigen, wie z. B. chiaro ‚ hell ‘ , scuro ‚ dunkel ‘ , cupo ‚ düster ‘ , pallido ‚ blass ‘ - Kompositionen aus einem Adjektiv und einem Substantiv, wie z. B.: (31) una giacca giallo canarino ‚ eine kanariengelbe Jacke ‘ (32) una coperta verde oliva ‚ eine olivgrüne Decke ‘ - die Adjektive pari ‚ gerade ‘ , impari ‚ ungleich ‘ , dispari ‚ ungerade ‘ , wie z. B. in: (33) un numero pari ‚ eine gerade Zahl ‘ (34) giorni dispari ‚ ungerade Tage ‘ - Adjektive, die sich aus anti + Substantiv zusammensetzen, wie z. B. in: (35) centro anticancro ‚ Krebsforschungszentrum ‘ (36) vernice antiruggine ‚ Rostschutzfarbe ‘ . 47 2.2.1.5 Besonderheiten der qualifizierenden Adjektive Bei zusammengesetzten Adjektiven verändert sich nur die Endung des zweiten Teils der Komposition in Abhängigkeit von Genus und Numerus, wie z. B.: (37) una tenda variopinta ‚ ein bunter Vorhang ‘ (38) un diritto sacrosanto ‚ ein unantastbares Recht ‘ . Wenn sich das Adjektiv auf mehrere Substantive desselben Geschlechts bezieht, nimmt das Adjektiv das Genus der entsprechenden Nomen an, wie z. B.: (39) Giacca e borsa sono rosse. ‚ Jacke und Tasche sind rot. ‘ . Unterscheiden sich die Nomen, auf das sich das Adjektiv bezieht, hinsichtlich des Genus, verändert sich das Adjektiv entsprechend der maskulinen Form im Plural, wie z. B.: (40) Tavolo e sedia sono belli. ‚ Tisch und Stuhl sind schön. ‘ . 2.2.2 Die bestimmenden Adjektive im Italienischen Die bestimmenden Adjektive bilden eine weitestgehend homogene Gruppe. Sie unterteilen sich in Possessiva, Demonstrativa, Indefinita, Interrogativa und Numeralia. Im Gegensatz zu den qualifizierenden Adjektiven, die sowohl in präals auch postnominaler Position Verwendung finden, treten die bestimmenden Adjektive fast ausschließlich vor dem Nomen auf. Einzige Ausnahme stellen die Possessiva dar, die sowohl präals auch postnominal gebraucht werden. In einigen Teilen Mittel- und Süditaliens wird die Verwendung des Possessivums vor dem Nomen als normal angesehen, ohne dass es zu einer Veränderung der Bedeutung des Satzes käme. Ebenso wie die qualifizierenden Adjektive stimmen die bestimmenden Adjektive mit dem Nomen, auf das sie sich beziehen, hinsichtlich Genus und Numerus überein. Nicht unerwähnt sollen feststehende Begriffe bleiben, wie z. B. a mia volta ‚ meinerseits ‘ , per conto mio ‚ ich für meine Person ‘ , a casa mia ‚ bei mir zu Hause ‘ . 2.2.2.1 Die Possessiva im Italienischen Die Possessiva haben die doppelte Funktion, sowohl das Objekt als auch den Besitzer zu spezifizieren. Im Italienischen existieren insgesamt vier Endungen, zwei für Maskulinum und Femininum Singular und zwei für Maskulinum und Femininum Plural. Eine Ausnahme stellt loro ‚ ihr ‘ dar, das in allen vier Fällen unverändert verwendet wird (Tabelle 2). 48 Tabelle 2: Die italienischen Possessiva. Singular Plural Maskulinum Femininum Maskulinum Femininum Singular 1. Pers. mio mia miei mie 2. Pers. tuo tua tuoi tue 3. Pers. suo sua suoi sue Plural 1. Pers. nostro nostra nostri nostre 2. Pers. vostro vostra vostri vostre 3. Pers. loro loro loro loro Proprio ‚ eigen ‘ und altrui ‚ fremd, anderer ‘ werden traditionell auch als Possessiva bezeichnet. Proprio kann das Possessivum in der dritten Person singular oder plural ersetzen, wenn es sich auf das Subjekt des Satzes bezieht, wie in dem Beispiel: (41) Ha investito il proprio tempo in questa impresa. ‚ Er/ Sie hat seine/ ihre eigene Zeit in diese Firma investiert. ‘ . Die alternative Verwendung von proprio zu suo und loro bietet sich insbesondere dann an, wenn diese zu Ambivalenzen führen können, wie im folgenden Beispiel gezeigt: (42) Giuseppe ha dato a Marco il proprio libro. ‚ Giuseppe hat Marco das eigene Buch gegeben. ‘ . Bei der Verwendung von suo wäre es nicht eindeutig, ob das Buch Giuseppe oder Marco gehört. Daneben wird proprio in unpersönlichen Redewendungen, wie z. B. in: (43) Bisogna far valere i propri diritti. ‚ Es ist notwendig seine Rechte geltend machen. ‘ und als Verstärkung eines Possessivums gebraucht, wie z. B. in: (44) L ’ ho fatto con le mie proprie mani. ‚ Ich habe es mit meinen eigenen Händen gemacht. ‘ . Altrui findet Verwendung, wenn der Besitzer unbekannt ist, wie etwa in: (45) È giusto rispettare i diritti altrui. ‚ Es ist richtig die Rechte anderer zu achten. ‘ . 49 Altrui ist unveränderlich und nimmt ausschließlich eine postnominale Position ein. 2.2.2.1.1 Die Position der italienischen Possessiva Die Possessiva können in prä- und postnominaler Position auftreten. Postnominal werden sie gebraucht in Ausrufen, wie z. B.: (46) Figli miei! ‚ Meine Kinder ‘ (47) Tesoro mio! ‚ Mein Schatz ‘ zur Betonung der Besitzverhältnisse, wie z. B.: (48) È denaro tuo (non mio). ‚ Es ist dein Geld (nicht meins). ‘ (49) È la macchina tua (non mia). ‚ Es ist dein Auto (nicht meins). ‘ in feststehenden Begriffen, wie z. B.: (50) per conto mio ‚ ich für meine Person ‘ (51) a casa mia ‚ bei mir zu Hause ‘ . 2.2.2.1.2 Der Gebrauch des Artikels vor den Possessiva Im Italienischen geht dem Possessivum im Allgemeinen ein Artikel voran. Der Artikel wird hingegen ausgelassen, wenn sich das Possessivum auf ein Nomen im Singular bezieht, das ein Verwandtschaftsverhältnis anzeigt, wie z. B.: (52) mio zio ‚ mein Onkel ‘ (53) mia sorella ‚ meine Schwester ‘ (54) mio padre ‚ mein Vater ‘ . Ausnahmen von dieser Regel stellen dar: - Loro und proprio, die immer von einem Artikel begleitet werden. - Die ein Verwandtschaftsverhältnis anzeigenden Nomen auch im Singular, sobald sie modifiziert werden, wie z. B.: (55) la mia sorellina ‚ mein Schwesterchen ‘ (56) la mia mammina ‚ mein Mütterchen ‘ (57) la vostra cuginetta ‚ euer Cousinchen ‘ - Die ein Verwandtschaftsverhältnis anzeigenden Nomen auch im Singular, wenn sie ein besonders inniges Verhältnis widerspiegeln, wie z. B.: (58) il mio papà ‚ mein Papa ‘ , (59) il nostro figliolo ‚ unser Sohnemann ‘ . 50 - Die ein Verwandtschaftsverhältnis anzeigenden Nomen, unabhängig davon, ob sie modifiziert sind, wenn sie von einem qualifizierenden Adjektiv begleitet werden, wie z. B.: (60) il vostro caro papà ‚ euer lieber Papa ‘ (61) la mia cara sorella ‚ meine liebe Schwester ‘ . 2.2.3 Die Demonstrativa im Italienischen Die Demonstrativa bestimmen den räumlichen Zusammenhang zu dem Substantiv, auf das sie sich beziehen. Dementsprechend tritt das Demonstrativum ausschließlich in pränominaler Position auf und ihm geht niemals ein Artikel voraus. Abhängig von der Distanz zwischen dem Objekt, auf das sich bezogen wird, und dem, der spricht, oder dem, der zuhört, werden z. B. verwendet questo ‚ dieser ‘ , codesto ‚ dieser ‘ und quello ‚ jener ‘ . Ähnlich wie die qualifizierenden Adjektive verfügen sie über verschiedene Formen für Singular und Plural sowie Maskulinum und Femininum. Das Substantiv begleitende questo zeigt eine Nähe zu dem Sprechenden an. Im Singular wird es, wenn einem mit einem Vokal beginnenden Substantiv vorangeht, häufig elidiert. Im Gegensatz dazu wird der Vokal am Ende dieses Demonstrativums im Plural nur dann weggelassen, wenn es maskulinen Nomen, die mit i anlauten, vorangeht, wie z. B. in: (62) quest ’ incoscienti ‚ diese Gewissenlosen ‘ . Von diesem Adjektiv existieren auch archaische Formen, die heute überwiegend in Dialekten verwendet werden, wie z. B. ’ sto, ’ sta, ’ sti, ’ ste. Codesto zeigt eine räumliche Nähe zwischen Objekt und Zuhörer an. Sein Gebrauch beschränkt sich aber auf die literarische und bürokratische Sprache, ohne dass es apostrophiert wird. Quello weist auf eine Entfernung zwischen dem Sprechenden und dem Zuhörer hin. In den Tabellen 3 und 4 sind die Endungen der italienischen Demonstrativa zusammengefasst. Tabelle 3: Das Flexionssystem der italienischen Demonstrativa questo und codesto. Singular Plural Maskulinum Femininum Maskulinum Femininum questo questa questi queste codesto codesta codesti codeste 51 Tabelle 4: Das Flexionssystem des italienischen Demonstrativums quello. Singular Plural Maskulinum Femininum Maskulinum Femininum quel quella quei quelle quello quella quegli quelle quell ’ quell ’ quegli quelle Wie aus Tabelle 4 ersichtlich, verfügt quello über verschiedene Formen in Abhängigkeit davon, wie das Substantiv, auf das es sich bezieht, beginnt. Es verhält sich also analog zum Adjektiv bello und zum bestimmten Artikel. Alle Demonstrativa werden in der Regel durch die entsprechenden Ortsadverbien verstärkt, wie z. B. qui und qua für questo, lì und là für quello und costì und costà für codesto. 2.2.4 Die Indefinita im Italienischen Die Indefinita erteilen über das Substantiv, auf das sie sich beziehen, allgemeine und unbestimmte Informationen. Sie fügen dem Nomen eine Information hinzu, die keine Aussage zu Quantität oder Qualität macht. Zu dieser Gruppe gehört eine Vielzahl von Formen, die unterschiedlich verwendet werden und verschiedene Funktionen haben. Während manche über eine einzige Form verfügen, enden andere, wie die qualifizierenden Adjektive, mit -o, -a, -i und -e abhängig von Numerus und Genus des zu charakterisierenden Substantivs. Einige finden nur als Adjektiv Verwendung, wie z. B. ogni, qualche, qualunque, qualsiasi und quasivoglia, andere auch als Pronomen, wie z. B. ciascuno, alcuno, taluno, certuno, altro, diverso, vario, poco, alquanto, parecchio, molto, tanto, troppo, altrettanto, tutto. Da sich die vorliegende Arbeit mit dem Erwerb des Adjektivs bei bilingualen Kindern beschäftigt, sind weder die pronominal gebrauchten Indefinita noch das Adjektiv tutto berücksichtigt worden, die in der Regel mit einem Artikel, der zwischen dem Adjektiv und dem Nomen steht, verwendet werden. Nur in wenigen Fällen ist es möglich, tutto direkt mit dem Substantiv zu verbinden, entsprechend einem veralteten Gebrauch des Indefinitums, wie z. B. in: (63) Erano tutte cose belle. ‚ Es waren alle schöne Dinge. ‘ . In Tabelle 5 werden die entsprechend des Numerus und Genus modifizierten Formen zusammengefasst, die bei den zu analysierenden Kindern berücksichtigt worden sind. 52 Tabelle 5: Die italienischen Indefinita. Singular Plural Maskulinum Femininum Maskulinum Femininum ogni ogni - - qualunque qualunque - - qualsiasi qualsiasi - - qualsivoglia qualsivoglia - - qualche qualche - - ciascuno ciascuna - - nessuno nessuna - - alcuno alcuna alcuni alcune taluno taluna taluni talune certuno certuna certuni certune certo certa certi certe tale tale tali tali poco poca pochi poche alquanto alquanta alquanti alquante parecchio parecchia parecchi parecchie molto molta molti molte tanto tanta tanti tante troppo troppa troppi troppe altrettanto altrettanta altrettanti altrettante altro altra altri altre diverso diversa diversi diverse vario varia vari varie Ogni bezieht sich auf eine Gesamtheit von Personen oder Gegenständen, die einzeln betrachtet werden. Es ist unveränderlich und begleitet niemals ein Substantiv im Plural. Bsp.: Ogni giorno succede qualcosa di nuovo. Qualunque, qualsiasi und qualsivoglia haben die Bedeutung ‚ egal welcher ‘ . Sie sind im Singular unveränderlich und werden im Plural nicht verwendet. Ciascuno hat dieselbe Bedeutung wie ogni, ist aber hinsichtlich des Genus veränderlich. Es kann bei Verwendung mit einem femmininen 53 Substantiv elidiert werden, wie z. B. ciascun ’ anima, und verkürzt bei Verwendung im Maskulin, wie etwa ciascun oggetto. Nessuno hat mit ciascuno gemeinsam, dass es nur entsprechend des Genus modifiziert wird, keine plurale Formen hat und bei femminem Gebrauch aprostofiert und bei maskuliner Verwendung verkürzt wird. Qualche, das dieselbe Bedeutung wie alcuni besitzt, ist unveränderlich und wird ausschließlich im Singular verwendet. Während alcuno in Negativsätzen nur im Singular verwendet wird mit der Bedeutung nessuno, ist es in Positivsätzen ein Synonym für qualche und wird auch im Plural gebraucht. Taluno und certuno sind Synonyme für certo und haben im Vergleich zu diesem einen literarischeren Klang hat. Sie werden sowohl hinsichtlich Genus als auch hinsichtlich Numerus flektiert. Certo geht im Singular der unbestimmte Artikel voraus. Es kann synonym zu tale ebenso wie zu qualche und alcuni verwendet werden. Tale variiert nur hinsichtlich des Numerus. Im Singular geht ihm der unbestimmte Artikel voran. Molto zeigt eine große Menge an und wird in Bezug auf Genus und Numerus flektiert. Alquanto bezieht sich auf eine moderate Quantität zwischen den beiden Extremen wenig und viel. Es wird in der Alltagssprache selten gebraucht, sondern wird häufig durch die Adjektive parecchio, diverso und vario ersetzt. Parecchio bezeichnet eine bemerkenswerte Menge und wird heute als Synonym von molto verwendet. Ebenso weist tanto auf eine außerordentliche Anzahl hin, drückt aber noch nachdrücklicher die Vorstellung einer großen Menge aus. Troppo zeigt eine übermäßige Quantität an. Altro steht für eine hinzugefügte Anzahl, kann aber auch die Vorstellung von etwas Neuem ausdrücken. Diverso und vario stimmen als Indefinita mit der Bedeutung von alquanto, parecchio und molto überein. 2.2.5 Die Interrogativa im Italienischen Die Interrogativa finden Verwendung, um die Quantität, die Qualität und die Identität des Substantivs, auf das es sich bezieht, zu erfragen. Che ist unveränderlich und gleich bedeutend mit quale. Im Vergleich zu letzterem wird che umgangssprachlicher verwendet. Quale verändert sich nur in Abhängigkeit vom Numerus. Im Singular kann es zu qual gekürzt werden. Quanto ist unveränderlich sowohl für das Genus als auch für den Numerus und dient dazu, die Quantität zu erfragen. In Tabelle 6 werden die verschiedenen Formen der italienischen Interrogativa und Exklamativpronomina zusammengefasst. 54 Tabelle 6: Die italienischen Interrogativa. Singular Plural Maskulinum Femininum Maskulinum Femininum che che che che quale quale quali quali quanto quanta quanti quante Die Interrogativa che (64), quale (65) und quanto (66), können auch eine exklamative Funktion einnehmen, wie z. B. in: (64) Che ragazzo sfacciato! ‚ Was für ein frecher Junge! ‘ (65) Quale onore! ‚ Welch Ehre! ‘ (66) Quanto è bella! ‚ Wie schön sie ist! ‘ . In der gesprochenen Sprache ist che (67 a) (67 b) häufig allein von einem qualifizierenden Adjektiv gefolgt, wie z. B. in: (67 a) Che bello! ‚ Wie schön! ‘ (67 b) Che dolce! ‚ Wie süß! ‘ . 2.2.6 Die Zahlenadjektive im Italienischen Die Zahlenadjektive gliedern sich im Italienischen in die folgenden Gruppen (Calboli & Moroni, 1989): I. Kardinalia drücken eine numerische Quantität aus (uno, due, tre etc.) und stellen die Hauptkategorie der Zahlenadjektive dar. Die Bezeichnung Kardinalia leitet sich von dem italienischen Wort cardine (deutsch: Angelpunkt) ab. Übertragen handelt es sich also um die tragende Achse einer Struktur und ist somit von grundlegender Bedeutung. Kardinalia sind unveränderlich, mit Ausnahme von mille, milione, miliardo, die mit mila, milioni, miliardi auch über eine plurale Form verfügen, wie in den folgenden Beispielen gezeigt werden soll: (68) mille uomini ‚ eintausend Männer ‘ (69) duemila uomini ‚ zweitausand Männer ‘ (70) un milione di esemplari ‚ eine Millione Stücke ‘ (71) due milioni di esemplari ‚ zwei Millionen Stücke ‘ (72) un miliardo di lire ‚ eine Milliarde Lire ‘ (73) due miliardi di lire ‚ zwei Milliarden Lire ‘ . Uno im Besonderen verfügt mit una auch über die feminine Form und stimmt somit mit dem Substantiv, auf das es sich bezieht, hinsichtlich des Genus überein. 55 Da bei der Analyse der im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Kinder nicht immer eindeutig unterschieden werden konnte, ob es sich bei einem verwendeten uno um einen unbestimmten Artikel oder um ein Zahlenadjektiv handelte, wurde es nicht berücksichtigt. Die Kardinalia gehen, wie an den Beispielen (68) - (73) gezeigt, dem Nomen, auf das sich beziehen, immer voran. II. Die Ordinalia, wie z. B. primo, secondo, terzo etc., drücken die Position in einer Abfolge oder einer Ordnung aus. Wie die anderen italienischen qualifizierenden Adjektive sind sie sowohl hinsichtlich des Genus als auch in Bezug auf den Numerus veränderlich und stimmen mit dem Substantiv, auf das sie sich beziehen, überein, wie z. B.: (74) il primo giorno ‚ der erste Tag ‘ (75) le prime edizioni critiche ‚ die ersten kritischen Ausgaben ‘ . Entsprechend dieser beiden Beispiele findet sich normalerweise eine pränominale Position der Ordinalia. Der postnominale Gebrauch bleibt der Abfolge von Päpsten und Hoheiten vorbehalten, wie z. B. Papa Pio IX ‚ Papst Pius IX ‘ oder Federico II ‚ Friedrich II ‘ . Der Vollständigkeit willen sollen in der Folge kurz die anderen Kategorien der Zahlenadjektive dargestellt werden, auch wenn sie in dem Untersuchungszeitraum nicht von den Kindern verwendet wurden: I. Vervielfältigungszahlen, die ausdrücken, wie viele Male eine Menge größer als eine andere ist, wie z. B. doppio ‚ doppelt ‘ , triplo ‚ dreifach ‘ , quadruplo ‚ vierfach ‘ . 1. Kollektive, die als unzertrennliche Einheit auftreten, z. B. una coppia ‚ ein Paar ‘ , una dozzina ‚ ein Dutzend ‘ . II. Zahlen, die wiederkehrende Ereignisse anzeigen, wie z. B. biennale ‚ zweijährig ‘ , triennale ‚ dreijährig ‘ . III. Zahlen, die das Alter angeben, wie z. B. undicenne ‚ elfjährig ‘ , tredicenne ‚ dreizehnjährig ‘ . IV. Distributivzahlenadjektive, die die Art einer Aufteilung einer größen Gesamtheit anzeigen, wie tre per uno ‚ drei für jeden/ jeder drei ‘ , a due a due ‚ immer zu zweit ‘ . V. Bruchzahlen, die sich auf einen oder mehrere Teile eines Ganzen ergeben, wie z. B. un terzo ‚ ein Drittel ‘ , tre quinti ‚ drei Fünftel ‘ . 56 2.3 Das Adjektiv in der Zielsprache Deutsch 2.3.1 Die qualifizierenden Adjektive im Deutschen 2.3.1.1 Die Funktionen der qualifizierenden Adjektive im Deutschen Wie zuvor für die italienische Sprache dargestellt, kann das Adjektiv auch im Deutschen die folgenden vier Funktionen erfüllen: I. Attributive Funktion II. Prädikative Funktion III. Substantivierte Funktion (Nominalisierung) IV. Adverbiale Funktion (Duden, 1995: 253, 503). Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem doppelten Erstspracherwerb der attributiven und prädikativen Funktionen des Adjektivs liegt, sollen nur diese auch für das Deutsche dargestellt werden. Folgt das Adjektiv Verben, wie sein, bleiben und werden, so wird von einem prädikativen Gebrauch des Adjektivs gesprochen. Anders als im Italienischen existieren im Deutschen sowohl unflektierte als auch flektierte Adjektive (Weinrich, 2005). Beim prädikativen Gebrauch steht das Adjektive unflektiert nach dem Verb, wie in (76 a) und (76 b). Hingegen kongruiert das Adjektiv beim attributiven Gebrauch mit dem Nomen, worauf es sich bezieht, und weist somit Flexionsmorpheme auf, wie in (77 a) und (77 b) gezeigt: Prädikative Funktion (76 a) Die Stadt ist alt. (76 b) Das Haus ist groß. Attributive Funktion (77 a) die alte Stadt (77 b) das große Haus. 2.3.1.2 Die Farbadjektive Innerhalb der Gruppe der qualifizierenden Adjektive zeichnen sich die Farbadjektive durch einige Besonderheiten in Bezug auf ihr Flexionssytems auf. Altmann (1999) teilte die Farbadjektive in Grundfarbadjektive einerseits und Zwischenfarbadjektive andererseits ein. Die so ermittelten Farbwortklassen weisen die im Folgenden dargestellten für diese Untersuchung bedeutsamen Eigenschaften auf. 57 2.3.1.2.1 Grundfarbadjektive Die Grundfarbadjektive, zu denen rot, gelb, braun, grün, blau, weiß, grau und schwarz gehören (Altmann, 1999): 1. sind Teil des alten Wortbestands 2. sind immer flektierbar 3. können die ersten drei zuvor genannte Adjektivfunktionen erfüllen 4. sind steigerbar 5. können mit dem Suffix -lich abgeleitet werden. 2.3.1.2.2 Zwischenfarbadjektive Zwischenfarbadjektive sind erst seit kürzerer Zeit Bestandteil des deutschen Wortschatzes und leiten sich oft von Fremdwörtern ab (Altmann, 1999). Zu dieser Kategorie gehören lila, rosa, beige, creme, türkis, bordeaux, orange, pink, violett und purpur. Die Zwischenfarbadjektive weisen die folgenden für diese Untersuchung wichtigen Eigenschaften auf: 1. sie sind nur begrenzt flektierbar (bei geläufigen Farbwörten wird immer häufiger flektiert) 2. sie sind nicht steigerbar 3. eine Ableitung mit dem Suffix -lich ist nicht möglich. 2.3.1.3 Die Deklinationen des attributiven Adjektivs im Deutschen Im Deutschen werden nahezu alle Adjektive in attributiver Position in Übereinstimmung mit dem Substantiv, auf das sie sich beziehen, hinsichtlich Kasus, Numerus und Genus dekliniert. Ausnahmsweise treten jedoch auch unflektierte Formen in attributiver Position auf. Da im Deutschen dasselbe Satzglied in verschiedenen Positionen vorkommen kann, ohne dass sich seine grammatische und syntaktische Funktion verändert, wird die Differenzierung der verschiedenen Satzergänzungen erst durch die sogenannten Kasussignale ermöglicht. Diese können entweder am Artikelwort, in diesem Falle handelt es sich um eine schwache Deklination, oder direkt am Adjektiv auftreten, in diesem Falle liegt eine starke Deklination vor. Eine dritte, gemischte Deklination besteht bei einer Mischung der beiden vorherigen (Duden, 1995). In manchen Fällen folgt den unbestimmten Artikeln, den negativen Artikeln und den Possessiva ein Adjektiv mit Kasusmarkierung wie in der starken Deklination und in anderen Fällen ein Adjektiv ohne Kasussignal wie in der schwachen Deklination, wie auch in den Tabellen 7 und 8 gezeigt. 58 2.3.1.3.1 Die schwache Deklination Nach der schwachen Deklination flektieren sowohl die Adjektive, denen ein bestimmter Artikel vorausgeht, als auch die Adjektive, denen eines der Pronomen dieser, jener, derselbe, derjenige, jeder oder welcher vorausgeht. Wenn sich das Kasussignal am Artikel beziehungsweise am Pronomen befindet, bekommt das Adjektiv die Endung -en, ausgenommen davon sind Maskulinum, Neutrum und Femininum Singular beim Kasus Nominativ und Neutrum und Femininum Singular beim Kasus Akkusativ, die die Endung -e erhalten. Tabelle 7 stellt eine Zusammenfassung der Endungen der schwachen Deklination dar. Tabelle 7: Die schwache Deklination des Adjektivs im Deutschen. Singular Plural Maskulinum Femininum Neutrum Nom. der braune Tisch die helle Bluse das schöne Bild die schönen Tische, Blusen, Bilder Akk. den braunen Tisch die helle Bluse das schöne Bild die schönen Tische, Blusen, Bilder Dat. dem braunen Tisch der hellen Bluse dem schönen Bild den schönen Tischen, Blusen, Bildern Gen. des braunen Tisches der hellen Bluse des schönen Bildes der schönen Tischen, Blusen, Bildern 2.3.1.3.2 Die starke Deklination Wenn es vor dem Adjektiv keinen Artikel gibt oder der Artikel kein Kasussignal hat, wie in (78 a) und (78 b) gezeigt, erhält das Adjektiv das Kasussignal: (78 a) ein helles Licht (78 b) mein schönes Kind. Der Genitiv Maskulinum und Neutrum im Singular stellen eine Ausnahme dar. In diesen beiden Fällen hat das Substantiv das Kasussignal. Ebenso wird die starke Deklination - nach deren / dessen (79) die Schüler, deren kompromisloses Verhalten ich nicht länger toleriere - nach manch, solch, welch, viel, wenig (80) bei solch schlechtem Wetter 59 - nach endungslosen Zahladjektiven (81) Er kaufte drei neue Autos. - nach etwas und mehr (82) Ich brauche mehr freie Zeit. eingesetzt. Tabelle 8 stellt eine Zusammenfassung der Endungen der starken Deklination dar. Tabelle 8: Die starke Deklination des Adjektivs im Deutschen. Singular Plural Maskulinum Femininum Neutrum Nom. brauner Tisch helle Bluse schönes Bild schöne Tische, Bilder, Blusen Akk. braunen Tisch helle Bluse schönes Bild schöne Tische, Bilder, Blusen Dat. braunem Tisch heller Bluse schönem Bild schönen Tischen, Bildern, Blusen Gen. braunen Tisches heller Bluse schönen Bildes schöner Tischen, Bildern, Blusen 2.3.1.3.3 Die gemischte Deklination Steht vor dem Adjektiv ein unbestimmter Artikel, ein negativer Artikel oder ein Possessivum, so dekliniert sich das Adjektiv nach der gemischten Deklination. In Tabelle 9 sind die Endungen der gemischten Deklination dargestellt. Tabelle 9: Die gemischte Deklination des Adjektivs im Deutschen. Maskulinum Femininum Neutrum Plural Nom. ein brauner Tisch eine helle Bluse ein schönes Bild schöne Tische, Bilder, Blusen Akk. einen braunen Tisch eine helle Bluse ein schönes Bild schöne Tische, Bilder, Blusen Dat. einem braunen Tisch einer hellen Bluse einem schönen Bild schönen Tischen, Bildern, Blusen Gen. eines braunen Tisches einer hellen Bluse eines schönen Bildes schöner Tischen, Bildern, Blusen 60 Stehen mehrere Adjektive vor einem Substantiv, werden alle Adjektive gleich dekliniert: (83) das große schöne Haus. 2.3.1.4 Die Position des attributiven Adjektivs im Deutschen Meistens stehen attributive Adjektive vor dem zugehörigen Substantiv. Wenn mehrere Adjektive vor dem Substantiv stehen, wird ihre Reihenfolge von dem semantischen Inhalt bestimmt, wie die Beispiele (84), (85) und (86) zeigen: a) Zahladjektive b) Relationale Adjektive mit Bezug auf Ort und Zeit c) Qualifizierende Adjektive d) Relationale Adjektive, die die stoffliche Wesensart ausdrücken. e) Relationale Adjektive mit Bezug auf die Herkunft, z. B.: (84) der a) vierte c) schöne Tag (85) die b) heutigen c) neuen Übungen (86) a) fünf c) neue c) schöne c) blaue d) seidene e) italienische Kleider. Flektierte als auch unflektierte Formen des Adjektivs können dem Substantiv auch folgen (Duden, 1995). Der Gebrauch der flektierten Form nach dem Substantiv zielt darauf ab, eine Redundanz zu vermeiden. (87) Fußballspieler, gute wie schlechte, verdienen heutzutage viel zu viel Geld. Die unflektierten Formen stehen nach dem Substantiv, auf das sie sich beziehen, in: - festen Wendungen und Sprichwörtern (88) Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. (Duden, 1995, Paragraph 464). - lockeren Nachträgen (89) Unsere Nachbarin, freundlich wie keine Andere, hat uns am vergangenen Wochenende ein Stück selbstgebackenen Kuchen gebracht. 2.3.2 Die bestimmenden Adjektive im Deutschen 2.3.2.1 Die Possessiva im Deutschen: Gebrauch und Position Die Possessiva drücken Besitz und Zugehörigkeit aus. Sie müssen in Kasus, Numerus und Genus mit dem Substantiv, worauf sie sich beziehen, übereinstimmen. Im Deutschen hat das Possessivum einen Doppelbezug (Sommerfeld, 1992), den Besitzer und den Besitz. Es bezieht sich also 61 gleichzeitig auf den Besitz durch die Endung als Kongruenzmerkmal und den Besitzer durch das jeweils unterschiedliche Pronomen: (90) Ich fahre mit ihrem Auto (von Gisela). (91) Ich fahre mit seinem Auto (von Peter). während im Italienischen sich das Possessivum nur auf den Besitz bezieht, der Stamm bleibt also unverändert und nur die Endung kongruiert: (92) Vado con la sua macchina (di Gisela). Ich fahre mit ihrem Auto. (93) Vado con la sua macchina (di Peter). Ich fahre mit seinem Auto. Die Possessiva werden stark dekliniert und haben somit dasselbe Endungssystem wie die bestimmten Artikel. Tabelle 10 bietet einen Überblick über die Endungen bei der Deklination der Possessiva im Deutschen. Tabelle 10: Die Deklination der deutschen Possessiva in Verbindung mit einem Substantiv. Maskulinum Femininum Neutrum Plural Nom. mein Wagen meine Tochter mein Haus meine Häuser Akk. meinen Wagen meine Tochter mein Haus meine Häuser Dat. meinem Wagen meiner Tochter meinem Haus meinen Häuser Gen. meines Wagens meiner Tochter meines Hauses meiner Häuser Die Possessiva stehen im Deutschen ausschließlich vor dem Substantiv. Die Possessiva können sowohl adjektivisch als auch substantivisch gebraucht werden und haben dann andere Endungen. Bestandteil der vorliegenden Untersuchung sind die Possessiva, die vor dem Nomen stehen, wie in (94) (94) Das ist mein Auto. und keine pronominale Funktion erfüllen, wie in (95) (95) Das ist meins. 2.3.2.2 Die Interrogativa im Deutschen Die Interrogativa stehen als Bildungsmittel der Ergänzungsfrage meist an erster Stelle des Fragesatzes. Die substantivischen Interrogativa gliedern sich in die beiden Gruppen: 1. Wer, was 2. Was für einer / was für welche, welche. 62 Während die Interrogativa der ersten Gruppe ausschließlich in substantivischer Form auftreten, werden die der zweiten Gruppe auch als interrogative Artikelwörter verwendet. Aus dem unterschiedlichen Gebrauch ergibt sich auch der unterschiedliche Formenbestand der Interrogativa. Wer und was verfügen nicht über Pluralformen und unterscheiden sich auch nicht nach dem Genus. Hingegen sind was für welche und welcher (Tabelle 11) durch ein vollständig ausgebildetes Deklinationssystem gekennzeichnet und unterscheiden sich demnach hinsichtlich Genus, Numerus und Kasus. Tabelle 11: Die Deklination von welche. Singular Plural Maskulinum Femininum Neutrum Nominativ welcher welche welches welche Akkusativ welchen welche welches welche Dativ welchem welcher welchem welchen Genitiv welches welcher welches welcher 2.3.2.3 Die Indefinita im Deutschen Die Indefinita haben eine allgemeine und unbestimmte Bedeutung, sind deklinierbar und kongruieren in dem Numerus, Genus und Kasus mit dem Nomen, auf das sie sich beziehen. Ferner können sie sowohl adjektivisch als auch substantivisch gebraucht werden. In Rahmen dieser Arbeit wurden nur die adjektivisch gebrauchten Indefinitiva untersucht. Die deutsche Grammatik unterscheidet, anders als die italienische, zwischen Indefinita und unbestimmten Zahlenadjektiven (Helbig & Buscha, 1987; Gallmann, 2004). Ein bedeutsamer Unterschied zwischen diesen beiden Wortkategorien besteht darin, dass während den Indefinita kein Artikel vorangehen kann, wie an dem folgenden Beispiel gezeigt: (96) die* manchen Kinder [zielsprachlich: manche Kinder] die unbestimmten Zahlenadjektive zwischen dem Artikel und dem Substantiv auftreten (Gallmann & Sitta, 2004: 67): (97) die vielen Kinder. Gemeinsam ist ihnen dagegen, dass sie eine allgemeine und unbestimmte Bedeutung haben. Auch wenn eigentlich diese grammatische Unterscheidung in der italienischen Sprache nicht gemacht wird (Dardano, 2002), so werden auch im Italienischen einige mit und andere ohne Artikel verwendet: 63 (98) Alcuni bambini sono stati premiati. ‚ Einige Kinder sind ausgezeichnet worden. ‘ (99) L ‘ altra gonna mi piace di più. ‚ Der andere Rock gefällt mir besser. ‘ . In Tabellen 12 und 13 sind die am häufigsten verwendeten Indefinita und unbestimmten Zahladjektive zusammengestellt. Tabelle 12: Die Indefinita. ein bisschen, ein, ein wenig, irgendein, einige, niemand, etliche, jemand, etwas, jedermann, manche, jeder, mehrere, jeglicher, alle, beide, ein paar, sämtliche Tabelle 13: Die unbestimmten Adjektive. viel, einzelne, weitere, mehr, einzige, unzählige, wenig, übrige, andere, sonstige, verschiedene, zahlreiche 2.3.2.4 Die Zahlenadjektive im Deutschen Die Zahlenadjektive gliedern sich im Deutschen in zwei Hauptgruppen: I. Die Kardinalia (Grundzahlen), die prädikativ und attributiv gebraucht werden und nicht flektierbar oder steigerbar sind. II. Die Ordinalia (Ordnungszahlen), mit denen eine bestimmte Stelle in einer Reihe von Personen oder Gegenständen angegeben wird, werden nur attributiv gebraucht, sind flektierbar, aber nicht steigerbar. In der Flexion stimmen die Ordinalia mit den anderen Adjektiven überein. Von diesen Hauptgruppen sind einige Sondergruppen abzugrenzen: III. Die Gattungszahlen, wie z. B. zweierlei, dreierlei, die eine bestimmte Anzahl von verschiedenen Arten, Personen oder Sachen bezeichnen, sind nicht flektierbar. IV. Die Wiederholungs- und Vervielfältigungszahlen, wie z. B. zweimalig, dreimalig und zweifach, dreifach, beziehen sich auf Tätigkeiten und bezeichnen eine bestimmte Anzahl in einer Reihenfolge. Während die Wiederholungszahlen eine zeitliche Reihenfolge (Nacheinander) ausdrücken, beziehen sich die Vervielfätigungszahlen auf eine nichtzeitliche Reihenfolge. Beide Kategorien werden überwiegend attributiv verwendet und sind flektierbar. IV. Die Bruchzahlen, wie z. B. drittel, fünftel, die einen Teil eines Ganzen bezeichnen, werden nur attributiv, nicht aber prädikativ gebraucht und werden nicht flektiert. 64 2.3.3 Der Einfluss der Präposition auf die Kasuswahl Die Präpositionen im Deutschen stellen ein sehr weites Thema dar. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen nur diese Präpositionen berücksichtigt werden, die aufgrund ihrer besonderen Rektionsregeln bedingen, dass das ihnen nachfolgende Adjektiv in einem bestimmten Kasus dekliniert wird. Während einige Präpositionen nur einen Kasus erfordern, können andere zwei oder sogar drei Kasus regieren, wie zum Beispiel die Präposition außer, die den Akkusativ, den Dativ oder den Genitiv regieren kann. Im Folgenden werden die Präpositionen und die entsprechenden Rektionsregeln vorgestellt, die während der Analyse der bilingualen Kinder beobachtet wurden. 2.3.3.1 Die Akkusativ-regierenden Präpositionen Zu den Präpositionen, die den Akkusativ erfordern, gehören z. B. bis, durch, gegen, um und für. In Tabelle 14 werden Beispiele zu diesen Präpositionen aufgezeigt. Tabelle 14: Präpositionen, die den Akkusativ regieren. Präposition Beispiel bis Wir sehen uns bis nächste Woche nicht. durch Das Kind rannte durch den Garten. gegen Der Wagen fuhr gegen einen LKW. um Wir bauen eine Mauer um das Grundstück. für Das habe ich für den netten Nachbarn gekauft. 2.3.3.2 Die Dativ-regierenden Präpositionen Zu den Präpositionen, die den Dativ regieren, gehören z. B. ab, aus, bei, gegenüber, nach, von und zu. In Tabelle 15 werden Beispiele zu diesen Präpositionen aufgezeigt. 65 Tabelle 15: Präpositionen, die den Dativ regieren. Präposition Beispiel ab Ab der nächsten Kreuzung darfst Du nicht schneller als 30 km/ h fahren. aus Er nahm die Flasche aus dem Rucksack. bei Er wohnt noch bei seinen Eltern. gegenüber Die Kneipe liegt gegenüber der Bank. nach Ich werde mit dem Flugzeug nach dem schönen Rom fliegen. von Die Tasche ist von meiner Schwester. zu Ich fahre zu meinem Bruder. mit Ich werde mit dem neuen Auto meine Mutter abholen. 2.3.3.3 Wechselpräpositionen (Lokalpräpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren können) Zu den Präpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren, gehören z. B. in, an, auf, über, unter, vor, hinter, neben und zwischen. In Tabelle 16 werden Beispiele zu diesen Präpositionen aufgezeigt. Tabelle 16: Präpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren. Präposition Beispiele Präposition + Dativ Präposition + Akkusativ in Ich gehe in dem Wohnzimmer auf und ab. Ich gehe in das Wohnzimmer. an Ich saß am Tisch. Ich setzte mich an den Tisch. auf Das Buch ist auf dem Tisch. Ich lege das Buch auf den Tisch. über Die Lampe hängt über dem Tisch. Ich hänge die Lampe über den Tisch. unter Der Kater liegt unter dem Tisch. Der Kater legt sich unter den Tisch. vor Der Blumentopf ist vor dem Haus. Ich stelle den Blumentopf vor das Haus. hinter Das Auto ist hinter dem Gebäude geparkt. Ich parke das Auto hinter das Gebäude. neben Ich saß neben dem Lehrer. Ich setzte mich neben den Lehrer. zwischen Jetzt sitzt er zwischen zwei jungen Studentinnen. Er setzt sich zwischen zwei junge Studentinnen. 66 2.4 Adjektiv | Kurzgefasst Zusammenfassend läßt sich festhalten, dass im Italienischen die Flexion des Adjektivs nach Genus und Numerus mit der des Nomens übereinstimmt. Dies gilt unabhängig davon, ob das Adjektiv qualifizierend oder bestimmend ist und ob es in attributiver oder prädikativer Funktion verwendet wird. Unterschiede bestehen jedoch zwischen dem qualifizierenden und bestimmenden Adjektiv hinsichtlich der Stellung im Satz. Auch wenn die übliche Position postnominal ist, können die qualifizierenden Adjektive sowohl präals auch postnominal auftreten, was mit unterschiedlichen Nuancierungen der Bedeutung einhergehen kann. Hingegen kommen die bestimmenden Adjektive nur vor dem Nomen vor, mit der einzigen Ausnahme des besitzanzeigenden Adjektivs, das sowohl vor als auch hinter dem Nomen positioniert sein kann. Auch in diesem Falle geht die Änderung der Position mit leichten Änderungen der Bedeutung einher. Dem Possessivum geht normalerweise ein Artikel voran. Ausnahmen stellen Verwandschaftsverhältnisse anzeigende Nomen im Singular dar, bei denen ein Artikel nicht verwendet werden darf. Diese Regel gilt jedoch nicht mehr, wenn diese Nomen modifiziert werden. Im Deutschen weist die Flexion des Adjektivs, sowohl beim qualifizierenden als auch beim bestimmenden, besondere Regeln auf. Insbesondere wird das qualifizierende Adjektiv unterschiedlich flektiert, abhängig davon, ob es eine prädikative oder attributive Funktion hat. Während es nämlich in der prädikativen Funktion nicht flektiert wird, stimmt es in attributiver Funktion mit dem Nomen nicht allein, wie im Italienischen, in Genus und Numerus überein, sondern auch im Kasus und verfügt über eine unterschiedliche Deklination, abhängig davon, ob es von einem bestimmten, unbestimmten oder gar keinem Artikel begleitet wird. Darüber hinaus bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Position des Adjektivs zwischen der deutschen und italienischen Sprache. Anders als im Italienischen tritt im Deutschen sowohl das qualifizierende Adjektiv mit attributiver Funktion als auch das bestimmende Adjektiv vor dem Substantiv auf, mit wenigen Ausnahmen im Rahmen eines besonderen Gebrauchs des qualifizierenden Adjektivs. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Possessivum, das immer pränominal Verwendung findet und dem nie ein Artikel vorangehen kann. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass das Possessivum im Deutschen einen Doppelbezug hat, den Besitzer und den Besitz. In der deutschen Sprache bezieht sich das Possessivum also gleichzeitig auf den Besitz durch die Endung als Kongruenzmerkmal und den Besitzer durch das jeweils unterschiedliche Pronomen. Hingegen bezieht sich im Italienischen das Possessivum nur auf den Besitz. Die Endung kongruiert also mit dem Substantiv, ohne dass sich der Stamm verändert. 67 Die Indefinita, Interrogativa, Numeralia und Kardinalia nehmen im Deutschen wie auch im Italienischen meistens die Stelle vor dem Substantiv, auf das sie sich beziehen, ein und werden nach den Regeln der anderen qualifizierenden Adjektive in den entsprechenden Sprachen flektiert. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, welche grammatischen Regeln über den Gebrauch des Adjektivs im Italienischen und Deutschen das bilingual deutsch-italienische Kind vor größere Probleme stellt. Sind wirklich alle Aspekte, die aus Sicht des Kindes als widersprüchliche Regeln in den beiden Sprachen erscheinen können, einem Spracheneinfluss ausgesetzt, wie es etwa der Fall ist 1) bei der Flexion des Adjektivs in prädikativer Funktion, das im Italienischen immer nach Genus und Numerus flektiert wird, während es im Deutschen nie flektiert wird, 2) bei der Stellung des qualifizierenden Adjektivs und des Possessivums, das im Italienischen sowohl in pränominaler als auch postnominaler Stellung zielsprachlich ist, während im Deutschen nur die pränominale Position zulässig ist, 3) beim Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum, das nur im Italienischen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, während es im Deutschen nicht auftreten kann? Oder führen nur einige dieser widersprüchlichen Regeln zu einem Spracheneinfluss, der sich in einer Verlangsamung des Erwerbs einer der beiden oder beider Sprachen zeigt? Kommt es in den Bereichen, in denen die Regeln beider Sprachen übereinstimmen, zu einem schnelleren Spracherwerb verglichen mit monolingualen Kindern? Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Antworten auf diese Fragen zu finden. 2.5 Das Genussystem und die Genuszuweisungsregeln im Deutschen Das Wort Genus entstammt dem Lateinischen und bedeutet „ Art “ (Weisgerber, 1962). Es ist wichtig, zwischen dem Nomen, das als inhärente Eigenschaft über ein Genus verfügt, und den anderen Bestandteilen des nominalen Syntagmas, die ebenfalls das Genus des Nomens anzeigen, zu unterscheiden. Im ersten Fall handelt es sich um eine Genuszuweisung, während es sich in dem zweiten Fall um Kongruenz handelt (Carroll, 1989). Wenngleich der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit nicht auf dem Erwerb der Genuszuweisung, sondern auf dem Erwerb der Kongruenzregeln des Genus, Numerus und Kasus im Deutschen und Italienischen lag, soll im Folgenden kurz auf den ersten Punkt eingegangen werden, schließlich ist es das Nomen, mit seinem Genus und Numerus, das die Aufgabe hat, die Kongruenz zu kontrollieren, und in den anderen Elementen des nominalen Syntagmas den Ausdruck der ihm gegenüber sensiblen Morphemen (Genus, Numerus und im Deutschen auch Kasus) aktiviert. So wurde in einigen Studien zum Erwerb der Kongruenzregeln beobachtet, 68 dass dieser erst nach Erwerb der Regeln der Genuszuweisung erfolgt (Müller, 1994: 77 - 78). Das Genussystem der deutschen Sprache, das sehr viel komplexer als das der italienischen Sprache ist, setzt sich aus drei Genera zusammen: Dem Maskulinum, dem Femininum und dem Neutrum. Bei der Analyse des deutschen Genus kam immer wieder die Frage auf, ob die Genusverteilung der Nomina nicht einem regelhaften Zuordnungssystem folgt. Während einige Autoren diese Annahme von vornherein verwarfen mit dem Hinweis darauf, dass die Zuordnung des Genus rein arbiträr sei, waren andere trotz der offensichtlichen Komplexität bemüht, eine regelhafte Zuordnung abzuleiten (Fischer, 2005). Den Vertretern der Arbitraritätshypothese, die auch als Anomalisten bezeichnet werden und zu denen Leonard Bloomfield (1933, 1969) und Maratsos (1979) gehören, stehen die Vertreter der Regelhaftigkeitshypothese gegenüber, die auch Analogisten genannt werden und denen unter anderem Köpcke (1982) angehört, der sich zu der Genuszuweisung wie folgt äußerte: „ Verschiedene Indizien deuten allerdings auf die Existenz eines irgendwie gearteten Systems hin: Für Kinder nämlich stellt die Genuszuweisung offensichtlich überhaupt kein Problem dar [. . .] “ (Köpcke, 1982: 1). In Übereinstimmung mit dieser Annahme schrieb Gregor (1983): „ Es darf insbesondere nicht übersehen werden, dass die Genuszuordnung [. . .] mit einer Sicherheit (geschieht), wie sie sonst nur bei stark automatisierten Tätigkeiten auftritt. “ (Gregor, 1983: 26). Heute herrscht allgemeine Zustimmung zu dieser letzten Theorie und es wurden auch im Deutschen, einer Sprache mit einem komplexen Genussystem, zahlreiche Prinzipien identifiziert, nach denen einem Nomen sein Genus zugewiesen wird. Hierbei handelt es sich um Prinzipien und Tendenzen einer semantischen oder formalen Natur, wobei letztere sich in morphologische und morphonologische aufteilen (Altmann & Raettig, 1973; Köpcke, 1982; Köpcke & Zubin 1983, 1984; Mills, 1986; MacWhinney, Leinbach, Taraban & McDonald, 1989; Corbett, 1991). Im Folgenden werden die wichtigsten übergreifenden Prinzipien der Genuszuordnung im Deutschen aufgezählt, die aufgrund ihrer weit reichenden Gültigkeit auch in der Sprache des Kindes während der ersten Phase des Spracherwerbs überprüft werden können. Außer den vorzustellenden Prinzipien existieren noch weitere (Fischer, 2005). Diese werden allerdings hier nicht genannt, da sie in dem Input von Kindern nur selten vorkommende Nomen betreffen und somit eine untergeordnete Rolle im kindlichen Sprachgebrauch spielen. Bei der Präsentation der Prinzipien 69 findet die von Fischer (2005) vorgeschlagene Differenzierung Verwendung, nach der Regeln Prinzipien mit einer hohen Validität sind, deren Gültigkeit also als gesichert angesehen werden kann, und Tendenzen Prinzipien mit einer niedrigeren Validität, deren Gültigkeit also nicht abschließend gesichert ist. Unter den semantischen Prinzipien sind insbesondere die folgenden von großer Bedeutung: 1. Nach der Regel des natürlichen Geschlechts (Köpcke & Zubin, 1996), ist im Deutschen das Genus der Substantive, die sich auf Personen beziehen, und dazu zählen insbesondere Verwandschaftsbezeichnungen, im Allgemeinen mit dem natürlichen Geschlecht der Person kongruent, 4 wie zum Beispiel der Vater oder die Mutter. Hingegen findet das Neutrum Verwendung, wenn das natürliche Geschlecht des Nomens nicht bekannt ist oder nicht genannt werden soll, wie zum Beispiel das Kind (Junge oder Mädchen) oder das Junge (männliches oder weibliches Tier) (Jung, 1980: 248). 2. Das Gattungsprinzip, das eher Wortgruppen zusammenfasst, die nicht zum Kernwortschatz / Grundwortschatz gehören (Wegener, 1995 a; Fischer, 2005), sieht vor, dass Gruppen von semantisch verwandten Substantiven, die unter einem Oberbegriff zu einer Familie zusammengefasst werden, über das gleiche Genus verfügen. Trotz zahlreicher Beispiele für die Gültigkeit dieser Regel, wie beispielsweise Blumen (f.), Bäume (m.), Zahlen (f.), Himmelsrichtungen (m.), Wochentage (m.), Buchstaben (n.), und Farben (n.), existieren aber auch eine Reihe von, durch formale Prinzipien erklärbare, Ausnahmen (Fischer, 2005). Für die morphologischen Prinzipien gelten die folgenden Regeln: 1. Nach dem Suffixprinzip (Fischer, 2005) wird Derivaten mit gleichem Suffix das gleiche Genus zugewiesen, wie zum Beispiel die Suffixe -chen (n.), -lein (n.) und -ling (m.). 2. Das Flexionsprinzip (Fischer, 2005), nach dem der Deklinationstyp das Genus vorgibt, beruht auf der Annahme, dass der Sprechende alle Nomina kognitiv unter anderem auch nach dem Flexionstyp klassifiziert und daraus das Genus ableitet, das auf diese Weise nicht eigens memorisiert werden muss (Fischer, 2005). Allerdings wird die Existenz des Flexionsprinzips in der Literatur sehr kontrovers diskutiert. Während Corbett (1991: 84) seine Wirksamkeit im Deutschen 4 Prinzip des natürlichen Geschlechts: Ein Nomen, das einen Menschen oder ein Tier mit bekanntem Geschlecht bezeichnet, erhält das Genus Maskulin bei einem männlichen Wesen und Feminin bei einem weiblichen Wesen. 70 annimmt, ist es nach Hickey (2000: 630) unter anderem aufgrund der fehlenden Korrelation mit dem Genus nicht physisch real. Vielmehr bestehen nur phonotaktische Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Deklinationstypen. Zu den wichtigsten morphonologischen Prinzipien 5 im Deutschen, von denen sich sehr viele in der Literatur finden, angefangen von den von Polzin (1903) beschriebenen Reimassoziation 6 bis zu einem ganzen System bei Köpcke (1982), zählen: 1. Stammwörter-Tendenz (Fischer, 2005): Stammwörter, unter denen suffixlose, also nicht zusammengesetzte Simplizia verstanden werden, sind maskulin (Wegener, 1995 a). 2. Die Pseudosuffix-Tendenz (Fischer, 2005) sieht vor, dass mehrsilbige Nomina mit gleichem Pseudosuffix das gleiche Genus erhalten. In Übereinstimmung mit dieser Annahme sind Nomina, die auf -el, -en und -er enden, zu 65 % Maskulina (Wegener, 1995 a). 3. Entsprechend der E-Tendenz (Fischer, 2005) wird mehrsilbigen Nomina mit Schwa als Auslaut das Femininum zugewiesen, wie zum Beispiel die Lage und die Raupe. Demzufolge sind Nomina, die auf -e enden, zu 90 % Feminina (Wegener, 1995 a). 4. Nach der ER-Tendenz wird mehrsilbigen Substantiven, die auf -er enden, das Genus Maskulin zugeschrieben (Fischer, 2005). 5. Entsprechend der Wortanfangbzw. Wortende-Tendenz (Corbett, 1991; Fischer, 2005), die sowohl für einals auch für mehrsilbige Wörter gilt (Clyne, 1969; Altmann & Raettig, 1973; Köpcke & Zubin, 1982), wird Substantiven mit gleichem Wortanfang beziehungsweise Wortende das gleiche Genus zugewiesen. 6. Die Silbenzahl-Tendenz (Fischer, 2005) sieht vor, dass einsilbige Nomina eher maskulin sind und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Substantiv feminin ist, mit der Anzahl der Silben steigt. Da für ein Wort verschiedene Prinzipien zutreffen können, ist es möglich, dass sich die von den Prinzipien abzuleitenden Genuszuweisungen widersprechen können. Beispielsweise wird dem Nomen Mutter nach der Regel des natürlichen Geschlechts das Femininum zugewiesen, hingegen würde die ER-Tendenz das Genus Maskulinum vorsehen (Fischer, 2005). 5 Morphonologisches Prinzip: „ Ein Nomen kann sein Genus von einer formalen Identifikationsbasis, d. h. einem Nomen mit formaler Ähnlichkeit erhalten. “ (Fischer, 2004: 100). 6 Auch Pseudosuffix-Tendenz genannt. Nach der Reimassoziation wird Gruppen gleich endender Wörter dasselbe Genus zugeordnet. 71 Wie bereits ausgeführt, ist das Genus ein inhärentes Merkmal des Nomens, betrifft aber ebenso die Artikel, die Pronomen, die attributiven Adjektive und die Adjektive, die in der vorliegenden Arbeit als „ bestimmende “ (vgl. Kapitel 2.1) bezeichnet werden. Im Deutschen hängt insbesondere die Deklination eines Adjektivs davon ab, ob ihm ein bestimmter, ein unbestimmter oder aber kein Artikel vorangeht (vgl. Kapitel 2.3.1.3). In diesem Zusammenhang wird auch von einer starken, schwachen oder gemischten Deklination gesprochen. Kasus, Genus und Numerus sind in einem einzigen Element mit multiplen Funktionen vereint. Dieser Multifunktionalismus existiert nicht in diesem Ausmaß im Italienischen, da in dieser Sprache die Endungen der Artikel, der Pronomen und der Adjektive nur die Arten von Genus und Numerus widerspiegeln, während der Kasus durch die Position, die das nominale Syntagma innerhalb des Satzes einnimmt, ausgedrückt wird. Bezogen auf die Syntax hat das Genus im Deutschen ausschließlich innerhalb des nominalen Syntagmas Auswirkungen und unterscheidet sich so vom Italienischen (Vanelli, 1988; Renzi, 1988). So werden im Deutschen weder das prädikative Adjektiv noch das Partizip Perfekt hinsichtlich Genus und Numerus flektiert. Angesichts der zahlreichen Genuskongruenzregeln des Adjektivs im Deutschen beschäftigt der Erwerb aller Regeln das monolinguale Kind für einen langen Zeitraum (Mills, 1986), auch wenn das Erreichen dieses Ziels das Kind nicht vor unüberwindbare Herausforderungen stellt. Im Gegenteil, nach Mills (1986: 107) erwirbt das Kind die Flexion des Genus im Deutschen, einer Sprache mit einem umfangreichen Genussystem, viel früher als im Englischen, einer Sprache, in der die Flexion hinsichtlich Genus und Numerus lediglich beim Nomen und Pronomen erscheint, auch wenn das Deutsche eine Sprache ist, in der Genus, Numerus und Kasus in einem plurifunktionalem Morphem verschmolzen sind. Das Genus verfügt im Deutschen über einen durchdringenden Charakter, der sich darin zeigt, dass das Genus bei den Adjektiven und den Artikeln, die im Allgemeinen von dem Kind früher als die Pronomen erlernt werden, markiert ist. Möglicherweise infolge dieses Charakters hat das Kind im Deutschen im Vergleich mit dem Englischen größere Möglichkeiten, die grammatischen Regeln zu erkennen, zu erlernen und letztlich zu reproduzieren (Mills, 1986: 14). 72 2.6 Das Genussystem und die Genuszuweisungsregeln im Italienischen Das Substantiv setzt sich im Italienischen aus einem Stamm und einer Endung, die Numerus und Genus anzeigt, zusammen. Die italienische Sprache verfügt über zwei Genera: Das Maskulinum und das Femininum. Im Italienischen wird jedem Nomen ein Genus zugeteilt. Chini (1992) beschrieb auf der Basis von morphologischen Kriterien und Endungen in der italienischen Sprache sieben Deklinationsklassen des Nomens und darunter die drei folgenden Hauptdeklinationsklassen, deren Endungen in Tabelle 17 dargestellt sind: I. Die o-Deklinationsklasse II. Die a-Deklinationsklasse III. Die e-Deklinationsklasse, Tabelle 17: Die drei Hauptflexionsklassen der Nomina des Italienischen Deklinationsklasse Genus Singular Plural I Maskulinum -o -i II Femininum -a -e III Mask. + Fem. -e -i und die folgenden vier Nebendeklinationsklassen, die eine begrenzte Anzahl von Nomina umfassen und deren Endungen in Tabelle 18 dargestellt sind: IV. Zu der Klasse der unveränderlichen Nomen gehören a) die Oxytona (endsilbenbetonte Wörter), wie z. B. caffè ‚ Kaffee ‘ , b) einsilbige Wörter, wie etwa gru ‚ Kranich ‘ , c) Substantive, die mit einem Konsonanten enden, wie z. B. film ‚ Film ‘ , und schließlich abgekürzte Nomen 7 wie foto ‚ Foto ‘ für fotografia ‚ Fotografie ‘ . V. Die Klasse der maskulinen Nomina, die im Singular auf -a enden, haben im Plural, wie die im Singular auf -o endenden Nomina, die Endung -i, wie z. B. Singular: il problema ‚ das Problem ‘ , Plural: i problemi ‚ die Probleme ‘ . VI. Die Klasse der Nomina, die im Singular maskulin, im Plural aber feminin sind (die so genannten Kollektivplurale), wie z. B. Singular: il ginocchio ‚ das Knie ‘ und Plural: le ginocchia ‚ die Knie ‘ . VII. Die Klasse der Nomina, die im Singular auf -o und in Plural auf -i enden aber feminin sind, wie zum Beispiel la mano / le mani ‚ die Hand / die Hände ‘ . 