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Die Kunst des Smalltalks

2009
978-3-8233-7473-2
Gunter Narr Verlag 
Katja Kessel
Die Kunst des Smalltalks Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu Kommunikationsratgebern Katja Kessel Gunter Narr Verlag Tübingen Die Kunst des Smalltalks Europäische Studien zur Textlinguistik herausgegeben von Kirsten Adamzik (Genf) Martine Dalmas (Paris) Jan Engberg (Aarhus) Wolf-Dieter Krause (Potsdam) Arne Ziegler (Graz) Band 7 Katja Kessel Die Kunst des Smalltalks Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu Kommunikationsratgebern Gunter Narr Verlag Tübingen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-Stiftung. Dissertation an der Universität Regensburg (D 355). © 2009 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Titelgrafik: Julia Hofmann Druck und Bindung: Ilmprint, Langewiesen Printed in Germany ISSN 1860-7373 ISBN 978-3-8233-6473-3 Aber was darf ich denn mehr von der Gesellschaft verlangen, als die Gewährung der günstigsten äußeren Bedingungen zu einer zwanglosen und leichten Begegnung mit Leuten, mit denen ich sonst sehr mühsam oder gar nicht zusammenkommen würde? Die Oberflächlichkeit der Unterhaltung, über die man die Nase rümpft, scheint mir vielmehr eine Grundbedingung des Wohlbefindens der Gesellschaft zu sein. Um meinem Gemüte und Geiste Nahrung zuzuführen, um mich seelisch zu vertiefen und mein Herz zu erheben, habe ich mir noch nie den Frack angezogen. (Paul Lindau: „Zug nach dem Westen“, 1886) 7 Vorwort Ich möchte an dieser Stelle allen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, ganz herzlich danken. Insbesondere sind dies meine beiden Gutachter an der Universität Regensburg, Prof. Dr. Albrecht Greule und Prof. Dr. Christiane Thim-Mabrey. Mit ihrem großen Interesse an der Thematik und ihren zahlreichen Anregungen haben Sie mich - am Ende auch trotz räumlicher Distanz - stets hervorragend unterstützt. Herrn Prof. Dr. Werner Zillig (Universität Innsbruck) danke ich dafür, dass er mir das unveröffentlichte und in Überarbeitung befindliche Manuskript seiner Habilitationsschrift „Benehmen und Konversation. Die Textsorte ‚Anstandsbuch’ und die Gesprächsnormen in den deutschen Benehmens- und Anstandslehren seit Knigges ‚Über den Umgang mit Menschen’ (1788-1988)“ sowie die äußerst hilfreiche CD-ROM „Gutes Benehmen. Anstandsbücher von Knigge bis heute.“ zur Verfügung gestellt hat. Der Hochschulleitung der Hochschule Coburg möchte ich meinen Dank dafür aussprechen, dass sie mein Promotionsvorhaben in der Endphase unterstützt hat. Der F AZIT -Stiftung danke ich für die großzügige finanzielle Unterstützung zum Druck meiner Arbeit. Nicht zuletzt geht mein herzlicher Dank an Christine Brau, Carolin Löffler und insbesondere an Dr. habil. Susanne Näßl und meinen Mann Jörg Kessel für die vielen wertvollen Hinweise und Anregungen. Coburg im März 2009 Katja Kessel 9 Inhaltsverzeichnis 0. Vorwort........................................................................................................ 7 I. Einleitung.................................................................................................... 13 1. Smalltalk und Sprachberatung als Phänomen der modernen Kommunikationsgesellschaft .......................................... 13 2. Zielsetzung und Vorgehen.................................................................. 16 II. Forschungsüberblick ................................................................................ 19 1. Smalltalk ................................................................................................ 19 2. Sprach- und Kommunikationsratgeber............................................. 22 III. Wer Rat begehrt, dem ist zu helfen: Sprach- und Kommunikationsratgeber........................................................................ 27 1. Definition „Sprachratgeber“ ............................................................... 27 2. Subsorten ............................................................................................... 29 3. Autoren, Leser und Intentionen ......................................................... 36 3.1 Autoren ......................................................................................... 36 3.2 Leser............................................................................................... 38 3.3 Intention des Autors.................................................................... 40 4. Sprachratgeber im Kontext der Laien-Linguistik ............................ 42 4.1 Definition „Laien-Linguistik“.................................................... 42 4.2 Kritik am Begriff „Laien-Linguistik“ ........................................ 43 4.3 Laien-Linguistik als Popularisierung oder Didaktisie- rung sprachlichen Wissens? ....................................................... 45 5. Sprachratgeber vs. Kommunikationsratgeber......................................... 48 6. Sprach- und Kommunikationsratgeber als Mittel der Sprachpflege und -beratung............................................................................ 49 7. Zusammenfassung: Die Textsortengruppe Sprach- und Kommunikationsratgeber ................................................................... 53 IV. Aspekte einer Definition von Smalltalk............................................... 57 1. Positives/ negatives Image .................................................................. 60 2. Dauer ...................................................................................................... 61 3. Thema ..................................................................................................... 62 4. Gesprächspartner ................................................................................. 64 5. Situation ................................................................................................. 66 6. Funktion ................................................................................................. 71 7. Eigenständigkeit ................................................................................... 79 8. Ritualität................................................................................................. 81 9. Höflichkeit ............................................................................................. 83 10. Medium und Raum-Zeit-Verhältnis.................................................. 84 10 11. Synonyme und Verwandtes................................................................ 85 12. Zusammenfassung: Eine Definition von Smalltalk ......................... 87 V. Die Kunst des Smalltalks: Deutsche Smalltalk-Ratgeber................. 89 1. Ratgeber des synchronen Korpus: Unterschiede und Gemeinsamkeiten ................................................................................. 90 2. Die Kommunikationssituation ........................................................... 95 3. Autoren von Smalltalk-Ratgebern ..................................................... 96 3.1 Biographisches ............................................................................. 97 3.2 Kompetenzanspruch ................................................................... 98 4. Intendierte Leser von Smalltalk-Ratgebern ...................................... 103 4.1 Explizite Informationen .............................................................. 103 4.2 Implizite Informationen.............................................................. 104 5. Rollenverteilungen: Autor-Leser-Beziehung ................................... 105 6. Makrostrukturen................................................................................... 108 7. Ratfragen, Ratschläge und Probleme ................................................ 112 7.1 Definition von Ratschlag für die Textsorte Ratgeber(text).... 112 7.2 Ratfragen und fingierter Dialog mit dem Leser...................... 115 7.3 Klassifikation der Ratschläge..................................................... 119 7.3.1 Personalisierte Ratschläge .............................................. 120 7.3.2 Adressierte Ratschläge.................................................... 121 7.3.3 Verdeckte Ratschläge ...................................................... 125 7.3.4 Modellbasierte Ratschläge.............................................. 129 7.3.5 Semantisch-pragmatische Untertypen ......................... 132 7.3.6 Weitere Kriterien ............................................................. 134 7.4 Die „Beratungseinheit“ ............................................................... 134 7.5 Problemtypologie ........................................................................ 136 7.6 Exemplarische Analysen von Smalltalk-Problemen .............. 140 7.6.1 Grüßen und sich vorstellen ............................................ 145 7.6.2 Anschluss an eine Gruppe finden ................................. 150 7.6.3 Plötzliche Stille überwinden .......................................... 152 7.6.4 Themen wählen und Tabuthemen vermeiden............ 154 8. Tests und Übungen: Der aktive Leser ............................................... 159 9. Smalltalk-Maximen .............................................................................. 162 9.1 Grices Konversationsmaximen im Smalltalk .......................... 162 9.2 Höflichkeitsmaximen im Smalltalk........................................... 170 9.3 Synthese: Das Harmonieprinzip und seine Maximen ........... 172 10. Bewertung der Smalltalk-Ratgeber durch Kundenrezensionen ... 174 11. Exkurs: Smalltalk-Ratgeber als verschriftlichte Trainings? - Vergleich mit einem Smalltalk-Seminar............................................ 180 12. Zusammenfassung: Kommunikationsberatung durch Smalltalk-Ratgeber ............................................................................... 186 11 VI. Ein vergleichender Blick nach Übersee: Smalltalk in den USA ...... 189 1. Ein Ansatz zur Erklärung kultureller Unterschiede: Die Kulturstandardforschung ............................................................ 192 1.1 Definition und Ermittlung von Kulturstandards ................... 192 1.2 Deutsche und amerikanische Kulturstandards im Vergleich ....................................................................................... 195 1.3 Verankerung der Gesprächssorte Smalltalk in den Kulturstandards ........................................................................... 197 1.4 Kulturstandards - grobe Klötze oder nützliche Denkwerkzeuge? ......................................................................... 200 1.5 Schlussfolgerungen ..................................................................... 200 2. US-amerikanische und deutsche Ratgeber im Vergleich ............... 201 2.1 Ratgeber des US-amerikanischen Korpus ............................... 202 2.2 Wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede................. 204 2.2.1 Autoren und Leser........................................................... 206 2.2.2 Makrostrukturen.............................................................. 207 2.2.3 Ratfragen, Ratschläge und Probleme............................ 208 2.2.4 Tests und Übungen ......................................................... 217 2.2.5 Gesprächsmaximen ......................................................... 217 2.3 Exemplarische kontrastive Analyse: How are you? - Wie geht es dir/ Ihnen? ................................................................... 218 3. Übersetzungen von Sprach- und Kommunikationsratgebern: Ein Problemaufriss ............................................................................... 222 4. Zusammenfassung: Die Kulturalität von Smalltalk und Smalltalk-Ratgebern ............................................................................. 224 VII. Auf der Suche nach den Anfängen: Gesprächs- und Anstandslehren des 19. und 20. Jahrhunderts ..................................... 227 1. Historische und aktuelle deutsche Ratgeber im Vergleich ............ 228 1.1 Ratgeber des diachronen Korpus .............................................. 228 1.2 Die Konzepte „Geselliges Gespräch“ und „Smalltalk“: Gemeinsamkeiten und Unterschiede ....................................... 230 1.3 Wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ratgeber ........................................................................................ 237 1.3.1 Autoren und Leser........................................................... 237 1.3.2 Makrostrukturen.............................................................. 239 1.3.3 Ratfragen, Ratschläge und Probleme............................ 239 1.3.4 Tests und Übungen ......................................................... 246 1.3.5 Gesprächsmaximen ......................................................... 246 1.4 Exemplarische diachrone Analyse: Grüßen und (sich) vorstellen ............................................................................ 246 2. Gesellschaftlicher Wandel und Kulturstandards ............................ 251 3. Zusammenfassung: Die Historizität von Smalltalk und Smalltalk-Ratgebern ............................................................................. 253 12 VIII. Zusammenfassung - Forschungsausblick ........................................ 255 Zitierte Ratgeberliteratur ............................................................................... 259 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 269 Anhang .............................................................................................................. 289 Umfragebogen zum Smalltalk-Verständnis ................................................. 290 13 I. Einleitung Angela Merkel ist auf Staatsbesuch in einem afrikanischen Land. Der örtliche Präsident ist ein netter, kleiner Mann. Er empfängt sie am Flughafen. Die Fahrt in die Hauptstadt unternehmen sie in der Limousine des Präsidenten, in der sie lange schweigend nebeneinander sitzen. Präsident: Und Sie sind also die neue Bundeskanzlerin? Merkel: Ja. Präsident: Das ist doch schön. Merkel: Ja. Präsident: Das war sicher nicht leicht. Merkel: Nein. Präsident: Da müssen Sie jetzt aber verdammt glücklich sein. Merkel: Mir geht es gut. Präsident: Sie tun sich eher schwer mit Small Talk, oder? Merkel: Ja. (Süddeutsche Zeitung, 15./ 16.10.2005, Wochenende II) 1. Smalltalk und Sprachberatung als Phänomen der modernen Kommunikationsgesellschaft Das hier zitierte „Drama“ „Die große Unbekannte“ von Markus Jauer wurde durch den Artikel „50 Dinge, die wir noch nicht über Angela Merkel wussten“ von Hugo Müller-Vogg angeregt. Dieser erschien am 11.10.2005 in der Bildzeitung, kurz nachdem sich Angela Merkel in den Vorverhandlungen zur neuen Regierungsbildung als potenzielle Kanzlerin durchgesetzt hatte. Unter Nr. 37 lernen wir über Frau Merkel: „Tut sich schwer beim ‚Small- Talk’, 1 bei Party-Geschwätz“. Dass das Smalltalk-Verhalten einer Kanzlerkandidatin überhaupt thematisiert wird, kann als Beleg für die Aktualität der Thematik und das Interesse der Öffentlichkeit gewertet werden. 1 Die Schreibung des Wortes ist im Deutschen uneinheitlich: small talk, Smalltalk, Small- Talk, Small Talk, Small talk, Small-talk, small-talk, smalltalk (Anglizismen-Wörterbuch 1996: 1335). Nach der derzeitigen Rechtschreibung sind die Varianten Smalltalk und Small Talk zulässig. Im Folgenden wird der Smalltalk für die Gesprächssorte verwendet, smalltalken für die Handlung und der Smalltalker für die beteiligten Personen; aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichte ich auf eine zusätzliche Kennzeichnung des weiblichen Geschlechts, auch bei anderen Personenbezeichnungen. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass smalltalk auch eine ältere Programmiersprache bezeichnet. 14 Adriano Sack, Autor einer neuen Generation von Anstandslehren, die sich vor dem Hintergrund einer rasanten Entwicklung der Kommunikationsmedien und einer zunehmend öffentlich werdenden Kommunikation 2 mit „Manieren im digitalen Zeitalter“ beschäftigen, ist der Meinung, dass die kleinen Face-to-Face-Gespräche vor allem im Berufsleben zunehmend an Bedeutung verlieren: Der Tratsch in der Kaffeeecke des Büros wird ersetzt durch Instant Messages, Nachrichten in Echtzeit, damit man in den mittlerweile üblichen Großraumbüros nicht die Kollegen stört. Das persönliche Gespräch, zu dem immer auch lästiger Small Talk gehörte, findet nur noch auf beiderseitigem Wunsch statt und wird im Geschäftsleben durch kurze präzise E-Mails zeitsparend vermieden. (Sack 2007a: 41) Diese Beobachtungen mögen zwar teilweise stimmen, jedoch bedeutet dies nicht, dass Smalltalk in der modernen Kommunikationsgesellschaft überflüssig wird. Wie das eingangs zitierte „Drama“ zeigt, gibt es Situationen, in denen Smalltalk obligatorisch ist, da er etwa unangenehmes Schweigen verhindern und gleichzeitig als Gesprächseinstieg mit Fremden dienen kann. Auch die Autoren der Smalltalk-Ratgeber teilen Sacks Meinung zur geringeren Relevanz des Smalltalks im Berufsleben nicht. Sie führen vielmehr einige gesellschaftliche Entwicklungen an, die die Notwendigkeit von Smalltalk in der modernen Gesellschaft begründen sollen. Laut Naumann (2004: 24 f.) gibt es im Arbeitsleben eine wichtige Veränderung, die in den letzten Jahren immer schneller vorangeschritten ist, nämlich den Übergang vom Industriezum Dienstleistungszeitalter. 3 Dies habe zur Folge, dass die Anzahl der Berufe, deren Aufgabe Kundenbetreuung oder Mitarbeiterführung sei, ständig wachse. Hier könne nur derjenige erfolgreich sein, dem es gelinge, möglichst stabile berufliche Beziehungen aufzubauen. Der Smalltalk ist nach Meinung der Ratgeberautoren das entscheidende Mittel dazu. Er reiht sich somit in die positiv besetzten Schlagwörter wie Networking, Soft Skills, Selbstmarketing, emotionale Intelligenz oder Beziehungsmanagement ein, die auch in den Medien häufig zitiert werden. Die Smalltalk-Ratgeber gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie behaupten, dass eine Karriere ohne Smalltalk-Fähigkeiten nicht möglich sei und es sich demnach bei allen erfolgreichen Menschen um gute Smalltalker handeln müsse: Nur wer gekonnt smalltalkt, macht Karriere. (Lasko 2004: 13). Sollte die oben zitierte Aussage zu Frau Merkels Smalltalk-Fähigkeiten stimmen, dann wäre sie ein Ausnahmefall: Sie würde ein so hohes Amt wie das der 2 Auch Personen werden zunehmend öffentlicher. Internet und Suchmaschinen ermöglichen es beispielsweise, schnell Informationen über eine (Privat-)Personen zu erhalten („Googlen“ von Personen). So kann man sich etwa bereits vor einem Treffen mit einem Fremden mit (Smalltalk-)relevanten Informationen versorgen, vgl. Sack (2007b: 141 f.). 3 Alle Zitate aus meinem Korpus der Sprach- und Kommunikationsratgeber verstehe ich als objektsprachlich und setze sie deswegen kursiv. Diese Kennzeichnung soll außerdem eine Unterscheidung zwischen Zitaten aus der Forschungsliteratur und den Ratgebern erleichtern. 15 Bundeskanzlerin bekleiden, ohne die „Kunst des Smalltalks“ 4 zu beherrschen. Auch die Meinung, dass Frauen [...] nun einmal die besseren Small Talker [seien] (Hesse/ Schrader 2003: 115), könnte am Beispiel der Bundeskanzlerin dann nicht belegt werden. Smalltalk sichere aber nicht nur den beruflichen, sondern auch den privaten Erfolg, versprechen die Ratgeber. Durch den Niedergang der (Groß-)- Familie, durch steigende Scheidungsraten, wachsende Singlezahlen und eine größere (berufliche) Mobilität werde der Einzelne nämlich nicht mehr automatisch in ein lebenslanges, stabiles Netzwerk von Angehörigen, Verwandten, Kollegen und Freunden eingebunden. Smalltalk sei deshalb nötig, um schnell neue Kontakte knüpfen zu können. Nur so könne der zunehmenden Anonymisierung der Lebenswelt entgegengewirkt werden (Naumann 2004: 14 f.). Angesichts der großen Anzahl an Smalltalk-Ratgebern auf dem deutschen Buchmarkt liegt der Schluss nahe, dass viele Menschen in Deutschland ihre Smalltalk-Fähigkeiten als defizitär einschätzen (in Deutschland [ist] die Smalltalk-Kultur […] unterentwickelt. Hesse/ Schrader 2001: 55) und deshalb Kommunikationsberatung suchen. Ob diese Defizite allerdings empirisch nachweisbar sind, kann ohne entsprechende Untersuchungen nicht beantwortet werden. Unübersehbar ist aber, dass in den vergangenen Jahren das Angebot und die Nachfrage an Smalltalk-Ratgebern und Smalltalk- Trainings in Deutschland deutlich gestiegen, wenn nicht sogar erst entstanden ist: Von den in dieser Arbeit untersuchten 22 Smalltalk-Ratgebern sind alleine 20 zwischen 2000 und 2007 erschienen, teilweise bereits in mehreren Auflagen. 5 Der Markt an Sprach- und Kommunikationsratgebern 6 bzw. -trainings insgesamt wächst schon seit vielen Jahren stetig und differenziert sich weiter aus: Allein im Jahr 2001 waren über 400 Sprach- und Kommunikationsratgeber im deutschen Buchhandel erhältlich (Löffler 2001: 53). Sie sind als ein kostengünstiges Beratungsinstrument einer breiten Bevölkerungsschicht bestens zugänglich. Die große Beliebtheit von Ratgebern scheint zudem darin begründet zu sein, dass sich der Leser nicht in einer schulähnlichen Situation der Kritik eines Trainers und weiterer Teilnehmer stellen muss. Auch wenn vielleicht der Lernerfolg u. U. nicht so hoch ist wie in einer Face-toface-Trainingssituation, so beruhigt die Buchlektüre zumindest das schlechte Gewissen: Man hat etwas für seine Weiterbildung und Persönlichkeitsentwicklung getan. 7 4 Titel einiger Smalltalk-Ratgeber. 5 Naumanns Ratgeber „Die Kunst des Smalltalk“ erscheint erstmals 2001, 2004 liegt bereits die 5. Auflage vor. 6 Zu einer Definition von Sprach- und Kommunikationsratgeber siehe Kap. III. 7 Die Bücher stehen zunehmend in Konkurrenz mit dem Internet, welches als kostengünstiges und unkompliziertes Beratungsmedium sicherlich noch weiter an Bedeutung gewinnen wird (vgl. Kap. III.6.). 16 Die Ratgeberverlage müssen sich, wie andere gewinnorientierte Unternehmen auch, mit innovativen Angeboten gegen die Konkurrenz durchsetzen. Hat erst einmal ein Verlag mit einem neuen Ratgebertyp Erfolg, finden sich schnell Nachahmer. 8 Smalltalk-Ratgeber sind zwar ein „innovatives Erfolgsmodell“, wie die Zahl der Neuerscheinungen belegt, sie stehen aber gleichzeitig in einer Tradition der Sprach- und Kommunikationsratgeber, insbesondere der Gesprächs- und Anstandslehren. 2. Zielsetzung und Vorgehen Ortner/ Sitta (2003: 12 f.) haben einige Wünsche geäußert, in welche Richtung sich die Sprachwissenschaft in Zukunft entwickeln soll, damit das Fach „auf Kurs bleibt“: Sprache sollte stärker als sprachliches Verhalten verstanden werden. Dies könnte „zum einen fruchtbare Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlicher und öffentlicher (gesellschaftlicher) Konstitution des Forschungsgegenstandes Sprache, zum anderen Wechselwirkungen zwischen linguistischer Deskription und sprachpraktischer, inklusive sprachkritischer Diskussion der Existenz und Gebrauchsform von Sprache ermöglich[en] [Hervorhebungen im Original, K.K.].“ (ebd. 13). Eine Öffnung der Grenzen der Sprachwissenschaft zu ihren Nachbardisziplinen (z. B. Psychologie, Soziologie) ist dabei ausdrücklich erwünscht. Und dabei sollte es auch möglich sein, in kritischer Auseinandersetzung mit den ‚Traditionen des Sprechens’ sowie mit sprachlichen und kommunikativen Innovationen die Funktion von Sprache sowohl als Medium des kollektiven Gedächtnisses einer Gesellschaft als auch als Medium der Auseinandersetzung mit und der Gestaltung von gegenwärtiger Lebenswelt angemessen zu berücksichtigen [...]. Unsere Hoffung ist es dabei nicht zuletzt, damit zur theoretischen Profilierung einer Sprachwissenschaft beizutragen, die die Analyse von Sprache und Sprachverhalten auch in der Absicht von Kultur- und Gesellschaftsanalyse betreibt und die dazu beitragen kann, in einer umfassenden Weise den Anspruch der Sprachwissenschaft auf ein Mitspracherecht bei der Selbstreflexion und Selbstverständigung der Gesellschaft zu legitimieren [Hervorhebung im Original, K.K.]. (ebd.) Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die Gesprächssorte Smalltalk und die Textsorte Smalltalk-Ratgeber unter Einbezug ihrer Kulturspezifik und Historizität möglichst umfassend zu beschreiben und in den Kontext anderer Sprach- und Kommunikationsratgeber zu stellen. Die Arbeit befindet sich damit an einer Schnittstelle zwischen Textlinguistik, Gesprächs- und Kommunikationsanalyse, Pragmatik und Soziolinguistik. Dabei stellt sie sich den von Ortner und Sitta genannten Aufgaben einer modernen Sprach- 8 Laut einer Kundenrezension zu Naumann (2004) beim Internet-Buchhandel Amazon hat der Ratgeber von Märtin/ Boeck (2000), der innerhalb von zwei Jahren acht Auflagen erreicht, „den Small-Talk-Zug […] ins Fahren gebracht.“ Naumann (2004) sei dabei „beileibe nicht der Einzige“, der auf diesen erfolgreichen „Zug“ aufgesprungen sei. 17 wissenschaft, indem sie 1. Sprache vor allem als Sprachhandeln untersucht, 2. interdisziplinär (v. a. Psychologie, Soziologie) angelegt ist, 3. die Traditionen des Sprechens (in Form der Sprach- und Kommunikationsratgeber) berücksichtigt, 4. die „kommunikative Innovation“ Smalltalk und Smalltalk- Ratgeber untersucht und nicht zuletzt 5. einen Beitrag zur Kultur- und Gesellschaftsanalyse leisten will. Nach einem knappen Überblick über den Forschungsstand zum Smalltalk und zu den Sprach- und Kommunikationsratgebern in Kapitel II. befasst sich Kapitel III. zunächst allgemein mit einer theoretischen Fundierung dieser Ratgeber. Smalltalk-Ratgeber sollten nicht isoliert betrachtet werden, denn sie stehen in einer umfassenden Ratgebertradition. Da es für den Smalltalk keine allgemein akzeptierte Definition gibt, ist es zudem notwendig, in Kapitel IV. den Begriffsumfang zu bestimmen. Wörterbücher, eine Umfrage unter Deutschen und US-Amerikanern, (vornehmlich englischsprachige) Forschungsliteratur zu Smalltalk und die Smalltalk- Ratgeber selbst geben dabei Aufschluss über das jeweilige Verständnis von Smalltalk. Kapitel V. bildet den Schwerpunkt der Arbeit und ist die Vergleichsbasis für die weiteren Untersuchungen in den darauf folgenden Kapiteln. Es zeigt, wie die Smalltalk-Beratung durch die Ratgeber funktioniert. Dabei ist vor allem interessant, wie Ratgeber den Umstand zu kompensieren versuchen, dass sie als ein unpersönliches (Massen-)Beratungsmedium nicht individuell mit dem Ratsuchenden in Kontakt treten und ihm persönliche Ratschläge auf persönliche Ratfragen geben können, wie es etwa in anderen Beratungsinstitutionen (z. B. Grammatiktelefon oder Trainings) der Fall ist. Die Fragen, die in Kapitel V. thematisiert werden, kann man folgendermaßen knapp zusammenfassen: Wer gibt wem unter welchen Bedingungen wie zu welchen Problemen welche Ratschläge? Anhand von exemplarischen Analysen wird außerdem überprüft, ob in den verschiedenen Smalltalk-Ratgebern zu einem bestimmten Problem dieselben Ratschläge gegeben werden. Im Internet veröffentlichte Kundenrezensionen geben interessante Einblicke in die Rezeption und Akzeptanz der Smalltalk-Ratgeber aus Sicht ihrer Leser, die in der Forschungsliteratur bisher nicht berücksichtigt wurde. In einem Exkurs am Ende des Kapitels V. werden die Ratgeber mit einem Smalltalk- Training verglichen, um den Zusammenhang zwischen diesen unterschiedlichen Beratungsangeboten zu problematisieren. Kapitel VI. erweitert den Blickwinkel um eine kulturelle Komponente: Ein Vergleich der deutschen Smalltalk-Ratgeber mit den amerikanischen bietet eine erste Annäherung an die Kulturspezifik des Smalltalks und der Smalltalk-Ratgeber. Exemplarisch soll dem „wichtige[n] Desiderat der Forschung“ nachgegangen werden, „ob in vergleichbarer Literatur gleiche oder kulturell unterschiedliche ‚Rezepte’ verabreicht werden“ (Antos 1996: 146). Um einschätzen zu können, ob es sich bei Smalltalk um eine neue, der deutschen Kultur unbekannte Gesprächssorte handelt, wird in Kapitel VII. 18 anhand historischer Ratgeber das Konzept des geselligen Gesprächs Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem des Smalltalks kontrastiert. Zudem wird überprüft, in welchem Maße die modernen Smalltalk-Ratgeber von der deutschen Ratgebertradition geprägt sind. Das abschließende Kapitel VIII. fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen und zeigt weitere Forschungsaufgaben auf. 19 II. Forschungsüberblick 1. Smalltalk […] small talk is now on the interactive sociolinguistic agenda. (Christopher N. Candlin, 2000) Während die Analyse von englischsprachigem Smalltalk in der anglistischen Forschung seit wenigen Jahren einen Aufschwung erlebt (siehe unten und Widmungszitat), ist die germanistische Forschung zu deutschem Smalltalk so gut wie nicht existent. Dies ist umso bedauerlicher, da in der Konversations- und Gesprächsanalyse dem informell-alltäglichen Gespräch als Grundform der sprachlichen Interaktion eine zentrale Rolle zuzuschreiben ist. Die einzigen germanisitischen Publikationen zum Smalltalk erschienen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Freiburger Forschungsstelle, wo unter der Leitung von Hugo Steger ein umfangreiches Korpus zur gesprochenen Sprache erstellt wurde. 9 Gerd Schank gehörte dieser Forschungsstelle 1971-1977 an. Er veröffentlichte 1977 einen Aufsatz, in dem er das Korpus hinsichtlich der Themenverwendung im Smalltalk analysiert. 1981 verfasste er die Monographie „Untersuchungen zum Ablauf natürlicher Dialoge“: Mithilfe des gesprächsanalytischen Instrumentariums untersuchte er Dialogabläufe (mit dem Schwerpunkt Themenverwendung) in Beratungsgesprächen und dann ergänzend in Smalltalks und Diskussionen. Die einzige spätere germanistische Arbeit außerhalb des Freiburger Korpus ist ein Aufsatz von Marlene Faber (1994), der die Inszenierung von „spontanem“ Smalltalk in Talk Shows zum Gegenstand hat. In den Bereich Didaktik Deutsch als Fremdsprache fällt das Lese- und Übungsbuch „Deutsche Gesprächskultur“ von Hartmut E.H. Lenk (1995), in dem es unter anderem ein eigenes Kapitel zum Smalltalk gibt. Die meines Wissens einzige sprachwissenschaftliche Monographie zum Smalltalk veröffentlichte 1988 der deutsche Anglist Klaus P. Schneider. Zeitnah erschienen außerdem drei Aufsätze, die Teilergebnisse aus seiner Dissertation zusammenfassen (Schneider 1986, 1987, 1989). Schneider untersucht zunächst das Verständnis von Smalltalk anhand einer Umfrage unter Deutschen, Engländern und US-Amerikanern, in Wörterbüchern, in der bisherigen Forschungsliteratur und in der Belletristik. Auf Basis eines englischen Smalltalk-Korpus, das 56 natürliche Gespräche und Gesprächsausschnitte umfasst und von Schneider 1984/ 1985 in Großbritannien aufgenommen wurde, stellt er den Zusammenhang zwischen sozialen Ma- 9 Obwohl das Institut für deutsche Sprache bereits über ein sehr umfassendes „Archiv für Gesprochenes Deutsch“ verfügt (online abrufbar unter: http: / / agd.idsmannheim.de, gesehen am 18.09.2007), gibt es derzeit neben dem Freiburger Korpus kein nennenswertes eigenständiges Korpus für deutschen Smalltalk. 20 ximen, Makrostrukturen, Themenwahl, -behandlung und -entfaltung dar. Er konzentriert sich also auf Aspekte, die vor allem für die Didaktik des Englischen als Fremdsprache relevant sind, verwendet dabei aber nicht nur die klassischen gesprächsanalytischen Analysewerkzeuge, sondern bezieht die damals noch neue Frame-Theorie mit ein. Jüngere anglistische Forschung zum Smalltalk findet sich in den englischsprachigen Ländern Großbritannien, USA und Neuseeland, wobei sich Justine Coupland von der Cardiff University in Wales besonders für die Etablierung dieses neuen Forschungsbereichs engagiert. Sie ist auch die Herausgeberin des 2000 erschienenen Sammelbandes zu Smalltalk, der als Erster die Komplexität und Relevanz von Smalltalk für theoretische und praktische Überlegungen unterschiedlichster Forschungsdisziplinen, allen voran der Soziolinguistik, Pragmatik und Diskursanalyse, darstellt. 10 Coupland ist außerdem (Mit-)Autorin mehrerer Aufsätze, die Smalltalk vor allem theoretisch verorten (z. B. Coupland 2003). Diese jüngere anglistische Forschung analysiert meist unterschiedliche, kleinere Korpora zum Smalltalk in bestimmten Situationen, z. B. im Reisebüro (Coupland/ Ylänne-McEwen 2000), an der Supermarktkasse (Kuiper/ Flindall 2000), beim Frisör und in der Fahrschule (McCarthy 2000), beim Arzt 11 (Ragan 2000), unter Freundinnen (Coates 2000), in der Familie (Drew/ Chilton 2000; Blum-Kulka 2000) oder am Arbeitsplatz (Holmes 2000; Holmes 2003; Mirivel/ Tracy 2005). Tracy/ Naughton (2000) untersuchen in Zeitschriften und Zeitungen das Laienverständnis („lay lense“) von Smalltalk und zeigen dann anhand eines wissenschaftlichen Kolloquiums vier Aspekte des wissenschaftlichen Verständnisses („academic lense“) auf. Jarworski (2000) illustriert an zwei englischen Dramen das Verhältnis zwischen Smalltalk und Schweigen. In diesem Zusammenhang soll auch auf einen älteren Aufsatz der deutschen Literaturwissenschaftlerin Ecker (1982) hingewiesen werden, der sich ebenfalls mit Smalltalk in einem dramatischen Werk beschäftigt. Einen Beitrag zur Fachdidaktik liefert Arendt (1996), der die Rolle und die Vermittlung von Smalltalk für den Unterricht Englisch als Fremdsprache diskutiert. Schließlich ist noch der Aufsatz von Bartsch (1985) erwähnenswert, in dem anhand eines englischen Smalltalks die Rollenvorstellungen von Sprecher und Hörer ermittelt und schließlich „Grundempfehlungen“ (ebd. 128) für ein gelungenes Gespräch gegeben werden. Neben diesen Arbeiten, die das Wort Smalltalk explizit verwenden, sind einige meist ältere Arbeiten zu erwähnen, die eine andere Terminologie wählen, aber dennoch in den Kontext von Smalltalk gehören. Besonders populär ist etwa die Beziechnung phatic communion bzw. communication, die die 10 In der Einleitung zu diesem Sammelband fasst Coupland die bis dato existierenden Ansätze in der englischsprachigen Literatur, die den Terminus Smalltalk zumindest in ihre theoretischen Überlegungen einbezogen haben, zusammen. 11 Auf die therapeutische Wirkung von Smalltalk bzw. von verwandten Gesprächsformen und Äußerungen weist der Arzt Philip Burnard (2005) hin. 21 eher theoretischen Arbeiten von Laver (1975 und 1981), Coupland/ Coupland/ Robinson (1992), Žegarac (1998) und Žegarac/ Clark (1999) verwenden. Ventola (1979) dagegen spricht von casual conversation; in einem Artikel zur englischen Didaktik verwendet Mugglestone (1980) den Terminus social chat und im Titel von Ragans (2000) Aufsatz, der sich in Couplands Sammelband befindet, findet sich sociable talk. Außerdem passt Wardhaughs (1985) Publikation zum Untersuchungsgegenstand Smalltalk, auch wenn er den Begriff conversation verwendet. 12 Kontrastive Forschung zum Smalltalk bzw. zur phatischen Kommunikation gibt es auch nur ansatzweise: Kotthoff (1989), Rings (1994) und Davies (2004) untersuchen aus der Perspektive des Fremdsprachenlernens Unterschiede im deutschen und amerikanischen Smalltalkverhalten, wobei besondere Aufmerksamkeit auf die protoypische Smalltalkfrage How are you? bzw. Wie geht es dir/ Ihnen? gelegt wird (vgl. Kap. VI.2.3). Sun (2000) kontrastiert USA und China mit Hilfe eines Telefonkorpus und Meierkord (2000) analysiert englischen Smalltalk zwischen Nicht-Muttersprachlern. Mit Erstkontakt-Situationen, bei denen Smalltalk eine wichtige Rolle spielt, beschäftigt sich der schwedische Linguist Svennevig (1999) und die deutsche Psychologin Philipp (2003). Wie gezeigt wurde, gibt es vereinzelt germanistische und etwas umfangreichere anglistische Forschung zum Thema Smalltalk, die nicht nur in den Bereich der Sprachwissenschaft (Pragmatik, Soziolinguistik und Gesprächs- und Konversationsanalyse), sondern auch in den der Literaturwissenschaft, der Didaktik und sogar der Psychologie fallen. Da das Smalltalk-Konzept deutscher Muttersprachler nicht völlig identisch mit dem englischer Muttersprachler sein muss (vgl. Kap. IV.), könnten sich Unterschiede im Smalltalk- Verständnis auch auf die Forschungsliteratur auswirken. Somit ist zusätzlich zwischen anglistischer Forschung von englischen Muttersprachlern (z. B. Coupland 2000a) und anglistischer Forschung von deutschen Muttersprachlern (z. B. Schneider 1988) zu unterscheiden. Zuletzt stellt sich die Frage, warum Smalltalk in der Forschung bisher kaum beachtet wurde. Schneider (1987: 250) vermutet, dass die Bezeichnung Smalltalk wegen ihrer negativen Konnotationen (vgl. Kap. IV.1.) in der Forschung eher gemieden wird. Jedoch scheint nicht nur das Wort gemieden zu werden, sondern sogar der gesamte Untersuchungsgegenstand, unabhängig von seiner Bezeichnung. Zimmermann mutmaßt in seinem Vorwort zu Schneiders Dissertation, dass das mangelnde Forschungsinteresse entweder auf die (vermeintliche) Trivialität von Smalltalk zurückzuführen ist oder dass die Meinung besteht, Forschung sei nicht nötig, da man alles Wissenswerte über Smalltalk bereits intuitiv wisse (Schneider 1988: Preface). Vorur- 12 In Kap. IV.6. werde ich genauer auf das Verhältnis zwischen phatischer Kommunikation und Smalltalk eingehen und mich in Kap. IV.11. kurz mit der Problematik konkurrierender Termini auseinandersetzen. 22 teile gegenüber Smalltalk als Forschungsgegenstand gibt es mittlerweile in der anglistischen Forschung nicht mehr: […] linguists […] have shown small talk and other relational features of conversation to be anything but superfluous, frivolous, secondary, or irrelevant to the analysis of the main stream of talk and […] stress the importance of notions such as interpersonal involvement and the creation of social meaning. (McCarthy 2003: 34) 13 In der germanistischen Sprachwissenschaft stehen wir allerdings erst am Anfang der Smalltalk-Forschung. 2. Sprach- und Kommunikationsratgeber Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive muß man feststellen, daß die Sprachratgeber für germanistische Linguisten kein Thema waren, es aber offensichtlich zu werden beginnen. (Albrecht Greule, 2002) Die Sprachwissenschaft hat lange Zeit die Sprach- und Kommunikationsratgeber als Forschungsgegenstand nur sporadisch beachtet. Dabei gibt es gute Gründe, sie wissenschaftlich auszuwerten: Eine Auseinandersetzung mit der linguistischen Ratgeberliteratur [...] läßt sich zunächst programmatisch mit dem Hinweis begründen, daß wir es hier mit dem größten nicht-wissenschaftlich elizierten, d. h. alltagsweltlich konstituierten metasprachlichen Korpus der Linguistik zu tun haben [Hervorhebungen im Original, K.K.]. (Antos 1996: 4) Obwohl bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts vereinzelt Untersuchungen zu den Sprachratgebern erschienen (Stötzer 1962; Linn 1963; Nickisch 1969), wird erst seit den 90er Jahren das wissenschaftliche Interesse an diesen Büchern größer. Das hängt wohl vor allem mit der wachsenden Bedeutung des Verhältnisses von Linguistik und Öffentlichkeit zusammen. Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprach- und Kommunikationsratgebern handelt es sich in den meisten Fällen um Aufsätze, Monographien oder Lexikonartikel zu einzelnen Subsorten. 14 Recht gut untersucht sind etwa die Stillehren (z. B. Linn 1963; Nickisch 1975; Fix 1989; Püschel 1991; Sanders 1998; Schmidt-Wächter 2004; Greule/ Kessel 2008, im Druck; Greule/ Kessel im Druck), Rede- und Gesprächslehren (z. B. Stötzer 1962; Linn 1963; Kallmeyer 1985; Hess-Lüttich 1990; Fauser 1991; Bremerich-Vos 1991 und 1993; Watzin 1992; Bergmann 1999; Thim-Mabrey 2001a; Schmidt- Wächter 2004) und Brieflehren (z. B. Nickisch 1969, 1994 und 1997; Ettl 1984; Li 1994; Wolff 1996). Viel Beachtung haben auch Anstandslehren und Komplimentierbücher erhalten, die vor allem für soziolinguistische Fragestellun- 13 Zur Funktion von Smalltalk vgl. Kap. IV.6. 14 Zu den Bezeichnungen der einzelnen Subsorten vgl. Kap. III.2. 23 gen relevant sind (z. B. Krumrey 1984; Beetz 1988 und 1990; alle Beiträge in Montandon 1991; Häntzschel 1986 und 1997; Linke 1988, 1996a und 1996b; Till 1998; Zillig 1990; Kopplow 1995). Mit Titeln im deutsch-polnischen Vergleich befasst sich Kucharska (2000); ein Lexikonartikel liegt zu Formelbüchern vor (Stengl 1996). Daneben gibt es Arbeiten, die sich detailliert mit einzelnen Ratgeberbüchern auseinandersetzen: Meyer (1993) untersucht z. B. den Antibarbarus „Sprachdummheiten“ von Gustav Wustmann (1891), Götz (1992) die Anfänge der Grammatikschreibung in drei Formularbüchern des frühen 16. Jahrhunderts. Die neueste Arbeit zu Sprachratgebern und Stillehren in Deutschland hat Law (2007) veröffentlicht. Sie geht der interessanten Fragestellung nach, ob die unterschiedlichen politischen Systeme und Ideologien in Deutschland zwischen 1923 und 1967 die Sprach- und Stilauffassung in diesen Büchern beeinflusst haben. Die bisherigen Arbeiten zu Subsorten bzw. zu einzelnen Ratgebern sind in den meisten Fällen sprachgeschichtlich ausgerichtet. Das ist vor allem dadurch begründet, dass Sprachratgeber wichtige metakommunikative Quellen 15 sind, anhand derer Einblicke in die Sprachnormierungsprozesse der jeweiligen Epochen möglich sind, Sprachhandlungswissen abgeleitet und eventuell Rückschlüsse auf die gesprochene Sprache (z. B. anhand von Mustergesprächen) gezogen werden können. Methodisch nicht eindeutig gelöst werden kann das Problem, ob diese Texte rein normativ und/ oder auch deskriptiv sind. 16 Von den Rezipienten jedenfalls wurden und werden sie unabhängig von ihrer Konzeption als normativ gelesen und verwendet (Antos 1996: 19). Umfangreiche gegenwartssprachliche Analysen gibt es am ehesten zu den Stillehren und im Bereich der Praktischen Rhetorik, die meist in eine Kritik an diesen Büchern münden (z. B. Bremerich-Vos 1991: 213 ff.; vgl. auch Antos 2001: 1720 ff.). 15 Metakommunikation verstehe ich als Sprechen bzw. Schreiben über Sprache und Kommunikation. Schmidt-Wächter (2004: 24) unterscheidet zwei Arten von Metakommunikation: „[...] Äußerungen im Rahmen eines konkreten kommunikativen Ereignisses, die als kommentierende Äußerungen der Steuerung des Interaktionsprozesses dienen (Metakommunikation 1 ) [...] [und] Aussagen, die Sprache und Kommunikation unabhängig von einem konkreten Kommunikationsereignis thematisieren [....] (Metakommunikation 2 )“. Sprach- und Kommunikationsratgeber sind metakommunikative Äußerungen im letzteren Sinn. 16 Montandon (1991: 7) thematisiert die Problematik in Bezug auf Anstandslehren: „Oft fragt man sich, ob es sich dabei um eine einfache Beschreibung von Verhaltensweisen handelt (und deren Regelung) oder ob die Bücher, weit davon entfernt, Verhaltensweisen darzustellen, ein Ideal anstreben und Regeln formulieren, die zwar als Richtpunkte dienen, aber noch längst nicht erreicht sind.“ Häntzschel (1986: 5) stellt sich dieselbe Frage und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Anstandslehren wohl um eine Mischung aus Realität und Ideal handeln muss. Ratgeber können also zugleich „Normenüberwacher“ und „Normensetzer“ sein (vgl. Antos 1996: 20). Zu den Problemen einer Auswertung historischer Metakommunikation siehe auch Schmidt-Wächter (2004: 24 ff.). 24 Zu einigen Subsorten liegen unterschiedlich umfangreiche Bibliographien vor, wie etwa zu den Grammatik- und Orthographielehren (Moulin- Fankhänel 1994 und 1997), den Schreibmeisterbüchern (Doede 1958) oder den Rhetoriklehren (z. B. Breuer/ Kopsch 1974; Blumenthal 1985). Bibliographische Daten aller Subsorten können über die Internetseite des Lehrstuhls für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Regensburg abgerufen werden. Unter der Internet-Adresse http: / / www-sprachratgeber.uniregensburg.de finden sich derzeit über 550 Einträge vom 15. bis einschließlich 19. Jahrhundert, wobei die Daten fortlaufend ergänzt und überarbeitet werden. Die Internetseite verzeichnet neben den Ratgebern auch die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema und zeigt damit das Forschungsgebiet in seiner Gesamtheit. Eine Ausweitung der elektronischen Bibliographie bis in die Gegenwart ist geplant (Kessel/ Brau 2006). Wegen der „Verengung des sprachwissenschaftlichen Blicks auf relativ wenige als prototypisch unterstellte Typen“ (Antos 1996: 14), wie etwa den Rede- oder den Stillehren, beginnt die sprachwissenschaftliche Forschung die Sprachratgeber nur langsam in ihrer ganzen thematischen Breite wahrzunehmen und erst seit wenigen Jahren schenkt sie dem Gesamtphänomen „Sprachratgeber“ mehr Aufmerksamkeit. 17 In den Analysen einzelner Subsorten oder Bücher wird dagegen selten darauf eingegangen, dass es ein ganzes Netzwerk an solchen Ratgebern gibt. Auf diesen Zusammenhang weist vor allem Albrecht Greule hin, der in seinen Artikeln ein Gesamtbild der Sprachratgeber zeichnet und vor allem klare Definitionen als Grundlage zukünftiger Forschung gibt (vgl. Kap. III.1.). 18 Unter seiner Leitung werden die Daten für die schon erwähnte „Bibliographie deutscher Sprachratgeber“ seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts an der Universität Regensburg gesammelt (vgl. Greule 1993). 1996 erschien die Habilitationsschrift von Gerd Antos, die Sprachratgeber und Kommunikationstrainings unter der Theorie der „Laien-Linguistik“ 19 zusammenfasst. Das viel beachtete Buch ist ein wesentlicher Beitrag zur Diskussion um das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Sprachwissenschaft. Im anschließenden Kap. III. werde ich Antos´ Verständnis von „Laien-Linguistik“ genauer beschreiben. Zuletzt soll noch der Aufsatz von Heike Tietz (1997), einer Schülerin von Antos, Erwähnung finden. Er befasst sich mit der Frage, wie man Sprachrat- 17 Sprachratgeber sind ein Untertypus der Sachbuchgattung Ratgeber. Auch die Ratgeber allgemein sind noch nicht sprachwissenschaftlich untersucht. Adamzik (1995) verzeichnet in ihrer Liste der Textsorten zwar den Begriff Ratgeber, Forschungsliteratur listet sie jedoch keine auf. Gut untersucht sind lediglich verwandte Phänomene wie Beratungsgespräche, Gebrauchsanleitungen oder Kochrezepte. 18 Z. B. Greule, Albrecht (1997): Die „Buchsorte“ Sprachratgeber. Definition, Subsorten, Forschungsaufgaben. In: Franz Simmler (Hrsg.): Textsorten und Textsortentraditionen. Bern u. a. S. 239-269. 19 Den Terminus Laienlinguistik schlägt bereits Bremerich-Vos (1991: 2) vor. Zur Kritik an dieser Bezeichnung vgl. Kap. III.4.2. 25 geber didaktisch sinnvoll in den Schulunterricht einbringen kann (vgl. dazu auch Greule/ Kessel 2008, im Druck). Was aber sind die Gründe dafür, dass der Bereich der Sprachratgeber erst so spät von der Wissenschaft entdeckt wurde? Bremerich-Vos (1991: 5 f.) äußert einige Vermutungen zur „Rhetorik-Abstinenz der Linguistik“, die sich auch für das Phänomen „Sprachratgeber“ verallgemeinern lassen. Er nennt drei Gründe: Sprachratgeber sind komplexe Texte und ihre Analyse ist nicht nur Aufgabe unterschiedlicher Teildisziplinen der Linguistik, 20 sondern auch anderer Fächer. Bremerich-Vos (ebd. 5) nennt für die Populärrhetoriken die Sozial- und Emotionspsychologie. Auf die Sprach- und Kommunikationsratgeber allgemein ausgeweitet, kann man noch an die Soziologie, Kommunikationswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Sprechwissenschaft, Kulturwissenschaft, Buchwissenschaft usw. denken. Dass das Forschungsgebiet der Sprachratgeber kein rein sprachwissenschaftliches sein kann, zeigt sich bereits in den Titeln einiger Ratgeber. „Reden ohne Lampenfieber“ (Ebeling 1998) weist auf einen psychologischen Schwerpunkt hin, „Schule des Erzählens“ (Knauss 1996) auf einen literaturwissenschaftlichen. Eine umfangreiche Erforschung der Sprachratgeber kann deshalb nur interdisziplinär erfolgen. Ein weiteres Vorurteil gegenüber Populärrhetoriken besteht nach Bremerich-Vos (1991: 5) darin, dass eine Beschäftigung mit „vulgären“ bzw. „populären“ Texten doch lediglich „triviale“ Ergebnisse liefern würde. In solchen Wertungen wird sozialer Abstand deutlich, und es zeigt sich, daß die Wahl kulturwissenschaftlicher Forschungsgegenstände nicht gleichsam frei flottierender theoretischer Neugierde geschuldet ist. (ebd.) Der dritte Grund für die Ablehnung der Ratgeber als Forschungsgegenstand liegt in der Erfolgsgewissheit, die diese propagieren. Ein solches „behavioristische[s] Paradigma“ (ebd. 10) im Sinne des klassischen oder instrumentellen Konditionierens bei Tieren ist nicht nur in der Psychologie in Verruf geraten: Sprache und Kommunikation können nicht nach dem Muster Reiz- Reaktion funktionieren. Die Linguistik versteht sich nach wie vor vor allem als eine deskriptive Wissenschaft, die nicht für normative, populäre Texte zuständig ist. Die Beschäftigung mit oder gar die Erstellung von solchen Texten ist für diese Linguistik tabu. Weite Teile der Öffentlichkeit erwarten von der Linguistik, was die Linguistik bei Strafe ihres wissenschaftlichen Anspruchs nicht bieten kann nämlich verbindliche Vorschriften. (Antos 1995: 355) 20 Bremerich-Vos (1991: 5) deutet nur an, welche sprachwissenschaftlichen Teildisziplinen bei der Analyse von Rhetoriklehren eine Rolle spielen; es liegt jedoch nahe, wie Thim-Mabrey (2001a: 177) davon auszugehen, dass er damit etwa die Phonetik, Grammatik, Stilistik, Textlinguistik, Pragmatik oder Gesprächsforschung meint. 26 Damit kann sie aber auch nicht das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach kompetenter Sprachberatung befriedigen. Da Sprache aber ein Thema ist, das viele Leute interessiert (Niederhauser 1997: 201), entwickelte sich parallel zur Fachlinguistik eine „Alternativ-Linguistik“ (Antos 1996: 9), die, ihren eigenen Gesetzen folgend, die Sprachwissenschaft nicht beachtete, aber auch von der Wissenschaft nicht beachtet wurde. Ein Fach, das sich nicht an den Fragen und Bedürfnissen einer außerfachlichen Öffentlichkeit orientiert, läuft Gefahr, nur noch Fragen zu beantworten und Bedürfnisse zu erfüllen, die aus dem Fach selbst kommen. Anders gesagt: Es bietet Antworten an, wo Menschen außerhalb des Faches gar keine Fragen haben, es verliert damit seine Bodenhaftung, es gerät tendenziell zu einem elitären Zirkel. Je mehr es das tut, desto mehr verliert es an öffentlicher Reputation, es sinkt letztendlich zum Orchideenfach herab. (Ortner/ Sitta 2003: 11 f.) Mittlerweile scheint sich die Linguistik der Öffentlichkeit zu öffnen und über das Verhältnis und den Wissenstransfer zwischen Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit nachzudenken (z. B. Stickel 1999; Antos 2003; Ortner/ Sitta 2003). Dass die Öffentlichkeit nicht nur an Sprache, sondern auch an den Ergebnissen der Sprachwissenschaft interessiert ist, zeigt sich z. B. an den Reaktionen, welche die Rechtschreibreform hervorgerufen hat, oder auch im Erfolg von Sprachkolumnen (z. B. „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ von Bastian Sick, 2004). Jedoch gibt es dabei eine wichtige Einschränkung: Laien interessiert an ihrer (Mutter)Sprache und Kommunikation nur das, was ihnen daran Spaß macht oder was ihnen Probleme bereitet [Hervorhebungen im Original, K.K.]. (Antos 1996: 3) Dies muss sich die neuere sprachwissenschaftliche Forschung auch bei der Aus- und Bewertung von Sprach- und Kommunikationsratgebern vor Augen halten. Meine Arbeit verbindet die wissenschaftlich vernachlässigten Themen Smalltalk und Sprach- und Kommunikationsratgeber miteinander, die beide von der Forschung häufig als zu trivial eingeschätzt wurden. Ich werde in meinen Ausführungen zeigen, dass eine Auseinandersetzung mit den Smalltalk-Ratgebern durchaus lohnenswert ist: Das Thema ist nicht nur bestens geeignet, Sprach- und Kommunikationsprobleme der Öffentlichkeit herauszustellen und Einblicke in „Alltagstheorien“ (Bremerich-Vos 1991: 11) zu gewinnen, es ist auch für die Theoriebildung, z. B. in Bezug auf die Gesprächssorte Smalltalk, die Textsorte Sprach- und Kommunikationsratgeber oder in Bezug auf andere anleitende Texte, von Bedeutung. 27 III. Wer Rat begehrt, dem ist zu helfen: Sprach- und Kommunikationsratgeber Von Zeit zu Zeit treten in Deutschland Männer auf, welche sich berufen fühlen, zu lehren, wie gesprochen und wie geschrieben werden solle. (Eilert Pastor, 1924) 1. Definition „Sprachratgeber“ Ein Sprachratgeber ist ein Text (meist ein Buch), in dem Ratschläge zum Gebrauch der Muttersprache gegeben werden oder in dem zum Gebrauch der Muttersprache angeleitet wird. (Greule 2002: 589) Der Sprachratgeber ist eine Untergruppe der Ratgeberliteratur, 21 die sich durch den Beratungsgegenstand „Muttersprache“ auszeichnet. Diese „Form von Metakommunikation“ (Schmidt-Wächter 2004: 26) wendet sich an sprachwissenschaftliche Laien (vgl. Kap. III.4.). Greule (2000b: 318) bezeichnet deshalb das charakteristische sprachliche Merkmal dieser Bücher als „laienlinguistische Anweisung“. 22 Der Bezug auf die Muttersprache („Deutsch für Deutsche“, Greule 2002: 589) ist wichtig, da damit alle fremdsprachendidaktischen (Lehr-)Bücher ausgeschlossen werden (z. B. das Erlernen von Smalltalk auf Englisch 23 oder die Lehrbücher für Deutsch als Fremdsprache 24 ). Außerdem ist die Einschränkung bei der Frage nach der Kulturalität dieser Texte relevant. Im Deutschen gibt es nämlich eine nicht unerhebliche Anzahl an Übersetzungen von Sprach- und Kommunikationsratgebern aus dem Amerikanischen. Diese Problematik will ich in einem eigenen Kapitel darlegen (vgl. Kap. VI.3.). 21 „Ratgeberliteratur thematisiert ausgesprochen heterogene Themenbereiche des Alltags aus dem (natur-)medizinischen, weltanschaulichen, handwerklichen, naturwissenschaftlichen, technischen, psychologischen, soziologischen oder auch kommunikativen Bereich” (Bergmann 1999: 226). Schriftliche Ratschläge finden sich nicht nur in Buchform, sondern auch in Form anderer Ratgebertexte, z. B. Handzettel, Merkblätter oder umfangreichere Faltblätter (vgl. Gläser 1990: 228). Wenn ich im Folgenden das Wort Ratgeber verwende, so meine ich damit stets Ratgeberbücher. 22 Die anleitenden Sprachhandlungen R ATEN bzw. R AT GEBEN , die ich als konstitutiv für jede Ratgeberliteratur sehe, werden im Kap. V.7.3 exemplarisch anhand der Smalltalk- Ratgeber dargestellt. 23 Z. B. Bosewitz, René/ Kleinschroth, Robert (2003): Small Talk for Big Business. Business Conversation für bessere Kontakte. Überarb. u. erw. Neuausgabe. Reinbek b. Hamburg. 24 Z. B. Lenk, Hartmut E. H. (1995): Deutsche Gesprächskultur. Ein Lese- und Übungsbuch für das professionelle Konversationstraining. Helsinki. Dieses Lehrbuch „ist für die Erwachsenenbildung auf der Mittel- und Fortgeschrittenenstufe [für Deutschlernende, K.K.] konzipiert“ (ebd. 7). 28 Die Sprachratgeber kann man weiter in unterschiedliche Subsorten einteilen (vgl. Kap. III.2.). Um ein greifbares Profil der Sprachratgeber zu erreichen, schließt Greule (1997: 240 f.) folgende Texte aus: 1. Wörterbücher, d. h. alphabetisch angelegte Nachschlagewerke [...] 2. Grammatiken [...] 25 3. Schulbücher im engeren Sinn, also Lehrwerke, die nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht entstanden sind [...] 4. rein sprachkritische Literatur [...] 5. reine Sammlungen von Musterbriefen, -reden, -gesprächen usw. 6. Loseblattsammlungen Die Begründung für den Ausschluss der unter 1. bis 6. genannten Texte lässt sich zum größten Teil durch die Definition „laienlinguistische Anweisung“ erklären. Punkt 1. schließt alphabetisch geordnete Wörterbücher aus, in denen ebenso wie in den unter Punkt 2. aufgeführten Grammatiken keine anleitenden Sprachhandlungen vorkommen. Während Sprachratgeber für den Selbstunterricht vorgesehen sind, werden Schulbücher (Punkt 3.) speziell für den Unterricht durch einen Lehrer konzipiert. Außerdem haben sie einen eigenen Markt (Greule 2000b: 319). Sowohl die rein sprachkritische Literatur (Punkt 4.) als auch die reinen Sammlungen von Briefen etc. (Punkt 5.) werden aufgrund des fehlenden bzw. zu geringen Anleitungscharakters 26 nicht zu den Sprachratgebern gezählt. Ausnahmen sind hierbei „sprachkritische Opera, wenn die Autoren das antibarbarische Prinzip verwenden“ (Greule 1997: 240). Die unter Punkt 6. aufgeführten Loseblattsammlungen erfüllen lediglich das Kriterium „Buch“ nicht, wie es Greule der Definition von Sprachratgeber zugrunde legt. 27 In Anlehnung an Meyer (1993: 230 ff.) geht Greule (1997: 241) davon aus, dass es sinnvoll erscheint, Sprachratgeber sowohl als Oberals auch als Unterbegriff zu verwenden. 28 Ob es allerdings nötig ist, Bücher, die sich vor allem mit dem richtigen Sprachgebrauch („Sprachrichtigkeit“ im Gegensatz zu „Sprachschönheit“) auseinandersetzen, als „Sprachratgeber im engeren Sinn“ in einer eigenen Subsorte zu erfassen oder ob diese Bücher nicht ande- 25 Grammatiklehrbücher bzw. Gebrauchsgrammatiken zählt Greule allerdings zu den Sprachratgebern. 26 Im Kapitel V.7.3.4 werde ich zeigen, dass auch Beispiele als Ratschläge fungieren können. Werden allerdings in Büchern wie etwa den reinen Briefsammlungen ausschließlich Beispiele verwendet, so ist der Anleitungscharakter sehr gering. Sie sind bestenfalls „indirekte Hilfen bei der Produktion“ (Antos 1996: 69). Der Ausschluss dieser Bücher von den Sprachratgebern scheint mir deswegen gerechtfertigt. 27 Loseblattsammlungen zu Sprach- und Kommunikationsproblemen sind zwar eher selten, kommen aber dennoch vor (z. B. Välde 2006). Es müsste überprüft werden, ob es tatsächlich sinnvoll ist, Loseblattsammlungen von den Sprach- und Kommunikationsratgebern auszuschließen. 28 Greule selbst hat zunächst Sprachratgeber neben Stillehre und Antibarbarus gestellt (vgl. Greule 1982; Greule/ Ahlvers-Liebel 1986: 63) und die Bezeichnung erst später (Greule 1997) als Hyperonym verwendet. 29 ren Subsorten, wie etwa den Grammatiklehren, den Stillehren oder den Antibarbari 29 zuzuordnen sind, müssten weitere Analysen solcher Bücher auch mit Blick auf mögliche Traditionslinien zeigen. Dass die Subsortenzuordnung in vielen Fällen problematisch ist und es auch zu Überschneidungen in der Zuordnung einzelner Bücher kommen kann, ist nicht ungewöhnlich, wie das nächste Kapitel zeigen wird. 2. Subsorten Die Bezeichnungen der einzelnen Sprachratgebersubsorten sind sowohl in den Titeln der Ratgeber als auch in der Forschungsliteratur uneinheitlich. So finden sich z. B. je nach Autor die synonymen Bezeichnungen Stillehre, Stilkunde, Stillehrbuch, praktische oder normative Stilistik. Um eine möglichst systematische Bezeichnung der Subsorten zu erhalten, möchte ich einheitlich Komposita mit dem Grundwort -lehre verwenden. 30 Lediglich einige historische Subsorten, deren Bezeichnungen sich in der Forschung durchgesetzt haben, werde ich nicht in diese Systematik einordnen (z. B. Antibarbarus, Kanzleibuch). Die folgende Liste soll einen Überblick über die bisher in der Forschung diskutierten Subsorten geben. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Verbindlichkeit: Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Subsorten hinzukommen oder Aufspaltungen, Zusammenfassungen oder Umbenennungen sinnvoll sind. Neben der Angabe der Subsorte und ihrer Synonyme finden sich in der Liste kurze Definitionen und Erläuterungen, außerdem jeweils ein Titelbeispiel. Die Ausführungen sind an dieser Stelle bewusst knapp gehalten, da es mir vor allem darum geht, die Traditionen und Zusammenhänge aufzuzeigen, in der die von mir analysierten Smalltalk-Ratgeber stehen. Eine Theorie der Sprachratgeber, die hier lediglich umrissen werden kann, bleibt in der aufgrund des komplexen Themas notwendigen Tiefe weiterhin ein Forschungsdesiderat. 29 Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 33) diskutieren einen Unterschied zwischen Sprachratgeber (im engeren Sinn) und Antibarbarus: „Während der Antibarbarus Sprachschwierigkeiten anprangert und ex negativo zum richtigen und guten Sprachgebrauch anleiten will, will der Sprachratgeber mehr ein Führer durch Schwierigkeiten der deutschen Grammatik sein, sei es als Nachschlagewerk oder zum Selbstunterricht.“ 30 Diese systematischen Bezeichnungen finden sich auch auf der Internetseite „Bibliographie deutscher Sprachratgeber“ (http: / / www-sprachratgeber.uni-regensburg.de, gesehen am 18.09.2007). Wenn bestimmte Aspekte einer Sprachratgebersubsorte herausgehoben werden sollen, ist es allerdings durchaus sinnvoll, andere Termini zu verwendet (z. B. Höflichkeit Höflichkeitslehre). Zu beachten ist auch, dass Wörter wie Kompliment oder Konversation einen Bedeutungswandel durchgemacht haben (vgl. Linke 1996a: 104 ff., 132 ff.). So sind etwa Ratgeber des 17./ 18. Jahrhunderts, die sich selbst als Conversationsbücher bezeichnen, keine Gesprächslehren, sondern Anstandslehren (ebd. 134). 30 Subsortenbezeichnungen und Synonyme Kurze Definitionen und Erläuterungen Beispiele a) Anstandslehre (Syn.: Anstandsbuch, Anstandsliteratur, Etikettebuch, Höflichkeitslehre, Knigge, Komplimentierbuch, Manierenbuch, Umgangsliteratur, für das 17./ 18. Jahrhundert auch Konversationsbuch) Anstandslehren beschäftigen sich mit dem angemessenen und höflichen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Für eine sprachwissenschaftliche Analyse sind besonders die Ratschläge zum verbalen Verhalten interessant. Censorius, Cato (1912): Wie soll ich mich benehmen? Ein Buch über den guten Ton. Leipzig. b) Antibarbarus (Syn.: Sprachratgeber im engeren Sinn) Ein Sprachratgeber gilt als Antibarbarus, wenn er das „antibarbarische Prinzip“ verfolgt, d. h. fehlerhafte Sprachverwendungen anprangert und Verbesserungen vorschlägt (vgl. Greule 1997: 242). Matthias, Theodor (1892): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. Leipzig. c) Brieflehre (Syn.: Briefsteller, Brieflehrbuch) Brieflehren als Sonderform der Schreiblehren (vgl. m) sind mehr als eine reine Sammlung von Musterbriefen. Sie sind ein „Leitfaden zum Verfassen wohl ausgewogener, der gesellschaftlichen Norm entsprechender Briefe mit praktischen Beispielen“ (Best 1994: 83). Ehrlich, Frieda (1918): Neuester Liebesbriefsteller für Damen aller Kreise und in allen Angelegenheiten. Reutlingen. d) Gesprächslehre (Syn.: Konversationsbuch, -büchlein, Komplimentierbuch, Gesprächsbuch, -büchlein, Gesprächsratgeber, auch: praktische Rhetorik, Gesprächsrhetorik) Gespräche sind durch das Medium der Mündlichkeit und durch Sprecherwechsel gekennzeichnet. Je nach behandelter Gesprächssorte ist diese Subsorte weiter zu untergliedern. Es gibt Ratgeber für Streitgespräche, Verkaufsgespräche, Smalltalks usw. Baur, Eva Gesine (2001): Leicht gesagt. Die große Kunst des Smalltalks. München. e) Grammatiklehre (Syn.: Gebrauchsgrammatik) Grammatiklehren vermitteln Wissen über Flexion, Syntax, Wortbildung etc. Ihr Anleitungscharakter ist heute gering, einige Grammatiklehren haben jedoch einen speziellen Übungsteil. Historische Grammatiklehren, die vor der Durchsetzung einer standardsprachlichen Norm entstanden sind, enthalten mehr „laienlinguistische Anweisungen“ und fallen damit eher unter die Sprachratgeber. Kromayer, Johannes (1618): Deutsche Grammatica. Zum newen Methodo der Jugend zum besten zugerichtet. Fuer die Weymarische Schuel. Auff sonderbaren Fuerstl. Gn. Befehl. Weimar. 31 f) Kanzleibuch (Syn.: Formularbuch, Formelbuch, Notariatsbuch) Kanzleibücher sind als Anleitung zum „stilistisch einwandfrei(en) Abfassen von Briefen und Urkunden“ (H. M. Schaller, zitiert in: Götz 1992: 70) für den Kanzleigebrauch zu verstehen. Sie können Brief-, Titel-, Orthographie- und Interpunktionslehren und Synonyme beinhalten. Zur Problematik der Abgrenzung dieser Subsorte siehe i. Breunle, Mauritius (1529): Eyn kurtz Formular und kantzley büchleyn... Leipzig. g) Leselehre Leselehren sind Bücher, die die (in der Schule vermittelte) Grundfähigkeit des Lesens zum Thema hat. Mit Einführung der allgemeinen Schulpflicht zählen die Leselehren nicht mehr zu den Sprachratgebern (vgl. Kap. III.1.). Zeidler, Johann Gottlieb (1700): Neuverbessertes vollkommens ABC-Buch, oder Schlüssel zur Lesekunst. 2 Bde. Halle. h) Namenlehre Diese Ratgeber enthalten Ratschläge zur Namensgebung, z. B. in Bezug auf Vornamen von Kindern, 31 Internet-Domain-Namen, Produktnamen usw. Schumacher, Tim/ Ernstschneider, Thomas/ Wiehager, Andrea (2002): Domain-Namen im Internet. Ein Wegweiser für Namensstrategien. Berlin. i) Notariatsbuch (Syn.: Formularbuch, Formelbuch, Kanzleibuch) Die Subsorten Titellehre, Notariats-, Formular- und Kanzleibuch überschneiden sich teilweise und lassen sich nur schwer voneinander abgrenzen. Die Zuordnung der Bücher zu den entsprechenden Subsorten basiert vor allem auf der Selbstbezeichnung im Titel. Saur von Franckenberg, Abraham (1580): Penus Notariorum. Das ist: Ein neuw außerlesen Formular vnd volkomlich Notariat-Buch... Frankfurt am Mayn. j) Orthographie- und Interpunktionslehre (Syn.: Rechtschreiblehre, Rechtschreibbuch) Orthographielehren setzen sich mit der richtigen Schreibung von Wörtern auseinander. Ihr Anleitungscharakter ist heute im Vergleich zu den Büchern, die vor der Normierung der Rechtschreibung entstanden sind, eher schwach; sie können aber Übungen beinhalten. Reine Interpunk- Gueintz, Christian (1645): Die Deutsche Rechtschreibung. Auf sonderbares gut befinden Durch den Ordnenden verfasset, Von der Fruchtbringenden Gesellschaft übersehen, und zur 31 Auszuschließen sind jedoch die verbreiteten reinen (Vor-)Namenlexika. Namenlehren müssen einen eindeutig anleitenden Teil aufweisen, vgl. etwa die Formulierung im Ratgeber von Seibicke (1962: 17) zur Namensgebung eines Kindes: „Es ist deshalb angebracht, sich immer erst zu vergewissern, welche Bedeutung einem Namen zugrunde liegt, der unseren Gefallen gefunden hat“. 32 tionslehren, also Bücher, die sich nur mit der Zeichensetzung beschäftigen, sind selten; meistens nehmen sich die Orthographielehren dieses Themas an. nachricht an den tag gegeben. Halle. k) Redelehre (Syn.: Populärrhetorik, praktische Rhetorik, Rhetorikratgeber, Rhetoriklehrbuch) Im Sinne einer klaren Definition der Subsorte werden nur solche Bücher als Redelehren bezeichnet, die Ratschläge zur monologischen, gesprochenen Sprache geben. Je nach behandelter Redesorte/ Situation lässt sich die Subsorte weiter untergliedern (Geburtstagsreden, Trauerreden, wissenschaftlicher Vortrag, auch: Präsentationstechnik usw.). Titel zur Gesprächsrhetorik werden den Gesprächslehren, Titel zur Schreibrhetorik den Stillehren zugeordnet. Ebeling, Peter (1998): Reden ohne Lampenfieber. Redekunst verbessern, Konzentrationsfähigkeit steigern. Mit Praxis- Checklisten. Regensburg u. a. l) Rezeptions- oder Interpretationslehre Hierzu zählen Bücher, die sich explizit mit dem Zuhören oder mit der Interpretation von (Sach-)Texten auseinandersetzen. Im Gegensatz zu den Leselehren geht es nicht um das Erlernen einer elementaren Fähigkeit. Lucas, Manfred (2001): Die Kunst des Zuhörens. Der Schlüssel für erfolgreiche Kommunikation. Bearbeitet von Ute von Flockenhaus. 2. Aufl. Offenbach a. M. m) Schreiblehre: - literarische Texte (Syn.: Poetik, Poetiklehre, Poetiklehrbuch, Kreatives Schreiben) - Sachtexte (Syn.: Schreibratgeber) Schreiblehren sind zunächst Bücher, die sich mit dem Verfassen schriftlicher Texte (und zwar meist bestimmter Textsorten) befassen. Unter literarische Schreiblehren fallen etwa Bücher, die sich mit dem Verfassen von Gedichten oder Romanen beschäftigen. Schreiblehren für Sachtexte geben Ratschläge zum wissenschaftlichen Schreiben, zum Verfassen von Berichten, Protokollen usw. Arnoldt, Daniel Heinrich (1741): Versuch einer, nach demonstrativischer Lehrart entworfnen, Anleitung zur Poesie der Deutschen. 2. Aufl. Königsberg. Märtin, Doris (1998): Erfolgreich texten! Die besten Techniken und Strategien. München. n) Schreibmeisterbuch (heute: Kalligraphielehrbuch) Schreibmeisterbücher „sind Lehren, wie bestimmte Schriftarten und Alphabete zu schreiben sind. In älteren Schreiblehren finden sich auch Hinweise auf die Methode der Buchstabenbildung beim Schreibvorgang, auf Federschnitt und Federhaltung“ (Greule 1997: 224). Sie beziehen sich in Köfferl, Simon (ca. 1570): Anweisung schreiben lernens. Bey Simon Kofferl Rechenmeister zu Nürnberg. Nürnberg. 33 der Regel nicht auf das Erlernen der elementaren Schrift, sondern auf das Schönschreiben. In einigen Schreibmeisterbüchern sind auch Brieflehren integriert. o) Stillehre (Syn.: praktische/ normative Stilistik, Stilistik, Stilkunde, Stillehrbuch, Stilratgeber) Stillehren beziehen sich in Abgrenzung zu Redelehren auf den schriftlichen Sprachgebrauch. Sie unterweisen (ausschließlich) in der „‚Kunst des Schreibens’ im Unterschied zur ‚Kunst der Rede’“ (Best 1994: 528). Sie dienen der Vermittlung und dem Einüben stilistischer Formen. Sanders, Willy (1986): Gutes Deutsch - besseres Deutsch. Praktische Stillehre der deutschen Gegenwartssprache. Darmstadt. p) Titellehre (Syn.: Titelbüchlein, Formularbuch, Formelbuch) Eine Titellehre ist ein Buch, in dem die Anreden aufgelistet sind, die in Briefen und Urkunden bei verschiedenen Standespersonen und Würdeträgern zu verwenden sind. Zur Problematik der Abgrenzung dieser Subsorte siehe f und i. Frangk, Fabian (1531): Ein Cantzley und Titel buchlin. Darinnen gelernt wirdt wie man Sendebriefe förmlich schreiben und einem jdlichen seinen gebürlichen Titel geben sol. Wittenberg. Tab. 1: Sprachratgebersubsorten Die - oben alphabetisch aufgelisteten - Subsorten können nach verschiedenen Kriterien systematisiert werden. Sie können in Anleitungen zur Sprachproduktion oder -rezeption eingeteilt werden und nach dem Kriterium, ob der Text zum schriftlichen oder mündlichen Sprachgebrauch anleitet. Produktion Rezeption Sprechsprache Sprechen Monologisch - Redelehre Dialogisch - Gesprächslehre Hören - Rezeptions- oder Interpretationslehre Schreibsprache Schreiben - Brieflehre - Schreibmeisterbuch - Schreiblehre - Stillehre - Orthographie- und Interpunktionslehre Lesen - Rezeptions- oder Interpretationslehre - Leselehre Tab. 2: Einteilung der Sprachratgeber Weitere Klassifizierungen können durch die Unterscheidung vorgenommen werden, ob der Sprachratgeber zum elementaren (z. B. Leselehre), „richtigen“ (z. B. Orthographielehre) oder „guten“ (z. B. Stillehre) Sprachgebrauch 34 anleitet. Außerdem sind sprachebenenspezifische (z. B. Orthographielehre, Namenlehre), textsortenspezifische (z. B. Brieflehre), geschlechts- oder altersspezifische (z. B. Redelehren für Frauen 32 , Anstandslehren für Mädchen 33 ) sowie schicht- oder berufsspezifische (z. B. Anstandslehren für das Bürgertum 34 , Redelehren für Ingenieure 35 ) Ratgeber zu unterscheiden. Vereinzelt gibt es sogar regionenspezifische Ratgeber. 36 Bücher, die mehrere Subsorten in sich vereinen und unterschiedliche Sprachebenen und Textsorten berücksichtigen, sind eher selten. Sie können als „Allgemeine Sprach- und Kommunikationsratgeber“ bezeichnet werden. Diese haben dann Handbuchcharakter, wenn sie einen „allgemeinen und systematischen Überblick über die Grundfragen des Deutschen versprechen“ (Tietz 1997: 54 f.). 37 Zwei weitere Kriterien sind für eine Charakterisierung der Subsorten ausschlaggebend: die Intensität der Thematisierung von Sprache und die Intensität des Anleitungscharakters. Hier sind verschiedene Kombinationen möglich. Die Orthographielehre behandelt ausschließlich sprachliche Themen, hat (heute) aber einen geringen Anleitungscharakter. Im Vergleich dazu beinhalten Anstandslehren nur wenige Kapitel zur Sprache, leiten den Leser aber stark zu bestimmten Handlungen an. Stillehren haben eine hohe Intensität bei beiden Kriterien usw. Dabei sind je nach Fokus und Autor auch unterschiedliche Gewichtungen innerhalb derselben Subsorte möglich. Ich halte es für sinnvoll, im Zusammenhang mit der Thematisierung von Sprache von Kern- (z. B. Brieflehre) und Randbereichen (z. B. Anstandslehre) der Sprachratgeber zu sprechen. Je nach Epoche haben die Sprachratgeber insgesamt oder aber nur bestimmte Subsorten Konjunktur: So erleben die Sprachratgeber allgemein im 17. und 18. Jahrhundert eine erste Blüte (Greule 2000a: 39) und das 18. Jahr- 32 Z. B. Schlüter, Barbara (1987): Rhetorik für Frauen. Wir sprechen für uns. München. Zur Analyse von Rhetorikratgebern für Frauen siehe Thim-Mabrey (2001a). 33 Z. B. Andreas-Friedrich, Ruth (1953): So benimmt sich die junge Dame. Heidelberg. 34 Z. B. Kistner, Anna (1886): Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Ein A-B-C- Buch. Gruben. 35 Z. B. Feuerbacher, Berndt (1990): Fachwissen prägnant vortragen. Moderne Vortragstechnik für Wissenschaftler und Ingenieure. 2., überarb. Aufl. Heidelberg. 36 Z. B. Scheibenhof-Goriany, Marianne (1933): Ernst-heiterer Leitfaden für korrekte Umgangsformen in Berücksichtigung österreichischer und süddeutscher Eigenart. o. O. 37 Z. B. Bohm, Hermann (1864): Allgemeiner Deutscher Sprachlehrer und Briefsteller: Ein Rathgeber bei allen Fragen der Rechtschreibung, Grammatik und Stylistik, nebst Mustersammlung aller Arten von Briefen, Eingaben, Berichten und sonstigen im bürgerlichen und Geschäftsverkehr vorkommenden Schriftstücken; mit einem kurzgefassten Fremdwörterbuch. Zur Selbstbelehrung für Jedermann. Hrsg. von H. Bohm, Schulvorsteher Berlin. 5. Aufl. Berlin. Bergmann (1999: 231) spricht in Bezug auf die praktische Rhetorik von „Gemischtratgebern“, die thematisch weniger spezifisch sind und in denen „willkürlich herausgegriffene Alltags- und berufliche Situationen dargestellt werden.“ Sanders (1998: 41) verwendet für „grammatisch-stilistische Allround-Werke“, die „umfassende Belehrung in allen Sprachdingen“ versprechen, wiederum die Bezeichnung Sprachratgeber. 35 hundert bringt außerdem besonders viele Brieflehren hervor (Greule/ Ahlvers-Liebel 1986: 20). Des Weiteren kann es zu einer Renaissance bestimmter Subsorten kommen (z. B. Anstandslehren zu Beginn des 21. Jahrhunderts 38 ) oder es können neue Subsorten entstehen: Stillehren gibt es erst seit dem 18. Jahrhundert (ebd.) und mit dem Aufkommen moderner Kommunikationsmedien entstehen Ratgeber zu medial vermittelter Kommunikation (z. B. Ratgeber zum Telefonieren, 39 E-Mailen, 40 Simsen 41 ). Ein weiteres Beispiel sind die in dieser Arbeit thematisierten Smalltalk-Ratgeber, die als ein neuer Untertypus der Gesprächslehre erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Deutschland aufkommen. Insgesamt fällt auf, „daß im Lauf der Jahrhunderte eine Schwergewichtsverlagerung von den Sprachratgebern für die schriftliche Kommunikation zu den Sprachratgebern für die mündliche Kommunikation stattfand“ (Greule 1993: 148). Die beiden Weltkriege stellen übrigens keine wesentlichen Einschnitte in der Geschichte der Sprachratgeber dar. So gibt es nach dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zur Entwicklung in der deutschen Literatur keine Diskussion um eine „Stunde Null“. Der Ratgeberautor Maximilian Weller z. B. ist im Dritten Reich Gauredner. Nach dem Krieg ist er immer noch als Rhetoriklehrer tätig und publiziert eine weitere Redelehre mit dem Titel „Das Buch der Redekunst“ (vgl. Bremerich-Vos 1991: 16). 42 Eine strenge Klassifikation der Sprachratgebersubsorten müsste sowohl disjunkt als auch exhaustiv sein, d. h. eindeutige Zuordnungen und keine Mehrfachzuordnungen erlauben sowie alle zu klassifizierenden Elemente erfassen (vgl. Rolf 1993: 51). Die derzeitige Klassifikation der Sprachratgeber erfüllt weder das eine noch das andere Kriterium. So ist die Brieflehre eigentlich nur eine Sonderform der Schreiblehre; die Subsorten Titellehre, Notariats-, Formular- und Kanzleibuch überschneiden sich teilweise und lassen sich nur schwer voneinander abgrenzen. 43 Besonders bei den historischen Sprachratgebern kommt es zu einem Phänomen, das Greule (1997: 246) „Vernetzung“ nennt: „[...] einzelne Subtypen kommen mit einzelnen Subtypen oder gar mit Rechenbüchern vermischt oder in Anstandslehren eingebettet vor.“ Außerdem ist die Zuordnung der Bücher, die sich mit der 38 „Benimm ist wieder in“ (Süddeutsche Zeitung, 22.05.2006, S. 16). 39 Z. B. Hesse, Jürgen/ Schrader, Hans Christian (1999): Telefonieren - der direkte Weg zum neuen Job. Tips, Tricks und Training für die optimale Telefonstrategie. Frankfurt a. Main. 40 Z. B. Dressel, Martina (2005): E-Mail-„Knigge“. Wider den Sittenverfall in der E-Mail- Kommunikation. 2., vollst. überarb. Aufl. Freital. 41 Z. B. Jochmann, Ludger (2000): SMS. Sprüche, Tipps und Tricks. Frankfurt a. Main. 42 Ein grober Überblick über die Entwicklung der Sprachratgeber findet sich bei Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 6 ff.) im Zusammenhang mit der Geschichte der germanistischen Sprachpflege und bei Löffler (2001: 26 ff.). 43 Schmidt-Wächter (2004: 115 ff.) diskutiert die teils problematische Abgrenzung von Stil- und Redelehren gegenüber verwandten Texten (Poetiklehrbücher, Briefsteller, Komplimentierbücher, Predigtanleitungen, u. a.). 36 Sprachrichtigkeit befassen, unklar. 44 Die relativ unsystematische Klassifikation beruht einerseits auf den uneinheitlichen Bezeichnungen der Subsorten, die zum größten Teil aus den Titeln der Ratgeber (z. B. Antibarbarus, Kanzleibuch) stammen und zum anderen Teil der Sekundärliteratur entnommen sind (z. B. Schreibmeisterbuch, Stillehre). Andererseits haben bestimmte Bücher, z. B. Brieflehren, eine so lange Tradition, dass sie als eigene Subsorte behandelt werden sollten. Die Klassifikation der Sprachratgebersubsorten kann wohl kein geschlossenes System darstellen, sondern sollte für Neuerungen offen sein. Denn neue Kommunikationssituationen und gesellschaftliche Veränderungen bringen in der Regel auch neue Subsorten hervor. 3. Autoren, Leser und Intentionen Für eine Charakterisierung der Sprachratgeber ist relevant, wer für wen zu welchem Zweck schreibt. Das kann im Folgenden nur grob angedeutet werden, da es auch hier je nach Subsorte und Epoche Unterschiede gibt. In Kap. V. werde ich diese Fragen anhand meines Ratgeber-Korpus ausführlicher thematisieren. 3.1 Autoren In der Regel sind die Autoren der Sprachratgeber bekannt, jedoch gibt es unter den älteren Büchern einige, die anonym oder unter Pseudonym verfasst wurden. Für die Stil- und Redelehren des 17. und 18. Jahrhunderts trägt Schmidt-Wächter (2004: 68 ff.) die Biographien der jeweiligen Verfasser zusammen und kommt zu dem Ergebnis, dass alle Autoren über eine akademische Ausbildung verfügen, wobei die Studienfächer Philosophie und Theologie überwiegen. 24 von 29 Verfassern waren durch ihre Tätigkeit als Lehrer oder Professoren direkt mit den Problemen der Rhetorik oder Stilistik konfrontiert. Im 19. Jahrhundert handelt es sich bei den Ratgeberautoren „vorwiegend [um] Personen des gebildeten Mittelstandes.“ (Linke 1988: 127). Dies gilt auch noch für die modernen Sprach- und Kommunikationsratgeber: Die Autoren sind „Angehörige der gebildeten Schicht, […] ‚Bildungsbürger’“ (Law 2007: 11). Allerdings verfügen die Autoren nur teilweise über eine philologische Fachausbildung: Bei den Rede- und Gesprächslehren finden sich „fast ausschließlich […] Autoren mit psychologischer, betriebswirtschaftlicher oder pädagogischer Ausbildung“ (Bergmann 1999: 240, ebenso: Weigand 1994: 457). Eine Stichprobe von 43 aktuellen Ratgebern verschiedener Subsorten bestätigt Bergmanns Beobachtungen: 45 Die Autoren 44 Vgl. die Diskussion um Sprachratgeber im engeren Sinn und Antibarbarus in Kap. III.1. 