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Der "am"-Progressiv im Pennsylvaniadeutschen

2018
978-3-8233-9138-8
Gunter Narr Verlag 
Adam Tomas

Es ist verwunderlich, dass der Gebrauch der sog. Verlaufsform (sein+am+V) äußerst facettenreich ist und in der Schriftsprache dennoch gemieden wird. Ein Satz wie Egon ist ein Buch am lesen eröffnet dem Deutschen den Bereich der verbalen Aspektualität. Die am-Konstruktionen werden in der Allgemeinheit aber mit großer Skepsis beurteilt, indem sie als sprachliche Normabweichung gelten. Solch eine Sichtweise ist aus dem Blickwinkel des Autors nicht länger haltbar. Das Pennsylvaniadeutsche (PeD), die Sprache der deutschstämmigen Amischen in den USA, bietet zielführende Hinweise. Das PeD hat bislang keine präskriptive Normierung hervorgebracht, sodass sich ein vollständiges morphologisches Paradigma der Verlaufsform etabliert hat. Der am-Progressiv ist ein einmaliger Nachweis einer grammatikalisierten Einheit, welche es in keiner westgermanischen Sprache in dieser Form gibt, außer im Englischen.

Der am-Progressiv im Pennsylvaniadeutschen Language Development Herausgegeben von Cristina Flores (Braga), Tanja Kupisch (Konstanz), Jürgen M. Meisel (Hamburg/ Calgary), Esther Rinke (Frankfurt am Main) und Aldona Sopata (Poznań) Band 38 Adam Tomas Der am-Progressiv im Pennsylvaniadeutschen Grammatikalisierung in einer normfernen Varietät © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0939-7973 ISBN 978-3-8233-8138-9 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung. 1. 15 1.1. 15 1.2. 20 1.3. 21 1.3.1. 22 1.3.2. 23 1.4. 28 2. 31 2.1. 31 2.2. 40 2.2.1. 40 2.2.2. 41 2.2.3. 42 2.2.4. 43 2.3. 44 3. 53 3.1. 53 3.2. 55 3.3. 58 3.4. 59 4. 63 4.1. 63 4.1.1. 65 4.1.2. 67 4.1.3. 68 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellung - Zielsetzung - Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Amischen und Mennoniten - ihre Geschichte in Streiflichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Pennsylvaniadeutsche - Forschungsstand . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv . . . . . . . . . . . Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung . . . . . . . . . . . Die Parameter der Aspektualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [±] Grenzbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [±] Abgeschlossenheit und die temporale Konnotation [±] Dynamizität und [±] Durativität . . . . . . . . . . . . . . . . [±] Additivität oder holistische Merkmale . . . . . . . . . . . Kurze diachrone Übersicht zur Progressiv-Forschung . . . . . . Arbeitsdefinition zu Aspektualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Tendenz der deutschen Sprache zur Aspektualität . . . . . . Funktionsverbgefüge - eine perfektive Perspektive . . . . . . . . Aktionsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Aspekt als Verbalkategorie . . . . . . . . . . . . Zum am-Progressiv und seinen Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verlaufsinfinitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verlaufsinfinitiv und die Attribuierung . . . . . . . . . Der Verlaufsinfinitiv und Genitivattribute . . . . . . . . . . . Erweiterbarkeit durch Präpositionalphrasen . . . . . . . . . 4.1.4. 71 4.1.5. 73 4.1.6. 75 4.2. 75 4.2.1. 77 4.2.2. 79 4.3. 84 5. 87 5.1. 87 5.1.1. 88 5.1.2. 90 5.2. 91 5.2.1. 92 5.2.2. 101 5.2.3. 106 5.3 108 6. 115 6.1. 115 6.2. 116 6.2.1. 121 6.2.2. 124 6.3. 125 6.3.1. 128 6.3.2. 134 6.4. 136 6.4.1. 140 6.4.2. 140 6.5. 141 6.5.1. 149 Ein Dilemma: Groß- oder Kleinschreibung beim Verlaufsinfinitiv? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der verbale Charakter des Verlaufsinfinitivs bei dem am-Progressiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verlaufsinfinitiv und der Artikel . . . . . . . . . . . . . . . Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem . . . . . . . . . Funktionswechsel: Anwendung als einleitende Partikel bzw. Infinitivpartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Schluss ist es am besten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Ist eine progressive Verbklammer am kommen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Datenerhebung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feldforschung - Aufbau des Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Über das Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) . Die Muttersprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der gesellschaftliche Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Alter der Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der statistischen Werte . . . . . . . . . . . . . . . Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswertung der empirischen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Tempus-Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . am-Progressiv und das Tempus-Paradigma im StD . . . Zusammenfassung zum Tempus-Paradigma . . . . . . . . . Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD . . . . . Kookkurrenz von Präfixen und am-Progressiven . . . . Zusammenfassung P RÄF / A DV +am-Progressiv-Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reflexiva und der am-Progressiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reflexiva und am-Progressiv im StD . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung zu den Reflexiva und dem am-Progressiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv . . . . . . . . . . . . . Diversifizierung von habituell und progressiv im PeD . 6 Inhalt 6.5.2. 154 6.5.3. 158 6.6. 161 6.6.1. 162 6.6.2. 166 6.6.3. 169 6.6.4. 171 6.6.5. 174 6.7. 176 6.7.1. 177 6.7.2. 181 6.7.3. 182 6.7.4. 185 6.7.5. 192 6.8. 193 6.8.1. 197 6.8.2. 199 6.9. 200 6.9.1. 200 6.9.2. 206 6.10. 208 6.10.1. 212 7. 215 7.1. 215 7.2. 218 7.2.1. 219 7.2.2. 221 7.2.3. 223 7.2.4. 229 7.3. 234 7.4. 238 Die duhn/ tun-Periphrase und der am-Progressiv . . . . . Zusammenfassung zu den duhn-Periphrasen . . . . . . . . Die topologische Stellung des Verbs im PeD . . . . . . . . . . . . . . Das Vorfeld im StD und im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Mittelfeld im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Nachfeld im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fir-Sätze und zu-Sätze im pennsylvaniadeutschen Nachfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung zur topologischen Satzstruktur im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Topologie der am-Progressiv-Klammer . . . . . . . . . . . . . . . Das Vorfeld der Progressiv-Klammer . . . . . . . . . . . . . . . Die Relevanz der Thema-Rhema-Gliederung für die Satztopologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Thema-Rhema-Gliederung in am-Progressiv-Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Mittelfeld der Progressiv-Klammer . . . . . . . . . . . . . Das Nachfeld der Progressiv-Klammer im PeD . . . . . . . Der Absentiv als ein analytisches Prädikat . . . . . . . . . . . . . . . . Absentiv in dem PeD-Korpus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung zum Absentiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kasussystem im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synkretismus im nominalen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . Über die Possessivpronomina im PeD . . . . . . . . . . . . . . Die Verbalkategorie Modus und der am-Progressiv . . . . . . . . . Modus und der am-Progressiv im StD . . . . . . . . . . . . . . Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach dem Zweck des Passivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs . . . . Das Indo-Germanische und die Diathese . . . . . . . . . . . Das Gotische und die Diathese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Englische und die Diathese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemerkungen zum Passiv und Progressiv in anderen Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Passiv-Diathese durch die deutsche Sprachgeschichte . . . Die Frage nach dem Forminventar des am-Progressiv-Passivs 7 Inhalt 7.5. 240 7.6. 254 8. 257 8.1. 257 8.2. 263 8.3. 267 9. 271 9.1. 271 9.2. 271 9.3. 272 9.4. 272 9.5. 273 10. 289 10.1. 289 10.2. 290 10.3. 350 355 357 Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung über passivfähige am-Progressiv-Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ist die Verlaufsform sich am grammatikalisieren? . . . . . . . . . . Ausblick oder Sind wir eine Progressiv-Form am brauchen? . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur in PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörterbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet und Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitete und zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einverständniserklärung (Agreement) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transkript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korpus: Ich bin am verzweifeln! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt Danksagung Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die auf wundersame Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Durch mein Promotions‐ studium im Rahmen der Graduated School of Language der Ludwig-Maximi‐ lian-Universität München habe ich stets die Möglichkeit gehabt, meine Kol‐ legen, meine Betreuer und die Professoren um fachlichen Rat und organisatorische Hilfe zu bitten. Bei zahlreichen Veranstaltungen und Einzel‐ gesprächen wurde ich gut und kompetent beraten und in meinem Vorhaben unterstützt. Die organisatorische Unterstützung des Promotionskollegs war ein angenehmer Rückenwind in dieser Lebensphase. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei allen Unterstützern bedanken. Mein aufrichtiger Dank gilt an dieser Stelle der Hans-Böckler-Stiftung, deren ideelle und finanzielle Unterstützung ich als Stipendiat genießen konnte. Durch diese Hilfe wurde mein Promotionsstudium möglich. Bei der statistischen Aus‐ wertung der empirischen Ergebnisse hat mich Prof. Dr. H. K ÜCHENHO F F mit seinem Team vom Statistischen Beratungslabor des Instituts für Statistik der LMU München unterstützt. Die IT-Gruppe Geisteswissenschaften um Dr. Chr. R I E P L und Dr. S. L ÜCK E haben mir mit Rat und Tat bei der Erstellung von Datenbanken geholfen. Allen Beteiligten sei sehr herzlich für ihre Zeit und Mühe gedankt. Für wertvolle Anregungen und konstruktive Diskussionen über Form und Inhalt der Fragebögen bin ich Dr. Christiane W ANZ E CK sehr dankbar. Ganz besonderer Dank gilt meiner Erstbetreuerin Prof. Dr. Elisabeth L E I S S . Von der ersten Idee, über zahllose Sprechstunden und bis zur Vollendung der vorliegenden Dissertation hat sie mich stets mit wertvollen theoretischen und praktischen Hinweisen unterstützt und motiviert. Sie war stets bemüht, mir das Machbare vor Augen zu halten, um das noch nicht Vollbrachte zu vollbringen. Das Zweifeln und das Glauben an sich selbst habe ich von Prof. Dr. Werner A B RAHAM in unseren spannenden Oberseminaren gelernt. Erst im Nachhinein wird einem bewusst, wie wichtig beides im Leben sein kann. Den Amischen in Pennsylvanien und Ohio gilt mein stiller Dank, dass sie mit einer herzlichen Zusammenarbeit zum Erhalt einer wundersamen Sprache beigetragen haben. Der tiefste Dank gilt aber meiner lieben Familie, da sie, während der Papa am promovieren war, die ganzen Alltagsangelegenheiten am erledigen war. DANKE! Abkürzungsverzeichnis / Grammatische Kategorienlabels 1.P S = 1. Person 2.P S = 2. Person 3.P S = 3. Person Abb. = Abbildung A D J = Adjektiv Ahd. = Althochdeutsch A K K = Akkusativ(-Objekt) A T T R = Attribut A U X = Auxiliar, Hilfsverb Bd. = Band bzw. = beziehungsweise ca. = circa d.h. = das heißt D A T = Dativ(-Objekt) D E T = Determinator, Artikel dt. = deutsch Dt. = Deutsch(e/ n) EModE = Early Modern English engl. = englisch etc. = et cetera F E M = Feminin F I N I T U M = finite Verbform F L E X E M = Flexionsmorphem Frnhd. = Frühneuhochdeutsch G E N = Genitiv germ. = Germanisch got. = Gotisch Hrsg. = Herausgeber IG = Indo-Germanisch I N F = Infinitiv Kap. = Kapitel kroat. = kroatisch lat. = lateinisch LModE = Late Modern English M A S K = Maskulin ME = Middle English Mhd. = Mittelhochdeutsch MV = Modalverb ndl. = niederländisch N E U T = Neutrum Nhd. = Neuhochdeutsch N O M = Nominativ O B J = Objekt OE = Old English P A S S = Passiv P A R T K = Partikel PeD = Pennsylvaniadeutsch P E R F = Perfekt P L = Plural P L U S Q P = Plusquamperfekt poss. = possessiv P R Ä P = Präposition P R Ä S = Präsens P R ÄT = Präteritum P R O G = progressiv/ Progressiv russ. = russisch serb. = serbisch S G = Singular Sit. = Situation slowak. = slowakisch StD = Standarddeutsch S U B J = Subjekt S U B S T = Substantiv tschech. = tschechisch usw. = und so weiter V = Verb V K L = Verbklammer vgl. = vergleiche vs. = versus z.B. = zum Beispiel 11 Abkürzungsverzeichnis / Grammatische Kategorienlabels Nun, ich will’s Euch auch sagen, da ich grad am Erzählen bin. Knöpft die Ohren auf, junges Volk, es mag eine Lehre für Euch drin liegen. Wilhelm Raabe: Die schwarze Galeere Abstrakt Die folgende Dissertation befasst sich mit der Fragestellung: Bildet sich im Stan‐ darddeutschen und im Pennsylvaniadeutschen eine neue Aspektform? Darüber hinaus setzt sich die Dissertation das Ziel, Divergenzen und Konvergenzen im Standarddeutschen und Pennsylvaniadeutschen empirisch-kontrastiv zu eru‐ ieren. Die Hauptfragestellung meines Dissertationsprojekts bezieht sich auf die Betrachtung aller grammatikalischen Konstruktionen nach dem Typus sein Fintum +am+V Inf , auch als die Verlaufsform oder der am-Progressiv bekannt. Durch eine gezielte Befragung von Informanten kann man die grammatischen Tendenzen und den Entwicklungsstand dieser beiden sprachlichen Entitäten in punkto As‐ pektsprache näher definieren. Diese Dissertation sollte daher einen völlig neuen Blick auf die Frage werfen: Welche von diesen beiden sprachlichen Entitäten ist dem Begriff, eine Aspektsprache zu werden, näher gekommen? Diesen Fragen gilt es mittels umfangreicher Sprachkorpora und Fragebögen nachzugehen. Die Auswertung der empirischen Daten sollte aufzeigen, dass eine Aspektualisie‐ rung im Standarddeutschen und im Pennsylvaniadeutschen unaufhaltsam am kommen ist. 1. Einleitung 1.1. Fragestellung - Zielsetzung - Annahme In den letzten Jahrzenten ist eine immer stärkere Präsenz der am-Progressiv-Konstruktionen wie etwa Ich bin ein Buch am lesen im Kontinuum des Stan‐ darddeutschen (StD) zu bemerken, was als pragmatisches Bedürfnis nach einem Ausdruck für eine sich im Verlauf befindliche Handlung interpretierbar ist. Wenn wir noch in Betracht ziehen, dass es viele Sprechergruppen und viele Sprachinseln des Kontinentalwestgermanischen gibt, kommen wir zu der Kern‐ frage meiner Dissertation: Gibt es eine nachweisbare Aspektualität im Standard‐ deutschen oder in einer dem Standarddeutschen nahestehenden Sprachen? Mein Augenmerk fällt dabei auf das Pennsylvaniadeutsche (PeD), die Sprache einer deutschstämmigen und deutschsprachigen Minderheit in den USA. Oft werden an zwei verwandte Sprachentitäten gewisse Äquivalenzan‐ sprüche gestellt, nämlich dass in ähnlichen Sprachvarietäten ähnliche gramma‐ tische Strukturen vorherrschen müssten. Es gilt zu klären, inwiefern sich die zwei verwandten deutschen Entitäten auseinander entwickelt haben und ob es trotz einer differenten sozio-linguistischen Entwicklung mittels gezielter empi‐ rischer Datenerhebung gelingen kann, gemeinsame morpho-syntaktische Merkmale der am-Progressivform in beiden Sprachen nachzuweisen und deren Entwicklung zu untersuchen. Die Akzeptanz der am-Progressiv-Konstruktion in der standardisierten Schriftsprache variiert sehr, was nicht selten zur Verunsicherung von Mutter‐ sprachlern und ausländischen Lernern führt, da diese Formen traditionell (z. B. D UD E N 1966, 1984) als umgangssprachlich oder regional markiert gelten und somit in Schulen oft beanstandet werden. Manche Grammatiken haben ihre Haltung diesen Formen gegenüber revidiert (D UD EN ab 1998; Z I F ONUN et al. 1997), sodass am-Progressive auch in Literatur oder manchen Zeitungen zu lesen sind. In aktuellen Schulgrammatiken hingegen werden diese Progressiv-Konstruktionen nach wie vor ausgespart. Mit einigen Beispielen sollte auf‐ gezeigt werden, dass die am-Progressive weitaus mehr als nur „rheinische Ver‐ laufsformen“ resp. regionale Ausdrücke oder sprachliche Anomalien sind, son‐ dern von der breiten Öffentlichkeit eingesetzt werden. Die am-Progressiv-Form wird und wurde von Rheinländern und Nicht-Rheinländern, von Nobelpreist‐ rägern und von deutschen Emigranten im 17. Jh. gleichermaßen benutzt: (1) (2) (3) (4) Der Lein ist schon nah am Blühen und der Weizen anderthalb Spannen hoch. [ J.W. von G O E T H E , Italienische Reise, Kapitel 35, C aserta, den 16. März 1787] In der Werkstatt wurde schon flott gearbeitet. Der Meister war gerade am Schmieden. [Hermann H E S S E , Unterm Rad -1906, Kapitel VI] Sie sind am Bibeln verkaufen. [Quelle: Briefsammlung der Auswanderer 1846-1864; C O S T E L L O 1986: 4] Es war Abend, der rote Glanz auf der Mauer war am Verlöschen. [Elias C A N E T T I , Die Stimmen von Marrakesch, 2002, Hanser Verlag, S. 7] Es kann aus den oben dargestellten Belegen der Schluss gefasst werden, dass die Verlaufsform innerhalb der letzten drei bis vier Jahrhunderte semantisch und syntaktisch dem heutigen Bildungsparadigma und der Funktion des am-Pro‐ gressivs sehr ähnlich geblieben ist. Die späte Aufarbeitung der Geschichte und die lückenhaften Erklärungen zu Form, Bildung und Bedeutung sind wohl auch etlichen Vorurteilen über Substandard, Umgangssprache oder Mündlichkeit ge‐ schuldet. Auch die Vermutung ist berechtigt, dass die Verlaufsform schon viel früher existent war, sich wohl aber in einem Stadium der grammatischen „Selbstfindung“ befand, oder sich eben am entwickeln war. Auch L EI S S impliziert diesen Schluss mit den Worten: Man sollte einer Sprache eine Kategorie nicht vorschnell absprechen, nur weil sie nicht in den gewohnten Mustern transparent ist. (L E I S S 1992: 27) Als Textgrundlage der Dissertation dienen Sätze aus dem PeD der Amischen, welche während meiner Feldforschung im Juli 2014 in den USA entstanden sind (ca. 1720 Sätze). Einerseits wurden einer Informantengruppe aus den Amischen (40 Personen) grammatisch kodierte Fragen gestellt, in denen sie typische Ant‐ worten geben mussten. Die Zielsetzung der empirischen Arbeit war es, die Kookkurrenz oder das gemeinsame Auftreten von bestimmten grammatischen Restriktionen und am-Progressiv-Konstruktionen zu ermitteln, wie etwa fol‐ gende Beispielsätze: 1. Ich bin am schlafen. / Es ist am regnen. (objektlose, additive, atelische Verben) 2. Er ist am erblinden. / Ich bin am platzen. (objektlose, non-additive, telische Verben) 3. Anna ist am putzen. / Wir sind am bauen. (ausgelassene Akkusativobjekte) 4. (? ) Johanna ist der Mutter am helfen. 16 1. Einleitung (5) (6) (7) (8) (Dativobjekte im Progressiv) 5. (? ) Ich bin am planen, ein Buch (zu) schreiben. (Infinitivkonstruktionen im Progressiv) 6. Susi ist am Kuchen backen./ John ist am Buchlesen. (inkorporierter Objekte) 7. Sei am lernen, wenn ich zurückkomme! (Imperativ beim Progressiv) 8. Ist Elly am lesen? (Interrogative im Progressiv) 9. (? ) Viele Häuser sind am gebaut werden. (Passivfähigkeit von Progressiv) 10. Ich bin beim Arbeiten./ Er ist dabei, zu lesen./ Wir essen gerade. (Konkurrenzformen) Die gleichen Fragen wurden auch auf ihr Vorkommen und ihre Akzeptanz im StD getestet. Das plurizentrische deutsche Diasystem und seine diversifizierten Sprachgemeinden haben sich durch soziolinguistische Faktoren begünstigt oft verändert und sich separat weiterentwickelt. Die gleichen grammatischen Restriktionen sollten dann am Beispiel von Literatur-Texten, Presseerzeugnissen und Befragungen aus dem StD durchleuchtet werden, um zu prüfen, welche Rückschlüsse diese Fragestellungen im StD erlauben und inwiefern die Akzep‐ tanz dieser Form verbreitet ist. Hier liegt auch meine grundlegende Annahme für dieses Forschungsprojekt: Im Gegensatz zum StD erfolgt im PeD eine syn‐ chron wie diachron nachweisbare rapide Erweiterung des Verwendungsradius von am-Progressiven, die wohl durch eine Koexistenz von unterschiedlichen grammatischen Parallelformen (von mir Modifikationen genannt) und eine des‐ kriptive (non-präskriptive) Sprachnorm begünstigt wird. Der progressive Ver‐ balaspekt ist im Englischen oder auch in manchen slawischen Sprachen vor‐ handen: He read/ was reading. [engl. ‚Er las/ las gerade/ war am lesen] (aus H E W I N G S 2001: 2) Oн говорил/ разговаривал. [russ. ‚er sprach/ er sprach gerade/ war am sprechen‘] (aus I S A C E N K O 1975: 391) On spieva/ vyspevuje. [slowak. ‚er singt/ singt fortwährend (immer) wieder‘] (C A L T I K O V A / T A R A B E K (2001: 135) On piše / on zapisuje. 17 1.1. Fragestellung - Zielsetzung - Annahme (9) (10) (11) [serb./ kroat. ‚er schreibt/ er ist am schreiben/ schreibt gerade‘] (M R A Z O V I C / V U K A D I N O V I C (1990: 64) On opravil kolo/ opravuje kolo. [tschech. ‚er reparierte ein Fahrrad/ ist am reparieren/ gerade‘] (M E L I C H A R / S T Y B L I K (2009: 137) Innerhalb dieser sprachlichen Vielfallt ist es aber zu bemerken, dass einige mo‐ derne westgermanische Sprachen ( VAN P OTT E LB E R G E 2004: 2) ähnliche Progres‐ sivkonstruktionen aufweisen, mit strukturellen Ähnlichkeiten in Form einer prä‐ positionalen Progressivkonstruktion: - Standarddeutsch: Ich bin am Lesen/ lesen. - Niederländisch: Ik ben ann het lezen. - Afrikaans: Ek is aan die lese. - Pennsylvaniadeutsch: Ich bin am lesa. - Unserdeutsch: Ich bin am lesen de Buch. Diese westgermanischen Sprachen benutzen dieselben ererbten, etymologisch identischen Formen als Bestandteile. Die jeweilige Form des Verbs sein dient als Auxiliar in einer Verbindung mit der jeweiligen Präposition an (germ. *ana), die mit dem bestimmten Artikel dem verschmolzen ist. Die eigentliche Verbhand‐ lung ist im sog. Verlaufsinfinitiv wiedergegeben: Emma ist am basteln [Inf] und Samuel ist am lesen [Inf] . Unter dem am-Progressiv ist also eine systematisch bildbare verbale Konstruk‐ tion zu verstehen, mit welcher der Sprecher explizit äußern kann, dass eine Verbhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt der Äußerung noch im Verlauf ist. G LÜCK (2001: 81) versteht darunter eine „[… Konstruktions]Bedeutung, dass die vom Infinitiv bezeichnete Handlung im Moment der Äußerung durchgeführt wird.“ Auch bei L EI S S (1992: 33) stellt die Dichotomie zwischen der von ihr be‐ schriebenen Innenperspektive und Außenperspektive eine zentrale Rolle für die Darstellung des Verbalaspekts. Der Verlaufsform mit der am-Konstruktion fällt hierbei die Rolle des imperfektiven, innenperspektivierenden Aspektpols zu. Innenperspektivierend wird als „teilbares Ganzes“ verstanden, wobei die Verbhandlung als additive, dehnbare oder in gleiche Abschnitte teilbare Einheit be‐ zeichnet wird. So wäre die Verbhandlung in dem Beispielsatz: Anne sucht ein Buch. als unabgeschlossen zu verstehen und der Äußerung mit dem am-Progressiv Anne ist (immer noch) am suchen gleichzusetzen. Gerade in der Sprache der 18 1. Einleitung 1 Bei allen Sätzen im PeD in dieser Arbeit handelt es sich um Sätze, die vom Audio- Rekorder transkribiert wurden und nach dem Prinzip der PeD-Orthografie BBS aufge‐ schrieben und von Muttersprachlern korrigiert wurden (siehe Abschnitt 1.2.2). Die in […] untergestellten Übersetzungen sind sinngemäß zu verstehen. Alle transkribierten PeD-Sätze erscheinen in Kursiv-Schrift und sind aus meinem Korpus. Fremdbelege aus dem PeD werden immer explizit mit Quelle oder Autor genannt. (12) (13) (14) (15) Amischen stellen so konstruierte am-Progressive ein sehr frequentes formelles Merkmal der Unabgeschlossenheit in der Darstellung einer Verbalsituation dar. Im PeD wird der am-Progressiv sehr oft und mit vielen Ergänzungen bzw. syn‐ taktischen Erweiterungen verwendet, wie durch das ganze Korpus 1 gezeigt wird, etwa: D Aenn is am Ebbel schaela. [Die Anna ist am Äpfel schälen.] Ich bin sunndaags mei Guckbox am watscha. [Ich bin sonntags (mein) Fernsehen am schauen.] Sei am schaffa, wenn d Doody heemkummt! [Sei am arbeiten/ schaffen, wenn der Vater nach Hause kommt.] Viele Haisa sin am gbaut warra do. [Hier sind viele Häuser am gebaut werden.] In der vorliegenden Arbeit sollten also diese konkreten Fragestellungen zum Gebrauch, zur Akzeptanz und zur morpho-syntaktischen Ausbaufähigkeit dieser grammatischen Formen eruiert werden. Als theoretische Grundlage gelten die bislang bekannten und anerkannten Stellungnahmen zur Aspektfor‐ schung, die in einem separaten Kapitel (Kapitel 2) ausführlicher dargestellt werden. Zugleich wird auch eine Definition von Aspekt und Verlaufsform aus‐ gearbeitet, welche als Arbeitsdefinition für die vorliegende Arbeit zu verstehen ist. Die Motivation einer kontrastiven empirischen Feldforschung entspringt meiner Annahme, dass sich in den Sprachinseln des Deutschen eine andere Dy‐ namik der Sprachwandelprozesse entwickelt haben könnte. In Sprachinseln sind grundsätzlich andere phonetische, lexikalische und morpho-syntaktische Ent‐ wicklungen zu beobachten als in den Stammgebieten, was eine Analyse von Sprachwandel aus zwei Blickwinkeln äußerst interessant erscheinen lässt. Oft lässt sich durch empirisch belegbare Untersuchungen auf sprachliche Verände‐ rungen in der jeweils anderen Entität schließen. Die kontrastiv gewonnenen Ergebnisse aus dem PeD sollten Rückschlüsse auf die tendenziellen Entwick‐ lungen im StD aufzeigen oder das Ausbleiben von solchen Entwicklungen er‐ klären. 19 1.1. Fragestellung - Zielsetzung - Annahme 1.2. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Dissertation kann in drei thematische Abschnitte unterteilt werden. Im Vordergrund steht die theoretische Positionierung bzw. ein dia‐ chroner wie synchroner Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse aus der Aspektforschung. Der zweite Teil ist die detaillierte Zusammenstellung der empirischen Fragebogenerhebungen zum am-Progressiv mit den morphologi‐ schen, syntaktischen und semantischen Restriktionen aus der Sprache der Ami‐ schen, dem Pennsylvaniadeutschen. Dieser Teil dient zugleich auch als Exkurs, um mögliche Konvergenzen zwischen dem Standarddeutschen und dem Penn‐ sylvaniadeutschen herzustellen bzw. die lexikalische und morpho-syntaktische Nähe der zwei deutschsprachigen Entitäten aufzuzeigen. Im letzten Teil der Ar‐ beit sind die statistischen Auswertungen und die grafischen Darstellungen aller relevanten Ergebnisse aus dem Pennsylvaniadeutschen und ihre Auswirkungen im Standarddeutschen aufgelistet. Im Vorfeld des eigentlichen empirischen Teiles der Arbeit werden in den ersten drei Kapiteln theoretische Positionen zum Forschungsgegenstand erläu‐ tert. Im einführenden Kapitel 1 werden die Geschichte der Täuferbewegung und die Grundzüge der deutschstämmigen Auswanderer in den USA kurz be‐ schrieben, um einen Überblick zu gewähren, woher die „Deitscherei“ in den USA ihren Ursprung nahm. In Kapitel 2 wird versucht, die unterschiedlichen Defi‐ nitionsansätze aus dem Bereich Aspektforschung, die wesentlichen Parameter der Aspektualität und die Konzeptionalisierung von Progressivmarkern zu be‐ schreiben. Anschließend bietet das Kapitel 3 eine Arbeitsdefinition von Ver‐ balaspekt und meine Positionierung der am-Progressiv-Konstruktionen im Spektrum der Aspektualität. Der Ausganspunkt in Kapitel 4 ist die theoretische Auseinandersetzung mit der Form des am-Progressivs bzw. die Bestimmung aller morphologischen Komponenten (sein Finitum +am+V Inf ), was den theoreti‐ schen Kernbereich dieser Dissertation darstellt. Im folgenden Kapitel 5 wird der empirische Teil der Arbeit dargestellt. Der konzipierte Fragebogen sowie die Art der Erhebung und die essenziellen soziolinguistischen Parameter werden hier näher beschrieben. Das so entstandene Korpus von ca. 1720 Sätzen ist die Grundlage der morpho-syntaktischen Aus‐ wertung in den folgenden Kapiteln. Das Ziel vom umfangreichsten Kapitel 6 ist es, das Pennsylvaniadeutsche als Diasystem darzustellen und die am-Pro‐ gressive durch die Verbalkategorien zu untersuchen. So wird die Interaktion von Progressiv-Konstruktionen mit den Verbalkategorien Tempus und Modus aus‐ gearbeitet und mit Sprachbeispielen aus beiden deutschsprachigen Entitäten 20 1. Einleitung verglichen. Dabei wird das morpho-syntaktische Inventar des Pennsylvania‐ deutschen besonderes akzentuiert. Die linguistisch bedeutendsten Ergebnisse dieser Dissertation werden in Ka‐ pitel 7 vorgestellt. Es geht um die mögliche Interaktion der Progressiv-Formen und der Verbalkategorie Genus verbi. Lange galt die Ausweitung der am-Pro‐ gressive auf die die Kategorie Genus verbi als unwahrscheinlich und morpho‐ logisch als schwer realisierbar. Durch die Ergebnisse der empirischen Studie im Pennsylvaniadeutschen sollte das Gegenteil bewiesen werden. Dies würde näm‐ lich bedeuten, dass die am-Progressiv-Konstruktionen nach dem Muster sein Finitum +am+PII+werden Inf ihr morpho-syntaktisches Inventar erweitert haben und dass das gesamte Progressiv-Paradigma reichhaltiger geworden ist. Passiv‐ fähige Progressiv-Formen wären im Inventar der westgermanischen Sprachen eine Neuheit, mit der Ausnahme des Englischen, das diese Formen allerdings erst seit dem 18. Jh. kennt. Anschließend werden in Kapitel 8 im Rückblick auf die theoretischen und empirischen Ergebnisse meiner Arbeit neue Aussichten und Vorschläge zum Gebrauch von am-Progressiven gestellt. Die linguistische Evidenz der Distri‐ bution, die syntaktische Variabilität, der Grad der Grammatikalisierung und die Pragmatik von am-Progressiv-Konstruktionen scheinen mir in den vorange‐ gangenen Kapiteln ausreichend dargestellt worden zu sein, um eine abschlie‐ ßende Prognose oder Empfehlung über die Verwendung der am-Progressive auszusprechen. Ich finde es wichtig diese Formen im Sprachgebrauch einzu‐ setzen, zumal das morphologische Inventar und die Funktionalität als erwiesen gelten können. In Kapitel 9 wird eine ausführliche Liste fachrelevanter Litera‐ turhinweise vorgestellt und das Kapitel 10, welches die verifizierbaren Trans‐ kripte der Audio-Dateien und den Fragebogen enthält, sollten die Dissertation vervollständigen. 1.3. Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen Im Folgenden sollten die wichtigsten und interessantesten Fakten aus der Sprache und Kultur der Pennsylvaniadeutschen dargestellt werden, was eine Analyse von Sprachwandel aus zwei Blickwinkeln ermöglichen sollte. Einerseits ist es interessant zu beobachten, wie sich die deutsche Sprache in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat und welche Veränderungen wie zu erklären sind. Andererseits ist es auch aufschlussreich zu untersuchen, wie die Sprecher der jeweiligen Entität die Loslösung ihrer Kultur von dem kontinentaldeutschen 21 1.3. Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen 2 Zur Geschichte der Amischen siehe K R A Y B I L L (1989) und L O U D E N (2016) Einfluss erleben und beurteilen. Die geplante Datenerhebung und ihre Auswer‐ tung sollten wichtige Einblicke in die grammatischen Entwicklungen der beiden Sprachgemeinschaften erlauben. Aus diesen Daten sollten relevante Rück‐ schlüsse auf den Sprachgebrauch der zu untersuchenden Phänomene und ihrer Restriktionen möglich sein. Ungeachtet dessen, auf welche Ebene man den Fokus der Forschung verlegt, kommt es unmissverständlich hervor, dass beide Entitäten sprachliche Variationen gebildet haben. 1.3.1. Die Amischen und Mennoniten - ihre Geschichte in Streiflichtern Die Ursprünge der Gemeinschaft der Amischen und der Mennoniten liegen weit im 16. Jh. zurück, in einer religiösen frühneuzeitlichen Täuferbewegung (die Dunker; vgl. dt. (ein)tunken als Taufritual) in West- und Süddeutschland und in der Schweiz. Die Amischen ist ein Kollektivbegriff für eine überwiegend deutsch‐ stämmige und mehrheitlich deutschsprachige religiöse Gemeinschaft, die sich im 17. Jh. von ihrer Muttergemeinschaft in der heutigen Pfalz, Süddeutschland und der Nordschweiz durch Auswanderung in die religiös toleranten USA gelöst hatte und von dem Zeitpunkt an so gut wie keine Kontakte zum Mutterland unterhielt. 2 Die Amischen (auch Amish geschrieben) benennen sich nach Jakob Amann (1644-1730), der ein in der heutigen Schweiz lebender Gemeindeältester war. Die Mennoniten berufen sich auf Menno Simons (1496-1561), der ebenfalls ein Prediger aus der frühen Täuferbewegung in den Niederlanden war. Die Wege der Amischen und der Mennoniten sind sowohl in Europa wie auch in den USA oft eng verflochten. Der Wunsch nach Freiheit führte kurz vor 1700 etliche Gläubige in die USA, da die religiöse Intoleranz in weiten Teilen Europas sehr hoch war. Es siedelten nach und nach viele Familien auf die Einladung des Gouverneurs Sir William P E NN (1644-1718) in den von ihm neu gegründeten Bundestaat Pennsylvanien aus, wo sich die große Mehrheit der Amischen nie‐ derließ (z. B. Germantown oder Deitscheschteddel, gegründet 1683). Im Laufe des 18. und 19. Jhs. haben sich die Gemeinden der Amischen in Deutschland völlig aufgelöst. Insgesamt gibt es heute in den USA und Kanada über 300.000 Ange‐ hörige, mit einer stark steigenden Tendenz (L O UD EN 2016: 64). Die religiöse Vielfallt unter den Amischen ist sehr differenziert und in unterschiedlichen Auslegungen der Heiligen Schrift begründet. Diese Gemeinschaft entwickelte 22 1. Einleitung 3 II Korinther-Brief 6: 17: „Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab! , spricht der Herr. Und rührt Unreines nicht an! Und ich werde euch annehmen.“ / E L B E R F E L D E R Übersetzung/ sich zu einer stabilen und funktionierenden sprachlichen Entität mit soziologi‐ schen, kulturellen und linguistischen Besonderheiten. Der in der Bibel 3 fundierten Abgeschiedenheit blieben die Amischen bis zum heutigen Tage treu und eben dieser ist es wohl zu verdanken, dass ihre gesamte Kultur und Sprache dem Kampf gegen die Zeit trotzen konnten. Trotz der unterschiedlichen regionalen Herkunft aus Deutschland und Teilen der Schweiz sprachen allmählich fast alle Amischen in Nordamerika den typischen deutsch-englischen Siedler-Dialekt von Pennsylvanien, das heute so bekannte und so genannte Pennsylva‐ nia-Deitsch. Der Name Pennsylvania-Deutsch (oder Pennsylvania-Deutsch oder Deitsch, sogar Pennsylfaanisch) wurde in den USA geprägt. M E I S T E R -F E R RÉ (1994: 1) ver‐ mutet, dass der Name „Dutch“ ein Versuch sein sollte, das für die Engländer etwa wie / daidʃ/ klingende „Deutsch“ zu verschriftlichen und dass dabei Dutch her‐ vorkam. Tatsächlich nennt sich die große Mehrheit der PeD-Sprecher selber „Dutch“, die Sprache aber „German“, daher die zwei oft missverstanden Termini (Pennsylvania Dutch und Pennsylvania German), welche im Grunde ein und die‐ selbe kulturelle Entität bezeichnen. Dies galt auch für ihre im restlichen Terri‐ torium von den USA entstehenden Tochtersiedlungen, sodass man sicherlich von einem Ausgleichsprozess mehrerer Mundarten sprechen kann. Bis heute sprechen die Amischen diesen, von zahlreichen Anglizismen durchzogenen Mischdialekt, der insbesondere der pfälzischen Mundart, der Sprache der wohl größten Aussiedlergruppe, immer noch sehr ähnelt. Die Amischen halten an ihrer traditionellen, vom heutigen Standarddeutschen abweichenden, aber im‐ merhin gut erkennbaren Sakralsprache fest, die auch Amish High German ge‐ nannt wird (E NNING E R 1989: 61). 1.3.2. Das Pennsylvaniadeutsche - Forschungsstand Einer der ersten ernsthaften Versuche das Pennsylvaniadeutsche zu dokumen‐ tieren, war die 1872 verfasste Grammatik Pennsylvania Dutch von H ALD EMAN , wie auch die Lehrwerke von F R E Y (1942) (A simple Pennsylvania Dutch grammar) und B U F F INGTON (1954) (A Pennsylvania German Grammar). Es wurde mit einfachen Erklärungen darauf hingewiesen, wie sich diese Sprache für Au‐ ßenstehende erlernen lässt. In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jhs. hatte R E E D viele empirische Forschungsergebnisse präsentiert. Angefangen mit Phonetik (R E E D 1947a) über Morphologie (R E E D 1949) beschreibt R E E D bis hin 23 1.3. Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen (16) (17) (18) (19) (20) (21) zur Semantik (R E E D 1967) die Sprachvariationen der Amisch-Gemeinden. Be‐ züglich des am-Progressivs spricht R E E D (1947b: 6-8) dem Pennsylvaniadeut‐ schen einen progressiven Aspekt zu, wobei der Progressiv auch morphologische Variationen aufweisen kann: Mai familia is om tsu nemma. [Meine Familie ist am zunehmen.] Wail ich shunt tzae yohr am shtudia bin [Weil ich schon zehn Jahre am studieren bin.] Sie is om gschirr abbudsa. [Sie ist am Geschirr abputzen.] (Beispiele aus R E E D 1947b: 8) Ähnlich sieht es auch M E I S T E R -F E R RÉ (1994: 91-94), die in Ihrer Dissertation erstmals Merkmale des Pennsylvaniadeutschen kontrastiv beschreibt, unter andrem auch den am-Progressiv: ix bin am bla: na f ʌ n bux ʃraivǝ. [Ich bin am Planen, ein Buch zu schreiben.] s is am ræ: gnǝ a: fanŋǝ. [Es ist am Regnen anfangen.] si: is am bux le: sǝ. [Sie ist am Buch Lesen.] (Beispiele mit Lautschrift aus M E I S T E R -F E R R É 1994: 91-94) In ihrem Artikel Do they love it in their hearts? stellt H U F F INE S (1991) beispiels‐ weise eine provokative Frage über die Zukunft des Pennsylvania-German. Sie möchte den Einfluss der englischen Grammatik beurteilen und die Einstel‐ lungen der Sprecher zum Erhalt der Sprache ermitteln. Sie beantwortet die etwas rüde anmutende Frage tatsächlich mit „Nein“. Die stark zurückgezogenen Spre‐ cher (the sectarians genannt) versuchen Kontakte zum Englischen zu meiden. Da sie sich dem Einfluss nicht entziehen können, sich ihm aber auch nicht übergeben wollen, führen sie oft unkorrekte Veränderungen in ihre Sprache ein, die das weitere Überleben allmählich gefährden (dazu D O R IAN 1978: 415; D O R IAN 1989: 353; H U F F IN E S 1994: 58). E NNING E R (1989: 67) bemerkt, dass das Pennsylvaniadeutsche eine autonome Entwicklung vollziehe und dass es trotz der vielen Einflüsse von Außen (Exter‐ nals) eine wesentliche Tendenz (Internals) im Deutschen selbst geben müsse, manche grammatische Strukturen zu etablieren. Überwiegend beschäftigte sich die Erforschung der Sprache der Amischen mit Phonetik, Bedeutungswandel und Semantik. Die morpho-syntaktische Ebene wurde oft vernachlässigt und 24 1. Einleitung rückte in den Hintergrund (siehe dazu L OUD E N 1994: 73). Dies würde ich zum Anlass nehmen, den grammatischen Sprachwandel in den Fokus meiner For‐ schungsarbeit zu ziehen. Zur Verschriftlichung des PeD gab es auch Ansätze, welche unterschiedliche Erfolge hervorgebracht haben (L O UDE N 2016: 63). Zum einen muss gesagt werden, dass es sich bei dem von den meisten Amischen und Mennoniten ge‐ sprochenen Deitsch um eine sprechsprachliche Entität handelt, welche in oraler Tradition von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Gerade die konservativen Gruppen (unter Old-Order und New-Order bekannt, auch sectarians genannt, wobei das Wort sect im Englischen dem dt. kirchliche Gemeinde entspricht und nicht mit dt. „Sekte“ zu verwechseln ist) haben lange nicht den Sinn und Zweck der Verschriftlichung ihrer eigenen Sprache einge‐ sehen. Die anderen Gruppierungen, die oft non-sectarians oder non-plains be‐ zeichnet wurden (dt. Kirchenleute oder einfach von mir als Deitschstämmige genannt) haben dem Spracherhalt große Bedeutung geschenkt und früh um den Erhalt der Sprache gekämpft, beispielsweise indem sie Gedichte (Schtick) und Geschichten (Schtorys) erzählt und niedergeschrieben haben (dazu H AAG 1982 und 1988). Da aber das Pennsylvanische als eine Verschmelzung aus unter‐ schiedlichen deutschen und schweizerischen Varietäten anzusehen ist, waren bei der Verschriftlichung unzählige Hindernisse zu überwinden, wie dialektaler Einfluss, Rechtsschreibung oder englische Wörter. So haben sich anfangs lokale oder regionale Regeln des Schreibens etabliert, welche keinem allgemein aner‐ kannten Rechtschreibsystem folgten und daher oft nur begrenzt lesbar waren. Es haben sich im Laufe der Zeit zwei Systeme entwickelt. Einmal diente zur Verschriftlichung des PeD das Hochdeutsche mit seinen im 19.Jh. geltenden Re‐ geln als Vorlage. Viele der in den USA lebenden Deutschstämmigen waren noch an die deutsche phonemische Orthografie gewohnt, in der einem Phonem idealerweise ein Graphem entspricht. Der sich bereits in Amerika heimisch füh‐ lenden Gruppe von Emigranten erschien dagegen das morpho-phonemisch ge‐ prägte Englische als besser geeignet, um die Deitscherei zu verschriftlichen: Die zwei Haupttendenzen bei der Verschriftung spiegeln dabei die unterschiedlichen Orientierungen innerhalb der oben geschilderten Sprachkontaktkonstellation wider: Die eine orientiert sich an der hochdeutschen Orthographietradition, die andere zieht das Englische als dominante High-Variety und Alphabetisierungsschrift als Bezugs‐ größe heran. (H A N S -B IA N C HI 2014: 119) Daraus entstand das heute bekannte Buffington-Barba-Spelling-System (BBS) und das Hershberger-Wycliffe-Modell (HWM). Die B U F F INGTON / B AR BA Gram‐ matik (1953, Revision 1965) ist sicherlich eine der Standardwerke im PeD und 25 1.3. Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen (22) (23) sie orientierte sich schon damals an dem einfachen phonemischen Prinzip, dass ein Laut nach Möglichkeit eine schriftliche Entsprechung zugeteilt bekommt und auch die deutsche Schreibweise wurde übernommen (z. B. die Großschrei‐ bung der Nomina). Das Wycliffe-Modell ist an der englischen Schriftsprache orientiert und ist den Amischen und Deitschen bereits von dem obligatorischen Schulunterricht bekannt. Das BBS fand erst sehr langsam den Anklang in der Gesellschaft, teils auch deswegen, weil eine bestimmte Zweckmäßigkeit zum Schreiben fehlte, zumal viele religiöse Sprecher des PeD kein Interesse an lite‐ rarischen Werken außerhalb der sakralen Schriften hatten. Hier eine kurze Ge‐ genüberstellung der Schriftbilder aus dem Matthäus-Evangelium, Kap. 5: 1: (BBS) Wie er all die Leit sehnt, geht er der Barrik nuff un setzt sich hie, un sei Yinger sin em nohgange. [Wie er alle diese Leute sieht, geht er den Berg hinauf und setzt sich hin, und seine Jünger sind ihm nachgegangen.] (HWM) Vo Jesus dee feel leit ksenna hott, is eah nuff uff en hivvel ganga un hott sich annah kokt. [Wo (als) Jesus die vielen Leute gesehen hat, ist er hinauf auf einen Hügel gegangen und hat sich hingesetzt.] Sei yingah sinn zu eem kumma. [Seine Jünger sind zu ihm gekommen.] (Beispiele und Übersetzung von H A N S -B I A N C H I 2014: 121) Heutzutage ist zu bemerken, dass sich das BBS durchgesetzt hat und eine brei‐ tere Bevölkerungsgruppe erreicht hat. Dies kann mit dem einfachen Ansatz zu‐ sammenhängen, dass ein Schriftbild nur dann effektiv ist, wenn sich damit viele Menschen identifizieren können und eine Verbindung zu ihrer eigenen Ethnie herstellen können. Die Deistschen in den USA haben sich wohl eher mit dem deutschstämmigen Schriftbild verbunden gefühlt, was sicherlich mehr mit ihrer Einstellung zum Kulturgut (deutsche Lieder, traditionelle Kleidung, L U‐ THE R -Bibel) als mit der Pragmatizität der phonemischen Schrift zu tun hat. Hinzu kommt noch, dass sich in den letzten 50 Jahren das Selbstbewusstsein und das Sprachbewusstsein der Pennsylvaniadeutschen gesteigert hat und dass sich so‐ wohl die religiösen Gruppen wie auch die Deitschstämmigen mehr für ihre Kultur, Abstammung und Geschichte interessieren ( VAN P OTT E LB E R G E 2004: 235). Dies ist auch durch unterschiedliche Bücher und Zeitungen (wie The 26 1. Einleitung Budget oder Hiwwe wie Driwwe) in PeD und am Beispiel der zweisprachigen Straßenschilder und Überschriften in vielen Countys zu erkennen, welche als linguistic landscaping von der deitschsprachigen Bevölkerung gepflegt werden (H AAG 1988; D ONMO Y E R 2012 und 2013). Abb. 1: Linguistic Landscaping in Pennsylvania (Bilder Copyright A. Tomas) In den letzten Jahrzehnten ist sich die allgemeine Varietätenlinguistik inzwi‐ schen einig, dass es sich bei dem PeD nicht um einen an das Deutsche ange‐ lehnten Dialekt mit englischen lexikalischen Einschüben handelt, sondern um eine eigenständige und vollfunktionsfähige Sprache. Hierfür sprechen mehrere Gründe. Im Laufe der letzten drei Jahrhunderte hat sich das PeD von den zur Zeit der Auswanderung gesprochenen deutschen Varietäten erheblich distan‐ ziert, was teils durch die physische Distanz und teils durch die ideologische Abgeschiedenheit mancher Sprechergruppen zu erklären ist. So hat sich ein ei‐ genständiges Diasystem des PeD etabliert, was auf seinen diatopischen und diaphasischen Ausprägungen basiert (vgl. VAN P OTT E LB E R G E 2004: 295 und H AN S -B IANCHI 2013: 114). Hinzu kommt auch eine sehr spezielle, dem StD fremde Lexik, die teils durch Sprachkontakt mit dem Englischen (Die Kuh is iwwer die Fence gedschumpt oder Ich bin sunndaags mei Guckbox am watscha), teils auch mit dem Lebensstil der Sprecher selbst zu begründen ist. Dies er‐ schwert eine Kommunikation vom Standpunkt eines StD-Sprechers erheblich oder lässt diese erst gar nicht mehr zu Stande kommen. Das wohl wichtigste Merkmal einer eigenständigen Sprache ist sicherlich ihre eigenständig funktio‐ nierende Paradigmatisierung von authentischen morpho-syntaktischen Merk‐ malen (Pluralformen, Flexion), wozu auch die am-Progressiv-Konstruktion und ihre Extension zu zählen wären. Daher lässt sich abschließend feststellen, dass das PeD aus unterschiedlichen Ausgleichsvarianten besteht, welche sich gegenseitig nicht ausschließen, son‐ 27 1.3. Kurze diachrone Übersicht zum Pennsylvaniadeutschen und den Amischen dern lexikalisch und morpho-syntaktisch ergänzen und somit ein eigenes, dem Kontinentaldeutschen fremdes Diasystem entwickelt haben (L O UD E N 2016: 2). 1.4. Zusammenfassung Stirbt das PeD aus? Auf diese Frage kann man in der Fachliteratur unterschied‐ liche Antworten bekommen. H U F F IN E S (1980: 53) zufolge gehören zu einem gesunden Wachstum oder zu einer fördernden Umgebung einer Sprache vier wesentliche Voraussetzungen, nämlich ein Sprachstandardisierungsprozess, Sprachautonomie, eigenständige Historizität und Sprachvitalität. Bezogen auf das PeD können die Kriterien von H U F F IN E S folgendermaßen kommentiert werden: Das PeD ist seit seiner Entstehungsgeschichte im 18. Jahrhundert nie stan‐ dardisiert bzw. normiert worden. Die Mechanismen der Normierung, so wie man sie beispielsweise aus der Sprachgeschichte des Deutschen oder Engli‐ schen kennt, mit Sprachpflegegesellschaften, obligatorischen schulischen In‐ stitutionen oder durch über Jahrhunderte sich häufende Regelwerke für den Sprachgebrauch, haben sich im PeD nie etabliert. Das PeD galt schon immer und gilt auch heute noch als fast ausschließlich orales Kommunikationsme‐ dium einer in sich geschlossenen und isolierten Gesellschaft. Die Nähe zum Deutschen und die fast lückenlos verfolgbare Entwicklung der Lexik und der Grammatik haben sich eher negativ auf die Sprachautonomie des PeD aus‐ gewirkt, weil viele Autoren jahrzehntelang darin nur einen „Pfälzer-Dialekt mit englischen Beigaben“ sahen. Es könnte jedoch in dieser Arbeit deutlich gezeigt werden, dass PeD als selbstständige Sprache fungiert (L O UD E N 2003b: 124). Auch die historische Entwicklung des PeD, welche oft zu nah an das Deutsche angelehnt wurde und somit in einer Art von Dependenz vom Stan‐ darddeutschen resultierte, konnte durch zahllose Beispiele und sprachhisto‐ rische Entwicklungsstufen aufgezeigt werden. Die mit dem Deutschen ge‐ meinsamen und vererbten sprachlichen Strukturen sind evident, wie auch die im 18. Jh. gebildeten Differenzen. Die nicht vorhandene Möglichkeit der Kommunikation und die ebenfalls nicht mögliche Austauschbarkeit von be‐ stimmten Lexemen und grammatischen Strukturen innerhalb der beiden Sprachen weisen auf eine klare Trennlinie hin (eine eigenständige Gram‐ matik, Bücher in PeD, neue Generationen von aktiven Sprechern). Die geo‐ grafische Distanz zu Europa und die soziale Autonomie der pennsylvania‐ deutschen Bevölkerung, die sich selbst nicht (mehr) als Deutsche in den USA sieht, untermauern ihre Souveränität. Die Vitalität bzw. der diastratische, diatopische und diaphasische Gebrauch der Sprache unter seinen Sprechern 28 1. Einleitung (zumindest bei den zahlenmäßig rapide anwachsenden Old-Orders) unter‐ streicht den „Überlebenswillen der Sprache“ und verhindert letztendlich so den schon lange vorausgesagten Sprachtod. Die neuesten Bemühungen der Sprecher und Interessenten des PeD, die in zahllosen Publikationen oder kulturellen Veranstaltungen zu sehen sind, lassen berechtigt neue Hoff‐ nungen aufkeimen, dass das PeD nicht am aussterben ist. 29 1.4. Zusammenfassung 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv 2.1. Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung Bevor meine Thesen über die Entwicklung der Aspektualität im Pennsylvania‐ deutschen (PeD) und die Reflexionen auf das Standarddeutsche (StD) erweitert oder eingeengt, bewiesen oder widerlegt werden können, sollte eine Übersicht über die bisherige Forschung und über die Terminologie im Bereich Aspektfor‐ schung gegeben werden. Zunächst wird daher ein zusammenfassender Über‐ blick über die einschlägige Literatur zur Aspektologie gegeben. Im zweiten Teil soll eine Eingrenzung ausgewählter Definitionen zum Verbalaspekt erfolgen. Abschließend sollten die wichtigsten Parameter vorgestellt werden, welche für die Ermittlung von Aspektualität zwingend notwendig sind. In dem folgenden Abschnitt sollen nun einige bestimmte Ansätze und Defi‐ nitionen aus der Aspektforschung präziser dargestellt werden. Es sollte auch auf unterschiedliche diachrone Entwicklungen in der Aspektforschung aufge‐ zeigt werden, welche für die Progressivforschung von Relevanz sein könnten. Auch die Trennung zwischen Aspekt und Aktionsart bzw. der Zusammenhang von Aspekt, Tempus und Modus soll thematisiert werden. Die Arbeiten und die darin ausgearbeiteten Auffassungen C OMR I E s werden oft als Säulen der Aspektologie betrachtet, wenn es um die inhaltlich-funktio‐ nale Kodierung von Aspekt geht. Unter aspect versteht C OMR I E eine bestimmte Perspektivierung und temporale Strukturierung von Verbalgeschehen, nämlich „aspects are different ways of viewing the temporal constituency of a situation“ (C OMR I E 1976: 3). Aus C OMR I E S weiteren Bemerkungen: In the present book we shall speak of semantic aspectual distinctions, such as that between perfective and imperfective meaning, irrespective of whether they are gram‐ maticalized or lexicalized in individual languages. (C O M R I E 1976: 6-7) lässt sich darüber hinaus schließen, dass es bezüglich der Aspektforschung den‐ noch zwei Betrachtungsperspektiven eines Betrachtungsgegenstandes gibt. Die eine zielt darauf ab, die grammatikalisierten Mittel einer Sprache zum Ausdruck einer perfektiven oder imperfektiven Verbalsituation zu beschreiben, die andere nähert sich dem Problem der Beschreibung derselben Verbalsituation auf der semantischen bzw. lexikalischen Ebene. Diese Perspektive entspräche dem Be‐ griff der lexikalischen Aktionsart, jene eher dem Begriff Aspekt als einer mor‐ phologischen Verbalkategorie. Die Triade Tempus-Aktionsaart-Aspekt hat zwei gemeinsame Komponenten und diese sind fest miteinander verflochten, sodass eine klare Trennlinie zweifelsohne schwer fallen wird. Es geht um das Verbale und das Zeitliche. Alle drei Begriffe versuchen, das Verbalgeschehen zeitlich zu strukturieren. Diese zwei gemeinsamen Nenner sind das Bindeglied, welches diese Konzepte zugleich bindet wie auch fast unzertrennlich zusammenfügt (H E N R IK S S ON 2006: 13). Aspekt bezieht sich nach C OMR I E demzufolge auf eine Verbalsituation, die ungeachtet des Verbalcharakters (telisch, atelisch, statisch, dynamisch etc.) immer als gänzlich abgeschlossen, unteilbar oder aber als im Verlauf befindend, teilbar oder eben progressiv definiert werden kann. Aktionsart bezieht sich hingegen nicht auf die grammatische Ebene eines Verbes, sondern zielt auf die semantisch-lexikalische Ebene eines Prädikats ab und stellt die Art und Weise der darin enthaltenen Handlung zeitlich strukturiert dar. Die Wortbildungsmethoden wie Derivation oder Infigierung dienen ledig‐ lich dazu, die unterschiedlichen Phasen einer Verbhandlung zu bestimmen, nicht jedoch um zwischen den Kategorien Aspekt und Aktionsart zu wechseln. C OMR I E schlägt sogar vor, den irreführenden Begriff Aktionsart zu ignorieren, nur um die schon vorherrschende Konfusion zu vermeiden bzw. nicht weiter zu schüren (C OMR I E 1976: 7). Somit fasst er die zwei Begriffe Aspekt und Aktions‐ arten unter einen Terminus zusammen (nämlich aspect), der zwei Perspektiven erlaubt, eine grammatikalische und eine lexikalische. Wichtig ist hierbei bei C OMR I E die Annahme über einen Betrachterwechsel zwischen der Innenper‐ spektive und Außenperspektive eines Verbalgeschehens, die auch einen vom Sprecher getrennten Betrachter voraussetzt. Der Betrachterstandpunkt ist nicht mit dem Sprecherstandpunkt identisch. Auch andere Aspektforscher sehen in dieser Perspektivierungsalternation die Hauptfunktion von Aspekt. Nicht ganz unproblematisch bei C OMR I E ist aber, dass er auf die Fragen zum Betrachterstandpunkt nicht erläuternd eingeht wie auch dass er die lexikalische und gram‐ matikalische Ebene von Aspekt nicht immer konsequent trennt. Diese Alterna‐ tion wird von anderen Autoren oft aufgegriffen und spezifiziert. V E NDL E R (1957) nähert sich der Problematik der Aspektologie aus der sprach‐ philosophischen Sicht. Bereits A R I S TOT E L E S unterscheidet zwei Verbalsituationen: mit inhärentem Endpunkt und solche, die keine Begrenzung haben (M O U R E LATO S 1978: 417). V E NDL E R projiziert dieses Konzept auf Verbalphrasen und macht zwei hilfreiche Feststellungen. Einerseits kann man aus dem Zitat: The fact that verb have tenses indicates that the considerations involving the concept of time are relevant to their use … […] the use of a verb nay also suggest the particular 32 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (24) (25) (26) way in which the verb presupposes and involves the notion of time. (V E N D L E R 1957: 143) eine wichtige und zugleich auch problematische Bemerkung entnehmen: Tempus und Aspekt müssen ein ähnliches Wahrnehmungskonzept haben, da oft ähnliche Beschreibungsparameter benutzt werden. Zweitens entwirft V E NDL E R ein Modell von vier Verb-Schemata (activities z.B. engl. to run; accomplishments z.B. engl. to run a mile; achievements z.B. engl. to find; state z.B. engl. to desire), mit denen er die Verbalsituationen (ursprünglich für das Englische) im Allge‐ meinen klassifiziert. Anhand von distinktiven Parametern ist es möglich, eine große Anzahl der Verbalphrasen und ihre temporale Struktur zu erfassen. V ENDL E R geht davon aus, dass jede Verbalphrase ein bestimmtes Zeitschema voraussetzt. Mit der folgenden Testfrage What are you doing? I am running/ *knowing/ * ? loving. versucht V E NDL E R die aufeinanderfolgenden Phasen einer und derselben Verbal‐ situation zu hinterfragen, ob und welche Verbalsituationen eine progressivier‐ bare (continuous tense) Verbform nachweisen können. Sofern man also sukzes‐ sive aufeinanderfolgende Verbphasen einer Verbhandlung aufteilen kann und diese einzelnen Phasen sich wiederum gleichen, würde man eine progressive, fortdauernde Handlung erwarten. Dieses Kriterium nennt V E NDL E R (1957: 145) [±] Durativität. Er bemerkt außerdem, dass es auch Ausnahmen gibt, was er mit folgenden Beispielen zeigt: I am running a marathon/ a mile. I am drawing a circle. Wenn der Läufer also den Marathonlauf abbricht, ist er also nicht den Marathon gelaufen, aber er ist dennoch gelaufen. Ebenso hat der Zeichner durch eine Un‐ terbrechung den Kreis nicht abgeschlossen, aber er hat dennoch gezeichnet. Dies zeigt deutlich, dass es mehr Parameter benötig, bis eine valide Klassifikation der Verbhandlungen erfolgen kann. V ENDL E R fügt diesbezüglich hinzu, dass es auch Verbalsituationen gibt, bei denen ein inhärenter Endpunkt der Handlung er‐ reichbar ist oder nicht erreichbar ist. Somit stellt er einen weiteren Parameter auf, der den Endpunkt oder das Erreichen eines Endpunktes in einer Handlung angibt, also [±]Telizität oder Grenzbezogenheit einer Situation. Das dritte Kriterium ist die Veränderlichkeit oder [±]Dynamizität einer zeit‐ lich befristeten Verbalphrase. Dies konzeptualisiert sich dadurch, dass sich bei Vorgängen etwas ändert, bei Zuständen nicht. Wenn keine Veränderung in der zeitlichen Struktur der Verbalphrase impliziert wird, drückt das Verb einen Zu‐ stand aus. Accomplishments und activities bezeichnen also Vorgänge, die in der 33 2.1. Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung 4 Die Übersetzungen stammen von mir, mit der Absicht, die Termini sprachlich zu ver‐ deutlichen; ich bevorzuge jedoch die englischen Originaltermini zu benutzen. (27) (28) Zeit verlaufen, daher sind sie +durativ. Achievements (punktuelle, terminative Ereignisse) hingegen zeichnen sich durch das Fehlen einer Dauer aus, und states durch das Fehlen einer Veränderung. Die Unterscheidung von accomplishments und achievements erfolgt aufgrund der zeitlichen Struktur der Entitäten, auf die sich verbale Prädikate beziehen können. Zu testen ist dies durch durative Ad‐ verbialien: Er suchte den Schlüssel fünf Tage. [Zeitspanne] vs. Er fand den Schlüssel *fünf Tage/ nach fünf Tagen. [punktuell] Es ergeben sich aufgrund der von V E NDL E R dargestellten Parameter vier basale Verbalklassen: Verbklasse engl./ dt. 4 Parameter Beispiele engl./ dt. 1 states (Zustände ohne Veränderung) -dynamisch, +durativ, -telisch to know/ wissen 2 activities (Aktivitäten ohne inhärentem Endpunkt) +dynamisch, +durativ, -telisch to run / rennen/ laufen 3 accomplishments (Handlung mi erreichtem in‐ härenten Endpunkt) +dynamisch, +durativ, +telisch to run a mile/ eine Meile laufen write a letter/ Brief schreiben 4 achievements (Erreichen eines Zustandes) +dynamisch, -durativ, +telisch to spott/ erblicken to reach / erreichen Tab. 1: Vendlers Verbklassifikation (1957) V ENDL E R spricht hier aber auch ausdrücklich von dem allgemeinen Gebrauch oder der primären Lesart der Verbalsituationen. Natürlich ergeben sich auch andere Lesarten und für diese müssten unter Umständen andere Klassifikationsparameter angewandt werden. V E NDL E R befasst sich auch mit eben diesen Varianten und der Kombinationsmöglichkeit einer Verbalsituation mit Modalverben, auf die ich in dieser Arbeit aus Platzgründen verzichten möchte. Die Tatsache, dass versucht wird Aspektualität mit temporalen Parametern wie Durativität oder Grenzbezogenheit zu definieren, zeigt deutlich, dass Aspektu‐ alität und Tempus ein konzeptionell sehr ähnliches Darstellungssystem auf‐ weisen. Vielleicht ist es eben dieser konzeptionellen Ähnlichkeit geschuldet, dass diese zwei Verbalkategorien nicht immer zweifelsfrei durch klare Trennlinien abgegrenzt werden können. Daher sollte versucht werden, neue Para‐ meter für ein differenzierteres Darstellungssystem zu definieren. 34 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (29) (30) Auch S MITH basiert ihr Konzept der Aspektualität auf der Annahme von zwei Dimensionen von aspect. Einerseits geht S MITH (1991: 27) davon aus, dass der Sprecher vor der tatsächlichen Äußerung einen bestimmten Blickwinkel auf das Verbalgeschehen wählt und aus „dieser Ecke heraus“ das Verbalgeschehen für die Zuhörer/ Leser kodiert. Diese Wahl, so vermutet S MITH , geschieht aufgrund einer in allen Sprachen vorhanden universalen, kognitiven Verankerung im mentalen Lexikon. Mit diesem Blickwinkel, von S MITH (1991: 95) viewpoint genannt, entscheidet der Sprecher welches Element aus der Verbalsituation für seine Äußerung zum Tragen kommen soll. Dies ähnelt nach S MITH der Fokussierung einer Kameralinse, die manche Teilbereiche eines Geschehens schärfer stellt als andere. Sie unterscheidet den perfective viewpoint, der eine Grenzbezogenheit darstellt, da der Anfang und das Ende einer Handlung mit inbegriffen sind, und somit die ganze Handlung im Visier steht: Mary walked to schol. Der imperfective viewpoint beschreibt die Grenzoffenheit einer Verbalsituation ohne Anfangs- oder Endpunktangabe. Somit steht nur ein Teilbereich im Brenn‐ punkt der Mitteilung: Mary was walking to school. Durch dieses Konzept der beiden viewpoints baut S MITH auf die traditionelle Zweiteilung bei der Aspektforschung auf, nämlich auf die perfektive und im‐ perfektive Perspektive. Sie berücksichtigt nicht nur die temporale Struktur des Verbes, sondern auch den Perspektivenwechsel. Dies führt allgemein zum Schluss, dass Aspektualität eine universelle Kategorie darstellt, die sich durch unterschiedliche Mittel abbilden lässt. Kritisch ist zu beachten, dass S MITH auch einen dritten sog. neutral viewpoint einführt. Der bezieht sich auf die Sprachen, die keinen morphologisch nor‐ mierten perfective resp. imperfective viewpoint haben. Es könnte jedoch sein, dass es sich hier um einen konzeptuellen Denkfehler handelt, wie auch H EN R IK S S ON (2006: 21) bemerkt, da die kognitive, inhaltliche Seite von Aspekt und die Aus‐ drucksmittel hier nicht konsequent getrennt gehalten werden. Es klingt nach einem Widerspruch, wenn S MITH behauptet, dass Aspektualität einerseits eine Universalie ist, jedoch mit dem neutral viewpoint die Möglichkeit anbietet, Sprachen zu kennzeichnen, die Aspektualität nicht haben. Es scheint, dass es eher Sprachen gibt, die diese beiden viewpoints unterschiedlich kodieren. Ob es nun einen neutralen viewpoint gibt bzw. Sprachen die keine Aspektualität 35 2.1. Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung (31) ausdrücken können, bleibt zu ermitteln. Der Autor dieser Arbeit schließt sich dieser Annahme nicht an. Weiterhin baut S MITH auch die von V ENDL E R bereits beschriebenen Verbkategorien weiter aus und fügt einen fünften Situationstyp hinzu: semelfactive type. Semelfaktiv (lat. semel, einmal; facere, machen) bezeichnet einen singu‐ lären, einmaligen Vorgang, punktuell und grenzbezogen, also telisch, wie zum Beispiel klopfen, niesen, blinzeln. Die Notwendigkeit dieser separaten Verbal‐ klasse ist jedoch stark umstritten. Das Spektrum der sprachlichen Ausdrucks‐ mittel für Aspektualität im Allgemeinen verläuft daher von grammatikalisierten morphologischen Mitteln als Verbalkategorie wie z. B. Tempus oder Artikel (L EI S S 2000), über lexikalisch kodierte Aktionsarten und Verbalcharakter bis zu Verbalkonstruktionen (progressive markers, E B E R T 2000: 606) und sogar unter Umständen auch Funktionsverbgefüge (L EI S S 2010). Oft führt erst eine gewisse Interaktion von verschiedenen Mitteln zu einer Perspektivierung des Verbalge‐ schehens. B INNICK (2006) gibt einen zielführenden Überblick über die bisherigen termi‐ nologischen Differenzen im Bereich der Aspektforschung. Er führt die rele‐ vanten distinguierenden Parameter auf, wie z. B. die viewpoints von S MITH , die vier Hauptverbklassen von V E NDL E R und C OMR I E S Konzept des Betrachterwech‐ sels sowie der slawistischen Aspektologen und versucht die uneinheitliche Ter‐ minologie auszugleichen: The term aspect refers to situation aspect […], viewpoint aspect […], and phasic aspect […]. Some scholars […] call aspectual phenomena in general aspectuality, as opposed to aspects, the specific aspectual categories. (B I N N I C K 2006: 244) Auch er definiert die Aspektualität als eine Verbalkategorie, die sich durch drei Ausdrucksweisen konzeptionalisiert. Unter situation aspect führt B INNICK näm‐ lich die derivativen Ausdrucksmöglichkeiten einer Verbalsituation und ihrer zeitlichen Strukturierung an: Situation aspect […], lexical aspect, or Aktionsart ‘kind of action’, concerns the clas‐ sification of […] states of affairs or occurrences, in terms of their temporal properties, and, secondarily, the classification of the types of expressions referring to them in particular languages. (B I N N I C K 2006: 244) Als Beispiel für die Aktionsarten wird angeführt, dass man die Grenzbezogen‐ heit einer Verbalsituation auch durch ein verbinhärentes Objekt erreichen kann: He swam. und He swam across the pool. 36 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (32) Als viewpoint aspect bezeichnet B INNICK die Möglichkeit, einen Perspektiven‐ wechsel durch grammatische Ausdrucksmittel zu erreichen und nennt es gram‐ matical aspect. Hier kommt die Idee von C OMR I E (1976: 3) über die „different ways of viewing“ einer Verbalsituation zum Einsatz: Susann built kayaks und Susann was building kayaks. B INNICK (2006: 248) unterscheidet letztendlich im Englischen einerseits zwi‐ schen dem perfective aspect, der eine externe und somit abgeschlossene Sicht‐ weise der Verbalsituation erlaubt. Anderseits ermöglicht der imperfective aspect die partielle, interne, nicht abgeschlossene Sichtweise einer Verbalsituation. Hierbei fügt er jedoch noch eine Teilung innerhalb der imperfektiven Aspekt‐ klasse hinzu und trennt den habituell aspect (etwa I used to go there frequently) vom continuous aspect (etwa in He was dancing) wobei beide eine nicht abge‐ schlossene Verbalsituation bezeichnen. Diese Einteilung ist ebenfalls nicht un‐ umstritten (B INNICK 2006: 249). Kritisch zu bemerken wäre nämlich, dass der habituell aspect unter dem morphologischen Aspekt behandelt und beschrieben wird, obwohl er anhand der beschriebenen Parameter zu dem lexikalischen As‐ pekt zählen müsste. Ein Problem der heutigen Aspektologie bleibt zweifelsohne die Terminologie, mit der oft sprachübergreifend identische Sachverhalte unterschiedlich benannt werden. Andererseits ist es hervorzuheben, dass der Begriff Aspekt doch in un‐ terschiedlichen linguistischen Traditionen für differente grammatische Phäno‐ mene verwendet wurde. Diese Verwirrung in der Fachterminologie der Aspekt‐ forschung vermerkt auch L E I S S folgendermaßen: Solange nicht klar ist, wo die Grenze zwischen Aspekt und Aktionsart gesetzt werden muss, ist auch nicht möglich, dem deutschen Verbalsystem die Kategorie des Aspekts abzusprechen …[…]. (L E I S S 1992: 22) Für L E I S S ist die Perspektivierungsalternation des Verbalgeschehens sowie die Miteinbeziehung von Sprecher- und Betrachterperspektive die fundamentale Funktion der Verbalkategorie Aspekt. Das Konzept dieser unterschiedlichen Perspektiven zwischen dem Betrachter und der Verbalsituation, führt zu der Annahme, dass Aspekt zumindest teilweise eine deiktische Kategorie darstellen muss (L E I S S 1992: 45), d. h. dass sich die Bedeutung der deiktischen Elemente erst durch den Bezug auf die jeweilige Sprachsituation vervollständigt. Manchmal können aspektuelle und temporelle Bedeutungen einander aushelfen oder kompensieren, wie z. B. perfektive Verbformen eine gewisse aspektuelle Abgeschlossenheit bezeichnen können. Manche Verben haben aber trotz der Präsensformen keinen Gegenwartsbezug, was zu Unvereinbarkeiten mit dem 37 2.1. Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung Konzept von Aspekt führt (Der Ballon platzt.). Dann müssen Verben sekundär reinterpretiert werden und hierzu scheint für die aspektuelle Lesart essentiell zu sein, eine Perspektivierungsalternation zu gewährleisten, was sie wiederum von der temporalen Lesart unterscheidet, da der Sprecher und Betrachter bei Aspekt unifiziert sind: Beim Aspekt können Betrachter- und Sprecherstandort nicht auseinanderfallen, denn sie bilden eine undifferenzierte Einheit. (L E I S S 1992: 232) Grammatische Kategorien stellen daher immer perspektivierende, deiktische Relationen dar, die dem Sprecher die Möglichkeit bieten, sich zwischen der in‐ neren oder äußeren Perspektive eines Verbalgeschehens zu entschieden. Dieses Konzept können Aktionsarten (derivativ kodierte Aspektualität) und Verbal‐ charaktere (lexikalisch kodierte Aspektualität), die eine lexikalische Präzisie‐ rung des Geschehens darstellen, nicht innehaben, sondern sie weisen eine mehr oder minder festgelegte Betrachtungsposition auf. L E I S S (1992) unterscheidet zwei Verbperspektiven: 1. perfektiver Aspekt; die Situation wird einschließlich ihrer Grenzen, also als Ganzes, gesehen. Der russische Satz Ja napisal pis'mo. (russ. Ich schrieb [Perfektiv] den/ einen Brief) bedeutet, dass der Brief von Anfang bis Ende, also fertig geschrieben wurde. Die Situation wird in ihrer Totalität erfasst. Der Betrachter steht außerhalb der Verbalsituation und erfasst sie als ganzheitlich abgeschlossen. Es entsteht daher eine perfektive, non-ad‐ ditive, undehnbare, unteilbare und außenperspektivierende Verbalsituation  außenstehend innen : engl . read , dt . finden , erblicken , russ . napisat ´ Abb. 2: Außenperspektivierung einer Verbalsituation 2. imperfektiver Aspekt; die zeitlichen Grenzen der Situation werden nicht dargestellt. Der Satz Ja pisal pis'mo. (russ. Ich schrieb [Imperfektiv] an einem Brief.) bedeutet, dass jemand dabei war, einen Brief zu schreiben. Der Betrachter steht hierbei innerhalb der Verbalsituation und erfasst sie nur partiell, oder Teile davon. Da die Grenzen der Verbalsituation nicht 38 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv gänzlich miterfasst werden, wird sie als imperfektiv, teilbar, additiv, un‐ abgeschlossen und innenperspektivierend wahrgenommen: außen  innenstehend engl. reading , dt . suchen , russ . Pisat ´ Abb. 3: Innenperspektivierung einer Verbalsituation Folglich definiert L E I S S das Konzept der Aspektualität als eine binäre Paaropposition von ein und demselben Verb, wodurch ein Perspektivenwechsel zwi‐ schen der inneren und äußeren Betrachtungsperspektive eines Verbalgesche‐ hens ermöglicht wird. Gleichzeitig plädiert sie auch für eine klare Trennung von der grammatischen Aspektkategorie und dem inhaltliche-funktional festge‐ legten Begriff der Aspektualität, da dieser sowohl die morphologische normierte Aspektkategorie wie auch die lexikalisch fundierten Aktionsarten beinhaltet (dazu H EN R IK S S ON 2006: 12; L E I S S 1992: 34). Im Neuhochdeutschen gibt es viele Möglichkeiten eine aspektueller Perspektivierung perfektiv vs. imperfektiv zu erzeugen, wie beispielsweise mit periphrastischen Ausdrücken der Funktions‐ verbgefüge (fragen und eine Frage stellen) oder manchen Aktionsartverben (jagen und erjagen) oder eben mit dem am-Progressiv. Auch die Interdependenz von Aspekt und Tempus wird deutlich, wenn man die Semantik der Präsens‐ formen von perfektiven Verben betrachtet, zumal diese keinen Gegenwarts‐ bezug aufweisen können, sondern eher zukünftigen Zeitbezug evozieren (Egon kommt heute). Diese aspektuelle Semantik ist also im Deutschen abbildbar, je‐ doch nicht über grammatikalisierte oder paradigmatisierte Oppositionen. Aspektualität hat somit den Status eines grundlegenden, allgemeingültigen kognitiven Konzeptes, das in jeder Sprache als Wahrnehmungsinstrument vor‐ handen ist. L E I S S (1992: 243) stütz diese These zusätzlich auf den verifizierten Daten des Spracherwerbs bei Kindern und in der klinischen Linguistik, die be‐ stätigen, dass Aspektualität und ihr differenzierbares Spektrum im mentalen Lexikon verankert sein müssen (siehe auch bei S MITH 1991: 27). 39 2.1. Ausgewählte Definitionen zur Aspektforschung (33) (34) (35) (36) 2.2. Die Parameter der Aspektualität Aus dem oben dargestellten unterschiedlichen Aspekt-Konzepten gilt es nun eine Synthese aller relevanten Parameter der Aspektforschung zusammenzu‐ fassen, die für eine präzise Determinierung der inhärenten temporalen Struktur einer Verbalsituation unverzichtbar sind. Weiterhin soll eine Grenze innerhalb des Forschungsbereichs Aspektologie gezogen werden, die es ermöglicht, eine Trennlinie zwischen Aspekt als Verbalkategorie und Aktionsart als lexikalisches Ausdrucksmittel der Aspektualität zu bestimmen. 2.2.1. [±] Grenzbezogenheit Bei dem Merkmal Grenzbezogenheit (auch Telizität, also atelisch oder telisch) handelt es sich um ein wichtiges Merkmal von Aspektualität, das Auskunft da‐ rüber gibt, inwiefern die Verbalsituation eine inhärente Grenze aufweist oder nicht. Es wird also eine Einschränkung geltend gemacht, die auf das potenzielle Ende oder Ergebnis eines Geschehens verweist. Bei Verbalsituationen ohne diese markante Grenze steht dagegen nur der Verlauf als solcher im Fokus des Betrachters, ohne weitere Angaben bzw. der Anfang oder das potenzielle Ziel der Verbhandlung steht im Hintergrund. Im Deutschen ist diese Grenzbezogen‐ heit für den Ausdruck der Aspektualität von großer Bedeutung, zumal sich in der deutschen Sprache zahllose derartige Beispiele aufzeigen lassen: essen (ohne Grenze, also [- Grenzbezogenheit]) und aufessen [+ Grenzbe‐ zogenheit] schrauben [- Grenzbezogenheit] und zuschrauben [+ Grenzbezogenheit] klagen [- Grenzbezogenheit] und anklagen [+ Grenzbezogenheit] etc. Das Vorhandensein einer Grenzbezogenheit bedeutet aber nicht, dass man diese auch immer erreichen muss. Dies erklärt auch den Ansatz, dass stark grenzbe‐ zogene Verbalsituationen wie ertrinken mit einem progressiven Marker wie dem am-Progressiv kombinierbar sind und dadurch die Grenzbezogenheit partiell entkräftet wird. In den Fokus des Betrachters rückt wieder die Handlung als Verlauf. Das Merkmal Grenzbezogenheit dient also dazu, um eine potenzielle Grenze eines Verbalgeschehens zu markieren, muss aber nicht das tatsächliche Erreichen dieser Grenze bedeuten. Auch hier wird eine Perspektivenalternation ermöglicht, dadurch dass man ein perfektives Verb re-perspektiviert und es im Fokus des Betrachters als imperfektiv darstellt: Egon öffnete die Schatulle. und Egon war die Schatulle am öffnen, als es läutete. 40 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (37) (38) (39) (40) Der Ritter starb im Morgengauen. und Der Ritter war am sterben, als man ihn fand. Dem Betrachter ist bewusst, dass eine inhärente Grenze im Verbalgeschehen inbegriffen ist und durch den Aspektmarker am-Progressiv kann diese aber deaktualisiert werden und in den Hintergrund geschoben werden. 2.2.2. [±] Abgeschlossenheit und die temporale Konnotation Ein weiteres relevantes Merkmal in der Aspektdefinierung ist die Abgeschlos‐ senheit oder die Vollendung der im Verbalgeschehen ausgedrückten Handlung (auch boundedness genannt). Durch dieses Merkmal ist es möglich, die Handlung einer Verbalsituation als abgeschlossen und als erreicht auszudrücken oder das Gegenteil davon zu vermitteln. In den folgenden Sätzen wird trotz unterschied‐ licher Tempusformen der Annahme vermittelt, dass die im Verb ausgedrückte Handlung in allen Phasen auch erfolgreich abgeschlossen sein wird (z. B. An‐ fang, Dauer, Ende): Sue crosses [+BOUND] the street. [present simple tense] oder Sue crossed [+BOUND] the street. [Past simple tense] Bei den folgenden Beispielen wird dagegen diese Annahme nicht ersichtlich, da die Information über das tatsächliche Erreichen der Verbhandlung unvermittelt bleibt: Sue is crossing [ - BOUND] the street. [Present progressive] und Sue was crossing [ - BOUND] the street. [Past progressive] Auch aus den deutschen Beispielsätzen ist zu entnehmen, dass sich Unterschiede im Bereich der aspektuellen Wahrnehmung ergeben, indem Attribute eingefügt werden. Die temporalen Konnotationen sind hier zweitranging. In dem Beispiel (40) wird ungeachtet des Tempus die Handlung als unabgeschlossen wahrge‐ nommen, da der Kuchen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufgegessen wurde: Emma isst Kuchen. [Präsens] und Emma hat Kuchen gegessen. [Perfekt] Bei den weiteren Sätzen in Beispiel (41) wird hingegen mittels des Artikels ver‐ mittelt, dass die Handlung abgeschlossen ist. Hier wäre zu erwarten, dass der ganze Kuchen aufgegessen wird: 41 2.2. Die Parameter der Aspektualität (41) (42) (43) (44) Emma isst den/ einen Kuchen. [Perfekt] und Emma hat den/ einen Kuchen gegessen. [Perfekt] Auch hier wird deutlich, dass Aspektualität im deutschen Verbalsystem nicht immer ohne den Einsatz von lexikalischen Mitteln abbildbar ist. 2.2.3. [±] Dynamizität und [±] Durativität Das Merkmal Dynamizität oder Veränderlichkeit einer zeitlich befristeten Situation wird oft als Gegenpol zu einer Verbalsituation ohne Veränderung be‐ trachtet, die einen Zustand darstellt. Es wird grundlegend zwischen zwei Situa‐ tionstypen unterschieden; einerseits zwischen Verbalsituationen, in denen etwas stattfindet (42) und an denen etwas vorliegt (43): Samuel joggt im Park. vs. Auingen liegt in Baden-Württemberg. Mit diesem Merkmal bietet sich also die Möglichkeit an, eine dynamische Verbalsituation mit Veränderungen von einer statischen Verbalsituation ohne zeitliche Begrenzung oder Veränderung zu unterscheiden. Es ist relevant fest‐ zuhalten, dass man nur bei den sogenannten dynamischen Verbalsituationen die für eine potenzielle Progressiv-Determinierung wichtigen Fragen Was passiert? oder Was machst Du? stellen kann. Ergänzend dient das Konzept der Durativität zur Determinierung, ob eine Verbalsituation anhält (suchen, bauen) oder nur punktuell (finden, abstürzen) ist. Ein distinktives Merkmal wäre, dass man punk‐ tuelle Verbalisituationen im Gegensatz zu durativen Verbalisituationen nicht mit temporalen Ausdrücken ergänzen kann: Egon musste eine Stunde/ fünf Tage den Schlüssel suchen / * finden. Allerdings ist das Konzept der Durativität als Merkmal der Aspektkategorie nicht unumstritten. Oft ist der Einwand begründet, dass Punktualität schwer zu messen ist, da keine „echten“ punktuellen Situationen existieren können (vgl. dazu H E N R IK S S ON 2006: 38). Auch L E I S S (1992: 43-44) bemerkt zu Recht, dass die Verwechslung zu den nichtgrenzbezogenen Aktionsarten oder Verbalcharak‐ tern und zu sogenannten imperfektiven Aspektverben zu groß sei, da alle diese Verben ein duratives Konzept aufweisen. Die Gleichsetzung von Durativität und Imperfektivität durch manche Autoren ist aber nicht zielführend. Auch grenz‐ bezogene Aktionsarten wie auch perfektive Aspektverben können durativ sein. Folglich werden oft irrtümlicherweise nur punktuelle Verben als echte perfek‐ tive Aspektverben bezeichnet. 42 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv 2.2.4. [±] Additivität oder holistische Merkmale Die Teil-Ganzes-Relation nimmt eine bedeutende Rolle ein, wenn man Aspekt‐ parameter von Verbalsituationen näher definieren möchte. Dieses Konzept ent‐ stammt der Mereologie (griech. μέρος meros ‚Teil‘), die sich mit dem Verhältnis zwischen dem Ganzen und dessen Teilen befasst. Es wird oft auf Nomina ange‐ wendet und damit möchte man die Zusammenhänge zwischen den Konstitu‐ enten zeigen. Ein Stück Holz lässt sich daher in kleinere Teile zersägen und jedes dieser Teile ist ein Stück Holz. Mit einem Stuhl ist das nicht machbar, da ein abgesägter Teil vom Stuhl nicht als ganzer Stuhl bezeichnet wird (vgl. K R I F KA 1989). Dieses Konzept lässt sich auch auf Verben übertragen, woraus man schluss‐ folgern kann, dass auch bei den Verbalsituationen eine Teil-Ganzes-Relation existieren muss. Auch L E I S S (1992: 47) schlägt diesbezüglich vor, Verben in zwei Kategorien einzuteilen: 1. Verben, deren Phasen oder Handlungsabschnitte untereinander identisch bleiben. Wenn man eine Verbalhandlung also in beliebig klei‐ nere Abschnitte zerteilt, wird die dem Verb zugrunde liegende Handlung nicht unterbrochen und die jeweiligen unterteilten Abschnitte beinhalten gänzlich die Verbalhandlung des ursprünglichen Verbs. Alle Phasen von suchen oder lieben können durch das Verb selbst substituiert werden. 2. Verben, deren Phasen oder Handlungsabschnitte nicht unterein‐ ander identisch bleiben. Die Verbhandlung lässt sich nicht in mitein‐ ander substituierbare Phasen aufteilen, da man die ganzheitliche Verbal‐ situation nicht zerteilen kann (finden oder erblicken kann man nicht in Teilphasen zerlegen und mit dem ursprünglichen Verb bezeichnen.) Somit bietet sich durch das Kriterium der Unteilbarkeit die Möglichkeit an, eine weitere Verbalopposition zu bilden, nämlich unteilbare Verben (auch als nonadditive oder holistische Verben) im Gegensatz zu den teilbaren Verben (auch additiven oder partitiven Verben). LEISS fasst es folgendermaßen zusammen: Eine holistische Perspektive ist nur möglich, wenn der Standpunkt des Betrachters außerhalb der Verbalsituation liegt. Nichtholistische, additive Verbalsituationen im‐ plizieren im Gegensatz dazu Innenperspektive. Die Dauer der holistischen Verbalsituation ist als Kriterium irrelevant. (LEISS 1992: 48) In Bezug auf dieses Kriterium ist die Mehrheit der deutschen Verben additiv und teilbar. Daraus folgt, dass der Standpunkt des Betrachters und die Verbalsitua‐ tion auf einer Ebene sind, die dehnungslos ist und eine unmittelbare Beteiligung des Betrachters am Verbalgeschehen erlaubt, daher der innenperspektivische 43 2.2. Die Parameter der Aspektualität Standpunkt. Dies führt oft zu der Annahme, dass der Betrachter und die Hand‐ lung außer auf der gleichen räumlichen auch auf einer gleichen temporalen Ebene agieren, was wiederum temporale Assoziationen als distinktive Merk‐ male bei der Trennung von Verbalsituationen zulässt. Auch hier ist zu sehen, dass temporale und aspektuelle Merkmale einer Verbalsituation eng verknüpft sind. Leicht ersichtlich ist auch, dass man mithilfe dieser Perspektivierung zwi‐ schen perfektiven (also non-additiven) und imperfektiven (also additiven) Verben unterscheiden kann. Nur imperfektive Verben können eine Antwort auf die Frage bieten: Was machst Du gerade? , also Ich suche meinen Schlüssel aber nicht *Ich finde meine Schlüssel. 2.3. Kurze diachrone Übersicht zur Progressiv-Forschung Die Progressivforschung hat ihren Ursprung in der Aspektforschung. Obwohl der Progressiv als Aspektform und seine Varianten auch früher schon benutzt wurden und den Sprechern des Deutschen als Ausdrucksmittel schon im frühen Mittelalter bekannt waren, hatte die Erforschung des Progressivs und der As‐ pektualität des Deutschen allgemein spät begonnen und wurde hinzu noch jahrzehntelang „stiefmütterlich behandelt“ (dazu A R ON 1914; VAN P OTTE L‐ B E R G E 2004: 174). Bemerkenswert ist, dass die Erforschung des Verbalaspekts durch einen allgemeinen Grammatiker und Slawisten vorangetrieben wurde, der das Russische und Deutsche kontrastiv untersuchte. V AT E R (1808: 54) unternimmt erstmals in seiner Praktischen Grammatik der Russischen Sprache den Versuch Aspekt als eigenständige Verbalkategorie im Russischen zu be‐ schreiben (dazu auch L E I S S 1992: 28). Um 1830 führt der Slawist R E I F F in einer französischen Übersetzung einer russischen Grammatik den Begriff aspect ein und liefert wohl damit eine erste Erklärung des grammatischen Phänomens (R EI F F 1857: 86; V E TT E R S 1990: 11). Der Begriff wird als Äquivalent zum russischen vid (dt. Erscheinung, Sicht, Ge‐ stalt) angeboten. In diesem Zusammenhang wird Aspekt mit vid gleichgestellt und beinhaltet sowohl die perfektive wie imperfektive Lesart einer Verbalsitua‐ tion, wie auch die morphologische Referenz eines Verbs im Bezug auf den An‐ fang, das Fortdauern oder das Ende einer Verbalsituation. Allerdings wird unter dem neu eingeführten Begriff Aspekt und einem anderen, ebenfalls neuen Be‐ griff, nämlich Aktionsart, zu den Anfängen der Aspektforschung im 19. und am Anfang des 20. Jhs. oft von ein und demselben Phänomen gesprochen. Als Wortschmied von Aktionsart bezeichnet man heute in der Aspektologie B R U G‐ MANN (1913: 538), der um 1886 den Begriff in seiner Griechischen Grammatik 44 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv verwendete. Dadurch kommen sich die Termini Aspekt und Aktionsart einerseits „gefährlich“ nahe und andererseits sind sie bis dato in der Forschung nicht ein‐ fach zu trennen. Unter diesen zwei Begriffen versteht man letztendlich ein grammatisches Phänomen aus zwei Blickwinkeln betrachtet. Es geht um die zeitliche Struktu‐ rierung einer im Verb ausgedrückten Handlung. Dabei bezieht sich der Begriff Aspekt in den Aspektsprachen zunächst auf Vollendung oder Abgeschlossenheit der Verbalsituation. Der deutsche Begriff Aktionsart steht mehr für die seman‐ tischen Unterschiede in der Verbalsituation durch Wortbildungsmethoden wie Präfigierung. S ÜTT E R LIN (1924: 464) beginnt in seiner Neuhochdeutschen Grammatik den am-Progressiv zu thematisieren, ordnet ihn aber den in Mundarten ausge‐ drückten Aktionsarten zu. Über Jahrzehnte blieb der Progressiv marginalisiert und galt oft als regional oder landschaftlich charakterisiert. In der D UD E N -Gram‐ matik (1966: §. 665) wird er flüchtig am Rande erwähnt. In den achtziger Jahren wurde durch B R ON S -A LB E R T (1984: 199) der Progressiv wohl erstmalig als ei‐ genständiges Phänomen thematisiert. In einer linguistischen Zeitschrift be‐ zeichnet B R ON S -A LB E R T die durchaus gängige Progressiv-Konstruktion als rhei‐ nische Verlaufsform, versucht aber damit zu werben, dass diese Form lange nicht mehr regional an den Rhein oder an die Pfalz gebunden sei, sondern überregional und weiträumig in Süddeutschland bekannt sei. In den neunziger Jahren des 20.Jhs. werden die Progressiv-Konstruktionen sowohl öfter in den Kanon der Grammatiken aufgenommen und bekommen dort auch mehr Aufmerksamkeit (z. B. 6. Auflage der D UD E N -Grammatik (1998: 91) oder Z I F ONUN et. al. (1997: 1877-1880)). Es folgten vermehrt wissenschaftliche Beiträge, Monographien und Dissertationen zum Thema Progressiv, was von einer breiteren Akzeptanz unter Linguisten zeugt (z. B. E B E R T 1996; R E IMANN 1996; G LÜCK 2001; K RAU S E 2002 und VAN P OTT E LB E R G E 2004). R EIMANN (1996) setzt sich mit der bisher vorhandenen Literatur äußerst kri‐ tisch auseinander und fertigte eine Liste aus, in der sie die Forschungsbeiträge in vier Gruppen klassifiziert: So sind die Arbeiten aus Gruppe 1 z. B. dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen wider Erwarten die Verlaufsform überhaupt nicht erwähnt wird. Die Arbeiten aus Gruppe 4 hingegen sind konkrete Abhandlungen zur Verlaufsform und beschäftigen sich in‐ tensiv mit ihr. Die Gruppen 2 und 3 beinhalten Zitate aus Wörterbüchern und Gram‐ matiken, in denen die Verlaufsform nur kurz charakterisiert wird. (R E IMA N N 1996: 60) Bei R E IMANN wurden unterschiedliche morphologische Besonderheiten der am-Progressive mittels eines Fragebogens erstmalig ausführlich getestet und 45 2.3. Kurze diachrone Übersicht zur Progressiv-Forschung Datenmaterial zur weiteren Analyse geschaffen. Einerseits hat sie feststellen können, dass die am-Phrasen einen durchaus weiteren Verständnisradius haben als bislang angenommen, da sie Fragebögen in einem größeren Radius erhoben hat, der weit über das Gebiet der „rheinischen Verlaufsform“ hinaus geht. Zum anderen ist durch die grammatische Kodierung der Fragen offensichtlich, dass am-Progressiv von den Nutzern als Mittel für aspektuelle Kodierung benutzt wird. R E IMANN hat auch sehr einleuchtend dargestellt, welche Konkurrenzformen es für den am-Progressiv geben könnte und warum diese Konkurrenzformen eigentlich keine sind. Von der aspektuellen Semantik her ließen sich auch noch Formen wie beim (bin beim Kochen) oder dabei/ dran (bin dabei/ dran zu kochen) oder ist im Begriff (ist im Begriff zu geschehen) als potenzielle Doubletten für eine aspektuelle Perspektivierung anführen. Ihre syntaktischen Restriktionen sind aber im Vergleich zum am-Progressiv weitaus größer und unüberwindbar, was wiederum die Wettbewerbsposition dieser Ausdrücke schwächt. So können die bei-Phrasen keine unagentive Subjekte haben ( * Der Computer ist beim Dru‐ cken) und die lokale Implikation ist stärker als bei den am-Phrasen ( * Ich bin beim Verzweifeln vs. Ich bin am verzweifeln). Ähnlich verhält es sich mit den dabei-Phrasen bezüglich der agensfähigen Subjekte ( * Der Motor ist dabei zu laufen), wobei die dabei-Phrasen eher eine noch nicht eingetroffene Ingressivität anstatt einer Progressivität implizieren, was eher den Verbalcharakter als den Aspektbegriff definiert. Wenn man schließlich Kriterien wie Frequenz und die diastratische Anwendung dieser Ausdrücke berücksichtigt, wird deutlich, dass der am-Progressiv eindeutig als präferiertes Muster der Aspektualität ver‐ wendet wird (R E IMANN 1996: 94). Darauf aufbauend ist die kontrastive Studie von K RAU S E (2002), in der es neben einer theoretischen Auseinandersetzung zum Thema Aspekt und dessen Kodierungsmöglichkeiten auch einen kontrastiven Vergleich zwischen nieder‐ ländischen, englischen, italienischen und deutschen Progressiv-Konstruktionen gibt. Hieraus ist deutlich zu erkennen, dass die aspektaffine Semantik der deut‐ schen am-Progressive nicht schwächer ist als die zu vergleichenden Ausdrücke in den anderen Sprachen. Der bedeutendste Unterschied zu den anderen Spra‐ chen ist die fehlende Paradigmatizität der deutschen Formen (siehe K RAU S E 2002: 317) und manche sich noch abzeichnenden syntaktischen Restriktionen, welche im weiteren Teil dieser Arbeit thematisiert werden. Eine der viel zitierten Studien zum am-Progressiv ist die 2004 erschienene Arbeit von VAN P OTTE LB E R G E . Auch er vergleicht kontrastiv gleich mehrere Sprachen, was eine Gegenüberstellung von konkurrierenden Formen möglich macht. Der größere Verdienst liegt jedoch in der diachronen Aufarbeitung der 46 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (45) (46) am-Progressiv-Konstruktionen. In einer chronologisch sehr präzisen Darstel‐ lung brachten seine Daten zwei für die Progressiv-Forschung sehr wichtige Er‐ kenntnisse hervor, welche auch als Motivation für diese Arbeit dienten. So konnte VAN P OTT E LB E R G E glaubhaft nachweisen, dass der Ursprung dieser Progressiv-Konstruktion nicht wie von der Forschung (B Y B E E et. al. 1994: 132) lange angenommen nur in einem spatialen oder lokalen Schema sei, sondern eher in einer aspektuellen Re-Interpretation deren Komponenten. Als zentrale These führt er an, dass die ersten uns überlieferten Beispiele als keine lokalen, sondern rein temporal-aspektuellen Sätze zu deuten wären und dies bereits im 15. Jh. In dem Tagebuch des Lucas R EM sind folgende Sätze zu lesen: Fand wir King Philips, der am herausreitten was. [Wir fanden König Philips, als er / während er herausritt.] Am hineinreiten stuos mich ain fieber terzana an. [Als/ Während ich hineinritt stieß mich das Fieber an.] In beiden Fällen handelt es sich um ein intransitives Verb mit temporaler Lesart und nicht lokaler, da es keinen der Verbhandlung zuzuweisenden „bestimmten Ort“ gibt ( VAN P OTT E LB E R G E 2004: 234). Es mag also sein, dass manche progres‐ sive Konstruktionen aus dem location scheme tatsächlich entnommen wurden, weil sich der Ort der Handlung aus der Verbalsituation ableiten lässt (am schwimmen sein > muss „die Nähe von Wasser“ implizieren). Aber auch dia‐ chrone Beispiele aus dem Niederländischen erlauben diese singuläre Annahme nicht, weil die Präposition aan (und auch dt. an/ am) nicht primär lokale Lesarten implizierten, sondern auch - und das überwiegend - temporale ( VAN P OTTE L‐ B E R G E 2004: 85). Daraus ist also abzuleiten, dass es im Niederländischen und Deutschen des 15. Jhs. bereites eine abstrakt-aspektuelle Lesart von aan-hetresp. am-Phrasen geben musste: Weil in den ältesten Beispielen weder das Verb sein noch die Präposition an eine räumliche Bedeutung hat und die Konstruktion insgesamt keinen Ort bezeichnet, kann der moderne am-Progressiv historisch nicht das Ergebnis einer räumlichen (lo‐ kativen) Metapher sein. ( VA N P O T T E L B E R G E 2004: 243) Den Ursprung der aspektuellen Bedeutung sollte man laut VAN P OTT E LB E R G E in dem Infinitiv selbst und in der Interaktion mit den andern beteiligten Kompo‐ nenten suchen. Infinitive können diachron gesehen als Verbalnomina aufge‐ nommen werden und haben dadurch eine recht spezifische grammatische Be‐ deutung entwickelt. Sie können mit einer stärkeren Betonung als andere nominale Ableitungen die Prozessualität der Handlung darstellen (vgl. schlafen - der Schlaf - das Schlafen). Diese Eigenschaft (nominaler Aspekt; vgl. K R I F KA 47 2.3. Kurze diachrone Übersicht zur Progressiv-Forschung (47) (48) 1989) hatten Infinitive lange bevor sie ein aspektaffines Syntagma mit den an‐ deren genannten Elementen eingingen. Diese dem Infinitiv inhärente Eigen‐ schaft der Prozessualisierung ist wohl in die Verlaufsform eingeflossen und mit dem Auxiliar sein und der sich abstrahierenden präpositionalen Fügung am zu einer aspektuellen Ausdruckform herangewachsen. Natürlich ist in manchen Beispielen ein Lokationsschema zu vermuten, dieses lässt sich aber nicht als Regel auf die anderen Beispiele übertragen (Egon ist am verzweifeln), was genau die Ausdruckform sein Fintium +am+V Inf zum Favoriten innerhalb der Gruppe an‐ derer Anwärter werden ließ. Auch G ÁR G YÁN (2014) gewährt mit ihrer deutsch-ungarischen Kontrastiv-Studie über Progressiv-Formen einen Einblick in die Materie. Als Grundlage dienen diachronisch nachweisbare, progressive Parallel-Formen. Bereits im Mit‐ telhochdeutschen (1050-1350) bestand bei gewissen Verben die Möglichkeit eine „sich im Verlauf befindliche“ Verbhandlung zu konzeptionalisieren, wobei die Durativität oder Progressivität mit dem Partizip Präsens ausgedrückt wurde, nämlich nach dem Muster sîn/ wesen+Partizip Präsens -ende (ahd. -ant/ -ent). Partizipiale Prädikative haben schon beispielsweise Gottfried VON S T RA SS B U R G oder L UTHE R selbst in seiner Bibelübersetzung zum Ausdruck einer progressiven Lesart oder der Unabgeschlossenheit einer Verbalsituation benutzt: Tristan Kapitel 111: V.11015 si zwô si wâren under in in süezer unmuoze mit zweier hande gruoze grüezende unde nîgende, sprechende unde swîgende. Die beiden waren angenehm beschäftigt mit zweierlei Begrüßung: Gruß und Verneigung, sprechend und schweigend. (Übersetzung von Fr. R A N K E ) Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voll Schlafs. (aus Evg. nach Math. 5: 43, 1554 Letze Hand-Ausgabe von M. L U T H E R ) Die These G R IMM S (1889), dass sich die Partizip-Präsens-Formen mit -end(e) durch eine Apokope der Endungen -d(e) mit dem Infinitiv (-en) zu stark ange‐ nähert haben könnten und deswegen immer weniger in Verbindung mit sîn/ wesen verwendet wurden, findet immer mehr Beachtung (A R ON 1914; R E IMANN 1996; G LÜCK 2001), was auch leicht durch die schwindenden Beispiele nach dem 14. Jh. zu beweisen ist. Die -ende-Formen werden in der Literatur gemieden bzw. von der Infinitiv-Verbindung (sîn/ wesen+V Inf ) allmählich verdrängt, wie auch A B RAHAM (2008: 364) bemerkt: 48 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv (49) … die kurfürsten waren dez kungs Wenczlab warten [Inf] [Die Kurfürsten waren des Königs Wenzel warten(d)] Durch die Apokope der Endung -de und den damit verbundenen phonetischen Ausgleich des Partizip Präsens mit dem Infinitiv lässt sich diese im Mhd. neu entstehende Form von sein+V Inf mit einer durativ-progressiven Semantik leicht mit dem heute als Absentiv (ist arbeiten) bekannten Ausdruck in Verbindung bringen ( D E G R O OT 2003). Aus diesem Ausdruck hat sich demzufolge allmählich im Laufe des 16. Jhs. die uns heute bekannte Verlaufsform entwickelt mit der präpositionalen Fügung am, wobei klare Differenzierungen hierzu nicht un‐ strittig sein dürften, zumal die Datierungen und Belege aus dieser Zeit nicht immer eindeutig einzuordnen sind. So ist sicherlich nicht auszuschließen, dass es auch parallel existierende Formen gegeben haben muss, wie auch Formen, die zwei Lesarten hatten, wie beispielweise der Absentiv (ist schwimmen) unter Umständen eine lokale (ist dort, „wo man schwimmen kann“) bzw. prozessuelle („schwimmt gerade“) Deutung haben kann (vgl. dazu A B RAHAM 2008: 360). Es gab auch konkurrierende Beispiele mit einer eindeutig aspektuellen Lesart ohne Auxiliar sîn/ wesen aber mit einer präpositionalen Fügung am (am hinein‐ reiten), wie bereits VAN P OTTE LB E R G E (2004: 234) zeigte. Zu den Gründen dieses Paradigmawechsels (sein+V -ende > sein+V Inf > am+V Inf > sein+am+V Inf ) ist nach meiner Erkenntnis nicht viel geforscht worden, zumal es interessant wäre he‐ rauszufinden, welche syntaktischen Erklärungen hierfür in Frage kommen würden. G ÁR G YÁN versucht es mit einem einleuchtenden pragmatischen Hin‐ tergrund zu erklären, nämlich um Verwechslungen auszuschließen: Warum es zu diesen Neubildungen kam, kann wahrscheinlich damit begründet werden, dass durch den Verlust der Partizipialendungen die Konstruktion von den Sprechern zuerst als Infinitiv, dann als substantivierter Infinitiv „empfunden“ wurde und so mit Präpositionen versehen werden konnte. Der Prozess wurde von dem stän‐ digen sprachlichen Drang motiviert, sich immer eindeutiger auszudrücken. (G ÁR‐ G YÁN 2014: 131) Abschließend kann festgehalten werden, dass der hier kurz beschriebene Wer‐ degang der Progressiv-Konstruktionen - sowohl diachron wie auch synchron betrachtet - alles andere als gradlinig oder linear verlaufen war. Es muss also mit parallel existierenden Formen und zweideutigen Ausdrücken gerechnet werden. Dass es aber bereits im Mhd. so viele unterschiedliche Ausdrücke gab, welche allesamt eine atemporale, aspektuelle Lesart einer Verbalsituation ko‐ dierten und somit eine mögliche Perspektivierungsalternation bereitstellten, 49 2.3. Kurze diachrone Übersicht zur Progressiv-Forschung beweist zweifelsohne die frühe Präsenz oder eventuell sogar die nie eingetretene völlige Absenz der Aspektualität im Deutschen. Diese Annahme, dass die Verlaufsform nämlich schon lange existierte und auch eine abstrakte aspektuelle Lesart kodieren konnte, ist allein dadurch zu bekräftigen, wenn die dazugehörige Literatur chronologisch verglichen wird. So ergibt sich eine unübersehbare Steigerung der Indizien, dass am-Progressive eine aspektuelle Kodierung des Verbs erlauben. G R IMM (1837), D UD EN (1966) und B R ON S -A LB E R T (1984) sehen in dem „regionalen Idiom“ einen Ausdruck der Verlaufsform. Eine Wertsteigerung dieser Phrase ist bei R E E D / S E I F E R T (1954), H AAG (1982), B HATT / S CHMIDT (1991), H U F F IN E S (1991), H ENT S CHE L / W E YDT (2013), D UD E N (1996) und Z I F ONUN et. al. (1997) zu sehen, zumal die am-Progressiv-Konstruktion dort bereits als Ausdruck der Aspektualität beschrieben wird. Als klarer Aspektmarker und Perspektivenwechsler (oder shifter) wird der am-Progressiv von L E I S S (1992), L O UD E N (1994), R E IMANN (1996), E B E R T (1996), D AHL (2000), K RAU S E (2002), VAN P OTTE LB E R G E (2004), H E N R IK S S ON (2006) und G ÁR G YÁN (2014) aufgefasst. 