7 Scalise definiert solche Substantive als „ Halbwörter “ (Scalise, 1984: 81, 269 - 271). 73 Zusätzlich zu diesen Deklinationsklassen existieren weitere, noch kleinere, die nicht nur aufgrund ihrer Besonderheit und ihrer spärlichen Verwendung innerhalb des Wortschatzes nicht im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit liegen. Tabelle 18: Die Nebendeklinationsklassen der Nomina des Italienischen. Deklinationsklasse Genus Singular Plural IV Sing.: Mask. oder Fem. Endung des Nomens = Sing. V Mask. -a -i VI Sing.: Mask. Pl.: Fem. -o -a VII Fem. -o -i Wie aus Tabelle 18 ersichtlich gibt es eine Korrelation nur zwischen den ersten beiden Hauptdeklinationsklassen und dem Genus. Die Nomen der a-Deklinationsklasse sind feminin und bilden den Plural mit der Endung -e, wie z. B. Singular: la casa ‚ das Haus ‘ , Plural: le case ‚ die Häuser ‘ . Eine Ausnahme zu dieser Regel stellen einige Substantive dar, die im Singular auf -a enden, aber maskulin sind. Diese bilden den Plural mit der Endung -i, wie etwa Singular: il programma ‚ das Programm ‘ , Plural: i programmi ‚ die Programme ‘ (Deklinationsklasse V). Die Nomen, die zur o-Deklinationsklasse gehören, sind maskulin und bilden den Plural mit der Endung -i, wie zum Beispiel il bamino ‚ das Kind ‘ , das im Plural zu i bambini ‚ die Kinder ‘ wird. Die Nomen der e-Deklinationsklasse weisen keine Korrelation zwischen der Endung und dem Genus auf. Somit können die Substantive dieser Deklinationsklasse sowohl maskulin als auch feminin sein. Unabhängig von ihrem Genus enden sie im Plural mit -i, wie z. B.: la nube (Fem.) ‚ die Wolke ‘ , die im Plural zu le nubi ‚ die Wolken ‘ wird oder il mare (Mask.) ‚ das Meer ‘ , das im Plural zu i mari ‚ die Meere ‘ wird. Dieselben Regeln gelten auch für die nachfolgenden vier Klassen. Im Italienischen gilt für die Bezeichnung von Menschen grundsätzlich das Prinzip des natürlichen Geschlechts: Nomina, die aufgrund ihrer lexikalischen Bedeutung Personen weiblichen Geschlechts bezeichnen, sind in der Regel Feminina, z. B. nutrice (Fem.) ‚ Amme ‘ . Nomina, die auf Grund ihrer Bedeutung Personen männlichen Geschlechts bezeichnen, sind in der Regel Maskulina, z. B. prete (Mask.) ‚ Priester ‘ . Im Italienischen, wie auch im Deutschen, wird das Genus notwendigerweise gemeinsam mit dem Numerus gekennzeichnet. Aus diesem Grunde werden die Morpheme des Genus auch als so genannte Morpheme portemateau bezeichnet, die neben dem Genus auch den Numerus anzeigen. 74 Beispielsweise gibt die Endung -o in vecchio Informationen sowohl zum Genus (in diesem Fall Maskulinum), als auch zum Numerus (in diesem Fall Singular) (Berretta, 1993). Wie bereits in Kapitel 2.2.1 ausgeführt, hat im Italienischen das Genus, anders als im Deutschen, Auswirkungen sowohl innerhalb des nominalen Syntagmas, als auch außerhalb (Vanelli, 1988; Renzi, 1988). Innerhalb des nominalen Syntagmas spiegeln sich das Genus und der Numerus in allen hinsichtlich des Genus veränderlichen Elementen wider und somit in Artikeln, Adjektiven, Quantifikatoren und Relativsätzen. Während in diesem Punkt die italienische Sprache sich von der deutschen nicht unterscheidet, besteht jedoch im Italienischen die Kongruenz des Genus auch mit einem Element außerhalb des SN. Dies ist etwa der Fall bei dem prädikativen Adjektiv, dem Partizip Perfekt, dem das Hilfsverb essere vorangeht oder das Hilfsverb avere, wenn diesem ein Objektpronomen vorausgeht. Auch im Italienischen wurden einige Kriterien identifiziert, nach denen sich das Genus eines Nomens ableiten lässt. Es handelt sich um dieselben Kriterien, die Corbett (1991) für andere Sprachen festgestellt hat (Chini, 1995) und die, wie auch im Deutschen, einer semantischen oder formalen Natur unterliegen. Letztere unterteilen sich in morphologische und morphonologische. In Bezug auf die semantischen Kriterien identifizierte Chini (1995: 83) für das Italienische die folgenden semantischen Gegensätze: belebt - unbelebt und menschlich - nicht menschlich. Nach diesen Prinzipien zur grammatischen Unterscheidung des Genus werden die semantischen Merkmale „ männlich “ und „ weiblich “ mit dem Maskulinum und dem Femininum assoziiert. Der Gegensatz des natürlichen Genus wird im Italienischen mit den Morphemen -o für das Maskulinum und -a für das Femininum, mit spezifischen feminilen Suffixen, wie etwa -essa und -trice oder durch den Artikel, wie z. B. il musicante / la musicante, ausgedrückt. Die Verwendung des männlichen beziehungsweise weiblichen Artikels ermöglicht die Genusunterscheidung der Nomen, die im Singular auf -e enden, und von Adjektiven, wie in la bella cantante. Darüber hinaus wurden die folgenden Assoziationen zwischen Genus und semantischen Feldern festgestellt. Für gewöhnlich sind weiblich die Namen von Früchten (la ciliegia, la prugna), Städten (la Roma), Inseln (la Sardegna), Regionen (la Toscana), Staaten (la Germania) und Kontinenten (l ’ Europa [Fem.]), abstrakten Disziplinen und Themen (la biologia, la storia, la linguistica), Firmen (la Pirelli), Marken und Autos (la Benetton; la Cinquecento) und hingegen männlich die Namen von Metallen (il ferro), Bäumen (il ciliegio, il prugno), Himmelsrichtungen (il nord, il sud), Wochentage (il lunedì, il martedì) mit Ausnahme von la domenica, Bergen (il monte Bianco, il monte Faito), Meeren (il Mediterraneo, il Tirreno), Flüssen (il Reno, il Mississipi), Weinen (il Marsala, il Chianti (Serianni, 1988: 91 - 92)) und Winden (lo scirocco (Schwarze, 1988: 13)). 75 In diesen Prinzipien ist die Tendenz wieder zu erkennen, dem Hyponym das Genus des Hyperonyms zuzuweisen, wie z. B. la città (Fem.) und la Roma (Fem.). Auch in diesem Fall ist festzustellen, dass das Zuweisungssystem äußerst logisch und alles andere als willkürlich ist. Im Folgenden sollen nun die Kriterien der Genuszuweisung entsprechend der morphologischen Natur dargestellt werden. Einige Suffixe sind sehr produktiv zu ihnen gehören etwa (Chini, 1995: 89 - 90): Die femininen Suffixe -ione (lezione ‚ Lektion ‘ ), -(a)ggine (sbadataggine ‚ Unachtsamkeit ‘ ), -trice (trebbiatrice ‚ Dreschmaschine ‘ ), -ite (polmonite ‚ Pneumonie ‘ ), -osi (prognosi ‚ Prognose ‘ ), -tà (povertà ‚ Armut ‘ ), -tù (virtù ‚ Tugend ‘ ); Die maskulinen Suffixe -ile (mercantile ‚ Handelsschiff ‘ ), -iere (infermiere ‚ Pfleger ‘ ), -one (pancione ‚ großer Bauch ‘ ), -tore (calciatore ‚ Fußballspieler ‘ ). Zuletzt sollen noch die Kriterien der Genuszuweisung morphonologischer Natur vorgestellt werden (Chini, 1995: 90): Unabhängig von ihrer semantischen oder morphologischen Bedeutung können einige Substantivendungen als Indikatoren für die Genuszuweisung dienen. Für gewöhnlich sind feminin: Viele Nomen, die unveränderlich auf -ie enden (specie ‚ Art ‘ , serie ‚ Reihe, Serie ‘ ) und viele Nomen griechischen Ursprungs, die im Singular auf -i enden, wie z. B. nemesi ‚ Nemesis ‘ oder anamnesi ‚ Anamnese ‘ (Chini, 1995: 90). Die auf -(t)ù endenden Nomen, wie z. B. gioventù ‚ Jugend ‘ . Hingegen sind maskulin: Viele auf Konsonanten endende Nomen, wie etwa film, bazar, biberon ‚ Milchflasche ‘ , mobbing, modem etc. (Chini, 1995: 90). Wie an diesen Beispielen ersichtlich, handelt es sich häufig um Lehnwörter. Aufgrund der äußerst transparenten Genuszuweisung kommt der phonetischen Struktur des Nomens im Italienischen keine entscheidende Bedeutung zu, anders als im Französischen (Tucker, Lambert & Rigault, 1977) oder im Deutschen (Köpcke, 1982). 2.7 Genussystem | Kurzgefasst Beim Vergleich der Genuszuweisungssysteme des Deutschen und des Italienischen zeigen sich ausgeprägte Unterschiede zwischen den Systemen. Die italienische Sprache hat ein sehr transparentes Genussystem mit sowohl semantischen als auch morphologischen und morpho-phonologischen Kriterien zur Genuszuweisung. Das Italienische verfügt nur über zwei Genera (Maskulinum und Femininum). Zudem zeigen die ersten beiden Hauptdeklinationsklassen, zu denen die Mehrzahl der Nomen gehört, eine komplette Übereinstimmung zwischen den Endungen und 76 den Regeln des natürlichen Geschlechts. Das Numerussystem ist mit nur zwei Endungen ebenso konsistent, mit nur wenigen Ausnahmen für eine geringe Anzahl von Nomen. Genus und Numerus werden in demselben Segment markiert, aber nicht der Kasus, der durch die Position des Syntagmas innerhalb des Satzes ausgedrückt wird. Genus und Numerus manifestieren sich im Italienischen in den Nomen, Artikeln, Pronomen und Adjektiven. Im Italienischen muss das Adjektiv mit dem Substantiv übereinstimmen sowohl innerhalb als auch außerhalb des SN. Im Deutschen ist das System viel weniger transparent als im Italienischen, derart, dass bis vor wenigen Jahren von einer Arbitrarität des Genussystems gesprochen wurde. Die drei Genera (Maskulinum, Femininum und Neutrum) werden sowohl nach semantischen als auch nach morphologischen und morpho-phonologischen Kriterien zugewiesen. Das System des Numerus ist wenig transparent. In demselben Element werden Genus, Numerus und Kasus markiert. Genus, Numerus und Kasus manifestieren sich bei Nomen, Artikeln, Pronomen und Adjektiven. Das Adjektiv muss im Deutschen mit dem Nomen übereinstimmen, nur wenn es eine attributive Funktion ausfüllt (Kongruenz innerhalb des SN), während es in seiner Stammform verbleibt, wenn es in prädikativer Funktion ist. 77 3 Der Erwerb des Adjektivs im Italienischen und Deutschen 3.1 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen Mills (1985) unterteilt den Spracherwerb des einsprachigen Kindes im Deutschen in die vier Hauptphasen Ein-, Zwei-, Drei-und-mehr-Konstituenten-Phase sowie die Spätere Entwicklung. Schon in der Ein-Konstituenten- Phase ‚ die im Alter von etwa 1; 0 beginnt, werden die Adjektive in der prädikativen Form, die anders als die Adjektive in der attributiven Stellung keine Flexionsendungen erfordern, zielsprachlich verwendet (Mills, 1985: 153). Das monolingual deutsche Kind verwechselt von Beginn an den flektierten Gebrauch des qualifizierenden Adjektivs in attributiver Funktion nicht mit dem nicht-flektierten Gebrauch des Adjektivs in prädikativer Position. Diese Beobachtung deutet daraufhin, dass die prädikative Form als Grundform erworben wird (Mills, 1985: 243). Wenn ein Adjektiv mit attributiver Funktion eine Formveränderung erfährt, wie etwa in dem Fall einer Steigerung, wählt das monolingual deutsche Kind die prädikative Form und bildet aus dieser die Komparativform des attributiven Adjektivs. Repetto (2006, 2008) untersuchte den Erwerb des prädikativen Adjektivs an bilingual deutsch-italienischen Kindern. In ihrer Arbeit zeigte sich, dass die kongruenzlosen prädikativen Formen des Adjektivs bereits mit einem MLU kleiner als 2 als isolierte Adjektive nachzuweisen waren. Ab dem zweiten Lebensjahr und mit einem MLU größer als 2 traten prädikative Adjektive hingegen als verblose Formulierungen oder begleitet von einer Kopula auf. Zum Erwerb der Flexionsregeln des prädikativen Adjektivs im Deutschen durch L2-Lerner mit der Muttersprache Italienisch sind nach meinem Kenntnisstand keine spezifischen Studien durchgeführt worden, auf die ich mich in der vorliegenden Arbeit beziehen könnte. 3.2 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen Im Italienischen drückt das prädikative Adjektiv häufig einen Zustand aus (Parisi, 1976: 83) und spiegelt Genus und Numerus eines Substantivs außerhalb eines nominalen Syntagmas wider (Antinucci & Miller, 1976; Volterra, 1976). Chini (1995) untersuchte den Erwerb des Genus in der Sprache der eigenen monolingual italienischen Tochter Agnese. Auch wenn diese 78 Arbeit den Erwerb der Genusmarkierung nicht nur an Adjektiven, sondern auch an anderen Kategorien analysierte, sollen an dieser Stelle nur die für den Erwerb der Genuskongruenz der prädikativen Adjektive wichtigen Daten vorgestellt werden. Chini kam zu den folgenden Ergebnissen: 1. Das beobachtete Mädchen wies beim Erwerb der Regeln der Genuszuweisung und der Kongruenzregeln des prädikativen Adjektivs keine besonderen Schwierigkeiten auf. So verwendete es ab dem Alter von 2; 0 zielsprachlich flektierte Formen des prädikativen Adjektivs, auch wenn sie noch nicht von einer Kopula begleitet waren. 2. Bereits in dieser Phase war die Zahl der Abweichungen von der Erwachsenensprache mit 5 % sehr gering. 3. Einzige Fehler dieser Erwerbsphase waren die Übergeneralisierung des Morphems des Maskulinums Singular und die Kongruenz aufgrund von Assonanzen von auf -a auslautenden maskulinen Nomen mit auf -a endenden Adjektiven, wie in Beispiel (101): (101) Danluca è caduta. ( ‚ Gianluca ist hingefallen ‘ ; Alter: 2; 9,16) Gianluca è caduto [zielsprachlich]. 4. Das Mädchen erwarb die Kategorie des Genus, indem es sich auf das Wiedererkennen der formalen Regelmäßigkeiten stützte. Hingegen schien das semantische Kriterium für Kleinkinder keinen hohen prädiktiven Wert zu haben, da die ersten Übereinstimmungen des Genus nicht mit einem geschlechtsanzeigenden Substantiv auftraten. 5. Das Mädchen prägte sich das Genus nur in besonderen Fällen ein, wie etwa bei Nomen der III. Deklinationsklasse. Cipriani (1993) analysierte in einer Untersuchung zur Morphosyntax im Italienischen, die sechs monolingual italienische Kinder einschloss, weitere Aspekte des Spracherwerbs, darunter auch des Adjektivs. Ausgehend von diesen Daten entwickelte sie ein aus vier Phasen bestehendes Spracherwerbsmodell. Im Folgenden sollen nur die Daten der verschiedenen Phasen präsentiert werden, die von Interesse für den Erwerb des prädikativen Adjektivs und, aufgrund der identischen Flexionsregeln, auch des attributiven Adjektivs sind. Die erste Phase fand sich nur in zwei Kindern und begann bei diesen im mittleren Alter von 1; 8,6 und dauerte durchschnittlich 4 Monate und 10 Tage an, mit MLU-Mittelwerten von 1,35 bis 1,6. Diese Phase wird auch als präsyntaktische Phase bezeichnet, da sie durch Phänomene charakterisiert ist, die nicht auf die Erwachsenensprache zurückzuführen sind. In dieser Phase wies die Sprache des Kindes mit 20 bis 40 % aller unipropositionalen Ausdrücken noch eine große Anzahl an 79 verblosen Ausdrücken auf. Die Analyse der Flexionsmorphologie ergab, dass einige Adjektive in der von der Zielsprache vorgesehenen Form des Genus und Numerus auftraten, auch wenn Cipriani in keiner der Phasen eine eindeutige Aussage darüber machte, ob es sich um Adjektive mit attributiver oder prädikativer Funktion handelte (Cipriani, 1993: 44). Die zweite Phase, die auch als Phase der primitiven Syntax definiert wird, begann bei den untersuchten Kindern im Mittel im Alter von 1; 11,3 und dauerte durchschnittlich 3 Monate und 16 Tage an, mit MLU-Mittelwerten von 2,0 bis 2,3. Zwar blieb im Vergleich zu der vorherigen Phase die Anzahl der verblosen Äußerungen unverändert, allerdings war eine fortschreitende Entwicklung der Flexionsmorphologie insbesondere auf der nominalen Ebene mit der Kongruenz von Adjektiv und Nomen zu verzeichnen (Cipriani, 1993: 52). Die dritte Phase, auch als Vervollständigung der Kernphase bezeichnet, begann bei den untersuchten Kindern im mittleren Alter von 2; 3,22 und dauerte durchschnittlich 2 Monate und 24 Tage an, mit MLU-Mittelwerten von 2,3 bis 3,0. In dieser Phase lag der Anteil an verblosen Äußerungen bei ca. 20 %, auch wenn interindividuelle Unterschiede zwischen den Kindern bestanden. Im Vergleich mit der Vorphase waren sowohl das Auftreten einer neuen Fehlerart, als auch eine entscheidende Entwicklung bei dem Erwerb und dem Gebrauch des Adjektivs festzustellen: „ A testimonianza di una crescente padronanza delle regole morfologiche, cominciano a comparire errori 1 che rappresentano un fenomeno ‚ tardivo ‘ 2 e comunque strettamente correlato alla costruzione attiva di molti aspetti del sistema grammaticale. [. . .] sono tuttavia un fenomeno ristretto specialmente per quanto riguarda gli errori all ’ interno del sintagma nominale. 60 [. . .] c) Viola: maiale piccinina 3 “ (Cipriani, 1993: 60). Die sich anschließende vierte Phase begann bei den untersuchten Kindern im mittleren Alter von 2; 6,22 und dauerte durchschnittlich 3 Monate und 6 Tage an, mit MLU-Mittelwerten von 3,0 bis 3,4. In dieser Phase, von der Autorin auch als Phase der Festigung und Generalisierung der Regeln von komplexen Strukturen bezeichnet, blieb der Prozentsatz an verblosen Äußerungen konstant. Allerdings zeigte sich eine Entwicklung der Flexionsmorphologie im Allgemeinen und somit auch des Adjektivs, die durch das neue Auftreten von Fehlern bei der Wortbildung gekennzeichnet war: „ [. . .] un arricchimento della tipologia degli errori costruttivi che interessano non solo i verbi, ma anche nomi e aggettivi [. . .] 1 Die fettgedruckte Schrift stammt von der Autorin. 2 Die Anführungszeichen sind von der Autorin übernommen. 3 Die kursive Schrift wurde von der Autorin verwendet. 80 75 [. . .] c) Rosa: sono mii 4 . “ (Cipriani, 1993: 66). Chini (1995) untersuchte in einer umfassenden Studie zum Erwerb der Nominalmorphologie des Italienischen als L2 unter anderem den Erwerb der Kongruenzregeln der prädikativen Adjektive gemeinsam mit denen der Partizipien Perfekt. Letztere nehmen wie die prädikativen Adjektive eine Position außerhalb der Nominalphrase (NP), auf das sie sich beziehen, und innerhalb des Prädikats ein. Die Untersuchung schloss persische, französische und schweizerdeutsche Muttersprachler ein, die Italienisch als Fremdsprache in dem italienischsprachigen schweizerischen Kanton Ticino lernten. Im Folgenden sollen jedoch nur die Ergebnisse des Erwerbs der schweizerdeutschen Muttersprachlerinnen berücksichtigt werden, da nur diese einen adäquaten Vergleich mit den im Rahmen der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten zu dem Spracherwerb bilingual deutsch-italienischer Kinder erlauben. Die analysierten schweizerdeutschen Lernenden Anna und Sarah wurden über einen Zeitraum von 6 bis 8 Monaten beobachtet. Dies entsprach auch der Dauer ihres Aufenthaltes in Ticino. Von den beiden anderen Schweizerdeutschen ist eine nur zwei Monate in Ticino geblieben und die andere hatte bereits italienische Vorkenntnisse, Gründe, weshalb ihre Daten hier nicht berücksichtigt werden. In der ersten Phase des Erwerbs des Italienischen als L2 fehlten in der Sprache von Anna praktisch die Partizipien. Hingegen war für die prädikativen Adjektive eine ähnliche Tendenz wie für die attributiven Adjektive zu verzeichnen, mit einer anfänglichen Übergeneralisierung der Endung des Maskulinums Singular -o und, wenn auch in einer geringeren Weise, auch der des Femininums Singular -a. Der Anteil zielsprachlich flektierter prädikativer Adjektive war deutlich niedriger als der zielsprachlich flektierter attributiver Adjektive (28 vs. 48 %). Darüber hinaus fehlten Kongruenzen im Plural. Aus diesen Ergebnissen schloss Chini, dass das Maskulinum Singular die grundlegende Form des Italienischen darstellt (Chini, 1995: 258). Die zweite untersuchte Person, Sarah, verwendete das prädikative Adjektiv und das Partizip häufiger zielsprachlich, auch wenn in den aufgezeichneten Äußerungen ebenfalls die Tendenz bestand, mit dem Maskulinum Singular eine unveränderte Form zu verwenden. Diese Ergebnisse bestätigen demnach die Übergeneralisierung des Maskulinums Singular zu Beginn des Lernens der italienischen Sprache. Die Autorin schloss: „ Il settore dei predicativi e dei participi si rivela dunque finora come quello più restio all ’ accordo di genere, in quasi tutti gli apprendenti, talvolta anche quello in cui più incide il fattore semantico. “ (Chini, 1995: 261). 4 Die kursive Schrift stammt von der Autorin. 81 und legte die folgenden Schwierigkeitsgrade für den Erwerb der Kongruenzregeln fest (mit abnehmenden Schwierigkeitsgrad von links nach rechts): “ pronomi 3ª Pers. sg. > articolo determinativo (>) articolo indeterminativo > aggettivo attributivo > aggettivo predicativo (>) participio passato “ , 5 (Chini, 1995: 285). In der Arbeit von Chini (1995) gab es beim Erlernen des Italienischen als L2 keinen Hinweis auf die Existenz einer Phase, die durch den Erwerb des prädikativen Adjektivs in verblosen Äußerungen gekennzeichnet ist. Der Erwerb der Kongruenzregeln des prädikativen Adjektivs bei Bilingualen wurde von Repetto (2006, 2008) an drei zweisprachigen deutsch-italienischen Kindern in einem Beobachtungszeitraum von 1; 8,21 bis 5; 2,15 untersucht. Die Autorin kam zu den folgenden Ergebnissen hinsichtlich des Erwerbs des Italienischen: - Die prädikative Funktion wurde bei Vorliegen von MLU-Werten von weniger als 2 und einem mittleren Alter von 2; 5,28 erlernt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass bei Jan Philip, bei dem Italienisch die schwache Sprache darstellte, der Erwerb dieser Funktion erst im Alter von 3; 2,19 erfolgte. - Der Erwerb des prädikativen Adjektivs ging dem des attributiven voraus. - In einer initialen Phase des Spracherwerbs wurde das prädikative Adjektiv in verblosen Äußerungen verwendet. - Die Kongruenzfehler waren selten und von Anfang an fanden sich Hinweise auf eine korrekte Verwendung der maskulinen und femininen Endungen, auch wenn die maskulinen Formen den femininen etwas vorausgingen. - Selten fanden sich Fehler der Übergeneralisierung des Maskulinums. - Die Pluralform von maskulinen Nomen wurde verhältnismäßig früh erworben, während die Pluralform von femininen Nomen erst in der Folge gelernt wurde. 5 Chini (1995) äußerte, dass im Fall der Artikel und des prädikativen Adjektivs im Vergleich zu dem Partizip Perfekt die Abfolge nicht absolut sicher ist. 82 3.3 Kurzgefasst Beim monolingualen Kind stellt der Erwerb des prädikativen Adjektivs keine Schwierigkeiten dar, weder im Italienischen noch im Deutschen. Während im Italienischen das Kind das morphologische Flexionssystem im Mittel in einem Alter von 1; 11,3 bis 2; 2,19, mit MLU-Mittelwerten zwischen 2,0 und 2,3 erwibt, erscheint im Deutschen das prädikative Adjektiv, da es nicht flektiert wird, bereits in der Einkonstituentenphase, die im Alter von etwa 1; 0 beginnt. Die wenigen Ergebnisse, die zu diesem Thema bei bilingual deutschitalienischen Kindern existieren, deuten darauf hin, dass im Italienischen die prädikative Form in einem durchschnittlichen Alter von 2; 5,28 mit MLU-Werten kleiner als 2 erworben wird, im Deutschen hingegen ab zwei Jahren mit MLU-Werten kleiner als 2. Die Studien, die mit L2-Lernern des Italienischen durchgeführt wurden, ergaben, dass bei diesen der Erwerb mit größeren Schwierigkeiten und anderen Fehlerarten verbunden ist im Vergleich zu monolingualen und bilingualen L1-Erwerbern. Mit L2-Lernern des Deutschen wurde nach meinem Kenntnisstand keine Untersuchung zu dieser Fragestellung durchgeführt. 3.4 Der Erwerb des attributiven Adjektivs 3.4.1 Erwerbsphasen von Position und Flexion des attributiven Adjektivs im Deutschen Bereits in der Zwei-Konstituenten-Phase werden, nach Mills (1985), die Adjektive in der attributiven Position, also vor dem Nomen, auf das sie sich beziehen, verwendet. In dieser Stellung erscheinen die Adjektive normalerweise flektiert. Da für die zielsprachliche Verwendung der Deklinationen des Adjektivs der Erwerb sowohl der bestimmten als auch der unbestimmten Artikel Vorausetzung ist, soll in diesem Kapitel auch der Erwerb des Artikels berücksichtigt werden. In dieser Erwerbsphase geht der Artikel, auch wenn er schon erworben worden ist, noch nicht den Adjektiven voran (Mills, 1986: 65). Die einzige Deklination, die in dieser Phase zielsprachlich verwendet wird, ist die starke (Mills, 1985: 154), d. h. die, die auftritt, wenn dem Adjektiv weder ein bestimmter noch ein unbestimmter Artikel vorangeht. Bei der schwachen und der gemischten Deklination findet sich eine Übergeneralisierung der Endung -e (Mills, 1985: 154), wahrscheinlich infolge dessen, dass sie die häufigste bei den entsprechenden Paradigmen ist. Die maskuline Endung -er und die neutrale Endung -es werden nur selten nicht-zielsprachlich verwendet. Infolge der Redundan- 83 zen innerhalb der Paradigmen des Genus und des Kasus der schwachen und gemischten Deklination ist es, bis zur zielsprachlichen Verwendung des Artikels, nicht immer möglich zu entscheiden, ob das Kind das Genus zielsprachlich verwendet hat. In der Drei-und-Mehr-Konstituenten-Phase, die sich bis zum Alter von 4; 0 erstreckt, werden die Artikel regelmäßiger verwendet (Mills, 1985: 155). Nach Mills (1985) erwirbt das Kind erst den bestimmten Artikel und in der Folge den unbestimmten Artikel. Chini (1995) beobachtete dieselbe Reihenfolge des Auftretens der Artikel in der Sprache des Kindes auch im Italienischen. Die verwendeten Artikel sind hinsichtlich des Genus meist zielsprachlich, allerdings findet sich als häufiger Fehler, auch im Falle der bestimmten und unbestimmten Artikel, eine Übergeneralisierung der femininen Form die und eine. Mills (1985) vermutete, dass diese Übergeneralisierung Folge dessen ist, dass die feminine Form die häufigste Form für Akkusativ und Nominativ im Singular und Plural ist. Der Drei-und-Mehr-Konstituenten-Phase folgt die Phase der Späteren Entwicklung (4 Jahre und älter), in der die Kinder noch Schwierigkeiten mit den grammatischen Strukturen der deutschen Sprache haben, die äußerst unregelmäßig sind. Abweichungen von der Erwachsenensprache, die zu dieser Zeit nachgewiesen werden können, beziehen sich auf die Verwendung des Kasus, der Übergeneralisierung der Pluralformen sowie der Übergeneralisierung des besitzanzeigenden Adjektivs sein auch für das Pronomen ihr (Mills, 1985: 157). Zu den grammatischen Komponenten, die noch nicht sicher erworben wurden, zählen die Kongruenzregeln des Adjektivs, da sich in einem einzigen Morphem Genus, Numerus und Kasus, der seinerseits von verschiedenen Faktoren abhängt (vgl. Kapitel 1.3.5), vereinigen. Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte des Spracherwerbs bei Monolingualen, Bilingualen und, wo möglich, auch des L2-Spracherwerbs dargestellt. 3.4.1.1 Der Erwerb der Genuskongruenzregeln bei monolingual deutschen Kindern, bilingualen Kindern sowie Deutsch-L2-Lernern Mills (1986: 66, 115) fand bei dem Genuserwerb des einsprachigen deutschen Kindes eine Übergeneralisierung der weiblichen Form, also der Endung -e, in allen pränominalen Einheiten (bestimmte und unbestimmte Artikel sowie attributive Adjektive). Diese Übergeneralisierung war, wie auch schon in früheren Arbeiten gezeigt werden konnte (Miller, 1976; Park, 1974; Park, 1981), bei jüngeren Kindern viel häufiger anzutreffen als bei älteren. Eine mögliche Ursache ist die hohe Frequenz dieser Form in den Paradigmen der unbestimmten und bestimmten Artikel ebenso wie des Adjektivs. Darüber hinaus kann diese Übergeneralisierung sowohl als 84 Genusfehler als auch als Numerusfehler interpretiert werden. Ferner weisen einsprachige Kinder Abweichungen von der Erwachsenensprache, wenn auch seltener als die Übergeneralisierung des Femininums, bei der Wahl des Genus des Substantivs in den folgenden Richtungen auf: - Verwendung des Maskulinums anstelle des Femininums - Verwendung des Maskulinums anstelle des Neutrums. Hingegen verwechselt das einsprachige Kind selten das Femininum mit dem Neutrum (Mills, 1986: 69). Von den Formen, die die Markierung des Genus aufweisen, werden die Adjektive und die Artikel zuerst erlernt (Mills, 1986: 63). Der bestimmte und der unbestimmte Artikel haben große Bedeutung für die zielsprachliche Verwendung der drei Deklinationen des Adjektivs. Zudem besteht eine starke Ähnlichkeit zwischen der Flexion hinsichtlich Genus, Numerus und Kasus vor allem des bestimmten Artikels und der starken Deklination des Adjektivs. Aus diesem Grunde sollen an dieser Stelle einige Anmerkungen zu dem Erwerb der Artikel gemacht werden. Nach Mills (1986) werden die unbestimmten Artikel vor den bestimmten Artikeln erworben. Der unbestimmte Artikel wird im Allgemeinen um das dritte Lebensjahr zielsprachlich verwendet (Mills, 1986: 65). Hingegen beginnt das Kind ungefähr im Alter von 2; 9, den bestimmten Artikel zielsprachlich zu verwenden, auch wenn in diesem Alter durchaus noch Abweichungen von der Erwachsenensprache auftreten (Mills, 1986: 67). Der spätere zielsprachliche Gebrauch des bestimmten Artikels im Vergleich zum unbestimmten Artikel rührt wahrscheinlich daher, dass er das Kind vor größere Probleme stellt und es deshalb seine Verwendung vermeidet (Mills, 1986: 67). Zudem ist sowohl für die unbestimmten Artikel (Mills, 1986: 64) als auch für die bestimmten Artikel (Mills, 1986: 67) eine Übergeneralisierung der femininen Formen, wie z. B. eine, meine, die, festzustellen. Nach Mills (1986: 65) erscheinen die Artikel in der NP erst, nachdem die Adjektive in attributiver Position auftreten, und werden dann nur selten vor dem attributiven Adjektiv verwendet. Mills (1986) zeigte außerdem, dass deutsche Kinder das Genus viel früher erwerben als englische, was auch unmittelbar von der grundverschiedenen Wichtigkeit und damit Häufigkeit der Kategorie Genus in den beiden Sprachen abzuleiten ist (Mills, 1986: 107). Allerdings kommen Genusfehler auch bei deutschen Kindern noch lange vor (Mills, 1986: 66, 70). MacWhinney (1978) urteilte: „ [. . .] learning of German gender is a slow process. “ (MacWhinney, 1978: 15). 85 Im Folgenden soll nun auf den Genuserwerb in dem bilingualen L1-Erwerb und L2-Spracherwerb, mit Deutsch als einer der beiden Sprachen, eingegangen werden. Müller (1990, 1994) untersuchte das Genus bei den bestimmten und unbestimmten Artikeln an zwei bilingual deutsch-französischen Kindern im Alter von 1; 5 bis 5; 10. Im Rahmen ihrer Arbeit fand sie, dass die Kinder in keiner Erwerbsphase des Deutschen Genusfehler machten, die durch einen Spracheneinfluss erklärbar waren. Die auftretenden Genusfehler waren Folge autonomer, in der entsprechenden Zielsprache wirksamer, phonologischer Regeln, wie für die Sprachproduktion sowohl im Französischen als auch im Deutschen gezeigt werden konnte. Im Hinblick auf die deutsche Sprache bei den bilingualen Kindern, kam Müller (1990, 1994) zu den folgenden Ergebnissen: Die erste Erwerbsphase der Kinder war gekennzeichnet durch das Fehlen der bestimmten und unbestimmten Artikel, die dazu dienen, Numerus und Genus zu kodieren, sowie durch das Vermeiden des bestimmten Artikels und Auftreten der Platzhalterformen „ de “ und „ e “ . In dem Alter von 2; 0 bis 2; 6 unterschieden die Kinder in einer sicheren Art und Weise das Maskulinum von dem Femininum. Gründe für diese frühzeitige Stabilisierung dieser beiden Genera sind darin zu sehen, dass das Genussystem im Deutschen sowohl von semantischen als auch phonologischen Regeln bestimmt wird, die gleichzeitig und abhängig von ihrer Salienz mehr oder weniger schnell erworben werden, ebenso wie darin, dass die Kinder in dieser Untersuchung gleichzeitig zum Deutschen auch Französisch erlernten, das durch den Nachweis von Maskulinum und Femininum und dem Fehlen des Neutrums gekennzeichnet ist, als weiteren Hinweis darauf, dass sich das Neutrum zu einem späteren Zeitpunkt stabilisiert. Zu diesem Zeitpunkt haben die Kinder also noch nicht den Gebrauch des neutralen Artikels das für sich entdeckt (Müller, 1994: 72). Zwischen 2; 7 und 3; 0 stimmten die Kinder das Genus sowohl bei den bestimmten und unbestimmten Artikeln als auch bei den Demonstrativadjektiven ab, allerdings gelang dies noch nicht in einer systematischen Art und Weise bei den Possessiva und den unbestimmten Artikeln. Zudem erschien der bestimmte neutrale Artikel das und es wurde ebenfalls die neutrale Flexion des Adjektivs erstmals verwendet. Im Alter von 3; 0 bis 4; 0 komplettierten die Kinder den Erwerb des Paradigmas der unbestimmten Artikel und die Flexion des Genus weitete sich auf den Kasus aus. Nach 4; 0 zeigten die Kinder wenige Abweichungen von der Erwachsenensprache beim Gebrauch des Genus. Diese Fehler betrafen zum überwiegenden Teil neutrale Substantive, ein Genus also, für das das Deutsche wenig eindeutige Regeln besitzt. Anstatt des Neutrums wurde gelegentlich das Maskulinum, aber nie das Femininum verwendet. 86 Aus der Beobachtung der Stabilisierung der Genuskongruenz im Deutschen bei einem untersuchten bilingualen Mädchen folgerte Müller, dass das bilinguale Kind zwar frühzeitig erlernt, dass die Nomen sich im Deutschen im Genus unterscheiden. Allerdings betrachtet das Kind die Genuszuschreibung in einer sehr frühen Phase als ein inhärentes Merkmal ausschließlich des Nomens und erlernt erst in der Folge, das Genus des Nomens auf andere Elemente des nominalen Syntagmas zu projizieren. Der Übergang von der Phase, in der das Genus ein ausschließlich inhärentes Merkmal des Nomens ist, zu der Phase des vollständigen Erwerbs der Kongruenzregeln des Genus ist ein langsamer und gradueller Prozess. Dieselbe Abstufung zeigt sich auch in dem Erwerb des Merkmals des Numerus. Daraus leitet Müller ab, dass die Struktur des nominalen Syntagmas in der Grammatik des Kindes während seiner allerersten Phasen des Spracherwerbs verschieden ist von der angenommenen Grammatik des Erwachsenen (Müller, 1994: 76). Nach Repetto (2006, 2008) ist der Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen bei bilingualen Kindern ein länger andauernder Prozess. Dieser beginnt im Alter von ca. 2; 6 mit durchschnittlichen MLU-Werten von etwa 2,7 und ist erst im Alter von 5; 0 bis 5; 6 mit MLU-Werten von ca. 5 abgeschlossen. Bezogen auf das Genus berichtete Repetto, dass 1) anfangs das attributive Adjektiv in der zielsprachlichen Position, d. h. vor dem Nomen, verwendet wird, ohne jedoch flektiert zu werden, 2) in der Folge eine Übergeneralisierung des Femininums zu verzeichnen ist und 3) der Erwerb der Genera mit dem der Kasus verknüpft ist. In den vergangenen Jahren beschäftigten sich eine Reihe von Studien mit dem Erlernen einer Sprache als L2 und kamen zu interessanten Ergebnissen in Bezug auf den Erwerbsprozess der Projektion des Genus auf dem Nomen benachbarte Elemente. Stevens (1984) beobachtete bei einer Gruppe von englischsprachigen Lernern im Alter von 6 bis 13 Jahren, die an einem Französisch-Intensivsprachkurs teilnahmen, eine große Anzahl von Fehlern. Insbesondere zeigte sich die Übergeneralisierung des Maskulinums für das Adjektiv und die Tendenz, den Artikel auszulassen. Diese Abweichungen von der Erwachsenensprache traten insbesondere in Konfliktsituationen auf, in denen sich zwischen phonologischen, semantischen und grammatischen Hinweisen zu entscheiden galt (Stevens, 1984: 214). Daraus folgte, dass vor demselben Nomen bestimmte und unbestimmte Artikel verschiedener Genera Verwendung fanden. Diese Abweichungen von der Zielsprache waren in allen Altersstufen anzutreffen. Als Erklärung für ein derartiges Phänomen postulierte Chini (1995), dass in der englischen Sprache nur für wenige Kategorien eine Genusmarkierung erfolgt und somit keine Unterstützung für das Erlernen des Genus im Französischen als L2 besteht. Wegener (1995 b) fand in ihrer Studie zum Erwerb des Deutschen als L2 an zehn Migrantenkindern 87 russischer, polnischer und türkischer Herkunft Hinweise darauf, dass die L1 eine entscheidende Rolle für den Erwerb des Genus in der L2 spielte. Insbesondere stellte die Autorin fest, dass bei den Kindern, deren L1 ein Genusregelsystem ähnlich dem Deutschen hatte, der Prozess des Genuserwerbs vereinfachte und deshalb beschleunigt war. Dies war etwa der Fall bei den slawischen Sprachen, bei denen die Kinder das Genus in Deutsch L2 nach einem und maximal drei Jahren erlernten, während Kinder mit Türkisch L1, einer Sprache, die nicht über ein Genus verfügt, nach drei Jahren das Genus noch nicht erlernt hatten. Diese Ergebnisse bestätigen somit die von Chini (1995). Nach Wegener durchlaufen die Kinder beim Genuserwerb projiziert auf den bestimmten Artikel in Deutsch als L2 die folgenden Phasen: Phase 1: Ausbleiben von Markierungen. Initial werden die Nomina ohne jeden Artikel gebraucht (Wegener, 1995 b: 8). Phase 2: Die Kinder verwenden den Artikel in dieser Phase nur entsprechend seiner pragmatisch-semantischen Funktion, d. h. um eine Bestimmtheit oder Unbestimmtheit anzuzeigen, differenzieren aber noch nicht die Genera (Wegener, 1995 b: 8). Phase 3: Erstes Auftreten eines simplifizierten Genussystems. Bei dem bestimmten Artikel wird die e-Form und bei dem unbestimmten Artikel wird ein übergeneralisiert (Wegener, 1995 b: 9). Phase 4: Erscheinen von grammatisch motivierten Genusfehlern. Diese Phase ist gekennzeichnet durch eine Übergeneralisierung der r-Formen für den Nominativ und der s-Formen für den Akkusativ. Zudem findet sich eine Verwendung der e-Formen bei Plural-NPn und ihre Untergeneralisierung bei femininen NPn, wie in dem folgenden Beispiel aus Wegener (1995 b) gezeigt: „ N: Der Mutter sagt, dass der Lutscher viel kosten. “ (Wegener, 1995 b: 12). Phase 5: Entwicklung von Genusregeln und Aufnahme des Genuserwerbs (Wegener, 1995 b: 15). 3.4.1.2 Der Erwerb der Genuskongruenzregeln bei monolingual italienischen Kindern, bilingualen Kindern sowie Italienisch-L2-Lernern Nach Chini (1995: 307) ist bei italienischsprachigen Kindern von Beginn der ersten Phasen des Italienischerwerbs an selten eine nicht-zielsprachliche Genuszuweisung anzutreffen. Dies deutet auf einen frühzeitigen Erwerb 88 von Kriterien und Regeln hin, nach denen das Genus den Nomen zugewiesen wird. Die Kinder zeigen keinerlei Schwierigkeiten, weder bei dem Erwerb der Kongruenz innerhalb der NP noch bei dem außerhalb der NP, wie etwa im Fall des prädikativen Adjektivs. Das gebürtige italienische Kind wird also wenig durch den Faktor „ syntaktische Distanz “ bei der Genuskongruenz beeinflusst (Chini, 1995: 307). Im Gegensatz zu der Beobachtung beim Spracherwerb des Deutschen (Müller, 2000 b), durchlaufen italienische Kinder zu Beginn des Spracherwerbs nicht eine Phase, in der das Adjektiv ohne Genus erscheint (Chini, 1995). Vielmehr verwenden sie nach einer initialen Phase, die durch eine nicht-zielsprachliche Übergeneralisierung des Maskulinums Singular gekennzeichnet ist, noch vor dem dritten Lebensjahr das Adjektiv mit dem Nomen zielsprachlich (Bates, 1976; Hyams, 1986; Antelmi, 1997). Antelmi (1997) merkte zu diesem Punkt an, dass (1) Adjektive, die die Nominalformen in der Zweikonstituenten-Phase begleiten, unveränderlich sind, dass (2) die Kongruenz des Adjektivs mit dem externen Bezugspunkt keine besonderen Probleme darstellt und dass (3) die zielsprachliche Kongruenz in komplexen grammatischen Konstruktionen gegen Ende des zweiten Lebensjahrs beginnt: „ Aggettivi e participi che accompagnano i nominali nella fase delle «due parole» 6 sono evidentemente invariabili, come si vede dagli esempi seguenti: papà mia scarpe è rotto occhiali è rotto (C.20) Tuttavia, molto presto tali produzioni scompaiono dal linguaggio infantile, come è confermato anche da un confronto con i dati di altri bambini. Dopo i 20 mesi le differenze di genere - più rare quelle di numero - vengono acquisite, e l ’ accordo esterno 7 col referente, non presenta particolari problemi [Clark 1985] 8 . Anche l ’ accordo grammaticale nelle costruzioni complesse (nominale + articolo, possessivo, aggettivo) inizia ad essere realizzato in questo periodo. “ (Antelmi, 1997: 112 - 113). Diese Beobachtungen bestätigen die Ergebnisse vorheriger Arbeiten von Hyams (1986) zu der Frühzeitigkeit des Erwerbs der Kongruenzregeln, bei monolingual italienischen Kindern, sowohl bei attributiven Adjektiven als auch bei den italienischen Possessiva und Demonstrativa (Hyams, 1986: 138 - 140). 6 Die Anführungszeichen stammen von dem Autor. 7 Das Kursive stammt von dem Autor. 8 Clark, E. 1985 The acquisition of Romance. In D. I. Slobin (Hrsg.) The crossliguistic study of language acquisition. Hillsdale, New York: Erlbaum Associates. 89 Im Folgenden soll nun der Genuserwerb seitens bilingualer Kinder, in deren Sprachkombination Italienisch enthalten ist, und Italienisch als L2- Sprachlernern dargestellt werden. Das Erlernen der Regeln, die bei bilingualen Kindern mit der Sprachkombination Italienisch und Deutsch oder Italienisch in Kombination mit einer anderen Sprache den Erwerb des Genus steuern, das auf die dem Nomen benachbarten Elemente projiziert wird, stellt einen Bereich des Bilinguismus dar, der noch wenig untersucht ist. In einer Longitudinalstudie an drei bilingual deutsch-italienischen Kindern fand Repetto (2008) für die Genusflexion des Adjektivs im Italienischen Hinweise auf eine initiale Übergeneralisierung der bereits erlernten Endung des Maskulinums gegenüber der des Femininums sowohl in Bezug auf das Adjektiv mit prädikativer Funktion als auch auf das mit attributiver Funktion. Diese Phase wird rasch überwunden, um in der Folge einen sicheren und stabilen Erwerb der Regeln, die die Genuskongruenz steuern, zu erreichen. Nach Repetto beginnt der Erwerbsprozess mit MLU-Werten von 2,2. Allerdings ist eine systematisch korrekte Flexion nur in Gegenwart von MLU-Werten von 3 bis 4 zu beobachten. Zu diesem Zeitpunkt beherrschen die Kinder die Genuskongruenzregeln sowohl im Singular als auch im Plural sicher. Chini (1995) beschäftigte sich mit dem Erwerb der Genuskongruenzregeln der bestimmenden und qualifizierenden Adjektive in Italienisch L2 bei zwei erwachsenen Lernern, auch wenn sie in ihrer Arbeit zwischen diesen beiden Kategorien nicht differenzierte. 9 Die beiden Teilnehmerinnen, Anna und Sarah, waren zum Zeitpunkt der Untersuchung 18 und 19 Jahre alt, lebten im Kanton Tessin für sechs bzw. acht Monate und sprachen als L1 Schweizerdeutsch. Die Autorin untersuchte die qualifizierenden Adjektive sowohl innerhalb des nominalen Syntagmas (attributive Adjektive), als auch außerhalb des nominalen Syntagmas (prädikative Adjektive). Für die Adjektive innerhalb des nominalen Syntagmas zeigte sich, dass beide Lernende sich nur zögerlich die Kongruenz des Adjektivs aneigneten. Für beide Lernende war innerhalb der ersten 5 Monaten des Aufenthaltes in Tessin festzustellen, dass a) die Formen des Femininums Singular überwogen und somit eine Übergeneralisierung des Morphems -a auftrat, sogar bei Nomen, dessen 9 Wie bereits an anderer Stelle berichtet, bezeichnete Chini (1995) in ihrer Arbeit alle Adjektive innerhalb des nominalen Syntagmas als „ attributiv “ , seien sie qualifizierend oder demonstrativ, darum wissend, dass in Wirklichkeit nicht alle es sind. Der Grund dafür, dass die Autorin beide Kategorien unterschiedslos als attributiv rechnete, ist in den folgenden Gemeinsamkeiten zu sehen: a) die Zugehörigkeit zum nominalen Syntagma, b) die Abhängigkeit des Nomens als Kontrolle der Übereinstimmung und c) dieselben Flexionsregeln in Bezug auf das Genus (Chini, 1995: 242). 90 natürliches Genus unverwechselbar maskulin ist, wie die der Arbeit von Chini (1995) entnommenen Beispiele (102) und (103) zeigen: (102) un uomo vecchia* ( ‚ ein alter Mann ‘ ; Chini, 1995: 246) un uomo vecchio [zielsprachlich] und auch (103) mia fratello* ( ‚ mein Bruder ‘ ; Chini, 1995: 246) mio fratello [zielsprachlich]. Gegen Ende der letzten durchgeführten Aufnahmen ihres Sprechens schien diese Tendenz zurückzugehen und die Fehler betrafen zu diesem Zeitpunkt die Übergeneralisierung des männlichen Morphems -o für das Femininum und den Plural, wie z. B. (104) un po ’ di acqua caldo* ( ‚ ein bißchen warmes Wasser ‘ ; Chini, 1995: 246) un po ’ di acqua calda [zielsprachlich] Und (105) in piccolo* pezzi ( ‚ in kleinen Stücken ‘ ; Chini, 1995: 246) in piccoli pezzi [zielsprachlich]. b) die Morpheme des Plurals nur sehr selten im Adjektiv erschienen. c) die Assonanz nicht „ automatisch “ wirkte, wie z. B. (106) una ciacca ciallo* 10 ( ‚ eine gelbe Jacke ‘ ) una giacca gialla [zielsprachlich]. 3.4.1.3 Kurzgefasst Das Genus bei monolingual deutschen Kindern. Bereits in der Zwei-Konstituenten-Phase werden die Adjektive in der attributiven Position flektiert verwendet. Die starke Deklination (wenn dem Adjektiv weder ein bestimmter noch ein unbestimmter Artikel vorangeht) ist die erste Deklination, die zielsprachlich verwendet wird. In der Drei-und-Mehr-Konstituenten-Phase, die sich bis zum Alter von 4; 0 erstreckt, werden die Artikel regelmäßiger verwendet, wobei das Kind erst den bestimmten Artikel und in der Folge den unbestimmten Artikel erwirbt. Der Drei-und-Mehr-Konstituenten- Phase folgt die Phase der Späteren Entwicklung (Alter: 4; 0 und älter). Zu den grammatischen Komponenten, die am Anfang dieser Phase noch nicht sicher erworben wurden, zählen die Kongruenzregeln des Adjektivs, da sich in einem einzigen Morphem Genus, Numerus und Kasus, der seinerseits von verschiedenen Faktoren abhängt, vereinigen. Im Gegensatz 10 In dem Beispiel, in dem das Kind noch Schwierigkeiten mit den alveopalatalen Affrikaten zeigt, ersetzt es den stimmhaften Laut / ʤ / mit dem stimmlosen / t ∫ / . 91 dazu finden sich bei monolingual italienischsprachigen Kindern von Beginn der ersten Phasen des Italienischerwerbs an selten eine nichtzielsprachliche Genuszuweisung, im Sinne eines frühzeitigen Erwerbs von Kriterien und Regeln, nach denen das Genus den Nomen zugewiesen wird. Zudem zeigen die Kinder keinerlei Schwierigkeiten, weder bei dem Erwerb der Kongruenz innerhalb des nominalen Syntagmas noch bei dem außerhalb des nominalen Syntagmas, wie etwa im Fall des prädikativen Adjektivs. Das Genus bei bilingualen Kindern im Deutschen. Die Arbeiten, die den Erwerb des Genus beim Artikel im Deutschen durch deutsch-französische Kinder untersuchten, kamen zu dem Schluß, dass das Kind bis zum vierten Lebensjahr das Genussystem erworben hat und nur noch wenige Fehler bei den neutralen Substantiven auftreten. Das Genussystem der anderen Sprache scheint einen positiven Einfluss auf den Erwerbserfolg zu haben. Die Arbeiten, die sich mit dem Genuserwerb beim attributiven Adjektiv beschäftigten, ergaben, dass dieser Prozess länger dauert und erst im Alter von 5; 0 bis 5; 6 mit einem MLU-Wert von etwa 5 abgeschlossen ist. Das Genus bei bilingualen Kindern im Italienischen. Der Erwerbsprozess beginnt bereits mit MLU-Werten von 2,2. Allerdings ist eine systematisch zielsprachliche Flexion erst in Gegenwart von MLU-Werten zwischen 3 und 4 zu beobachten. Der Erwerb der Adjektivflexion durch L2-Lerner folgt in beiden Sprachen einem eigenen Verlauf. Belegt wird dies durch die spezifischen Fehlerarten. Der Erwerb des Deutsch-L2-Lernenden ist dem Einfluß der L1-Sprache ausgesetzt, die den Spracherwerb begünstigen oder auch verzögern kann. Auch bei Italienisch-L2-Lernern vollzieht sich der Prozess von Anfang an sehr langsam und weist eine Reihe spezifischer Schwierigkeiten auf. 3.4.2 Der Erwerb des Numerus: vor, nach, zwischen oder gleichzeitig mit dem Erwerb des Genus und des Kasus? Die linguistische Forschung ist in den vergangenen Jahren der Frage nachgegangen, ob das Kind zuerst das Genus, den Numerus oder den Kasus erwirbt. In seiner Vorstellung einer hierarchischen Ordnung der Prinzipien, die die Zuweisung des Genus bei monolingual deutschen Kindern lenken, wies Köpcke (1982) darauf hin, dass sich zunächst phonologisch-morphologische Regeln ausbilden, denen semantische folgen (Tabelle 19). 92 Tabelle 19: Der Erwerb genuszuweisender Regeln im Deutschen nach Köpcke (1982). Stadien Erwerb genuszuweisender Regeln I Willkürliche Genuszuweisung II Entwurf von Regeln auf der Basis bestimmter, sehr konsistenter phonologisch-morphologischer Markierungen III Erkennen bestimmter semantischer Klassen: à Bildung genuszuweisender Regeln à Erklärung von Ausnahmen zu formalen Regeln Zeitlich begrenzter Konflikt zwischen formaler und semantischer Genuszuweisung IV Erkenntnis, dass l die semantischen Regeln die formalen dominieren l morphologische Regeln isolierte phonologische dominieren l bestimmte Nomen sich genuszuweisenden Regeln völlig entziehen Demnach erlernt das Kind die semantischen Kriterien der Genuszuweisung, einschließlich des Plurals, erst nachdem es die phonologischen Regeln der Genuszuweisung erworben hat. In Übereinstimmung mit dieser Annahme stellte Wurzel (1984: 77) fest, dass die Regeln der Pluralbildung abhängig vom Genus sind und nicht umgekehrt und dass sich diese Abhängigkeit auch in der Ordnung des Erwerbs widerspiegelt. Eine weitere Bestätigung des angenommenen Genuserwerbs stammt aus der Arbeit von Chini (1995). In dieser Untersuchung zeigte sich, dass die ersten Kongruenzen, die monolinguale Kinder produzieren, auf formalen Regelmässigkeiten basierten, da die ersten Nomen, die das Kind verwendete, nicht über semantische Regeln in der Erwachsenensprache ihr Genus erhielten. In ihrer Arbeit zu dem Erwerb des Genus an drei deutschen Kindern im Alter von 1; 8 bis 2; 6 beobachtete Mills (1986: 75), dass die im Plural benutzten femininen Nomen zu 100 % zielsprachlich waren. Insgesamt zeigten sich jedoch mehr nicht-zielsprachliche Verwendungen der Pluralformen als des Genus, ohne dass es eine Beziehung zwischen diesen beiden Fehlertypen gab. Schließlich stellte die Autorin bei der Beobachtung des Genuserwerbs beim bestimmten Artikel bei monolingual deutschen Kindern einige Hinweise auf das Bestehen einer Lernsequenz der Morphologie des Genus und des Numerus fest. „ The plural is clearly not in advance of gender-marked forms. They appear to be acquired concurrently. “ (Mills, 1986: 66). 93 „ [. . .] a knowledge of plural morphology does not precede the acquisition of gender, which implies that gender is not deduced from the knowledge of plural form. “ (Mills, 1986: 85). In einer weiteren longitudinalen Untersuchung zum Erwerb von Genus und Numerus bei bilingualen Kindern beobachtete Müller (2000 b) drei deutsch-französische Kinder (Ivar, Pascal, Caroline) von dem Alter von 1; 5,0 11 bis zu dem Alter von etwa 3; 0. Bei allen drei Kindern wurde eine sehr frühe Entwicklungsphase festgestellt, in der das Kind die grammatischen Kategorien des Genus und des Numerus noch nicht entdeckt hatte, weder im Deutschen noch im Französischen. Diese Phase erstreckte sich etwa von dem Alter von 1; 5 bis zu dem Alter von 2; 4. Schon vorher hatte Koehn (1989) berichtet, dass eines der Kinder, Ivar, die französischen Formen un/ un autre ‚ ein/ noch ein ‘ und die entsprechenden deutschen Formen bereits ab dem Alter von 1; 10 benutzte. Denselben Gebrauch stellte sie bei der Sprachproduktion von Pascal ab dem Alter von 1; 6 fest. Ein weiteres untersuchtes Kind, Caroline, verwendete in dem Beobachtungszeitraum bereits Zahlwörter sowie Mengenausdrücke, wie etwa beaucoup ‚ viel ‘ , darauf hinweisend, dass der semantische Begriff von Singular und Plural von dem Kind bereits vor der entsprechenden grammatischen Kategorien erworben wurde. Während die Kinder in einer sehr frühen Phase den Gegensatz Maskulinum vs. Femininum noch nicht zu kennen schienen, wurden die Gegensätze belebt - nicht belebt und menschlich - nicht menschlich als Voraussetzung des Erlernens des natürlichen Genus bereits erworben. Aus diesen Ergebnissen schlussfolgerte Müller (2005) die folgenden Phasen des Genuserwerbs: I. Erwerb der semantischen Dichotomien belebt - nicht belebt und menschlich - nichtmenschlich, jedoch noch ohne Genuskongruenz II. Erwerb der Singular-Plural-Differenzierung als Vorformen von Determinatoren (ab dem Alter von circa 1; 8 Jahren) III. Zeitgleiche Etablierung der Determinatoren für Numerus und Genus (ab dem Alter von circa 2; 2 Jahren (Müller, 2000 b: 364 - 376). Die Beobachtung, dass beide Kategorien gleichzeitig erworben wurden (Müller, 2000 b), widersprach der bis dahin gültigen Annahme, dass sich Numerus und Genus voneinander ableiten. „ [. . .] the grammatical features gender and number are discovered simultaneously in language acquisition [. . .] “ (Müller, 2000 b: 391). 