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Konstanzer Bäder und Badeanstalten

2020
978-3-7398-8073-0
UVK Verlag 
Jürgen Klöckler

Auf einen Streifzug durch die Geschichte des Badewesens und die Konstanzer Bäder lädt der vorliegende Sammelband ein. Informativ, kurzweilig und spannend werden unterschiedlichste Aspekte rund um das Thema Baden vorgestellt: Von der römischen Therme als Teil des Kastells auf dem Münsterhügel über die Badetraditionen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, der Etablierung des Schwimmens und Badens als neues Freizeitvergnügen ab dem 19. Jahrhundert bis zum Livestyle- und Wellness-Event der Gegenwart. Ab den 1920er Jahren wurden die Frei- und Strandbäder auf der gesamten heutigen Konstanzer Gemarkung, also auch in den Ortsteilen Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf und Litzelstetten angelegt. Das damals modernste Hallenbad am Seerhein entstand in der Zeit des Nationalsozialismus, das abgebrannte und bald schon wieder aufgebaute Schwaketenbad wird das größte und modernste Hallenbad der Stadt werden. Ein Besuchermagnet für die gesamte Region ist ganz sicher die Bodensee-Therme. Genau die richtige Lektüre für einen sommerlichen Besuch im Freibad Horn, das im Juli 2020 seinen einhundertsten Geburtstag feiern konnte. Mit Beiträgen von Tobias Engelsing Helmut Fidler Lina Formhals Ilse Friedrich Georg Geiger Simon Götz Robert Grammelspacher Jörg Heiligmann Jürgen Klöckler Moritz Mayer Andreas Osner Josef Siebler

Jürgen Klöckler (Hg.) Konstanzer Bäder und Badeanstalten Ein Beitrag zur Geschichte des Badewesens am Bodensee Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz Band 21 Jürgen Klöckler (Hg.) Konstanzer Bäder und Badeanstalten Ein Beitrag zur Geschichte des Badewesens am Bodensee UVK Verlagsgesellschaft Konstanz Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1619-6554 ISBN 978-3-7398-3073-5 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2020 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: Strandbad Jakob um 1934, StadtA Konstanz Z1.fi.1013.1 Druck: CPI books GmbH, Leck UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 www.uvk.de Inhalt Jürgen Klöckler Baden und Schwimmen in Konstanz und im Bodensee . . . . . . . . 7 Zur Einführung Jörg Heiligmann Die Thermen des römischen Constantia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Simon Götz Badehäuser und Badstuben in Konstanz im Mittelalter und zur Zeit des Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Helmut Fidler Ganz rein! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Zur Geschichte der jüdischen Badekultur in Konstanz Moritz Mayer Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit . . 55 Tobias Engelsing „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ . . . . . . . . . . . 65 Badekultur und Badeanstalten in Konstanz im 19. und frühen 20. Jahrhundert Jürgen Klöckler Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? . . . . . . . . 107 Zur Geschichte des im Sommer 1920 eingerichteten Konstanzer Freibads Horn Ilse Friedrich Das Kur- und Hallenbad am Seerhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Ein „Markstein“ aus der Zeit des Nationalsozialismus in Konstanz 6 Inhalt Georg Geiger Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht . . . . . . . 159 Zuerst Ausflugslokal des Johann Georg Jakob, dann Strandbad Jakob und heute Bodensee-Therme Lina Formhals Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Die Dusch- und Wannenbäder in Konstanz Josef Siebler ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder auf der heutigen Konstanzer Gemarkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf, Litzelstetten, Allmannsdorf und Wollmatingen Georg Geiger / Robert Grammelspacher Erkämpft, geliebt, abgebrannt und wieder aufgebaut: Das Schwaketenbad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Andreas Osner Bürgerbeteiligung und Konfliktmoderation im Bäderwesen . . . 301 Zwei brandaktuelle Fallbeispiele Robert Grammelspacher Badekultur heute und in Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Baden in Konstanz und Schwimmen im Bodensee Zur Einführung J ürgen K löcKler Im Juli 2020 jährt sich zum 100. Mal der Beschluss des Konstanzer Gemeinderats unter dem liberalen Oberbürgermeister Otto Moericke, auf dem Flurstück „Hornacker“ - in traumhafter Lage an der Ostspitze des Bodanrücks gelegen - eine öffentliches Freibad einzurichten, und zwar unter der Maßgabe, eine Badeaufsicht aus dem Kreis der Kriegsversehrten einzustellen, die „Abschrankung“ des Badegeländes vorzunehmen sowie das Ausbringen eines Floßes zu veranlassen. Der schriftliche, in den Ratsprotokollen niedergelegte Beschluss darf als Geburtsurkunde für das von den Einheimischen liebevoll „Hörnle“ genannte Freibad angesehen werden, das vielfach als das schönste Strandbad Deutschlands bezeichnet wurde (und wird). Mit Blick auf dieses Jubiläum fassten die BGK-Bädergesellschaft Konstanz, vertreten durch Geschäftsführer Robert Grammelspacher, die Stadtwerke Konstanz, vertreten durch Pressesprecher Josef Siebler, und das Stadtarchiv, vertreten durch Stadtarchivar Jürgen Klöckler, im Frühsommer 2019 den Entschluss, rechtzeitig zum Jubiläum eine aus den Quellen recherchierte Geschichte der Konstanzer Bäder und des Badewesens erscheinen zu lassen. Schnell kam man überein, die geplante Bädergeschichte in der eingeführten „Kleinen Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz“ zu veröffentlichen. Es sollte sich um den nunmehr 21. Band dieser seit dem Frühjahr 2002 bei der Konstanzer UVK Verlagsgesellschaft publizierten Reihe handeln. Ein aus einem Dutzend Autorinnen und Autoren bestehendes Team konnte innerhalb weniger Wochen zusammengestellt werden; die Recherchen begannen ab September 2019, gestützt im Wesentlichen auf das im Stadtarchiv, in den Stadtwerken und in der Bädergesellschaft verwahrte Quellenmaterial. Die Manuskripte erreichten den Herausgeber bis Ende Februar 2020. Doch die weltweit grassierende Corona-Epide- 8 Jürgen Klöckler mie hatte auch für dieses Projekt Konsequenzen. Bei Konzeption des Bandes war geplant, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Freibads Horn das Buch im Sommer 2020 einer interessierten Öffentlichkeit zu übergeben. Ob, wie und wann die Konstanzer Bädergeschichte öffentlich präsentiert werden kann, war bei Drucklegung des Buches Mitte Juni 2020 unklar. Erstmals drohte angesichts der weltweiten Pandemie sogar eine komplette Schließung aller Konstanzer Bäder. Am 28. Mai 2020 gab der „Südkurier“ Entwarnung unter der Überschrift: „Konstanzer Strandbäder bleiben offen“. Zum bevorstehenden Pfingst-Wochenende seien die Liegeflächen der Bäder geöffnet, das Schwimmen sei aber landesweit vorerst noch verboten. Es würden Kontrollen durchgeführt. „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg durfte man in Konstanz so lange nicht baden“, erklärte Bäder-Chef Robert Grammelspacher. Soweit die jüngste und für dieses Buch abschließende Entwicklung zum Baden in Konstanz. Doch nun zum Inhalt der Bädergeschichte. Die Gliederung des Bandes folgt weitestgehend der Chronologie. Sicherlich hatten auch die Pfahlbaubewohner der Stein- und Bronzezeit Kontakt mit dem Wasser und konnten eventuell schwimmen. Doch darüber haben sich keine verwertbaren Quellen erhalten, genauso wenig wie über die auf der Konstanzer Endmoräne siedelnden Kelten. Die vorliegende Bädergeschichte beginnt daher mit den ersten archäologischen Funden zum Badewesen auf dem Münsterhügel. Es handelt sich um die Fundamente der Thermen, die sich innerhalb des spätrömischen Kastells erhalten haben. Kompetent berichtet der ehemalige Direktor des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg, Jörg Heiligmann, über die Erkenntnisse der unmittelbar nach der Jahrtausendwende durchgeführten, sensationellen Grabung. Im Marschgepäck der römischen Legionen hielt gleichsam das Badewesen Einzug in Konstanz. Detailliert berichtet der versierte Archäologe über die Anlage eines römischen Bades auf dem Münsterhügel und die Badepraxis der Römer in Konstanz. Der Autor fasst seine Ergebnisse zusammen, indem er die Inschrift eines Grabsteins in Rom zitiert: „Die Bäder, die Weine, die Liebe verderben unsere Körper; aber sie machen das Leben aus, die Bäder, die Weine, die Liebe! “ Baden in Konstanz und Schwimmen im Bodensee 9 Anschließend untersucht ein Doktorand am Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte der Universität Konstanz, Simon Götz, kurzweilig und quellenbasiert die Geschichte des Badewesens und des Badens im frühen Mittelalter, beginnend mit dem St. Galler Klosterplan bis zur Zeit des Konstanzer Konzils. Er legt den Neuanfang des Badewesens auf das 13. Jahrhundert, als - wohl angeregt von rückkehrenden Teilnehmern der Kreuzzüge - verstärkt Badehäuser und Badstuben aufkamen, die er im Konstanzer Stadtgebiet auch lokalisiert. Oftmals war ihnen eine erotische Komponente inne. In ihrer Nähe befanden sich bisweilen die von „Frowenwirten“ betriebenen Bordelle. Am längsten wurde das Löhlinbad am Ziegelgraben betrieben, das erst 1896 eingestellt wurde. Dem jüdischen rituellen Baden und dem Standort der Mikwaot (dem Plural von Mikwe) nimmt sich der freischaffende Konstanzer Historiker Helmut Fidler an, der als Experte für das jüdische Leben am Bodensee gilt. Der ganze Körper muss beim rituellen Baden im Becken der Mikwe untertauchen, weshalb eine Tiefe von 1,2 Metern notwendig ist. Der Autor kann zwei mittelalterliche Mikwaot nachweisen, die jeweils mit Grundwasser gefüllt wurden. Heute stehen den Jüdinnen und Juden innerhalb des Konstanzer Stadtgebiets insgesamt drei Mikwaot zur Verfügung. Der Konstanzer Lehramtskandidat Moritz Mayer, ein Nachwuchswissenschaftler mit regionalgeschichtlichen Ambitionen, beleuchtet das Badewesen und die Badehäuser in der Frühen Neuzeit, ein weitgehend unerforschtes und quellenmäßig schwieriges Kapitel. Die Frühe Neuzeit war wasserscheu - Wasser galt als Gesundheitsrisiko für den menschlichen Körper und wurde gemeinhin gemieden. Zudem waren die Reformation und deren strenge Zuchtordnungen nicht dazu angetan, das Badewesen in den Städten aufblühen zu lassen. Dem Baden und Schwimmen im See im 19. und frühen 20. Jahrhundert hat der Direktor der Konstanzer Museen, Tobias Engelsing , ein eigenes Kapitel gewidmet. Kurzweilig bereitet er - wie von ihm gewohnt - das Material zu den hölzernen, im Bodensee errichteten Badeanstalten und dem freien Schwimmen in spannender Weise auf. Die Leserschaft wird mit mancherlei historischen Anekdoten 10 Jürgen Klöckler gleichsam in den anschaulich und elegant geschriebenen Beitrag hineingezogen. Den Jubiläumsbeitrag über die 100-jährige Geschichte des Freibads Horn stammt aus der Feder des Herausgebers dieser Publikation, dem Konstanzer Stadtarchivar Jürgen Klöckler. Die liebevoll als „Hörnle“ bezeichnete Badeanlage wird von vielen Menschen aus nah und fern seit langem als „Deutschlands schönstes Strandbad“ bezeichnet. Hier wird erstmals eine konzise Geschichte dieser Badeanstalt vorgelegt, die rein aus den erhaltenen Quellen geschöpft wurde und auch eine persönliche Note enthält. Einem markanten Bäder-Projekt der NS-Zeit, dem Kur- und Hallenbad, widmet sich die ehemalige Denkmalschützerin der Stadt Konstanz. Minutiös rekonstruiert Ilse Friedrich Zeitumstände und Details dieses Ende der 1930er Jahren errichteten und damals modernsten Hallenbades am Bodensee, das im Zusammenhang mit der von NS-Oberbürgermeister Albert Herrmann betriebenen Modernisierung der Stadt steht. In den Friedensjahren des NS-Regimes entstanden neben dem an Zweckmäßigkeit und Funktionalität ausgerichteten Kur- und Hallenbad das heutige Bodensee-Stadion („Bodensee-Kampfbahn“), der Neubau der Rheinbrücke und das Jakobsbad, das im nächsten Beitrag behandelt wird. Über diesen landschaftlich ganz außergewöhnlichen Punkt am Konstanzer Trichter gäbe es viel zu erzählen. Der ehemalige Bäderchef Georg Geiger zeichnet im Detail die Entwicklung von einem Ausflugslokal des Johann Georg Jakob im 19. Jahrhundert zum gleichnamigen Strandbad der 1930er Jahre nach, an dessen Stelle nach der Jahrtausendwende schließlich die Bodensee-Therme errichtet worden ist. Das ist verdichtete und kondensierte Konstanzer Bade- und Bädergeschichte, bis ins Detail erforscht und niedergeschrieben. Lisa Formhals von der Pressestelle der Konstanzer Stadtwerke geht dem interessanten Phänomen der Dusch- und Wannenbäder in der Stadt nach. Diese Institutionen haben den hygienischen Verbesserungen der letzten Jahrzehnte nicht standhalten können, da mittlerweile (fast) jede Wohnung in der Stadt über ein eigenes Badezimmer mit Dusche und/ oder Badewanne verfügt. Das war vor der Sanierung der Altstadt in den 1960er Jahren deutlich anders, weshalb unter hygienischen Gesichtspunkten die Dusch- und Wan- Baden in Konstanz und Schwimmen im Bodensee 11 nenbäder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr wohl ihre Berechtigung hatten und entsprechend stark frequentiert waren. Den „wilden“ und den öffentlichen Strandbädern auf der nach den Eingemeindungen des 20. Jahrhunderts stark vergrößerten Konstanzer Gemarkung widmet der Sprecher der Stadtwerke, Josef Siebler, einen interessanten und aufschlussreichen Beitrag. Von diesem Phänomen sind die ehemals selbstständigen Gemeinden Allmannsdorf, Wollmatingen, Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen-Wallhausen betroffen, allesamt zwischen 1915 und 1975 nach Konstanz eingemeindet. Eine ähnliche Dichte an Strandbädern hat wohl keine Kommune rund um den Bodensee vorzuweisen. Eine Zweiteilung hat der Beitrag über das Schwaketenbad erfahren. Die beiden Bäderchefs, nämlich der im Ruhestand befindliche und der aktuelle Geschäftsführer, Georg Geiger und Robert Grammelspacher, zeichnen die Geschichte des erkämpften, geliebten, im Juli 2015 spektakulär abgebrannten und neu aufgebauten Schwaketenbades nach, das in absehbarer Zeit wiedereröffnet werden kann. Es wird in seiner Dimension und Ausstattung auch den Erfordernissen einer rasch wachsenden Stadt gerecht werden. Sozial- und Kulturbürgermeister Andreas Osner berichtet anschaulich von seinen Erfahrungen mit dem Badewesen, konkret mit Bürgerbeteiligung und dem Umgang mit der Burkini, einer zweiteiligen Badebekleidung für muslimische Frauen, die bis auf Gesicht, Hände und Füße den ganzen Körper bedeckt. Eine Vision der Zukunft der Badekultur in Konstanz und am Bodensee entwickelt schließlich Robert Grammelspacher aus kundigem Blickwinkel. Dem Bäderchef gelingt es, die Perspektive zu weiten und die in dieser Bädergeschichte ausgiebig ausgebreitete Vergangenheit hinter sich zu lassen. Freuen wir uns auf das Badevergnügen des 21. Jahrhunderts. Ein Verzeichnis aller beteiligten Autorinnen und Autoren in kurzbiografischer Form beschließt den Band. Das 100-jährige Jubiläum des Freibads Horn und die absehbare Fertigstellung des Schwaktenbades sind Anlass genug, auf die reichhaltige und vielseitige Geschichte des Badens und Schwimmens in Konstanz zurückzublicken. Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, sei eine unterhaltsame und zugleich informative Lektüre gewünscht. Die Thermen des römischen Constantia J örg H eiligmann Konstanz verdankt seine Gründung und Entwicklung der verkehrsgünstigen Lage am Südufer des Bodensees im Mündungsbereich des Obersees in den Seerhein. Die ältesten Siedlungsspuren finden sich auf dem rund 5 bis 7 m über dem Seespiegel aufragenden Münsterhügel und im Bereich des sich nördlich anschließenden mittelalterlichen Stadtteils „Niederburg“. Bereits im 2. Jh. v. Chr. errichteten hier keltische Siedler ihre in Holzbauweise aufgeführten Wohn- und Wirtschaftsgebäude 1 . Planschen im See Wohl planschten zu dieser Zeit Kinder und Jugendliche während der warmen Jahreszeit im Rhein und Bodensee, das Baden als Freizeitvergnügen für Erwachsene war entsprechend den allgemeinen keltischen Gepflogenheiten dagegen unbekannt. Das Badewesen hält Einzug Im Zuge der Eroberung des Voralpenlandes durch die Römer bildete der Münsterhügel zwischen 15 v. Chr. und 50 n. Chr. einen wichtigen militärischen Stützpunkt. Aus der sich in seinem Weichbild erstreckenden Zivilsiedlung entwickelte sich in der Folgezeit mit der Vorverlegung der römischen Reichsgrenze nach Norden ein blühendes Gemeinwesen 2 . In den Jahren nach 260 n. Chr., als durch Einfälle von Germanen weite Teile des süddeutschen Raumes dem römischen Reich verloren gingen, kam auch das römische Leben in Konstanz, sieht man von einer kurzfristigen Anwesenheit römischen Militärs auf dem Münsterhügel ab 3 , fast völlig zum Erliegen. 14 Jörg Heiligmann Gewissermaßen im Marschgepäck der römischen Legionen hielt das römische Badewesen Einzug in allen Provinzen des Imperiums. Es gab keine Garnison ohne Kastellbad, keine Stadt oder größere Siedlung, die nicht mindestens ein öffentliches Badegebäude - Thermae oder Balneum genannt - aufzuweisen hatte und kaum einen der zahlreichen Gutshöfe auf dem Lande, der weniger als zwei Baderäume in seinen Mauern beherbergte 4 . Wenn auch noch nicht lokalisiert, so darf daher doch auch für das römische Konstanz des 1. bis 3. Jahrhunderts die Existenz eines öffentlichen Badegebäudes vorausgesetzt werden. Thermen im Schutze hoher Mauern In spätrömischer Zeit ließ Kaiser Diocletian um 300 n. Chr. den Hochrhein und das südliche Bodenseeufer als Abschnitt einer neuen Nordgrenze des römischen Reiches durch den Bau massiver Kastelle sichern 5 . Zu diesen zählte auch das spätrömische Kastell von Konstanz. Es erstreckte sich von der Kuppe des Münsterhügels nordwärts in den Bereich des Stadtteils „Niederburg“ und nahm eine Grundfläche von 0,8 bis 1,0 ha ein. Sein Name Constantia geht wohl auf Kaiser Constantius I. (293-305 n. Chr.), den für den westlichen Reichsteil verantwortlichen Mitregenten von Kaiser Diocletian, zurück. Das Kastell, in dem eine uns namentlich nicht überlieferte Grenztruppe stationiert war, bot auch für die Zivilbevölkerung eine sichere Heimstatt. Das Kastell wurde bei Ausgrabungen entdeckt, die das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Vorfeld der Neugestaltung des nördlichen Münsterplatzes in den Jahren 2003 bis 2005 durchführte 6 . Neben einem Abschnitt der mit Türmen verstärkten Wehrmauer wurde von den Innenbauten die Ruine eines in Steinbauweise aufgeführten Badegebäudes freigelegt. Entsprechend dem Vermessungsraster der Innenbebauung waren diese Thermen in ihrer Längsachse exakt von Norden nach Süden ausgerichtet. Erhalten war das Gebäude nur noch in seinem Fundamentbereich bis knapp unter das antike Laufniveau, das hier nach Westen zum rund 10 m entfernten Wehrturm hin um etwa einen Meter abgefallen sein muss. Die Thermen des römischen Constantia 15 Die zwischen 0,7 und 1 m breiten Fundamentmauern der Thermen bestanden aus Flussbzw. Seewacken, die durch einen mit kleinen Kieseln gemagerten Kalkmörtel verbunden waren. Sie geben einen, wenn auch nur in Teilen erfassten Grundriss des Gebäudes vor 7 . Der Badevorgang, dem medizinische Überlegungen zugrunde lagen, bestand in der römischen Ausprägung aus verschiedenen Konstanz, Plan des spätrömischen Kastellbades. A: Apodyterium - T1, T2: Tepidarium - C: Caldarium - P: Praefurnium 16 Jörg Heiligmann Erwärmungs- und Abkühlungsphasen des Körpers. Entsprechend wiesen alle öffentlichen Bäder in den Grundzügen dasselbe Raumprogramm auf, so auch das Badegebäude in Konstanz: Ein unbeheizter Raum oder Raumtrakt unbekannter Größe im Norden (Plan, A) hatte den Auskleideraum (Apodyterium) und möglicherweise das Kaltbad (Frigidarium) beherbergt. Ihm schloss sich nach Süden hin eine 22 m lange Flucht von drei hintereinander angelegten, mit einer Fußboden- und Wandheizung versehenen Räume an. Die den Fußboden tragenden, im Abstand von rd. 30 cm gesetzten Pfeiler dieser Hypokaustheizung ruhten auf einem mit einer Ascheschicht bedeckten Mörtelestrich. Die Hypokaustpfeiler, die im nördlichen dieser drei Räume (Plan, T1) noch in voller Höhe von 60 cm angetroffen wurden, bestanden aus grob zubehauenen, aufeinander geschichteten und mit Mörtel verbundenen Sandsteinplatten von 30 - 40 cm Kantenlän- Konstanz, Grabung 2003-2005. Spätrömisches Kastellbad, nördlicher Bereich (T1) des Tepidariums Die Thermen des römischen Constantia 17 ge. Eine in der NO-Ecke des Raumes eingebrachte massive Steinpackung aus übereinander geschichteten Bruch- und Natursteinen von 2,50 m Länge und 1 m Breite bildete wohl das Fundament eines Wasserbeckens. In dem sich südlich anschließenden Hypkaustraum (Plan, T2) wurden nur noch geringe Reste der Pfeiler angetroffen, die man hier aus 23 × 23 × 6 cm messenden Ziegelplatten hochgezogen hatte. Auch wenn offen bleiben muss, ob die im Fundamentbereich vorliegende Zweiteilung auch für die aufgehende Raumgliederung Geltung gehabt hatte, oder ob wir hier nur einen Baderaum zu rekonstruieren haben, so ist der Bereich der beiden Hypokausträume doch zweifelsfrei als das Warmbad (Tepidarium) zu interpretieren. Der dritte am südlichen Ende dieses Traktes gelegene Raum (Plan, C) besaß eine Grundfläche von rund 54 m². Er war an der West- und Südfront mit je einer rechteckigen Apside ausgestattet, in der einst ein 4,10 m auf 1,70 m großes Heißwasserbecken fest eingemauert gewesen war. Die Hypokaustpfeiler, deren Standspuren sich meist nur noch in ihrem 50 × 50 cm messenden Mörtelfundament Konstanz, Grabung 2003-2005. Spätrömisches Kastellbad, Caldarium mit Heizkanal 18 Jörg Heiligmann abzeichneten, waren aus Tuffsteinen aufgemauert gewesen. Ziegelplatten als Material der Pfeiler fanden sich lediglich in der Südapsis. Dieser Raum, der als Heißbad (Caldarium) angesprochen werden kann, war durch einen 2,50 m breiten gemauerten Heizkanal direkt mit einer sich südlich anschließenden Grube (Plan, P) verbunden. Ursprünglich wohl in Holz ausgekleidet, hatte sie als Heizraum (Praefurnium) gedient, von dem aus man das im Kanal brennende Feuer unterhalten hatte. Die freigelegten Baubefunde weisen eine große Übereinstimmung mit denen des Bades im benachbarten Kastell Arbor-Felix/ Arbon auf 8 . Mehrere Details, wie unter anderem wohl auch die unterschiedliche Bauweise der Hypokaustpfeiler, legen nahe, dass man die Badeanlage von Constantia im Laufe der Spätantike mindestens einmal umgebaut und dabei möglicherweise verkleinert hatte. Von diesen Baumaßnahmen war auch der Heizkanal betroffen, dessen Boden man neu eingezogen und dessen Querschnitt man auf 1,00 m verringert hatte. Eine 347/ 48 n. Chr. geprägte Münze, die zwischen älterem und jüngerem Boden der Kanalsohle lag, datiert diesen Vorgang in die Zeit um die Mitte oder in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. Bene lava - Bade gut! Die von den Griechen im 2. Jahrhundert v. Chr. übernommene und von den Römern umgeformte und verfeinerte Badekultur gehörte in der römischen Kaiserzeit zu einem festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens 9 . Jeder, der auch nur das Geringste auf sich hielt, frönte dieser neuen Leidenschaft, so natürlich auch die Bewohner des spätrömischen Constantia. Der Badegast betrat zunächst das Apodyterium, den Auskleideraum. Dort entrichtete er sein Eintrittsgeld an den Capsarius. Dieser Bedienstete war gegen ein Aufgeld auch bereit, die Bewachung der Garderobe zu übernehmen. Wohlhabendere brachten zu diesem Zweck eigene Sklaven mit. Zum Ablegen der Kleidungsstücke standen längs der Wände des Apodyteriums Bänke; in Kopfhöhe darüber befanden sich Nischen oder Regale aus Holz Die Thermen des römischen Constantia 19 oder Stein, in denen die Habseligkeiten und Kleidung deponiert werden konnten. Da man nackt badete, schlüpfte man nur in Holzsandalen, nahm ein Leintuch und schritt in das Frigidarium, einen Raum mit einem größeren Kaltwasserbecken. Hier reinigte man sich vom gröbsten Staub und Schmutz und begab sich dann in das Tepidarium, einen Raum der auf 20° bis 30° Celsius erwärmt war. Auf Bänken, die entlang der Wände aufgestellt waren, ließ sich der Badegast nieder, ruhte aus und wärmte sich. Mancher nahm schon hier die Gelegenheit wahr, sich von einem Unctor, einem Bediensteten mit spezieller Ausbildung, einölen und massieren zu lassen. Öl und Schweiß wurden dann mit der Strigilis, einem Schaber aus Bronze oder Eisen, vom Körper abgestreift. Im Tepidarium befand sich oft, so auch im Konstanzer Bad, ein Sitzbecken, dessen Wasser auf Raumtemperatur erwärmt war. Der Aufenthalt in diesen Becken diente zu Akklimatisierung des Körpers und zur Vorbereitung für den nächsten Badegang. Dieser führte in das Caldarium, wo eine Raumtemperatur von über 50° Celsius herrschte. In diesem Baderaum ließ man sich in den mit heißem Wasser gefüllte Becken, den Alvea nieder und schwitzte ausgiebig. Erfrischung bot ein Labrum, ein Handwaschbecken mit kaltem Wasser. Nach erneutem Aufenthalt im Tepidarium, begab man sich wieder ins Frigidarium, um seinen Körper im kalten Wasser abzuschrecken. Dieser Baderundgang konnte während eines Besuchs Arbon, Spätrömisches Kastellbad. Caldarium, Rekonstruktionsentwurf 20 Jörg Heiligmann mehrmals wiederholt und hierbei nach individuellem Geschmack variiert werden. Öffentliches Zentrum des gesellschaftlichen Lebens Das römische Baderitual, das zwei bis drei Stunden dauern konnte, bot reichlich Möglichkeiten und Zeit zu Gesprächen und diente zu weit mehr als nur der körperlichen Hygiene und Gesundheit. So bildeten die öffentlichen Thermen den Mittelpunkt des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Zutritt zu den Kastellbädern hatten alle Schichten der römischen Gesellschaft: hohe Offiziere, gemeine Soldaten und deren Angehörige ebenso wie Freigelassene und Sklaven. Gebadet wurde in der Regel nach Geschlechtern getrennt (wobei - wie kaiserliche Verbote oder auch manche Ausführungen antiker Dichter nahe legen - auch diese Regel ihre Ausnahmen kannte). Standen für Männer und Frauen nur eine Anlage oder keine getrennten Räume zur Verfügung, so war den Damen der Vormittag, den Herren der Nachmittag für das Badevergnügen vorbehalten. Neben dem Staat investierten auch Privatleute in den Bau von öffentlichen Thermen, die vielfach von einem Conductor, einem Arbon, spätrömisches Kastellbad. Praefurnium, Rekonstruktionsentwurf Die Thermen des römischen Constantia 21 Pächter, betrieben wurden. Die Eintrittspreise waren, wenn auch nicht überall gleich, so doch äußerst niedrig gehalten. Kinder durften vielerorts umsonst baden. Frauen zahlten hingegen höhere Eintrittspreise als die Männer (bis zum doppelten Satz); leider bleiben uns die Quellen die Begründung für diese Preisgestaltung, die in erhöhten Aufwendungen für den Badebetrieb bei Frauen liegen könnte, schuldig. Salum lavisse - Mögest Du zu Deinem Wohle gebadet haben! Die Grenzverteidigung an Rhein und Bodensee, die um 370 n.-Chr. unter Kaiser Valentinian noch weiter ausgebaut worden war, brach 402 -n. Chr. zusammen, als die regulären römischen Grenztruppen aufgrund einer massiven Bedrohung des italischen Mutterlandes abgezogen wurden. Die Wehrmauer des spätrömischen Kastells blieb weiterhin funktionsfähig und bot dem um 600 n. Chr. eingerichteten Bischofsitz Schutz 10 . Auch wenn offen bleiben muss, ob das Badegebäude zu dieser Zeit bereits der Zerstörung anheim gefallen oder in anderer Funktion in Teilen weiter genutzt worden war, so ist doch sicher, dass die aufwendige und luxuriöse Badekultur der Römer in Konstanz in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. ihr Ende fand - eine Badekultur, wie sie in unseren Breiten in annähernd gleicher Weise sich erst in den Badelandschaften der jüngsten Zeit wiederfindet. Thamugadi (Timgad/ Algerien). Römisches Mosaik am Ein- und Ausgang eines Bades mit Darstellung von Holzpantinen und der Inschrift: bene lava salum lavisse 22 Jörg Heiligmann Wohl kaum treffender kann das römische Badewesen in aller Kürze charakterisiert werden, als wie dies eine antike Grabinschrift in Rom darlegt 11 , deren Zeilen auch auf dem „Grabe“ der spätrömischen Thermen von Constantia stehen mögen: „balnea vina Venus corrumpunt corpora nostra; set vitam faciunt: b.-v. V.“ - Die Bäder, die Weine, die Liebe verderben unsere Körper; aber sie machen das Leben aus: die Bäder, die Weine, die Liebe! Anmerkungen 1 Heiligmann, Jörg: Der Konstanzer Münsterhügel. Seine Besiedlung in keltischer und römischer Zeit, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 127 (2009) S.-7-10. 2 Ebd., S.-10-16. 3 Ebd., S.-16-19. 4 Heinz, Werner: Römische Bäder in Baden-Württemberg. Typologische Untersuchungen. Dissertation Tübingen 1979. Seitz, Gabriele: Badewesen und Hygiene. Bedürfnis und Vergnügen, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.): Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Stuttgart 2005, S.-356-360. 5 Heiligmann, Jörg: Geschichte des Bodenseeraumes im 3. und 4. Jh. n. Chr., in: Hasler, Norbert/ Heiligmann, Jörg/ Höneisen, Markus/ Leuzinger, Urs/ Swozilek, Helmut (Hg.): Im Schutze mächtiger Mauern. Spätrömische Kastelle im Bodenseeraum, Frauenfeld 2005, S.-10-15. 6 Röber, Ralph: Konstanz - das spätantike Kastell und die Anfänge des Bischofssitzes. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2003 (2004), S.- 100-103. Heiligmann, Jörg/ Röber, Ralph: Lange vermutet - endlich belegt: Das spätrömische Kastell Constantia, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege 34/ 3 (2005) S.- 134-141. Heiligmann (wie Anm. 1) S.-19-22. 7 Für die Einsicht in die Grabungsdokumentation danke ich Frau Caroline Bleckmann M.A., Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Arbeitsstelle Konstanz. 8 Brem, Hansjörg/ Bürgi, Jost/ Roth-Rubi, Katrin: Arbon - Arbor Felix. Das Spätrömische Kastell. Archäologie im Thurgau 1. Veröffentlichungen des Amtes für Archäologie des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1992, S.-54-58. 9 Zum römischen Badewesen: Heinz, Werner: Römische Thermen. Badewesen und Badeluxus im Römischen Reich, München 1983. - Nielsen, Inge: Thermae et Balneae, Aarhus 1990. - Weeber, Karl-Wilhelm: Alltag im Alten Rom, Düsseldorf, Zürich 1973, S.-39-43. - Weeber, Karl-Wilhelm: Luxus im Alten Rom. Die öffentliche Pracht, Darmstadt 2006, S.-101-118. 10 Heiligmann, Jörg: Römische Orte und ihre Weiternutzung - Die römischen Kastelle mit besonderer Berücksichtigung des Kastells Constantia - Konstanz, in: Brather, Sebastian/ Nuber, Hans Ulrich/ Steuer, Heiko/ Zotz, Thomas (Hg.): Antike im Mittelalter. Fortleben, Nachwirken, Wahrnehmung (Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 21), Ostfildern 2014, S.-65-80. 11 Corpus Inscriptionum Latinarum VI. Bearbeitet von Henzen, Wilhelm/ Rossi, Giovanni Battista de/ Huelsen, Christian, Berolini 1886. Nr. 15258. Badehäuser und Badstuben in Konstanz im Mittelalter und zur Zeit des Konzils S imon g ötz Wie für den gesamten süddeutschen Raum, so fehlen auch für Konstanz Quellen zur Badekultur im frühen und hohen Mittelalter. Lediglich der bekannte St. Galler Klosterplan verweist auf die Übernahme räumlich institutionalisierten Badens aus der römischen Tradition in die Klosterkultur. So sind im idealisierten Klosterplan (um 820) Baderäumlichkeiten für Wannen- und Schwitzbäder vorgesehen. 1 Ob die öffentliche Badekultur in den folgenden Jahrhunderten weiter zurückging oder wir schlichtweg keine Zeugnisse für unsere Region haben, ist offen. Jedenfalls scheint sich im 13. Jahrhundert in den südwestdeutschen Städten eine neue Form des Badens etabliert zu haben. Anstatt der großen antiken öffentlichen Thermen und den Bädern der Stadt- und Landvillen, entstanden in den Städten um 1200 Badehäuser und Badstuben, in denen sich eine bunte Badekultur etablierte. 2 Es entstanden Orte, die neben medizinisch-hygienischen auch kommunikativ-gesellige Funktionen übernahmen. Es ist möglich, dass dieser Trend ein ‚Mitbringsel‘ der zurückkehrenden Kreuzfahrer war, die im Nahen Osten in Kontakt mit den islamischen Badegepflogenheiten gekommen waren. 3 Robert Büchner geht in seiner Untersuchung zu Bädern in Tirol davon aus, dass der Trend eine Übernahme adliger und klösterlicher Badekultur darstellte, wie sie auch mit dem bereits erwähnten Klosterplan belegbar ist. 4 (Neu-)Anfänge im 13. Jahrhundert Auch in Konstanz finden sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erste Hinweise auf eine Neuorganisation des Badewesens: 1283 wird ein im Badegewerbe tätiger „rasor“ (also Barbier) Ulrich in einer Tauschurkunde im Zusammenhang mit dem heutigen Haus Zur alten Apotheke (heute Stephans-Platz 45) erwähnt. 5 Einige Jah- 24 Simon Götz re später - nämlich 1297 - wird ein mit großer Wahrscheinlichkeit am Fischmarkt beziehungsweise der heutigen Salmannsweilergasse gelegenes Gebäude in einer Urkunde „in Amlungens gassen bi der alten badstuben“ beschrieben. 6 Der Hausname Zum Käfisbad (Hofhalde 5) erinnert bis heute an dieses erste Bad. 7 Inwieweit das Heiliggeistspital an der Entstehung eines Bades beteiligt war, ist unklar, vermutlich fungierte das Spital aber nicht als offizieller Betreiber eines Bades, sondern versuchte vielmehr über Zehnt-, Zins- und Eigentumsrechte Einfluss auf die Bader, Barbiere und Scherer zu nehmen. In den spitälischen Urkunden und Satzungen fehlen nämlich Hinweise auf spitaleigene Badstuben, wenngleich in den folgenden Jahrhunderten finanzielle und personelle Verbindungen zwischen dem Konstanzer Spital und den handwerklich betriebenen Badstuben nachzuweisen sind. 8 So geht aus der bereits genannten Urkunde vom Januar 1297 hervor, dass die Betreiberin (! ) und bis dato Eigentümerin der „alten badstuben“, „Adelhait die Baderin“, die Gebäulichkeiten an das Heiliggeistspital verkaufte, aber anschließend als Erblehen des Spitals weiter dort wohnte und wirtschaftete. 9 Im folgenden Jahrhundert lassen sich kaum Zeugnisse über die Konstanzer Badstuben und deren Betreiber ausfindig machen, was nicht zuletzt mit dem geringen Ansehen der Bader beziehungsweise deren Selbstverständlichkeit im Stadtbild des Spätmittelalters zusammenhängen dürfte. Trotz des geringen gesellschaftlichen Ansehens des Gewerbes, dessen Tätigkeit auch mit kranken und verletzten Körpern als ‚unrein‘ angesehen wurde, stand diesen Handwerkern zumindest in einigen Städten das Recht auf eine zünftische Organisation zu. 10 So entstand vermutlich im Zuge der Konstanzer Zunftgründungen in der Mitte des 14. Jahrhunderts auch eine Baderzunft. 11 Nach dem zweiten Zunftaufstand von 1370 erscheint die Zunft der Scherer und Bader mit zwei Mitgliedern im großen Rat der Stadt. 12 Bereits ein halbes Jahrhundert später verschwand diese Zunft allerdings wieder in der Folge einer erneuten Stadtrechtsreform von der politischen Bühne. Christoph Schulthaiß vermerkt zur Reform der im Rat vertretenen Zünfte: „Zu den schifflủten sind getailt worden die scherer und bader […]“. 13 Badehäuser und Badstuben 25 Badeorte in der Altstadt Im ausgehenden Mittelalter lässt sich für Konstanz eine Anzahl von ungefähr 20 Scherern, Badern und Barbieren feststellen. 14 Diese Zahl deckt sich mit den Rekonstruktionen vergleichbarer süddeutscher Städte, scheint somit also realistisch zu sein. 15 Wenn man aber bedenkt, dass sich von diesen Handwerkern einige auf das Haareschneiden, auf das Rasieren und die Durchführung kleiner medizinischer Eingriffe (Schröpfen, Aderlass, kleine chirurgische Eingriffe usw.) spezialisiert hatten, können wir von circa zehn öffentlichen Badestuben ausgehen, deren Größe und genaue Gestalt variierte. Aus den Bau- und Steuerakten lassen sich sechs Badstuben im Bereich der Konstanzer Altstadt noch lokalisieren: Neben dem bereits erwähnten Käfisbad, dass sich im Bereich Fischmarkt/ Münzgasse befand und an das die frühere Straßenbezeichnung und der Hausname Käfisbad im Bereich Hofhalde erinnert, bestand in diesem Bereich wahrscheinlich eine weitere Badestube, deren Betrieb mit ziemlicher Sicherheit vor 1414 eingestellt worden war. Der Konzilschronist Ulrich Richental erwähnt in seiner Chronik zwei Mal eine „alte badstuben an Ainlaßgassen“. 16 Hier fand ein Bischof, der sich im Gefolge der polnischen Konzilsdelegation fand - so zumindest Chronist Richental - seine Herberge. 17 Ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Münsterbezirk stand zwischen 1350 und 1536 das sogenannte Bad zum Tümpfel. Das Badehaus, welches ebenfalls als Lehen des Heiliggeistspitals unter städtisch-spitälischem Einfluss stand, wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrmals an verschiedene Bader vermietet. 18 Auf diesem Grundstück befindet sich heute das Junge Theater beziehungsweise der Hof der Spitalkellerei. In der südlichen Neustadt, im Steuerbezirk Grieß erscheint 1416 erstmals ein Scherer Conrat am Grieß, der dort ebenfalls eine Badestube betrieb. 19 Seine beiden Töchter Els und Agathe erbten das in Familienbesitz befindliche Bad. Die „junckfrow Elß am grieß die baderin“ führte die Badestube noch über ein halbes Jahrhundert später. 20 In einem vor der städtischen Kanzlei errichteten Testament verfügte die ledige Baderin, dass „die badstuben, das hus am grieß mit aller zůgehord ouch was darin ist“ nach ihrem Tod an einen Ludwig Hotz beziehungsweise dessen Sohn, sofern dieser 26 Simon Götz auch dem Badergewerbe nachgehe, vermacht werden solle. 21 Dies geschah dann auch so: 1490 versteuerte Ludwig Hotz auf das Gebäude, 22 im Jahr 1500 dessen Witwe „Else Hotzin, baderin und ire Kind“. 23 Damit war diese Badestube wohl eine der rentabelsten: Bis weit in die frühe Neuzeit hinein betrieb die Familie Hotz das Bad am Grieß. 24 Das am längsten betriebene Badehaus, dessen Hauptgebäude bis heute erhalten geblieben ist, trägt den Hausnamen Löhlinbad. Das am Ziegelgraben gelegene Bad entstand spätestens 1463 aus der Zusammenlegung einer Zunfttrinkstube mit einem privaten Wohngebäude. Ein Jakob Müller und seine Ehefrau Anna Sprecherin betrieben diese Badstube zunächst, danach einige Badwirte, die sich „Lörlinbader“ nannten und den Hausnamen begründeten. 25 Der Badebetrieb wurde erst 1896 eingestellt. 26 Eine weitere Badstube in der Niederburg, die laut Beyerle bereits am Beginn des 16. Jahrhunderts stark verfallen gewesen sein musste und schließlich durch Teilverkauf ihre ursprüngliche Gestalt verlor, befand sich in der heutigen Tulengasse (Nr. 2 und 4). Das sogenannte Gigersbädli leitete seinen Namen von der zwischen 1426 und 1436 nachweisbaren Eigentümerin von „hus und hofstatt mit der badstuben“, Lutzy Gigerin ab. 27 Ebenfalls im 15. Jahrhundert steuerte ein Scherer Cuentzli Griesinger, bis 1490 auch sein Sohn im Steuerbezirk Schnetztor. 28 Auch die Familie Griesinger betrieb dort ein Bad, wie sich aus einem Baugerichtsprotokoll vom April 1463 ergibt. 29 Die genaue Lage lässt sich allerdings nicht mehr rekonstruieren. wůst und wasser - Phantasie und Wirklichkeit des Badens Unsere Vorstellungen der mittelalterlichen Badekultur sind bis heute geprägt von zahllosen, vor allem an der Wende zur Frühneuzeit entstandenen Darstellungen und Beschreibungen, die Bäder in erster Linie als Badebordelle oder aber als wenig hygienische Orte angeblicher Reinlichkeit inszenieren. Nacktheit und Körperlichkeit ebenso wie die medizinisch-chirurgischen Tätigkeiten, die in Badestuben von Badern oder Barbieren getätigt wurden, rückten Badehäuser und Badstuben 27 diese halböffentlichen Orte nicht nur ins Visier der städtischen und kirchlichen Obrigkeiten, sondern regten auch die Phantasie von Künstlern und Schriftstellern an. 30 Doch der nüchterne Zweck der Körperpflege und der gesundheitlichen Erholung beziehungsweise der medizinischen Behandlung überwogen in der Alltagsrealität wohl nicht nur in Konstanz in den Badehäusern und Badstuben. Auch wenn uns keine Inventare, Geschäftsbücher und bildliche Darstellungen für die Stadt am See vorliegen, so lässt sich besonders für das 14. und 15. Jahrhundert aus den städtischen Verwaltungsakten ein Bild der lokalen Badekultur skizzieren. Die oben erwähnten Badehäuser und -stuben zeigen in ihrer örtlichen Verteilung innerhalb der Stadt, dass die Institution eines Bades für alle Stadtbewohner schnell erreichbar sein sollte. Man fand also an verschiedenen Stellen der Stadt Häuser mit Badstuben vor, die in das Stadtbild integriert waren und sich auch baulich nur bedingt von anderen Handwerkerhäusern abgrenzten. Anders als man vielleicht angesichts der bereits erwähnten Vorbehalte gegenüber einem ‚unreinen‘ Gewerbe vermuten könnte, wurden die Badestuben durch ihren Dienstleistungscharakter, der die Anwesenheit der Kunden erforderte, nicht in einem eigenen Vorstadtgebiet räumlich separiert. Dennoch erforderte der Badebetrieb einige infrastrukturelle Vorbedingungen. Dazu zählte eine geeignete Zu- und Abwasserversorgung, die sich in Konstanz vor allem entlang der Stadtmauern fand. Die hier verlaufenden Hauptabwassergräben - in den Quellen meist als wůstgräben bezeichnet 31 - konnten die großen Mengen an anfallendem Schmutzwasser aus den entleerten Holzbottichen der Badestuben in den Rhein beziehungsweise den See befördern. Zur Wasserversorgung dienten in das Erdreich getriebene (Zieh-)Brunnen. 32 Für die Badstube beim Schnetztor wird ein eigener Brunnen im Hof erwähnt, auch für die Badstuben am Fischmarkt und in der Niederburg kommen eigene Brunnen aufgrund des niedrigen Grundwasserspiegels infrage. 33 Dass vor allem die Entsorgung großer Mengen von Badewasser immer wieder für Ärger sorgte, da die ‚normalen‘ Abwassergräben dadurch überlastet wurden, belegen die zahlreichen Gerichtsprotokolle der städtischen Baukommission: So verpflichtete das Baugericht den „Lerlin Bader“ Jakob Müller nach einer Anzeige durch dessen Nachbarn 28 Simon Götz dazu, auf eigene Rechnung einen unterirdischen Abwasserkanal bis durch die Stadtmauer verlegen zu lassen, über welchen er „das wasser, so er dann von siner badstuben ussschutte“ entsorgen konnte. 34 Gebadet wurde meist in großen Zubern aus Holz, die von örtlichen Küfern bezogen wurden. Darstellungen der Zeit zeigen Zuber, in denen ein bis zwei, in seltenen Fällen auch mehrere Erwachsene badeten. Zur Reinigung kamen neben dem (erwärmten) Badewasser auch verschiedene Seifen, Laugen und auch Asche zum Einsatz. Im Versepos Der Ring des Konstanzers Heinrich Wittenwiler heißt es: Neben den eigentlichen Wannen- und Schwitzbädern wurde in den Badestuben auch das Schröpfen mit Schröpfköpfen aus Ton, Glas oder Metall angeboten. Kämme aus Holz oder Knochen dienten den Badern weniger zu Frisierzwecken als vielmehr dem „Lausen“ (Objekte aus der Sammlung des Rosgartenmuseums, Konstanz 15.-Jahrhundert). Badehäuser und Badstuben 29 „Grabinsgaden [eine der Figuren, S.G.] was gewäschen | Ane laug und ane äschen.“ 35 Und auch die Konstanzer Handwerkerliste kennt einen Seifensieder, dessen Produkte mit hoher Wahrscheinlichkeit in den örtlichen Bädern Gebrauch fanden. 36 Doch die Badestube bestand grundsätzlich nicht aus einer normalen Stube, in der Zuber aufgestellt waren, sondern aus einem mit einem speziellen Ofen beheizten Raum, dessen Wände getüncht oder vertäfelt und dessen Boden mit Ablaufrinnen für den niederschlagenden Dampf und das Badewasser versehen war. Bänke, in verschiedener Höhe um den Ofen aufgestellt, ermöglichten variierende Temperaturen, kaltes Wasser für Wechselbäder stand ebenso bereit wie warmes Wasser für die Wannenbäder. Auch der Aderlass, das Schröpfen etc. wurden in den Badstuben direkt vorgenommen. So macht ein Eintrag in das Zunftmeisterbuch aus dem Jahr 1413 deutlich, welche Bandbreite das Angebot einer der größeren Badstuben umfasste. Der wohlhabende Konstanzer Ulrich im Stainhus hatte sich als Eigentümer des Badhauses am Fischmarkt in die Baderzunft eingekauft, woraufhin dieser auf die Vorschriften der Zunft verpflichtet wurde. So sollte der Badebetrieb „mit schern, mit schrepfen, mit laussen und mit allen andern dingen, die darzů gehỏrend“ von ihm weiter betrieben werden. 37 Die Badezeiten, von der Zunft vorgegeben, wurden der Bevölkerung durch das „ushenken“ von „becki“ (Becken als Zunftzeichen der Bader) mitgeteilt. 38 ‚Wellness‘ und Gesundheit Neben dem Zweck der Reinigung mit sauberem und erwärmtem Wasser, scheint eine Art ‚Wellness‘ auch von den Konstanzerinnen und Konstanzern in den Badstuben gesucht worden zu sein: Die im Haus zur Kunkel erhaltenen Weberfresken aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert zeigen in einer Darstellung Badepraktiken, die über das Maß der normalen Reinigung hinausgingen. Der nur sehr schlecht erhaltene Freskenausschnitt erinnert an eine moderne Sauna. Mehrere Personen haben sich in einer Badestube eingefunden; eine davon nackt auf einer Holzbank liegend, nehmen diese Figuren gemeinsam mit einem Kind und männlichen Bediensteten ein 30 Simon Götz Schwitzbad. Ein Mann mit einem großen Schurz bekleidet, legt einen Stein mit einer Schippe auf einen Ofen. Die Bildüberschrift lässt sich nur noch bedingt rekonstruieren. 39 Im Freskenzyklus steht dieses Bild am Abschluss des dargestellten Arbeitsalltags der Weberinnen. Das hier dargestellte Bad diente - wie Werner Wunderlich mit Verweis auf zahlreiche literarische Zeugnisse belegt - in erster Linie der Erholung, war also eine Freizeitbeziehungsweise Genusspraktik. 40 Über hundert Jahre später zeigt sich in einer Intervention des städtischen Rates, wie sehr dieser Freizeitort ‚Bad‘ Gefahr lief, Luxus und Ausschweifungen Raum zu bieten. Im Roten Buch wurden sogenannte ‚Badgeschenke‘ unter Geldstrafe gestellt. 41 Solche Geschenke konnten besondere Lebensmittel, (Silber-)Geschirr oder Schmuck sein, die Reichtum und Status der Badenden am öffentlichen Badeort zeigten, zugleich aber dort auch schon konsumiert wurden (Speisen, Wein etc.) beziehungsweise Verwendung fanden (Trinkbecher etc.). 42 Dass private wie auch öffentliche Bäder vor allem im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend als Orte des ‚Luxus‘ und der gesellschaftlichen Ausschweifung wahrgenommen und auch so reglementiert wurden, könnte man auf zwei Tendenzen in der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zurückführen. So verloren die Bader hauptsächlich für die zahlungskräftigen Mitglieder Ein Ausschnitt aus den Weberfresken (um 1330) im Haus zur Kunkel zeigt die Erholung der Weberinnen in einem Schwitzbad (Kopie Josef Mosbruggers). Badehäuser und Badstuben 31 des Stadtbürgertums an medizinisch-chirurgischer Bedeutung, weil medizinische Aufgaben professionalisiert und zunehmend von universitär ausgebildeten Ärzten übernommen wurden. 43 Diese Medikalisierung förderte die städtische Obrigkeit, indem sie den Ärzten Aufgaben rechtlich zuwies, sie vereidigte und gegen jegliche andere ‚Kurpfuscherei‘ vorging. 44 Als Orte der medizinisch-hygienischen Unreinheit wurden bei weitem nicht mehr alle Badstuben wahrgenommen, vielmehr als Orte der Reinlichkeit derer, die sich ein regelmäßiges Bad dort leisten konnten. Dies wurde unterstützt durch den Bedeutungszuwachs, den das Baden auch ideell in der Region erlebte. Der Ausbau transalpiner Verbindungen förderte den Austausch mit (Nord-)Italien, wo die ausgelassene öffentliche Badekultur nicht erst mit der Renaissance in Mode kam. 45 Heilbäder, besonders in Thermal- und Mineralwasser, wurden in ärztlich niedergeschriebenen Traktaten empfohlen und diese Baderegeln italienischer Gelehrter regten nun auch Ordensgeistliche und Ärzte im deutschsprachigen Raum dazu an, Reisen zu solchen Heilquellen zu empfehlen. 46 Zum Hauptziel solcher Badereisen der südwestdeutschen Gegend wurde das schweizerische Baden. Die sicherlich bunteste Schilderung eines Badereisenden hat sich in einem Brief des Konzilsbesuchers Poggio Bracciolini erhalten. 47 Der Italiener Poggio hatte im Gefolge Papst Johannes XXIII. in Konstanz geweilt und von dort aus eine solche Reise nach Baden (bei Zürich) unternommen. Sein in lateinischer Sprache abgefasster Brief gibt Aufschluss darüber, wie nahe der Gesundheitsaspekt und das Freizeitvergnügen in den Bädern beieinander liegen konnte: Die Genesung eines Handleidens war Hauptabsicht seiner Badereise, doch seine Schilderung der Bäder beschreibt metaphernreich das lebensfrohe Spektakel in den Wasserbecken. 48 Die Geschlechtertrennung, die aus Gründen der Sittsamkeit durch eine Trennwand vorgesehen war, wurde nur bedingt eingehalten, geschweige denn deren Missachtung geahndet. 49 Diese Praktiken des gemeinsamen Trinkens, des Spiels, des Beschenkens und anderer ‚Sinnfreuden‘ fanden auch Eingang in die örtliche Badekultur, wie die bereits erwähnte Reglementierung von Badegeschenken zeigt. Ein Badeverbot an Freitagen sowie an Sonn- und Feiertagen kann ebenfalls als Reaktion gewertet werden, ausufernden Badefreuden an 32 Simon Götz ‚heiligen‘ Tagen vorzubeugen. 50 Auch die Geschlechtertrennung, wie sie durch getrennte Männer- und Frauenstuben oder unterschiedliche Badezeiten mancherorts vorgesehen war, wurde nicht selten umgangen. Geschlechtergemischtes Baden oder ‚Schwitzen‘ war nicht nur im Privaten durchaus alltäglich, allerdings sollten in den öffentlichen Stuben dabei dann leichte Badekleider oder Lendenschürzen getragen werden. 51 Dass in Konstanz sogenannte Badebordelle betrieben wurden, wie wir sie von Darstellungen in einer Handschrift des factorum dictorumque memorabilium des Valerius Maximus aus dem 15. Jahrhundert oder Holzschnitten und Stichen jener Zeit kennen, ist nicht aus den Quellen belegbar. 52 Dennoch sind im 15. Jahrhundert zahlreiche „Frowenwirte“ - also Bordellbetreiber - nachweisbar, die in Nachbarschaft zu Badstuben Freudenhäuser betrieben, vielleicht auch selbst Badezimmer als Bestandteil eines solchen Bordells eingerichtet hatten. 53 Und auch das Baden im privaten Umfeld konnte erotische Züge annehmen, wie eine Begebenheit mit blutigem Müßiggang im Badehaus: Zum Badebesuch gehörte immer häufiger auch das Essen, Trinken und die Unterhaltung durch Musik und Spiel. Das in der zweiten Hälfte des 15.- Jahrhunderts entstandene Hausbuch, aus dem diese Darstellung stammt, wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Konstanzer Familie Guldinast in Auftrag gegeben (Kopie nach einer Federzeichnung). Badehäuser und Badstuben 33 Ausgang zeigt: Eine pikante Affäre zwischen dem Konstanzer Gelehrten Moser und der jungen Frau des wohlhabenden Kaufmanns Hans Mutscheller flog auf, als die junge Liebhaberin in ihrem stattlichen Haus ein Bad für sich und ihren Geliebten einließ. Der Ehemann hatte aber, anders als angekündigt, nicht die Stadt verlassen, sondern lauerte den liebestollen Badenden in der Badestube auf und schlug so heftig mit einem hölzernen Striegel auf Moser ein, dass dieser tödlich verletzt im Badezuber liegen blieb. 54 Neben dem Unterhaltungsaspekt, den diese in der Zimmerischen Chronik überlieferte Kriminalgeschichte hat, zeigt sie deutlich, dass in den wohlhabenden Konstanzer Haushalten des 15. Jahrhunderts private Badestuben unterhalten wurden. 55 Ein ertragreiches ‚Konzilsgewerbe‘? Auch während der Jahre zwischen 1414 und 1418, als Konstanz Austragungsort des großen Konzils war, gehörte das Angebot von Körperpflege genauso wie die sonstige Versorgung zu den Herausforderungen, denen die Stadt infrastrukturell gewachsen sein musste. Die wenigsten Herbergen, Gast- und Privathäuser hatten eigene Bademöglichkeiten. Auch von einer weitreichenden Ausstattung der Konzilsbesucher mit den entsprechenden Geräten und Verbrauchsprodukten zur Rasur oder Haarpflege kann nicht ausgegangen werden, sodass man auch auf Dienstleister wie Bader, Scherer und Barbiere angewiesen war, zumal ganz nach der Devise ‚sehen und gesehen werden‘ die geistlichen und weltlichen Herrschaften auch auf ihr Äußeres achteten. Neben dem ortsansässigen Badegewerbe, das in den Konzilsjahren Zulauf bekam, waren es vor allem fahrende Gewerbetreibende, die ihre Dienste wie Rasuren, Bäder, aber auch medizinisch-chirurgische Behandlungen anboten. 56 Diese mobilen Bader und Barbiere waren kein Novum jener Jahre, sondern hatten bereits seit jeher den Hauptteil dieser Handwerker ausgemacht. Vor allem in den Dörfern gab es aufgrund zu geringer Nachfrage keine sesshaften Bader, weshalb es lange Zeit fahrende Angehörige dieser Berufsgruppe gab. 57 Wie zahlreiche Handwerker folgten sie dem Tross zum Austragungsort des Konzils. Ulrich Ri- 34 Simon Götz chental berichtet, dass neben Krämern, Schuhmachern und Gürtlern auch die Scherer ihre mobilen Ladengeschäfte - in Form von Zelten („lainini stuben“) - auf dem „undern“ und „obern“ Hof aufbauten. 58 Auch als Teil der Gastfreundschaft gehörte es dazu, den von weither angereisten Gästen ein warmes Bad zu bereiten. Der Chronist erwähnt allerdings nur den Empfang in einer geheizten Stube und das Mahl. 59 Erstaunlicherweise schweigt Richental über die Badegepflogenheiten, wenngleich die Bebilderung der Handschriften frisch rasierte und gepflegte Personen zeigt. Erst in der Auflistung der Konzilsteilnehmer und der „frömd“ Handwerker und Dienstleister kommt der Konzilschronist nochmals kurz auf die Bader zu sprechen: „Item scherer, bader, schrepfer und söllich, die uß und in luffend, dero was cccx.“ 60 Interessanterweise vermerken drei der älteren Handschriften (Prag, Stuttgart 1 , Wolfenbüttel) hinter dieser Auflistung „[…] söllich gůtt gewinner“, 61 verweisen also darauf, dass dieses Gewerbe besonders lukrativ gewesen sei. Und tatsächlich sind in den Jahren nach dem Konzil besonders viele Bader und Scherer nachweisbar, die zwar nicht völlig mittellos waren, jedoch immer noch zu den Zunftmitgliedern gehörten, die mit am wenigsten verdienten. 62 Mit dem Ende des Konzils sank auch wieder die Nachfrage nach Badern. Krankheit und Sittsamkeit - Rückgang der Konstanzer Badekultur Auch wenn die Badestuben und Badehäuser in Konstanz, wie auch in anderen Städten, beliebtes Ziel nicht nur zur regelmäßigen Reinigung sondern auch der Erholung und medizinischen Behandlung waren und im 15. Jahrhundert besonders in Mode waren, so stellte sich kurz darauf am Beginn der Frühen Neuzeit bereits eine Krise dieser Form der Konstanzer Badekultur ein. So schlossen in dieser Zeit zahlreiche Badestuben ihre Pforten. Die Gründe dafür lassen sich nicht vollends rekonstruieren; lediglich Mutmaßungen, die mit Hilfe der dünnen Quellenlage und der Zuhilfenahme vergleichbarer Phänomene in anderen Städten gemacht wurden, geben hier Rückschlüsse auf ein solches ‚Bädersterben‘. Badehäuser und Badstuben 35 Einerseits führte die soziale und wirtschaftliche Situation in der Konstanzer Bevölkerung dazu, dass sich eine größer werdende Zahl der wohlhabenden Bürger eine eigene Badestube einrichteten (wie das Beispiel des Hans Mutscheller zeigte), 63 andererseits die bestehenden Badestuben für die Bevölkerungsteile, die sich in wirtschaftlich prekärer Situation befanden, die einzig finanzierbare medizinische Versorgung boten. Damit ging eine stärkere soziale Stratifizierung an Badeorten einher. 64 Auch die zahlreich in den Städten grassierenden Seuchen schadeten der Beliebtheit der Badehäuser zunehmend. Auch wenn die wirklichen Ansteckungswege von Pest, Syphilis oder Lepra nicht bekannt waren, so mieden Badegäste aus Furcht vor dem Anblick von Erkrankten, deren Wunden oder ‚fauliger Dämpfe‘ die öffentlichen Schwitzstuben. 65 Und auch die sittenpolizeiliche Reglementierung von Badefesten, Badereisen oder anderer feucht-fröhlicher Treffen in Bädern nahm zu, bis solche Luxusgesetze in den Zuchtordnungen der Reformation einen Höhepunkt erreichten. Grubenfunde wie diese reich verzierten Wasserhähne oder die Fragmente eines Aquamanile zeigen, dass die Körperhygiene auch außerhalb der Badestuben Teil des Alltags war und man Reinlichkeit - besonders in der städtischen Oberschicht - durch solche aufwändig gestalteten Gegenstände zur Schau stellte (Objekte aus der Sammlung des Rosgartenmuseums, Konstanz 15. Jahrhundert). 36 Simon Götz Anmerkungen 1 Arnold, Susanne: Baden und Badewesen im Mittelalter, in: Denkmalpflege in Baden- Württemberg 25 (1996) S.-23-29, hier: S.-23. 2 Zur Entwicklung der Badestuben in den mittelalterlichen Städten vgl. Arnold, Susanne: Badhäuser in Südwestdeutschland, in: Klápštê, Jan (Hg.): Water Management in Medieval Rural Economy, Prag 2005, S.-174-182. 3 Vgl. Himmelsbach, Iso: „Von wegen der Badstuben…“ Zur Geschichte des Freiburger Badewesens von 1300 bis 1800, Freiburg/ Br. 2000, S.-13. 4 Büchner, Robert: Im städtischen Bad vor 500 Jahren. Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol, Wien u.a. 2014, S.-9. 5 Beyerle, Konrad: Konstanzer Häuserbuch. Bd. 2: Geschichtliche Ortsbeschreibung. 1.-Hälfte: Einleitung. Bischofsburg und Niederburg, Heidelberg 1908, S.-505 f. 6 StadtA KN U 8220 (1297, Jan. 5). 7 Es ist unklar, ob das Bad in den Bereich Hofhalde verlegt wurde oder es sich um zwei Badstuben handelte; Busse geht von einer Verlegung mit Beibehaltung des Namens „Käfisbad“ aus. Vgl. Busse, Karin: Sittsamkeit und Reinlichkeit. Einblicke in den Konstanzer Badealltag, in: Konzil im Blick 04/ 2013. 8 Vgl. „Bad zum Tümpfel“ als Lehen des Heiliggeistspitals, s. Beyerle (wie Anm. 5) S.-552. 9 StadtA KN U 8220 (1297, Jan. 5). 10 Vgl. zur Korporation und „Unehrlichkeit“, Himmelsbach (wie Anm. 3) S.-14. 11 Zu den Zunftgründungen vgl. Horsch, Friedrich: Die Konstanzer Zünfte in der Zeit der Zunftbewegung bis 1430 unter besonderer Berücksichtigung des Zunftbuches und der Zunftbriefe (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XXIII), Sigmaringen 1979, S.-33-f. 12 Beyerle, Konrad: Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters, o.O. 1898, S.-26-ff. 13 Zit. n. ebd. S.-30. 14 Vgl. hierzu die Zahl bei Bechtold, Zunftbürgerschaft und Patriziat. Studien zur Sozialgeschichte der Stadt Konstanz im 14. und 15. Jahrhundert, (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XXVI), Sigmaringen 1981, S.-71. 15 Vgl. Binder, Max: Das Badewesen im früheren Konstanz, in: Das schöne Konstanz am Bodensee und Rhein 24 (1937) S.-191-195, hier: S.-191 f. 16 Richental, Ulrich: Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418, eingeleitet und herausgegeben von Thomas Martin Buck (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XLI), Ostfildern 2010, hier S.-30, ebenfalls S.-35. 17 Ebd., S.-35. 18 Beyerle (wie Anm. 5) S.-552 f. 19 Bechtold (wie Anm. 14) S.-197, Nr. 543. 20 StadtA KN A IX 2, Gmb. II, S.-175 f. 21 Ebd. 22 Stadtarchiv Konstanz (Hg.): Die Steuerbücher der Stadt Konstanz. Teil II: 1470- 1530, bearb. v. Peter Rüster, Konstanz 1963 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XIII), S.-65 (Grieß, Jg. 1490/ Nr. 120). 23 Ebd., S.-94 (Grieß, Jg. 1500/ Nr. 123). 24 Die Nachkommen der Familie Hotz steuern in den folgenden Jahren in der Fischerzunft, zu der die Scherer und Bader gehören, vgl. Stadtarchiv Konstanz (wie Anm. 22), S.-159 ff. 25 Beyerle (wie Anm. 5) S.-530-532. 26 Busse (wie Anm. 7) S.-1. 27 Beyerle (wie Anm. 5) S.-362. Badehäuser und Badstuben 37 28 Zu Cuentzli Grisinger vgl. Bechtold (wie Anm. 14) S.- 182, Nr. 321. Zur Lage des Hauses und Stadtarchiv Konstanz (Hg.): Die Steuerbücher der Stadt Konstanz. Teil- I: 1418-1460, Konstanz 1958 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, IX), S.-204 (Schnetztor, Jg. 1460/ Nr. 497). 29 Hausmair, Barbara/ Signori, Gabriela (Hgg.): Spruch von den sibnen. Die ältesten Konstanzer Baugerichtsprotokolle (1452-1470) (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XLVI), Ostfildern 2016, S.-39 f. (Nr. 82 und Nr. 83). Dass es sich um Griesingers Badstube handeln muss, ergibt sich aus der Verbindung mit Bechtold und den Steuerbüchern (S.-Anm. 27). 30 Zu erotischen Phantasien und der Realität des Baden vgl. Franke, Birgit/ Schade, Sigrid: Jungbrunnen und andere „Erneuerungsbäder“ im 15. und 16. Jahrhundert, in: Van Dülmen, Richard (Hg.): Die Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000, Wien u.a. 1998, S.-196-215, hier: S.-201 f. 31 Vgl. u. a. Hausmair/ Signori (wie Anm. 29) S.-XVI ff. 32 Zur Wasserversorgung vgl. Maurer, Helmut: Konstanz im Mittelalter. I. Von den Anfängen bis zum Konzil (Geschichte der Stadt Konstanz,-1) Konstanz 1989, S.-245 f. 33 Vgl. Hausmair/ Signori (wie Anm. 29) S.-39 (Nr. 82). 34 Ebd., S.-63 (Nr. 120). 35 Heinrich Wittenwiler: Der Ring, online-Ausgabe, http: / / www.hs-augsburg. de/ ~harsch/ germanica/ Chronologie/ 15Jh/ Wittenwiler/ wit_rin1.html, aufg. 09.03.2020, V. 261 f. 36 Vgl. Bechtold (wie Anm. 14) S.-205 (Nr. 670). 37 StadtA KN D I,1 fol. 18, zit. n. Horsch (wie Anm. 11) S.-86. 38 Ebd. sowie Himmelsbach (wie Anm. 3) S.-31. 39 Wunderlich, Werner: Weibsbilder al fresco. Kulturgeschichtlicher Hintergrund und literarische Tradition der Wandbilder im Konstanzer Haus „Zur Kunkel“, Konstanz 1996, S.-65 ff. 40 Vgl. ebd., S.-66 f. 41 Feger, Otto (Hg.): Das Rote Buch (Konstanzer Stadtrechtsquellen) Konstanz 1949, S.-80 (Art. 46: Das nieman dem andern in kain bad schenken sol). 42 Zu Badgeschenken insbes. auf mittelalterlichen Badereisen s. Marcuse, Julian: Bäder und Badewesen im Mittelalter, in: Deutsche Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege, Braunschweig 1900, S.-209-232, hier: S.-227. 43 Für Freiburg/ Br. beschreibt Himmelsbach die Ausdifferenzierung zwischen Badern und den professionalisierten Wundärzten (besser gestellte Handwerker, die häufig die Berufsbezeichnung Scherer oder Barbier beibehielten), vgl. Himmelsbach (wie Anm. 13), S.-16. 44 Feger (wie Anm. 41) S.- 98 (Art. 66: Monopol der Arzneimittel); S.- 128 (Eidbuch, Art. 54: Der ayd, so die docter in der arztney schweren sollen). Auffällig ist, dass in den Konstanzer Quellen des Mittelalters die Bader nicht in Verbindung mit medizinischen und chirurgischen Tätigkeiten in Verbindung stehen, stattdessen aber zahlreiche Ärzte erwähnt werden (vgl. Bechtold [wie Anm. 149] S.-161-236). 45 Zu Italien vgl. Günther, Hubertus: Badekultur in der italienischen Renaissance, in: Deutsch, Kristina et al. (Hgg.): Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit. Gestalt und Funktion, Berlin 2017, S.-25-45. 46 Marcuse (wie Anm. 38) S.-226. 47 Zur hier verwendeten Ausgabe: Dall’Oco, Sondra: Nota sull’ „Epistola de balneis“ di Poggio Bracciolini, in: Viti, Paolo (Hg.): Segreti delle acque. Studi e immagini sui bagni. Secoli XIV-XIX, Firenze 2007, S.-60-68. 48 Zum Handleiden ebd., S.-60 („manus curande…“), zur Schilderung des Badetreibens ebd., S.-62 f. 38 Simon Götz 49 Marcuse (wie Anm. 42) S.-228 f. 50 Zu den angeblichen Verordnungen in Konstanz vgl. Binder (wie Anm. 15) S.-194. 51 Zur Geschlechtertrennung s. Franke/ Schade (wie Anm. 30) S.- 200 f. Ebenso: Himmelsbach (wie Anm. 3) S.-31 f. 52 Zu den Darstellungen vgl. Büchner (wie Anm. 4) S.-41, 43. 53 Zur Zahl und den Namen der „Frowenwirte“ vgl. Bechtold (wie Anm. 14) S.-161-236. Jos Scherer, einer der „Frowenwirte“, ist angrenzend an das Lörlinbad nachweisbar, vgl. Hausmair/ Signori (wie Anm. 29) S.-52 und S.-63. 54 Maurer, Helmut: Konstanz im Mittelalter. II. Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhundert (Geschichte der Stadt Konstanz, 2) Konstanz 1996, S.-185. 55 Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band II. Herausgegeben von Karl August Barack, Freiburg 1881, S.-484 f. 56 Zu den Ersterwähnungen von Badern etc. während der Konzilsjahre vgl. die Erfassung von Bechtold (wie Anm. 14) S.-161-236. 57 Auch die Städte waren bis zur Entstehung von Badehäusern und -stuben von fahrenden Badern versorgt worden, vgl. Himmelsbach (wie Anm. 3) S.-14. 58 Richental (wie Anm. 16) S.-20. 59 U.a. ebd., S.-21. 60 Richental (wie Anm. 16) S.- 169. Die genannte Zahl muss wie die meisten zahlenmäßigen Angaben Richentals als übertrieben bewertet werden. 61 Ebd. 62 Vgl. Vermögensrekonstruktion der zünftischen Bevölkerung, in: Bechtold (wie Anm.-14) S.-71. 63 Vgl. Büchner (wie Anm. 4) S.-47. 64 Für Freiburg verweist Himmelsbach darauf, dass der „gemeine arme Mann“ im 16. Jahrhundert auf die Badstuben angewiesen war, Himmelsbach (wie Anm. 13) S.-55. 65 Vgl. Büchner (wie Anm. 4) S.-94. Ganz rein! Zur Geschichte der jüdischen Badekultur in Konstanz H elmut F idler Eine der wichtigsten Institutionen einer jeden jüdischen Gemeinde ist die Mikwe, das rituelle Tauchbad. Laut den jüdischen Religionsgesetzen sei ihr sogar Vorrang vor der Errichtung einer Synagoge einzuräumen, betonte Rabbiner Avraham Radbil 2016 in einem Beitrag für die „Jüdische Allgemeine“, denn nur durch sie könne die Zukunft einer jüdischen Gemeinde gesichert werden. 1 Einen so großen Stellewert haben die Konstanzer Juden der Mikwe allerdings nicht immer beigemessen. Heute verfügt Konstanz immerhin über gleich drei Mikwaot, so dass die Zukunft der Gemeinde gesichert scheint. In Konstanz waren Juden mindestens seit dem 13. Jahrhundert ansässig. Ihre Geschichte war geprägt von Willkommenskultur und Verfolgung. Vier Mal gründeten Juden in den vergangenen 800 Jahren in Konstanz eine eigene Gemeinde, drei Mal endete dies mit einer Vertreibung. Mindestens fünf Mikwaot gab bzw. gibt es in dieser Zeit in Konstanz. Ihre Geschichte gilt es im Folgenden zu skizzieren. Die Geschichte dieser Ritualbäder in Konstanz hat bisher wenig Beachtung gefunden. 2 Die große Ausstellung des Rosgartenmuseums Das Jüdische Konstanz (2015) widmete der jüdischen Badekultur ebenso wie das Standardwerk Geschichte der Juden von Konstanz von Erich Bloch (1971) keine Zeile. Der Begleitband zur Ausstellung Zu Gast bei Juden (2017) ließ immerhin den Archäologen Jochem Pfrommer zu Wort kommen, welcher in den Ausgrabungen am Konstanzer Fischmarkt eine Mikwe aus dem Anfang des 15.-Jahrhunderts entdeckte. 3 Bedeutung der Mikwe Das hebräische Wort Mikwe (hebräisch מְ קוֶ ה, plural Mikwaot) wird bereits in der Tora verwendet, um das trockene Land vom 40 Helmut Fidler Meer zu unterscheiden. „Und Gott nannte das Trockene Erde und die Sammlung [hebräisch Mikwe - der Verf.] der Wasser nannte er Meer“ (Gen 1,10). 4 Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet Mikwe nicht mehr eine Ansammlung von Wasser, sondern eine nach rabbinischen Vorschriften angelegte Badeeinrichtung. Wasch- und Reinigungsriten gibt es in jeder der drei großen monotheistischen Weltreligionen, was nicht verwundert, gehen sie doch im Kern auf die Überlieferungen der Tora zurück. Während das Heiligste zugleich rein ist, bewegt sich der Mensch in einem Bereich, in dem er mit Profanem, mit Unreinem in Kontakt kommt. Im 3. Buch Moses (Leviticus) wird ausführlich dargelegt, durch welche Berührungen und Kontakte ein Mensch unrein werden kann. Will er nun wieder mit anderen kommunizieren, gar das Heiligste im Tempel besuchen, muss er zuvor wieder rein werden. Diese rituelle Reinigung wird mit Hilfe von frischem Quellwasser erreicht, dem eine magische Qualität zugeschrieben wird. Wasser gilt in allen drei Religionen als Quelle und Ursprung des Lebens. Es hat die Fähigkeit, materielle wie immaterielle Unreinheiten abzuwaschen, aufzunehmen und damit zu neutralisieren. 5 Um rein zu werden, muss der Körper einmal bzw. mehrmals in quellfrischem Wasser untertauchen. Für das Ritual der Reinigung existiert ein auf der Tora und dem Talmud basierendes Regelwerk, das auch den Bau einer Mikwe umfasst. Die wichtigste Regel lautet: das Reinigungsbecken der Mikwe muss aus einer natürlichen Wasseransammlung gespeist werden. Dabei kann es sich um Regenwasser oder um Grundbzw. Quellwasser handeln. Stehende Gewässer sind für die rituelle Reinigung nicht geeignet. Auch darf das Becken nicht durch einen Schöpfvorgang gefüllt worden sein, was z.B. für die Badezuber in den mittelalterlichen Badehäusern der Christen gilt. Die Anforderungen an die Bauweise einer Mikwe bzw. ihres Beckens sind im Talmud geregelt. Laut Tora (Lev 14,9) und Talmud muss der ganze Körper im Mikwebecken untertauchen können. Daraus resultiert eine Tiefe des Tauchbeckens von ca. 1,2 Meter. Das in der Überlieferung angegebene Maß von 40 Sea entstammt der Antike. 6 Da keine Umrechnung für die antike Maßeinheit bekannt ist, schwanken in der Literatur die Angaben über die richtige Wassermenge einer Mikwe zwischen 300 und 1000 Litern. Das Becken selbst kann größer sein, Ganz rein! 41 es muss jedoch mindestens die Wassermenge von 40 Sea enthalten, um ein rituell gültiges Untertauchen zu ermöglichen. In das Becken führen Stufen, in der Regel sind es sieben Stufen, „entsprechend der jüdischen Symbolik der Zahl Sieben als Sinnbild für Vollendung“. 7 Rein oder Unrein Einer rituellen Reinigung bedürfen Männer wie Frauen. So suchen im orthodoxen Judentum vor Jom Kippur sowie anderen hohen Festtagen bis heute auch Männer die Mikwe auf. Das Chassidische Judentum führte den regelmäßigen Mikwe-Besuch von Männern wieder ein, um dadurch spirituelle Reinheit zu erlangen. Auch unrein gewordenes Geschirr kann in der Mikwe rituell wieder reingewaschen werden. Im konservativen Judentum sind insbesondere Frauen verpflichtet, nach der Menstruation die Mikwe aufzusuchen. Im liberalen Judentum werden die Regeln über die rituellen Waschungen meist nicht mehr befolgt. Innenpolitische Diskussionen in Israel um die Stellung der Frau im Judentum haben der Mikwe jedoch wieder zu Aufwind verholfen. 8 Hinter dem Konzept der rituellen Reinheit steht der Grundgedanke einer strikten Trennung von Heiligem und Profanem, von Reinem und Unreinem. Basierend auf den Ausführungen des 3.- Buch Mose wurde in der Mischna und im Talmud ein ausführliches Regelwerk entwickelt, wann und wie der ganze Körper in lebendem Wasser untergetaucht werden muss. Historisch gesehen setzten kultische Handlungen im Tempel oder der Genuss von Opferspeisen eine kultische Reinheit voraus. Mit der Zerstörung des Tempels entfiel zwar die Grundlage für die rituellen Waschungen. Talmud und Mischna hielten jedoch daran fest. Unrein wird eine Person durch den Kontakt mit einer Leiche oder einem Kadaver. Insbesondere wird der Austritt von Körperflüssigkeiten als eine Verunreinigung angesehen, weshalb Frauen während der Menstruation oder nach der Geburt eines Kindes als kultisch unrein gelten. Unrein ist auch, wer in dieser Zeit Kontakt mit einer Frau hat: „Und wer ihr Lager anrührt, der soll seine Kleider waschen und sich mit Wasser baden und unrein sein bis auf den Abend“ (Leviticus 15,21). 42 Helmut Fidler Auch der Geschlechtsverkehr mit einer Frau während der Monatsblutung ist ausdrücklich verboten. Da sexueller Kontakt mit einer unreinen Frau sowohl für Männer wie für Frauen eine Sünde darstellt, bleibt der Besuch der Mikwe für Frauen verpflichtend. Der Osnabrücker Rabbiner Avraham Radbil schreibt dazu: „Der Halacha zufolge ist dem Ehepaar in der Zeit“ - während der fünf Periodentage sowie den anschießenden 7 Tagen - „der physische Kontakt miteinander untersagt. Praktisch bedeutet das nicht nur, dass man keine intime Beziehung eingehen darf, sondern dass auch das Küssen, Umarmen und selbst das absichtliche Berühren in dieser Zeit verboten ist.“ Aus rabbinischer Sicht „sollen die Ehepartner [in dieser Phase] als Freunde statt nur als Liebespaar zusammenwachsen. […] Eine Ehe braucht sowohl körperliche als auch geistige Anziehung zwischen Mann und Frau. Doch alles Körperliche ist vergänglich. Die geistige Nähe macht die wahre Liebe aus und ist das, was für immer bleibt. […] Aus diesem Grund, weil die Tora wollte, dass die Ehefrau von ihrem Ehemann für immer begehrt, gewünscht und gesucht bleibt, hat sie uns diese Abstinenzgesetze befohlen.“ 9 Die rituelle Reinigung ist eine private, intime Angelegenheit und soll unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die Frau besucht die Mikwe allein. Sie vereinbart zuvor einen Termin mit der Mikwenwärterin. Der Rabbiner und Lehrbuchverfasser Seligmann Bär Bamberger (1807-1878) verlangte im 19. Jahrhundert, dass „eine Frau das Untertauchen nur durch Hilfeleistung einer anderen Frau vornehmen“ solle. 10 Damit unterlag die rituelle Reinigung zugleich einer sozialen Kontrolle. Die geläufige Bezeichnung der Mikwenfrau als „Duckerin“ oder „Stossfrau“ lässt jedoch erahnen, wie sie ihre Aufgabe verstanden hat. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass in den üblichen Kellermikwen oftmals nur eine niedrige Wassertiefe vorhanden war (als ausreichend galt eine Tiefe von etwa 1,2 Metern). Die Heidelberger Dozentin Désirée Schostak hat in von ihr zusammengestellten Unterrichtsmaterialien den Tauchvorgang detailliert beschrieben: „Um rituell rein zu werden, muss die Frau zum Zeitpunkt des Untertauchens vollständig vom Wasser der Mikwe umgeben sein. Aus diesem Grund ist eine äußerst genaue körperliche Reinigung vor dem eigentlichen Tauchbad nötig, die verhindern soll, dass ir- Ganz rein! 43 gendetwas Fremdes dem Körper anhaftet und so den Kontakt mit dem reinigenden Wasser verhindert. Das warme Vorbad soll möglichst unmittelbar vor dem religiösen Ritual stattfinden. […] Damit das Wasser beim Untertauchen alle Stellen des Körpers bedeckt, ist zudem die Körperhaltung auf das genaueste geregelt, z.B. sollen die Füße nicht zu dicht beieinanderstehen. Bliebe nur ein einziges Fleckchen Haut, etwa durch eine zu starke Krümmung des Körpers oder ein einzelnes Haar unbenetzt, so wäre das Tauchbad ungültig, die Frau nach wie vor rituell unrein.[…] Nach dem Untertauchen spricht die Frau den für die Erfüllung dieses Gebotes vorgeschriebenen Segensspruch: ‚Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt hat und uns die Tewilah [das Tauchbad] befohlen hat.‘ Anschließend taucht man dem jeweiligen Brauch gemäß häufig ein zweites oder gar ein drittes Mal unter.“ 11 Vom Tauchbecken getrennt sein muss das Becken, in welchem die körperliche Reinigung vorgenommen wird. So verfügen die Mikwen über einen Vorraum, einen Waschraum und den Raum mit dem Tauchbecken. Auch wenn die Funktion der Mikwe ausschließlich ritueller Art ist, ist mit ihrer Nutzung eine Kultur der Reinigung des Körpers untrennbar verbunden. Für das Mittelalter ist daraus in der Literatur die These aufgestellt worden, dass die Hygiene in jüdischen Familien, insbesondere der Frauen, höher war als in christlichen Familien. Grabungen haben gezeigt, dass bereits im Mittelalter sowohl der Raum der Mikwe als auch das Becken selbst beheizbar waren. Mikwaot in Konstanz Hinweise auf Mikwaot in Konstanz gibt es erst aus dem 15. Jahrhundert. Zwei Urkunden des Konstanzer Stadtarchivs aus den Jahren 1423 und 1444 zufolge lagen „vor Ziten“ Synagoge und Frauenschul (= Mikwe) östlich der heutigen Rosgartenstraße, angrenzend an die Trinkstube der Metzger. Der Konstanzer Bürger Ulrich Schatz hatte von der Konstanzer Zunft der Metzger ein Haus gekauft, das „hinder Ir Trinkstuben an Augustiner gassen gelegen das man vor ziten genempt hat der Juden Schulhof “. In der Urkunde vom 1. März 1423 verpflichtet er sich, eine Trennmauer auf der 44 Helmut Fidler Grundstücksgrenze zu ziehen, auf der „jetzo ain Sommerhus stat und das vor ziten der Juden fröwen Schul“ gewesen ist. Eine weitere Urkunde aus dem Jahr 1444 bestätigt die Lage von Synagoge und ehemaliger Mikwe. 