2.4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es viele Kriterien zur Determinie‐ rung einer Verbalkategorie gibt. Es ist aber anhand empirischer Daten und theo‐ retischer Ansätze auch aufgezeigt worden, dass nicht nur ein singuläres Krite‐ rium zur Bestimmung von Aspekt als Verbalkategorie dienen kann. Dabei handelt es sich bei Aspektualität um ein Konzept auf zwei Ebenen basierend. Einerseits wird die inhärente temporäre Struktur der Verbalsituation unter‐ sucht; andererseits werden Perspektivierungsalternationen vorausgesetzt, die unterschiedliche Blickwinkel bei der Betrachtung resp. Kodierung einer Verbal‐ situation zulassen. Diese zwei Ebenen der Aspektualität, die lexikalisch oder grammatikalisch realisierbar sind, gilt es mit unterschiedlichen Merkmalen zu testen und die interne Trennlinie zu determinieren. Da diese lexikalischen und grammatikalischen Mittel aber oft nah aneinander liegen, sind auch die Klassi‐ fikationsparameter dafür oft eng miteinander verknüpft, was wiederum die Trennung der Ebenen nicht einfacher macht. Daher erscheint es am zielführendsten, dass man bei den Klassifikationsparamtern eher von einer Clusterbildung von Merkmalen spricht, die ineinander greifen statt sich exkludieren. Wenn in einem Verbalsystem nach nachweisbaren Tendenzen oder bereits bestehenden Parametern der Aspektualisierung gesucht wird, ist es daher erfolgversprechender nach einer Gruppierung von Merkmalen 50 2. Forschungsstand zu Aspekt, Aspektualität und Progressiv als nach einem singulären Kriterium zu suchen. Perfektive Verben sind daher beispielsweise „affin“ für Abgeschlossenheit oder Telizität oder Non-Additivität bzw. Unteilbarkeit. Die imperfektiven Verben sind andererseits „affin“ für Atelizität und Additivität bzw. Teilbarkeit. Aspekt wird dank C OMR I E schon früh als eine bestimmte Perspektivierung und temporale Strukturierung der Verbhandlung gesehen, welche auf der se‐ mantischen bzw. lexikalischen Ebene geschehen kann. V ENDL E R S Verb-Sche‐ mata erleichtern die Beschreibung bzw. Kodierung von Parameter, die für As‐ pektforschung relevant sind, indem er messbare Instanzen wie Durativität oder Grenzbezogenheit hinzufügt. Nach S MITH und B INNICK ist der Betrachterstand‐ punkt essentiell zu berücksichtigen. Durch L EI S S wissen wir schließlich, dass die Perspektivierungsalternation des Verbalgeschehens sowie die Miteinbeziehung von Sprecher- und Betrachterperspektive die fundamentale Funktion der Ver‐ balkategorie Aspekt einnimmt. So kann man die in diesem Kapitel dargestellten Konzepte des Verbalaspekts zwar nicht als Synthese der bestehenden Definitionen ansehen, dennoch haben die Kernpunkte der jeweiligen Definitionen zum Ziel geführt, eine für mich anwendbare Definition von Aspekt und Verlaufsform auszuarbeiten, welche als Arbeitsdefinition für die vorliegende Arbeit zu verstehen ist. 51 2.4. Zusammenfassung 3. Arbeitsdefinition zu Aspektualität Im Folgenden erfolgt eine Definition der Aspektualität und der Progressiv‐ marker sowie eine Präzisierung des Begriffs Aspekt als Verbalkategorie, worauf ich in dieser kontrastiven Studie zum StD und PeD Bezug nehmen werde und die zugleich als Arbeitsdefinition dienen wird. 3.1. Die Tendenz der deutschen Sprache zur Aspektualität Aspektualität ist als eine kognitive Domäne oder Funktion aufzufassen, welche die zeitliche Kodierung von Verbsituationen perspektiviert (frei nach G LÜCK 2000: 67; L E I S S 1992: 45; C OMR I E 1976: 3). So kann man feststellen, dass Aspek‐ tualität eine Art Strukturierungshilfe darstellt. Sie dient unter anderem auch dazu, unsere mentalen Vorstellungen sowohl in Bezug auf die temporale Struk‐ turierung einer Verbalsituation wie auch in Bezug auf den potenziellen Perspektivenwechsel beim Betrachten der gleichen Verbalsituation abzubilden. Da sich die außersprachliche Wirklichkeit aber auch durch unterschiedliche Kom‐ plexität graduieren lässt, ist es durchaus möglich, dass sich die Komplexität von Aspektualität auch graduell darstellen lässt. Dieses graduierbare Spektrum von Aspektualität wiederspiegelt sich sowohl in den beschriebenen Kategorien Tempus, Aspekt, Aktionsarten wie auch in anderen konkurrierenden Formen wie z. B. Progressivität. S A S S E (1991: 32) vertritt die Ausgangshypothese, dass die sprachliche Abbildung von Aspektualität durch unterschiedliche Mittel möglich ist. Die am-Progressiv-Konstruktion (Ich bin ein Buch am lesen) erfüllt sicherlich ein grundlegendes Merkmal von Aspektmarkern, nämlich die Per‐ spektivierung einer unabgeschlossenen Verbalsituation. Da es weder im StD noch im PeD eine Obligation gibt, der eine solche Pro‐ gressivform fordern würde, spricht man im Allgemeinen von Aspektualität statt von (Verbal)Aspekt. Dieser Annahme schließe ich mich an. Die deutsche Progressiv-Konstruktion vom Typus sein Finitum +am+V Inf ist jedoch noch stark auf gewisse Verben beschränkt, die Ereignisse (activities oder accomplishments, nach V E NDL E R 1957) ausdrücken. Manche Verben, die einen Zustand denotieren, können nicht aspektuell interpretiert werden, da sie nicht „abgeschlossen“ sein können, und somit nicht mit am-Progressiven korrelieren können. Man kann aber dennoch den am-Progressiv als eine Ausprägung des Imperfektivs ansehen. H E N R IK S S ON (2006: 15) stellt in seiner Abhandlung eine Konnektivität zwi‐ schen dem mentalen Lexikon und der sprachlichen Realisierung desselben dar. Er erklärt auch die Komplexität der Aspektualität anhand der außersprachlichen Realität, die es abzubilden gilt. Dafür werden beim Leser und beim Betrachter gleichermaßen identische Kodierungsmittel vorausgesetzt, d. h. dass beide die Verbalsituation kennen und sie mit ihnen zur Verfügung stehenden Ausdrucks‐ mitteln beschreiben können. Auch die kognitive Linguistik (L ANGACK E R 1991: 315) scheint zu bestätigen, dass Perzeption einer außersprachlichen Situation mit der Interpretation und Konstruktion derselben im engen Zusammenhang steht. Das Konzept der Aspektualität ist durch mindestens zwei Kategorien ab‐ bildbar. Einerseits durch eine primär lexikalische und mono-perspektivierende Aktionsartkategorie und andererseits durch eine formal grammatikalische bi-perspektivierende Aspektkategorie. Während es sich bei der Aspektkategorie um die systematische und paradigmatische Darstellung von unterschiedlichen Relationen zwischen Betrachter und Verbalsituation handelt, fundiert die Aktionsart auf der Darstellung der temporalen Struktur derselben Verbalsitua‐ tion. Durch die bislang vorgestellten und in der Fachliteratur vorherrschenden Definitionen über Aspekt und Aspektualität lässt sich zusammenfassend sagen, dass Aspektualität als Konzept teils die inhärente temporale Struktur eines Ver‐ balgeschehens zeigt, teils aber auch unterschiedliche Perspektivierungsmög‐ lichkeiten beim Betrachten des Verbalgeschehens darstellen muss. Das Konzept der Aspektualität lässt sich daher als ein kognitives, im mentalen Lexikon der Sprache verankertes, graduelles Spektrum an aspektuellen Ausdrucksmitteln darstellen, welches sich durch unterschiedliche Grade der Lexikalisierung und Grammatikalisierung auszeichnet. Viele Untersuchungen bestätigen, dass es eine Tendenz zur Progressivbildung im Deutschen gibt und teilen die Auffas‐ sung, dass eine gewisse Aspektualität in jeder Sprache realisierbar ist (unter anderem C OMR I E 1976: 2). Über ein systematisches Paradigma verfügen nur die sogenannten Aspektsprachen. Nur dort bildet der Aspekt echte morphologische und syntaktische Oppositionen. Wenn das Deutsche bereits einen progressiven Pol (R E IMANN 1996: 193-194; K RAU S E 2002: 318; VAN P OTTE LB E R G E 2004: 338) be‐ sitzt, liegt es nahe zu erwarten, dass sich eventuell ein Gegenpol bilden könnte, um ein Paradigma zu bilden. Dementsprechend gilt die Unterscheidung zwi‐ schen dem Aspekt im engeren Sinne für Aspektsprachen und der Aspektualität im weiteren Sinne für andere Sprachen. 54 3. Arbeitsdefinition zu Aspektualität 3.2. Funktionsverbgefüge - eine perfektive Perspektive Im folgenden Teil sollte in kurzen Zügen auf eine interessante Beobachtung hingewiesen werden, welche Rolle Funktionsverbgefüge (FVG) in der Aspekt‐ forschung spielen könnten. Unter FVG (dazu H E LBIG / B U S CHA 2001: 79; G LÜCK 2000: 225) sind feste Redewendungen zu verstehen, die aus einem Funktionsverb (FVhier kein selbstständiges Prädikat bildend) und einem Substantiv (oft in eine Präpositionalgruppe eingebunden) bestehen, etwa in Ordnung bringen; eine Entscheidung treffen; in Betracht ziehen. Das Verb funktioniert in der Fügung als Auxiliar, trägt zwar die Genus-,Tempus- und Modus-Merkmale, ist aber seman‐ tisch „verblasst“. Das Nomen verleiht dem Gefüge die eigentliche Bedeutung und wird somit zum unlöslichen Bestandteil des Gefüges. Die FVG sind aus der Sicht des Autors dank zweier Tatsachen ein interessantes Bindeglied für die Aspektforschung. Einerseits sind diese Formen ein weit verbreitetes und relativ altes Phänomen im Deutschen, wenn nicht auch schon im gemeingermanischen Kontinuum, und lassen sich so gut mit der diachronen Entwicklung des Pro‐ gressivs vergleichen. Andererseits neigen FVG zu einer terminativen Lesart. Schon im Ahd. gibt es bekannte Beispiele von FVG, wie VAN P OTT E LB E R G E (1996: 41-42) bei O T F R ID aufzeigen kann: anan enti bringan (‚zu Ende bringen‘, V25, 20) oder enti giduan (‚ein Ende machen‘ V 16, 22). B RAUN (2010: 402) führt einige Beispiele an: zi giloube biqueman ‚zum Glauben kommen‘ oder in githahti queman ‚in den Sinn kommen‘, welche im Ahd. eine eindeutig perfektive Lesart erlauben. Für das Mhd. gibt es gut erforschte Quellen, wie die Sammlung der FVG von T AO (1997: 94-191), der FVG aus verschiedenen Texten zusammen‐ stellte (wie etwa in ahte nëmen; ze ende bringen; ze kraft komen) vom Nhd. ab‐ grenzte und alphabetisch klassifizierte. Auch VON P OL ENZ (1963: 11-12) legte eine ausführliche Beschreibung zu Grunde und bemerkte, dass eine perfektive Ten‐ denz erkennbar ist. Inzwischen haben FVG auch in die gängigen Grammatiken Eingang gefunden. H E LBIG / B U S CHA (2011: 79) oder die D UD E N -Grammatik (1998: §. 205) widmen den FVG mehrere Kapitel. Auch zahlreiche Monographien (T AO 1997: 3; Fußnote 12) beschäftigen sich mit den deutschen verbnominalen Fü‐ gungen. G R IMM (1837: 717) beobachtete seit dem Ahd. eine Tendenz der substanti‐ visch-verbalen Wortgruppen, in denen das Verb das an sich bindende Substantiv verbalisiert. Zusätzlich können FVG einen Perspektivenwechsel hervorbringen, indem sie als analytische Ersatzmittel für die germanischen Suffigierungsmittel einspringen: Hier ist ein kleiner sprachgeschichtlicher Rückblick nützlich: Zur Kennzeichnung der Kausativität eines Vorgangs gab es in älterer Zeit im Germanischen das j-Suffix der 55 3.2. Funktionsverbgefüge - eine perfektive Perspektive jan-Verben (fällen zu fallen). Heute stehen solche Wortbildungsmittel nicht mehr zur Verfügung. Die deutsche Sprache ist längst auf dem Wege vom synthetischen zum analytischen Sprachbau. ( V O N P O L E N Z 1963: 16) Verbale Bedeutungsunterschiede und Aktionsarten müssen heute durch syn‐ taktische Umschreibungen ausgedrückt werden. Damit gehen die semantisch „verblassten“ Verben ein analytisches Gefüge ein und bringen eine differenzierte Verbalsituation hervor. Diese Syntagmen müssen laut L E I S S (2002a: 12) im Ganzen als Verbkomplexe gewertet werden, deren Handlungen als nicht-teil‐ bares Ganzes empfunden werden. Die Verbalsituation bitten ruft bei dem Spre‐ cher eine Art fortlaufenden Prozess hervor. Bei dem FVG eine Bitte stellen lässt sich dies nicht nachvollziehen, denn entweder stellt man eine Bitte oder man stellt sie nicht. Der geringe temporale Wert von FVG und deren aspektuelle Merkmale der Unteilbarkeit der Handlung legen nahe, dass die FVG mehr als nur Aktionsarten definieren, sondern eine bestimmte perfektive Stufe der As‐ pektualität ausdrücken. FVG können eine terminative Varianten für manche aterminative Verben bereitstellen (zur Aufführung bringen > aufführen; eine Ent‐ scheidung treffen > sich entscheiden), indem FVG eine Art Reaktivierung (re‐ load) für die nicht mehr als perfektiv wahrgenommen Verben darstellen: Es handelt sich bei FVG … […] um Verstärkungskonstruktionen, die ursprünglich perfektive (aspektuell heterogene), aber aspektlabil gewordene Präfixverben auf eine perfektive Lesart festlegen. (L E I S S 2010: 152; Hervorhebungen A.T.) Demnach handelt es sich bei FVG um syntaktische Einheiten, die ein Ereignis als Ganzes darstellen und zugleich als analytisches Prädikat wahrgenommen werden können. Obwohl sie als mehrgliedrige Phrase auftreten, kodieren sie syntaktisch gesehen einen verbalen Charakter. Dies ist auch daraus ersichtlich, dass es für FVG oft direkte verbale Entsprechungen gibt (in Ordnung bringen = ordnen etc.), was unter gewissen Umständen als Aspektkandidat für einen binäre Austauschbarkeit gesehen werden kann. Nominalisierungen von Verben können leicht zur Erschließung von Perfektivität herangezogen werden, sodass FVG und ihre direkten Verbentsprechungen ein grammatisches und lexikali‐ sches Gleichgewicht gewährleisten können (L EI S S 1992: 263; L E I S S 2002a: 40). Hier treten allerdings zwei ernst zu nehmende Kritikpunkte auf, welche die Suche nach dem aspektuellen Gegenpol in den FVG erschweren. Es lassen sich nicht zu allen FVG paarweise Verben finden, die eine direkte Verb-Entsprechung bedeuten (eine Rolle spielen vs.? ) oder die verbale Entsprechung gibt nicht den‐ selben lexikalischen Inhalt des FVGs wieder (zur Tat schreiten vs. tun). Manche FVG bilden zu ihren Verb-Entsprechungen nicht immer perfektive Partner, zumal die Grundverben selbst schon perfektiv erscheinen (zum Abschluss 56 3. Arbeitsdefinition zu Aspektualität bringen - abschließen). Wenn man die Verbvalenz miteinbezieht, kommt die Tatsache hinzu, dass ein Verb (z. B. ausdrücken) manchmal zwei FVG-Entspre‐ chungen haben kann, je nachdem wie die Valenz der Verbes gelesen wird (zum Ausdruck kommen [Monovalent] , zum Ausdruck bringen [Bivalent] ). Diese Probleme könnten eine eindeutige paarweise Zuordnung von FVG und Verb-Entspre‐ chungen deutlich erschweren, zumal man bei Verbalaspekt an eine obligatori‐ sche Wahl zwischen zwei Gegenpolen denkt (vgl. H E N R IK S S ON 2006: 72). Bezogen auf die FVG oder auf die am-Progressive trifft dies weder für das StD noch für das PeD zu. Der etwas schwerwiegendere Kritikpunkt scheint die sehr niedrige Frequenz der FVG zu sein, in beiden Kommunikationsmodi, schriftlich wie mündlich, wie auch L E I S S bemerkt: „die Durchsicht von Texten, sogar Zeitungstexten, ergibt, daß die Funktionsverbgefüge so häufig gar nicht sind.“ (L EI S S 1992: 264). Dies ist auch durch die Analyse der Belege aus dem PeD hervorgekommen, dass FVG so selten vorkommen, dass eine fundierte Analyse dieser Phänomene eine gänz‐ lich andere Motivation und Gestaltung der Fragbögen erfordert. Auf der An‐ nahme basierend, dass es sich bei dem PeD um ein überwiegend orales Kom‐ munikationsmedium oder sprechsprachliche Ausprägung handelt, ist es nicht verwunderlich, dass es in einigen singulären Belegen so gut wie keine aussagekräftige FVG gibt (an Anwart gewwa/ a Kweschtion stella), zumal die FVG überwiegend eher als eine Eigenschaft der schriftlichen Kommunikationsform zu werten sind (R EIMANN 1996: 7) oder stark an literarischen Übersetzungen orientiert sind, wie T AO (1997) oder VAN P OTT E LB E R G E (1996) feststellen konnten. Dies war auch das ausschlaggebende Kriterium, warum die FVG bei meiner weiteren Erforschung des PeD und bei der Aufarbeitung der aspektaffinen am-Progressiven nicht näher in Betracht gezogen wurden. Dennoch ist eine Reaspektualisierung als zyklischer Prozess im StD zu be‐ obachten, was durch das Aufkommen von FVG und am-Progressiven zweifellos zu belegen ist. Es wird wohl sein, dass der Prozess der aspektuellen Neuaus‐ richtung, wie etwa im Englischen oder Neupersischen „etwas Zeit in Anspruch nehmen wird“ (L E I S S 2010: 155), und uns daher wie eine endlose Verzögerung vorkommt. Die neuen Ausdruckmuster der Kategorie Verbalaspekt und die hier kurz beschriebenen Schwierigkeiten bei ihrer aspektuellen Bestimmung sollten aber deutlich gemacht haben, dass den FVG und den am-Progressiven sicherlich in dem Ablösungsprozess von synthetischen Verbformen eine zentrale Rolle zugeteilt werden muss. 57 3.2. Funktionsverbgefüge - eine perfektive Perspektive 3.3. Aktionsart Unter Aktionsart ist daher eine Klassifikationsmöglichkeit von Verbgruppen zu verstehen, welche durch lexikalische Mittel die inhärente temporale Struktur einer Handlung modifizieren können, indem sie z. B. das Erreichen einer Hand‐ lung, deren Anfang oder Abschluss oder deren Intensität abbilden. Die Aktionsart ist daher nicht nur auf die Art und Weise der Ausführung der Hand‐ lung beschränkt, sondern auch von manchen semantischen Komponenten ab‐ hängig, die im Verb selbst oder im Verbzusatz zugrunde liegen. Diese Kompo‐ nenten stellen kein grammatisches System dar, sondern zeigen die Entwicklung oder die Veränderung innerhalb der Verbhandlung. So kann mit der Aktionsart enkodiert werden, ob die Verbalsituation den ganzen Prozess umfasst, ob eine Steigerung oder Abschwächung (Intensität) in der Handlung vorliegt oder ob nur ein Teil der Handlung (Punktualität) dargestellt wird. In Bezug auf die Perspektivierungsfunktion von Aspektualität stellt die Ak‐ tionsart des Verbs daher auf der lexikalischen Ebene eine Art von Modifikator der Verbalsituation dar. Diese Funktion ist aber monoperspektivisch, da die Ak‐ tionsart mithilfe von Derivation einen Perspektivenwechsel vollzieht, jedoch keine wählbare Perspektivierungsalternation ermöglicht. Die Aktionsartverben ermöglichen den Wechsel von einer Innenperspektivierung durch die Grenzbe‐ zogenheit und die lexikalische Bedeutung der Präfixe selbst. So kann man aus einem Grundverb wie machen, mittels Präfigierung ein Aktionsartverb abmachen bilden. Tatsächlich wird mit dem Verb abmachen eine Außenper‐ spektive erreicht, der Fokus des Betrachters wird allerdings innerhalb der in‐ härenten Verbalstruktur verlegt, wie bei geben - abgeben, oder nähen - an‐ nähen. Anfang Ausdehnung Wiederholung Intensität Ende Betrachter  Abb. 4: Fokussierung bei Aktionsarten 58 3. Arbeitsdefinition zu Aspektualität Ein Perspektivenwechsel ist beispielsweise mit Verbzusätzen wie ab- oder andaher möglich. Eine beliebige Alternation zwischen zwei Perspektiven ist jedoch nicht möglich, da das innenperspektivierende Grundverb und das neu gebildete außenperspektivierende Aktionsverb keine binäre Bedeutungsoppo‐ sition bilden können oder bilden müssen. Ebenso lässt sich das Derivations‐ muster nicht serienmäßig auf andere Verben übertragen. Damit ist die Schlussfolgerung, dass man mit dem Verbzusatz ab- Außenper‐ spektivierung erzeugt, zwar korrekt, nicht aber in einem binären Muster, was zu einer Perspektivierungsalternation führen würde. Offensichtlich ist auch, dass diese Verben keine Bedeutungspaare bilden können, da abmachen kein as‐ pektueller Partner zu machen ist. Beispiele wie jagen und erjagen sind hier ver‐ einzelte Ausnahmen des Deutschen. 3.4. Zusammenfassung: Aspekt als Verbalkategorie Der Aspekt als Verbalkategorie verstanden stellt demnach ebenfalls einen Mo‐ difikator oder shifter (L E I S S 1992: 5) der Verbalsituation dar, der sich allerdings als eine grammatiklaisierte Funktion von Perspektivierung der lexikalisch glei‐ chen Verbalsituation realisieren lässt. Durch diese grammatische Funktion lassen sich die Verben einer Sprache in gegenüberstehende binäre Bedeutungs‐ oppositionen einteilen. Die Basisfunktion von Aspekt besteht hiermit in der Darstellung der Verbalhandlung als teilbare oder unteilbare Einheit. Auf der einen Seite steht die typische unteilbare Ganzheit der Verbalsituation, mit er‐ reichtem Ziel der Handlung, welches sich auf alle homogenen Teile der Hand‐ lung oder eines Zustands bezieht, ohne die eigentliche Dauer der Handlung zu betonen. Auf der anderen Seite steht die teilbare Verbalsituation mit allen Phasen. Ziel des Verbalaspekts ist also nicht so sehr, das Ende einer Handlung oder das Abschließen derselben anzuzeigen, sondern die Ganzheit oder Unteilbarkeit der Handlung darzustellen. Somit bietet das Aspektsystem einer Sprache dem Sprecher die Möglichkeit an, seine Verbalsituation entweder als Teilbares oder Unteilbares zu kodieren. Lediglich bei den paradigmatisierten Aspektoppositionen gibt es unterschiedliche Muster, die sich jedoch in einem gleichen, näm‐ lich in der Tatsache, dass sie immer einen lexikalisch adäquaten Partner haben. Die Aspektoppositionen im Englischen könnten folgendermaßen dargestellt werden (nach C OMR I E 1976: 25): 59 3.4. Zusammenfassung: Aspekt als Verbalkategorie perfektiv vs. imperfektiv habituell vs. continuous (nichthabituell ) nichtprogressiv progressiv ( continuous, nichtstative ) Abb. 5: Aspektoppositionen nach Comrie 1976 Im Russischen beispielsweise käme diese binäre Aspekt-Opposition durch du‐ rativ (on igral) vs. resultativ (on sygral) zum Ausdruck (nach K OTIN 1998: 14). Auch zum Stand der Grammatikalisierung der Aspektualität lässt sich zu‐ sammenfassend bemerken, dass es in jeder Sprache ein gewisses Spektrum der Aspektualität geben muss und darin generell zwei Tendenzpole zu erkennen sind. Einerseits ist es möglich, auf der lexikalisch-semantischen Ebene be‐ stimmte Propositionen zu realisieren. Auf der anderen Seite steht die Möglich‐ keit, diese Propositionen mittels normierter Grammeme zu kodieren, sofern sie im Sprachsystem vorhanden sind. Lexikalisiert ist ein sprachliches Phänomen, vereinfacht gesagt, wenn es in den Sprachgebrauch Eintritt gefunden hat, also von einer Sprechergruppe immer zum selben Zweck „regelmäßig“ benutzt wird. Grammatikalisiert wird dieses Phänomen, wenn es zur Obligation wird, dieses Phänomen zu benutzen oder zumindest als alternative Option in einem Para‐ digma wählbar ist. Je weniger lexikalische Mittel eine Sprache benötigt, um illokutionäre Propositionen zu realisieren, desto näher rückt sie in das Spektrum von Sprachen mit grammatikalisierten Ausdrucksmitteln für Aspektualität. Auf der anderen Seite gibt es Sprachen, die diese Propositionen durch semantische Relationen oder lexikalische Mittel ausdrücken müssen und somit zu einer le‐ xikalischen Aspektualität tendieren. 60 3. Arbeitsdefinition zu Aspektualität Abb. 6: Kodierungsniveaus von Aspektualität Im Deutschen ist das Konzept der Aspektualität noch auf dem lexikalischen Kodierungsniveau, da sich die Binarität einer Opposition durch periphrastische, lexikalische Paare zwar aufzeigen lässt, diese jedoch nicht zur Obligation ge‐ worden sind und nicht systematisch produzierbar sind. Aspektualität ist somit als eine Perspektivierungsfunktion wahrzunehmen, durch die eine zeitliche Strukturierung der Verbalsituation möglich ist. Wenn diese Möglichkeit als ob‐ ligatorisches, binäres Paradigma grammatikalisch realisierbar ist, dann spre‐ chen wir von einem Verbal-Aspekt. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die interne Strukturierung der Prädika‐ tion mit festen grammatikalisierten Mitteln auszudrücken, die bei einer und derselben Verbalsituation eine abgeschlossene oder unabgeschlossene Sicht‐ weise erlaubt. Solange wir für das Deutsche und das Pennsylvaniadeutsche diese obigen Kriterien nicht zweifelsfrei erfüllt sehen, empfiehlt es sich eher von Aspektualität als von Verbal-Aspekt zu sprechen. 61 3.4. Zusammenfassung: Aspekt als Verbalkategorie 5 Die Bezeichnungen Verlaufsform, Verlaufsphrase, der am-Progressiv, am-Progressiv-Konstruktion oder am-Konstruktionen werden in diesem Beitrag generell durch‐ gehend synonym verwendet. Bei Differenzierungen wird explizit darauf hingewiesen. In der Fachliteratur existieren beide Genusvarianten, das Progressivum und der Pro‐ gressiv. In dieser Arbeit wurde konsequent das maskuline Genus der Progressiv benutzt. 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten des am-Progressivs 5 - be‐ stehend aus sein Finitum +am+V Inf - erläutert und ihr Status präziser ermittelt, mit dem Ziel, einen Blick auf den Fortschritt der Grammatikalisierung der Verlaufs‐ form zu ermöglichen. Diese theoretischen Erläuterungen beziehen sich auf die Verlaufsform sowohl im StD wie auch im PeD, die empirischen Belege aus dem PeD sowie die Erläuterungen dazu folgen im Kapitel 6. Über die Bestandteile des am-Progressivs und über ihren Status herrscht keine Einigkeit in der deutschen Aspektforschung. Der Verlaufsinfinitiv ist in‐ nerhalb dieser Konstruktion wohl von allen Komponenten die problematischste. Dabei reichen die Meinungsunterschiede von der primären Form des Infinitivs, über die nicht konsequent durchgeführte Rechtschreibung (Groß- oder Klein‐ schreibung) bis hin zu den syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten. Der Ur‐ sprung und vielmehr die Bedeutung der präpositionalen Fügung am ist ebenfalls nicht konsensfähig, wie auch die Gründe der Verschmelzung mit dem be‐ stimmten Artikel im Dativ (an+dem). Die größte Übereinstimmung erzielt das finite Verb sein und seine Funktion im am-Progressiv. Der Ursprung liegt höchstwahrscheinlich in der Kopula-Funktion von sein, welche nämlich als Au‐ xiliar reanalysiert wird und hier zur Bildung einer analytischen verbalen Aus‐ drucksform herangezogen wird, um eine Prädikation auszudrücken, ähnlich wie bei dem Perfekt oder dem Passiv (vgl. H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 38; R AME LLI 2013: 385). 4.1. Der Verlaufsinfinitiv Die Frage, die folgend geklärt wird, bezieht sich auf die Formdefinition des In‐ finitivs. Es bildeten sich hierzu zwei konsensfähige Meinungen. Einerseits nennen z. B. L A S S (1987) und E B E R T (1996) den Infinitiv in der Verlaufsform des Progressivs „Verbalsubstantiv“, was auf eine nominale Lesart und auch substan‐ (50) (51) (52) (53) (54) (55) (56) (57) tivische Eigenschaften schließen lässt. Die D UD EN -Grammatik (1998), R E IMANN (1996), K RAU S E (2002) und VAN P OTT E LB E R G E (2004) sprechen von einem „sub‐ stantivierten Infinitiv“ mit typischen nominalen Eigenschaften: Er ist am Schreiben eines Buches/ einer Geschichte. [Gen-Attr] Sie sind am Umziehen in eine neue Wohnung. [Präp-Erweiterung] Er ist am Romanschreiben. [Kompositum] Dem entgegnen H E NT S CHE L / W E YDT (2013: 38) und R ÖD E L (2003 und 2004a) mit der Einordnung des Verlaufsforminfinitivs als „Infinitiv eines Hilfsverbs“ zum Ausdruck einer morphologischen Bildung eines anderen (früher regional be‐ dingten) Aspektunterschiedes und rücken somit den Kern des am-Progressivs näher an die Verbalkategorie und bezeichnen den Infinitiv als semantische Er‐ gänzung eines anderen Verbs. In der Wortbildungslehre gilt der substantivierte Infinitiv unter Beachtung des Bildungsvorgangs als Konversion (F L E I S CHE R / B AR Z 2012: 49 und 211), und S ANDB E R G (1976) nennt alle substantivierten Infinitive en-Ableitungen. Dies ist für einfache Verben bzw. für ihre Konversion sicherlich richtig. Für komplexe Verbalsubstantive wie Händereiben, Zähneputzen oder Schlankwerden wäre diese Äußerung nicht zutreffend, da die Homonymität der Basis und des Konversums nicht mit z. B. dem Verb schreiben und dem Nomen das Schreiben vergleichbar ist (R EIMANN 1996: 84). Als substantiviert gilt ein Infinitiv, wenn er typische Eigenschaften eines Substantivs nachweist, also mit einem Artikel oder Adjektiv verbunden ist, mit einer Präposition verknüpft ist oder durch ein Genitivattribut ergänzt wird. In solchen Fällen muss grundsätzlich großgeschrieben werden (D UD EN -Recht‐ schreibung 2006: 60): Das Rauchen ist verboten. oder Zu schnelles Fahren ist gefährlich. Aber eine für Nomina typische Attribuierung durch Adjektive ist beispielsweise nicht möglich: * Er war am lauten Lesen. [attributive Erweiterung] aber ? Er war am Lesen eines Buches. [Erweiterung mit Gen-Attr] Verbale Substantivierungen können aber auch komplexere Erscheinungsformen annehmen, d. h. andere Bestandteile können mit der Form des Infinitivs zu Komposita kombiniert werden. Großschreibung gilt aber auch dann: Verrat’ mir doch dein Rezept zum Schlankwerden! Wir haben kaum noch an das Zustandekommen des Vertrages geglaubt. 64 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten (58) (59) (60) (61) (62) (63) (64) (65) Allerdings ist sich auch die D UD E N -Rechtschreibung einig, dass man sich „nicht einig“ ist, ob es sich nun beim Verlaufsinfinitiv eindeutig um eine verbale oder nominale Komponente handelt, daher erlaubt die Regel K82 (2006: 63) b e i d e Möglichkeiten. Das entscheidende Kriterium der Großbzw. Kleinschreibung ist der vorhandene oder fehlende Artikel beim Gebrauch des Wortes: … weil das Geben / [Ø] geben seliger denn das Nehmen / [Ø] nehmen ist. Auch der Gebrauch von Objekten bzw. die transitive oder intransitive Lesart scheint eine Rolle zu spielen, ob mit dem Infinitiv ein Artikel gebraucht wird oder nicht und daher auch groß oder klein geschrieben werden muss: Wir lernen das Segeln/ [Ø] segeln. Eben diese zwei Indikatoren, die sichere Ermittlung eines Artikels in der Ver‐ laufsphrase und die Verwendung als verbale Einheit, sind fundamentale An‐ haltspunkte für die weitere zielführende, wissenschaftliche Aufarbeitung der Grammatikalisierung des am-Progressivs. Um eine eindeutige und überprüfbare Definition des Verlaufsforminfinitivs zu erzielen, ist es am zielführendsten den Verlaufsinfinitiv einigen Kombinationstests zu unterziehen. Das würde heißen, man müsse überprüfen, wie sich der Infinitiv in einer „verbalen“ und wie in einer „substantivischen“ Umgebung verhalten wird. 4.1.1. Der Verlaufsinfinitiv und die Attribuierung Substantive können durch Adjektive attribuiert werden und somit linksköpfig mit attribuierten Adjektiven kombiniert werden. Auch substantivierte Infinitive müssten sich also in einer nominalen Form an attribuierte Adjektive binden können: Das leise Weinen war peinlich. Sein auffälliges Grinsen war geschmacklos. Das frühe Aufstehen fiel ihm schwer. Bei einer Überprüfung der Attribuierbarkeit von Verlaufsinfinitiven stellt sich jedoch schnell heraus, dass diese nicht mit Adjektiven kombinierbar sind: * Er ist am lauten Singen. * Wir waren am schnellen Arbeiten. * Egon ist am fleißigen Lernen. Bei anderen substantivierten Infinitiven sind Erweiterungen dieser Art generell möglich: 65 4.1. Der Verlaufsinfinitiv (66) (67) (68) (69) (70) (71) (72) (73) (74) (75a) (75b) Kartoffelschälen sieht langweilig aus. [adverbiale Erweiterung] Sein lautes Singen fiel allen auf. [attributive Erweiterung] Ihr Pfeifen war amüsant. [prädikative Erweiterung] Es können sogar die attributiven und prädikativen Funktionen kombiniert werden: Sein verschmitztes Lachen war schelmisch. Das tägliche Sortieren der Briefe war langweilig. Es wurde kurz aufgezeigt, dass substantivierte Infinitive durch Adjektive grund‐ sätzlich erweiterbar sind. Werden diese Funktionstests jedoch bei einem Ver‐ laufsinfinitiv angewendet, so wird schnell sichtbar, dass sie nur sehr einge‐ schränkt möglich sind. Eine adverbiale Funktion ist bei der Verlaufsform (im StD wie auch im PeD) grundsätzlich immer realisierbar: Er war laut/ lange/ am singen. (vgl. dazu Er sang laut/ lange.) Es is schtarik am reara d gonza Daag. [adverbiale Erweiterung] [Es ist stark am regnen den ganzen Tag.] Eine attributive Erweiterung ist mit dem Verlaufsinfinitiv dagegen nicht reali‐ sierbar: * Er war am lauten/ langen Singen. (aber Sein lautes/ langes Singen war amü‐ sant.) * Es is am schtarika Reara d gonza Daag. [attributive Erweiterung] [ * Es ist am starken Regnen den ganzen Tag.] Eine prädikative Funktion ist ebenfalls nicht realisierbar. Da ein prädikativ ver‐ wendetes Morphem eigentlich ein Teil eines Verbsyntagmas bildet, lässt sich schlussfolgern, dass der prädiktive Gebrauch vom Verlaufsinfinitiv nicht mög‐ lich ist, weil der Verlaufsinfinitiv als abhängiger semantischer Teil des Auxiliars (sein) anzusehen ist: Die Zimmerpflanze wird immer größer. (? *) Die Zimmerpflanze ist immer am größer werden. [prädikative Erweiterung] Folgerichtig lässt sich schließlich zusammenfassen, dass ein Verlaufsinfinitiv nur Erweiterungsmöglichkeiten im adverbialen Bereich erlaubt. Aufgrund dieser Erkenntnisse entspricht das Verhalten eines Verlaufsinfinitivs tendenziell einem verbalen Infinitiv, der zwar nominale Züge ausweist (vorangehender, noch erkennbarer Artikel, daraus müsste Großschreibung erfolgen), aber ein 66 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten (76) (77) (78) (79) (80) (81) (82) verbales Verhalten aufzeigt. Auch hier ist die Ambiguität des Verlaufsinfinitivs deutlich (B HATT / S CHMIDT 1993: 75 oder Z I F ONUN et.al. 1997: 1879). 4.1.2. Der Verlaufsinfinitiv und Genitivattribute Substantivierte Infinitive können die Rolle eines Subjekts übernehmen (Das Lernen macht müde oder Recherchieren ist spannend oder Promovieren erfordert Geduld). Sie können auch wie andere Substantive oft durch ein Genitivattribut erweitert werden (das Lernen der Studenten oder das Lernen der Aufgaben). In dem Satz Das Tanzen der Stars ist unterhaltsam wird die Rolle des Agens in diesem Fall dem postponierten Genitivattribut zugeschrieben, auch Genitivus subjektivus genannt (H ENT S CHE L / W E YDT 2013: 154) und kann z. B. in den Satz Die Stars tanzen unterhaltsam umgewandelt werden. Ein Verlaufsinfinitiv, der durch seine Form immer an die präpositionale Fügung am gebunden ist, kann die Funktion des Subjekts jedoch nicht übernehmen: * Am lesen ist amüsant. * Am regnen ist den ganzen Tag. Bei Infinitiven mit zu ist eine satzinitiale Stellung ähnlich wie bei einfachen substantivierten Infinitiven möglich. Durch die Vorfeldbesetzung ergibt sich hier ein Satzgliedwert, was bei der Umstellung des Satzes Es macht Spaß zu lesen leicht zu überprüfen ist: Zu lesen macht Spaß. oder Das Lesen macht Spaß. * Am lesen macht Spaß. Dies zeigt wiederum, dass ein Verlaufsinfinitiv nicht als Subjekt fungieren kann, trotz einer möglichen nominalen Lesart ( ? Er war am Lesen eines Buches oder ? Sie waren am Ausladen des Klaviers): * Am Lesen eines Buches war gerade. * Am Ausladen des Klaviers waren. Bei qualitativen Untersuchung von Verlaufsformen hinsichtlich auf potenzielle Genitiv-Attribuierungen lässt sich also schnell bemerken, dass nominale Ver‐ wendungsweisen von Verlaufsinfinitiven und nachgestellte Genitiv-Erweite‐ rungen zwar grundsätzlich möglich, jedoch nicht häufig belegt sind: ? Wir sind am Suchen einer Wohnung. [nominale Lesart] 67 4.1. Der Verlaufsinfinitiv (83) (84) (85) (86a) (86b) (86c) Bei der verbalen Lesart dagegen werden die syntaktischen Merkmale des Verbs, wie obligatorische Rektion oder die Anzahl der Ergänzungen, berücksichtigt und sie kommen generell häufiger vor: (? ) Wir sind eine Wohnung am suchen. [verbale Lesart] Durch diese und ähnliche, leicht zu generierende Beispiele mit Genitiv-Attri‐ buten kommt man zum Schluss, dass der Infinitiv in der Verlaufsform durchaus auch nominale Züge aufweisen kann und syntagmatische Relationen aufbauen kann, wie bei einem Substantiv (vgl. dazu R EIMANN 1996; VAN P OTTE LB E R G E 2004). Diese nominale Distribution des Verlaufsinfinitivs ist aber stark einge‐ schränkt und zahlenmäßig kaum belegt (das einzige Beispiel in meinem PeD-Korpus Anne is am Schaela d Ebbel), was auch die folgenden Auswertungen zum StD wie auch zum PeD zeigen werden. 4.1.3. Erweiterbarkeit durch Präpositionalphrasen A ND E R S S ON (1989) legt nahe, dass eine Erweiterung durch eine präpositionale Wendung normalerweise nur im nominalen Bereich möglich ist, daher müsse bei der Erweiterung eines Verlaufsinfinitivs durch Präpositionalphrasen (PP) auch ein nominaler Charakter überwiegen: Sie waren am Umziehen in die neue Wohnung. (aus A N D E R S S O N 1989: 29) ? Die Kinder waren am Basteln mit der Schere. Wenn man aber einen Satz wie Egon spielte durch eine adverbiale Ergänzung (im Garten) erweitert und daraus eine Verlaufsform bildet, wie etwa folgende Beispiele: Egon war am spielen. [verbale Lesart] Egon war im Garten am spielen. [verbale Lesart] ? Egon war am Spielen im Garten. [nominale Lesart] dann wird schnell sichtbar, dass die lokale adverbiale Bestimmung zwei Posi‐ tionen im Satz einnehmen kann. In Satz (86b) - sofern man beide Lesarten als korrekt zulassen will - ist die adverbiale Ergänzung zweifellos dem Hauptverb (spielen) untergeordnet. In Satz (86c) dagegen kann man die Präpositionalphrase auch als Erweiterung des Verbalsubstantivs (das Spielen) anerkennen. 68 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten (87) (88) (89a) Abb. 7: Darstellung der unterschiedlichen Dependenz-Verhältnisse Eine Erweiterung von nominalisierten Substantiven durch Präpositional‐ phrasen ( ? Das Essen mit den Fingern ist lustig vs. Mit den Fingern zu essen, ist lustig oder Das Schimpfen auf die Kinder ist kontraproduktiv vs. Es ist kontrapro‐ duktiv auf Kinder zu schimpfen) ist jedoch nicht üblich und gilt als markierter Wortgebrauch (dazu B AY E R 1993: 51). Z I F ONUN et al. (1997: 1879) werten den folgenden Satz: * Während die Piraten noch am Warten auf Nachschub waren … […]. als ungrammatisch, weil eine obligatorische Präpositionalphrase als postponiert nicht zulässig ist. Das Erklärt auch das seltene Vorkommen dieser und ähnlicher Formen mit präpositionalen Ergänzungen. Es ist unzulässig ein postponiertes Präpositionalobjekt getrennt vom Bezugselement zu platzieren (Egon trägt eine Brille aus Büffelhorn), weil dadurch die dependenzielle Bindung an das Regens unterbrochen wird: trägt Egon eine Brille. *Aus Büffelhorn Analog dazu muss es also einen syntaktischen Grund geben, wenn sich ein Ele‐ ment (z. B. im Garten) an zwei Stellen im Satz befinden kann und nicht von einem einzigen übergeordneten Element abhängig ist. Dies zeugt davon, dass es sich bei im Garten nicht um eine vom substantivierten Infinitiv (das Spielen) abhän‐ gige PP handeln kann, welche vom Regens (Spielen) abhängig ist, sondern dass auch eine verbale Interpretation des Verbes möglich sein muss. Dies zeigt sich eindeutig bei dem Gebrauch von analytischen Tempora, zumal dadurch die De‐ pendenzen umso offensichtlicher werden: (? )* Egon muss wohl am Spielen im Garten gewesen sein. [nominale Lesart] 69 4.1. Der Verlaufsinfinitiv (89b) (90a) (90b) (90c) (90d) (90e) (91) (92a) (92b) (92c) (92d) (92e) Egon muss wohl im Garten am spielen gewesen sein. [verbale Lesart] Ähnlich verhält es sich mit anderen Präpositionalobjekten wie mit Streichhöl‐ zern, etwa in: ? Egon war am Spielen mit Streichhölzern. [nominale Lesart] * Egon war mit Streichhölzern am Spielen. [nominale Lesart] * Egon ist mit Streichhölzern am Spielen gewesen. [nominale Lesart] Egon war mit Streichhölzern am spielen. [verbale Lesart] Egon ist mit Streichhölzern am spielen gewesen. [verbale Lesart] Beispiele wie mit Streichhölzern am Spielen dürfte es eigentlich nicht geben, wenn es sich um eine nominale Lesart handelt, weil die Dependenz der Elemente einen Einfluss auf die Abfolge der Glieder hat. Dass solche Beispiele im PeD (wie auch im StD, wenn man sie als korrekt aufnimmt) existieren (90d und 90e), ist leicht nachzuweisen. Ihre hohe Anzahl lässt darauf schließen, dass es sich bei solchen PP um von dem Verlaufsinfinitiv abhängige Satzglieder handelt. In den Untersuchungen im StD und im PeD ist die verbale Lesart mit der Ausbaumög‐ lichkeit eines Tempusparadigmas deutlich öfter zu finden. Gegen eine nominale Lesart spricht auch die lexikalisch-semantische Restriktion in den Beispielen, zumal die nominale Lesart von dem Verb tun (PeD: duhn) keine Erweiterung als PP erlaubt: Was bischt am duhn mit der Scheer? [Was bist du am tun mit der Schere? ] Auch in dem so „verlaufsfreundlichen“ Rheinland, was als Namensgeber für die „rheinische Verlaufsform“ gilt, wäre ein Satz mit nominaler Lesart von tun, also das Tun, schwer akzeptabel: * Ich bin am Tun [nom. Lesart] meiner Hausaufgaben. [Gen.PL.] * Ich bin am Tun [nom. Lesart] mit der Schere [PP-Objekt] (? ) Ich bin meine Hausaufgaben [AKK.PL.] am tun. [verb. Lesart] (? ) Ich bin mit der Schere [adverbiale Erweiterung] am tun. [verb. Lesart] (? ) Ich bin am tun [verb. Lesart] mit der Schere [adverbiale Erweiterung] Hier wäre eine verbale Lesart des Verlaufsinfinitivs tun/ duhn die einzig akzep‐ table Lesart und die nachgestellte PP würde als Nachtrag in sog. „Echo-Stellung“ zu deuten sein. Abschließend lässt sich hier festhalten: Wenn ein Element im Satz frei ver‐ schiebbar ist und unterschiedliche syntaktische Stellungen einnehmen kann, 70 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten dann müssen auch zwei (oder mehrere) Lesarten zur Interpretation zugelassen sein. Urteilt man über den Verlaufsinfinitiv anhand der Häufigkeit der postponierten Präpositionalphrasen, dann ist die niedrige Anzahl an Beispielen si‐ cherlich ein Zeichen dafür, dass der Verlaufsinfinitiv nicht als ausbaufähiges Substantiv benutzt wird. Viel näher liegt da die Deutung, dass es sich hierbei um einen verbalen Infinitiv handelt, zumal die Erweiterung durch Ergänzungen möglich ist und auch das Tempusparadigma voll funktionsfähig und ausbau‐ fähig ist. Die bloße Groß- oder Kleinschreibung als Kriterium zur Determination von Verlaufsinfinitiven zu benutzen, erscheint hier daher nicht plausibel. Es ist hier wichtig zu betonen, dass es durchaus signifikant ist zu ermitteln, wie die Sprecher selbst die Funktion der Verlaufsform empfinden. Sicherlich ist hier auch mit unterschiedlichen, nicht immer verifizierbaren Sprachpräferenzen zu rechnen. Dennoch gibt es ein paar Gründe, warum die Sprechergemeinde doch bewusst und gezielt aufmerksam auf dieses sprachliche Dilemma gemacht werden sollte. In Anbetracht des von R ÖDE L (2004b: 223) bei seinen empirischen Studien erwähnten „Beobachterparadoxes“ ist natürlich auch eine gewisse Vor‐ sicht geboten, da das Wissen um die Streitfrage bei den Probanden die Ergeb‐ nisse verfälschen oder wesentlich beeinflussen könnte. Die Probanden fühlen sich oft durch den Druck bestimmten erlernten Regeln verpflichtet, sei es durch die von der Presse bevorzugten stilistischen Vorgaben oder sei es durch schuli‐ sche Erkenntnisse über das zu befragende Phänomen. Bei der Erhebung der Daten wurden die Sprecher des PeD nicht damit konfrontiert oder im Vorge‐ spräch darüber informiert. Durch die Ergebnisse aus ca. 1720 Sätzen ist es aber möglich präliminär festzuhalten, dass nominale Lesarten des Verlaufsinfinitivs so gut wie nicht vorkommen und die aufgetretenen Einzelfälle (wie Anne is am Schaela d Ebbel) oft zweideutig zu interpretieren sind, nämlich als ein Genitiv‐ attribut am Schaela d [Gen.Pl.] Ebbel oder aber auch als Nachtrag zum Verbrahmen, ähnlich wie die als-Phrasen im Nachfeld (Egon rennt schneller als Edwin). Zu den pennsylvaniadeutschen Beispielen wie auch zu meiner Stellungnahme hierzu ist mehr zu lesen in Abschnitt 6.2. 4.1.4. Ein Dilemma: Groß- oder Kleinschreibung beim Verlaufsinfinitiv? Die inkonsequente Groß- und Kleinschreibung verschiedener Linguisten oder Medien bezüglich des Verlaufsinfinitivs im Deutschen zeigt sehr deutlich ihre auseinandergehenden Meinungen in der Bestimmung der Wortart des Verlauf‐ sinfinitivs. Es haben sich generell zwei Lager gebildet. Die einen sehen in der präpositionalen Fügung am Teile eines genusbestimmenden Artikels, was zur 71 4.1. Der Verlaufsinfinitiv Annahme führt, es handelt sich um einen substantivierten Infinitiv mit nomi‐ nalem Charakter (u. a. bei L AR S S ON 1989; A ND E R S S ON 1989; R E IMANN 1996; E B E R T 1996; VAN P OTT E LB E R G E 2004; H EN R IK S S ON 2006 und D UD E N -Grammatik 2016.). Für eine Kleinschreibung entschied sich dagegen eine Reihe von Sprachfor‐ schern, die in der funktionalen Verwendung des Verlaufsinfinitivs die maßgeb‐ lich bestimmende Rolle sahen, die eindeutig mehr verbalen Charakter aufweist (u. a. bei B R ON S -A LB E R T 1984; und R ÖD E L 2003, 2004a; F LICK / K UHMICHE L 2013: 58). Auch B HATT / S CHMIDT 1993 verwenden - wohl aufgrund der unterschiedli‐ chen stilistischen Quellen - sowohl die Großwie auch die Kleinschreibung, wobei auch hier der verbale Charakter überwiegt. Bei K RAU S E (2002: 123) ist wiederum der „noch nicht völlig verblasste“ Artikel das ausschlaggebende Ele‐ ment für eine nominale Lesart, obwohl auch hier von K RAU S E selbst festgestellt wird, dass der Verlaufsinfinitiv sich dem „Pol der verbalen Einheit“ nähert (K RAU S E 2002: 73). H E NT S CHE L / W E YDT (2013) sehen den Verlaufsinfinitiv einer‐ seits als Substantiv an, in der Kombination mit dem Kopulaverb sein erkennen sie jedoch die Bedingungen für eine sich schließende Verbklammer an. Somit werden ein formell nominales Merkmal und ein zweites verbal-funktionales Merkmal kombiniert. Dies resultiert in einer Großschreibung, obwohl die Funk‐ tion des Infinitivs als verbal angesehen wird. G ÁR G YÁN (2014: 66) hat sich sehr ausführlich mit der Streitfrage Großund/ oder Kleinschreibung beschäftigt und liefert dazu sehr genaue statistische Infor‐ mationen mit Beispielen aus der deutschsprachigen Presse und aus der eher informellen, virtuellen Internetkommunikation. Ihre tabellarisch dargestellte Analyse über die Rechtschreibung des Verlaufsinfinitivs zeigt deutlich zwei Tendenzen. Einerseits bestätigen die Beispiele der Pressesprache (32 deutsch‐ sprachige Zeitungen) die normgemäßen Regeln der Schriftsprache. Die Verlage orientieren sich mehrheitlich an den verbindlichen Regeln im schriftlichen Ver‐ kehr und schreiben den Verlaufsinfinitiv daher überwiegend groß (82 %). Die aus dem Internet entnommene Belegsammlung, die oft auch andere Regeln der Rechtschreibung ignoriert, liefert eine klare Tendenz zur Kleinschreibung von Verlaufsinfinitiven (71 %). G ÁR G YÁN summiert ihre Ergebnisse zusammen und bemerkt, dass, obgleich sich die Verlage strenger an orthografische Regeln halten, auch dort nicht nur vereinzelt Kleinschreibung vorkommt. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Mehrheit der Nutzer der sprachlich liberalen Internetbelegsammlung den Infinitiv als verbal interpretieren, so G ÁR G YÁN (2014: 73). Aufgrund der erhobenen Daten aus dem PeD lässt sich sagen, dass mehr Bei‐ spiele für eine verbale Lesart unter den Pennsylvaniadeutsch-Sprechern ge‐ funden wurden, was auch die weiter unten stehenden Beispiele belegen. Eine 72 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten 6 Dies ist zu vergleichen mit der Präposition zu, welche nach einer lexikalischen und grammatischen Reanalyse zu einer Infinitivpartikel geworden ist: zu+V Inf (vgl. G A L L‐ M A N N : 2015). (93) (94) (95) (96) (97) präliminäre Schlussfolgerung würde bedeuten, dass sich der am-Progressiv in einem „Zwischenstadium“ (insbesondere R E IMANN 1996: 90; auch VAN P OTT E L‐ B E R G E 2004: 323; K RAU S E 2002: 240) befindet, da es mindestens jeweils eine ein‐ deutige Situation gibt, in der sich der Infinitiv als verbal oder als nominal deuten lässt. Die noch folgenden Beispiele sollten jedoch die Meinung des Autors an‐ deuten, dass diese Transition, in der sich der am-Progressiv befindet, tendenziell mehr verbale Eigenschaften aufweist und daher eine mögliche „neue Verbklammer“ im Deutschen bilden könnte, eine progressive Verbklammer (sein Fi‐ nitum +am+ V Inf ). 6 4.1.5. Der verbale Charakter des Verlaufsinfinitivs bei dem am-Progressiv Ein verbaler Infinitiv liegt vor, wenn ein Infinitiv in einem Satz die semantische und syntaktische Funktion des Verbs übernehmen kann. Es trägt also die Haupt‐ bedeutung der Aussage und schließt eine lexikalische und syntaktische Kette: Er muss arbeiten. oder Egon übt schwimmen. oder Du brauchst nicht (zu) kommen. In diesen Fällen müsste man den substantivierten Infinitiv semantisch als Er‐ gänzung zum Vollverb betrachten und klein schreiben. Ein anderer Hinweis auf den verbalen Charakter des Infinitivs kann in den restlichen Elementen der am-Phrase ermittelt werden. So bleibt beispielsweise die dem Verb zugrunde‐ liegende Valenz des Verlaufsinfinitivs in der am-Progressiv-Konstruktion er‐ halten, sowohl im StD wie auch im PeD: Er ist ein Buch / einen Roman/ eine Geschichte am schreiben. [Akk-Obj] Anne ist die Brötchen am backen. [Akk-Obj] Sie is d Schteeg am butza. [Akk-Obj] [Sie ist den Steg am putzen.] Solche Beispiele, in denen das Verb durch ein A KK -Objekt ergänzt wird, lassen sich leicht auch mit dem Verlaufsinfinitiv bilden und somit kann der Verbrahmen geschlossen werden. Er liest ein Buch. [Akk-Obj] 73 4.1. Der Verlaufsinfinitiv (98) (99) (100) (101) (102) (103) (104) (105) (106a) (106b) (107) (108) Er ist das Buch [Akk-Obj] am lesen. Er ist am Fensterputzen. [Akk-Obj inkorporiert, Verbal-Kompositum] Er ist am überlegen, ob er mitkommt. [nachgestellter Objektsatz] Wenn man die Form der möglichen Elemente im Satz näher betrachtet, dann fällt auf - sofern man diese Lesarten als korrekt zulassen will - dass die Ergän‐ zungen oder Argumente immer eine bestimmte morphologische Form, d. h. Kasus nachweisen müssen. In den folgenden Sätzen: Egon ist einen Roman [Akk.Sg. Mask.] / eine Annonce [Akk.Sg.Fem.] / ein Micky-Maus-Heft [Akk.Sg.Neut.] am lesen. Egon ist seiner Mutter [Dat.Sg.Fem.] am helfen. ist das jeweilige Argument entweder im Akkusativ oder Dativ vorzufinden, was zweifelsohne mit den Rektionsverhältnissen des Verbes zu begründen ist, da es als Regent ein in einer bestimmten Form stehendes Regens fordern kann. No‐ mina können im Deutschen keinen bloßen Akkusativ eines anderen Nomens regieren, höchstens eine Präpositionalphrase (Hoffnung auf [Akk] ). Bei Präpositionalphrasen, welche vom Verlaufsinfinitiv als Verb abhängig sind, zeigt sich eine Erweiterung als grundsätzlich möglich, aber eher als unty‐ pisch: ? Er ist am warten auf seine Ergebnisse. [nachgestellte Präpositionalphrase] (? ) Er ist auf seine Ergebnisse am warten. [vorangestellte Präpositionalphrase] Diese Beispiele machen deutlich, dass das in dem Verb bestehende Valenzsver‐ hältnis auch durch die Verwendung als Verlaufsinfinitiv nicht beeinträchtigt wird und gänzlich funktionsfähig bleibt, sodass die so entstehende am-Progressiv-Klammer (sein Finitum +am+V Inf ) ebenfalls die volle Valenz des Ver‐ laufsinfinitivs projiziert. Ein weiteres Merkmal der am-Progressiv-Konstruk‐ tionen ist es, dass es möglich ist, einen erweiterten oder zusätzlichen Infinitiv mit zu an die am-Konstruktion anzuhängen, was bei nominalen Infinitiven nicht möglich ist: * Ich bin am Überlegen, nach Hause zu gehen. * Egon ist am Helfen Koffer zu tragen. [nominale Lesart] Egon ist am helfen, Koffer zu tragen. [verbale Lesart] Ich bin am helfa, mei Aunties cucambers zu dschara in d Kich. [Ich bin am helfen, meiner Tante Gurken einzumachen (engl. to jar) in der Küche.] Die Emily is dihra Grandmam am helfa en Hucklbeera-Poi zu backa. [Die Emily ist ihrer Großmutter am helfen, einen Himbeer-Kuchen zu backen.] 74 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten Auch hier ist es deutlich geworden, dass die hinzugefügte zu-Phrase direkt aus der Valenz des Verlaufsinfinitivs gesteuert wird, was wiederum den verbalen Charakter festigt. Wenn der Infinitiv in der Verlaufsform noch seinen verbalen Charakter beibehält und über seine im Verb zugrunde liegende Valenz eine ge‐ wisse Steuerung auf andere, mitbeteiligte Aktanten ausüben kann, sehe ich die Annahme als berechtigt, dass am nicht als Präposition mit einem verschmol‐ zenen Dativartikel anzusehen ist, sondern als eine Art funktionale Partikel, die eine Infinitiv-Phrase einleitet. 4.1.6. Der Verlaufsinfinitiv und der Artikel Ein weiterer Beweis eines nominalen Merkmals wäre das einer Präpositional‐ phrase ähnelnde Einleitungselement am, das historisch gesehen eine Verschmel‐ zung einer Präposition und des bestimmten Artikels im Dativ ist. Normalerweise ist die Existenz eines genusbestimmenden Artikels ein klares Indiz dafür, dass es sich bei dem nachfolgenden Element um ein Nomen handelt. Diese These ist diachron gesehen sicherlich richtig, da man die Entwicklung des Artikels, wenn auch mit Mühe, aber dennoch rückverfolgen bzw. rekonstruieren kann (K RAU S E 2002: 65; VAN P OTTE LB E R G E 2004: 195). Es ergeben sich jedoch, synchron gesehen, auch Zweifel an der Funktionalität des Artikels. Dieser wird nicht als solcher wahrgenommen und erfüllt auch nicht die hervorhebende Rolle eines Determi‐ nators. Daher liegt der Schluss nahe, dass es sich bei dem einleitenden Element am doch um etwas anderes handeln könnte. 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem Die Präposition an ist formal auf die gotische bzw. germanische Präposition * ana zurückzuführen (ahd. an[a] und mhd. an[e]) und ist sprachhistorisch mit der englischen Präposition on verwandt (vgl. K LU G E / S E E B OLD 1989: 68). Präpo‐ sitionen dienen, oft als desemantisierte oder inhaltsleere Funktionswörter, mehrheitlich einer grammatischen Markierung von Kasus (Rektionsverhältnis) und stellen eine syntagmatische Beziehung zwischen zwei Elementen her (H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 285). Sicherlich führen manche Präpositionen noch einige Merkmale, die ihre ursprüngliche Bedeutung oder Herkunft zeigen, diese wird jedoch immer weniger wahrgenommen, da Präpositionen beim Sprecher/ Hörer keine semantische Beziehung mehr aufbauen, sondern zur Herstellung von grammatischen Relationen innerhalb eines Syntagmas dienen. Daher ist die ursprüngliche Bedeutung oder der Pfad der Desemantisierung heute nicht 75 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem (109) (110) (111) immer zweifelsfrei nachzuweisen. Der sprachliche Vorteil darin ist jedoch, dass eine Präposition oft unterschiedliche Funktionen bzw. Relationen ausüben kann (in der Badewanne - lokal; in der Mittagspause - temporal; in Not - kausal etc.). Auch bei der Präposition an sind solche multiple Funktionen möglich (an der Wand - lokal; an dem 25.05. - temporal; an die Frau Bundeskanzlerin - relational/ modal etc.). Zur Semantik der Verlaufspräposition am, die eigentlich mit dem bestimmten Artikel verschmolzen ist, kann man heute sicherlich sagen, dass sich eine solche singuläre Eigenbedeutung nicht mehr isolieren lässt und sie daher keine kon‐ krete Bedeutung impliziert (dazu siehe R EIMANN 1996: 92). Es ergibt sich weder eine determinierende noch eine hervorhebende Funktion des Artikels (siehe dazu L E I S S 2010: 152) oder der Präposition: Elly is am schaffa/ * an dem/ * an einem schaffa. [Elly ist am schaffen.] Es ist auch keine rein lokale Implikation mehr zu isolieren: Egon ist am arbeiten. (Nicht: Wo ist „normalerweise“ der Ort des Arbeitens? sondern: Was macht X gerade? ) Emma ist am heulen. (Nicht: Wo ist X? sondern Was macht X? ) Bei manchen Verbalsituationen ist die Frage nach dem Ort des Verbalgeschehens noch im Verb (z. B. schwimmen) selbst ermittelbar, so kann man beispielweise nur dort schwimmen, wo es Wasser gibt. Es ist jedoch für den Zuhörer/ Leser/ Gesprächspartner nicht immer eindeutig feststellbar, wo genau dieser Ort sein soll (z. B. Freibad, Hallenbad, Egons privater Pool? ). Eine Äußerung wie Peter ist am arbeiten kann nur dann richtig verstanden werden, wenn alle Gesprächs‐ teilnehmer über den gleichen außersprachlichen Wissensstand verfügen (z. B. Wer ist Peter? Was macht Peter beruflich? etc.). Dann erfüllt diese Äußerung auch die Antwortfunktion auf eine Frage Wo ist X? . Unter anderen Umständen würde der Empfänger dieses Satzes nur die Frage beantwortet bekommen Was macht X jetzt? Hier kommt noch zum Vorschein, dass der am-Progressiv natürlich auch als Antwort auf die Frage Wo ist/ befindet sich X? dienen kann, diese Frage aber nicht primär beantwortet. Der Fokus des Progressivs ist zweifelsohne die In‐ formation über die momentane Beschäftigung des Subjekts und nicht dessen Aufenthaltsort. Hinzu kommt noch ein sehr offensichtliches formales Merkmal, woraus man schließen kann, dass es sich bei der Verlaufspräposition am um keine echte Prä‐ 76 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten (112) (113) position handelt. Sie kann nämlich nicht analytisch verwendet werden wie in der Funktion einer echten Präposition (vgl. D UD E N -Grammatik 1998: 324, §. 567 (3)). Emilia ist * an dem Basteln. aber Am nächsten Morgen kamen alle. oder An dem nächsten Morgen kamen alle. Durch die Analyse der oben angeführten Beispiele lässt sich schnell die Frage beantworten, ob es sich bei dem aus einer Präposition und einem klitisierten Artikel entstandenen am überhaupt noch um eine präpositionale Fügung bzw. Präpositionalphrase handelt (Z I F ONUN et. al. 1997: 1878; VAN P OTTE LB E R G E 2004: 314; insbesondere aber B HATT / S CHMIDT 1993: 79). Dies lässt den Schluss zu, dass am auf dem Weg ist, eine idiosynkratrische Fügung bzw. grammatische Partikel zu werden, welche einen Infinitiv einleitet, zumal die aspektuelle Lesart von am-Progressiven schon seit dem Mhd. belegbar ist ( VAN P OTT E LB E R G E 2004). 4.2.1. Funktionswechsel: Anwendung als einleitende Partikel bzw. Infinitivpartikel Die Anwendung bzw. die Funktion von am im Verlaufsinfinitiv ist immer deut‐ licher als Partikel zu erkennen. Es handelt sich nach der Anmerkung von G LÜCK (2001: 87) eher um eine grammatische Partikel, die mit der Position und Funktion der Infinitivpartikel zu vergleichbar wäre. Auch die Partikel zu hat sich ursprünglich aus der final-allativen Präposition zu entwickelt und obwohl der Pfad der Delexikalisierung nicht immer lückenlos feststellbar ist, ist das Er‐ gebnis des Sprachwandels umso klarer: zu hat die ursprüngliche Bedeutung und die damit verbundenen grammatischen Eigenschaften (Dativ-Rektion) in den zu+V Inf -Konstruktionen verloren. Dieser Prozess der Delexikalisierung ist si‐ cherlich eine sehr wichtige Vorstufe im Prozess der Grammatikalisierung von sprachlichen Elementen. Nun lassen sich Parallelen von der Fügung am und der Partikel zu beobachten, die auch den Schluss zulassen, dass es sich bei am um eine einleitende Partikel handelt, die möglicherweise auf dem Weg der Gram‐ matikalisierung ähnliche Prozesse wie die Partikel zu vollzieht. Dies würde auch bedeuten, dass in dem am-Progressiv mit dem am keine Präpositionalphrase mehr vorliegt, die mit einem nominalen Infinitiv verknüpft wird, sondern eine neuartige syntaktische Satzverknüpfung entsteht, welche einen erweiterbaren (verbalen) Infinitiv einleitet. Äußerst interessant erscheint es an dieser Stelle zu fragen, inwiefern sich die Grammatikalisierung des am-Progressivs messen lässt und welche Stufe der Grammatikalisierung bislang erreicht wurde. Es kann aber aufgrund des häu‐ 77 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem figen Gebrauchs und der ausbaufähigen Kombinationsmöglichkeiten zweifels‐ ohne festgestellt werden, dass im PeD der am-Progressiv als Infinitivphrase mit einer einleitenden Partikel am und erweiterbaren Ergänzungen aufgenommen wird. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass sich der Gebrauch des am-Progres‐ sivs sowohl im PeD wie auch im StD nachweislich gesteigert hat. Die Erweite‐ rung des syntaktischen Kombinationsradius auf transitive Verben wie auch der Gebrauch von Adverbialien innerhalb der Rahmenkonstruktion legt den Schluss nahe, dass es sich hier um eine periphrastische Verbform handeln muss. Für die Auflösung der präpositionalen Fügung an+D ATIV in der Verlaufsform spricht auch die Tatsache, dass es in manchen deutschen Dialekten und manchen Regionen der USA durchaus Sprecher gibt, die anstatt der Fügung am nur an be‐ nutzen. Diese Beispiele sind in großer Zahl und überall zu finden (L O UDE N 1994; Meister-F E R RÉ 1994; R E IMANN 1996). Hier wird der einzige noch verbliebene Nomi‐ nalmarker, nämlich das -m des Dativkasus, abgeschliffen und somit die einzige Verbindung zu einem nachfolgenden Nomen gekappt. Ein systematischer, intenti‐ onaler oder gar distinktiver Gebrauch von an anstatt am ist in diesem Korpus dezi‐ diert auszuschließen, weil es sich nicht selten um dieselben Personen handelt, welche bei dem Gebrauch von am und an alternieren. Es kann aber beobachtet werden, dass es regionale Unterschiede zwischen den Countys oder den sozialen Gruppen gibt, welche bevorzugt zu einer von beiden Varianten greifen. Aus dem erhobenen Korpus ist grundsätzlich abzulesen, dass etwa 25 % aller Progressiv-Kon‐ struktionen mithilfe von an gebildet wurden, und diese Konstruktionen gehen ten‐ denziell auf die religiösen Gruppen der Old-Order- und New-Oder-Sprecher zu‐ rück. Beispiele mit an-Progressiven von Deitschstämmigen sind aber ebenso vorhanden, sodass sich über den unterschiedlichen Gebrauch von an und am in den vorhandenen Daten aufgrund morphologischer Merkmale keine Rückschlüsse ziehen lassen. Festzuhalten bleibt, dass der Verlaufsinfinitiv in dem am-Progressiv immer an einen mit der Präposition an verschmolzenen bestimmten Artikel gebunden ist. Die Verwendung von vorangestellten Artikeln ist im Deutschen nur für No‐ mina vorgesehen, was für den nominalen Charakter des substantivierten Ver‐ laufsinfinitivs sprechen würde. Bei unterschiedlichen Tests wurde jedoch nach‐ gewiesen, dass der Gebrauch dieser zwei verschmolzenen Komponenten doch sehr von ihren ursprünglichen grammatischen Funktionen abweicht und nicht mehr eine rein präpositionale oder determinierende Funktion vorliegt (A N‐ D E R S S ON 1989: 30; B HATT / S CHNMIDT 1993: 79). Die verschmolzene Präposition am wird hier also zu einem abstrakten, weiter nicht analysierbaren Element, das eine einleitende Funktion für die im verbalen Infinitiv stehende Verbalsituation übernimmt, zumal der in der Fügung am inbegriffene Artikel kaum mehr wahr‐ 78 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten nehmbar ist und somit nicht als Substantivzeiger dienen kann (R E IMANN 1996: 85). Laut S E IL E R ist das Konstrukt am als „fusionales Morphem“ (S E IL E R 2005: 321) oder als präpositionale Fügung aus der Präposition an und dem definiten Artikel im Dativ zu interpretieren. Die ursprüngliche Dativ-Kasusmarkierung ist hier opak geworden, zumal sich der Infinitiv nach seinen morpho-syntakti‐ schen Eigenschaften gemessen überwiegend verbal verhält. Dadurch, dass sich manche angeführten Beispiele und manche Erweite‐ rungen des Verbrahmens noch nicht überall in der Standardsprache etabliert haben bzw. laut Untersuchungen noch als „fremd“ oder „nicht typisch Deutsch“ angenommen werden, ist mit einer eindeutigen Terminologie noch abzuwarten. Anhand der bislang untersuchten Beispiele und der bestätigten Erweiterungs‐ aktivitäten der am-Progressive sowohl im PeD wie auch im StD ist der Schluss jedoch nicht allzu sehr übereilt, das am als eine sich im Entstehen befindende und sich differenzierende Progressivpartikel einzustufen, die sich von einer Präpositionalphrase hin zu einer grammatikalischen, aspektaffinen Einheit ent‐ wickelt. Als eine fundamentale Voraussetzung für diesen grammatikalischen Kategoriewechsel sehe ich genau diesen Umstand an, dass die präpositionale Fügung am ihre Determiniertheit allmählich eingebüßt hat und den Weg zur Partikel eingeschlagen hat. Somit wurde der Weg zur Grammatikalisierung erst ermöglicht. Daher ist es sicherlich aufschlussreich zwei bereits grammatikali‐ sierte und funktional reanalysierte Morpheme (am [Steigerungspartikel] und zu [Infinitiv‐ partikel] ) kurz zu durchleuchten. 4.2.2. Zum Schluss ist es am besten Um eine klärende Antwort auf das morpho-syntaktische Verhalten der am-Progressiv-Partikel zu bekommen, ist ein Blick auf andere, bereits gramma‐ tikalisierte Morpheme hilfreich. So scheint es möglich über die Entwicklungs‐ geschichte der Steigerungspartikel am auch relevante Rückschlüsse auf die Ent‐ wicklung der Progressiv-Partikel am zu ziehen. F UHR HO P / V O G E L (2010) sehen in der Grammatikalisierung von am als Steigerungspartikel nämlich nicht eine zufällige Wahl, sondern eher eine diachron verfolgbare Verschiebung der Defi‐ nitheit. Diese Parallele erlaubt Rückschlüsse auch auf die Progressiv-Partikel am. Auch die Morphosyntax von zum lässt sich auf das am der Progressiv-Kon‐ struktionen projizieren. Diese beiden möglichen Vorbilder sollen hier kurz näher betrachtet werden. Einen guten Einblick in das Werden von grammatischen Partikeln bietet das am als Steigerungspartikel. F UH RHO P / V O G E L (2010: 84) thematisieren die Ge‐ meinsamkeiten der im StD vorhandenen Steigerungsmorpheme -st- und am 79 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem (Egon ist der schnellste/ am schnellsten) und sehen eine Gemeinsamkeit in der Definitheit, weil beide Superlativ-Morpheme durch das Steigerungsparadigma die maximale Definitheit fordern müssen, sogar - mit teils differenten Formen für Genus - im Ahd. und Mhd. (B RAUN E 1981 oder P AUL 1998). Diese maximale Definitheit gibt beispielsweise das Englische durch the wieder, was wohl eine Übertragung aus der attributiven Erweiterung des Nomens ist (Egon is the smal‐ lest giant of all the giants). Ähnlich ist auch die Steigerung im Niederländischen durch den Artikel het mit analytischen Mitteln kodiert (Egon snurkt het luidst). Auch in vielen slawischen Sprachen wird die gleiche maximale Definitheit mit synthetischen Mitteln kodiert (serb. naj-veći; slowak. naj-večšy; dt. der größte). Der definite Artikel scheint daher ein notwendiges Mittel zum Ausdruck der Definitheit bei Steigerungen zu sein. Laut F UHRHO P / V O G E L (2010: 92) weist der definite Artikel im Dativ für Mas‐ kulina (dem) die größtmögliche Definitheit oder Begrenztheit auf. Wegen des Genussystems im StD und der vorkommenden Adjektivendungen (im Gegen‐ satz zum Engl. und Ndl.) hat das Deutsche zwei analytische Steigerungsformen D E T +A D J +-st-+F L EXEM und am+A D J +-st-+F L EXEM . Es kann für die am-Form der Steigerung vermerkt werden, dass es in Bezug auf die weggefallenen Ge‐ nusendungen eine Formreduktion darstellt, aber mit gleicher Bedeutung (Egon ist der langsamste Läufer = Egon läuft am langsamsten). So kodiert die Steige‐ rungspartikel am komplexe Definitheit in einer synthetischen Form, aber wir finden in beiden Steigerungsformen den definiten Artikel wieder. Diese synthetische Form bzw. diese Verschmelzungen sind laut E I S E NB E R G (1994) oder A B RAHAM (2004: 156) durch Präpositionen begünstigt. Präpositionen eignen sich gut für Grammatikalisierungen bzw. für den Wechsel von semanti‐ schen Einheiten zu grammatischen Funktionen, und zwar aus folgenden drei Gründen: 1. sie lassen sich leicht(er) desemantisieren 2. sie sind von der prosodischen Struktur her meistens einsilbig und 3. sie lassen sich daher leicht klitisieren bzw. können mit dem Vorgänger/ Nachfolger verschmelzen F UHRHO P / V O G E L (2010: 92) haben eine Gegenüberstellung des Distributions‐ spektrums der möglichen Verschmelzungen im Deutschen dargestellt und als Ergebnis kam heraus, dass am/ im/ vom/ beim und zum als Form die größte De‐ ckungsgleichheit haben, weil sie für den Dativ bei Maskulina und Neutra stehen können. Für feminine Nomina kommt nur zur in Frage, was die Distribution der Formen stark reduziert und zugleich die Grammatikalisierungschancen ein‐ schränkt, ebenso wie z. B. fürs oder durchs für Akkusativ Neutrum im Gebrauch 80 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten noch immer als markiert und nicht als normkonform gilt. Für das am der Stei‐ gerungspartikeln scheint also folgende Tendenz zuzutreffen: Je genus-neutraler die Verschmelzung wird, desto höhere Chancen bestehen für eine Generalisie‐ rung der grammatischen Formen und eine höhere Frequenz. Die Steigerungs‐ partikel am kodiert maximale kategoriale Definitheit für alle Genera ohne dafür gesonderte morphologische Mittel zu benutzen (er/ sie/ es trompetet am schlimmsten). Analog dazu verhält sich die Progressivpartikel am, auch sie ko‐ diert mit minimalen grammatischen Mitteln eine kategoriale Definitheit, näm‐ lich die aspektuelle Innenperspektivierung, aber natürlich nur in Korrelation mit einem Finitum (sein) und einem verbalen Infinitiv. In manchen Fällen unterliegt der Infinitiv aber den grammatischen Flexions‐ regeln und semantischen Kombinationsmöglichkeiten eines Nomens, wie im Falle der zum+V Inf -Phrasen. Dies trifft auch zu, weil sich hier die nominale Form als sprachökonomischer und somit frequenter in der Distribution zeigt als die verbale (Egon hat ein Messer zum Schmieren./ Egon hat ein Messer, um Butter zu schmieren). Oft wird die Frequenz der Distribution aber als ein überbewertetes Kriterium genommen, um den Distributionsradius zu erweitern. Hierbei kann es sich m. E. oft um ein cum hoc ergo propter hoc handeln, weil man mit dem Vorkommen von Beispielen beweisen will, das etwas vorkommen kann. Sobald aber eine Extension des Nomens durch eine Präpositionalphrase hinzugezogen wird, was generell bei jedem Nomen als Testverfahren gelten kann, sieht man den koverten verbalen Charakter des Infinitivs (Egon hat ein Messer zum Schmieren ? von der Butter / ? von der Marmelade. oder Egon braucht das zum Su‐ chen ? nach neuen Beispielen). Bei der Erweiterung durch eine PP wäre die Anzahl der auffindbaren Belege sicherlich geringer. Hier offenbart sich der verborgene Charakter des zum-Infinitivs, dass er dennoch als valenztragendes Verb wahr‐ genommen werden kann, was eine erweiterte nominale Distribution blockiert oder zumindest restriktiv macht (Egon braucht das zum Arbeiten ? * mit den Dosen), eine verbale aber ermöglicht (Egon braucht das, um mit den Dosen zu arbeiten). Es scheint so, als würde man die verbale Lesart der nominalen vor‐ ziehen, sobald weitere Aktanten ins Spiel kommen, was wohl mit der individu‐ ellen Wahrnehmung von zum+V Inf durch die Sprecher selbst zu tun hat. Meines Wissens ist dieses Thema für das StD noch nicht ausführlich empirisch unter‐ sucht worden. Eben diese Selbstreflexion der Sprecher, warum sie manche ver‐ bale Lesarten den nominalen vorziehen würden, wäre ein interessanter An‐ haltspunkt für eine Studie. Für das Bairische hat B AY E R (1993) und für das Schweizerdeutsche hat S E IL E R (2005) Teilstudien veröffentlicht, welche hier le‐ diglich skizzenhaft eruiert werden, aber diesbezüglich sehr lesenswert sind. So werden beispielsweise (Anlehnung an B AY E R 1993: 51) die finalen zu+V Inf 81 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem 7 In Anlehung an L E I S S (2010: 143). (114) -Phrasen (Egon hat zu singen angefangen) im Bairischen durch zum oder z’ realisiert (Egon hod zum Singa oog’fangt). Für das Bairische scheint das zu+V Inf nicht authentisch zu sein und daher kaum vertretbar. Infinitive können diachron gesehen als Verbalnomina aufgenommen werden (H A S P E LMATH 1989: 291) und korrelieren dadurch auch mit Präpositionen. In germanischen Sprachen ge‐ schieht dies beispielsweise mit dt. zu/ engl. to/ ndl. te. Im Ahd. und Mhd. ist belegt, dass ze/ zuo einen Dativ markiert (Endung -e), was in manchen Beispielen bis ins Nhd. (zu Haus(e)) reflektiert (auch in A B R AHAM 2004: 139). Wenn verbale Nomina das Genus N E UT . haben und zu rektionsmäßig Dativ regiert, dann kommt der definite Artikel dem in den Fokus, weil er paradigmatisch gesehen den größten Teil der möglichen Endungen übernimmt, nämlich Maskulin und Neutrum. Hier ergibt sich ein distinktives Zwei-Kasus-System, nämlich eine Opposition Fe‐ minin vs. Nicht-Feminin. Diese nominale Rektion hat sich also auf die zu+V Inf -Phrasen übertragen, sodass sie mit einem Dativ-Determinator (’[d]em) korrelieren (B AY E R 1993: 52). Im Bairischen werden generell öfter definite Artikel benutzt (Des is d Egon/ ? * Des is [Ø]Egon) 7 und diese blockieren somit den verbalen Ausbau der Infinitive, so‐ dass die nominale Lesart dominanter ist. Im StD wird dieser Artikelgebrauch normbedingt reduziert und die Phrasen, welche nicht idiomatisch bedingt sind (vgl. Das ist zum Totlachen/ vs. ? * Das ist, um sich tot zu lachen/ dass man sich totlacht etc.) werden im StD eher durch Finalsätze enkodiert (um+zu oder damit). Beim zum ist m. E. im Gegensatz zur Progressivpartikel am das Dativ‐ morphem -m noch erkennbar und funktionsfähig, wie B AY E R fürs Bairische ge‐ zeigt hat. Bei der am-Progressiv-Phrase im PeD oder in den Beispielen aus den deutschen Dialekten impliziert das -m keinen Dativ mehr (Ich bin am die Kinna dihre Hoar schneida oder Ich bin am (ein) Buch lesen) und blockiert somit nicht mehr die verbale Reanalyse bzw. den Reload der Verbvalenz, welche dem Ver‐ laufsinfinitiv inhärent ist. So können A KK -Objekte aufgelistet werden, was zu einer Reaktivierung der verbalen Lesart führt. Auch Beispiele aus den schwei‐ zerdeutschen Dialekten von S E IL E R (2005: 320) wie etwa dieses: … zum de [Akk.Mask.] Waage reparieren [zum den Waagen reparieren] zeigen deutlich, dass zum keinen Rektionsanspruch mehr erhebt, da die Nomi‐ nalphrase (de[n] Waagen) ein Akkusativ ist und in der Verbvalenz des Infinitivs verankert ist. Somit haben wir es mit echten reanalysierten Infinitivkonstruk- 82 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten (115) (116) (117) (118) (119) (120) tionen zu tun, bei denen das zum eine Art Konjunktion (complementizer) mit finaler Semantik sein muss (S E IL E R 2005: 321). A B RAHAM (2004: 111) vermutet die Nähe oder die Adjazenz zwischen der In‐ finitivpartikel zu und dem Infinitiv in der syntaktischen und semantischen Ab‐ hängigkeit der Partikel vom Infinitiv. Dies könnte in Verbindung stehen zu den sog. „subjektleeren Sätze“ oder pro-drop-Konstruktionen (vgl. dazu A B RAHAM 1991; G ALLMANN 1997: 438), zumal die im Deutschen vorkommenden Infinitiv‐ konstruktionen immer ein referenzidentisches Subjekt fordern. Weiterhin sind Infinitive nach dem semantischen Gehalt oder von ihrer Bedeutung her dem Verbalaspekt viel näher als dem Tempus (A B RAHAM 2004: 115), zumal sie keine - zumindest im StD - morphologischen Endungen haben. Die möglichen se‐ mantischen Unterschiede in der Bedeutung von Infinitiven sind lexikalischer oder aspektueller Natur (terminativ, perfektiv etc.). Die syntaktische Nähe der Infinitivpartikel wird schnell deutlich, wenn man die sog. Infinitivkonstruktionen betrachtet: Für Egon ist es wichtig, jeden Tag Tomatensaft zu trinken. Egon lernt Italienisch, um ‚La traviata‘ zu singen. Egon schläft, ohne zu schnarchen. Anstatt für die Disputation zu lernen, googelt Egon nur herum. In allen Beispielen ist zu bemerken, dass bei solchen Infinitivkonstruktionen eine syntaktische Null-Toleranz-Grenze eingehalten werden muss, d. h. die In‐ finitivpartikel zu muss obligatorisch neben dem Verbalinfinitiv stehen und alle anderen Satzglieder müssen außerhalb dieser Infinitivklammer platziert werden ( * Für Egon ist es wichtig, zu jeden Tag Tomatensaft trinken oder * Für Egon ist es wichtig, jeden Tag zu Tomatensaft trinken etc.). Analog dazu ist auch Adjazenz der am-Progressiv-Partikel in den folgenden Sätzen zu deuten: Egon ist Tomatensaft am trinken. Egon ist den ganzen Tag am faulenzen. Diese unmittelbare Nähe von am zum Verlaufsinfinitiv deutet auf eine Loslö‐ sung der präpositionalen Funktion als Dativ-Marker von am, wie auch bei zu in den zu+V Inf -Phrasen, und erhärtet den Verdacht, dass sich am als eine weitere Infinitivpartikel etablieren könnte (vgl. dazu G ALLMANN 2015). Diesen anfäng‐ lichen Verdacht sieht auch A B R AHAM als erwiesen an, da er die am-Partikel syn‐ taktisch in die Nähe der zu-Partikel bringt: Dutch has aan het ‚at the‘ in a similar incorporating construction. The direct German equivalent is the inflected preposition, am ‘at.D AT .N E U T ’, which can be used only colloquially (not used in written code of German). Whatever the whole range of 83 4.2. Korrelation zwischen Präposition an/ am und dem (121) (122) (123) constructions in both languages …[…], they provide further evidence for the adjacency effect which is relevant to zu+inf. (A B R AHAM 2004: 123, Hervorhebung A.T.) Der Verdacht einer Partikel würde sich noch zusätzlich erhärten, wenn die Par‐ tikel sich auch syntaktisch von dem Infinitiv entfernen könnte, was nur bekräf‐ tigen würde, dass die ursprüngliche präpositionale Dativ-Rektion - wie bei zu auch - keine Bindung an den Infinitiv produzieren kann. Wenn andere Elemente oder Satzglieder innerhalb dieser Infinitivphrase zugelassen wären, würde dies eine „endgültige Entfunktionalisierung“ der Präposition am bedeuten und die Bindung an den Infinitiv wäre nur funktional (als Infinitivpartikel) bzw. seman‐ tisch (als Aspektmarker) zu erklären. Somit wäre der Weg für eine syntaktische Reanalyse von am als Partikel frei. Diese Situation scheint sich im PeD zu be‐ stätigen, da folgende Sätze leicht und häufig auffindbar sind: Ich bin am di [Dat >Akk.Pl.] Buba dihra Hoar schneida. [Ich bin an die Buben ihre Haare schneiden.] Ich bin am frisch Groos [Akk.Sg.Neut.] griega fer mei Hoosa. [Ich bin am frisch(en) Gras kriegen für meine Hasen.] Ich bin am d [Dat.Sg.Mask.] Doody sei Bart [Akk.Sg.Mask.] scheyva. [Ich bin an dem Großvater sein(en) Bart rasieren.] Diese und ähnliche Sätze aus dem PeD oder auch ähnliche Sätze aus den deut‐ schen Dialekten werden durch die bearbeitete Literatur unterschiedlich, zum Teil auch sehr restriktiv bewertet. Hier wird nochmals der Status der am-Kon‐ struktionen sichtbar bzw. das linguistische Tauziehen, dass nicht alle diese Formen als akzeptabel oder standardfähig betrachtet werden dürfen, was wie‐ derum die ganze am-Progressiv-Forschung widerspiegelt. Diese Abhandlung sollte daher dem Zweck dienen, die Vorteile der am-Progressive aufzuzeigen, wie auch ihre kaum mehr zu leugnende Präsenz (sogar in der als Sprachstandard angesehenen Presse, siehe C O S MA S -Belege aus der S ÜDD E UT S CHE N Z EITUNG ) und ihre fortgeschrittene Grammatikalisierung in den Vordergrund zu rücken, ohne dabei die unterschiedlichen Theorien über ihre Herkunft oder Funktion zu kon‐ trastieren. 4.3. Zusammenfassung: Ist eine progressive Verbklammer am kommen? Wenn Grammatikalisierung als allmähliche Verschiebung (gradual shifting) von „mehr syntaktischer Freiheit zu weniger Freiheit“ verstanden wird und wenn unter dem Standpunkt einer diachronen morpho-syntaktischen Reanalyse die 84 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten präpositionale Fügung am näher betrachtet wird, dann kann für die Phrasen nach dem Typus sein Finitum +am+V Inf festgehalten werden: a. Das Bildungsmuster ist - mit kleinen Nuancierungen - über Jahrhunderte immer erkennbar geblieben und repräsentierte primär das Mittel zur Her‐ stellung von Innenperspektive bzw. diente als Ausdruck einer sich im Verlauf befindlichen verbalen Handlung. Nach den ausführlichen theo‐ retischen Darstellungen von teils auch entgegengesetzten Meinungen und durch die dargestellten empirischen Ergebnisse kann eine weitge‐ hend konsensfähige Grammatikalisierungstendenz der Verlaufsform als sicher betrachtet werden. Aus den dargestellten Beispielen und den da‐ raus folgenden theoretischen Darstellungen ist ersichtlich geworden, dass sich die deutsche Verlaufsform diesen oben erwähnten Zielen genä‐ hert hat. Auch K LO S A formuliert es mit ein wenig linguistischem Humor, indem sie sagt: … […] die Verlaufsform ist sich am Ausbreiten und die Grammatikschreibung ist sich am Ändern. (K L O S A 1999: 137) b. Präpositionen eignen sich gut für funktionale Reanalysen und Gramma‐ tikalisierungen (verstanden als eine Art methodologische Verschiebung lexikalischer Elemente in morphologische), um neue grammatische Funk‐ tionen im verbalen Bereich zu übernehmen; so kodiert am maximale De‐ finitheit bei Steigerungen (läuft am schnellsten), zu kodiert die syntakti‐ sche Nähe von Infinitiven (Es ist schön, dich zu sehen) und schließlich kann am eine aspektaffine Lesart der Verbalsituation kodieren. c. Auch die Entkopplung der Partikel am vom Infinitiv und die Einbettung von anderen syntaktisch relevanten Elementen zwischen die Elemente am und V Inf ist als ein weiterer signifikanter Marker für die Usualisierung einer produktiven grammatischen Einheit zu deuten. Die trifft zumindest für das PeD zweifellos zu, weil es keine normbedingte Sanktionierungen gibt. Im StD existieren währenddessen noch Restriktionen und der Ver‐ wendungsradius der am-Progressiv-Konstruktionen ist (noch) einge‐ schränkt. Hier ist auch die Ausweitung der am-Progressiv-Konstruktion auf nicht-additive, terminative Verben einzubeziehen (bin am verhungern; ist am ertrinken). d. Die Verlaufsform ist bezogen auf ihre Bestandteile aus der Sicht des Au‐ tors schon so weit entlexikalisiert (semantic bleaching), dass sie als ganz‐ heitliche Phrase aufgenommen wird (Ich bin am überlegen, ob …), leicht einsetzbar und produktiv ist, was auch für einen hohen Grad an Gram‐ matikalisierung spricht. Die präpositionale Fügung am impliziert keine 85 4.3. Zusammenfassung: Ist eine progressive Verbklammer am kommen? lokale Bedeutung mehr und stellt keine lokale Beziehung zwischen Satz‐ teilen her. Sie nimmt auch nicht mehr den Status einer Präposition wahr und kann in diesem Sinne auch kein Substantiv mehr fordern bzw. als Präposition ein Substantiv einleiten. Somit bewegt sich am auf den Status einer grammatischen Infinitiv-Partikel hinzu (R ÖDE L 2003: 102; G LÜCK 2001: 87). R ÖDE L bemerkt diesbezüglich sehr entschlossen, dass der Kern der Verlaufsform, also der Verlaufsinfinitiv, in diesem Status der Gram‐ matikalisierung als verbal aufgenommen werden sollte. Er regt sogar mit seiner Überlegung: Zudem wird progressiver Aspekt durch die Verlaufsform (Ich war am schreiben) besser und deutlicher zur Geltung gebracht als ohne Verlaufsform (Ich schreibe gerade). Verzichtet der Schreiber aus „stilistischen Gründen“ auf die Verlaufsform, muss er in Kauf nehmen, dass seine Aussage aspektuell undeutlich markiert sein könnte. (R ÖD E L 2003: 102) die Diskussion über die wohl letzte, entscheidende Phase der Grammati‐ kalisierung an, nämlich über die bedeutungsunterscheidende Funktion der Verlaufsform im Gegensatz zum synthetischen Präsens. In den oben dargestellten Eckpunkten der zunehmenden Grammatikalisierung sind ernst zu nehmende Hinweise einer (Re-)Aspektualisierung im deutschen Verbalsystem zu sehen. Mit der Konstruktion sein Finitum +am+V Inf erwirbt sich das StD ein formell realisierbares Muster, um Aspektualität zu generieren, und zu‐ gleich auch eine neue periphrastische Verbform. Daher werde ich im Folgenden diesen Phrasen-Typus als am-Progressiv bezeichnen, der sich aus seinen Be‐ standteilen erschließt, nämlich dem Auxiliar sein [Aux] , einer Progressiv-Partikel am [Prog.Partk.] und dem Verlaufsinfinitiv V [Inf] , die zusammen eine progressive Ver‐ balklammer [Prog.Vkl] bilden. 86 4. Zum am-Progressiv und seinen Komponenten 8 Countys: Berks; Carbon; Hardin (OH); Lancaster; Lebanon; Lehigh; Northampton; Richland (OH); Schuylkill; Snyder 5. Die Datenerhebung in den USA 5.1. Feldforschung - Aufbau des Interviews Die Motivation der empirischen Erhebung beruhte primär auf der Idee, gram‐ matischen Sprachwandel im Idiolekt der Sprecher vor Ort festzuhalten und die Gemeinsamkeiten dieses Wandels bzw. die Mechanismen zu erforschen, um zu erfahren, wie sich grammatischer Sprachwandel vollzieht, welche Phasen durchlaufen werden und ob der Sprachwandel in der Sprechergruppe selbst be‐ wusst realisiert wird. Die Befragung der PeD-Sprecher wurde teils durch per‐ sönliche Kontakte teils durch vermittelte Kontakte der Universität in Kutztown (Kutzeschtettel) in Pennsylvanien ermöglicht. Bei dieser Feldforschung im Juni/ Juli 2014 habe ich in acht Countys in Pennsylvanien (PA) und in zwei Countys in Ohio (OH) 40 Sprecher interviewen können. 8 Abb. 8: Befragungsorte in den USA Jedes Informantengespräch setzt mit einem kurzen Vorstellungsgespräch an, in dem den Probanden die Studie und den Zweck, nicht jedoch die einzelnen, zu untersuchenden grammatischen Inhalte erklärt wurden. Die Probanden er‐ hielten eine Aufklärung über den Verbleib und den Umgang mit den Daten bzw. sie konnten der Auswertung dieser Daten zu wissenschaftlichen Zwecken zu‐ stimmen unter meiner Zusicherung, dass ihre persönlichen Daten anonym bleiben werden (siehe Agreement, im Anhang). Nach dem Starten des Tonbands wurden kurz die Personalien des Probanden festgehalten (Name, Alter, sozialer Status, Ortsverbundenheit) und daran anschließend wurde mit dem ersten In‐ terviewteil zur Progressiv-Forschung begonnen. Die Hauptaufgabe bestand darin, die auf einem Fragebogen in Englisch dargestellten Alltagssituationen zu lesen und die Antworten im PeD wiederzugeben. Um den Probanden immer wieder auch Entspannung zu gewähren und ihnen Denkpausen zu ermöglichen, wurden Moderationsfragen gestellt. Diese Fragen sind situationsbezogen und ergeben sich oft auch spontan aus dem Fragebogen (z. B. Bist Du oft zum Angeln gegangen als Kind? [Situation 7.03.] oder Wann hast Du eigentlich deine Scheune gebaut? [Situation 6.05.] etc.) Fragen wurden aber auch nur dann gestellt, wenn das Interview ins Stocken zu geraten drohte oder eine Moderationsfrage keine qualitative Auswirkung auf die Aufnahme hatte. Zum Schluss erfolgte ein wei‐ terer Teil der Befragung, der als informell, spontan und entspannend empfunden werden sollte, nämlich freie Erzählungen der Probanden oder die sog. Freun‐ desgespräche, die spontane Redeanteile zu sehr einprägsamen Ereignissen (erster Schultag, Hochzeit, Beerdigung etc.) enthalten. 5.1.1. Der Fragebogen Die von R E IMANN (1996) initiierten morpho-syntaktischen Kriterien wurden in meine Frageauswahl teilweise übernommen (z. B. Tempus-Abfrage, Objekt- Inkorporation), es wurden aber mehrheitlich neue Fragen zur Funktionalität (Abgleich mit tun-Phrasen, Modus) und zum syntaktischen Restriktionsradius (Präfix- und Partikelverben, reflexive Verben, syntaktische Satztopologie) sowie zu Innovationen (Genus verbi) bei am-Progressiven generiert. Insbesondere wurde die geschlossene Fragestellung aufgehoben, die sich bei R E IMANN (1996: 113) auf nur drei Antwortmöglichkeiten beschränkt (UA=umgangssprachliche akzeptapbel; DA= dialektal akzeptapbel; NA= nicht akzeptapbel). Grundlegend dabei war, den Interviewten die Antworten nicht vorformuliert anzubieten, sondern alltägliche Situationen zu schaffen, in denen sie die Antworten nach Sprachgefühl und Sprachusus spontan generieren können. Der so konzipierte Fragebogen besteht aus 43 Fragen, die grammatisch enko‐ diert sind. Jede Frage bzw. jede Situation, in die der Sprecher versetzt wird, ist der Träger einer grammatischen Information, welche im Fokus der Varietätenlingu‐ istik steht. Es wird zunächst versucht eine spontane, alltägliche Situation aufzu‐ 88 5. Die Datenerhebung in den USA bauen, welche die Probanden dann ins PeD transferieren müssen. Die Ausgangs‐ pache ist Englisch, teils um die Probanden nicht in die präsupponierten Konstruktionen zu führen, teils auch deswegen, weil die Mehrheit der Amischen kein Standarddeutsch im Alltag verwendet und somit die Anweisungen einer lin‐ guistischen Erhebung nicht verstehen würde. Die thematisch zusammenhän‐ genden Fragen wurden nicht immer hintereinander gestellt, sondern mit Zeitab‐ stand, um die Probanden nicht zu konditionieren. Es wurden auch einige Distraktor-Fragen eingebaut, um das grammatische Ziel der Fragen nicht offen zu legen. Der vollständige Fragebogen sowie die Zielsetzung der Erfragung ist im Anhang zu lesen. Hier wird lediglich ein Bespiel analysiert und die Kodierung der Fragen bzw. die Verschlüsselung der Sprecher-Daten erklärt, um das Lesen der Fragen und das Auswerten der Transkriptionen zu ermöglichen. Situation 1.01. Somebody [on the telephone/ on the doorstep] wants to know about Ann; Ann is nearby and she is peeling apples. Question: What is Ann doing? Answer in Pennsylfaanisch : _______________________________________________ Abb. 9: Beispiel-Situation aus dem Fragebogen Die Situation 1.01. erfragt beispielsweise, wie man im Pennsylvaniadeutschen eine fortlaufende Verbalsituation ausdrückt. Die Antworten wurden in Tabellen erfasst und den jeweiligen Sprechern zugeordnet, deren Personalien aber ver‐ schlüsselt sind, um die in dem Agreement vereinbarte Anonymität zu wahren. Die Sprecher-Daten wurden nach folgendem Muster verschlüsselt: a. Bei Sprecher ds_m_35_LAN_dei_OOM handelt sich um einen männli‐ chen Sprecher, 35 Jahre alt, aus dem Lancaster-County, der sich als Deitsch-Muttersprachler bezeichnete und zu den Old-Order-Mennoniten gehört. Die ersten zwei Buchstaben stehen jeweils für die Namensinitialen. b. Bei Sprecher gs_w_92_LEH_dei_DTS handelt sich beispielsweise um eine weibliche Sprecherin, 92 Jahre alt, aus dem Lehigh-County, die sich als Deitsch-Muttersprachlerin bezeichnete aber als Deitsch-Stämmige, und somit nicht zu den streng-religiösen Befragten zählt. c. Der Sprecher rn_m_74_LEB_eng_NOM hat sich beispielsweise als Englisch-Muttersprachler bezeichnet, aus dem Lebanon-County und als New-Order Mennonit. Nur zwei Personen gaben an, dass sie beide Spra‐ chen (Deitsch & Englisch) gleichzeitig erworben haben, also steht dann das Kürzel _d&e_. 89 5.1. Feldforschung - Aufbau des Interviews 9 https: / / www.audiotranskription.de/ f4.htm (Febr. 2018 noch abrufbar). Diese Entschlüsselung macht es möglich nach bestimmten grammatischen Merkmalen bei bestimmten Personen zu suchen oder beispielweise alle Pro‐ banden zu vergleichen, die älter als 65 sind, um ihre Progressiv-Häufigkeit zu ermitteln oder man kann auch nach bestimmten Countys und ihren linguisti‐ schen Präferenzen suchen. 5.1.2. Über das Korpus Das erhobene Korpus ergibt eine Sammlung von ca. 1.720 Sätzen, welche die Antworten von 40 Informanten auf 43 unterschiedliche sprachlich kodierte Situationen sind. Das sind die primären empirischen Daten bzw. die Basis für alle weiteren grammatischen Analysen. Die Antworten wurden mit einem Audio-Rekorder als wav-Dateien mit einer 16.bit linear Samplingrate (48kHz) aufgenommen und anschließend gemäß der PeD-Orthografie mithilfe der Transkriptionssoftware „ f4 “ transkribiert und annotiert. 9 Abb. 10: Screenshot der Software f4 Nach zwei Mastering-Prozessen bzw. Endverarbeitungen und Korrekturlesungen wurden die Daten in unterschiedliche Tabellenformate implementiert, um später leichter Grafiken und Skalen zu erstellen, die für die theoretischen Untersuchungen relevant sind. Die Daten wurden aufbereitet und in eine 90 5. Die Datenerhebung in den USA 10 An dieser Stelle möchte ich für die anregenden Vorschläge und technische Hilfe meinen besten Dank richten an die IT-Gruppe Geisteswissenschaften um Dr. Chr. R I E P L und Dr. S. L Ü C K E . M Y SQL-Datenbank der Ludwig-Maximilians-Universität München eingespeist und zur universitären Nutzung freigestellt. 10 Das dient zugleich auch als Data- Repository und Datenbank, in der Daten nach bestimmen Kriterien abgesucht werden können. Abb. 11: Screenshot der Daten-Bank Durch einen sog. Persistent Identifier wird der Zugriff auf die Daten für Interes‐ sierte mit Nutzungsrechten ermöglicht und dies gewährleistet auch eine dau‐ erhafte Datenspeicherung. Die Daten wurden anschließend von Prof. Dr. K ÜCHENHO F F vom Statistischen Beratungslabor (StaBLab) am Institut für Sta‐ tistik der LMU-München und seinem Team evaluiert und grafisch und statistisch dargestellt. Einige dieser Ergebnisse werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels erläutert. 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) Bei der empirischen Datenerhebung mussten unterschiedliche sozio-linguisti‐ sche Parameter eingehalten werden, um auch vom beabsichtigten Ziel der Er‐ 91 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) 11 Die Begriffe Pennsylvania-Deutsch und Deitsch sind, wenn sie sich auf die Sprache der Amischen beziehen, stets als Synonyme zu verstehen. hebung abzulenken und somit das Betrachter-Paradoxon (L AB OV 1991: 76) un‐ bedingt zu vermeiden. In der durchgeführten Befragung wurden daher unterschiedliche Altersgruppen und der gesellschaftliche Status bzw. die Zuge‐ hörigkeit zu einer bestbestimmten religiösen Gemeinschaft berücksichtigt, da diese soziolinguistischen Parameter bei der Auswertung oft ins Gewicht fallen können und gewisse Performanzunterschiede darauf zurückzuführen sind. So wird auch dem gesellschaftlichen Status der Probanden eine hohe Bedeutung beigemessen, da es doch ein sehr breites Spektrum an unterschiedlichen reli‐ giösen oder sozialen Gruppierungen und Gemeinden gibt, zumal auch das Ge‐ fühl der Zugehörigkeit zu einer religiösen oder sozialen Gruppe oft unterschied‐ lich wahrgenommen wurde. 5.2.1. Die Muttersprache Zum einen hatten die Probanden in der Zustimmung (siehe Agreement, im An‐ hang) die Möglichkeit, sich selbst als Deitsch-Muttersprachler  11 (erste erworbene Sprache, L1) oder als Nicht-Muttersprachler (zweite erworbene Sprache, L2) ein‐ zuordnen. Weiterhin konnten sie auch die Ortsverbundenheit bzw. die lokale Verbundenheit zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft angeben, indem sie Angaben ergänzten, in welcher Region (township, Landkreis) sie aufwuchsen oder wie lange sie dort gelebt haben und somit das lokale Sprachkolorit er‐ worben haben. Für eine qualitative Befragung war es vor allem erforderlich, genügend Vertreter beider Gruppen zu finden, also derer, die sich als Pennsyl‐ vaniadeutsch-Muttersprachler bezeichnen, und auch derer, die diese Sprache zu einem späteren Zeitpunkt erworben haben aber seitdem aktiv PeD gesprochen haben oder zumindest während eines längeren Zeitraums dem Spracheinfluss ausgesetzt waren. Zu dem Thema der Bilingualität und der Kompetenz der Sprecher in beiden Sprachen möchte ich hier nur kurz meinen Standpunkt dar‐ stellen, einige Beobachtungen festhalten und dies mit anderen Erhebungen ver‐ gleichen. L OUD E N (1994: 286) fasst die wesentlichen Eckpunkte ausführlich zu‐ sammen und bemerkt zugleich, dass die meisten Sprecher des PeD, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, stabil bilingual sind. Die Grundlage für einen stabilen Bilingualismus sieht L O UDE N als gegeben, wenn zwei Sprachen im frühen Alter erworben werden und die erst-erlernte (L1) und die zweit-er‐ lernte Sprache (L2) weiterhin parallel und aktiv über längere Zeiträume benutzt werden. Die frühe Präsenz beider Sprachen erlaubt Rückschlüsse darauf, dass 92 5. Die Datenerhebung in den USA die Sprecher in beiden Sprachen eine balancierte Kompetenz erworben haben können. Die beiden Sprachen (L1 und L2) behindern oder benachteiligen die Sprecher nicht, weder in der Benutzung der jeweiligen Sprache noch im Ver‐ ständnis dieser Sprachen. Gewisse Beeinflussungen bzw. Interferenzen in Lexik oder Syntax sind sicherlich evident, beeinträchtigen die Kommunikation aber nicht. Weiterhin ist auch der Gebrauch der Sprache bzw. die Bevorzugung einer der beiden Sprachen sehr wichtig. Diese Wahl basiert jedoch nach den übereins‐ timmenden Erkenntnissen von Linguisten nicht auf einer höheren Wertung der Erstsprache oder Abneigung gegenüber der Zweitsprache, sondern: The choice of language is motivated by feelings and necessity or appropriateness, rather than value. (L O U D E N 1994: 87) Je nach Situation wird zwischen den Sprachen gewechselt, um die Kommuni‐ kation zu erhalten und daraus ergeben sich gewisse Elemente bzw. Auswir‐ kungen von Sprachkontakt (R I EHL 2004: 11). So wird darunter verstanden, dass Sprachkontakt dann besteht, wenn zwei oder mehrere Sprachen von ein und demselben Individuum (oder derselben Gruppe) abwechselnd gebraucht werden. Es kann sich sowohl auf ein Individuum beziehen, wie auch auf eine Gruppe. Es besteht auch die Möglichkeit, dass nicht alle Mitglieder einer Sprach‐ gruppe z. B. beide Sprachen gleich gut und gleich oft beherrschen oder benutzen. Dennoch gibt es die alltäglichen Überlagerungen von zwei Sprachen im tägli‐ chen Leben, was beidseitige Auswirkungen auf die Sprachen hat, die sich oft unterschiedlich manifestieren, wie R I EHL es formuliert: Also kann man resümierend sagen: Sprachkontakt ist immer da, wo verschiedene Sprachen oder Varietäten einer Sprache aufeinander treffen, entweder im Kopf eines mehrsprachigen Sprechers oder in mehrsprachigen Gruppen. (R I E H L 2014: 12) Die wohl häufigsten Formen des Sprachkontakts zwischen PeD und dem Eng‐ lischen sind Diglossie (und Triglossie), Code-Switching und Transferenz. 5.2.1.1. Diglossie im PeD Darunter versteht man eine bestimmte Aufteilung in Nutzungsbereiche oder Domänen von zwei (oder mehreren) Sprachen, die in einer Gemeinschaft aktiv benutzt werden: Am wenigsten in Berührung kommen Sprachen, wenn ihr Gebrauch in einer be‐ stimmten Sprachgemeinschaft geregelt ist, d. h. wenn die beiden (oder mehrere) Spra‐ chen nicht in allen Situationen verwendet werden. (R I E H L 2004: 15) 93 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) 12 Unter „Hochdeutsch“ verstehen die Amischen etwa das Deutsch als Schriftsprache des 18. Jh., wie es in ihren Bibeln oder Liederbüchern gedruckt ist. Den linguistischen Be‐ griff „Standarddeutsch“ benutzen sie nicht. 13 Manche Experten nennen diese Sakralsprache „Amish High German“, vgl. dazu E N N I N G E R (1989: 61). R E I N 1997: 280) nennt es Hagiolekt. Normalerweise ergeben sich im Sprachgebrauch zwei große Trennbereiche in‐ nerhalb einer Sprachgemeinschaft. Zum einen ist es der informelle, alltägliche Sprachgebrauch (Haus, Familie, Nachbarschaft, Freunde), der andere Sprachge‐ brauch beschränkt sich auf den formelleren, sozialen Bereich (wie z. B. Arbeit, Schule, Behördengänge). Diese Aufteilung basiert auf den Vorschlägen von F E R G U S ON aus Diglossie (1959). Er benennt diese zwei zu trennenden Bereiche, nämlich Low Variety (informelle Sprachsituationen) und High Variety (formelle Sprachsituationen). Diglossie oder auch „sprachliche Mehrschichtigkeit“, wie es R E IN bereits 1977 nennt, entsteht dann, wenn sich diese zwei Sprachnutzungs‐ bereiche bei einer Person (individualpsychologischer Aspekt) oder einer Sprach‐ gemeinschaft (soziologischer Aspekt; R E IN 1977: 27) regelmäßig mischen und somit eine klare Trennung von Lexik und Strukturen bei bestimmten Domänen zu kommunikativen Zwecken erkennbar ist. F I S HMAN (1967) weitet den von F E R G U S ON übernommen Begriff auch auf den Kontakt von zwei oder mehr Sprachfamilien aus, also die Nutzung von zwei nicht miteinander verwandten Sprachen. Das Pennsylvaniadeutsche und das Englische sind in diesem Falle sicherlich als „verwandte“ Sprachen anzunehmen und die gegenseitige Kon‐ taktsphären und Beeinflussung sind durch die Geschichte des PeD und des American English mehr als evident. 5.2.1.2. Triglossie im PeD Bei einigen Autoren zum Pennsylvaniadeutschen gibt es die Tendenz, über Tri‐ glossie zu sprechen (A U B U R G E R / K LO S S 1979: 141; E NNING E R 1989: 61; F ÖLDE S 2005: 42). Dies wird damit begründet, dass es in fast allen religiösen Gemeinden der PeD-Sprecher doch eine klar nachweisbare Präsenz von drei Sprachen gibt. Zum einen bildet das PeD überwiegend die Muttersprache (Muddaschprooch), gefolgt vom bilingualen Gebrauch des Englischen (z. B. Schulsprache, Umgangs‐ sprache mit den nicht amischen Mitbürgern). Die dritte Sprache in dem lingu‐ istischen Dreigestirn bildet das Hochdeutsche 12 (es Hochdeitsch). Die Amischen halten an ihrer traditionellen, vom heutigen Standarddeutsch abweichenden, aber immerhin gut erkennbaren Sakralsprache fest. 13 Daher würde man im Falle einer „Arbeitsaufteilung“ definitionsgemäß tatsächlich von Tri-Glossie spre‐ chen können. Es gibt also das PeD für den alltäglichen Gebrauch im familiären Umkreis und bei der Arbeit, wenn die Amischen unter sich sind. Mit den Eng‐ 94 5. Die Datenerhebung in den USA 14 Das kam aus persönlichen Gesprächen mit einigen Predigern hervor. lish-people und allen anderen Mitbürgern sprechen sie Englisch, wie auch beim täglichen An- und Verkauf von Waren außerhalb ihrer Wirkungsstätten. Das Hochdeutsche bleibt für den täglichen Gebrauch wie Andacht, Gebet und das Lesen der Bibel sowie den Gottesdienst vorbehalten. Somit sind drei getrennte Domänen der Sprachanwendung von diesen drei Sprachen tatsächlich nach‐ weisbar. Persönlich würde ich jedoch die Triglossie aus linguistischer Perspek‐ tive skeptisch beurteilen. Zum einen gilt das aktive Erlernen des Hochdeutschen als Sakralsprache meines Erachtens nur bei wenigen amischen Einzelpersonen als tatsächlich vollzogen. Meistens handelt es sich hierbei um Bischöfe und Laienprediger, die zwecks der zweiwöchentlich stattfindenden Gottesdienste ihre Predigten tat‐ sächlich auf Hochdeutsch abhalten und sich hierfür oft auch vorbereiten bzw. aus hochdeutschen Wörterbüchern bestimmte, für die Predigt passende Begriffe ergänzen. 14 Zum anderen ist das Niveau der aktiven Sprachkompetenz bei den jeweiligen Sprechern nicht leicht ermittelbar. Der Wortschatz und der Gebrauch des Hochdeutschen orientieren sich zunehmend am religiösen Inventar und dem Nutzen für religiöse Zwecke. Auch die in der Schule erworbenen Kenntnisse der Hochdeutschen beschränken sich auf das Lesen und Abschreiben (teilweise sogar in deutscher Kurrentschrift) von Texten. Ein kommunikativer Einsatz des Hochdeutschen über diese sakralen Zwecke hinaus ist nach meiner persönlichen Erfahrung nur begrenzt möglich. Hinzu kommt auch die von anderen Autoren ermittelte Tatsache, dass die große Mehrheit der Pennsylvaniadeutschen aus religiösen Gemeinschaften, durch alle Altersgruppen hindurch und insbeson‐ dere die Kinder, nicht alle Teile der auf Hochdeutsch abgehaltenen Predigten auch vollständig versteht. Daher erklärt sich auch die oft zu bemerkende Ten‐ denz in manchen Gemeinden, dass der Gebrauch von englischen Bibeln in den Haushalten toleriert wird. Dies bekräftigt die Annahme, dass das Hochdeutsche bei den Amischen zwar als Sprache durchaus präsent ist, jedoch als sehr stark eingeschränkt nutzbare Sprache zum Einsatz kommt. Letztendlich ist entschei‐ dend, wie eng man den Begriff Triglossie fasst und die damit verbundene aktive Kompetenz der Sprecher beansprucht. Ich würde mich im Rahmen dieser Arbeit auf die „engere Definition“ von Triglossie stützen, in der die wechselseitige und ausgeglichene Dominanz von Pennsylvaniadeutsch und Englisch die eher selten zum Einsatz kommende Sakralsprache Hochdeutsch restringiert und somit nicht gleichwertig erscheinen lässt. Auch die Tatsache sollte nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass die Sprecher sowohl auf Pennsylvaniadeutsch wie auch auf Englisch jederzeit und zu jedem Gesprächsthema eine elaborierte 95 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) Kommunikation führen können, was im Hochdeutschen nicht möglich ist. Daher tendiere ich eher zu einer „engeren Definition“ von Triglossie, dass die darin enthaltenen Sprachen eine parallele Kompetenzstufe erreichen müssten und einen vergleichsweise ähnlichen Häufigkeitsgrad im täglichen Gebrauch aufweisen sollten, um von „echter“ Triglossie im engeren Sinne sprechen zu können. Dies sehe ich im PeD nicht als erwiesen an, daher finde ich die Be‐ zeichnung Triglossie nicht berechtigt. 