11 Jahre,Monate,Tage. 94 In ihrer Untersuchung zu den qualifizierenden und bestimmenden Adjektiven bei deutsch-italienischen Kindern kam Repetto (2006, 2008) zu analogen Resultaten und beschrieb den folgenden Verlauf für den Erwerb von Genus und Numerus: - MLU 2,2: erstes Erscheinen von Adjektiven im Maskulinum Singular - MLU 2,4 - 2,5: Auftreten zielsprachlicher Formen vom Femininum Singular zeitgleich zu dem übermäßigen nicht-zielsprachlichen Gebrauch des Maskulinums - MLU 2,6 - 3: Entwicklung des Maskulinums Plural - MLU 3 - 4: Erwerb der Endung des Femininums Plural. Darüber hinaus zeigte sich bei einer MLU von 2 bis 4 eine Übergeneralisierung des Singulars gegenüber dem Plural. Zusammenfassend zeigte sich in der Arbeit von Repetto (2006) die folgende Abfolge des Erwerbs von Genus und Numerus: Maskulinum Singular > Femininum Singular > Maskulinum Plural > Femininum Plural. Zu beachten ist, dass sich die Phasen, in denen diese grammatischen Kategorien erworben werden, durchaus überschneiden können. Daten zum Genuserwerb des Deutschen im natürlichen Zweitspracherwerb sind der Arbeit von Wegener (1992) zu entnehmen, die zwölf Migrantenkinder untersuchte, darunter fünf mit einer slawischen Sprache als L1 (Russisch oder Polnisch) und sieben mit Türkisch als L1. Die Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren erlernten Deutsch als zweite Sprache in einem deutschen sozialen Kontext. Die Ergebnisse dieser Untersuchung deuteten darauf hin, dass die untersuchten Kinder den Erwerb der drei Kategorien Genus, Numerus und Kasus in der folgenden Reihenfolge vollendeten: Numerus > Kasus > Genus (Wegener, 1992: 278). Während die Kongruenz des Genus in der folgenden Reihenfolge erlernt wurde: Pronomen > bestimmter Artikel > unbestimmter Artikel > Adjektiv (Wegener, 1992: 326). Eine solche Abfolge scheint den Vorrang semantischer und kognitiver Überlegungen zu bestätigen, zu denen etwa das von Slobin (1985) herausgearbeitete Prinzip zählt. Nach diesem Prinzip sind die früh erworbenen grammatischen Markierungen Träger semantischer Werte, einschließlich des semantischen Werts des Numerus. Im Deutschen haben weder der Artikel noch das Adjektiv unterscheidende Formen für Singular und Plural. 95 So entspricht in allen Kasus die Pluralmarkierung der des Femininums Singular, mit der einzigen Ausnahme des Dativs. 3.4.2.1 Kurzgefasst In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von Sprachwissenschaftlern der Frage nachgegangen, ob das Kind erst den Numerus oder erst das Genus erwirbt. Abhängig davon, ob monolinguale oder bilinguale Kinder oder L2- Lerner untersucht wurden, zeigten sich unterschiedliche Erwerbsreihenfolgen. Der Numerus- und Genuserwerb bei monolingual deutschen und italienischen Kindern wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Einige Studien ergaben, dass die monolingualen Kinder die phonologischen Kriterien vor den semantischen und somit die grammatische Kategorie des Genus vor der des Numerus erwerben. Andere Untersuchungen, wie etwa die von Mills (1986) kamen zu dem Schluß, dass Genus und Numerus gleichzeitig erworben werden. Auch bei bilingualen Kindern mit der Sprachkombination Deutsch und eine romanische Sprache herrscht die Auffassung vor, dass sie die beiden Kategorien gleichzeitig erwerben. Für die Lerner des Deutschen als L2 fand sich die folgende Erwerbssequenz: Numerus > Kasus > Genus. 3.4.3 Der Erwerb der Kasus und deren Kongruenzregeln beim Adjektiv im Deutschen Der Erwerb des Kasussystems im Deutschen ist aufgrund seiner Komplexität von großem linguistischen Interesse. Verschiedene Autoren, wie etwa Stern und Stern (1987), Mills (1985), Tracy (1986), Clahsen, Eisenbeiß & Penke (1996), Meisel (1986) und Schmitz (2006), haben zahlreiche mögliche Gründe gefunden, warum das Kind eine so lange Zeit benötigt, bevor es das Flexionssystem des Kasus im Deutschen beherrscht. Zu den Faktoren, die die Komplexität dieses Bereiches ausmachen, gehören: - Der Synkretismus innerhalb des Flexionssystems der Kasus, der vermutlich größten Quelle von Schwierigkeiten für Monolinguale im Allgemeinen und für Bilinguale mit einer romanischen Sprache in der Sprachkombination im Besonderen. Grund dafür ist, dass die romanischen Sprachen nicht über ein Kasussystem verfügen, das sich an Nomen, Artikeln, Pronomen und Adjektiven zeigt, wie es hingegen im Deutschen der Fall ist, und deshalb keinerlei Synkretismus aufweisen. - Der Umstand, dass im Deutschen der Kasus an mehreren Teilen des DP markiert sein muss (Artikel, Nomen und Adjektiv). - Das Bestehen von drei verschiedenen Deklinationen des Adjektivs 96 - Die niedrige phonetische Salienz der Kasussuffixe - Der Grad der Homonymie des Flexionssystems (Zakharova, 1973; Popova; 1973; Slobin, 1982) - Die nicht-zielsprachliche Zuweisung des Genus zum Nomen (Tracy, 1984: 53) - Die Plurifunktionalität eines Morphems, das zur gleichen Zeit nicht nur Träger der Kasusmarker, sondern auch der von Genus und Numerus ist (Portmanteau-Morphem; Zakharova, 1973; Popova, 1973; Slobin, 1982). - Die Abhängigkeit des Flexionssystems des Kasus von der Art des Artikels, der dem Adjektiv vorangeht (Tracy, 1984: 51). - Die Verschmelzung der Präposition mit dem Artikel, wie etwa aufn, aufm, am etc. (Tracy, 1984: 51) - Der differenzierte Gebrauch von Präpositionen, wenn sie Verben der Bewegung (gehen, fahren) oder statischen Verben (sein, bleiben) folgen (Tracy, 1984: 61 - 63). - Die Homonymie einiger Präpositionen, wenn sie allein stehen (Das Bild hängt über dem Schreibtisch.) und wenn sie bestimmte Verben begleiten (Ich freue mich über dieses Geschenk. Tracy, 1984: 61 - 63). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Erwerb der Kasusmarkierung bei bilingualen Kindern im Vergleich zu monolingualen Kindern untersucht. Während für die verschiedenen Phasen und Phänomene, die den Prozess des Kasuserwerbs begleiten, bei monolingualen Kindern in der Literatur eine sehr einheitliche Einschätzung vorliegt (Stern & Stern, 1928, 1986; Mills, 1985; Tracy, 1986; Clahsen, Eisenbeiß & Penke, 1996), kamen Wissenschaftler, die sich mit dem Kasuserwerb bei bilingualen Kindern beschäftigten, wie etwa Meisel (1986), Müller (1994) und Schmitz (2006), zu Ergebnissen, die sich in einigen Punkten widersprachen. Bevor diese im Einzelnen dargestellt werden, soll ein Überblick über den gegenwärtigen Stand der linguistischen Forschung beim Erwerb des Kasussystems von monolingualen Kindern im Deutschen gegeben werden (Brown, 1973; Clahsen, 1982, 1984; Tracy, 1984). Besondere Berücksichtigung soll die Arbeit von Clahsen (1984) erfahren, der ein für seine Genauigkeit geschätztes Modell zum Kasuserwerb erstellt hat und damit die Ergebnisse vorheriger als auch nachfolgender Untersuchungen bestätigte. Dieses Modell postuliert die folgenden drei, auch in Tabelle 20 zusammengefassten, Phasen: Phase I (MLU niedriger als 2,75): Die Kinder verwenden sehr selten die Kasusmarkierungen, da die Kategorien, die als Träger der Kasusmarkierungen fungieren, in der Sprache der Kinder noch nicht aufgetreten sind. 97 Phase II (MLU 2,75 - 3,5): Die Kinder beginnen die Artikel zu verwenden, wenn auch noch nicht in einer konsistenten Art, und gebrauchen die von Clahsen als neutral forms bezeichneten Formen (Clahsen, 1984: 8). Hierbei handelt es sich um eine Form, die der Erwachsenensprache unverändert entnommen wurde und nun undifferenziert in allen Zusammenhängen verwendet wird. Meist besteht eine solche Form aus dem Nominativ. Phase III (MLU höher als 3,5): Die Kinder weisen eine ausgeprägte Zunahme beim Gebrauch der Kasusmarkierungen auf, die durch die gesteigerte Verwendung von Artikeln, Adjektiven, Pronomen und Demonstrativa ermöglicht wird. Innerhalb dieser Phase unterscheidet Clahsen (1984) zwei weitere Unterphasen, Phase II a und Phase II b. Die erste Unterphase ist durch eine Übergeneralisierung der Markierung des Akkusativs anstelle des Dativs (Clahsen, 1984: 12), aber nie umgekehrt, gekennzeichnet. Hingegen gibt es in der zweiten Unterphase erste Hinweise auf den Gebrauch der Marker des Dativs in einer differenzierten und der Erwachsenensprache angemessenen Art und Weise. Die verwendeten MLU-Werte entstammen der Arbeit von Brown (1973). Tabelle 20: Überblick über die Phasen des Erwerbs der Marken des Kasussystems im Deutschen modifiziert nach Meisel (1986: 132). Phasen MLU (Brown, 1973) Kasusmarkierung (Clahsen, 1984; Tracy, 1984; Mills, 1985) I 1,75 I Nicht-systematischer Gebrauch der Kasusmarkierung II 2,25 III 2,75 IV 3,5 II Übergeneralisierung von die, eine; Verwendung des Nominativs als neutral form V >3,5 III a) Übergeneralisierung des Akkusativs an Stelle des Dativs b) Unterscheidung der Kasusmarkierungen Akkusativ gegenüber dem Kasus Dativ Der Grund für das Erscheinen der Kasus in der Reihenfolge Nominativ > Akkusativ > Dativ ist in den kommunikativen Kontexten zu suchen, in denen sie erforderlich sind. Während die Sprache des Kindes anfangs sehr vereinfacht ist, wird sie in der Folge mit dem Fortschreiten der kognitiven Entwicklung und somit den kommunikativen Bedürfnissen des Kindes 98 immer präziser. Dies bedeutet, dass in den ersten Phasen des Spracherwerbs das Kind noch nicht die strukturellen Kontexte entdeckt hat, in denen die Kasusmarken erforderlich sind und sie aus diesem Grunde nicht verwendet. In diesem Zusammenhang merkte Tracy (1984) an: “ The observation that datives are late to emerge has to be appreciated relative to the fact that there are for a long time hardly any structural contexts in children ’ s expressions which require such marking, with the exception of prepositional phrases calling for datives or idiosyncratic case requirements associated with particular verbs, as in the example with gehören [. . .]. “ (Tracy, 1984: 59). Auch Mills (1985: 178) fand Hinweise darauf, dass das deutsche Kind zunächst die Kasusmarkierungen des Nominativs (bei Artikeln und Adjektiven) erlernt und dass dieser in einer frühen Phase im Vergleich mit dem Akkusativ übermäßig gebraucht wird. Diese Beobachtung ist nur beim Maskulinum Singular zu machen, da sich die Markierung des Kasus im Nominativ und Akkusativ nur im Maskulinum Singular unterscheidet. Dies ist möglicherweise auch der Grund, warum das Kind bis zu 3; 0 Jahren nur sporadisch zwischen diesen beiden Formen unterscheiden kann (Mills, 1985). In Übereinstimmung mit diesem Ergebnis berichteten Stern und Stern (1928, 1986), dass selbst im Alter von 3; 2 Jahren das Kind den Nominativ noch anstelle des Akkusativs verwendet. Möglicherweise verlangt die vollständige zielsprachliche Verwendung der Endung des Akkusativs im Maskulinum Singular von dem Kind mehr Zeit, da dieser Kasus weniger häufig auftritt. Scupin und Scupin (1907, 1910) stellten die ersten zielsprachlichen Akkusativmarkierungen beim unbestimmten Artikel im Alter von 4; 2 Jahren fest. Hingegen berichtete Mills (1985: 183), dass der Kasus Dativ relativ früh, nämlich um das Alter 3; 0, erscheint und im Allgemeinen gut markiert ist, außer nach den Präpositionen (Mills, 1985: 188), die im Deutschen ein komplexes Kasussystem aufweisen. Eine detaillierte Beschreibung der Präpositionen ist auch dem Kapitel 2.3.3 zu entnehmen. Tracy (1984: 61 - 63) stellte fest, dass der Erwerb der Kasusrektionsregeln der Präpositionen für das monolinguale Kind eine besondere Herausforderung darstellt, da die Beziehung zwischen Präposition und Kasus innerhalb der PPn auf verschiedenen Faktoren basiert, die alle gleichzeitig miteinander interagieren: 1. Die Verschmelzung von Präposition und Kasus 2. Die verschiedenen Bedeutungen, die die Präpositionen haben können, wie an sich unabhängige Präpositionen (Das Bild hängt an der Wand.) und wie solche, die bestimmte Verben begleiten (Ich glaube an dich.). 99 3. Die mangelnde Unterscheidung zwischen dem Gebrauch der Präpositionen, die Verben der Bewegung (gehen, fahren) und statischen Verben (sein, bleiben) folgen. Zu den grammatischen Strukturen, die das monolinguale Kind bei der Kasusmarkierung im Deutschen lange vor Schwierigkeiten stellen, gehört neben Präposition + NP (Mills, 1985: 81 - 92) auch Artikel + Adjektiv (Clahsen, 1984: 13). Mills beobachtete, in Übereinstimmung mit früheren Arbeiten (Stern & Stern, 1928, 1986; Clahsen, 1984; Tracy, 1984), dass das Kind selten den Akkusativ anstelle des Dativs benutzt. Hingegen gibt es keinen Anhaltspunkt, dass das Kind in dieser Phase des Spracherwerbs den Nominativ anstelle des Dativs gebraucht. Als mögliche Erklärung führte Mills (1985) an, dass der Dativ deutlich unterschiedlich von Nominativ und Akkusativ markiert ist und somit das Erlernen des Dativs dem Kind erleichtert wird. Schließlich trat der Kasus Genitiv äußerst selten in den Aufnahmen auf. Das von Scupin (1907, 1910) beobachtete Kind etwa markierte den Genitiv beim Artikel nicht bis zum Alter von sechs Jahren. Nach Erreichen des Alters von 4; 0 werden sowohl die Endungen der starken als auch der schwachen Deklination meistens zielsprachlich verwendet. Vorher weisen die Äußerungen der Kinder noch Abweichungen von der Erwachsenensprache auf, wie vor allem: 1. das Markieren aller Adjektive, die dem Nomen vorgehen, mit denselben Endungen, auch dort, wo es nicht erforderlich ist (Mills, 1985), wie in dem Beispiel: (107) mein-er* 12 gut-er Papa (Mills, 1985: 155). 2. Übergeneralisierung des Nominativs anstelle des Akkusativs (Mills, 1985). Wenn bereits das monolinguale Kind Schwierigkeiten beim Erwerb der Kasusmarkierungsregeln zeigt, wie verhält es sich dann beim bilingualen Kind? Dieser Frage ging Meisel (1986) in seiner Untersuchung zum Erwerb der Kasuskongruenzregeln nach den Präpositionen an zwei bilingual deutsch-französischen Kindern von dem Alter von 1; 0 bis zu dem Alter von 4; 0 nach. In dieser Arbeit fand sowohl der Erwerb der Wortreihenfolge als auch der des Kasus Dativ in Bezug auf die bestimmten Artikel, die unbestimmten Artikel, Possessiva, Demonstrativa und Adjektive eine besondere Berücksichtigung. Meisel (1986) kam zu dem Ergebnis, dass sowohl die 12 Der Stern stammt von dem Autor. 100 monolingualen als auch die bilingualen Kinder Akkusativ und Dativ innerhalb der PPn gleichzeitig erwarben und dass sie keine besonderen Schwierigkeiten beim Erwerb der Präpositionen hatten, die nur einen Kasus regieren. Meisel (1986) stellte seine an bilingualen Kindern erhobenen Daten denen von Clahsen (1984) an monolingual deutschen Kindern gewonnenen Daten gegenüber, die er in einem dreiphasigen Modell zum Kasuserwerb zusammenfasste. Meisel bestätigte auch bei den bilingualen Kindern eine Phase I, auch wenn sie bei diesen im Vergleich mit den monolingualen Kindern kürzer erscheint, da sie sich nicht wie bei den monolingualen bis zur Phase III erstreckt (Meisel, 1986: 162). Zudem zeigte sich auch in der Studie von Meisel (1986) das Vorkommen der Phase II mit den von Clahsen (1984) als neutral forms bezeichneten Strukturen. Letztere sind nach dem Alter von 2; 11 nur noch selten anzutreffen und verschwinden ganz nach dem Alter von 3; 3. Während allerdings Clahsen (1984) die Phase III in zwei Entwicklungsstufen unterteilte, stellte Meisel (1986) bei der Sprache der bilingualen Kinder keine entsprechenden Hinweise darauf fest. In der Studie von Meisel traten die Kasusmarkierungen von Akkusativ und Dativ gleichzeitig auf (Meisel, 1986: 163, 171) und die beiden untersuchten Kinder verwendeten die Dativmarkierungen verhältnismäßig frühzeitig sogar in den PPn, mit einer Tendenz, den Artikel nach den Präpositionen nicht zu verwenden. Außerdem fand Meisel (1986) keinen Anhalt dafür, dass, wie von Clahsen (1984) berichtet, es zu einer Übergeneralisierung des Akkusativs kommt, auch dort wo eigentlich der Dativ notwendig wäre. Vielmehr kam Meisel (1986) zu dem Schluss, dass die Dativformen in der Sprache der Kinder so selten auftreten, dass sie keine Hypothese zu einer Entwicklungsreihenfolge erlauben. Dies wertete Meisel (1986) als einen Hinweis darauf, dass die Kinder keine Schwierigkeiten bei dem Erwerb der von der Präposition regierten Dativmarkierungen aufweisen, wenn diese immer diesen Kasus regieren. Daraus schloss der Autor, dass die bilingualen Kinder den Dativ verglichen mit dem Akkusativ nicht zu einem zweiten Zeitpunkt erwerben. Vielmehr werden die beiden Kasus gleichzeitig erworben und die Kinder sind sehr wohl in der Lage, zeitgleich zwischen Dativ und Akkusativ zu unterscheiden, allerdings bereitet ihnen die spezifische Kasusmarkierungen des Dativs Unterscheidungsprobleme. Zusammenfassend stellte Meisel (1986) die folgenden charakteristischen Abweichungen von der Erwachsenensprache bei den bilingual deutsch-französischen Kindern fest: a) Die Tendenz, nur ein Element einer Abfolge hinsichtlich des Kasus zu markieren, wie z. B. (108) ein grossen (Maskulinum Akkusativ) (Meisel, 1986: 164) 101 b) Der Gebrauch von neutral forms c) Die auch bei Monolingualen vorhandene Tendenz, den Artikel nach den Präpositionen auszulassen (Meisel, 1986: 164). Diesen Ergebnissen stehen die von Schmitz (2006) an vier bilingualen Kindern, davon zwei mit der Sprachkombination Deutsch-Französisch und zwei mit der Sprachkombination Deutsch-Italienisch, erhobenen Daten gegenüber (Tabelle 21). Anders als Meisel (1986) fand Schmitz (2006), dass die Kinder beim Erwerb des Kasus nach den Präpositionen, die immer denselben Kasus regieren, Schwierigkeiten aufwiesen. Ebenfalls im Gegensatz zu dem von Meisel (1986) erhobenen Befund, dass Kasusmarkierungen in der Sprache von Bilingualen im Vergleich mit Monolingualen frühzeitig auftraten, zeigten die von Schmitz analysierten bilingualen Kinder eine Verzögerung in dem Erwerb des Flexionssystems des Kasus im Vergleich mit dem monolingualen Mädchen. Nur eines der Kinder beherrschte am Ende der Beobachtungszeit (im Alter von 5; 0,2) die Flexionsregeln in einer stabilen Art und für dieses Kind war Deutsch die dominante Sprache. Hingegen hatten die anderen drei Kinder am Ende der Beobachtungszeit die Regeln entweder nur eine kurze Zeit beherrscht oder erst seit einer kurzen Zeit erreicht und zeigten sich somit nicht sicher im Gebrauch oder hatten sie gar nicht erworben. Tabelle 21: Alter zum Zeitpunkt des Erwerbs der Marken des deutschen Kasussystems (Schmitz, 2006). Kind Sprache/ Sprachkombination Dominante Sprache Alter zum Erwerbszeitpunkt Chantal Deutsch - 4; 6,4 Lukas Italienisch-Deutsch Deutsch 4; 9 Carlotta Italienisch-Deutsch Balancierter Bilinguismus 4; 11 (90 % zielsprachlicher Dativgebrauch) Céline Französisch-Deutsch Deutsch 5; 0,15 (zum Ende der Untersuchung noch kein sicherer Gebrauch) Alexander Französisch-Deutsch Balancierter Bilinguismus 5; 2 (zum Ende der Untersuchung noch nicht abgeschlossen) 102 Schmitz (2006) fasste ihre Ergebnisse wie folgt zusammen: „ A delay is observed in all bilingual children, independently of the language combination and the fact that two of the bilingual children had German as dominant language. In other words, dominance of German does not accelerate the acquisition of the dative. This delay suggests that language dominance cannot explain or predict (the direction of) cross-linguistic influence. “ (Schmitz, 2006: 259). Schmitz (2006) bemerkte einen weiteren Unterschied bei den von ihr untersuchten Kindern im Vergleich mit monolingualen Kindern darin, dass die monolingualen Kinder den Kasus Dativ nach der Präposition für übergeneralisierten und zur selben Zeit den zielsprachlichen Kasus (Dativ) mit der Präposition mit nicht verwendeten. Die Autorin vermutete als Erklärung dieses Phänomens einen interlinguistischen Einfluss (engl. crosslinguistic influence). Häufige Abweichungen von der Erwachsenensprache, die Schmitz (2006) in der Sprache der bilingualen Kinder fand, waren: 1. Die Übergeneralisierung des Akkusativs anstelle des Dativs 2. Das Fehlen der Kasusmarkierung innerhalb der DPn. Neben diesen beiden Hauptfehlerkategorien fielen die folgenden nichtzielsprachlichen Verwendungen auf: 3. Die Übergeneralisierung des Nominativs anstelle des Dativs, wenn auch sehr selten 4. Die Übergeneralisierung des Dativs anstelle des Nominativs auch wenn sehr selten 5. Die Übergeneralisierung des Dativs anstelle des Akkusativs in bis zu 70 % der Fälle mit der Präposition für. Darüber hinaus gab es eine Reihe von Fällen, bei denen es nicht klar war, welchen Kasus das Kind verwendete. Die Ergebnisse von Schmitz (2006) sind in Übereinstimmung mit denen von Müller (1994), die in ihrer Untersuchung von bilingual deutschfranzösischen Kindern zeigte, dass die untersuchten Kinder im Alter von 3; 0 bis 4; 0 den Erwerb des Paradigmas der unbestimmten Artikel abschlossen und sich die Genusflexion auf die Flexion des Kasus in der folgenden Abfolge ausdehnte: Nominativ > Akkusativ > Dativ. Dieses Ergebnis wurde zuletzt von Repetto (2006; 2008) in ihrer Arbeit zu der Flexion des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern bestätigt. 103 Hingegen beschäftigte sich Wegener (1995 b) in ihrer Untersuchung mit dem Erwerb des Kasussystems im Deutschen als L2 und entwickelte ein Modell zum Genuserwerb, das sich in fünf Phasen gliedert. In der vierten Phase dieses Modells beobachtete die Autorin ein Phänomen, das sie als „ Syntaktische Uminterpretation der Genusmarker in Kasusmarker “ bezeichnete und wie folgt umschrieb: „ Die Formen der Funktoren werden nicht mehr beliebig gebraucht, sondern funktional unterschieden, und zwar werden den Formen der Funktoren syntaktische Funktionen zugeordnet: Für Subjekte werden jetzt die r-Formen, für direkte Objekte die s-Formen übergeneralisiert, [. . .] Es kommt also jetzt zu motivierten Genusfehlern. Beispiel: N: Und dann da der Kuchen ist - und dann essen wir das Kuchen. “ (Wegener, 1995 b: 11). Zudem fand Wegener (1995 b), dass der Kasus von Kindern, die Deutsch als L2 erlernen, nach dem Numerus und vor dem Genus erworben wird. „ Der Erwerbsverlauf der Kinder zeigt, dass sie die grammatischen Kategorien in der Reihenfolge Numerus > Kasus > Genus erwerben, ebenso zeigt sich an mehreren Stellen, dass die drei Kategorien miteinander in Konflikt geraten und ihren Erwerb gegenseitig behindern können. “ (Wegener, 1995 b: 19). 3.4.3.1 Kurzgefasst Der Erwerb des Kasussystems im Deutschen ist aufgrund seiner Komplexität von großem linguistischen Interesse. Das monolinguale Kind scheint bis zum Alter von 5 Jahren Schwierigkeiten mit diesem Bereich zu haben. Zahlreiche Gründe wurden identifiziert, warum das Kind eine so lange Zeit benötigt, bevor es das Flexionssystem des Kasus im Deutschen beherrscht. In mehreren Arbeiten fand sich die folgende Reihenfolge des Erscheinens der Kasus: Nominativ > Akkusativ > Dativ > Genitiv. Der Grund für diese Reihenfolge ist in den kommunikativen Kontexten zu suchen. Innerhalb des weiten Bereichs des deutschen Kasussystems existiert mit den Kongruenzregeln des Kasus nach den Präpositionen, insbesondere nach den Wechselpräpositionen, aber auch nach Präpositionen wie für und mit, die nur einen Kasus regieren, ein für das Kind besonders schwer zu erlernender Unterbereich. Bei der Frage, ob für bilinguale Kinder der Erwerb des Kasussystems nach den Präpositionen schwieriger ist als für monolinguale Kinder, kamen die Wissenschaftler, die sich mit dieser Thematik beschäftigten, zu kontroversen Ergebnissen. 104 4 Material und Methoden 4.1 Untersuchungsdauer In der vorliegenden Arbeit wurde die Sprachentwicklung von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern im Vergleich mit einem monolingual deutschen Mädchen (Chantal) und einem monolingual italienischen Jungen (Raffaello) untersucht. Die Analyse begann mit dem ersten Erscheinen von Ein-Wort-Sätzen, auch wenn die Sprachentwicklung der Kinder bereits viel früher mit artikulatorischen Übungen einsetzte, und endete vor dem Schuleintritt. Wie aus Tabellen 22 und 23, in der die Aufnahmezeiträume der untersuchten Kinder im Detail dargestellt sind, zu entnehmen ist, setzte die Untersuchung am frühesten bei dem bilingualen Luca Daniele im Alter von 1; 6,5 Jahren ein und erstreckte sich maximal bis zum Alter von 5; 7,24 bei der bilingualen Carlotta. Die vorliegenden Daten zeigen zwar einen Beginn des eigentlichen Spracherwerbs mit etwa eineinhalb Jahren, deuten aber auch, in Übereinstimmung mit vorherigen Arbeiten (Clahsen, 1986), auf einen individuell unterschiedlichen Verlauf hin. Die Kinder unterscheiden sich jedoch nicht allein in dem Alter zu Beginn der Aufnahmen, sondern auch in dem zum Ende der Aufnahmen. Alle Kinder wurden zwar bis zu einem Alter von drei Jahren und acht Monaten in ihrer Sprachentwicklung begleitet, nur aber das monolingual deutsche Mädchen Chantal und die bilingualen Kinder Carlotta, Lukas und Jan Philip bis zu dem eigentlich beabsichtigten Alter von ca. fünfeinhalb Jahren. Die Gründe für den vorzeitigen Abbruch der Sprachuntersuchung der Kinder liegen in familiären Veränderungen, wie etwa Umzug oder Trennung der Eltern. In vorherigen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass die größte Sprachentwicklung des Kindes im Alter von 1; 6 bis 4; 0 Jahren erfolgt, auch wenn einige Sprachstrukturen bis zum Alter von vier Jahren noch nicht vollständig erworben sind (Arencibia Guerra, 2008). Aus diesem Grunde wurden auch die Daten der begrenzten Anzahl an Kindern, die bis zum Alter von fünfeinhalb Jahren untersucht wurden, bei der Analyse mancher Phänomene berücksichtigt. Angesichts der unterschiedlichen Untersuchungszeiträume werden diese in den einzelnen Kinderbeschreibungen nochmals gesondert aufgeführt. 105 4.2 Aufnahmen Die Daten der in der vorliegenden Arbeit untersuchten bilingualen Kinder wurden im Rahmen von drei durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsprojekte seit 1999 1 erhoben. Hingegen stammen die Daten des monolingual deutschen Mädchens Chantal aus dem Forschungsprojekt „ Frühkindliche Zweisprachigkeit: Italienisch-Deutsch und Französisch-Deutsch im Vergleich “ . In zweiwöchentlichen Abständen wurde die Sprachentwicklung der Kinder in einer vertrauten Umgebung, wie etwa in der Wohnung der Eltern oder im Kindergarten, mittels Videoaufzeichnungen dokumentiert. Aufgrund der bereits zuvor beschriebenen unterschiedlichen Aufnahmezeiträume sowie aufgrund von Urlaub oder Krankheit der Kinder kam es zu einer abweichenden Anzahl an Aufnahmen. Der Untersuchungszeitraum, die Anzahl und Dauer der Aufnahmen sowie die Anzahl der Äußerungen der bilingualen und der monolingualen Kinder im Deutschen und Italienischen sind den Tabellen 22 und 23 zu entnehmen. Die Aufnahmedauer betrug ca. dreißig Minuten in jeder der beiden Erstsprachen beziehungsweise einmalig dreißig Minuten für das monolinguale Kind. Für jede der beiden Erstsprachen stand ein erwachsener Muttersprachler zu Verfügung. Die sprachliche Interaktion zwischen dem bilingualen Kind und dem erwachsenen Muttersprachler wurde im Spiel und nicht etwa im Rahmen strukturierter Testverfahren zur Erfassung der sprachlichen Entwicklung des Kindes erhoben. Die gewählten Untersuchungsbedingungen basierten auf dem von Ronjat (1913) beschriebenen Prinzip „ une personne - une langue “ mit dem Ziel, zum einem Einflussphänomene wie Sprachmischungen und zum anderen Bearbeitungsprobleme bei den Transkriptionen zu vermindern. Die Interaktionspartner blieben somit konsequent bei einer Sprache und es galt den Einfluss anderer Personen, wie etwa Eltern oder Geschwistern, auf ein Minimum zu reduzieren. 1 „ Frühkindliche Zweisprachigkeit: Italienisch-Deutsch und Französisch-Deutsch im Vergleich “ (1999 - 2005); Leitung Prof. Dr. Natascha Müller. „ Die Architektur der frühkindlichen bilingualen Sprachfähigkeit: Italienisch-Deutsch und Französisch- Deutsch in Italien, Deutschland und Frankreich im Vergleich “ (2005 - 2008); Leitung Prof. Dr. Natascha Müller. „ Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien: Italienisch-Deutsch, Französisch- Deutsch, Spanisch-Deutsch, Italienisch-Französisch, Italienisch-Spanisch, Französisch-Spanisch “ (2009 - 2011); Leitung Prof. Dr. Natascha Müller. 106 Tabelle 22: Untersuchungszeitraum, Anzahl und Dauer der Aufnahmen sowie Anzahl der Äußerungen des monolingualen Mädchen und der bilingualen Kinder im Deutschen. Kind Zeitraum Aufnahmen Dauer (h: min) Äußerungen Chantal 1; 10,18-5; 0,11 58 38: 53 16.989 Aurelio 1; 9,27-4; 0,28 42 22: 00 4.625 Carlotta 1; 8,28-5; 7,24 70 46: 17 12.910 Jan Philip 2; 0,11-5; 0,8 44 24: 13 9.437 Luca Daniele 1; 6,5-4; 0,5 52 24: 55 8.077 Lukas 1; 7,12-5; 0,2 63 34: 13 11.768 Marta 1; 6,26-4; 0,13 52 25: 55 6.716 Das Alter ist angegeben in Jahre; Monate,Tage. Die Angaben zu dem monolingual deutschen Mädchen sind kursiv gedruckt. Tabelle 23: Untersuchungszeitraum, Anzahl und Dauer der Aufnahmen sowie Anzahl der Äußerungen des monolingualen Jungen und der bilingualen Kinder im Italienischen. Kind Zeitraum Aufnahmen Dauer (h: min) Äußerungen Raffaello 1; 7,07-2; 11,20 17 - - Aurelio 1; 9,27-4; 0,28 42 24: 16 7.043 Carlotta 1; 8,28-5; 7,24 70 47: 11 9.802 Jan Philip 2; 0,11-5; 0,8 44 24: 58 6.577 Luca Daniele 1; 6,5-4; 0,5 52 24: 55 3.795 Lukas 1; 7,12-5; 0,2 63 35: 27 6.742 Marta 1; 6,26-4; 0,13 52 25: 48 7.623 Das Alter ist angegeben in Jahre; Monate,Tage. Die Angaben zu dem monolingual italienischen Jungen sind kursiv gedruckt. Die Daten des monolingual italienischen Kindes Raffaello wurden der Datenbank des Projektes CHILDES (Child Language Data Exchange System) entnommen. Gegründet im Jahre 1984 von Brian MacWhinney und Catherine Snow (Carnegie Mellon University, Pittsburgh) stellt dieses Archiv die Daten über die Sprachentwicklung von bilingualen Kindern mit verschiedenen Sprachkombinationen, aber auch von monolingualen Kindern öffentlich und kostenlos zur Verfügung (http: / / childes.psy.cmu.edu). 107 4.3 Transkriptionen Die Videoaufnahmen der bilingualen Kinder und des monolingual deutschen Mädchens wurden basierend auf dem von MacWhinney (2000) beschriebenen minCHAT-Verfahren 2 in leicht modifizierter Form durch einen Muttersprachler transkribiert. Diese Form der Transkription schließt nicht nur die Dokumentation der Äußerungen des Kindes, sondern auch die des Interaktionspartners sowie die Beschreibung der Situationen, einschließlich der Tätigkeiten des Kindes, wie z. B. das Spielen mit einer Puppe, und des Erwachsenen und der Reaktionen des Kindes im Gespräch, einschließlich der Gestik und Mimik, mit ein. Insbesondere wurden die Anwesenheit weiterer Personen und die Interaktion mit diesen während der Aufnahmen als potentielle Einflussgrößen dokumentiert. Zur Erleichterung der Analyse der Transkripte wurde ebenfalls dokumentiert, auf was sich das Gesagte bezog, falls es nicht aus dem Gespräch allein deutlich wurde. Mittels dieser Aufzeichnungen war die Rekonstruktion der Situation jederzeit möglich. Zur Verringerung von Transkriptionsfehlern wurden die Transkripte von einem zweiten Muttersprachler oder von einer bilingualen Person mit einer Sprachkombination, die die analysierte Sprache mit einschloss, kontrolliert. Die für die linguistische Analyse von Raffaello verwendeten Daten stammen aus der Datenbank CHILDES und wurden mittels des CHAT-Verfahrens transkribiert und mit Unterstützung des Programms CLAN analysiert. Dieses Programm ermöglicht die Durchführung besonderer Verfahren, wie etwa die Berechnung der MLU und die Häufigkeit bestimmter Wörter oder Konstruktionen innerhalb eines transkribierten Textes. Für die korrekte Funktion des Programms ist die Verwendung einer Reihe von Vorraussetzungen erforderlich, die allerdings auch das Verständnis sowohl des linguistischen Kontexts, in dem die Interaktion mit dem Kind erfolgt, als auch des von dem Kind und den Eltern Gesprochenen vereinfacht. Zum besseren Verständnis der für die Transkription verwendeten Methode werden im Folgenden einige Beispiele gegeben: Jedes Dokument von CLAN enthält eine Aufnahme und ist obligatorisch von @Begin und @End begrenzt. Innerhalb dieser Grenzen finden sich alle Äußerungen des Kindes und der Gesprächpartner. Jede Linie beginnt mit einem Stern gefolgt von der Abkürzung des Teilnehmers, der die Äußerung tätigt, z. B. *CHI (child), um die Produktion des Kindes, *MOT (mother), um die Produktion der Mutter und *FAT (father), um die Produktion des Vaters 2 minCHAT steht für „ minimum set of standard for a CHAT file “ , wobei CHAT ein Akronym ist für „ Codes for the Human Analysis of Transcripts “ . 108 anzuzeigen. Weitere Informationen zur Situation werden nach @Situation und @Comment eingefügt. 4.4 Die untersuchten Kinder 4.4.1 Die untersuchten bilingualen Kinder Die in der vorliegenden Arbeit analysierten Kinder wuchsen in binationalen Familien auf, die in dem Zeitraum der Untersuchung in Deutschland lebten. Entsprechend des von Ronjat (1913) beschriebenen Prinzips „ une personne - une langue “ sprach jedes Elternteil seine jeweilige Muttersprache mit dem Kind, mit der einzigen Ausnahme bei Aurelio, bei dem nicht von Anfang an, sondern erst nach Trennung der Eltern im Alter von etwa eineinhalb Jahren dieses Prinzip Anwendung fand. Allerdings sind in allen Familien der untersuchten Kinder Unterschiede zu verzeichnen in Bezug auf die familiäre Situation, die Familiensprache, die Intensität des Kontaktes zwischen Kind und Elternteil und somit die Intensität des linguistischen Inputs durch jedes Elternteil, die Anzahl der Geschwister sowie deren verwendete Sprache untereinander, die Intensität des Kontakts zu Italien und der italienischen Sprache. Allen Kindern war zwar Deutsch als Umgebungssprache gemeinsam, allerdings bestanden ganz erhebliche Unterschiede in der Intensität des Kontakts mit der italienischen Sprache. Daraus ergab sich, wie auch in den nachfolgenden Einzelbeschreibungen der Kinder gezeigt werden wird, eine große Spannbreite in der Entwicklung des Bilinguismus. Während einige Kinder einen ausgeglichenen Bilinguismus aufwiesen, hatten andere Italienisch und wieder andere die Umgebungssprache Deutsch als starke Sprache. Im folgenden Abschnitt werden nun die Sprachentwicklungen der analysierten Kinder im Detail dargestellt. 4.4.1.1 Aurelio Aurelio wurde 1997 als Sohn einer italienischen Mutter, die ursprünglich aus der Region Ligurien stammte, und eines deutschen Vaters in Hamburg geboren. Die Mutter sprach durchgehend Italienisch mit Aurelio. Hingegen sprach der Vater anfangs ebenfalls Italienisch mit dem Jungen, wechselte aber nach der Trennung der Eltern, die sich im Alter des Kindes von 1; 9,27 vollzog, zu Deutsch. Da sich der Kontakt mit dem Vater auf das Wochenende beschränkte und nur etwa drei Stunden in der Woche betrug, war die Familiensprache Italienisch. Auch mit seinem etwa zwei Jahre älteren Bruder kommunizierte Aurelio auf Italienisch. In den ersten Lebensjahren sprach Aurelio überwiegend Italienisch. Die Dominanz der italienischen Sprache (Abbildung 1) erklärte sich durch den 109 intensiven Kontakt mit der italienischen Mutter, die bis zu viermonatigen Aufenthalte in Italien und den regelmäßigen Besuch der italienischen Großmutter. Hingegen war der Einfluss der deutschen Sprache, etwa im Rahmen der Betreuung durch die deutsche Großmutter, zunächst gering, nahm aber außerordentlich zu mit dem Eintritt in den deutschen Kindergarten im Alter von 3; 4,17. Nach ersten Anpassungsschwierigkeiten, die sich darin zeigten, dass bei Aurelio sowohl die Sprachproduktion als auch das Sprachverstehen im Deutschen deutlich verzögert war, entwickelte sich die deutsche Sprache rasant, zum Nachteil des Italienischen. Die Aufzeichnungen und somit die Analyse der Sprachentwicklung endeten im Alter von 4; 0,28 infolge des Wegzugs von Aurelio mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Italien. Wie in Abbildung 1 dargestellt, zeigt Aurelio einen mehrphasigen Spracherwerb. Als Gründe für die Mehrphasigkeit können häufig Änderungen der äußeren Lebensumstände angeführt werden. Bei der Analyse des Spracherwerbs eines Kindes ist es deshalb bedeutsam, einschneidende Änderungen in dem Leben eines Kindes, wie etwa der Besuch des Kindergartens, die Trennung der Eltern oder der Umzug in das Land der vormals Nichtumgebungssprache, aber auch vorübergehende Veränderungen, wie etwa ein Aufenthalt in dem Land der Nichtumgebungssprache oder der Besuch eines Angehörigen der Nichtumgebungssprache, zu berücksichtigen. Alle diese Ereignisse stellen Einfluss nehmende Variabeln in der Sprachentwicklung eines Kindes dar und können somit zu Veränderungen der Dominanz einer Sprache im Vergleich mit der anderen führen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Instruments zur qualitativen und quantitativen Beurteilung des Ausmaßes der Entwicklungsphasen. Arencibia Guerra (2008) nahm sich diesem Problem an und führte mit der MLU- Differenz (MLUD) ein System zur Erfassung der Dominanz einer Sprache gegenüber einer zweiten Sprache ein. Die MLUD errechnet sich aus der Differenz des MLU-Wertes der Sprache A zu einem bestimmten Zeitpunkt und des MLU-Wertes der Sprache B zu demselben Zeitpunkt. Sind die errechneten Werte größer als oder gleich 0,9, ergibt sich eine Dominanz der Sprache A gegenüber der Sprache B zu diesem Zeitpunkt. Sind die Werte hingegen kleiner als oder gleich -0,9, ist die Sprache B der Sprache A überlegen (Arencibia Guerra, 2008: 52). Besteht eine Dominanz einer der beiden Sprachen für mindestens fünf aufeinander folgende Aufnahmen, wird auch von einer dominanten Phase gesprochen. Aus der Berechnung der MLUD können sich drei verschiedene Entwicklungsverläufe ergeben: a) Balancierter Bilinguismus: Die MLUD ist während des gesamten Untersuchungszeitraums größer als -0,9 und kleiner als 0,9. 110 b) Nicht-balancierter Bilinguismus mit durchgehender MLUD zu Gunsten derselben Sprache: Ein solcher Spracherwerb wird auch als einphasiger Spracherwerb bezeichnet (Arencibia Guerra, 2008: 61). c) Nicht-balancierter Bilinguismus mit wechselnder MLUD zwischen den Sprachen: Ein solcher Spracherwerb wird auch als mehrphasiger Spracherwerb bezeichnet. Aurelio Alter (Jahre; Monate,Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deutsch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 Abbildung 1: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Aurelio. Die MLU-Differenz (MLUD) errechnete sich aus der Differenz zwischen dem MLU- Wert der deutschen Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt und dem der italienischen Sprache zu demselben Zeitpunkt. Als relevante Unterschiede wurden Differenzen von größer als oder gleich 0,9 (obere gestrichelte Linie) oder kleiner als oder gleich -0,9 (untere gestrichelte Linie) definiert. Werte um eine MLUD von 0 (fette gestrichelte Linie) wiesen auf einen balancierten Bilinguismus hin. Bei Dominanz einer der beiden Sprachen für mindestens fünf aufeinander folgende Aufnahmen, lag eine dominante Phase vor. 111 Der Vorteil, der sich aus der Anwendung dieses Messsystems im Vergleich mit dem für gewöhnlich gebrauchten MLU ergibt, ist, dass der Bilinguismus des Kindes in allen seinen Phasen sehr detailliert beleuchtet werden kann, was die korrekte Klassifikation der Sprachdominanz in jedem Moment des Untersuchungszeitraums ermöglicht. Wie an dem Beispiel von Aurelio gezeigt, weisen nicht alle Kinder einen Bilinguismus auf, bei dem immer dieselbe Sprache die starke oder schwache ist. Vielmehr können sich in der Folge von Veränderungen in der Umgebung des Kindes auch Wechsel in der Sprachdominanz ergeben. Nach einer kurzen initialen Phase, in der sich die deutsche und italienische Sprachen parallel entwickelten ohne einen offensichtlichen Unterschied, war im Alter von 2; 1 bis 3; 6 Italienisch die starke Sprache von Aurelio. Mit Eintritt in den deutschen Kindergarten im Alter von 3; 6 entwickelte sich Deutsch zu der starken Sprache (Abbildung 1). 4.4.1.2 Carlotta Carlotta wurde 1995 als Tochter einer aus Rom stammenden Mutter und eines deutschen Vaters in Hamburg geboren. Zu Beginn der Untersuchung hatte Carlotta keine Geschwister, im Verlauf der Aufnahmen wurde ihre Schwester geboren. Die Familiensprache war Italienisch und jeder Elternteil sprach die jeweilige Erstsprache mit ihr, auch wenn die Mutter in bestimmten Situationen, wie etwa auf dem Spielplatz, zu Deutsch wechselte. Die Analyse der Sprachentwicklung begann mit dem Alter von 1; 8,28 und erstreckte sich abhängig von dem untersuchten Parameter bis zu dem Alter von 5; 7,24. Deutsch war zwar die Umgebungssprache, allerdings erhielt Carlotta viel italienischen Input infolge der Offenheit der Familie dem Italienischen gegenüber, die sich etwa in dem regelmäßigen Urlaub in Italien, den Besuchen aus Italien und der Betreuung von Carlotta durch ein italienisches Kindermädchen zeigte. Entsprechend der in Abbildung 2 dargestellten MLUD, entwickelte Carlotta einen balancierten Bilinguismus. Allein in Situationen, in denen die Prävalenz des linguistischen Inputs der einen Sprache die der anderen Sprache überwog, wie etwa der Eintritt in einen monolingual deutschen Kindergarten im Alter von 3; 0,25 oder der Aufenthalt in dem Land der Nichtumgebungssprache, zeigten sich relevante Unterschiede zwischen den beiden Sprachen. Allerdings handelte es sich um isolierte Momente, die rasch dem balancierten Bilinguismus wichen. 112 Carlotta Alter (Jahre; Monate, Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deustch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 4; 3,0 4; 6,0 4; 9,0 5; 0,0 5; 3,0 5; 6,0 Abbildung 2: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Carlotta. 4.4.1.3 Jan Philip Jan Philip wurde 1996 als Sohn einer italienischen Mutter, die aus Piemont stammte, und eines deutschen Vaters in Hamburg geboren. Auch wenn der Vater des Italienischen mächtig war, wählte die Familie Deutsch als Familiensprache. Die Eltern kommunizierten in ihrer jeweiligen Muttersprache mit dem Kind. Jan Philip hatte einen älteren Bruder und neun Monate nach Beginn der Untersuchung, im Alter von 2; 0,11, wurde ein jüngerer Bruder geboren. Die Brüder sprachen Deutsch untereinander. Angesichts der beruflich bedingten häufigen Abwesenheit des Vaters erhielt Jan Philip bis zum Eintritt in den deutschen Kindergarten im Alter von 4; 2,23 Jahren den überwiegenden sprachlichen Input von seiner Mutter. Trotz ihrer Präsenz, der zeitweiligen Betreuung durch ein italienisches Kindermädchen und diversen mehrwöchigen Aufenthalten in Italien, unter anderem sechs Wochen im Alter von 2; 1 bis 2; 3, drei Wochen im Alter von 2; 11 und sechs Wochen im Alter von 3; 1 bis 3; 2,15, dominierte in dem 113 gesamten Beobachtungszeitraum bis zum Alter von 5; 0,8 die deutsche Sprache. Es lag somit, wie auch der Abbildung 3 entnommen werden kann, ein durchgehend nicht-balancierter Bilinguismus zu Gunsten der deutschen Sprache vor. Jan Philip Alter (Jahre; Monate, Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deutsch Italienisch Differenz 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 4; 3,0 4; 6,0 4; 9,0 5; 0,0 Abbildung 3: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Jan Philip. 4.4.1.4 Lukas Lukas wurde 1996 als einziges Kind einer italienischen Mutter und eines deutschen Vaters in Hamburg geboren. Beide Elternteile sprachen die jeweilige Muttersprache mit dem Kind und untereinander Deutsch. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich von dem Alter 1; 7,12 bis zu dem Alter von 5; 0,2. Im Anschluss an einen fünfwöchigen Aufenthalt in Italien in Anwesenheit der Eltern, die auch dort untereinander Deutsch sprachen, trat Lukas im Alter von 3; 1 in einen deutschen Ganztagskindergarten ein. In der Folge kam es, wie in Abbildung 4 gezeigt, zu einer Abnahme der italienischen Sprachentwicklung. Im Alter von 4; 0,5 war zwar wiederum eine gewisse Balancierung des Bilinguismus zu verzeichnen, allerdings 114 bestand angesichts positiver MLUD-Werte noch immer eine Tendenz zur Dominanz der deutschen Sprache. Somit bestand in dem Fall von Lukus ebenso wie bei Aurelio ein mehrphasiger Spracherwerb. Bei beiden Kindern führte der Eintritt in einen deutschen Kindergarten zu einer Änderung der Dominanz zwischen den beiden Sprachen. Der Verlauf des Spracherwerbs beider Kinder verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Aufeinanderfolge von Phasen eines balancierten und eines nicht-balancierten Bilinguismus voneinander zu unterscheiden, denn nur so lassen sich linguistische Phänomene erklären, die sonst möglicherweise verborgen blieben. Lukas Alter (Jahre; Monate, Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deutsch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 4; 3,0 4; 6,0 4; 9,0 5; 0,0 Abbildung 4: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Lukas. 4.4.1.5 Marta Marta wurde 2000 als Tochter einer zweisprachigen deutsch-italienischen Mutter und eines deutschen Vaters in Hamburg geboren. In der Familie wurde Italienisch gesprochen. Die Mutter sprach ausschließlich Italienisch mit Marta. Der Vater kommunizierte zunächst auf Deutsch mit der Tochter, wechselte aber mt dem Beginn der Kindergartenzeit im Alter von etwa 115 2 Jahren auf Italienisch zur Stärkung des Sprachvermögens in der Nichtumgebungssprache. Marta hatte einen älteren Bruder, mit dem sie ebenfalls Italienisch sprach. Weiteren italienischen Input lieferten Italienaufenthalte, regelmäßige Besuche von dem italienischen Großvater sowie die Betreuung durch ein peruanisches und später ein albanisches Kindermädchen, die beide Italienisch mit Marta sprechen. Darüber hinaus bestand ein enger Kontakt zu anderen romanischen Sprachen durch das Kindermädchen aus Peru und die Raumpflegerin aus Portugal sowie infolge regelmäßiger Urlaube in Spanien, so dass auch der Eintritt in den deutschen Kindergarten keinen entscheidenden Einfluß auf die Sprachdominanz hatte. Angesichts der intensiven Förderung der italienischen Sprache durch die Familie ist es nicht verwunderlich, dass Marta im gesamten Untersuchungszeitraum von dem Alter von 1; 6,26 bis zum Alter von 4; 0,13 einen durch die ausgeglichenen MLUD dokumentierten balancierten Bilinguismus aufwies (Abbildung 5). Marta Alter (Jahre; Monate,Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deutsch Italienisch Differenz 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 1; 6,0 1; 9,0 Abbildung 5: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Marta. 116 4.4.1.6 Luca Daniele Luca Daniele ist in Hamburg im Jahre 2000 geboren. Seine Eltern sind ein binationales Ehepaar. Die Mutter, deren Muttersprache Italienisch ist, stammt aus Norditalien, während der Vater Deutscher ist. Luca Daniele hat eine 17 Jahre ältere Schwester, die nicht zweisprachig erzogen wurde, aber recht gut Italienisch versteht und auch spricht. Die Geschwister sprechen überwiegend auf Deutsch untereinander, wechseln aber gelegentlich zum Italienischen über. Die Mutter kommuniziert mit Luca Daniele auf Italienisch und der Vater nur auf Deutsch. Die Familie verbringt ihren Urlaub regelmäßig und auch für lange Zeiträume von bis zu sechs Wochen in Italien. Zudem kommen regelmäßig italienische Verwandte und Freunde zu Besuch. Wie in Abbildung 6 dargestellt, ist der Bilinguismus von Luca Daniele bis zum Alter von 3; 5,0 ausgeglichen. Von diesem Zeitpunkt bis zum Ende der Aufnahmen ist die deutsche Sprache leicht dominierend. Luca Daniele Alter (Jahre; Monate, Tage) MLU -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Deutsch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 4; 3,0 4; 6,0 4; 9,0 5; 0,0 Abbildung 6: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Luca Daniele. 117 4.4.2 Die untersuchten monolingualen Kinder 4.4.2.1 Raffaello Raffaello wurde als erstgeborener Sohn monolingualer italienischer Eltern mit einem hohen sozioökonomischen Status geboren. Er wurde im Rahmen einer in den Jahren 1985 bis 1990 von Paola Cipriani, IRCCS (Istituto di Ricovero e Cura a Carattere Scientifico) „ Stella Maris “ , der Universität Pisa, und von Giuseppe Cappelli, Istituto di Linguistica Computazionale, CNR (Consiglio Nazionale delle Ricerche) Pisa durchgeführten Studie untersucht. Diese Querschnittsals auch Longitudinalstudie umfasste neun aphasische Kinder und sechs Kinder, darunter Raffaelo, mit einer normalen Sprachentwicklung. Raffaello wurde vierzehntägig mittels einer Videokamera für eine Dauer von 30 bis 45 Minuten in seiner häuslichen Umgebung aufgezeichnet, hauptsächlich während der Interaktion mit der Mutter, wie etwa beim freien Spielen, beim gemeinsamen Lesen von Bilderbüchern und beim Erzählen von Ereignissen. Von Raffello wurden insgesamt 17 Aufnahmen erstellt von dem Alter von 1; 7,7 bis zu dem Alter von 2; 11. Seine Sprachentwicklung bezogen auf MLU ist in Abbildung 7 dargestellt. Raffaello Alter (Jahre; Monate,Tage) 1; 7,01 1; 9,07 1; 10,20 1; 11 2; 00,10 2; 0,28 2; 1,15 2; 3,14 2; 4,29 2; 5,13 2; 6,13 2; 7 2; 8 2; 9,06 2; 11,09 2; 11,14 2; 11,20 MLU 0 1 2 3 4 5 6 Italienisch Abbildung 7: Die Sprachentwicklung des monolingual italienischen Kindes Raffaello. 118 4.4.2.2 Chantal Chantal wurde als einzige Tochter monolingualer deutscher Eltern mit einem hohen sozioökonomischen Status geboren. Ihre Daten wurden wie die der bilingual deutsch-italienischen Kinder im Rahmen des Forschungsprojekts „ Frühkindliche Zweisprachigkeit: Italienisch-Deutsch und Französisch-Deutsch im Vergleich “ erhoben und ausgewertet. Chantal wurde ähnlich wie Raffaelo vierzehntägig für eine Dauer von 30 bis 45 Minuten in ihrem häuslichen Umfeld aufgezeichnet, hauptsächlich während der Interaktion mit der Mutter, wie etwa beim freien Spiel, dem gemeinsamen Lesen von Bilderbüchern oder beim Erzählen von Ereignissen. Von Chantal liegen insgesamt 58 Aufnahmen vor von dem Alter von 1; 10,18 bis zum Alter von 5; 0,11. Ihre sprachliche Entwicklung bezogen auf MLU ist in Abbildung 8 dargestellt. Chantal Alter (Jahre; Monate,Tage) MLU 0 1 2 3 4 5 6 Deutsch 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 4; 3,0 4; 6,0 4; 9,0 5; 0,0 Abbildung 8: Die sprachliche Entwicklung des monolingual deutschen Kindes Chantal. 