45 In den meisten Fällen finden sich bereits im Ratgeber weitere Informationen zum Verfasser: Kurzbiographien auf der ersten Seite oder im Klappentext geben Aufschluss über Ausbildung, Beruf, publizistische Tätigkeiten usw. Manchmal stellt sich der Au- 37 sind nur selten Sprachwissenschaftler (2x) oder haben wenigstens ein germanistisches oder philologisches Studium (4x) absolviert. Es finden sich stattdessen Journalisten (5x), Pädagogen (3x), Schullehrer (3x), Betriebswirte und Kaufleute (2x), Ingenieure (2x), Hochschullehrer der Bereiche Wirtschaftsinformatik, Physik, Medizin, Text, Dramaturgie und Rhetorik sowie ein Rechtsanwalt und ein Professor für Physik. Viele Autoren werden lediglich als Trainer 46 (9x) oder freie Autoren (9x) bezeichnet, was keinerlei Rückschlüsse auf deren Ausbildung zulässt. In sieben Fällen findet sich keine Angabe zum Autor. Aus den biographischen Hinweisen können bereits Vermutungen über die Konzeption des Buches angestellt werden. Ist der Verfasser sprachwissenschaftlich vorgebildet, wird der Ratgeber wahrscheinlich anders konzipiert sein als der eines Verkaufsleiters. Ist der Verfasser z. B. Psychologe, so kann mit einer starken Betonung der psychologischen Aspekte des Sprachhandelns gerechnet werden usw. Frauen als Autoren von Ratgebern treten in nennenswerter Zahl erst seit dem 19. Jahrhundert auf 47 und verfassen zunächst vor allem Anstandslehren (Linke 1996b: 100). Ein frühes Beispiel dafür ist Amalie Gräfin von Wallenburg, die 1824 eine „Anstandslehre für das weibliche Geschlecht“ veröffentlicht. Ob sich weibliche Autoren einer anderen Sprache in der Ratgebung bedienen als männliche und ob sie vielleicht sogar andere Ratschläge geben, ist eine interessante Fragestellung, die bisher noch nicht untersucht wurde. Dass dieselben Autoren mehrere Ratgeber auch zu unterschiedlichen Subsorten verfassen, ist keine neuere Entwicklung. So hat etwa Christian Friedrich Hunold alias Menantes zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen Briefsteller, eine Redelehre, ein Gesprächsbuch und ein Komplimentierbuch verfasst (Greule 2000a: 40). Zu den prominentesten Ratgeber-Autoren der Gegenwart zählen Wolf Schneider (Stillehren), Vera Birkenbihl (Rede- und Gesprächslehren), Wolfgang Manekeller (Brieflehren), das Autorenkollektiv Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader (Ratgeber zur Bewerbung, zum Telefonieren und zum Smalltalk) und der bereits 1957 verstorbene Ludwig Reiners, dessen Stillehren bis heute aufgelegt werden. 48 tor selbst in der Einleitung vor. Die hier ausgewerteten biographischen Angaben sind der kommentierten Beispielbibliographie von Löffler (2001: 74 ff.) entnommen. 46 Die Kurzbiographien geben kaum Hinweise, welchen Bezug die Trainer zur Linguistik haben. Es kommen in Frage: „Trainerinnen und Trainern ohne aktuellen Kontakt zur Linguistik bzw. zu Linguisten“, „Trainer mit Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Linguisten“, „Linguistinnen und Linguisten, die nebenberuflich als Trainer tätig sind oder waren und Trainerinnen und Trainer, die in der sprachbzw. sprechwissenschaftlichen Forschung tätig sind oder waren“ (Weber/ Antos 2005: 60 f.). 47 In Doedes (1958: 82) Bibliographie der Schreibmeisterlehrbücher findet sich nur ein früher Nachweis eines weiblichen Autors: Anna Waser hat im Jahr 1708 ein Buch mit dem Titel „Schreibüebung“ verfasst. 48 2007 erschien die 35. Auflage seiner „Stilfibel“. 38 3.2 Leser Die ältesten deutschen Sprachratgeber zählen zu den Subsorten Brieflehre, Titellehre, Notariats-, Formular- und Kanzleibuch. Sie wurden für die Berufspraxis der damaligen sprachintensiven Berufe vor allem in der Verwaltung verfasst (Sekretäre, Kanzleischreiber etc.). Ein weiterer früher Adressatenkreis der Sprachratgeber sind Schüler und Studenten, die bis ins 18. Jahrhundert hinein eine der Hauptzielgruppen für Stil- und Redelehren darstellen (Schmidt-Wächter 2004: 83). Die Mehrzahl der Anstandslehren richtet sich im 17. und 18. Jahrhundert noch an ein gentiles oder zumindest höfisch orientiertes Publikum (Beetz 1990: 100 f.), im 19. Jahrhundert dann vermutlich an den gesamten Mittelstand (Linke 1988: 127). Heute wird mit diesen Büchern meist ein sehr breites Publikum angesprochen; Antos (1996: 7) nennt z. B. „Leiter der Fort- und Weiterbildung in Ministerien, Verwaltungen oder in Unternehmen, Studierende aller Fachrichtungen oder ganz ‚einfache’ Sachbearbeiter, Abteilungsleiterinnen, technische Autoren oder einschlägig interessierte Privatleute, Feuilletonisten, PublizistInnen.“ In der Regel sind die Adressaten der Ratgeber Erwachsene; die jüngere Generation als expliziter Adressat findet sich früher 49 wie heute 50 vor allem bei den Anstandslehren. Tietz (1997: 45) bespricht einige Ratgeber im Sektor „Jugend und Schule“ 51 und hält hier den „Beginn eines Trends“ für möglich. Bei einem Großteil der Ratgeber bleibt allerdings die Adressatenorientierung, die man entweder dem Titel, dem Vorwort, der Einleitung oder dem Klappentext entnehmen kann, vage. So schreibt das Ehepaar Leisi (1993: 12) seinen „Sprach-Knigge“ für „Menschen jeden Alters“ und ebenso allgemein bleiben Märtin/ Boeck (2000: Klappentext): Ihr Ratgeber ist „für alle, die ihre Kommunikationsfähigkeit im Berufs- und Privatleben verbessern wollen“. Häufig wird die Zielgruppe sogar gar nicht genannt (vgl. Löffler 2001: 75 ff.). Bergmann (1999: 227) geht davon aus, dass die gewollte oder ungewollte Vagheit der Adressatenorientierung möglicherweise etwas damit zu tun hat, dass viele Autoren gleichzeitig als Trainer arbeiten und ihre Trainingssituation, „in der die Trainer mit Menschen ganz unterschiedlicher beruflicher, sozialer und regionaler Herkunft arbeiten müssen“, auch auf das Buch übertragen. Außerdem könnte die Vagheit der Zielgruppe „marktstrategische Gründe“ (ebd. 235) haben: Da Bücher häufig nach Titel oder nach den Kurzinformationen auf dem Klappentext ausgewählt werden, bleiben 49 Z. B. Schuster, Johannes (1887): Kleine Höflichkeits- und Anstandslehre für Schulkinder. München. 50 Z. B. Nitsch, Cornelia (2004): Kids mit Stil. Der Knigge für Kinder und Jugendliche. München. 51 Z. B. Konnertz, Dirk (1995): Mehr melden. Selbstsicherheit gewinnen. Das Programm für gute Noten im Mündlichen. Klassen 5-10. München/ Wien. Tietz (1997) hat ein sehr allgemeines Verständnis von Sprachratgebern und viele der von ihr aufgelisteten „pädagogisch-psychologisch orientierte[n] Ratgeber“ (ebd. 11) würde ich nicht zu ihnen zählen. Sie werden vor allem ex negativo dadurch bestimmt, dass es sich eben nicht um „klassische, meist klassengebundene Lehrbücher“ (ebd. 44) handelt. 39 die Ratgeber hier eher allgemein, um möglichst viele Käufer zu gewinnen. Das kann allerdings dazu führen, dass unter Umständen die deklarierte Zielgruppe nicht mit der in der Sachdarstellung tatsächlich benannten identisch ist: „Gegebenenfalls weitet sich die Gruppe der angesprochenen Leser im Buch selbst aus, oder sie verengt sich.“ (ebd.). Solche Diskrepanzen zwischen angekündigter Zielgruppe und Konzeption des Ratgebers müssen im Rahmen einer Kritik der Sprachratgeber thematisiert werden. Bisher war von den intendierten Adressaten die Rede, die die Autoren selbst in ihren Ratgebern erwähnen. Schwieriger ist es, die tatsächlichen Leser dieser Ratgeber zu ermitteln. Dazu habe ich im Dezember 2004 einen Fragebogen an all diejenigen Verfasser einer Kundenrezension 52 eines Sprach- oder Kommunikationsratgebers geschickt, die beim Internetversandhandel Amazon ihre E-Mail-Adresse hinterlassen haben. Nicht erfassen konnte ich mit dieser Methode Personen, die das Buch zwar gekauft (oder geschenkt bekommen) haben, es aber nie gelesen haben, oder Personen, die zwar das Buch gelesen haben, sich aber nicht als Rezensenten betätigen. Auch von den Rezensenten konnten diejenigen nicht berücksichtigt werden, deren E-Mail-Adresse unbekannt oder ungültig war. Bei der Auswertung des Fragebogens ist auch noch zu bedenken, dass zwar prinzipiell jeder im Internet eine Kundenrezension zu einem Buch veröffentlichen kann, jedoch für einige Leser eine Hemmschwelle bestehen könnte, sich in einem solchen Rahmen auch sprachlich adäquat zu präsentieren. Mit der Beschränkung auf die Rezensenten könnten damit bereits bestimmte Leserkreise von der Befragung ausgeschlossen worden sein. Auch wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind, so zeigen sie doch zumindest eine gewisse Tendenz auf. Von 133 erfolgreich versendeten E-Mails erhielt ich 27 Antworten (= Rücklaufquote von 20,3%). Der jüngste Leser eines Sprachratgebers war 20 Jahre alt, der älteste 73 Jahre, der Durchschnitt lag bei 35,5 Jahren. Es antworteten 6 Frauen und 21 Männer. Als Berufe wurden genannt: - Student (3x), Student (Jura) - Übersetzerin (2x), Fachübersetzerin - Diplomingenieur (2x), Diplom-Informatiker (2x), Informatikkaufmann, IT Consultant, Systemadministrator - Nachrichten-Korrespondent, Schriftsteller, Journalist - Moderator/ Mediator/ Coach, Bankkaufmann/ freiberuflicher Trainer, Coach/ Berater/ Dozent - Leiterin Event-Management - Physiker, Professor, Dipl. Chemiker und Philosoph/ Buchautor - Dr. theol., Dr. phil. und Pfarrer - Rechtsanwalt angehende pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) 52 Im Kap. V.10. bespreche ich ausführlich, was Kundenrezensionen sind und welchen Wert sie für sprachwissenschaftliche Untersuchungen haben. 40 Auffällig ist, dass alle Leser eine höhere Schulbildung, sehr viele sogar einen Hochschulabschluss haben. Es finden sich keine Berufe aus dem Handwerker- oder Arbeiterbereich. Ansonsten sind die Leser doch sehr unterschiedlich: Die Bereiche Technik und Naturwissenschaften sind ebenso vertreten wie die schreibintensiven Berufe Journalist oder Übersetzer. Wenig erstaunlich ist, dass einige Trainer unter den Lesern sind, die wahrscheinlich selbst wiederum Kurse zu Kommunikation und beruflicher Weiterbildung geben: Eine Umfrage unter Kommunikationstrainern hat gezeigt, dass sie weniger wissenschaftliche Literatur im engeren Sinne als vielmehr für die Praxis (und auch von der Praxis) aufbereitete Literatur bevorzugen (Brünner/ Fiehler 1999: 222 f.). Da Trainer auch eine wichtige Autorengruppe darstellen, unterscheiden sich die Leser u. U. von den Autoren gar nicht so stark. Im Großen und Ganzen decken sich die von mir befragten Leser mit dem an Sprache und Kommunikation interessierten breiten Publikum, das Antos (siehe oben) spezifiziert. 3.3 Intention des Autors Für eine textpragmatische Einordnung der Sprachratgeber ist zudem von Bedeutung, welche Ziele die Autoren mit ihren Büchern verfolgen. Die Kommunikationsabsicht des Emittenten wird in der Textlinguistik gewöhnlich mit dem Terminus „Textfunktion“ wiedergegeben (vgl. Rolf 1993: 61). Der Begriff bezeichnet allerdings nicht die wahre Absicht, die ein Produzent mit seinem Text verbindet, sondern lediglich die Kommunikationsabsicht, die mittels des Textes ausgedrückt wird (Brinker 2005: 100). 53 Ebenfalls nicht erfasst wird die tatsächliche Wirkung, die ein Text auf den Empfänger ausübt. Die bekannteste Klassifikation von Funktionskategorien stammt von Brinker (zuletzt 2005). Er unterscheidet in Anlehnung an die von Searle (1982) vorgeschlagenen Illokutionstypen der Sprechakttheorie fünf Textfunktionen: Informationsfunktion (Wissen vermitteln), Appellfunktion (Handeln beeinflussen), Obligationsfunktion (Verpflichtungen vollziehen), Kontaktfunktion (persönliche Beziehungen herstellen und pflegen) und Deklarationsfunktion (juristische Festlegungen schaffen). Ergänzen kann man Brinkers Kategorien durch die in der Dudengrammatik (2005: 1163) angegebene Unterhaltungsfunktion (Vergnügen bereiten). Ein Text kann zwar durchaus mehrere kommunikative Funktionen erfüllen, jedoch weist Brinker (2005: 89) darauf hin, dass „der Kommunikationsmodus eines Textes insgesamt aber nur durch e i n e Funktion bestimmt wird [Hervorhebung im Original, K.K.].“, die er als Haupttextfunktion bezeichnet. Da ein Sprachratgeber nach Greules Definition (vgl. Kap. III.1.) das Ziel hat, den Leser zum Gebrauch seiner Muttersprache anzuleiten, liegt es nahe, 53 Für eine ausführliche Diskussion des Begriffs „kommunikative Absicht“ vgl. Thim- Mabrey (2001b: 31 ff.). 41 ihn zu den Texten mit Appellfunktion zu zählen. 54 Brinker (2005: 119) selbst stellt jedoch fest, dass die Zuordnung bestimmter Textsorten, beispielsweise Gebrauchsanweisung, Bedienungsanleitung und Kochrezept, zu den appellativen Texten nicht ganz unproblematisch ist: Der Emittent will in Texten dieser Art den Rezipienten prinzipiell nicht zu einer unmittelbaren Handlung veranlassen, sondern ihn über bestimmte Handlungsschritte und -möglichkeiten informieren […]. Die kommunikative Funktion dieser Texte ist als Wenn-dann-Relation explizierbar. Wenn jemand Skat spielen will, dann befolge er die Regeln A, B, C; […]. (ebd.) In der Forschung werden Texte, in denen der Rezipient zunächst mit einem Wissen ausgestattet wird, das er benötigt, um einen von ihm präferierten Zustand im Bedarfsfall herbeizuführen, als Instruktionstexte bezeichnet (vgl. die Diskussion in Franke 1997: 161 ff.). Auch die Sprachratgeber nehmen eine solche Sonderstellung zwischen Texten mit Informationsfunktion und solchen mit Appellfunktion ein. Dies veranschaulicht das folgende Beispiel aus einer Einleitung eines Smalltalk-Ratgebers: Mein Ziel war es, das Wissen und die Erfahrungen, die ich in Jahren des Studierens und Ausprobierens zusammengetragen habe, auf knapp 250 Seiten zu komprimieren und Ihnen als wirksame Anleitung für Ihren gesellschaftlichen Erfolg zu übergeben. (Naumann 2004: 10) Schmidt-Wächter (2004: 78), die Stil- und Redelehrbücher des 17. und 18. Jahrhunderts untersucht, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Information und Anleitung für diese Bücher elementar sind. Sie greift terminologisch auf die Rhetoriktheorie zurück und stellt als dominierende Intention der Ratgeber das DOCERE heraus: das Belehren und Darstellen eines Wissensgebietes. Als weitere dominierende Intention nennt Schmidt-Wächter darüber hinaus das DELECTARE, das sich mit der oben beschriebenen Unterhaltungsfunktion deckt. Wenn man die Instruktion wie Brinker (2005: 119) als eine „spezifische Ausprägung der Appellfunktion“ versteht, so ist für die Sprachratgeber als Haupttextfunktion die Appellfunktion anzusetzen und als Nebentextfunktionen die Informations- und Unterhaltungsfunktion. Je nach Autor oder Subsorte kann in den Ratgebern eine der beschriebenen Nebentextfunktionen zur Haupttextfunktion werden: So sieht Sanders (1988: 392) bei den Stillehren die Tendenz, dass viele eher „als ‚Entertainment’, als amüsante Unterhaltungslektüre“ konzipiert sind und auch so rezipiert werden. 55 54 Die sprachlichen Mittel, die diese kommunikative Absicht des Autors signalisieren, werden exemplarisch anhand der Smalltalk-Ratgeber in Kap. V.7.3 dargestellt. 55 Welche Wirkungen die Smalltalk-Ratgeber auf die Leser ausüben, wird in Kap. V.10. ermittelt. 42 4. Sprachratgeber im Kontext der Laien-Linguistik 4.1 Definition „Laien-Linguistik“ Gerd Antos hat 1996 in seinem Buch „Laien-Linguistik“ einen wichtigen Beitrag zur Einordnung der Sprachratgeber in einen größeren theoretischen Zusammenhang geliefert und im Wesentlichen dazu beigetragen, dass diese Bücher in der Forschung stärkere Beachtung finden. ‚Laien-Linguistik’ ist eine an die breite Öffentlichkeit gerichtete praxisorientierte Sprach- und Kommunikationslehre zur Lösung muttersprachlicher Probleme. Sie ist eine für und bisweilen auch von (gebildeten) Laien betriebene handlungsorientierte Thematisierung des Gebrauchs von Sprache in Kommunikation in Form von bestimmten Publikationen und Lehrangeboten (‚Seminare’, ‚Trainings’) [Hervorhebungen im Original, K.K.]. (Antos 1996: 13) Die Definition zeigt, dass „Laien-Linguistik“ weit mehr umfasst als die Gruppe der Sprachratgeber. Antos (ebd. 27) subsumiert darunter nämlich nicht nur Bücher, sondern auch mündliche Anleitungen wie Seminare oder Trainings und sogar Einrichtungen zur Sprachberatung. 56 Er schränkt außerdem die schriftlich fixierte „Laien-Linguistik“ nicht weiter ein und zählt relativ unsystematisch auch „deskriptive, enzyklopädisch ausgerichtete und/ oder unterhaltende Darstellungen zu sprachlich-kommunikativen Themen oder Problemen“ (ebd. 25) dazu. Ich schließe diese wie Greule von den Sprachratgebern aus, da sie keine „laienlinguistischen Anweisungen“ beinhalten. Wie Law (2007: 11) richtig erkannt hat, verbergen sich hinter Antos’ Definition von „Laien-Linguistik“ eigentlich zwei Typen: Man könnte hier zwischen einfacher und doppelter Laien-Linguistik unterscheiden: bei der ‚einfachen’ handelt es sich um ein Werk eines Germanisten/ Sprachwissenschaftlers für Laien, bei der ‚doppelten’ um ein Werk eines Sprachliebhabers/ eines Laien für Laien. Diese Unterscheidung ist wichtig, da davon ausgegangen werden muss, dass sich der fachliche Hintergrund des Ratgebenden wesentlich in Inhalt und Konzeption der Beratung niederschlägt. Die in Antos’ Definition dargestellte Laienorientierung (in Bezug auf den Adressaten) und Praxisorientierung (in Bezug auf die vermittelten Inhalte) sind für eine Beschreibung der 56 Für Antos (1996: 27) ist diesen drei Formen der Laien-Linguistik gemeinsam, „daß es sich hier um eine semi-institutionalisierte Form der Sprach- und Kommunikationsvermittlung handelt.“ Diese Bestimmung passt wohl weder zum Selbstverständnis der meisten Einrichtungen zur Sprachberatung (z. B. Dudenredaktion, Gesellschaft für deutsche Sprache usw.) noch zur gängigen Forschungsmeinung: Sie werden explizit als Sprachpflegeinstitutionen bezeichnet (z. B. Greule/ Ahlvers-Liebel 1986: 56 ff.). Außerdem arbeiten diese Einrichtungen im positiven Sinne populärwissenschaftlich, was laut Antos (1996: 15 ff.) nicht auf die Laien-Linguistik zutrifft (vgl. Kap. III.4.3). 43 Sprachratgeber elementar, 57 dennoch sehe ich einige Probleme in der Verwendung des Begriffs „Laien-Linguistik“. 4.2 Kritik am Begriff „Laien-Linguistik“ Der Begriff „Laien-Linguistik“ ist nicht besonders glücklich gewählt. Laie in der Bedeutung ‚jemand, der auf einem bestimmten Gebiet keine Fachkenntnisse hat; Nichtfachmann’ (Duden 2003) ist häufig negativ konnotiert: Laien werden oft herabgesetzt und verspottet, vorzugsweise als dumm, einfältig usw. Hier deutet sich eine spezifische Bewertung an, nämlich die, Laien als Personen zu sehen, die nicht nur ‚Nichtskönner’ sind, sondern auch sich selbst nicht hinreichend behaupten können, so daß sie für fremde Interessen ausnutzbar werden. (Wichter 1994: 62) Vor dem Hintergrund, dass besonders Antos (z. B. 2003) den Austausch zwischen Öffentlichkeit und Linguistik fördern will, erscheint es wenig hilfreich, gerade den Bereich, der sich damit beschäftigt, die Öffentlichkeit in Sprachfragen zu beraten, mit einem in der Allgemeinsprache negativ konnotierten Wort zu belegen. Dies gilt insbesondere für die „doppelte Laienlinguistik“. Das Problem liegt in der Definition von Laie und Experte. 58 Antos versteht unter Laie einen sprachwissenschaftlichen Laien. Auf eine genaue Definition geht er allerdings nicht ein und so bleibt die Frage offen, ob jeder, der nicht als Sprachwissenschaftler arbeitet, ein sprachwissenschaftlicher Laie ist. Gerade in Bezug auf die Autoren der Laien-Linguistik wirft diese fehlende Definition einige Fragen auf. Der derzeit populärste „Deutschlehrer“ und Kolumnenschreiber, Bastian Sick, hat zwar Romanistik und Geschichte, nicht aber Germanistik studiert. Ist er ein Laie im Antos’schen Sinne? Einer der führenden Rechtschreibexperten Deutschlands, Christian Stang, hat nicht einmal eine universitäre Ausbildung und ist Mitarbeiter bei der Deutschen Post AG. Dennoch würde er sich wohl gegen die Bezeichnung Laie wehren. Ist dagegen jemand, der zwar Germanistik studiert hat, dann freiberuflich als Trainer arbeitet, ein linguistischer Experte? Antos scheint als Maßstab den Berufsspezialisten anzusetzen: Ein Experte ist, wer als Linguist, also in der Wissenschaft arbeitet, eventuell noch, wer ein linguistisches Fachstudium vorweisen kann. Da sich aber ein „beruflicher Laie“ aus „individuell-biographischen Motiven“ heraus ein Spezialwissen zu einem Sachbereich aneignen kann, das „nicht selten das Wissen in 57 Diese Aspekte gelten nicht nur für Sprachratgeber, sondern für Ratgeber allgemein. Ratgeber sind laut Umlauf (1996: 76) allgemeinverständliche Darstellungen, die sich an Laien wenden und sich von den populären Sachbüchern durch die Ausrichtung auf einen praktischen Verwendungszusammenhang unterscheiden. 58 Antos ist sich anscheinend dieser Problematik bewusst, versucht jedoch das Wort Experte zu vermeiden und spricht etwa von „versierten Profis der Laien-Linguistik“ (Antos 1996: 129), was allerdings nicht weniger problematisch ist. 44 diesem Bereich arbeitender Berufsspezialisten [übersteigt]“ (Sprondel 1979: 141), scheint es hilfreich zu sein, auf der einen Seite zwischen Sonder-, Experten- und Allgemeinwissen, auf der anderen Seite zwischen der beruflich organisierten Expertise zu unterscheiden. Der Begriff Experte wird allgemeinsprachlich aber auch noch anders verwendet und jeder, der einen wie auch immer gearteten Wissensvorsprung besitzt, kann sich selbst als Experten bezeichnen oder von anderen als solcher bezeichnet werden. Dieses Expertenwissen muss dann nicht zwingend ein durch eine linguistische Fachausbildung erworbenes Fachwissen sein. So zeichnen sich Autoren von Sprachratgebern durch ein „erfahrungsbezogenes Expertentum“ (Bergmann 1999: 243) aus. Es ist auch notwendig, den Autoren von Ratgebern einen Wissensvorsprung und damit einen Expertenstatus zuzuerkennen. Nur so können diese Bücher unter dem Aspekt der Beratung (vgl. Dewe 2006: 132) gelesen und auch analysiert werden. Wie die Analyse der Smalltalk-Ratgeber (vgl. Kap. V.) zeigt, ist es durchaus sinnvoll, die Sprachratgeber mit einer Experten-Laien-Kommunikation 59 in Verbindung zu bringen, da die Gegenüberstellung von Kommunikationsexperte und -laie ein wichtiges strukturelles Merkmal ist. Bei der Statusbestimmung des Sprachratgeberautors sollte also differenzierter vorgegangen werden, als Antos das tut. So sollte nämlich zwischen (fach-)theoriebezogenem und praxisbezogenem Wissen auf der einen Seite und beruflicher und praktischer Expertise auf der anderen Seite unterschieden werden. Autoren von Sprachratgebern zeichnen sich also im Allgemeinen durch ein erfahrungsbezogenes Expertentum aus, sie können zusätzlich aber auch Fachexperten, also Linguisten sein. Dass sie in ihre Ratgeber neben dem obligatorischen Praxiswissen auch theoriebezogenes Fachwissen einbringen, ist zwar bei Fachexperten wahrscheinlicher, aber auch Praktiker können sich dieses angeeignet haben. 60 In der Fachsprachenforschung wurden verschiedene Modelle entwickelt, die Verteilung von Fachwissen auf Experten und Laien zu klären. Wichter (1994: 42) etwa unterscheidet die Gruppe der „informierten Laien“, die einen Bezug zum Fach haben und dem Fachumfeld zuzuordnen sind, und die Gruppe der „absoluten Laien“, die im Fachaußenfeld angesiedelt sind. Da es auch „innerhalb des Expertenbereichs [...] in der Regel Niveaudifferenzierungen [gibt]“ (ebd. 54), existiert ein breiter Übergangsbereich zwischen 59 Wissenstransfer zwischen Experte und Experte ist ein Phänomen der horizontalen Kommunikation („Ingroup-Kommunikation“). Da es in der Linguistik, wie auch in anderen Disziplinen, üblich ist, dass Forschungsschwerpunkte gesetzt werden, ist nicht jeder Linguist auf allen Gebieten ein Experte. Wissensvermittlung von Experte zu Experte findet z. B. auf Tagungen, durch Vorträge oder Publikationen statt. 60 Meine Umfrage unter den Rezensenten von Sprach- und Kommunikationsratgebern (vgl. Kap. III.3.2) hat ergeben, dass ihnen die Ausbildung des Autors eher unwichtig ist. Wenn sich die Leser überhaupt vor dem Kauf des Buchs über den Autor informieren, dann legen sie mehr Wert auf praktische Erfahrungen als z. B. auf ein germanistisches Studium. 45 dem „absoluten Laien“ und „absoluten Experten“. Bergmann (1999: 244) ordnet in Anlehnung an Wichters Terminologie die Autoren der Rhetorikratgeber dem Fachumfeld („interessierte Laien“) und die Rezipienten dem Fachaußenfeld („absolute Laien“) zu. Dies kann jedoch nicht verallgemeinert werden, denn es gibt auch Sprachratgeberautoren, die Linguisten sind und damit zum Fachinnenfeld gehören. Außerdem sind, wie vorne dargestellt, die Leser häufig selbst Kommunikationstrainer und zählen damit eher zu den interessierten Laien des Fachumfelds. Mit Blick auf die Geschichte der Sprachratgeber wird eine Unterscheidung zwischen Experte und Laie noch problematischer: Zum einen gab es lange Zeit gar keine etablierte sprachwissenschaftliche Forschung - und damit auch keine (geregelte) Ausbildung -, zum anderen unterschieden sich Verfasser und Leser von Sprachratgebern je nach Subsorte und Epoche stark voneinander. So könnte eine der Zielgruppen der Stil- und Redelehren im 17./ 18. Jahrhundert, die Studenten (vgl. Schmidt-Wächter 2004: 75), unter Umständen sogar zum Fachinnenfeld gezählt werden. Diese Sprachratgeber würden dann in den Bereich der fachinternen Kommunikation fallen. Meines Erachtens berücksichtigt Antos in seiner Theorie der Laien- Linguistik, die er zwar vor allem gegenwartssprachlich darlegt, 61 aber nicht nur so verstanden haben will, die Geschichte der Sprachratgeber und der Sprachberatung zu wenig. Die Dichotomie Laie - Experte erweist sich, wie dargelegt, insgesamt als sehr problematisch, so dass es mir sinnvoller erscheint, statt Laie den Terminus Praktiker zu verwenden. In Anlehnung an die von Weigand (1994: 457) vorgeschlagene Definition für „Praktische Rhetorik“ könnte man für die Sprachratgeber Folgendes formulieren: Unter dem Begriff Sprachratgeber wird Literatur zusammengefasst, die für die Praxis geschrieben und meist auch von Praktikern verfasst ist. 62 Der jeweilige berufliche Hintergrund dieser Praktiker kann sich auf die Konzeption ihrer praxisorientierten Kommunikations- und Sprachvermittlung in den Ratgebern auswirken (vgl. Kap. III.3.1). 4.3 Laien-Linguistik als Popularisierung oder Didaktisierung sprachlichen Wissens? Im Zusammenhang mit Sprachratgebern und deren Subsorten fällt nicht selten der Begriff Lehrbuch (Classen 1992: 251; Schmidt-Wächter 2004). Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 62) beispielsweise sprechen den Sprachratgebern eine „didaktische Intention“ zu, die sie in Titeln wie „Jeder sein eigener 61 Die Bezeichnung Linguistik wird eigentlich nur für die moderne Sprachwissenschaft ab dem 20. Jahrhundert verwendet. Unter sprachhistorischen Gesichtspunkten ist der Begriff „Laien-Linguistik“ deshalb nicht ideal gewählt. 62 Weigand (1994: 457) und auch Adamzik (1995: 7) nennen solche Literatur „Praxisliteratur“. 46 Deutschlehrer“ von Hans Lobentanzer (mittlerweile 14. Aufl. 1999) bestätigt sehen. Außerdem werden Ratgeber bzw. Ratgebertexte allgemein gewöhnlich zu den populärwissenschaftlichen Darstellungsformen gestellt. 63 Für eine möglichst genaue Charakterisierung der Sprachratgeber ist es sinnvoll, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur populärwissenschaftlichen (als fachexterne) und didaktischen (als fachinterne) Vermittlung sprachlichen Wissens herauszustellen. „Populär, im Sinne von popularisierend, bedeutet dabei so viel wie: nicht fachwissenschaftlich, allgemeinverständlich, für ein breites Lesepublikum geschrieben [Hervorhebung im Original, K.K.].“ (Sanders 1998: 39). Didaktisch dagegen bezieht sich eher auf die Art der Vermittlung. Antos (1996: 9) versteht die Laien-Linguistik nicht als „didaktisierte oder popularisierte Sprachwissenschaft“, sondern als eine Art „Alternativ- Linguistik“. Populärwissenschaftliche oder sprachdidaktische Texte zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass Wissenschaftler für ein Laien-Publikum schreiben und ihm wissenschaftliche Inhalte auf leicht verständliche Art vermitteln, ohne jedoch wissenschaftliche Kernaussagen zu verändern. Dies nennt Antos (ebd. 15) „Transfer-Invarianz“. Die Laien-Linguistik strebe diese nicht an; nur in seltenen Fällen werde überhaupt (sprach-)wissenschaftlich reflektiertes Wissen durch laienlinguistische Texte weitergegeben. Die Abneigung der Laien-Linguisten gegen wissenschaftliche Erkenntnisse sieht Antos in deren Fokussierung auf die Praxis begründet, für die eine theoretische Wissenschaft kaum relevante Lösungen bieten kann. So bedienen sich die Autoren (je nach Subsorte in unterschiedlicher Gewichtung) diverser wissenschaftlicher und popularisierender „Theoriefragmente“ (ebd. 28) der Psychologie, der Gehirnforschung, der Sprach- und Sozialpsychologie. Diese werden angereichert mit Aspekten der Grammatik, Rhetorik und Stilistik und mit persönlichen Einschätzungen zu bestimmten Kommunikationssituationen aus dem Erfahrungsschatz des Autors, auf dem sich auch dessen Kompetenzanspruch aufbaut (Bergmann 1999: 240). Antos (1996: 17) sieht die Laien-Linguistik zwar als ein eigenständiges Phänomen an, geht jedoch davon aus, dass es auch „eine Reihe von Übergängen zum Populärwissenschaftlichen oder zum Sprachdidaktischen“ gibt. Obwohl es sinnvoll erscheint, die Besonderheiten der Laien-Linguistik in Abgrenzung zu verwandten Phänomenen herauszustellen, ist Antos’ Ansatz, wiederum vor allem in Bezug auf die Geschichte der Sprachratgeber, problematisch. 63 Gläser (1990: 175 f.) zählt folgende Textsorten zur populärwissenschaftlichen Literatur: populärwissenschaftliche Zeitungsartikel, populärwissenschaftliche Buchbesprechung, Sachbuch und „Aufklärungs- und Ratgebertexte und Schulprospekte als Informationsmaterial für die breite Öffentlichkeit.“ 47 Die (heutige) Laien-Linguistik basiert auf einer Tradition 64 von Büchern, die zunächst auch explizit als didaktische Lehrbücher konzipiert waren. Das L.[= Lehrbuch, K.K.] ist eine Gattung der didaktischen Literatur, die dem Lehrenden und Lernenden in systematischer und methodischer Weise unter didaktisch-rhetorischer Aufarbeitung und Präsentation des Fachwissens einen Überblick über mindestens ein substantielles Teilgebiet eines Faches, im Regelfall aber über das gesamte Fach vermitteln und ihm die Aneignung bestimmter Fähigkeiten und Kenntnisse im schulischen und Hochschulunterricht, in der fachlichen Ausbildung oder im Selbststudium ermöglichen soll. (Engels 2001: Sp. 85) Die Aufgabe eines Lehrbuchs ist es also, fachliches Wissen für Lehrende oder Lernende eines Fachs zu didaktisieren. Zwar ist im Gegensatz zum Schulbuch eine institutionelle Bindung nicht zwingend - das Lehrbuch kann auch zum Selbststudium konzipiert sein (siehe oben) - jedoch liegt der entscheidende Unterschied in der Zielgruppe: Während sich das Lehrbuch ausschließlich an Lernende des Fachs wendet (fachinterne Kommunikation), richtet sich der moderne Ratgeber vor allem an den fachlichen Laien (vgl. Kap. III.4.2). Zwar geht Engels in seinem Artikel auf die Verfasser von Lehrbüchern nicht weiter ein, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass diese in der Regel berufliche Experten des jeweiligen Faches sind, was bei Ratgebern nicht unbedingt der Fall sein muss. Der Sprachratgeber, wie wir ihn heute kennen, hat im Laufe seiner Geschichte eine Entwicklung durchgemacht. Zu Beginn bestanden noch Parallelen zu dem, was wir heute als Lehrbuch im oben genannten Sinne bezeichnen; einige Sprachratgeber waren ursprünglich sogar nur für den Lehrenden verfasst worden. Für den Zeitraum vor der Einführung der allgemeinen Schulpflicht kann man demnach noch nicht streng zwischen Sprachratgebern und Sprachlehrbüchern unterscheiden. Bücher, die vor der Etablierung der Sprachwissenschaft als eigene Disziplin entstanden sind, können kaum unter dem Kriterium der Popularisierung wissenschaftlichen Wissens für die fachexterne Kommunikation gefasst werden. Unter historischen Aspekten ist der Begriff Popularisierung bzw. Populärwissenschaft also kaum hilfreich. Ein weiteres Gegenargument zu Antos’ Abgrenzung zwischen der Laien- Linguistik und einer Populär-Linguistik, im Sinne einer Popularisierung von Fachwissen, ist die Tatsache, dass es Sprachratgeber gibt, die als „echte“ populärwissenschaftliche Publikationen gelten müssen. So haben etwa die beiden Sprachwissenschaftler Ulrich Püschel und Willy Sanders Stillehren nicht nur wissenschaftlich analysiert, sondern auch solche unter Berücksichtigung 64 Beweise für solche Traditionen sind zahlreich und wurden in den Arbeiten zu bestimmten Subsorten nachgewiesen. Gut untersucht sind diesbezüglich z. B. die Stilprinzipien in Stil- und Brieflehren (z. B. Nickisch 1969; Püschel 1991; Sanders 1988). 48 wissenschaftlicher Inhalte und Theorien verfasst (vgl. Püschel 2000; Sanders 2002). 65 Als Fazit kann festgehalten werden, dass der Sprachratgeber gewissermaßen „zwischen Belehrung, Unterhaltung und populärwissenschaftlicher Darstellung“ (Bergmann 1999: 236) angesiedelt ist. Je nach Epoche, Subsorte oder Autor verschiebt sich die Schwerpunktsetzung. 5. Sprachratgeber vs. Kommunikationsratgeber In Anlehnung an den Ratgebertitel „Deutscher Sprach-Ratgeber“ von Bruno Betcke (1947) schlagen Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 31 f.) Sprachratgeber als Bezeichnung für eine bestimmte Buchsorte vor. In der Forschung wird der Terminus mittlerweile häufig verwendet, allerdings in zwei unterschiedlichen Bedeutungen, auf die ich bereits in Kap. III.1. hingewiesen habe: zum einen als Oberbegriff für eine bestimmte Textsorte(ngruppe) bzw. Buchsorte (Antos 1996; Greule 1997, 2000b, 2002), zum anderen als Bezeichnung für eine bestimmte Subsorte, die sich mit Sprachrichtigkeit befasst (Law 2007; Meyer 1993). Da Sprachratgeber keine usuelle Wortbildung der Allgemeinsprache ist, besteht die Gefahr, dass der Begriff besonders Nicht-Linguisten Verständnisschwierigkeiten bereitet. So verwendete ich bei meiner Umfrage unter den Rezipienten von Sprachratgebern (vgl. Kap. III.3.2) das Wort Sprachratgeber und erhielt Antworten wie „Kleine Korrektur: Weidenmann ist keinesfalls in erster Linie SPRACHRATGEBER! ! ! ! ! Da sollten Sie das Buch vielleicht doch lieber selbst (noch) mal lesen“ (E-Mail vom 13.12.2004). Das Buch mit dem Titel „Gesprächs- und Vortragstechnik“ ist aber nach Greules Definition eindeutig ein Sprachratgeber. Da die Kommunikation zwischen (Sprach-)Wissenschaft und Öffentlichkeit besser gelingt, wenn die wissenschaftlichen Termini ohne größere Schwierigkeiten auch von fachlichen Laien verstanden werden, ist es sinnvoll, die Bezeichnung Sprachratgeber zu überdenken. Welche Schwierigkeiten bereitet das Wort? Wenn man versucht, sich die Bedeutung des Wortes aus seinen unmittelbaren Konstituenten herzuleiten, kommt man zunächst auf die Paraphrase ‚Ratgeber für die Sprache’. Das Grundwort Ratgeber ist wohl verständlich, da fast jeder Sachbuchverlag eine Reihe mit diesem Namen hat und auch in den Katalogen des Buchhandels Ratgeber als eine eigene Kategorie aufgeführt wird, so z. B. beim Internetbuchhandel Amazon. Das Problem liegt also eher im polysemen Bestimmungswort Sprach(e). Sprache meint neben ‚Fähigkeit zu Sprechen’, ‚Rede’, ‚Art des Sprechens’, ‚Ausdrucksweise’ vor allem ein bestimmtes ‚System von Zeichen und Regeln, das einer Sprachgemeinschaft als Verständigungsmittel dient’ (vgl. Duden 1999: 3187). Dies bezieht sich auf die verbale und nicht etwa auf die 65 Zur Analyse wissenschaftlich fundierter Stillehren vgl. Greule/ Kessel (2008, im Druck). 49 non-verbale Kommunikation. Deshalb passt die Bezeichnung Sprachratgeber gut zu Ratgebern, die sich mit der schriftlichen Sprachproduktion auseinandersetzen (z. B. Stillehren, Brieflehren). Das in der Pragmatik übliche Verständnis von Sprache als Handeln und die daraus resultierende Forderung, dass in einer Analyse der Sprachverwendung auch die jeweilige (mündliche) Kommunikationssituation zu berücksichtigen ist, scheint in der Allgemeinsprache dagegen nicht ohne Weiteres präsent zu sein. Sprachwissenschaftliche Laien tun sich deswegen schwer, Sprachratgeber als Oberbegriff für Bücher zu akzeptieren, die sich vornehmlich der mündlichen Kommunikation (z. B. Redelehren, Gesprächslehren) mit ihren psychologischen (Lampenfieber, Schüchternheit), organisatorischen (Wann spricht wer? ) oder nonverbalen (Lächeln, Blickkontakt) Aspekten widmen. 66 Ich finde es sinnvoll, an die bisherigen terminologischen Vorarbeiten anzuknüpfen, und schlage vor, für die modernen Ratgeber zur mündlichen Sprachproduktion den Ausdruck Kommunikationsratgeber zu verwenden, da in diesen Büchern die Ausführungen zu non-verbalen Aspekten der Kommunikation (z. B. Körpersprache, Lampenfieber) meist überwiegen. Da mir aber nicht daran gelegen ist, gegen die meines Erachtens besonders wichtige Einheitlichkeit des Forschungsgegenstandes zu argumentieren, möchte ich alle bisher diskutierten Subsorten unter der Bezeichnung Sprach- und Kommunikationsratgeber zusammenfassen. 6. Sprach- und Kommunikationsratgeber als Teil der Sprachpflege und -beratung Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 3) verstehen unter Sprachpflege „jede beratende (vs. didaktische) Bemühung um den Sprachgebrauch einzelner Individuen, die auf eine verbesserte sprachliche Kompetenz (Normbeherrschung) und auf einen reflektierten, d. h. kritischen und selbstkritischen Sprachgebrauch (kommunikative Kompetenz) abzielt.“ Sprachpflege wird gerne mit Sprachpurismus in Verbindung gebracht, bei dem es um die Reinhaltung der Sprache von fremdsprachlichen Elementen geht. Besonders in der Geschichte der Sprachratgeber wird das sprachpflegerische Anliegen vieler Ratgeberautoren deutlich. 67 Nicht selten stehen Sprachgesellschaften wie die „Fruchtbringende Gesellschaft“ oder der „Allgemeine deutsche Sprachverein“ hinter den Veröffentlichungen, deren puristische Sprachpflege besonders in Antibarbari oder antibarbarischen Kapi- 66 Die bisher in der Forschungsliteratur verwendeten Termini Sprachbuch, Sprachlehre, Sprachlehrbuch, Sprachhilfsbuch, Sprachrezeptbuch, Sprachregelbuch (vgl. Meyer 1993: 230) beinhalten ebenfalls das Bestimmungswort Sprache und sind deshalb keine Alternativen. 67 Sprachratgeber unter dem Aspekt der Sprachpflege zu analysieren, wie es Greule (2000a) am Beispiel von Christian Friedrich Hunold alias Menantes vorführt, kann die wissenschaftliche Sichtweise erweitern. 50 teln zum Ausdruck kommt. Da dem Wort Sprachpflege etwas Altertümliches, unter Umständen auch Negatives anhaftet (vgl. auch Greule 1998: 25), weicht man heute lieber auf die Bezeichnung Sprachkritik aus. Einer der bekanntesten Sprachkritiker ist Wolf Schneider (z. B. 1994). Auch er verwendet antibarbarische Darstellungsmethoden (Greule 2000b: 326) und setzt sich für die Reinheit der deutschen Sprache und gegen Fremdwörter ein. Betrachtet man die Geschichte der Sprachratgeber insgesamt, so wird deutlich, daß Sprachpflege zu Zeiten vor der Existenz einer deutschen Standardsprache seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts anders gestaltet sein muß als danach. Vor deren Existenz richtet sich der sprachpflegerische Impetus auf ihre Schaffung und Durchsetzung, danach auf ihre Erhaltung oder - nicht selten dramatischer ausgedrückt - auf ihre Rettung. (Greule 2000a: 38) Nicht alle neueren Sprachratgeber haben jedoch das Ziel, die deutsche Sprache als Wert zu erhalten und zu pflegen. Antos (1996: 3) sieht die gesamte Laien-Linguistik „auf dem Weg von einer primär normativ-ästhetisch hin zu einer zweckrational-technologischen Ausrichtung.“ Besonders in den Rede- und Gesprächslehren fällt eine Technikbzw. Magieauffassung von Sprache auf: Die Autoren von Sprachratgebern vermitteln den Eindruck, dass sich durch die richtigen Kommunikationsstrategien quasi automatisch die gewünschten Wirkungen einstellen. Wenn Sprachratgeber dadurch definiert sind, dass sie Ratschläge für den Gebrauch der Muttersprache geben (vgl. Kap. III.1.), so können sie als ein Mittel der Sprachberatung im weiteren Sinn 68 bezeichnet werden: Es gibt wie bei der Sprachberatung durch Institutionen (z. B. Dudenredaktion) einen Ratsuchenden, den Leser, und einen Beratenden, den Autor. Die Sprachberatung lässt sich in das bereits oben angesprochene, allgemeine linguistische Konzept der Sprachpflege bzw. Sprachkultivierung einordnen. 69 Sprachkultivierung versteht Greule (1995: 29) als einen Sammelbegriff, „unter dem alle Aktivitäten innerhalb einer Sprachgemeinschaft zur Förderung der Standardsprache zusammengefasst werden können.“ Er führt drei Modi der Sprachkultivierung an (vgl. Greule 1995: 29; 1998: 27): 68 Da man Sprachberatung häufig mit persönlichen Anfragen an eine Institution in Verbindung bringt, weichen einige Wissenschaftler für die Sprachratgeber auf die Bezeichnung Sprachratgebung aus (z. B. Thim-Mabrey 2001a: 164). Ich sehe jedoch keine Notwendigkeit für einen zusätzlichen Terminus. 69 Greule/ Ahlvers-Liebel (1986: 20) bezeichnen Sprachratgeber als „Sprachpflegeliteratur“. Sprachberatung, Sprachpflege und Sprachkultivierung werden im Folgenden synonym verwendet. In der Forschung besteht noch Uneinigkeit, welchem Terminus der Vorzug zu geben ist (vgl. Greule 1995: 29). Ich fände es allerdings sinnvoll, von Sprachberatung nur dann zu sprechen, wenn es Ratfragen und dazu gehörende Ratschläge gibt. 51 1. massenmedial 2. konsultativ 3. unterrichtsmäßig Diese Modi lassen sich vor allem durch die unterschiedliche kommunikative Konstellation voneinander abgrenzen. Die massenmediale Sprachkultivierung besteht in größtmöglicher Anonymität, die unterrichtsmäßige typischerweise in einer Face-to-face-Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler (Kinder oder Erwachsene). Die konsultative Sprachkultivierung (= Sprachberatung im engeren Sinn) nimmt eine Zwischenstellung ein (Greule 1995: 29). Im Vergleich zum unterrichtsmäßigen Modus herrscht bei der konsultativen Sprachkultivierung üblicherweise eine größere räumliche und/ oder zeitliche Distanz, da die Ratsuchenden ihre individuellen Anfragen im Normalfall mittels eines Mediums, entweder des Briefs oder des Telefons, stellen. Die traditionsreichste Form des massenmedialen Modus sind die Sprachratgeber. Während Fernsehen, Radio und Zeitungen als Beratungsmedium kaum genutzt werden, beginnt das Internet diesbezüglich zunehmend eine wichtigere Rolle zu spielen (siehe unten). Die Modi der Sprachkultivierung dürfen jedoch nicht als nebeneinander stehend und ausschließlich miteinander konkurrierend verstanden werden. Vielmehr sind auch hier Vernetzungen möglich: In einem Rhetorikseminar (unterrichtsmäßiger Modus) kann ein Ratgeber (massenmedialer Modus) Verwendung finden und Sprachberatungsinstitutionen (konsultativer Modus) haben eine umfangreiche Bibliothek (massenmedialer Modus), in der sie ihre Ratschläge recherchieren. Auch ist eine konsultative Beratung denkbar, die über Funk oder Fernsehen (massenmedialer Modus) verbreitet wird und in der Zuschauerfragen beantwortet werden. Solche Ratgebersendungen gibt es z. B. im Bereich der Medizin. Janich u. a. (1999: 241) haben eine weitere Differenzierung der Sprachberatung vorgenommen, die sich an den Kriterien „beratendes Medium“ und „beratenes Medium“ orientiert. beratendes Medium traditionell netzbasiert traditionell Typ 1: traditionelle Beratung für traditionelle Kommunikationsformen Typ 2: netzbasierte Beratung für traditionelle Kommunikationsformen beratenes Medium netzbasiert Typ 3: traditionelle Beratung für netzbasierte Kommunikationsformen Typ 4: netzbasierte Beratung für netzbasierte Kommunikationsformen Tab. 3: Typen der Sprachberatung nach Janich u. a. (1999: 241) Nach dieser Einteilung werden die Sprach- und Kommunikationsratgeber vor allem unter Typ 1 „traditionelle Beratung für traditionelle Kommunikationsformen“ verortet. Wie bereits in Kap. III.2. angesprochen, spiegeln sich 52 nach kurzer Zeit auch neue Kommunikationsformen in den Ratgebern wider. Und so gibt es bereits einige Bücher, die zum Typ 3 „traditionelle Beratung für netzbasierte Kommunikationsformen“ zu zählen sind. Sie geben z. B. Ratschläge zu E-Mail oder SMS. Das Internet selbst ist ein neuer Untertyp der massenmedialen Sprachberatung, der in Konkurrenz zum Medium Buch tritt. So gibt es z. B. bereits einen Online-Knigge, 70 der von der Technischen Universität Chemnitz entworfen wurde und mit dessen Hilfe Berufstätige das richtige Verhalten am Arbeitsplatz trainieren sollen (vgl. Typ 2 „netzbasierte Beratung für traditionelle Kommunikationsformen“) sowie eine Ratgeberseite für Smalltalk. 71 Den umgekehrten Weg sind die so genannten Netiquetten 72 gegangen. „In den meisten Fällen formuliert die Netiquette in ihrem Kernbestand thematische und soziale Rahmenrichtlinien, denen sich jeder Interessent mit dem Eintritt in die jeweilige ‚Cyber-Community’ unterwirft“ (Janich u. a. 1999: 243). Diese „Anstandslehren“ für das Internet, die ursprünglich auch nur über das Internet verfügbar waren (Typ 4 „netzbasierte Beratung für netzbasierte Kommunikationsformen“), werden nun auch gedruckt. Ein Beispiel ist das Buch „Elektronischer Knigge. Netiquette und Verhaltensregeln für die berufliche und private Tele- und Onlinekommunikation“ von Alexander Thor (2006). Es gibt bisher meines Wissens keine umfassende Untersuchung zur Sprachberatung für bzw. durch das Internet. Ein Programm für ein Forschungsprojekt haben Janich u. a. (1999) vorgestellt. Kessel (2004) hat für die Sprachberatung zur E-Mail-Kommunikation erste Analysen durchgeführt und einige Anregungen gegeben. Er unterzieht dazu die E-Mail-Ratgeber einer eingehenden Kritik und kommt zu dem vernichtenden Urteil, „dass die Verfasser sich gar nicht bewusst sind, welche sprachlichen Aspekte in einer E-Mail relevant sein können“ (ebd. 79). Janich u. a. (1999: 236) stellen die interessante Frage, „ob sich kommunikative Regeln im Internet in irgendeiner Form auf traditionelle Formen und Grundsätze der Sprachberatung beziehen, wie sie in der breiten Ratgeberliteratur vorliegen“. Ansätze zu einem Vergleich der unterschiedlichen Sprachberatungsmedien sehen sie in der Tatsache, dass sowohl die Sprach- und Kommunikationsratgeber als auch die netzbasierten Ratschläge in der Regel nicht von Sprachwissenschaftlern verfasst werden. 70 http: / / www.tu-chemnitz.de/ phil/ ebbw/ bf/ bf_elearning/ 3/ index.html, gesehen am 31.03.2006. 71 http: / / www.small-talk-themen.de, gesehen am 18.09.2007. 72 Netiquette ist eine Wortkreuzung aus engl. net und Etikette (frz. etiquette). 53 7. Zusammenfassung: Die Textsortengruppe Sprach- und Kommunikationsratgeber In der Textlinguistik gibt es nach wie vor Unstimmigkeiten in Bezug auf die Benennung und Hierarchisierung von bestimmten Gruppen von Texten; die Terminologie ist unübersichtlich: Textsorte, Texttyp, Textklasse, Textsortenklasse, Textsortenvariante usw. Dass man mittlerweile auch von Textsortennetzen, Textsortenfeldern, Textsorten im Verbund (Adamzik 2001) oder Textsortengruppen (Greule 2002) spricht, löst diese terminologischen Probleme nicht. Ich finde es daher wenig hilfreich, darüber zu diskutieren, ob es sich bei „Sprach- und Kommunikationsratgeber“ um eine Text(sorten)klasse handelt und man erst auf der Ebene der Subsorten von Textsorten sprechen sollte, oder ob „Sprach- und Kommunikationsratgeber“ oder sogar „Ratgeber“ bereits als eine Textsorte zu bezeichnen sind und die Subsorten Textsortenvarianten darstellen. 73 Ich will deshalb im Folgenden lediglich gemeinsame Textmerkmale aller Sprach- und Kommunikationsratgeber knapp zusammenfassen und im Anschluss einige Probleme thematisieren, die zeigen, dass es innerhalb dieser Gruppe von Büchern Uneinheitlichkeiten gibt. In der vorliegenden Arbeit werde ich dann in Bezug auf die Sprach- und Kommunikationsratgeber die Bezeichnung Textsortengruppe verwenden, in Bezug auf die Smalltalk-Ratgeber Textsorte. Den Terminus Textsorte möchte ich in der in der Forschung üblichen Bedeutung als Alltagsphänomen zur Bezeichnung einer „Klasse von Texten, die in bezug auf mehrere Merkmale spezifiziert sind“ (Adamzik 1995: 16, vgl. auch Dimter 1981: 28), verstanden wissen. War es in der Textlinguistik zunächst üblich, Textsorten nach textinternen (z. B. Wortwahl, Satzbaumuster, Thema) und -externen (z. B. Textfunktion, Kommunikationsmedium und -situation) Kriterien zu bestimmen, so hat sich mittlerweile das Mehrebenenmodell (Heinemann/ Viehweger 1991; W. Heinemann 2000) weitgehend durchgesetzt. Es werden vier grundlegende Textbeschreibungsebenen unterschieden: „eine formal-grammatische, 73 Auch Zillig (1990: 70 f.), der Anstandsbücher untersucht, steht bei der Klassifikation seines Untersuchungsgegenstandes vor diesem Problem: „Die Frage lautet: Ist ‚Anstandsbuch’ überhaupt eine Bezeichnung für eine Textsorte, oder ist der zutreffende Begriff nicht vielmehr ‚Ratgeber-Texte’, unterteilt in ‚Ratgeber für Benehmen’, ‚Ratgeber für Mieter’, ‚Ratgeber für Heimwerker’ usw., wobei die Textform - in einer Zeitung / als Broschüre/ als Buch erschienen - von nachgeordneter Bedeutung ist? […] Die Untersuchungen von Textsorten sind, soweit sie einer Methode der Rekonstruktion von alltagssprachlichen Textbezeichnungen verpflichtet sind, immer darauf ausgerichtet, die Kombination von Textfunktion, Thematik und Textform zu berücksichtigen, die in gegebenen Bezeichnungen zusammengefaßt sind. Der Begriff ‚Anstandsbuch’, genommen als Bezeichnung für eine Textsorte, ist in diesem Sinn besser als der streng am funktionalen Textsortenverständnis ausgerichtete Begriff ‚Ratgebertext’ als Textsortenbezeichnung geeignet, wenn es darum geht, die Entwicklung einer Tradition von Texten umfassend nachzuzeichnen.“ 54 eine inhaltlich-thematische, eine situative und eine funktionale Ebene“ (W. Heinemann 2000: 16). In Bezug auf die Textbeschreibungsebenen lassen sich Sprach- und Kommunikationsratgeber folgendermaßen charakterisieren: 1. situative Ebene: Sprach- und Kommunikationsratgeber sind eine praxisorientierte Form der schriftlichen, anonymen, massenmedialen Sprachberatung in Buchform. Der Leser ist dabei der Ratsuchende, der Autor der Beratende. 2. inhaltlich-thematische Ebene: Das Thema der Sprach- und Kommunikationsratgeber ist die Muttersprache bzw. die Kommunikation in der Muttersprache. Je nach Subsorte werden unterschiedliche inhaltliche Sub-Aspekte (verschiedene Textsorten, schriftliche oder mündliche Kommunikation usw.) behandelt. 3. funktionale Ebene: Die Haupttextfunktion der Sprach- und Kommunikationsratgeber ist (nach Brinkers Einteilung) appellativ. Nebentextfunktionen sind die Informations- und Unterhaltungsfunktion. 4. formal-grammatische Ebene: In Ratgebern finden sich in unterschiedlicher grammatischer Realisierung die Hauptsprachhandlungen Raten bzw. Rat geben (vgl. Kap. V.7.3), die Greule für die Sprachratgeber als „laienlinguistische Anweisungen“ bezeichnet. Ich sehe drei Problemkreise, die einer einheitlichen Textsortengruppe Sprach- und Kommunikationsratgeber entgegenstehen: 1. Die Subsorten der Sprach- und Kommunikationsratgeber sind historisch gewachsen und folgen keinem einheitlichen Klassifikationsprinzip. Überschneidungen, Vernetzungen sowie eine Vielzahl an Bezeichnungen machen die Ratgeber zu einem äußerst komplexen Untersuchungsgegenstand. 2. Ratgeber, die zur mündlichen Sprachproduktion anleiten (v. a. die modernen), unterscheiden sich inhaltlich von denen zur Schriftlichkeit, da sie weniger stark auf eine direkte Thematisierung von Sprache (im engeren Sinn) festgelegt sind. Ich habe aus terminologischen Erwägungen vorgeschlagen, diese Bücher lieber als Kommunikationsratgeber zu bezeichnen. 3. Eine prinzipielle Abgrenzung der Sprach- und Kommunikationsratgeber von Populärwissenschaft und Sprachdidaktik, wie sie Antos (1996: 15 ff.) verfolgt, wird insbesondere unter historischem Aspekt der Komplexität dieses Untersuchungsgegenstandes nicht gerecht. So ist etwa eine Abgrenzung zwischen Lehrbuch und Sprachratgeber historisch problematisch. Zudem haben Ratgeber, die vor der Standardisierung des Deutschen verfasst wurden, eine andere Zielset- 55 zung als etwa die modernen Ratgeber (Durchsetzung vs. Rettung der Norm, Technikauffassung von Sprache). Trotz dieser Unstimmigkeiten ist es sinnvoll, Sprach- und Kommunikationsratgeber als einen Untersuchungsgegenstand zu behandeln. In der Vielschichtigkeit, Verwobenheit und Tradition dieser Textsortengruppe liegt gerade ihr Reiz. 57 IV. Aspekte einer Definition von Smalltalk Für eine wertneutrale Betrachtung ist es klug, den Smalltalk zu definieren. (Elisabeth Bonneau, 2005) Das Wort Smalltalk ist aus dem Englischen entlehnt, wo es nach Angabe des Oxford English Dictionary (1989: 773) erstmals im 18. Jahrhundert belegt ist: 1751 schreibt Chesterfield in einem Brief: „A sort of chit-chat, or small talk, which is the general run of conversation … in most mixed companies”. Im Deutschen ist Smalltalk erstaunlich früh in Fremdwörterbüchern zu finden. Petris Handbuch der Fremdwörter in der deutschen Schrift- und Umgangssprache verzeichnet bereits 1880 das Lemma „small-talk“ mit der deutschen Übersetzung ‚Geplauder’. Damit ist die Angabe in Neske/ Neske (1970: 252), dass das Wort Smalltalk „seit nach 1945 im Deutschen“ bekannt sei, nicht ganz korrekt. Allerdings scheint sich der Terminus in einer breiteren allgemeinsprachlichen Verwendung tatsächlich erst nach dem zweiten Weltkrieg durchsetzen zu können: Das Anglizismen-Wörterbuch von Broder Carstensen (1996: 1335 f.), welches den Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz nach 1945 zum Gegenstand hat, weist Smalltalk erstmals 1963 in einer der größeren deutschen Zeitschriften und Zeitungen nach. Im Rechtschreibduden taucht das Wort sogar erst viel später auf, nämlich in der Auflage aus dem Jahr 1980 (vgl. Busse 1993: 292). Heute ist der Begriff sowohl in den Medien als auch in der Alltagssprache weit verbreitet und es kann davon ausgegangen werden, dass der deutsche Durchschnittssprecher eine Vorstellung von dem hat, was Smalltalk bedeutet. 74 Eigentlich, so sollte man meinen, dürfte es kein Problem darstellen, eine allgemein akzeptierte und für die Wissenschaft brauchbare Definition von Smalltalk zu formulieren. Es gilt jedoch auch heute noch, was Schneider (1986: 140) in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts feststellte: „Eine etablierte Definition dieses Begriffs liegt […] bislang noch nicht vor.“ In Zeitungsartikeln etwa wird Smalltalk auch gar nicht erläutert, in der Annahme, dass die Bedeutung sowieso offensichtlich ist (Tracy/ Naughton 2000: 63). Vergleicht man aber die explizit oder implizit vorhandenen Definitionen bzw. das Verständnis von Smalltalk in den Ratgebern 75 und in der von englischen 74 In meiner Umfrage unter deutschen Muttersprachlern (siehe Anm. 76 und Anhang) war jedem Befragten das Wort Smalltalk geläufig. Es ist allerdings davon auszugehen, dass besonders ältere Menschen (ohne Englischkenntnisse) es nicht unbedingt kennen. Ob Smalltalk aber tatsächlich bildungssprachlich ist, wie Duden (1999) angibt, möchte ich bezweifeln. Damit werden nämlich vor allem Fremdwörter bezeichnet, „die weder einer Fachsprache angehören noch im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet werden, wie etwa Affront, homogen oder explizit“ (ebd. 33). 75 Bonneau (2002), Lermer (2003) und Fischer (2004) widmen der Definition von Smalltalk ein eigenes Kapitel und beschreiben seine Funktionen im Detail, während in ande- 58 und deutschen Muttersprachlern verfassten Forschungsliteratur, wird deutlich, dass es selbst unter Sprechern derselben Sprache unterschiedlich enge oder weite Konzepte von Smalltalk gibt. Überhaupt stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass der Smalltalk kein simples Phänomen ist. Bei empirischen Untersuchungen ist etwa eine Identifizierung von Smalltalk ein großes Problem (Holmes 2000: 36). Im Folgenden wird kritisch auf unterschiedliche, teilweise miteinander zusammenhängende Definitionsmerkmale für Smalltalk eingegangen, die im fachsprachlichen, allgemeinsprachlichen und im Verständnis der Ratgeberliteratur unterschiedlich gewichtet sind. Für eine Darstellung der amerikanischen und deutschen allgemeinsprachlichen Definitionsmerkmale von Smalltalk dienen die Ergebnisse einer Umfrage, 76 die einen „direkten Zugang zur Intuition der Sprachbenutzer“ (Schneider 1986: 144) bietet. Außerdem werde ich zur Beurteilung der allgemeinsprachlichen Bedeutung deutsche und englische Wörterbücher zu Rate ziehen, jedoch keine systematische Auswertung der Einträge zum Lemma Smalltalk vornehmen. Schneider (ebd. 149 f.) hat dies bereits im Wesentlichen geleistet und seine Ergebnisse sind noch immer gültig. Die fachsprachliche Sicht ergibt sich vor allem aus der anglistischen Forschung, da es, wie bereits in Kap. II. angemerkt, fast keine germanistische und auch nur ansatzweise Forschung von deutschen Muttersprachlern gibt, die dann allerdings meist Fachdidaktiker oder Anglisten sind. Es ist dabei denkbar, dass sich in der deutschen Forschung das deutsche (allgemeinsprachliche? ) Verständnis von Smalltalk niederschlägt. Deswegen sollen bereits in diesem Kapitel kulturspezifische Unterschiede im allgemeinsprachlichen und fachsprachlichen Konzept von Smalltalk thematisiert werden. 77 Die Kulturalität der Ratgeber zum Smalltalk wird im Detail jedoch erst in Kap. VI. diskutiert. ren Ratgebern wie Baur (2001) oder Lasko (2004) eine Definition fehlt und das Verständnis von Smalltalk eher indirekt abgeleitet werden muss, z. B. aus den verwendeten Beispielen. Eine detaillierte Darstellung der untersuchten deutschen Smalltalk- Ratgeber findet sich in Kap. V. 76 Zwischen Dezember 2004 und Juni 2005 haben 61 Deutsche (davon 37 weiblich, 24 männlich) und 61 US-Amerikaner (davon 32 weiblich, 29 männlich) an meiner schriftlichen Befragung zum Smalltalk teilgenommen. Die Befragten waren im Durchschnitt 18-24 Jahre alt und hatten fast alle eine höhere Schulbildung. Die Umfrage ist im Wesentlichen identisch mit der Mitte der 80er Jahre von Schneider (1986, 1988) durchgeführten. Es wurden lediglich einige Fragen speziell zu den Smalltalk-Ratgebern ergänzt (vgl. Anhang). Ich werde an unterschiedlichen Stellen innerhalb meiner Arbeit auf relevante Ergebnisse dieser Umfrage eingehen. Wenn ich im Folgenden von der Umfrage spreche, so meine ich immer die hier beschriebene. Bei Angaben in Klammern bezieht sich die erste Ziffer auf die Anzahl der Nennungen aus der als zweites angegeben Gesamtzahl aller gültigen Antworten. 77 Schneider (1986, 1988) hat einen möglichen kulturbedingten Unterschied im Verständnis von Smalltalk nur ansatzweise verfolgt. Er befragt zwar sowohl Deutsche als auch Engländer und Amerikaner, wertet dann aber seine Fragebögen nur in wenigen Punkten wie Bewertung und Funktionen des Smalltalks getrennt voneinander aus. 59 Eine Definition von Smalltalk möchte ich nicht deduktiv, d. h. unter Abarbeitung eines vorgegebenen Analyserasters, sondern induktiv aus den mir vorliegenden Materialien entwickeln. Dies geschieht vor allem aus zwei Gründen: Zum einen können auf diese Weise Definitionsaspekte offen gelegt werden, die in den sprachwissenschaftlichen Kriterienkatalogen bisher keine Beachtung gefunden haben (z. B. Image, Dauer, Ritualität und Höflichkeit), und andere Aspekte, die keine besondere Relevanz haben, können unberücksichtigt bleiben bzw. im Zusammenhang mit anderen Definitionsaspekten kurz erwähnt werden (z. B. Gesprächsgattungen, Handlungsdimensionen des Gesprächs, siehe unten). Zum anderen kann die Gewichtung der Kriterien im fachsprachlichen, allgemeinsprachlichen und laienlinguistischen Verständnis von Smalltalk besser dargestellt werden. Dennoch ist eine Rückbindung an die Klassifikationsansätze der Gesprächsanalyse gegeben, denn die untersuchten Definitionsaspekte decken sich zu einem großen Teil mit dem „kommunikativ-pragmatische(n) Kategorieninventar“ bei Henne/ Rehbock (2001: 26 ff.), das „wesentliche Merkmale und Aspekte der Gesprächskommunikation enthält“ (ebd. 26). Henne/ Rehbock listen folgende Kategorien auf: 1. Gesprächsgattungen (natürliches, fiktionales, inszeniertes Gespräch) 2. Raum-Zeit-Verhältnis (Nahkommunikation, Fernkommunikation) 3. Konstellation der Gesprächspartner (interpersonales dyadisches Gespräch, Gruppengespräch) 4. Grad der Öffentlichkeit (privat, nicht öffentlich, halb öffentlich, öffentlich) 5. Soziales Verhältnis der Gesprächpartner (symmetrisches Verhältnis, asymmetrisches Verhältnis) 6. Handlungsdimensionen des Gesprächs (direktiv, narrativ, diskursiv) 7. Bekanntheitsgrad der Gesprächspartner (vertraut, befreundet/ gut bekannt, bekannt, flüchtig bekannt, unbekannt) 8. Grad der Vorbereitetheit der Gesprächspartner (nicht vorbereitet, routiniert vorbereitet, speziell vorbereitet) 9. Themafixiertheit des Gesprächs (nicht themafixiert, themabereichfixiert, speziell themafixiert) 10. Verhältnis von Kommunikation und nichtsprachlichen Handlungen (empraktisch, apraktisch) Ich werde zunächst auf diejenigen Aspekte eingehen, die sich eher im allgemeinsprachlichen Smalltalk-Konzept wiederfinden lassen und die in der Umfrage besonders häufig genannt werden. Beginnen möchte ich mit einem Aspekt, der bei Gesprächs- und Texttypologien, soweit es mir bekannt ist, 60 nie eine Rolle spielt: das Ansehen einer bestimmten Textbzw. Gesprächssorte in der Öffentlichkeit, ihr Image sozusagen. Fix/ Habscheid/ Klein (2001: 8) weisen zumindest darauf hin, dass sich die Textlinguistik auch mit dem „kulturellen Prestige“ von Textsorten auseinandersetzen muss: Einige Textsorten gelten mehr als andere, z. B. genießen traditionell literarische Texte ein höheres Ansehen als Alltagstexte. 1. Positives/ negatives Image Sowohl in den deutschen als auch in den amerikanischen Ratgebern wird der schlechte Ruf des Smalltalks immer wieder thematisiert: Smalltalk habe ein Imageproblem (Baber/ Waymond 1992: 9) sei primitiv [...], zu wenig niveauvoll (Degen 2002: 128), banal, abgedroschen (Topf 2002: 31). Aufgabe der Ratgeber ist es, dieses negative Bild von Smalltalk, welches die Autoren beim Leser vermuten, in ein positives umzuwandeln: Sie erheben Smalltalk zur Kunst. 78 Seltener findet sich in den Ratgebern die Meinung, dass Smalltalk bereits einen Imagewandel durchgemacht hat und kein Schimpfwort mehr [ist] (Portner 2003: 6). Bereits Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stellte Schneider (1986, 1988) mittels seiner Umfrage fest, dass Smalltalk von den 74 Befragten viel positiver bewertet wird, „als man aufgrund der in der Literatur und in anderen Quellen enthaltenen Klischees annehmen sollte“ (Schneider 1986: 146). Diese Beobachtung konnte ich in meiner Wiederholung der Umfrage (siehe Anhang) im Jahr 2004/ 05 bestätigen: 70,0% (42/ 60) der Deutschen und sogar 90,0% (54/ 60) der Amerikaner bewerteten Smalltalk positiv oder eher positiv; kein Befragter kreuzte „negativ“ an. Die positive Bewertung von Smalltalk in den USA findet sich auch bei Tracy/ Naughton (2000), die anhand von Zeitschriften- und Zeitungsartikeln das Laienverständnis von Smalltalk und dessen Relevanz untersuchten: The dominant opinion was that small talk was a necessary and good skill in work settings. Of the 44 examples that displayed a clear valence 73 per cent (33) included positive treatments of the concept and 27 per cent (11) were negative. By and large, small talk was treated as a necessary element of institutional success at any level. (Tracy/ Naughton 2000: 64) Schneiders (1986: 146) Vermutung, dass die deutsche Stichprobe Smalltalk generell positiver einschätzt als die englischsprachige, kann ich nicht bestätigen; in meiner Umfrage mit immerhin 122 Befragten gibt es eher Hinweise auf das Gegenteil. Ich habe allerdings auch nur US-Amerikaner und nicht 78 Sowohl die deutschen als auch die amerikanischen Ratgeber tragen den „Kunst“- Topos häufig bereits im Titel, z. B. Baur (2001): „Die große Kunst des Smalltalks“; Naumann (2004): „Die Kunst des Smalltalk“ oder Fine (2004): „The Fine Art of Small Talk“. 61 wie Schneider Engländer und Amerikaner befragt. Möglicherweise gibt es noch Unterschiede innerhalb der englischsprachigen Kultur. Um gesicherte Aussagen über das tatsächliche Image von Smalltalk machen zu können, bedarf es aber einer wesentlich größeren Stichprobe. Es gibt allerdings einige Anzeichen, dass Smalltalk im deutschen und amerikanischen allgemeinsprachlichen Verständnis nicht so negativ konnotiert ist, wie die Ratgeber annehmen. Da ich (ebenso wie Schneider) vor allem die Altersgruppe 18-24 befragt habe, könnte auch spekuliert werden, dass ein vermeintlicher Imagewandel von Smalltalk generationengebunden ist. In meiner Umfrage konnte ich dafür jedoch keine Hinweise finden, da auch die Altergruppe 50- 64 und 65+ Smalltalk durchweg als eher positiv bewertet hat. Die nachfolgend behandelten Definitionsaspekte sollen am Ende des Kapitels IV. nochmals kurz hinsichtlich ihres Beitrags zum positiven bzw. negativen Image des Smalltalks ausgewertet werden. 2. Dauer In der Umfrage verwendeten 15 (von 50 79 ) deutsche Muttersprachler in ihrer Definition von Smalltalk (Frage 1. Was verstehen Sie unter ‚Smalltalk’? , vgl. Anhang) das Attribut kurz und bei der Frage nach deutschen Entsprechungen (Frage 2., vgl. Anhang) wurde 4 (aus 53) Mal Kurzgespräch angeboten. Es liegt nahe, dass das Kriterium der Dauer auf die Übersetzung des englischen Worts small zurückzuführen ist. Diesselbe Interpretation von small findet sich auch in den Antworten der Amerikaner. Sie ziehen die englischen Entsprechungen short/ brief immerhin 8 Mal (aus 61) zur Definition von Smalltalk heran. Da Attribute zur Dauer in beiden Stichproben am häufigsten verwendet wurden, scheint die Länge respektive Kürze ein besonders relevantes Kriterium für das allgemeinsprachliche Verständnis von Smalltalk zu sein. Auch in den Rategebern findet sich öfter die Übersetzung „kleines Gespräch“ (meist in Anführungszeichen gesetzt), z. B. bereits in den Buchtiteln von Märtin/ Boeck (2000) und Müller/ Weiden (2002). Mit klein scheint in den meisten Fällen auch ‚kurz’ gemeint zu sein. So übersetzen Hesse/ Schrader (2003: 9) Smalltalk ebenfalls mit Kleines Gespräch. Wobei das Wort ‚klein’ noch am ehesten auf die Länge der Unterhaltung zutrifft. Viele Ratgeber (z. B. Bonneau 2002: 57; Bonneau 20005b: 91; Hesse/ Schrader 2003: 24) geben dementsprechend auch konkrete zeitliche Obergrenzen für den Smalltalk an. Die Zeitangaben sind dabei ähnlich: Smalltalk sollte nicht länger als 10 bis 15 Minuten dauern, wobei bei Bonneau (2005a: Punkt 1) darauf hingewiesen wird, dass die Dauer des Smalltalks durch die äußeren Umstände bestimmt wird; bei einem Geschäftsessen etwa sei die zeitliche Kürze des Smalltalks nicht einzuhalten (Naumann 79 11 deutsche Befragte gaben keine Smalltalk-Definition, während alle Amerikaner diese Frage beantworteten. 62 2004: 195). Seltener wird eine Mindestdauer des Smalltalks erwähnt. Märtin/ Boeck (2000: 65) etwa berufen sich auf eine psychologische Studie, laut der ein Gespräch mindestens vier Minuten dauern muß, wenn wir unser Gegenüber nicht durch Kurzangebundenheit brüskieren wollen. Es gibt jedoch auch in der Ratgeberliteratur Beispiele von „Minismalltalk“ (z. B. Topf 2002: 118), die aus nicht viel mehr als Begrüßung und Verabschiedung bestehen (vgl. Kap. IV.7.) und denen dennoch ein positiver Effekt zugesprochen wird. Laut dem Oxford English Dictionary hat small jedoch nichts mit der Gesprächsdauer zu tun; es bedeutet lediglich „of little or minor consequence, interest or importace, trifling, trivial, unimportant“ (vgl. auch Schneider 1986: 149). Bei Fischer (2004: 32) findet sich ein Hinweis auf diese Bedeutung: Smalltalk als ‚kleines’ Gespräch ist [...] leichtgewichtig und kurz [Hervorhebung K.K.]. Wie oben gezeigt wurde, scheint Smalltalk nicht nur für die deutschen Muttersprachler (Befragte und Ratgeberautoren) mit einer zeitlichen Dimension versehen zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Aspekt bei den amerikanischen Muttersprachlern ebenfalls über das Lexem small in das Konzept von Smalltalk gelangt ist. 3. Thema Die oben erwähnte Bedeutung von small im Sinne von ‚unwichtig, oberflächlich’ findet sich ebenfalls in den Definitionen der Befragten wieder: oberflächlich wird 13 (von 50) Mal und belanglos bzw. Belangloses 7 (von 50) Mal in den deutschen Definitionen verwendet; ihre englischen Entsprechungen unimportant bzw. meaningless kommen 7 (von 61) Mal und trivial bzw. superficial immerhin noch 4 (von 61) Mal vor. Auch Wörterbücher definieren Smalltalk meist über diese Attribute (Schneider 1986: 149). Erläuterungen wie „leichte, oberflächliche Unterhaltung“ (Wahrig 2000) hängen einerseits mit der Verwendung unwichtiger bzw. unverbindlicher Themen im Smalltalk zusammen (z. B. Wetter), andererseits mit einer oberflächlichen Behandlung der Themen, die einen schnellen, meist assoziativen Themenwechsel zur Folge hat. Wegen seiner Unverbindlichkeit entstehen durch einen Smalltalk keine Verpflichtungen. Der Smalltalk hält offen, wie es mit der Beziehung zwischen den Gesprächspartnern weitergeht, oder wie es in der Umfrage ausgedrückt wurde: Er ist eine „Discussion of no major consequence“. D. h., an den Smalltalk muss z. B. kein weiteres Treffen angeknüpft werden; man kann, muss aber nicht im Kontakt bleiben. Smalltalk weist keine spezielle Themenfixiertheit (Henne/ Rehbock 2001: 26) auf: Seine Themen sind prinzipiell weder von außen vorgegeben noch ist ihre Anzahl begrenzt. Im Unterschied etwa zu den Gesprächssorten Beratungsgespräch oder Diskussion behandelt der Smalltalk kein „Großthema“, dem „Subthemen“ untergeordnet sind, sondern ist „eine Folge von mehr 63 oder weniger lose verknüpften Einzelthemen“ (Schank 1977: 238). Eine „Themenkontrolle“ (ebd. 236), d. h. ein Sanktionieren des Abweichens vom Thema, gibt es im Smalltalk nicht. Obwohl es eigentlich keine Einschränkungen gibt, sind die Themen im Smalltalk dennoch nicht völlig beliebig. In der Umfrage 80 (Frage 5. Welches sind die Themen von Smalltalk? , vgl. Anhang) und in den Ratgebern wird ein relativ einheitlicher Kanon an geeigneten Themen genannt. Auch Sprachwissenschaftler nennen eher „intuitiv Themenbeispiele, die ihnen charakteristisch erscheinen“ (Schneider 1989: 440). Details zur Themenwahl in der Umfrage und besonders in den Ratgebern werden in Kap. V.7.6.4 besprochen. In einigen Ratgebern und auch im amerikanischen Teil der Umfrage - die Deutschen machten hierzu keine Angaben - lassen sich einige Kriterien für ein „gutes“ Smalltalk-Thema finden: Es sollte möglichst kein Konfliktpotential haben (Fischer 2004: 8; Hesse/ Schrader 2003: 23; Naumann 2004: 13; Watzke-Otte 2007: 86), neutral (Fischer 2004: 8), positiv besetzt (Lermer 2003: 67; Schäfer-Ernst 2002: 71), möglichst so gestaltet sein, dass jeder mitreden kann (Lermer 2003: 40; Naumann 2004: 77; Watzke-Otte 2007: 86), und im Idealfall für alle interessant sein (Lermer 2004: 40). Andererseits wird in der Forschung Smalltalk gerne dadurch definiert, dass der Inhalt des Gesprächs eigentlich irrelevant und nicht selten auch offensichtlich ist (Schönes Wetter heute.). Schank (1977: 238) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Nullthema“ bzw. einem „ritualisierten Thema“. Solche Themen kommen deshalb im Smalltalk häufig vor, da die Informationsvermittlung nicht sein Hauptzweck ist (vgl. Kap. IV.6.). Smalltalk wird dann etwa als „talk for talk’s sake“ (Blum-Kulka 2000: 217) bezeichnet oder als „the art of talking about nothing“ (vgl. Aufsatztitel Schneider 1989). Solche Ansätze finden sich auch in den amerikanischen Umfrageergebnissen (z. B. „talking just to talk“, „talking for the sake of talking“, „topics that are just talked to keep you talking“) und in den Ratgebern, wenn etwa darauf hingewiesen wird, dass im Smalltalk das W IE ? wichtiger ist als das W AS ? (z. B. Märtin/ Boeck 2000: 60; Naumann 2004: 22): Bei einem smalltalktauglichen Thema geht es um nichts - außer darum, miteinander ein angenehmes Gespräch zu führen (Nöllke 2005: 61). Die gängigen Wörterbuchdefinitionen führen meist keine weiteren Definitionsaspekte von Smalltalk auf, obwohl bereits Anfang des 20. Jahrhunderts V. Helen Friedlaender (1922: 76) darauf hingewiesen hat, dass Smalltalk weit mehr ist als ein oberflächliches Gespräch: „Dictionaries may define small-talk as ‚light or trifling conversation,’ but they don’t go far enough.“ 80 Dass das Thema ein relevantes Definitionskriterium für Smalltalk ist, zeigt sich in der Umfrage deutlich: In der deutschen Stichprobe wird das Thema 10 (aus 50) Mal und in der amerikanischen 15 (aus 61) Mal in der Definition explizit erwähnt. 64 4. Gesprächspartner In Bezug auf die Gesprächspartner im Smalltalk sind unterschiedliche Aspekte relevant: Bekanntheitsgrad, soziales Verhältnis und Anzahl der Gesprächspartner; Henne/ Rehbock (2001: 27) nennen außerdem den Grad der Vorbereitetheit der Gesprächspartner. Gesprächpartner können miteinander vertraut, befreundet, gut bekannt, bekannt, flüchtig bekannt oder unbekannt sein (ebd.). Für den Smalltalk wird die Frage nach dem Bekanntheitsgrad in den von mir untersuchten Quellen unterschiedlich beantwortet. Es stehen sich dabei zwei Positionen gegenüber: So findet sich in der Forschungsliteratur einerseits die Meinung, dass Smalltalk nur unter Fremden oder (flüchtigen) Bekannten möglich ist, nicht jedoch unter vertrauen oder befreundeten Personen (z. B. Schneider 1986: 143). Andererseits sehen andere Wissenschaftler bezüglich des Gesprächspartners keine Einschränkungen und gehen auch von Smalltalk zwischen Freunden oder innerhalb der Familie aus (z. B. Coupland 2000b: 10 f.; Drew/ Chilton 2000, alle Arbeiten der Freiburger Forschungsstelle, z. B. Schank/ Schoenthal 1976: 26). Diese beiden Ansätze finden sich auch in den Ratgebern: Small Talk betreiben Sie in der Regel nicht mit Menschen, die Ihnen persönlich sehr nahe stehen. Oder würden Sie ein Gespräch mit Ihrem Partner als Small Talk bezeichnen? Nach unserem Verständnis jedenfalls herrscht beim Small Talk eine gewisse Distanz zwischen den Sprechern, d. h. eine persönliche Beziehung besteht noch nicht oder nur oberflächlich. (Lermer 2003: 20, ebenso: Bonneau 2002: 50; Lüdemann 2007: 17; Naumann 2004: 214) Small Talk in der Familie? Ja, denn gerade in der Familie geht es darum, schwierige Situationen im Alltag mit einem beziehungsfördernden Gesprächsangebot zu meistern. Und gerade in der Familie ist oft nicht genügend Zeit für tiefschürfende Gespräche. (Topf 2002: 51, ebenso: Hesse/ Schrader 2001: 13; Märtin/ Boeck 2000: 11) Im Alltagsverständnis von Smalltalk scheint der Bekanntheitsgrad der Gesprächspartner ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen. Wörterbücher erwähnen diesen Aspekt zwar nicht, jedoch gaben 16 (von 57) Deutsche und sogar 31 (von 61) Amerikaner bei der Frage nach typischen Smalltalk- Situationen (Frage 4. In welchen Situationen findet Ihrer Meinung nach Smalltalk statt? , vgl. Anhang) an, dass Smalltalk mit Personen stattfindet, die man gar nicht oder nicht gut kennt. Explizite Nennungen von Smalltalk mit Freunden oder Familienangehörigen finden sich in vier amerikanischen Fragebögen, aber in keinem deutschen. Ähnlich sieht die Einschätzung von Smalltalk und Familie in einer der geschlossenen Fragen der Umfrage aus (Frage 8. In welchen der folgenden Situationen ist Smalltalk wahrscheinlich? , vgl. Anhang): Nur 15,3% der Deutschen (9/ 59) und 36,0% der Amerikaner (22/ 60) halten es für wahrscheinlich, dass Smalltalk zwischen Familienangehörigen am Frühstückstisch stattfindet. Smalltalk mit einem (entfernten) Verwandten während einer Familienfeier ist dagegen für wesentlich mehr Befragte denkbar (D: 54,2%, 32/ 59; USA: 86,7%, 52/ 60). Es kann damit als These aufge- 65 stellt werden, dass Smalltalk umso wahrscheinlicher ist, je weniger vertraut die Gesprächspartner miteinander sind (Schneider 1988: 39). Smalltalk ist durch ein symmetrisches, gleichberechtigtes Verhältnis der Gesprächspartner bestimmt (Deutrich/ Schank 1973: 250 f.). Darauf wird auch in den Ratgebern, nicht jedoch in den Umfragen oder in den Wörterbüchern, explizit hingewiesen, etwa wenn es um Smalltalk mit Vorgesetzten geht (z. B. Bonneau 2002: 102). Smalltalk ist „demokratisch“ (Lermer 2003: 17) und kennt keine Hierarchien (Baur 2001: 16, siehe auch Watzke-Otte 2007: 106): Ich und Du sind gleichberechtigt (Fischer 2004: 18). Damit ist gemeint, dass die Gesprächspartner prinzipiell gleiche Rechte bei der Gestaltung des Gesprächs haben, d. h., jeder hat das gleiche Rederecht, z. B. in Bezug auf die Rededauer oder das Einbringen von neuen Themen (z. B. Lermer 2003: 103), unabhängig von gesellschaftlichem Status, Bildung, Alter oder Geschlecht. Smalltalk ist deshalb auch durch relativ viele Sprecherwechsel gekennzeichnet (Schneider 1988: 40). Allerdings ist ein Smalltalk etwa zwischen Angestelltem und Vorgesetztem nur tendenziell symmetrisch, „was heißen soll, daß die Partner bemüht sind, vorübergehende wissensmäßig 81 oder sonst wie bedingte Asymmetrien auszugleichen“ (Henne/ Rehbock 2001: 29), die in anderen Kommunikationssituationen bestehen würden (z. B. bei Arbeitsanweisungen). Bestehende Abhängigkeits- oder hierarchische Verhältnisse sind im Small Talk zwar für den Moment ausgehebelt, jedoch nicht aufgehoben. Und außerdem werden Sie mit Ihrem Chef sicher anders smalltalken als mit dem Mann von der Straße. (Lermer 2003: 17, ähnlich: Nöllke 2005: 146) In Bezug auf die Anzahl der Gesprächspartner 82 ist der prototypische Smalltalk ein „interpersonales, dyadisches Gespräch“ (Henne/ Rehbock 2001: 26), d. h. ein Gespräch „unter vier Augen“. Das zeigt sich in den Ratgebern z. B. daran, dass normalerweise von „Ihrem“ oder „dem Gesprächspartner“ die Rede ist und unterschiedliche Strategien im Umgang mit besonders schwierigen Gesprächspartnern aufgezeigt werden (z. B. Baur 2001: 117 ff.; Portner 2003: 75 ff.). In der Umfrage wird die Möglichkeit von Smalltalk in einer Gruppe in den beiden Stichproben nur jeweils ein Mal explizit angesprochen. In den Ratgebern findet sich das Gruppengespräch vor allem in Verbindung mit der als besonders smalltalktypisch beschriebenen Party- Situation. Ein Problem, das in diesem Zusammenhang immer wieder thematisiert wird, ist nämlich der Einstieg in eine sich unterhaltende Gruppe (vgl. Kap. V.7.6.2). Ratgeber, die ihren Schwerpunkt auf Party-Smalltalk legen (z. B. Martinet 1992), besprechen Smalltalk in der Gruppe sehr ausführlich. In der Forschung wird die Frage nach der Anzahl der Gesprächspartner 81 Beim Smalltalk werden solche Differenzen z. B. durch die Wahl von alltäglichen Gesprächsthemen kaschiert, die weder hohe Bildung noch Spezialwissen voraussetzen (vgl. Lermer 2003: 67). 82 Bei Henne/ Rehbock (2001: 26) wird dieses Merkmal „Konstellation der Gesprächspartner“ genannt. 66 nicht thematisiert. Es werden jedoch sowohl Gespräche zwischen zwei Personen (z. B. Couplan/ Ylänne-McEwen 2000; Drew/ Chilton 2000) als auch innerhalb kleinerer Gruppen (z. B. Coates 2000; Mirivel/ Tracy 2005) analysiert. Betrachtet man das Kritierium der Vorbereitetheit der Gesprächspartner, so scheint auf der Hand zu liegen, dass ein Smalltalk - im Gegensatz etwa zu einem Vorstellungsgespräch - spontan und damit unvorbereitet stattfindet. Die Smalltalk-Ratgeber weisen jedoch darauf hin, dass ein Kommunikationsprofi […] grundsätzlich vorbereitet in ein Gespräch [geht] (Degen 2002: 14): Talkprofis gehen entschlossen in die Unterhaltung hinein und beenden sie erfolgreich, weil sie sich inhaltlich, aber auch formal ein regelrechtes Gesprächsprogramm zurechtgelegt haben. (Fischer 2004: 29) Als Vorbereitung auf den Smalltalk schlagen die Autoren vor, sich in Zeitungen und Zeitschriften über Aktuelles zu informieren oder sich passende Themen im Vorfeld zu überlegen (z.B. Bonneau 2002: 15; Märtin/ Boeck 2000: 36 f.; Naumann 2004: 112 ff.). 5. Situation Die Situationen, 83 in denen Smalltalk vorkommen kann, sind sehr vielfältig und einige Befragte gaben auf die Frage nach typischen Smalltalk- Situationen (Frage 4. In welchen Situationen findet Ihrer Meinung nach Smalltalk statt? , vgl. Anhang) Antworten wie „Anywhere people meet“, „any place“, „Kann zu jeder Zeit passieren“ oder „Immer und überall“. Der weit größere Teil der Befragten zählte jedoch bestimmte Situationen auf. Die folgende Übersicht nennt die am häufigsten genannten: Deutsche US-Amerikaner Situationen auf einer Party (11/ 57) beim unerwarteten Zusammentreffen mit Bekannten (12/ 57) am Arbeitsplatz (9/ 57) in öffentlichen Verkehrsmitteln (4/ 57) auf einer Party (15/ 61) in öffentlichen Verkehrsmitteln (15/ 61) am Arbeitsplatz (12/ 61) in einer Warteschlange (11/ 61) beim unerwarteten Zusammentreffen mit Bekannten (4/ 61) Tab. 4: Typische Smalltalk-Situationen Hier scheint es erstmals größere Unterschiede im Smalltalk-Verständnis zwischen den Deutschen und den Amerikanern zu geben: Während es für 83 Mit Situation ist hier die raumzeitliche Organisation eines Gesprächs gemeint. Zu den Schwierigkeiten einer Bestimmung des Begriffs Situation in der Linguistik siehe Deppermann/ Spranz-Fogasy (2001). 