12 Welche zeitliche Dimension mag in den beiden Urkunden mit „vor Ziten“ gemeint sein? Anders gefragt: reichen Synagoge und Mikwe zurück in die Zeit der ersten jüdischen Gemeinde vor 1348/ 49 oder wurden beide erst von der zweiten jüdischen Gemeinde in Konstanz gebaut? Eine jüdische Ansiedlung hat in Konstanz vermutlich seit Beginn des 13. Jahrhunderts bestanden. Urkundlich fassbar werden die Konstanzer Juden erstmals im Reichssteuerverzeichnis von 1241. Demnach hatte die Konstanzer Judischheit 20-M Silber an Steuern aufzubringen, die Überlinger Juden, deren Ansiedlung seit 1226 nachweisbar ist, dagegen nur 2 M Silber. 13 Mit den Pestpogromen der Jahre 1348/ 49 endete die erste Konstanzer Judengemeinde mit der Ermordung vermutlich aller Konstanzer Juden. Gut zwei Jahrzehnte später waren erneut Juden in Konstanz ansässig geworden. Sowohl vor als auch nach den Pestpogromen lagen die nachweisbaren Wohnhäuser der Juden an der Augustinergassen, der heutigen Rosgartenstraße, wobei mindestens eines dieser Häuser noch zu Konzilszeiten von Juden bewohnt wurde 14 . Spätestens zu Konzilszeiten verlagerte sich der Schwerpunkt der jüdischen Ansiedlung von der Rosgartenstraße in die heutige Münzgasse. Dort auf dem Grundstück der Münzgasse 4 war spätestens 1413/ 14 eine neue Mikwe gebaut worden, in unmittelbarer Nähe der neuen Synagoge. Bis jetzt kann nicht geklärt werden, ob Synagoge und Frauenbad bereits vor 1348 bestanden oder erst danach errichtet wurden. Eine Urkunde aus dem Jahr 1377 legt nahe, dass damals das Bad in Benutzung war. 15 In diesem Jahrzehnt lassen sich mehrere jüdische Bankiers in der Rosgartenstraße nachweisen. Dass die zweite jüdische Gemeinde auf vorhandene Strukturen zurückgriff, belegt der erneute Kauf des 1349 beschlagnahmten jüdischen Friedhofs in Überlingen durch die jüdische Gemeinde in Konstanz. Festzuhalten bleibt, dass im Jahr 1423 zumindest beide Gebäude seit Jahren nicht mehr in jüdischer Benutzung bzw. Besitz waren. Festzuhalten bleibt auch, dass laut den Urkunden die Mikwe in einem eigenen Ganz rein! 45 Die Mikwe aus dem 14. Jahrhundert lag im Bereich des heutigen Rosgartenmuseum zwischen Rosgartenstraße und Sigismundstraße. Ausschnitt aus dem Bild Vogelschau von der Seeseite von Nikolaus Kalt, um 1600 In der Urkunde von 1423 wird erstmals eine Mikwe in Konstanz erwähnt: die „Juden fröwen schul“ lag in der Nachbarschaft der Synagoge in der Augustinergasse bzw. Rosgartenstraße. 46 Helmut Fidler Gebäude untergebracht war, welches von einer solchen Größe war, dass es noch Jahrzehnte später als Sommerhaus genutzt werden konnte. Die Mikwe befand sich fußläufig in der Nähe der Synagoge. Das Gebäudeensemble aus Synagoge und Mikwe bestand noch, der ehemals jüdische Besitz war ungeteilt in die Hand der Metzgerzunft gelangt. Da in diesem Bereich der Stadt kein fließendes Gewässer bekannt ist, darf angenommen werden, dass das Tauchbecken in den Boden eingelassen war und auf Grund der Seenähe mit Grundwasser versorgt wurde. Festzuhalten bleibt drittens, dass 1423 und 1444 das Wissen um die ehemalige Nutzung von Synagoge und Mikwe noch im öffentlichen Bewusstsein präsent war. Wann die beiden Gebäude abgerissen wurden, ob heute noch Spuren von mittelalterlicher Synagoge und Mikwe im Boden vorhanden sind, muss offen bleiben. Die Mikwe zur Zeit des Konstanzer Konzils In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde in Konstanz um 1390 mit etwa 30 Haushaltungen ihre größte Mitgliederzahl 16 , die danach binnen weniger Jahre auf unter zehn Haushaltungen zurückging 17 . Erst die Entscheidung König Sigismunds im Jahr 1413, Konstanz zum Austragungsort des größten mittelalterlichen Kongresses zu machen, führte in den Konzilsjahren zu einem stetigen Wachstum der jüdischen Gemeinde. Für die Finanzierung und Durchführung des Konstanzer Konzils war Sigismund - im Unterschied zur Kurie, welche Florentiner Geldwechsler und Bankiers bevorzugte - auf jüdische Geldverleiher und Bankiers angewiesen. König Sigismund hatte noch vor der Bekanntgabe von Konstanz als Konzilsort die Juden der Bodenseeregion in seinen Schutz aufgenommen und diese von Steuern befreit. Ab 1413 ist in Konstanz jährlich ein Zuzug von jüdischen Bankiers zu verzeichnen. 18 Vor diesem historischen Hintergrund ist der Fund einer spätmittelalterlichen Mikwe im Bereich Münzgasse und Fischmarkt zu betrachten. Bei Grabungen in den Jahren 1984 bis 1986 wurde eine schachtartige Vertiefung im Kellerboden des Anwesens Münzgasse- 4 gefunden, welche von Jochem Pfrommer als Mikwe interpretiert wurde. Er datiert den Bau dieser Mikwe aufgrund von Münz- Ganz rein! 47 funden auf den Beginn des Konstanzer Konzils, etwa 1413/ 14. 19 Die Funde geben einen Einblick in die Struktur dieser mittelalterlichen Mikwe. Die Bebauung des Areals erfolgte im Rahmen der „systematischen Landgewinnungsmaßnahmen des 13. und 14. Jahrhunderts im Bereich des Salmannsweilerhofes“. Das zuvor als Mülldeponie genutzte städtische Gelände wurde 1413 nach Konstanz zugezogenen jüdischen Familien für den Bau von Wohnhäusern zur Verfügung gestellt. Die bereits genannte schachtartige Vertiefung hatte einen konischen Zuschnitt und reichte bis in den unter den Müllablagerungen liegenden Seeton. „Der Sohlenbereich“ war „vollständig mit zwei großen Sandsteinplatten ausgekleidet.“ Grundwasser drang in das Becken ein, Befunde belegen einen durchschnittlichen Wasserstand von mindestens einem Meter im Becken. Unter der Wasseroberfläche war ein hölzernes Podest eingebaut. Zugänglich waren Becken und Plattform „mittels einer hölzernen Treppe, die im westlichen Abschnitt der Anlage ansetzte“. 20 Das hölzerne Podest erleichterte den Zugang. Pfrommer kommt zu dem Schluss, dass die Vertiefung „wesentliche Kriterien erfüllte, die für Anlage Die Markierung zeigt das Gebäude, in dessen Keller sich die Mikwe der Konzilszeit befunden hat. Ausschnitt aus dem Bild Vogelschau von der Seeseite von Nikolaus Kalt, um 1600 48 Helmut Fidler und Betrieb von Mikwen verbindlich vorgeschrieben sind“. Ebenso wurde die Konstanzer Mikwe wie bei mittelalterlichen Mikwaot üblich mittels Grundwasser gefüllt. 21 Damit war zumindest ein natürlicher Wasseraustausch möglich. Mitte des 15. Jahrhunderts endete die Nutzung der Mikwe, etwa zeitgleich erfolgte die Ausweisung der Konstanzer Juden. Nach den Zunftaufständen 1429 geriet die jüdische Gemeinde zunehmend unter Druck, 1448 verbannte der Konstanzer Rat die Juden aus der Stadt. Bis 1475 können noch vereinzelt Juden in Konstanz nachgewiesen werden. Die archäologischen Befunde zeigen, dass das Gebäude nach 1465 und vor 1537 niedergelegt und der Baugrund neu gerichtet wurde. Auf Grund einer sechs Zentimeter dicken Sedimentschicht aus organischem Material im Becken nimmt Jochem Pfrommer an, dass das Tauchbecken vor der Verfüllung jahrelang nicht mehr benutzt wurde. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass die Frage, wie verschmutztes Wasser im Becken gewechselt werden konnte, bei der Konstanzer Mikwe ebenso wie bei vielen anderen mittelalterlichen Kellermikwaot ungeklärt ist. Der Bodensee als Mikwe Nach ihrer Vertreibung aus den großen Städten des Bodenseeraums im 15. Jahrhundert suchten Juden Aufnahme und Schutz in zunächst kleineren Städten, dann auch in ländlichen Gemeinden der Region. Rabbinische Rechtsgutachten des 16. und 17. Jahrhunderts zeugen von einer „extremen Zerstreuung und Vereinzelung, oft auch völliger Isolation, in der eine Lebensführung in Übereinstimmung mit der jüdischen Religion nur schwer möglich war.“ 22 Erst die seit Ende des 17. Jahrhunderts erfolgte Ansiedlung in den Judengemeinden im Hegau und am Hochrhein ermöglichte stabile Gemeinden und den Bau ritueller Gebäude wie Synagoge und Mikwe. Grundsätzlich konnten, wenn keine Mikwen zur Verfügung standen, natürliche Gewässer für die rituelle Reinigung genutzt werden. Eine Anfrage an den Rabbiner Isaak Misea, der 1580 in Aach ansässig war, gibt einen Einblick in die Problematik des Einhaltens religiöser Vorschriften. Ob denn ein Fluss auch für die Ganz rein! 49 rituelle Reinigung genutzt werden dürfe, wenn er im Frühjahr viel Schmelzwasser (was für das Befüllen einer Mikwe ungeeignet war) führe? Rabbiner Misea beruhigte den Fragesteller und hielt das Flusswasser für koscher. Die Anfrage zeigt „in eindrucksvoller Weise“, wie „selbst unter widrigsten Umständen“ versucht wurde, „den Geboten der Religion zu entsprechen.“ 23 Eine jüdische Gemeinde konnte in Konstanz erst nach Einführung der Niederlassungsfreiheit im Jahr 1862 neu gegründet werden. Überraschenderweise lässt sich aber für das 19. und 20. Jahrhundert in Konstanz keine Mikwe nachweisen, obwohl in den Hegauer Heimatgemeinden der nach Konstanz gezogenen Juden Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Bau von Mikwaot zum Teil gegen den Widerstand des Bezirksamtes durchgesetzt worden war. Schon damals war der Besuch einer Mikwe eher rückläufig, wie aus einer Empfehlung des orthodoxen Sekretärs des Oberrats der Juden in Baden hervorgeht. Er empfahl den jüdischen Gemeindevorständen am Bodensee, Mikwen ansprechend und modern zu gestalten, „damit man sie gerne aufsuche“. 24 Die in den 1840er Jahren einsetzende liberal-religiöse Strömung im modernen Judentum verwarf viele Bräuche „als Produkt mittelalterlicher Der Bodensee erfüllt alle Voraussetzungen einer Mikwe. 50 Helmut Fidler mystischer Strömungen. […] Dieser Richtung war die Gesundheit der Frauen wichtiger als der Besuch einer, vielleicht verschmutzten, alten Mikwe. Liberale Rabbiner erklärten auch eine moderne neue Badewanne als Ersatz für religionsgesetzlich zulässig.“ 25 Der rituelle Aspekt der Reinigung blieb zwar erhalten, die Reinigung des Körpers war aber nun nicht mehr vom Akt der rituellen Reinigung getrennt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen nun auch in Konstanz öffentliche Badeeinrichtungen für die körperliche Reinigung zur Verfügung. Die neue jüdische Gemeinde baute weder in ihre 1883 eingeweihte Synagoge noch in das 1908 erworbene Gemeindehaus eine Mikwe ein. Aus den Bauplänen des Gemeindehauses geht hervor, dass dort Zimmer mit eigenem Bad eingerichtet worden waren. Ebenso war die Rabbinerwohnung mit einem Bad ausgestattet. Wer als Konstanzer Jüdin auf eine Mikwe nicht verzichten wollte, konnte in den Bodensee eintauchen oder musste die Mikwaot in Wangen auf der Halbinsel Höri, im Gailinger Gemeindehaus oder in Zürich aufsuchen. Konstanzer Mikwaot im 21. Jahrhundert Mit der Deportation der Konstanzer Juden am 22. Oktober 1940 endete auch die dritte Gründung einer jüdischen Gemeinde in Konstanz mit Verfolgung, Vertreibung und Mord. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende wurde im Frühjahr 1945 in Konstanz erneut eine jüdische Gemeinde gegründet, welche das Gemeindehaus in der Sigismundstraße für „kultische Zwecke“ beanspruchte. 26 Ein Bauantrag auf Einbau einer Mikwe wurde nicht gestellt. So blieb den Konstanzer Juden und Jüdinnen auch nach dem Zweiten Weltkrieg für die Benutzung einer Mikwe nur der Bodensee oder eine Reise nach Zürich, denn auch die seit 1936 27 bzw. 1939 28 bestehende Nachbargemeinde in Kreuzlingen (mit ihr war die jüdische Gemeinde in Konstanz bis 1966 verbunden) besaß keine eigene Mikwe. Erst am 24. August 2008 konnte in Konstanz erneut eine Mikwe eingeweiht werden. Die Berufung eines „frommen“ Rabbiners 29 habe zu dem Wunsch geführt, dass erstmals seit dem Mittelalter wieder eine Mikwe in Konstanz gebaut wurde, berichtet Benjamin Ganz rein! 51 Nissenbaum, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Konstanz. Sein Vater Shimon Nissenbaum, dessen Andenken die Mikwe gewidmet ist, hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Neugründung einer jüdischen Gemeinde in Konstanz eingesetzt. Die Familie erwarb das ehemalige Synagogengrundstück und richtete 1964 in dem Wohn- und Geschäftshaus einen Betsaal ein. Nachdem die Gemeinde in den 1990er Jahren durch den Zuzug jüdischer Flüchtlinge angewachsen war, wurde der Betsaal zur Synagoge erweitert. Schon Shimon Nissenbaum hatte den Bau einer Mikwe geplant, scheiterte jedoch an technischen Schwierigkeiten. Die ursprünglich vorgesehene Versorgung der Mikwe mit Grundwasser musste aufgegeben werden, da der Grundwasserspiegel zu tief liegt. Da auch Regenwasser die Anforderungen für eine Mikwe erfüllt, wurden auf dem Dach des Hauses Auffangbehälter angelegt und das Regenwasser nach Bedarf in das Tauchbecken eingeleitet. Das Mikwenwasser kann mittels einer Heizspirale erwärmt werden. Das Becken verfügt zudem über einen Reinigungsfilter und eine Pumpe, über die gebrauchtes Wasser entsorgt wird. Während das Becken mosaikartig in Blautönen gekachelt ist, ziert die in Weiß gehaltene Wand einen Davidstern. In das Becken hinunter führen die vorgeschriebenen sieben Stufen. Für Männer und Frauen gibt es je eigene Vorbereitungsräume mit Rabbiner Meir Posen überwachte den Bau der Privatmikwe Nissenbaum in der Sigismundstraße. Innenansicht der Privatmikwe Nissenbaum 52 Helmut Fidler getrennten Zugängen zum Hauptraum, wobei Männer und Frauen niemals gleichzeitig die Mikwe nutzen. Von der Mikwe führt ein eigens angelegter Gang direkt in die Synagoge. Insbesondere an hohen Feiertagen nutzen orthodoxe Rabbiner vor Beginn des Gottesdienstes die Möglichkeit zur rituellen Reinigung. Überwacht wurde der Bau von Rabbiner Meir Posen, einem international anerkannten und tätigen Spezialisten für den Bau jüdischer Tauchbäder. „Bevor Rabbiner Posen in Konstanz Station machte, plante und beaufsichtigte er den Bau von Mikwaot unter anderem in Johannesburg, Shanghai, Peking, in Australien, Thailand, der Ukraine sowie in Südspanien, England und Paris“. 30 Nach der Einweihung der neuen Konstanzer Synagoge wird den Gläubigen künftig noch eine weitere Mikwe zur Verfügung stehen, da im Synagogengebäude ein rituelles Tauchbad eingebaut wurde. Der Bau dieser Mikwe geht auf eine Petition von Gemeindemitglie- Die neue Synagoge in der Sigismundstraße Die Mikwe in der neuen Konstanzer Synagoge Ganz rein! 53 dern zurück, die sich für den Bau des Tauchbeckens einsetzten. Für die Mehrkosten von 120.000 Euro wirbt die jüdische Gemeinde Konstanz um Spenden. Wieder wurde der Bau vom Mikwenspezialisten Rabbiner Meir Posen überwacht. Die Wasserversorgung des Tauchbeckens erfolgt ebenfalls über einen Regenwasserbehälter auf dem Dach der Synagoge. Der Raum der Mikwe ist in Blautönen gekachelt. Die Mikwe hat jedoch nur einen Vorraum für die körperliche Reinigung, ausgestattet mit Badewanne und Waschbecken, es gibt keine Trennung in einen Männer- und einen Frauenbereich. Bis zur Fertigstellung dieser Mikwe standen den Gläubigen laut website der israelitischen Kulturgemeinde nur die koscheren Mikwen in Rottweil und Zürich zur Verfügung. Nicht erwähnt wurde die Nissenbaumsche Privatmikwe. Da der Bodensee ebenfalls alle Anforderungen an eine Mikwe erfüllt, stehen den Juden und Jüdinnen in Konstanz künftig drei Mikwaot für die rituelle Reinigung zur Verfügung. Anmerkungen 1 Radbil, Avraham: Nicht nur sauber, sondern rein. Warum ein Tauchbad für Gemeinden genauso wichtig ist wie für Familien, in: Jüdische Allgemeine vom 29. November 2016, www.juedische-allgemeine.de. Vgl. auch Talmud Megilla 27a. 2 Ein Grund dafür kann darin zu finden sein, dass die Forschung von Männern betrieben wurde. 3 Bloch, Erich: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation, Konstanz 1971; Engelsing, Tobias: Das jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung, Konstanz 2015; Zu Gast bei Juden. Leben in der mittelalterlichen Stadt, hrsg. von Dorothea Weltecke unter Mitarbeit von Mareike Hartmann, Konstanz 2017. 4 Diese und wie weiteren Bibelstellen sind zitiert nach: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Revidierte Fassung der deutschen Übersetzung Martin Luthers, Stuttgart 1912. 5 Sahin, Murat: Waschen und Baden in den monotheistischen Weltreligionen, in: Willems H.: Die Wasser der Gesellschaft, Wiesbaden 2017, S. 205-222. 6 Babylonischer Talmud, Traktat Eruvin 4b, Traktat Pessachim 109b. 7 Deusel, Antja Yael (2014), Mikwe, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, www.bibelwissenschaft.de/ stichwort/ 27733/ Aufruf vom 3.1.2019 8 Yaron, Gil: Den Kopf unter Wasser, dem Himmel ganz nah, Jerusalem 31. Dezember 2014, www.welt.de, (Aufruf vom 11. Februar 2020). 9 Radbil (wie Anm. 1). 10 Bamberger, Seeligmann Bär: Amirah le-beth Jakob. Die drei besonderen Pflichten jüdischer Ehefrauen: Niddah, Challah, Hadlakah nebst einem Anhange: Die Vorschriften über das Fleischsalzen, nach dem Rituale bearbeitet und ins Deutsche übertragen von See- 54 Helmut Fidler ligmann Bär Bamberger, neu bearbeitet in deutscher Übertragung von Seckel Bamberger, zweite verbesserte Auflage, Frankfurt a.M. 1922, S. 42. 11 Schostak, Désirée: Baden in Baden. Das jüdische rituelle Tauchbad (Mikwe) zwischen Gesundheit und religiösem Gebot, 9. August 2016, www.hfjs.eu/ / juedische_emanzipation/ schulmaterialien.html#Mikwe. Vgl. Schostak, Désirée: Der Weg der Mikwe in die Moderne. Ritualbäder der Emanzipationszeit im Spannungsfeld von öffentlicher Wahrnehmung und jüdischem Selbstverständnis, Diss. Heidelberg 2018. 12 StadtA Konstanz U Nr. 8580 vom 1. März 1423 und Nr. 9406 vom 26. August 1444. 13 Rösel, Isert: Die Reichssteuern der deutschen Judengemeinden von ihren Anfängen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Jg. 53 (N.F. 17) Heft 11/ 12, S. 679-708. 14 Laut der Chronik des Ulrich von Richental wohnte 1415 im Haus Zur Wannen ein Jude. 15 StadtA Konstanz U Nr. 8542 vom 1. Juli 1377. 16 Wenninger, Markus: Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert, Wien/ Graz/ Köln 1981, S. 103. 17 Bei der in der Literatur genannten Zahl von zwölf Haushaltungen für 1413 ist zu berücksichtigen, dass auch kürzlich zugezogene Juden mitgezählt wurden. Vgl. Fidler, Helmut: König Sigismund, das Konstanzer Konzil und die Juden, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 133 (2015) S. 85-123. 18 Fidler (wie Anm. 17). 19 Pfrommer, Jochem: Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Konstanz: Die Auswertung der Grabungen am Fischmarkt und die Entdeckung eines jüdischen rituellen Tauchbades des späten Mittelalters, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Bd.33 Nr. 2 (2004) 73- 80, auch folgende Zitate. 20 Pfrommer, Jochem: Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Konstanz. Eine spätmittelalterliche Mikwe im Bereich Fischmarkt/ untere Münzgasse, in: Zu Gast bei Juden (wie Anm.-3) S. 97-103. 21 Pfrommer (wie Anm. 19) S. 78. 22 Rohrbacher, Stefan: „Er erlaubt es uns, ihm folgen wir.“ Jüdische Frömmigkeit und religiöse Praxis im ländlichen Alltag, in: Hofjuden und Landjuden. Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit. Hg. von Sabine Hödl, Peter Rauscher und Barbara Staudinger, Berlin 2004, S. 271-282 23 Ebd., S. 275. 24 Der Israelit, Nr. 51 vom 11. September 1867, S. 883. 25 Kaufmann, Uri R.: Jüdische Ritualbäder (Mikwaot) und die jüdische Frau, in: Medaon. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung, 5. Jg/ 2011 Nr. 8, S. 1-7. 26 StadtA Konstanz S VII 1782. 27 Mit der Gründung einer Friedhofsgemeinschaft wurde in Kreuzlingen der erste Schritt zur Gründung einer Gemeinde unternommen. 28 Im Sommer 1939 erfolgte die formelle Gründung der Jüdischen Gemeinde Kreuzlingen. 29 Mit Schlomo Schiff war im Herbst 2004 ein Rabbiner aus der chassidischen Tradition berufen worden. Er war ein Ur-Enkel des berühmten Rabbi Elimelech von Lezajsk (1717- 1786), einem der Begründer des Chassidismus, sowie ein direkter Nachfahre von Rabbi Schlomo Ben Izchak, genannt Raschi, der im 11. Jahrhundert in Worms wirkte. Bericht von Thomas Uhrmann vom Februar 2005, zit. nach: http: / / www.alemannia-judaica.de/ konstanz_synagoge_n.ht (Aufruf vom 16. Februar 2020). 30 Pressemitteilung der israelitischen Kultusgemeinde Konstanz vom 24. August 2008. Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit m oritz m ayer Der historische Streifzug durch das über 2000 Jahre währende Konstanzer Bade- und Bäderwesen, welches in diesem Jahr mit dem hundertjährigen Jubiläum des „Hörnles“ und der Wiedereröffnung des Schwaketenbades seinen vorläufigen Höhepunkt findet, wäre mit Sicherheit unvollständig, wenn an dieser Stelle nicht auch einige Worte an das Baden in der Frühen Neuzeit - also dem Zeitraum zwischen 1500 und 1800 - in Konstanz erinnerten. Diese Zeilen zu verfassen, mag auf den ersten Blick eine undankbare Aufgabe sein, denn um das Bad stand es in dieser Epoche sichtlich schlecht. Die Badstuben, die im Spätmittelalter noch in jeder größeren Stadt zahlreich anzutreffen waren und Orte der Hygiene aber auch des geselligen Beisammenseins und der Zerstreuung waren, 1 verschwanden im Laufe der Jahrhunderte. 2 Das Wasser war ein von den Zeitzeugen argwöhnisch beäugtes Element und darin zu baden wurde lange Zeit - so gut es ging - vermieden. 3 Diese Wasserscheu hatte hauptsächlich drei Gründe. Wasserscheu der Frühen Neuzeit Die Schulmedizin des 16. und 17. Jahrhunderts vertrat mal mehr und mal weniger energisch die Auffassung, dass Wasser ein Gesundheitsrisiko für den menschlichen Körper darstelle: Das Baden - so die Ärzte - mache den Körper anfälliger für Krankheiten und schwäche den Körper auch noch Tage nach dem eigentlichen Bad. 4 In einer Zeit, die geplagt war von Syphilis- und Pestepidemien, wollten die Menschen sich eines solchen Risikos wohl nicht aussetzen, denn sie vermuteten einen Kausalzusammenhang zwischen dem Baden im Wasser und diesen unheilvollen Seuchen. 5 Auch die Konstanzerinnen und Konstanzer, die in etwa einhundert Jahren gleich neun Mal von der als Schwarzen Tod bezeichneten Pest 56 Moritz Mayer heimgesucht wurden, 6 waren sicherlich ausgesprochen bemüht, ein Ausbrechen dieser todbringenden Krankheit zu verhindern. Selbstverständlich wäre es falsch, anzunehmen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des frühneuzeitlichen Europas überhaupt kein Interesse an Hygiene und Sauberkeit hatten. Andere Formen der „Reinigung“ waren durchaus verbreitet. Die Zeitgenossen zogen es beispielsweise vor, sich lediglich trocken abzureiben, auf die Reinheit der Kleidung zu achten und die Klamotten - wenn möglich - häufiger zu wechseln. 7 Man wollte eben so selten wie möglich mit dem nassen Element in Berührung kommen. Es war - vor allem in europäischen Adelshäusern - nicht unüblich, sich viele Jahre überhaupt keinem Ganzkörperbad auszusetzen. Der Historiker Georges Vigarello berichtet zum Beispiel von dem Fall, dass der junge Ludwig XIII. - französischer König und Vater des berühmten „Sonnenkönigs“ Ludwig- XIV. - nach der Waschung kurz nach seiner Geburt erst im Alter von sieben Jahren sein nächstes Ganzkörperbad nahm, weil der Hof besorgt war, er könne ansonsten erkranken. 8 Erst Mitte des 18. Jahrhunderts legte man zögerlich die Furcht vor dem Wasser ab. 9 Man attestierte vor allem dem kalten Bad in Flüssen und Seen eine Vielzahl gesundheitsfördernder Aspekte. 10 Ein weiterer Grund für das Verschwinden der Badstuben waren die strengen Moralvorstellungen, die mit der Reformation auch in weiten Teilen Deutschlands Einzug hielten. 11 Die Akzeptanz der Obrigkeit und auch der einfachen Bevölkerung für die weitverbreiteten Badstuben, die häufig Orte der Prostitution, des Glücksspiels und der Trinkgelage waren, 12 sank. 13 Auch in der Stadt Konstanz, in der fast das gesamte 16. Jahrhundert hindurch die Lehren der Reformation dominierten, 14 sind Fälle bekannt, in denen die strengen Sittenwächter im Namen des Evangeliums vor allem gegen das Baden im See und im Rhein vorgingen, 15 wie später noch genauer erläutert werden soll. Ein letzter Grund für das Abklingen des Badewesens in der Frühen Neuzeit war der Umstand, dass das Bad für viele Menschen, die nicht gerade das ‚Schwäbische Meer‘ vor der Haustüre hatten, ein wohl unerschwinglicher Luxus blieb in einer Epoche, die wie keine andere von langen und harten Wintern, tödlichen Seuchen und Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit 57 einer in der europäischen Geschichte beispiellosen Kette an grausamen Kriegen geprägt war. In einer solchen Zeit der materiellen, seelischen und körperlichen Entbehrung war Brennholz, das zum Befeuern der Badstuben benötigt wurde, nahezu unbezahlbar. 16 Baden zu gehen, war damals wie heute eine außeralltägliche Freude, die man sich in solchen Zeiten vermutlich einfach nicht leisten konnte oder wollte. Das Baden in der freien Natur war wohl nur in den warmen Jahreszeiten eine kostenlose Möglichkeit, sich zu waschen. Auch am Bodensee kann man davon ausgehen, dass selbst die hartgesottensten Konstanzerinnen und Konstanzer im tiefsten Winter ein Bad im See und Rhein scheuten. Das ist schließlich auch heute nicht anders. Dass die Aufgabe, über das Baden in der Frühen Neuzeit zu schreiben, nur eine scheinbar undankbare Aufgabe ist, beweist die Tatsache, dass sich die Konstanzerinnen und Konstanzer - entgegen einem deutschen und europäischen Abwärtstrend des Bäderwesens - das Planschen im Nassen nicht haben austreiben lassen. Man dachte nicht daran, auf die Freuden des Sees und der Badstuben zu verzichten. Die Konstanzer Bader und Barbiere - Alleskönner zwischen Wellness und Chirurgie Eben jene Badstuben wurden von in Zünften organisierten Handwerkern betrieben. Bader und Barbiere waren dort für das Wohl ihrer Kunden zuständig. Die Berufsbezeichnung variierte stellenweise zwischen Bader, Barbier, Chirurg oder Wundarzt. 17 Zumindest in der früheren Zeit, in der sich die Berufe noch nicht ausdifferenziert hatten, war aber jemand gemeint, der kosmetische und kleinere ärztliche Eingriffe - meist in einer Badstube - vornahm. Der Barbier war unter Umständen ein Beruf, der sich nach den Badern entwickelte und sich wohl aus den Baderknechten heraus rekrutierte. 18 In Konstanz lassen sich für das Jahr 1564 immerhin zehn „Barbiermeister“ belegen. 19 Auch zweihundert Jahre später hat sich die hohe Bader- und Barbiersdichte in der Bodenseestadt kaum verändert. Der Seelenbeschrieb - eine Art städtischer Zensus - belegt für das Jahr 1774 sogar 13 Haushalte, in denen mindestens ein Bader, 58 Moritz Mayer Barbier bzw. Wundarzt lebt. 20 Bei einer damaligen Gesamtbevölkerung von 3896 Menschen eine nicht zu unterschätzende Größe. 21 Einen Teil der Arbeit eines Baders oder Barbiers machten konventionelle Wellness- und Hygienedienstleistungen aus. Allerdings war er nicht nur auf die Körper- und Frisurenpflege seiner Kundschaft beschränkt: Einen Großteil ihrer Brötchen verdienten Bader und Barbiere in der Frühen Neuzeit mit kleineren ärztlichen Untersuchungen und Eingriffen etwa auf den Gebieten der Zahnmedizin, der Chirurgie oder der Dermatologie. 22 Der Bader war also ein richtiger Alleskönner. Nicht selten war er auch als Impfarzt, Leichenbeschauer, Perückenmacher oder Geburtshelfer tätig. 23 Dieses breite Portfolio an Dienstleistungen war allerdings weniger eine freiwillige Entscheidung als aus der materiellen Not heraus geboren. Denn durch den oben ausführlich beschriebenen Nachfragerückgang an Bädern und der fortschreitenden Professionalisierung und Differenzierung des Arztberufes in der Frühen Neuzeit, mussten die Bader erfinderisch werden. 24 Auch die Konstanzer Barbierzunft, die 1564 zehn Meister umfasste, nahm den medizinischen Aspekt ihrer Arbeit sehr ernst. Ein Zeugnis belegt diesen hohen Anspruch, den sie an sich selbst und an ihr Handwerk legte: Ein von den Konstanzer Meistern erstelltes Dokument umfasst 32 Fragen, die von einem Barbiergesellen korrekt beantwortet werden mussten, bevor er sich ebenfalls Meister nennen durfte. 25 Der Fragekatalog behandelt nahezu alle körperlichen Leiden von Brust- und Rückenschmerzen bis zu Verstopfungen. 26 Großer Wert wurde dabei auf Fleiß und Sorgfalt gelegt. So wollen die zehn Meister vom Aspiranten etwa wissen: Wenn ainer fighwartzen hat, an dem heimlichen Ort, es wer wo es wolt wie wolltest dus mit fleiß vertriben? 27 Das Schriftstück sagt somit nicht nur etwas über die Tätigkeitsfelder der Konstanzer Barbiere aus, sondern belegt auch ein hohes medizinisches Selbstverständnis und eine nicht zu unterschätzende Professionalität, die die Meister besaßen. Nicht umsonst werden die Bader auch gerne als „Volksärzte“ 28 der Frühen Neuzeit bezeichnet. Dass die Bader im Laufe der Jahrhunderte aber auch von Seiten der Obrigkeit geschätzt und ihre Dienste vermehrt von dieser in die Pflicht genommen wurden, beweist ein gedrucktes Rundschreiben Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit 59 von 1793 der „kaiserlich-königlichen Regierung und Kammer in Vorderösterreich“, zu deren Zuständigkeitsgebiet auch die Bodenseestadt gehörte. Die Erwartungen der Regierung an die Zunft der Bader waren hoch und sahen wie folgt aus: Auch die Wund-Aerzte, und Baader haben sich eines mäßigen, ehrbaren, und gottesfürchtigen Lebens-Wandel zu befleissen, bey ihren Verrichtungen allen möglichsten Fleiß, und Fürsichtigkeit anzuwenden, bey Tag und Nacht sich dabey unverdrossen zu erweisen, und gebrauchen zu lassen, auch in vorkommenden Pest- und Sterbens-Zeiten (welches jedoch der Allmächtige gnädiglich abwenden wolle) in den Lazarethen sich willigst einzufinden. 29 Dabei stellten die Bader offiziell keine Konkurrenz zu den Ärzten der Ortschaften dar, in denen sie praktizierten, sondern sollten vielmehr als eine hilfreiche Ergänzung dienen, wobei die Bader sich nach des Medici Anleitung zu richten haben. 30 Badstuben - Die Konstanzer Bäder der Frühen Neuzeit Die Orte des Wirkens der Baderzunft waren die Badstuben. Meist waren dies Steinhäuser, die mit Öfen, Wasserkesseln, Badewannen und Ähnlichem ausgestattet waren. 31 Diese bis zum 14. Jahrhundert überall in Deutschland anzutreffenden Badehäuser, in denen sich alle Schichten der Gesellschaft trafen, 32 sind wohl am besten mit der heutigen Sauna zu vergleichen. Was die Badestuben aber etwa vom Saunabereich der Konstanzer Therme mit Sicherheit unterschied, war die Tatsache, dass sie nicht nur ein Ort für Körperpflege und der Entspannung waren, sondern auch dezidiert Anlaufstellen für Spiel, Musik, Alkohol und Prostitution. 33 Für Konstanz wissen wir von sechs solcher Badestuben in der Frühen Neuzeit. 34 Die beiden bekanntesten waren wohl das Lörli- oder Löhlinbad, das im 15. Jahrhundert zum Bad umgestaltet wurde und heute eine Pizzeria beherbergt, sowie das Käfisbad in der Hofhalde. 35 Das Tümpfelbad am Kloster Zoffingen und das Käsbad sind weitere Bäder, die die Konstanzerinnen und Konstanzer nutzten. 36 Dass Konstanz dem allgemeinen weiter oben ausgeführten Trend einer 60 Moritz Mayer stetigen Verringerung der Badstuben nicht so stark ausgesetzt war wie andere Orte, belegen auch die Bauamtsbücher der Stadt, die für die Jahre von 1543 bis 1661 zahlreiche Erweiterungen, Renovierungen und sogar Neubauten von Badestuben belegen. 37 Beispielsweise wurde 1590 ein neues Bad an der Bleiche errichtet und 1661 das Lörlibad neu gebaut. 38 Der Bau solcher Anlagen lässt rückschließen, dass eine gewisse Nachfrage in der Bevölkerung vorhanden gewesen sein muss. Bemerkenswert ist, dass dies in Phasen großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im europäischen Mächtediskurs stattfand. 39 Die These, die Menschen hätten aufgrund der härteren Lebenswirklichkeit weder Zeit noch Geld oder Muse gehabt für Zerstreuung im Bad kann somit zumindest für Konstanz in seiner Absolutheit widerlegt werden. 40 Die Liebe der Konstanzer Bevölkerung zum Bodensee - Baden trotz Verbote Gerade weniger gut betuchte Menschen badeten selbstverständlich auch in Flüssen, Seen und Bächen. Dabei kann beobachtet werden, dass dieses Phänomen regional unterschiedlich ausgeprägt war. 41 Wer in der Nähe eines Flusses oder Sees lebte, ging häufiger darin baden und hatte wohl weniger Berührungsängste mit dem Wasser. 42 Für unsere eidgenössischen Nachbarn belegt Wolfgang Kaschuba zum Beispiel eine große Badefreude am Ende des 17. Jahrhunderts am Zürichsee. 43 Für den nur etwa 70 Kilometer entfernten Bodensee darf man ein ähnliches Bild annehmen. Dass das Baden im Rhein und im See beliebt war, belegen auch die vielfach missachteten und dennoch immer wieder erneut ausgesprochenen Badeverbote der Konstanzer Obrigkeit. Die städtische Zuchtordnung von 1531, die geprägt war von den strengen Moralvorstellungen der Reformation, bestrafte beispielsweise Männer, die nackt badeten mit dem Gefängnis. 44 Nur einige Jahre später verbot die Stadt außerdem, dass Frauen und Männer an gemeinsamen Orten badeten. Ratsknechte sollten diese räumliche Geschlechtertrennung überwachen und gegebenenfalls ahnden. 45 Doch all diese Einschränkungen halfen scheinbar nichts. Gerade die Konstanzer Frauen und Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit 61 Mädchen, die strikteren Grenzen und Verboten unterlagen als ihre männlichen Mitbürger, 46 erstritten sich mutig ihr Recht, im See zu baden. Uns ist ein Fall überliefert, bei dem eine Gruppe Frauen ungeachtet der strengen Vorschriften am helligsten Tag im kühlen Nass vor den Stadtmauern planschte. 47 Der Rat reagierte umgehend und drakonisch, indem er allen Konstanzerinnen das Baden im See verbot. 48 Auch später zu Beginn des 19. Jahrhunderts erließen die Behörden immer wieder Badeverbote in öffentlichen Gewässern, 49 wobei leider nicht mehr nachzuvollziehen ist, wieso. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass das Badewesen im Konstanz der Frühen Neuzeit wohl von den allgemeinen Trends der Epoche abweicht. Trotz der Angst vor Krankheiten, den engen Sittengrenzen, Teuerungen und Kriegen können wir eine starke und selbstbewusste Barbierzunft in Konstanz ausmachen. Ebenso wie zahlreiche Badstuben gezählt werden konnten, die sich nicht nur seit dem Spätmittelalter halten konnten, sondern sogar neu gebaut oder renoviert wurden. Die vielfältigen und ausgreifenden Badeverbote beweisen, dass die kostenlose Bademöglichkeit, die der See bot, bereitwillig von den Konstanzerinnen und Konstanzern angenommen wurde und die Obrigkeit zwar Handlungsbedarf sah, das „Problem“ des Wildbadens allerdings nicht in den Griff bekam. Es scheint, als ließen sich die Konstanzer Seehasen das Baden - ob im See und im Rhein oder in den zahlreichen Badstuben der Stadt - auch in den eigentlich so „trockenen“ Jahrhunderten der Frühen Neuzeit nicht nehmen! Anmerkungen 1 Vgl. Sander, Sabine: Bader, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern hrsg. v. Friedrich Jaeger, 2019, abrufbar unter: https: / / referenceworks.brillonline.com/ entries/ enzyklopaedie-der-neuzeit/ bader-COM_243636#COM-243645, zuletzt aufgerufen am: 16.12.2019. 2 Vgl. Vigarello, Georges: Wasser und Seife, Puder und Parfüm. Geschichte der Körperhygiene seit dem Mittelalter. Aus dem Französischen von Linda Gränz. Mit einem Nachwort von Wolfgang Kaschuba, Frankfurt a. M./ New York 1988, S. 31-34. 3 Ebd., S. 26-f. 4 Ebd., S. 17-20. 62 Moritz Mayer 5 Ebd., S. 16. Dass auch Syphilis als Hauptursache für die Schließung der Badstuben gesehen werden kann, postulieren viele Vertreter der Forschung, so z. B. Eckart, Wolfgang Uwe: Medizinische Bäder, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern hrsg. v. Friedrich Jaeger, 2019, abrufbar unter: https: / / referenceworks.brillonline.com/ entries/ enzyklopaedie-der-neuzeit/ bader-medizinische-COM_243666#, zuletzt aufgerufen am: 18.12.2019. 6 Vgl. Zimmermann, Wolfgang: Konstanz in den Jahren von 1548-1733, in: Burkhardt, Martin/ Dobras, Wolfgang/ Ders. (Hgg.): Konstanz in der frühen Neuzeit. Reformation - Verlust der Reichsfreiheit - Österreichische Zeit (Geschichte der Stadt Konstanz, 3) Konstanz 1991, S. 271. 7 Vgl. Vigarello (wie Anm. 2) S. 26-f. sowie 267-ff. 8 Ebd., S. 26. 9 Ebd., S. 137. 10 Ebd., S. 138-142. 11 Naphy, William: Baden, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern hrsg. v. Friedrich Jaeger, 2019, abrufbar unter: https: / / referenceworks.brillonline.com/ entries/ enzyklopaedie-der-neuzeit/ baden-SIM_243635#, zuletzt aufgerufen am: 16.12.2019. 12 Vigarello (wie Anm. 2), S. 42-46. 13 Ebd., S. 44. 14 Dobras, Wolfgang: Konstanz in der frühen Neuzeit. Reformation (wie Anm. 6) S.-57-180. 15 Diesbach, Alfred: Vom Baden und Schwimmen im See. Rigorose Konstanzer Badevorschriften im 16. Jahrhundert, in: Die Kulturgemeinde. Monatsblätter der Konstanzer Volksbühne 10 (1968/ 69) S. 5-7, hier: S. 5. 16 Vgl. Sander (wie Anm. 1) sowie Busse, Karin: Sittsamkeit und Reinlichkeit. Einblicke in den Konstanzer Badealltag, Konzil im Blick 4: 13 (2013), abrufbar unter: http: / / www. konstanzer-konzil.de/ www/ images/ konzil/ dokumente/ newsletteralt/ kk_nl_juni3_ klein.pdf, zuletzt aufgerufen am: 16.12.2019. 17 Vgl. z. B. den Aufruf an die „Wund- Aerzte / und Bader“ in: Zirkular von der kaiserlkönigl. Regierung und Kammer in Vorderösterreich, 1793, in: StadtA Konstanz D-I-1. 18 Vgl. Sander (wie Anm. 1). 19 Vgl. Aufzeichnung der Fragstücke, die ein Barbiermeister richtig beantworten muss, aufgezeichnet von Hans von Bingen dem Jüngeren 1564, in: StadtA Konstanz D-I-1. Abrufbar unter diesem Titel in: StadtA Konstanz: Repertorium D-I. Zünfte - Handwerk - Handel, Konstanz 1980, S. 27. 20 Burkhard, Martin: Konstanz im 18. Jahrhundert. Materielle Lebensbedingungen einer landstädtischen Bevölkerung am Ende der vorindustriellen Gesellschaft (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, 36) Sigmaringen 1997, S. 342. 21 Vgl. Burkhard (wie Anm. 20) S. 346. 22 Vgl. Sander (wie Anm. 1). 23 Ebd. 24 Ebd. 25 Vgl. StadtA Konstanz (wie Anm. 19). 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Sander (wie Anm. 1). 29 StadtA Konstanz (wie Anm. 17). 30 Ebd. 31 Vgl. Sander (wie Anm. 1). 32 Ebd. Konstanzer Badstuben und das Baden in der Frühen Neuzeit 63 33 Ebd. 34 Vgl. Binder, [Max]: Das Badewesen im frühen Konstanz. Das schöne Konstanz am Bodensee und Rhein, die alte Stadt im deutschen Süden 24: 10 (1937) S. 191-195, hier: S.-192 f. 35 Ebd., S. 192. 36 Ebd. 37 Vgl. StadtA Konstanz: Bleichen und Badhäuser, in: Repertorium M. Bau- oder Aberhakenamt 1436-1817, Konstanz 1996, S. 81. 38 Ebd. 39 Vgl. Burkhardt, Johannes: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegungen einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für Historische Forschung, 24: 4 (1997) S.-509-574. Ebenso: Schilling, Heinz: Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit - Phasen und bewegte Kräfte, in: Peter Krüger (Hg.): Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems (Marburger Studien zur Neueren Geschichte, Bd.1) Marburg 1991, S.-19-46. 40 Vertreten etwa von Busse (wie Anm. 16). 41 Vgl. Kaschuba, Wolfgang: „Deutsche Sauberkeit“. Zivilisierung der Körper und der Köpfe, Nachwort in: Vigarello (wie Anm. 2) S. 292-325, hier: S. 308. 42 Ebd. 43 Ebd.. 44 Vgl. Diesbach (wie Anm. 15) S. 5. 45 Ebd., S. 5. Ebenso: Vgl. Binder (wie Anm. 33), S.-191. 46 Vgl. Diesbach (wie Anm. 15) S. 5. 47 Ebd. 48 Ebd., S. 6. 49 Vgl. StadtA Konstanz: Badeverbot in öffentlichen Gewässern 1801, 1803, 1807, in: Repertorium KI. Polizeisachen 1463-1816, Konstanz 1996, S.-8. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ Badekultur und Badanstalten in Konstanz im 19. und frühen 20. Jahrhundert t obiaS e ngelSing Während seiner Jahre in Gaienhofen am Untersee war Hermann Hesse ein regelmäßiger und begeisterter Seeschwimmer. In einem um 1910 entstandenen Text über den hochsommerlichen Bodensee beschreibt der Dichter seine Badefreuden: „Weit um mein Boot glänzt der unbewegte Wasserspiegel, und nach wenigen Augenblicken bin ich der Kleider ledig, habe den Sprung ins Kühle getan und schwimme ziellos in dem durchsichtig reinen Wasser dahin, in Bögen und Kreisen, bald heftig schlagend und plätschernd, bald unhörbar leise und heimlich. Mein weißes Boot mit dem hellgrünen Rande ruht leicht und schwebend auf der Fläche und spiegelt seine besonnten Flanken wie ein schwimmender Vogel.“ 1 Von seiner Gondel aus konnte Hesse sehen, wie beliebt das Baden im Bodensee bei seinen Anwohnern und Gästen um die Jahrhundertwende geworden war: Vor Mammern, Glarisegg, Steckborn, Ermatingen, auf der Reichenau und Richtung Konstanz wie auch am Obersee waren im Laufe des 19. Jahrhunderts „Badanstalten“ und einfache Badehäuser entstanden. Die teils buntfarbig lackierten Holzhäuschen standen wie neuzeitliche Pfahlbauten am Rande der Flachwasserzone, dort, wo das Wasser ausreichend tief und vor allem sauber war. In der Nähe von Häfen, am Ausfluss der großen Abwasserrohre, neben Fabriken und Schlachthäusern wurden keine Badanstalten errichtet. Das „reine Wasser“, von dem Hesse schwärmt, fand sich um 1900 allenfalls in der Mitte des Sees, oder in ausreichendem Abstand zu menschlichen Arbeitsstätten. Bis zum seeumspannenden Bau von kommunalen Kläranlagen zwischen 1960 und 1980 flossen menschliche Abwässer und das Schmutzwasser zahlreicher, in Seenähe errichteter Industriebetriebe ungeklärt in den Bodensee. Bereits vor der Industrialisierung hatten Badende beider Ge- 66 Tobias Engelsing schlechter in Konstanz abseitige Buchten und Schilfflächen am Seerhein vorgezogen, denn an der Panoramaseite der Stadt zwischen Raueneckturm und Dominikanerkloster mündeten mehrere große Abwasserrohre in den See. Sie führten den flüssigen Überlauf der Fäkaliengruben, das Schmutzwasser aus Haushalten, Gülle aus Ställen und ölige Abwässer aus Werkstätten ins offene Gewässer. Als eine Nachwirkung der körperfeindlichen Bestimmungen der Reformationszeit und der restriktiven Sexualmoral der folgenden Rekatholisierungsphase war bis zum 18. Jahrhundert das zu allen Zeiten übliche Nacktbaden vor allem der Männer und Knaben im See zurückgegangen. Das nach Geschlechtern getrennte „Badehaus“ blieb lange Zeit der wichtigste Ort für Körperhygiene und Geselligkeit. Daneben wiesen die kommunalen Obrigkeiten nur wenige und immer abseits des Publikumsverkehrs gelegene Uferplätze aus, an denen gebadet werden durfte. Solche Badeplätze wurden jeweils am Sommeranfang durch hölzerne Stangen gekennzeichnet, an die „Strohwische“ gesteckt wurden. 2 Das Baden dort blieb ein Vergnügen der unteren sozialen Schichten. In der bürgerlichen Oberschicht und im Adel war bis zur Mitte des 18.-Jahrhunderts die Furcht vor Ansteckung durch die Berührung mit Wasser Abseits von Wohnsiedlungen gelegene Plätze im Schilf wurden zu allen Zeit auch zum Baden genutzt, wie hier nahe der Ermatinger Netzhenke. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 67 weit verbreitet. Legendär sind die Berichte der Schwägerin des französischen Königs Ludwig XIV., Liselotte von der Pfalz, über die Unreinlichkeit, fehlende Toiletten und Bäder in Versailles und die Angst der Hofgesellschaft vor dem Badezuber, den sie aus ihrer Heidelberger Heimat kannte und schätzte. Wasserkuren im Alpstein Doch der Geist der Aufklärung mit seiner entschiedenen Hinwendung zum natürlichen Leben und zur Körperhygiene wehte im 18. Jahrhundert auch bis nach Süddeutschland und in die Schweiz: Im Dunstkreis der neuen Schweiz-Verehrung, die im Alpenland das freiheitliche Arkadien der Neuzeit sehen wollte, machte die Idee der Wasserkur eine touristische Karriere. Baden aus medizinischen Gründen wurde zur Mode der Oberschicht, das bereits an Nord- und Ostsee bekannte Kurwesen fand nun auch im Süden Nachahmer: Dem Arboner Arzt Dr. Meyer war es 1749 gelungen, im appenzellischen Gais einen lungenkranken Zürcher Fabrikanten mutmaßlich mit Hilfe von Ziegenmolke zu heilen. Der gastgebende Wirt des Zürcher Patienten, der Hotelier Johann Ulrich Heim, nutzte den Heilerfolg für eine prominente Werbekampagne in Zürcher Zeitungen. Er löste damit einen regelrechten Boom der „Molkenkur“ in den schon bestehenden, vorwiegend von Einheimischen genutzten Kur- und Badeorten beider Appenzell aus. In Ausserrhoden waren die Bäder in Unterrechtstein, Schönenbühl und Herisau unter anderem wegen des heilkräftigen Schwefelwassers vor allem bei der Ostschweizer Oberschicht bekannt. Das Heinrichsbad in Herisau wurde um 1825 zu einer eleganten Kuranlage ausgebaut. Im zweiten Jahr seines Betriebs stattete bereits das württembergische Königspaar dem Bad einen Besuch ab, was seinen Bekanntheitsgrad weiter erhöhte. Im Toggenburg entwickelten sich Unterwasser und Wildhaus sowie das Rietbad zu gut frequentierten Wasserheilstätten. Neben wohlhabenden Schweizern buchten zunehmend Erholungssuchende aus großen deutschen Städten diese neue Form der Naturmedizin. Bis um die Jahrhundertmitte, als kritische Stimmen 68 Tobias Engelsing gegen die medizinische Wirksamkeit in der Fachwelt deutlich zunahmen, genossen Gais und andere Appenzeller Kurorte zeitweise europäischen Rang. Deutsche Reiseschriftsteller warben für das Wasser der Alpen und für die Ziegenmolke. 3 Der Bodensee konnte von diesem Boom noch nicht profitieren. Einzelne Versuche, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an den Erfolg des Appenzellerlandes anzuschließen und die wohlhabende Kundschaft zu Badekuren an den See zu locken, scheiterten: Das Seewasser hatte keine Heilwirkung. So musste etwa Oberst Charles Parquin, ein Gefolgsmann der Stieftochter Napoleons, Hortense Beauharnais, seine Luxusherberge auf Schloss Wolfsberg, die ein eigenes Seebad unterhielt, nach wenigen Jahren aufgeben. Ein Kurs bei Militär-Schwimmlehrer Maier Erst die beginnende Industrialisierung bescherte dem Bad im See neue Aktualität: Mit der zunehmenden Fremdbestimmung des Menschen durch die mechanisierte Arbeitswelt wurden in Europa medizinische und sozialpolitische Stimmen laut, die Bewegung in Heilkräftige Quellen und Molkenkuren bescherten Badeorten wie Weissbad in Appenzell Innerrhoden im frühen 19. Jahrhundert einen ersten Fremdenverkehrsboom. „Das Bespritzen anderer mit Wasser ist untersagt“ 69 freier Luft, Wasserbehandlungen und mehr Körperhygiene durch regelmäßige Bäder gerade für breite Bevölkerungsschichten propagierten. Naturheilkundler, weltanschauliche Gegner der Industrialisierung und Verstädterung, Sozialreformer, Vertreterinnen der Frauenemanzipation und wirkungsmächtige Propheten einer von klassengeprägten Konventionen befreiten Gesellschaft bildeten schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine facettenreiche „Lebensreformbewegung“. Neben Forderungen nach Reform der Kleidung, der Wohn- und Arbeitsverhältnisse, der Ernährung sowie der Sexualität nahm die Naturheilkunde eine prominente Rolle innerhalb dieser anhaltenden Aufbruchsbewegung ein. Vorrangig ging es um die Stärkung der sogenannten „Vitalkräfte“: Die Haut als äußere Hülle des Menschen wurde als Kontaktstelle des Organismus und der Seele mit der Außenwelt neu entdeckt. Ärzte, Heilpraktiker und Reformapostel unterschiedlichster Couleur propagierten eine verbesserte Hautatmung durch leichtere Kleidung, Verzicht auf Alkohol, vegetarische Ernährung, regelmäßige Sonnenbäder und die Abhärtung des Körpers durch Wasseranwendungen und Bäder. Der im Arbeitsalltag in stickige Werkshallen und Büros eingesperrte Mensch sollte so zur vermeintlich natürlicheren Lebensform zurückfinden und seine Abwehrkräfte stärken. 4 Die erste Konstanzer Unternehmung in diesem Sinne richtete sich zwar an unterprivilegierte Schichten, sie war jedoch nicht ganz freiwilliger Natur: Das seit dem Anschluss der vordem vorderösterreichischen Stadt Konstanz an das neu geschaffene Großherzogtum Baden 1806 hier stationierte Infanterie-Regiment erteilte seinen Soldaten regelmäßig Schwimmunterricht. Damals konnte der Großteil vor allem der ländlichen Bevölkerung nicht schwimmen. Soldaten aber mussten schwimmen können und sollten abgehärtet sein, außerdem diente das Bad der Körperpflege. 1825 war in Bregenz die erste Militärbadeanstalt, die „Mili“, eröffnet worden. Auch in Konstanz wurde der zuvor am Ufer abgehaltene Schwimmunterricht in eine neue hölzerne Badanstalt verlegt. 5 Außerhalb der dienstlichen Schwimmstunden konnten in beiden Einrichtungen auch Zivilpersonen Schwimmunterricht nehmen. 70 Tobias Engelsing Als 1832 das Konstanzer Regiment Markgraf Wilhelm abgezogen wurde, verlor der bisher vom badischen Militär beauftragte zivile Schwimmlehrer Engelbert Maier plötzlich einen Großteil seiner Kundschaft. Dieser konjunkturelle Einbruch seines Gewerbes markiert die Geburtsstunde der zivilen Konstanzer Badekultur: Zwei Jahre später warb Maier mit einer eigenen Schwimmschule ausschließlich für Knaben, die er auf einem eigens errichteten und fest verankerten Floß vor der Kaimauer auf der Höhe des heutigen Stadtgartens betrieb. Der „Sommerkurs“ mit täglichen Schwimmstunden sollte die überaus stattliche Gebühr von fünf Gulden kosten. In der Nähe seines Floßes hatte Maier außerdem eine in der Flachwasserzone stehende Hütte mit Gitter und Treppe errichtet, von der aus die erwachsene Kundschaft sicher im See baden können sollte. 6 Hausburschen und Fabrikarbeiter dürften nicht zu Maiers Kundschaft gezählt haben, deren Jahresgehälter lagen damals zwischen 25 und 50 Gulden. Die lokale Oberschicht aber war für die neue Mode des Seebades offenbar noch nicht ausreichend zu begeistern. Im selben Jahr, 1834, eröffnete in Maiers Nachbarschaft überdies eine konkurrierende, als Aktiengesellschaft gegründete Die Badanstalten am Ufer vor Bregenz. 1825 war dort die erste Militärbadeanstalt am Bodensee eröffnet worden. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 71 „Badeschiff-Anstalt“, die über acht auf ein Schiff montierte Badekästen verfügte, vormittags für Herren und nachmittags für Damen geöffnet war und schon ein kleines Sonnendeck zu bieten hatte. Der schwere Kahn war etwa auf der Höhe des heutigen Gondelhafens im See verankert, veränderte aber je nach Wasserstand seinen Liegeplatz und war deshalb nur mit Hilfe einer Gondelfähre zu erreichen. „Badewärter und Kahnführer“ war Josef Steinle, seine Ehefrau fungierte als „Badewärterin“. Der Verwaltungsrat dieser Badeschiff-Anstalt war einige Jahre lang hochrangig besetzt: Regierungsrat von Chrismar und Bürgermeister Karl Hüetlin standen dem Gremium vor. 7 Prominente Kundinnen dürften die Malerin Marie Ellenrieder und ihre Schwester Josefine gewesen sein, die ganz in der Nähe wohnten und um diese Zeit das Seebaden für sich entdeckten. Doch beide private Unternehmungen scheinen nicht recht floriert zu haben: Maiers Kurse waren zu teuer und die Aktiengesellschaft begrenzte sich selbst den Zulauf, indem sie nur Aktionären oder von Aktionären empfohlenen Badegästen den Zugang erlaubte. Immerhin war die Stadtverwaltung auf das neue, sozialhygienisch wünschenswerte Angebot aufmerksam geworden und hatte Die 1840 als Aktiengesellschaft gegründete Konstanzer Badeanstalt, hier in einer werblich geschönten Darstellung aus der Gründungszeit. 72 Tobias Engelsing das Seebaden zur öffentlich relevanten Aufgabe der Daseinsvorsorge erklärt. Bereits 1837 erhielt Maier einen städtischen Zuschuss, der einer Kommunalisierung seiner Anstalt gleich kam: Die Stadt bezahlte ihm mit jährlich 50 Gulden ein halbes Jahresgehalt und verpflichtete ihn, „hiesigen Bürgersöhnen“ Schwimmunterricht zu erteilen. 8 Schwimmen auf Aktienbasis: Die „Seebad AG“ Im Frühjahr 1840 wurde auch dieses Provisorium in eine solide gesellschaftsrechtliche Form überführt, wobei sich die Stadt - im Sinne der liberalen Doktrin von der Trennung zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft - aus dem unmittelbaren Engagement zurückzog. Einige Konstanzer Honoratioren zeichneten 200 Aktien Vor der Silhouette des Münsters: Die 1840 gegründete „Seebad AG“ betrieb die hölzernen Badehütten des „Vereins für die Schwimm- und Bade-Anstalt in Konstanz“. Heute befindet sich hier der Stadtgarten. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 73 zu je zehn Gulden. Diese 2000 Gulden bildeten das Gesellschaftskapital der „Seebad AG“. Die Aktiengesellschaft gründete daraufhin den „Verein für die Schwimm- und Bade-Anstalt in Konstanz“, der gewissermaßen die Betreibergesellschaft sein sollte. Die Badanstalt stand anfangs nur Männern und Knaben gegen Gebühr offen. Doch schon kurz nach der Gründung wurden auch Schwimmstunden für Frauen und Mädchen angeboten. Engelbert Maier übernahm als festangestellter Schwimmlehrer die Leitung des Betriebs. Der Konstanzer Bevölkerung war das Wortungetüm vom „Verein für die Schwimm- und Bade-Anstalt“ zu kompliziert. Bald schon wurde das Bad mit einem griffigeren Namen versehen: Noch heute sprechen hochbetagte Konstanzer, wenn von der Badanstalt des gehobenen Bürgertums die Rede ist, nur vom „Aktienbädle“. Später kamen das „Familienbädle“, das „Männer- und Frauenbädle“ sowie das „Buebe- und Mädlebädle“ dazu. 9 Bis zum Abriss der letzten hölzernen Badehütten vor der Silhouette der Stadt 1938 blieben diese Spitznamen in Gebrauch. Maiers Floß dümpelte noch einige Jahre vor dem Konzilsgebäude im Wasser. Die neue Badanstalt aber war eine geradezu üppige Anlage: Der auf Pfählen stehende Holzbau war 72 Meter lang und 48 Meter breit, das Schwimmbecken in der Mitte war 161 Quadratmeter groß. Der Bau stand im Flachwasser zwischen der Dominikanerinsel und dem Konzilsgebäude. Heute bedeckt der nördliche Stadtgarten diese Fläche. Noch im Juli 1840 genehmigte das badische Bezirksamt als zuständige Wasserbehörde einen langen Zugangssteg, sodass der bisherige Fährdienst entfallen konnte. Das badische Hauptzollamt bestand jedoch darauf, dass an diesem Steg keinerlei Schiffsverkehr stattfinden dürfe: Dem „Schleichhandel“ mit Schmuggelware aus der nahen Schweiz sollte so vorgebeugt werden. 10 Der Konstanzer Gründung folgte 1846/ 47 eine Aktiengesellschaft in Friedrichshafen, 1856 gründete der „Verein Eintracht Romanshorn“ eine Badanstalt. Kreuzlingen bekam 1872 seine „Seebadaktiengesellschaft“, 1873 folgte die „Rheinbadanstalt Genossenschaft Tägerwilen“, 1874 die „Seebad-Aktiengesellschaft Ermatingen“ und 1898 die „Seebad-Aktiengesellschaft Steckborn“. 11 Diese Seebadeanstalten waren seeumspannend nach einem ähnli- 74 Tobias Engelsing chen Schema gebaut: Sie bestanden aus einer links angeordneten Frauenabteilung und einer rechts anschließenden Männerabteilung. In jeder Abteilung standen Einzelbadezellen zur Verfügung, die mit absenkbaren Böden und Treppchen in den See ausgestattet waren. Der innere Schwimmbereich war ebenfalls in eine Männer- und Frauenabteilung getrennt. Hier konnten die Badegäste wie in einer großen Holzkiste frei schwimmen. Die letzten um 1900 errichteten Badanstalten öffneten die Freischwimmbecken zum See hin und hoben damit die Geschlechtertrennung weitgehend auf. Jenseits der Holzplanken konnten sich die Schwimmenden nun im freien Gewässer begegnen. In den rückwärtigen Räumen der größeren Anlagen waren Umkleidekabinen, Räume mit Wannen und Öfen für Warmwasserbäder, Duschen und einfache Toiletten untergebracht. In modernen Anlagen flossen die Fäkalien über Rohrleitungen zu Sickergruben an Land. In Konstanz führten anfangs lange Leitungen die Abwässer einige hundert Meter weit unter Wasser von der Badanstalt weg. An der Halde wurden die Fäkalien in das tiefe Wasser eingeleitet. Die Ausstattung der meisten dieser frühen Badanstalten mit Badewannen, Öfen und Einzelkabinen verweist auf eine zentrale Die Romanshorner Badanstalt am Inseli. Der Verein „Eintracht Romanshorn“ gründete 1856 die erste Badanstalt. Nach dem Ersten Weltkrieg kam ein Freibad dazu. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 75 Funktion: Sie waren in erster Linie Einrichtungen der Körperpflege, wenn man so will „öffentliche Badezimmer“ zu einer Zeit vor 1900, als nur wenige Haushalte der Kleinstädte und Dörfer am Bodensee über Wasseranschlüsse oder gar Bäder und Wassertoiletten verfügten. Das Bürgertum besuchte diese Anstalten in erster Linie, um sich zu waschen und schwimmen zu lernen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die Vorstellung, im Seebad könne auf gesellige Weise „Freizeit“ verbracht werden, an Bedeutung. Touristische Aspekte spielten um 1840 noch keine Rolle: Der Badanstalt als zusätzlicher Touristenattraktion kam erst im Zusammenhang mit dem Bau großer Hotelpaläste im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine gewisse Bedeutung zu. Nichts für Geringverdiener In der ersten professionell betriebenen Konstanzer Badanstalt hatten Engelbert Maier, seine „Unterlehrer“ und die „Badewärterinnen“ das Sagen. Dabei führten die Männer das Kommando, Frauen verrichteten Hilfsdienste und hielten die Kabinen sauber. Es Die „Seebad-Aktiengesellschaft Ermatingen“: Sie wurde 1874 im Flachwasser unterhalb des Ortskerns errichtet, zugänglich über einen langen Steg durch das Schilf. 76 Tobias Engelsing herrschte ein strenges Zeitreglement: Der Schwimmunterricht begann morgens um 7 Uhr, dauerte bis 12 Uhr und wurde von 13-bis 16 Uhr fortgesetzt. Diese Zeit war den Erwachsenen vorbehalten. Von 16 bis 20 Uhr durften Jugendliche die Schwimmschule besuchen. Frauen und Mädchen konnten die Anstalt zwischen 10 und 13 Uhr nutzen. Schon diese Zeiten machen deutlich, dass sich das neue Seebad nicht an die breite Konstanzer Bevölkerung richtete: Weder hatten arbeitende Männer tagsüber Zeit, schwimmen zu lernen, noch war es Hausfrauen oder Arbeiterinnen möglich, um die Mittagszeit ein gemütliches Bad zu nehmen oder Herrn Maiers Schwimmanleitungen zu folgen. Ein Blick auf die Preisliste der Badanstalt bestätigt den Eindruck, dass die Forderung nach Hygiene und Ertüchtigung nicht an untere Bevölkerungsschichten adres- Schwimmschüler der 1870 vor der Hafenmole errichteten „Bad- und Schwimmanstalt für Knaben und Mädchen“. Der Unterricht war militärisch streng reglementiert, die Schwimmmeister trugen weiße Dienstkleidung, teils mit Krawatte. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 77 siert war: Ein Sommer-Abonnement in der Schwimmschule kostete für Anfänger sechs Gulden, für fortgeschrittene Schwimmer zwei Gulden 42 Kreuzer. Immerhin sah die Satzung Preisreduktionen für amtlich festgestellte „Ortsarme“, für Waisenkinder aus dem städtischen Spital und für bedürftige Schüler des Lyceums und der höheren Bürgerschule vor. Wir wissen jedoch nicht, wer die ersten Schwimmschülerinnen und Schwimmschüler von Engelbert Maier waren. Vermutlich schickte das wirtschaftlich gut situierte Bürgertum der Kaufleute und Beamten seine Kinder zur Schwimmschule, genossen die nicht berufstätigen Damen der kleinstädtischen Oberschicht die Bäder und Schwimmbassins. Erstmals 1851 finden sich im Zuge des notwendig werdenden Neubaus einer Schwimmschule für Knaben Zahlen zur tatsächlichen Nutzung der Einrichtung: Der Aktionär Kaufmann Eduard Delisle rechnete mit 40 Besuchern pro Tag und plädierte deshalb dafür, weniger Personal einzusetzen. Im Rechnungsjahr 1851 - zwei Jahre nach dem blutigen Ende der zweiten bürgerlichen Revolution, die 1848 mit dem Heckerzug in Konstanz begonnen hatte - bilanzierte die Aktiengesellschaft 82 männliche und 33 weibliche Abonnenten. 12 Angesichts dieser Stichprobe darf vermutet werden, dass die Badanstalt keinen bedeutenden Gewinn erzielt haben dürfte. Allein für den Neubau der Knabenabteilung wurden fast 8000 Gulden für Schreiner, Dachdecker, Schlosser und Flaschner veranschlagt. Bei solchen Investitionskosten wird nach Abzug der Schuldentilgung, Personal- und Unterhaltskosten kaum etwas übriggeblieben sein. Tatsächlich geriet die Aktiengesellschaft einige Jahre später nach zwei verregneten Sommern auch in eine existenzielle Krise. Um solche klimatischen Unwägbarkeiten besser aufzufangen, fügte die Aktiengesellschaft der Badanstalt 1854 einen kleinen Neubau an, der über zehn Kabinen für warme Wannenbäder und Duschen verfügte. 13 Eintrittskarte Nr. 3053 für die „Schwimm- und Bad- Anstalt“ in Konstanz für das Jahr 1876 78 Tobias Engelsing Lange Unterhosen als Badekleidung Die Praxis in der Schwimmschule unterschied sich nicht wesentlich von den Schwimmkursen späterer Zeiten: Geübt wurde anfangs mit Schwimmringen aus Korkstücken, dann folgte das Freischwimmen an der vom Schwimmlehrer geführten „Angel“, zuletzt durften die Schwimmschüler, von einem Boot begleitet, im freien Gewässer längere Strecken zurücklegen und so ihr Schwimmzertifikat erwerben. Badekleidung im heutigen Sinn war 1840 in Konstanz noch unbekannt. Die Badanstalt stellte die erforderlichen Geräte, für Männer und Knaben lange Badehosen sowie Gesichts- und Handtücher für jeden Badegast bereit. Frauen und Mädchen trugen zum Schwimmunterricht mitgebrachte lange Unterhosen aus Leinen oder Baumwolle, über die zusätzlich ein Überkleid gezogen wurde. Erst um 1900, als das Baden und Schwimmen zu einer Freizeitbetätigung wurde, entwickelte sich eine eigentliche Bademode, die aus dem Badeanzug oder der Dreiecksbadehose der Männer und dem rüschenbesetzten Badekleid der Frauen bestand. Als nach dem Ersten Weltkrieg erste gemischtgeschlechtliche Strandbäder eröffnet wurden, wurde die Bekleidung zum Politikum: Die hauchdünnen Badekleider aus Leinen oder Baumwolle bildeten im nassen Zustand die Körperformen der Badenden so deutlich ab, dass Kirchen und konservative Politiker die Obrigkeiten zum Einschreiten veranlassten. In ganz Europa wurden Verfügungen erlassen, die bis ins Detail regelten, welche Badekleidung als statthaft zu gelten hatte. Alles, was zu viel Haut zeigte oder den Umriss von Geschlechtsorganen erahnen ließ, wurde verboten. Zu Beginn der 1920er Jahre entwickelte sich - dem allgemeinen Zeitgeist folgend - eine freizügigere, elegante Bademode für Frauen und Männer. Wenige Jahre später kamen synthetische Stretchstoffe und blickdichte Fasermischungen auf den Markt. Der berüchtigte preu- Ein Korkring, die weitest verbreitete Schwimmhilfe in den „Badanstalten“ am Bodensee „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 79 „Die See hat ihre Perlen“, lautet das Motto dieser englischen Scherzpostkarte. Nach dem Vorbild der vornehmen englischen Seebäder entwickelte sich um 1900 auch in Deutschland eine eigentliche Bademode für Damen. Mit der Verbreitung des gemischtgeschlechtlich besuchten Freibads wurde die Bademode farbenprächtiger und knapper: Schweizer Badeanzüge der 1920er Jahre. 80 Tobias Engelsing ßische Zwickelerlass von 1932, der sich der männlichen Badehose widmete, kündigte bereits die Renaissance restriktiver Baderegeln an: Während der Nationalsozialismus den heldischen Mann in seiner Nacktheit in Kunst und Staatspropaganda verherrlichte und sich infolgedessen wenig um die Badekleidung des Mannes kümmerte, setzte er auch im Freizeitverhalten ein reaktionäres Frauenbild durch. Die Frau hatte züchtige Mutter und Hausfrau zu sein, der erotische Vamp in aufreizender Bademode wurde als dekadente Erscheinung der Weimarer Republik diffamiert. 14 Baden nach „Dienstanweisung“ Trotz des politischen Rückhalts im liberalen Bürgertum der Stadt war schon die erste Konstanzer Badanstalt Mitte des 19. Jahrhunderts strenger Beobachtung durch konservative Kreise und insbesondere durch die Kirchen ausgesetzt gewesen. Vor allem die katholische Kirche beklagte die sexualisierende Wirkung des Badens und Schwimmens von Männern und Frauen in einer gemeinsamen baulichen Einrichtung. Vermutlich auch wegen dieser sittlichen Einwände legten die Betreiber besonderen Wert auf strenge Verhaltensregeln. Selbst im Wasser galt deutsche Disziplin: „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“, formuliert die Benutzungsordnung in zeitlos schöner Badeprosa. Die 1840 im freiheitlich-demokratischen Belle-Vue Verlag in Konstanz/ Kreuzlingen gedruckten Satzungen der Badanstalt enthalten auch eine „Dienstanweisung für den Lehrer der Schwimm-Anstalt“. Darin wird noch deutlicher, wie wenig die erste Konstanzer Badanstalt mit heutiger Freizeitgestaltung am Seeufer zu tun hatte: „Der Schwimmlehrer hat für die Erhaltung der Ordnung und der zum Schwimm-Unterricht unentbehrlichen Stille und Ruhe in der Anstalt zu sorgen.“ 15 Verantwortlich war Engelbert Maier überdies für die „Erhaltung der Sittlichkeit“, wozu ihm die Ausübung des Hausrechts eingeräumt wurde: „Sittenlose, boshafte und ungezogene Besucher seiner Anstalt“ konnte er kurzerhand hinauswerfen und sie mit einem Hausverbot belegen. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 81 Doch auch er selbst wurde verpflichtet, sich eines „anständigen und höflichen Benehmens gegen die Schwimmschüler und Badgäste zu befleißigen“. Sein Arbeitsvertrag sah eine Reihe von Kündigungsgründen vor: Schon grobe Versehen und Nachlässigkeiten sowie länger anhaltende Krankheit reichten aus, um den Mann zu feuern. Eine Kranken- oder Arbeitslosenversicherung existierte 1840 noch nicht. Maiers Gehalt war zudem umsatzabhängig: Zwei Drittel des Reingewinns sollten ihm zustehen. Immerhin bewilligten ihm die Aktionäre eine Risikoabsicherung, indem sie ein Mindestgehalt von 100 Gulden zusicherten - damals etwa das Jahresgehalt eines Volksschullehrers. Verlegung der Badanstalt vor die Hafenmole Mit dem Einzug der Eisenbahn 1863 und der 1866 erfolgten Wahl des bisherigen Stiftungsverwalters Max Stromeyer zum Bürgermeister hatte auch in Konstanz eine Ära des städtebaulichen Aufbruchs und der Modernisierung begonnen. Der Bau eines leistungsfähigeren Hafens und die Anlage eines Stadtparks vor der Silhou- Nach erfolgreich bestandener Schwimmprüfung erhielten die Konstanzer Schwimmschüler dieses „Zeugniss“. Hier ein Exemplar von 1911. 82 Tobias Engelsing ette der alten Stadt waren Teil des umfassenden Modernisierungsprogramms der Liberalen unter Stromeyer. Die inzwischen fast drei Jahrzehnte alte hölzerne Badanstalt zeigte um 1870 deutliche Alterserscheinungen, auch stagnierten die Besucherzahlen, sodass die Gesellschaft mehrere negative Jahresabschlüsse ausweisen musste. Im Zuge des Hafenneubaus hatte sich die Stadt von der großherzoglich-badischen Wasser- und Straßenbauinspektion ein Recht einräumen lassen, vor der neu entstandenen Pfahlwand des Hafens zum offenen Gewässer eine „Bad- und Schwimmanstalt für Knaben und Mädchen“ errichten zu dürfen. Dieses Recht übertrug sie im Frühjahr 1873 an die wirtschaftlich schon nicht mehr solvente „Seebad AG“, die nur mit Hilfe eines großzügigen Baudarlehens der Stadt über 30.000 Mark zwei neue Badanstalten für Männer und Frauen erstellten konnte. Die Entscheidung wurde in der Bürgerschaft heftig diskutiert: Warmbäder zur Köperpflege, Schwimmunterricht und Bäder als Freizeiteinrichtungen und touristische Attraktionen sollten nicht allein der gehobenen Bürgerschicht vorbehalten bleiben. Weil die Bäder der Aktiengesellschaft aber seit ihrer Gründung 1840 eine Einrichtung einer kleinen privilegierten Schicht geblieben waren, Ab 1873 entstanden vor der Mole des neu angelegten Konstanzer Hafens neben dem „Aktien-Bädle“ auch ein kostenfrei zu nutzendes „Volksbad“ für Männer und eines für Frauen. Ganz rechts am Ende der Mole ist die alte Schiffswerft zu sehen. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 83 wurde die Stadtgemeinde 1873 unter dem Druck der zunehmend schwimm- und badefreudigen Öffentlichkeit auch selbst zur Bauherrin: Südlich der Aktienbäder ließ die Stadt 1873 je ein „Volksbad“ für Männer und eines für Frauen bauen. Der Zugang zu diesen Einrichtungen war kostenlos, für Sonderleistungen wie Warmbäder, Schwimmunterricht und Nutzung von Handtüchern wurden geringe Gebühren erhoben. Dass der Betrieb der beiden Bäder defizitär sein würde, war dem Stadtrat bewusst. Im Jahr 1877 vermietete die Stadt deshalb das Männerbad zur zeitweiligen Nutzung dem 6. Badischen Infanterieregiment Nr. 114, um das städtische Defizit etwas zu mindern. 16 Dem hochgestimmten Aufbruch folgten zwei kalte, verregnete Sommer: Einheimische und auswärtige Besucher blieben weg und damit fehlten die Einnahmen. Ende 1878 war die „Seebad AG“ endgültig überschuldet, ihr Verwaltungsrat trat an die Stadt heran mit der Bitte, die beiden Badanstalten unter Verzicht der Aktionäre auf alle Einlagen zu übernehmen. Der inzwischen zum Oberbürgermeister beförderte Max Stromeyer, Stadtrat und Bürgerausschuss befürworteten die Übernahme der „Seebad AG“. Nicht ganz unbescheiden stellte die Verwaltung in der entscheidenden Sitzungsvorlage fest, die „größte und schönste Stadt am See“ müsse auch in Sachen Seebad ihren Rang behaupten. 17 Zehn Jahre später schlug das Jahrhunderthochwasser von 1890 zu: Die Pfähle und Holzbauten der beiden Volksbäder wurden durch den Wasserdruck aus ihrer Verankerung gerissen und so schwer beschädigt, dass sie mit einem Kostenaufwand von 25.200 Mark Das Jahrhunderthochwasser im Sommer 1890 zerstörte die Pfahlfundamente der beiden Volksbäder. Hier inspizierten Ruderer die Schäden an den Badanstalten. 84 Tobias Engelsing wiederhergestellt werden mussten. Zum Schutz gegen den Wellenschlag bei Stürmen und Hochwasser wurde vor das Bad zudem eine Pfahlpalisade als Wellenbrecher eingeschlagen. Damit hatte die städtische Badanstalt vor der Hafenmole ihren baulichen Zenit erreicht. In den folgenden vier Jahrzehnten wurde an den vier Abteilungen nur noch ausgebessert, repariert und nach den Erfordernissen der Zeit umgebaut. Das Bürgertum liebte sein altmodisches Aktienbädle und blieb ihm bis zum Ende der Weimarer Republik treu, obwohl es dem zeitgenössischen Wunsch nach freiem, familienverbindendem Schwimmen nicht entsprach. Die Badanstalten der Hotelpaläste Seit die Bodenseelandschaft um 1850 von höchsten Fürstlichkeiten als Sommerziel entdeckt worden war, nahm auch das touristische Interesse an dieser an historischen Attraktionen und Naturschönheiten reichen Landschaft zu: Ab 1853 bis zum Ende der Monarchie 1918 diente das vormalige Deutschordensschloss auf der Insel Mainau dem badischen Großherzog Friedrich I. und, nach seinem Tod 1907, seiner Frau Luise, einer Tochter des späteren Kaisers Wilhelm I., als offizieller Sommersitz. Am nördlichen Ufer des Sees residierte während der Sommermonate das württembergische Königshaus. Kaiser Wilhelm I. besuchte regelmäßig seine Tochter, Kaiser Franz Joseph ließ sich im Salondampfer zur württembergischen Verwandtschaft und zu seinen Freunden auf der Mainau fahren. 18 Solche Kaiserbesuche entfalteten eine bedeutende Anziehungskraft auf das reisende Publikum, der Bodensee galt nun als Top-Adresse: In den damals neu entstehenden Hotelpalästen, beispielsweise in Bad Schachen, Bregenz, Heiden, Konstanz oder Schaffhausen, stiegen neben den Mitgliedern europäischer Herrscherhäuser zunehmend Vertreter des neuen Großbürgertums ab. Sie alle wollten unterhalten sein, „Sehenswürdigkeiten“ besichtigen, Dampfer fahren und sich in den Fluten des angenehm temperierten Binnensees erfrischen. Überlingen versuchte in dieser Zeit, an die Erfolge der Ostschweizer Wasserkurorte anzuschließen und die Stadt als „Bad Überlingen“ überregional bekannter zu machen. Der Bau zweier „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 85 prächtiger Seebadeanstalten, etwas abseits der Altstadt am Ufer gelegen, sollte diese Bemühungen unterstützen. Auch in anderen Städten und Dörfern zwischen Bodensee und Rheinfall entstanden in der zweiten Jahrhunderthälfte weitere privatwirtschaftlich oder öffentlich getragene Badanstalten. Hatten die ersten Einrichtungen dieser Art vor allem der Volksgesundheit und Hygiene dienen und „öffentliche Badezimmer“ für die einheimische Bevölkerung sein wollen, richteten die Betreiber der neuen Bäder ihren Blick auf die solvente Kundschaft der „Sommerfrischler“. Doch die wirklich zahlungskräftige Schicht großbürgerlicher Touristen teilte Badekabine und Schwimmbecken nicht mit Kleinbürgern der Provinz. Friedrichshafen unternahm noch 1913 den Versuch, mit dem Bau einer modernen und luxuriösen Seebadeanstalt Eindruck auf diese Kundschaft zu machen: In der Herren- und Frauenabteilung wurden eigens „Herrschafts- und Cavalierkabinen“ eingebaut. Vermutlich sollten damit auch Mitglieder der Hofgesellschaft im nahegelegenen königlichen Schloss angesprochen werden. 19 Doch trotz solcher First-Class-Angebote gelang es den Badanstalten am Bodensee nicht, maßgeblich am gehobenen Fremdenverkehr zu partizipieren. Am Ufer der Seestraße vor der Frontseite des vormaligen Hotelpalasts „Konstanzer Hof“ befand sich die private Badanstalt der später als Sanatorium Büdingen genutzten großen Anlage mit eigenem Park. 86 Tobias Engelsing Vielmehr gingen die seenah gelegenen Luxushotels dazu über, eigene Badanstalten und seit der Jahrhundertwende auch eigene Strände mit Umkleidekabinen und Liegestühlen für das zahlende Publikum zu bauen und anzulegen. Der Direktor und Miteigentümer des 1874 eröffneten Konstanzer Inselhotels, Graf Eberhard von Zeppelin, bemühte sich schon im ersten Jahr um eine städtische Genehmigung zum Bau einer eigenen „Warmbadanstalt“ mit 15 „Cabinetten“, Duschen und Seezugang auf der Dominikanerinsel. Die von Liberalen dominierte Stadtverwaltung - dem erzkonservativen Grafen schon parteipolitisch nicht wohlgesonnen - wollte Zeppelin dazu bewegen, die geplanten Wannenbäder auch der Bevölkerung zugänglich zu machen, worauf dieser jedoch nicht einging. 20 Um die Jahrhundertwende legte Zeppelin einen Bootslandeplatz vor seinem Hotel an und eröffnete eine „Badewiese“ mit Seezugang. Der Bootssteg erlangte einige Bekanntheit, weil dort regelmäßig das spektakuläre „Luftschraubenboot“ des Grafen Ferdinand von Zeppelin festmachte. Eberhards Bruder arbeitete damals in Friedrichshafen-Manzell an geeigneten Antrieben für seine Luftschiffe. Auf Testfahrten in seine Heimatstadt Konstanz erprobte der schon reichsweit bekannte Luftschiffer seine Motoren und Propeller. Auch der zwei Jahre früher eröffnete „Konstanzer Hof “ verfolgte das Ziel, eine eigene Badanstalt zu bauen. Nach dem raschen Kon- Um die touristische Attraktivität der Bodenseelandschaft zu erhöhen, wurden seit der Jahrhundertwende 1900 Attraktionen des Wassersports angeboten. Die Aufnahme zeigt einen Schwimmwettbewerb 1902 in der Konstanzer Bucht. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 87 kurs der Hotelgesellschaft 1876 und der Umwandlung in ein Sanatorium, das im 20. Jahrhundert unter dem Namen seiner Betreiber Büdingen reichsweit bekannt wurde, entstand an prominenter Stelle der Seestraße eine elegante Badanstalt für die Patienten der Einrichtung. Der dritte der Konstanzer Hotelpaläste, das „Halm“ am Bahnhofsplatz, verfügte nicht über einen eigenen Seezugang. Seine Gäste konnten zeitweise den Badeplatz des Inselhotels mitnutzen. Extremsport: Die Seeschwimmer Mit der touristischen Erschließung der Bodenseelandschaft bemühten sich Kommunen, Vereine und Hotelbetreiber, ihren Gästen besondere Attraktionen zu bieten. Schon um die Jahrhundertwende wurden Motorbootrennen, Ruderwettkämpfe und Segelregatten ausgetragen, die zahlungskräftiges Publikum anzogen und zugleich Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung boten. Unterbrochen vom Ersten Weltkrieg entwickelte die Schwimmbewegung in den 1920er Jahren eigene seeumspannende Veranstaltungen. Im August 1919 fand das erste Bodenseeschwimmen mit 145 Teilnehmern in der Bucht vor Konstanz statt: Erstmals traten Mädchen und Jungen, Männer und Frauen zu einem solchen Anlass gemeinsam an. Die Schwimmstrecke führte vom Jachthafen zur Badanstalt vor der Mole. „Die gewaltige Zuschauermenge an der Seestraße und in zahllosen Booten folgte mit gespanntem Interesse und lebhaftem Beifall den einzelnen Wettbewerben, die hier eigent- Nach dem Ersten Weltkrieg im politischen Klima der beginnenden Frauenemanzipation nahmen auch junge Frauen an Schwimmwettkämpfen teil. Hier präsentieren sich Sportschwimmerinnen im Frauenvolksbad, um 1925. 88 Tobias Engelsing lich erst der Propaganda für den schönen und gesunden Schwimmsport dienten“, berichteten die Friedrichshafener „Seeblätter“. 21 Neben solchen Festveranstaltungen mit großer Publikumsbeteiligung entwickelte sich am Bodensee nach 1900 auch eine besondere Variante des Schwimmsports: Die Durchquerung des ganzen Sees von Ufer zu Ufer. Der erste „Bodenseeschwimmer“ überquerte den See an seiner breitesten Stelle: Im Juli 1865 schwamm der aus Königsberg stammende Alt-48er, aktive Turner und bekannte württembergische Sozialdemokrat, Dr. Albert Dulk, die 12,5 Kilometer lange Strecke zwischen Romanshorn und Friedrichshafen. „In jeder Weise Herr über meinen Körper zu sein“, sei sein Motiv gewesen, schrieb Dulk später. 22 Während seiner vier Stunden 31-Minuten dauernden Schwimmleistung nahm Dulk vom begleitenden Hafenmeister Eggmann aus dem Begleitboot nur einige „Erfrischungen an Wein, Brot und Käse“ zu sich. Nach vollbrachter Tat begaben sich der Schwimmer und Hafenmeister Eggmann in den Friedrichshafener „Kronengarten“, wo sie zufrieden einige Gläser Bier tranken. Dulks Leistung galt allenfalls als kuriose Tat eines zudem politisch verdächtigen Einzelgängers. Zu weiteren Seeüberquerungen kam es vorerst nicht. Erst nachdem der Ärmelkanal zwischen Dover und Calais (32,31 km) um 1900 mehrmals durchschwommen wurde, fanden sich immer mehr Sportler, die solche Schwimmleistungen auch am Bodensee vollbringen wollten. Im Sommer 1929 gelang es erstmals zwei Frauen, Sofie Braunwarth und Mathilde Stern aus Friedrichshafen, die Strecke Friedrichshafen‒Romanshorn zu durchqueren. Bislang nur vier Männer schafften die 46- Kilometer lange Strecke zwischen Bregenz und Konstanz ohne Hilfsmittel: Das waren der Wiener Soldat Edie Bernat (1928), der Lindauer Gerd Asbeck (1964), der beinamputierte Schweizer Hans Schmid (1971) und der Friedrichshafener Manfred Köder (1989). Köder durchschwamm den See in der bisherigen Rekordzeit von 13 Stunden und 40 Minuten. Bis heute werden solche „Seeschwimmen“ für größere Teilnehmerzahlen veranstaltet, wie etwa das jährliche Unterseeschwimmen von Gaienhofen nach Steckborn. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 89 Kampf der Geschlechtertrennung Nach der Jahrhundertwende 1900 gewann die Lebensreformbewegung mit ihren Forderungen nach leichterer Kleidung, mehr Bewegung, Licht- und Sonnenbädern und naturnaher Lebensweise in Deutschland und anderen europäischen Staaten mehr und mehr Anhänger. Sportliche Betätigung und der Aufenthalt in der Natur wurden institutionalisiert: In der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg entstanden auch in Konstanz ein auf Abhärtung und „Selbstzucht“ ausgerichteter Schwimmverein, mehrere Radfahrvereine, ein Segel- und Ruderclub, eine Pfadfinder-Gruppe und ein Zusammenschluss junger Leute im „Wandervogel“. Vor allem die Wandervogelbewegung wandte sich ab von der militärischen Rhetorik anderer Vereinsgründungen der Naturbewegung. Hier stand das gemeinsame Wandern, Zelten, Singen und Schwimmen von Mädchen und Jungen in freier Natur im Vordergrund. Später spaltete sich die Bewegung auf in liberal-freigeistige und völkisch-antisemitische Strömungen und Flügel. In den ersten Jahren des euphorischen Ausbruchs der Jugend aus den starren Konventionen des wilhelminischen Kaiserreichs mit seinen eng geschnürten Miedern, plüschüberladenen Wohnstuben und der Überbewertung militärisch straffer Haltung löste jeder Regelverstoß heftige Reaktionen aus: So empörte sich die konservative lokale Öffentlichkeit 1904 über das gemeinsame „wilde“ Baden junger Leute am Ufer des Seerheins. 23 Doch bereits 1905 gestattete die Stadt unter dem Druck derjenigen Bevölkerungsschichten, die keinen Anstoß nahmen, sondern Neuerungen forderten, das nicht- Kindern war das Baden im See gestattet. Aber auch diese Gruppe Konstanzer Mädchen dürfen um 1900 nur in langen Nachthemden ins Wasser steigen. 90 Tobias Engelsing geschlechtergetrennte Baden außerhalb einer umschlossenen Badanstalt an einem Uferstück beim Ausfluglokal Waldhaus Jakob. Die Stadtverwaltung war erkennbar bemüht, dem Zeitgeist entgegenzukommen - auch wenn die örtliche Geistlichkeit der christlichen Kirchen massiven Protest gegen die damit verbundenen „sittlichen Gefahren“ einlegte. Dementsprechend wachsam blieben die Gegner und meldeten jeden Regelverstoß. Weil sich „Missbräuche eingestellt“ hatten, musste die Verwaltung zur Sommersaison 1912 einen mit „Dienstmütze“ und Ruderboot ausgerüsteten städtischen Aufseher abstellen, der im Umfeld des umstrittenen Badeufers beim Waldhaus Jakob patrouillierte. 24 Seit die Wasserversorgung um 1900 alle Stadtquartiere erreicht hatte, erhielten auch immer mehr Neubauten eigene sanitäre Anlagen: Die Etagen- oder Wohnungstoilette und das Badezimmer wurden Standard im gehobenen Wohnungsbau der Bürgerstadt Konstanz. Zudem boten mehrere Masseure, Friseure und auch zwei Bäckereien nebenbei warme Wannenbäder und medizinische Badeanwendungen an. In einigen Industriebetrieben, so bei Herosé, der Zahnfabrik AG, beim Gaswerk und in den Werkstätten der Reichsbahn, konnten Beschäftigte nach der Arbeit ebenfalls warm Seit 1905 hatte sich unterhalb des Ausflugslokals „Waldhaus Jakob“ ein noch wilder Badeplatz für Männer und Frauen durchgesetzt. Die Stadt legalisierte das gemeinsame Baden durch städtische Aufsichten. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 91 duschen oder baden. 25 In der Stefansschule und in der Petershauser Schule wurden eigene Brause- und Wannenbäder unterhalten, die vormittags den Schülern und nachmittags der Bevölkerung zur Verfügung standen. So fielen innerhalb weniger Jahre die vor der Hafenmauer gelegenen hölzernen Badanstalten etwas aus der Zeit. Die „Bad-Ordnung“ von 1901 zeigt anschaulich, wie antiquiert sich das dortige Reglement im Vergleich mit den Forderungen der Reformbewegungen ausnahm. Die Aufenthaltszeit im Bad sollte beispielsweise 40 Minuten bis maximal eine Stunde betragen: Zeit genug zum reinigenden Bad, aber weit entfernt von der aufkommenden Praxis, ein Bad solle auch ein Ort des längeren geselligen Freizeitvergnügens sein. 26 Seit 1840 galt, dass „jeder Besucher Ruhe, Anstand und Ordnung, insbesondere beim An- und Auskleiden“ zu beachten habe. Längst vereinigten sich die Schwimmenden beiderlei Geschlechts Der verbotene Blick nach drüben: Nach dem Ersten Weltkrieg war die strenge Geschlechtertrennung kaum mehr aufrecht zu erhalten. Karikatur des Schweizer Satireblatts „Nebelspalter“ 92 Tobias Engelsing im offenen Gewässer, überkletterten Knaben die Absperrbretter zum Frauenbad und erschienen in langen Unterröcken und Hüten ihrer Großmütter, um bei waghalsigen Sprüngen ins Wasser die Aufmerksamkeit der nebenan badenden Mädchen zu wecken. 27 Die Stadtverwaltung gestattete auch hier Lockerungen: Zwischen 1905 und 1910 wurden in allen drei Bädern (Frauen- und Männerbad, Volksbad) Öffnungen zum See hin geschaffen. Auch dem Wunsch der Badegäste nach Flächen zum „Sonnenbad“ wurde entsprochen: Man nagelte Bretter auf die hölzernen Spundwandreihen des Wellenbrechers und legte ein „Sonnendeck“ auf dem Dach eines der Bäder an. 28 Unterhalb des Waldhaus Jakob und auch schon am Hörnle aber brach die wirklich neue Zeit an: Familien und Paare zogen an den Wochenenden dort hinaus, um Sonne, Wasser und gemeinsame Geselligkeit zu genießen. „Baldisch“ führt das Regiment Seit der Sommersaison 1900 regierte über die Männerabteilungen des Aktienbädles ein Bademeister, der von gemischtgeschlechtlichem Baden, mitgebrachtem Picknick und zum See hin offenen Badanstalten nichts hielt: der 1880 geborene Paul Baldischweiler, im Volksmund respektvoll „de Baldisch“ genannt, war ein begnadeter Schwimmlehrer, aber ein Tyrann als Herr über sein Reich. Knaben, die durch Astlöcher einen Blick in die Frauenabteilung wagten, Lärm machten oder auf andere Weise das strenge Reglement störten, züchtigte „Baldisch“ mit einem dünnen Rohrstock, bevor er sie der Anstalt verwies. Sein weibliches Pendant im Frauenbad war seit 1931 Therese Heidobler, genannt „Resle“, auch sie bis heute eine personifizierte Erinnerung an das Aktienbädle. Die gelernte Krankenschwester gehörte einer jüngeren Generation an: Für Baldischweilers sittenstrenge Verfolgung pubertierender Jugendlicher hatte sie nur ein Lächeln übrig, etwa dann, wenn junge Burschen durch vermorschte Latten hindurch in die Frauenabteilung schwammen und dort unter großem Geschrei der Mädchen auftauchten. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 93 In seiner freien Zeit bastelte Paul Baldischweiler an eigenen Erfindungen. Anlässlich eines festlichen Gondelkorsos im Sommer 1910 trat er mit einer selbst gebauten „Wassertretmaschine“ auf, die er aus einem Fahrrad konstruiert hatte. Markterfolg war ihm nicht beschieden, das Modell blieb ein Prototyp. Weil auch Baldischweiler nicht entging, dass sich die Zeiten änderten und die freien Bademöglichkeiten am Waldhaus Jakob oder am Hörnle attraktiver erschienen, als seine Schwimmkurse in der Lattenzaun-Festung, mogelte er nach der Erinnerung alter Stammkunden zuweilen: Den stündlich auf einer Schiefertafel anzuzeigenden Wassertemperaturen fügte er jeweils zwei, drei Wärmegrade hinzu, um gegen die Konkurrenz bestehen zu können. 29 Während das Publikum mit dem kauzigen Bademeister alterte, wurde die traditionelle Einrichtung für die Stadtverwaltung von Jahr zu Jahr teurer. Je mehr Gäste auch außerhalb der Bretterzäune schwammen, desto mehr Aufsichtspersonal war nötig. Als Paul Baldischweiler 1900 seinen Dienst zunächst als Hilfsschwimmlehrer aufnahm, arbeitete rund ein Dutzend Männer und Frauen während der Sommersaison in den drei städtischen Badanstalten. Später nahm die Zahl der Hilfskräfte zu. Der Ober-Bademeister Heinrich Treue Stammgäste im „Aktienbädle“: Neben Bademeister Paul Baldischweiler sitzen Konstanzer Honoratioren, im schwarzen Trikot Bandagistenmeister, Feuerwehr-Zugführer und „Elefanten“-Präsident Albert Steuer. Um 1930. 94 Tobias Engelsing Rolle erhielt für die etwa 122 Tage zählende Badesaison im Jahr 1900 pauschal 300 Mark, die Schwimmlehrer Friedrich Rothmund und Lina Sauter 290 Mark. Die Aufsichten wurden tageweise bezahlt: Für einen zwölfstündigen Arbeitstag von 6 bis 18 Uhr erhielten sie 2,60 Mark, jede Überstunde wurde mit 20 Pfennig zusätzlich honoriert. Was uns lächerlich wenig erscheint, war im Lohngefüge der damaligen städtischen Arbeiter recht ordentlich. Offenbar berücksichtigte die Stadt die besondere Verantwortung dieser Beschäftigten und die Tatsache, dass sie nur Saisonarbeiter waren, also in den Wintermonaten keine städtischen Einkünfte bezogen, soweit sie nicht anderswo in der Verwaltung eine Winterbeschäftigung fanden. 30 Zu den Personalausgaben kamen Kosten für den laufenden Bauunterhalt der aus Holz, Eisen, Blech und Teerpappe gebauten Badanstalten, Brennholz und Kohlen für die Warmwasseröfen, Reinigung und Nachkauf von Miet-Badewäsche. Allein der bauliche Unterhalt summierte sich ein Jahr vor Beginn des Ersten Weltkrieges auf 10.200 Mark. Doch bei Eintrittspreisen von 20 Pfennigen für Erwachsene, 10 Pfennigen für Kinder und sechs Mark für die teuerste Dauerkarte konnten die Badanstalten nie wirtschaftlich betrieben werden. 31 Der Tod lauert im Wasser Während eines Sturms im August 1890 hörte der an der Badanstalt des „Konstanzer Hofs“ beschäftigte Bootsführer Moos Hilferufe auf dem See. Er band eine lange Rettungsleine mit Rettungsring an einen Pfosten und stürzte sich mit dem Rettungsgerät in die Wellen. Neben einem umgestürzten Boot fand er „einen Herrn, zwei Damen und ein Kind“, die er um seinen Rettungsring versammelte und so die „ganze Gesellschaft an der Leine zu seinem Boot“ zog und rettete. 32 Fälle wie dieser waren um die Jahrhundertwende typisch. Dampfschiffkapitäne fischten erschöpfte Schwimmer aus dem See, Fischer retteten die Besatzungen gekenterter Sportboote. Obwohl damals schon wesentlich mehr Seeanwohner schwimmen konnten, „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 95 als zur Zeit der Gründung der Seebadanstalten, beherrschten viele Badende das Schwimmen im welligen See nicht. Das freie, vom Wind aufgepeitschte Gewässer war eben allemal gefährlicher als die engen Holzboxen der Badanstalten. In den 1920er Jahren, als der Wassersport enormen Zulauf erfuhr und rings um den See Freibäder entstanden, häuften sich tödliche Badeunfälle: Kinder trieben ins tiefe Wasser, von der Sonne Erhitzte muteten sich zu viel zu, Leichtsinnige schwammen zu weit hinaus und kamen nicht zurück, andere verfingen sich im Seegras und gingen unter. Unachtsame unternahmen Kopfsprünge in zu seichtes Wasser und schlugen am Grund auf. Als die ersten Frei- und Strandbäder eröffnet waren, setzte eine Debatte über Aufsichts- und Haftungsfragen ein, die Forderung nach Rettungseinrichtungen erhob sich. Rasch beschlossen die Kommunen Mindeststandards, nachdem Eltern ertrunkener Kinder den Vorwurf der Vernachlässigung der Aufsichtspflicht erhoben und Anzeige erstattet hatten. Nun wurden professionelle Bademeister eingestellt. Die Reinigungsarbeit und die Aufsicht in den alten Badeanstalten durften schlechter bezahlte Frauen ausüben. Die ersten Bäder bekamen Telefonanschluss, Gäste konnten sich Junge Schwimmerinnen mit ihrer Bademeisterin: Eine stimmungsvolle Aufnahme der 1920er Jahre aus einem Freibad am Schweizer Bodenseeufer. 96 Tobias Engelsing Korkringe als Schwimmhilfen mieten, überall wurden Wurf- und Schwimmringe aufgehängt und Rettungsboote ans Ufer gelegt. 33 Wenige Tage nach Beginn des Ersten Weltkriegs schwamm der 16-jährige Konstanzer Schüler Otto Swars zu weit ins freie Gewässer. Auf dem zu weiten Rückweg erlitt er einen Herzschlag und ging unter. 34 In solchen Fällen war es bedeutsam, dass die Leiche rasch gefunden wurde. Angehörige ertragen es nicht, wenn ein geliebter Mensch in den Tiefen des Sees verschwunden bleibt und nicht beerdigt werden kann. So wurden schon in der Gründungszeit der Freibäder Rettungsboote mit Suchgeräten, langen Bambusstangen zum Stochern und mit „Leichenangeln“ ausgestattet. Eine solche Angel bestand aus mehreren großen Angelhaken, die an einer dicken Schnur über den Seegrund gezogen wurden. Die Haken sollten sich in der Badekleidung des Vermissten verfangen, sodass man ihn nach oben ziehen konnte. Sport- und Schwimmvereine und die ersten Ortsgruppen der 1913 gegründeten Deutschen Lebensrettungsgesellschaft DLRG und ihres Schweizer Pendants organisierten früh ehrenamtliche Rettungswachen. Häufig konkurrierten diese Dienste aber mit den örtlichen Sanitätskolonnen, Vorläufern des Roten Kreuzes, und dem Arbeiter-Samariter-Bund, die ähnliche Angebote machten. Ab Mitte der 1920er Jahre wurden am ganzen Seeufer Lehrgänge für Rettungsschwimmer angeboten. Während des Ersten Weltkrieges hatte sich das 1907 patentierte Sauerstoff-Beatmungsgerät „Pulmotor“ des Fabrikanten Heinrich Dräger bewährt. Nach dem Krieg wurden dieses Modell und ähnliche Rettungsgeräte in Serie hergestellt. Im Zuge der nun beginnenden Motorisierung der lokalen Sanitätskolonnen und Krankenhäuer wurden die Rettungsfahrzeuge gegen Ende der 1920er Jahre auch mit Beatmungsgeräten ausgestattet. In den Badanstalten und Freibädern dominierten aber noch bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die konventionellen Rettungsmittel wie Korkring, Schwimmgürtel, Rettungsleine, kleines Rettungsboot mit Außenbordmotor und großem Verholhaken die Ausstattung für Unglücksfälle. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 97 Sprungturm und Fäkalien: Die Badanstalten in der Weimarer Republik Der von restaurativen Kräften des gestürzten Kaiserreichs und der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung 1919 rasch eingedämmten Revolution war es nicht gelungen, die alten Machtverhältnisse in Wirtschaft und Militär zu beseitigen. Doch mit dem neuen, demokratischen Wahlrecht der Weimarer Republik zogen auch auf kommunaler Ebene mehr Vertreterinnen und Vertreter der unteren sozialen Schichten in die Bürgerausschüsse und Stadträte ein. Die Sozialpolitik der Städte veränderte sich tatsächlich, der soziale Wohnungsbau wurde gefördert, es entstanden neue Krankenhäuser, Schulen, Sporteinrichtungen und Schwimmbäder. In Konstanz machte sich der stärkere Einfluss sozialdemokratischer, oft gewerkschaftlich engagierter Mandatsträgerinnen und Mandatsträger unter anderem im Bäderwesen bemerkbar. Die neue Stadtspitze unter dem Liberalen Otto Moericke, dem Zentrumsmann Ernst Dietrich und dem Sozialdemokraten Fritz Arnold zeigte sich gegenüber Forderungen nach neuen Freizeiteinrichtungen für breite Bevölkerungsschichten aufgeschlossen. So wurde in den Sitzungen der Gremien seit 1919 lebhaft über die angeblich über- Freizeit am Bodenseeufer: Mitte der 1920er Jahre besuchten junge Familien vorwiegend die neu eingerichteten, direkt am Seeufer liegenden Freibäder. 98 Tobias Engelsing zogene Höhe der Badegebühren, fehlende Sonnenbäder für die „wirtschaftliche Schwächeren“, den Bau eines Fahrradständers, den Umbau privilegierter Einzelkabinen in Umkleiden für die Masse der Besucher und über die Installierung von Flößen, Tonnen, Turnringen und Trapezen zur sportlichen Betätigung in den Badanstalten debattiert. Mitte der 1920er Jahre wurde ein eigener Strandbadausschuss eingerichtet, nachdem der seit 1915 geduldete, ab 1919 provisorische gemischtgeschlechtliche Badebetrieb am Horn zum städtischen Freibad aufgewertet worden war und die Stadt betonierte Laufstege ins Wasser sowie 100 Umkleidekabinen gebaut hatte 35 (siehe dazu den Beitrag von Jürgen Klöckler in diesem Band). SPD-Stadtrat Karl Großhans, der Linksliberale Robert Wieler und die Zentrums-Stadtverordnete Weisschedel waren markante Wortführer der parteienübergreifenden „Bäderfaktion“. Früh war auch die Forderung laut geworden, Konstanz müsse endlich auch ein winterfestes Hallenbad bauen. Im ersten Nachkriegsjahr 1919 hatte die Stadtverwaltung in einer Umfrage des badischen Landesausschusses für Leibesübungen und Jugendpflege stolz verkündet: „In Konstanz kann fast jeder Volksschüler schwimmen.“ 36 Ein Hallenbad schien so dringlich also nicht zu sein. In den Jahren nach Brausebäder, Betontreppen, leichte Badekleidung: Ein Blick in das Meersburger Freibad um 1935. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 99 der Hyperinflation 1923 konnten einige Modernisierungen der eigentlich nicht mehr zeitgemäßen Badanstalten finanziert werden, doch die Hallenbadidee blieb weiterhin Zukunftsmusik. Dann aber reisten Oberbaurat Paul Jordan und ein Mitarbeiter 1925 nach Zürich, um sich eine dort neu entstehende Schwimmhalle „als Muster für eine hier zu erbauende“ anzusehen. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 wurden die Planungen wieder auf Eis gelegt. Von da ab hatten selbst bescheidene Wünsche, wie der nach einem großen Sprungturm vor den Badanstalten, keine Chance mehr auf Realisierung. 37 Was die Nationalsozialisten 1937 als eigene Großtat ausgaben, indem sie den Bau des Kur- und Hallenbads am Seerhein zu einem Ergebnis nationalsozialistischer Sozialpolitik stilisierten, war also längst eine Überlegung der Stadtverwaltung der Weimarer Republik gewesen. Die ersten Anregungen waren damals aus den Reihen von Schwimmvereinen und von der sozialdemokratischen Stadtratsfraktion vorgetragen worden. Die Stadtverwaltung griff die Forderung nach einer Schwimmhalle auch deshalb auf, weil die hygienischen Verhältnisse im alten Aktienbädle immer bedenklicher wurden. Badebetrieb auf der Seewiese des 1937 eröffneten Kur- und Hallenbades in Konstanz 100 Tobias Engelsing Schon um die Jahrhundertwende waren Klagen des Publikums laut geworden, die Fäkalienanlage der Bäder stinke in der Sommerhitze. Die ableitenden Rohre konnten nicht ordentlich durchspült werden. Schließlich waren unter jeder Toilette transportable Blechtonnen mit einem Überlauf für Flüssigkeiten angebracht worden, sodass das „Badewasser gegen Verunreinigung mit festen Fäkalien geschützt“ war, wie die Verwaltung mit Blick auf das Frauenvolksbad 1907 nur teilweise beruhigend festhielt. 38 Die flüssigen Fäkalien flossen weiterhin direkt in den See. Der damalige Bezirksarzt Dr. Heinemann empfahl diese Einrichtung auch für die übrigen Bäder. Im Sommer 1911 stellte das Tiefbauamt fest: „Der Geruch auf den Aborten des Volksbades ist hauptsächlich auf die aus Blech bestehenden Pissoirrinnen zurückzuführen. Die Aborte selbst haben gute Lüftung.“ 39 Um die Lüftung ging es weniger: Besonders problematisch wurde das ortsfeste System der Fäkaliensammlung bei steigendem Wasserpegel oder gar bei Hochwasser, wenn auch die Feststoffbehälter geflutet wurden. Hinzu kam, dass unweit der Bäder das Hauptabflussrohr der Konstanzer Werft der Reichsbahn ins freie Gewässer mündete. Je nach Windrichtung mischte sich das ölige Abwasser aus der Werft und den Betriebsbauten der Bahn mit dem Seewasser unter den Badanstalten. Insgesamt hatten die über 50 Jahre alten Gebäude nach ihrem Zustand und nach der Qualität der technischen Einrichtung den Zenit überschritten. Immer häufiger musste saniert werden: Pfähle faulen im Wasser, Holzböden waren durchgetreten, Teerpappe und Schieferplatten der Dachbedeckung wurden undicht. Jugendliche Badegäste waren seit Beginn der 1920er Jahre zunehmend an das Seeufer vor dem Waldhaus Jakob und an das Hörnle ausgewichen, wo gemeinschaftlich, weitaus weniger reglementiert und in sauberem Wasser geschwommen werden konnte. Im heißen Sommer 1933 wurden dennoch über 58.000 Badegäste gezählt, die meisten treue Stammkunden, wenn man Aussagen von Zeitzeugen richtig deutet. Vor Beginn der Saison 1933 hatte der Stadtrat noch einmal über den Bau eines Sprungturms beraten: Am 30. Januar 1933, dem Tag von Hitlers Machtübernahme, hielt der sozialdemokratische Bürgermeister Fritz Arnold fest, die Summe von fast 2000 Reichsmark für den Bau sei zu hoch. Auch hatte der „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 101 Stadtrat mehrheitlich dafür plädiert, vorrangig im Männerbad ein Sonnendach zu bauen. Kurz vor seiner schmählichen Vertreibung aus dem Amt durch die neuen nationalsozialistischen Herren befasste sich Arnold in einer seiner letzten Amtshandlungen im Februar 1933 letztmalig mit der baulichen Verbesserung der alten Badanstalt. 40 Ein Jahr später verfügte der neue Oberbürgermeister Albert Herrmann ohne demokratische Abstimmung den Teilabbruch der Badanstalt. Der Bau des Kur- und Hallenbades mit vorgelagertem Rheinstrandbad unterhalb der Rheinbrücke gelegen, war beschlossene Sache (siehe dazu den Beitrag von Ilse Friedrich in diesem Band). Nach dessen propagandistisch pompös inszenierter Eröffnung 1937 wurden auch die letzten Holzhütten des Aktienbädles abgebrochen. Wer heute während der Wintermonate über die Hafenmole läuft, kann allerdings noch Reste der alten Pfahlreihen im Flachwasser erkennen: Letzte Zeugen einer prägenden Epoche der Badekultur am Bodensee. Nacktbader am Seeufer Auf den radikalen Bruch mit bis dahin gültigen gesellschaftlich-sittlichen Konventionen, den die Vereinigung männlicher und weiblicher Badegäste im sogenannten Freibad um 1920 ausgelöst hatte, folgte rund 40 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal ein Kulturbruch: Nach dem Vorbild junger Leute im Münchener Englischen Garten ließen auch am Bodenseeufer immer mehr Badegäste die Hüllen fallen. Vor allem junge Frauen bestanden darauf, ohne Bikinioberteil baden und sich sonnen zu dürfen. Auf Proteste von Anwohnern und besorgten Eltern schritt 1984 erstmals die Ortspolizei ein und verhängte am Ufer der heutigen Schmieder-Klinik und in der Schmugglerbucht Bußgelder gegen Nacktbadende. Als Rechtsgrundlage diente die städtische Umweltschutzsatzung, die vorschrieb, wo gebadet werden durfte und dass Badekleidung getragen werden musste. Der Südkurier titelte mit dem Wortspiel: „Nacktbader müssen künftig in die Tasche greifen“. 41 102 Tobias Engelsing Zur Sommersaison 1983 war auf dem Gelände des Freibads Horn eine Wiese abgetrennt und mit einer Hecke umgeben worden. Diese Wiese ist seither als FKK-Gelände ausgewiesen, auf der sich Sonnenbadende beiderlei Geschlechts unbekleidet aufhalten können. Außerhalb dieser Sonderzone waren die städtischen Bademeister angewiesen, das verbreitete „Oben-ohne“-Sonnenbaden zu unterbinden. Im Juli 1982 ließ die Bäderverwaltung im Rheinstrandbad ein Schild aufstellen „Oben ohne baden verboten“. Konservative Frauen begrüßten die Einschränkung. Sie empfanden barbusige Frauen und nacktbadende Männer als Provokation. Andere Kritiker verwiesen auf die zahlreichen Kinder am Hörnle, die nicht mit so viel Nacktheit konfrontiert werden sollten. In Umfragen dieser Zeit wandten vor allem Konstanzer Männer häufig ein, auf Illustrierten sehe man viel häufiger barbusige Frauen, deshalb sei das lokale Verbot albern. Die progressive Lokalreporterin Gisela Bührer gab den Befürworterinnen der Bewegung in der Heimatzeitung Südkurier eine Stimme. In einer ihrer Glossen schrieb sie: „Hand auf ’s Herz, werte Herren: So unästhetisch kann ein nackter Frauenbusen gar nicht sein, dass man ihn per Vorschrift Kein „Oben-ohne“: Als immer mehr junge Frauen auch am Hörnle das Bikini-Oberteil ablegten, schritt die Stadtverwaltung ein. 1982 wurde allerdings auch ein eigener FKK- Bereich am Hörnle eingerichtet. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 103 schleunigst wieder bedecken müsste.“ 42 War das feministisch oder bestätigte das scheinbar ästhetische Argument nicht gerade den männlichen Blick auf die entblößte Frau? Bührer verfiel auch dem Klischee, Männer hätten vorrangig Anstoß genommen. Tatsächlich beklagten vor allem Frauen die Oben-ohne-Praxis im Freibad. Der damalige Lokalchef der Zeitung, Werner Schwarzwälder, suchte nach vermittelnden Ansätzen. Wohl war ihm bei diesem Thema nicht. Über die „Sommerredaktion“ vor Ort schrieb er: „Puh! Das war eine schweißtreibende Angelegenheit. FKK am Hörnle ist und bleibt ein heißes Thema.“ 43 Der Gemeinderat behielt schließlich die bisherige Regelung bei: Auf dem FKK-Gelände durfte nackt sonnengebadet werden, außerhalb nicht. In den seither vergangenen fast vier Jahrzehnten ist das Nacktbaden am Bodenseeufer fast völlig verschwunden. Auf die sexualisierten 1970er und 1980er Jahre folgte eine Zeitspanne des neuen Schamgefühls. Zugenommen hat dagegen das individualisierte Bedürfnis der Bevölkerung, überall am Seeufer und nicht nur in ausgewiesenen Badeflächen schwimmen, grillen, feiern und lagern zu können. Das schafft Nutzungskonflikte, etwa am Rand von Naturschutzgebieten und Vogelbrutstätten, im Umfeld von Bootsliegeplätzen und Häfen. Auch die Vermüllung des Ufers hat nach einer Phase gemeinschaftlicher „Seeputzete“-Aktionen neuerdings wieder zugenommen. Schließlich verursachen Strandpartys zu allen Tageszeiten dank transportabler Boomboxen auch eine akustische Dauerbeschallung des Seeufers, die ruhesuchenden Badegästen unerträglich werden kann. Eines ist deshalb sicher: Schriebe Hermann Hesse heute einen Text über einen Badenachmittag, er erzählte nicht mehr von der spiegelglatten Seefläche und von der unendlichen Stille eines Sommertages am Bodensee. 104 Tobias Engelsing Anmerkungen 1 Hesse, Hermann: Hochsommer, in: Bosch, Manfred (Hg.): Unser aller Weg führt übern Bodensee. Eine Landschaft und ihre Menschen in der Literatur des 20. Jahrhunderts, Eggingen 2000, S. 41-43. 2 Polizei-Verordnungen für die Stadt Konstanz, § 6 Baden, Konstanz 1847. 3 Engelsing, Tobias: Heimat Alpstein. Appenzeller und Toggenburger Bauernmalerei, Konstanz 2017, S. 86 f. 4 Baumgartner, Judith: Licht, Luft, Sonne, Bergwelt. Wandern und Baden als Sehnsuchtsziele der Lebensreformbewegung, in: Buchholz, Kai/ Latocha, Rita/ Peckmann, Hilke/ Wolbert, Klaus (Hg.): Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, Bd. 1, Darmstadt 2001, S. 403-406. 5 Büchi, Eva: „Andere Zeiten, andere Badesitten! “ Von der Seebadeanstalt zum Strandbad. Badekultur am Bodensee (1850-1930) unter dem Aspekt der Disziplinierung der Badegäste. Lizenziatsarbeit, Zürich 1997, S. 14. 6 Zang, Gert: Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Restauration, Revolution, liberale Ära (Geschichte der Stadt Konstanz 4.1) Konstanz 1994, S. 71. 7 Adresskalender für die Stadt Konstanz auf das Jahr 1841. 8 StadtA KN S II 7914. 9 Südkurier vom 16. November 2011, Erinnerungen von Erich Hofmann. 10 Auszüge aus dem Wasserrechtsbuch Abt. B. Nr. 33, StadtA KN S II 4655. 11 Büchi (wie Anm. 5) S. 29. 12 StadtA KN S II 7917. 13 StadtA KN S II 4655. 14 Horat, Heinz: Seelust. Badefreuen in Luzern, Luzern im Wandel der Zeiten, Neue Folge, Heft 12, Baden 2008, S. 9 ff. 15 Gesellschaftliche Bestimmungen des Vereins für die Schwimm-Anstalt in Konstanz, Konstanz 1840, Stadt KN S-II 1387. 16 Stadt KN S-II 4655. 17 Sitzung des Bürgerausschusses, 20. Januar 1880, Stadt KN S II 268. 18 Vgl. hierzu: Engelsing, Tobias/ Reene, Anne: Schlösser am See. Burgen und Landsitze am westlichen Bodensee, 2. Aufl., Konstanz 2015, S. 9 ff. 19 StadtA KN S II 16116. 20 Ebd. 21 Seeblätter vom 2. August 1919, zit. n. Bader, Rolf: Chronik der Bodenseeschwimmer 1900-1990, Schorndorf 1995. 22 Bader (wie Anm. 21) S. 16 ff. 23 Zang, Gert: Konstanz in der großherzoglichen Zeit. Aufschwung im Kaiserreich (Geschichte der Stadt Konstanz 4.2) Konstanz 1993, S. 209. 24 StadtA KN S II 4656. 25 StadtA KN S II 16116, Aufstellung aller Wannenbäder und Duschen 1935. 26 Bad-Ordnung der städtischen Badanstalten in Konstanz 1901, StadtA KN S II 4667. 27 Engelsing, Tobias: Als Baldischweiler noch nach dem Rechten sah, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 19. September1986. 28 StadtA KN S II 4655. 29 Engelsing (wie Anm. 27). 30 Löhne des Badepersonals, Juni 1901, StadtA KN S II 12285. 31 StadtA KN S II 16116. 32 Konstanzer Zeitung vom 30. August 1890. „Das Bespritzen anderer im Wasser ist untersagt“ 105 33 Engelsing, Tobias: Der gefährliche See. Wetterextreme und Unglücksfälle an Bodensee und Alpenrhein, Konstanz 2019, S. 160 ff. 34 Konstanzer Zeitung vom 13. August 1914. 35 StadtA KN S II 4655, Anträge und Forderungen an die Bäder 1919-1933 sowie Südkurier: „Wie das Freibad Horn entstand“ vom 9. November 1991. 36 StadtA KN S II 16116. 37 Ebd. 38 StadtA KN S II 4655. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Südkurier - Ausgabe K - vom 30. August 1984. 42 Südkurier - Ausgabe K - vom 12.Juni 1982. 43 Südkurier - Ausgabe K - vom 29. Juli 1986. Luftaufnahme des Freibads Horn um 2010 Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? Zur Geschichte des im Sommer 1920 eingerichteten Konstanzer Freibades Horn J ürgen K löcKler Bis heute hält sich in Teilen der Konstanzer Bevölkerung das Gerücht, am beliebten Freibad Horn - in Stadt und Region seit Generationen liebevoll schlicht „Hörnle“ genannt - müsse wegen einer ominösen Stiftung oder aus Gewohnheitsrecht kein Eintritt bezahlt werden. Es handle sich um eine historische Schenkung an die Stadt, mit der Verpflichtung, freien Eintritt zu gewähren; mancher meinte gar, es läge eine „Großherzoglich Markgräfliche Stiftung“ vor. Auch hielten sich Gerüchte, dass das „Hörnle“ vor dem Zweiten Weltkrieg Eintritt gekostet habe, deren Abschaffung erst Bürgerproteste bewirkt hätten. Betrachten wir die historischen Fakten, um diese Gerüchte zu klären und deren Ursprünge zu lokalisieren: In einer Akte im Konstanzer Stadtarchiv befindet sich ein Tauschvertrag vom 12. Dezember 1907 zwischen der Großherzoglich Markgräflich Badischen Domänenverwaltung und der Spitalstiftung Konstanz. 1 Die Domänenverwaltung verfügte über umfangreichen Grundbesitz am nördlichen Bodenseeufer. Sie war daher bestrebt, ihre auf der östlichen Spitze des Bodanrücks gelegenen Liegenschaften auf den Gemarkungen der damals noch selbständigen Gemeinde Allmanndorf sowie der Stadt Konstanz gegen Flächen nördlich des Bodensees zu tauschen. Unter diesen Flächen an der Ostspitze des Bodanrücks befanden sich der Lorettowald, das Gelände des heutigen Bodenseestadions und das Flurstück mit der Lagebuchnummer 4205/ 1 „Hornacker“. Exakt dieses Flurstück bildet im Wesentlichen den Kern des heutigen Strandbads Horn, eben den größten Teil der Liegefläche des „Hörnles“. Der Name „Hornacker“, also einem landwirtschaftlich genutzten Acker am Horn, wurde namensgebend für das zukünfti- 108 Jürgen Klöckler ge Strandbad, das geographisch gesehen schlicht die östliche Spitze der Halbinsel Bodanrück bildet. Die Spitalstiftung verpachtete den „Hornacker“ nach der Jahrhundertwende zuerst zur Kies- und Sandgewinnung, dann auch an verschiedene Landwirte und an den Turnverein 1862. Die Eröffnung eines Strandbades am Horn Es ist davon auszugehen, dass inoffizielles Baden schon lange vor dem Ersten Weltkrieg am „Hörnle“ betrieben wurde. Wohl bereits Ende des 19. Jahrhunderts fand es freilich noch in bescheidenem Rahmen statt, denn damals war das Baden im offenen See, also außerhalb der hölzernen Badeanstalten, in bestimmten Bereichen verboten. Im Juni 1865 hatte der zuständige Allmanndorfer Bürgermeister eine ortspolizeiliche Vorschrift erlassen, welche das „Baden in der Nähe der Wohnungen und Gartenanlagen an dem Seeufer in Hinterhausen“ bei einer Strafe von 10 Mark verboten sei. 2 An Pfingsten 1909 ließ die Konstanzer Spitalverwaltung über die Stadtverwaltung am „Hörnle“ eine Verbotstafel aufstellen: „Baden ist hier verboten“ 3 . Doch das Badeverbot wurde offensichtlich vielfach - und zwar über Jahrzehnte hinweg - ignoriert. Der in der Villa Seeheim residierende Dichter Wilhelm von Scholz 4 , dessen Grundstück an das „Hörnle“ grenzte, sah sich im Juni 1912 zu einer Beschwerde beim Bezirksamt genötigt: „das Baden am Horn [soll] in diesem Jahr wieder zu verschiedenen Auswüchsen geführt haben. So sollen unbekleidete Burschen Unfug bei den dortigen Anwesen verüben, sich nackt auf den Wiesen herumtreiben und die vorbeigehenden Frauen belästigen, ohne dass dagegen von der Ortspolizeibehörde eingeschritten werde.“ 5 In den Akten der Stadtverwaltung ist schon vor dem Kriegsjahr 1915 von der Anlage einer Bademöglichkeit die Rede. Das städtische Tiefbauamt sprach sich im Juli 1919 angesichts der regen Badetätigkeit für die Einstellung einer Aufsicht aus, die „den geregelten Badebetrieb“ gewährleistet sollte. Die Spitalstiftung trennte daraufhin einen Geländestreifen für Badezwecke von den Pachtwiesen am Horn ab, wofür die Stadt jährlich 400 Mark Pacht zu bezahlen Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 109 hatte. Doch das war noch nicht die offizielle Gründung des Freibads „Hörnle“. Das 100-jährige Jubiläum kann vielmehr im Sommer 2020 gefeiert werden. Als exaktes Jubiläumsdatum ist der Beschluss des Stadtrats vom 22. Juli 1920 anzusehen, und zwar zur „Herstellung einer Abschrankung des Badegeländes am Horn“. „Gleichzeitig mit der Abschrankung des Badgeländes soll auch im See selbst in entsprechender Entfernung vom Ufer ein Floss bezw. eine Haltestelle für Schwimmer erstellt werden. [...] Für die Badezeit 1920 wird mit sofortiger Wirkung ein Aufseher 6 aus der Zahl der Kriegsbeschädigten eingestellt“. 7 Bei diesem gemeinderätlichen Beschluss handelt es sich gleichsam um die „Geburtsurkunde“ des Strandbads Horn. Zu jedem Strandbad gibt es eine Badeordnung, die nun auch für das „Hörnle“ erlassen werden musste und in zwölf Paragraphen das Baden genauestens regelte. So hieß es etwa in Paragraph 2: „Das Baden ist nur in schicklicher Badekleidung erlaubt.“ 8 Skizze des Geländes des Freibads Horn unmittelbar nach der Eröffnung um 1922 110 Jürgen Klöckler In den Akten taucht ab 1920 dann auch erstmals die Bezeichnung „Strandbad Horn“ auf, das man sich freilich als sehr primitiv ausgestattet vorstellen muss. Schlussendlich war das Freibad nur eine Wiese, die anfangs weder über eine landschaftsgärtnerische Bepflanzung noch über sanitäre Anlage bzw. Umkleidemöglichkeiten verfügte. Auf den Ordnungstafeln konnten die Badenden ab der Badesaison 1923 lesen: „Das Fahren, Reiten, Radfahren und Mitbringen von großen Hunden ist verboten. Badeanzüge müssen sittlichen Anforderungen entsprechen. Der Aufenthalt ausserhalb des Badeplatzes im Badeanzug ist untersagt. Anordnungen der Aufsicht sind zu befolgen. Zuwiderhandelnde werden angezeigt. Die Stadt haftet nicht für Personen- und Sachschäden der Badenden.“ 9 Bald schon waren Hunde am „Hörnle“ prinzipiell verboten, 10 denn laut Meldung der Polizei von Mitte August 1926 trete am Freibad Horn „in Erscheinung, dass Hunde aller Rassen mitgebracht werden. Das Mitbringen der Hunde führt zu vielen berechtigten Klagen vonseiten der Badegäste. Kinder werden erschreckt und zuweilen umgerannt. Hunde, welche aus dem Wasser gerade kommen, laufen auf die Wiesen und bespritzen durch ihr Schütteln die Kleider der Badegäste. Ferner beschmutzen die Hunde durch Betreten mit den Pfoten sehr oft Wäsche und Kleidung der Badenden. Manche Hundebesitzer können es sich nicht versagen [,] ihren Hund mit Seife und Bürste zu waschen und erniedrigen somit das Strandbad zu einem Hundebad.“ 11 Auch Müll bereitet seit Gründung des Freibads Probleme, laut Polizeibericht vom 22. Juni 1925 seien die Liegeflächen „mit Papierresten und Orange[n]schalen wie übersät […]. Die angrenzenden Wiesen sind als Aborte benutzt und das Gras zum Teil zerstampft“. 12 Von Beginn an war der Besuch des Freibads Horn auch mit Gefahren verbunden, wie die Presse Anfang September 1925 berichtete: „Vom Tode des Ertrinkens gerettet wurde am letzten Sonntag nachmittag ein fremder junger Mann durch den Badeaufseher [Julius Baumann J.K.] am Horn. Allem Anschein nach muß der junge Schwimmer im kalten Wasser den Krampf bekommen haben. Auf seine Hilferufe eilte der Badeaufseher herbei und brachte den Mann schwimmend glücklich ans Land. Der Vorfall ist wieder eine ernste Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 111 Warnung, sich in dem kalten Wasser nicht zu lange aufzuhalten. Die Tat des tapferen Retters verdient alle Anerkennung.“ 13 Man kann die Weiterentwicklung des Badewesens, die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzte, mit folgender Metapher der Schweizer Historikerin Eva Büchi treffend beschreiben: Die Moral ging baden. 14 Es setzten sich nämlich nach 1918 neue Formen der Freizeitgestaltung durch, das moralische Empfinden unterlag einer Veränderung. Das waren fortschrittliche Gedanken in einer ansonsten konservativ-katholischen Stadt. Denn bislang gab es lediglich die nach Geschlechtern getrennte Badeanstalten im See, wie etwa das Aktienbädle oder die Badeanstalt beim Sanatorium Büdingen. Dort herrschten strenge Bade- und Kleiderordnungen, etwa das Tragen von Badeanzüge auch für Herren. In den neuen Strandbädern setzten sich schnell freizügigere Dreiecksbadehosen durch. Doch obwohl es sich bei dem Freibad in den Anfangsjahren nur um eine Wiese handelte, war das landschaftliche Erlebnis unvergleichbar. In einem Leserbrief in der katholischen Deutschen Bodensee-Zeitung konnte man am 18. Juli 1925 lesen: „Der See, - auf drei Seiten umflutet er das Horn - wie herrlich und abwechslungsreich ist er doch. Bald spiegelglatt, bald leicht gekräuselt, bald mehr oder weniger bewegt, und seine langgezogenen Wellen streben dem Lande zu, um sich am flachen, kiesigen Ufer schäumend und rauschend zu brechen. Bald erschimmert er gleich flüssigem Stahl, dann wieder ist es ein Glitzern und Flimmern und Gleisen, als wäre es lauteres Silber. Bald sind die Fluten eintönig grau und bald schillern sie in allen Schattierungen von blau oder grün. Stetige Veränderung, ein fortwährendes Fluten und Gleiten. Und dann der Blick im weiten Umkreis. Rechts - im Morgendunste noch mehr oder weniger verschwommen - Emmishofen, Kreuzlingen und all die Ortschaften der Schweiz bis Romanshorn, lieblich und friedlich zwischen Gärten, Obstbäumen, Pappeln usw. hervorlugend. Darüber die freundlichen und heiteren Wälder auf den Höhen. Links, noch mehr vom Dunstschleier verdeckt, das deutsche Ufer vom Kippenhorn bis Ueberlingen, besonders Meersburg, das felsige, von dem vor allem die Kirche, die Taubstummenanstalt und das ehemalige Seminar plastisch hervortreten. Düster und schwarz die Waldungen zwischen Meersburg und Uhldingen. Und hinten das 112 Jürgen Klöckler liebliche Staad, friedlich eingebettet zwischen lauter Obstbäumen. Geradeaus aber der Blick ins Weite, gleichsam in die Unendlichkeit, wo es keine Grenze gibt. Ueber all dem der weite, weite, endlos weite klare Himmel“. Eine breitgefächerte Diskussion über die Zukunft des Strandbads Horn und seiner Ausgestaltung begann schließlich ab 1923, also mitten in der Hyperinflation. Das war sicherlich auch notwendig, denn an einem sehr heißen Sommertag, es war der 8. Juli 1923, wurden über 9000 Badende gezählt 15 . Besonders der seit 1919 amtierende, liberale Oberbürgermeister Otto Moericke 16 und die Stadtverwaltung machten sich für das Strandbad „Hörnle“ stark. So ließ Moericke zur Badesaison 1925 ein fahrbares Aborthäuschen aufstellen und veranlasste, dass betonierte, in den See führende Laufstege angelegt wurden. Von Seiten der Fraktion des katholischen Zentrums machte man sich Gedanken, die Geschlechter im Freibad Horn zu trennen - der Sittlichkeit wegen. Was wiederum den Sozialdemokraten und den Kommunisten im Bürgerausschuss nicht gefiel. Daraufhin erschien im Konstanzer Volksblatt, der - laut Untertitel - sozialdemokratischen „Tageszeitung für das werktätige Volk der Stadt Konstanz und Umgebung“, am 13. Juni 1925 folgendes Gedicht: Strandbad Horn In dem Bürgerausschußsaale Hörte man’s zum ixtenmale Von gestrenger Zentrumsseite Sitt‘ und Anstand seien pleite Deshalb, weil an Horns Gestaden Beiderlei Geschlechter baden! Warum auch, ihr schlechte Bande, Badet ihr an Hornes Strande? Doch nur weil die Nackigkeit Den verderbten Sinn erfreut! Merkt euch - so ihrs noch nicht wißt Daß der Mensch, so wie er ist, Sittlich nicht ganz einwandfrei! Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 113 Also sagt die Schwarzpartei. Deckt darum die Haut, die bloße Züchtig mit der Badehose! Doch auch das genügt noch nicht Denn es könnte so ein Wicht Sich darunter etwas denken Und die Blicke dahin lenken. Ja, die Menschen werden schlechter, darum trennet die Geschlechter Meterhoch durch Bretterwände! Macht der Schweinerei ein Ende! Nur - die Sache kostet Geld! Damit ist es schlecht bestellt! Darum sollte man probieren, Alle jene abzuführen, Die sich auf die Lauer legen, Schmutzige Gedanken pflegen Und den Dreck an Seel und Leib Lassen - Mädel, Bursch und Mann und Weib! Dann vielleicht durch Zentrums Gnaden Dürfen doch zusammen baden Die Geschlechter, die am Horn Suchen der Gesundheit Born! In der Sitzung des Strandbadausschusses vom 21. Mai 1926 erklärte Oberbürgermeister Moericke: „Im Laufe der Jahre hat sich am Horn ein ungeregelter Strandbadbetrieb entwickelt, der hervorgegangen ist aus einer Änderung in der Volksstimmung. Während vor wenigen Jahren noch das gemeinsame Baden beider Geschlechter nicht üblich [war], hat sich in dieser Beziehung ein völliger Umschwung in der Volksauffassung bemerkbar gemacht. Die Schaffung von Strandbädern ist vom volksgesundheitlichen Standpunkt aus sehr zu begrüßen. Die Schaffung eines Strandbades für Konstanz im besonderen aber ist zu erstreben zur Förderung des Fremdenverkehrs. Der jetzt bestehende Badebetrieb am Horn leidet darunter, daß der Betrieb frei und ungeregelt ist. Es ist Sache der Stadtverwaltung, hier regelnd einzugreifen.“ Diese Aussage lässt folgenden 114 Jürgen Klöckler Schluss zu: Ein zuerst ‚wilder‘ Badebetrieb am „Hörnle“ wurde in den 1920er Jahren durch die Konstanzer Stadtverwaltung in einen geregelten, in ordentliche Bahnen gelenkten Badespaß verwandelt. In derselben Sitzung fuhr Otto Moericke fort: „Wichtig ist auch noch die Frage, ob das Strandbad gegen Entgelt oder unentgeltlich besucht werden kann. Da die Benützung des seitherigen freien Strandbades unentgeltlich ist, wird ein großer Teil der Bevölkerung es für sehr unangenehm empfinden, wenn für die Benützung des zukünftigen Strandbades ein Eintrittgeld erhoben werden soll. Diese Frage lässt sich aber vielleicht dadurch lösen, daß an gewissen Tagen oder Halbtagen der Eintritt frei ist oder aber zu ermäßigten Preisen für Konstanzer gestattet wird.“ Eine Episode am Rande: Der Wirt Christian Siegel vom Waldhaus Jakob ließ im Frühsommer 1924 täglich vier Kühe und drei Schafe auf dem „Hörnle“ weiden, da er sich als Pächter dazu berechtigt und legitimiert fühlte. Oberbürgermeister Moericke stellte fest: „Der Platz wird durch den Kuhdung erheblich verunreinigt, es werden auch die Badegäste durch das Vieh belästigt.“ 17 Er forderte die Spitalstiftung als Eigentümerin auf, einzugreifen. Diese untersagte umgehend dem Wirt jede weitere Beweidung des „Hörnles“. In den nächsten Jahren folgten ein weiterer Ausbau des Strandbades mit Umkleidekabinen und eine intensive Diskussion über ein mögliches Eintrittsgeld. Doch setzte sich die Ansicht innerhalb des Gemeinderats und der Stadtverwaltung durch, dass ein zu erhebender Eintritt für die Konstanzer Bevölkerung „sehr unangenehm“ sein würde, da die bisherige Benützung kostenlos war. Ein Bruch mit diesem Gewohnheitsrecht mochte weder der Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung, der Gemeinderat noch der Bürgerausschuss wagen. Zur Badesaison 1928 wurden 100 Umkleidekabinen mit einer neuen Abortanlage eingerichtet. Zudem ließ die Stadt einen Fahrradschuppen aufstellen. Die Benutzung der Umkleidekabinen kostete freilich 20 Pfennige, was als ein verstecktes Eintrittsgeld interpretiert werden konnte. 1931 wurde Wasserleitung mit Brunnen und Wasserspender verlegt und in Betrieb genommen. Die Bepflanzung der Böschungen und der gesamten Anlage erfolgte ebenfalls Anfang der 1930er Jahre. Diese Bepflanzung prägt im Übrigen Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 115 bis heute das Bild des Strandbads Horn. 1931 wurden schließlich Brunnen aufgestellt. 18 Doch insbesondere die katholische Kirche konnte sich nicht mit dem modernen Badewesen und den neuen Badesitten anfreunden. In einem Hirtenbrief ließ der Freiburger Erzbischof Karl Fritz, der sich „den meisten Menschen intellektuell überlegen fühlte“ 19 und persönlich vollkommen anspruchslos lebte, verlauten: „Das moderne Badeunwesen ist zuletzt nur eine neue Äußerung des unchristlichen, materialistischen Geistes und ein zielbewußter Vorstoß der kirchen- und christenfeindlichen Mächte, die wohl wissen, daß ein sittlich morsches oder ganz entwurzeltes Volk zu einem willigen Werkzeug und Opfer des Unglaubens wird.“ 20 Im Krisenjahr 1932 entflammte erneut eine intensive Diskussion über die Erhebung von Eintrittsgebühren. Diese Diskussion muss vor dem Hintergrund des dann 1933 erreichten hohen Schuldenstands der Stadt in Höhe von rund 20 Millionen Reichsmark gesehen werden, der vor allem den Verkehrsinfrastrukturprojekten Bus und Fähre geschuldet war. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage, die eine Verarmung breiter Gesellschaftsschichten infolge der Weltwirtschaftskrise bedingte, wurde die Diskussion über Eintrittsgelder ergebnislos beendet. Um 1930 bestand eine große, hölzerne Rutsche als besondere Attraktion am „Hörnle“, die zwar in den einschlägigen Akten keinen Niederschlag fand, jedoch photographisch dokumentiert 21 ist. Wie lange sie Bestand hatte, konnte nicht geklärt werden. Die große hölzerne Rutsche im „Hörnle“ in den frühen 1930er Jahren 116 Jürgen Klöckler Baden in der NS-Zeit Ganz im Zeichen der Schaffung der NS-Volksgemeinschaft förderte ab Mai 1933 der extrem sportaffine neue NS-Oberbürgermeister Albert Herrmann 22 das Baden in Konstanz durch verschiedene Projekte. Er veranlasste 1934 den Bau des gebührenpflichtigen Strandbads Jakob (siehe den Beitrag von Georg Geiger in diesem Band). Damit waren Eintrittsgelder für das „Hörnle“ endgültig vom Tisch. Das Freibad Horn war nun das kostenlose Volks- und Familienbad für Einheimische und Gäste, an dem nicht mehr gerüttelt werden konnte, das Jakobsbad hingegen war Ziel für das finanziell bessergestellte Publikum. Es bliebt festzuhalten: die Ausweitung des Konstanzer Badebetriebs war Teil der NS-Modernisierungspolitik. Beachtlich ist das Faktum, dass Oberbürgermeister Albert Herrmann selbst ein aktiver Sportler, ein guter Schwimmer und ein begeisterter Alpinist war. Körperliche Ertüchtigung durch Sport galt als Teil des NS-Jugendkults. In Konstanz zählten dazu die Anlage der Bäder Horn und Jakob, der Bau der Bodensee-Kampfbahn - des heutigen Bodenseestadions - sowie der Bau des Kur- und Hallenbades am Seerhein (siehe den Beitrag von Ilse Friedrich in diesem Band). Zudem müssen die Konstanzer Bäder als Teil des zu fördernden Tourismus gesehen werden, der insbesondere der städtische Verkehrsdirektor Erwin Hildenbrand 23 , ein „alter Kämpfer“ der NSDAP aus Petershausen, intensiv betrieb. Von ihm ging freilich auch die Initiative aus, im Sommer 1937 ein Schild mit folgender Warnung am Freibad Horn aufstellen zu lassen: „Juden sind hier unerwünscht“, und das obwohl weder von Berlin noch von Karlsruhe Handlungsbedarf oder -druck erzeugt worden war. 24 Vielmehr war diese diskriminierende Maßnahme eindeutig eine Initiative „von unten“: NSDAP- Ortsgruppenleiter Paul Giercke hatte sich am 26. Juli 1937 schriftlich an Oberbürgermeister Herrmann gewandt: „In der Bevölkerung herrscht grosse Empörung, darüber, weil die Juden am Horn baden und dort so ziemlich wieder den Ton angeben wie vor dem Umsturz; sie benehmen sich von Tag zu Tag frecher. […] Um zu verhüten, dass die Empörung der badenden arischen Bevölkerung zu begreiflicher Selbsthilfe ausartet, bitte ich zu veranlassen, dass Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 117 das Baden für Juden in den städtischen Badeanstalten und am Horn sofort verboten wird.“ 25 Trotz dieser diskriminierenden Maßnahmen gegen die Juden genoss der Fremdenverkehr an sich hohe Priorität im Nationalsozialismus. Nicht nur die Einrichtung eines Städtischen Verkehrsamts kann das belegen, der Kraft-durch-Freude-Tourismus der Deutschen Arbeitsfront (DAF) beförderte und modernisierte den Bodenseeraum insgesamt, was sich etwa sehr gut an den nach 1933 ständig steigenden Besucherzahlen der Mainau belegen lässt. 26 Dieser staatlich gelenkte KdF-Tourismus wurde bis 1942/ 43 massiv gefördert, erst dann ging er infolge der aus deutscher Sicht sich stetig verschlechternden Kriegslage rasant zurück. Für die Konstanzer Bäderpolitik im Nationalsozialismus bleibt somit ein Dreiklang zu verzeichnen: Erstens das „Hörnle“ als kostenloses Volks- und Familienbad, zweitens das Strandbad Jakob als Urlauber- und Besserverdienerbad und drittens das Kur- und Hallenbad als ganzjährige Badeeinrichtung, das als das modernste Hallenbad am See galt. Der Badebetrieb, auch mit KdF-Touristen, ging am Freibad Horn bis 1943 ungebremst weiter. Erst im Frühsommer 1944 erfolgte die Schließung der Bäder auf Anordnung von Bürgermeister Leopold Oberbürgermeister Herrmann spricht anlässlich der Einweihung des Kur- und Hallenbads am 31. Oktober 1937. 118 Jürgen Klöckler Mager 27 : „Da mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß der Feind von Süden über die Schweiz anfliegend Konstanz angreift, ohne daß vorher Luftwarnung oder Fliegeralarm gegeben werden kann, habe ich bereits am 7. Juni 1944 angeordnet, daß die Strandbäder Waldhaus Jakob, Freibadeanlage am Horn und Rheinstrandbad des Kur- und Hallenbades vorerst geschlossen bleiben.“ Diese Maßnahme hängt mit den alliierten Luftangriffen auf Südwestdeutschland ab dem 21. Juni 1943 zusammen, die dem Rüstungszentrum Friedrichshafen galten. Dieser Luftangriff hatte auch die auf dem Bodanrück, im unmittelbaren Vorfeld der Stadt gelegene Gemeinde Liggeringen getroffen. 28 Öffentliches Baden in der Nachkriegszeit Am 26. April 1945 erfolgte die kampflose Besetzung der Stadt Konstanz durch Teile der Ersten Französischen Armee unter General Jean de Lattre de Tassigny; das Strandbad „Hörnle“ blieb weiterhin geschlossen, wenngleich sich nicht alle Konstanzer damit abzufinden bereitfanden. Das Verbot des Badens wurde aber von der französischen Militärregierung rigide durchgesetzt, indem sie Ende Mai 1945 entsprechende Anschläge anbringen ließ. Der französische Platzkommandant drohte der deutschen Polizei, die wiederum die Stadtverwaltung informierte: „Wenn bis heute 16 Uhr die Verbotstafeln nicht angebracht sind und das Strandbad nicht geräumt ist, wird der Oberbürgermeister eingesperrt.“ 29 Wer wundert sich da, dass im Jahr 1945 mit den Herren Herrmann, Benz, Kerle, Schneider und Arnold insgesamt fünf verschiedene Oberbürgermeister amtierten? Das „Hörnle“ konnte auf Befehl der französischen Besatzungsmacht im Juni 1946 „für die deutsche Bevölkerung, als auch für das französische Militär und deren Angehörige freigegeben“ 30 werden. Doch blieb in der Nachkriegszeit bis mindestens 1950 das Bad mittig durch einen Stacheldrahtzaun getrennt: auf der einen Seite Franzosen, auf der anderen Deutsche. Stadtrat Fischer (DP) kritisierte diesen Zustand: „Man rede dauernd von Verständigung, aber gerade an einem Badestrand belasse man künstliche Hindernisse, Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 119 die längst überflüssig seien.“ 31 Der Stadtrat schloss sich dieser Meinung an. Wie beliebt das „Hörnle“ war, das an heißen Sommertagen in der Nachkriegszeit nach Schätzungen des erfahrenen Bademeisters durchaus fünf bis sechstausend Badegäste anlockte, 32 macht ein Leserbrief in der Deutschen Bodensee-Zeitung vom März 1950 anschaulich: „Zuerst ist da einmal die Lage. Das Hörnle ist doch wirklich ein reizendes Fleckchen Erde. Ich möchte den Konstanzer kennen lernen, der nicht an diesem Landzipfel zwischen dem blauen See und dem blauen Sommerhimmel hängt. Selbst in den Jahren, wo man draußen in der Welt war [gemeint ist der Zweite Weltkrieg J.K.], wurde in mancher stillen Stunde ans Hörnle gedacht, und wo sich auch immer Konstanzer trafen, es wurde stets vom Hörnle gesprochen. Das Hörnle ist für die Konstanzer Jugend so etwas wie eine lokalpatriotische Kultstätte, und die Tage, die man hier noch ungebunden in Sonne und Wind verbracht hat, sie begleiten einen durchs ganze Leben. Vor vielen Jahren hat einmal einer, der sehr an Konstanz hing, als er noch in die Schule auf dem Schottenplatz ging, seine Gefühle für dieses Stückchen grünen Bodens in die Worte gefaßt: ‚Oh Hörnle, schöner Flecken Erde, ob ich auf dir begraben werde? ‘ Es war nur ein Primanervers und der, der ihn aussprach, ist irgendwo im Osten verschollen.“ 33 Der wichtigste Akteur am „Hörnle“ war der Bademeister. Von den 1930er Jahren bis in die 1960er Jahre hieß er Wilhelm Breimaier 34 . Gegenüber dem Südkurier beschrieb er seine Tätigkeit. Sein Dienst beginne um 6 Uhr morgens und ende nicht vor 20 Uhr abends - eine satte 14-stündige Schicht. 35 Der Tag starte für ihn mit einem Kontrollgang. Mit einem abgerichteten Hund und einer Schusswaffe versehen durchstreife er auch den angrenzenden Wald. Dann statte er die vier Rettungsboote mit Rettungsringen und weiterem Gerät aus. Die Reinigung des Planschbeckens, der fünf Duschen und der Laufstege folge - soweit Bademeister Breimaier. An Werktagen waren am „Hörnle“ zudem vier bis fünf Rettungsschwimmer von der DLRG, sonntags zehn bis zwölf, im Einsatz. 36 Doch nicht nur der Bademeister ärgerte sich in den frühen 1950er Jahren über das Verhalten mancher Badegäste, die das dem städtischen Tiefbauamt unterstellte „Hörnle“ mit dem Rad anfuhren: 120 Jürgen Klöckler „Es ist ein Zeichen einer besonderen Disziplinlosigkeit, wenn man im Freibadgelände auf dem Rad spazierenfährt und […] für die Badegäste zu einer nicht unerheblichen Gefahr wird. Den jungen Leuten, die nach der Sperre sich wieder in den Sattel schwingen und sich über die Verbote hinwegsetzen, sollte der Bademeister eine hinter die Ohren schlagen dürfen. Ganz unverständlich aber ist es, wenn Flaschen im Gelände herumgeworfen werden, deren Scherben immer wieder zu Schnittwunden führen. Außerdem sollten ordentliche Menschen Papierabfälle in die dort aufgestellten Papierkörbe werfen und nicht die ganze Umgebung verunzieren“, 37 so die linke Tageszeitung „Das Volk“ im Juni 1951. Zu Beginn der 1950er Jahre wurden für das „Hörnle“ weitergeplant. In Planung befand sich ein 50 Meter langes Schwimmbecken. Die Verantwortlichen hofften, große schwimmsportliche Veranstaltungen außerhalb des Kur- und Hallenbades durchführen zu können. 38 Das Schwimmbecken wurde jedoch bis heute nicht realisiert. Dafür wurde ein Versehrtenbad eingerichtet, das vielen im Zweiten Weltkrieg verstümmelten Kriegsteilnehmern ein separates, vor Blicken geschütztes Baden ermöglichte. 1957 war die gesamte Anlage des Freibads schwer in die Jahre gekommen. Stadtrat Manfred Stromeyer beklagte in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats die „obszönen Aufschriften“ in den Umkleidekabinen im Strandbad Horn. 39 Das zuständige Tiefbauamt nahm Südkurier - Ausgabe K - vom 1. August 1957 Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 121 dazu Stellung: „Die ungehörigen Beschriftungen an den Kabinen des Freibades Horn werden vom Aufsichtspersonal laufend abgewaschen oder abgekratzt. Ein Überstreichen der Wände hat wenig Sinn, weil schon nach kürzester Zeit wieder ähnliche Aufschriften angebracht werden, deren Urheber nicht festgestellt werden können. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, daß in zahlreichen Kabinen die Wände angebohrt wurden. Seitens des Bademeisters werden solche Feststellungen jeweils kurzfristig durch Aufnageln einer Holzplatte beseitigt.“ 40 Die noch heute bestehende Anlage des Freibades Horn wurde in der Zeit des Wirtschaftswunders, genauer gesagt zwischen 1955 und 1965, errichtet. Die Frage der Erhebung eines Eintrittsgeldes war - trotz des für jedermann spürbaren wirtschaftlichen Aufschwungs - freilich gänzlich zu einem Tabu geworden. 1959 erwarb die Stadt Gelände dazu und errichtet einen großen Parkplatz 41 , ein klares Zeichen der massiven Steigerung der individuellen Mobilität. 1962 verkaufte die Spitalstiftung das Grundstück des Freibads Horn an die Stadt Konstanz. Nun war die Stadt Eigentümerin des Geländes. 1963 wurde schließlich der alte Kiosk abgerissen und ein neuer erstellt. 42 Zudem wurde nun erstmals außerhalb des Freibadgeländes ein Fahrradparkplatz für 1500 Fahrräder angelegt. Anfang der 1970er Jahre wurde die Frage von Parkgebühren am „Hörnle“ im Gemeinderat behandelt. Viele Konstanzerinnen und Konstanzer meinten, es handle sich um eine Art Eintritts-Ersatz. Damals noch abgelehnt, sind sie heute längst eingeführt. Der große Parkplatz des Freibads Horn wird seit vielen Jahren bewirtschaftet. Von den 1980er Jahren bis heute In den Badesitten hat sich in 100 Jahren ein grundlegender Wandel vollzogen: Von Badeanzug für Herren spricht heute niemand mehr, Dreiecksbadehosen oder noch knapperes sind heute Standard, hüllenloses Baden findet seine Anhänger. Auch das Nacktbaden ist am „Hörnle“ seit 1983 erlaubt, zumindest in einem abgetrennten Stück Wiese, das von einer hohen Hecke umschlossen ist. Das FKK-Ge- 122 Jürgen Klöckler lände erfreute sich zeitweise hoher Beliebtheit - welch’ ein Wandel der Badesitten zwischen 1920 und 1983. Man könnte getrost sagen: vom geschlossenen Badeanzug für Männer zur Freikörperkultur (siehe dazu den Beitrag von Tobias Engelsing in diesem Band). Die im Jahr 1979 in Betrieb genommene Beachvolleyballanlage südlich des Kiosks findet bis heute großen Zuspruch. Sie stellte damals eine bundesdeutsche Neuheit dar. 43 In den 1980er Jahren machte schließlich die Initiative „Planschbecken Hörnle“ auf sich aufmerksam. Die beiden CDU-Stadträte Peter Müller-Neff (heute: Freie Grüne Liste) und Helmut Späth forderten - unter Mobilisierung der Öffentlichkeit - zusätzliche Mittel, um die Sanierung des maroden Kinderplanschbeckens, das über keine Wasserumwälzpumpe verfügte, haushälterisch nach vorne zu ziehen. Dafür bezogen sie zwar „Prügel von den Ratskollegen“ 44 , konnten sich aber durchsetzen. Der FWG-Stadtrat Ulf Göpfrich kritisierte das Vorhaben: „Locker vom Hocker machen wir Bürgerinitiative, das ist unseriös.“ 45 Das alte Planschbecken wurde abgerissen und ganz in der Nähe in „Rekordbauzeit gerade rechtzeitig zur Badesaison“ 1987 ein neues erbaut. 46 Die Kosten betrugen 350.000 DM. Heute gilt das Freibad Horn mit einer Uferlänge von 600 Metern und einer rund 50.000 m² großen Liegewiese als eines der größten Strandbäder am Bodensee. Vier Beachvolleyballfelder und neun Badminton-Plätze, ein Kinderbecken samt Familienbereich, ein Trampolin und ein Restaurant mit Kiosk sind vorhanden. Der Familienbereich verfügt über Klettergerüste, Balancierseile, eine Hangelstange und ein Spielschiff. Tischtennisplatten und Schachspielfelder ergänzen das Angebot. Jüngst wurde noch eine Verleihstation der Trendsportart Stand-up-Paddling eingerichtet. Zusammenfassende Überlegungen Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts, wahrscheinlich aber schon seit den 1870er Jahren, wurde ‚wild‘ am „Hörnle“ gebadet. Das Gelände selbst wurde vom Haus Baden erst durch die Spitalstiftung, später durch die Stadt Konstanz erworben. Dabei wurde Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 123 die Entwicklung hin zum freien Baden in neuen Strandbädern aus zwei Wurzeln gespeist: der Hygienebewegung und der „Lebensreform“. Zu ersterer zählten staatliche und kommunale Akteure wie etwa die Gesundheitspolizei, aber auch Ärzte und Beamte. Die „Lebensreform“ war wiederum nicht staatlich, sie empfing ihre wesentlichen Impulse von Freidenkern und Idealisten, die „gesund“ leben wollten: vegetarische Ernährung zählte dazu, aber auch sich nackt in der freien Natur zu bewegen. 47 Man wollte sich nicht mehr vom Staat vorschreiben lassen, wo man mit wem baden durfte. Größte Gegner diese Entwicklung waren das Bürgertum und die katholische Kirche. Dort fürchtete man um Sitte und Moral. Doch die Schaffung von Strandbädern war nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr aufzuhalten. So wurde auch das Freibad Horn als Familienbad am 22. Juli 1920 durch gemeinderätlichen Beschluss ins Leben gerufen. Die Frage der Eintrittsgelder wurde in den 1920er Jahren bis in die Weltwirtschaftskrise im Gremium und in der Öffentlichkeit mehrfach diskutiert, aber angesichts der wirtschaftlichen Notlage immer wieder abgelehnt. Vor dem Krieg wurde lediglich 20 Pfennig Nutzungsgebühr für die Umkleidekabinen erhoben, was wohl den Mythos der Vorkriegseintrittsgebühren begründet hat. Erst jüngst hat sich der Chef der Bädergesellschaft klar dazu positioniert. Robert Grammelspacher äußerte sich gegenüber dem Konstanzer Anzeiger am 14. August 2019 zur Frage möglicher Eintrittsgebühren: „Nein, das wird auch nicht diskutiert. Ein Hörnle-Eintritt ist in Konstanz ein Tabu.“ Halten wir fest: Nach 1945 hatte sich das Hörnle endgültig als kostenloses Familienbad etabliert. Zur Zeit des Wirtschaftswunders wurde es im Wesentlichen so ausgebaut, wie man es bis heute kennt. Auswärtige Besucher aus Hamburg, Bremen, Köln und Stuttgart äußerten sich unisono gegenüber dem langjährigen Bademeister Wilhelm Breimaier Ende der 1950er Jahre: „Das Freibad Horn ist das schönste Strandbad Deutschlands“ 48 . Und in der Tat, es ist bis heute mit Sicherheit das am schönsten gelegene aller Konstanzer Bäder geblieben, wo Generationen von Kindern das Schwimmen erlernt haben. Einer von ihnen war in den frühen 1970er Jahren der Autor dieser Zeilen. 124 Jürgen Klöckler Anmerkungen 1 Vgl. die „Kurze Darstellung der Entwicklung des Strandbades Horn“ von Michael Kuthe, in: StadtA KN S II 16131. 2 Abschrift einer Ortspolizeilichen Vorschrift vom 21. Juni 1865; StadtA KN S II 16129. 3 Mitteilungen aus dem Publikum, in: Konstanzer Abendzeitung vom 7. Juni 1909. 4 Zu Wilhelm von Scholz (1874-1969) in Konstanz vgl: Bosch, Manfred/ Kopitzki, Siegmund (Hg.): Wettlauf mit dem Schatten. Der Fall (des) Wilhelm von Scholz (Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz, 15) Konstanz 2013. 5 Schreiben des Bezirksamts an das Bürgermeisteramt Allmannsdorf vom 19. Juni 1912; StadtA KN S II 16129. 6 Erster Aufseher am „Hörnle“ war Jakob Mory; StadtA KN S II 16129. 7 StadtA Konstanz S II 16129. 8 Vgl. die „Badeordnung für das Freibad am Horn“ vom Juli 1921; Ebd. 9 Anweisung des Oberbürgermeisters Moericke an das Tiefbauamt vom 14. November 1922; StadtA KN S VII 169. 10 Stadtratsbeschluss vom 26. August 1926; StadtA KN S VII 169. 11 Meldung des Polizeiwachtmeisters Rau vom 17. August 1926; StadtA KN S II 16131. 12 StadtA KN S II 16131. 13 Deutsche Bodensee-Zeitung vom 9. September 1925. 14 Büchi, Eva: Als die Moral baden ging. Badeleben am schweizerischen Bodensee- und Rheinufer 1850-1950 unter dem Einfluss der Hygiene und der „Lebensreform“ (Thurgauer Beiträge zur Geschichte, 139/ 2002) Frauenfeld 2003. 15 Aktenmitteilung der Bezirksamts vom 13. Juli 1923; StadtA KN S II 16129. 16 Zu Otto Moericke (1880-1965) vgl.: Ders.: Erinnerungen. Mit einer Einleitung von Werner Trapp. Hg. von Helmut Maurer (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XXX) Sigmaringen 1985. 17 Mitteilung des OB an die Spitalstiftung vom 9. Juli 1924; StadtA KN S II 16129. 18 Vgl. den Artikel aus der Feder des vormaligen städtischen Pressesprechers, Berthold Schlegel: Wie das Freibad Horn entstand, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 9. November 1991. 19 Schmider, Christoph: Fritz, Karl, in: Badische Biographien. NF, Band VI. Hg. von Fred Ludwig Sepaintner, Stuttgart 2011, S. 123-126. 20 Der Hirtenbrief ist abgedruckt in: Deutsche Bodensee-Zeitung vom 21. Mai 1930. 21 Schott, Dieter/ Trapp, Werner: Das Konstanz der 20er und 30er Jahre, Konstanz 1985, S. 147 unten. Die Aufnahme stammt aus der Sammlung Fischer im Stadtarchiv Konstanz. 22 Zur Biografie von Albert Herrmann (1892-1977) vgl.: Klöckler, Jürgen: Herrmann, Gustav Adolf Albert, in: Baden-Württembergische Biographien. Hg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg von Fred Ludwig Sepaintner. Band V, Stuttgart 2013, S. 159 ff. 23 Zur Biografie von Erwin Hildenbrand (1906-1943) vgl.: Klöckler, Jürgen: Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XLIII) Ostfildern 2012, S. 248-251. 24 Ebd., S. 303 f. 25 StadtA KN S II 16147. 26 Die Besucherzahlen der Mainau stiegen von 50.000 (1932) auf 275.000 Besucher (1938) an. Vgl. dazu: Klöckler, Jürgen/ Burchardt, Lothar/ Engelsing, Tobias: Flecken auf der Blumeninsel Mainau? Lennart Bernadotte im Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 132 (2014) S. 149-187, hier S. 165. Das „Hörnle“ - Deutschlands schönstes Strandbad? 125 27 Zu Leopold Mager (1895-1966) vgl. Klöckler (wie Anm. 23) S. 115 ff. sowie S. 380- 384. 28 Vgl. dazu weiter: Klöckler, Jürgen: Ein nicht identifiziertes Ziel im strategischen Bombenkrieg. Der britische Luftangriff auf Liggeringen vom 21. Juni 1943, in: Hegau. Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee 71 (2014) S. 261-274 29 Schreiben der Polizei an die Stadtverwaltung vom 29. Mai 1945; StadtA KN S II 16131. 30 Schreiben des Tiefbauamtsleiters Büchler an Oberbürgermeister Arnold vom 4. Juni 1946; ebd. 31 Artikel „Ein überflüssiger Stacheldraht“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 10. Juni 1950. 32 Artikel „Mehr Disziplin am Freibad Horn“, in: Das Volk vom 12. Juli 1957. 33 Artikel „Entrümpelt das Hörnle“, in: Deutsche Bodensee-Zeitung vom 3. März 1950. 34 Vgl. auch den Artikel „Der meistgefragte Herr am Freibad Horn“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 1. August 1957. 35 Vgl. den Artikel „Bei dieser Hitze 14 Stunden Dienst“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 8.-Juli 1957. 36 Vgl. den Artikel „Wie schön bei dieser Hitze den Bodensee ‚vor der Haustür‘ zu haben“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 11. Juli 1959. 37 Artikel „Schlechte Sitten am Strandbad Horn“, in: Das Volk vom 28. Juni 1951. 38 Vgl. den Artikel „Große Pläne um das Strandbad Horn“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 4. August 1953. 39 Auszug aus der Niederschrift der Sitzung vom 10. Mai 1957; StadtA KN S IIa 4074. 40 Schreiben des Tiefbauamts (Oberbaurat Dauner) an das städt. Verwaltungsamt vom 29.-Mai 1957; ebd. 41 Vgl. den Artikel „Schlußbilanz der Badezeit am Horn: Über 100000 Gäste“ in: Südkurier - Ausgabe K - vom 25. September 1959. 42 Vgl. die Niederschrift einer am 25. Januar 1963 stattgefundenen Besprechung bei Oberbürgermeister Helmle; StadtA KN S IIa 4074. 43 Formhals, Lina: Das Hörnle wird 100. Wie das Horn das beliebteste Strandbad von Konstanz wurde, in: Konstanzer Almanach 66 (2020) S. 32 ff., hier S. 34. 44 Vgl. den so betitelten Artikel in: Südkurier - Ausgabe K - vom 13. Februar 1987. 45 Südkurier - Ausgabe K - vom 20. Februar 1987. 46 Südkurier - Ausgabe K - vom 3. Juli 1987. 47 Büchi (wie Anm. 14) S. 218 f. 48 Vgl. den Artikel „Wie schön bei dieser Hitze den Bodensee ‚vor der Haustür‘ zu haben“, in: Südkurier - Ausgabe K - vom 11. Juli 1959. Das Kur- und Hallenbad am Seerhein Ein „Markstein“ aus der Zeit des Nationalsozialismus in Konstanz i lSe F riedricH Im Rahmen eines großen Volksfestes wurde an einem Sonntag, es war der 31. Oktober 1937, das unmittelbar am Seerhein gelegene Kur- und Hallenschwimmbad Konstanz feierlich eröffnet. Die Eröffnung des Kur- und Hallenschwimmbads ist ein neuer Markstein in der Aufwärtsentwicklung der Stadt Konstanz, wurde auf der Einladung stolz konstatiert. Ein gigantischer Aufmarsch von Vereinen und politischen Formationen hatte sich auf der fahnengeschmückten Rheinwiese aufgestellt, während sich die politische Prominenz und die Ehrengäste im Café-Pavillon versammelten. Oberbürgermeister Albert Herrmann begrüßte die Parteigrößen, allen voran den Badischen Innenminister Karl Pflaumer, aber auch Gäste aus der nachbarlichen Schweiz sowie die große Konstanzer Sportgemeinde. Die NS-Tageszeitung „Bodensee-Rundschau“ berichtete: Selbstverständlich war die gesamte Bevölkerung zur Teilnahme eingeladen, sogar Lautsprecher waren installiert worden, damit auch die Menschen auf dem gegenüberliegenden Webersteig die Zeremonie mitverfolgen konnten, in der sich Herrmann als „Vollstrecker des Wollens des Führers“ offenbarte. Der Rhein, den wir den Schicksalsstrom des deutschen Volkes nennen, soll dort, wo er seinen Lauf in deutschen Landen beginnt, von Bauwerken begrüßt werden, die das Wollen des Führers des deutschen Volkes verkörpern. [...] Als Wahrzeichen neuer deutscher und nationalsozialistischer Baugesinnung und Baugestaltung steht würdig und stattlich das Konstanzer Kur- und Hallenschwimmbad mit seiner Freibadanlage am Rhein. [...] Das Bad selbst soll in all seinen Anlagen ein Quell der Gesinnung und der Ertüchtigung sein. 1 Nach dem Festakt und am darauffolgenden Montag wurde das Hallenbad zur allgemeinen Besichtigung freigegeben und rund 30.000 Konstanzer konnten das neue Hallenbad in Besitz nehmen. Schon 128 Ilse Friedrich in den ersten zehn Tagen wurde eine Besucherzahl von über zehn Prozent der Bevölkerung erreicht, so dass die Badezeiten verlängert werden mussten. Mit diesem verheißungsvollen Auftakt gelang der nationalsozialistischen Stadtspitze ein weiterer wichtiger Schritt in der Verflechtung von Architektur und Politik - ganz im Sinne des nationalsozialistischen Regimes. Denn mit dem Ankurbeln öffentlicher Baumaßnahmen sollte nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit abgebaut werden, sondern zugleich ein deutlicher Beweis für die Stärke des neuen Systems und dessen Politik geliefert werden. Unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und nach Absetzung des liberalen Oberbürgermeisters Otto Moericke war Albert Herrmann 2 Anfang Mai 1933 durch den badischen Reichsstatthalter Robert Wagner zum Oberbürgermeister von Konstanz bestimmt worden. Der ausgewiesene, aber eher gemäßigte Verwaltungsjurist trat dann erst am 1. Juni in die NSDAP ein - ganz offensichtlich karrierebedingt. Als erfahrener Kommunalpoliti- Kur- und Hallenbad, Eröffnung am 31. Oktober 1937 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 129 ker identifizierte er schnell die Defizite und die Problematik der „Grenzstadt Konstanz“ und schrieb diese in seiner „Grenzland- Denkschrift“ vom 9. März 1934 nieder. 3 Durch die protektionistische Reichspolitik war die Stadt von ihrem natürlichen Hinterland abgeschnitten worden und ihr Standortnachteil an der Schweizer Grenze war augenfällig. Rasch hatte Herrmann erkannt, dass an eine Ansiedlung von Industrie nunmehr nicht zu denken war, und so postulierte er, dass durch eine planmäßige Entwicklung und Förderung von Kultur und Sport die „Stadt ohne Raum“ zu einer Stadt des Fremdenverkehrs aus- und umzubauen sei. Dementsprechend sollte Konstanz als „größte Stadt an der Südgrenze des deutschen Reiches“ - ideologisch aufgeladen - nicht nur als „Visitenkarte“, sondern gar als „Bollwerk des Deutschtums“ und „Ehrenpforte des Reichs“ fungieren. Nach seiner Amtsübernahme hatte der sportbegeisterte Oberbürgermeister unverzüglich und zielbewusst den Ausbau von Freizeit- und Sporteinrichtungen in Angriff genommen; Strandbad Horn und Bodensee-Kampfbahn waren 1934 und 1935 fertiggestellt und als nächstes Projekt stand der Bau eines Kur- und Hallenbades an. Vorgeschichte Mit dem Neubau des Hallenbades kam schließlich eine lang gehegte Idee aus der Zeit der Aufbruchsstimmung um 1900 erfolgreich zum Abschluss. Denn auch der Bodenseeraum war um die Jahrhundertwende von den damaligen neuen Maximen wie Sportlichkeit und Jugendlichkeit ergriffen worden und in Konstanz begannen ebenfalls Körperertüchtigung und Sport und damit verbunden Freizeit und Tourismus aufzublühen. Zudem entwickelte sich das gemeinsame, aber ungeregelte Baden von Frauen, Männern und Kindern im Bodensee und im Seerhein; schon 1906 war der Konstanzer Schwimmverein gegründet worden mit dem Ziel, das Schwimmen allgemein zu machen. So dauerte es nicht lange, bis 1913 im politischen Raum, und zwar durch den Stadtverordneten Martin Venedey, der Wunsch nach dem Bau eines „Volksbades in Form eines gedeckten Schwimmbades“ wiederholt wurde. 