119 4.4.3 Kurzgefasst In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt acht Kinder, davon sechs bilingual deutsch-italienische Kinder, ein monolingual italienischer Junge und ein monolingual deutsches Mädchen, untersucht. Bei allen Kindern setzten die Aufzeichnungen mit dem ersten Auftreten verbaler Sprachäußerungen ein. Drei der bilingualen Kinder wurden aufgrund von Änderungen in den Lebensumständen der Kinder nur bis zum vierten Lebensjahr aufgezeichnet und der monolingual italienische Junge nur bis zum dritten Lebensjahr. Die anderen vier Kinder wurden bis zum fünften Lebensjahr und darüber hinaus analysiert. Die sechs untersuchten deutschitalienischen Kinder wiesen als Gemeinsamkeit auf, dass bei allen Deutsch die Umgebungssprache war und dass die Mütter Italienisch und die Väter Deutsch mit den Kindern sprachen, mit zwei Ausnahmen. Der Vater von Marta sprach mit der Tochter zunächst Deutsch und wechselte mit Eintritt von Marta in den deutschen Kindergarten zu Italienisch. Hingegen sprach der Vater von Aurelio mit dem Jungen zunächst Italienisch, nach der Trennung der Eltern jedoch auf Deutsch. In drei Familien wurde Italienisch zu Hause gesprochen und in drei Familien Deutsch (Tabelle 24). Tabelle 24: Übersicht über den Sprachinput bei den untersuchten bilingualen Kindern. Kinder Kommunikationssprache Familiensprache der Mutter des Vaters Aurelio Italienisch (Italienisch) Deutsch Italienisch Carlotta Italienisch > Deutsch Deutsch Italienisch Jan Philip Italienisch Deutsch Deutsch Luca Daniele Italienisch Deutsch Deutsch Lukas Italienisch Deutsch Deutsch Marta Italienisch (Deutsch) Italienisch Italienisch Zwei Kinder, Marta und Carlotta, zeigten während des gesamten Beobachtungszeitraums einen balancierten Bilinguismus. Die Zweisprachigkeit war nicht balanciert bei vier Kindern, von denen ein Junge, Jan Philip, einen einphasigen Spracherwerb aufwies und drei Jungen, Aurelio, Lukas und Luca Daniele, einen mehrphasigen Verlauf aufwiesen (Tabelle 25). Die Ursachen für eine balancierte und eine unbalancierte Entwicklung können mitunter sehr komplex sein und können prinzipiell sowohl von dem Kind selbst als auch von äußeren Faktoren abhängig sein (Arencibia Guerra, 2008). 120 Tabelle 25: Übersicht der sprachlichen Situation der bilingualen Kinder. Kinder Balanciert Nichtbalanciert Phasenabfolge Einphasig Mehrphasig Aurelio - - + B à I à D Carlotta + - - - Jan Philip - + - Durchgehend D Luca Daniele - - + B à D Lukas - - + B à D Marta + - - - B, balancierte Phase; D, Deutsch dominierte Phase; I, Italienisch dominierte Phase 4.4.4 Die Elterninterviews Die Interviews wurden ausschließlich in den jeweiligen Muttersprachen der Eltern gehalten, also in Deutsch mit dem deutschstämmigen Elternteil und in Italienisch mit dem italienischstämmigen Elternteil. Insgesamt liegen vier Interviews in italienischer Sprache und vier in deutscher Sprache vor, mit einer mittleren Dauer von 41 Minuten. Die Gespräche mit den Eltern wurden zu Hause in einer informalen Atmosphäre geführt, die es den Eltern erlaubte, sich frei und spontan auszudrücken. Die Interviewführende war entweder Muttersprachlerin in der jeweiligen Sprache oder bilingual mit einer Sprachkombination, die die Sprache des Elternteils mit einschloss. Diese Konstellation war unabdingbar, um den Eltern ein Sprechen zu ermöglichen, ohne die eigene Sprache ständig an die des Gegenübers anzupassen, was letztlich die Authentizität des Sprechens eingeschränkt hätte. Wie aus Tabelle 26 ersichtlich, war es aufgrund familiärer Veränderungen nicht möglich, mit allen Eltern Interviews zu führen. Beispielsweise ließen sich die Eltern von Aurelio scheiden und die Mutter kehrte mit den Kindern nach Italien zurück. Die interviewten Mütter hatten neben der sehr positiven Einstellung gegenüber dem Bilinguismus ihrer Kinder gemeinsam, dass sie bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebten. Angesichts der unterschiedlichen Intensität ihres Kontaktes mit der italienischen Sprache bestanden auch Unterschiede in der Beherrschung der italienischen Sprache, die von gut bis ausgezeichnet reichte. So gab es beispielsweise Mütter, wie die von Carlotta, die durch ihre Tätigkeit in einer italienischen Institution auch in Deutschland in ständigem Kontakt mit der italienischen Sprache war und aus beruflichen Gründen regelmäßig in der italienischen Sprache las und schrieb, aber auch solche wie die Mütter 121 von Luca Daniele und Marta, die, da sie nur sporadisch in Kontakt mit dem Italienischen kamen, ihr eigenes Italienisch als geschwächt wahrnehmen. Die Väter waren ausnahmslos deutscher Nationalität und sprachen Deutsch. Während die Eltern von Carlotta und Marta miteinander auf Italienisch sprachen, kommunizierten die Eltern von Jan Philip, Luca Daniele und Lukas untereinander auf Deutsch. Tabelle 26 gibt einen Überblick über die Dauer der Interviews. Tabelle 26: Dauer der Interviews mit den Eltern. Kind Interviewdauer Mutter (Italienisch) Vater (Deutsch) Aurelio - - Carlotta 55 Minuten 31 Minuten Jan Philip 62 Minuten für beide Sprachen Luca Daniele 44 Minuten - Lukas - 62 Minuten Marta 31 Minuten 50 Minuten 122 5 Ergebnisse 5.1 Hypothese 1: Auch wenn das bilinguale Kind mit Beginn des Sprechens über zwei getrennte linguistische Systeme verfügt, unterscheidet es sich nichtsdestoweniger beim Erwerb der beiden Sprachen von den monolingualen Kindern. 5.1.1 Einleitung Zum Beweis dieser Hypothese wurde der Sprachgebrauch im Italienischen und im Deutschen von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern, der Sprachgebrauch im Deutschen von einem monolingual deutschen Mädchen und der Sprachgebrauch im Italienischen von einem monolingual italienischen Jungen untersucht. Die zur Beantwortung der Frage zu untersuchenden linguistischen Bereiche waren der Erwerb 1. der Genusflexion des prädikativen Adjektivs im Deutschen und im Italienischen 2. der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Deutschen und im Italienischen. Auch wenn keine hinreichenden Hinweise zu finden sein werden, die ein einziges linguistisches System belegen, werden sicherlich Differenzen bei der Sprachentwicklung der bilingualen Kinder im Vergleich mit monolingualen Kindern in beiden Sprachen zu beobachten sein. 5.1.2 Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen und Deutschen 5.1.2.1 Methoden 5.1.2.1.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei dem Erwerb des prädikativen Adjektivs Für den Erwerb des prädikativen Adjektivs beschränkte sich die Beobachtung auf die ersten drei Lebensjahre der Kinder (Tabelle 27), da sich sowohl im Italienischen als auch im Deutschen nach diesem Zeitraum in diesem grammatischen Bereich keine relevanten Veränderungen mehr zeigten. 123 Zudem ergaben Studien an monolingualen Kindern, dass (a) monolingual deutsche Kinder von Anfang an keine Flexionsfehler (Mills, 1985, 1986) und dass (b) monolingual italienische Kinder im Alter von drei Jahren die Kongruenzregeln des Adjektivs erworben haben, sowohl innerhalb als auch außerhalb des DPs (Bates, 1976; Hyams, 1986; Cipriani, 1993; Chini, 1995). Tabelle 27: Beobachtungszeitraum der Kinder für den Erwerb der Genusflexion des prädikativen Adjektivs im Deutschen und Italienischen. Die Namen der monolingualen Kinder sind kursiv gedruckt. Das Alter ist angegeben in Jahre; Monate,Tage. Italienisch Deutsch Kinder Anfang Ende Anfang Ende Chantal - - 1; 10,18 2; 11,29 Raffaello 1; 7,07 2; 11,20 - - Aurelio 1; 9,27 2; 11,22 1; 9,27 2; 11,22 Carlotta 1; 8,28 2; 11,27 1; 8,28 2; 11,27 Jan Philip 2; 1,3 2; 11,27 2; 1,3 2; 11,27 Luca Daniele 1; 6,5 3; 0,5 1; 6,5 3; 0,5 Marta 1; 6,26 3; 0,17 1; 6,26 3; 0,17 Lukas 1; 7,12 2; 11,26 1; 7,12 2; 11,26 5.1.2.1.2 Datenauswahl Deutsch. Es wurden alle Kontexte extrahiert, in denen ein prädikatives Adjektiv vorhanden war. Die prädikativen Adjektive wurden unterteilt in zielsprachlich flektiert, nicht-zielsprachlich flektiert und nicht eindeutig. Die zuletzt genannte Kategorie umfasste alle Adjektive, bei denen es nicht möglich war zu entscheiden, ob sie das Kind in prädikativer, attributiver oder substantivierter Funktion (Nominalisierung) verwendete (z. B. Jan Philip, Alter 2; 3,26: „ a putte das “ ). Da mit nur einem eindeutig nichtzielsprachlich flektierten prädikativen Adjektiv kaum eindeutige Genusfehler an prädikativen Adjektiven im Deutschen zu beobachten waren, wurde nicht zwischen Token und Types unterschieden. Italienisch. Es wurden alle prädikativen Adjektive (Types) der Adjektivdeklinationsklasse I ausgewählt, die die Kinder in dem definierten Zeitraum verwendeten, und als zielsprachlich oder nicht-zielsprachlich klassifiziert. Die Adjektive, die nicht mit Sicherheit einer dieser Kategorien zugeordnet werden konnten, etwa weil das Bezugssubstantiv nicht zu 124 identifizieren war, wurden nicht berücksichtigt. Die Adjektive der Adjektivdeklinationsklasse II wurden ebenfalls nicht berücksichtigt, da sie durch das Genus nicht verändert werden und somit immer zielsprachlich sind. Weder im Italienischen noch im Deutschen wurde das Partizip Perfekt gezählt. Zur Beurteilung eines möglichen Einflusses der anderen Sprache wurden die Daten auf den Balanciertheitsgrad der Kinder in den beiden entsprechenden Sprachen bezogen. Zur Ermittlung des Balanciertheitsgrades wurde, bei dieser Hypothese, anders als bei anderen Hypothesen, das inkrementelle Nomen-Verben-Lexikon verwendet (Arencibia Guerra, 2008), da für den Erwerb der Genuskongruenz die Entwicklung des Nomens von entscheidender Bedeutung ist. Für die Analyse des angenommenen Zusammenhangs zwischen dem Balanciertheitsgrad des Kindes und dem Erwerb der Genusflexion am prädikativen und attributiven Adjektiven im Italienischen und Deutschen wurden die von Arencibia Guerra (2008) eingeführten Kriterien zur Messung der Sprachdominanz Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) und Durchschnittlicher Balanciertheitsquotient des Lexikons (DBQL) verwendet. Die Wahl dieser Parameter ist darin begründet, dass das Genus ein inhärentes Merkmal des Nomens ist. Daraus folgt, dass der Erwerb des Genuszuweisungssystems vor allem abhängig von dem Entwicklungsgrad des Lexikons des Kindes ist, und weniger von den Kriterien MLU oder durchschnittliche Redeflussdifferenz (DRFD), auch wenn die Wahl des Kriteriums zur Bestimmung der Sprachdominanz von untergeordneter Bedeutung zu sein scheint, da, wie Arencibia Guerra (2008: 126) zeigen konnte, unterschiedliche Messmethoden zu ähnlichen Ergebnissen führen. 5.1.2.2 Ergebnisse 5.1.2.2.1 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen Alter bei erstem Auftreten und Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen Beim ersten Auftreten prädikativer Adjektive (in holophrastischen Ausdrücken) zeigte sich im Mittel bei den bilingualen Kindern eine leichte zeitliche Verzögerung von etwa 2,5 Monaten im Vergleich mit dem monolingual deutschen Mädchen (Abbildung 9). Mit Ausnahme von Lukas, der bereits im Alter von 1; 8,14 ein prädikatives Adjektiv verwendete, gebrauchten alle bilingual deutsch-italienischen Kinder diese grammatische Form später als die monolinguale Chantal. Auch bei dem ersten Erscheinen des prädikativen Adjektivs in Gegenwart einer Kopula bestand im Mittel eine leichte zeitliche Verzögerung von wenigen Tagen bei den bilingualen Kindern im Vergleich zu dem mono- 125 lingualen Mädchen. Allerdings wiesen die drei Kinder Carlotta, Marta und Luca Daniele, bei denen zum Zeitpunkt des Auftretens ein balancierter Bilinguismus bestand, einen früheren Gebrauch als Chantal auf (Abbildung 10). Hingegen war der Italienisch dominierte Aurelio das Kind, bei dem das prädikative Adjektiv sowohl in verblosen Ausdrücken als auch in solchen mit Verben zuletzt auftrat. Der Zeitpunkt des ersten Erscheinens entspach auch dem des Erwerbs, da sowohl das monolinguale Kind als auch die bilingualen Kinder von Beginn an das prädikative Adjektiv im Deutschen zielsprachlich, also ohne jegliches flektiertes Morphem, gebrauchten. Chantal 1; 6,0 Lukas 2; 0,0 1; 7,0 2; 6,0 1; 8,0 1; 9,0 1; 10,0 1; 11,0 2; 1,0 2; 2,0 2; 5,0 2; 4,0 2; 3,0 Marta Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Mittelwert Abbildung 9: Alter der Kinder beim ersten Auftreten prädikativer Adjektive in holophrastischen und verblosen Äußerungen im Deutschen. Chantal 1; 11,0 Lukas 2; 4,0 2; 11,0 2; 10,0 2; 0,0 2; 1,0 2; 2,0 2; 3,0 2; 5,0 2; 6,0 2; 9,0 2; 8,0 2; 7,0 Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Marta Mittelwert Abbildung 10: Alter der Kinder beim ersten Auftreten prädikativer Adjektive in Gegenwart der Kopula im Deutschen. 126 Erwerb des deutschen prädikativen Adjektivs Trotz des etwas anderen zeitlichen Verlaufs des Erscheinens des prädikativen Adjektivs folgten die bilingualen Kinder einem Erwerbsverlauf, der dem des monolingualen Kindes sehr ähnlich war. Mit Ausnahme von Aurelio, in dessen Sprache sich ein klarer Flexionsfehler eines deutschen prädikativen Adjektivs im Alter von 3; 3,7 fand ( „ du bist auch böser* “ ), zeigten sich bei allen anderen Kindern von der Ein-Konstituenten-Phase an ein sicherer Flexionsgebrauch, ohne dass nicht-zielsprachliche Flexionsregeln des attributiven Adjektivs anstelle der zielsprachlichen Nichtflexion des deutschen prädikativen Adjektivs verwendet wurden. Ebenso wenig war eine Interferenz mit den Flexionsregeln des italienischen prädikativen Adjektivs im Deutschen zu beobachten. 1 Balanciertheitsgrad und Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen Mit Ausnahme von Aurelio, der im Alter von 3; 3,7 sagte „ du bist auch böser “ , fanden sich bei keinem der untersuchten Kinder nicht-zielsprachlich flektierte prädikative Adjektive. Insbesondere waren keine Unterschiede zwischen den Kindern mit verschiedenen Balanciertheitsgraden festzustellen. Dies verdeutlicht, dass die Art des Bilinguismus, die bei dem Kind vorherrschte, keine Rolle beim Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen spielte und somit die Sprachdominanz keinen Einfluss auf den Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen hatte. 1 In der Sprache einiger Kinder fanden sich sehr wenige Konstruktionen, in denen das Adjektiv flektiert erschien. Da es sich jedoch um holophrastische oder verblose Äußerungen handelte oder die Äußerungen unterbrochen waren, ist es nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es sich um ein prädikatives Adjektiv, eine Nominalisierung oder einen attributiven Gebrauch des Adjektivs handelte, bei dem das Substantiv, auf das sich das Adjektiv bezog, nicht ausdrücklich genannt wurde. In einigen Fällen bestand auch Zweifel, ob das Kind das deutsche prädikative Adjektiv, das nicht für das Genus flektiert wird, dem italienischen Adjektiv der II. Deklinationsklasse, in der die Adjektivsendung -e nicht die Überträgerin des Genus ist, gleichgestellte. Die beiden nachfolgenden Äußerungen sollen dies verdeutlichen: (1) „ a putte das “ hieße zielsprachlich „ das ist kaputt “ (Jan Philip: 2; 3,26) und (2) „ ich bin große “ hieße zielsprachlich „ ich bin groß “ (Luca Daniele: 2; 7,30). 127 5.1.2.2.2 Der Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen Alter bei erstem Auftreten und Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten bilingual deutschitalienischen Kinder erwarben die Genusflexion der prädikativen Adjektive im Italienischen in einer Art und Weise, die dem Erwerbsverlauf des hier untersuchten monolingual italienischen Kindes glich. Bei allen sieben untersuchten Kindern war zunächst die Entwicklung von holophrastischen und verblosen Konstruktionen zu beobachten, die allein die Bedeutung der Formulierung transportieren. Auch in dieser Phase trat das prädikative Adjektiv erstmals in einer überwiegend zielsprachlich flektierten Form auf. Die Zeitpunkte des Erscheinens der ersten holophrastischen, aus dem prädikativen Adjektiv bestehenden Konstruktionen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern unterschieden sich allenfalls geringfügig von dem bei dem monolingual italienischen Kind, mit einer diskreten Zeitverzögerung bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern (Arencibia Guerra, 2008). Während in der Sprache von Raffaello ein prädikatives Adjektiv erstmals im Alter von 1; 7,7 auftrat, verwendeten die bilingualen Kinder im Mittel das erste Mal ein prädikatives Adjektiv im Alter von 1; 10,29 (Abbildung 11). Es fiel auf, dass Lukas, dessen schwache Sprache Italienisch war, das erste prädikative Adjektiv zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie der monolinguale Raffaello verwendete, während der im Italienischen dominante Aurelio fünf Monate später als Raffaello, ein prädikatives Adjektiv gebrauchte. Raffaello 1; 6,0 Lukas 2; 0,0 1; 7,0 2; 6,0 1; 8,0 1; 9,0 1; 10,0 1; 11,0 2; 1,0 2; 2,0 2; 5,0 2; 4,0 2; 3,0 Marta Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Mittelwert Abbildung 11: Alter der Kinder beim ersten Auftreten prädikativer Adjektive in holophrastischen Realisierungen im Italienischen. 128 Auch bei dem ersten Auftreten von prädikativen Adjektiven mit Kopula war eine zeitliche Verzögerung von etwa zwei Monaten festzustellen. Raffaello verwendete eine entsprechende Konstruktion erstmals im Alter von 1; 11,0. Hingegen trat ein prädikatives Adjektiv in Gegenwart einer Kopula bei den bilingualen Kindern im Mittel erstmals im Alter von 2; 0,28 auf (Abbildung 12). Ähnlich wie bei den prädikativen Adjektiven in holophrastischen Realisierungen, zeigte sich auch bei den durch eine Kopula begleiteten prädikativen Adjektiven, dass der zu diesem Zeitpunkt balancierte Lukas ähnlich früh wie Raffaello ein prädikatives Adjektiv begleitet von einer Kopula verwendete, während eine entsprechende grammatische Struktur bei dem Italienisch dominierten Aurelio erst zwei Monate später auftrat. bei dem Italienisch dominierten Aurelio erst zwei Monate später auftrat. Raffaello 2; 2,15 Lukas 1; 11,0 2; 3,0 2; 2,0 2; 4,0 2; 3,15 1; 10,0 1; 10,15 1; 11,15 2; 0,0 2; 1,15 2; 1,0 2; 0,15 Marta Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Mittelwert 2; 4,15 2; 5,15 2; 6,0 2; 5,0 Abbildung 12: Alter der Kinder beim ersten Auftreten von einer Kopula begleiteter prädikativer Adjektive im Italienischen. Erwerb der Genusflexion des prädikativen Adjektivs im Italienischen Weder in der Sprache des monolingual italienischen Jungen noch in der Sprache der bilingualen Kinder fanden sich Fälle unflektierter prädikativer Adjektive. Wie in Abbildung 13 gezeigt, ergab sich bei den bilingualen Kindern eine im Vergleich mit Raffaello etwas häufigere nicht-zielsprachliche Genusflexion des prädikativen Adjektivs. Dies galt insbesondere für die Deutsch dominierten Jungen Luca Daniele, Lukas und Jan Philip. Zudem wiesen die analysierten bilingualen Kinder im Vergleich zu dem monolingualen Raffaello ein größeres Fehlerrepertoire auf. Raffaello wies ausschließlich Abweichungen von der Erwachsenensprache auf, die auf eine Übergeneralisierung des Maskulinums Singular hindeuteten, eine Beobachtung, die bereits Chini (1995) an monolingual italienischen Kindern gemacht hat. Hingegen umfassten die Fehler der bilingualen Kinder sowohl eine Übergeneralisierung des Maskulinums als auch des Femininums, auch 129 wenn erstere überwog (Übergeneralisierung des Maskulinums: 11 % [Mittelwert] 2 - 23 % [Spannweite] vs. Übergeneralisierung des Femininums 3 % [Mittelwert] 0 - 7 % [Spannweite]; Tabelle 28). Balanciertheitsgrad und Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen Im Rahmen der Frage nach den möglichen Gründen für die häufigeren Fehler der bilingualen Kinder bei der Genusflexion im Italienischen galt es zunächst den Einfluss der deutschen Sprache zu untersuchen. Dabei fiel auf, dass bei den Substantiven, bei denen die Kinder das Femininum übergeneralisierten, nur in einem Fall, bei Marta, das Genus des Äquivalents im Deutschen Femininum war, während in den übrigen sechs Situationen das Genus des Äquivalents im Deutschen Neutrum war (Tabelle 28). Demnach war die Übergeneralisierung des Femininums gegenüber dem Maskulinum im Italienischen bei den bilingualen Kindern nicht Folge der (irrtümlichen) Wahl des Genus des Äquivalents im Deutschen. Hingegen entsprach in 7 von 16 Fällen einer Übergeneralisierung des Maskulinums anstelle des Femininums im Italienischen das nicht-zielsprachliche Genus dem des Äquivalents der anderen Sprache. Allerdings Kinder Raffaello Aurelio Carlotta Marta Luca Daniele Lukas Jan Philip Realisierungen des prädikativen Adjektivs (%) 0 20 40 60 80 100 Zielsprachlich Nichtzielsprachlich 59 46 30 44 13 27 23 Abbildung 13: Genuskongruenz des prädikativen Adjektivs der I. Deklinationsklasse im Italienischen. An der Basis der Säulen ist die Gesamtzahl zielsprachlicher und nichtzielsprachlicher Konstruktionen angegeben. 130 war diese Abweichung von der Erwachsenensprache auch bei dem monolingualen Kind Raffaello zu finden, bei dem natürlich kein Einfluss durch die deutsche Sprache bestand. Tabelle 28: Übergeneralisierungen bei der Genusflexion der prädikativen Adjektive und potentielle Fehleräquivalente (Types) im Italienischen. Kinder Prädikative Adjektive Mask. statt Fem. Potenzielle Äquivalente Fem. statt Mask. Potenzielle Äquivalente Gesamtzahl Raffaello 4 (7 %) - 0 - 59 Aurelio 2 (7 %) 0 1 (3 %) 0 30 Carlotta 1 (2 %) 0 2 (4 %) 0 46 Jan Philip 4 (17 %) 2 0 0 23 Luca Daniele 3 (23 %) 2 0 0 13 Lukas 3 (11 %) 1 2 (7 %) 0 27 Marta 3 (7 %) 2 2 (5 %) 1 44 Fem.; Femininum; Mask., Maskulinum. Wurden die von den Kindern nicht-zielsprachlich verwendeten Genera in Bezug zu dem Balanciertheitsgrad gemessen am Lexikon in den beiden Sprachen gesetzt, zeigte sich, dass die Fehler auftraten unabhängig davon, ob zu dem entsprechenden Zeitpunkt (Abbildung 14) oder über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg (Tabelle 29) Italienisch die schwache oder starke Sprache war oder ein balancierter Bilinguismus vorlag. 131 Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) 1; 9,27 1; 10,10 1; 10,23 1; 11,14 1; 11,28 2; 0,11 2; 0,24 2; 1,9 2; 1,23 2; 4,10 2; 4,23 2; 5,6 2; 5,21 2; 6,4 2; 7,16 2; 7,30 2; 8,13 2; 9,5 2; 9,20 2; 10,10 2; 10,24 2; 11,8 2; 11,22 3; 0,5 3; 0,19 3; 0,29 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler an italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Carlotta Alter (Jahr; Monat; Tag) 1; 8,28 1; 9,17 1; 10,8 1; 10,30 1; 11,12 1; 11,27 2; 0,11 2; 0,25 2; 2,4 2; 2,19 2; 3,2 2; 3,17 2; 4,7 2; 4,21 2; 6,9 2; 6,23 2; 7,13 2; 8,0 2; 8,21 2; 9,11 2; 9,25 2; 10; 16 2; 10,30 2; 11,13 2; 11,27 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Jan Philip Alter (Jahr; Monat,Tag) 2; 0,11 2; 1,3 2; 3,26 2; 4,15 2; 5,26 2; 6,17 2; 7,7 2; 7,28 2; 8,18 2; 9,12 2; 10,8 2; 11,6 2; 11,27 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Luca Daniele Alter (Jahr; Monat,Tag) 1; 6,5 1; 6,19 1; 7,3 1; 7,21 1; 8,14 1; 8,28 1; 9,7 1; 10,19 1; 11,6 1; 11,17 2; 0,1 2; 0,20 2; 1,4 2; 1,18 2; 1,27 2; 2,22 2; 3,5 2; 3,24 2; 4,2 2; 4,16 2; 5,3 2; 5,16 2; 6,1 2; 6,13 2; 6,27 2; 7,11 2; 7,30 2; 8,8 2; 10,10 2; 10,24 2; 11,7 3; 0,5 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Marta Alter (Jahr; Monat,Tag) 1; 6,26 1; 7,10 1; 8,1 1; 8,22 1; 9,12 1; 10,2 1; 11,14 1; 11,21 2; 0,2 2; 0,16 2; 1,0 2; 1,21 2; 2,4 2; 2,26 2; 3,26 2; 4,16 2; 4,29 2; 5,12 2; 5,27 2; 6,10 2; 6; 26 2; 7,7 2; 8,0 2; 8,26 2; 9,9 2; 9,22 2; 10,6 2; 10,20 2; 11,15 2; 11,29 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Lukas Alter (Jahr; Monat,Tag) 1; 7,12 1; 8,14 1; 9,13 1; 10,3 1; 10,17 1; 11,1 1; 11,22 2; 0,5 2; 1,3 2; 1,23 2; 3,6 2; 4,9 2; 4,23 2; 5,6 2; 5,20 2; 6,18 2; 7,15 2; 7,29 2; 8,12 2; 8,26 2; 9,18 2; 10,1 2; 10,22 2; 11,12 2; 11,26 Balanciertheitsquotient des Lexikons (BQL) -1,0 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven 0 1 2 3 4 5 6 7 BQL Genusfehler 1. Auftreten eines prädikativen Adjektivs Abbildung 14: Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven in Bezug auf den Balanciertheitsquotienten des Lexikons (BQL) 2 bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern. 2 Der Durchschnittliche Balanciertheitsquotient des Lexikons (DBQL) erlaubt eine Aussage über die Balanciertheit des Lexikons eines Kindes über den gesamten Untersuchungszeitraum und errechnet sich aus der Summe aller Balanciertheitsquotienten des Lexikons (BQL) devidiert durch die Anzahl der Sprachaufnahmen. Der BQL ist der Quotient aus Lexikondifferenz (LD) und Lexikon der überlegenen Sprache, mit LD definiert als Lexikon der deutschen Sprache minus Lexikon der romanischen Sprache. Daraus ergibt sich, dass ein DBQL >0,5 oder <-0,5 auf eine starke Unbalanciertheit hindeutet. Hingegen ist ein Wert nahe Null Ausdruck einer Balanciertheit (Arencibia Guerra, 2008: 98). 132 Tabelle 29: Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad gemessen am Lexikon in den beiden Sprachen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern, die bis zum Alter von 3 Jahren beobachtet wurden. Kinder Genusfehler DBQL Balanciertheit Aurelio 3 (10 %) -0,50 Italienisch dominant Carlotta 3 (6,5 %) -0,13 Balanciert Jan Philip 3 (13 %) 0,42 Deutsch dominant Luca Daniele 2 (15 %) 0,04 Balanciert Lukas 5 (18,5 %) 0,17 Balanciert Marta 5 (11 %) -0,52 Italienisch dominant DBQL, Durchschnittlicher Balanciertheitsquotient des Lexikons Nicht auszuschließen ist, dass die Übergeneralisierung des Maskulinums gegenüber dem Femininum auf die größere Anzahl an maskulinen Substantiven in dem sprachlichen Input, der das Kind umgab, zurückzuführen war (Tabelle 30). Tabelle 30: Erforderliche Genera bei der Verwendung des prädikativen Adjektivs im Italienischen (Types). Kinder Maskulinum Femininum Raffaello 34 (58 %) 25 (42 %) Aurelio 20 (67 %) 10 (33 %) Carlotta 35 (76 %) 11 (24 %) Jan Philip 16 (73 %) 6 (27 %) Luca Daniele 6 (46 %) 7 (54 %) Lukas 16 (59 %) 11 (41 %) Marta 29 (69 %) 13 (31 %) Darüber hinaus erwerben, wie auch an Raffaello gezeigt werden konnte, monolingual italienische Kinder zuerst das Maskulinum und erst in der Folge das Femininum. Auch bei den bilingualen Kindern ging in den meisten Fällen das Maskulinum dem Femininum voraus, mit Ausnahme von Jan Philip, der zuerst das Femininum gebrauchte. Jan Philip war das einzige der hier untersuchten Kinder, das einen durchgehend Deutsch dominierten Bilinguismus aufwies (Tabelle 31). 133 Tabelle 31: Alter beim ersten Erscheinen der Genera der prädikativen Adjektive im Italienischen. Kind Maskulinum Femininum Raffaello 1; 7,07 1; 9,07 Aurelio 1; 11,28 2; 4,10 Carlotta 1; 8,28 2; 11,13 Jan Philip 2; 4,15 2; 3,26 Luca Daniele 2; 0,20 2; 2,22 Lukas 1; 10,3 1; 10,17 Marta 1; 10,2 2; 0,16 5.1.3 Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Italienischen und im Deutschen 5.1.3.1 Methoden 5.1.3.1.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei dem Erwerb der attributiven Adjektive Deutsch. Der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Deutschen wurde vom ersten Auftreten eines attributiven Adjektivs bis zum Alter von vier Jahren beobachtet (Tabelle 32). Italienisch. Der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Italienischen wurde ebenfalls vom ersten Auftreten eines attributiven Adjektivs bis zum Alter von etwa vier Jahren beobachtet (Tabelle 32). Tabelle 32: Alter beim ersten Auftreten und Beobachtungszeitraum der Genusflexion der attributiven Adjektive. Italienisch Deutsch Kinder Anfang Ende Anfang Ende Raffaello 1; 7,07 2; 11,20 - - Chantal - - 1; 10,18 3; 11,23 Aurelio 1; 9,27 4; 0,28 1; 9,27 4; 0,28 Carlotta 1; 8,28 3; 11,26 1; 8,28 3; 11,26 Jan Philip 2; 1,3 3; 11,19 3 2; 1,3 3; 11,19 3 Jan Philip war das einzige Kind, das bis zum Ende der Aufnahmen Fehler machte. So zeigten sich im Alter von 4; 7,26, also wenige Wochen vor der letzten Aufnahme, noch Genuszuweisungsfehler in seiner Sprache. 134 Italienisch Deutsch Kinder Anfang Ende Anfang Ende Luca Daniele 1; 6,5 3; 10,29 1; 6,5 3; 10,15 Lukas 1; 7,12 4; 0,5 1; 7,12 3; 11,22 Marta 1; 6,26 4; 0,13 1; 6,26 3; 11,18 5.1.3.1.2 Datenauswahl Deutsch. Aus den Transkripten wurden alle Äußerungen extrahiert, die ein attributives Adjektiv enthielten. Die attributiven Adjektive wurden klassifiziert in zielsprachlich dekliniert, nicht-zielsprachlich dekliniert und nicht eindeutig. Adjektive der folgenden Deklinationen wurden analysiert: 1. der gemischten Deklination: alle drei Genera der attributiven Adjektive im Nominativ und Akkusativ 2. der starken Deklination: a) alle drei Genera der attributiven Adjektive im Nominativ und b) Femininum und Neutrum der attributiven Adjektive im Akkusativ 3. der schwachen Deklination: alle drei Genera der attributiven Adjektive im Nominativ und Akkusativ. Von den attributiven Adjektiven, die den zuvor genannten Kategorien angehörten, wurden lediglich die Types berücksichtigt. Im Rahmen der Beurteilung, ob ein Kind verschiedene Genusfehler mit demselben Substantiv machte, wurden alle gezählt, da die Auswahl eines Fehlers willkürlich gewesen wäre. Alle verbliebenen Formen, also auch die Pluralformen, wurden nicht berücksichtigt, da sie von der Form nicht einzigartig für ein Genus sind und somit keine eindeutigen Informationen über die Korrektheit des Genus geben. Als Genusfehler wurden auch alle attributiven Adjektive gewertet, die nicht über das Flexionsmorphem verfügten, da sie nicht nur keine Informationen über das Genus, das das Kind dem Substantiv zuschreibt, geben, sondern es sich auch um Adjektive handelt, die nicht das Genus des Substantivs widerspiegeln, wenn hingegen das Erwachsenensystem es vorsieht. Italienisch. Aus den Transkripten wurden alle Äußerungen extrahiert, die ein attributives Adjektiv enthielten. Die attributiven Adjektive wurden klassifiziert in zielsprachlich dekliniert, nicht-zielsprachlich dekliniert und nicht eindeutig. Auch die attributiven Adjektive der II. Deklinationsklasse wurden gezählt, da sie in einer MLU-Phase auftraten, in der ihnen oder dem Substantiv, auf das sie sich bezogen, ein bestimmter oder unbestimmter 135 Artikel voranging. Auf diese Weise war ersichtlich, ob das Kind das Genus des Substantivs kannte und das attributive Adjektiv zielsprachlich deklinierte. Um einen eventuellen Einfluss der anderen Sprache abzuschätzen, wurde auch der Erwerb des attributiven Adjektivs unter Berücksichtigung des Balanciertheitsgrades in den beiden Sprachen analysiert. Als Maß des Balanciertheitsgrads wurde auch in diesem Fall das inkrementelle Nomen- Verben-Lexikon gewählt. 5.1.3.2 Ergebnisse 5.1.3.2.1 Der Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen Alter bei erstem Auftreten und Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen Die Analyse des ersten Auftretens und Erwerbs des attributiven Adjektivs im Deutschen ergab die folgenden Ergebnisse: Das monolingual deutsche Mädchen: a. verwendete das erste attributive Adjektiv früher als die bilingualen Kinder, mit der einzigen Ausnahme dargestellt von Marta (Abbildung 15). b. machte ab dem Alter von 3; 5,9 an keine Genuskongruenzfehler mehr. Dieses Ergebnis bestätigt die Beobachtung von Mills (1986), dass monolingual deutsche Kinder im Alter von etwa drei Jahren das Genusflexionssystem im Deutschen erworben haben. Chantal 2; 0,0 Lukas 2; 6,0 2; 1,0 3; 0,0 2; 2,0 2; 3,0 2; 4,0 2; 5,0 2; 7,0 2; 8,0 2; 11,0 2; 10,0 2; 9,0 Marta Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Mittelwert Abbildung 15: Alter beim ersten Auftreten des attributiven Adjektivs im Deutschen. 136 Die untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kinder hingegen a. verwendeten das erste attributive Adjektiv im Mittel etwas später als das monolinguale Mädchen. Zwei Kinder wiesen eine erhebliche Abweichung von dem Mittelwert ab: Marta, die etwa vier Monate früher als die bilingualen Kinder im Mittel das erste attributive Adjektiv gebrauchte, und Aurelio, der sechs Monate später als die bilingualen Kinder im Mittel die erste entsprechende Äußerung tätigte. b. nach Vollendung des vierten Lebensjahres war der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs noch nicht abgeschlossen und es traten noch Fehler auf, insbesondere bei Verwendung des Neutrums. Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen Wie in Abbildung 16 gezeigt, wiesen die bilingual deutsch-italienischen Kinder mehr Genusfehler als das monolinguale Mädchen auf. Insgesamt wurde sowohl von den bilingualen Kindern als auch von der monolingualen Chantal die Mehrzahl der attributiven Adjektive zielsprachlich flektiert. Kinder Chantal Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Genusflexion der attributiven Adjektive (%) 0 20 40 60 80 100 Zielsprachlich Nichtzielsprachlich Nicht eindeutig 84 39 58 28 34 71 32 Abbildung 16: Genusflexion der attributiven Adjektive im Deutschen (Types). An der Basis der Säulen ist die Gesamtzahl der verwendeten attributiven Adjektive angegeben. 137 Diese Ergebnisse belegen, dass der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern im Deutschen einen Verlauf nimmt, der dem monolingualer Kinder sehr ähnelt (Mills, 1985, 1986). Dennoch fanden sich einige Unterschiede in der nicht-zielsprachlichen Adjektivflexion. Das untersuchte monolingual deutsche Kind: 1. übergeneralisierte das Femininum gegenüber dem Maskulinum und Neutrum. 2. hatte keine Schwierigkeiten in der Zuordnung des Genus bei femininen Substantiven, was sich darin zeigte, dass es nie nichtzielsprachlich Neutrum oder Maskulinum einem femininen Substantiv zuordnete. 3. hatte Schwierigkeiten mit der Identifizierung von neutralen Substantiven, insofern, dass sie das Maskulinum neutralen Substantiven zuordnete und umgekehrt. 4. verwendete in einigen Fällen das Adjektiv ohne Flexionsmorphem (Abbildung 17). Kinder Chantal Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Anzahl der Fehler 0 5 10 15 20 25 Fem/ MASK Fem/ NEUTR Neutr/ MASK Neutr/ FEM Mask/ NEUTR Mask/ FEM Unflektierte Adjektive Abbildung 17: Art und Anzahl der individuellen Fehler bei der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Deutschen. Fem und FEM, Femininum; Mask und MASK, Maskulinum; Neutr und NEUTR, Neutrum. Normalschrift, nicht-zielsprachlich verwendetes Genus; Majuskeln, zielsprachlich erforderliches Genus. 138 Die bilingual deutsch-italienischen Kinder: 1. übergeneralisierten vornehmlich die feminine Form sowohl gegenüber dem Maskulinum als auch dem Neutrum. 2. verwendeten selten das Neutrum anstelle des Femininums und noch seltener das Maskulinum anstelle des Femininums und unterschieden sich auf diese Weise von dem monolingualen Mädchen, dessen Sprache keinen Fehler dieser Art aufwies. 3. übergeneralisierten sehr häufig das Maskulinum gegenüber dem Neutrum, in Übereinstimmung mit den Beobachtungen von Müller (2000) an bilingual deutsch-französischen Kindern. 4. verwendeten das attributive Adjektiv ohne jede Genusmarkierung (Abbildung 18). Fem/ MASK Fem/ NEUTR Neutr/ MASK Neutr/ FEM Mask/ NEUTR Mask/ FEM Unflektiert Übergeneralisierungen (%) 0 5 10 15 20 25 30 35 29 10 12 10 4 20 2 Abbildung 18: Übergeneralisierungen aller bilingualen Kinder bei den attributiven Adjektiven im Deutschen (Types). Die Gesamtzahl der Übergeneralisierungen ist an der Basis der Säulen angegeben. Bei vier bilingual deutsch-italienischen Kindern, Carlotta, Jan Philip, Lukas und Marta, fiel auf, dass das nicht-zielsprachlich verwendete Genus zu einem großen Anteil dem Genus des Äquivalents in der anderen Sprache entsprach (Abbildung 19). Bei den bilingualen Kindern fanden sich im Deutschen insgesamt 18 Genuskongruenzfehler, die durch das Äquivalent in der anderen Sprache erklärt werden konnten. Hingegen fanden sich im Italienischen lediglich 8 Fehler dieser Art. Dabei handelte es sich ausschließlich um prädikative Adjektive, wohingegen sich bei den attributiven Adjektiven im Italie- 139 nischen keine Genusfehler fanden, die auf das Genus des Äquivalents zurückgeführt werden konnten. Kinder Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Genusfehler (%) 0 20 40 60 80 100 Kein Äquivalent Äquivalent 12 10 6 7 13 10 Abbildung 19: Potentielle äquivalentbedingte Genusfehler bei den attributiven Adjektiven im Deutschen. An der Basis der Säulen ist die Gesamtzahl der Genusfehler angegeben. Semantische Kriterien bei der Genuszuweisung Unter den 55 Substantiven, denen die bilingualen Kinder das nicht-zielsprachliche Genus zuschrieben, fanden sich 15 Substantive (27 %), die die semantischen Merkmale [+ belebt], [± maskulin] und [± feminin] aufwiesen, wie z. B. Baby, Kind, Katze, Bär etc. Das ebenfalls dieser Kategorie angehörende Substantiv Pferd zeichnete sich dadurch aus, dass ihm von vier bilingualen Kindern, Aurelio, Carlotta, Lukas und Marta, das nicht-zielsprachliche Genus zugeordnet wurde (Maskulinum statt Neutrum). Balanciertheitsgrad und Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen Wurde der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Deutschen in Beziehung gesetzt zu der Balanciertheit der bilingualen Kinder gemessen an den Lexika in den beiden Sprachen, so fiel auf, dass die beiden Kinder Aurelio und Marta, deren italienisches Lexikon dem deutschen über 140 den gesamten Beobachtungszeitraum deutlich überwog, zu einem höheren Anteil nicht-zielsprachlicher Genusflexionen bei deutschen attributiven Adjektiven neigten, mit etwa der Hälfte nicht-zielsprachlicher Verwendungen, im Vergleich mit den anderen Kindern, die balanciert waren oder Deutsch dominiert waren (Tabelle 33). Dieses Ergebnis deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad der Kinder und dem Erwerb der Genusflexion der attributiven Adjektive im Deutschen hin. Tabelle 33: Genusfehler bei deutschen attributiven Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad gemessen an den Lexika in den beiden Sprachen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern, die bis zum Alter von 4 Jahren beobachtet wurden. Kinder Genusfehler DBQL Balanciertheit Aurelio 13 (46 %) -0,50 Italienisch dominant Carlotta 21 (36 %) -0,13 Balanciert Jan Philip 9 (23 %) 0,42 Deutsch dominant Luca Daniele 8 (23,5) 0,04 Balanciert Lukas 18 (25 %) 0,17 Balanciert Marta 18 (56 %) -0,52 Italienisch dominant DBQL, Durchschnittlicher Balanciertheitsquotient des Lexikons 5.1.3.2.2 Der Erwerb des attributiven Adjektivs im Italienischen Alter bei Erscheinen des attributiven Adjektivs im Italienischen Im Mittel erschien das erste attributive Adjektiv im Italienischen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern früher als bei dem monolingualen Raffaello, mit Ausnahme von Aurelio und Jan Philip, die das erste attributive Adjektiv im Alter von etwa 2; 4,15 verwendeten (Abbildung 20). Trotz dieser Gemeinsamkeiten wiesen sie eine sehr unterschiedliche Sprachentwicklung auf. Während Aurelio durch einen mehrphasigen Bilinguismus gekennzeichnet war (Bal à It à Deu), war Jan Philip durchgehend Deutsch dominiert. Diese Beobachtung ist als weitere Bestätigung dafür zu sehen, dass der Balanciertheitsgrad des Kindes keine entscheidende Rolle beim Erwerb des attributiven Adjektivs durch bilingual deutsch-italienische Kinder im Italienischen spielt. 141 Raffaello 1; 11,0 Lukas 2; 1; 0 2; 2,0 2; 5,0 2; 4,0 2; 3,0 Marta Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Mittelwert 2; 0,0 Abbildung 20: Alter beim ersten Erscheinen des attributiven Adjektivs im Italienischen. Erwerb der Genusflexion des italienischen attributiven Adjektivs Die Mehrzahl der bilingualen Kinder zeigten auch im Italienischen mehr nicht-zielsprachliche Realisierungen als der monolinguale Junge, der von dem ersten Auftreten eines attributiven Adjektivs an keine Genuskongruenzfehler aufwies (Abbildung 21). Nur bei einem bilingualen Kind, der balancierten Carlotta, fanden sich ebenfalls keine nicht-zielsprachlichen Genusflexionen des attributiven Adjektivs. Im Vergleich der beiden Sprachen fiel auf, dass die bilingualen Kinder im Italienischen weniger Genuskongruenzfehler als im Deutschen machten. Beim monolingualen Raffaello war die Genuskongruenz vom ersten Auftreten eines attributiven Adjektivs zielsprachlich. Auch wenn die bilingualen Kinder die Mehrzahl der attributiven Adjektive zielsprachlich für das Genus flektierten, wies die Sprache von Jan Philip (25 % der von ihm verwendeten attributiven Adjektive) und Luca Daniele (12 % der von ihm verwendeten attributiven Adjektive) eine relevante Anzahl an Genuskongruenzfehlern auf (Abbildung 21). Hingegen machten die anderen bilingualen Kinder wenige oder, wie im Falle von Carlotta, keine Genusfehler bei den attributiven Adjektiven. Die qualitative Analyse der Genuskongruenzfehler beim attributiven Adjektiv ergab, dass, im Gegensatz zu der Beobachtung beim Spracherwerb des Deutschen, weder das monolinguale Kind noch die bilingualen Kinder im Italienischen zu Beginn des Spracherwerbs das Adjektiv ohne Genusmarkierung verwendeten. Zudem wiesen die bilingualen Kinder sechs Genusfehler infolge des nicht-zielsprachlichen Gebrauchs des Maskulinums anstelle des Femininums auf (z. B. Marta, Alter 2; 6,10: „ è una chicciola captivo* “ [zielsprachlich: è una chiocciola cattiva] ‚ ist eine böse 142 Schnecke ‘ ) von denen einer auf eine Kongruenz hinsichtlich der Assonanz zurückgeführt werden konnte (z. B. Jan Philip, Alter 3; 7: „ ali grossi* “ [zielsprachlich: ali grosse] ‚ große Flügel ‘ ) und drei Genusfehler infolge der nicht-zielsprachlichen Verwendung des Femininums anstelle des Maskulinums, (z. B. Jan Philip, Alter 4; 5: „ io prendo una grossa* aereo “ [zielsprachlich: io prendo un grosso aereo] ‚ ich nehme ein großes Flugzeug ‘ ), von denen zwei in der Sprache von Jan Philip und einer in der von Lukas auftraten. Die stärkere Übergeneralisierung des Maskulinums gegenüber dem Femininum ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Kinder in der Mehrzahl maskuline Substantive verwendeten. Einzig Aurelio gebrauchte häufiger feminine Nomen (Tabelle 34). Somit könnte die Frequenz, mit der diese grammatische Kategorie in dem das Kind umgebenden sprachlichen Input vorhanden ist, eine Übergeneralisierung des Maskulinums Singular induziert haben. 4 Kinder Raffaello Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Flexion der attributiven Adjektive (%) 0 20 40 60 80 100 Zielsprachlich Nichtzielsprachlich Nicht eindeutig 16 16 50 49 17 74 33 Abbildung 21: Die Genuskongruenz der attributiven Adjektive im Italienischen. An der Basis der Säulen ist die Gesamtzahl der attributiven Adjektive angegeben. 4 Greenberg (1966) und Comrie (1983) haben die Existenz einer Reihe von linguistischen Universalien beschrieben, die für alle Sprachen der Welt Gültigkeit haben. Dazu zählt das Maskulinum Singular, dem die Bedeutung eines Prototyps zukommt. Im Italienischen ist das Maskulinum Singular die Basisform, durch dessen Modifikation das Kind alle anderen Formen erstellt. 143 Tabelle 34: Die erforderlichen Genera im Italienischen (Types). Kinder Maskulinum Femininum Raffaello 10 (63 %) 6 (37 %) Aurelio 21 (44 %) 27 (56 %) Carlotta 32 (64 %) 18 (36 %) Jan Philip 12 (75 %) 4 (25 %) Luca Daniele 11 (65 %) 6 (35 %) Lukas 20 (61 %) 13 (39 %) Marta 30 (60 %) 20 (40 %) Balanciertheitsgrad und Erwerb des attributiven Adjektivs im Italienischen Bei den für das Genus nicht-zielsprachlich flektierten attributiven Adjektiven wählten die untersuchten Kinder in keinem Fall das Äquivalent im Deutschen. Wie in Tabelle 35 gezeigt, wies Jan Philip, dessen deutsches Lexikon über alle Aufnahmen hinweg umfangreicher als sein italienisches war, einen größeren Anteil an nicht-zielsprachlichen Genusflexionen bei italienischen attributiven Adjektiven auf als die Kinder, die balanciert waren oder durch die italienische Sprache dominiert waren. Diese Beobachtung deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad der bilingual deutsch-italienischen Kinder und dem Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Italienischen hin. Die eventuelle Rolle des sprachlichen Inputs, dem ein Kind ausgesetzt ist, wird in dem Kapitel 1.5 im Detail dargestellt. Tabelle 35: Genusfehler bei italienischen attributiven Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad gemessen an den Lexika in den beiden Sprachen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern, die bis zum Alter von 4 Jahren beobachtet wurden. Kinder Genusfehler DBQL Balanciertheit Aurelio 2 (4 %) -0,50 Italienisch dominant Carlotta 0 -0,13 Balanciert Jan Philip 4 (25 %) 0,42 Deutsch dominant Luca Daniele 2 (12 %) 0,04 Balanciert Lukas 1 (3 %) 0,17 Balanciert Marta 1 (2 %) -0,52 Italienisch dominant DBQL, Durchschnittlicher Balanciertheitsquotient des Lexikons 144 5.1.4 Diskussion Die Vertreter der Hypothese des fusionierten Sprachsystems (englisch: Unitary Language System Hypothesis), zu denen insbesondere Volterra und Taeschner (1978), aber auch eine Reihe anderer Autoren zählen, wie etwa Leopold (1939, 1949, 1954), Imedadze (1967), Swain (1972), Fantini (1979), Redlinger & Park (1980), Vihman (1985) und Schlyter (1987), betrachten die im Rahmen des bilingualen Erstspracherwerbs auftretenden Sprachmischungen und nicht-zielsprachlichen Äußerungen als Ausdruck des Bestehens eines einzigen Sprachsystems, das sich aus grammatischen und lexikalischen Bestandteilen aus beiden Sprachen zusammensetzt. In demselben Jahr, in dem Volterra und Taeschner (1978) ihr Phasenmodell zum fusionierten Sprachsystem vorstellten, berichteten Lindholm und Padilla (1978), dass die verschiedenen Phänomene des Spracheneinflusses bei den von ihnen untersuchten bilingual spanisch-englischen Kindern a) durch lexikalische Defizite in einer der beiden Erstsprachen und b) durch die Salienz eines bestimmten Ausdrucks (basierend auf der Frequenz) erklärbar waren (Lindholm & Padilla, 1978: 331 - 2). Diese Befunde sprechen nicht dafür, dass das bilinguale Kind die beiden Sprachen infolge des Bestehens eines einzigen Sprachsystems mischt, sondern bestätigen vielmehr die Existenz zweier separater Sprachsysteme. In den folgenden Jahren mehrten sich die Arbeiten, darunter die von Meisel (1987), Genesee (1989), De Houwer (1990), Müller (1993), Genesee, Nicoladis und Paradis (1995) sowie Gawlitzek-Maiwald und Tracy (1996), die die ‚ Unitary Language System Hypothesis ‘ infrage stellten und auf die Schwachpunkte dieser Hypothese und insbesondere des Entwicklungsmodells von Volterra und Taeschner hinwiesen. Meisel (1987) sah in seiner Analyse der Wortstellung und Verbflexion bei zwei bilingual deutsch-französischen Kindern eine der möglichen Ursachen der Sprachmischung in der dominanten Sprache des Kindes in dieser besonderen Phase des Spracherwerbs (Meisel, 1987: 5). Seine Kritik an dem Drei-Phasen-Modell von Volterra und Taeschner (1978) machte er auch an den folgenden Punkten fest: - Die berichteten Daten wurden nicht in Bezug zu unabhängigen Variablen, wie Alter, MLU oder anderen die drei Phasen beschränkende Angaben gesetzt (Meisel, 1987: 4). - Das Modell beruht letztlich nur auf den Ergebnissen zu einem einzigen Kind (Lisa). Die Daten zu dem zweiten Kind (Giulia) wurden nicht berücksichtigt, da es aufgrund seines jungen Alters noch nicht alle Entwicklungsstufen durchlaufen hatte (Meisel, 1987: 5, 6). Der Hypothese des fusionierten Sprachsystems wird die der zwei getrennten Sprachsysteme (englisch: Language Separation Hypothesis) entgegen 145 gestellt. Diese Theorie beruht darauf, dass beim simultanen Spracherwerb bilingual aufwachsender Kinder die Differenzierung zweier Sprachsysteme hinsichtlich der Grammatik und des Lexikons schon in sehr frühem Kindesalter möglich ist. Lanza (1997, 2004) ging der seit Anfang der neunziger Jahre vorherrschenden Meinung nach, dass, auch wenn ein Kind im frühen Alter zahlreiche Sprachmischungen zeigt, die Ursachen nicht in einem gemeinsamen Sprachsystem liegen. Die Autorin kam zu dem Ergebnis, dass die Gründe für das Auftreten von Sprachmischungen sowohl in der Existenz einer dominanten Sprache, als auch in der Qualität und Quantität des linguistischen Inputs, dem das Kind ausgesetzt ist und dessen Rolle in Kapitel 1.5 und Kapitel 5.5 im Detail besprochen wird, zu suchen sind. In der vorliegenden Arbeit galt es zum einem, zu zeigen, dass das bilingual deutsch-italienische Kind von seinen ersten Sprachäußerungen an über zwei voneinander getrennte Sprachsysteme verfügt und somit die Hypothese der zwei getrennten Sprachsysteme zu bestätigen, auch wenn sich das bilinguale Kind in seiner Sprachentwicklung von den monolingualen Kindern in den beiden entsprechenden Sprachen unterscheidet. Zum anderen sollte in dieser Arbeit die Rolle des Balanciertheitsgrades des Bilinguismus als prädiktiver Faktor für die Entwicklung bestimmter grammatischer Strukturen in den beiden Sprachen genauer beleuchtet werden. Nach Meisel (1987) kann eine mangelnde Sprachentrennung nicht allein an dem Vorliegen eines einzelnen Kriteriums, dem Mixing, festgemacht werden. Vielmehr ist die Wahl geeigneter Sprachphänomene zum Beweis bzw. zur Widerlegung des Bestehens eines oder zweier getrennter linguistischer Systeme, wichtig. Dementsprechend bieten sich solche grammatische Strukturen an, in denen sich die beiden Sprachen unterscheiden. Dementsprechend wurden zur Beurteilung dieser Hypothese der Erwerb der Genusflexion des prädikativen und attributiven Adjektivs im Italienischen und Deutschen gewählt, da sich die beiden Sprachen in diesen Bereichen stark unterscheiden (vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.3.1). Die bilingual deutsch-italienischen Kinder wiesen in den beiden grammatischen Bereichen von Beginn der sprachlichen Manifestation an die folgenden Charakteristika auf: a) Die bilingual deutsch-italienischen Kinder zeigten einen Erwerbsverlauf, der sich nicht von dem der monolingualen Kinder der beiden entsprechenden Sprachen unterschied. b) Die bilingualen Kinder wurden wie das gebürtige italienische Kind wenig durch den Faktor „ syntaktische Distanz “ bei der Genuskongruenz beeinflusst. c) Von Anfang an verwechselten die bilingualen Kinder weder im Italienischen noch im Deutschen die Flexionsregeln des prädikati- 146 ven Adjektivs des Italienischen mit denen des Deutschen, die keine Flexion des prädikativen Adjektivs vorsehen. d) Nur im Deutschen zeigte sich bei der Genuszuordnung eine Tendenz zum Gebrauch des Genus des italienischen Äquivalents. e) Der Balanciertheitsgrad der Kinder gemessen an den inkrementellen Lexika in den beiden Sprachen spielte keine Rolle beim Erwerb der Genusflexion der prädikativen Adjektive weder im Italienischen noch im Deutschen, allerdings beim Erwerb der Genusflexion der attributiven Adjektive in beiden Sprachen. f) Die an den bilingual deutsch-italienischen Kindern erhobenen Daten zum Adjektiverwerb bestätigen frühere Daten bei monolingual deutschen und italienischen Kindern. Auch wenn es keine Hinweise auf das Bestehen eines einzigen Sprachsystems bei den bilingualen Kindern gab, bestanden die folgenden Unterschiede zwischen der Sprache der bilingualen Kinder und der der monolingualen Kinder sowohl im Deutschen als auch im Italienischen: 1) Zeitverzögerung 2) Anzahl der Genuskongruenzfehler 3) Fehlertypologie. Der Erwerb des deutschen prädikativen Adjektivs durch die bilingualen Kinder sollte demnach denselben Verlauf nehmen, wie er von Mills (1985) für monolingual deutsche Kinder beschrieben wurde. In Übereinstimmung mit dieser Annahme fanden sich sowohl bei den bilingualen Kindern als auch bei dem monolingual deutschen Mädchen von Beginn der Ein- Konstituenten-Phase an keine Abweichungen von der Erwachsenensprache in relevanter Anzahl infolge der Verwechslung der Flexionsregeln des deutschen attributiven Adjektivs mit der Regel der Nichtflexion des deutschen prädikativen Adjektivs. Auch war keine Interferenz der Genusflexionsregeln des prädikativen Adjektivs im Italienischen zu beobachten. Auch wenn es in der vorliegenden Arbeit keinen Hinweis auf die Existenz eines einzigen Sprachsystems gab, bestanden in beiden Sprachen Unterschiede in der Sprache der bilingualen Kinder im Vergleich mit den monolingualen Kindern. Die betroffenen Bereiche umfassten das italienische prädikative Adjektiv sowie das italienische und das deutsche attributive Adjektiv. Mit Ausnahme des attributiven Adjektivs im Italienischen, dessen Erwerb bei den bilingualen Kindern im Mittel früher einsetzte als bei dem monolingualen Jungen, ergab die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Analyse eine leichte zeitliche Verzögerung des ersten Auftretens und des Erwerbs der prädikativen und attributiven Adjektive bei bilingual 147 deutsch-italienischen Kindern. Diese Verzögerung im Spracherwerb ist allerdings nicht mit einer Verzögerung der kognitiven Entwicklung der Kinder zu verwechseln (Arencibia Guerra, 2008). Die untersuchten bilingualen Kinder verwendeten sowohl im Italienischen als auch im Deutschen das prädikative Adjektiv im Mittel später als die monolingualen. Dies gilt sowohl für die holophrastischen und verblosen Äußerungen als auch für die von einer Kopula begleiteten Adjektive. Interessanterweise, trifft diese Beobachtung auch für das erste Auftreten des attributiven Adjektivs im Deutschen, aber nicht im Italienischen zu. Ein zweiter Aspekt, in dem sich die bilingualen Kinder von den monolingualen Kindern unterschieden, war in der Quantität und Qualität der Genuskongruenzfehler zu sehen. Die bilingualen Kinder machten nicht nur mehr Genuskongruenzfehler im Vergleich mit den monolingualen, sondern ihre Sprache wies auch Genuskongruenzfehler auf, die sich in der Sprache der monolingualen Kinder nicht fanden. Bei der Genusflexion des italienischen prädikativen und attributiven Adjektivs übergeneralisierten die Kinder das Maskulinum gegenüber dem Femininum. Eine Übergeneralisierung des Maskulinums gegenüber dem Femininum wurde bereits von Chini (1985) für Monolinguale und von Repetto (2006) für Bilinguale beschrieben. Eine Übergeneralisierung des Femininums gegenüber dem Maskulinum, die bereits beim Erwerb der prädikativen Adjektive beobachtet wurde, trat beim Erwerb der attributiven Adjektive nur bei zwei bilingualen Kindern, Jan Philip und Lukas, auf. Die Übergeneralisierung des Maskulinums gegenüber dem Femininum erklärt sich dadurch, dass das Maskulinum nicht markiert ist und einen prototypischen Charakter besitzt. Demzufolge ist das Maskulinum Singular die Basisform im Italienischen, durch deren Modifikation das Kind alle anderen Formen erstellt. Nach Greenberg (1966) und Comrie (1983) existiert eine Reihe von linguistischen Universalien, die für alle Sprachen der Welt Gültigkeit haben. Dazu zählt das Maskulinum Singular, dem die Bedeutung eines Prototyps zukommt. Diese Beobachtung bestätigt also die Gültigkeit von OP (Production): UNINTERPRETED FORMS 5 , einem Prinzip, das die übermäßige Verbreitung der salientesten und häufigsten Formen und ihren früheren Gebrauch in den ersten Erwerbsstadien erklärt, zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr grammatischer Wert noch nicht verstanden ist. Darüber hinaus erfährt die Gültigkeit desselben Prinzips beim Spracherwerb sowohl monolingualer als auch bilingualer Kinder Bestätigung. So erwarben sowohl das mono- 5 „ If a speech element is frequent and perceptually salient, but has no obvious semantic or pragmatic function, use it in a salient form and position until you discover its function; otherwise do not use it. “ (Slobin, 1986). 