67 die Deutschen nur drei typische Smalltalksituationen zu geben scheint - die Party, das unerwartete Zusammentreffen mit einem Bekannten, z. B. beim Einkaufen, und Smalltalk am Arbeitsplatz (mit Kollegen oder Kunden) -, beurteilen Amerikaner die typischen Situationen etwas anders: Ebenso oft wie die Party-Situation werden öffentliche Verkehrsmittel (z. B. U-Bahn, Bus, Zug) 84 genannt und neben dem Arbeitsplatz, außerdem das Warten beim Anstehen (z. B. im Supermarkt) - eine Situation, in welcher der Smalltalk-Partner in der Regel unbekannt ist. In den Ratgebern werden sehr unterschiedliche Situationen thematisiert, wobei ein Schwerpunkt auf den gesellschaftlichen Veranstaltungen liegt (z. B. Empfang, Firmenjubiläum etc.). Auch das Oxford Advanced Learner’s Dictionary (1989: 1204) gibt in seiner Definition „social event“ als die gewöhnliche Smalltalk-Situation an. Smalltalk ist zwar auf Partys besonders häufig anzutreffen, jedoch ist nicht jedes Gespräch auf einer Party („Partygespräch”, z. B. Henne/ Rehbock 2001: 121 ff.) automatisch Smalltalk. Die Situation allein ist also kein ausreichendes Definitionskriterium. In den Smalltalk-Ratgebern finden sich zudem verschiedene Ansätze, um Smalltalk-Situationen zu unterteilen: Im Ratgeber von Fischer (2004: 52 ff.) wird zwischen Smalltalk im Alltag, im Arbeitsleben, im Privatleben und bei offiziellen und öffentlichen Anlässen unterschieden. Diese Untergliederung ist besonders wegen des unscharfen Begriffs Alltag (vgl. M. Heinemann 2000: 604 ff.) und seiner Überlappung mit Privatalltag bzw. Berufsalltag wenig aussagekräftig. Schäfer-Ernst (2002: 31 f.) nennt in ihrem Ratgeber freie und institutionelle Situationen: 85 Die freien Smalltalk-Situationen finden Sie überall, wo Sie Menschen begegnen, ohne dies zuvor vereinbart zu haben oder eingeladen worden zu sein: beim Bäcker, im Supermarkt, in der Kantine, am Firmen-Empfang, in der Kaffee-/ Teeküche und so weiter. [...] Demgegenüber stehen institutionalisierte Situationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie vorab geplant wurden: Betriebsfeiern, Meetings und Besprechungen, Cocktailpartys, Kunden-Essen, Messe-Events und vieles mehr. Hesse/ Schrader (2003: 97) unterscheiden einerseits zwischen einfachen (z. B. Supermarkt, Wartezimmer) und komplexen (z. B. Betriebsfeier) Smalltalk- Situationen, andererseits zwischen obligatorisch-kommunikativen und fakultativ-kommunikativen Situationen (ebd. 14): In den obligatorisch-kommunikativen Situationen ist Kommunikation nahezu zwingend. Sie gehört zur gesellschaftlichen Konvention, und man empfindet dies auch so. Schweigend fühlt man sich 84 Dass diese Situationen für Smalltalk kulturspezifisch sind, zeigt auch die in Die Zeit (Leben 42/ 2002) veröffentlichte Liste „Was Amerikanern an Deutschen auffällt“. Dort kann man unter Punkt 27. lesen: „Tödliches Schweigen in den U- und S-Bahnen“ (http: / / www.zeit.de/ 2002/ 42/ 59378, gesehen am 17.09.2007). 85 Diese Unterscheidung deckt sich mit der von Baber/ Waymon (1992: 10), die zwischen accidental und intentional small talk unterscheiden. 68 unwohl. Als Beispiel nennen Hesse/ Schrader Messen, Empfänge, Feiern, Partys oder ähnliche Anlässe (ebenso: Lermer 2003: 21). In fakultativ-kommunikativen Situationen können Sie selbst entscheiden, ob Sie ein Gespräch beginnen oder in eines verwickelt werden möchten. (ebd. 14). Eine Zugreise wäre hierzu ein Beispiel. Außerdem werden in Ratgebern Situationen angesprochen, in denen Smalltalk tabu ist. Naumann (2004: 207 ff.) etwa thematisiert ausführlich verschiedene Anti-Smalltalk-Zone(n) und auch Fischer (2004: 25) macht einige Einschränkungen: Völlig deplaziert, weil störend, ist Smalltalk, wo konzentrierte Arbeit geleistet wird, zum Beispiel bei Dienstbesprechungen, Geschäftsvorgängen, Amtshandlungen, Verhandlungen und Unterricht. Aber auch in Stress und in all den Situationen, in denen Zeit kostbar ist, sollte man unbedingt auf die lockere Plauderei verzichten. Es gibt also Situationen, in denen Smalltalk möglich, aber nicht nötig ist (z. B. im Zug) erwünscht ist (z. B. Party) unerlässlich ist (z. B. Geschäftsessen mit Ehepartnern) nicht erwünscht bzw. verpönt ist (z. B. In Zeiten seelischer Not, Naumann 2004: 211). Lermer (2003: 22) gibt in seinem Ratgeber an, dass Smalltalk umso wahrscheinlicher wird je kleiner der Kreis der anwesenden Personen ist, je weniger sich die Anwesenden untereinander kennen, je kleiner der Raum ist, der ihnen zur Verfügung steht, je länger das Zusammentreffen andauert. Die mir bekannte Smalltalk-Forschung beschäftigt sich bisher nicht systematisch mit der Unterscheidung von Smalltalk-Situationen, wie es die Ratgeber mit ihren durchaus interessanten Ansätzen bereits tun. Deshalb möchte ich folgende Übersicht vorschlagen; zur Illustration wird jeweils ein frei gewähltes Beispiel aufgeführt. 69 Smalltalk-Typ nach dem Kriterium der Rollenperformanz Ort privater Smalltalk geschäftlichgesellschaftlicher bzw. halbprivater Smalltalk beruflicher Smalltalk Arbeitsplatz (a) mit einer guten Kollegin in der Kaffeepause über die Kinder (b) mit einem neuen Kollegen auf dessen Einstand über den Büroalltag (c) mit einem Geschäftspartner im Büro über dessen Anreise Öffentlichkeit (d) mit einem Bekannten im Supermarkt über den letzten Urlaub (e) mit dem Vorgesetzten auf einer Betriebsfeier in einem Restaurant über gute Weine (f) mit einem Kunden bei einem Geschäftsessen über den Service im Restaurant Privatbereich (g) mit einem Bekannten auf einer Geburtstagsparty über Kinofilme (h) mit dem Vorgesetzten auf einer Gartenparty über Gartengestaltung (i) mit dem Handwerker im Haus über das Wetter Tab. 5: Systematik der Smalltalk-Situationen Da Smalltalk grundsätzlich als ein „privates“ Gespräch eingestuft wird (z. B. Deutrich/ Schank 1973: 251), 86 sind die in der Gesprächstypologie (z. B. Henne/ Rehbock 2001: 29) verwendeten Termini „öffentlich“, „halb öffentlich“, „nicht öffentlich“ oder „privat“ für eine weitere Untergliederung der Smalltalk-Situationen nicht brauchbar. Es scheint sinnvoller, einerseits nach dem Ort (Arbeitsplatz, Öffentlichkeit und Privatbereich) und andererseits nach den unterschiedlichen Smalltalktypen zu unterscheiden, die sich aus der Rollenperformanz der Gesprächspartner ergeben (privater, geschäftlichgesellschaftlicher bzw. halbprivater und beruflicher Smalltalk). 87 Jeder Mensch verkörpert unterschiedliche (soziale) Rollen, die mit bestimmten Verhaltensstrategien und -erwartungen verbunden sind. In konkreten Situationen werden meist nur bestimmte Rollen aktiv ausgeführt. Von privatem Smalltalk soll dann gesprochen werden, wenn beide Gesprächspartner ausschließlich als Privatpersonen handeln. Welche Themen dabei besprochen werden, ist für diese Einteilung irrelevant; es können, müssen aber keine privaten Themen sein. Privater Smalltalk kann am Arbeitsplatz (Situation a), in der Öffentlichkeit (Situation d) oder im Privatbereich (Situation g) stattfinden. Die umstrittenen Fälle von Smalltalk mit 86 Ob diese Zuordnung tatsächlich in jedem Fall zutrifft, ist allerdings fraglich: „instances of small talk are to be regarded as potential evidence of gradual collapsing of public and private boundaries“ (Candlin 2000: ixx). 87 Brinker (2005: 149) bestimmt die Kommunikationssituationen, die den Rahmen für Textsorten bilden, ebenfalls durch die „Art des Rollenverständnisses zwischen den Kommunikationspartnern.“ Er unterscheidet zwischen privatem, offiziellem und öffentlichem Handlungsbereich. Diese Handlungsbereiche decken sich in weiten Teilen mit den oben beschriebenen Rollen. 70 Freunden oder innerhalb der Familie (vgl. Kap. IV.4.) würden in die Kategorie privater Smalltalk im Privatbereich fallen. Handelt mindestens einer der Gesprächspartner in seiner beruflichen Rolle, z. B. als Verkäufer, Manager, Frisör, ist das meiner Ansicht nach beruflicher Smalltalk. 88 Besonders die jüngere anglistische Forschung hat sich verstärkt mit beruflichem Smalltalk beschäftigt (z. B. Holmes 2000; Holmes 2003; McCarthy 2000). Sie definiert ihn vor allem über das Thema: „small talk is defined as conversational exchanges that have no explicit work or task focus” (Mirivel/ Tracy 2005: 7). Smalltalk liegt also nur dann vor, wenn er nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Interaktion erklärt werden kann: Smalltalk ist ein „non-obligatory talk in terms of task requirements“ (McCarthy 2000: 84). Smalltalk und „core business talk” (Holmes 2000: 37) können sich dabei auch abwechseln, wie das Beispiel Gespräch zwischen Frisör und Kunden zeigt: Fragen etwa nach dem Urlaub fallen unter Smalltalk, während Fragen nach Frisurwünschen, Wassertemperatur etc. zur Abwicklung der beruflichen Handlung gehören (vgl. auch Kap. IV.7.). Beruflicher Smalltalk muss aber nicht nur am Arbeitsplatz vorkommen (Situation c): Geschäftsessen in einem Restaurant (Situation f) fallen für mich in den Bereich Öffentlichkeit. Eine Überschneidungssituation liegt vor, wenn etwa Dienstleister im Privatbereich des Kunden arbeiten (Situation i), da dieser für den Dienstleister den jeweiligen Arbeitsplatz darstellt. Situationen wie Messen oder Tagungen zählen dagegen zum erweiterten Arbeitsplatz. Es ist außerdem von einem Übergangsbereich zwischen privatem und beruflichem Smalltalk auszugehen, der als geschäftlich-gesellschaftlicher bzw. halbprivater Smalltalk bezeichnet werden kann. Hier handelt die einzelne Person nicht ausschließlich entweder in ihrer privaten oder in ihrer beruflichen Rolle. 89 So kann es sich etwa um einen halboffiziellen (Situation e) bis inoffiziellen Anlass (Situation b, h) handeln, bei dem sich der Smalltalker aber bewusst ist, dass sein Verhalten auch in Bezug auf ihn als Repräsentanten einer Institution, Firma oder Abteilung auf dem Prüfstand steht (Bonneau 2002: 109): You want to relax because it’s a social occasion, but you are aware that work colleagues will notice if you leave too much of your professional self behind. (Maggio 2005: 129) Nicht alle Ratgeber berücksichtigen alle Situationen und nicht alle Situationen werden gleich ausführlich behandelt (z. B. hinsichtlich besonderer Themenwahl). Am häufigsten kommt die Standardsituation „gesellschaftliches Ereignis“ (Party, Betriebsfeier, Firmenjubiläum, Empfang etc.) vor, das in den meisten Fällen in den Bereich des geschäftlich-gesellschaftlichen bzw. 88 Bei einem Frisörbesuch handelt der Frisör in seiner beruflichen, der Kunde in seiner privaten Rolle; bei einem Vorstellungsgespräch agieren sowohl der Bewerber als auch der Interviewer in ihrer beruflichen Rolle. 89 Dieser Smalltalk-Typ stellt eine besondere Herausforderung für Deutsche dar, da die Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereichen ein zentraler deutscher Kulturstandard ist (Schroll-Machl 2002: 134 ff.), vgl. Kap. VI.1. 71 halbprivaten Smalltalks in der Öffentlichkeit fällt. Beruflicher Smalltalk in Service-Situationen aus Sicht der Service-Leistenden (z. B. Frisör, Verkäufer) wird von Schäfer-Ernst (2002: 103 ff.) und Fischer (2004: 55 f., 70 f., 74 f.) thematisiert; auf den beruflichen Smalltalk im Privatleben geht nur der Ratgeber von Fischer (ebd. 55 f.) ein. Insgesamt ist bei den Ratgebern mit Schwerpunkt auf beruflichen Smalltalk festzustellen, dass der intendierte Leser eher gehobenere Bürotätigkeiten ausübt bzw. im (unteren) Management arbeitet (vgl. Kap. V.4.). 6. Funktion Der Begriff Funktion ist hier weit gefasst und es sollen darunter verschiedene Antworten auf die Frage subsumiert werden, wozu Smalltalk produziert und rezipiert wird oder was Sprachbenutzer mit Smalltalk machen (vgl. Adamzik 2004: 111). Dieses Verständnis bezieht also auch die Funktion von Smalltalk im gesellschaftlichen Leben ein und meint nicht etwa ausschließlich die engere Definition im Sinne von Textfunktion (vgl. Kap. III.3.3). 90 Ein auch in den Ratgebern immer wieder thematisiertes Vorurteil gegenüber Smalltalk ist, dass er sinnlos sei (z. B. Fischer 2004: 41). Dass Smalltalk durchaus einen Zweck hat, scheint für die deutschen Befragten allerdings weniger präsent zu sein: Während in der Umfrage nur 7 (von 50) Deutsche in ihren Smalltalk-Definitionen auf dessen Funktion eingehen, tun dies etwa die Hälfte der Amerikaner (30/ 61). Dies spricht für einen reflektierten Umgang mit dem Konzept von Smalltalk in den USA. Die Wörterbücher definieren Smalltalk dagegen kaum über seine Funktion (Schneider 1986: 149). Da in der (v. a. soziolinguistischen) Forschung besonderes Gewicht auf die soziale Funktion 91 von Smalltalk gelegt wird (z. B. im Sammelband von Coupland 2000a), soll dieser Definitionsaspekt im Folgenden ausführlicher behandelt werden. Durch Smalltalk werden zwischenmenschliche Beziehungen hergestellt oder gepflegt, 92 d. h., mit Hilfe von Smalltalk als „ice-breaker“ (Portner 2003: 90 Zu einer ausführlichen Diskussion über die Mehrdeutigkeit des Begriffs Funktion siehe Thim-Mabrey (2001a: 13). 91 Obwohl es allgemein anerkannt ist, dass jede Kommunikation eine soziale Bedeutung trägt (Coupland 2003: 2), werden in Bezug auf Smalltalk bestimmte Aspekte dieser sozialen Funktion relevant. 92 Schneider (1988: 28) unterscheidet bei der sozialen Funktion des Smalltalks dementsprechend zwischen „an initiating function and a continuing function”. Im Ratgeber von Fischer (2004: 67) wird zusätzlich die Erneuerung mitmenschlicher Kontakte angesprochen. In diesem Fall war ein Kontakt zwar ursprünglich schon hergestellt, wurde dann aber unterbrochen und durch Smalltalk wieder aktiviert. Smalltalk kann also nach Brinkers (2005) Klassifikation von Funktionskategorien als ein Text mit Kontaktfunktion beschrieben werden. 72 6) kann man Menschen kennen lernen 93 und Gemeinsamkeiten herausfinden (Bonneau 2002: 19). Die Forschung zitiert in diesem Zusammenhang gerne den britischen Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski, der mit seinem Konzept der „phatic communion“ als Vordenker und „father figure“ (Candlin 2000: i) der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Smalltalk gilt. Ausgehend von Malinowskis Definition und der wissenschaftlichen Rezeption dessen, was unter Phatizität zu verstehen ist, soll das in der Forschung recht unterschiedlich bewertete Verhältnis zwischen Smalltalk und „phatic communion“ kurz diskutiert werden. In einem Supplement zu Ogden/ Richards „Meaning of Meaning“ aus dem Jahre 1923 veröffentlicht Malinowski seine Schlussfolgerungen aus dem Studium „primitiver Sprachen“. Er erkennt, dass diese „Wilden“ verbale Kommunikation nicht nur zum Austausch von Informationen verwenden, sondern dass es Kommunikation gibt, die frei von jeglichem zweckgerichteten Handeln ist und stattdessen eine soziale Komponente hat: […] ‚phatic communion’ […] which serves to establish bonds of personal union between people brought together by the mere need of companionship and does not serve any purpose of communicating ideas. (Malinowski 1949: 316) Der Terminus phatische Kommunion leitet sich aus dem Griechischen phátis ‚Rede’ 94 ab und bedeutet ‚Kommunion, oder besser: Gemeinschaft, die durch Reden erreicht wird’. 95 Die Wahl des religiös konnotierten Begriffs Kommunion erklärt sich vor dem Hintergrund von Malinowskis anthropologischen Studien „primitiver Völker“ und wurde später meist durch die neutraleren Begriffe talk (Gespräch) oder communication (Kommunikation) ersetzt. Obwohl es eine beachtliche theoretische Diskussion zur phatischen Kommunikation gibt, ist das Verhältnis zum Smalltalk weiterhin unklar (Holmes 2000: 34): Häufig werden Smalltalk und phatische Kommunikation synonym verwendet (z. B. Sun 2000: 163), in einigen Fällen ist phatische Kommunikation der Oberbegriff, Smalltalk der Unterbegriff (z. B. Schneider 1987: 250) oder umgekehrt (z. B. Holmes 2000: 38). Zudem gibt es den Ansatz, sie als zwei eigenständige, aber verwandte Konzepte zu betrachten (z. B. Tracy/ Naughton 2000: 62). 93 Diese initiative Funktion von Smalltalk wird in den amerikanischen Definitionen besonders häufig (11/ 61) genannt. In den deutschen Definitionen wird nur ein Mal erwähnt, dass Smalltalk hilft „Bekanntschaften [zu] schließen“. 94 Austin (1962) hat unabhängig von Malinowski ebenfalls aus dem Griechischen das Wort phatisch abgeleitet. Er verwendet es allerdings in einer anderen Bedeutung und meint damit die morpho-syntaktische Form einer Äußerung. In der Forschung (auch in der deutschsprachigen) wird phatisch in der Regel in Anlehnung an Malinowski verwendet, vgl. z. B. die Lexikoneinträge bei Glück (2005) und Bußmann/ Gerstner-Link (2002). 95 Nicht nur verbale Akte haben soziale Funktionen: Auch Paraverbales (Laver 1975: 217) oder sogar Schweigen können „a possible vehicle of phaticity“ (Jaworski 2000: 128) sein. 73 Welche Art von Kommunikation hatte Malinowski im Blick? A mere phrase of politeness, in use as much among savage tribes as in European drawing-room, fulfils a function to which the meaning of its words is almost completely irrelevant. Inquiries about health, comments on the weather, affirmations of some supremely obvious state of things - all such are exchanged, not in order to inform, not in this case to connect people in action, certainly not to express any thought. It would be even incorrect, I think, to say that such words serve the purpose of establishing a common sentiment, for this is usually absent from such current phrases of intercourse; and where it purports to exist, as in expressions of sympathy, it is avowedly spurious on one side. What is the raison d’etre, therefore, of such phrases as ‚How do you do? ’, ‚Ah, there you are’, ‚Where do you come from? ’, ‚Nice day today’ - all of which serve in one society or another as formulae of greeting or approach? (Malinowski 1949: 313 f.) In diesem längeren Zitat spricht Malinowski leider nur skizzenhaft einige Aspekte der phatischen Kommunikation an. Da er auch später seine Theorie nicht weiter ausbaut, haben die Wissenschaftler, die sich auf ihn beziehen, seine Ausführungen unterschiedlich aufgefasst (Coupland/ Coupland/ Robinson 1992: 209 ff.). Deshalb steht, je nachdem, wie die Autoren Malinowskis sparsame Äußerungen interpretieren, der Ritualcharakter (z. B. Laver 1975 und 1981, auch Holmes 2000), die Förderung der sozialen Bande (z. B. McCarthy 2003), die semantische Entleerung einer Äußerung (z. B. Žegarac/ Clark 1999) oder deren inhaltliche Unabhängigkeit vom „eigentlichen“ Gespräch (z. B. Burnard 2005) im Zentrum ihrer Auffassung von phatisch. Nach Malinowski dominierten in der Forschung zunächst die negativen Bewertungen des Terminus phatic communion (und damit auch von Smalltalk) (Coupland/ Coupland/ Robinson 1992: 209), jedoch hat sich bereits Laver (1975 und 1981) in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts darum bemüht, phatische Kommunikation durch die Aufdeckung ihrer unterschiedlichen Funktionen als durchaus positives Phänomen darzustellen. In der aktuellen Forschung ist mittlerweile keinerlei negative Bewertung mehr zu bemerken (vgl. die unterschiedlichen Aufsätze etwa in Coupland 2000a). Schneider (1988: 25) stellt nicht zu Unrecht fest, dass das Phänomen „phatische Kommunion“ seit Malinowski zwar immer wieder erwähnt wurde, man das Thema jedoch meist nur intuitiv behandelt hat und es bisher nicht gelungen ist, ein elaboriertes Konzept vorzulegen. Ein neuerer Versuch, Malinowskis Ansatz theoretisch zu fundieren, wird in den Aufsätzen von Žegarac (1998) und Žegarac/ Clark (1999) unternommen, die vor allem die kognitiven (nicht, wie bisher die sozialen) Effekte aufzeigen wollen. Wie auch schon Coupland/ Coupland/ Robinson (1992: 214) gehen Žegarac und Clark davon aus, dass phatische Kommunikation keine bestimmte Gesprächssorte ist, obwohl Malinowski den Gesprächscharakter („a type of speech“, 1949: 315) anspricht. Vielmehr handelt es meist um phatische Implikationen, Implikaturen und Interpretationen einer Äußerung. Das Problem, dass eine Äußerung erst als phatisch interpretiert werden muss, ist nur 74 dann relevant, wenn es eine Diskrepanz zwischen wörtlicher, semantischer Bedeutung und einer daraus nicht direkt ablesbaren sozialen Bedeutung gibt. 96 Sätze wie Ich mag dich. oder Sie sind ein angenehmer Gesprächspartner. kommen in Untersuchungen zur phatischen Kommunikation nicht vor und sind - da nicht „versteckt“ beziehungsfördernd - auch nicht damit gemeint. 97 Ein wesentliches Kriterium zur Unterscheidung von Smalltalk und phatischer Kommunikation ist folgendes: Smalltalk wird zumindest allgemeinsprachlich und oft auch fachsprachlich, etwa bei Schneider (1987: 250), als eine eigene Gesprächsbzw. Dialogsorte verstanden (vgl. Kap. IV.7.). Damit kann eine einzelne Äußerung zwar phatisch sein, sie kann alleine jedoch noch keinen Smalltalk konstituieren. Žegarac (1998: 330) diskutiert ein Beispiel, an dem der Unterschied zwischen phatischer Kommunikation und Smalltalk als eigene Gesprächssorte deutlich wird: For example, imagine that Peter and Mary have quarrelled and have not spoken to each other for three days. It is evident to Peter that it is evident to both of them that postmen are on strike on that particular day (the strike having become something of a weekly event). On the morning of the fourth day, out of the blue, Peter says to Mary: […] There’s a postal strike today. In this case, the fact that Peter has addressed Mary would be of far greater interest to her than any information about the postal strike, and she would be justified in assuming that Peter is aware of this. 96 In der deutschsprachigen Forschung wird in diesem Zusammenhang häufiger der Begriff Beziehungsaspekt verwendet (z. B. Adamzik 1984; Holly 1979): Das Kommunikationsmodell von Watzlawick/ Beavin/ Jackson (1967) unterscheidet zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt einer jeden Mitteilung; der Inhaltsaspekt bezieht sich auf die Sachverhalte in der Welt, der Beziehungsaspekt auf das Verhältnis der Interaktionspartner zueinander. Während Schneider (1989: 438) lediglich andeutet, dass Watzlawick/ Beavin/ Jackson ein ähnliches Konzept wie Malinowski haben, sieht Holly (1979: 23 ff.) den Zusammenhang zwischen phatischer Kommunikation im Sinne Malinowskis und dem Beziehungsaspekt deutlicher: „Zur weiteren vorläufigen Charakterisierung dieses Bereichs des Beziehungsaspekts [der sich auf die Sicherung der wechselseitigen Anerkennung der Interaktanten als Individuen bezieht, K.K.] möchte ich kurz darauf eingehen, daß schon Malinowski (1923) mit dem Begriff der ‚phatic communion’ auf diese Funktion des Sprachgebrauchs hingewiesen hat, der eben darin besteht, zwischenmenschliche Beziehungen überhaupt erst einmal herzustellen und dann aufrechtzuerhalten.“ Für Holly ist also Malinowskis Konzept mit einem „Relevanzbereich des Beziehungsaspekts“ (Holly 1979: 22) identisch. Die Termini Beziehungsebene bzw. -aspekt und Inhaltsebene bzw. -aspekt werden auch in der Ratgeberliteratur verwendet (z. B. Degen 2002: 107; Portner 2003: 18 ff.; Fischer 2004: 15; Naumann 2004: 208; ausführlich bei Nöllke 2005: 62). 97 Diese speziellen Typen, in denen der Sprecher sich auch im propositionalen Akt mit der Beziehung zum Hörer beschäftigt, nennt Holly (1979: 11) „beziehungsbezogene Sprechhandlungen“. 75 Peters Äußerung ist phatisch in der Hinsicht, dass zum einen der Informationsgehalt irrelevant ist und zum anderen die soziale Funktion seiner Aussage versteckt kommuniziert wird (Peter hätte auch sagen können: Lass uns wieder miteinander reden! ). Es handelt sich bei Peters singulärer Äußerung aber noch nicht um ein Gespräch, also um keinen Smalltalk. Žegarac (1998: 330) geht davon aus, dass es einen Unterschied zwischen konventionalisierten phatischen Äußerungen bzw. Äußerungen mit großem phatischen Potential (z. B. das englische How are you? , vgl. Coupland/ Coupland/ Robinson 1992: 217) und Äußerungen gibt, die sowohl eine phatische als auch eine nicht phatische Interpretation erlauben. 98 Der von Peter geäußerte Satz There’s a postal strike today. wäre eine solche nicht konventionalisierte phatische Äußerung. Je nachdem, wie stark eine Äußerung konventionalisiert ist, kann man unterschiedliche „degrees of phaticness“ (Žegarac/ Clark 1999: 329) unterscheiden. Schanks (1977: Fußnote 38) Annahme, dass phatisches Sprechen offenbar auf Ritualisierungen beruht, kann nach den neueren Ansätzen zur phatischen Kommunikation also nicht als generelle Regel formuliert werden (vgl. dazu auch Kap. IV.8.). Coupland/ Coupland/ Robinson (1992: 213) weisen darauf hin, dass eine phatische Intention nicht auf die von Malinowski (siehe Zitat oben) und Laver (1975 und 1981) thematisierten Kommunikationssituationen (besonders Gesprächsanfänge und -schlüsse) beschränkt ist, sondern „even within sequences of transactional, instrumental, or task-oriented talk [Hervorhebung im Original, K.K.]“ vorkommt. Damit wird auch deutlich, dass sich phatische Kommunikation und Informationsaustausch nicht an sich ausschließen, wie Malinowski (1949: 316) annahm: „[…] ‚phatic communication’ […] does not serve any purpose of communicating ideas [Hervorhebung K.K.]”. Man muss ihm allerdings zugestehen, dass bei der phatischen Kommunikation der Informationsgehalt der Aussagen im Hintergrund steht bzw. nur schwach ist: „the interpersonal focus is fore-grounded“ (Coupland 2003: 2). 99 Reine phatische Dialoge, in denen der Inhalt des Gesagten völlig irrelevant ist, weil er z. B. gar nicht verstanden wird, stellen eine Ausnahme dar: Als Beispiele werden Gespräche mit einem Kleinkind (Adamzik 1994: 369) oder mit einem Verletzten genannt, den man vom Bewusstloswerden abhalten will (Coupland 2000b: 15 f.). Zudem fallen wohl auch Gespräche mit Haustieren unter die phatische Kommunikation. Mein Fazit in der Frage nach dem Verhältnis zwischen Smalltalk und phatischer Kommunikation ist Folgendes: Phatische Kommunikation unter 98 Es kann vorkommen, dass Äußerungen auch unterschiedlich interpretierbar sind: Wer auf die Frage Wie geht’s? mit einem genauen Gesundheitsbericht antwortet, hat die Frage nicht als phatisch interpretiert, sondern als eine „echte“ Frage (vgl. Kap. VI.2.3). Das Problem, als Interaktionspartner unter Umständen erst herausfinden zu müssen, ob eine Äußerung nun als phatisch zu interpretieren ist oder nicht, nennen Coupland/ Coupland/ Robinson (1992) „negotiating phatic communion“. 99 Nur ein Deutscher und kein Amerikaner gaben an, dass Smalltalk zum Austausch von Informationen dient. 76 Bezug auf Malinowski mit Smalltalk gleichzusetzen, scheint mir ein wenig vorschnell. Zwar finden sich die wenigen wörtlichen Redezitate und auch die Themen, die Malinowski als Beispiele für phatische Kommunion nennt, im prototypischen Smalltalk wieder, jedoch verwendet er das Wort Smalltalk nicht, obwohl es auch schon zu seiner Zeit durchaus gebräuchlich war. 100 Aus diesem Grund scheint es lohnenswert, zwischen dem Konzept von Smalltalk auf der einen und phatischer Kommunikation auf der anderen Seite zu unterscheiden. Bei einigen Wissenschaftlern (z. B. Coupland) gibt es eine starke Tendenz, alles, was einen phatischen Charakter hat, als Smalltalk zu bezeichnen. Wenn jedoch das Kriterium der „sozialen Beziehungsarbeit“ zu stark in den Vordergrund gestellt wird, dann fallen sehr viele unterschiedliche Gesprächssorten, einzelne Sätze oder sogar einzelne Wörter (McCarthy 2003; Burnard 2005: 139) unter den Begriff Smalltalk. Dieser hat dann nichts mehr mit dem allgemeinsprachlichen Verständnis zu tun. In den Smalltalk-Ratgebern wird kein einziges Mal das Wort phatisch verwendet, jedoch wird auf die soziale Funktion von Smalltalk an vielen Stellen hingewiesen, sie wird teilweise sogar sehr ausführlich behandelt (z. B. Nöllke 2005: 62 f.). Smalltalk schafft Verbindungen und demonstriert Verbundenheit (Portner 2003: 6), [bildet] eine Gemeinschaft auf Zeit [...] (Baur 2001: 15), hat eine soziale Brückenfunktion (Fischer 2004: 8), ist Beziehungsarbeit (Märtin/ Boeck 2000: 10), Beziehungspflege (Nöllke 2005: 62) oder „Beziehungstalk“ (Lermer 2003: 164). Eine besonders bildhafte Formulierung findet sich bei Kessler (2007: 14): Small Talk ist soziales Lausen! Smalltalk kann unter Umständen aber auch das Gegenteil von dem erreichen, was unter phatisch zu verstehen ist: Er kann gerade durch seine Unverbindlichkeit soziale Distanz schaffen (Schneider 1988: 29). Von einigen Befragten und auch in einigen Ratgebern wird er deswegen als Kommunikationsform unter Freunden oder in der Familie abgelehnt (vgl. Kap. IV.4.). Der Ratgeber von Portner (2003: 41 f.) thematisiert die drei Persönlichkeitsbereiche eines Menschen, die man sich in einem Schalenmodell vorstellen kann: Smalltalk kann helfen, die äußere Schale, unser public life, und vielleicht noch Teile unseres private life zu erschließen; in diesen Bereichen greift eine Definition von Smalltalk als phatischer Kommunikation zum Aufbau und zur Pflege von Beziehungen. Zum Kern unserer Persönlichkeit, unserem secret life, kann man mittels Smalltalk allerdings nicht vorstoßen. Da Smalltalk die Beziehung zum Gesprächspartner auf eine bestimmte Distanz hält, kann er aber eine Möglichkeit sein, Kontakt mit Menschen zu halten, zu denen man eine gestörte Beziehung hat (Lermer 2003: 17). Auch in der Umfrage finden sich Hinweise auf diese Verwendung von Smalltalk, wenn er etwa als Unterhaltung beschrieben wird „unter Menschen, die sich nicht viel zu sagen haben, aber aufgrund ihres Sozialverhaltens nicht ohne ein Wort an jemandem vorbeigehen wollen.“ Ein anderes Mal heißt es, dass sich im 100 Er verwendet jedoch einmal das englische Wort gossip. Zum Verhältnis zwischen Smalltalk und gossip siehe Kap. IV.11. 77 Smalltalk „Personen miteinander unterhalten, die sich [...] nicht mögen“ oder Smalltalk von Leuten verwendet würde, „die sich kennen aber nichts mehr wichtiges zu sagen haben. [sic! ]“ Dieser Befragte hat außerdem selbst schon „Small Talk eingesetzt, um auf Fragen nicht antworten zu müssen.“ Nur eine amerikanische Antwort geht in diese Richtung. Smalltalk sei hilfreich, „when speaking with someone you do not necessarily trust or know well and therefore want to avoid more important topics.“ In der Forschung wird m. E. zu wenig auf die Frage eingegangen, welcher Art die Beziehung ist, die phatische Kommunikation aufbauen oder fördern soll. Die Pflege und der Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen ist die Hauptfunktion von Smalltalk, jedoch kann er auch Mittel zu einem anderen, dahinter verborgenen Zweck sein. Coupland (2000b: 2) sieht bereits in Malinowskis Ausführungen Hinweise auf eine strategische Verwendung 101 von Smalltalk: „he hints at listeners operating stategically behind the veneer of small talk.“ So wirbt auch der Großteil der Ratgeber für Smalltalk mit unterschiedlichen positiven Effekten, die persönliche Vorteile versprechen: - Smalltalk verbessert die Geschäftsverbindungen und damit die Aussicht auf Geschäftserfolg. (Bonneau 2002: 49) - Ohne Smalltalk ist ein schnelles, effektives Arbeiten nicht möglich. (Portner 2003: 13) - Ein gelungener Small Talk ist der Türöffner. Ohne Small Talk kein Networking. (Lermer 2003: Klappentext) - Smalltalk ist für den Erfolg auf privater und beruflicher Ebene von entscheidender Bedeutung. (Müller/ Weiden 2002: Klappentext) Wenn Smalltalk geführt wird, obwohl kein echtes Interesse am Gesprächspartner besteht, wird er zu einer Maske, hinter der die eigentlichen Gefühle und Meinungen verborgen werden: Niemand wird im Small Talk immer völlig authentisch sein, stets genau das aussprechen, was er gerade denkt und fühlt. (Hesse/ Schrader 2003: 82, ähnlich: Lüdemann 2007: 14). Friedlaender (1922: 75) hat diese verschleiernde Funktion von Smalltalk bereits 1922 knapp zusammengefasst: „Small-talk saves us both from silence and from its ruinous alternative - saying what we really think”. Damit wird Smalltalk zur Diplomatie des Alltags (Baur 2001: 16). Um eine mögliche Diskrepanz zwischen dem Gesagten und der eigentlichen (verborgenen) Meinung des Sprechers darzustellen, hat Goffman (1971) die aus der Dramaturgie stammenden Begriffe „frontstage“ (Bühne) und „backstage“ (hinter den Kulissen) eingeführt. Eine Analyse der Smalltalk- Rezeption - „Wie wirkt Smalltalk? “ - steht allerdings noch aus. In der Forschung wird auch nur selten darauf hingewiesen, dass das Interesse an der 101 Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass einige Smalltalker diese strategischen Ziele gar nicht vor Augen haben und der positive Effekt von Smalltalk, z. B. beruflicher Erfolg, ein unbeabsichtigtes oder zumindest unbewusst erzeugtes „Nebenprodukt“ ist. 78 Förderung sozialer Beziehungen eventuell nur ein Phänomen des „frontstage“ ist und ein Interaktionspartner (evtl. sogar beide) in Wirklichkeit gar nicht an der anderen Person interessiert ist. 102 [...] we need to be exceptionally careful in assuming that some surface interactive cooperativeness, in the Gricean sense, evidenced by the mutual and complementary exchange of relational small talk, necessarily asserts some deeper-going cooperativeness in terms of shared goals among the participants and a commitment by them to some shared outcomes. (Candlin 2000: ixx) Das macht Smalltalk potenziell auch suspekt, eventuell wenig authentisch (Coupland 2000b: 2 f.) und zu einer unehrlichen Kommunikation (Lüdemann 2007: 14). Während im Ratgeber von Märtin/ Boeck (2000: 111) die Meinung vertreten wird, dass Ausflüchte und Notlügen, taktische Rückzüge und geheuchelte Begeisterung [...] das Schmieröl im zwischenmenschlichen Getriebe [sind], sieht Naumann (2004: 49) das in seinem Ratgeber anders: Der Verdacht der Unehrlichkeit und Heuchelei kann die Chancen auf ein Kennenlernen unwiderbringlich [sic! ] zunichte machen. Einen Schritt weiter geht Baur (2001: 17), die sich in ihrem Ratgeber vehement gegen einen Smalltalk-„Missbrauch“ ausspricht: Unverfänglich und unverbindlich ist der Smalltalk nur, wenn er nicht kühl kalkuliert wird, also keinen eindeutigen Zweck verfolgt. Wer ihn absolviert, um im Dunstkreis der Harmlosigkeit strategisch wichtige Ziele zu erreichen, verrät die Idee des Smalltalks. Auch Fischer (2004: 7) weist darauf hin, dass Smalltalk am besten zu seinem Selbstzweck betrieben werden sollte, denn er macht das Leben leichter und zaubert Freundlichkeit hervor, immer und überall. Die strategische Verwendung von Smalltalk wird in der Umfrage kaum erwähnt; nur einmal fällt in der amerikanischen Stichprobe das Schlagwort Networking. Häufiger wird dafür eine weitere Funktion des Smalltalks angegeben, die ebenfalls bereits Malinowski im Zusammenhang mit der phatischen Kommunikation nennt: Smalltalk hilft, Schweigen zu vermeiden, 103 welches als „something alarming and dangerous“ (Malinowski 1949: 324) eingestuft wird. 104 Diese Verwendungsweise von Smalltalk bezeichnet Schneider (1988: 29) im Gegensatz zum bisher beschriebenen „offensiven“ Smalltalk - als „defensiv“, da sich hier das Individuum durch eine unangenehme Situation „bedroht“ fühlt und diese durch ein Gespräch „entschärft“. 102 Das Problem des „frontstage“ und „backstage“ im Smalltalk wird z. B. bei Coates (2000) anhand von Gesprächen unter Freundinnen erläutert. 103 Es finden sich dazu einige Belege in der amerikanischen Umfrage: Smalltalk is „used to fend off discomfort“, „to keep from feeling awkward in certain situations”. Smalltalk is „talking […] to avoid uncomfortable silence.” In den deutschen Smalltalk-Definitionen wird, wie bereits erwähnt, selten (7/ 50) diese Funktion angesprochen. Eine Antwort lautet jedoch, dass Smalltalk verwendet wird, „um Verlegenheitspausen zu füllen.“ 104 Jaworski (2000) zeigt in seinem Artikel „Silence and Small Talk“ auf, dass Stille nicht an sich als negativ zu bewerten ist. Vielmehr kann sie bei bestimmten Gesprächspartnern eine ähnliche soziale Funktion haben wie Smalltalk. 79 Smalltalk kann außerdem als Zeitvertreib 105 dienen, z. B. zur Überbrückung von Wartesituationen. Diese Verwendung ist wohl ebenfalls als defensiv zu bezeichnen, auch wenn die dazu vorliegende Situation nicht an sich bedrohlich ist. Beim defensiven Smalltalk scheint die phatische Komponente - also der Aufbau sozialer Beziehungen - eher in den Hintergrund zu treten, da ein wirkliches Interesse an dem Gesprächspartner selten besteht. Insgesamt wird der defensive Smalltalk in den Ratgebern eher kritisch gesehen: Als Small-Talk-Profi plaudert man natürlich nicht, um die Zeit totzuschlagen, sondern konzentriert sich auf interessante Gesprächspartner, von denen man Neues erfährt, etwas lernen kann, die beruflich erfolgreich sind und einem selbst irgendwie von Nutzen sein können. (Hesse/ Schrader 2001: 84) In den Ratgebern wird allgemein Smalltalk außerdem zur Persönlichkeitsentwicklung (Fischer 2004: 15), dem Aufbau von Selbstbewusstsein (Märtin/ Boeck 2000: 10) und zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens empfohlen - Topf (2002: 47) spricht ihm sogar eine Art therapeutische Wirkung zu. 7. Eigenständigkeit Im allgemeinsprachlichen Verständnis und in den Ratgebern wird Smalltalk ausschließlich als eine eigenständige Gesprächssorte 106 mit Gesprächsbeginn, -mitte und (meist auch) -ende verstanden. Fungiert Smalltalk als „icebreaker“ oder „conversation starter“ kann sich ein „richtiges Gespräch“ anschließen: „It may lead into more important conversations“ and „provides the potential for conversations to evolve to a more personal level“ (Zitate aus der amerikanischen Umfrage). In der älteren anglistischen Forschungsliteratur gibt es daneben aber ein engeres Smalltalk-Konzept: Edmondson/ House (1981: 222, ähnlich: Laver 1975: 218; Ventola 1979: 273) verstehen etwa die Begrüßung (Hallo Peter! ) als einen eigenständigen „opening talk“ neben dem Smalltalk (Wie geht’s? ). In dem zuvor angesprochenen weiteren Konzept von Smalltalk würde die Begrüßung dagegen einen Teil des Smalltalks ausmachen (so z. B. bei Schank 1977). 105 In der amerikanischen Umfrage wird die Smalltalk-Funktion „to pass/ kill time“ 6 (von 61) Mal genannt. 106 Obwohl ich eine strikte Trennung in Textsorten (als Gegenstände der Textlinguistik) und Gesprächssorten (als Gegenstände der Gesprächs- und Diskursanalyse) für eine umfassende Theoriebildung komplexer sprachlicher Äußerungen jenseits der Satzgrenze nicht für sinnvoll erachte, möchte ich dennoch aus Gründen der Leserfreundlichkeit Smalltalk als Gesprächssorte und nicht als Textsorte (so etwa bei Adamzik 1995: 279) bezeichnen. Die untersuchten Smalltalk-Ratgeber werden als eine bestimmte Textsorte beschrieben, die sich als Metatexte auf die Gesprächssorte Smalltalk beziehen. 80 Nach dem Kriterium der Eigenständigkeit will ich zwei Arten von Smalltalk unterscheiden: den isolierten und den integrierten Smalltalk. Isolierter Smalltalk bedeutet, dass der Small Talk schon das Gespräch an sich ausmacht (Degen 2002: 128). „Hallo Wolfgang.“ „Hallo Susi.“ „Na, hat sich eure Kleine von ihrer Erkältung erholt? “ „Ja, geht wieder. Sie ist schon fast wieder so frech wie vorher.“ „Schön, grüß Elvira von mir. Ich muss dringend ins Controlling, aber wir sehen uns ja bald.“ „Klar, Susi, tschüss dann.“ (Topf 2002: 118) Dieses Beispiel ist gleichzeitig ein Beispiel für einen „Minismalltalk“, der neben Begrüßung und Verabschiedung mindestens ein Thema behandeln muss. Ist der Smalltalk „integriert“, dann ist er nur ein Teil der gesamten verbalen Interaktion. Meist findet er sich in der Anfangsund/ oder Schlussphase, kann jedoch auch den gesamten Dialog durchdringen (Cheepen 2000: 291). Den Hauptteil macht der „Bigtalk“ aus. Als Gegenstück zum Smalltalk werden in den Ratgebern außerdem Bezeichnungen wie „richtiges“ Gespräch (Fischer 2004: 8), tieferes Gespräch (Lermer 2003: 16), ernstes Gespräch zur Sache (Naumann 2004: 17) oder das große, inhaltsreiche und tief gehende Gespräch (Lasko 2004: 13) verwendet. Coupland/ Coupland/ Robinson (1992: 211) stellen z. B. vier Kriterien für solch einen „Bigtalk” zusammen: What might „proper“, „full“ or „accelerated“ communicative interaction involve? Taking the converse of the (consensual) defining attributes of phatic talk, we would have to identify talk that involved: (1) factual information exchange, (2) instrumental goals, (3) serious key, and (4) unwavering commitment to openness, truth, and disclosiveness. (Coupland/ Coupland/ Robinson 1992: 211) Damit können Bigtalk als instrumentelle, zielorientierte und funktionale Kommunikation und Smalltalk als verhältnisbezogene, identitäts- und personenorientierte Kommunikation voneinander abgrenzt werden. Jedoch ist eine klare Trennung nicht immer eindeutig möglich. Wie auch andere Wissenschaftler geht Holmes (2000: 38), die sich mit der Bedeutung von Smalltalk im Berufsleben auseinandersetzt, von unterschiedlichen Graden an Vermischungen und Überlappungen aus. Sie schlägt deshalb vor, die beiden Gesprächssorten „Phatic communion“ und „Core business talk“ als die beiden Eckpunkte einer Skala zu verwenden, auf der sich der Sprecher hin- und herbewegen kann. Als Übergangsbereiche sind laut Holmes „Work related talk“ und „Social talk“ anzusetzen. Der Wechsel zwischen personenorientierter und zielorientierter Kommunikation wird im beruflichen Alltag besonders relevant: Smalltalk kommt vor allem an Übergangsstellen (z. B. beim Warten auf ein „Meeting“, Beginn und Ende eines Beratungsgesprächs im Reisebüro), Themen-„Rändern“ (Verbindungsstellen zwischen zwei Themen) oder aber begleitend zu größtenteils „hand-arbeitsorientierten“ (Henne/ Rehbock 2001: 24 f.) Aufgaben (vgl. Unterhaltungen beim Frisör und in der Fahrschule, McCarthy 2000) vor. 81 Um eine konsequente Unterscheidung zu phatischen Einzelbemekungen vornehmen zu können, sollte Smalltalk, egal ob er isoliert oder in einen Bigtalk integriert auftritt, immer über mindestens einen Sprecher-Hörer- Rollenwechsel (turn-taking) definiert werden. 8. Ritualität Ein weiteres relevantes Definitionskriterium, das bereits bei der Frage nach der phatischen Funktion des Smalltalks angeschnitten wurde und auch mit dem Kritierum der Eigenständigkeit zusammenhängt, ist das der Ritualität. Die Begriffe Routine, Ritual, stereotypes, konventionalisiertes oder formelhaftes Sprechen werden in der Forschung nicht immer klar voneinander geschieden und teilweise synonym verwendet. Es scheint sich jedoch folgendes Verständnis durchzusetzen: Routinen umfassen das allgemeinere Konzept und zeichnen sich durch Wiederholung aus, während Rituale zusätzlich einen symbolischen Mehrwert aufweisen (Lüger 1988: 130; Coupland 2000b: 13 f.). In Bezug auf Smalltalk wird in der Forschung häufiger der Begriff Ritual verwendet; sein symbolischer Mehrwert basiert vor allem auf seiner phatischen Funktion (vgl. Kap. IV.6.). Lüger (1988: 130) unterscheidet Rituale im engeren Sinne, die an Institutionen gebunden sind, von Ritualen im weiteren Sinn, die sich auf den phatischen Kommunikationsbereich beziehen. Dieser weitere Ritualbegriff wurde unter dem Einfluss von Goffman etwa von Hartmann (1973) und Werlen (1979, 1984) für die Analyse alltäglicher Kommunikation fruchtbar gemacht. Als rituell wird hier insbesondere die sprachliche Bewältigung von Übergangssituationen betrachtet, z. B. Eröffnung oder Beendigung von Gesprächen mit Hilfe standardisierter Sequenzen: Die Kommunikation beschränkt sich in diesen Phasen auf einen meist schematischen Austausch von Routineformeln, deren Auswahl aus einem relativ begrenzten Repertoire erfolgt. Anwendbarkeit und Bedeutungsinterpretation der Formeln sind weitgehend festgelegt, wobei die wörtliche Bedeutung in der Regel zugunsten der pragmatischen Funktion zurücktritt. (Lüger 1988: 130) Diese pragmatische Funktion ist bei der phatischen Kommunikation die Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen. Für die Beurteilung der Ritualität im Smalltalk gibt es auch hier unterschiedliche Ansätze: Diejenigen, die Smalltalk lediglich als Element in Übergangssituationen (z. B. Gesprächseröffnung) verstehen (vgl. Kap. IV.7.), verbinden ihn auch mit phatischer Kommunikation, die dann stets auch als ritualisierte Kommunikation eingestuft wird. 107 Ein klassisches Beispiel, das auch in der Ratgeberliteratur 107 Es gilt übrigens nicht der Umkehrschluss, dass ritualisierte Kommunikation immer auch phatische Kommunikation ist. Versteigerungen etwa sind stark ritualisiert, haben aber keinerlei phatische Funktion. 82 immer wieder diskutiert wird, ist die Äußerung How are you? bzw. Wie geht es Ihnen? (vgl. Kap. VI.2.3). Diejenigen, die Smalltalk als eigenständige Gesprächssorte verstehen - die jüngere anglistische Forschung ist hier anzusiedeln - , bewerten den Ritualcharakter von Smalltalk differenzierter: Begrüßungen, ritualisierte Themen und Verabschiedungen fassen den small talk gleichsam wie ‚ritual brackets’, d. h. wie rituelle Klammern ein. Demgegenüber ist der Mittelteil von small talks weniger stark durch Ritualisierungen erwartbar vorbestimmt und daher offen für den ‚eigentlichen’ Ich-du-hier-jetzt-Austausch der Interagierenden. Im small talk können wir unterschiedliche Ritualisierungsgrade beobachten und umgekehrt proportional dazu eine Zunahme und Abnahme des Austauschs zwischen den Gesprächsteilnehmern. (Schank 1977: 241 f.) Adamzik (1994: 369) nimmt hier eine Zwischenstellung ein, wenn sie Smalltalk als „eine expandierte und für sich stehende Form des Grußrituals“ versteht. Während für Schneider (1986: 141) Smalltalk „in hohem Maße aus präfigurierter Rede und formelhaften Wendungen“ besteht und „weder hinsichtlich der Form noch der Inhalte einen nennenswerten Spielraum für eigene Kreativität läßt“ (ebd. 142), bewertet ihn Holmes (2000: 50) als „a creatively adapted form of social talk“. Diese zweite Ansicht vertreten auch die Smalltalk-Ratgeber. Sie raten dem Leser, Floskeln höchstens als Gesprächseinstieg zu verwenden (Lermer 2003: 109; Märtin/ Boeck 2000: 55; Topf 2002: 35) ansonsten aber flexibel und mit echtem Interesse auf den Gesprächspartner einzugehen (Lermer 2003: 43; Topf 2002: 35). Dieser Ratschlag ist für eine Aufwertung des Smalltalks wichtig, da übertrieben rituelle Alltagsgespräche negativ konnotiert sind: Platte Allgemeinheiten, die auf jeden Beliebigen passen, haben dem Smalltalk seinen schlechten Ruf eingebracht. (Naumann 2004: 105). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob narrative Elemente (Geschichten, Anekdoten) als ein Gegenstück zum standardisierten, ritualisierten Sprechen im Smalltalk vorkommen. In der Forschung wird das Verhältnis zwischen Smalltalk und erzählenden Elementen meist nicht direkt thematisiert, jedoch scheinen diejenigen, die sich von einer allzu engen Bindung von Smalltalk an Rituale distanzieren, den narrativen Elementen im Smalltalk einen wichtigen Beitrag zum „building community“ (Mirivel/ Tracy 2005: 9) zuschreiben. Versucht man, den Smalltalk in Henne/ Rehbocks (2001: 26 ff.) Kategorieninventar „6. Handlungsdimensionen eines Gesprächs“ einzuordnen, so passt er auch nur zur Handlungsdimension „narrativ“: Narrativ sollen jene Gespräche heißen, die keine direkten sprachlichen Handlungsimplikationen haben; in denen vielmehr ein Gespräch geführt wird, um überhaupt in einen sprachlichen Kontakt zu kommen, um etwas und damit s i c h mitzuteilen, um Zeit zu überbrücken. [Hervorhebung im Original, K.K.] (Henne/ Rehbock 2001: 30) 83 Es werden einige bereits angesprochene Funktionen von Smalltalk deutlich (keine Handlungsorientierung, soziale Komponente, Zeitüberbrückung). Henne/ Rehbock (ebd. 30) nennen dann auch im Anschluss als Beispiel für ein narratives Gespräch einen prototypischen Smalltalk: das „Gespräch über den Gartenzaun“. Das wichtige Kriterium der Ritualisierung von Gesprächen wird bei Henne/ Rehbock allerdings nicht angesprochen; eine Aufnahme in ihr kommunikativ-pragmatisches Kategorieninventar erscheint mir jedoch sinnvoll. Für Smalltalk wird jedenfalls das Kriterium „Ritualität“ je nach Auffassung unterschiedlich bewertet: Entweder kann man Smalltalk insgesamt oder nur bestimmte Gesprächsphasen als ritualisiert verstehen. 9. Höflichkeit In der Umfrage wird Smalltalk von 4 (aus 50) Deutschen und von 6 (aus 61) Amerikanern mit dem Attribut höflich bzw. polite beschrieben. Auch die Ratgeber (z. B. Lermer 2003: 33) sowie einige englische Wörterbücher erklären Smalltalk als ‚polite conversation’ (z. B. Oxford Advanced Learner’s Dictionary 1989: 1204). Höflichkeit, verstanden als ein „charakteristischer Modus des Umgangs miteinander“ (Haferland/ Paul 1996: 10), ist ein äußerst diffuser Begriff, der ständigem Wandel unterliegt. In den Anstandslehren tritt er als Oberbegriff für eine Anzahl spezifisch geregelter Umgangsformen auf und auch in den deutschen Smalltalk-Ratgebern wird Höflichkeit in diesem Kontext verwendet: Was hat nun Smalltalk mit Höflichkeit und Umgangsformen zu tun? Ganz pragmatisch gesehen ist Smalltalk nichts anderes als die weiterführende praktische Ausgestaltung verbaler Höflichkeit und stilvollen Auftretens. Andererseits benötigen Sie aber auch für den gelungenen Smalltalk das Fingerspitzengefühl und die Sensibilität, die moderne Höflichkeit ermöglichen und kennzeichnen. (Schäfer-Ernst 2002: 19) In diesem Zusammenhang wird Goffmans (1972) häufig rezipiertes Konzept des „face work“ (Imagearbeit) relevant: Ein Small Talk sollte möglichst positiv und harmonisch verlaufen und jeder sein Gesicht wahren können (Lermer 2003: 127). Ähnlich drückt es der Anglist Schneider (1988: 11) aus: Smalltalk „saves the face of both hearer and speaker in that it is not aggressive against the former and not committing for the latter”. Um einen Gesichtsverlust im Smalltalk zu vermeiden, dürfen die Gesprächspartner unter Umständen ihre Werte und Vorstellungen nicht offen vertreten und müssen vor allem sichere, konfliktfreie Themen wählen. Höflichkeit lässt sich im Smalltalk strategisch einsetzen, um etwa das Wohlwollen des Gesprächspartners zu erreichen oder um unerwünschte Partner auf freundliche Distanz zu halten (vgl. Haferland/ Paul 1996: 12). Es kann also zwischen einer zweckfreien, „aufrichtigen Höflichkeit“ und einer strategisch verwertbaren „Höflichkeit als 84 Verstellung“ (ebd. 13) unterschieden werden (vgl. frontstage/ backstage in Kap. IV.6.). 108 Das Verständnis von Höflichkeit ist kulturgebunden. Das deutsche Verständnis ist stark auf konventionalisiertes/ ritualisiertes Verhalten zurückbezogen, das sich besonders in Fragen der Etikette ausdrückt (vgl. Haferland/ Paul 1996: 38). Die amerikanische Auffassung von Höflichkeit ist dagegen eine andere: „Freundlichkeit, Verbreitung guter Laune und anderen gegenüber aufmerksam zu sein. ‚Korrekte Etikette’ jedenfalls meint Höflichkeit nicht.“ (Slate/ Schroll-Machl 2003: 140). 109 Dieses Verständnis von Höflichkeit findet sich folglich auch in den amerikanischen Ratgebern stärker als in den deutschen (vgl. Kap. VI.2.). Nicht in allen Ratgebern wird jedoch ein höflicher Smalltalk vermittelt. Lasko (2004) und Müller/ Weiden (2002) propagieren vielmehr einen provokanten, ja sogar aggressiven Smalltalk, bei dem das oberste Gebot [ist], in einer Unterhaltung nicht unterzugehen (Müller/ Weiden 2002: 201). Dementsprechend werden viele Strategien thematisiert, wie man auffällt, seinen Gesprächspartner provoziert oder manipuliert. 10. Medium und Raum-Zeit-Verhältnis Der prototypische Smalltalk findet in einer Face-to-face-Situation statt; das wird in der Umfrage, in den Ratgebern und in der Forschungsliteratur (z. B. Schneider 1988) deutlich. Auf die Möglichkeit von Smalltalk mittels fernmündlicher Kommunikation weisen immerhin 6 (aus 61) deutsche Befragte hin; zudem gibt es bereits Forschungsliteratur zum Smalltalk am Telefon (z. B. Drew/ Chilton 2000; Sun 2000). Im Smalltalk-Ratgeber von Fischer (2004: 68 f.) findet sich ein Kapitel, in dem neben dem Telefonieren auch Mailen und Chatten angesprochen wird: Der Begriff [Smalltalk, K.K.] sei hier auch für die „kleine“ Kommunikation per E-Mail, Internet und SMS verwendet [...]. Auch mit diesen neuen technischen Medien kann man sich auf hervorragende Weise locker und entspannt austauschen, ohne in die Tiefe zu gehen. (ebd. 68) Den Begriff Smalltalk auch für die Kommunikation in neuen Medien zu verwenden, scheint nicht ganz abwegig zu sein, wenn man als Hauptdefinitionskriterium die phatische Kommunikation ansetzt und Chat, SMS und E-Mail als Medium für mündlich konzipierte, aber medial schriftliche Gesprächbeiträge versteht (vgl. Hess-Lüttich/ Wilde 2003: 170). Dennoch sollte man bei der Verwendung des Begriffs Smalltalk für phasenverschobene, 108 Linke (1996b: 74) unterscheidet zwischen höflicher Form und höflicher Intention. 109 Zum unterschiedlichen Verständnis von Höflichkeit in Deutschland und den USA siehe auch Rings (1995: Introduction), online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings / amger.htm, gesehen am 18.09.2007. 85 schriftliche Kommunikation nicht übersehen, dass diese nach anderen Regeln funktioniert als ein „echtes“ Gespräch. Es gibt mittlerweile eine umfangreiche Forschung zur Kommunikation in den neuen Medien und etwa im Bereich Chat wird im Zusammenhang mit der phatischen Kommunikation auf die Ähnlichkeit zwischen Chat und Smalltalk hingewiesen (Hess-Lüttich/ Wilde 2003: 176). Dabei stellt die Übersetzung von Chat als „Schwatz“, „Geschwätz“ oder „zwangloses Geplauder“ (ebd. 175) dieses Phänomen bereits in die Nähe des Smalltalks (vgl. Kap. IV.11.). Erste Ansätze zu einem Vergleich zwischen phatischer Kommunikation in Alltagsgesprächen und Chats finden sich bei Sassen (2000). Die Ergebnisse der Smalltalk-Forschung könnten für die Analyse der Kommunikation in den neuen Medien hilfreich sein und umgekehrt. 11. Synonyme und Verwandtes Wie im Kap. II. bereits dargestellt, wird vor allem in der älteren Forschung die allgemeinsprachliche Bezeichnung Smalltalk eher vermieden. Man weicht auf (vermeintlich) wissenschaftlichere Bezeichnungen aus wie phatic talk/ communion/ communication/ dialogue (Coupland/ Coupland/ Robinson 1992; Laver 1975 und 1981; Schneider 1989; Sun 2000), casual conversation (Ventola 1979), social chat (Mugglestone 1980) oder sociable talk (Ragan 2000) im Englischen oder Kontaktgespräch (Brinkmann 1971: 869) im Deutschen. Die begriffliche Verwirrung ist ziemlich groß, da nicht immer deutlich wird, wie die verwendeten Termini definiert sind, ob sie die Autoren eigentlich synonym zu Smalltalk verwenden wollen und wenn nicht, in welchem Verhältnis die Termini zum Smalltalk stehen. Ich finde es deswegen sehr begrüßenswert, dass sich die neuere englischsprachige Forschung zum Ausdruck Smalltalk bekennt und sich dafür einsetzt, diese Gesprächssorte als durchaus ernstzunehmenden Forschungsgegenstand zu etablieren und seine wissenschaftliche Relevanz zu begründen (Coupland 2003: 1). Wie gezeigt wurde, ist man jedoch von einer allgemein akzeptierten Definition noch weit entfernt. Ich würde Jaworski (2000: 111) nicht zustimmen, dass man das definitorische Dilemma dadurch umgehen könnte, indem man auf ähnliche Ausdrücke und Synonyme (wie die oben zitierten) ausweicht, um einzelne Aspekte von Smalltalk hervorzuheben. Auch Couplands (2000b: 1) Einwand, dass es nicht hilfreich sei, feste Definitionen, etwa für gossip und chat festzulegen, ist in meinen Augen eher kontraproduktiv. Mir erscheint es vielmehr sinnvoll, Smalltalk als allgemeinsprachlichen Begriff auch möglichst nahe am allgemeinsprachlichen Verständnis auszurichten, auch aus Gründen des leichteren Forschungstransfers in die Öffentlichkeit. „Phatizität“ und „Ritualität“ sind dagegen als eigenständige, wissenschaftliche Konzepte aufzufassen. In der deutschen Umfrage wurde nach deutschen Entsprechungen für Smalltalk gefragt (vgl. Anhang). Die Antworten deckten sich fast vollständig 86 mit den in den Ratgebern verwendeten deutschen Bezeichnungen. Es finden sich neben den allgemeinen Bezeichnungen Gespräch und Unterhaltung, die eher neutralen Wörter Geplauder, Konversation, Plausch, Plauderei, Plaudern, Schwatz, Schwätzchen und die eher negativ konnotierten Wörter Geplänkel, Geschwätz und Blabla. Sie werden meist durch Adjektive wie klein, kurz, locker, oberflächlich, belanglos, locker, höflich oder unverbindlich attribuiert. Ob es sich tatsächlich um Synonyme handelt, soll an dieser Stelle noch nicht weiter thematisiert werden. Das Kapitel VII.1.2 wird sich ausführlicher mit dieser Frage beschäftigen. In den Smalltalk-Ratgebern wird fast immer Klatsch und Tratsch (z. B. Baur 2001: 59; Bonneau 2002: 19; Hesse/ Schrader 2003: 86 f.), manchmal außerdem Flirt (z. B. Fischer 2004: 22; Naumann 2004: 192 ff.) erwähnt. 110 Es handelt sich dabei um unterschiedliche, aber mit dem Smalltalk verbundene Konzepte. Bergmann (1987: 61) weist darauf hin, dass Klatsch zwei Bedeutungskomponenten hat. Zum einen bezeichnet er „den Inhalt einer Kommunikation und wird in dieser Bedeutung auch lexikalisch definiert, z. B. als ‚Neuigkeit über persönliche Angelegenheiten anderer’. [...] Zum anderen wird Klatsch aber auch als ein Kommunikationsvorgang bezeichnet und in dieser Bedeutung zumeist als ‚Geschwätz’ oder ‚Gerede’ umschrieben [Hervorhebung im Original, K.K.].“ In den Ratgebern wird Klatsch in dieser ersten Bedeutung, also als ein - meist abzulehnendes - Thema von Smalltalk behandelt (vgl. Kap. V.7.6.4). 111 Im Englischen scheint das entsprechende Lexem gossip als Kommunikationsvorgang synonym zu Smalltalk verwendet zu werden: „Five out of 28 dictionaries provide ‚gossip’ as a synonym. However, this seems to be American usage and obsolete in British English” (Schneider 1988: 5). Flirt ist eine „Bekundung von erotischer Zuneigung durch ein bestimmtes Verhalten, durch Gesten, Blicke od. scherzhafte Worte“ (Duden 1999: 1264). Mit Smalltalk ist er insofern verbunden, als Smalltalk als Einstieg in einen Flirt verwendet werden kann. Der wesentliche Unterschied ist also die Absicht. Zum Flirt gibt es eine große Zahl an Ratgebern, die meines Wissens nach auch noch nicht sprachwissenschaftlich untersucht wurden. Ein Beispiel ist das Buch von Regina Hamburger (2002): Einmaleins (1x1) des Flirtens. Eine Aufarbeitung und Sichtung aller mit Smalltalk verwandten Konzepte steht für das Englische und für das Deutsche noch aus. Smalltalk dabei zu 110 Viele deutsche und amerikanische Ratgeber behandeln den Flirt sogar in einem eigenen Kapitel (z. B. Fine 2004; Müller/ Weiden 2002; Naumann 2004); nur Degen (2002: 11) weist explizit darauf hin, dass ihr Buch keine Flirtschule und kein Anbagger-Kurs ist. 111 2005 erschien ein Ratgeber zu Klatsch als einer eigenen Gesprächssorte: „Klatsch und Tratsch - die clevere Form der Kommunikation“. Die Autorin ist Cornelia Topf, die auch einen Smalltalk-Ratgeber verfasst hat. Es scheint sich bei dem „Klatsch-Ratgeber“ um einen neuen Vertreter, vielleicht auch nur um einen „Exoten“ der Kommunikationsratgeber zu handeln. 87 der umstrittenen Kategorie Alltagsgespräch 112 zu stellen, wie es etwa die Freiburger Forschungsstelle getan hat (Texte gesprochener deutscher Standardsprache III 1975), verschiebt das Problem nur. Hundsnurscher (1994) stellt unterschiedliche Versuche der Dialog- und Gesprächtypologie vor, die allesamt kein befriedigendes Ergebnis liefern und von denen übrigens keiner Smalltalk explizit berücksichtigt. 113 Die hier dargestellten Definitionsaspekte können sich, je nachdem, wie sie gewichtet werden, auf das Image von Smalltalk auswirken. Als potenziell negativ sind dabei vor allem der banale Inhalt, die oberflächliche Themenbehandlung und eine von Phrasen durchsetzte steife Höflichkeit zu nennen. Nach Baber/ Waymon (1992: 9) haben auch die Wörterbücher Schuld am negativen Image von Smalltalk: Another reason small talk fails to get the respect it deserves is that it’s been hanging around with an unpopular crowd. If you look up the phrase “small talk” in a thesaurus to find words with similar meanings, you’ll find “small talk” surrounded by terms that imply all sorts of negative things. Dass Smalltalk trotzdem in der Öffentlichkeit ein recht positives Image besitzt, ist wohl vor allem seiner phatischen Funktion zuzuschreiben. 12. Zusammenfassung: Eine Definition von Smalltalk Aus den bisherigen Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, wie komplex das Thema „Smalltalk“ ist und wie unterschiedlich relevant die Teilaspekte für das allgemeinsprachliche, das fachsprachliche und das Verständnis der Ratgeber sind. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Kapitels sind: 1. Das Verständnis von Smalltalk in der Umfrage und in den Ratgebern ist sehr ähnlich. Thema, Dauer und Gesprächspartner sind hier die wichtigsten Definitionskriterien. 2. Im fachsprachlichen Verständnis liegt das Interesse vor allem auf der sozialen Funktion von Smalltalk, genauer auf seinem phatischen Charakter, der sehr häufig mit Ritualität in Verbindung gebracht wird. 3. In den Ratgebern wird in der Regel Smalltalk als Instrument für den beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg beworben. In der Umfrage konnte diese strategische Verwendung von Smalltalk nicht nachgewiesen werden. Hier hatte Smalltalk vor allem die Funktion, den 112 Zur Kritik siehe Lindemann (1990) oder Mackeldey (1991). 113 In den von Hundsnurscher (1994) diskutierten Gesprächstypologien finden sich verwandte oder synonyme Bezeichnungen wie „das zufällige Gespräch“, „die (bloße) Unterhaltung“ oder „Konversation“ (O. F. Bollnows Vorschlag, zitiert nach Hundsnurscher 1994: 204 f.). 88 Erstkontakt zu erleichtern und Langeweile oder Schweigen zu vermeiden. 4. In Bezug auf den Gesprächspartner gibt es durchweg zwei Positionen: Eine engere Definition von Smalltalk lässt als Gesprächspartner nur Fremde und Bekannte, jedoch keine (engen) Freunde, Lebenspartner oder Familienangehörige zu. Eine weite Definition kennt keine Einschränkungen hinsichtlich des Bekanntheitsgrads. Während in der Forschung und in den Ratgebern beide Definitionen zu finden sind, scheint es in der Allgemeinsprache (Umfrage) eine Tendenz zum engeren Verständnis zu geben. 5. Smalltalk wird in den Ratgebern und in der Allgemeinsprache als eine eigene Gesprächssorte verstanden. In der anglistischen Forschung findet sich außerdem die Position, Smalltalk auf ritualisiertes Sprechen in der Anfangsbzw. Schlussphase eines Gesprächs zu beschränken. Die Termini isolierter und integrierter Smalltalk könnten sich zur Unterscheidung als hilfreich erweisen. 6. Gravierende kulturspezifische Unterschiede im deutschen und amerikanischen Smalltalk-Konzept gibt es in meinen Quellen nicht. In der Umfrage fällt allerdings auf, dass es Amerikanern im Vergleich zu Deutschen leichter fällt, Smalltalk zu definieren und unterschiedliche Funktionen und typische Situationen zu benennen. Zudem scheint Smalltalk bei den Amerikanern stärker für den Erstkontakt mit Fremden (z. B. beim Warten) genutzt zu werden. Ich schlage nun folgende Definition vor, die sich aus dem größtmöglichen Konsens ergibt: Smalltalk ist eine eigenständige Gesprächssorte, bei der man vorzugsweise mit einer fremden oder weniger bekannten Person wohlwollend über ein möglichst unverfängliches und konfrontationsarmes Thema spricht. Der Informationsgehalt spielt dabei eine untergeordnete Rolle, da die Herstellung oder Pflege der zwischenmenschlichen Kontakte im Vordergrund steht. Prototypischerweise findet Smalltalk bei einem gesellschaftlichen Anlass („Party“) statt. 89 V. Die Kunst des Smalltalks: Deutsche Smalltalk-Ratgeber Ein geistreicher Smalltalker ist ein Künstler. (Eva Gesine Baur, 2001) Die in diesem Kapitel behandelten Bücher sind Sprachbzw. Kommunikationsratgeber, die der Subsorte Gesprächslehre zuzuordnen sind (vgl. Kap. III) und die Gesprächssorte Smalltalk (vgl. Kap. IV.) zum Gegenstand haben. Es werden 23 aktuelle Smalltalk-Ratgeber (Stand: September 2007) qualitativ 114 untersucht; eine quantitative Gesamtdarstellung aller dabei vorgenommenen Analysen würde diese Arbeit über Gebühr ausdehnen. Deshalb werden in erster Linie Ergebnisse der Untersuchung dargestellt und anhand von Textbeispielen verdeutlicht. Es geht also vor allem um das allgemeine Konzept der Textsorte Smalltalk-Ratgeber („Breitendimension“). In Kap. V.7.6 wird zusätzlich anhand exemplarischer Analysen die Verschiedenartigkeit der Ratschläge zu ein und demselben Problem der Smalltalk-Ratgeber beleuchtet („Tiefendimension“). Für die Beschreibung der Textsorte Smalltalk-Ratgeber verfolge ich einen integrativen Ansatz, bei dem ein Ensemble formaler und inhaltlicher Textmerkmale nicht isoliert betrachtet wird, sondern das Zusammenspiel von Text und Funktion herausgearbeitet werden soll. Das geschieht unter Berücksichtigung extralinguistischer und pragmatischer Faktoren (vgl. Trumpp 1998: 55). Von besonderem Interesse ist dabei, wie Kommunikationsberatung mittels eines schriftlichen, massenmedialen Textes umgesetzt wird. Dabei gelten einige der für die Smalltalk-Ratgeber erarbeiteten Textmerkmale allgemein für Ratgeber(texte) (z. B. Klassifikation der Ratschläge), für Sprach- und Kommunikationsratgeber (z. B. Kommunikationssituation) oder für Rede- und Gesprächslehren (z. B. Autoren, Leser, bestimmte Inhaltsaspekte). 115 114 Zu den methodischen Problemen einer Inhaltsanalyse großer Mengen umfangreicher Texte vgl. Bremerich-Vos (1991: 17 ff.). 115 Bisher hat sich keine Untersuchung von Sprach- und Kommunikationsratgebern systematisch mit der Analyse von Textmerkmalen befasst; eine Ausnahme ist Schmidt- Wächter (2004: 95 ff.), die für die historischen Rhetorik- und Stillehrbücher einen knappen „Versuch einer Texttypbeschreibung“ liefert. Bei den textinternen Kriterien aber verzichtet sie z. B. aufgrund des großen Umfangs der Untersuchungstexte „auf eine Analyse von Formulierungsmustern“ (ebd. 102). 90 1. Ratgeber des synchronen Korpus: Unterschiede und Gemeinsamkeiten Folgende Ratgeber wurden in der Analyse berücksichtigt: 116 1. Baur, Eva Gesine (2001): Leicht gesagt. Die große Kunst des Smalltalks. München: dtv. 143 Seiten, € 8,50. 2. Bonneau, Elisabeth (2002): Erfolgsfaktor Smalltalk. Mühelos Kontakte knüpfen. Auch schwierige Gesprächssituationen gekonnt meistern. München: Gräfe und Unzer. 128 Seiten, € 12,90. 3. Bonneau, Elisabeth (2005a): Smalltalk. Nie um Worte verlegen. Einfach Kontakte knüpfen. München: Gräfe und Unzer. 96 Seiten (eigentlich ohne Seitenzählung), € 6,90. 4. Bonneau, Elisabeth (2005b): Erfolgsfaktor Smalltalk. Mühelos Kontakte knüpfen. Den richtigen Einstieg finden, mit Charme und Kompetenz überzeugen, souverän auch in schwierigen Situationen. München: Gräfe und Unzer. 128 Seiten, € 12,90.117 5. Degen, Ursula (2002): Small Talk. Damit die Pause nie peinlich wird. Zürich: Orell Füssli. 198 Seiten, € 19,80. 6. Fischer, Cornelia (2004): Smalltalk. Die wichtigsten Regeln und die besten Tipps. Stuttgart: Urania. 96 Seiten, € 9,90. 7. Hesse, Jürgen/ Schrader, Hans Christian (2001): Small Talk. Die Kunst des lockeren Gesprächs. Frankfurt a. Main: Eichborn. 153 Seiten, € 12,90. 8. Hesse, Jürgen/ Schrader, Hans Christian (2003): Praxisbuch Small Talk. Gesprächseröffnungen, Themen, rhetorische Tricks. (2. Aufl. 2005, 3. Aufl. 2007) Frankfurt a. Main: Eichborn. 176 Seiten, € 12,90. 9. Kessler, Annette (2007): Small Talk von A bis Z. 150 Fragen und Antworten. Offenbach: Gabal. 164 Seiten, € 17,90. 10. Lasko, Wolf W. (2004): Small Talk. Erfolgreich Kontakte knüpfen. (Originaltitel: Small Talk und Karriere. Mit Erfolg Kontakte knüpfen. Wiesbaden: Gabler 1993) München: Goldmann. 222 Seiten, € 7,95. 116 Die Ratgeber wurden in den hier genannten Auflagen eingesehen. Ältere oder neuere Auflagen werden jedoch angegeben, damit nachvollzogen werden kann, wann der Ratgeber erstmals publiziert wurde bzw. wie erfolgreich er sich verkauft. 117 Trotz des ähnlichen Titels handelt sich nicht um eine Neuauflage des Ratgebers von 2002, sondern eher um eine völlige Neubearbeitung. Zwar gibt es an vielen Stellen inhaltliche Übereinstimmungen, jedoch finden sich z. B. in der Anordnung, Präsentation und Auswahl der Inhalte deutliche Unterschiede. Da zudem beide Ratgeber derzeit über den Buchhandel bezogen werden können, werden in der Untersuchung auch beide berücksichtigt. Ein ähnlicher Fall liegt bei den beiden Ratgebern von Hesse/ Schrader (2001 und 2003) vor. 91 11. Lermer, Stephan (2003): Small Talk. Nie wieder sprachlos. Freiburg/ Berlin/ München: Haufe. 232 Seiten, € 19,80. 12. Lermer, Stephan (2004): Small Talk Trainer. Mit CD-ROM. (2. Aufl. 2006) Freiburg/ Berlin/ München: Haufe. 128 Seiten, € 9,90. 13. Lüdemann, Carolin (2007): Business-Smalltalk für Frauen. Die Kunst des kleinen Gesprächs. Unter Mitarbeit von Lydia Wismeth. Heidelberg: Redline Wirtschaft. 83 Seiten. € 7,90. 14. Märtin, Doris/ Boeck, Karin (2000): Small Talk. Die hohe Kunst des kleinen Gesprächs. So treten Sie gewandt und ungezwungen auf! 8. Aufl. (1. Aufl. 1998) München: Heyne. (Lizenzausgaben Bechtermünz 2000 und 2001). 187 Seiten, € 8,95. 15. Märtin, Doris (2006a): Smalltalk. Die wichtigsten Regeln fürs kleine Gespräch. Kreuzlingen/ München: Hugendubel. (Lizenzausgabe; erschien zuerst 2000 im Wilhelm Heyne Verlag). 112 Seiten, € 4,95. 16. Müller, Jörg/ Weiden, Sabine (2002): Small Talk. Kleine Gespräche mit großer Wirkung. München: Knaur. 233 Seiten, € 7,90. 17. Naumann, Frank (2004): Die Kunst des Smalltalk. Leicht ins Gespräch kommen, locker Kontakte knüpfen. 5. Auflage. (1. Aufl. 2001) Reinbek b. Hamburg: rororo. 240 Seiten, € 8,50. 18. Nöllke, Matthias (2005): Small Talk - live. Freiburg/ Berlin/ München: Haufe. 188 Seiten, € 19,80. 19. Nöllke, Matthias (2006): Small Talk - Die besten Themen. Das Ideen- Buch für Fortgeschrittene. Freiburg/ Berlin/ München: Haufe. 206 Seiten, € 19,80. 20. Portner, Jutta (2003): 30 Minuten für den perfekten Small Talk. 2. Aufl. (1. Aufl. 2000) Offenbach a.M.: Gabal. 80 Seiten, € 6,50. 21. Schäfer-Ernst, Barbara (2002): Geschickt kommunizieren. Die Kunst des gezielten Smalltalks. So manövrieren Sie sich nach vorne. Regensburg/ Düsseldorf/ Berlin: Fit for Business. 144 Seiten, € 5,95. 22. Topf, Cornelia (2002): Small Talk. (2. Aufl. 2005, 3. Aufl. 2006) Freiburg/ Berlin/ München: Haufe. 126 Seiten, € 6,60. 23. Watzke-Otte, Susanne (2007): Small Talk. Souverän und formgewandt kommunizieren. Berlin: Cornelson. 127 Seiten, € 6,95. 118 118 Dieser Ratgeber erschien im Cornelson Verlag zusätzlich als zweisprachige (deutschenglisch) Ausgabe in der Reihe „Training International“. Diese Reihe ist „für alle, die im Job auf Englisch kommunizieren müssen und sich effizient notwendige Kompetenzen aneignen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse erweitern möchten“ (Klappentext). 92 Da der Ratgeber-Markt sehr groß ist, mussten einige Einschränkungen vorgenommen werden: - Es werden nur Bücher berücksichtigt, keine CD-ROMs, CDs oder Kassetten zum Smalltalk. 119 Ebenso unberücksichtigt bleiben unselbständige Publikationen (Artikel in Zeitschriften oder Zeitungen) oder Internetseiten. 120 - Die Ratgeber müssen als zentrales Thema den Smalltalk behandeln und diesen Terminus auch im Buchtitel erwähnen. Allgemeine Gesprächslehren, die unter anderem auch auf Smalltalk eingehen, werden nicht berücksichtigt. 121 - Die Bücher müssen von deutschen Muttersprachlern für deutsche Muttersprachler verfasst worden sein; Übersetzungen werden nicht in das Korpus aufgenommen (vgl. aber Kap. VI.3.). - Die Smalltalk-Ratgeber müssen derzeit (Stand: September 2007) auf dem bundesdeutschen Buchmarkt erhältlich sein. 122 119 Diese Smalltalk-Medien stammen in der Regel von Autoren von Smalltalk-Ratgeberbüchern, z. B. Portner, Jutta (2000): 30 Minuten für perfekten Small Talk. Hörbuch- Kassette. Ein intermedialer Vergleich würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Inhaltlich zumindest kann man davon ausgehen, dass es bei demselben Autor keine Unterschiede zwischen dem Buch und dem anderen Medium gibt: So werden einige Passagen des Smalltalk-Buchs von Portner in der Hörfassung wörtlich vorgelesen oder leicht umformuliert. Den von mir untersuchten Ratgebern Lermer (2004) und Nöllke (2005) ist jeweils eine CD-ROM beigelegt, die bei Lermer Zusatzmaterial mit Übungen beinhaltet, bei Nöllke Musterdialoge des Ratgebers sowie Zitate und Anekdoten zum Ausdrucken. Diese Inhalte werden in meinen Untersuchungen nicht berücksichtigt. 120 Z. B. http: / / www.small-talk-themen.de, gesehen am 18.09.2007. 121 Bücher wie „Sag doch einfach ‚Du’ zu mir! “ von Gerhard Rock (1993), die zumindest thematisch mit Smalltalk verwandt sind, werden also nicht in das Korpus aufgenommen. Ebenso vernachlässigt wurde das Buch von Roland Leonhardt (2004): Von Sokrates bis Pop-Art. Ein Smalltalk-Guide. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um einen Ratgeber mit anleitenden Sprachhandlungen, sondern um ein Lesebuch mit „Daten und Ereignissen aus Geschichte, Literatur, Musik, Bildender Kunst und Philosophie“. Diese Informationen sollen als „Futter für den Smalltalk“ (Klappentext) dienen. Zwar ist auch Nöllkes (2006) Buch zu einem großen Teil ein solches Lesebuch zum Smalltalk. Da die Teile 1 und 2 jedoch auch die für einen Ratgeber notwendigen anleitenden Sprachhandlungen beinhalten, wurde es in das Korpus aufgenommen. 122 Bücher, die ebenfalls Smalltalk im Titel führen, aber nicht mehr bezogen werden können, fallen damit heraus. Hiervon sind meines Wissens nur zwei Bücher betroffen: a) Dahms, Matthias/ Dahms, Christoph (1999): Smalltalk und Flirten. DAHMS-Trainingsbuch, Bd. 2. Wermelskirchen. b) Cerwinka, Gabriele/ Schranz, Gabriele (1998): Die Macht des ersten Eindrucks. Souveränitätstips, Fettnäpfe, Small talks, Tabus. Wien. Bei Dahms/ Dahms (1999) handelt es sich ohnehin um einen konzeptionellen Sonderfall: Es ist weniger ein Ratgeber als vielmehr ein Aufgabenheft zu den von Dahms angebotenen Seminaren. Der Ratgeber von Cerwinka/ Schranz (1998) führt zwar Smalltalk im Untertitel, behandelt Smalltalk jedoch nicht in seiner ganzen Komplexität. Der Fokus liegt vielmehr auf den ersten Kontaktsekunden mit einem Fremden („der erste 93 Ein Blick auf das Korpus der Smalltalk-Ratgeber zeigt, dass diese Bücher eine ganz aktuelle Entwicklung sind: Das älteste stammt von Lasko und erschien 1993. Es wurde in der Öffentlichkeit jedoch nicht so sehr beachtet wie das von Märtin/ Boeck aus dem Jahr 1998. Dieses Buch ist der „Klassiker“ unter den Smalltalk-Ratgebern und erschien innerhalb von nur zwei Jahren in achter Auflage; im Jahr 2000 wurde es sogar „Jahres-Topseller“ des Internetbuchhandels Amazon. Dieser Erfolg kann durchaus ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass zahlreiche weitere Ratgeber auf den Markt gebracht wurden (vgl. Anm. 8). Immerhin erschienen daraufhin innerhalb kürzester Zeit weitere 19 Smalltalk-Ratgeber, teilweise bereits in mehreren Auflagen, von denen drei Märtin/ Boeck im Literaturverzeichnis aufführen. Betrachtet man die aktuellen „Ranglisten“ bei Amazon (Stand: 22.10.2007), so verkaufen sich allerdings die Ratgeber von Lermer (2003), Naumann (2004) und Topf (2002; 3. Aufl. 2006) derzeit am besten (vgl. Anm. 125). Die Haupt- und Untertitel der Veröffentlichungen ähneln einander und fokussieren z. B. die Charakterisierung von Smalltalk als Kunst (Baur 2001; Hesse/ Schrader 2001; Lüdemann 2007; Märtin/ Boeck 2000; Naumann 2004; Schäfer-Ernst 2002) oder als kleines (Lüdemann 2007; Märtin/ Boeck 2000; Märtin 2006a; Müller/ Weiden 2002) bzw. lockeres Gespräch (Hesse/ Schrader 2001) oder weisen auf bestimmte thematische (Hesse/ Schrader 2003; Nöllke 2006) oder situative (Lüdemann 2007) Schwerpunkte hin. Auch können Titel die Wirkung bzw. den Nutzen des Buchs bzw. des Smalltalks herausstellen und Lösungsversprechen zu bestimmten (Smalltalk-)Problemen geben (Baur 2001; Bonneau 2002 und 2005b; Degen 2002; Lasko 2004; Lermer 2003; Märtin/ Boeck 2000; Müller/ Weiden 2002; Naumann 2004; Schäfer-Ernst 2002; Watze-Otte 2007). Zudem sind allgemeine Hinweise auf die Buchgattung Ratgeber (Fischer 2004; Hesse/ Schrader 2003; Kessler 2007; Lermer 2004; Märtin 2006a) möglich. Nöllke (2006) und Lüdemann (2007) erwähnen als einzige im Titel eine bestimmte Zielgruppe (für Fortgeschrittene bzw. für Frauen); Kessler (2007) einen bestimmten Buchaufbau (von A bis Z). Portners (2003) Hinweis auf die Dauer der Buchlektüre (30 Minuten) ist durch die Verlagsreihe vorgegeben. In Umfang und Preis gibt es eine relativ große Spannweite: Das umfangreichste Buch ist das von Naumann (2004) mit 240 Seiten; das „schmalste“ stammt von Portner (2003) und hat lediglich 80 Seiten. 123 Die Kosten für einen Smalltalk-Ratgeber liegen zwischen € 4,95 (Märtin 2006a) und € 19,80 (Degen 2002; Lermer 2003; Nöllke 2006). 124 Das Buch von Degen (2002) ist das einzige, das nicht in einem bundesdeutschen Verlag erschienen ist. Eini- Eindruck“). Mit dem Kriterium der Verfügbarkeit wurden also keine repräsentativen Smalltalk-Ratgeber ausgeschlossen. 123 Nach Umlauf (1996: 76) handelt es sich bei Ratgebern „fast immer um einbändige Werke von eher geringem Umfang.“ Für die Smalltalk-Ratgeber kann dies trotz der beschriebenen Schwankungen bestätigt werden. 124 Zum Preis als Kaufkriterium siehe Kap. V.10. 94 ge Verlage (Haufe, Eichborn, Gabal und Gräfe und Unzer) haben sogar mehrere Smalltalk-Ratgeber im Programm, die häufig sogar von denselben Autoren stammen. In diesen Fällen erscheinen die Ratgeber meist in unterschiedlich konzipierten Reihen innerhalb eines Verlags, z. B. in der im Format und Umfang reduzierten Reihe GU-Kompass des Verlags Gräfe und Unzer, die „zum Nachschlagen, Auffrischen und Schlaumachen“ gedacht ist. So ist Lermers (2005) „Taschenguide“ auch ein Extrakt aus dem viel umfangreicheren Buch von 2003 und besteht fast ausschließlich aus identischen oder ähnlichen Übungen, die mit Praxistipps versehen wurden. Auch das Buch von Märtin (2006a) ist eine größtenteils wörtliche Kurzfassung von Märtin/ Boeck (2000). Die beiden Bücher von Hesse/ Schrader sind zwar im Umfang ähnlich (2001: 153 Seiten, 2003: 173 Seiten), sie sind aber anders strukturiert. Dennoch werden dieselben Themen behandelt (z. B. Smalltalk in Bewerbungssituationen); einige Abschnitte sind identisch (z. B. Hesse/ Schrader 2001: 99 und Hesse/ Schrader 2003: 115) oder werden leicht umgeschrieben, indem z. B. die Namen ausgetauscht werden (Hesse/ Schrader 2001: 97 und Hesse/ Schrader 2003: 105). Es gibt aber auch Änderungen: So sind etwa die 20 Small-Talk-Regeln (Hesse/ Schrader 2001: 150 f.) bzw. Denkanstöße (Hesse/ Schrader 2003: 171 f.) am Ende der beiden Bücher nicht ganz deckungsgleich. 125 Konzeptionell fallen drei Ratgeber aus der Reihe: Nöllke (2005) basiert auf Musterdialogen, die der Autor zusammen mit dem Leser dahingehend auswertet, ob es sich jeweils um einen gelungenen oder missglückten Smalltalk handelt. Nöllke (2006) ist ein „Ideenbuch“, das Anregungen für Smalltalk-Themen geben soll, und Kessler (2007) ist alphabethisch gegliedert, wobei jeder Eintrag mit einer Ratfrage und Ratantwort beginnt. Alle anderen Ratgeber gehen mehr oder weniger chronologisch vor, indem sie die einzelnen Gesprächsphasen des Smalltalks behandeln (vgl. Kap.V.7.5). Nicht selten werden jedoch zusätzlich Schwerpunkte gesetzt. So kann man die Smalltalk-Ratgeber dahingehend unterteilen, ob sie bestimmte Situationen hervorheben und etwa hauptsächlich oder ausschließlich beruflichen (z. B. Hesse/ Schrader 2001, 2003; Lüdemann 2007) oder privaten Smalltalk (z. B. Baur 2001) behandeln, ob sie bestimmte Smalltalkphasen (z. B. die Eröffnung) hervorheben (z. B. Hesse/ Schrader 2001), 125 Bei Bonneau 2002 und 2005b liegt ein ähnlicher Fall vor. Aus der Tatsache, dass ein Autor seinen Ratgeber in der Neuauflage bearbeitet bzw. ähnliche Ratgeber zu demselben Thema schreibt, ergeben sich interessante Fragestellungen: Welche Veränderungen wurden vorgenommen? Wie verändern sich die persönlichen Normvorstellungen eines Autors? Wie reagiert der Autor auf gesellschaftliche Veränderungen? Dieser Frage kann in der vorliegenden Untersuchung nicht nachgegangen werden; einige Ansätze finden sich bei Krumrey (1984: 124) für die Anstandslehren. 