4 Denn die hölzernen 130 Ilse Friedrich Seebadeanstalten konnten nur in den Sommermonaten sinnvoll genutzt werden und mit zunehmender Industrialisierung war außerdem das Verlangen nach Brause- und Wannenbädern gewachsen. Diese Forderung verhallte wegen des Ersten Weltkrieges. Damals schon begann gewissermaßen die Geschichte des Konstanzer Kur- und Hallenbades und der Gedanke daran wurde nie mehr ad acta gelegt. Selbst unmittelbar nach dem Krieg und während der Weltwirtschaftskrise wurden immer wieder neue Standorte ergebnislos in den politischen Gremien diskutiert; ins Visier genommen wurden Plätze neben dem Elektrizitätswerk 1921 (Schottenstraße) und dem Gaswerk 1925 (Schulthaißstraße), um den dort anfallenden Abdampf zum Erwärmen des Wassers zu verwerten. Jedoch blieb dem tatkräftigen Oberbürgermeister Otto Moericke der Erfolg versagt, obwohl er noch 1930 - allerdings vergeblich - versuchte, den Schweinfurter Industriellen Ernst Sachs zu einer Spende zugunsten seiner Vaterstadt zu animieren. 5 Der Erfinder der legendären kugelgelagerten Torpedo-Freilaufnabe für Fahrräder war nämlich 1867 in Konstanz-Petershausen geboren worden und hatte 1927 in Schweinfurt ein Hallenbad gestiftet. Kur- und Hallenbad 6 Nur ein Jahr nach dem „Umbruch“ hatte Oberbürgermeister Herrmann zu Beginn des Jahres 1934 das Projekt Hallenbad in Angriff genommen und in der Stadtratssitzung am 4. Januar 7 ausdrücklich die schwierige Finanzierung („das Bad darf kein Zuschussbetrieb werden“) und die kostspielige Einbeziehung von medizinischen Einrichtungen dargelegt. Neben der Erwartung von regelmäßigen Besuchen durch sämtliche Schulen, durch Vereine und die Reichswehr hatte er auch auf die Anziehung für Schweizer Nachbarn gesetzt. Bereits am 9. Januar 1934 beauftragte er das Hochbauamt, mit den Planungen und Beratungen zu beginnen; an die 40 Mal sollte im Stadtrat das Projekt „zielbewußt und verantwortungsfreudig“ diskutiert werden. Außerdem wurden zusammen mit dem Stadtrat u. a. Besichtigungen der Hallenbäder in Stuttgart, Marburg und Frankfurt (1928, Architekt Martin Elsaesser) vorgenommen, um sich für das Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 131 Konstanzer Projekt positionieren zu können. Neben einem großen Schwimmbecken sollten auch Brause-, Wannen- und Dampfbäder, ein Friseursalon sowie ein Freibad und ein Café dazu gehören. Diese großzügige, heutige Wellness-Bereiche vorwegnehmende Kombination erschwerte die Suche nach einem geeigneten Bauplatz. Sollte doch das Bad einerseits am Bodensee und andererseits zentral in der Nähe zur Altstadt und in guter Südlage errichtet werden. Nachdem am See kein akzeptabler Platz zur Verfügung stand, wurde man zuletzt auf der rechten Rheinseite an der Spanierstraße fündig. Das zwischen dem Offizierskasino (heute Konstanzer Wirtshaus) und der früheren Villa Herosé (heute Tagungszentrum Villa Rheinburg) gelegene, rund 7700 qm große Grundstück erfüllte alle Voraussetzungen und befand sich obendrein im Besitz der Stadt, so dass keine Kosten für den Grunderwerb notwendig waren. Lediglich der sich auf der Parzelle 1776 befindliche städtische öffentliche Waschplatz und das Holzlager mussten abgeräumt werden. Ein zusätzlicher Vorteil war, dass erstmals im Jahr 1892 eine Fährverbindung von der Altstadt, vom Pulverturm aus über den Seerhein zum gegenüber liegenden Waschplatz an der Spanierstraße von privater Hand eröffnet worden war. So lag das neue Bad nicht nur nach Süden orientiert, sondern auch zentral zwischen der Altstadt und dem durch Industrieansiedlungen aufstrebenden Stadtteil Petershausen. Die kleine Personenfähre „Niederburg“ verkehrte bis 1991, somit exakt neunundneunzig Jahre lang bis zum Bau der Fußgänger- und Fahrradbrücke. Kur- und Hallenbad - der Entwurf Der Entwurf des Kur- und Hallenbades stammt von Baurat Friedrich Hübinger; wie er jedoch selbst immer wieder betonte, nahm Oberbürgermeister Herrmann fortwährend nützlichen Einfluss darauf. Das Kernstück des baulichen Ensembles bildet die hohe Schwimmhalle; um dieses Hauptgebäude herum gruppieren sich niedrigere, zweigeschossige Anbauten mit den medizinischen Bädern, dem römisch-irischem Bad, einer Dienstwohnung und dem Eingangsbereich sowie einem Friseurgeschäft zur Straße hin. Alle 132 Ilse Friedrich Gebäudeteile haben flachgeneigte Satteldächer. Das Hallenbad ist von Norden, von der Spanierstraße her erschlossen und von der großzügigen Kassen- und Eingangshalle aus sind die jeweiligen Abteilungen zu erreichen. Von dieser mit Majolika-Wandbildern geschmückten Halle geht es auch geradewegs auf die Liegewiesen des Strombades. Aus Gründen des Hochwasserschutzes wurde die Schwimmhalle ins Obergeschoss gelegt, so dass neben der gesamten Betriebstechnik (wie Heizung und Wasseraufbereitung) auch die eigentlichen Kuranlagen im Erdgeschoss zu liegen kamen. In dieser Kurbäderabteilung wurde die ganze Vielfalt für eine moderne Gesundheits- und Körperpflege geboten. In sechs Badezellen wurden außer Massagen die üblichen warmen und heißen Bäder verabreicht, auch konnten hier Licht- und Luftbäder genommen werden; sogar eine Unterwassermassage-Einrichtung wurde eingebaut. In den Heißluft- und Dampfbädern der irisch-römischen Abteilung konnten unterschiedliche Möglichkeiten des Schwitzens erprobt werden und selbstverständlich waren die erforderlichen Ruheräume vorhanden. Die Schwimmhalle sollte sich nicht nur als Familienbad eignen, sondern gleichermaßen dem Schwimmsport dienen. So musste eine Konstruktion gefunden werden, die einerseits einen großen stützenlosen Raum ermöglichte und andererseits die Kosten nicht allzu sehr verteuerte. Das Schwimmbecken misst zehn auf fünfundzwanzig Meter und genügte damit den damaligen Vorschriften des Schwimmverbandes, um Wettbewerbe ausrichten zu können. Trotz der knapp bemessenen Größe war der Einbau von hölzernen Tribünen für 600 Zuschauer realisierbar. An der tiefsten Stelle des Beckens (3,20 m) standen das Drei-Meter- und die beiden Ein-Meter-Sprungbretter. Die notwendigen Umkleidekabinen - für Frauen und Männer getrennt - sowie die vorgeschriebenen Reinigungsräume mit Barfuß- und Stiefelgang liegen auf der gleichen Ebene im Obergeschoss unmittelbar neben der Schwimmhalle. Die 15 Meter breite und 34 Meter lange Schwimmhalle ist mit starken Unterzügen überspannt, die den großen Raum angenehm rhythmisieren. Die Wände der acht Meter hohen Halle sind teils gefliest und teils geputzt. Sieben hochrechteckig langgezogene Fenster lassen von Süden her reichlich Licht und Sonne einfallen und geben den Blick Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 133 nach draußen auf die historische Altstadt von Konstanz frei. Decke und Wände spiegeln sich im türkisblauen Wasser und tauchen den Raum in eine lebendige und farbige Atmosphäre; dazu tragen auch die figürlichen Sgraffiti mit See- und Wasserwesen an der Nordwand bei. Die der Schwimmhalle vorgelagerte Sonnenterrasse ist von einem separaten turmartigen Treppenhaus erschlossen, über das auch auf dem kürzesten Wege die Liegewiese des Freibades erreicht werden kann. Die Umkleiden für das Freibad befinden sich in einem langen gebogenen Laubengang, der unmittelbar ans Hallenbad anschließt, gleichsam die gesamte Liegewiese umfängt und zur Straße hin abschirmt, um bis zum Rheinufer vorzuschwingen und in einem runden Pavillon - wie in einem „Aussichtstempel“ - mit Café und Terrasse zu enden. Der Restaurationsbetrieb kann von Badegästen und von Passanten gleichermaßen frequentiert werden. Die Rasenfläche in bester Südlage sollte als Sonnen-, Licht- und Luftbad dienen, konnte jedoch erst 1938 fertiggestellt werden. Auf dieser rund 4000 qm großen Ruhe- und Spielwiese sollten sich in Hochzeiten an die 1000 Besucher ausruhen oder vergnügen können. Das Rheinufer wurde für die Nichtschwimmer entsprechend gestaltet und mit Bojen und Holzbalken gegen den offenen Strom gesichert. Für die Schwimmer wurden flussabwärts gen Westen sogar vier sportgerechte, 50 Meter lange Bahnen hergestellt und eingezäunt. Auf der gesamten Uferlänge wurden Sitzstufen geschaffen, um sportliche Ereignisse verfolgen können. Die Einmaligkeit dieser Konstanzer Badeanlagen bestand und besteht nach wie vor in der gelungenen Verbindung eines Hallenbades mit einem Freibad und ihre Anziehungskraft beruht auf der einzigartigen Lage am Ausfluss des Rheins, des „deutschen Stroms“, aus dem Bodensee - am Rheinkilometer Null seit der im 19. Jahrhundert eingeführten Rheinkilometrierung - und dem eindrucksvollen Gegenüber der malerischen Altstadt. Diese damals beispielhafte Anlage gibt sich nicht zwangsläufig als nationalsozialistisches Bauwerk zu erkennen und entspricht mitnichten propagierter „Staatsarchitektur“, obwohl das NS-Regime Architektur und Kunst für Propagandazwecke favorisierte. Bekanntermaßen wurde unmittelbar nach der sogenannten Macht- 134 Ilse Friedrich ergreifung, Anfang April 1933, das Bauhaus geschlossen und damit begonnen, moderne Architektur und Kunst zu verdrängen und dafür traditionelle und scheinbar nationale Beiträge zu forcieren. Dennoch blieb das Bauschaffen heterogen. Obwohl das Konstanzer Architektur-Ensemble des Rheinbades in exponierter Lage - gleichsam auf dem Präsentierteller - der Allgemeinheit dargeboten wird, lässt seine architektonische Gestaltung und Struktur generell eine politische Ikonografie oder gar Monumentalität vermissen, vielmehr zeichnet es sich durch eine ablesbare Zweckmäßigkeit und Funktionalität aus. Darauf hatte Oberbürgermeister Herrmann in seinen internen Stellungnahmen immer abgehoben. Mit der augenfälligen Krümmung des Umkleide-Laubengangs wurde auch die gern gesehene Axialität gemieden; ebenso wurde auf jeglichen Klassizismus verzichtet. Die ringsherum sichtbaren Fassaden sind schmucklos und glatt verputzt und die Dächer sind mit roten Ziegeln gedeckt. Die hohen und schlanken Fenster der Schwimmhalle sowie die ruhigen und klar umrissenen Bauteile und Formen verleihen der Architektur schließlich eine gewisse Aktualität - in einer ungewohnten Mischung aus Moderne und Heimatstil, die weder historistisch noch achtunggebietend ist. Während die Architektur des „Heimatschutzstils“ mehr auf Einfachheit und Bo- Kur- und Hallenbad, Grundriss, 1935 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 135 denständigkeit setzte und regional typische Baustoffe bevorzugte, sollte die Modernität eines Betonskelettbaus mit Glasfassaden wohl die Transparenz der faschistischen Idee vortäuschen. Lediglich die Reihen von schlanken Stützen an den Umkleiden und am Pavillon sowie an der Sonnenterrasse und am Eingang der Halle legen mit der einfachen Kantigkeit und mit dem gewählten Material - Tengener Muschelkalk - den Zeitgeist bloß. Baugeschehen Nach gründlicher Vorarbeit durch das Städtische Bauamt konnte am 6. November 1935 mit dem Bau begonnen worden. Zuvor hatte jedoch das Ansinnen der Landesbildstelle Baden - Reichskammer Bildende Künstler - nach einem Wettbewerb unter den badischen Architekten abgewehrt werden müssen, denn aufgrund eines ministeriellen Erlasses von 1934 sollten eigentlich die arbeitslosen Architekten und Künstler eine Chance erhalten und in Arbeit gebracht werden. Auf Initiative des zielstrebigen Baurates Hübinger hatte Oberbürgermeister Herrmann die Zurückweisung mit Schreiben vom 13. Juli 1934 8 aus Kosten- und Zeitgründen folgendermaßen begründet: die Anlage eines Hallenschwimmbades ist ganz wesentlich bedingt durch betriebstechnische und betriebswirtschaftliche Erfahrungen und Überlegungen. Die besten Erfahrungen haben einige wenige Spezialfirmen bzw. Spezialingenieure. Ein Wettbewerb ist unzweckmäßig. Letzten Endes holten Herrmann und Hübinger im April 1935 bei Gauleiter Robert Wagner persönlich eine Anerkennung des Entwurfs ein, indem sie ihm anhand von Plänen und einem Modell das „Musterbad“ vorstellten. Das exakt ausgearbeitete Holzmodell hatte der Konstanzer Bildhauer Hans Stingl für 400 RM angefertigt. Während des Baugeschehens bewährte sich dann tatsächlich nicht nur die ständige Begleitung durch einen Bäderfachmann, sondern auch die Einschaltung eines Statikfachmanns. Ein verhältnismäßig schwieriges Kapitel stellte nämlich die Gründung des Bauwerks auf dem heiklen Baugrund dar, da Probebohrungen erst in 14 Meter Tiefe auf tragfähigen Grund gestoßen waren. Infolgedessen waren die Untersuchungen zur Statik kompliziert und langwierig, zumal 136 Ilse Friedrich eine in Konstanz übliche Pfahlgründung eine kostenintensive Angelegenheit geworden wäre. Auch um Kosten zu sparen, riskierte der Statik-Professor H. Dörr aus Karlsruhe eine Plattengründung mit getrennten Tragkonstruktionen aus Eisenbeton für den eigentlichen Hallenbau und das Schwimmbecken; dadurch konnten die Bodenpressungen minimiert werden. Das Becken wurde separat hergestellt und frei im Gebäude auf Pfeilern gelagert, nachdem der Skelettbau der Halle schon errichtet war. Das damals neue und mutige statische Konzept hat sich bis zum heutigen Tag bewährt und hatte noch weitere Vorteile: Zum einen konnte die Beckenhülle leicht von außen kontrolliert und gewartet werden und zum anderen konnte die technische Zentrale unter dem Becken installiert werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch die technischen Anlagen neu und ihrer Zeit eigentlich voraus waren. Alle Arbeiten inklusive Innenausbau dauerten seit Baubeginn nur zwei Jahre, nämlich von November 1935 bis November 1937. Die Freigabe der Liegewiese erfolgte erst zur Sommersaison am 9. Juni 1938, zwei Tage später wurde der „Erfrischungsraum“ im Rundpavillon mit rund 100 Sitzplätzen eröffnet. Die Bauzeit war wirklich erstaunlich kurz und auch die Kosten konnten - trotz der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage und hoher Verschuldung des städtischen Haushaltes - bewältigt werden. Eine erste Kostenschätzung von Baurat Hübinger vom 2. November- 1935 hatte eine Summe von knapp 530.000 RM ausgewiesen, die unwesentlich überschritten wurde. Insgesamt wurden letztendlich für das Projekt zusammen mit dem Rheinstrandbad an Baukosten 750.000 RM aufgebracht. Damit manifestierte die Stadtverwaltung ihren Willen, sich aus der durch die Grenzlage erzwungenen Enge zu befreien und sich zu einem ausgesuchten touristischen Ziel zu entwickeln, das ganz nebenbei den ideologischen Ansprüchen und der Konsolidierung des Nationalsozialismus genügen sollte. Bald schon wurde Konstanz dann von Touristen der Erholungs- und Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ überschwemmt, denn bedenkenlos ließen sich die „Volksgenossen“ durch günstig organisierte Freizeiten verführen. Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 137 Auszeichnungen Die Kunde von der einmaligen und beispielhaften, ganz modernen Konstanzer Anlage drang weit über den badischen Raum hinaus ins gesamte Reichsgebiet, nachdem „Das Konstanzer Kur- und Hallenschwimmbad“ sogar die Titelseite des „Zentralblattes der Bauverwaltung“ (Heft Nr. 27) vom 5. Juli 1939 zierte und Oberbaurat Friedrich Hübinger sein Werk in einem Artikel präsentieren konnte. „Zentralblatt der Bauverwaltung vereinigt mit Zeitschrift für Bauwesen“, Heft 27, 1939 Schon 1938 war das Projekt im Rahmen des „Ersten Deutschen Turn- und Sportfestes“ in Breslau mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden. Und wenn die Olympischen Spiele in Helsinki 1940 138 Ilse Friedrich nicht kriegsbedingt abgesagt worden wären, hätte man Hübingers Bau vermutlich sogar zusammen mit anderen prämierten Arbeiten in der deutschen Abteilung einer begleitenden Kunstausstellung ausgestellt - war doch bereits anlässlich der vorangehenden Spiele von 1936 in Berlin ein Wettbewerb unter deutschen Künstlern auf allen Gebieten der Kunst ausgeschrieben worden. So aber blieb es bei der Breslauer Auszeichnung, welche die „Bodensee-Rundschau“ am 22. Juli 1938 voller Stolz so kommentierte: 9 Für uns Konstanzer dürfte es eine höchst bemerkenswerte und erfreuliche Tatsache bedeuten, daß Oberbaurat Friedrich Hübinger der erste 1. Preis für seine im Zusammenhang mit dem Sport stehende bauliche Leistung , das Konstanzer Kur- und Hallenbad, zuerkannt wurde. [...] Schon die Auszeichnung der im Verhältnis zu der letztgenannten Sportstätte wesentlich weniger umfangreichen Bauaufgabe des hiesigen Kur- und Hallenbades mit dem 1. Preis beweist, wie hervorragend unser Bad von den Preisrichtern beurteilt wurde, und wir dürfen stolz darauf sein, dass der Schöpfer dieser wundervollen Anlage Mitbürger unserer Stadt ist, und daß wir Konstanzer in unserem Bad einen Bau bester deutscher Baugesinnung besitzen dürfen. [...] Unser Glückwunsch und Dank gebührt daher in erster Linie Oberbaurat Hübinger, der es dank seines künstlerischen und architektonischen Könnens und Feingefühls verstand, mit größter Sparsamkeit und geringstem Aufwand eine Höchstleistung der Architektur zu schaffen. [...] An dieser Stelle sei es nicht vergessen, daß ohne die Tatkraft und Persönlichkeit unseres Oberbürgermeisters es Baurat Hübinger nicht vergönnt gewesen wäre, diese Auszeichnung entgegennehmen zu dürfen. Sein klarer Blick für das Wohl und die Entwicklung unserer Stadt war es, dem wir das Bad zu verdanken haben, und jeder, der an diesem großen Werk mitarbeiten durfte, konnte fast täglich Zeuge sein, wie sehr Oberbürgermeister Herrmann sich um die Fortschritte seines Kur- und Hallenbades kümmerte und wie viele Anregungen ihm und seiner sportliebenden Gattin zu verdanken sind. Das Konstanzer Hallenbad fand im Nu im ganzen Reich Beachtung; beim Städtischen Hochbauamt gingen von überall her, sogar aus der benachbarten Schweiz, zahlreiche Wünsche nach Planunterlagen und Anfragen für Besichtigungen ein - wie zum Beispiel durch die Reichsleitung der NSDAP München, das Finanzministerium Karlsruhe, die Hochbauämter Freiburg, Kaiserslautern und Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 139 Zürich, die Bäderverwaltungen Karlsruhe, Stuttgart, St. Gallen und die Handwerkervereinigung Bern. Architekt Friedrich Hübinger (1885-1965) Schon 1910 war der noch junge Architekt Friedrich Hübinger im Stadtbauamt in der Abteilung Hochbau eingestellt worden, und zwar auf Veranlassung des Architekten Paul Jordan, der seit 1904 das Städtische Hochbauamt leitete und in Konstanz zahlreiche bemerkenswerte architektonische Bauten hinterlassen hat. Friedrich Hübinger war am 11. Juli 1885 in Bingen geboren worden und hat, wie seinem Lebenslauf vom 4. November 1933 10 zu entnehmen ist, seine Ausbildung an der Hessischen Baugewerkeschule in Bingen 1903 erfolgreich absolviert. Danach sammelte er erste Berufserfahrungen in einem Wiesbadener Architekturbüro (Fabry und Langerod). Nach dieser Baupraxis studierte er von 1904 bis 1910 an der Technischen Hochschule Darmstadt weiter - aufgrund von häufigen Unterbrechungen durch erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben (zum Beispiel ein 1. Preis in Saarbrücken, ein 3. Preis in Hannover) jedoch ohne akademischen Abschluss. Es ist durchaus anzunehmen, dass er in Darmstadt den damals einflussreichen Jugendstil-Architekten Joseph Maria Olbrich und Peter Behrens auf der 1901 gegründeten Künstlerkolonie Mathildenhöhe näher gekommen ist. Auch in Konstanz konnte er seine Wettbewerbstätigkeiten - häufig erfolgreich und wohl mit Wissen von Amtsleiter Jordan - weiterführen und mit der Begründung rechtfertigen, um mich beruflich auf der Höhe zu halten, auch um immer wieder neuen Maßstab für die Leistungsfähigkeit zu haben. Im zitierten Lebenslauf schrieb Hübinger selbstbewusst unter Verweis auf andere, nicht akademisch ausgebildete Architekten wie zum Beispiel Heinrich Tessenow, dass für den Erfolg allein maßgebend ist die Veranlagung und nicht die Art des Studiums. Bei dieser Gelegenheit forderte er auch ganz unverhohlen, bei der Beurteilung meiner Besoldung [...] in erster Linie zu berücksichtigen die Leistungen im Dienste der Stadt Konstanz nach 23 Jahren. 11 Wie beeindruckt Friedrich Hübinger vom Archi- 140 Ilse Friedrich tekten Tessenow war, veranschaulicht sein eigenes Wohnhaus, das er 1930 an der Beethovenstraße 38 in Konstanz erbaut hatte und das im Grunde bis heute unverändert erhalten geblieben ist. Das kleine zweigeschossige Gebäude mit einem hohen Satteldach orientiert sich an der Einfachheit und Bodenständigkeit der Reformarchitektur des großen Vorbildes. Nach dem Ersten Weltkrieg, der Inflation und der Währungsreform 1924 hatte es sich der Weimarer Staat zur Aufgabe gemacht, den Wohnungsbau zu reformieren und für alle Bürger angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Tessenow engagierte sich speziell beim Kleinstwohnungsbau und gewann mit seinen sachlichen und schlichten Einfamilienhäusern schnell Einfluss. Auch Friedrich Hübinger hatte schon 1926 am Wettbewerb „Kleinstwohnungen“ des Badischen Arbeitsministeriums teilgenommen und sein Beitrag, der sich an Tessenows Klarheit orientierte, wurde erfolgreich mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Mithin waren die planerischen Grundlagen für die ab 1935 gebaute Kleinsiedlung im Haidelmoos auf der zwangseingemeindeten Gemarkung von Wollmatingen vorhanden und abrufbar. Insofern konnte auch Konstanz einen Nachweis bei der Erfüllung des NS- Wohnungsbauprogramms liefern; nach der Trockenlegung des Moores wurden die ersten 50 Einfamilienhäuser erbaut, jeweils mit einem Obst- und Gemüsegarten zur Selbstversorgung. Mit der überraschenden Versetzung von Paul Jordan in den Ruhestand am 1. September 1931 konnte Baurat Friedrich Hübinger dann endlich seine beruflichen Ambitionen befriedigen, wurde er doch zum Leiter des Städtischen Bauamtes ernannt. Kurz darauf jedoch wurde sein Ehrgeiz durch die Entlassung im Rahmen des am 7. April 1933 verabschiedeten „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ nochmals gebremst und sein Gehalt wurde mangels eines akademischen Abschlusses sogar zurückgestuft. Der maßgeblich an der Stadtentwicklungspolitik beteiligte und von Oberbürgermeister Herrmann geschätzte Amtsleiter war wohl eher politisch neutral, aber ganz und gar auf seine Arbeit fixiert. Endlich, anlässlich der Feier zur Eröffnung des Kur- und Hallenbades am 31.-Oktober 1937 hatte Oberbürgermeister Hermann in seiner Rede Hübinger mit der Ernennung zum Oberbaurat ausgezeichnet: 12 Ehre insbesondere gebührt dem Architekten, der den schöpferischen Ge- Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 141 danken in die Tat umgesetzt hat. Baurat Hübinger, der nicht zum ersten Male sein Können durch die Tat unter Beweis gestellt hat, erhält in Anerkennung seiner besonderen Verdienste an seinem heutigen Ehrentage die Dienstbezeichnung Städtischer Oberbaurat. Am 16. Dezember 1937 erhielt er vom Oberbürgermeister die begehrte Ernennungsurkunde - verbunden mit einer rückwirkenden Gehaltserhöhung ab „dem 20. April des Jahres, dem Geburtstag des Führers“. Noch unter der Amtsleitung von Paul Jordan hatte Hübinger überdies beträchtlichen Anteil an der Gestaltung des Hindenburgblocks sowie dem Ausbau des Allmannsdorfer Wasserturms zur Jugendherberge mit ihrem Erweiterungsbau gehabt. Allein verantwortlich war er für den Umbau des Stadttheaters 1934, die Gestaltung des Bodensee-Stadions 1935, den Umbau der sogenannten Patronentasche am Konzilsgebäude 1937, und bis nach Kriegsende für den Bau der Städtischen Frauenklinik (1937-1946) und des Infektionskrankenhauses 1951. Ganz offensichtlich musste er sich gegen parteipolitische Neider wehren und so trat der leidenschaftliche Architekt - wohl der Karriere wegen - am 1. Mai 1938 in die NSDAP ein und datierte sein Eintrittsdatum sogar auf den 1. Mai 1937 vor. Demzufolge blieb Friedrich Hübinger nach Kriegsende im November 1945 die Dienstenthebung durch die französische Militärregierung Badens und die Einstellung der Zahlung seiner Dienstbezüge nicht erspart und er musste sich einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Zwar konnte Hübinger ein Jahr später im November 1946 seinen Dienst wieder aufnehmen, jedoch wurde das Verfahren der politischen Reinigung erst im Mai 1948 abgeschlossen. Vom badischen Staatskommissariat für politische Säuberung in Freiburg wurde er in die Gruppe der „Mitläufer“ eingestuft; Sühnemaßnahmen wurden gegen ihn nicht ausgesprochen. Der Einschnitt in seine berufliche Laufbahn war erheblich; zwar konnte „der verdiente Jubilar“ 1950 - kurz vor seiner Pensionierung - noch sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern, aber an sein „hochgeschätztes Wirken und seine ausgezeichneten Leistungen“ 13 aus den Vorkriegszeiten nicht mehr anschließen. Am 9. April 1965 ist Friedrich Hübinger gestorben und in Konstanz zu Grabe getragen worden. 142 Ilse Friedrich Kunst am und im Bau Ganz allgemein war „Kunst am Bau“ auch im NS-Regime ein willkommener und integraler Bestandteil beim Bauen, denn Maßnahmen der öffentlichen Hand stehen immer besonders im Blickfeld der Bevölkerung und Kunst kann so an exponierten Stellen als Mittel der politischen Propaganda eingesetzt werden. Es ist bemerkenswert, dass trotz der engen finanziellen Situation das Kur- und Hallenbad vielfältig künstlerisch ausgestaltet werden konnte. Dazu äußerte sich Baurat Hübinger in einem Schreiben an Oberbürgermeister Herrmann am 18. März 1935 wie folgt: Bei der Erstellung des Hallenbades können bildende Künstler nur in bescheidenem Umfang beschäftigt werden. Es ist ja selbstverständlich, dass ein Schwimmbad nicht besonders geeignet ist für Malereien und Bildhauerarbeiten. Es wurde von uns bei Aufstellung des Entwurfs daran gedacht, in vertretbarem Maße bildende Künstler heranzuziehen. So ist beabsichtigt, den Ostgiebel des Hauses mit einem Mosaik oder einer Freskomalerei zu schmücken. Weiter ist geplant, bei der großen Eingangshalle ein Fresko oder eine Malerei zur Ausführung zu bringen. 14 Auch wenn es reserviert klingt, dachte Hübinger schon früh an die vielen beschäftigungslosen Künstler und wollte die Forderung nach „Kunst am Bau“ gleichwohl erfüllen. Förmliche Anfänge von Maßnahmen in diesem Rahmen gehen auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück, um die vielen in Not geratenen Künstler zu unterstützen. Im „Dritten Reich“ wurde die Beteiligung bildender Künstler und Handwerker an öffentlichen Bauten in einem Erlass vom 22. Mai 1934 durch den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda erneut aufgegriffen und es wurde bestimmt, dass bei allen Hochbauten (Neu-, Um- und Erweiterungsbauten) des Reiches, der Länder, der Gemeinden, [...] grundsätzlich ein angemessener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Aufträgen an bildende Künstler und Kunsthandwerker aufgewendet wird. 15 Dementsprechend wurden im Dezember 1936 acht Künstler - überwiegend aus dem Bodenseeraum, allen voran die aus Konstanz stammenden Kunstmaler Sepp Biehler und Karl Einhart - von Baurat Hübinger aufgefordert, sich an der künstlerischen Gestaltung des Ostgiebels zu beteiligen und uns bis zum 15. Januar 1937 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 143 einen geeigneten Vorschlag zu übersenden. [...] Es ist beabsichtigt, einen der aufgeforderten Künstler mit der Ausfertigung der Arbeit zu betrauen, jedoch dürfen der Stadt durch die Einreichung des Entwurfes keinerlei Verpflichtungen entstehen. 16 Die Kriterien für die Auswahl der Künstler bleiben unklar; möglicherweise wurden vor allem befreundete Künstler berücksichtigt. Die eingereichten Arbeiten waren in der Wessenberg-Galerie ausgestellt. Von einem Gremium aus Politikern und Fachleuten wurde am 12. März 1937 unter der Ägide von Oberbürgermeister Herrmann der Entwurf von Franz Rieger aus Mühlhofen am Bodensee mit großer Zustimmung ausgewählt. Obwohl zunächst an ein Wandgemälde in Freskotechnik gedacht worden war, wurde nun empfohlen, das Kunstwerk wegen der besseren Dauerhaftigkeit in Keramik auszuführen. Es soll versucht werden, den Künstler mit der Majolika-Manufaktur in Karlsruhe zusammen zu bringen. 17 Inwieweit dieser Vorschlag damit zusammenhing, dass der Entwurf des an der Majolika-Manufaktur angestellten Künstlers Gustav Heinkel abgelehnt worden war, kann aus den Archivalien nur erahnt werden. Der triumphierende Meeresgott Neptun wurde jedenfalls nach den Kartons von Franz Rieger in enger Zusammenarbeit mit Gustav Heinkel hergestellt und am Ostgiebel der Schwimmhalle angebracht. Aufrecht und kämpferisch, mit einer Lanze in der Hand, durchpflügt der nahezu acht Meter hohe Jüngling im wehenden blauen Mantel auf zwei Pferden das Wasser und soll den Aufbruch in eine neue Zeit symbolisieren. Die Majolika-Technik bringt mit ihrer plastischen Beschaffenheit einen vergröberten Realismus hervor, der zeittypisch erwünscht war. Die „Botschaft des Aufbruchs“ ist heute noch sowohl von der Rheinbrücke als auch von der Spanierstraße aus gut sichtbar. Die Vita von Franz Rieger (1895-1965) ist bislang wenig bekannt und konnte unlängst präzisiert werden. Er ist 1895 in München geboren - als rebellischer Sohn wohlhabender Eltern. Seit 1913 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in München. Am 16.04.1913 schrieb er sich dort für das Fach Zeichnen ein. Schon früh ging er die Verbindung mit seiner späteren Frau ein. 1915 wurde ein Sohn geboren, der aber als Säugling starb. Der damals 20-jährige Franz Rieger war darüber so verzweifelt, dass er alles Bisherige hinter sich lassen und nach Südafrika auswandern wollte. Seinen Eltern und Schwiegereltern 144 Ilse Friedrich ist es gelungen, das junge Paar davon zu überzeugen, dass ein Rückzug aus der „Welt“ auch in einem kleinen Dorf am Bodensee gelingen könnte. Sie kauften ihnen das noch heute „Riegerhaus“ genannte Bauernhaus in Uhldingen-Mühlhofen. Dort lebten die beiden von 1919 bis zu ihrem Tod. [...] Rieger arbeitete zunächst als Maler, aber da sich damit in dem ländlichen Umfeld schwer ein Lebensunterhalt verdienen ließ, lernte er zusätzlich das Handwerk des Kunstschmieds und wurde damit in einem weiteren Umkreis bekannt. [...] Ich habe Franz Rieger als alten Herrn mit einem ‚Charakterkopf ‘ in Erinnerung , dessen zierliche Gestalt in seltsamem Kontrast zu seiner starken Ausstrahlung stand. (Zu danken ist Frau Katharina Oesterhelt, einer Freundin der Enkelin des Künstlers. 18 ) In der langgestreckten Kassen- und Vorhalle konnte der im Wettbewerb unterlegene Gustav Heinkel vier Figurenbilder aus Majolika an beiden Längswänden anbringen: Links sitzt eine männliche Figur und rechts sieht man eine weibliche und zwei weitere stehen- Franz Rieger, Neptun, Majolika- Bild am Ostgiebel, 1937 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 145 de männliche Figuren. Die kraftvollen Körper der überlebensgroßen und halbnackten Athleten sind mit farbigen Tüchern umschlungen und stellen in ihrer systembezogen Mischung aus Antike und Klassizismus rassische Qualitäten in den Vordergrund. Mit ihrer kalten Feierlichkeit und übertriebenen Strenge präsentieren sie sich gleichsam als Wächter von Zucht und Ordnung. Der Künstler Gustav Heinkel (1907seit 1945 vermisst) durchlief zwischen 1923 und 1925 eine Lehrzeit als keramischer Maler in der Majolika-Manufaktur Karlsruhe, wo er im Modellieren, Malen und in Glasurtechnik ausgebildet wurde und bis 1944 tätig war. Heinkel arbeitete auf fast allen Gebieten der Keramik. Zu seinen wichtigsten baukeramischen Arbeiten zählen: 1932 die Hauskapelle des Bezirkskrankenhauses Forbach im Murgtal, 1935 die Landeskreditanstalt Karlsruhe und 1936 zusammen mit August Babberger, seinem Lehrer, die Ausschmückung des Schwimmstadions auf dem Reichssportfeld Berlin, wo Hübinger die Arbeiten des Künstlers anlässlich seiner Dienstreise im Juli 1936 kurz vor dem Beginn der Olympiade kennengelernt haben könnte, und nicht zuletzt 1937 das Hallenbad in Konstanz. 19 Mit dem fortschreitenden Baugeschehen entstand das Bedürfnis, auch die große Schwimmhalle mit bildlichem Schmuck zu versehen, um dem nüchternen Eindruck der gefliesten Halle zu begegnen. Wahrscheinlich weil der Konstanzer Sepp Biehler beim Kunst- Wettbewerb für den Giebel des Hallenbades leer ausgegangen war, Gustav Heinkel, Majolika-Figurenbilder in der Vorhalle, 1937 146 Ilse Friedrich wurde er auf Anregung des Hochbauamtes im Juli 1937 kurzfristig und direkt beauftragt, die geschlossene Nordwand der Schwimmhalle im verputzten oberen Bereich künstlerisch auszuschmücken. Dabei besann sich der Künstler auf seine Verwurzelung im Alemannischen und fertigte in linearem und dekorativem Stil sowie in handwerklicher Solidität Sgraffito-Arbeiten zum Thema Wasser an. Mit einem Neptun inmitten von Nixen, Fischen, Vögeln und Libellen knüpfte Biehler an volkstümliche Traditionen der Schweiz und Oberitaliens an und umging geschickt die übliche erwünschte politische Kodierung. Im Mai 1938 hatte Oberbürgermeister Herrmann überplanmäßig auch die künstlerische Ausschmückung des Café-Pavillons genehmigt. Abermals erhielt Sepp Biehler den Auftrag und veranschaulichte auf der Wand das Thema Freibad treffend und stimmig mit den drei allegorischen Figuren „Licht, Luft und Wasser“. Mit dieser Arbeit zeigte sich der Künstler von einer unbekannten Seite. Die drei Elemente treten in menschlicher Gestalt auf. Die halbnackten Körper sind von wehenden Stoffbahnen bedeckt und durch ihre Farbigkeit wird lediglich ihre Plastizität unterstrichen; weder gesunde kraftvolle Körper, gar rassische Qualitäten stehen im Blickfeld. Der männlich dargestellte Wind bläst und schwebt zwischen Wolken und verbindet die beiden aufrecht stehenden weiblichen Sepp Biehler, Sgraffiti in der Schwimmhalle, 1937 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 147 Figuren Wasser und Luft. Wiederum vermeidet der Künstler jede ideologische Symbolik, sondern begnügt sich mit einer unverfänglichen und dekorativen Malerei, die eine zweifelhafte Naivität ausstrahlt. Nach seiner Lehre in Konstanz zum Porzellanmaler begann Sepp Biehler (1907-1973) 20 ein Studium an der Kunstakademie Karlsruhe bei Professor Ernst Würtenberger und beendete es 1928. Schnell wurde er im süddeutschen Raum bekannt und konnte bereits ab 1930 nicht nur hier erfolgreich an Ausstellungen teilnehmen. Biehlers Kunst orientierte sich an der Malerei der „Neuen Sachlichkeit“. Schon 1937 hatte er sich mit den Wandgemälden „Die Entwicklung der Schifffahrt auf dem Bodensee“ im Gaststättenanbau am Konzil einen Namen gemacht. 1938 gründete er zusammen mit anderen Bodenseekünstlern (u. a. Fritz und Elisabeth Mühlenweg) die „Konstanzer Malergruppe 1938“, die freilich nur zwei Jahre Bestand hatte. Immerhin konnte die Gruppe in einer Ausstellung 1939 im Wessenberghaus in Konstanz eine größere Öffentlichkeit ansprechen und ihre Kunst bekannt machen. Ausnahmslos ist die künstlerische Ausstattung des Kur- und Hallenbades erhalten, befindet sich in einem guten Zustand und dokumentiert den damaligen Zeitgeist. Ihre Verwirklichung wurde nur durch die verbindlichen Zusagen von Spenden möglich; die drei bedeutendsten Konstanzer Firmen waren maßgeblich beteiligt: die Herosé Stoffdruckerei (1000 RM), die Max Stromeyer Lagerhausgesellschaft (5000 RM) und die Ludwig Stromeyer Zeltfabrik (5000 RM). Dadurch bekam die Kunst am Bau einen zusätzlichen bürgerlichen Bezug für die Öffentlichkeit. Sepp Biehler, Wandbilder im Pavillon, 1938 148 Ilse Friedrich Badebetrieb und Badewesen Betreiber des Kur- und Hallenbades waren unterschiedliche Ämter der Stadt: bis Ende 1955 das Hochbauamt, danach das Bauverwaltungsamt und ab Oktober 1980 das Sport- und Bäderamt, bis schließlich am 1. Juli 2003 die neugegründete BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH den Betrieb übernahm. Im ersten Betriebsjahr erfuhr das „1. Hallenbad am Bodensee“ mit seinen Kureinrichtungen so regen Zuspruch, dass die Badezeiten verlängert werden mussten. Sämtliche Erwartungen wurden übertroffen. Allein im Hallenbad, das zu dem Treffpunkt der Konstanzer geworden war, konnten 110.000 Besucher registriert werden, während es die Kurabteilung auf 4400 brachte. Da insbesondere die Jugend nach den Vorstellungen des Staates ertüchtigt werden sollte, waren noch vor der Eröffnung mit Schulen sowie Turn- und Sportvereinen Nutzungs- und Preisvereinbarungen abgeschlossen worden, nicht anders als mit Polizei und Wehrmacht sowie mit NS-Formationen. Mit dem Städtischen Hochbauamt wurden am 17. Mai 1938 sogar kostenlose Schwimmlehrkurse für die Lehrerschaft im Schwimmen, zwecks Erteilung des Schwimmunterrichts an die Schüler, 21 vereinbart; 22 Lehrpersonen nahmen das Angebot an. Zuvor noch war am 30. Juni 1937 das Friseurgeschäft an Ernst Dietrich verpachtet worden, den damaligen Obermeister der Friseurinnung. Der Friseursalon wird heute noch im Pachtverhältnis unter diesem Namen in vierter Generation geführt. Als am 9. Juni 1938 endlich das Rheinstrandbad und zwei Tage später das Café durch Konditormeister Jacobs in Betrieb genommen worden waren, vermeldete die Bodensee-Rundschau, dass mit der Eröffnung der Konstanzer Freibadanlage am Rhein die „Erholungsstätte im Mittelpunkt der Stadt“ komplett sei. Im Juli wurde ein Rekordbesuch des Freibades von 1300 Besuchern in nur zwei Tagen konstatiert. Ein gutes Jahr noch konnten die Einheimischen und die Fremden das fröhliche Badetreiben und die Freuden der neuartigen Bade- und Körperkultur genießen, ehe am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann. Trotzdem wurde die Euphorie kaum gedämpft und wegen der großen Nachfrage mussten im September 1941 die Öffnungszeiten der Kurabteilung sogar ausge- Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 149 dehnt werden. Trotz etlicher Schwierigkeiten wurde das Hallenbad während des Krieges nie ganz geschlossen, obwohl hin und wieder Einschränkungen hingenommen werden mussten. Aus Angst vor Luftangriffen wurde zum Beispiel über Verdunklungsmaßnahmen und das Anlegen von Deckungsgräben nachgedacht oder es gab vor allem Schließzeiten zum Einsparen von Kohle. Bedingt durch Personal- und Warenmangel konnte hingegen das Terrassen-Café in den Jahren 1942 bis 1945 nicht mehr betrieben werden. Erst nach Kriegsende wurde das Hallenbad durch die französische Besatzungsmacht geschlossen. Die dunklen Spuren in der Konstanzer Stadtgeschichte, welche die antisemitische Kommunalpolitik und die Arisierungswelle nach 1933 hinterließen, dürfen nicht vergessen werden. In der Bädergeschichte der Stadt wird dauerhaft die Schmach bleiben, dass Badeverbotsschilder für Juden an den Bädern aufgestellt wurden, auch wenn dabei anstelle von „Juden raus! “ maßvollere Aufschriften wie „Juden sind hier unerwünscht“ gewählt wurden. 22 Denn selbst der linientreue und umtriebige Verkehrsamtsdirektor Erwin Hildenbrand 23 verhielt sich zurückhaltender, wollte er doch den Fremdenverkehr in Konstanz nicht gefährden, sondern modernisieren und steigern. Am 12. November 1937 wurde die „Gefolgschaft“ des Kur- und Hallenschwimmbades auf Anordnung des Oberbürgermeisters mit der Weisung konfrontiert, dass Juden nicht im Kur- und Hallenbad aufgenommen werden durften. Verwaltungsdirektor Wilhelm Bühl, Leiter des Hauptverwaltungsamtes, ließ sich die Anordnung von allen Mitarbeitern bestätigen. 24 Am 27. Juli 1938 informierte Oberbaurat Hübinger den Oberbürgermeister wie folgt: Sportlehrer Schouven vom Kur- und Hallenbad berichtet uns heute, dass die Schwimmerin Hildegard Brücher, die im Turnverein Hellas im Einzelschwimmen und im Staffelschwimmen mit Erfolg tätig war, Nichtarierin ist. Ihre Mutter sei Jüdin. Hildegard Brücher ist Schülerin der Friedrich-Luisen-Schule. Wir bitten um Entscheidung , ob sie das Bad weiter besuchen darf. Wir machen noch darauf aufmerksam, dass an der Kasse des Kur- und Hallenbades ein Hinweis angebracht ist, dass Juden das Betreten des Bades nicht gestattet ist. 25 Dabei handelte es sich um keine Geringere als Hildegard Hamm-Brücher (1921-2016), die spätere „Grande Dame“ der bun- 150 Ilse Friedrich desrepublikanischen Politik; die sozial-liberale Politikerin stieg bis zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt auf. Nachdem sie erfahren musste, dass sie nach den Rassegesetzen „Halbjüdin“ sei, lebte sie ab 1937 im Internat Schloss Salem und bestand 1939 extern das Abitur am heutigen Ellenrieder-Gymnasium in Konstanz. Wie es scheint, wurde die Anzeige eher schleppend behandelt und mit der knappen Feststellung: Hildegard Brücher ist nicht mehr in Konstanz wohnhaft 26 , schließlich am 16. März 1939 zu den Akten gelegt. Geradezu anekdotenhaft wirkt dagegen die Meldung der Kreisleitung der NSDAP vom 26. Februar 1941 an Bürgermeister Leopold Mager: Auf Wunsch mehrerer Badegäste hat sich der technische Leiter des Hallenbades [...] bereit erklärt, sein Empfangsgerät für die Übertragung der Führerrede zur Verfügung zu stellen. Anfänglich haben sämtliche Badegäste aufmerksam der Rede gelauscht. Nach etwa 1/ 2 Stunde machten sich einige Jungens durch Unaufmerksamkeit und Lärm bemerkbar. Nachdem die Jungens von unserem Kreissportwart [...] zurecht gewiesen wurden, war wieder für eine kurze Zeit Ruhe. Den Jungens wurde scheinbar die Rede des Führers zu langweilig , weshalb sie es vorzogen lärmend in den Brauseraum zu gehen und dort ihren Lärm fortzusetzen. [...] Nachdem ich feststellen musste, dass diese Burschen den Kreissportwart [...] ausgelacht haben, bin ich dazwischen getreten. Etwa 2 bzw. 3 m von den Jungens weg haben sie auch mich ausgelacht, worauf ich dem einen dieser Jungens, der sich besonders frech benahm, eine runter gehauen habe. Die Burschen waren im Moment erstaunt, haben sich aber trotzdem nicht abhalten lassen sich weiterhin lustig über uns zu machen. Daraufhin habe ich die Polizei verständigt, um diese Burschen namentlich feststellen zu lassen. [...] Das Verhalten dieser vier Jungens [...] war derart undiszipliniert, dass ich die Bitte an Sie ausspreche, im Interesse der Badegäste des Hallenbades, diesen vier Jungens mindestens 1/ 4 Jahr Hallenschwimmbadverbot zu erteilen. 27 Auch diese Geschichte verläuft schnell im Sande, nachdem sich der kommissarische Kreisamtsleiter Herbst persönlich für zwei der „Burschen“ eingesetzt hatte, da einer von den Vieren HJ-Führer und ein brauchbarer Junge 28 ist. Im Gegensatz dazu waren die Beschwerden der Nachkriegszeit harmloser. So hatte eine Buchhalterin am 30. August 1950 bei Bürgermeister Hermann Schneider Klage geführt, dass sie sich in der knapp bemessenen Mittagspause im Rheinstrandbad nicht erholen könne: Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 151 ich wäre Ihnen so dankbar, wenn Sie dafür Sorge tragen würden, daß das so schreckliche Jazz-Gedudel in der Zeit von 12 - 2 h abgestellt würde. 29 Neubeginn 1945 Nach dem Einmarsch der Franzosen wurde das Kur- und Hallenbad tatsächlich im April 1945 auf Anweisung des Gouvernement Militaire geschlossen. Erst am 6. Dezember 1945 war das Bad wieder betriebsfähig, nachdem zuvor alle Mängel und Schäden hatten beseitigt werden müssen, die durch die kriegsbedingte Vernachlässigung verursacht worden waren. Auf der Liegewiese musste sogar ein Graben für eine Geschützstellung aufgefüllt und planiert werden. Die Bettelbriefe der Stadtverwaltung an die Besatzungsmacht nach Material und Brennstoff waren erfolgreich und schließlich wurde eine umfangreiche Holz- und Kohlelieferung zugesichert, so dass das Hallenbad im Januar 1946 seinen Betrieb wieder aufnehmen konnte. Nach der Wiedereröffnung wurde die Besucherzahl der Vorkriegszeit erreicht und sogar übertroffen; im Hitzesommer 1947 konnte ein Rekordbesuch von fast 100.000 Badegästen im Rheinstrandbad vermeldet werden. Die Konstanzer ließen sich ihre Badefreude nicht nehmen, auch wenn wegen des häufigen Brennstoffmangels immer wieder Beschränkungen bei den Öffnungszeiten sowie temporäre und auch längere Schließungen der Halle noch bis Ende 1948 hingenommen werden mussten. Doch die Verhältnisse stabilisierten und normalisierten sich und seit November 1949 lief der Badebetrieb wieder geregelt. Einen wichtigen Beitrag leisteten dabei die Schwimmer, die sich zunächst in dem ab Ende 1946 wieder zugelassenen Sportverein Vf L Konstanz in einer Schwimmabteilung zusammen schließen mussten, bis sie im Oktober 1951 den unabhängigen Verein „Schwimmklub Sparta Konstanz“ gründen durften. Die Konstanzer Schwimmer konnten als erste in Deutschland die erzwungene Isolation überwinden; das Bad hatte auch bei den Schweizern als Wettkampfstätte einen guten Ruf gehabt und hielt sein Renommee bis Mitte der 1960er Jahre im gesamten deutschen Schwimmsport. Aufgrund der guten Beziehungen im „Grenzland“ der Vorkriegszeit durften 152 Ilse Friedrich die Konstanzer erstmals nach dem Krieg am 5. November 1949 in Zürich an einem internationalen Wettbewerb teilnehmen und gegen die Mannschaften des Schwimmclub Zürich und des Club Natation Mulhouse/ Elsass schwimmen. 1949 konnte in Konstanz sogar der Erste Internationale Schwimmstädtevergleich ausgetragen werden; am Start waren neben den Teilnehmern aus Konstanz die Schwimmfreunde aus Kreuzlingen, Rorschach, Schaffhausen und Friedrichshafen. Konstanz konnte sich deswegen zugutehalten, Deutschland den Weg in den Dachverband „International Swimming Federation“ (FINA) geebnet zu haben. Weitere erwähnenswerte Ereignisse waren im März 1956 die deutschen Meisterschaften im Kunstspringen vom Ein-Meter-Brett vor insgesamt 1300 Zuschauern und im November 1962 ein Jubiläumswettkampf anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Kur- und Hallenbades. In dem Maße jedoch, wie auch andere Städte ihre teils kriegszerstörten Anlagen wieder aufgebaut hatten bzw. in wettbewerbsgeeignete Schwimmhallen investierten, ging der Vorsprung der Konstanzer Einrichtung nach und nach verloren, sodass sie leider zunehmend geringgeschätzt wurde. Auf und Ab In den 1970er Jahren geriet das Hallenbad aufgrund fortwährender Vernachlässigung bei der erforderlichen Bauunterhaltung und bei der Modernisierung wegen gestiegener Ansprüche der Badegäste mehr und mehr in die Kritik. Die Wasser- und Elektroinstallationen waren in einem bedenklichen Zustand und die hygienischen Zustände im irisch-römischen Bad wurden vom staatlichen Gesundheitsamt Konstanz beanstandet. Vor allem aber war dem Kur- und Hallenbad mit dem 1975 in Betrieb gegangenen Freizeitbad Jakob eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen und es musste ein Besucherrückgang von über 70 Prozent verkraftet werden. Kostentreibend waren vor allem die höheren Personal- und Energiekosten, die eine unausgeglichene Bilanz bei den Betriebskosten nach sich zogen. Die Unterdeckung in Höhe von über einer halben Million DM konnte nicht abgebaut werden. Dennoch leistete der Gemein- Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 153 derat 1977 zum 40. Jubiläum des Bestehens des Kur- und Hallenbades einen mutigen Beitrag und sprach sich einstimmig für den Erhalt des Bades aus. Zugleich wurde ein Sanierungskonzept mit Gesamtkosten von nahezu zwei Millionen DM beschlossen. Über einen Zeitraum von sechs Jahren sollte das Bad entsprechend den neuesten Erkenntnissen im Bäderbau und den aktuellen technischen Möglichkeiten saniert werden. Ausgeführt wurden unter anderem die Erneuerung der Wasserversorgung für den Dusch- und Sanitärbereich, die Automatisierung der Heizanlage, die Neugestaltung der Duschräume und der Umkleidebereiche, der Einbau einer Fußbodenheizung und die Erneuerung der Fenster in der Schwimmhalle. Als 1981 das neue Schwaketenbad (im Juli 2015 komplett abgebrannt) in Wollmatingen eröffnet wurde und mit modernsten Standards aufwarten konnte, musste das altgediente Bad am Seerhein mitten im Sanierungsprozess schon wieder Einbußen bei den Besucherzahlen hinnehmen. Die chronische Unterdeckung war auf nahezu eine Million DM angestiegen und 1982 stand dann sogar die Forderung nach einer Privatisierung im Raum, die jedoch abgelehnt wurde, so dass das Sanierungsprogramm ab 1984 weiter geführt werden konnte. Der Überlebenskampf des Kur- und Hallenbades ging weiter, denn seit Mitte der 1980er Jahre wurde im kulturellen Oberzentrum Konstanz öffentlich über den Neubau einer Konzerthalle diskutiert. Denn als im Sommer 1978 die letzten französischen Stationierungsstreitkräfte aus dem Kasernenareal des vormaligen Klosters Petershausen abgezogen waren, hatte sich eine „Jahrhundertchance“ für die Stadtentwicklung eröffnet: 1979 wurde bundesweit ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, das jahrhundertelang abgeschlossene Gelände für die Bürger zu öffnen und rechtsrheinisch eine „neue Mitte“ zu schaffen (mit Verwaltungs-, Dienstleistungs-, Freizeitsowie sozialen und kulturellen Einrichtungen nicht nur für den Stadtteil Petershausen, sondern für die Gesamtstadt). Im Siegerentwurf wurde als willkommener Standort für ein repräsentatives Konzerthaus das Quartier zwischen Benediktinerplatz und Rhein, auf dem Gelände des Kur- und Hallenbades und des Rheinstrandbades empfohlen. Das Schicksal der Badeanlagen schien besiegelt. Aber im Februar 1986 beschloss 154 Ilse Friedrich der Gemeinderat zwar mit deutlicher Mehrheit als Standort für die Konzerthalle den Bereich zwischen Benediktinerplatz und Spanierstraße, sprach sich jedoch zugleich gegen den Abbruch des Kur- und Hallenbades und des Rheinstrandbades aus. Schließlich wurde 2001 dieser Standort zugunsten eines Kongress- und Konzerthauses auf Klein Venedig ganz aufgegeben. Das Sanierungsprogramm konnte wieder aufgenommen werden; allerdings musste die Schwimmhalle für elf Monate, vom Mai 1986 bis April 1987, wegen Einsturzgefahr der Hallendecke geschlossen werden. Wegen der unbefriedigenden Sitaution wurde auf Feierlichkeiten anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Bades am 31. Oktober 1987 verzichtet. Immerhin wurde den Badegästen die gesamte Woche über freier Eintritt gewährt. Denkmalschutz und Weiternutzung Seit einigen Jahren sind Bauten aus der NS-Zeit ebenfalls Gegenstand von Denkmalschutz und Denkmalpflege. Seit 1989 wird auch das Kur- und Hallenbad in der Denkmalliste der Stadt Konstanz geführt - entsprechend § 2 Denkmalschutzgesetz (DSchG) als Sachgesamtheit (Gebäudegruppen und Freiflächen). Die Begründung des Landesdenkmalamtes lautet kurz und bündig: An der Erhaltung der qualitätsvoll gestalteten Schwimmbadanlage besteht wegen ihrer architekturgeschichtlichen Bedeutung und ihrer stadtbaukünstlerisch prägenden Position aus wissenschaftlichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse. 30 Bei der Rettung des Badeensembles hatte die Denkmalpflege bis dato nicht mitgewirkt. Die Unterschutzstellung bedeutete aber, dass nunmehr alle Pflege- und Baumaßnahmen auch in Absprache mit der Denkmalpflege fachlich begleitet und genehmigt werden mussten. Beispielsweise wurde im Juni 2013 eine Photovoltaik-Anlage mit Solar-Modulen auf dem Dach der Schwimmhalle aus denkmalschutzrechtlichen Gründen abgelehnt, da nicht nur eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebäudes selbst, sondern der gesamte Eindruck des Gebäudeensembles - insbesondere vom Rheinsteig her gesehen - erheblich gestört worden wäre. Zuvor war 1991 im Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 155 Rahmen der Fassadenrenovierung der „Neptun“ am Ostgiebel gereinigt und gesichert worden, denn einige der Majolika-Platten hatten sich gelöst und drohten herabzufallen. Und im Jahr 2014 wurden die Wandbilder von Sepp Biehler im Pavillon-Café unter denkmalpflegerischer Begleitung konservierend (Reinigung) und restaurierend (Festigung der Malschicht) behandelt und gesichert. Schlussendlich wurde im Oktober 1990 nach der Ausarbeitung der Konzeption durch das Sport- und Bäderamt definitiv von der Aufgabe des Kur- und Hallenbades Abstand genommen und dagegen eine Verpflichtung zu seiner Erhaltung eingegangen. Die Halle wurde auf eine Benutzung durch den Schul- und Vereinssport beschränkt, denn der Bedarf der Vereine war überdurchschnittlich gewachsen. Mit der Unterzeichnung entsprechend langfristiger Nutzungsverträge mit dem Schwimmklub Sparta Konstanz und der DLRG-Ortsgruppe Konstanz war die Schwimmhalle unverzichtbar geworden. Das Rheinstrandbad wurde als Alternative zu den peripher gelegenen Freibädern weiter gepflegt und das Pavillon- Café „Rheinterrasse“ in Richtung Ganzjahresbetrieb ausgebaut. So musste auch 2003 das Vorhaben, in der Schwimmhalle ein Rock- Café einzurichten, scheitern. Als im Juli 2007 die neue Bodensee- Therme eröffnet worden war, wurden die Dusch- und Wannenbäder, die medizinische Abteilung und das irisch-römische Dampfbad endgültig geschlossen. Mit dem Wegfall der „Kuranlagen“ wurde im September 2007 das Kur- und Hallenbad konsequenterweise in „Hallenbad am Seerhein“ umbenannt. Widerständige Bürger hatten dennoch erreichen können, dass die Schwimmhalle in geringem Umfang bis Ende der Saison 2010/ 2011 einige Stunden pro Woche weiter allen Badegästen offen stand. Für die Bauzeit des neuen Schwaketenbades wurde der öffentliche Badebetrieb wieder aufgenommen. Im Sommer 2012 konnten das Hallenbad am Seerhein und das Rheinstrandbad den 75-jährigen Geburtstag begehen. Dieses erfreuliche Ereignis wollte die Bädergesellschaft Konstanz (BGK) zusammen mit der Bevölkerung feiern und gewährte eine ganze Woche lang, vom 14. bis zum 21. Juli 2012, für nur 75 Cent Eintritt ins Bad. Im Rahmen der Aktionswoche konnten sich die Vereine, allen voran die DRLG, präsentieren und ihre tägliche Arbeit der Bevölkerung näher bringen. 156 Ilse Friedrich Ausblick Der 80. Geburtstag des ehemaligen Kur- und Hallenbades im Jahr 2017 wurde zwar nicht gefeiert, aber immerhin hatten das Kulturbüro der Stadt Konstanz und die Bädergesellschaft Konstanz (BGK) kooperiert und eine spektakuläre Kunstaktion im Rheinstrandbad auf den Weg gebracht. Der Konstanzer Künstler Markus Brenner hatte eine Installation mit dem sinnigen Titel „Oben schwimmen“ initiiert. Fünf große Folienwände - jede einzelne acht Meter breit und drei Meter hoch - waren an weit im Wasser stehenden Dalben befestigt worden. Darauf waren jeweils Fotos von Forellen in „Badeanzügen“ zu sehen, die in unterschiedliche Haute-Couture-Stoffe einer weltbekannten Sankt Galler Textilfirma gekleidet waren, nur eine im Feinripp tanzte - ungeschliffen - aus der Reihe. Die Folien waren von beiden Seiten bedruckt, so dass die „Porträts“ in den öffentlichen Raum hinein wirken konnten und umgekehrt von überall her zu sehen waren - vom Rheinstrandbad, vom Rheinsteig auf dem gegenüberliegenden Ufer und von den beiden Brücken. Dem 1963 geborenen Licht- und Videokünstler ging es nicht nur um das Absurde oder Abwegige; denn bekanntlich werden gerade Forellen als Indikatoren für sauberes Trinkwasser genutzt, sie sind folglich untrügliche Boten des Zustandes unserer Gesellschaft. Markus Brenner, Installation „Oben schwimmen“, 2017 Das Kur- und Hallenbad am Seerhein 157 Im Jubiläumsjahr wollte und konnte die Bädergesellschaft an die Aktivitäten von „Kunst am Bau“ aus der Erbauungszeit anschließen und in den öffentlichen Raum ausweiten. Gleichzeitig gab die nur temporäre Kunstintervention mit dem hoffnungsgeladenen Motto „Oben schwimmen“ enormes Vertrauen und Zuversicht, dass das ständige Auf und Ab nun überstanden sei und zukünftig dem Hallenbad neuerliche Anfechtungen und Gefährdungen erspart bleiben werden. Die Konstanzer müssen nicht mehr um den Erhalt der außergewöhnlichen Badeanlagen bangen, denn ohne Zweifel werden das Hallenbad am Seerhein und das Rheinstrandbad nach wie vor zu den beliebtesten Badeplätzen in Konstanz gehören. Anmerkungen 1 StadtA KN SXXX IV, Ordner Kur- und Hallenbad-Ordner bis 1985, Bodensee-Rundschau vom 7. November 1937. 2 Zur Biografie von Albert Herrmann (1892-1977) vgl. Klöckler, Jürgen: Herrmann, Gustav Adolf Albert, in: Baden-Württembergische Biographien. Hg. von Fred Ludwig Sepaintner. Band V, Stuttgart 2013, S. 159 ff. 3 StadtA KN S II Fasz. 13143 Grenzlandnöte und Grenzlandaufgaben in der Stadt Konstanz (1934). 4 StadtA KN S II Fasz. 2359 Volks- Hallenu. Schwimmbad. 5 Ebd. Anmerkung: Ernst Sachs (1867-1932) spendete jedoch 20.000 RM zum Bau des Wasserturms mit Jugendherberge auf der Allmannshöhe - wie dort eine Tafel bestätigt. 6 Ausführliche Chronologie der Bau- und Nutzungsgeschichte in: 75 Jahre Hallenbad am Seerhein/ Rheinstrandbad, Geschichte & Entwicklung, Broschüre der BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, 2012. 7 StadtA KN S II Fasz. 2655 Errichtung Kur- und Hallenbad. 8 Ebd. 9 StadtA KN S XIX, Personalakte Fritz Hübinger. 10 StadtA KN S XIX, Personalakte Fritz Hübinger, Lebenslauf vom 4. November 1933 im Rahmen des am 7. April 1933 verabschiedeten „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Zur Biografie vgl. weiter: Klöckler, Jürgen: Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, 43) Ostfildern 2012, S. 150 ff. 11 Lebenslauf vom 4. November 1933, ebd. 12 StadtA KN S XIX, Personalakte Fritz Hübinger, Bodensee-Rundschau vom 7. November 1937. 13 StadtA KN S XIX, Personalakte Fritz Hübinger, Schreiben Oberbürgermeister Knapp vom 5. Juli 1950. 14 StadtA KN S II Fasz. 2655 Errichtung Kur- und Hallenbad. 158 Ilse Friedrich 15 Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, Berlin 2011. 16 StadtA KN S II Fasz. 2369 Bemalung Ostgiebel und S VI Fasz. 282 Künstlerische Ausstattung. 17 Ebd. 18 E-mail an die Verfasserin vom 16. Januar 2020 von Frau Katharina Oesterhelt, Königswinter. 19 Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.): Karlsruher Majolika. Führer durch das Museum in der Majolika-Manufaktur, Karlsruhe 1992. 20 Zur Biografie vgl: Dürr, Hans: Biehler, Sepp, in: Badische Biographien, NF, Bd. I. Hg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1982, S. 52 ff. 21 StadtA KN S II Fasz. 2674 Badewesen Kur- und Hallenbad. 22 Vgl. dazu weiter Klöckler (wie Anm. 10) S. 302-305. 23 Zur Biografie von Erwin Hildenbrand (1906-1943) vgl. ebd. S. 248-251. 24 StadtA KN S II Fasz. 2674 Badewesen Kur- und Hallenbad. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Akten der Unteren Denkmalschutzbehörde, Stadt Konstanz. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht Zuerst Ausflugslokal des Johann Georg Jakob, dann Strandbad Jakob und heute Bodensee-Therme g eorg g eiger „Wer große Pläne hat nehme sich die Zeit“, rät schon der griechische Dichter Sophokles. Diesem Rat folgend hat man sich in Konstanz auch Zeit genommen, um an einem exponierten Uferabschnitt der Konstanzer Bucht die im Jahr 1890 gegründete Tradition des öffentlichen Badens qualitätsvoll ins 21. Jahrhundert zu führen. Der Name Jakob und die Eselswiese Schon vor über 600 Jahren schienen die Konstanzer Bürger und Bürgerinnen als auch die Fremden die herrliche Lage am Rande des Eichhornwaldes (heute Lorettowald), mit freiem Blick über die weite Fläche des Sees zu schätzen. Das Gelände und die Bucht waren relativ frei zugänglich und der heutige Baumbestand beruht auf Anpflanzungen, die im wesentlichen erst in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts vorgenommen wurden. Ausflugslokale soll es draußen am Eichhorn gegeben haben, in denen die in ihrer mittelalterlichen Stadt eingeengten Konstanzer mit ihren Familien und Freunden die Natur genießen wollten. Am Südrand des Eichhornwaldes bewohnte der aus Staad stammende Fischer und Rebmann Johann Georg Jakob mit seiner Familie ein Bauernhaus von bescheidener Größe. Dieses hatte er nach der Säkularisation samt umliegender Wiesen und Weinberge erworben. Anfang Mai 1823 erhielt Johann Georg Jakob nach mehreren Bittgesuchen die Genehmigung zum Betrieb einer „Buschwirtschaft“. Diese im heutigen Sinne als Besen- oder Straußwirtschaft zu bezeichnende Weinwirtschaft „Jakob“ wurde an der Stelle des seit 1888 im Besitz der Spitalstiftung Konstanz befindlichen „Waldhaus Jakob“ eröffnet. 160 Georg Geiger Johann Georg Jakob schenkte in seiner Wirtschaft seinen eigenen, den um das Wohnhaus und das Wirtschaftsgebäude angebauten Wein aus. Den Berichten der damaligen Zeit kann man entnehmen, dass sich auch Gäste bei ihm einfanden, „welche die Ruhe und den Frieden des Hauses und die herrliche Natur der ganzen Umgebung mit dem prächtigen Ausblick auf die unendlichen Weiten des blauen Sees und dem gegenüberliegenden Ufer mit der dahinter sich auftürmenden Bergwelt längere Zeit zu genießen wünschten.“ 1 Die später als „Eselswiese“ bezeichnete Fläche war bis ins 20. Jahrhundert noch Rebland. Auch hatte die Familie Jakob am Seeufer einen Bootssteg, denn die Besorgungen in der Stadt erledigten er und sein Sohn Josef in der Regel mit dem Segelboot. Mangels Nachfolge veräußerte nach 65-jähriger Tradition die Witwe Barbara Jakob den gesamten Besitz an die Konstanzer Spitalstiftung. 2 Die Namen „Waldhaus Jakob“, Bootslandungssteg „Jakob“ und „Seebadeanstalt Jakob“ leiten sich vom Familiennamen des ersten Besitzers der Wirtschaft am Rande des Eichhornwaldes her. Im Besitztum der Spitalstiftung erfuhr das „Jakob“ eine wechselvolle Geschichte. Das 1895 völlig abgebrannte Gebäude wurde als Gaststätte und Hotel wieder aufgebaut und zwei Jahre nach dem verheerenden Brand eröffnet. Das von dem Gastronomen Adolf Markstaller gepachtete neuerbaute „Waldhaus Jakob“ brachte dem Konstanzer Fremdenverkehr starke Impulse. Markstaller war ein vorausschauender Gastronom. Er war es auch, der um die Jahrhundertwende eine vom badischen Großherzog Friedrich-I. (1826-1907) geäußerte Idee wieder aufgriff, auch beim „Jakob“ einen Dampfschifflandungssteg zu bauen. Seine Gäste sollten nicht nur zu Fuß, zu Pferd oder mit Kutsche kommen, sondern als besondere Attraktion auch mit dem Dampfschiff. Bereits am 11. Juli 1902 erfolgte die Einweihung des von der Großherzoglichen Badischen Eisenbahn gebauten Landungssteges vom Konstanzer Oberbürgermeister Dr. Franz Weber mit großem Pomp und einem prächtigen Feuerwerk. Noch im Herbst desselben Jahres legte man auf der Ostseite des Steges einen Gondelhafen an. 3 Während Touristen und Einheimische sich nur bis zum Kriegsausbruch am Gondele erfreuen durften, sind das „Waldhaus Jakob“ und das benachbarte Bad immer noch über den attraktiven Seeweg erreichbar. Längst wurde der massive Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 161 Holzsteg durch einen schlanken, auf Betonpfählen ruhenden und im Besitz der Stadtwerke Konstanz GmbH befindlichen Steg ersetzt. Seit 1910 wurde er - mit Unterbrechung während der Kriegszeiten - mit der Linie Hafen - Waldhaus Jakob von dem Motorbootbetrieb der Stadtwerke Konstanz angefahren. Seit 1982 fährt die private Personenschifffahrt Wilfried Giess in den Sommermonaten regelmäßige Kursfahrten. Nach der Eröffnung der Bodensee-Therme 2007 wurde der bereits nach der Stegeröffnung 1905 eingeführte Dreieckskurs von Konstanz Hafen über die Seestraße zum Jakobssteg, den Konstanzer Trichter querend auf die Schweizer Uferseite nach Bottighofen und zurück in den Konstanzer Hafen wieder aufgegriffen. Die dazu erforderliche Konzession haben die Stadtwerke mit großer Unterstützung des Gemeindeammanns Urs Siegfried von Bottighofen bei der Schweizer Bundesverwaltung in Bern erfolgreich beantragt und damit die Firma Giess beauftragt. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ließ den Gästestrom versiegen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts diente das Gebäude als Lazarett, Erholungsheim und Hotel mit geringem wirtschaftlichem Erfolg. Mit dem Wirt des Gasthauses „zum Elefanten“ wurde 1962 ein neuer Pächter gefunden. Die Familie Stark lockte mit viel Energie und Ausdauer die Konstanzer wieder in die Gaststätte und den Biergarten. Unter großen Schwierigkeiten gelang es ihr auf der westlich von den Gebäuden vorgelagerten Wiesenfläche, der ehemaligen Rebfläche, ein Reitgehege für Kinder und Jugendliche einzurichten. Gestartet wurde mit zwölf Eseln, die mit der Zeit durch Ponys und Pferde ersetzt wurden. Der Stall befand sich im Wirtschaftsgebäude. Das Reitgehege fand bei der Konstanzer Bevölkerung großen Anklang. Viele Kinder und Jugendliche verbrachten ihre Freizeit beim Reitgehege. Nach dem Tod von Fritz Stark endete 1987 das Pachtverhältnis mit der Spitalstiftung. Die gleichzeitige Schließung des Reitgeheges und das damit verbundene Ende des Reitvergnügens erfolgten unter großer emotionaler Anteilnahme der Konstanzer Bevölkerung. Geblieben ist die Bezeichnung „Eselswiese“ für die spitälische Wiesenfläche, bestehend aus den Flurstücken Nr. 4199 und Nr. 4199/ 2. Die „Eselswiese“ ist in der Alltagssprache der Bürger und der Behörden zu einem festen Begriff geworden. 162 Georg Geiger Seebadeanstalt am Waldhaus Jakob 1905 - 1933 Als Ursprung für das öffentliche Baden am Jakob muss eine um 1890 im Uferbereich befindliche Badehütte, nahe der 1974 erbohrten Thermalquelle, gesehen werden. Diese zum „Waldhaus Jakob“ gehörende Badehütte wurde um die Jahrhundertwende durch eine neue, größere und mit Steg versehene Hütte ersetzt. Im selben Zeitraum befreiten sich immer mehr Konstanzer von den streng nach Geschlechtern sortierten und auf die Gäste eingepfercht wirkenden Seebadeanstalten. Und so tummelte sich eine stetig steigende Zahl Badelustiger beiderlei Geschlechts in der Wasserfläche vor dem Badehäuschen und gestalteten am Wochenende und in den Ferien den Uferabschnitt kurzerhand als Familienbad, obwohl das „öffentliche Baden“ nur unmittelbar vor der Badehütte den Hotelgästen erlaubt war. Was in den großen Seebädern an Nord- und Ostsee sich als jüngste Entwicklung im Badewesen schon etabliert hatte, schien sich in Konstanz nicht aufhalten zu lassen: Eine Lockerung der Sitten und mehr Freiheit für die Badenden schien angesagt. Dies wiederum brachte die Anhänger von Moral und Sitte in Wallung und gemeinsam mit den strengen Konstanzer Behörden wurde versucht dem Sittenverfall entlang des Konstanzer Ufers Einhalt zu gebieten. Der Zug der Zeit konnte zwar gebremst werden, aufhalten ließ er sich aber auch in Konstanz nicht mehr. Auf Drängen des geschäftstüchtigen Pächters des „Waldhaus Jakob“, Adolf Markstaller, errichtete die Spitalstiftung mit Genehmigung des Bezirksbeirates vom 2. Mai 1905 die „Seebadeanstalt“ Jakob am Standort der heutigen „Bodensee-Therme Konstanz“. Das alte Badehäuschen wurde im darauffolgenden Jahr abgerissen, um auch das dort anhaltende wilde Baden zu beenden. Mit wenig Erfolg, denn das ungeordnete, freie Baden entfaltete sich ohne Zutun der Behörden neu. Nach Kriegsende 1919 war der Badebetrieb am Hörnle so intensiv, dass sich die Stadtverwaltung gezwungen sah im darauffolgenden Jahr offiziell das entgeltfreie Freibad Horn zu eröffnen. Die neue Seebadeanstalt wurde unter Leitung des damaligen Stadtbaumeisters Paul Jordan auf Stützen im See stehend für 21.000 RM erbaut. Als Vorbild dienten die E-förmigen Grundrisse Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 163 bereits vorhandener Seebadeanstalten am Bodensee. Im gegen das Ufer zugewandten Nordflügel der auf einer Grundfläche von 27 auf 18 Meter erbauten Seebadeanstalt befanden sich sowohl im Frauenwie auch im Männerbad jeweils fünf Einzelbadezellen sowie die nebeneinanderliegenden beiden Badeingänge. Den fünfzehn Meter langen Zugangssteg durften beide Geschlechter wieder gemeinsam benutzen. In den seewärts angebauten Ost- und Westflügeln gab es jeweils zehn Auskleideräume, eine „Douche“ und ein „Abort“. Eine von Nord nach Süd eingezogene Trennungswand in dem zwischen den beiden Flügeln befindlichen Seewasserbecken trennte dieses in ein weibliches und ein männliches Becken, in denen offen gebadet werden konnte. Mit dieser war für Sitte und Moral Genüge getan! 4 Hin und wieder soll es Beschwerden der Hüter von Sitte und Moral gegenüber dem Bademeister gegeben haben über das gemeinsame Baden von Frauen und Männern in den Becken, woraus sich schließen lässt, dass die Seebadeanstalt Jakob die erste Konstanzer Seebadeanstalt war, die das gemeinsame Baden von Männern und Frauen duldete. Erster Pächter der bevorzugt von seinen Hotelgästen und der gut situierten Konstanzer Bürgerschaft besuchten Seebadeanstalt war der Gastronom Adolf Markstaller. In einem von der Konstan- Postkarte Seebadeanstalt Jakob 164 Georg Geiger zer Zeitung im Sommer 1911 veröffentlichten Leserbrief beschwert sich ein Stammgast über eine neue Plage, von der die Badegäste der idyllischen Badeanstalt heimgesucht werden, nämlich von der Konstanzer Auto-Taxameterdroschke. „Deren Chauffeur findet es für selbstverständlich seine Fahrgäste auf dem nur für Fußgänger berechneten und jetzt infolge der Trockenheit gänzlich verstaubten Pfade von der Landungsbrücke bis direkt an den Eingangssteg zur Badeanstalt zu fahren.“ Die sich belästigt fühlenden Badegäste wollten mit dem Leserbrief die maßgebende Behörde veranlassen, den immer zudringlicher werdenden Kraftfahrzeugen an einer Stelle Halt zu gebieten, wo ihre Anwesenheit weder nötig, noch erwünscht sein kann. 5 Sehr beliebt unter den Badegästen war das Anschwimmen der benachbarten Villa Seeheim und des Landungssteges oder gar das Besteigen des Landungssteges. Diese angezeigten Auswüchse und Missbräuche erforderten ein energisches Einschreiten des Eigentümers. In der Badesaison 1912 wurde angeordnet, dass ein geeigneter städtischer Mitarbeiter mit einem Boot vor der Badeanstalt kreuzt, um das Hinausschwimmen aus dem Badebecken in den Bodensee zu verhindern. Auch nach den Wirren des Ersten Weltkrieges war das Bedürfnis der Konstanzer, in ihrem „Jaköble“ zu Baden, ungebrochen groß. Die erneuten Beschwerden der Dampfschifffahrtsgesellschaft über das Hinausschwimmen der Badenden aus der Badeanstalt bis an die Dampfer heran und das Belagern des Landungssteges und der Motorbootlandestelle in großer Zahl führten zu der Forderung, die Badeanstalt zu erweitern. Oberbürgermeister Moericke sah sich 1921 veranlasst, prüfen zu lassen, ob durch eine Vergrößerung der Badeanstalt am Jakob der Badebetrieb am Horn sowie in den anderen städtischen Badeanstalten eine Entlastung erfahren könnte. In seiner Stellungnahme vertrat das städtische Hochbauamt die Auffassung, dass die Erweiterung der Badeanstalt in einem Umfang durchgeführt werden müsste, der hohe Mittel erfordere. Vielmehr könnten diese Mittel für die im Strandbad Horn erforderlichen Badekabinen und Abortmöglichkeiten Verwendung finden. 6 Mit dem jungen Strandbad Horn war der Seebadeanstalt am Jakob in der Verwaltung ein Konkurrent erwachsen. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 165 Wegen Geldmangels konnten notwendige Reparaturarbeiten und neue Investitionen nicht getätigt werden. Auch strahlte die in der Seebadeanstalt geduldete und dann im Strandbad Horn offiziell vorgenommene Aufhebung der Geschlechtertrennung eine grundlegende Änderung der Badegewohnheiten aus. Gemeinsames Luft- und Sonnenbaden in freier Natur war angesagt. In der Stadtentwicklungspolitik hielten demokratische und soziale Vorgaben Einzug. So fiel die Entscheidung, die in die Jahre gekommene Seebadeanstalt nicht mehr zu sanieren. Ein neues, zeitgemäßes Strandbad mit Kiosk sollte errichtet werden. Konstanz, als die Fremdenverkehrsstadt am Bodensee, müsse unbedingt eine neue, eine moderne Badeanstalt haben, meinte Stadtrechtsrat Dr. Anton Rösch, der Vorsitzende des Konstanzer Fremdenverkehrsvereins e.V. 7 Strandbad Jakob 1933-1972 Erste Pläne für ein neues Strandbad lagen bereits 1928 vor, der Stadt fehlte jedoch das Geld zur Verwirklichung. Angetrieben vom Fremdenverkehrsverein wurde die Bürgerschaft und das vom Frem- Badevergnügen im neuen Strandbad Jakob, um 1934, im Wasser befindet sich noch das bald entfernte Seewasserbecken der alten Badeanstalt. 166 Georg Geiger denverkehr profitierende Gewerbe für das Strandbadprojekt mobilisiert. Trotz bestehender Bedenken, dass der Fremdenverkehrsverein als gemeinsamer Bauherr mit der Stadt das erforderliche Kapital von 52.200 RM durch private Darlehen nicht zusammenbringe, genehmigte der Stadtrat am 11. März 1933 den Beginn der Tiefbauarbeiten. Bei Teilen des Stadtrats bestand die Befürchtung, dass die noch zu gründende Strandbadgesellschaft als Betreiberin nicht stark genug sein könnte, um den Betrieb des Strandbades zu finanzieren. Insbesondere die NSDAP-Stadträte sprachen sich gegen die Errichtung eines mondänen Strandbades neben dem Freibad Horn aus. Mit einem Zuschuss von 10.000 RM beteiligte sich die Stadt dann doch an den Baukosten. Die Restsumme brachten über 70 private Darlehensgeber auf. Für die vom Konstanzer Architekten Hermann Ganter geplante neue Anlage musste die alte Seebadeanstalt entfernt werden. In nur zehn Wochen erstellte die Baufirma Ganter & Picard sowie weitere 30 Konstanzer Firmen im Uferbereich der alten Seebadeanstalt das neue Strandbad. 8 Die auf 17.200 Mark veranschlagten Tiefbauarbeiten wurden vom Landesarbeitsamt als Notstandsarbeit anerkannt und konnten mit Mitteln der wertschaffenden Ar- Das neue Strandbad Jakob, im Vordergrund das bald entfernte Seewasserbecken der alten Badeanstalt, im Hintergrund das Waldhaus Jakob, um 1934 Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 167 beitslosenfürsorge gefördert werden. Insgesamt gefördert wurden 1400 Tagewerke mit 2,50 RM pro Arbeitslosentagewerk. 