148 linguale als auch die bilingual deutsch-italienischen Kinder (mit Ausnahme von Jan Philip) zunächst das Maskulinum und erst in der Folge das Femininum. Dieses Phänomen trat aber bei den bilingualen Kindern in einer stärkeren Intensität auf. Ein möglicher Grund stellt die Häufigkeit dar, mit der sich dieses Genus in dem das Kind umgebenden sprachlichen Input fand (OP: UNINTERPRETED FORMS). In Übereinstimmung mit dieser Annahme ergab die Analyse der von den Kindern verwendeten Substantive, mit einer Ausnahme (Aurelio), eine höhere Frequenz von Substantiven mit dem Genus Maskulinum. Ein weiterer Grund für die nicht-zielsprachliche Verwendung des Maskulinums könnte auch die geringere Spracherfahrung sein infolge eines im Vergleich mit den monolingual italienischen Kindern verminderten sprachlichen Inputs. Insbesondere für den Erwerb der Nichtumgebungssprache ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich ausreichende Gelegenheiten zur sprachlichen Interaktion mit kompetenten Sprechern der Zielsprache bieten (Müller, 2007). Auch wenn der für einen erfolgreichen bilingualen Spracherwerb erforderliche Input bis heute nicht quantifiziert werden konnte, so wies auch Lanza (1997, 2004) auf die Wichtigkeit nicht allein der Qualität, sondern auch der Quantität des Inputs in Zusammenhang mit anderen linguistischen Phänomen beim kindlichen Bilinguismus hin. Dies schränkt natürlich nicht die Wertigkeit der zugrunde liegenden Vorstellung ein, dass die Kinder, unabhängig davon, ob sie ein- oder mehrsprachig sind, die Sprachen nach universellen Mechanismen erwerben, die in monolingualen wie in bilingualen Kinder dieselben sind. Vielmehr ermöglicht der Input die Aktivierung solcher kognitiver Mechanismen, deren unzureichende Stimulation zu einer Verzögerung in der Sprachentwicklung führt. Ferner übergeneralisierten die bilingualen Kinder, anders als der monolinguale Junge, zudem auch das Femininum gegenüber dem Maskulinum. Diese Übergeneralisierung im Italienischen kann nicht dem Einfluss des Genussystems der deutschen Sprache zugeschrieben werden. Nur bei einer von sechs nicht-zielsprachlichen Verwendungen des prädikativen Adjektivs in der femininen Form anstelle der maskulinen war das Genus des Substantiväquivalents im Deutschen feminin. Hingegen wurde keinem der nicht-zielsprachlich flektierten attributiven Adjektive das Genus des deutschen Äquivalents zugewiesen. Somit gab es keinen direkten Hinweis, dass die beobachteten Genusfehler Folge des Einflusses der Umgebungssprache (Deutsch) waren im Sinne einer Interferenz oder eines negativen Transfers. Wie zuvor dargestellt, erwerben monolingual italienische Kinder zunächst das Maskulinum und erst in der Folge das Femininum. In der vorliegenden Arbeit hingegen fand sich, dass eines von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern (Jan Philip) im Italienischen vom ersten Erscheinen prädikativer Adjektive an sowohl die Form Maskulinum Singular als auch Femininum Singular verwendete. Jan Philip unterschied 149 sich von den anderen bilingualen Kindern insofern, dass er das einzige Kind war, bei dem Deutsch durchgehend dominant war. Wie die vorliegende als auch frühere Arbeiten (Mills, 1986) zeigten, ist bei monolingualen Kindern im Deutschen das Femininum gegenüber den beiden anderen Genera weniger fehleranfällig. Auch die bilingualen Kinder machten im Deutschen weniger Genuskongruenzfehler mit dem Femininum als mit den Genera Maskulinum und Neutrum. Folglich ist das Femininum auch das Genus, das die Kinder im Deutschen mit größerer Sicherheit und früher als Maskulinum und Neutrum erwerben. Allerdings ist das Femininum auch das Genus, das monolingual deutsche Kinder in früheren Arbeiten (Mills, 1985, 1986) als auch das monolingual deutsche Mädchen und die bilingual deutsch-italienischen Kinder in der vorliegenden Arbeit mit größerer Intensität übergeneralisierten. Die Übergeneralisierung ist als Phänomen des monolingualen Spracherwerbs lange bekannt. Griffiths (1986) berichtete eine lexikalische Übergeneralisierung bei monolingualen Kindern. Während monolinguale Kinder lediglich intralingual, also innnerhalb ihrer einzigen Sprache, übergeneralisieren, können bilinguale Kindern auch interlingual, also von der einen auf die andere Sprache übergreifend, übergeneralisieren. Anders als der monolingual italienische Junge, fanden sich bei den bilingual deutschitalienischen Kindern auch nicht-zielsprachliche Genuskongruenzen infolge einer Übergeneralisierung des Femininums gegenüber dem Maskulinum im Italienischen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es sich angesichts der bestehenden Übergeneralisierung des Femininums gegenüber dem Maskulinum im Deutschen in diesem Falle um eine interlinguale Übergeneralisierung handelt. Im Deutschen ist das Femininum das Genus, dessen Erwerb im Vergleich mit den anderen Genera weniger Schwierigkeiten bereitet, möglicherweise infolge der höheren Frequenz, mit der das Morphem Femininum Singular - e in den Flexionsparadigmen der Adjektive vorhanden ist. Möglicherweise überschreitet diese Übergeneralisierung die Grenze zwischen der deutschen und der italienischen Sprache, mit der Konsequenz eines verfrühten Auftretens des Femininums (bei Jan Philip, Deutsch dominantes Kind) und einer Übergeneralisierung des Femininums auch im Italienischen. Ein solcher Effekt muss nicht unbedingt Folge des Bilinguismus an sich sein, sondern auch der Sprachkombination bestehend aus Italienisch und Deutsch. Während das Femininum das Genus ist, das dem Kind weniger Schwierigkeiten bereitet, stellt das Neutrum das Genus dar, dessen Erwerb am längsten dauert. Die Analyse der untersuchten bilingualen Kinder ergab, dass nach Vollendung des vierten Lebensjahres der Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs noch nicht abgeschlossen war und die Sprache der Kinder noch Genuskongruenzfehler aufwies, insbesondere bei Verwendung des Neutrums. Dieses Ergebnis stimmt mit den Beobachtungen von Müller (2000) 150 bei bilingual deutsch-französischen Kindern überein. Der Grund dafür könnte in dem Mangel an Regelhaftigkeit liegen, die das Kind bei der Genuszuweisung der neutralen Substantive unterstützen (Müller, 2000). Von Interesse ist ebenfalls die Beobachtung, dass die bilingualen Kinder bei den nicht-zielsprachlichen Genusflexionen der Adjektive im Italienischen nicht das Substantiväquivalent der anderen Sprache, in dem Falle Deutsch, verwendeten, während dieselben Kinder im Deutschen in relevanter Zahl auf die Substantiväquivalente der anderen Sprache zurückgriffen. Auch wenn Eichler (2010) in ihrer Arbeit zu gemischten DPn von Kindern mit verschiedenen Sprachkombinationen, darunter auch fünf deutsch-italienische Kinder, zu dem Ergebnis kam, dass bilinguale Kinder selten das Genus des Äquivalents der anderen Sprache verwendeten, so fand sie doch Hinweise auf eine Korrelation zwischen der Nomen-Verb- Entwickung der bilingualen Kindern und der Genuszuweisung auf der Basis des äquivalenten Nomen. Eine symmetrische Entwicklung von Nomen und Verb, die sich in einer geringen Nomen-Verb-Differenz zeigt und auf eine genuslose Wurzel des Substantivs hinweist, begünstigt, dass bei der Genuszuweisung zu einem Substantiv in einer Sprache, die genuslose Substantivwurzeln aufweist, wie etwa die deutsche Sprache, auf das Genus des Übersetzungsäquivalents zurückgegriffen wird. Die Daten der vorliegenden Arbeit bestätigen, dass die bilingual deutsch-italienischen Kinder im Deutschen, also der Sprache mit einer symmetrischen Entwicklung des Nomen-Verb-Lexikons, beim Kongruieren des Adjektivs in Bezug zum Nomen häufiger als im Italienischen auf das Genus des Äquivalents zurückgriffen. Interessanterweise durchliefen weder das monolinguale Kind noch die bilingual deutsch-italienischen Kinder im Italienischen eine Phase, in der das Adjektiv ohne Genusflexion erschien. Diese Beobachtung bestätigt frühere Arbeiten an monolingual italienischen Kindern, die ergaben, dass im Italienischen das Maskulinum Singular die Basisform des Adjektivs ist, durch dessen Modifikation das Kind die anderen Formen erhält (Chini, 1995). Zudem weist dieses Ergebnis auf die Bedeutung der Sprachkombination bei dem Spracherwerb von bilingualen Kindern hin. Müller (2000 b) zeigte in ihrer Arbeit an bilingual deutsch-französischen Kindern, dass diese im Französischen anfangs durchaus NPn mit zwei und mehr lexikalischen Items produzieren können, aber in diesem Stadium noch nicht über die grammatischen Kategorie verfügen, Genus und Numerus zu verschlüsseln. Anders als die bilingual deutsch-französischen Kinder in der Arbeit von Müller (2000 b) wiesen die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Kinder eine Anfangsphase auf, in der die attributiven Adjektive ausschließlich oder überwiegend flektiert wurden. Vereinzelt waren auch bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern nicht flektierte Formen zu finden, die allerdings zeitgleich mit flektierten Formen auftraten. 151 Erwähnenswert ist auch, dass, anders als im Deutschen, die bilingualen Kinder im Italienischen das Adjektiv im Genus häufiger nicht-zielsprachlich flektierten als der monolingual italienische Junge, dessen Sprache keine Abweichungen von der Zielsprache aufwies. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass bilinguale Kinder im Vergleich mit monolingualen Gleichaltrigen im Italienischen auf größere Schwierigkeiten beim Spracherwerb treffen, nicht jedoch im Deutschen. Schließlich ergaben sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Genusflexion des Adjektivs und dem Balanciertheitsgrad des Kindes gemessen am Lexikon in den beiden Sprachen mit allerdings unterschiedlichen Tendenzen bei attributiven und prädikativen Adjektiven. Beim Erwerb des prädikativen Adjektivs waren weder im Deutschen noch im Italienischen Unterschiede zwischen den Kindern mit verschiedenen Balanciertheitsgraden festzustellen. Dies verdeutlicht, dass die Art des Bilinguismus, die bei dem Kind vorherrscht, keine Rolle beim Erwerb des prädikativen Adjektivs spielt und somit die Sprachdominanz keinen Einfluss auf den Erwerb des prädikativen Adjektivs in den beiden Sprachen hat. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Arbeiten zur Rolle der Sprachdominanz beim Erwerb anderer grammatischer Strukturen bei bilingualen Kindern (Müller & Kupisch, 2003; Arencibia Guerra, 2008). Hingegen schien der Balanciertheitsgrad der Kinder beim Erwerb des attributiven Adjektivs im Deutschen und im Italienichen eine andere Rolle zu spielen. Im Deutschen neigten die beiden Kinder Aurelio und Marta, deren italienisches Lexikon dem deutschen über den gesamten Beobachtungszeitraum deutlich überwog, zu einem höheren Anteil nicht-zielsprachlicher Genusflexionen bei attributiven Adjektiven, mit etwa der Hälfte nicht-zielsprachlicher Verwendungen, im Vergleich mit den anderen Kindern, die balanciert waren oder Deutsch dominiert waren, hinweisend auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad der Kinder und dem Erwerb der Genusflexion der attributiven Adjektive im Deutschen. Ähnlich verhielt es sich auch bei dem Erwerb der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Italienischen. Jan Philip, dessen deutsches Lexikon über alle Aufnahmen hinweg umfangreicher als sein italienisches war, zeigte einen größeren Anteil an nicht-zielsprachlichen Genusflexionen bei italienischen attributiven Adjektiven als die Kinder, die balanciert waren oder im Italienischen dominant waren. Der Grund dafür ist möglicherweise darin zu sehen, dass sich das Kind mit dem fortschreitenden Spracherwerbsprozess, der den Erwerb des Lexikons und der Genuszuweisungsregeln umfasst, mit immer komplexeren Genuszuweisungsregeln konfrontiert wird und ein limitiertes Lexikon die Identifizierung dieser Regeln erschwert. Diese Schwierigkeiten zeigen sich möglicherweise vor allem beim Erwerb des attributiven Adjektivs und nicht beim prädikativen Adjektiv, da in der Ein-Konstitu- 152 enten-Phase, in der die Regeln zur Genuszuweisung beim prädikativen Adjektiv bereits erworben wurden, das Lexikon beider Sprachen, das das Kind aktiv gebraucht, sehr viel kleiner ist als in den darauf folgenden Phasen, in denen erst die Regeln zum Erwerb der attributiven Adjektive erworben werden. Entsprechend weniger Regeln in der Genuszuweisung muss das Kind für eine zielsprachliche Genusflexion in der Ein-Konstituenten-Phase beherrschen. Zusammenfassend deuten die Daten der vorliegenden Arbeit nicht auf das Bestehen eines einzigen linguistischen Systems bei bilingual deutschitalienischen Kindern hin. Allerdings bestehen im Vergleich mit monolingualen Kindern relevante Unterschiede beim Erwerb der Genuskongruenzregeln im Italienischen und im Deutschen. Ausblick Obwohl die Sprache von insgesamt acht Kindern (sechs bilingual deutschitalienische und zwei monolinguale Kinder) untersucht wurde, waren die Daten für bestimmte grammatische Strukturen, wie etwa das prädikative Adjektiv im Deutschen, limitiert. Um auszuschließen, dass diskrete Unterschiede zwischen bilingualen und monolingualen Kindern unentdeckt blieben, wäre es wünschenswert, dass diese grammatischen Bereiche in zukünftigen Arbeiten an einer noch größeren Anzahl von Kindern untersucht werden. In der vorliegenden Arbeit wurden nur Kinder mit der Sprachkombination Italienisch und Deutsch untersucht. Da bereits die Sprachkombination Einfluss auf den Spracherwerb bei bilingualen Kindern haben kann, sollte in zukünftigen Arbeiten der Einfluss anderer Sprachkombinationen auf die untersuchten linguistischen Phänomene analysiert werden. Darüber hinaus sollte der linguistische Input, dem das Kind ausgesetzt ist, quantifiziert werden, da er möglicherweise einen prädiktiven Faktor der Erwerbsverzögerung darstellt. Da sich die im Rahmen dieser Arbeit gemachten Beobachtungen auf bilinguale Kinder in einem monolingualen Land beschränken, wäre es von Interesse die erhobenen Daten mit denen von bilingualen Kindern, die in einem Land, wenn auch möglicherweise in unterschiedlichen sozialen Kontexten, aufwachsen, in dem beiden Sprache gleichermaßen präsent sind. 153 5.2 Hypothese 2: Der Spracheneinfluss manifestiert sich in der Wahl der Adjektivstellung. 5.2.1 Einleitung Der Erwerb der Adjektivsstellung bei bilingual deutsch-italienischen Kindern ist von besonderem Interesse, da sie in den beiden Sprachen von unterschiedlichen Regeln reguliert wird und somit eine so genannte ambigous input domain darstellt (Müller, 1998; Müller & Hulk, 2001). So kann im Italienischen das attributive Adjektiv sowohl in pränominaler als auch in postnominaler Position auftreten. Ein dem Nomen vorangestelltes qualifizierendes Adjektiv hat eine deskriptive attributive Funktion. Hingegen kommt einem dem Nomen nachfolgenden Adjektiv eine restriktive attributive Funktion zu. Einige semantische Adjektivkategorien kommen ausschließlich in postnominaler Position vor, wie etwa Farben, Formen, nationale oder regionale Zugehörigkeiten, religiöse Zugehörigkeiten, adjektivisch gebrauchte Partizipien. Dagegen stehen im Deutschen attributive Adjektive überwiegend vor dem zugehörigen Substantiv. Die wenigen Fälle, in denen die Erwachsenensprache die Möglichkeit vorsieht, das Adjektiv hinter ein Nomen zu setzen, sind aufgrund ihrer Komplexität anders als im Italienischen nicht Teil des verbalen Repertoires eines Kindes im Vorschulalter. Darüber hinaus treten Adjektive in der gesprochenen Sprache insgesamt nur selten auf, unabhängig von der Art des Sprachregisters, da es sich um ein optionales Element handelt. Cardinaletti und Giusti (2010: 67) zeigten, dass für den LIP 6 -Korpus des gesprochenen Italienischen das Adjektiv mit etwa 9 % ein lexikalisches Element mit einer geringen Frequenz darstellte. 5.2.2 Methoden 5.2.2.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder Die bilingualen Kinder und das monolingual deutsche Mädchen wurden sowohl im Italienischen als auch im Deutschen zumindest bis zum Alter von etwa vier Jahren untersucht. Hingegen endete die Beobachtung des monolingualen Kindes Raffaello bereits im Alter von drei Jahren (Tabellen 36 und 37). Eine detailliertere Beschreibung der untersuchten Kinder ist den Kapiteln 4.4.1 und 4.4.2 zu entnehmen. Im Allgemeinen wurden die Daten der Kinder aus den ersten vier Lebensjahren ausgewertet. Beim Vergleich mit dem monolingual italienischen Jungen wurden zusätzlich auch nur die 6 LIP: Lessico di frequenza dell ’ italiano parlato. 154 Daten der ersten drei Lebensjahre berücksichtigt, um auszuschließen, dass eventuelle Unterschiede auf die unterschiedliche Dauer der Beobachtungszeiträume zurückzuführen waren. Darüber hinaus wurden die Eltern der bilingualen Kinder in ihrer jeweiligen Muttersprache durch einen erwachsenen Muttersprachler interviewt zur Beantwortung der Frage nach einem Zusammenhang zwischen der Sprachproduktion des Kindes und den elterlichen Inputs. Eine detailliertere Beschreibung der Eltern der bilingualen Kinder ist dem Kapitel 4.4.4 zu entnehmen. Tabelle 36: Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei der Adjektivsstellung im Italienischen. Die Angaben zu dem monolingual italienischen Jungen sind kursiv geduckt. Kinder Alter Aufnahmen Anfang Ende Raffaello 1; 7,7 2; 11,20 17 Aurelio 1; 9,27 4; 0,28 42 Carlotta 1; 8,28 4; 1,0 47 Jan Philip 2; 0,11 3; 10,27 29 Luca Daniele 1; 6,5 3; 10,29 50 Lukas 1; 7,12 4; 0,5 46 Marta 1; 6,26 4; 0,13 52 Tabelle 37: Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei der Adjektivsstellung im Deutschen. Die Angaben zu dem monolingual deutschen Mädchen sind kursiv geduckt. Kinder Alter Aufnahmen Anfang Ende Chantal 1; 10,18 4; 0,19 48 Aurelio 1; 9,27 4: 0,28 42 Carlotta 1; 8,28 4; 1,0 47 Jan Philip 2; 1,3 4; 0,14 31 Luca Daniele 1; 6,5 3; 10,29 50 Lukas 1; 7,12 4; 0,5 46 Marta 1; 6,26 4; 0,13 52 155 5.2.2.2 Die Auswahl der Daten Es wurden alle Sprachäußerungen extrahiert, in denen die Kinder ein attributives Adjektiv verwendeten. Weder im Italienischen noch im Deutschen wurden Demonstrativa, Interrogativa, Indefinita, Ordinalia, Possessiva und unbestimmte Adjektive gezählt. Auch wurden keine gemischten DPn berücksichtigt, da frühere Studien zeigten, dass sie anders zu analysieren sind als monolinguale Äußerungen (Arnaus Gil, Eichler, Jansen, Patuto & Müller, 2011). 5.2.3 Ergebnisse 5.2.3.1 Der Erwerb der Adjektivsstellung im Italienischen Da für den monolingual italienischen Jungen Raffaello nur Aufzeichnungen bis zum dritten Lebensjahr, erfolgte die Analyse der bilingual deutschitalienischen Kinder zunächst auch nur bis zu diesem Zeitpunkt. Im Vergleich mit Raffello verwendeten die bilingual deutsch-italienischen Kinder im Mittel das attributive Adjektiv in pränominaler Position ein halbes Jahr früher (Abbildung 22) und mit einer höheren Frequenz (Abbildung 23). Auch bei Verlängerung des Beobachtungszeitraums bei den bilingualen Kindern auf vier Jahre zeigte sich ein häufigerer Gebrauch pränominaler Adjektive mit dem Unterschied, dass der Anteil nicht-zielsprachlicher Verwendungen insgesamt abnahm im Vergleich mit dem kürzeren Beobachtungszeitraum (Abbildung 24). Raffaello 2; 0,0 Lukas 2; 4,0 3; 0,0 2; 10,0 2; 1,0 2; 2,0 2; 3,0 2; 5,0 2; 6,0 2; 9,0 2; 8,0 2; 7,0 Carlotta Luca Daniele Jan Philip Aurelio Alter (Jahr; Monat,Tag) Marta MW 2; 11,0 Abbildung 22: Erstes Auftreten der pränominalen Adjektivstellung im Italienischen. MW, Mittelwert der bilingual deutsch-italienischen Kinder 156 Raffaello Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Prozent 0 20 40 60 80 100 Pränominal zielsprachlich Pränominal nichtzielsprachlich Postnominal zielsprachlich Postnominal nichtzielsprachlich 1 1 25 10 12 8 33 5 4 7 8 18 20 11 26 Abbildung 23: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) im Italienischen bis zum Alter von 3 Jahren. Die Gesamtzahl der verwendeten prä- und postnominalen Adjektive ist an der Basis der Säulen angegeben. Raffaello Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Prozent 0 20 40 60 80 100 Pränominal zielsprachlich Pränominal nichtzielsprachlich Postnominal zielsprachlich Postnominal nichtzielsprachlich 1 1 25 25 31 13 71 9 10 13 20 21 26 33 41 Abbildung 24: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) im Italienischen bis zum Alter von 4 Jahren. Die Gesamtzahl der verwendeten prä- und postnominalen Adjektive ist an der Basis der Säulen angegeben. 157 Um auszuschließen, dass die bilingualen Kinder die pränominale Position nur deshalb bevorzugten, da die verwendeten attributiven Adjektive in der Erwachsenensprache nur in pränominaler Position auftreten können, wurden bei der weiteren Analyse die möglichen Positionen, in denen die von den Kindern gebrauchten Adjektive erscheinen können, berücksichtigt. Wie in Abbildung 25 dargestellt, konnte die weit überwiegende Anzahl der pränominal gebrauchten Adjektive sowohl in pränominaler als auch in postnominaler Form gebraucht werden. Die Wahl der pränominalen Position durch die bilingualen Kinder war somit nicht obbligatorisch. Raffaello Aurelio Carlotta Jan Philip Luca Daniele Lukas Marta Prozent 0 20 40 60 80 100 Pränominal gebraucht: prä- und postnominal möglich Pränominal gebraucht: nur pränominal möglich Pränominal gebraucht: nur postnominal möglich Postnominal gebraucht: prä- und postnominal möglich Postnominal gebraucht: nur pränominal möglich Postnominal gebraucht: nur postnominal möglich 1 25 25 31 13 71 9 10 13 20 21 26 33 41 Abbildung 25: Mögliche Stellung der verwendeten attributiven Adjektive (Token) bei den Kindern in der Zielsprache Italienisch (Beobachtungzeitraum der bilingualen Kindern bis 4 Jahren). Die Gesamtzahl der verwendeten prä- und postnominalen Adjektive ist an der Basis der Säulen angegeben. Einfluss des Inputs auf den Erwerb der Adjektivposition im Italienischen? Um zu überprüfen, ob der häufigere Gebrauch von attributiven Adjektiven in pränominaler Position möglicherweise Folge einer entsprechenden Tendenz in der mütterlichen Sprache war, wurde die Sprache der vier Mütter, von denen ein einmaliges Interview vorlag, auf das Vorliegen einer solchen Neigung untersucht. Wie in Abbildung 26 gezeigt, verwendeten die Mütter der bilingualen Kinder Adjektive in pränominaler Position mit einer weit geringeren Häufigkeit von 12 % bis 16 % als solche in post- 158 nominaler Position. Somit bestand kein direkter Hinweis auf einen mütterlichen Spracheneinfluss bei der häufigeren Verwendung der pränominalen Adjektivposition durch die bilingualen Kinder. Carlotta Jan Philip Luca Daniele Marta Prozent 0 20 40 60 80 100 Pränominal zielsprachlich Pränominal nichtzielsprachlich Postnominal zielsprachlich Postnominal nichtzielsprachlich 5 25 25 31 4 23 9 10 8 40 21 26 4 38 a c b Mütter von Abbildung 26: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) in der Sprache der Mütter im Italienischen. Die Gesamtzahl der verwendeten prä- und postnominalen Adjektive ist an der Basis der Säulen angegeben. a non credo che ci sia anteriori arrivi di . . ., b hanno completamente diverso lingue . . ., c abbiamo letto delle storie belle . . . Angesichts der häufigen Verwendung von Adjektiven in postnominaler Position stellte sich die Frage, ob diese Position immer erforderlich war oder sie der ebenfalls möglichen pränominalen Position gegenüber bevorzugt wurde. Die Abbildung 27 zeigt, dass die Mehrzahl der Adjektive, die von den Müttern in postnominaler Position gebraucht wurden, in keiner anderen als dieser auftreten konnte. Die Mütter verwendeten also die postnominale Position, da die Grammatik diese als ausschließliche Position vorsah. Bei einer genaueren Betrachtung der Adjektive fiel auf, dass der häufige Gebrauch dieser Position möglicherweise Folge des gewählten Themas der Interviews über Bilinguismus und seine Probleme war. Die von 159 den vier Müttern verwendeten postnominalen Adjektive waren häufig Nationalitäten anzeigende Adjektive. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass, falls die Mütter über andere Themen gesprochen hätten, die nicht direkt Nationalitäten und Sprachen berührten, weniger postnominale Adjektive aufgetreten wären. Carlotta Jan Philip Luca Daniele Marta Prozent 0 20 40 60 80 100 Pränominal gebraucht: prä- und postnominal möglich Pränominal gebraucht: nur pränominal möglich Pränominal gebraucht: nur postnominal möglich Postnominal gebraucht: prä- und postnominal möglich Postnominal gebraucht: nur pränominal möglich Postnominal gebraucht: nur postnominal möglich 5 25 4 23 8 40 4 38 Mütter von Abbildung 27: Mögliche Stellung der von den Müttern verwendeten attributiven Adjektive (Token) in der Zielsprache Italienisch. Die Gesamtzahl der verwendeten prä- und postnominalen Adjektive ist an der Basis der Säulen angegeben. Um auszuschließen, dass die hohe Rate an postnominal verwendeten Adjektiven Folge eines häufigen Gebrauchs einzelner Adjektive war, erfolgte eine Type-Token-Analyse sowohl der von den Kindern als von den Eltern verwendeten attributiven Adjektive. 160 Tabelle 38: Platzierung der attributiven Adjektive (Types) im Italienischen bis zum Alter von 3 Jahren ohne Differenzierung zwischen zielsprachlich und nicht-zielsprachlich verwendeten Adjektiven. Die Angaben zu dem monolingual italienischen Jungen sind kursiv gedruckt. Position der attributiven Adjektive im Italienischen Kinder Pränominal Postnominal Gesamt Raffaello 1 10 11 Aurelio 7 7 14 Carlotta 6 19 25 Jan Philip 4 3 7 Luca Daniele 3 5 8 Lukas 9 11 20 Marta 2 8 10 Tabelle 39: Platzierung der attributiven Adjektive (Types) im Italienischen bis zum Alter von 4 Jahren. Raffaello ist in dieser Tabelle nicht mit aufgeführt, da von ihm nur Daten bis zum dritten Lebensjahr vorliegen. Bei dieser Analyse wurde nicht zwischen zielsprachlich und nicht-zielsprachlich unterschieden. Position der attributiven Adjektive im Italienischen Kinder Pränominal Postnominal Gesamt Aurelio 10 15 25 Carlotta 9 26 35 Jan Philip 4 7 11 Luca Daniele 5 8 13 Lukas 13 16 29 Marta 7 16 23 Wie in den Tabellen 38 und 39 gezeigt, ergab sich auch nach Differenzierung in Types und Token bei den bilingualen Kindern eine Prävalenz des Adjektivgebrauchs in postnominaler Position. 161 Tabelle 40: Zusammenfassung der Platzierung der attributiven Adjektive (Types) in der Sprache der Mütter im Italienischen. Bei dieser Analyse wurde nicht zwischen zielsprachlich und nicht-zielsprachlich unterschieden. Position der attributiven Adjektive im Italienischen Pränominal Postnominal Token Types Token Types 21 (14 %) 19 (18 %) 126 (86 %) 87 (82 %) Wie in Tabelle 40 dargestellt, zeigte sich auch nach Differenzierung zwischen Types und Token bei den Müttern eine Prävalenz des postnominalen Adjektivgebrauchs. Einfluss der Sprachdominanz auf den Erwerb der Adjektivposition im Italienischen Wie in den Abbildungen 28 - 33 gezeigt, verwendeten die untersuchten bilingualen Kinder die pränominale Position häufiger als das monolingual italienische Kind unabhängig von dem bestehenden Balanciertheitsgrad, ausgedrückt in MLU-Differenz. Somit fand sich kein Zusammenhang zwischen der Übergeneralisierung der pränominalen Stellung und dem vorherrschenden Bilinguismustyp. 162 Aurelio Alter (Jahre; Monate,Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deutsch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 Abbildung 28: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei dem bilingual deutschitalienischen Aurelio mit einem mehrphasigen Zweisprachenerwerb. Carlotta Alter (Jahre; Monate, Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deustch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 Abbildung 29: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei der bilingual deutschitalienischen Carlotta mit einem balancierten Zweisprachenerwerb. 163 Jan Philip Alter (Jahre; Monate, Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deutsch Italienisch Differenz 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 Abbildung 30: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei dem bilingual deutschitalienischen Jan Philip mit Dominanz der deutschen Sprache. Luca Daniele Alter (Jahre; Monate, Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 1; 9,0 2; 0,0 2; 3,0 2; 6,0 2; 9,0 3; 0,0 4; 0,0 3; 9,0 3; 6,0 3; 3,0 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deutsch Italienisch Differenz Abbildung 31: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei dem bilingual deutschitalienischen Luca Daniele mit einem mehrphasigen Zweisprachenerwerb. 164 Marta Alter (Jahre; Monate, Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deutsch Italienisch Differenz 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 1; 6,0 1; 9,0 Abbildung 32: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjktive bei der bilingual deutschitalienischen Marta mit einem balancierten Zweisprachenerwerb. Alter (Jahre; Monate, Tage) Anzahl 0 2 4 6 8 10 12 14 16 MLU -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Zielsprachliche pränominale Zielsprachliche postnominale Deutsch Italienisch Differenz 1; 9,0 2; 0,0 2; 6,0 2; 3,0 2; 9,0 3; 0,0 3; 3,0 3; 6,0 3; 9,0 4; 0,0 Lukas Abbildung 33: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei dem bilingual deutschitalienischen Lukas mit Dominanz der deutschen Sprache. 165 5.2.3.2 Der Erwerb der Adjektivstellung im Deutschen Im Anschluss wurde die deutsche Sprache des monolingual deutschen Mädchens und der bilingual deutsch-italienischen Kinder auf Abweichungen von der Erwachsenensprache hin untersucht. Wie in Tabelle 41 dargestellt, verwendete das monolinguale Mädchen die attributiven Adjektive ausschließlich in pränominaler Position. Die bilingualen Kinder wiesen mit Ausnahme von Carlotta im Deutschen keine bis wenige Strukturen auf, in denen das attributive Adjektiv nicht-zielsprachlich in postnominaler Position auftrat. Während bei Carlotta in 12 % der extrahierten Strukturen das attributive Adjektiv in postnominaler Position auftrat, war dies bei den anderen bilingualen Kindern bei maximal 7 % der gebrauchten Adjektive der Fall. Der Bilinguismustyp, wie etwa einphasig, mehrphasig oder balanciert, schien ohne Einfluss auf die Positionierung der attributiven Adjektive im Deutschen zu sein. Die Analyse der vorliegenden Elterninterviews der bilingualen Kinder Carlotta, Jan Philip, Luca Daniele und Marta ergab einen ausschließlich zielsprachlichen Gebrauch der attributiven Adjektive. Somit lassen sich die, wenn auch wenigen, Fehler nicht auf einen nicht-zielsprachlichen deutschen Input zurückführen. Insgesamt gab es somit keine direkten Hinweise auf einen relevanten Einfluss der italienischen Sprache, in der prinzipiell die Möglichkeit zum pränominalen als auch postnominalen Gebrauch der attributiven Adjektive besteht, auf die pränominale Positionierung im Deutschen. Tabelle 41: Platzierung der attributiven Adjektive im Deutschen bis zum Alter von 4 Jahren. Position der attributiven Adjektive im Deutschen Kinder Pränominal (zielsprachlich) Postnominal (nicht-zielsprachlich) Chantal 195 (100 %) 0 Aurelio 64 (100 %) 0 Carlotta 105 (88 %) 15 (12 %) Jan Philip 76 (93 %) 6 (7 %) Luca Daniele 65 (97 %) 2 (3 %) Lukas 123 (98 %) 3 (2 %) Marta 52 (100 %) 0 166 Schlussfolgerungen Italienisch Die Auswertung der Daten zum Erwerb der Adjektivstellung ergab die folgenden Ergebnisse. Der monolingual italienische Junge: - erwarb zunächst die postnominale Position und in der Folge die pränominale. - zeigte keine Phase, in der er die pränominale Position auf Adjektive ausdehnte, die nur in postnominaler Position auftreten können, und dies, obwohl in seiner Sprache auch Farbadjektive auftraten, die im Italienischen nur in postnominaler Position vorkommen. - machte in dem gesamten Beobachtungszeitraum keine Fehler bei der Positionierung der Adjektive. Die bilingual deutsch-italienischen Kinder: - erwarben, mit den einzigen Ausnahmen von Jan Philip und Marta, zuerst die postnominale Position und dann die pränominale. - verwendeten im Vergleich mit dem monolingualen Jungen früher Adjektive in pränominaler Position. - verwendeten im Vergleich mit dem monolingualen Jungen sehr viel häufiger Adjektive in pränominaler Position. - wiesen nicht-zielsprachliche Äußerungen auf infolge der Übergeneralisierung der pränominalen Position auch auf Adjektive, die nur in postnominaler Position auftreten können, als Hinweis darauf, dass sie die syntaktischen Regeln für die Positionierung des Adjektivs noch nicht erworben haben. - wiesen keinen Zusammenhang zwischen der Sprachdominanz und der Übergeneralisierung der pränominalen Stellung auf. Die Mütter der bilingual deutsch-italienischen Kinder: - verwendeten die attributiven Adjektive in der Mehrzahl in postnominaler Stellung. - gebrauchten Adjektive in postnominaler Position, die nur in einer sehr geringen Prozentzahl von 4 bis 10 % in beiden Positionen auftreten konnten. 167 Deutsch Das monolingual deutsche Mädchen: - machte keinen Fehler bei der Positionierung der attributiven Adjektive. Die bilingual deutsch-italienischen Kinder: - machten keine oder nur zu einem geringen Anteil Fehler bei der Positionierung der attributiven Adjektive, darauf hinweisend, dass kein direkter Einfluss durch die italienische Sprache bestand. Die Väter der bilingual deutsch-italienischen Kinder: - wiesen ausschließlich zielsprachliche Positionierungen der attributiven Adjektive auf. 5.2.4 Diskussion Im Italienischen war der Einfluss des Deutschen auf die Sprachperformanz bei allen untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kindern ersichtlich. Die Interaktion beider Sprachen manifestierte sich insbesondere darin, dass die bilingualen Kinder Adjektive früher und häufiger in pränominaler Position verwendeten als der monolinguale Junge, der in Übereinstimmung mit früheren Arbeiten (Bernardini, 2004: 170; Cardinaletti & Giusti, 2010) nahezu ausschließlich die postnominale Position verwendete. Somit entsprach die Adjektivstellung beim monolingualen Jungen der italienischen Erwachsenensprache, die, wie ebenfalls in der vorliegenden Arbeit gezeigt, durch eine häufige postnominale Adjektivstellung charakterisiert ist. Allerdings fanden sich bei den bilingualen Kindern auch nicht-zielsprachlich pränominal positionierte Adjektive, die in der Erwachsenensprache nur in postnominaler Position auftreten. Zur Beantwortung der Frage, ob die beobachteten Unterschiede zu dem monolingualen Jungen Folge des sprachlichen Inputs der Eltern waren, wurden Interviews mit den Müttern von den vier bilingualen Kindern Carlotta, Jan Philip, Luca Daniele und Marta untersucht. Die Sprache der Mütter wies einen häufigeren Gebrauch der postnominalen Position und im Allgemeinen einen sehr limitierten Gebrauch der pränominalen Position auf. Somit besteht kein direkter Anhalt für eine Interaktion mit der Sprache der Mütter, allerdings mit den folgenden Einschränkungen: a) Thema der Interviews war der Bilinguismus mit seinen Vorteilen und Schwierigkeiten. 168 Aus diesem Grunde fanden sich häufig Nationalitäten anzeigende Adjektive, die ausschließlich nach dem Nomen Verwendung finden. Hingegen waren Adjektive, die sowohl vor als auch nach dem Nomen platziert werden können, deutlich seltener. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die untersuchten Mütter in einem anderen Kontext häufiger die pränominale Position gewählt hätten. b) Die Gespräche mit den Eltern wurde von einem erwachsenen Muttersprachler durchgeführt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Mütter im Gespräch mit den eigenen Kindern ihre Sprache an die Sprachfähigkeiten des Kindes anpassen und somit eine andere Häufigkeit der pränominalen Adjektivstellung im Input besteht. Als nächstes galt es zu klären, ob möglicherweise die bei den bilingualen Kindern vorherrschende Sprachdominanz die zuvor beschriebenen Unterschiede zu dem monolingualen Jungen erklären konnte. Die Analyse der extrahierten Daten ergab jedoch, dass alle bilingualen Kinder beim Erwerb des Adjektivs in pränominaler Position einem Weg folgten, der nicht auf den Balanciertheitsgrad des Bilinguismus des Kindes zurückgeführt werden konnte. Besonders deutlich wurde dies bei Aurelio, dessen starke Sprache Italienisch ist und der attributive Adjektive reichlich und in allen Fällen zielsprachlich in pränominaler Position verwendete. Möglicherweise ist der frühere und häufigere Gebrauch attributiver pränominaler Adjektive bei den bilingualen Kindern im Vergleich mit dem monolingualen Jungen auf die geringere Komplexität der pränominalen Position und somit der Regeln der Adjektivstellung im Deutschen zurückzuführen. Die Analyse der vorliegenden Daten ergab jedoch weder Hinweise auf einen negativen noch auf einen positiven Transfer. Gegen den negativen Transfer sprach, dass die bilingualen Kinder zwar im Gegensatz zu dem monolingualen Jungen, der in dem Beobachtungszeitraum von 3 Jahren lediglich ein Adjektiv (4 %) vor einem Nomen verwendete, die pränominale Position mit einer mittleren Häufigkeit von 41 % in 3 Beobachtungsjahren und von 39 % in 4 Beobachtungsjahren anwendeten, dass aber in der Mehrzahl der Fälle der Gebrauch zielsprachlich war mit im Mittel 84 % in 3 Beobachtungsjahren und 89 % in 4 Beobachtungsjahren. Trotz des häufigen zielsprachlichen Gebrauchs der pränominalen Position des attributiven Adjektivs ist jedoch auch nicht von einem positiven Transfer auszugehen. Die bilingualen Kinder können in diesem Alter weder die mit der gewählten Position einhergehende semantische Bedeutung noch den (literarischen) Kontext, in dem die gewählte Position adäquat erscheint, erschlossen haben, da sich diese Kenntnissse nicht allein über die gesprochene Sprache ergeben, sondern vielmehr das Lesen entsprechender Texte voraussetzt. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass die Wahl der Adjektivposition nicht bewusst erfolgte und das Kind einer solchen Konstruktion keine besondere Bedeutung zukommen ließ. 169 Allerdings fanden sich bei den bilingualen Kindern im Mittel 16 % im Beobachtungszeitraum von 3 Jahren und 11 % im Beobachtungszeitraum von 4 Jahren nicht-zielsprachlich angewendete pränominale attributive Adjektive. Die pränominale Position fand auch Anwendung bei Adjektiven, die ausschließlich die postnominale Platzierung zulassen, wie etwa: (109) è gialla foca (Carlotta, Alter 2; 9,11) è una foca gialla [zielsprachlich] (110) per a mia caruccio bambola (Carlotta, Alter 4; 11,3) per la mia bambola caruccia [zielsprachlich] (111) è rotta auto (Jan Philip, Alter 2; 4,15) è un ’ auto rotta [zielsprachlich] (112) una lotta macchina (Lukas, Alter 2; 10,1) una macchina rotta [zielsprachlich]. Eine solche Übergeneralisierung kann als eine vorübergehende Interferenz mit der anderen Sprache, Deutsch, gedeutet werden. Vorübergehend deshalb, da diese nicht-zielsprachliche Verwendung des Adjektivs im Verlauf der Sprachentwicklung aus der Sprache der Kinder verschwindet. In Übereinstimmung damit nahm in dem verlängerten Beobachtungszeitraum von 4 Jahren im Vergleich zu dem von 3 Jahren der Anteil pränominaler Adjektive auf der einen Seite ab und auf der anderen Seite der Anteil zielsprachlich verwendeter pränominaler Adjektive zu. Die Analyse der Adjektivplatzierung in der vorliegenden Arbeit beruhte auf der Annahme, dass die pränominale Adjektivplatzierung weniger Bewegungsschritte umfasst als die postnominale Platzierung (Kayne, 1994). Insgesamt bevorzugten die bilingualen Kinder im Italienischen klar die pränominale über die postnominale Reihenfolge beim nicht-zielsprachlichen Gebrauch, obwohl sie in ihrem Input häufiger postnominalen als pränominalen Adjektiven ausgesetzt waren. Diese Daten weisen darauf hin, dass die Berechnungskomplexität die wichtigste Rolle dabei spielt, welche Position von den Kindern übergeneralisiert wird (Müller, Cantone, Kupisch & Schmitz, 2002). Die Ergebnisse sind in Übereinstimmung mit einer zugrunde liegenden syntaktischen Derivation, die annimmt, dass die pränominale Platzierung in die postnominale Platzierung „ eingeschlossen “ ist (Kayne, 1994). Mit anderen Worten, die nicht-zielsprachlichen Platzierungen sind Folge eines Fehlers, das Nomen auf die linke Seite des Adjektivs zu bewegen. Es wäre von Interesse auch die Semantik dieser DPn zu untersuchen, um mehr darüber zu lernen, warum die Kinder es versäumten, das Nomen zu bewegen, da sie auch nicht die postnominale Adjektivplatzierung vermieden. Es ist deshalb möglich, dass die bilingualen Kinder versuchen, eine von der Erwachsenensprache abweichende Bedeutung auszudrücken, wenn sie das Adjektiv pränominal in nichtzielsprachlicher Position platzieren. 170 Die Übergeneralisierung der pränominalen Adjektivstellung im Italienischen auf Adjektive, die nur in postnominaler Position auftreten können, ist also möglicherweise dadurch bedingt, dass die pränominale Adjektivstellung die syntaktisch weniger komplexe Struktur in beiden Sprachen darstellt, unabhängig davon, welche der beiden Sprachen die starke bzw. die schwache Sprache des Kindes ist. Der unterschiedliche Komplexitätsgrad der beiden Adjektivsstellungen (pränominal und postnominal) kann erklären, warum in diesem bestimmten grammatischen Bereich im Deutschen kein relevanter Spracheneinfluss aus dem Italienischen zu sehen ist. Das Deutsche verfügt nämlich nur über die pränominale Adjektivsstellung, also nur über die syntaktisch weniger komplexe Adjektivstellung. In Übereinstimmung mit Müller, Cantone, Kupisch und Schmitz (2002) fand sich eine Bidirektionalität des Spracheneinflusses (starke vs. schwache Sprache und umgekehrt; vgl. Kapitel 1.4) und das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen dem Balanciertheitsgrad des Bilinguismus des Kindes und dem Anteil an nicht-zielsprachlichen pränominalen attributiven Adjektiven. Hingegen gab es in der vorliegenden Arbeit keinen Hinweis auf einen crosslinguistischen Spracheneinfluss im Sinne von Hulk und Müller (2000) sowie Müller und Patuto (2009), da die dazu erforderlichen Kriterien nicht erfüllt waren. Insgesamt sind die Daten der vorliegenden Arbeit mit einer Derivationsökonomie zu vereinbaren in dem Sinne, dass bilinguale Kinder die weniger komplexe Syntaxanalyse bevorzugen, wenn sie eine nichtzielsprachliche Adjektivposition verwenden. Ausblick In zukünftigen Studien sollte der Zusammenhang zwischen der Adjektivstellung in der Sprache der Mütter, die sie direkt an ihre Kinder richten, und der Adjektivstellung in der Sprache der Kinder untersucht werden, da die Mütter instinktiv ihre eigene Sprache an das Sprachverständnis der Kinder anpassen. Auch wäre es von großem Interesse, die Adjektive, die die Kinder in pränominaler Position nicht-zielsprachlich platzieren, unter einem semantischen Gesichtspunkt zu analysieren, da nicht auszuschließen ist, dass die Kinder durch die nicht-zielsprachliche pränominale Verwendung dem Adjektiv eine bestimmte Bedeutung zukommen lassen möchten. 171 5.3 Hypothese 3: Der Erwerb des zielsprachlichen Gebrauchs des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern und bei einem monolingual deutschen Mädchen und einem monolingual italienischen Jungen zeigt dieselben robusten wie auch fehleranfälligen Bereiche, sowohl im Italienischen als auch im Deutschen, und dies unabhängig davon, ob es sich um die starke oder die schwache Sprache des Kindes handelt. Interne Mechanismen innerhalb einer bestimmten Sprache liegen somit dem zugrunde, dass ein Bereich fehleranfällig bzw. robust in einer, aber nicht in der anderen Sprachen ist. 5.3.1 Einleitung Die Analyse der robusten bzw. fehleranfälligen Bereiche umfasste den Erwerb: 1) des prädikativen Adjektivs im Deutschen und im Italienischen 2) der Position des Possessivums und der Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Possessivum im Italienischen und im Deutschen. 5.3.2 Das prädikative Adjektiv im Deutschen und Italienischen 5.3.2.1 Methoden 5.3.2.1.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder Das Alter und der Beobachtungszeitraum der Kinder sind im Detail in Kapitel 5.1.2.1.1 dargestellt. In Kürze, die Kinder wurden von ihrer ersten Sprachmanifestation bis zum Alter von ca. drei Jahren beobachtet, sowohl im Italienischen als auch im Deutschen. 5.3.2.1.2 Die Auswahl der Daten Eine detaillierte Beschreibung der Kriterien, nach denen die Auswahl der prädikativen Adjektive erfolgte, ist dem Kapitel 5.1.2.1.2 zu entnehmen. 172 5.3.3 Ergebnisse Die Ergebnisse sind in dem Kapitel 5.1.2.2 im Detail dargestellt. Die für die Bearbeitung der Hypothese wichtigsten Beobachtungen werden im Folgenden zusammengefasst: Deutsch Beim Erwerb des prädikativen Adjektivs im Deutschen fanden sich sowohl in der Sprache der bilingual deutsch-italienischen Kinder als auch in der des monolingual deutschen Mädchens keinerlei Schwierigkeiten. Im Vergleich mit dem monolingualen Kind ergab sich für die bilingualen Kinder lediglich eine leichte zeitliche Verzögerung des ersten Auftretens eines prädikativen Adjektivs. Das Fehlen einer Phase, in der Kinder, seien es monolinguale oder bilinguale, Fehler bei der Verwendung dieser Struktur machten, deutet daraufhin, dass im Deutschen die aus dem prädikativen Adjektiv bestehende Domäne sowohl für monolinguale als auch für bilinguale Kinder einen robusten Bereich darstellt. Italienisch Beim Erwerb des prädikativen Adjektivs im Italienischen fanden sich sowohl bei den bilingualen Kindern als auch bei dem monolingual italienischen Jungen Schwierigkeiten bei der Genuszuweisung und somit Genuskongruenzfehler mit dem Substantiv, worauf sich das prädikative Adjektiv bezog. Allerdings unterschieden sich die bilingualen Kinder von dem monolingualen nicht allein durch eine leichte Verzögerung des ersten Auftretens eines prädikativen Adjektivs, sondern auch in der Quantität sowie der Qualität nicht-zielsprachlicher Realisierungen. Zudem überwand der monolinguale Junge die Schwierigkeit mit der Genuskongruenz des prädikativen Adjektivs schneller als die bilingualen Kinder. Angesichts einer initialen Phase, in der die Kinder nicht-zielsprachliche Realisierungen des prädikativen Adjektivs produzierten, scheint die Genusflexion des prädikativen Adjektivs sowohl für monolinguale als auch für bilinguale Kinder ein fehleranfälliger Bereich zu sein. 5.3.4 Diskussion In der vorliegenden Arbeit zeigte sich, dass im Deutschen die monolingualen ebenso wie die bilingual deutsch-italienischen Kinder von Beginn der Ein-Konstituenten-Phase an das prädikative Adjektiv zielsprachlich verwendeten, während im Italienischen der Erwerb der Genuskongruenz des prädikativen Adjektivs die Kinder mindestens bis zum dritten Lebensjahr beschäftigte. Diese Ergebnisse bestätigen die vorheriger Arbeiten über monolingual deutsche (Mills, 1985, 1986) und italienische (Chini, 1995) Kinder. Darüber hinaus konnte erstmals für bilingual deutsch-italienische Kinder gezeigt werden: 173 a) Im Deutschen ist das prädikative Adjektiv sowohl für die monolingualen als auch für die bilingualen Kinder ein robuster grammatischer Bereich. b) Im Italienischen ist die Flexion des prädikativen Adjektivs ein grammatischer Bereich, der sowohl für die monolingualen als auch für die bilingualen Kinder fehleranfällig ist. Möglicherweise ist diese Fehleranfälligkeit bei bilingualen Kindern ausgeprägter als bei monolingualen. c) Wenn ein Bereich in einer Sprache robust ist, bedeutet es nicht, dass er es auch in der anderen Sprache ist. Ebenso gilt, dass wenn ein Bereich in einer Sprache fehleranfällig ist, muss er es nicht in der anderen Sprache sein. d) Die Fehleranfälligkeit eines Bereiches kann in der Sprache eines Kindes deutlicher sein, für das die entsprechende Sprache die schwächere Sprache ist, möglicherweise als Folge des Einflusses des Balanciertheitsgrades, wie z. B. bei der Genuskongruenz des prädikativen Adjektivs im Italienischen. Hingegen zeigt sich die Robustheit eines Bereichs in der Sprache sowohl bei den monolingualen als auch den bilingualen Kindern, unabhängig von dem Balanciertheitsgrad des Kindes. e) Die Robustheit bzw. Fehleranfälligkeit eines Bereichs ergibt sich aus dem höheren bzw. niedrigeren Maß an struktureller Komplexität des grammatischen Konstruktes an sich. Frühere Arbeiten zum Spracherwerb ergaben, dass Kinder bestimmte grammatische Konstruktionen nicht nur später als andere Strukturen erwerben, sondern auch eine Phase durchlaufen, in der die Realisierung solcher Konstruktionen nicht dem Erwachsenensystem entspricht. Auch wenn Konsens darin besteht, dass die Sprachen sowohl über robuste als auch über fehleranfällige Domänen verfügen, unterscheiden sich doch die angeführten Erklärungen. Müller und Hulk (2000) sehen den Grund für die Fehleranfälligkeit eines Bereiches darin, dass das betroffene grammatische Phänomen an der Schnittstelle zwischen zwei verschiedenen grammatischen Modulen liegt, wie zum Beispiel zwischen Morphologie und Syntax oder zwischen Syntax und Pragmatik. Für andere Autoren liegt die Ursache der fehleranfälligen Domänen in der Notwendigkeit einer komplexeren syntaktischen, morphologischen und semantischen Analyse (Roeper, 1996; Jakubowicz, Nash, Rigaut & Gérard, 1999; Sorace, 2000; Platzack, 2001; Müller, Cantone, Kupisch & Schmitz, 2002). In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals die Fehleranfälligkeit bzw. Robustheit grammatischer Domänen beim Adjektiverwerb von bilingualen Kindern mit der Sprachkombination Deutsch und Italienisch untersucht. 