95 ob sie Smalltalk mit Schlagfertigkeit (z. B. Müller/ Weiden 2002; Lasko 2004) oder Höflichkeit (z. B. Schäfer-Ernst 2002; Lermer 2003; Lüdemann 2007) verbinden, ob sie bestimmte Funktionen des Smalltalks betonen, z. B. Leute kennen lernen und Freundschaften schließen (Baur 2001) oder Karriere machen (Bonneau 2002, 2005; Lüdemann 2007), ob sie den Leser in seiner psychischen Konstitution (Schüchternheit, Einstellung zum Smalltalk) verändern (z. B. Degen 2002) oder ihm lediglich neue Techniken beibringen wollen (z. B. Hesse/ Schrader 2001). Bei der Lektüre der Ratgeber fällt außerdem auf, ob ein Autor das Thema eher seriös-sachlich (z. B. Lermer 2003; Naumann 2004) oder eher unterhaltend, eventuell sogar ironisch (z. B. Baur 2001; Lasko 2004) behandelt. Die Bücher des Korpus unterscheiden sich also hinsichtlich der Sachlichkeit, der Konzeption und des Umfang, jedoch werden im Großen und Ganzen ähnliche Themen und Probleme besprochen und vergleichbare Tipps gegeben, sodass anhand des hier beschriebenen Korpus das Konzept der Smalltalk-Ratgeber abstrahiert werden kann. 2. Die Kommunikationssituation Zur Kommunikationssituation der Ratgeberbücher wurde bereits in Kap. III. einiges herausgestellt, das auch auf die Smalltalk-Ratgeber zutrifft. An dieser Stelle werden noch einmal die wichtigsten Punkte aufgegriffen und weiter spezifiziert, da sie für die nachfolgenden Unterkapitel relevant sind. Bei den Smalltalk-Ratgebern handelt es sich um Bücher, die sich allgemein durch eine schriftliche, unidirektionale Kommunikation auszeichnen. Vor dem Hintergrund einer Beratungssituation, in der der Autor als Ratgebender und der unbekannte Leser als Ratsuchender fungiert, stellt die Kommunikation mittels des Mediums Buch eine besondere Herausforderung dar, da die Beratungswirklichkeit von Seiten des Autors erst konstruiert werden muss. Während es in einer persönlichen Beratung im Normalfall genau einen Ratsuchenden gibt, wird ein Ratgeberbuch von einem anonymen und heterogenen Massenpublikum konsultiert. Die guten Verkaufszahlen 126 der Smalltalk-Ratgeber sprechen dabei für eine weite Verbreitung der Bücher und einen großen Leserkreis. 126 Der Smalltalk-Ratgeber von Naumann wurde zwischen 2001 und 2004 bereits fünfmal aufgelegt, vgl. auch den Verkaufsrang der Smalltalk-Ratgeber beim Internetbuchhandel Amazon (22.10.2007), z. B. Lermer (2003): 3.677; Naumannn (2004): 4.557; Topf (2002; 3. Aufl. 2006): 9.717; Märtin (2006a): 24.552. Am schlechtesten verkaufen sich Lasko (2004): 340.066; Baur (2001): 546.564 und Müller/ Weiden (2002): 612.754. 96 Zillig (1990: 72 ff.) 127 hat für die Analyse der von ihm untersuchten Ratgebersubsorte Anstandslehre eine Methode entwickelt, die er „Sprechakt- Monolog-Verschriftlichung-Analyse“ (SMV) nennt. Demnach kann man einen Ratgebertext als eine Rekonstruktion eines Monologs des Autors verstehen, der wiederum die Reduzierung eines Beratungsdialogs zwischen einem Ratgebenden und einem Ratsuchenden darstellt. Diese Dialogstruktur ist laut Zillig (ebd. 158) noch im Ratgebertext nachvollziehbar und bestimmte Textmodule, die er relativ allgemein als „Einheiten unterhalb der Ebene der Textsorten“ bestimmt, entsprechen in der „dialogischen Rückbindung“ den Phasen des mündlichen Beratungsdialogs. So wird etwa die Begrüßung und Vorstellung in der Kontaktphase eines Beratungsgesprächs im Ratgeber durch das Vorwort, die Einleitung und die Rahmenerzählung ersetzt: Hier kommt es zur Kontaktaufnahme mit dem Leser, die Zielgruppe wird konkretisiert und es wird über Zeitabläufe „geplaudert“ (vgl. Tabelle in Zillig 1990: 162 f.). Zilligs methodischer Ansatz ist in vielerlei Hinsicht hilfreich, besonders weil mündliche Beratungsgespräche linguistisch gut erforscht sind (z. B. Habscheid 2003; Nothdurft/ Reitemeier/ Schröder 1994). Um das „Funktionieren“ der Smalltalk-Ratgeber aufzeigen zu können, wird deshalb an einigen Stellen dieser Arbeit die mündliche Sprachberatung als Kontrastfolie für die besondere Kommunikationssituation in der Ratgeberliteratur verwendet werden (z. B. Kap. V.7.2 und Kap. V.11.). Zilligs Ansatz in aller Konsequenz durchzuführen, scheint mir jedoch problematisch: Die Ratgeber stehen in einer langen schriftlichen (Buch-)Tradition, sodass eine Eins-zu-eins-Rückübersetzung schriftlicher in mündliche Beratung nicht für alle Aspekte des Ratgebers passend ist. So können etwa bestimmte Makrostrukturen (z. B. Inhaltsverzeichnis, Sachregister) mit diesem Verfahren nur unzureichend erklärt werden. Für Franke (1996: 268) „verbietet es sich [sogar], massenmedial verbreitete Ratgebungen als und wie alltagsweltliche Beratungen der nicht-öffentlichen Kommunikation zu beschreiben [...].“ 3. Autoren von Smalltalk-Ratgebern Das Kap. III.3.1 stellt im Überblick die Autoren von Sprach- und Kommunikationsratgebern früher und heute vor. Im Folgenden soll speziell auf die Verfasser der hier untersuchten Smalltalk-Ratgeber eingegangen werden, wie sie sich in den Büchern präsentieren. 127 Die Habilitationsschrift wurde bisher nicht veröffentlicht. Ich zitiere nach den rot markierten Seitenzahlen in dem mir vorliegenden Manuskript. 97 3.1 Biographisches Die Autoren der Smalltalk-Ratgeber sind alle bekannt; es finden sich in den Büchern sogar üblicherweise kurze Verfasserbiographien, mit deren Hilfe auf fachliche Herkunft und Kompetenz der Autoren geschlossen werden kann. 128 In den von mir untersuchten Smalltalk-Ratgebern fehlt solch eine Kurzbiographie nur zur Autorin Cornelia Fischer (2004). Von den restlichen 19 Autoren ist keiner ein sprachwissenschaftlicher Experte in dem Sinn, dass er heute als Sprachwissenschaftler arbeitet. Alle Autoren haben studiert, sieben haben promoviert (Degen, Lasko, Lermer, Naumann, Nöllke, Topf, Watzke-Otte), einer ist habilitiert (Naumann). Als Studienfächer werden angegeben: - 5x Psychologie (Baur, Hesse, Lermer, Naumann, Schrader), - 4x Germanistik (Baur, Degen, Portner, indirekt auch Schäfer-Ernst: Studium bei Gert Ueding), - 2x Naturwissenschaften (Degen, Naumann), - 2x Philosophie (Lermer, Naumann) - 1x Jura (Lüdemann). Bei den Autoren Boeck, Bonneau, Kessler, Lasko, Märtin, Müller, Nöllke, Topf, Watzke-Otte und Weiden werden die Studienfächer nicht oder nicht genauer erwähnt. Fast alle Autoren geben in Bezug auf ihre derzeitige berufliche Tätigkeit an, dass sie als freie Autoren/ Journalisten (Baur, Bonneau, Degen, Nöllke, Naumann, Müller, Märtin, Lermer, Lüdemann) oder als Kommunikationstrainer bzw. -berater (Degen, Bonneau, Kessler, Lermer, Lüdemann, Märtin, Portner, Schäfer-Ernst, Topf, Watzke-Otte, Weiden) tätig sind. Lermer, Portner und Topf haben zudem eigene Trainingsbüros/ -institute. Gerne wird in den Kurzbiographien darauf hingewiesen, dass die Verfasser erfolgreiche, bekannte Buchautoren sind, die bereits zahlreiche Veröffentlichungen aufweisen können (z. B. Bonneau 2005a: 3). Es handelt sich meist um Bücher, die entweder ebenfalls zu den Sprach- und Kommunikationsratgebern zählen - v. a. Rede- und Gesprächslehren, 129 aber auch Anstandslehren 130 oder Schreiblehren 131 -, oder aber im Umfeld von Kommunikation und/ oder Beruf 132 angesiedelt sind. Einige Autoren bearbeiten ein 128 In einigen Fällen gibt es sogar eine Photographie des Autors, die noch stärker der Anonymität entgegenwirkt. In meinem Korpus nutzen Degen (2002), Kessler (2007) und Lermer (2003) diese Möglichkeit. 129 Z. B. Topf, Cornelia (2005b): Rhetorik für freche Frauen. Sagen Sie, was Sie meinen erreichen Sie, was Sie wollen! Heidelberg. 130 Z. B. Bonneau, Elisabeth (2005c): 300 Fragen zum guten Benehmen. München. 131 Z. B. Märtin, Doris (1998): Erfolgreich texten! Die besten Techniken und Strategien. München. 132 Z. B. Nöllke Matthias (2004): Management. Was Führungskräfte wissen müssen. 2. Aufl. Freiburg/ Berlin/ München. 98 breiteres thematisches Spektrum; so veröffentlicht Baur etwa auch Kochbücher 133 oder Sachbücher zur Kunst. 134 Es gibt es eine Tendenz zugunsten weiblicher Autoren: Die Smalltalk- Ratgeber wurden von dreizehn Frauen und sieben Männern verfasst. 3.2 Kompetenzanspruch „‚Feststellen von Kompetenz’ ist mithin ein konstitutives interaktives Erfordernis, dem in Beratungsgesprächen Rechnung getragen werden muss“ (Nothdurft 1994: 185). Auch in der schriftlichen Beratungssituation der Smalltalk-Ratgeber ist es wichtig, dass der Autor seinen Kompetenzanspruch verteidigt. Dies geschieht z. B. durch die beigefügten Verfasserbiographien. Da die Autoren von Smalltalk-Ratgebern keine sprachwissenschaftlichen Experten sind, liegt - wie bereits im Kap. III.4.2 diskutiert wurde - keine typische fachexterne Experten-Laien-Kommunikation vor, mit der sich etwa die Fachsprachenforschung auseinandersetzt (z. B. Niederhauser 1999). Der Wissensvorsprung der Autoren gegenüber den Lesern und ihre Kompetenz im Bereich Sprechen und Kommunizieren beruht vor allem auf praktischen Erfahrungen. Um einer zu großen Subjektivität entgegenzuwirken und auch eine gewisse Sachkompetenz zeigen zu können, setzen die Autoren unterschiedliche Darstellungsformen ein, die den Ausführungen einen gewissen wissenschaftlichen Anstrich verleihen und den Expertenstatus der Autoren festigen. 135 a) Fußbzw. Endnoten Die Verwendung von Fußbzw. Endnoten rückt einen Text schon rein optisch in die Nähe wissenschaftlicher Arbeiten (z. B. Monographie, wissenschaftlicher Aufsatz). Fußnoten kommentieren einen Text oder verweisen auf Quellen, die in der Regel am Ende des Aufsatzes bzw. Buchs in einem gesonderten Literaturverzeichnis zusammengefasst werden. Von dieser Zitiertechnik wird in den Smalltalk-Ratgebern nur von zwei Autoren bzw. Autorenkollektiven und dann auch nur sehr sparsam Gebrauch gemacht: Hesse/ Schrader verwenden in ihrem Ratgeber von 2001 genau eine Fußnote, 2003 acht Endnoten bzw. Anmerkungen (2003: 173). Sie zitieren zwar die Quelle, geben dazu jedoch entgegen der wissenschaftlichen Konventionen keine genaue Seitenangabe an. Allerdings arbeiten nicht alle Ratgeber so 133 Baur, Eva Gesine (1998): Der Reichtum der einfachen Küche, Rezepte aus Frankreich. Ostfildern. 134 Baur, Eva Gesine (1995): Meisterwerke der erotischen Kunst. Ostfildern. 135 Viel häufiger als die hier aufgelisteten Möglichkeiten einer wissenschaftsnahen Darstellung nutzen die Autoren umgangssprachliche oder journalistische Formen, wie die Verwendung narrativer Strukturen, metaphorisches und bildhaftes Schreiben, auffällige Kapitel- und Zwischenüberschriften etc. Mir geht es aber nicht um eine umfassende Beschreibung des Stils in den Smalltalk-Ratgebern, sondern lediglich um die relevante Diskussion des Expertenstatus der Autoren. 99 ungenau: Schäfer-Ernsts (2002) vier Fußnoten entsprechen dem wissenschaftlichen Standard. b) Literaturverzeichnisse Neben einer Zitationskonvention wie der Fußnote ist die Auflistung der konsultierten Quellen in einem Literaturverzeichnis für das wissenschaftliche Arbeiten eine Selbstverständlichkeit und ein ebenfalls bereits makrostrukturell 136 greifbares Kriterium für Wissenschaftlichkeit. Von den 23 Ratgebern haben immerhin 16 ein Literaturverzeichnis. Die Literaturangaben sind unterschiedlich umfangreich: Lüdemann (2007) listet nur vier Titel auf, während sich bei Naumann (2004: 237 ff.) 34, bei Schäfer-Ernst (2002: 137 ff.) sogar 37 Literaturtitel und 5 Audioquellen finden. Was die Qualität der Literaturhinweise angeht, so ähneln sich die Listen: Es werden neben anderen (in meinem Korpus behandelten) Ratgebern zum Smalltalk vor allem Sprach- und Kommunikationsratgeber zitiert, die meistens eine psychologische Ausrichtung haben und häufig auch Übersetzungen aus dem Englischen bzw. Amerikanischen sind. 137 Manchmal werden auch englische Titel angeben. 138 Daneben finden sich wenige populärwissenschaftliche Darstellungen zu den Bereichen Sprache und Kommunikation ohne anleitenden Charakter. Es sind v. a. die „Klassiker“ von Schulz von Thun 139 , Watzlawick 140 und Tannen. 141 Die Auswertung der Literaturlisten deckt sich gut mit den Ergebnissen einer Umfrage unter Kommunikationstrainern: In den Interviews wird [...] das große Interesse der TrainerInnen an orientierender und innovativer Literatur deutlich. Jedoch richtet sich dieses Interesse nicht so sehr auf wissenschaftliche Literatur im engeren Sinne, sondern primär auf schon für die Praxis aufbereitete und didaktisierte Darstellungen. Zwischen Sprachwissenschaft und anderen Disziplinen, die sich mit Sprache und Kommunikation befassen, wird nicht unterschieden. Von den genannten Namen gehört nur Deborah Tannen in die Linguistik [...]. (Brünner/ Fiehler 1999: 223) 136 Zur Makrostruktur der Smalltalk-Ratgeber vgl. Kap. V.6. 137 Besonders häufig werden die Bücher „Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman (1997) und „Nicht so schüchtern! So helfen Sie sich selbst aus Ihrer Verlegenheit“ von Philip G. Zimbardo (1986) zitiert. 138 Z. B. Lowndes, Leil (2003): How to Talk to Anyone. 92 Little Tricks for Big Success in Relationships. New York. oder: RoAne, Susan (1999): What Do I Say Next? Talking Your Way to Business and Social Success. New York. 139 Schulz von Thun, Friedemann (1981): Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek b. Hamburg. 140 Watzlawick, Paul/ Beavin, Janet/ Jackson, Don (2003): Menschliche Kommunikation. 10. Aufl. Bern. 141 Tannen, Deborah (1991): Du kannst mich einfach nicht verstehen. Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden. Hamburg. Oder: Tannen, Deborah (1992): Das hab’ ich nicht gesagt! Kommunikationsprobleme im Alltag. Hamburg. 100 Die Kenntnisse der Autoren über Sprache, Kommunikation und Gespräche resultieren bei den Autoren der Smalltalk-Ratgeber aus ihren praktischen Erfahrungen und vor allem aus der Lektüre anderer Ratgeber (vgl. Bergmann 1999: 240). Auch hier bestätigt sich also, dass die laienlinguistische Literatur „die akademische Linguistik scheinbar nicht nötig [hat]“ (Antos 1996: 35). Auf die Bücher, die im Literaturverzeichnis aufgeführt werden, kann, muss aber nicht innerhalb der Kapitel Bezug genommen werden. Neben den bereits makrostrukturell 142 greifbaren wissenschaftlichen Darstellungsformen bedient sich der Autor innerhalb des Grundtextes weiterer Möglichkeiten, sein Expertentum auszudrücken. c) Direkte und indirekte Zitate Andere (Forschungs-)Literatur zu zitieren, ist ein wesentliches Merkmal wissenschaftlichen Schreibens. Auch in den Smalltalk-Ratgebern finden sich direkte oder indirekte Zitate, die aus wissenschaftlicher oder populärwissenschaftlicher Literatur, aus Studien und Umfragen und häufiger noch aus anderen Ratgebern stammen. Dass es sich um qualitativ recht unterschiedliche Quellen handelt, wird dabei nicht beachtet. Wissenschaftlich korrekt ausgezeichnet, d. h. unter Angabe von Autor, Titel und Seitenzahl, sind die Zitate allerdings nur selten. Meist ist der Quellennachweis eher vage, d. h., ein Werk des zitierten Autors wird im Literaturverzeichnis aufgeführt, auf welcher Seite sich das Zitat befindet, wird nicht angegeben: Stellen Sie öfter fest, daß Ihnen die Alleinschuld zugeschoben wird, [...], sollten Sie Deborah Tannens Rat ausprobieren: „Wenn Sie keine Schuld trifft, dann übernehmen Sie auch nicht die Verantwortung. Beißen Sie sich lieber auf die Zunge.“ (Märtin/ Boeck 2000: 77) Bei einigen Zitaten bleibt die Quelle zumindest sehr vage: Eine Studie des amerikanischen Center für Workforce Developement zeigte, dass Mitarbeiter siebzig Prozent ihres Wissens über ihren Job und ihre Firma durch Schwätzchen mit den Kollegen erfahren. (Topf 2002: 11) Noch allgemeiner wird die Information, wenn gar keine Quelle mehr genannt wird: Untersuchungen haben gezeigt: Je länger wir mit einem Beitrag warten, desto größer wird unsere Überwindung diesen auch zu leisten. (Schäfer-Ernst 2002: 39) Neben eher singulären Zitaten, die man im weitesten Sinne als Beispiel für wissenschaftliches Arbeiten gelten lassen kann, wird in den Smalltalk- Ratgebern nur sehr selten Bezug auf komplexere (populär-)wissenschaftliche 142 Hier könnten auch weitere Kriterien wie die Einteilung des Textes in Kapitel und die Verwendung eines Inhaltsverzeichnisses und eines (Sach-)Registers aufgenommen werden. Diese sind jedoch keine distinktiven Merkmale, da Bücher allgemein eine Kapitelstruktur und häufig ein Inhaltsverzeichnis aufweisen. Außerdem verzichten viele wissenschaftliche Arbeiten auf ein Register. 101 Theorien genommen. Meistens handelt es sich dann um die aus anderen Ratgebern zur praktischen Rhetorik bekannten Ansätze: Watzlawick (Beziehungs- und Sachebene), Tannen (Gesprächsstile von Frauen und Männern) und Schulz von Thun (Vier-Ohren-Modell, Kommunikationsstile) (siehe oben). Degen (2002) verfolgt als einzige explizit den Ansatz des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), Bonneau setzt (2002) auf die Themenzentrierte Interaktion und (2005b) die LIFO ® -Methode. 143 d) Fachwortschatz und Pseudofachwortschatz Auf lexikalischer Ebene wird das Expertentum des Autors durch die Verwendung fachsprachlicher Ausdrücke unterstützt, die z. B. der Fachsprache der Psychologie, aber auch der Sprachwissenschaft entstammen. Dieser Fachwortschatz wird meist explizit als solcher gekennzeichnet und auch erklärt. Die einfachste Möglichkeit ist es, entweder die allgemeinsprachliche Entsprechung oder das Fachwort in Klammern anzugeben: Das erinnert an Gespräche, in denen einer der Beteiligten Macht über den anderen hat (so genannte ‚asymmetrische Gespräche’). (Lermer 2003: 102) Häufiger als „echter“ Fachwortschatz werden Ausdrücke verwendet, denen eine Pseudofachlichkeit anhaftet. Pseudofachsprache signalisiert […] durch ihre Ausdrucksseite (scheinbare) Zugehörigkeit zu einer Fachsprache. Ihre Verwendung dient jedoch nicht der fachlichen Verständigung und Informierung, sondern zielt darauf ab, vom Prestige und der Autorität der Fachsprachen zu profitieren. (Janich 1998: 42 f.) Typisch pseudofachlich sind etwa Abkürzungen wie GNA-Formel (Märtin/ Boeck 2000: 57), BASF-Einstiegsformel (Hesse/ Schrader 2003: 26 ff.) oder GNIF (Schäfer-Ernst 2002: 57). Diese Akronyme - Kallmeyer (1985: 34) nennt sie „Wortformeln“ - entstehen aus den Initialen von Schlagwörtern, die innerhalb eines Ratschlags eine besondere Bedeutung haben. So soll z. B. die Formel GNA, die für Gruß, Name, Aufhänger steht, beim Vorstellen berücksichtigt werden. Diese individuell geprägten „Merkhilfen“ sind wohl in Nachahmung der etablierten AIDA-Formel 144 entstanden, die sich in Ratgebern, aber auch in Lehrbüchern zu Rhetorik und Werbung finden lässt; in den Smalltalk-Ratgebern wird sie jedoch nicht verwendet. Als pseudofachsprachlich sind auch Wortbildungen wie Bonbon-Methode (Schäfer-Ernst 2002: 114 f.), Power-Ruck-Technik (Lasko 2004: 82), Malbuch- Effekt (Bonneau 2005a: Punkt 22.) oder Parzival-Syndrom (Hesse/ Schrader 143 LIFO steht für „Life Orientation“. Diese lizenzierte Trainingsmethode wurde 1963 von Stuart Atkins und Allan Katcher entwickelt. Sie basiert auf den Theorien von Erich Fromm, Carl Rogers und Peter Drucker. Vgl. http: / / www.lifoproducts.de, gesehen am 28.10.2007. 144 AIDA ist das älteste und gängigste Werbewirkungsmodell. Es wurde 1898 von E. St. Elmo Lewis entwickelt, um die Stufen eines Verkaufsgesprächs darzustellen. Die Buchstaben stehen für Attention - Interest - Desire - Action (vgl. Kugler 1998: Anm. 36). 102 2001: 11) einzustufen. Auch hierbei handelt es sich um eigene Begriffsbildungen der Autoren, die besonders durch die semantisch vagen Grundwörter Methode, Technik, Effekt oder Syndrom in die Nähe fachsprachlicher Ausdrücke rücken. Pörksen (1992) nennt solche Wörter Plastikwörter. Sie [= Plastikwörter, K.K.] sind in der Regel gemeinsprachlicher Herkunft, aber vom Durchgang durch die Wissenschaft geprägt. Es sind Rückwanderer aus der Wissenschaft […]. Diese Wörter bilden die Brücke zur Welt der Experten. Ihr Inhalt ist u. U. nicht mehr als ein weißer Fleck, aber sie vermitteln die ‚Aura’ einer Welt, in der man über ihn Auskunft zu geben weiß. (ebd. 118 ff.) Die meist metaphorisch verwendeten Bestimmungswörter garantieren dabei, dass diese Bildungen dennoch anschaulich und unterhaltsam sind (Bergmann 1999: 237). 145 Die Verwendung von Pseudofachwortschatz illustriert die Zwischenstellung, die die Autoren der Smalltalk-Ratgeber einnehmen: Sie schwanken zwischen einem gewissen theoretischen Wissenschaftlichkeitsanspruch und einer eher praxisorientierten, unterhaltsamen Darstellung. Insgesamt können Bergmanns (1999: 241) Beobachtungen zu den Rhetorikratgebern auf die Smalltalk-Ratgeber übertragen werden: Auch für die Smalltalk-Ratgeber ist ein reduzierter Theorie- und Wissenschaftlichkeitsanspruch sowie ein „Theoriemangel“ zu konstatieren. Obwohl im Ansatz unterschiedliche Aspekte der wissenschaftlichen Darstellung genutzt werden, genügen sie nur in Ausnahmefällen den „wissenschaftlichen Gütekriterien“. Ein gewisses Bemühen um Wissenschaftlichkeit ist bei Schäfer-Ernst (2002), Lermer (2003), Naumann (2004) und vielleicht noch bei Hesse/ Schrader (2003) zu erkennen, während etwa Baur (2001) und Lasko (2004) auf eine wissenschaftliche Darstellung vollständig verzichten. Dass viele Autoren trotz ihres wissenschaftlichen Hintergrunds z. B. keine Quellennachweise im Text angeben, liegt wohl daran, dass diese nicht notwendig bzw. gar nicht erwünscht sind. Laut Umlauf (1996: 76) sind in Ratgebern allgemein „Zitate und Fußnoten [...] überflüssig und störend; ausgewählte, möglichst erläuterte Literaturangaben können eine Hilfe sein.“ Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Autoren der Smalltalk- Ratgeber einen Kompromiss zwischen Belehrung, Unterhaltung und populärwissenschaftlicher Darstellung anstreben (Bergmann 1999: 236 ff.). 145 Es finden sich in den Smalltalk-Ratgebern noch weitere „anregende Zusätze“, „[...] die beim Leser Aufmerksamkeit, Spaß oder auch Widerspruch erzeugen, die ihn kurzum mobilisieren können“ (Bergmann 1999: 238). Diese sprechen zwar für einen gewissen Bildungsgrad, werden jedoch gewöhnlich nicht in wissenschaftlichen Darstellungen verwendet: Sprüche, Sprichwörter, geflügelte Worte, Anekdoten oder Zitatsammlungen. Hier fallen besonders häufig die Namen Goethe, Churchill, Knigge und Lord Chesterfield. 103 4. Intendierte Leser von Smalltalk-Ratgebern Während man in den modernen Ratgebern durch die Kurzbiographien, die in fast keinem Ratgeber fehlen, bereits einiges über den Autor erfährt, bleiben die eigentlichen Leser anonym. In Kap. III.3.2 wurden die Ergebnisse einer Umfrage zu den Lesern der Sprach- und Kommunikationsratgeber vorgestellt. Es war leider nicht möglich, genügend E-Mail-Adressen von Rezensenten der Smalltalk-Ratgeber zu erhalten, um diese gezielt befragen zu können. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass der typische Leser eines Smalltalk-Ratgebers mit dem anderer Sprach- und Kommunikationsratgeber übereinstimmt. In diesem Kapitel soll nun überprüft werden, ob der tatsächliche Leser, der mittels der Umfrage ermittelt wurde, mit dem vom Autor intendierten Leser identisch ist. In den Ratgebern selbst finden sich explizite und implizite Informationen zu diesem „idealen“ Leser. 4.1 Explizite Informationen Während andere Sprach- und Kommunikationsratgeber bereits im Titel eine Spezifizierung auf eine bestimmte Personengruppe vornehmen (z. B. Frauen, Manager, Führungskräfte etc.), bleiben 21 Smalltalk-Ratgeber im Titel adressatenunspezifisch. Auch in den Klappentexten, Vorworten oder Einleitungen erwähnen die Autoren ihre Zielgruppe entweder gar nicht, oder sie halten sie sehr allgemein. Formulierungen wie Für alle, die ihre Kommunikationsfähigkeit im Berufs- und Privatleben verbessern wollen (Märtin/ Boeck 2000: Klappentext) oder Das Buch ist für alle, die mitten im Leben stehen und wissen, dass gute, lebendige persönliche Kommunikation, Small Talk, das A und O einer exzellenten Karriere ist! (Lasko 2004: 15) schränken die intendierten Leser kaum ein. Am ehesten wird die Zielgruppe nach ihren Smalltalk-Fähigkeiten charakterisiert. Aber auch das ist letztlich kein Eingrenzungskriterium, da die Ratgeber doch wieder [f]ür Einsteiger und Profis [sind], die ihre Kenntnisse rasch auffrischen wollen (Topf 2002: 3). Nöllke (2006) ist hier eine Ausnahme, da er sich explizit an den fortgeschrittenen Smalltalker wendet. Wer zu dieser Gruppe zählt, ist jedoch ebenfalls unklar, da es der Selbsteinschätzung des Lesers überlassen bleibt, sich als „Einsteiger“ oder „Profi“ auf dem Gebiet des Smalltalks zu sehen. Der einziger Ratgeber, der eine greifbare Zielgruppe hat, ist der von Lüdemann (2007): Er richtet sich explizit an Frauen. Vergleicht man jedoch die Inhalte in diesem Ratgeber, so unterscheiden sie sich kaum von denen der anderen, geschlechtsneutralen Ratgeber. Auf spezifische weibliche und männliche Verhaltensweisen wird nämlich nicht wesentlich detaillierter als in den meisten anderen Ratgebern eingegangen (vgl. etwa das Kapitel Männer reden anders - Frauen auch, Märtin/ Boeck 2000: 145, ebenso: Lermer 2003: 172 oder Frauen und Männer, Naumann 2004: 178). 104 4.2 Implizite Informationen Bergmann (1999: 235) stellt für die Rhetorik-Ratgeber fest, dass „nicht immer [...] die von den Ratgebern deklarierten Zielgruppen mit den in der Sachdarstellung dann tatsächlich benannten identisch [sind]. Gegebenenfalls weitet sich die Gruppe der angesprochenen Leser im Buch selbst aus, oder sie verengt sich“. Solche impliziten Informationen über den Leser können durch eine Analyse der Beispielsituationen und -personen, die häufig eine kurze Biographie besitzen, herausgefunden werden. Da es wohl ein wesentliches Ziel des Autors ist, dass sich der Leser mit den Personen in den Fallbeispielen identifiziert, kann so auf den intendierten Leser geschlossen werden. Für die Smalltalk-Ratgeber zeigt sich, dass die Adressatengruppe bei weitem nicht so allgemein ist, wie dies die Klappentexte und Einleitungen angeben. Der intendierte Leser wird in den Smalltalk-Ratgebern vor allem durch seinen Beruf charakterisiert. Er arbeitet für eine Firma, hat einen Vorgesetzen und viele Kollegen. Die beruflichen Tätigkeiten werden in einem Büro, auf Messen, Meetings, Geschäftsessen, Kundenberatungen oder in Seminaren ausgeübt, wobei typische Situationen Betriebsfeiern und Firmenjubiläen sind. 146 Er ist kein Berufsanfänger und auch kein Student mehr; als typische Berufe finden sich z. B. Kaufmann/ -frau, Sekretär/ in, Assistent/ in, leitende/ r Angestellte/ r, Dolmetscher/ in, Ingenieur/ in, Informatiker/ in. Diese Berufe sind im weitesten Sinne im Dienstleistungsbereich angesiedelt, d. h., beim intendierten Leser handelt sich um einen Kopfarbeiter und nicht etwa um einen Handwerker. Er verfügt demnach über eine höhere Schulbildung, eventuell auch über ein Studium. Da in den Ratgebern Frauen und Männer gleichermaßen als Beispielpersonen herangezogen werden, gibt es keine Geschlechterpräferenz. Das Alter liegt etwa zwischen 25 und 45 Jahren. Damit deckt sich der intendierte Leser mit dem typischen Publikum, das an Kommunikationstrainings teilnimmt. 147 Da die Autoren in den meisten Fällen Trainer sind und ihr Wissen vor allem aus ihren praktischen Erfahrungen gewinnen, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich bei ihren Beispielen an den Biographien der Seminarteilnehmer orientieren. Es gibt auch eine gewisse Übereinstimmung zwischen den hier herausgestellten intendierten Lesern und den Verfassern von Kundenrezensionen zu Sprach- und Kommunikationsratgebern (vgl. Kap. III.3.). Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich der intendierte Leser recht gut mit dem tatsächlichen Leser deckt. 146 Wie stark die Autoren dieses Berufsbild verfolgen, zeigt folgendes Zitat: Sie kennen diese Situation sicherlich: Sie befinden sich in einer Teamsitzung, um wichtige Sachfragen zu klären, doch ständig wird an allem und jedem herumgenörgelt [Hervorhebung K.K.]. (Müller/ Weiden 2002: 35). 147 Ich bedanke mich bei den beiden Kommunikationstrainerinnen Sabine Novy und Christina Riebl, die mich über die Teilnehmer an ihren Kursen informiert haben. 105 5. Rollenverteilungen: Autor-Leser-Beziehung Zillig (1990: 258) weist darauf hin, dass der Fragesteller, in unserem Fall also der Leser, „zwar im Hinblick auf das anstehende Problem dem Ratgeber [= Autor, K.K.] unterlegen ist und nicht weiß, was er tun soll, im übrigen mit dem Ratgeber aber in seinem sozialen Status auf gleicher Stufe steht“. Dass diese Annahme vor allem für die modernen Sprach- und Kommunikationsratgeber richtig ist, wurde bereits im Kap. III.3. deutlich: Autoren und Leser unterscheiden sich in Ausbildung und Beruf oft nicht. Als einen Indikator für diese Gleichrangigkeit sieht Zillig (1990: 260) die Verwendung der Anredeform Sie. 148 Trotzdem variiert die Beziehung zwischen Autor und Leser in den Ratgebern. Die Autoren können unterschiedliche Rollen einnehmen und dem Leser dementsprechend auch unterschiedliche Rollen zuweisen. Anhand kurzer Ausschnitte aus den Smalltalk-Ratgebern sollen die unterschiedlichen Rollenverteilungen, die in der Regel indirekt aus den Stilmerkmalen des Textes ableitbar sind, kurz skizziert werden. Selten kommen die vorgestellten Autorenrollen allerdings in Reinform vor. Vielmehr gibt es unterschiedliche Vermischungen, d. h., innerhalb eines Ratgebers kann sich ein und derselbe Autor in unterschiedliche Rollen begeben und dem Leser unterschiedliche Rollen zuweisen. a) Der Autor als persönlicher Trainer des Lesers Gehen wir nun einen Schritt weiter. Ich bitte Sie jetzt, wirklich fair zu sich zu sein: Wie sieht denn Ihre Bilanz aus, wenn Sie Versagen gegen Gelingen aufrechnen? Da sind doch die Versagenssituationen absolute Mangelware. Sie aber hängen diesen Momenten nach und geben ihnen dieses unverdiente Übergewicht, während Sie Ihrem Gelingen kaum einen Gedanken gönnen. (Degen 2002: 36) Der Autor tritt wie ein persönlicher (Motivations-)Trainer des Lesers, manchmal sogar wie dessen Psychiater auf. 149 Dabei wird im Ratgeber eine Face-to-face-Beratungssituation nachgeahmt: Der Autor spricht den Leser direkt an; Dialoge mit dem Leser werden konstruiert, wobei dessen Äußerungen, Gedanken und Gefühle eingebracht werden. Der Vorteil besteht darin, dass der Leser stark eingebunden und motiviert wird, da eine fast schon private Atmosphäre herrscht. Diese Strategie geht allerdings nur dann 148 In den von mir untersuchten Smalltalk-Ratgebern findet sich ausschließlich die Anredeform Sie; in älteren Ratgebern war es dagegen durchaus üblich, auch den erwachsenen Leser mit Du anzureden (vgl. Kap. VII.1.3.3). Statusunterschiede zwischen Autor und Leser werden vor allem bei denjenigen Ratgebern deutlich, die für Kinder verfasst wurden, z. B. Nitsch, Cornelia (2004): Kids mit Stil. Der Knigge für Kinder und Jugendliche. München. Bei den Smalltalk-Ratgebern spielen solche Alters- und Statusunterschiede allerdings keine Rolle. 149 Dieses Rollenverständnis scheint z. B. bei Rhetorik-Ratgebern für Frauen häufig vorzukommen; Thim-Mabrey (2001a: 170) nennt diesen „Typus von Beratung” „Coaching“ und dann „mit einer weniger modischen Bezeichnung [...] ‚betreuendes Beraten’.“ 106 auf, wenn der Autor den Leser richtig eingeschätzt hat. Sobald sich der Leser nicht mit dem beschriebenen Charakter, seinen Gedanken und Gefühlen identifizieren kann, besteht die Gefahr der Ablehnung des Ratgebers. b) Der Autor als „Leidensgenosse“ des Lesers Nur eine Minderheit beherrscht dieses Kommunikationsideal von Natur aus. Wir übrigen - zu denen auch ich mich zähle - können uns durch kommunikatives Wissen, Aufmerksamkeit und Erfahrung allmählich diesem Ideal annähern. (Naumann 2004: 26) Die Rolle des Autors als „Leidensgenosse“ kommt in den Ratgebern häufiger vor. In diesen Fällen schildert der Autor, dass auch er nicht schon immer ein Kommunikationsexperte war, sondern seine kommunikativen Fertigkeiten erst (mühsam) lernen musste bzw. immer noch an sich arbeiten muss, da er in bestimmten Situationen mit Problemen zu kämpfen hat: Mir zum Beispiel fällt es immer wieder schwer, ein Gespräch mit Menschen anzufangen, die mir fremd sind oder die ich nur selten sehe - einfach, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. (Märtin/ Boeck 2000: 54) Nicht selten wird auch die Lebensgeschichte des Autors als eine Metamorphose von einem Kommunikationslaien zu einem Kommunikationsexperten erzählt (Naumann 2004: 9). Diese Autorenrolle schafft eine enge Beziehung zum Leser, indem er ihm die Botschaft vermittelt: „Ich war wie du. Auch du kannst es schaffen, ein Kommunikationsexperte zu werden! “ Verstärkt wird dieses Gruppengefühl durch die Verwendung des Personalpronomens wir; 150 der Autor nimmt sich als Experte zurück und stellt sich auf eine Ebene mit dem Leser (siehe erstes Zitat). c) Der Autor als Lehrer Zillig (1990: 244 ff.) unterscheidet verschiedene Situationstypen in den Ratgebern: Während in der Ratgeber-Situation der Ratsuchende selbst das Problem formuliert, ist dem Ratsuchenden in der Lehrer-Situation das Problem gar nicht bewusst. „Der Hinweis, daß eine Situation problembehaftet ist, obliegt darum der Initiative des ‚Lehrers’“ (ebd. 265): Da machen wir uns viele Gedanken über den Inhalt unserer Small Talks - über die Wirkung unserer Stimme hingegen denken wir fast nie nach. (Portner 2003: 53) Der Autor stellt sich in der Rolle des Lehrers deutlich als Experte und Autoritätsperson dar und behandelt den Leser als Laien bzw. Schüler, den man abfragen (Was hat Herr Lüdke falsch gemacht? Nöllke 2005: 117), gegebenenfalls auch ermahnen und vor allem belehren kann: 150 Neben diesem Gemeinsamkeiten stiftenden wir kann sich hinter dem Personalpronomen auch ein Autorenkollektiv (z. B. Hesse/ Schrader 2003: 10) oder aber ein einzelner Autor (so z. B. bei Lermer 2003: 5 und Nöllke 2006: 8) verbergen. Häufiger jedoch schreibt ein Autor von sich in der ersten Person Singular oder formuliert unpersönlich. 107 Trick und Moral erkannt? Also dann: Was Sie in die Kommunikation hineingeben, bekommen Sie immer wieder zurück. Deshalb ist ein offener und herzlicher Mensch ohne jeden Zweifel der geborene Small Talker. (Lasko 2004: 29) Während die Lehrerrolle in den älteren Ratgebern noch häufig zu finden ist, 151 wird der schulmeisterliche Duktus, der nicht selten bevormundend wirkt, in den Smalltalk-Ratgebern von heute meist in einer abgeschwächten Form eingesetzt. Dies wird z. B. durch die Anredeform Sie erreicht. Als Gegenentwurf zum unwissenden Leser gibt es auch die Konzeption eines gebildeten und wohlerzogenen Lesers. Die Formulierungen in den Ratgebern sind entsprechend vorsichtiger: Vielleicht haben Sie schon einmal gehört oder gelesen, dass wir Gesagtes nur zu einem geringen Teil über das gesprochene Wort wahrnehmen. (Schäfer-Ernst 2002: 27) d) Der Autor als guter Freund Sagen Sie mal, liebe Leserin, lieber Leser, unterhalten Sie sich gerne mit fremden Leuten? [...] Wie heißt es so schön im Volksmund? Ja genau, „durch Reden kommen die Leute zusammen“! (Fischer 2004: 7) Der Autor kann sich auch in die Rolle des guten Freundes 152 oder des wohlmeinenden Bekannten begeben und etwa private Dinge dem Leser anvertrauen (Eine meiner Freundinnen erzählte mir eine wahrlich peinliche Situation [...], Portner 2003: 23). Bei dieser Rolle, die im Gegensatz zur Rolle als persönlicher Trainer von Herzlichkeit und Intimität geprägt ist, kann allerdings die Gefahr bestehen, dass die Ratschläge „herablassend-wohlwollend“ klingen oder der Ratgeber unnatürlich überfreundlich wirkt (Zillig 1990: 260). e) Autor und Leser als Beobachter Oliver denkt mit Schrecken an die Einladung zum Geschäftsessen mit einem Kunden seiner Frau. Das Argument „keine Lust“ hat sie für inakzeptabel erklärt. [...] Oliver könnte anders denken. Er kann sich ein strategisches Ziel setzen, wie er das bei seinen eigenen Geschäftsanlässen tut. (Bonneau 2002: 101) In der von Zillig (1990: 268) beschriebenen Beobachtersituation stellt sich der Autor „sozusagen neben B [= Leser, K.K.], um mit diesem gemeinsam das richtige oder - in der Mehrzahl der Fälle - falsche Verhalten anderer anzusehen und zu kommentieren.“ Dadurch wird ein „Solidarisierungseffekt“ 151 Besonders deutlich wird die Rollenverteilung Lehrer - Schüler etwa in der äußerst erfolgreichen Stillehre von Reiners (2007; 1. Aufl. 1951). Hier werden sogar explizit Lehrer-Schüler-Gespräche am Ende jeder Lektion aufgeführt. Auch Formulierungen wie Was lernen wir aus diesem Beispiel? (Reiners 2007: 67) unterstreichen die Rolle des Autors als Lehrer. 152 Besonders in älteren Ratgebern wurde die Freundschaft zwischen Autor und Leser viel expliziter formuliert, z. B. Liebe Freundin, ich traue dir zu, daß du genügend Menschenkenntnis hast, um einen netten Jungen mit originellen Einfällen von einem üblen Schürzenjäger oder einem ältlichen Lebemann unterscheiden zu können (zitiert nach Zillig 1990: 297 f.). 108 zwischen Leser und Autor erreicht. Mit anschließenden Fragen wie Was lernen Sie von Tanja? (Bonneau 2002: 57) kann allerdings ein Übergang in die Lehrer-Schüler-Situation erfolgen. f) Neutrales Verhältnis zwischen Autor und Leser Neueste Forschungen zeigen, dass eine Viertelsekunde genügt, um einen fremden Menschen grundsätzlich einzuschätzen. Und zwar nicht nur nach Alter, Geschlecht oder Köpergröße, sondern auch nach Attraktivität und Sympathie. (Naumann 2004: 116) Wenn Sachinformationen weitergegeben werden, tritt häufig sowohl die Person des Autors als auch die des Lesers in den Hintergrund. Verwendet ein Autor hauptsächlich diese Darstellungsmöglichkeiten, so wirken seine Ausführungen zwar sachlicher, aber auch unpersönlicher. Eine Mischung aus Lehrerrolle und sachlicher Darstellung ist es, sich als Autor hinter einem allgemein gehaltenen Smalltalk-Experten zu verbergen: Der geübte Small Talker achtet nicht nur darauf, worüber er spricht. Er benutzt Wörter, die sich wohltuend von solchen 08/ 15-Ausdrücken wie „gut“ und „schön“ abheben. (Hesse/ Schrader 2001: 92) Je nachdem welche Rolle(n) der Autor einnimmt, kann er in seiner Darstellung zwischen „Distanz und Nähe“ (Bergmann 1999: 239) sowie zwischen Belehrung, Unterhaltung oder Informationsvermittlung wechseln. Auf die konkreten „Interaktionsmöglichkeiten“ zwischen Autor und Leser wird in Kap. V.7.2 näher eingegangen. 6. Makrostrukturen Bei umfangreichen Texten ist es üblich, zur Beschreibung der Textsorte die Textstruktur herauszuarbeiten (vgl. z. B. Simmler 1991: 301). Texte erscheinen immer als die konkreten Exemplare einer bestimmten Textsorte (Brinker 2005: 138). Teile eines Buchs, wie etwa Vor- und Nachworte, sind dabei keine eigenständigen Textsorten, da es schließlich der Wille des Autors war, sie innerhalb einer größeren Einheit erscheinen zu lassen: Er [= der Autor, K.K.] hat sie immer als Teile einer größeren Einheit, eines Textexemplars oder der Verbindung mehrerer Textexemplare konzipiert und sie im Rahmen einer externen Variablenkonstellation nicht zu einer selbständigen Erscheinungsweise vorgesehen und ihnen damit auch keinen von den übrigen Textteilen unabhängigen Textsinn zugesprochen.“ (Simmler 1996: 609) 153 153 Einen anderen Ansatz verfolgt Rolf (1993). Er bezeichnet „Einleitung“, „Fußnote“, „Schlusswort“ usw. als eigene Textsorten, die sich „allesamt auf andere Texte, zumeist aus ihrer unmittelbaren Umgebung [beziehen].“ (ebd. 197). Da er andererseits auch „Ratgeber“ oder „Monographie“ als Textsorten auflistet, scheint es in Rolfs Verständnis kein Widerspruch zu sein, dass eine Textsorte (z. B. Ratgeber) aus verschiedenen Texten bestehen kann, die er selbst wiederum als eigenständige Textsorten bezeichnet (z. B. Einleitung, Schlusswort etc.). 109 Wenn man aber das gesamte Ratgeberbuch als eine Textsorte und damit als einen Text 154 auffasst, dann müssen auch die darin enthaltenen nichtsprachlichen Elemente wie Bilder oder Grafiken zum Gesamttext zählen (vgl. Göpferich 1995: 56). Für Einheiten der Grobstruktur eines Textes gibt es in der Textlinguistik unterschiedliche Ausdrücke, z. B. Textteil, Teiltext, Textsequenz, Textstück, Teilfolge, Abschnitt oder Textelement, jedoch setzt sich die relativ neutrale Bezeichnung Makrostruktur immer mehr durch (Hackl-Rößler 2006: 27; Simmler 1996: 610 f.). Makrostruktureinheiten sind dementsprechend Texteinheiten mit einem bestimmten Umfang, die zusammen mit anderen Einheiten desselben Textes das Gesamtgefüge Text ergeben. (Hackl-Rößler 2006: 29) In Übereinstimmung mit Hackl-Rößler (ebd.) können Makrostruktureinheiten sowohl aus sprachlichen (z. B. Absätze) als auch aus nicht-sprachlichen Zeichen (z. B. Bilder) bestehen. Es gibt allerdings in der Forschung kein einheitliches Kriterium zur Gewinnung von Makrostruktureinheiten aus einem Gesamttext: Sie werden entweder aufgrund inhaltlicher, pragmatischer oder formaler Kriterien gewonnen (Adamzik 2004: 129; Gläser 1990: 54 ff.). Da die formale Makrostruktur des Layouts „[z]um ersten unmittelbaren Eindruck bei der Begegnung mit einem Text gehört“ (Adamzik 2004: 145), werde ich mich auf diese optisch markierten 155 Texteinheiten - Hackl-Rößler (2006: 29) nennt sie „visuelle Makrostruktureinheiten“ oder „Textdesigneinheiten“ - beschränken. In Anlehnung an Simmler (1996: 602) sollen Makrostruktureinheiten gemäß ihres Vorkommens im Text zunächst in Initiatoren und in Terminatoren unterteilt werden. Ich spreche allerdings nicht nur dann von Makrostrukturen, „wenn sie eine Komplexität besitzen, die diejenige eines einfachen oder komplexen Satzes übersteigt“ (ebd. 613). Wie Hackl-Rößler (2006: 30) verstehe ich z. B. Überschriften als „Makrostruktureinheiten, unabhängig davon, aus wie vielen Sprachzeichen sie bestehen“. 154 Auch Greule (2002: 589) bezeichnet Sprachratgeber als einen Text. 155 Ich verwende die Adjektive optisch, graphisch, visuell und formal synonym. Es fallen darunter z. B. Wechsel von Schriftgröße, -art, -farbe, Umrahmungen, Unterlegungen. 110 Visuelle Makrostruktureinheiten Vorkommen Initiatoren: (1) (Einband mit) Autor, Buchtitel, evtl. Bild, Verlag, Reihe, Klappentext (evtl. mit Informationen zum Autor) (23/ 23) (2) Vortitel und Haupttitel mit Informationen zum Buchinhalt und/ oder zum Autor, Hinweise zur Anlage der Reihe, Informationen zu weiteren Büchern des Autors oder der Reihe 156 (23/ 23) (3) Inhaltsverzeichnis (23/ 23) 157 (4) Vorwort und/ oder Einleitung (19/ 23) (5) Sonstige Initiatoren (z. B. Widmung, Anmerkung) < (3/ 23) Textmitte (= Kapitelstrukturen): (6a) Kapitelüberschrift erster Ordnung (23/ 23) (6b) Kapitelüberschrift zweiter Ordnung (22/ 23) (6c) Kapitelüberschrift dritter Ordnung (19/ 23) (6d) Kapitelüberschrift vierter Ordnung (4/ 23) (7) Grundtext mit Absätzen 158 (23/ 23) (8) Übung (11/ 23) (9) Test (10/ 23) (10) Beispielsituation (13/ 23) (11) Tipp (16/ 23) (12) Listen (z. B. mit Formulierungsbeispielen oder in Form von Checklisten) (13/ 23) (13) Bild, Illustration, Photographie usw. (11/ 23) (14) Sonstige Makrostruktureinheiten der Textmitte: z. B. Advanced Organizer, Kurzzusammenfassung, (Widmungs-)Zitat, Interview, Informationen, 159 Anekdoten, Witze, Fußnoten, Fragen/ Antworten < (3/ 23) Terminatoren: (15) Zusammenfassung (Listenform oder nummerierte Aufzählung) (5/ 23) (16) Literaturverzeichnis (16/ 23) (17) Register (10/ 23) (18) Werbung für Bücher des Verlags, für Seminare des Autors o.ä. (15/ 23) (19) Sonstige Terminatoren: Anmerkungen, Dank, Anlagen (Lösungshinweise), Autoreninformation, Fragebogen zum Buch usw. < (3/ 23) Tab. 6: Makrostruktureinheiten in den Smalltalk-Ratgebern 156 Entspricht den ersten beiden Blättern des Buchblocks. 157 Der Ratgeber von Kessler (2007) ist konzeptionell eine Ausnahme; wegen der alphabetischen Anordnung der Themen ist ein übliches Inhaltsverzeichnis nicht notwendig. Kessler bietet stattdessen einen Thematischen Überblick, der die behandelten Inhalte thematisch sortiert und als Inhaltsverzeichnis gewertet werden kann. 158 Absätze werden in der Regel ebenfalls als Makrostruktureinheiten aufgefasst. Da sie meiner Meinung nach im Vergleich zu den oben dargestellten visuellen Makrostrukturen in den Augen der Rezipienten nur einen geringen Beitrag zum Textdesign des Gesamttextes leisten - Absätze sind der Normalfall jedes längeren schriftlichen Textes - , zähle ich sie zum Grundtext. 159 Bei den Informationen handelt sich um theoretisches Hintergrundwissen, das die Entstehung eines Zustandes oder Ereignisses erklärt (Franke 1997: 152 f.) und Grundlage für die konkrete Ratgebung ist. 111 Bei den Makrostruktureinheiten ist zunächst zu unterscheiden, ob sie medienbedingt (z. B. 1, 2), verlagsbedingt (wahrscheinlich 18, vielleicht auch 13 oder 17), textsortenbedingt (3, 6a, 6b, 7, mit gewisser Tendenz auch 8-13 und 17) autorenbedingt (z. B. 8-16) oder kulturbedingt (8) (vgl. Kap. VI.2.2.2) sind. Was das Textdesign der einzelnen Ratgeber betrifft, gibt es recht unterschiedliche Akzentsetzungen: Bei Baur (2001), Hesse/ Schrader (2001) und Naumann (2004) finden sich innerhalb der Kapitelstrukturen kaum weitere Mittel des Textdesigns, wie etwa Tipps, Übungen oder Bilder. 160 Viele optische Gestaltungsmittel werden dagegen z. B. im Ratgeber von Bonneau (2002, vgl. Abb. 1) verwendet, der wie der von Fischer (2004) prinzipiell zweispaltig angelegt ist. Bei der optischen Kennzeichnungder Makrostrukturen gibt es mehrere Möglichkeiten: Degen (2002) hat unterschiedliche Schriftarten, Portner (2003) arbeitet mit Farbe und Schäfer-Ernst (2001) mit Kästen und Hinterlegungen. Abb. 1: Die Makrostruktureinheiten Tipp und Übung bei Bonneau (2002) 160 Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Autoren in ihren Ratgebern überhaupt keine Beispiele oder Übungen verwenden; diese werden allerdings nicht graphisch vom Grundtext abgehoben. 112 Nicht-sprachliche Makrostruktureinheiten in Form von Bildern, Zeichnungen oder Photographien finden sich in etwa der Hälfte der Smalltalk- Ratgeber, haben aber im Vergleich zu graphischen Elementen von Bedienungsanleitungen nur einen schwachen Textbezug. Während Zeichnungen eher der Unterhaltung dienen (z. B. Kessler 2007; Lasko 2004; Schäfer-Ernst 2002), geben Bilder und Portraits verschiedener Menschen den Ausführungen eine „persönliche Note“ (z. B. Bonneau 2003; Fischer 2004). Eine Besonderheit stellen die Symbole am Seitenrand dar, die z. B. Lermer (2003; Kaffeetasse und Kaffeebohnen), Nöllke (2006; Känguru) und Portner (2003; „Uhrsymbol“) verwenden, um besondere Makrostruktureinheiten (z. B. Übungen, Tipps, Zusammenfassungen) zu kennzeichnen. Wenn man von den typischen Makrostruktureinheiten absieht, die für jeden (Sach-)Buchtyp gelten (z. B. 1, 2, 3, 6, 7), so ist die Grobstruktur der Smalltalk-Ratgeber relativ variabel. 161 Dennoch lässt sich eine Tendenz zu einer gewissen Normierung auf der visuellen Ebene ablesen: Mehr als die Hälfte der Ratgeber verwenden graphisch hervorgehobene Beispiele (10) und Tipps (11). Auch finden sich relativ häufig Übungen (8) sowie Tests (9), die als „Analyseinstrument“ (Watzin 1991: 65) z. B. zur Einschätzung der eigenen Smalltalk-Fähigkeiten oder zur Ermittlung des eigenen Smalltalk- Typs dienen. Durch die kleinteilige Gliederung (Überschriften bis zur dritten Ordnung) der meisten Ratgeber bleibt die Textmenge übersichtlich. Die Ergebnisse zur Makrostruktur der Smalltalk-Ratgeber sind zu einem großen Teil auch auf andere (Sprach-)Ratgeberliteratur übertragbar: Ratgeber und Anleitungen sind meist klar durch aussagefähige Überschriften differenziert gegliedert, durch Register erschlossen. Der Text soll durch Absätze, Hervorhebungen, Gliederungsmarkierungen, Umrahmungen, Schattierungen etc. so strukturiert sein, daß der Benutzer des Buchs die gewünschte Information leicht erfassen kann. (Umlauf 1996: 76) 7. Ratfragen, Ratschläge und Probleme 7.1 Definition von Ratschlag für die Textsorte Ratgeber(text) Die Autoren der Smalltalk-Ratgeber haben es sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Buch dem Leser eine wirksame Anleitung [...] zu übergeben (Naumann 2004: 10), Tipps und Kniffe (Portner 2003: 7) vorzustellen, Anregungen (Hesse/ Schrader 2001: 11) oder eine regelrechte „Rezeptur des ersten Kontaktes“ (Degen 2002: 9) zu geben. 162 Da diese Bücher von den Verlagen, die dafür 161 Für die popularisierenden Sachbücher des Bereichs Naturwissenschaft und Technik wird aus Gründen der zu großen Variabilität bisher auf die Analyse der Makrostruktur verzichtet (vgl. Göpferich 1995: 469; Niederhauser 1999: 164). 162 Nur selten wird der Anspruch auf eine allgemein gültige Anleitung relativiert: Allerdings gibt es keine universelle Anleitung, wie Sie einen Small Talk führen sollten. Die kann es auch gar nicht geben - denn zu verschieden sind die Gesprächsanlässe, die Umstände und die 113 eigene Reihen haben, als Ratgeber bezeichnet werden und Ratgeber eine eigenständige Buchgattung der Sachliteratur darstellen (vgl. Umlauf 1996: 76 ff.), ist es nur naheliegend, den Ausdruck Ratschlag zu verwenden und die dominierende Sprachhandlung dementsprechend als R ATEN bzw. R AT GEBEN zu bezeichnen. 163 In der Forschung finden sich für Ratgebertexte und damit verwandte Textsorten allerdings auch die konkurrierenden, teilweise zu Ratschlag synonym verwendeten Begriffe Instruktion (z. B. Fiehler 1982; Möhn 1991; Neckermann 2001), Anleitung (z. B. Don eva 1990; Ettl 1984) und Anweisung, 164 daneben Unterweisung, Vorschlag, Anregung, Hinweis, Tipp, Empfehlung (alle Hindelang 1978) und Beratung (z. B. Schwitalla 1983). 165 Eine genaue Abgrenzung dieser Begriffe ist problematisch. Rein oberflächenstrukturell kann nicht vorgegangen werden, da etwa der Imperativ als prototypische Realisierungsform einer Aufforderung, gleichermaßen für Unterweisungen, Anleitungen, Tipps, Empfehlungen usw. verwendet wird. Auch die bisher umfangreichste Typologie der Aufforderungstypen 166 der mündlichen Face-toface-Kommunikation von Götz Hindelang (1978) ist in der Forschung nicht ohne Kritik geblieben (Möhn 1991: 186; Wunderlich 1984: Anm. 22). 167 Im Folgenden werden deshalb keine alternativen Bezeichnungen für Ratschlag Beteiligten und deren Beziehung zueinander (Lermer 2003: 93). Dennoch werden auch bei Lermer viele allgemeine Tipps und Tricks vermittelt. 163 Den Terminus Sprachhandlung verwende ich im Sinne von Polenz (1988). Alternative Bezeichnungen wären Sprechhandlung oder Sprechakt, die man jedoch vor allem für Einzeläußerungen bei der Analyse von Mündlichkeit verwendet. Bei einem Ratgeber handelt es sich um einen komplexen Text, der nicht ausschließlich aus auffordernden Sprachhandlungen besteht. Zillig (1990: 324 f.) hat weitere Sprachhandlungen, die er in Anlehnung an die Sprechakttheorie Textakte nennt (vgl. auch Zillig 1980), für die Anstandslehren zusammengestellt, z. B. EINFÜHREN , SPEZIFIZIEREN , RELATIVIEREN , BE - GRÜNDEN , ERKLÄREN . 164 Greule (2002: 589) spricht etwa in Bezug auf die Sprachratgeber auch von „Anweisung[en] für den Gebrauch von Sprache in kommunikativen Zusammenhängen“ und stellt diese in die Nähe von technischen Gebrauchsanleitungen. 165 In der Forschungsliteratur wird auch von „Rezepten“ gesprochen, die in den Ratgebern vermittelt werden (z. B. Kallmeyer 1985: 41; Püschel 1991: 58; Weigand 1994: 457). Das ist jedoch kein passender wissenschaftlicher Terminus. Thim-Mabrey (2001a: 169) nennt die „selbstverständliche, dominierende Sprachhandlung“ in den Rhetorik- Ratgebern „Beraten“. 166 Der Terminus Aufforderung wird bei Hindelang umfassender gebraucht, als es der alltagssprachliche Verwendung nahe legen würde und wird „auf alle Formen normativen, vorschreibenden und anleitenden Sprechens und Handelns ausgedehnt“ (Hindelang 1978: 11). So werden etwa auch Gesetze, Regeln, Verordnungen und Richtlinien als Aufforderungen bezeichnet (ebd. 10 f.). 167 Die strenge Typologie von Hindelang findet sich in anderen Darstellungen nicht. Nickl (2001) etwa nennt die von ihm untersuchte Textsorte einmal Gebrauchsanleitung und dann synonym Gebrauchsanweisung und der Sammelband von Grosse/ Mentrup (1982) lautet „Anweisungstexte“, obwohl sich darin vor allem Untersuchungen zu Aufforderungen bei Adressatenpräferenz (Bedienungsanleitungen und Packungsbeilagen der Pharmaka) befinden. 114 diskutiert, vielmehr soll anhand der in der Forschung thematisierten Kriterien zur Unterscheidung von Aufforderungstypen das, was für einen Ratschlag im Kontext der Sprach- und Kommunikationsratgeber charakteristisch ist, expliziert werden. Weitere Ratschlaguntertypen werden bei der semantischen Klassifikation der Ratschläge vorgeschlagen (vgl. Kap. V.7.3.5). Ein Ratschlag ist eine - in meinem Fall in Buchform fixierte - Antwort eines ratgebenden Autors auf eine vom Autor konstruierte 168 Ratfrage zu einem praktischen Problem eines ratsuchenden Lesers. 169 Im Gegensatz zur mündlichen Beratungssituation können der Ratsuchende und der Ratgebender keinen Beratungsdialog führen. Allerdings kann der Autor diesen simulieren und eventuelle Rückfragen oder Einwände des Lesers thematisieren (vgl. Kap. V.7.3.2). Der Ratschlag vermittelt das nötige Handlungswissen und ermöglicht so ein zukünftiges Verhalten des Lesers, „welches für diesen vorteilhaft ist, also zu positiv bewerteten Zuständen führt bzw. negativ bewertete Zustände umgeht oder abschafft“ (Wunderlich 1981: 10). Als Prämisse ist demnach anzusetzen, dass der Autor der Überzeugung ist, dass sein Ratschlag diesen Effekt hervorruft. Es ist außerdem davon auszugehen, dass es sich um erwünschte Ratschläge handelt, da der Leser bewusst zum Ratgeber greift. 170 Der Ratschlag ist für den Ratgeber uneigennützig. „Das bedeutet jedoch nicht, daß persönliche Wertvorstellungen des Ratgebers nicht in den Ratschlag eingehen dürfen.“ (Hindelang 1978: 413). 171 Da es dem Adressaten weitgehend selbst überlassen bleibt, der Aufforderung nachzukommen, ist ein Ratschlag den nicht-bindenden Aufforderungen zuzurechnen. Der Leser wird am ehesten einen Ratschlag befolgen, wenn er 168 „Da es sich um eine indirekte Form der Kontaktaufnahme handelt“ (Zillig 1990: 160), existiert kein individuelles Problem, mit dem ein Ratsuchender an einen Ratgebenden herantritt. 169 Es ist auch möglich, dass der Autor den Leser erst auf ein Problem und sein damit verbundenes Wissensdefizit hinweist (vgl. Franke 1997: 92). Zillig (1990: 262) spricht in diesen Fällen von einer Lehrer-Situation (vgl. Kap. V.5.c). Manchmal ist auch nicht ersichtlich, ob es zu den in den Ratgebern erteilten Ratschlägen tatsächlich passende Ratfragen bzw. passende Probleme gibt oder ob es sich nicht eher um „Pseudo- Ratschläge“ (Zillig 1990: 255) handelt. Zillig (ebd. 256) fragt sich in Bezug auf die von ihm untersuchten Anstandslehren, ob der Verfasser bestimmte Fragen „im virtuellen Dialog als rhetorische Frage [stellt], um sie dann selbst zu beantworten und zu zeigen, wie weltgewandt und ‚witzig’ er ist.“ 170 Der Leser stellt gleichsam die Ratfrage, „indem er das entsprechende Buch zur Hand nimmt und kauft bzw. liest“ (Zillig 1990: 250, Anm. 1). Ratgeber werden nicht nur zum Eigenbedarf gekauft, sondern wurden und werden auch gerne verschenkt oder verliehen. Ob die Ratgeber wirklich gelesen werden, kann nicht alleine mit dem Kauf und der Verbreitung des Buches geklärt werden. Solche Fragen liegen im Aufgabenbereich der Rezeptionsforschung, nicht der Textsortenbestimmung. Ich kann sie deswegen auch lediglich anschneiden (z. B. Kap. V.10.). 171 Die Autoren der Ratgeber, z. B. der Praktischen Rhetoriken, propagieren mit ihren Ratschlägen häufig persönliche Ideale und Geschmacksäußerungen (Antos 2001: 1721). 115 die Einschätzung des Autors hinsichtlich des positiven Effekts des Ratschlags teilt. Ist dies nicht der Fall, kann es also auch bei einer Beratung mittels Ratgeber zu einer Zurückweisung des Ratschlags kommen (vgl. Hindelang 1978: 411). Dies kann sich etwa in einem Abbruch der Buchlektüre ausdrücken. 172 In Ratgebern werden mehrere, unterschiedlich komplexe bzw. unterschiedlich konkrete Ratfragen behandelt, wobei es in der Regel eine allgemeine übergeordnete Ratfrage gibt. Im Fall der Smalltalk-Ratgeber ist diese z. B. „Wie kann ich meine Smalltalk-Kompetenzen verbessern? “ (vgl. auch Kap. 7.5). 7.2 Ratfragen und fingierter Dialog mit dem Leser Als Texte nach ‚pseudo-dialogischen’ Darstellungsformen bezeichnen wir solche Erzeugnisse von elektronischen und Printmedien, die zwar erkennbar von einzelnen Kommunikatoren verfaßt wurden, in denen aber zugleich ein ‚Dialog’ mit dem Rezipienten fingiert wird. (Franke 1997: 146) Auch Smalltalk-Ratgeber zeichnen sich durch die von Franke beschriebene „pseudo-dialogische“ Darstellungsform aus. 173 Wie bereits mehrfach thematisiert, ist der Autor eines Ratgebers in der besonderen Situation, dass er den ratsuchenden Leser nicht individuell und in einem persönlichen Gespräch beraten kann. Da „Beratungsgespräche Gespräche über Probleme [sind]“ (Nothdurft 1984: 11), muss er die Ratfragen bzw. Probleme seines intendierten Lesers - Zillig (1990: 254) nennt ihn „virtuelle[n] Fragesteller“ - zunächst simulieren. Im Sinne der „Sprechaktmonolog-Verschriftlichung-Analyse“ (SMV) von Zillig (ebd. 72 ff., vgl. Kap. V.2.) soll darauf eingegangen werden, wie die Autoren der Ratgeber die Ratfragen in die Bücher einbringen und so eine Face-to-face-Beratung nachahmen. Der Autor kann eine angenommene Ratfrage bzw. ein persönliches Problem seines Lesers 174 auf unterschiedliche Weise als Ratfragen verbalisieren. 172 Untersuchungen zur tatsächlichen Umsetzung von Ratschlägen in der Praxis gibt es für den Ratgeberbereich bisher noch nicht. Die Auswirkungen von (mündlichen) Kommunikationstrainings auf das Gesprächsverhalten hat Brons-Albert (1995) analysiert. Sie kommt dabei zu einem vernichtenden Urteil: „Alle Lehrmaßnahmen des Trainers [...] führten nicht zu den gewünschten Verhaltensänderungen“ (ebd. 181). 173 Ratgeber sind aber nicht ausschließlich pseudo-dialogisch. Es gibt auch Abschnitte, die sich eher durch monologische Darstellungsformen (vgl. Franke 1997: 144) auszeichnen. Dies ist insbesondere bei der Vermittlung von Sachwissen als Hintergrundwissen für bestimmte Ratschläge der Fall. 174 Wenn ich im Folgenden von Problemen und Fragen des Lesers spreche, so ist damit immer der vom Autor intendierte Adressat gemeint (vgl. dazu Kap.V.4.). 116 (1) „Aber wie leite ich denn nun konkret vom Small Talk zum eigentlichen Thema über? “ (Topf 2002: 50) (2) Welches Thema können Sie beim Geschäftsessen gewissermaßen als Erstes auftischen? (Nöllke 2006: 16) (3) Worauf sollten wir achten, wenn wir uns unterhalten? (Hesse/ Schrader 2001: 25) (4) Wie also beendet man den Small Talk - und das so höflich wie möglich? (Watzke-Otte 2007: 117) (5) Wie rettet sich der typische Party-Gast über den Abend? (Hesse/ Schrader 2001: 86) (6) Vielleicht sind Sie sich auch nicht ganz sicher, wann Sie wen grüßen dürfen oder sollen? (Schäfer-Ernst 2002: 59) (7) Haben Sie sich schon einmal überlegt, weshalb gesellschaftliche Anlässe Unbehagen in Ihnen hervorrufen? Warum Sie sich unter fremden Menschen klein und schüchtern fühlen? (Märtin/ Boeck 2000: 16) (8) Störungen - übergehen oder darauf eingehen? (Lermer 2003: 144) Der Autor kann dem Leser eine Ratfrage gewissermaßen „in den Mund legen“, indem er die erste Person Singular verwendet (1). Auf diese Weise kann er etwa Gedanken, Gefühle und Probleme des Lesers simulieren. Ratfragen können aber auch als Frage an den Leser gerichtet sein (2), mit dem Pronomen wir (3) oder unpersönlich (4) formuliert sein oder einer bestimmten Personenrolle in einer Beispielsituation zugeschrieben werden (5), mit der sich der Leser identifizieren kann. Indirekte Fragen (6) sind ebenso denkbar wie das Beispiel (7), das man eher dem Typ rhetorische Frage zuordnen würde. Solche expliziten Ratfragen sind auch, eventuell in sprachlich reduzierter Form, als Kapitelüberschrift möglich (8). Von den Ratfragen sind formal die Problemfeststellungen zu unterscheiden. (9) Sie erkennen jemanden nicht wieder oder halten ihn für jemand anders. (Naumann 2004: 136) (10) Wir wissen nicht, was wir sagen sollen. (Nöllke 2006: 19) (11) Eine Gruppe ansprechen (Bonneau 2005a: Punkt 15.) Probleme des Lesers können durch einen einfachen Aussagesatz als Feststellungen gefasst werden. Satz (9) kann z. B. in folgende individuelle Ratfrage umformuliert werden: „Was soll ich tun, wenn ich jemanden nicht wiedererkenne oder ihn für jemand anders halte? “ Ähnlich verhält es sich mit Satz (10), wo das Subjekt als ein kollektives wir (im Sinne von ‚wir Menschen allgemein’) zu interpretieren ist. Beispiel (11) ist eine Überschrift, die der Ratfrage „Wie spreche ich eine Gruppe an? “ entspricht. Auf weniger direkte Art und Weise werden Probleme und Fragen des Lesers folgendermaßen eingebracht: 117 (12) Sie sind Gast bei einem Empfang und unterhalten sich. Die Standardthemen Beruf und Wohnung sind abgehakt. Und nun scheint weder Ihnen noch Ihrem Gegenüber irgendetwas Interessantes einzufallen. Es herrscht großes Schweigen. (Hesse/ Schrader 2001: 44) (13) Tia ist Hoteldirektorin. Sie weiß um die Bedeutung eines persönlichen Zugangs zu den Menschen. Bei einem Vortrag trifft sie eine Dame, die regelmäßig Gast in ihrem Haus ist. [...] Der Name der Dame will ihr aber nicht einfallen. (Bonneau 2003: 54) (14) Viele Menschen schrecken zurück, wenn sie überhaupt nur an Small-Talk- Situationen denken. Meist ist es der Beginn, der Gesprächseinstieg, der ihnen die größten Kopfschmerzen bereitet. (Hesse/ Schrader 2001: 23) (15) Jeder kennt die Situation: Man steht locker in einem Kreis und unterhält sich. Plötzlich wird es ruhig, eine peinliche Pause entsteht, die Anwesenden schauen zu Boden: Der Gesprächsfaden ist gerissen. (Müller/ Weiden 2002: 76) (16) Einigen scheint die Fähigkeit, mit jedermann leicht in Kontakt zu kommen und sofort den richtigen Ton miteinander zu finden, in die Wiege gelegt zu sein. (Naumann 2004: 25) Durch folgende Umformungen wird deutlich, welche direkten Ratfragen sich aus (12)-(16) ableiten lassen: (12’) „Wie reagiere ich auf plötzliches Schweigen? “ (13’) „Was mache ich, wenn ich mich nicht an den Namen meines Gesprächspartners erinnern kann? “ (14’) „Wie beginne ich ein Gespräch? “ (15’) „Wie reagiere ich auf plötzliches Schweigen? “ (16’) „Wie komme ich mit jedermann leicht in Kontakt und wie finde ich den richtigen Ton miteinander? “ Der Autor kann den Leser durch eine Art „Gedankenexperiment“ in bekannte Situationen aus der Erfahrungswelt des Lesers versetzen (12). Meist werden diese Experimente mit der Wendung Stellen Sie sich vor... eingeleitet. Eine ähnliche Methode, die aber den Leser nicht unmittelbar aktiviert, ist es, Probleme anderen Leuten zuzuschreiben. Das können Individuen (13), eine undefinierte Menge (14) oder einfach alle (15) sein. In den Fällen (14) und (15) wird das Problem so verallgemeinert, dass der Leser sich als Teil einer großen Menge versteht und ihm deutlich wird, dass er mit seinem Problem nicht alleine ist bzw. dass seine Probleme nicht ungewöhnlich sind. Eine dazu gegenläufige Methode ist es, durch Kontrast mit Kommunikationsexperten Defizite aufzuzeigen (16). Es ist ein beliebtes Strukturelement in den Smalltalk-Ratgebern, die Kommunikationslaien, zu denen der Leser gehört, mit Kommunikationsexperten zu kontrastieren bzw. negatives und positives Verhalten einander gegenüberzustellen. Man findet es nicht nur bei der Thematisierung von Problemen, sondern auch in den modellbasierten Ratschlägen (vgl. Kap. V.7.3.4). Die Laien sind den Experten dabei zahlenmäßig überlegen - Nur eine Minderheit beherrscht dieses Kommunikationsideal 118 von Natur aus. (Naumann 2004: 26) - , so dass auch der Satz (14) als Beispiel für das Strukturelement „Laien vs. Experten“ gelten kann. Der Leser wird zunächst als ein Smalltalkbzw. allgemeiner als ein Kommunikationslaie dargestellt, der aber im Zuge der Buchlektüre zu einem Experten wird. Dieser „Ausbildungsprozess“ wird in den Ratgebern explizit thematisiert: Bei Hesse/ Schrader (2001: 55) ist der Leser nach etwa einem Drittel des Buchs mittlerweile Small-Talk-Profi. In den Büchern von Topf (2002: 83 ff.) und Lasko (2004: 179 ff.) gibt es gegen Ende ein spezielles Kapitel „Smalltalk für Fortgeschrittene“, das dem Leser zeigt, wie er vom Small Talk-Anfänger zum Profi (Topf 2002: 83) wird. Um ein Beratungsgespräch zumindest ansatzweise zu simulieren, ist es nicht ausreichend Probleme darzustellen und Ratschläge zu formulieren (vgl. Kap. V.7.2). Ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Gesprächs ist die Problemerörterungsphase, in der der Ratsuchende Einwände gegenüber Lösungsvorschlägen des Beraters erhebt (vgl. Zillig 1990: 161 f.). Für die Ratgeber bedeutet das: „Der ‚virtuelle Sprecher’ [= der Autor, K.K.] [...] antizipiert mögliche Einwürfe eines Gesprächspartners und gestaltet seine Äußerung so, daß diese Einwürfe anschließend berücksichtigt werden“ (ebd. 73). (17) Vielleicht sagen Sie sich, nachdem Sie bis hierher gelesen haben: „Alles gut und schön, aber ich kenne mich doch. Kaum wird es ernst, kaum stehe ich den Leuten Auge in Auge gegenüber, ist alles wie weggeblasen, und ich stehe wieder stumm in der Ecke. Spricht mich jemand an, fällt mir kein einziger geistreicher Satz ein, egal, ob ich vorher all Ihre Regeln auswendig gelernt und geübt habe oder nicht.“ (Naumann 2004: 67) (18) Sie meinen jetzt, dies seien keine Small-Talk-Szenen? Und dass in Deutschland der Kunde keinesfalls König ist [...]? So verständlich Ihre Überlegungen und Einwände sein mögen bitte haben Sie ein wenig Geduld. Im Folgenden wird deutlich, worauf wir [...] hinauswollen. (Hesse/ Schrader 2001: 17) (19) Wozu aber ist nun Smalltalk im Service gut? Ist es nicht viel besser, einfach zu tun, was der Gast sich wünscht? (Schäfer-Ernst 2002: 105) Besonders deutlich wird die Simulation eines Beratungsgesprächs, wenn Einwände und Meinungen des Lesers als direkte (17) oder indirekte (18) Zitate eingebracht werden und im Anschluss vom Autor diskutiert oder entkräftet werden (vgl. 17). Im Beispiel (19) werden die Fragen nicht direkt dem Leser zugeschrieben und könnten auch als „innerer Monolog“ des Autors gelten. Auch die Verwendung von Ausdrucksformen, die eher der mündlichen Kommunikation zuzuordnen sind, tragen zu einer Gesprächssimulation bei. So finden sich etwa in den Ratgebern Abtönungspartikeln, umgangsprachliche Elemente, Ellipsen, Gesprächspartikeln und sogar Satzabbrüche: [...] und das ist ja zuerst mal nicht schädlich. [...] Im ganzen Leben hätten wir’s gerne ein bisschen leichter. [...] Ganz schön verlogen? Na gut, aber wenn es alle so halten... (Baur 2001: 8 f.) 119 In diesem Unterkapitel wurden die unterschiedlichen Strategien aufgezeigt, mit denen der Autor Ratfragen, die er beim Leser vermutet, und mögliche Einwände bzw. Rückfragen einbringen kann. Im Idealfall decken sich die verschriftlichten Ratfragen des Autors mit denen des tatsächlichen Lesers. Diese Probleme hat der Leser entweder bereits vor der Lektüre und sie sind z. B. Anlass, den Ratgeber zu konsultieren, oder der Leser wird durch die Lektüre erst auf Probleme aufmerksam, die er dann als relevant für sich selbst einschätzt. Besonders wenn Ratfragen und Probleme direkt mit der Person des Lesers verbunden werden (z. B. 1, 2, 6, 7, 12), muss sich der Autor sicher sein, dass der Leser sich mit ihnen identifizieren kann. Ist dies nämlich nicht der Fall, könnte der Leser unter Umständen die Lektüre des Ratgebers abbrechen, da er sich nicht angesprochen fühlt. In einem Beratungsgespräch folgt auf die „Problemfeststellungsphase“ die „Problemlösungsphase“, in der der Berater einen endgültigen Lösungsvorschlag formuliert (vgl. Zillig 1990: 161f). Wie und was die Autoren der Smalltalk-Ratgeber raten, soll Gegenstand der nachfolgenden Kapitel sein. 7.3 Klassifikation der Ratschläge In der Forschung wurden bei den sprachlichen Realisierungsmöglichkeiten von schriftlichen, nicht-bindenden Aufforderungen vor allem (technische) Gebrauchsbzw. Betriebsanleitungen (z. B. Don eva 1990; Pelka 1982; Zirngibl 2003), Packungsbeilagen (z. B. Mentrup 1982; Schuldt 1992) und Kochrezepte (z. B. Hödl 1999) analysiert. Mündliche Beratungen, wie sie in speziellen Institutionen zur Jugend-, Sozial-, Familienberatung aber auch zur Sprachberatung stattfinden, sind ebenfalls relativ gut untersucht (z. B. Habscheid 2003; Nothdurft 1984 und 1994). Zum Bereich der schriftkonstituierten Ratgebung gibt es dagegen kaum Forschungsliteratur. Die bisher wichtigste Arbeit stammt von Wilhelm Franke (1997), der kürzere ratgebende Beiträge zu diversen Alltagsproblemen untersucht hat, wie sie vor allem in Tages-, Wochenzeitungen und (Fernseh-)Zeitschriften zu finden sind. Seine Vorarbeit war für die hier zu diskutierende Typologie der Ratschläge sehr hilfreich. 175 Es hat sich gezeigt, dass es zwischen den Ratgebertexten in Zeitschriften und den Smalltalk-Ratgebern viele Übereinstimmungen gibt. Jedoch habe ich mich für eine etwas andere Gliederung und eine andere Terminologie entschieden, die dem Charakter des Ratgeberbuches meiner Meinung nach besser entsprechen. In der Forschungsliteratur, die sich speziell mit den Sprach- und Kommunikationsratgebern beschäftigt, wird in der Regel nicht auf die Frage eingegangen, wie die ratgebenden Autoren ihre Ratschläge, Greule (2000b: 318) bezeichnet sie als „laienlinguistische Anweisungen“, sprachlich vermitteln. Einige Ansätze finden sich aber bei Zillig (1990: 269 ff.) und in den Aufsät- 175 Weitere Anregungen zur Klassifikation stammen aus Don eva (1990), Göpferich (1995) und Wunderlich (1984). 120 zen von Greule (2000a: 41 ff.; 2000b: 324 ff.) und Thim-Mabrey (2001: 169 ff.). Der Schwerpunkt der Analysen von Sprach- und Kommunikationsratgebern lag bisher jedoch eindeutig auf dem Inhalt (Probleme, Lösungsvorschläge etc.). Hindelangs (1978) Klassifikation der Untertypen des Aufforderns ist für eine Untersuchung der schriftlichen Anleitungssprache in den Smalltalk- Ratgebern nur bedingt brauchbar, da er sich zum einen nur auf mündliche Äußerungsformen in einer Face-to-face-Interaktion bezieht. Zum anderen kritisierte schon Wunderlich (1981: 10), dass sich Hindelangs Liste der Äußerungsformen nur auf oberflächenstrukturelle Kriterien beschränke und Hindelang nicht berücksichtige, dass die Bewertung einer sprachlichen Äußerung als Ratschlag nicht zuletzt auch an den Kontext gebunden sei. Demnach sei etwa „zwischen direkten und indirekten Ratschlägen, Aufforderungen, Feststellungen usw. zu unterscheiden“ (Wunderlich 1981: 10). 176 In meiner Typologie der Ratschläge sollen zunächst die unterschiedlichen sprachlichen Mittel vorgestellt werden, die im Kontext der Sprachratgeber vom Autor als Ratschläge intendiert sind und vom Leser als solche auch interpretiert werden können. Aus grammatischer Perspektive sind die Ratschläge heterogen und die einzelnen Klassen können kaum exhaustiv angegeben werden (vgl. Wunderlich 1984: 113). Ich kann deshalb im Folgenden nur das mögliche Spektrum solcher typischen Formulierungsmöglichkeiten aufzeigen. Es werden vier Ratschlagtypen vorgeschlagen: personalisierter, adressierter, verdeckter und modellbasierter Ratschlag. Bei dieser Klassifikation geht es vor allem um die oberflächenstrukturell greifbare Präsenz des Ratgebenden (in der Regel der Autor) und die Adressierung an den Ratsuchenden (in der Regel der Leser). 7.3.1 Personalisierte Ratschläge (1) Wenn zwei Leidensgenossen einander am Swimmingpool begegnen und gegenseitig ihrem Ärger Luft machen, kann das im ersten Moment befreiend wirken. Trotzdem rate ich zur Zurückhaltung. (Naumann 2004: 100) (2) Wenn wir empfehlen, zunächst dem andern Raum zur Selbstdarstellung zu geben, meinen wir damit ganz bestimmt nicht [...]. (Hesse/ Schrader 2001: 21) (3) Mein Tipp: Brechen Sie die Unterhaltung nach fünf bis spätestens zehn Minuten erst einmal ab. (Naumann 2004: 127) In der Sprechakttheorie (und etwa auch in der Darstellung bei Hindelang 1978) stellen die performativen Verben ein wichtiges sprachliches Mittel dar, um Ratschläge personalisiert, d. h. in direktem Bezug zum Urheber einer 176 Eine Unterteilung in direkte und indirekte oder explizite und implizite Ratschläge hat sich für meine Untersuchung als nicht brauchbar erwiesen. Auch bei Wunderlich (1984) bleibt unklar, wie die konkreten sprachlichen Formulierungsmöglichkeiten in solche Dichotomien einzuordnen wären. 121 Sprachhandlung, zu formulieren. Da der Ratgebende innerhalb eines Ratgeberbuches nicht wechselt - es ist stets der Autor - , ist es nicht verwunderlich, dass es kaum explizit performative Wendungen mit raten, Rat/ Tipp geben, empfehlen usw. gibt (1, 2). Als eine elliptische explizit performative Wendung kann Beispiel (3) gelten. Häufiger sind die (meist graphisch hervorgehobenen) Texteinheiten, die z. B. als Tipp, Praxis-Tipp oder Extra-Tipp gekennzeichnet sind und als (elliptisch zu verstehender) Ersatz für die performativen Verben gelten könnten (vgl. Abb. 1. in Kap. V.6.). Ein Großteil der in den Ratgebern verwendeten sprachlichen Äußerungen hat unter Umständen auch nur einen schwachen Aufforderungscharakter. Der „Übergang zwischen naheliegenden und weniger naheliegenden Schlussfolgerungen“ (Wunderlich 1984: 107) auf Seiten des Lesers ist dabei fließend. Einschränkend ist jedoch festzustellen, dass „Sprachmittel [...] auch nicht beliebig gedeutet werden [können]; die jeweilige sprachliche Repräsentation muss geeignet sein, den Beitrag des Sprechers zur Interaktion und zur Verdeutlichung von Einstellungen zu erkennen und zwar mit möglichst geringem Aufwand an Schlussfolgerungen und geringem Risiko zu Fehldeutungen“ (ebd. 110). Explizit performative Äußerungen mit Aufforderungsverben erfüllen diese Voraussetzung zwar am besten, können jedoch bevormundend wirken. Der Autor kann dieses Problem umgehen, indem er andere Personen, z. B. andere Ratgeberautoren, Ratschläge geben lässt: (4) Die Kommunikationsexpertin Susan Roane empfiehlt, in solchen Situationen nach Möglichkeit kurzen Prozeß zu machen [...]. (Märtin/ Boeck 2000: 130) In einer mündlichen Kommunikationssituation kann es bei einer expliziten Aufforderung zu einem Gesichtsverlust des Auffordernden kommen, wenn der Adressat dieser nicht nachkommt (vgl. Wunderlich 1984: 112). „Das Prinzip des Ausgleichs zwischen Effektivität und Vermeidung von Gesichtsverlust“ (ebd. 113) ist für die Ratgeber allerdings weniger relevant. Dass die Autoren unterschiedliche Ratschlagtypen verwenden, scheint eher durch die Notwendigkeit einer stilistischen Varianz begründet zu sein: Sie wollen nicht durch Gleichförmigkeit langweilen (Greule 2000a: 43). Die nachfolgenden Ratschlagtypen adressierter, verdeckter und modellbasierter Ratschlag unterscheiden sich jeweils in der Gestaltung des Agens, die sich wiederum auf den Aufforderungscharakter auswirkt. 7.3.2 Adressierte Ratschläge Bei adressierten Ratschlägen ist das Handlungssubjekt mit dem Agens identisch, d. h., der Leser wird durch Verwendung des Pronomens Sie direkt angesprochen (vgl. „Rezipienten-Anrede“, Franke 1997: 225); eine Du-Anrede ist im Übrigen in keinem der aktuellen Ratgeber zu finden. Da adressierte Ratschläge eine persönliche Beratungssituation mit dem Ziel, kommunikationsbezogenes Handlungswissen weiterzugeben, besonders gut simulieren können, werden sie in den Ratgebern häufig verwendet. Ihre unterschiedli- 122 chen grammatischen Varianten sollen deswegen ausführlicher beschrieben werden. a) Imperativ (der Höflichkeit) (5) Bleiben Sie souverän, sprechen Sie ruhig und argumentieren Sie sachbezogen. (Müller/ Weiden 2002: 49) (6) Schimpfen Sie nicht, lamentieren Sie nicht. Wälzen Sie die Sache nicht unnötig aus. (Lermer 2004: 90) (7) Achten Sie darauf, dass Sie bei der Begrüßung Augenkontakt herstellen [...]. (Müller/ Weiden 2002: 85) Der Imperativsatz 177 ist der Prototyp eines Ratschlags und zeichnet sich durch „sprachliche Direktheit und Eindeutigkeit“ (Bergmann 1999: 236) aus. Er ist in den Smalltalk-Ratgebern die bevorzugte Realisierungsform in den graphisch hervorgehobenen Tipps (z. B. Bonneau 2005a; Schäfer-Ernst 2002), Checklisten und Zusammenfassungen (z. B. Hesse/ Schrader 2001: 150 f.). Positive Ratschläge (5) vermitteln ein erwünschtes Handlungskonzept, während negative Ratschläge (6) auf die Unterlassung einer Handlung mit absehbarem unerwünschtem Ergebnis abzielen. 178 Jedoch verbirgt sich nicht hinter jedem Imperativ ein Ratschlag 179 und im Beispiel (7) findet sich der eigentliche Ratschlag („Stellen Sie bei der Begrüßung Augenkontakt her! “) im Nebensatz. Neben den Imperativsätzen „gibt es eine große und ziemlich heterogene Klasse von Sätzen, die für Aufforderungen geeignet sind“ (Wunderlich 1984: 109). Es spielt dabei zum einen die Gestaltung des Prädikats (Tempus, Modus, komplexe Prädikate mit Modalverben), zum anderen die Satzstruktur (z. B. Satzform, Satzart) eine Rolle. Um im Folgenden zu kontrollieren, dass es sich bei den unterschiedlichen Subklassen tatsächlich um Ratschläge handelt, werden sie zusätzlich in Sie-Imperativsätze umgeformt. b) Sie + Indikativ Präsens (8) Sie wechseln das Thema mit einer Frage, die das bisher Besprochene nur am Rande berührt. (Naumann 2004: 47) (8’) Wechseln Sie das Thema mit einer Frage, die das bisher Besprochene nur am Rande berührt! 177 Imperativsätze sind für mich durch das formale Kriterium des morphologischen Imperativs gekennzeichnet, nicht durch einen bestimmten Satzmodus (vgl. Wunderlich 1984: 97). 178 Im Folgenden werden nicht jeweils systematisch Beispiele für positive und negative Ratschläge gegeben. Sie lassen sich in allen thematisierten Ausdrucksklassen finden, wirken sich aber strukturell vor allem bei den Konditionalsätzen (Kap. V.7.3.2 e) und den wer-Sätzen (Kap. V.7.3.3 e) aus. 179 Von den Ratschlägen sind die Anweisungen für Übungen zu trennen, die ebenfalls den Modus Imperativ verwenden: Nehmen Sie ein Blatt Papier und beantworten Sie die folgenden Fragen. (Lermer 2004: 17). 123 Ein Ratschlag, der im Indikativ ohne Modalverb formuliert ist (8), wirkt zunächst als Beschreibung einer bestimmten Verhaltensweise des Lesers in einer konkreten Situation. Erst aus dem Kontext (Prinzipiell haben Sie vier Möglichkeiten, um Trennendes im Gespräch zu umgehen: 1. Sie wechseln das Thema […], Naumann 2004: 47) wird deutlich, dass es sich um einen positiven Ratschlag handelt. Sie + Indikativ Präsens wird auch bei komplexeren Gedankenexperimenten (Stellen Sie sich vor...) verwendet, die ich zu den modellbasierten Ratschlägen zähle (vgl. Kap. V.7.3.4). c) Sie + Modalverb + Infinitiv (9) Erhalten Sie keine konstruktive Antwort, müssen Sie bei ärgerlichen Bemerkungen hartnäckig weiterfragen. (Müller/ Weiden 2002: 49) (9’) Fragen Sie bei ärgerlichen Bemerkungen hartnäckig weiter, wenn Sie keine konstruktive Antwort erhalten! (10) Auf Kritik sollten Sie bestimmt und sachlich [...], auf Provokationen überlegt und unberührt reagieren [...]. (Müller/ Weiden 2002: 35) (10’) Reagieren Sie auf Kritik bestimmt und sachlich, auf Provokationen überlegt und unberührt! Häufiger finden sich jedoch adressierte Ratschläge mit den Modalverben können, müssen und dürfen im Indikativ (9); der Konjunktiv tritt nur in Kombination mit dem Modalverb sollen auf (10), obwohl auch andere Modalverben im Konjunktiv denkbar wären (müssten, dürften, könnten). 180 Bei der Verwendung eines Modalverbs wird die Nähe zu den Imperativsätzen besonders deutlich. Das liegt wohl vor allem darin begründet, dass der Imperativ offenbar ein „modales Element“ (Wunderlich 1984: 103) enthält. Dies wird deutlich, sobald man einen Imperativ in einer indirekten Rede verwenden möchte: Ein abhängiger Satz lässt einen Imperativ nicht zu, deswegen muss ein Modalverb gewählt werden (ebd. 103 f.): (5’) Der Autor schreibt, dass der Leser souverän bleiben, ruhig sprechen und sachbezogen argumentieren solle/ müsse. d) Sie + Futur I (11) Ich gehe davon aus, dass Sie selbst nicht die Öffentlichkeit nutzen werden, um offene Rechnungen zu begleichen. (Naumann 2004: 151) (11’) Nutzen Sie die Öffentlichkeit nicht, um offene Rechnungen zu begleichen! (12) Auch hier werden Sie sicherlich über die anstehenden Wahlen sprechen oder andere aktuelle politische Ereignisse. (Schäfer-Ernst 2002: 75) (12’) Sprechen Sie (ruhig) über die anstehenden Wahlen oder andere aktuelle politische Ereignisse! Das Futur I verwendet der Autor, wenn er davon ausgeht (vgl. 11 und in Verbindung mit sicherlich in 12), dass der Leser ein bestimmtes, von ihm als 180 Diese Ergebnisse decken sich mit denen von Bedienungsanleitungen (vgl. Don eva 1990: 171). 