9 Das auf einer Grundfläche von 62 auf 8,20 Meter entlang des Wilhelm-von- Scholz-Weges (heute: Zur Therme) in Ost-West-Richtung erstellte 35.000 RM teure Gebäude verfügte über jeweils 21 Einzelkabinen und elf Wechselkabinen, getrennt nach Frauen und Männer. Die Badegäste konnten ihre Kleidung zur Aufbewahrung abgeben und gegen Bezahlung Badetücher und Bademäntel mieten. Der Mittelbau, im seewärts zugewandten Teil halbkreisförmig erweitert mit umlaufender Terrasse, beherbergte im Eingangsbereich Kasse und Restaurant. Bei einer Uferlänge von 250 Meter war das mit Hainbuchen eingefriedete Gelände für 620 Badegäste ausgelegt. Zur sportlichen Ertüchtigung wurden drei Ringtennisfelder angelegt. Den Vorgaben der Badeordnung folgend soll das Strandbad eine Stätte der Erholung und der Ertüchtigung sein. Vor dem Eingang wurden Fahrradständer angelegt und erstmals ein per Stadtratsbeschluss vom 23. November 1933 genehmigter Autoparkplatz geschaffen. Nach der Eröffnung am 15. Juli 1933 bat der Fremdenverkehrsverein die Stadt Konstanz, dass in Verbindung mit der Fremdenverkehrswerbung und in der besonderen Werbung für das Strandbad dieses einen Namen bekomme. Der Stadtrat fasste folgenden Beschluss: Das neueröffnete Strandbads Jakob, um 1934, im Hintergrund die Villa Seeheim 168 Georg Geiger Nachdem das neue Strandbad in Betrieb genommen worden ist, wird für die beiden Bäder folgende Bezeichnung eingeführt: Das eine Bad wird mit ‚Freibad Horn‘ und die neue Badeanstalt mit ‚Strandbad Jakob‘ bezeichnet. Grundsätzlich beschließt der Stadtrat weiter, dass die Stadt künftig Aufwendungen für das Freibad Horn nicht mehr macht, die geeignet sind, das Strandbad Jakob wirtschaftlich zu schädigen. 10 In der öffentlichen Meinung blieb das Strandbad Jakob weiterhin umstritten. Dies zeigte sich auch daran, dass die Hinweis- und Werbetafeln mit der Aufschrift „Strandbad Jakob“ in den Wintermonaten 1933/ 34 von unbekannten Tätern entfernt wurden. Betrieben wurde das Strandbad von der bereits 1932 gegründeten Strandbadgesellschaft Konstanz mbH, an der die Stadt mit 7000 RM beteiligt war. Der Wirt des „Waldhaus Jakob“ führte das Restaurant auf Umsatzpacht. Die Einnahmen deckten die laufenden Kosten und bis Kriegsbeginn wurden stetig Verbesserungen und kleinere Ergänzungen vorgenommen. Die immer wieder von den jüngeren Badegästen geforderte Erstellung eines Sprungturmes in der Seebadezone konnte nicht mehr erfüllt werden. Auch eine Rückzahlung der Darlehen war nicht mehr vollumfänglich möglich. Das Strandbad Jakob als Postkartenmotiv, um 1935 Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 169 Der seit 1918 tätige Bademeister Paul Endres wurde 1939 vom für die Bäder zuständigen Stadtrat Hildebrand entlassen. Endres, der nicht der Partei angehörte und sich nach eigenen Angaben verfolgt sah, wurde noch im selben Jahr zur Wehrmacht eingezogen. Schon zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Strandbades, er selbst gehörte auch zu den Gesellschaftern, hatte er der GmbH große Teile des Inventars zur Verfügung gestellt, das er dann wieder abzog. Unter der Ungunst der Verhältnisse litt der Betrieb des Bades so sehr, dass sein Bestand gefährdet war. Der Mangel an Personal und Rettungsschwimmern verschärfte die Situation. Die dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geratene Strandbadgesellschaft wurde liquidiert. Bürgermeister Mager ging davon aus, dass es im dritten Kriegsjahr noch schwieriger sein wird den Betrieb ordnungsgemäß und kostendeckend zu führen. Das Strandbad Jakob wurde 1942 dem Hochbauamt unterstellt und als städtischer Betrieb weitergeführt. Im Hinblick auf die Verschärfung der Luftlage, besonders aber wegen der Tagflüge alliierter Flugzeuge, ordnete Bürgermeister Mager 1944 an, dass die Strandbäder Horn und Jakob geschlossen bleiben. Nur im Sommer durfte während sechs Wochen von 12 bis Luftbildaufnahme des Strandbads Jakob, um 1940, im Hintergrund die Villa Seeheim und das Freibad Horn 170 Georg Geiger 20 Uhr unter Beachtung strenger Vorgaben des Landrates als örtlicher Luftschutzleiter gebadet werden. So war „Nichtdeutschblütigen“ das Baden im Strandbad Jakob verboten und samstags und sonntags bestand für Kinder Badeverbot. Mit Kriegsende und dem Einmarsch französischer Truppen am 26. April 1945 wurde das „Waldhaus Jakob“ und das Strandbad Jakob von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Das Strandbad wurde nur für die Besatzungsmacht wieder geöffnet. Als Bademeister war beabsichtigt, den früheren Oberspielleiter am Stadttheater Konstanz und zuletzt tätig am Stadttheater in Müllhausen/ Elsass, Walter Brück, einzustellen. Erst auf die Freibadesaison 1949 erfolgte eine Teilfreigabe im östlichen Bereich des Strandbades für die heimische Bevölkerung, was von 15.003 Badegästen genutzt wurde. Der westliche Teil blieb noch für einige Zeit den französischen Besatzungstruppen und deren Angehörigen vorbehalten. Mit 1550 gezählten Badegästen war die Inanspruchnahme aber sehr gering. Erste Klagen über eine zunehmende Verschlammung und Verschlickung der Uferzone, was das Baden im geliebten „Jaköble“ zu einem mehr als fragwürdigen Vergnügen werden ließ, lenkten 1951 die Aufmerksamkeit der Behörden auf das Strandbad. Das staatliche Gesundheitsamt Konstanz stieß auf fünf Abwasserleitungen in der Uferzone des Bades, für die keine wasserpolizeiliche Genehmigung vorlag. Die Einleitungen führten größtenteils Niederschlags- und Gebäudeabwasser, aber auch Fäkalabwasser, und kamen aus dem Bad selbst, vom Waldhaus Jakob und der Villa Scholz (heute wieder Schloss Seeheim). Die Folge war eine düngende Wirkung der an Nährstoffen reichen Abwässer auf die submerse Ufervegetation. Vom Bodensee selbst ging bei einem Nährstoffgehalt von weniger als fünf Milligramm pro Kubikmeter Gesamtphosphatgehalt noch keine Beeinträchtigung aus. Um die Schließung des Strandbades Jakob durch das Landratsamt Konstanz zu verhindern und nicht zuletzt aus hygienischen Gründen stellte der Stadtrat am 20. März 1952 für Ausbaumaßnahmen 24.000 DM bereit, finanziert aus der Spielbankabgabe. Vorgenommen wurde eine Tieferlegung und Verlängerung der Abwasserleitungen um 20 bis 30 Meter in den See hinein, ebenso eine Ver- Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 171 längerung der Betonplatten im Bereich des Badestrandes um bis zu 30 Meter. Zur Beseitigung der häuslichen Abwässer aus dem Waldhaus Jakob wurde ein neuer Kanal in der Eichhornstraße verlegt. Anfang der sechziger Jahre häuften sich mit Beginn der wärmeren Jahreszeit zunehmend wieder die Klagen über die schlechte, teilweise stinkende Beschaffenheit des Seewassers an den Badeplätzen. Im besonderen Maße sind Klagen im Bereich des Strandbades Jakob aufgetreten, aber auch im benachbarten Freibad Horn und anderen Badeplätzen am See sind diesbezüglich Beobachtungen gemacht worden. Alle unternommenen Abhilfeversuche wie die jährlich vorgenommene Entschlammung des Strandbades oder Kiesaufschüttungen zur Bindung des Unrates blieben erfolglos. Vom Gesundheitsamt wurde stetig die schlechte Wasserqualität beanstandet. Untersuchungen der Seenwissenschaftler zeigten immer klarer auf, dass es sich nicht mehr um örtliche Verschmutzungen handelte, sondern die Klagen grundsätzlich eine überörtliche Ursache hatten. Ursache war die rasch zunehmende Eutrophierung des Bodensees. Von der Eutrophierung waren nicht nur die Flachwasserzonen, sondern der gesamte See betroffen. Die Konzentrationen am Gesamtphosphor stiegen bis 1964 auf 36 Milligramm pro Kubikmeter, bis 1970 auf 46 Milligramm pro Kubikmeter und bis 1975 explosionsartig auf 96 Milligramm pro Kubikmeter. 11 Der Bodensee befand sich in einem extrem eutrophen Zustand und lief Gefahr umzukippen. 12 Die zunehmenden negativen Publikationen 13 14 über den Bodensee schienen im Bewusstsein der Feriengäste den Erholungswert der gesamten Bodenseelandschaft nachhaltig zu beeinträchtigen. Zusammen mit dem Land Baden-Württemberg hatte man in Konstanz erkannt, dass ein großes Freizeitbad am Horn von Konstanz das Freizeit- und Touristikangebot der gesamten Region entscheidend bereichern würde. Die Attraktivität dieses Bades für eine aktive Freizeitgestaltung sollte dazu beitragen, das Ansehen des Erholungsgebietes Bodensee wieder zu fördern und ein Stück weit zu prägen. Erstmals wurden in der Stadtverwaltung Überlegungen angestellt, dass die Stadt Konstanz darauf bedacht sein sollte, ihren guten Ruf auf diesem Gebiet zu wahren. Stadtoberbaurat Berthold Schwan sah 1969 die Ideallösung, wenn am Jakob ein Schwimmbe- 172 Georg Geiger cken außerhalb des Sees mit Sprungturm geschaffen würde, ähnlich wie es in den Jahren zuvor mehrere Schweizer Ufergemeinden getan hatten. 15 Das Land Baden-Württemberg stellte staatliche Zuschüsse in Aussicht, sofern die Gemeinden baureife Projekte vorlegen konnten. Nicht mehr die Seefreibäder, sondern beheizte Schwimmerbecken in der Uferzone waren die anzustrebende Lösung. Dieser Weg sollte nun auch im Strandbad Jakob beschritten werden. Freizeitbad Jakob als Freibad 1975-1979 Die in Aussicht gestellte Finanzhilfe des Landes setzte die Stadt Konstanz unter Druck und beschleunigte die Überlegungen und Planungen, das Strandbad Jakob durch den Bau beheizter, seewasserunabhängiger Becken aufzuwerten. Bürgermeister Willy Weilhard fand bei der Vorstellung des Vorhabens am 17. September 1971 im Wirtschaftsministerium in Stuttgart offene Türen vor. Dabei fand der Vorschlag, das beheizte Schwimmerbecken über einen Steg mit dem See zu verbinden, besondere Beachtung, weil die Kombination zwischen beheiztem Schwimmbecken und der Ermöglichung des direkten Badens im See als einmalige Attraktion empfunden wurde. In Tag- und Nachtarbeit wurden innerhalb von 14 Tagen zusammen mit dem Garten- und Landschaftsarchitekten Klaus Eberhard die Grundlagen für eine Planungskonzeption entwickelt. Nachdem vom Gemeinderat am 18. November 1971 das Vorprojekt gutgeheißen wurde, konnte das Projekt zusammen mit der Akademie für das deutsche Badewesen in Bremen, dem Konstanzer Architekten Edgar Kiessling und dem bereits mit der Gesamtleitung des Bauvorhabens beauftragten Gartenarchitekten Klaus Eberhard voran getrieben werden. 16 Die Einleitung des Zuschussverfahrens beim Regierungspräsidium Freiburg erfolgte am 10. Dezember 1971. Die wesentliche Voraussetzung für die Neuanlage des geplanten seewasserunabhängigen Freizeitbades war die Auffüllung des Ufergeländes und die dafür unbedingt notwendige wasserrechtliche Genehmigung. Das noch 1971 eingeleitete wasserrechtliche Verfahren zog sich, bedingt durch das sich hinziehende Ausräumen Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 173 der eingegangenen Einsprüche gegen das geplante Auffüllvorhaben und gegen den Bau des Schwimmbeckens in die Länge. So konnte erst 1973 mit der Anfahrt und dem Einbau von 100.000 Kubikmetern Auffüllmaterial begonnen werden. Die Auffüllung der verschlammten Uferzone ermöglichte nicht nur den Bau des Freizeitbades Jakob, sondern gleichzeitig konnte durch die Anlegung des Uferweges vom Ufergrundstück Stiegeler vorbei am Freizeitbad bis zum Freibad Horn eine wunderbare Uferpromenade geschaffen werden. Sie stellte einen weiteren wichtigen Meilenstein zur Verwirklichung einer durchgehenden Seepromenade von der Rheinbrücke bis nach Staad dar. Der damit verbundene unmittelbare Anschluss des neuen Uferweges an den Anlandungssteg Waldhaus Jakob ist auch für den Motorbootsverkehr von großer Bedeutung. Das endgültige Projekt wurde am 22. Februar 1973 mehrheitlich vom Gemeinderat verabschiedet. Das neue Bad verfügte mit 2028 Quadratmetern beheizter Wasserfläche über ein attraktives Wasserangebot. Die Wasserfläche verteilte sich auf ein sportgerechtes Schwimmerbecken mit durchgehender Wassertiefe von zwei Metern und Ausmaßen von 50 auf 21 Meter, einem Nichtschwimmerbecken mit angegliedertem Schwimmbereich, einem Planschbecken und innerhalb der Aufwärmehalle befand sich ein Variobecken mit verstellbarer Wassertiefe. Dieses 36 Quadratmeter große Becken diente als Lehrschwimmbecken, Kinder- und Therapiebecken. Im Hauptgebäude untergebracht waren eine Aufwärmehalle mit Ruheliegen, Umkleidebereich, Variobecken, Solarien und der Restaurationsbetrieb. Vorgelagert war das Eingangsgebäude mit automatischer Kassenanlage und den befestigten 48 Parkplätzen entlang des Wilhelm-von-Scholz-Weges. Bei stärkerem Andrang konnte auch auf der Eselswiese und entlang der Straße Zum Torkel geparkt werden. Durch eine veränderte Streckenführung der Omnibuslinie 5 Marktstätte - Waldhaus Jakob wurde das Freizeitbad an das Liniennetz der Verkehrsbetriebe angeschlossen. Das machte es möglich, in der Straße Zum Torkel in der Nähe des Badeingangs eine Bushaltestelle einzurichten. Die Motorbootlinie Hafen-Strandbad Jakob wurde jetzt wieder vom Motorbootbetrieb der Stadtwerke mit einem modernen Motorboot und nach festem Fahrplan betrieben. Somit war gleichzeitig ein attraktives Angebot 174 Georg Geiger für die Badegäste geschaffen, um schnell und bequem mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zum Bad zu gelangen. Von der Liegewiese führte ein 13 Tonnen schwerer Holzsteg die Badegäste über den Seeuferweg in die mit Bojen abgegrenzte Seebadezone mit Badeflossen. Aus Kostengründen war an eine Überdachung des Schwimmerbeckens und einer damit möglichen Ganzjahresnutzung nicht gedacht. Der Gemeinderat hatte die Öffnungszeiten des Freizeitbades auf den Zeitraum zwischen Ostern und dem 31. Oktober festgelegt. Das zur Gesamtkonzeption gehörende Trimmerbecken mit den Ausmaßen 25 auf 16 Meter und einer Wassertiefe von 1,35 Metern sowie ein Springerbecken mit Sprungturm wurden nicht realisiert. Die Stadt hatte keine weiteren Mittel mehr für diese Ausbaustufe, zumal gleichzeitig Überlegungen angestellt wurden, ob nicht die verständlichen Wünsche der Wollmatinger Bürger und der neuen Gesamtschule mit einem Hallenbad in Wollmatingen befriedigt werden müssen. Baubeginn war im Sommer 1973. Bei den Bauarbeiten ist man bei der Suche nach eigenem Wasser für das Freibad in sieben Meter Tiefe auf eine ausreichend starke Grundwasserquelle gestoßen. Der Brunnen liefert Trinkwasserqualität und wird heute noch in den Sommermonaten zur künstlichen Beregnung der 320.000 Quadratmeter großen Liegewiese genutzt. Am 17. April 1975 konnte das beheizte, seewasserunabhängige Freizeitbad Jakob als eines der modernsten beheizten Freizeitschwimmbäder Deutschlands der Öffentlichkeit übergeben werden. Wegen des kalten Wetters und anhaltendem Dauerregen musste die Eröffnungsfeier in die Aufwärmehalle verlegt werden mit der Folge, dass viele interessierte Konstanzer Bürger aufgrund des begrenzten Platzes keinen Einlass fanden. Als weitere Folge entstanden im Eingangsbereich tumultartige Szenen. Es bedurfte der vermittelnden Worte von Oberbürgermeister Dr. Bruno Helmle, um Verständnis für die witterungsbedingte Situation bei den verärgerten Bürgern zu finden. In seiner Eröffnungsrede erinnerte Helmle an die Baugeschichte und dankte dem Land Baden-Württemberg für den bewilligten und ausbezahlten Zuschuss von über zwei Millionen DM. Insgesamt beliefen sich die Investitionskosten auf rund 9,4 Millionen DM. Lobende Worte fand er auch für die Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 175 Initiative des für die Finanzen zuständigen Bürgermeisters Willy Weilhard, der das Projekt trotz vieler Widerstände entschlossen vorangetrieben hatte. In seinen Dank schloss der Oberbürgermeister alle mit ein, die in irgendeiner Form mit dem Gelingen des Werkes zu tun hatten. Namentlich erwähnte er den Vorsitzenden des Fremdenverkehrsvereins, Stadtrat Kurt Rabe, der „bürgerschaftliche Kräfte im Fremdenverkehr aktiviert und zur Mitarbeit für die Schaffung dieses Freizeitbades und zur Gründung einer Kur- und Bädergesellschaft angeregt hat“. 17 Der Vertreter des Landes, Regierungspräsident Bittighofer, überbrachte die Grüße und Glückwünsche in Versform: Immer schon für alle Leute war das Baden eine Freude, besonders wenn sie eingeladen beim Jakob hier, um frei zu baden. Ein jeder kann hier weidlich schwimmen, auch sportlich an der Zeit sich trimmen, und sich erholen ganz nach Lust, Hauptsache wie und wo gewusst. 50-Meter-Schwimmerbecken, Nichtschwimmerbecken und Liegewiese, im Vordergrund Einschwimmkanal aus der Wärmehalle, im Hintergrund die Villa Seeheim 176 Georg Geiger Drumm komm nach Konstanz an den See, ob aus der Fern, ob aus der Näh, und nütze die Gelegenheit zu kuren, baden jederzeit. 18 Markenzeichen des neuen Freizeitbades wurde ein von Wellen und einem Ball umgebener Fisch. Um zu einem werbewirksamen Symbol für das neue Freizeitbad zu kommen, schrieb die Bodensee-Kunstschule einen Wettbewerb aus. Von 28 Studierenden der Kunstschule gingen 42 Entwürfe ein. Eine Jury führte die fachliche Bewertung durch und vergab den Preis an Christiane Groß aus Rietheim. Ihr Entwurf symbolisiert nach Auffassung der Jury mit am besten die Idee des neuen Freizeitbades. Es enthält alle Elemente - Wellen, Bodensee, Bewegung - des zwar seeunabhängigen, aber dennoch mit dem Bodensee eng verbundenen Freizeitbades. Am Seeuferweg, direkt am Zugang zum Motorbootlandungssteg ist eine von dem Bildhauer Bernhard Schottländer geschaffene Metallskulptur installiert. Die künstlerisch interessante Skulptur wurde aus Anlass der Erweiterungsbauten ihres Konstanzer Betriebes von der Firma Dr. Kade, Pharmazeutische Fabrik, der Stadt Konstanz geschenkt. Die Firmeninhaberin, Dr. Marietta Lutze Sackler, übergab die Skulptur im Rahmen einer Betriebsfeier an Oberbürgermeister Helmle. Die Freude und der Stolz über das neu geschaffene Freizeitangebot währten nicht allzu lange. Lag der Besucherzuspruch im Eröffnungsjahr mit 266.129 Besuchern noch über den Erwartungen, so schreckte bereits im darauffolgenden Jahr ein Besucherrückgang um 36,3 Prozent auf 169.400 Badegäste Politik und Verwaltung auf. Das eingeplante Defizit wurde um 200.000 DM überschritten, im Wesentlichen verursacht durch die zu geringen Einnahmen. Und dies obwohl für das erste Betriebsjahr 1976 eine erste Gebührenerhöhung von 67 Prozent vorgenommen wurde. Oder gerade deshalb? War die Gebührenerhöhung überzogen? Lag es an der Hitzeperiode in den Monaten Juli und August und der nachfolgenden Schlechtwetterperiode im Herbst? Ist die Konzeption durch das fehlende Springer- und Trimmerbecken nicht stimmig und das Bad dadurch nicht attraktiv genug? Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 177 Die Diskussionen mündeten in Vorschlägen über die Verbesserung der Besucherfrequenz und den Abbau des Defizits für das Freizeitbad Jakob. Die Vor- und Nachsaison sollte durch zusätzliche Angebote für die Besucher attraktiv gestaltet werden. Eingeführt wurde auf Vorschlag der CDU-Fraktion die Abendkarte und neu war der Vorschlag von FDP-Stadtrat Edgar Kiessling, die 1977 eingeführte Jahreskarte in einen Bäderpass mit Gültigkeit für sämtliche entgeltpflichtigen Bäder in Konstanz umzuwandeln. Der Bäderpass entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem äußerst erfolgreichen Produkt und ist vierzig Jahre nach seiner Einführung ein unverzichtbares Angebot im Tarifsystem der Konstanzer Bäder. Den Tiefpunkt der Besucherentwicklung erreichte das Bad mit 150.696 Badegästen im Jahr 1977. Die Forderungen nach einer sinnvollen Nutzung des in der Nachbarschaft erbohrten Thermalwassers wurden lauter. Der allergrößte Teil des Thermalwassers floss in den See, ein Zustand der bei jährlichen Betriebskosten von 45.000 DM auf Dauer untragbar wurde. Die von der FDP- und FWG-Fraktion vorgebrachte Forderung, das Thermalwasser im Freizeitbad Jakob zu nutzen, fand bald eine breite öffentliche Zustimmung. Auch der Fremdenverkehrsverein mit seinem engagier- Metallskulptur am Seeuferweg, im Hintergrund Motorbootlandesteg der Stadtwerke Konstanz GmbH 178 Georg Geiger ten Vorsitzenden, Stadtrat Kurt Rabe, setzte sich dafür ein und gab dem Vorhaben wesentliche Impulse. Daraufhin fasste der Gemeinderat am 12. Oktober 1978 den Beschluss, das Freizeitbad Jakob um ein mit Thermalwasser gespeistes Bewegungsbecken entsprechend der Planung des Landschaftsarchitekten Klaus Eberhard zu ergänzen. Die Rohbaufirma Carl Schupp KG leistete hervorragende Arbeit, sodass unter der Bauleitung von Architekt Johannes Kumm nach einer Bauzeit von nur acht Monaten das 16,6 auf 25 Meter große, mit Sitzbänken und 18 Massagedüsen ausgestatte und 1,35 Meter tiefe Thermalbewegungsbecken am 12. Oktober 1979 in Betrieb genommen werden konnte. Die Investitionskosten für das südlich des Restaurantbereiches und parallel zum Seeufer mit auf 33 Grad erwärmten Thermalwasser gefüllten Becken beliefen sich auf 1,94 Millionen Mark. Die Finanzierung wurde gesichert durch die großzügige Bereitschaft der Konstanzer Gastronomen, die bereits 1978 in Kraft tretende Abschaffung der Getränkesteuer um ein Jahr zu verschieben, was der Stadt eine Einnahme von 700.000 DM bescherte. Zusammen mit dem Bau des mit Thermalwasser gespeisten Bewegungsbeckens wurde das Freizeitbad Jakob an das Erdgasnetz der Stadtwerke angeschlossen. Die Versorgung mit Flüssiggas als Energiequelle hatte ausgedient. Alle Becken des Bades wurden mit eigenem Thermalwasser befüllt. Mit einer für rund 400.000- DM installierten Wärmepumpe konnte überschüssige und aus dem Brauchwasser rückgewonnene Energie dem bestehenden Heizungskreislauf wieder zugeführt werden. Auch das in den Duschen angefallene Brauchwasser und die im Lüftungskreislauf vorhandene Wärme wurden in den Wärmekreislauf zurückgeführt und dienten ebenfalls zur Energieeinsparung. Ergänzend erfolgte 1984 noch der Einbau eines Schwimmbecken-Abdeckungssystems, um insbesondere in den Wintermonaten und in den Nachtstunden den Wärmeverlust des Thermalbewegungsbeckens auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Das Freizeitbad Jakob galt schon zum damaligen Zeitpunkt als beispielhaft für die optimale Ausnutzung vorhandener Wärmeenergie. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 179 Thermalwasser! Mineralwasser! Heilwasser? Bereits vor nahezu 100 Jahren wurde in Konstanz der Gedanke geboren, mit der Erschließung eines vermutlich unterhalb von Konstanz befindlichen Thermalwasservorkommens die „heißen Quellen“ für die Bevölkerung nutzbar zu machen. 550 RM investierte der Stadtrat im Jahre 1925, um im Bereich der Laube nach Thermalwasser zu bohren. Das Ergebnis war negativ. Am 20. März 1958 wurde das Thema erneut im Gemeinderat aufgegriffen, nicht zuletzt durch die immer wieder vorgetragene Vermutung des Wünschelrutengängers Gottfried Mayer 19 , der unterhalb von Konstanz Thermalwasser vermutete. Das vom Geologischen Landesamt erbetene Gutachten fiel jedoch negativ aus, woraufhin die Akten wieder geschlossen wurden. Dass das Thermalwasser 1972 ein weiteres Mal in der öffentlichen Diskussion auftauchte, war der Initiative des damaligen Baubürgermeisters Dr. Werner Dierks zu verdanken sowie einem vom Fremdenverkehrsverein Konstanz e.V. beim Schweizer Geologen Dr. Ulrich P. Büchi in Auftrag gegebenen Gutachten. Büchi kam u.a. zu dem Schluss, aus 600 Meter Tiefe könne bei guten Porositäts- und Durchlässigkeitsverhältnissen mit einem Zufluss von Wasser mit einer Temperatur um 25 Grad gerechnet werden. 20 Allerdings sprach sich der Geologe eindeutig für ein flächenhaftes Wasservorkommen aus und gegen ein aderförmiges Wassersystem, wie dies von den Wünschelrutengängern angenommen wurde. 21 Nach einer langen und intensiven Willensbildung gab der Gemeinderat am 5.- Juli 1973 bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen seine Zustimmung zur Bohrung. Nach Meinung des Geologen hätte die Bohrung auf der Gemarkung von Konstanz an jedem beliebigen Ort angesetzt werden können. Unter Berücksichtigung der Absichten der Stadtplanung entschied man sich den Bohransatzpunkt auf einem städtischen Ufergrundstück zwischen dem im Bau befindlichen Freizeitbad Jakob und dem Freibad Horn anzusetzen. Noch im Jahre 1974 wurde man zwischen 660 bis 520 Meter Tiefe fündig. Die Bohrmannschaft stieß auf ein Wasser, das am Kopf der Bohrung 30,8 Grad Celsius warm ist und mit 1,2 Litern in der Sekunde artesisch steigt. Mit Hil- 180 Georg Geiger fe einer 148 Meter tief abgehängten Pumpe liegt die Schüttung des mit 26,7 Grad Celsius an die Oberfläche gelangenden geothermischen Mischproduktes bei neun Litern in der Sekunde. Im Sinne der Begriffsbestimmungen für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen 22 ist die Konstanzer Quelle eine Therme, da sie weit mehr als die geforderte Temperatur von 20 Grad Celsius aufweist. Den Wasservorrat schätzten Fachleute auf 1,2 Millionen Kubikmeter. Diese Menge ist ausreichend, um mehr als 1000 Jahre baden und trinken zu können. Das Einzugsgebiet für das Wasser der Thermalbohrung erstreckt sich vom Konstanzer Horn über den Bodanrück bis zur Linie Kaltbrunn - Wallhausen 23 . Des Weiteren handelt es sich bei den Begriffsbestimmungen um eine fluoridhaltige Therme, deren Hauptbestandteile Natrium und Hydrogenkarbonat sind. Analog dazu handelt es sich nach der Mineral- und Tafelwasserverordnung um ein natürliches Mineralwasser 24 , wobei zu berücksichtigen ist, dass nach dem Anwendungsbereich dieser Verordnung diese nicht für Heilwässer gilt. Für die Anwendung in der Bädertherapie muss ein Heilwasseranerkennungs-Verfahren durchgeführt werden. Dieses wurde nicht angestrebt, da die ortsspezifischen Grundlagen für ein Kur- und Heilbad zum Teil nicht erfüllbar erschienen. So waren aus politischen und städtebaulichen Gründen eine Verzahnung des „Waldhaus Jakob“ mit dem Bad und eine Überbauung der Eselswiese nicht gewünscht. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Konstanzer Therme um ein wertvolles, in jeder Hinsicht um ein einwandfreies Thermalwasser handelt, das im Zusammenhang mit seiner Herkunft und der Fluoridkonzentration von über einem Milligramm pro Liter als natürliches Mineralwasser einzustufen ist. 25 Nach 30 Jahren Dauerbetrieb erfolgte während der Bauphase der neuen Therme mit einen Aufwand von über 489.000 Euro eine Generalsanierung der Bohrung. Die Absicht des Fremdenverkehrsvereins Konstanz e.V., auf privatwirtschaftlicher Basis ein Thermal-Bewegungsbad zu bauen, ließ sich nicht verwirklichen. So entstand neben dem Pumpenhäuschen ein kleines Badebecken, das gerne von den Bürgern benutzt wurde. Dieses wurde 1979 durch einen Trinkbrunnen ersetzt, an dem das 26,7 Grad warme Thermalwasser auch kostenfrei in Flaschen Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 181 abgefüllt werden konnte. Das frisch gezapfte Konstanzer Thermalwasser fand viele Freunde. Das leicht basische Thermalwasser galt in manchem Haushalt als das beste Kaffee- und Teewasser, da es die Kaffeebohnen und die Teeblätter intensiver auslaugte. Mit großem Bedauern nahm die treue Kundschaft im Sommer 2019 zur Kenntnis, dass die Versorgung des Trinkbrunnens stillgelegt wurde. Die Bädergesellgesellschaft Konstanz mbH, als Besitzerin der Thermalquelle, sah sich nach einer kompletten Sanierung der Quelle aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Ressourcenschonung dazu veranlasst. Freizeitbad Jakob mit Thermalbewegungsbecken 1979-1997 Das ganzjährig betriebene Thermalbewegungsbecken im Freizeitbad Jakob sowie das neue Schwaketenbad veränderten die Konstanzer Bäderlandschaft erheblich. Nicht mehr allein die Daseinsvorsorge durch die Kommune stand im Vordergrund, sondern die Entwicklung und Umsetzung eines zeitgerechten Bäderangebots in öffentlicher Hand gewann an Bedeutung. Daraus erwuchs schon frühzeitig im Gemeinderat die politische Forderung, der Bedeutung dieser Entwicklung durch ein eigenständiges Sport- und Bäderamt gerecht zu werden. Der Gemeinderat beschloss, das im Kulturamt angesiedelte Sachgebiet Sport und die im Baureferat untergebrachte Bäderverwaltung zum 1. Oktober 1980 in dem neu zu bildenden Sport- und Bäderamt zusammen zu führen. Zum Leiter des neuen Amtes wählte er Dr. Georg Geiger, den Autor dieses Beitrages. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Amtsleiters war das Bäderpassangebot mit einem Familienbäderpass, ebenfalls gültig für alle Bäder, zu ergänzen. Das Freizeitbad Jakob hatte mit dem Thermalbewegungsbecken erheblich an Attraktivität gewonnen. In der vieldiskutierten Frage, ob auch Kinder unter 15 Jahren Zutritt zu gestatten ist, folgten die Stadträte dem Vorschlag der SPD-Fraktion, wochentags von 14 bis 19 Uhr auch die „Frichtle“ in Begleitung eines Erwachsenen ins warme Thermalwasser zu lassen. Ergänzende Investitionen wie der Einbau einer 19 Meter langen Rutsche am 182 Georg Geiger Nichtschwimmerbecken, die Erstellung eines Windfangs auf der Ostseite des Thermalbewegungsbeckens, eine kundenfreundlichere Gestaltung des Kassenraumes mit Einführung eines mikroprozessorgesteuerten Eintrittssystem ließen die Besucherzahlen in die Höhe schnellen. Konnten bis zur Eröffnung des Thermalbewegungsbeckens 500.000 Besucher gezählt werden, so hatten über denselben Zeitraum bis Februar 1985 über drei Millionen Besucher von dem reichhaltigen Angebot des Freizeitbades Gebrauch gemacht. Der absolute Zuschussbedarf konnte stetig gesenkt werden und mit einer Kostendeckung von über 50 Prozent ohne Zins und Tilgung nahm das Bad eine Spitzenstellung unter vergleichbaren Bädern in Deutschland ein. Für die verantwortlichen Kommunalpolitiker war dies der überzeugendste Beweis dafür, dass mit den Investitionen den Bedürfnissen der Bürger und der Gäste Rechnung getragen wurde. Das zehnjährige Bestehen wurde mit einer Sportgroßveranstaltung gefeiert. Zusammen mit dem Deutschen Schwimmverband als Veranstalter richtete das Sport- und Bäderamt ein Sechs-Nationen- Wasserball-Turnier aus. Neben Olympiasieger Jugoslawien waren Welt- und Europameister UdSSR, Australien, Frankreich, Spanien und die deutsche Nationalmannschaft nach Konstanz gekommen. Thermalbewegungsbecken im Winter 1986 Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 183 Das Zuschaueraufkommen lag mit 2000 Besuchern über den Erwartungen und mit der durch Presse, Funk und Fernsehen erzielten Publizität gelang es die Stadt Konstanz über fünf Tage hinweg der Öffentlichkeit näher zu bringen und als mögliches Reiseziel in Erinnerung zu rufen. Die Gesamtkosten des Turniers beliefen sich netto auf knapp 91.000 DM, die durch Einnahmen und einem 50-prozentigen Zuschuss der Stadt Konstanz gedeckt werden konnten. Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des Thermalbewegungsbeckens sprachen die Sozialversicherungsträger die Anerkennung zum Betrieb als Therapiestation aus. Dadurch diente das Becken nicht nur dem Freizeitvergnügen und der persönlichen Entspannung, sondern wurde vormittags in einem abgegrenzten Bereich auch für ärztlich verordnete Krankengymnastik als Bewegungsbad genutzt. Die Schließung der Therapiebecken im Haus Talgarten und in den städtischen Krankenanstalten machten das Bad zu einem Vorsorge- und Behandlungszentrum bevorzugt für chronisch orthopädische Erkrankungen und für postoperative Gelenkserkrankungen. Jährlich wurden mehr als viertausend Behandlungen verabreicht, deren Verordnung von über 40 Ärzten vorgenommen wurde. Mit der Hinzunahme des Thermalbewegungsbeckens und der Entwicklung zu einer Therapiestation wurde das Freizeitbad Jakob zu einem Ganzjahresbetrieb mit fließenden Übergängen zwischen Freizeit-, Erholungs- und Gesundheitsbad. Der Baukörper erfuhr keinerlei nennenswerte Investitionen, um einen winterfesten Badebetrieb auf Dauer gewährleisten zu können. Die Schäden durch die intensive Nutzung als Ganzjahresbad häuften sich. Die Kosten für die Behebung der vorhandenen Abnutzungen und Schäden wurden mit einer Million Mark beziffert. Eine wünschenswerte Ausweitung des Therapiebereiches war aufgrund fehlender Abgrenzungen nicht möglich. Es wurde immer deutlicher, dass Therapie- und Freizeitangebote nur dann nebeneinander angeboten werden können, wenn eine klare Abgrenzung dieser beiden Angebote realisiert wird. Hinzu kam, dass der Besucheranspruch nach einem überdachten Thermalbecken unüberhörbar geworden war. Dem Jakobsbad war durch das neue Thermalbad in Saulgau und Erweiterungen der Thermalbäder in Bad Dürrheim und Zurzach spür- 184 Georg Geiger bare Konkurrenz erwachsen. Die Badegästen erwarteten auch bei ungünstigen Witterungsverhältnissen eine ungetrübte Badefreude. Thermalbäder strahlen traditionell Behaglichkeit und Wärme aus. Eigenschaften, die dem für eine reine Sommernutzung gestalteten Bad nahezu völlig fehlten. Bürgermeister Hansen drängte in den politischen Gremien auf eine klare Lösung zur Behebung der strukturellen Mängel, da auch ihm die angespannte Situation nicht mehr tragbar erschien. Eine grundlegende Verbesserung schien aber nur mit einer großen baulichen Maßnahme erzielbar zu sein. Trotz der Finanzmisere, in der sich die Stadt Konstanz Ende der achtziger Jahre befand, gelang es in kleinen Schritten die dringendsten Maßnahmen zu sanieren. Die krankengymnastische Behandlung im Thermalbewegungsbecken wurde aufgegeben. Durch die zurückhaltende Investitionspolitik und die öffentliche Diskussion über die Einführung der Parkplatzbewirtschaftung verlor das Bad weiter an Konkurrenzfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Kostendeckungsgrad mit Zins und Tilgung war von über 50 Prozent auf knapp 40 Prozent abgerutscht. Die 102 festen und die 190 Bedarfsparkplätze auf der Eselswiese sowie die Parkplätze im Hermann-Hesse-Weg und der Straße Zum Torkel wurden während der Freibadsaison erstmals bewirtschaftet. Mit nur noch 297.025 Besuchern hatte das Bad ein Viertel weniger an Besuchern zu verzeichnen als in den Vorjahren. Es war der geringste Besucherzuspruch seit Beginn des Ganzjahresbetriebes. Der von der Liegewiese in den Bodensee führende Holzsteg war von der Trockenfäule befallen und musste aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Hier hatte der Gemeinderat ein Einsehen und genehmigte 400.000 DM für einen in Stahlbauweise erstellten Steg mit Floß, der heute noch den Seeuferweg überbrückt. Bäderkonzept 1990 In dem vom Autor erarbeiteten und dem Gemeinderat im Oktober 1990 zur Beratung vorgelegten „Bäderkonzept“ 26 wurde eine umfassende Bestandsaufnahme aller Konstanzer Bäder vorgenommen. Insbesondere wurden die Erfordernisse, Notwendigkeiten und Mög- Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 185 lichkeiten für eine Qualitätserhaltung und bauliche sowie technische Sanierungsmaßnahmen für ein zeitgemäßes Bäderangebot dargestellt. Im Ergebnis wurden Perspektiven aufgezeigt, Zielsetzungen formuliert und Empfehlungen für Betriebsformen ausgesprochen. Dass das Freizeitbad Jakob nicht mehr dem Bedarf gerecht wurde, spiegelte sich auch in dessen betriebswirtschaftlicher Entwicklung wieder. Das „Bäderkonzept“ prognostizierte die in den 1990er Jahren eingetretene negative Entwicklung und zeigte für die Weiterentwicklung des Bades Lösungsvorschlage auf: „Das Freizeitbad wird zu einem neuen, multifunktionalen Bädertyp, einem Freizeitbad neuester Generation, umgestaltet, der neben sportlicher und gesundheitlicher Nutzungsmöglichkeit auch den Freizeitaspekt durch angegliederte Zusatzeinrichtungen berücksichtigt. Das Bad hat ganztags, möglichst uneingeschränkt, der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stehen. Schulische Nutzung ist nicht möglich, sportliche Nutzung durch Vereine nur in eingeschränktem Umfang. Das Bad wird als Ganzjahresbetrieb in der gesundheitlichen Nutzung, als Sommerbetrieb in der sportlichen Nutzung betrieben. Die unter dem Freizeitaspekt angegliederten Zusatzeinrichtungen sind entsprechend ihrer jahreszeitlichen Nutzungsmöglichkeiten in Betrieb. Fitness- und Zusatzeinrichtungen, die in Richtung sog. ‚Spaßbäder‘ tendieren, werden abgelehnt.“ 27 Ein dem Gemeinderat 1994 vorgelegter Bericht zur „Situation der Bäder“ sah, aufbauend auf dem „Bäderkonzept“, im Regiebetrieb, selbst wenn er als kostenrechnende Einrichtung wie in Konstanz erfolgreich geführt wurde, keine zukunftsorientierte Betriebsform mehr, insbesondere wenn der Gemeinderat ein noch stärkeres wirtschaftliches Handeln einfordert. Die geringe Finanzkraft der Stadt Konstanz sowie die im Haushaltsplan verankerten Investitionsziele zeigten dem Freizeitbad Jakob keine Perspektive als Regiebetrieb mehr auf. Es kann nur dann wieder zu früherer Wirtschaftlichkeit und Attraktivität zurückfinden, wenn eine Betriebsform gefunden wird, die die Vorteile öffentlicher und privater Betriebsformen miteinander verbindet. Als mögliche Betriebsformen wurden die Gründung eines Betriebes mit eigener Rechtspersönlichkeit (GmbH) oder eine Teilprivatisierung mit Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vorgeschlagen. 186 Georg Geiger Ein vollprivatisiertes Spaßbad, wovon es zum damaligen Zeitpunkt einige wenige gab, die Gewinne erwirtschafteten, wurde vom Gemeinderat und der Verwaltung ausgeschlossen. Es sollte ein Konzept entwickelt werfen, das den Investoren eine ausreichende Rentabilität sichert und auf der anderen Seite den Haushalt der Stadt Konstanz entlastet. Ein Weg hierfür sah man in einer bundesweiten Ausschreibung zur Teilprivatisierung. 28 Gesucht wurde ein Investor, der die erforderlichen Investitionen auf der Basis einer längerfristigen Erbpachtregelung eigenständig oder gegebenenfalls in Kooperation mit der Stadt Konstanz vornimmt. Eine Betriebsgesellschaft unter privater Führung, in die die Stadt Konstanz ihre Anteile einbringt, schien denkbar. Die Resonanz auf die Ausschreibung war verhalten. Im Sport- und Bäderausschuss im März 1996 kommentierte Bürgermeister Hansen die Situation nach der Ausschreibung: „Wir werden auf unserem Defizit sitzen bleiben.“ 29 Die schon vorher bekannte und von allen Experten genannte Tatsache, dass der Betrieb eines kommunalen Bades im privatwirtschaftlichen Risiko nicht darstellbar ist, kam hier erneut zum Ausdruck. Die Freie Grüne Liste FGL vertrat mehrfach die Auffassung, das Freizeitbad Jakob im Winter wieder geschlossen zu halten. Die Verwaltung zeigte auf, dass eine Rückführung auf eine halbjährliche Öffnungszeit und damit einen reinen Freibadbetrieb die Probleme der siebziger Jahre neu beleben würde. Auch ließ die betriebswirtschaftliche Darstellung keine Verbesserung erwarten und mittelfristig hätte der städtische Haushalt durch einen steigenden Zuschussbedarf eine weitere Belastung erfahren. Da sowohl der Weiterbetrieb in der bisherigen Form, der Sanierungsbedarf war inzwischen auf 2,8 Mio. DM angewachsen, als auch die Rückführung auf einen reinen Sommerbetrieb die Wirtschaftlichkeit in keinem Fall verbessert hätten, verblieb als weitere Alternative die Neukonzeption von Bau, Finanzierung und Betrieb. Um eine Grundsatzentscheidung über Vertragspartner, Vertragsgestaltung und Kostenrahmen herbeiführen zu können, ließ Bürgermeister Hansen das vorgeschlagene Investorenmodell mit Nachdruck weiterverfolgen. Unter mehreren Angeboten erschien das Angebot der Commerzleasing und Immobilien GmbH als das respektabelste. Geplant war der Neu- und Umbau des Jakobsbades in Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 187 ein attraktives „Thermal- und Mineralbad Jakob“. In Abstimmung mit der Verwaltung sollte der Thermalbereich ein Innen- und ein Außenbecken umfassen, sowie einen separaten Kinder- und Therapiebereich für Krankengymnastik. Sportmedizinische Angebote, Massagen, römisch-irisches Dampfbad, Solarien und ein Restaurant sollten das Angebot abrunden. Dieses umfangreiche Investitionsprogramm von 23 bis 25 Mio. DM ließe sich im Rahmen eines Investorenprojektes verwirklichen. Das Finanzierungsmodell sah die Gründung einer Objektgesellschaft vor, die sich ein langjähriges Erbbaurecht am Grundstück des Thermalbades einräumen lässt. Die Gesellschaft errichtet als Bauherr gemeinsam mit der Stadt die geplanten Gebäude und trägt alle Kosten und Nebenkosten. Das neue Bad wird an eine Betreibergesellschaft, an der die Stadt beteiligt sein kann, vermietet. Der jährliche städtische Zuschuss, eine Mietzahlung, hätte sich damit auf 1,5 Mio. DM pro Jahr fixieren lassen. Als Ausgangsbasis der Rechnung galten 340.000 Badbesucher pro Jahr und der städtische Jahreszuschuss 1997 von 1,7 Mio. DM bei steigender Tendenz. Die Sitzungsvorlage zur Beratung und Beschlussfassung im März 1997 lag dem Gemeinderat ohne die Unterschrift des neu gewählten Oberbürgermeisters vor. 30 Horst Frank fühlte sich noch nicht ausreichend über die Hintergründe informiert und setzte den Tagesordnungspunkt zum Missfallen der eine Investorenlösung befürwortenden Fraktionen von CDU, FWG und FDP ab. In der nachfolgenden Ratssitzung stützten die Fraktionen von SPD, FGL und NL mit ihren Stimmen den Vorschlag des Oberbürgermeisters, für 70.000 DM eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Damit war das Investorenmodell gestoppt. Die Studie sollte Aussagen über die Finanzierung, über die möglichen Besucherzahlen, eine planerische Grobkonzeption und eine Markt-Analyse beinhalten. Gewünscht wurde auch eine Untersuchung der drei Varianten Investorenmodell, Sanierung des Bestandes und reines Sommerbad. Die von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbh in Ludwigsburg erstellte Machbarkeitsstudie brachte keine neuen Erkenntnisse. Das Gutachten bestätigte, dass bei der Weiterführung des Betriebes in der bisherigen Form bzw. bei Durchführung notwendiger Sanierungsarbeiten und Reduzierung des Angebotes auf 188 Georg Geiger einen reinen Sommerbetrieb von einem kontinuierlich wachsenden Zuschussbedarf für das Bad auszugehen ist. Auf der Grundlage der bisher entwickelten Vorstellungen und unter Einbezug des Investorenkonzeptes erwarteten die Gutachter ein negatives betriebswirtschaftliches Ergebnis von rund 800.000 DM pro Jahr, was einem Kostendeckungsgrad von über 86 Prozent entsprechen würde. Auf Vorschlag des inzwischen für die Bäder zuständigen Bürgermeisters Horst Maas empfahlen in einer gemeinsamen Sondersitzung der Technische und Umweltausschuss sowie der Sport- und Bäderausschuss einstimmig dem Gemeinderat gleichzeitig und parallel zwei Wettbewerbe durchzuführen, zum einen ein reiner Architekturwettbewerb und zum anderen einen Finanzierungswettbewerb. Noch im Mai 1998 erfolgte ein europaweit ausgeschriebener Architektenwettbewerb zum Umbau und Erweiterung des Thermalbades auf der Grundlage des vom Sport- und Bäderamt erstellten Nutzungs- und Raumprogramms. Die Zäsur: Neubau und Umbenennung in „Bodensee-Therme Konstanz“ 1998 - 2005 Die Machbarkeitsstudie erkannte unter Marketing-Gesichtspunkten im Namen „Freizeitbad Jakob“ oder „Jakobsbad“ eine wesentliche Schwäche. Eine Bezeichnung die mehr an ein städtisches Hallenbad denken lässt als an ein attraktives Thermalbadeangebot sei für ein überregionales Marketing wenig hilfreich. Beispiele anderer Wettbewerbsstandorte wurden genannt. Das Gutachten empfahl die vom Autor in der Diskussion um die Attraktivierung des Jakobsbades vorgetragene Bezeichnung „Bodensee-Therme Konstanz“ zu verwenden. Diese Benennung erschien unter Marketing-Gesichtspunkten, auch durch die Verbindung zum Bodensee, für eine überregionale Profilierung besser geeignet und sollte möglichst kurzfristig besetzt werden. Im Herbst 1998 erfolgte die Umbenennung des Freizeitbades Jakob in „Bodensee-Therme Konstanz“. Eine der wesentlichsten Forderungen im Architektenwettberwerb war, die Landschaft und den Bodensee in die Planung einfließen zu lassen und Bezüge zur umgebenden Kulturlandschaft zu Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 189 schaffen. Dabei sollte das zu konzipierende Bad kein Spaßbad sein, sondern eine Therme, die ihrer besonderen Lage am Bodensee gerecht wird. Eine besondere Aufgabe war es jedoch, die beiden bestehenden Nichtschwimmer-und Sportschwimmerbecken einschließlich Technikkeller zu erhalten und in den neuen Entwurf zu integrieren. Von Seiten der Bauherrschaft wurde Wert auf hohe Transparenz gelegt, auch um den ebenfalls vorhandenen Sichtbezug von dem ufernahen Grundstück zum Bodensee wiederherzustellen. Die sich daraus ergebenden Ideen, wie Öffnung der Flächen und des Bades zur Wasserlandschaft, Schaffen besonderer Blickbeziehungen vom Gelände und Gebäude dorthin, wurden von der Entwurfsplanung des Architekten Alexander von Salmuth und seinem Büro 4a Architekten, Stuttgart, ausgezeichnet erfüllt. Der Entwurf zeichnete sich vor allem durch Vielschichtigkeit, Leichtigkeit und Transparenz aus. Diesem Architektenbüro wurde deshalb der erste Preis des Wettbewerbs aus 41 eingereichten Entwürfen zuerkannt. Die Kostenschätzung des Architekturbüros lag bei 23 Mio. DM. Wer nun geglaubt hatte, dass nach diesem ersten bedeutsamen Schritt der unendlichen Geschichte der Sanierung und Neugestaltung des Bades weitere Schritte zügig folgen würden, sah sich erneut getäuscht. Das alte Jakobsbad hatte längst noch nicht ausgedient. Was für die Badegäste ein jahrelanges Geplänkel darstellte, war für die politischen Entscheidungsträger das Ringen um eine für die Stadt Konstanz verantwortbare Finanzierung des Objektes. Die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbes wurde zwar beschlossen, aber aufgrund rechtlicher Risiken nicht veröffentlicht. Die langjährige FWG-Stadträtin Ilse Ritzmann sah in dem Bad ein aussterbendes Modell. Sie forderte mehrfach die Stadtspitze auf: „Schütten Sie es zu“, gemeint war das Thermalbewegungsbecken, oder macht „was Gescheites draus“. 31 Erst zwei Jahre nach dem Wettbewerbsentscheid stimmte der Gemeinderat über die Weiterverfolgung des zwischenzeitlich im Nutzungskonzept optimierten und mit einer Parkpalette und einer Freiraumplanung des Landschaftsarchitekturbüros Stötzer und Stötzer in Waldkirch ergänzten Siegerentwurfs ab. 32 Die von einem Generalunternehmen ermittelten Investitionskosten waren auf 32 Mio. DM gestiegen. Mit der denkbar knappen Mehrheit von 19 Ja-Stimmen bei 17 Nein-Stimmen und zwei Enthal- 190 Georg Geiger tungen gaben die Ratsmitglieder den Siegerentwurf frei. Ein erneuter Vertagungsantrag der FGL wurde zuvor abgelehnt. Neu in die Diskussion kam von Oberbürgermeister Horst Frank und der FGL die Überlegung, zum Ausbau der Bodensee-Therme einen Bürgerentscheid durchzuführen. Die Bürgerinnen und Bürger sollten selbst über den Ausbau und die Finanzierung befinden. Der Antrag, der mit einer Erhöhung der Grundsteuer gekoppelt war, fand aber keine Mehrheit. Hingegen fand in der gleichen Ratssitzung die Anregung von Bürgermeister Horst Maas, die Übertragung der Bäder an die Stadtwerke GmbH zu prüfen und das Ergebnis darzustellen, beim Oberbürgermeister und im Gemeinderat Unterstützung. Zuvor wurde im Zuge der im Gemeinderat und seinen Gremien geführten umfangreichen Diskussionen zur der im Jahr 2000 erfolgten Gründung der Stadtwerke Konstanz GmbH und der Finanzierung des Investitionsobjekts „Bodensee-Therme Konstanz“ immer wieder die Möglichkeit der Übertragung des Bäderbetriebes an die Stadtwerke oder einer neuzugründenden Gesellschaft mit Beteiligung der Stadtwerke angesprochen. Die Überführung in eine Gesellschaftsform, welche die Vorteile des steuerlichen Querverbundes und privatwirtschaftliches Handeln gewährleistet, sollte angestrebt werden. Grundvoraussetzung hierzu wäre das Vorliegen eines technischen und wirtschaftlichen Querverbundes zwischen Stadtwerken und Bäderbetrieben. Dieses Konzept wurde von der neuen Geschäftsführung der Stadtwerke GmbH unter Kuno Werner und Konrad Frommer verfolgt und rasch umgesetzt. Auf dieser Grundlage fasste am 30. November 2000 der Gemeinderat einstimmig den Grundsatzbeschluss zur Bildung einer Bäder GmbH mit Einbringung von 90 Prozent der Bäderanteile in die SWK-GmbH und Abschluss eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages zwischen SWK GmbH und Bäder GmbH. 33 Dieser Grundsatzbeschluss erfolgte unter der Voraussetzung, dass innerhalb des Konzerns Stadt Konstanz sich durch die Bildung und Eingliederung der Bäder GmbH eine deutliche Verbesserung der Finanzen ergibt. Stadtkämmerer Hartmut Rohloff ging von einer Steuerersparnis von rund 800.000 Euro jährlich aus, was sich im Nachhinein mehr als bestätigte. Damit war der zweite bedeutsame Schritt zur Sanierung und Neugestaltung der Bodensee-Therme getan. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 191 Im weiteren Verlauf der Diskussions- und Informationsprozesse leitete eine verwaltungsinterne „Arbeitsgruppe Bäder GmbH“ mit Unterstützung und Beratung von Fachbüros die wesentlichen Schritte zur Realisierung der „BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH“ ein. Der vom Gemeinderat empfohlene Einbau eines Blockheizkraftwerkes in das Schwaketenbad wurde im April 2002 vollzogen. Damit war die zur Verlustverrechnung erforderliche enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung zwischen Bädern und Stadtwerken gegeben. Das Finanzamt Konstanz bestätigte mit Schreiben vom 28. März 2002 die bereits früher erteilte verbindliche Zusage in der Verlustverrechnung zwischen Bäder GmbH und Stadtwerke GmbH nochmals. Der notwendig gewordene Bebauungsplan fand die Zustimmung der Gremien. Die abschließende Beratung mit der Fassung der erforderlichen Ausführungsbeschlüsse zur Gründung erfolgte am 15. Mai 2003 im Gemeinderat. 34 Mit einem klaren Votum von 30 Ja-Stimmen bei sechs Nein-Stimmen und vier Enthaltungen konnte die Gründung der „BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH“ zum 1. Juli 2003 erfolgen. Als Geschäftsführer wurden Georg Geiger und Konrad Frommer bestellt. Organe sind der Aufsichtsrat und die beiden Geschäftsführer der Stadtwerke GmbH in Form der Gesellschafterversammlung und der neu gebildete neunköpfige Bäderbeirat. Zur Vorbereitung der Konzeptionsbeschreibung fand schon im September eine Klausurtagung mit dem neu gegründeten Bäderbeirat, dem Aufsichtsrat der Stadtwerke und Vertretern der Gemeinderatsfraktionen statt. Diskutiert wurde schwerpunktmäßig das von der Geschäftsführung überarbeitete Bäderkonzept, bauliche Varianten und die Beschlussempfehlung. Im Ergebnis soll die neue Bodensee-Therme als Freizeit-, Wellness- und Gesundheitsbad klar positioniert werden. Mit ihren Angeboten hat sie sich den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen, Kernzielgruppe die Generation „50 plus“. Das Alleinstellungsmerkmal sollen neben dem Restaurant und der Sauna eine großzügige Thermalwasserfläche und die Lage mit Blick auf den Bodensee und den Säntis sein. Großzügigkeit, Leichtigkeit, Transparenz und Geräumigkeit des Badebereiches sollten die Unterschiede zu den anderen Thermalbädern am See sein. Eine Außensauna mit Steg in den 192 Georg Geiger Bodensee ist in die Planung als zusätzlicher Inhalt aufzunehmen. Nach weiteren umfassenden Beratungen in den Gremien erhielten die Geschäftsführer den Auftrag, unter Berücksichtigung der Zielgruppendefinition und vorgeschlagener funktionaler und konstruktiver Änderungen die Neubauvariante gemäß dem Vorentwurf des Architekturbüros 4a weiter zu entwickeln. Die Überarbeitung des Vorentwurfs hatte die Verlagerung des Saunabereiches vom Badeauf das Eingangs- und Obergeschoß zur Folge. Um einen möglichst weiten Blick über den Bodensee zu erhalten und die Attraktivität der Sauna zu erhöhen, wurde der Saunaflügel bis zum Wendelgardweg vorgezogen. Die Sauna bekam nicht wie im klassischen Sinne einen Saunagarten, sondern ein Sonnendeck auf dem Dach mit Panoramablick über die Konstanzer Bucht. Durch die Verlagerung von Restaurant und Küche vom Obergeschoß in das Badegeschoss entstand ein Restaurant mit großzügiger Terrasse am Wendelgardweg mit ungestörtem Blick auf den See. Passanten, die nicht Badbesucher sind, erreichen auf direktem Weg das Restaurant. Die wesentlichsten konstruktiven Änderungen basierten auf den beim Jahrhunderthochwasser des Bodensees 1999 gesammelten Erfahrungen. Um einer möglichen Überflutung der Becken, der Badehalle und der Badewassertechnik im Untergeschoss bei weiteren extremen Hochwassersituationen vorzubeugen wurde die Grundplatte des Gebäudes und des Außenbeckens um 60 Zentimeter angehoben. Es erfolgte auch eine Verschiebung des Gebäudes um drei Meter in Richtung See. Die Kostenermittlung ergab für das Bad ein Investitionsvolumen von 22,05-Mio. Euro netto, zuzüglich mit Sperrvermerk versehenen 150.000 Euro für Kunst im Bau. Die im Bebauungsplan ausgewiesenen 200 Stellplätze wurden in einer Parkpalette nachgewiesen, für die 1,5 Mio. Euro ermittelt wurden. Der erforderliche Sanierungsbedarf für den gesamten Außenbereich einschließlich des 50 auf 25 Meter großen Schwimmerbeckens und des Nichtschwimmerbeckens betrug 1,63- Mio. Euro. Insgesamt wurden in einer von der Stuttgarter Projektsteuerungsgesellschaft Drees & Sommer durchgeführten Projektanalyse 25,38 Mio. Euro für das Projekt ermittelt. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung des Projektes für die Stadt musste der Projektbeschluss dem Gemeinderat zur Beratung Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 193 und Beschlussfassung vorgelegt werden, um dann in den Gesellschafterversammlungen der Stadtwerke GmbH und der Bädergesellschaft mbH endgültig über den Projektstart zu entscheiden. Getragen von einer großen politischen Mehrheit erhielt das Neubauprojekt „Bodensee-Therme Konstanz“ im Juli 2004 grünes Licht und die BGK als Bauherr und Betreiber den Auftrag zur Realisierung des Projektes unter Berücksichtigung nachfolgender Beschlüsse:  Der geplante Kiosk im Freibad fällt weg. Damit werden 50.000 Euro eingespart.  Über den Wegfall der Position „Kunst im Bau“ und somit über eine Einsparung von 150.000 Euro wird zu einem späteren Zeitpunkt beraten und Beschluss gefasst.  Beschluss der funktionalen und konstruktiven Änderungen (Optimierungen), basierend auf den aus der Klausurtagung und den anschließenden Gremiensitzungen hervorgegangenen Ergänzungen, und Realisierung des bereits beschlossenen Projektes Bodensee-Therme auf der Basis der aktuellen Ermittlung der Gesamtkosten in Höhe von 22,05 Mio. Euro netto zuzüglich der Sanierungskosten in Höhe von 1,63 Mio. Euro netto.  Bau eines Parkdecks (110 Stellplätze) und zusätzlich 90 Außenstellplätzen mit den vom Hochbau- und Liegenschaftsamt der Stadt Konstanz ermittelten Kosten in Höhe von 1,5 Mio. Euro netto, mit der Option, das Parkdeck ggfs. privat bzw. durch Dritte zu finanzieren und zu betreiben.  Die BGK-Bädergesellschaft Konstanz GmbH wird beauftragt, ein Konzept zur Erhaltung des Bäderpasses auszuarbeiten und dem Gemeinderat der Stadt Konstanz zur Entscheidung vorzulegen. Die Forderung aus der Klausurtagung, die Sauna mit einer Außensauna mit Seezugang zu ergänzen, wurde vom Genehmigungsverfahren ausgeschlossen, aber in der Vorplanung als Option weitergeführt. Die Stadt Konstanz ist Grundstückseigentümerin des gesamten Badgeländes, die BGK ist Pächterin. Von der Stadt aufgegriffen 194 Georg Geiger wurde der Vorschlag der BGK und der Busbetriebe, künftige Badbesucher direkt mit der Buslinie 5 vor den Eingangsbereich fahren zu lassen. Für eine geänderte Streckenführung der Buslinie über den Wilhelm-von-Scholz-Weg (heute: Zur Therme) erklärte sich die Stadt bereit, 500.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierung des Projektes sollte durch die BGK mit Einzelgewerksvergabe und Kommunalkrediten erfolgen. Das ursprüngliche Vorhaben, sich eines Generalunternehmers zu bedienen oder einen privaten Investor mit einzubeziehen, wurde fallen gelassen. Der eingereichte Antrag auf Förderung des Projektes aus Tourismus-Infrastrukturmitteln des Landes Baden-Württemberg wurde negativ beschieden. Letztendlich war die Loslösung der Bäder vom städtischen Regiebetrieb zur neu gegründeten BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH als Tochtergesellschaft der Stadtwerke GmbH der entscheidende Schritt zur Realisierung des Neubaus der Bodensee-Therme. Der Gewinn für die Stadt Konstanz lag in der Deckelung des stetig steigenden Bäderzuschusses auf jährlich maximal 2,9 Mio. Euro an die Stadtwerke GmbH. Für die Geschäftsführer war es von größter Bedeutung, dass die Bädergesellschaft als Bauherr und Betreiber ihre langjährigen Erfahrungen bei der Planung und Realisierung einbringen konnte. Gemeinsam mit der Projektsteuerungsgesellschaft Drees & Sommer wurde für die Projektsteuerung/ Projektleitung ein Steuerungs- und Leitungsteam gebildet. Dem Team gehörten an Geschäftsführer Georg Geiger, dem vom städtischen Hochbauamt abgestellten Architekten Arnold Wild, Andreas Schele von Drees & Sommer und beratend Betriebsleiter Jochen Birsner. Ein für Projekte dieser Größenordnung ungewöhnliches Steuerungsmodell, das sich durch eine vertrauensvolle und sich gegenseitig immer befruchtende Zusammenarbeit mit dem Architekten, dem Projektmanagement und dem Bauherrn hervorragend bewährte und zu einem gelungenen und schlüssigen Bauergebnis führte. Wöchentliche Abstimmungsgespräche und Entscheidungen vor Ort waren der Garant für die Einhaltung des vorgegebenen Abriss- und Bauzeitenplans von 23 Monaten. Mit Hochdruck wurde die Entwurfs- und Genehmigungsplanung umgesetzt. Bereits im März 2005 lag die Baugenehmigung vor. Der offizielle Spatenstich erfolgte am 20. Oktober desselben Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 195 Jahres. Oberbürgermeister Frank erinnerte an die lange Geschichte des Thermalbades und die vielen Diskussionen um den Neubau. Horst Frank sagte beim Spatenstich unter anderem: „Nicht wenige der treuen Besucher trauern ihrem ‚Jaköble‘, wie es auch liebevoll von den Einheimischen genannt wurde, nach. Aber so wie wir heute mit dem Abriss bzw. dem Baubeginn eine Zäsur in der Bäderlandschaft vornehmen, so fand auch vor über 30 Jahren eine Zäsur statt. Das 1905 an dieser Stelle eröffnete und nahezu 70 Jahre lang betriebene Strandbad Jakob wurde geschlossen und abgerissen. Die zum Teil verlandete und veralgte Badebucht wurde aufgeschüttet. Ein wesentlicher Abschnitt des Seeuferweges konnte gestaltet und das Freizeitbad Jakob in der Auffüllfläche neu geschaffen werden.“ 35 Architektonisches Konzept Das Baugrundstück, direkt am Bodensee gelegen, beeindruckt vor allem durch seinen wunderbaren Blick auf den See, bei klarer Sicht Beginn der Abrissarbeiten im September 2005 196 Georg Geiger bis auf die Schweizer und Vorarlberger Bergwelt. Ziel des Entwurfs war es, diese Besonderheit im Bad zu inszenieren. Ergebnis ist die Hinwendung des Bades zum See mit den herausgearbeiteten besonderen Blickbeziehungen vom Grundstück und vom Gebäude dorthin als wesentlichen Bestandteil des Entwurfs. Erreicht wurde dies durch das Einbetten der Anlage in das sanft ansteigende Terrain des Seeufers, wobei Sauna- und Restaurant- - sowie abgewinkelt auch Betriebs- und Umkleidetrakt - den teilweise in den Boden eingesenkten „Rücken“ des Bades bilden und mit ihren Flügeln die Badelandschaft zu umarmen scheinen. Diese wiederum öffnet sich mit einer 78 Meter breiten Glasfront zur weiten Wasserfläche des Bodensees. Am Schnittpunkt der Gebäudeflügel liegt der Eingangsbereich, ein Geschoss über der Badeebene, so angeordnet, dass beim Betreten des Bades der Blick über die neue Badewelt und auf den Bodensee freigegeben wird. Das architektonische Leitbild dieser Therme ist vom Ort selbst inspiriert: Es sind die Schiffe, vor allem die Segelschiffe, die dort ständig vorüberziehen und zur weiteren Gestaltung der Baukörper Bodenseetherme im Jahr 2019, mittig das Betriebsgebäude beinhaltend den Eingangsbereich, Umkleidetrakt, Duschen und Thermalbadehalle, vorgelagert Thermalaußenbecken und Schwimmerbecken, oben links der abgewinkelte Schiffsbug mit Sauna und Restaurant, am oberen Bildrand die Eselswiese mit vorgelagerter Parkpalette, unten rechts das Nichtschwimmerbecken mit Breitwasserrutsche und unten links der Seebadesteg. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 197 innen wie außen angeregt haben. So sticht der Westflügel wie ein gewaltiger Schiffrumpf in See; sein Bug kragt weit aus fast bis über den See. Das Panorama-Sonnendeck der Sauna im Obergeschoss des holzverkleideten Flügels mit seiner weißen Schiffsreling und dem plankenartigen Bodenbelag unterstreicht den Schiffscharakter. Die im Inneren befindlichen Saunaräume gestatten jeweils Blicke über den See. Der Ruheraum im „Bug“ mit seinem Stabdeckenboden vermittelt das Gefühl, bereits auf See zu sein, da nur noch Wasser zu sehen ist. Die Badehalle selbst wird vom Blick über den See und dessen vielfältigen Licht- und Wetterstimmungen geprägt. Über der Badehalle schwebt das trapezförmige, zu den Rändern sich öffnende Dach, wie ein Segel, das ein Surfer ruhig auf das Wasser gelegt hat. Es ist von allen Massivkörpern losgelöst worden und verleiht dem Bau dadurch eine besondere Leichtigkeit. Seine Untersicht ist in dreieckige Farbflächen zerlegt, wie in Schiffsbildern von Lyonel Feininger, oder wie auch bei den vorbeiziehenden bunten Spinnackern der Segelboote. 36 „Kunst im Bau“ Schon in den ersten Planungsphasen war es das gemeinsame Ziel von Geschäftsführung und Architekt, ein Bad zu schaffen und zu gestalten, das nicht geprägt sein sollte durch nüchterne Zweckbestimmtheit oder andererseits durch übertriebenen Luxus, sondern durch eine unverwechselbare Gestaltung und eine Atmosphäre der Lebensfreude. Künstler sollten in die Gestaltung des Baukörpers mit einbezogen werden, um das Raumerlebnis zu bereichern. Dabei sollte es nach dem Willen der beiden Geschäftsführer nicht um „Kunst am Bau“, also nachträglich hinzugefügte Kunstwerke handeln, sondern um „Kunst im Bau“, in welcher Form auch immer. Sie sollte integrierter Bestandteil des Gebäudes sein. Wände, Fassaden, Decken und Böden waren von Künstlern mitzugestalten. Dazu wurden Orte und Flächen im Gebäude ausgewählt und vor allem zwei Konzepte - Glaskunst und Lichtkunst. Diese überzeugten auch die Gremien, so dass für deren Realisierung 250.000 Euro frei gegeben wurden. 198 Georg Geiger Die Glaskunst stammt vom international anerkannten, im Landkreis Biberach ansässigen Künstler Willi Siber. Er verbindet typografische Elemente mit zarten, blasen- und kreisförmigen Zeichnungen, die Momente des Schwebens, der Balance und Leichtigkeit bildhaft ausdrücken. In einem aufwändigen Siebdruckverfahren entstanden 70 künstlerisch gestaltete Glaselemente, die untrennbar mit der Architektur sind. Auf der Außenseite der 8,60 Meter hohen und 78 Meter langen Glasfassade prangen neben einem großzügig geschwungenen, sie prägenden Bogen drei wie von Hand geschriebene Begriffe: „muse“, „emotion“ und „sinne“. Am Bodensee flanierende Fußgänger sollen so auf die Therme als Ort der Entspannung und des Wohlbefindens hingewiesen werden. Die Innenseiten der Glasfassaden sind mit weiteren Begriffen und Wortschöpfungen wie „balance“, „federlicht“, „wärme“ und „sterne“ besetzt. Damit soll der Thermalbadbesucher auf das sinnliche Erlebnis des Ortes eingestimmt und dazu inspiriert werden, sich ganz auf erholsame Entspannung und wohltuende Ruhe einzulassen. Auch die Lichtelemente des Konstanzer Künstlers Markus Brenner steigern das sinnliche Erlebnis des Badegastes. So verwandeln Thermalbadehalle mit Blick auf die 78 Meter lange und 8,60 Meter hohe mit Glaskunst gestaltete Glasfassade Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 199 in den mystisch ausgeleuchteten Duschen installierte Lichtkörper Wassertropfen in Millionen kleiner Prismen und beim Herunterschreiten der Wendeltreppe zur Badehalle verliert sich der Blick in der Tiefe eines Lichtbrunnens. Die Architektur der Therme und seine besondere Lage werden nachts dadurch zur Wirkung gebracht, dass man die großen Flächen, wie das Dach und eine lange Sichtbetonwand, so beleuchtet, dass die Glasfassade als Raumgrenze vom Licht überspielt wird. Die Glasfassade bildet lediglich den notwendigen thermischen Raumabschluss. Architektonisch wird dieser überspielt, indem Materialien von innen nach außen laufen und das Licht so eingestellt ist, dass das Dach bzw. die herauslaufenden Wände innen und außen beleuchtet werden. Aus der Ferne wird in der Dunkelheit das Dach zum Wahrzeichen. In der 2014 neu gestalteten und erweiterten Sauna wurden in die Ausgestaltung der Räumlichkeiten mit Bildern 25.000 Euro investiert. Ein 2,40 Meter auf 2,00 Meter großer Druck auf Leinwand schmückt den neuen Ruheraum im Beiboot. Unserem Leitbild Bodensee, Schiffe, Segel, Wasser folgend zeigt er den Blick von der Höri über den Untersee nach Konstanz. Das Original stammt vom 1978 verstorbenen Künstler Hermann Wiehl, ein Freund von Otto Dix und Schüler von Max Ackermann. Zurückgeholt nach Konstanz, konkret in das neue Kaminzimmer, hat die Bädergesellschaft per Beiratsentscheid ein 1906 entstandenes Panoramabild in Öl auf Leinwand. Geschaffen wurde das 2,00 Meter auf 70 Zentimeter große Werk von der Konstanzer Malerin Amalie Vanotti. Es zeigt die Niederburg mit dem Konstanzer Trichter und der Alpenkette. Der Standort der Malerin war exakt im heutigen Rheinstrandbad am unteren Floß. Den kleinsten Ruheraum schmücken drei handsignierte Siebdrucke mit Leuchtfarben des 2009 verstorbenen Künstlers Rupprecht Geiger. Bei wechselnden, unterschiedlichen künstlichen Beleuchtungsverhältnissen soll der Badegast in eine Farbwelt eintauchen und sich ganz von diesem Eindruck überwältigen lassen. Die Bädergesellschaft erteilte dem Bodensee-Fotografen Achim Mende den Auftrag, ein Panoramabild vom Konstanzer Trichter aufzunehmen. Das neu entwickelte Glasdampfbad ermöglichte die Umsetzung des Panoramabildes im Siebdruckverfahren auf die Glasflächen an den Wänden zur Ausgestaltung des Raumes. 200 Georg Geiger Ein einmaliges Raumerlebnis, das die Saunagäste bei Dampf- und Nebelschwaden in den Bann zieht. Der Raumakustik und dem Schallschutz wurde vom Badbetreiber eine große Bedeutung zugemessen, da sie einen sehr direkten Einfluss auf das Wohlbefinden der Badegäste im Gebäude haben. Nach den Vorstellungen der Geschäftsführung sollte die Nachhallzeit in der Badehalle deutlich über einer Sekunde liegen, um den von den Badegästen und Wassergeräuschen erzeugten Schallpegel möglichst niedrig zu halten. Dies wurde vom Architekten erreicht durch eine Neigung der Glasfassaden um acht Grad und mit einer vollflächig schallabsorbierenden Deckenbekleidung aus gelochten perforierten Seekiefer-Holzplatten mit Schallschutzauflage. Für die Akustik als günstig erwies sich ein möglichst großer Lochflächenanteil bei möglichst kleinem Lochdurchmesser mit einer möglichst dünnen Holzplatte. Geschaffen wurde nahezu Konzerthausqualität. Nicht nur der tägliche Badebetrieb, auch die bisherigen zwei Konzerte der Südwestdeutschen Philharmonie stellen der Raumakustik ein hervorragendes Zeugnis aus. Musiker und Besucher wähnten sich schon im noch immer fehlenden neuen Konzerthaus. Innovatives Energiekonzept und Nachhaltigkeit Ein weiteres vorrangiges Ziel der Bädergesellschaft mbH war die Umsetzung eines innovativen Energiekonzeptes, das sich durch geringen Energieverbrauch und minimale Kohlendioxid-Emissionen auszeichnet. In einer Machbarkeitsstudie untersuchte die DS-Plan GmbH in Stuttgart unterschiedliche Konzeptvarianten, die unter ökologischen und ökonomischen Aspekten bewertet wurden und entwickelte hieraus ein Energiemanagementkonzept. Grundlage des Energiekonzeptes ist die optimale Nutzung der BGK-eigenen Thermalquelle. Aus ihr werden zum einen die rund 4000 Kubikmeter Füllwasser für die neun Becken gewonnen. Zum anderen fördert sie mit einer Lieferung von neun Liter pro Sekunde genügend Wasser, um dieses zur Wärmegewinnung zu verwenden. Das knapp 27 Grad warme Thermalwasser wird in einer neuartigen Absorptionswärmepumpe auf die gewünschten Temperaturen erhitzt. Neben der Beheizung der Therme übernimmt die Energie- Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 201 anlage auch die Erwärmung der Schwimmbecken. Entwickelt und geplant wurde das Energiekonzept von der Stadtwerke Konstanz GmbH gemeinsam mit dem Bayrischen Zentrum für angewandte Energieforschung e.V., Würzburg. Gefördert wurde die Entwicklung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin. Technisches Glanzstück der Energieanlage ist eine rauchgasbefeuerte zweistufige Absorptionswärmepumpe, die das Thermalwasser bis auf 45 Grad erwärmt. Die Rauchgaswärme des zusätzlich installierten Blockheizkraftwerkes (BHKW) wird dabei als Antriebsenergie für die Wärmepumpe genutzt. Den vom BHKW erzeugten Strom verbraucht die Bodensee-Therme unmittelbar. Eine solche Kopplung von BHKW und zweistufiger Wärmeabsorptionspumpe wurde erstmals in der neuen Bodensee-Therme angewandt. Rund 80 Prozent des Wärmebedarfs der Therme werden so durch die Wärmeabsorptionspumpe gedeckt. Zur Unterstützung an besonders kalten Tagen und zur Erwärmung des Duschwassers auf 60 Grad werden zwei Gasbrennwertkessel zugeschaltet. Neben der Kostenersparnis durch die geringeren Wärmekosten wird mittels der Kopplung von BHKW und Wärmepumpe bis zu 50 Prozent Primärenergie und damit auch eine erhebliche Menge an Kohlendioxid gegenüber einer Beheizung durch konventionelle Gaskessel eingespart. 37 Die Investition und der Betrieb dieser Anlagenkonzeption erfolgten durch die SWK im Rahmen eines Contracting-Vertrages mit der BGK. Die Übernahme der Wärmeerzeugung durch die Muttergesellschaft setzten im Investitionsbudget 534.000 Euro für andere Maßnahmen frei. Auf eine Sonnenschutzverglasung an der Glasfassaden wurde verzichtet, da sie solare Wärmegewinne mindert. Ziel war es, durch die Glasfassade wünschenswerte solare Wärmegewinne dem Gebäude zu Gute kommen zu lassen. Für das außen befindliche Thermalbecken wurde ein automatisches Folien-Abdecksystem mit dreiteiliger Aufrollvorrichtung vorgesehen, das an der Stirnseite des Beckens hydraulisch komplett in einem Schacht versenkt wird. Die BGK besitzt eine wasserrechtliche Erlaubnis vom 15. März 2006 zur Einleitung von 24.000 Kubikmeter Filterspülwasser (gereinigtes Badewasser) in den Bodensee, und zwar jährlich. Die Erlaubnis ist befristet bis 31. Dezember 2022. Zusätzlich wurden 202 Georg Geiger jährlich 44.000 Kubikmeter in den städtischen Mischwasserkanal eingeleitet. Die Kosten für das im Jahr 2013 in das Kanalnetz eingeleitete (saubere) Abwasser betrugen 82.906 Euro. Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 wurde die BGK von den Entsorgungsbetrieben der Stadt Konstanz aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um die in den Mischwasserkanal eingeleiteten Abwassermengen zu minimieren. Die hohen Abwassermengen führen zu extremen Verwirbelungen im Kanalnetz, dadurch zu Geruchsproblemen mit Beschwerden der Anwohner im Alpsteinweg und Hermann-Hesse- Weg. Des Weiteren wird das Abwassersammelbecken in der Kläranlage stark verdünnt. Die Geschäftsführung ist am 15. Juli 2009 beim Landratsamt mit der Bitte vorstellig geworden, die Einleitungsmenge von vorbehandeltem Filterspülwasser in den Bodensee auf circa 68.000 Kubikmeter jährlich zu erhöhen. Der Antrag wurde nicht gänzlich abgelehnt, aber mit einer bisher von keinem Antragsteller erfüllten Auflage des Landesamtes für Umwelt Baden Württemberg verbunden, dass die betriebliche Abwasserreinigung gegenüber einer gemeinsamen Abwasserreinigung mit den kommunalen Abwässern auf der Kläranlage Konstanz eine noch bessere Schadstoffreduktion erbringt. Der Autor initiierte daraufhin das Pilotprojekt „Einleitung von Filterspülwasser in den Trinkwasserspeicher Bodensee nach Minimierung des AOX-Gehaltes“. 38 In einem sich über vier Jahre hinziehenden Versuchszeitraum wurden vom Betriebsleiter Jochen Birsner unter Hinzunahme der Wassertechnikfirma investive und verfahrenstechnische Maßnahmen zur Optimierung der Reinigungsleistung vorgenommen. Zahlreiche Messserien und Probennahmen belegten eine höhere Reinigungsleistung als bei der Kläranlage Konstanz. Einzig der Wert für chlororganische Desinfektionsnebenprodukte im Badewasser (AOX-Wert) konnte nicht dauerhaft unter dem geforderten Grenzwert gehalten werden. Daraufhin wurde im September 2014 das Technologiezentrum Wasser des DVGW, Dr. Stefan Stauder, in Karlsruhe beigezogen. Weitere Investitionen zur Verbesserung der adsorptiven AOX-Elimination wurden als nicht mehr zielführend eingestuft. Stattdessen wurden erstmals im Bäderwesen Möglichkeiten zur Modifikation des Wasseraufbereitungsprozesses mittels eines biologischen AOX-Abbaus Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 203 in Betracht gezogen. Gemeinsam mit Stefan Stauder ist es dann gelungen, bei der Aufbereitung des Filterspülwassers die chlor- und stickstofforganischen Verbindungen durch mikrobielle Prozesse zu entfernen und den AOX-Wert konstant unter den Grenzwert zu minimieren. Die von der BGK getragenen Kosten für das Pilotprojekt lagen bei rund 150.000 Euro. Nachdem 2018 die wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung von jährlich 68.000 Kubikmeter Filterspülwasser aus der Bodensee-Therme in den Bodensee einging, konnte ab Mitte 2019 das Klarwasser mit einer Einleittemperatur von unter 10 Grad in 15 Meter Wassertiefe in den Bodensee einfließen. Die Investitionskosten beliefen sich auf rd. 240.000 Euro und werden sich durch Einsparungen bei den Abwassergebühren in drei bis vier Jahren amortisiert haben. Über insgesamt zehn Jahre erstreckte sich das gesamte Forschungs- und Entwicklungsprojekt, um sowohl für den Trinkwasserspeicher Bodensee, für das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Bodensee-Therme und für die Belastung der Kläranlage Konstanz ein zukunftsweisendes und für ganz Europa bisher einmaliges Reinigungsverfahren in der Badewassertechnik anwenden zu können. Eigenständiger Marktauftritt Die Bodensee-Therme hat aufgrund ihrer Bedeutung einen eigenständigen Marktauftritt erhalten, der sich aber dennoch im Gesamtauftritt der BGK wiederfindet. Wesentliche Bestandteile des Marktauftritts sind das Markenzeichen (Logo) und der Name des Restaurants. Die Bild-Marke der BGK, die von der Werbeagentur Hans Wagner in Konstanz entwickelte Welle und die in der Glaskunst vorgegebene Wort-Marke sind in einer Symbiose zu einer Wort-Bild-Marke gestaltet worden als visuelle Grundlage für den Markenauftritt. Die Anerkennung als geschützte Wort-Bild-Marke liegt vom Deutschen Marken- und Patentamt vor. 39 Unter dem „Schiffsbug“, auf Badeebene befindet sich die Gastronomie. Das große Restaurant ist extern zum Seeuferweg hin orientiert. Vor allem die Sonnenterrasse bietet gute Sichtbeziehungen 204 Georg Geiger zum Bodensee. Intern reicht die Gastronomie in das Thermalbad, das Freibad und die Sauna. Aus fünfzehn Namensvorschlägen für das Restaurant fiel die Entscheidung auf den Namen „Seelig“, den Vorschlag des Pächterehepaares. Im Namen finden sich der Standort und die Region wieder ebenso wie Ruhe, Zufriedenheit und Wohlbefinden. Der Gastronomiebetrieb ist für die Bodensee-Therme ein ganz wichtiger und eigenständiger Bestandteil. Die Geschäftsführer haben sich deshalb die Bewerber sehr genau angesehen. Seit über dreizehn Jahren besteht das Pachtverhältnis mit dem Fachehepaar Christelle Schatz-Wittrock und Stefan Wittrock. Sie hatten überzeugt mit ihrem beruflichen Hintergrund und mit ihrem Konzept, bei dem regionale Küche mit Produkten aus der Region im Mittelpunkt steht. Das „Seelig“ ist sehr schnell zu einem kulinarischen Begriff über Konstanz hinaus geworden und gehört zu den umsatzstärksten gastronomischen Betrieben in Konstanz. Verkehrsführung und Parkierung Mit dem Neubau der Bodensee-Therme mussten baurechtlich 200 Stellplätze auf der Fläche zwischen Eselwiese und dem Bad zur Verfügung gestellt werden. Im Juli 2004 fasste der Gemeinderat den Beschluss, ein Parkdeck mit 110 Stellplätzen und zusätzlich 90 Außenstellplätzen für 1,5 Mio. Euro zu bauen. Gleichzeitig wurde die Option beschlossen, das Parkdeck durch Dritte finanzieren und betreiben zu lassen. Der BGK-Beirat ermächtigte die Geschäftsführung auf der Grundlage des Ausschreibungsergebnisses, die Parkpalette der Bodensee-Therme mit 196 Stellplätzen durch die Firma B+B Parkhaus GmbH u. Co KG in Düsseldorf betreiben zu lassen. Das zum Bau der Parkpalette erforderliche Grundstück wurde von der Spitalstiftung im Erbbaurecht an den Parkhausinvestor B+B vergeben. Die vom Bau des Parkhauses nicht betroffene Fläche der Eselswiese wurde im Rahmen eines Betreibervertrages mit der BGK zur Nutzung als Bedarfsparkplatz ebenfalls dem Parkhausbetreiber überlassen. Da jedoch nach dem Bebauungsplan die Eselswiese als zentrale Grünfläche im Gebiet zu erhalten und auszuwei- Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 205 ten ist, war eine Befestigung des Bedarfsparkplatzes für weitere 200 Stellplätze ausgeschlossen. Daraufhin suchte die Verwaltung nach weiteren Lösungsansätzen. Zielsetzung war hierbei die Freihaltung der Eselswiese von abgestellten Fahrzeugen und die Integration der geplanten 200 Bedarfsparkplätze in einer erweiterten Parkpalette. In einer gemeinsamen Sondersitzung des BGK-Beirates, des SWK- Aufsichtsrates und des Gemeinderates inmitten der Sommerferien am 17. August 2006 wurde die Erweiterung der Parkpalette von 196 auf 398 Stellplätze abgelehnt und die Umsetzung der kleineren Parkpalette gleichzeitig bestätigt. Im September erfolgte der Spatenstich. Anhängig war noch die Klage von zwei Anwohnern beim Verwaltungsgericht Baden-Württemberg (VGH) in Mannheim. Sie befürchteten, dass durch unklare Regelungen im Bebauungsplan eine ganzjährige Nutzung der Eselswiese erfolgen könnte. Der VGH ordnete im Mai 2008 an, dass der genehmigte Bedarfsparkplatz Eselswiese in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September genutzt werden kann, sobald die Parkpalette der Bodensee-Therme und der Parkplatz am Freibad Horn belegt sind. Die übrigen Beschwerden wurden zurückgewiesen. 