174 Die Analyse der Daten ergab, dass der Erwerb des prädikativen Adjektivs in den beiden Sprachen mit einem unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad einhergeht. Dies resultiert daraus, dass die Information, die mit der Syntaxdomäne assoziiert ist, in den beiden Sprachen nicht mit derselben Leichtigkeit zugänglich ist. Im Deutschen enkodiert das prädikative Adjektiv nicht Genus-, Numerus- und Flexionsklasse und kann somit als endungslose Grundform, ohne Kongruenz zum Nomen, betrachtet werden. Hingegen weist im Italienischen die lexikalische Kategorie des prädikativen Adjektivs die aus dem Stamm und dem Flexionsmorphem bestehende Grundform auf. Der Stamm hat im Allgemeinen keine vollständige und autonome Bedeutung, sondern bedarf einer Flexionsendung, die die grammatischen Kategorien des Genus und des Numerus überträgt und auch als Stammvokal bezeichnet wird. Infolge dessen ist das prädikative Adjektiv nur im Deutschen eine robuste Domäne, während es im Italienischen eine fehleranfällige Domäne darstellt. Interessanterweise gilt dies, obwohl das Genussystem des Italienischen von Regeln beherrscht wird, die dem italienischen Genussystem einen Transparenzgrad verleiht, der deutlich über dem des Deutschen liegt. Da allerdings das prädikative Adjektiv im Deutschen nicht die Kenntnis des Genuszuweisungssystems voraussetzt, können die Kinder, seien sie monolingual oder bilingual, direkt von der Ein-Konstituenten-Phase an das prädikative Adjektiv zielsprachlich verwenden (Mills, 1985, 1986). Die Verwendung des prädikativen Adjektivs im Deutschen in seiner endungslosen und unmarkierten Grundform erfordert von dem Kind eine weniger komplexe morphologische Analyse im Vergleich zum Italienischen. Zudem ergibt sich aus dieser Unmarkiertheit im Deutschen, dass das Kind beim Erwerb der Flexionsregeln des prädikativen Adjektivs im Italienischen nicht auf das im Deutschen Gelernte zurückgreifen kann (Mangel eines positiven Transfers), im Gegensatz etwa zu dem Erwerb der DPn im Französischen durch bilingual deutsch-französische Kinder (Kupisch, 2003). In Übereinstimmung mit dieser Annahme trat das prädikative Adjektiv im Deutschen und Italienischen zwar etwa gleich früh auf, allerdings war der Erwerb im Deutschen schneller abgeschlossen. Die Fehleranfälligkeit des prädikativen Adjektivs im Italienischen ergibt sich also aus der Unterordnung unter den Erwerb des Genussystems. Die linguistische Fehleranfälligkeit ist also nicht zwangsläufig Folge dessen, dass die entsprechende linguistische Domäne an der Schnittstelle zwischen zwei verschiedenen grammatischen Modulen ist (Müller & Hulk, 2000), sondern kann sich auch in einer Analyse, die sich durch hohe Komplexität auszeichnet, begründen (Platzack, 2001). 175 5.3.5 Der Erwerb der Position des Possessivums im Italienischen und im Deutschen und der Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Possessivum im Italienischen 5.3.5.1 Methoden 5.3.5.1.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder Zur Bearbeitung dieser Hypothese wurden die Kinder sowohl im Italienischen als auch im Deutschen von ihren ersten Sprachmanifestationen bis zum Alter von etwa 4 Jahren beobachtet (Tabelle 42). Tabelle 42: Beobachtungszeitraum der Kinder für die Untersuchung der Platzierung des Possessivums und des Gebrauchs des Artikels vor dem Possessivum im Deutschen und im Italienischen. Deutsch Italienisch 7 Kinder Anfang Ende Anfang Ende Chantal 1; 10,18 3; 6,0 - - Raffaello - - 1; 7,7 2; 11,20 Aurelio 8 1; 9,27 4; 0,28 1; 9,27 4; 0,28 Carlotta 1; 8,28 3; 6,3 1; 8,28 3; 11,26 Jan Philip 2; 1,3 3; 5,24 2; 1,3 3; 11,19 Luca Daniele 1; 6,5 3; 5,27 1; 6,5 3; 10,29 Marta 1; 6,26 3; 6,09 1; 6,26 4; 0,13 Lukas 1; 7,12 3; 6,13 1; 7,12 4; 0,5 5.3.5.1.2 Datenauswahl Deutsch Es wurden alle DPn aus den Transkripten entnommen, die aus einem Possessivum gefolgt von einem Substantiv bestanden. Diese wurden klassifiziert auf der einen Seite in zielsprachlich oder nicht-zielsprachlich 7 Der Beobachtungszeitraum musste bis zum Alter von vier Jahren beschränkt werden, da nur bis zu diesem Zeitpunkt von allen Kindern Daten vorlagen. Aus der Analyse der Sprache von Carlotta, Jan Philip und Luca Daniele ist jedoch zu entnehmen, dass sich bei den Kindern auch nach dem vierten Lebensjahr noch Fehler bei der Verwendung des Artikels vor dem Possessivum fanden. 8 Nur Aurelio wurde für einen etwas längeren Zeitraum beobachtet, da er das einzige Kind war, das einen mehrphasigen Zweitspracherwerb aufwies, bei dem Italienisch - wenn auch nur überwiegend - die dominante Sprache darstellte. 176 verwendet ohne Artikel und auf der anderen Seite in zielsprachlich positioniert vor oder nicht-zielsprachlich positioniert nach dem Substantiv. Italienisch Es wurden alle die DPn analysiert, die sich aus einem Possessivum gefolgt von einem Substantiv zusammensetzten. Anschließend wurden sie in DPn klassifiziert, bei denen die Zielsprache Italienisch den Artikel erforderte, und in solche, bei denen die Zielsprache diesen nicht verlangte. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, ob das Kind den Artikel vor dem Possessivum zielsprachlich verwendete. Zudem wurden die Possessiva eingeteilt in zielsprachlich positioniert vor und nicht-zielsprachlich nach dem Substantiv. Um einen möglichen Einfluss der anderen Sprache zu beurteilen, wurden die Daten zu den Adjektiven auf den Balanciertheitsgrad der Kinder in den beiden entsprechenden Sprachen bezogen. Als Maß des Balanciertheitsgrades diente die MLU in den beiden Sprachen. 5.3.6 Ergebnisse 5.3.6.1 Erwerb der Possessivumstellung und des Platzierens des Artikels vor dem Possessivum im Deutschen Wie in Tabelle 43 gezeigt, waren die bilingualen Kinder vom ersten Erscheinen der Possessiva an, sicher in ihrer Positionierung im Deutschen, das in der Regel die pränominale Stellung forderte. Tabelle 43: Pränominale und postnominale Possessivumstellung im Deutschen. Possessivumstellung Kind Pränominal Postnominal Chantal 37 (100 %) - Aurelio 90 (100 %) - Carlotta 154 (98 %) 3 (2 %) Jan Philip 69 (100 %) - Luca Daniele 43 (98 %) 1 (2 %) Lukas 66 (100 %) - Marta 35 (100 %) - Gesamt (bilinguale Kinder) 494 (99 %) 4 (1 %) Die Daten von Aurelio beziehen sich auf einen etwas längeren Beobachtungszeitraum (4; 0) im Vergleich mit den anderen Kindern (3; 6), da er das einzige Kind ist, für das Deutsch, überwiegend die schwache Sprache ist. 177 Für den Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum ergab sich keine relevante Differenz in dem Anteil an Fehlern im Vergleich zwischen bilingual deutsch-italienischen Kindern und dem monolingual deutschen Mädchen. 9 Von Anfang an stellten die bilingual deutsch-italienischen Kinder unter Beweis, dass sie die das Possessivum zielsprachlich positionieren können, ohne den bestimmten Artikel voranzustellen (Tabelle 44). Tabelle 44: Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum bei den sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern und bei dem monolingual deutschen Mädchen Chantal im Deutschen. Kind Artikel vor den Possessiva nicht erforderlich Zielsprachlich (nicht verwendet) Nicht-zielsprachlich (verwendet) Nicht eindeutig Chantal 37 (100 %) - - Aurelio 89 (99 %) 1 (1 %) - Carlotta 156 (99 %) 1 (1 %) - Jan Philip 68 (99 %) 1 (1 %) - Luca Daniele 43 (98 %) 1 (2 %) - Lukas 89 (98 %) 1 (1 %) 1 (1 %) Marta 35 (100 %) - - 5.3.6.1.1 Balanciertheitsgrad des Kindes und Wortordnung in DPn im Deutschen Die Analyse der vorliegenden Daten ergab keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad und dem Erwerb der Possessivstellung im Deutschen oder dem nicht-zielsprachlichen Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Possessivum. Die Kinder platzierten im Deutschen das Possessivum zielsprachlich in pränominaler Position zu 98 % bis 100 %. Dies galt für das monolinguale Mädchen ebenso wie für alle bilingualen Kinder unabhängig von dem Balanciertheitsgrad, der in ihrem Bilinguismus vorherrschte. Die Sprachproduktion der Kinder in diesem Bereich wies keine Charakteristika auf, die auf einen Einfluss der anderen Sprache (Italienisch) rückschließen ließen, egal ob es sich um ihre schwache Sprache (Aurelio) oder ihre starke Sprache (Jan Philip, Luca Daniele und Lukas) handelte oder ein balancierter Bilinguismus bestand (Carlotta und Marta). 9 Da Performanzfehler nicht zu vermeiden sind, wird das Vorhandensein von Fehlern mit einem Prozentsatz von 2 % oder weniger als zielsprachlich gewertet (Platzack, 2001). 178 Die Possessivumstellung in DPn im Deutschen stellte für monolinguale als auch für bilinguale Kinder gleichermaßen einen robusten Bereich dar. Zudem platzierte keines der Kinder in einer relevanten Anzahl der Realisierungen nicht-zielsprachlich den Artikel vor dem Possessivum. 5.3.6.2 Erwerb der Possessivumstellung und des Platzieren des Artikels vor dem Possessivum im Italienischen Die Analyse des Erwerbs der Possessivumstellung und des Gebrauchs des Artikels vor dem Possessivum ergaben im Italienischen relevante Unterschiede im Vergleich mit dem Deutschen. So erwarb der monolingual italienische Junge zunächst das Possessivum in postnominaler Position und erst in der Folge auch in pränominaler Position. Hingegen verwendeten die bilingual deutsch-italienischen Kinder das Possessivum zuerst in pränominaler Position und erst im weiteren Verlauf in postnominaler Position (Tabelle 45). Ausgenommen davon war Aurelio, bei dem die pränominale und postnominale Possessivumstellungen zeitgleich erstmals auftraten. Tabelle 45: Alter beim ersten Auftreten des Possessivums in pränominaler und postnominaler Position im Italienischen. Erstes Auftreten der Possessivumstellungen Kind Pränominal Postnominal Raffaello 2; 6,13 2; 5,13 Aurelio 2; 7,28 2; 7,28 Carlotta 1; 9,17 2; 11,13 Jan Philip 2; 6,17 3; 3,8 Luca Daniele 2; 7,30 3; 5,27 Lukas 2; 3,6 2; 4,9 Marta 1; 11,21 2; 3,26 Darüber hinaus fiel auf, dass der monolinguale Junge das Possessivum in postnominaler Position zu einem Prozentsatz von 40 % platzierte, während die bilingualen Kinder, ähnlich wie bei den attributiven Adjektiven, die pränominale Position des Possessivums bevorzugten, mit einem Anteil an allen Realisierungen, der von 89 % (Aurelio) bis zu 100 % (Luca Daniele) reichte (Tabelle 46). Im Allgemeinen machten die bilingualen Kinder weniger Fehler bei der Platzierung des Possessivums. Allerdings fanden sich nur bei einem bilingualen Kind (Carlotta) ausschließlich zielsprachliche Possessivumplatzierungen, wie es bei dem monolingualen Jungen der Fall war (Tabelle 47). 179 Tabelle 46: Possessivumstellungen bei dem monolingual italienischen Jungen und den bilingual deutsch-italienischen Kindern im Italienischen. Stellung des Possessivums Kind Pränominal Postnominal Gesamtzahl Raffaello 3 (60 %) 2 (40 %) 5 Aurelio 110 (89 %) 12 (11 %) 122 Carlotta 63 (95 %) 3 (5 %) 66 Jan Philip 25 (96 %) 1 (4 %) 26 Luca Daniele 28 (100 %) - 28 Lukas 68 (89 %) 8 (11 %) 76 Marta 65 (93 %) 5 (7 %) 70 Um auszuschließen, dass die beobachteten Unterschiede zwischen Raffaello und den bilingualen Kindern Folge der unterschiedlichen Beobachtungszeiträume (Raffaello: 3 Jahre, bilinguale Kinder: 4 Jahre) war, wurde die Stellung des Possessivums bei den bilingualen Kindern ebenfalls für den Zeitraum von drei Jahren analysiert. Auch hier zeigte sich, dass die bilingualen Kinder zu einem deutlich höheren Prozentsatz pränominale Stellungen bevorzugten. Diese Prozentsätze unterschieden sich nicht wesentlich von den gezeigten. Tabelle 47: Zielsprachliche und nicht-zielsprachliche pränominale und postnominale Possessivumstellungen im Italienischen. Kind Pränominal Postnominal Zielsprachlich Nicht-zielsprachlich* Zielsprachlich Nicht-zielsprachlich* Raffaello 3 (100 %) - 2 (100 %) - Aurelio 108 (98 %) 2 (2 %) 11 (92 %) 1 (8 %) Carlotta 63 (100 %) - 3 (100 %) - Jan Philip 25 (100 %) - - 1 (100 %) Luca Daniele 27 (96 %) 1 (4 %) - - Lukas 67 (99 %) 1 (1 %) 8 (100 %) - Marta 65 (100 %) - 4 (80 %) 1 (20 %) Gesamt (bilinguale) 355 (99 %) 4 (1 %) 26 (90 %) 3 (10 %) 180 Im Folgenden galt es den Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum in Kontexten zu untersuchen, in denen die Zielsprache Italienisch ihn vorsieht. Tabelle 48: Erforderlicher Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum im Italienischen bei den sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern und dem monolingual italienischen Jungen. Kind Artikel vor den Possessiva erforderlich Zielsprachlich (verwendet) Nicht-zielsprachlich (nicht verwendet) Nicht eindeutig Raffaello 1 (50 %) 1 (50 %) - Aurelio 73 (65 %) 39 (35 %) - Carlotta 54 (84 %) 10 (16 %) - Jan Philip 13 (50 %) 13 (50 %) - Luca Daniele 13 (62 %) 8 (38 %) - Lukas 49 (68 %) 23 (32 %) - Marta 64 (91 %) 6 (9 %) - Wie in Tabelle 48 gezeigt, wies der monolingual italienische Junge lediglich zwei adnominale Realisierungen des Possessivums auf, bei denen die Zielsprache Italienisch erforderte, dass dem Possessivum der bestimmte Artikel vorangeht. In einem dieser Fälle, im Alter von 2; 6,13 und bei einem MLU-Wert von 3; 0,2, ließ Raffaello nicht-zielsprachlich den Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum aus. Angesichts der sehr beschränkten Anzahl an adnominalen Realisierungen des Possessivums in der Sprache des monolingualen Jungen wird an dieser Stelle auf einen Vergleich mit den bilingualen Kindern verzichtet. Für einen Vergleich zwischen den bilingualen Kindern wird auf das Kapitel 5.3.6.1.1 zu dem Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad des Kindes und dem Erwerb der Wortordnung in DPn im Italienischen verwiesen. Die Analyse der adnominalen Realisierungen des Possessivums, bei denen die Zielsprache Italienisch das Platzieren des Artikels nicht vorsah, ergab die in Tabelle 49 zusammengefassten Ergebnisse. 181 Tabelle 49: Nicht erforderlicher Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum im Italienischen bei den sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern und dem monolingual italienischen Jungen. Kind Artikel vor den Possessiva nicht erforderlich Zielsprachlich (nicht verwendet) Nicht-zielsprachlich (verwendet) Nicht eindeutig Raffaello 3 (100 %) - - Aurelio 7 (70 %) 2 (20 %) 1 (10 %) Carlotta 1 (100 %) - Jan Philip - - - Luca Daniele 1 (17 %) 5 (83 %) - Lukas 4 (100 %) - - Marta - - - Insgesamt fiel auf, dass eindeutig zu analysierende Realisierungen des Possessivums, bei denen der Artikel nicht erforderlich war, sowohl bei dem monolingualen Jungen als auch bei den bilingualen Kindern in einer sehr begrenzten Anzahl auftraten: keine (Marta, Jan Philip) bis maximal 9 (Aurelio). Raffaello ebenso wie die beiden bilingualen Kinder Carlotta und Lukas wiesen keine nicht-zielsprachlichen Platzierungen des Artikels vor dem Possessivum auf. Hingegen verwendeten zwei der sechs bilingualen Kinder den Artikel nicht-zielsprachlich vor dem Possessivum in einem relevanten Anteil von 20 % (Aurelio) und 83 % (Luca Daniele). An dieser Stelle stellte sich die Frage, ob die Fehler bei dem Gebrauch des Possessivums in pränominaler oder postnominaler Position auftraten. Wie der Tabelle 50 zu entnehmen ist, fiel beim Vergleich des Gebrauchs des Artikels vor dem pränominalen und postnominalen Possessivum im Italienischen auf, dass die Kinder weit überwiegend die pränominale Position verwendeten, und nur selten die postnominale. Allerdings war der Gebrauch des Artikels vor dem postnominalen Possessivum bei den Kindern meist zielsprachlich. Hingegen waren im Mittel etwa ein Drittel der pränominalen Artikel nicht-zielsprachlich positioniert. 182 Tabelle 50: Zielsprachliche (Z) und nicht-zielsprachliche (N-Z) Platzierungen des bestimmten Artikels vor adnominalen Possessiva. Gebrauch des erforderlichen Artikel vor dem Possessivum Pränominal Postnominal Kind Z N-Z Z N-Z Raffaello 1 (50 %) 1 (50 %) - - Aurelio 70 (69 %) 32 (31 %) 5 (62,5 %) 3 (37,5 %) Carlotta 52 (84 %) 10 (16 %) 2 (100 %) - Jan Philip 12 (63 %) 7 (37 %) 1 (100 %) - Luca Daniele 13 (68 %) 6 (32 %) - - Lukas 46 (68 %) 22 (32 %) 4 (100 %) - Marta 61 (97 %) 2 (3 %) 3 (60 %) 2 (40 %) 5.3.6.2.1 Balanciertheitsgrad des Kindes und Wortordnung in DPn im Italienischen Possessivumstellung Die erste Frage, die sich stellte, war die nach einem Zusammenhang zwischen dem Anteil nicht-zielsprachlicher Realisierungen und der Art des Bilinguismus des Kindes (balancierter Zweisprachenerwerb, mehrphasiger Zweisprachenerwerb oder einphasiger Zweisprachenerwerb). Aus den vorliegenden Daten war kein Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad der Kinder und dem Erwerb der Platzierung des Possessivums abzuleiten. Die bilingualen Kinder (1) verwendeten, mit Ausnahme von Aurelio, der die prä- und postnominale Position gleichzeitig erstmals gebrauchte, erst die pränominale Position und dann die postnominale Position des Possessivums, (2) gebrauchten überwiegend die pränominale Position des Possessivums und (3) machten weniger Fehler bei der pränominalen als bei der postnominalen Possessivumstellung. Wobei die verwendeten Possessiva selten postnominal auftraten. Auch für die Verwendung des Artikels vor dem Possessivum gab es keinen Anhalt für einen Einfluss durch die andere Sprache. Gebrauch des erforderlichen Artikels vor dem Possessivum Im Gegensatz zu dem monolingual italienischen Jungen, bei dem lediglich zwei adnominale Realisierungen des Possessivums aufgezeichnet wurden, bei denen die Zielsprache Italienisch den bestimmten Artikel vor dem Possessivum erforderte, fanden sich entsprechende Verwendungen des 183 Possessivums bei den bilingualen Kindern in relevanter Anzahl von 21 (Luca Daniele) bis zu 112 (Aurelio). Der Anteil nicht-zielsprachlicher Äußerungen reichte wie in Tabelle 51 dargestellt von 9 % (Marta) bis 50 % (Jan Philip). Tabelle 51: Nicht-zielsprachlicher Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Possessivum im Italienischen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern. Kind Nicht-zielsprachlich Bilinguismustyp Aurelio 39 (35 %) Italienisch dominant Carlotta 10 (15 %) Balancierter Bilinguismus Jan Philip 13 (50 %) Deutsch dominant Luca Daniele 8 (38 %) Zweiphasiger Zweisprachenerwerb: balanciert > Deutsch dominant Lukas 23 (32 %) Zweiphasiger Zweisprachenerwerb: balanciert > Deutsch dominant Marta 6 (9 %) Balancierter Bilinguismus Die in Tabelle 51 zusammengefassten Ergebnisse deuten daraufhin, dass (1) ein unbalancierter Bilinguismus dazu führen kann, dass das Kind in der schwachen Sprache auf größere Schwierigkeiten beim Erwerb des Gebrauchs des Artikels vor adnominalen Possessiva und im Allgemeinen bestimmter grammatischer Strukturen trifft (Luca Daniele und Jan Philip). (2) auch wenn eine Sprache hinsichtlich verschiedener Kriterien, wie MLU, inkrementelles Lexikon, Redefluss, stärker ist als die andere Sprache, sich diese Dominanz nicht in allen grammatischen Bereichen zeigen muss. (3) die Kriterien zur Beurteilung der Sprachdominanz die Syntaxperformanz des Kindes nicht hinreichend berücksichtigen und deshalb den Spracherwerbsverlauf nicht für alle grammatischen Bereiche vorhersagen können. In Übereinstimmung mit dieser Einschätzung schien Aurelio, dessen Bilinguismus durch Italienisch dominiert war, 10 beim Erwerb der Platzierung des Possessivums sowie der Realisierung des Artikels vor dem adnominalen Possessivum zumindest ebenso viele Schwierigkeiten wie Lukas zu haben, der einen zweiphasigen Zweisprachenerwerb aufwies. 10 „ Das Italienische bei Aurelio, seine nach allen Kriterien weiter entwickelte Sprache in der Sprachproduktion, ist deutlich überlegen und ‚ doppelt so weit ‘ entwickelt wie das Italienische von Jan, das seine weniger entwickelte Sprache darstellt. “ (Arencibia Guerra, 2008: 178). 184 Die Analyse der Sprachdominanz muss also die Syntax der Sprache des bilingualen Kindes berücksichtigen. Der Erwerb bestimmter Konstruktionen in der schwachen Sprache kann größere Schwierigkeiten bereiten. Der Grund dafür ist nicht zwangsläufig in einem externen Faktor, wie dem Einfluss der starken Sprache auf die schwache, zu suchen. Vielmehr kann er auch Folge interner Faktoren in derselben Sprache sein, wie der verzögerte oder noch unvollständige Erwerb anderer linguistischer Elemente, von denen die zu erlernende Struktur abhängt. Ein weiterer Grund könnte auch eine größere Fehleranfälligkeit der grammatischen Struktur gegenüber einem Spracheneinfluss bei der schwachen Sprache sein. Realisierung des nicht erforderlichen Artikels vor den Possessiva Nicht-zielsprachliche Verwendungen des Artikels vor Possessiva in Kontexten, in denen das Italienische dessen Gebrauch nicht vorsieht, fanden sich nur bei zwei bilingualen Kindern, Aurelio (20 %) und Luca Daniele (83 %). Der Umstand, dass die Situationen, in denen die Zielsprache Italienisch den Artikel vor den Possessivum nicht erfordert, limitiert sind, spiegelte sich auch in der geringen Anzahl entsprechender Realisierungen in der Sprache der Kinder wider. Aufgrund der limitierten Daten ist eine abschließende Beurteilung über einen Zusammenhang zwischen dem Balanciertheitsgrad des Bilinguismus des Kindes und dem Anteil nicht-zielsprachlicher Realisierungen des Artikels vor dem adnominalen Possessivum nicht möglich. Eine detailliertere Darstellung ist Tabelle 51 zu entnehmen. 5.3.7 Diskussion Die Wortordnung innerhalb der DP der romanischen und germanischen Sprachen stellt einen noch wenig untersuchten Bereich des Bilinguismus dar. Die bilinguale Sprachkombination Deutsch und Italienisch ist von besonderem Interesse angesichts der unterschiedlichen Stellung der Possessiva in den DPn und ihrer unterschiedlichen Natur in den beiden Sprachen. Während im Italienischen dem Possessivum der bestimmte Artikel vorangehen kann, besteht diese Möglichkeit im Deutschen nicht. In der deutschen Sprache steht der definite Artikel in komplementärer Verteilung zum Possessivum, beweisend dafür, dass im Deutschen die Possessiva notwendigerweise mit Definitheit verknüpft sind (Hoffmann, 2009). Entsprechend definierte Olsen (1989: 135 ff.) Possessiva als Artikelwörter, da sie mit dem nachfolgenden Substantiv im Kasus, Numerus und im Singular auch im Genus übereinstimmen und daher die entsprechenden Flexionsendungen tragen. Ihre Deklinationsendungen entsprechen im Plural denen 185 eines starken Adjektivs und im Singular denen des unbestimmten Artikels (Hentschel, 2003: 243). Hingegen ist im Italienischen der Artikel vor dem Possessivum in den meisten syntaktischen Kontexten obligatorisch. Eine Ausnahme stellt die Kombination mit Substantiven, die der semantischen Kategorie „ Verwandtschaftsbezeichnungen “ angehören und nur im Singular, nicht verändert und nicht weiter spezifiziert sind. Nicht zuletzt, da den italienischen Possessiva der bestimmte Artikel vorangeht, schlug Bernardini (2003: 45 - 47) vor, sie als Adjektive zu werten. Auch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, die eine Übergeneralisierung der pränominalen Stellung sowohl bei den attributiven Adjektiven als auch bei den Possessiva ergaben, legen eine Ähnlichkeit zwischen Adjektiven und Possessiva nahe. Ausgehend von der Beobachtung, dass der Artikel den Possessiva im Italienischen vorangeht, aber nicht im Schwedischen, das wie die deutsche Sprache den Artikel vor adnominalen Possessiva nicht vorsieht, kam sie zu dem Schluss, dass im Italienischen Pos 0 nicht das Merkmal [Definitheit] trägt und somit in Pos 0 verbleibt (113). Hingegen trägt im Schwedischen Pos 0 das Merkmal [Definitheit] und zwingt auf diese Weise Pos 0 , sich zu bewegen, um die Position D 0 einzunehmen (114). Dasselbe kann auch für das Deutsche angenommen werden (115): (113) [DP [D La [Pos mia j [Agr macchina i [NP j [N i ]]] (Bernardini, 2003: 47) (114) [DP Min j [Pos j [Agr bil i [NP j [N i ]]]]] (Bernardini, 2003: 47) (115) [DP mein j [Pos j [Agr Auto j [NP j [N i ]]]]]. Nach Giorgi und Longobardi (1991) ist die Position für die italienischen Possessiva SpecDP. Hingegen ist in Sprachen, wie dem Schwedischen, Englischen, Französischen und Deutschen, die den Artikel vor dem Possessivum nicht erlauben, Pos der Kopf der DP und ist somit eine Determinante. Der zweite bedeutsame Unterschied zwischen den deutschen und italienischen Possessiva besteht darin, dass das Possessivum in der deutschen DP nur in pränominaler Position auftritt. Hingegen kann es im Italienischen sowohl in pränominaler als auch in postnominaler Position vorkommen. Die Wahl der Position ist jedoch nicht frei (Cardinaletti, 1998), sondern beruht auf unterschiedlichen semantischen Hintergründen. Demnach definierte Cardinaletti (1998) Possessiva in pränominaler Position als defizient und die in postnominaler Position als stark, da nur diese eine Gegensätzlichkeit ausdrücken können. Bernardini (2003) formulierte, ausgehend davon, dass die italienischen Possessiva in prä- und postnominaler Position auftreten können, in derselben Art wie die attributiven Adjektive, 11 die Hypothese, dass sich das 11 Die sogenannte N-Bewegungs-Hypothese (Bernstein, 1991; Cinque, 1995) erklärt die Unterschiede in der Wortordnung sowohl des attributiven Adjektivs als auch des 186 Nomen aus N 0 bewegt, um eine Position zwischen D und Pos einzunehmen: (110) [DP La [XP macchina i [Pos mia j [Agr i [NP [Pos j N i ]]]] (Bernardini, 2003: 44). Deutsch Die Daten zum Erwerb der Possessiva im Deutschen legen nahe, dass die Kinder, seien es bilingual deutsch-italienische oder monolingual deutsche Kinder, nicht eine Phase durchliefen, in der das Possessivum eine nichtzielsprachliche Stellung einnahm. Die Kinder stellten von Anfang an das Possessivum in die pränominale Position und dies ohne, dass ihm ein bestimmter Artikel voranging. Diese Beoabchtung deutet daraufhin, dass das Possessivum für die Kinder bereits in sich das Merkmal [Definitheit] trägt, das sie somit die Redundanz des gleichzeitigen Gebrauchs des Artikels und des Possessivums erkennen lässt. In Übereinstimmung mit dieser Annahme ließen das monolinguale Mädchen und ein weiteres bilinguales Mädchen immer zielsprachlich den Artikel vor dem Possessivum aus und stellten die anderen bilingualen Kinder in einer nichtrelevanten Anzahl von 1 - 2 % den Artikel nicht-zielsprachlich vor das Possessivum. Die monolinguale Chantal wie auch die bilinguale Marta wiesen keine nicht-zielsprachlichen Platzierungen der Possessiva auf und die übrigen bilingualen Kinder machten mit maximal 2 % zu einem nichtrelevanten Anteil der Realisierungen Fehler bei der Platzierung der Possessiva. Die Daten weisen daraufhin, dass der Erwerb der syntaktischen Verteilung der deutschen Possessiva innerhalb der DP ein robuster Bereich ist, gleichermaßen für monolingual deutsche wie auch für bilingual deutschitalienische Kinder unabhängig von dem Balanciertheitsgrad der verschiedenen Kinder, deren Erwerbsverlauf relevante Unterschiede aufweist. Die Robustheit dieses Bereichs ist möglicherweise darin begründet, dass das deutsche Possessivum mit seiner einzig möglichen pränominalen Platzierung eine äußerst konsistente syntaktische Verteilung aufweist. Somit wäre eine Fehleranfälligkeit eines bestimmten grammatischen Bereichs nicht notwendigerweise seiner Lokalisation an der Schnittstelle zwischen zwei grammatischen Modulen zuzuschreiben (Müller & Hulk, 2000), sondern kann auch durch Faktoren wie die Transparenz und Konsistenz der adnominalen Possessivums innerhalb der DP in den germanischen und romanischen Sprachen dadurch, dass in beiden Sprachengruppen die Grundreihenfolge Adjektiv- Nomen ist. Hingegen entstammt die Reihenfolge Nomen-Adjektiv aus der N- Bewegung, nach der sich das Nomen aus NP herausbewegt, um eine AgrP zwischen NP und DP einzunehmen. 187 syntaktischen Verteilung grammatischer Elemente bedingt sein (Kupisch, 2003). Italienisch Die Analyse der Daten zum Erwerb der Possessiva im Italienischen ergab im Vergleich zum Deutschen ein komplexeres Bild. Insbesondere unterschied sich der monolingual italienische Junge von den bilingualen Kindern beim Platzieren des Possessivums. Im Vergleich mit der Mehrzahl der bilingualen Kinder zeigte er sich deutlich sicherer in der Verwendung des Possessivums, was sich darin ausdrückte, dass sich in seiner Sprache keine nicht-zielsprachlichen Platzierungen des Possessivums fanden. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Arbeiten von Antelmi (1997) an einem monolingual italienischen Mädchen und von Bernardini (2003) an vier monolingual italienischen Kindern, 12 nach denen keines der analysierten Kinder das Possessivum nicht-zielsprachlich platzierte. Raffaello, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchte monolingual italienische Junge, erwarb zunächst die postnominale Position des Possessivums, im Alter von 2; 5,13, und in der Folge, im Alter von 2; 6,13, die pränominale Position, in Übereinstimmung mit der bereits in früheren Arbeiten beobachteten Reihenfolge (Antelmi, 1997; Bernardini, 2003). Hingegen unterschieden sich alle sechs bilingual deutsch-italienischen Kinder gleichermaßen von dem monolingualen Jungen insofern, dass sie (a) das Possessivum zuerst in pränominaler Position und erst im weiteren Verlauf auch in postnominaler Position verwendeten und (b) die pränominale Position des Possessivums für lange Zeit vor der postnominalen bevorzugten. Daraus lässt sich ableiten, dass für bilinguale Kinder mit der Sprachkombination Italienisch und Deutsch die N-Bewegung im Italienischen im Vergleich mit monolingual italienischen Kindern mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist. Ein möglicher Grund ist, dass N-Bewegung und Artikeleinsetzung um dieselbe Position konkurrieren. Dies ist der Fall unabhängig davon, ob Italienisch die schwache oder starke Sprache darstellt. Bernardini (2003) kam zu ähnlichen Schlüssen in ihrer Arbeit zum Erwerb der italienischen Possessiva in der Sprache von zwei bilingualen Kindern mit der Sprachkombination Italienisch und Schwedisch. Das Schwedische sieht als germanische Sprache wie das Deutsche vor, dass die Possessiva ausschließlich in pränominaler Position auftreten und ihnen kein bestimmter Artikel vorangeht. Ähnlich wie der monolinguale Junge wiesen die bilingualen Kinder keine Fehler oder Fehler in einer nicht relevanten Anzahl beim Platzieren 12 Eines der vier von Bernardini beobachteten Kinder war Raffaello, der monolingual italienische Junge, der auch in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde. 188 des Possessivums in pränominaler Position auf. Zudem fiel auf, dass in der postnominalen Position sehr viel weniger Possessiva verwendet wurden: zwischen 3 und 11 Possessiva in postnominaler Position im Gegensatz zu 52 bis 108 Possessiva in der pränominalen Position. Dies überrascht nicht, wird die postnominale Position doch stark kontrastiv verstanden (Bernardini, 2003: 62). Bei dem monolingualen Jungen ebenso wie bei drei bilingualen Kindern entsprach der postnominale Gebrauch der Possessiva der Erwachsenensprache. Hingegen wiesen drei der bilingualen Kinder jeweils eine nicht-zielsprachliche postnominale Verwendung des Possessivums auf. Ob es sich hierbei um relevante Unterschiede handelte, kann auf Grund der limitierten Zahl an postnominal verwendeten Possessiva an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Auch der Vergleich zwischen dem monolingualen Jungen und den bilingualen Kindern bei der Verwendung des Artikels vor dem Possessivum war durch die limitierte Anzahl an derartigen Realisierungen in der Sprache des monolingualen Jungen eingeschränkt. Bei Raffaello fanden sich nur zwei Situationen, in denen die Zielsprache Italienisch den Gebrauch des Artikels vor adnominalen Possessiva vorsah, und in einer dieser Situationen verwendete er den Artikel entgegen der Regeln der Zielsprache nicht. Hingegen ergab die Analyse der Sprachproduktion der bilingualen Kinder, dass zwischen diesen zum Teil erhebliche interindividuelle Unterschiede bestanden, die nicht durch den Balanciertheitsgrad des Bilinguismus erklärt werden konnten. So zeigte sich, dass in Kontexten, in denen die Zielsprache Italienisch den Gebrauch des Artikels erforderte, Aurelio mit 39 % und Luca Daniele mit 38 % ähnlich viele nicht-zielsprachliche Realisierungen zeigten, obwohl bei ihnen ein unterschiedlicher Bilinguismusgrad vorlag. Für Aurelio war Italienisch die dominante Sprache, während Luca Daniele durch einen mehrphasigen Zweisprachenerwerb gekennzeichnet war. In Kontexten, in denen die Zielsprache die Verwendung des Artikels nicht vorsieht, und es war eine sehr begrenzte Anzahl an Substantiven, die den Artikel in der Zielsprache nicht vorsah, wiesen nur die beiden Kinder Luca Daniele (83 %) und Aurelio (20 %) nicht-zielsprachliche Realisierungen des Artikels auf. Während sich bei Marta und Jan Philip keine entsprechenden Äußerungen fanden, zeigte Lukas insgesamt vier, die alle zielsprachlich waren. Daraus lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen: 1) Die Heterogenität zwischen den bilingualen Kindern weist daraufhin, dass auch interindividuelle kognitiv-emotionale Unterschiede eine sehr wichtige Rolle spielen. 13 2) Ein unbalancierter Bilinguismus kann zur Folge 13 Interindividuelle Unterschiede innerhalb einzelner Sprachkomponenten sind bereits bei der frühen Wortschatzentwicklung zu beobachten. Dies gilt für den produktiven 189 haben, dass (a) das Kind in seiner schwachen Sprache auf größere Schwierigkeiten trifft beim Erwerb bestimmter grammatischer Strukturen, wie etwa des Gebrauchs des Artikels vor adnominalen Possessiva (Luca Daniele und Jan Philip) und (b) dass, auch wenn eine Sprache stärker ist als die andere hinsichtlich MLU, Lexika, Redefluss etc., dies nicht für alle syntaktischen Domänen der entsprechenden Sprache gilt. 3) Kriterien zur Bewertung der Sprachdominanz, die nicht die gezielte Beobachtung der Syntax der Sprache des bilingualen Kindes beinhalten, (a) reflektieren weder immer den Grad der Syntaxkompetenz bzw. Syntaxperformanz des Kindes - so schien Aurelio, der als im Italienischen dominant definiert wurde, zumindest so viele, wenn nicht sogar mehr Schwierigkeiten beim Erwerb dieser Domäne als Lukas mit einem zweiphasigen Zweisprachenerwerb auf - (b) noch sind sie ein prädiktiver Faktor für den Spracherwerbsverlauf, den das Kind nimmt. Die Analyse der Sprachdominanz kann also die Syntax der Sprache des bilingualen Kindes nicht außer Acht lassen. Der Erwerb bestimmter Konstrukte kann in der schwachen Sprache größere Schwierigkeiten mit sich bringen, als wenn dieselbe Sprache die starke Sprache wäre. Der Grund hierfür ist nicht notwendigerweise in dem Einfluss eines externen Faktors, wie dem Einfluss der starken Sprache auf die schwache Sprache, zu sehen. Vielmehr können die Schwierigkeiten Folge des Einflusses interner Faktoren auf dieselbe Sprache sein, wie etwa der verzögerte oder noch unvollständige Erwerb anderer linguistischer Elemente, von denen die zu erwerbende Struktur abhängt. Hingegen fanden sich in Raffaellos Sprache keine Kontexte, in denen das Adjektiv in postnominaler Position den Gebrauch des Artikels vorsah. Auch wenn somit ein Vergleich mit den bilingualen Kindern für diesen grammatischen Bereich nicht möglich ist, so sind diese Ergebnisse im Einklang mit denen von Bernardini (2003). Die in ihrer Arbeit beobachteten Kinder ließen ebenfalls nicht-zielsprachlich den bestimmten Artikel vor den Possessiva in pränominaler Position aus, während sich zwischen den Possessiva in postnominaler Position keine Realisierungen fanden, in denen der Gebrauch des Artikels obligatorisch war. Aus dem Vergleich beider Sprachen ergibt sich, dass zwar im Italienischen die Verwendung des Artikels vor adnominalen Possessiva für bilinguale Kinder mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, sich diese jedoch im Deutschen nicht zeigen. Der Grund für die größere Fehleranfälligkeit im Italienischen ergibt sich möglicherweise daraus, dass diese Bereiche für das Kind einen zweideutigen Input darstellen (Müller, 1998; Müller & Hulk, 2001), da die italienischen Possessiva sowohl mit als auch Wortschatz sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Kinder mit der Produktion von Wörtern beginnen, als auch im Hinblick auf die Geschwindigkeit, mit der sie ihren Wortschatz aufbauen (Fenson et al., 1994). 190 ohne Artikel auftreten können. Zudem bestehen Hinweise darauf, dass eine stärkere sprachliche Unbalanciertheit, wie in dem Fall von Jan Philip, mit einer größeren Schwierigkeit beim Erwerb der entsprechenden grammatischen Bereiche einhergeht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl das prädikative Adjektiv als auch die Possessiva in den beiden Sprachen einen unterschiedlichen Grad an Fehleranfälligkeit aufweisen. Somit ist die Fehleranfälligkeit spezifisch für die verschiedenen Sprachen und ist von der Art und Weise abhängig, in denen die für den Erwerb der entsprechenden Domänen erforderlichen Informationen zugänglich sind. Im Deutschen stellen sich beide Bereiche als robust dar, gleichermaßen für das monolinguale Mädchen wie für die bilingualen Kinder. Im Gegensatz dazu besteht im Italienischen ein unterschiedlicher Schwierigkeitsgrad zwischen dem monolingualen Jungen und den bilingualen Kindern sowohl beim Erwerb der Genuskongruenzregeln des prädikativen Adjektivs als auch beim Erwerb der Parameter, die die Stellung des Artikels vor den Possessiva regeln, nicht jedoch die Possessivumsstellung. Ferner können bestimmte grammatische Bereiche für den Bilingualen, insbesondere wenn es sich um die schwache Sprache handelt, anfällig für Fehler sein, ohne dass dies für den Monolingualen gilt. Ausblick Die Analyse zur Robustheit bzw. Fehleranfälligkeit bei dem Gebrauch deutscher Possessiva war in der vorliegenden Arbeit auf deren Position beschränkt. Von Interesse ist jedoch auch die Analyse einer möglichen Anfälligkeit der Deklination der deutschen Possessiva und sollte deshalb in zukünftigen Arbeiten untersucht werden. Dies gilt auch für die Analyse anderer Sprachkombinationen des Italienischen mit germanischen und romanischen Sprachen, die das Possessivum in postnominaler Position vorsehen, zur Überprüfung eines möglichen Einflusses anderer Sprachen auf den Erwerb der italienischen Possessiva. Die Daten zum Spracherwerb des monolingualen Kindes beschränkten sich auf drei Jahre und die Aufnahmen erfolgten monatlich und nicht wie bei den bilingualen Kindern alle zwei Wochen. Zur besseren Vergleichbarkeit wäre es für zukünftige Untersuchungen wünschenswert, wenn auch für die monolingualen Kinder Daten vorliegen, die der Qualität und Dauer der bilingualen Kinder entsprechen. 191 5.4 Hypothese 4: Das bilinguale Kind folgt beim Erwerb des Adjektivs sowohl in seiner starken als auch in seiner schwachen Sprache nicht demselben Spracherwerbverlauf eines L2-Lerners. 5.4.1 Einleitung In der linguistischen Forschung des Bilinguismus wird die Frage, ob der Erwerb beider Sprachen des doppelten Erstspracherwerbs demselben Verlauf folgt wie der Erwerb von L1, also dem Erstspracherwerb, oder ob die schwache Sprache des bilingualen Kindes einen Verlauf nimmt, der dem einer L2 und nicht dem einer L1 ähnelt, sehr kontrovers diskutiert. In der vorliegenden Untersuchung an bilingualen Kindern, die in einem natürlichen Umfeld die beiden Sprachen Deutsch und Italienisch erwarben, galt es zu zeigen, welche der beiden zuvor genannten Theorien auf den Erwerb der folgenden Strukturen zutrifft: 1) Der Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv im Deutschen unter besonderer Berücksichtigung der Reihenfolge des Erwerbs, der Schwierigkeiten und der Art der Fehler 2) Der Reihenfolge des Erwerbs der Kasus- und Genusmarkierung am attributiven Adjektiv. Bei der Frage, ob die Kasuszuweisung oder die Genuszuweisung zuerst erworben wird, finden sich sowohl theoretische Argumente für die Annahme, dass der Erwerb des Kasus dem des Genus vorausgeht, als auch für die Annahme, dass diese grammatischen Merkmale in umgekehrter Reihenfolge erworben werden. Argumente, die für die erste Annahme sprächen, beziehen sich auf das semantische Gewicht dieser beiden grammatischen Kategorien. Anders als das Genus ist der Kasus eng mit einer hohen semantischen Funktion verbunden. So setzt die korrekte Verwendung des Kasus die Unterscheidung zwischen verschiedenen thematischen Rollen voraus, wie etwa goal (Ziel), direction (Richtung), location (Ort), source (Quelle), recipient (Empfänger) und instrument (Mittel). Dies beinhaltet, dass das Kind aufgrund kommunikativer Notwendigkeit sehr viel motivierter sein könnte, die Regeln zu entdecken, die dem Gebrauch verschiedener Kasus zugrunde liegen, als die für die Genuszuweisung wichtigen Regeln (Clahsen, 1984; Bittner, 2006). Ebenso gültige Argumente fänden sich auch für die Hypothese, dass das Genus vor dem Kasus erworben wird. Dazu zählt vor allem, dass das Genus ein inhärentes Merkmal des Nomens ist und dass ein Nomen immer Träger desselben Genus ist unabhängig von dem Kontext, in dem es eingebettet ist. Zudem produzieren die Kinder anfangs ausschließlich Äußerungen, die als einzige 192 Kasus Nominativ und Akkusativ enthalten. Bei beiden Fällen sind die drei Genera gut voneinander zu unterscheiden (Nominativ: Maskulinum - der, Femininum - die, Neutrum - das; Akkusativ: Maskulinum - den, Femininum - die, Neutrum - das). Auch sollte nicht vergessen werden, dass die Kinder anfangs nur Äußerungen produzieren, die aus einer einzigen Konstituenten und somit auch aus einem einzigen Nomen bestehen, in dem das Geschlecht immer vorhanden ist. Schließlich müsste, unter der Annahme, dass der Nominativ den Ausgangsfall für den Erwerb der anderen Fälle darstellt, die Unterscheidung der Genera, die in diesem Fall vorhanden sind, vor der der Kasus abgeschlossen sein (Bittner, 2006). Bei Aufnahme dieser Arbeit war es also eine offene Frage, ob die Kasuszuweisung oder die Genuszuweisung zuerst erworben wird. Ziel dieser Arbeit war es deshalb zu dem Verständnis über die Erwerbsreihenfolge dieser beiden grammatischen Strukturen bei monolingualen und bilingualen Kindern beizutragen. 5.4.2 Methoden 5.4.2.1 Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder Der Erwerb der Kasuszuweisung beim attributiven Adjektiv ist nur im Deutschen von Interesse, da sich im Italienischen die Kasuszuweisung am Adjektiv nicht findet. Aus diesem Grunde wurden zur Bearbeitung dieser Hypothese allein die deutschen Sprachäußerungen der Kinder berücksichtigt. Die Tabelle 52 gibt einen Überblick über den Beobachtungszeitraum der hier analysierten Kinder. Tabelle 52: Beobachtungszeitraum der Kinder für den Erwerb von Kasus und Genus im Deutschen. Kinder Beobachtung Anfang Ende 14 Chantal 1; 10,18 4; 0,19/ 5; 0,11 Aurelio 1; 9,27 4; 0,28 Carlotta 1; 8,28 3; 11,26/ 5; 7,24 14 Da für alle Kinder Transkripte bis zum Alter von vier Jahren vorlagen, wurden bei allen Kindern, einschließlich der monolingualen Chantal, die Sprachäußerungen in diesem Zeitraum analysiert. Zur Beantwortung der Frage, wie der Erwerb der Kasusmarkierung nach dem vierten Lebensjahr fortschreitet, wurden in einer zusätzlichen Analyse die Sprachäußerungen der drei bilingualen Kinder Carlotta, Jan Philip und Lukas und des monolingualen Mädchens, für die Transkripte bis zum fünften Lebensjahr und darüber hinaus vorlagen, untersucht. 193 Kinder Beobachtung Anfang Ende 14 Jan Philip 2; 1,3 4; 0,14/ 5; 0,8 Luca Daniele 1; 6,5 4; 0,5 Marta 1; 6,26 4; 0,13 Lukas 1; 7,12 4; 0,5/ 5; 0,2 5.4.2.2 Die Auswahl der Daten Aus den Transkripten wurden alle Sprachäußerungen entnommen, in denen die Kinder ein attributives Adjektiv verwendeten. Nicht berücksichtigt von diesen wurden alle Sprachäußerungen, die nicht zuließen, zu erkennen, welcher Kasus notwendig war oder welchen Kasus das Kind verwendete. Zudem wurden in Übereinstimmung mit Meisel (1986: 171) alle Aussagen ausgeschlossen, die nicht ermöglichten zu entscheiden, ob ein Genusfehler oder ein Kasusfehler vorlag. Um festzustellen, ob ein Kind den richtigen Kasus verwendete, wurde nicht allein die Sprachäußerung, in der das attributive Adjektiv erschien, berücksichtigt, sondern der gesamte dialogische Kontext, in dem das attributive Adjektiv eingebettet war. Zur Beantwortung der ersten Frage, ob die untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kinder wie ein L2-Lerner den Kasus vor dem Genus erwerben, wurden alle geeignete, ein attributives Adjektiv enthaltende Sprachäußerungen berücksichtigt, unabhängig davon, ob sie Teil einer Präpositionalphrase waren. Anderenfalls hätte die Analyse keine dativfordernde Kontexte enthalten. Hingegen wurden bei der Bearbeitung der Frage nach dem Erwerb der Kasuszuweisung beim attributiven Adjektiv bei bilingual deutsch-italienischen Kindern im Vergleich zu monolingual deutschen Kindern die Adjektive, die nicht Teil einer präpositionalen Konstruktion waren, von denen, deren Kasus von einer Präposition abhing, getrennt untersucht. Letztere wurden abhängig von der Rektionsart der Präposition in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. 5.4.3 Ergebnisse 5.4.3.1 Ergebnisse zur Fragestellung I: Erwerben die bilingual deutschitalienischen Kinder wie L2-Lerner den Kasus vor dem Genus? Wie bereits zuvor ausgeführt, wurden zur Beantwortung dieser Frage alle attributiven Adjektive berücksichtigt, unabhängig davon, ob ihnen eine Präposition vorausging. Als Kriterium, nach dem die untersuchten grammatischen Strukturen als erworben gelten können, wurde nicht das von 194 Cazdens angewendet (1968; referiert in Brown, 1973), nach dem der Erwerbszeitpunkt dann vorliegt, wenn das erste von drei aufeinander folgenden Sprachmustern ein bestimmtes Morphem in mindestens 90 % der obligatorischen Kontexte korrekt verwendet wird. Auch wenn es sich bei diesem um das in der linguistischen Forschung am häufigsten verwendete Kriterium handelt, schien es zur Ausarbeitung dieser Hypothese nicht angemessen, da sich nach Ausschluss unsicherer Verwendungen die Fehlerzahl deutlich reduziert hätte und so die Unterschiede zwischen den einzelnen Kinder weniger evident gewesen wären. Sehr viel geeigneter erschien das Kriterium von Heinen und Kadows (1990), nach dem: “ When we talk in what follows of a future being acquired, we mean it is used productively. “ (Heinen & Kadows, 1990: 52). In Ergänzung dazu formulierte Meisel: “ A form is regarded as being used productively when it appears with more than one verb (type) and in several subsequent recordings. “ (Meisel, 1994: 125). Entsprechend diesem Kriterium wurde eine bestimmte Form als erworben angesehen, wenn sich seine Produktivität im Sinne von Meisel (1994) über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten stabil zeigte. Die Auswertung der Daten ergab, dass die Kinder im Deutschen die Kasusmarkierung und die Genusmarkierung 15 zu den folgenden Zeiten und in der folgenden Reihenfolge erwerben: Chantal Genusmarkierung Bei Chantal trat der letzte Genusfehler im Alter von 3; 5,9 auf. Nach diesem Fehler fanden sich bis zum Alter von 5; 0,11 keine eindeutigen Genusfehler mehr. Somit schloss die monolinguale Chantal im Alter von etwa dreieinhalb Jahren den Erwerb des Genussystems beim Adjektiv im Deutschen dauerhaft ab. Kasussystem Wie in Abbildung 34 gezeigt, erwarb das monolinguale Mädchen Chantal bis zum Alter von 3; 11,23 die Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ. Von diesem Zeitpunkt bis zum Alter von 5; 0,11 fanden sich 15 Mit Erwerb wird an dieser Stelle der Erwerb der Genus- und Kasuszuweisung der Substantive, die zu diesem Zeitpunkt Teil der Sprache des Kindes sind, gemeint. Da der Erwerb des Lexikons zeitlich nicht beschränkt ist, gilt dies auch für den Erwerb der Genus- und Kasuszuweisung. Die lexikalischen Kategorien der Nomen, Verben und Präpositionen vervollständigen sich ständig mit Fortschreiten der Jahre und mit ihnen auch die Regeln der Genus- und Kasuszuweisung und der Besonderheiten der beiden Systeme. 195 keine Fehler mehr mit diesen Kasus. Ebenfalls im Alter von 3; 11,23 trat die erste und im Beobachtungszeitraum einzige Äußerung auf, in der ein attributives Adjektiv (zielsprachlich) im Genitiv flektiert wurde. Schlussfolgerung Chantal schloss den Erwerb des Genussystems im Alter von etwa dreieinhalb Jahren ab. Hingegen war der Erwerb des Kasussystems erst ein halbes später im Alter von knapp vier Jahren als abgeschlossen zu werten ist, voraussetzend, dass die einzige, zielsprachlich gebrauchte Äußerung, die ein Genitiv enthielt, hinreichend beweisend für einen vollständigen und dauerhaften Erwerb des Kasussystems war. 2; 1,0 Nominativ 2; 3,0 3; 0,0 2; 9,0 2; 2,0 3; 1,0 3; 7,0 2; 4,0 2; 5,0 2; 8,0 2; 7,0 2; 6,0 Dativ Akkusativ Alter (Jahr; Monat,Tag) 2; 10,0 3; 2,0 3; 3,0 3; 4,0 3; 5,0 3; 6,0 2; 11,0 3; 8,0 3; 9,0 3; 10,0 3; 11,0 4; 0,0 Genitiv Abbildung 34: Alter beim Kasuserwerb von Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv bei dem monolingual deutschen Mädchen Chantal. Aurelio Genusmarkierung In der Sprache von Aurelio fanden sich im Alter von 4; 0,28 noch Hinweise auf Genusfehler. Kasusmarkierung Die letzten offensichtlichen Kasusfehler traten im Alter von 4; 0,9 auf. Zu diesem Zeitpunkt kamen in der Sprache von Aurelio noch keine Dativ- oder Genitivkasusmarkierungen zur Anwendung. Schlussfolgerung Im Alter von 4; 0,28 ist weder die Genusnoch die Kasusmarkierung als erworben zu betrachten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Aurelio keinen der Kasus dauerhaft erworben. Luca Daniele Genusmarkierung Die Sprache von Luca Daniele wies Genusfehler bis zum Alter von 3; 3,4 auf. Nach einem längeren Zeitraum, in dem der Junge das attributive Adjektiv hinsichtlich des Genus zielsprachlich flektierte, fanden sich im Alter von 3; 10,15 erneut zwei Genusfehler. Somit wurde das Genussystem im Beobachtungszeitraum noch nicht stabil erworben. Kasusmarkierung Wie in Abbildung 35 gezeigt erwarb Luca Daniele die Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ bis zum Alter von 3; 10,29. Im letzten Monat des Beobachtungszeitraums waren alle Verwendungen dieser Kasus zielsprachlich. Allerdings lag für den Dativ kein Nachweis 196 über einen dauerhaften zielsprachlichen Gebrauch über drei Monate vor. Der Kasus Genitiv fand sich gar nicht bis zum Alter von 4; 0,5. Schlussfolgerung Im Alter von vier Jahren hatte Luca Daniele weder das Genusnoch das Kasussystem vollständig erworben. 