124 negativ eingeschätztes Verhalten auch nicht zeigen wird (11) oder, im ungekehrten Fall, dass dem Leser ein bestimmtes, von ihm positiv eingeschätztes Verhalten bereits bewusst ist (12). Es handelt sich in diesen Fällen also um einen präventiven negativen (11) bzw. positiven (12) Ratschlag (vgl. Franke 1997: 237 f.). e) Sie + konditionaler Nebensatz (13) Wenn Sie gelegentlich eine kleine Schwäche zugeben, lässt Sie das sympathischer und glaubwürdiger erscheinen. (Hesse/ Schrader 2003: 171) (13’) Geben Sie gelegentlich kleine Schwächen zu! (Dann erscheinen Sie sympathischer und glaubwürdiger). (14) Starten Sie mit Klagen und Beschwerden, wirken Sie kleinlich und larmoyant. (Naumann 2004: 100) (14’) Starten Sie (eine Unterhaltung) nicht/ keinesfalls mit Klagen und Beschwerden! (Sonst wirken Sie kleinlich und larmoyant). Auch für diese Äußerungsform eines Ratschlags ist das Muster positives vs. negatives Verhalten relevant. Das Verhalten, das im Konditionalsatz beschrieben wird, wird durch das Konsequens erst „gedeutet“. Dementsprechend wird zu diesem Verhalten geraten (13: positiver Ratschlag) oder davon abgeraten (14: negativer Ratschlag). Von dieser Struktur zu unterscheiden sind Imperativsätze, an die eine Kondition geknüpft ist; hier findet sich der Ratschlag eben nicht im Nebensatz, sondern im imperativischen Konsequens: (15) Wenn Sie in voller Fahrt merken, dass Sie sich gerade in eine ausweglose Lage manövriert haben, vollziehen Sie sofort eine Vollbremsung! (Naumann 2004: 140) Solche Fälle könnte man in Anlehnung an Wunderlich (1984: 103) „bedingte Ratschläge“ nennen. Sie zählen zu den Imperativsätzen (vgl. a). f) Rhetorische Frage (16) Geben Sie Ihrem Gesprächspartner das Gefühl, dass Sie ihm richtig zuhören? (Müller/ Weiden 2002: 57) (16’) Geben Sie Ihrem Gesprächspartner das Gefühl, dass Sie ihm richtig zuhören! Auch durch Fragen (16) kann ein Ratschlag formuliert werden. Diese Möglichkeit wird in den Ratgebern jedoch eher selten genutzt. g) Präferenzhinweis + Sie im Nebensatz (17) Das Wichtigste ist, dass Sie Gesprächsbereitschaft signalisieren. (Müller/ Weiden 2002: 33) (17’) Signalisieren Sie Gesprächsbereitschaft! Der Ratschlag kann durch unterschiedliche Formulierungen eingeleitet werden, die eine Präferenz des Autors zum Ausdruck bringen (17). Der eigentli- 125 che Ratschlag folgt also im Nebensatz. Präferenzhinweise finden sich häufig in mündlichen Aufforderungen (z. B. Hindelang 1978: 426 ff.); in den Ratgebern kommen sie nicht so häufig vor. 7.3.3 Verdeckte Ratschläge Verdeckte Ratschläge haben eine andere Agensgestaltung: Das Handlungssubjekt ist nicht mit dem Agens identisch bzw. die Ratschläge können sogar völlig deagentivisch formuliert werden. Deshalb nimmt die Intensität des Aufforderungscharakters bei den im Folgenden dargestellten Untertypen zunehmend ab; gleichzeitig wird der Ratschlag allgemeiner und kann als allgemein geltende Norm verstanden werden. Dass es sich im Kontext der Ratgeber aber ebenfalls um Ratschläge handelt, beweist eine Transformation in einen adressierten Ratschlag (Imperativsatz). Bei den verdeckten Ratschlägen sind weitere grammatische Formen möglich, die bereits in Kap. V.7.3.2 vorgestellt wurden (z. B. wir + Indikativ Präsens, wir + Modalverb + Infinitiv, wir + konditionaler Nebensatz usw.). Diese werden hier jedoch nicht jeweils einzeln aufgeführt. a) Infinitivkonstruktionen und Ellipsen (18) Sachbezogen kontern, Gefühle erkennen, Einfach ignorieren, Motive ergründen (Müller/ Weiden 2002: 49) (18’) Kontern Sie sachbezogen! Erkennen Sie Ihre Gefühle! Ignorieren Sie [die Person] einfach! Ergründen Sie die Motive! (19) Auf keinen Fall in das Gespräch einsteigen, indem Sie die Leute belehren! (Naumann 2004: 122) (19’) Steigen Sie auf keinen Fall in das Gespräch ein, indem Sie die Leute belehren! Formulierungen mit Infinitiven in Endstellung, die z. B. typisch für die Textsorte Kochrezept (Drei Eier mit Salz und Pfeffer verrühren.) und Bedienungsanleitung (Die Taste drücken und die Kassette entnehmen.) sind, stellen einen Grenzfall zwischen einem adressierten und einem verdeckten Ratschlag dar. Der Handlungsträger wird in der syntaktischen Struktur zwar nicht explizit, jedoch steht außer Frage, dass es der Leser ist. Da das Subjekt quasi „verdeckt“ anwesend ist, ist der Aufforderungscharakter dieser Formulierungen fast ebenso stark wie bei Imperativ-Sätzen. Nicht umsonst wird ein solcher Infinitiv auch als „unpersönlicher Imperativ“ bezeichnet (z. B. Don eva 1990: 171). Sie finden sich vor allem in Überschriften (18) oder in Listen und stellen dann gleichsam eine Kurzfassung der „linguistischen Anweisung“ (Greule 2000b: 325) dar. Seltener kommen sie auch im Grundtext vor (19). Dort geben sie dem Autor im Gegensatz zum Imperativ der Höflichkeit die Möglichkeit, die erste Position im Satz nicht durch Sie, sondern durch ein besonders relevantes Satzglied zu besetzen. Eine andere Art von Infinitiven findet sich bei Formulierungen mit Präferenzhinweis: 126 (20) Deshalb ist es eine kluge Small-Talk-Strategie, zunächst vorsichtig die Grundposition des Gesprächspartners herauszufinden. (Hesse/ Schrader 2003: 119) (20’) Finden Sie die Grundposition des Gesprächspartners heraus! Hier könnte anstelle des Infinitivs auch ein Nebensatz stehen; der Ratschlag entspricht dann der Form Präferenzhinweis + Sie im Nebensatz (vgl. Beispiel 17): (20’’) Deshalb ist es eine kluge Small-Talk-Strategie, dass Sie zunächst vorsichtig die Grundposition des Gesprächspartners herausfinden. (21) Keine leeren Komplimente. (Nöllke 2006: 15) (21’) Keine leeren Komplimente machen. (21’’) Machen Sie keine leeren Komplimente! Vor allem in Checklisten findet sich eine weitere Form der „Kurzfassung“ eines adressierten Ratschlags (21). Hier ist der Grad der Verdeckung des Agens noch größer, da zusätzlich der Leerstellenspender, das Prädikat, fehlt, welches einen Hinweis auf das Subjekt geben könnte. Diese syntaktischen Reduktionen sind eher Ellipsen 181 als Setzungen (vgl. Don eva 1990: 171), da sie bei entsprechenden Ergänzungen entweder einen Infinitivsatz (21’) oder einen Imperativsatz (21’’) ergeben. b) wir (22) Die Faustregel lautet: In einem Kreis von Gruppengröße (bis höchstens zwanzig Teilnehmer) grüßen wir alle Anwesenden. (Naumann 2004: 31) (22’) Grüßen Sie in einem Kreis von Gruppengröße (bis höchstens zwanzig Teilnehmern) alle Anwesenden! Bei Ratschlägen, in denen das Pronomen wir das Subjekt darstellt (22), handelt es sich ebenfalls um eine Übergangsform zwischen adressiertem und verdecktem Ratschlag. Dieses wir kann als eine Alternative zu einem verallgemeinerten man interpretiert werden 182 oder als exklusives „Arzt-wir“ (vgl. Wie geht es uns heute? ), d. h., die Sprechergruppendeixis wird im zweiten Fall dann wie eine Hörerdeixis verwendet. 183 In Frankes (1997: 234) Liste der Agens-Ausdrücke kommt das Pronomen wir nicht vor. Es könnte spekuliert werden, dass in den Ratgeberbüchern trotz des anonymen Mediums Buch 181 Die Smalltalk-Ratgeber sind häufig in einem „plaudernden“ Tonfall verfasst und haben eine Nähe zur Umgangsprache. Deswegen finden sich insgesamt häufig elliptische Sätze, d. h., auch die anderen Ausdrucksklassen der Ratschläge können elliptisch erfolgen. 182 Püschel (2000) verwendet in seiner Stilfibel ein verallgemeinerndes wir und kommentiert dies folgendermaßen: „Es ist das Gemeinsamkeiten stiftende wir, mit dem ich beispielsweise Erfahrungen mit dem Schreiben anspreche, die jeder Schreiber gemacht hat, oder mit dem ich Einschätzungen von Sprachgebräuchen thematisiere, die so gut wie alle Schreiber teilen“ (ebd. 50). 183 Besonders deutlich wird dies bei Formulierungen wie Wir wollen positiv das Ziel formulieren, und uns innerlich in den Zustand versetzen, wie es sein wird, wenn wir das Ziel erreicht haben. Wir wollen uns überlegen, welche inneren Kräfte wir mobilisieren müssen, um das Ziel zu erreichen (Degen 2002: 38). 127 eine engere Bindung zwischen Autor und Leser existiert - und damit ein wir möglich ist - , als es etwa in den kurzen Ratgebertexten in Zeitschriften der Fall ist, die man sich gewöhnlich nicht (nur) wegen der darin enthaltenen Ratschläge kauft. c) man (23) Auch sollte man sich in die Situation des anderen hineinversetzen können. (Portner 2003: 16) (23’) Versetzen Sie sich in die Situation des anderen hinein! Bei Sätzen mit dem Indefinitpronomen man (23) - in den mir vorliegenden Ratgebern wird in der Regel ein Modalverb verwendet 184 - ist der Aufforderungscharakter bereits schwächer; der Leser wird sich jedoch unter den Bedingungen des gegebenen Kontextes als Subjekt verstehen. d) wer (24) Wer lächelt, erscheint sympathisch. (Hesse/ Schrader 2003: 171) (24’) Wenn Sie lächeln, erscheinen Sie sympathisch. (24’’) Lächeln Sie! (Dann erscheinen Sie sympathisch.) (25) Wer gleich beim Gesprächseinstieg herumnörgelt, macht sich unbeliebt. (Hesse/ Schrader 2003: 19) (25’) Wenn Sie beim Gesprächseinstieg herumnörgeln, machen Sie sich unbeliebt. (25’’) Nörgeln Sie beim Gesprächseinstieg nicht herum! (Sonst machen Sie sich unbeliebt.) Konstruktionen mit dem verallgemeinernden relativen wer weisen eine strukturelle Ähnlichkeit mit Konditionalsätzen auf (vgl. 24’’, 25’’ und 13, 14). Um den im Hauptsatz dargelegten positiven Effekt zu erreichen bzw. den negativen zu vermeiden, soll sich der Leser so verhalten bzw. gerade nicht so verhalten, wie im Nebensatz dargestellt. Dementsprechend ist auch hier eine Transformation in einen positiven (24’’) und negativen (25’’) adressierten Ratschlag möglich. Die syntaktische Konstruktion mit wer kann auch den Ratschlag im Hauptsatz und den beabsichtigten Handlungseffekt im Nebensatz enthalten. Sie entspricht dem bedingten Ratschlag (vgl. 26’ und 15). 184 Die Form man + Konjunktiv Präsens nach der aus Kochrezepten bekannten Form Man nehme... war in den Smalltalk-Ratgebern nicht zu finden. Das ist auch nicht verwunderlich, da diese Formulierung veraltet ist. Zillig (1990: 282) stellt die These auf, dass „es sich bei der konjunktivischen Form um eine Konstruktion handelt, die bereits nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr in dieser allgemeinen Weise gebräuchlich war.“ Dass diese Formulierung in den Ratgebern dennoch bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein „mitgeschleppt“ wurden, könnte an der „konservative[n] Haltung“ der Verfasser liegen (vgl. auch Kap. VII.1.3.3). 128 (26) Wer seinem Gegenüber nachhaltig imponieren möchte, der stapelt tief. (Hesse/ Schrader 2001: 21) (26’) Wenn Sie Ihrem Gegenüber nachhaltig imponieren möchten, stapeln Sie tief. e) Passiv und Passiversatz (27) Banalitäten werden sprachlich hübsch verpackt, das genügt. (Fischer 2004: 13) (27’) Verpacken Sie Banalitäten sprachlich hübsch! (28) Leichte, knappe Themen mit Bezug zur Messe sind zu bevorzugen. (Nöllke 2006: 22) (28’) Bevorzugen Sie leichte, knappe Themen mit Bezug zur Messe. Die adressierten Ratschläge waren eindeutig hörerbezogen und auch die bisher vorgestellten verdeckten Ratschläge könnten noch als solche gelten. Passivische Konstruktionen dagegen - z. B. Vorgangspassiv (27) und unterschiedlicher Passiversatz (z. B. 28) - , gelten als sachbezogen und agensabgewandt; das Patiens steht nun im Zentrum der syntaktischen Konstruktion. Wunderlich (1984: 108 f.) ist der Meinung, dass bei mündlichen Aufforderungen Passivsätze im Allgemeinen eher unpassend sind, da es dem Hörer überlassen bleibt, „ob er sich unter den Bedingungen des Kontextes als Agens betrachten will.“ Im Kontext der Ratgeber scheinen diese Bedenken jedoch überflüssig zu sein. Allerdings ist der Aufforderungscharakter beim Passiv und Passiversatz schwächer als etwa bei unpersönlichen Formulierungen mit man oder wer. f) Verallgemeinerndes Präsens (29) Interesse überwindet jede Sprachbarriere. (Topf 2002: 20) (29’) Zeigen Sie Interesse, dann überwinden Sie jede Sprachbarriere! Noch schwächer ist der Aufforderungscharakter bei Formulierungen, die wie allgemeine Gesetze formuliert sind (vgl. Wasser gefriert bei 0 °C.). Für Polenz (1988: 186) sind Sätze wie (29) das Ergebnis von „Subjektschub mit Agens-Schwund“. Ein „Subjektschub“ ist ein Vorgang, in dem „in die Subjekt-Stelle eines Handlungs-Verbs die Bezeichnung einer dafür eigentlich nicht vorgesehenen Bezugsstelle ‚geschoben’ [wird], z. B. eines Objekts, eines Instruments usw. Im Unterschied zum Passivsatz ist dabei aber für den eigentlichen Agens der Handlung keine syntaktische Position mehr vorgesehen […]“ (ebd. 187 f.). Auf das Beispiel (29) bezogen ist damit gemeint, dass das Verb überwinden eine Handlung bezeichnet, die in der Regel nur von einem handelnden Menschen ausgeführt werden kann. Diese Subjekt-Stelle wird nun von dem eigentlichen Instrument Interesse ausgefüllt (vgl. Sie überwinden Sprachbarrieren mit Interesse.). Dass es sich dabei um Ratschläge handelt, wird nicht nur an der Transformation in einen Imperativsatz (29’) deutlich: Das Beispiel (29) ist im Ratgeber sogar graphisch als Tipp gekennzeichnet. 129 7.3.4 Modellbasierte Ratschläge Modellbasierte Ratschläge, die nach dem Prinzip „Lernen am Modell“ funktionieren, haben nur einen schwachen Aufforderungscharakter. Indem über Handeln geredet wird, werden die Ratschläge eher induktiv vermittelt (vgl. Antos 1996: 68). Wie bereits weiter vorne dargestellt, arbeiten die Ratgeber gerne mit der Gegenüberstellung von prototypischen Kommunikationsprofis und -laien. Dieses Strukturelement findet sich auch bei den modellbasierten Ratschlägen: a) Lernen am Positiv-Beispiel: Verweis auf einen „Kommunikationsprofi“ (30) Der geübte Gesprächspartner weiß, dass es Themen gibt, die nur zur Sprache kommen, wenn der Partner Zustimmung signalisiert, und er spekuliert auch nicht darauf, unbedingt seinen Lieblingswitz zum Besten zu geben, denn er orientiert sich vor allem an den Interessen seines Gegenübers. (Fischer 2004: 29) (30’) Bringen Sie bestimmte Themen nur dann zur Sprache, wenn der Partner Zustimmung signalisiert! Spekulieren Sie nicht darauf, unbedingt Ihren Lieblingswitz zu erzählen! Orientieren Sie sich vor allem an den Interessen Ihres Gegenübers! (31) Stellen Sie sich dazu folgende Situation vor: Frau Meier sitzt in einer Teambesprechung, in der ein zukünftiges Projekt besprochen wird, das einiges Kopfzerbrechen bereitet. Herr Müller, den sie als unfairen Konkurrenten empfindet, macht einen sehr guten Vorschlag. [...] Sie geht nun auf die Idee von Herrn Müller ein und sagt: ‚Das ist eine gute Idee, aber ich denke, wir sollten darüber hinaus noch einige Ergänzungen vornehmen ...’ [...]. (Müller/ Weiden 2002: 71 f.) (31’) Gehen Sie auf die Ideen unfairer Konkurrenten ein! Beim Lernen am Positiv-Beispiel kann man zwischen dem Vorbild prototypischer Kommunikationsbzw. Smalltalk-Experten (bezeichnet durch entsprechende Appellativa, vgl. 30) und dem Vorbild exemplarischer Individuen (bezeichnet durch Eigennamen mit Biographie, 185 vgl. 31) unterscheiden (vgl. Franke 1997: 219 ff.). Mit ihnen wird den Rezipienten ein Identifikations-Angebot unterbreitet, d. h. er kann (und soll) in einer entsprechenden Handlungssituation überlegen, ob er zur Erlangung eines Handlungsziels jene Handlung ausführt, die von der im Ratgebertext genannten Person realisiert wurde (ebd. 221 f.). 185 Die Personen in den Beispielen werden manchmal als Seminarteilnehmer, Verwandte oder Freunde vorgestellt. Es ist allerdings fraglich, ob dahinter stets auch reale Personen stehen. Degen (2002: 78) thematisiert die Herkunft ihrer Beispielfiguren und bezeichnet sich als deren „Erfinderin“. An anderer Stelle (ebd. 134) schreibt sie: Lassen Sie mich drei völlig verschiedene Beispiele vorstellen, teils erlebt, teils frei erfunden. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass auch andere Ratgeberautoren ihre Beispielpersonen und -situationen auf diese Weise finden. 130 b) Lernen am Negativ-Beispiel: Verweis auf einen „Kommunikationslaien“ (32) Small-Talk-Unerfahrene neigen dazu, ihre Lieblingsthemen als Sicherheitsnetz zu nutzen und leider häufig auch überzustrapazieren. (Hesse/ Schrader 2003: 24) (32’) Nutzen Sie Ihre Lieblingsthemen nicht als Sicherheitsnetz und strapazieren Sie diese nicht über! (33) Der Partyabend ist für Ralf eine Qual: Während sich die anderen scheinbar amüsieren, steht er am Rand, fühlt sich ängstlich und einsam […]. (Lermer 2003: 46) (33’) Amüsieren Sie sich! Bleiben Sie nicht am Rande stehen! Sie brauchen sich nicht ängstlich und einsam zu fühlen (Imperative hier eher unpassend! ). Bei den modellbasierten Ratschlägen ist es wichtig, dass der Autor deutlich macht, ob das von ihm beschriebene Verhalten wünschenswert ist oder nicht. Sowohl dem allgemeinen, prototypischen (32) als auch dem individualisierten (33) Kommunikationslaien wird ein fehlendes Handlungswissen unterstellt, das sie zu einem Negativ-Beispiel werden lässt. Der Autor möchte vermitteln, dass sich der Leser keinesfalls so verhalten soll, oder, falls sein bisheriges Verhalten dem im Beispiel entspricht, dass der Leser dieses Verhalten in Zukunft besser vermeiden soll. Diese Negativ-Beispiele können aber einen weiteren Effekt haben: Wenn der Leser bereits über das nötige Handlungswissen verfügt, dann kann er mit Genugtuung feststellen, dass er sich selbst von dieser Personengruppe ausnehmen „und - in einer Art ‚Ausblendtechnik’ - auf die Seite der ‚Guten’ einordnen [kann].“ (Zillig 2004: 27). Dass solche positiven bzw. negativen Beispiele tatsächlich als Ratschläge zu einem bestimmten Verhalten zu interpretieren sind, wird an Fragen wie Was lernen Sie von Marco? (Bonneau 2002: 56) deutlich. Während Bonneau (2005a: Punkt 13.) ein positives Beispiel mit Machen Sie es genauso. kommentiert, warnen Hesse/ Schrader (2003: 19) ihre Leser nach einem Negativ- Beispiel: Das sollten Sie lieber nicht ausprobieren. Nicht selten werden negative und (verbesserte) positive Beispiele einander direkt gegenübergestellt: (34) Der ängstliche Partygast verkriecht sich in der hintersten Ecke [...]. Der Selbstbewusste dagegen steht mitten im Raum, damit andere ihn wahrnehmen können oder postiert sich gleich neben einer Tür, durch die im Laufe des Abends jeder Gast einmal gehen wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich ein williger Small-Talk-Partner findet. (Hesse/ Schrader 2001: 63) (34’) Verkriechen Sie sich nicht in der hintersten Ecke! Stehen Sie stattdessen mitten im Raum oder postieren Sie sich gleich neben einer Tür, durch die im Laufe des Abends jeder Gast einmal gehen wird! „Agens-Ausdrücke in der ersten Person“ (Franke 1997: 231) sind in den hier untersuchten Smalltalk-Ratgebern nur selten zu finden. Es handelt sich dann um Beispiele, in denen der Autor selbst als Modell fungiert. (35) Auch ich ertappe mich regelmäßig dabei, wie ich Mißerfolge und Schwächen hochspiele und Leistungen erst gar nicht erwähne. 131 (35’) Spielen Sie Misserfolge und Schwächen nicht hoch, sondern erwähnen Sie Leistungen! Lernen am Modell kann auf eine etwas andere Art auch durch „Gedankenexperimente“ mit dem Leser stattfinden. Das verstärkt die Anschaulichkeit und hat einen stärkeren Aufforderungscharakter. In den dargestellten „Szenen“ kann der Leser in der Rolle des Kommunikationsexperten (35) oder -laien (36) auftreten. (36) Auf dem Wochenmarkt treffen Sie überraschend Ihren Vorgesetzten. [...] Nun werden Sie sich aufmerksam Herrn Heuhofs Antwort anhören und daran anknüpfen. (Hesse/ Schrader 2003: 17) (36’) Hören Sie sich die Antwort [Ihres Gesprächspartners] an und knüpfen Sie daran an! (37) Stellen Sie sich vor, Sie kommen auf eine Party und kennen niemanden außer den beiden Gastgebern [...]. Nur Sie stehen irgendwo am Rand,[...]. (Naumann 2004: 9) (37’) Bleiben Sie auf einer Party nicht irgendwo am Rand stehen! Der Aufforderungscharakter ist allgemein bei den Beispielen unterschiedlich stark ausgeprägt und hängt z. B. davon ab, wie der Leser die dargestellte Situation für sich „verwerten“ kann. Bei den nachfolgenden unterschiedlichen Beispielen, allesamt Positivbeispiele, kann man zwischen reinem Sprechhandeln, d. h. Musterdialogen und -formulierungen (38), 186 reinem Tathandeln, also Situationsbeschreibungen (39), und einem kombiniertem und eventuell kommentiertem Tat-, Denkund/ oder Sprachhandeln, in dem z. B. auch Gedanken und Gefühle verbalisiert werden können (40), unterscheiden. 187 Beispiele werden in der Regel entweder vorher oder im Anschluss analysiert (so etwa bei Nöllke 2005). (38) „Hallo Wolfgang.“ „Hallo Susi.“ „Na, hat sich eure Kleine von ihrer Erkältung erholt? “ „Ja, geht wieder. Sie ist schon fast wieder so frech wie vorher.“ „Schön, grüß Elvira von mir. Ich muss dringend ins Controlling, aber wir sehen uns ja bald.“ „Klar, Susi, tschüss dann.“ (Topf 2002: 118) (39) Stellen Sie sich vor: Sie sitzen in einem Restaurant und freuen sich auf ein leckeres Essen. Da setzt sich jemand zu Ihnen, der vorher freundlich gefragt hat, ob der Platz an Ihrem Tisch noch frei ist. Sie haben das bestätigt und da der Mann ganz sympathisch schien und Sie zudem gern in Gesellschaft essen, haben Sie die kleine Gesprächssequenz mit einer einladenden Geste unterstrichen. (Degen 2002: 117) 186 Es handelt sich wohl in der Regel um erfundene Dialoge. Nicht selten sind sie überzogen und kaum realitätsnah: „Mein Gott, das kann ja wohl nicht wahr sein! treffe ich ihn hier, den guten Herrn Müller, meinen geschätzten, ehemaligen Kollegen aus der Abteilung A 13, o-man-o-man, Herr Müller, wie geht es Ihnen, was machen Sie hier? “ (Hesse/ Schrader 2003: 39). Vor diesen Hintergrund sollte man zumindest vorsichtig sein, wenn man etwa anhand von Ratgebern das tatsächliche Gesprächsverhalten zu einer bestimmten Zeit darstellen möchte. 187 Zu den Handlungstypen siehe Weinrich (2003: 272). 132 (40) Marco hat vor dem Messestand eines Zeitungsverlags einen Besucher angesprochen und ihn dafür interessiert, sich die heutige Ausgabe des Blattes anzusehen. Natürlich wäre es Marco lieb, wenn der Herr einen Abonnementvertrag unterschriebe. Doch vor den Erfolg ist der Smalltalk gesetzt. Leider ist der Besucher Marco nicht auf den Anhieb sympathisch: [...] Das darf Marco nicht abhalten: „Sie sagten, Sie kämen soeben vom Vortrag der Werbepsychologin im großen Saal. Sie soll etwas über den Unsinn von Witzkampagnen gesagt haben. Wie hat sie das gemeint? “ (Bonneau 2002: 56) Häufig werden unterschiedliche Ratschlagtypen miteinander kombiniert: So können vor oder nach modellbasierten Ratschlägen verdeckte oder adressierte Ratschläge folgen oder ein verdeckter Ratschlag im Grundtext kann zusätzlich in einem graphisch markierten „Tipp“ als adressierter Ratschlag formuliert werden usw. Die hier vorgestellten Ratgebertypen sind zum einen als alternative Ausdrucksklassen zu verstehen, aus denen der Autor z. B. aus Gründen der stilistischen Varianz auswählen kann. Andererseits hängt die Wahl der Ratgebertypen auch mit dem Rollenverständnis zwischen Autor und Leser zusammen (vgl. Kap. V.5.) 7.3.5 Semantisch-pragmatische Untertypen Bisher orientierte sich die Untergliederung der Ratschläge an oberflächenstrukturellen, syntaktischen Kriterien. Aber nicht alle Ratschläge sind in Bezug auf Intensität und Verbindlichkeit vom Autor gleichwertig intendiert. Franke (1997: 193) fasst die Festlegungen, „ob ein Vollzug (oder die Unterlassung) einer bestimmten Handlung im Hinblick auf die Herbeiführung eines bestimmten Zustands erlaubt, verboten oder vorgeschrieben bzw. lediglich möglich oder angeraten ist“ unter die Kategorie „Handlungsmodalität“. Die Modalitätstypen werden von Modalverben oder anderen sprachlichen Mitteln (z.B. Modalitätsverben) geprägt. Während Franke (ebd. 279 ff.) nur zwei Modalitätstypen („Handlungsmöglichkeit“ und „Handlungsempfehlung“) unterscheidet, möchte ich basierend auf Pelka (1982) und Möhn (1991), die beide Instruktionstexte analysieren, mehrere semantischpragmatische Untertypen ansetzen. Obwohl sie für alle Ratschlagtypen gelten, sollen im Folgenden nur adressierte Ratschläge angeführt werden. Besonders wenn bei diesem Ratschlagtyp entsprechende Modalverben verwendet werden, können die semantisch-pragmatischen Untertypen relativ deutlich voneinander unterschieden werden. 188 Die nachfolgenden Beispiele sind auf einer Skala anzusiedeln, die von einer hohen (41) bis zu einer geringen Verbindlichkeit (49) geht. (41) Soll ein Gespräch erfolgreich verlaufen, müssen Sie auf die Argumente des anderen eingehen. (Hesse/ Schrader 2003: 65) (42) Stellen Sie nie Fragen, auf die man mit Ja oder Nein antworten kann! (Lasko 2004: 33) 188 Zur Semantik der Modalverben vgl. Öhlschläger (1989: 132 ff.). 133 (43) Trotzdem dürfen Sie die Krankheit beim Namen nennen. (Märtin 2006a: 100) (44) Nur wenn Sie gerade den Mann oder die Frau Ihrer Träume kennen gelernt haben und innerhalb weniger Sekunden die Liebe wie der Blitz in Sie einschlug, dürfen Sie alle Regeln außer Acht lassen und vom Smalltalk direkt zu vertraulichem Geflüster wechseln. (Naumann 2004: 129) (45) Mit Geschäftskollegen, die viel reisen, können Sie über Orte sprechen, die Sie beide kennen bzw. noch nicht kennen. (Lermer 2003: 76) (46) Auf Kritik sollten Sie bestimmt und sachlich [...], auf Provokationen überlegt und unberührt reagieren [...]. (Müller/ Weiden 2002: 35) (47) Das [= Ignorieren einer Feststellung, K.K.] ist allerdings nur zu empfehlen, wenn Sie mit der Feststellung leben können. (Müller/ Weiden 2002: 63) (48) Versuchen Sie doch einmal, den anderen während des Gesprächs zu zitieren. (Portner 2003: 55) (49) Kontern Sie ebenfalls mit einer Killerphrase. Sie müssen allerdings damit rechnen, dass die Diskussion eskaliert. (Müller/ Weiden 2002: 79). Wenn der Autor seine Autorität als normgebende Instanz vollständig ausschöpft, so kann er eine Vorschrift bzw. ein Gebot (41) oder ein Verbot (42) formulieren. Im Gegensatz etwa zu jenen in Rechtstexten sind diese jedoch weiterhin nicht-bindend und werden bzw. können gar nicht geahndet werden. Eine Erlaubnis (43) liegt dann vor, wenn der Autor ein beim Leser vermutetes Verbotsdenken aufhebt. Wenn es sich nicht um eine allgemeine Erlaubnis handelt, sondern bestimmte Kontextsituationen zu beachten sind, liegt eine restriktive Erlaubnis (44) vor. Bei der Möglichkeit (45) werden unterschiedliche Handlungsalternativen 189 vorgestellt, zwischen denen der Leser wählen kann. Eine Abgrenzung zur Erlaubnis ist nicht immer eindeutig, jedoch tritt der normative Charakter des Ratschlags bereits etwas in den Hintergrund. Hindelang (1978: 417 f.) definiert die Empfehlung (46) dadurch, dass es auch hier unterschiedliche Handlungsalternativen geben muss. Außerdem sollen sie auf persönlichen Erfahrungen des Ratgebenden beruhen. Diese Definition ist für die Ratgeber allerdings wenig hilfreich, da etwa auch Gebote oder Verbote auf den persönlichen Erfahrungen des Autors beruhen können. Als Empfehlungen sind vielmehr diejenigen Ratschläge einzuschätzen, die einen relativ geringen Verpflichtungsgrad aufweisen, aber aufgrund ihrer positiven Wirkung vom Autor als besonders sinnvoll markiert werden. Werden zusätzlich einschränkende Bedingungen genannt, kann man von einer restriktiven Empfehlung (47) sprechen. Eine Unterscheidung zwischen Empfehlung und Vorschlag (48), bei dem der Autor 189 In diesem Zusammenhang unterscheidet Wunderlich (1981: 11) zwischen starken und schwachen Ratschlägen: „Ein Ratschlag ist stark, wenn die angeratene Handlung die einzige Alternative mit vorteilhaften oder optimalen Ergebnissen ist; er ist schwach, wenn zur angeratenen Handlung andere gleich vorteilhafte Alternativen existieren. Die erste Version schränkt den Handlungsspielraum ein (‚du musst das tun’), die zweite lässt einen Spielraum offen (‚du kannst das tun’)“. 134 noch weniger auf die Durchführung bedacht ist und seine Macht- oder Autoritätsstellung weiter zurücknimmt, ist nicht immer ohne Weiteres möglich. Den Untertypus Warnung (49) kann man dann ansetzen, wenn der Autor explizit auf die negativen Folgen einer Handlung hinweist und von dieser Handlung dringend abrät. Die Einordnung der reinen Imperativsätze (z. B. Eignen Sie sich ein Repertoire an Standardthemen an, aus dem Sie beim Small Talk schöpfen können. Portner 2003: 34) in diese Systematik erweist sich als problematisch und unterliegt letztlich der Interpretation des Lesers. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass der Imperativ selbst zwar eine Modalität beinhaltet, jedoch nicht festgelegt ist, welcher semantisch-pragmatischer Untertyp gemeint ist (vgl. Wunderlich 1984: 104). 7.3.6 Weitere Kriterien (50) Wenn Sie Vor- und Familiennamen nennen, können Sie nichts falsch machen, denn so beweisen Sie Seriosität und stellen gleichzeitig durch die Nennung des Vornamens eine persönliche Ebene her. (Müller/ Weiden 2002: 85) (51) Kratzen, zupfen, streicheln - bemühen Sie sich unbedingt, diese Angewohnheit nicht in der Öffentlichkeit auszuüben. (Portner 2003: 67) (52) Vermeiden Sie Formulierungen, die wie Barrieren wirken. (Bonneau 2005a: Punkt 25.) (53) Auch vor, nach oder während der Mittagszeit grüßen Sie Ihre Kollegen, aber bitte verkneifen Sie sich das Wort ‚Mahlzeit’; es ist veraltet und signalisiert schlechten Stil. (Schäfer-Ernst 2002: 91) (54) Wer sichergehen will, dass er mit niemanden reden muss, der stellt sich ganz einfach mit verschränkten Armen in eine Ecke und setzt ein strenges, düsteres Gesicht auf. (Hesse/ Schrader 2003: 59) Ratschläge sind in der Regel begründet (50), wobei die „Qualität“ der Begründung recht unterschiedlich sein kann. Meistens finden sich Hinweise auf die Wirkung eines beschriebenen Verhaltens auf den Gesprächspartner. Ratschläge, die nicht explizit begründet werden (51), sind selten. Auf eine Begründung wird besonders dann verzichtet, wenn zuvor schon bestimmte Ziele des Smalltalks definiert wurden oder sich die Ausführungen auf allgemeine (Höflichkeits-)Maximen oder tradierte Etikette-Regeln beziehen. Betrachtet man den Abstraktionsgrad der Ratschläge, so ist außerdem zwischen eher allgemeinen (52) oder sehr konkreten (53) Ratschlägen zu unterscheiden. Selten finden sich wenig ernstgemeinte, ironische Ratschläge (54). 7.4 Die „Beratungseinheit“ Folgendes Beispiel zeigt das Zusammenwirken der bisher diskutierten Elemente einer „Beratungseinheit“ der Smalltalk-Ratgeber auf: 135 Was tun, wenn die Unterhaltung nicht so läuft wie erwünscht? (1) Beim Smalltalk ist das kein Problem, denn immer liegt das Gesetz des Handelns bei einem selbst. (2) Wenn Ihr Partner sich als ermüdend oder unangenehm erweist, dann dürfen Sie selbstverständlich die Unterhaltung zu einem Ende bringen. (3) Keine Etikette verpflichtet Sie (4), mit Engelsgeduld den Urlaubserzählungen von Tante Mathilde zu lauschen. (5) [Zahlen nicht im Original, K.K.] (Fischer 2004: 19) Es wird zunächst das Problem dargestellt (1). Im zweiten Satz wird die Begründung (2) für den dann nachfolgenden Ratschlag (3) bereits vorweggenommen. Das anschließende Beispiel (5) wird nochmals mit einer Variante der ersten Begründung (4) eingeleitet. Neben den hier vorgestellten Elementen, die auch in anderer Reihenfolge möglich sind, können außerdem Handlungsalternativen angeboten, Einwände des Lesers diskutiert, zusätzliches Hintergrundwissen oder vertiefende Übungen geliefert werden. Eine Beratungseinheit kann also aus den folgenden Elementen bestehen: - Ratfrage formulieren bzw. Problem darstellen - Ratschlag begründen - Beispiel geben - Handlungsalternativen aufzeigen - Einwände diskutieren - Hintergrundwissen liefern - Übung anbieten Wie bereits am zitierten Beispiel deutlich wurde, muss nicht jede Beratungseinheit alle diese Elemente berücksichtigen. Die meisten Ratgeber verwenden eine abwechslungsreiche Anordnung der Beratungselemente. Das Buch von Kessler (2007) hat jedoch eine festgelegte Beratungsstruktur: Zu jedem Stichwort (z. B. Gesprächseinstieg) gibt es zunächst eine Ratfrage (z. B. Ist das Wetter als Einstieg in den Small Talk geeignet? ) und eine knappe Ratantwort (Ja, aber bitte keine abgedroschenen Floskeln! ). Dieser Ratschlag wird im Anschluss begründet, es werden Beispiele gegeben und eventuell weitere Tipps. Der Autor hat seine Beratungsziele 190 vollständig erreicht, wenn es ihm gelingt, a) die richtigen Ratfragen des Lesers zu konstruieren, b) nachvollziehbare Ratschläge dazu zu formulieren und c) den Leser dazu zu bringen, 190 Die Ziele der Smalltalk-Autoren könnten auch dann bereits erreicht sein, wenn das Buch gekauft bzw. gelesen wird. Manchmal stellt sich die Frage, ob der Ratgeber tatsächlich Ratschläge für die Praxis geben will oder ob sein primäres Ziel die Unterhaltung darstellt. Umgekehrt kann es auch sein, dass die Rezipienten Ratgeber gar nicht lesen, um im Anschluss Ratschläge umzusetzen, sondern um unterhalten zu werden. So antwortete ein US-Amerikaner auf die Frage, weshalb er Smalltalk-Ratgeber sinnvoll findet: „they give me a laughter“. Dadurch wird gewissermaßen das gesamte Beratungskonzept „unterwandert“ (vgl. dazu Kap. V.10.). 136 seine Ratschläge in die Praxis umzusetzen. Die bisher dargestellten Beratungsaktivitäten lagen in der Verantwortung des Autors. Einblicke in die Akzeptanz der Ratschläge von Seiten der Leser, ob diese z. B. nachvollziehbar waren oder sie die Ratfrage für ausreichend beantwortet halten, und Rückmeldungen zur Wirksamkeit der Beratung liefern die Kundenrezensionen (vgl. Kap. V.10.). 7.5 Problemtypologie In den folgenden Kapiteln geht es um die spezifischen Inhalte der Smalltalk- Ratgeber: Welche praktischen Probleme werden diskutiert und was wird geraten? Oder, wie es Antos (1996: 55) ausdrückt: Mit welchen „konkreten ‚therapeutischen Angeboten’“ wird der Leser konfrontiert? Dabei soll auch im Blick behalten werden, ob sich die Autoren auf „Überlieferungstraditionen, bzw. auf einen womöglich impliziten Diskurs über Laien-Probleme“ (ebd.) beziehen. Die Autoren gehen in ihren Ratgebern auf all diejenigen Probleme ein, die ihrer Meinung nach auf Normenunsicherheit, Normenwandel, Normenkonflikte, fehlendem Normenwissen oder Normenschwäche beruhen (Linke 1988: 128). Sie thematisieren alles das nicht, „was selbstverständlich oder unbewusst ist, was der Beachtung nicht wert erscheint oder worüber der allgemeine Verhaltenskonsens so groß ist, daß eine Thematisierung nicht nötig ist“ (ebd.). Schäfer-Ernst (2002: 34 ff.) geht in ihrem Ratgeber davon aus, dass Smalltalk desto mehr Probleme bereitet, je unbekannter die Situation ist, je länger das Gespräch dauert und je wichtiger die Situation ist. Als prototypische Smalltalk-Situation wird in den Ratgebern, meist auch in denen, die sich speziell mit beruflichem Smalltalk auseinandersetzen, die Unterhaltung mit einem Fremden auf einer (evtl. beruflich relevanten) gesellschaftlichen Veranstaltung (Typ „Party“) diskutiert. Auf diese Situation lassen sich die hier zusammengestellten Smalltalk-Probleme sehr gut projizieren. 191 Es ist eine Auswahl der in den Ratgebern am häufigsten diskutierten Probleme, die, obwohl sie in den einzelnen Ratgebern unterschiedlich ausführlich behandelt werden, eine Art „Grundinventar“ bilden. 191 In einigen Ratgebern werden nicht nur die Probleme mit dem Smalltalk thematisiert, sondern es wird auch geklärt, ob es Situationen gibt, in denen Smalltalk unangebracht oder sogar „verboten“ ist (z. B. Topf 2002: 18 f.; Fischer 2004: 24 f.; Naumann 2004: 207 ff.). Als Beispiele für Anti-Smalltalk-Zone[n] (Naumann 2004: 207) werden etwa Missverständnisse, Streit und Konflikte, seelische Krisen, Beratungen und Besprechungen, bei denen es auf die Vermittlung von Sachinformationen ankommt, Zeitdruck und Situationen mit zu großer körperlicher Nähe (weniger als fünfzig Zentimeter Abstand) genannt. Ob in diesen Situationen in der Realität wirklich kein Smalltalk stattfindet, ist zumindest fraglich. Hierbei wird wieder die Diskussion greifbar, ob Ratgeber deskriptiv oder normativ angelegt sind. 137 In Bezug auf den chronologischen Ablauf eines Smalltalk-Gesprächs werden in den Ratgebern folgende Probleme thematisiert: 192 A) Probleme in Bezug auf bestimmte Gesprächsphasen 1. Vor dem Smalltalk 193 1.1 Keine Lust auf Gesellschaft haben 1.2 Smalltalk vorbereiten (z. B. Themen) 1.3 … 2. Smalltalk-Beginn 2.1 Gesprächspartner auswählen 2.2 Anschluss an eine Gruppe finden 2.3 Grüßen und sich vorstellen 2.4 Andere vorstellen 2.5 Namen des Gesprächspartners vergessen haben 2.6 Namen des Gesprächspartners merken 2.7 Gesprächspartner verwechselt haben 2.8 Gesprächseinstieg finden 2.9 … 3. Smalltalk-Mitte 3.1 Thema wählen 3.2 Thema steuern 3.3 Thema vertiefen 3.4 Thema wechseln 3.5 Vom Thema keine Ahnung haben 3.6 Mit Konflikten/ Meinungsverschiedenheiten umgehen 3.7 Kein Interesse am Gesprächspartner haben 3.8 Kein Interesse am Thema haben 3.9 Unangenehme Fragen beantworten 3.10 Plötzliches Schweigen überwinden 3.11 Auf „Tritte ins Fettnäpfchen“ reagieren 3.12 Dritte ins Gespräch einbinden 3.13 … 4. Smalltalk-Ende 4.1 Zum „Bigtalk“ überleiten 4.2 Gesprächspartner wechseln 4.3 seGespräch beenden 4.4 Veranstaltung verlassen 4.5 … 192 Aus Gründen der Übersicht sind die Probleme stichpunktartig formuliert. Ein Transfer in eine konkrete Ratfrage ist möglich, z. B. „Andere vorstellen“ - „Wie stelle ich andere vor? “, „Vom Thema keine Ahnung haben“ - „Was mache ich, wenn ich vom Thema keine Ahnung habe? “ 193 Diese Phase findet in der Regel zu Hause statt, vor Beginn der gesellschaftlichen Veranstaltung. 138 5. Nach dem Smalltalk 5.1 Kontakte pflegen 5.2 … Neben diesen Problemen, die meist auch in den Ratgebern in der hier vorgestellten Chronologie behandelt werden, gibt es eine Reihe an Problemen, die keiner spezifischen Gesprächsphase zugeordnet werden können bzw. alle Phasen betreffen. Entsprechend einem einfachen Kommunikationsmodell kann man zwischen Problemen in Bezug auf Sender (B), Empfänger (C) oder Nachricht (D) unterscheiden. B) Probleme in Bezug auf personale Eigenschaften des Ratsuchenden 1. Psyche 1.1 Schüchternheit und Ängstlichkeit überwinden 1.2 Selbstbewusstsein stärken 1.3 … 2. Auftreten 2.1 Schlagfertigkeit trainieren 2.2 Sympathien wecken 2.3 Unterhaltsamkeit trainieren und Langweiligkeit ablegen 2.4 … 3. Wissen 3.1 Allgemeinbildung erweitern 3.2 … So wie in den Redelehren ein Bild des idealen Redners gezeichnet wird (vgl. Bremerich-Vos 1991: 225 f.), wird in den Smalltalk-Ratgebern der Smalltalkprofi charakterisiert: Er ist selbstbewusst, schlagfertig, gebildet, 194 unterhaltsam, sympathisch und humorvoll. Diese Eigenschaften werden aber nicht zwingend als Voraussetzung, sondern auch Ergebnis des Smalltalks gehandelt: Die Kunst, locker zu plaudern, bringt jeden ein gutes Stück in seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung weiter (Fischer 2004: 15). 194 Ein Smalltalkprofi besitzt eine gute Allgemeinbildung und ist stets bestens informiert, nicht nur über das Weltgeschehen, sondern auch über Neuigkeiten von allgemeinem Interesse. Sein Wissen gibt ihm die Absicherung, immer über genügend Smalltalk- Themen zu verfügen und auch bei Themen, die andere ins Gespräch einbringen, mitreden zu können. In vielen Ratgebern findet sich deshalb auch der Rat, die Medien aufmerksam zu verfolgen. 139 C) Probleme in Bezug auf den Gesprächspartner 1. Gespräche mit schwierigen Menschentypen 195 2. Gespräche mit dem anderen Geschlecht (Übergang zum Flirt) 3. Gespräche mit höher stehenden Personen 4. Gespräche mit älteren/ jüngeren Personen 5. Gespräche mit Ausländern (selten) 6. … D) Probleme in Bezug auf die kommunizierten Signale 1. Verbale Kommunikation 1.1 In Bezug auf das W AS ? (Thema, Inhalt) 196 1.2 In Bezug auf das W IE ? (Sprach- und Gesprächsstil, z. B. siezenduzen, unterschiedliche Frageformen) 2. Paraverbale Kommunikation (z. B. Lautstärke, Stimmlage, Artikulation) 3. Nonverbale Kommunikation im engeren Sinn (Mimik, Gestik, Proxemik, Kinetik: z. B. Lächeln, Körperdistanz zum Gesprächspartner) 4. Objekt-Kommunikation (z. B. Kleidung, Accessoires) 5. Aktives Zuhören lernen und signalisieren 6. … Durch die Dialogstruktur nehmen die an einem Smalltalk Beteiligten abwechselnd die Sprecherbzw. Hörerrolle ein. Deshalb können viele der hier aufgelisteten Probleme aus zwei Perspektiven betrachtet werden, je nachdem, wer ein Problem verursacht, der ratsuchende Leser oder sein Gesprächspartner: Reden Sie nur weiter, wenn den Gesprächspartner Ihr Hobby auch wirklich interessiert. [...] Das gilt genauso, wenn Ihr Gesprächspartner über seine Lieblingsbeschäftigung spricht: Lassen Sie sich keinen Fachvortrag halten [...]. (Lermer 2003: 80) Nicht alle Probleme sind spezifische Smalltalk-Probleme (z. B. Einstieg in den Smalltalk oder Smalltalk-Themen); es werden ebenso allgemeine Kommunikationsprobleme (z. B. Schüchternheit und mangelnde Schlagfertig- 195 Die Tradition, bestimmte Charaktere als „Gegenbild(er) zu den zivilisatorischen Anstrengungen aller Konversationslehren“ (Schmölders 1986: 9) zu karikieren, kann man bis in die Antike zurückverfolgen. In den deutschsprachigen Ratgebern wurden die unterschiedlichen Menschentypen insbesondere durch Knigges „Über den Umgang mit Menschen“ (1788) bekannt. Die Smalltalk-Ratgeber nennen z. B. die Typen Haarspalter und Quasselstrippe (Topf 2002: 77 f.), Schweiger oder Hobbyexperte (Naumann 2004: 159 ff.). Aus solchen Listen problematischer Gesprächspartner lassen sich nicht nur ex negativo die Eigenschaften des Smalltalk-Profis ablesen, sondern auch Smalltalk-Maximen abstrahieren (vgl. Kap. V.9.). 196 In denjenigen Kapiteln, die sich explizit mit der Themenwahl auseinandersetzen (vgl. Kap. V.7.6.4), wird in der Regel nicht nach bestimmten Gesprächsphasen unterschieden. 140 keit), allgemeine Gesprächsprobleme (z. B. Zuhören lernen, schwierige Gesprächspartner) oder diverse Etikette-Probleme (z. B. passende Kleidung, Geschenke) behandelt, die man im Umfeld des Smalltalks ansiedeln kann und die zu seinem Gelingen beitragen. Zilligs (2004: 51 ff.) Auflistung der Themenbereiche in den Anstandsbüchern zeigt, dass sich dort viele Probleme finden lassen, die auch in den Smalltalk-Ratgebern vorkommen. Unter dem Punkt „3. Kommunikation in ihrem Ablauf“ werden etwa „Sich/ jemanden begrüßen“, „Empfohlene Themen“ oder „Zuhören und Zuhören können“ genannt. Hier wird deutlich, dass die Sprachratgeber-Subsorten durch einen gemeinsamen „Probleme-Kanon“ miteinander in Verbindung stehen. 197 Das kann auch erklären, warum in einigen Fällen in den Smalltalk- Ratgebern Gesprächssorten besprochen werden, in denen zwar Smalltalk eine Rolle spielt bzw. spielen kann, die jedoch letztlich ganz andere Ziele verfolgen. 198 Es finden sich so auch Ratschläge zum Konfliktgespräch (Müller/ Weiden 2002: 72 ff., 120 ff.; Portner 2003: 72), zum Vorstellungsgespräch (z. B. Müller/ Weiden 2002: 132 ff.), zum Flirt (Naumann 2004: 192 ff.) oder zum Servicegespräch (z. B. Schäfer-Ernst 2002: 104 ff.). Die in diesem Zusammenhang gegebenen Ratschläge haben mit Smalltalk nichts zu tun, sondern sind auf die jeweiligen Ziele dieser Gesprächssorten abgestimmt. Hier drängt sich teilweise der Verdacht auf, dass die Autoren auf bewährte kanonisierte Themen und Techniken zurückgreifen, ungeachtet der Tatsache, dass diese gar nicht zur Smalltalk-Thematik passen. 7.6 Exemplarische Analysen von Smalltalk-Problemen Bisher konzentrierte sich die Analyse der Smalltalk-Ratgeber auf die Darstellung der „Breitendimension“, d. h., der einzelne Autor und sein Buch rückten zugunsten eines Gesamtkonzepts der Smalltalk-Ratgeber in den Hintergrund. In diesem Kapitel geht es nun um die „Tiefendimension“ der Ratgeber: Es soll geklärt werden, wie groß die Verschiedenartigkeit der Ratschläge zu ein und demselben Problem ist. 199 Untersucht werden Probleme, die sich auf Teilhandlungen des Smalltalks beziehen und in den Ratgebern besonders häufig thematisiert werden: „Grüßen und sich Vorstellen“ (Kap. 197 Nach Meinung eines Smalltalk-Trainers (vgl. Kap. V.11.) sind Smalltalk-Kurse - und wohl auch Smalltalk-Ratgeber - aus den Trainingsangeboten zu Umgangsformen entstanden. Eine besondere Nähe besteht außerdem zu den Gesprächs- und Redelehren. Das zeigt sich auch daran, dass in den Literaturverzeichnissen der Smalltalk-Ratgeber neben Titeln der eigenen Subsorte auch die anderer Subsorten angeführt werden. Wie Kap. V.7.6. zeigt, gibt es auch Gemeinsamkeiten mit weiter entfernten Subsorten wie etwa den Stillehren. 198 Smalltalk ist dann in der Regel Bestandteil der Gesprächseröffnung, so etwa im Vorstellungsgespräch (Haben Sie gut hergefunden? ). Im Ratgeber von Müller/ Weiden (2002: 132 ff.) wird jedoch nur das „eigentliche“ Vorstellungsgespräch mit seinen typischen Inhalten thematisiert (z. B. Welchen beruflichen Werdegang haben Sie bis jetzt hinter sich? ). 199 Es interessiert dabei nicht, ob es sich jeweils um besonders ‚gute’ oder ‚schlechte’ Ratschläge handelt; Wertungen werde ich nicht vornehmen. 141 V.7.6.1), „Anschluss an eine Gruppe finden“ (Kap. V.7.6.2), „Plötzliche Stille“ (Kap. V.7.6.3) und „Themen wählen und Tabuthemen vermeiden“ (Kap. V.7.6.4). Mit Ausnahme des Problems „Grüßen und sich vorstellen“, das auch in anderen Gesprächssorten eine Rolle spielt (z. B. Vorstellungsgespräch) bzw. von einigen Sprachwissenschaftlern sogar als eigenständige Gesprächssorte gewertet wird (vgl. Edmondson/ House 1981), handelt es sich um typische Smalltalk-Probleme. Die dazu gehörenden Ratschläge fordern in der Regel bestimmte Handlungsabfolgen, die noch von so geringer Komplexität sind, dass ein Vergleich der unterschiedlichen Ratgeber in knapper Form möglich ist. Bevor ich jedoch auf die unterschiedlichen Ratschläge zu den Teilhandlungen des Smalltalks eingehe, möchte ich einen Aspekt thematisieren, der für alle Teilhandlungen relevant und für die Sprachwissenschaft von besonderem Interesse ist: die Ratschläge zum Stil. Obwohl die Ratgeber-Autoren betonen, dass für den Smalltalk das W IE ? wichtiger ist als das W AS ? (z. B. Fischer 2004: 8; Naumann 2004: 226), d. h., dass das Thema und die damit verbundene Informationsvermittlung keine so große Rolle spielen, finden sich in den Ratgebern nur wenige sprechstilbezogene Ratschläge. 200 Mit Sprechstil ist die Art und Weise des Sprechens in natürlichen Interaktionskontexten gemeint, z. B. das interaktiv relevante Zusammenspiel lexiko-semantischer, syntaktischer, morphophonemischer, prosodischer und weiterer im weitesten Sinne rhetorischer Mittel der Gestaltung der Rede im Gespräch. [Hervorhebung im Original, K.K.]. (Sandig/ Selting 1997: 5) Die folgende Übersicht stellt auszugsweise anhand von sich teils widersprechenden Ratschlägen aus den Ratgebern dar, welche heterogenen Aspekte des Sprechstils in den Smalltalk-Ratgebern thematisiert werden: 200 Eigenständige Kapitel wie z. B. 3. Das Spiel mit der Sprache (Portner 2003: 44) oder Rhetorische Tipps und Tricks (Fischer 2004: 38) sind die Ausnahme. Watzke-Otte (2007: 17ff.) behandelt das Thema Stil mit einer anderen Zielrichtung. Sie geht relativ ausführlich auf die acht Kommunikationsstile von Schulz von Thun (1981) ein, zu denen sie dann jeweils spezielle Smalltalk-Ratschläge gibt. 142 Satzlänge Ein gut verständlich gesprochener Satz umfasst zirka zehn Wörter. (Bonneau 2002: 29, ähnlich: Fischer 2004: 13) Dagegen: Geben Sie nicht zu einsilbige, zu kurze Antworten! (Hesse/ Schrader 2003: 23) 201 „Power“-Wörter Eine positive Gesprächsatmosphäre erreichen Sie dadurch, dass Sie passenderweise positiv besetzte Wörter verwenden. (Lüdemann 2007: 55, ebenso: Lasko 2004: 201 ff.) Fremdwörter Fremdwörter sollten Sie sparsam einsetzen […]. (Kessler 2007: 57, ebenso: Schäfer-Ernst 2002: 91, Topf 2002: 97) 202 „Wiederholungsticks“ und Floskeln Trennen Sie sich von „schlechten“ Angewohnheiten. (Lermer 2003: 149, ebenso: Kessler 2007: 130, Topf 2002: 94) Kluge Gesprächspartner [finden] den goldenen Mittelweg zwischen inhaltsleeren Floskeln und tiefgründigen Diskussionen […]. (Naumann 2004: 126, ähnlich: Nöllke 2005: 26) Varietäten Gute Sprache ist diejenige, die Slang, Jargon und Spezialausdrücke konsequent vermeidet. (Baur 2001: 38 f., ähnlich: Lermer 2003: 153) Dialekt ist nur erlaubt, solange Sie verstanden werden. (Kessler 2007: 35, ähnlich: Topf 2002: 75) 203 Rhetorische Figuren Versuchen Sie im tagtäglichen Small Talk vermehrt rhetorische Stilmittel einzusetzen [….] (Portner 2003: 46), z. B. Anekdoten, positives Bild, Geflügelte Worte, Reime und Vergleiche. Direkter und indirekter Sprechstil Bilden Sie Aktiv-Sätze statt Passiv-Konstruktionen, verzichten Sie auf verallgemeinernde Ausdrücke wie ‚man’ und ‚die Leute hier’. (Bonneau 2002: 50; 2005b: 53). Lernen Sie, sich sprachlich präzise auszudrücken, und zögern Sie vor allem nicht, das klar zu benennen, was Ihnen wichtig ist. […] Schluss mit den vielen weichen Füllwörtern wie „eventuell“, „vielleicht“ oder „eigentlich“. (Hesse/ Schrader 2003: 49, ähnlich: Märtin/ Boeck 2000: 109) Dagegen: Indirektes Sprechen ist oft höflicher. (Lermer 2003: 104; vgl. auch Lüdemann 2007: 53 f.) Tab. 7: Ratschläge zum Sprechstil 201 Einige Autoren raten dazu, dass man eher kurz sprechen solle (z. B. Lermer 2003: 154). Dabei wird allerdings nicht immer deutlich, ob sich die Kürze auf die Satzlänge oder allgemein auf den Gesprächsbeitrag bezieht. 202 Was die Fremdwörter betrifft, finden sich in den Smalltalk-Ratgebern, wie auch in den Redelehren (Bremerich-Vos 1991: 129), keine puristischen Standpunkte, d. h. Ansichten, denen zufolge das Deutsche vor fremden Einflüssen bewahrt oder sogar gereinigt werden muss. Vor allem in Sprachratgebern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war ein solcher Sprachpurismus verbreitet (vgl. Wustmann 1891; Dunger 1909). Er findet sich aber bis heute in meist abgeschwächter Form z. B. in Stillehren (vgl. Kap. III.6.). 203 Insgesamt scheint das Thema Dialekt aufgrund des inoffiziellen Charakters der Gesprächssorte Smalltalk weniger relevant zu sein als etwa in den Redelehren. Dort wird der Dialektgebrauch häufig behandelt, auch wenn hier „allenfalls die phonetischen Differenzen zwischen Dialekten und Standardsprache fokussiert werden.“ (Bremerich- Vos 1991: 122). 143 Im Übergangsbereich zwischen Sprech- und Gesprächstil sind die in den Smalltalk-Ratgebern häufig thematisierten Fragehandlungen angesiedelt. 204 Zum Gesprächsstil gehört […] die interaktiv relevante Art und Weise der von den Partnern gemeinsam hergestellten Organisation natürlicher Gespräche in Situationskontexten, einschließlich der verwendeten Sprechstile. Zu den gesprächsstilrelevanten Phänomenen gehören z. B. unterschiedliche Arten der Organisation des Sprecherwechsels, der Durchführung komplexer Handlungsschemata, der Organisation und Handhabung von Gesprächsthemen und Gesprächsmodalitäten [Hervorhebung im Original, K.K.]. (Sandig/ Selting 1997: 5) 205 Fragesätze werden in den Ratgebern nach keinem einheitlichen Kriterium klassifiziert, vielmehr spielen formale und/ oder inhaltliche Kriterien eine Rolle. Immer thematisiert werden offene und geschlossene Fragen, daneben auch Alternativfragen (z. B. Naumann 2004: 38 f.), Suggestivfragen (z. B. Degen 2002: 112), Rhetorische Fragen (z. B. Watzke-Otte 2007: 44), Informationsfragen (Schäfer-Ernst 2002: 79) und Aktivierungsfragen (ebd.). Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass offene Fragen im Smalltalk prinzipiell geeigneter sind als geschlossene (z. B. Naumann 2004: 38, ebenso: Bonneau 2002: 21). Nur Hesse/ Schrader (2003: 66) sehen den Einsatz von offenen Fragen nicht als universelle Lösung an: Für manche Gesprächstypen macht diese ‚W-Fragen-Regel’ auch durchaus Sinn, im Small Talk hilft sie allerdings nur bedingt weiter. Wenn der andere keine Lust auf Konversation hat, dann kann er auch auf Ihre W-Fragen wunderbar knapp antworten. Von Warum-Fragen raten aber auch die Befürworter der offenen Frage ab: Es liegt also in der Natur der Sache, dass Sie, um ein Gespräch anzuregen, mit offenen Fragen mehr Erfolg haben werden. [...] Bei Warum-Fragen fühlen sich allerdings viele Menschen zu Erklärungen oder Rechtfertigungen angehalten oder gar in die Defensive gedrängt. In Smalltalk-Situationen ist damit also Vorsicht geboten. (Schäfer-Ernst 2002: 79, ähnlich: Bonneau 2002: 21, Degen 2002: 109) Das Problem des Ausfragens wird aber nicht nur mit den Warum-Fragen, sondern generell mit einer zu großen Anzahl an Fragen in Verbindung gebracht. Smalltalk lebt von der Gleichberechtigung der Partner (vgl. Kap. IV.4.) und darf nach Lermer (2003: 104, ähnlich: Kessler 2007: 18, Watzke- Otte 2007: 45) weder ein Interview noch ein Verhör sein. Deshalb ist es wichtig, dass sich Fragen und Aussagen abwechseln, dass die fragende Person, nachdem sie eine Antwort bekommen hat, etwas von sich preisgibt [...]. Es sollte eine ausgeglichene Bilanz zwischen Fragen und Antworten auf der einen Seite und Hinzufügungen [...] auf der anderen Seite bestehen. (Degen 2002: 115, ähnlich: Kessler 2007: 18; Bonneau 2005b: 23). So gibt Naumann (2004: 39) den Rat, sich nicht mehr als zwei Fragen hintereinander beantworten [zu lassen]. Topf (2002: 44, 204 Der strategische Einsatz von Fragehandlungen wird meist sogar in einem eigenen Kapitel behandelt, z. B. Fragen stellen - Der Königsweg zur gepflegten Unterhaltung (Naumann 2004: 36) oder Fragen als Mittel der Gesprächsführung (Müller/ Weiden 2002: 60). 205 Zur Problematik einer exakten Bestimmung des Terminus Gesprächsstil siehe Betten (2001). 144 ebenso: Hesse/ Schrader 2003: 35, 38) sieht ein solches Ausfragen keineswegs problematisch: Fragen Sie einfach weiter, bis Sie genau wissen, was er warum, wozu, wann, mit wem macht. Und für Müller/ Weiden (2002: 116) sind die Warum-Fragen sogar eine wichtige Strategie für die schlagfertige Kommunikation (ebd. 110). Die Fragetechniken sehen Müller/ Weiden (2002: 60) vor allem als Manipulationswerkzeug. Man sollte sie beherrschen, um sie einerseits beim anderen zu durchschauen und sie andererseits so einzusetzen, dass das Gespräch in eine von Ihnen gewünschte Richtung läuft. Die Ratgeber sind in Bezug auf den Sprechstil insgesamt nicht besonders ergiebig. Es ist zudem kein smalltalk-spezifischer Sprechstil auszumachen, vielmehr wird zu einer mittleren Stillage geraten, die sich auch in anderen mündlichen bzw. sogar schriftlichen Alltagstexten finden lässt. Ratschläge wie Tätigkeitsstatt Hauptwörter (Müller/ Weiden 2002: 104) sind stilistische „Gemeinplätze“, die typischerweise in den Stillehren vorkommen. Eine entsprechende Regel lautet beim „Stilpapst“ Ludwig Reiners (2007: 87) Geben Sie Handlungen in Verben wieder! Meiden Sie das Übermaß an Hauptwörtern! und bei Wolf Schneider (1994: 54) Wo immer man die Wahl zwischen zwei Wortgattungen hat, wähle man das Verb. Der „ziemlich festgefügte Kanon von Stilfragen“ (Püschel 1991: 66) ist also nicht nur auf die Subsorte Stillehre beschränkt, sondern findet sich auch in anderen Subsorten wie den Smalltalk- Ratgebern (vgl. Zehn Tipps für eine gute Sprache, Müller/ Weiden 2002: 103 ff.) oder den Redelehren (Bremerich-Vos 1991: 140 ff.). Der weitaus größere Teil der Stilratschläge in den Smalltalk-Ratgebern bezieht sich auf das, was man mit dem umfassenderen Ausdruck Gesprächsstil oder auch als „rhetorische Strategie“ (Sandig/ Selting 1997: 2) bezeichnen kann, z. B. organisatorische Muster (Sprecherwechsel, Aufmerksamkeit steuern) oder Kontakt- und Beziehungsmuster (z. B. Adressatenansprache oder Selbstdarstellung). Mehrere Smalltalk-Ratgeber gehen z. B. auf geschlechtsspezifische Gesprächsstile ein, in der Regel in einem eigenen Kapitel (z. B. Männer reden anders - Frauen auch, Märtin/ Boeck 2000: 145, ebenso: Lermer 2003: 172; Frauen und Männer, Naumann 2004: 178). Es finden sich die gängigen, vor allem durch die populärwissenschaftlichen Darstellungen der Sprachwissenschaftlerin Deborah Tannen (z. B. 1991, 1992) verbreiteten Ansätze: Frauen sind beziehungsorientiert, sprechen indirekter und pflegen einen kooperativen, harmonischen und emotionalen Gesprächsstil, während Männer vor allem sach- und machtorientiert sind und eine Neigung zur Prahlerei haben (vgl. Lermer 2003: 172 ff.; Naumann 2004: 180). Aus dieser „Tatsache“ wird abgeleitet, dass Männer [...] im Durchschnitt größere Probleme mit dem Smalltalk [haben] als Frauen. [...] Den meisten Männern behagt es nicht, Gespräche zu führen, die kein anderes Ziel haben als das Gespräch selbst. (Naumann 2004: 181). 206 Da Smalltalk dem Beziehungsaufbau dient, sei es also 206 Obwohl diese Argumentation nahe legen würde, dass Männer einen speziellen Beratungsbedarf haben, gibt es nur einen geschlechtsspezifischen Smalltalk-Ratgeber, Lü- 145 gut, sich beim Sprechen am weiblichen Stil zu orientieren (Lermer 2003: 173), denn Frauen sind nun einmal die besseren Small Talker (Hesse/ Schrader 2003: 115). 207 Der neuere Ansatz des „Doing gender“, nach dem Geschlechterdifferenzen von Individuen in Handlungen vollzogen werden und daher nicht im Individuum als Wesensmerkmal zu suchen sind (Samel 2000: 165), ist in den Ratgebern ebenso zu finden wie der biologische Determinismus: Während Müller/ Weiden (2002: 146) darauf hinweisen, dass beide Geschlechter die unterschiedlichen Gesprächsstile (bewusst) einsetzen können, ist für Naumann (2004: 181) der Unterschied zwischen dem Gesprächsverhalten von Männern und Frauen möglicherweise angeboren. Weitere gesprächsstilistische Muster (vgl. Püschel 1991: 64 f.) spielen für die folgenden exemplarischen Analysen eine Rolle. 7.6.1 Grüßen und sich vorstellen Andere Leute zu grüßen 208 ist elementar für das soziale Zusammenleben, zeigt es doch, dass man den anderen nicht nur zu Kenntnis genommen hat, sondern ihm auch wohlgesonnen ist. Jemanden absichtlich nicht zu grüßen, stellt dementsprechend einen Angriff auf die soziale Beziehung zwischen den beiden Personen dar. Da Grüßen zum „guten Ton“ gehört, zählt es auch zu den Standardthemen in den Anstandslehren (vgl. Zillig 2004: 58). Im Alltag grüßt man viele Leute im Vorbeigehen und nicht jeder Gruß initiiert auch ein Gespräch. Im Zusammenhang mit Smalltalk allerdings fällt der Gruß in die Anfangsphase des Gesprächs und wird häufig mit dem Vorstellen der eigenen Person kombiniert. Jedoch muss man sich nicht in allen Smalltalk-Situationen vorstellen. Es ist dann nicht nötig, wenn sich die Gesprächspartner bereits mit Namen kennen oder die Situation es nicht erfordert, weil es z. B. unwahrscheinlich ist, dass sich die Gesprächspartner wiedersehen (z. B. Smalltalk mit einem Fremden im Bus oder im Wartezimmer). Es kann auch vorkommen, dass ein Vorstellen zu einer späteren Phase des Gesprächs nachgeholt wird. Sich Fremden gegenüber beim Smalltalk vorzustellen, ist besonders bei gesellschaftlichen Anlässen notwendig. In diesen demann (2007), der sich aber gerade an Frauen wendet. Manchmal lassen sich in den Ratgebern nach Geschlechtern getrennte Ratschläge finden (z. B. Lermer 2003: 175 f.). 207 Lüdemann (2007) hat hierzu eine ambivalente Einstellung: Einerseits ist auch sie der Meinung, dass Frauen als das redende Geschlecht […] dafür prädestiniert sind, im Smalltalk- Gesprächen zu punkten (ebd. 27). Andererseits lässt „frau“ gerade in der Berufswelt zu viele wunderbare Gelegenheit[en] zum Smalltalk ungenutzt verstreichen (ebd. 9). 208 Schäfer-Ernst (2002: 58) unterscheidet zwischen grüßen und begrüßen: Unter Begrüßung verstehen wir eine persönliche Ansprache. Sie beinhaltet idealerweise einen Gruß, den Namen des Gegenübers und womöglich einige persönliche Worte [...]. Anders der Gruß: Er kann durch Worte, aber auch durch ein Lächeln oder ein freundliches Kopfnicken ausgedrückt werden. Vgl. auch Hartmann (1973: 146 f.). 146 Situationen wird „Grüßen und sich vorstellen“ zu einem wichtigen Smalltalk-Problem, das immerhin 15 Ratgeber 209 explizit thematisieren. In den Ratgebern finden sich folgende allgemeine Regeln 210 zum Grüßen (bei einem gesellschaftlichen Anlass): 1. Wer einen Raum betritt, grüßt als Erste(r). (Lermer 2003: 50; Naumann 2004: 32; Schäfer-Ernst 2002: 59) 2. Bis zu einer bestimmten Gruppengröße (ca. 20 Teilnehmer) werden alle Anwesenden gegrüßt. (Lermer 2003: 49; Naumann 2004: 31, ähnlich: Lüdemann 2007: 31) 3. Wer nicht jeden persönlich grüßt, nickt wenigstens freundlich. (Naumann 2004: 31) 4. Selbstbewusste grüßen zuerst. (Naumann 2004: 32) 5. Hierarchisch niedrigere Personen grüßen hierarchisch höhere Personen: Männer grüßen Frauen, Jüngere grüßen Ältere, Unerfahrene grüßen Erfahrene, Gäste grüßen den Gastgeber, Fremde grüßen die Bekannten des Gastgebers, Ausländer grüßen Inländer (Schäfer- Ernst 2002: 59, ähnlich: Lermer 2003: 50, Lüdemann 2007: 30 f.) 6. Jeder Gruß muss erwidert werden. (Naumann 2004: 32; Schäfer-Ernst 2002: 60) 7. Der Gastgeber muss auf jeden Fall begrüßt werden. (Naumann 2004: 32) 8. Ein freundlich-offener Ausdruck ist wichtiger als die Grußformel. (Schäfer-Ernst 2002: 58) 9. Beim Grüßen sollte man Augenkontakt herstellen und freundlich lächeln. (Hesse/ Schrader 2003: 26; Müller-Weiden 2002: 85) 10. Der Gruß sollte gut hörbar sein. (Hesse/ Schrader 2003: 27). Während in den Ratgebern von Naumann (2004) und Lermer (2003) mehrere allgemeine Regeln zum Grüßen aufgestellt werden, gibt es auch Ratgeber, die darauf vollständig verzichten (z. B. Märtin/ Boeck 2000). Verbreiteter sind dagegen unterschiedliche Grußbzw. Vorstellungsschemata. Sie werden als Formel (Hesse-Schrader 2003: 26; Märtin/ Boeck 2000: 57) oder Fahrplan (Bonneau 2005a: Punkt 14.) bezeichnet. Der damit angedeutete Rezeptcharakter - Handlungsalternativen werden kaum gegeben - wird durch die Verwendung von Abkürzungen (vgl. Kap. V.3.2) bestärkt: 209 Bonneau (2005a), Degen (2002), Fischer (2004), Hesse/ Schrader (2003), Kessler (2007), Lasko (2004), Lermer (2003), Lermer (2004), Lüdemann (2007), Märtin/ Boeck (2000), Märtin (2006a), Müller/ Weiden (2002), Naumann (2004), Schäfer-Ernst (2002) und Watzke-Otte (2007). 210 Die Regeln werden sinngemäß zitiert und einheitlich unpersönlich formuliert. 147 1. BASF-Einstiegsformel (Hesse-Schrader 2003: 26): Beobachten/ Blickaufnahme/ Begrüßung - Anfangen/ Ansprechen/ Anrede - Statement abgeben - Frage stellen. 2. Begrüßung mit BISS (Kessler 2007: 52): Begrüßen - Ich bin - Stellung (in der Firma) - Situationsbrücke 3. Die vierteilige Begrüßung (Lermer 2003: 51): Gruß - Aufmerksamkeitssignal - Name und eventuell Angaben zur eigenen Person - „Situationsbrücke“ (= Bezugnahme zum Anlass) 4. GNA-Formel (Märtin/ Boeck 2000: 57 f.; Märtin 2006a: 32 f.): Gruß - Name - Aufhänger 5. Gru-Na-The (Müller/ Weiden 2002: 84 f.): Gruß - Name - Thema bzw. Aufhänger 6. Gruß - Vorstellung - Köder (Naumann 2004: 33) 7. GNFI (Schäfer-Ernst 2002: 57 ff.): Gruß - Name - Information - Frage Wie sich dieser Aufstellung entnehmen lässt, raten die Autoren entweder zu einem drei- (4., 5., 6.) oder viergliedrigen (1., 2., 3., 7.) Schema. Es handelt sich dabei jedoch nicht um zwei unterschiedliche Ansätze: Im dreigliedrigen Schema sind lediglich die letzten beiden Aspekte des viergliedrigen Schemas zusammengefasst. Damit sind die Ratschläge zum Vorstellen in diesem Punkt sehr einheitlich. 211 Im Folgenden soll knapp auf die unterschiedlichen Elemente des Gruß-Schemas eingegangen werden. a) Gruß Selten werden die unterschiedlichen Grußformeln explizit thematisiert; die Autoren gehen wahrscheinlich davon aus, dass die Leser wissen, welche es gibt und welche passend ist. Wenn Grußformeln genannt werden, dann wird nicht weiter nach der Situation oder dem Gesprächspartner differenziert: [...] eine Begrüßungsformel, zum Beispiel „Guten Tag“, „Guten Morgen“, „Hallo“, „Hi“ genügt - und der Anfang ist gemacht. (Müller/ Weiden 2002: 85). Ob zu einem solchen Gruß auch ein Handschlag gehört, wird kaum thematisiert und stellt wohl in den Augen der Autoren kein nennenswertes (Smalltalk-? )Problem dar. Lediglich fünf Ratgeber geben diesbezüglich überhaupt Regeln, die sich vor allem auf die Initiierung, Reihenfolge und Ausführung des Handschlags beziehen: 211 Obwohl sowohl Fischer (2004: 30) als auch Watzke-Otte (2007: 79) kein explizites Gruß- Schema vorstellen, finden sich auch bei ihnen die Elemente Gruß, Name und Aufhänger. Im Beispiel von Fischer (ebd.) wird jedoch entgegen der verbreiteten Formel die Reihenfolge geändert: „Guten Abend! Das kalte Büfett, das uns die Gastgeber hier auftischen, ist wirklich ausgezeichnet, vor allem die hervorragenden italienischen Antipasti. Haben Sie die schon probiert? Die hat der Hausherr meines Wissens selbst gemacht. Ich heiße übrigens Jürgen Waldbrunn.“ 148 1. Ob man sich die Hände schüttelt, ist je nach Situation zu beurteilen. (Lüdemann 2007: 30) 2. Eine ausgestreckte Hand darf niemals abgelehnt werden. (Bonneau 2005a: Punkt 43.) 3. Die hierarchisch höher stehende Person entscheidet, ob und wem sie die Hand gibt. (Bonneau 2005a: Punkt 43.; Kessler 2007: 23; Schäfer- Ernst 2002: 60) 4. Gastgeber reichen ihren Gästen unabhängig vom eigenen Rang die Hand. (Bonneau 2005a: Punkt 43.) 5. Wenn die Rangfolge unter den Gästen bekannt ist, wird die „Nummer eins“ zuerst mit Handschlag begrüßt. (Bonneau 2005a: Punkt 43.) 6. Bei einer kleinen Runde werden möglichst alle mit Handschlag begrüßt. (Lermer 2003: 50) 7. Der Händedruck darf bestimmt, aber nicht zu stark sein. (Lermer 2003: 50) 8. Beim Handschlag schaut man seinem Gegenüber in die Augen. (Lermer 2003: 50) b) Name Fast alle Autoren sprechen sich dafür aus, bei der Vorstellung sowohl den Vornamen als auch den Nachnamen zu nennen (Hesse/ Schrader 2003: 27; Lasko 2004: 26; Märtin/ Boeck 2000: 58; Märtin 2006a: 32; Müller/ Weiden 2002: 85; Schäfer-Ernst 2002: 60 f.; Watzke-Otte 2007: 79). Als zusätzlichen Tipp schlägt Schäfer-Ernst (2002: 61) die James-Bond-Formel vor: Man soll den Namen, mit dem man angesprochen werden will, doppelt nennen, also entweder „Mein Name ist Kaiser, Manuela Kaiser“, wenn man gerne mit dem Nachnamen angesprochen werden möchte, oder „Ich heiße Gerhard, Gerhard Müllerfeld“, wenn man den Vornamen bevorzugt. Lasko (2004: 26) rät pauschal, den Vor- und Nachnamen gleich zweimal zu nennen, um die Merkfähigkeit zu steigern und Hesse/ Schrader (2003: 27) geben konkrete Vorgaben zur Formulierung der Namensnennung: „Ich bin Paul Schröder.“ Das ist schlicht und einfach. „Ich heiße...“ klingt sehr nach Vorstellungsrunde, geht zur Not aber auch noch. „Mein Name ist ...“ scheint dem Englischen „My name is ...“ nachempfunden zu sein und hört sich im Deutschen etwas unbeholfen an. Nur bei Degen (2002: 143) bleibt die Frage Den Vornamen nennen - ja oder nein? letztlich unbeantwortet: Es bleibt selbstverständlich jedem unbenommen, sich nur mit dem Nachnamen vorzustellen. Für den, der sich nur mit Nachname wohl und sicher fühlt, ist es gewiss sinnvoller, 149 den Vornamen wegzulassen, als sich nun auf Teufel komm raus auf das Nennen des Vornamens zu trimmen und dabei an innerer Sicherheit einzubüßen. (ebd. 144) Fischer (2004: 64) ist die einzige Ratgeberautorin, die ein geschlechtsspezifisches und etwas altertümliches Verbot ausspricht: Die Dame stellt sich niemals vor, sie wird vorgestellt. c) Aufhänger Der Aufhänger (auch: Anknüpfungspunkt, Köder, Statement, Frage, Interesse) soll helfen, das Gespräch in Gang zu bringen. Manche Autoren (z. B. Hesse/ Schrader 2003: 28 f.) unterscheiden noch einmal zwischen Statement („Ich habe mit Hendrik in Heidelberg Medizin studiert“) und anschließender Frage („Und woher kennen Sie Hendrik Hansen? “). Auch hier sind die Ratschläge auf die typische Party-Situation ausgerichtet und ziemlich einheitlich wird geraten, zu thematisieren, woher man selbst den Gastgeber kennt bzw. woher der andere ihn kennt oder welchen Bezug man zur Veranstaltung hat (Fischer 2004: 31; Hesse/ Schrader 2003: 28f; Märtin/ Boeck 2000: 58; Naumann 2004: 34; Schäfer-Ernst 2002: 61). Naumann (2004: 34) schlägt außerdem als Aufhänger das Wetter, ein Kompliment oder einen konkreten Bezug zum Ort der Veranstaltung, z. B. wo man Essen und Getränke findet, vor. Wenn man eine bestimmte Funktion innehat, kann man diese gut in die Vorstellung einbringen (Ich bin die Schwester des Bräutigams und hier beim Polterabend für die Getränke zuständig. Bonneau 2005a: Punkt 14.). Einen fast schon stereotypen „Universalaufhänger“ nennt Lermer (2004: 26, ähnlich: Naumann 2004: 34): Sie tun so, als ob Sie die Person, die Sie kennen lernen möchten, schon einmal gesehen haben. Fragen Sie: „Kennen wir uns nicht vom letzten Fest? “ Nicht bei allen Autoren sollen Begrüßung und Vorstellung direkt in einen Smalltalk münden; besonders bei Veranstaltungen mit vielen unbekannten Menschen wird vielmehr geraten, erst eine Begrüßungsrunde (mit den entsprechenden Aufhängern) zu absolvieren, um dann später noch einmal auf die Leute zurückzukommen, die von besonderem Interesse sind. Dann brauche man lediglich an den „alten“ Aufhänger anzuknüpfen (z. B. Naumann 2004: 35 ff.). Als Ergebnis kann für das Problem „Grüßen und sich vorstellen“ festgehalten werden, dass sehr einheitliche Ratschläge gegeben werden: Das dreibzw. viergliedrige Schema läuft in Hinblick auf Name (Vor- und Nachname) und Thema des Aufhängers (Bezug zum Gastgeber) weitgehend standardisiert ab. Die Dauer der Selbstvorstellung wird von den Autoren allerdings unterschiedlich eingeschätzt: Während Schäfer-Ernst (2002: 63) dafür zwischen knapp zehn Sekunden und maximal 30 Sekunden ansetzt, ist für Märtin/ Boeck (2000: 58) die Vorstellung bereits nach sieben bis neun Sekunden beendet. 150 7.6.2 Anschluss an eine Gruppe finden Auf einer gesellschaftlichen Veranstaltung, bei der man keinen kennt, bieten sich als Smalltalk-Partner Personen an, die nicht bereits in ein Gespräch vertieft sind. Wenn es jedoch keinen „freien“ Gesprächspartner gibt und sich vielmehr alle in Grüppchen unterschiedlicher Größen unterhalten, besteht das Problem, dass man als einziger Fremder außen vor bleibt. Wie gehen Sie vor, wenn Sie in eine Gesellschaft kommen, in der sich alle angeregt unterhalten? Sie werden sich hüten hereinzuplatzen, Ihren Namen laut zu verkünden und die ganze Runde aufhorchen zu lassen. (Lermer 2003: 57) 12 Ratgeber 212 thematisieren explizit unter einer eigenen Überschrift (z. B. Zu Gruppen Kontakt aufnehmen, Topf 2002: 38; Einstieg in Grüppchen, Degen 2002: 145) die Frage, wie man in eine sich unterhaltende Gruppe einsteigt. 213 Einige Ratgeber geben zunächst Ratschläge zur Auswahl der richtigen Gruppe. So sollten Personen, die sich in einem vertieften Gespräch befinden und etwa durch ihre Körperhaltung zum Ausdruck bringen, dass sie nicht gestört werden wollen (Köpfe sind zusammengesteckt, sie stehen mit dem Rücken zur Raummitte), keinesfalls gestört werden (Lermer 2004: 30; Watzke-Otte 2007: 80 f.). „Gute“ Gruppen zum „Andocken“ sind heterogene Zielgruppen (z. B. Männer und Frauen verschiedener Berufsgruppen), denn diese integrieren Hinzukommende leichter (Bonneau 2005a: Punkt 15.). Lasko (2004: 23) schlägt vor, sich bei der Wahl der Gruppe auf die „innere Stimme“ zu verlassen. Seltener wird geraten, ganz aktiv bzw. offensiv ein Gespräch zu unterbrechen, um in die Gruppe hineinzukommen (Bonneau 2005a: Punkt 15. Watzke-Otte 2007: 81). In den meisten Ratgebern findet sich vielmehr ein „diplomatischer Weg“. Um sich selbst in eine sich unterhaltende Gruppe hineinzubringen, wird von den meisten Ratgebern zu folgender Vorgehensweise geraten: 1. Man stellt sich in einiger Entfernung, aber schon in Hörweite auf (Bonneau 2005b; Degen 2002: 145; Naumann 2004: 121; Nöllke 2005: 166). alternativ: Man stellt sich direkt zur Gruppe dazu (Lasko 2004: 24; Lermer 2003: 58; Kessler 2007: 91; Märtin/ Boeck 2000: 161; Topf 2002: 38; Watzke-Otte 2007: 81). 2. Man schweigt, hört erst einmal dem Gruppengespräch zu und informiert sich über das Thema 214 (Degen 2002: 145; Lasko 2004: 24; 212 Bonneau (2005a; 2005b), Degen (2002), Kessler (2007), Lasko (2004), Lermer (2003), Lermer (2004), Märtin/ Boeck (2000), Naumann (2004), Nöllke (2005) Topf (2002) und Watzke-Otte (2007). 213 Da auf die Gruppengröße nicht eingegangen wird und auch Paargespräche in diese Kategorie fallen, sind Überschriften wie Einstieg in laufende Gespräche (Naumann 2004: 121) oder Sich in Gespräche einfädeln (Märtin/ Boeck 2000: 161) sogar passender. 151 Lermer 2005: 30; Kessler 2007: 91; Märtin/ Boeck 2000: 161; Nöllke 2005: 166; Topf 2002: 38). 3. Man signalisiert durch aktives Zuhören sein Interesse am Thema (Degen 2002: 145; Kessler 2007: 91; Lermer 2005: 30; Märtin/ Boeck 2000: 161 f.; Topf 2002: 38; Watzke-Otte 2007: 81). 4. Sobald ein günstiger Moment kommt, ergreift man das Wort (Degen 2002: 146; Kessler 2007: 91; Märtin/ Boeck 2000: 162; Naumann 2004: 122; Watzke-Otte 2007: 81). In den Ratgebern werden unterschiedliche Ratschläge gegeben, was man nun sagen soll: - die anderen grüßen und sich vorstellen (siehe oben) (Kessler 2007; Lermer 2003: 58) - erst einen Beitrag zum Thema liefern und sich dann vorstellen (Lermer 2003: 58) - einen Beitrag zum Thema liefern oder eine Frage zum Thema stellen (Nöllke 2005: 166; Märtin/ Boeck 2000: 162; Topf 2002: 39; Watzke- Otte 2007: 81) - dem Redner beipflichten (Märtin/ Boeck 2000: 162) - einen Rat erbitten, nach der Meinung fragen (Degen 2002: 147; Märtin/ Boeck 2000: 162; Naumann 2004: 122) - sich vom Wissen des Redners beeindruckt zeigen (Topf 2002: 39) Degen (2002: 147) sieht es als einen günstigen Moment an, in eine Gruppe einzusteigen, wenn man als „externer Experte“ zur Lösung eines Problems beitragen kann. Naumann (2004: 122) rät dagegen von solch einem Einstieg ab: Niemand lässt sich gerne belehren, auch wenn er nach der Information sucht. [...] Ein Außenstehender, der die Lösung auf dem Silbertablett serviert, verhält sich wie jemand, der einen Krimi verschenkt, aber auf Seite zehn einen Pfeil an die Seite malt und daneben schreibt: „Das ist der Mörder.“ Die korrekte Sachinformation ist auf der Beziehungsebene unerwünscht. Auch Nöllke (2005: 166) meint, dass man als Gruppenneuling sein eigenes Wissen nicht zu offensichtlich einbringen sollte, um nicht als unerwünschter Besserwisser (Lermer 2003: 146, ähnlich: Müller/ Weiden 2002: 90) zu gelten. Zudem wird die Frage, ob man sich an einzelne in der Gruppe wenden sollte (Bonneau 2005a; Lermer 2003: 57) oder aber die Gruppe als Ganze anspre- 214 Naumann (2004: 121) schlägt hier eine etwas andere Strategie vor: Während des Lauschens wenden Sie der Gruppe den Rücken zu und mustern das Bild an der Wand oder nippen gedankenverloren an Ihrem Glas. [...] Sobald Sie wissen, wovon die Rede ist, wenden Sie sich um, treten zu der Gruppe und stellen eine interessierte Frage [...]. 152 chen muss (Naumann 2004: 123), in den Ratgebern unterschiedlich beantwortet. Einen etwas anderen Weg, Zugang in eine Gruppe zu finden, schlägt Bonneau (2005a: Punkt 15.) vor: Man soll sich in eine Gruppe einladen lassen. Dazu stellt man sich ebenfalls in die Nähe der Gruppe und erwidert zufällige Blicke von Gruppenmitgliedern mit einem Lächeln oder Nicken. Die darauf folgenden nonverbalen Reaktionen des einzelnen Gruppenmitglieds interpretiert man als Einladung, geht auf diese Person zu und grüßt sie: Die angesprochene Person wird Sie entweder in die Gruppe einführen oder mit Ihnen zur Seite treten (ebd.). Auch in der hier vorgestellten Problemsituation werden typische „Ablaufrezepte“ verabreicht, die sich zum großen Teil decken: Die meisten Ratgeber raten zu einem aktiven Einstieg in das Gruppengespräch. 7.6.3 Plötzliche Stille überwinden Irgendwann kommt fast immer dieser Moment: Bei einem Fest haben Sie die Standardthemen Beruf, Hobby, Wohnung etc. abgehakt und der Gesprächsstoff geht Ihnen aus. Großes Schweigen - keinem fällt etwas Interessantes ein, obwohl jeder das Gefühl hat, dass ein paar Worte die Situation entspannen würden. (Hesse/ Schrader 2003: 74) Das Problem, dass plötzlich alle Gespräche (bes. in einer Gruppe) enden und eine unangenehme Stille herrscht, scheint verbreitet zu sein (vgl. Müller/ Weiden 2002: 76: Jeder kennt die Situation). Da Gemeinschaft durch das Gespräch entsteht (vgl. phatische Funktion von Smalltalk, Kap. IV.6.), ist plötzliche Stille für den Smalltalk gewissermaßen „tödlich“ (vgl. Kap. V.9.2). 9 Ratgeber 215 thematisieren explizit unter einer eigenen Überschrift dieses Problem (z. B. So überbrücken Sie Schweigepausen, Hesse/ Schrader 2003: 74 oder Wie verhalte ich mich, wenn die Konversation stockt, Topf 2002: 48). Einige Ratgeber „entschärfen“ zunächst das Problem, indem sie dem Schweigen einen Wert zuschreiben: Zunächst einmal ist eine solche Pause nichts Schlimmes - und bedenken Sie, dass gemeinsames Schweigen alles andere als peinlich, sondern ein Zeichen tiefer Vertrautheit sein kann, wenn sich zwei Menschen sehr gut kennen. (Degen 2002: 114, ähnlich: Topf 2002: 48) Da Smalltalk jedoch in der Regel mit Fremden stattfindet und Schweigen in dieser Situation ein unangenehmes Gefühl hervorruft, wird dazu geraten, keinesfalls darauf zu warten, dass andere aktiv werden (Hesse/ Schrader 2001: 44, ebenso: Hesse/ Schrader 2003: 74): Wer es jetzt schafft, das Schweigen zu brechen, darf sich der allgemeinen Sympathie sicher sein. (Märtin/ Boeck 2000: 113, ebenso: Müller/ Weiden 2002: 76). 215 Bonneau (2005a), Degen (2002), Hesse/ Schrader (2001), Hesse/ Schrader (2003), Kessler (2007), Märtin/ Beck (2000), Märtin (2006a), Müller/ Weiden (2002) und Topf (2002). 153 Die Ratschläge, wie das Schweigen zu brechen ist, differieren in den einzelnen Ratgebern deutlicher als bei den vorherigen Problemen: Es wird dazu geraten, eine Aussage in den Raum zu stellen oder eine Frage bzw. Aufforderung an eine bestimmte Person zu richten (Bonneau 2005a: Punkt 29.). Degen (2002: 114) konkretisiert dies etwas und rät, eine offene Frage zu stellen, die allerdings nicht gerade ein Wort oder eine Kurzinformation nach sich ziehen sollte, sondern schon Informationen fordert. In Bezug auf das bisher besprochene Thema ergeben sich dabei drei Möglichkeiten, die aber unterschiedlich bewertet werden: - eine Frage zum bisherigen Thema stellen (Kessler 2007: 69; Topf 2002: 49) - einen Nebenaspekt des bisherigen Themas wählen, der noch nicht weiter abgehandelt wurde (Degen 2002: 114 f.; Topf 2002: 49) - abrupt ein völlig neues Thema ansprechen (Märtin/ Boeck 2000: 113; Müller/ Weiden 2002: 76 f.; Topf 2002: 49) Bei Märtin/ Boeck (2000: 113) und Müller/ Weiden (2002: 76) wird explizit davor gewarnt, noch einmal das alte Thema anzusprechen. Da es in eine Schweigepause führte, scheint es ausreichend behandelt worden zu sein und kann deshalb nicht mehr zur Aktivierung des Gesprächs verwendet werden. Dagegen argumentiert Kessler (2007: 69): Wenn Sie einen Punkt ansprechen, den Ihr Gesprächspartner vorher erwähnt hat, können Sie sicher sein, dass er etwas dazu sagen kann und das Gespräch schnell wieder in Gang kommt. Als gute Themen, die auch spontan eingebracht werden können, werden genannt: Vergleiche (z. B. Männer-Frauen, früher-heute; Bonneau 2005a: Punkt 29.), Reisen (Bonneau 2005a: Punkt 29.), der Grund des Schweigens (Topf 2002: 48), dann allgemeiner: Komplimente, Witze und Anekdoten (Müller/ Weiden 2002: 77). Hesse/ Schrader (2001: 44 f., ebenso: Hesse/ Schrader 2003: 74 f.) sind die einzigen, die explizit vom Fragen zur Reaktivierung des Gesprächs abraten. Sie begründen es damit, dass die Ursache des Schweigens darin besteht, dass das Gegenüber vielleicht im Moment nicht das Bedürfnis hat, etwas zu sagen. Deswegen solle man lieber eine kurze Geschichte erzählen: Sprechen Sie besser über ein interessantes Ereignis der letzten Tage oder berichten Sie, worauf Sie sich in nächster Zeit besonders freuen. (Hesse/ Schrader 2001: 45). Im Vergleich zu den bisher dargestellten Problemen, gibt es bei der „plötzlichen Stille“ keinen Ablaufplan („Machen Sie erstens, zweitens, drittens...“), den der Ratsuchende abarbeiten kann. Die Ratschläge sind breit gestreut und widersprechen sich teilweise (z. B. Fragen stellen, Themenwechsel). 154 7.6.4 Themen wählen und Tabuthemen vermeiden Passende Gesprächsthemen für den Smalltalk sind ein Standardproblem, das in jedem Ratgeber thematisiert wird. Dabei wird das Problem besonders dringlich, wenn es sich beim Gesprächspartner um einen völlig Fremden handelt, mit dem man nicht auf eine gemeinsame, wenn auch noch so kurze gemeinsame Historie zurückblicken kann, an die man z. B. als Gesprächseinstieg anknüpfen könnte. In den Smalltalk-Ratgebern, wie auch im allgemeinsprachlichen Verständnis, wird unter Thema das, worüber man spricht (das W AS ? , der Gesprächsgegenstand, der propositionale Gehalt), verstanden. 216 Ein Thema wird dabei ziemlich einheitlich auf einer höheren Abstraktionsebene als ein konkreter Sachbereich bzw. als eine konkrete „Sachgruppe“ (z. B. „Urlaub“, „Beruf“, „Familie“ usw.) bestimmt. 