5.2.1.3. Code-Switching im PeD Eine weitere Art von Sprachkontakt zwischen dem PeD und dem Englischen ist sicherlich in dem sogenannten Code-Switching zu erkennen. Darunter versteht man die Alternation zwischen zwei Sprachen innerhalb ein und derselben sprachlichen Interaktion. Dies würde bedeuten, dass der Sprecher beide Spra‐ chen beherrscht und sie während eines interaktiven Kommunikationsaktes bzw. während einer Äußerung alternierend einsetzt. Die geschieht beispielsweise, wenn der Sprecher etwas Emotionales besonders hervorheben möchte, etwas zitieren oder verdeutlichen möchte. Grundsätzlich wird hier allerdings zwischen zwei Typen des Code-switchings unterschieden. So kommt es zu einem Sprach‐ wechsel oft aufgrund von äußeren Faktoren, die einen Wechsel einleiten. Oft dient Code-Switching auch als Diskursmittel und Strategiemittel in der Kom‐ munikation, etwa bei der Einleitung zu einem neuen Thema oder wenn ein neuer Kommunikationspartner die Szene betritt. Dies würde bedeuten, dass der Wechsel beabsichtigt war und einer bestimmten kommunikativen Intention dient. Hierbei spricht C L YN E (2003: 160) von einem funktionalen Code-Swit‐ ching. Die Funktion wäre in der Absicht zu sehen, welche der Sprecher hat und mit der er aktiv in das Gespräch eingreift. Eine andere Form des Code-Switchings ist in dem nicht intentionalen, spon‐ tanen Übergang zu einer anderen Sprache zu sehen. Hier geht es im Wesent‐ lichem um ungesteuerte und nicht beabsichtigte Äußerungen, die oft in einer Sprache anfangen und einer anderen Sprache enden. Der häufigste Fall von Code-Switching in den erhobenen Beispielen meines Korpus sind beispielsweise Sätze, die in einer Sprache angefangen wurden und dann durch ein einleitendes Element (switch-element) in der anderen Sprache fortgesetzt wurden. Diese ein‐ leitenden Elemente können lexikalische Anreize sein, da der Sprecher in der anderen Sprache die Lexik oder Grammatik besser beherrscht. Diese switch-Ele‐ mente könnten auch eine Art von Assoziation oder Priming (R I EHL 2004: 48) sein, durch die bestimmte kognitive Domänen ausgelöst werden, da sie eine bestimmte Präferenz zu dem Wortschatz in der jeweils anderen Sprache auf‐ bauen: 96 5. Die Datenerhebung in den USA (124) (125) (126) (127) (124) Wenn ich saag nau , start to pull, then pull… switch L1 L2 (125) Was hascht ghobbt fer breakfast ? I had eggs und sausages ghabbt. switch L1 L2 (126) Bloss net zu hatt, der Ballon kann….. it will burst . (fehlendes lexikalisches Element „platzen“) switch L1 L2 (127) Viel Haisa sind being built recently ! (fehlende grammatische Struktur für Passiv-Progressiv) switch L1 L2 (124) Wenn ich saag nau , start to pull, then pull… switch L1 L2 (125) Was hascht ghobbt fer breakfast ? I had eggs und sausages ghabbt. switch L1 L2 (126) Bloss net zu hatt, der Ballon kann….. it will burst . (fehlendes lexikalisches Element „platzen“) switch L1 L2 (127) Viel Haisa sind being built recently ! (fehlende grammatische Struktur für Passiv-Progressiv) switch L1 L2 Eine weitere Erklärung für das Code-Switching könnte sein, dass die zum Sprachwechsel initiierenden Elemente eigentlich syntaktische Trigger sind, weil man in der Anfangssprache die Struktur eventuell nicht zweifelsfrei und feh‐ lerfrei zu Ende bringen kann, daher switcht man in die komfortablere und kom‐ patiblere Sprache: (126) Bloss net zu hatt, der Ballon kann….. it will burst . switch L1 L2 (fehlendes lexikalisches Element „platzen“) (124) Wenn ich saag nau , start to pull, then pull… switch L1 L2 (125) Was hascht ghobbt fer breakfast ? I had eggs und sausages ghabbt. switch L1 L2 (126) isches Element „platzen“) (127) Viel Haisa sind being built recently ! ( Passiv-Progressiv) switch L1 L2 (fehlende grammatische Struktur für Passiv-Progressiv) 5.2.1.4. Transferenz im PeD Die wohl häufigste Reflexion von Sprachkontakt ist die Übernahme von Lexik oder grammatischen Strukturen aus einer Sprache in die andere bzw. die jeweils aktive Sprache wird in bestimmten Äußerungen nach dem Muster der anderen verändert: Transference is employed for the process of bringing over any items, features or rules from one language to another, and for the results of this process. Any instance of transference is a transfer. (C L Y N E 1991: 160; Hervorhebungen im Original) Es wird grundsätzlich unterschieden, aus welcher Richtung der Einfluss kommt, da es sich deutlich beobachten lässt, dass es unterschiedliche strukturelle Aus‐ wirkungen gibt, je nachdem von welcher Sprache die Dominanz ausgeht. So 97 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) (128) (129) (130) (131) (132) (133) (134) (135) (136) beeinflusst die L1 beispielweise die L2 mehr im Bereich der Phonetik und Syntax. Viele Pennsylvaniadeutsche sprechen aus der Sicht der englischen Mutter‐ sprachler einen nur für die Amischen typischen Akzent, da man annimmt, dass das PeD auf das Englische abfärbt. Hingegen beginnt der Einflussbereich der L2 auf die L1 zunächst aber bei der Lexik, insbesondere werden die kommunikativ relevanten Inhaltswörter wie Substantive, Verben oder Adjektive aus dem Eng‐ lischen transferiert (R I EHL 2004: 28). Einige Überlagerungsbereiche aus der Lexik zeigen diese erhobenen Beispiele: I bin in d Schtor ganga und hob ebbas gkauft fer Breakfast. [engl. store = dt. Laden] [engl. breakfast = dt. Frühstück] Bloos net so hatt, d Ballon werd verpoppa. [engl. to pop = dt. platzen] D Sarah is an ihre Homework duhna, kumm zerick schpeeder. [engl. homework = dt. Hausausfgabe, PeD auch Hausarewet] Wie viel Haisa waarn gbaut do within d letscht Yaahr? [engl. within = dt. während, innerhalb] Die Ebene der Morphologie und der Syntax sind ebenso häufig betroffen, was man in Gesprächen oder der vorhanden Literatur sehr schnell feststellen kann. Bei Sprachkontaktsituationen kommt es oft zu einem sog. „pivot-matching“ bzw. zu einer Konstruktion, bei der grammatische Strukturen aus einer Sprache in die andere Sprache repliziert bzw. übertragen werden (M AT RA S 2009: 29 und R I EHL 2014: 105). Es werden häufig Flexionsmarker des Deutschen an die aus dem Englischen entlehnten Wörter gehängt: Was isch gheappent? [Flexionsendungen wie bei dem deutschen PII; engl. to happen] Bloos net so hatt, d Ballon kennt verbursta. [deutsches Präfix +engl. to burst = dt. platzen] Manchmal werden sogar ganze Syntagmen mit den Satzregeln der jeweils an‐ deren Sprache übernommen: Wie bischt du heit? [engl.: How are you today? ] Sarah is ihre Arweit am duhna, kumm zerick schpeeder fer schpiela. [engl. Konstruktion for playing = dt. um zu spielen] Ich bin am gucka fer di Kinna. [engl. I am loolking for the children, dt. Ich suche nach den Kindern./ Ich suche die Kinder.] 98 5. Die Datenerhebung in den USA 15 Beispiel von L O U D E N , siehe link: http: / / padutch.net/ die-braucherei-powwowing/ (Febr. 2018 noch abrufbar). 16 Aus der Online-Zeitschrift Hiwwe wie Driwwe http: / / issuu.com/ hiwwewiedriwwe/ docs / hwd_2.14_e-paper_36cff694beab20 (137) (138) (139) (140) (141) Ganz häufig sind bei demselben Text auch unterschiedliche Transferenzen zu sehen, die von entlehnter Lexik über grammatische Endungen bis hin zu kom‐ pletten Satzstrukturen reichen, wie beispielsweise: Well, s’is Gottes Watt musscht yuse fer sell, Well, you have to use the Word of God for that du musscht mit Gottes Watt schwetze[t] vun sellem. you have to speak with the Word of God for that. Wann die Kinner aagewachse sin, en latt Leit wisse net was es is.  15 When children are liver-grown, a lot of people don’t know what that is … Zwischich em 23.Abril un em 26.Abril 2015 nemmt der 10. Zwischen dem 23.April und dem 26. April 2015 findet der 10. Deutsch-Pennsylvanische Tag Blatz im Schtettel Bockenheim in die Pfalz im alte Land. 16 Deutsch-Pennsylvanische Tag statt im Stettl Bockenheim in der Pfalz im alten Land. Die Konstruktion nemmt Blatz in der Bedeutung findet statt ist offensichtlich als eine englische Lehnübersetzung zu lesen (something takes place), welche so weder in der Standardsprache noch in den standardnahen Dialekten verwendet werden könnte. Im PeD ist sie jedoch eine sehr häufige Erscheinung. Hier kann noch ergänzt werden, dass in Anlehnung an das Englische auch in den deutsch‐ sprachigen Medien und durchaus auch im alltäglichen Gebrauch der Standard‐ sprache und Varietäten folgende Sätze üblich geworden sind: Egon facebookte jeden Tag. Ich habe nach Pastinaken gegoogelt und dann ein Kochrezept gedown‐ loadet. Wir haben den ganzen Vormittag gechillt und am Nachmittag gebrain‐ stormt. Diese Sätze sind im Sprachgebrauch als normal einzuschätzen, würden auch zu keiner Sondersprache oder nur zur Jugendsprache zugeordnet werden, stellen im Allgemeinen kein Kommunikationshindernis dar und führen daher auch nicht zu einem Kommunikationsabbruch. 99 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) Schließich würde ich auf die erhobenen Daten und meine Sprechergruppie‐ rungen bezogen festhalten, dass ich alle Sprecher der Befragung anhand der oben genannten Kriterien als stabil bilingual einstufen würde. Bei den Sprechern aus diversen religiösen Gemeinschaften ist jedoch zu beobachten, dass sie si‐ cherlich eine bessere grammatische und lexikalische Kompetenz aufweisen können. Dies ist zumindest bei Sprechern zu beobachten, deren erste erworbene Sprache Deitsch (L1) war und bei denen diese auch aktiv benutzt wurde. Auch einige Sprecher aus nicht religiösen Gemeinschaften, deren Erstspracherwerb in PeD stattgefunden hatte, waren in Grammatik und Lexik sehr versiert. Le‐ diglich die Gruppe der Sprecher, deren Zweitspracherwerb in PeD stattfand und eventuell durch zeitlich begrenzte Kontakte geprägt wurde, wurde mit etwas deutlicheren grammatischen Auffälligkeiten bemerkbar. Die lexikalische Kom‐ petenz dieser Sprecher war manchmal besser, als die bei den Sprechern aus der religiösen Gemeinschaft. Die PeD-L2-Sprecher haben sich oft Wörter oder Phrasen durch aktives Lernen oder in Nachschlagewerken angeeignet, um ihre Kompetenz zu steigern oder zu erhalten. Hingegen haben manche L1-Sprecher der konservativen Sprechgemeinde manche lexikalischen Begriffe oder Aus‐ drücke verlernt oder aus dem Englischen ins Deitsche transferiert. Das Entscheidende bei der Determinierung von muttersprachlichen Kompe‐ tenzen der interviewten Personen ist zweifelsohne der Ersterwerb des Pennsylva‐ niadeutschen. Hinzu kommen noch der aktive, zeitlich und räumlich uneinge‐ schränkte Gebrauch der Sprache sowie die Diversität an sprachlichen Situationen, in denen das PeD benutzt wird. Die bloße religiöse Komponente und die dazuge‐ hörige Erziehung haben meines Erachtens weniger Einfluss auf die direkte Sprach‐ prägung, weil nicht allzu viel religiöse Literatur im Hochdeutschen bearbeitet wird. Grundsätzlich werden die L UTHE R - BIB E L , ein paar Lesebücher und Schreib‐ schrifttrainer auf Hochdeutsch für den Deutschunterricht verwendet. Dies vari‐ iert aber von Gemeinde zu Gemeinde (dazu mehr in F I S HE R / S TAHL (1997). Schrift‐ liche Unterlagen in Pennsylvaniadeutsch werden hingegen nie als Lehrmaterial benutzt. Daher ist das Erlernen von religiösem Wortschatz und Phrasen auf Hoch‐ deutsch sicherlich gut für die Festigung des PeD, ist aber nicht ausschlaggebend für den Erwerb dieser Sprache als Muttersprache. Einen nicht zu verkennenden Vorteil hat die konservative Gruppe der Pennsyl‐ vaniadeutschen dennoch: Durch ihre selbstgewählte Isolation von anderen Spre‐ chern setzten sie sich mit PeD aktiv auseinander und haben somit ideale Bedin‐ gungen im alltäglichen Kontext (Haus, Arbeit, Schule, Umfeld) und im diastratischen Kontext (Altersgenossen, Gemeindemitglieder) die Sprache zu erwerben, zu be‐ nutzten und weiterzugeben. Dies sichert die Existenz und Weitergabe der Sprache an folgende Generationen und auch die Entstehung und Entwicklung unterschied‐ 100 5. Die Datenerhebung in den USA 17 http: / / www.census.gov/ compendia/ statab/ 2012/ tables/ 12s0052.pdf (Dez. 2018 noch ab‐ rufbar) licher lexikalischer und grammatischer Formen. Bei den Sprechern des PeD aus den nicht religiösen Gemeinschaften (also bei den Umfragen als „deitschstämmig“ be‐ zeichneten Sprechern) ist der alltägliche und permanente Gebrauch von PeD nicht immer gegeben, daher ergaben sich auch manche Anomalien im Gebrauch (ab‐ weichender Artikelgebrauch, fehlerhafte Flexionsendungen). Somit ist die Anzahl der nicht-religiösen Sprecher, welche PeD als L1 erworben haben und es aktiv be‐ nutzen, wesentlich kleiner als die Anzahl der religiösen Sprecher (L O UD EN 2006: 92). Auch die Zahlen des US-Zensus 17 2009 zeigen, dass es etwa 344.000 Sprecher des PeD gibt, wovon wohl 300.000 etwa als Zugehörige einer streng-religiösen Ge‐ meinschaft der deutschstämmigen Einwanderer gelten und dass alle Sprecher, die PeD als L1 erworben haben, bei Beachtung der oben genannten Faktoren, sicher‐ lich repräsentativ und auch stabil bilingual sind. Mutter‐ sprache männlich weiblich sectarians m w non-sectarians m w Muttersprache Deitsch 20 5 16 3 3 3 Muttersprache Englisch 8 5 1 8 4 Beides 1 1 1 1 Insgesamt 29 11 21 19 Tab. 2: Anzahl der interviewten Sprecher und ihre Zugehörigkeit 5.2.2. Der gesellschaftliche Status In dem weiteren Teil der Selbstauskunft konnten die Beteiligten noch ihre so‐ ziale bzw. religiöse Stellung angeben, dies wurde teils aus datenrechtlichen Gründen, teils auf persönlichen Wunsch der Probanden aber nicht auf der Zu‐ stimmung (Agreement) vermerkt, sondern separat notiert. Hier ging es im We‐ sentlichen darum, die Interviewten dazu zu bewegen, sich selbst einer der fol‐ genden sprachrelevanten Gemeinschaften zuzuordnen. Einerseits habe ich Sprecher aus der Gemeinde der sog. sectarians oder plain-speakers gewählt, also der sehr religiös geprägten Pennsylvaniadeutschen, die ihre Religiosität offen ausleben und dadurch eine besondere Stellung sowohl in ihrer eigenen Gemeinde aber auch im sozialen Umfeld haben. Diese Gruppen 101 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) benennen sich teilweise unterschiedlich, teilen aber oft die gleichen spirituellen Werte, daher habe ich sie den zwei bekanntesten und gängigsten Bezeichnungen zugeordnet wie Old-Order-Amisch (OOA) und Old-Order-Mennoniten (OOM). Innerhalb dieser Gruppe gibt es natürlich viele und recht unübersichtliche Dif‐ ferenzen (dazu N OLT 2003: 157), was eine gradlinige Trennung für Außenste‐ hende sehr schwer macht. Beispielsweise gibt es eine ganze Reihe von Sied‐ lungen und Gemeinden, in denen gewisse religiöse Werte als gemeinsame Grundlage gewertet werden aber auch gewisse Unterschiede in der Interpreta‐ tion dieser Werte vertretbar sind. Dadurch ergibt sich ein zweites, mehr oder weniger „liberales“ (new order) Bild der pennsylvaniadeutschen Christen. Beispielsweise dürfen die liberaleren Gruppen Autos fahren, um ihre Waren leichter an die Kunden zu bringen. Die Autos müssen aber völlig schwarz sein und müssen sogar schwarze Felgen und Stoßstangen haben (Black Bumper Mennonites). Diese interne Gruppe hat aber, und das ist ein essenzieller soziolinguistischer Parameter, mehr Kontakte zu den nicht Deutsch Sprechenden. Durch diese Kontaktportale mit dem Englischen und durch den etwas offeneren Umgang mit Andersdenkenden ist auch ihre Sprache in ge‐ wissen Merkmalen dadurch beeinflusst. Dies hatte mich dazu veranlasst, inner‐ halb der sectarians eine weitere Gruppe von Sprechern zu differenzieren, die sich auch selbst New-Order-Mennoniten (NOM) nannten. Somit gibt es in der Gruppe der religiösen Informanten eigentlich drei Sub-Gruppierungen (OOA, OOM und NOM), die von mir durchgehend alle unter sectarians, also Zugehörige einer strengen religiösen Gemeinschaft, zusammengefasst werden. Gesellschaftlicher Status der Probanden (Selbsteinschät‐ zung) Religiöse Gemeinschaften männ. weibl. Deitschstämmige männ. weibl. 1 Old-Order Amisch 8 2 12 7 2 Old-Order Menno‐ niten 5 - 3 New-Order Menno‐ niten 4 2 Ge‐ samt Total 21 17 4 19 40 Tab. 3: Gesellschaftlicher Status der Probanden 102 5. Die Datenerhebung in den USA 18 Für 2000: http: / / www.census.gov/ population/ www/ cen2000/ censusatlas/ pdf/ 9_Ancest ry.pdf 2009: http: / / www.census.gov/ compendia/ statab/ 2012/ tables/ 12s0052.pdf (Febr. 2018 noch abrufbar) Die zweite Gruppe (19 Teilnehmer) der Gesprächspartner stammt von der größten Gruppe der US-Emigranten in den USA ab, nämlich von den soge‐ nannten German Americans. Etwa 50 Millionen der heute in den USA lebenden Bürger geben immer noch ihre deutsche Herkunft an, was auch aus dem Zensus 18 von 2000 und 2009 hervorgeht. Diese Einwanderergruppe hat aber im Laufe ihrer Übersiedlung von Europa in die USA wohl die meisten Verände‐ rungen und Umschichtungen erlebt. Einerseits waren es eben diese Siedler, die seit dem Ende des 17.Jhs. die überwiegende Mehrheit der deutschstämmigen Emigranten stellte (über 85 %). Die schon in Europa sehr religiös und auch ab‐ geschieden lebenden Amischen und Mennoniten hingegen stellten auf dem amerikanischen Boden eine klare Minderheit der europäischen Emigranten dar (>15 %). Paradoxerweise ist jene große Gruppe von deutschstämmigen Emig‐ ranten in den letzten zwei Jahrhunderten rapide gesunken. Sie bilden auch zu‐ gleich diejenige Gruppe, die am wenigsten die Sprache ihrer aus dem deutsch‐ sprachigen Europa stammenden Vorfahren benutzt. Schätzungen zufolge gibt es heute nur ca. 40.000 deutschstämmige Amerikaner, die auch heute noch deutschkundig sind. Die überwiegende Mehrheit der US-Amerikaner, die deut‐ scher Abstammung sind, sprechen weder Deutsch noch eine der möglichen Va‐ rietäten des Deutschen, was auch der letzte Zensus in den USA zeigte. Meine linguistischen Untersuchungen richten sich also auf diese Gruppe der deutschen Emigranten, die ihre deutsche Herkunft wie auch den aktiven Gebrauch der Sprache noch vorweisen können. Diese Sprecher des PeD, deren Vorfahren aus deutschsprachigen Gebieten Europas kamen (überwiegend aus der Pfalz, aus Süd-West-Deutschland, aus der Schweiz und dem Elsass), die in der amerikanischen Gesellschaft relativ schnell nach ihrer Einwanderung integriert worden waren und deren Nachfahren bis heute ihre deutsche Abstammung bewusst hervorheben, bezeichne ich in dieser Studie als Deitschstämmige, oder vereinfacht als Deitsche, da sie sich überwie‐ gend im Interview selbst so bezeichneten. Sie zeichnen sich nicht durch einen besonderen Lebens- oder Kleiderstil aus, sind deswegen aber auch nicht weniger religiös, sondern gehen ebenfalls regelmäßig in eine der meist lutherischprotestantischen kirchlichen Gemeinden (oft auch „Kirchenleute“/ Karrichaleit genannt) und leben ein in den USA als „normal“ angesehenes, gesellschaftlich interaktives Leben, sodass sie von der übrigen, nicht deutschstämmigen Gesell‐ schaft nicht zu unterscheiden sind. Zu der oben bereits genannten religiösen 103 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) 19 http: / / www2.kutztown.edu/ about-ku/ administrative-offices/ communications-marketi ng-and-external-affairs/ departments/ pennsylvania-german-cultural-heritage-center.h tm (Febr. 2018 noch abrufbar). Gemeinschaft der Amischen und Mennoniten aber gibt es demzufolge zwei es‐ senzielle Unterschiede. Die Deitschen sprechen immer weniger PeD im Alltag und auch kaum mit ihren Angehörigen und geben es auch nicht zwingend an ihre Kinder weiter. Dies erklärt auch, warum die Zahl der Deutschstämmigen, die noch PeD spre‐ chen, im Laufe der letzten Jahrzehnte rapide abgenommen hat. Auf die Frage, warum sie ihre Kinder nicht in dieser Sprache unterweisen oder es an die nächste Generation weitergeben, folgte oft die lapidare Antwort: „Ich wees net! “. Schuld daran dürfte vor allem der allgemeine prestigereiche Einfluss des Englischen sein und die Lebensweise, die sich an den amerikanischen Mainstream anpasst. Umstände wie Umzug aus den ruralen in überwiegend urbane Gebiete, höhere Schulbildung und bilinguale Partnerschaften, in denen nicht mehr nur Deutsch gesprochen wird, sind für die Förderung von Minderheitensprachen wie PeD nicht profitabel. Die religiösen Gemeinschaften haben hierzu sozio-ökonomi‐ sche Vorteile, wie L O UD EN bemerkt: The Old Order groups, in contrast, have made a conscious decision, for spiritual rea‐ sons, to maintain a lifestyle that is conductive to minority language maintenance: they continue to live in rural areas … […], marry only within their faith, and pursue non-professional (often farmor rural-based) livelihoods. (L O U D E N 2006: 94) Auf der anderen Seite kämpfen gerade die Deitschstämmigen aktiv gegen das Vergessen und den Rückgang der Sprache, indem sie unterschiedliche Kultur‐ vereine und Veranstaltungen organisieren. Zu den nennenswertesten dieser Art gehört Beispielsweise das Pennsylvania German Cultural Heritage Center at Kutztown University um Patrick D ONMO Y E R 19 , das mit dem Kutztown-Folk- Festival auch einmal jährlich das größte Treffen (Zammalaaf oder auch Fer‐ sammling) der Pennsylvaniadeutschen in den USA organisiert. Dort werden beispielsweise Gedichte, Volkslieder und Theaterstücke in PeD vorgetragen. Weiterhin finden Sprachkurse für PeD statt, in denen nicht selten PeD-L1-Spre‐ cher, die ihre Kompetenz schon in ihrer Kindheit eingebüßt haben, eine Auffri‐ schung der Sprachkenntnisse suchen oder aber Deitsche die Sprache lernen wollen, deren Angehörige nie mit ihnen PeD gesprochen haben. Hier sind die Verdienste von Sprachdozenten und Übersetzern wie Edward Q UINT E R (Allen‐ town, PA), Keith R EIGAR T (Lancaster, PA), Alice S PAYD (Lebanon, PA) und Dou‐ glas M AD EN F O R D (Mill Hall, PA) nur ein Bruchstück einer aktiven Gemeinschaft, die sich für den Erhalt des PeD einsetzt. Auch der jahrzehntelange Einsatz von 104 5. Die Datenerhebung in den USA 20 http: / / padutch.net/ (Febr. 2018 noch abrufbar). 21 Zeitschrift von W E R N E R https: / / hiwwewiedriwwe.wordpress.com/ wie auch der Buch-Verlag von Der Verlag von S A U E R http: / / www.verlag-tintenfass.de (Febr. 2018 noch abrufbar). Prof. L O UD E N 20 im Bereich der linguistischen Aufarbeitung trägt maßgeblich dazu bei, dass PeD als Sprache sowohl die gebührende Anerkennung wie auch die benötigte Popularität bekommt. Zu den größten Errungenschaften diesbezüglich gehört meines Erachtens die Bemühung aller PeD-Sprecher dieser Sprache eine schriftliche Gestalt zu geben. Der Übergang von der Mündlichkeit zur Verschriftlichung eines Dialektes ebnet ihm dadurch die Transition zur eigenständigen Sprache und bewahrt vor dem Sprachtod. Hier ist die Gemeinschaft der Deitschen sehr aktiv und es gibt viele Bemühungen sowohl alltägliche Zeitungen in PeD zu verfassen, wie auch an‐ spruchsvolle Literatur zu schaffen 21 . So ist auch die Übersetzung der Bibel ins PeD, die Pennsylvania Deitsh Bible: Di Heilich Shrift, sicherlich ein Beweis für den ernsten Entschluss, diese Sprache durch schriftliche Werke zu festigen. Durch die Verschriftlichung von PeD wird die Sprache gefestigt und ihr Überleben gesichert. An diesem Prozess beteiligen sich die strenggläubigen amischen und mennonitischen Gemeinden aus religiösen Überzeugungen eher zögerlich. Bei meiner Feldforschung reagierten die Old Orders sehr überrascht, als ich ihnen Di Heilich Shrift gezeigt habe oder sie bat, daraus zu lesen. Einerseits wusste die große Mehrheit nicht einmal, dass es dieses Schriftwerk in ihrer Sprache gibt. Zum anderen würden sie aus religiöser Überzeugung Literatur auf PeD nicht uneingeschränkt lesen, weil sie traditionsgemäß religiöse Schrift‐ werke lieber auf Hochdeutsch lesen. Mit über 300.000 Sprechern sind aber ge‐ rade die religiösen Gruppen die eigentliche Mehrheit, um deren Sprache hier gekämpft wird und deren Sprachtod es zu verhindern gilt. Dieser Tatsache sind sich die religiösen Gemeinschaften in den letzten Jahrzehnten auch bewusst geworden, sodass es eine spürbar tollerentere Haltung zu Sprachforschern und kulturellen Ereignissen gibt. Hier wird also deutlich, dass beide Sprecherge‐ meinden des PeD, sowohl die religiösen Angehörigen der Old-Order-Amish, Old-Order-Mennoniten, New-Order-Mennoniten wie auch die Deitschstäm‐ migen, auf ihre Weise zum Erhalt und zur Verbreitung der Sprache als Kulturgut beitragen. 105 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) Abb. 12: Gesellschaftliche Zugehörigkeit der befragten Sprecher 5.2.3. Das Alter der Probanden Ein wesentliches Ziel, welches ich in der Umfrage unter den PeD-Sprechern verfolgt habe, war die Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Alters‐ klassen. Dieser Ansatz fußt auf zweierlei Grundgedanken. Zum einen sollte nachgewiesen werden, dass die PeD-Sprecher und ihre Sprachgemeinde eine gleichmäßig gemischte Sprachgemeinde sind, in der alle Altersklassen vertreten sind. Das PeD wird unter den beschriebenen Bedingungen des Erstspracher‐ werbs (R I EHL 2004: 67) auch als L1 erworben, aktiv im Alltag praktiziert und auch darüber hinaus, wie z. B. bei Treffen, Gottesdiensten (Gmee) oder Ver‐ sammlungen (Zammalaaf oder Fersammling) mit anderen Sprechern benutzt. Aus den zur Verfügung stehenden Daten über die Pennsylvanisch-Forschung ergibt sich in unterschiedlichen Erhebungen eine Altersstatistik der Sprecher, in der nahezu alle Generationen vertreten sind, vom Schulalter, über Ausbildung und Lehre und den aktiven Gebrauch im Erwachsenenalter bis hin zum aktiven Gebrauch im hohen Alter. Dadurch kann nachgewiesen werden, dass die Sprache im ganzen diastratischen Spektrum benutzt wird. In meiner Untersu‐ chung, die sich auf Erwachsene beschränkt, fehlen leider die Daten für Kinder. Die Erhebung dieser Daten war aus den sich vor Ort ergebenden soziolinguis‐ tischen Verhältnissen nicht möglich. Ich hatte zwar vor Ort einige wenige Kon‐ takte zu Sprechern schon über einen längeren Zeitraum aufbauen können (Briefe, Mails und Freunde vor Ort) aber der Kontakt zu den Kindern dieser Sprecher war nicht gegeben. Dies ist auch der einfachen Tatsache geschuldet, 106 5. Die Datenerhebung in den USA dass man Kinder sicherlich nicht gerne einer Befragung durch eine noch unbe‐ kannte Person aussetzt. Die Erforschung der Kinder als PeD-Sprecher und ihre grammatischen Ausprägungen sind aber äußerst interessant, weil es dazu so gut wie keine relevanten Studien gibt. Hinzu kommt, dass es bei den Kindern aus religiösen Gemeinschaften keine wesentliche Beeinflussung durch das Engli‐ sche gibt. Diese Kinder lernen in der Regel Englisch erst ab der Einschulung, wobei die ersten 6-7 Jahre ohne englischsprachigen Einfluss bleiben. Diese Si‐ tuation trifft natürlich auf die Old Orders zu. Dort wird die Sprache wirklich über alle Generationen hinweg aktiv benutzt und weitergegeben. Bei der Gruppe der Deitschen ist es tatschlich schwer Sprecher zu finden, die unter 60 Jahre alt sind, was den unweigerlichen Schluss nahe legt, dass dort die Transition in den englischen Monolingualismus fast vollzogen wurde. Durch eine Trennung der Sprecher in bestimmte Altersgruppen können auch altersspezifische Lexik und Variationen im Wortschatz abgefragt werden. Hinzu kommen auch der Satzbau und die Frequenz der beobachteten am-Progressivbildung. Abb. 13: Altersklassen der befragten Sprecher Die erschlossenen Altersgruppen dürften daher eine solide qualitative Erhebung von Sprechern erlauben, die es ermöglicht, eine repräsentative Auswertung nach Alter der Sprecher zu elaborieren. Primär beziehe ich mich jedoch mehr auf grammatische als auf lexikalische Ausdrucksmittel. Bei der Analyse dieser Daten und bei ihrer qualitativen Verwertung ergeben sich oft Probleme, die be‐ stimmten Umständen in der Forschung der regionalsprachlichen Variations‐ 107 5.2. Soziolinguistische Parameter (Muttersprache, Status, Alter) 22 Der Terminus Sprachinsel geht auf S C H O T T (1842) zurück, der in seinem Werk Die deut‐ schen Colonien in Piemont diese Metapher entwickelt und angewandt hat. 23 An dieser Stelle möchte ich für die anregenden Vorschläge und fachliche Unterstützung meinen besten Dank richten an Prof. Dr. Helmut K Ü C H E N H O F F vom Institut für Statistik an der LMU und die mitwirkenden Kollegen. syntax geschuldet sind. Einerseits fehlen der Variationssyntax im Gegensatz zur phonetischen Variationslinguistik die lange Forschungstradition und ihre fundierten Erkenntnisse (dazu mehr in K ALL E NB O R N 2011: 279). Für die Syntax der Regionalsprachen und die damit verknüpften Sprachinseln 22 , wie es im Falle des PeD ist, fehlen die noch nicht einheitlich festgelegten Forschungsparameter und die Ausgangspunkte bzw. Zielsetzung der Variationslinguistik (dazu mehr in L O UD E N 1993: 178). Die Frage nach einer verpflichtenden Norm oder nach einem einheitlichen Standard lässt sich auch hier nicht so einfach beantworten. Alter der Probanden 30-40 41-60 61-70 71-80 80+ insge‐ samt männlich 6 8 7 6 2 29 weiblich 1 1 2 2 5 11 insgesamt 7 9 9 8 7 40 Tab. 4: Altersgruppen der befragten Sprecher 5.3 Zusammenfassung der statistischen Werte Im Folgenden wird eine Auswahl der statistischen Daten aus meinem Korpus vorgestellt und grafisch dargestellt. 23 Die Hauptfragestellung des Projekts bezog sich auf die Betrachtung aller grammatikalischen Konstruktionen mit einem am-Progressiv. Der in der Boxplot-Grafik dargestellte mittlere Wert für den Ge‐ samtgebrauch der am-Konstruktion liegt bei 25 von 43 Fragen, was bedeutet, dass in mehr als der Hälfte der Fragen mit einem am-Progressiv geantwortet wurde. Außerdem applizieren fast 75 % der Probanden bei mehr als der Hälfte der Fragen dieses Konstrukt. 108 5. Die Datenerhebung in den USA Abb. 14: Boxplot-Grafik zur Gesamtnutzung der am-Progressive Die Verwendung hinsichtlich des Merkmals „Geschlecht“ ergibt, dass Frauen weniger häufig diese Konstruktion nutzen als Männer, was allerdings mit der ungleichen Anzahl der Probanden in Verbindung gebracht werden kann (29män./ 11weibl.). Bezüglich des „gesellschaftlichen Status“ kann festgestellt werden, dass in allen gesellschaftlichen Schichten der L1-PeD-Sprecher diese Form Verwendung findet, während die weniger religiösen Sprecher zu einer verminderten Applizierung von am-Progressiv neigen. Abb. 15: Bopxplot-Grafik zur Gesamtauswertung bezüglich des gesell. Status Auf dem folgenden Streudiagramm kann man beispielsweise sehen, dass die Nutzung von am-Progressiven in allen Altersklassen aller Probanden gegeben war. Manche haben über 30 % der Fragen mit der Verlaufsform beantwortet. 109 5.3 Zusammenfassung der statistischen Werte Abb. 16: Gesamtauswertung bezüglich des Alters Nach Bedarf können nun beispielsweise der jüngste und der älteste Sprecher gegenübergestellt werden und somit kann der Gebrauch von am-Progressiven nach Altersklassen präzisiert werden. Hervorzuheben ist hierbei, dass beide be‐ fragten Personen in den Frageblöcken 4 und 9 bei jeder Frage die am-Progressiv-Konstruktion verwendet haben. Beim Vergleich der Fragen in Sit. 3, 4, 7 und 9 lässt sich für beide Personen feststellen, dass sie eine identische Anzahl an am-Konstruktionen benutzt haben, entweder 50 % oder 100 %. In der Fragereihe 10 (Passiv) benutzt die jüngere Person in drei von vier Situationen (75 %) pas‐ sivisierbare am-Progressive, die älteste Person zwei von vier (50 %). 110 5. Die Datenerhebung in den USA Abb. 17: Vergleich des jüngsten und des ältesten Sprechers Um deskriptiv zu analysieren, ob das Alter einen Einfluss auf die Verwendung der am-Progressive hat, wurde zusätzlich der Anteil aller verwendeten Kon‐ struktionen nach dem Alter der Befragten verglichen. Auf der x-Achse befindet sich das Alter der Befragten in Jahrzehnten (30-95) und auf der y-Achse der Anteil der benutzten am-Konstruktionen in Prozent. Es wurde demnach unter‐ sucht, in wie viel Prozent der 43 Fragen jeweils alle Personen Konstruktionen nach dem Muster sein Finitum +am+V Ing tatsächlich verwendet haben. Man kann deutlich altersspezifische Unterschiede erkennen, jedoch keinen Trend. Es kann folglich nicht behauptet werden, dass eher jüngere oder ältere Personen die Konstruktion bevorzugt verwenden. Dennoch zeigen die Daten deutlich, dass alle Altersklassen mit dem Gebrauch der am-Progressive vertraut sind. Ergän‐ zend lasst sich sagen, dass am-Konstruktionen in min. 14.3 % (ca. 6 Fragen) der 43 Fragen benutzt wurden und max. in 74.1 % (ca. 32 Fragen) der Fragen. 111 5.3 Zusammenfassung der statistischen Werte Abb. 18: Gesamtauswertung aller am-Progressive bei den Sprechern Bezogen auf die Countys als Herkunftsort der Sprecher werden folgende Zu‐ sammenhänge sichtbar. Auf der y-Achse abzulesen ist die Wahrscheinlichkeit, die Konstruktion sein Finitum +am+V Ing zu verwenden. Auf der x-Achse stehen die Kategorien der Einflussvariablen, ganz links die Referenzkategorie. Die Punkte im Plot stehen für die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person aus dieser Kate‐ gorie - bei durchschnittlichen Werten für die sonstigen Einflussgrößen - die zu erfragende Konstruktion verwendet. Am höchsten ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sprecher die am-Progressive tatsächlich benutzen werden (70.5 %), wenn sie aus dem County Lebanon kommen. Für Personen aus dem County Berks und Lehigh beträgt die Wahrscheinlichkeit jeweils etwa 60 % (60.3 % und 60.8 %). Befragte aus Lancaster verwenden die untersuchte Konstruktion im Schnitt mit einer Wahrscheinlichkeit von 53.2 %. Natürlich sind dies Werte, die nur auf einer qualitativen Kurzzeitstudie beruhen. Für eine quantitative Langzeitstudie würden eventuell andere Werte erreicht werden. Dennoch ist auch hier zu sehen, dass der Wohnort eine gewisse Signifikanz bei der Wahl der Lexik und der grammatischen Strukturen haben kann. Bei Personen aus den Countys, die unter 112 5. Die Datenerhebung in den USA Sonstige zusammengefasst wurden, ist die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von am-Progressiven mit 44.9 % am geringsten. Abb. 19: Gesamtauswertung aller am-Progressive nach County und gesell. Status Eine Ähnliche Signifikanz ist der Variable „sozialer Status“ zuzuordnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass am-Progressive verwendet werden, ist für stark reli‐ giöse Personen der Kategorie Old-Order-Amischen am größten und beträgt im Schnitt 66.6 %. Für die Old-Order-Mennoniten beträgt die Wahrscheinlichkeit 64.3 %. Individuen der weniger religiösen Kategorie New-Order-Mennoniten weisen mit einer erwarteten Wahrscheinlichkeit von 44.3 % den geringsten Wert von allen Religiositätszugehörigkeiten auf. Wurde jemand der am wenigsten religiösen Kategorie Deitsche (DTS) zugeordnet, wurde die am-Konstruktion mit einer Wahrscheinlichkeit von 53.8 % verwendet. Die letzte hier grafisch dargestellte Fragestellung befasst sich mit dem Ver‐ gleich der Verwendung von passivisierbaren Progressiven nach dem Muster sein Finitum +am+PII+werden Inf . Im Gegensatz zu den vorherigen Modellen wurde in Frageblock 10 nicht nur eine grammatikalische Konstruktion analysiert, son‐ dern die Verwendung von mehreren Konstruktionen gleichzeitig. Dies ent‐ spricht einem Multinomialmodell, die Zielvariable besteht also aus mehreren Responsekategorien: • Passiv-Progressiv: sein Finitum +am+PII+werden Inf : Viele Häuser sind am ge‐ baut werden. • Passiv-Phrase: Viele Häuser sind gebaut. (Zustandspassiv) • oder Viele Häuser wurden gebaut. (Vorgangspassiv) • Aktiv-Paraphrase: Sie bauen viele Häuser“ • sein Finitum +am+V Inf : Sie sind viele Häuser am bauen. • Sonstige: Es gibt viele Häuser hier. (Agenslose Sätze) 113 5.3 Zusammenfassung der statistischen Werte Abb. 20: Passivfähige am-Progressive - Gesamtauswertung 114 5. Die Datenerhebung in den USA 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 6.1. Die Auswertung der empirischen Daten Im folgenden Kapitel werden die empirisch erhobenen Daten aus dem PeD nach verschiedenen grammatikalischen Mustern und Regularitäten untersucht. Das Ziel ist es, in einem deskriptiven Verfahren die Bestandsaufnahme aller rele‐ vanten sprachlichen Merkmale des PeD zu skizzieren, um einen groben Umriss darzustellen, über welches morpho-syntaktische Inventar diese Sprache verfügt. Manche Daten werden dann detaillierter und „feinkörniger“ untersucht, um da‐ raus unterschiedliche synchrone oder diachrone Entwicklungen zu eruieren. Anhand von unterschiedlichen linguistischen Kriterien werden die zwei deut‐ schen Sprachentitäten, das Standarddeutsche (StD) und das Pennsylvaniadeut‐ sche (PeD), auf semantische und syntaktische Restriktionen innerhalb einer po‐ tenziell neu entstehenden Verbalkategorie untersucht, nämlich innerhalb des am-Progressivs. Diese Untersuchungen bzw. Erklärungen bilden zugleich auch den theoretischen Kern dieser Abhandlung. Es ist daher festzustellen, ob sich meine anfänglich geäußerte Annahme bestätigt, dass die Verlaufsform im PeD deutlich weniger Restriktionen aufweist, auch viel häufiger und spontaner zum Einsatz kommt als dies im StD oder standardnahen deutschen Dialekten ge‐ schieht. Es soll auch auf morpho-syntaktische Neuerungen im PeD aufmerksam ge‐ macht werden, welche wiederum bestimmte Rückschlüsse auf das StD erlauben. Hierzu werden für das StD die Belege und auffindbaren Beispiele der am-Progressiv-Formen aus Literatur und Presse herangezogen. Sie dienen jedoch nur als Referenzen zum PeD, um festzustellen, welche Divergenzen oder Konver‐ genzen sich in diesen zwei verwandten Sprachen gebildet haben oder bilden könnten. Hiermit erhebe ich keinen Anspruch auf eine gleichwertige kontras‐ tive Studie für das StD und PeD. Um eine so umfangreiche Studie für beide Sprachen auf der gesamten morpho-syntaktischen Ebene durchzuführen, bedarf es einer anderen Motivation und natürlich einer anderen Zeitplanung. Mein Augenmerk gilt daher der pennsylvaniadeutschen Sprache und dem am-Pro‐ gressiv, samt all seinen Ausprägungen. Diesem Phänomen ist diese Arbeit auch gewidmet. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse sollten unter bestimmten Umständen die Annahme verifizieren, dass die Grammatikalisierung dieser ver‐ (142) (143) (144) (145) balen Einheit im PeD viel weiter fortgeschritten ist, wenn nicht nahezu voll‐ ständig abgeschlossen ist. 6.2. Das Tempus-Paradigma Die ersten vier Fragen (Situationen 1.01. - 04.) in dem Fragebogen zielen darauf ab, vorläufige und vor allem einführende Situationen zum am-Progressiv nach‐ zustellen. Der Grundgedanken war, zunächst aus spontanen und aus dem Alltag bekannten Situationen nach dem Ausdruckmittel für den Verlauf einer Verbal‐ situation zu suchen. So sollte diese Serie der Situation 1.0 die einfache Frage beantworten, wie man im PeD ein spontanes Inzidenzschema realisieren kann. Sätze wie Die Ann is am Ebbel schaela haben 27 Teilnehmer (67,5 %) gesprochen. Bei der Situation 1.01 sind interessante Variationen zu beobachten, bei denen unterschiedliche Positionen von dem A KK -Objekt Ebbel [Äpfel] ermittelt werden können. In dem Beispiel Die Ann is Ebbel am schaela haben 8 der Teilnehmer (20 %) das A KK -Objekt vor die Progressiv-Klammer gestellt. Dieser Gebrauch hat sich in dem Satz als ungewöhnlich erwiesen, weil dadurch das Objekt eine herausragende Position im Vorfeld der Progressiv-Klammer einnimmt. Die Mehrheit der Sprecher hat das A KK -Obj. zwischen am und den Infinitiv gesetzt, also innerhalb der Progressiv-Klammer. Das spricht wohl eher dafür, das A KK -Objekt und den Infinitiv als Einheit anzusehen und es als ein inkludiertes Objekt zu deuten. Zu den sprachlichen Randerscheinungen gehört der Satz Die Ann is am Schaela di Ebbel. Nur ein Proband (2,5 %) hat sich für diesen Gebrauch entschieden. Dies könnte für eine nominale Lesart des Verlaufsinfinitivs spre‐ chen (daher Großschreibung), da nur eine Nominalphrase (NP) von einer wei‐ teren NP im Genitiv oder Präpositionalphrase (PP) als Ergänzung begleitetet werden kann. Ähnliche Beispiele sind im StD nicht unmöglich, aber eher un‐ üblich: Sie sind am Umziehen in eine neue Wohnung. (Beispiel aus A N D E R S O N 1989: 29) ? Ich bin am Schreiben an meine Mutter. ? Ich bin am Streichen der Wohnung. ? Ich bin am Schreiben eines Briefes. Bei dem Satz Die Ann is am schaela di Ebbel könnte es sich meines Erachtens um eine Rechtsversetzung handeln, wodurch das A KK -Objekt im Nachfeld eine her‐ vorgehobene Stellung bekommt, der Infinitiv aber eine verbale Lesart beibehält (daher Kleinschreibung). Es könnte sich auch um einen narrativen Nachtrag 116 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (146) (147) (148) (149) (150) (151) handeln, da das Objekt vom Sprecher „vergessen“ wurde und als Nachtrag im Nachfeld des Satzes eingefügt wurde (E L S PA S S 2005: 208). Die Tatsache, dass solche Nachträge so selten im Korpus auftauchen, sind auch ein Indikator dafür, dass die am-Progressiv-Konstruktion in diesem Falle von den Sprechern unbe‐ wusst eher als eine verbale Struktur und nicht als eine ausbaufähige Nominal‐ phrase wahrgenommen wird. Sätze wie Sie is dro Ebbel schaela könnten als Pa‐ raphrase oder als Konkurrenzform des am-Progressivs gezählt werden. In der Datenerhebung zur Sit. 1.01. hat von 40 Probanden ebenfalls nur ein Proband (2,5 %) diese Ausdrucksform gewählt. Sie wird deutlich weniger frequent ver‐ wendet als die am-Form, ist jedoch auch in regionalen Dialekten in Deutschland bekannt, wie Egon ist dran/ dabei, sein Fahrrad zu reparieren, und dient zum Aus‐ druck einer noch andauernden Handlung. Mit anderen Restriktionen verglichen ist sie aber mit dem am-Progressiv nicht konkurrenzfähig, was auch deutlich aus den restlichen Zahlen der Erhebung hervorgeht. So wird die dran/ daran/ dabei-Paraphrase von 1720 gerade 4 Mal verwendet, und zwar immer von der gleichen Person, sodass sie keine Signifikanz für weitere Untersuchungen in dieser Abhandlung finden wird. Weiterhin ist es notwendig zu betonen, dass der am-Progressiv in der Situa‐ tionsreihe 1 problemlos durch das ganze Tempusparadigma dargestellt werden kann: ❖ Präsens D Aenn is am Ebbel schaela. [Die Anne ist am Äpfel schälen.] Es is wennich drieb draussa un ’s is d ganza Daag am reahra. [Es ist ein wenig trüb draußen und es ist den ganzen Tag am regnen.] Ebba is am froga, wo d Peder is. Der is net daheem, eah is am schaffa uff m Feld. [ Jemand ist am fragen, wo der Peter ist. Der ist nicht daheim, er ist am schaffen auf dem Feld.] ❖ Präteritum Ich hab die Aenn gshena und sie waar Ebbel am schaela. [Ich habe die Anne gesehen und sie war Äpfel am schälen.] Es waar am reahra d gonza Daag. [Es war am regnen den ganzen Tag.] D Peder waar net daheem, er waar am schaffa im Feld. [Der Peter war nicht daheim, er war am schaffen im Feld.] ❖ Perfekt 117 6.2. Das Tempus-Paradigma (152) (153) (154) (155) (156) (157) (158) (159) Die Aenn is am Ebbel schaela gwen. [Die Anne ist am Äpfel schälen gewesen.] Sie hat gsaagt, es is am reahra gwen d gonza Daag. [Sie hat gesagt, es ist am regnen gewesen den ganzen Tag.] D Peder is net hiem na, er is am schaffa gwen ins Feld. [Der Peter war nicht (da)heim, er ist am schaffen gewesen im Feld.] ❖ Plusquamperfekt Die letschde Zeit, wann ich dich gsehna hab, waar, wann dei Haus am baua [Inf] geweset [Part. II] waar [Prät] [Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, war, als dein Haus am bauen gewesen war.] Dies lässt den Schluss zu, dass der am-Progressiv im PeD wie auch partiell im StD ein weitgehend voll funktionsfähiges Tempusparadigma gebildet hat. Sogar eine Erweiterung durch Modalverben im Präsens ist unproblematisch und oft zu belegen, wie auch der epistemische oder inferentielle Gebrauch von Modal‐ verben im Präteritum: Dihr sollat am schaffa sei, wonn d Dady heem kummt! [Ihr sollt am schaffen sein, wenn der Vater heim/ nach Hause komm! ] Es misst am reare sei. [Es muss (wohl) am regen sein.] Sie misste am Quilts mache sei! [Sie müsste am Quilts (Stickerei) machen sein! ] (aus B U R R I D G E 1992: 214) So kann festgestellt werden, dass der eigentliche Unterschied in der Distribution des kompletten Tempusparadigmas nur darin besteht, dass der Gebrauch im StD (noch) nicht als normkonform eingestuft wurde. Es bestehen keine morpho-syn‐ taktischen Hindernisse, welche eine solche Einstufung rechtfertigen würden, und aus meiner Sicht auch kaum kommunikativ-pragmatische Hindernisse, welche das Verständnis beeinträchtigen würden. Im PeD ist dieser Gebrauch im gesamten Tempus-Spektrum weitgehend präsent. Dies belegen auch viele Ver‐ schriftlichungen des PeD, wie diese Stellen aus der pennsylvaniadeutschen Li‐ teratur zeigen: ❖ Antoine de S AINT -E XU PÉR Y (2006): Der glee Prins. Was in die Welt bischt du an due do? [Präsens] [Was in der Welt bist du am tun da/ dort/ gerade.] 118 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (160) (161) (162) (163) (164) (165) (166) Er hot des Schtoff als gans nadierlich ferzeehlt, wie er an schwetze waar. [Präteritum] [Er hat die Geschichte verzählt, als wäre sie selbstverständlich, als er am erzählen war.] Du weescht, as wann mer an schwetze gwest waere weeich ebbes, as i es gwest waer fer ferschtehe. [Plus.perfekt] [Du weißt, als wir am schwätzen/ reden gewesen waren, wegen einer Sache, dann hatte ich es verstanden.] ❖ Earl C. H AAG (1982: 16): A Pennsylvania German reader and grammar. Die Bell iss noch am Ringa. [Präsens] [Die (Schul)Glocke ist noch am Läuten.] Der Muund waar graad am Unnergeh, un nau is die Sunn ball am Uffgeha. [Prät.] [Der Mond war gerade am Untergehen und nun ist die Sonne bald am Aufgehen.] Sie waar yuscht am Wesche gewest, wie es gschehe is … [Plus.Perf.] [Sie war gerade am Waschen gewesen, als es geschehen ist …] In der Bibelübersetzung Es Nei Teshtament (2002) zeigt auch sehr deutlich, wie die am-Konstruktionen in der übersetzten Bibelversion, die in den USA bei den Amischen anfangs nur sehr langsam Anwendung gefunden hatte, dennoch ein breites Tempusparadigma besetzen können: Markus 5: 18 Und vi eah am in’s boat gayha voah … [Und als er in das Schiff stieg … (E L B E R F E L D E R -Übers 1905)] Lukas 2: 46 Si henn drei dawk gegukt fe een, no henn sie een kfunna im tempel, [Und es geschah, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel, vo eah unnich di leahrah kokt hott, am sie abheicha un am sie ausfrohwa voah. wie er inmitten der Lehrer saß und ihnen zuhörte und sie befragte]. (E L B E R F E L D E R -Übers.1905) H AN S -B IANCHI (2013: 209) liefert eine quantitative Zusammenfassung zum Es Nei Teshtament. Sie vergleicht die morpho-syntaktischen Alternativen und po‐ tenziellen Pfade, auf denen sich die Progressiv-Konstruktionen im Englischen und PeD angenähert haben könnten. Auch sie kommt demzufolge zu dem Schluss, dass das Tempus-Paradigma des am-Progressiv im PeD vollständig ist, was man auch aus den quantitativen Daten schließen kann. 119 6.2. Das Tempus-Paradigma 24 http: / / issuu.com/ hiwwewiedriwwe/ docs/ hwd_2.11.pdf__e-paper (Febr. 2018 noch ab‐ rufbar). (167) (168) (169) (170) Eine weitere Quelle des alltäglichen PeD ist auch die Zeitschrift Hiwwe wie Driwwe  24 und sie bietet seit 1997 als einzige gänzlich im Pennsylvaniadeutschen geschriebene Zeitschrift gute und repräsentative Einblicke in die Lexik und Morpho-Syntax des PeD. Die Zeitschrift wird sowohl in Deutschland wie auch in den USA abgenommen und dient der Wiederherstellung von Beziehungen zwischen den Deutschen (Hiwwe) und den über dem Ozean lebenden Nach‐ fahren (Driwwe) der deutschstämmigen Emigranten. Die Texte stammen von Muttersprachlern oder von Autoren, die sich über Jahrzehnte mit Übersetzung und Textproduktion im PeD beschäftigen. ❖ Präsens Hiwwe wie Driwwe iss schuun datt un iss am waarde fer Mudersch‐ prooch-Schwetzer. [Seite. 1] [HwD ist schon vor Ort und ist am warten/ wartet schon auf die Muttersprachler.] ❖ Präteritum Sitter 1997 hemmer Gschicht un Gedichte von neegscht 100 pennsylva‐ nisch-deitschen Schreiwer gedruckt - [Seit 1997 haben wir Geschichten und Gedichte von über 100 Jahren pennsylva‐ nisch-deutsche Dichter gedruckt, alles Leit, wu am End vum 20.Yaahrundert noch in die Mudderschprooch am schreiwe waare. [Seite. 1] alles Leute, die am Ende des 20.Jhs. noch in der Muttersprache am schreiben waren.] ❖ Perfekt … dieweil der Bauer immer so in Hektik waar, wenn er sei Weeze am schneide gewesst iss. [Seite. 6] [… weil der Bauer immer so in Hektik war, wenn er seinen Weizen am schneiden/ ernten war.] ❖ Plusquamperfekt Der eldescht Bruder waar noch drauss im Feld. Er waar der ganze Daag am Frucht schneide gwesst. [Seite. 5] [Der älteste Bruder war noch draußen im Feld. Er war den ganzen Tag am Früchte / Ernte schneiden gewesen.] 120 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (171) (172) Un es waar noh glei am brenne und des Wasser am schtieme gewesst. [Seite. 5] [Und es (das Holz) war gleich am brennen und das Wasser (im Eimer) am dampfen gewesen.] ❖ am-Prog +Modalverb (ohne sein als A UX ) Vier wichdiche Grind, fer was „Hiwwe wie Driww“ noch fer viele Yaahr am geh ghalte warre muss. [Seite. 1] [Vier wichtige Gründe, warum das H w D noch viele Jahre am gehen gehalten werden muss.] Eine Quantifizierung dieser Beispiele schien aufgrund ihrer unübersehbaren Präsenz in allen vorliegenden Ausdrucksmitteln der gesprochenen und ge‐ schriebenen Sprache überflüssig. Um die Quantifizierung an einem Beispiel dennoch darzustellen, könnte man Folgendes festhalten: Eine 12-seitige Aus‐ gabe der Zeitung Hiwwe wie Driwwe besteht gewöhnlich aus ca. 50-70 Text‐ boxen, die insgesamt etwa 10.000 Wörter haben. Die Quantifizierung der reinen am-Progressiv-Konstruktionen sein Finitum +am+V Inf beläuft sich pro Ausgabe und unter Berücksichtigung der Textsorte auf über 30 Einträge pro Heft. Dies würde bedeuten, dass etwa in jedem zweiten Text (47 %) ein am-Progressiv vorkommt. Hiwwe wie Driwwe Text‐ blöcke Wörter Präs Perf Prät. Plusq. MV am-Prog insge‐ samt Ausgabe HwD 2011/ 2 ca. 70 ca. 9.252 ca. 12 ca. 5 ca.9 ca. 2 ca. 1 ca.30 Tab. 5: Durchschnittliche Anzahl der am-Progressive in H. wie D. Hier stellt sich die Frage, welche Rückschlüsse die vorgestellten Beispiele aus dem erschlossenen Korpus wie auch die anderen genannten Quellen in Bezug auf das StD erlauben. Auch die C O S MA S -Beispiele vom Institut für Deutsche Sprache (IDS) belegen in den Online-Archiven eine nicht zu übersehende Prä‐ senz von am-Konstruktionen im Tempusparadigma. 6.2.1. am-Progressiv und das Tempus-Paradigma im StD Im COSMAS II-Korpus des IDS-Mannheim sind ungefähr 30 Mrd. laufende Wortformen (oder etwa 72,9 Mio. Buchseiten bei ca. 400 Wörtern/ Seite) auf 231 Korpora aufgeteilt. Ein tabellarischer Überblick über die dort gespeicherten Zei‐ 121 6.2. Das Tempus-Paradigma (173) (174) (175) (176) (177) (178) tungen und Schriftdrucke ist auf der Homepage des IDS zu finden. Das W-Archiv der geschriebenen Korpora ist das größte digitale deutschsprachige Archiv dieser Art und es greift auf Texte bis zum 18. Jahrhundert zurück. Manche Archive sind mithilfe von CONNEXOR-Taggers morpho-syntaktisch annotiert und eignen sich daher gut für morpho-syntaktische Recherchen, sowohl synchron wie auch diachron. Daher scheint es möglich und angemessen, aus dieser enormen Da‐ tensammlung einen qualitativen Vergleich zum PeD erstellen zu können, um daraus relevante Reflexionen und aktuelle Tendenzen der am-Progressiv-Kon‐ struktionen in der deutschen Standardsprache zu gewinnen. ❖ Präsens Die Ermittlungen in diesem Fall sind am Laufen . (BVZ09/ NOV.01523 Burgenländische Volkszeitung, 11.11.2009. S. 4) Wir haben mit dem Hochschulkonsens erste Schritte in diese Richtung in Gang gesetzt, denen weitere folgen müssen. Dieser Prozess ist am Ar‐ beiten. (PSN/ W04.00010 Protokoll der Sitzung des Parlaments Sächsischer Landtag am 25.02.2005.) Alle sind am Sparen. Wo kann im Sozialbereich gespart werden? (A00/ MAR.18818 St. Galler Tagblatt, 11.03.2000, Viele leben unter dem Existenzmi‐ nimum) ❖ Perfekt Nun haben die anderen das ja gesehen, und die Oma ist am Lesen ge‐ wesen … (A09/ OKT. Galler Tagblatt, 01.10.2010. S. 73.) ❖ Präteritum Ein ähnliches Schicksal ereilte Daniel Hansen, der an der Gossauerstrasse 14 wohnt und nebenbei seit rund vier Jahren eine Naturheilpraxis betreibt. Er war am Arbeiten, als der Brand ausbrach. (A09/ OKT.00011 St. Galler Tagblatt, 01.10.2009. S. 33; Am Tag danach: Schock sitzt tief) Ich konnte kaum atmen, aber schlimmer: Meine Blase war am Platzen. Ich musste dringend. Es war Schwerstarbeit, mich bis zur Toilette durchzu‐ boxen … (…) (A07/ SEP.02907 St. Galler Tagblatt, 07.09.2007. S. 54; Lindenmann setzt auf Bücher) 122 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Diese Beispiele konnten aufzeigen, dass die am-Progressiv-Konstruktionen in der deutschen Schriftsprache präsent sind. Die Belege reichen von Deutschland über Österreich und Luxemburg bis hin zur Schweiz, wo die Quantifizierung ohnehin am höchsten ist (dazu mehr bei VAN P OTT E LB E R G E 2004: 219). Es konnte auch deutlich gezeigt werden, dass diese Beispiele aus unterschiedlichen dias‐ tratischen und diatopischen Quellen stammen, d. h. sich aus alltäglichen Zei‐ tungstexten wie auch aus literarischen Werken und auch aus offiziellen politi‐ schen Protokollen zusammenstellen. Um auch hier die Quantifizierung nicht völlig außer Betracht zu lassen, möchte ich, ohne die Frequenz als allzu schwerwiegenden Faktor der Gramma‐ tikalisierung überzubewerten, einige Zahlen und bereits erwähnte Fakten nennen. Die C O S MA S -Daten sind in 15 Archive aufgeteilt, welche Zeitungartikel von 1994-2014 sowie unterschiedliche Schriftstücke beinhalten, wie beispiels‐ weise auch die Grimmschen Märchen oder G O E THE S Werke. Manche Korpora sind speziell für syntaktische Suchergebnisse annotiert und in diesen Archiven ist es gezielt möglich, nach syntaktischen Merkmalen zu suchen, wie z. B. mit der Abfrage: {MORPH(V-INF-PCP [finites Verb] ) am MORPH(PREP [Präposition] ) MORPH(V INF [Infinitiv] )} Durch so eine Eingabehilfe ist es möglich, die Wortmenge zu filtern. Für das Archiv „alle öffentlichen Korpora des Archivs TAGGED-C2“ von 1994-2014 gibt es insgesamt über 360 Belege für die Form sein Finitum +am+V Inf mit einem Wort‐ abstand von +1, d. h. dass diese Morpheme in unmittelbarer Nachbarschaft zu‐ einander stehen. Mit Variierung des Wortabstands kann man auch unterschied‐ liche Peripherien ermitteln, wie z. B. die Objektposition in Phrasen wie Ich bin das Buch am lesen, oder man kann mit anderen Filtern auch Großbzw. Klein‐ schreibung evaluieren. Natürlich ist die Zahl von 360 Beispielsätzen für am-Progressive gemessen im Zeitraum von 1994-2014 keine allzu große Quan‐ tifikation. Der Fokus meiner Vergleiche liegt aber nicht in der Quantifizierung von Beispielen, sondern in der qualitativen Interpretation von denselben. Daher betrachte ich den Fundus von ca. 360 Beispielen aus renommierten und stilis‐ tisch markierten Pressestücken als einen eindeutigen und fundierten Beweis dafür, dass die am-Progressiv-Konstruktionen ein nicht zu ignorierendes Exempel für Sprachtendenzen und Grammatikalisierungsprozesse im Standard‐ deutschen sind. Auf weitere Quantifizierungen der C O S MA S -Belege wird aus Platzgründen nicht weiter eingegangen. 123 6.2. Das Tempus-Paradigma 6.2.2. Zusammenfassung zum Tempus-Paradigma Um das Tempus-Paradigma zu vervollständigen, muss nach kritischer Eigenbe‐ trachtung auch bemerkt werden, dass bei manchen Quellen wie auch bei einigen Daten aus meinem Korpus manche Tempusformen fehlen, insbesondere das Futur I und das Plusquamperfekt. Die fehlenden Tempusformen sind keineswegs unmöglich, jedoch eher für diese Art von Untersuchung untypisch oder einfach in diesem Zusammenhang noch nicht gut genug dokumentiert. Einer der dafür in Betracht kommenden Gründe wäre die Tatsache, dass es sich bei dem PeD generell um eine sprechsprachliche Variante handelt, die überwiegend auf Mündlichkeit basiert und die auf dem Weg ist, sich zu einer Schriftsprache zu etablieren. Dies würde bedeuten, dass im PeD viele Elemente der Mündlichkeit auch in der Wahl der grammatischen Funktionen eine prägende Rolle spielen. In diesem Rahmen ist davon auszugehen, dass sich manche Tempusformen besser eignen, um gewisse Funktionalitäten zu transportieren. Auch in vielen standarddeutschen Texten sind manche Tempusformen häufiger anzutreffen als andere, was C O S MA S -Recherchen leicht belegen können. Hier wird auch die all‐ gemeine Frage nach der potenziellen Verbindung zwischen Mündlichkeit und gewissen grammatischen Phänomenen deutlich. Diese Interdependenz wurde für das Mhd. und Nhd. von Z EMAN gründlich untersucht: Dass die Verteilung von Perfekt und Präteritum im Nhd. im Zusammenhang textsor‐ tenspezifischer bzw. medialer Faktoren zu sehen ist, gilt für das Nhd. als unbestritten. (Z E MA N 2010: 3) Auch die Fragen nach dem gegenwärtigen Verhältnis von Schreib- und Sprech‐ sprache ist - in Analogie zur Problematik einer historischen Erfassung von „Mündlichkeit“ - auf ähnliche Parameter zurückzuführen. Der orale Charakter des PeD ist zweifelslos durch seine historischen und kulturbedingten Verände‐ rungen zu interpretieren. Dies lässt sich unter Umständen auch von den Ent‐ wicklungszyklen des Mhd. und Nhd. herleiten (vgl. u. a. VON P OL E NZ 1978: 39). Konkret sind diese Implikationen anhand des Tempusgebrauchs im Diskurs zu verdeutlichen. Tendenzen zum Präteritumschwund und zur Stigmatisierung des Plusquamperfekts, wie auch die Vermeidung des Futurs, zeigen sich in vielen oral dominerten Dialekten, in denen Präsensformen und Perfektformen favori‐ siert werden (Z EMAN 2010: 4). Diese Korrelation zwischen Gebrauch und Funk‐ tionalität im Nhd., die als klar distinktiv und normativ gilt, erweist sich auch im PeD als richtig. Auch hier werden generell Konstruktionen mit Präsens und Perfekt favorisiert und das Präteritum (außer bei Auxiliarverben) und die an‐ deren analytischen Tempusformen gemieden. Dies ist auch beim Gebrauch des am-Progressivs zu erkennen und auf den (noch) narrativen Charakter des PeD 124 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (179) (180) (181) zurückzuführen. Generell gilt also die von Z EMAN gestellte Vermutung als richtig: Eine grundsätzliche Abhängigkeitsbeziehung zwischen Tempus und der Opposition ‚gesprochen‘ vs. ‚geschrieben‘ erweist sich damit sowohl vor dem Hintergrund der Tempusbeschreibung im Nhd. als auch aus sprachtypologischer Sicht als plausibel, sodass die Betrachtung der Tempora hinsichtlich ihres Verhältnisses zu schriftlichen bzw. mündlichen Kontexten aus synchroner Perspektive keiner Rechtfertigung bedarf. (Z E MA N 2010: 5) Es lässt sich abschließend festhalten, dass der theoretische Rahmen bzw. das morphologische Spektrum einer Tempusdistribution von am-Progressiv im PeD bereits vorhanden ist, wie aber auch im Mhd., im Nhd. und den oberdeutschen Dialekten ist dieses Spektrum noch nicht ausgereift. Sätze wie: Emma muss am schlafen gewesen sein oder Emma wird am schlafen gewesen sein oder Emma wird wohl am schlafen gewesen sein müssen, da sie den Postboten nicht gehört hat. sind sowohl im PeD wie auch im Nhd. morpho-syntaktisch realisierbar, aber (noch) nicht belegt. K R AU S E (2002: 283) gibt in seiner umfangreichen, auf Inter‐ netforen basierenden Studie auch viele ähnliche Beispiele an, welche das ganze Tempusparadigma abdecken, aber nicht immer ausreichend dokumentiert sind. Diese und ähnliche Sätze würden meines Erachtens aber nicht gegen morpho‐ logische Regeln verstoßen, sondern eher gegen Diskursregeln. Es muss also der speziellen Lage des PeD geschuldet sein, da es sich in der Transition von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit bzw. von einer Sprechsprache in eine Schrift‐ sprache befindet und deswegen nicht alle möglichen Formen eines Paradigmas verwendet. Im Vergleich zum StD ist aber das Tempusparadigma im PeD zwei‐ felsfrei und nachweislich fortschrittlicher, was durch die Beispiele belegt werden konnte. 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD Bei dem Gebrauch und dem breiten Bedeutungsspektrum von Verbzusätzen verhält sich das PeD sehr ähnlich wie das StD. Auch im PeD unterscheidet man zwischen trennbaren und untrennbaren Präfixen, die an den Verbstamm ange‐ hängt werden und die bei der Flexion aber normalerweise vom Stamm getrennt werden und dazu dienen, die Bedeutung zu verändern oder zu modifizieren. Die 125 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD diachrone Analyse der vorhandenen Grammatikwerke des PeD liefert klärende Einblicke dafür. In der mir vorliegenden ältesten Grammatik des PeD, nämlich H ALD EMAN (1872): Pennsylvania Dutch: A dialect of South German with an infu‐ sion of English, wird zu der Existenz und dem Gebrauch der trennbaren Verben so gut wie nichts erwähnt. Lediglich werden ein paar Beispiele genannt, welche die Existenz und den Gebrauch von Verbpräfixen belegen: Abb. 21. Auszug aus Haldemans Grammatik (1872: 20) Dies liegt gewiss nicht daran, dass zu H ALDEMAN s Zeiten der Gebrauch von Präfixen im PeD oder die Korrelation mit am-Progressiven nicht stattfand. Si‐ cherlich war der Gebrauchsradius von am-Progressiven nicht so weit ausge‐ dehnt wie heute, wenn man bedenkt, dass der am-Progressiv diachron gesehen ursprünglich nur mit intransitiven, additiven, atelischen Simplex-Verben mög‐ lich war (R E IMANN 1996: 44; L EI S S 2000: 214). H ALD EMAN nähert sich dem Thema auf kontrastive Weise, und bei dem Versuch zu sagen, was PeD ist und wie seine Grammatik aufgebaut ist, liegt sein Augenmerk mehrheitlich darauf, zu zeigen, was PeD nicht ist und wie man es von den anderen deutschen Dialekten, z. B. Bairisch, Schwäbisch, Elsässisch und dem Englischen abgrenzt (H ALD EMAN 1872: 41-48). Daher kommen viele grammatische Phänomene, die in präskriptiven Regelwerken zu der Zeit notiert wurden, erst gar nicht zum Ausdruck. Dies wiederum verleiht dem Werk von H ALD EMAN eben den nötigen edukativen und informativen Charakter, wie man es von einem Werk erwarten würde, welches eine bis dahin völlig unbeachtete Sprache erstmalig beschreibt. Ähnlich zurückhaltend über die Präfixe äußert sich 1950 auch F R E Y in seiner Pennsylvania Dutch Grammar. Zugleich ist es aber auch F R E Y (1950: 35), der - obgleich nur sporadisch - als erster den Hinweis auf eine produktive Verbalka‐ tegorie progressive verb tense gibt: Use the present or past tense of the verb seito be plus am plus the infinitive of the main verb and you show that action is or was going on: er iss am schloofahe is sleeping; er wawr am plansahe was planting. (Hervorhebungen i. O.) 126 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (182) (183) Bei B U F F INGTON / B AR BA (1965: 14 und 68) ist der Gebrauch von Präfixen schon elaborierter und auch deskriptiv dargestellt. Durch Übungen und Beispielsätze, die man bearbeiten muss, werden die Bedeutungsunterschiede der Präfixe ver‐ deutlicht: Kumm rei un mach die Dier zu! [Komm herein und mach die Tür zu! ] Zwei Geil sin die Schtross runnerkumme. [Zwei Gäule sind die Straße heruntergekommen.] Hinweise auf die Kombination von Präfixverben mit am-Progressiven gibt es auch bei Buffington/ Barba nicht. In diesem Standardwerk des PeD wird aber erstmalig die periphrastische progressive Verbform mit der Kategorie Aspekt in Verbindung gebracht: In PG a special periphrastic construction is used to express the progressive aspect of the verb. The present progressive form is formed with the present tense of sei plus am plus the infinitive of the main verb, e.g., der Pitt iss am Schtarrewa Pit is dying; bessere Zeide sin am Kumma better times are coming. (B U F F I N G T O N / B A R B A 1965: 25; Hervor‐ hebungen i. O.) Auch bei B R OWN / M AD E N F O R D (2009: 73; 124), einem der jüngsten Grammatik‐ werke des PeD, werden sowohl die progressive Tempusform wie auch die Be‐ nutzung der Verbzusätze mit vielen Beispielen erklärt. Die Kombination von am-Progressiv und Verben mit trennbaren Präfixen ist auch hier nicht belegt. Die Absenz oder die niedrige Frequenz von Beispielen mit trennbaren Verben und am-Progressiv in den oben aufgelisteten Werken könnte zweierlei Erklä‐ rungen nach sich ziehen. Einerseits ist es diachron doch zu belegen, dass der Gebrauch der am-Konstruktionen zunächst auf Verben ohne Verbzusätze ein‐ geschränkt war, was den Anthologien und anderen Literaturquellen zu ent‐ nehmen ist. Andererseits ist aber auch die Ausweitung bzw. die von mir ver‐ mutete Reduktion der syntaktischen und semantischen Restriktionen dadurch zu Stande gekommen, dass im PeD die progressiven Tempusformen als eine einfach einzusetzende, rational benutzbare und vor allem produktive Verbalka‐ tegorie wahrgenommen wurde. Dies würde erklären, warum sich nach VAN P OTT E LB E R G E (2004: 231) in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. eine deutliche Ände‐ rung im Sprachbewusstsein der Pennsylvaniadeutschen etabliert hat und sich die Zahl der am-Progressive im sprechsprachlichen und schriftlichen Gebrauch des PeD erhöht hat. 127 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD (184) (185) (186) (187) (188) (189) 6.3.1. Kookkurrenz von Präfixen und am-Progressiven Die Ermittlung von trennbaren Präfixen [P RÄF ] und Adverbien [A DV ] war das Ziel der Fragestellung in den Folgenden Situationen: Sit. 01.4.; Sit. 02.1.; Sit. 02.4.; Sit. 03.3. und Sit. 05.5. Bei diesen Situationen war es wichtig zu ermitteln, ob am-Progressive mit trennbaren Präfixverben oder trennbaren Adverbien kor‐ relieren können und welche Position das Präfix bzw. Adverb bei der Flexion erhält. Bei den untersuchten Verben handelt es sich um die PeD Verben herum‐ liega [dt. herumliegen], guud duhn [dt. wohlfühlen], elda werra [dt. älter werden, altern], oahgeha [dt. , passieren] und kald werra [dt. kalt werden]. Bei den erhobenen Daten aus dem PeD sind die Ergebnisse bezogen auf die Verbalzusätze in zwei mögliche Distributionsmuster einzuordnen. Die Ant‐ worten erfolgen nach folgendem Muster: sein+am+P RÄF +V Inf . Dabei ist zu sehen, dass das Präfix rum/ herum mehrheitlich an das atelische, additive, intransitive Verb liega [dt. (herum)liegen] angehängt wird. Um die genannten Beispiele zu quantifizieren, können folgende Zahlen präsentiert werden: Für das Distributi‐ onsmuster sein+am+P RÄF +V Inf haben sich 19 Personen (48 %) der Informanten entschieden. Daraus ergeben sich folgende Variationsmöglichkeiten: ❖ Interrogative Sätze: Fer was sind all die Gleeder am rumliega? Pick sie mal uff! [Warum sind all die Kleider am rumliegen? Heb sie mal auf! ] Fer was sind all die Gleeder am rumliega uff m Bodn? [Warum sind all die Kleider am rumliegen auf dem Boden? ] Wieher is alles ’m rumliega? [Warum ist alles am rumliegen? ] ❖ Affirmative Sätze: Es soll gbutz sei, di Gleeder sind am rumliega. [Es soll geputzt sei, die Kleider sind am rumliegen.] D Elly ihre Schtubb is alles ferhuddelt mit Gleeder am rumliega. [Der Elly ihre Stube ist alles verschmutzt mit Kleidern am rumliegen.] Für das zweite Muster sein+P RÄF +am+V Inf , bei dem das Präfix auch als trennbar gebraucht wurde, haben sich 8 Personen (20 %) entschlossen. Dieses Muster erlaubt folgende Variationen: ❖ Interrogative Sätze: Fer was sind all die Gleeder do rum am liega? [Warum sind all die Kleider hier (he)rum am liegen? ] 128 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (190) (191) (192) (193) Fer was sind die Sach rum am liega? [Warum sind all die Sachen herum am liegen? ] ❖ Affirmative Sätze: Die Elly hat aber Dinga rum am liega und des muss uffgebutz sei. [Die Elly hat aber Dinge herum am liegen und des muss aufgeputzt werden/ sein.] Wie ebenfalls den Daten zu entnehmen ist, hat sich etwa ein Drittel (30 %, 12 Personen) dafür entschieden, eine einfache Paraphrase im Präsens ohne am-Progressiv zu benutzen, etwa wie: Fer was sind di Gleeder all iwwa die Zimma oder di Schtubb geschmissa? [Warum sind/ liegen die Kleider überall im Zimmer oder die Stube geschmissen? ] Bei manchen Beispielen, die als „Paraphrase“ gewertet wurden, werden trenn‐ bare Verben zwar benutzt, aber nicht mit einem am-Progressiv kombiniert, daher auch die Abstufung zur „Paraphrase“ bzw. „Ausdruckmittel ohne Ver‐ laufsform“: Fer was lieget alles do rum und guckt net guud? [Warum liegt hier alles so herum und sieht nicht gut (aus)? ] Tabellarisch könnten diese Ergebnisse folgendermaßen dargestellt werden: Parameter für Sit. 01.4. Anzahl der Probanden keine Angabe 1 Paraphrase 12 am +P RÄF +V Inf (untrennbar am rum liega) 19 P RÄF +am+V Inf (trennbar rum am liega) 8 Insgesamt 40 Tab. 6: Der Gebrauch von trennbaren Verbzusätzen in Sit. 01.4. Ein ähnliches Muster ist bei der Situation 2.01. zu sehen, bei der man ebenfalls auf die Ausgangssituation mit einem Verb und dazugehörendem Adverb ant‐ worten konnte. Hier kann beobachtet werden, dass das Adverb guud an das Verb duhn/ duhna [dt. tun] angefügt wird mit der atelischen, additiven Bedeutung jemandem gut gehen oder sich wohlfühlen. Somit ergeben sich auch hier zwei 129 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD (194) (195) (196) (197) Distributionsmuster. Einerseits gibt es Beispiele nach dem Muster sein Finitum +A DV +am+V Inf : Die Kinnskinna sind ganz guud, sie sind am waxa und sie sind all guud am duhn. [Die Enkelkinder sind ganz gut, sie sind am wachsen und sie sind alle gut am tun.] Sie sind am waxa und sie sind aarick guud am duha. [Sie (die Enkelkinder) sind am wachsen und sie sind ganz gut am tun.] Für die Trennung des Adverbs guud von der Verbform duhn haben sich 14 (35 %) von 40 Probanden entschieden. Die Beispiele (194 und 195) zeigen auch, dass man mit Steigerungspartikeln wie aarick [dt. arg, sehr] oder ganz das Adverb sogar noch intensivieren kann. Für die untrennbare Variante sein+am+ A DV +V Inf haben sich 25 %, also 10 Probanden entschieden, wie folgende Sätze darstellen: Die Großkinna sind an waxa und sind an guud duhn. [Die Enkelkinder sind am wachsen und sind am gut tun/ es geht ihnen gut.] Ja, sie sind ’n uffwaxa und sie sind ’n guud duhn. [ Ja, sie sind am aufwachsen und sie sind am gut tun.] Hier wird, wie auch bei anderen Beispielen, schnell sichtbar, dass es im PeD bezogen auf die Stellung der trennbaren Verbzusätze eine etwas sonderbare Entwicklung gibt, da beide Distributionsmuster nicht nur auffindbar sind, son‐ dern auch etwa gleichstark vertreten sind, wie die Daten aus der Tabelle zeigen: Parameter für Sit. 02.1. Anzahl der Probanden keine Angabe 0 Paraphrase 5 am+ V Inf 11 am+A D V + V Inf(nicht trennbar am guud duhn) 10 A D V +am+V Inf(trennbar guud am duhn) 14 Insgesamt 40 Tab. 7: Der Gebrauch von Adverbien bei am-Progressiven in Sit.02.1. Bei der Sit. 02.4. ist die Tendenz zu einer Zusammenfügung von Adverb und Verbstamm viel deutlicher zu sehen als bei den vorangegangenen Sätzen. Hier sollten die Probanden einerseits zum Ausdruck bringen, ob sie bei einem ateli‐ 130 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (198) (199) (200) (201) (202) (203) schen, additiven Verb wie elda werra[dt. älter werden, altern], welches schon eine gewisse Prozessualität beinhaltet, auch einen am-Progressiv benutzen würden. Dadurch würde man additiven Verben in Verbindung mit der am-Konstruktion eine gewisse Intensivierung verleihen oder eine Art Betonung der innenper‐ spektivierenden Verbsituation ermöglichen. Zum anderen sollte auch hier die Stellung des Adverbs bei der Flexion ermittelt werden. Aus den folgenden Bei‐ spielsätzen: Mer sind alle am elda werra. [Wir sind alle am älter werden.] Mer all sind am ald werra, so ’s es Leba. [Wir sind alle am alt werden, so ist das Leben.] Mer sind all am eldr griega. [Wir sind alle am älter kriegen/ werden.] ist das Distributionsmuster sein Finitum +am+A DV +V Inf zu entnehmen, für welches sich 24 Sprecher entschieden haben. Damit hat sich eine deutliche Mehrheit (60 %) für die Zusammensetzung von Adverb und Verbstamm ausgesprochen. Im Gegensatz dazu haben nur 5 Teilnehmer (12 %) die trennbare Form des Pro‐ gressivs bei der Flexion gewählt, nämlich sein Finitum +A DV +am+V Inf : Mer sind all elda am werra. [Wir sind alle älter am werden.] Mer sind all alt am werra. [Wir sind alle alt am werden.] Mer sind all elder am griega. [Wir sind alle älter am kriegen/ werden.] Parameter für Sit. 02.4. Anzahl der Probanden keine Angabe 0 Paraphrase 11 am+ A D V + V Inf (nicht trennbar am eldr werra) 24 A D V +am+ V Inf (trennbar eldr am werra) 5 Insgesamt 40 Tab. 8: Der Gebrauch von Adverbien bei am-Progressiven in Sit. 02.4. 131 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD 25 Zu Flexionsendungen siehe S A L M O N S (2003: 116). (204) (205) (206) (207) In beiden Mustern findet sich jeweils einmal das Verb griega [dt. kriegen]. Dieses Verb wird in meinem Korpus noch an vereinzelten Stellen anstatt des zu erwar‐ tenden werra/ warra [dt. werden] benutzt, und zwar immer mit der Bedeutung bekommen. Eine mögliche Erklärung dafür wäre die Lehnübersetzung eines al‐ lophonen englischen Verbs, nämlich to become. Das dt. bekommen existiert im PeD als bekumma ebenfalls. Im StD und PeD hat bekommen resp. bekumma jedoch im Gegensatz zum Englischen to become eine unterschiedliche Bedeu‐ tung. Im Englischen wäre die gängige Antwort auf Sit. 02.4. etwa We are all getting/ becoming … Es ist anzunehmen, dass im PeD manche englische Verben in Gebrauch genommen wurden, weil die Sprecher des PeD über allophonen Verben in ihrer Sprache aus einer Lehnübersetzung eine Bedeutungsübertagung erstellt haben (vgl. W ANZ E CK 2010: 76). Ein Synonym zu dem deutschen Verb bekommen ist kriegen. Im Englischen hat das Verb to become aber eine andere Bedeutung, nämlich dt. werden. So liegt die Vermutung nahe, dass im PeD als Synonym für bekumma das griega verwendet wurde, aber mit der Bedeutung von engl. to become, to get, also dt. werden. So wurde dem PeD griega, als Synonym zu bekumma, über das ähnlich klingende englische to become die im Englischen zutreffende Bedeutung werden zugeteilt. Zumindest wäre diese Er‐ klärung in folgenden Sätzen anwendbar: Wir sin all am eldra werra/ griega. [Wir sind alle älter am werden/ kriegen.] Mach’s Fenschder zua, ich bin am kald werra/ griega. [Mach das Fenster zu, ich bin am kalt werden/ Erkältung kriegen.] Ähnlich ist die Etymologie für das pennsylvaniadeutsche Verb gleicha herzuleiten. Es stammt eigentlich vom englischen Verb to like ab, wurde aber, wegen seiner allophonen Form zum dt. gleichen, gleich sein, als neues Verb im PeD eingesetzt, und zwar mit der Bedeutung mögen, gefallen (Flexion: ich gleiche, du gleichscht, ich hab [ge]glicha oder auch gegleicht [Partizip II] und gleichte [Präteritum] ). 25 Ich hab sell Eppl-Poi aarick gegleicht. [Ich habe den Apfelkuchen sehr gemocht/ genossen.] Ich hab d Schul net aarick geglicha. [Ich habe die Schule nicht sehr gemocht. Eigentlich: Ich bin nicht gerne in die Schule gegangen.] Sit. 03.3 und Sit. 05.5 sind noch Beispiele dafür, dass die Mehrheit als Ausdruck‐ form das Distributionsmuster am+A DV +V Inf oder am+P RÄX +V Inf wählt. Sätze 132 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (208) (209) (210) (211) (212) (213) aus der Sit. 03.3. beschrieben die Kombinationsmöglichkeiten von dem ateli‐ schen Verb oahgeha [dt. abgehen, passieren, geschehen] mit dem am-Progressiv, wie zum Beispiel: Was ist am oahgeha in di Schtubb? [Was ist los/ passiert gerade in der Stube? ] D teacher frogt, was am oahgeha is in sella Schtubb. [Der Lehrer fragt, was am angehen ist/ was passiert in der Stube.] D teacher looft nei in d Schulhaus und saagt: Was is am oahgeha do? [Der Lehrer läuft in die Klasse hinein und sagt: Was ist hier am abgehen/ was ist hier los? ] Aus den oben genannten Beispielen ist deutlich zu sehen, dass die Bindung des Verbzusatzes oah an das Verb geha [dt. abgehen, vorgehen, passieren] mehrheit‐ lich als spontane und überwiegende Lösung gewählt wurde, nämlich von 26 Personen (65 %). Dies hängt sicherlich mit der morphologischen Beschaffenheit der Infinitivkonstruktionen zusammen, weil die trennbaren Verbzusätze beim infiniten Gebrauch des Vollverbes an den Verbstamm angeschlossen werden. (vgl. H E LBIG / B U S CHA 2011: 566). Die Möglichkeit das Präfix vom Verbstamm bei der Flexion im am-Progressiv zu trennen, wurde nur einmal realisiert, und zwar im Satz: Was is oah an geha do? [Was ist ab am gehen hier drin? / Was passiert hier drinnen? ] Die restlichen 32 %, also 13 Sprecher, wählten unterschiedliche Paraphrasen ohne Progressiv: Was geht do in d Schtubb oah? Was macht dihr? [Was geht dort in der Stube ab? Was macht ihr? ] Was geht oah dahin? Es is z’viel Zucht! (die Zucht (ahd./ mhd. zuht) hier Unruhe) [Was geht ab/ was passiert dahinten? Es wird zu viel Krach gemach! ] Durchaus vergleichbare Verhältnisse sind auch in der Situation 5.05. zu sehen. In diesem Beispiel mussten die Probanden eine alltägliche Situation versprech‐ lichen, die den Gebrauch des Verbs kald werra [dt. kalt werden, vergleiche frieren] in Verbindung mit einer am-Progressiv-Konstruktion zeigt. Auch hier grenzen sich die bereits beschriebenen zwei Distributionsmuster deutlich von‐ einander ab. Für die Trennung des Adverbs kald vom Verbstamm werra/ warra (A DV +am+ V Inf ), haben sich nur 5 Personen entschieden, was also nur 12 % der Befragten ausmacht, wie etwa in: 133 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD (214) (215) (216) (217) (218) Mach d Winda [engl. window] zu, ich bin kald am werra. [Mach das Fenster zu, ich bin kalt am werden/ mir wird kalt.] Mach des Fenschder zu, ich bin kald ’m werra. [Mach das Fenster zu, ich bin kalt am werden/ mir wird kalt.] Weitere 12 Personen (30 %) haben sich auch hier für Paraphrasen ohne Pro‐ gressiv entschieden, welche teilweise auch im StD verständlich wären, wie etwa: Mach s Fenschder zu, es macht mich … ich grieg negscht Ferkelting! [Mach das Fenster zu, es macht mich … ich krieg ja gleich eine Erkältung! ] Du musscht d Fenschder zumacha, ich wadd zu schteiff. [Du musst das Fenster zu machen, ich werde bald steif.] Mach di Fenschder zu, ich werd kald. [Mach das Fenster zu, ich werde bald steif.] Das mehrheitlich gewählte Muster am+ A DV +V Inf haben von 40 Testpersonen 22 als Antwort gewählt. Auch diese 55 % zeugen davon, dass es einen bedeu‐ tenden Zusammenhang mit der Morphologie von Infinitivkonstruktionen gibt. In der Kookkurrenz mit dem am-Progressiv sind die trennbaren Verbzusätze oder Adverbien daher bei einer Flexion mit dem Infinitiv des Vollverbes ver‐ bunden. 6.3.2. Zusammenfassung P RÄF / A DV +am-Progressiv- Konstruktionen Abschließend kann festgehalten werden, dass Verben mit Verbzusätzen aus P RÄF / A DV +am-Progressive quantitativ signifikant oft vorkommen und ge‐ messen an den kaum auftretenden Sprecherpausen von der Sprechergruppe au‐ thentisch und spontan eingesetzt wurden. Dies ist teils an den erhobenen Daten zu sehen, teils an anderen Quellen und bei alltäglichen Gesprächen. Daher ist der Schluss durchaus zulässig, dass am-Progressiv und trennbare P RÄF / A DV kein morphologisches Hindernis darstellen und somit keine Restriktion in morpho‐ logischer Weise bilden. Die Daten verdeutlichen weiterhin, dass im PeD beide Distributionsmuster möglich sind, aber tendenziell trennbare Verbzusätze (Prä‐ fixe und Adverbien) beim Verlaufsinfinitiv belassen und als eine feste Einheit verwendet werden. Es muss vermerkt werden, dass für das von mir als Partikel benannte am bei am-Progressiv-Konstruktionen die formale Regel für die Stellung der Satz‐ glieder nicht immer gilt. Bei der Infinitiv-Partikel zu in Verbindung mit anderen Prädikatsteilen lautet die Regel bezüglich der Satzstellung: 134 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Für den lexikalischen Prädikatsteil gelten, soweit es sich um die trennbaren Verbteile handelt, die gleichen Regeln des Stellungstyps wie für den grammatischen Prädikats‐ teil. Wenn neben einem solchen lexikalischen Prädikatsteil noch ein grammatischer Prädikatsteil erscheint, tritt der lexikalische Prädikatsteil vor den grammatischen. (H E L B I G / B U S C HA 2011: 575) Wie die Beispiele Es ist schön, dich zu sehen oder Es ist schön, auf den Gipfel aufzusteigen deutlich zeigen, gibt es im StD einen normativen Unterschied bei der Positionierung der Infinitivpartikel zu. Sie wird bei trennbaren Verben als Infix zwischen Verbzusatz und Verbstamm positioniert. Aber bei am-Progres‐ siven im PeD gibt es tendenziell auch belegbare Beispiele für eine Trennung zwischen Verbzusatz und Verbstamm, wie Fer was sind die Sacha rum am liega? Diese Trennung ist jedoch nicht in allen Fällen vorhanden und nicht sehr häufig. Dies wäre ein Indiz dafür, dass hier ein gewisser Restriktionsrahmen noch greift und eine Einschränkung vorgegeben wird. Obwohl im PeD beide Distributions‐ muster zu finden sind, wird sicherlich auch die Frequenz der Daten hier eine entscheidende Rolle spielen. Anhand der dargestellten Daten ist im PeD eine deutliche Tendenz für das Muster am+ A DV +V Inf oder am+ P RÄF +V Inf zu er‐ kennen, wodurch auch die weitere Distribution in der Presse gefördert wird. Somit gilt als wahrscheinlich, dass sich dieser Gebrauch auch in Zukunft durch‐ setzt, weil er frequenter benutzt wird und sich als äußerst produktiv zeigt. Eine weitere Beobachtung zeigt, dass im PeD die Kookkurrenz von Verben mit trennbaren Verbzusätzen und dem am-Progressiv sowohl mit atelischen, additiven wie auch mit telischen, non-additiven Verben möglich ist. Bei den trennbaren Verben ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Verbzusatz mit dem Verbstamm verschmolzen bleibt. Dennoch ist die Möglichkeit gegeben, den Verbzusatz vor die linke progressive Verbklammer zu setzen, also vor die am-Partikel. Dies zeugt davon, dass auch hier eine gewisse Flexibilität bei der Distribution besteht, was sich wiederum als eine neue Alternativform bzw. Mo‐ difikation von der bereits bekannten Form darstellt. Die Koexistenz dieser beiden Möglichkeiten ist förderlich für die weitere Lockerung der progressiven Verbklammer. Auch im Niederländischen hat VAN P OTTE LB E R G E (2004: 60) die Möglichkeit beobachtet, dass der trennbare Zusatz eines Verbes aus dem aan-het-Rahmen geschoben werden kann (Ik ben wel na aan het denken vs. Ik ben wel aan het nadenken). Schließlich ist hier auch eine potenzielle grammatikalische Neuschöpfung zu beobachten: Das Element am verhält sich im Zusammenhang mit trennbaren Verben ähnlich wie die Infinitivpartikel zu bei nichttrennbaren Verben, es steht immer vor dem Infinitiv. Dies stärkt den verbalen Charakter des Verlaufsinfi‐ nitivs, sodass die Konstruktion sein Finitum +am+V Inf zu einem zweiten sog. er‐ 135 6.3. Trennbare Verbzusätze und der am-Progressiv im PeD (219) (220) weiterten Infinitiv gezählt werden könnte, ähnlich wie der erweiterte Infinitiv bei H E NT S CHE L / W E YDT (2013: 48). 6.4. Reflexiva und der am-Progressiv Verben mit einem Reflexivpronomen zeichnen sich durch eine Referenzidentität von Subjekt und Objekt aus. Somit ist hier die Handlungsrichtung des Verbs oder die Diathese sichtbar, wobei das Satzsubjekt zugleich auch Objekt der ei‐ genen, im Verb ausgedrückten Handlung ist (H E LBIG / B U S CHA 2011: 219; H ENT‐ S CHE L / W E YDT 2013: 59). In Sit. 02.2. und Sit. 04.1. sollte das Verhalten von Re‐ flexivverben und des Reflexivpronomens sich in der Kookkurrenz mit dem am-Progressiv getestet werden. Hierbei wurden die Verben sich fersteckla [dt. sich verstecken] und sich wescha [dt. sich waschen] in den Fragebogen imple‐ mentiert. Wie bei den trennbaren Verbzusätzen zu beobachten war, zeichnen sich auch bei den Reflexiva im Zusammenhang mit dem am-Progressiv zwei Distributionsmuster ab. Einerseits ist es möglich das Reflexivpronomen sich außerhalb der Progressiv-Klammer anzusiedeln, d. h. sich steht vor der Partikel am. Die zweite Möglichkeit ergibt sich durch eine Einbettung von sich zwischen die zwei Progressiv-Elemente, nämlich zwischen am und V inf . Bei der Sit. 02.2. werden die Interviewten aufgefordert, eine Alltagssituation zu verbalisieren, in der man nach den Kindern sucht, die eigentliche ihr Zimmer aufräumen sollten. Auf die Nachfrage, wo sich die Kinder eigentlich befinden und warum sie nicht aufräumen, folgt die Antwort, dass sie sich wohl in der Scheune verstecken. Die Mehrheit der PeD-Sprecher entschied sich in dieser Situation für eine einfache am-Progressiv-Konstruktion ohne das Reflexivpro‐ nomen sich, nämlich 22 (55 %): Sie sind draussa in d Scheier am ferschteckle, sie wellet net dihra Arewet duhn. [Sie sind draußen in der Scheune am verstecken, sie wollen ihre Arbeit nicht tun/ erledigen.] Sie sind im Scheier am hayda. (engl. to hyde) [Sie sind in der Scheune am verstecken.] Eine mögliche Erklärung für die Präferenz des nicht-reflexiven Gebrauchs liegt eventuell in dem Verb ferschteckle selbst; wie im StD so wird auch im PeD zwi‐ schen obligatorischen Reflexivverben oder echten reflexiven Verben und den unechten oder reflexiv gebrauchten Verben unterschieden. Hierbei handelt es 136 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (221) (222) (223) (224) (225) (226) sich um ein reflexiv gebrauchtes Verb, welches nicht zwingend reflexiv ge‐ braucht werden muss bzw. dessen Reflexivpronomen getilgt wurde. Etwa 27 % (11 Personen) haben sich für eine Präsens- oder Perfekt-Paraphrase entschieden und somit keine Progressiv-Form realisiert: Die Kinna hen sich ferschtecklt, ich globe, ass sie drassa im Scheier sind. [Die Kinder haben sich versteckt, ich glaube, dass sie draußen in der Scheune sind.] Sie sind drassa im Scheier und hen sich ferschteckelt. [Sie sind draußen in der Scheune und haben sich versteckt.] Für die Zusammenfügung von Reflexivpronomen und Infinitiv nach dem Muster am+sich +V Inf haben sich 3 Personen entschieden, etwa wie: Sie sind am sich ferschteckle in d Scheier. [Sie sind am sich verstecken in der Scheune.] Die Kinna sind an sich ferschteckle in d Scheier. [Die Kinder sind am sich verstecken in der Scheune.] Weitere 4 Personen haben die Ausklammerung von sich gewählt, wie die fol‐ genden Beispiele nach dem Muster sich + am+ V Inf zeigen: Ich bin am gucka fer die Kinna. Sie sind sich am ferschteckle hinnich d Scheier. [Ich bin gucken, wo die Kinder sind. Sie sind am sich verstecken hinter der Scheune.] Sie sind sich am ferschteckle im Scheier. [Sie sind sich am verstecken in der Scheune.] Für die dargestellte Verbalsituation teilen sich die Distributionsmuster folgen‐ dermaßen auf: Parameter für Sit. 02.2. Anzahl der Probanden keine Angabe 0 Paraphrase 12 am+V Inf (fersteckla ohne sich) 21 am + sich+ V Inf (am sich fersteckla) 3 sich +am+ V Inf (sich am fersteckla) 4 Insgesamt 40 Tab. 9: Reflexiva und am-Progressiv in Sit. 02.2. 137 6.4. Reflexiva und der am-Progressiv (227) (228) (229) (230) Bei der Verbalisierung von Sit. 04.1. ging es um das Verb sich [uff] wescha mit der Bedeutung dt. sich waschen oder sich saubermachen. Auch hier sind die Va‐ riationsmöglichkeiten ähnlich wie bei der Sit.02.2. Es haben sich 7 (17 %) von 40 Probanden dafür entschieden, das Reflexivpronomen sich mit dem Verbstamm zu verbinden bzw. es vor den Verbalinfinitiv hinzuzufügen, wie folgende Sätze belegen: Eah is in d Badschtubb am sich wescha. [Er ist in dem Bad am sich waschen.] D Peder waar im Badschtubb am sich uffwescha. [Der Peter war im Bad am sich abwaschen/ sauber machen.] Für das zweite Distributionsmuster (sich+am+V Inf ) haben sich 45 % (18 Pro‐ banden) entschieden: Eah is sich am wescha in d Badschtubb. [Er ist sich am waschen in dem Bad.] D Peder is in d Badschtubb, eah is sich am weschsa. [Der Peter ist in dem Bad, er ist sich am waschen.] Tabellarisch lässt die das folgendermaßen darstellen: Parameter für Sit. 04.1. Anzahl der Probanden keine Angabe 1 Paraphrase 5 am+V Inf (wescha ohne sich) 9 am + sich+ V Inf (am sich wescha) 7 sich +am+ V Inf (sich am wescha) 18 Insgesamt 40 Tab. 10: Reflexiva und am-Progressiv in Sit. 04.1. Bei Sit. 04.1. ist eine ersichtliche Differenz zu der Sit. 02.2. zu erkennen, weil sich hier ein deutlich höherer Anteil der Probanden für eine Trennung vom Refle‐ xivpronomen sich und dem Verbalinfinitiv ausgesprochen hat. Die höhere Ak‐ zeptanz der Ausklammerung von sich aus der Progressiv-Klammer ist auch bei ähnlichen Fällen zu beobachten. Dieses Distributionsmuster ist vor allem mit der syntaktischen Nähe der Partikel zu zum Infinitivstamm in unterschiedlichen Infinitivkonstruktionen vergleichbar: 138 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (231) (232) (233) (234) (235) Sich mit seinem Chef Egon zu versöhnen , ist nervenschonend. Um sich auf die Disputation zu konzentrieren , muss Egon auch Dehnü‐ bungen machen. Egon ging, ohne sich von Martha zu verabschieden . Anstatt sich zu bemühen, googelt Egon nur herum. Die aufgeführten Beispiele haben gezeigt, dass es bei Infinitivkonstruktionen mit Reflexiva eine syntaktische Null-Toleranz-Grenze gibt bzw. dass die Infini‐ tivpartikel zu immer unmittelbar neben dem Verbalinfinitiv stehen muss und keine Einfügungen von anderen syntaktischen Gliedern erlaubt (Sich zu * schnell versöhnen, ist nervenschonend./ Um sich zu * gut konzentrieren, muss man auch Dehnübungen machen etc.). Der Wortabstand zwischen der Partikel zu und dem Infinitivstamm beträgt in allen Fällen also 0 (Null). Ähnlich ist auch der Wort‐ abstand bei der Verbindung von Reflexivverben mit am-Progressiv-Konstruk‐ tionen, was den Schluss auf eine Abschwächung der präpositionalen Funktion von am zulässt und zugleich den Stellenwert von am als weitere Infinitivpartikel stärken würde. Wie bei den Infinitivkonstruktionen mit zu zeichnet sich auch bei den angeführten am-Progressiv-Konstruktionen eine unmittelbare syntak‐ tische Nähe von am zu dem Infinitivstamm als der präferierte und frequentere Gebrauch beim Auftreten mit Reflexivverben ab. Zu der ebenfalls belegten Möglichkeit am+sich+V Inf kann als Erklärung hinzugefügt werden, dass es sich hierbei, wie auch bei den trennbaren Verbzusätzen, um eine Übertragung eines produktiven Wortbildungsmusters handelt (vgl. R EIMANN 1996: 173). Beispiele für einen Zusammenschluss von Reflexivpronomen und Infinitivstamm sind möglich, allerdings bei Nominalisierungen oder Infinitivkonversionen, wie fol‐ gende Beispiele belegen: Bestochen hat mich an ihm von Anfang an zweierlei: erstens […] …; zwei‐ tens sein totales Sicheinlasen auf den Gegenstand. (aus R E I M A N N 1996: 172) Substantivische Wortgruppen mit sich in folgenden Sätzen wie Dein Verhalten ist zum Sichaufregen oder Das Sichwohlfühlen beginnt im Kopf oder Sein ständiges Sichentschuldigen machte alles nur noch schlimmer sind im StD sicherlich mög‐ lich aber eher unwahrscheinlich. Sie gelten im Gebrauch als markiert und als ad-hoc-Bildungen (F L E I S CHE R / B AR Z 2012: 48 und 175), zumal diese Wortbildung für Substantive nicht als üblich anzusehen ist, ohne den Verwendungszusam‐ menhang zu kennen. Auch Prägungen wie Sich-ins-Bett-legen oder das Sichimmer-richtig-verhalten-wollen sind im StD sicherlich als Beispiele möglich, fallen aber in der Kategorisierung unter Konversionen von Wortgruppen (F L EI‐ 139 6.4. Reflexiva und der am-Progressiv (236) (237) (238) (239) S CHE R / B AR Z 2012: 122 und 213). Die hierdurch gewonnenen Kompositionen sind definitiv als Substantive einzuordnen. Solche Nominalisierungen mit einer Er‐ weiterung des Stammlexems durch eingefügte Elemente sind im PeD nach meinem Kenntnisstand nicht belegt. 6.4.1. Reflexiva und am-Progressiv im StD Um den Bezug zur deutschen Standardsprache herzustellen und Vergleiche zu den oben eruierten Beispielen darzustellen, sollten folgende Sätze aus dem C O S MA S -Korpus kurz analysiert werden. Die wenigen Beispiele (4 von 360), die eine Kookkurrenz von Reflexivverben und am-Progressiven belegen, zeigen eindeutig, dass auch hier die präpositionale Fügung am in unmittelbarer Nähe zum Verbalinfinitiv steht und eine Ausklammerung von sich vorliegt: MOGELSBERG. «Nein, in den Saal darf noch niemand, Dimitri ist sich am Vorbereiten, er ist am Meditieren», heisst es. Käthi Keller, die Präsidentin des Kulturvereins, hat rote Backen und schaut überall zum Rechten … (A12/ MAR.11946 St. Galler Tagblatt, 26.03.2012. S. 38; Meister Dimitri in Mogelsberg) … […] doch das CO2 ist sich am Vermehren. (A08/ MAR.09015 St. Galler Tagblatt, 22.03.2008. S. 50; «Auf dass die Welt nicht un‐ tergehe») Das Berufsbild des Journalisten ist sich am Wandeln. Gefragt ist heute die Verbindung der narrativen Kompetenz im Schreiben respektive Visuali‐ sieren und im Ton mit der Fähigkeit, die Sachen auch technisch vor allem im Internet platzieren zu können. (SOZ13/ MAI.01056 Die Südostschweiz, 06.05.2013. S. 4; «Studierende lernen eine neue Kulturtechnik) Die traditionellen Formen wie, ‚Wir machen eine Kaffeefahrt ins Wispertal’ sind sich am Verbrauchen", hieß es. (R99/ JAN.07169 Frankfurter Rundschau, 28.01.1999. S. 1.) Dies würde wiederum die von mir angenommene These stützen, dass sich am in den Progressivkonstruktionen syntaktisch ähnlich wie zu in Infinitivkon‐ struktionen verhält, der Wortabstand zum Verlaufsinfinitiv hier immer 0 (Null) beträgt und dass das sich in Ausklammerungen nicht als Teil der Progressiv-Klammer im engeren Sinne empfunden wird. 6.4.2. Zusammenfassung zu den Reflexiva und dem am-Progressiv Grundsätzlich sind im Zusammenhang mit den Reflexiva und mit am-Pro- 140 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (240) (241) gressiv-Konstruktionen zwei Bemerkungen festzuhalten. Erstens ist aus den dargestellten Daten ersichtlich geworden, dass es im PeD generell möglich ist, auf eine reflexive Verbalsituation mit einem am-Progressiv zu antworten. Diese Antwort wurde etwa 32 Mal gewählt, und unter Berücksichtigung der Prozent‐ werte haben 40 % der Sprecher diese Antwort gegeben. Zweitens sieht man auch deutlich, dass es hierzu sogar zwei Distributionsmuster als parallel vorkom‐ mende Alternativen gibt. Meinen Berechnungen zufolge ist die Variante mit der Vorverlegung der Reflexivpartikel sich vor die präpositionale Fügung am und den Verlaufsinfinitiv die häufigere Variante. Für diese Ausklammerung haben sich 27.5 % der Probanden entschieden. Die Einfügung von sich innerhalb der am-Progressiv-Klammer haben hingegen nur 10.5 % gewählt. Dies könnte damit zu begründen sein, dass es nicht üblich ist, das Reflexivpronomen sich mit dem Verlaufsinfinitiv als einheitliche Form wahrzunehmen. Ähnlich kommentiert auch B U R R IDG E Sätze wie: (? ) Sie is am sich richte fer ins Versammling geh. [She is getting herself ready to go to church.] (Beispiel und Übersetzung aus B U R R I D G E 1992: 213) welche auch nach Aussagen der Sprecher seltsam klingen, wohl aber immer öfter zu hören sind. Die höhere Akzeptanz des Distributionsmusters sich+am +V Inf im PeD ist wohl mit der Nicht-Inkorporierbarkeit von sich in die Infinitiv‐ form eines Hauptverbs in am-Progressiv-Konstruktionen zu erklären. Auch die Unvereinbarkeit von Personalpronomina mit dem Verbalinfinitiv wie auch von direkten Objekten als Eigennamen bauen sich hier als ein entscheidendes morpho-syntaktisches Hindernis auf: * Er ist am Dschan bsucha. oder * Er ist am ihn bsucha. [ * Er ist am John besuchen. oder * Er ist am ihn besuchen.] und erklären meiner Ansicht nach die Präferenz für die Ausklammerung des Reflexivpronomens sich außerhalb der Progressiv-Klammer. 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv Die progressive und die habituelle Lesart sind zwei Perspektiven der Kategori‐ sierung von Verbalgeschehen, daher werden sie oft auch als progressiver oder habitueller Aspekt bezeichnet. Unter dem Begriff progressiver Aspekt wird ver‐ standen, dass eine Verbalsituation in ihrem Verlauf dargestellt wird, also das 141 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv Verhältnis der Verbalsituation zu ihrem inneren Limit in Bezug auf die mittlere Phase eines Ereignisses, ohne dessen Beginn oder Ende einzubeziehen. Der habituelle Aspekt ist wiederum ein Ausdruck des wiederholten, in einem bestimmten Sinne typischen Handelns in einer Verbalsituation, wobei das Bild eines Habitus, d. h. einer Gewohnheit entsteht. Der habituelle Aspekt stellt ein kumulatives Prädikat von mehreren Zeitintervallen dar und somit eröffnet sich ein Bezug auf eine über einen längeren Zeitraum ausgedehnte Handlung oder auf Abschnitte von Handlungen derselben Art oder auf einen Zustand. Diese geben gewohnheitsmäßige Verhalten oder Umgangsformen, zeitlich unspezifi‐ zierte aber typische Handlungen einer Person wieder (G LÜCK , 2000: 265). Für C OMR I E gibt es eine essenzielle Eigenschaft für die habituellen Verbalsituationen, nämlich: The feature that is common to all habituals, whether or not they are also iterative, is that they describe a situation which is characteristic of an extended period of time, so extended in fact that the situation referred to is viewed not as an incidental property of the moment but, precisely, as a characteristic feature of a whole period. (C O M R I E 1976: 29) Somit sind die Merkmale habituell und progressiv als zwei Sichtweisen eines Konzeptes anzusehen, welches es ermöglicht, die Imperfektivität oder die in‐ terne Perspektive eines Verbalgeschehens als Ganzes auszudrücken. Dies bildet sicherlich auch die wichtigste Gemeinsamkeit von progressivem und habitu‐ ellem Aspekt, welche auf derselben Seite einer paradigmatischen Konzeptuali‐ sierung des Verbalaspekts stehen. Daraus kann man folglich auch die Haupt‐ funktion dieser beiden Aspektperspektiven erschließen, nämlich eine Handlung in ihrem Verlauf darzustellen, also als Prozess und nicht als Ergebnis, wobei der Anfangsbzw. Endpunkt der Handlung ausgeblendet wird. Hier wirft sich berechtigt die Frage auf, worin der aspektuelle Unterschied einer habituellen und progressiven Lesart besteht. Da es weder im PeD noch im StD eine grammatikalisch definierte, obligatorische Verbalkategorie gibt, die eine Trennung über morphologische Merkmale zulassen würde, muss die Trennlinie zwischen aspektuell und habituell über lexikalische Mittel zu einer präziseren Darstellung der außersprachlichen Wirklichkeit führen. Auch L E I S S verweist auf die nicht immer einfach zu trennenden Erklärungen dieser Termini, was in der Literatur oft für terminologische Verwirrung gesorgt hat (L E I S S 1992: 45). Die oben beschriebenen Lesarten sind häufig abhängig von der Verbklasse, wie sie etwa V E NDL E R (1957: 146) definiert. Eine interessante Frage in Bezug auf meine Erhebungen wäre, ob sich Verben aus diesen Verbklassen auch mit 142 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 26 Die V E N D L E R sche Verbklasse states wird hier bewusst ausgeklammert, da nach Über‐ einstimmung vieler Autoren diese Verbklasse nicht oder nur in wenigen Ausnahmen mit am-Progressiven kombinierbar ist (etwa schlafen etc.). Stative Verben sind Prädikate von Zuständen und sie sind bereits divisiv und denotieren einen zeitunabhängigen Zu‐ stand, das macht eine Kombination mit am- Progressiv überflüssig (vgl. dazu R E I M A N N 1996; K R A U S E 2002; O T T O 2012). a) b) c) am-Progressiv kombinieren lassen und zugleich eine habituelle Bedeutung auf‐ weisen. Als Beispiel dienen folgende drei Mustersätze 26 : Egon niest. [achievement] Egon trinkt. [activity] und Egon malt. [accomplishment] Das Verb niesen zählt zu V E NDL E R S achievements, ist also eine Verbalsituation, die ein punktuelles Ereignis mit Endphase beschreibt, und daher stellt sie ein eher nicht-progressivierbares Ereignis dar. Ein Satz wie Egon ist am niesen [habi‐ tuell] wäre daher nur dann als habituell zu interpretieren, wenn diese punktuelle Verbhandlung unter bestimmten Umständen (z. B. Hintergrundwissen: Egon hat sich erkältet) als im Verlauf dargestellt werden muss, etwa wie Egon ist [wegen seiner Erkältung schon den ganzen Vormittag] am niesen. Du hörst es ja selber! Bei dem Beispiel von trinken, nach V E NDL E R eine activity und somit eine Verbalsituation, die ein duratives Ereignis ohne Endphase beschreibt, wäre die Progressivierbarkeit am höchsten (K RAU S E 2002: 186). Eine Re-Interpretation von activities als habituell, wie im Satz Egon ist am trinken, ist möglich, aber nicht ohne einen Präkontext, etwa Egon hatte schon mal vor zehn Jahren mit dem Alkohol aufgehört. Er ist jetzt wieder am trinken. Auch die Art der adverbialen Modifikation kann die Perspektivierung beeinflussen (Egon ist montags immer am trinken/ singen/ staubsaugen etc.). Die Möglichkeit accomplishment-Verben im habituellen Aspekt zu interpre‐ tieren ist ebenfalls möglich, aber geringer als bei activities (K RAU S E 2002: 210). Bei dem Satz Egon malt wird ein allmählicher Zustandswechsel mit einem teli‐ schen Ergebnis dargestellt. Der Satz Egon ist am malen erlaubt insofern eine habituelle Lesart, dass man die Ausdehnung des Verbgeschehens unterbrechen kann und die Handlung als kumulatives Prädikat nach einer Pause wieder auf‐ nehmen kann. Das ist der in accomplishments zugrunde liegenden Ausdehnung des Verbalgeschehens zu verdanken. Ein Verb wie malen impliziert also eine gewisse Dauer und Wiederholung der Handlungskomponenten. Mit temporalen Adverbien wird die Habitualität noch intensiviert, etwa Egon ist immer/ dienstags am malen. Eine zielführende Untersuchung hierzu mit einer fundierten C O S MA S -Recherche, die sich detailliert auf die V ENDL E R -Verbklassen bezieht und 143 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv diatopische Spezifika aufweist, ist die online publizierte Master-Arbeit von O TTO . Sie kommt zu dem Schluss, dass die habituelle Lesart bei activities am häufigsten zutrifft: Die progressive Lesart („Bei unserem Besuch waren die Gruppen gerade am Basteln.