3; 0,0 2; 9,0 3; 1,0 3; 7,0 2; 4,0 2; 5,0 2; 8,0 2; 7,0 2; 6,0 Nominativ Alter (Jahr; Monat,Tag) 2; 10,0 3; 2,0 3; 3,0 3; 4,0 3; 5,0 3; 6,0 2; 11,0 3; 8,0 3; 9,0 3; 10,0 3; 11,0 2; 3,0 Akkusativ Dativ Abbildung 35: Alter beim Kasuserwerb von Nominativ, Akkusativ und Dativ bei dem bilingual deutsch-italienischen Jungen Luca Daniele. Allerdings lag für den Dativ kein Nachweis über einen dauerhaften korrekten Gebrauch über drei Monate vor. Der Kasus Genitiv fand sich gar nicht bis zum Alter von 4; 0,5 und ist deshalb in der Grafik nicht abgebildet. Marta Genusmarkierung Im Alter von 3; 11,6 fanden sich in der Sprache von Marta noch vier Genusfehler, alle mit Substantiven des Genus Neutrum. Kasusmarkierung In der Sprache von Marta traten die letzten Nominativ- und Akkusativfehler im Alter von 3; 7,12 auf. Zu demselben Zeitpunkt fand sich der einzige Kontext, in dem es erforderlich war, das attributive Adjektiv im Dativ zu flektieren, aber das Mädchen flektierte es nichtzielsprachlich im Akkusativ. Demnach wurden bis zum Alter von 3; 7,27 die Kasus Nominativ und Akkusativ erworben. Hingegen lassen die vorliegenden Daten keine sichere Aussage zu dem Erwerb von Dativ und Genitiv zu. Letzterer fehlte vollständig im Beobachrungszeitrum. Schlussfolgerung Im Alter von vier Jahren hatte Marta weder das Genussystem noch das Kasussystem vollständig erworben. Carlotta Genusmarkierung Carlotta machte die beiden letzten Genusfehler im Alter von 4; 4,20 und 4; 6,8. Ab dem Alter von 4; 6,8 bis zum Ende des Beobachtungszeitraums (5; 7,24) fanden sich in ihrer Sprache keine weiteren Genusfehler beim attributiven Adjektiv. 197 Kasusmarkierung Carlotta erwarb den Nominativ und den Akkusativ bis zum Alter von 2; 6,23. Der letzte Fehler des Mädchens mit dem Dativ trat im Alter von 4; 7,19 auf. In der Folge waren alle aufgezeichneten Äußerungen, die einen Dativ enthielten, zielsprachlich. Hingegen war das erste und einzige Auftreten eines Genitivs, der im Übrigen zielsprachlich gebraucht wurde, im Alter von 4; 6,8 (Abbildung 36). Schlussfolgerung Carlotta hatte im Alter von 4; 6,28 das Genussystem erworben. Bei der Analyse des Kasussystems fiel auf, dass sie Nominativ und Akkusativ von allen bilingualen Kindern am frühesten stabil erwarb, den Dativ hingegen erst im Alter von 4; 7,19. In den Aufzeichnungen fand sich nur eine (zielsprachliche) Verwendung des Genitivs. 2; 4,0 Nominativ 3; 4,0 2; 6,0 2; 8,0 3; 0,0 2; 10,0 Dativ Akkusativ Alter (Jahr; Monat,Tag) 3; 2,0 3; 6,0 3; 8,0 4; 0,0 4; 2,0 4; 8,0 4; 4,0 4; 6,0 Genitiv 3; 10,0 Abbildung 36: Alter beim Kasuserwerb von Nominativ, Akkusativ und Dativ bei dem bilingual deutsch-italienischen Mädchen Carlotta. Der Kasus Genitiv ist in der Grafik abgebildet, da er zielsprachlich verwendet wurde. Allerdings fand sich nur eine Sprachäußerung, in dem der Genitiv verwendet wurde. Carlotta wurde bis zum Alter von 5; 7,24 beobachtet. Jan Philip Genusmarkierung Während der verlängerten Beobachtungszeit bis 5; 0,8 bei Jan Philip war festzustellen, dass er im Alter von 4; 7,26 noch einen Genusfehler machte, während sich in den letzten vier Monaten der Beobachtung keine weiteren Genusfehler mehr fanden. Dies deutete daraufhin, dass das Genussystem in diesem Alter erworben war. Kasusmarkierung Wie in Abbildung 37 gezeigt, ist der erste Kasus, der von Jan Philip stabil erworben wurde, der Akkusativ. Hingegen fanden sich der letzte Fehler beim Dativ im Alter von 4; 4,6 und der letzte Fehler beim Nominativ im Alter von 4; 10,6. Eine Genitivmarkierung eines attributiven Genetivs war bis zum Alter von 5; 0,8 nicht zu beobachten. Schlussfolgerung Jan Philip hat im Alter von 4; 7,26 das Genussystem stabil erworben. Dagegen war das Kasussystem im Alter von 5; 0,8 noch nicht vollständig und stabil erworben. 198 2; 1,0 Nominativ 3; 1,0 3; 7,0 2; 4,0 2; 7,0 Dativ Akkusativ Alter (Jahr; Monat,Tag) 2; 10,0 4; 4,0 3; 4,0 4; 7,0 5; 1,0 3; 10,0 4; 10,0 4; 1,0 Abbildung 37: Alter, in dem Nominativ, Akkusativ und Dativ bei dem bilingual deutsch-italienischen Jungen Jan Philip erworben wurden. Der Genitiv trat im Beobachtungszeitraum nicht auf und ist deshalb nicht in die Grafik eingezeichnet. Lukas Genusmarkierung In der Sprache von Lukas zeigten sich in dem Alter von 4; 8,23 und 4; 10,28 jeweils ein Genusfehler. Kasusmarkierung Lukas hatte im Alter von 3; 6,13 die Kasus Nominativ und Akkusativ erworben. Hingegen traten bei der Verwendung des Dativs bis zum Ende der Aufnahmen Fehler auf. Der Genitiv wurde im gesamten Beobachtungszeitraum nicht verwendet (Abbildung 38). Schlussfolgerung Im Alter von 5 Jahren hatte Lukas weder den Erwerb des Genussystems noch des Kasussystems des attributiven Adjektivs in einer stabilen Art abgeschlossen. 3; 2,0 3; 5,0 3; 1,0 3; 4,0 3; 3,0 3; 6,0 2; 8,0 2; 9,0 3; 0,0 2; 11,0 2; 10,0 Nominativ Alter (Jahr; Monat,Tag) Akkusativ 3; 7,0 Abbildung 38: Alter, in dem Nominativ und Akkusativ von Lukas erworben wurden. Dativ und Genetiv wurden während des Beobachtungszeitraums nicht dauerhaft erworben. 199 Schlussfolgerungen: - Verzögerter Erwerb der beiden Systeme bei bilingualen Kindern im Vergleich zu monolingualen Kindern: Chantal ist das einzige unter den im Rahmen der vorliegenden Arbeit analysierten Kindern, das bis zum vierten Lebensjahr (im Alter von 3; 6) den Erwerb des Genusmarkierungssystem in einer stabilen Art abschloss. Chantal schien auch den Erwerb des Kasusmarkierungssystems im Alter von 4; 0,9 vor allen anderen Kindern abzuschließen, auch wenn der Erwerb des Genitivs aufgrund seines einmaligen Erscheinens in dem Beobachtungszeitraum nicht abschließend beurteilt werden konnte. Tabelle 53 gibt einen Überblick über das Alter, in denen die Kinder das Genusmarkierungssystem und das Kasusmarkierungssystem erworben haben. - Unterschiedliche Reihenfolge beim Kasuserwerb bei bilingualen Kindern: Nicht alle bilingualen Kindern erwarben die Kasus in derselben Reihenfolge wie das monolinguale Mädchen, deren Sprache die folgende Reihenfolge aufwies: Nominativ > Akkusativ > Dativ > Genitiv. Hingegen fanden sich bei den bilingualen Kindern, wenn auch wenige, Fehler zu einem Zeitpunkt, zu dem das monolinguale Mädchen schon seit geraumer Zeit keine Fehler mehr machte. Daraus lässt sich ableiten, dass der Erwerb der Kasus Nominativ und Akkusativ bei bilingualen Kindern mehr Zeit in Anspruch nahm, um dieselbe Stabilität zu erreichen, als bei dem monolingualen Mädchen. Die bilingualen Kinder erwarben die Kasus in der folgenden Reihenfolge: Luca Daniele und Carlotta: Nominativ > Akkusativ > Dativ Marta: Nominativ = Akkusativ Jan Philip: Akkusativ > Dativ > Nominativ Lukas: Akkusativ > Nominativ. - Möglicher Zusammenhang zwischen der linguistischen Entwicklung der Kinder im Deutschen und der Dauer des Erwerbs: In Übereinstimmung mit dieser Annahme hatte Aurelio, das einzige Kind, dessen Deutsch besonders schwach war, mit vier Jahren den Erwerb weder des einen noch des anderen Systems abgeschlossen. - Es bestehen Hinweise auf dieselbe Erwerbsreihenfolge der zuvor genannten Kategorien bei monolingualen und balancierten bilingualen Kindern: Carlotta, die durch einen balancierten Bilinguismus mit einer guten Entwicklung beider Sprachen charakterisiert war, schloss den Erwerb der beiden Systeme in derselben Reihenfolge wie Chantal ab, nämlich: Genusmarkierungssystem > Kasusmarkierungssystem. 200 - Erwerb der Dativmorphologie zunächst nach Dativ fordernden Präpositionen und erst in der Folge auch in Dativ erfordernden Kontexten unabhängig von einer Präposition: In dem Beobachtungszeitraum wurden keine Äußerungen gefunden, die Dativflektierte attributive Adjektive enthielten, denen nicht eine Präposition mit Kasus auslösender Funktion vorausging. Chantal wies auch bei der Genuszuweisung einen zeitlichen Vorteil gegenüber der bilingualen Kinder auf. Allerdings ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass angesichts des longitudinalen Charakters der Untersuchung nicht davon ausgegangen werden kann, dass wenn eine Form nicht in den transkribierten Daten auftritt, diese vom Kind noch nicht erworben ist. Tabelle 53: Überblick über das Alter, zu dem die Kinder den Erwerb des Genusmarkierungssystems und des Kasusmarkierungssystems abgeschlossen haben. Neben dem Alter ist in Klammern der jeweilige von den Kindern zu diesem Zeitpunkt erworbene MLU-Wert angegeben. Alle Kinder wurden bis zum Alter von etwa vier Jahren beobachtet, mit Ausnahme von Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas, die bis zum Alter von fünf Jahren und länger beobachtet wurden. Kinder Genusmarkierung Kasusmarkierung Chantal 3; 6,0 (MLU 3,70) 4; 0,19 (MLU 4,34) Aurelio 4; 0,9 (MLU 4,47); noch nicht abgeschlossen Carlotta 4; 6,29 (MLU 5,03) 4; 8,11 (MLU 4,85) Jan Philip 4; 9,16 (MLU 4,29) 5; 0,8 (MLU 4,13); Genitiv noch nicht aufgetreten Luca Daniele 3; 10,29 (MLU 4,15) 4; 0,5 (MLU 3,99); noch nicht abgeschlossen Lukas 5; 0,2 (MLU 4,2); noch nicht abgeschlossen Marta 4; 0,13 (MLU 5,54); noch nicht abgeschlossen Im Folgenden werden nun die erforderlichen Daten präsentiert, um die zweite Hyothese zu bearbeiten. 201 5.4.3.2 Ergebnisse zur Fragestellung II: Erwerben die bilingual deutschitalienischen Kinder die Kasuszuweisung beim attributiven Adjektiv wie die monolingual deutschen Kindern? Kasusmarkierung an attributiven Adjektiven in nicht-präpositionalen Phrasen Sowohl die bilingualen Kinder als auch das monolinguale Mädchen wiesen keine Schwierigkeiten beim Erwerb der Kasusmarkierung und -zuweisung beim attributiven Adjektiv auf, wenn diesem keine Präposition, die als Kasusauslöser fungiert, vorausging (Tabelle 54). Tabelle 54: Überblick über die Kasusmarkierung und -zuweisung ausschließlich von attributiven Adjektiven in DPn ohne einleitende Präpositionen in Bezug auf die jeweilige zu dem Zeitpunkt des Auftretens bestehende MLU-Phase. Die MLU-Phasen wurden in aufsteigender Reihenfolge von 1 bis 5,49 mit einem Abstand von 0,5 gruppiert. Alle Kinder wurden bis zum Alter von etwa vier Jahren beobachtet, mit Ausnahme von Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas, die bis zum Alter von fünf Jahren und länger beobachtet wurden. Die verwendeten attributiven Adjektive sind in der folgenden Reihenfolge klassifiziert zielsprachlich/ nicht-zielsprachlich/ keine Kasusmarkierung. Phasen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 MLU 1,0 - 1,49 1,5 - 1,99 2,0 - 2,49 2,5 - 2,99 3,0 - 3,49 3,5 - 3,99 4,0 - 4,49 4,5 - 4,99 5,0 - 5,49 Chantal 2/ 2/ 0 2/ 0/ 0 12/ 0/ 3 20/ 0/ 0 3/ 0/ 0 37/ 0/ 1 44/ 0/ 0 14/ 0/ 1 - Aurelio - - 4/ 0/ 1 - 7/ 0/ 1 6/ 0/ 0 25/ 2/ 1 - - Carlotta - - 6/ 0/ 3 7/ 0/ 0 19/ 0/ 4 30/ 0/ 1 59/ 0/ 2 92/ 1/ 2 52/ 0/ 0 Jan Philip - - 6/ 1/ 0 12/ 1/ 2 20/ 0/ 0 33/ 1/ 0 15/ 0/ 0 6/ 0/ 0 4/ 1/ 0 Luca Daniele - 2/ 0/ 0 3/ 0/ 0 15/ 0/ 1 6/ 1/ 0 15/ 0/ 1 8/ 0/ 1 1/ 0/ 0 - Lukas - - - 5/ 0/ 1 5/ 0/ 1 41/ 4/ 3 50/ 1/ 0 25/ 0/ 0 3/ 0/ 0 Marta - - 0/ 0/ 2 4/ 0/ 0 13/ 0/ 2 9/ 0/ 2 9/ 0/ 0 - - Die bilingualen Kinder haben mit dem monolingualen Mädchen folgendes gemeinsam: a) Keines der Kinder wies Abweichungen von der Erwachsenensprache in einer so großen Anzahl auf, als dass von einem fehleranfälligen Bereich auszugehen ist. Allerdings enthielt die Sprache eines bilingualen Kindes, Aurelio, bis zum Alter von 4; 0,9 noch nicht- 202 zielsprachliche Äußerungen sowohl in nominativals auch akkusativfordernden Kontexten. b) Alle Kinder wiesen dieselben Fehlerkategorien auf: (1) Nom/ AKK, (2) Akk/ NOM (Tabelle 55) und (3) attributive Adjektive ohne Kasusmarkierung. c) Keines der Kinder verwendete den Dativ in einer DP ohne einleitende Präposition. d) Der Dativ wurde niemals in nominativ- oder akkusativfordernden Kontexten gebraucht. Die bilingualen Kinder unterschieden sich von dem monolingualen Mädchen im Folgenden: e) Im Gegensatz zu den bilingualen Kindern zeigte das monolinguale Mädchen lediglich zwei Fehler infolge der Wahl des nicht-zielsprachlichen Kasus in der MLU-Phase 1 (MLU 1 - 1,49). Im weiteren Verlauf fanden sich nur noch wenige Fehler in Form des Auslassens einer Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv. f) Die ersten Äußerungen, die attributive Adjektive mit Kasuszuweisung enthielten, traten im Vergleich mit dem monolingualen Mädchen später auf, ab der Phase 3 (MLU 2,0 - 2,49). Ausnahmen stellten dar Luca Daniele, bei dem die ersten attributiven Adjektive in der MLU-Phase 2 (MLU 1,5 - 1,99) aufgezeichnet wurden, und Lukas, der erst in der MLU-Phase 4 (MLU 2,5 - 2,99) eine entsprechende Äußerung tätigte. g) Auch wenn in den sich anschließenden MLU-Phasen insgesamt wenige Fehler fanden, so dauerte die Unsicherheit bei den bilingualen Kindern länger an. Dies galt insbesondere für Aurelio. Tabelle 55: Anzahl der Kasusfehler und der zielsprachlichen Verwendung von Nominativ und Akkusativ. Alle Kinder wurden bis zum Alter von etwa vier Jahren beobachtet, mit Ausnahme von Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas, die bis zum Alter von fünf Jahren und länger beobachtet wurden. Marta verwechselte niemals den Nominativ mit dem Akkusativ oder umgekehrt. Kinder Fehlerart Zielsprachliche Verwendung Nom/ AKK Akk/ NOM Nominativ Akkusativ Chantal 2 - 73 61 Aurelio 1 1 25 19 Carlotta 1 - 123 138 Jan Philip 3 1 41 55 203 Kinder Fehlerart Zielsprachliche Verwendung Nom/ AKK Akk/ NOM Nominativ Akkusativ Luca Daniele - 1 26 21 Lukas 2 2 68 56 Marta - - 21 12 Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv in Präpositionalphrasen Die Kasusflexion, die an ausschließlich den Akkusativ regierende Präpositionen gebunden ist, stellte für keines der Kinder ein Problem dar. Die verlängerte Beobachtung von Chantal, Carlotta, Jan Philip, und Lukas ergab, dass die Kinder auch in einem späteren Erwerbsverlauf keine Schwierigkeiten mit diesem Bereich hatten. Wie in Tabellen 56 und 57 gezeigt, waren alle Verwendungen zielsprachlich, unabhängig von der Art des bei den Kindern vorliegenden Bilinguismus. Tabelle 56: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven in DPn mit einleitenden Präpositionen, die ausschließlich den Kasus Akkusativ regieren, bei allen Kindern. Die dargestellten Daten beziehen sich auf einen Beobachtungszeitraum von vier Jahren, für den von allen Kindern Transkripte vorlagen. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nicht-zielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Nur den Akkusativ regierende Präpositionen gegen für durch Gesamt Kinder Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 4 - 3 - 7 - Aurelio 1 - - - - - 1 - Carlotta - - 1 - - - 1 - Jan Philip - - 1 - - - 1 - Luca Daniele - - 4 - - - 4 - Lukas - - - - - - - - Marta - - - - - - - - 204 Tabelle 57: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven in DPn mit einleitenden Präpositionen, die ausschließlich den Kasus Akkusativ regieren, bei den Kindern Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas bis zum Alter von fünf Jahren und länger. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nicht-zielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Nur den Akkusativ regierende Präpositionen gegen für durch Gesamt Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 4 - 3 - 7 - Carlotta - - 2 - - - 2 - Jan Philip - - 2 - - - 2 - Lukas - - 2 - - - 2 - Hingegen wiesen die Kinder Schwierigkeiten beim Erwerb der Dativformen auf, die in dem Beobachtungszeitraum nur in Präpositionalphrasen auftraten. Die Präpositionen, mit denen die Kinder Schwierigkeiten hatten, den erforderlichen Kasus richtig zu wählen, waren (a) die nur den Dativ regierenden Präpositionen aus, bei, zu, mit und von; sowie (b) die Wechselpräpositionen auf und in (Tabellen 58, 59, 60 und 61). 205 Tabelle 58: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven mit ausschließlich den Dativ regierenden Präpositionen bei allen Kindern bis zum Alter von vier Jahren. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nicht-zielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Nur den Dativ regierende Präpositionen aus bei von zu mit Gesamt Kinder Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 3 1 - 1 - - 2 1 5 3 Aurelio - - - - - - - - 1 - 1 - Carlotta - - - - - - - - - 4 - 4 Jan Philip - - - - - - - - - 1 - 1 Luca Daniele - - - - - - - 2 - 3 - 5 Lukas 1 1 - - 2 - - 1 - - 3 2 Marta - - - - - - - - - - - - Tabelle 59: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven mit ausschließlich den Dativ regierenden Präpositionen bei den Kindern Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas bis zum Alter von fünf Jahren und länger. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nicht-zielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Nur den Dativ regierende Präpositionen aus bei von vor zu mit Gesamt Kinder Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 3 - - 1 - - 1 - 6 1 10 2 Carlotta - - 2 1 1 - - - - 1 2 7 5 8 Jan Philip - - - - 1 - - - - - 3 1 4 1 Lukas 1 1 - - 4 - - - - 1 - 1 5 3 206 Tabelle 60: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven, denen Wechselpräpositionen vorangehen, bei allen Kindern bis zum Alter von vier Jahren. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nicht-zielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Alle die im Kasus nicht-zielsprachlich flektierten attributiven Adjektive, denen eine Wechselpräposition voranging, wiesen mit Akk./ DAT. (und niemals Dat./ AKK.) dieselbe Fehlertypologie auf. Wechselpräpositionen an auf über in unter Gesamt Kinder Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 1 1 1 - 1 1 - - 3 2 Aurelio - - 1 - - - 1 - - - 2 - Carlotta - - - - - - - 1 - - - 1 Jan Philip - - - - - - 2 - - - 2 - Luca Daniele - - 3 - - - - 1 - - 4 - Lukas - - 1 - - - 1 - - - 2 - Marta - - - - - - 1 1 - - 1 1 207 Tabelle 61: Überblick über die Verwendung von attributiven Adjektiven, denen Wechselpräpositionen vorangehen, bei den Kindern Chantal, Carlotta, Jan Philip und Lukas bis zum Alter von fünf Jahren und länger. Die Verwendungen wurden in zielsprachlich (Z) und nicht-zielsprachlich (N-Z) klassifiziert. Für die Zusammenstellung der nicht-zielsprachlich kasusflektierten attributiven Adjektive wurden nur die nichtzielsprachlichen Äußerungen berücksichtigt, bei denen die Nichtzielsprachlichkeit eindeutig auf einen Kasusfehler zurückgeführt werden konnte. Alle die im Kasus nicht-zielsprachlich flektierten attributiven Adjektive, denen eine Wechselpräposition voranging, wiesen mit Akk./ DAT. (und niemals Dat./ AKK.) dieselbe Fehlertypologie auf. Wechselpräpositionen an auf über vor in unter Gesamt Kinder Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Z N-Z Chantal - - 5 1 1 - - - 2 1 1 - 9 2 Carlotta - - 1 1 - - 1 - 7 1 - - 9 2 Jan Philip 3 - - - - - - - 7 2 - - 10 2 Lukas - - 2 - - - - - - - - - 2 - 5.4.3.3 Ergebnisse im Vergleich mit der Kasusentwicklungssequenz von Clahsen (1984) Die untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kinder ebenso wie das monolingual deutsche Mädchen folgten demselben Entwicklungsverlauf, den Clahsen (1984) bei monolingual deutschen Kindern gefunden hatte. Allerdings fielen auch Unterschiede auf, die am ehesten auf die unterschiedlichen Bereiche, in denen die Kasusmarkierung in der vorliegenden Arbeit sowie in der von Clahsen analysiert wurde, zurückzuführen waren. Die Untersuchung der Kasuszuweisung zu den attributiven Adjektiven ergab a) ein vollständiges Fehlen der Stufe I (MLU -1,75), von Clahsen (1984) als „ keine Markierung “ bezeichnet. Dieser Unterschied beruht auf der Besonderheit der vorliegenden Arbeit. Angesichts der Analyse der Kasusmarkierung beim attributiven Adjektiv wurden nur NPn berücksichtigt, die mindestens zwei Komponenten, Adjektiv und Substantiv, enthielten. Somit weist die Sprache des Kindes in dem Moment, in dem die ersten attributiven Adjektive erscheinen, bereits ein teilweise entwickeltes Kasussystem auf. 208 b) das Fehlen auch der Stufe II. Es fanden sich zwar attributive Adjektive in nicht-kasusflektierter Form, allerdings waren sie weder zahlreich noch fanden sie sich ausschließlich in einer bestimmten Stufe. c) den Nachweis von Charakteristika der Stufe III, der vielleicht wichtigsten für die durchgeführte Analyse. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Clahsen (1984) an monolingual deutschen Kindern zeigten auch die Daten zur Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv bei den hier untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kindern und dem monolingual deutschen Mädchen folgendes: 1. Gebrauch des Nominativs in akkusativfordenden Kontexten, wenn auch in sehr geringer Anzahl 2. Gebrauch des Nominativs in dativfordenden Kontexten. Da nicht immer eindeutig war, ob das Kind den Nominativ oder den Akkusativ verwendete, wurden solche Fälle in der Fehlerkategorie „ Nom. oder Akk./ DAT. “ gruppiert. 3. Erwerben der Akkusativformen eher als die Dativformen 4. Verwenden der Dativformen erst dann, wenn die Akkusativformen schon stabiler Teil der kindlichen Grammatik waren. 5. Seltener Gebrauch von Dativformen 6. Übergeneralisieren der Akkusativformen auf dativfordende Kontexte, und niemals umgekehrt 7. Die initiale Tendenz, den Kasus beim Adjektiv, aber nicht beim bestimmten Artikel zu markieren. Schlussfolgerungen Die untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kinder sowie das monolingual deutsche Mädchen folgten einem ähnlichen Kasusentwicklungsverlauf wie die von Clahsen (1984) beobachteten monolingual deutschen Kinder. Mit Absicht wird an dieser Stelle der Begriff Kasusentwicklungsverlauf und nicht der von Clahsen (1984) eingeführte Begriff Kasusentwicklungssequenz verwendet, da sich nicht eine klare Abfolge der ersten beiden Stufen zeigte. Bei der Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv waren die ersten beiden Stufen nach Clahsen nicht zu identifizieren. Ferner verwendeten die untersuchten Kinder, wenn auch selten, unflektierte Adjektive und ohne, dass diese in einer Stufe bevorzugt auftraten (Tabelle 62). 209 Tabelle 62: Anzahl der unflektierten Adjektive bei den untersuchten Kindern im Deutschen in den Stufen I - III nach Clahsen (1984). Kinder Stufe I Stufe II Stufe III Beobachtung bis zum Alter Chantal 3 1 3 5; 0,11 Aurelio 1 1 1 4; 0,28 Carlotta 3 5 3 5; 7,24 Jan Philip 1 1 1 5; 0,8 Luca Daniele 0 0 3 4; 0,5 Lukas 1 4 1 5; 0,2 Marta 2 3 3 4; 0,13 Die dritte Stufe erschien sich bereits mit sehr niedrigen MLU-Werten (MLU - 2,75) abzuzeichnen. Auch fanden sich klare Hinweise auf die Stufen IIIa und IIIb sowohl bei dem monolingualen Mädchen als auch bei den bilingualen Kindern (Tabelle 63). Tabelle 63: Entwicklungssequenz des Kasuserwerbs nach Clahsen (1984) und Entwicklungsverlauf der Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv bei dem monolingualen Kind Chantal und den bilingual deutschitalienischen Kindern. Phasen nach Clahsen (1984) an monolingual deutschen Kindern Die monolingual deutsche Chantal Die bilingual deutschitalienischen Kinder Keine Markierung Stufe I (MLU 16 -2,75) Nicht möglich diese Phase am attributiven Adjektiv zu finden. Nicht möglich diese Phase am attributiven Adjektiv zu finden. Kasusneutrale Markierungen Stufe II (MLU 2,75 - 3,5) Chantal verwendete nicht flektierte Formen des attributiven Adjektivs in sehr geringer Anzahl. Diese waren in Stufe III häufiger als in Stufe II, aber nicht ausreichend, um von einer Phase zu sprechen. Die bilingualen Kinder verwendeten nicht flektierte Formen des attributiven Adjektivs in sehr geringer Anzahl. Diese traten sowohl in Stufe II als auch in Stufe III auf und rechtfertigen es nicht, von einer Phase zu sprechen. 16 Da die MLU-Werte bei den untersuchten Kindern nicht demselben Alter entsprachen, wurde darauf verzichtet, auch das Alter anzugeben. 210 Phasen nach Clahsen (1984) an monolingual deutschen Kindern Die monolingual deutsche Chantal Die bilingual deutschitalienischen Kinder Auftreten erster kasusmarkierter Formen Stufe III (MLU +3,5) Die ersten kasusmarkierten Formen traten bereits in der Stufe I auf. Die ersten kasusmarkierten Formen traten in der Stufe III auf, mit Ausnahme von Luca Daniele (Stufe II). Übergeneralisierung der Akkusativformen Stufe IIIa Der Akkusativ wird zunächst in dativfordernden Kontexten übergeneralisiert. Auch Chantal hat dieses Stadium erreicht. Auch die bilingualen Kinder haben dieses Stadium erreicht, mit Ausnahme von Aurelio und Marta, die nicht bis zum Erreichen dieses Stadiums beobachtet wurden. Auftreten der Dativformen Stufe IIIb Am Ende der Stufe III ist die Differenzierung zwischen Dativ und Akkusativ zu erkennen. Auch Chantal hat dieses Stadium erreicht. Auch die bilingualen Kinder haben dieses Stadium erreicht, mit Ausnahme von Luca Daniele und Lukas. Luca Daniele wurde nur bis zum 4. Lebensjahr beobachtet. 5.4.4 Diskussion Die Ausgangsfrage dieser Arbeit war es, ob der kindliche Bilinguismus im Deutschen sei es in der schwachen Sprache oder in der starken Sprache dem Spracherwerb des monolingualen Kindes oder dem Zweitspracherwerb (L2-Erwerb) ähnelt. Definitionsgemäß ist der Mutterspracherwerb weitestgehend abgeschlossen, wenn der L2-Erwerb einsetzt. Zur Beantwortung dieser Frage galt es sowohl die Erwerbsreihenfolge der beiden grammatischen Kategorien Genus und Kasus als auch den Erwerb des Kasusmarkierungssystems beim attributiven Adjektiv im Deutschen zu beobachten. Besonderes Augenmerk lag auf den mit dem Erwerb dieser Formen verbundenen Schwierigkeiten und den daraus resultierenden Fehlern. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass sowohl das monolinguale Mädchen als auch die bilingualen Kinder nicht die Phase durchmachten, die Wegener (1995) in ihrer Arbeit an L2-Lernern als Syntaktische Uminterpretation der Genusmarker in Kasusmarker bezeichnete. Ein ähnliches Phänomen hatte bereits Meisel (1986) in seiner Studie an bilingual deutsch-französischen Kindern beschrieben. Ein Grund, dass in den Daten der vorliegenden Arbeit ein solches Phänomen nicht auftrat, ist möglicherweise darin zu sehen, dass sich diese Arbeit auf den Kasus beim attributiven Adjektiv konzentrierte, während Meisel (1986) und Wegener (1995) den Kasus auch bei anderen grammatischen Elementen untersuch- 211 ten, wie etwa dem bestimmten und unbestimmten Artikel und den Possessiva. Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten vielmehr daraufhin, dass sowohl das monolinguale Mädchen als auch die bilingualen Kinder (Carlotta mit balanciertem Bilinguismus, und Jan Philip mit Dominanz im Deutschen) den Erwerb der beiden Kategorien des Kasus und des Genus in derselben Reihenfolge abschlossen, nämlich: Genusmarkierung > Kasusmarkierung. Dies steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Ergebnissen von Bittner (2006) an monolingual deutschen Kindern und von Wegener (1992, 1995) an L2-Lernern des Deutschen. In ihrer Untersuchung des Kasus beim bestimmten Artikel in pronominaler und adnominaler Funktion fand Bittner (2006) Hinweise, dass bei monolingual deutschen Kindern der Erwerb der Kasuszuweisung vor dem der Genuszuweisung beginnt: „ [. . .] Acquisition of case starts much earlier than suggested so far, namely right after the acquisition of distinct article forms. The nominative is not merely a domain of gender but should be considered to have a certain argument position marked by a certain article form. [. . .] The gender property of the noun or more likely, certain form-form relations of articles come into play in dative phrases which become productive about 6 months after the emergence of the case related opposition. “ (Bittner, 2006). Allerdings soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass sich die vorliegende Arbeit auf die Analyse von Adjektiven beschränkte und nicht alle grammatischen Kategorien einschloss, an denen Kasus und Genus markiert werden. Zudem wurde nicht der Zeitpunkt untersucht, zu dem das Genuszuweisungsystem und das Kasuszuweisungssystem erstmals in der Sprache des Kindes auftraten, sondern vielmehr der Moment, zu dem die beiden Systeme als stabil und vollständig erworben betrachtet werden konnten. Die Ergebnisse meiner Arbeit lassen vermuten, dass beide Kategorien gleichzeitig erworben werden, dass aber der Genuserwerb vor dem Kasuserwerb Vorrang hat und deshalb der Erwerb der Genuszuweisung vor dem der Kasuszuweisung endet. Somit widersprechen sich die Daten der vorliegenden Arbeit nicht mit denen von Bittner (2006), sondern werfen vielmehr Licht auf einen Aspekt, der noch nicht hinreichend untersucht wurde, weder in monolingualen noch in bilingual deutsch-italienischen Kindern. Allerdings stehen die Ergebnisse dieser Arbeit in klarem Widerspruch mit denen von Wegener (1992, 1995), die bei der Analyse des Genuserwerbs des Deutschen im natürlichen Zweitspracherwerb fand, dass die untersuchten L2-Kinder den Erwerb der drei Kategorien Genus, Numerus und Kasus in der folgenden Reihenfolge vollendeten: 212 Numerus > Kasus > Genus (Wegener, 1992: 278). Mögliche Gründe für die beschriebenen Unterschiede können in dem unterschiedlichen Alter der untersuchten Kinder (Alter der Kinder in der vorliegenden Arbeit: 1,5 bis 6 Jahre vs. Alter der Kinder in der Arbeit von Wegener: 7 bis 10 Jahre) und in den verschiedenen erworbenen Mechanismen liegen, die abhängig vom Alter aktiviert werden. So ist etwa der Erwerb der Genuszuweisungsregeln und Kasuszuweisungsregeln zum einem mit der kognitiven Entwicklung des Kindes verbunden und zum anderen mit den kommunikativen Erfordernissen. Diese beiden Faktoren sind nicht allein wechselseitig voneinander abhängig, sondern auch direkt von dem Alter des Kindes. Möglicherweise ist ein Kind im Alter von sieben bis zehn Jahren, dem Alter der von Werner untersuchten L2-Lernern (1992,1995), schon so weit entwickelt, sowohl kognitiv als auch in seinen kommunikativen Bedürfnissen, dass der Erwerb der Genuszuweisung in der L2 schwieriger wird und längere Zeit andauert. Dazu könnte auch beitragen, dass die Kinder die Abdingbarkeit des Genus erkennen, insbesondere wenn in der Muttersprache das Genussystem nicht existiert oder nicht so komplex ist wie das deutsche oder die Kinder transferieren die Parameter der Genuszuweisung von der Muttersprache zu Deutsch als L2, was dazu führt, „ dass [. . .] kommunikative Bedürfnisse bei älteren Kindern [. . .] naturgemäß größer und stärker ausgeprägt als bei Kleinkindern [sind, SR], sodass hier ein kausaler Zusammenhang zwischen der kommunikativen Notwendigkeit und den sie befriedigenden sprachlichen Formen in dem Sinne vorstellbar ist, dass die Funktionen den Erwerb der Formen auslösen. “ (Wegener, 1995: 21). Der Zusammenhang zwischen der Balanciertheit des Bilinguismus und der Erwerbsreihenfolge konnte nicht bei allen Kindern beobachtet werden. Grund dafür war, dass nicht alle Kinder den Erwerb beider Systeme abgeschlossen hatten. Zumindest lässt sich sagen, dass die balancierten Kinder sowie die Kinder mit Deutsch als dominanter Sprache zunächst den Erwerb der Genuszuweisung abschlossen und dann den der Kasuszuweisung. Leider reichten die Daten zur Sprachproduktion von Aurelio, dem einzigem Kind mit Deutsch als schwacher Sprache, nicht aus, die Reihenfolge, in der er die Genus- und Kasusflexion erwarb, festzulegen, da er bis zum Ende des Beobachtungszeitraums weder die eine noch die andere stabil erworben hatte. Somit bleibt die Frage, ob das bilingual deutschitalienische Kind mit Deutsch als schwacher Sprache das Genus- und Kasusmarkierungssystem in derselben Reihenfolge erwirbt wie das monolinguale Kind in dieser Arbeit unbeantwortet. 213 Der Vergleich zwischen Chantal und den bilingualen Kindern ergab zudem einen relevanten zeitlichen Vorteil für das monolinguale Mädchen sowohl beim ersten Auftreten als auch beim Erwerb des Genus- und Kasusmarkierungssystems am attributiven Adjektiv. Dieses Ergebnis steht zwar im Widerspruch zu den Arbeiten von Meisel (1986: 166), nach dem bilinguale Kinder Kasusmarkierungen früher als monolinguale verwenden, bestätigt aber die Daten von Arencibia Guerra (2008), die feststellte, dass bilinguale Kinder einige Bereiche mit einer Verzögerung im Vergleich zu monolingualen Kindern erwerben. In Übereinstimmung damit waren Chantal und Carlotta die einzigen, die in den ersten vier Lebensjahren in einer stabilen Art alle vier Kasus erwarben. Wie bereits in vorherigen Arbeiten für monolingual deutsche Kinder (Clahsen, 1984; Tracy, 1986; Clahsen, Eisenbeiß & Vainikka, 1994) und bilingual deutsch-französische Kinder (Meisel, 1986), beschrieben wurde, folgten auch das hier untersuchte monolingual deutsche Mädchen und eines der bilingual deutsch-italienischen Kinder der Kasuserwerbsreihenfolge Nominativ > Akkusativ > Dativ > Genitiv, auch wenn der Genitiv bei Chantal und Carlotta nur einmal, aber in diesem Falle zielsprachlich, verwendet wurde. Nicht alle bilingualen Kinder folgten dieser Reihenfolge. Einen besonderen Fall stellte Jan Philip dar, der bei der Verwendung des Nominativs im Alter von 4; 10 noch Fehler machte. Abgesehen von dem beschriebenen zeitlichen Vorteil des monolingualen Kindes im Vergleich mit den bilingualen Kindern, deuten die Daten dieser Arbeit auf einige Ähnlichkeiten mit der Kasuserwerbssequenz von Clahsen (1984) hin, sowohl für die monolingualen als auch für die bilingualen Kinder. Die Beobachtung, dass am attributiven Adjektiv das Kasuszuweisungssystem nach dem Genuszuweisungssystem erworben wird und dass der Kasus Dativ erst dann auftritt, wenn der Akkusativ fester Bestandteil des grammatischen Inventars des Kindes ist, kann als Folge eines höheren Schwierigkeitsgrades des Kasussystems gegenüber dem Genussystem sowie des Dativs gegenüber dem Akkusativ gedeutet werden. In Übereinstimmung mit dieser Annahme finden sich ausschließlich Fehler in der Richtung Akk/ DAT und niemals in der Richtung Dat/ AKK sowohl in DPn mit begleitenden Präpositionen, die allein den Kasus Dativ regieren, als auch in DPn mit Wechselpräpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren können. Mit letzteren hatten die Kinder nur Schwierigkeiten, wenn diese den Dativ regierten. Bei den Kindern, von denen Transkripte bis zum fünften Lebensjahr vorlagen, zeigten sich Schwächen bei der Verwendung des Dativs nahezu bis zum fünften Lebensjahr. Zudem verwendeten die bilingualen Kinder in dem Beobachtungszeitraum den Dativ nicht außerhalb von DPn mit begleitenden Präpositionen. Anders verhielt es sich mit dem Akkusativ. Die bilingualen Kinder hatten keinerlei Schwierigkeiten mit der Kasusflexion am attributiven Adjektiv weder in DPn mit begleitenden Präpositionen, die ausschließlich den 214 Akkusativ erforderten, noch in DPn mit Wechselpräpositionen, wenn sie den Akkusativ regierten. Somit stehen die Ergebnisse in Teilen im Widerspruch zu Meisel (1986) und Schmitz (2006). Nach Meisel (1986) weisen bilinguale Kinder keine Schwierigkeiten mit der Kasusflexion des attributiven Adjektivs auf, wenn diesem eine Präposition vorangeht, die immer denselben Kasus regiert, sei es den Akkusativ oder den Dativ. Hingegen kam Schmitz (2006) zu dem Ergebnis, dass die von ihr untersuchten bilingualen Kinder Schwierigkeiten mit der Kasusflexion des attributiven Adjektivs hatten, auch wenn diesem eine Präposition voranging, die immer denselben Kasus regiert, unabhängig davon, ob es sich um eine den Dativ fordernde oder eine den Akkusativ fordernde Präposition handelte. Der größere Schwierigkeitsgrad bei dem Erwerb des Dativs im Vergleich zum Akkusativ kann zum einen Folge des selteneren Gebrauchs des Dativs als des Akkusativs in der Erwachsenensprache und zum anderen Folge der besonderen Morphologie der der deutschen Sprache spezifischen Kasusmarkierung am Adjektiv sein, die sich durch einen Reichtum an Homophonie, Multifunktionalität und der großen Anzahl phonetisch nicht-salienter Formen auszeichnet. Schließlich ist anzunehmen, dass die Kinder zunächst ein zweiteiliges Kasussystem erwerben, das aus Nominativ und Akkusativ besteht und in dem der Akkusativ auch zur Markierung des Dativs dient. Die zusätzliche Differenzierung zwischen Akkusativmarkierung und Dativmarkierung am attributiven Adjektiv wird von den Kindern erst später und nach und nach erworben, in Übereinstimmung mit dem von Clahsen (1984) aufgestellten Modell. Auch wenn die Reihenfolge des Erwerbs der Akkusativ- und Dativmarkierung bei allen Kindern gleich war unabhängig von der Art ihres Bilinguismus, so waren doch die erforderlichen Zeiten für einen vollständigen und stabilen Erwerb der beiden Genus- und Kasusmarkierungssysteme bei einem Kind verzögert, bei dem die deutsche Sprache besonders schwach war. Somit bestand ein direkter Zusammenhang zwischen der Sprachdominanz und der Sprachentwicklung eines Kindes. Ausblick Da die vorliegende Arbeit ausschließlich den Erwerb des Genussystems und des Kasussystems am attributiven Adjektiv untersucht hat und somit nicht auszuschließen ist, dass sowohl die bilingualen als auch die monolingualen Kinder bei anderen grammatischen Kategorien, wie etwa den bestimmten und unbestimmten Artikeln, Unterschiede in den Zeitpunkten des Erwerbs und anderen Erwerbstendenzen aufzeigen, sollte der Erwerb dieser grammatischen Strukturen in zukünftigen Arbeiten analysiert werden. Zudem umfasste diese Arbeit nur ein Kind mit einem unbalancierten 215 Bilinguismus und mit Deutsch als schwacher Sprache, dessen Entwicklung im Beobachtungszeitraum nicht abgeschlossen war. Da es sich um die schwache Sprache handelte, benötigte das Kind vermutlich eine längere Zeit zum Erwerb der entsprechenden grammatischen Elemente. Aus diesem Grunde sollte zur Beantwortung der Fragestellung in zukünftigen Arbeiten bei unbalancierten Kindern ein längerer Beobachtungszeitraum gewählt werden. 5.5 Hypothese 5: Der nichtzielsprachliche Adjektivgebrauch der Kinder läßt sich auf den Input, dem sie ausgesetzt sind, zurückführen. Der Frage nach einem möglichen Einfluß des elterlichen Sprachinputs beim Adjektiverwerb des bilingual deutsch-italienischen Kindes sollte auf der Basis der Interviews mit den Eltern der im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Kinder nachgegangen werden. 5.5.1 Methoden 5.5.1.1 Elterninterviews Eine genaue Beschreibung der Interviewsituation und der interviewten Eltern ist dem Kapitel 4.4.4 zu entnehmen. Insgesamt lagen vier Interviews in italienischer Sprache und vier in deutscher Sprache vor, mit einer mittleren Dauer von 41 Minuten. 5.5.1.2 Beobachtungszeitraum der Kinder Die Hypothese wurde auf der Grundlage der Sprachproduktion von vier Kindern analysiert, von deren Eltern der sprachliche Input inform von Elterninterviews aufgezeichnet worden war. Die Sprache der Kinder wurde in dem Zeitraum von der ersten Verwendung eines prädikativen Adjektivs bis zum Alter von etwa dreieinhalb Jahre beobachtet (Tabelle 64). Die Wahl dieses Zeitraums begründet sich wie folgt. Studien an monolingual italienischen Kindern ergaben, dass diese im Alter von drei Jahren den Erwerbsprozess des Flexionssystems des Adjektivs abgeschlossen haben (Chini, 1995). Angesichts einer diskreten Zeitverzögerung in dem Erwerbsprozess einiger linguistischer Phänomene bei bilingualen Kindern (Arencibia Guerra, 2008), wurde der Beobachtungszeitraum um ca. sechs Monate verlängert. Die einzige Ausnahme stellte der Erwerb der prädikativen Adjektive bei Luca Daniele dar, der bis zum Alter von 3; 2,26 beobachtet wurde. Die Verkürzung des Beobachtungszeitraums ergab sich 216 daraus, dass seine Sprache bereits zum diesem Zeitpunkt keine relevanten Fehler beim Gebrauch sowohl des Genus als auch des Numerus der prädikativen Adjektive aufwies. Tabelle 64: Beobachtungszeitraum der vier bilingualen Kinder Carlotta, Marta, Luca Daniele und Jan Philip. Kinder Beobachtungszeitraum Beginn Ende Carlotta 1; 8,28 3; 6,3 Marta 1; 10,2 3; 5,11 Luca Daniele 1; 9,7 3; 5,27 17 Jan Philip 2; 3,26 3; 5,24 5.5.2 Ergebnisse 5.5.2.1 Die Sprache der Väter (Deutsch) Von den Vätern von Lukas, Jan Philip, Marta und Carlotta lagen Interviews vor. In allen Fällen war die Muttersprache der Väter Deutsch. Die im Rahmen der aufgezeichneten Gespräche analysierte Sprache der Väter wies keine nicht-zielsprachliche Äußerungen auf, weder die Grammatik betreffende noch lexikalische und entsprach dem System Erwachsener. Da sich der mögliche Einfluß des sprachlichen Inputs beim bilingualen Kind letztlich nur mittels Fehler der Personen, die in Kontakt zu den Kindern stehen, wie in diesem Fall die Väter, nachvollziehen lässt, war angesichts der Sprache der Väter, die der deutschen Standardsprache entsprach, eine Analyse nicht möglich. 5.5.2.2 Die Sprache der Mütter (Italienisch) als mögliche Einflußgröße beim Spracherwerb bilingualer Kinder Von den Müttern von Lukas, Jan Philip, Marta und Carlotta lagen Interviews vor. In allen Fällen war die Muttersprache der Mütter Italienisch. Zur Charakterisierung der Sprache der Mütter wurden zunächst die im Rahmen der Interviews aufgezeichneten nicht-zielsprachlichen Äußerungen zusammengestellt. Im Anschluß daran wurden die extrahierten Adjektive 17 Bei Luca Daniele wurden die prädikativen Adjektive nur bis zum Alter von 3; 2,26 beobachtet, da seine Sprache bereits zu diesem Zeitpunkt eine sichere zielsprachliche Verwendung sowohl des Genus als auch des Numerus der prädikativen Adjektive aufwies. 217 auf den nicht-zielsprachlichen Gebrauch der Flexion und der Position hin untersucht. Zum besseren Verständnis wurden die extrahierten Adjektive durchnummeriert. Unverständliche Teile der Antworten der Mütter wurden bei der Analyse nicht berücksichtigt. Nach der Analyse der nicht-zielsprachlichen Äußerungen der Mütter galt es zunächst zu überprüfen, ob sich bei den untersuchten Kindern ein entsprechender nicht-zielsprachlicher Adjektivgebrauch wie bei ihren Müttern fand, um, falls dies der Fall war, abschließend die Sprache des jeweiligen Kindes mit der der anderen Kinder, von deren Eltern der sprachliche Input vorlag, zu vergleichen. 5.5.2.2.1 Die Sprache von Marta und ihrer Mutter im Vergleich Die Mutter von Marta Die Mutter von Marta war die einzige bilingual deutsch-italienische Mutter. Nach dem Besuch einer deutschen Schule in Italien kam sie im Alter von 20 Jahren nach Deutschland. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie seit zwanzig Jahren in Deutschland. Über ihr Italienisch sagte sie: „ [. . .] io l ’ italiano insomma da vent ’ anni che non abito in italia, e da vent ’ anni che parlo più pochissimo l ’ italiano [. . .] quindi, il mio italiano è proprio, arruginito / [. . .] mi scossa il fatto di essere nata in italia cresciuta in italia averci vissuta per vent ’ anni e non saperlo più parlare ma m ’ inpapero proprio cioè mi mancano le parole, e penso che anche la grammatica visto che io ho fatto la scuola tedesca, è un po ’ - cioè non è la grammatica perfetta [. . .] “ (Pia, Mutter von Marta). Die Sprache von Martas Mutter wies Abweichungen von der Zielsprache in der Morphologie und bei den Hilfsverben der zusammengesetzten Verben auf. Auch fiel ein gelegentliches Zurückgreifen auf deutsche Substantive auf. Schließlich zeigte sich eine gewisse Unsicherheit in der Zuteilung des Genus zu Substantiven, des Genus der Personalpronomen im Akkusativ und Dativ und der Genusflexion des Partizip Perfekt. In Zusammenhang mit den qualifizierenden Adjektiven fand sich lediglich ein nicht-zielsprachlicher Gebrauch der Numerusflexion der II. Deklinationsklasse (111). Das attributive Adjektiv bilingue wurde im Singular verwendet, wo eigentlich die Pluralform erforderlich war. Ein derartiger nicht-zielsprachlicher Gebrauch war auch in der Sprache von Lucas Mutter festzustellen und wird an entsprechender Stelle im Detail besprochen. (111) [. . .] anche loro hanno i bambini perfettamente bilingue [. . .] anche loro hanno i bambini perfettamente bilingui [zielsprachlich] 218 In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam zu erwähnen, dass die Interviewführende ebenfalls das Adjektiv bilingue im Singular als auch im Plural unterschiedslos verwendete. Es ist also nicht auszuschließen, dass die bei Martas Mutter zu beobachtende Abweichung von der Zielsprache Folge des fehlerhaften Gebrauchs durch die Gesprächspartnerin war. Dafür würde auch sprechen, dass sich bei der Mutter von Marta nur diese eine nicht-zielsprachliche Äußerung in dieser Kategorie fand. Bei den Demonstrativa zeigte sich in zwei Gesprächssituationen der nicht-zielsprachliche Gebrauch des Artikels vor den Possesiva. Zudem verwendete Martas Mutter in einer Situation den bestimmten Artikel, wo er im Sprachsystem der Erwachsenen nicht erforderlich war (112), und ließ den Artikel an einer Stelle aus, wo das Erwachsenensystem ihn eigentlich vorsah (113) (Tabelle 65). (112) [. . .] viene lei col suo marito [. . .] [zielsprachlich: con suo] (113) Ma tuo ragazzo non è turco [. . .] [zielsprachlich: il tuo ragazzo]. Tabelle 65: Zielsprachliche und nicht-zielsprachliche Verwendungen des Artikels vor dem Possesivum bei Martas Mutter. Verwendung des Artikels mit den Possesiva Possesiva mit Artikel Possesiva ohne Artikel Zielsprachlich 15 4 Nicht-zielsprachlich 1 1 Gesamt 16 5 Marta Im Folgenden sollte der Frage nachgegangen werden, ob der Spracherwerb von Marta durch den von ihrer Mutter angebotenen Input beeinflusst wurde. Dazu wurden die folgenden Bereiche, die bei Martas Mutter durch nicht-zielsprachliche Verwendungen gekennzeichnet waren, untersucht: 1) die qualifizierenden Adjektive der II. Adjektivdeklinationsklasse und 2) die Verwendung des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Numerusflexion der Adjektive der II. Adjektivdeklinationsklasse. Es wurden sowohl die prädikativen als auch die attributiven Adjektive mit dem Flexionsaffix -e untersucht. Das Mädchen verwendete insgesamt 49 prädikative Adjektive der II. Deklinationsklasse, von denen 32 zielsprachlich im Singular gebraucht wurden. In den 8 Situationen, die den Plural verlangten, wurden die Adjektive dreimal (38 %) richtig und fünfmal (62 %) nicht-zielsprachlich flektiert. In den fünf Situationen, in denen der Numerus nicht-zielsprachlich war, verwendete Marta Singular anstelle 219 von Plural und zeigte dieselbe Tendenz wie ihre Mutter. In neun Fällen konnte das Adjektiv keinem Substantiv zugeordnet werden und die Daten waren somit nicht auswertbar. Verwendung des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Aus den Aufnahmen ergab sich, dass Marta 44 Mal zielsprachlich den Artikel vor die Possessiva stellte und dreimal den Artikel vor den Possessiva nicht-zielsprachlich ausließ. Hingegen gebrauchte sie kein Possessivum, bei dem der Artikel nicht erforderlich war. Aus diesem Grunde war es in diesem Fall nicht möglich, einen Vergleich zu ziehen mit der Abweichung von der Erwachsenensprache, die sich bei ihrer Mutter fand. An dieser Stelle war es von großem Interesse, Martas Sprachentwicklung in den beiden Bereichen Numerusflexion der Adjektive der II. Adjektivdeklinationsklasse und Verwendung des bestimmten Artikels vor den Possessiva mit der der anderen Kinder zu vergleichen, von denen der elterliche Input bekannt war. Marta im Vergleich mit den anderen Kindern Numerusflexion der Adjektive der II. Adjektivdeklinationsklasse. Marta verwendete prädikative Adjektive in 8 Kontexten, die den Plural erforderten. In 3 Fällen (38 %) gebrauchte sie zielsprachlich den Plural und in 5 Situationen (62 %) verwendete sie nicht-zielsprachlich die auf -e auslaufende Singularform, wo eigentlich die auf -i auslaufende Pluralform erforderlich gewesen wäre. Neben Marta fand sich auch bei Jan Philip und Luca Daniele jeweils eine Abweichung dieser Art von der Erwachsenensprache. In beiden Fällen handelte es sich um das einzige prädikative Adjektiv, das in der Pluralform verwendet werden mußte. Auch die Sprache der Mutter von Luca Daniele wies einen ähnlichen nicht-zielsprachlichen Gebrauch auf, nicht jedoch die Sprache von Jan Philips Mutter. Marta verwendete wie zwei weitere Kinder keine attributiven Adjektive im Plural. Allein Luca Daniele gebrauchte in einer Situation nicht-zielsprachlich die auf -e endende Singularform anstelle der erforderlichen auf -i endenden Pluralform. Insgesamt erscheint aufgrund der geringen Pluralformen eine abschließende Aussage darüber, ob in diesem grammatischen Bereich ein Einfluß durch den mütterlichen Input besteht, nicht möglich. Verwendung des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Alle vier Kinder gebrauchten Formen, bei denen der Artikel vor dem Possessivum nötig war. Wie in Tabelle 66 dargestellt, zeigte sich bei Luca Daniele, dessen Mutter den Artikel vor den Possessiva nicht-zielsprachlich ausließ, eine höhere Quote an nicht-zielsprachlichen Auslassungen mit sieben nicht- 220 zielsprachlichen von insgesamt fünfzehn Okkurrenzen. Allerdings wies auch die Mutter von Marta einen nicht-zielsprachlichen Gebrauch des Artikels vor den Possessiva auf, ohne dass die Sprache der Tochter entsprechende Abweichungen zeigte. Die vorliegenden Daten erlauben somit nicht den Rückschluss auf einen Einfluss des mütterlichen linguistischen Inputs, vielmehr scheint das Auftreten von Abweichungen von der Zielsprache in dieser Kategorie unabhängig von der Sprachpräzision der Mutter zu sein. Tabelle 66: Gebrauch des Artikels vor den Possessiva bei den vier bilingualen Kindern Marta, Carlotta, Jan Philip und Luca Daniele. Kind Artikel vor den Possessiva erforderlich Zielsprachlich (verwendet) Nicht-zielsprachlich (nicht verwendet) Nicht eindeutig Marta 44 (94 %) 3 (6 %) - Carlotta 39 (81 %) 8 (17 %) 1 (2 %) Jan Philip 9 (75 %) 3 (25 %) - Luca Daniele 8 (53 %) 7 (47 %) - 5.5.2.2.2 Die Sprache von Luca Daniele und seiner Mutter im Vergleich Die Mutter von Luca Daniele Zum Zeitpunkt des Interviews lebte die Mutter von Luca Daniele bereits seit 24 Jahren in Deutschland. Neben Luca Daniele hatte sie eine Tochter, Camilla, die 17 Jahre älter als Luca Daniele war und die nicht bilingual aufgezogen worden ist. Dies stand ganz im Gegensatz zu der eigentlich sehr positiven Einstellung gegenüber dem Bilinguismus, die sich auch in ihrem Entschluss zeigte, auch mit ihrer Enkelin Italienisch zu sprechen. Über ihr eigenes Italienisch sagte sie: „ [. . .] però nella sintassi [luca] spesso [. . .] cioè mette il verbo in fondo / il verbo all ’ infinito lo mette in fondo / questi errori no gli faccio / anche se mio italiano è molto ovviamente in questo ventiquattro anni [. . .] è cambiato molto cioè, impoverito tantissimo [. . .]. “ (Marina, Mutter von Luca Daniele). In Übereinstimmung mit ihrer Einschätzung wies ihr Italienisch zahlreiche nicht-zielsprachliche lexikalische und grammatische Elemente auf. Besonders betroffene Bereiche waren: der Gebrauch der Präpositionen, die Verwendung des bestimmten Artikels, die Konjugation der Verben, der Gebrauch der Pronomen und die Flexion des Partizip Perfekt. Die Unsicherheit mit dem Partizip Perfekt äußerte sich auch in einer nicht-ziel- 221 sprachlichen Wahl des Hilfsverbs. Darüber hinaus war ihre Sprache durch verschiedene, schwierig zu klassifizierende Abweichungen von der Zielsprache charakterisiert, die das Gesprochene zum Teil schwer verständlich machten. Bei der Analyse der qualifizierenden Adjektive ergaben sich Abweichungen von der Erwachsenensprache in den beiden folgenden Bereichen: 1) Genusflexion der Adjektive bezogen auf die Substantive im Plural der III. Nomendeklinationsklasse: Eine von vier verwendeten Formen war nicht-zielsprachlich (114). 