217 Wie in Kap. IV.3. bereits deutlich wurde, stellt das Thema einen wichtigen Definitionsaspekt von Smalltalk dar. Schank (1977: 234) geht zunächst davon aus, dass im Smalltalk wie auch in einer Diskussion „grundsätzlich alle Themenklassen“ behandelt werden können. Diese Meinung spiegelt sich auch in der von mir durchgeführten Umfrage zum Smalltalk-Verständnis wider, wo sich in Bezug auf das Thema Formulierungen wie „alles, was es gibt“ oder „everything“ finden lassen. Adamzik (2004: 128) dagegen spricht von einer „ausgesprochenen Vorhersehbarkeit der Themen“ und meint, dass die „Bandbreite unverfänglicher Allerweltsthemen [...], die für small talk mit Fremden in Frage kommt, [...] sogar sehr begrenzt [ist]“. In den Ratgebern finden sich zwar ebenfalls Hinweise darauf, dass man prinzipiell über (fast) alles smalltalken kann (z. B. Naumann 2004: 101; Schäfer-Ernst 2002: 74), andererseits haben die Autoren sehr genaue Vorstellungen über geeignete Smalltalk-Themen. Diese sollten konfliktfrei, neutral bzw. positiv, im Idealfall interessant sein und jeder sollte etwas dazu sagen können. Für den folgenden Überblick über die geeigneten Smalltalk-Themen wurden nur diejenigen Kapitel in den Ratgebern ausgewertet, die sich mit der Themenwahl im Smalltalk befassen. Es war methodisch kaum möglich, sämtliche Kapitel zu berücksichtigen und etwa die Themen in den einzelnen Beispielen auszuwerten. Auch kann keine weitere Differenzierung danach vorgenommen werden, wie ausführlich ein einzelnes Thema in den Ratgebern behandelt wird. Durch die Beschränkung auf die Themen-Kapitel konnte zumindest sichergestellt werden, dass die Themen aufgenommen wurden, die die Autoren explizit als geeignet empfehlen. Die Kapitel tragen Überschriften wie Mit diesen Themen kommen Sie an (Lermer 2003: 59), Small- 216 In der sprachwissenschaftlichen Forschung existieren verschiedene Thema-Begriffe, von denen der satzbezogene (Thema-Rhema-Konzept) am weitesten vom allgemeinsprachlichen Verständnis entfernt ist. Zur Diskussion des Thema-Begriffs in der Sprachwissenschaft vgl. Adamzik (2004: 118 ff.). 217 Zu einer Einteilung des deutschen Wortschatzes in Sachgruppen vgl. Dornseiff (2004). 155 talk-Themen (Fischer 2004: 40) oder Du weißt etwas, was ich nicht weiß - Die erfolgreichsten Gesprächsthemen (Naumann 2004: 77). Lediglich in den Ratgebern von Lasko (2004) und Topf (2002) gibt es kein eigenes Kapitel, das sich ausschließlich mit passenden Themen für den Smalltalk auseinandersetzt. Die restlichen 21 Ratgeber nennen folgende Themen bzw. Sachbereiche 218 (nach Häufigkeit sortiert): - Wetter (14/ 21) - Kultur/ Kunst/ Musik/ Kino/ Literatur/ Film (13/ 21) - Essen und Trinken/ Kochen (13/ 21) - Reisen/ Urlaub (12/ 21) - Natur/ Haustiere/ Tiere und Pflanzen/ Garten (11/ 21) - Hobbys/ Freizeit (11/ 21) - Arbeit/ Beruf/ Ausbildung/ Studium (11/ 21) - Sport (10/ 21) - Wohnen/ Wohnort und Möbel/ Einrichtung (9/ 21) - Familie und Kinder (7/ 21) - Internet/ Computer/ Handy (7/ 21) - aktuelle Situation/ Naheliegendes (5/ 21) - Aktuelles/ Neuigkeiten/ Nachrichten (5/ 21) - Börse/ Wirtschaft/ Geldanlagen (4/ 21) - gemeinsame Bekannte (3/ 21) - Autos, Befinden/ Gesundheit, Einkaufen/ Konsum, Mode, Politik, Prominente, Wellness, Ziele/ Wünsche/ Träume (< 3/ 20) In Anlehnung an Schneider (1988: 15) können die Smalltalk-Themen in drei Gruppen zusammenfasst werden: deiktische Referenz (z. B. Wetter, aktuelle Situation/ Naheliegendes), Privatsphäre (z. B. Familie und Kinder, Hobbys/ Freizeit, Arbeit/ Beruf/ Ausbildung/ Studium) und Öffentlichkeit (z. B. 218 Vergleicht man die in den Ratgebern genannten Sachbereiche mit Dornseiffs (2004) Gliederung, so ist festzustellen, dass es sich in einigen Fällen um eine der 22 Hauptgruppen (z. B. bei „Essen und Trinken“ oder „Sport und Freizeit“), in andern Fällen jedoch um untergeordnete Subgruppen (z. B. „Familie“ zur Hauptgruppe „Zusammenleben“, „Internet“ und „Computer“ zur Hauptgruppe „Geräte, Technik“) handelt. Nicht immer werden in den Kapiteln zum Smalltalk-Thema jedoch solche Sachbereiche angegeben, sondern es finden sich auch Themenvorschläge wie Geheimtipps (Baur 2001: 47), Anekdoten (Müller/ Weiden 2002: 181) oder Lob (Watzke-Otte 2007: 91). Bei diesen geht es jedoch nicht um konkrete Inhalte, sondern eher um Darstellungsformen, die sich jeweils durch eine spezifische Funktion, einen spezifischen Aufbau oder charakteristische sprachliche Mittel auszeichnen. 156 Kultur/ Kunst/ Musik/ Kino/ Literatur/ Film, Aktuelles/ Neuigkeiten/ Nachrichten). Dass das Wetter als prototypisches Smalltalk-Thema das am häufigsten genannte Thema ist, überrascht nicht; dies ist auch in der Umfrage zum Smalltalkverständnis der Fall. 219 Es ist für den Smalltalk deswegen besonders geeignet, weil alle Gesprächsteilnehmer in gleichem Maße darauf Zugriff haben und in der Regel ein gleiches Informationsniveau besitzen. Zudem tragen Gespräche über das Wetter kaum Konfliktpotenzial und es ist normalerweise problemlos möglich, einen Konsens darüber zu erreichen, ob das Wetter gut oder schlecht ist (Watzke-Otte 2007: 85). Da sich der moderne Mensch vom Wetter emanzipiert hat, spielt es in den meisten Fällen (außer z. B. für den Landwirt) für die Bewältigung seines Alltags keine wesentliche Rolle (vgl. Klimaanlagen, Einkaufszentren usw.). Das Wetter ist außerdem omnipräsent und steht jederzeit als Gesprächsthema bereit. Es kann deswegen nicht nur als Gesprächseinstieg, sondern auch zum Füllen unangenehmer Pausen verwendet werden. Bei einem Gespräch über das Wetter werden kaum neue Informationen ausgetauscht. Deshalb ist dieses Thema in besonders hohem Maße ritualisiert (Coupland/ Ylänne-McEwen 2000: 171). 220 Jedes Thema zu kommentieren, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, und so soll nach der Analyse der Tabuthemen (siehe unten) lediglich auf ein paar Auffälligkeiten hingewiesen werden. Für eine eingehendere Themenanalyse könnte sich der Frame-Ansatz als fruchtbar erweisen. Schneider (1988: 240 ff.) konnte etwa am Beispiel von Gesprächen zwischen Einheimischen und Fremden nachweisen, dass die behandelten (Sub- )Themen stark vom Frame „Reise“ und seinen Elementen (z. B. Wohnort, Aufenthaltsort, Grund der Reise, Dauer des Aufenthalts usw.) beeinflusst werden. Wenn ein gutes Smalltalk-Thema sich dadurch auszeichnet, dass es konfliktfrei, neutral bzw. positiv besetzt ist und jeder etwas dazu beitragen kann, müssen folglich diejenigen Themen, die diesen Anforderungen nicht gerecht 219 Ein Vergleich der Ergebnisse aus den Ratgebern mit der deutschen Stichprobe zeigt, dass es hier viele Übereinstimmungen, aber auch ein paar andere Gewichtungen gibt: Wetter (40/ 61), Befinden/ Gesundheit (12/ 61), Neuigkeiten/ Aktuelles allgemein (12/ 61), Arbeit/ Beruf (11/ 61), Reisen/ Urlaub (8/ 61), Familie/ Kinder (7/ 61), Sport (6/ 61), Politik (6/ 61), gemeinsame Bekannte (5/ 61), Mode (4/ 61), Hobbys (4/ 61), Wirtschaft, Klatsch/ Tratsch, Prominente, Ort, Garten, Autos, Computer, Internet, Handy, Haustiere, Freunde, Liebe, Kochen, Verkehr, Tagesablauf, Essen und Trinken, kulturelle Ereignisse, Kino, Bücher/ Literatur (< 3/ 61). Die hohe Nennung von Befinden/ Gesundheit ist wohl auf die Frage Wie geht es Ihnen/ dir? zurückzuführen und wäre ein Beweis dafür, dass diese bei den Deutschen tatsächlich als eine „echte Frage“ verstanden wird (vgl. Kap. VI.2.3). 220 Eine ausführliche Analyse der englischen Smalltalk-Variante „weather talk“ bietet Schneider (1988: 212 ff.). 157 werden, „heikle“ Smalltalk-Themen bzw. sogar Tabuthemen 221 sein. Und so formulieren einige Autoren dann auch unabhängig von konkreten Sachbereichen, dass Nörgeleien und Negatives (Schäfer-Ernst 2002: 76), alles, was Ekel erregt, alles, was anstößig sein könnte, und alles, was zur Parteinnahme zwingt (Baur 2001: 43 f.) tabu sind. Außerdem warnen einige Autoren vor so genannten Lieblingsthemen, da dabei die Gefahr besteht, dass man ins Monologisieren (Lermer 2004: 42) oder Schwadronieren (Topf 2002: 65) gerät und der Gesprächspartner kaum eine Chance hat, sich gleichberechtigt ins Gespräch einzubringen. 222 Schäfer-Ernst (2002: 47) dagegen rät explizit zu solchen Herzblut-Themen. Bei denen könne man leidenschaftlich werden und es sage etwas über einem persönlich aus. Naumann (2004: 131) weist zu Recht darauf hin, dass bei den relativ globalen Themenempfehlungen - die er freilich selbst auch gibt - dennoch ein Restrisiko bleibt, dass der Smalltalk seine Leichtigkeit verliert: Jedes Thema kann ins Auge gehen: Die Qualität des Weins bei einem trockenen Alkoholiker; geheilter Krebs bei einem unheilbar Krebskranken, eine Beförderung, wenn ein Umstehender gerade entlassen wurde. Dennoch ist die Konfliktgefahr bei einigen Themen größer als bei anderen und so gibt es in 20 Ratgebern - nur Lasko (2004), Müller/ Weiden (2002) und Nöllke (2006) sind ausgenommen - eigene Kapitel, die Überschriften wie Themen, bei denen Sie Ablehnung riskieren (Bonneau 2002: 17) oder Diese Themen sollten Sie vermeiden - Tabus (Schäfer-Ernst 2002: 74) tragen. Ungeeignete Themen für den Smalltalk sind demnach: 223 - Politik (17/ 20) - Geld/ Vermögensverhältnisse (16/ 20) - Krankheiten/ Tod (14/ 20) - Persönliche Probleme (z. B. Eheprobleme, Geldsorgen usw.) (11/ 20) - Klatsch und Tratsch („Lästern“) (11/ 20) - Religion und Weltanschauung (9/ 20) - Sex(ualität)/ Intimes (6/ 20) 221 In den folgenden Ausführungen geht es um ungeeignete Smalltalk-Themen. Es wird zunächst keine zusätzliche Unterscheidung vorgenommen, ob es sich um absolute Tabuthemen (z. B. Nöllke 2005: 60), heikle (z. B. Bonneau 2005a: Punkt 10.; Topf 2002: 68) oder langweilige Themen (z. B. Topf 2002: 40) handelt. 222 Zur Gleichberechtigung der Gesprächspartner im Smalltalk vgl. Kap. IV.4. 223 Auf der Ebene der Darstellung werden unabhängig von bestimmten Sachbereichen vor allem Witze über bestimmte Gruppen (Behinderte, Frauen), Jammern, die Bitte um kostenlosen Rat von bestimmten Berufsgruppen (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte) und ungefragte Ratschläge als Tabus genannt. 158 - Kritik an/ Intoleranz gegenüber bestimmen (Berufs-)Gruppen (z. B. Behinderte, Ausländer, Frauen) (5/ 19) - Katastrophen/ Verbrechen/ Kriege usw. (5/ 20) - Beruf/ Geschäftliches (4/ 20) - Aussehen des Gesprächspartners, Familie, eigene Schwächen (< 3/ 20) In den Ratgebern werden bestimmte Themen unterschiedlich rigoros als Tabuthemen bezeichnet. Einige Autoren formulieren Verbote wie Diese Small- Talk-Themen müssen Sie unbedingt meiden (Nöllke 2005: 60), andere relativieren ihre Tabulisten, indem sie erläutern, dass es vor allem darauf ankommt, wie man über das Thema spricht (z. B. Lermer 2003: 89). Topf (2002: 68) rät sogar explizit dazu, heikle Themen bewusst einzusetzen: Es ist kein Fehler ein vermeintliches Tabuthema anzuschneiden. Ihrer Meinung nach kann mit dem richtigen Tabuthema wesentlich schneller eine Beziehung entstehen, als wenn man sich stundenlang mit belanglosen Themen abtastet. Auch Bonneau (2002: 77) will Mut zum Risiko machen. Schließlich könne man bei erhöhter Gefahrenlage einfach das Thema wechseln (ähnlich: Naumann 2004: 86). Einige Themen werden in den Ratgebern in Bezug auf ihre Smalltalk- Tauglichkeit unterschiedlich bewertet. So geben Hesse/ Schrader (2001: 128) zu bedenken, dass diejenigen, denen ihre Arbeit keinen Spaß macht, die Frage nach der beruflichen Tätigkeit nicht gerne beantworten. Und Bonneau (2005a: Punkt 10.) sieht eine Gefahr darin, dass man seine Gesprächspartner einseitig auf die Zugehörigkeit zu ihrer Berufsgruppe [festlegt] und etwa typische Vorurteile („Als Lehrerin haben Sie ja sowieso ständig Ferien.“) aktiviert. Auch in Bezug auf Klatsch und Tratsch sind sich die Ratgeber nicht einig: Während Bonneau (2002: 19, ähnlich: Schäfer-Ernst 2002: 76) ihn als absolut tabu bezeichnet und Lermer (2003: 138) den Leser sogar dazu aufruft, aktiv einzuschreiten, wenn der Klatsch zur üblen Nachrede wird, ist es für Hesse/ Schrader (2001: 146, ähnlich: Naumann 2004: 84) weltfremd, zum kompletten Verzicht auf das Tratschen aufzufordern. Sie raten aber dennoch zur Zurückhaltung. Das meist negative Reden über abwesende Dritte ist dann unproblematisch, wenn es sich um öffentliche Personen handelt („Prominenten-Klatsch“). Eigene Schwächen, Fehler oder Neurosen sind bei einigen Autoren Tabu (z. B. Topf 2002: 84 f.), andere raten dagegen sogar explizit dazu, Pleiten, Pech und Pannen (Märtin/ Boeck 2000: 40) in Anekdoten zu verpacken. Baur (2001: 64) sieht entgegen der Meinung vieler anderer Ratgeber- Autoren bestimmte Sexthemen als smalltalktauglich an: Sex im Smalltalk ist wie Pfeffer im Essen. Insgesamt stellen Politik und Geld in den Ratgebern die am häufigsten genannten Tabuthemen dar. Jedoch finden sich auch hier unterschiedliche Ansätze: Nöllke (2006: 18) stellt zwar fest, dass [i]m Allgemeinen [...] politische Themen beim Small Talk als tabu [gelten], relativiert aber wie Hesse/ Schrader 159 (2003: 137) diese Einschätzung etwas: Politik liefere sehr viel Gesprächsstoff und könne bei einem „gleichgesinnten“ Gesprächspartner ein durchaus brauchbares Smalltalk-Thema sein. Diese Einschätzung teilen auch die deutschen Probanden in der Smalltalk-Umfrage: Politik wurde immerhin 6 (von 61) Mal als geeignetes Smalltalk-Thema genannt. Laut Schäfer-Ernst (2002: 74) hat sich gerade der Bereich der gesellschaftlichen Tabus in den letzen Jahren deutlich verändert: So war früher Geld ein klares Tabu-Thema [...]. Heute gehört es dagegen schon fast zu den Standard-Themen, über Börsengeschäfte zu sprechen. Auch für Hesse/ Schrader (2003: 142) kann Geld ein Smalltalk-Thema sein: Je jünger die Gesprächspartner sind, desto eher wird auch über Geld gesprochen, und wenn Sie den anderen schon länger kennen, dürfen Sie schon einmal eine konkretere Frage zum Thema Geld stellen. Hier zeigt sich, dass die Frage nach den Tabuthemen eng mit dem Bekanntheitsgrad und dem Alter der Gesprächspartner verbunden ist. Ob ein Thema ein Tabuthema ist, hängt nicht vom Thema, sondern von der Gesprächsgruppe ab. (Topf 2002: 68). Am Beispiel der Ratschläge zur Themenwahl wird demnach besonders deutlich, welches Verständnis die Autoren von Smalltalk haben: Wer Smalltalk vor allem als Gespräch zwischen einander fremden Personen versteht, hält sich im Gegensatz zu denen, die Smalltalk auch unter Freunden ansetzen, mit Ratschlägen zum Einbringen möglichst persönlicher Themen eher zurück. Auch die Unterschiede zwischen freundschaftlichem, höflichem oder provokantem Smalltalk wirken sich auf die Themenvorschläge aus. Außerdem schlagen diejenigen Autoren, die unterschiedliche Situationen einzeln besprechen (z. B. Naumann 2004), je nach Situation unterschiedliche Themen vor und differenzieren stärker als diejenigen Autoren, die nur eine Aufzählung der Themen liefern (z. B. Portner 2003). Es ist dabei auch eine Frage des Buchumfangs, ob Smalltalk-Themen lediglich aufgelistet oder zusätzlich kommentiert werden. Trotz der aufgezeigten Unterschiede wird deutlich, dass in den Ratgebern ein ziemlich einheitlicher Kanon an Themen und Tabus angesprochen wird, der sich größtenteils auch in der Umfrage zum Smalltalk-Verständnis wiederfinden lässt. Beim Thema Politik scheint es allerdings eine Diskrepanz zu geben: Während die Ratgeber Politik im Allgemeinen nicht für smalltalktauglich halten, wird es in der Umfrage relativ häufig genannt. Eine Analyse authentischer Smalltalks könnte zeigen, wie das tatsächliche Sprachverhalten diesbezüglich einzuschätzen ist. 8. Tests und Übungen: Der aktive Leser Ein Element der Beratungseinheiten in den Smalltalk-Ratgebern, das in der Regel auch makrostrukturell greifbar ist, sind Tests und Übungen (vgl. Kap. V.6.). Bei den Übungen wie auch bei den Tests soll der Leser aktiv werden und seine rezeptive Leserrolle verlassen. So nimmt er bei den Tests eine Eva- 160 luation seines derzeitigen psychischen Zustands, seiner Einstellungen oder seiner Kenntnisse vor. Die Ratgebertests tragen Überschriften wie Welcher Smalltalk-Typ sind Sie? (Bonneau 2002: 8, ebenso: Bonneau 2005a: Punkt 2.; Märtin 2006a: 16), Wie ausgeprägt sind Ihre Small Talk-Fähigkeiten? (Portner 2003: 9) oder Können Sie wirklich zuhören? (Müller/ Weiden 2002: 52). Sie ähneln den aus (Frauen-)Zeitschriften bekannten Persönlichkeitstests, bei denen zutreffende Aussagen angekreuzt und im Anschluss ausgewertet werden. Eine solche Auswertung fehlt auch in den Ratgebern nie. Bei Bonneau (2005a: Punkt 2.; 2005b: 12 ff.) werden die Leser durch solch einen Test in Smalltalktypen eingeteilt, für die es dann unterschiedliche Ratschläge gibt: In dem einen ihrer beiden Ratgeber (2005a) unterscheidet sie zwischen aufgabenorientierten und beziehungsorientierten Abzw. B-Typen; in dem anderen (2005b) gemäß der LIFO ® -Methode in Analytiker, Berater, Networker und Vorreiter. Häufiger noch als Tests finden sich in den Smalltalk-Ratgebern Übungen. Die beiden Ratgeber von Lermer verstehen sich sogar explizit als „Trainingsbuch“ (Lermer 2003 224 ) bzw. „Small Talk Trainer“ (Lermer 2004) und leiten zu 69 bzw. 51 Übungen an. An diesen Beispielen wird deutlich, dass der Einsatz von Übungen die Ratgeber in die Nähe des unterrichtsmäßigen Modus (vgl. Kap. III.6.) rückt, genauer: in die Nähe von Kommunikationstrainings. Der genuine Ort der Übung ist nämlich der Unterricht. Übung ist demnach im Duden Großwörterbuch (1999: 4046) definiert als „Material u. Anleitung zum Üben von im Unterricht Gelerntem, Übungsaufgabe, Übungsstück“. Ihr Sinn ist also das „Wiederholen von Lernhandlungen zur Leistungssteigerung bzw. -automatisierung“ (Arnold/ Schreiner 2006: 326). Aus der Sicht der Lehr-Lern-Forschung wird durch das Üben die Speicherung im Langzeitgedächtnis und die Reproduktion von sprachlicher Information (deklaratives Wissen) und Handlungen (prozedurales Wissen) ermöglicht (ebd.). Im Gegensatz zu den Schülern im Unterricht und zu den Teilnehmern an Trainings kann der Leser bei der Auswertung bzw. Erfolgskontrolle seiner Übungen nicht auf professionelle Hilfe zurückgreifen. Das können die Ratgeber auch kaum leisten, da die Ausführungen der Übungen zu individuell sind. So ist es auch nicht verwunderlich, dass fast alle Autoren auf Lösungen zu ihren Übungen verzichten. Die einzige Ausnahme bilden die Ratgeber von Watzke-Otte (2007) und Lermer (2003; 2004), der jedoch in Bezug auf seine Lösungsvorschläge zur Orientierung einräumt: Ihre Lösung muss natürlich nicht genauso aussehen, vielmehr kommt es auf Ihre Kreativität an [...] (Lermer 2004: 6). Das, was in den Ratgebern explizit als Übung bezeichnet wird, umfasst unterschiedliche Aufgaben, die dem Leser gestellt werden. Lermer (2003: 9) unterscheidet für seinen Ratgeber folgende Übungstypen: 224 In diesem Ratgeber ist es sogar vorgesehen, dass der Leser bei einigen Übungen ins Buch schreibt; es finden sich entsprechende Leerzeilen. 161 - Formulierungsübungen, die Sie zuerst schriftlich machen, dann aber auch mündlich „vortragen“ können. - Anleitungen zu Rollenspielen und Partnerübungen, die Ihnen helfen sollen, Gesprächsstrategien direkt einzuüben, - Übungen zur Selbstanalyse (etwa zu Ihrer Sprechweise) sowie - Körperübungen zu Haltung, Atmung und Stimmbildung. Aus dieser Auflistung kann man einige Kriterien abstrahieren, mittels derer die Übungen systematisiert werden können: Medium (mündlich, schriftlich), Methode (Einzelarbeit, Partnerarbeit, Stillarbeit, Rollenspiel usw.), Inhalt (Formulierungen, Körpersprache, Gesprächsstrategien usw.), Ziel 225 (Selbstreflexion, Verhaltensänderung usw.) und Handlungsform (Tat-, Denk-, Sprachhandeln; vgl. Weinrich 2003: 272). Neben „Trockenübungen“ (Simulationen) gibt es „Praxisübungen“ mit realen Smalltalk-Partnern. Dabei sind [a]nonyme Situationen [...] besonders gut geeignet, um Smalltalk zu üben (Fischer 2004: 53, ähnlich: Lüdemann 2007: 23). Das sind Situationen (z. B. Warten auf den Bus), in denen „nichts auf dem Spiel steht“ und der Gesprächspartner eine fremde Person ist, die man höchstwahrscheinlich nicht mehr treffen wird. Die hier vorgestellten Kriterien für eine Klassifikation der Übungen soll an einem Beispiel illustriert werden: Setzen Sie sich mit einem Übungspartner zusammen und sagen Sie mit Grabesstimme und trübsinniger Miene: „Wie schön, dich zu sehen! “. Wie kommt das bei Ihrem Gegenüber an? (Schäfer-Ernst 2002: 29) Diese „Trockenübung“ ist eine mündliche Partnerarbeit zum Thema Diskrepanz zwischen Sagen und Meinen und verfolgt das Ziel, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass verbales, paraverbales und nonverbales Verhalten zusammenpassen müssen. Die Übung erfordert vor allem Sprachhandeln. In der Smalltalk-Umfrage wurde auch nach der Sinnhaftigkeit von Smalltalk-Ratgebern gefragt (siehe Anhang). Dabei begründeten sieben US- Amerikaner eine Ablehnung solcher Ratgeber damit, dass Smalltalk besser in der Praxis gelernt würde (vgl. auch die Kritik der Leser in Kap. V.10.). Den Buchautoren sind die Grenzen ihrer Ratgeber auch durchaus bewusst: Sie können noch so viele Ratgeber lesen - davon allein wird Ihr Small Talk-Verhalten nicht besser. Small Talk lernen Sie nur beim Small Talk! (Topf 2002: 116) Die Übungen in den Ratgebern fokussieren deshalb auf bestimmte Einzelaspekte (z. B. Stimme trainieren, Assoziationen zu Themen finden, Gesprächsbarrieren überwinden), die für eine Optimierung des Gesprächsverhaltens relevant sind und automatisiert werden sollen. Meine Arbeit kann in Bezug auf die Rezeptionsforschung zu den (Smalltalk-)Ratgebern lediglich einige Impulse geben. Eine eigens darauf ausgeleg- 225 Wenn das Ziel der Übung vom Autor nicht explizit formuliert wird, muss es unter Umständen aus dem Kontext erschlossen werden. 162 te Untersuchung müsste sich unter anderem damit beschäftigen, ob die Leser der Ratgeber die Übungen auch tatsächlich durchführen. 9. Smalltalk-Maximen In den Smalltalk-Ratgebern werden viele konkrete, aber auch eher allgemeine Ratschläge gegeben, die auf einer bestimmten Normvorstellung der Autoren vom optimalen Smalltalk beruhen. Dementsprechend müssten sich Smalltalk-Maximen als „spezifische[r] Hintergrund“ (Rolf 1994: 8) der Gesprächsregeln aus den Ratgebern herausfiltern lassen. Als besonders fruchtbar haben sich in diesem Zusammenhang die in den Ratgebern thematisierten problematischen oder unerwünschten Smalltalk-Partner herausgestellt: Es handelt sich dabei um Beispiele für Verstöße gegen die Smalltalk- Maximen. Dem Leser werden dann Ratschläge gegeben, wie er auf solche „undemonstrativischen Verletzungen“ (Grice 1979: 253) zu reagieren hat. 9.1 Grices Konversationsmaximen im Smalltalk Die immer noch aktuelle Diskussion um Konversationsmaximen 226 wurde vom Sprachphilosophen Paul Grice in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts angestoßen. Dabei stellt das Kooperationsprinzip („Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“, Grice 1979: 248) die Basis für die daraus abzuleitenden Konversationsmaximen dar. 227 Diese lassen sich vier Kategorien zuordnen (ebd. 249 f.): 226 Die Bedeutung von engl. conversation und dt. Konversation deckt sich nicht (vgl. Müller 1988: 354 f.). Es wäre deswegen eigentlich angemessener im Deutschen von Gesprächsmaximen oder Kommunikationsmaximen zu sprechen. In der Sprachwissenschaft hat sich jedoch Konversation (z. B. auch in Konversationsanalyse) als Übersetzungsanglizismus mit seiner weiteren englischen Bedeutung eingebürgert (siehe Glück 2005). 227 „Unter einer Maxime versteht man einen Satz, der sowohl Grundsatz als auch Vorsatz ist für sittlich-wertvolles Handeln“ (Wagner 2001: 67). Während Maximen nicht implizieren, daß man sich an ihnen durchgängig orientiert, lassen Prinzipien letzteres erwarten. „Prinzipien lassen eine (man möchte fast sagen: prinzipiell) höhere Verbindlichkeit erwarten als Maximen“ (Rolf 1994: 168). In der Forschung allerdings werden Maxime, Prinzip, Strategie, Regel, Norm, Konvention u. a. uneinheitlich und teilweise synonym verwendet. Zu einem Abgrenzungsvorschlag vgl. Kindt (2001). 163 I. Quantität 1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig. 2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig. II. Qualität Versuche deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist. (Supermaxime) 1. Sage nichts, was du für falsch hälst. 2. Sage nichts, wofür dir die angemessenen Gründe fehlen. III. Relation Sei relevant. IV. Modalität Sei klar. (Supermaxime) 1. Vermeide Dunkelheit deines Ausdrucks. 2. Vermeide Mehrdeutigkeit. 3. Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit). 4. Der Reihe nach! Tab. 8: Konversationsmaximen nach Grice (1979) Diese Maximen hat Grice (1979: 250) hinsichtlich eines „maximal effektiven Informationsaustausch[s]“ formuliert. Er war sich dessen bewusst, dass sein System nicht allen Kommunikationszwecken Rechnung tragen kann. Da Smalltalk in Kap. IV. unter anderem dadurch definiert wurde, dass aufgrund seines phatischen Charakters nicht der Austausch von Informationen, sondern der Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen das primäre Kommunikationsziel ist, ist also zu diskutieren, ob die oben genannten Maximen für den beziehungsorientierten Smalltalk überhaupt eine Rolle spielen. 228 Klein (1997) überträgt Grices Theorie auf die massenmediale Unterhaltungskommunikation. 229 Da sich diese gerade nicht durch Informationsvermittlung auszeichnet, kann Kleins Theorie auch für den Smalltalk von Bedeutung sein. Klein will jedoch seine „Kategorien der Unterhaltung nicht additiv zu den Kategorien der Informationskommunikation hinzustellen, sondern [versucht,] für beide ein gemeinsames theoretisches Fundament zu finden“ (ebd. 177). Grices Maximen sind als Sprechermaximen für einen kooperativen Sprecher formuliert, „der erwünschte bzw. zu vermeidende Wirkungen beim Gegenüber antizipativ berücksichtigt“ (ebd. 180). So können die Maximen zentralen Dimensionen des rezipientenseitigen mentalen Verarbeitungsprozesses zugeordnet werden, die dann auch für die Unterhaltungskommunikation gültig sind: Die Maximen der Informativität (I.1 und I.2) entsprechen 228 Im Ratgeber von Lermer (2003: 108) wird sogar explizit auf das Kooperationsprinzip und die Relevanzmaxime eingegangen und deren Bedeutung für den Smalltalk dargestellt. Der Name Grice findet sich allerdings nicht, auch nicht im Literaturverzeichnis. 229 Der Begriff Unterhaltung ist mehrdeutig und kann sowohl im Sinne von ‚jmdn. unterhalten’ (‚entertainment’), als auch im Sinne von ‚sich mit jmdm. unterhalten’ (‚talk’) verwendet werden. Auf Smalltalk treffen sogar beide Wortbedeutungen von Unterhaltung zu: So wird zum einen Unterhaltung als eine deutsche Entsprechung für Smalltalk verwendet, zum anderen ist für Lermer (2003: 66) die oberste Maxime [des Smalltalks, K.K.]: Sie müssen Ihre Zuhörer unterhalten. 164 der quantitativen Angemessenheit an die Verarbeitungskapazität, die Maximen der Wahrheit (II.1 und II.2) der Angemessenheit an das Verarbeitungsziel, die Maxime der Relevanz (III.) der Angemessenheit an die Focus- Präferenz und die Maximen der Klarheit (IV.1-4) der Angemessenheit an die strukturelle Verarbeitungskapazität. Kleins Ansatz ist also ein Versuch, Grices Maximen zu systematisieren und somit eine Übertragung auch auf andere Formen der Kommunikation zu ermöglichen. In der folgenden Tabelle wurden Grices Maximen den Verarbeitungsdimensionen zugeordnet und durch Kleins unterhaltungsbezogene Parallelreihe ergänzt. Dimension der mentalen Verarbeitung Informationskategorien (Grice) Unterhaltungskategorien (Klein) Quantitative Angemessenheit an die Verarbeitungskapazität (= Quantität) Informativität Abwechslung Angemessenheit an das Verarbeitungsziel (= Qualität) Wahrheit Unbeschwertheit Angemessenheit an die Focus- Präferenz (= Relation) Relevanz Interessantheit Angemessenheit an die strukturelle Verarbeitungskapazität (= Modalität) Klarheit Eingängigkeit Tab. 9: Gegenüberstellung von Informations- und Unterhaltungskategorien nach Klein (1997: 182) Aus den Dimensionen der mentalen Verarbeitung lassen sich ebenfalls sprecherorientierte Maximen für die Unterhaltung ableiten (vgl. Klein 1997: 185): I. Maxime der Quantität: „Mache deine Präsentation abwechslungsreich! “ II. Maxime der Qualität: „Vermeide in deiner Präsentation moralisch oder emotional Belastendes! “ III. Maxime der Relation: „Präsentiere Interessantes! “ IV. Maxime der Modalität: „Gestalte deine Präsentation eingängig! “ Nach Klein (ebd. 183) ist der wesentliche Unterschied zwischen der Informations- und der Unterhaltungsfunktion, dass sich die Unterhaltungskommunikation nicht durch Wissensorientierung, sondern durch Entspannungsorientierung auszeichnet. Auch dem Smalltalk könnte man Entspannung als Verarbeitungsziel zuschreiben (vgl. z. B. Topf 2002: 85), wobei es sich weniger um die eigene, als vielmehr eine auf die Mitmenschen bezogene, soziale Entspannung handelt, für die der Ausdruck Harmonisierung wohl passender ist. Harmonisch kann eine Beziehung nur dann sein, wenn beide Seiten aktiv dazu betragen. Schneider (1988: 157) geht davon aus, dass mit Ausnahme des Kooperationsprinzips Grices Maximen nur von sekundärer Bedeutung sind, er be- 165 gründet diese Annahme aber nicht. Im Folgenden sollen Grices Konversationstheorie und Kleins Parallelentwurf anhand der Ratgeber für den Smalltalk überprüft und modifiziert werden. a) Kooperationsprinzip Das Kooperationsprinzip kann nur dann eine Handlungswirksamkeit besitzen, wenn die Gesprächspartner den „akzeptierten Zweck oder [die] akzeptierte[n] Richtung des Gesprächs“ (Grice 1979: 248) auch kennen. Grice (ebd.) geht davon aus, dass der Zweck oder die Richtung eines Gesprächs entweder von Beginn an festgelegt sind oder sich erst während des Gesprächs herausbilden. Sie können außerdem „ziemlich bestimmt sein oder so unbestimmt, daß sie den Teilnehmern ganz beträchtlichen Spielraum lassen.“ Als Beispiel für ein Gespräch mit unbestimmtem Ziel nennt er die „zwanglose Konversation“, die als Synonym für Smalltalk gewertet werden kann (vgl. Hesse/ Schrader 2003: 27, 66). Es ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer an einem Smalltalk seinen Zweck zumindest unbewusst kennen, auch wenn er seltener direkt verbalisiert wird (z. B. „Ich möchte Sie kennen lernen...“) als etwa der einer Diskussion („Ich bin der Meinung, dass...“). Es gibt im Smalltalk eine stillschweigende Vereinbarung (Naumann 2004: 126) zwischen den Gesprächspartnern und ungeschriebene[...] Regeln (Hesse/ Schrader 2001: 34). So ist den Gesprächspartnern klar, dass man sich im Smalltalk etwa unkooperativ verhält, wenn man einen öffentlichen Zank vom Zaun bricht (Naumann 2004: 126). Verbale Angriffe kommen im Smalltalk nicht vor, wenn die Beteiligten sich an die Spielregeln halten. (Bonneau 2002: 105). Die soziale Kontaktpflege als Ergebnis des Smalltalks ist nicht möglich ohne eine gewisse Harmonie zwischen den Gesprächspartnern. Diese müssen sich dementsprechend so verhalten, dass etwa Streit oder Beleidigungen vermieden werden (siehe oben: „soziale Entspannung“). Das Kooperationsprinzip gilt also, wie Schneider (1988: 157) vermutet, nicht nur für aufgabenbzw. informationsorientierte Gespräche, sondern ebenso für den beziehungsorientierten Smalltalk. 230 Das Prinzip wie auch die daraus abzuleitenden Maximen sind dabei stets für beide Gesprächspartner gültig, denn schließlich nehmen die Gesprächspartner abwechselnd die Sprecherrolle ein. Ein Smalltalk mit Menschen, die das Kooperationsprinzip überhaupt nicht beachten, 230 Die Autoren Lasko (2004) und Müller/ Weiden (2002) vertreten einen aggressiven, fast schon egoistischen Smalltalk, der auch auf Kosten des Gesprächspartners gehen darf und dessen oberste[s] Gebot [ist], in einer Unterhaltung nicht unterzugehen (Müller/ Weiden 2002: 201). Das Kooperationsprinzip erkennen diese Autoren im Smalltalk nicht an und ihre Ratschläge sind größtenteils sogar explizit gegen Harmonie ausgerichtet (z. B. Streiten Sie um Wissen und Worte, Lasko 2004: 131). Damit widersprechen diese Ratgeber in einigen Punkten den hier diskutierten Maximen, die allerdings von der deutlichen Mehrheit der Ratgeber-Autoren vertreten werden. Im Folgenden wird die Mehrheitsmeinung der Ratgeber-Autoren dargestellt. Gegenläufige Meinungen einzelner Autoren werden jedoch bei den entsprechenden Maximen in Fußnoten erwähnt. 166 ist nicht möglich. In den Ratgebern wird deswegen bei massiven Verstößen gegen dieses Prinzip zum Abbruch des Gesprächs geraten (z. B. Lermer 2003: 134). b) Maximen der Quantität An Grices Maximen der Quantität („Mache deinen Beitrag so informativ wie nötig.“ und „Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig.“) wird besonders deutlich, dass er als Gesprächszweck den Austausch von Informationen vor Augen hat. Für den Smalltalk gelten diese Maximen so nicht, denn es ist etwa durchaus üblich, über ein banales Thema zu sprechen oder sogar offensichtliche Tatsachen (z. B. Wetter) zu verbalisieren, die unter Umständen keinerlei Neuigkeitswert haben: Bei einem smalltalktauglichen Thema geht es um nichts - außer darum, miteinander ein angenehmes Gespräch zu führen. (Nöllke 2005: 61). Dementsprechend sind Intellektuelle (Baur 2001: 125), Neunmalkluge, Missionare und Hobbyexperten [...], die jede Öffentlichkeit nutzen um ihr Wissen an die Frau oder den Mann zu bringen (Naumann 2004: 162), im Smalltalk problematische Gesprächspartner. Klein setzt für die Unterhaltungskommunikation als Kategorie der Quantität „Abwechslung“ an und formuliert als Maxime „Mache deinen Gesprächsbeitrag abwechslungsreich.“ Im Gegensatz zur Informationskommunikation ist bei der „Unterhaltungskommunikation die Verarbeitungsmenge weniger bestimmt durch kognitive Vernetzungsoperationen, die u. U. mit der Bereitschaft zu großen kognitiven Anstrengungen verbunden sein können, sondern durch die Aktivierung der Fähigkeit, den Wechsel von (mehr oder weniger großen) Reizmengen als angenehm wahrzunehmen, ohne sie tieferen Verarbeitungsebenen zuzuführen [Hervorhebung im Original, K.K.]“ (Klein 1997: 184). Dies trifft ebenso auf Smalltalk zu: Da Smalltalk „leicht“ und „unbeschwert“ sein soll, wird dazu geraten, die Themen nur oberflächlich zu behandeln und relativ zügig zu wechseln: In einem wohltemperierten, leichten Gespräch hält man alles im Flachen, man diskutiert nichts aus. Ein Thema wird nur angeschnitten, ein wenig hin- und hergewendet und dann leitet irgendeine Bemerkung zu etwas anderem über. (Fischer 2004: 35) Kleins Maxime der Abwechslung könnte für den Smalltalk aber auch noch anders interpretiert werden: Da Klein vor allem die massenmediale Einwegkommunikation im Blick hat, spielen für ihn die in einem Gespräch üblichen Sprecher-Hörer-Wechsel keine Rolle. Im Smalltalk sind diese Rollenwechsel aber von besonderer Bedeutung: Bei einem gelungenen Smalltalk müssen die Gesprächspartner abwechselnd sprechen, d. h., die Gesprächsbilanzen der einzelnen Sprecher müssen quantitativ ausgeglichen sein (vgl. Degen 2002: 97). Ist dies nicht der Fall, gilt der Smalltalk als gestört. Dementsprechend werden unter den problematischen, unerwünschten Smalltalkpartnern auf der einen Seite die Schweiger (z. B. Naumann 2004: 175), auf der anderen Seite aber die Quasselstrippe[n] (Topf 2002: 77) oder Selbstdarsteller, die jede Unterhaltung als Ein-Mann-Stück betrachten (Märtin/ Boeck 2000: 133) ge- 167 nannt. In beiden Fällen gerät die geforderte Symmetrie des Gesprächs (Märtin/ Boeck 2000: 135) aus dem Gleichgewicht. c) Maximen der Qualität Prinzipiell scheinen die Qualitätsmaximen („1. Sage nichts, was du für falsch hältst.“, „2. Sage nichts, wofür dir die angemessenen Gründe fehlen.“) auch für den Smalltalk zu gelten und so wird etwa in Bezug auf Komplimente zur Wahrhaftigkeit bzw. Aufrichtigkeit 231 geraten: Sie müssen das, was Sie sagen, in Ihrem Inneren auch wirklich meinen, sonst könnte es leicht passieren, dass Ihre Komplimente als Schleimerei oder gar als Beleidigung aufgefasst werden. (Lasko 2004: 46) Die Aufrichtigkeit des Sprechers meint „die Übereinstimmung zwischen der inneren Einstellung des Sprechers und der Proposition des geäußerten Sprechaktes“ (Wagner 2001: 55). Um im Smalltalk aufrichtig agieren zu können, werden unter anderem Vermeidungs- und Auswahlstrategien vorgeschlagen: Wir sprechen nur über das, was wir an den anderen mögen - davon aber mit aller Wahrhaftigkeit. (Naumann 2005: 125). Für manche Autoren steht jedoch der Erhalt der „Entspannung“ bzw. Harmonie über der Forderung nach Wahrhaftigkeit: Ausflüchte und Notlügen, taktische Rückzüge und geheuchelte Begeisterung sind das Schmieröl im zwischenmenschlichen Getriebe. In den meisten gesellschaftlichen Situationen ist freundliche Unaufrichtigkeit für alle Beteiligten wohltuender als aufrichtige Unfreundlichkeit. (Märtin/ Boeck 2000: 111) Eine größere Rolle als die Wahrhaftigkeit bzw. Aufrichtigkeit scheint in den Ratgebern jedoch die Glaubwürdigkeit zu spielen (vgl. Schäfer-Ernst 2002: 28; Nöllke 2005: 71, 107). Glaubwürdigkeit lässt sich [...] begreifen als eine Eigenschaft, die dem Sprecher vom Hörer zugeschrieben/ verliehen wird, und zwar aufgrund der Erfahrungen des Hörers mit dem Verhalten des Sprechers im Bereich Sprechen und Handeln. (Wagner 2001: 50) Als Zeichen für eine geringe Glaubwürdigkeit kann etwa der Umstand bewertet werden, dass die Körpersprache der verbalen Kommunikation widerspricht (z. B. Portner 2003: 61). Kleins Unterhaltungskategorie „Unbeschwertheit“ mit der dazu gehörigen Maxime „Vermeide [...] moralisch oder emotional Belastendes! “ passt ebenfalls auf jeden Smalltalk: Smalltalk ist positiv, locker, leicht (Schäfer-Ernst 2002: 76). Wird gegen die Maxime der Unbeschwertheit verstoßen, indem 231 Wagner (2001: 51 ff.) versteht Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit als zwei unterschiedliche Begriffe. Wahrhaftigkeit ist für ihn ein Oberbegriff von Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Ursprünglichkeit und Echtheit (ebd. 57). Eine solch differenzierte Terminologie ist hier nicht notwendig und die Termini Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit werden in der Allgemeinsprache synonym verwendet (vgl. dazu die Einträge im 10-bändigen Duden 1999). 168 z. B. ein unangenehmes Thema aufkommt, so wird geraten, sein Unbehagen direkt auszudrücken und zum Themenwechsel aufzurufen (z. B. Märtin/ Boeck 2000: 115). Menschentypen wie Moralapostel (Bonneau 2005a: Punkt 37.) sind demnach im Smalltalk als Gesprächspartner ebenso unerwünscht wie Tiefernste (Baur 2001: 137). d) Maxime der Relation Grices Maxime der Relation („Sei relevant! “) steht wiederum im Zusammenhang mit dem Ziel der maximalen Informationsvermittlung. Für die Unterhaltungskommunikation und den Smalltalk spielt sie nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn Lermer (2003: 108) davon spricht, dass im Smalltalk alle Beiträge relevant sein sollen. Klein verwendet stattdessen die Kategorie „Interessantheit“ („Präsentiere Interessantes! “), die sich auch in den Ratgebern nachweisen lässt: Ein Smalltalk-Thema sollte idealerweise interessant sein (vgl. Kap. IV.3.). Dabei ist es wichtig, die Perspektive seines Gesprächspartners zu beachten: Nicht (nur) die eigenen Interessen, sondern vor allem die des Gesprächspartners sollten berücksichtigt werden; gemeinsame Interessen sollten erhoben und thematisiert werden (Nöllke 2005: 21). Das Gegenteil von Interessantheit ist Langeweile. 232 So sind Langweiler (Topf 2002: 78) im Smalltalk auch nicht erwünscht. Die Einhaltung der Interessantheitsmaxime darf z. B. mit folgenden Worten eingefordert werden: „Peter, uns interessiert nicht so sehr, wie das Dorf hieß, uns interessiert brennend, was denn nun [...] herausgekommen ist! Bitte erzähl es uns doch! “ (Topf 2002: 78) Die Maxime der Interessantheit ist für den Erstkontakt mit Fremden oder für die Phase des Gesprächsbeginns bei bereits bekannten Personen nicht relevant. Das oberste Ziel ist es, überhaupt ein Gespräch zu beginnen, und dafür ist es durchaus akzeptabel, über Banales und Offensichtliches (z. B. Wetter, aktuelle Situation) zu sprechen. 232 Für die Ratgeberautoren Lasko (2004), Müller/ Weiden (2002) und Hesse/ Schrader (2001, 2003) scheint Interessantheit über dem Smalltalkziel der sozialen Entspannung zu stehen: Für sie hängt Harmonie und Langeweile zusammen; wer Harmonie sucht, ist quasi notwendigerweise langweilig. Da für diese Autoren jedoch ein interessantes Gespräch wichtiger ist, raten sie zu den sonst eher umstrittenen Strategien, die Langeweile verhindern sollen: andere aus der Reserve locken, den Gesprächspartner bewusst provozieren, Geheimnis herauslocken usw. Dafür ist vor allem der Einsatz von Humor und Ironie notwendig. Diese Art des humorvollen, provokanten Smalltalks wird meist nur den fortgeschritteneren Smalltalkern empfohlen, die bereits über genügend Erfahrung verfügen, einschätzen zu können, wann der leichte Smalltalk in eine Beleidigung oder einen Affront umkippen könnte oder der Smalltalker zum unerwünschten Selbstdarsteller (Märtin/ Boeck 2000: 133), Possenreißer oder Witzbold (Bonneau 2005a: Punkt 38.) wird. 169 e) Maximen der Modalität Die Kategorie der Modalität bezieht sich nach Grices (1979: 250) Aussage „nicht (wie die vorausgegangenen Kategorien) darauf, was gesagt wird, sondern wie das, was gesagt wird, zu sagen ist.“ Man könnte die Maximen der Modalität mit den in der Stilistik diskutierten Stilprinzipien vergleichen und tatsächlich gibt es hier einige Übereinstimmungen: Nickisch (1969) nennt als ältere Stilprinzipien u. a. „Deutlichkeit“ (vgl. 1. und 2. Modalitätsmaxime „Vermeide Dunkelheit des Ausdrucks“, „Vermeide Mehrdeutigkeit“), „Kürze“ (vgl. 3. Modalitätsmaxime „Sei kurz! “) und „Ordnung“ (vgl. 4. Modalitätsmaxime „Der Reihe nach! “). In der Stilistik werden noch weitere Stilprinzipien wie „Angemessenheit“ 233 , „Natürlichkeit“, „Lebendigkeit“ und „Individualität“ diskutiert (vgl. Nickisch 1969), die Grice nicht explizit nennt. Seine Liste der Modalitätsmaximen versteht er allerdings auch nicht als abgeschlossen, denn „möglicherweise braucht man noch andere [Modalitätsmaximen, K.K.]“ (Grice 1979: 250). Rolf (1994: 223) geht davon aus, dass die Modalitätsmaximen für „sämtliche Arten des Sprachgebrauchs gleichermaßen gelten, daß die in ihnen geforderte Klarheit Sprechakttypenübergreifend, daß die in ihnen thematisierte Verständlichkeit ubiquitär ist [Hervorhebungen im Original, K.K.].“ Dagegen gilt für Lakoff (1979: 62 f.) die Kategorie Klarheit ausschließlich für die Informationsvermittlung und gerade nicht für eine beziehungsorientierte Kommunikation. Dort sei sie inadäquat: […] only a relatively few contexts are appropriate for Clarity-based contributions, and that anyone who makes use of Clarity under other conditions, or at any rate does so persistently, is considered - not a particularly admirable member of the culture, still less an extremely effective communicator - but rather, someone distinctly aberrant, or at worst psychotic. (ebd. 64) Auch für Kleins Unterhaltungskommunikation sind Grices Modalitätsmaximen nicht gültig; er setzt dafür die Kategorie „Eingängigkeit“ („Gestalte deine Präsentation eingängig! “) an. Denn bei den Unterhaltungsangeboten „geht es nicht um eine kognitive Kosten-Nutzen-Relation, sondern darum, den kognitiven Aufwand prinzipiell gering zu halten zugunsten des emotionalen Ertrags“ (Klein 1997: 184). So spiele etwa die 4. Modalitätsmaxime („Der Reihe nach! “) in Slapsticks oder Büttenreden, die „erhebliche chaotische Züge“ (ebd.) tragen, keine Rolle. Da Klein die Kategorie „Eingängigkeit“ nicht weiter ausführt, bleibt sie letztlich vage und kann so kaum für den Smalltalk herangezogen werden. Das ist auch gar nicht nötig, denn Grices Modalitätsmaximen finden sich explizit auch in den Smalltalk- 233 Auch in den Ratgebern wird Angemessenheit als Maßstab (Schäfer-Ernst 2002: 24) thematisiert: Bereits die Antike kennt das ‚aptum’, die Angemessenheit, als Kriterium für gelungene Kommunikation. Das bedeutet, ein guter Smalltalker verhält sich in unterschiedliche Richtungen angemessen: sich selbst gegenüber [...] dem Gesprächspartner gegenüber [...] hinsichtlich der Situation [...] in Bezug auf den Rahmen [...]. In der Stilistik wird „Angemessenheit“ auch als Oberprinzip bezeichnet (Asmuth 1991: 29). 170 Ratgebern: Sprechen Sie im Smalltalk generell kurz, klar und unkompliziert (Lermer 2003: 154) und [m]eiden Sie Weitschweifigkeit (Topf 2002: 76). Selbst die Ordnungsmaxime ist in den Ratgebern nachweisbar: Nacheinander statt durcheinander (Fischer 2004: 93). 9.2 Höflichkeitsmaximen im Smalltalk Grice (1979: 250) erwähnt nur am Rande, dass in einem Gespräch nicht nur seine Konversationsmaximen wirken: „Natürlich gibt es alle möglichen anderen Maximen (ästhetischer, gesellschaftlicher oder moralischer Natur), wie etwa ‚Sei höflich’, die von den Gesprächsteilnehmern normalerweise ebenfalls beachtet werden [...].“ Andere Wissenschaftler haben sich mit diesen „anderen Maximen“ befasst. Leech (1995: 79) z. B. setzt neben das Kooperationsprinzip ein Höflichkeitsprinzip mit entsprechenden Maximen und Edmonson/ House (1981: 47) schlagen sieben „conversational maxims“ vor, die zeigen, wie man bei seinem Gegenüber als netter Mensch wahrgenommen werden kann („how to be a nice guy”). Die größte Rezeption aber haben die Höflichkeitsstrategien von Brown/ Levinson (1987) erfahren, bei denen in Anlehnung an Goffmans (1955, 1972) „face work“ zwischen positiver und negativer Höflichkeit unterschieden wird. Setzt man ein Höflichkeitsprinzip und entsprechende Maximen an, so bleibt zu klären, in welcher Relation sie zu Grices Maximen stehen: Ergänzen oder ersetzen die Höflichkeitsmaximen Grices Konversationsmaximen? Sind die Höflichkeitsmaximen den Konversationsmaximen über-, unter- oder nebengeordnet? Die Forschung hält hier unterschiedliche Antworten bereit (vgl. Norrik 1981: 186). Brown/ Levinson (1987: 95) stellen zwar fest, dass die Höflichkeitsstrategien zunächst den Konversationsmaximen von Grice zu widersprechen scheinen, seine Maximen auf einer tieferen Ebene jedoch weiterhin gültig bleiben. Die vorliegende Arbeit stellt leider keinen passenden Rahmen dar, um in diese Thematik tiefer einzusteigen, 234 jedoch will sie Anregungen dazu geben, welche Prinzipien und Maximen für den Smalltalk gültig sein könnten, da man diese z. B. in den Ratgebern finden kann. Es soll in diesem Kapitel vor allem auf die Vorarbeit von Schneider (1988) zurückgegriffen werden. Für Schneider (1988: 157) ist Smalltalk „governed by social maxims”, von denen die wichtigste „Be polite! ” ist. 235 Basierend vor allem auf den theoretischen Vorarbeiten von Leech (1995), Brown/ Levinson (1987) und seinen eigenen Smalltalk-Analysen schlägt er folgende „Politeness Maxims for Phatic Discourse“ vor: 234 Für eine entsprechende Diskussion siehe Brown/ Levinson (1987: 4 f.). 235 Dass Höflichkeit für Smalltalk eine Rolle spielt, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt (vgl. Kap. IV.9.): Small Talk ist eine unverfängliche, höfliche Konversation (Lermer 2003: 33). 171 A) Politesse: Avoid offence! (supermaxim) B) Friendliness: Be friendly! (supermaxim) I. Speech Avoid silence! 236 Say something nice! II. Person Avoid curiosity! Show interest! III. Union Avoid conflict! Create common ground! IV. Emotion Avoid pessimism! Be optimistic! Tab. 10: Höflichkeitsmaximen der phatischen Kommunikation nach Schneider (1988: 157) Wie bereits bei den bisher diskutierten Konversationsbzw. Unterhaltungsmaximen lassen sich auch für Schneiders Maximen der „Politesse“ (mit der Supermaxime „Avoid offence! “) in den Ratgebern problematische Gesprächspartner nachweisen: Für die Maxime „Avoid silence! “ findet sich der Schweiger (z. B. Bonneau 2005a: Punkt 35., Naumann 2004: 175) und der Schweigsame (Müller/ Weiden 2002: 92), 237 für die Maxime „Avoid conflict! “ Querulanten (Baur 2001: 135), Störer (Lermer 2003: 144), Stänkerer (Lermer 2003: 146) und die Kontroversen (Märtin/ Boeck 2000: 137) und für die Maxime „Avoid pessimism! “ Negaholiker (Naumann 2004: 165), Miesmacher (Baur 2001: 131), Jammerer und Lamentierer (Bonneau 2005a: Punkt 37.). Nur für die zweite Maxime „Avoid curiosity! “ lässt sich kein Menschentyp finden, obwohl sich der Großteil der Autoren gegen ein (systematisches) Ausfragen des Gesprächspartners ausspricht: „Wer ausfragt, ist out.“ (Degen 2002: 115, ähnlich: Bonneau 2002: 19, Lermer 2003: 102, Nöllke 2005: 67). Da sich in den Ratgebern allerdings auch die gegenläufige Meinung finden lässt - Fragen Sie einfach weiter, bis Sie genau wissen, was er warum, wozu, wann, mit wem macht. (Topf 2002: 44 ebenso: 22, 82, ähnlich: Hesse/ Schrader 2003: 35) - scheint die Maxime „Vermeide Neugier! “ im Vergleich zu den anderen im Smalltalk weniger verbindlich zu sein. 238 Statt der Maxime „Say something nice! ” findet sich in den Ratgebern die noch allgemeinere Formulierung Sprechen Sie positiv! (Lermer 2003: 155, ähnlich: Fischer 2004: 35), die man sowohl auf das Thema (angenehme Erlebnisse) als auch auf die Wortwahl (nur positiv konnotierte Wörter) beziehen kann. Die Maxime „Show interest! “ ist eine Maxime, die sich auf den Gesprächspartner bezieht: Es gilt das Prinzip „Interesse zeigen! “: Legen Sie den Fokus des Gesprächs auf Ihr Gegenüber und seine Vorlieben (Schäfer-Ernst 2002: 236 Diese Maxime ist nicht konsequent formuliert, denn die korrespondierende positive Maxime lautet nicht „Say something! “; die erste Maxime müsste vielmehr „Avoid anything negative/ annoying etc.“ lauten. 237 Die Maxime „Avoid silence! “ darf jedoch auch nicht überstrapaziert werden, denn ein zu langer Redebeitrag ist ebenfalls unerwünscht und Personen, die sich so verhalten, werden den unbeliebten Smalltalktypen Dauerredner (Naumann 2004: 159) oder Vielredner (Lermer 2003: 134, 166) zugeordnet. 238 Schäfer-Ernst (2002: 26) stellt in ihrem Ratgeber fest: Ohne Neugier geht nichts. Sie meint damit allerdings nicht Ausfragen, sondern natürliche Neugier im positiven Sinn. Das ist wohl nichts anderes als Interesse. 172 68). Obwohl sich im Gegensatz zu dieser partnerbezogenen Maxime Kleins Kategorie der „Interessantheit“ („Präsentieren Sie Interessantes! “) auf das Gesprächsthema bezog, hängen diese beiden Maximen zusammen: Der Sprecher kann sein Interesse am anderen Gesprächspartner nicht nur dadurch zeigen, dass er ihm Fragen stellt, sondern auch, indem er Themen anspricht, die den anderen interessieren. Die Maxime „Create common ground! “ ist in den Ratgebern stark vertreten. So wird etwa darauf hingewiesen, dass es besonders unter Fremden wichtig ist, zunächst einmal behutsam die Gemeinsamkeiten auszuloten (Fischer 2004: 48) und das Verbindende [zu] suchen (Lermer 2003: 68). Ganz allgemein soll man im Smalltalk so lange wie möglich bei den Gemeinsamkeiten [bleiben] und [...] alles Trennende [umgehen] (Naumann 2004: 42 f.). Die Maxime „Be optimistic! “ - die positive Entsprechung zu „Avoid pessimism! “ - ist für den Smalltalk von besonderer Bedeutung. So gehen etwa Hesse/ Schrader (2003: 19) davon aus, dass Smalltalk nur dann gelingt, wenn die Grundeinstellung freundlich, optimistisch und wohlwollend ist. Man darf seinen Optimismus allerdings auch nicht übertreiben, da man ansonsten zur unerwünschten Stimmungskanone (Naumann 2004: 169) wird. Fischer (2004: 27) allerdings warnt ebenfalls davor, die positive Grundstimmung im Smalltalk zu übertreiben, denn Euphorie und Smalltalk, das ist im Grunde ein Widerspruch. Für sie lebt [das Gespräch] vielmehr von distanzierter, höflicher Aufmerksamkeit und gegenseitigem Interesse (ebd. 29). 9.3 Synthese: Das Harmonieprinzip und seine Maximen Basierend auf den theoretischen Ansätzen von Grice (1979), Klein (1997) und Schneider (1988), die in den beiden vorangegangenen Kapiteln anhand der Ratgeber für den Smalltalk überprüft und teilweise modifiziert wurden, möchte ich abschließend ein Modell für Smalltalk-Maximen vorschlagen, wie es sich aus der Mehrzahl der Ratgeber ableiten lässt. Auf der Ebene von Grice Kooperationsprinzip kann für den Smalltalk ein Harmonieprinzip angesetzt werden mit dem Ziel des Aufbaus oder der Pflege der sozialen Beziehungen zwischen den Gesprächspartnern. Ihm sind die folgenden Smalltalk-Maximen untergeordnet, die in Grices Tradition sprecherorientiert 239 formuliert sind. 239 Als einer der wenigen hörerorientierten Maximen im Smalltalk könnte man „Höre aktiv zu! “ ansetzen. 173 A) Fördere Harmonie B) Vermeide Disharmonie I. Gesprächsbeitrag 1.Länge (Quantität) 2.Inhalt (W AS ? Qualität und Relation) 3.Ausdruck (W IE ? Modalität) Sag etwas! Präsentiere Interessantes! z. B. Sei kurz! Der Reihe nach! Vermeide lange Monologe! Vermeide Belastendes! z. B. Vermeide Mehrdeutigkeit und Dunkelheit des Ausdrucks! II. Sprecher 1.Information 2. Emotion Sei persönlich! Sei optimistisch! Vermeide Selbstzentriertheit! Vermeide Euphorie! III. Gesprächspartner Zeige Interesse! Vermeide Neugier! IV. Sprecher-Hörer- Beziehung Suche Gemeinsamkeiten! Vermeide Konflikte! Tab. 11: Harmoniemaximen für den Smalltalk In Anlehnung an das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (1981: 25 ff.) sind die Maximen vier Kategorien zugeordnet: dem Gesprächsbeitrag, der Person des Sprechers, der Person des Gesprächspartners und der Beziehung zwischen Sprecher und Hörer. Die bisher diskutierten (modifizierten) Konversations-, Unterhaltungs- und Höflichkeitsmaximen wurden entsprechend neu systematisiert. Dabei wurden aus den Ratgebern zwei weitere Maximen - „Sei persönlich! “ und „Vermeide Selbstzentriertheit! “ - hinzugefügt, die weder Grice noch Klein oder Schneider angesprochen haben. Sie bestimmen, wie viele Informationen der Sprecher zu seiner eigenen Person im Smalltalk weitergeben soll. 240 Eingestreute Informationen über die eigene Person gehören zu den wichtigsten Wegbereitern für ein flüssiges Gespräch. […] Geizen Sie deshalb auch Ihrerseits nicht mit persönlichen (aber nicht intimen) Informationen über sich selbst. (Märtin/ Boeck 2000: 63, ähnlich: Fischer 2004: 34, Müller/ Weiden 2002: 192) Um nicht zum Selbstdarsteller (Naumann 2004: 159) zu werden, darf man sich allerdings im Small Talk [...] nicht wichtiger nehmen als seine Mitmenschen. (Hesse/ Schrader 2001: 20). Lermer (2003: 163) gibt dazu den Rat Stellen Sie den anderen in den Mittelpunkt! Die Maximen der Harmonie (A) und Disharmonie (B) stehen entweder in aber- oder in und-Relationen zueinander: 240 Ungeklärt ist allerdings, was jeweils unter „Sei persönlich“ verstanden wird. Wie das Kap. VI. zeigt, gibt es nämlich ganz unterschiedliche Schichten an persönlichen Informationen, die je nach Gesprächspartner und kulturellem Hintergrund im Smalltalk akzeptiert bzw. sogar erwartet werden. 174 I.1. A aber B: „Sag etwas, aber vermeide lange Monologe! “ (ebenso: II.1 und II.2., III.) I.2. A und B: „Präsentiere Interessantes und vermeide Belastendes! “ (ebenso: I.3, IV.) Während bei der aber-Relation durch B die Gültigkeit von A beschränkt wird und dadurch verhindert wird, dass diese Maxime überzogen ausgeführt wird, 241 sind bei der und-Relation sowohl A als auch B gleichermaßen gültig. Die in den Ratgebern viel zitierte „Kunst des Smalltalks“ scheint letztlich darin zu bestehen, diese Smalltalk-Maximen in den unterschiedlichen Situationen jeweils der Gesprächsituation angemessen zu interpretieren. Welche Themen als belastend bzw. interessant aufgenommen werden oder ab wann etwa ein Gesprächsbeitrag zu lang ist, hängt nämlich von der persönlichen Auffassung jedes Einzelnen ab. 10. Bewertung der Smalltalk-Ratgeber durch Kundenrezensionen Die sprachwissenschaftliche Analyse von Sprach- und Kommunikationsratgebern mündet in der Regel in eine wissenschaftliche Kritik an diesen Büchern (so etwa bei Bremerich-Vos 1991). Ich will hier einen etwas anderen Weg gehen und die Werturteile über diese Bücher den Lesern selbst überlassen. Da diese in der Regel sprachwissenschaftliche Laien sind, wird damit einer neueren Forderung der linguistischen Sprachkritik entsprochen, die „den Laien mit seinen sprachthematisierenden und sprachkommentierenden Äußerungen deutlich auch zum Subjekt von Sprachkritik erhoben [hat].“ (Neuland 1996: 111). Solche Bewertungen finden sich z. B. in so genannten Kundenrezensionen, 242 die etwa im Internetbuchhandel Amazon eingesehen werden können. 243 241 Linke (1988: 139 f.) macht für die Anstandslehren ähnliche Beobachtungen: „Beschrieben werden hier jeweils nur die beiden Pole einer Skala, aber erst wenn man den idealen Balancepunkt dazwischen gefunden hat, erfüllt man die Norm. […] Es ist folgerichtig eine Frage des Erspürens, welche Verhaltensweise jeweils passend ist, und wer hier das richtige Gespür entwickelt, beweist, daß er dazugehört.“ 242 Der Terminus wird nicht nur für Bücher verwendet, sondern auch für ganz unterschiedliche Produkte wie Computerspiele, Musik-CDs oder elektronische Geräte. Ob die Bezeichnung Rezension auch für Konsumgüter aller Art passend ist, ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht zumindest fraglich (vgl. dazu die Definition von Rezension bei Zillig 1982: 199). Alternative, umfassendere Bezeichnungen für judizierende assertive Textsorten, die der Informationsvermittlung dienen und zusätzlich ein „beurteilendes ‚Element’“ enthalten (Rolf 1993: 190), sind nicht ohne Weiteres zu finden. Rolf (ebd. 190 ff.) listet für Sachverhalte und Sachverhaltsdarstellungen durch einen Fachmann Gutachten und Beurteilung auf, für „Produkte des Kulturbetriebs“ (ebd. 191) nennt er Besprechung, Rezension und Kritik (zur Unterscheidung vgl. Thim-Mabrey 2001b: 5 ff.). Für die Beurteilung von anderen Produkten bzw. Gegenständen hat er jedoch keine ei- 175 Der Internetbuchhandel stellt mit den Kundenrezensionen ein „öffentliches Forum zur Verfügung, über das [der Kunde] Meinungen zu [seinen] Lieblingsprodukten (und auch über Produkte, die [er] nicht so sehr schätz[t]) äußern [kann]“ („Rezensionsrichtlinien“ von Amazon 244 ). Jeder Kunde hat die Möglichkeit, mithilfe eines Formulars eine Rezension zu verfassen, die dann auf der entsprechenden Produktinformationsseite erscheint. In den Rezensionsrichtlinien wird um die Einhaltung diverser „Grundsätze“ gebeten (z. B. Vorgaben zu Länge, 245 Stil 246 und Inhalt, 247 Verbot faschistischer, rassistischer, antisemitischer Äußerungen). „Kritiken, die diesem Leitfaden nicht entsprechen, werden nicht veröffentlicht oder können jederzeit von der [...] Website entfernt werden“ („Rezensionsrichtlinien“ von Amazon). 248 Abb. 2: Beispiel für eine Kundenrezension gene Kategorie; eine eventuell anzusetzende Bezeichnung Testbericht würde den Beurteilungscharakter vernachlässigen. 243 Als eine weitere Quelle für Bewertungen könnten wissenschaftliche und populärwissenschaftliche bzw. journalistische Rezensionen herangezogen werden. Für Sprach- und Kommunikationsratgeber sind diese Rezensionen jedoch selten und können kaum systematisch recherchiert werden (vgl. Löffler 2001: 70). 244 Online abrufbar unter: http: / / www.amazon.de/ gp/ help/ customer/ display.html/ 303-9187832-2076230? ie=UTF8&nodeId=3471171, gesehen am 08.09.2006. 245 100-500 Wörter, keine Ein-Wort-Bewertungen, keine Wörter mit mehr als 35 Zeichen. 246 Keine Schimpfwörter, Obszönitäten. „Eine Produktbeurteilung, die auf eine gepflegte Wortwahl und Ausdrucksweise aufbaut, weckt Interesse und Vertrauen. Bleiben Sie stets konstruktiv und sachlich“ („Rezensionsrichtlinien“ von Amazon). 247 Das Produkt soll im Vordergrund stehen, keine Auflösungen, entscheidende Momente oder Details verraten. 248 Amazon gab auf eine Anfrage hin keinerlei Informationen zu den Rezensionen, weder in Bezug auf die Zensur, noch in Bezug auf die verkaufsfördernde Wirkung. 176 Eine Kundenrezension bei Amazon ist folgendermaßen aufgebaut (vgl. Abb. 2): Zunächst wird angezeigt, wie viele Leser diese Rezension hilfreich fanden; die Möglichkeit zur Abstimmung („War diese Rezension für Sie hilfreich? “ - „Ja/ Nein“) findet sich am Ende jeder Rezension. Eine Bewertung nach Sternen (min. 1, max. 5) gibt einen Überblick über die Gesamtbewertung des rezensierten Produkts, wobei die Überschrift meist ebenfalls für eine Kurzbewertung genutzt wird. Der Rezensent kann dann selbst entscheiden, wie er als Autor im Netz erscheinen soll (anonym, vollständiger Name, Ortsangabe, E-Mail, Link auf eine eigene Seite). Der Grundtext der Rezension kann relativ frei gestaltet werden, wird jedoch durch die „Grundsätze“ (siehe oben) geregelt. Die Kundenrezension als ein Untertyp der Textsorte Rezension wurde bisher sprachwissenschaftlich noch nicht in den Blick genommen; die wissenschaftliche Rezension dagegen ist gut untersucht. Zillig (1982: 199), der sich mit wissenschaftlichen Rezensionen zu sprachwissenschaftlichen Veröffentlichungen beschäftigt, definiert Rezension folgendermaßen: Die TS [= Textsorte, K.K.] ‚Rezension’ ist dadurch bestimmt, daß der Gegenstand, der in den Exemplaren dieses Texttyps behandelt wird, immer ein veröffentlichter Text ist. Für diesen Text ist ein Autor verantwortlich, der sich an seine (potentiellen) Leser wendet, und wir können den Rezensenten als einen ‚besonderen Leser’ einführen, als einen Leser nämlich, dessen Aufgabe es ist, andere Leser des Texts in einem eigenen Text, eben der Rezension, über das Werk zu informieren und gleichzeitig das Werk in verschiedenen Aspekten zu beurteilen. Diese Definition trifft grundsätzlich auch auf die Kundenrezensionen von Sprach- und Kommunikationsratgebern zu. Dass das zu rezensierende Werk, in unserem Fall der Smalltalk-Ratgeber, auch veröffentlicht und derzeit auf dem Buchmarkt erhältlich ist, ist dadurch gewährleistet, dass Kundenrezensionen in der Regel nur in Verbindung mit einem Kaufangebot des entsprechenden Buches zu finden sind. Der Leser der Rezension ist ein (potentieller) Kunde des Buchhandels, der selbst wieder zum Rezensenten der Rezension werden kann, indem er mittels einer Ja/ nein-Rückmeldung beurteilt, ob die Rezension hilfreich war. Er kann sogar ein Entfernen der Rezension veranlassen, wenn diese „unzumutbar“ ist. Durch solche Kontrollfunktionen wird ein Missbrauch dieses „öffentlichen Forums“ erschwert. Wie für die wissenschaftlichen Rezensionen gilt auch für die Kundenrezensionen, dass sie informieren und beurteilen (siehe unten). Jedoch kommt noch eine weitere wichtige Aufgabe hinzu, die Gläser (1990: 110) für die wissenschaftliche Rezension lediglich als fakultativ bezeichnet: Sie sind nicht nur eine Lese-, sondern auch eine Kaufempfehlung, denn sie werden im Kontext einer (potentiellen) Kaufabsicht gelesen. 249 So stellt etwa die Kurzbewertung nach „Sternen“, die im Falle von Amazon als ein invariantes 249 In den Rezensionsrichtlinien von Amazon wird explizit geäußert, dass die Rezensionen Kaufentscheidungen beeinflussen: „Vielen anderen Kunden helfen Sie auf diese Weise, das für sie geeignete Produkt zu finden.“ 177 Element im Rezensionsformular vorgegeben ist, eine implizite Kaufempfehlungen dar: Je mehr Sterne ein Buch hat, desto stärker empfiehlt der Rezensent den Kauf des Buches. Zusätzlich kann eine solche Empfehlung aber noch explizit im Grundtext der Rezension erfolgen: „Ich kann nur jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen, da die Bedeutung des Smalltalk in Zukunft sicher noch zunehmen wird (sowohl privat als auch beruflich! ).“ (KR zu Bonneau 2002). 250 Ein weiterer Unterschied zur wissenschaftlichen Rezension ist, dass die Verfasser von Kundenrezensionen in der Regel anonym sind und sich nur selten Angaben zu Name, Ort oder E-Mail finden lassen. Der Rezensent kann ein Fachexperte im engeren oder weiteren Sinne (z. B. Germanist, Sprecherzieher, Rhetoriktrainer, Journalist) oder aber ein sprachinteressierter Laie (Sekretärin, Student allgemein, Betriebswissenschaftler usw.) sein (vgl. Kap. III.3.2 und V.4.). Er erhält für seine Arbeit kein Entgelt; bei Amazon lockt lediglich die Aussicht auf einen Einkaufsgutschein über 50 Euro, der unter den Verfassern von Kundenrezensionen verlost wird. Außerdem können ihm durch besonders fleißige Rezensententätigkeit Auszeichnungen wie „Top Rezensent“ oder „Top 100 Rezensent“ verliehen werden. Er erhält diese Auszeichnungen, wenn besonders viele Internet-Benutzer seine Rezension(en) als hilfreich beurteilt haben. Im Gegensatz zur in der Regel gedruckten wissenschaftlichen Rezension hat der Verfasser einer Kundenrezension außerdem die Möglichkeit, seinen Text auch im Nachhinein zu ändern. Zu den hier untersuchten 23 Smalltalk-Ratgebern fanden sich am 22.10.2007 beim Internetbuchhandel Amazon insgesamt 93 Kundenrezensionen. Die einzelnen Ratgeber wurden unterschiedlich oft rezensiert: Während die Ratgeber von Lermer (2004), Lüdemann (2007) und Watzke-Otte (2007) kein Mal rezensiert wurden, finden sich für Märtin/ Boeck (2000) 32 und für Naumann (2004) immerhin noch 14 Rezensionen. Insgesamt wurden die Ratgeber gut bewertet: Die durchschnittliche Benotung nach Sternen beträgt 3,88 (aus max. 5 Sternen). Dabei können die Meinungen zu einem Ratgeber sehr unterschiedlich ausfallen; beim Ratgeber von Märtin/ Boeck (2000) etwa ist die gesamte Skala vertreten: 14 x 5 Sterne, 5 x 4 Sterne, 4 x 3 Sterne, 5 x 2 Sterne und 4 x 1 Stern. Aus den Kundenrezensionen lassen sich nun Kriterien für einen aus Adressatensicht gelungenen bzw. nicht gelungenen Smalltalk-Ratgeber ablesen. Sie beziehen sich auf Inhalt (Erkenntniszuwachs, Neuigkeitswert), Darstellung (Stil, Beispiele), Praxisnutzen (Umsetzbarkeit der Ratschläge), seltener auf verlagstechnische Ausstattung (typographische Gestaltung, Illustration) und Preis (vgl. Gläser 1990: 109 f.). 250 Ein Zitat aus einer Kundenrezension, z. B. zu Bonneau (2002), wird folgendermaßen gekennzeichnet: KR zu Bonneau 2002. 178 An den Smalltalk-Ratgebern wird in Bezug auf den Inhalt kritisiert, dass sie Banalitäten erläutern, „die mit gesundem Menschenverstand [...] selbstverständlich sein sollten“ (KR zu Topf 2002): „Tipps und Ratschläge [...] gehen kaum über das hinaus, was man als halbwegs sensibler und höflich erzogener Mensch auch rein intuitiv hinbekommt“ (KR zu Baur 2001). Die meisten Ratgeber präsentieren eigentlich „nichts Neues“ (KR zu Baur 2001; Hesse/ Schrader 2001; Märtin/ Boeck 2000; Naumann 2004). Stattdessen werden „wenige grundsätzliche Erkenntnisse auf viele Seiten aufgebläht“ (KR zu Degen 2002). Lermer (2003) wird von einem Rezensenten explizit dafür gelobt, dass er „in die Tiefe“ geht. Gehen Rezensenten auf die theoretischen Inhalte der Ratgeber ein, so finden sie es positiv, wenn die „wissenschaftlichen Erklärungen eher kurz gehalten werden“ (KR zu Bonneau 2002). In einer Kundenrezension zu Bonneau (2002) findet sich sogar der Vorschlag, auf die ohnehin nur oberflächlichen wissenschaftlichen Ausführungen ganz zu verzichten. Mit der Darstellung der Inhalte in den Ratgebern sind die meisten Rezensenten zufrieden. Sie heben positiv hervor, wenn der Ratgeber „leicht lesbar“ (KR zu Naumann 2004), „verständlich und klar“ (KR zu Baur 2001) oder „einfach“ (Fischer 2004) ist. Checklisten, Übungen, Selbsttests und anschauliche Beispiele werden als hilfreich und nützlich angesehen (z. B. KR zu Bonneau 2002; Lermer 2003). Das ohnehin problematische Einbringen von theoretischen Grundlagen oder Forschungsergebnissen wird dann akzeptiert, wenn der Autor „ohne Fachchinesisch“ (LZ zu Degen 2002) auskommt und der Leser die Ausführungen verstehen kann, „ohne dass [er] ein Fremdwörterbuch beiziehen m[uss]“ (KR zu Degen 2002). Besonders wichtig scheint den Rezensenten allerdings zu sein, dass der Ratgeber „amüsant“ (KR zu Naumann 2004), „interessant“ (KR zu Degen 2002) und „unterhaltsam“ (KR zu Nöllke 2005) ist und der Leser „Spaß am Lesen“ (KR zu Naumann 2004) hat. Dass das Kriterium der Unterhaltung besonders viel wiegt, zeigt eine Kundenrezension zu Lasko (2004): Obwohl der Rezensent die Ratschläge als „einigermaßen praxisfremd“ bezeichnet, gibt er dem Buch aufgrund seiner amüsanten Darstellung - „Es macht auf jeden Fall Freude, dieses Buch zu lesen“ - mit drei Sternen dennoch eine relativ gute Bewertung. So scheint aus der Perspektive der Leser bei den Ratgebern nachweislich die Unterhaltungsfunktion eine große Rolle zu spielen, in einigen Fällen vielleicht sogar eine größere Rolle als die Appellfunktion (vgl. Kap. III.3.3). Neben den vielen Rezensionen, die gerade die praxisorientierten Übungen loben, gibt es nicht wenige Rezensenten, die der Meinung sind, dass das Buch selbst wenig nützt und man den Smalltalk besser beim Smalltalken lernt (z. B. KR zu Naumann 2004). Ratgeber vermitteln nach Meinung der Rezensenten oft wenig neues Handlungswissen, das die Smalltalk- Fähigkeiten der Leser auch tatsächlich verbessern könnte. Ihr Nutzen liegt vielmehr darin, dass sie „Impulse“ geben (KR zu Topf 2002), die „Augen öffnen“ (KR zu Degen 2002), „Denkanstöße“ geben (KR zu Lasko 2004), „Aha-Effekte“ auslösen (KR zu Nöllke 2005) und den Leser noch einmal „in 179 Erinnerung [rufen], wie man sich verhalten sollte“ (KR zu Märtin/ Boeck 2000). Damit sind die Smalltalk-Ratgeber aus der Sicht der Leser am ehesten als „handlungsreflektierend“ (Antos 1996: 139) einzustufen. 251 Die verlagstechnische Ausstattung und der Preis scheinen im Allgemeinen kein besonderes Bewertungskriterium zu sein. Auf den günstigen Anschaffungspreis und das „handliche Format“ wird nur in den Kundenrezensionen zu Märtin (2006a) hingewiesen. An einem anderen Beispiel wird deutlich, dass es auch recht unterschiedliche Lesergeschmäcker geben kann. So lobt ein Rezensent am Ratgeber von Hesse/ Schrader (2003) ausdrücklich, dass die Gestaltung „sympathisch zurückhaltend“ ist und „keine bunten Bildchen, keine Grafiken“ verwendet werden, während ein anderer Rezensent gerade diese „hölzerne Darstellung“ bemängelt. Laut Umlauf (1996: 76) ist der „Qualitätsmaßstab“ für Ratgeber, „wie gut der Stoff einerseits allgemeinverständlich und flüssig lesbar, andererseits sachlich präzise, zutreffend und für den Zweck ausführlich genug dargestellt wird“. Diese Kriterien decken sich allerdings, wie dargestellt wurde, nur teilweise mit denen der Rezensenten. Besonders die sachliche Präzision scheint kaum eine Rolle zu spielen. Ein gelungener Smalltalk-Ratgeber sollte aus der Sicht der Kundenrezensionen möglichst neue Erkenntnisse anschaulich, amüsant und praxisbezogen vermitteln. Bei den Leserbzw. Kundenrezensionen handelt es sich um einen neuen Untertyp der Rezension, der nicht nur hinsichtlich der Erwartungen und Kriterien für einen gelungenen Ratgeber für die Sprachwissenschaft interessant ist. Eine detailliertere Untersuchung von Kundenrezensionen sollte die Texte hinsichtlich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verwandten Phänomenen wie der wissenschaftlichen Rezension beschreiben und dabei auch deren Entstehung, ihre Funktion und Bedeutung v. a. für die Internetkommunikation (z. B. Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Leser) im Blick behalten. In Rahmen einer allgemeinen Wirkungsgeschichte der Sprach- und Kommunikationsratgeber müsste die Sprachwissenschaft auch Rezensionen zu älteren Ratgebern berücksichtigen. Kundenrezensionen gibt es nach meinen Recherchen jedoch erst seit Ende der 1990er Jahre und die selteneren wissenschaftlichen oder journalistischen Rezensionen sind nur mit großem Aufwand zu recherchieren. Für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert sind manchmal in den Ratgebern selbst Rezensionen abgedruckt (vgl. Krumrey 1984: 40 ff.): Im Falle der Anstandslehre von Franz Ebhardt (1882) findet sich „An Stelle des Vorworts“ in der 6. Auflage eine Sammlung von Zeitungsre- 251 Antos (1996: 138 f.) unterscheidet in Hinblick auf die Funktion der potentiellen Handlungsmittel für das produktive bzw. rezeptive Monitoring zwischen handlungsmotivierender, -vorbereitender, -steuernder und -begleitender, -kontrollierender, -bewertender bzw. -kritisierender und (oft in unterhaltsamer Weise) handlungsreflektierender Literatur. 180 zensionen zu diesem Ratgeber. Da diese den Zweck der Werbung erfüllen sollen, werden sich allerdings kaum negative Urteile finden lassen. Eine weitere Quelle für historische Rezensionen stellt das Projekt „Retroperspektive Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum“ der Universität Bielefeld dar. Auf der entsprechenden Internetpräsenz 252 können 82 000 Artikel aus 45 Zeitschriften direkt eingesehen werden. Eine Stichprobe hat ergeben, dass sich dort auch einige Rezensionen zu Sprachratgebern finden lassen, z. B. eine Rezension zur Stillehre „Bemerkungen und Vorschläge zur Berichtigung der deutschen Sprache und des deutschen Styls“ von Gottlob F. Hillmer (1793). Dieses Buch wird vom Rezensenten insbesondere wegen der persönlichen Geschmacksurteile des Autors kritisiert, die lediglich empfohlen und oft nicht einmal „durch Gründe unterstützt“ werden. Insgesamt hat der Rezensent in dem „Büchlein“ nicht viel gefunden: „Das Ganze ist eine Sammlung zufälliger Gedanken, unter denen einige gut und andere erträglich, die meisten überflüssig, oder doch bey weitem weder so wichtig noch so einleuchtend sind, wie sie Hrn. Hillmer vorgekommen sein müssen.“ 253 Solche Kritikpunkte finden sich von Seiten der Leser und der Sprachwissenschaft auch heute noch. 254 Es scheint, als ob nicht nur die Themen und Probleme in den Sprach- und Kommunikationsratgebern, sondern auch die dazu gehörende Kritik auf eine längere Tradition zurückblicken. 11. Exkurs: Smalltalk-Ratgeber als verschriftlichte Trainings? - Vergleich mit einem Smalltalk-Seminar Am 22.07.2006 fand an der Volkshochschule Regensburg Stadt ein eintägiges (9.00-16.00 Uhr) Smalltalk-Seminar mit dem Titel „Small-Talk. Kontakte knüpfen und unterhaltsam Gespräche führen“ 255 statt. Der Kurs kostete 68,00 Euro und war damit um ein Vielfaches teurer als die Ratgeber, von denen man den billigsten bereits für unter fünf Euro kaufen kann (vgl. Kap. V.1.). Ich besuchte diesen Kurs als reguläre Teilnehmerin (nicht als unbeteiligte Beobachterin). Im Folgenden werde ich ihn grob skizzieren und auf die 252 http: / / www.ub.uni-bielefeld.de/ diglib/ aufklaerung, gesehen am 03.03.2007. 253 http: / / www.ub.uni-bielefeld.de/ diglib/ aufkl/ nadb/ 255954/ 00000206.tif, gesehen am 03.03.2007. 254 Die wichtigsten Kritikpunkte der Sprachwissenschaftler an den Sprach- und Kommunikationsratgebern fasst Antos (2001: 1720 ff.) zusammen: Kritik der Normativität, Kritik an mangelnder wissenschaftlicher Fundierung, mangelnde Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse, Kritik der Erfolgsgewissheit, Kritik der „Rezeptologie“, empirische Überprüfung. 255 Der Titel des Kurses passt sehr gut in die Reihe der Ratgeber-Buchtitel: „Kontakte knüpfen“ findet sich auch im Untertitel von Bonneau (2002, 2005a und 2005b), Lasko (2004) und Naumann (2002). 181 wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Smalltalk-Ratgebern eingehen. a) Die Kommunikationssituation Im Unterschied zu den Ratgebern findet ein Training in einer Face-to-face- Situation statt, in der der Ratsuchende (Kursteilnehmer) mit dem Ratgebendem (Trainer) persönlich interagiert. Es gibt zwar prinzipiell auch die Möglichkeit von Einzeltrainings, jedoch findet der weitaus größere Teil der Kommunikationstrainings in (kleineren) Gruppen statt, 256 so dass es gewöhnlich mehrere Ratsuchende gibt, die auch untereinander kommunizieren. Es handelte sich bei dem hier genannten VHS-Kurs um keine Pflichtveranstaltung, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Kursteilnehmer tatsächlich auch Beratungsbzw. Trainingsbedarf zum Smalltalk hatten. b) Trainer Der Kurs wurde von einem Trainer (61 Jahre) gehalten, der seit elf Jahren auf nationaler und internationaler Ebene in diesem Bereich tätig ist. Zuvor war er Geschäftsführer im Lebensmittelbereich. Er selbst bezeichnete sich als den „Erfinder von Smalltalk-Kursen“. Diesen Kurstyp habe er aus seinen Kursen zu Umgangsformen heraus entwickelt und biete ihn seit etwa 1996 an. Der Trainer ist auch Sachbuchautor und arbeitet derzeit an einem Smalltalk-Ratgeber, da die aktuell auf dem Markt befindlichen Bücher seiner Meinung nach „unbrauchbar“ sind. Der Trainer präsentierte sich vor allem als Praktiker, einen akademischen Hintergrund hat er nicht. Dementsprechend entnahm er die meisten seiner Beispiele seinen eigenen Erfahrungen: Beim privaten Smalltalk kam er sehr häufig auf sein Hobby Golfen, Urlaub mit seiner Frau oder Einkaufen zu sprechen; beim beruflichen Smalltalk brachte er meist Beispiele aus seinem früheren Arbeitsumfeld als Geschäftsführer, z. B. Smalltalk auf Konferenzen und Seminaren. 257 Indem er dabei häufig von eigenen Smalltalk-Erfolgen erzählte, stellte er sich auch immer wieder als Smalltalk-Experte dar. Auf persönliche oder private Fragen und Probleme der Kursteilnehmer ging der Trainer zwar ein, jedoch war der Kurs insgesamt sehr an seiner Persönlichkeit und seiner Biographie ausgerichtet. 256 Antos (1996: 120) stellt fest, dass „(Kommunikations-)Trainings von einer Aura der Intimität (8-10 Teilnehmer sind die Regel) und der Exklusivität umgeben“ sind. Dies mag besonders für die firmeninternen Trainings gelten, trifft jedoch teilweise auch auf die öffentlichen Angebote der VHS zu, die in der Regel von Trainern aus der Wirtschaft geleitet werden. 257 Die vom Kursleiter vorgestellten Situationen decken sich mit denen in den Ratgebern. Da die Biographien von Trainern und Autoren oft sehr ähnlich sind und beide gerne auf ihre persönlichen Erfahrungen zurückgreifen, ist diese Übereinstimmung nicht überraschend. 182 Das Ziel seines Kurses formulierte er zu Beginn sehr deutlich: „Ab heute Abend können Sie einen Smalltalk führen. Ob Sie dies auch tatsächlich tun, ist etwas anderes.“ Ohne Übung käme man schließlich nicht aus. Der Kurs jedenfalls sei der „Schlüssel zum Smalltalk“. Diese Erfolgsgewissheit ist auch typisch für Sprach- und Kommunikationsratgeber (vgl. Antos 2001: 1721). Um seinen Kompetenzanspruch zu festigen, zitierte der Kursleiter unterschiedliche Forschungsergebnisse (z. B. über den Zusammenhang zwischen Haarfrisuren und Charakter bei Frauen) und Prozentzahlen (z. B. der Anteil des nonverbalen und verbalen Verhaltens beim Verstehensakt). Auf wissenschaftliche Theorien wurde nicht explizit eingegangen. Als neuer Terminus, der laut Trainer seit etwa vier Jahren im Trainingsbereich verwendet wird, wurde „Performanz“ vorgestellt. 258 Das bedeute „situationsadäquates Sprechen“, d. h., man müsse z. B. auf einer privaten Veranstaltung jemanden anders ansprechen als in einer geschäftlichen. Dem Kurs wurde durch diesen Ausdruck ein gewisser fachlicher Anstrich gegeben. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Kursteilnehmer zu keiner Zeit an der fachlichen, (wissenschaftlichen? ) Kompetenz des Trainers zweifelten: Er wurde als Experte akzeptiert. Meine kurzen Rückfragen bei einigen Teilnehmern ergaben dann auch, dass diese mit dem Kurs und dem darin erfolgten Wissenstransfer im Großen und Ganzen zufrieden waren. Der Trainer hatte ein festes Verständnis von Smalltalk, bezeichnete ihn als „soziale Fellpflege“ und als unerlässlich für den beruflichen Erfolg. Smalltalk sei das „kleine Gespräch“ über oberflächliche Themen. In meiner Umfrage wurde deutlich, dass im allgemeinsprachlichen Verständnis Smalltalk üblicherweise mit einem Unbekannten geführt wird. Dieses Verständnis zeigte sich auch im Kurs: Als der Trainer in den Raum warf, dass auch ein Gespräch mit einer Freundin im Café Smalltalk sei, widersprach das der Auffassung der Kursteilnehmer. Jedoch akzeptierten sie diese Definition, da sie schließlich vom Fachmann kam. Auch vertrat der Trainer die Meinung, dass die Amerikaner Smalltalk-Profis seien: „Die können das einfach“. Die in Kap. V.9. diskutierten Smalltalk-Maximen waren im Kurs kaum greifbar. Der Ausdruck höflich oder Höflichkeit wurde nicht verwendet und tendenziell vertrat der Trainer eher einen von Humor, Spontaneität und Schlagfertigkeit geprägten Smalltalk - er selbst erzählte im Kurs mehrere Witze und Anekdoten. 258 Das Wort wurde vom Trainer entgegen dem fachsprachlichen Gebrauch in der Sprachwissenschaft auf dem o betont. Es ist fraglich, ob hiermit der von Chomsky stammende sprachwissenschaftliche Begriff, der ganz allgemein ‚Sprachverwendung’ bezeichnet, entweder falsch rezipiert wurde bzw. eine spezifischer Bedeutung erhielt, oder ob es sich um eine eigenständige Begriffsbildung aus dem engl. performance dt. ‚Aufführung’, ‚Vorstellung’, ‚Leistung’, auch: ‚Benehmen’ handelt. 