40 Zwischenzeitlich hatten die gemeinderätlichen Gremien beschlossen, dass die Erschließung der Parkpalette für den Individualverkehr über den Hermann-Hesse-Weg erfolgen soll. Die Ausfahrt erfolgt über die Kreuzung Hermann-Hesse-Weg/ Straße Zur Torkel. Die Buslinie 5 wird direkt über den Hermann-Hesse-Weg zur Therme und über die neu gebaute Straße „Zur Therme“ an der Parkpalette vorbei in die Eichhornstraße geführt. Die Buslinie 5 verkehrt im 20-Minuten-Takt vom Bahnhof direkt vor den Eingang der Therme. Nicht der Neubau der Therme veranlasste den Rat zur Umbenennung des Wilhelm-von-Scholz-Weges in Straße „Zur Therme“, sondern die Verstrickungen des Dichters mit dem Regime des „Dritten Reiches“ 41 . Vom Hafen Konstanz fährt in den Sommermonaten stündlich das Fahrgastschiff „Möwe“ der Personenschifffahrt Giess zum Jakobssteg. Damit wurde für die Badegäste eine optimale Erreichbarkeit der Therme mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschaffen. Für Fahrräder steht eine große Stellplatzfläche mit zum Teil überdachten Fahrradständern direkt neben dem Eingang zur Verfügung. 206 Georg Geiger Mehrwert für Stadt und Bürger Stolze 9.105.632 Besucher passierten die Drehkreuze der alten Therme bis zu deren Schließung zum Ende der Sommerferien 2005. Kurz danach begannen die Bagger mit dem Abriss der Gebäude und dem Aushub der Baugrube. Trotz eines behindernden Wintereinbruchs im darauffolgenden Januar gelang es der Rohbaufirma Züblin AG den Rohbau fristgerecht zur Feier des Richtfestes am 19. September zu erstellen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war bei den vergebenen Gewerken eine deutliche Preissteigerung am Markt zu verzeichnen. Durch die Abschaffung der Eigenheimzulage und die Erhöhung der Mehrwertsteuer zog die Baukonjunktur weiterhin kontinuierlich an. Über den gesamten Bauzeitraum ermittelte das Statistische Landesamt für Baden-Württemberg für gewerbliche Betriebsgebäude eine Baupreissteigerung von insgesamt 12,9 Prozent. Die vorgegebenen Projektziele, 23 Monate Bauzeit und Kostenobergrenze unter Einhaltung der festgelegten Qualitätsstandards erforderten unter veränderten Rahmenbedingun- Baugrube hangseitig mit betonierter Bodenplatte im Februar 2006 Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 207 gen eine stringente Kostensteuerung und äußerste Disziplin aller Beteiligten im Projektsteuerungsteam. Die Projektkosten waren vom Gemeinderat auf 25,38 Mio. Euro einschließlich „Kunst im Bau“ und einer Parkpalette festgelegt. In der Kostenschätzung zum Projektbeschluss im Juli 2004 waren keine Baupreissteigerungen berücksichtigt. Ferner waren in der Kostenschätzung keine Bauherrenkosten, Erschließungskostenbeiträge, Kosten für Teile der Altlasten, Kosten für den Vorplatz und die Verkehrserschließung sowie durch Behördenauflagen zu erfüllende Ausgleichskosten. Der Abschluss des Contracting-Vertrages mit die SWK und den dadurch frei gewordenen Investitionskosten für die Wärmeerzeugung sowie der Finanzierung des Parkhauses durch einen privaten Investor standen im genehmigten Projektbudget über zwei Millionen Euro zur Verfügung, um nicht eingepreiste Kosten und zusätzliche auch vom Beirat gewünschte Nachbewilligungen zu finanzieren. So wurden der ursprünglich gestrichene Kiosk im Freibad und ein zweiter Lift vom Umkleidetrakt auf die Liegewiese wieder ins Projekt aufgenommen. Zur Erfüllung der Belange von Behinderten und zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit genehmigte der Beirat im laufenden Bauprozess weitere 168.000 Euro. Die Projektkosten erhöhten sich dadurch auf 25,55 Mio. Euro. Erhöhte Kosten in der Außenanlage, die nachtäglich vom Gemeinderat geforderte Verkleidung der Parkpalette, die Gestaltung der Eselswiese als Bedarfsparkplatz, Erschließungskosten und für die von der Stadt geforderten Ausgleichsmaßnahmen innerhalb des Stadtgebiets, aber außerhalb des Baugrundstücks, führten zu festgestellten Projekt- Gesamtkosten in Höhe von 27,83 Mio. Euro. In der für ein Projekt dieser Größenordnung und Komplexität recht kurzen Bauzeit von 23 Monaten und unter Berücksichtigung der vorgenannten, nicht im Projektbeschluss kalkulierten Mehrkosten sowie der nachgewiesenen Baupreissteigerung ist die Kostenerhöhung von 9,9 Prozent gegenüber den im Projektbeschluss genehmigten Kosten als voller Erfolg der Kostenoptimierung zu werten. Für 27,83 Mio. Euro 42 haben die Stadt Konstanz und ihre Bürger ein modernes, architektonisch und energietechnisch zukunftsweisendes Bad erhalten, das in der bundesdeutschen Bäderlandschaft auch dreizehn Jahre nach seiner Inbetriebnahme noch Akzente setzt. 208 Georg Geiger „Sprung in eine neue Bäderwelt“ betitelte der Südkurier seinen Bericht über die Eröffnungsfeier am 20. Juli 2007. 43 In einer stimmungsvollen Feier erlebten über 400 geladene Gäste mit all ihren Sinnen, wie das neue Thermalbad auf die Badegäste wirken soll. Überrascht wurden sie von einer gelungenen Verbindung zwischen Funktion und Ästhetik, die mit dem Spiel von Form, Struktur, Licht, Farbe und Wasser erzielt wurde. Für das raumakustische Erlebnis sorgte die Südwestdeutsche Philharmonie mit Ausschnitten aus der Wassermusik von Georg Friedrich Händel. In seiner Aussage „Das ist ein Bad, das alle Sinne anspricht“ 44 , brachte Oberbürgermeister Horst Frank seine Freude und Anerkennung über das gelungene Werk zum Ausdruck. Er dankte in seiner Rede den Geschäftsführern Konrad Frommer und Georg Geiger für ihre Ausdauer und dafür, dass sie „nie den Mut und die Hoffnung aufgegeben haben.“ 45 Sein Resümee auf die fünfzehn Jahre lange Projektgeschichte: „Wir Konstanzer suchen manchmal lange, werden letztendlich aber mit Erfolg fündig.“ Sein Dank galt auch dem Architekten Alexander von Salmuth, der mit diesem gelungenen Werk auch den Gemeinderat in seiner Entscheidung bestätigte, mit der Beauftragung des Architekturbüros 4a eine großartige Wahl getroffen zu haben. Zu Panoramdeck der Sauna auf dem Schiffsbug Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 209 den voraussichtlichen Kosten von 27 Mio. Euro führte Horst Frank aus: „Das ist bei einem Projekt in dieser Größenordnung ein Erfolg, der sich sehen lassen kann.“ 46 In einer filmreifen Vorstellung sprangen die beiden Geschäftsführer und der Architekt in voller Montur in das Thermalbecken, um die symbolische Schlüsselübergabe auf dem Grund des Beckens zu vollziehen. 47 Die „Bodensee-Therme Konstanz“ war für die öffentliche Nutzung frei gegeben. Das Mutterschiff erhält ein Beiboot Von Anbeginn des gesamten Planungsprozesses war die Vision einer Seesauna immer vorhanden. Inspiriert von der bis 1932 im Wasser stehenden Seebadeanstalt Jakob war in der wasserrechtlichen genehmigten Seebadezone eine Seesauna angedacht. Das am Konstanzer Ufer gänzlich verschwundene kulturelle Gut des Seebadehäuschens sollte nach dem Willen der Geschäftsführer wieder aufleben. In der Klausurtagung am 30. September 2003 wurde die Vision einer Seesauna zur politischen Forderung erhoben. Herr von Salmuth erhielt 2003 den Auftrag, im Zuge der Planung des Neu- Ruheraum im Beiboot mit Blick auf den Bootslandungssteg 210 Georg Geiger bauprojektes Bodensee-Therme auch einen Entwurf für eine Seesauna zu fertigen. In seinem Entwurf lag der Standort für den Solitär Seesauna zwischen dem Bootsanlandungssteg der Stadtwerke und dem Seebadesteg des Thermalbades. Um das Projekt Bodensee-Therme nicht zu verzögern, koppelte man das Verfahren Seesauna vom Gesamtprojekt ab. In Folge wurde eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, eine ökologische Beurteilung durch Fachbüros sowie ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Gutachten wurde dann im Jahr 2007 mit den Genehmigungsbehörden auf die Genehmigungsfähigkeit einer Seesauna besprochen. Nach einem Sechs-Augen-Gespräch der beiden Geschäftsführer mit der damaligen Umweltministerin Tanja Gönner bei deren Arbeitsbesuch in der Bodensee-Therme war die positive Einschätzung der Geschäftsführung für einen Genehmigungsbescheid leider auf Ablehnung gestoßen. Die stetig steigende Auslastung der Sauna veranlasste die Geschäftsführung über alternative Standorte einer zusätzlichen Außensauna nachzudenken. Im Dialog mit dem Architekturbüro 4a und dem Baudezernat wurde der Entwurf des Baukörpers mit dem architektonischen Leitbild eines Sprungturms entwickelt, um das Gebäude der Außensauna auch in der äußeren Erscheinung am Ort und mit dem Bad zu verankern. Der Standort war unmittelbar am Jakobsteg ohne Überschreitung der mittleren Wasserstandslinie auf städtischem Boden vorgesehen. Der Standort war aus bau-, natur- und wasserschutzrechtlicher Sicht der unproblematischte und wurde von den Behörden als genehmigungsfähig eingeschätzt. Die Verbindung sollte vom Mutterschiff über einen Steg, ausgehend vom Panoramadeck der Sauna, erfolgen. Nach der Vorstellung des Projektes im Gestaltungsbeirat und im Juli 2011 im Technischen und Umweltausschuss regte sich politischer Widerstand. Gemeinderäte von SPD, FGL und FWG argumentierten mit städtebaulichen Argumenten und der Forderung einer restriktiven Auslegung des Bodensee-Plans. Das öffentliche Interesse habe sich unterzuordnen. Auch mehrten sich die Stimmen im Gemeinderat, entgegen der wirtschaftlichen Notwendigkeit eine Erweiterung der Sauna nicht mehr weiter zu verfolgen. Bei einem weiteren Ortstermin erfolgte eher eine Verfestigung der Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 211 unterschiedlichen Meinungen. Daraufhin nahm die Geschäftsführung auch bei diesem Projekt Abstand von der Einreichung eines Bauantrages. Noch im selben Jahr wurden dem Bäderbeirat erste Planskizzen vom Ausbau der Sauna über dem Anlieferhof der Bodensee-Therme vorgelegt. Mit dem Rückzug auf das von der BGK gepachtete Gelände, weg vom See, und der Realisierung des Vorhabens innerhalb der vorgegebenen Baugrenze sah die Geschäftsführung mögliche Einsprüche und Widerstände minimiert. Wie sich zeigen sollte entwickelte sich dieser dritte Alternativstandort zur größten Herausforderung im gesamten Planungsprozess. Der Anlieferungshof ist versorgungstechnisch die Hauptschlagader des Bades. In seinem Bereich befinden sich der Chlorgasraum, das Chemikalienlager und die Trafostation. Er ist der Hochsicherheitstrakt des Bades. Die Anlieferungs- und Versorgungslogistik für Bad und Restaurant musste gewährleistet werden. Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen entwickelten die Architekten 4a einen Baukörper mit äquivalentem Abstand zum Hauptkörper. Herr von Salmuth taufte den neuen Baukörper „Beiboot“. Die Verbindung zum Mutterschiff erfolgt über einen barrierefreien Steg. Im Februar 2013 wurde der Bauantrag eingereicht und im August lag die Genehmigung vor. Zuvor schon hatten der Bäderbeirat und der SWK-Aufsichtsrat die erforderliche Investitionssumme von 3,5 Mio. Euro gebilligt. Baubeginn war am 6. Oktober 2013 und beim Richtfest im darauffolgenden April gab es lobende Worte vom Beiratsvorsitzenden und Bürgermeister Dr. Andreas Osner: „Das Beiboot gibt wichtige Impulse für den Wellnesstourismus der Stadt“, und er wünschte dem Projekt weiterhin „volle Fahrt voraus“. 48 Exakt 12 Monate später, am 8. Oktober 2014, ging das „Beiboot“ in Betrieb. Mit dem „Beiboot“ wurde die Nutzfläche der Sauna um 230 Quadratmeter erweitert. Es beinhaltet eine circa 40 Personen fassende Aufgusssauna und einen nach Süden ausgerichteten Ruheraum mit Blick auf die Uferzone und den Jakobsteg. Als Bindeglied zwischen der Aufgusssauna und der nach Norden orientierten Massage- und Kosmetikeinheit dient ein Kaminzimmer. Die Anzahl der Garderobenschränke wurde um 34 Stück auf insgesamt 198 Garderobenschränke erhöht. 212 Georg Geiger 16 Jahre nach dem Projektstart Bodensee-Therme fand das Gesamtprojekt seinen Abschluss. Mit der Architektur und der Ausgestaltung wurden weitere Alleinstellungsmerkmale gesetzt. Die Sauna ist in ihrer Gesamtheit nicht beliebig, nicht austauschbar. Die Entscheidung des Gemeinderates zum Bau der Bodensee-Therme und zur Erweiterung der Sauna war klug und zukunftsweisend für das Unternehmen Bädergesellschaft, für die Stadt Konstanz und wie sich zeigt für die ganze Region. „Flaggschiff Bodensee-Therme“: eine Erfolgsgeschichte Am 20. Juli 2007 ist die neue Bodensee-Therme Konstanz in See gestochen. Seitdem kreuzt sie erfolgreich in den europäischen Thermengewässern ohne Schlingerkurs und ohne riskante Manöver. Mit zuletzt über 451.728 Jahresbesuchern, davon 297.828 im Thermalbad, 90.602 in der Sauna und 63.298 im Freibad wird die Bodensee- Therme nach 13 Betriebsjahren sowohl zu den großen Thermen als auch zu den wirtschaftlich erfolgreichen Thermen gezählt. Seit 2011 wird die politische Zielvorgabe einer 100prozentigen Kostendeckung ohne Zins und Tilgung erfüllt. Im Rekordjahr 2013 waren es 103,8 Prozent Kostendeckung bei 432.418 Jahresbesuchern. Die Bodensee-Therme hatte sich frei geschwommen. Allerdings gestaltete sich der Start in das erste Betriebsjahr und das Zurechtfinden im bewegten Bäder- und Freizeitmarkt recht schwierig. Mit 328.986 Jahresbesuchern wurden die angepeilten 330.000 Jahresbesucher und die angestrebte Wirtschaftlichkeit Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 213 einer hundertprozentigen Kostendeckung ohne Zins und Tilgung nicht ganz erreicht. Nach dem Startmonat August blieben die Besucherzahlen im Thermalbad deutlich hinter den Erwartungen zurück. Hingegen lagen die Besucherzahlen im Premiumangebot Sauna schon leicht über den Erwartungen von 60.000 jährlichen Saunagästen. Wesentlicher Grund für die anfänglich unbefriedigende Besucherfrequenz waren spürbare Vorbehalte der Konstanzer Bevölkerung gegen das neue Thermalbad. Es bedurfte einiger Überzeugungskraft mit speziellen Angeboten, um die in den Köpfen immer noch vorhandene Debatte um das gute alte „Jaköble“ aus den Köpfen zu verdrängen. Das ganze Projekt wurde wieder in Zweifel gezogen. Hinzu kam, dass auch im Gemeinderat die Debatte über das Konzept des Thermalbades wieder aufflammte. Der Versuch, der immer noch vorhandenen Gegner, ein Sturmtief gegen die gerade Fahrt aufnehmende Therme zu entfachen, um das als fehlerhaft angesehene Bäderkonzept mit einem die Bürger zu wenig ansprechenden Luxusbad noch zum Stoppen zu bringen, flachte in eine steife Brise ab. 49 In der Kritik stand auch die Struktur der Eintrittspreise, die daraufhin noch kundenfreundlicher gestaltet wurde. Mit direkten Angeboten wie Führungen, der Abendkarte und dem „Konstanzer Tag“, an dem Bürger der Stadt 20 Prozent Rabatt auf den Einzeleintritt bekommen, wurden gezielte Angebote für die Konstanzer geschaffen und die Wogen geglättet. Lange Zeit gemieden wurde von den Besuchern die Parkpalette. Erst als die Stadt in den angrenzenden Straßen die Parkgebühren erhöhte gewann das Parkhaus an Akzeptanz und entlastete die Anwohner vom Parksuchverkehr. Nach und nach konnte das neue Bad auch die distanzierteren Konstanzer für die neuen Angebote gewinnen, die längst von den Touristen und den Bewohnern in der Schweizer Nachbarschaft und im Landkreis geschätzt wurden. Die auswärtigen Gäste haben in den ersten Monaten mit ihren Besuchen im Wesentlichen die Bodensee-Therme getragen. Rund 60 Prozent der Besucher verweilten entweder als Urlauber im Bodenseeraum, als Geschäftsreisender oder Tagungsgast in Konstanz, fuhren als Tagesurlauber nach Konstanz oder ganz gezielt wie die Thermalbadanhänger aus der Schweiz. Ab 2009 hatte die Bodensee-Therme deutlich an Fahrt 214 Georg Geiger aufgenommen. Es war spürbar, dass sich eine positive Resonanz bei der Konstanzer Bevölkerung entwickelt hatte. Bis 2013 wurde jährlich ein neues Rekordergebnis erzielt. Die jährlichen Steigerungsraten bei den Besucherzahlen lagen zwischen 3,8 und 6,7 Prozent. Die in der strategischen Zielvorgabe angestrebten 400.000 Jahresbesucher waren erreicht. Profitiert hat die Bodensee-Therme auch vom bundesweiten Tourismusboom. Baden-Württemberg und die Bodensee-Region erfreuen sich seit 2010 einer zunehmenden Beliebtheit als Urlaubsland. 50 Die jährlichen Steigerungen von über 3 Prozent bei den Gästen und den Übernachtungszahlen machen sich in Kombination mit den zahlreichen Kooperationsangeboten von Hotels und Reiseveranstaltern dauerhaft bemerkbar. Dass die Stadt Konstanz mit der Bodensee-Therme ein neues Merkmal erhalten hat, spiegeln zahlreiche Bildreportagen in Reisebüchern und Architekturzeitschriften wieder. Zeitweise konnte von einem Architekturtourismus nach Konstanz gesprochen werden. Bei einem weltweit ausgeschriebenen Preis für Sport- und Freizeitbauten belegte die Therme den vierten Platz. Von der Architektenkammer Baden-Württemberg wurde die Erholungsstätte mit dem Preis „Beispielhaftes Bauen“ in der Kategorie Öffentliche Bauten ausgezeichnet. Zu größerer Bekanntheit gelangte auch die Romanfigur Josch, Schwimmmeister in der Bodensee-Therme. Für den Konstanzer Schauspieler und Autor Oliver Wnuk wurde in seinem berührenden, aber auch radikal erzählten Roman „Luftholen“ die Therme zum Arbeitsplatz, Schauplatz und Ausgangsplatz seines Protagonisten Josch auf der Suche nach der zweiten Chance im Leben. 51 Gemeinsam mit der Eröffnung der Therme startete die von der BGK im Tarifsystem neu eingeführte Kundenkarte „s`Kärtle“ seine Erfolgsgeschichte. Die Kundenkarte wurde als Rabattkarte mit Zahlungsfunktion gestaltet. Aufgeladen mit Beträgen von 100, 250 oder 500 Euro kommen die Kundenkarteninhaber beim Besuch der Konstanzer Bäder bargeldlos in den Genuss von hinterlegten Rabatten. Bereits sechs Monate nach Einführung des „s`Kärtle“ wurde der Geltungsbereich auf den Fährebetrieb der Stadtwerke erweitert. Überfahrten mit der Autofähre zwischen Konstanz und Meersburg sind für Kundenkarteninhaber ebenfalls rabattiert. Mit Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 215 der Kundenkarte Bäder & Fähre wurden zwei unterschiedliche Einrichtungen verschiedener Betreiber zu einer funktionalen Einheit verbunden, mit dem Ziel den wirtschaftlichen Erfolg und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Inzwischen sind 50.000 Kundenkarten mit einem im Millionenbereich platzierten Geldwert im Umlauf, was eine hohe Kundenbindung dokumentiert. Weiterhin im Tarifsystem sind die vor vierzig Jahren eingeführten Bäderpässe als stark rabattierte Jahreskarten für das Freibad der Therme, das Schwaketenbad und das Rheinstrandbad. Bis zum Abbrand des Schwaketenbades waren knapp 2000 Konstanzer Bürger im Besitz eines Bäderpasses. Die vollständige Zerstörung des Schwaketenbades durch einen Brand im Sommer 2015 führte zu einem unerwartet positiven Effekt bei den Besucherzahlen. Die Nachfolger für die inzwischen in den Ruhestand getretenen BGK-Geschäftsführer Konrad Frommer und Georg Geiger, die Herren Dr. Norbert Reuther (seit 2013) und Robert Grammelspacher (seit 2015) ermöglichten den Stammgästen bis zur Inbetriebnahme des neuen Schwaketenbades in der Therme eine vorübergehende neue Heimat. In den Monaten Oktober bis März wird das große Schwimmerbecken mit einer demontablen Traglufthalle überspannt. Von diesem aufwändigen Ersatzangebot profitieren auch die Schulen und die Vereine. Stetige Investitionen führten zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Therme und machten sie noch attraktiver. Das Nichtschwimmerbecken im Freibad erhielt zusätzlich zur 87 Meter langen Großrutsche eine 23,5 Meter lange Breitwasserrutsche und der Kinderbereich erhielt eine beschattete, die Motorik fördernde Spielfläche. Das Thermalinnenbecken wurde 2012 mit Sprudelsitzen und Bodendüsen nachgerüstet und kann seit der Umrüstung von Halogenauf programmgesteuerte LED-Farbbeleuchtung in den Abendstunden farblich inszeniert werden. Größten Zuspruch erfährt der 2018 unter der Verantwortung der neuen Geschäftsführer in Betrieb genommene und mit einem Aufwand von 500.000 Euro in exponierter Lage neben dem Thermalaußenbecken platzierte Panorama-Quelltopf. Im 36 Grad warmen sprudelnden Thermalwasser genießen die Badegäste den fantastischen Ausblick auf den See und die Bergwelt. Jüngste Attraktion ist ein mit Himalaya-Salz- 216 Georg Geiger riegeln ausgestalteter und mit naturbelassenem Steinsalzdampf angereichter Salzraum. Die im Jahr 2005 in der strategischen Ausrichtung der Konstanzer Bäder formulierte Vision von 400.000 Jahresbesuchern in der Bodensee-Therme ist Realität geworden. Als richtig erwies sich die Strategie der Zielgruppendifferenzierung - über 60 Prozent der Besucher gehören der Altersgruppe „50 plus“ an - und der Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen. In der Thermenlandschaft am Bodensee mit ihrer hohen Marktdichte konnte die Therme als klarer Marktführer positioniert werden. Mit über 300.000 Jahresbesuchern im Thermalbad zählt die Bodensee-Therme zu den größten Thermen Deutschlands. 52 Noch erfolgreicher schneidet der Saunabereich ab. Bei konstant 90.000 Jahresbesuchern liegt die Besucherzahl um das dreifache höher als bei Saunen vergleichbarer Größenordnung. 53 Bis Ende 2019 suchten 5.022.554 Besucher Entspannung und Erholung in den Einrichtungen der Therme, davon 3.167.856 im Thermalbad, 1.028.770 in der Sauna und 825.928 im Freibad. Die Bodensee-Therme als „Flaggschiff“ der BGK trägt mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg wesentlich mit dazu bei, dass die im kommunalpolitischen Zielkatalog für den Mutterkonzern Stadtwerke Konstanz GmbH vom Gemeinderat am 19. Juli 2012 festgelegte Prämisse, einen Kostendeckungsgrad von 50 Prozent einschließlich Zins und Tilgung über alle Bäder anzustreben, nahezu erfüllt wird. Erreicht wurde auch das bei der Gründung der BGK gesetzte Ziel, die Belastung des städtischen Haushalts durch den Betrieb der Bäder insgesamt zu reduzieren. Die auf 2,9 Mio. Euro jährlich festgesetzte Deckelung wurde deutlich unterschritten, so dass der Gemeinderat bereits drei Jahre nach Inbetriebnahme die jährliche Deckelung auf 2,5 Mio. Euro kürzte. Erst die Gründung der BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH im Verbund mit der Muttergesellschaft Stadtwerke Konstanz GmbH ermöglichte die Umsetzung der strategischen Schwerpunkte sowie deren Finanzierung außerhalb des städtischen Haushaltes und im Ergebnis den Bau der Bodensee-Therme. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 217 Schwimmen hat etwas Befreiendes. Heißt es doch nicht von ungefähr „sich frei schwimmen.“ Das bedeutet ins kalte Wasser springen, den ganzen Ballast an Rücksichtnahmen und Taktik am Ufer zurücklassen und ganz man selbst sein. Martin Walser Abendstimmung über der Bodenseetherme und der Konstanzer Bucht 218 Georg Geiger Anmerkungen 1 Wilhelm, Ludwig: Konstanz, Das Waldhaus Jakob, in: Die Brücke 1932/ 33, S. 131. 2 Blechner, Gernot: Vom Rebhäuschen zum Bildungszentrum. Die Geschichte des Waldhaus Jakob, in: Geschichten und Geschichte aus Konstanz und von den Schweizer Nachbarn (Delphin-Buch). Hg. vom Delphin-Kreis, Konstanz 1995, S. 11-34, hier 13-15. 3 Ebd., S. 19 f. 4 Ebd., S. 22. 5 StadtA KN S II 4656. 6 Ebd. 7 Blechner (wie Anm. 2) S. 23. 8 Ebd. 9 StadtA KN S VII 457. 10 Ebd. 11 Nümann, Wilhelm: Wie steht es heute um den Bodensee? , in: Umschau 76 (1976), Heft 19, S. 615. 12 Artikel: Sauerstoffvorrat des Bodensees nahezu erschöpft, in: Stuttgarter Zeitung Nr. 86 vom 14. April 1972. 13 Artikel: Bodensee-Verschmutzung - Getrübte Träne, in: Der Spiegel Nr. 46/ 1970, S. 120- 124. 14 Artikel: Das verrufene schwäbische Meer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 120 vom 25. Mai 1974. 15 Südkurier Nr. 149 vom 3. Juli 1969. 16 Sonderbeilage: Freizeitbad Jakob - Mittelpunkt des Sport- und Erholungszentrums, in: Südkurier vom 16. April 1975, S. 4 f. 17 Artikel: Freibad-Eröffnung fand in der Aufwärmehalle statt, in: Südkurier Nr. 88 vom 17.-April 1975. 18 Ebd. 19 Zur Biografie des Nachkriegsbürgermeisters von Allensbach und freien Architekten Gottfried Mayer (1896-1989) vgl. Klöckler, Jürgen: Abendland - Alpenland - Alemannien. Frankreich und die Neugliederungsdiskussion in Südwestdeutschland 1945-1947 (Studien zur Zeitgeschichte, 55) München 1998, S. 159, bes. Anm. 153. 20 German Water Engineering GmbH: Abschlussbericht zur Thermal- und Mineralwasser-Erschließung durch Bohrbrunnen, Teil I, S. 2. 21 Büchi, Ulrich P.: Abschlussbericht zur Thermal- und Mineralwasser-Erschliessung durch Bohrbrunnen, Teil II, Blatt 1. 22 Begriffsbestimmungen - Qualitätsstandards für die Prädikatisierung von Kurorten, Erholungsorten und Heilbrunnen, Deutscher Tourismusverband e.V. - Deutscher Heilbäderverband e.V., 12. Auflage, April 2005, zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2011, S. 34 und S.-44 ff. 23 Geologisches Landesamt Baden-Württemberg: Hydrogeologisches Gutachten für die staatliche Anerkennung des Thermalwassers von Konstanz als Heilquelle, 8. Juni 1983, AZ: Nr. I - 764/ 83, S. 4. 24 Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser (Min/ Tafel/ WV) vom 1. August 1984 (BGBl. I S. 1036, zuletzt geändert durch Art. 25 V vom 5. Juli 2017 / 2272). 25 Große Heilwasser-Analyse der Thermalquelle der Stadt Konstanz, Untersuchungsinstitut Dr. Horst Fast, 28. März 1984. 26 Bäderkonzept, Stadt Konstanz, Dezernat II, September 1990, Gemeinderatsvorlage GR 90/ 91, 18. Oktober 1990. Ein exponierter Uferabschnitt der Konstanzer Bucht 219 27 Ebd., S. 92. 28 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 250 vom 27. Oktober 1995, S. V 7. 29 Südkurier vom 8. Mai 1996, S. 24. 30 Sitzungsvorlage Gemeinderat GR 97/ 47, Investorenmodell „Thermal- und Mineralbad Jakob“, 20. März 1997. 31 Südkurier vom 22. September 2000. Sitzung des HFA, TUA und SSBA am 21. September 2000, Niederschrift S. 4 HFA 2000/ 84. 32 Sitzungsvorlage Gemeinderat GR 2000/ 248, Investitionsobjekt „Bodensee-Therme Konstanz“, Gemeinderatssitzung 30. November 2000. 33 Sitzungsvorlage Gemeinderat nö GR 2000/ 241, Neue Betriebsform für die Konstanzer Bäder, 30. November 2011. 34 Sitzungsvorlage Gemeinderat GR 2003-133, Gründung der BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, 15. Mai 2003. 35 StadtA KN, unverzeichneter Ordner Bodensee-Therme. 36 Salmuth, von Alexander/ Geiger, Georg: Bodensee-Therme Konstanz, A.B., in: Archiv des Badewesens, 60. Jahrgang, November 2007, Heft 11, S. 610-614. 37 Ebd., S. 618. 38 AB Archiv des Badewesens 2017 (Heft 10) S. 583. 39 StadtA KN, unverzeichneter Ordner Bodensee-Therme, Antrag auf Tourismus-Infrastrukturförderung 2005. 40 StadtA KN, unverzeichneter Ordner, Bodensee-Therme 2007-2010, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss vom 12. Mai 2008. 41 Vgl. dazu weiter: Bosch, Manfred/ Kopitzki, Siegmund (Hg.): Wettlauf mit dem Schatten. Der Fall (des) Wilhelm von Scholz (Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz, 15) Konstanz 2013. 42 Sitzungsvorlage Bäderbeirat BGK-BR 13/ 18, Neubau: Bodensee-Therme: Offene Punkte aus Projektabschlussbericht. 43 Südkurier Nr. 166 vom 21. Juli 2007, S. 19. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Ebd. 47 Rügert, Walter: „Zeit für mich“, in: Konstanzer Almanach 54 (2008) S. 3. 48 Südkurier Nr. 86 vom 12. April 2014. 49 Artikel: Bad für Familien, in: Südkurier vom 6. Oktober 2008. 50 Staatsanzeiger für Baden-Württemberg vom 21. Februar 2020, Nr. 7, S. 4. 51 Wnuk, Oliver: Luftholen, Frankfurt/ Main 2013. 52 Altenburg Bäderreport 2016. Hg. von der Altenburg Unternehmensberatung GmbH, 2016, S. 35. 53 Ebd., S. 65. Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! Die Dusch- und Wannenbäder in Konstanz l ina F ormHalS „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad“, lautete 1899 das Motto der ersten Kampagne der neu gegründeten „Deutschen Gesellschaft für Volksbäder“. 1 Heute leben wir in einer Zeit, in der die tägliche oder doch wenigstens fast tägliche Dusche eine Selbstverständlichkeit darstellt. Es ist es schwer vorstellbar, dass die Forderung nach dem wöchentlichen Bad gerade einmal gute 120 Jahre alt sein soll. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Dusch- und Wannenbäder auf der deutschen Hygieneausstellung. Auf dieser wurde 1883 erstmals ein Modell für ein Volksbad ausgestellt. Der Erfinder war der Berliner Dermatologe Oskar Lassar, der damit warb, den Wasserverbrauch - im Gegensatz zum Wannenbad - mithilfe der Brause auf unter 10-Liter zu beschränken. Rund 7300 Besucher konnten in den 80-Tagen der Hygieneausstellung die Duschen für zehn Pfennig vor Ort ausprobieren. Obwohl die Wassertemperatur nur 28 Grad Celsius betrug, kam die Brause sehr gut an. 2 Um die Jahrhundertwende war Duschen und Baden zum Zweck der täglichen Körperpflege nur einer sehr kleinen privilegierten Bevölkerungsschicht vorbehalten. Der Rest hatte schlicht und einfach keinen Zugang zu einer Dusch- oder Bademöglichkeit. Dabei hat das Baden eine lange Tradition, die zwischenzeitlich in Vergessenheit geriet. Die älteste uns heute bekannte Badewanne wird auf 1700 v. Chr. datiert und stammt vermutlich aus den Gemächern der Königin von Knossos auf Kreta. 3 Auch das Brausebad, wie die Dusche früher genannt wurde, blickt auf eine lange Tradition zurück. Duschende Frauen und Männer wurden bereits auf ägyptischen Wandmalereien und griechischen Vasen abgebildet. 4 In Deutschland wurde die Dusche erst im 16. Jahrhundert als Kuranwendung eingeführt. Den Zweck der Reinigung erfüllte die Dusche damals in Deutschland allerdings bis zur Zeit der Französischen Revolution nicht. Und auch dann ging die Entwicklung nur langsam voran, da kaum je- 222 Lina Formhals mand eine regelmäßige Dusche oder ein Bad zur Verfügung hatte. Vorreiter auf diesem Gebiet war das preußische Militär. Es erließ 1843 die Vorschrift, in jeder Kaserne, die neu erbaut werden sollte, auch einen beheizbaren Baderaum mit Badewanne zu installieren. Die Wasserversorgung und Probleme beim Heizen führten jedoch zu einer baldigen Aufgabe des Projekts. 1879 versuchte man es erneut, allerdings mit den Brausebädern, für die nur ein Bruchteil des Wassers gebraucht wurde. Hier konnten fortan bis zu 120 Männer in einer halben Stunde abgeduscht werden und der Wasserverbrauch sank enorm. 5 Duschen und Baden in Konstanz Die Konstanzer hatten schon aufgrund der Lage am See ein besonderes Verhältnis zum Wasser und man kann davon ausgehen, dass die Menschen am See schon immer darin badeten. Die ersten öffentlichen Seebadeanstalten für Männer und Frauen wurden 1840 an der Stelle des heutigen Stadtgartens eingerichtet. Sie enthielten auch Einrichtungen für warme Wannenbäder. 1873/ 74 wurden sie abgebrochen, vor der großen Hafenmole wiedererrichtet und von der Stadtgemeinde übernommen. 1911 waren sie noch als städtisches Männer- und Frauenbad in Betrieb. Die Seebadeanstalten besaßen neben den Zellen mit Einzelbädern auch Becken für Schwimmer und Nichtschwimmer und eine Anzahl Auskleidekabinen. 6 Die Wannenbäder hatten jedoch keine Kapazitäten für die breite Bevölkerung. Den Durchbruch hatte das Brausebad mit seiner Vorstellung auf der Hygieneausstellung 1883. Ein Jahr später wurde das erste Schulbrausebad in Göttingen eingeführt, das sich bis zur Jahrhundertwende an immer mehr Schulen in Deutschland durchsetzte. Die heranwachsende Jugend sollte so zur Reinlichkeit erzogen werden. 7 Auch in Konstanz wurde die flächendeckende Möglichkeit zur Körperreinigung als Thema erkannt, dem es sich zu widmen galt. Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! 223 Das Stephansbad - eine Institution 1899 wurde die Einrichtung eines Brausebades für Schüler aus Gründen der Volksgesundheit in Betracht gezogen. Wie fast immer bei einer Neueinführung, rief dies sofort Skeptiker auf den Plan, die davor warnten, dass „durch Brausen eine zu starke Erregung auf die Schulkinder ausgeübt werden könnte“. 8 1904 war es dann aber soweit und der Stadtrat von Konstanz beschloss die Einrichtung eines städtischen Volksbrausebades in den Erdgeschossräumen des Knabenvolksschulhauses am St. Stephansplatz an der unteren Laube. Dort wurde das erste Volksbrausebad in Konstanz eröffnet. Darin waren zehn Einzelzellen mit Brauseeinrichtung vorhanden. In der Badeordnung war die Nutzung des Bades genau geregelt. So hieß es dort: „Die Brausebäder im Knabenschulhaus sind teils für Schüler, teils für Erwachsene bestimmt. Die Benutzung der Bäder durch die Schulkinder ist eine unentgeltliche und freiwillige; sie wird außerdem von dem Einverständnisse der Eltern oder Pflegeeltern der betreffenden Kindern abhängig gemacht. Kränkliche Kinder (insbesondere herzleidende, sehr hochgradig blutarme, mit ausgebreiteten Hautkrankheiten, ansteckenden Krankheiten) sind jeweils auszuschließen.“ 9 Außerdem schrieb die Badeordnung den genauen Ablauf des wöchentlichen Schülerbads fest, so dass man sich heute ein recht genaues Bild davon machen kann, wie ein Bad damals ablief. So steht in der Badeordnung: „Die Brausebäder werden an Schüler im Knabenschulhaus während der Unterrichtszeit verabreicht. Die Verabreichung erfolgt nach den vom Rektor aufgestellten Anordnungen durch das dazu bestimmte Personal. Die Pläne für das Baden innerhalb der Schulzeit sind so aufzustellen, dass eine erhebliche Störung des Unterrichts vermieden wird. Der Beginn des Badens wird in der Zeit vom 15. November bis 15. Februar auf 8.45, in der übrigen Zeit auf 8.15 Uhr festgesetzt. Nach Beendigung desselben sollen die Kinder mindestens noch eine halbe Stunde Unterricht in der Klasse haben. Die Klassenlehrer bestimmen die 10 Kinder, welche gleichzeitig zu baden haben. Bei Beginn der Badezeit treten 20 Kinder im Umkleideraum an. Nach 15 Minuten folgen weitere 10 Kinder nach, 224 Lina Formhals welche im Umkleideraum warten, bis die Reihe an sie kommt. Der Unterricht der nicht badenden Kinder findet während dieser Zeit in vorgeschriebener Weise statt. Die Kinder haben sofort nach Betreten des Umkleideraums sich bis auf das Hemd zu entkleiden. Die Mädchen bedecken außerdem ihren Kopf mit einer undurchlässigen Haube, welches jedes Kind für sich mitzubringen hat. Die Kleider sind an die wandständigen Haken anzubringen, deren Nummern sich die Kinder zu merken haben. Ohne Zeitverlust begeben sich sodann je 10 Kinder in den anstoßenden Baderaum, treten in die Einzelzellen, entkleiden sich ganz und erhalten sogleich die erste warme Brause (32 - 33 Grad C.). Sodann waschen sie sich mit Seife gründlich ab und erhalten dann zum Schlusse eine zweite kühlere Brause (19 - 21 Grad C., je nach Alter). Nach der Begießung reiben sich die Kinder mit dem dargereichten Handtuch trocken, insbesondere auch die Haare. Dann bekleiden sie sich wieder mit dem Hemd und treten in den Umkleideraum zurück.“ 10 Die vorgeschriebenen Wassertemperaturen sind für heutige Verhältnisse etwas gewöhnungsbedürftig. Trotzdem war es ein großer Fortschritt, dass jeder Schüler nun einmal wöchentlich die Gelegenheit für eine gründliche Reinigung bekam. Auch für die Erwachsenen, die das Volksbad in der schulfreien Zeit nutzen durften, galten gewisse Regeln. So sollte der Aufenthalt nicht länger als 15 Minuten dauern und Wasserverschwendung vermieden werden. Als Vorbeugung von Erkältungen wurde eine kurze kalte Dusche nach der warmen Brause empfohlen. Der Preis für ein Brausebad betrug 1904 15 Pfennig, darin inbegriffen waren ein Stückchen Seife sowie ein Handtuch zum Gebrauch. Bademarken für eine Dusche bekam man beim Badewärter. Die Öffnungszeiten waren klar geregelt. Männer konnten das Brausebad dienstags und donnerstags von 4 bis 8 Uhr und am Samstag von 2 bis 9 Uhr besuchen. Frauen hingegen mittwochs und freitags von 4 bis 8 Uhr. An Montagen sowie Sonn- und Feiertagen blieb das Brausebad geschlossen. 11 Besucherzahlen findet man vom Jahr 1911. 15.782 Männer, 3529 Frauen und 12.500 Kinder nutzen im siebten Jahr nach der Eröffnung das städtische Volksbrausebad. Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! 225 Der Betrieb des Brausebades erforderte im Jahr 1911 einen Aufwand von 4995 Mark. Diesen Ausgaben standen Einnahmen für die Benutzung der Bäder durch Erwachsene in Höhe von 2897 Mark gegenüber. Für die Stadt war der Betrieb des Bades also nicht rentabel. Der Nutzen für die Bevölkerung wog dies jedoch auf. Man war der Meinung, die regelmäßigen Bäder würden sich auf die Volksgesundheit positiv auswirken. 1914 verhinderte der herrschende Kohlemangel eine geplante Erweiterung des Bads von zehn auf 14 Duschzellen. Dienstags wurde das Bad nun aus demselben Grund geschlossen. 1922 kam dann der Gedanke auf, Badewannen statt neuer Duschen einzubauen, da das städtische Wasserwerk noch fünf Badewannen besaß, die „billig“ zum Stückpreis von 10.000 Mark eingekauft worden waren. Wegen der Inflation lag der reguläre Preis zu diesem Zeitpunkt bei 125.000 Mark. 12 1927 wurde der Einbau von acht Badewannen in das bisherige Brausebad genehmigt. Danach gibt es eine Lücke in den Akten. 1945 befahl die französische Besatzungsmacht, das Bad unverzüglich zu öffnen, da kranke Soldaten erwartet würden. Der Betrieb wurde wieder aufgenommen. Sonntag, Montag und Dienstag durfte die deutsche Bevölkerung baden und duschen, die Soldaten der Besatzungsmacht am Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag. Das Stephansbad entwickelte sich sehr schnell zu einer Institution in Konstanz. Besucherzahlen lassen sich in den Akten nur für manche Jahre finden. So wurden 1952/ 53 im Volksbad in der Stephansschule 38.374 Reinigungsbäder, dazu zählten Wannen und Brausen, verabreicht. 13 Der „Konstanzer Anzeiger“ titelte schließlich am 17. Dezember 1981: „Städtische Badeanstalt schließt nach 77 Jahren ihre Pforten“. Damit endet die Geschichte des Stephansbads. Als Ersatz für die Menschen, die keine eigene Badewanne zuhause hatten, sollte eine ähnliche Anlage im Kur- und Hallenbad in der Spanierstraße geschaffen werden. 14 Die Räumlichkeiten im Hallenbad am Seerhein sind heute noch vorhanden, werden allerdings nicht mehr genutzt. 226 Lina Formhals Das Volksbad in Petershausen Das Stephansbad war nicht das einzige Volksbrausebad, das Anfang des 20. Jahrhunderts in Konstanz eröffnet wurde. Im Stadtteil Petershausen wurde im April 1909 das neue Volksschulhaus eingeweiht, in dem ein modern eingerichtetes Volksbad und ein Schülerbad integriert waren. Beide Anlagen waren voneinander getrennt. Das Volksbad enthielt zehn Einzelzellen mit Brausevorrichtung und drei Zellen mit Wannenbädern. Im Schülerbad war zusätzlich zu einer Brauseeinrichtung, die von einer ganzen Klasse zu gleicher Zeit benutzt werden konnte, noch ein Schwimmbad vorhanden. Für beide Bäder gemeinsam gab es außerdem eine maschinelle Wäscherei mit elektrischem Antrieb nebst künstlicher Trockeneinrichtung. Die Bedienung erfolgte durch einen Wärter und eine Wärterin. Auch vom Schüler- und Volksbad in Petershausen gibt es überlieferte Besucherzahlen. 1911, also zwei Jahre nach Eröffnung, wurden das Volksbad von 11.040 Personen und das Schülerbad von 9.757 Schülern und Schülerinnen benutzt. Das ergibt eine Gesamtbesucherzahl von 20.797 Personen. Die Betriebsausgaben betrugen im selben Jahre für beide Badeanstalten 5355 Mark, diesen standen Einnahmen aus dem Volksbad von 2755 Mark gegenüber. 15 Der Betrieb war also ebenfalls nicht kostendeckend. Das Kur- und Hallenbad am Seerhein Das Kur- und Hallenbad wurde 1937 erbaut (vgl. den Beitrag von Ilse Friedrich in diesem Band). Konkrete Zahlen zu den Bädern finden sich erst für 1952/ 53, in dem 15.575 Medizinische- und Wannenbäder sowie 12.253 Schulbäder verabreicht wurden. 1982 erfuhren die Dusch- und Wannenbäder einen Besucherzuwachs um 100 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Jahr. 16 Dies ist auf die Schließung des Stephansbades zurückzuführen. Genaue Zahlen lassen sich nicht finden, trotzdem sieht man deutlich, dass ehemalige Besucher des Volksbades an der unteren Laube nun über den Rhein kamen, um sich zu reinigen. Aus dieser Zeit findet sich auch eine Rechnung, die die Kosten einer Familie für ihre Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! 227 Körperreinigung zuhause und im öffentlichen Bad gegenüberstellt. Vermutlich wurde der Besuch des Hallenbads mit dem Bäderpass nicht nur für ein Brausebad, sondern auch für den Besuch der Schwimmhalle an sich genutzt. Trotzdem spielte die Reinigungsfunktion hier eine Rolle. Für eine vierköpfige Familie, die im Besitz eines Familienbäderpasses war und deren Familienmitglieder zweimal wöchentlich ein Bad besuchten, belief sich der Einzeleintritt bei ungefähr 100 Besuchen pro Jahr auf 0,69 Mark. Hingegen betrugen die Kosten für ein im Privathaushalt bereitetes Wannenbad mit 150 bis 180 Liter Wasser und 37 Grad Wassertemperatur damals in Konstanz 1,54 Mark (Strom) bzw. 1,03 Mark (Heizöl, Gas). 17 Finanziell lohnte sich für Familien mit Bäderpass also der Besuch der Volksbäder. Die Einzeleintritte für die Dusch- und Wannenbäder hingegen lagen schon deutlich höher. Das Duschen kostete 2 Mark, ein dreißigminütiges Wannenbad kostete 3 Mark, bei Zeitüberschreitung betrug die Aufzahlung 1 Mark. Auch war das Angebot um eine Wellnessanwendung erweitert worden. Unterwassermassagen ohne anschließende Ruhephase waren für 12,30 Mark zu haben, mit anschließender Ruhephase kosteten sie 16 Mark. 18 Die Badewärterin gab nicht nur Handtücher und Bademarken aus, sie half auch beim Waschen. 228 Lina Formhals Weitere Dusch- und Wannenbäder in Konstanz Eine weitere Badanlage wurde 1914 im Schulhaus Wollmatingen eingebaut. 19 Für viele Jahre lassen sich keine Besucherzahlen finden, erst für 1952/ 53 sind 2002 Wannen- und Brausebäder dokumentiert. 20 Auch im Schulhaus Allmannsdorf sollten 1927 im Zuge eines sowieso durchgeführten Umbaus sieben Brausebäder und vier Wannenbäder eingebaut werden. Dies wurde allerdings erst 1929 genehmigt, mit der Auflage, erst mit dem Bau zu beginnen, wenn ein langfristiger Kredit zur Verfügung stünde. 1933 wurde die Angelegenheit vorerst zurückgestellt, da in absehbarer Zeit die Mittel nicht verfügbar waren. 21 1937 finden sich weitere Akten, die sich mit den geplanten Duschen befassten. Diese würden nun nicht gebaut, als Grund wurde das damals neu gebaute Kur- und Hallenbad am Seerhein genannt, das die Duschen im Schulhaus überflüssig machte. Aufgrund der zu erwartenden niedrigen Duschfrequenz würden diese unnötig hohe Kosten verursachen. Gebaut wurde ein weiteres öffentliches Dusch- und Wannenbad mit vier Badewannen und fünf Duschkabinen schließlich im Längerbohl. Das Bad, das zusätzlich eine Wäscherei enthielt, wurde 1955 in Betrieb genommen. Die Gebühren entsprachen denen des Bads im Schulhaus Wollmatingen: Eine zwanzigminütige Dusche kostete 30 Pfennig, ein halbstündiges Wannenbad, das von den Besuchern bevorzugt wurde, das doppelte. 22 Damit waren die Anlagen im Vorort deutlich günstiger als das Stephansbad in der Stadt. Dort kostete im selben Jahr eine Dusche 40 Pfennig und ein Wannenbad sogar 80 Pfennig. Der Hauptbadetag in allen Bädern der Stadt war der Samstag, an dem - dies änderte sich im Laufe der Zeit wenig - die höchsten Besucherzahlen gemessen wurden. 23 Auch das Bad im Längerbohl konnte von der Stadt nicht rentabel betrieben werden. Im Gegenteil, die Zuschüsse waren hier besonders hoch. Im Jahr 1964 zeigte der Bericht des städtischen Rechnungsprüfungsamtes folgendes Ergebnis: Zuschüsse erfordern alle Bäder. Im Stephansbad betrug der Zuschuss 39 Pfennig pro Bad, im Petershauser Bad 50 Pfennig und im Längerbohl-Bad waren es gar 1,35 Mark, die der Zuschuss pro Bad betrug. 24 Aufgrund der hohen Betriebskosten schloss das Bad Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! 229 im Längerbohl 1968 schon nach 13 Jahren wieder. Zuvor wurde die private Weiterführung durch das Badewärter-Ehepaar geprüft, was sich jedoch durch den nicht einmal kostendeckenden Betrieb als nicht sinnvoll herausstellte. 25 Bewusstseinswandel in der Bevölkerung Mit dem Stephansbad und dem neuen Kur- und Hallenbad hatte die Stadt ab dem Jahr 1937 nun links- und auch rechtsrheinisch - zusätzlich zu den Schülerbädern in den Volksschulen - Dusch- und Reinigungsmöglichkeiten mit hoher Kapazität geschaffen. Das Hygiene-Bewusstsein der Bevölkerung hatte sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und viele Menschen nutzten die neuen Reinigungsmöglichkeiten. Konstanz war hierbei im gesamtdeutschen Durchschnitt sehr gut aufgestellt. Laut einer 1941 angefertigten Statistik standen damals gerade einmal 2,9 öffentliche Badewannen und 2,2 Brausen pro 10.000 Einwohner zur Verfügung. Bademöglichkeiten befanden sich dabei vor allem in den größeren Städten. Es gab sogar Städte mit über 50.000 Einwohnern, die keine einzige öffentliche Mietwanne unterhielten. Erst in den 1970er Jahren wurde das Wohnbad zuhause zur Selbstverständlichkeit. Statt Holz und Kohle nutzte man für die Warmwasserbereitung nun Gas- oder Ölbadeöfen. 26 Schon 1937 waren die Dusch- und Wannenbäder im neu gebauten Kur- und Hallenbad zwar fest eingeplant, das Herzstück stellte jedoch die Schwimmhalle dar. Mit dem verstärkten Einbau von Wohnbädern ab den 1960er Jahren, die in den 1970er Jahren fast flächendeckend eingebaut waren, verloren die öffentlichen Dusch- und Wannenbäder ihre Bedeutung für die Reinigung der breiten Bevölkerung. Gerade die Arbeiter waren jedoch noch viele Jahre auf die öffentliche Duschmöglichkeit angewiesen. Im Kur- und Hallenbad schloss die Abteilung der Dusch- und Wannenbäder schließlich 2007 ihre Pforten, womit das Kapitel der Dusch- und Wannenbäder in Konstanz endet. 230 Lina Formhals Anmerkungen 1 StadtA KN S II 16116, Plakat „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! “. 2 Sethmann, Jens: Als Berlin noch baden ging. In: Berliner Mieterverein, MieterMagazin 7+8/ 15. Online abgerufen unter https: / / www.berliner-mieterverein.de/ magazin/ online/ mm0715/ 071524.htm am 28. Januar 2020. 3 Kramer, Klaus: Das private Hausbad 1850-1950 und die Entwicklung des Sanitärhandwerks, Schiltach 1997, S. 59. 4 Ebd., S. 49. 5 Ebd., S. 51. 6 Jahrbuch der Stadt Konstanz. Erster Jahrgang 1911 mit geschichtlichen Rückblicken. Konstanz 1913, S. 211. 7 Kramer (wie Anm. 3) S. 52. 8 Konstanzer Anzeiger vom 17. Dezember 1981. 9 StadtA KN S II 16116, Vortrag des Stadtrats an den Bürgerausschuss. Badeordnung für das Brausebad. 10 Ebd. 11 StadtA KN S II 12286, Badeordnung Volksbrausebad. 12 Konstanzer Anzeiger vom 17. Dezember 1981. 13 StadtA KN S IIa 4061, Besuch der Konstanzer Bäder im Rechnungsjahre 1952/ 1953. 14 Konstanzer Anzeiger vom 17. Dezember 1981. 15 Jahrbuch der Stadt Konstanz (wie Anm. 6) S. 213. 16 StadtA KN S XIII 2040, Ergebnisprotokoll über die öffentliche Sitzung des Schul-, Sport- und Bäderausschusses am Mittwoch, den 23. Juni 1982, S. 3. 17 StadtA KN S XIII 2040, Bäderbericht von 1981, S. 5. 18 StadtA KN S XIII 2040, Bäderbericht von 1981. 19 StadtA KN T II 356, Korrespondenz zum Schulhaus in Wollmatingen, 24. Juni 1914. 20 StadtA KN S IIa 4061, Besuch der Konstanzer Bäder im Rechnungsjahre 1952/ 1953. 21 StadtA KN S VI 133, Volksschule Allmannsdorf, Erweiterungsbau 1928-1938. 22 StadtA KN S IIa 4094, Städtische Badeanstalt im Längerbohl, Gebührenfestsetzung. 23 Südkurier vom 7. Juli 1955. 24 StadtA KN S IIa 4089. Stellungnahme zur Wirtschaftlichkeit der Wannen- und Brausebäder. 25 StadtA KN S IIa 4094, Schließung des Brause- und Wannenbades im Längerbohl. 26 Kramer (wie Anm. 3) S. 79. ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder auf der heutigen Konstanzer Gemarkung Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf, Litzelstetten, Allmannsdorf und Wollmatingen J oSeF S iebler Das unbeschwerte Vergnügen am Strand ist der Inbegriff des Sommers am Bodensee. Die Menschen hat es seit jeher ans Wasser gezogen. Da Natur und Landschaft nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, haben es sich die Seeanrainer nach und nach auferlegt, das Vergnügen mal mehr, mal weniger zu kanalisieren und zu reglementieren. Andererseits waren und sind Kommunen bemüht, den Menschen die sportliche Betätigung im Wasser zu ermöglichen und damit die Gesundheit zu fördern. So wurden die Strandbäder räumlich abgesteckt - ohne das „wilde Baden“ je ganz einschränken zu können. In Konstanz und den Vororten zeigt die Geschichte, wie schwierig es war, Regeln aufzustellen, beziehungsweise Strandbäder mit strengen Grenzen zu versehen. Es sind heute insgesamt fünf offizielle: das Strandbad Horn (siehe den Beitrag von Jürgen Klöckler in diesem Band), die Strandbäder Wallhausen, Dingelsdorf und Litzelstetten sowie das kostenpflichtige Rheinstrandbad (siehe den Beitrag von Ilse Friedrich in diesem Band). In früheren Zeiten gab es noch weitere offizielle Badestellen - an der Seestraße, bei der Jugendherberge, am Wasserwerk/ Hörlepark, in Egg und das Militärbad am Horn - sowie noch gewünschte, aber nie verwirklichte, wie das viele Jahre heftig diskutierte Freibad für Wollmatingen. Begehrlichkeiten und Verbote Die Geschichte des Freizeitvergnügens am See ist eine Geschichte der Begehrlichkeiten und der Verbote. Wenn an einem heißen Sommertag die Massen mit dem Auto an den See fahren und mit 232 Josef Siebler Schlauchbooten, Luftmatratzen und allerlei Strandutensilien das Ufer bevölkern, hat das Folgen für die sensible Landschaft und die Natur. So sind große Flächen rund um Konstanz streng geschützt. Die Geschichte der Strandbäder zeigt die Konflikte immer wieder auf. Am westlichen Bodensee werden sie bereits in den eigentlich - zumindest in den Großstädten - als wild geltenden 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aktenkundig. Es wird alles streng reglementiert, das wilde Baden wird weitgehend unterbunden, die offiziellen Badeplätze rücken in den Vordergrund. So heißt es 1926 in einer Aktennotiz des Badischen Bezirksamtes Konstanz: „In der letzten Zeit mehren sich die Klagen der an den See angrenzenden Gemeinden, dass durch Leute, die ausserhalb der vorgesehenen Plätze baden, erheblicher Flurschaden angerichtet werde. Ortspolizei und Feldhüter sind oft nicht in der Lage, mit Erfolg gegen das Treiben der Badenden einzuschreiten.“ 1 Es seien also von Zeit zu Zeit Streifen nötig und Strafmeldungen gegen unberechtigt Badende vorzunehmen. Die strengen Regeln werden ersichtlich in der bezirkspolizeilichen Vorschrift „Das Baden in öffentlichen Gewässern“ vom 10. Juli 1928. Den Bürgermeistern oblag es demzufolge, die Freibadeplätze in der Gemeinde zu bestimmen. „Das Baden in öffentlichen Gewässern ist außerhalb von Badeanstalten, Badehäuschen und der von der Ortspolizeibehörde bezeichneten Freibadeplätze verboten.“ 2 Diese Fotos um 1940 zeigen zwei der vielen Badestellen am Bodenseeufer bei Konstanz. ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 233 Wenngleich die Uferanwohner von ihren Grundstücken aus natürlich ins Wasser durften, war der enge Rahmen damit vorgegeben. Für die Badeplätze waren damals schon Umkleideräume vorgesehen und WC-Anlagen vorgeschrieben, getrennt nach den Geschlechtern. In den Strandbädern am See herrschten in jenen Jahren strenge Sitten. In der Vorschrift war unter anderem von der erlaubten Badekleidung die Rede: „Vorgeschrieben ist für Personen männlichen Geschlechts mindestens eine die Oberschenkel bis zur Hälfte bedeckende, nicht dreieckige Badehose; für Personen weiblichen Geschlechts ein Badeanzug, der Brust, Leib und die Oberschenkel bis zur Hälfte bedeckt.“ 3 Alkoholische Getränke durften nicht ausgeschenkt werden, verboten war es zudem, benachbarte „Schankstätten“ in Badekleidung zu betreten oder gar den Badeplatz in Badekleidung zu verlassen. Eine Bekanntmachung sollte die „Fremden und Kurgäste“ auf die Bestimmungen hinweisen. An die Vorschriften wurden die Bürgermeisterämter auch in schöner Regelmäßigkeit erinnert. Aus Sicht der Sittenwächter waren die Verbote schließlich streng zu überwachen. So wurde im März 1930 in der Deutschen Bodensee- Zeitung getitelt: „Gegen das wilde Baden“. Der Innenminister habe die Polizeibehörden angewiesen, „im Interesse der Sittlichkeit und des Anstandes und zur Förderung des Badewesens künftig der Unterdrückung und Bekämpfung von Mißständen, insbesondere des wilden Badebetriebes, ungenügender Bekleidung, Belästigung des Publikums […] erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und gegebenenfalls mit Nachdruck einzuschreiten“. 4 Dennoch kam es natürlich vor, dass die badebegeisterte Bevölkerung das Ganze nicht so ernst nahm. Im Juni 1931 mahnte das badische Bezirksamt, es gebe Beschwerden über wildes Baden am Untersee. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen und die Folgen des Zweiten Weltkriegs sich auch am Bodensee bemerkbar machten, kamen neue Verbote hinzu. 1936 kam das Badeverbot für Juden. Demnach war es Gemeinden erlaubt, den jüdischen Einwohnern Beschränkungen in den Badeeinrichtungen aufzuerlegen. Fünf Jahre später wurde angeordnet, dass Kriegsgefangene und polnische Arbeitskräfte im Bodensee nicht baden dürften. 234 Josef Siebler Nach dem Krieg wurde durchaus auch in der bezirkspolizeilichen Vorschrift von 1950 ein strenger Maßstab angelegt. „Das Baden ist nur in einer die allgemeine Sitte und den Anstand nicht verletzenden Badekleidung gestattet“, heißt es da. 5 Freibäder mussten abgesteckt werden und mit einer „Klosettanlage“ ausgestattet sein. Das Landratsamt Konstanz machte 1952 die Bürgermeisterämter darauf aufmerksam, den hygienischen Verhältnissen in den Badeanstalten, Freibädern und besonders in den stark besuchten sonstigen Freibadeplätzen erhöhtes Augenmerk zu schenken. Konfliktträchtige Badeeinrichtungen Der Druck auf den Bodensee durch Freizeit, Sport und zunehmende Landnutzung nahm in den Folgejahren mit wachsenden Bevölkerungszahlen, mehr Wohlstand und mehr Mobilität weiter zu. Die Geschichte der Strandbäder ist aus diesem Grund exemplarisch für die Konflikte am Bodensee, zwischen Schutz der einzigartigen Natur und Landschaft sowie den Erholungs- und Freizeitinteressen der Menschen. Wie groß der Druck ist, zeigt das Thema Parkplätze. Der Geschäftsführer der BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH schlug im September 2003 Alarm. Der extrem heiße Sommer habe zu chaotischen Park-Verhältnissen geführt, bis zu 500 Fahrzeuge seien täglich außerhalb der vorgesehenen Flächen bei den Strandbädern Dingelsdorf und Wallhausen geparkt worden. Neben dem heißen Wetter machte er die Beliebtheit der Bäder als Grund aus, vor allem bei Badegästen aus den benachbarten Landkreisen Balingen, Tuttlingen, Villingen-Schwenningen und Waldshut. „Die Gründe hierfür sind: kein Badeeintritt, höherer Pflege- und Ausstattungsstandard als in anderen eintrittspflichtigen Bodensee-Strandbädern, gute Wasserqualität, kaum Fälle von Entendermatitis.“ 6 Der Parkdruck war schon Jahre zuvor großes Diskussionsthema. Im November 1991 beschloss der Gemeinderat Konstanz, die Parkplätze sollten künftig von Mai bis September mittels Parkschein- Automaten bewirtschaftet werden. Vorgeschlagen wurden für das Freibad Litzelstetten 90 feste sowie 117 Bedarfs-Parkplätze, für das ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 235 Klausenhorn in Dingelsdorf 200 feste Parkplätze und für das Freibad Wallhausen 180 feste Parkplätze. Umstritten war die Lösung für Wallhausen, der Ortschaftsrat forderte rund 510 Stellplätze, da an normalen Sommer-Wochenenden über 1200 Stellplätze belegt seien, so seine Begründung. Es sei zu befürchten, dass nach der geplanten Reduzierung sämtliche angrenzenden Straßen zugeparkt würden. 7 Diese Einschätzung beruhte durchaus auf Erfahrungen. In der Lokalzeitung war 1992 zu lesen: „Die Parkplätze waren überfüllt, die Rettungswege oft zugestellt, angrenzende Wiesen litten unter den Autos.“ 8 Auch in Litzelstetten regte sich Kritik, unter anderem wegen der aus Sicht des Ortschaftsrates nicht genügenden Busanbindung, wegen des steilen Geländes, das älteren Bürgern und Müttern mit Kindern den Zugang zum Bad erschwere, und da ein Ausweichen der Autofahrer auf angrenzende Straßen zu befürchten sei. Die Stadt Konstanz führte schließlich im Sommer 1993 die Parkraum-Bewirtschaftung in den Monaten Juli und August ein. In Wallhausen wurden letztlich rund 340 Stellplätze genehmigt. In Litzelstetten waren es rund 80 Stellplätze, außerdem wurden in den angrenzenden Straßen Parkverbots-Zonen eingerichtet. Besorgten Bürgern und dem Naturschutz war das wilde Parken schon lange ein Dorn im Auge, vor allem auf den Streuwiesen im Schutzgebiet „Bodenseeufer“ in Wallhausen. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Konstanz forderte 1992 ein Konzept seitens der Stadt Konstanz. Ausgemacht wurde dabei eine gewisse Bequemlichkeit der Badegäste, da die im Schutzgebiet gelegenen Grundstücke zum Parken beliebter seien, weil sie näher am Badestrand liegen. 9 Die Stadt Konstanz wollte neben der Bewirtschaftung weitere Maßnahmen ergreifen: Abzäunungen, Schranken, eine gute Busanbindung und mehr Abstellplätze für Fahrräder. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Konstanz genehmigte zudem in den Sommermonaten Ausweichparkplätze auf wenigen Grundstücken außerhalb der Schutzgebiete. Im Jahr 2003 schlug die BGK-Geschäftsführung vor, wegen des bereits erwähnten Zustroms von Badegästen aus der weiten Region die Bewirtschaftung der Parkflächen bei den Strandbädern auf Mit- 236 Josef Siebler te Mai bis Mitte September auszuweiten. Dies wurde schließlich umgesetzt. Umweltschutz spielte am Bodensee früh eine Rolle. So war in der zitierten bezirkspolizeilichen Vorschrift vom 10. Juli 1928 der Schutz der Natur ein Thema: Freibadeplätze durften sich nicht bei Laich- und Brutplätzen der Fischerei befinden. Ein weiteres Thema waren Hunde: Die Mitnahme war schon damals ganzjährig verboten. Es ist über die Jahrzehnte ein Ziel geblieben, die Auswirkungen des Badebetriebs auf Landschaft und Natur klein zu halten. Behörden, Umweltverbände und die Bädergesellschaft suchen dabei einen Ausgleich. Ein Beispiel ist der schützenswerte „Strandrasen“. So gibt es in einigen Strandbädern am See das sehr selten gewordene Bodensee-Vergissmeinnicht. Ohne Achtsamkeit wäre dies nicht denkbar. 10 Dennoch gibt es für die Badbetreiber hin und wieder Rückschläge. Die BGK beklagte unter anderem im Jahr 2018, es gebe nach sommerlichen Abendpartys zunehmende Probleme am Wasser mit Scherben und sonstigen Abfällen. Es bleibt den Verantwortlichen nur, an die Vernunft der Menschen zu appellieren. Denn der Zugang zu den Strandbädern soll weiterhin frei zugänglich bleiben. Ansonsten hält die BGK in ihrer Haus- und Badeordnung fest, was erlaubt ist und was nicht. Das Wegwerfen von Abfällen, Glas und sonstigen scharfen Gegenständen ist natürlich untersagt. Oder Tiere dürfen nach wie vor nicht mitgeführt werden. Bei den Badesitten ist allerdings alles etwas liberaler geworden: So ist eine „allgemein übliche Badekleidung erforderlich“. 11 Das Alleinstellungsmerkmal Die Konstanzer Strandbäder können - bis auf das Rheinstrandbad - kostenlos genutzt werden. Und jeder Versuch, dies aus finanziellen Gründen zu ändern, scheiterte bislang. So gab es 1991 einen Vorstoß der Stadtverwaltung, der vom Schul-, Sport- und Bäderausschuss des Gemeinderats mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. In Konstanz und den Vororten ist man eben durchaus stolz darauf, ein solches Alleinstellungsmerkmal am See zu haben. Zumal nicht nur ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 237 die Touristen davon profitieren, sondern die Bürgerinnen und Bürger selbst. 1932 hatte der Konstanzer Gemeinderat beschlossen, wegen der schwierigen Zeiten der Bevölkerung den Zutritt zum Freibad Horn weiter kostenlos zu ermöglichen. „Nach der Eingemeindung von Litzelstetten, Dingelsdorf und Dettingen-Wallhausen hat der Gemeinderat beschlossen, dass auch diese Freibäder künftig ohne Entgelt benutzt werden sollten, um alle Seefreibäder gleichzustellen.“ 12 Die Bädergesellschaft setzt auf Qualität in den Strandbädern, es wird jährlich ein namhafter Betrag in die Infrastruktur und Sicherheit investiert, ob in Schwimmflöße, Spiel- und Ruhebojen oder in die sanitären Anlagen. Hinzu kommen Personalkosten für die Schwimmmeister. Da kein Eintritt erhoben wird, hat die Bädergesellschaft aber nur ganz geringe Einnahmen. Ehrenamtliche tragen dazu bei, den Standard in den Freibädern hoch zu halten. So ist der Wach- und Rettungsdienst der DLRG (Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft) nicht wegzudenken. 1971 wurde nach der Eingemeindung von Litzelstetten eine Wache im Strandbad verpflichtend eingerichtet. 1973 wurde von der DLRG Konstanz ein Stützpunkt in Dettingen-Wallhausen gegründet. Sie übernahm von dort aus den Wachdienst in den Strandbädern in Dingelsdorf (Klausenhorn) und Wallhausen. Zwei Jahre später richtete die Ortsgruppe auf dem Campingplatz Klausenhorn, der in direkter Nachbarschaft zum Strandbad liegt, in einem Zelt eine Wachstation für die Wochenenden ein. In den Folgejahren wurden in den Strandbädern, vor allem in Wallhausen, nach und nach die Bedingungen der ehrenamtlichen Retter verbessert mit dem Bau fester Wachstationen, Rettungsboot und modernen Geräten. Seit 2003 gehören die Strandbäder zur Bädergesellschaft Konstanz. Ziel der Stadtverwaltung war es, durch die neu gegründete Gesellschaft Steuern zu sparen. Die Eingliederung war nicht unumstritten. Etliche Ortschaftsräte der früher selbstständigen Gemeinden Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf und Litzelstetten sahen dies sehr kritisch. Sie verwiesen auf die Eingemeindungsverträge und schlugen vor, die Strandbäder in der Zuständigkeit der jeweiligen Ortsverwaltung zu belassen. Im Ortschaftsrat Dettingen-Wallhausen etwa kam es zu langen Debatten. Die Skeptiker befürchte- 238 Josef Siebler ten, es könnte künftig Eintritt in die Strandbäder verlangt werden. Zudem sei es wichtig, die Betreuung der Bäder bei den Bauhöfen der Ortschaften zu belassen - etlichen Räten ging es dabei auch um den Erhalt eines Stücks Selbstständigkeit. Der Ortschaftsrat stimmte mehrheitlich gegen die Eingliederung des Strandbads in die neue Gesellschaft. Auf dem Verhandlungsweg und dank einiger geänderter Formulierungen im Pachtvertrag war es aber dann doch möglich, die Ziele der Stadtverwaltung umzusetzen. Außerdem haben seither die Ortsvorsteher aller drei Orte einen Sitz im Beirat der BGK. Die Grundstücke der Strandbäder blieben im Besitz der Stadt, die BGK hat das Gelände gepachtet und kommt als Betreiberin für den Unterhalt auf. Strandbad Dingelsdorf Das idyllisch am Überlinger See gelegene Strandbad Dingelsdorf erstreckt sich über die Landspitze „Klausenhorn“ und hat eine historisch interessante Vorgeschichte. Von der Landspitze, auf der heute die Sturmwarnleuchte steht, gab es über Jahrhunderte eine Schiffsverbindung ins rund zwei Kilometer entfernte Überlingen. Am Klausenhorn steht ein altes Holzkreuz. „Es bezeichnete früher das Ziel der Schiffer bei der Überfahrt von Überlingen nach Dingelsdorf, denn bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Kloase [Klausenhorn, d. Red.] die Anlände für alle Schiffer.“ 13 An der Stelle stand einst eine Kapelle, die St. Nikolaus geweiht war. Der Name Klausenhorn setzt sich aus dem Namen „Nikolaus“ und dem Wort „Horn“ (für Landspitze) zusammen. „Von 1888 bis Ende der 1940er Jahre lag das Klausenhorn im Dornröschenschlaf. Vorher wurde de Kloase, wie die Dingelsdorfer ihn liebevoll nennen, auch ab und zu als Badeplatz genutzt.“ 14 Das Bad ist bei Familien sehr beliebt, da es zum Teil einen Sandstrand hat und das Wasser flach und damit gut für Kinder geeignet ist. Mit Kiosk, Restaurant und einem größeren Sport- und Spielangebot bietet es auch eine gute Infrastruktur. Der Beachvolleyballplatz wurde bereits 1998 angelegt, dazu trugen Spenden aus der Bevölkerung bei. Eine Besonderheit am Klausenhorn: Taucher ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 239 können vom Strandbad aus zum Tauchgang ins Wasser einsteigen. Wenige Meter nach der Badegrenze fällt der Grund steil ab. Diese Strandleben in Dingelsdorf: Die Gäste auf dem Campingplatz Klausenhorn nutzen das benachbarte Strandbad, hier auf einer Aufnahme um 1960. Der Campingplatz Klausenhorn grenzt direkt an das Strandbad Dingelsdorf an. Hier wird die Anlage auf einer Postkarte um 1960 beworben. 240 Josef Siebler archäologische Besonderheit zog schon öfters am „Tag des offenen Denkmals“ sehr viele Taucher an. Der zunehmende Tourismus wirkte sich auch auf die Dingelsdorfer Einrichtung aus: Bis zu 82.000 Besucher werden jährlich gezählt. Das Strandbad, von dem aus der Gast einen Blick auf die Stadt Überlingen am gegenüberliegenden Ufer hat, ist räumlich eng mit dem Campingplatz Klausenhorn verbunden. 1952 legte ihn die damals selbstständige Gemeinde Dingelsdorf an, das Freibad war ein wichtiger Bestandteil. In den Jahren 1980/ 81 wurde das gesamte Areal neu gestaltet, da der Campingplatz nicht mehr der gültigen Verordnung entsprach. Das aus dem Strukturentwicklungsprogramm des Landes Baden-Württemberg finanziell geförderte Projekt kostete insgesamt rund vier Millionen Deutsche Mark, davon flossen etwa 1,2 Millionen DM in das Strandbad. Damals wurde der Kiosk mit Sanitäranlagen, Umkleidekabinen und Mietschränken gebaut. Die Gemeinde Dingelsdorf wurde am 1. Januar 1975 nach Konstanz eingemeindet. In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass zu den Einrichtungen, die beizubehalten und von Dingelsdorf in eigener Regie zu verwalten sind, das Strandbad gehört. Entsprechend Das Strandbad Dingelsdorf liegt an der Landspitze Klausenhorn am Überlinger See. ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 241 schwer taten sich die Ortschaftsräte, als das Bad 2003 zur neu gegründeten Bädergesellschaft kam. Diese hielt aber das Versprechen, weiterhin keinen Eintritt zu erheben. Außerdem investiert sie seit Jahren in das Bad. So wurden in den 1990er Jahren die gemeinsam mit dem Campingplatz genutzten Gebäude saniert. 2004 wurde der Spielplatz komplett neu gestaltet, die Kosten betrugen rund 36.000 Euro. Außerdem gab es viele weitere kleine Maßnahmen, wie zusätzliche Fahrradstellplätze, eine neue Spielboje oder neue Sitzbänke. Probleme gab es in den vergangenen Jahren hin und wieder mit Surfern oder Motorbootfahrern, die nicht auf die Grenzen achteten, oder mit Radfahrern, die aufs Gelände fuhren. Doch hält sich alles in Grenzen. Der Naturschutz sorgt zudem dafür, dass der Trubel nicht zu groß wird. So wurde dem Vorstoß, einen Bootsverleih am Klausenhorn zu etablieren, durch die Naturschutzbehörden eine klare Absage erteilt. „Das Naturschutzgebiet ‚Bodenseeufer‘ auf den Gemarkungen Dettingen und Dingelsdorf […] ist schon genug belastet.“ 15 In Dingelsdorf gab es etliche Jahre einen weiteren beliebten Badeplatz, das so genannte „Schülerbad“ oder auch „Bubenbad“ an der Fließhornstraße. Es war kein offizielles Strandbad und wurde aus haftungsrechtlichen Gründen ab 1990 nicht mehr als Bad bezeichnet. Seitdem heißt das Areal „Uferpark Fließhorn“. Spielplatz im Strandbad Dingelsdorf 242 Josef Siebler Strandbad Litzelstetten Das Strandbad in Litzelstetten gilt als Kleinod. Das 1965 in der jetzigen Form eröffnete Bad bettet sich sanft in die hügelige Landschaft des Naturschutzgebiets „Bodenseeufer“ ein, der Blick auf den Überlinger See mit der Insel Mainau ist grandios. Unter den Konstanzer Strandbädern ist es das mit der geringsten Besucherfrequenz: Bis zu 39.000 Badegäste werden pro Jahr gezählt. Es gibt ein Sport- und Spielangebot neben dem bewirteten Kiosk: Kinderplanschbecken, Tischtennisplatte, Beachvolleyball, Spielplatz und Floß. Beim Strandbad wurden prähistorische Pfahlbauten gefunden, die seit 2011 zum Weltkulturerbe gehören. Der historisch bedeutende Ort namens Krähenhorn beherbergt seit vielen Jahrzehnten das Strandbad. Die Bädergesellschaft hat das Gelände gepachtet. Die Funde haben aber keine Auswirkungen auf den Badebetrieb. Nur bei Arbeiten in der Erde oder im Seegrund muss eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung eingeholt werden. Ab wann die Stelle als Badeplatz genutzt wurde, lässt sich nicht nachvollziehen. Aber zumindest gab es im Jahr 1925 einen Badeplatz in Litzelstetten, wie einem Schriftstück des badischen Bezirksamts in Konstanz zu entnehmen ist. Es wurde wohl aufgrund von Beschwerden verfasst: „So sehr wir die dortseits vorgebrachten Klagen gegen das anstand- und sittenverletzende Benehmen von auswärtigen Badegästen verständlich finden, so geht es unseres Erachtens doch nicht wohl an, die Benützung des Badeplatzes dortiger Gemeinde durch Ortsfremde zu verbieten, da das Baden im Wasser und in der Sonne aus Gründen der Volksgesundheit an und für sich nur begrüßt werden kann.“ 16 Das Amt rät im Schreiben an den Bürgermeister und den Gemeinderat dann dazu, auf Litzelstetter Gemarkung Badeplätze für die Allgemeinheit auszuweisen, „und zwar für beide Geschlechter getrennt unter Aufstellung entsprechender Tafeln“. 17 Für die Überwachung der Vorschriften seien Ortspolizeidiener und Feldhüter zuständig. „Wir werden auch die Gendarmerie, insbesondere die Station Mainau anweisen, bei der Überwachung mitzuhelfen.“ 18 Im Jahr 1930 mahnte das badische Bezirksamt beim Bürgermeister an, am Freibadeplatz fehlten ein An- und Auskleideraum ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 243 sowie ein WC. Er wurde aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. 19 Vier Jahre später hob das Bezirksamt ein von der Gemeinde verhängtes Badeverbot für Auswärtige auf. Ein öffentlicher Badeplatz sei für Jedermann bestimmt, lautete die Begründung. „Sonach ist es unzulässig, dass die Ortspolizeibehörde einen Platz als Freibadeplatz bestimmt, der nur einem bestimmten Personenkreis wie z.B. den Gemeindeangehörigen, zur Benutzung offen steht.“ 20 In früheren Jahren hatten lediglich die Einwohner von Litzelstetten freien Eintritt ins Strandbad. Nach der Eingemeindung im Jahr 1971 änderte sich dies: Seither ist für alle das Badevergnügen kostenlos. 1972 wies das Landratsamt darauf hin, das Gesundheitsamt dränge auf eine bessere Wasserqualität. Es forderte Verbesserungen an der Kläranlage, andernfalls drohe die Schließung des Bads. 21 Weitere öffentlich diskutierte Themen war die Anstellung eines Schwimmmeisters sowie die Forderung, einen Sanitäts- und Aufenthaltsraum zu schaffen. 1973 nahm der Schwimmmeister die Arbeit auf. Das Bad wurde 1978 vergrößert, nachdem die Stadt ein angrenzendes Grundstück gekauft hatte. Im selben Jahr wurde ein Badesteg aus Beton gebaut. Das Strandbad in Litzelstetten bettet sich sanft in die hügelige Landschaft ein. 244 Josef Siebler 1980 wurde das Sport- und Bäderamt der Stadt ins Leben gerufen. Es war ab diesem Zeitpunkt bis zur Gründung der Bädergesellschaft verantwortlich für alle Strandbäder, also auch jenes in Litzelstetten. Die Bädergesellschaft investierte in den vergangenen Jahren immer wieder in die Infrastruktur, zum Beispiel 2004 rund 60.000 Euro in einen neuen Spielplatz oder 2010 rund 21.000 Euro in ein Klettergerät. Sorgen bereitete lange Zeit das Planschbecken, das mit Frischwasser aus einer Quelle auf dem Gelände gespeist wird. Es fehlte aber eine Umwälzanlage für das Wasser. Dies rief die Gesundheitsbehörden auf den Plan. In der Tageszeitung war schon 1987 zu lesen: „Damoklesschwert hängt über dem Planschbecken“. 22 Das Gesundheitsamt bemängelte, das Becken halte die geforderte Norm nicht ein. 2003 verordnete es die Schließung. Die Bädergesellschaft investierte schließlich 186.000 Euro in ein neues Planschbecken. Im Juli 2005 wurde es seiner Bestimmung übergeben. Ein weiterer öffentlicher Freibade- und Zeltplatz befand sich viele Jahre auf der Pfarrwiese im Gewann Tiergarten. Der Platz war eingezäunt und hatte eine WC-Anlage. Strandbad Litzelstetten ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 245 Strandbad Wallhausen Herrliche Lage am Überlinger See, Sand- und Kiesstrand, sanfter Übergang vom Flachins tiefere Wasser: Das Strandbad Wallhausen ist eine attraktive Freizeiteinrichtung. Dank des hohen Freizeitwerts besuchen auch viele Familien das großzügig angelegte Gelände. Am 220 Meter langen Strand und auf der großen Liegewiese können die Badegäste an Sommertagen entspannen. Das Bad bietet ein großes Restaurant, Kiosk, Minigolf, Beachvolleyball-Feld, Tischtennis, Flöße, Spielplatz und ein Schachbrett. Wann es erstmals einen offiziellen Badeplatz in Wallhausen gab, lässt sich nicht sicher sagen. Am 26. Mai 1907 waren jedenfalls die Badeplätze Thema im Gemeinderat. Der Beschluss von Bürgermeister Heckler und seinen Räten lautete: „Die Badeplätze in Wallhausen für männliche und weibliche Personen sollen durch entsprechende Tafeln bezeichnet werden.