2) Numerusflexion der Adjektive der II. Deklinationsklasse: In einem von sieben Fällen wurde nicht-zielsprachlich Singular anstelle von Plural verwendet (115). (114) “ [. . .] lo sai che anche le insegnanti eh - tedeschi, [zielsprachlich: tedesche] che ci sono a quella scuola non sono tenuti ad imparare italiano [. . .] “ (115) “ [. . .] anche una predisposizione delle persone che sono musicale [. . .] “ [zielsprachlich: musicali]. In den Beispielen (114) und (115) war die nicht-zielsprachliche Flexion der qualifizierenden Adjektive möglicherweise durch eine Besonderheit bedingt, die das Substantiv insegnante und das Adjektiv musicale gemeinsam haben. Im Singular weisen beiden die Markierung -e auf und im Plural werden beide durch -i markiert, unabhängig vom Genus des Nomens. Somit brachte die Mutter von Luca Daniele das Adjektiv mit dem Nomen aufgrund von Assonanz in Übereinstimmung, ohne das Genus des Substantivs zu beachten. Bei den bestimmenden Adjektiven fanden sich drei Abweichungen von der Zielsprache in den folgenden Bereichen: 1) Numerusflexion der Demonstrativa: Eine nicht-zielsprachliche unter 50 verwendeten Formen (116) 2) Der bestimmte Artikel vor den Possesiva: In einer von fünf Situationen wurde ein Possessivum nicht-zielsprachlich ohne den erforderlichen Artikel verwendet (117) (Tabelle 67). 3) Das Indefinitum qualche wurde in einem von vier Fällen mit einem Substantiv in der Pluralform verwendet, anstelle von der Singularform, die das Erwachsenensystem vorsah (118). (116) “ [. . .] In questo ventiquattro anni [. . .] “ In questi ventiquattro anni [zielsprachlich] (117) “ [. . .] anche se mio italiano è molto ovviamente [. . .] impoverito [. . .] “ anche se il mio [zielsprachlich] 222 (118) “ [. . .] qualche partecipanti di Donata che insegna [. . .] “ qualche partecipante [zielsprachlich] Tabelle 67: Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum bei der Mutter von Luca Daniele. Possessiva ohne Artikel Possessiva mit Artikel Zielsprachlich 7 4 Nicht-zielsprachlich 0 1 Gesamt 7 5 Luca Daniele Genusflexion der Adjektive bezogen auf die Substantive im Plural der III. Nomendeklinationsklasse (vgl. Kapitel 2.6). Die Deklination von Adjektiven, die sich auf Substantive der dritten Deklinationsklasse bezogen, war bei Luca Daniele in allen Fällen zielsprachlich. Numerusflexion der Adjektive der II. Deklinationsklasse (vgl. Kapitel 2.2.1.3). In der Sprachproduktion von Luca Daniele fand sich ein einziger Ausdruck, in dem ein prädikatives Adjektiv der II. Deklinationsklasse im Singular flektiert wurde, wo eigentlich die Pluralform erforderlich gewesen wäre. Wie bereits in dem Kapitel 5.5.2.2.1 dargestellt, bestanden in der Zusammenschau aller Kinder keine Hinweise darauf, dass der mütterliche linguistische Input entscheidenden Einfluss auf die Sprachproduktion bilingualer deutsch-italienischer Kinder hatte. Numerusflexion der Demonstrativa. Die Sprache von Luca Daniele wies eine zielsprachliche Numerusflexion der Demonstrativa auf. Gebrauch des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Luca Daniele war das einzige Kind, in dessen Sprache sich insgesamt sechs Beispiele von Possessiva ohne Artikel fanden. In fünf Fällen wurde das Possessivum nicht-zielsprachlich mit Artikel verwendet und in einem Fall zielsprachlich ohne Artikel. Wie bereits zuvor ausgeführt, kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass dieser Bereich durch den mütterlichen Input beeinflusst wurde, da die Mutter von Marta ebenfalls einen nicht-zielsprachlichen Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum zeigte, ohne dass sich diese Abweichung bei der Tochter fand. Indefinitum qualche. Das Indefinitum qualche stimmte in allen Fällen mit dem Numerus des entsprechden Substantiv überein. 223 5.5.2.2.3 Die Sprache von Carlotta und ihrer Mutter im Vergleich Die Mutter von Carlotta Die Mutter von Carlotta nahm eine sehr positive Haltung gegenüber dem Bilinguismus ein, bestärkt auch durch die Erfahrungen, die sie in diesem Bereich gemacht hatte. 18 Über den Bilinguismus der eigenen Tochter sagte sie: „ [. . .] in fondo Carlotta in tuttnei - nei - negli otto anni che è stata ad amburgo, ehm, è stata, anche ai miei occhi una bambina bravissima che ha imparato l ‚ italiano solo con me o con te e qual ‚ erano? qual ‚ erano le altre fonti di apprendimento? / la mamma, tu che venivi e - e un po ’ ldiciamo gli amici, italiani però, relativamente. “ (Amalia, Mutter von Carlotta). Carlottas Mutter drückte sich in einem ausgezeichneten Italienisch aus, angereichert durch den Gebrauch lateinischer Termini. So wies ihre Sprache neben einem in einem italienischen Kontext verwendeten deutschen Ausdruck nur wenige sprachliche Ungenauigkeiten auf, die nicht auf die der Sprache innewohnenden Charakteristika zurückzuführen waren. Mit der nicht-zielsprachlichen Verwendung des attributiven Adjektivs anteriori vor dem Nomen (119) anstelle nach dem Nomen, wie es eigentlich das Erwachsenensprachsystem vorsah, fand sich eine interessante Abweichung, auf die, auch wenn sie eigentlich nicht Thema der vorliegenden Arbeit war, kurz eingegangen werden soll. Ein pränominaler Adjektivgebrauch findet sich zwar häufig in Texten des 19. Jahrhunderts, erscheint aber in der heutigen Alltagssprache in der Regel nicht angemessen angesichts seines sehr literarischen Klangs. Aus diesem Grunde erscheint es nicht abwegig anzunehmen, dass Carlottas Mutter das Adjektiv nicht-zielsprachlich in die pränominale Position gestellt hat infolge des Einflusses des Deutschen. Die Mutter von Carlotta verwendete 30 attributive Adjektive, 25 in postnominaler Position und 5 in pränominaler Position. Während alle in postnominaler Position verwendeten Adjektive zielsprachlich waren, befand sich von den 5 pränominalen Adjektiven eines nicht-zielsprachlich in dieser Position (119). (119) [. . .] non credo ci sia anteriori arrivi [. . .] [zielsprachlich: arrivi anteriori] 18 Während des Interviews erzählte Amalia von der Erfahrung einer Freundin mit ihrem bilingualen Kind, die sie sehr positiv gestimmt hat. Die italienische Freundin hatte gemeinsam mit ihrem peruanischen Ehemann eine Tochter, die in Hamburg geboren und aufgezogen wurde. Die Tochter, die sich immer geweigert hatte, Italienisch zu sprechen, demonstrierte im Alter von 23 Jahren zur großen Verwunderung der Mutter, dass sie über gute Italienischkenntnisse verfügte, ohne dass sie jemals vorher Interesse für diese Sprache gezeigt hatte oder sich geschweige denn in ihr ausgedrückt hatte. 224 Carlotta Position des attributiven Adjektivs. Die einzige linguistische Abweichung von der Norm, die bei der Mutter von Carlotta festgesstellt werden konnte, war der nicht-zielsprachliche Gebrauch des Adjektivs anteriore vor anstatt nach dem Substantiv, wie es das Erwachsenensprachsystem vorsieht. In dem linguistischen Output von Carlotta wurden Adjektive elfmal in pränominaler Position verwendet, davon achtmal (73 %) zielsprachlich und dreimal (27 %) nicht-zielsprachlich (Tabelle 68). Carlotta im Vergleich mit den anderen Kindern Die einzigen Mütter, die attributive Adjektive nicht-zielsprachlich in pränominaler Position verwendeten, waren die von Carlotta und Jan Philip mit jeweils einer Abweichung von der Erwachsenensprache. Beide Kinder gebrauchten attributive Adjektive nicht-zielsprachlich in pränominaler Position nicht häufiger als die anderen Kinder, deren Mütter diese Abweichungen nicht zeigten (Tabelle 68). Auch wenn die Anzahl der nichtzielsprachlich positionierten attributiven Adjektive insgesamt gering war, so ist doch aufgrund der vorliegenden Daten ein Einfluß des mütterlichen Sprachinputs auf die Position des attributiven Adjektivs nicht plausibel. Tabelle 68: Die pränominale Position des attributiven Adjektivs in der Sprache der vier bilingualen Kinder Carlotta, Jan Philip, Luca Daniele und Marta. Kind Pränominale Position des attributiven Adjektivs Zielsprachlich Nicht-zielsprachlich Carlotta 8 (73 %) 3 (27 %) Jan Philip 7 (88 %) 1 (12 %) Luca Daniele 10 (83 %) 2 (17 %) Marta 12 (100 %) - 225 5.5.2.2.4 Die Sprache von Jan Philip und seiner Mutter im Vergleich Die Mutter von Jan Philip Die Mutter von Jan Philip hatte ihre Ursprünge in Piemont. Wie sie selbst feststellte, hatte sie in Deutschland nur wenig Gelegenheit, Italienisch zu sprechen: “ [. . .] poi comunque noi andiamo sempre vacanze in italia perché anche questo è fondamentale, è fondamentale secondo me anche mantenere anche il contatto con il paese un po ’ / no ↑ perché non avendo qua comunque amiche italiane e con cui mi vedo regolarmente - con cui i bambini si vedono (tutti) magari / è anche importante se hai contatto con altri italiani eh [. . .]. “ (Mutter von Jan Philip). Die Sprache von Jan Philips Mutter wies in verschiedenen Bereichen Abweichungen von der Zielsprache auf. Der grammatische Bereich, der besonders betroffen war, war das Genus mit zwei nicht-zielsprachlichen Genuszuweisungen bei Substantiven, einem Fall eines nicht-zielsprachlichen Genus eines Personalpronomens und zwei Fällen einer nicht-zielsprachlichen Genuskongruenz zwischen Substantiv und Partizip Perfekt. Für die Mutter von Jan Philip stellte das Partizip Perfekt ähnlich wie für die Mütter von Marta und Luca einen für Abweichungen von der Zielsprache besonders anfälligen Bereich dar. Neben den beiden bereits erwähnten Fällen einer nicht-zielsprachlichen Flexion wurde in einer Situation das eigentlich zur Bildung des zusammengesetzten Verbes erforderliche Hilfverb nicht-zielsprachlich gewählt. Bei den qualifizierenden Adjektiven fand sich ein nicht-zielsprachlicher Gebrauch, der die Position und die Flexion des attributiven Adjektivs betraf (120). Es handelte sich um das Adjektiv diverso, das die Mutter von Jan Philip sowohl in Numerus und Genus als auch in der Position, in diesem Falle pränominal, nicht-zielsprachlich verwendete. Das Adjektiv diverso kann verschiedene Bedeutungen annehmen, abhängig davon, ob es sich vor oder hinter dem Substantiv befindet, auf das es sich bezieht. Vor dem Nomen platziert gehört es in die Gruppe der Indefinita und erhält die Bedeutung von „ vielen “ , hinter dem Substantiv platziert gehört es zu den qualifizierenden Adjektiven und bedeutet „ unterschiedlich, anders “ . Die Sprechende verwendete das Adjektiv vor dem Substantiv, schrieb ihm aber die Bedeutung „ unterschiedlich, anders “ zu. (120) “ [. . .] è vero anche che i bambini comunque (hanno) completamente diverso (delle) lingue [zielsprachlich: lingue completamente diverse] Jan Philips Mutter gebrauchte hingegen Numerus und Genus bei den prädikativen Adjektiven stets zielsprachlich. 226 Bei der Analyse der bestimmenden Adjektive fand sich in zwei Fällen eine nicht-zielsprachliche Flexion der Indefinita. Während ein Adjektiv sowohl im Numerus als auch im Genus nicht-zielsprachlich verwendet wurde (121), war bei dem anderen Adjektiv nur der Numerus nicht-zielsprachlich (122). Zudem war das erste Adjektiv von einem im Genus nicht-zielsprachlichen Substantiv und das zweite von einem im Numerus nicht-zielsprachlichen Substantiv begleitet (Tabelle 69). (121) “ [. . .] ogni bambino ha il suo - ha altro magari punte di forza [. . .] “ [zielsprachlich: altri magari punti di forza] (122) “ [. . .] t ’ ho detto da poco mese [. . .] “ [zielsprachlich: pochi mesi] Tabelle 69: Überblick über die Flexion der Adjektive bei der Mutter von Jan Philip. Prädikative Adjektive Attributive Adjektive Indefinita Zielsprachlich 59 31 22 Nicht-zielsprachlich 0 1 2 Gesamt 59 32 24 Schließlich wurden zwei weitere interessante Abweichungen von der Erwachsenensprache beobachtet, die, wenn auch nur indirekt, mit dem Erwerb des Adjektivs verbunden waren, nämlich die Verwendung des Adjektivs bel anstelle der Verstärkung bello (123) und eine aus einem deutschen Substantiv und einem italienischen attributiven Adjektiv bestehende Mischäußerung, dessen Adjektiv im Genus nicht mit dem Substantiv, auf das es sich bezog, übereinstimmte (124): (123) “ [. . .] sempre bel composto [. . .] “ [zielsprachlich: bello composto] (124) [. . .] Plätzchen tedesca [. . .] “ [zielsprachlich: biscotti tedeschi]. Die Mutter von Jan Philip ist die einzige, die ein italienisches attributives Adjektiv in Verbindung mit einem deutschen Substantiv benutzte (124). Von 27 Ausdrücken mit postnominalen attributiven Adjektiven waren 26 vollständig auf Italienisch zusammengesetzt, während ein Ausdruck eine gemischte NP aus einem deutschen Substantiv und einem italienischen attributiven Adjektiv, das zudem mit dem Substantiv nicht im Genus übereinstimmte, darstellte. Jan Philip Bei der Analyse der Sprache von Jan Philip galt es zu überprüfen, ob es eine Verbindung zwischen den in seiner Sprache aufgefallenen Abweichungen und denen in der Sprache seiner Mutter gab. 227 Die Position des attributiven Adjektivs. Jan Philip verwendete, ähnlich wie seine Mutter, eines von acht attributiven Adjektiven nicht-zielsprachlich in pränominaler Position. Wie bereits in Kapitel 5.2.3.1 dargestellt, ergaben sich im Vergleich aller Kinder keine Hinweise darauf, dass der mütterliche Input den Erwerb der Position des attributiven Adjektivs beeinflusste. Die Flexion der Indefinita. Im Beobachtungszeitraum verwendete Jan Philip sieben Indefinita, die alle zielsprachlich waren hinsichtlich Numerus- und Genuszuweisung. Die Flexion der attributiven Adjektive der I. Deklinationsklasse. Jan Philip verwendete bei elf Gelegenheiten attributive Adjektive der I. Deklinationsklasse. In fünf Fällen (45 %) war das Genus nicht-zielsprachlich und in zwei Fällen (18 %) der Numerus. Dreimal traten die attributiven Adjektive in nicht-zielsprachlicher Position auf, davon zweimal in pränominaler und einmal in postnominaler Position. Verwechselung des Adjektivs bel mit dem verstärkenden bello. Jan Philip benutzte einmal und dies zielsprachlich das Adjektiv bello in prädikativer Funktion. Er verwendete es hingegen nicht in attributiver Funktion oder nicht-zielsprachlich das Adjektiv bel anstelle des verstärkenden bello. Aus einem italienischen Adjektiv und einem deutschen Substantiv bestehende Mischäußerungen. In der Sprache von Jan Philip fanden sich anders als bei seiner Mutter keine Mischäußerungen, die sich aus einem italienischen Adjektiv und einem deutschen Substantiv zusammensetzten. Jan Philip im Vergleich mit den anderen Kindern Die Position des attributiven Adjektivs. Die Mütter von Jan Philip und Carlotta sind die einzigen Mütter, die Abweichungen von der Zielsprache in der Position der qualifizierenden Adjektive zeigten. In der Sprache ihrer Kinder war im Vergleich mit den anderen Kindern keine größere Unsicherheit bei der Platzierung des attributiven Adjektivs festzustellen (Tabelle 70). Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Position der attributiven Adjektive nicht dem Einfluß eines mütterlichen Inputs unterlag. Die Flexion in Genus und Numerus des attributiven Adjektivs der I. Deklinationsklasse. Im Vergleich mit den Kindern, deren Mütter die attributiven Adjektive zielsprachlich verwendeten, wies Jan Philip sowohl für Genus (45 %) als auch für Numerus (18 %) eine höhere Rate entsprechender Abweichungen auf. Während sich die Kinder in dem nicht-zielsprachlichen Gebrauch des Genus deutlich unterschieden, waren die Unterschiede für den Numerus weniger stark ausgeprägt (Tabelle 70). Diese Ergebnisse legen also einen Einfluß des mütterlichen Inputs auf die Genusflexion der attributiven Adjektive bei bilingualen Kindern nahe. Hingegen ist eine abschließende Aussage zur Numerusflexion der attributiven Adjektive auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht möglich. 228 Tabelle 70: Nicht-zielsprachlicher Gebrauch von Genus und Numerus beim attributiven Adjektiv der I. Deklinationsklasse bei den vier bilingualen Kindern Jan Philip, Carlotta, Luca Daniele und Marta. Kind Nicht-zielsprachlich verwendete attributive Adjektive Genus Numerus Pränominale Position Jan Philip 5/ 11 (45 %) 2/ 11 (18 %) 2/ 7 (29 %) Carlotta 0/ 57 (0 %) 1/ 57 (2 %) 2/ 9 (22 %) Luca Daniele 3/ 21 (14 %) 3/ 21 (14 %) 1/ 11 (5 %) Marta 1/ 45 (2 %) 0/ 45 (0 %) 0/ 12 (0 %) 5.5.3 Diskussion In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß des mütterlichen und des väterlichen sprachlichen Inputs auf den Adjektiverwerb bei bilingual deutsch-italienischen Kindern untersucht. Die Muttersprache der Mütter war in allen Fällen Italienisch, während die der Väter ausnahmslos Deutsch war. Da die Sprache der Väter ausschließlich zielsprachlich war, lagen keine grammatischen Elemente vor, um den Einfluss des linguistischen Inputs im Sinne einer Abweichung von einem normalen Adjektiverwerb im Deutschen zu untersuchen. Hingegen traten in der Sprache der Mütter, mit Ausnahme von Carlottas Mutter, bei der lediglich ein nicht-zielsprachlicher Adjektivgebrauch festzustellen war, eine Reihe von Abweichungen von der Erwachsenensprache auf, daraufhin deutend, dass der durch die Umgebungssprache ausgeübte Druck den sprachlichen Output ihrer Muttersprache beeinträchtigte. Zwei der Mütter waren sich dessen auch bewusst, was ihren Äußerungen während des Interviews entnommen werden konnte. Der bei den Müttern festzustellende nicht-zielsprachliche Adjektivgebrauch betraf die Genusflexion sowohl der qualifizierenden Adjektive als auch der bestimmenden Adjektive, die Numerusflexion der qualifizierenden Adjektive der II. Deklinationsklasse, die Position des attributiven Adjektivs und der Gebrauch des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Die im Anschluß erfolgte Analyse, die der Frage nachging, ob die grammatischen Bereiche, in denen die Mütter Schwächen zeigten, auch bei ihren Kindern anfällig für Abweichungen waren, ergab, dass für die folgenden Bereiche keine direkten Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen nicht-zielsprachlichen Verwendungen in der Sprache der Mutter und solchen in der Sprache des entsprechenden Kindes vorlagen: 229 1. Die Tendenz, gemischte NPn zu produzieren 2. Der Gebrauch des Artikels vor den Possessiva 3. Die pränominale Position des attributiven Adjektivs. Hingegen erschien für die Genusflexion der attributiven Adjektive der I. Deklinationsklasse ein Zusammenhang zwischen einer mütterlichen nicht-zielsprachlichen Sprachproduktion und einer solchen des Kindes wahrscheinlich. Beim Vergleich des grammatischen Bereichs, für den es einen Einfluß des Inputs zu geben schien, mit den grammatischen Bereichen, für den es keinen Hinweis auf einen Einfluß der Inputs gab, fällt auf, dass in einem Fall grammatische Strukturen zu finden sind, die der Syntax zugehörig sind (Gebrauch des Artikels vor den Possessiva; die pränominale Position des attributiven Adjektivs, gemischte NPn), während es sich in dem anderen Fall um Strukturen handelt, die dem morphologischen Bereich angehören. Während es also Anhaltspunkte für einen Einfluss des Inputs auf die Adjektivmorphologie gibt, bestehen keine direkten Hinweise auf einen Einfluss auf die Syntax. Im Folgenden sollen die der Syntax angehörenden Bereiche, bei denen kein mütterlicher Input zu beobachten war, etwas genauer beleuchtet werden. Kein Zusammenhang zeigte sich zwischen der Häufigkeit des nichtzielsprachlichen Gebrauchs des Artikels vor den Possessiva im mütterlichen Input und der kindlichen Sprachproduktion. In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen bei bilingual deutsch-italienischen Kindern fanden frühere Arbeiten bei monolingual englischen Kindern, dass der Erwerb von Funktionswörtern vor allem von ihrer grammatischen und semantischen Komplexität abhängt, während ihre Frequenz im elterlichen Input von untergeordneter Bedeutung ist (Brown & Hanlon, 1970; Brown, 1973). Auch zeigte sich der Erwerb der Position des attributiven Adjektivs im Italienischen nicht anfällig für einen nicht-zielsprachlichen mütterlichen linguistischen Input. Carlotta und Jan Philip, deren Mütter Abweichungen bei der Platzierung des attributiven Adjektivs zeigten, wiesen keine höhere Quote nicht-zielsprachlicher Stellungen als die beiden anderen Kinder auf, bei deren Mütter der Gebrauch stets zielsprachlich war. Diese Ergebnisse im Italienischen bei bilingual deutsch-italienischen Kindern stehen im Widerspruch zu früheren Arbeiten zu monolingual finnischen, amerikanischen, samoanischen und Luo-sprachigen Kindern, die zeigten, dass der Erwerb der Wortreihenfolge von dem dominierenden Schema in der Sprache des Erwachsenen, der das Kind ausgesetzt ist, abhängt (Bowerman, 1973). Schließlich scheint sich die bei Jan Philips Mutter festgestellte Tendenz, die beiden Sprachen innerhalb von Äußerungen zu mischen, nicht in der Sprache des Sohnes widerzuspiegeln. In der Sprache von Jan Philip fand 230 sich kein Beispiel für Mischäußerungen, die sich aus einem italienischen Adjektiv und einem deutschen Substantiv zusammensetzten. Dieses Ergebnis bestätigt zum einem die Arbeiten von Goodz (1989) und Genesee, Nicoladis und Paradis (1995), nach denen auch die Eltern, die versicherten, mit den eigenen Kindern ausschließlich nach dem Prinzip une personne - une langue zu kommunizieren, sich in der Praxis nicht immer an dieses Prinzip hielten. Zum anderen sind die Daten der vorliegenden Arbeit in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Genesee, Nicoladis und Paradis (1995), insofern, dass auch in dieser Studie ein Einfluß des mütterlichen sprachlichen Inputs auf die Tendenz des bilingualen Kindes, die beiden Sprachen innerhalb eines Satzes zu mischen, nicht nachgewiesen werden konnte. Der mögliche Einfluß des mütterlichen Inputs auf die Genusflexion des Adjektivs konnte an zwei Kindern untersucht werden. Während die Mutter von Jan Philip neben einem nicht-zielsprachlichen Genusgebrauch, der nicht Teil des Gegenstands der vorliegenden Arbeit war, 19 einen nichtzielsprachlichen Gebrauch des Genus sowohl bei Indefinita als auch beim attributiven Adjektiv der I. Deklinationsklasse zeigte, war bei der Mutter von Luca Daniele die Genusflexion eines Adjektivs, das sich auf ein Nomen der III. Deklinationsklasse bezog, 20 nicht-zielsprachlich. Anders als bei Jan Philip, dessen Sprache ähnlich wie die der Mutter durch eine nicht-zielsprachliche Genusflexion von Adjektiven gekennzeichnet war, wies die Sprache von Luca Daniele keine entsprechenden Abweichungen von der Erwachsenensprache auf. Der nicht-zielsprachliche mütterliche Input hatte somit seinen Genuserwerb nicht nachweislich beeinflusst. Der Grund für die unterschiedliche Ausprägung des Einflusses bei den beiden Kindern ist möglicherweise darin zu sehen, dass der Input, dem sie ausgesetzt waren, zwar dieselbe Qualität aufwies, in beiden Fällen waren es Abweichungen bei der Genusflexion, nicht jedoch dieselbe Quantität. Während die Mutter von Luca Daniele nur diesen einen nicht-zielsprachlichen Gebrauch zeigte, wies die Sprache von Jan Philips Mutter eine Reihe von Abweichungen dieser Art auf. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es abhängig von der Anzahl nicht-zielsprachlicher Verwendungen im mütterlichen Input zu einer Beeinträchtigung des kindlichen Genuserwerbs kommen kann. Hingegen ließen die Daten der vorliegenden Arbeit eine abschließende Einschätzung, ob ein Einfluß durch den mütterlichen Input beim Erwerb der Flexion im Numerus der qualifizierenden Adjektive (prädikative und 19 Die Mutter von Jan Philip machte Genusfehler auch bei der Verschmelzung von Präpositionen und Artikeln (preposizioni articolate), bei der Genuszuweisung zum Nomen und bei der Genusmarkierung am Partizip Perfekt. 20 Die Mutter von Luca Daniele machte auch einen Genusfehler bei einem Partizp Perfekt. 231 attributive Adjektive) der II. Deklinationsklasse und der attributiven Adjektive der I. Deklinationsklasse vorliegt, nicht zu. Schussfolgerungen Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen, dass, wenngleich das Italienisch der Mütter infolge des von der Umgebungssprache ausgeübten Drucks in verschiedenen Bereichen beeinträchtigt war, sich ein solches Defizit nicht immer auf den Spracherwerb der Kinder auswirkte, da ihre Sprache nicht immer dieselben Abweichungen wie die ihrer Eltern aufwies. Der linguistische Input scheint sich spezifisch auf verschiedene Sprachbereiche auszuwirken und sein Einfluß ist für einige, aber nicht alle Bereiche abhängig von der Intensität. Einige grammatische Bereiche scheinen einem nicht-zielsprachlichen Gebrauch in der mütterlichen Sprachproduktion gegenüber resistent zu sein, wie etwa der Gebrauch des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Hingegen zeigen sich andere Bereiche, wie die Genusflexion des Adjektivs, empfindlich gegenüber einem nicht-zielsprachlichen mütterlichen Input. Diese Daten belegen also frühere Arbeiten, die die Unvollständigkeit einer linguistischen Studie zum Spracherwerb unterstreichen, die nicht den linguistischen Input, den die Kinder ausgesetzt sind, mit berücksichtigt (Murrell, 1966). Ausblick Da in der vorliegenden Arbeit die mütterlichen linguistischen Daten sehr limitiert sind und sich auf ein halbstündiges Interview beschränken, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Mütter weitere nicht-zielsprachliche Verwendungen mit möglichem Einfluß auf die kindliche Sprachproduktion machten, die nur während des Gesprächs nicht auftraten. Aus diesem Grunde sollten in zukünftigen Arbeiten der Input der Mütter umfangreicher dokumentiert werden. Insbesondere sollte auch die direkte Konversation zwischen Mutter und Kind analysiert werden, da bekannt ist, dass Erwachsene ihre Sprache an die kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten des Kindes anpassen. Mit der Sprache der Mutter wurde nur eine Quelle für den sprachlichen Input des Kindes untersucht. Andere Quellen, wie etwa die Sprache der Geschwister, enger Verwandter, etc., konnten in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden, sind aber für zukünftige Arbeiten von großem Interesse. Darüber hinaus wäre der Vergleich zwischen dem Italienischen des Elternteils, dessen eigentliche Muttersprache Deutsch ist, und dem des Kindes sowie zwischen dem Deutschen des Elternteils mit der Muttersprache Italienisch und dem des Kindes von sehr großem Interesse. Da, wie bereits in vorherigen Studien gezeigt wurde (Genesee, Nicoladis & Paradis, 1985; Goodz, 1989), auch die Eltern, die 232 erklären, streng dem Prinzip une persone - une langue zu folgen, in Wirklichkeit nicht immer diese Regel befolgen, und zudem das Kind dem Elternteil zuhört, wenn dieses in seiner Nichtmuttersprache mit einer anderen Person spricht. Zudem sollten zukünftige Studien den Umfang des Sprachangebots, das auf das Kind einwirkt, berücksichtigen. Besonders interessant erscheint ein Vergleich der Ergebnisse (in grammatischen Bereichen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen 21 ) bei Kindern mit derselben Sprachkombination, aber einem unterschiedlichen Umfang des Angebots der beiden Sprachen. Des weiteren gilt es in zukünftigen Studien zu untersuchen, ob in der Sprachentwicklung Unterschiede bestehen zwischen bilingualen Kindern, die Kinder eines bilingualen Paares sind und in einem monolingualen sozialen Kontext leben, und bilingualen Kindern, deren Bilinguismus sich im Rahmen eines nationalen oder regionalen Bilinguismus entwickelt hat, wie etwa in Luxemburg oder in Grenzgebieten, in denen beide Sprachen mit einem ähnlich starken Druck auf das Kind einwirken. 21 Die Auswirkungen eines nicht-zielsprachlichen Sprachangebots können sich mehr oder weniger offensichtlich manifestieren in Abhängigkeit von der Häufigkeit einer bestimmten Regel in der zu erwerbenden Sprache. Gathercole (2002) vermutet die Existenz einer bestimmten Sprachangebotsschwelle, die für das Kind erforderlich ist, um die Regeln identifizieren zu können, nach denen im Spanischen das Genus zugewiesen wird. Eine solche Schwelle kann für unterschiedliche Bereiche verschieden sein, aber gleich für mono- und bilinguale Kinder (Hulk & Cornips, 2006 b). 233 6 Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluss des Bilinguismus auf den Spracherwerb bei bilingual deutsch-italienischen Kindern am Beispiel des Adjektivs zu untersuchen. Dieser Bereich ist für die linguistische Forschung deshalb von besonderem Interesse, da er zum einem bisher wenig untersucht ist und zum anderen da er in den beiden Sprachen sehr unterschiedlichen Regeln unterliegt. Dazu wurde die Sprachentwicklung von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern sowie von jeweils einem deutschen und italienischen monolingualen Kind analysiert. Mit Ausnahme des monolingual italienischen Jungen, für den nur Daten bis zum dritten Lebensjahr ausgewertet werden konnten, lagen bei dem monolingual deutschen Mädchen und den bilingual deutsch-italienischen Kindern Transkripte mindestens bis zum Alter von vier Jahren vor. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kinder wiesen von Beginn der sprachlichen Produktion an einen Erwerbsverlauf der Genusflexion des prädikativen und des attributiven Adjektivs im Deutschen und im Italienischen auf, der sich nicht von dem der monolingualen Kinder der beiden entsprechenden Sprachen unterschied. Von Anfang an verwechselten die bilingualen Kinder nicht die Flexionsregeln des prädikativen Adjektivs im Italienischen mit denen im Deutschen, die keine Flexion des prädikativen Adjektivs vorsehen. Somit bestanden keine Hinweise auf das Bestehen eines einzigen Sprachsystems bei den bilingualen Kindern, auch wenn zwischen der Sprache der bilingualen Kinder und der der monolingualen Kinder sowohl im Deutschen als auch im Italienischen gewisse Unterschiede bestanden, wie etwa eine leichte Zeitverzögerung, die Anzahl der Genuskongruenzfehler oder die Fehlertypologie. Auch zwischen den bilingualen Kindern bestanden Unterschiede in diesen Aspekten, die sich nicht für die Genusflexion des prädikativen Adjektivs im Deutschen und Italienischen, aber für die Genusflexion des attributiven Adjektivs in den beiden Sprachen auf verschiedene Balanciertheitsgrade (DBQL) zurückführen ließen. Insbesondere die prädikativen Adjektive und die Possessiva wiesen in den beiden Sprachen einen unterschiedlichen Grad an Fehleranfälligkeit auf, darauf hinweisend, dass die Fehleranfälligkeit spezifisch für diese Sprachen ist. Dies ließe sich dadurch erklären, dass in den beiden Sprachen das bilinguale Kind ein unterschiedliches Maß an semantischen und grammatischen Strukturen erworben haben muss, um die prädikativen Adjektive und die Possessiva zielsprachlich zu verwenden. Ferner können bestimmte grammatische Bereiche für den Bilingualen, 234 insbesondere wenn es sich um die schwache Sprache handelt, anfällig für Fehler sein, ohne dass dies auch für den Monolingualen gilt. Die bilingualen Kinder schlossen den Erwerb der Genusmarkierung vor dem der Kasusmarkierung ab und somit in derselben Reihenfolge wie das monolinguale Mädchen. Dies galt sowohl für balancierte bilinguale Kinder als auch für solche, die eine Dominanz der deutschen Sprache aufwiesen. Leider reichten die Daten zur Sprachproduktion von Aurelio, dem einzigem Kind mit Deutsch als schwache Sprache, nicht für eine abschließende Bewertung aus, da er bis zum Ende des Beobachtungszeitraums weder die Kasusnoch die Genusmarkierung stabil erworben hatte. Somit blieb die Frage, ob das bilingual deutsch-italienische Kind mit Deutsch als schwacher Sprache das Genus- und Kasusmarkierungssystem in derselben Reihenfolge erwirbt wie das monolinguale Kind in dieser Arbeit unbeantwortet. Auch wenn die mono- und bilingualen Kinder dieselbe Reihenfolge beim Erwerb des Genus- und Kasusmarkierungssystems aufwiesen, so ergab sich doch ein zeitlicher Vorteil für das monolinguale Mädchen sowohl beim ersten Auftreten als auch beim abschließenden Erwerb des Genus- und Kasusmarkierungssystems am attributiven Adjektiv. Trotz dieser Unterschiede zwischen den bilingualen Kindern und dem monolingualen Mädchen bestand keinesfalls Anlass dazu anzunehmen, dass der Adjektiverwerb der bilingualen Kinder dem eines L2-Lerners ähnelte. Die Beobachtung, dass beim attributiven Adjektiv das Kasuszuweisungssystem nach dem Genuszuweisungssystem erworben wurde und dass der Kasus Dativ erst dann auftrat, wenn der Akkusativ fester Bestandteil des Inventars der kindlichen Grammatik war, kann als Folge eines höheren Schwierigkeitsgrades des Kasussystems gegenüber dem Genussystem sowie des Dativs gegenüber dem Akkusativ gedeutet werden. In Übereinstimmung mit dieser Annahme fanden sich ausschließlich Fehler in der Richtung Akk/ DAT und niemals in der Richtung Dat/ AKK sowohl in DPn mit einleitenden Präpositionen, die allein den Kasus Dativ regieren, als auch in solchen mit Wechselpräpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren können, mit denen die Kinder nur Schwierigkeiten hatten, wenn diese den Dativ regierten. Bei den Kindern, von denen Transkripte bis zum fünften Lebensjahr vorlagen, zeigten sich Schwächen bei der Verwendung des Dativs nahezu bis zum fünften Lebensjahr. Zudem verwendeten die bilingualen Kinder in dem Beobachtungszeitraum den Dativ nicht außerhalb von Präpositionalphrasen. Anders verhielt es sich mit dem Akkusativ. Die bilingualen Kinder hatten keinerlei Schwierigkeiten mit der Kasusflexion am attributiven Adjektiv weder in präpositionalen Konstruktionen, die ausschließlich den Akkusativ erforderten, noch in solchen mit Wechselpräpositionen, wenn sie den Akkusativ regierten. Auch wenn die Reihenfolge des Erwerbs der Akkusativ- und Dativmarkierung bei allen Kindern gleich war unabhängig von der Art 235 ihres Bilinguismus, so waren die notwendigen Zeiten bis zum vollständigen und stabilen Erwerb der beiden Genus- und Kasusmarkierungssysteme bei dem Kind, bei dem die deutsche Sprache besonders schwach war, außerordentlich lang. Dies weist auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Sprachdominanz und dem Erwerb dieser beiden grammatischen Elemente hin. Zudem war bei den bilingualen Kindern ein Spracheneinfluss bei dem Erwerb der Adjektivstellung zu verzeichnen. Im Italienischen war der Einfluss des Deutschen auf die Sprachperformanz bei allen untersuchten bilingual deutsch-italienischen Kindern ersichtlich. Die Interaktion beider Sprachen manifestierte sich insbesondere darin, dass die bilingualen Kinder Adjektive früher und häufiger in pränominaler Position verwendeten als der monolinguale Junge. Allerdings fanden sich auch nichtzielsprachlich pränominal positionierte Adjektive, die in der Erwachsenensprache nur in postnominaler Position auftreten. Möglicherweise ist der frühere und häufigere zielsprachliche Gebrauch der attributiven Adjektive in pränominaler Position und die Übergeneralisierung der pränominalen Adjektivstellung im Italienischen auf Adjektive, die nur in postnominaler Position auftreten können, dadurch bedingt, dass die pränominale Adjektivstellung die syntaktisch weniger komplexe Struktur in beiden Sprachen darstellt, unabhängig davon, welche der beiden Sprachen die starke bzw. die schwache Sprache des Kindes ist. Der Spracheneinfluss fand sich nämlich auch bei sprachlich balancierten Kindern und trat nicht nur von der starken Sprache in Richtung der schwachen Sprache auf (unidirektional), sondern auch von der schwachen Sprache in Richtung der starken Sprache (bidirektional). Nicht zuletzt weil eine linguistische Studie zum Spracherwerb als unvollständig zu betrachten ist, die nicht den linguistischen Input, dem die Kinder ausgesetzt waren, mit berücksichtigt, wurde dem möglichen Zusammenhang zwischen der nicht-zielsprachlichen Stellung und Flexion des Adjektivs in der Sprache der bilingualen Kinder und dem mütterlichen Input nachgegangen. Wenngleich das Italienisch der Mütter infolge des von der Umgebungssprache ausgeübten Druckes in verschiedenen Bereichen nicht-zielsprachlich war, so wies die Sprache ihrer Kinder nicht immer dieselben Abweichungen auf, als Hinweis darauf, dass sich nicht-zielsprachliche Äußerungen der Mütter nicht immer im Spracherwerb der Kinder widerspiegeln. Der linguistische Input schien sich spezifisch auf verschiedene Sprachbereiche auszuwirken und sein Einfluss war für einige, aber nicht alle Bereiche abhängig von der Intensität. Einige grammatische Bereiche schienen Abweichungen von der Zielsprache in der mütterlichen Sprachproduktion gegenüber resistent zu sein, wie etwa der Gebrauch des bestimmten Artikels vor den Possessiva. Hingegen zeigten sich andere 236 Bereiche, wie etwa die Genusflexion des Adjektivs empfindlich gegenüber einem nicht-zielsprachlichen mütterlichen Input. Zusammenfassend unterstreicht die vorliegende Arbeit die Komplexität der Interaktion der deutschen und italienischen Sprache beim Adjektiverwerb bei bilingualen Kindern. Diese Komplexität wird insbesondere daran deutlich, dass Abweichungen von der Zielsprache bei bilingualen Kindern nur in bestimmten grammatischen Bereichen anzutreffen sind. 237 7 Literaturverzeichnis Abney, S. 1987 The English Noun Phrase in its Sentential Aspect. Dissertation, Cambridge, MA: MIT Press. Adorno, C. 1999 Dalla grammatica alla linguistica. Torino: Paravia Scriptum. Alexiadou, A. & C. Wilder 1998 Adjectival modification and multiple determiners. In A. 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. . . . . 59 Tabelle 8: Die starke Deklination des Adjektivs im Deutschen . . . 60 Tabelle 9: Die gemischte Deklination des Adjektivs im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Tabelle 10: Die Deklination der deutschen Possessiva . . . . . . . . . . . . 62 Tabelle 11: Die Deklination von welche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Tabelle 12: Die Indefinita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Tabelle 13: Die unbestimmten Adjektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Tabelle 14: Präpositionen, die den Akkusativ regieren . . . . . . . . . . . . 65 Tabelle 15: Präpositionen, die den Dativ regieren . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Tabelle 16: Präpositionen, die sowohl den Akkusativ als auch den Dativ regieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Tabelle 17: Die drei Hauptflexionsklassen der Nomina des Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Tabelle 18: Die Nebendeklinationsklassen der Nomina des Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Tabelle 19: Der Erwerb genuszuweisender Regeln im Deutschen nach Köpcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Tabelle 20: Erwerbsphasen des Kasusmarkierungssystems im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Tabelle 21: Alter beim Erwerb der Marken des deutschen Kasussystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Tabelle 22: Aufnahmen der untersuchten Kinder im Deutschen . . 107 Tabelle 23: Aufnahmen der untersuchten Kinder im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Tabelle 24: Sprachinput bei den untersuchten bilingualen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 248 Tabelle 25: Übersicht der sprachlichen Situation der bilingualen Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tabelle 26: Dauer der Interviews mit den Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Tabelle 27: Beobachtungszeitraum der Kinder für den Erwerb der Genusflexion des prädikativen Adjektivs im Deutschen und Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tabelle 28: Übergeneralisierungen bei der Genusflexion der prädikativen Adjektive und potentielle Fehleräquivalente (Types) im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tabelle 29: Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad bis zum Alter von 3 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Tabelle 30: Erforderliche Genera bei der Verwendung des prädikativen Adjektivs im Italienischen (Types) . . . . . . . . . . . . 133 Tabelle 31: Alter beim ersten Erscheinen der Genera der prädikativen Adjektive im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Tabelle 32: Alter beim ersten Auftreten und Beobachtungszeitraum der Genusflexion der attributiven Adjektive . . . . . . . . . . 134 Tabelle 33: Genusfehler bei deutschen attributiven Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Tabelle 34: Die erforderlichen Genera im Italienischen (Types) . . . 144 Tabelle 35: Genusfehler bei italienischen attributiven Adjektiven (Types) in Bezug auf den Balanciertheitsgrad bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Tabelle 36: Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei der Adjektivsstellung im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Tabelle 37: Alter und Beobachtungszeitraum der Kinder bei der Adjektivsstellung im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Tabelle 38: Platzierung der attributiven Adjektive (Types) im Italienischen bis zum Alter von 3 Jahren . . . . . . . . . . . . . 161 Tabelle 39: Platzierung der attributiven Adjektive (Types) im Italienischen bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . 161 Tabelle 40: Platzierung der attributiven Adjektive (Types) in der Sprache der Mütter im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Tabelle 41: Platzierung der attributiven Adjektive im Deutschen bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Tabelle 42: Beobachtungszeitraum der Kinder für die Untersuchung der Platzierung des Possessivums und des Gebrauchs des Artikels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Tabelle 43: Pränominale und postnominale Possessivumstellung im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Tabelle 44: Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum . . . . . . . . . 178 249 Tabelle 45: Alter beim ersten Auftreten des Possessivums in pränominaler und postnominaler Position im Italienischen 179 Tabelle 46: Possessivumstellungen im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . 180 Tabelle 47: Zielsprachliche und nicht-zielsprachliche pränominale und postnominale Possessivumstellungen im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Tabelle 48: Erforderlicher Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Tabelle 49: Nicht erforderlicher Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Tabelle 50: Zielsprachliche und nicht-zielsprachliche Platzierungen des bestimmten Artikels vor adnominalen Possessiva . 183 Tabelle 51: Nicht-zielsprachlicher Gebrauch des bestimmten Artikels vor dem Possessivum im Italienischen bei den bilingual deutsch-italienischen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . 184 Tabelle 52: Beobachtungszeitraum der Kinder für den Erwerb von Kasus und Genus im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Tabelle 53: Alter, in dem die Kinder den Erwerb des Genusmarkierungssystems und des Kasusmarkierungssystems abgeschlossen haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Tabelle 54: Kasusmarkierung und -zuweisung ausschließlich von attributiven Adjektiven in präpositionalen Phrasen . . . 202 Tabelle 55: Anzahl der Kasusfehler und der zielsprachlichen Verwendung von Nominativ und Akkusativ . . . . . . . . . . . . . 203 Tabelle 56: Verwendung von attributiven Adjektiven mit Präpositionen, die ausschließlich den Akkusativ regieren, bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Tabelle 57: Verwendung von attributiven Adjektiven mit Präpositionen, die ausschließlich den Akkusativ regieren, bis zum Alter von 5 Jahren und länger . . . . . . . . . . . . . . . 205 Tabelle 58: Verwendung von attributiven Adjektiven mit ausschließlich den Dativ regierenden Präpositionen bis zum Alter von vier Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Tabelle 59: Verwendung von attributiven Adjektiven mit ausschließlich den Dativ regierenden Präpositionen bis zum Alter von fünf Jahren und länger . . . . . . . . . . . . . . . 206 Tabelle 60: Verwendung von attributiven Adjektiven, denen Wechselpräpositionen vorangehen, bis zum Alter von vier Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Tabelle 61: Verwendung von attributiven Adjektiven, denen Wechselpräpositionen vorangehen, bis zum Alter von fünf Jahren und länger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 250 Tabelle 62: Anzahl der unflektierten Adjektive bei den untersuchten Kindern im Deutschen in den Stufen I - III nach Clahsen (1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Tabelle 63: Entwicklungssequenz des Kasuserwerbs nach Clahsen (1984) und Entwicklungsverlauf der Kasusmarkierung am attributiven Adjektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Tabelle 64: Beobachtungszeitraum der vier bilingualen Kinder Carlotta, Marta, Luca Daniele und Jan Philip . . . . . . . . . 217 Tabelle 65: Zielsprachliche und nicht-zielsprachliche Verwendungen des Artikels vor dem Possesivum bei Martas Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Tabelle 66: Gebrauch des Artikels vor den Possessiva bei den vier bilingualen Kindern Marta, Carlotta, Jan Philip und Luca Daniele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Tabelle 67: Gebrauch des Artikels vor dem Possessivum bei der Mutter von Luca Daniele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 68: Die pränominale Position des attributiven Adjektivs in der Sprache der vier bilingualen Kinder Carlotta, Jan Philip, Luca Daniele und Marta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Tabelle 69: Flexion der Adjektive bei der Mutter von Jan Philip . . 227 Tabelle 70: Nicht-zielsprachlicher Gebrauch von Genus und Numerus beim attributiven Adjektiv der I. Deklinationsklasse bei den vier bilingualen Kindern Jan Philip, Carlotta, Luca Daniele und Marta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 251 9 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Aurelio 111 Abbildung 2: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Carlotta 113 Abbildung 3: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Jan Philip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Abbildung 4: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Lukas . 115 Abbildung 5: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Marta . 116 Abbildung 6: Entwicklung der deutschen und italienischen Sprache bei dem bilingual deutsch-italienischen Kind Luca Daniele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Abbildung 7: Sprachentwicklung des monolingual italienischen Kindes Raffaello . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Abbildung 8: Sprachentwicklung des monolingual deutschen Kindes Chantal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Abbildung 11: Alter der Kinder beim ersten Auftreten prädikativer Adjektive in holophrastischen Realisierungen im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abbildung 12: Alter der Kinder beim ersten Auftreten von einer Kopula begleiteter prädikativer Adjektive im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Abbildung 14: Genusfehler bei italienischen prädikativen Adjektiven in Bezug auf den Balanciertheitsquotienten des Lexikons (BQL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Abbildung 15: Erstes Auftreten des attributiven Adjektivs im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abbildung 16: Genusflexion der attributiven Adjektive im Deutschen (Types) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Abbildung 17: Art und Anzahl der individuellen Fehler bei der Genusflexion des attributiven Adjektivs im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Abbildung 18: Übergeneralisierungen aller bilingualen Kinder bei den attributiven Adjektiven im Deutschen (Types) . 139 Abbildung 19: Potentielle äquivalentbedingte Genusfehler bei den attributiven Adjektiven im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . 140 252 Abbildung 20: Erstes Erscheinen des attributiven Adjektivs im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildung 21: Die Genuskongruenz der attributiven Adjektive im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Abbildung 22: Erstes Auftreten des pränominalen Adjektivs im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Abbildung 23: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) im Italienischen bis zum Alter von 3 Jahren . . . . . . . . . . . 157 Abbildung 24: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) im Italienischen bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . 157 Abbildung 25: Mögliche Stellung der verwendeten attributiven Adjektive (Token) bei den Kindern in der Zielsprache Italienisch bis zum Alter von 4 Jahren . . . . . . . . . . . . . . 158 Abbildung 26: Platzierung der attributiven Adjektive (Token) in der Sprache der Mütter im Italienischen . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Abbildung 27: Mögliche Stellung der von den Müttern verwendeten attributiven Adjektive (Token) in der Zielsprache Italienisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abbildung 28: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Aurelio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildung 29: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Carlotta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Abbildung 30: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Jan Philip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Abbildung 31: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Luca Daniele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Abbildung 32: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Marta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abbildung 33: Einfluss der Sprachdominanz auf die Verwendung prä- und postnominaler attributiver Adjektive bei Lukas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abbildung 34: Alter beim Kasuserwerb bei Chantal . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 35: Alter beim Kasuserwerb bei Luca Daniele . . . . . . . . . . 197 Abbildung 36: Alter beim Kasuserwerb bei Carlotta . . . . . . . . . . . . . . . 198 Abbildung 37: Alter beim Kasuserwerb bei Jan Philip . . . . . . . . . . . . . 199 Abbildung 38: Alter beim Kasuserwerb bei Lukas . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 253 108511 Auslieferung November 2011.indd 8 14.11.11 15: 13 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. 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Nadine Eichler Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern Eine Analyse der gemischtsprachlichen Nominalphrasen unter besonderer Berücksichtigung des Genus Tübinger Beiträge zur Linguistik, Band 528 2011, 451 Seiten €[D] 78,00/ SFr 105,00 ISBN 978-3-8233-6683-6 Dieses Werk beschäftigt sich mit Sprachmischungen innerhalb der Nominalphrase bei bilingual aufwachsenden Kindern, die von Geburt an simultan zwei Erstsprachen erwerben. Der Sprachenwechsel ist ein besonderes Phänomen der Mehrsprachigkeit und gilt als das Sprachkontaktphänomen schlechthin. Die Frage nach einer Interaktion der beiden Sprachsysteme beim bilingualen Kind spielt eine zentrale Rolle in der bilingualen Erstspracherwerbsforschung. Diskutiert wird besonders das Genus in den beteiligten Sprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch), das sich jeweils unterschiedlich auf den Sprachproduktionsprozess auswirkt. Die Hypothesen werden im Rahmen der generativen Grammatiktheorie entwickelt, wobei psycholinguistische Aspekte der Sprachverarbeitung berücksichtigt werden. 108511 Auslieferung November 2011.indd 8 14.11.11 15: 13 Die Arbeit untersucht den Einfluss des Bilinguismus auf den Spracherwerb bei bilingual deutsch-italienischen Kindern am Beispiel des Adjektivs. Dieser Bereich ist für die linguistische Forschung deshalb von besonderem Interesse, da er zum einen bisher wenig untersucht ist und zum anderen, da er in den beiden Sprachen sehr unterschiedlichen Regeln unterliegt. Dazu wurde die frühkindliche Sprachentwicklung von sechs bilingual deutsch-italienischen Kindern sowie von jeweils einem deutschen und italienischen monolingualen Kind analysiert. Die vorliegende Arbeit unterstreicht die Komplexität der Interaktion der deutschen und italienischen Sprache beim Adjektiverwerb von bilingualen Kindern. Diese Komplexität wird insbesondere daran deutlich, dass Abweichungen von der Zielsprache bei bilingualen Kindern nur in bestimmten grammatischen Bereichen anzutreffen sind.