183 c) Teilnehmer Am Seminar nahmen zehn Personen (7 weiblich, 3 männlich) 259 teil: zwei Krankenschwestern, zwei Mitarbeiter aus dem IT-Bereich, eine Ärztin, eine Bankkauffrau, eine pharmazeutisch-technische Assistentin, eine Sekretärin, ein selbständiger Versicherungsvertreter und ein Mitarbeiter im Vertrieb. Die Teilnehmer waren zwischen 24 und 41 Jahre alt und gaben bis auf einen Teilnehmer an, dass sie den Kurs aus beruflichen Gründen besuchen. Nach Angaben des Kursleiters bestand der Kurs, abgesehen von einer Teilnehmerin, die keine deutsche Muttersprachlerin war, aus einem repräsentativen Querschnitt der typischen Teilnehmer an einem solchen VHS-Angebot. Vergleicht man die Kursteilnehmer mit dem intendierten Leser der Smalltalk- Ratgeber (vgl. Kap. V.4.), so lassen sich hinsichtlich Alter und Beruf einige Übereinstimmungen erkennen. Auch der Kursleiter war der Meinung, dass diese Klientel zu den typischen Lesern von Ratgebern gehören könnte. d) Inhalte/ Gliederung des Seminars Der Kurs behandelte die aus den Ratgebern bekannten Themen: Zunächst wurde die Kontaktaufnahme (bes. Kleidung, Blickkontakt und Lächeln 260 ), der richtige Einstieg (bes. Anschluss an eine Gruppe und „Willkommene Themen und Tabus“ 261 ), die Gesprächserweiterung und schließlich die Gesprächsbeendigung unterschiedlich ausführlich thematisiert. Außerdem wurden die Problembereiche Beantwortung unangenehmer Fragen, eigene Meinungsäußerung, unterschiedliche Menschentypen und Komplimente angesprochen. 259 Ich war die elfte Teilnehmerin, schließe mich aber von den folgenden Ausführungen aus. 260 Die Kursteilnehmer zeigten Interesse an Business-Etikette und so ging der Trainer, der auch im Bereich Umgangsformen Kurse anbietet, ausführlicher auf korrekte Sitzhaltung, Haarfrisuren und Schmuck ein. 261 Die im Smalltalk „willkommenen“ Themen wurden im Kurs zunächst auf Zurufen der Teilnehmer gesammelt und decken sich im Großen und Ganzen mit denen in den Ratgebern: Wetter, Anlass, Beruf, Sport, Familie/ Kinder, Hobby, aktuelles Tagesgeschehen, Ort, Reise(erlebnisse), Urlaubs(erlebnisse), Mode, Kunst/ Kultur/ Musik, gemeinsame Interessen. Der Trainer ergänzte noch Kino, Börse, Feste/ Märkte, Schmuck, Referenten und Organisation. Der Vorschlag der Teilnehmerin aus der Ukraine, Politik, wurde ohne Kompromisse zu den Tabu-Themen gestellt, woraufhin die Teilnehmerin etwas scheu kulturelle Unterschiede in diesem Bereich anbrachte: In Russland spreche man sehr gerne über Politik. Überhaupt musste der Trainer die meisten Tabu- Themen selbst einbringen, da die Kursteilnehmer lediglich Krankheiten/ Tod und Sex/ Anmache nannten. Auf den Vorschlag „Ekliges“ ging der Trainer nicht ein. Er ergänzte Politik, Religion, Rassefragen, persönliche Finanzen, Namensbesonderheiten und körperliche Gebrechen. Bei den Tabu-Themen handelt es sich also ebenfalls um den in den Ratgebern üblichen „Kanon“ (vgl. Kap. V.7.6.4). 184 e) Fragen bzw. Probleme der Kursteilnehmer Die Teilnehmer äußerten unterschiedliche Fragen und Probleme, die sich zum Teil aus ihren eigenen beruflichen oder privaten Situationen ergaben und sie schon länger beschäftigten (z. B. 1 und 4), zum Teil eher spontan im Kurs geäußert wurden (z. B. 5 und 6). Folgenden Fragen und Probleme wurden von den Teilnehmern verbalisiert: (1) „Wie kann ich Smalltalk zur Überbrückung unangenehmer Pausen einsetzen, um wieder ins Gespräch zu kommen? “ (2) „Ich habe Probleme mit Smalltalk in einer Gruppe.“ (3) „Wie fange ich den Smalltalk am besten an? “ (4) „Muss ich auf einem Empfang meiner Chefin, die sich meist alleine zurückzieht, Gesellschaft leisten? Ich würde allerdings lieber andere Leute kennen lernen.“ (5) „Soll man eigene Schwächen zugeben? “ (6) „Wie frage ich, damit ich nicht neugierig rüberkomme? “ (7) „Wie erkenne ich, ob mein Gesprächspartner noch Interesse an meinen Ausführungen hat? “ (8) „Welchen Stellenwert hat der Dialekt? “ (9) „Ich habe Probleme mit dem Duzen und Siezen, vor allem bei den jüngeren Mitarbeitern. Hat sich die Sprache hier nicht vielleicht auch verändert? “ (10) „Soll ich einen flüchtig Bekannten auf der andere Straßenseite mit einem Gespräch aufhalten? “ (11) „Was mache ich, wenn ich mich nicht an den Namen meines Gesprächspartners erinnern kann? “ Es wurden, mit Ausnahme von (4), keine Fragen gestellt, die nicht auch in den Smalltalk-Ratgebern als Probleme thematisiert wurden (vgl. Kap. V.7.5). Die Ratgeber scheinen sich damit vorwiegend an den spezifischen Kommunikationsproblemen der Öffentlichkeit zu orientieren. 262 Der Kursleiter leitete zudem einige seiner Ausführungen durch Ratfragen ein. Er ging wohl davon aus, dass auch die Teilnehmer diese Probleme haben: „Kennen Sie das? Es gibt Gesprächspartner, die hören einfach nicht auf zu reden? “. Aus den Fragen im Kurs und auch in Gesprächen mit Teilnehmerinnen wurde deutlich, dass die Teilnehmerinnen Probleme mit den Situationsbeispielen des männlichen Trainers hatten: So erzählte dieser, dass er sich für Initiativgespräche in einem Restaurant am liebsten eine einzeln sitzende 262 Püschel (1991: 66) spricht den von ihm untersuchten Stillehren dagegen einen solchen Realitätsbezug ab: „Sie sind nicht geprägt von Empirie, sondern Tradition.“ 185 Frau aussuche, wobei er keinerlei sexuelle Beweggründe habe und einzig das nette Gespräch zähle. Das „Lernen am Modell“ (vgl. Kap. V.7.3.4) funktionierte in diesem Fall für die weiblichen Teilnehmer nicht: Als Frau könne man sich unmöglich zu einem einzeln sitzenden Herren gesellen, ohne dass dieser eine „Flirtabsicht“ unterstellen würde. 263 Diese „Männer-“ bzw. „Selbstzentriertheit“ des Trainers fand sich auch noch an anderen Stellen. In den Ratgebern, die sowohl von weiblichen als auch von männlichen Autoren verfasst wurden, fällt ein solches geschlechtsspezifisches Rollenverhalten kaum auf. Die Ratgeber gehen jedoch gerne auf das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Frauen und Männern ein (z. B. Bonneau 2005a: Punkt 17.; Lermer 2003: 172 ff., vgl. auch V.7.6). Es wäre lohnenswert, genauer zu untersuchen, inwieweit Autoren und Trainer allgemein auf geschlechtsgebundenen Erfahrungen zurückgreifen und dementsprechend auch geschlechtsspezifische Ratschläge geben (vgl. Coupland 2000b: 7 ff.; Thim-Mabrey 2001a). f) Sprache der Ratgebung Der Kursleiter äußerte explizit, er gebe keine Ratschläge, sondern lediglich Empfehlungen, benutzte dabei jedoch typische Formulierungen, die auch in den Ratgebern vorkommen. Sehr häufig waren das adressierte Ratschläge („Trauen Sie sich die Themen wild zu wechseln! “), die häufiger als in den Ratgebern durch explizit performative Wendungen („Ich gebe Ihnen einen Rat: ...“ oder „Ich empfehle Ihnen: ...“) eingeleitet wurden. Daneben verwendete er aber auch verdeckte („Smalltalk ist nicht ausfragen! “) und modellbasierte Ratschläge. „Das „Lernen am Positiv-Modell“ geschah, wie oben bereits angesprochen wurde, vor allem durch die Person des Trainers, der sich als Smalltalk-Profi darstellte. g) Übungen Der Vorteil eines Seminars gegenüber einem Ratgeberbuch ist, dass die Teilnehmer im Kurs angeleitete Übungen durchführen und evaluieren können. Im Seminar sind ausreichend Übungspartner vorhanden, die in der Lesesituation eines Ratgebers erst gefunden werden müssten. Obwohl es sich bei einem Seminar um den genuinen Ort der Übung handelt, wurde in dem von mir besuchten Smalltalk-Kurs lediglich eine Übung durchgeführt, die gleichzeitig für die Vorstellungsrunde genutzt wurde. Dafür musste die Hälfte der Kursteilnehmer den Raum verlassen; den Verbleibenden wurde eine dieser Personen zugeordnet. Der erste Teil der Übung bestand darin, 263 Im Ratgeber von Bonneau (2005a: Punkt 17.) wird dieses Problem im Kapitel „Männer und Frauen“ nur aus der Sicht des Mannes thematisiert und folgender Rat gegeben: Die Hindernisse [bei der Kontaktaufnahme mit Frauen, K.K.] bei Männern liegen oft darin, dass sie glauben, Frauen könnten meinen, dass die nur „an das Eine“ dächten. Sprechen Sie als Mann am Messestand, im Zugabteil oder Bistro eine einzelne Frau ruhig an. Hätte sie Vorbehalte, wäre sie nicht dort! (vgl. auch Lermer 2003: 102). 186 dass sich die Paare anhand von Blickkontakt und Lächeln finden mussten. Im zweiten Teil sollten die Paare einen typischen Smalltalk mit einem Unbekannten über Name, Beruf, Wohnort, Hobbys usw. führen. Danach stellte jeder seinen Partner der ganzen Gruppe vor. Fazit: In Bezug auf den Aufbau, den Inhalt und die sprachliche Ausgestaltung der Ratschläge finden sich viele Übereinstimmungen zwischen dem Smalltalk-Seminar und den hier untersuchten Smalltalk-Ratgebern. Das deutet darauf hin, dass es (heute) eine enge inhaltliche und strukturelle Verbindung zwischen den Trainings auf der einen und den Ratgebern auf der anderen Seite gibt. Dazu passt auch, dass die Verfasser von Ratgebern in der Regel nicht nur Kommunikationstrainer sind, sondern auch einen großen Teil der Leserschaft ausmachen. Es wäre sicherlich lohnend, in einer umfangreicheren Studie Trainings und entsprechende Ratgeber miteinander zu vergleichen und Autoren- und Trainerbefragungen durchzuführen. 12. Zusammenfassung: Kommunikationsberatung durch Smalltalk-Ratgeber Es konnte anhand der Smalltalk-Ratgeber nachgewiesen werden, dass die Ratgeber, obwohl sie eine massenmediale Kommunikationsform sind, größtenteils eine mündliche Beratungssituation simulieren. Dazu muss der Autor einen prototypischen Leser und dessen Ratfragen, Probleme und Einwände konstruieren. Für die Ratschläge gibt es unterschiedliche sprachliche Realisierungsmöglichkeiten, wobei am häufigsten die adressierten Ratschläge mittels des Personalpronomens Sie verwendet werden, die einen besonders starken Aufforderungscharakter haben. Die exemplarischen „Tiefenanalysen“ haben gezeigt, dass die Ratgeber bei bestimmten Problemen nahezu identische Ratschläge „verabreichen“ - man kann sie damit zum festen Kanon der Smalltalk-Ratgeber zählen - , während sie bei anderen Problemen teilweise gegensätzliche Ratschläge geben oder keine einheitliche „Beratungslinie“ sichtbar ist. An einigen Stellen wurde deutlich, dass Unterschiede in den Ratschlägen der Autoren mit dem jeweiligen Verständnis vom Smalltalk zusammenhängen. So stellen zwar die hier vorgestellten Smalltalk-Maximen, die den „spezifischen Hintergrund“ zu den Ratschlägen bilden, den Hauptkonsens der Ratgeber dar, einzelne Autoren können sich diesen Maximen jedoch auch entziehen. Zur Analyse der schriftlichen „virtuellen Beratungssituation“ hat Zillig (1990) die Sprechaktmonolog-Verschriftlichung-Analyse vorgeschlagen; als Vergleichsbasis dient ein Beratungsdialog in einer Beratungsinstitution. Dadurch würden die Ratgeber in die Nähe des konsultativen Modus der Sprachkultivierung bzw. Sprachberatung rücken (vgl. Kap. III.6.). Moderne Ratgeber wie die Smalltalk-Ratgeber lehnen sich strukturell jedoch eher an den unterrichtsmäßigen Modus an, denn ihre auch makrostrukturell greif- 187 baren Übungen zeigen die Nähe zu Kommunikationstrainings auf. Für eine historische Analyse von Ratgebern wäre die Frage interessant, ob sich die Etablierung von Trainings auf die Struktur der Ratgeber (der praktischen Rhetorik) auswirkt. Überhaupt scheinen die Verflechtungen innerhalb der Laienlinguistik sehr ausgeprägt zu sein: So sind etwa ein Großteil der Autoren von Smalltalk-Ratgebern selbst Trainer und gleichzeitig zählen Trainer auch zu den Lesern solcher Bücher. Strukturelle und inhaltliche Verknüpfungen finden sich aber nicht nur zwischen Trainings und Druckerzeugnis, sondern auch innerhalb bestimmter Ratgeber-Subsorten oder über Subsortengrenzen hinweg: So gibt es etwa in den Smalltalk-Ratgebern bestimmte kanonisierte Themen und Ratschläge, die auch in andern Subsorten (z. B. in Anstandslehren, Stillehren oder Redelehren) vorkommen und innerhalb des Systems der Laienlinguistik tradiert werden (vgl. auch Literaturverzeichnisse); dies geschieht teilweise sogar dann, wenn kein direkter Zuschnitt auf den Beratungsgegenstand erkennbar ist. Um etwas über die Wirkung der Ratgeber bei den Lesern zu erfahren, hat es sich als hilfreich herausgestellt, auf die so genannten Kundenrezensionen zurückzugreifen. Die größte Kritik an den Smalltalk-Ratgebern in diesen Texten ist, dass sie nicht wirklich neues Wissen vermitteln und eher dem Bewusstmachen dienen. 189 VI. Ein vergleichender Blick nach Übersee: Smalltalk in den USA „Small talk“ ist ein Ausdruck, für den es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Die Vorstellung, daß man eine Äußerung von sich geben könnte, die nicht von welterschütternder Gedankenschwere wäre, ist schlichtweg undenkbar. (Stefan Zeidenitz und Ben Barkow, 1997) Während in Kap. IV. bereits auf einige Unterschiede zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Verständnis von Smalltalk eingegangen wurde, wurden bei den Ratgebern bisher nur die des Deutschen erfasst. Für eine vollständige Beschreibung von Textsorten 264 darf aber laut Fix/ Habscheid/ Klein (2001: 7) deren spezifische kulturelle Prägung nicht vernachlässigt werden. Deshalb fordern sie als ein weiteres Textualitätskriterium (vgl. Beaugrande/ Dressler 1981) das Kriterium der Kulturalität. Fix/ Habscheid/ Klein wollen dabei in Anlehnung an Bausinger (1980) Kultur im Sinne von Alltagskultur verstanden wissen, die, im Gegensatz zur Hochkultur, das alltägliche Miteinander regelt. „Sprache und Sprachgebrauch mitsamt dem kulturellen Wissen und den kulturellen Traditionen, die sie transportieren,“ bilden dabei den „zentralen Fonds des Verhaltens und der Attitüden“ (Fix/ Habscheid/ Klein 2001: 7). Die Kulturspezifik der Textsorten kann sich in verschiedenster Hinsicht zeigen: in der sprachlichen Ausführung der Texte und in ihren Strukturen, in kulturspezifischen Inhalten oder in den Kulturkonzepten und Traditionen, die hinter den Texten stehen (ebd. 10). Um die Kulturalität einer Textsorte zu ermitteln, wird in der Linguistik gewöhnlich ein kontrastiver bzw. konfrontativer, text(sorten)vergleichender Ansatz gewählt: Gemeinsamkeiten stellen die (tendenziell) universellen, Unterschiede die (tendenziell) kulturspezifischen Merkmale dieser Textsorte dar. Eine kontrastive Untersuchung sollte allerdings nicht darauf verzichten, „die Befunde in einem größeren kulturellen und geschichtlichen Kontext zu betrachten“ (Piitulainen 2001: 162). Für die vorliegende Arbeit wird deshalb der ebenfalls an den Alltagsbegriff gebundene spezifischere Kulturbegriff 265 der interkulturellen Psychologie eine Rolle spielen: 264 Der Begriff Textsorte umfasst im Folgenden aufgrund der Verwendungsweise in der zitierten Forschungsliteratur sowohl geschriebene als auch mündliche Texte. 265 Festzulegen, was unter Kultur zu verstehen ist, ist bekanntermaßen nicht einfach. Es existieren sehr viele unterschiedliche Definitionsvorschläge. Die bekannteste Sammlung von über 150 Kulturdefinitionen stammt von Kroeber/ Kluckhohn (1952). 190 Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. (Thomas 1996: 112) Der Zusammenhang zwischen einer als Orientierungssystem verstandenen Kultur und der (schriftlichen wie mündlichen) Kommunikation ist unbestritten und stellt sich argumentativ folgendermaßen dar: - „Es gibt unterschiedliche, voneinander unterscheidbare Kulturen. - Kultur und Kommunikation stehen in einem Zusammenhang. - Kommunikationsteilnehmer sind immer auch Teilnehmer bzw. Teilhaber einer Kultur. - Kulturelles spiegelt sich in der Kommunikation wider (ohne Kulturteilhabe könnte man gar nicht kommunizieren). - Kulturteilhabe heißt: In einer spezifischen Weise kommunizieren.“ (Hinnenkamp 1994: 51) 266 Dass es sich bei der Kulturalität um ein nicht zu vernachlässigendes Textualitätskriterium handelt, wird bei der Analyse von Smalltalk und Smalltalk- Ratgebern besonders deutlich. Die Tatsache, dass im Deutschen der englische Ausdruck Smalltalk verwendet wird, legt nämlich nahe, dass es sich dabei um eine „cultural category“ (Davies 2004: 221) handeln könnte, die es in der deutschen Kultur ursprünglich nicht gab (vgl. Kap. VII.). Dieser kulturfremde Smalltalk wird nun durch Bücher vermittelt, die ihrerseits in einer Tradition deutscher Ratgeber stehen und damit ebenfalls kulturell geprägt sind. Die Kulturproblematik, die in diesem Kapitel thematisiert werden soll, ist also eine doppelte: Einerseits geht es um die Kulturalität der Gesprächssorte Smalltalk, andererseits um die Kulturalität der Textsorte Smalltalk- Ratgeber. Für einen interkulturellen Vergleich von Smalltalk bzw. Smalltalk-Ratgebern kommen aufgrund des englischen Wortursprungs zwei Kulturen in Frage: England 267 und die USA. 268 Dass ich mich auf den Vergleich auf die USA beschränke, kann durch die Ratgeber selbst begründet werden: 266 Kulturspezifisches Kommunizieren ist ein vom Sprachsystem weitgehend unabhängiges Phänomen und deshalb auch in der Fremdsprache nicht unmittelbar greifbar (vgl. Kaplan 1966), d. h., mit dem Erlernen eines fremdsprachlichen Codes (Grammatik, Lexik, Phonetik usw.) lernt man nicht zwingend, sich auch entsprechend dieser Kultur zu verhalten bzw. den kulturellen Erwartungen entsprechend zu kommunizieren (vgl. Müller-Jacquier 1991: 41). Kulturalität ist also vor allem ein Phänomen der Pragmatik, die z. B. im Fremdsprachenunterricht gezielt vermittelt werden muss. 267 England ist eine eigenständige Kulturnation, während Großbritannien ein politisches Gebilde ist (vgl. Fox 2005: 20 f.). 268 In Bezug auf die Alltagskultur, die für den Smalltalk relevant ist, gibt es keine Zweifel, dass es sich bei der englischen und bei der amerikanischen Kultur um jeweils eigene Kulturen handelt. Sie werden auch in der einschlägigen Literatur stets getrennt voneinander behandelt (vgl. etwa Thomas/ Kammhuber/ Schroll-Machl 2003). Für die plurizentrische englische Sprache kann wohl allgemein davon ausgehen werden, dass jede 191 1. In den Ratgebern findet sich die Meinung, dass die US-Amerikaner 269 im Vergleich zu den Deutschen die besseren Smalltalker sind: Die US-Amerikaner gelten als die Smalltalk-Experten schlechthin (Bonneau 2002: 23). 2. Wenn in den Ratgebern kulturelle Unterschiede angesprochen werden (z. B. bestimmte Smalltalk-Tabus), beziehen sich diese fast ausnahmslos auf die USA. 3. In den Ratgebern wird häufig amerikanische Literatur zitiert bzw. in den Literaturverzeichnissen aufgeführt (z. B. Daniel Goleman, Philip G. Zimbardo oder Dale Carnegie). Damit ist von einem Einfluss der amerikanischen Ratgeber und populärwissenschaftlichen Darstellungen auf die deutschen Ratgeber auszugehen (vgl. Kap. V.3.2). 4. Es gibt auf dem deutschen Buchmarkt einige Übersetzungen von Smalltalk- und Gesprächsratgebern aus dem Amerikanischen. Übersetzungen aus anderen Sprachen sind dagegen sehr selten. 270 Des Weiteren liegt ein Vergleich mit den USA deswegen nahe, weil ihr Einfluss auf Deutschland höher einzuschätzen ist als der Englands: Politisches, wirtschaftliches, technisches und wissenschaftliches Übergewicht der USA deuten heutzutage auf einen wesentlich stärkeren amerik.-engl. als brit.engl. Einfluß im Dt. hin, zu dem - wohl im Gefolge der genannten Faktoren - auch allgemeine Referenzbereiche wie Freizeit und Unterhaltung zu rechnen sind [Abkürzungen im Original, K.K.]. (Viereck 2004: 3319) Im Folgenden soll zunächst die Gesprächssorte Smalltalk in einen größeren „kulturellen Rahmen“ gestellt werden. Das aus der interkulturellen Psychologie stammende Konzept der Kulturstandards kann sich hierfür als nützlich erweisen. Für die Überprüfung der Kulturalität der Textsorte Smalltalk- Ratgeber wird dann jedoch der „klassische“ kontrastive Weg beschritten, d. h., die deutschen Ratgeber werden mit entsprechenden vergleichbaren Texten, den amerikanischen Gesprächsratgebern, kontrastiert. Ein ausführlicher Vergleich aller in Kap. V. diskutierten Aspekte würde den Rahmen dieser Arbeit weit sprengen. Ich kann lediglich erste Ansätze und Anstöße liefern und muss mich auf einige Auffälligkeiten beschränken. Wann immer möglich, sollen die ermittelten Unterschiede in den Ratgebern an die Kulturstandards rückgebunden werden. Besonderes Augenmerk wird auf die Franationale Standardvarietät zu einer eigenständigen Kultur gehört (z. B. auch Australien, Neuseeland, Indien usw.). Sprache und Kultur können, müssen jedoch nicht deckungsgleich sein. 269 Ist im Folgenden von Amerika, Amerikanern und amerikanisch die Rede, so ist damit immer USA, US-Amerikaner und US-amerikanisch gemeint. 270 Eine Übersetzung aus dem Französischen ist der Ratgeber „Effektiver lernen. Textverständnis und Lesekapazität erhöhen“ von Brigitte Chevalier (1999); auf dem deutschen Ratgebermarkt findet sich außerdem die „Kleine Psychologie des Gesprächs. Ein praktischer Leitfaden“ des Niederländers Harry Stroeken (1993). 192 ge How are you? bzw. Wie geht es dir/ Ihnen? gelegt, anhand derer in der Forschungsliteratur gerne der Unterschied zwischen deutschem und amerikanischem Gesprächsverhalten dargestellt wird (z. B. Kotthoff 1989: 448 ff.; Rings 1994: 24 f.) und die als prototypische Formulierung im Rahmen eines Smalltalks gilt (vgl. dazu Kuiper/ Flindall 2000). 1. Ein Ansatz zur Erklärung kultureller Unterschiede: Die Kulturstandardforschung 1.1 Definition und Ermittlung von Kulturstandards Erste Ansätze, kulturelle Unterschiede systematisch zu erfassen, stammen von Geert Hofstede (1980) und Edwart T. Hall (1983, 1990). 271 Beide ermittelten mit unterschiedlicher Methodik so genannte Kulturdimensionen, die als universelle Raster das menschliche Verhalten auf bestimmte Grunddimensionen reduzieren. 272 So können nach Hofstede Kulturen etwa dahingehend unterschieden werden, ob sie vom Individualismus oder Kollektivismus geprägt sind: Mitglieder individualistischer Kulturen stellen die persönlichen Ziele über die Interessen der sozialen Bezugsgruppen (z. B. USA), während Mitglieder kollektivistischer Kulturen die eigenen Ziele denen der Gruppe unterordnen (z. B. Süd-Korea). Hall teilt Kulturen z. B. nach deren Kommunikationsverhalten ein: In „Low-Context”-Kulturen werden in der Kommunikation möglichst alle relevanten Informationen explizit verbalisiert, so dass der Zuhörer kaum interpretieren muss, was der Sprecher „eigentlich” sagen will (z. B. Deutschland). Dagegen muss ein Rezipient in „High- Context“-Kulturen relevante Informationen aus dem Kontext erschließen und z. B. Anspielungen und Vieldeutigkeiten mittels Interpretation der nonverbalen Signale richtig deuten (z. B. Japan). Die wichtigste Kritik (vgl. Layes 2003: 71) an den Kulturdimensionen ist, dass sie suggerieren, Kulturen könnten absolut und objektiv klassifiziert werden. Jedoch ist die Zuordnung von Kulturen zu solchen Kulturdimensionen immer an die jeweilige kulturelle Perspektive gebunden, d. h., eine Kultur ist nicht an sich individualistisch oder kollektivistisch. Diese Attribute erhält sie nur im Vergleich mit einer anderen Kultur. Für die interkulturelle Psychologie, die sich mit der Analyse psychischer Bedingungen, Verlaufsprozesse und Wirkungen menschlichen Erlebens und Verhaltens bei der Interaktion von Angehörigen unterschiedlicher Kulturen auseinandersetzt (vgl. Thomas 1996: 111 f.), sind die Kulturdimensionen zudem zu allgemein und „bilden ein zu undifferenziertes und unvollständiges Bild einer Kultur, die in ihrer Komplexität ohnehin kaum hinreichend erfaßbar ist.“ 271 Die Modelle von Hofstede und Hall wurden verschiedentlich aufgegriffen und weiterentwickelt, z. B. Demorgon 1989; Trompenaars 1993; Gesteland 1999. 272 Eine ausführliche, kritische Zusammenfassung der unterschiedlichen Kulturdimensionen findet sich bei Feichtinger (1998: 28 ff.) und Layes (2003). 193 (Feichtinger 1998: 113). Deshalb eignen sie sich nur bedingt als Hilfestellungen für konkretes Handeln. Es bedarf vielmehr eines „kulturspezifischen Systems von Kategorien, die für ein bestimmtes Handlungsfeld Gültigkeit besitzen [und] die die Grundlage für das jeweilige Handeln bilden können“ (Kammhuber/ Schroll-Machl 2003: 19). Ein solches praxisorientiertes, spezifischeres System hat Thomas (z. B. 1996) mit der Kulturstandardforschung begründet. Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert. (Thomas 1996: 112) Dabei umgibt einen Kulturstandard immer ein gewisser Toleranzbereich, innerhalb dessen Handlungen als ‚normal’ angesehen werden (Kammhuber 1998: 48). Obwohl mit „Standard“ nicht die „Festschreibung einer unverrückbaren Norm“ (ebd. 47) gemeint ist, sind Kulturstandards relativ stabil, besonders die so genannten „zentralen Kulturstandards“, die in unterschiedlichen Situationen wirksam werden. Kulturstandards sind hierarchisch strukturiert, miteinander verbunden und können auf verschiedenen Abstraktionsebenen definiert werden: „von allgemeinen Werten bis hin zu sehr spezifischen verbindlichen Verhaltensvorschriften“ (Thomas 1996: 112). 273 Da Kulturstandards und ihre handlungsregulierende Funktion nach erfolgreicher Sozialisation vom Individuum innerhalb der eigenen Kultur nicht mehr wahrgenommen werden, werden sie erst dann bewusst, wenn es zu Kontakten mit anderen Kulturen kommt, die abweichende Standards besitzen und damit aus der Sicht des fremdkulturellen Kommunikationspartners ein befremdliches Verhalten an den Tag legen. Kulturstandards können also nur im Kontrast zwischen zwei Kulturen bestimmt werden. Demnach müssen z. B. deutsche Kulturstandards aus amerikanischer Sicht nicht mit denen aus japanischer Sicht deckungsgleich sein. Ausgangspunkt für die Identifizierung von Kulturstandards sind so genannte „kritische Interaktionssituationen“ (Thomas 2003b: 25). Das sind alltägliche Begegnungssituationen zwischen Angehörigen zweier Kulturen, in denen (mindestens) einem ein untypisches und/ oder störendes Verhalten auffällt. Ungewöhnliche Formen des Handelns können auf verschiedenen Ebenen stattfinden: auf der Individualebene, der Kleingruppenebene, der subkulturellen Ebene und der nationalkulturellen Ebene (Layes 2003: 70). Um beurteilen zu können, ob hinter einer kritischen Interaktion tatsächlich ein allgemeiner Kulturstandard steht, müssen sehr viele Situationen mit gleichen oder ähnlichen Verhaltensmerkmalen (über einen längeren Zeit- 273 Damit können auch die Kulturdimensionen in das Konzept der Kulturstandards eingebracht werden. 194 raum hinweg 274 ) gesammelt und dann mithilfe von Interviews mit den beteiligten Personen oder bikulturellen Experten interpretiert werden. 275 Die auf diese Weise ermittelten Kulturstandards werden dann in einen Zusammenhang gebracht. Schließlich wird versucht, die Standards kulturhistorisch zu verankern und ihre Entstehung zu erklären. 276 Trotz dieses empirischen Ansatzes gilt: „Die entwickelten Kulturstandards sind immer nur ein Ausschnitt aus den gesamten, potenziellen Kulturstandards, die für Kulturbegegnungen in diesem Land typisch sind.“ (Kammhuber/ Schroll-Machl 2003: 20). Da Kulturstandards häufig im Zusammenhang mit bestimmten beruflichen Situationen (Auslandsentsendungen oder Joint Ventures) erhoben werden, darf nicht davon ausgegangen werden, dass alle diese Kulturstandards auch für das Privatleben oder für alle Gesellschaftsschichten gelten. Die Kulturstandardforschung will vor allem interkulturelles Lernen und interkulturelle Handlungskompetenz fördern und praktische Hilfestellungen für die Bewältigung interkultureller Begegnungen geben. Dies wird in der Regel durch entsprechende Trainingsprogramme (z. B. Culture Assimilator) oder Literatur geleistet. Kulturstandards müssten sich aber auch als Bewertungsgrundlage für die Kulturalität von Texten eignen. Da das eigene Verhalten, auch das sprachliche bzw. kommunikative, aufgrund der jeweiligen Kulturstandards „gesteuert, reguliert und beurteilt“ (Thomas 2003b: 25) wird, ist nämlich davon auszugehen, dass einerseits bestimmte Text- oder Gesprächssorten erst durch die Standards hervorgebracht werden bzw. eine spezifische Ausprägung erhalten und dass sich andererseits besonders in metakommunikativen Texten wie den Sprach- und Kommunikationsratgebern Ratschläge zu diesen Standards finden lassen müssten. 277 274 Ungewöhnliche Formen des Handelns können zeitlich begrenzt sein und z. B. im Zusammenhang mit Krieg oder wirtschaftlichem Kollaps auftreten. Aus ihnen kann man keine allgemeinen Kulturstandards ableiten. 275 Heringers (2004: 195) Kritik an der Gewinnung von Kulturstandards ist durchaus berechtigt. Die (partiell) empirische Methodik, mit der Kulturstandards erfasst werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass allgemeine nationale Stereotypen die Ergebnisse beeinflussen können: Dass den Probanden bestimmte kritische Interaktionssituationen überhaupt auffallen, kann damit zusammenhängen, dass sie bereits für bestimmte stereotype Verhaltensweisen sensibilisiert wurden. Auch die Selektion und Interpretation von Seiten der Wissenschaftler kann subjektiv und eventuell von bestimmten Erwartungen geprägt sein. 276 Heringer (2004: 186 ff.) kritisiert zu Recht die „kühnen“ Erklärungsmuster der Interkulturellen Psychologie. Es soll deshalb im Folgenden auch darauf verzichtet werden, die deutschen und amerikanischen Kulturstandards kulturhistorisch zu verankern (vgl. dazu Schroll-Machl 2002; 2003: 84 ff.). 277 Im Gegensatz zu den an Muttersprachler gerichteten Sprach- und Kommunikationsratgebern werden Kulturstandards in „Kultur-Ratgebern“, die einem fremdkulturellen Lesepublikum eine spezielle Alltagskultur mit ihren spezifischen Werten und Normen sowie dem adäquaten Verhalten vermitteln wollen, sehr viel expliziter thematisiert, vgl. etwa das Kapitel „American Values“ in Wanning (2003), das Themen wie „Equality“, „Independence“, „Authority“ etc. behandelt. 195 1.2 Deutsche und amerikanische Kulturstandards im Vergleich Das Kulturenpaar Deutschland-USA 278 ist bereits gut untersucht (z. B. Markowsky/ Thomas 1995; Müller/ Thomas 1995; Schroll-Machl 2002; Slate/ Schroll-Machl 2003), eine zusammenfassende Darstellung aller in diesem Zusammenhang ermittelten Kulturstandards gibt es bisher allerdings nicht. Zudem steht die für eine elaborierte Theorie notwendige einheitliche Benennung und Hierarchisierung der einzelnen Standards noch aus. In der Forschungsliteratur finden sich unterschiedliche Bezeichnungen auf unterschiedlichen Abstraktionsstufen; je nachdem, wie weit bestimmte Standards in der einen Darstellung gefasst sind, können sie Standards einer anderen Darstellung mit einschließen (vgl. Müller-Jaquier 1991: 41). In der nachfolgenden Übersicht wurde der Versuch unternommen, die in der Literatur diskutierten US-amerikanischen bzw. deutschen Kulturstandards einander gegenüberzustellen. Da sich erst in jüngerer Zeit eine konsequente Benennung der beiden Pole eines Kulturstandards durchsetzt, 279 gibt es in der Tabelle einige Lücken, die jedoch antonymisch erschlossen werden können. Für ausführliche Erläuterungen zu den hier genannten Kulturstandards sowie ihren kulturgeschichtlichen Erklärungen verweise ich auf die oben genannte Forschungsliteratur. Zur Verständnissicherung werden in Fußnoten diejenigen Standards kurz erläutert, bei denen die Bezeichnungen nicht selbsterklärend sind. Kulturstandards, die für den Smalltalk relevant sind, werden im Anschluss nochmals genauer erläutert. 278 Nicht immer sind kulturelle Differenzen gleich augenfällig und die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA sind weniger groß als etwa zwischen Deutschland und China. Es wäre aber falsch zu glauben, dass es keine oder vernachlässigbare kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und den USA gibt (vgl. Thomas 2003a: 11). 279 Ansätze zu einer polaren Struktur der Kulturstandards im deutsch-amerikanischen Vergleich finden sich bei Schroll-Machl (1991: 114 ff.). 196 US-amerikanische Kulturstandards aus deutscher Sicht Deutsche Kulturstandards aus US-amerikanischer Sicht (1) Gleichheitsdenken (a) Autoritätsdenken (2) Bedürfnis nach sozialer Anerken nung (b) Direktheit interpersonaler Kommunikation/ „Low-Context“- Kommunikation 280 (c) Sachorientierung 281 (3) Interpersonale Distanzminimierung / Intrapersonale Distanz 282 (d) Abgegrenzter Privatbereich 283 (e) Interpersonale Distanzdifferenzierung 284 (4) Handlungsorientierung (f) Regelorientierung (5) Leistungsorientierung (g) Pflichtbewusstsein (6) Individualismus (7) Zwischengeschlechtliche Beziehungsmuster 285 (h) Geschlechtsrollendifferenzierung 286 (8) Patriotismus (9) Gelassenheit („easy going“) (i) Organisationsbedürfnis (10) Zukunftsorientierung und Opti- mismus (11) Funktionales Besitzverhältnis 287 (j) Persönliches Eigentum (12) Naturbeherrschung (k) Umweltbewusstsein (13) Mobilität (l) Körperliche Nähe 288 Tab. 12: US-amerikanische und deutsche Kulturstandards im Vergleich 280 Siehe vorheriges Kapitel. 281 Das Gegenteil von Sachorientierung kann als Beziehungsorientierung bezeichnet werden. Dabei gibt es Überschneidungen mit dem amerikanischen Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung/ Intrapersonale Distanz“. 282 Leichter Zugang zu peripheren Persönlichkeitsbereichen durch Offenheit, Geselligkeit und Kontaktfreudigkeit; zentrale, intime Persönlichkeitsbereiche sind dagegen verschlossen (Slate/ Schroll-Machl 2003: 141). 283 Berufsleben und Privatleben wird klar voneinander getrennt (Schroll-Machl 2003: 79). 284 Es wird eine klare Trennung in Bekannte und Freunde vorgenommen, die dann einen unterschiedlichen Zugang zu den Persönlichkeitsbereichen erhalten; vgl. auch die Unterscheidung zwischen du und Sie (Schroll-Machl 2003: 81). 285 Rein freundschaftlich-kameradschaftliche Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind eher selten. Sexuelle Belästigung und Diskriminierung sind im amerikanischen Geschäftsleben wichtige Themen. Das Kennenlernen ist durch das „dating“ festgelegt, das nach relativ festen, gesellschaftlich vorgegeben Regeln abläuft (Müller/ Thomas 1995: 141; Slate/ Schroll-Machl 2003: 141 f.). 286 „Traditionelles Rollenverständnis ist häufig. Emanzipation ist in vielen Bereichen noch nicht verwirklicht.“ (Markowsky/ Thomas 1995: 134). 287 Persönliches Eigentum wird problemlos auch an flüchtige Bekannte verliehen. 288 Z. B. „Unvermeidbare Körperkontakte werden weitgehend ignoriert. [...] Unverklemmter Umgang mit dem eigenen Körper“ (Markowsky/ Thomas 1995: 133). 197 1.3 Verankerung der Gesprächssorte Smalltalk in den Kulturstandards Wenn man nun das Smalltalk-Konzept mit den Kulturstandards in Verbindung bringt, so wird deutlich, dass sich darin einige der zentralen amerikanischen Kulturstandards verdichten: 289 (1) Gleichheitsdenken, (2) Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, (3) Interpersonale Distanzminimierung/ Intrapersonale Distanz und auch (6) Individualismus (vgl. Tab. 12). Amerikaner 290 sind von der Idee der Chancengleichheit und der damit für jeden verbundenen Möglichkeit, beruflich und sozial aufzusteigen, überzeugt: Alle Menschen haben von Geburt an die gleichen „Startchancen“ und sind nicht von vornherein mit unterschiedlichen Privilegien ausgestattet; der „American Dream“ des „selfmade man“ nach dem Typ „vom Tellerwäscher zum Millionär“ erfüllt sich vor allem durch Selbstdisziplin und harte Arbeit (Müller/ Thomas 1995: 44; Slate/ Schroll-Machl 2003: 136 f.). Dieses Gleichheitsdenken bewirkt, dass „die Formen der Interaktion nicht durch den sozialen Status oder den Rang der Beteiligten bestimmt werden, sondern daß man um eine gleichgestellte Beziehung bemüht ist“ (Müller/ Thomas 1995: 44). Der gesellschaftliche Umgang ist deshalb von einem informellen, ungezwungenen Verhalten geprägt, zu dem auch der Smalltalk zählt. Wie bereits dargestellt, gibt es im Smalltalk keine Hierarchien und die Gesprächspartner haben prinzipiell die gleichen Rechte (vgl. Kap. VI.4.). Smalltalk kann auch mit dem Kulturstandard „Bedürfnis nach sozialer Anerkennung“ erklärt werden. Für Amerikaner sind positive soziale Rückmeldungen für das Selbstbild bzw. die Selbsteinschätzung von großer Bedeutung. „Das führt zum Bemühen, ein ‚nice guy’ zu sein und Zeichen der Freundschaft zu senden und zu bekommen“ (Slate/ Schroll-Machl 2003: 140). Es ist eine ganz wichtige erstrebenswerte Eigenschaft, eine ansprechende Persönlichkeit zu sein, bewundert und beliebt zu sein (Müller/ Thomas 1995: 110). Um diese soziale Anerkennung zu erreichen, spielt Smalltalk eine wichtige Rolle: Er schafft eine angenehme und freundliche Atmosphäre, die genutzt wird, um dem anderen entsprechende positive Rückmeldungen zu geben und auch selbst solche zu erhalten (z. B. in Form von Komplimenten). Eng mit dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung ist der amerikanische Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung/ Intrapersonale Dis- 289 Auf einige Unterschiede zwischen dem amerikanischen und deutschen Verständnis von Smalltalk habe ich bereits in Kap. IV. hingewiesen. Diese Unterschiede sind für die folgenden Ausführungen jedoch nicht von Interesse. 290 Wenn im Folgenden von „den“ Amerikanern oder „den“ Deutschen die Rede ist, so ist diese Verallgemeinerung („Prototypisierung“, vgl. Kleiber 1998) immer vor dem Hintergrund der Kulturstandardforschung zu sehen. Die Kulturstandards orientieren sich an der jeweils stärksten und damit einflussreichsten gesellschaftlichen Schicht. In den USA ist das die weiße Mittelschicht. Vgl. zur Kritik am Konzept der Kulturstandards auch Kap.VI.1.4. 198 tanz“ verbunden: Leger, informell, gesellig und kontaktfähig ist man, wenn man eine schnelle Annäherung an die eigene Person zulässt. Diese Zugänglichkeit bezieht sich allerdings nur auf die peripheren Persönlichkeitsbereiche, zu denen auch Familie, Arbeit und Hobbys gehören. Die zentralen Persönlichkeitsbereiche bleiben dagegen verschlossen und man „vermeidet zu tief gehende persönliche Gesprächsthemen, ist zurückhaltend bei der Mitteilung persönlicher Probleme, Gefühle oder Einstellungen“ (Slate/ Schroll- Machl 2003: 141). Da im Smalltalk die Themen nur oberflächlich behandelt werden und vor allem konfliktfrei sein sollen (vgl. Kap. IV.3. und V.7.6.4), ist er bestens geeignet, um interpersonal zugänglich zu sein, ohne aber die intrapersonale Distanz zu gefährden. 291 Als letzter Standard kann noch „Individualismus“ angeführt werden, der im Zusammenhang mit intrapersonaler Distanz und Chancengleichheit zu sehen ist. Da in den USA jeder für sein Leben selbst verantwortlich ist, muss man seine Probleme auch selbst lösen. Dazu ist Unabhängigkeit und auch eine gewisse Unverbindlichkeit anderen gegenüber notwendig: Es gilt ganz grundsätzlich das „Nicht-Einmischungs-Prinzip“ (Slate/ Schroll-Machl 2003: 139). Smalltalk ist hilfreich, um trotz der individualistischen Einstellungen nicht in Widerspruch zum Standard „Bedürfnis nach sozialer Anerkennung“ zu geraten: Mit Smalltalk kann man zwar soziale Beziehungen aufbauen und pflegen, man braucht aber aufgrund seiner Unverbindlichkeit nicht zwingend weitere Verpflichtungen einzugehen (vgl. Kap. IV.3.). Entsprechend dem polar angelegten Modell der Kulturstandards müsste der Smalltalk in der deutschen Kultur eine andere Stellung einnehmen bzw. keine so wichtige Rolle spielen. Die hierbei relevanten Standards sind: (a) Autoritätsdenken, (b) Direktheit interpersonaler Kommunikation/ „Low-Context“-Kommunikation, (c) Sachorientierung, (d) Abgegrenzter Privatbereich, (e) Interpersonale Distanzdifferenzierung und auch (g) Pflichtbewusstsein. Die Kulturstandardforschung kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland ein beträchtliches Hierarchiebewusstsein in Bezug auf unterschiedliche berufliche oder akademische Positionen („Autoritätsdenken“) besteht. Dementsprechend begegnet man Autoritätspersonen mit Respekt, Zurückhaltung und Scheu. Gespräche mit hierarchisch Höherstehenden finden auf einer sehr formellen Ebene statt, private Kontakte gibt es kaum (Markow- 291 Auf die Unterschiede in Hierarchie und Offenheit gegenüber Fremden hat der Sozialwissenschaftler Kurt Lewin (1953: 43) bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hingewiesen: „Betrachtet man die Struktur des Einzelmenschen als eines sozialen Wesens, so scheinen zwischen dem typischen Amerikaner und dem typischen Deutschen folgende Unterschiede zu bestehen. Der durchschnittliche ‚gesellschaftliche Abstand’ […] zwischen den verschiedenen Einzelmenschen scheint in den Vereinigten Staaten kleiner zu sein, soweit es sich um die Oberflächenregionen, oder wie man sagen kann - die ‚peripheren Regionen’ der Persönlichkeit handelt. Das heißt, der Amerikaner ist williger, gegen andere Menschen offen zu sein und mit anderen Menschen gewisse Situationen zu teilen, als der Deutsche.“ 199 sky/ Thomas 1995: 78). Smalltalk, der sich durch die Gleichberechtigung der Gesprächspartner auszeichnet (vgl. Kap. IV.4.), ist somit etwa zwischen Mitarbeiter und Chef kaum möglich bzw. gar nicht erwünscht. Deutsche pflegen einen direkten und expliziten Kommunikationsstil („Low-Context“-Kommunikation); das Was? steht im Vordergrund und nicht das Wie? Sie äußern ihre Meinung klar, was teilweise auf Kosten einer diplomatischen Gesprächsführung geht. Auf etwaige Empfindlichkeiten der Anwesenden nehmen Deutsche keine besondere Rücksicht: „Sie meinen das, was sie sagen; und sie sagen das, was sie meinen“ (Schroll-Machl 2003: 81). Im Smalltalk ist eine solche Direktheit eher hinderlich, da dadurch das Harmonieprinzip (vgl. Kap. V.9.3) gestört werden kann. Die beiden Kulturstandards „Abgegrenzter Privatbereich“ und „Interpersonale Distanzdifferenzierung“ hängen eng miteinander zusammen. Deutsche unterscheiden klar zwischen ihrem Berufsleben und ihrem Privatleben: In der Arbeit hat die Sache Vorrang, persönliche Kontakte sind im Beruf weniger wichtig und der Kontakt zu Kollegen wird nicht zwingend im Privatleben fortgesetzt. Zudem verhalten sich Deutsche im Privat- und Berufsleben unterschiedlich, je nachdem, wie nah der Kontakt mit den entsprechenden Personen ist. Deshalb werden auch die Kategorien Fremder, Bekannter, Kollege und echter Freund klar voneinander unterschieden („Interpersonale Distanzdifferenzierung“). Fremden gegenüber ist man verschlossen, distanziert und Sachgespräche und Rationalität dominieren; echte Freunde dagegen erhalten Zugang zum Persönlichkeitskern und man teilt mit ihnen auch starke Emotionen. Insgesamt ist „das Interesse, ständig neue Leute kennen zu lernen, [...] im Allgemeinen eher gering; viele Kontaktchancen werden daher nicht wahrgenommen, aktive Kontaktanbahnung oder ungebetene Einmischung wird leicht als aufdringlich empfunden; stattdessen gelten Abstand und Zurückhaltung als höflich [...]“ (Schroll-Machl 2003: 81). Es gibt also für Deutsche, besonders im Berufsleben und besonders auch mit Fremden, kaum Anlass, Smalltalk zu betreiben, da man nicht an einem Kontaktaufbau interessiert ist. Für eine Einschätzung der Bedeutung von Smalltalk im Beruf spielt auch der Kulturstandard „Pflichtbewusstsein“ eine Rolle: Die Beziehungen, die zu den beteiligten Personen existieren, beeinträchtigen oder fördern die gezeigte Gewissenhaftigkeit wenig. Ob der Chef sympathisch ist oder nicht, ob man sich mit seinen Kollegen wohl fühlt oder nicht - man hat die Aufgabe zu erledigen. (Schroll-Machl 2003: 78) Die Kulturstandardforschung legt nahe, dass Smalltalk den Arbeitsalltag der Deutschen nicht verbessert und deswegen eher als eine Zeitverschwendung angesehen wird. Dennoch gibt es in den letzten Jahren einen nachweislichen Smalltalk-Ratgeber-Boom. Dies kann wohl weniger durch die (traditionel- 200 len) Kulturstandards als vielmehr durch die moderne, globalisierte Kommunikationsgesellschaft erklärt werden (vgl. Kap. I.1.). 292 1.4 Kulturstandards - grobe Klötze oder nützliche Denkwerkzeuge? 293 Die Theorie der Kulturstandards darf nicht den Eindruck vermitteln, dass Standards uneingeschränkt für alle Teilhaber einer Kultur in jeder Situation, zu jeder Zeit gelten. Es wurde bereits auf Einschränkungen nach Raum, Zeit, Situationen, Schicht und Ebenen hingewiesen. Kulturstandards sind deswegen „grobe Klötze“, weil sie die Komplexität der Wirklichkeit reduzieren; indem sie Kategorien zur Verfügung stellen, erfüllen sie die Funktion von Stereotypen. „Sie unterscheiden sich aber von Vorurteilen gegenüber einer anderen Kultur, weil sie nicht vereinfachte, unreflektierte Bemerkungen, Meinungen und Einstellungen über eine Zielkultur widerspiegeln, sondern aus der systematischen Analyse realer und alltäglich erlebter Handlungssituationen heraus konstruiert werden“ (Kammhuber/ Schroll-Machl 2003: 21). Kulturstandards sollten aber „nie mehr als den Stellenwert von Orientierungshilfen haben“ (Feichtinger 1998: 83). Sie können nützliche Denkwerkzeuge sein, die helfen, einen ersten Zugang zu einer fremden Kultur zu finden und zur Selbstreflexion anzuregen. 294 In diesem Sinne liefern sie wichtige Hinweise auf die Verankerung der Gesprächssorte Smalltalk in der amerikanischen und deutschen Kultur und können einen Analysehintergrund für den Ratgebervergleich darstellen. 1.5 Schlussfolgerungen Gemäß der Kulturstandardforschung ist Smalltalk also durchaus etwas „typisch Amerikanisches“ und etwas „untypisch Deutsches“. Daraus ergibt sich weiterhin: 292 Antor (2007: 123 f.) weist darauf hin, dass einheitliche, durch „territorial orientierte[s] Denken“ geprägte Kulturkonzepte der „Diversität des 21. Jahrhunderts“ nicht mehr gerecht werden. Diese simplifizierende Perspektive verkenne, dass im Zeitalter schnellster weltweiter Kommunikation und dynamisierter Migration klare kulturelle Trennungen und Unterscheidungen nicht mehr möglich sind. „Vielmehr werden wir es in Zukunft mit Individuen zu tun haben, die in divers hybriden kulturellen Formationen sozialisiert wurden und deren Identität nicht im Sinne eines homogenen Singulars verstanden werden darf, sondern eher als multipel und transgressiv gedacht werden muss.“ (ebd. 124). Vgl. dazu auch Wieland (1998). 293 Kapitelüberschrift in Anlehnung an den Aufsatztitel von Kammhuber (1998). 294 Auf den Nutzen von Generalisierungen für das interkulturelle Lernen im Fremdsprachenunterricht weist Davies (2004: 212 ff.) hin. 201 1. Amerikaner werden mit dieser Gesprächssorte sozialisiert und haben deshalb keine Schwierigkeiten mit dem Smalltalk. 2. Da Smalltalk ein wichtiges Element der amerikanischen Kultur darstellt, ist er bei den Amerikanern positiv konnotiert. Es finden sich in meiner Umfrage zum Smalltalkverständnis (vgl. auch Kap. IV.1.) einige Indizien dafür, dass Smalltalk in den USA ein positives Image hat: 90,0% der befragten Amerikaner bewerten Smalltalk positiv oder eher positiv. Der Umkehrschluss, dass Deutsche Smalltalk aufgrund ihrer „smalltalkfeindlichen“ Kulturstandards ablehnen, kann jedoch nicht bestätigt werden. So schätzen zwar in meiner Umfrage prozentual die Amerikaner Smalltalk positiver ein als die Deutschen, dennoch bewertet ein Großteil der Deutschen, immerhin 70,0%, Smalltalk ebenfalls als positiv oder eher positiv. Aufschluss über die erste Annahme liefert die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Smalltalk-Ratgebern in der Umfrage (Frage 11., siehe Anhang). Sowohl Deutsche (60,7%) als auch Amerikaner (69,8%) stufen Smalltalk- Ratgeber als nicht sinnvoll ein. Interessant sind aber die unterschiedlichen Gründe für diese Ablehnung: 13 (von 31) Deutsche lehnen die Ratgeber vor allem mit der Begründung ab, Smalltalk sei spontan, situationsbedingt, nicht vorhersehbar und damit auch nicht erlernbar. Immerhin vier sind der Meinung, dass man die Fähigkeit zum Smalltalken entweder besitze oder eben nicht, und für zwei Befragte geschieht Smalltalk automatisch und ergibt sich von selbst. Die amerikanischen Begründungen sind anders gewichtet: 12 (von 37) gaben an, dass sie selbst keine Probleme mit dem Smalltalk und deswegen auch keinen Beratungsbedarf hätten. Smalltalk sei etwas Natürliches („it is a natural thing“) und Selbstverständliches („Most people do it automatically“). Immerhin sieben sind der Meinung, dass man Smalltalken besser in der Praxis lerne und für vier ist Smalltalk spontan, situationsbedingt, nicht vorhersehbar und damit nicht erlernbar. Anhand der Umfrage kann man erkennen, dass es doch einen wichtigen Unterschied im Verständnis von Smalltalk zwischen den Deutschen und den Amerikanern gibt: Tendenziell ist Smalltalk für die Amerikaner eine gewisse Selbstverständlichkeit, etwas, das man automatisch kann. Die Frage nach Problemen mit dem Smalltalk stellt sich ihnen deshalb auch gar nicht. 2. US-amerikanische und deutsche Ratgeber im Vergleich Nach den bisherigen Ausführungen mag es vielleicht überraschen, dass es dennoch in den USA eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Ratgebern mit teilweise erstaunlichen Auflagen gibt, die Amerikanern erklären, wie man am besten smalltalken, Bekanntschaften schließen oder mit jedermann in jeder Situation über alles reden kann. Bei der Ermittlung der Kulturspezifik der Ratgeber soll nun sowohl auf Sprache, Struktur und Inhalte als auch auf die hinter den Texten stehenden Kulturkonzepte und Traditionen einge- 202 gangen werden. Von besonderem Interesse ist, ob sich in den Ratgebern kulturspezifische Probleme finden lassen und ob auf dieselben Probleme kulturspezifisch unterschiedliche Ratschläge gegeben werden. 2.1 Ratgeber des US-amerikanischen Korpus Im Gegensatz zum deutschen Korpus der Smalltalk-Ratgeber erhebt das USamerikanische Korpus keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn sowohl Recherche als auch Verfügbarkeit der Ratgeber gestaltet sich von Deutschland aus relativ schwierig. Da es in diesem Kapitel aber nur um das Aufzeigen gewisser Tendenzen geht, ist die amerikanische Stichprobe dennoch aussagekräftig. Folgende Ratgeber werden für einen Vergleich herangezogen: 1. Barber, Anne/ Wymon, Lynne (1992): Great Connections. Small Talk and Networking for Businesspeople. 2. Aufl. (1. Aufl. ebenfalls 1992). Manassas Park, VA: Impact Publications. 178 Seiten, U.S. $24.95. 2. Carducci, Bernardo J. (1999): The Pocket Guide to Making Successful Small Talk: How to Talk to Anyone Anytime Anywhere about Anything. New Albany, IN: Pocket Guide Publishing. 86 Seiten, U.S. $11.95. 3. Carnegie, Dale (1982): How to Win Friends & Influence People. Aktual. Aufl. von Dorothy Carnegie (1. Aufl. 1936). New York: Simon & Schuster. 276 Seiten, U.S $7.99. 4. Fine, Debra (2004): The Fine Art of Small Talk. How to Start a Conversation, Keep it Going, Built Rapport and Leave a Positive Impression. 2., neu bearb. Aufl. (1. Aufl. ebenfalls 2004). Englewood, CO: Small Talk Publishers. 143 Seiten, U.S. $12.95. 5. Gabor, Don (2001): How to Start a Conversation and Make Friends. (1. Aufl. 1983). New York: Simon & Schuster. 208 Seiten, U.S. $12.00. 6. Garner, Alan (1997): Conversationally Speaking. Tested New Ways To Increase Your Personal and Social Effectiveness. 3. Aufl. (1. Aufl. 1980). Los Angeles, CA: Lowell House. 210 Seiten, U.S. $14.00. 7. Honeychurch, Carole/ Watrous, Angela (2003): Talk to Me. Conversation Tips for the Small-Talk Challenged. Oakland, CA: New Harbinger Publications, Inc. 109 Seiten, U.S. $12.95. 8. King, Larry (2004): How to Talk to Anyone, Anytime, Anywhere. The Secrets of Good Communication. With Bill Gilbert. (1. Aufl. 1994). New York: Gramercy Books. 220 Seiten, U.S. $9.99. 9. Lowndes, Leil (2003): How to Talk to Anyone. 92 Little Tricks for Big Success in Relationships. New York u. a.: McGraw-Hill. 347 Seiten, U.S. $14.95. 203 10. Maggio, Rosalie (2005): The Art of Talking to Anyone. Essential People Skills for Success in Any Situation! New York u. a.: McGraw-Hill. 221 Seiten, U.S. $16.95. 11. Martinet, Jeanne (1992): The Art of Mingling. Easy, Fun, and Proven Techniques for Mastering Any Room. New York: St. Martin’s Press. 156 Seiten, U.S. $9.95. 12. Morris, James A. Jr. (1986): The Art of Conversation. Magic Key to Personal and Social Popularity. (1. Aufl. 1976). New York: Simon & Schuster, Inc. 192 Seiten, U.S. $11.00. 13. RoAne, Susan (1999): What do I Say Next? Talking Your Way to Business and Social Success. (1. Aufl. 1997). New York: Warner Books. 266 Seiten, U.S. $14.00. 14. RoAne, Susan (2003): How to Work a Room. The Ultimate Guide to Savvy Socialising and Networking. (1. Aufl. 2000). London: Robson Books. (Erstauflage wurde in New York: HarperCollins Publishers Inc. veröffentlicht). 264 Seiten, 7.99. Da es nach meinen Recherchen in den USA weit weniger Ratgeber gibt, die den Ausdruck Smalltalk im Titel führen als in Deutschland, 295 werden für einen Vergleich neben den „reinen“ Smalltalk-Ratgebern (1, 2, 4, 7, auch 11, 14) zudem unspezifischere Gesprächslehren berücksichtigt. In diesen Büchern gibt es zwar Kapitel, die keine Relevanz für die Gesprächssorte Smalltalk haben, so etwa die Kapitel Handling Criticism Constructively, Resisting Attempts at Manipulation (beide Garner 1997) oder How to work an audience (RoAne 2003), das sich mit der monologischen Rede beschäftigt. Dennoch sind viele Ausführungen und ganze Kapitel wie Starting Conversation (Garner 1997) oder Short Cuts for Instantly Deciding How to Converse With Any Stranger (Morris 1976) für einen Vergleich mit den deutschen Smalltalk- Ratgebern von Bedeutung. Üblicherweise wird in den Smalltalk-relevanten Kapiteln die prototypische Smalltalksituation „gesellschaftlicher Anlass“ thematisiert. Wenn auch das Wort Smalltalk nicht immer explizit verwendet wird, so finden sich häufig synonyme und verwandte Bezeichnungen wie (casual, polite, informal) conversation, social talk oder social chat (vgl. Kap. 295 Über die Gründe kann spekuliert werden: Während Smalltalk-Ratgeber im Deutschen eine Neuerung darstellen und auch als solche unter der „Innovation“ Smalltalk (mit einem positiven Image) vermarktet werden, haben sie in den USA bereits eine längere Tradition (vgl. die Jahreszahlen der Erstauflagen). Da die Bezeichnung small talk der eigenen Sprache entstammt, hätte eine Erwähnung im Titel auch nicht dieselbe Wirkung wie im Deutschen und ist deshalb auch nicht unbedingt nötig. Unter Umständen könnte das in den amerikanischen Ratgebern (z. B. Baber/ Waymon 1992: 5 f.; Gabor 2001: 88; RoAne 2003: 81) thematisierte negative Image von Smalltalk in den USA eine Rolle spielen, das sich allerdings in meiner Umfrage nicht nachweisen lässt. 204 IV.11.). Auch die Ausdrücke to work a room 296 (RoAne 2003) oder to mingle 297 (Martinet 1992) sind im Kontext von Smalltalk zu sehen. Das Buch von Dale Carnegie ist unter den amerikanischen Ratgebern insofern ein Sonderfall, als es 1936 erstmals publiziert wurde und schnell zu einem weltweiten Bestseller wurde. Obwohl der Autor bereits 1955 verstorben ist, wird sein Buch immer noch (in überarbeiteter Form) aufgelegt. Für einen Vergleich mit den deutschen Smalltalk-Ratgebern sind bei diesem Buch zwar lediglich zwei der vier Teile relevant, nämlich Part One: Fundamental Techniques in Handling People und Part Two: Six Ways to Make People Like You. Wegen seines großen Einflusses auf die (aktuelle) Ratgeberliteratur, wurde es dennoch aufgenommen. 298 Die Titel und Kapitelüberschriften der amerikanischen Ratgeber können dabei bereits als erster Beleg für einen amerikanischen Kulturstandard herangezogen werden. Formulierungen wie How to … oder Handling People sprechen für eine deutliche Handlungsorientierung der Ratgeber. 2.2 Wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede Durch den Ratgebervergleich können zunächst Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen Deutschland und den USA festgestellt werden. Die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren: Die ermittelten Gemeinsamkeiten können nämlich einerseits auf kulturübergreifenden, eventuell sogar universellen Gesprächsbzw. Textsortenkonventionen oder Kommunikationsmaximen begründet sein. Andererseits ist - besonders bei der Smalltalk-Thematik - ein Kulturtransfer nicht auszuschließen. So könnten z. B. übereinstimmende Probleme und Ratschläge auf eine Orientierung 296 RoAne (2003: xxviii) gibt dazu selbst eine Definition, die die Überschneidungen mit dem in den deutschen Ratgebern thematisierten Smalltalk-Konzept erkennen lässt: […] the ability to circulate comfortably and graciously through a gathering of people: meeting, greeting and talking with as many of them as you wish; creating communication that is warm and sincere; establishing an honest rapport on which you can build a professional or personal relationship; and knowing how to start, how to continue and how to end lively and interesting conversations. 297 Das Wort to mingle bedeutet allgemein ‚sich vermischen’ und in Bezug auf Personen ‚Umgang mit jmdn. haben, sich unters Volk mischen.’ Auch wenn Martinet nicht explizit verbalisiert, durch welche Handlungen genau sich ein mingling auszeichnet, so kann doch davon ausgegangen werden, dass damit in etwa dasselbe wie bei to work a room gemeint ist (vgl. vorherige Anmerkung). 298 Die amerikanischen Autoren beziehen sich sehr häufig auf diesen „Klassiker“ von Carnegie (z. B. Lowndes 2003: xiii f.; Gabor 2001: 32). Da das Buch bereits 1938 in der Auflagenhöhe 36.-40. Tausend in deutscher Sprache erschienen ist und bis heute verlegt wird, war und ist es auch für die deutsche Ratgeberliteratur von Bedeutung. So findet sich etwa im Smalltalk-Ratgeber von Märtin/ Boeck (2000: 74) folgendes direkte Zitat: ‚Vergessen Sie nie, daß für jeden Menschen sein Name das schönste und wichtigste Wort ist’, rät Dale Carnegie in seinem Bestseller Wie man Freunde gewinnt. Auch Hesse/ Schrader (2003: 133) und Lasko (2004: 76) nehmen direkt Bezug auf dieses Buch. Es wird außerdem in den Literaturverzeichnissen von Hesse/ Schrader (2003), Märtin/ Boeck (2000) und Müller/ Weiden (2002) aufgeführt. 205 deutscher Ratgeber an amerikanischen Ratgebern zurückgehen (vgl. die Präsenz amerikanischer Titel in den Literaturverzeichnissen der deutschen Ratgeber). Außerdem können identische Ratschläge auf zufälligen Übereinstimmungen im „persönlichen Geschmack“ der Autoren beruhen. Auch für die ermittelten Unterschiede in den Ratgebern sind unterschiedliche Begründungen möglich. Eine Ursache könnten die unterschiedlichen Sprachsysteme im Deutschen und im Englischen sein. Da es im Englischen nur eine Anredeform gibt, entfällt etwa ein Äquivalent zum Problem „Siezen und Duzen“. Sind bestimmte Gesprächsanlässe (z. B. Bar Mitzvahs, Fundraising, Dating) oder Gegenstände (z. B. Namensschilder) nur in einer der beiden Kulturen bekannt oder verbreitet, 299 so ist es nicht verwunderlich, wenn sie in den Ratgebern der anderen Kultur nicht vorkommen. Besonders bei den Unterschieden in den Makrostrukturen muss auch noch die Möglichkeit länderspezifischer Verlagstraditionen berücksichtigt werden (vgl. Kap. VI.2.2.2). Im Folgenden werden nun vor dem Hintergrund der im Kapitel V. geleisteten Analyse die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den deutschen und amerikanischen Ratgebern vorgestellt, wobei der „Befund“ jeweils, soweit möglich, durch die Kulturstandards begründet werden soll. 300 Aufgrund der genannten Schwierigkeiten in der Interpretation der Ergebnisse kann diese Analyse lediglich erste Thesen liefern, die in weiteren Untersuchungen noch geprüft werden müssten. Bestimmte Aspekte des tatsächlichen Sprachverhaltens wurden bereits empirisch im deutschamerikanischen Vergleich untersucht (vgl. die Arbeiten von Casper-Hehne 1997; Davies 2004; Kotthoff 1989, 1991, 2003; Rings 1994, 1995 301 , 2001 302 ). Die Forschungsergebnisse werden für die Beurteilung der Kulturalität der Ratgeber an den entsprechenden Stellen berücksichtigt. 299 Die Beispiele in Klammern stammen aus den amerikanischen Ratgebern. 300 Ein anderes Vorgehen wäre, von den Kulturstandards auszugehen und diese mittels der Texte zu belegen bzw. zu widerlegen. Folgendes Ratgeberzitat könnte beispielsweise als Realisierung der amerikanischen Kulturstandards „Leistungsorientierung“ und „Gleichheitsdenken“ gewertet werden: Keep in mind that almost all of us started out the same way. Very few of us are born to wealth and power, unless you’re a Kennedy or a Rockefeller or a member of one of a few selected families. Most of us started out as children of middleor lower-income families. We worked part-time to pay for college or while getting started in our careers. And chances are the people we’re talking to did, too. […] You don’t have to stand there feeling inferior or intimidated. You belong in that room just as much as the person you are talking to. (King 2004: 33 f.). Diese Methode wurde bewusst nicht gewählt, weil dadurch leichter die Gefahr besteht, Aspekte zu übersehen, die gegen die üblichen Kulturstandards gerichtet sind. Zudem soll auch ein Überblick über die Unterschiede gewonnen werden, die gerade nicht mittels der Standards erklärt werden können. 301 Online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amger.htm (gesehen am 18.09.2007). 302 Online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amgertalktitle.htm (gesehen am 18.09.2007). 206 2.2.1 Autoren und Leser Auch in den amerikanischen Ratgebern finden sich in der Regel Informationen zum Autor; lediglich die beiden Ratgeber der Autorin Susan RoAne verzichten darauf. Wie bei den deutschen Ratgebern sind die Autoren vor allem als Kommunikationstrainer (7/ 15) oder freie Autoren (3/ 15) tätig; ein Ratgeber wurde von dem Psychologieprofessor Bernardo J. Carducci verfasst, der vor allem Schüchternheitsforschung betreibt, und ein Ratgeber stammt von dem bekannten Showmaster Larry King. Es gibt im Vergleich zu den Informationen in deutschen Kurzbiographien einige bemerkenswerte Unterschiede: So wird in keiner der amerikanischen Biographien die Ausbildung oder das Studium des Autors erwähnt. Der Schwerpunkt der teilweise sehr ausführlichen Informationen zum Autor liegt eindeutig auf dessen praktischen Erfahrungen und den Erfolgen, die er im Kontext von Kommunikation vorweisen kann. Es finden sich häufiger Photographien der Autoren (5/ 15), Kontaktmöglichkeiten wie E-Mail, Internetseite oder Postadresse (9/ 15) und eine Nennung des Wohnorts (8/ 15). Teilweise werden zusätzlich privatere Informationen wie der Name der Ehefrau (Gabor 2001: Klappentext) oder bestimmte Vorlieben (loves to attend parties, Martinet 1992: Klappentext) gegeben. Die hier aufgezeigten Unterschiede zwischen den deutschen und den amerikanischen Ratgebern passen gut zu den jeweiligen Kulturstandards: Die starke Ausrichtung auf die praktischen Erfahrungen und Erfolge bei den amerikanischen Autoren lässt sich durch den Kulturstandard „Leistungsdenken“ erklären, die persönlichen Informationen durch den Standard „Interpersonale Distanzminimierung“. Die Nennung der Ausbildung in den deutschen Ratgebern kann als ein Reflex des deutschen Autoritätsdenkens gelten, bei dem der Nachweis fachlicher Qualifikation besonders wichtig ist (Lord 1999: 41 f.; Schroll-Machl 2002: 51 f.). Zu diesen Ergebnissen passt auch, dass der Leser bei einem Großteil der amerikanischen Ratgeber auch während der Lektüre wesentlich mehr Details über das Berufs- und Privatleben der Autoren erfährt als in den deutschen Ratgebern: Die amerikanischen Autoren offenbaren z. B., welche Jobs sie bereits gemacht haben, wer ihre Familie und Freunde sind, ob sie bereits geschieden sind, ob sie rauchen, welche Religion sie haben usw. 303 Fine (2004: v ff.) etwa erzählt in ihrer Einleitung quasi ihre komplette Lebensgeschichte, die zum amerikanischen Ideal des „selfmade man“ bzw. „woman“ passt: Sie ist durch Selbstdisziplin von einem übergewichtigen, schüchternen Schulkind zu einer erfolgreichen Trainerin und Buchautorin geworden. Die deutschen Autoren sind mit solchen persönlichen Informationen dagegen viel zurückhaltender (vgl. „Abgerenzter Privatbereich“). 303 Die Autoren Larry King und Susan RoAne sind Juden. RoAne (1999) verwendet einige jiddische Ausdrücke, die sie im Anhang in einem „Jiddish Glossary“ erläutert. Bezogen auf die Kommunikationskultur sind - zumindest auf den ersten Blick - keine Besonderheiten zu finden, die sich durch die jüdische Kultur erklären ließen. 207 Wie in den deutschen Ratgebern stellen auch die amerikanischen Autoren ihre Kompetenz durch die Verwendung unterschiedlicher Mittel dar. Man bezieht sich auf andere (Forschungs-)Literatur, auf Umfragen und Studien. Ein auffälliger Unterschied zu den deutschen Autoren besteht jedoch darin, dass viele der amerikanischen Autoren explizit darauf hinweisen, dass sie selbst gewissermaßen forschend empirisch arbeiten: I’ve observed sought-after conversationalists for years, analysed their methods and distilled my observations into the proven magic keys you’ll quickly learn by reading Chapter Nine and Ten. (Morris 1976: 6, ebenso: RoAne 1999: 2, Baber/ Waymon 1992: 2) Dazu passt, dass sie häufiger als deutsche Autoren erfolgreiche Kommunikationsexperten zitieren (siehe unten). Auch die amerikanischen Ratgeber verwenden Pseudo-Fachwortschatz (z. B. Lemon-Sucker Syndrome, RoAne 2003: 81; ENGAGE-Formula, Baber/ Waymon 1992: 45). Mathematische Formeln wie Humor = Tragedy + Time (RoAne 1999: 103) oder Body Language + Tone of Voice + Words = Total Communication (Gabor 2001: 31) konnten in den deutschen Ratgebern jedoch nicht nachgewiesen werden und scheinen kulturspezifisch zu sein. In Bezug auf den Leser gibt es zwischen den deutschen und den amerikanischen Ratgebern eine weitgehende Übereinstimmung. Explizite Informationen sind selten; aus den verwendeten Beispielen wird jedoch deutlich, dass sich die amerikanischen Ratgeber vor allem an eine aufstrebende Gesellschaftsschicht wenden. So fällt etwa der Ausdruck CEO, Chief Executive Officer, ziemlich häufig. Die Leser der Ratgeber sind damit im Großen und Ganzen mit den Trägern der vorne dargestellten amerikanischen Kulturstandards identisch: Die kritischen Interaktionen, anhand derer die Kulturstandards ermittelt werden, finden in der Regel zwischen Angehörigen der weißen amerikanischen Mittelschicht und der deutschen Mittelschicht statt. 2.2.2 Makrostrukturen Bei den visuellen Makrostruktureinheiten gibt es ebenfalls Unterschiede zwischen den deutschen und den amerikanischen Ratgebern. So finden sich etwa auf dem vorderen Einband der amerikanischen Ratgeber in der Regel neben Autor und Titel auch Angaben zur Auflage (Revised and updated, Gabor 2001), zur Auflagenhöhe (More than 500,000 copies in print! Garner 1997), zum Autor (From the Million-Copy Bestselling Autor of How to Say it, Maggio 2005) oder werbewirksame Zitate aus Rezensionen bzw. Meinungen zum Buch (The art of conversation has been revived by Susan RoAne! RoAne 1999). In 5 von 14 Ratgebern ist eine Liste solcher Zitate (zusätzlich) im Schmutztitel. Ebenfalls „typisch amerikanisch“ scheinen Widmungen (11/ 14) und Danksagungen (11/ 14) zu sein, die in den deutschen Ratgebern bis auf eine Aus- 208 nahme (Lasko 2004) nicht vorkommen. 304 Häufiger als in den deutschen Ratgebern wird auch von benutzerfreundlichen Registern (9/ 14) Gebrauch gemacht, Literaturverzeichnisse finden sich dagegen eher selten (5/ 14). Ein ganz essentieller Unterschied ist, dass keiner der amerikanischen Ratgeber graphisch hervorgehobene Übungen verwendet; auch Tests („Quizzes“) kommen in nur vier Büchern vor. Als letzte Auffälligkeit soll noch erwähnt werden, dass in den amerikanischen Büchern Farbe als Mittel des Textdesigns keine Rolle spielt: Die Bücher sind durchweg schwarz-weiß gehalten. Die hier genannten Unterschiede lassen sich kaum durch die vorne genannten Kulturstandards erklären. Vielleicht könnte man Widmungen und Danksagungen als eher persönliche Buchkomponenten mit dem Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung“ verbinden. Viele der auffälligen Unterschiede (z. B. Schwarz-weiß-Druck) sind aber wohl eher durch die ländertypischen Traditionen im Verlagswesen zu erklären. 2.2.3 Ratfragen, Ratschläge und Probleme a) Beratungssituation in den amerikanischen Ratgebern Wie auch in den deutschen Ratgebern ist im Vergleichskorpus der fingierte Beratungsdialog zwischen Autor und Leser greifbar. Eine Darstellungsweise, die in den deutschen Ratgebern bisher nicht verwendet wird, sind die FAQs (Frequently Asked Questions). Gabor (2001) zeichnet solche typischen Ratfragen makrostrukturell aus und bringt sie in den verschiedenen Kapiteln unter; RoAne (2003: 245 ff.) präsentiert am Buchende eine Liste von 12 FAQs mit entsprechenden Ratschlägen. Die dort genannten Probleme werden auch in den deutschen Ratgebern thematisiert, z. B. 1. How do I break into a group? oder 7. How do I get out of a conversation? b) Ratschlagtypen Die vier Ratschlagtypen (personalisierter (1), adressierter (2), verdeckter (3) und modellbasierter (4) Ratschlag) lassen sich auch - mit den entsprechenden Mitteln des englischen Sprachsystems - in den amerikanischen Ratgebern nachweisen: (1) John Marks, CEO of the San Francisco Convention and Visitors Bureau, advises: „Be enthusiastic, weave a good story, but don’t dominate conversation.“ (RoAne 1999: 40) (2) Remember that certain subjects are naturally more touchy than others. (Honeychurch/ Watrous 2003: 33). (3) Taking over a conversation and never allowing anyone else to get a word in edgewise is also rude. (Baber/ Waymon 1992: 51) 304 Dass bei den deutschen Übersetzungen von Carnegie (1982), Martinet (1992) und RoAne (1999) die Widmungen des Originals fehlen, kann als ein weiteres Argument für die Kulturspezifik dieses makrostruktuellen Elements gewertet werden. 209 (4) Editorial Diector Mark Chimsky of Harper San Francisco is a terrific conversationalist. Once he asks a question, he listens to the answer. (RoAne 1999: 14 f.) Wie in den deutschen Ratgebern liegt der Schwerpunkt auf den adressierten Ratschlägen. Bei den personalisierten Ratschlägen ist oft nicht der Autor selbst der explizit Beratende, sondern andere Kommunikationsgrößen, die der Autor zitiert (vgl. Zitat 1). Modellbasierte Ratschläge werden in den amerikanischen Ratgebern tendenziell häufiger verwendet und die Beispiele und Beispielsituationen sind stärker ausgebaut als in den deutschen Ratgebern. Besonders auffällig ist das bei Carnegie (1982), der fast ausschließlich lehrhafte Episoden, Anekdoten und kurze Geschichten verwendet. 305 Während die deutschen Beispiele größtenteils erfunden oder zumindest anonymisiert sind (vgl. die Beispiele in Kap. V.7.3.4), hat der Leser in den amerikanischen Ratgebern eher den Eindruck, dass die geschilderten Situationen auf tatsächlichen Gegebenheiten beruhen. Das liegt nicht nur daran, dass die Informationen zu den Personen sehr konkret sind (Name, Beruf, Arbeitgeber, Ort, Verhältnis zum Autor usw.), sondern auch daran, dass unikale Situationen anstatt neutraler „Situationsschablonen“ beschrieben werden: My friend Barb took a leap out of her professional comfort zone to run for city council. She’s a natural at small talk anyway, but she discovered something very important during her campaign. […]. (Fine 2004: 23) Diese Authentizität ist auch dann gegeben, wenn der Autor selbst als „Modell“ eigene Erlebnisse einbringt. Das kommt in den amerikanischen Ratgebern wesentlich häufiger vor als in den deutschen. Nicht selten werden dabei „Erfolgsstorys“ des Typs „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ präsentiert (z. B. Carnegie 1982; Fine 2004; King 2004). Diese stärkere Personalisierung und Individualisierung wird in den amerikanischen Ratgebern dadurch unterstützt, dass die Autoren selbst ihre Gefühle offenbaren (I’m embarrassed to confess, I have an extremely short attention span […], Martinet 1992: 59) und zudem stark sprechsprachlich formulieren, z. B. indem sie stärker als in den deutschen Ratgebern Umgangssprache (Muster your moxie, Fine 2004: 107) oder Interjektionen (Ooops! Gulp! , RoAne 1999: 119) verwenden. Diese Befunde passen zu den amerikanischen Kulturstandards „Interpersonelle Distanzminimierung“ und „Handlungsorientierung“. Deutsche Ratgeber wirken dagegen sachlicher (nicht wissenschaftlicher! ) und etwas distanzierter. 305 Aus Kundenrezensionen zu Carnegie (1982) geht hervor, dass deutsche Leser eine Häufung an solchen sprachlichen Mitteln als typisch amerikanisch einschätzen: „Wirklich geärgert hat mich an Carnegies Werk jedoch die Tatsache, dass er sich in unendlich vielen ‚Praxiserfahrungen’ aufhängt, wodurch der Leser nach der ersten Seite eines Kapitels stark mit dem Schlaf kämpft. Man erkennt an Carnegies Schreibstil, dass er Amerikaner war, und das Buch auch für Amerikaner konzipiert wurde. Die gut dreihundert Seiten könnten auf eine paar wenige zusammengekürzt werden […]“ (http: / / www.amazon.de, gesehen am 16.11.2006). 210 Vergleicht man die in den deutschen und amerikanischen Ratgebern thematisierten Probleme und die dazu gehörenden Ratschläge, so finden sich viele Gemeinsamkeiten. Im Folgenden sollen daher lediglich auffällige Unterschiede angesprochen werden. c) Vorstellen Ganz allgemein spielt das Vorstellen (sich selbst vorstellen, zwei Personen einander vorstellen) in den amerikanischen Ratgebern eine größere Rolle als in den deutschen. Den Namen seines Gegenübers zu erfahren, ist so wichtig, dass man auch andere dazu auffordern darf, sich vorzustellen. Zwar wird in den Ratgebern darauf hingewiesen, dass der gesellschaftliche Umgang heutzutage eher informell ist (Barbor/ Waymon 1992: 58), dennoch werden Regeln für die Reihenfolge des Vorstellens durch einen Dritten präsentiert: The part of introductions that generally is a challenge is deciding (quickly) who gets introduced to whom. […] Although we think we’re an egalitarian society, one person is usually ranked a little more highly than the other. That person gets to find out first who the other person is. The higher-ranked person on the left: senior executive - junior executive older neighbor - younger neighbor clergy - nonclergy professor - student adult - child manager - employee longtime friend - someone you met last week (Maggio 2005: 10 f., ähnlich: Barbor/ Waymon 1992: 58 ff.) Dem Autor des Ratgebers ist, wie das Zitat belegt, durchaus bewusst, dass solche Hierarchisierungen eigentlich nicht zum Selbstverständnis einer von Gleichheit geprägten amerikanischen Kultur passen. Im Vergleich zu den deutschen Ratgebern, die eine Hierarchisierung vor allem im Zusammenhang mit dem Grüßen nennen, wird deutlich, dass der entsprechende Ratschlag zudem eine kulturspezifische Prägung erhält. Während Alter und beruflicher Status in beiden Kulturen ein deutliches Kriterium der Hierarchisierung darstellen, wird nur in den deutschen Ratgebern auch das Geschlecht angeführt: Wen grüßen Sie zuerst? Hier gilt: Damen vor Herren, ältere Personen vor jüngeren, ranghöhere Personen vor rangniedrigen [Hervorhebung, K.K.]. (Lermer 2003: 50, ebenso: Schäfer-Ernst 2002: 59). In den USA ist die völlige Gleichbehandlung der Geschlechter ein besonders sensibles Thema; eine Hierarchisierung ist hier mittlerweile aus Gründen der political correctness nicht mehr angebracht: It used to be proper always to introduce a man to a woman - that means, you’d treat the woman as if she were superior, saying her name first. That rule is obsolete, and rank should prevail. (Barbor/ Waymon 1992: 59) 211 Im Zusammenhang mit dem Vorstellen ist in den amerikanischen Ratgebern auch relevant, wie man die Namen der Vorzustellenden präsentiert. 306 Dabei stellt sich die Frage, ob man eine eher formelle Vorstellung, unter Umständen mit Nennung der Titel (z. B. Dr, Senator, Father, Rabbi, RoAne 2003: 143), einer informellen Vorstellung nur mit Nennung der Vornamen vorziehen sollte. Keinesfalls jedoch darf man eine fremde Person und flüchtige Bekannte ohne Erlaubnis mit dem Vornamen ansprechen und schon gar nicht mit einem Spitznamen (Never ‚shorten’ someone’s formal name. RoAne 2003: 143, ähnlich: Maggio 2005: 12, Fine 2004: 25). Im Deutschen ist die Problematik der Namenwahl eng mit dem Problem des Siezens oder Duzens verbunden; Spitznamen werden in den deutschen Ratgebern überhaupt nicht thematisiert. Die Bedeutung des eigenen Namens wird in den amerikanischen Ratgebern allgemein höher bewertet als das in den deutschen der Fall ist. Schon bei Carnegie (1982: 77; erstmals jedoch 1936) kann man lesen: The average person is more interested in his or her own name than in all the other names on earth put together. Dementsprechend wird auch in den amerikanischen Ratgebern geraten, den Namen seines Gegenübers möglichst oft zu verwenden (vgl. Gabor 2001: 68; Fine 2004: 23, 117). In den deutschen Ratgebern dagegen findet man: Glauben Sie aber nicht die viel zitierte Verkäufer-Weisheit, dass Menschen nichts lieber hören als den Klang ihres eigenen Namens und man ihn deshalb möglichst oft aussprechen sollte. Nennen Sie den Namen nur, wo es im Gespräch sinnvoll ist. (Lermer 2003: 122, ähnlich: Hesse/ Schrader 2001: 90, Kessler 2007: 107, Schäfer-Ernst 2002: 109) Die große Bedeutung des eigenen Namens in den amerikanischen Ratgebern könnte man durch den Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung“ erklären. d) „shaking hands“ Dem Händeschütteln wird unabhängig von der beschriebenen Situation in den amerikanischen Ratgebern wesentlich mehr Platz eingeräumt als in den deutschen (z. B. Gabor 2001: 43; Garner 1997: 146; Maggio 20005: 13 f.; Martinet 1992: 11; RoAne 2003: 84). So ist der Handschlag ein obligatorisches Element des Vorstellens und es darf nur in besonderen Fällen, z. B. bei einem Gespräch mit einem Fremden in der Öffentlichkeit (Maggio 2005: 157) oder in einer größeren Gruppe (Martinet 1992: 13), darauf verzichtet werden. Auch bei der Verabschiedung spielt der Handschlag eine wichtige Rolle (z. B. Gabor 2001: 199). Es finden sich in den amerikanischen Ratgebern nicht nur detaillierte Ratschläge zum richtigen Händedruck (z. B. Maggio 2005: 306 Das gegenseitige Vorstellen scheint in der deutschen Kultur weniger verbreitet zu sein als in der amerikanischen. Auf einer in Die Zeit (Leben 42/ 2002) veröffentlichten Liste „Was Amerikanern an Deutschen auffällt“ kann man unter Punkt 13. lesen: „Bei Partys und sonstigen Begegnungen werden die Leute einander kaum jemals vorgestellt“ (http: / / www.zeit.de/ 2002/ 42/ 59378, gesehen am 17.09.2007). 212 13 f.; RoAne 2003: 84), sondern auch Hinweise auf die Erziehung und geschlechtsspezifische Verhaltensweisen: Men have been trained from childhood to shake hands. Women must also master the art (RoAne 2003: 86; vgl. auch Martinet 1992: 13). Dass in den deutschen Ratgebern der Handschlag nur schwach thematisiert wird, liegt nicht daran, dass er in der deutschen Kultur nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr ist er wohl bei einer (formellen) Vorstellung im Gegensatz zu den USA 307 so selbstverständlich, dass die deutschen Ratgeber-Autoren eine explizite Thematisierung nicht für nötig erachten. e) Gesprächspartner Zum Standardrepertoire der deutschen Smalltalk-Ratgeber zählen Typologien von problematischen Gesprächspartnern. Zwar werden auch in den amerikanischen Ratgebern Probleme mit besonderen Gesprächspartnern thematisiert, diese werden jedoch nur in Ausnahmefällen (so etwa bei Fine 2004: 85 ff.) in einem eigenen Kapitel behandelt. 308 Eine Personengruppe wird dabei fast ausnahmslos nur in den amerikanischen Ratgebern genannt: „Celebrities“ (‚berühmte Persönlichkeiten’) (z. B. King 2004: 73). Interessant ist der deutsch-amerikanische Vergleich für den Umgang mit einem Fehlverhalten des Gesprächspartners (z. B. Verstoß gegen die Smalltalk-Maximen). Während die deutschen Ratgeber gewöhnlich zu eher diplomatischen Lösungen raten (Sie haben beim Smalltalk keinen pädagogischen Auftrag! , Bonneau 2002: 55), findet sich in den amerikanischen Ratgebern häufig der Ratschlag, den Gesprächspartner direkt auf sein Fehlverhalten hinzuweisen. Dem Leser wird sogar ein gewisser „Erziehungsauftrag“ in Erinnerung gerufen: If we aren’t willing to put up with certain behaviours and types of conversation, then we need to tell people in no uncertain terms what is acceptable and what is not. Setting these boundaries is not only our right, it is our responsibility. (RoAne 1999: 194) Die Aufforderung zur direkten, ehrlichen Kommunikation, in der man seine Meinung frei äußern darf, findet sich auch in weiteren amerikanischen Ratgebern (z. B. Barber/ Waymon 1992: 30; Gabor 2001: 107; King 2004: 119). Dieser Ratschlag widerspricht der in den USA verbreiteten positiven Imagearbeit und dem indirekten Kommunikationsstil, der Kontroversen und offene Kritik vermeidet (vgl. Davies 2004: 218 f.; Kotthoff 1989: 452 ff.). In deutschen Ratgebern wird an anderen Stellen zwar ebenfalls zu Ehrlichkeit und 307 Diese Interpretation beruht auf den persönlichen Erfahrungen verschiedener Personen, die ich befragt habe. 308 Personentypologien finden sich nicht nur in den deutschen Smalltalk-Ratgebern, sondern auch in Rede- und Anstandslehren. Die bekannteste Typologie stammt aus Knigges berühmtem Werk „Über den Umgang mit Menschen“, das gewiss einen großen Einfluss auf die Ratgeberliteratur hatte, so dass sich im Deutschen eine entsprechende Tradition der Typologie schwieriger Gesprächspartner herausbildete. Vgl. auch Anm. 195. 