“) tritt diesen Ergebnissen zufolge am häufigsten auf. Mit deutlichem Abstand auf die habituelle Lesart („«Badi», wie er von seinen Bekannten gerufen wird, spielt in der Freizeit Orgel und ist regelmäßig in der Natur am Laufen.), die wiederum mit deutlichem Ab‐ stand der iterativen Lesart („"Ich werde in der Formel 1 aufhören, wenn ich am Gewinnen bin, nicht am Verlieren", sagte er.) vorausgeht. (O T T O 2012: 46.Hervorhebung i. O.) Auch K RAU S E (2002: 180) widmet sich einer Kontrastivierung der Progressiv- Konstruktionen und der Verbklassen und kommt bezüglich der Kombinierbar‐ keit von am-Progressiven und den Verbklassen zu dem Schluss: Die am-Kon‐ struktionen lassen sich am besten (knapp 60 % aller Belege) mit activities kom‐ binieren, da die schon erwähnten Merkmalskombinationen für die Darstellung der internen Perspektive einer Verbalsituation vorhanden sind. Accomplish‐ ments schneiden bei der Kombinierbarkeit mit Progressiven schlechter ab (etwa 11 % der Belege von K RAU S E 2002: 210) und das liegt zweifelsohne an der in den Verben inbegriffenen Endphase oder an dem vorausgesetzten Ergebnis von sol‐ chen telischen Verben. Dies überträgt sich auch bei der Kombinierbarkeit mit Habitualität. Bei den achievements ist die Anzahl der mit am-Progressiven ge‐ bildeten Beispiele auch gering (20 %, K RAU S E 2002: 228). Dies ist dadurch zu begründen, dass die punktuellen Handlungen, bei denen oft Anfang und Ende zusammenfallen, schwer im Verlauf vorstellbar sind und ebenso auch nicht ohne weiteres Habitualität kodieren können. Der habituelle Aspekt zeichnet sich also durch einige spezifische Merkmale oder Spezifikationen aus, die man durch un‐ terschiedliche Tests entweder bestätigen oder widerlegen kann, und dadurch lässt sich die Habitualität dieser Lesart ermitteln (C OMR I E 1976: 25; K RAU S E 2002: 180). Die Darstellung der Imperfektivität ist sicherlich die markanteste Eigenschaft und zugleich die intentionale Funktion des habituellen Aspekts, indem eine Verbalhandlung als unabgeschlossen dargestellt wird. Die Durativität oder Kon‐ tinuität der Verbhandlung drückt somit eine der wichtigsten Komponenten des habituellen Aspekts aus. Weiterhin wird die im Verb ausgedrückte Handlung fokussiert, indem man die Handlung als Ganzes darstellt. Diese Funktion des Fokussierens umrahmt die Handlung des Verbes und verdeutlicht deren Pro‐ zessualität oder deren Verlauf, ohne die Anfangs- oder Endphase zu betonen oder ein potenzielles Ergebnis zu unterstreichen. 144 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Schon V E R KU Y L (1972) machte darauf aufmerksam, dass rektionsbedingte Er‐ gänzungen die Aspektklasse eines Verbs beeinflussen können. Dies betrifft auch die sog. Telizität. Der Begriff entstammt dem griechischen Wort τέλος (télos; Ziel, Ende, Zweck) und wurde durch A R I S TOT E L E S etabliert, indem er von zwei unterschiedlichen Handlungstypen ausgeht: Verben mit einem Grenzbezug in ihrer Semantik (telisch, lernen) und solche, die keine Begrenzung haben und daher bereits vollendet sind, nachdem sie begonnen haben (atelisch, wissen). Daher ist die Definition der (A)Telizität eine Art Erklärung der Relation zwi‐ schen dem Verb und seinen Objekten (u. a. K R I F KA : 1989). Diese Relation beruht nämlich auf zwei Faktoren; einerseits auf der Bedeutung des Vollverbs und an‐ dererseits auf der nominalen Ergänzung zum Verb. Diese Verbindung erweist sich auch bei der Definierung von Habitualität als wichtig, zumal in der Ateli‐ zität eine weitere Spezifikation des habituellen Aspekts gesehen werden kann. Die Unterscheidung telisch vs. atelisch kann mithilfe des logischen Endpunktes beschrieben werden. Eine Verbalsituation ist als atelisch interpretierbar, wenn sie keinen natürlichen Endpunkt impliziert, wie etwa Egon raucht/ Adelheid singt (atelisch). Eine solche Aktivität weist keine inhärente Grenze auf oder keinen Endpunkt des Geschehens. Als telisch interpretierbar sind hingegen die Verbal‐ situationen, die einen solchen Punkt als Begrenzungspunkt implizieren wie etwa Egon raucht eine Zigarette/ Adelheid singt ein Ständchen (telisch). Für den habituellen Aspekt ist genau diese Komponente der Atelizität wichtig, weil man sich dadurch von einem konkreten und einmaligen Ereignis entfernt und auf ein usuelles, aus der Gewohnheit entspringendes Ereignis re‐ feriert. Sobald lexikalische Mittel eingesetzt werden, wie adverbiale Modifika‐ tionen, ist die habituelle Lesart noch deutlicher, wie etwa Egon raucht immer/ Adelheid singt ständig. K RAU S E (2002: 73) nennt in Anlehnung an B E R TIN E TTO (1986: 140) eine weitere grundlegende Eigenschaft, welche neben der bereits genannten Imperfektivität der Verbalhandlung und der Fokussierung sicherlich für den habituellen Aspekt charakteristisch sein dürfte, und das ist die implizierte Regelmäßigkeit oder Wiederholbarkeit der durch das Verb ausgedrückten Prozesse. Der Unterschied, der womöglich diese zwei nicht immer leicht zu trennenden Perspektivierungs‐ ansätze darstellbar macht, ist die semelfaktivische Komponente des progressiven Aspekts, die bei der habituellen Lesart fehlt. Dies bedeutet, dass die Handlung in der Verbalsituation nur einmal beschrieben wird und sich nur ein einziges Mal vollzieht. Das Geschehen wird in einen einmalig existierenden Situations‐ rahmen gespannt und der Fokus der Verbaussage beschränkt sich dabei auf diese spezifische, im Satz beschriebene außersprachliche Begebenheit, obgleich sich die konkrete Handlung in gleicher oder ähnlicher Weise natürlich noch öfter 145 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv wiederholen kann. Bei dem habituellen Aspekt ist dies nicht möglich, weil man von einer Verbalhandlung ausgeht, die sich innerhalb der Zeitstruktur oft oder unzählige Male wiederholt. So ist im Satz Als die Polizei kam, war Egon am schlafen ein einmaliger Situationsrahmen geschaffen und die am-Konstruktion bekommt einen progressiven Charakter. Die Situation im Satz Egon war nach‐ mittags am schlafen ist mit großer Wahrscheinlichkeit wiederholbar und un‐ spezifisch, daher stellt diese Situation eine Gewohnheit dar und nimmt den ha‐ bituellen Charakter an. Folgende Beispiele im Englischen, die C OMR I E (1976: 25 und 30) nennt, können diesen Situationsrahmen und die progressive und habituelle Lesart für das Eng‐ lische verdeutlichen. Im Englischen gibt es für die Vergangenheitsformen bei‐ spielsweis einen habitual aspect wie John used to work here und einen progressive aspect wie in John was working when I entered. Im Gegensatz dazu kann man im Englischen aber auch nicht progressive Formen (-ing) benutzen, um eine gewisse progressivity oder continuousness auszudrücken, die aber nicht zugleich Iterati‐ vität erzeugt, wie in The Big Ben stands in London. Zu der atemporalen Lesart trägt bei, dass die Verbhandlung nie unterbrochen wurde und somit der Satz eine immerwährende Gültigkeit bekommt. Diese Formen des habituellen und progressiven Aspekts können sogar kombiniert werden, wie die folgenden Bei‐ spiele C OMR I E s belegen: (a) When I visited John, he used to be reciting his latest poems. (nur progressive Bedeutung) und (b) When I visited John, he used to recite his latest poems. (nur habituelle Bedeutung). Der Satz (a) gibt wieder, dass John zum Zeitpunkt des Besuchs schon mit dem Rezitieren angefangen hatte, wäh‐ rend (b) suggeriert, dass John bei der Ankunft erst angefangen habe, die Gedichte aufzusagen. Meines Erachtens gibt es noch ein weiteres markantes Merkmal, welches dem habituellen Aspekt zu Grunde liegen muss, nämlich die Erwartbarkeit einer Handlung. Ohne diese weitere Spezifikation ergeben sich Verständnisprobleme. Im Deutschen sind der Hintergrundkontext, die adverbiale Modifikation und das Tempus maßgeblich an dieser Perspektivierung beteiligt. Um die Habitua‐ lität von der Progressivität bei einer Verbalhandlung zu differieren, sind daher zwei Faktoren - neben den bereits genannten Eigenschaften - aus der außer‐ sprachlichen Wirklichkeit zu berücksichtigen. Einerseits muss man bei Sätzen wie Egon ist am rauchen/ Egon raucht/ Egon raucht gerade/ Egon tut rauchen über ein gewisses Hintergrundwissen verfügen und kontextuelle Informationen haben, um diese Sätze interpretieren zu können (Wer ist Egon? Was macht Egon normalerweise? Warum? etc.). Anderseits muss auch eine gewisse Erwartbarkeit einer usuellen Handlung aus diesem Hintergrundwissen ableitbar sein, welche den Schluss erlaubt, dass die im Verb ausgedrückte Handlung etwas Habituelles, 146 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (A) (B) (242) (243) (244) Usuelles, für die bekannten Begleitumstände etwas Erwartbares ausdrückt. Dies ist sowohl im PeD wie auch im StD nicht mit morphologischen Endungen son‐ dern nur mit Hintergrundinformationen oder mit anderen adverbialen Modifi‐ kationen möglich. Ohne die adverbiale Modifikation sind zwei Lesarten (A und B) von demselben Verb kochen im folgenden Satz möglich: Als Eugenia kam, kochte Egon einen Tee. [habituell, „immer wenn sie zu ihm kam“] Als Eugenia kam, kochte Egon einen Tee. [progressiv, Inzidenzschema, „als sie das Zimmer betrat“] Schließlich wird diese Hypothese der Erwartbarkeit vor allem dann deutlich, wenn es um technische Hintergründe geht oder um die Überprüfbarkeit der Funktionalität von technischen Abläufen und elektronischen Geräten. Bei diesen Abläufen wird eben eine starke Planbarkeit und Usualität vorausgesetzt, sonst würden diese Geräte nicht ihre Zuverlässigkeit und Produktivitätsnormen erfüllen. Von Motoren erwartet man beispielsweise, dass sie laufen oder von Autos, dass sie fahren, oder von Druckern, dass sie drucken etc. So müsste man Sätze wie er Der Motor läuft/ tut nicht mehr oder das Auto läuft/ tut nicht mehr oder Der Drucker läuft/ tut nicht mehr als usuell oder habituell interpretieren, da durch die außenstehende Realität oder das Weltwissen bekannt ist, dass mit der oben gezeigten Ausdruckweise die Funktionalität dieser erwartbaren Abläufe nicht mehr gewährleistet ist. Wenn man nun diese planbare Funktionalität von technischen Abläufen auf belebte, agensfähige Subjekte überträgt, dann muss man eine neue Spezifikation einführen, wie eben Erwartbarkeit. Demzufolge implizieren Sätze wie Der Hund tut dir nichts oder Egon tut rauchen eine gewisse Erfüllung oder Nichterfüllung von Erwartungen aus einem bekannten Präkontext oder dem allgemeinen Welt‐ wissen. In diesem Fall beispielsweise die Tatsache, dass man von Hunden weiß, dass sie oft auf einen springen oder jemanden anbellen oder sogar beißen. Bei Egon wäre dieser Präkontext etwa, dass er beispielsweise ein starker Raucher ist und um die Mittagszeit gewöhnlich raucht. Diese Erwartbarkeit ist mit der am-Progressiv-Konstruktion nur selten vereinbar, jedoch aber mit tun-Peri‐ phrasen, welche die Funktion einer habituellen Lesart leichter evozieren können: Der Drucker ist am drucken, warte noch eine Minute. [progressiv] Der Hund ist am bellen, geht doch schauen, wer da kommt. [progressiv] Egon ist am rauchen, er ist im Hinterhof. [progressiv] 147 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (245) (246) (247) (248) Die am-Beispiele lassen eher die Interpretation zu, dass sich diese Ereignisse in dem Moment der Sprechzeit zutragen und deuten nicht auf eine habituelle Lesart. Beachten wir nun folgende Sätze: Der Drucker tut drucken. [progressiv & habituell] Der Hund tut bei Nebel bellen, schon seit immer! [habituell] Der alte Schmidt tut rauchen, schon 70 Jahre. [habituell] (vgl. *? Egon ist am rauchen, schon 50 Jahre.) Die tun-Beispiele dagegen vermitteln eine - wenn auch oft regional gefärbte und normativ stark eingeschränkte - wiederkehrende Usualität. Schließlich ist der Unterschied zwischen dem habituellen und progressiven Gebrauch von am-Konstruktionen wie Egon ist am rauchen oder Egon ist am kopieren auch in der Semantik des Verbes zu suchen, da rauchen eine gewisse Regelhaftigkeit und Wiederholung voraussetzt und diese wiederum zu einer Erwartbarkeit führen, welche als aspektuelle Atelizität messbar ist. Bei kopieren hingegen fehlt der Bezug zu diesen Spezifikationen wie Regelhaftigkeit oder Wiederholung, was schließlich zu einer „neutraleren“ Lesart führt, nämlich zu einer progressiven, Egon ist [gerade] am kopieren. Auch der folgende Perspektivenwechsel sollte hilfreich sein, diese Trennlinie zwischen habituell und progressiv-durativ zu markieren. Man stelle sich zwei Gesprächspartner vor, die in einer Unterhaltung sind. Ein Teilnehmer fragt während des Gesprächs sein Gegenüber, ob er ein Raucher ist, d. h. die Ge‐ wohnheit hat, zu rauchen. Dies wäre nur mit Fragen wie Tust du rauchen? oder Rauchst du? möglich, da er sein Gegenüber ja sieht und nicht fragen muss, ob dieser momentan (progressiv-durativ) raucht. Eine Frage wie * Bist du am rau‐ chen? wäre hier meines Erachtens nicht möglich und unlogisch. Eine ähnliche Begründung wäre im PeD in dem Satz: Ich duh net Fisch gleiche. [I really don’t like fish] zu finden, anhand dessen B U R R IGD E (1992: 218) zeigt, dass die Lesart dieses Satzes von ihren interviewten Sprechern als habituell-iterativ gewertet wurde. Dies‐ bezüglich kann also festgehalten werden, dass der Ausdruck der Habitualität bei einem Verb sozusagen immer möglich ist, solange dieser mit anderen lexikali‐ schen Spezifikationen des Verbs selbst übereinstimmt, wie C OMR I E dies postu‐ liert: … […] it follows that habituality is in principle combinable with various other semantic aspectual values, namely those appropriate to the kind of situation that is prolonged or iterated. If the formal structure of the language permits combination of the overt 148 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (249) (250) (251) markers of these various semantic aspectual values, then we can have forms that give overt expression both to habituality and to some other aspectual value. (C O M R I E 1976: 33) Durch die kurz geschilderten Erläuterungen und angeführten Beispiele ist klar geworden, dass es keineswegs einfach und unproblematisch ist, eine „saubere“ Trennung zwischen dem habituellen und progressiven Aspekt zu ziehen, trotz der oben beschriebenen Spezifikationen und der definierten Verbklassen. Ein Hinweis für die Diversifizierung in Form von Hintergrundwissen aus der au‐ ßersprachlichen Realität bleibt sowohl für das PeD wie auch für das StD immer noch unabdingbar. 6.5.1. Diversifizierung von habituell und progressiv im PeD In den Sit. 02.5., 03.01. und 03.02. geht es um den Vergleich, ob und wie im PeD der am-Progressiv oder die duhn/ tun-Periphrase bevorzugt benutzt wird. Der Fokus fällt dabei auf die Substituierbarkeit von duhn-Ausdrücken durch am-Konstruktionen, wobei nicht nur die Frequenz der beiden Ausdruckmittel gemessen werden soll, sondern auch die Möglichkeit zwischen einer progres‐ siven und habituellen Lesart zu unterscheiden. Die Sit. 02.5. hat als Ziel die Habitualität der PeD-Aussagen zu testen, indem eine Antwort darauf gegeben werden sollte, was üblicherweise sonntags am Nachmittag gemacht wird. Durch dieses Schema werden die Interviewten dazu motiviert, sich über ihre Gewohnheiten spontan zu äußern. Die Ergebnisse zeigen, dass als Lösungsmöglichkeiten drei Alternativen gewählt wurden. Erwartungsgemäß wurde oft eine Präsens-Paraphrase gewählt, mit der man im PeD und auch im StD am einfachsten eine Usualität ausdrücken kann, wenn die Begleitumstände bekannt sind, wie beispielsweise durch eine detaillierte Beschreibung der Situation. So haben sich 11 Personen (27 %) für diese Variante entschieden, wie die Beispiele zeigen: Alle Sundaag gehne ich in di Karrich. [ Jeden Sonntag gehe ich in die Kirche.] Ich ruf zwee fon mein Freind, eins in Nazareth und d anna in Bethlehem. Ich ruf sie all Nahmidaag. [Ich rufe zwei von meinen Freunden (an), einen in Nazareth und den andern in Be‐ thelem.Ich rufe sie jeden Nachmittag (an).] Emol s wennich rumloofa, fartgeha, whatsever … [Manchmal ein bisschen spazieren, fortgehen oder ähnliches …] 149 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (252) (253) Hier wird durch das atemporale Präsens (H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 86.), durch die Kombination mit dem Pronomen (alle) oder dem Temporaladverb (eemol) als Intensifikator nochmal gezeigt, dass es um eine geplante, nicht im zeitlichen Kontext stehende und gewohnheitsmäßige Handlung geht. Die Mehrheit der Sprecher hat in diesem Falle den Gebrauch vom am-Progressiv präferiert und sich dafür entschieden, Usualität mit der am-Progressiv-Konstruktion auszu‐ drücken (21 Sprecher bzw. 52 %). Betrachtet man die Lexik, die in den Antworten gewählt wurde, kommt man zu dem Schluss, dass sich hauptsächlich zwei Verbklassen mit am-Konstruktionen verbinden lassen: Verben in Sit. 02.5. / Verbklasse/ Anzahl bsucha [activity] (3) Arewet macha/ schaffa [accom‐ plishment] (2) denga [activity] (2) redya/ ready macha fer Essa [acti‐ vity] (1) duhna [activity] (2) ruha [activity] (2) essa [activity] (2) schloofa [activity] (4) heim kumma [accomplishment] (1) schwimma [activity] (1) Zeiding lesa [accomplishment] (1) Tab. 11: Distribution der Verbklassen (V E N D L E R 1957) Folgende Beispielsätze mit am-Progressiven wurden zusätzlich noch mit Ad‐ verbien modifiziert: Oft di Zeit am Sunndaag Nommidaag um fieh Uhr sind ebbas ’m bsucha ….visitng. [Zu der Zeit am Sonntag am Nachmittag um vier Uhr sind wir jemanden am besu‐ chen …] Sonndaags Nochmiddaag sind ma ’m Widdweiba bsucha. [Sonntags am Nachmittag sind wir Witwen am besuchen.] Durch die Phrasen wie die meischt Zeit, oft di Zeit oder sunndaags wirkt die Regelhaftigkeit oder Erwartbarkeit einer habituellen Handlung noch betonter, was im StD jederzeit auch möglich ist, etwa in Sonntags gehe ich in die Kirche. Als eine weitere Möglichkeit habituelle Handlungen zu zeigen, dient sowohl im PeD wie auch im StD das Verb duhn [dt. tun]. Für eine duhn-Paraphrase haben sich in Sit. 02.5. nur 7 (17 %) Personen entschieden, was im Vergleich zu den am-Paraphrasen nur ein Drittel ist: 150 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (254) (255) (256) (257) (258) (259) (260) Mer dehn heem kumma un Pop-Korn essa … von der Gmeea. [Wir kommen nach Hause von der Gemeinde und essen Pop-Korn.] Alsemol am Sunndaag duhn ich Guckbox watscha. [Normalerweise tue ich am Sonntag Fernsehen gucken.] Sunndaags, so rum vier Uhr, duhn ich velleicht en bissl schloofa. [Sonntags, so gegen vier Uhr, tue ich vielleicht ein bisschen schlafen.] Abb. 22: Darstellung von Habitualität in Sit. 02.5. Noch eindeutiger fällt das Ergebnis zur Situation 03.1. aus, in der die Sprecher eine usuelle Situation aus dem Alltag nachempfinden sollen. Die Kinder spielen zu laut und sollen von einer Person ermahnt werden, leiser zu sein, weil der Großvater (Grossoody) zu dieser Zeit normalerweise seinen Mittagsschlaf hält. Es haben nur 6 Personen (15 %) eine Paraphrase ohne am-Progressiv gewählt und hierzu wurde schloofa entweder im Präsens oder mit will (wella) verwendet, wie etwa: D Granpap schlooft, dihr missat net so laut schpiela! [Der Großvater schläft, ihr dürft (engl. must >dt. dürfen) nicht so laut spielen.] Junga, seid mal a wennich ruhig, d Alde will schloofa. [ Jungs, seid mal ein wenig ruhig, der Alte will schlafen.] Andererseits haben sich 34 Personen (85 %) für eine Progressivierung des ate‐ lischen Verbs schloofa entschieden. Im englischen Signalsatz zu der Aufgabe wurde mit dem englischen present simple tense eine neutrale Ausgangssituation geschaffen, um die Sprecher nicht mit einer Progressiv-Konstruktion zu beein‐ flussen (sog. priming, dazu Riehl 2004: 48). Kinna, seid mal ruhich, d Granpap is am schloofa. [Kinder, seid mal ruhig, der Großvater ist am schlafen.] Du saagscht dihna fer quiet sei, because d Grandpa is am schloffa. 151 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (261) [Du sagst ihnen, dass sie ruhig sein sollen, weil der Großvater am schlafen ist.] Zu den eindeutigen Ergebnissen kann man einerseits sagen, dass sie sicherlich die These bestätigen, dass man den habituellen Aspekt auch mit am-Konstruk‐ tionen realisieren kann, wenn die Hintergrundinformationen und die Verbse‐ mantik dies ermöglichen, wie schon oben erklärt wurde. Zum anderen mag die hohe Akzeptanz von am-Formen auch daran liegen, dass diese Situation nicht zweifelsfrei von der progressiven Lesart getrennt werden kann. Hier fallen der progressive und habituelle Aspekt zusammen und die am-Konstruktion ermög‐ licht beide Lesearten, ähnlich wie in Kinder seid ruhig, [ihr wisst doch], Opa ist am schlafen! Ein etwas balancierteres Verhältnis ist bei Sit.03.2. zu erkennen, da sich die Beteiligten hier zwar mehrheitlich für eine am-Progressiv-Konstruktion ausge‐ sprochen haben, um einen habituellen Aspekt darzustellen, aber die Paraphrase „ohne am-Konstruktion“ ist auch stark vertreten. Abb. 23: Darstellung von Habitualität in Sit. 03.2. Hier sollte eine alltägliche, sich wiederholende Situation mit habituellem Cha‐ rakter inszeniert werden, nämlich das Aufgehen der Sonne (die Sunn kummt uff), das morgendliche Krähen eines Hahnes (d Hohan greaht) und das Gacksen oder Gackern der Hühner (di Hinkel gaxa) mit einer Zeitangabe (um Faddl sexe). Der Eingabeimpuls aus dem Englischen erfolgt im present simple tense, nicht nur, um die Atemporalität anzudeuten, sondern um die Sprecher nicht mit der progressive-form (-ing) zu „triggern“. Es haben sich 17 Personen (42 %) für eine durchgehend atemporale Präsensform entschieden, und zwar in allen drei möglichen Verbpositionen: D Sunn kummt uff um Faddl bis sexe,d Hohna greaht ins Hinkelhaus,die Hinkel kackla. 152 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (262) (263) [Die Sonne kommt auf um Viertel bis sechs, der Hahn kräht im Hühnerstall, die Hühner gackeln.] Es is Daaghelling am Faddl bis sexe Hohna greaht und die Hinkl gackla. [Es ist Morgengrauen um Viertel bis sechs, der Hahn kräht und die Hühner gackeln.] Bei den Beispielen mit am-Progressiven gibt es einerseits die meisten Nenn‐ ungen, mit insgesamt 23 Personen (57 %), die sich für eine Progressivierung der Habitualität ausgesprochen haben. Andererseits ist hier auch eine Differenzie‐ rung zu beobachten, denn nicht alle Teilnehmer haben konsequent in allen drei möglichen Fällen tatsächlich auch eine am-Form gewählt. Häufigkeitsmuster der Verben in Sit. 03.2. 1x am+V Inf 2x am+V Inf 3x am+V Inf A scheina/ uffgeha/ uffkumma 0 1 4 B greaha/ kreaha/ greischa 0 9 4 C gaxa/ kackla/ greischa/ gackla 9 1+9 4 Kombinationsmuster 9C 1AC/ 9BC 4ABC Insgesamt 9 10 4 Tab. 12: Häufigkeit der Verbklassen in Sit. 03.2. Interessant ist hierzu zu erwähnen, dass es sich bei allen Kombinationsmustern immer wieder um klare Gruppierungen von Verben nach ihrer Semantik bzw. ihrem Verbalcharakter handelt. So wurden in den Sätzen, in denen der am-Pro‐ gressiv nur einmal benutzt wurde (1x am+V Inf ), immer Verben wie gaxa/ kackla/ greischa benutzt. Diese denotieren wohl am stärksten eine iterative und habi‐ tuelle Handlung. Es wurde also neun Mal die am-Konstruktion mit gaxa gewählt (9c). Bei den Beispielsätzen mit Zweifachnennungen (2 x am+V Inf ) von am-Kon‐ struktionen ist die Kombination von uffgeha und gackla nur einmalig aufge‐ treten: Die Sonn is am uffgeha um Faddl sexe, die Hohna greaht und die Hinkl sind am gackla. [Die Sonne ist am aufgehen um Viertel bis sechs, der Hahn kräht und die Hühner sind am gackeln.] Die Kombination von gackla und graeha kam hingegen neun Mal vor. Auch hier ist die Verbalsemantik sicherlich entscheidend für die Wahl der Progressivier‐ barkeit gewesen: 153 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (264) Die Sunn kummt uff am Faddl bis sexe, d Hohna is an graeha, die Hinkl sind an kackla. [Die Sonne kommt auf um Viertel bis sechs, der Hahn ist am krähen, die Hühner sind am gackeln.] Es scheint sich zu bestätigen, dass die Verben wie graeha und gaxa durch ihre außensprachliche Denotation einen gewissen Grad an Regelmäßigkeit und Wie‐ derholbarkeit implizieren, daher den habituellen Aspekt evozieren und somit die gegenseitige Kombination erleichtern. Bei der Kombination von d Sunn und scheina/ uffkomma hingegen spielt das Hintergrundwissen seine Dominanz völlig aus und erlaubt im Falle Die Sunn kummt uff am Faddl bis sexe ein atemporales Präsens als Ausdruck von einem zeitunabhängigen, sich wieder‐ holenden und allgemeingültigen Ereignis (C OMR I E 1976: 27 und H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 88). Daher wäre hier die Wahl einer am-Progressiv-Konstruktion nicht unmöglich, aber immerhin sehr unüblich. Zusammenfassend kann zur Kookkurrenz von Habitualität und am-Progres‐ siven zweierlei festgehalten werden. Einerseits ist es möglich, wie die erhobenen Daten gezeigt haben, eine habituelle und zeitunabhängige Verbhandlung sowohl mit wie auch ohne am-Progressiv zu kodieren. Bei der Wahl der Verbklassen, welche eine besonders produktive Verbindung mit der Verlaufsform eingehen, sind die Verbsemantik und der den Verben inhärente Verbalcharakter (L E I S S 1992: 42) zweifelsohne erheblich mitverantwortlich. Durch die untersuchten Beispiele aus dem PeD lässt sich eine klare Tendenz erkennen, dass die Ver‐ laufsform auch als Mittel für eine habituelle Lesart gebraucht werden kann. Andererseits ist der Gebrauch von anderen Mitteln zum Ausdruck von Habitualität und Progressivität im PeD wie auch im StD nicht morpho-syntaktisch kodifiziert, daher müssen auch lexikalische Komponenten (wie Verbklasse, Ver‐ balcharakter, Adverbialien) berücksichtigt werden. 6.5.2. Die duhn/ tun-Periphrase und der am-Progressiv Wie schon bei der Fragestellung zum habituellen Aspekt erwähnt wurde, gibt es noch eine im PeD wie auch im StD vorhandene Alternative, um Habitualität auszudrücken, nämlich das Verb duhn (dt. tun). Einerseits ist das Bedeutungs‐ spektrum von dem Verb tun sehr groß, wie Beispielweise das D UD EN -Wörter‐ buch Band. 9 (1998: 3945) die unterschiedlichen Bedeutungsvarianten be‐ schreibt. Als Vollverb hat tun eine ausgeprägte handlungsbezogene Semantik und betont die Ganzheit der im Präkontext genannten Verbhandlung, wie etwa Egon hat alles getan [was man ihm gesagt hat]. Auch die Funktion als Intensifi‐ 154 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (265) (266) kator ist für tun sehr charakteristisch, wie in Emilia tut gerne basteln oder Die Deutschen tun gerne Kartoffeln essen. Weiterhin kann man noch, wie E R B EN (1969: 49), durch tun eine Art Wiederholungsfunktion definieren oder die Thema-Rhema-Verteilung steuern, welche den Vorsatz einer Äußerung subsu‐ miert und sich daher auf den ganzen Vorsatz bezieht, wie (Egon sollte eigentlich Latein lernen.) Tut er das/ es auch? Beispielsweise wird auch die Verbtopikalisie‐ rung oder die fokale Funktion (A B RAHAM / F I S CHE R 1998: 41) durch tun ermög‐ licht, indem das Hauptverb topikalisiert wird und tun die Verbzweitstellung als Finitum übernimmt, wie etwa Singen tut Emilia schon sehr gut. Eine auf das Alemannische (synchron und diachron) bezogene, sehr gut aus‐ gearbeitete Master-Arbeit ist die online publizierte Arbeit von S CHWAR Z . Hier wird unter anderem eine Darstellung der unterschiedlichen Verbbedeutungen von tun detailliert beschrieben (S CHWAR Z 2009: 15). Für die Erforschung des PeD ist das Alemannische, neben dem Pfälzischen, Moselfränkischen und dem Ri‐ puarischen, sehr interessant, zumal es in sich viele Elemente beherbergt, welche es auch im PeD gibt, was noch auf die Zeit vor der Auswanderung in die USA hindeutet. Für das Ripuarische gibt es eine Studie, welche die tun-Periphrase detailliert erläutert, nämlich die von K ÖLLIGAN (2004). So stellt K ÖLLIGAN (2004: 436), neben den bereits erwähnten Verwendungen von tun, im Ripuarischen auch die Möglichkeit fest, dass am-Konstruktionen auch mit tun kombinierbar sind und dabei die Usualität noch verdoppeln, wie etwa in Hä is am Schreiva am dun. Auch in meinen Erhebungen sind solche Beispiele vorhanden, sind aber zahlenmäßig nicht sehr signifikant. Es handelt sich hier um Repetitionen oder Verstärkungen der Habitualität durch den Gebrauch von beiden verfügbaren Formen: Ebba will wissa, was am duhn bischt alledaag am Sunndaag nach vier Uhr. [ Jemand will wissen, was (du) am tun bist jeden Sonntag nach vier Uhr.] H U F F INE S bemerkt ebenfalls, dass der Gebrauch von duhn-Periphrasen im PeD hauptsächlich für wiederholbare und usuelle Handlungen dient. So bewirkt das Verb duhn in Verbindung mit dem Infinitiv des Vollverbs eine habituelle Lesart „with the infinitive of the main verb it [duhn] expresses iteration, i.e., repeated or habitual activites.“ (H U F F IN E S 1991: 58). In den Beispielen aus Sit. 09.4. ist eine Habitualität im PeD ersichtlich. Sarah wird von jemandem zum Spielen abgeholt, ist aber zu dieser Zeit gewöhnlich mit Hausaufgaben beschäftigt, so lautet die Antwort an die Spielkameradin: Di Sarah duht dihra Schularewet, kumm schpeeder zerick! [Die Sarah tut ihre Hausaufgaben, komme später zurück/ nochmal.] 155 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (267) (268) (269) Dies geht aber auch mit einer am-Konstruktion und dem Verb duhn, was sogar mehrheitlich angegeben wurde (30 Personen, 75 %): Die Sarah is am Hausarewet duhn, kumm zerick schpeeder! [Die Sarah ist am Hausaufgaben tun, komme später zurück/ nochmal.] Als wichtige Bemerkung liest sich bei K ÖLLIGAN (2004: 447), dass die tun- Periphrase im gesprochenen Ripuarischen sehr präsent ist und überwiegend eine habituelle oder progressive Aktionsart des Verbes denotiert. In den wenigen schriftlichen Belegen ist diese Funktion eher selten vertreten und als nicht-grammatikalisiert oder fakultativ anzusehen. Auch S CHWAR Z (2009: 132) konstatiert ähnlich, dass die tun-Form im Alemannischen ebenfalls eine hohe Präsenz im gesprochenen Ausdruck zeigt, dass durch tun eine habituelle Lesart erzeugt wird und dass es in Fragesätzen bzw. Imperativsätzen eine klare Affinität zu tun-Periphrasen gibt. Diese Ergebnisse lassen sich gut auf das PeD proji‐ zieren, da man viele Aufforderungen beobachten kann: Duh net so lang denga un schpiel! [Tue nicht so lang (nach)denken, spiel lieber! ] Duh net so viel Luft dort nai, überdem hoscht sell Ballun nemmi. [Tue nicht viel Luft hinein(blasen), sonst hast du den Ballon nicht mehr! ] Interessant ist zu beobachten, dass sich tuon als Vollverb schon im Ahd. in einem semantischen Wandel befand, die ursprüngliche indogermanische Bedeutung setzen, legen langsam verblasst ist und die Bedeutung von machen, bewirken, veranlassen übernommen hat (K LU G E 1995: 841; oder P F E I F E R 2000: 1474). Somit erlebte das Vollverb tuon mit den neuerworbenen Bedeutungen eine Art Bedeutungserweiterung (W ANZ E CK 2010: 74) und diese weist deutliche Paral‐ lelen zu den Funktionen von tun im Neuhochdeutschen auf. Wenn tun diachron betrachtet wird, ist zu bemerken, dass tun erst im Mit‐ telhochdeutschen konsequent mit unterschiedlichen periphrastischen Bedeu‐ tungen gebraucht wird (S CHWAR Z 2009: 66), was wohl damit zu begründen ist, dass tun im Althochdeutschen noch im primären Bedeutungsspektrum ver‐ wendet wurde und sich in mitten eines Wandlungsprozesses befand. Dies ist leicht anhand der fehlenden Beispiele von periphrastischen tun-Sätzen zu be‐ legen. Im Mittelhochdeutschen kam dann neben der im ahd. bekannten kausa‐ tiven Bedeutung (Tuo sia irstan [Tue (lasse) sie auferstehen! ] aus S CHWAR Z 2009: 64) auch die imperativische Bedeutung hinzu (Unde tete die turni brechen [Und tat (ließ) die die Türme niederreißen.] aus S CHWAR Z 2009: 67). Im Frühneuhoch‐ deutschen lässt sich dagegen eine rapide Zunahme von periphrastischem 156 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 27 Eine zielführende Untersuchung zum Moselfränkischen hat K A L L E N B O R N (2011) er‐ stellt. Das Moselfränkische eignet sich auch gut als Vergleichsdialekt zur Untersuchung des PeD, da es eine historische und diatopische Verbindung zur europäischen Heimat der USA-Aussiedler gibt. (270) (271) (272) tun-Sätzen verzeichnen, sowohl quantitativ wie auch qualitativ und auch eine räumliche Ausbreitung (A DMONI 1990: 185). Im heutigen Englisch hat die do-Periphrase, abgesehen von der syntaktischen Funktion in Fragesätzen oder bei Negationen, eine nicht so herausragende Stel‐ lung und nicht so komplexe Semantik wie im Deutschen (dazu T I E K E N -B O ON VAN O S TADE et. al. 1998). Dies wäre ein wichtiger Hinweis dafür, dass der Ge‐ brauch im PeD eher in den vererbten deutschen Dialekten seinen Ursprung hat als im Einfluss des Superstrats Englisch. So ist auch A B RAHAM / F I S CHE R (1998: 36) mit ihrer Äußerung Recht zu geben, dass sich die deutsche tun-Periphrase und die englische do-Periphrase etwa seit der Periode des Mittelenglischen aus „den Augen verloren haben“. Bereits im Frühneuhochdeutschen zeigt das tun in verschiedenen deutschen Dialekten unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten, die stark vom heutigen Gebrauch von do abweichen (dazu S WAN 1993: 177; H EWING S 2002: 56 und U NG E R E R 2005: 164). Insbesondere ist die tun-Periphrase auch in Imperativsätzen breitgefächert einsetzbar, während dies im Englischen nur beim Vollverb do möglich ist. Eine Einschränkung ist, wie A B RAHAM / F I‐ S CHE R (1998: 38) für das Bairisch-Österreichische und Alemannische bemerken, auch für das PeD zu beobachten: Der Präteritumschwund wirkt sich nämlich negativ auf die Frequenz aus, daher sind Beispiele mit duhn im Präteritum im PeD auch seltener als Präsens-Indikative. In manchen Beispielen aber wäre der Indikativ nicht möglich, weil der Tempusbezug noch zu groß ist: Eah is am schaffa drassa im Feld, deet/ *duhn ich saaga. [Er ist am schaffen draußen im Feld, würde ich sagen/ * tue ich sagen.] Dies gilt in vielen deutschen Dialekten, beispielsweise im Moselfränkischen wie auch im PeD, welche allesamt die analytische Konjunktivumschreibung im Prä‐ teritum anwenden, weil der Konjunktiv II die Präsensform verdrängt hat 27 . Die präteritale Form baut nämlich keinen „richtigen“ Tempusbezug mehr auf und übernimmt alle Funktionsbereiche der Irrealität oder Potenzialität (der sog. würde-Konjunktiv): Deetscht gern s Fenschder zumacha, ich bin am kald werra! [Tätest/ Würdest (du) bitte das Fenster zumachen, ich bin am frieren/ mir ist kalt! ] Dihr bessar deet/ * duht am schaffa sei, wenn d Doody kummt! [Ihr besser tätet am schaffen sein / wäret am schaffen, wenn der Vater kommt! ] 157 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv (273) (274) (275) (276) (277) Ich deet ’s gern haba, wenn du wennich schpeeder zerick kumma deetscht fer sie sehna. [Ich hätte es gern, wenn du ein wenig später zurück kommen tätest/ würdest, um sie zu sehen.] Das duhn kann im PeD auch eine futurische Bedeutung annehmen, entweder im Konjunktiv II, (vgl. dt. würden) oder auch im Präsens Indikativ: Ja, ich kumme in zwee Minudde, ich deet noch di Treppa butza. [ Ja, ich komme in zwei Minuten, ich tät/ würde noch die Treppe putzen.] Mer duhn en Haus baue. [We’ll build a house.] (Beispiel und Übersetzung aus C O S T E L L O 1992: 255) No duhn ich sie rooschde. [Then I roast them.] (Beispiel und Übersetzung aus H U F F I N E S 1987: 146) Nur in einer Situation kam duhn zum maximalen Einsatz einer habituellen Lesart, nämlich in Sit. 02.1. In dieser Situation sollte man Kinder, die man längere Zeit nicht mehr gesehen hat, ansprechen und bemerken, dass sie seit der letzten Begegnung schon sehr gewachsen sind. Das atelische duhn wurde mit einer Erweiterung benutzt, also guud duhn [dt. wohlfühlen], und wurde von 24 Per‐ sonen (60 %) sogar progressiviert: Die Kinndskinna sind am waxa un sind guud am duhn. [Die Großkinder sind am wachsen und sind gut am tun.] Für das Verb duhn in der habituellen Lesart ist es die wichtigste Spezifikation, eine sich wiederholende und erwartbare Handlung darzustellen. So kann mit duhn eine Verbhandlung ausgedrückt werden, welche die Imperfektivität oder die interne Perspektive eines Verbalgeschehens als Ganzes ausdrücken kann. Dies ist wohl die wichtigste Eigenschaft von duhn, was sich diachron auf die breite Anwendung und die Bedeutungserweiterung dieses Verbs positiv ausge‐ wirkt hat. 6.5.3. Zusammenfassung zu den duhn-Periphrasen Die duhn-Periphrasen haben keine große Resonanz in meinen Datenerhebungen gefunden. Dazu gibt es zweierlei Erklärungen. Einerseits ist es eine empirisch belegte Tatsache, dass sich duhn-Periphrasen im PeD nicht so gut für progressive Konstruktionen eignen wie am-Konstruktionen. Andererseits ist der große An‐ 158 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien teil der im Fragebogen formulierten Situationen so konzipiert, dass sie, ausge‐ nommen der Distraktor-Fragen, die Progressivität provozieren. Grundsätzlich können zu meinen Erhebungen und der duhn-Periphrase zwei Feststellungen gemacht werden. Einerseits ist es im PeD zweifelsfrei möglich, mit duhn zu‐ mindest in Deklarativsätzen und Fragesätzen eine habituelle und progressive Lesart zu erzeugen. Auf der anderen Seite ist aber auch evident, dass diese Form in den von untersuchten Gegenden und bei den untersuchten Fragestellungen nicht signifikant groß ist. Von insgesamt 1720 Sätzen kommen duhn-Peri‐ phrasen nur 27 Mal vor (1,57 %). Von 43 Situationen konnte man in insgesamt acht Situationen die Fragen eventuell mit einem duhn beantworten, wobei die Beteiligung von duhn-Antworten stets unter 10 % geblieben ist, nur bei einer Frage wurden sieben Antworten mit duhn gegeben, also 17 % (Sit. 02.5.). Auch C O S T E LLO (1992: 261) bemerkt, dass die duhn-Sätze zwar möglich sind und unter Umständen auch häufiger vorkommen können, doch jederzeit durch ein anderes Vollverb ersetzt werden können. Dies scheint auch weitgehend mit meinen Erhebungen übereinzustimmen. Die Restriktionen sind, zumindest was die tun-Periphrase im StD betrifft, auch stark an gewissen diastratischen oder diatopischen Ausprägungen orientiert. Dies ist die Meinung von L ANG E R (2001), der den Schwund der tun-Periphrase aus den unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Deutschen mit einer unge‐ rechtfertigten soziolinguistischen Purifizierung begründet. Es gibt wenig bis kaum morpho-syntaktische oder lexikalische Gründe, welche gegen einen re‐ gelmäßigen oder schulischen Gebrauch von tun-Phrasen in der deutschen Bil‐ dungssprache sprächen. Diese Stigmatisierung ist wohl aus der Feder frühneu‐ hochdeutscher Grammatiker und ihren Normierungsgesetzten entsprungen: […] this book proposes that the stigmatization of auxiliary tun as “bad German” is due to prescriptive comments made by ENHG [Early New High German] grammarians and thus proves that aspects of the standard German were created or formed as a result of the suggestions and discussions by prescriptive grammarians. (L A N G E R 2001: 98) Dies trifft seiner Meinung nach neben dem Standarddeutschen auch für das Niederländische zu, weil dort die doen-Phrasen auch nicht als Teil der Bildungs‐ sprache benutzt werden bzw. stigmatisiert sind (L ANG E R 2001: 22). Im Englischen ist das Bedeutungsspektrum von do zwar nicht so breit wie im StD oder PeD, dennoch ist im Englischen dem do mit seinen grammatikalisierten Formen eine Sonderstellung einzuräumen: English is unique among the Germanic language family in that its auxiliary do is (a) fully grammaticalized for certain functions and (b) grammatical in the standard variety of the language. (L A N G E R 2001: 30) 159 6.5. Der habituelle Aspekt und der am-Progressiv Diese Schlussfolgerungen decken sich auch mit den statistischen Werten bei der Auswertung der Fragebögen. Gemessen an der Frequenz der gesammelten Daten und am Verwendungsmuster der unterschiedlichen Formen von duhn lässt sich für mein PeD-Korpus eine absteigende Akzeptanzhierarchie von duhn-Periphrasen im Spannungsfeld der Parataxe erstellen. Von insgesamt 1720 Sätzen wurde in ca. 211 Sätzen (12,27 %) in den gegebenen Situationen mit dem Verb duhn geantwortet. Die Aufteilung bzw. Distribution lässt sich wie folgt klassifizieren: Deklarativsatz (124: 58,77 %): Er duht es Groos maeha. Interrogativsatz (55: 26,07 %): Was duhscht macha am Sunndaag nomiddaags? Imperativsatz (21: 9,95 %): Duh net so lang denga un schpiel! Konjunktiv II (11: 5,21 %): Deetscht gern s Fenschder zumacha? Abb. 24: Distribution der duhn-Phrasen im PeD Auch bei der Wahl der aspektuellen Distribution von duhn gibt es eine gewisse Hierarchie, wobei erwähnt werden muss, dass sich natürlich nicht alle duhn-Periphrasen hier einordnen ließen: habituelle Lesart (ca.80; 37,91 %): Sunndaags duh ich Guckbox watscha. progressiviert (ca. 65; 30,81 %): Was bischt du am duhn mit d Sickl? progressive Lesart (60: 28,44 %): D Doody duht grod d Kieh fieddra draas. 160 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Abb. 25: Distribution der duhn-Lesarten im PeD Zu den Funktionen von duhn im PeD kann abschließend ein Spektrum aufge‐ zeigt werden, welches auf eine breitgefächerte Verwendung von duhn-Peri‐ phrasen im PeD deutet: a. mit telischen / atelischen Verben kombinierbar: D Boom duht sterwa/ blieha. b. mit intransitiven / transitiven Verben kombinierbar: Er duht schloofa/ en Brief schreiwa. c. hebt habituelle Handlungen hervor: Ich duh d Guckbox watscha. d. weist auf typische Eigenschaften hin: D Hohna duht greaha. e. weist auf progressive Handlungen hin: Er duht es Groos maeha. f. weist auf zukünftige Handlungen hin: Mer duhn es Haus baua negscht Yaahr. g. Aufforderungen/ Imperative: Duh es Fenschder zu mache, ich bin am kalt werra. 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD Für das Deutsche ist es kennzeichnend, dass das Finitum in den Deklarativsätzen nach dem ersten Satzglied stehen muss. Auf dieser Annahme fußt auch die topologische Feldlehre bzw. werden die Satzpositionen in Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld klassifiziert und das Prädikat bildet die für das StD typische Satz‐ klammer (E I S E NB E R G 1994: 397; A LTMANN / H O FMANN 2008; D UD EN -Grammatik 1998: 817). Das folgende Teilkapitel dient dazu, einen Überblick über die Satz‐ stellungsvarianten im PeD zu geben und daraus Rückschlüsse über einen wo‐ 161 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (278) (279) (280) (281) (282) möglich veränderten Satzbauplan im PeD zu ziehen. Überwiegend werden Bei‐ spiele für die Satzklammer benutzt, die mit analytischen Tempusformen gebildet werden. Die Reihenfolge der Satzglieder in der von mir vermuteten am-Progressiv-Klammer wird gesondert behandelt. 6.6.1. Das Vorfeld im StD und im PeD Die Besetzung des Vorfeldes im Hauptsatz ist eine relativ einfache Angelegen‐ heit, da in der Regel nur ein Satzglied diese Stellung einnehmen kann. In der Grundstellung ist normalerweise das Subjekt auf diesem Platz (Egon trinkt jeden Morgen frischen Tomatensaft). Von einer Inversion spricht man dagegen, wenn das Objekt wie in Frischen Tomatensaft trinkt Egon jeden Morgen satzinitial ist oder unterschiedliche adverbiale Angaben als Begleitumstand zum Prädikat das erste Satzglied stellen, etwa Jeden Morgen trinkt Egon frischen Tomatensaft. Dies dient der besonderen Hervorhebung eines Satzverhaltes oder der Topikalisie‐ rung des Rhemas und gilt daher als markierte Satzstellung. Das Vorfeld kann sich durch die Erweiterung mit einem Nebensatz sehr ausdehnen, wie in Dass Egon jeden Morgen frischen Tomatensaft trinkt, weiß jeder. Dies sollte nur ein kurzer Überblick über die wichtigsten Möglichkeiten der Besetzung des Vorfeldes darstellen, um daraus Rückschlüsse und Vergleiche zum PeD zu ziehen. Weitere Informationen hierzu bei H E LBIG / B U S CHA (2011: 572) oder D UD E N -Grammatik (1998: 818). Das Vorfeld wird im PeD normalerweise auch mit einem nominalen oder pronominalen Subjekt besetzt: Die Grandmam hat dihre Hand wehgeduhn. [Die Großmutter hat ihre Hand verletzt.] Es hat d ganze Daag greahrat. [Es hat den ganzen Tag geregnet.] Ein Frageelement oder eine Adverbialbestimmung im Vorfeld ist auch möglich: Wie viel Männa hen d Scheier gbaut? [Wie viele Männer haben die Scheune gebaut? ] Geschdern hab ich d Dschan ogetroffa im Schtettl. [Gestern habe ich John getroffen in der Stadt.] Im PeD können aber auch komplexe Satzgefüge im Vorfeld platziert werden, die sowohl im mündlichen wie auch im schriftlichen Gebrauch vorkommen: Es letschde mal, ass ich dich gsehna hab, waart dihr eia Haus am baua. [Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, wart ihr euer Haus am bauen.] 162 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (283) (284) Eine Auffälligkeit und zugleich eine Gemeinsamkeit des PeD mit anderen Dia‐ lekten des Deutschen (wie Bairisch, Alemannisch oder Pfälzisch) oder auch mit Soziolekten wie dem Kanak Sprak, ist die Klitisierung des Subjekts und die satz‐ initiale Stellung des Finitums in Deklarativsätzen, wie beispielsweise im Bairi‐ schen Kennan-S fei noch sitzn bleim (aus S IMON 1998: 137). So kommt es entweder zu einer völligen Klitisierung oder zu einer Verschiebung der Satzelemente nach dem W ACK E R NAG E L S CHEN Prinzip (z. B. unbetonte Pronomina) und es entsteht eine untypische oder markierte Satzstruktur (scrambling), die jedoch in den oben genannten Dialekten eher als „unmarkiert“ gilt. Diese Neuordnung der Ele‐ mente bzw. die Initialstellung des Finitums konnte auch im PeD dokumentieret werden. Es ist beispielweise bei den Witterungsverben (Sit. 01.2.) belegt, die ein initiales, schwach betontes Pronomen es im Vorfeld stehen haben, wodurch die Betonung auf das nachfolgende Element verlagert wird, in diesem Falle auf das Finitum sei(n): Is am reahra d gonze Daag! [Ist am regnen den ganzen Tag! ] Is alledaag nass! [Ist die ganze Zeit/ immer / überall nass! ] Eine Erklärung für die satzinitiale Stellung des Finitums wäre die Annahme, dass das Vorfeld leer ist und dadurch eine Markiertheit entsteht. Es könnte durchaus als eine Ellipse verstanden werden, da der Kontext des Vorsatzes und die illokutiven Zusammenhänge einfach mental in den Folgesatz transportieret wurden, jedoch nicht lexikalisch realisiert wurden. In dem bairischen Beispiel‐ satz von S IMON (1998: 137) wäre das Element vom Präkontext beispielsweise ein „Ticket“, welches ein Fahrgast kaufen möchte, dabei aber die pünktliche Abreise des Busses verzögert. Daher antwortet der Fahrer etwa [Das Ticket ] KennanS fei aa nachher zahln. In dem Beispiel Is am reahra d gonze Daag wäre das Hin‐ tergrundwissen etwa Mer hen en aarick Dunnewedder ghatt, es hot ornlich guud gereahrt geschtan. Und auf die Frage, wie das Wetter gerade jetzt ist, ist die Antwort Is am reahra d gonze Daag eigentlich als Deklarativsatz zu deuten, der auch eine emotionale Beteiligung des Sprechers initiiert, um eine glaubhaft ak‐ zeptierte Proposition auszudrücken. In manchen Grammatiken ist die Termi‐ nologie abweichend, aber zum Beispiel Z I F F ONUN et. al (1997: 671) oder H E NT‐ S CHE L / W E YDT (2013: 373) nennen diesen Satztypus Exklamativsatz. Es ist zu beobachten, dass die klitisierten Elemente oft eine bestimmte oder bevorzugte Stelle im Satz einnehmen. Wenn das Subjekt oder Objekt eines Satzes also nur mental aber nicht lexikalisch realisiert wird, als Ellipse, und die dafür vorgesehene Topik-Position frei bleibt, dann tritt an diese Stelle normalerweise 163 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (285) (286) (287) (288) das folgende Element (als Nachrücker), das wäre dann das Finitum. Dadurch ergibt sich eine diskursinitiale Funktion der Deklarativsätze mit Verberststel‐ lung. Hier wäre ein quasi pro-drop-Phänomen oder Null-Topik-Phänomen zu beobachten. Es fehlt ein valenzbedingtes Element, meistens das Subjekt oder auch das Objekt. Bei Sätzen wie KennanS fei d Schuah ruhig anlassen (S IMON 1998: 144) ist hingegen keine Ellipse vorhanden, weil alle valenzrelevanten Ele‐ mente vorhanden sind, nicht jedoch in der für die Satztopologie gewöhnlichen Reihenfolge. Ein weiterer Fall von Subjekt-Ellipse könnte über die Redundanz-These er‐ klärt werden. Ist das initiale Subjekt pronominalisiert und als unbetontes Kli‐ tikon ausgefallen, wird es syntaktisch durch die Endungen am Finitum (Verbflexiv) kodiert und bleibt damit als redundantes Wissen aus dem Präkontext erhalten. Dies wird in folgenden Sätzen deutlich: D Pois sin am gwicklet werra nau, kann scht [Präs.2.Ps.Sg.] dich wennich da‐ hana hocka.. [Deine Kuchen sind am gewickelt werden, [D U klitisiert] kannst dich ein wenig hin‐ setzen.] Kann scht [Präs.2.Ps.Sg.] an Sitz nehma fer paar Minudde. [D U klitisiert] Kannst Platz nehmen für ein paar Minuten.] Bin [Präs.1.Ps.Sg.] mei Kinnas Hoar am schneida mit di Scheere. [I C H klitisiert] Bin meinen Kindern die Haare am schneiden mit der Schere.] Auch bei den Untersuchungen von L O UD EN kommen vereinzelt Sätze mit Ver‐ berststellung vor, welche entweder einem speziellen kommunikativen Kontext entsprungen sind oder aber ein bestimmtes regionales Merkmal darstellen können: Welle heem gehe. [(Wir) wollen heim gehen.] (Beispiele aus dem Bundesstaat Pennsylvanien; aus L O U D E N (2005: 261) Bei der Verberststellung werden die Kongruenzmerkmale des „redundanten“ Subjekts an die Verbendung angehängt und somit ausgelassen. Die eindeutige Übereinstimmung der Verbendungen mit dem Subjekt wird somit nicht redup‐ liziert, wie es bei einem regulären Satz der Fall wäre (ich sing e, du sing st etc.), sondern ausgelassen, weil die Zuordnung zum Subjekt aus der Thema- Rhema-Kohärenz erschließbar ist. Es muss abschließend noch hinzugefügt werden, dass im PeD - wie auch in anderen deutschen Dialekten - die Ellipse des Subjekts eher im Gesprochenen als im Geschriebenen vorkommt und auch dies ist stark auf bestimmte Situa- 164 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (289a) (289b) (289c) (289d) tionen beschränkt, wie exklamative Äußerungen (Bin froh, wenn alles vorbei ist! ), narrative Verwendung (Kommt der Egon plötzlich zu mir und …) oder der Ausdruck des Drohens (Soll der Egon bloß kommen …). Hinzu kommen noch zwei wesentliche Merkmale, die eine Verbinitialstellung ermöglichen. Einerseits ist es offensichtlich, dass die verbinitiale Stellung mit einer Ellipse des Subjekts nur dann möglich ist, wenn das Subjekt als Pronomen klitisiert wird. Beispiele wie etwa Bairisch *? Kennan Sie fei noch sitzn bleim oder PeD *? Kannscht Du an Sitz nehma fer paar Minudde wären nicht korrekt. Hier würde auch die Prosodie eine Rolle spielen und diese beiden Sätze könnten mit einem steigenden Tonfall als Interrogativa interpretiert werden. Zum anderen zeigt sich der Gebrauch von Modalverben im Fall der Verberst‐ stellung von Deklarativsätzen als vorteilhaft. Sie übernehmen nach der Kliti‐ sierung des Subjekts die initiale Stellung im Satz und durch die Verbflexion bleibt das eigentliche Subjekt praktisch im Satzrahmen erhalten. Modalverben haben eine weitere morphologische Eigenschaft, die es ihnen leichter macht, in diesem Fall eine Initialstellung zu übernehmen, sie können nämlich keinen direkten Imperativ bilden ( * Mag/ möge den Tee! oder * Kann/ könne das Spiel! ). Durch diese fehlende Funktion und die verblasste Verbalsemantik der Modalverben ist somit ein besonders produktives Mittel geschaffen, welches ihre Verberststellung ohne kommunikative Verluste ermöglicht und ihre Kombinationsmöglichkeit mit an‐ deren Verben um ein Vielfaches erhöht. Diese Affinität der Modalverben ist in vielen Dialekten im Deutschen wie auch im PeD belegt: Alemannisch: Kennet-Se au sitze bleibe. Pfälzisch: Kenne-Se schun noch hocke bleiwe. Schwäbisch: Kennat-Zno hocka bleiba. PeD: Kannscht a no hocka bleiwa. Grundsätzlich ist es also möglich im PeD das Vorfeld nicht zu besetzen und somit eine Verberststellung zu erzeugen. Dies gilt auch für die untersuchten am-Pro‐ gressive, wie in den Beispielen gezeigt wurde. Als Rückschluss über diese to‐ pologischen Satzmerkmale im Vorfeld kann für das StD gesagt werden, dass die Verbinitialisierung einer thetischen Äußerung dient und daher dieser Gebrauch eher als untypisch oder als stark markiert anzusehen ist, wie A B RAHAM (2011: 51) feststellt. Da sich das PeD stark an die topologische Struktur des StD anlehnt, erklärt dies auch die sehr niedrige Zahl der verbinitialen Sätze in meinen pri‐ mären Quellen. 165 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD 28 Temporale, kausale, modale und lokale Adverbialergänzungen (freie Umstandsan‐ gaben; D U D E N ) erscheinen im Mittelfeld normalerweise in der Reihenfolge Te(mporal) - Ka(usal) - Mo(dal) - Lo(kal). Vgl. dazu H E L B I G / B U S C H A (1996: 581); D U D E N -Grammatik (1998: 824) oder H E N T S C H E L / W E Y D T (1994: 386). 6.6.2. Das Mittelfeld im PeD Die Belegung des Mittelfeldes im PeD - wie im StD auch - ist nicht so einfach und klar reguliert wie im Vorfeld, da im Mittelfeld eine Verkettung von Satz‐ gliedern möglich, sogar häufig ist, während dies im Vorfeld oder Nachfeld we‐ niger bis gar nicht der Fall ist. Über den Sinn und Zweck der Reihenfolge von Satzgliedern und deren Einhaltung wurde schon umstritten diskutiert (dazu E I S E NB E R G 1994: 209; H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 386 oder D UD E N -Grammatik 1998: 881). Im Folgenden sollten einige Stellungen von Satzgliedern bzw. Wort‐ gruppen darauf getestet werden, wie ihre Abfolge im Mittelfeld im PeD funk‐ tioniert. Die Abfolge der Satzglieder in der am-Progressiv-Klammer wird auf‐ grund der Ausführlichkeit gesondert behandelt. Die in einigen Grammatiken und DaF-Lehrwerken des Deutschen vorgehal‐ tene T E K A M O L O -Regel 28 ist linguistisch nicht nur stark umstritten, sondern wird von den meisten Sprechern nicht eingehalten, zumal es viele Stellungsva‐ rianten gibt, die ebenfalls korrekt sind, wie etwa Emilia ist gestern wegen ihrer Abschlussprüfung sehr motiviert in die Bibliothek gegangen und Emilia ist wegen ihrer Abschlussprüfung gestern sehr motiviert in die Bibliothek gegangen etc. Hinzu kommt noch, dass man mit prosodischen Mitteln wie Betonung oder Satzmelodie die gewollte Fokussierung im Satz erzielen kann, ohne diese Ver‐ teilungsregeln zu benutzen. Daher erfolgt die Einteilung der Satzglieder nicht nur nach semantischen Merkmalen (wie bei T E K A M O L O ), sondern auch auf Grund einer intentionalen Satzperspektive. So ist die Stellung im Mittelfeld, zwischen den vorhandenen Prädikatsteilen also, eng mit der Verschiebung des Satzakzents und der Fokussierung von Thema-Rhema-Elementen verknüpft, was zur Hervorhebung der inhaltlichen Gliederung des Satzes führt. In der ge‐ sprochenen Kommunikationsform kann das Element mit dem höchsten Mittei‐ lungswert, also das Rhema, entweder satzinitial (Gegessen habe ich schon, nur trinken möchte ich noch.) oder satzfinal Wir haben gestern bei Egons Party vier Stunden ohne Pause gegessen.) positioniert werden und trägt somit den Haupt‐ akzent des Satzes. Für das Mittelfeld gilt diesbezüglich normalerweise die Regel, dass das Bekannte (Thema) oder Definite vor dem Unbekannten (Rhema) oder dem Indefiniten eingeführt wird, wie in Samuel hat seiner Schwester eine Murmel geschenkt aber nicht * Samuel hat eine Murmel seiner Schwester geschenkt. Diese Hierarchie von Thema-Rhema beeinflusst auch die Stellung von Adverbien im 166 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (290) (291) (292) (293) Mittelfeld, wie etwa * Samuel hat seiner Schwester eine Murmel gestern ge‐ schenkt. Satzelemente wie Adverbien können gewöhnlich nicht hinter dem Rhema stehen. Auch bei der Besetzung des Mittelfelds durch Ergänzungen gibt es Regeln, welche substantivische Dativ-Ergänzungen vor Akkusativ-Ergänzungen plat‐ zieren, Samuel gab seiner Schwester das Buch, aber bei pronominalisierten Er‐ gänzungen gilt die umgekehrte Reihenfolge, Akkusativ vor Dativ: Samuel gab es ihr und nicht etwa * Samuel gab ihr es. Sobald es sich um eine Mengung von uneinheitlichen Ergänzungen handelt, Nomen und Pronomen, dann gilt die Regel, dass pronominalisierte Ergänzungen vor den nominalen Ergänzungen stehen müssen: Samuel gab es seiner Schwester oder Samuel gab ihr das Buch. Unter bestimmten Umständen sowie im sprechsprachlichen Gebrauch oder in dialektalen Varianten ist es sicherlich möglich oder erlaubt, diese Regeln aus‐ zuhebeln, solange dadurch die Kommunikation nicht abbricht und der illokutive Akt nicht missverstanden wird. Ähnlich verhält sich das PeD in Bezug auf die relativ freie Wahl der Positionen von Satzgliedern des Mittelfeldes. In der Sit. 05.4. wurde eine Satzklammer und die im Mittelfeld aufgereihten Elemente abgefragt. Die Ergebnisse zeigen ein‐ deutig, dass alle PeD-Sprecher hier eine Satzklammer im Perfekt gebildet haben und die darin befindliche Akkusativ-Ergänzung ausschließlich in der Satz‐ klammer belassen. Die (temporalen oder lokalen) Adverbialen wurden mehr‐ heitlich (65 %, 26 Personen) als Satzglieder nach dem rechten Klammerelement, hier ein Partizip II, eingesetzt und als Ausklammerung im Nachfeld positioniert: Ich hab d Dschan ohgtroffa im Schtettl geschdern. [Ich habe den John angetroffen in der Stadt gestern.] I hab eahn ogetroffe im Schtettl geschdern. [Ich habe ihn angetroffen in der Stadt gestern.] Meine Ergebnisse zeigen, dass die Adverbialien mehrheitlich nach dem PII ge‐ setzt werden und dass das lokale Adverbiale vor dem temporalen steht. In fünf Sätzen war das lokale Adverbiale nach dem temporalen platziert: Ich hab d Dschan ogetroffa geschdern in di Schtadd. [Ich habe John angetroffen gestern in der Stadt.] Eine Extension der Verbklammer mit inkludierten Satzgliedern ist zwar fest‐ stellbar, aber nicht typisch für Hauptsätze im PeD. Nur drei Probanden betten die Satzglieder innerhalb der linken und rechten Klammeröffnung ein: Ich hab ihn im Schtettl geschdern getroffa. 167 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (294) (295) (296) (297) (298) (299) (300) [Ich habe ihn in der Stadt gestern getroffen.] Ich hab d Dschan geschdern in d Schtad gsehna. [Ich habe John gestern in der Stadt gesehen.] Eine Tendenz wird im PeD immer deutlicher, dass nämlich in der Verbklammer im Mittelfeld eines Hauptsatzes nur ein Element vorhanden ist, während andere Elemente rechts nach der Verbklammerschließung stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Element im Mittelfeld ein nominales oder pronominales Satzglied ist, aber die Adverbialbestimmungen werden häufiger ausgelagert als die Dativ- oder Akkusativ-Ergänzungen: Ich hab nigsch geduhn heit. [Ich habe nichts getan/ gearbeitet heute.] Ich hab ihn ogetroffa im town geschdern. [Ich habe ihn angetroffen in der Stadt gestern.] Sie hen die Picknick abgsaat weye m schlecht Wedder. [Sie haben das Picknick abgesagt wegen dem schlechten Wetter.] Einen markanten syntaktischen Unterschied gibt es im Mittelfeld des PeD doch, der das PeD vom StD abhebt. L O UDE N (2005: 258) hat bemerkt, dass im Mittelfeld die Reihenfolge der pronominalisierten Objekte mit der Abfolge der nominali‐ sierten Objekte übereinstimmen muss: Ich hab gewisst, ass sie [Nom.Fem] ihn [Dat >Akk.Mask] ’s [Akk.Neut] gewwa hot noh. [ ? Ich habe gewusst, dass sie [Nom] ihm [Dat] es [Akk] gegeben hat dann.] Einige dieser Beispiele belegen jedoch die im StD übliche Regel der Stellung von Dativ als pronominale Ergänzung nach einem pronominalen Akkusativ: Ich hab es [Akk] ihm [Dat.Mask] gewwa. [Ich habe es [Akk] ihm [Dat] gegeben.] Ich sing es [Akk] zu ihre [Dat.Fem] . [Ich sing es [Akk] (zu) ihr [Dat] .] Hier handelt es sich nicht um die Einhaltung oder Missachtung von abstrakten Regeln, sondern die Sprecher entscheiden oft intuitiv und kommunikativ, damit der gewünschte Sachverhalt fehlerfrei zum Rezipienten transportiert wird. Es kann aber sein, dass bei längeren Sätzen mit mehreren Satzgliedern die von L O UD E N beschriebene Regel Beachtung findet, um Missverständnisse zu ver‐ meiden. Auch Beispielsätze mit zwei oder drei Elementen im Mittelfeld sind belegbar, sie sind zahlenmäßig nicht sehr auffällig: 168 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 29 Auch hier wird darauf verwiesen, dass das Nachfeld im StD natürlich noch mehr Dis‐ tributionsmöglichkeiten hat, die hier nicht der Fokus meiner Arbeit sein können, dazu aber mehr in A L T M A N N / H O F M A N N (2008) oder DUDEN-Grammatik (1998: 828). (301) (302) Ich hab es glee Kaetzle aus em Fass gnumme, bevor es am erdrinke waar. [Ich habe die kleine Katze aus dem Fass gehoben, bevor sie am ertrinken war/ ertrank.] Ich hab di Katz yuscht aus d Fass griegt, wann sie ready waar, fer fersaufa. [Ich habe die Katze gerade aus dem Fass gekriegt, als sie schon fast so weit war, zu ertrinken.] 6.6.3. Das Nachfeld im PeD Wie im Deutschen ist es auch im PeD möglich, einige Satzglieder im topologi‐ schen Nachfeld zu platzieren, also nach einem PII oder Infinitiv. Hier sollten nur die wichtigsten Möglichkeiten im StD kurz aufgelistet werden, um einen Ver‐ gleich zum PeD zu ermöglichen 29 . Gewöhnlich wird die Position hinter der rechten Satzklammer mit Neben‐ sätzen gefüllt, um einen komplett neuen Satzinhalt zu kommunizieren, wie etwa Egon ist gekommen, weil / als/ um zu etc. Relativsätze werden sehr häufig im Nachfeld realisiert, weil sie sich auf ein Element aus dem Mittelfeld beziehen, zu welchem aber noch additive Informationen in einem weiteren Satz hinzuge‐ fügt werden, wie Ich habe den Mann gesehen, der … Es können auch Adverbialien ins Nachfeld rücken, meistens mit prosodischen Pausen als Zusatzinformation, wie Es hat geklingelt … gerade eben! oder Es hat geregnet, den ganzen Tag! Häufig kommen auch die Vergleichspartikeln wie oder als im Nachfeld vor, um einen gewissen Nachdruck oder eine Betonung zu er‐ zeugen, wie in Edwin ist schneller gefahren als Egon oder Egon ist das gleiche Missgeschick passiert wie Edwin. Auch Präpositionalobjekte werden oft aus sti‐ listischen Gründen ins Nachfeld verschoben, um eine gewisse Intention oder Bemerkung zu unterstreichen, wie in Egon hatte nichts gewusst von diesem Plan oder Wir haben das alles selber gemacht, ohne Hilfe. Zur Funktion des Nachfeldes im deutschen Satz kommt noch der Nachtrag hinzu, der eher als eine rhetorische Figur oder Kommentar gilt, wie etwa Von dar Sache hat Egon nichts gewusst, oder? und auch Die Prüfung hast du bestanden, wie schön! Als Rechtsversetzungen können auch oft Pronominaladverbien benutzt werden, welche eine referenti‐ elle Funktion auf den gesamten Satzinhalt haben, wie etwa Hat Egon etwas ge‐ sagt, danach? oder auch Ist euch endlich etwas eingefallen dazu? Im PeD verläuft die Besetzung des Nachfeldes ähnlich wie im StD. Es ist also möglich nach der Satzklammer eine Adverbialbestimmung zu platzieren oder 169 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (303) (304) (305) (306) (307) (308) sogar mehrere zu kombinieren. Bevorzugt ausgeklammert werden im Nachfeld temporale und lokale Adverbialien, was auch eine Verknüpfung zur Thema- Rhema-Verteilung erlaubt, zumal das zuletzt erwähnte Element am längsten in Erinnerung bleibt: Ich hab ihn nett gschriwa fer paar Munat. [Ich habe ihm nichts geschrieben schon ein paar Monate./ seit Monaten.] Nadierlich henn die Haine Leit Deitsch geschwetzt in de Karich. [Natürlich haben die Haine-Leute Deutsch geschwätzt in der Kirche.] (aus Hiwwe wie Driwwe, Volume 15.No.2. S. 4) Das Nachfeld kann im PeD ebenso mit einem verblosen Kommentar gefüllt werden, welches die Absicht der Handlung verdeutlicht oder es kann auch ein Nebensatz eingefügt werden, welcher eine additive Information zum Sachver‐ halt liefert: Ich hab s Kitz fum Fass gnomma, all recht! [Ich habe das Kätzchen aus dem Fass gerettet, alles ok.] Ich hab d Dschon nie net gsehna, ass eah n Hut ohghabt hett. [Ich habe den John nie gesehen, dass er einen Hut aufhaben würde/ aufgehabt / getragen hätte.] Die Vergleichspartikel as(s) (entspricht hier dt. als) kann im PeD auch aus rhe‐ torischen Gründen im Nachfeld stehen, um eine Besonderheit zu betonen: 150 Yaahr schpeeder hot die Gmee en grosser Monument uffgschtellt ass en Gedechtnis zum George Hain. [150 Jahre später hat die Gemeinde eine große Gedenktafel aufgestellt, als Erinnerung an G.H.] (aus Hiwwe wie Driwwe, Volume 15.No.2. S. 4) Auch in schriftlichen Quellen ist die Tendenz zu sehen, dass die Verbklammer im Mittelfeld (Hauptsatz und Nebensatz) eigentlich leer ist. Die Satzglieder (Prä‐ positionalobjekte oder Adverbialien) werden dann in das Nachfeld nach dem Partizip II ausgeklammert: En ruhich Gebet waar gewwa fer der William Klouser, wu gschtarewe iss im Tschun 2010. [Ein stilles Gebet wurde gesprochen für den W.K., der gestorben ist im Juni 2010] . Er hot iwwer en dausend deitsche Schticker gschriwwe fer Zeidinge im Susquehanna Daal. 170 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 30 Hier bezeichne ich als Nachfeld sowohl die klassische topologische Einteilung wie in D U D E N -Grammatik (1998: 828) beschrieben, aber auch die Position nach dem Verlaufs‐ infinitiv in der von mir angenommenen am-Progressiv-Klammer. (309) (310) [Er hat über ein Tausend deutsche Gedichte/ Lieder geschrieben in die Zeitung im SD.] Er hot sich in die Ruhe gschtellt paar Yaahr zerick. Er waar geboora im Yaahr 1922 …. [Er hat sich in den Ruhestand versetzt ein paar Jahre früher. Er wurde geboren im Jahr 1922 …. (aus Hiwwe wie Driwwe, Volume 15.No.2. S. 2-3). Diese Abfolgewahl kann zweierlei Gründe haben. Einerseits könnte das prag‐ matische bzw. prosodische Gründe haben. Der Nachtrag wird durch eine Rechts‐ versetzung nachdrücklich betont und bleibt somit dem Leser/ Hörer besser in Erinnerung. Die syntaktische Begründung könnte darin verborgen sein, dass es sich hier oft um Relativsätze handelt, deren Korrelation mit dem Bezugselement aus dem Hauptsatz dadurch verdeutlicht wird, dass das Verweispronomen wu (hier in Funktion eines Relativpronomens) an das Bezugselement (William K.) direkt angrenzt, was bei Relativsätzen mit analytischen Tempora nicht immer der Fall ist. 6.6.4. Fir-Sätze und zu-Sätze im pennsylvaniadeutschen Nachfeld Eine Besonderheit, die sich im Nachfeld 30 des PeD etabliert hat, ist die Einbettung eines Nebensatzes, eingeleitet mit der Präposition fer (oder fir) und gefolgt von einem Infinitiv, etwa in: Wie lang hat ’s genumma fer de Ebbel rubba? [Wie lange hat es gedauert, die Äpfel zu pflücken/ rupfen? ] Sie ist alt genug fer ihre Schtoff wegduha. [Sie ist alt genug, um ihre Sachen wegzuräumen.] Diese finalen Satzkonstruktionen haben im PeD eine sehr hohe Akzeptanz, was auch durch die Datenerhebung zu belegen ist. Im StD würden diese Sätze am ehesten in den Finalsätzen mit um+zu/ damit ihre Entsprechungen finden. Woher kommt diese final-purposive Funktion von fer in etlichen deutschen Va‐ rietäten wie auch im PeD? Die deutschen Konstruktionen vom Typ um/ für+zu+V Inf stellten laut H A S P E L‐ MATH (1989: 302) eine Art von re-analysierten Finalmarkierungen dar. Die Prä‐ 171 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (311) (312) (313) (314) position zu (germ. * tō und * te ahd. zuo, zua, zō und za, zi, ze mhd. zuo; P F EI F E R 2000: 1623) wird durch Grammatikalisierungsprozesse desemantisiert und wan‐ delt sich von einer im Deutschen purposiven oder finalen Präposition zu einer reinen grammatischen Partikel, die einen Infinitiv markiert. Der syntagmatische Zusammenschluss von für mit zu als Infinitivpartikel dient somit der „Wieder‐ belebung“ oder Auffrischung (reinforcement) der eigentlich, zu Grunde lie‐ genden finalen Bedeutung, weil zu als grammatikalisierte Partikel diese seman‐ tische Komponente eingebüßt hat. Die Präposition für dient hier als subordinierende Konjunktion und leitet eine Infinitivphrase ein. Aus diachroner Sicht ist wohl anzunehmen, dass es, wie P AUL (1920) er‐ wägt, zur Abschwächung und Verschiebung von primären Funktionen von Prä‐ positionen kam. So könnte der Satz Er ging aus Wasser zu holen seine finale Markierung verloren haben und wurde durch ein immer stärker werdendes um(b) ergänzt, wie in Er ging aus um Wasser zu holen, welches schließlich mit zu zusammenfiel und das bloße zu verdrängte: Die Verwendung von um zu hat allmählich immer weiter um sich gegriffen und daher die des einfachen zu eingeschränkt. (P A U L 1920: 121; Hervorhebungen i. O.) Das einen A KKU S ATIV regierende um(b) wurde oft durch ein für (ebenfalls A K‐ KU S ATIV regierend) ersetzt oder alternierend benutzt (B EHAG E L 1924: §. 728 S. 336; A B RAHAM 2004: 145). Dass das bloße zu in Verbindung mit einem Infinitiv eine rein finale oder intentionale Bedeutung hat, ist auch im StD belegbar, wie etwa in Egon ging in die Küche zu essen oder auch im PeD: D Grandpap is am prowiera Schloof zu kriega. [Der Großvater probiert/ ist am probieren, einzuschlafen.] Wie viel Mannsleit hat ’s genemmt zu machn d Scheier nuff ? [Wie viele Männer hat es gebraucht, um die Scheune aufzustellen? ] Im PeD ist auch zu beobachten, dass sich im Nachfeld eine Art Verbcluster bilden kann, welches nach dem finiten Prädikatsteil einen weiteren Infinitiv duldet, mit einer klaren finalen Bedeutung. Dies wird allerdings ohne fer und ohne zu realisiert: Ich wees, was ihn gmacht hot schreiwe. [Ich weiß, was ihn bewogen hat zu schreiben.] …, as er doot gmacht is wadde. [… dass er ‚tot gemacht ist worden‘ oder umgebracht worden ist.] (beide Beispiele aus L O U D E N 2005: 264) 172 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (315) (316) (317) (318) (319) Statistisch sind die reinen zu-Infinitivphrasen mit finaler Bedeutung aber sehr unterzählig besetzt. Die Konstruktion mit der Verstärkung durch fer+(zu)+V Inf ist im PeD, gemessen an den Erhebungen, viel präsenter und spontaner als Ant‐ wort angegeben worden. Auch für manche schweizerdeutschen Dialekte gilt diese Annahme über die Reaktualisierung der finalen Präposition zu durch die Kookkurrenz mit für, was durch viele Sätze belegt werden kann, wie S E IL E R (2005: 317) in seiner Umfra‐ gestudie über die Distribution solcher Formen mit mehreren hervorragend kar‐ tografierten Beispielen zeigen kann: Äxgüsi, i ha z’wenig Mönz för nes Billet z’choufe. [Entschuldigung, ich habe zu wenig Münzen/ Kleingeld, um ein Billet zu kaufen/ lösen.] Aber jetzt bin i grad aneghocket für es Buech z läse. [Aber jetzt habe ich mich gerade hingesetzt, um/ für ein Buch zu lesen.] Dies schließt wiederum den Beweiskreis für das PeD in der Hinsicht, wenn man bedenkt, dass viele Sprecher in den Countys direkte Nachfahren der Schweizer Aussiedler sind, zumal auch erwiesen ist, dass im PeD ein großes lexikalisches wie morpho-syntaktisches Material aus der Nordschweiz oder aus Süddeutsch‐ land stammt (B OLLING E R 2008 oder L O UDE N 2016). Die im Korpus auftretenden Beispiele von re-motivierten (nach H A S E P LMATH 1989), verdoppelten Finalkonst‐ ruktionen lassen sich in zwei Gruppen einteilen, und zwar in Sätze nach dem Muster fer+V Inf und in Sätze nach dem Muster fer+zu+V Inf . Von den etwa 170 fer-Konstruktionen, die im Korpus vorkommen, wurden erstmals alle Präpositional-Ergänzungen des Typs fer die Kinna oder fer mei Hoosa etc. aus‐ gefiltert. Die verbleibenden ca. 110 Beispiele zeigen deutlich, dass eine klare Mehrheit der Probanden die primäre und einfachere finale Konstruktion präfe‐ riert, etwa 75 % der Sätze wurden nach dem Muster fer+V Inf erstellt: Kumm schpeeder zerick fer sie sehna. [Komm später zurück, (um) sie (zu) sehen.] D Emily waar dihra Grossammy am helfa fer Blueberry-Poi macha. [Emily war ihrer Großmutter am helfen / half ihrer Großmutter Blaubeerkuchen (zu) backen.] Ich hab di Scheer griegt fer di Kinna dihra Hoar schneida. [Ich habe die Schere genommen, (um) den Kindern die Haare (zu) schneiden.] Für den Typus fer+zu+ V Inf haben sich hingegen nur ca. 35 % entschieden, was immerhin auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl ist: 173 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD (320) (321) (322) (323) D Sarah is dihra Schularewet am schaffa, kumm schpeeder zerick fer sie zu sehna. [Sarah ist ihre Hausaufgaben am schreiben, kommt später zurück, (um) sie zu sehen.] Emily is ihra Grandmam am helfa fer Blaubiera-Poi zu backa. [Emily ist ihrer Großmutter am helfen, Blaubeerkuchen zu backen.] Vereinzelt lassen sich auch Häufungen der finalen Markierung fer belegen: A Schulmeet fon mei Dochter is am fraga, fer sie raus zu kumma fer schpiela outside. [Eine Schulfreundin von meiner Tochter ist am fragen, dass/ ob sie raus kommt, (um) draußen zu spielen.] Ebenso wurden auch Beispiele gesammelt, in denen ein und dieselbe Person in zwei finalen Situationen unterschiedliche Typen gewählt hat: Wie lang nemmts fer di Ebbel do zu rubba? Ich bin am waarda fer ein Poi backa. [Wie lange brauchen [die] (um) die Äpfel zu pflücken? Ich bin am warten, einen Kuchen zu backen.] Abschließend lässt sich konstatieren, dass mit dem Phänomen der fer-Sätze im PeD-Nachfeld eine alte finale Satzkonstruktion weiterlebt. Zum Ursprung kann bemerkt werden, dass sie sicherlich nicht durch das amerikanische Englisch bedingt wurde, sondern ein eher aus vererbten Ursprungsdialekten erhaltenes Spezifikum darstellt, welches lediglich von der umgebenden Superstrat-Sprache begünstigt wurde (vgl. Egon needs something for storing his tomato juice). Auch wenn das Augenmerk meiner Arbeit auf den Progressiv-Konstruktionen liegt, möchte ich ungern das Forschungsfeld der fer-Konstruktionen allzu schnell für beendet erklären. Es ließe sich beispielweise sicherlich noch erforschen, ob die besprochenen fer-Sätze vorfeldfähig sind und wie die interne Hierarchie der Adverbialien innerhalb der Konstruktionen gestaltet wird. Diese und ähnliche Aspekte verdienen jedoch eine gesonderte Studie, die leider nicht in den Rahmen dieser Arbeit einfließen kann. 6.6.5. Zusammenfassung zur topologischen Satzstruktur im PeD Generell verfügt das PeD über ein topologisches Drei-Felder-Modell, welches auf zwei Satzklammerelementen (finite und infinite Prädikatsteile) fußt. Ab‐ schließend lassen sich aber für die Satztopologie im PeD drei konkrete Anmer‐ 174 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien kungen machen. Es ist möglich im PeD das Vorfeld unbesetzt zu lassen und somit rückt das Finitum in die Initialstellung. Dieser Gebrauch ist aber sehr beschränkt und gilt in der Kommunikation grundsätzlich als markiert, es sei denn die Um‐ stände aus dem Präkontext lassen eine logische Erklärung für das Fehlen des üblichen Vorfeldelements zu, z. B. eine exklamative Lesart. Auch das erste Ele‐ ment einer Progressiv-Klammer, also das PeD Verb sei(n), lässt sich unter diesen Umständen ins Vorfeld rücken. Im Mittelfeld lassen sich in Bezug auf die Satz‐ gliedanordnung grundsätzlich mehrere Verschiebungen und Hierarchien fest‐ stellen. So werden Dativ- und Akkusativ-Ergänzungen, nominal oder prono‐ minal, bevorzugt in der Satzklammer zwischen den Prädikatsteilen realisiert. Im Vergleich zum StD, das in der Verbklammer bekanntlich mehrere Satz‐ glieder einbetten kann, schließt das PeD weniger Elemente in die Verbklammer ein, manchmal sogar nur ein Element. Hier gleicht sich das PeD bei der Distri‐ bution der Satzglieder eher dem Englischen an, welches bei analytischen Tem‐ pora so gut wie keine Elemente zwischen die Prädikatsteile aufnimmt, also praktisch „mittelfeldlos“ ist, aber umso mehr Elemente im postverbalen Nach‐ feld aufbaut (Egon has made some fundamental discoveries in his refrigerator late in that night). Auch im Nachfeld ist eine klare Distanzierung zum StD zu er‐ kennen. Diese wird im PeD nicht nur häufiger besetzt, sondern auch zugleich mit mehreren Elementen versehen. Auch hier gibt es eine tendenzielle Annäherung zum englischen Satzmuster (dazu H EWING S 2002: 180; U NG E R E R 2005: 224 und L O UD EN 2005: 258). An dieser Stelle muss nochmals gesagt werden, dass es sicherlich andere in‐ teressante und auffällige Stellungsmöglichkeiten von Satzgliedern im PeD gibt, welche hier nicht berücksichtigt wurden (dazu insbesondere L O UDE N 2005: 262). Im Fokus meiner Arbeit liegt die am-Progressivform und ihr Gebrauchsbzw. Restriktionsradius. Hiermit möchte ich mich also auf ein konkretes grammati‐ sches Phänomen beziehen und keineswegs dem PeD linguistische Sonderbar‐ keiten im Bereich der Topologie des Satzfeldes absprechen. Dies bedarf aber einer gesonderten, zielgerichteten wie umfangreichen Studie, welche in diesem Forschungsprojekt nicht enthalten ist. Anhand der Satztopologie in den darge‐ stellten Beispielsätzen sieht man aber deutlich, dass sich das PeD in weiten Strecken so verhält wie das sprechsprachliche Deutsch oder manche deutschen Dialekte. Sie haben zwar die Stufe der Verschriftlichung erreicht, aber ihre schriftliche Ausprägung ist nicht so stark restringiert und dadurch der geschrie‐ benen Sprechsprache näher als der schriftsprachlichen Ausprägung. Dies zeugt erneut von fehlenden Normierungsprozessen, welche den deutschen Dialekten wie auch dem PeD einen gewissen Handlungsspielraum für parallele Alterna‐ tivformen erlauben. 175 6.6. Die topologische Stellung des Verbs im PeD 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer Wie für das StD kann auch für das PeD nachgewiesen werden, dass die topolo‐ gische Satzstruktur ebenfalls in drei Felder aufgeteilt werden kann. Wenn nun der Begriff der Satzklammer durch Progressivformen erweitert wird, ergibt dies eine neuartige verbale Satzklammer, nämlich sein Fintum +am+V Inf . Das erste Ele‐ ment der Verbklammer wäre somit das Finitum sein (oder auch andere Verben, vgl. H AN S -B IANCHI 2013: 204; R ÖD E L 2004b: 232). Das Hilfsverb sein baut hier den Verbrahmen auf und ist Prädikatsträger für morphologische Merkmale wie Tempus und Numerus. D er infinite Verbteil schließt die Satzklammer als zweiter Teil des Verbrahmens. Dieser zweite Teil der Klammer kann in noch zwei weitere Bestandteile aufgespalten werden, nämlich in einen aspektuellen Marker am und den Verlaufsinfinitiv, der als lexikalischer Teil der ganzen Prädikation dient. Nun stellt sich berechtigt die Frage, wie innerhalb „einer Satzklammer“ noch eine „zweite“ verbale Klammer funktionieren kann. Es muss berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Verbklammer-Typen handelt, welche auch unterschiedliche Funktionen haben. So liefern die Ele‐ mente sein+V Inf alle morphologisch erforderlichen Referenzen für eine Prädi‐ kation und umrahmen andere Satzglieder. Daher wäre dies die morpho-syntak‐ tische Funktion der Verbklammer, weil ihr die Prädikation und die topologische Reihenfolge anderer Satzglieder unterstellt sind. Die von mir vermutete Progressiv-Klammer besteht aus der klammeröffnenden Partikel am, welche von einer präpositionalen Fügung zur infinitiveinleitenden Partikel geworden ist, und aus dem Infinitiv als lexikalischem Träger der Verbhandlung, welcher die Progressiv-Klammer schließt (vgl. RÖDEL: 2004a). Hierdurch wäre dem In‐ finitiv eine Doppelfunktion zugefügt worden, was jedoch nichts Ungewöhnli‐ ches ist, weil dies auch bei Infinitivsätzen der Fall ist. In dem Satz Das ist (heute) zu befürchten oder Das ist (nicht) zu erwarten hat der Infinitiv sowohl eine morpho-syntaktische Funktion als Teil der Satzklammer, wie auch eine lexika‐ lische Funktion als semantischer Zusatz zum Finitum (H E LBIG / B U S CHA 2011: 539; H ENT S CHE L / W E YDT 2013: 309). Terminologisch möchte ich daher zwischen einer übergeordneten Satzklammer (auch Verbalklammer) und einer unterge‐ ordneten Progressiv-Klammer unterschieden. Die Progressiv-Klammer (am +V Inf ) kann ohne ein Finitum (z. B. sein) keine Prädikation ausdrücken und somit auch keinen korrekten Satz bilden, daher ist sie syntaktisch der Satzklammer untergeordnet. Nun ist noch die Frage der internen Abfolge von Elementen innerhalb der Progressiv-Klammer zu durchleuchten. Dies betrifft Fragen wie: Welche Re‐ striktionen ergeben sich für die Satzglieder, die zwischen dem „am“ und dem Infi‐ 176 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (324a) (324b) (324c) (324d) nitiv stehen können? oder Wie weit voneinander entfernt dürfen die zwei Progressiv-Klammerelemente stehen? Im Hinblick auf das topologische Feldermodell des Deutschen ist es möglich, auch für die durch Progressivformen erweiterte Satzklammer ähnliche Beispiele für das Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld darzustellen. Im Folgenden wird daher kurz Stellung zur Distribution von Satzgliedern in den einzelnen topologischen Feldern genommen. 6.7.1. Das Vorfeld der Progressiv-Klammer Wie schon bei der Satzklammer ohne Progressiv-Formen festgestellt wurde, können alle Satzglieder auch hier in das Vorfeld treten. So können nominale (Aenn is Ebbel am schaela) oder pronominale (Sie is am Ebbel schaela) Subjekte im Vorfeld stehen. Ebenso können alle satzgliedwertigen Adverbien im Vorfeld stehen, wie etwa Heit is es am reahra oder Vielleicht sind si am schloofa, wie auch alle Fragepronomina, z. B. Fer was ist d Sache am rumliega? oder Wann is d Susann am kumma? Die ersten Unterschiede zum StD bzw. die ersten signifikanten Restriktionen bezüglich des Vorfeldes ergeben sich bei der Linksversetzung von Objekten bei Sätzen mit einer Progressiv-Klammer. Direkte Objekte, die im Vorfeld stehen ( ? D Dschan hab ich gsehna), sind im PeD syntaktisch grundsätzlich möglich, wirken aber nicht authentisch und für die Sprecher befremdend, daher ist ihre satzinitiale Vorverlegung selten zu belegen (vgl. dazu L O UD E N 2005). Wenn man nun die Erweiterung der Satzklammer durch am-Progressiv-Konstruktionen genauer untersucht, ist schnell festzustellen, dass vorangestellte Objekte hier nur schwer oder gar nicht vorfeldfähig sind: ? Em Doody sei Bart is d Peder am scheyva. [ ? Dem Großvater seinen Bart ist der Peter am rasieren.] ? * Em Doody sei Bart am scheyva is d Peder. ? * Em Doody is d Peter sei Bart am scheyva. ? * Am scheyva is d Peter em Doody sei Bart. Diese Unvereinbarkeit könnte zweierlei Gründe haben. Zum einen spielt si‐ cherlich die syntaktische Abhängigkeit der beteiligten Elemente eine wesent‐ liche Rolle und zum anderen ist auch die Thema-Rhema-Gliederung an der Satztopologie beteiligt. So ist es unratsam Elemente aus einem Syntagma zu entkoppeln, welche einer gewissen logischen Reihenfolge untergeordnet sind. Damit wäre der Satz Egon hat das Fahrrad seines Opas pink gestrichen in der Reihenfolge * Seines Opas hat 177 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer Egon das Fahrrad gestrichen pink ungrammatisch, weil die Satzteile eine gewisse dependenzielle Abfolge einhalten müssen. Die dependenzielle Darstellung bzw. Bindung der Elemente im Satz wird in Grammatikmodellen unterschiedlich dargestellt, worauf in dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird. Zum sog. Satzgliedinnenbau oder Prädikatenverband siehe Näheres in D UDE N -Grammatik (1998: 658) oder H E NT S CHE L / W E YDT (2013: 413). Die folgende Dekomposition des Beispielsatzes zeigt die Abhängigkeit der Konstituenten: Abb. 26: Phrasenstrukturdiagramm eines Beispielsatzes So ist auch im Falle der Progressiv-Klammer anzunehmen, dass es gewisse de‐ pendenzielle Hierarchien nach dem Prinzip der Konstituenz geben muss, welche auch die topologische Ordnung im dem Satz D Peter is em Doody sei Bart am scheyva steuern, wie dieses Phrasenstrukturdiagramm verdeutlicht: 178 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Abb. 27: Phrasenstrukturdiagramm eines am-Progressiv-Satzes Dies würde zumindest erklären, warum manche Elemente vorfeldfähig sind und eben nicht jede topologische Stellung einnehmen können. Darauf basierend lässt sich ebenfalls ein Schema für die am-Progressiv-Konstruktionen erstellen: Abb. 28: Phrasenstrukturdiagramm der am-Progressiv-Klammer 179 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer Abb. 29: Dependenzdiagramm für am-Progressive Auch hier wird der verbale Charakter des Verlaufsinfinitivs wieder deutlich, da die Valenz des zu Grunde liegenden Verbs intakt bleibt und den syntaktischen Knoten bestimmt. Die vom Verlaufsinfinitiv abhängigen Konstituenten bleiben in Verbnahstellung (A B RAHAM 1995: 172) und gehören somit aus syntaktischer Perspektive zum näheren Verbumfeld. Vom lexikalischen Blickpunkt aus ge‐ hören diese Ergänzungen zum rhematischen Umfeld des Verbs, weil sie vom Infinitiv abhängen, und dieser wiederum bildet meines Erachtens bei am-Pro‐ gressiven den Kern der Rhema-Gliederung. Normalerweise gilt bei der Imple‐ mentierung von Objekten in Sätzen das Prinzip Thema-vor-Rhema als gramma‐ tisch unmarkiert und wird daher von den Sprechern bevorzugt, wie auch A B RAHAM bemerkt: Wenn wir Ungrammatikalität als polaren Endpunkt auf einer Skala wachsender Mar‐ kiertheit verstehen (“je markierter eine Konstruktion, desto zahlreichere, spezifi‐ schere Kontexte müssen zu einer Rechtfertigung herangezogen werden“), dann ist dieses Prinzip als Einschränkung für den Grad der Markiertheit bzw. als Stellungs‐ grenze unter extremer Markiertheit zu sehen. Die Bedingung “Rhema vor Thema“ ist im Deutschen markiert gegenüber der normalen Distribution “Thema vor Rhema“. (A B R AHAM 1995: 176) Dies gilt natürlich auch für die beschriebenen Beispiele des Vorfelds im PeD, obwohl es auch hier wie im StD zu kontextuell bedingten Abweichungen kommen kann, in denen das Rhema topikalisiert werden kann (Tomatensaft hat Egon getrunken, nicht Wasser). 180 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 6.7.2. Die Relevanz der Thema-Rhema-Gliederung für die Satztopologie Aus den oben dargestellten Gründen könnte die zweite Erklärung für die Regel der Vorfeldbesetzung bzw. deren Blockade in der Thema-Rhema-Gliederung liegen. Zur Thema-Rhema-Gliederung sollten hier nur ein paar Randbemer‐ kungen gemacht werden, welche sich auf die Problematik der Entkoppelung von Thema-Rhema-Konstituenten beziehen. Die Prägung des terminologischen Reimpaares geht wohl auf A MMANN (1928) zurück und wurde von M ATHE S IU S (1929) als funktionale Satzperspektive oder Gliederungsschema für die Klassi‐ fizierung von Informationen im Text oder in der Kommunikation erstmals ver‐ wendet (siehe H AU E I S 1992: 20). Somit wird der Fokus der Thema-Rhema-Gliederung auf das Verstehen einer Äußerung verlagert und dadurch zum Kommunikationsprinzip. Dies stellt den Ausgangspunkt für die heutige Forschung der Thema-Rhema-Gliederung als eine Theorie sprachlichen Handelns dar (E R OM S 1992: 5). In ihr werden die Informationen einer Aussage nach ihrem „Neuigkeitsaspekt“ gewichtet. Neuigkeit ist hier allerdings nicht als Werturteil zu verstehen, sondern als Terminus für den Grad der Bekanntheit einer Information innerhalb von Aussagen. In‐ nerhalb der semantischen Struktur der Aussage gilt, dass das Thema dasjenige Element ist, worüber etwas ausgesagt wird und das Rhema dasjenige, was über das Thema ausgesagt wird. M ATHE S IU S (1929) benannte diese prädikative Re‐ lation daher „funktionale Satzperspektive“. D AN E Š (1967: 499) erweitert das Thema-Rhema-Modell, indem er thematische Progressionen hinzufügt und somit das Thema-Rhema-Schema von der Satzperspektive auf den Gesamttext projiziert. Es handelt sich hierbei also um ein semantisch-pragmatisches Kommunika‐ tionsphänomen, das über eine topologische oder syntaktische Analyse be‐ schrieben werden kann. Voraussetzung für das Glücken der Kommunikation am Beispiel des Satzes Egon besucht in Apfeldorf sein Geburtshaus ist ein gemein‐ samer Wissensstand der Kommunikationspartner (Präkontext oder Vortext etc.), aus dem der Sprecher dann eine Information auswählt, von der er glaubt, sie sei dem Hörer bekannt (das Thema; z.B. Egon, unser beider alter Schulfreund ) und eine, von der er annimmt, sie sei für den Hörer neu (das Rhema; Apfeldorf). Das Fehlen an Informationen oder der sog. thematische Sprung (hier Egon wurde wohl in Apfeldorf geboren ) kann mit unterschiedlichen Strategien ausgeglichen werden, indem fehlende Informationen inferiert werden, denn der Leser/ Hörer ergänzt diese Informationen aus seinem Präkontext, vorausgesetzt diesen gab es tatsächlich (vgl. H O F FMANN 1992: 32). 181 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (325a) (325b) (325c) (326a) (326b) (327) (328) Laut A B R AHAM (2003: 14) hat die Thema-Rhema-Gliederung großen Einfluss auf die Satzstellung und ist daher nicht nur ein Hilfsmittel für die Satzgliedord‐ nung, sondern auch ein Diskursmittel zur Topikalisierung bzw. Fokussierung von Sachverhalten. Die Satzstellung im Deutschen, insbesondere bei analyti‐ schen Satzklammern, platziert die rhematische Information normalerweise in die Verbalphrase und somit erhält dieses Element einen bestimmten Rhema- Wert, einen „grammatischen Akzent“ (A B RAHAM 2003: 15). Eine Abweichung von dieser Reihenfolge erzeugt zwar einen grammatisch korrekten, aber kom‐ munikativ „kontrastiven Akzent“, was auch in folgenden Sätzen zu beobachten ist: Egon hat das Fahrrad seines Opas pink gestrichen. vs. (? ) Pink gestrichen hat Egon das Fahrrad seines Opas. (? ) Pink hat Egon das Fahrrad seines Opas gestrichen. Die Abkopplung vom normalen Satzakzent und der Gebrauch des kontrastiven Akzents ist auch im PeD bei der am-Progressiv-Klammer theoretisch anwendbar aber bislang nicht belegbar: ? Em Doody sei Bart is d Peder am scheyva. [ ? Dem Großvater seinen Bart ist der Peter am rasieren.] ? * Am scheyva is d Peder em Doody sei Bart. [ ? * Am rasieren ist der Peter dem Großvater seinen Bart.] Es ist daher ungewöhnlich, ein in diesem Falle zweigliedriges Rhema-Element (em Doody sei Bart) zu entkoppeln und voneinander getrennt im Satz zu positi‐ onieren. 6.7.3. Die Thema-Rhema-Gliederung in am-Progressiv-Konstruktionen Wenn man nun die oben kurz umrissene Vorstellung der Thema-Rhema-Glie‐ derung auf die analytische Progressiv-Klammer projiziert, wie in den Beispielen: [ Egon Thema] ist [Aux] [ am streichen Rhema]. [ D Doody Thema] is [Aux] [ am schloofa Rhema]. [Der Großvater ist am schlafen.] ergeben sich folgende Fragestellungen: Wie weit stehen die Thema- und Rhema-Elemente voneinander? oder Wie kann man diese Elemente als solche ein‐ deutig identifizieren? und Wie weit voneinander dürfen mehrgliedrige Elemente platziert sein? 182 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (329a) (329b) In Anlehnung an A B RAHAM S (1992: 204) „Adjezenzthese“ (lat.adiacēns, adia‐ cēnt dt. benachbart, naheliegend) bei den Fokuspartikeln sind analog dazu auch bei der Progressiv-Klammer gewisse Ähnlichkeiten zu erkennen. Beim Ge‐ brauch von Fokuspartikeln (sogar, nur, selbst) kann nämlich zwischen fokustragenden und fokusfordernden Elementen unterschieden werden, wobei der im Mittelpunkt stehende Fokus selbst als ein Unterbegriff von Rhema verstanden werden kann. Die unmittelbare Nachbarschaft (Adjazenz) der korrelierenden Elemente ist für die Interaktion wichtig und dabei sind auch topologische Ver‐ schiebungen von Satzgliedern möglich: Sogar/ selbst DANN [Fokusforderer] schwieg Waldheim. DANN [Fokusforderer] sogar/ selbst schwieg Waldheim. (aus A B R A H A M 1992: 204, Hervorhebungen A.T.) Bezogen auf die Thema-Rhema-Gliederung handelt es sich bei der Progressiv-Klammer nach dem Typ sein Finitum +am+ V Inf um die gleichen Rela‐ tionen. Die Infinitivpartikel am und der Verlaufsinfinitiv sind als rhematisch aufzufassen bzw. beide sind zusammen als Rhema-Elemente zu verstehen. Sie bilden zu dem im Vorfeld stehenden Thema den rhematischen Gegenpol. Das Rhema ist somit der eigentliche Fokus der Äußerung, das erwartete Neue im Satz und fällt hier auf den Verlaufsinfinitiv als semantische Komponente, der zusammen mit der Partikel am den zweiten Gliederungspol bildet. Hier ergibt sich allerdings eine pragmatische Problemfrage: Kann die Partikel ‚am‘ ein Teil des Rhemas sein? Hier greift meiner Meinung nach A B R AHAM S Idee der „fordernden“ Instanz. Das am übernimmt die Funktion des rhema-fordernden Elements, da sie eine von beiden Gesprächspartnern akzeptierte Progressivität oder Unabgeschlossenheit des Verbalgeschehens konzeptualisiert. Es ist zwar der Träger der Aspekt-In‐ formation, aber der Forderer der Rhema-Information, zumal am alleine kein Rhema sein kann, da es eine grammatische Information konzeptualisiert, welche nicht rhematisch sein kann. So können beispielsweise Pronomina kein Rhema bilden, weil der Bezug zum Antezedens nie hergestellt wurde und somit auch nicht klitisiert werden kann. Die infinitiveinleitende Partikel am ist als rhema-forderndes Element ein Teil des gemeinsamen Präkontextes oder des gemeinsamen Hintergrundwissens, welche eine aspektuelle Lesart kodiert, was den Benutzern aber zwingend be‐ kannt sein muss, da sonst die Kodierung und Dekodierung des Satzes fehl‐ schlägt. Dies bedeutet, dass beide Gesprächspartner, der Sprecher und der Hörer, über denselben Wissensstand verfügen müssen, in diesem Fall über die As‐ pekt-Affinität der am-Partikel. Das Neue im Satz ist dann nur die Handlung 183 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (330) (331) (332) (333) (334) selbst, die durch den Verlaufsinfinitiv eingeleitet wird, welcher dann das rhema-tragende Element darstellt. Das Subjekt ist als prototypisches Thema an‐ zusehen und steht meistens satzinitial oder in left dislocation (H O F FMANN 1992: 29). Das Auxiliar sein verleiht hier als ein Anti-Topik-Element der Progressiv-Klammer die nötige Prädikation. Die Topikalisierung des Verlaufsinfinitivs, also des Rhemas, im Vorfeld ist im PeD zumindest bei der Progressiv-Klammer ein eher untypisches und nicht frequentes Verfahren: ? Am schloofa is dr Doody, dihr sollat sachde sei. [ ? Am schlafen ist der Großvater, ihr sollt ruhig sein.] ? Guckbox am watscha bin ich sunndaags ’m Nomidaag. [ ? Fernseher am gucken bin ich sonntags am Nachmittag.] Diese Adjazenz oder die Nahstellung von am und dem Verlaufsinfinitiv basiert daher auf den rhematischen Zusammenhängen dieser Elemente (vgl. E R OM S 1992: 13; auch A B RAHAM 2004: 111). Das erklärt einerseits auch, warum keines der beiden rhematischen Elemente fehlen darf ( ? D Doody is [am] schloofa = Absentiv/ * D Doody is am [schloofa] = inkorrekt). Zum anderen lässt sich durch diese kontextuell-pragmatische Relation auch die unmittelbare Abfolge der Ele‐ mente erklären. Das trifft vor allem bei der Extension der Progressiv-Klammer durch Ergänzungen zu. Normalerweise werden die Objekte ausgeklammert und die Partikel am steht vor dem Verlaufsinfinitiv. Im PeD wird diese Struktur all‐ mählich gelockert, sodass auch andere Distributionsmuster möglich sind. Darin zeigt sich auch der signifikanteste Unterschied zu syntaktisch ähnlich funktionierenden zu+V Inf -Phrasen. Diese sind auch als rhematisch verbundene Ele‐ mente aneinander gekoppelt, diese Bindung ist jedoch weder im StD noch im PeD auflösbar: Es ist lustig, Egon zu beobachten vs. * Es ist lustig, zu Egon beobachten. D Grandpap is am prowiera, Schloof zu kriega. vs. * D Grandpap is am prowiera, zu Schloof kriega. Im Englischen ist die Loslösung der Infinitivpartikel to manchmal aber zulässig: She was known to not/ hardly ever come forward with any good excuse. (aus A B R A H A M 2004: 118) Folglich lässt sich für das Vorfeld in der Progressiv-Klammer im PeD zusam‐ menfassend festhalten, dass bei der Besetzung des Vorfeldes sowohl morphosyntaktische Gründe wie auch kommunikativ-pragmatische Relationen der be‐ teiligten Elemente eine wichtige Rolle spielen. 184 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (335) (336) 6.7.4. Das Mittelfeld der Progressiv-Klammer Ein Satz wie D Sarah is am Klapperbox (dt. Klavier) schpiela ist in dem PeD keine seltene Phrase und auch im StD kann man Sätze wie Egon ist am Kartoffelschälen immer häufiger hören. Erweiterungen der Verbklammer durch Ergänzungen sind im Spektrum der Progressiv-Phrasen immer häufiger in Gebrauch, verein‐ zelt sogar in deutschsprachigen Zeitungen: Am liebsten bin ich: Auf einem Sofa ein Buch am Lesen. (SOZ12/ NOV.00445 Die Südostschweiz; 03.11.2012. S. 5; Larissa Künzle persönlich) Die Fragen, welche für eine morpho-syntaktische Analyse solcher Sätze essen‐ tiell sein könnten, lauten: Welche topologische Stellung hat das dem Verlaufsin‐ finitiv untergeordnete Objekt in dieser Progressiv-Klammer? und Welche Auswir‐ kung hat eine Inklusion oder Inkorporation auf den morpho-syntaktischen Charakter des Verlaufsinfinitivs? Es handelt sich hierbei um ein in der Linguistik als Nomen-Inkorporation bekanntes Thema bzw. um eine spezielle Wortbildungsart, bei welcher ein Nomen mit einem Verb korreliert und dabei die vom Verb abhängige nominale Ergänzung mit dem Infinitiv formell zusammenfällt. Diese Wortbildungsme‐ thode ist für das Deutsche möglich (das Radfahren, Staubsaugen, Babysitten, Punktschweißen) aber eher untypisch, bei manchen polysynthetischen indiani‐ schen Sprachen Nordamerikas jedoch durchaus produktiv (dazu B AR R I E / S P R E NG 2009: 374). Das Mittelfeld der Progressiv-Klammer hat viele Gemeinsamkeiten mit den sog. Nomen- Inkorporation, z. B. sind die Objekte oft an den Infinitiv angeheftet und fungieren formell als Einheit (Egon ist am Kartoffelschälen), was aber bei am-Progressiven im PeD nicht immer bzw. oft nicht der Fall ist. Sobald nämlich vor dem Objekt ein Determinator steht, ist ein formaler Zusammenschluss mit dem Verlaufsinfinitiv nicht mehr möglich, was auch an der Getrenntschreibung zu sehen ist. Das bloße Platzieren eines Elements innerhalb der Klammerele‐ mente heißt daher im PeD nicht automatisch, dass es sich um eine Nomen- Inkorporierung handelt. Dies stimmt im PeD nicht mit der Datenlage überein, weil problemlos viele Beispiele wie diese gefunden werden können: Aenn is am d [Det] Ebbel schaela. / Aenn is am dihre [Poss] Ebbel schaela. [Anna ist am die Äpfel schälen.] / [Anna ist am ihre Äpfel schälen.] Laut D ÜR S CHE ID (1999: 30) weisen Beispiele wie eislaufen oder kopfstehen auf Inkorporationen hin, weil die verschmolzenen Morpheme nicht mehr analytisch benutzt werden können bzw. durch Artikel expandiert werden können, wie etwa * das Eis laufen oder Bei Egon steht alles * auf dem kleinen Kopf etc. Für die inkor‐ 185 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (337) (338) (339) (340) (341) (342) (343) (344) (345) (346) (347) porierte nominale Akkusativ-Ergänzung ist essentiell, dass sie pluralisch inde‐ finit ist, d. h. dass ihre typischen nominalen Merkmale (Numerus, Kasus, Artikel) verloren gehen und somit keine Kongruenz zum Finitum hergestellt wird. Bei‐ spielsweise zeigen die folgenden Passiv-Beispiele, dass die Objekte aus dem Ak‐ tivsatz in der Passivtransformation nicht in den Subjektstatus erhoben wurden, etwa in: Jetzt wird/ ? * werden Spaghetti [Mass-Noun] gegessen. Es wird jetzt Zähne geputzt und nicht geschwätzt, da im Bad! Eine ähnliche Inkongruenz ist beispielsweise auch bei Spaltsätzen zu finden bzw. bei der Satzspaltung als syntaktisches Vorgehen der Fokussierung: Kekse ist/ ? sind es, was der kleine freche Egon mag. Auch bei Nicht-M A S S -N O UN S (zählbaren Nomina), kann (muss aber nicht) die Kongruenz fehlen: Heute wird/ ? werden Karten gespielt. (aus D Ü R S C H E I D 1999: 30) Heute wurde/ *? wurden teppichgeklopft. (aus A B R A H A M 1995: 172) Abends wird/ ? werden ordentlich die Zähne geputzt. (aus A B R A H A M 2000b: 8) Diese Einschränkung, dass die vom Verlaufsinfinitiv valenzbedingten A KK -Ob‐ jekte nicht durch Artikel modifizierbar sind, stimmt nach den neuesten Studien und nach diesen empirischen Daten zumindest im PeD nicht, zumal auch hier zahlreiche Fälle auffindbar sind, wie folgende Beispiele in Sit. 02.5. oder Sit. 05.2. oder Sit. 10.2. zeigen: Ich bin am d Widdweiba bsucha. [Ich bin am die Witwen besuchen.] Bin an en Brief schreiwa. [Bin an einen Brief schreiben.] Do in die Schtubb waar ma am en Brief zu de Samuel schreiwa. [Da in der Stube waren wir am einen Brief zu dem Samuel schreiben.] Es letschd mol, ass ich dich geshena hab, is, wann sie yuscht an es Haus baua werra. [Das letze Mal, dass/ als ich dich gesehen habe, ist, als sie gerade an das Haus bauen waren.] In der Sit. 04.3. haben auf die Frage Was machst Du mit der Schere? 