“ 23 Im Jahr 1933 beschäftigte sich der Rat mit der Sauberkeit an der Badestelle: „Der Gemeinderat beschließt, um der Unordnung [,] die an der Badestelle herrsche [,] vorzubeugen, strenge Maßnahmen zu treffen, indem der Feldhüter und Polizei angewiesen sind, für Ordnung zu sorgen.“ 24 Die Gemeinde wies im August 1943 auf die Gefahren beim Baden im Bodensee hin, dies auch im Hinblick auf Gäste, die den See nicht kannten. „Die Bevölkerung von Dettingen-Wallhausen, insbesondere die Frauen und Kinder aus den luftkriegsgefährdeten Gebieten geben wir zur Kenntnis, dass das Baden am See den Wald entlang von Wallhausen bis Bodman wegen der vielen gefährlichen Felsklüfte vom Wasser- und Straßenbauamt verboten ist. Die Badenden wollen das Naturstrandbad in den Hornwiesen-Klausenhorn benützen. Der Bürgermeister.“ 25 Die Gemeinde Dettingen-Wallhausen erhob in früheren Jahrzehnten Eintritt in das Bad. Nach der Eingemeindung hob die Stadt Konstanz diese Regelung auf. Die beliebte Minigolfanlage im Strandbad wurde seit 1984 vom Verein Tourismus Plus Dettingen- Wallhausen e.V. betrieben. Ein Pächter betreute sie. 2003 ging das gesamte Strandbad-Gelände an die BGK über; sie verpachtete die Minigolfanlage ebenfalls. In den Jahren 2006 und 2016 wurden die 246 Josef Siebler 18 Bahnen saniert. Die Bädergesellschaft investierte 2006 zudem rund 22.000 Euro in das Beachvolleyball-Feld. Die Räumlichkeiten waren immer mal wieder ein Thema. Das Strandbad-Gebäude, das auch für die Ehrenamtlichen der DLRG wichtig war, wurde 1995 saniert und mit einem Holz-Satteldach versehen. Den großen Wurf gab es aber wenige Jahre später, da sich die Sanierung der bestehenden Gebäude wirtschaftlich nicht rech- Die Holzschindeln am Gastronomiegebäude im Strandbad Wallhausen sollen an die Pfahlbauten erinnern. Das Gebäude wurde 2015 mit dem Holzbaupreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Das Beachvolleyball-Feld im Strandbad Wallhausen ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 247 nete: Die Bädergesellschaft baute gemeinsam mit der Konstanzer Brauerei Ruppaner ein komplett neues Gastronomiegebäude. Es wurde 2014 eröffnet. Zudem schuf die Bädergesellschaft neue Sanitärräume für das Strandbad und Räume für die DLRG. Das Restaurant erhielt den Namen „Ufer 39“. Für die BGK war es die größte Investition in den Strandbädern, von den Baukosten in Höhe von rund 1,48 Millionen Euro trug sie etwa 496.000 Euro. Außerdem Strandbad Wallhausen Die Minigolfanlage im Strandbad Wallhausen ist sehr beliebt. 248 Josef Siebler investierte sie rund 307.000 Euro in die Außenanlage, inklusive Parkplätze. Die Holzschindeln an der Fassade sollen an die Pfahlbauten erinnern. Das Gebäude wurde 2015 mit dem Holzbaupreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Die Jury würdigte die Form und die Materialwahl. „Beispielhaft wurde die historische Bauweise der Pfahlbauten vom gegenüberliegenden Ufer neu interpretiert: In Form und Materialität fügt sich das Seebad respektvoll in die geschützte Landschaft am See ein. Innen schafft Holz wiederum eine wunderbare Atmosphäre und Aufenthaltsqualität. Mit viel Gespür für den Ort und Liebe zum Detail ist hier ein ganz besonderes Strandbad entstanden und ein überzeugender Werbebotschafter für den Baustoff Holz.“ 26 In einem guten Sommer kommen über 130.000 Badegäste ins Strandbad Wallhausen. An Spitzentagen können es gut und gerne 5000 Besucher sein. Dank der Weitläufigkeit ist dies kein Problem. Da viele Badegäste aus der weiteren Region anreisen, werden dann allerdings die Parkplätze knapp. Einheimische sind daher gut beraten, das Fahrrad oder den Linienbus zu nehmen. Die Diskussionen um die Zahl der Parkplätze im Strandbad Wallhausen hielten über Jahrzehnte an. Das Landratsamt Konstanz erteilte 2007 eine naturschutzrechtliche Befreiung für eine vorübergehende Ausweich- Parkfläche mit rund 120 Stellplätzen auf einem kleinen Grundstück im Landschaftsschutzgebiet „Bodanrück“. Dies diene dem Zweck, an Spitzentagen in der Freibadsaison das wilde Parken im Schutzgebiet einzuschränken. 27 Im Jahr 1997 gab es eine große Debatte über zum Teil schlechte Wasserwerte am Bodensee, die von der EU-Kommission veröffentlicht wurden. So erhielt das Strandbad Wallhausen das rote Symbol für ungenügende Wasserqualität. Der Konstanzer Bäderchef schrieb umgehend an das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und bat um Aufklärung. Schließlich seien im Jahr 1996 acht Proben gezogen worden und alle hätten keine Beanstandungen ergeben. Letztlich stellte sich heraus, dass nicht die Beprobungen am Bodensee für schlechte Werte sorgten, sondern Lücken in der etwas umständlichen Datenübermittlung. Ende des 20. Jahrhunderts entspann sich eine Debatte, ob das Bad einen textilfreien Badebereich bekommen sollte. Neben dem ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 249 FKK-Bereich im Freibad Horn sah man durchaus Bedarf in der Region. Das Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt. Reglementiertes und „Wildes“ Baden In früheren Jahren gab es noch etliche Badeplätze im Stadtgebiet, die immer wieder Thema im Gemeinderat und in der Öffentlichkeit waren. Dabei ging es oft um die Belange der Stadtteile. 1953 setzten sich Bürger in Allmannsdorf für den Erhalt des Freibads zwischen Wasserwerk und Hoerlepark ein. „So wie die Innenstadt mit dem Rheinstrandbad, so möchten auch die äußeren Stadtbezirke möglichst bequemen Zugang zu ,ihrem‘ See.“ 28 Am Wasserwerk sollten Toiletten eingerichtet werden, um das Trinkwasser zu schützen. Außerdem führte der zunehmende Druck auf das Seeufer zu neuen Überlegungen. Da die Grundstücke beim Wasserwerk vermehrt fürs Baden und Zelten genutzt wurden, wollten die Landwirte aus Allmannsdorf sie nicht mehr weiter von der Spitalstiftung pachten. Schließlich sei der Ertrag durch die Freizeitnutzung gesunken. In der Folge regte die Spitalstiftung an, das Gelände als Badestrand freizugeben. 29 1955 gab es einen entsprechenden Beschluss im Gemeinderat. Drei Jahre später wurden erneut die hygienischen Verhältnisse aufgrund fehlender Toiletten beklagt. Der Forderung im Bürgerausschuss, das Baden auf dem Gelände ganz zu verbieten, begegnete die Stadt mit dem Hinweis, der Uferstreifen sei für den Badebetrieb wichtig, da die Strand- und Freibäder im Sommer überfüllt seien. 30 Um die vielen Badegäste zu versorgen, wurde einer Bürgerin 1962 erlaubt, einen mobilen Verkaufsstand für Getränke aufzustellen. Im selben Jahr kamen erneut Auswüchse zur Sprache: wildes Zelten, Verunreinigungen aufgrund fehlender Toilette sowie das eigentlich verbotene Waschen von Hunden und Autos. Der Badeplatz am Wasserwerk zeigt damit exemplarisch, wie schwierig es ist, für Ordnung an einer Badestelle zu sorgen, wenn es kein offizielles Strandbad ist. In der Nähe befand sich zudem das so genannte Militärbad, nachdem es vom Hafen zum Horn verlegt worden war. Die An- 250 Josef Siebler gehörigen der Konstanzer Garnison hatten hier Gelegenheit, zu schwimmen und sich zu erfrischen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Militärbad von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Ab 1951 wurde der Stadt ein Pachtzins gezahlt. 31 Die Beschlagnahme wurde 1956 aufgehoben. Die französischen Streitkräfte wollten das Gelände dann nur noch tageweise nutzen. Die Stadtverwaltung beklagte wenig später die Verwahrlosung des Geländes: „Die früheren Badekabinen bieten heute den Anblick eines Trümmerbauwerks, in dem vielfach lichtscheue Elemente sich während der Nacht aufhalten.“ 32 Nach längeren Verhandlungen und viel Schriftverkehr zwischen den zuständigen Bundes-, Militär- und städtischen Behörden wurde das Inventar der Badeanstalt 1959 verkauft. 33 Wollmatinger Wünsche Ein sehnlichst gewünschtes Strandbad wurde nie Wirklichkeit: Die Wollmatinger Bevölkerung bemühte sich über Jahrzehnte, eine offizielle Badestelle zu bekommen. Die Aktenordner sind gut gefüllt, das Bemühen ist auch ein Lehrstück in Sachen Schutz des Bodensees und Gesundheitsschutz. Jahrzehnte badeten viele Wollmatinger auf Reichenauer Gemarkung bei der Ruine Schopflen. 1933 erlaubte die Gemeinde Reichenau der Gemeinde Wollmatingen sogar, im Gewann Schopflergut eine Badehütte aufzustellen. 34 1937 dann die Überraschung: Das Baden bei der Ruine Schopflen wurde untersagt, „da in der Gegend Flurschaden angerichtet werde“. 35 Die Stadt Konstanz - Wollmatingen war 1934 zwangseingemeindet worden - musste 120 Mark als Entschädigung an die angrenzenden Grundstücks-Eigentümer zahlen. Das Badeverbot wurde daraufhin wieder aufgehoben mit der Bitte, die Bevölkerung auf die nötige Sauberkeit hinzuweisen. Die Stadtverwaltung hatte sich schon in den 1920er Jahren bemüht, wegen des wachsenden Bedarfs einen Badeplatz für die rechtsrheinische Bevölkerung auszuweisen. Doch das Thema keimte erst in den Nachkriegsjahren richtig auf. 1949 gab es ein erneutes Badeverbot bei der Ruine Schopflen. Grund waren wieder Klagen ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 251 der Anlieger. Das Landratsamt sah die Schuld bei den Badegästen, sie seien „[…] in diesem Jahr, wie wir dies noch an zahlreichen anderen Stellen am Bodenseeufer feststellen mussten, dazu übergegangen, die anschliessenden landwirtschaftlichen Grundstücke mit als Badeplatz und vor allem als Fussballplatz zu benützen“. 36 Der Strand in Hegne galt ebenfalls als beliebter Badeplatz bei den Wollmatinger Bürgern. Doch dort wurde ab 1953 ein Gebühr in Höhe von 20 Pfennig erhoben. Erboste Bürger schrieben an den Oberbürgermeister: „Es ist wirklich außerordentlich bedauerlich, daß nicht einmal mehr die Anwohner vom Bodensee gebührenfrei baden können.“ 37 Es wurde der Vorschlag gemacht, mit der Gemeinde Hegne über einen weiterhin freien Eintritt ins Strandbad zu verhandeln und mit der Gemeinde Reichenau, ob bei der Ruine Schopflen am Gnadensee ein Freibad eingerichtet werden könne. Das Bad in Litzelstetten sei keine Alternative. Es rumorte in Wollmatingen. Schließlich wurde ein neuer Badeplatz unterhalb von Stromeyersdorf, am sogenannten „Kugelbaum“, ins Gespräch gebracht. Der Kreisbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege Jauch erhob sofort Einwände: Der Kugelbaum stehe im Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried. Aufgrund der Rechtslage müsse die Oberste Naturschutzbehörde in Freiburg entscheiden, es sei aber kaum mit einer Zustimmung zu rechnen. Er zitierte aus einem Beitrag zu „Zwanzig Jahre Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried“: „,Der Mensch geht vor‘. Richtig! Aber nicht in einem Vogelschutzreservat. Da gehen die Vögel vor.“ 38 Der Konflikt spitzte sich zu. Durchaus pikant war das Schreiben des in der Stadtverwaltung zuständigen Beamten an einen Stadtrat. Darin hieß es: „Vielleicht wäre es zweckmäßig, die Öffentlichkeit über diese fanatisierende Einstellung des Staatl. Naturschutzes einmal aufzuklären. Meines Erachtens geht das Wohl der Bevölkerung noch über dasjenige von einigen aufgescheuchten Belchen.“ 39 Er meinte damit einen heimischen Vogel: Das Blässhuhn wird am Bodensee als Belchen bezeichnet. Andere Aspekte drängten diese Diskussion bald in den Hintergrund. Das bevorzugte Gelände lag auf der Gemarkung Reichenau, zudem wurde es bei Hochwasser meist völlig überschwemmt und es floss an mehreren Stellen Abwasser in den Rhein, auch aus Indust- 252 Josef Siebler rie- und Gewerbebetrieben. Der Stadtrat nahm im Juni 1954 daher Abstand von diesen Plänen, wieder einmal wurden die Alternativen in Hegne und bei der Ruine Schopflen sowie ein anderer Platz bei Stromeyersdorf ins Spiel gebracht. 40 Die Kosten für die Anlage eines Badeplatzes wurden mit 3900 DM beziffert, die „WC-Anlage mit 2 Damen- und 2 Herrensitzen“ sollte 2500 DM kosten, der hölzerne Umkleideschuppen 1650 DM, das Richten des Zufahrtswegs 650 DM und ein Fahrradständer 180 DM. 41 Das Gesundheitsamt machte einen Strich durch die Rechnung: „Der vorgeschlagene Badeplatz liegt direkt am Flusslauf unterhalb der Stadt und der Rhein führt die Abwässer zumindest des rechtsrheinischen Stadtgebietes in ungeklärtem Zustand mit sich.“ 42 Abhilfe könne nur die geplante Kläranlage schaffen. An der Stelle seien Fischsterben und das gehäufte Auftreten „von gefärbten Hechten“ zu beobachten, ergänzte das Chemische Untersuchungsamt der Stadt. 43 Die Stadt brachte das Hörnle ins Spiel. „Er habe festgestellt, dass es vom Fürstenberg näher zum Strandbad Horn sei als zu einem der in Aussicht genommenen Badeplätze“, wurde Bürgermeister Diesbach zitiert. 44 Die Begeisterung im Stadtteil hielt sich angesichts dieser Alternative in Grenzen. Die Bürger beklagten, der Weg mitten durch die Stadt sei vor allem für Kinder zu gefährlich. Dies machte auch der Elternbeirat der Volksschule Konstanz-Wollmatingen in einem Brief an den Oberbürgermeister deutlich. Der Weg sei ein gutes Stück länger. „Hinzu kommt, daß die Kinder, die zum überwiegenden Teil aus sozialen Gründen mit Fahrrädern zum Baden fahren, dem außerordentlich starken Stadtverkehr im Ortsteil Petershausen ausgesetzt sind und darüber hinaus noch zwei Bundesstrassen überqueren müssen.“ 45 Die Eltern schlugen vor, mit der Gemeinde Hegne über eine pauschale Gebühr zu verhandeln, damit die Bevölkerung aus Wollmatingen das dortige Strandbad kostenlos nutzen könne. Der Gemeinderat von Hegne lehnte dies ab. 46 1956 prüfte die Stadtverwaltung, ob sich in Wollmatingen ein Platz für ein künstliches Kinderplanschbecken anbietet. Aber erst 1962 kam wieder Bewegung in die Sache, als ein kleines Schwimmbecken samt Umkleidekabinen, Schwimmwärterhäuschen und Kiosk im Schwaketenwald zur Diskussion stand. Der Schwimmclub ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 253 „Sparta“ befürwortete ein solches Freibad im Stadtteil „mit sportlichen Abmessungen“. 47 Doch es wurde wieder der Platz am Kugelbaum ins Spiel gebracht. Interessierte Wollmatinger luden 1966 eigens zu einer Versammlung ins Gasthaus „Rößle“ ein, um über diese Möglichkeit zu diskutieren. Die Stadtverwaltung holte bei einem Büro eine Kostenberechnung ein: rund 190.000 DM sollte der Badeplatz kosten. 48 1969 kam das Aus für die Konstanzer Pläne: Die Naturschutzbehörde sagte Nein zu einem Badeplatz im Wollmatinger Ried. 49 Wasseruntersuchungen am Alternativplatz bei Stromeyersdorf ergaben eine sehr hohe Keimzahl. Das Gesundheitsamt teilte mit, die Stelle sei „für Badezwecke völlig ungeeignet“. 50 1975 machten Wollmatinger Bürger einen weiteren Vorstoß, der ebenfalls scheiterte. Es zeichnete sich dann für Wollmatingen eine ganz andere Lösung ab: ein Hallenbad. 1981 wurde das Schwaketenbad eröffnet (siehe den Beitrag von Georg Geiger und Robert Grammelspacher in diesem Band). Sicherheit und Kosten Das Baden im Rhein war immer wieder Thema wegen seiner besonderen Gefahren und aufgrund hygienischer Bedenken. Um solche Fragen ging es bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an Badestellen in Stromeyersdorf oder am Schänzle. „In der letzten Versammlung des Stadtausschusses für Leibesübungen und Jugendpflege ist auf die Gefährlichkeit des Badens im Rhein, am Schänzle und bei Stromeyersdorf insbesondere bei hohem Wasserstand hingewiesen worden.“ 51 Teilweise war es dennoch möglich, einzelne Wünsche zu erfüllen. Im linksrheinischen Tägermoos war eine Badestelle umstritten. Auf der Wiese standen 1929 in Abstimmung mit den Schweizer Behörden zwei Verbotstafeln mit der Aufschrift: „Das Betreten dieses Grundstücks und insbesondere die Benützung als Badeplatz usw. ist bei einer Busse bis zu 20 Frs. verboten“, gezeichnet vom Konstanzer Oberbürgermeister und dem Gemeinderat Tägerwilen. 52 Ein Jahr später gab es einen Vorstoß, die Schilder wieder zu 254 Josef Siebler entfernen. Es wurde vorgeschlagen, den Badeplatz einzuzäunen und einen Teil für Frauen und den anderen für Männer vorzusehen. Sittliche Belange spielten damals eine größere Rolle, so berichtete der Feldhüter bei einem Vor-Ort-Termin, was er im Tägermoos schon alles beobachtet hat: „Es seien auch schon von ihm und den schweizerischen Grenzbeamten Unsittlichkeiten gröbster Art von Badegästen in den in der Nähe befindlichen Gebüschen festgestellt worden.“ 53 Der 1931 gegründete Arbeiter-Wassersport-Verein Konstanz und die Anwohner konnten einen rechtsrheinischen Badeplatz nutzen. „Als öffentlicher Freibadeplatz soll dieses Grundstück jedoch nicht erklärt werden“, heißt es im Protokoll nach einer Besichtigung mit Bürgermeister Arnold, Stadträten, dem Grundstücksbesitzer und Vertretern der Verwaltung. 54 Für das viele Jahrzehnte in Konstanz ansässige Textilunternehmen Herosé wurde ebenfalls eine Lösung gefunden. Am 15. August 1938 stellte Gabriel Herosé den Antrag an die Stadt: „Zweifellos besteht in den heißen Tagen ein großes Bedürfnis für unsere Gefolgschaftsmitglieder, sich eine tägliche Abkühlung zu verschaffen. Wir beabsichtigen deshalb, auf unserem Grundstück am Rhein eine Badegelegenheit zu schaffen.“ 55 Dem Antrag wurde schnell stattgegeben unter Auflagen, wie den nötigen Sicherheitsvorkehrungen, dem Abstellen einer Badeaufsicht, etlichen Rettungseinrichtungen und dem Kennzeichnen der Grenze für Nichtschwimmer. Außerdem war es verboten, in die Schifffahrtslinie zu schwimmen. Bereits im Mai 1939 lud der Firmenchef zur Einweihung am 3. Juni ein. Die Stadtverwaltung war immer bemüht, zusätzliche Ausstattungen der Badestellen zu vermeiden, um daraus keinen offiziellen Strand zu machen. 1988 etwa wurde am Hoerle-Park eine Dusche gewünscht. Die Stadt sagte Nein: „Die Einrichtung einer Dusche würde den Anschein eines öffentlichen Badestrandes besitzen.“ 56 Ein entscheidendes Thema bei solchen Badestellen waren zudem die Sicherheitsbestimmungen und die Kosten. So wollte die Stadtverwaltung den Badeplatz der Jugendherberge auf der Allmannshöhe 1952 als Badestrand einrichten. Schnell ging es um die Haftpflicht, da das Schild „Baden auf eigene Gefahr“ nicht genüge, so die zuständige Versicherung. 57 Der Platz wurden dann auch tat- ‚Wilde‘ und öffentliche Strandbäder 255 sächlich eingerichtet mit Mitteln aus den Spielbank-Ausschüttungen. Schließlich wurde noch eine Aufsichtsperson gesucht, die gut schwimmen kann. „Es ist natürlich unbedingt erforderlich, dass eine Aufsichtsperson über einen Badeplatz ein perfekter Schwimmer ist und möglichst das Diplom als Lebensretter im Besitz hat.“ 58 In Egg, am Hörlepark, in der Schmugglerbucht, an der Seestraße oder am Schänzle wurden und werden ebenfalls Uferstreifen als Badestelle genutzt. Die Stadtverwaltung stufte sie im Jahr 1995 in einem Schreiben als nicht legal ein, als es Diskussionen um den Badeplatz in Egg gab. „Die Legalisierung der o.g. ,wilden‘ Badestrände war bisher nicht im Sinne der Stadt Konstanz. Die Umwandlung einer öffentlichen Grünfläche in ein öffentliches Freibad beurteilt sich nach der sogenannten Verkehrssicherungspflicht, die es der Kommune auferlegt, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze der Benutzer zu treffen.“ 59 Unabdingbar für ein offizielles Freibad seien die Ausweisung einer Badezone, eine ständige Wasserrettung (Schwimmmeister), sanitäre Anlagen und die Pflege des Geländes. Mit Blick auf die bestehenden sechs See-Freibäder heißt es abschließend: „In Anbetracht des guten Angebotes an Freibädern in Konstanz und des damit verbundenen starken finanziellen Engagements hält die Verwaltung die Schaffung eines weiteren öffentlichen Badeplatzes nicht für erforderlich.“ 60 An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. Angesichts des guten Zustandes der sechs Bäder und der fortlaufend nötigen Investitionen in den Bestand dürfte es in naher Zukunft auch so bleiben. Anmerkungen 1 StadtA KN T III 202. 2 Deutsche Bodensee-Zeitung vom 23. Juli 1928. 3 Ebd. 4 Deutsche Bodensee-Zeitung vom 25. März 1930. 5 StadtA KN S IIa 4063. 6 StadtA KN S XXXIV. 7 Ebd. 8 Südkurier - Ausgabe K - vom 10. Juni 1992, S.-19. 9 StadtA KN S XXXIV. 256 Josef Siebler 10 Zur bezirkspolizeilichen Vorschrift vom 10. Juli 1928 siehe auch: Deutsche Bodensee- Zeitung vom 23. Juli 1928. Zum Strandrasen vgl.: Dienst, Michael/ Grabher, Markus/ Peintinger, Markus/ Strang, Irene: Strandrasen am Bodensee. Eine charakteristische Pflanzengesellschaft und ihr Schutz, in: Derschka, Harald/ Klöckler, Jürgen (Hg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Jubiläumsband des internationalen Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 1868-2018, Ostfildern 2018, S. 306 f. 11 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH: Haus- und Badeordnung vom 10. Juli 2019. 12 Sport- und Bäderamt Konstanz: Sitzungsvorlage SSBA 20/ 9 Schul-, Sport- und Bäderausschuss vom 22. Oktober 1991. 13 Ortsverwaltung Dingelsdorf/ Stadt Konstanz (Hg.): Dingelsdorf. Vom Bauern- und Fischerdorf ins 21. Jahrhundert, Dingelsdorf 2013, S. 96. 14 Ebd., S. 256. 15 StadtA KN S XXXIV. 16 StadtA KN T III 202. 17 - 20 Ebd. 21 StadtA KN S XXXIV. 22 Südkurier - Ausgabe K - vom 13. April 1987, S. 14. 23 Griesmeier, Albert: Gemeinde Dettingen(-Wallhausen). Bezirksamt Konstanz. Die Gemeinde im Spiegel von Ratsprotokollen, Bezirksamtsprotokollen, Verlautbarungen im Gemeindeanzeiger 1889-1945. Ein Beitrag zur Dorfgeschichte (II), Konstanz-Dettingen 2007, S. 167. 24 Ebd., S. 185. 25 Ebd., S. 238. 26 Landesbeirat Holz Baden-Württemberg e.V./ Landesbetrieb ForstBW Stuttgart (Hg.): Holzbaupreis Baden-Württemberg 2015, S. 10. 27 StadtA KN S XXXIV. 28 Schwarzwälder Bote vom 28. April 1953. 29 StadtA KN S IIa 4079. 30 Ebd. 31 StadtA KN S IIa 4066. 32 / 33 Ebd. 34 StadtA KN S II 16139. 35 Ebd. 36 StadtA KN S IIa 4081. 37/ 38 Ebd. 39 StadtA KN S XXXIV. 40 - 42 Ebd. 43 StadtA KN S IIa 4081. 44 - 46 Ebd. 47 Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 26. November 1966. 48 StadtA KN S XXXIV. 49 / 50 Ebd. 51 StadtA KN S II 16120. 52 StadtA KN S II 16135. 53 Ebd. 54 StadtA KN S II 16120. 55 StadtA KN S II 16158. 56 StadtA KN S XXXIV. 57 - 60 Ebd. Erkämpft, geliebt, abgebrannt und wieder aufgebaut: Das Schwaketenbad g eorg g eiger (t eil i) und r obert g rammelSpacHer (t eil ii) Mit der im Jahr 1981 erfolgten Inbetriebnahme des Schwaketenbades wurde ein neuer positiver Akzent im Verhältnis zwischen dem Ortsteil Wollmatingen und der Kernstadt gesetzt. Durch die 1934 zwangsweise verfügte Eingemeindung von Wollmatingen 1 vergrößerte sich die Gemarkungsfläche der stark eingeengten Stadt Konstanz von 1283 Hektar auf rund 2994 Hektar. Mit dem Hinweis: „Ohne Teile des ehemaligen Wollmatinger Gemeindewaldes als Tauschgelände wäre die Gründung und der Bau der Universität nicht möglich gewesen“ 2 , erinnerte Oberbürgermeister Dr. Horst Eickmeyer bei der Eröffnungsfeier des Schwaketenbades an die Bedeutung des politischen Vorganges der Eingemeindung für die Stadt Konstanz. Insgesamt hat Wollmatingen einen wesentlichen Anteil zur Nachkriegsentwicklung der Stadt Konstanz beigetragen. Bis in das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts hinein hatte sich in der Wollmatinger Bürgerschaft das Gefühl verfestigt, im Interesse der gesamten Stadt Opfer gebracht zu haben, ohne aber selbst von der in die kommunale Ehe eingebrachten Mitgift wesentlich profitiert zu haben. Teil I: Bürgerschaftliches Engagement als Initialzündung Trotz einer Gesamtfläche von knapp 1711 Hektar 3 verfügte die selbstständige Gemeinde Wollmatingen über keine öffentliche Seebadeanlage. Die vorhandenen Uferflächen waren entweder industriell genutzt (Stromeyersdorf) oder Naturschutzgebiet (Wollmatinger Ried). Erste Überlegungen ein Freibad in Wollmatingen zu erstellen, sind 1962 in einem Pressebeitrag 4 und später 1965 nach der im Gemeinderat geführten Universitätsdebatte diskutiert worden. Verwaltungsintern stand das Schwaketental neben vier weite- 258 Georg Geiger und Robert Grammelspacher ren Plätzen auf einer Liste möglicher Standorte. Diese ersten Überlegungen wurden allesamt nicht weiter verfolgt. So war es nicht verwunderlich, daß die jahrzehntelang von einzelnen Wollmatinger Bürgern erfolglos erhobene Forderung nach dem Bau einer Seebadeanstalt oder eines Freischwimmbades auf der ehemaligen Wollmatinger Gemarkung in der Gründung des Schwimmbadförderungsvereins Konstanz e.V. (SFV) mündete. Die Gründungsversammlung fand am 22. November 1968 im Gasthaus „Rößle“ statt. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Hauptinitiator, Kreisbrandmeister Hubert Jakob, gewählt. Seine Stellvertreter wurden die Stadträte Alfred Hellinger (CDU) und Erich Hohwieler (SPD). Der SFV setzte sich zum Ziel, Gemeinderat und Verwaltung von der Notwendigkeit eines Freischwimmbades mit beheiztem Schwimmerbecken und zeitgemäßer Infrastruktur zu überzeugen. Das neue Bad sollte der gesamten Bevölkerung zur Verfügung stehen und im Schwaketental seinen Standort finden. 5 Der SFV stieß auf große Resonanz in der Konstanzer Bevölkerung. 15 Monate nach der Gründungsversammlung zählte der SFV über 300 Einzelmitglieder und zahlreiche Vereine, Verbände und Gemeinschaften als kooperative Mitglieder. Sie alle wollten durch bürgerschaftliches Engagement und der Schaffung eines finanziellen Grundstocks die Stadt zum Handeln zwingen. Im März 1970 verabschiedete die Mitgliederversammlung folgende Resolution 6 : Der SFV bittet die Stadtverwaltung und den Gemeinderat, das Schwimmbadprojekt als vordringlich anzuerkennen und für die Realisierung folgende Termine vorzusehen: Fertigstellung des Bebauungsplanes Schwaketental mit Rechtsverbindlichkeit bis Ende 1970. Finanzierung und Erstellung der Detailplanung für das Projekt im Jahre 1971. Der SFV bittet im Interesse der Bevölkerung , dass die Bauarbeiten zu dem Projekt bis spätestens im Jahre 1972 angefangen werden. Unter dem Druck dieser bürgerschaftlichen Initiative wurde das Schwimmbadprojekt ein integrierter Bestandteil des seit 1969 in der Entwicklungsphase befindlichen Bebauungsplanes Schul- und Sportzentrum Wollmatingen. Der 1973 vom Regierungspräsidium Das Schwaketenbad 259 genehmigte Bebauungsplan beinhaltete neben den Sportfreianlagen ein Hallenfreibad mit einem Schwimmerbecken 50 × 25 Meter, einem Springerbecken und einem Kleinkinderbecken. In seinem Beschluss vom 29. November 1973 legte der Gemeinderat den Kostenumfang auf 8 Mio. DM, mit einer Erweiterungsmöglichkeit für ein Freibad, fest. 7 Planerische Entwicklung In seiner Rede zur Übergabe der vom Kultusministerium Baden- Württemberg als Schulversuch genehmigten Kooperativen Gesamtschule Konstanz-Wollmatingen am 28. Juni 1976 erklärte Oberbürgermeister Dr. Bruno Helmle: „Den Bau des Hallenbades haben wir ja noch vor uns. Zu dieser großen Aufgabe rufe ich alle Verantwortlichen auf.“ 8 Damit brachte er unmissverständlich zum Ausdruck, wie schwierig sich die planerische Entwicklung des Sportzentrums im Gegensatz zum in Betrieb gehenden Schulzentrum gestaltete. Tatsächlich war die Entwicklung des Sportzentrums mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden, deren Überwindung es größter Anstrengungen bedurfte. Nachdem sich herausstellte, dass der Baugrund an dem vorgesehenen Standort sich nicht für die Anlage von Sportstätten eignete, konnte der genehmigte Bebauungsplan auch nicht realisiert werden. Der Standort wurde in den östlichen Bereich der Schwaketenwiesen verschoben, südlich des Tabors in direkter Nachbarschaft zur Schule. Zusätzlich erforderte das neue Naturschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg zwingend die Aufstellung eines Grünordnungsplanes, was eine Neueinleitung eines Bebauungsplanverfahrens notwendig machte. Als größte Schwierigkeit erwies sich die Finanzierung eines derartigen Investitionsvolumens. Priorität hatte die Fertigstellung der Schule. Seit Inbetriebnahme der Schule mit ihrem ebenfalls als Schulversuch genehmigten Sportzug entwickelte sich der Bedarf an Sportstätten zu einem drängenden Problem. Bei sich abzeichnender Erholung der Konjunktur nach der Ölpreiskrise nutzte auch der SFV jede Gelegenheit um den Bau des Bades einzufordern. Rund 199.000 DM 260 Georg Geiger und Robert Grammelspacher an Fördermitteln hatten sich bis 1976 auf dem Konto des Vereins angesammelt. Dem trug auf Vorschlag des Finanzbürgermeisters Willy Weilhard der Gemeinderat dadurch Rechnung, dass die ab 1977 erfolgten Zuweisungen vom Land Baden-Württemberg an die Universitätsstädte für besondere Investitionsbedürfnisse im Infrastrukturbereich in den ersten vier Jahren ausschließlich zum Bau eines Hallenbades Verwendung finden sollten. Insgesamt standen mit Zustimmung der Universität Konstanz 5,39 Mio. DM zur Verfügung. Im Gegenzug konnte die Universität einen Anspruch auf Mitbenutzung des Bades geltend machen, was seine Berücksichtigung in den Bemessungsgrundlagen für das Raumprogramm fand. Vorgesehen war weiterhin ein Schwimmbad mit einem 50-Meter- Schwimmerbecken, basierend auf dem 1973 erstellten Modellentwurf des Internationalen Arbeitskreises für Sport- und Bäderbauten, der auch mit dem Kultusministerium abgeklärt war. Nach der Vorlage des Grünordnungsplanes durch das Konstanzer Büro für Freiraumplanung, Prof. Klaus Eberhard, und dem neuerlichen Beschluss des Bebauungsplanes 9 äußerte das Finanzministerium Baden-Württemberg Anfang 1978 jedoch Bedenken gegen die Größenordnung des Projektes. Mit Hinweis auf das gerade fertiggestellte Hallenbad Freiburg-West teilte es mit, dass die Errichtung einer zweiten für Wettkampf- und Leistungssport geeigneten Anlage im südwestlichen Landesteil finanziell nicht zu vertreten sei. Diese von früheren Bescheiden des Landes Baden-Württemberg abweichende Nachricht erforderte von allen Seiten rasches Handeln und Umdisponieren. In Besprechungen mit Finanzministerium, Kultusministerium, Oberfinanzdirektion und Regierungspräsidium, unter Beteiligung der Gemeinderatsfraktionen, wurden Dimensionierungen und Raumprogramm für das Hallenbad neu festgesetzt. Unter anderem wurden folgende Wasserflächen definiert:  Sportschwimmerbecken 16,66 × 25,00 m  Nichtschwimmerbecken 2 x 10,00 × 12,50 m  Springerbecken 10,00 × 12,50 m mit 1-, 3- und 5m Sprungturm Das Schwaketenbad 261 Dem Sparzwang zum Opfer fielen Nebeneinrichtungen wie Sauna, Solarium und Vario-Becken. Ebenfalls gestrichen wurde die bislang dem SFV zugesagte Möglichkeit einer Ergänzung des Hallenbades um ein Freibecken oder insgesamt der Ausgestaltung des Bades zu einem Allwetterbad. Der Anspruch der Universität auf Mitnutzung des Hallenbades für die Ausbildung von Sportlehrern und durch den Allgemeinen Hochschulsport wurde in einer am 20. April 1979 abgeschlossenen Vereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Konstanz verankert. Darin sichert die Stadt Konstanz dauerhaft eine wöchentliche Mitnutzung von bis zu 14 Stunden zu, in den ersten zehn Betriebsjahren sogar kostenfrei. Gleichzeitig verzichtet das Land auf den Bau eines Universitätsbades. Bis heute ist das für ein Universitätsbad vorgesehene Baufenster im Uni-Sportgelände in Egg nicht bebaut. Es dient der Universität als Vorratsfläche für weitere Sportstätten. Zu den Wintersemestern 1994/ 95, 2005/ 06 und 2010/ 11 wurden mit der Universität - jetzt in eigener Zuständigkeit - Nachtragsvereinbarungen geschlossen, die das nun von der Universität zu entrichtende Nutzungsentgelt und die Belegungszeiten neu regelten. Die Belegung wurde auf acht Wochenstunden reduziert. 10 Wegen des erheblichen Zeitdruckes, in den die Stadt infolge der vielfältigen Verzögerungen geraten war, erhielt mit Gemeinderatsbeschluss vom 17. August 1978 die Firma Plafog Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl.-Ing. W. Kretschmar GmbH Co KG, Kulmbach, den Auftrag für die Planung und Durchführung der Baumaßnahme 11 . Die Plafog war zuvor schon für Vorarbeiten zur Kostenermittlung in die Projektierung eingeschaltet worden. Durch die gute fachliche Zusammenarbeit mit dem städtischen Hochbauamt konnte die Entwurfs- und Ausführungsphase gestrafft werden. Nur so war es möglich, schon im Oktober, nachdem das Regierungspräsidium Freiburg der Planung und den Kostenaufstellungen zugestimmt hatte, mit den Ausschreibungen zu beginnen. Die Baustelle wurde am 14. März eröffnet und die Fertigstellung des Hallenbades war für Anfang 1981 vorgesehen. 262 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Inbetriebnahme im Februar 1981 Das Schwaketenbad ist nach dem 1937 in Betrieb gegangenen Kur- und Hallenbad, heute Hallenbad am Seerhein (vgl. den Beitrag von Ilse Friedrich in diesem Band), das zweite Konstanzer Hallenbad. Nach 22-monatiger Bauzeit wurde es offiziell am 19. Februar 1981 mit der Schlüsselübergabe an Oberbürgermeister Horst Eickmeyer und einem bunten Rahmenprogramm eröffnet. Mit 827 m² Wasserfläche war es das größte Hallenbad im Bodenseeraum. Das Bad wurde mit einem Gesamtkostenaufwand von 15,48 Mio.- DM erstellt, einschließlich Erschließungskosten und Außenanlage. Durch den Sonderzuschuss aus Infrastrukturmitteln konnten 5,39 Mio. DM gedeckt werden, was einer Minderung der kalkulatorischen Kosten von 475.000 DM entsprach. Weitere 2,1 Mio.- DM an Zuschüssen kamen aus den Lotto-Toto-Mitteln, so dass die Stadt Konstanz nur rund 50 Prozent der Baukosten zu finanzieren hatte. In der Eröffnungsfeier sagte der Oberbürgermeister unter anderem 12 : „Dieses Hallenbad wird niemand als Schwimm-Oper verspotten können. Hier gibt es keine Spur von kommunaler Repräsentation oder unangemessenem Aufwand. Hier ist mit größter Zurückhaltung und mit größter Sparsamkeit nur an eines gedacht worden: Dass das Bad seiner Funktion und unseren Bürgern in der besten Weise dient. Und trotzdem strahlt das Bauwerk eine Schönheit aus.“ Zur Vorgeschichte führte Horst Eickmeyer aus 13 : „Wollmatingen hat in den Schnitt von Osten Das Schwaketenbad 263 vergangenen Jahrzehnten im Interesse der gesamten Stadt Opfer gebracht. Es hat einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung unserer Stadt geleistet. Somit hat Wollmatingen auch dieses schöne Hallenbad verdient.“ Auch die Tatsache, dass bürgerschaftliches Engagement den Anstoß für den Bau des Bades gegeben habe, ließ er nicht unerwähnt. Die ersatzlose Streichung eines Außenbeckens brachte den SFV auf die Barrikaden. Noch während der laufenden Bauarbeiten kämpfte der Verein um ein Außenbecken, für das er nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung, gegen die Stimme des Vorsitzenden, die gesammelten Gelder ausschließlich zur Verfügung stellen wollte. Verwaltung und Gemeinderat lehnten den Bau eines Außenbeckens aus betriebswirtschaftlichen Gründen aber ab und bekundeten, auf die vom SFV gesammelten Gelder gegebenenfalls auch verzichten zu wollen. Diese klare Positionierung der Stadt veranlassten die Mitgliederversammlung am 4. Mai 1982 zu dem Beschluss, der Stadt die gesammelten Fördermittel zu übergeben mit dem Wunsch, diese zur Ergänzung der Außenanlagen (Spielplatz) und des Innenbereiches (Rutsche am Nichtschwimmerbecken) zu verwenden. Gleichzeitig wurde die Auflösung des SFV beschlossen. Bei der Übergabe der inzwischen auf 322.325 DM angewachsenen Fördersumme an den Oberbürgermeister stellte der Initiator und Schwaketenbad vor dem bewaldeten Höhenrücken des Taborberges, Südansicht 264 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Vorsitzende des Vereins, Hubert Jakob, fest 14 : „Wir haben uns 13 Jahre für den Bau eines Freibades eingesetzt und ein wunderschönes Hallenbad erhalten. Heute sehen wir ein, dass ein Außenbecken wegen der Folgekosten wirtschaftlich nicht vertretbar ist.“ Architektur, Konstruktion und Energieversorgung Die exponierte Lage des Hallenbades am nördöstlichen Rand des Schwaketentales stellte besondere Anforderungen an die Baugestaltung. Dies galt sowohl für die Material- und Farbwahl, wie auch für die Ausgestaltung der Baumassen und deren strukturelle und räumliche Gliederung. Da das Bad gleichermaßen der sportlichen Nutzung wie auch der Freizeitgestaltung dienen sollte, war durch die vorgegebene differenzierte Funktion die Konzipierung eines reinen Zweckbaus ausgeschlossen. Auch der auf der Rückseite des ausgewiesenen Baugeländes ansteigende bewaldete Höhenrücken verlangte nach einer fein abgestimmten Gliederung und Ausgewogenheit der Baumassen des Projektes. Den gestalterischen Gesichtspunkten wenigstens gleichgeordnet musste die Schaffung eines einwandfreien Funktionsablaufes Haupteingang mit Vorplatz Das Schwaketenbad 265 sein. Die Eingangszone mit Kiosk, Eingangshalle, Verteilerraum mit Kasse sowie der Umkleidebereich mit den Sanitärräumen bilden das Rückgrat der Anlage mit der niedrigsten Dachfläche. Von dieser Basis steigt das Dach des Nichtschwimmerbereiches um einen kleinen Sprung an, die Halle mit dem Schwimmerbecken hebt sich in ihrer Höhe deutlicher ab. Der Springerbereich mit seinen ein bis 5-Meter-Sprunganlagen wurde gegenüber den übrigen Beckenumgängen abgesenkt, um die außen in Erscheinung tretende Baumasse zu verringern. Dennoch überragt das Dach der Sprunghalle die übrigen Dachflächen bei weitem. Diese bauliche Dominante war daher besonders auszubilden. Es galt hier den Eindruck von Monumentalität zu vermeiden und zugleich eine Einbindung in die Umgebung herzustellen. Große Transparenz konnte durch die vollständige Verglasung der Südfassade erzielt werden und an den übrigen Außenwänden durch die Anordnung von Oberlichtern zwischen Wand- und Dachkonstruktion unterstrichen werden. Der mitten im Grünen gelegene Baukörper bildete dank des Dachkörpers und grau-weißen Kalk-Sandstein-Wänden eine sympathische Farbharmonie mit der dahinterliegenden Waldkulisse. Die Zuordnung der Becken berücksichtigt sowohl die vorwiegend sportlichen Belange als auch die mehr freizeitorientierten Aktivitä- Gesamtansicht von Südosten 266 Georg Geiger und Robert Grammelspacher ten. Die Umgangsflächen sind so großzügig bemessen, dass hier ausreichend Platz für Trockenübungen, für Ruheliegen und Wärmebänke vorhanden ist. Wärmeplatten und über die Halle verteilte Bepflanzungen betonen den Freizeitcharakter der Anlage zusätzlich. Bei der Planung bereits mit einbezogen wurden die Belange der Behinderten. Entgegen der politischen Beschlusslage wurde für eine spätere Ergänzung mit einem Außenbecken von der Schwimmhalle aus eine Schleuse und im Technik-Untergeschoß eine Fläche für Wasseraufbereitungsanlagen eingeplant. Der relativ hoch liegende Grundwasserspiegel in den Schwaketenwiesen bzw. drückendes Hangwasser machten während der Gründungsarbeiten eine Wasserhaltung erforderlich. Für die im Untergeschoß liegenden Technikbereiche mussten wasserdichte Wannen ausgebildet werden, flacher liegende Bereiche des Untergeschosses erhielten eine Flächendrainage. Das Bauwerk befindet sich in der seismischen Zone III. Beim Standardsicherheitsnachweis waren daher Zuschläge für die Erdbebensicherheit zu berücksichtigen. Dementsprechend mussten Stützen und Ringanker der tragenden Konstruktion verstärkt bzw. zusätzlich angeordnet werden. Die Dachkonstruktion besteht aus Holzleimbindern, die auf Stahlbetonstützen bzw. Ringanker aufgelagert sind. Im Bereich der Springerhalle sind diese Binder mehrfach um 45 Grad abgeknickt, wozu ein spezielles Herstellungsverfahren entwickelt wurde. Für die Fassade wurde eine Leichtmetallkonstruktion mit Isolierprofilen verwendet, verglast mit Dreischeiben-Isolierglas. Von vorherein war man auf energiesparende Maßnahmen bedacht. Die zu Zeiten der Ölpreiskrise gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der Verknappung fossiler Brennstoffe und drohender weiterer Energiekrisen wurden für die Energieversorgung in allen wirtschaftlich vertretbaren Möglichkeiten der Wärmegewinnung und Rückgewinnung ausgeschöpft. Zum Einbau kam eine zentrale Elektro-Wärmepumpenanlage mit acht Motorverdichtern. Diese ermöglichten durch Einzel-, Zu- oder Abschaltung eine dem jeweiligen Bedarf angepasste fein abzustimmende Regelung. Mittels Wärmeaustauschern wurde die aus der Abluft der Schwimmhalle und dem Dusch-Abwasser rückgewonnene Wärme dem Heizkreislauf wieder zugeführt. Differenzen im Wärmebedarf wurden durch Das Schwaketenbad 267 Nachheizen mit zwei gasbetriebenen Heizkesseln ausgeglichen. Im Jahr 2002 erfolgte eine Sanierung der Wärmeerzeugungsanlage und Überarbeitung des Energielieferkonzeptes. Es zeigte sich, dass aus technisch-baulicher und anhand der Größenordnung der vorhandenen Wärmeabnahme im Schwaketenbad ein sinnvoller und wirtschaftlicher Betrieb einer dezentralen Kraft-Wärme- Kopplungsanlage möglich ist. Eine 50 Kwel Blockheizkraftanlage mit Niedertemperaturkessel ersetzte die beiden Heizkessel. Daraus resultierte auch ein erhebliches CO 2 -Minderungspotential. Die Investition erfolgte im Rahmen eines Contractingvertrages mit den Stadtwerken Konstanz GmbH, was zugleich die Schaffung eines technisch wirtschaftlichen Verbundes zwischen dem Schwaketenbad und den Stadtwerken ermöglichte. Eine enge technisch-wirtschaftliche Verflechtung war für eine verbindliche Zusage des Finanzamtes die wesentliche Voraussetzung für die 2003 gegründete Bädergesellschaft Konstanz mbH als Tochtergesellschaft der Stadtwerke Konstanz GmbH, um Verluste aus dem Bäderbereich steuerlich mit Gewinnen in anderen Geschäftsfeldern der Stadtwerke verrechnen zu können. Betrieb, Besucherentwicklung und Wirtschaftlichkeit Das Schwaketenbad stellte in seiner Konzeption eine ideale Mischung für den Schul- und Vereinssport und die damaligen Freizeitbedürfnisse der Bevölkerung dar. Wie alle Konstanzer Bäder wurde das Schwaketenbad von dem zum 1. Oktober 1980 neu gebildeten Sport- und Bäderamt betrieben. Bei den Betriebsergebnissen ist die besonders ausgeprägte Affinität der einheimischen Bevölkerung zum Bodensee zu berücksichtigen. Bedingt durch die Bademöglichkeiten im Bodensee halbieren sich die Besucherzahlen in den Sommermonaten. Die fünf Seestrandbäder, deren Nutzung für die Badegäste kostenfrei ist, können an heißen Sommertagen und annehmbaren Seetemperaturen insgesamt über 20.000 Tagesbesucher anziehen. Auch das 1974 eröffnete Freizeitbad Jakob mit Thermalaußenbecken, beheiztem Sportschwimmerbecken, Nichtschwimmerbecken und Seezugang erwies sich in den Sommermo- 268 Georg Geiger und Robert Grammelspacher naten als Besuchermagnet. Diese für Konstanz spezifische Situation gab den Ausschlag für die jährliche Schließung des Schwaketenbades während der Sommerferien. Ein Vergleich der Besucherzahlen der ersten Betriebsjahre mit dem ganzjährig geöffneten Freizeitbad Jakob zeigte, dass das Schwaketenbad kaum Besucher aus dem Freizeitbad Jakob abzog. Vielmehr hatte es neue Badegäste, insbesondere aus seinem direkten Einzugsbereich für die Konstanzer Bäderlandschaft hinzu gewonnen. Der Einzugsbereich erstreckt sich über die Stadt Konstanz hinaus auf den Bodanrück, die Stadt Radolfzell mit der Höri und den benachbarten Kanton Thurgau. Den Grundschulen der Nachbargemeinden Allensbach, Reichenau, Radolfzell und dem Gymnasium Radolfzell wurden für das Schulschwimmen separate Nutzungszeiten vorgehalten. Das Schwaketenbad stand vormittags den Schulen und der Universität für die Sportlehrerausbildung zur Verfügung, während in den Nachmittagsstunden und am Wochenende ausschließlich die Öffentlichkeit Zutritt hatte. Die Abendstunden wurden wechselweise von der Öffentlichkeit, den Vereinen und dem Allgemeinen Hochschulsport belegt. Von den anfänglich 80 Stunden Öffnungszeit Nichtschwimmerbecken im Eröffnungsjahr 1981 Das Schwaketenbad 269 pro Woche standen nur 57 Prozent der Öffentlichkeit, 30 Prozent den Schulen, acht Prozent der Universität und fünf Prozent den Vereinen zur Verfügung. Durch Optimierung der Belegungszeiten gelang es in späteren Jahren den Anteil der Öffentlichkeit auf über 60 Prozent zu erhöhen. Das Besucheraufkommen verteilte sich wie folgt: Öffentliche Badezeit 45 Prozent Ermäßigte und 33 Prozent Erwachsene, Schulen 18 Prozent, Universität 0,9 Prozent und Schwimmunterricht 0,3 Prozent. Im Betriebsjahr 1984 lag die Kostendeckung ohne kalkulatorische Kosten bei 38,83 Prozent, mit kalkulatorischen Kosten bei 22,99 Prozent. Bei einem Erlös pro Badegast von 2,90 DM und Kosten pro Badegast von 12,61 DM betrug der Zuschuss 9,71 DM pro Badegast. Im bundesweiten Betriebskostenvergleich mit ähnlichen Hallenbädern platzierte sich das Schwaketenbad im Vorderfeld. Kostendeckungsgrade ohne Zins und Tilgung von über 40 Prozent waren bereits Spitzenwerte. Zehn Jahre nach der Inbetriebnahme hatte sich das Schwaketenbad aufgrund seines Aktivangebotes zu einem Schwerpunktbad für Kinder, Jugendliche und Familien entwickelt. Die Öffnungszeiten hatten insgesamt eine Ausweitung um 377 Stunden/ Jahr oder 11 Prozent, die Zeiten für die Öffentlichkeit um 381 Stunden/ Jahr oder 18 Prozent erfahren. Ein maximales Ergebnis unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Schulsport intensiv das Bad nutzte und der Universität vertraglich zugesicherte Nutzungszeiten Springerbecken mit Sprunganlage 270 Georg Geiger und Robert Grammelspacher zustanden. Das 1990 vom Autor erarbeitete und dem Gemeinderat vorgelegte Bäderkonzept 15 empfahl den Charakter eines Familienbades, Jugendbades und Sportbades weiter auszubauen. Zur Attraktivitätssteigerung sollten vermehrt Animationsprogramme und eine große Wasserrutschbahn eingebaut werden. Der Kioskbereich sollte umgestaltet werden in ein Restaurant, das sowohl extern von außen als auch intern von der Schwimmhalle zugänglich ist. In den Folgejahren entwickelten die Mitarbeiter ein klar strukturiertes Kurssystem mit zielgruppenspezifischen, hochwertigen Kursangeboten. Der Kiosk wurde in ein kleines Restaurant umgestaltet. Weitere größere Investitionen ließen sich über den städtischen Haushalt aber nicht finanzieren. Hauptnutzer der begrenzten Belegungszeiten für Vereine war der Schwimmklub Sparta Konstanz e.V. Die Wasserflächen eigneten sich für ein zielführendes Schwimmtraining - insbesondere Leistungsschwimmer - sehr gut, ebenso für die Schwimmausbildung. Für die Wasserballer des SC Sparta war das Sportbecken Wettkampf- und Trainingsstätte. Allerdings konnte das Anliegen des über 700 Mitglieder starken Schwimmklubs nach mehr Trainingszeiten nicht bedient werden, so dass der Schwimmklub mit seinem Angebot nur einen Teil der Konstanzer Bevölkerung erreichte. Für die wichtige Gruppe der nichtleistungsorientierten Jugendlichen Restaurant mit Blick in die Schwimmhalle Das Schwaketenbad 271 und der wachsenden Gruppe aktiver Senioren standen keine Angebote zur Verfügung. Mit seinen normgerechten Sport- und Sprungbecken eignete sich das Schwaketenbad als Austragungsstätte für zahlreiche regionale und Deutsche Meisterschaften. Höhepunkte waren neben den wiederkehrenden Badischen Kurzbahnmeisterschaften die Deutschen Mehrkampfmeisterschaften des Deutschen Turner-Bundes und die Deutschen Hochschulmeisterschaften im Unterwasserrugby. Auch Guiness-Rekord-Versuche wurden im Schwaketenbad unternommen. So spielte eine Gruppe von Tauchern am Boden des vier Meter tiefen Springerbeckens „Mensch ärgere dich nicht“. BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH als Betreiber und Investor Die zum Jahrtausendwechsel erfolgte Gründung der rechtlich selbstständigen Stadtwerke Konstanz GmbH (SWK) unter den Geschäftsführern Kuno Werner und Konrad Frommer eröffnete die Möglichkeit, die den städtischen Haushalt jährlich stark belastenden Bäder in eine selbstständige Tochtergesellschaft einzubringen. Der bereits zwischen der SWK und dem Schwaketenbad bestehende 25-Meter-Schwimmerbecken 272 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Contractingvertrag verschaffte die Anerkennung eines „steuerlichen Quer verbu nde s“ m it dem Ziel, die Belastung des städtischen Haushalts durch die Bäder, einschließlich der Freibäder, spürbar zu reduzieren. Dieses von den SW K-Geschäftsführern gemeinsam mit Oberbürgermeister Horst Frank und Kämmerer Hartmut Rohloff angestrebte Ziel mündete in der zum 1.- Juli 2003 gegründeten BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH als Tochtergesellschaft der Stadtwerke Konstanz GmbH. Zu deren Geschäftsführern wurden Dr. Georg Geiger und Konrad Frommer bestellt. Die Gründung der BGK im Verbund der Muttergesellschaft SWK machte es möglich, neue Schwerpunkte in der Finanzierung und im Ausbau des Schwaketenbades zu setzen. Neben einer wirtschaftlichen Betriebsführung hatte die BGK den politischen Auftrag zu erfüllen, jedes Bad in seinem eigenen, speziellen Charakter baulich weiterzuentwickeln. Ein im Bäderbeirat und SWK-Aufsichtsrat abgestimmtes Investitionsprogramm 2004-2008 ff. beinhaltete für das Schwaketenbad investive Maßnahmen von über 2 Mio. Euro. Das im Zeitgeist der 1970er Jahre ausgestaltete Bad sollte von seinem inzwischen als bedrückend empfundenen Brauntönen befreit werden. Nach elfwöchiger Umbauphase präsentierte sich das Bad mit zahlreichen Veränderungen. Im Umkleidebereich erstrahlte das Bad mit neuen Fließen und Wandfarben in Pastelltönen sowie einer neuen Deckenverkleidung aus Birkenholz in freundlichem hellen Licht. Die elfwöchige Kom- Kleinkinderbecken, im Hintergrund das Restaurant Das Schwaketenbad 273 plettschließung während der Sommermonate wurde genutzt, um zusätzlich als neues Angebot Familienumkleiden mit großzügigen Schränken, einem Wickelraum, Kindertoiletten und Kinderduschen zu installieren. Im Planschbeckenbereich warteten eine wasserspeiende gelbe Riesenschlange und lustig bemalte Techniksäulen auf die kleinen Badbesucher. Am Nikolaustag 2004 war es dann soweit: Die seit Wochen die Südfassade prägende gelb-rote Magic-Eye-Reifenrutsche erlebte ihren ersten Besucheransturm. Für rund 700.000 Euro wurde die 100 Meter lange, in einer doppelten Acht geschwungenen Tunnelstrecke gebaut. Dabei entfielen 240.000-Euro auf die Rutsche selbst, 200.000 Euro für die Technik sowie 260.000 Euro auf den Umbau im Bestand und Neubau des acht Meter hohen Rutschenturms. Die 2,50 Meter breite Röhre lieferte während der rasanten Fahrt interessante Lichteffekte. Zum Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme war die mit Einzelringen und Doppelsitzern nutzbare Großrutsche die erste ihrer Art in Mitteleuropa. Insgesamt investierte die BGK über 1,2-Mio. Euro. Im zweiten Schritt wurde 2005 der Eingangsbereich in die Neugestaltung miteinbezogen. Eine offene und damit kundenfreundlichere Kassentheke erwartete nun die Badegäste. Neu installiert wurde ein Kassen- und Einlasssystem, das später auch im Hallenbad am Seerhein und der Bodensee-Therme zum Einsatz kam. Eine neue Lüftungsanlage sorgte für getrennte Frischluftzufuhr von Bad und Restaurant. Die Investitionen beliefen sich auf 700.000- Euro. 2006 erfolgte noch die Umgestaltung des Außenbereichs am Hintereingang in eine aufgelockerte Naturanlage. Der bis zur Schließung der alten Bodensee-Therme im dortigen Foyer platzierte Quellstein wurde mit einem Wasserspiel zum optischen Mittelpunkt der Naturanlage. 2010 folgte noch die Magic-Eye-Reifenrutsche 274 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Neugestaltung des Duschtraktes mit abgerechneten Kosten von 247.000 Euro. Das ultimative Rutschvergnügen und das bereits beim Betreten des Bades wahrnehmbare freundliche und moderne Flair bescherten dem Schwaketenbad unerwartet hohe Besucherrekorde. Im Januar 2005 verzeichnete das Bad mit 18.222 Besuchern den stärksten Ansturm innerhalb eines Monats in seiner Geschichte. Die Belastungsgrenze war erreicht. Im Jahr seines 25-jährigen Bestehens konnte mit 184.307 Jahresbesuchern das beste Besucherergebnis gefeiert werden, was einer Besuchersteigerung von 70 Prozent entsprach. Hierin nicht berücksichtigt sind die jährlich rund 20.000 Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen des Schulschwimmens das Bad nutzen. Trotz der energie-intensiven Faktoren Besuchersteigerung, Reifenrutsche und verlängerten Öffnungszeiten gelang es unter Einsatz modernster Technik und interner Optimierungen die erforderliche Wärmemenge um 30 Prozent zu reduzieren. Der Kostendeckungsgrad ohne Zins und Tilgung kletterte bis 2008 auf 45,9 Prozent, ein Spitzenwert im bundesdeutschen Bädervergleich. Mit Zins und Tilgung lag er bei 38,3 Prozent. Der gesteigerte Besucherzuspruch verbunden mit der verbesserten Wirtschaftlichkeit bestätigten das Konzept der gezielten Angebotsausrichtung auf Familien und Jugendliche. An der hohen Zahl der gelösten Einzeleintritte war ablesbar, dass neue Kunden gewonnen wurden. Offensichtlich konnte eine Angebotslücke im Freizeitspektrum der Stadt Konstanz geschlossen werden. Das 30-jährige Bestehen wurde 2011 mit Spielfesten, Wettbewerben und Discos gefeiert. 600 begeisterte Zuhörer erlebten in der Wollmatinger Halle als Geburtstagsgeschenk des Musikvereins Konstanz-Wollmatingen e.V. die Uraufführung des „Schwaketenbadmarsches“ 16 , komponiert vom Dirigenten Georg Herrenknecht. Die von ihm überreichte erste Seite der Originalpartitur fand im Bad einen Ehrenplatz. Das Schwaketenbad 275 1981 90.566 1982 101.872 1983 96.033 1984 101.453 1985 98.903 1986 115.185 1987 113.920 1988 115.837 1989 113.097 1990 115.883 1991 113.664 1992 109.473 1993 102.043 1994 109.960 1995 106.550 1996 103.835 1997 105.981 1998 105.667 1999 100.672 2000 102.728 2001 108.276 2002 101.933 2003 96.640 2004 101.346 2005 141.668 2006 184.307 2007 170.753 2008 169.433 2009 157.376 2010 165.439 2011 170.418 2012 173.872 2013 179.708 Besucherentwicklung Schwaketenbad 1981 - 2014 Besucher 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 140.000 160.000 180.000 200.000 1 9 8 1 1 9 8 2 1 9 8 3 1 9 8 4 1 9 8 5 1 9 8 6 1 9 8 7 1 9 8 8 1 9 8 9 1 9 9 0 1 9 9 1 1 9 9 2 1 9 9 3 1 9 9 4 1 9 9 5 1 9 9 6 1 9 9 7 1 9 9 8 1 9 9 9 2 0 0 0 2 0 0 1 2 0 0 2 2 0 0 3 2 0 0 4 2 0 0 5 2 0 0 6 2 0 0 7 2 0 0 8 2 0 0 9 2 0 1 0 2 0 1 1 2 0 1 2 2 0 1 3 2 0 1 4 276 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Sicherung des Erfolgs mit neuem Restaurant und Kursbecken Um weiterhin für die Besucher attraktiv zu bleiben und um die Kundenbindung zu stärken bedurfte es weiterer Maßnahmen. Die Schwimmkurse entwickelten sich vom Nischenprodukt zu einem festen und unverzichtbaren Produkt im Angebotsprofil des Schwaketenbades. Noch heute ist es der politische Wille des Gemeinderates, dass alle Grundschüler spätestens beim Übergang auf die weiterführende Schule des Schwimmens mächtig sind. Im Angebot befanden sich Kurse unterschiedlichster Ausprägung, beginnend für Anfänger mit der allseits bekannten Poolnudel über die morgendliche Wassergymnastik für Berufstätige, Hausfrauen und Rentner und endend bei Power-Angeboten wie Aqua-Jogging und Aquacycling für gut Trainierte. Die positiven gesundheitlichen Aspekte solcher Fitness-Angebote im Wasser führten zu einer wachsenden Zahl an Kursteilnehmern. Die gleichzeitig zu beobachtende vermehrte Schließung von Therapiebecken privater Betreiber im Stadtgebiet verstärkte noch den Druck auf die Angebote. Private Anbieter wie das Deutsche Rote Kreuz wurden heimatlos. Da Kurse aber nur in Randzeiten, Abendstunden oder am Samstagvormittag platziert werden konnten, war mangels vorhandener Wasserflächen das Angebot begrenzt. Die dauerhaft starke Auslastung führte verstärkt zu Unmut bei den Badegästen 17 . Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die demografische Entwicklung. Auch öffentliche Badbetreiber haben sich auf die alternde Gesellschaft vorzubereiten. Alters- und zielgruppenorientierte Angebote müssen geschaffen werden für die wachsende Zahl schwimmsportbegeisterter „Best Ager“. Aus Sicht der Geschäftsführung und des Bäderbeirates galt es weiterhin zukünftige Investitionen in die Angebotserweiterung - aus den oben dargelegten Hintergründen - vorausschauend zu planen und wirkungsvoll einzusetzen. Die Wasserflächen des Schwaketenbades sollten mittelfristig mit einem eigenständigen Kursbecken und dem Einbau einer zweiten Rutschanlage ergänzt werden. Vom Deutschen Roten Kreuz, Ortsverein Konstanz e.V., lag ein Angebot vor, sich mit einem Zuschuss von 400.000 Euro am Bau des Kursbeckens zu Das Schwaketenbad 277 beteiligen 18 . In die Investitionsplanung wurden mittelfristig für ein Kursbecken mit Breitwasserrutsche 2,3 Mio. Euro in 2018 eingeplant. 19 Zügig in Angriff genommen wurde der Neubau des Restaurants um möglichst schnell den Bedürfnissen der Badegäste gerecht zu werden und den dauerhaften Erfolg des Bades nicht zu gefährden. Der Gastronomiebereich wurde erweitert in einen extern zugänglichen Bereich mit 58 Sitzplätzen und einen abgegrenzten internen Nassbereich mit 46 Sitzplätzen. Die vorhandenen Defizite wie Vorbereitungsküche, Spülküche und Warmküche sowie fehlende ortsnahe Lager- und Kühlflächen wurden in einem Anbau untergebracht. Die Architektur der Erweiterung orientierte sich an Material, Form und Textur am Bestand, so dass eine stimmige Gesamterscheinung resultierte. Bedingt durch den Anbau in den Vorplatzbereich hinein sollte auch der äußere Eingangsbereich ein neues Ambiente erhalten. Für das Restaurant und die Neugestaltung des Vorplatzes waren über eine Million Euro vorgesehen. Positiver Nebeneffekt der Neubaumaßnahme war ein Zugewinn von 25 Quadratmetern Nutzfläche für den stark frequentierten Kleinkinderbereich. Die neu gewonnene Fläche sollte zukünftig mit einer attraktiven Wasserlandschaft mit Kinderrutsche, Wasserrinnen und Kippeimerspiel Kinder bis zum Alter von fünf Jahren erfreuen. Die Planung und Bauleitung lag in den Händen der Hauptabteilung Bau- und Immobilien bei den Stadtwerken Konstanz. Im Herbst 2014 erfolgten Auskernung und Abriss des Bestandes, damit im November 2015 das neue Restaurant und die Wasserlandschaft für die Kleinkinder in Betrieb hätten gehen können. Abbruch des Restaurants im Herbst 2014 278 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Teil II: Der Brand Der 4. Juli 2015, ein Samstag, war ein herrlicher Sommertag und mit 36,4 Grad der bislang heißeste Tag des Jahres. 20 Das Schwaketenbad öffnete wie immer um 10 Uhr. Zuvor hatten bereits Vereinsschwimmen und ein Aqua-Cycling-Kurs stattgefunden. Der Brand brach gegen 11.35 Uhr aus. Ausgangspunkt war die östliche Giebelseite des Daches über dem Springerbecken am Übergang zum Flachdachbereich des Nichtschwimmerbeckens, wo Dachsanierungsarbeiten mit Bitumen-Schweißbahnen durchgeführt wurden. Das Feuer kletterte an der Dachschräge bis zum Dachfirst und war dort offen sichtbar. Zum Zeitpunkt des Brandes hielten sich etwa 50 Gäste im Bad auf, die von der diensthabenden Fachangestellten für Bäderbetriebe evakuiert wurden. Es waren die letzten der insgesamt 4.313.871 Besucher, die das Schwaketenbad seit seiner Eröffnung verzeichnete. In einem ersten, konzentrierten Löschangriff bekämpfte die Feuerwehr die sichtbaren Feuerstellen im Giebelbereich erfolg- Das Feuer breitet sich am Abend des 4. Juli 2015 aus. Das Schwaketenbad 279 reich. Ein Problem waren aber unzugängliche Glut- und Brandnester in der zweischaligen Decke. Nach weiterer Beobachtung kam man deshalb zum Ergebnis, das Technische Hilfswerk hinzuzuziehen, um mittels eines Greifarmes bestimmte Teile der äußeren Dachschale zu entfernen. Auf diese Weise sollte Einblick in die tatsächliche Situation genommen und die weiteren Maßnahmen festgelegt werden. Durch die mit der Dachöffnung einhergehende Sauerstoffzufuhr kam es gegen 18.30 Uhr zur explosionsartigen Durchzündung der heißen Brandgase in der gesamten Dachkonstruktion. Dieser Zündungsvorgang konnte direkt an den vier Oberlichtern auf der Westseite der Schwimmhalle beobachtet werden, aus denen in kurzem zeitlichen Abstand Flammen in die Höhe schossen. Das Feuer arbeitete sich von dort schnell in Richtung Osten vor. Selbst an den Heizkörpern im Foyer züngelten kleine Flammen. Zur großen Überraschung wurden der räumlich anschließende Chlorgasraum und die Trafostation dann kein Raub der Flammen mehr. Feuersäulen schießen aus den Oberlichtern. 280 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Kurz vor der Durchzündung waren der Betriebsleiter und der Autor dieser Zeilen noch mit einer Dame in die Umkleide gegangen, um die morgens bei der Evakuierung von ihrer Familie zurückgelassenen Badeutensilien aus dem Umkleidespind zu holen. Bei Rückkehr zum Hinterausgang untersagte die Feuerwehr weitere Gänge ins Bad. Wie sich direkt im Anschluss zeigte, eine absolut richtige Entscheidung. Mit den weiteren neun Gästen, die noch Dinge in den Spinden hatten, wurde ein neuer Termin für den Folgetag um 11.00 Uhr vereinbart, der dann am späten Abend „mangels Masse“ telefonisch abgesagt wurde. Die in der Umkleide und den Wertschließfächern der anderen Gäste noch deponierten Dinge, wie ein Ehering, Brillen, Hörgeräte, Schlüssel für Auto und Wohnung oder Ausweise, waren unwiederbringlich verbrannt. Die Umkleidespinde waren nicht mehr erkennbar und auf eine Masse von wenigen Zentimetern Höhe geschrumpft. Übrig geblieben ist allein der Spindschlüssel mit der Nummer 175, den einer der betreffenden Gäste mit seiner Schadensmeldung bei der Bädergesellschaft eingereicht hat. Dem langen und aufopferungsvollen Einsatz der Feuerwehren aus Konstanz, Kreuzlingen, Singen, Radolfzell, Allensbach und Reichenau, des Technischen Hilfswerks, des Malteser Hilfsdienstes, des Deutschen Roten Kreuz und der Polizei an diesem an sich schon sehr heißen Tag gebührt Respekt und Anerkennung. Der Brand des Schwaketenbades wurde durch Handwerkerarbeiten auf dem Dach neben dem Sprungturm ausgelöst. Diese Dachsanierungsarbeiten standen in keinem Zusammenhang mit dem in Bau befindlichen Restaurant und der Erweiterung des Bereichs neben dem Kinderplanschbecken um einen kleinen Wasserspielplatz. Bei den Arbeiten auf dem Dach wurden von vier Arbeitern Gasbrenner verwendet. Bei der Befragung von Polizei und Staatsanwaltschaft waren ihre Angaben widersprüchlich geblieben, so dass unklar blieb, welcher Arbeiter das Feuer verursachte. Aus diesem Grund wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. 21 Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung richtete sich gegen den Geschäftsführer und den Vorarbeiter der Firma. Den beiden Angeklagten wurde zur Last gelegt, dass sie nicht genügend Maßnahmen im vorbeugenden Brandschutz ergrif- Das Schwaketenbad 281 fen hätten. So hätten sie sich um die Aufstellung einer Brandwache bemühen oder technische Schutzvorkehrungen treffen müssen. Die beiden Angeklagten wurden zu Geldstrafen in Höhe von 11.700 Euro und 4000 Euro verurteilt. Der Strafbefehl wurde rechtskräftig, da keiner der beiden Widerspruch einlegte. 22 Wenn man ein Schwimmbad mit seinen Wasserflächen und vergleichsweise wenig Inventar betrachtet, kommt einem nicht in den Sinn, dass es komplett abbrennen kann. Selbst als Augenzeuge kommt einem so ein Ereignis unwirklich vor. Der Verlust des Schwaketenbades machte seine Bedeutung für die Konstanzer in schmerzlicher Weise bewusst. Wie viele Erinnerungen sind doch mit einem Schwimmbad verknüpft: die ersten freien Züge im Schwimmkurs, unbeschwerte Stunden beim Springen, Rutschen und Toben, Trainingsmühen und Wettkampferfolge oder einfach nur die Freude am Gleiten im Wasser. Alle Freunde des Schwaketenbades wissen deshalb noch genau, was sie an diesem Tag gemacht haben. Für die Belegschaft war der Verlust des Bades trotz der von der Geschäftsführung sofort ausgesprochenen Beschäftigungsgarantie ebenfalls ein nur schwer zu verdauender Schlag. Vom geliebten Einsatzort, an dem mit viel Engagement in den Jahren zuvor die Besucherzahlen kontinuierlich gesteigert und die Energiekosten gesenkt worden waren, war nur noch eine Ruine übrig. Die Aqua-Cycling- Räder standen rauchgeschwärzt im Lagerraum. Die Bedeutung des Ereignisses spiegelte sich in der Resonanz im Internet. So wurde der Link auf die Pressemitteilung „Sofortmaßnahmen nach Brand des Schwaketenbades“ in den ersten Stunden nach dem Erscheinen 1995 mal angeklickt, davon 1795 mal via Facebook, wo der Beitrag 13.312 Personen erreichte. 23 Die Traglufthalle Bereits am Tag nach dem Brand war klar, dass es nur zwei Optionen gibt, um den Wegfall des Schwaketenbades halbwegs zu kompensieren. Zum einen durch die Reaktivierung des Hallenbades am Seerhein für das „Öffentliche Schwimmen“ und zum anderen 282 Georg Geiger und Robert Grammelspacher den Bau einer Traglufthalle über dem 50m-Becken des Freibades der Bodensee-Therme Konstanz. Die Voraussetzungen für den Bau einer Traglufthalle waren dort aufgrund der beheizten Freibadumkleide mit Dusche und WC günstig. Ungünstig war, dass es sich um Aufschüttungsgelände handelt. Die geologische Untersuchung ergab, dass aus Gründen der Statik ein Fundament aus Betonelementen erforderlich ist. An anderen Orten genügt hingegen eine Verankerung mit Erdnägeln. Mit der Fachplanung wurde schließlich die if_group, Ingenieure für Flächentragwerke GmbH, mit Sitz in Reichenau-Waldsiedlung beauftragt. Eine Firma, die weltweit Zelt- und Dachkonstruktionen für Stadien plant und sich freute, ihr Know-how einmal in der unmittelbaren Umgebung unter Beweis stellen zu können. Die Projektsteuerung hatte die Bauabteilung der Stadtwerke inne. Die if_group meldete sich wenige Tage nach dem Brand und äußerte in Unkenntnis der bereits angestellten Überlegungen ebenfalls den Gedanken des Baus einer Traglufthalle über das 50m-Becken. Hintergrund war, dass einer der Ingenieure regelmäßig die Therme besucht und dort im Thermalaußenbecken nach dem Brand seinen Gedanken freien Lauf ließ. Die Beauftragung erwies sich als Glücksgriff. Aufbau der Traglufthalle über dem 50-Meter-Becken des Freibades der Bodensee-Therme Das Schwaketenbad 283 Unter hohem Einsatz aller Beteiligten wurde die Halle für 1,2-Millionen Euro in Windeseile geplant, die Membran sowie die Betonsteine gefertigt und die Halle aufgebaut, so dass sie bereits am 24. Oktober 2015 eröffnet werden konnte. Selten blickt man in so strahlende Erwachsenengesichter, wie in dem Moment, als die Halle aufgerichtet war und der Sparta-Vorstand einen ersten Blick hineinwerfen konnte. Der Weg zum Projektbeschluss Das erste, aus Legosteinen gebaute Modell für das neue Schwaketenbad stellten die Enkel der Sparta-Vorsitzenden, Sven und Tom Klaußner, bei der Eröffnung der Traglufthalle vor. Im Schuljahr 2015/ 16 folgte die Realschulklasse 9c der Geschwister-Scholl-Schule, die sich im Technikunterricht unter ihrem Lehrer und Schulleiter Werner Specker mit dieser Aufgabenstellung auseinandersetzte. Als die Klasse den Betriebsleiter sowie den Autor einlud, die Baumodelle anzusehen, konnten diese nicht abschätzen, was sie erwartet. Bereits die Modelle an sich waren beeindruckend. Als die Schüler diese dann im Einzelnen erläuterten und deutlich wurde, wie intensiv sie sich mit Konstruktionsprogram- Das erste Modell wird am 24. Oktober 2015 präsentiert. 284 Georg Geiger und Robert Grammelspacher men und Fragen der Energieeffizienz befasst hatten, waren sie von dem Unterrichtsergebnis schlicht begeistert. Bereits wenige Tage nach dem Brand stand fest, dass das Schwaketenbad neu gebaut wird. Es galt aber festzulegen, in welcher Dimension und Ausstattung, um die mit dem Unglück verbundene Chance zu nutzen. Schließlich ist Konstanz eine wachsende Stadt und in der Nähe wird in den nächsten Jahren im Hafner ein neues Stadtquartier mit rund 3300 Wohneinheiten entstehen. Zum Zeitpunkt des Brandes waren der Bau eines Restaurants und einer Cafeteria in der Badehalle sowie die Erweiterung des Kinderbereichs um eine Rutsche und Wasserspiele im Gange. Für die Zukunft standen der Bau einer zweiten Großrutsche und eines Kursbeckens auf der Agenda, so dass das Raum- und Flächenprogramm für den Neubau für die Bädergesellschaft insoweit rasch feststand. Offen war jedoch insbesondere, wie man mit dem von Vereinsseite geäußerten Wunsch nach einem 50m-Becken umgehen soll. Um die eigenen Vorstellungen abzusichern, gab die Bädergesellschaft ein Gutachten zur Plausibilitätsprüfung bei einer Unternehmensberatung in Auftrag. Die zugehörige Trendanalyse kam zum Schüler der Geschwister-Scholl-Schule stellen ihre Modelle vor. Das Schwaketenbad 285 Ergebnis, dass „das Schwaketenbad im Zeitablauf auf die gewandelten Nachfrage- und Angebotstrends reagiert bzw. sehr vorausschauend agiert hat“. 24 Mit seiner Infrastruktur richtet es sich an Sport- und Fitnessorientierte, die durch ein Kursbecken noch gezielter angesprochen werden können. Durch die Rutschen und die Gastronomie werden auch die Bedürfnisse nach Spaß und „Action“ sowie nach Kommunikation abgedeckt. Die Definition des Einzugsgebietes konnte im Gutachten auf Basis einer noch im Frühjahr 2015 von der Bädergesellschaft durchgeführten Besucherbefragung verifiziert werden und wurde durch die Sekundärmarktforschung untermauert. Unter Berücksichtigung des relevanten Wettbewerbs attestierte das Gutachten ein auskömmliches Nachfragepotential für das Bad neuer Größe. Im Rahmen der Untersuchung wurden auch die Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche der verschiedenen Nachfragegruppen in mehreren Gesprächsrunden abgefragt und diskutiert (siehe den Beitrag von Andreas Osner). Hierzu zählten die Konstanzer Schulen, die Vereine (SK Sparta, TV Konstanz, DLRG Ortsgruppe Konstanz, ASC Konstanz), die Universität und ein damals in Gründung befindlicher Förderverein „Wiederaufbau Schwaketenbad“. Letzterer führte auf Facebook und bei den Besuchern des Konstanzer Kinderfestes am 12. September 2015 eine Umfrage durch, die wertvolle Erkenntnisse erbrachte. 25 Zur Notwendigkeit und den Vor- und Nachteilen eines 50m-Beckens gab es unterschiedliche Meinungen. Am Ende kamen alle Beteiligten überein, dass ein zweites 25m-Becken die bessere Lösung darstellt. Auf diese Weise kann zum Beispiel die Nutzung durch Schulen und Vereine von der Öffentlichkeit getrennt werden, kleinere Wettkämpfe können im separierten zweiten Becken ausgetragen und bei geringerer Nachfrage gegebenenfalls die betriebliche Sommerpause verlängert werden. Zudem steht in der Sommersaison im Thermenfreibad ein mit 26° Wassertemperatur sehr komfortables 50m-Becken zur Verfügung, was ein Training auf der langen Bahn ermöglicht. Den Bedarf an deutlich mehr Schwimmfläche hatten die Vereine in einer „vereinsübergreifenden Argumentation“ nachgewiesen. 286 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Weiterhin war zu klären, ob der Bau einer kleinen Saunalandschaft mit bis zu drei Kabinen zweckmäßig ist. Ein Gedanke, der in den Jahren zuvor immer wieder einmal geäußert wurde. Das Gutachten kam zum Ergebnis, dass eine Sauna solcher Größe nicht rentabel wäre. Dabei legte das Gutachten für die Berechnung rund 16.000 Besucher jährlich zugrunde. Die durchschnittliche Besucherzahl für eine Sauna dieser Größe in Baden-Württemberg liegt dagegen sogar bei nur rund 8000 Besuchern jährlich. 26 Die Entscheidung gegen eine kleine Sauna entspricht dem Konzept der Bädergesellschaft, die Aufgabenstellungen der Bodensee-Therme mit Sauna, des Hallenbades am Seerhein und des Schwaketenbades klar zu differenzieren. Parallel dazu galt es mit der Gebäudeversicherung zu klären, ob das Kellergeschoss des Schwaketenbades, dessen Restwert mit 2,3 Millionen Euro taxiert wurde, wiederverwendbar ist oder nicht. Eine Gebäudeversicherung orientiert sich strikt am Wiederaufbau eines Gebäudes im Verhältnis eins zu eins. Eventuelle Erweiterungsgedanken des Bauherrn im Zuge des Wiederaufbaus sind nicht relevant, sondern werden vielmehr unter dem Gesichtspunkt einer potentiellen Bereicherung äußerst kritisch gesehen. Die Bausubstanz des Kellergeschosses wäre grundsätzlich noch verwendbar gewesen. Es gab aber zwei Argumente, die den Restwert stark beeinträchtigten. Zum einen muss ein Bad nach den heute auch bei einem Wiederaufbau maßgeblichen Bauvorschriften barrierefrei sein. Das traf nicht zu. Zum anderen ist eine Lüftung nach den heutigen Bauvorschriften für ein Bad alter Größe deutlich größer. Selbst bei einem Wiederaufbau des Schwaketenbades hätte der Keller so deutlich erweitert und erhöht werden müssen. Aus diesen Gründen hat sich die Gebäudeversicherung schließlich auf einen Vergleich eingelassen und den Restwert des Kellers rund zur Hälfe entschädigt. Ergänzend war der Nachweis hilfreich, dass die Erweiterung um ein Kursbecken und eine zweite Großrutsche in der mittelfristigen Finanzplanung bereits enthalten waren. Erst damit war der Weg frei für einen Neubau, der nicht an den alten Grundriss gebunden ist und dessen Eingang prominent an die Parkplätze rückt. Das Schwaketenbad 287 Der Planungswettbewerb und das Preisgericht Neben dem Bäderbeirat und dem Aufsichtsrat der Stadtwerke befasste sich der Gemeinderat regelmäßig mit dem Neubau des Schwaketenbades. Am 17. März 2016 wurde vom Gemeinderat auf Basis der geführten Diskussion sowie entsprechender Vorbeschlüsse des Bäderbeirates entschieden, den Bau eines 50m-Schwimmerbeckens und einer Sauna nicht weiter zu verfolgen, aber die übrigen Projektinhalte mit einem zweiten 25m-Schwimmerbecken als verpflichtende Option zum Gegenstand des europaweiten Vergabeverfahrens nach der damaligen Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen zu machen. Ein solches VOF-Verfahren war erforderlich, da das Architektenhonorar den Schwellenwert von 213.000 Euro überschritt. Die Bekanntmachung für dieses Verfahren erfolgte noch am selben Tag. In der Folge haben 55 Büros Bewerbungsunterlagen angefordert, davon haben 20 Büros ihre Bewerbung fristgerecht bis zum 18. April 2016 abgegeben. Zwölf Büros haben sich für die Teil- Das Kellergeschoss nach Abräumung der Brandschutts 288 Georg Geiger und Robert Grammelspacher nahme am Wettbewerb qualifiziert. Schließlich haben elf Büros die geforderten Unterlagen und Entwürfe fristgerecht eingereicht und konnten nach Vorprüfung aller formellen Kriterien am Wertungsverfahren des Wettbewerbs teilnehmen. Die Vorprüfung erfolgte durch zwei Architektinnen der Stadtwerke, zwei Professoren mit den Schwerpunkten Kostenprüfung sowie Badewassertechnik, einem Ingenieur im Hinblick auf das zugrundeliegende Energiekonzept und den Betriebsleiter des Schwaketenbades. Das Preisgericht trat am 18. Juli 2016 zusammen. Ziel bei der Zusammensetzung des Preisgerichtes war es, dass ebenso wie in den Vorbesprechungen des Baukonzepts möglichst alle Gruppen direkt oder indirekt beteiligt sind. Fachpreisrichter waren Karl Langensteiner-Schönborn, Baubürgermeister der Stadt Konstanz, Professor Jörg Aldinger, Professorin Stefanie Eberding, Professorin Christina Jeschke, Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt der Stadt Konstanz, und Arnold Wild, Leiter der Abteilung Bau und Immobilien der Stadtwerke Konstanz. Die Sachpreisrichter waren Dr. Andreas Osner, 1. Bürgermeister der Stadt Konstanz und Vorsitzender des Bäderbeirates, Robert Grammelspacher und Dr. Norbert Reuter, die Geschäftsführer der Bädergesellschaft, und Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Sportamtes. Außerdem gehörten Vertreter der kommunalpolitischen Fraktionen des Gemeinderates, Stefan Grumbt, der Behindertenbeauftragte der Stadt Konstanz, Volker Lerch vom Stadtseniorenrat und als Vertreter der Konstanzer Jugend Magnus Fleischmann dem Gremium an. Als Vertreterin der Konstanzer Vereine gehörte die Vorsitzende des Schwimmsportvereins Sparta Konstanz e.V., Ursula Klaußner, dem Gremium an. Den Vorsitz des Preisgerichtes übernahm Professor Jörg Aldinger, der auch Vorsitzender des Gestaltungsbeirates der Stadt Konstanz ist. Nach einem Informationsrundgang und zwei weiteren Rundgängen im unteren Saal der Wessenberg-Galerie mit Sichtung und eingehender Diskussion der Baumodelle und Pläne vergab das Preisgericht zwei zweite Preise und einen Ankauf. Die beiden zweiten Preise gingen an das Büro Behnisch Architekten aus Stuttgart und an das Büro pbr Planungsbüro Rohling AG Architekten und Das Schwaketenbad 289 Ingenieure aus Braunschweig. Der Entwurf der 4a Architekten aus Stuttgart, welche die Bodensee-Therme Konstanz erbaut hatten, wurde angekauft. Im Anschluss hatten die beiden prämierten Büros bis zum 29.