11 Personen (27,5 %) die durch einen Determinator expandierte Form im Mittelfeld der Progressiv-Klammer gewählt: Ahyee, ich bin am d Kinna dihra Hoar schneida. 186 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (348) (349) (350) (351) [Ach herrje, ich bin am den Kindern ihre Haare schneiden.] Ich bin an die Buba dihra Hoar schneida. [Ich bin an die Buben ihre Haare schneiden.] Zwei Personen haben anstatt des bestimmten Artikels sogar ein Possessivpro‐ nomen verwendet: Ich bin an mei Kinnan an hearcut gewwa. [Ich bin an meinen Kindern einen Haarschnitt geben.] Du bischt an dei Kinna Hoar schneida. [Du bist an deinen Kindern Haare schneiden.] Dies deutet auch auf eine graduelle Erweiterbarkeit der Objekte hin, welche als eigenständige Elemente und nicht als inkorporierte Elemente wahrgenommen werden. Es finden sich sogar Beispiele, in denen die Akk-Objekte noch durch Adjektive attribuiert werden, was gänzlich gegen die Regeln der Inkorporation verstoßen würde: Ich bin am frisch Groos griega fer mei Hoosa. [Ich bin am frischen Gras kriegen/ besorgen für meine Hasen.] Damit zeigt sich die These, dass die innerhalb einer Progressiv-Klammer lie‐ genden Elemente indefinit und ohne Kasusmarkierung sein müssen, wie B AR R I E / S P R ENG ( Ich bin am * das Wasser trinken, 2009: 380) ansetzen, für das PeD als nicht wahr. Auch A B RAHAM (2004a: 139) deutet zumindest auf diese Möglichkeit hin, das scheinbar inkorporierte Objekte in manchen deutschen Varietäten doch nominale Marker haben können (Wir sind nicht dazu gekommen zum ( ? die) Kühe melken.). Auch die prosodischen Merkmale sollten bei einer Inkorporation berücksich‐ tigt werden. Die inkorporierten Objekte verlieren diese nämlich und werden nicht-betont ausgesprochen, während die Objekte bei einer getrennten Auflis‐ tung als separates Satzglied ihre natürliche Prosodie beibehalten, wie etwa Ich bin Kartoffeln am schälen und Ich bin am Kartoffelnschälen (dazu mehr in B AR R I E / S P R ENG 2009: 377). Bei einer echten Nomen-Inkorporation durch ein Verb müsste logischerweise ein weiteres Verb entstehen, d. h. das Produkt einer solchen Derivation müsste ein Infinitiv sein, welcher problemlos vollständig konjugierbar sein sollte, was bei kartoffelschälen oder büchersuchen nicht der Fall ist (ich * kartoffelschäle, ich * schäle kartoffel; du * büchersuchst, du * suchst bücher, aber z. B. du babysittest morgen und nicht du * sittes morgen baby etc.). Weiterhin besteht die Annahme, dass bei Inkorporationen von Objekten nur direkte Objekte zugelassen sind. Im 187 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (352) (353) (354) (355) (356) (357) PeD sind immer mehr Beispiele zu finden, in denen auch Dativ-Objekte mit ihren nominalen Merkmalen vorkommen können: Di Emily is an dr [Dat.Sg.Fem.] Grossamy helfa, ein Poi zu backa. [Die Emily ist an der Großmutter helfen, einen Kuchen zu backen.] Ich bin an den [Dat.Pl.] Kinna en Hoarcut gewwa. [Ich bin an den Kindern einen Haarschnitt geben.] Ich bin am d [Dat.Sg.Mask.] Doody sei Bart scheyva. [Ich bin an dem Großvater seinen Bart rasieren.] Präpositionalobjekte, wenn auch selten, können im PeD in der Progressiv-Klammer auftreten, was im StD oder den standardnahen Dialekten bislang nicht belegbar war: Die Kinna sind an ins Scheier schpiela. [Die Kinder sind am ins/ in der Scheune spielen.] Waarscht Du am Schtee ans Fenschder schmeissa? [Warst Du am Steine ans Fenster schmeißen? ] Sei Dochter war aa am zu die Schuul geha, awwer sie waar in eens vun die heecherie Grades gewest. [Seine Tochter war auch am zur Schule gehen, aber sie war in ein von den höheren (Schul)Klassen gewesen.] (aus Hiwwe wie Driwwe, Nr. 2, 2013. S. 5) Der Ansatz von B AR R I E / S P R E NG (2009: 379), dass die sog. M A S S -N O UN S oder un‐ zählbaren Nomina (wie Wasser, Zucker, Honig, Geld etc.) bevorzugt innerhalb der Progressiv-Klammer platziert werden (Egon ist am Geld zählen oder Egon ist immer am Honig schlecken) oder dass Nomina im Plural dort bevorzugt einge‐ bettet werden, ist im PeD nicht haltbar. Es ist durchaus möglich den bestimmten Artikel innerhalb der Klammer zu platzieren (Aenn is am d Ebbel schaela) oder A KK -Ergänzungen von diesem Typ außerhalb der Klammerelemente am und V Inf zu finden (Er is es/ sein Geld am zählen oder Er is am Geld zählen). Hier müsste aber eine andere Perspektive berücksichtigt werden, welche bei der Interpretation der letzten zwei Sätze eine distinktive Lesart ermöglicht. In dem Satz Er is es/ sein Geld am zählen wird das Objekt mit einem Determinator (es/ sein) eingeführt, was auf eine thematische Anapher verweist, d. h. es wurde schon einmal über das Geld gesprochen und als Thema eingeführt. Bei dem Beispiel Er is am Geld zählen ist dagegen das Objekt uneingeleitet und steht ohne Determinator, was es in die Nähe des Rhemas rückt und somit die Undefiniert‐ heit rechtfertigt. 188 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (358) In der Literatur zu Inkorporation wird die These vertreten, dass die inkorpo‐ rierten Elemente nicht referentiell auf einen konkreten Gegenstand hinweisen, sondern generisch oder repräsentativ funktionieren, also eher Klassen oder Typen von Gegenständen im Gegensatz zu konkreten individuellen Objekten bezeichnen ( VON P OTTL E B E R G E 2004: 55). Das Beispiel am Geld zählen würde daher der Lesart entsprechen, dass es sich um Geld generell handelt, welches nicht aus dem Präkontext bekannt ist. Bei der Phrase (es/ sein) Geld am zählen wäre dagegen das Geld als referentielle Summe zu verstehen, welche den Ge‐ sprächspartnern aus dem Präkontext bekannt ist. Nach VAN P OTT E LB E R G E (2004: 207) handelt es sich bei Sätzen nach dem Muster Ich bin am Kartoffelschälen nicht um eine „echte“ Objekt-Inkorporation, sondern um substantivierte Infinitivphrasen. Dafür sprechen seiner Meinung nach zwei Gründe: 1. Dieses Wortbildungsmuster ist sehr produktiv, eine „echte“ Inkorporation hingegen ist im Deutschen nicht produktiv. Nahezu beliebig viele Bei‐ spiele können so im Deutschen erschaffen werden: Das Marmeladekochen ist aufwändig oder Das Topfschlagen ist spaßig oder Das i-Phonespielen macht dumm. Der unten stehende Beleg zeigt, dass ein Wort wie Dreh‐ buchschreiben, welches als Inkorporation (nach B AR R I E / S P R E NG 2009; K RAU S E 2002) oder als konvertierte Infinitivphrase (nach VAN P OTT E L‐ B E R G E 2004, F L EI S CHE R / B AR Z 2012) eingestuft werden kann, durchaus möglich ist und auch produktiv ist. Solch ein Wort ist aber oft eine Art ad-hoc-Schöpfung, weil es aus der Kommunikation heraus geprägt wurde und für Außenstehende doch sehr stark kontextgebunden wirkt, wie das C O S MA S -II-Beispiel zeigt: Aus gutem Grund, ich wollte mich bei Frank Daniel, einem gebürtigen Tschechen, im Drehbuchschreiben weiterentwickeln. (X96/ JUN.10557 Oberösterreichische Nachrichten, 21.06.1996, Ressort) 2. Es ist durchaus möglich, Infinitive mit einem Adverb (am Kaputtgehen sein) oder einem Prädikativ (am Erwachsenwerden sein oder am Größerwerden sein) zu verbinden. Diese Verbindungen müsste man dann Ad‐ verb-Inkorporation oder Prädikativ-Inkorporation nennen, was termino‐ logisch wenig Sinn ergeben würde. Diese Wortbildungsmuster als Kon‐ version von Infinitivphrasen zu benennen erscheint VAN P OTT E LB E R G E (2004: 208) logischer und weniger irreführend. Außer der echten Inkorporation gibt es auch andere Möglichkeiten, ein syntak‐ tisches Objekt gemeinsam mit dem regierenden Verb darzustellen. Es können 189 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (359) (360) dazu Konversionen von Infinitivphrasen (Bücher suchen) benutzt werden, d. h. Zusammensetzungen von einem Infinitiv mit einem abhängigen Satzteil wie in Der Computer macht das Büchersuchen oder Bibliographieren jedem zugänglich. Dieses Muster ist im StD zwar möglich, wird aber in den Grammatiken nicht als ein typisches Wortbildungsmuster beschrieben. Es mag daran liegen, dass solche Konversionen häufiger analytisch (das Suchen der Bücher) oder verbal benutzt werden (der Computer sucht Bücher) und dass solche Ausdrücke auch oft als passende Gelegenheitsausdrücke (ad-hoc-Schöpfungen) empfunden werden. So gewonnene Konversionen sind auch nicht attribuierbar, einfache substantivierte Infinitive dagegen schon ( *? das langsame Büchersuchen / das langsame Suchen der Bücher). Informationen über Numerus oder Kasus und individualisierte Refe‐ renzen werden in den Konversionen ebenfalls nicht aufgenommen ( * Buchsu‐ chen, * Büchernsuchen, * Buch-von-Rilke-suchen etc.). Gegen eine Objektinkorporation spricht auch die Tatsache, dass es hier um zwei unterschiedliche linguistische Ebenen geht. Einerseits bewegt man sich im Rahmen der Wortbildung, weil man die Zusammensetzung von Wörtern als Wortbildungsmuster zu erfassen versucht. Andererseits wird ein Wort nach seinen syntaktischen Eigenschaften benannt, was nicht immer richtig ist. So kann man von zwei gleichbedeutenden Ausdrücken nicht sagen, dass der Aus‐ druck Autofinanzierung etwa eine „Genitiv-Inkorporation“ von die Finanzierung des Autos ist, analog dazu ist auch Büchersuchen nicht eine Inkorporation von das Suchen der Bücher. Die Struktur bei referentiell äquivalenten Ausdrücken ist nicht übertragbar ( VAN P OTT E LB E R G E 2004: 57). Objekte mit nominalen Infinitiven können auch durch von-Paraphrasen zu‐ sammengefügt werden, wie das Suchen von Büchern. Grundsätzlich sind Para‐ phrasen mit von bei Inkorporationen oder Infinitivkonversionen möglich (vgl. Kartoffelschälen und Schälen von Kartoffeln; Büchersuchen und Suchen von Bü‐ chern). Hier ist auch einer der großen Unterschiede zu den am-Progressiven zu sehen, zumal diese Umschreibung hier kaum anwendbar ist: Die Emily is am Poi backa. vs. ? Die Emily is am Backa vun ee Poi. [Die Emily ist am Kuchen backen.] [ ? Die Emily ist am Backen von einem Kuchen.] Die Sarah is an dihra Schularewet duha. vs. * Die Sarah is an Duha vun dihra Schularwet. [Die Sarah ist an ihre Hausaufgaben tun.] [ * Die Sarah ist am Tun von Hausaufgaben.] Auch semantisch ergeben sich bei der Inkorporation einige Restriktionen, welche es bei den am-Konstruktionen nicht in diesem Maße gibt. So kann die Phrase Di Emily is an di Grossammy helfa nicht als Inkorporation oder Konver‐ sion paraphrasiert werden, * an Helfa vun Grossammy. Eine Objektinkorporation 190 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien nach dem Muster Ich bin am Kartoffelschälen ist mit dem Verb duhn (dt. tun) auch im StD schwer vorstellbar, wie in ? * Ich bin am Hausaufgabentun. Daher liegt in dem Satz Die Sarah is am Schularewet duha meines Erachtens keine In‐ korporation vor, sondern eine Erweiterung der Progressiv-Klammer, welche bis auf wenige semantische Restriktionen immer möglich ist. In der Grammatik des Niederländischen (A L G EMEN E N E D E R LAND S E S P RAAK‐ KUN S T 1997: 1360) wird diese Struktur als eine Expansion der Verlaufsform oder eine Durchbrechung des Konstruktionsrahmens (doorbreking van de constructie) gesehen, was dem PeD-Phänomen dennoch viel näherkommt, als von einer Ob‐ jekt-Inkorporation oder Konversion zu sprechen. Es handelt sich hier nicht um ein Wortbildungsmuster, sondern um ein morpho-syntaktisches Phänomen, da alle an der Phasenbildung beteiligten Aktanten in der Analyse mitberücksichtigt werden müssen. Im PeD ist eine Expansion der Progressiv-Klammer auch mit den morphologischen Markierungen möglich, welche normalerweise bei der Konver‐ sion verloren gehen (Numerus, Kasus oder Erweiterung mit Adjektiven und Prä‐ positionalphrasen). Diese Expansion ist auch im diachronen Rückblick auf die am-Progressive vertretbar, zumal die frühesten Belege von intransitiven Verben stammen (der am herausreiten was), dann auf transitive Verben übertragen wurden (ist am schmieden/ lesen/ verkaufen), um zuletzt eine Erweiterung durch direkte Objekte zu erfahren (Aenn is am d Ebbel schaela), bis hin zur Kookkurrenz mit indirekten Objekten (Elly is am dr Grandmam helfa) und mit Präpositionalob‐ jekten (Und vi eah am in’s boat gayha voah). Ob nun das oben behandelte Phänomen Inkorporation (A B RAHAM 1995; D ÜR‐ S CHE ID 1999; B AR R I E / S P R E NG 2009) oder Konversion (F L E I S CHE R / B AR Z 2012; VAN P OTT E LB E R G E 2004) zu nennen ist, bleibt in dieser Arbeit unbeantwortet. Mein Fokus liegt diesbezüglich nicht auf der Namensgebung solcher Phänomene, sondern vielmehr auf der Frage, wie sich diese Konstruktionen im PeD verhalten und welche Änderungen dadurch im topologischen Mittelfeld möglich sind. Für das Mittelfeld der Progressiv-Klammer bleibt diesbezüglich festzuhalten: a. Der für Akkusativ-Inkorporationen typische Verlust von nominalen Mar‐ kern (Numerus, Artikel) tritt im PeD nicht zwingend ein (Ich bin an en Brief schreiwa/ am d Ebbel schaela.); b. Die Objekte bei am-Progressiv-Konstruktionen sind attributiv erwei‐ terbar (Ich bin am frisch Groos griega fer mei Hoosa.); c. Auch Präpositionalphrasen können in die Klammer aufgenommen werden (Die Kinna sind an ins Scheier schpiela. oder Und vi eah am in’s boat gayha voah, …); 191 6.7. Die Topologie der am-Progressiv-Klammer (361) (362) (363) (364) (365) d. Dativ-Ergänzungen sind zwar seltener vorzufinden, aber dennoch wurden sie von den Befragten spontan in die Progressiv-Klammer integriert (Ich bin am d Doody sei Bart scheyva.). Diese Beobachtungen sind bei echten Inkorporationen nicht möglich und daraus schließe ich, dass es sich hier nicht um eine neue Wortbildungsart im PeD han‐ delt, sondern um eine regelkonforme und diachron wie synchron erwartbare Extension der Progressiv-Klammer. Auch B AR R I E / S P R E NG (2009: 387) sehen in ihrem Resümee diesbezüglich Unterschiede bei der Nomen-Inkorporation aus anderen Sprachen, was den Schluss erlaubt, dass eventuell noch andere, nicht erfasste Parameter erlaubt sind und somit die Namensgebung solcher Phäno‐ mene nicht endgültig abgeschlossen sein dürfte. 6.7.5. Das Nachfeld der Progressiv-Klammer im PeD Für das topologische Nachfeld der Progressiv-Klammer treffen überwiegend die Beobachtungen zum Nachfeld der normalen Satzklammer im PeD zu. Auch hier gilt die Ausklammerung im Nachfeld oder der Nachtrag als unmarkiert und normal. So werden normalerweise lokale oder temporale Präpositionalphrasen als Adverbiale ins Nachfeld ausgelagert: Die Kinna sind am ferschteckle in d Scheier. [Die Kinder sind am verstecken in der Scheune.] Ich waar am Hoy macha geschdern. [Ich war am Heu machen gestern.] Auch referentielle Präpositionalobjekte im Dativ sind häufig als Nachtrag, wohl zwecks der Rhema-Gliederung, weil sie oft den höchsten Informationsgehalt tragen: Ich bin am Brief schreiwa zu em Samuel. [Ich bin am Brief schreiben zu dem Samuel.] Ich bin mei Auntie am helfa mit Gummra. [Ich bin meiner Tante am helfen mit Gurken (engl. cucumbers).] Probleme bezüglich der topologischen Positionierung im Nachfeld könnten sich bei analytischen Tempora ergeben bzw. bei Perfekt und Plusquamperfekt, weil sich durch das benötigte Partizip II eine Anhäufung von infiniten Prädikatsteilen ergibt: Es muss am reahra gwen sei. [Es muss am regnen gewesen sein.] 192 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (366) Dies ist jedoch weder für das StD noch für das PeD systemfremd, da eine Häu‐ fung oder Verlagerung von infiniten Verbteilen bei bestimmtem Tempora be‐ kannt ist, wie etwa in Egon hat arbeiten müssen oder Die Fenster haben geputzt werden müssen oder Egon hätte von der Feier nicht ausgeschlossen werden dürfen (dazu H E LBIG / B U S CHA 2011: 138). Dies wäre zusätzlich eine Besonderheit der Progressiv-Klammer, dass sie mit einem analytischen Tempus die wohl kom‐ plexeste Verbkonstruktion im Deutschen ermöglichen würde, nämlich eine An‐ häufung von fünf Verbformen (einem Finitum und vier infiniten Verbformen): Egon hätte [Finitum] am arbeiten [VInf 1] gewesen [VPart II 2] sein [VInf 3] müssen [VInf 4]. Es ist wohl der Komplexität dieser Ausdrücke und der Besonderheit der analy‐ tischen Tempora selbst geschuldet, dass in meinem mündlichen Korpus nur vereinzelt solche Beispiele zu finden sind. Abschließend lässt sich zur Satztopologie in der Progressiv-Klammer festhalten, dass sich das PeD auch hier ähnlich verhält wie das sprechsprachliche Deutsche oder manche deutschen Dialekte, insbesondere bei der Besetzung des Nachfeldes. 6.8. Der Absentiv als ein analytisches Prädikat Der Terminus Absentiv (lat. absens - dt. abwesend) bezieht sich auf eine spezielle analytische Verbalphrase, bestehend aus einem agensfähigen Subjekt+sein Finitum +V Inf (etwa in Egon ist schwimmen) und wurde wohl vom niederländischen Lin‐ guisten D E G R O OT (2000) geprägt. Dieser Ausdruck wird verwendet, um die Ab‐ wesenheit des Subjektreferenten auszudrücken bzw. mitzuteilen, dass das refe‐ rentielle Subjekt an einem bestimmten Ort nicht anwesend und eine Interaktion nicht möglich ist. Die im Infinitiv kodierte Handlung stellt auch den Grund für die Abwesenheit dar und legt somit den Aufenthaltsort der Person nahe (schwimmen = „Ort, wo es Wasser gibt“, z. B. Schwimmbad). Diese Verbalphrase wird wegen der imperfektiven Perspektivierung der Verbhandlung oft in die Nähe des Verbalaspekts und des am-Progressivs gerückt. Die Entstehung des deutschen Absentivs fundiert wohl auf dem Verlust des Partizips aus dem ana‐ lytischen Perfekt-Tempus (R EIMANN 1996: 54; K RAU S E 2002: 69). A B RAHAM geht von einer (weg)-gegangen-Ellipse aus, welche diachronisch gesehen für die Ent‐ stehung des Absentivs ausschlaggebend gewesen sein mag, wie etwa in Er ist ins Büro gegangen arbeiten oder Er ist ins Büro arbeiten gegangen. (A B RAHAM 2008: 371). 193 6.8. Der Absentiv als ein analytisches Prädikat Grundsätzlich wird beim Absentiv die Innenperspektive eines Verbalgesche‐ hens dargestellt bzw. es wird eine als andauerndes Geschehen empfundene Handlung dargestellt. Es muss aber betont werden, dass nur ein besonderer Moment des Inzidenzschemas fokussiert wird, nämlich der Anfangsmoment bzw. der Moment der Erfragung über den Sachverhalt (K RAU S E 2002: 45). Ab diesem Zeitpunkt wird über eine Handlung referiert, was aber nicht bedeutet, dass die Handlung selbst nicht schon (viel) früher eingesetzt haben kann oder sogar gänzlich aufgehört hat. Zum anderen wird bei dem Absentiv die lokale Implikation oder eine räumliche Verstellung vorausgesetzt, weil man ohne diese den Sachverhalt der Äußerung nicht verstehen kann, was zu Missverständnissen oder Kommunikationsabbruch führen könnte. Die im Handlungsverb ausge‐ drückte Tätigkeit liefert den Grund für die Abwesenheit des Subjekts und bedarf auch keinerlei weiteren Elemente, die auf lexikalischer Ebene Abwesenheit aus‐ drücken (vgl. DE G R O OT 2000: 694). De facto ist die Person, auf die mittels einer Absentiv-Konstruktion referiert wird, nicht anwesend oder in sichtbarer Nähe und dies setzt eine Verschiebung der Deixis-Origo voraus. Es findet also ein Gespräch oder eine Äußerung zwi‐ schen zwei Personen statt, welche sich in einer anderen räumlichen oder zeit‐ lichen Deixis-Konstellation zu einer dritten, unbeteiligten Person befinden. Diese Abwesenheit des referenziellen Subjekts ist die Hauptbedingung für eine Absentiv-Konstruktion. Daher sind Sätze wie ? * Egon ist hier, er ist lernen unlo‐ gisch und somit nicht möglich. A B RAHAM (2008: 361) definiert die Ab‐ sentiv-Phrase über die Abwesenheit der besprochenen Person und schließt des‐ halb die erste und zweite Person als Handlungsträger aus. Hierzu erscheint der kritische Einwand berechtigt, dass es aber auch möglich ist, Absentiv-Phrasen in der ersten Person zu formulieren, wie in Bin einkaufen! oder Bin im Keller! oder als Antwort auf einen Telefonanruf im ungünstigen Augenblick, wie etwa Bin einkaufen, steh an der Kasse, kann nicht reden! Durch den Absentiv wird also primär nicht die Handlung selbst oder ihre Imperfektivität, sondern der Ort der Handlung fokussiert, was auch den größten und essenziellen Unterschied zu den am-Progressiv-Konstruktionen darstellt. Die Gemeinsamkeit der beiden Konstruktionen wäre nach wie vor, dass sich die referentielle Person zum Sprechzeitpunkt höchstwahrscheinlich im Verlauf der im Verb ausgedrückten Handlung befindet. Dies lässt sich jedoch vom Standpunkt der außersprachlichen Wirklichkeit insofern anzweifeln, dass über abwesende Personen und über nicht überprüfbare Handlungen keine absolut wahren Äußerungen abgegeben werden können. Bei einem Satz Egon ist im Freibad, er ist schwimmen lässt sich zum Sprechzeitpunkt keine exakte Angabe darüber machen, ob Egon tatsächlich schwimmt oder z. B. sonnenbadet. Um diese 194 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Koppelung von Progressiv-Konstruktionen an Absentiv-Konstruktionen zu testen, kann man sich der einfachen Testfragen wie Was macht X? und Wo ist X? bedienen. Angenommen ein Schulfreund von Egon klingelt an der Tür, Egons Mutter öffnet ihm und der Freund fragt: Wo ist Egon? Man könnten sich zwei Antwortkonzepte von der Mutter vorstellen: Egon ist WEG! oder Egon ist HIER! Wenn man als Antwort Egon lernt angeboten bekommt, dann erscheint das Konzept der Abwesenheit hier noch nicht ganz klar. Nun ist noch eine weitere Voraussetzung erforderlich, nämlich dass die ausgeübte Tätigkeit nicht am selben Ort ausgeübt wird. Die Abwesenheitskomponente ist bei Absentiven es‐ senziell, in der gegebenen Antwort aber nicht enthalten, weil man ja überall lernen kann. Wenn aber Egons Mutter dem Freund an der Tür sagt: Egon ist lernen, bedeutet es, dass er nicht hier ist, sondern an einem anderen Ort lernt. Wenn sie dem Schulfreund dagegen antwortet: Egon ist am lernen, impliziert dies, dass Egon „im Verlauf des Lernens“ ist, der Ort des Geschehens ist irrele‐ vant (könnte auch hier sein) aber der Mitteilungswert der Äußerung ist zwei‐ felsohne: Egon kann jetzt nicht zum Spielen rauskommen, weil er gerade lernt. Eine weitere Eigenschaft des Absentivs ist neben der Abwesenheit auch die erwartbare Rückkehr des referentiellen Subjekts. Absentiv würde man nicht in Situationen benutzen, in denen eine Rückkehr entweder ganz ausgeschlossen ist oder eine zu lange Zeitspanne impliziert, wie in ? * Egon ist zwei Wochen ein‐ kaufen oder ? * Egon ist arbeiten in den USA. Natürlich lassen sich vereinzelt auch Beispiele finden, in denen eine Rückkehr des referenziellen Subjekts nicht er‐ wartbar ist, wie bei F O R TMANN / W ÖLL S T EIN (2013: 79) in dem Satz Theo ist Holz hacken, aber ich weiß nicht wie lange. Der eigentliche Fokus liegt aber hier nicht auf dem Absentiv-Satz, sondern auf der Restriktionsklausel, dass man nicht weiß, wie lang Theo fort sein wird. Es muss aber eine minimale Proposition bei beiden Gesprächspartnern darüber herrschen, dass (a) Theo nicht am Gespräch‐ sort anwesend ist und dass (b) er sicher zurückkommt, anderenfalls hätte der Satz keinen kommunikativen Wert. Man würde dann auf die Frage Wo ist Theo? antworten müssen: Theo kommt nie/ wohnt nicht mehr hier/ ist tot etc. Eine Ausnahme der obligatorischen Abwesenheit bilden aber Sätze wie Ganz München ist shoppen. Dieser Satz lässt auf den ersten Blick eine andere Inter‐ pretation zu als die der Abwesenheitsdeutung. Hier wird aber der Topikort oder Referenzort verschoben und es wird nicht jemandes Abwesenheit von einem bestimmten Ort fokussiert (beispielsweise Haus/ Wohnung), sondern die Anwe‐ senheit am Sprecherort, was wieder eine Verschiebung der Deixis-Origo impli‐ ziert. Die Personen sind nicht wie erwartet d o r t (zu Hause), sondern h i e r (im Geschäft, wie auch der Sprecher). Der zentrale Punkt bei Absentiven muss daher der mental zugeordnete Bezugsort des Sprechers im Sprechakt sein und die Di‐ 195 6.8. Der Absentiv als ein analytisches Prädikat 31 Im Schwedischen ist der Absentiv auch passivfähig: Han är och blir fotograferad. / ‚he is and becomes fotographed‘(dt. *Er ist fotografiert werden, vgl. D E G R O O T (2000: 709). stanz des referentiellen Subjekts zu diesem Ort, nicht allein die Abwesenheit vom Ort des Sprechakts. Der Sprecher in der Kaufhausszene definiert nämlich mental als Bezugsort die „Wohnungen der Menschen“, in denen er sie erwartet hätte, und nicht den eigentlichen Ort des Sprechakts, das Kaufhaus selbst. Daher ist der Sprecher über ihre Abwesenheit am mentalen Ort überrascht und somit ist der Absentiv überhaupt möglich. Es sollte aber davon abgesehen werden, von solchen singulären Beispielen auf allgemein gültige Referenzen zu schließen, zumal die überwiegende Mehrheit der Absentive tatsächlich von einer physi‐ schen Abwesenheit des Subjekts vom Ort des Gesprächs zeugt. Dies definiert den Absentiv als eine im deiktischen System kodierte Äußerung, weil das Hier und Nicht-Hier eine zentrale Orientierungshilfe für den Hörer/ Leser darstellt. Normalerweise implizieren Nomina eine räumliche Vorstellung und Verben eine zeitliche Vorstellung innerhalb der Deixis, was als Orientierungshilfe bei der Kommunikation dienlich ist, wie D E G R OOT es sieht: Languages may have grammatical devices to specify spatial and temporal deixis. Spa‐ tial deixis prototypically correlates with objects and temporal deixis with events or situations. Objects can be located in space, for instance by means of case markers or adpositions, whereas events can be located in time, for instance by means of tense inflection. ( D E G R O O T 2000: 714) Absentiv scheint hier als Verbalphrase in die Rolle eines räumlichen Deixisparameters zu schlüpfen bzw. als spatial shifter zu dienen, weil er eigentlich eine räumliche Referenz bietet. So muss nicht unbedingt von einer Abwesenheit des Subjekts vom Sprecherort die Rede sein, definitiv aber von der Verschiebung des Bezugsortes während des Sprechakts. Das defizitäre und eher unübliche Tempusparadigma (Egon ist lernen/ ? Egon ist lernen gewesen [Perfekt] oder ? Egon wird lernen sein [Futur-Modal] ), das gänzliche Fehlen der Befehlsform ( * Sei lernen! ), die sehr selten verwendeten Konjunktiv‐ formen ( ? Egon sei/ wäre lernen etc.) wie auch die Passiv-Inkompatibilität ( * Egon ist gelernt werden) zeugen davon, dass der Absentiv nicht mit dem am-Progressiv konkurrenzfähig ist 31 . Es gibt jedoch diese eine aspektuelle Gemeinsamkeit, welche Progressive und Absentive als Bindeglied aufweisen können, nämlich die Perspektivierung einer Verbalhandlung als unabgeschlossen oder imper‐ fektiv. Daher ist ein Abgleich dieser Formen mit meinen empirischen Daten aus dem PeD sinnvoll. 196 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (367) (368) (369) 6.8.1. Absentiv in dem PeD-Korpus In den erhobenen Daten kommt der Absentiv auffällig selten vor, was vor allem an der Orientierung des Fragebogens liegt, dessen Ziel die Ermittlung von Progressiv-Konstruktionen war. Aus den ausgewerteten Daten lassen sich prä‐ liminär zwei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens gilt es auch für das PeD, dass Absentiv-Phrasen möglich sind. Potenziell ist der Absentiv in allen Tempora vorstellbar, seine Realisierung ist jedoch stark eingeschränkt. Zweitens über‐ wiegt auch im PeD das Abwesenheitsschema und dient somit als die primäre Funktion der Absentiv-Phrasen. In der folgenden Situation war die Wahl des Absentivs jedoch eher eine Aus‐ nahme, weil das typische Abwesenheitsschema hier nicht greift. In Sit. 01.1. wird auf die Frage Was macht Anna gerade? von einer Person mit einem Absentiv geantwortet, obwohl die räumliche Distanz nicht gegeben ist: Is Ebbel schaela. [Ist Äpfel schälen.] In der Situation ist das referentielle Subjekt (Anna) in der Nähe/ nearby, die räumliche Trennung ist minimal, daher schließe ich hier auf einen untypischen Gebrauch des Absentivs. Zu der mentalen räumlichen Vorstellung und dem Ab‐ wesenheitsschema kann gesagt werden, dass der Sprecher eventuell sich und den an der Tür klopfenden Gast, welcher nach Anna fragt, in einer anderen räumlichen Deixis vorstellt. Aus dieser Perspektive scheint es möglich zu sein, dass Anna tatsächlich „hinten“ in einem anderen Raum sitzend Äpfel schält. In dem anderen Beispiel in Sit. 01.03. wird der Kontext des Gesprächsorts und des eigentlichen Verbalgeschehens räumlich deutlich voneinander getrennt. Auf die Frage Wo ist Peter? wird durch die Antwort: D Peder is net hiem nau, eah is draussn im Feld schaffa. [Der Peter ist nicht daheim jetzt (engl. now), er ist draußen im Feld schaffen.] schnell deutlich, dass Peter als referentielles Subjekt nicht zum Sprechzeitpunkt am Ort des Gesprächs anwesend ist. Es ist nicht ersichtlich, ob das Subjekt ge‐ rade die Handlung an sich ausführt oder sich auf dem Weg zum Ort befindet, an dem die Handlung ausgeführt wird, noch ob der Gesuchte bald zurückkehrt. Der Fokus der Mitteilung ist jedoch die Abwesenheit des Gesuchten (d Peder). Auch hier wurde nur einmal mit Absentiv geantwortet. Beim nächsten Satz handelt es sich wieder um ein singuläres Beispiel, welches sogar in der 1. P S . S G . verfasst wurde. Auf die Frage Was schreibst Du da? wurde folgendermaßen geantwortet: Ich bin en Schrift zum Samuel schreiwa. 197 6.8. Der Absentiv als ein analytisches Prädikat (370) (371) (372) [Ich bin einen Schrieb zum Samuel schreiben.] Normalerweise benutzt man Absentive als Mittelung über eine abwesende Person als referentielles Subjekt, daher ist diese Verwendung als Ich-Absentiv eher eine Ausnahme. In diesem Fall scheint die räumliche Trennung zwischen dem Subjekt und dem Ort des Sprechakts unlogisch, da beide Gesprächspartner miteinander agieren und physisch präsent sind. Da hier die indirekte Mitteilung nach dem Typus Bin im Keller! ausscheidet, scheint in diesem Falle eine Fehl‐ konstruktion plausibler zu sein, wohl eine Klitisierung von am (Ich bin [am] en Schrift zum Samuel schreiwa), als hier ein neue singuläre Funktion des Absentivs zu entwerfen. In der Situation 08.1. sollte die Frage Hast Du Steine gegen die Fensterscheiben geworfen? in PeD gestellt werden, um die topologische Stellung der Objekte in einer Progressiv-Konstruktion zu testen. Hier haben von 40 Personen 5 (12,5 %) mit einem Absentiv geantwortet, 31 Personen (77,5 %) haben eine am-Progressiv-Konstruktion gewählt. In dieser Situation wird deutlich, dass auch eine punktuelle, nicht durative Handlung wie schmeißen/ werfen mit Ab‐ sentiven vereinbar ist: Waarscht du Schtee uff em Fenschder schmeessa? [Warst du Steine auf dem/ das Fenster schmeißen? ] Waarscht du Schtee ans Fenschder schmeissa? [Warst du Steine ans Fenster schmeißen? ] Wer isch di Schtee ans Fenschder schmeissa? [Wer ist die Steine ans Fenster schmeißen? ] In den oben dargestellten Beispielsätzen wird wieder eine spezielle Perspektive des Absentivs präsent. Hier wird nämlich nicht erfragt oder suggeriert, ob oder dass das Subjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt abwesend war. Es geht um eine eher umgekehrte Richtung, man will wissen, ob die Gesprächsperson (2. P S . S G .) zu einem bestimmen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort anwesend oder an einer Handlung beteiligt war. Mit der Frage Waarscht du Schtee uff em Fenschder schmeissa? wird eigentlich eine affirmative Antwort erwartet, mit welcher das Subjekt seine Anwesenheit an einem bestimmten Ort bestätigt. Von der Pers‐ pektive des Fragenden ist dies also eine absentive Situation, da sich der Ge‐ sprächspartner nicht am selben Ort befand, wie der Fragende. Aus der Sicht des Betroffenen gilt hier aber ein deiktischer Perspektivenwechsel und er bejaht (Ja, ich waar Schteen schmeissa! ) oder verneint (Ne, ich waar et Schteen schmeissa! ) damit seine Anwesenheit an einem anderen Ort. 198 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Dies gilt für den Befragten als Fokussierung und den höchsten Mitteilungs‐ wert hat somit seine Anwesenheit an einem Ort, also seine Präsenz. Aus der Sicht des Subjekts (1.P S .S G ) geht es hier eher um einen „Präsentiv“ anstatt um einen Absentiv. So kann die Fügung Subjekt+sein Finitum +V Inf (Ich war einkaufen/ schwimmen/ Steine werfen etc.) aus der deiktischen Perspektive des Sprechers selbst eine präsentive Bedeutung haben, ähnlich wie die Äußerung Ganz Mün‐ chen ist shoppen die Präsenz von einem referentiellen Subjekt ermöglicht. 6.8.2. Zusammenfassung zum Absentiv In den dargestellten Beispielen war es nicht immer leicht, gänzlich auszu‐ schließen, dass es sich bei dem einen oder anderen Absentiv nicht um defizitäre am-Progressive handelt. Diese Trennung ist jedoch generell nicht immer ein‐ deutig feststellbar. Im Englischen gibt es dieses Bildungsmuster nicht, was die Beeinflussung des PeD ausschließt. Die semantische Bedeutung des Absentivs wird im Englischen aber oft durch die Progressivform -ing realisiert. A B RAHAM (2008: 360) sieht darin auch teilweise die Erklärung für das Fehlen einer reinen Absentivform im Englischen. Der Satz He is swimming hat nämlich eine (a) progressive und eine (b) absentive Lesart. So könnte X is swimming daher be‐ deuten, dass (a) X gerade am schwimmen ist und/ oder dass (b) X gerade nicht anwesend ist, weil er schwimmen gegangen ist. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass sich auch das PeD in eine Reihe von Absentiv-Sprachen eingliedern lässt (wie Deutsch, Niederländisch, Finnisch, Ungarisch, aber nicht Englisch! ) und dass der Gebrauch dieser Formen keine besonderen morpho-syntaktischen Restriktionen aufweist, außer den schon in der Absentiv-Forschung bekannten Problemfällen. Dies eröffnet jedoch noch neue, unbearbeitete Problemfälle der Absentiv-Phrasen, welche trotz ihres hohen kolloquialen Gebrauchs leider nicht im Fokus dieser Arbeit sein konnten. Ich schließe auch die C O S MA S -II-Vergleiche für das StD hier aus, in der Hoffnung genügend Material für eine Gegenüberstellung beider Sprachen geliefert zu haben. Ich möchte aber betonen, dass es nicht gelungen ist, repräsentative C O S MA S -Absentiv-Belege zu finden, was wohl daran liegen könnte, dass diese Phrasen einen noch geringeren Stellenwert in den normkonformen Zeitungen haben als am-Progressive. 199 6.8. Der Absentiv als ein analytisches Prädikat (373) (374) (375) 6.9. Das Kasussystem im PeD Obwohl es sich im Folgenden nicht um Eigenschaften des PeD aus dem verbalen, sondern aus dem nominalen Bereich handelt, möchte ich kurz einige relevante Beobachtungen vorstellen, welche einen besseren Einblick in den Sprachwandel erlauben wie auch Rückschlüsse auf das StD ermöglichen. 6.9.1. Synkretismus im nominalen Bereich Auch das PeD verfügt über ein Kasussystem, die Differenzierungen innerhalb dieses Systems haben sich aber vom Ursprungsmodell oder den basisdialektalen Formen, nämlich dem System der mittelhochdeutschen Dialekte, um einiges entfernt. Der Wegfall von morphologischen Unterscheidungsmerkmalen im Nominalbereich oder der Kasussynkretismus ist bei den Artikelwörtern oder Determinantien am leichtesten feststellbar. Grundsätzlich wird im PeD auch von vier existenten Kasus gesprochen, zumal ihre komplette Distribution überwie‐ gend im gesprochenen, aber auch im geschriebenen Ausdruck belegbar ist (N OM : Dr Doody schloft; A KK : Ich hab den Dschan gesehna; D AT : in dr Kich; G E N : Dschan s Hut). Diese existenten Formen werden aber nicht immer konsistent realisiert. Ein nominales oder pronominales Subjekt im Nominativ ist meistens im Vorfeld und ist die häufigste Kasusmarkierung im PeD, wie in Er is am schaffa im Feld oder Die Kinna sind am waxa oder Ich bin am schloofa. Beispielsweise ist ein ausgewiesener und diversifizierter Akkusativ im PeD sowohl im Singular (S G .) wie auch im Plural (P L .) und auch nominal wie pro‐ nominal möglich, seine Distribution zeigt sich in meinem Korpus und in ähnli‐ chen Studien jedoch sehr eingeschränkt. So markiert beispielsweise das apo‐ kopierte d(ie) im PeD als bestimmter Artikel oder Demonstrativpronomen formbedingt normalerweise Nominativ S G . für F EMININA , Akkusativ Pl., wird aber auch für Dativ Pl. benutzt, obwohl die Pluralform (d)en noch existiert, wie die folgenden Beispiele zeigen: Ich bin di Kinna [Akk ← Dat Pl.] dihre Hoar am schneida. [Ich bin den Kindern ihre Haare am schneiden.] Ich bin an den Kinna [Dat Pl] en Hoarcut gewwa. [Ich bin am den Kindern einen Haarschnitt geben.] Ähnlich ist der Gebrauch von Dativ S G . für den bestimmten Artikel bei Feminina d(e)r nicht unmöglich, wird aber im PeD allmählich durch den Akkusativ d(i) ersetzt: Die Emily is dr [Dat Sg.Fem.] Grandmam am helfa. 200 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (376) (377) (378) (379) (380) (381) (a) (a’) (b) (c) (d) [Die Emily ist der Großmutter am helfen.] Ich hab di [Akk ← Dat Sg.fem.] Auntie gholfa. [Ich habe die/ der Tante geholfen.] All is recht mit mich [Akk ← Dat Sg.] [Alle ist ok mit mich/ mir.] [vgl. engl. everything is all right with me.] ix vil dix [Akk ← Dat Sg.] dangə fʌ mix [Akk ← Dat Sg.] helfə [Ich will dich/ dir danken, (weil du) mich/ mir geholfen(hast).] kanʃd mix [Akk ← Dat Sg.] helfə ins feld? [Kannst mich / mir helfen ins/ auf dem Feld? ] (Beide Beispiele mit Lautschrift aus M E I S T E R -F E R R É 1994: 69) Bei klitisierten Artikeln oder Possessivpronomina im Dativ für Feminina, wie meinr/ der [Dat Sg. Fem] oder ihr [Dat Sg. Fem] ist die Markierung allerdings meistens noch deutlich zu erkennen: Ich bin mein r [Dat Sg. Fem.] Aunt am helfa in unsra [Dat Sg. Fem.] Kich. [Ich bin meiner Tante am helfen in unserer Küche.] Ich bin’ r [Dat Sg. Fem.] am helfa. [Ich bin ihr am helfen.] Durch den Synkretismus ist beispielsweise die wohl am häufigsten benutzte Form des bestimmten Artikels ‚d‘ eigentlich ambig in seiner Form, da es sich gleichzeitig auf mehrere Morpheme beziehen kann, nämlich auf (a & a’) die [Nom Sg.Fem und Nom.Pl.] , (b) der [Nom Sg. Mask.] , (c)den [Akk. Sg. Mask.] oder (d) der [Dat. Sg. Fem.] : D Aenn is die Ebbel am schaela. [Die Anne ist die Äpfel am schälen.] D Kinna sind am waxa. [Die Kinder sind am waxa.] D Peder is im Feld am schaffa. [Der Peter ist im Feld am schaffen.] Ich hab d Dschan geschdern gsehna. [Ich habe John gestern gesehen.] … in d Schtad geschtarn [… in der Stadt gestern.] Auch R I EHL sieht ähnliche Entwicklungen in ihren Beobachtungen über die morpho-syntaktischen Neuerungen in den in Australien gesprochenen Varie‐ täten des Deutschen: 201 6.9. Das Kasussystem im PeD (382) (383) (384) (385) (386) Häufig wird der Artikel die statt der korrekten flektierten Form verwendet. Ebenso tritt die reduzierte Form de als Einheitsartikel auf. (R I E H L 2013: 168) Zum innerparadigmatischen Synkretismus und zu dem oft inkonsequenten Gebrauch von unterschiedlichen Kasusmarkierungen tragen auch maßgeblich Abschleifung, Auslautverhärtung und Klitisierung der morphologischen Flektionsendungen bei, die im PeD wie auch in Dialekten grundsätzlich (B U R‐ R IDG E 1992: 227 oder K E E L 1994: 99) üblich sind, da hier weder orthografisch noch orthoepisch am Stammprinzip festgehalten wird. Somit ergibt sich eine sprachökonomische Tendenz, gleichlautende Morpheme zu tilgen oder als Al‐ lomorphe (z. B. der kann als d oder da, selten als der realisiert werden) zu be‐ nutzen, deren grammatische Diversität dann kontextuell bestimmt werden muss. Der Dativverlust ist sicherlich die zu allererst beobachtete und am häufigsten beschriebene Veränderung in Kasusstudien über das PeD, zumal das in der Ge‐ schichte von anderen deutschen Dialekten auch der Fall ist (S ALMON S 2003: 111; VAN N E S S 2003: 188; L O UDE N 2005: 265). Die unterschiedlichen Funktionen des Dativs im PeD verlaufen weitgehend parallel zu dem Dativgebrauch im StD. So kann der Dativ beispielsweise als Ausdruck für indirekte Objekte verwendet werden (D Hut gheert dem Dschan oder Wem gheert sell Hut? ) oder als adverbiales Präpositionalobjekt (I hab eahn gsehna im Schtettl oder D Anna is in dr Kich). Im Gegensatz zum StD kann man im PeD den Dativ auch als Ausdruck von pos‐ sessiven Relationen einsetzen, welche somit den fehlenden Genitiv ersetzen: Sell is em Dschon sei Hut. [Dies ist dem John sein Hut.] Sella Hut gheert zu (m) d Dschon. [Dieser Hut gehört zu(m) John.] Mit dem so realisierten Dativ wird immer der Besitzer (possessor) denotiert, dann folgt gewöhnlich ein nachgestelltes Possessivpronomen mit dem Nominativ des eigentlichen Gegenstandes bzw. des Besitztums (possessum). Diese Konstruktion ist in vielen deutschen Dialekten geläufig. Wenn der Besitzer nicht mehr durch den Dativ eindeutig denotiert wird, dann tritt normalerweise der Nominativ oder Akkusativ an die Stelle des Dativs und leitet den Synkretismus ein: Di Hut is em Dschan sei. > Sella Hut is d Dschan sei Hut. [Dieser Hut ist dem John seiner.] [Dieser Hut ist den John sein Hut.] Emily is dr Grandmam am helfa. > Emily is d Grandmam am helfa. [Emily ist der Großmutter am helfen.] [Emily ist d(ie) Großmutter am helfen.] mit em Buch > mit es Buch 202 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (387) (388) (389) (390) (391) [mit dem Buch] [mit (da)s Buch] Ich kann dich [Akk ← Dat Sg.] unse neie Pony weisa, derweel ass die Kieh am gmolka werra sin. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, solange die Kühe am gemolken werden sind/ gemolken werden.] geb mich [Akk ← Dat Sg.] sell buch [gib mich/ mir das Buch] (aus der Dissertation von M E I N D L 2009: 53) Bei der Distribution des Dativs und seiner „Übernahme“ von Genitiv-Strukturen ist noch zu beobachten, dass dies mehrheitlich nur dann realisiert wird, wenn es sich bei dem Possessor um belebte Nomina handelt. Ist dies nicht der Fall, steigt die Tendenz ein Kompositum zu benutzen, wie in Daaghelling [dt. Mor‐ gengrauen] vs. * es Hella vom Daag oder Waeglidach vs. ? * em Waegli sei Dach. Diese Tendenz ist allerdings nicht immer zu beobachten und Beispiele wie ? * em Disch sei Bee (dem Tisch sein Bein) sind gelegentlich auffindbar (B U R R IDG E 1992: 233). Beispiele für einen direkten Genitiv sind zwar vorhanden, meistens werden sie jedoch bei Eigennamen oder Verwandtschaftsbezeichnungen eingesetzt, wie Sell is Dschans Hut oder in mei Aunties Kich oder Grandpaps Backbart. In meinen Umfragen gab es allerdings nur diese wenigen Phrasen mit einem reinen Geni‐ tivmerkmal. Bei diesen Beispielen sieht man auch eine gewisse Hierarchie der Kasusmarkierungen. Die fehlenden possessiven Genitiv-Ausdrücke werden nämlich konsequent mit Dativ-Ausdrücken paraphrasiert (nicht nur im PeD! ) und nicht umgekehrt, was auf eine gewisse Reihenfolge oder auf einen internen Wichtigkeitsgrad in der Kasusstruktur hindeutet: Grossoodys Bart > em Grossoody sei Bart [Großvaters Bart] [dem Großvater sein Bart] Dschons Hut > em Dschon sei Hut [ Johns Hut] [dem John sein Hut] Aunties Kich > dr Auntie dihr/ sei [! ] Kich [Tantes Küche] [der Tante ihre/ seine Küche] Ähnlich ist auch ein Übergang von A KK . > N OM . zu beobachten, da viele Akkusativ-Formen nicht mehr durchgehend realisiert werden, was auch hier auf eine Abfolgehierarchie schließen lässt. Wenn nämlich die Akkusativ-Stel‐ lung unbesetzt ist oder diese morphologisch immer mehr und mehr abgetragen wird (den >en >d), dann wird ein Nominativ (common case) eingesetzt: 203 6.9. Das Kasussystem im PeD 32 Vgl. dazu auch C O M R I E / K E E N A N (1979) oder auch D Ü R C H S C H E I D (1999: 228). (392) (393) Ich hab eahn [Akk.Sg.Mask] ogetroffa. > Ich hab d [Akk/ Nom.Sg.Mask] Dschan im Schtettl gsehna. [Ich habe ihn getroffen.] [Ich haben d(er/ en) John in der Stadt getroffen.] Ich bin di [Akk.Sg.Fem] Susann und n [Akk.Sg.Mask] Ed am egschpekta. > d Susann und d Ed [Ich bin die Susanne und den Ed am erwarten] [d(ie) Susanne und d(en/ er) Ed] In dieser Hinsicht nähert sich das PeD dem Englischen insofern an, dass man im Englischen außer bei Personalpronomina (he-him/ she-her etc.) die diffe‐ renten Kasusmarkierungen nicht mehr morphologisch realisieren kann. Hier werden vielleicht neben der Beeinflussung der Lexik auch die größten Einflüsse aus dem Englischen auf das PeD sichtbar, nicht allein wegen der Kasusverschie‐ bung, zumal diese ja auch in anderen deutschen Dialekten ohne den Einfluss aus dem Englischen geschieht, sondern in der Dynamik dieser Prozesse. Das Englische kann hier sicherlich als Katalysator dieses Paradigmawechsels ver‐ standen werden, da das Englische nur über eine minimale Kasusdistribution verfügt (vgl. L O UD E N 2005). Im Hintergrund dieser Beispiele stellt sich die Frage, ob es eine Abfolgerege‐ lung von Kasusmerkmalen geben könnte. Wenn man einen kurzen Blick auf den Ansatz von P R IMU S (1987: 168) wirft, wird diese Rangordnung für die deutsche Sprache (und die deutschen Dialekte) deutlicher. P R IMU S unterschiedet zwischen Hierarchierelationen nicht nur aufgrund von distinktiven morpho-syntakti‐ schen, sondern auch aufgrund von semantischen Merkmalen. Im Falle eines (phonetischen) Ausgleichs oder Wegfalls der Kasusmerkmale lösen sich diese Hierarchieknoten rückläufig auf. Diese Entwicklung würde dem folgenden Schema entsprechen: Nominativ > Akkusativ > Dativ > Genitiv > an‐ dere. 32 Für das PeD würde dies beispielsweise bedeuten, dass der Genitiv im Falle einer morphologischen Auflösung von einer Dativ-Paraphrase übernommen wird (Dschans Hut > em Dschan sei Hut). Bei einer weiteren Erosion des Kasus‐ systems würde der aufgelöste Dativ durch Akkusativ-Phrasen ausgeglichen (Elly helft dr Grandmam > Elly helft di Grandmam). Der Nominativ übernimmt die fehlenden Akkusativ-Relationen (Ich hab en Dschan gsehna > Ich hab d Dschan gsehna). Somit steht der Nominativ am eigentlichen Anfang der Hierar‐ chieskala, zumal dieser Kasus morphologisch und semantisch am wenigsten markiert ist, sein diachronischer Abbau wäre aber umso markierter. So können Nominativ-Phrasen theoretisch am ehesten für alle anderen Komplemente als 204 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Antezedens eintreten, Akkusativ-Phrasen für Dativ etc., aber nicht umgekehrt. Dies ermöglicht dem Nominativ wohl auch die Regularitäten und Funktionen des Subjektes am besten zu übernehmen (P R IMU S 1987: 182). Nach der Analyse der präsentierten Daten ist festzustellen, dass es für das PeD in manchen Kasus einen starken Ausgleich oder Wegfall von distinktiven Merkmalen gibt. Im theoretischen Rahmen und in bestimmten erzeugten Situ‐ ationen sind alle paradigmatischen Kasusmarkierungen noch vorhanden, manche werden jedoch diastratisch oder diatopisch sehr restriktiv eingesetzt, andere wiederum kaum bis gar nicht benutzt. H U F F INE S (1992: 170) demonstriert dies für den Dativ, indem sie nachweist, dass die Old-Older-Gruppen generell weniger Dativ-Markierungen benutzten als die anderen nicht so religiösen Deitschstämmigen. Bei VAN N E S S (1990: 189) haben die Untersuchungen er‐ geben, dass die jüngere Population (<40) der PeD-Sprecher den Dativ praktisch nicht mehr benutzt und M EI S T E R -F E R RÉ (1994: 47) hat in ihren Erhebungen keinen einzigen Satz mit einem reinen Genitiv-Kasus nachweisen können, außer Sätze mit possessivem finalem -s bei Eigennamen. Schließlich lässt sich die Bestandsaufnahme des Kasussystems im PeD fol‐ gendermaßen zusammenfassen: Generell kann man von einem Drei-Kasus- System sprechen, zumindest die PeD Pronomina können alle drei Kasus diffe‐ renzieren (ich-mir-mich etc.) Bei der Deklination von Nomina ist die Tendenz zu einem Dual-Kasus-System sichtbar geworden, es kann nämlich zwischen einem Hauptkasus (common case) unterschieden werden (welcher überwiegend die Funktionen von Nominativ und Akkusativ umfasst) und einem Nicht-No‐ minativ bzw. Rest-Dativ-Kasus, welcher die üblichen Funktionen von Dativ re‐ alisiert. Nicht nur für das PeD, sondern auch im Hinblick auf andere deutsch-amerikanische Dialekte bestätigt K E E L (1994: 98) einen rapiden Abfall gewisser Kasus-Marker und stellt eine tendenzielle Reduktion der vorhandenen Basisformen fest. Die Realisierung der in meinem PeD-Korpus befindlichen Ka‐ susmarker kann über folgende Tendenzen dargestellt werden: 205 6.9. Das Kasussystem im PeD (394) (395) (396) Kasusmarkierung im StD Kasusmarkierung und Tendenzen im PeD M A S K . F E M . N E U T . M A S K . F E M . N E U T . P L U R A L N O M der die das der> da> d die> d das> es> s d(i) A K K den die das den> en> n>d die> d das> es> s d(i) D A T dem der dem em > m > d der> dr> r> d em > m / s en>d G E N des der des ’s> der> dr> r - - Tab. 13: Kasusmarkierung im PeD Nominalsystem 6.9.2. Über die Possessivpronomina im PeD Bei den Pronomina wird im PeD zwischen allen drei grammatischen Geschlech‐ tern (er, sie, es) unterschieden, woraus sich Possessivformen ableiten lassen. Ei‐ nerseits gibt es für M A S K . und N E UT R . er =es die Form sei Hut und für F EM . sie die Form (d)ihra Grandmam. Im PeD wird aber oft nach belebten Bezugsele‐ menten für Feminina auch die Form sei/ sein gewählt und nicht die üblich femi‐ nine Markierung (d)ihra / ihre, wie etwa in den folgenden Beispielen zu sehen ist: D Sarah is dihra Schularewet am schaffa. vs. Di Sarah is sei Homework am duhn. [Die Sarah ist ihre Hausaufgaben am schreiben/ machen.] [Die Sarah ist * seine/ ihre Hausaufgaben am schreiben.] … in dei Aunt dihre Kich? vs. … in dr Aunt sei Kich? [… in dein(er) Tante ihrer Küche] [… in d(er) Tante * seiner Küche] Die Mammy hot dihre Hand wehgeduhn! vs. … because d Mammy hat sei Hand weh. [Mama hat ihre Hand verletzt! ] [… weil der Mama * seine Hand wehttut/ schmerzt.] Diese semantische Anomalie, dass belebten Feminina ein nicht-femininer Pos‐ sessivmarker sei/ sein zugefügt wurde, lässt sich diachron gut verfolgen. Einer‐ seits ist dieser Gebrauch in vielen deutschen Dialekten möglich und üblich (im Pfälzischen siehe VAN N E S S 1990: 188) aber auch für einige Entwicklungsstufen des späten Altenglischen und des Mittelenglischen, wie B AU GH / C ABL E (2003: 161) für die Alternation von his und hers > its bei unbelebten Antezedenzien feststellen. 206 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 33 Auch hier handelt es sich um nach der deutschen Orthografie verfasste Morpheme, welche je nach Dialekt in den USA oder nach der dort üblichen Schreibweise variieren können. Die Nachstellung des Beschriebenen mit der Voranstellung des Besitzers ist auch eine für dialektale Variationen typische Stellungsformation von Satzglied‐ teilen, wie in D Elly ihre Schtubb oder Em Dschan sei Hut oder di Kinna dihre Hoar. Dies könnte einen Zusammenhang mit der Topikalisierung von Sachver‐ halten, der Diskursfunktion und der Thema-Rhema-Gliederung haben, da das Bekannte und Definite normalerweise vorangestellt wird, um einen Bezug zum Hintergrundwissen oder dem Präkontext zu erstellen. Das Nachgestellte ist der eigentliche Kern der Information, das Unbekannte oder Neue aber auch zugleich das Wichtige, daher der zugewiesene Platz am Ende der Äußerung (D ANE Š 1967: 401 und A B RAHAM 2003: 17). Die Realisierung der Possessiva kann folgender‐ maßen dargestellt werden 33 : Possessiva im StD Possessiva und Tendenzen im PeD S G . P L . H ÖF F L I C H‐ K E I T S - F O R M S G . P L . H ÖF F L . 1.P S . mein unser mei unsr - 2.P S . dein euer Ihr dei eiar/ oiah - 3.P S . MA S K . F E M . N E U T . sein ihr sein ihr sei (d)ihra> sei sei (d)ihra - Tab. 14: Possessivpronomina im PeD Auch das vollständige Fehlen der sog. Höflichkeitsformen ist eine Eigenschaft des PeD, was aber in manch anderen deutschen Dialekten oder auch anderen Sprachen üblich ist. Dies lässt sich im PeD unter anderem mit dem sozio-lingu‐ istischen Hintergrund der Täuferbewegung erklären, welche darauf beruht, dass es keine Prestigemerkmale oder Rangunterschiede in der Ansprache geben sollte. 207 6.9. Das Kasussystem im PeD (397) 6.10. Die Verbalkategorie Modus und der am-Progressiv Der Modus ist eine grammatische Kategorie des Verbs, mit der man morpholo‐ gisch kodiert die Haltung des Sprechers zur Realität oder zu den Realisierungs‐ möglichkeiten des Sachverhaltes ausdrücken kann. Das Deutsche unterscheidet drei morphologisch distinguierte Modi: den Indikativ (er singt), den Konjunktiv (er singe, er sänge) und den Imperativ (sing(e)! ). Am häufigsten wird der Indikativ benutzt, da er die meisten illokutiven Funktionen übernehmen kann und er gilt daher als die unmarkierte Kategorie. Der Konjunktiv hat unterschiedliche Ver‐ wendungszwecke, unter anderem bei der indirekten Redewiedergabe oder etwa bei volitiven oder irrealen Äußerungen. Der Imperativ ermöglicht dem Sprecher, dem beteiligten Gesprächspartner direkte Anweisungen oder Befehle zu erteilen (D UD E N -Grammatik 1998: 156 oder H E NT S CHE L / W E YDT 2013: 106). Im Folgenden soll untersucht werden, welche Möglichkeiten es in der Ver‐ balkategorie Modus gibt, am-Progressive im Konjunktiv und Imperativ zu rea‐ lisieren. Die ausgewerteten Daten zeigen, dass sich im PeD im Vergleich zum StD evidente Unterschiede im Distributionsradius der am-Progressiv-Konstruk‐ tionen im Bereich Modus ergeben. Sätze wie Sei am arbeiten oder Wir wären längst schon am arbeiten, wenn es nicht regnen würde bilden im StD eher die Ausnahme, werden stark sanktioniert und haben eine stark regionale Verbrei‐ tung (dazu R E IMANN 1996: 147). Im PeD dagegen haben solche Äußerungen ei‐ nerseits eine sehr hohe Verbreitung und andererseits kann man den Gebrauchs‐ radius problemlos erweitern. Auf die morphologische Trennung von Konjunktiv I und Konjunktiv II wird hier nicht eingegangen, obwohl es natürlich signifi‐ kante Unterschiede gibt. In meiner Erhebung kommen nur beschränkt und ver‐ einzelt distinktive Fragen vor, welche dezidiert nur mit Konjunktiv I oder II beantwortet werden konnten. Daher werden diese Formen einheitlich als Konjunktiv-Modus behandelt. Zu der geringen Zahl der gefundenen Beispiel‐ sätze kann gesagt werden, dass meine Erhebung auf einer ungesteuerten und spontanen mündlichen Befragung beruht, die hauptsächliche Verwendung des Konjunktivs liegt jedoch eher im schriftlichen Bereich oder in der Redewieder‐ gabe. Die zu präsentierenden Sätze erlauben dennoch Rückschlüsse auf den Ge‐ brauch des am-Progressivs in der Verbalkategorie Modus. In den Sit. 07.1 und 07.2. geht es um gewisse Anweisungen an Kinder, welche zu Hause bleiben und gewisse Aufgaben (transitiv lerna/ schtuddiya oder intran‐ sitiv schaffa) erledigen sollten. Die Sit. 07.1. haben 21 Personen (52.5 %) mit Progressiv-Variationen beantwortet, wie etwa: Seid an schtuddiya, wenn ich zerick kumm. [Seid am studieren/ lernen, wenn ich zurückkomme! ] 208 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien (398) (399) (400) (401) (402) (403) (404) Sei an lesa, wenn ich zerick kumm! [Sei am lesen, wenn ich zurückkomme! ] Wonn ich zerick kumm, dihr seid besser dihre Heemarewet am duhn! [Wenn ich zurückkomme, da seid lieber euer Hausaufgaben am tun! ] Die Sit. 07.2. haben sogar 24 Personen (60 %) mithilfe eines am-Progressivs be‐ antwortet, wie etwa: Dihr bessar seid am schaffa, wenn di Doody heem kummt. [Ihr seid besser/ lieber am arbeiten, bis/ wenn der Vater zurückkommt! ] Sei am aaschtreicha, wenn d Daed heem kummt! [Sei am (den Zaun) streichen, bis/ wenn der Vater zurückkommt! ] Sei noch am schaffa, wenn d Paep heem kummt! [Sei ja noch am arbeiten, bis/ wenn der Vater zurückkommt! ] Die dargestellten Sätze sind doppelt markiert, einerseits durch die für den Im‐ perativ typische satzinitiale Stellung des Verbs und zweitens durch die mor‐ phologische Endung des Konjunktivs (sei). Von den 40 Probanden haben sich 8 (20 %) jeweils in beiden Situationen für eine Extension der Progressiv-Klammer durch Modalverben entschieden, was wiederum die Ausbaufähigkeit der Progressiv-Konstruktionen beweist: Du sollscht am schtuddiya sei, wenn ich zerick kumm! [Du sollst am studieren sein, bis/ wenn ich zurückkomme! ] Du sollscht am schaffa sei, wenn d Daed hiem kumm! [Du sollst am arbeiten sein, bis/ wenn der Vater heim kommt! ] Die Modalverben haben in Bezug auf die am-Progressiv-Konstruktionen zwei Funktionen, welche für die Erweiterung der Progressivkonstruktionen vorteil‐ haft sind. Einer dieser Vorteile ist im Bereich der Tempusbildung zu sehen, da Modalverben hier problemlos mit dem am-Progressiv korrelieren können. Nach meinen Vermutungen dienen die Modalverben im Tempusparadigma dazu, die am-Progressiv-Klammer morpho-syntaktisch zu dehnen und damit die analy‐ tischen Tempora weiter auszubauen. Die Tendenz zum Ausbau und zu weiterer Verbreitung von analytischen Tempora ist im Deutschen diachron und synchron deutlich zu beobachten ( VON P OL E NZ 1978: 21; K OTIN 1998: 143 und A B RAHAM / C ON RADI E 2001: 130; oder H E NNIG 2000: 24). Dies legt wiederum den Schluss nahe, dass durch die Kombination der Modalverben und der am-Progressive ein weiterer Schritt zum analytischen Tempusparadigma vollzogen wird (Egon muss/ müsse/ musste/ müsste wohl am arbeiten sein etc.). 209 6.10. Die Verbalkategorie Modus und der am-Progressiv (405a) (405b) Der zweite Vorteil der Modalverben in Bezug auf die am-Progressive scheint lexikalisch-semantischer Natur zu sein. Den semantischen Eigenschaften von Modalverben ist es wohl zuzurechnen, dass diese gewisse Einschränkungen in Bezug auf Kookkurrenz aufweisen. Es muss in der Natur dieser Verb-Klasse liegen, dass sie nicht „progressivierbar” sind, wie etwa die englischen Beispiele zeigen * canning, * shalling, * I am having to. In den slawischen Sprachen stehen die Modalverben ebenfalls nicht in einer aspektuellen Opposition zu anderen Verben, was bei den Verben in slawischen Sprachen generell der Fall ist (russ. strojit’ - postrojit‘ dt. bauen; slowak. robit’-vyrábat’dt. herstellen; serb. kupiti kupovati dt. kaufen). Für die Modalverben ist eine solche Opposition nicht vor‐ handen. Ein Grund für diese Einschränkung der Distribution könnte mit der Thema-Rhema-Fokussierung zusammenhängen, da Modalverben nicht referen‐ tielle Elemente sind oder eine Referenzidentität aufbauen können und daher nicht rhema-fähig sind, Infinitive dagegen schon, wie die folgenden Sätze zeigen: Ich bin am * müssen/ * wollen/ * dürfen. Weiterhin gehen Modalverben mehrheitlich auf die sog. Präteritopräsentien zurück und sind inhärent perfektiv und diese Perfektivität wird für die Modalverben-Konstruktionen benötigt, was wiederum eine Inkompatibilität mit dem Progressiv hervorbringt (dazu L E I S S 1992: 273; A B RAHAM 2013: 45). In den beiden dargestellten Situationen gab es natürlich auch Fälle ohne am-Progressive und diese Aufforderungen wurden als Paraphrase gewertet, wie etwa: Sie sollet dihre Schularewet duhn! [Sie sollen ihre Hausaufgaben tun/ erledigen! ] Ich will eich sehna schaffa, wenn d Daed heem kummt! [Ich will euch arbeiten sehen, bis/ wenn der Vater heim kommt! ] Abb. 30: Anteil von am-Progressiven in Sit. 07.1. und 07.2. 210 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Es wurde sogar in beiden Situationen vereinzelt mit Konjunktiv II geantwortet, wie etwa in Dihr besser waert am lerna, wenn ich zerickkumm! oder Dihr besser waert am schaffa, wann d Daed heem kummt! Das zeugt wiederum davon, dass am-Progressive mit Konjunktiv II grundsätzlich möglich sind. Durch die etwas spezifischen Anwendungsbereiche von Konjunktiv II (Wünsche, irreale oder konditionale Relationen, Vergleiche etc.) ist auch die niedrige Zahl der Ant‐ worten im Korpus zu erklären. Normalerweise müsste der Gebrauch von Impe‐ rativ in am-Progressiv-Konstruktionen ein logisches Problem darstellen, wie R E IMANN (1996: 150) und auch K RAU S E (2002: 304) vermuten. Hier werden näm‐ lich die morphologische Satzebene als Satztypus und die propositionale Ebene, also der Imperativ-Modus, vermischt, was unlogisch erscheint. So sind Impera‐ tive bereits als imperfektiv einzustufen, weil die Handlung mit dem Sprechzeit‐ punkt erst geäußert wird und deren Beginn aber in der (nahen) Zukunft liegt. Der Progressiv impliziert aber die Ausführung der Verbhandlung w ä h r e n d der Sprechzeit, was in diesem Falle nicht erfolgt. Bei der aspektuellen Kodierung einer Äußerung muss man sich zwischen der innen- oder außenperspektivier‐ enden Verbalsituation entscheiden. Durch die Wahl der am-Progressivform in‐ tendiert man normalerweise die Wahl der Innenperspektive und somit stellt man die Handlung als im Verlauf befindlich dar. Bei Imperativsätzen ist die Intention der Äußerung aber gerade die Außen‐ perspektive, weil es einen bewussten und gewollten Unterschied zwischen Sprechzeit und Ereigniszeit gibt, was bedeuten könnte, dass der Sprecher nicht an der Perspektivierung des Verbalgeschehens interessiert ist, sondern nur an dessen Ausführung (R E IMANN 1996: 149). Die Beispiele im PeD erlauben aber auch eine andere Sichtweise. Vieles spricht dafür, dass es hier weniger um formale Merkmale der Grammatik oder Logik geht, sondern um eine pragmatische, intentionale Funktion aus der Spre‐ cher-Perspektive, einen Sachverhalt an den Gesprächspartner zu übermitteln, mit der Rückversicherung, dass die geforderte Handlung auch durchgeführt wird. Dadurch, dass der Imperativ ein den beiden Kommunikationspartnern be‐ kanntes Medium zur Äußerung von Wünschen oder Befehlen ist, wird er hier als das einfachste und zielführendste Mittel gewählt. Daher kann in der Kom‐ bination von Imperativ und Progressiv, als von zwei Markern für Imperfekti‐ vität, eher eine Re-Fokussierung der Ereignisse gesehen werden. Der Sprecher möchte nämlich dem Gegenüber mitteilen, dass eine bestimmte Handlung fort‐ laufend auszuführen sei. Diese Handlung sollte eine gewisse erwartete oder vorgegebene Zeitspanne dauern. Der Progressiv richtet sich nicht auf die Sprechzeit, sondern auf die Ereigniszeit des bedeutungstragenden Verlaufsinfi‐ nitivs. Durch die Wahl beider Formen, des Imperativs und des Progressivs, ist 211 6.10. Die Verbalkategorie Modus und der am-Progressiv es möglich, eine Verstärkung oder Re-Fokussierung der Intention vorzunehmen. Durch die Kombination der Verberstellung im Imperativ mit dem am-Progressiv wird der Sachverhalt dieses Satzes verstärkt betont. Hierdurch ist sicherlich deutlich geworden, dass der Restriktionsradius im PeD deutlich geringer ist und die ausgewerteten Sätze belegen, dass in der Verbalkategorie Modus das PeD im Vergleich zum StD doch signifikante Vorteile in der Grammatikalisierung er‐ langt hat. Bezüglich des Imperativs möchte ich noch auf ein kleines Kuriosum auf‐ merksam machen. Auf den ersten Blick erscheinen Sätze wie Sind an schtuddiya! oder Sind an schaffa! verwunderlich, weil man eine andere morphologische Form erwarten würde, nämlich Sei(d) am schtuddiya! H E NT S CHE L / W E YDT (2013: 115) führen aber genau diese Möglichkeit an, dass in manchen deutschen Dia‐ lekten, durch sprachhistorische Gründe bedingt, nicht immer distinktive Formen für Numerus und Person verwendet werden, sodass es möglich ist, zwi‐ schen diesen Formen zu alternieren. Die fehlende morphologische Präzision wird durch kontextuelle Merkmale, wie die betonte Benennung des Subjekts, wieder ausgeschärft. Dieses Phänomen der Formenreduktion durch phonetische Rundung (er schläft > er schlooft; ich nehme > er nehmt) oder Formenausgleich (sind=seid) ist in den Beispielen und in anderen Quellen des PeD (Zeitschriften oder Poesie) sehr präsent (Schlooft er/ ihr noch? oder Seid ihr/ sind ihr noch am schloofa? ). Im PeD ist der Ursprung dieser Ausgleichsformen auf eine direkte Verbindung zu den ursprünglichen deutschen Dialekten zurückzuführen wie zum Beispiel dem Pfälzischen. 6.10.1. Modus und der am-Progressiv im StD Es soll nur kurz vermerkt werden, dass auch im StD und in vielen deutschen Dialekten eine Kombination von Modus-Formen und am-Progressiven durchaus nachweisbar ist. Die spärlichen C O S MA S -Belege erweisen sich auch hier zumin‐ dest als Indiz, dass es keine morphologischen Hindernisse für eine Verbindung dieser Formen gibt. Die semantisch-pragmatische Motivation, einen Konjunktiv zu benutzen, reduziert sich oft auf Zitate oder die sog. Indirekte Rede, daher auch die zahlenmäßig niedrige Quote. In dem Korpus TAGGED-Calle öffentlichen Korpora hat beispielweise die Suchabfrage nach dem Muster S EI + AM +M O R PH (V IN F ) nur 15 Treffer ergeben, wie die Abbildungen (Screenshots) zeigen: 212 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien Abb. 31: Cosmas-Suchabfrage 1 Abb. 32: Cosmas-Suchabfrage 2 Andere Suchparameter oder eine andere Korpus-Wahl würde dementsprechend geringfügige Unterschiede hervorbringen, je nachdem in welcher Textsorte oder Zeitperiode die Suchanfrage gestartet wurde. Diese wenigen Treffer haben den‐ noch eine zweifache Signalwirkung; einerseits sind sie ein Beweis dafür, dass man unter bestimmten Umständen Konjunktive und am-Progressive verbinden kann, andererseits zeugt ihre einfache Morphologie und das sich immer wie‐ derholende Präsens/ Präteritum für ein noch nicht etabliertes Paradigma in der 213 6.10. Die Verbalkategorie Modus und der am-Progressiv deutschsprachigen Presse. Diese Beispiele bleiben daher morphologisch un‐ kommentiert. Auch die unterschiedlich lokalisierten Quellen geben einen Hin‐ weis darauf, dass der Gebrauch diatopisch und diastratisch möglich ist, wobei die uneinheitliche Rechtschreibung (Großvs. Kleinschreibung) auch hier ins Auge fällt. 6.11. Zusammenfassung am-Progressiv und die Verbalkategorien Die in diesem Kapitel dargestellten Beispiele zeigen eindeutig, dass der am-Pro‐ gressiv im PeD ein voll funktionsfähiges und produktives Tempusparadigma herausgebildet hat. Durch die Darstellung des Tempusparadigmas ist auch of‐ fensichtlich geworden, dass es im Gebrauch der Progressivformen kaum kommunikativ-pragmatische Hindernisse gibt, welche das Verständnis beein‐ trächtigen würden. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass im PeD sogar trenn‐ bare Verbzusätze (Präfixe und Adverbien) beim Verlaufsinfinitiv belassen und als eine feste Einheit verwendet werden können und dass reflexive Verben pro‐ blemlos mit einer am-Konstruktion progressivierbar sind. Zur topologischen Stellung der Satzglieder ist zu bemerken, dass das PeD wie auch das StD über ein topologisches Drei-Felder-Modell verfügt, welches aus zwei Satzklammer‐ elementen (finite und infinite Prädikatsteile) besteht. Lediglich ist im PeD-Nach‐ feld zu bemerken, dass sich tendenziell mehr Satzglieder im Nachfeld befinden als im Std, was das PeD in die syntaktische Nähe des Englischen rückt. Der Gebrauch von am-Progressiven in der Verbalkategorie Modus ist nicht nur im PeD sonder teilweise und eingeschränkt auch im StD belegbar, sodass hier eine Ausbaufähigkeit der Progressivkonstruktionen festzustellen ist. Die vielen angeführten Beispielsätze mit am-Progressiven und ihre erlern‐ bare und funktionierende Anwendung würden im Vergleich zum StD aber nicht gegen morphologische Regeln verstoßen, sondern eher gegen Diskursregeln. Schlussfolgernd muss festgestellt werden, dass der eigentliche Unterschied in der Distribution der morphologischen Formen von am-Progressiven nur darin besteht, dass der Gebrauch im StD (noch) nicht als normkonform eingestuft wurde. 214 6. Der am-Progressiv durch die Verbalkategorien 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv Aus all den Auswertungen über die morpho-syntaktische Beschaffenheit des PeD sind die Ergebnisse aus dem Bereich Genus verbi sicherlich am auffälligsten. Die Passivfähigkeit von am-Progressiven galt als weitgehend unrealisierbar. Die Ergebnisse meiner empirischen Studie sollten das Gegenteil beweisen und somit zweierlei Neuigkeiten hervorbringen. Einerseits würde dies bedeuten, dass die am-Progressiv-Konstruktionen um ein Paradigma reicher geworden sind. An‐ dererseits würde das PeD mit diesem neuartigen grammatischen Phänomen der passivfähigen am-Progressive im Vergleich zum StD und den standardnahen deutschen Dialekten einen fast uneinholbaren Vorsprung in einem imaginären Grammatikalisierungsrennen erlangen. Auf die Ausarbeitung dieser zwei An‐ sätze fokussiert sich dieses Kapitel meines Forschungsprojekts. 7.1. Die Frage nach dem Zweck des Passivs Bislang galt die Vermutung, eine Eingliederung des am-Progressivs in die Ver‐ balkategorie Genus verbi sei selten bis so gut wie noch nicht evident und auf‐ grund der strukturellen Beschaffenheit von Passiv-Konstruktionen nicht pro‐ duktiv, weder in den Dialekten, noch in den Sprachinselvarietäten und gänzlich nicht im StD (C O S T E LLO 1989; R E IMANN 1996; K RAU S E 2002). Grundsätzlich setzen Passiv-Konstruktionen einen Perspektivenwechsel voraus bzw. eine Agens- Patiens-Korrelation, was eine Nicht-Agens-Rolle im Nominativ impliziert. Wenn in der Motivation für den Gebrauch auch zugleich die Motivation für die Entstehung kodiert ist, dann könnte es für die Passivdiathese die Abwendung vom Subjekt sein. So könnte die Motivation für die Entstehung der Passiv- Diathese mentaler Natur sein. Das Passiv betont prinzipiell ein vom Handlungs‐ träger abgewandtes verbales Ereignis, was auf einer komplexen mentalen Kon‐ zeptionalisierung begründet sein muss. Die älteste und grundlegendste An‐ nahme dafür ist wohl die Rollenanhebung eines Objektes, welches in der Valenz des bedeutungstragenden Verbes liegt (D ÜR S CHEID 1999: 202; H E LBIG / B U S CHA 2011: 164). Die Kodierung eines Nicht-Agens-Nominativs ist somit geschehens‐ orientiert und es unterscheidet sich darin vom agensorientierten Aktiv. Wohl‐ bemerkt würde dies für den eigentlichen Agens-Nominativ eine Rollenabsen‐ kung bedeuten, weil er dadurch ersetzbar geworden ist. Die Agens-Nennung in (a) (b) Form einer mit von oder durch eingeleiteten Präpositionalphrase ist mit der Entwicklung der werden-Phrase zeitlich immanent (H ENT S CHE L / V O G E L 2009: 291). Auch L EI S S (1992: 73) formuliert die Suche nach dem Zweck des Passivs mit der Frage Wozu verwenden wir das Passiv? Sie beginnt diese Suche mit der Ab‐ frage, was Passivsätze im Vergleich zu Aktivsätzen können und nicht können, und lässt erahnen, dass die Agensreduktion hier nicht als das einzige und auch nicht als das wichtigste Merkmal zu verstehen ist. So lässt sich weiterhin beob‐ achten, dass Passivsätze eine höhere Markiertheit als Aktivsätze aufweisen, was eine gewisse Modifikation von grammatischen Bedeutungen signalisiert. Diese Modifikation könnte eine Perspektivierung oder einen Standpunktwechsel ini‐ tiieren. Daher geht L E I S S davon aus, dass Passiv in sog. Subjekt-Sprachen (subject prominent languages) realisiert wird, d. h. in Sprachen mit spezifischen Subjek‐ teigenschaften (z. B. +Agens, semantische Rollen). Im Gegensatz dazu gibt es Topic-Sprachen (topic prominent languages), welche durch Satzstellung oder Definitheit kodiert werden. In den Sprachen, in welchen das Subjekt durch Erst‐ stellung in privilegierten Positionen und durch Definitheit markiert wird, gibt es gewöhnlich kein Passiv (L E I S S 1992: 75) und diese Sprachen gelten als „pas‐ sivlose Sprachen“ (K AR P F 1990: 146; H ANDWE R K E R 1950: 217). Die privilegierte syntaktische Stelle ist immer ikonisch durch ein bestimmtes Element reserviert, was einen Perspektivenwechsel zwischen Agens und Patiens leicht macht. In Ergativ-Sprachen fällt die Rolle des prototypischen Subjekts dem eigentlichen Patiens zu (L E I S S 1992: 95). Im Deutschen ist dies nicht so, weil die Erststellung des Subjekts nicht obligatorisch ist. Als zentraler Begriff wird hier der Betrach‐ terstandpunkt eingeführt, da eine Verbalsituation als Geschehen oder als Hand‐ lung realisiert werden kann. So stellt das Passiv eigentlich eine Perspektivie‐ rungskategorie dar, welche eine Wahl zwischen zwei Standorten ermöglicht (L E I S S 1992: 105), je nachdem welche Perspektive man benötigt. Mit folgenden Test-Sätzen verdeutlicht L E I S S diesen Ansatz: Hausmeister X ruft die Feuerwehr an. Die Feuerwehr wird von Hausmeister X angerufen. Durch die Veränderung der Perspektive kann ein definites Patiens in einer pri‐ vilegierten syntaktischen Position realisiert werden (sog. promotion), dadurch kann ein agensunfähiges Element, wie das direkte Objekt, zum Subjekt ermäch‐ tigt werden. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ist das Passiv also syntak‐ tisch wie semantisch gesehen ein shifter oder Perspektivenwechsler (L E I S S 1992: 88). Grammatische Kategorien, welche sich aus Wortstellungsregularitäten er‐ geben, sind ikonische Kategorien, wie z. B. die Diskursstrategie Thema- 216 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (406) Rhema-Gliederung. Auch diese Funktion kann durch Passiv gesteuert werden, da aus einem meist rhematischen Objekt ein thematisches Subjekt wird. Als Leitgedanke ist demzufolge zu entnehmen, dass Genus verbi, Aspekt und Tempus in einer sehr engen Relation zueinander stehen, viel näher als bislang angenommen. Diese Herangehensweise rückt somit das Passiv und seine Funktion in die Nähe der verbalen Perspektivierung, wie sie bei Aspekt verstanden wird. Eine ähnliche Annahme formuliert auch A B RAHAM (2000b: 1) in seinen Überlegungen zum Passiv. Er stellt die These auf, dass Genus verbi aus der Aspektsystematik hergeleitet werden muss, zumal das Althochdeutsche ein funktionierendes pa‐ radigmatisches Aspektsystem hatte, aber kein systematisch produktives Passiv. Im Neuhochdeutschen ist diese Situation genau umgekehrt. Daher wird dort die bislang in der Forschung uneinheitlich erklärte Passivhistorie auch „Passiv‐ rätsel“ genannt. Hier wird eine klare komplementäre Verteilung zwischen der Handlungsübertragung vom Agens zum Patiens bei der Passivperiphrastik und dem Aspekt gesehen (A B R AHAM 2000b: 11). Z I F ONUN et.al. (1997: 1840) sehen beispielweise in der Passiv-Diathese eine „implizierte Themakontinuität“. Indem das nun als Rhema bereits eingeleitete Aktiv-Objekt im Folgesatz als Thema bzw. Passiv-Subjekt erscheinen kann, wird das Redundante aus dem Satz abgeworfen und somit ist das Passiv sprachöko‐ nomischer als das Aktiv. Hiermit wird durch das Passiv auf das gemeinsame Diskurswissen der Beteiligten eingegangen: […] hinderte ein berittener Polizeitrupp … […] das Publikum … […] am Verlassen des Theaters; dabei wurden Schauspieler wie Zuschauer ver‐ letzt … […]. (Z I F O N U N et.al. 1997: 1842; Hervorhebung i. O.) Durch die komprimierte Darstellung sollte deutlich geworden sein, dass es sich bei der Suche nach der Funktion von Passivsätzen durchaus um eine nicht ein‐ heitlich verstandene Aufgabe in der Linguistik handelt, weil es dabei unter‐ schiedliche Prioritäten und Blickwinkel gibt. Auch deutlich geworden dürfte sein, dass es sich bei der Passiv-Diathese zweifelsfrei um eine komplexe mentale Repräsentation handelt. So weist das Passiv auch nicht auf Beziehungen der sprachlichen Einheit zur Außenwelt hin, sondern es zeigt die innersprachlichen Beziehungen von allen paradigmatisierten Einheiten zueinander. 217 7.1. Die Frage nach dem Zweck des Passivs 34 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 103 (http: / / www.gesetze-im-int ernet.de/ gg/ art_103.html) 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs Diese mentale Komplexität könnte sich also auch auf die morpho-syntaktische Ausdrucksform übertragen haben, welche in allen germanischen Sprachen eben komplex bzw. analytisch verläuft. Hinzu kommt sicherlich das allmähliche Normbewusstsein um die fehlenden Passivformen, da sich das Passiv in allen Entwicklungsstufen des Deutschen trotz des vorhandenen synthetischen Vor‐ bilds im Latein natürlich nicht ad-hoc vollständig entwickelt hatte, sondern der Formbestand nach und nach paradigmatisiert wurde, um somit die lückenhafte Flexion zu vervollständigen. Dass dieser Prozess keineswegs planbar, vorher‐ sehbar oder linear war, zeigt K OTIN : Die Herausbildung der grammatischen Kategorie Genus verbi ist in diesem Sinn als Ergebnis einer längeren historischen Entwicklung und Wechselwirkung von ver‐ schiedenen, zum Teil entgegengesetzt wirkenden Faktoren zu beurteilen. (K O T I N 1998: 16) Zur Hilfe wurden die werden-Paraphrasen und die sein-Paraphrasen, welche sich immer mehr mit einer passivischen bzw. subjektabgewandten Bedeutung ge‐ brauchen ließen: Diese [Bedeutung] ergibt sich aus dem Handlungsverb mit Partizip Perfekt, dessen Objekt in der Verknüpfung mit Kopula als Subjekt erschien wir sind/ werden zertre‐ tene. Dadurch sind bereits wesentliche Merkmale des späteren persönlichen Passivs, nämlich zum einen Affiziertheit im Subjekt und zum anderen Agentivität, gegeben. (H E N T S C H E L / V O G E L 2009: 291) Für ein Passivparadigma wird ein komplexes morpho-syntaktisches Inventar benötigt und der Aufbau der nötigen Konstituenten für eine Passivstruktur vollzieht sich generell langsam. Dies führt zu der Annahme, dass das Passiv eine relativ „späte Entwicklungsphase“ in der Sprachevolution darstellt, was die diachronen Belege der Erstfunde zeigen (siehe N E U 1968: 1; G U CHMAN 1976: 9; L E I S S 1992: 73; D E NI S ON 1993; K OTIN 1998: 43 und B AU GH / C ABL E 2003). Dies zeugt von einer gewissen Komplexität der benötigten Formen. Natürlich gab es Sprachen mit einem synthetischen Passiv, z. B. das Latein (audiatur et altera pars - „jedermann soll gehört werden“ 34 ) oder das Gotische (daupjada - „getauft wird“; H E NT S CHE L / V O G E L 2009: 285) und ein synthetisches Passiv gibt es sie auch heute noch in den Sprachen, wo dies durch ein distinktives Morphem -s oder -st 218 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv geschieht, beispielsweise im Isländischen (sjá -dt.sehen - sjást - dt. gesehen werden; N ÜBLING 2000: 225) oder im Russischen mit -sja (dom stroilsja - dt. das Haus wurde gebaut; A B RAHAM 2000a: 7). Aber in keiner modernen germanischen Sprache wird Passiv rein synthetisch geformt, sondern nur mit analytischen Verfahren. Ein kurzer diachroner Überblick sollte bestätigen, dass das uns heute bekannte Passiv mit seinem Formbestand eine relativ lange und nicht einfache Entstehungsgeschichte hatte. 7.2.1. Das Indo-Germanische und die Diathese Aus den meisten uns heute bekannten indogermanischen (auch indoeuropäisch genannten) Sprachen kennen wir die Aktiv-Passiv-Diathese, die sich in den einzelnen Sprachen unterschiedlich reichhaltig entwickelt hat. Hier stellt sich die Frage, inwiefern uns etwas darüber aus der Entwicklungsgeschichte des Indo-Germanischen (IG) bekannt ist. Bislang weiß man, unter Berücksichtigung verschiedener fundierter Studien, dass es im IG kein paradigmatisches Passiv gab. Die Sprachwissenschaftler rekonstruierten stattdessen aber eine andere Diathese, welche die grammatische und pragmatische Beziehung zwischen Sub‐ jekt, Prädikat und Objekt konzeptualisierte, nämlich die Aktiv-Medium-Diathese (siehe unter anderem N E U 1968; K OTIN 1998; A B RAHAM 2000b; G IANNAKI S 2015). Mit den folgenden Abschnitten wird daher keinesfalls beansprucht, die recht uneinheitliche Darstellung von den uns bekannten Diathesen Aktiv-Medium- Passiv zu entwirren, sondern es wird lediglich versucht, mit ein paar Beispielen ein nicht immer klar vorstellbares abstraktes Paradigma zu konkretisieren. So fasst S CHLACHT E R dieses Dilemma in seinen Passivstudien folgendermaßen zu‐ sammen: Aus unseren Schulbüchern sind wir gewohnt, drei Diathesen oder Genera verbi zu unterscheiden: Aktiv, Medium, Passiv. Die naiv-anschauliche Bezeichnung "Medium" führt sogleich mitten in die Problematik des Diathesensystems hinein … […]. Die Mit‐ telstellung besagt hier, daß das Verhältnis des Verbgeschehens zum Subjekt sich sys‐ tematisch als Reihe darstellt: im Aktiv "handelt" das Subjekt, z. B. in Verba der Bewe‐ gung, der körperlichen Tätigkeit u. ä.; im Medium handelt es ebenfalls, aber das Handeln verbleibt in der Sphäre des Subjekts. Diese Beschreibung zeigt, daß die Ab‐ grenzung vom Aktiv nicht scharf ist. […] … Das Passiv steht am anderen Ende dieser Reihe. Es unterscheidet sich von den aktivischen Diathesen scharf durch die Umkeh‐ rung der Geschehensrichtung, wodurch in das persönliche Passiv das Moment des Betroffenwerdens hineinkommt. (S C H L A C H T E R 1984: 117) 219 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs In der traditionellen Denkweise ausgedrückt, handelt das Subjekt im Aktiv selbst (Egon rollt einen Stein.). In dem zu vermittelnden Medium wäre die Verbhand‐ lung auf die Subjektsphäre beschränkt. Das Subjekt wäre, obwohl es die Hand‐ lung selbst ausführt, sozusagen „inaktiv“ und es ist zugleich auch davon be‐ troffen (etwa Der Stein rollt [sich selbst].). Der Satz bekommt somit eine inaktive, mediale Bedeutung. Im Passiv kommt dann die traditionsgemäße Handlungs‐ übertragung (Der Stein wird gerollt.) zustande. Der Unterschied zwischen Aktiv und Medium betrifft also das grammatische Subjekt, es ist von der Handlung selbst betroffen und führt gleichzeitig die Verbhandlung an sich selbst auch durch. Nur das Betroffensein ist durch das Sprachdenken bedingt, nämlich durch die Handlungsrichtung. Das Medium konnte vom Aktiv durch Endungen (sog. Medialendungen) unterschieden werden und ist folglich als grammatische, sub‐ jektbezogene Kategorie zu verstehen. Demgemäß war die erste oder die „origi‐ nelle“ Diathese im IG die Aktiv-Inaktiv-Opposition, erst später wurde dann das Konzept Medium geprägt (K OTIN 1998: 46 und 2012: 246). Mit der Zunahme von synthetischen und periphrastischen Passivformen wurde das Medium in unter‐ schiedlichen indogermanischen Sprachen allmählich verdrängt (N E U 1968: 1; G U CHMAN 1976: 30). Das uns heute bekannte Passiv stellt eine aus dem indogermanischen Medium abgeleitete Verbalkategorie dar, bzw. in manchen Sprachen basierten die Pas‐ sivformen auf den Medialendungen, für manch andere Sprachen gibt es wie‐ derum belegbare Abschnitte für parallele Erscheinungsformen von Medium und anfänglichen Passivstrukturen oder mehreren Passivformen (S CHLACHT E R 1984: 118; L E I S S 1992: 174). Die Entstehung von Passiv und der Wechsel von Medium zu Passiv ist kei‐ nesfalls eine einfache Ableitung oder Übernahme von morphologischem Re‐ pertoire. Es hat meines Erachtens mit einer stärkeren Beteiligung oder Fokus‐ sierung des Subjekts in der Handlungsübernahme zu tun. Zu den Gründen und Folgen dieser weitreichenden und gravierenden Verschiebung innerhalb der Verbalkategorien wird hier nicht weiter eingegangen. Dafür gibt es einschlägige und fundierte Literatur und es bedarf einer anderen Motivation, welche im Rahmen dieser Progressiv-Studie nicht ausreichend zur Geltung kommen kann. Dieser Exkurs sollte jedoch deutlich gemacht haben, dass die Passiv-Diathese schon in ihren Anfängen im Indogermanischen ein komplexes Paradigma kon‐ zeptionalisierte. Auch zum Aspekt im IG sei hierzu nur eine kurze Bemerkung hinzugefügt, um eine potenzielle Interaktion dieser zwei Verbalkategorien ins Blickfeld zu rücken. Für das IG kann mit Sicherheit eine Aspekt-Kategorie rekonstruiert werden, und zwar mit drei Unterscheidungen: (a) der perfektive Aspekt stand für 220 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv die Beschreibung des gesamten Handlungsablaufs in seiner Vollendung; (b) im imperfektiven Aspekt lag der Fokus auf der eigentlichen Durchführung des Handlungsablaufs und (c) mit dem resultativen Aspekt wurde das Ergebnis des Handlungsablaufs konzipiert (G LÜCK 2001: 64). Eine gemeinsame Interaktion von Aspekt-Tempus-Genus verbi gilt nach dem aktuellen Forschungstand daher nicht als systemfremd, obwohl die eindeutigen Belege hierfür oft im rekonstruktiven Bereich der Linguistik liegen (G ONDA 1961; K U R YŁOWICZ 1964; ins‐ besondere K OTIN 1998: 58 u. G IANNAKI S 2015: 492). Hierbei lässt sich ein zent‐ rales Bindeglied zwischen den Kategorien Medium und Aspekt herstellen: Eine gewisse Art von Innenperspektivierung bzw. die Tatsache, dass das Subjekt selbst betroffen ist, also die Handlung an dem Subjekt selbst aspektuell nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. 7.2.2. Das Gotische und die Diathese Obwohl das Gotische weder die unmittelbare Nachstufe des Indogermanischen ist noch als ein direkter Vorgänger des Deutschen fungiert, eignet es sich den‐ noch gut, um einige linguistische Abgleiche zwischen systemverwandten Spra‐ chen in unterschiedlichen Zeitabständen zu machen. Auch die Sprachkontakte mit dem Griechischen, Lateinischen und dem Slawischen lassen sich am goti‐ schen Sprachinventar untersuchen. So bemerkt K OTIN etwa: Keine andere altgermanische Sprache vermag den gemeingermanischen Sprachzu‐ stand dermaßen genau nahe zu bringen wie das Gotische. Andererseits liefert es ebenso markante Evidenzen für Ursachen und Mechanismen des Sprachwandels, ins‐ besondere bei der Beurteilung der Konstellation zwischen indogermanischen Archa‐ ismen und germanischen Neuerungen auf allen Sprachebenen. (K O T I N 2012: 9) Zu den unterschiedlichen Passivstrukturen im Gotischen ist viel geforscht worden und Gotisch stellt sicherlich die am meisten beschriebene altgermani‐ sche Sprache dar. So sind aus den schriftlichen Quellen des Gotischen, bei denen es sich überwiegend um Übersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen handelt, unterschiedliche Passivkonstruktionen und Konzepte überliefert. Das Gotische hatte demzufolge ein uneinheitliches aber komplexes morphologisches System, welches teils aus dem Urgermanischen stammte, teils aus dem Griechi‐ schen entlehnt wurde (K OTIN 1998: 59). Auch die Regeln für die Anwendung waren eher komplex und aus heutiger Sicht viel schwerer erlernbar als bei‐ spielsweise das neuhochdeutsche Passiv. So gab es eine reichhaltige Formen‐ vielfalt im Aktiv und ein recht eingeschränktes Formenrepertoire für ein syn‐ thetisches Passiv im Indikativ/ Optativ des Präsens (B RAUN E 1981: 106; L EI S S 221 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs 1992: 157). Um ein breiteres Paradigma zu erschaffen, wurden die fehlenden Formbestände durch periphrastische Konstruktionen ergänzt, wie B RAUN E fest‐ hält: Die fehlenden Formen des Passivs werden umschrieben durch das Part. Prät. nebst den entsprechenden Formen von waírþan und wisan, z. B. daupjada ‚er wird getauft’, aber daupiþs was (Mk.1,19), * daupiþs warþ ‚er wurde getauft’. (B R A U N E 1981: 106; Hervorhebungen i. O.) Später kamen andere Formergänzungen hinzu, sodass die Distribution von pe‐ riphrastischen und synthetischen Formen dementsprechend umständlich war. Beispielsweise wurde die Phrase warþ+Partizip II nur mit perfektiven/ termi‐ nativen Verben verwendet. Mit wisan+Partizip II wurden nur perfektiv-termi‐ native und transitive Verben gebildet (L E I S S 1992: 158). So zeigt sich, dass das Gotische ein sehr verbsensibles System hatte, in dem Distinktionen wie imper‐ fektiv / perfektiv oder intransitiv/ transitiv oder durativ/ terminativ für die Korre‐ lation mit anderen grammatischen Formen wie Aspekt essentiell waren. Dass das Gotische mindestens genau so „aspektsensibel“ war wie verbsensibel bei Passivkonstruktionen, zeigt folgendes Konzept. Hier spielt die Opposition von perfektiven und imperfektiven Verben die tragende Rolle aber das Aspekt‐ paradigma wird anders realisiert als beispielsweise im modernen Englisch, wo dies durch das Morphem -ing geschieht. Im Gotischen wird, wie S T R E ITB E R G (1910: 181) bemerkte, diese Opposition ähnlich wie in slawischen Sprachen (russ. pisat ‚napisat’ - dt. schreiben) durch bestimmte Präfixe oder Infixe realisiert, sodass er nicht nur die ga-Verben (meljan und ga-meljan; dt. schreiben) unter‐ suchte, sondern auch andere präfigierte Verben, um die Möglichkeit zu unter‐ suchen, wie die Perspektivierung der Handlung oder des Geschehens realisiert werden kann. Diese Präfigierung war im Gotischen nicht immer konsequent aber dennoch systematisch. L E I S S (1992) stützt ihre Überlegungen auf eine Reihe von Linguisten, die sich damit ausführlicher beschäftig haben und die slawi‐ schen und germanischen Sprachen auf gegenseitige Dependenzen und Konver‐ genzen untersucht haben (unter anderem M A S LOV 1959: 560 oder A DMONI 1990). Die Autorin bekräftigt daher dieses Konzept der ga-Präfigierung in ihren Verbalkategorien folgendermaßen: Gaist das semantisch leerste Präfix im Gotischen. Ursprünglich war die Bedeutung von ga-‚zusammen‛, wie bei den Wortbildungen von Geplus Substantiv noch heute deutlich ist (Gehirn als die Gesamtheit des Hirns; Gewässer etc.). Die zentrale Funktion des verbalen ga-Präfixes ist es, die Gesamtheit einer Verbalsituation anzuzeigen … […]. Weitere Paare sind: taujan ,tun‛ vs. gataujan ,vollbringen‛ und gasaihvan ,erblicken‚‛ vs. saihvan ,sehen‛. (L E I S S 1992: 62; Hervorhebungen i. O.) 222 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 35 Old English (450-1100 AD) Middle English (1100-1500) Early Modern English (1500-1800) Late Modern English (1800-Present) Die Übersetzung der gotischen Verbpaare ins Deutsche lässt das Konzept von Aspekt ein wenig milder oder entwirrter klingen, wobei gesagt werden muss, dass Aspekt viel mehr als nur eine Opposition zwischen Perfektiv und Imper‐ fektiv (baíran - gabaíran dt. tragen/ gebären) oder Resultativ (wisan+PII) darstellt. Vielmehr ist es die Darstellung eines Vorgangs als ein holistisches Ereignis, das nicht weiter unterteilbar ist. Diese Tendenz, Aspekt-Wahrnehmung so auszu‐ drücken, wurde aber in den späteren Epochen des Deutschen zunehmend ab‐ gebaut. Wenn man also unter Aspekt das Alternieren einer gleichen Verbalsituation versteht, welche durch morphologische Mittel (wie Präfigierung oder aux+PII) eine Innenperspektive und Außenperspektive konzeptionalisiert, dann würden K RAU S E (1968), B RAUN E (1981), L E I S S (1992 und 2000), K OTIN (1998 und 2012) und A B RAHAM (2000a und 2000b) dem Gotischen einen Verbalaspekt und eine Inter‐ aktion von Aspekt und Genus verbi zusprechen. 7.2.3. Das Englische und die Diathese Um auf die lange und ganz und gar nicht prognostizierbare Entwicklungsge‐ schichte der Progressivformen aufmerksam zu machen, möchte ich kurz einen weiteren Exkurs vornehmen. Englisch ist wohl die linguistisch am meisten auf‐ gearbeitete Sprache der Welt und die Vorgänge und Veränderungen, welche dem heutigen Englisch in all seinen Ausprägungen eigen sind, wurden synchron wie diachron gut und zuverlässig dokumentiert. Dies soll nun eine kurze Zusam‐ menfassung der für diese Studie über die am-Progressiv-Konstruktion rele‐ vanten Merkmale der englischen progressive forms sein. Bei der Periodisierung des Englischen halte ich mich an B AU GH / C ABL E (2003: 52). 35 Die Besonderheit des englischen Progressivs liegt wohl darin, dass es ein nahezu vollständiges morphologisches Paradigma in allen Tempora, allen Modi und Genus verbi auf‐ weist, was im Vergleich zu anderen Sprachen, insbesondere zum StD, doch eine Ausnahme ist. Das Spektrum der Progressive geht im Englischen weit über das heute be‐ kannte Morphem -ing (is building, being built etc.) hinaus, welches eigentlich eine relativ „späte“ Prägung aus dem Middle English (ME) ist (B AU GH / C ABL E 2003: 245). Die frühesten als progressive Formen erkennbaren Ausdrücke waren bereits im Old English (OE) bekannt, und zwar jene mit den altenglischen Verben 223 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs (407) (408) (409) (410) (411) beon und wesan und einer morphologischen Endung -ende, wie etwa in feoh‐ tende, woraus dann das spätere fighting wurde. Diese Formen wurden für das OE traditionell als present participle genannt. Hier ist beispielweise ein aus dem Beowulf (ca. 8 Jh. Altangelsächsisch) stammendes Beispiel: (ac se) æglæca ehtende wæs , (but the) monster was pursuing, deorc deaþscua, duguð and geoguð the dark death-shadow, both knights and young [Beowulf: 159-161a] Die Phrase ehtende wæs wäre durchaus auch mit das verfolgende Monster zu übersetzen, was den Ahd. und Mhd. -ende-Fügungen entsprach. Diese -ende- Fügungen konnten nach D E NI S ON (1993: 383) bereits im OE schon mit manchen Modalverben (sceal [engl. shall ], wile [engl. will ] und mæg [engl. may]) kom‐ biniert werden: he sceal be cwylmiginde mid doefle [he shall be suffering/ tortured with the devil] Eine Kookkurrenz mit Passiv war D E NI S ON (1993: 383 und 389) zufolge im OE allerdings nicht möglich, zumindest gibt es dafür keine Quellen, lediglich einige imperativisch klingende Aufforderungen aus dem Lateinischen übersetzt, die aber nicht paradigmatisch vorkamen: Beo Þu onbugende Þinum wiðerwinnan hraðe. [be you submitting your adversary quickly / Lat. Esto protinus consentiens adversario tuo] Im OE lassen sich auch solche Beispiele finden, in denen eine Präposition (an, on) zwischen beon und V -ende / V -unge interpoliert wurde und somit eine nominale Lesart dieser Fügungen ermöglicht: ac gyrstendæg ic wæs on huntunge [but yesterday I was at/ on hunting] (aus D E N I S O N 1993: 38) his leoht beo ærest on weaxunge [his light hast first begun to increase] (aus D E N I S O N 1993: 38) Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde in dieser Periode des OE das Fundament für das Konzept des heutigen progressive im Englischen gelegt. Dagegen war die Verwendung von beon im Perfekt (has been+V ing ) systemfremd, zumindest für das OE, denn die ersten auffindbaren Belege stammen aus der ME Periode. Durch 224 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 36 West Saxon Godspell-Online (https: / / archive.org/ details/ dahalgangodspelo00thor) (Febr. 2018 noch abrufbar) (412) (413) (414) (415) diese Beispiele lässt sich aber ableiten, dass Fügungen mit -ende sowohl pro‐ zessuelle, beschreibende, stilistische wie auch resultative Bedeutung haben konnten, was eine lexikalisch kodierte aspektuelle Perspektivierung impliziert (vgl. dazu insbesondere N ICK E L 1966: 391; D E NI S ON 1993: 377). Für das Passiv im OE sind sich die kanonischen Quellen wie auch die sich mit der Zeitspanne befassenden Sprachwissenschaftler einig, dass es im Englischen dieser Zeit so gut wie keine flektierenden Passivformen gab (D E NI S ON 1993: 377; B AU GH / C ABL E 2003: 160). Die passivische Lesart wurde durch analytische Formen wie beispielweise beon+Partizip II erzeugt und das Partizip denotierte die Verbhandlung, wobei aber auch bemerkt werden kann, dass solche Fügungen rar waren und dass ihre passive Lesart auch adjektivisch gedeutet werden konnte oder resultativ, zumal sie aufgrund eines Dativ-Objekts benefaktivisch wirkt: Þonne wæron ealle Þa dura betyneda. [then were all the doors closed.] (aus D E N I S O N 1993: 418) [vgl. dt. dann waren alle Türen geschlossen = die geschlossenen Türen] ðæm mæg beon suiðe hraðe geholpen fromhis lareowe. [that-one (Dative) may be very quickly helped by his teacher.] (aus D E N I S O N 1993: 101) [vgl. dt. einem kann schnell geholfen werden vom Lehrer = ihm ist geholfen] Auch S T RANG (1974: 350) sieht in dem Gebrauch von beon-Phrasen den Versuch, eine simultane, aktionale Lesart hervorzurufen (he wæs bodiende - engl. he was preaching), aber auch um andauernde Zustände auszudrücken (sē man wæs wēldōnde - engl. that man was well-doing/ successful). Für ein aktionales Passiv wurde im OE die weorðan-Phrase benutzt, was das OE noch mit dem Kontinen‐ talgermanischen verband, wie etwa in: Þa wurdon hig mid unwisdome gefyllede [then were/ became they with fury filled.] (aus Luces-Godspell 6: 11) 36 [vgl. dt. und sie wurden zornig/ mit Zorn erfüllt] Þæt cweartern wearð afylled mid fulum adelan [the prison was/ became filled with foul mud] (aus D E N I S O N 1993: 419) [vgl. dt. das Gefängnis ward/ wurde mit fauler Erde gefüllt] 225 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs (416) Diese strikte Trennung zwischen einer aktionalen weorðan-Passivphrase und einer resultativen beon-Passivphrase ist durch die vielen Belege im OE nicht immer klar beizubehalten, was zu nicht wenigen Kontroversen in der Anglistik führte. D E NI S ON (1993: 418) bemerkt dazu, dass die zwei Phrasen-Typen nicht so einfach zu trennen sind, „it is merely whisful thinking“. Das weorðan-Passiv schwindet allmählich aus dem Englischen um etwa 1200, also in der Epoche des ME und wird vom beon-Passiv substituiert. Die Vermu‐ tung liegt nahe, dass eventuell die Modalverben (sceal [engl. shall ] und wile [engl. will ]) sich am Ausbau der Tempora beteiligt haben, zumal sie bereits im OE eine epistemische Lesart entwickelten und somit das beispielsweise im Ahd. und Mhd. präsent gebliebene weorðan endgültig verdrängt haben könnten (S T RANG 1974: 351; D E NI S ON 1993: 305). Das ME ist wohl das veränderungsreichste Zeitalter der englischen Sprach‐ entwicklung; einerseits werden Flektionsendungen bei Konjugation (helpen - halp > help - helped) und Deklination (Reduktion von Kasusformen, Auflösung von Genus bei Nomina, z. B. im OE war wīf-mann MASK. wegen mann) serien‐ weise simplifiziert, andererseits aber expandieren die analytischen Tempus‐ formen (having+Past Participle etc.). Im ME gleichen sich auch die be +V ende -Formen und die V ing -Formen stark an sowie die OE ung- und y/ ing-Formen der Verbalnomina, sodass eine Trennung dieser Formen nicht immer möglich war wie auch deren Gebrauch nicht mehr klar unterscheidbar war. Die ing-Form hat sich hier aus soziolinguistischen Prestigekämpfen der südlichen und nördlichen Dialekte im ME (lovande > lovende > lovinde > louynge > loving) als siegreicher herausgestellt und lieferte die Basis des heutigen present participle zum Leidwesen der früheren -ende-Formen (T RAU G OTT 1972: 143; D E NI S ON 1993: 371; B AU GH / C ABL E 2003: 190). Die wohl größte und markanteste Neuerung im ME ist sicherlich der ver‐ mehrte Gebrauch der periphrastischen Form be+present participle (V ing ), laut B AU GH / C ABL E : The large increase in the use of the progressive is one of the important developments of later times. (B A U G H / C A B L E 2003: 190) Hinzu kam die im ME zunehmende Extension durch Direkte-Objekte, welche sich immer flächendeckender in England ausbreitete und den verbalen Cha‐ rakter der V ing -Phrase betonte: Þe story tellup how Iesu was castyng owt a feend of a man [the story tells how Jesus was casting out a devil from a man] (aus D E N I S O N 1993: 375) 226 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 37 W. S H A K E S P E A R E : Two Gentlemen of Verona, Act I, Scene 3 38 W. S H A K E S P E A R E : Hamlet, Act II, Scene 23 (417) (418) (419) (420) Dieser sintflutartige Gebrauch und die Expansion durch Objekte sowie die pre‐ sent (I am+V ing ) / past (I was+V ing ) Opposition stellten die Weichen für ein para‐ digmatisches Aspektsystem im ME, welches auf andere, spätere Epochen ab‐ färbte: At this point the formerly rather artificial patterns of periphrastic formation are taken up in a genuine English usage, and become optional markers of durative aspect. (S T R A N G 1974: 280) Ein weiterer prägender Zugewinn war die Erweiterung der Konstruktion durch das Auxiliar haven (engl. have) und durch das Modalverb schal (engl. shall, should), wie folgende Beispiele um 1400 zeigen: he schuld hafe bene hingang apon Þat crosse [he should have been hanging on that cross] (aus D E N I S O N 1993: 384) We han ben waitynge al this fourtenyght [We have been waiting through a long fortnight] (von C H A U C E R ; aus T R A U G O T T 1972: 146) Aus dem ME ins Early Modern English (EModE) hinein wirkte auch S HAK E‐ S P EAR E , sodass seine Sprachkunst unter all den zeitgenössischen Autoren im elisabethanischen England natürlich am meisten untersucht worden ist. Der Gebrauch von Progressivformen ist bei ihm nachweisbar, die Umsetzung zeugt aber von noch recht uneinheitlichen Regeln des Gebrauchs bei ein und dem‐ selben Autor. So ist ein Progressiv zu finden in How now! what letter are you reading there? oder Are journeying to salute the emperor 37 , die Szene mit Polonius in Hamlet ist aber wider erwarten nicht im Progressiv, What do you read, my Lord? … Words, Words, Words. 38 , obwohl Hamlet nach seiner momentanen Be‐ schäftigung gefragt wird und die Literaturkritiker diese Szene im heutigen Eng‐ lisch (ModE) ins Progressiv transferieren. Diese Inkonsequenz des Gebrauchs bleibt im englischen Sprachraum bis in die Überläufe des 19. Jhs. präsent. Die größte Neuerung in der Syntax der periphrastischen Ausdrücke im EModE sind aber Sätze wie: he began His mistress’ picture, which by his tongue being made (von S H A K E S P E A R E , aus V I S S E R 1963: §. 2051. S. 2229) (is)being returned into Germania (von H O L L A N D 1606; aus V I S S E R 1963: §. 2052. S. 2230) 227 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs (421) (422) she being gone home to nurse a sick maid (von Jane A U S T E N 1814 Mansfield Park; aus V I S S E R 1963: §. 2052. S. 2229) like a fellow whose uttermost upper grinder is being torn out by the root (von S O U T H E Y 1795; aus T R A U G O T T 1972: 178) Sie bestehen aus drei Elementen, nämlich aus dem Auxiliar to be, dem present participle von be (being) und dem past participle des Vollverbs. Die letzte Etappe der Progressivformen ist, darin sind sich die Linguisten einig, die Etablierung einer passivfähigen Progressivform im ModE, welche erst gegen Ende des 18. Jhs. vollzogen wird, auf deren Akzeptanz aber bis ins 19. Jh. gewartet wurde: The extension of such form to the passive (the house is being built) was an even later development. It belongs to the very end of the eighteenth century. OE had no pro‐ gressive passive. Such an expression as the man is loved, feared, hated is progressive only in so far, that verbs loving, fearing, hating imply a continuous state. (B A U G H / C A B L E 2003: 292; Hervorhebungen i. O.) Hier schließt sich meines Erachtens wieder der Fragekreis nach dem Sinn und Zweck der (progressivfähigen) Passivsätze, da offensichtlich wird, dass der Satz the house is being built eine andere Proposition ausdrückt als someone is building a house. Der Satz ? a house is building wäre dagegen im LModE eher unüblich, obwohl man damit eigentlich ein sich im Bau befindliches Haus kennzeichnen möchte, etwa wie im Satz The water is boiling als medial-reflexives Passiv (vgl. dt. Das Wasser kocht oder Ein Haus baut sich halt langsam! ). Um aber eine syn‐ taktisch extraponierte Stelle im Satzsyntagma bilden zu können und um sich von einem Satz wie He is always calling abzugrenzen, ist eine Passivisierung der Progressivform die einzige Möglichkeit, nach dem Muster He is always being called, also dann analog The house is being built. A R NAUD (1998: 128) legt den Schluss nahe, dass sich die Zurückhaltung der ing-Formen in manchen Teilen und in manchen Gesellschaften im England des 19. Jhs. stark auf soziologische, ökonomische und bildungspolitische Hinter‐ gründe zurückführen lässt, zumal die untersuchten Quellen (Briefe und Notizen von diversen Autoren) darauf hindeuten (vgl. S T RANG 1974: 208). So ist das Hin‐ dernis also sozio-linguistischer Natur und hat mit der normativen Politik des 19. Jhs. in England zu tun. Dieses Hindernis wurde erst durch den Druck der breiteren gebildeten Population überwunden. S T RANG (1982) liefert beispiels‐ weise dazu in ihrer History of the be+ing construction Vergleiche für Verwendung dieser Konstruktion von unterschiedlichen Autoren im 19. Jh. und zeigt deutlich, dass sich eine passive Progressiv-Konstruktion nur zögerlich etabliert hat. 228 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (423) (424) 7.2.4. Bemerkungen zum Passiv und Progressiv in anderen Sprachen Es sollen noch ein paar wichtige Hinweise dargeboten werden, die dazu dienlich sind, die komplexe Interaktion von Passiv- und Progressiv-Formen zu doku‐ mentieren. Vergleicht man beispielsweise noch andere, bislang von mir nicht genannte Sprachen, welche entweder ein dem Deutschen ähnliches Passiv- Paradigma oder Progressiv-Konstruktionen vorweisen, werden zwei Fakten schnell deutlich: Einerseits sind diese Formen - sowohl für das Passiv wie auch für den am-Progressiv - immer synthetische Formen und andererseits ist die Interaktion dieser Formen bislang noch immer ausgeschlossen. 7.2.4.1 Das Niederländische In der viel zitierten Abhandlung Der am-Progressiv von VAN P OTT E LB E R G E (2004) ist eine ausgearbeitete synchrone und diachrone Übersicht der Progressiv‐ formen (zijn+aan-het+V inf ) im Niederländischen dokumentiert. So wird hier ausführlich gezeigt, dass Sätze wie Hij is aan het lezen eine offensichtliche Prä‐ senz im Niederländischen haben, sowohl in gesprochener wie auch in geschrie‐ bener Form in Zeitungen aufgeführt und in Grammatiken gelehrt werden, was für eine grammatikalisierte Norm spricht. Die ersten nachweisbaren Belege rei‐ chen bis ins 15. Jh. und Erweiterungen mit Objekten wie Hij is en boek aan het lezen oder auch Tempus-Variationen stellen kein morphologisches Problem dar. Über die Passivfähigkeit der aan-het-Progressivformen sagt VAN P OTTE LB E R G E aber: Auffällig ist, dass auch der aan-het-Progressiv mit zijn keine Passivformen aufweist, obwohl er mit transitiven Verben und direkten Objekten kombiniert werden kann … […]. Eine solche passivische Verwendung [the house is being built; Einschub von A.T.] einer aktiven Progressivform war und ist im Niederländisch nicht möglich. ( VA N P O T T E L B E R G E 2004: 132; Hervorhebungen i. O.) Kontrastiert man nun folgende Sätze: Vele bruggen [Akk.Pl] worden [Präs.3.Ps.Pl] gebouwd [Part II] [Viele Brücken werden gebaut.] ? * Vele bruggen [Akk.Pl] zijn [Aux.Präs.3.Ps.Pl] gebouwd [Part II] aan het worden [Inf] [ ? Viele Brücken sind am gebaut werden/ Viele Brücken werden gerade gebaut.] wird das komplexe Passiv-Inventar anschaulicher. Verwunderlich ist hier aber vor allem die Tatsache, dass das hierfür benötigte morphologische Material im Niederländischen theoretisch bereits zur Verfügung steht. Auch sind solche 229 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs 39 An dieser Stelle möchte ich für die anregenden Vorschläge und kritischen Hinweise meinen besten Dank richten an den Kollegen Filip D E D E C K E R und Kollegin Katharina B R A U N . 40 Auf dieses Problem hat mich mein Kollege aus Venedig, Nicholas C A T A S S O , aufmerksam gemacht, wofür ich ihm herzlich danke, wie auch meiner Kollegin Sara I N G R O S S O für die Bestätigung dieser Annahme. (425) (426) (427) Sätze - nach Gesprächen mit Muttersprachlern 39 - kontextuell und pragmatisch eigentlich verständlich, nur klingen sie eben „unecht“ und sind deshalb nicht gebräuchlich. Die Proposition eines Passivsatzes würde man im Niederländi‐ schen am besten mit einem aktiven Progressiv wiedergeben: Men is [Aux.Präs.3.Ps.Sg] vele bruggen [Akk.Pl] aan het bouwen [Inf] [Man ist viele Brücken am bauen.] Vieles spricht hier dafür, dass es sich wohl um ein sozio-linguistisches Para‐ doxon handeln muss, dass im Niederländischen die Verbalkategorien Progressiv und Genus verbi nicht interagieren, zumal die Formen und der Gebrauch des aan-het-Progressivs schon Jahrhunderte präsent sind und rein kommunikative Missverständnisse auch ausgeschlossen werden können. Eine ähnliche Situation scheint es im Italienischen zu geben, das auch über bereits etablierte morpho‐ logisch kodierte Progressivformen verfügt (das Verb stare+G E R UND mit -endo): Nicolas, cosa stai facendo? - Sto leggendo il giornale. [Nicolas, was machst du gerade? - Ich lese eine Zeitung / ich bin am lesen/ ? ich bin lesend.] So sind auch im Italienischen Progressiv-Konstruktionen nicht passivisierbar, obwohl das Inventar und die Pragmatik solcher Sätze für die befragten Mutter‐ sprachler 40 einleuchtend sind und solche Sätze zwar umständlich, aber zumin‐ dest weitgehend verständlich wären: (? ) A Venezia stanno [Aux.3Pl.Präs -stehen] venendo [Gerund -kommen] costruiti [Part II] molti ponti [Patiens] [In Venedig „kommen gebaut“ viele Brücken oder ? sind viele Brücken am gebaut werden.] Noch einmal zeigt sich, dass die Progressivierbarkeit von Passivsätzen nicht nur morphologische oder ontogenetische Hindernisse haben kann, sondern auch normative oder perzeptive. 230 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 41 An dieser Stelle möchte ich für die anregenden Vorschläge und kritischen Hinweise meinen besten Dank richten an Hannes V A N W Y K U N D Arlett H I L L I E R . (428) (429) (430) (431) (432) 7.2.4.2. Das Afrikaans Eine dem Deutschen und Niederländischen nahestehende Sprache ist das Afri‐ kaans, welches als eine westgermanische Sprache durch die im 17. Jh. ausge‐ wanderten Niederländer in Südafrika entstanden ist. Durch die räumliche Tren‐ nung vom Ursprungsland und die diversifizierte und aktive Benutzung in der Bevölkerung in Südafrika, Botswana und Namibia ist Afrikaans morphologisch und historisch als eigenständige Sprache zu betrachten und wird auch als Amts‐ sprache gesprochen, geschrieben und unterrichtet. In den Studien zum Pro‐ gressiv hat VAN P OTT E LB E R G E (2004: 273) auch parallele Entwicklungen zum Progressiv beschrieben. Ähnlich wie im Niederländischen lässt sich feststellen, dass es im Afrikaans auch morphologisch realisierbare Progressivformen gibt, wie der Progressiv-Marker besig (dt. beschäftigt sein mit, engl. busy with) oder die weniger verwendete aan-die-Phrase : Aenn is [Aux.Präs.3.Ps.Sg] besig om appels [Akk.Pl] to skil [Inf]. [Anne ist beschäftigt die Äpfel (zu) schälen.] ? Dit is [Aux.Präs.3.Ps.Sg] aan die reën [Inf]. [Es ist am regnen.] ? Ek is [Aux.Präs.1.Ps.Sg] aan die soek [Inf] vir sleutel [Akk.Sl]. [Ich bin am suchen / ich suche nach dem Schlüssel.] besser dagegen wäre der Satz: Ek is [Aux.Präs.1.Ps.Sg] besig om sleutel [Akk.Sl] to soek. [Inf] [Ich bin beschäftigt die Schlüssel (zu) suchen.] Nach persönlichen Recherchen und freundlichen Hinweisen von Kollegen aus Süd-Afrika 41 konnte ich feststellen, dass die besig-Konstruktionen im öffentli‐ chen Umgang viel geläufiger sind und die aandie-Phrasen nicht so oft Ver‐ wendung finden (vgl. dazu VAN P OTTE LB E R G E 2004: 273). Zum Passiv-Paradigma gab es allerdings auch hier keine positiven Meldungen, was den Vergleich zum PeD umso zielführender macht. Direkt passivisierbare besig- oder aan-die-Pro‐ gressivsätze sind nicht möglich, die Passivfähigkeit dieser Sätze könnte nur über Umschreibungen erreicht werden: Hulle [3.Ps.Pl] is [Aux.Präs.3.Ps.Pl] besig om baie brue [Akk.Pl] te bou [Akk.Sl] in Jo‐ hannesburg. [Sie sind beschäftigt (damit), viele Brücken zu bauen in Johannesburg.] 231 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs (433) (434) Hulle [3.Ps.Pl] is [Aux.Präs.3.Ps.Pl] besig om aan die brue [Akk.Pl] te bou [Akk.Sl] in Johannesburg [Sie sind damit beschäftigt, an den Brücken zu bauen/ an den Brücken etwas zu re‐ parieren in Johannesburg.] Interessanterweise lassen sich viele geschichtliche und linguistische Parallelen zu der Entstehungsgeschichte von Afrikaans und PeD finden, wie die Isolation vom eigentlichen Mutterland über den Fremdeinfluss einer anderen Sprache bis hin zur Verselbstständigung als sprachliche Entität. Im Afrikaans ist es aber wohl doch der unmittelbaren kulturellen Nähe des Niederländischen zuzu‐ schreiben, dass sich gewisse grammatische Strukturen nicht gefestigt haben. Umso verwunderlicher ist es, dass die im Niederländischen vorhandenen aan-het-Phrasen im Afrikaans als an-die-Phrasen nicht ausbaufähiger wurden, sondern im Gebrauch sogar geblockt wurden. Dies ist im PeD durch den kultu‐ rellen Kontaktabbruch zum Kontinentaldeutschen deutlich anders verlaufen und dieser Tatsache sind wohl letztendlich auch die untersuchte Neuerung wie die Expansion der Progressiv-Klammer zu verdanken. 7.2.4.3. Das Unserdeutsch Das Unserdeutsch (auch Kaputtene Deutsch oder Rabaul-Creol-German genannt) ist die einzig deutschbasierte Kreolsprache. Sie entstand am Anfang des 20. Jhs. auf dem Bismarck-Archipel in Papua-Neuguinea unter den Einheimischen (vor allem Kindern) und dort ansässigen Missionsstationen. Unserdeutsch wird heute nur von wenigen Sprechern gesprochen, die in Papua-Neuguinea und Ostaust‐ ralien leben und als Nachfahren derer gelten, welche diese Sprache zum Ziel der Kommunikation mit der damaligen deutschen Kolonialmacht erfunden haben. Ihre linguistische Perspektive bzw. Zukunft gilt als stark gefährdet und als ir‐ reversibel, da es kaum Bemühungen gibt, diese Sprache an nachfolgende Gene‐ rationen zu vermitteln. Erst die ernsthaften Bemühungen von V OLK E R und M AITZ haben den aktuellen Bestand der Sprecher und der Sprache dokumentiert. So beschreiben M AITZ / V OLK E R (2017: 366) die Sprache als Kreol-Sprache mit deutscher Lexik und deutschen grammatischen Strukturen, welche von den ortsansässigen Tok-Pisin-Sprechern übernommen wurden. Es ist ein starker Abbau an Kasus und Genus zu bemerken, wie auch ein Verlust der Verbklammer: De [Art.Pl] Chicken [Nom.Pl.Patiens] was [Aux.Prät.3.Ps.Sg.] gestohlen [Part. II] by [Präp] all Rascal [Agens]. [Die Hühner waren/ wurden gestohlen von vielen Dieben.] 232 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 42 https: / / www.philhist.uni-augsburg.de/ lehrstuehle/ germanistik/ sprachwissenschaft/ U nserdeutsch/ publikationen/ (Mai 2018 noch abrufbar). (435) (436) (437) (aus V O L K E R s unveröffentlichter Masterarbeit. S. 31) 42 Umso verwunderlicher ist, dass trotz der im damaligen Kolonial-Deutsch bereits vorhandenen grammatischen Strukturen genau eine nicht etablierte Struktur von den Sprechern ins usuelle Inventar des Unserdeutsch übernommen worden ist, nämlich die am-Progressiv-Phrase. Diese wurde wohl als besonders leicht erlernbar und pragmatisch eingestuft. In Unserdeutsch lassen sich Phrasen bilden wie diese: Der Mensch, wo is am bauen de Haus, hat gehauen sein Finger. [Der Mensch, der ist am bauen das Haus, hat verletzt seinen Finger.] (aus V O L K E R 1991: 144) Er wollte wissen, ob Yvonne is am spielen. [Er wollte wissen, ob Yvonne ist am spielen.] (aus V O L K E R 1991: 155) Uns zwei am sprechen so schön. [Wir zwei sprechen gerade so schön.] (aus M A I T Z / V O L K E R 2017: 372) Dies müsste eigentlich ein Indiz dafür sein, dass Progressiv-Konstruktionen als ein grundlegendes Konzept oder eine Art Basis-Ausstattung in der Sprache fun‐ gieren. Wenn man aus mehreren Sprachen eine „neue“ Sprache „zusammen‐ baut“, was bei Pidgin- und Kreol-Talk der Regelfall ist, wird nach besonders pragmatischen und aussagekräftigen Strukturen gesucht und nach solchen, die leicht erlernbar sind. Von vielen zur Verfügung stehenden lexikalischen und morpho-syntaktischen Merkmalen werden nur diejenigen in die Kreolsprache übernommen, welche eine besondere Funktion und einen signifikanten Mittei‐ lungswert haben. Die aspektaffinen am-Progressive scheinen genau diesen Kri‐ terien zu entsprechen und spielen wohl als Basis-Kategorie bei der ontogeneti‐ schen Sprachentwicklung eine signifikante Rolle (vgl. zum Erwerb von Basis-Kategorien L E I S S 1992: 243 und Z EMAN 2010: 57). 233 7.2. Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des Passivs 43 Ahd. (750 -1050) Mhd.(1050 - 1350) Frnhd. (1350 - 1650) Nhd. (ab 1650) 7.3. Die Passiv-Diathese durch die deutsche Sprachgeschichte Bezüglich der Periodisierung der deutschen Sprache orientiere ich mich an der Einteilung von S CHMIDT (1969: 63). 43 In dem folgenden Teilkapitel soll in Streif‐ zügen durch die Sprachepochen des Deutschen kurz aufgezeigt werden, dass auch hier die teils verwirrend wirkenden Entwicklung des Passivs und des As‐ pekts eng verflochten ist. Dies ist oft durch overte oder auch koverte Vorgänge passiert, welche ich in dieser Arbeit nicht ausführlicher beschreiben werde. Hierzu bedarf es einer eigenen Motivation und natürlich auch mehr Ausschwei‐ fungen, welche ich hier - aufgrund meines eigenen Forschungsthemas - nicht aufbringen kann. Es wird hiermit lediglich eine kurze und zielgerichtete Prä‐ sentation von Merkmalen gezeigt, welche für den progressiven Aspekt von Re‐ levanz zu sein scheinen. Im Althochdeutschen (Ahd.) findet allmählich die Entfaltung eines neuen Tempusparadigmas von synthetischen und analytischen Zeitformen statt, wel‐ ches durch das Gotische und das an Einfluss gewinnende Latein und seiner Sprachstruktur durchzogen ist (E G G E R S 1963, B AND I: 80; S CHMIDT 1969: 184; VON P OL E NZ 1978: 35). So werden manche grammatischen Inhalte overt und durch morpho-syntaktische Markierungen signalisiert, manche Kategorien werden aber kovert durch ikonische oder „verborgene“ Indikatoren realisiert, was L E I S S (1992: 5 und 2002) thematisiert. Auch hier ist die Interdependenz der Kategorien Aspekt und Artikel wie auch die Interaktion von Gotisch, Latein und Ahd. mit unzähligen sprachlichen und sozio-linguistischen Beispielen belegt: Artikel und Aspekt wurden als grammatische Synonyme vorgestellt, d. h. als Phäno‐ typen ein und derselben grammatischen Funktion … […].Genotypen sind universale sprachliche Funktionen, die sich bei allen grammatischen Umbrüchen und Neuorga‐ nisationen als äußerst robust erweisen. Wird diese Funktion in verbaler Umgebung realisiert, entsteht die verbale Kategorieausprägung des Aspekts; wird sie in nomi‐ naler Umgebung realisiert, entsteht die nominale Kategorisierung des Artikels. (L E I S S 2000: 239) Im Ahd. werden beispielsweise die Verbalpräfixe - nach L E I S S als Markierungen der Aspektalternierung im Gotischen und anderen altgermanischen Sprachen zu sehen - früh abgebaut, was den Weg für eine nahezu sintflutartige Über‐ 234 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 44 Beispiele in Anlehnung an L E I S S (2002a: 13). 45 Vgl. die Bemerkungen von G R A F F (1838: 1004 und 1005) und L E I S S (1992: 159). (438a) (438b) (439) (440) schwemmung mit Artikeln, welche sich aus Demonstrativpronomina entwi‐ ckelten, ermöglichte (L E I S S 2002b: 41). Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass eine bereits bestehende Kategorie nach einem „Umbruch“ neu geladen wurde und eine Reanalyse oder Neubesetzung (Reload) erfahren hat. So haben sich ab der Zeit des Ahd. aspektaffine Kodierungssysteme für De‐ finitheit etabliert, welche über das Mhd. und Frnhd. bis in die Gegenwart Aus‐ wirkungen auf das Deutsche haben wie eben das Artikelsystem, welches eine Korrelation zwischen dem verbalen und nominalen Aspekt aufbauen kann. Durch den definiten Artikel ist es also möglich, eine syntaktische Umgebung zu schaffen, welche eine aspektaffine Perspektivierung erlaubt, denn durch den Einsatz von Artikeln kann die Verbalperspektivierung von impf. > perf. voll‐ zogen werden 44 : Egon trank Milch. imperfektive Lesart SUBST.MASK.SG.NOM 3.PS.SG.PRÄT. SUBST.FEM.SG.AKK. Egon trank die Milch. perfektive Lesart SUBST.MASK.SG.NOM 3.PS.SG.PRÄT. DET.FEM SUBST.FEM.SG.AKK. Auch im Bereich Genus verbi vollzieht sich im Ahd. eine Simplifizierung der von anderen germanischen Sprachen ererbten synthetischen Formen und es kommen immer mehr analytische Formen bzw. Paraphrasen (z. B. uuesan +Partizip-II-Fügungen) hinzu, die nicht immer eine Differenzierung zwischen aktivischen und passivischen Lesarten erlauben (E G G E R S 1963, B AND I: 79; L E I S S 1992: 161; K OTIN 2003: 248). Die Realisierung der nicht mehr paradigmatisch vorhandenen Aktiv-Medium-Passiv-Diathese wird im Ahd. durch die Fügungen von uuerdanbzw. uuesan+PII vollzogen. So entstehen Sätze wie: gihorit ist thin gibet (Tatian 2,5) [‚erhöret ist dein Gebet’] thaz gihorit uuirdit (Tatian 222,3) 45 [‚(er)gehöret wird’] welche aber oft als aktivische Ausdrücke mit adjektivischen Partizipialattri‐ buten verstanden werden konnten (‚dein Gebet ist ein gehörtes’ vgl. das ge/ erhörte Gebet), wie K OTIN (1998: 74) feststellt. Auch A B RAHAM (1991: 125) beurteilt die Passivbedeutung mancher im Ahd. neu entstehenden Partizipialphrasen mit uuerdan und uuesan kritisch, da es viele Partizipialfügungen gibt, welche Flexi‐ onsendungen haben, daher andere Partizipialbedeutungen aufweisen können 235 7.3. Die Passiv-Diathese durch die deutsche Sprachgeschichte und eher als Verbaladjektiv zu deuten wären (vgl. dt. Egon wird geschlagen und der geschlagene Egon). Dennoch kann das Ahd. als Wendepunkt der Passiv-Ent‐ stehung bezeichnet werden, zumal die im Germanischen bekannten Strukturen langsam schwinden und das Fundament für die uns heute bekannten Passiv-Strukturen gerade im Ahd. gelegt wurde. Hier wird also die Lückenhaf‐ tigkeit oder Unvollständigkeit des sich im Ahd. neu etablierenden Passivs deut‐ lich. Diese Lückenhaftigkeit überträgt sich auch auf das Mittelhochdeutsche (Mhd.), sowohl im periphrastischen Passivbereich wie auch im Aspekt-Bereich; dieser leidet unter einem noch größeren Abbau des Paradigmas, im Gegensatz dazu wird jener mehrheitlich ausgebaut. Sehr anschaulich ist die Aspektdistribution als grammatische Perspektivie‐ rungskategorie bei der Tempusbildung, was wiederum auf die enge Verfloch‐ tenheit von Tempus und Aspekt hindeutet. Im Mhd., welches nur zwei synthe‐ tische Tempora besaß (mhd. nëmen Präsens nime/ nimes und Präteritum nam/ næme), festigt sich bei der Erweiterung der Partizipialbildung bei den meisten Verben das schon im Ahd. präsente perfektivierende Präfix ge- (ahd. gagot. gi-) und formt somit das Partizip Präteritum. Das Präfix geträgt zur perfektiven Deutung des Verbalgeschehens bei, woraus sich später über eine resultative Bedeutung der Verben das (heutige) sein-Perfekt entwickelt hat. Das haben- Perfekt stellt eine spätere Entwicklung dar und war zunächst auf transitive Verben beschränkt (s. dazu L EI S S 1992: 165 und 171; P AUL 1998: 242). Ausnahmen bilden beispielweise die meist inchoativen er-Verben (erfinden). Der Zusammenschluss mit gewird hier insofern problematisch, weil dieses Präfix eine perfektivierende Funktion hat, was mit den er-Verben nicht korre‐ lieren kann, da sie das Anfangsstadium einer Verbalsituation einleiten. Daher werden solche Verben ohne ge- und mit Vokalveränderungen (erfinden - er‐ funden) ins Paradigma gestellt (Ablautreihen; P AUL 1998: 243). Später müssen wohl viele paradigmatische Ausgleichsformen eingefügt worden sein, um eine lückenlose Distribution zu ermöglichen, weil immer mehr Aspektmarkierungen im Tempusbereich abgebaut wurden oder verklungen sind. Auf diesen Abbau der Interdependenz von Tempus und Aspekt bei der Wende vom Ahd. zum Mhd. deutet auch Z EMAN in Tempus und „Mündlichkeit“ hin, nachdem sie das Aufkommen von ge-präfigierten Verben und Tempusformen und Tempusfunktionen in Texten des Mhd. untersuchte. Sie konstatierte, dass durch die Abnahme der ge-Verben und die Zunahme der periphrastischen Tem‐ pusformen eine weitreichende Paradigmaverschiebung zustande kam: Mit dieser Verschiebung innerhalb des Systems sind die beiden hauptsächlichen Fra‐ gekomplexe der mhd. Tempusbildung verbunden: die Frage nach der Interdependenz 236 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (441) (442) (443) von Aspekt und Tempus im mhd. Verbalsystem sowie die Frage nach der Semantik der periphrastischen Formen im Mhd. (Z E MA N 2010: 69) Ähnliche Annäherungen und Distanzierungen zwischen Aspekt- und Tempus‐ merkmalen gab es in der Entwicklung der Diathese. Im Mhd. fallen das Medium und die synthetischen Passivformen gänzlich weg und schaffen Platz für die periphrastischen Passivformen, sodass die sein+Partizip-II-Konstruktionen wie auch die werden+Partizip-II-Konstruktionen sowohl Zustände wie auch Vor‐ gänge ausdrücken könnten (P AUL 1998: 306). So ist nach K OTIN (1998: 112): luite unde lant, darinne ich von kinde bin erzogen/ die sind mir worden frömde rechte als ez sî gelogen (Die) Leute und (das) Land, wo ich von Kind an bin erzogen (worden), alles ist mir fremd geworden, gerade als wären sie gelogen (aus Walter von der Vogelweide: Dich‐ tungen, 124: 6-7; Übertragung. von H E G N E R ) das bin erzogen als Prozess der Erziehung zu deuten (daher die werden-Para‐ phrase im Nhd.) und das sî gelogen signalisiert einen inaktiven Zustand (daher die sein-Paraphrase). Zur binären Deutung (prozessuell/ resultativ) von werden +Partizip II dienen ihm folgende Beispiele (K OTIN 1998: 126): sie erwelte hie nû einen wirt, deiswâr von dem sî niemer wirt geschwachet noch gunêret … Hier erwählte sie einen Herrn, von dem sie wahrlich niemals, erniedrigt oder verunehrt wird. [Iwein II, 1587-1589; Übertragung von C R A M E R ] die wurden âne zagen, alle meisteils erslagen … wurden kurzerhand (ohne Zögern), zum größten Teil erschlagen … [Iwein VI, 3745-3747; Übertragung von Th. C R A M E R ] Die Phrase wirt geschwachet wird als prozessuell-durativ gedeutet, die Phrase wurden erslagen hingegen als resultativ. Hierdurch wird nochmals deutlich, dass 237 7.3. Die Passiv-Diathese durch die deutsche Sprachgeschichte sich bezogen auf die aspektuelle Lesart im Mhd. noch kein einheitlicher Ge‐ brauch der werden-Paraphrasen etabliert und dieser Zustand für weite Strecken des Mhd. gilt. Dieser kurze Exkurs sollte gezeigt haben, dass es im Laufe der Entwicklung der für das Standarddeutsche relevanten germanischen Sprachen und der deut‐ schen Dialekte doch oft zu teils entgegengesetzten Entwicklungen gekommen ist und dass manche Kategorien aufgebaut, abgebaut und wieder reaktiviert wurden, wie z. B. das zunächst overte Aspektparadigma, welches dann kovert über Tempus und Genus verbi ins Nhd. nachwirkt. Zu dieser Reaspektualisie‐ rung (Reload) gehört auch die nicht mehr zu negierende Präsenz der am-Pro‐ gressive, daher stellt diese knappe Entwicklungsgeschichte des Passivs einen direkten Bezug zur Passivisierbarkeit von am-Progressiv-Konstruktionen her, womit der Brückenschlag zum nächsten Abschnitt hoffentlich als gelungen be‐ zeichnet werden kann. 7.4. Die Frage nach dem Forminventar des am-Progressiv-Passivs Der Aufbau der nötigen Konstituenten für eine Passivstruktur, wie oben dar‐ gestellt wurde, gestaltete sich eher zögerlich und deutet auf eine ungewöhnliche Komplexität hin. Ähnlich komplex und zögerlich stellt sich dieses Inventar im PeD ein. Neben dem Standardinventar einer Progressivkonstruktion sein Finitum +am+ V Inf wird noch ein Partizip Perfekt (PII) benötigt, um eine vollwertige Passiv-Konstruktion zu erschließen. Hier stellt sich sofort die Frage, welche Stellung das Partizip II in der Konstruktion einnimmt. Im StD (und fast allen von mir bislang untersuchten deutschen Dialekten) wäre der Satz ? Viele Häuser sind am gebaut werden eher als eine Seltenheit aus dem Idiolekt eines Einzelnen ein‐ zustufen. Es stellen sich hier Fragen wie: Welche Beziehung herrscht zwischen dem PII und dem Verlaufsinfinitiv? oder Ist das PII mit dem Verlaufsinfinitiv als Verbalkompositum anzusehen? und nicht zuletzt Ist das Konstrukt dann groß oder klein zu schreiben? Partizipialkonversionen von PII mit Infinitiven sind im StD nicht unmöglich, sind aber eher nicht alltäglich, wie z. B. im folgenden Satz Das Wiedergewählt‐ werden ist der Wunsch eines jeden Politikers. Aufgrund eines Determinators liegt hier eine nominale Lesart vor, daher erfolgt hier Großschreibung. Dagegen sind Verbindungen von PII und Infinitiven im StD als grammatische Struktur schon aus dem Passiv bekannt und stellen daher fest etablierte verbale grammatische Einheiten dar, wie beispielweise Abgeholt werden können die Bestätigungen im 238 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (444) (445) (446) Büro in der Schellingstraße 10. Da es sich bei dieser Kombination von PII und Infinitiv um feste verbale Komponenten von Passivkonstruktionen handelt, die mithilfe des Auxiliars werden ein Prädikat ausdrücken, ist der Verbindung von PII und Infinitiv generell eine verbale Lesart zuzuordnen (Z I F ONUN et. al. 1997: 1789; H ENT S CHE L / V O G E L 2009: 182). Diese verbale Lesart ist auch bei der sich neu etablierenden progressiven Verbalklammer zu erkennen, die mit dem Au‐ xiliar sein nun eine neuartige Passivkonstruktion erschließt. Diese Schlussfol‐ gerungen stütze ich auf die erhobenen Daten über die am-Progressiv-Klammer. In den Fragebogen sollte unter anderem ermittelt werden, wie spontan man im PeD einen Passivsatz mit am-Progressiv bauen kann. Auf dem Tonträger sind auch die Pausen nachzuhören, welche durch die Bedenkzeit bis zur Realisierung von Aufgaben entstehen; diese sind bei der überwiegenden Mehrheit der Pro‐ banden verschwindend kurz (unter 400ms, was als normal gilt) bzw. kaum wahrnehmbar (Näheres zu den sprechaktbezogenen Pausen-Intervallen bei K AR NATH / T HI E R 2009: 350 oder U DO 2013: 131). Die Probanden, die längere Pausen zwischen den Wörtern hatten, setzten oft eine neue Satzstruktur ein, weil die erste Satzstruktur offensichtlich nicht im mentalen Lexikon gefestigt war: wie dei Heemet am gebaut waar [Pause langer als 400ms] wie sie dei Heemet am baua waarn. [… wie dein Haus am gebaut war …] [wie sie dein Haus am bauen waren.] oder sie griffen auf die in diesem Bereich wohl vertrautere englische Satzbildung zurück, was in einigen Fällen deutsch-englische Mischformen (z. B. 19 % im 10er Frageblock zum Thema Passiv) hervorbrachte, wie etwa: … dei Heemet was being uffgeduhn . [… dein Haus war gebaut / aufgebaut worden] Hallo, dei Pois sind being gewicklt, awwe nemm en Sitz fer en Minud. [Hallo, deine Kuchen sind / werden eingewickelt, aber setz’ dich hin für eine Minute.] Diese Daten sind aber - im Zusammenhang gesehen - nicht weiter signifikant und erzeugen statistisch gesehen auch überschaubar wenige Distraktoren für die Datenanalyse. Sie bilden auch keine Beeinträchtigungen für die Gesamtaus‐ wertung, daher wird in dieser Arbeit nicht weiter auf die morphologische Ana‐ lyse solcher Mischformen eingegangen. 239 7.4. Die Frage nach dem Forminventar des am-Progressiv-Passivs (447) (448) (449) (450) (451) (452) 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD In dem konzipierten Fragebogen wurden die letzen vier Sprachsituationen (10.1.-10.4) den Passiv-Phrasen und deren Umschreibungen gewidmet. In Sit. 10.1. wurde nach einem Passivschema gefragt, welches den Sprechern als englischer Text vorgelegt wurde, und sie mussten die Antwort ins PeD übertragen. Dem Sprecher wird dabei eine Situation vorgestellt, in der er das sich im Bau befindliche Haus seines Gesprächspartners besucht, und er soll die Bemerkung äußern, dass auf den benachbarten Grundstücken momentan ebenfalls viele Häuser gebaut werden. Diese Situation wurde von 15 Personen (37,5 %) mit einer passivisierbaren am- Progressiv-Konstruktion beantwortet, was folgende Variationen zeigen: Viel Haisa sind am uffgeduhn warra do in d letscht Zeet. [Viele Häuser sind am aufgebaut werden hier in der letzten Zeit./ werden gebaut in der letzten Zeit.] A few Haisa sind am gbaut warra dorum. [Ein paar Häuser sind am gebaut werden hier./ werden hier gebaut.] Auch im Bereich der Satztopologie ist es möglich einige Variationen zu finden, wie beispielsweise Sätze mit Adverbialien (temporal und lokal) in satzinitialer Stellung, was zum Ausbau der Satzstruktur dient: Katzlich sind a lot Haisa am gbaut werra. [Kürzlich/ In letzter Zeit sind viele Häuser am gebaut werden/ werden viele Häuser gebaut.] Do sind etliche Haisa am gebaut warra. [Da sind etliche Häuser am gebaut werden/ werden etliche Häuser gebaut.] Es können im Passiv auch Sätze mit einem es-Platzhalter realisiert werden, was auch für das StD keine Neuerung, sondern eher eine Bestätigung der möglichen topologischen Variation bedeutet: Es sind viel Hauser am gbaut werra lately. [Es sind viele Häuser am gebaut werden in letzter Zeit./ Es wurden kürzlich viele Häuser gebaut.] E’ sind viel Haisa an gebaut werra katzlich! [Es sind viele Häuser am gebaut werden kürzlich! / Werden hier (aber) viele Häuser gebaut! ] Es lassen sich natürlich auch weitere Beispiele mit am-Progressiv-Konstruk‐ tionen finden (7 Personen, d. h. 17,5 %), welche jedoch morphologisch nicht als 240 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (453) (454) (455) (456) (457) (458) (459) (460) Passiv-Konstruktionen realisiert wurden aber eine statale oder passivische Lesart implizieren, zumal bei manchen das Agens nicht genannt wurde: Do sind a latt Haisa am nuffgeha. [Da/ Hier sind viele Häuser am hochgehen/ Viele Häuser gehen hoch/ entstehen.] Wie viel Haisa sind an baua do nau? [Wie viele Häuser sind am bauen da jetzt? / Wie viele Häuser baut man hier jetzt? ] D erscht Ding, ass ma seht, is di neia Haisa, as am uffgeha sind. [Das erste Ding/ das erste, was man sieht, ist/ sind die neuen Häuser, das/ welche am aufgehen sind.] In drei von diesen sieben Sätzen werden agensfähige Subjekte (sie oder di[e]) genannt: Sie sind viel Haisa am baua alleweil. [Sie sind viele Häuser am bauen immer/ jetzt/ gerade.] Wie viel Haisa sind sie am nuffduh! [Wie viele Häuser sie am bauen! ] Di sind onnlich Haisa am baua! [Die sind ordentlich Häuser am bauen! / Die bauen hier ordentlich viele Häuser! ] Die restlichen Belege sind auf normale Aktiv-Phrasen (3 Personen; 7,5 %) oder auf Passiv-Phrasen ohne progressive Komponente (13 Personen; 32,5 %) aufgeteilt: Es gebt fiela Haisa do im letzte Dhelyaah. [Es gibt viele Häuser da/ hier im letzten „Teil-Jahr“/ in den letzten Monaten.] Viel Haisa sind jetzt gebaut worra. [Viele Häuser sind jetzt gebaut worden.] Parameter für Sit. 10.1. Anzahl der Probanden keine Angabe 2 Aktiv-Phrase 3 am+V Inf 7 Passiv-Phrase 13 am-V Inf +Passiv 15 Insgesamt 40 Tab. 15: Passivfahigkeit von am-Progressiv Sit. 10.1. 241 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD (461) (462) (463) (464) (465) Auch in der Sit. 10.2. sind wiederum viele Distributionsvarianten aufgetreten. Es ging um die Situation des Wiedersehens mit einer Person, die man lange nicht mehr gesehen hatte, der Zeitpunkt des letzten Treffens galt dabei als Referenz‐ zeitpunkt und als Handlungsschema galt der Bau eines Hauses zum genannten Referenzzeitpunkt. Hier haben 9 Personen (22,5 %) der Befragten einen passiv‐ fähigen am-Progressiv gebildet, wie folgende Auswahl zeigt: Es letschde mol, ass ich eich gsehne hab, waar eiha Haas am gbaut werra. [Das letzte Mal, dass/ als ich euch gesehen habe, war euer Haus am gebaut werden/ wurde euer Haus gebaut.] Es letschde mol, ass ich dich gesehna hab, waar, wo dei Haus am gebaut werra waar. [Das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, war damals, als dein Haus am gebaut werden war/ gebaut wurde.] Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, des wo dei Haas am uffgeduhn werra waar. [Das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, (war), als dein Haus am aufgebaut werden war/ aufgebaut wurde.] Auch hier fällt auf, dass diese angeführten progressivierten Passivkonstruk‐ tionen sogar in ein Satzgefüge eingebettet wurden und sich somit in hypotak‐ tischer Umgebung bilden lassen, mit Satzstrukturen, welche teils an das StD teils an manche deutschen Dialekte erinnern. Dies wäre wiederum ein Beleg dafür, dass sich das PeD an der Syntax des Deutschen orientiert und nicht am Engli‐ schen. Auch die sicherlich existente lexikalische Interferenz oder die syntakti‐ sche Transferenz (W ANZ E CK 2010: 127) schlägt bei diesen Passiv-Konstruktionen nicht an, weil weder die Lexik noch die Syntax aus dem Englischen für den Satzbau herangezogen wurden. Die meisten Befragten verwendeten in dieser Situation einen einfachen Progressivsatz ohne Passiv-Struktur (16 Personen, 40 %), teils mit agensfähigem Subjekt (sie, du): Es letschte mol, ass ich dich gsehna hab, wo sie enha Haas ’m uffdhun werra. [Das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe, (war), wo/ als sie euer Haus am aufstellen waren.] Ich hab dich ’s letzscht gsehna, wo du dei Haas an baua waarscht. [Ich habe dichzuletzt gesehen, wo/ als du dein Haus am bauen warst.] Manche Sätze haben kein agensfähiges Subjekt, was wiederum eine passivische Lesart impliziert: 242 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (466) (467) (468) Die letschde Zeit, wann ich dich gsehna hab, waar, wann dei Haus am baua waar. [Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, war, als dein Haus am bauen war/ im Bau war.] Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wie dei Haus am uffgeha waar. [Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, war, als dein Haus am aufgehen war/ im Bau war.] Unter anderem gab es natürlich auch noch einfache (Zustands-)Passivsätze, welche im PeD auch als normales Inventar vorkommen (5 Beispiele; 12,5 %): Es ledschte Zeit, ass ich dich gesehna hab, woas, wenn dei Haus waar ge‐ baut. [Die letzte Zeit, dass/ als ich dich gesehen habe, war, wenn dein Haus gebaut war/ wurde.] Abb. 33: Zusammenfassung Sit. 10.2. Die Ergebnisse für Sit. 10.1 und Sit. 10.2. sind in der Hinsicht vergleichbar, dass es in beiden Situationen möglich war, eine passivisierbare Progressiv-Konst‐ ruktion zu bauen. Die Unterschiede ergaben sich grundsätzlich bei der Häufig‐ keit der Anwendung (Die Zahlen für die „relative Häufigkeit“ sind als Prozent‐ zahlen von 0-100 % zu deuten). 243 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD Abb. 34: Auswahlmöglichkeiten bei der Fragestellung Sit. 10.01. Abb. 35: Auswahlmöglichkeiten bei der Fragestellung Sit. 10.02. Auch andere soziolinguistische Faktoren fallen bei Analyse der passivfähigen Progressive ins Gewicht. So ist auffällig, dass auch die soziale Zugehörigkeit relevant ist, wenn man bedenkt, dass die unterschiedlichen Lebensstile der Be‐ fragten bezogen auf ihre Sprache großen Einfluss auf gewisse puristische Ein‐ stellungen haben können, was in Ablehnung oder Akzeptanz von Sprachformen münden kann. 244 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv Abb. 36: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich des gesellschaftlichen Status So kann über den gesellschaftlichen Status und den Gebrauch des Passivs in Progressivstrukturen gesagt werden, dass die Sprecher von konservativen reli‐ giösen Kreisen einen signifikant höheren Gebrauch von progressivierten Pas‐ sivsätzen aufweisen. Abb. 37: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich des gesellschaftlichen Status Je höher der Grad der religiösen Zugehörigkeit war (OOA>OOM>NOM>DTS), desto wahrscheinlicher oder möglicher war der Gebrauch von passivfähigen Progressivsätzen. Auch bei der Muttersprache traten ähnliche Werte auf, auf‐ grund derer eine Zuordnung der pennsylvaniadeutschen Muttersprachler zu den Vielnutzern dieser Strukturen möglich ist. Die Deitsch-Muttersprachler haben ein höheres Vorkommen von Progressiv-Konstruktionen als die Sprecher mit Englisch als Muttersprache. Zwei Teilnehmer gaben an, beide Sprachen (Deitsch und Englisch, „d&e“) vor dem 6. Lebensjahr gleichzeitig gelernt zu haben, daher sind sie in der Statistik durchgehend als „d&e“ gekennzeichnet, fallen aber weiterhin nicht signifikant auf. 245 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD Abb. 38: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich der Muttersprache Abb. 39: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich der Muttersprache Auch die unterschiedlichen Altersklassen ergeben diesbezüglich keine gravier‐ enden Hindernisse, welche der Schlussfolgerung widersprechen würden, dass sich passivisierbare Progressiv-Konstruktionen in allen Altersklassen finden lassen. So sind die neuartigen passivfähigen am-Konstruktionen sowohl bei jüngeren wie auch bei älteren Sprechern zu finden: Abb. 40: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich der Altersklasse 246 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (469) (470) (471) Abb. 41: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich der Altersklasse Auch bei den nächsten zwei Fragen aus der 10er-Reihe sind ähnliche Beobach‐ tungen bezüglich der Kookkurrenz von Passiv und Progressiv-Konstruktionen möglich. Die Sit. 10.3. stellt eine alltägliche Situation dar, in der eine Person zur Bäckerei geht und dort vom Bäcker gebeten wird, auf die zuvor bestellten Ku‐ chen kurz zu warten, bis diese eingepackt und transportfähig gemacht werden. Mit einem am-Progressiv im Passiv haben hier 13 Personen (32,5 %) geantwortet, etwa wie: Hello, dei Pois sind am eingwrappt werra, please hab an Sitz fer paar Mi‐ nudde. [Hallo, deine Kuchen sind am eingepackt werden/ werden eingepackt, bitte nimm Platz für ein paar Minuten.] Hello, dei Pois sind alleweil am gwickeld werra, hock dich doch hi fer en Minutt. [Hallo, deine Kuchen sind am eingewickelt werden/ werden gerade eingewickelt, hock dich hin für eine Minute.] In manchen Beispielen kam es erwartungsgemäß zu einer Art Transferenz, da morphologisches Material aus dem Englischen benutzt wurde, nicht aber, um den Satz ins englisch-förmige Passiv umzuwandeln, was einige wenige gemacht haben (are being wrapped). Es wird stattdessen aus der entlehnten Lexik (getting ready) nach dem Muster sein Finitum +am+ PII +werden ein neuer Satz generiert: Hello, dei Pais sind an ready griegt werra, hock dich ana fer paar Minudde. [Hallo, deine Kuchen sind an fertig gemacht werden/ werden fertig gemacht, hock dich hin für ein paar Minuten.] Dies zeugt eindeutig davon, dass das syntaktische Muster von progressivier‐ barem Passiv bereits im Sprachrepertoire des Sprechers vorhanden sein muss 247 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD (472) (473) (474) und dass er nach dem bekannten Muster neue Sätze generieren kann, zumal es sich um ein und dieselbe Person handelt, welche in allen vier Passiv-Situationen immer mit einem am-Progressiv-Passiv geantwortet hat. Es handelt sich um einen männlichen Sprecher, 35 Jahre alt, aus dem Lancaster-County, der sich als Deitsch-Muttersprachler bezeichnete und zu den Old-Order-Mennoniten gehört (hier die Kodierung des Sprechers im Transkript: ds_m_35_LAN_dei_OOM). Ähnlich ist auch folgendes Beispiel erzeugt worden, indem die transferierte englische Lexik (engl. past participle wrapped > PeD gwrappt) in das bereits im mentalen Lexikon etablierte progressivierbare Passiv umgewandelt wird, mit dem dafür benötigten Partizip II: Hallo, dei Pais sind grad nau am gwrappt werra, … no grieg ma sie gwrappt fer eich. [Hallo, Deine Kuchen sind gerade jetzt am gewickelt werden, … dann kriegen wir sie gepackt für euch.] Zusätzlich ist interessant, dass derselbe Sprecher (em_m_60_BER_dei_OOM) auch zu der streng-religiösen Gemeinschaft gehört, ebenfalls verhältnismäßig oft Passiv in Verbindung mit am-Progressiv benutzte und zur älteren Spreche‐ rgruppe gehört. Auch der zusätzlich eingesetzte Transfer aus dem Englischen (we get them wrapped for you) no grieg ma sie gwrappt fer eich weist darauf hin, dass es im PeD auch ein bekommen/ kriegen-Passiv geben muss, ähnlich wie im StD (Egon kriegt das gebacken). Der Satz Dei Ebbel-Pois sind schon fattich, mer sind sie nau am ready griega ist zwar formal kein Passiv, es könnte sich aber um eine Transferenz aus dem englischen get-Progressiv handeln (we are getting them ready). Somit erhält dieser Satz zumindest eine passivische Lesart. In der Sit. 10.4. sollte ein Inzidenzschema nachgestellt werden bzw. der Verlauf einer Handlung als prozessuell unabgeschlossen dargestellt werden, während eine andere Handlung noch verläuft. Der Sprecher besucht die Farm seiner Ver‐ wandten. Der Farmbesitzer bietet eine kleine Führung an, während die Kühe gemolken werden. Der Wortschatz und die Wahl der Situation sind an die Le‐ bensverhältnisse der Sprecher angepasst. In dieser Situation haben 14 Personen (35,5 %) die Antwort in Form von passivisierbaren am-Progressiv-Konstruk‐ tionen angegeben, wie einige Beispielsätze zeigen: Ich kann dich unsr neie Pony weisa, derweel ass die Kieh am gmolka werra sin. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, solange die Kühe am gemolken werden sind/ gemolken werden.] Ich kann dich d neie Pony weisa, derweil ass di Kieh am gwässert werra sind. 248 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (475) (476) (477) (478) (479) [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, solange die Kühe am gewässert werden sind/ gewässert werden.] Ich kann dich noch unsr neie Pon weisa, while di Kieh am gmelkt werra sind. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, solange die Kühe am gemolken werden sind/ gemolken werden.] Diese Sätze fallen durch die Auswahl der Verben auf (melken oder wässern) oder durch den unterschiedlichen Gebrauch der Partizipien (gemolken/ gemelkt), aber nicht mit Interferenzen aus dem Englischen. Auch die Möglichkeit eines aktiven Progressivs wurde von 10 Personen gewählt, was ca. 25 % entspricht, wie etwa in folgenden Sätzen: Ich kann dich unsr neie Pony weisa while mer di Kieh an melka sin. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, während wir die Kühe am melken sind/ melken.] Ich kann dich unsr neie Hutschli weisa, while ebba die Kieh am melka is. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, während jemand die Kühe am melken ist.] In diesem Inzidenzschema verbergen sich viele grammatisch verschlüsselte Merkmale, wie z. B. syntaktisch kodierte Gleichzeitigkeit, Passivstrukturen und die abgefragten passivisierbaren Progressiv-Strukturen, was von den Teilneh‐ mern auch als besonders schwer empfunden wurde. Es kann natürlich damit zusammenhängen, dass es die letzte Frage-Reihe war und somit der Test nach etwa 15 min zu Ende ging. Es konnte jedoch der Eindruck gewonnen werden, dass den Teilnehmern durch den steigenden Schweregrad der Fragen auch die Komplexität der Ausdrücke bewusst wurde. Dies hat sich zumindest bei man‐ chen Probanden herausgestellt, als wir nach dem Interview die Werte bespro‐ chen haben. Das könnte auch die Ursache sein, warum vermehrt einfache Pas‐ sivsätze benutzt wurden: Nau kann ich dich d neie Pony weisa, bis di Kieh gmolka werra. [ Jetzt kann ich dich/ dir das neue Pony zeigen, bis/ während die Kühe gemolken werden.] oder warum auch deutsch-englische Mischkonstruktionen entstanden sind: … ich weis’ dich our neie Pony, while di Kieh sind am being gmelkt sei. [… ich weise/ zeige dich/ dir unser neues Pony, während die Kühe sind am being gmelkt sein.] 249 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD (480) Abb. 42: Alle Distributionsmuster in Sit. 10.4. Auch bezüglich der sozialen Zugehörigkeit (Status) ist zu sehen, dass bei den konservativeren Sprechern die progressivierbaren Passiv-Konstruktionen ge‐ nerell zunehmen. Abb. 43: Auswertung der Fragestellung Sit. 10.4. bezüglich des gesellschaftlichen Status In den Antwortsätzen zum Genus verbi im PeD ist der Zustandspassiv und seine Kookkurrenz mit am-Progressiv völlig ausgeschlossen worden. Diese Tendenz könnte mit zwei Beobachtungen erklärt werden. Erstens ist das Vorkommen von Sätzen nach dem Muster sein Finitum +am+ PII +sein Inf in einem Korpus von 1720 Sätzen mit zwei vertretenen Beispielen bedeutungslos. Die einzigen Beispiele, in welchen es sich formell gesehen um einen „progressivierbaren Zustands‐ passiv“ handeln könnte, wären: Sind a latt Haisa an gebaut sei dorum. [Sind viele Häuser am gebaut sein hier/ da/ dort./ oder Es gibt viele gebaute Häuser hier.] 250 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (481) Ich kann dich unsr neie Pony weisa, whila di Kieh am gmolka sei sind. [Ich kann dich/ dir unser neues Pony zeigen, während die Kühe am gemolken sein sind/ gemolken werden.] Zweitens sind die Zweifel, ob hier überhaupt ein progressivierbares Zustands‐ passiv vorliegt, mehr als berechtigt. So könnte es sich hierbei um einfache Formfehler der Sprecher handeln, welche ein ihnen bewusstgewordenes fehl‐ endes Paradigma ergänzen wollten. Anstatt die möglicherweise vertrauteren englischen Passiv-Konstruktionen (are being milked) zu benutzen, wurde ver‐ sucht eine deutsche Phrase zu konstruieren, die leider ungrammatisch, wenn nicht sogar kommunikationshindernd ist. Auf einen Formfehler deutet auch die Tatsache hin, dass dieselben Sprecher in anderen Situationen sowohl Passiv wie auch am-Progressive korrekt benutzt haben. Der Blick in untersuchte pennsyl‐ vaniadeutsche Literatur oder auch die bislang ausgewerteten Studien hierzu of‐ fenbaren, dass es keine Nachweise für eine passivisierbare Zustandspassiv-Kon‐ struktion gibt. Solche Belege fehlen gänzlich auch in den hierfür zur Raten gezogenen dialektalen Wörterbüchern, Zeitungen oder Büchern. Auch im deut‐ schen Sprachraum sind diese Passiv-Konstruktionen nahezu völlig unbekannt, was daher den Verdacht stärkt, dass es sich bei den Zustandspassiven mit am-Progressiv um eine Anomalie der Sprachkenntnisse handeln könnte oder um eine individuelle, unmotivierte Momentaufnahme des Sprechers. Ein retrospektivischer Blick in die Entstehungsgeschichte der Passiv-Dia‐ these hat gezeigt, dass der Werdegang der heutigen Passivformen nicht immer zeitlich immanent war. Auch sind diese zwei unterschiedlichen Darstellungs‐ möglichkeiten der Handlungsrichtung nicht ein und demselben Archetypus zu‐ zuordnen (K OTIN 1998: 32; L E I S S 2000). So bilden das Zustandspassiv (sein+ PII) und das Vorgangspassiv (werden+ PII) beispielsweise kein frei austauschbares Paradigma zueinander. Das werden-Passiv denotiert einen durativ-prozessuellen Charakter der Handlung und das sein-Passiv denotiert als Resultativ ein statales oder zustandsbezogenes Verb. Das resultative sein-Passiv weist somit ein spe‐ zifisches Merkmal auf, welches darin besteht, entweder ein Ergebnis eines vor‐ hergehenden Prozesses oder ein Zustand zu sein. Dieses aspektuelle Merkmal „resultativ“ oder „zustandsbezogen“ blockiert die Kookkurrenz mit dem am-Progressiv, der wiederum - als Aktivsatz oder Passivsatz kodiert - immer handlungsbezogen oder prozessuell ist und somit immer nicht statal sein muss. Dass Passivsätze mit Progressiven (sein Finitum +am+PII+werden Inf ) auch in deutschen Dialekten mehr als selten sind, haben viele Studien gezeigt (R E IMANN 1996; K RAU S E 2002; R ÖD E L 2003; VAN P OTT E LB E R G E 2004; L O UD E N 2005). Da‐ gegen sind am-Progressive im PeD durchaus passivisierbar, was durch die oben 251 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD (482) (483) (484) (485) (486) (487) (488) (489) stehenden Beispiele in diesem Kapitel hoffentlich deutlich gezeigt werden konnte. Auch andere Linguisten können die spärlichen passivfähigen am-Kon‐ struktionen im PeD belegen, wie etwa in: Die gleeder si an gmacht warre. [die Kleider sind am gemacht werden] (aus C O S T E L L O 1989: 4) … als weetza am geblanst warre waar. [… als (der) Weizen am gepflanzt werden war] (aus C O S T E L L O 1989: 4) Er is an genumma warre. He is being taken.] (Beispiel und Übersetzung aus L O U D E N 1994: 85) Des Dach is an gfixt wadde, so gschwind as ich ’s afforda kann. [Dieses Dach wird repariert (werden), sobald ich ’s mir leisten kann.] (Beispiel und Übersetzung aus L O U D E N 2005: 257) Blaume sin am verkaaft waerra beim Kahl am Eck. [Plums are being sold by the chap at the corner.] (Beispiel und Übersetzung aus B U R R I D G E 1992: 221) Die Räumlichkeiten sind etwas veraltet, aber ein neues SAE-Gebäude ist schon am gebaut werden, der Umzug findet im Sommer 2004 statt. (aus G A R G A Y A N 2014: 63. Ein Internet-Chat-Protokoll) Auch VAN P OTTE LB E R G E (2004: 235) hat bereits konstatiert, dass es eine spürbare Trendwende im Sprachbewusstsein der PeD-Sprecher gab, was in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. zu einer Neuerungswelle im Sprachgebrauch geführt hat. Manche Informanten konnten jedoch nicht auf Anhieb einen progressivierten Passiv-Satz hervorbringen und verfielen ins Code-switching, zumal die engli‐ sche Satzbauweise vertrauter war: De letzscht Zeit ich hab dich gsehna, du woascht … dei Haus was being gebaut. [Die letzte Zeit ich habe dich gesehen, du warst … dein Haus was being gebaut.] Wonn dei Haus … dei Heemet was being uffgeduhn. [Als dein Haus ….dein Heim was being aufgebaut.] Hier wird aber sofort deutlich, dass der passivisierbare am-Progressiv keine Lehnübersetzung aus dem Englischen sein kann (being+ PII), weil das Inventar für das Passiv-Progressiv völlig andere Komponenten (sein Finitum +am+PII +werden Inf ) benötigt. In der Forschung wurde oft vorgeschlagen, dass solche Grammatikalisierungsprozesse (engl. I am learning - dt. ich bin lernend > ich bin 252 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (490) (491) (492) (493) am lernen; vgl. sog. Replika-Konstruktionen bei H E IN E / K UTE VA 2008: 59 oder vgl. pattern-replication bei M AT RA S / S AK E L 2007: 829) nachweislich durch Sprach‐ kontakt entstehen können. Dieser Denkanstoß VON H E INE / K UT E VA ist grundsätzlich zu begrüßen, nur in diesem Falle des am-Progressivs und seiner Expansion (insbesondere für pas‐ sivfähige am-Konstruktionen) würde ich hier eine kleine Restriktion oder Ein‐ schränkung setzen. Die Grammatikalisierung der Progressivformen im PeD ist durch den Sprachkontakt mit dem Englischen nicht wesentlich beeinflusst worden, auch wenn das Englische ein funktionsfähiges und passivfähiges Progressiv-Paradigma vorweisen kann. Durch die diachronen Forschungen kann zweifelsohne nachgewiesen werden, dass die am-Progressiv-Konstruktion grundsätzlich schon vor der Emigration in die USA benutzt wurde und nicht erst nach der Umsiedlung. E L S PA S S (2005) beweist dies eindeutig, indem er Briefe der Einwanderer aus dem 18. bzw. 19. Jh. untersucht und dort am-Progressive nachweisen kann, welche den in Europa gebliebenen Lesern völlig fremd vor‐ kommen müssten und sie verunsichern würden, da sie dem Einfluss des Engli‐ schen nicht ausgesetzt waren: Kalt, ist es gar nicht aber immer so ein wenig am reg [n] en. (von L.O. 1877; aus E L S P A S S 2005: 269) Ich muss euch benachrichtigen das wir jetz am zucker machen sint. (von M.S.1847; aus E L S P A S S 2005: 271) Die Mutter ist am süß äpfel schnitzen. (aus Briefsammlung 1846-1864; C O S T E L L O 1986: 7) Sie sind am Bibeln verkaufen. (aus Briefsammlung 1846-1864; C O S T E L L O 1986: 7) Zum anderen ist die Bauweise dieser Konstruktionen im Englischen und Deut‐ schen (auch PeD) grundlegend different. Daher schließe ich daraus, dass durch den Kontakt des PeD mit dem Englischen viele lexikalische und morphologische Merkmale begünstigt wurden, aber die am-Progressive (wie auch ihre Extensi‐ onen) nicht dadurch initiiert wurden. Dies entspricht auch dem Entlehnungs‐ schema von M AT RA S (2009: 153), in dem Flexionsendungen oder komplexe grammatische Strukturen am Ende einer Skala möglicher Entlehnungsmuster platziert werden: Nomina > Konjunktionen > Verben > Discourse-Marker > Adjektive > Interjek‐ tionen > Adverbien > Partikeln > Numerale > Pronomina > Derivational-Affixe > Flexionsendungen 253 7.5. Analyse der passivfähigen am-Progressiv-Konstruktionen im PeD 7.6. Zusammenfassung über passivfähige am-Progressiv-Konstruktionen Die Ergebnisse der empirischen Studie zum am-Progressiv im PeD sollten in der Lage sein, zwei Bemerkungen zu bekräftigen. Einerseits ist im PeD mit dem Aufbau eines passivfähigen Progressivs ein morpho-syntaktisches Novum ein‐ getreten, welches sich wohl in den letzen 50-70 Jahren in der pennsylvania‐ deutschen Sprachentwicklung etabliert hat. Dies würde die anfängliche An‐ nahme bestätigen, dass die am-Progressiv-Konstruktionen ein produktives Paradigma bilden und dass die Verbalkategorien um ein Element der aspektu‐ ellen Perspektivierung reicher geworden sind. Darauf aufbauend ergibt sich auf der anderen Seite die Schlussfolgerung, dass das PeD mit diesem neuartigen grammatischen Ausdrucksmittel der passivfähigen Progressive im Vergleich zum StD, zu den standardnahen deutschen Dialekten und zu anderen germani‐ schen Sprachen (wie Afrikaans, Niederländisch) einen großen Schritt in Rich‐ tung Grammatikalisierung vollbracht hat, zumal sich somit ein neues produk‐ tives Paradigma mit bereits bestehenden anderen Verbalkategorien kombinieren lässt. Die folgenden Grafik belegt wie oft die Struktur von sein Finitum +am+ PII +werden Inf in dem 10er-Block benutzt wurde (120 Antworten auf 4 Fragen ver‐ teilt), nämlich in mehr als 50 % der Antworten kam ein passivfähiger am-Pro‐ gressiv vor. Abb. 44: Zusammenfassung aller Fragen im Frageblock Sit. 10. Für das StD ergaben die individuellen Befragungen oder auch die C O S MA S -Re‐ cherchen keine validen Belege. Auch die durchgeführte inoffizielle Befragung von ca. 40 Sprechern des Hochdeutschen oder anderer deutschstämmiger Dia‐ lekte (Bairisch, Schwäbisch, Züricherdeutsch) ergaben zum passivfähigen am-Progressiv keine positiven Ergebnisse. Grundsätzlich lässt sich dazu sagen, dass am-Progressive möglich sind und vom Hörer/ Leser verstanden werden 254 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv (insbesondere in der Schweiz, vgl. VAN P OTT E LB E R G E 2004: 219), aber die pro‐ duktive Erweiterung durch Objekte und besonders die Extension durch passiv‐ fähige Progressive ein nur im PeD zu beobachtendes Phänomen ist. Vom Indogermanischen und vom Gotischen über das Englische bis hin zu den uns bekannten Belegen des Althochdeutschen, Mittelhochdeutschen und Früh‐ neuhochdeutschen konnte man sehen, dass das Passivspektrum sukzessive nachgefüllt oder nachgerüstet wurde und oft auch gleichzeitig zwei oder mehr Varianten zur Realisierung des Passivkonzeptes verfügbar waren. Durch diese Abhandlung sollte auch deutlich geworden sein, dass die morphologisch kom‐ plexeren Formen erst später vollständig paradigmatisiert wurden. Dies trifft im weitesten Sinne auch für das PeD und die progressivierbaren Passivformen zu. So können ursprünglich perfektive (non-additive und nichtteilbare) Verben wie aufführen oder gefährden aufgrund ihrer Aspektneutralität erneut perfek‐ tiviert werden bzw. erleben mittels der analytisch gebildeten Funktionsverbge‐ füge (FVG) einen Reload. Es handelt sich um analytisch gebildete perfektive Verbkonstruktionen ( VON P OL ENZ 1963: 11; L E I S S 1992: 255). Ursprünglich im‐ perfektive (additive und teilbare) Verben wie schreiben erfahren ebenfalls eine aspektuelle Verstärkung. Mit zunehmender Grammatikalisierung der neuen analytischen Verlaufsform finden auch non-additive Verben Eingang in die Konstruktion (L E I S S 1992: 214). Zur These von einem im Deutschen (und ebenso im PeD) stattfindenden Re‐ aspektualisierungsprozess kann festgehalten werden, dass Reaspektualisierung dann zustande kommen kann, wenn z. B. Artikel ‚hyperdeterminierend‘ (L E I S S 2010: 152) verwendet werden und dadurch nicht mehr ihre Kernfunktion (Sig‐ nalisierung von Definitheit/ Indefinitheit) realisieren, sondern andere Funkti‐ onen übernehmen. Der nur durch das Flexionsmorphem -m ausgedrückte defi‐ nite Artikel in den am-Progressiven kann nicht mehr als Nominalmarker reanalysiert werden, weil er hierdurch weder eine Hervorhebung ( * an dem Lesen) noch eine Determinierung bzw. Abgrenzung initiiert ( * an einem/ dem Lesen), sodass die Opposition zwischen definitem und indefinitem Artikel ge‐ genstandslos erscheint. Somit wäre die primäre Funktion des Artikels, nämlich der Ausdruck von Definitheit/ Indefinitheit, bei den am-Progressiv-Konstruk‐ tionen nicht mehr realisierbar (L E I S S 2010: 140 und 144). Dies berechtigt die Annahme, dass es sich hierbei auch nicht mehr um einen Determinator handeln kann, sondern um ein Morphem in Transition bzw. um ein Morphem, welches sich am Reload bzw. an der Neubesetzung einer Kategorie beteiligt. Durch die Verschmelzung des Artikels dem mit der Präposition an zu am, was aus dia‐ chroner Hinsicht nichts Ungewöhnliches ist (E I S E NB E R G 1994: 261; D I M E OLA 2000; F UHRHO P / V O G E L 2010: 84), eröffnet sich für dieses Morphem eine neue 255 7.6. Zusammenfassung über passivfähige am-Progressiv-Konstruktionen Funktion. Hierdurch kann der Partikel am eine neue, nicht lexikalische, sondern eine grammatische Funktion zugewiesen werden. Ähnlich wie die Steigerungs‐ partikel am eine maximale Definitheit kodiert, kann auch die Infinitivpartikel am in den am-Progressiv-Phrasen eine aspektuelle Lesart kodieren. Definiter als der definite Artikel kann ein grammatischer Marker nicht sein; wenn aber diese Definitheit nicht mehr benötigt wird, dann wird sich die Funk‐ tion dieses Morphems entweder auflösen (Entfunktionalisierung) oder eben re‐ analysieren und das Morphem kann somit eine neue Funktion übernehmen. Dies trifft für die präpositionale Fügung von an und dem bestimmten Artikel dem zweifelsohne zu, sodass man das am in der Fügung sein Finitum +am+V Inf auch als eine gewisse Reaspektualisierung oder als einen Reload einer Aspektfunktion betrachten kann (wie auch bei L EI S S 2000: 213; L O UDE N 2003a; R ÖD E L 2004a; VAN P OTT E LB E R G E 2004; L E I S S 2010: 152). Dass Passiv und Aspekt diachron als Ver‐ balkategorien korreliert haben müssen, ist im Deutschen und noch mehr im PeD spätestens durch die passivisierbaren am-Progressive wieder synchron sichtbar geworden. Diese sich etablierenden, passivfähigen Progressiv-Konstruktionen sind ein einmaliger Nachweis einer paradigmatisierten grammatischen Einheit, welche es in keiner westgermanischen Sprache in dieser Form gibt, außer im Englischen. 256 7. Die Passiv-Diathese und der am-Progressiv 8. Schlussbetrachtungen 8.1. Ist die Verlaufsform sich am grammatikalisieren? In Anlehnung an Lehmanns Parameter der Grammatikalisierung (L EHMANN 1995 und revidiert 2015) lassen sich Parallelen und fundierte Rückschlüsse auf den Grammatikalisierungsprozess der Verlaufsform projizieren. Wenn unter Gram‐ matikalisierung eine Art gradueller Verschiebung (shifting) von syntaktisch freien lexikalischen Elementen zu syntaktisch weniger freien bis hin zu gebun‐ denen funktionalen Morphemen zu verstehen ist (G IVÓN 1979: 45; B Y B E E 1985: 39; D I EWALD 1997: 11), dann ist der Werdegang der Verlaufsform zweifelsohne irgendwo in diesem Spektrum anzutreffen. Herauszufinden in welchem Stadium bzw. in welchem Grad der funktionalen Transition sich die Verlaufsform be‐ findet, dürfte wesentlich schwieriger fallen, als festzustellen war, dass sie sich tatsächlich in solch einem Prozess befindet. Um diese Frage dennoch anzugehen, erweisen sich die drei paradigmatischen und drei syntagmatischen Parameter von L EHMANN als sehr hilfreich, um einen gewissen Grad an Grammatikalität zu ermitteln: axis / parameter paradigmatic syntagmatic weight integrity structural scope cohesion paradigmaticity bondedness variability paradigmatic variability syntagmatic variability Tab. 16: Grammatikalisierung nach Lehmann (2015: 132) a. Unter dem Parameter der Paradigmatizität (paradigmaticity) ist eine ge‐ wisse Einschränkung der Austauschbarkeit mit ähnlichen funktionalen Elementen einer Reihe (paradigm) zu verstehen, welche unter Umständen eine ähnliche Funktionalität haben. So hat sich beispielsweise die Partikel zu schon seit dem Ahd. als Begleiter und einleitendes Referenzmorphem für Infinitive ergeben und sie blieb bis dato konkurrenzlos. Bezogen auf die Verlaufsform als Ausdruck einer aspektbezogenen Perspektivierung könnten in diese paradigmatische Reihe noch Elemente wie bei/ d(a)ran/ 46 An dieser Stelle sei an die Dissertation von E M M E L (2005) hingewiesen, welche zeigt, dass im Pomerode-Deutsch in Brasilien die von mir angenommen Thesen über den am-Progressiv paradoxerweise für die beim-Phrasen gelten. Die am-Progressiv-Kon‐ struktionen haben dort fast keine Signifikanz. (494) (495) (496) dabei aufgenommen werden. Da sich daran und dabei aber ohne zu nicht mit einem Infinitiv verbinden lassen, können sie nicht zu reinen Infini‐ tivpartikeln mit Aspektaffinität umfunktionalisiert werden. Auch andere semantisch bedingte Einschränkungen wie der fehlende Agensbezug * der Drucker ist dabei zu drucken (R E IMANN 1996: 94) verhindern einen höheren Grad der Anbindung an den Verlaufsinfinitiv. In manchen deutschen Dia‐ lekten wie auch im StD und im PeD sind Phrasen wie: Egon ist beim Kopieren. ? Egon ist ein Buch beim Lesen. * Der Drucker ist beim Drucken. eventuell zulässig, aber schwer auffindbar. Im Allgemeinen gilt die beim-Phrase auch als synonymer Ausdruck für aspektuelle Darstellungen von Verbhandlungen. Sätze wie (496) sind aber wegen des fehlenden be‐ lebten agensfähigen Subjekts nicht zulässig, was die interne Konkurrenz mit den am-Phrasen stark beeinträchtigt. 46 Nach den in dieser Abhandlung gezeigten Beispielen und Erläuterungen ist deutlich geworden, dass die Partikel am diachron betrachtet die we‐ nigsten Restriktionen aufweisen konnte und daher am besten dafür ge‐ eignet war, sich als einleitende Partikel an einen Infinitiv zu binden, um aspektuelle Perspektivierung einer Verbalhandlung darzustellen. b. Unter boundedness wäre die Gebundenheit an das nachfolgende Morphem zu verstehen, wie es für die Präposition an und den Dativ-Marker (dem) schon beschrieben wurde. Ihre Univerbierung von zwei syntaktisch freien Elementen zu einer syntagmatisch untrennbaren Verbindung (Koales‐ zenz) ist zweifellos erfolgt und nachweislich abgeschlossen. Ob sich nun diese syntagmatische Nähe der Progressiv-Partikel am auch auf den Ver‐ laufsinfinitiv auswirkt, ist ebenfalls durch diesen Parameter zu prüfen, wie es der Fall bei zu und dem obligatorisch nachfolgenden Infinitiv ist. Sie sind zwar nicht zu einem Morphem verschmolzen, ihre syntaktische Gebundenheit oder Adjazenz resultierte aber aus semantischen oder morpho-syntaktischen Relationen. In den Beispielen für die am-Progres‐ sive ist diese gebundene syntaktische Stellung sicher zweifellos nach‐ weisbar, wie synchron und diachron durch die zitierte Fachliteratur ge‐ 258 8. Schlussbetrachtungen (497) (498) (499) (500) zeigt werden konnte. Allerdings ergibt sich synchron hier auch ein Novum, da vermehrt Phrasen zu lesen/ hören sind, wie: Egon ist am backen. > Egon ist Torten am backen. > Egon ist am Torten backen. Gerade im PeD ist diese anfangs obligatorische Adjazenz langsam nicht mehr zu sehen, und es ist möglich, Erweiterungen der Progressiv- Klammer zu finden, wie etwa: Ich bin am die Kinna dihre Hoar schneida. [Ich bin am die/ den Kindern ihre Haare schneiden/ Ich schneide den Kindern ihre Haare.] Ich bin am ein Buch lesa. [Ich bin am ein Buch lesen/ lese ein Buch.] Markus 5: 18 Und vi eah am in’s boat gayha voah … [Und als er in das Schiff stieg …] (E L B E R F E L D E R - Übersetzung 1905) Diese Loslösung der Elemente der Progressiv-Klammer ist in diesem Zu‐ sammenhang aber eher als positives Signal einer Grammatikalisierung zu sehen, da alle beteiligten Elemente die im Verlaufsinfinitiv verankerte Valenz und Rektion einheilten und der progressive Verbrahmen zwar dehnbar geworden ist, die syntaktische Reihenfolge der Argumente aber nach bestimmte Regeln verläuft, wie es etwa im topologischen Mittelfeld oder bei analytischen Tempora geschieht. c. Sobald ein Element der Verlaufsform nach dem Typus sein Finitum +am+V Inf nicht präsent ist, ist eine aspektbezogene Proposition nicht mehr möglich. Unter dieser Definition ist etwa die paradigmatic variability zu verstehen bzw. das obligatorische Erscheinen (obligatorification) aller Aktanten in einem syntaktischen Kontext. Würde man beispielweise die Partikel am in dem Satz Egon ist am arbeiten klitisieren, dann würde mit dem Satz Egon ist arbeiten keine gleichwertige Proposition geäußert werden, son‐ dern die aspektuelle Lesart würde der absentiven weichen. Ähnlich wie bei analytischen Tempora oder bei Passiv-Sätzen (Die Tür ist geöffnet [worden]) müssen alle Aktanten im Satz „erscheinen“, andernfalls kann die beabsichtigte Äußerung nicht realisiert werden. Dieses Merkmal zeugt davon, dass die beteiligten Elemente nur als eine syntagmatische Kollo‐ kation auftreten können, um eine aspektuelle Perspektivierung auszu‐ drücken, obwohl sie noch eine singuläre Bedeutung haben. Die Veren‐ 259 8.1. Ist die Verlaufsform sich am grammatikalisieren? (501) gung des Kollokationsfeldes würde hier die Auflösung der gesamten Progressiv-Phrase bedeuten (vgl. T OMA S 2008: 12). d. Die syntagmatische Variabilität (syntagmatic variability) beruht auf der Eigenschaft eines beteiligten Elements seinen Platz innerhalb einer festen Phrase zu verändern. Bezogen auf die drei Basis-Elemente der Progressiv-Form sein Finitum +am+V Inf ist natürlich leicht zu bemerken, dass ihre Fixierung an einem bestimmten Platz in einem Satz auch von unter‐ schiedlichen Faktoren wie Satztopologie oder Wortart abhängt. So sind Nomina im Satz „beweglicher“ als Verben und diese wiederum „bewegli‐ cher“ als Präpositionen oder Artikel. Bei dem am-Progressiv erfolgt die Beweglichkeit der Elemente grundsätzlich nach den Regeln der topolo‐ gischen Satzlehre. Das am kann aber syntagmatisch von dem Verlaufsin‐ finitiv verschoben werden, wenn auch eingeschränkt. Der Verlaufsinfi‐ nitiv kann aber nicht in Topik-Stellung gehen ( * Am arbeiten ist Egon oder * Arbeiten am ist Egon). e. Unter dem Begriff structural scope ist der vom Element gesteuerte Wir‐ kungsgrad oder Wirkungsradius zu verstehen. So kann sich die Partikel zu auf die Stellung eines Infinitivs auswirken, nicht aber auf zwei gleich‐ zeitig (Egon hat gelernt zu hauen und ? (zu) stechen). Andere Satzglieder können aber Satzelemente steuern, sogar über Satzgrenzen hinaus, wie sich etwa der Einfluss eines Nomens auf das Relativpronomen im Rela‐ tivsatz auswirkt. Normalerweise ist der Wirkungsgrad einer Einheit kleiner, je höher ihr Grammatikalisierungsgrad ist. Bei der Progressiv‐ partikel am ist der Skopus normalerweise auch nur auf einen (in der Näher stehenden) Infinitiv beschränkt, wie etwa Egon ist nie am lernen. Eine Erweiterung des Wirkungsgrades wie in (? ) Egon ist nie am kochen und/ oder ? (am) putzen wäre durchaus denkbar. Im PeD ist dennoch zu beob‐ achten, dass am sogar in der Lage ist, zwei Infinitive zu steuern, wie etwa: Di Aenn is d Ebbel am schaela und (am) schnitz (l) a. [Die Anne ist die Äpfle am schälen und (am) schnitzeln.] Dies würde aber nicht bedeuten, dass ein Morphem nicht größtenteils grammatikalisiert ist, weil es einen größeren Skopus hat als andere ver‐ gleichbare Partikeln. Auch das Auxiliar haben kann beispielsweise zwei Partizipien steuern ohne zwei Mal in Erscheinung zu treten (Egon hat gestern gekocht und (hat) geputzt). Dieser Paramater ist jedoch ein Hinweis dafür, dass ein Morphem zu einem anderen Element nur eine bestimmte Relation aufgebaut hat und diese jederzeit wieder aufnehmen kann, in‐ nerhalb oder manchmal auch außerhalb einer Satzgrenze. 260 8. Schlussbetrachtungen f. Das wohl eindeutigste und sicherste Anzeichen eines grammatikali‐ sierten Morphems ist die Erosion der Selbstständigkeit (integrity) einer Einheit auf allen Ebenen. So ist diese Erosion als Entlexikalisierung (se‐ mantic bleaching), phonologische Klitisierung (loss of phonological sub‐ stance) oder eine Entkategorisierung (loss of morphosyntactic properties) in der Fachliteratur bekannt. Es wurde aufgezeigt, dass aus der anfängli‐ chen präpositionalen Fügung von an+dem ein klitisiertes Morphem am geworden ist, das weder eine präpositionale (lokale, spatiale) noch deter‐ minierende (bestimmter Artikel) Funktion mehr aufweisen kann, wie auch keinen analytischen Gebrauch von beiden ( * Egon ist an dem Lesen). Die semantische Entleerung hat eine funktionale Verschiebung evoziert, sodass aus einer präpositionalen Funktion eine aspektuelle wurde. Das Hilfsverb sein ist wohl in allen Sprachen der Welt an grammatikalischen Prozessen und Reanalysen von lexikalischen Einheiten beteiligt. Der wo‐ möglich wichtigste Baustein für diese Entwicklung ist zugleich die Vor‐ aussetzung, durch welche die weiteren Stufen ermöglicht wurden. Es handelt sich um die Desemantisierung der präpositionalen Fügung am. Durch den Verlust ihrer determinierenden Funktion hat sich ein Para‐ digmawechsel vom semantisch-lexikalischen hin zum grammatisch-as‐ pektuellen Morphem vollziehen können. Wenn der in der Linguistik vor‐ herrschende Konsens Gültigkeit behält, dass Infinitive auf ursprünglich nominale Formen zurückzuführen sind (H A S P E LMATH 1989; B AY E R 1993; L E I S S 2000 und 2002b; A B RAHAM 2004), dann ist auch hier ein gewisser Verlust der Kategorie oder ein Kategoriewechsel von nominal zu verbal zu verzeichnen, was diachron immer mit weitreichenden Konsequenzen für andere Kategorien und ihre Paradigmen verbunden war (z. B. wurde aus dem Demonstrativpronomen ein Artikel). Bei der beschriebenen Ver‐ laufsform ist die Erosion der primären Elemente und ihre Umfunktiona‐ lisierung mehr als ersichtlich. Der Verfasser ist sich aber dessen bewusst, dass manche Parameter für die oben beschriebenen Tests mehr oder weniger zutreffen können, zumal wenn man die unterschiedlichen Stadien von Morphemen und ihren Werdegang betrachtet. So kann man beobachten, dass es eine Art primäre Grammatikalisierung (primary grammaticalization) gibt, bei der manche Parameter greifen (wie die Univerbie‐ rung von an+dem>am), sich aber bei einem weiteren Durchgang (secondary grammaticalization) nicht weiter bestätigen (siehe dazu T RAU G OTT 2002: 26). So sind etwa die Partikel zu und der Infinitiv als getrennte Morpheme aufzufassen, wie auch das am als Steigerungspartikel und das folgende Adjektiv oder eben das am als Partikel verbunden mit dem Verlaufsinfinitiv. 261 8.1. Ist die Verlaufsform sich am grammatikalisieren? Es ist auch festzustellen, dass die Skalierung mancher Parameter nicht immer einheitlich geschehen kann (ist etwas ganz- oder nur halb-univerbiert? etc.). Auch eignen sich nicht alle Lexeme eines Diasystems gleichermaßen für Gram‐ matikalisierungsprozesse, zumal die Desemantisierung dafür wichtig ist (L EI S S 1998: 856). Dennoch bieten diese Parameter eine gute Möglichkeit der Bestands‐ aufnahme von Verdachtsfällen. Je höher der gemessene Wert dieser Parameter ist, desto wahrscheinlicher ist anzunehmen, dass es sich bei den beschriebenen Phrasen zumindest um eine bestätigte Anfangsphase von grammatikalisierten Phänomenen handelt. Wenn man nun in Betracht zieht, dass sich dieses Distributionsmuster sein Finitum +am+V Inf als Ausdruck der verbalen Aspektualität immer präsenter ist, dass es langsam Eingang in zuvor versperrte diastratische und diatopische Be‐ reiche (Presse, Grammatiken) findet und dass es leicht erlernbar und produktiv ist, sodass auch ausländische Sprecher oder Deutsch-als-Fremdsprache-Lerner darauf zurückgreifen, dann muss der Grad der Grammatikalität von am- Progressiv-Konstruktionen als hoch bis sehr hoch eingeschätzt werden. Da es aber keine allgemein anerkannte Skala der Grammatikalität gibt, son‐ dern es unter Linguisten teils widersprüchliche eigenständige Beurteilungen dazu gibt, fällt eine endgültige Einordung der am-Progressive schwer. Gemessen am subjektiven Empfinden des Verfassers haben die simplen am-Progressiv- Formen (Präsens, ohne Ergänzungen) aber mindesten einen genauso hohen Grammatikalisierungsanspruch wie der Gebrauch der Präposition wegen (Dativ oder Genitiv? ) oder die „Verdennung“ der Konjunktion weil (V2 oder V-letzt? ). In der Fachliteratur sind hierzu teilweise konträre Argumente zu lesen. Vor diesen und ähnlichen grammatischen Phänomenen kann und darf sich die nor‐ mative Grammatik nicht verschließen. Dem Gebrauchsradius dieser Formen zufolge ist den am-Progressiv-Konstruktionen eine ähnliche Dringlichkeitsstufe zuzusprechen, wenn man den Nutzen dieser Ausdrucksmöglichkeit in Betracht zieht, zumal das paradigmatische Inventar bereits zur Verfügung steht. Die Tatsache, dass es allmählich möglich wird, mit den am-Progressiven auch eine funktionierende und pragmatisch notwendige passivfähige Konstruktion zu erschließen, was außer in Englisch in keiner anderen westgermanischen Sprache möglich ist, müsste den Schluss rechtfertigen, dass die fortschreitende Grammatikalisierung der Progressiv-Formen im PeD eine gute Projektions‐ fläche für künftige Entwicklungen in StD sein könnte. 262 8. Schlussbetrachtungen 8.2. Ausblick oder Sind wir eine Progressiv-Form am brauchen? Sinngemäß nach J AKO B S ON (1957) unterscheiden sich Sprachen nicht dadurch, was sie ausdrücken können, sondern dadurch, was sie ausdrücken müssen. Die am-Progressive muss man nicht benutzen oder sie in der parole einsetzen, sie sind aber im Diasystem StD und PeD, also in der langue, präsent. Sie zu igno‐ rieren, wäre linguistisch betrachtet ebenso unklug wie unlogisch, zumal ein komplexes morpho-syntaktisches Inventar bereits existiert. Diese Konstruk‐ tionen bieten den Sprechern nämlich eine Reihe von pragmatischen Vorteilen, die in den Sprachen der Welt keinen Automatismus darstellen. So können die am-Progressive zweifellos eine aspektaffine imperfektive Perspektivierung der Verbalsituation ermöglichen. Die am-Konstruktionen erzeugen in Verbindung mit additiven Verben (su‐ chen, überlegen) einen Effekt der Verstärkung oder Wiederbelebung der bereits im Verb inhärenten aber oft nicht wahrgenommenen innenperspektivierenden Handlung (bin am suchen/ bin am überlegen). Hier wird das Verbalereignis als Ganzes nochmals intensiviert und vordergründig dargestellt (R E IMANN 1996: 165), was den Fokus der Hörers/ Lesers auf die Handlung selbst lenkt und die möglichen Grenzen (Anfang oder Ende) dieser ausblendet. Eine berechtigte Kritik ist die eventuelle doppelte Nutzung von Markierungen, da additive Verben nochmals mit einem imperfektiven Marker verstärkt werden (H EN‐ R IK S S ON 2006: 69). Dennoch kann mit der Verlaufsform eine Verbalisituation als im Verlauf befindlich präziser fokussiert werden, was in bestimmten Fällen eher für als gegen das Prinzip der Sprachökonomie spricht. Dass es im StD „doppelte Markierungen“ gibt, ist nichts Neues oder Hinderliches, zumal wir es in vielen Fällen anwenden (ich [1.Ps.Sg.] gehe [1.Ps.Sg.] ; du [2.Ps.Sg.] gehst [2.Ps.Sg.] etc.; vgl. dagegen engl. I / you/ we go etc.). Bei vielen grenzbezogenen, perfektiven Verben (platzen, gewinnen, verhun‐ gern, abreisen), welche im Präsens keinen richtigen Gegenwartsbezug aufbauen können, sondern eher eine futurische Lesart innehaben (L E I S S 2002b: 35), er‐ zeugen am-Progressive hier einen Gegenwartsbezug (Der Ballon ist am platzen/ Egon ist am gewinnen/ Wir sind am verhungern/ Die Müllers sind schon am ab‐ reisen). Die am-Progressiv-Konstruktionen stellen somit eine Ergänzung des deutschen Verbalsystems dar, indem sie bei perfektiven Verben die vorhandene Grenzbezogenheit des Verbalgeschehens „deaktivieren“ und den Verlauf der terminativen Verben „prolongieren“ (dazu R E IMANN 1996: 134; H E N R IK S S ON 2006: 2; R ÖD E L 2003: 105). Auch die Erzeugung von dem sog. Inzidenzschema gilt ge‐ 263 8.2. Ausblick oder Sind wir eine Progressiv-Form am brauchen? (502a) (502b) (503a) (503b) (504a) (504b) (505) (506) rade bei den punktuell-perfektiven Verben als schwer realisierbar, weil die in‐ härente Grenze der Verbalhandlung schwer auszublenden ist: Die Katze war am ertrinken, als Egon sie aus dem Fass herausfischte. [Lesart: „die Katze lebt noch“] (? ) Die Katze ertrank, als Egon sie aus dem Fass herausfischte. [Lesart: „die Katze lebt nicht mehr“] Der Ballon war am platzen, als Egon die Luft herausließ. [Lesart: „der Ballon ist nicht geplatzt“] (? ) Der Ballon platzte, als Egon die Luft herausließ. [Lesart „der Ballon ist geplatzt“] Die Verlaufsform ermöglicht den perfektiven Verben einen Gegenwartsbezug bei gleichzeitiger Innenperspektive, deren Progressivfähigkeit oft angezweifelt wurde, wodurch eine Lücke des deutschen Grammatiksystems geschlossen werden könnte. Die Verlaufsform gilt anhand der in letzter Zeit gestiegenen linguistischen Beiträge als eines der interessantesten und sehr oft beschriebenen Grammatikalisierungsphänomene. Unter vielen anderen Prozessen des gram‐ matischen Sprachwandels, wie die Verdrängung des Konjunktivs, die Klitisie‐ rung der Imperativendung -e oder der Präteritumschwund, scheint dieser Pro‐ zess jedoch eine Bereicherung für den Formbestand des Verbalsystems zu sein (G LÜCK / S AU E R 1997: 66). Die am-Progressive lassen sich auch gut einsetzen, um zwei unterschiedliche Lesarten eines Satzes (Als Eugenia kam, kochte Egon einen Tee) zu desambigu‐ ieren, wie etwa bei der Trennung der progressiven von der habituellen Lesart: Als Eugenia kam, kochte Egon einen Tee. [habituell „immer nachdem sie zu ihm kam“] Als Eugenia kam, war Egon einen Tee am kochen. [progressiv „als sie das Zimmer betrat“] Angesichts dieser Beispiele müsste man linguistisch fundierte Argumente auf‐ bringen, um die Nichtakzeptanz des bereits vorhandenen Inventars und das Ig‐ norieren eines sich etablierenden Paradigmas noch zu rechtfertigen. Dazu müsste man die äußerst einfach erlernbare Form des am-Progressivs und seine syntaktische Ausbaufähigkeit gänzlich ignorieren. Hinzu kommt noch, wie auch B R ON S -A LB E R T bemerkt, die einleuchtende Pragmatik dieser Formen im Sprach‐ erwerb, zumindest bei zusammengesetzten Präsensformen von Verben, deren regelmäßige Formen „ungebräuchlich“ sind: * Ich eislaufe / ? ich laufe Eis/ ich bin am eislaufen. * Ich sandstrahle/ ? ich strahle Sand/ ich bin am sandstrahlen. 264 8. Schlussbetrachtungen (507) * Ich schneidbrenne/ ? ich brenne schneid/ ich bin am schneidbrennen. (aus B R O N S -A L B E R T 1984: 201) B R ON S -A LB E R T ermutigt mit ihren Schlussworten sogar dazu, diese Formen auch im Schulunterricht aktiv zu verwenden und die Lernenden auf diese Bereiche‐ rung aufmerksam zu machen, da sie somit eine Verbalsituation im Deutschen eindeutig imperfektiv darstellen können. Additive Verben sind meist präfixlos und ursprünglich imperfektiv und durch dieses semantische Merkmal können sie besonders durch die Verknüpfung mit anderen Elementen (in diesem Falle sein [Aux.] und der umfunktionalisierten Par‐ tikel am) zu einer analytischen, innenperspektivierenden Verbform mit Aspek‐ taffinität verschmelzen. Die Darstellung einer Handlung aus der Innenperspek‐ tive bleibt den verbalen Einheiten in der Sprache vorbehalten, wenn also Verlaufsformen als „verbal“ empfunden werden, müssen sie auch kleinge‐ schrieben werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die verbale Lesart einen hohen Grammatikalisierungsgrad für die Verlaufsform selbst impliziert, da In‐ finitive als ursprüngliche Verbalnomina nun in den am-Progressiv-Konstruk‐ tionen verbal reanalysiert werden. Dadurch, dass manche restriktive Regeln „aufweichen“, gibt es eine neue Möglichkeit für non-additive und transitive Verben, also primär nicht zur Progressivierung geeignete Verben, sich an der neu entstehenden Reaspektualisierung des Deutschen zu beteiligen (L E I S S 2000: 214). Es lässt sich auch feststellen, dass sich die Verlaufsform bezüglich ihrer Bil‐ dungsmuster und syntaktischer Restriktionen im PeD generell viel anpassungs‐ fähiger und dehnbarer einsetzten lässt als im StD. Die Analysen haben gezeigt, dass die Anzahl der Restriktionen im PeD geringer ist, dass der Verbrahmen des am-Progressivs leichter erweiterbar ist und dass sogar die im Deutschen bislang tabuisierte Strukturen wie Erweiterungen durch Objekte oder das Passiv ak‐ zeptiert und praktiziert werden. Diese Erkenntnis bringt uns zu dem grundle‐ genden Schluss, dass der Grammatikalisierungsprozess im PeD zeitlich früher eingesetzt haben muss und dass das PeD der deutschen Standardsprache um einiges voraus sein muss. Die Sprecher des Pennsylvaniadeutschen - unabhängig von ihrer sprach‐ lich-theoretischen Kompetenz - nehmen die Verlaufsform als verbales Para‐ digma wahr und verwenden sie auch als eine überaus häufige Alternative zum normalen Präsens. Das am wird nicht mehr als präpositionale Fügung mit Ar‐ tikel als Substantivanzeiger betrachtet, sondern als desemantisierte Partikel, die zur Herstellung einer Verlaufssituation einsetzbar ist. Daraus ist abzuleiten, dass es sich bei der am-Partikel um einen funktonalen Aspektmarker handeln muss, 265 8.2. Ausblick oder Sind wir eine Progressiv-Form am brauchen? der keine lexikalische, sondern grammatische Bedingungen impliziert, nämlich einen nachfolgenden Infinitiv zur Herstellung einer Innenperspektive. Nach wie vor besteht aber keine Obligation diese Form der Progressivierung einer Ver‐ balhandlung zu verwenden. Daraus ergeht, dass man nach einer „engeren As‐ pektdefinition“ nicht von Aspekt, sondern eher von Aspektualität sprechen kann, da sich kein obligatorisches binäres Paradigma zur Wahl stellt (vgl. C OMR I E 1976: 4; L E I S S 1992: 155). Im Umkehrschluss würde das aber auch be‐ deuten, dass es keine essenziellen morpho-syntaktischen Hindernisse gibt, die am-Progressive zu benutzen, nur weil sich noch kein eindeutig perfektiver Ge‐ genpol etabliert hat. Abgesehen von manch semantischen Restriktionen, die in anderen Aspektsprachen auch vorherrschen (nicht alle perfektiven Verben im Russischen haben ihr Pendant; manche Verben im Englischen können keine -ing-Formen bilden), betrachte ich die am-Progressive als eine erwartbare Folge eines zyklischen Prozesses im Sprachwandel des deutschen morpho-syntakti‐ schen Repertoires von Aspektualität. Dieser sich anbahnende, zyklische Reaspektualisierungsprozess könnte even‐ tuell von der normativen Grammatik gehindert werden. Bei der Etablierung von sprachlichen Normen geht es meistens um eine Abgrenzung zwischen mehreren parallel existierenden Varietäten und deren Einstufung auf einer Akzeptanz‐ skala. Eine essenzielle Vorrausetzung bei der Untersuchung von linguistischen Normen in der Varietätenlinguistik ist gerade der unmittelbare Kontakt der un‐ terschiedlichen modifizierten sprachlichen Formen, also grammatische Phäno‐ mene, welche die bestehende normative Grammatik nicht immer eindeutig klassifiziert, die man aber linguistisch nicht länger ignorieren sollte. Dies scheint bei der Erforschung des am-Progressivs sowohl im PeD wie auch teilweise im StD nachweisbar zu sein. Der Kontakt unterschiedlicher Varietäten einer Sprache dient als eine Art Katalysator in diesen Dynamikprozessen der gradu‐ ellen Grammatikalisierung (L ENZ 2003: 34). Durch die erwartbare Komponente des Sprachwandels wird auch die Gradualität der Normierungsprozesse ermög‐ licht, da es einen kommunikativen Akzeptanzradius von neuen grammatischen Formen gibt, der größer als der Verwendungsradius ist, zumal neu auftretende sprachliche Formen zuerst gehört und verstanden werden und erst später im eigenen Idiolekt gebraucht werden (B E R END / M ATTHE I E R 1994: 33), was eine gra‐ duelle Ausdehnung dieser neuartigen sprachlichen Form ermöglicht. Meine Forschungsergebnisse zielen genau darauf ab, diese notwendigen Pa‐ rameter zu definieren, damit man den Forschungsgegenstand der Variations‐ linguistik etablieren kann und damit Ergebnisse wie diese nicht als Anomalien des hochsprachlichen Standards abgewertet werden, sondern als gleichberech‐ 266 8. Schlussbetrachtungen tigte Variationen einer plurizentrisch geprägten Sprachkonstante gesehen werden. Werden die oben dargestellten Parameter auf das PeD projiziert, könnte man einige Merkmale für das PeD festhalten. So wird schnell ersichtlich, dass das PeD eher als Non-Standardsprache fungiert, d. h. als Sprache im Gegensatz zu einer einheitlichen Standardsprache stehend, wie z. B. das Althochdeutsche, welches keine Standardvarietät hatte (A MMON 2011: 21). Das PeD ist bislang nicht kodifiziert, es gibt auch kaum Sprachkodizes im Sinne autoritativer Nach‐ schlagewerke. Diese existieren, falls sie überhaupt verfasst wurden, dann nur zum usuellen Nachschlagen bei lexikalischen Zweifelsfällen. Weiterhin werden diese Regeln bzw. Anwendungsprinzipien nicht förmlich gelehrt und haben in den USA auch keinen Amtssprachenstatus. Schlussendlich wird das Einhalten dieser Prinzipien auch nicht von Sprachnormautoritäten kontrolliert. Daher können sich starre Gebrauchsregeln nicht etablieren und eine Legitimität ge‐ winnen, weil die Begründung oder Entlohnung (Prestige, Nationalität etc.) gänzlich fehlt (R EHD E R 1995: 361). So scheint es mir, dass das PeD genau dadurch bevorteilt ist, weil es diese oben beschriebenen Normierungsprozesse (noch) nicht durchlaufen hat. Diese unmittelbare Interaktion von zwei (oder mehreren) unterschiedlichen modifizierten sprachlichen Formen miteinander könnte die einfache Erklärung für den Siegeszug der am-Progressiv-Konstruktion im PeD sein. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen wir daraus für das StD ziehen können (oder wollen). 8.3. Ausblick In vielen regionalen und überregionalen Varianten des Standarddeutschen sind Sätze wie Ich bin am bügeln oder Er ist ein Buch am lesen nicht unbekannt und es ist bewiesen, dass diese Ausdrucksweise sogar eine steigende Tendenz ver‐ spricht. Es mag zwar sein, dass nicht jeder Sprecher des Deutschen diese ge‐ nannten Phrasen selbst benützen würde oder sie regelmäßig zu hören bekommt, sie sind aber beinahe jedem Muttersprachler, wenn nicht geläufig, dann aber als mögliche Ausdrucksvariante bekannt. Dennoch werden diese am-Konstruktionen in der Allgemeinheit mit großer Skepsis beurteilt, indem sie als sprachliche Normabweichung bezeichnet werden. Solch eine Sichtweise ist aus dem Blickwinkel des Autors wissenschaft‐ lich nicht länger haltbar. Dies kann mit folgenden vier Aussagen (T HI E L 2008: 2; T HU RMAI R 2002: 6) aufgezeigt werden. Wenn ein grammatisches Phänomen 1. einen größtmöglichen überregionalen Verbreitungsgrad aufweisen kann, 267 8.3. Ausblick 2. in verschiedenen sprachlichen Registern (Umgangssprache, Schrift‐ sprache etc.) zu finden ist, 3. von der Sprechergemeinde immer zu einem bestimmten Zweck ver‐ wendet wird und 4. systematisch und obligatorisch in das deutsche Sprachsystem eingeglie‐ dert wird, dann steht einer Grammatikalisierung nichts mehr im Weg. Es konnte bisher in der Aspektforschung nachgewiesen werden, dass die am-Progressive ein fester Bestandteil des deutschen Diasystems sind, dass sie sowohl in kolloquialem wie auch in offiziellem Sprachusus (Literatur, Medien) präsent sind und immer als morphologisches Ausdrucksmittel zur Verbalisierung von Aspektualität ver‐ wendet werden. Die Kodifizierung eines sprachlichen Phänomens erfolgt nur über institutionalisierte Instanzen, welche einem grammatischen Ausdruck oder einem neuen Lexem den Eingang in das kanonische Regelwerk der Sprache er‐ möglichen (oder auch nicht). Es stehen aus der Sicht des Verfassers keine morpho-syntaktischen Hindernisse im Weg, wodurch begründet werden könnte, warum dies auch nicht mit den am-Progressiv-Konstruktionen ge‐ schehen sollte. Der letzte Punkt, der systematische und obligatorische Gebrauch innerhalb eines binären Paradigmas, trifft sicherlich noch nicht zu. Sobald diese Annahme zur empirisch nachweisbaren Tatsache geworden ist, könnte die deutsche Sprache (wieder) einen Schritt näher zu den Aspektsprachen rücken. Wie bereits A R NAUD (1998: 128) für die progressive forms im LModE erwähnte und auch L ANG E R (2001: 98) für die Sanktionierung der tun-Periphrase fest‐ stellte, so vermutet auch T OMA S (2016: 59) zweifelsohne keine morpho-syntak‐ tischen, sondern mehrheitlich sozio-linguistischen Hindernisse, welche die Ent‐ faltung und Etablierung neuer grammatischer Formen verzögern können. Leider ist der Wegfall dieser Hindernisse im StD auch heute kaum in Sichtweise ge‐ rückt. Der Grund hierfür liegt in den eliminativen Normierungsprozessen der Standardisierung von Sprache und diese Prozesse beruhen mehrheitlich auf prestigeträchtigen und präskriptiven Grammatiken (R I EHL 2004: 163). Dies er‐ klärt auch den momentanen Stand der am-Progressive in der Linguistik, da diese immer noch durch die oben beschriebenen Prozesse stigmatisiert werden und ihre Grammatikalisierung „verhindert“ wird (T OMA S 2017: 73). Sinngemäß lässt sich für den am-Progressiv eine Prognose aufstellen: Falls die sozio-linguistischen Faktoren auch hier über die pragmatischen gestellt werden sollten, dann wird sich die „Geburt“ eines aspektuellen Progressiv-Pa‐ radigmas im Deutschen ähnlich zögerlich wie im Englischen entwickeln. Siegt dagegen die logisch-pragmatische Perspektive hinsichtlich des Nutzens und 268 8. Schlussbetrachtungen Gebrauchs der am-Formen und die Erkenntnis über das bereits vorhandene morphologische Inventar, dann sind das Internet, die Presse und insbesondere der schulmäßige Gebrauch dieser Progressiv-Konstruktionen sowie die durch diese Arbeit angestoßenen künftigen Progressiv-Studien die besten „Geburts‐ helfer“ für ein neues Verbalparadigma im Deutschen. Bezogen auf das PeD möchte ich abschließend festhalten, dass es einige Neuerungen zu beobachten gibt. Die schon über Jahrhunderte präsente am-P rogressiv-Konstruktion ist in der Sprache der Pennsylvaniadeutschen weiterhin produktiv und erschließt meinen vorläufigen Ergebnissen zufolge neue Wege, grammatische Ausdrucksmittel zu produzieren. Im Gegensatz zum StD zeichnet sich im PeD eine klare und überprüfbare Tendenz ab, eine am-Progressiv Kon‐ struktion im Passiv zu etablieren (T OMA S 2018: 168). Dies könnte unter anderem primär durch zwei Faktoren begünstigt worden sein. Die permanente Koexis‐ tenz von zwei oder mehr lexikalisch oder morphologisch modifizierten Kon‐ kurrenzformen als Ausdrucksmittel ist genau die Notwendigkeit, welche die noch nicht normkonformen Modifikationen zum Sprachstandard werden lässt. So können sich unterschiedliche funktionale Ausdrucksmittel ungehindert pa‐ rallel entwickeln. Eine Selektion oder Begünstigung einer dieser Formen pas‐ siert erst viel später. Sozio-linguistisch betrachtet hat das PeD als Sprachentität bislang keinen prestigeorientierten Zugzwang gezeigt oder eine präskriptive Normierung hervorgebracht. Somit sind keine eliminativen Normierungspro‐ zesse zustande gekommen, sondern eher deskriptive Formen, die primär der Kommunikation dienen, nicht aber einen elitären Charakter des Sprechers oder eine Bewertung des Gesprochenen wiedergeben. Eben diese zwei benannten Faktoren dürften den Grammatikalisierungsprozess des am-Progressivs im PeD im Vergleich zum StD erheblich beschleunigt haben. Mein wissenschaftliches Vorhaben sollte dem Ziel gedient haben, die stei‐ gende Tendenz einer Aspektbildung zu verifizieren. Künftige Studien müssen sich der Frage widmen, wie und nicht ob der am-Progressiv zum Einsatz kommt. Nur aufgrund präziser Daten aus der Feldforschung wird es möglich sein, kon‐ kretere Empfehlungen für den Gebrauch der Verlaufsform im Deutschen und für den Grammatikalisierungsgrad dieser Formen auszusprechen. Aus diesem Grund darf der am-Progressiv in authentischem Lehrmaterial nicht mehr aus‐ gespart werden, sondern sollte den Lernenden als Teil der deutschen Sprach‐ wirklichkeit vermittelt werden. Ich würde daher abschließend sagen, der Pro‐ gressiv ist zweifellos am kommen. * * * * * * * 269 8.3. Ausblick 9. Literaturverzeichnis 9.1. Literatur in PeD Es Nei Teshtament mitt di Psaltah un Shpricha: Pennsylvania Deitsh Text. Transl. from Textus Receptus Greek and Dr. Martin Luther's German transl., English text: the author. King James version. 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The study has nothing to do with testing or evaluating your language abilities, there are no right or wrong answers. The results will be printed as a scientific publication without your personal information. What will be done: The survey includes completing a questionnaire or an audio-recorded interview and will take about 20 min. By completing and answering the following ques‐ tions you are voluntarily agreeing to participate. You are free to decline to answer any particular question you do not wish to answer for any reason. This survey is anonymous and the information you provide will be used only for research purposes. No one will be able to identify you or your answers; we will not release your personal information to any third party without your consent. Thank you for taking part in my research project. If you have concerns or questions about this study, feel free to ask: Adam TOMAS adam.tomas@campus.lmu.de Agreement for a scientifical language-survey Participant Number: ________________ Date: Name: Location: Signature: 10.2. Transkript Situation 1.1: Somebody at the doorstep wants to know about Ann; Ann’s nearby and she’s peeling apples. Question: What’s Ann doing? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Die Aenn is negscht und die is am Ebbel schaela. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Sie is am Ebbel schaela. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Die Aenn is Ebbel am schaela. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Die Aenn is am Ebbel schaela, sie will Pai macha. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Die Aenn is am Ebbel schaela. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Die Aenn is hinna im Haus am Ebbel schaela. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Die is Ebbel am schaela. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Die Aenn is die Ebbel am schaela gwen. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ebbel schnitzlen. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Aenn is am Ebbel am schaela und sie ist busy alle‐ weil. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Aenni is ins die Kochschtubb am schnitza duha. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Sie is am Ebbel schaela. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sie is am Ebbel schaela. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich hab die Aenn gshena und sie waar Ebbel am schaela. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Sie is Ebbel am schneida … or am schnitza. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Sie is ’n Ebbel schaela. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA D Aenn is am Ebbel schaela. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Die Aenn is die Ebbel am schaela. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Die Aenne is am Ebbel schaela. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sie is am d Ebbel schaela. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Die Aenne is Ebbel am schaela. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Sie is an Ebbel schaela. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Die Ann is an Ebbel schaela. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sie is Ebbel am schaela. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Die Aenn is negscht in d Kich un sie is am Ebbel schaela. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Die Aenn is am schnitzla die Ebbel. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Die Aenn is am Ebbel schaela oder kenn mer saaga schnitza. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Die Aenn is am Ebbel schaela. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Sie ’s am Ebbel schaela. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Die Aenn is Ebbel am schaela. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Die Aenn is am Ebbele schaela. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sie is an Ebbele schaela. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Aenn is an Ebbele schaela. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Die Aenne is an Ebbele schaela. 290 10. Anhang 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Is Ebbele schaela. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Sie is am Ebbel schaela. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sie wella wisse, ob die Aenn negscht is un ob sie Ebbele am schaela is …’m Ebbele schaela. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA D Aenn is negscht am Ebbel schaela. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Sie is dro Ebbele schaela. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Die Aenn ist am Ebbele schaela. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Absentiv Situation 1.2: Somebody [on the telephone] wants to know about the wea‐ ther. It’s been raining all day. Question: How's the weather been today? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS (Es) Is am reahra d gonze Daag. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Es is am reahra. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Es Wedder is rearich heit, des hot gereahrt d ganze Daag. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Mer hen en aarick Dunnewedder ghatt, es hot ornlich guud gereahrt. Awwer sie sind am saaga, mer griega Gwidda am Owed. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Es hot d ganze Daag greahrat, es waar schtarick am reahra, die meist Zeit. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Es is wennich drieb draussa heit und ’s is d ganza Daag am reahra. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Es Wedder heit is glee wennich ’m reahra. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Sie hot gsaagt, es is am reahra gwen d gonza Daag. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS (Es) Is alledaag nass. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Di Wittring heit is wunderbar hees, awwer es ziegt a mieda Luft, ich glob, ass mer Reahra griega. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Gudda Mariya, mer hen schlecht Wedder heit, es regnet alledaag. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS ’s is am reahra di ganze Daag. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS ’s is am reahra d ganze Daag. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Heit ’s es am reahra und sie wolla Reahra hoba all Ma‐ riya … Es is guud am reahra heit. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Es waar d ganze Daag am reahra. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Es waar am reahra d gonza Daag. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Is am reahra d ganza Daag. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA ’s waar am reahra d ganze Daag. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Wedder waar … es waar rearich heit. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Es is am reahra d ganze Daag. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Das Wedder is sehr schlimm. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM ’s waar am reahra d gonza Daag. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM ’s is am reahra heit und ’s waar am reahra d gonza Daag. 291 10.2. Transkript 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Es ist am reahra alledaag. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Des hot scho d gonza Daag greahrat. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS ’s is ’m reahra d ganzen Daag. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Heit is am reahra d gonza Daag. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM ’s is am reahra den ganzen Daag. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM ’s is am reahra … d ganze Daag. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM ’s am reahra d gonza Daag. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ’s is am reahre d ganza Daag ….oder `s hat d ganze Daag greahrat. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Heit waar ’s schee, sonnig, und wenig an Luft am geha … / Nachrage/ … Es hot greahrat heit den gonzen Daag. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Du willt wissa, ob ’s am reahra waar? (’s) Is am reahra heit. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA ’s waar am reahra d ganz Daag. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Es waar am reahra heit d gonza Tog. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM ’s is am reahra …’s waar d ganze Daag am reahra. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Es waar am reahra d gonze Daag. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA ’s waar am reahra d ganze Daag. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Wedder is reahrich. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Es waar am reahra d gonza Daag. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Witterungsverben Situation 1.3: Somebody asks about Peter, he’s not at home now. He’s wor‐ king in the field. Question: Where’s Peter? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ebba is am froga, wo d Peder is. Der is net daheem, eah is am schaffa uff m Feld. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Eah is im Feld am schaffa. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS D Peder is ned um d Weg, eah is draussa im Feld am schaffa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Eah is am schaffa in d Felda. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS D Peder, eah is drassa a wennich im Feld am schaffa. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Peder is net do alleweil, eah is am schaffa draussa im Feld. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS D Peder is draussa im Feld am schaffa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Eah is im Feld am schaffa. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Eah is im Feld am schaffa. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Eah is am schaffa drassa im Feld, deet ich saaga. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM D Peder is am Feld, ich wees es net wonn eha … is eah am pfliega oder am blanza. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Eah is am schaffa im Feld mit d Gail. 292 10. Anhang 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS D Peder is draussn im Feld am schaffa. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Eah is draassa im Feld am Grummbeera am lesa. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Eah is net daheem, eah is im Feld am schaffa. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Eah is draussa am schaffa ans Feld. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Peder is ins Feld am schaffa. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Eah is an schaffa draussa ins Feld. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Peder is net hiem na, er is am schaffa gwen ins Feld. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Er is net daheem nau, er is am schaffa ins Feld. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Eah is draussa im Feld am schaffa. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D Peder is net hiem nau, eah is draussn im Feld schaffa. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM D Peder is net daheem nau, eah ’s draussa im Feld am schaffa. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Eah is am schaffa im Feld. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Peder is alleweil net do, er is draussa im Feld am schaffa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Eah schafft in die Feld. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Eah is im Feld am schaffa. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Eah is net daheem, eah is im Feld am schaffa. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Eah is net do, er is am schaffa im Gefelda. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM D Peder is im Feld am schaffa. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Eah is am schaffe im Feld. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM D Peder is ins Feld am schaffa. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Peder is net daheem, er is am schaffa im Feld. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Eah is am schaffe ins Feld. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA D Peder waar net daheem, er waar am schaffa im Feld. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Peder is ims Feld am schaffa. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Eah is am schaffa, draussn ins Feld. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Eah is am schaffa uff m Feld. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Peder is ins Feld am schaffa. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Eah is am schaffa ins Feld hier. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Absentiv Situation 1.4.: You enter Elly’s room, clothes are lying around, the room needs to be cleaned. You ask: Why are these things lying around? Ask in Pennsylvania Dutch: ? Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Es soll gbutz sei, di Gleeder sind am rumliega. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Fer was sind all die Gleeder do rum am liega? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Fer was sind all die Gleeder am rumliega uff m Bodn? Des muss uffgebutz sei. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Sie (Elly) sellt mal ufrooma. 293 10.2. Transkript 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Fer was sind di Gleeder all am rumliega? ’s muss uffge‐ butzt sei. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Fer was lieget alles rumher? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Fer was sind all die Gleeder am rumliega? Pick sie mal uff. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Fer was sind di Dinga am liega aliwwa? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Fer was is d Schtubb so hesslich? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D Elly ihre Schtubb is alles ferhuddelt mit Gleeder am rumliega. Ich wees net, was sie fehlt, sie ist alt genug fer ihre Schtoff wegduha. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Elly, fer was sind all diese am rumliega? Du musscht dei Schtubb uffbutza. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Fer was lieget alles do rum und guckt net guud? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Why are di Dinga am rumliega? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Die Elly hat awwer Dinga rum am liega und des muss uffgebutz sei. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Fer was sind di Gleeder all iwwa di Schtubb geschmissa? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Fer was is des so huddlich? Fer was liegt die Sach rum? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Far was sind di Gleeder am rumliega? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Was sind die Gleeder rum am liega? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Fer was sind die Sacha am rumliega? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Fer was sind di Dinga rum am liega, di Schtubb sellt gbutz sei? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Fer was sind die Dinga or Sacha am rumliega? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Fer was sind die Gleeder do rum am liega? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Fer was is alles do ganz iwwa da Schtubb? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Fer was sind all die Dinga am rumliega? Die Schtubb muss gebutzt werra. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Fer was is alles … des soll uffgeraeumt sei. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Sie (Elly) muss dart cleana. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Fer was sind dei Gleeder am rumliega? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Fer was is all dies Ding am rumliega? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Fer was sind di Gleeder am rumliega? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Fer was sind die Gleeder rum am liega? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Warum sind so viel Gleeder am Boda do rumgschtreut? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Fer was sind all die Gleeder am rumliega? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Wieher (woher) is di Schtubb so schlambick? … oder Wieher is alles ’m rumliega? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Fer was ist d Sache am rumliega? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Fer was sind die Sacha am rumliega? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM ---blank--- 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Fer was is der Schtoff rum am liega? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Was lieget oll d Schtoff da rum? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Schtubb is huddlich. 294 10. Anhang 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Fer was sind die Sach rum am liega? ❖ Zielsetzung der Erfragung: atelische Verben und Verlaufsform; trennbare Verben; Ob‐ jekt-Extension Situation 2.1.: One of your relatives sees your grandchildren after a long time. He remarks, that they have grown. You say: “They’re growing and are doing fine.” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Die sind am waxa und sie sind guud am duhn. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Sie sind am waxa uns sie sind guud. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Die Kinnskinna sind am waxa und sie sind aarick guud am duhn. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Sie kennt net glaawa, wie sie uffgwaxa sind. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Sie sind immer noch am waxa, es geht ihna guud alle‐ weil. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Die Kinnskinna sind ganz guud, sie sind am waxa und sie sind all guud am duhn. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Die Junga sind am waxa, sie waxa wie e grossa Ebbl‐ boom. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Du bischt so gross am werra, wie ich dich letzt gesehna hab. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sie sind guud und uffgewaxn. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Kinnskinna sind am waxa. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Sie sind gwaxa und guud geduha. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Sie sind am waxa und sie duhn a guud … sie sind am guud duha. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sie sind am uffwaxa und sie duhn guuda Dinge. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Die Kinna sind uff am waxa und sie sind alle guud. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Sie sind am waxa und sie sind ganz guud am duha. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Ja, sie sind am waxa. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sie sind am waxa und sie sind all right am duhn. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sie sind so am waxa, sind gross am waxa und sie gucket so guud und schee. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Sie sind am waxa und guud an duhn. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sie sind guud am duhn a und sie sind am waxa. Sie sind gross auffgwaxa. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Sie sind guud am waxa und sie duhn a guud. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Sie sind guud an duhn und sie sind an waxa. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Die Grosskinna sind an waxa und sind an guud duhn. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sie sind am waxa un alles geht guud. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Die Kinnskinna sind am waxa un am guud duhn alle‐ weil. 295 10.2. Transkript 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Sie growa [engl.to grow] un sind ordlich guud. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sie sind am waxa und sie sind ganz guud. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Sie sind am waxa un am guud duha. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Sie sind am waxa und recht guud am duhn. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sie sind an waxa und guud ’n duhn. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Sie sind am waxa und am guud duhn. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Die Kinna sind am uffwaxa und sind am guud duha. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Die Kinndskinna sind an waxa un sind guud an duhn 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sie sind an waxa und an guud duhn. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ja, sie sind ’n uffwaxa und sie sind ’n guud duhn. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Die Kinndskinna sind am waxa un am guud duhn. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sie sind guud am wachse un sind guud am duhne. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sie sind am waxa un an guud duha. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Sie sind ’m waxa un guud am duhn. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Sie sind am waxa un guud am duhn. ❖ Zielsetzung der Erfragung: trennbare Verbzusätze; Verlaufsform; Situation 2.2.: You’re looking for the children to clean their rooms, so you ask your spouse where they are. He answers: ” They’re hiding in the barn! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin am gucka fer die Kinna. Die sind hinnich em Scheier, sie sind am … hiding … sie sind sich am fersch‐ teckle hinnich d Scheier. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Sind am ferschteckle in die Scheier. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wo sind die Kinna? Hen sie sich ferschtecklt in d Scheier? 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Sie sind am sich ferschteckle in d Scheier. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Sie sind in d Scheier am ferschteckle. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Sie sind drassa im Scheier und hen sich ferschteckelt. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Die Schtubb muss gebutzt sei, wo sind die Kinna? 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Sie sind am ferschteckle im Scheier. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sie sind ’m ferschteckle. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Kinna hen sich ferschtecklt, ich globe, ass sie drassa im Scheier sind. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Die Kinna sind an ins Scheier schpiela. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Sie sind am ferschteckle in d Scheier. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sie sind sich an ferschteckle in d Scheier. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ja, die Kinna kenna net die Schtubb uffbutza, sie sind naus in d Scheier ganga und ich kann sie net sehna. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Sie sind im Scheier, mer kenna sie net finna. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Sie sind draussa in d Scheier am ferschteckle, sie wolla net dihra Arewet duhn. 296 10. Anhang 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Die Kinna sind am ferschteckle in d Scheier. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sie waarn driwwa an ferschteckle in d Scheier. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Sie sind am ferschtekla in d Scheier. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sie sind am ferschteckle in die Scheier. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Sie hen sich ferschteckelt im Scheier. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Sie sind an ferschtekla in d Scheier. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Die Kinna sind an sich ferschteckle in d Scheier. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sie sind im Scheier am ferborga. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Die Kinna hen sich in d Scheier ferschtecklt. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Sie sind drauss in die Barn. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sie sind in der Scheier, sie ferschteckle sich selba. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Sie sind im Scheier am hayda [engl. to hyde]. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Sie sind am sich fersucha in die Scheier. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sie sind in die Scheier r an ferschteckle. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Sie sind am ferschteckle in die Scheier. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sie sind in d Scheier am ferschtekla. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Sie sind an ferschteckle in d Scheier. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sie sind an ferschteckle an d Scheier. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Sie sind am ferschteckle in die Scheier. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Sie sind am ferschteckle in die Scheier. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sie sind am ferschteckle draussn in die Scheier. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sie sind sich am ferschteckle im Scheier. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wo sind die Kinna? Sie sind am ferschteckle in d Scheier. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Sie sind sich am ferschteckle in dr Scheier. ❖ Zielsetzung der Erfragung: telische Verben; Verlaufsform; Reflexiva Situation 2.3.: You look out the window and you see the cherry trees in bloom. You say: “ Look, the cherry trees…” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin aus m Fenschder am gucka und ich sehna Kaar‐ schebeem. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Guck an d Kaarschebeem, sie hen Bluma. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Guck mal die Kaarschebeem, wie sie blieha. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Die Kaarschebeem gucke recht guud, sind realy am blieha. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ey, guck mal, wie schee, di Kaarschebeem sind am blieha. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Guck da drauss an die scheene Kaarschebeem! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Die Kaarschebeem sind am Kaarsche bringa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Du sehscht di Kaarschebeem am blieha. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sie sind awwer schee. 297 10.2. Transkript 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Kaarschebeem sind am blieha und die Imma [mhd. imme, dt. Biene] sind am flieya und sie (Kaarschebeem) sind nah am pollineyda. [engl.to pollinate] 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Guck uff di Kaarschebeema … 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Guck a mol die Kaarschebeem … 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich bin am gucka an di Kaarschebeem. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Guck mol an die Kaarschebeeme, sie sind so schee und sie riecha och guud. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Gucka mal an die Kaarschebeem … 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Guck a mool die Kaarschebeem, sie sind am blieha! 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Guck mol die Kaarschebeem sie sind am blieha. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Die Beem, gucket diese scheene Beem, die Kaarsche‐ beem … 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Guck, ’s sind Kaarschebeem. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Guck, die Kaarschebeem sind am blieha. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Die Kaarschebeem sind am blieha. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Guck mol an sell Kaarschebeem … 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Guck, die Kaarschebeem. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Guck a mol do an die Kaarschebeem … 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Guck a mol di Kaarschebeem, wie sie am blieha sin. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Look, selli three sind Kaarrsche! 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Guck, die Kaarschebeem … 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Die Kaarschebeem sind am blieha. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Guck die Kaarschebeem 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Guck, die Kaarschebeem sind an blieha. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Die Kaarrscheebeem sind am blieha. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Guck a mol an die Kaarschebeem … 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Guck e mol die Kaarschebeem … 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Guck mol, selli Kaarschebeem … 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ja, die Kaarschebeem sind an blieha.Guck a mol die Kaarschebeem … 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Guck a mol in die Kaarschebeem … 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Guck mol die Kaarsche … Kaarschebeem. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Guck mol d Kaarschbeem! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Guck mal di Kaarschebeem! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Guck mal di Kaarschebeem! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; Funktionsverbgefüge Situation 2.4.: An old friend complains about getting older. You res‐ pond: “We’re all getting older.” Say in Pennsylvania Dutch: 298 10. Anhang Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Mer sind alle am elda werra. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Mer werra alle ald. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Mer sind all elda am werra. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich hab onnlich viel Freind, as[vgl.dt die, Pl.] am grummla sind, wie sie elda werra. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Mer all sind am ald werra, so ’s es Leben. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Du bischt net d enzigscht, ass am elda werra is, mer werra all elda. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Mer sind all ald am werra. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Mer sind all am elda werra. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Mer sind all elda nau. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Man is yuscht so alt, wie es in dei Kopp is. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Mer sind meah ald griega. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Mer sind all am elda werra. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Mer sind all am elda werra. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ja, mer werra all elda … net yinga. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Mer sind all elta am griega. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Mer sind oll m eldra werra. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Mer sind all am eldra werra. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Mer sind alweil … many am elda werra. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Mer sind an elda werra. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Mer sind all am elda werra. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Mer werra all eldra jeder Daag. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Mer sind an olda werra. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Mer sind all am aelda werra. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Mer alle werra aldr. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Mer werra all elda. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Mer all sind elda. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Mer sind all am eldra werra. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Mer sind all am eldr griega. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Mer sind all am elda … alda … mer sind all am alda werra. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Mer sind all ealdra am werra. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Mer sind all am ealdr werra. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Mer sind all am ealra warre. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Mer sind alle ’n ealdr werra. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Mer sind ooh am eldra werra. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ja, mer sind all am old werra. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Mer sind all am ealdra werra. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Mer sind all old am werra. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Mer sind am ealdra werra! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wia sind dro ealdra werra. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Mer sind all am ald werra. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; habituelle Lesart 299 10.2. Transkript Situation 2.5.: Somebody wants to know what you usually do every Sunday at 4 in the afternoon. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich ruf zwee fon mein Freind, eins in Nazareth und d anna in Bethlehem. Ich ruf sie all Nachmidaag. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Ich bin mei Middaag am macha um vier Uhr Oweds … alledaag. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Du witt wissa, was ich am Sunndaag im vier Uhr am duhn bin? Die meischt Zeit bin ich mei Sonndaagschu‐ larewet am schaffa. Mer hen ebbas in d Sonndaagschul fer duhn. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich geh in di Karrich in mariyahts und Sundaag Nom‐ midaag wenn ich daheem bin um vier Uhr hab ich en Napp gnumma no bin ich am schloofa. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Alle Sundaag um vier Uhr mach ich mich ready fer Owedessa oder ich schloofe en bissl. Sell is, was ich duh, oder velleicht muss ich di Zeiding faddich lesa. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Di meinscht Zeit Sundaag Nomiddaag some about vier Uhr bin im am denga, was ich macha will, fer Owedessa. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Alle Sundaag gehne ich in di Karrich. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ebba will wissa, was am duhn bischt alledaag am Sunn‐ daag nach vier Uhr. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS I duh undeschiedle Dinga. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Alle Sonndaag sind man naus an die Oktion [engl. auc‐ tion] ganga … und mer duhn a antig Fehndung [vgl dt.Pfändung, Bedeutung Verkauf, Akution] einnehma da drunna. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Fieleicht, mer sind ’n readya fer essa. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Well, ebb ich (net) so ganz so ald waar, bin ich nach d Karrich ganga, awwer nau bin ich zufriede fer yuscht hocka und ruha. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Velleicht schloofa. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Alsemol am Sunndaag duhn ich Guckbox watscha, a nice car-race, alsemol duhn ich schloofa und alsemol duhn ich Wascht esse un a guudi Bier saufa. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Oh, sunndaags so rum vier Uhr, duhn ich velleicht en bissl schloofa. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Oft di Zeit am Sunndaag Nommidaag um fieh Uhr sind ebbas ’m bsucha … visitng. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sonndaag nochmiddaag sind ma ’m d Widdweiba bsucha oder Baby-calls macha. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Am ruha. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Lesa, bsucha. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Schloofa, ruha, fischa … 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Sunndaags nomiddaags bin ich am schloofa um vier Uhr. 300 10. Anhang 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich bin an Napp nehma am Sundaag … 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Mer sind am heem kumma von de Gmend oder am essa. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich geh in die Kaffi-shop a bissl Kaffi dringa und a bissl lesa. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Sonndaag nomiddaags hockat mer als in di Schauk‐ lschtuhl, die Zeiding am lesa und duhn a einschloofa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS ---blank--- 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Am Sonndaag nomiddaags … net fiel … velleicht wenig ruha, velleicht wenig laafa … 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich hab nigsch geduhn heit, geschdern waar ich am Hoy macha. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Mer sind imma am schloofa, um vier Uhr Sondaag no‐ middaags. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Mer sind ready an griega for supper essa. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich bin net imma d sell Ding am duhn. Am SunnDaag warn mi am heemkumma von New York. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sunndaag nochmiddaags duhn mer alle ruha. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D ferganga Sonndaag Nomiddaag do waar mer drina in d creek ’n schwimma. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Andre Yaahr sind mer bloss fartganga, weesch? Ebbas schons bsucha. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Well, uff d Zeit sind mer am essa, odr mer sind am bsucha in die Nochmiddaag … uff d Zeit, awwer net all‐ weil. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Eemol s wennich rumloofa, fartgeha, whatsever … 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA … oh, schloofa … Ich bin am schloofa … ich sell schlofa. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Ebba will wissa, was mer kenna duhn am Sonntag Noch‐ midDaag um vier Uhr rum. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Usually am ruha! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Mer duhn heem kumma un Pop-Korn essa … von der Gmeea. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; habituelle Lesart; tun-Phrasen Situation 3.1.: Some children are playing very noisily in the backyard. You ask them to be quiet, because at this time Grandpa usually sleeps inside. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Dihr misst ruhich sei, fonwe d Doody is am schloofa. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Schwetzt net so laut, dihr misst a bissl ruhich sei. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Kinna, seid mal ruhich, d Granpap is am schloofa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Die Junge sind realy a guude Zeit am haba, man kann sie guud hera, awwer sie sellt a wennich ruhich sei, d Pap will schloofa. 301 10.2. Transkript 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Seid so guud, macht net so viel Larm, d Grosspap is inna und is wennich am schloofa. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich hab sie gfrogt, net viel Zucht macha, weil d Gross‐ dady am schloofa is. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Junga, seid mal a wennich ruhig, d Alde will schloofa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS A Dheel von d Kinna sind am schpiela im hinaschter Hof und do saagscht, sie sollt net so laut sei, derweil di Grandpap is am schloofa. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Seid ruhich, d Grandpap is am schloofa. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D Grossdoody deet gleich a wennich Schlumma nehma, so sie sellat ruhich sei. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Du muscht ruhich sei, dei Grossdady is rei am schlafa. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Kinna, seid ruhich, d Grandpap is am prowiera Schloof zu kriega. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Kinna, dihr machet zu viel Zucht … while d Grossdoody is am schloofa. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Nau Kinna, dihr sellt ruhich sei, d Grandpap is am schloofa. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Kinna, kannscht du net so laut schpiela! D Grandpap is am schloofa. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Du frogscht sie fer sachde sei, weil d Grossdoody is am schloofa. Do Doody is an sei Napp nehma, sind sachde. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Kinna, seid wenig sachde, d Doody is am schloofa. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Dihr sellat sachde sei, Grossdady is am schloofa. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Seid sachde, d Doody is am schloofa. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Kinna seid ruhig, d Grossdoody is drin am schloofa. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Seid ruhich Kinna, d Grandpap is am schloofa! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Dihr sind realy laat da drass, kennat dihr wennich quiter sei, couse d Doody is am schloofa. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Hey, seid schtill da drossa, d Doody is am schloofa. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Seid ruhich, weil d Grandpap am schloofa is. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Kinna, dihr missatz ruhich sei, wisst dihr net, ass d Grandpap am schloofa is? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS D Granpap schlooft, dihr missat net so laut schpiela! 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Junga, bleibt ruhich, d Granpap is am schloofa oder is dohin am schloofa. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Du saagscht dihna fer quiet sei, because d Grandpa is am schloffa. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Di Kinna sind yachtich, sie sella ruhich sei, so ass d Grossdoody schloofa kann. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Kinna, dihr misset ruhich sei, d Grandpa is am schloofa, inside. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Seid ruhich,do der Grossdoody is am schloofa,inside. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Seid a wennich ruhich, weil d Doody is am schloofa. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Kinna, dihr bessa sind husch[unklar], d Doody is ’n schloofa drin ins Haas. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sind net so laut, der Doody is an schloofa dadrin. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Mor saagt, sie seall ruhig sei, for weil d Doody will schloofa inside, ja. 302 10. Anhang 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Di Kinna missa ruhich sei, d Grossdoody is am schloofa, oder d Doody is am schlofa. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Du frogscht sie fer ruhich sei, because d Doody is am schloofa drin. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA D Doody is am schloofa! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Dihr misset still sei, d Doody is am schloofa! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA D Doody is am schloofa. Eah hat sie gfrogt, for still sei. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; progressive oder habituelle Lesart Situation 3.02.: The sun rises at 5: 45 and the rooster crows and the hens cackle. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Die Sunn kummt uff an Faddl bis sexe und d Hohna greath und die Hinkl kackla. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Selli Zeit is Zeit zum uffschteha und schtarta schaffa. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Die Sunn kummt uff im Faddl bis sexe marriyets und d Hohna is scho am greah und die Hinkl sind am kackla. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Die Sunn kummt ruf am Faddl bis sexe und die Hohna greaht und die Hinkl kackla. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Die Sunn kummt hoch um Faddl for sexe, die Hohn greaht und die Hinkl sind am gaxa. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Die Sunn is ufkumma d Maryih um Faddl bis sexe, d Hohna hat gegreaht und die Hinkl hen … I don’t know. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Alle Maiyrah um finf Uhr groaht d Hohna … 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Sunn kummt … geht nuff um 5.45 und da Hohna da greaht und die Hinkl machat Zucht. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS … Faddl bis sexe und d Hohna greischt und die Hinkl sind an… greischa. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Sunn kummt ruff um Faddl bis sexe und d Hohna greaht und Hinkl sind am gaxa, es is Zeit fer uffstchteha und naus geh und die Kieh melka und die Oia sucha. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Am en Firtle bis sexe … die Hahna greaht un die Huhna kiriyakie-kiriyakie. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS … d Hohna is am greaha und die Hinkl sind am kackla. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Die Sunn kummt uff um finf und Dreifaddl Uhr und d Hohna is am greaha und die Hinkl sind am gaxa. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Die Sunn kummt ruff um Faddl bis sexe und d Hohna groeht und die Honna sind am gackla. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Die Sunn kummt nuff um Faddl bis sexe und die Hahna greaht und die Hinkl sind am gaxa … velleicht. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Die Sunn kummt uff um Faddl bis sexe, und die Hohna kreaht und die Hinkl sind am gaxa. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Die Sunn kummt ruff um Faddl bis sexe, die Hohna is am greah und die Hinkl sind am gaxa. 303 10.2. Transkript 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Die Sunn is am rufkumma und d Hohna is am kroah un Hinkla sind an … 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Die Sunn kumm tuf an Faddl bis sexe, und d Hohna is am greha und die Hinkl sind am kackla. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Die Sunn kummt ruff an Faddl bis sexe, und d Hohna greaht und die Hinkl gaxa. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS … die Hohna is am kreha und die Hinkl sind am gaxa. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Die Sunn kummt ruff im finf … 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Die Sunn kummt uff am Faddl bis sexe, und die Hohna is an graeha und die Hinkl sind an kackla. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Die Sonn is am uffgeha um Faddl sexe, die Hohna greaht und die Hinkl sind am gackla. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Die Sunn waar scho am ufkumm um Faddl bis sexe, d Hohan waar am kraeha und die Hinkl am gaxa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Die Sunn kummt uff um finf … und d Rooster … und die Hinkla kackla. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Es is Daaghelling am Faddl bis sexe, d Hohna greaht und die Hinkl…ich wees net, wie man gackla saagt. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Die Sunn kummt ruff um Faddl bis sexe, die Hohna greaht und die Hinkl kackla. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Die Sunn kummt ruff um finf … finf Uhr, und d Hohna greaht, und die Hinkl gaxa. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Die Sunn kummt uff um Faddl bis sexe, Hohna greahat und die Hinkl sind an kackla. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Die Sunn kommt uff Faddl vor sexe, der Hohna greaht un die Hinkle gaxa. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Die Sunn kommt uff Faddl bis sexe, und der Hohna greaht, und die Hinkl sind am gaxa. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Sunn kummt uff an die Faddl bis die sexe maryhens, die Hohna greaht und die Hinkl …/ Sohn hilft/ gackse … duhn si, gwiss. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Die Sunn geht uff am Faddl bis sexe, d Hohna kreaht, die Hinkle sind an…/ gaxa…SOHN hilft/ . 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Die Sunn is am uff komma und die Hohna sind ’m greaha und Hinkle sind ’m kackla..or..gaxa. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM … d Hohn is am greaha un die Hinkl sind am gaxa. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Die Sunn kummt hoch um Faddl bis die sexe und d Hohn is am kreaha und die Hinkl sind am gaxa. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA D Sunn kommt uff am Faddl bis sexea, d Hohna kreaht un die Hinkl sind am gaxa. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Die Sunne is am scheina un finf Uhr maiyrats un d Hahn is am kreha un die Hinkel sind am gaxa. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA D Sunn kummt uff um Faddl bis sexe, un do Hohna greaht ins Hinkelhaus und die Hinkel kackla. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; intransitive Verben, habituelle Lesart 304 10. Anhang Situation 3.03.: The teacher barges into the noisy classroom and says: “What’s going on here? ” Ask in Pennsylvania Dutch: ? Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Was is dann am oahgeha? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Was ist am oahgeha in di Schtubb? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Was geht do in d Schtubb oh? Was macht dihr? 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Was geht oh dohin, was seid dihr am duhn? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS D Schulmeschter: Hey Kinna, was is do am geha, was duht dihr? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D teacher is zu d Schtubb neigschprunga und hat gfrogt, fer was so viel Zucht am oahgeha is dohin. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Was geht oh dahin? Es is zviel Zucht. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D teacher frogt,was am oahgeha is in sella Schtubb 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Was geht oah do? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D theacher witt wissa, fer was sie so laut sind und fer was sie nett am schtuddiera sind. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM D Schulmeischta saagt: Was is gedrau [unklar]? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Was is am oahgeha? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Was is am oahgeha do? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Was is am oahgeha do 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Was geht oah do? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA D teacher looft nei in d Schulhaus und saagt: Was is am oahgeha do? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Was is am oahgeha do? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Was is am oahgeha do? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Was is am oahgeha dohin? 20 em_m_60_BER_dei_OOM D teacher kummt in die yachtich Schthubb nai schnell und frogt: Was is am oahgeha do? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Was geht oah do? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Was is los? or Was is an oahgehya darum? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Was is am oahgeha do? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Was is am geha do? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Was geht oah dahin? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Was geht oah do? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Was geht do oah? … odr Was is am oahgeha do? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Was geht oah do? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Da Leahrna kuumt in di Schuulroom und saagt: Was geht do oah? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Was is oah an geha do? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Was is los … Was geht oah? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Was is am oahgeha do? 305 10.2. Transkript 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D teacher kummt rein in die yachtich Schtubb und saagt: Was is am oahgeha dahin? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Was is am oahgeha do? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Was is am oahgeha dohin? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Was is am oahgeha do hin? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA D teacher kommt in an yachtich Schtubb nei und saagt: Was is am oahgeha do? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA D teacher kummt rein in d classroom un saagt: Was is am oahgeha do? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Was is am oahgeha do? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Was is am oahgeha do? ❖ Zielsetzung der Erfragung: trennbare Verbzusätze; Verlaufsform; intransitive Verben Situation 3.04.: Peter runs to the park every day. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS D Peder schpringt zu d Park alledaag. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Do schpringt d Peder alledaag in d Park. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt alledaag in d Park rum … nach d Park. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS D Peder schpringt nach d Park alledaag. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS D Peder laaft zum Park alledaag. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt nunna zum Park alledaag. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS D Peder schpringt naus in d Park alledaag. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Peder, der schpringt alledaag nach d Park. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Alledaag Peder schpringt zu d Park … eah duht zu d Park schpringa. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D Peder schpringt alledaag nunna in d Park. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Peder schpringt jeden Daag zum Park. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS D Peder schpringt nach m Park alledaag. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS D Peder schpringt zum Park alledaag. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS D Peder schpringt alledaag ins Park. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS D Peder duht schnell alledaag zum Park runna. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA D Peder schringt zum Schpielgrund alledaag. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Peder schpringt zu d Park alledaag. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Petrus schpringt zu d Park alledaag. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Peder schpringt alledaag in d Park. 20 em_m_60_BER_dei_OOM D Peder schprpingt zu d Park alledaag. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt nach m Park jeda Daag. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D Peder schpringt zu d Park alledaag. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM D Peder schpringt zu de Park alledaag. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS D Peder laaftz in d Park alledaag. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Peder schpringt alledaag nach m Park. 306 10. Anhang 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Peder schpingt zu d Park alledaag. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS D Peder schrpingt alledaag zum … zu d Park. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM D Peder schpringt zum Park alledaag. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM D Peder schpringt zu di Park alledaag. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM D Peder schrpingt zu d Park alledaag. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM D Peder schpringt nach d Park alledaag. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM D Peder schpringt zu d Park alledaag. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Peder schpringt zu d Park alledaag. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Peder schrpingt zu d Park alledaag. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA D Peder schrpingt zu de Park alledaag. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM D Peder schpringt in d Park fer alledaag. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA D Peder schpringt zu de Park alledaag. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA D Peder schpringt zu d Park alledaag. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Peder schpringt zu d Park alledaag. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Peder schpringt zu di Park alledaag. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; direktive Verben, telische Lesart Situation 3.05.: Peter runs for 30 minutes every day in the park. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS D Peder schpringt 30 Minudde im Park alledaag. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Und d Peder schpringt 30 Minudde alledaag in d Park. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag im Park rum. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag in d Park. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS D Peder laaft fer 30 Minudde in d Park alledaag. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt alledaag fer 30 Minudde dadrunna im Park. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Alledaag schpringt d Peder 30 Minudde. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Peder schpringt en halb Schtund alledaag in d Park. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Peder duht fer 30 Minudde alledaag schpringa in d Park. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D Peder is am schpringe fer n halb Schtund alledaag. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Jeden Daag Peder schpringt fer 30 Minudde darrich ins Park. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag im Park. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag im Park. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS D Peder duht schpringa fer 30 Minudde alledaag. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS D Peder duht fer 30 Minudde alledaag im Park runna. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA D Peder schpringt alledaag fer 30 Minudde in Schpiel‐ grund. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Peder schpringt a holb Schtund alledaag. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Petrus schpringt in d Park fer 30 Minudde alledaag. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Peder schpringt alledaag 30 Minudde in d Park. 307 10.2. Transkript 20 em_m_60_BER_dei_OOM D Peder schpringt fer about 30 Minudde alledaag in d Park. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS D Peder schpringt 30 Minudde jeda Daag im Park. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D Peder schpringt … 30 Minudde … in d Park alledaag. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Eah schpringt in d Park fer 30 Minudde in d Park alle‐ daag. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS D Peder laaftz oder schpringt fer 30 Minudde alledaag in Park. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag im Park. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS D Peder schpringt 30 Minud alledaag im Park. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS D Peder schringt alledaag fer 30 Minudde im Park. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag im Park. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM D Peder schpringt 30 Minudde alledaag im Park. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag in de Park. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Eah schrpingt rum im Park alledaag. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM D Peder schpringt an halb Schtund in d Park alledaag 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Peder schrpingt fer 30 Minudde alledaag in d Park. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA D Peder schrpingt fer 30 Minudde alledaag in d Park. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA D Peder schrpingt 3(0! sic! ) Minudde alledaag in d Park. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag in d Park. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA D Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag in de Park. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Peder schpringt fer 30 Minudde alledaag in the Park. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Peder spchringt fer n halb Schtund in d Park alledaag. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Peder schpringt 30 Minudde alledaag in d Park. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; lokative Verben, atelische Lesart Situation 4.01.: Someone asks about Peter. He’s now in the bathroom wa‐ shing up. Question: What’s Peter doing? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Eah is in d Badschtubb sich am uffwescha. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Eah is sich am wescha in d Badschtubb. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Eah is nau in d Badschtubb sich am wescha. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Eah is in d Badschtubb, eah is sich am uffbutza. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Eah is im Badschtubb sich am uffwescha. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Peder is droba im Badschtubb un is sich am wescha. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS D Peder is in d Badschtubb, eah is sich am wescha. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Peder waar im Badschtubb am uffwescha. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS D Peder is in d Badschtubb uffbutza. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D Petrus is in d Badschtubb sich am wescha. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM D Peder is im Waeschhaus uffbutza. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, eah is in d Badschtubb sich am wescha. 308 10. Anhang 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS D Peder is in d Badschtubb, eah is sich am wescha. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Eah is in d Badschtubb sich am uffwescha. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Eah is im Badschtubb und eah is uff am wescha. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Eah is in d Badschtubb am sich wescha. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Peder is im bath … am wescha. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Eah is in d Baedschtubb sich an wescha. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Peder is in di bathroom an sich wescha. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Eah is nau in di Baedschtubb am uffwescha. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Eah is in d Badschtubb am sich uffwescha. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D Peder is an uffwescha. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Peder is in de bathroom am uffwescha. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Eah is im Badschtubb am uffwescha … sich selbad am wescha. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Peder is alleweil in d Badschtubb am uffwescha oder di Haend am wescha. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Eah is na im Baedschtubb uffwescha. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS D Peder is in d Badschtubb, er is am uffwescha … or er waescht sich selva … or Er ist sich selva am wescha. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Eah is nau im Badschtubb am wescha. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM D Peder waar im Badschtubb am sich uffwescha. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM D Peder is in de Baedschtubb uff an wescha. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Eah is im Bad sich am wescha. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM D Peder is am uffwescha. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Peder is droba in d Baedschtubb sich an uffwescha. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Eah is nau in d bathroom ’m sich sauwer macha. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Eah is nau ’n Baedschtubb fer uffwescha. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM ---blank--- 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Eah is nau in d Baedschtubb uff am wescha. D Peder is sich saubr uff am butza. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Er is nau in the bathroom am sich wescha. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Peder is in d bathroom am sich wescha. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Was is d Peder am duhn? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Reflexiva Situation 4.02.: Someone asks about Peter. He’s in the bathroom shaving Grandpa’s beard. Question: What’s Peter doing? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS D Peder is in d Badschtubb, eah is em Doody sei Bart am scheyva … schneida … am balwiera. Sell is recht. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS ---blank--- 309 10.2. Transkript 3 dk_w_70_BER_eng_DTS D Peder is alleweil im Badschtubb mit sei Granpap und is sei Bart am scheyva … am balwiera. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Eah is in d Badschtubb, eah is dem Pap sei Bart am ab‐ macha. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Eah is in d Badschtubb und balwiert em Grandpap sei Bart. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Peder is in d Badschtubb uns is sei Grossdady sei Bart am balwiera. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS D Peder is in d Badschtubb und eah is sei Hoar am ab‐ nehma. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Peder is im Badschtubb und is d Grandpap sei Bart am scheyva. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS D Peder und d Grandpap sind in Badschtubb und d Peder dudh d Grandpaps Bart balwiera. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich hab net gwisst, ass Petrus seim Grossdoody sei Boat am scheyva is. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Eah is im Waeschhaus seim Grossdoodys Bart ’m schoora. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Eah is in d Badschtubb und eah is em Grandpap sei Bart am scheyva. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Eah is in d Badschtubb his Grandfather beard … Bart am scheyva. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS D Peder is … in d Badschtubb und nehmt d Grandpaps Backbart ab. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS D Peder is im Badschtubb, eah is Grandpap sei Bart am abnehma … or scheyva. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Eah is an d Doody sei Gsicht scheyva. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Peder is im bathroom d Doody sei beard … oder Boath scheyva. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Eah is in d Baedschtubb am scheyva … d Doody sei Bart scheyva. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Eah is in d bathroom d Doody sei Boath am scheyva. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Eah is in di Baedschtubb d Grossdady sei Bart am scheyva. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS D Peder is d Granpap sei Bart am scheyva. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D Peder is in d Badschtubb d Doody sei Bart an scheyva. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM No is eah in d bathroom dem Doody sei Bart scheyva. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Eah is im Badschtubb mit dm Granpap und em Grandpap sei Bart am balwiera. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Peder is alleweil in d Badschtubb em Grandpap sei Backebart am balwiera. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Eah is in d Beadschtubb shaving d Grossdad’s beard. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Der Peder is in d Badschtubb, er is em Grandpap sei Bart am rasiera. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Eah is im Baedschtubb em Grandpaps Bart am scheyva. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Eah is im d Badschtubb fer scheyva … sei Hoarbart scheyva. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM D Peder is die Baedschtubb die Grossdoody sei Bart am scheyva. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM D Peder is sei Grossfatha am helfe scheyva, balwiera. 310 10. Anhang 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM D Peder is an da Doody sei Boart scheyva. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Peder is in d Baedschtubb d Doody sei Bart an scheyva. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Eah is nau in the Badschtubb d Doody sei Bart ’m scheyva. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA D Peder isch in d Beadschtubb shaving Graan … der Grandpa sei Bart scheyva. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM D Peder isch in d Baedschtubb am Doody sei Bart scheyva. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Eah is in d Baedschtubb und d Doody sei Bart am scheyva. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Er is in the bathroom dem Doody sei bart scheyva. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Perer is in d bathroom am d Doody sei Bart scheyva. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Eah is in d bathroom an d Doody sei Bart scheyva. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; kausative Verben Situation 4.03.: You’re cutting your children’s hair. Suddenly your neighbor comes in and asks: What are you doing with the scissors? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin di Kinna dihre Hoar am schneida. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Bin mei Kinnas Hoar am schneida mit di Scheere. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich bin di Kinna dihra Hoar am schneida. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Di Junga missat en Haircut haba … 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich bin d Kinna dihra Hoar am schneida. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich bin di Junga dihre Hoar am schneida. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich bin di Junga dihra Kopp am butza. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich bin di Kinna ihra Hoar am schneida, wie d Nochber gfrogt hat, was ich am duha waar. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich bin d Kinnes Hoar ’m schneida. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich waar d Hoar am schneida. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Was duhscht mit m Schnidda? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, ich bin am d Kinna dihra Hoar schneida und sell is, was ich am duhn bin mit dr Scheer. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich bin di Kinna dihra Hoar am schneida. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich hab die Scheere und ich bin die Hoar am ab am nehma uff di Kinna. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sella Schneida..scissors. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Ich bin an den Kinna en Hoarcut gewwa … Ich bin an d Kinna dihra Hoar schneida. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich bin d Kinne ihra Hoar am Scheera. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich bin di Kinna sei Hoar am schneida. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Was bischt am duhn mit d Scheera? Ich bin an die Buba dihra Hoar schneida. 311 10.2. Transkript 20 em_m_60_BER_dei_OOM Mer sind di Kinna dihre Hoar am schneida. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sell Scheer? Ich bin sei Hoar am schneida. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Was bischt du an duhn mit di Scheera? Ich bin mei Kinna dihra Hoar an schneida. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Bin an di Kinna dihra Hoar schneida. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich bin meine Kinna dihra Hoar am schneida mit Scheere. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich hab di Scheer griegt fer di Kinna dihra Hoar schneida. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Was duhscht du mit d scissors? Di Kinna dihra Hoar clippa. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Was bischt du am duhn mit di Scheer? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Was bischt am schaffa mit di Scheer? Du bischt an dei Kinna Hoar schneida. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Was duhscht du mit di Schear? …/ Nachfrage: Was duhscht du mit di Schear? … Oh, di Junge dihra Hoar schneida. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Was bischt du an duhn mit d Scheera? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich bin die Kinna am scheera. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich bin die Kinna an haircut gewwa. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Was bischt Du ’n duhn mit di Scheera? Du bischt di Kinna eahre Hoar an scheera. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Was bischt du am duhn mit sell Schear? Ich bin an mei Kinnan an hearcut gewwa. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Mer sind die Kinnar ihre Hoar am schneida … Was sind wir am duhn mit dera Scheera? Wir sind die Kinnar am hearcut gewwa. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Was bischt Du am duhn mit die Schear? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Was bischt Du ’m duhn mit dera Scheera? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Was bischt am duhn mit d Scheera? D Kinner dihre Hoar Scheera. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Ich bin am di Kinner dihra Hoar Scheera. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Mer sind am die Kinna dihra Hoar Scheera. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; am-Progressiv-Klammer Situation 5.01.: You’re helping your aunt pickle cucumbers in her kitchen. A friendly neighbor stops by for a visit. She asks you: What are you doing here in your aunt’s kitchen? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin am Pickls keanna.[engl. to can; dt. einmachen] 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Mer sind am Gummara [vgl. engl. cucumber] keanna. 312 10. Anhang 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich hab di Auntie gholfa, Gummara zu lesa und nau sind mer sie am in di Dschara [engl. jar, dt. Einmachglas] am duha. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Mei Auntie is am Cucambers wegmacha. Ich bin am helfa mei Auntie Cucambers zu dschara in d Kich. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich bin am einmacha fon Gummra mit mei aunt … mit meinr aunt. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich bin do in mei Aunties Kich am Gummara wegduhn. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Was seid dihr do am duhn in d Kich? 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich bin mei Auntie am helfa di Gummra am rubba. [engl. to rub; dt. reiben, saubermachen] 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich bin mei Auntie helfa for Gummara uffgeduh. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Die Auntie is am Gummara zerecht macha. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich bin do heit, meine Auntie helfa zu pikli macha. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich bin’r am helfa … Cucamber … keanna. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich bin ihr am helfa di Gummara am schneida. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Mer sind Gummara am uffduhn ins Kich fer di Grandmam. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Sie sind savra Gummara mit Essich am macha. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wir sind Pickls … wir sind Cucambers ’n pickla. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich bin meinr Auntie an helfa Pickles keanna in unsra Kich. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Was bischt du an duhn in dei aunts Kich? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Was bischt am duhn do in dei Auntie dihre Kich? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sie ist am helfa Pickls schneida. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich bin mei Auntie am helfa Gummara kocha und dscharra. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich bin mei Auntie helfa Pickls keanna. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Sind an Pickls keanna. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Mer sind am Cucambra saura in meinr Auntie dihre Kich. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich bin in d Auntie dihra Kich alleweil, mer sind am Gummara kaenna. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ich helf die Auntie die Pickla in dihra kitchen … 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Ich bin mei Auntie am helfa mit Gummra. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Sie sind am Gummara wegduhn. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Ich waor an d Auntie gholfa, Gummara keanna. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Was bischt du an duhn in dr Auntie sei Kich? … Ich bin die … Mer sind Cummara an keanna. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich bin am helfe die Pickls … butza … Gummara butza. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Mer sind an Pickls keanna. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Du bischt d Auntie ’n helfa Pickles keanna in d Kich. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Mer sind an Pickles macha. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Oh ja, mer sind am Pickles keanne in der Kich … 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Was bischt Du am duhn in dei Auntie dihr Kich? Sie ’s am Pickles weg macha. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Ich bin die … Ich bin mei Auntie am helfa Pickls keanna. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Mer sind am Cucumbrs Pickla in d kich. 313 10.2. Transkript 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Mer sind am Pickles keanna. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Du bischt an d Auntie helfa, Gummara Pickla in d Kich. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Dativ-Objekte Situation 5.02.: Someone enters the room, while you are writing a letter to Samuel. The person asks you: Oh, what you are writing? Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin en Brief am schreiwa zum Samuel. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Ich schreib und frog was eah am duha is. Ebb eah am schloofa is, oder ebb er am ufschpringa is. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich bin en Brief am schreiwa an d Samuel. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich bin am schreiwa zu d Samuel. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich schreiwe en Brief an d Samuel und ich frag ihn, was er duht und wie es seinra Familie geht. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich bin en Brief am schreiwa zum Samuel. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich bin d Samuel en Brief am schreiwa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich waar am schreiwa zu d Samuel. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich bin en Brief ’m schreiwa fer Samuel. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich bin en Brief am schreiwa zu d Samuel, ich hab ihn nett gschriwwa fer paar Munat und ich will ihm saaga was am ohgehya is … 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich bin en Schrift zum Samuel schreiwa. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, ich bin en Brief am schreiwa zum Samuel. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Was bischt am schreiwa? Ich bin am schreiwa zum Sa‐ muel …Brief. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich bin am schreiwa zum Samuel. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Ich bin ebbas am schreiwa zu Samuel. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Du bischt en Brief ’n schreiwa zu d Samuel. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich bin d Samuel en Brief an schreiwa. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich bin zu d Samuel an schreiwa. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Ich bin d Samuel en Brief am schreiwa. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Du bischt en letter am schreiwa zu d Samuel. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich bin en Gschicht am schreiwa. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich bin d Samuel en Brief an schreiwa. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Bin an de Samuel en Brief schreiwa. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Was bischt am schreiwa? Ich bin en Brief am schreiwa. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich bin alleweil an Brief am schreiwa zum Sam. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ebba kummt in room while du bischt am letter schreiwa zum Samuel und frogt: Was bisch du writing? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Oh, ich schreiwa an Brief zu d Samuel. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich bin am an Brief schreiwa zu d Samuel. 314 10. Anhang 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Fer was bischt du am Brief schreiwa? … or … Was bischt du am schreiwa? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Ich bin en Brief ’n schreiwa zu d Samuel. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich bin en Brief am schreiwa zu d Samuel. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich bin an Brief schreiwa zu de Samuel. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Was bischt du ’n schreiwa? Du bischt an letter schreiwa zu d Samuel. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Ich bin an letter schreiwa zu d Samuel. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Do in die Schtubb waar ma am en Brief zu de Samuel schreiwa.Do frogt man, wos man am schreiwa is. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Bin an e Brief schreiwa. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Was bischt du am schreiwa? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Ich bin am Brief schreiwa zu dem Samuel. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Mer sind dro a Brief schreiwa. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wem ich am schreiwa bin … ? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Dativ-Verben Situation 5.03.: You find a hat on a bench. You ask whose hat it is. Susan answers: “The hat belongs to John”. Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Des is em Dschon sei Hut. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS D Hut belongt zu d Dschan. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wem sei Hut is des? Zu wem gheert dera Hut? Es gheert zum Dschan. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Wem sei Hut is des? Sella Hut gheert zum Dschan. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Wem sei Hut sell is? D Hut gheert dem Dschan. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Du Hut belongt … gheert zum Dschan. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wem sei Hut is do uff dr Bank? 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Dschon hat sella Hut. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sell is Dschans Hut. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich deng ’s belongt velleicht … gheert beim Dschan,ich wees nett, ich hab d Dschon nie net gsehna, ass eah n Hut ohghabt hett. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Sell is Dschon sei Hut. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, di Hut is m Dschan sei … 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Zum wem des Hut … belongt? D Hut belongt zum Dschon. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Sella Hut is d Dschan sei Hut. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Wes sei Hut is des? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wer sei Hut is sell? Oh, sell Hut gheert zu d Dschonni. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA D Hut gheert zu d Dschan. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA D Hut gheert zu da Dschan. 315 10.2. Transkript 19 de_m_55_LAN_dei_OOA ’s d Dschan sei Hut. 20 em_m_60_BER_dei_OOM D Hut gheert zu Dschan, es ist d Dschan sei Hut. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Wem is des Hut? or Wem gheert des Hut? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Hut … Sell is d Dschan sei Hut. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Des is da Dschan sei Hut. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Des Hut is em Dschan sei Hut. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Da Hut gheert zum Dschan. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Des Hut belongt zu Dschon. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sell is em Dschon sei Hut. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM D Hut belongt zum Dschon. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Und du saagscht was … Hut is sell? Sell gheert zu d Dschon. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Da Hut gheert zu da Dschon. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM D Hut gheert zum Dschon. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sella Hut gheert zu d Dschan. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Hut gheert zu d Dschan! 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sella Huat ghert zu da Dschon. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Mo findt a Hut uff d Bank, und du frogst, wear sei Hut ’s isch. D Hut gheert zu d Dschon. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Sella Hut gheert zu d Dschon. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Wear sei Hut isch sell? … Sella Hut gheert zu d Dschon. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sella Hut gheert zu da Dschon. Sella Hut is d Dschon sei. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Sell is d Dschon sei Hut. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wear sei Hut ass der is … D Susann hat ganswert, d Hut is em Dschon sei. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Dativ-Objekt Situation 5.04.: You met John in town yesterday. Now you talk with Steven and he asks you, when did you last see John. You answer: “I met him in town yesterday”. Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich hab ihn in d Schtadd gsehna geschdern. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Ich hab zum Dschan gsaagt, ass ich d Steven gsehna hab, am schoppa. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich hab d Dschan geschdern gsehna, eah waar in d Schtadd. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich hab ihn ohgetroffe geschdernrn in d Schtadd. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich han ihn geschdern im Schtettl gtroffa. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich hab d Dschan ohgetroffa geschdern in di Schtadd. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich hab ihn gesehna drunta im Schtettl geschdern. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich hab ihn yuscht geschdern gsehna. 316 10. Anhang 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich hab den geschdern in Schtadd gesehna. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich hab ihn gsehna im Schtettl unna geschdern 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Geschdern ich hab ihn ins Schtettl gesehna. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, ich hab ihn ohgetroffa im Schtettl geschdern. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich hab ihn ohgetroffa im town geschdern. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich hab ihn gekennt geschdern im Schtadd. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Ich hab d Dschan im Schtettl gsehna. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Ich hab eahn gsehna im Schtettl geschdern. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich hab d Dschan ohgetroffa geschdern. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich hab ihn ohgetroffa in d Schtadd geschdern. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Ich hab ihn ohgetroffa im Schtettl geschdern. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Ich hab dhin gsehna im Schtettl geschdern. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich hab eahn ohgtroffa im Schtettl geschdern. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich hab ihn ohgtroffa geschdern. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Hab ihn ohgetroffa in d Schtettl geschdern. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich hab ihn im Schtettl geschdern getroffa. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich hab da Dschan geschdern in d Schtad gsehna. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ich hab eahn gmeet [engl.to meet] im town geschdern. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Ich hab eahn geschdern ohgetroffa im Schtettl. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich hab eahn gsehna im Schtadd geschdern. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM I hab eahn gsehna im Schtettl geschdern. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Ich hob dich ohgetroffe in d Schtettl, geschdern.. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Oh, ich hab eahn geschtrn ohgtroffa, im Schtettl. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich hab eahn ohgetroffa in Schtettl geschdern. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM I hab eahn ohgetroffe im Schtettl geschdern. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Ich hab eahn geshena in d Schtadd geschdern. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ja, i hab eahn ohgtroffa im Schtettl geschtra. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Ich hab d Dschan ohgtroffa im Schtettl geschdern. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA I hab eahn ohgtroffa in dr Schtettl geschdern. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA I hab eahn ohgetroffa geschdern. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA I hab eahn ohgetroffa in der Schtadd geschdern. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Ich hab eahn ohgetroffa in die Schtadd geschdern. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; topologisches Mittelfeld Situation 5.05.: It’s cold outside and your housemate openes the window to let in some fresh air. You feel the draft and say: “Close the window please, I'm getting cold! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Mach di Fenschder zu, ich bin am kald werra. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Mach ’s zu, ich bin kald. 317 10.2. Transkript 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Mach ’s Fenschder zu, ich bin kald am werra. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS ’s ornlich windig draas, mach di Fenschder zu, ich bin kald. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Mach ’s Fenschder zu, mir is kald. Es is do am kald werra. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Deetscht gern s Fenschder zumacha, ich bin am kald werra. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Mach sell Fenschder zu, ’s is wennich kalt dohin. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Mach d Winda [engl. windows] zu, ich bin kald am werra. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich bin kald, mach di Fenschder zu. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Du muscht d Fenschder zumacha, ich wadd zu schteiff. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Machscht du Fenschder zu, ich friera. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Mach ’s Fenschder zu, ich bin am kald werra. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Mach ’s Fenschder zu, ich bin am kald werra. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Mach sella Fenschder zu, ich bin am ferfriera. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Mach di Fenschder zu, ich wird kalt. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Papa, machs Fenschder zu, ich bin ’n kald werra. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Mach de Fenschder zu, es is am kald werra. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Mach des Fenschder zu, ich bin kald ’m werra. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Mach please d Fenschder zu, es is am kald werra dohin … Mach please d Fenschder zu, ich bin am kald werra. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Mach ’s Fenschder zu, ich bin am kald werra. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Mach ’s Fenschder zu, ich bin am kald werra. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich bin an kald werra, kannscht du d Fenschder zu‐ macha? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Mach ’s Fenschder zu, ich bin am kald werra. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Mach di Fenschder zu, ich waad kald. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Mach ’s Fenschder doch zu … ’s isch am kald werra. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Mach sell wind … Fenschder zu, ich grieg cold. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Mach ’s Fenschder zu, ich bin kald. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Mach ’s Fenschder zua, ich bin am kald griega. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Mach di Fenschder zu, ich werd kald. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Mach d Fenschderr zu, ich bin kald am werra. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Mach ’s Fenschder zu, es mach mich … ich grieg negscht Ferkelting. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Deetscht du gerne Fenschder zumacha, ich bin am kald werra? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Mach sell Fenschder zu, ich bin an kald werra. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Mach ’s sell Fenschder zu, please, ich bin ’n kald werra. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Mach zu, ich bin an kald werra. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Mach sell Fenschder zu, ich bin am kald werra. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Mach ’s Fenschder zua, ich bin kald am werra. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Mach d Fenschder zu, ich bin am kald werra. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Mach ’s Fenschder zu, ’s is am kald werra. 318 10. Anhang 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Mach ’s Fenschder zu please, ich bin am kald werra. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; am-Progressiv-Klammer; trennbare Ver‐ bzusätze Situation 6.01.: Sam and Emma went into the garden to pick some apples for a pie. You need the apples urgently and after a long time you ask someone in the house: “How long have they been pick-ing those apples? ” Ask in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Wie lang sind sie selli Ebbel am rubba? [dt.rupfen, engl. reap] 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS D Sam und di Emma waarn am Ebbel rubba und sie hen a Karreb [dt. Korb] voll grubbt. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wie lang nemmts fer di Ebbel do zu rubba, ich bin am waarda fer ein Poi backa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Wiss ebba, fer was sie net reikumma? Wie lang nemmts fer di Ebbel zu rubba? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Wie lang schon hen sie di Ebbel grubbt? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Wie lang waarscht du dann die Ebbel am lesa? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wie lang bischt du di Ebbel am rubba? ’s guckat net guud. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Wie lang waarscht du di Ebbel am picka? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Wie lang bischt die Ebbel am picka? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Wie lang waart dihr,d Sam and d Emma Ebbel am rubba? 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Wie lang sind sie sella Ebbl am pflicka? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Wie lang hen sie di … genomma fer die Ebbel zu rubba? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Wie lang hat ’s genumma fer de Ebbel rubba? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Wie lang sind dihra am Ebbel am rubba? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Wie lang waarn sie Ebbel am rubba? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wie lang sind sie an sell Ebbel picka? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Wie lang waarscht du d Ebbel an picka? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Was nehmtz so lang, fer di Ebbel picka? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Wie lang nehmt die fer sell Ebbel picka? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Wie lang waarn sie di Ebbel am picka? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Wie lang waarscht du Ebbel am rubba? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Wie lang waohn sie en Ebbel an picka? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Wie lang waarn sie schon da drauss ’n die Ebbel picka? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Wie lang hen sie sella Ebbl picka? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Wie lang sind sie schon am Ebbel rubba? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Wie lang hoscht du sell Ebbel gepickt? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Wie lang hen sie been selli Ebbel am picka … or … am rubba? 319 10.2. Transkript 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Sie sind am Ebbel rubba fer schon an Schtund? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Wie lang hoscht du been am Ebbel lesa … oder rubba? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Wie lang sind sie selli Ebbel am rubba? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Oh, wie lang sind sie d Ebbel am rubba? … oder … Wie lang sind sie droh? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Wie lang sind sie schon an Ebbele rubba? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Wie lang waar sie ’n Ebbele rubba? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Wie lang waarn sie selli Ebbele an picka? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Wie long waarn sie di Ebbel picka? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wie lang waart dihr an Ebbele robba? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Wie lang warn sie d Ebbele am rubba? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Wie lang waren sie scho sell die Ebbele rubba? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wie lang nehmts eich di Ebbel picka? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wie lang waret dihr an die Ebbele … schaela. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Interrogativa; Objekt-Extension; Situation 6.02.: You expect Susann and Ed to come for dinner, but you are not sure exactly when they will arrive. You ask somebody in the house: “When are Susann and Ed coming? ” Ask in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Wann sind di Susann und d Ed am kumma? Wann dengscht du, ass di Susann und d Ed am kumma sind? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Was Zeit, ass sie kumma? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wann kummat d Susann und d Ed? Ich bin am waarda, mer wolla glei essa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Weescht du, wann sie kumma? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Wisst dihr, wann di Susann und d Ed sind am kumma? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Was Zeit kummat di Susann und d Ed fer essa. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wann kummt di Susann und d Ed, ich bin hungrich am werra. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Du bischt d Susann und d Ed am egschpekta fer rei‐ kumma fer Middaag und frogscht: Wann sind di Susann und Ed am reikumma? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Wann kummt d Ed und d Susann? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich hab gar keine Aydia [engl. idea] wunn sie kumma. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Wann sind Susy un Ed an komma? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Wann is d Susann und d Ed ’m kumma fer Middaag? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Wann will d Susann und d Ed kumma? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Was Zeit kummt di Susann un d Ed fer Middaag oder Supper? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Um was Zeit kummt di Susann und d Ed? 320 10. Anhang 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wann zelln Susy und d Ed kumma? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Wann sind di Susann und d Ed an kumma? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Wann sind Susann a un d Ed am kumma, wann sind sie am kumma? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Wann sind di Ed und d Susann am kumma? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Wonn sind di Susann un d Ed am kumma? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Wann kummat die Susann und d Ed bei? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Wonn sind di Susann an Ed ’n kumma? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Wann sellat die Susann un da Ed kumma? Was Zeit? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Wann kummat di Susann und da Ed? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Wann sind da Ed un di Susann dann am kumma? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Wann kummt di Susann un Ed? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Wann kumma d Susann un d Ed? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Wann sind d Susann und Ed am kumma? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Wonn kummad d Ed un d Susann? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Wann sind di Susy an d Ed an kumma fer Middaag? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Oh, ja, wann kummet d Susen un Ed? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Wann sie d Susann un d Ed an kumma? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Wann sind d Susann un d Ed an kumma? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Wann sind di Susann un d Ed an kumma? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Wann sind di Su and d Ed am kumma? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wann sind di Susann und d Ed am kumma? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Wann sella d Susann und d Ed kumma? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Wann sind d Susann un d Ed am kumma? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wann sind sie am kumma? or Wann sind d Susann un d Ed am kumma? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wann sind d Susann un d Ed am kumma? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Interrogativa; Objekt-Extension; Situation 6.03.: It is breakfast time and you are in the kitchen; your kids are not coming to the kitchen although you have already called them. You ask someone in the house: “Are they still asleep? ” Ask in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Sind die Junge noch am schloofa? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Was, sind sie noch im Bett am schloofa? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Es is Zeit fer Maryhaessa, sind di Junga noch alle am schloofa? 321 10.2. Transkript 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Sind di Kinna noch am schloofa, ich hock do in d Kich und bin am waarda. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Di Kinna sind net am kumma in die Kich fer essa. Sind sie noch am schloofa? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sind di Kinna still noch ’n schloofa? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich deng, die Junga sind noch am schloofa. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Schlafet sie noch? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Fer was kumma sie net? Fer was sind sie net do uff Zeit? Sind sie alsnoch am schloofa? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sind sie alsnoch am schloofa? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Sind sie still noch am schloofa? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Sind unsre Kinna noch am schloofa? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sind sie noch an schloofa? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sind sie noch am schloofa? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Sind sie noch an schloofa? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Sie die Kinna alsnoch an schloofa? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Sind die Kinna noch am schloofa? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Schloofst du noch? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sind sie noch am schloofa? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Du frogscht ebba im Haus: Sie sind noch am schloafa? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Are … are di zwee still am schloofa? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sind sie noch an schloofa? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Sind sie alsnoch am schloofa? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sind sie alsnoch am schloofa? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Sind sie alsnoch am schloofa? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Sind sie alsnoch am schloofa? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Sind sie alsnoch am schloofa? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Sind sie noch am schloofa? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Bischt Du alsnoch am schloofa? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; Interrogativa; Situation 6.04.: It is breakfast time and you are in the kitchen; your kids are not coming to the kitch-en although you have called them already. You call them again: “Are you two still asleep? ” Ask in Pennsylvania Dutch: 322 10. Anhang Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Sind dihr zwee noch am schloofa? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Seid dihr alsnoch am schloofa? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Seid dihr noch am schloofa do droba? Kummt runna, es ist Zeit fer Breakfescht essa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Schloofscht du noch? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Hey, seid dihr noch am schloofa? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Sind dihr zwee alsnoch am schloofa? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wie lang witt du schloofa? Es is Zeit fer uffsteha. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Kinna kummt rei, sind alle zwee noch am schloofa? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Bischt noch un schloofa? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS ---blank--- 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Sind sie noch am schloofa? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Seid dihr also noch am schlooofa? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sind dihr alsnoch am schloofa? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Sind dihr zwee noch am schloofa? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Kinna, bischt du noch am schloofa … I think of two. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Sind alle zwee Kinna noch am schloofa? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sind dihr zwee noch an schloofa? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sind dihr zwee noch am schloofa? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Sind dihr noch alle zwee am schloofa? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sind dhir zwee noch am schloofa? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Seid dihr zwee noch am schloofa? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Sind dihr alle zwee noch an schloofa? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Hey, sind dihr wach odr nett, sind dihr noch am schloofa? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Seid dihr noch am schloofa? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Sind dihr zwee noch am schloofa? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Bischt du no gschloofa? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sind dihr alle zwee noch am schloofa? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Sie sind alsnoch am schloofa. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Bischt du noch am schloofa? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sind dihr zwee alsnoch an schloofa? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Sind dihr noch am schloofa? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Sind dihr zwee alsnoch am schloofa? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Sind dihr zwee alsnoch am schloofa? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sind eahr zwee noch am schloofa? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Sind sie alsnoch am schlofa? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Sind alle zwee alsnoch am schlofa? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sind dihr zwee noch am schloofa? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sind dihr alsnoch am schloofa? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Sind dihr zwee noch am schloofa? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Sind dihr zwee alsnoch am schloofa? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; Interrogativa; sind - seid 2.P S .P L 323 10.2. Transkript Situation 6.05.: You have finished building your barn recently. Now you are retelling the story to your friends. One person asks you, how many helpers did you have. You don’t know exactly, so you have to ask someone in the house: “How many guys helped to raise the barn? ” Ask in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Wie viel Mannsleit hen uns gholfa fer di Scheier … uffr‐ binga … baua? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Wie viel Mannsleit waarn sie am helfa? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich wees net, gewiss net, wie fiel, ass es genumma hat, fer s Scheier uffschtella. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Weescht du wie viel Helfers mer ghatt hen fer di Scheier baua? Wie viel Mannleis hen gholfa fer di Scheier uff‐ duhn? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Well, ich wees nett recht, wie viel sie sind, wie viel Mannsleit hen gholfa di Scheier zu raise … uffschtella. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Wie viel Kahls waarra do fer di neie Scheier uffschtella? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wie viel Kahls hascht du do ghabt fer di Scheier baua? 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich bin di Schtorry am ferzaehla zu d Freind. Wie viel Leit hen gholfa for a Scheier uffduhn? 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Wie viel Mannsleit hat ’s genemmt zu machn d Scheier nuff ? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Fer d Scheier uffduhn nemmts ordantlich viel Leit … Do droben in unse Gegend alleweil hen mer a latt Amisch und die Amische sind am a latt fon d Schreinerarewet ivernehma … 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Wie viel Maenna hat d Scheier bebaut? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich wees net, wie fiel, ass gholfa hen, awwer ich will Hilf habe, in ausfinda. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Wie viel Leit hat’s genomma, fer d Scheier uffstella? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Wie viel Leit hasch ghabt fer di Scheier uffduhn? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Wie viel Mannleit hen uns mit di Scheier gehelft? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wie viel Leit waarn do fer helfa d Scheier uffduhn? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Wie viel Leit hen gholfa di Scheier uffbua? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Wie viel Leit hen gholfa, di Scheier baua? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Wie viel Leit waarn an helfa an die Scheier raisn … uffschtella? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Wie viel Leit hen mer ghabd fer di Scheier baua? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Wie viel Leit waaratz do fer di Scheier baua? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Wie viel Mannsleit hen gholfa di Scheier uffduhn? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Wie viel Mannsleit sind rivva kumma fer helfa di Scheier baua? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Wie viel Kalla hen geholfa fer di Scheier zu baua? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Wie viel Kahls waara do fer helfa di Scheier baua? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Wie viel Leit hen dich ghelfa … d Scheier uffschtella? 324 10. Anhang 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Wie viel Kahls hen gholfa, fer d Scheier baua? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Wie viel Helper hosch ghobt? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Wie viel Mannsleit helftz zu … uffbua … uffschtella d Scheier? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Wie viel Leit hen gholfa, die Scheier baua? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Wie viel Kalls hen gholfa, d Scheier uffschtella? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Wie viel Leit hen gholfa die Scheier uffschlaua? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Wie viel Leit hen gholfa di Scheier uffschtella? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Wie viel Leit hen gholfa die Scheier uffduhn? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Wie viel Kahls hen ghofla die Scheier uffduha? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wie viel Kahls hen gholfa die Scheier r uffschloua? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Hey Adam, wie viel Leit hen gholfa die Scheier baua? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Wie viel Leit hen dich gholfa sell d Scheier uffdhun? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wie viel Mannsleit hen gholfa an di Scheier rising? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wie viel Leit hen gholfa, die Scheier uffdhun? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Distraktor-Frage; Interrogativa; Situation 7.01.: Before you leave the house you give your children some instructions. You expect them to study while you are gone. You say: “Study when I get back.” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Dihr besser waert am lerna, wenn ich zerick kumm! 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Sie sollet dihre Schularewet duhn, bis ich heem kumm! Wonn ich heem kumm, soll all dei Schularewet gschafft sei! 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wonn ich zerick kumm, dihr seid besser dihre Heema‐ rewet am duhn! 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Dihr bessar deet eier Lessons guud wissa, bis ich zerick kumm! 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Seid hatt am lerna, wenn ich zerick kumm! 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Seid schuur, ass dihr am lerna sind, wenn ich zerick kumm! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wenn ich net do bin, will ich hoffa, ass dihr eier Lesson lernt! 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich will hoffa, ass dihr schtuddiert alles, ass dihr duhn sollt … du sollscht am schtuddiya (sei), wie ich zerick kumm! 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Du muscht dei Schularewet duhn! 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich will hoffa, wonn ich zerick kumm, sind sie ebbas … am schpiela. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Du muscht schtuddiera werra, wenn ich zurick kumma! 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich will hoffa, dihr seid am lerna, wann ich zerick kumm! 325 10.2. Transkript 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Dihr sollat am lerna sei, wonn ich zurick kumm! 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Na, du besser duhscht in dei Bucha … wonn ich zerick kumm! 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Kinna, du muscht guud schtuddiera, wonn ich zurick kumma! 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Sie sellat an schtuddiya sei, wenn ich zerick kumm! … Sie sellat Bicher lese bis ich kumma! 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sind an schtuddiya bis ich zerick kumm! 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sei an lesa, wenn ich zerick kumm! 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Du sollscht am schtuddiya sei, wenn ich zerick kumm! 20 em_m_60_BER_dei_OOM Deent dihra Schtuddies wonn ich zerick kumm! 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Dihr missat schur macha, ass dihr noch am schtuddiera sind, wenn ich zerick kumm! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich will eich sehna schtuddiya, wenn ich zerick kumm! 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Machat schura, ass dihr an dihra Schularewet duha sind, wenn ich zerick kumm! 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sei am schtuddiera, wenn ich zurick kumm! 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Dihr bessa sind noch am schtuddiera, wenn ich zurick kumm! 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Be schtuddiya, wenn ich heem kumm! 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sei am schtuddiera odr am lerna, wenn ich zerick kumm! 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM ---blank--- 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Be am schtuddiera, wenn i zerick kumm! 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Dihr bessa seid ’n schtuddiya, wenn ich zerick kumm! 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Holt dich an schtudddya, wenn … d Zeit mer fart sin. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Saag dihre, ass die an schtuddiya sin,wenn ich zerick kumm! 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Seid an schtuddiya, wenn ich zerick kumm. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sind ’n schtuddiya, bis ich zerick kumm! 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Sie zolla gezielt am schtuddiya sei, wenn ich wiedr ze‐ rick kumm! 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Seid am schtuddiya, wenn ich zerick kumm! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Dihr sind am schtuddiya, wann ich zerick kumm! 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Dihr sellat am schtuddiya sei wenn i zerick kumm! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Du besser bischt am studieya, wenn i zerick kumm! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Du sollscht am studya sei, wenn ich zerick kumm! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Imperativ; Modalvverben Situation 7.02.: Before you leave the house you give your children some instructions how to paint the fence. You say: “Be working, when Dad comes home! ” Say in Pennsylvania Dutch: 326 10. Anhang Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Dihr besser seid am schaffa, wenn d Doody heem kummt! 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Wenn eah kummt heem, soll all d Arewet geduh sei! 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wonn d Doody heem kummt, seid schuur, ass dihr s Fence gepainted hascht … 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Dihr bessar seid am schaffa, wenn di Doody heem kummt. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Dihr musst am schaffa sei, wenn d Pap heem kummt! 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Sehna, ass dhir am schaffa sind, wenn d Doody heem kummt! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Selli Fence muss gebutz sei, ebb d Doody heem kummt! 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ebb d Doody heem kummt fom Arewet, du sollscht am painta sei. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Wonn dei Doody kummt heem, du muscht am schaffa sei. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich will schuur macha, ass du am schaffa bischt, wonn di Doody heem kummt. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Du muscht dei Schoffa duhn, bis Dady heem kumma! 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Seid am schaffa, wann d Doody heem kummt! 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Dihr sollat am schaffa sei, wonn d Dady heem kummt! 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Du bessa bischt am schaffa, wonn d Doody heem kummt! 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Kinna, wann ich kumm heem, du sollscht am schaffa sei! 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Dihr sellat am schaffa sei, wenn d Daed heem kummt! 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sind an schaffa, bis d Daed heem kummt! 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Sei am schaffa, wenn d Daed heem kummt! 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Du sollscht am schaffa sei, wenn d Daed hiem kumm! 20 em_m_60_BER_dei_OOM Sei am schaffa, wenn d Daed zerick heem kummt! 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Dihr bessar deet am schaffa sei, wie d Doody wieder heem kummt! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich will eich sehna schaffa, wenn d Daed heem kummt! 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Dihr bessa waert am schaffa, wann d Daed heem kummt! 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sei am schaffa, wenn d Daed heem kummt! 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Sei noch am schaffa, wenn d Paep heem kummt! 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Du schaffscht, wenn d Doody zerick kummt! 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Sei am schaffa, wonn d Doody heem kummt! 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM ---blank--- 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Sei am schaffa, wenn d Doody kummt! 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sind an schaffe, wenn d Daed heem kummt! 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Sei am aaschtreicha, wenn d Daed heem kummt! 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Saag dihrye, ass sie an dr arewet sin, wenn d Daed zerick kummt. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Dihr seid an schaffa, wenn d Daed heem kummt. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Sind ’n schaffa, wenn de Daed heem kummt! 327 10.2. Transkript 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Sie sind gezielt am schaffa sei, wenn d Daed wieder heem kumm! 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Eah seid am schaffa, wenn d Daed heem kummt! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sind dihr am schaffa … Dhir besser sind am schaffa, wann d Daed heem kummt! 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sind am schaffa wenn ich zerick kumm! … Sind am schaffa, wenn d Daed zerick kummt! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Machet eich busy, wenn d Daed zerick kummt! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Du sollscht am schaffa sei, wenn d Daed heem kummt! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Imperativ; Modalvverben Situation 7.03.: You are fishing with Luke (6 years). You are explaining to Luke how to pull the line when the fish is nibbling at the bait. You say: “When I say now, start pulling! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Wenn ich saag ziehg, no duhscht du ziehga! 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Wonn ich nau saag, ziehg raus! 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Wonn ich saag nau, no muscht ziehga! De Fisch is schon an Bait am griega. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Wenn ich nau saag, muscht du einziehga. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Wenn ich nau soog, ziehg schtarek! 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Wenn ich saag nau, fang an zieha! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Wenn ich saag ziehg, du muscht ziehga! 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Wenn ich saag nau, du sollscht schtarta ziehga! 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Wonn ich saag nau, ziehg nei! 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Luke, waard bis ich saag pull, no fang oh neiziehga! 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Wenn ich saag nau, ziehga anfanga … 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Wonn ich saag ziehg, no ziehg! 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Wonn ich eich saag, schart ziehga! 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Wonn ich saag nau, du sellscht neiziehga! 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Wenn ich nau saag, ziehg guud! 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Wenn ich saag,nau schtarte cranka (engl.to crank, dt. kurbeln) … ziehga! 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Wonn ich saag nau, ziehga! 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Wenn ich saag nau, schtart ziehga! 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Wenn ich saag nau, schtart ziehga! 20 em_m_60_BER_dei_OOM Wonn ich saag nau, dann ziehgscht du naus! 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Wenn ich nau saag, fang on ziehga! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Wenn ich saag nau, schtart ziehga! 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Wenn ich dich saag, schtaert ziehga! 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Wenn ich saag nau, fang zu ziegha aah! 328 10. Anhang 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Wenn ich saag nau, dann fang oh ziehga! 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Wenn ich saag: Schart pulla, dann pull … 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Wonn ich nau saag, dann ziehg! 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Woan ich saag nau, schtart ziehga! 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Wenn ich saag nau, schteart ziehga! 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Wenn ich saag, schteart ziehga! 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Zieg … yuscht einfach: Ziehg! 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Wenn ich saag nau, no schtart ziehga. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Wenn ich saag nau, schtart ziehga. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Wann ich saag nau, schteart ziehga! 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Schtart ziega! 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wonn i saag nau, dann schteart ziehga! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Schtaert ziehga nau! 38 am_m_47_HAR_dei_OOA No wenn i nau saag, musst du starta ziehga! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Wenn i saag nau dann start ziehga! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Wenn ich saag nau, schtert ziehga! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Imperativ Situation 7.04.: You are playing chess with Marc. Marc is hesitating and delaying too long. You say: “Stop thinking so long, play! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Schtopp dei Denga und schpiel! 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Do sind sie am Chess schpiela, do saagt eah: Deng net so lang, schpiel! 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Schtopp dei Denga, des nemmt zu lang, schpiel! Es is dei Zeit! 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich bin am Chess schpiela mit d Marc. Schtopp dei Danga und mach dich fort, schpiel, es is Zeit fer gehe! 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Schtopp dei Denga so lang, schpiel mol! 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Schtopp dei lange Gedanga un schpiel! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Deng net so lang, mer wolla schpiela! 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich bin am Chess schpiela mit d Marc und d Marc is am hesitate und ich hab gsaagt: Schtopp denga so lang und schpiel! 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Net so lang am denga (sei), schpiel grod! 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Schtopp dei Gedenge und schpiel! 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Fer was muscht du so lang denga? Yuscht schpiel a mol! 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Schtopp dei Denga so lang und schpiel! 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Schtopp denga so lang und schpiel! 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Du bischt am denga zu lang, schpiel! 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Deng net so lang, schpiel! 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Heer uff so lang gucka, geh! 329 10.2. Transkript 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Heer uff denga und schpiel! 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Schtopp denga so lang und schpiel! 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Schtopp so lang denga und schpiel! 20 em_m_60_BER_dei_OOM Schtopp denga so lang und schpiel! 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Nehm net so viel Zeit fer denga, schpiel yuscht! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Schtopp denga so lang und schpiel! 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Braachscht net so lang denga, schpiel, geh! 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Deng net so lang und schpiel! 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Schtopp so long denga, schpiel! 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Schtopp denga so lang, schpiel! 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Schtopp so lang denga, schpiel mol! 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Schtopp denga so lang und schpiel! 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Schtopp denga so lang, schpiel! 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Schtopp so lang denga und schpiel! 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Schpiel, net so long rumgnutscha! 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Duh net so lang denga uns schpiel! 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM D Marc is wennich zu lang an denga un du saagscht: Schtopp so lang denga un schpiel yuscht! 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Schtopp so lang denga, schpiel! 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Schtopp denga und fer … so lang fer schpiela! 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Schtopp so lang denga und un schpiel mol! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Schtopp so lang nehma fer denga, schpiel! 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Schtopp so lang denga, und schpiel! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Schtopp so lang denga, schpiel! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Schtopp denga so lang und schpiel! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Imperativ; Situation 8.01.: Steven was playing in the backyard and was throwing some stones against a wall. Suddenly you heard a window break and you ask Steven: “Were you throwing stones at the win-dow? ” Ask in Pennsylvania Dutch: ? Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Waarscht du am Schtee schmeissa ans Fenschder? 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Steve, hoscht du Schtee gschmissa? 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Waarscht du Schtee am schmeissa am Fenschder? 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Waarscht du Schtee am Fenschder schmeissa? 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Stevy, waarscht du sell, wu d Schtee am Fenschder gschmissa hot? 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Waarscht du di Schtee am Fenschder schmeissa? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Fer was seid dihr Schtee an d Fenschder am schmeissa? 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Waarscht du Schtee am schmeissa an d Fenschder? 330 10. Anhang 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Duhscht du Schtee schmeissa zum … Fenschder? 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Eah is Schtee am schmeissa … 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Waarscht du Schtee uff m Fenschder schmeessa? 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Steve, waarscht du am Schtee schmeissa ans Fenschder? 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Fer was schmeisst eah Schtee ans Fenschder? 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Waarscht du am Schtee am schmeissa ans Fenschder? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Steven, waarscht du Schtee an die Fenschder am schmeissa? 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Steve, bischt du ’n Schtee schmeissa an d Fenschder? 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Waarscht du en Schtee an d Fenschder an schmeissa? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Waarscht du Schtee an schmeissa an d Fenschder? 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Waarscht du an die Schtee an d Fenschder schmeissa? 20 em_m_60_BER_dei_OOM Waarscht du am Schtee schmeissa ans Fenschder? 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Waarscht du Schtee am schmeissa am Fenschder? 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Waarscht du an Schtee schmeissa an di Fenschder? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Waarscht du Schtee an Fenschder an schmeissa? 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Waarscht du Schtee am Fenschder am schmeissa? 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Waarscht du am Schtee gegen Fenschder am schmeissa? 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Waarscht du am Schteene an die windows … schmeissa? 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Waarscht du Schtee am Fenschder am schmeissa? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Waarscht Schtee am d Fenschder an schmeissa? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Und du ask d Schtiev: Woascht du am Schtee schmeissa am Fenschder? 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Waarscht du Schtee an schmeissa ans Fenschder? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Waarscht du am Schne … ah, am Schtee schmeissa ans Fenschder? 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Waarscht du Schtee ans Fenschder schmeissa? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Waarscht Du am Schtee ans Fenschderr schmeissa? 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Waarscht Du ’n Schtee schmeissa ans Fenschder? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Wer isch di Schtee ans Fenschder schmeissa? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wer waar Schtee ans Fenschder am schmeissa? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Schteven, waarscht du Schtee ’n schmeissa wedda (zu dt. wider) s Fenschder? 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Warscht Du Schtene 'm schmeissa ans Fenschder? 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Waarscht du an Schtee schmeissa ans Fenschder? 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Waarscht du am Schtee schmeissa nach m Fenschder? ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; punktuelle Verben, Objekt-Extension Situation 8.02.: Your 3-month old kitten fell into a rain barrel. You suddenly came along when the kitten was nearly drowned. Your friends ran out asking what happened. You answered: “I got the kitten out of the barrel when it was about to drown”. Answer in Pennsylvania Dutch: 331 10.2. Transkript Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich hab die glee Katz aus m Fass geduh, ebb sie … sie waar schier fersoofa. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Ich nemm die Katz aus m Grugg, so sie is net fersauft. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich hab di Katz griegt, es is im Fass gfalla und des waer schuur fersoffn, wenn ich es net rausgriegt haett. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich hab di Katz yuscht aus d Fass griegt, wann sie ready waar, fer fersaufa. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich hab di glee Katz aus m Fass gnumma, bevor sie am erdringa waar. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich hab die Katz aus m Fass griegt, grod ebba sie bald fersoffa waar. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich bin froh, ass ich selli Katz aus m Fass gsammlt hab, so sie waer fersoffa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Was is ghappend? Ich hab d glee Katz raus aus m Barrel griegt, wie ’s … am fersoofa waar. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich hab die Kaetzle aus em Fass genomma, ebbes ’s fer‐ soffa waar. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich hab s Kitz fum Fass gnomma, es is nau all recht, sie ist schier gor fersuffa. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich hab di Kitzli raus em Fass, yuscht ebbe es about to drawn … 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich hab die glee Katz aus m Reyafass gekriegt, wie ’s schrier gor … fersoffa waar. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich hab di Katz aus m Fass griegt, ebbe si fersoffa is. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich hab’s Katz raus aus m Fass griegt und sie waar uscht about doht. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Ich hab die gleene Katza raus fom Wassa genomma … oder … waar sie doht. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Ich habs Kaetzli aus m Fass griegt, es waar yuscht about fersoffa. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich hab di Kiddy rausgezoha, wonn ’s about an fersauf waar. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich hab d Kiddy aus d Fass griegt, wenn ’s bald am fer‐ saafa waar. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Ich hab d Kiddy aus Fass griegt, es waar schier an fer‐ saafa. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Ich hab di Kiddn aus d Fass griegt und es waar bald ready fer fersaofa. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich hab d glee Katz aus m Fass gzoga, un es hat sich schier gor fersauft. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich hab di Kiddy fun di Fass griegt, wenn es waar … yuscht about ready fer fersoofa … 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Hab di Katz aus di Barrl griegt … wenn sie yuscht abaout doth waar. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich habe … waar di Katzli aus m Karub (zu dt. Korb) am ziehga, yuscht wann es schrier gor fersoffa waar. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich hab die Katz aus m Barrlfass griegt, es waar schire gar fesoffa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ich hab di gleeni Katz aus m Barrl griegt, ebb ’s it drawns. 332 10. Anhang 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Ich hab’s Pussle aus m Fass griegt, grod wo’s … ’s schie gor fersaufa. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich hab d Katz aus m Barrl griegt, es waar bald ready fer fersaufa. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Ich hab ’s Kitzli aus m … Fass, wenn es waar bald gsoffa. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Ich hab d Pussli aus d Fas griegt, ebas ’s fersoofa hat. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich hab’s raus gkrieckt, wo es yuscht about fersoofa waar. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich hab ’s Pussle aus d Fass griegt, wo es about am fer‐ saafa waar. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Ich hab ’s Pussle aus ’s Fass griegt, wenn ’s yuscht about fersoffa waar. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Ich hab die Kaatz aus di Fass griegt, as yuscht about ’n fersaofa waar. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ich hab’s Kitty aus Fass gkreigt, und ’s waar bald am fersaufa. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Ich hab s Pussle aus des Fass gezoga, yuscht ebb’s fer‐ soffa ischt. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Ich hab’s Pussli aus d Fass griegt, wo ’s about fersoffa waar. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA I hab s Kitty aus d Barrel griegt, wo ’s bald am fersaufa waar! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Ich hab ’s Kitty as d Fass griegt, wo ’s bald fersoffa waor. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Ich hab’s Kitty aus m Fass griegt, ebbs fersoffa is. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; punktuelle Verben, Objekt-Extension Situation 8.03.: Little David (4 years) is blowing up a balloon you gave him. He does it very strongly so you warn him: ”Don’t blow too hard, the balloon is about to burst! ”. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS ---blank--- 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Mei Junge is en Ballun am uffbloose. No saag ich zu em: Net so schtarik, er duht ferbrecha. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Bloos net zu hatt, s Ballun is … es duht glei ferbrecha! 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Du besser blooscht net zu hatt, d Ballun ferbrecht. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Bloos net so schtarick, di Ballun ward blatscha! 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Bloos net zu hatt, d Ballun is bald uffgblosa! 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Du brauchscht net so hatt bloosa. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Eah waar en Ballun am uffbloosa, as ich ihm gewwa hab. Bloos net zu hatt, d Ballun er geht iwweral aus‐ ananda. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Duh net so hatt bloosa, d Ballun is schier go ferbrocha. 333 10.2. Transkript 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS David, du muscht Acht gewwa, wonn du zu hatt blooscht, duhts ’s sella Ballun ferschlaga. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Bloos net so hatt, fer do di Ballun … is about to burst! 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Bloos net so hatt, d Ballun is schier gor am ferschpringa! 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Kannscht net so uffblosa, oder er ferbloost. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Duh net so viel Luft dart nei, iwwerdem hoscht sell Ballun nemmi. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Net so hatt David, es geht “Bang“. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Bloos net so hatt, d Ballun kennt ferbusta! 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Bloos net zu hatt, d Ballun deet busta! 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Bloos net zu hatt, d Ballun kann ferbusta! 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Bloos net so hatt, d Ballun sellt ferbusta! 20 em_m_60_BER_dei_OOM Bloos net so hatt, d Ballun is about fer ferebusta! 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Duh net zu hatt bloosa, d Ballun geht … “Bum“! 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Bloos net zu hatt, d Ballun is yuscht about ready far … puppa! 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Bloos et net zu grooss, es sell pappa. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Bloss net zu hatt, d Ballun werd schier gar ferbrecha. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Bloos net zu hatt, d Ballun duht schier gar ferbloosa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Don’t blow to hard, des Ballun et kann … it bursts. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Bloos net zu haat, d Ballun ferbrecht glei. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Bloos net so hatt, d Ballun ferbircht! 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Bloos net so hatt, d Ballun is … bloost uf! 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Bloos net zu haat, d Ballun sollt ferschbritza! 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Bloos net zu hart, d Ballun is about ready ferschpirnga! 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Bloos net so hatt, d Ballun kenn verpuppa! 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Bloos net zu haat, d Ballun is about ready fer ferpuppa! 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Bloos net so hart, d Ballun kennt ferburtsa! 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Bloos net zu hart, sonst wird eah ferblost! 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Bloos neat so hatt, d Ballun mecht ferburtsta! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Bloos net so hatt, sella Ballun is about ferpuppa! 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Bloos net so haat, d Ballun is about ferbusta! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Bloos net so hart, d Ballun soll verburtsa! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Bloos net so hart, d Ballun is bald fer ferbarsta! ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; punktuelle Verben, Objekt-Extension Situation 8.04.: After traveling with the car you hear your travel-mate saying: “We’ll be reaching the central station in two minutes.” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS In zwee Minudde sind mer am central Station. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Mer sind dart in paar Minudde … an d Station. 334 10. Anhang 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Noch zwee Minudde no sind mer dart am central Sa‐ tion … fer unsr Rayd [engl. the ride] griega. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Wenn mer am foahra waarn mit d Bus, hab ich mein Freind gheert saaga, mer kumma an d Station in about zwee Minudde. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Mer werra bald in zwee Minudde in d Station sei aa‐ kumma. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Mer kumma nach d midde Station in about zwee Mi‐ nudde. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Mer kumma an di Station in about zwee Minudde. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Wie mer am trawla waarn in d Maschine, mei Mate hot gsaagt, mir sind schier gor an d cetnral Station, mir sind dart in zwee Minudde. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS In zwei Minudde mer sind schier gor dart. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Mer sind glei an d cetnral Station … in about zwee Mi‐ nudde sind ma da. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ewwerdem mer sind ins central Bahnhof in zwee Mi‐ nudde. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Mer sind schier gor am Station in about zwee Minudde. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Mer kumma zu d central Station in zwee Minudde. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Mer sind dart am central Station in zwee Minudde. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Mer kumma an di Station velleicht in zwee Minudde. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Mer sind gleich an d Station in zwee Minudde. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Mer deet eracha [dt. erreichen] d Station in zwee Mi‐ nudde. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Mer sind gleimo an d central Station. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Mer zella in di middl Station kumm in zwee Minudde. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Mer sind an die central Station in about zwee Minudde. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS In zwee Minudde kummat mer nach de Sation. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Mer sell an di central Station sei in zwee Minudde. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Mer sella an der central Station sei in zwee Minudde. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Mer kumma nach d central Station in yuscht zwei Mi‐ nudde. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS In zwee Minudde sind mit am Station. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Mer arriva an d cenral Station in zwee Minudde. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS In zwee Minudde sind mer an d Station. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Mer kumma an d central Station in zwee Minudde. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Mer kumma an di Station in zwee Minudde. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Mer sind an d central Station in zwee Minudde. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Mer kummet zu der train Station in zwee Minudde. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Mer zella zu di Station kumma in zwee Minudde. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Mit zella on d central Station sei in about zwee Minudde. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Mer sind glei an d cetral Station in zwee Minudde. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Du bischt an d central Station in zwee Minudde. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Mer sind an di central Station am kumma in about zwee Minudde. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Sealla mer d cetnral Station machn in about zwee Mi‐ nudde. 335 10.2. Transkript 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Mer sind dra an d central Station kumma, about zwee Minudde! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Mer sind an d central Station in zwee Minudde. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Mer seallat di Station mieda (engl.to meet) in about zwee Minudde. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; punktuelle Verben Situation 9.01.: You’re in the house and you’re cleaning the stairs. Your aunt’s calling you to come out, you respond: ”I’ll come in two minute. I’m cleaning the stairs.” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich kumm in zwee Minudde, ich bin die Schteeg am butza. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS No bin ich dart in zwee Minudde, und ich bin sell mei Trepp am butza. Ich komm, wann ich faddich bin. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich kumm in zwee Minudde, ich bin di Treppe am butza. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich kumm in zwee Minudde, ich bin die … Schpei‐ chaschteeg am kehra. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ja, ich kumme in zwee Minudde, ich deet noch di Treppa butza. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich bin dortn in about zwee Minudde, ich bin d Schteeg am butza. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich bin dart in poar Minudde, ich bin wennich do am butza. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich bin im Haus am d Schteegg am buzta. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS I kumm naus in zwee Minudde, ich bin d Schteppa am butza. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich kumm in about zwee Minudde, ich bin di Treppe am butza. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich kumme in zwee Minudde, grod nau, ich butze meine Treppa. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich kumm in zwee Minudde, ich bin am Schteeg butza. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS ---blank--- 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich kumm raas in zwee Minudde, ich bin di Schteeg am butza. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Ich kumme in zwee Minudde, ich bin die Schteppa am butza. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Ich kumm in zwee Minudde, ich bin die Schteeg butza. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich kumme in zwee Minudde, ich bin d Schteeg an sauber macha. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich kumm in paar Minudde, ich bin d Schteegs ’n butza. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Ich kumm in zwee Minudde, ich bin an di Schteeg butza. 336 10. Anhang 20 em_m_60_BER_dei_OOM Ich komm in zwee Minudde, ich bin s Haus am butza, ich bin d Schteppa am butza. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich duh rauskumma in zwee Minudde, ich bin d Schteeg am butza. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich kumm in zwee Minudde, ich bin di Schteeg am butza. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Yuscht a paar Minudde, ich bin an die Schteeg butza. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich wadd in zwei Minudde kumma, ich bin di Treppe am butza. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich bin dart in zwee Minudde, ich bin d Schteeg am butza. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ich kumm in zwee Minudde, ich clean die Schteeg. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS In zwee Minudde kumm ich raus, ich bin die Schteeg am butza. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich kumma in zwee Minudde,ich bin am Schteeg butza. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Ich kumm in zwee Minudde, ich bin am butza uff di Schpeicha. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Ich kumm in zwee Minudde, ich bin di Schteeg an butza. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Ich kumme in zwee Minudde, ich bin di Schteeg am butza. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich kumme in zwee Minudde, ich bin di Schteeg am butza. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Ich kumm raus, in zwee Minudde, ich bin di Schtepp an butza. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Ich kumme in zwee Minudde, ich bin ’n di Schteeg butza. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ich kumme in zwee Minudde, ich bin ’n butza droba, im Schpeicha. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Ich kumma an about zwee Minudde, ich bin an die Schteeg butza. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Ich bin doat in zwee Minudde, ich bin d Schteeg am butza. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA I bin am kumma in zwee Minudde, i bin an d Schteeg butza! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA I kumm in zwee Minudde, i bin dro di Schteegs butza. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Ich kumm in zwee Minudde, ich bin an die Schteeg butza. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Situation 9.02.: A schoolmate of your daughter Sarah is asking for her to play outside. Sarah must first do her homework. So you answer: “Sarah’s doing her homework! Come back later to see her! ” Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Di Sarah is dihra Schularewet am duhn, du sollscht schpeeder zerick kumma. 337 10.2. Transkript 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS … wenn sie dihre Schularewet geduh…kumm no schpeeder … 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Di Sarah is dihre Schularewet am duhn, kumm zerick a bissl schpeeder fer sie sehna. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS A Schulmeet von mei Dochter Sarah is am fraga, fer sie raus zu kumma fer schpiela outside. Di Sarah is dihre … Schularewet am schaffa, kummt schpeeder zerick fer sie sehna. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Die Sarah macht dihr Schularewet, kumm mol zerick bissl schpeeder, wann du sie sehna witt. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS D Sarah is dihra learning am duhn, kumm back schpeeder fer sie sehna. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Di Sarah is dihra Heemarewet grad am duhn, kumm schpeeder zerick. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D Sarah is am sei Schularewet am duh, muscht schpeeder zerick kumm fer sie sehna. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Sarah is dihr Schularewet am duha, kumm zerick … 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Velleicht is sie droba auf m Schpeicha dihre Schularewet am schaffa. Ich deed gern haba, wenn du wennich schpeeder zerick kumma deetscht fer sie sehna. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Sarah macht di Hausarewet, du kannscht schpeeder zu‐ rickkumma. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Di Sarah is dihre Heemarewet an duhn, kumm zerick schpeeder. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS ---blank--- 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Di Sarah is am Schularewet am duhn, kumm wieder zruck fer sie sehna. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Die Sarah is dihra Schulwerk am duhn, du musscht schpeeder zurick kumma. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA D Sarah is dihra Bicherarewet ’m duh, kumm zerick schpeeder. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA D Sarah is dihra Arewet an duha, kumm zerick schpeeder fer sie sehna. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Di Sarah is her Lessions an duhn, kumm zerick schpeeder. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA D Sarah is dihr Homework an duhn, kumm zerick schpeeder fer sie sehna. 20 em_m_60_BER_dei_OOM D Sarah is dihra Homework am duha,no kommt sie schpeeder raus fer dich sehna. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Die Sarah is am schtuddiera, du musst schpeeder zurick kumma, wann du sie sehna witt. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Di Sarah is dihra Homework am duhn, kumm zerick schpeeder no konnscht sie sehna. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Die Sarah is an dihra Schularewet duha, kumm zerick bissl schpeeder. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Sarah is dihra homework am duhn, kumm mol wieda fer ihr zu sehna. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS D Sarah is dihra Schularewet am schaffa, kumm schpeeder zerick fer sie zu sehna. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Sarah is am dihra Schulwork (duhn). Du kannscht kumma later sie sehna. 338 10. Anhang 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Di Sarah duht dihra Schularewet, kumm schpeeder ze‐ rick fer sie sehna. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM D Sarah is sei homework am duha, sie kummt raus schpeeder. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Sarah is an dihra homework, kumm schpeeder fer sich z sehna. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Di Sarah is dihar Schularewet an duhn, kumm zerick schpeeder. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM Die Sarah muss dihr Schularewet duhn zuerscht … kumm schpeeder. 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Die Sarah is eahre Arewet am duhn, kumm zerick schpeeder fer sie sehna. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Sarah is eahre Schularewet an duhn, kumm zerick schpeeder fer sie sehna. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Di Sarah is ’n ihra Homework duhn, kumm schpeeder fer sie sehna. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Die Sarah is ’n Hausarewet duhn, kumm zerick schpeeder fer se sehna. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM D Sarah is dihr Homework am duhn, kumm zerick spcheeder. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA D Sarah is dihr Homework am duhn, kumm zerick schpeeder. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Sarah is dro dihre Schul … Heemschularewet duhn, kum zerick schpeeder! 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA D Sarah is dro,ihra Arewet duhn, du muscht kumma spaeter fer sie sehna. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Sarah is an sei homework duha, kumm zerick schpeeder fer dihra sehna. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; Possessiv-Artikel Situation 9.03.: Emily is helping her Grandma to bake a blueberry pie, be‐ cause Grandma’s hurt her hand. Someone asks: Where’s Emily? Explain what Emily is doing! Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Sie is am Blueberry-Poi backa mit d Grandmother. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS D Grammmy hot di Emily gfrogt for helfa mit dera Blueberry-Poi. Sie is am Huckleberry-Poi am backa, sie needs … sie braucht Helf. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Sie is en Blueberry-Poi am backa. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Die Emily is d Grandmam am helfa en Blueberry-Pai backa, die Grandmam hat dihre Hand wehgeduhn. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Die Emily is in d Kich, sie hilft dihra Grossmam en Blueberri-Poi backa, derweil di Grossmam dihra Hand wehgeduhn hat. 339 10.2. Transkript 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Die Grossmamy hat geschdern dihre Hand wehgeduhn und die Emily is sie am helfa en Blueberry-Pai backa. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich bin d Gmam am helfa, sie hat dihra Hand wehge‐ duhn. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Emily is dihra Grandmudda am helfa for Huckl‐ berry-Poi backa, d Grandmam hat dihra Hand wehge‐ duha. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS D Emily is her Grossmudda helfa, en Blueberry … Huckl‐ bery-Poi backa, di Grandmams Hand is weh. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Di Emily is ihra Grandmam am helfa fer a Huckl‐ berry-Poi backa, ihre Grandmam ihre Hand is weh‐ geduh. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Di Emily is zu Grossmamy Blaubiera-Poi baecka. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Die Emily is dihra Grandmam am helfa en Huckl‐ beera-Poi zu backa. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Di Emily is der Grandmam am helfa en Pai zu backa … Blueberry … 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Di Emily is dr Grandmam am Blueberry-Poi am macha, di Grandmam had di Hand wehgeduh und di Emily is dart fer sie helfa. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Anna is dihra Granmam am helfa, sie duhn a en Blue‐ birra-Pois macha. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA D Emily is dihra Grossmamy an helfa Blueberry-Poi macha, weil di Grossmamy dihre Hand wehgeduhn. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Emily is d Mamy an helfa Blueberry-Poia macha, d Mamy hot dhira Hand wehgeduh. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Emily is d Mamy an helfa Blueberry-Poi backa. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Di Emily is an di Grossmammy helfa en Poi backa, weil sie hot dihre Hand wehgeduhn. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Die Emily is drin am helfa, dr Grossmamy am helfa Blueberry-Poi am backa, cause d Grossmamy hod dihre Hand wehgedun. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Die Emily is dihra Grandmam am helfa for en Huckle‐ beera-Poi backa. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Die Emily is di Mammy an helfa en Poi backa. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Di Emma is an d Mamy helfa en Pai backa, d Mamy hat dihra Hand wehgeduhn. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Emily is ihra Grandmam am helfa fer Blaubiera-Poi zu backa. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Die Emily is d Grandmam am helfa an Hucklberry-Poi am backa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Die Emily helpt d Grandmaam Blueberry-Pois backa, die Grandmaam hot dihra Hand wehgedun. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Die Emily helft dihra Grossmammy en Huckleberry-Poi backa, die Grossmammy hat an wehe Hand und die Emily is sie am helfa backa. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Die Emily is am Poi backa. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM D Emily waar dihra Grossmammy am helfa fer Blue‐ berry-Poi macha. D Grandma hat dihre Hand wehge‐ duhn. 340 10. Anhang 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Die Emily is d Grossmammy an helfa en Blueberry-Poi ’n backa. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Di Emily is an dr Mammy helfa, Blueberry-Poi macha, because d Mammy hot dihre Hand weggeduhn. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Sie is eahre Mammy an helfa blueberry-poi packa, ’couse d Mammy hot eahre Hond wehgeduh. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Die Emily is ’n dihre Mammy helfa, Blueberry-Poi backa. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Die Emily is an helfa di Mammy Pois backa, for weil di Mammy hat dihra Hand wehgeduh. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Die Emily is an die Mammy helfa, Blueberry-Poi backa, because d Mammy hot dihre Hand wegeduh. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Die Emily is dihra Mammy am helfa a Blueberry-Poi backa, because d Mammy had dihr Hand wehgeduh. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Emily is an d Mammy helfa, an Blueberry-Poi macha, bacause d Mammy hot dihre Hand wefgeduhn. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Di Emily is zu ihro Mammy ganga, fer Blueberry-Poi macha. Die Mammy hot dihre Hand wehgeduhn! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Emily is an d Mammy helfa en Blueberry-Poi backa, because d Mammy hat sei Hand weh. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Dativ-Verben; Objekt-Extension; Infinitiv-Phrase Situation 9.04.: You need a little fresh grass for your rabbit. You neighbor Paul sees you with a sickle outside and asks you: “What you are doing with that sickle? ” Answer in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich bin am frisch Groos griega fer mei Hoosa. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS De glee Hoos brauchtz Groos … so eah is am Groos schneida mit di glee Sickl. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sell m Sickl? 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Du brauchscht frische Groos fer d Hoos. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich duhn a bissl frisch Groos abschneida fer d Hoos. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Was bischt am doing mit sella Sens? 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Was bischt am duhn mit sella Sickl? Gras schneida a Schtick. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich will Groos schneida fer meina Hoos. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Bin en Groos am schneida fer mei Hoos. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Mer hen ’s geyust [engl. to use] fer ’s Groos hacka … 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich brauch Fudder fer meina Haas, so ich bin ’n Hoy schneida. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ahyee, ich bin am frisch Groos schneida fer unsre Hoos. 341 10.2. Transkript 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Ich bin am Groos schneida fer d Hoos. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sell Groosmeha? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sella lang Groosschneida? Ich muss en bissl frischa Groos fer meine Haas haba. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA I will frisch Groos fer d Hoos. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Was bischt du an duhn mit sella … Sickl … chopper? 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich bin Groos an schneida fer mei Hoos. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Was bischt an duhn mit sell Sichl? Ich will frischa Groos griega fer di Hosle. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Du waarscht s Groos tschappa [engl.chop] fer d Haas. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Was bischt du am duhn mit sell Senz? Ich bin Unkraut am abhacka. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Was bischt du an duhn mit sella Sickl? 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Was bischt du an duhn mit da Sickl? Bin an di Groos griega fer mei Haas. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich bin yuscht a bissl Groos am schneida fer mei Hoos fiddra. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Was bischt am duhn mit m Sichl? … Ich bin am Groos schneida fer di Hoosa. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Was duhscht du mit sell Saich? [engl. scythe] Ich will a fresch Groos fer d Hoos. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Was bischt du am duha mit rm Sichl? 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Was bischt am schaffa mit dei Sickl? Du brauchst a bissle frisch Groos fer dei Hoos. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Was bisch du am duhn mit sella Sickl? Fer s Groos ab‐ schneida fer s Hoos. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Was bischt Du ’n duhn mit sell Sickl? 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Was bischt du am duhn mit selli Sens? 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Was bischt Du an duhn mit selli Sickl? Du bischt frisch Groos an abmeaha fer dei Hoos. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Was bischt Du ’n duhn mit sella Sichl? 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Was bischt du am duhn mit d Sickl? Du brauchscht frisch Groos fer d Hoos. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Was bischt Du am duhn mit selle Sens? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Was bischt du am duhn mit selli Sens? Ich brauch a wennich Groos fer mei Hoos. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Was bischt du am duhn mit selli Sens? Ich brauch a wennich Groos fer mei Hoos. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Ich bin dro Groos schneida fer a Hoos! 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Was bischt du am duhn mit sellam Sichl? Du broachscht bissl frisch Groos s fer a Hoos. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Objekt-Extension; topologisches Nachfeld (Echo-Stll.) 342 10. Anhang Situation 10.01.: Peter’s building a house. He invites you to see his property. While you’re visit-ing his unfinished house, you happen to see some other buildings around. You say: ”Many houses are being built recently”. Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Viel Heemedde sind gebaut sei. Es sind viel Heemedde gebaut katzlich. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Do sind a latt Haisa am nuffgeha. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Do sind etliche Haisa am gebaut werra do katzlich. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS D Peder is en Haus am baua. Es sind a latt Haisa am gebaut werra alleweil. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Viel Haisa sind am gbaut werra katzlich. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Sie sind viel Haisa am baua alleweil. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Di sind ordentlich Haisa am baua. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Wie viel Haisa sind sie am nuffduhn! 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS So viel Haisa sind uffgeduhn. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS D erscht Ding, ass ma seht, is di neie Haisa, ass am uff‐ geha sind. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Fiele Haisa sind gebaut. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Oooh, viel Haisa sind am uffgeha dorum katzlich. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Sind a latt of Heemedde a latt Haisa sind zammage‐ macht … katzlich. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Wie viel Haisa waarn gebaut do within d letsche Yaahr? 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Es gebt viela Haisa do im letzte Dhelyaah.[dt. Teiljahr] 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA A few Haisa sind ’n gbaut werra rum. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Sind a latt Haisa gebaut … juuscht katzlich. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Vieli Haisa sind an gbaut werra. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Sind yuscht d negscht an latt Haisa gebaut worra. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Viel Haisa sind gebaut worra do katzlich. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Es gebt viel Haisa, d katzlich gbaut sin. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM ---blank--- 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Sind a latt Haisa an gebaut sei dorum. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Viel Haisa sind jetzt gebaut waarra. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Es sind viel Haisa, as do in d Nochberhschaft gebaut sind. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Viel Hausa sie hen auffgeduhn do lately. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Viel Haisa sind katzlich am gebaut sei … or … Mer baua viel Haisa katzlich … 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Wie viel Haisa sind being built? 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Viele Hausa sin … gebauet katzlich. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Sind viel Haisa an gebaut werra katzlich. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Katzlich sind a lot Haisa am gbaut werra. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Viel Haisa sind an gbaut werra katzlich. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA An latt Haisa sind ’n gbaut sei fer di … alleweil. 343 10.2. Transkript 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Wie viel Haisa sind an baua do nau? 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Wie viel Haisa sind am gebaut werra do lately? 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Viel Haisa wie des sind am gbaut werra katzlich. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Es sind viel Haisa am gbaut werra lately. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA An latt Haisa wuadda gbaat yuscht katzlich. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Viel Haisa sind am uffgeduhn werra do in d letschd Zeet. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Passivfähigkeit; Objekt-Extension Situation 10.02.: You see Elisabeth (5 years) again after a few years. She can’t remember you, so you help her remember you by saying: “The last time I saw you was when your house was being built! Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Di letschd Zeit, ass ich dich gsehna hab, waar, wie dei Heemet am gebaut waar … wie sie dei Heemet am baua waarn. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS D letschd mol, hab ich dich gsehna, waar’s, wenn ’s Hais waar gbaut. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Es letsche mal, ass ich dich gsehna hab, waar dei Haus yuscht am … hen sie dei Haus yuscht baua wolla, ’s waar no net faddich. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Es letschde mal, ass ich dich gsehna hab, waart dihr eier Haus ’m baua. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Es letschd mal, ass ich dich gsehna hab, waar, wann dei Haus am baua gewest waar. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Es letsche mol, ass ich dir gsehna hab, waarn sie dei Haus am uffschtella. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS D letschde mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wie sie dei Haus am baua waarn. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS D letzsche Zeit, wann ich dich gsehna hab, waar, wie ich dei Haus am builda waar. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Die letschde Zeit ich hab dich gsehna, du waarscht … wonn dei Haus … dei Heemet was being uffgeduhn. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, waar di Zeit, ass du dei Heemet am baua waarscht. 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Von letschda Zeit ich sah dich … your Haus waas just being built. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wie dei Haus am uffgeha waar. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Es letschde mol, hab ich dich gsehna, wie dei … sie dei Haas am baua waarn … am zammamacha waarn. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Es letschd Zeit, ass ich dich gsehna hab, waar dei Haus … dei Haus waar am gbaut … 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Es letsche mol, ass ich dich gsehna hab, dei Haus waar noch net faddich. 344 10. Anhang 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Es letschde mal, ass du mich gsehna hast, waar, wo dihra Haas am gbaut waar. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Es letsche mol, ass ich dich gesehna hab, waar ma an Haas baua … waar ma dei Haas an baua. 18 df_m_35_LAN_dei_OOA De letzschte mol, ass ich dich gsehna hab, dei Haas waar am gbaut werra. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Es letschd mol, ass ich dich geshena hab, is, wann sie yuscht an s Haus baua werra. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Es letschde mol, ass ich dich gesehna hab, waar, wo dei Haus am gebaut werra waar. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Es letschd mol, ass mer uns gsehna hen, waar, wie du dei Haus am baua waarscht. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM D letschd mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wenn dei Haus … being built. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Es letschd mol, ass ich dich gesehna hab, waar, wenn dei Haus am gebaut werra waar. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Die letschde Zeit, wann ich dich gsehna hab, waar, wann dei Haus am baua waar. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wie dei Haus gebaut waar. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Letzscht Zeit ich hab dich gsehna, wann dei Haus was uffgeduhn. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Es letschd mol, ass ich dich gsehna hab, waar, wo dei Haus … dihr waart es Haus am baua. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM De letzscht Zeit ich hab dich gsehna, du waarscht…dei Haus was being gebaut. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Es ledschte Zeit, ass ich dich gesehna hab, waar, wenn dei Haus waar gebaut. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Es letschd mol, ass ich dich gsehna hab, waar eier Haas an gbaut werra. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Es ledscht Mol, ass ich dich gsehna hab, waar dihra Haas am gbaut werra. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Es letschd mol ass ich dich gsehna hab, waar, wenn dihra Haus an gbaut werra waar. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Es letschd mol ass ich dich gsehna hab, waar eier Haas ’n gbaut werra. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ich hab dich ’s letzscht gsehna, wo du dei Haas an baua waarscht. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Es letschde mol, ass ich eich gsehne hab, waar eier Haas am gbaut werra. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Es letschde mal, ass ich dich gsehna hab, is, wu das Haas am gbaut werra waar. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Es letzschte mol, ass ich dich gsehna hab, wo sie eier Haas ’m uffdhun waarn. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Es letzte mal as i dich gsehna hab, waart dihr dro an Haus baua. 345 10.2. Transkript 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Es letschde mol, ass ich dich gsehna hab, des wo dei Haas am uffgeduhn werra waar. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Passivfähigkeit; Objekt-Extension; NS-Stel‐ lung Situation 10.03.: You enter King’s bakery. You had ordered in advance two apple pies for pick up at 3 pm. The sales clerk recognizes you and says: “Hello, your pies are being wrapped now. Please have a seat for just a minute! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Guuda Daag, dei Pois sind am … sie sind dei Pois am wickla nau, du kannscht en Sitz haba fer a paar Mi‐ nudde. 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Hallo, dei Pois sind being gewicklt, awwer nemm en Sitz fer en Minutt. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Dei Ebbel-Pois sind schon fattich, mer sind sie na am ready griega, nemm en Platz fer yuscht en Minutt, nemm en Sitz. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Hallo, dei Pais sind … sie sind am uffwrappa alleweil, nemm en Sitz fer yuscht en Minutt. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Wie bischt? Di Pois sind nau gwicklt sei, sei so guud und hab en Sitz fer yuscht en Minutt. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Sie sind dei Pos am wickla alleweil, hock dich dat hin fer en Minutt. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Nau hock di yuscht hin, ich bin alles am zumacha. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Hallo, your Ebble-Peis, sie sind am sie uffmacha, nimm yuscht a Sitz fer en Minutt. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich bin dei Poi … dei Pois sind … yuscht nehm den Sitz fer yuscht a Minutt 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS ---blank--- 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Guuda Mariyha, ich bin half faddich mit deine Poi, yuscht fer an Aageblicka setzt dich … or hock dich do hi. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Halloo, dei Pois sind am zurechtmacha alleweil, hock dich hie und waard a Minutt. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Hallo, mer sind dei Poi … am eiwickla, hock dich hi fer a paar Minudde. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Di Pois sind yuscht about faddich, uns sie sind sie ins Papier am duhn, hock di do fer en Minutt. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Hallo, dei Pois sind … ready, hock dich hin fer yuscht en Minutt. 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Dei Pois sind an gwicklet werra nau, kannst dich wen‐ nich ana hocka. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Hi, dei Pois sind an gwrappt werra, kannscht du en Sitz nehma nau? 346 10. Anhang 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Hallo, dei Pois sind an gwrappt werra,hab an Hock, fer paar Minudde. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Hi, sie sind an dei Pois wrappa nau, please hab yuscht an Sitz fer en Minutt. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Hallo, dei Pois sind grad nau am gwrappt werra, nimm dich an Sitz fer yuscht en Minutt, no grieg ma sie gwrappt fer eich. 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Hallo, dei Pois sind gwrappt, mer duhn sie ready macha nau, nehm yuscht an Sitz paar Minudde. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Dei Pois sin … 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Hi, dei Pays sind uffgwrapt sei nau, kannscht an Sitz nehma fer paar Minudde. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Hallo, dei Poia sind am decka werra, jetzt, sei so guud un hock dich hi fer yuscht en Minutt. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Hallo, dei Pois sind alleweil am gwickeld werra, hock dich doch hi fer en Minutt. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Hello, dei Pois sind nau uffgeduhn, hab an seat yuscht en Minutt. 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Hallo, mer duhn grod nau dei Poi eiwickla, sei so guud und hock dich hi fer en Minutt. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ja, dei Pois are being wraped, hock dich ana fer yuscht a Minutt. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Hello, dei Pois sind been … hock dich hi fer paar Mi‐ nudde. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Hallo, dei Pois sind uff an gwickelt werra, nau hock ana fer a Minutt. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Dei Pais sind an eigwicklt werra, nimm dich yuscht an Sitz. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Hallo, dei Pais sind an ready griegt werra, hock dick ana fer paar Minudde … oder: Dei Pais sind an eigwicklt werra. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Hi, dei Pois sind an uffgwrappt werra nau, hab ’n Sitz fer ’n Minutt. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Hello, dei Pois sind uffgwicklt nau, hab ’n Sitz fer n Mi‐ nutt. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Helloo, dei Pais sind elle uffgwicekelt nau, kumm yuscht rein, und gkrick dann … nemm dann Sitz! 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Hi, dei Pais sind an gwicklt werra, woat yuscht fer paar Minudde. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Hi, de Pois sind am gwickeld werra nau, yuscht nimm a Sitz fer a Minutt. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Hallo, dei Pois sind ready, sie sind gwrapt, hock dick ana fer yuscht en Minutt. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Hello, dei Pois sind am eingwrappt werra nau, please hab an Sitz fer paar Minudde. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Passivfähigkeit; Objekt-Extension; pro-drop-Stellung 347 10.2. Transkript Situation 10.04.: You visit your aunt/ uncle on their farm in Ohio. They are happy to show you the farm and the new pony, that was born three days ago. After you have seen the barn, your uncle says: “ I can show you our new pony, while the cows are being milked! ” Say in Pennsylvania Dutch: Nr. Interviewperson Antwort 1 bd_w_72_LEH_eng_DTS Ich kann dir … dich s neie Pony weisa, while di Kieh am gwaessert, am gfiddert sind … 2 vs_w_85_NOR_dei_DTS Ich kann dir en neie Pony weisa, while ass di Kieh sind gwatterd … sind gewaessert und gmelka. 3 dk_w_70_BER_eng_DTS Ich kann das neie Pony weisa, while di Kieh am gmelkt waara … Ich kann dir dr glee Gaul weisa, derweil die Kieh am gmelkt werra sin. 4 bn_w_84_BER_eng_DTS Ich kann dich d neie Pony weisa, derweil ass di Kieh am gwaessert werra sind and sind gemolka. 5 eq_m_65_LEH_eng_DTS Ich kann dir unsr neie Pony zeiga, derweil di Kieh ge‐ waessert sind werra … gemolka sind werra. 6 dh_m_70_BER_eng_DTS Ich kann dich unsr neie Pony weisa, while sie di Kieh am melka sin. 7 lb_m_90_BER_dei_DTS Ich kann dich d Pony zeega, ich bin am melka alleweil. 8 lm_m_79_BER_eng_DTS Ich kann dich weisa unsr neie Pony, wie mer di Kieh am melka sind. 9 rm_m_65_LEH_dei_DTS Ich kann dich unsr neie Gaal weisa, while di Kieh sind am gmilka. 10 rs_m_77_SCH_d&e_DTS Ich kann dich d Hutschli do sehna … 11 tb_m_46_CAR_dei_NOM Ich kann dich unsr neie Gaal schaua, bis di Kieha sind gemelekt. 12 gs_w_92_LEH_dei_DTS Ich kann eich d neie Pony weisa, while d Kieh am melka sind. 13 rf_m_90_LEH_dei_DTS Oh, ich kann eich mei neie Pony weisa, while mer sind di Kieh am melka. 14 wm_m_63_LEH_eng_DTS Ich kann dich mei neie Pony weisa, weil di Kieh an gmelka sind. 15 kb_m_65_BER_eng_DTS Du kannscht unser neie Gayl sehna, weil die Kuh sind am melka … 16 ss_m_70_LAN_dei_OOA Nau kann ich dich d neie Pony weisa, bis di Kieh gmolka werra…Zeit ma di Kieh melka sin, weis’ ich dich s neie Pony. 17 cs_m_36_LAN_dei_OOA Ich kann dich unsr Pony weisa, bis di Kieh gmolka sind … 18 df_m_35_LAN_dei_OOA Ich kann dich unsr neie Pony weisa, whila di Kieh am gmolka sei sind. 19 de_m_55_LAN_dei_OOA Ich kann dich d neie Pony weisa, weil di Kieh an gmolka werra sin. 20 em_m_60_BER_dei_OOM Ich kann dich noch unsr neie Pon weisa, while di Kieh am gmelkt werra sind. 348 10. Anhang 21 rm_m_70_BER_eng_DTS Ich kann dich di neie Pony weisa, wie mer di Kieh am melka sin. 22 as_w_34_LAN_dei_NOM Ich kann dich unsr neie Pony weisa while mer di Kieh an melka sin. 23 pr_m_50_LEB_dei_NOM Ich kann dich d neie Pony weisa, wann die Kieh am gmolka sei sin. 24 pd_m_33_BER_eng_DTS Ich kann dich unsr neie Pony schoua [engl. to show], wann die Kieh sind am gemelka werra. 25 db_m_75_LEH_dei_DTS Ich kann dich do unsr neie Pony weisa, daweil ass di Kieh am gmolka sind werra. 26 gw_w_90_LAN_eng_DTS Ich weis’ dich unsr new Gaal, wenn di Kieh am gmol … are being milked … 27 as_w_65_LEB_eng_DTS Ich kann dich unsr neie Hutschli weisa, while ebba die Kieh am melka is. 28 rn_m_74_LEB_eng_NOM Ich kann dich wissa … ich weis’ dich our neie Pony, while di Kieh sind am being gmelkt sei. 29 mm_w_84_LEB_d&e_NOM Ich kann di new … neu Hutschli weisa, while di Kih am gmelka sin. 30 tm_m_33_LEB_dei_NOM Ich kann dich d neue Pony weisa, weil sie di Kieha an melka sin. 31 ah_m_80_LAN_dei_OOM ---blank--- 32 vh_m_49_LAN_dei_OOM Ich kann dich d neie Pony weisa, while di Kieh am gmolka werra sin. 33 ds_m_35_LAN_dei_OOM Ich kann dich unser neues Pony weisa, wenn di Kieh an gmolka werra sind. 34 bz_w_73_LAN_dei_OOA Ich kann dich unser neu Pony weisa, while di Kieh an gmolka werra sin. 35 jb_m_72_LAN_dei_OOA Ich kann dich a neus Pony weisa, while di Kieh am gmolka werra sin. 36 eh_m_59_LAN_dei_OOM Ich kann dich dr glee Pony or d glee Hutschli weisa, … wonn di Kieha am gmolkan sin. 37 pb_m_43_SNY_dei_OOA Ich kann dich d neie Pony weisa, while d Kieh am gmolka werra sin. 38 am_m_47_HAR_dei_OOA Ich kann dich ’s neie Pony weisa, derweil ass di Kieh ’m gmolka werra sin. 39 sm_w_45_HAR_dei_OOA Ich kann dich d neue Pony weisa, while sie drausse di Kieh melka. 40 jm_m_39_RIC_dei_OOA Ich kann dich unsr neie Pony weisa, derweel ass die Kieh am gmolka werra sin. ❖ Zielsetzung der Erfragung: Verlaufsform; Passivfähigkeit; Objekt-Extension Ende der Transkripton 349 10.2. Transkript 10.3. Korpus: Ich bin am verzweifeln! Dieses Korpus wurde von mir aus Internet-Belegen und aus privaten Quellen zusammengestellt und ist im Laufe meiner Promotionszeit (2012-2015) erst als spontane Aktion in meinem Familienkreis entstanden und dann langsam, „de‐ tektivmäßig“ auf das nähere Umfeld, die U-Bahn-Fahrten, den Arbeitskreis und die Medien hinausgewachsen. Ich verzichte weiterhin auf morpho-syntaktische Analysen dieser Beispiele, weil dieses in meiner Abhandlung schon auf über 200 Seiten geschehen ist. Dies sollte nur eine Demonstration dessen sein, welche und wie viele am-Progressive in unterschiedlichen Alltagssituationen zu finden sind, ohne danach länger suchen zu müssen. Auf Geheiß von Dr. M. L UTHE R : „Ihr müsst dem Volk aufs Maul schauen“. Nr. Sammlung zum Thema am-Progressiv aus Medien, Gesprächen und vom Hören-Sagen. Die Orthografie bleibt wie vorgefunden. 1 Ich bin am Verzweifeln. Ich möchte mehrere Word-Dokumente zu einem zusam‐ menfügen. Und das OHNE Copy&Paste 26.11.2014; www.officeloesung.de/ ftopic203364_0_0_asc.php 2 De sun is am uff kumma un es is really warm de morya, es guckd ve en haza daag. Mir hoffa fa some riaya. (persönliches Korpus, Brief von A. MAST, Mai 2012) Hey, was is am geya? Yes we are all in good health, little Christina is doing very well. (Brief von A. MAST Sept 2012) Ich bin am Briefeschriewa. (Brief von Albert MAST, Okt, 2012) 3 Es scheint ein Doping-System am laufen zu sein, das ich so im Jahr 2014 nicht für möglich gehalten hätte. (ARD-Doku: Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht 03.12.2014.) http: / / www.ardmediathek.de/ tv/ Sportschau/ Geheimsache-Doping/ Das-Erste/ Video? documentId =25114280&bcastId=53524 noch abrufbar 03.12.2015 4 Nachtrag: Ich habe mir die Patrone noch ein zweites Mal bestellt, war aber erst am zögern da ich sehr kurzfristig eine neue Patrone brauchte. http: / / www.amazon.de/ Druckerpatrone-kompatibel-f%C3%BCr-black-C9351CE/ dp/ B0043QL1RI / ref=sr_1_3? ie=UTF8&qid=1431014075&sr=8-3&keywords=hp+21 (noch abrufbar 05.05.2015) 5 Hallo an alle PowerPoint-Spezialisten! Bin am Verzweifeln … Ich möchte selbst gestaltete Icons ins PowerPoint einfügen und diese per Farbtopf umfärben können. (www.apfeltalk.de/ community/ threads/ vektorgrafiken-im-powerpoint.408172/ (noch abrufbar 05.05.2015) 6 Und du hast da eine richtig große Sache am laufen, oder? (Aus dem Film Unbesiegbar - Der Traum seines Lebens mit Mark Wahlberg; 2006; 25: 20) 7 Ich bin am überlegen, ob du die Julia spielen kannscht. 350 10. Anhang Nr. Sammlung zum Thema am-Progressiv aus Medien, Gesprächen und vom Hören-Sagen. Die Orthografie bleibt wie vorgefunden. (TV-Sketche auf Schwäbisch: Hannes und der Bürgermeister www.youtube.com/ watch? v=Zlg_T3 qdSKI (noch abrufbar 05.05.2014)) 8 Unser Vorrat an Zucker geht zur Neige. Und draußen sind die Speicheltropfen am wischen. Da finden wir nicht mehr viel. (Wrigley Oral Healtcare Program, Kindercomic Dentiman kämpft gegen Bacilosaurus, Ausgabe 03.2013) 9 Er (Calveras) kommt in unser Dorf und plündert uns aus, wir sind schon am ver‐ hungern. (Film: Die glorreichen Sieben (1961) Regisseur John S T U R G E S , Min. 19: 51) 10 Ich war in Köln am arbeiten. (Schaffner im ICE München-Köln 24.11.2013) 11 Wenn der bis 05.00 Uhr morgens am arbeiten ist, dann braucht er mich nicht zum Bahnhof fahren. Ist es bei Dir oben auch am regnen? (Telefonat eines Passagiers im ICE München-Köln 24.11.2013) 12 Was ich gerade am machen bin, ist die Planung meiner Dissertationsthesen … Die Kontakte, die ich am knüpfen bin, sind sehr wichtig für meine Diss. (HBS-Stipendiat aus der Schweiz auf einer Promovierenden-Konferenz Nov. 2013) 13 Es hängt davon ab, was am laufen ist. (HBS-Dozentin auf einer Promovierenden-Konferenz Nov. 2013) 14 Das bin ich am überlegen, wie ich es reflektieren kann. (HBS-Stipendiatin auf einer Promovierenden-Konferenz Nov. 2013) 15 Ich bin die Prüfungsfragen am herrichten. (Dozent in der Elektroinnung München. Dez 2013) 16 Weil ich am übersetzen bin. (LMU Promovendin bei einer Doktorandensitzung Dez. 2013) 17 Wir sind gerade am bohren. Die Spritze ist schon am wirken? (Dr.dent. Wagner; München März 2014) 18 Papa, wir sind am probieren! (Tochter Emilia (7), beim Kochen, März 2014) 19 Ich bin am überlegen, ob man die Erlaubnis nach 6 oder nach 9 Monaten braucht. (HBS-Stipendiatin (Berlin), Promovierenden-Konferenz März 2014) 20 Wir sind am brainstormen, wie wir das organisieren. Das ist alles noch am werden. Wir sind sie (Broschüren) am nachdrucken. Wir sind noch am überlegen, wie wir damit umgehen werden. 351 10.3. Korpus: Ich bin am verzweifeln! Nr. Sammlung zum Thema am-Progressiv aus Medien, Gesprächen und vom Hören-Sagen. Die Orthografie bleibt wie vorgefunden. Alle waren am munkeln, wer der neue Promotionsleiter werden wird. (HBS-Dozentin auf einer Promovierenden-Konferenz März 2014) 21 Das Programm „DVD-VideoSoft“ ist am herunterladen. (Zwischenmeldung bei der Installation eines Programms Jan. 2016) 22 Die kleine Beatrice ist noch am sich durchsetzen. (Slavistik-Lektorin an der LMU März 2014) 23 Wir sind noch das Essen (die Kosten für Bewirtung) am einreichen, ob sie das auch übernehmen. (HBS-Stipendiatin (München), Promovierenden-Konferenz März 2014) 24 Die Ente war stark am humpeln. (Zoo-Rettungsdienst Dresden, Tiersendung auf ZDF, Juni 2014) 25 Wir sind am überlegen, ob wir uns etwas (eine Wohnung) in München kaufen. (Familienfreund E.Keller, München, Juni 2014) 26 Ich war die ganze Zeit am lernen für die mündliche Prüfung. (BA-Student in der Uni-Mensa, München, Juni 2014) 27 Die letzten zwei Minuten sind am laufen. (WM-Kommentator im Spiel Deutschland gegen Algerien. Juli 2014) 28 Ich muss meine Oma grüßen. Die hat heute Geburtstag, ich konnte sie nicht erreichen. Die war schon am schlafen. (Fußball-Weltmeiser Kramer im Interview nach dem WM Finale, Juli 2014) 29 Das Forstamt ist am rätseln, wie sich die sog. Donnerlöcher auftun. (ZDF Terra Xpress über Erdrutschfolgen, Nov 2014) 30 Das ist ein Kulturbüro, das Infomaterial und Bücher am aufbauen ist. Wir sind noch am errechnen, wie viel Spenden wir bekommen können. (HBS-Stipendiat (Essen), Promovierenden-Konferenz Okt 2014) 31 Ich finde, die Geisteswissenschaften sind am kränkeln, weil sie wenig neue Im‐ pulse hervorbringen. (HBS-Stipendiat (Köln), Promovierenden-Konferenz Okt 2014) 32 Ich bin am überlegen, ob wir da überhaupt hingehen sollten. (Fahrgast in der Münchener U-Bahn, Okt 2014) 33 Schau, die da ist am telefonieren und fährt Auto! Typisch Frau! (HBS-Stipendiat im Auto, auf die schlängelnde Fahrerin vor uns deutend, Nov. 2014) 34 Man muss nach Berlin kommen, um täglich am verzweifeln zu sein … (Tagesschau 20.00, Eine italienische Fahrgästin am Berliner Hbf. bezüglich des Lokstreiks Nov. 2104) 352 10. Anhang Nr. Sammlung zum Thema am-Progressiv aus Medien, Gesprächen und vom Hören-Sagen. Die Orthografie bleibt wie vorgefunden. 35 Darf ich noch was ergänzen, weil Frau A. schon am gehen ist. Wir sind am rumdrucksen, wie wir die fehlenden Dozenten ersetzen sollen. (Kollegin aus München, Dozentenkonferenz, Dez 2014) 36 Der Begriff „Digital Humanities“ ist stark am kommen. (Dr. Chr. R. an der LMU, IT-Abteilung, Tagung, Nov 2014) 37 Ich bin gerade am ausmisten. (Kollegin, aus München, hält gerade ein paar Tassen in den Händen, Jan. 2015) 38 Was macht ihr da, im Zimmer? Seid ihr am renovieren? (Nachfrage eines aus Italien stammenden Nachbarn über die Geräusche aus unserer Woh‐ nung, Jan 2015) 39 Wie weit seid ihr? Wir sind gerade am generieren. Noch sechs Sekunden, bin am uploaden! (Film: Mission Impossible III. Mit Tom Cruise Min. 47: 38; & 54: 22) 40 Ich bin am überlegen, ob wir dort hinfahren. (Lehrwerk für DaF, Prüfungstraining telc Deutsch B2. S. 22) 41 Weil die deutschen Freiwilligen erst vergangenen Dezember (in Liberia) an‐ kamen und Ebola dann schon am abklingen war, werden in der deutschen Be‐ handlungsstation vor allem schwere Infektionskrankheiten wie Malaria behan‐ delt. (Tagesschau 20.00 vom 12.04.2015. Min. 4: 50) 42 Das ist problematisch, weil wir nicht wissen, ob die (Flüchtlinge) am verhungern sind. (Von H. Prandl, Talk-Schow bei Günther-Jauch, 19.04.2015.) 43 Bei den non-sectarians ist die Sprache (PeD) eher am aussterben. (Student im Oberseminar Sprachinseln. Mai 2015) 44 Niederdeutsch ist praktisch am aussterben. (Prof. G.S. an der LMU im Oberseminar Sprachinseln. Mai 2015) 45 Bekommen wir die Folien? Sonst sind wir die ganze Zeit am Folien ab‐ schreiben. (Studentin im Oberseminar Sprachinseln. Mai 2015) 46 Ich war am Anfang ganz stark am kämpfen, die Literatur zum Thema zu finden. (Doktorandin aus München im Oberseminar Schreibwerkstatt in München, Juni 2015) 47 Ich war das ganze letzte Jahr hart am arbeiten an der Diss. (Doktorandin aus China im Oberseminar Schreibwerkstatt in München, Juni 2015) 48 Ich bin gerade die Rolle (Posterhülle) am auseinanderdrehen, dann sehe ich die Größe. (Verkäufer am Telefon im Schreibwarenladen, München Juni 2015) 353 10.3. Korpus: Ich bin am verzweifeln! Nr. Sammlung zum Thema am-Progressiv aus Medien, Gesprächen und vom Hören-Sagen. Die Orthografie bleibt wie vorgefunden. 49 Z. Beispiel ist das Italienische in der deutschen Werbung noch stark am kommen. (Doktorandin bei der Disputation, LMU München, Juni 2015) 50 Ich bin aa forward an gucka fer baal in Munich zu sei. Hatzlich. (Mail von M. Louden. Juni 2015) 51 Ich habe die Beobachtung gemacht, dass zum späten Abend hin, die Garage weit geöffnet war und dort mindestens zwei Personen am werkeln und basteln waren. (Spiegel-TV zum Asylheimanschlag in Aug 2015, Sprecher aus Salzhammerdorf bei Han‐ nover.) 52 Das Boot (Europa) ist nicht schon voll, das Boot ist am untergehen. (ZDF-Doku Zuflucht Europa, ein Wiener Passant im Interview) 53 Die (US-amerikanische) Wirtschaft wurde durch die Kriegsindustrie angekur‐ belt, das war eine Art Schub, der die Wirtschaft am laufen hielt. (ZDF-Doku Der Große Börsencrasch (2) 1929; Min. 39: 16) 54 Ich habe einen Leistenbruch gekriegt, da bin ich ins Krankenhaus gegangen und die sind mich jetzt am da behalten. (Familienfreund aus dem Kreis Calw, Sept.2015) 55 Wir waren gerade so schön am arbeiten, als es an der Tür klopfte. (Wortlaut: We were working our way, when all a sudden there was a knock on the door.) (ZDF Doku: Der gefährlichste Mann in Amerika (Daniel Ellsberg) Min. 45: 55) 56 >Ich bin am dauerreden, als ich einen anonymen Anruf bekomme. (Wortlaut Senator Mike GRAVEL: I am just checking along with my filibuster and I get a phone call.). (ZDF Doku: Der gefährlichste Mann in Amerika (Daniel Ellsberg) Min. 62: 40) 57 Fokusfragen? Ich bin am zweifeln, ob es so etwas wie „Fokusfragen“ überhaupt gibt. (Prof. Dr. Th. V. LMU München, Diskussionsforum Linguistik in Bayern. Okt. 2015) 58 [Telefon auf der Station klingelt] Welche Station? Station 6. Er muss einen Au‐ genblick warten, ich bin gerade am Medikamente verteilen? (Fernsehserie: Schwarzwaldklinik Folge 4; Min.28: 20) 59 Seid ihr am gehen? (Eine Passantin am Wörthsee, als wir unsere Bankplätze verlassen wollten Okt. 2015) 60 Ich bin hier im Haus am Werbung machen für neue Fenster. Brauchen Sie welche? (Ein Verkaufsvertreter der Firma WeKu an unserer Haustür Febr. 2016) Ende der Dissertation _____________________________________________________ 354 10. Anhang Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Linguistic Landscaping in Pennsylvania (Bilder Copyright A. Tomas) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abb. 2: Außenperspektivierung einer Verbalsituation . . . . . . . . . . . 38 Abb. 3: Innenperspektivierung einer Verbalsituation . . . . . . . . . . . . 39 Abb. 4: Fokussierung bei Aktionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abb. 5: Aspektoppositionen nach Comrie 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Abb. 6: Kodierungsniveaus von Aspektualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Abb. 7: Darstellung der unterschiedlichen Dependenz-Verhältnisse 69 Abb. 8: Befragungsorte in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Abb. 9: Beispiel-Situation aus dem Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abb. 10: Screenshot der Software f4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abb. 11: Screenshot der Daten-Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abb. 12: Gesellschaftliche Zugehörigkeit der befragten Sprecher . . . 106 Abb. 13: Altersklassen der befragten Sprecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Abb. 14: Boxplot-Grafik zur Gesamtnutzung der am-Progressive . . 109 Abb. 15: Bopxplot-Grafik zur Gesamtauswertung bezüglich des gesell. Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Abb. 16: Gesamtauswertung bezüglich des Alters . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Abb. 17: Vergleich des jüngsten und des ältesten Sprechers . . . . . . . 111 Abb. 18: Gesamtauswertung aller am-Progressive bei den Sprechern 112 Abb. 19: Gesamtauswertung aller am-Progressive nach County und gesell. Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Abb. 20: Passivfähige am-Progressive - Gesamtauswertung . . . . . . . 114 Abb. 21. Auszug aus Haldemans Grammatik (1872: 20) . . . . . . . . . . . 126 Abb. 22: Darstellung von Habitualität in Sit. 02.5. . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Abb. 23: Darstellung von Habitualität in Sit. 03.2. . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Abb. 24: Distribution der duhn-Phrasen im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abb. 25: Distribution der duhn-Lesarten im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abb. 26: Phrasenstrukturdiagramm eines Beispielsatzes . . . . . . . . . . 178 Abb. 27: Phrasenstrukturdiagramm eines am-Progressiv-Satzes . . . 179 Abb. 28: Phrasenstrukturdiagramm der am-Progressiv-Klammer . . 179 Abb. 29: Dependenzdiagramm für am-Progressive . . . . . . . . . . . . . . . 180 Abb. 30: Anteil von am-Progressiven in Sit. 07.1. und 07.2. . . . . . . . . 210 Abb. 31: Cosmas-Suchabfrage 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abb. 32: Cosmas-Suchabfrage 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abb. 33: Zusammenfassung Sit. 10.2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Abb. 34: Auswahlmöglichkeiten bei der Fragestellung Sit. 10.01. . . . 244 Abb. 35: Auswahlmöglichkeiten bei der Fragestellung Sit. 10.02. . . . 244 Abb. 36: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich des gesellschaftlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abb. 37: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich des gesellschaftlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abb. 38: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich der Muttersprache . 246 Abb. 39: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich der Muttersprache . 246 Abb. 40: Auswertung der Frage 10.1. bezüglich der Altersklasse . . . 246 Abb. 41: Auswertung der Frage 10.2. bezüglich der Altersklasse . . . 247 Abb. 42: Alle Distributionsmuster in Sit. 10.4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abb. 43: Auswertung der Fragestellung Sit. 10.4. bezüglich des gesellschaftlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abb. 44: Zusammenfassung aller Fragen im Frageblock Sit. 10. . . . . 254 356 Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Tab. 1: Vendlers Verbklassifikation (1957) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Tab. 2: Anzahl der interviewten Sprecher und ihre Zugehörigkeit . . . 101 Tab. 3: Gesellschaftlicher Status der Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Tab. 4: Altersgruppen der befragten Sprecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Tab. 5: Durchschnittliche Anzahl der am-Progressive in H. wie D. . . . 121 Tab. 6: Der Gebrauch von trennbaren Verbzusätzen in Sit. 01.4. . . . . . 129 Tab. 7: Der Gebrauch von Adverbien bei am-Progressiven in Sit.02.1. 130 Tab. 8: Der Gebrauch von Adverbien bei am-Progressiven in Sit. 02.4. 131 Tab. 9: Reflexiva und am-Progressiv in Sit. 02.2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Tab. 10: Reflexiva und am-Progressiv in Sit. 04.1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Tab. 11: Distribution der Verbklassen (V E NDL E R 1957) . . . . . . . . . . . . . . . 150 Tab. 12: Häufigkeit der Verbklassen in Sit. 03.2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Tab. 13: Kasusmarkierung im PeD Nominalsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Tab. 14: Possessivpronomina im PeD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Tab. 15: Passivfahigkeit von am-Progressiv Sit. 10.1. . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Tab. 16: Grammatikalisierung nach Lehmann (2015: 132) . . . . . . . . . . . 257