- Juli 2016 die Aufgabe, ihre Arbeiten anhand der Vorgaben des Preisgerichts zu überarbeiten. Am 9. August 2016 präsentierten die beiden Büros die Überarbeitung, ihr Projektteam, die Referenzobjekte und das Honorarangebot. Nach Diskussion und Beurteilung erklärte das Preisgericht einstimmig das Büro Behnisch Architekten zum Sieger. Bei der zweiten Sitzung des Preisgerichtes zeigte sich, dass es eine kluge Entscheidung gewesen war, zwei zweite Preise zu vergeben. Entgegen der ersten Einschätzung lagen die Kostenschätzungen realistischer Weise doch eng beieinander, so dass es ein Fehler gewesen wäre, mit Rücksicht auf dieses Kriterium bereits im ersten Durchgang endgültig zu entscheiden. Der Entwurf der Behnisch Architekten überzeugte durch seine organische und logische Anordnung der Bereiche für Sport und Spiel sowie der einzelnen Becken. Am 29. September 2016 beschloss der Gemeinderat auf dieser Grundlage den Neubau des Schwaketenbades mit zweitem Schwimmerbecken zu Gesamtkosten in Höhe von 28,38 Millionen Euro, weil die sofortige Realisierung eines zweiten Schwimmer- Das Preisgericht tagt am 18. Juli 2016. 290 Georg Geiger und Robert Grammelspacher beckens spätere Mehrkosten erspart und dem in Konstanz schon heute gegebenen Schwimmbedarf gerecht wird. Das Budget wurde dann im weiteren Verlauf zur Verbesserung der Ausführungsqualität der Unterdecke und der Wärmerückgewinnung für Spülwasser noch auf 28,8 Millionen Euro erhöht. Die Ausstattung Das neue Schwaketenbad knüpft mit seiner Ausstattung an die positiven Erfahrungen der Vergangenheit an. Das Nichtschwimmerbecken mit Kinderrutsche in einer U-Form ist im Vergleich zu anderen Bädern, die in der Regel rechteckige Nichtschwimmerbecken aufweisen, eine Sonderform. Diese hat sich aber durch die große Fläche, die mit leicht abfallender Wassertiefe die ganze Familie zum Spiel einlädt, sehr bewährt. Das danebenliegende Schwimmerbecken mit sechs Bahnen wird wieder einen Kreisverkehr mit zwei Bahnen und eine Schnellschwimmerbahn aufweisen. Zu einer Reifengroßrutsche mit mehreren Attraktionen kommt eine dreispurige Rutsche für Wettrennen oder auch für gemütliche Familienabfahrten. Neben einem größeren Kinderplanschbecken mit Kleinkinderrutsche lädt ein Wasserspielplatz mit Wasserkanonen und anderen Attraktionen zu Spaß und Bewegung ein. Auf der anderen Seite grenzt ein ruhigerer Wohlfühlbereich mit Liegen zwischen einem Warmbecken, einem Dampfbad und einem Raum mit Infrarotsitzen an. Es folgt das Springerbecken mit einer Wassertiefe von vier Metern. Neben einer 1-, 3- und 5-Meter-Plattform gibt es ein 1sowie ein 3-Meter-Sprungbrett. Ein Kursbecken mit einer Wassertiefe von zwei Metern und Hubboden bietet die Möglichkeit für alle Arten von Kursen im Wasser. Durch das zweite Schwimmerbecken kommt es zu einer enormen Vergrößerung der Kapazität, die die Schwimmmöglichkeiten der Öffentlichkeit und der Vereine erheblich verbessern. Entsprechend wurde auch die Anzahl der Spinde von 440 auf 520 erhöht. Ein direkt für jedermann zugängliches Restaurant mit Freisitz neben dem Eingang sowie einem Selbstbedienungsbereich in der Das Schwaketenbad 291 Badehalle mit Freisitz bei der Liegewiese runden das Angebot ab. Insgesamt hat das Schwaketenbad zukünftig eine Wasserfläche von rund 1400 statt der bisherigen rund 800 Quadratmeter, was eine Zunahme von rund 60 Prozent bedeutet. Das Bad ist barrierefrei und durch bis an den Boden reichende Fassaden im Westen und Süden, Lichtbändern und drei Oberlichtern über dem Nichtschwimmerbecken sehr transparent. Das Energiekonzept knüpft ebenfalls an die erfolgreiche Konzeption des Vorgängerbaus an. Die Wärme wird wiederum maßgeblich über zwei Blockheizkraftwerke der Stadtwerke Konstanz per Contracting zur Verfügung gestellt. Bestandteil dieser Anlage sind zwei Gaskessel, welche die Spitzenlast abdecken. Die kompletten Dachflächen werden mit einer Photovoltaikanlage der Stadtwerke belegt. Architekturmodell des neuen Bades 292 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Die Gebäudehülle reduziert Wärmeverluste durch ein optimiertes Verhältnis der Fassadenfläche zum Raumvolumen. Die transparenten Fassaden sorgen für passive solare Gewinne und werden in Dreifachverglasung mit energetisch optimierten Rahmenkonstruktionen ausgeführt. Die hohe Tageslichtverfügbarkeit führt in Verbindung mit tageslichtgesteuerter LED-Beleuchtung zu einem vergleichsweise geringen Bedarf an elektrischer Energie. In die gleiche Richtung wirken Hocheffizienzpumpen und die Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage und aus dem Duschwasser. Die Bauzeit Nachdem alle Vorarbeiten zügig und ohne einen Tag Verspätung erfolgt waren, fand am 1. Dezember 2017 der Spatenstich statt. Aufgrund der großen Beliebtheit des Schwaketenbades waren alle Konstanzer eingeladen, ihren Spaten oder ein Schäufelchen mitzubringen. Nach den offiziellen Reden legten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger bei strahlendem Sonnenschein gemeinsam Hand an. Vom Musikverein Wollmatingen wurde der Spatenstich unter anderem mit dem Schwaketenbadmarsch musikalisch eingerahmt. Spatenstich am 1. Dezember 2017 Das Schwaketenbad 293 Im Zuge der Rohbauarbeiten kam es aus mehreren Gründen zu Verzögerungen. Zum einen stieß man in der Südhälfte der Baustelle auf Erdmaterial, welches auf ein ehemaliges Sumpfgebiet hinwies. Von der Bedeutung des Namens „Schwaketen“ her hätte man gewarnt sein können. Denn nach wissenschaftlicher Erklärung, die anfangs der 1980er Jahre Professor Heinrich Löffler als Leiter des Deutschen Seminars der Universität Basel gegeben hat, ist „Schwaketen“ eine Substantiv-Bildung zu dem Wort „schwanken“. „Schwak“ gehört zum selben Wortstamm wie „schwach“. Und „schwacken“ wie „schwakeln“ wird als „wackeln“ und „schwanken“ bezeichnet. Demzufolge passe „schwacken“ am besten für „wippendes Gehen auf moorigem Gelände“. 27 Selbstverständlich war das Baugelände zuvor von einem Geologen nach wissenschaftlicher Methode stichprobenartig voruntersucht worden. Von daher war nicht zu erwarten, dass der Boden außerhalb des Probenrasters teilweise eine andere Qualität mit Wurzeln, Stämmen und Bauschutt aufweisen würde. Das Erdreich musste daraufhin separiert werden und der Abtransport verzögerte sich. Zudem wurde südlich des alten Schwaketenbades ein altes Fundament mit Schienen für einen Baukran aufgefunden. Ferner stieß man auf einen großen Findling mit einem Durchmesser von drei bis vier Metern und einem Gewicht von 73 Tonnen. Dieser wurde nach Klärung, ob er überhaupt entfernt werden darf, gesprengt. Außerdem trat ein gereinigter und mit Sand befüllter Öltank zutage, der früher der Notversorgung des Schwaketenbades für den Fall gedient hatte, dass im Winter kein Gas geliefert würde. Die Rohbauarbeiten wurden letztlich mit einem Verzug von rund sieben Monaten abgeschlossen. Nachdem der Stahlbauer die Dachkonstruktion zu einem Teil errichtet hatte, wurde am 7. Juni 2019 das Richtfest begangen, zu dem wie beim Spatenstich alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen waren. Oberbürgermeister Uli Burchardt und die Geschäftsführung freuten sich über den regen Besucherzuspruch. Vor und nach dem Richtspruch durch die Stahlbaufirma tauschten sich die Teilnehmer bei einem Imbiss, Eis und Getränken in Gesprächen aus. Bei bestem Wetter waren besonders die Plätze unter den Sonnenschirmen gefragt. 294 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Im Anschluss an das Richtfest schritten die Stahlbau-, Holzbau- und Dachdeckerarbeiten voran, jedoch ebenfalls langsamer als im aufgestellten Bauzeitenplan angenommen. Der Hauptgrund dafür lag in der komplexen Geometrie des Gebäudes. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, im Bereich der Ausführungsplanung des Architekten und der darauf aufbauenden Werkstatt- und Montageplanung der ausführenden Firmen aufwändige Berechnungen und Klärungen herbeizuführen, kostete sehr viel Zeit. Das galt in gleicher Weise für die Fassade, deren erste Teile ab Herbst 2019 auf der Südseite des Gebäudes montiert wurden. Obgleich der Zeitverzug höchst ärgerlich ist, gibt es keine Alternative zu einer sorgfältigen und ausgereiften Planung. Würden Bauteile produziert, die nicht passen, wären Verzögerungen und Mehrkosten für die Bädergesellschaft die Folge. Es soll andernorts durchaus schon vorgekommen sein, dass Fassaden zu lang gebaut wurden. Im Februar 2020 kann so immer noch keine konkrete Aussage gemacht werden, wann das Schwaketenbad eröffnet werden kann. Die zuletzt für Herbst 2020 vorgesehene Eröffnung ist jedenfalls nicht mehr realistisch. Richtfest am 7. Juli 2019 Das Schwaketenbad 295 Die Baukosten Für die Steigerung der Baukosten im Projektverlauf von 28,8 Millionen Euro auf rund 36 Millionen Euro bis zum Februar 2020 gab es mehrere Gründe. Als öffentlicher Auftraggeber ist die Bädergesellschaft auf Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/ A) verpflichtet, Gewerke ab einer Gesamtbausumme von rund 5,5 Millionen Euro europaweit auszuschreiben. Lediglich 20 Prozent der Vergabesumme dürfen national vergeben werden. Ab einer Vergabesumme von einer Million Euro für ein Gewerk ist immer eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Bei einem Gewerk, welches gemäß der Kostenberechnung beispielsweise mit rund 1,5 Millionen Euro kalkuliert war, wurden Angebote eingereicht, die bis zu 600.000 Euro darüber lagen. Gemäß VOB/ A § 14 EU Abs. 6 sind die Bieter nach der Submission u.a. unverzüglich über Name und Anschrift aller Bieter, die Endbeträge der Angebote und Preisnachlässe ohne Angabe der Bedingungen zu informieren. Es ist zweifelhaft, ob durch diese Verfahrensvorgaben der Wettbewerb letztlich gefördert oder geschwächt wird. Der günstigste Bieter erfährt auf diese Weise, dass er bei einem höheren Angebotspreis ebenfalls an erster Stelle gestanden und den Zuschlag erhalten hätte. Bei hohen Grundbeträgen wie im Beispielfall kann der Abstand zum Zweitbieter durchaus mehrere hunderttausend Euro betragen. Der günstigste Bieter kann sich nun ärgern, dass er nicht mehr gefordert hat oder er hat sich gar verkalkuliert, wofür eine besonders große Spanne zwischen den einzelnen Angeboten ein Indiz ist. In beiden Fällen hat er einen Anreiz im Bauverlauf über Nachträge oder Behinderungsanzeigen mehr Geld zu erlangen. In der Schweiz werden diese Gefahren dadurch abgemildert, dass das günstigste und höchste Angebot aus der Wertung ausscheiden. Nachträge können mehr oder weniger begründet sein. Falls bei der Ausschreibung etwas vom Architekten vergessen wurde oder der Bauherrn etwas zusätzlich fordert, ist ein Nachtrag offensichtlich berechtigt. Es gibt jedoch Forderungen, bei denen der Fall nicht eindeutig ist. Kommt man in diesen oder anderen Fällen zu keiner Einigung, können beide Seiten kündigen. Im Falle der Kün- 296 Georg Geiger und Robert Grammelspacher digung sind dem Unternehmer die Kosten abzüglich der ersparten Aufwendungen zu ersetzen. Bei abgeschlossener Planung und Vorliegen der eventuell bereits gefertigten Bauteile sind die Ersparnisse gering. Das Gewerk müsste dann erneut europaweit ausgeschrieben werden. Dies würde zu einem erheblichen zeitlichen Verzug führen. Ferner ist in einer Bauhochkonjunktur nicht sicher, dass überhaupt ein Angebot eingeht. In jedem Fall jedoch werden die Angebote deutlich teurer sein. Von daher ist es gewöhnlich die beste Alternative mit dem ursprünglichen Auftragnehmer möglichst weiterzumachen, was natürlich auch diesem bewusst ist. Als der Stahlbauer seinen Auftrag im Januar 2019 kündigte, bestätigte sich dies. 28 Die Neuvergabe des Auftrages war erheblich teurer als im ersten Durchgang. Die Baukonjunktur boomt. Ablesbar ist dies zum Beispiel am Baupreisindex Baden-Württemberg, der seit dem Planungsbeschluss im September 2016 bis Ende 2019 um rund 14 Prozent gestiegen ist. 29 Behinderungsanzeigen werden geschrieben, wenn das Unternehmen nicht wie gedacht an die Arbeit gehen kann, weil zum Beispiel Vorgewerke noch im Wege sind. In diesem Fall sind die Lohnkosten oder Stillstandszeiten von Maschinen zu ersetzen. Es ist kaum ermittelbar, ob die Arbeiter stattdessen auf einer anderen Baustelle eingesetzt werden konnten, so dass dem Unternehmen eigentlich gar keine Kosten durch Stillstand entstanden sind. Sofern die vertraglich vereinbarten Baufristen um mehr als drei Monate überschritten werden, müssen die Unternehmen den Vertrag nicht mehr erfüllen. In jedem Fall können sie Mehrkosten für inzwischen gestiegene Lohn- und Materialkosten geltend machen. Da diese Unternehmen den Verzug nicht zu vertreten haben, ist dies zu akzeptieren. Zudem kann man in Zeiten der Bauhochkonjunktur froh sein, wenn die Firmen der Vereinbarung neuer Ausführungsfristen zustimmen. Im Fall des Schwaketenbades konnten von Juni bis August 2019 mit fast allen betroffenen Unternehmen neue Vertragsfristen vereinbart werden. Dabei fielen die Mehrkosten mit etwa sechs Prozent akzeptabel aus. Das Volumen der hierdurch verursachten Teuerung beträgt jedoch allein rund 600.000 Euro. Im Falle einer Kündigung von Gewerken oder weiterer Bauverzögerungen würden diese Kos- Das Schwaketenbad 297 ten weiter ansteigen, da nochmals neue Vertragsfristen verhandelt werden müssten. Aufgrund der genannten Verzögerung bei der Planung konnte die Gebäudehülle nicht bis zum Beginn des Winters 2019/ 20 geschlossen werden. Um die Baustelle nicht für mehrere Monate einstellen zu müssen und die Baukosten durch erneute Verhandlungen weiter zu erhöhen oder Unternehmen gar ganz zu verlieren, wurde die Entscheidung getroffen, einen Weiterbau im Winter zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde das komplette Gebäude mit einer Konstruktion aus Latten und Planen eingehaust und beheizt, so dass im Innern zum Beispiel Estrich- und Fliesenarbeiten durchgeführt werden können. Die Kosten für die Ermöglichung des Winterbaus belaufen sich auf rund 260.000 Euro. Die Finanzierung Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 17. März 2016 beschlossen, dass das zweite Schwimmerbecken Bestandteil des Planungswettbewerbs ist. Diesen Beschluss hat der Gemeinderat mit dem Hinweis versehen, dass von den Nutzern des neuen Bades eine anteilige Finanzierung der Mehrkosten erwartet wird. Einhausung im Winter 2019/ 2020 298 Georg Geiger und Robert Grammelspacher Auf dieser Grundlage hat die Bädergesellschaft mit den Vereinen und der Universität die Preise der zukünftigen Nutzung diskutiert. Es wurde vereinbart, dass die Vereinsmitglieder zukünftig separate Trainingspässe erwerben, die nur noch zu Zeiten des Trainings zum Eintritt berechtigen. Die Universität wird als Institution des Landes eine Kostenmiete für die zur Sportlehrerausbildung benötigten Bahnen bezahlen, da sich das Land Baden-Württemberg dieses Mal nicht an der Finanzierung des Neubaus beteiligt hat. Wer sich länger im Bad aufhält oder zusätzliche Besuche macht, muss infolge des neuen Zeittarifs nachbezahlen beziehungsweise den regulären Eintritt bezahlen. Infolge des Zeittarifs ist ein längerer Aufenthalt teurer. Damit wurde auf die frühere Kritik eingegangen, dass doch kurze Aufenthalte zum Bahnen schwimmen billiger sein müssten als längere unter Nutzung zusätzlicher Einrichtungen wie der Rutschen. Es wird weiterhin den beliebten Bäderpass geben. Als Novum wird ein Familienbäderpass für Alleinerziehende eingeführt. Der Basispreis für einen Aufenthalt von bis zu 1,5 Stunden für Erwachsene soll 5,50 Euro gegenüber 4,70 Euro ohne Zeitlimit vor dem Brand betragen. Die Steigerung entspricht den seither vorgenommenen Preiserhöhungen infolge gestiegener Tariflöhne und Energiekosten. An dieser Stelle ist erwähnenswert, dass sich gemäß einer Befragung der Schwaketenbadgäste im Frühjahr 2015 nur ein Drittel der Gäste länger als 1,5 Stunden im Bad aufgehalten haben. Der unter diesen Rahmenbedingungen kalkulierte Kostendeckungsgrad wird etwa 50 Prozent betragen. Der jährliche Zuschussbedarf steigt jedoch infolge des Neubaus mit der Erweiterung um eine Million Euro. Das entsprechend höhere Bäderdefizit ist von den Stadtwerken Konstanz zu tragen. Einen besonderen Finanzierungsbeitrag hat Fritz Keller geleistet. Er war Stammgast im Schwaketenbad und hat mit seiner Spende über 25.000 Euro ermöglicht, dass der Wasserspielplatz in der gedachten Größe gebaut werden kann. Die deutlich gestiegenen Baukosten schlagen sich über die Abschreibungen in höheren jährlichen Folgekosten nieder. Umgekehrt fallen aber die Zinsen für die Kreditaufnahme weitaus günstiger aus als zu Projektbeginn kalkuliert. Auf diese Weise wird ein Teil der Das Schwaketenbad 299 Baukostenerhöhung ausgeglichen. Ein weiterer Ausgleich erfolgt durch die Entschädigungszahlung der Versicherung des Brandverursachers für nicht durch die Gebäudeversicherung gedeckte Schäden. Bezieht man außerdem die Ersparnis der Betriebskosten durch die infolge der Bauverzögerungen spätere Eröffnung mit ein, wird die Baukostensteigerung zu einem guten Teil ausgeglichen. Ausblick Zu Redaktionsschluss ist die Qualität der bislang ausgeführten Rohbau-, Stahlbau- und Holzbauarbeiten auf einem guten Stand. Das gilt auch für den weit fortgeschrittenen Einbau der technischen Anlagen im Untergeschoss. Bei Baubesichtigungen mit Bäderfachleuten oder Vereinen sind die Reaktionen durchweg positiv. Das Schwaketenbad ist transparent und hell und wird durch seine verschiedenen Wasserflächen, die Rutschen und Zusatzangebote den Anforderungen aller Alters- und Nutzungsgruppen gerecht. Trotz etlicher Hindernisse im Bauprozess überwiegt so doch bei weitem die Freude auf die Eröffnung eines tollen Freizeitbades. Anmerkungen 1 Vgl. dazu weiter: Klöckler, Jürgen: Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen, XLIII) Ostfildern 2012, S. -255-260. 2 Schlegel, Berthold: Das Schwaketenbad, in: Konstanzer Almanach, XXVIII. Jahrgang 1982, S. 20. 3 Frey, Karl: Wollmatingen, Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte eines alamannischen Dorfes. Heidelberg 1910, S. 280. 4 Kölsch, Herbert: Sport- und Erholungsstätten in Konstanz, in: Südkurier Nr. 202 vom 1.-September 1962. 5 Hellinger, Alfred: 13 Jahre Schwimmbadförderungsverein, in: Konstanzer Almanach XXVI. Jahrgang 1983, S. 74 6 Ebd., S. 74 f. 7 StadtA KN, Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Stadtratssitzung am 29.11.1973, Tagesordnungspunkt 1, Schwimmbad des Schul- und Sportzentrums Wollmatingen. 8 Klein, Lothar: Ein guter Beginn - ein schwieriger Start, in: Konstanzer Almanach XXVI. Jahrgang 1980, S. 27. 300 Georg Geiger und Robert Grammelspacher 9 StadtA KN, Schwaketenbad 1975-1989, Sitzungsvorlage Gemeinderat GR 78/ 135, Bebauungsplan: Schul- und Sportzentrum Wollmatingen 2. Änderung. 10 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, Vereinbarungen mit der Universität über die Nutzung des Schwaketenbades, BGK-Beiratsvorlage 05/ 27, 7. Dezember 2005. 11 StadtA KN, Schwaketenbad 1975-1989, Sitzungsvorlage Gemeinderat GR 78/ 138, Sportzentrum Wollmatingen: Hallenbad. 12 Schlegel, Bertold: Das Schwaketenbad, in: Konstanzer Almanach, XXVIII. Jahrgang 1982, S. 20. 13 Ebd. 14 Hellinger, Alfred: 13 Jahre Schwimmbadförderungsverein, in: Konstanzer Almanach XXVI. Jahrgang 1983, S. 76. 15 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, Bäderkonzept der Stadt Konstanz, Gemeinderatsvorlage GR 90/ 91, 18. Oktober 1990. 16 StadtA KN S XXXIV, unverzeichneter Ordner Schwaketenbad. 17 Rau, Jörg-Peter: Mehr Platz für Schwimmkurse, in: Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 26. Juli 2014. 18 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, Erweiterung der Wasserfläche im Schwaketenbad - Angebot des DRK-Ortsvereins Konstanz e.V., BGK-BR 14/ 09, 9. Juli 2014. 19 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH, Investitionsmaßnahmen Schwaketenbad, Bäderbeiratsvorlage BGK-BR 13/ 37, 26. März 2014. 20 Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 7. August 2015. 21 Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 13. August 2019. 22 Ebd. 23 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH: Schwaketenbad Brand und Neuplanung, Konstanz, Juli 2017, S. 5. 24 Adam & Partner, Unternehmensberatung: Plausibilitätsprüfung Neubauplanung Schwaketenbad, Hamburg, 22. Oktober 2015, S. 128, unveröffentlicht. 25 BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH (wie Anm. 23) S. 9. 26 Altenburg Unternehmensberatung GmbH: Altenburg BäderReport 2016, Düsseldorf 2016, S. 73. 27 Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 9. Dezember 1982. 28 Südkurier - Ausgabe Konstanz - vom 25. März 2019. 29 www.statistik-bw.de/ GesamtwBranchen/ KonjunkturPreise/ BPI-LR.jsp. Bürgerbeteiligung und Konfliktmoderation im Bäderwesen Zwei brandaktuelle Fallbeispiele a ndreaS o Sner Aus rückblickender Sicht des Ersten Bürgermeisters, der seit Herbst 2013 für Soziales, Sport und Kultur in Konstanz zuständig ist, möchte ich an dieser Stelle zwei prominente und medienrelevante Beispiele der letzten Jahre aus dem Bereich des Bäderwesens skizzieren. Sie betreffen den Konflikt um das Tragen des Burkini in Konstanzer Bädern, der bundesweite Medienaufmerksamkeit erlangte, und die Beteiligung der Bürgerschaft an den Planungen zum Wiederaufbau des im Juli 2015 abgebrannten Schwaketenbads. Erstes Fallbeispiel: Deeskalation des Konflikts um den „Burkini“ für muslimische Schwimmerinnen Ein schwelender Konflikt zwischen einer muslimischen Schwimmerin und der Bädergesellschaft brachte der Stadt Konstanz im Jahr 2014 bundesweite Negativschlagzeilen über das so genannte „Burkini-Verbot“ für muslimische Schwimmerinnen in Konstanz. Der Streit, der öffentlich zu eskalieren drohte, wurde von uns jedoch erfolgreich entschärft. Wir konnten eine bereits vorbereitete Klage der Bürgerin gegen die Stadt mit allen negativen Folgen für den sozialen Frieden und das städtische Image abwenden. Wie ging das? In Konstanz stimmte der Gemeinderat am 24. Juli 2014 mit breiter Mehrheit dafür, das Tragen von Koran-spezifischer Ganzkörperbadebekleidung, den sogenannten Burkinis, in den Konstanzer Bädern zu erlauben, sofern diese den Anforderungen üblicher Badebekleidung entsprechen. Diese Nachricht hat deutschlandweit viele Menschen und kommunale Bäderbetriebe beschäftigt. Vorausgegangen war ein Meinungsbildungsprozess, der auch für uns als Führung der Stadtverwaltung und Bädergesellschaft sehr interessant und lehrreich war. Der Wunsch der Konstanzer Muslima, im 302 Andreas Osner Burkini zu baden, hatte die Stadt ein Jahr zuvor völlig unvorbereitet getroffen und löste Unsicherheiten aus. Das Einfachste schien zunächst, sich auf die bestehende Badeordnung zu beziehen. Diese sprach von „badeüblicher Bekleidung“. Wäre denn der Burkini auch als „badeüblich“ zu fassen? Natürlich sollten neben den hygienischen Standards auch die Sicherheitsanforderungen gewahrt bleiben. Angesichts der Sensibilität des Themas haben die Konstanzer Bädergesellschaft und die Stadtverwaltung eine intensive, bundesweite Recherche betrieben, um die erforderlichen Sachinformationen zu erhalten, auf deren Grundlage eine fundierte und für alle akzeptable Entscheidung getroffen werden sollte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Thema von unterschiedlichen Gruppierungen und auch Betroffenen aus Unkenntnis heraus - teilweise mit Vorurteilen behaftet - bewertet und diskutiert. Burkini als Reizthema Offen gesagt, der Begriff „Burkini“ drohte zum Reizwort zu werden. Wir alle hatten Angst vor einer öffentlichen Eskalation. Die Gefahr bestand, dass das Thema leicht von geneigter Seite zum Kulturkampf hochgekocht werden konnte. Viele hatten Sorge, dass das Tragen eines Burkinis ein Symbol eines islamistischen Fundamentalismus oder Ausdruck einer besonders strengen Auslegung des muslimischen Glaubens sei. Wir fragten uns: „Ist der Burkini nicht ein Symbol der Unterdrückung der Frauen im Islam? “ Konstanz ist eine internationale und tolerante Stadt. Die Moschee befindet sich in prominenter Lage mitten in der Stadt. Aber: Wie weit darf die gesellschaftliche Toleranz gegenüber einer gefühlten religiösen Intoleranz gehen? Die Abfrage der Bädergesellschaft unter öffentlichen Bäderbetrieben hatte ergeben, dass die Kommunen die Burkini-Frage sehr unterschiedlich handhaben. Auch der Deutsche Städtetag in Berlin bot keine einheitliche Handlungsempfehlung für seine Mitgliedsstädte an. In Gesprächen mit Vertretern des Deutschen Städtetages wurden wir ermutigt, den angedachten Weg des offenen, wissenschaftlich unterstützten Dialogs zu gehen und auch dem Verband über die Ergebnisse zu berichten. Bürgerbeteiligung und Konfliktmoderation im Bäderwesen 303 Sozialen Frieden sichern durch miteinander reden Als Stadtspitze sehen wir unseren demokratischen Auftrag darin, in sensiblen, strittigen Fragen Konsens und Akzeptanz zu erzeugen. Unsere Pflicht ist es, die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in allen Bereichen zu gewährleisten und den sozialen Zusammenhalt - pathetisch gesagt: den sozialen Frieden - zu sichern. Dafür braucht es zum einen fundiertes Wissen über die Sachlage und zum anderen die Bereitschaft für gegenseitiges Verstehen und Lernen auf Augenhöhe. Miteinander statt übereinander zu reden war ein Hauptziel im Prozessverlauf. Also lud ich zunächst die Muslima und ihren Mann zum persönlichen Kennenlernen ein. Danach organisierte und moderierte ich am 15. Juli 2014 einen nichtöffentlichen Runden Tisch mit der Schwimmerin, ihrem Anwalt, Vertretern der muslimischen Glaubensgemeinschaften, Professoren der Universität Konstanz und interessierten Gemeinderäten. Parallel dazu habe ich das damalige Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz um wissenschaftliche Beratung gebeten. Das Exzellenzcluster verfügt über eine enorme kulturwissenschaftliche Expertise in Fragen der Migration und Integration. Es sieht Integration nicht statisch oder mit erhobenem Zeigefinger, sondern als einen dynamischen Prozess im Kontext von Diversität, Inklusion und Partizipation. Mit einem führenden Forscher im Exzellenzcluster, dem promovierten Kultur- und Literaturwissenschaftler Özkan Ezli, habe ich im Vorlauf das Grundkonzept der Studie entwickelt. An dem Runden Tisch konnten die muslimische Schwimmerin, der Gutachter, die städtische Bädergesellschaft, je ein Fraktionsvertreter und, last but not least, Vertreter der muslimischen Gemeinde (DITIB), verschiedener muslimischen Glaubensgemeinschaften und Interessengruppen offen miteinander reden. Es waren fast 30 verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Prozess des „Herantastens im Dialog“ Diese Vorgehensweise versachlichte den Konflikt entscheidend und trug dazu bei, dass dieser nicht in einen „Kulturkampf “ ausartete. Die Kombination von ergebnisoffener Aussprache im geschützten 304 Andreas Osner Raum und wissenschaftlichem Input hat den Durchbruch gebracht: Am Runden Tisch konnte der Gutachter Özkan Ezli wie auch in anderen verschiedenen internen wie öffentlichen Gesprächsrunden überzeugend darlegen, dass vieles dafür spricht, den Burkini als „übliche Badebekleidung“ zuzulassen. Der Burkini ist weniger ein Symbol, sondern vielmehr ein praktisches Instrument, mit dem mehr Partizipation erreicht werden kann, so die zentrale Aussage. Unterschiedliche Lebensauffassungen werden im öffentlichen Raum sichtbar und können in Kontakt und in Austausch treten. Beim Runden Tisch ist zwar keine Entscheidung getroffen worden, aber das Stimmungsbild für das Zulassen des Burkinis war nun eindeutig positiv. Dies erleichterte die anschließende öffentliche Beratung im Gemeinderat ungemein. Zwischenzeitlich haben wir Özkan Ezli gebeten, seine Expertise in einem offiziellen Gutachten umfassend zu verschriftlichen, um auch den vielen anderen Städten und kommunalen Bäderbetrieben, die vor ähnlichen Fragen stehen, die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Wir möchten unsere Erkenntnisse der kommunalen Gemeinschaft gut aufbereitet zur Verfügung stellen und hoffen, dass wir mit der Dokumentation des gesamten Vorgangs einen konstruktiven Beitrag zum interkommunalen Erfahrungsaustausch leisten können. 1 Wir Konstanzer leben in einer internationalen und toleranten Stadt. Darauf dürfen wir zu Recht stolz sein. Aber wir müssen unsere Weltoffenheit auch selbst leben und stetig weiterentwickeln. Oft fehlt uns der Mut, schwierige Themen mit den Beteiligten offen anzusprechen. Das an genau dieser Stelle zu tun hat sich freilich gelohnt. Die Entscheidung im Gemeinderat fiel letztendlich nahezu einstimmig aus. Einen solchen schrittweisen Prozess des „Herantastens im Dialog“ in enger ressortübergreifender Zusammenarbeit mit Georg Geiger, dem ehemaligen Geschäftsführer der Bädergesellschaft und dem damals noch neuen Geschäftsführer Robert Grammelspacher zu führen, war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und ein Gewinn für die Konstanzer Stadtgesellschaft. Er hat genau diejenigen Früchte getragen, die wir uns erhofft hatten. Und nicht zuletzt hat die kulturwissenschaftliche Expertise von Özkan Ezli mitentscheidend zum erzielten Konsens beigetra- Bürgerbeteiligung und Konfliktmoderation im Bäderwesen 305 gen. Mit dem Vorberatungsergebnis des Runden Tisches (Burkini zulassen) war der Weg frei für die von einer breiten Mehrheit im Gemeinderat getragene Lösung. Entscheidender Faktor war, dass wir alle Betroffenen eingebunden, wissenschaftliche Expertise eingeholt und auch vermittelt haben. Welche Auswirkungen hatte die Lösung für die Bürgerinnen und Bürger? Erstens wurde der soziale Zusammenhalt gewahrt: Eine rechtlich und kulturell unklare Situation wurde transparent und konsensual bereinigt. Zweitens wurde Partizipation ermöglicht: Muslimische Schwimmerinnen können nunmehr unbeschwert am öffentlichen Leben (hier: Baden) teilhaben. Und drittens wurde „schlechte Öffentlichkeit“ für Konstanz abgewendet. Im Gegenteil: Dieses Vorgehen wurde u.a. in der Fachzeitschrift „Archiv des deutschen Badewesens“ ausführlich dokumentiert 2 und dient als vielbeachtetes Beispiel guter Praxis für Konfliktlösungen. Zweites Fallbeispiel: Bürgerbeteiligung beim Neubau des abgebrannten Schwaketenbades In Konstanz kann man von einem weiteren gelungenen Praxisbeispiel lernen. Am 4. Juli 2015 brannte das Schwaketenbad vollständig ab. Nach dem Brand des beliebten Sport- und Familienbades legten Bürgerschaft, Vereine, Geschäftsführer der Bädergesellschaft und der Sozialbürgermeister gemeinsam den Grundstein für ein neues Funktionsbad. Nun wird bis 2021 unser Schwaketenbad neu gebaut - und das größer als zuvor. Das ist bemerkenswert, denn in vielen Städten müssen Schwimmbäder geschlossen werden, da sie finanziell nicht mehr darstellbar sind. Tatsächlich sahen wir uns mit der Situation konfrontiert, ob wir es uns leisten können, ein zu kleines Bad zu bauen. Konstanz ist eine schnell wachsende Schwarm-Stadt: Die Bevölkerung nimmt jedes Jahr um rund 1000 Menschen zu. Die Nachfrage nach mehr Wasserfläche ist also vor- 306 Andreas Osner handen. Schwimmen ist bei uns kein Luxus, sondern gehört zur Grundversorgung. Nahezu jeder zweite der rund 86.000 Konstanzer geht Schwimmen. Allein die Konstanzer Vereine stellen über 1000 aktive Schwimmer. Die Universität nutzt das Bad für die Lehrerausbildung und den Hochschulsport. Wie der Sport überhaupt leistet Schwimmen einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung, zur Integration und damit zum sozialen Zusammenhalt. Alles klar eigentlich - wenn da nicht die Finanzen wären Um frühzeitig einen Pflock einzuschlagen, gab ich das Ziel aus, im Vergleich zum alten Schwaketenbad ein deutlich größeres Bad zu bauen, um dem demografisch bedingten, steigenden Bedarf gerecht zu werden. Anschließend warb ich um eine informelle Grundsatzvereinbarung mit dem BGK-Geschäftsführer Robert Grammelspacher, dem damaligen Rektor der Universität Ulrich Rüdiger, Oberbürgermeister Uli Burchardt und den Sportvereinen, offensiv für das große Szenario mit zwei 25-Meter Sportbecken einzutreten. Denn die Situation war nicht einfach. Unsere Zwickmühle war: Können wir uns ein deutlich größeres Bad finanziell leisten? Bloß keine Luftschlösser! Andererseits: Können wir uns aus sozialen und Bildungsgesichtspunkten ein zu kleines Bad leisten? Ein No-Go! Unser Ansatz war, zunächst einmal die verschiedenen Akteure und Interessengruppen frühzeitig einzubinden. Konstanz verfügt über eine hochengagierte und sehr gut organisierte Bürgerschaft. Daher waren uns die frühzeitige Einbindung der Nutzergruppen und Akteure und die Durchführung diverser Planungs-Workshops extrem wichtig, um am Ende des komplexen Planungsprozesses eine hohe Akzeptanz für die Lösung zu erreichen. So suchten die städtische Bädergesellschaft Konstanz (BGK) und ich als Sportbürgermeister das persönliche Gespräch mit den Konstanzer Schwimmvereinen, Stadtsportverband, DLRG, Schulen und der Universität. Es wurde auch der frisch gegründete Förderverein „Wiederaufbau Schwaketenbad“ zu den Planungstreffen eingeladen. Es folgte ein „heißer Herbst“ der Aushandlungen. In mehreren Workshops legten die verschiedenen Vertreter am 18. und 19. Sep- Bürgerbeteiligung und Konfliktmoderation im Bäderwesen 307 tember 2015 ihre Anforderungen und Wünsche schriftlich dar. Schwimmvereine und Universität erstellten Modellvarianten, die aus ihrer Sicht den künftigen Bedarf an Schwimmflächen abdeckten. Darüber hinaus legten sie ganzjährige, stundenscharfe Belegungspläne bei, welche die Notwendigkeit zusätzlicher Wasserflächen aufzeigten. Der Förderverein seinerseits führte eine Umfrage auf Facebook durch und wertete mehrere Hundert Fragebögen aus. Alles lag auf dem Tisch Das Spektrum der Möglichkeiten bewegte sich vom Riesenbad mit acht 50-Meter-Bahnen mit getrennten Hubböden und integriertem Sprungturm bis zum „kleinen“ Schwimmbad alter Dimension mit den allernötigsten technischen Updates. Was für uns als Fachverwaltung faszinierend war, ist die Tatsache, dass alle Analysen, Berechnungen und Umfrageauswertungen der Aktiven außerordentlich detailliert und professionell gemacht waren. Wir haben das vorgelegte Material als wesentliche Informationen für die weitere Konzeption angesehen und verwertet. Das geht nur, wenn man aus Sicht der Verwaltung bzw. der Bädergesellschaft die Vereine nicht als reine „Lobbyisten“ ansieht, sondern auch als kompetente Partner wertschätzt. Daher konnten wir in den vielen Gesprächen gegenseitiges Vertrauen aufbauen und Konsens erzielen. Der vorläufige Abschluss der Planungsrunden mit den Vereinen war der Workshop am 20. November 2015. Dieser Termin führte schließlich zu einer von Stadt, Bädergesellschaft und Sportvereinen gemeinsam getragenen und empfohlenen Modellvariante. Dieses Modell lieferte die Basis für die politische Beratung, die europaweite Ausschreibung, das überarbeitete Preiskonzept und den Projektbeschluss des Gemeinderates. Am Ende gab es ein bemerkenswertes Ergebnis Es sollte ein ungewöhnliches Familien- und Sportbad mit zwei 25-Meter-Becken mit je sechs Bahnen werden. Dadurch können 308 Andreas Osner Öffentlichkeit und Vereine sowie die Universität abgetrennt voneinander und parallel trainieren. Und das neue Bad ist mit Blick auf unser überproportionales Bevölkerungswachstum im wahrsten Sinne nachhaltig geplant: Es ist sowohl bezüglich der Wasserfläche, der Grundfläche als auch der Gebäudedimension 1,6-fach so groß wie das alte Schwaketenbad. Was lernen wir auch aus diesem dialogischen und beteiligungsintensiven Vorlauf, der als Blaupause für andere Planungen dienen kann? Mit der Einbindung von Engagement und Erfahrung breiter Nutzerschichten auf Augenhöhe haben wir zwar etwas mehr Zeit gebraucht, aber noch viel mehr gewonnen. Die Kombination aus Fachexpertise der Hauptamtlichen und der Kompetenz engagierter Bürger verlieh der Diskussion eine hohe Ernsthaftigkeit und Qualität. Die gefundene Lösung genießt eine hohe Akzeptanz. Der Ratsbeschluss im September 2016 für das größere Bad fiel fast einstimmig. Damit tragen wir den Bedürfnissen aller Nutzer Rechnung und erkennen die Leistung der Bürger an, die sich in die Planung einbrachten: Nicht nur im Reden, sondern im Tun. Welche Auswirkungen hatte das Vorgehen für die Bürgerinnen und Bürger? Erstens erhält Konstanz ein attraktives Sport- und Familienbad auf dem neuesten technischen Stand und mit 1,6-facher Funktions- und Wasserfläche im Vergleich zum alten Bad. Zweitens wird ein differenziertes Tarifsystem eingeführt, das für Ausgewogenheit von Sozialverträglichkeit der Preise und Finanzierbarkeit des Bades sorgt. Und drittens wurde das Brandunglück doch noch zum „Glücksfall“ für die Stadt: Ein wichtiger Teil sozialer und sportlicher Infrastruktur wird ausgebaut. Anmerkungen 1 Die Dokumentation ist auf Anfrage beim Autor als PDF erhältlich. 2 Ezli, Özkan: Vom religiösen Symbol zur sozialen Funktion. Baden mit dem Burkini in öffentlichen Bädern, in: Archiv des Badewesens. Fachzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen 04/ 2015, S. 214-233 Badekultur heute und in Zukunft r obert g rammelSpacHer Am 1. Juli 2003 wurde die BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH als 100-prozentige Tochter der Stadtwerke Konstanz GmbH gegründet und die Konstanzer Bäder damit aus dem städtischen Sport- und Bäderamt ausgegliedert. Finanzielle Rahmenbedingungen Gemäß des „Kommunalwirtschaftlichen Zielkataloges für die Stadtwerke Konstanz GmbH“ besteht der Auftrag der Bädergesellschaft darin, über eine markgerechte Preispolitik und Leistungserweiterung als auch Effizienzsteigerungen einen Kostendeckungsgrad von 50-Prozent anzustreben. Im Zielkatalog ist weiterhin festgeschrieben, dass die Strandbäder (ohne Rheinstrandbad) eintrittsfrei bleiben, jedoch durch zusätzliche kostenpflichtige Angebote ergänzt werden können. Erweiterungen, die die Rentabilität erhöhen, sind dabei ausdrücklich erwünscht. 1 Seit der Ausgliederung können die Bäderverluste mit den Gewinnen der Stadtwerke Konstanz über einen „steuerlichen Querverbund“ verrechnet werden. So ergibt sich je nach der konkreten Situation bezogen auf das Bäderdefizit eine Steuerersparnis von etwa 30 Prozent. Dadurch wurde eine wesentliche Grundlage dafür geschaffen, die Bäder in einem guten Zustand zu erhalten. Zur Absicherung dieser Vorgehensweise war beim Finanzamt Konstanz zuvor eine sogenannte „verbindliche Auskunft“ eingeholt worden. Die Klammer zwischen den Bädern und den Stadtwerken bilden die Blockheizkraftwerke in Bodensee-Therme, Schwaketenbad und Hallenbad am Seerhein. Diese werden von den Stadtwerken im Contracting betrieben und liefern den Bädern im Sinne eines „wirtschaftlich-technischen Verbundes“ Wärme und Strom. Das Jahr 2003 dürfte den meisten als das Jahr des „Jahrhundertsommers“ in Erinnerung sein. Für die Bäderbranche war es trotz 310 Robert Grammelspacher bester Besucherzahlen in den Freibädern ein Krisenjahr, das in anderen Städten zu Bäderschließungen und Reduktionen der Öffnungszeiten führte. Grund dafür war die schlechte Finanzlage der Kommunen, die im Zweifel bei den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“ zugunsten der sogenannten „Pflichtaufgaben“, wie zum Beispiel den Schulen, sparen müssen. Als Schulträger sind die Kommunen allerdings verpflichtet, das lehrplanmäßige Schulschwimmen zu ermöglichen. Die schwierige Situation für die Bäder ist an den Titeln von Publikationen der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, wie etwa „Beiträge der öffentlichen Bäder zur Haushaltkonsolidierung in den Städten und Gemeinden“ 2 sowie „Zukunftsperspektiven öffentlicher Bäder“ ablesbar. 3 Der Deutsche Städtetag publizierte „Wege zur Bestandssicherung kommunaler Hallen- und Freibäder“. 4 Diese Publikationen enthalten zahlreiche Vorschläge zur Erhöhung der Einnahmen sowie zur Senkung der Kosten. Als Beispiele seien erwähnt: Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von Jahres-, Saison- und Dauerkarten, kostendeckende Verrechnung des Schulschwimmens sowie des Vereinssports, marktgerechte Eintrittspreise bei den Saunen, Schließung von Bädern an einzelnen Tagen, Reduzierung des Personaleinsatzes, Aufgabe von Bädern, Einbau moderner, Computer gestützter regeltechnischer Anlagen und Einrichtungen für Heizung, Raumlufttechnik, Warmwasserbereitung, Badewasseraufbereitung und Beleuchtung, Verwendung energiesparender Beleuchtungen und Pumpen, lastabhängig steuerbare Pumpen und so weiter. In den Konstanzer Bädern wurden und werden die zielführenden dieser Vorschläge umgesetzt. So verfügt etwa die Bodensee- Therme über eine auch 13 Jahre nach ihrer Eröffnung noch vorbildliche Energieversorgung und Leittechnik. Von daher gibt es im Vergleich zu Einrichtungen, die einen veralteten Entwicklungsstand haben, nur wenige Möglichkeiten, den Betrieb weiter zu optimieren. Dies gilt im Hinblick auf einen weiteren Beitrag der Bäder zum Klimaschutz ebenso wie wenn der „steuerliche Querverbund“ abgeschafft würde oder aufgrund der Marktentwicklung respektive zusätzlicher Aufgaben keine Gewinne der Stadtwerke mehr zum Verrechnen gegeben wären. In den letzteren beiden Fällen wäre die Badekultur heute und in Zukunft 311 Frage, wie das Bäderdefizit in Höhe von etwa 5,8 Millionen Euro nach Eröffnung des Schwaketenbades sonst getragen werden kann. Der „steuerliche Querverbund“ ist in der Tat in Gefahr. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 13. März 2019 den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten, ob eine für die Ergebnisverrechnung im steuerlichen Querverbund wesentliche Vorschrift mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist. 5 Das Ergebnis steht noch aus. Die Europäische Union ist für die Angelegenheiten der lokalen Gemeinschaften und somit den deutschen Gedanken der lokalen Daseinsvorsorge an sich nicht zuständig, kommt aber über ihre Kompetenz für den Binnenmarkt ins Spiel. 6 Bereits zum 1. Juli 2017 hatte das Bundesfinanzministerium den Umsatzsteuersatz für die Nutzung der Sauna von sieben auf 19 Prozent erhöht und dadurch den Finanzrahmen der Bäder verschlechtert. 7 Denn auch wenn die Sauna-Eintrittspreise entsprechend angehoben wurden, wird doch der Spielraum für zukünftige Preiserhöhungen reduziert. Mancher Gast wird die Sauna seltener oder gar nicht mehr besuchen. Allgemein muss man davon ausgehen, dass die Preissensibilität der Gäste sehr hoch ist und es gleichzeitig zu viele Freizeitbäder gibt. 8 Als Begründung für die Steuersatzerhöhung wurde angeführt, dass Saunadienstleistungen nicht mehr als Verabreichung von Heilbädern anzusehen sind, sondern der persönlichen Lebensführung zuzuordnen seien. 9 Aus dem Blickwinkel der Steuersystematik mag diese Änderung richtig sein. Dennoch stellt sich die Frage, ob man den Handlungsrahmen der Bäder wirklich erschweren muss. Letztlich werden der Anreiz und die Möglichkeit, etwas für die eigene Gesundheit zu tun, gemindert und die staatlichen Finanzen werden an anderer Stelle wieder belastet. Der Begriff der staatlichen „Daseinsvorsorge“, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist unbestimmt und wird infolgedessen regelmäßig unterschiedlich definiert. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stand mit der Errichtung von Volksbädern die Volksgesundheit und Hygiene im Vordergrund (siehe den Beitrag von Lina Formhals in diesem Band). Um 1900 ging es dann zum Beispiel in Berlin um den Bau von Schwimmhallen. Die Daseinsfürsorge umschreibt die Bereitstellung der für ein geordnetes Zu- 312 Robert Grammelspacher sammenleben erforderlichen Güter und Einrichtungen durch den Staat. Klaus Lipinsky formuliert die heutige Aufgabe der Daseinsfürsorge umfassend als die Sicherung der körperlichen und geistigen Gesundheit durch Spaß-, Fitness und durch Wellnessangebote. 10 Es gibt aber auch die Auffassung, dass Sauna-, Fitness- und Wellness-Angebote Nebenprodukte sind, die nicht dem originären Auftrag der Daseinsvorsorge entsprechen. 11 Es bleibt zu hoffen, dass der Steuergesetzgeber die Rahmenbedingungen der Bäder nicht weiter erschwert oder den Kommunen die entsprechend höheren Steuereinnahmen dann wenigstens wieder zurückgibt. Das Deutsche Institut für Urbanistik ermittelte für den Bereich Sportstätten und Bäder Investitionsrückstände in Höhe von 8,3- Milliarden Euro. 12 Das in der Presse immer wieder genannte Bädersterben entspricht dennoch möglicherweise nicht den Tatsachen. So sollten 2019 zwar deutschlandweit rund 70 Bäder geschlossen werden, aber 71,5 Prozent der Bäder planten Investitionen. Insofern spricht einiges dafür, dass eine ganze Reihe der genannten Schließungen nur temporären Charakter während Baumaßnahmen haben. 13 Zudem werden Bäderstandorte zum Teil unter Vergrößerung und Verbesserung des Angebots zusammengelegt. So ist manches „Eingemeindungsgeschenk“ angesichts der heutigen Mobilitätsangebote in den Städten bei kritischer Betrachtung sicherlich nicht wirklich notwendig. Die beiden Aspekte machen deutlich, dass die konsequente Instandhaltung und Investitionstätigkeit der Konstanzer Bäder nicht selbstverständlich sind. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Allgemein wird davon ausgegangen, dass in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten Geburtenrückgang und steigende Lebenserwartung zur Verschiebung der Altersstruktur innerhalb der Gesellschaft führen und die Bevölkerungszahl in Deutschland im Jahr 2050 nur noch 75 Millionen gegenüber 82,5 Millionen im Jahr 2017 betragen wird. 14 Solche Prognosen sind jedoch nicht immer zutreffend. Christian Kuhn hat beispielsweise unter Bezug auf statistische Badekultur heute und in Zukunft 313 Berechnungen für 2020 17 Millionen Einwohner weniger als 2008 angenommen, was sich heute als komplett falsch erwiesen hat. 15 In jedem Fall werden die Menschen aber älter und aufgrund ihrer Fitness länger schwimmen gehen können als frühere Generationen. Auf der anderen Seite verändert sich die Menge an verfügbarer Freizeit vor dem Erreichen der Rente. Wer zukünftig Arbeit hat, hat eine längere Wochenarbeitszeit und Lebensarbeitszeit zu leisten. Hinzu kommt eventuell eine höhere zeitliche Beanspruchung durch die Übernahme von Pflegeleistungen. 16 Der zunehmende Ganztagsunterricht hat schon dazu geführt, dass die Schüler unter der Woche nachmittags praktisch keine Zeit mehr für einen Schwimmbadbesuch haben. Im Kindergartenalter verhält es sich wenig anders. Außerdem ist die Rangliste der Freizeitaktivitäten in Änderung begriffen. Während 2010 noch 48 Prozent von je 100 Befragten angeben haben, mindestens einmal pro Woche ins Internet zu gehen, waren es 2015 schon 81 Prozent. 17 Wenn Jugendliche an einem gewöhnlichen Tag laut Selbsteinschätzung durchschnittlich 3,7-Stunden im Internet sind, können sie nicht gleichzeitig schwimmen gehen. 18 Immerhin bleibt die Bedeutung von aktivem Sport beziehungsweise Training der Shell-Studie zufolge konstant, während Freizeitsport etwas an Beliebtheit verloren hat. 19 An anderen Orten gab es schon früher drastische Veränderungen im Besucheraufkommen. In Essen hat sich die Besucherzahl von 1980 bis 2009 bei im Großen und Ganzen unverändertem Angebot halbiert. 20 Diese gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die zunehmende Individualisierung, das Aufbrechen traditioneller sozialer Strukturen, der wachsende Anteil von älteren Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund sowie das Thema der Inklusion beeinflussen die Entscheidung, ob und warum Schwimmbäder besucht werden. 21 Besteht der Wunsch nach Unterhaltung, Erlebnissen, Erholung und Entspannung oder Gemeinschaft? 22 314 Robert Grammelspacher Bäderwelt 2030 Die angeführten Veränderungen und Unsicherheiten in den Rahmenbedingungen sind nur einige, die eine mittelbis langfristige Prognose der weiteren Bäderentwicklung schwierig machen. Zudem verändern sich stetig die Wettbewerbsbedingungen durch Neubau und Erweiterung von Bädern, auch für Bäderpersonal besteht Fachkräftemangel, der Klimawandel greift, die Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung und die Digitalisierung macht vor der Bädertechnik nicht halt. Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Gesellschaft für das Badewesen ein Beratungsunternehmen beauftragt, strategische Zukunftsanalysen für die deutsche Bäderlandschaft im Jahr 2030 zu entwickeln. 2019 wurden die folgenden vier Zukunftsszenarien präsentiert, die mögliche Zukunftsentwicklungen zugespitzt darstellen, Chancen und Risiken greifbar machen und durch Denken in alternativen Szenarien Orientierung geben können. 23 Szenario 1: Professionalisierte Bäderwelt in einer fitnessorientierten Leistungsgesellschaft Die Menschen streben nach einem gesunden, leistungsfähigen Körper und präferieren ganzheitliche integrierte Sport- und Fitnessangebote. Schwimmen als „sanfte“, den ganzen Körper fördernde Sportart erlebt eine Renaissance. Arbeitgeber, Staat und Kommunen fördern diese Entwicklung. Die öffentlichen Bäder setzen auch im Wettbewerb mit anderen Fitnessanbietern allgemein auf Professionalisierung und Service-Orientierung. Szenario 2: Automatisierte Bäderwelt in einer digitalen Komfortgesellschaft Online- und Offline-Welten sind miteinander verschmolzen. Die Bäderwelt ist zum integralen Teil von Smart-City-Konzepten geworden. Der Einsatz von smarten Technologien ermöglicht im Badebetrieb Betriebswie Ökoeffizienz gleichermaßen. In die Bäderangebote wird Virtuelle Realität eingebaut. Schon heute gibt es Badekultur heute und in Zukunft 315 entsprechende Brillen, die beim Rutschen eine andere Welt zeigen und Überwachungssysteme, die Schwimmer durch mit Computern verknüpfte Kameras vor dem Ertrinken schützen sollen. 24 Szenario 3: Kreative Bäderwelt in einer finanzschwachen Mitmachgesellschaft Zahlreiche kleine, aber kreative Bürger-Bäder entstehen und sichern zumindest eine Grundinfrastruktur an Badeangeboten. Naturbäder erleben einen Boom. Durch Crowdfunding oder Unternehmen werden Bäder in Schiffscontainern, wie das Badeschiff auf der Spree in Berlin, und ähnliches finanziert. Szenario 4: Sterbende Bäderwelt in einer schwimmmüden Rückzugsgesellschaft Schwimmen ist ein Sport von gestern. Die Menschen ziehen sich immer mehr ins Private zurück und meiden öffentliche Orte wie Bäder. Ein verbindlicher Schulschwimmunterricht findet nicht mehr statt. Einige Luxusanbieter können sich etablieren, aber ein Großteil der Bevölkerung kann sich den Zutritt zu diesen Bädern nicht leisten 25 Die beiden ersten Zukunftsbilder gehen von einer grundsätzlich positiven wirtschaftlichen Entwicklung aus, während die beiden weiteren von schlechteren konjunkturellen Rahmenbedingungen ausgehen, bei denen sich der Staat aus einer breit angelegten Daseinsvorsorge zurückzieht. Dabei wird nicht unterstellt, dass die Zukunft sich exakt in Richtung eines der Szenarien entwickeln wird, sondern eher der Querschnittsbereich aller vier Szenarien zum Tragen kommt. 26 Im Rahmen einer Studie mit dem Namen „Erlebnisbad 2030“ wird empfohlen, eine differenzierte regionale Bäderlandschaft anzustreben und die Vermutung geäußert, dass Bäder als Standardangebot der kommunalen Daseinsvorsorge immer schwerer zu realisieren sein werden. Es wird auch eine Veränderung lokaler Badekulturen 316 Robert Grammelspacher durch ein zunehmende Diversität der Nutzer angenommen, die sich etwa in einer Nachfrage nach Ausweitung von Textilsauna-Angeboten äußern kann. 27 Perspektiven in Konstanz In Konstanz gibt es allen Grund, von Szenario 1 auszugehen. Alle verfügbaren Daten und die besondere Situation an einem See erlauben einen optimistischen Blick in die Zukunft der Bäder. So belegte der Schwimmsport im Rahmen der im Jahr 2011 erfolgten Stichprobenbefragung zum Konstanzer Sportbericht mit einem Anteil von 45,1 Prozent der Aktiven hinter dem Radsport mit 50,9 Prozent den zweiten Rang. Hinzu kommt auf dem 18. Rang Baden mit einem Anteil von 2,5 Prozent. Bei den Senioren mit einem Alter von 60 bis 80 Jahren betrug der Anteil sogar 45,7 Prozent beziehungsweise 3 Prozent beim Baden. 28 Im Zuge der Befragung der Sportanbieter wurde ein zusätzlicher Bedarf von 74 Stunden pro Woche an Schwimmbadnutzungszeit ermittelt. 29 Zur Einordnung sei erwähnt, dass zum Beispiel Baden/ Schwimmen bei einer Befragung in Freiburg 2003 zwar ebenfalls den zweiten Rang belegte, aber dies nur mit einem Anteil von 40,2 Prozent. 30 Eine Besucherbefragung im Schwaktetenbad im Frühjahr 2015 ergab eine Gesamtzufriedenheitsnote von 1,7. 31 Eine im Rahmen einer Bachelorarbeit in der Therme durchgeführte Befragung ergab bei der Kundenzufriedenheit ebenfalls 1,7. 32 Die Zufriedenheit mit den Strandbädern ist ebenfalls ausgesprochen hoch. 96 Prozent der Befragten sind mit ihnen „voll und ganz zufrieden“ oder „eher zufrieden“. 33 Wer die Strandbäder nicht nutzt, hatte keine Zeit, schwimmt grundsätzlich nicht gerne beziehungsweise nicht gerne im See oder sie sind ungünstig für ihn gelegen. 34 Die Bevölkerung ist in den letzten Jahren stärker gewachsen als angenommen und wird weiter wachsen, so dass für das Jahr 2035 im mittleren Szenario mit rund 96.000 gegenüber heute rund 86.000 Einwohnern gerechnet wird. Der Anteil der über 65jährigen steigt hierbei am stärksten an. 35 Hinzu kommen die Touristen, die schon heute einen Anteil von rund 22 Prozent an den Besuchern Badekultur heute und in Zukunft 317 der Bodensee-Therme haben. 36 Die Touristen leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Therme. Umgekehrt wird deutlich, dass die Therme ein bedeutender Bestandteil der Tourismusinfrastruktur ist. Während im Thermalbad 40 Prozent und in der Sauna der Bodensee-Therme 50 Prozent der Besucher über 50 Jahre alt sind, sind dies im Schwaketenbad nur 35 Prozent. Der dominierende Besuchsgrund in Thermalbad und Sauna ist natürlich Erholung und Entspannung und im Schwaketenbad Schwimmen, Bewegung und Badespass. 37 Sowohl von der potentiellen Besucherzahl als auch von der Gästezufriedenheit her steht dem weiteren Erfolg der Konstanzer Bäder nichts im Wege. Mit Fertigstellung des Schwaketenbades verfügt Konstanz über eine hervorragende Schwimmbadausstattung und kann die bereits früher erfolgte Profilierung wieder schärfen. Das bedeutet, dass die Bodensee-Therme für Ruhe und Erholung steht, das Schwaketenbad als Freizeitbad für Sport, Spiel und Spaß und das Hallenbad am Seerhein ist ein Schul- und Vereinsbad mit Kursangeboten in freien Zeiten. Der Bäderbereich ist neben dem Skifahren zwar einer der wenigen Freizeitbereiche, bei denen alle Generationen mit Spaß beisammen sein können. Allerdings dürfen sich die Generationen nicht stören. Deshalb muss man intelligente Lösungen für ruhige wie auch für Aktivitätszonen finden. 38 Abgesehen von der Profilierung der Bäder ist dies innerhalb der Bodensee-Therme Konstanz dadurch gelöst, dass die kleineren Kinder ein von der Thermalhalle abgesetztes Kinderplanschbecken haben und bis zu einem Alter von zwei Jahren nach Eröffnung des Schwaketenbades wie früher nicht mehr in die anderen Becken dürfen. Mit dem Kursbecken im Schwaketenbad wird dem weiterhin steigenden Fitness- und Gesundheitsbewusstsein Rechnung getragen und das zweite Schwimmerbecken beseitigt die früheren Kapazitätsprobleme. An die Schaffung virtueller Realitäten ist bisher nicht gedacht. Stattdessen werden der unverstellte Blick von der Therme aus auf den Bodensee und die Architektur von Therme und Schwaketenbad, aber auch vom Hallenbad am Seerhein als ausreichendes Alleinstellungsmerkmal angesehen. 318 Robert Grammelspacher Wie in den letzten Jahren gilt es auch zukünftig, die Servicequalität durch Fortbildungen aller Art, wie etwa der Ausbildung zu Saunameistern, weiter zu steigern. Neben einer guten Bauunterhaltung gehören Angebotserweiterungen, wie in den letzten Jahren der Bau des Panoramapools oder des Salzraums in der Therme oder des Kinderplanschbeckens im Rheinstrandbad, heute dazu, um im Wettbewerb mit anderen Bädern und Freizeiteinrichtungen erfolgreich zu sein. Wie eingangs dargelegt, bemisst sich der Erfolg der Bädergesellschaft Konstanz nicht allein am finanziellen Ergebnis, sondern es geht ebenso um die Verwirklichung von sport- und gesundheitspolitischen Zielen. Auch deshalb haben Oberbürgermeister Uli Burchardt, Sportbürgermeister Dr. Andres Osner, Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn und der komplette Gemeinderat einstimmig den Bau des Schwaketenbades mit zweitem Sportbecken beschlossen. Frei nach dem Titel „Oben Schwimmen“ der Installation von Markus Brenner im Rheinstrandbad 2016 haben die Vereine und die Bädergesellschaft beste Grundlagen, ihre Arbeit erfolgreich auszubauen. Zu den Zielen gehört es, dass zukünftig alle Grundschulkinder nach der vierten Klasse schwimmfähig sind. Halten Sie Ihre Badesachen bereit! Wie formulierte doch der Schrifttsteller John von Düffel 2014 in der Kurzgeschichte vom schwarzen Pool so treffend: „Egal, wie müde, lustlos oder wasserscheu man sich vorher fühlt, nachher fühlt man sich einfach besser. … Schwimmen vertreibt die bösen Geister.“ 39 Anmerkungen 1 Kommunalwirtschaftlicher Zielkatalog für die Stadtwerke Konstanz GmbH. Anpassung gegenüber dem Gemeinderatsbeschluss vom 30. März 2006 aufgrund der Beschlussfassung im Gemeinderat am 19. Juli 2012. 2 Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e.V.: Beiträge der öffentlichen Bäder zur Haushaltskonsolidierung in den Städten und Gemeinden „Check-Liste“, Essen September 2003. 3 Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e.V.: Zukunftsperspektiven öffentlicher Bäder: Argumente für ein attraktives Freizeitangebot, Essen September 2003. 4 Deutscher Städtetag: Wege zur Bestandssicherung kommunaler Hallen- und Freibäder, Köln Mai 2004. Badekultur heute und in Zukunft 319 5 Meyer, Andreas: Steuerlicher Querverbund in Not - Schon wieder! , in: Archiv des Badewesens 12 (2019) S. 808 f. 6 Plassmann, Rainer: Die Zukunft der lokalen Daseinsfürsorge in Europa, in: Archiv des Badewesens 12 (2003) S. 651-658. 7 Städtetag Baden-Württemberg: Umsatzsteuerliche Behandlung von Saunaleistungen in Schwimmbädern, Stuttgart 19. Mai 2017. 8 Quell, Michael: Ein Bad muss wie ein Theater sein, das immer neu bespielt werden kann, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 11-19. 9 Bundesministerium der Finanzen: Umsatzsteuer: Steuersatz auf Umsätze aus der Verabreichung von Heilbädern (§12 Abs. 2 Nr. 9 UStG), Schreiben an die Obersten Finanzämter vom 28. Oktober 2014. 10 Lipinsky, Klaus: Moderne Gesundheitsförderung als Aufgabe der Kommunen, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 157-161. 11 Fischer, Achim: Bäder-Marketing im Spannungsfeld von öffentlicher Daseinsvorsorge und Marktorientierung, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 215-223. 12 Richtsteig, Walter J.: Wie sieht sie aus, die Bäderwelt 2030, in: Archiv des Badewesens 02 (2019) S. 76-80, hier S. 76. 13 Ebd., S. 78 f. 14 Widmann, Torsten: Die Einflüsse der demografischen Entwicklung auf die Freizeitwirtschaft, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 149-155. 15 Kuhn, Christian: Konzept „Zeitbad 21“ ermöglicht Umnutzung, in: Archiv des Badewesens 12 (2008) S. 676-683. 16 Widmann, Torsten: Die Einflüsse der demografischen Entwicklung auf die Freizeitwirtschaft, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 149-155. 17 www.stiftungfuerzukunftsfragen.de/ newsletter-forschung-aktuell/ 264/ bzw. www.stiftungfuerzukunftsfragen.de. 18 www.shell.de/ ueber-uns/ shell-jugendstudie, S. 30. 19 Ebd., S. 29. 20 Lawitzke, Paul: Öffentliche Bäder sind Zukunftsstandorte der Gesundheit, in: Archiv des Badewesens 02 (2009) S. 88-92, hier S. 92. 21 Fischer, Achim: Bäder-Marketing im Spannungsfeld von öffentlicher Daseinsvorsorge und Marktorientierung, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 215-223. 22 Reinhardt, Ulrich: Zur Faszination von Freizeit- und Erlebniswelten, in: Baden in Erlebniswelten, Lichtenau 2010, S. 17-22. 23 Grünwald, Christian: Bäderwelt 2030 - eine strategische Zukunftsanalyse, in: Archiv des Badewesens 06 (2019) S. 404-407, hier S. 406. 24 Grünwald, Christian: Bäderwelt 2030 - die Szenarien 1 und 2, in: Archiv des Badewesens 07 (2019) S. 464-467. 25 Grünwald, Christian: Bäderwelt 2030 - die Szenarien 3 und 4, in: Archiv des Badewesens 08 (2019) S. 517-520. 26 Ebd. 27 Freericks, Renate/ Brinkmann, Dieter/ Theile, Heike: Erlebnisbad 2030: Analyse der Entwicklungen und Trends der Freizeit- und Erlebnisbäder, Bremen 2016, S. 14 und 23. 28 Woll, Alexander/ Wäsche, Hagen/ Haag, Melanie: Sportbericht Konstanz: Sportverhalten und Sportstrukturen, Berlin 2012, S. 13 ff. 29 Ebd., S. 55. 30 Eckl, Stefan./ Giess-Stüber, Petra/ Wetterich, Jörg: Kommunale Sportentwicklungsplanung und Gender Mainstreaming: Konzepte, Methoden und Befunde aus Freiburg, Münster 2005, S. 82. 31 Bädergesellschaft Konstanz, Kundenbefragung Schwaketenbad, unveröffentlicht, S. 30. 320 Robert Grammelspacher 32 Weber, Manuel: Kundenzufriedenheit und Kundenbindung: Eine empirische Untersuchung zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung am Beispiel der Bodensee-Therme Konstanz, Ravensburg 2015, S. 93. 33 www.statistik.konstanz.de, unveröffentlicht, Konstanzer Bürgerbefragung, Sommer 2010, S. 34. 34 www.statistik.konstanz.de, Konstanzer Bürgerbefragung, 2018, S. 28. 35 www.statistik.konstanz.de, Kleinräumige Bevölkerungsvorausberechnung der Stadt Konstanz bis zum Jahr 2035, S. 27 ff. 36 Dobbelstein, Thomas: Bädergesellschaft Konstanz, Kundenbefragung Bodensee-Therme Konstanz 2018/ 2019, unveröffentlicht, Ravensburg 2018, S. 13. 37 Ebd., S. 11 und 21 sowie Bädergesellschaft Konstanz, Kundenbefragung Schwaketenbad 2015, unveröffentlicht, S. 10 und 20. 38 Quell, Michael: Ein Bad muss wie ein Theater sein, das immer neu bespielt werden kann, in: Moderne.Bäder.Welten, Lichtenau 2017, S. 11-19 39 von Düffel, John: Der schwarze Pool, in: Wassererzählungen, Köln 2014, S. 61 und 55-66. Verzeichnis der Abbildungen S. 15 Dr. Jörg Heilgmann S. 16, 17 Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg. S. 19, 20 Amt für Archäologie des Kantons Thurgau S. 21 Fotos Dr. Gabriele Seitz S. 28, 32, 35 Sammlung Rosgartenmuseum Konstanz S. 30 Original im Rosgartenmuseum Konstanz S. 32 HS Hausbuch Wolfegg, fol 18r, 19v S. 45 (oben) Rosgartenmuseum Inv. Nr. T572 S. 45 (unten) StadtA Konstanz U Nr. 8580 vom 1. März 1423 S. 47 Rosgartenmuseum Inv. Nr. T572 S. 49 (oben) Archiv Nissenbaum S. 49 (unten) Foto Helmut Fidler S. 51 Foto Helmut Fidler S. 52 Fotos Helmut Fidler S. 66, 68, 70, 72, 74, 78, 79 (oben), 81, 82, 85, 86, 87, 90, 93, 95, 97, 98, 99 Privatarchiv Tobias Engelsing S. 71 Rosgartenmuseum Konstanz S. 76 Rosgartenmuseum Konstanz S. 77 StadtA Konstanz S X X XIV Sport- und Bäderamt ohne Signatur S. 79 (unten) HVM St. Gallen 2002_124 u. 2002_144 S. 82 Rosgartenmuseum Konstanz S. 83 StadtA Konstanz Z1.wolf H23.3043 S. 86 Rosgartenmuseum Konstanz S. 102 Foto Wolff-Seybold / Siegert-Stiftung S. 106 Foto Achim Mende, Überlingen S. 109 StadtA Konstanz S II 16129 S.115 StadtA Konstanz, ZI.fi.610.2 S. 117 StadtA Konstanz Z I alt A21-53.15 S. 120 Südkurier - Ausgabe K - vom 1. August 1955 S. 126 StadtA Konstanz S X X XIV S. 128 StadtA Konstanz, Z1.altA21-53-3 S. 134 StadtA Konstanz Z1.fi.1323.5 S. 137 Zentralblatt der Bauverwaltung vereinigt mit Zeitschrift für Bauwesen, Heft 27, 1939 S. 144 Foto Ilse Friedrich, 2020 S. 145, 146, 147 Fotos Guido Kasper, 2012 S. 156 Foto Ilse Friedrich, 2017 S. 163 StadtA Konstanz Z1.pk.27-0558 S. 165 StadtA Konstanz Z1.fi.1013.1 S. 166 StadtA Konstanz Z1.fi.1013.3 S. 167 StadtA Konstanz Z1.fi.1013.5 322 Verzeichnis der Abbildungen S. 168 StadtA Konstanz Z1.pk.26-0044 S. 169 StadtA Konstanz Z1.pk.26-0033 S. 175 Foto Hella Wolff-Seybold, 1991 S. 177 Foto Dr. Georg Geiger, 2016 S. 182 Foto Hella Wolff-Seybold, 1991 S. 195 Foto Georg Müller, 2005 S. 196 Foto Lukas Ondreka, 2019 S. 198 Foto Guido Kasper, 2010 S. 206 Foto Robert Müller, 2006 S. 208 Foto Guido Kasper, 2007 S. 209 Foto Guido Kasper, 2014 S. 217 Achim Mende, 2010 S. 227 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 232 (oben) StadtA Konstanz Z1.Verk A-3194 S. 232 (unten) StadtA Konstanz Z1.Verk A-3196 S. 239 (oben) StadtA Konstanz Z1.pk.29-0132 S. 239 (unten) StadtA Konstanz Z1.pk.29-0159 S. 240 StadtA Konstanz ZI_Z1.462 S. 241, 243, 244, 246, 247 Archiv Stadtwerke Konstanz S. 262 StadtA Konstanz S XXXIV Sport- und Bäderamt, Ordner Schwaketenbad S. 263 StadtA Konstanz S XXXIV Sport- und Bäderamt, Ordner Schwaketenbad S. 264 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 265 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 268 StadtA Konstanz S XXXIV Sport- und Bäderamt, Ordner Schwaketenbad S. 269 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 270 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 271 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 272 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 273 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 277 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 278 Foto Feuerwehr Konstanz S. 279 Foto Robert Grammelspacher S. 282 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 283 Foto Robert Grammelspacher S. 284 Foto Robert Grammelspacher S. 287 Foto Robert Grammelspacher S. 289 Dokufilm Schwaketenbad, LGM Konstanz S. 291 Foto Robert Grammelspacher S. 292 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 294 BGK - Bädergesellschaft Konstanz S. 297 Dokufilm Schwaketenbad, LGM Konstanz Autorinnen und Autoren Tobias Engelsing, Dr. phil., geb. 1960, hat Geschichte, Jura und Politik in Konstanz studiert. Mehrere Jahre arbeitete er als Redaktionsleiter bei der Tageszeitung Südkurier. Seit 2007 ist er Direktor der vier Städtischen Museen Konstanz und als Publizist tätig. Helmut Fidler, geb. 1956, hat Germanistik, Geschichte, Philosophie und Kommunikationswissenschaften in Tübingen, Wien und Stuttgart studiert. Forscht und publiziert seit 2003 zur Geschichte der Juden im Bodenseeraum. Lina Formhals, geb. 1992, hat Allgemeine Rhetorik in Tübingen studiert. Seit 2019 arbeitet sie als Pressereferentin bei den Stadtwerken Konstanz. Ilse Friedrich, Dipl.-Ing., geb. 1942, hat Architektur und anschließend Denkmalpflege und Stadtsanierung- in Karlsruhe und Rom studiert. Von 1987 bis zur Pensionierung 2005 leitete sie die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Konstanz.- Als Mitglied beim Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) engagiert sie sich weiterhin für Denkmalpflege, Kulturlandschaft und Welterbestätten. Georg Geiger, Dr. phil. dipl. chem., geb. 1949, hat Biologie, Chemie und Physik in Konstanz und Zürich studiert. Von 1980 bis 2003 leitete er das Sport- und Bäderamt der Stadt Konstanz. Von 2003 bis 2014 war er Geschäftsführer der neu gegründeten BGK- Bädergesellschaft Konstanz mbH und weiterhin Leiter des städtischen Sportamtes. Simon Götz, geb. 1995, hat Geschichte und Deutsch in Konstanz studiert. Seit Sommer 2020 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der AG für mittelalterliche Geschichte (Universität Konstanz) tätig. 324 Autorinnen und Autoren Robert Grammelspacher, Diplom-Volkswirt, geb. 1961. Nach mehreren Jahren als Verwaltungsmitarbeiter an der Universität des Saarlandes war er ab 1996 in verschiedenen Funktionen für die Bäder der Stadt Freiburg verantwortlich. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der BGK-Bädergesellschaft Konstanz mbH. Jörg Heiligmann, Dr. phil., geb. 1952, hat Provinzialrömische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Alte Geschichte und Klassische Archäologie in Tübingen und München studiert. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über Augsburg und Tübingen nach Konstanz, wo er von 1993 bis 2018 das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg leitete. Jürgen Klöckler, Prof. Dr. phil., geb. 1965, hat Geschichte, Philosophie und Italianistik in Mainz und Konstanz studiert. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts tätig. Seit 2001 leitet er das Stadtarchiv Konstanz, 2011 erfolgte seine Habilitation, 2014 die Berufung zum apl. Professor der Universität Konstanz. Moritz Mayer, geb. 1994, hat Deutsch, Geschichte sowie Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Konstanz studiert. Seit 2020 absolviert er seinen Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien. Andreas Osner, geb. 1968, Dr. rer. pol., hat in Dortmund, Dublin und Würzburg Volkswirtschaft und Verwaltungswissenschaften studiert und ist seit 2013 Erster Bürgermeister in Konstanz. Davor war er Gründer und Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Familiengerechte Kommune e.V. in Bochum. Josef Siebler, geb. 1961, hat Politik und Deutsch in Freiburg studiert. Mehrere Jahre arbeitete er als Redakteur-bei der Tageszeitung Südkurier in Triberg und in Konstanz. Seite 2013 ist er Pressesprecher der Stadtwerke Konstanz und deren Tochtergesellschaften. : Weiterlesen www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. Band 3 Jürgen Klöckler (Hg.) Konstanz in beiden Weltkriegen Festschrift für Lothar Burchardt 2004, 160 Seiten, 26 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-695-3 Band 7 Tatiana Sfedu Ein Konstanzer Bürgerwerk Das Rosgartenmuseum seit Ludwig Leiner 2007, 180 Seiten, 27 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-640-3 Band 8 Walter Rügert, Andy Theler (Hg.) Vom Grenzzaun zur Kunstgrenze Zur Geschichte eines außergewöhnlichen Projekts 2007, 100 Seiten, 35 farbigen und 13 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-89669-642-7 Band 9 Lisa Foege Konstanz unter Strom Zum 100-jährigen Bestehen des Elektrizitätswerkes Konstanz 2008, 76 Seiten, 16 s/ w Abb. und 12 farbigen Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-068-8 Band 10 Lothar Burchardt (Hg.) Aufregende Tage und Wochen Das Tagebuch des Konstanzer Lehrers Herbert Holzer aus den Jahren 1945-1948 2010, 246 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-251-4 Band 11 Daniela Frey, Claus-Dieter Hirt Französische Spuren in Konstanz Ein Streifzug durch die Jahrhunderte 2011, 186 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-322-1 Band 13 Heike Kempe (Hg.) Die »andere« Provinz Kulturelle Auf- und Ausbrüche in der Bodensee-Region seit den 1960er Jahren 2013, 200 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-363-4 Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz : Weiterlesen www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. Band 14 David Bruder Soziale Stimme - streitbarer Sachverstand Geschichte des Mieterbundes in Konstanz seit 1912 2012, 154 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-381-8 Band 15 Manfred Bosch, Siegmund Kopitzki (Hg.) Wettlauf mit dem Schatten Der Fall (des) Wilhelm von Scholz 2013, 288 Seiten, farbigen und s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-384-9 Band 16 Arnulf Moser Vom Königlichen Garnisons-Lazarett zur Arbeiterwohlfahrt Die wechselvolle Geschichte des Gebäudekomplexes Friedrichstraße 21 in Konstanz von 1882 bis heute 2013, 102 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-429-7 Band 17 Lisa Foege Wessenbergs Herzenskind Geschichte einer sozialen Fürsorgeinstitution in Konstanz 2013, 200 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-452-5 Band 18 Klaus Oettinger Aufrecht und tapfer Ignaz Heinrich von Wessenberg - ein katholischer Aufklärer Essays, Vorträge, Analekten 2016, 208 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-723-6 Band 19 Marita Sennekamp Grün in der Stadt Eine historische Spurensuche in Konstanz 2018, 154 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-848-6 Band 20 Manfred Bosch Konstanz literarisch Versuch einer Topografie 2019, 352 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-890-5 Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz 21 Auf einen Streifzug durch die Geschichte des Badewesens und die Konstanzer Bäder lädt der vorliegende Sammelband ein. Informativ, kurzweilig und spannend werden unterschiedlichste Aspekte rund um das Thema Baden vorgestellt: Von der römischen Therme als Teil des Kastells auf dem Münsterhügel über die Badetraditionen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, der Etablierung des Schwimmens und Badens als neues Freizeitvergnügen ab dem 19. Jahrhundert bis zum Livestyle- und Wellness-Event der Gegenwart. Ab den 1920er Jahren wurden die Frei- und Strandbäder auf der gesamten heutigen Konstanzer Gemarkung, also auch in den Ortsteilen Dettingen-Wallhausen, Dingelsdorf und Litzelstetten angelegt. Das damals modernste Hallenbad am Seerhein entstand in der Zeit des Nationalsozialismus, das abgebrannte und bald schon wieder aufgebaute Schwaketenbad wird das größte und modernste Hallenbad der Stadt werden. Ein Besuchermagnet für die gesamte Region ist ganz sicher die Bodensee-Therme. Genau die richtige Lektüre für einen sommerlichen Besuch im Freibad Horn, das im Juli 2020 seinen einhundertsten Geburtstag feiern konnte. www.uvk.de ISBN 978-3-7398-3073-5