213 Direktheit geraten (z. B. Bonneau 2002: 51), dennoch spielt, wie oben dargestellt wurde, Konfliktvermeidung eine wesentliche Rolle. Eine deutliche Zuordnung der zu erwartenden Kulturstandards ist in diesem Fall also nicht möglich. f) Themenwahl Die Abschnitte zu den Themen und Tabuthemen fallen in den amerikanischen Ratgebern vergleichsweise kurz aus; in den deutschen Ratgebern werden die einzelnen Themen nicht selten inhaltlich weiter präzisiert und veranschaulicht (z. B. Lermer 2003: 59 ff.; Naumann 2004: 77 ff.). Alles in allem finden sich große Übereinstimmungen in den Ratschlägen zu den Themen und Tabuthemen. „Abtreibung“ jedoch wird nur in den amerikanischen Ratgebern explizit als Tabuthema genannt (Martinet 1992: 137; RoAne 1999: 39; King 2004: 49). Interessant ist, dass in den deutschen Ratgebern an einigen Stellen ein Vergleich zwischen deutschen und amerikanischen Tabuthemen vorgenommen wird. Dabei findet sich im Zusammenhang mit dem Tabuthema Geld häufiger die Meinung, dass [...] man sich in den USA durchaus gerne ins Portemonnaie schauen [lässt], offenherzig gewährte Auskünfte zu den Kosten des eigenen Hauses, Autos, Hobbys usw. sind dort so etwas wie in Europa die Visitenkarte. (Fischer 2004: 47, ähnlich: Bonneau 2002: 17, Kessler 2007: 59, Lüdemann 2007: 69, Schäfer-Ernst 2002: 74). Dies ist in den amerikanischen Ratgebern nicht nachvollziehbar. Obwohl es amerikanische Autoren gibt, die der Meinung sind, dass Geld kein Tabuthema mehr ist (z. B. Martinet 1992: 136), finden sich dennoch einige Belege dafür, dass dieses Thema im Smalltalk besser vermieden werden sollte (Fine 2004: 70). An keiner Stelle wird dazu geraten, über Geld zu sprechen. Insgesamt sind viele amerikanische Autoren für eine Lockerung des alten Tabus Never talk politics or religion at a social gathering (Martinet 1992: 135, ebenso: King 2004: 48): It’s okay to talk politics and religion, just don’t argue violently about politics and religion. (Martinet 1992: 136). Dass sich Politik in den USA stärker als im Deutschen von einem Tabuthema zu einem Smalltalkthema entwickelt, zeigt sich auch in der Umfrage: 11 von 61 amerikanischen Befragten gaben politics als ein passendes Smalltalk-Thema an; unter den deutschen Befragten waren es lediglich 6 von 61. Auffällig ist hier der Kontrast zu den deutschen Ratgebern, wo Politik das am häufigsten genannte Tabuthema ist (16/ 19). Im Vergleich erscheint Religion in den deutschen Quellen nur halb so oft als Tabuthema (8/ 19), was vielleicht damit zusammenhängt, dass Religion heute in Deutschland in der Öffentlichkeit keine so prominente Rolle spielt wie in den USA. 309 Dass Deutsche im Smalltalk über ihren Glauben sprechen, ist eher unwahrscheinlich, da er als ein besonders 309 Vgl. dazu das Kapitel „Religion: Attitudes Toward Religious Practices” in Rings (2001, online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amgertalktitle.htm, gesehen am 18.09.2007). 214 persönliches Thema eingestuft wird (vgl. deutscher Kulturstandard „Abgegrenzter Privatbereich“). Gespräche mit Fremden oder entfernten Bekannten über persönliche Angelegenheiten sind in den USA schneller möglich: 310 „A highly personal conversation can take place on the basis of short acquaintance […].“ (Wanning 2003: 153; vgl. auch die Gesprächsanalyse in Casper-Hehne 1997: 68, 72). Diese Beobachtung wird durch den Ratgebervergleich bestätigt: Auffällig häufig wird in den amerikanischen Ratgebern darauf hingewiesen, wie wichtig eine persönliche Komponente im Smalltalk ist. Dementsprechend muss man nicht nur Bezug auf seinen Gesprächspartner nehmen, sondern auch seine eigene Person ins Gespräch einbringen. Ein guter Unterhalter könne man nur werden, wenn man etwas von sich preisgibt (z. B. Fine 2004: 67; Gabor 2001: 37; King 2004: 27). Ist man zu schweigsam über seine eigene Person, habe das einen unerwünschten Nebeneffekt: You will leave the impression that you have something to hide. (Gabor 2001: 59). Doch auch bei den persönlichen Informationen gibt es Grenzen und so weisen einige Autoren darauf hin, dass man vor allem einem Fremden oder entfernten Bekannten nicht zu persönliche Dinge offenbaren darf: Don’t go the opposite extreme of ‚telling all’ (Gabor 2001: 61). Ein wichtiger Unterschied zu den deutschen Ratgebern ist, dass die Problematik der „persönlichen Note“ in den amerikanischen Ratgebern viel häufiger thematisiert wird. Auch wenn sowohl deutsche als auch amerikanische Ratgeber die Maxime „Sei persönlich! “ vertreten, ist die Interpretation dessen, was etwa unter persönlichen Informationen zu verstehen ist, wiederum kulturspezifisch: „[…] more regions of the person are considered of public interest in the United States than in Germany.“ (Davies 2004: 220). Im Deutschen sind personenbezogene Sachinformationen (objective truth, Baber/ Waymon 1992: 34) wie Wohnort, Beruf und eventuell Hobby für ein Gespräch mit einem Fremden akzeptabel, Informationen über die Familie werden im Deutschen dagegen bereits nicht mehr als eine sachbezogene öffentliche Information angesehen. So weist Lüdemann (2007: 42) explizit darauf hin, dass im beruflichen Kontext nur selten über Privates gesprochen [wird]. […] Fragen nach Frau und Kindern [sind] einfach meist zu privat. In den deutschen Ratgebern findet sich dann auch nur selten (z. B. Naumann 2004: 51) der amerikanische Ratschlag, dass man unbedingt seine Gefühle und auch seine Meinungen (subjective truth, Baber/ Waymon 1992: 34) zeigen soll (z. B. Gabor 2001: 37; Garner 1997: 63). 311 Außerdem warnen sie vor zu viel 310 Die Behandlung persönlicher Themen scheint ein wesentlicher Unterschied zwischen dem englischen und dem amerikanischen Smalltalk zu sein (vgl. „Privacy Rules“ in Fox 2005: 42 ff.). Dass in den deutschen Ratgebern durchaus zu persönlichen Themen geraten wird, wenn auch nicht so deutlich wie in den amerikanischen, kann als ein Argument dafür gewertet werden, dass sich der deutsche Smalltalk am amerikanischen „Modell“ orientiert. 311 Laut Die Zeit fällt Amerikanern an Deutschen auf, dass sich die Deutschen beim ersten Kennenlernen betont distanziert geben und dass sie ihre Gefühle für sich behalten 215 Enthusiasmus (Fischer 2004: 27), während dieser nach Meinung der amerikanischen Autoren wesentlich zum Gelingen des Gesprächs beiträgt: Be enthusiastic about other people’s interests. (Fine 2004: 113). 312 Ein Etiquette- Ratgeber für Ausländer bemerkt dazu Folgendes: Americans do not consider it necessary to hide their emotions. On the contrary, they often seem to be exaggerating them. Enthusiasm, for instance, rises to levels of seeming unbelievability […]. (Wanning 2003: 42) Dieses Verhalten der Amerikaner kann durch den Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung“ erklärt werden: Indem sie bereits in einem frühen Bekanntheitsstadium persönliche Informationen geben sowie eigene Gefühle und Enthusiasmus zeigen, kann schnell Vertrautheit hergestellt werden. 313 Im Zusammenhang mit der Betonung des persönlichen Umgangs ist auch die hohe Bedeutung des Vorstellens zu sehen: Man möchte frühzeitig wissen, mit wem man es zu tun hat, und steht dabei auch stets in einer gewissen Bringschuld der wesentlichen Informationen zur eigenen Person. Außerdem passt hierzu auch der hohe Stellenwert von Komplimenten (vgl. dazu auch Kotthoff 1989: 451 f.). Es gibt in den amerikanischen Ratgebern keine Hinweise darauf, dass Komplimente unangebracht sein könnten. Komplimente dienen dazu, dem anderen zu signalisieren, dass man sich für ihn als Person interessiert. Dies geschieht allerdings auch nicht ganz ohne Selbstzweck: Evidence shows that complimenting others makes it more likely that you will be seen as sympathetic, understanding, and even attractive. (Garner 1997: 20) In den deutschen Ratgebern wird entsprechend dem deutschen Kulturstandard „Sachorientierung“ zurückhaltender zu Komplimenten, insbesondere gegenüber Fremden oder entfernten Bekannten, geraten: Bei aller Großzügigkeit wir Deutschen tun uns schwer mit Loben und sind deshalb auch, was Komplimente anbetrifft oder einfach nur verbale Nettigkeiten, eher zugeknöpft also bei aller Großzügigkeit ist es wichtig, nicht zu dick aufzutragen. (Hesse/ Schrader 2003: 71) Die Ratgeberautorin Bonneau (2002: 46f) kontrastiert sogar das Komplimentierverhalten in Deutschland mit den USA: Deutsche hätten Probleme mit Komplimenten, da es gegen das „Gebot der Bescheidenheit“ (ebd. 45) ver- (http: / / www.zeit.de/ 2002/ 42/ 59378, gesehen am 17.09.2007). Dies könnte auf das unterschiedliche Verständnis von persönlicher Information zurückzuführen sein. 312 Lediglich RoAne (1999: 169) warnt vor zu viel „Überschwang“. Wann etwas als zu enthusiastisch aufgefasst wird, ist jedoch ebenfalls kulturspezifisch. 313 In der historischen amerikanischen Anstandslehre von Emily Post (1944) kann man bereits viele dieser „typisch amerikanischen“ Verhaltensweisen finden. Aufschlussreich sind etwa die Ratschläge zur Conversation mit einem Fremden: To a total stranger it is sometimes easiest to begin with a description of yourself. […] if you are a man talking to a young woman, ask her what she thinks about life, love, work, amusement, romance, almost any question about the relative values of the things poeple do or think or try (ebd. 77 f.). 216 stoße. Da ein Kompliment immer auch ein Lob beinhalte, ist ein hierarchisches Gefälle zu beachten: Die Mutter lobt das Kind, der Lehrer die Schüler, die Chefin die Mitarbeiter, nicht umgekehrt (ebd. 45 f.). g) Sprech- und Gesprächsstil Wie auch in den deutschen Ratgebern fallen in den amerikanischen Ratgebern die Ausführungen zum Sprech- und Gesprächsstil vergleichsweise dürftig aus. Während in den deutschen Ratgeber bei der Verwendung von Humor eher zur Vorsicht geraten wird (z. B. Kessler 2007: 79), spielt er in den amerikanischen Ratgebern eine wichtige Rolle: Don’t forget humor (Ro- Ane 1999: 33, ähnlich: Gabor 2001: 193, Morris 1976: 80) - Never stay too serious too long (King 2004: 86). 314 „Joking“ trägt dazu bei, dass Gespräche ihre Leichtigkeit nicht verlieren und die Beziehungspflege im Vordergrund bleibt. Gesprächsanalysen haben gezeigt, dass Deutsche im Vergleich zu Amerikanern wesentlich zurückhaltender sind, sich mit Fremden auf humorvolle Art zu unterhalten: „Whereas Germans may joke with friends, with whom they use ‚du’, they would be less likely to joke with acquaintances under small talk conditions“ (Davies 2004: 223). Einem platten Witze- Erzählen stehen allerdings auch viele amerikanische Rategeberautoren kritisch gegenüber (Maggio 2005: 59; Martinet 1992: 52). Im Gegensatz zu den deutschen Smalltalk-Ratgebern wird in amerikanischen Ratgebern auch das Problem der Sprachrichtigkeit thematisiert. So stellt RoAne (1999: 59) fest, dass Unsicherheiten in der Grammatikverwendung zu Hemmungen führen können und man deshalb keinesfalls in einem Gespräch die grammar police (ebd. 177) spielen darf. Maggio (2005: 92 f.) listet Beispiele für grammatisch fehlerhafte Wortverwendungen auf, die man im Deutschen vor allem in den Antibarbari, in der Regel jedoch nicht in Gesprächs- und Rhetoriklehren findet, z. B. Between you and me is always correct. Between you and I is never correct. […] Whenever you have a preposition (between, for, to), it takes the objective pronoun (ebd. 92). Einige der hier skizzierten Unterschiede lassen sich wohl eher auf die unterschiedlichen Textsortentraditionen „Ratgeber“ zurückführen (z. B. Makrostrukturen, Listen mit Menschentypen, Sprachrichtigkeit), andere können mit dem eingangs vorgestellten Konzept der Kulturstandards erklärt werden (z. B. Vorstellen, Komplimente, Humor). Entsprechend der Kulturstandardforschung findet sich in den deutschen Ratgebern eher eine gewisse „Dominanz von Sachgesprächen“ (Schroll- Machl 2003: 80 f.) vor allem in der Kontaktphase des Smalltalks, und andererseits eine deutlichere Beziehungsorientierung (vgl. Kulturstandard „Interpersonale Distanzminimierung“) in den amerikanischen Ratgeber durch die frühzeitige Thematisierung der eigenen Person und durch die uneinge- 314 Bereits in Posts (1944: 76) Anstandslehre kann man einen Absatz über The Gift of Humor finden. 217 schränkte Wertschätzung von Komplimenten. Hierzu gehören auch die besondere Bedeutung des Namens und des Vorstellens sowie die von Humor geprägten Gespräche. In der Forschungsliteratur findet sich bisher keine Erwähnung eines amerikanischen Kulturstandards, der mit dem Kulturstandard „Individualismus“ in Verbindung zu bringen ist. Man könnte ihn vielleicht als amerikanische „Vergnügungsorientierung“ bezeichnen. In den Ratgebern wird diese Orientierung nicht nur an der wesentlich unterhaltsameren Darstellung der Beratung greifbar, sondern auch daran, dass der Leser häufig daran erinnert wird, dass im Smalltalk der eigene Spaß im Vordergrund steht: always remember your number-one goal: enjoy yourself (Martinet 1992: 150, ähnlich: Honeychurch/ Watrous 2003: 109). Smalltalk, wie auch die Smalltalk-Ratgebung, scheint im Deutschen insgesamt etwas ernster genommen zu werden. Eine tendenzielle Verkehrung der Kulturstandards findet sich allerdings in Bezug auf die „High-Context“bzw. „Low-Context“- Kommunikation: Die amerikanischen Autoren sprechen sich für einen direkten, die deutschen (auch) für einen indirekten Kommunikationsstil aus. 2.2.4 Tests und Übungen Wie bereits oben angesprochen, gibt es in Bezug auf Tests und Übungen einen erheblichen Unterschied zwischen den deutschen und den amerikanischen Ratgebern. Ein wesentliches Element der deutschen Ratgeber sind die oft makrostrukturell gekennzeichneten Übungseinheiten, die den Leser aus seiner eher passiven Rezipientenrolle herausführen. Zwar wird auch in den amerikanischen Ratgebern betont, dass man sein Gesprächsverhalten durch reine Lektüre nicht verbessern kann und man das Gelesene in die Tat umsetzen muss, entsprechende Übungen sind aber die Ausnahme. Da auch die amerikanischen Ratgeberautoren häufig Kommunikationstrainer sind, mag dies zunächst überraschen. Das Fehlen von Übungen kann vielleicht durch die anders gearteten Weiterbildungsangebote in den USA erklärt werden, die schon länger als in Deutschland Kommunikationstrainings für ganz unterschiedliche Zielgruppen umfassen. Es könnte sein, dass die amerikanischen Autoren keine Notwendigkeit expliziter Übungen in den Ratgebern sehen, da dies durch die (ergänzenden) Trainings geleistet wird. 2.2.5 Gesprächsmaximen Die anhand der deutschen Ratgeber herausgearbeiteten Smalltalk-Maximen (vgl. Kap. V.9.) finden sich ziemlich deckungsgleich auch in den amerikanischen Ratgebern (z. B. Be honest, King 2004: 24; Seek common interests, Gabor 2001: 85). Kulturspezifische Unterschiede könnten sich vielleicht in der Gewichtung und der Interpretation der einzelnen Maximen finden lassen (z. B. in Bezug auf die Maxime „Sei persönlich! “ oder „Vermeide Euphorie“). RoAnes Mantra of Moderation (1999: 169) passt sehr gut zu den polar angelegten Harmoniemaximen: 218 - Being open, but not too open. - Being silent to listen, but not too silent. - Being sympathetic, but not gushy. - Being of good energy, without overwhelming people. - Being a talker and teller of stories without monopolizing the conversation Auch wenn dieses „Mantra“ im Vergleich zu den vorgestellten Harmonieprinzipien unsystematisch und bestimmt nicht vollständig ist, so verdeutlicht es doch das eigentliche Problem der Smalltalk-Ratgebung: Der richtige „Mittelweg“ ist vergleichsweise schwierig zu bestimmen. Der Ratgebervergleich hat gezeigt, welche methodischen Probleme sich ergeben, wenn man die Kulturspezifik in metakommunikativen Texten zu einer kulturgebundenen Gesprächssorte wie dem Smalltalk erfassen möchte: Nicht geklärt werden kann etwa, ob die zahlreichen Übereinstimmungen in den Problemen und Ratschlägen durch einen „Import“ des amerikanischen Smalltalk-Konzepts in die deutsche Kommunikationskultur zu erklären ist. Erst die historische Analyse im nächsten Kapitel kann zumindest in Ansätzen Antworten geben. Ein synchroner, kontrastiver Text(sorten)vergleich kann außerdem nicht klären, ob die festgestellten Unterschiede in den Ratgebern auch Unterschiede sind, die sich im tatsächlichen Gesprächsverhalten nachweisen lassen. Eine umfassende Analyse des tatsächlichen Smalltalkverhaltens von Deutschen und Amerikanern wäre dazu nötig. In einigen Fällen konnte bereits auf empirische Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden. 2.3 Exemplarische kontrastive Analyse: How are you? - Wie geht es dir/ Ihnen? Neben dem Wetterthema sind die Formulierungen How are you? bzw. Wie geht es dir/ Ihnen? prototypische Elemente in der Eröffnungsphase eines Smalltalks. Obwohl es sich dabei um Übersetzungsäquivalente handelt, unterliegen sie nicht denselben pragmatischen Konventionen. Empirische Ergebnisse dazu liefert die kontrastive Forschung, die diese Formulierungen gerne als Musterbeispiel für deutsch-amerikanische Missverständnisse auf der Ebene der Pragmatik heranzieht. So stellt Kotthoff (1989: 448) in Bezug auf die Fremdsprachenausbildung fest: Wir wissen, „daß ‚how are you? ’ ‚wie geht’s Dir? ’ heißt, aber wir wissen nicht, daß ‚how are you? ’ viel weniger als ‚wie geht’s Dir? ’ der Gesprächseröffnung dient. Kaum jemand erwartet bei einem ‚how are you? ’ einen längeren Bericht über den letzten Zahnarztbesuch oder die tägliche Nerverei mit dem Abendverkehr heraus aus der Stadt. Ein ‚how are you? ’ kann im Vorbeigehen geäußert werden, ohne stehenzubleiben, ein „wie geht’s? ’ kaum. Als Antwort auf How are you? wird Fine. erwartet. Da dieses Muster wiederholbar, voraussagbar und inhaltsleer ist, kann man es als Interaktionsritual klassifizieren (Hartmann 1973: 142). Im Deutschen dagegen kann Wie geht es 219 dir/ Ihnen? auch eine echte Frage sein, auf die man auch mit entsprechenden Informationen antworten kann (ebd. 154 f.). Hartmann (ebd. 156) legt nahe, dass eine wörtliche Interpretation der Frage dann zwingend wird, wenn diese durch weitere Symbole begleitet wird, „die z. b. herzlichkeit, freundlichkeit etc. signalisieren, wie z. b. händeschütteln [Kleinschreibung im Original, K.K.]“. Ein weiterer Unterschied zum deutschen Äquivalent ist, dass die Phrase How are you? nicht nur unter Bekannten, sondern auch als Begrüßungsritual unter Fremden möglich ist. Als typisches Beispiel kann hier die Servicekraft an der Supermarktkasse genannt werden: Bei Deutschen in den USA sorgt ein How are you? der Servicekraft, wie umfassende Studien von Rings (1994, 1995 315 , 2001 316 ) über Deutsche in Amerika belegen, immer wieder für Verwirrungen. Umgekehrt empfinden Amerikaner deutsche Servicekräfte, die dieses Ritual nicht ausführen, als unfreundlich. Neben How are you? lassen sich noch andere konventionalisierte Floskeln finden, die „im Amerikanischen nicht annähernd die [semantische, K.K] Potenz [haben], die sie im Deutschen haben würden“ (Kotthoff 1989: 450). Dazu gehören für den Gesprächsbeginn auch I’m pleased to meet you. für den Erstkontakt und tendenziell How was your weekend? How’s your family? (vgl. Fine 2004: 37) bei bereits bekannten Personen, für den Gesprächsausstieg It was really nice to meet you., Let’s get together sometime. oder I call you. Die häufige Verwendung solcher Floskeln kann als Ausdruck einer starken Beziehungsorientierung der US-Amerikaner gelten. In interkulturellen Kontaktsituationen können solche ritualisierten, inhaltsleeren Formulierungen aufgrund ihrer besonderen pragmatischen Konventionen und ihrer anderen perlokutionären Kraft zu Missverständnissen führen. Rings (1994; 1995: Introduction 317 ) erläutert eindrucksvoll, dass solche unerkannten Konventionen die Ursache für Stereotypisierungen sind und Deutsche Amerikaner als oberflächlich und umgekehrt Amerikaner Deutsche als unhöflich einstufen. Interessant ist nun, wie die Ratgeber mit diesen kulturspezifischen Interpretationen von How are you? bzw. Wie geht es dir/ Ihnen? umgehen. Raten sie entsprechend der jeweiligen kulturellen Konvention? Oder raten die deutschen Ratgeber entsprechend der amerikanischen Konventionen? Und wird die Frage nach der Reaktion auf ein How are you? in den amerikanischen Ratgebern überhaupt thematisiert? Die deutschen Ratgeberautoren warnen vor zu starkem ritualisiertem Sprechen (Small Talk pflegen Sie nicht mit Floskeln, sondern mit Interesse, Topf 315 Online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amger.htm (gesehen am 18.09.2007). 316 Online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amgertalktitle.htm (gesehen am 18.09.2007). 317 Online abrufbar unter: http: / / langlab.uta.edu/ german/ personal/ rings/ rings/ amger.htm (gesehen am 18.09.2007). 220 2002: 35, ebenso: Kessler 2007: 63). Dies könnte damit zusammenhängen, dass im Deutschen rein quantitativ weniger ritualisierte Phrasen in der Eröffnungs- und Schlussphase von Gesprächen verwendet werden als im Amerikanischen und Deutsche diese (deshalb? ) eher als oberflächlich ablehnen. Für die amerikanischen Autoren scheint die Verwendung von Phrasen kein Problem darzustellen. Zunächst ist festzustellen, dass die Gesprächssequenz, die durch Wie geht es dir/ Ihnen? eingeleitet wird, in den deutschen Ratgebern ein durchaus relevantes Problem ist: Für manche Menschen beginnt das Unbehagen schon mit der Frage, wie sie wohl am besten auf den ersten und typischsten aller Begrüßungssätze reagieren sollen. Was antwortet man am besten auf die Frage: ‚Wie geht es Ihnen? ’ Und vor allem: Was sagt man, wenn man nicht guten Gewissens und mit lockerem Lächeln behaupten kann, das es einem rundum gut geht? (Müller-Weiden 2002: 7 f.) Hesse/ Schrader (2003: 37) haben für das Problem folgenden Ratschlag: Die Antwort ‚Danke, gut’ wäre nur angemessen, wenn a) Sie Ihrem Gegenüber möglichst schnell entkommen wollen oder b) es Ihnen nichts ausmacht, als einsilbiger Zeitgenosse zu gelten. Um seinem Gesprächspartner die Interpretation als richtige Frage zu erleichtern, schlagen Hesse/ Schrader (ebd. 40) Alternative[n] zu den gängigen abgeleierten Standardfloskeln vor, z. B. Alles okay? oder Hi, wie läuft’s denn so? (ähnlich: Bonneau 2005a: Punkt 21). Bei der Frage, ob die stereotype Gesprächssequenz Wie geht es Ihnen? - Danke, gut. als höflich oder unhöflich einzustufen ist, gehen die Meinungen der deutschen Ratgeberautoren auseinander: Schäfer-Ernst (2002: 18) argumentiert: Mit Höflichkeit ist in unserem Lebensumfeld also nicht leeres Phrasendreschen gemeint, im Sinne von ‚Wie geht es Ihnen“ - „Danke, gut“, sondern vielmehr ein ehrliches und freundliches Miteinander. Dagegen sind für Lermer (2003: 55) Redewendungen dieser Art Elemente einer Konvention und wir benutzen sie als Signal der Höflichkeit und Freundlichkeit. Die deutschen Autoren weisen häufig auf die Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Konvention hin, ziehen daraus jedoch unterschiedliche Schlüsse. Während etwa Hesse/ Schrader (2001: 32) das amerikanische Verhalten für Deutschland ablehnt, verteidigt Bonneau (2002: 42) Hallo, wie geht’s? als ein (internationales) Ritual: Der eine beantwortet diese Begrüßung mit einem Schwall an Informationen über das Befinden seit dem letzten Krankenhausaufenthalt. Der andere prangert die Frage als stereotyp an und unterstellt einen Mangel an Fantasie, gar Desinteresse. Beide interpretieren auf eine vielleicht typisch deutsche allenthalben sinnsuchende und mit allem Sinn stiftende - Weise falsch. Stellen wir nämlich ‚Wie geht’s? ’ international in die Reihe von ‚Ca va? ’ [sic! ], ‚How do you do? ’, ‚Va bene? ’, wird klar: Es handelt sich um nichts anderes als 221 einen ritualisierten Einstieg in eine Begegnung von miteinander bekannten, doch nicht vertrauten Personen.“ Bei Kessler (2007: 63) wird der unklare Status der Frage Wie geht’s? besonders deutlich, wenn sie einerseits feststellt, dass auf diese Frage keine Antwort erwartet wird, auf der anderen Seite aber dazu rät, die Frage nur dann zu stellen, wenn Sie bereit sind, sich auf eine ausführliche Antwort einzulassen. Lüdemann (2007: 52) warnt zwar davor, die Frage mit einer langen Liste an Wehwehchen zu beantworten. Ein bisschen mehr Informationen als ‚Danke. gut’ darf es aber schon sein. In den amerikanischen Ratgebern wird die Interpretation des englischen Äquivalents How are you? zwar nicht so häufig thematisiert wie in den deutschen Ratgebern, jedoch sehen diesbezüglich einige Autoren auch hier einen Beratungsbedarf. Gewöhnlich wird entsprechend den oben dargestellten amerikanischen Konventionen geraten und die Frage How are you? als ‚cliché’ greeting (Gabor 2001: 60) behandelt: When one person encounters another, the two will almost always begin by exchanging clichés. This ritual serves sometimes to simply acknowledge the presence of another and sometimes to make clear that each party is receptive to opening the channels of communication to more substantive exchanges. […] these ritual openings are not designed to exchange information. (Garner 1997: 60, ähnlich: Maggio 2005: 13) Auch Fine (2004: 37) stellt fest, dass Formulierungen wie How was your weekend? oder How are you today? just a few other ways of saying hello sind. Sie erweitert ihre Argumentation jedoch um eine interkulturelle Perspektive: It’s almost universally understood that these questions are a form of greeting, not a single inquiry. Only in America. In most other cultures and countries “How are you? ” really means: “How are you? ” It would be rude to ask that question and not expect an answer. In den dann folgenden Ausführungen spricht sich Fine deutlich für eine Durchbrechung ritualisierten Sprechens aus und will den Leser dazu bringen, auf ritualisierte Formeln zu verzichten bzw. stereotype Antworten des Gegenübers zu verhindern: Whenever you begin a dialogue with a question, get ready to dig deeper so that the other person knows you are interested in hearing more. Digging deeper indicates you truly desire a response and are prepared to invest time in hearing the response. (ebd. 38) Damit gibt Fine bewusst Ratschläge entgegen den amerikanischen Konventionen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: In den deutschen Ratgebern gibt es keine einheitliche Beratungslinie. Es ist eine gewisse Unsicherheit zu erkennen, ob der propagierte Smalltalk sich an deutschen oder an amerikanischen Standards orientieren sollte. Einige Autoren verteidigen die Frage als eine echte Frage, auf die man auch mit einer entsprechenden Information reagie- 222 ren soll, andere Autoren sehen sie als eine reine Floskel an, die ihre Berechtigung durch die phatische Funktion erhält. In den amerikanischen Ratgebern raten die Autoren bis auf eine Ausnahme erwartungsgemäß entsprechend den nationalen Konventionen. Dass der Umgang mit How are you? überhaupt thematisiert wird, zeigt aber, dass auch unter den als „Smalltalkprofis“ geltenden Amerikanern Unsicherheiten bestehen. 3. Übersetzungen von Sprach- und Kommunikationsratgebern: Ein Problemaufriss Es finden sich auf dem deutschen Buchmarkt eine nicht unerhebliche Zahl von Übersetzungen von Sprach- und Kommunikationsratgebern, wobei den größten Anteil die Übersetzungen aus dem Amerikanischen ausmachen. Aus dem in diesem Kapitel untersuchten Korpus wurden immerhin vier der 14 amerikanischen Ratgeber ins Deutsche übersetzt: Carnegie, Dale (1982): How to Win Friends & Influence People. Aktual. Aufl. von Dorothy Carnegie (1. Aufl. 1936). New York: Simon & Schuster. 276 Seiten, U.S $7.99. Deutsche Übersetzung mit dem Titel: Wie man Freunde gewinnt. Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden. Aus dem Amerikanischen von H. Hänseler. München: Knaur (Lizenzausgabe). 2003. Martinet, Jeanne (1992): The Art of Mingling. Easy, Fun, and Proven Techniques for Mastering Any Room. New York: St. Martin’s Press. 156 Seiten, U.S. $9.95. Deutsche Übersetzung mit dem Titel „Die hohe Kunst, Kontakte zu knüpfen. So meistern Sie die großen und kleinen Schwierigkeiten im täglichen Miteinander.“ Aus dem Amerikanischen von K. Hendrix-Heberger. Landsberg am Lech: mvg. 2000. RoAne, Susan (1999): What do I Say Next? Talking Your Way to Business and Social Success. (1. Aufl. 1997). New York: Warner Books. 266 Seiten, U.S. $14.00. Deutsche Übersetzung mit dem Titel „Was sage ich jetzt bloß? Perfekt auftreten, brillant kommunizieren, souverän reagieren.“ Aus dem Amerikanischen von M. Larass. Landsberg am Lech: mvg. 1998. RoAne, Susan (2003): How to Work a Room. The Ultimate Guide to Savvy Socialising and Networking. (1. Aufl. 2000). London: Robson Books. (Erstauflage wurde in New York: HarperCollins Publishers Inc. veröffentlicht). 264 Seiten, 7.99. Deutsche Übersetzung mit dem Titel „Sag doch einfach hallo! Wie man sich in Gesellschaft selbstbewusst bewegt und Kontakte knüpft.“ Aus dem Amerikanischen von U. Harzer. Zürich: Oesch. 2002. Dass nicht nur Handlungen aller Art, sondern im Besonderen auch sprachliche Handlungen - und damit Gesprächs- und Textsorten - kulturell geprägt sind, ist, wie eingangs in diesem Kapitel dargestellt wurde, in der Sprach- 223 wissenschaft unbestritten. Bisher wurde besonders in der Diskussion um die Produktion von fachsprachlichen Texten darauf hingewiesen, dass z. B. ein Wissenschaftler, der in einer Fremdsprache publiziert, davor gewarnt werden muss, sein kulturell geprägtes Textsortenwissen (unbewusst) auf seine Textproduktion in der Fremdsprache zu übertragen; nicht selten kommt es dabei zu Missverständnissen, wenn er sich nicht an fremdkulturelle Kommunikationskonventionen hält (z. B. Trumpp 1998: 2). Bei den Sprach- und Kommunikationsratgebern haben wir es jedoch mit einem anders gearteten Fall zu tun: Hier wird ein fremdsprachlicher Text übersetzt und dann als muttersprachlicher Text rezipiert, d. h., er wird von den Lesern nicht zwingend als fremdkulturell wahrgenommen. Muttersprachler konsultieren Sprach- und Kommunikationsratgeber vor allem bei Normunsicherheiten. Dabei achten sie, wie meine Umfrage unter den Rezensenten (vgl. Kap. III.3.2) zeigt, gewöhnlich nicht darauf, wer der Autor des Ratgebers ist und ob es sich unter Umständen um eine Übersetzung handelt. 318 Übersetzungen z. B. aus dem Amerikanischen wurden aber für den amerikanischen Muttersprachler geschrieben und der amerikanische Autor orientiert sich beim Erstellen eines Ratgebers (unbewusst) an den für ihn selbstverständlichen amerikanischen Kulturstandards und kulturspezifischen Sprachnormen. Indem nun diese Bücher auf dem deutschen Buchmarkt bei den deutschen Ratgebern eingereiht werden und dem Leser die kulturelle Übersetzungsproblematik gewöhnlich nicht bekannt ist, erscheinen die amerikanischen Ratschläge dem deutschen Muttersprachler als gleichwertig und gleich verbindlich wie die deutschen Ratschläge. Da die Leser in den beratenen Aspekten sowieso normunsicher sind, kann Kulturspezifisches unter Umständen auch gar nicht erkannt werden: Dem Ratsuchenden fehlt ja gerade eine klare eigenkulturelle Schablone zur Beurteilung von Kommunikationsnormen. Auf diese Weise können unter Umständen amerikanische Normen mit deutschen konkurrieren, sie ersetzen, ergänzen oder abschwächen. Diesen Vorgang könnte man als (unbewusste) Sprachlenkung in Richtung auf eine „Amerikanisierung“ der Sprachverwendung und Kommunikation bezeichnen. 319 Das bedeutet aber nicht, dass Ratgeber- Übersetzungen und deren kulturelle Geprägtheit dem Leser nicht auch auffallen können: In einer Kundenrezension zu Jeanne Martinets (1999) „Die hohe Kunst des Small Talk“ (Originaltitel: Getting beyond ‚hello’, 1996) wird das Buch als „realitätsfern“ beschrieben: „Das liegt zum einen daran, daß extreme Fälle von gestörtem Verhalten erscheinen als auch, daß US- Amerikaner andere Probleme im Umgang miteinander haben als Europäer.“ 318 Von den 27 Befragten äußerten 17, dass es für sie keine Rolle spielt, wer der Autor eines Sprach- und Kommunikationsratgebers ist. 319 Eine solche „Amerikanisierung“ wird auch über andere „Kanäle“ betrieben, sehr stark etwa über amerikanische Fernsehsendungen und Spielfilme. Hier ist den Zuschauern jedoch in der Regel bewusst, dass es sich um ein fremdkulturelles Produkt handelt. 224 Vergleicht man Übersetzung und Original der Kommunikationsratgeber, so fällt zunächst auf, dass es in der deutschen Übersetzung durchaus Veränderungen im Sinne einer adaptierten, kulturell einbürgernden Übersetzung gibt, die auf eine Anpassung an die zielkulturelle Situation abzielen. Diese sind jedoch vergleichsweise minimal und so werden etwa Persönlichkeiten in Beispielsätzen ersetzt, wenn sie in Deutschland keinen großen Bekanntheitswert haben (z. B. Hugh Grant, Martinet 2000: 20, statt Arsenio Hall, Martinet 1992: 7). Probleme und Ratschläge aber werden im Großen und Ganzen nicht verändert und so finden sich Ratschläge zum richtigen Gebrauch von Namensschildern, uneingeschränkte Plädoyers für Komplimente und Namensnennungen usw. In denjenigen Passagen, wo der Übersetzer vom Original abweicht, spielt oft sein persönlicher Geschmack eine Rolle. So wurden etwa die Themen im ABC der Unterhaltung für Sprachlose (Martinet 2000: 46 ff.) von der Übersetzerin frei gewählt: Im Original etwa steht E für Energy, in der deutschen Übersetzung für Essen. Teilweise fehlen Passagen aus dem Original (z. B. Martinets Liste der Nineties Buzzwords/ Slang). Folgende Konsequenzen können Übersetzungen von metakommunikativen Texten wie den Sprach- und Kommunikationsratgebern möglicherweise nach sich ziehen: Es werden u. U. Situationen übersetzt, die in Deutschland gar nicht existieren (z. B. Namensschilder zu halb-offiziellen Treffen), d. h., es werden Ratschläge zu nicht existenten Ratfragen gegeben. Erkennt der Leser diese Probleme und Ratschläge nicht als unpassend, da fremdkulturell, sondern setzt die Ratschläge um, kann es zu befremdlichen, unakzeptierten Reaktionen seiner Mitmenschen kommen. Die Beratung ist damit missglückt. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass auch fremdkulturelle Ratschläge funktionieren, da sich eine Kommunikationskultur wandeln kann. Das Problem des Kulturtransfers durch Übersetzungen betrifft auch die mündliche Beratung. Hier orientieren sich viele Trainer wahrscheinlich sogar bewusst am amerikanischen Vorbild. Eine größere Sensibilität für kulturelle Unterschiede im Kommunikationsverhalten ist deshalb wünschenswert. 4. Zusammenfassung: Die Kulturalität von Smalltalk und Smalltalk-Ratgebern In diesem Kapitel wurde am Beispiel von Smalltalk und Smalltalk-Ratgebern gezeigt, dass die Kulturalität ein relevantes Text(sorten)kriterium ist. Ausgehend von der These, dass Smalltalk ein typisch amerikanisches Konzept ist, das in den zentralen amerikanischen Kulturstandards verankert ist, wurden auf Grundlage der Analyse im Kapitel V. deutsche und amerikanische Ratgeber miteinander verglichen. Als Ergebnis der Analyse kann festgehalten werden: Obwohl sich überwiegend Gemeinsamkeiten finden lassen, gibt es dennoch einige Unterschiede zwischen den deutschen und den amerikanischen Ratgebern, die man teilweise auf unterschiedliche Kultur- 225 standards zurückführen kann. Die Sprachwissenschaft müsste konkrete Methoden zur Ermittlung von Kulturalität und Kulturtransfer entwickeln; eine Integration der Kulturstandardforschung in ein sprachwissenschaftliches Modell zur Ermittlung von Kulturalität von Texten könnte sich dabei durchaus als fruchtbar erweisen. 320 Umgekehrt könnten sprachwissenschaftliche Analysen Impulse für die Kulturstandardforschung geben. 320 Für die Analyse von interkulturellen Gesprächen werden die Ergebnisse der Kulturstandardmethode bereits in der Sprachwissenschaft verwendet, z. B. Casper-Hehne (1997). 227 VII. Auf der Suche nach den Anfängen: Gesprächs- und Anstandslehren des 19. und 20. Jahrhunderts Wie es Briefsteller für solche Leute giebt, die da lieben, aber nicht imstande sind, ihren Gefühlen schriftlich den richtigen Ausdruck zu verleihen, so giebt es auch für jene Armen, die da plaudern wollen und nicht können, Leitfäden, die da lehren sollen, wie es gemacht wird. (Graf Wolf und Gräfin Eva Baudissin, 1901) Im vorangegangenen Kapitel konnte nicht geklärt werden, ob die ermittelten Gemeinsamkeiten im Smalltalk-Konzept bzw. in den Ratgebern kulturübergreifend bzw. sogar universell sind oder ob sie durch Kulturtransfer entstanden sind. Wenn Stegers (1998: 289 f.) Einschätzung stimmt, dass „die Texttypen des Alltagsbereiches Universalität und geschichtliche Stabilität als Kommunikationsgrundlage besitzen“ - und er nennt hier sogar als erstes Beispiel Smalltalk - dann müsste sich zumindest das Konzept von Smalltalk auch im Deutschen historisch nachweisen lassen. Gesprächs- und Textsorten stellen „historisch gewachsene Einheiten der kommunikativen Praxis einer Gesellschaft“ (Adamzik 2001: 28) dar, die sich durch gesellschaftliche Veränderungen und Impulse z. B. aus anderen Kulturen weiterentwickeln. Neben dem Textualitätskriterium der Kulturalität ist also ein Kriterium notwendig, das die historischen Bezüge aufzeigt und als Kriterium der Diachronie bzw. Historizität bezeichnet werden kann. Eine Aufgabe der Textlinguistik muss es schließlich auch sein, sich mit „Texttraditionen und deren Veränderlichkeit zu beschäftigen“ (Fix/ Habscheid/ Klein 2001: 8). 321 Wie in Kap. V. bereits angedeutet wurde, steht die gesamte Ratgeberliteratur in einer gewissen (Abschreibe-)Tradition, in der Probleme und Ratschläge über Jahrhunderte innerhalb einer Subsorte, aber auch über Subsortengrenzen hinaus weitergetragen werden. Bezogen auf die Smalltalk-Ratgeber liegt es also nahe anzunehmen, dass ein Großteil der dort thematisierten 321 Obwohl die zentralen Kulturstandards einer Kultur relativ stabil sind, können auch sie sich verändern (vgl. Kap. VI.1.). Deshalb sind besonders für Text- und Gesprächssorten, die unter starkem fremdkulturellem Einfluss stehen, Untersuchungen nötig, die sowohl diachron als auch kulturvergleichend angelegt sind. Diese Untersuchung kann dies für den Smalltalk jedoch nur problematisieren. In einer Analyse, die sich schwerpunktmäßig mit dem kulturellen Einfluss des Amerikanischen auf das Deutsche befasst, wäre es lohnend, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den amerikanischen und deutschen Gesprächslehren etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts herauszustellen. An einigen Stellen des vorangegangen Kapitels wurde bereits exemplarisch die einflussreiche amerikanische Anstandslehre von Post (1944) herangezogen (vgl. Anm. 313, 314). 228 Probleme und Ratschläge auf solche Abschreibetraditionen zurückzuführen ist. Sogar die Smalltalk-Ratgeber selbst weisen darauf hin, dass Smalltalk keine neue Gesprächssorte ist, sondern lediglich eine Gesprächssorte, die es wiederzuentdecken gilt. Portner (2003: 13) etwa nennt die Salons des 19. Jahrhunderts, in denen die Kunst des kleinen Gesprächs gehegt und gepflegt - ja, richtiggehend zelebriert [wurde]. Und nach Naumann (2004: 17 ff.) lebt die Kunst der Konversation früherer Jahrhunderte, […] in der modernen Form des Smalltalk fort (Naumann 2004: 18 f.). Um die Historizität der Gesprächssorte Smalltalk und der Textsorte Smalltalk-Ratgeber zu beleuchten - auch in diesem Kapitel soll, der Zielsetzung der Arbeit entsprechend, beides untersucht werden - , müssen Vorformen bzw. verwandte Gesprächskonzepte des Smalltalks und die dazu gehörenden Ratgeber einbezogen werden; die deutschen Smalltalk-Ratgeber selbst sind ja erst eine Erscheinung der jüngeren Zeit. 1. Historische und aktuelle deutsche Ratgeber im Vergleich 1.1 Ratgeber des diachronen Korpus Da dieses Kapitel keine Geschichte der Gesprächs- und Anstandslehren im Allgemeinen darstellen soll und kann, war es notwendig, den Untersuchungszeitraum sinnvoll einzugrenzen. Als Startpunkt wurde die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gewählt: In dieser Zeit ist das Wort Smalltalk erstmals auch in einem deutschen Fremdwörterbuch belegt (vgl. Kap. IV.). Der Untersuchungszeitraum endet in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen erstmals eigenständige Smalltalk-Ratgeber geschrieben werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dann besonders seit dem Ende des 2. Weltkrieges nehmen der amerikanische Einfluss allgemein und damit die Voraussetzungen für einen fremdkulturellen Einfluss auf die Gesprächskonzepte kontinuierlich zu; es ist davon auszugehen, dass sich diese „Amerikanisierung“ auch in den Ratgebern niederschlägt. Aus Gründen des deutlicheren Kontrasts zur Gegenwart liegt der Schwerpunkt der hier zu leistenden historischen Analyse auf dem Beginn des Untersuchungszeitraums, d. h. auf der zweiten Hälfte des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Für die exemplarische Analyse in Kap. VII.1.4 werden jedoch Zitatreihen aus dem gesamten Zeitraum verwendet, um die Entwicklung von Ratschlägen bis zu den Smalltalk-Ratgebern des 21. Jahrhunderts zu dokumentieren. Bei der Recherche historischer Sprach- und Kommunikationsratgeber war die an der Universität Regensburg betreute Datenbank „Bibliographie deutscher Sprachratgeber“ sowie die Bibliographie der Anstandsliteratur 229 von Zillig (2004) hilfreich, die beide auch online verfügbar sind. 322 Bei der Auswahl der Gesprächslehren für den genannten Untersuchungszeitraum wurde darauf geachtet, dass es sich einerseits um verbreitete Ratgeber handelt, die nach Möglichkeit bereits in höherer Auflage erschienen sind, andererseits sollte der Untersuchungszeitraum möglichst gleichmäßig abgedeckt sein. Es gibt allerdings nur wenige Ratgeber, bei denen bereits aus dem Titel hervorgeht, dass sie sich vor allem mit dem informellen, geselligen Gespräch beschäftigen. Folgende sechs Ratgeber erfüllen die genannten Kriterien: 1. Gayette-Georgens, Jeanne Marie v. (1878): Brevier der Konversation und gesellschaftlichen Unterhaltung. Die Kunst in der Gesellschaft zu gefallen und sich und Andere zu unterhalten. Leipzig: Otto Spamer. 326 Seiten. 2. Franken, Constanze von (1908): Wovon soll ich reden? Die Kunst der Unterhaltung. 3. Aufl. (Ersch.jahr der 1. Aufl. unbek.) Stuttgart: Levy & Müller. Ohne Paginierung. 3. Leisi, Ilse/ Leisi, Ernst (1993): Sprach-Knigge oder Wie und was soll ich reden? 2. Aufl. (1. Aufl. 1992) Tübingen: Gunter Narr. 225 Seiten. 4. Linke, Werner (1918): Der angenehme Plauderer. Anleitung wie man sich durch Selbstunterricht die Kunst der Rede, des freien Vortrags und des angenehmen Plauderns aneignet. 16. Aufl. (Ersch.jahr der 1. Aufl. unbek.) Berlin-Pankow: Linker. 148 Seiten. 5. Reiners, Ludwig (1959): Die Kunst der Rede und des Gesprächs. 3. Aufl. (1. Aufl. 1955) Bern/ München: Francke. 144 Seiten. 6. Wulff, Erwin (1963): Die Kunst zu plaudern und gewandt zu unterhalten. Ein Ratgeber für alle, die es lernen wollen, sicher und geistreich ein Gespräch zu führen. 13. Aufl. bearbeitet von Dr. Hugo Savedi (1. Aufl. 1956). Lindau i.B.: Rudolph’sche Verlagsbuchhandlung. 128 Seiten. Um zumindest ansatzweise eine gewisse Repräsentativität gewährleisten zu können, wurden die hier aufgelisteten Gesprächslehren durch Anstandslehren ergänzt, die in der Regel längere Kapitel zum geselligen Gespräch beinhalten. Sie sind wissenschaftlich bereits gut untersucht und teilweise sogar ediert. So finden sich auf der CD-ROM „Gutes Benehmen. Anstandsbücher von Knigge bis heute“, herausgegeben von Werner Zillig (2004), 52 Volltexte von Knigges „Über den Umgang mit Menschen“ aus dem Jahr 1788 bis zu modernen Anstandslehren der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts. Zusätzlich hat sich Krumreys Arbeit „Entwicklungsstrukturen von Verhaltensstandarden“ aus dem Jahr 1984 als hilfreich herausgestellt, enthält sie doch umfangreiche Zitatsammlungen von Anstandslehren der Jahre 1870-1970. 322 http: / / www-sprachratgeber.uni-regensburg.de (gesehen am 18.09.2007); http: / / www.aaverlag.de/ anstandsbuecher/ bibliographie.html (gesehen am 11.08.2007). 230 1.2 Die Konzepte „Geselliges Gespräch“ und „Smalltalk“: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Zunächst soll überprüft werden, ob sich das Konzept von Smalltalk in der deutschen Gesprächskultur historisch nachweisen lässt. Als deutsche Synonyme für Smalltalk verwenden die Ratgeber, Wörterbücher sowie die Forschungsliteratur (vgl. Kap. IV.11.) Bezeichnungen wie Unterhaltung, Plauderei oder Konversation, 323 die untereinander wiederum meist synonym verwendet werden (z. B. Linke 1996a; Reiners 1959: 138). Hinter diesen Bezeichnungen steckt ein bestimmtes Konzept des geselligen Gesprächs, das für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert anhand der historischen Ratgeber bestimmt und mit dem von Smalltalk verglichen werden soll. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei in der folgenden Untersuchung dem Begriff Konversation gewidmet, da er sowohl in den historischen Ratgebern als auch in den theoretischen Schriften einen hohen Stellenwert einnimmt (vgl. Schmölders 1986). 324 Auf Unterschiede zwischen den Konzepten von Konversation, Unterhaltung und Plauderei wird nur dann knapp eingegangen, wenn diese in den Ratgebern explizit thematisiert werden. Um einschätzen zu können, ob es sich bei dem historisch nachweisbaren Gesprächskonzept und dem modernen Smalltalk um Nulläquivalenz, totale Äquivalenz oder partielle Äquivalenz (vgl. Krause 2000: 70) handelt, werden die in Kap. IV. dargestellten Definitionsaspekte von Smalltalk herangezogen. Das Fehlen einer allgemein gültigen Definition von Smalltalk erschwert zwar den Vergleich, jedoch scheinen solche Unschärfen in der Begriffsbestimmung von Gesprächssorten keine Besonderheit zu sein; auch für Konversation gibt es ähnliche Definitionsprobleme, wie man in einer Anstandslehre aus dem Jahr 1892 lesen kann: 323 Causerie ist ein weiteres, älteres Wort, das mit Smalltalk sinnverwandt ist: Am höchsten gewürdigt und auch am meisten ausgebildet ist die Kunst des Plauderns in Frankreich. Man bezeichnet dort dieselbe bekanntlich als causerie und versteht darunter jenes flüchtige Geplänkel über alles und nichts […] (York 1893: 328, zitiert nach Zillig 2004). Causerie wird in dem von mir untersuchten Zeitraum in den Ratgebern bereits nicht mehr aktiv verwendet und bleibt deshalb unberücksichtigt. 324 Das Wort Konversation hat seit seiner Entlehnung aus dem Französischen bereits einen Bedeutungswandel durchgemacht: Es wurde im 16. Jahrhundert in der relativ weiten Bedeutung von ‚Umgang’ oder ‚Gesellschaft’ ins Deutsche übernommen und war zunächst noch nicht auf eine verbale Interaktion beschränkt (Linke 1996a: 132 f.). Dementsprechend sind auch die frühen Konversationsbücher keine reinen Gesprächslehren, sondern eher Anstandslehren. Bereits im 17. Jahrhundert bildete sich die zweite, engere Bedeutung ‚gesellschaftliches Gespräch, Unterhaltung’ heraus, die im 18. Jahrhundert zunehmend üblicher wird und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ältere Bedeutung fast vollständig verdrängt (ebd. 135 ff.). Einen ähnlichen Bedeutungswandel hat das Wort Unterhaltung durchgemacht, welches erst im 18. Jahrhundert die Lesart vom ‚gegenseitigen Zeitvertreib’ erhält, die sich dann ebenfalls in Richtung auf ‚Gespräch (zur Verkürzung der Zeit)’ verschiebt (vgl. Linke 1996a: 137, Anm. 16). 231 […] das, was wir im eleganten Leben unter ‚Konversation’ verstehen, läßt sich nicht wohl in e i n e r Uebersetzung dieses Wortes wiedergeben. Wir verstehen darunter sowohl das gemütliche und herzliche, das interessante und witzige, das kokette und zeremonielle Plaudern, als den steifen, förmlichen Phrasentausch beim ersten Besuch, und all die Grade, die dazwischen liegen. (Lütt 1892: 185, zitiert nach Häntzschel 1986: 325) Um zumindest eine gewisse Vergleichsbasis zu haben, wird von der in den meisten Smalltalk-Ratgebern vertretenen weiten Definition von Smalltalk als eigenständiges Gespräch ausgegangen, wie sie auch in der Zusammenfassung des Kapitels IV. festgehalten wurde; auf das Kriterium Eigenständigkeit wird folglich nicht eigens eingegangen. Zudem spielt das Kriterium Medium und Raum-Zeit-Verhältnis Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts noch keine Rolle: Gespräche finden stets face-to-face statt. a) Dauer Während die Smalltalk-Ratgeber teils explizite Angaben zur Länge des Smalltalks machen, finden sich in den historischen Gesprächslehren keine Vorgaben, wie lange geselliges Gespräch dauern sollte. In den Ratgebern des 19. Jahrhunderts wird die Kürze eines Gesprächs meist nur im spezifischen Kontext der Visite 325 oder des Kurzbesuchs thematisiert: Die Dauer eines ersten Besuches sei eine sehr kurze, keinesfalls überschreite sie eine Viertelstunde. Man lege während dieser Zeit den Zweck seines Besuches genügend und auf schickliche Weise klar. Man vermeide beim Gespräch vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, da man nach Ablauf der vorschriftsmäßigen 15 Minuten dasselbe nicht plötzlich abbrechen darf. (Samsreither 1900: 111-112, zitiert nach Zillig 2004) b) Thema Ja, wovon soll man denn aber plaudern? Von allem und jedem, von keinem allzu lange oder allzu gründlich, keinen Gegenstand vollständig erschöpfend, kein aufgeworfenes Thema breittretend, von keiner Frage die letzte Folge ziehend. (Franken 1908: X. Kapitel; wortgleich 326 bei Linke 1918: 15) […] deshalb sind wissenschaftliche, politische und religiöse Streitfragen zu vermeiden, da durch diese oft die Gemüter zu sehr erregt werden. […] Vor allem darf die Plauderei nicht fade sein […]; kaum ist ein Stoff berührt, so führt irgend eine Bemerkung eines Anwesen- 325 Auch in ihrer Funktion sind Visiten dem modernen Smalltalk ähnlich, denn sie helfen „in kurzer Zeit ein Netzwerk sozialer Beziehungen aufzubauen“ (Linke 1996a: 180). Weitere Parallelen zum Smalltalk bestehen in der Nebensächlichkeit des Inhalts und in der ausgeprägten Ritualität. 326 Fast das gesamte Kapitel „Wie man sich in der guten Gesellschaft unterhält, was man zu lassen hat! “ von Linke (1918) findet sich im selben Wortlaut bei Franken (1908). Da in beiden Fällen das Jahr der Erstauflage unbekannt ist, ist zunächst nicht sofort klar, wer von wem kopiert hat. Linke hat in zwei Fällen statt der französischen Ausdrücke, die bei Franken zu finden sind, deutsche gesetzt (on dit - man sagt und en passent - im Vorbeigehen). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Franken die Quelle darstellt, die Linke nur in Bezug auf die fremdsprachlichen Ausdrücke verändert hat. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass Linke Franken auf Seite 58 sogar direkt zitiert. 232 den schon wieder zu einem anderen über und in beständigem Wechsel der Stoffe, ihrer leichten Behandlung liegt eben der Reiz der Plauderei. (Berger 1895: 61, zitiert nach Zillig 2004) Wie die historischen Beispiele zeigen, weist die Themenbehandlung viele Gemeinsamkeiten mit der im Smalltalk auf. Es wird geraten, die Themen oberflächlich zu behandeln und assoziativ miteinander zu verbinden. Zudem sollten sie interessant sein, aber kein Konfliktpotenzial besitzen. In der Aufklärung war das ideale Gespräch in Gesellschaft noch die inhaltsreiche Debatte; Oberflächlichkeiten wurden abgelehnt, wie man in einem „Complimentir-Büchlein“ (o. J., zitiert nach Linke 1996a: 191) aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lesen kann: Man suchet einen nützlichen und angenehmen Discours zu führen, nicht aber die Zeit mit leeren, verdrüsslichen und eitlen Reden vom Wetter dem Sonnenschein, oder Weibischen nichtswürdigen Dingen zuzubringen. Die gesellige Konversation in den Salons zählt laut Zillig (2004: 31) zu den ersten „im heutigen Sinn modernen Formen der Unterhaltung, die sich unter dem Stichwort der ‚Zwanglosigkeit’ zusammenfassen lassen.“ Hauptanliegen der an der Konversation Beteiligten ist es nun nicht mehr, durch inhaltliche Fülle und Tiefe eine Atmosphäre ‚geistiger Behaglichkeit’ herzustellen, sondern eher, durch eine flüchtige Vielfalt von Gesprächsinhalten den Gesprächspartnern und -partnerinnen genügend Raum und Anknüpfungspunkte zur Selbstdarstellung zu geben. Der Charakter von Oberflächlichkeit, der einem so definierten Konzept von ‚Konversation’ durchaus als moralischer Makel angelastet werden könnte, wird nun nicht mehr als Defizit, sondern als positive Qualität verstanden, die weniger das Produkt spontaner Rede als vielmehr Ergebnis bewusster Gesprächsstrategie ist. (Linke 1996a: 146) Noch einen Schritt weiter gehen die Ratgeber, die nicht nur die Oberflächlichkeit der Themenbehandlung propagieren, sondern dem Inhalt eines Gesprächs keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung zusprechen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts findet sich eine Aussage, die auch aus den modernen Smalltalk-Ratgebern bekannt ist: Nicht auf das ‚Was’ kommt es in der Plauderei an, sondern das ‚Wie’ (Berger 1895: 61, zitiert nach Zillig 2004). Weitere Gemeinsamkeiten zum Smalltalk-Konzept lassen sich auch bei den konkreten Vorschlägen zur Themenwahl finden, auf die im Kap. VII.1.3.3.e eingegangen wird. c) Gesprächspartner Das Definitionskriterium Gesprächspartner ist vielschichtig und es gibt mehrere relevante Kriterien, die für eine Differenzierung der Gesprächskonzepte von Bedeutung sein könnten. Im Folgenden wird deshalb Bekanntheitsgrad, Geschlecht und insbesondere Schichtzugehörigkeit der an einem Gespräch beteiligten Personen thematisiert. Der Bekanntheitsgrad der beteiligten Personen könnte ein Unterscheidungskriterium zwischen Konversation und Unterhaltung auf der einen 233 und Plauderei auf der anderen Seite sein. Dies legt zumindest das folgende Zitat nahe: Schon der Begriff der Plauderei als solcher schließt eine gewisse Vertraulichkeit mit ein. Am besten plaudert es sich zu zweien, auch mehrere können sich daran beteiligen, viele nie der intime Reiz des Plauderns wird dadurch zerstört und aus der Plauderei wird eben eine Unterhaltung. (York 1893: 329, zitiert nach Zillig 2004) In vielen modernen Ratgebern dagegen sind „Intimität“ und Smalltalk nicht zu vereinen: Schmilzt der körperliche Abstand zweier Personen auf weniger als fünfzig Zentimeter, erlischt die Bereitschaft zum Smalltalk mit einem Schlag. [...] Denn, intime Distanz verlangt auch intime Gespräche. (Naumann 2004: 210) In Bezug auf den Bekanntheitsgrad gibt es, wie bereits in Kapitel IV.4. dargestellt wurde, durchaus unterschiedliche Ansätze und manche Ratgeber gehen auch auf Smalltalk mit Familienangehörigen und Freunden ein. Wie auch in den Smalltalk-Ratgebern wird den Frauen in den historischen Ratgebern eine besondere Fähigkeit zum geselligen Gespräch bescheinigt: Männer sind im Allgemeinen weniger gute Plauderer als die Frauen. (Franken 1908: X. Kapitel). Entsprechend einem anderen Rollenverständnis, das in den modernen Smalltalk-Ratgebern nicht mehr greifbar ist, haben die Frauen in den Gesprächs- und Anstandslehren andere Aufgaben in einem Gespräch als Männer (vgl. die Kap. „Sittenwächterin und Anstandslehrerin“, „Die Gesprächsarbeiterin“ und „Die Garantin für Gesprächsdisziplin“ in Linke 1996a), zudem gelten geschlechtsspezifische Verhaltensregeln (siehe Exemplarische Analysen in Kap. VII.1.4). Der Begriff Konversation ist bereits bei seiner Übernahme in die deutsche Sprache ständisch markiert und ethisch aufgeladen. „Einerseits ist der Begriff Teil eines schichtspezifischen Vokabulars, andererseits verweist er auf ein Geselligkeitskonzept, das an gentile Lebenswelten gebunden ist“ (Linke 1996a: 142). Es wurde im 17. Jahrhundert, einer Zeit, in der der Einfluss der französischen höfischen Kultur im Allgemeinen sehr hoch war (vgl. Polenz 1978: 105 ff.), vom deutschen Adel übernommen und dann vor allem mit Beginn des 19. Jahrhunderts auf das gebildete Bürgertum als „Trägergruppe“ erweitert (ebd. 144 f.). Konversation ist Unterhaltung in der gebildeten Gesellschaft, genauer: „Unterhaltung zwischen gleich- oder beinahe gleichgebildeten Leuten“ (Brockhaus 1875, zitiert nach Linke 1996a: 147). In den Ratgebern lassen sich ebenfalls Belege dafür finden, dass die Gesprächspartner eines geselligen Gesprächs eine gewisse Bildung aufweisen müssen: Alle können wir nun zwar nicht hochwissenschaftlich sein, aber wir können auf jener Bildungsstufe stehen, die uns berechtigt, an der Konversation teilzunehmen. (Samsreither 1900: 145, zitiert nach Zillig 2004) 234 Die Abgrenzung nach „unten“ gegenüber nicht-bürgerlichen Schichten erfolgt etwa durch die Wahl der Gesprächsthemen (Linke 1996a: 198; vgl. auch Kap. VII.1.3.3.e). Die Bildung der Gesprächsteilnehmer und die damit verbundene Frage nach deren Gleichberechtigung scheint ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen den historischen Gesprächskonzepten und dem Smalltalk zu sein. Spieß verdeutlicht dies in seinen Beobachtungen zur „Kultur und Sprache im neuen England“ aus dem Jahre 1928. Konversation sei die Unterhaltungsform der „geistig hochstehende[n] englische[n] Gesellschaft“, die „auch in der Konversation Wert auf Form und Inhalt [legt]“ (Spieß 1928: 140). Smalltalk benutze der Gebildete im Gegensatz zum „Durchschnittsengländer“ lediglich „als Brücke zu ‚Talk’ und ‚Conversation’“ (ebd.). Während Konversation also für die gebildeten Schichten reserviert bleibt, ist Smalltalk keine solche „exklusive“ Gesprächssorte, wobei sie jedoch ständespezifische Funktionen hat. Auch heute weist der „elitär konnotierte“ Begriff Konversation (vgl. Linke 1996a: 146) meist auf eine „feinere Gesellschaft“ hin und man würde ihn „kaum auf Gespräche zwischen Angehörigen niederer Sozialschichten anwenden, und wenn, dann allenfalls in ironisierender Weise“ (ebd. 147, Anm. 44). 327 Konversation ist „Unterhaltung zwischen Gleichgestellten“ (Fauser 1991: 26) und kommt deshalb nicht zwischen unterschiedlichen sozialen Schichten mit einem großen Bildungsgefälle in Frage, wie etwa zwischen Angehörigen der Unterschicht und des Bildungsbürgertums. In den Smalltalk-Ratgebern wird dagegen häufig als ein wesentliches Kennzeichen des Smalltalks hervorgehoben, dass Unterschiede zwischen den Gesprächspartnern nicht relevant sind: Ob ein Gast alleine kommt oder in Begleitung, ob er älter oder jünger ist als die Übrigen, deutlich schlechter oder unübersehbar teurer angezogen, belesen oder ungebildet - der Smalltalk bindet ihn mit ein. Denn er kennt keine Hierarchien. (Baur 2001: 15 f.) Ob diese Gleichberechtigung bereits im Smalltalk-Konzept des 19. und frühen 20. Jahrhundert angelegt ist, d. h., ob Smalltalk schon zu dieser Zeit prinzipiell auch zwischen den Schichten möglich und damit „demokratischer“ als Konversation ist, kann anhand der verwendeten Quellen allerdings nicht geklärt werden. d) Situation Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts findet eine Konversation typischerweise im privaten Besuchs- oder Gesellschaftszimmer (Salon) des bürgerli- 327 Als typische Gesprächssorte der niederen Sozialschichten wird in den Ratgebern der Klatsch genannt, der von den gebildeten Schichten gerade deshalb abgelehnt wird: Niemals soll man auf der Hausflur oder auf der Treppe von seinen eigenen Angelegenheiten oder noch weniger von denen seiner Mitbewohner sprechen. Es ist mehr als genug, daß die verschiedenen Dienstboten über ihre Herrschaften klatschen und sich gegenseitig ihr Leid klagen, und es ist mehr als über flüssig, daß wir dem Beispiel der Küchendamen folgen (Baudissin/ Baudissin 1901: 975, zitiert nach Zillig 2004). 235 chen Hauses mit Verwandten oder weniger engen Freunden statt (vgl. Linke 1996a: 170 ff.). Dies ändert sich jedoch besonders seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts: Die Kommunikation wird insgesamt öffentlicher. Es finden sich in den Anstandslehren dann verstärkt die „gesellschaftlich relevanten Sozialkonstellationen des städtischen Bürgerlebens“ (Linke 1996a: 140), die dem (halb-)öffentlichen Raum zuzuordnen sind, z. B. „Im Restaurant“ oder „Im Konzert“. Damit wird Konversation auf weitläufige Bekannte und Unbekannte ausgedehnt. Während einige historische Ratgeber etwa Gespräche auf der Straße noch ablehnen (Langes Stehenbleiben auf der Straße, um mit Bekannten zu sprechen, überlasse man den Dienstmädchen […]. Gratiolet 1918: 64, zitiert nach Zillig 2004), gibt es in den modernen Smalltalk-Ratgebern kaum mehr Einschränkungen hinsichtlich der Situation: Überall können Sie jemanden ansprechen, mit jemandem ungezwungen plaudern, jemanden näher kennen lernen (Degen 2002: 92). Auffällig ist bei den modernen Smalltalk-Ratgebern die Ausdehnung der (vermeintlich) zweckfreien Kommunikation auf den Beruf: In keinem der älteren Ratgeber wird der Arbeitsplatz als möglicher Ort für ein geselliges Gespräch genannt. Hier scheint noch eine klare Trennung zwischen sachbezogener Arbeit und beziehungsbezogener Freizeit zu bestehen. In den Smalltalk-Ratgebern kommen zudem einige Situationen nicht mehr vor, da die gesellschaftlichen Anlässe heute entweder nicht mehr existieren (z. B. Gespräche im Salon) oder keine solche Relevanz mehr haben, als dass sie als eigene Situationen erwähnt werden müssten (z. B. Ball). e) Funktion In Kap. IV.6. Funktion wurde die Pflege und der Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen (phatic communion) als Hauptfunktion von Smalltalk beschrieben. Die Beziehungspflege ist auch für das gesellige Gespräch im 19. Jahrhundert ein wesentlicher Aspekt, da das soziale Netz „nicht mit der Geburt einfach gegeben ist, sondern errichtet werden kann und muß.“ (Linke 1988: 140 f.). In den historischen Ratgebern lassen sich allerdings wenige Belege für diese phatische Funktion finden. Linke (1918) etwa weist auf die vor allem in den Smalltalk-Ratgebern häufig zu findende, modern anmutende strategische Verwendung solcher Gespräche hin: […] die Kunst der Unterhaltung [ist] ein gutes Mittel […], sich überall beliebt zu machen, sich wertvolle Freunde und Gönner zu verschaffen, die einem beim Vorwärtskommen sehr nützlich sind. (Linke 1918: 87) Dafür sind zahlreiche Belege für die Funktion der Zerstreuung und der Vermeidung von Langeweile in den historischen Ratgebern nachweisbar: Die Plauderei will nichts weiter, als Erheiterung gewähren, die dahinfliegende Zeit vergessen machen und bei allen Teilnehmern das Bedauern erregen, nicht länger daran sich beteiligen zu können. (Berger 1895: 59, zitiert nach Zillig 2004) 236 f) Ritualität und Höflichkeit Konversation hat wie Smalltalk einen „latent rituellen Charakter“ (Linke 1996a: 142). Im Untersuchungszeitraum kann man in den Ratgebern eine Entwicklung weg von starren Gesprächsmustern, die besonders aus der zum Zeremoniell erstarrten französischen Konversation des 17. Jahrhunderts stammen (Schmölders 1986: 25), hin zu mehr Individualität und Natürlichkeit feststellen. Darauf weisen die Ratgeberautoren des späten 19., frühen 20. Jahrhunderts sogar explizit hin: Wer fein beobachtet, dem widr es nicht entgangen sein, dass der gesellige Verkehr sich nach und nach gegen früher viel zwangloser, d. h. viel natürlicher gestaltet hat und das entschieden zu seinem Vorteil. (Adlersfeld 1899: 18, zitiert nach Krumrey 1984: 129) Diese Entwicklung geht in den deutschen Smalltalk-Ratgebern so weit, dass man vor einem reinen Phrasenaustausch im Smalltalk warnt (vgl. auch Kap. IV.8.): Smalltalk sollte gerade keine Kunst der Leerformeln (Märtin/ Boeck 2000: 9) sein. Für York (1893: 330 f., zitiert nach Zillig 2004) liegt u. a. im Ritualitätsgrad ein Unterschied zwischen Plauderei und Unterhaltung: 328 Während bei der Plauderei etwa Familienangehörige traulich beieinander sitzen, um in anregendem Gespräch alles zu berühren, was gerade die Gefühls- und Geisteswelt des einzelnen beschäftigt, ist die Unterhaltung steifer, anspruchsvoller, feierlicher. In den Ratgebern früher wie heute zeichnet sich ein Gespräch in Gesellschaft gewöhnlich dadurch aus, dass die Gesprächspartner höflich miteinander umgehen. In verschiedenen Untersuchungen (z. B. Machwirth 1970) wird darauf hingewiesen, dass sich Höflichkeitskonzepte im Zuge von gesellschaftlichem Wandel verändern. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich Höflichkeit in der Konversation des 19. Jahrhunderts vom Verständnis von Höflichkeit im Smalltalk des 21. Jahrhunderts unterscheidet. So zeichnet sich Höflichkeit früher noch stärker durch nonverbale Rituale aus (z. B. Hut lüften, Verbeugen). Einige Elemente höflicher Kommunikation sind jedoch bis heute gleich geblieben: So ist es auch heute noch unhöflich, seinen Gesprächspartner zu unterbrechen oder zu viel Redezeit für sich zu beanspruchen (vgl. XXV. Kapitel „Von der Kunst des Zuhörens“, Franken 1908). g) Positives/ negatives Image In der zeitgenössischen Literatur des 19. Jahrhunderts finden sich ausreichend Belege dafür, dass Konversation bereits zu dieser Zeit negativ konnotiert ist und wegen ihrer Oberflächlichkeit und angestrengten Leichtigkeit abgelehnt wird (vgl. Linke 1996a: 226). „Es ist wohl diese eher zwangsweise Harmonisierung, die dazu geführt hat, daß ‚Konversation’ im 20. Jh. zu einem ziemlich negativ konnotierten Begriff im Sinne einer sowohl elitären als auch inhaltsleeren, von Kaviarbrötchen und Rosésekt eingerahmten Gesprächsform geworden ist […].“ (Linke 1988: 141). Während das negative 328 Das Wort Konversation verwendet er nicht. 237 Image des Smalltalks vor allem auf das Kriterium der Oberflächlichkeit zurückzuführen ist, werden bei der Konversation die negativen Konnotationen zusätzlich dadurch gefördert, dass Konversation steifer ist und nur von denen praktiziert wird, die sich für etwas „Besseres“ halten. Der Vergleich mit dem Konzept des geselligen Gesprächs im 19. und frühen 20. Jahrhundert hat ergeben, dass es viele Übereinstimmungen mit den folgenden Definitionsaspekten von Smalltalk gibt: Unverbindlichkeit, geringer Informationsgehalt („Oberflächlichkeit“) bei assoziativer Themengestaltung sowie Beziehungssicherung und Imagepflege. Ein wesentlicher Unterschied konnte im Status der Gesprächspartner und in der Schichtspezifik ausgemacht werden. Außerdem werden mit Smalltalk mehr Situationen abgedeckt als etwa in der Konversation, die einen bestimmten situativen Rahmen benötigt. In Bezug auf die eingangs gestellte Frage nach der Äquivalenz zwischen dem Konzept von Smalltalk und geselligem Gespräch (unter den Bezeichnungen Konversation, Plauderei und Unterhaltung) kann festgehalten werden: Es liegt am ehesten eine partielle Äquivalenz, aber keine völlige Deckungsgleichheit dieser Gesprächskonzepte vor. 1.3 Wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ratgeber Im Folgenden sollen die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Gesprächs- und Anstandslehren des 19., und frühen 20. Jahrhunderts mit den Smalltalk-Ratgebern herausgestellt werden. Zumindest ansatzweise sollen so einerseits Abschreibetraditionen, andererseits Neuerungen im Gesprächsverhalten deutlich werden, bei denen zu diskutieren ist, ob sie dem amerikanischen Einfluss geschuldet sind. Anschließend wird exemplarisch am Beispiel von „(Be-)Grüßen und Vorstellen“ ein in den Smalltalk- Ratgebern stets thematisiertes Problem ausführlicher in seiner Entwicklung vom 19. bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts dargestellt. 1.3.1 Autoren und Leser Etwas über die Autoren historischer Ratgeber zu erfahren, ist schwierig, denn die in den modernen Ratgebern verbreiteten Kurzvorstellungen der Autoren kommen in den älteren Büchern nicht vor. Zudem schreiben die Autoren häufig unter Pseudonym. Nach Linkes (1988: 127) Recherchen handelt es sich bei den Autoren der Anstandsbücher im 19. Jahrhundert vorwiegend um Personen des gebildeten Mittelstandes, also um Schriftsteller, Verleger, Journalisten, Gymnasiallehrer usw. Zudem fällt auf, dass eine große Zahl weiblicher Adeliger Ratgeber verfasst, und zwar häufig für eine erstmals in dieser Zeit breite weibliche Leserschaft. So weist Jeanne Marie v. Gayette-Georgens (1878) in ihrem Vorwort darauf hin, dass ihr Buch vorzugsweise […] begabte[n] und edle[n] Frauen […] geweiht ist. An diesem Beispiel wird deutlich, was allgemein für die Sprach- und Kommunikationsratgeber des 19. Jahrhundert gilt: Sie wenden sich an eine gebildetere Schicht. 238 Die Schichtspezifik der Ratgeber wird z. B. durch die Wahl der Situationen (auf dem Ball, im Theater) oder durch die vorgeschlagenen Gesprächsthemen deutlich. Auch sind die Personen in den Beispielen gewöhnlich aus dem Adel oder dem Bildungsbürgertum. Dass standesunspezifische Ratgeber noch keine Selbstverständlichkeiten sind, zeigt das Buch von Linke (1918): Im Vorwort wird explizit und durch eine zusätzliche Hervorhebung betont, dass der Ratgeber für a l l e Stände und Berufe [Hervorhebung im Original, K.K.] verfasst wurde. Ziel des Buches ist es, den Leser mit den Gepflogenheiten der „besseren Gesellschaft“ vertraut zu machen und einen gesellschaftlichen Aufstieg zu ermöglichen (vgl. Kapitelüberschriften Wie man sich in guter Gesellschaft unterhält, und was man zu lassen hat! oder Hauptgespräche der besseren Gesellschaft). Man hat jedoch den Eindruck, dass nicht wirklich alle Stände mit diesem Buch angesprochen werden und etwa einfache Handwerker oder Bauern nicht zur intendierten Leserschaft gehören; zumindest ist ein gewisser Bildungsstandard des Lesers notwendig, damit er nicht nur in der Lage ist, die Ratschläge zu lesen, sondern sie auch umzusetzen. Hier können Parallelen zu den modernen (Smalltalk-)Ratgebern gezogen werden: Auch diejenigen Autoren, die „für alle“ schreiben, haben einen idealen Leser vor Augen (vgl. Kap. V.4.). Er entspricht in etwa dem der historischen Ratgeber, d. h., er kann eher der heutigen Mittelschicht als niederen Sozialschichten zugeordnet werden. Die Beziehung zwischen Autor und Leser ist in den historischen Ratgebern viel häufiger als in den modernen Smalltalk-Ratgebern von Freundschaftlichkeit geprägt. So wird der Leser häufig als Freund bezeichnet und zudem bei einer persönlichen Ansprache prinzipiell geduzt, auch wenn sich der Ratgeber an erwachsene Leser richtet. 329 Einen wissenschaftlichen Anspruch hatten die historischen Ratgeber kaum, soweit man das Vorhandensein von Literaturverzeichnis, Zitiertechnik oder Fußnoten als Maßstab ansetzt. Wie auch bei den Smalltalk- Ratgebern schöpfen die Autoren ihr Wissen nicht ausschließlich aus ihren eigenen Erfahrungen. Vielmehr wird an einigen Stellen deutlich, dass sie ebenfalls Ratgeber lesen und deren Ratschläge verwenden: Die Musik, sagt Dr. Gärtner in seiner Kunst der Unterhaltung sehr richtig, ist die moderne Kunst. (Linke 1918: 22). Das Kopieren anderer Ratgeber geht in Einzelfällen so weit, dass ganze Kapitel wörtlich übernommen werden: So schreibt Linke (1918) sein Kapitel Wie man sich in der guten Gesellschaft unterhält, und was man zu lassen hat! fast vollständig bei Franken (1908) ab (vgl. auch Anm. 326). 329 In den von mir untersuchten Ratgebern wird der Leser erstmals in einem Ratgeber von Rezincek/ Rezincek aus dem Jahr 1928 mit Sie angesprochen (vgl. Zillig 2004). 239 1.3.2 Makrostrukturen 330 Die historischen Ratgeber haben selten eine Widmung, manche besitzen aber ein Eingangszitat als Motto (z. B. Schillerzitat bei Calm 1886; Goethezitat bei Baudissin/ Baudissin 1901, beide zitiert nach Zillig 2004). Regelmäßig erscheint ein Vorwort, meist Vorrede genannt, und/ oder eine Einleitung sowie ein Inhaltsverzeichnis. Der größte Unterschied zu den modernen Ratgebern besteht in der Gestaltung der Kapitel: Es gibt relativ lange Kapitel, deren Fließtexte nur durch Absätze gegliedert sind. Makrostrukturell auffällig und in den modernen Ratgebern kaum zu finden sind Gedichte oder Sinnsprüche (z. B. Wedell o. J.). Auch gibt es häufig lange Listen mit Aphorismen- oder Zitatsammlungen aus der schöngeistigen Literatur oder von berühmten Personen (z. B. Baudissin/ Baudissin 1901: 1136 ff.; vgl. auch Häntzschel 1986: 20; 33). Grafische Elemente wie Zeichnungen dienen vor allem der Textauflockerung. Sie haben in den Gesprächslehren weniger Textbezug als in den Anstandslehren, in denen anhand der Zeichnungen, später dann Photographien, beispielsweise bestimmte Körperhaltungen oder Kleidungsstile veranschaulicht werden. Literaturverzeichnisse kommen in den älteren Ratgebern nicht als eigenständige Makrostruktureinheiten vor, jedoch wird in der Textmitte entweder im Text oder in Fußnoten weitere Literatur, bei der es sich gewöhnlich ebenfalls um Ratgeber handelt, unter Angabe des Ladenpreises empfohlen: * Ein ausgezeichneter Liebesbriefsteller ist unter dem Titel „Lieber Schatz“ erschienen. Preis DM 4,40, zu beziehen durch Ihren Buchhändler. (Wulff 1963: 35, ähnlich: Linke 1918). Schlusswörter sind häufiger als in den modernen Ratgebern, zudem kommt wie in den modernen Ratgebern Werbung für weitere Bücher des Verlags vor. 1.3.3 Ratfragen, Ratschläge und Probleme a) Beratungssituation in den historischen Ratgebern Die Beratung in den historischen Ratgebern funktioniert im Wesentlichen so, wie sie in den modernen Smalltalk-Ratgebern nachgewiesen wurde. Die wesentlichen Elemente einer Beratungssituation sind vorhanden und es finden sich etwa zahlreiche Belege für einen fingierten Beratungsdialog, wie Ratfragen (Wovon aber kann man in Gesellschaft erzählen? Franken 1908: XI. Kapitel) oder auch angenommene Einwände des Ratsuchenden (Sie glauben, so etwas kommt nicht vor? Baudissin/ Baudissin 1901: 283, zitiert nach Zillig 2004). Das, was Häntzschel (1986: 12) für die Anstandslehren für Frauen für das 19. Jahrhundert formuliert, trifft auch auf andere historische Ratgeber sowie auf die modernen Smalltalk-Ratgeber zu: 330 Aufgrund der schwierigen Quellenlage und des heterogenen Materials, das ich zudem größtenteils nicht im Original einsehen konnte, kann ich keine konkreten Angaben zum Vorkommen von Makrostruktureinheiten machen. Es handelt sich also um erste Eindrücke und Tendenzen. 240 Der jungen und unerfahrenen weiblichen Leserschaft entsprechend sind Stil und Sprache der Bücher bewußt einfach, einprägsam und emotional gehalten. Viele Autorinnen stellen durch eine fiktive Gesprächssituation eine enge, persönlichintime Verbindung mit ihren Leserinnen her. Anreden, bisweilen schon im Titel, vielfache Fragen, Beschwichtigungen und Versuche, Einverständnis herzustellen, Eingehen auf fiktive Einwände der Leserinnen bestimmen die Diktion. b) Ratschlagtypen Die vier Ratschlagtypen (personalisierter (1), adressierter (vor allem mit Du- Imperativ, 2), verdeckter (3) und modellbasierter (4) Ratschlag) lassen sich auch in den historischen Ratgebern nachweisen: (1) Wir raten dann, […] die Ratschläge zu befolgen, die Dr. G. H. Berndt […] gegeben hat. (Linke 1918: 13) (2) Halte deine Sprache ferner von Fremdwörtern rein. (Franken 1908: II. Kapitel) (3) […] man mache die Augen auf und spreche von dem, was man gerade sieht! (Linke 1918: 58) (4) Gezierte und affektierte Menschen sprechen immer schlecht […]. (Gayette- Georgens 1878: 16) Unterschiede zu den modernen Ratgebern finden sich in der Verwendung des Du-Imperativs (2) und in der Form man + Konjunktiv Präsens (3). Insgesamt liegt der Schwerpunkt in der Anleitungssprache eher auf den verdeckten und modellbasierten Ratschlägen, wobei einzelne Autoren auch eine stärker direkt anleitende Sprache verwenden (z. B. Franken 1908). Bei den modellbasierten Ratschlägen werden die meist sehr langen Dialogbeispiele der schöngeistigen Literatur entnommen und stammen aus Dramen oder Romanen bekannter Autoren (z. B. Franken 1908). 331 Einige Autoren bringen auch persönliche Erlebnisse ein: Ich habe davon einmal ein eklatantes Beispiel erlebt […] (Baudissin/ Baudissin 1901: 302). c) Personale Eigenschaften des Ratsuchenden Die (parallel zur Soziologie, Psychologie und Linguistik vollzogene) Entdeckung des Gesprächs als zentrale Kommunikationsform in gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen hat zu einer Psychologisierung und - streckenweise - zu einer Soziologisierung der modernen Rhetorik geführt [Hervorhebungen im Original, K.K.].“ (Antos 1996: 42) Im Vergleich zu den historischen Ratgebern gehen die Smalltalk-Ratgeber, wie auch die Rhetoriklehren, stärker auf psychologische Aspekte des Gesprächsverhaltens ein, indem sie etwa gezielt Ratschläge zur Bekämpfung von inneren Gesprächsbarrieren (z. B. Schüchternheit, Ängstlichkeit, Selbstvertrauen), aber auch zu Möglichkeiten der Beeinflussung und Manipulati- 331 Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Leser der Ratgeber zur gebildeteren Schicht gehören, die sich in der Literatur auskennt. 241 on (Gesprächstrategien) geben. Dabei ist gerade in der Kommunikationspsychologie der amerikanische Einfluss auf die Ratgeberliteratur nicht von der Hand zu weisen (Kallmeyer 1985: 26). Einige Ansätze in Bezug auf die psychischen Dispositionen des Ratsuchenden kann man jedoch bereits in den Ratgebern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts finden. Linke (1918: 6 ff.) etwa befasst sich recht ausführlich mit dem Problem der Schüchternheit und Ängstlichkeit und empfiehlt schließlich das Buch „Die Schüchternheit“ von Dr. G.H. Berndt, da es natürlich nicht möglich [ist], in einem Unterhaltungsbuche, wie dieses es ist, die von Dr. Berndt beschriebenen Verfahren [zur Beseitigung der Ängstlichkeit, K.K.] auch nur anzudeuten (ebd. 13). Zudem präsentiert er 38 Kunstgriffe, um im Streite recht zu behalten (ebd. 124). In den Anstandslehren wird besonders häufig das Äußere einer Person thematisiert, also vor allem Kleidung und Schmuck, aber auch Körperpflege und Hygiene (z. B. Kapitel 5. „Nur der saubere Mensch wirkt sympathisch“, Volkland 1941: 19). 332 In den Gesprächslehren und auch in den modernen Smalltalk-Ratgebern finden sich aus diesem Themenbereich meist nur die Ratschläge zur situationsadäquaten Kleidung und zu Accessoires als Gesprächsaufhänger (z. B. Bonneau 2002: 31 ff.). d) Gesprächspartner Auffällig ist, dass in den historischen Ratgebern geschlechtsspezifische Kommunikationsprobleme viel ausführlicher besprochen werden. So wird in eigenen Kapiteln das (Gesprächs-)Verhalten in gleichgeschlechtlichen Gruppen und in gemischtgeschlechtlichen Gruppen thematisiert. 333 Überhaupt wird der Beziehung zwischen Mann und Frau in den historischen Ratgebern viel Platz eingeräumt. Sie dokumentieren auf eindrucksvolle Art Veränderungen im Rollenverständnis 334 und in der Zuschreibung von stereotypen Eigenschaften 335 , was sie zu wertvollen Quellen für soziologische Studien macht (vgl. Krumrey 1984; Häntzschel 1986). Wie in den Smalltalk- Ratgebern gibt es in den historischen Ratgebern Kapitel zum Werben um das andere Geschlecht, z. B. Der moderne Flirt und seine Gefahren (Linke 1918: 332 Ratschläge zur Köperhygiene sind noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zu finden. So gibt es etwa im Ratgeber von Wulff (1963) ein ausführliches Kapitel zur „gründlichen und regelmäßigen Körperreinigung“ (ebd. 15). 333 Vgl. etwa die Kapitelüberschriften bei Franken (1908): IV. Kapitel Als Herr mit der Dame, V. Kapitel Als Dame mit dem Herrn, VI. Kapitel Junge Damen unter sich, VII. Kapitel Herrn unter sich. 334 Wenn ein Mann liebt, so soll er nicht nur den Wunsch, sondern den unbeugsamen Willen haben, den Gegenstand seiner Liebe zu besitzen. Er, der Mann, ist der stärkere, das Weib ist der schwächere Teil. […] Der Mann muß das Weib dahin zu bringen wissen, daß es ihn, von seinem Willen bezwungen, sucht, und nicht er das Weib (Linke 1918: 64 f.). 335 Die Frauen finden in der Regel mehr Gefallen an der Schmeichelei, als die Männer. Dies rührt wahrscheinlich daher, weil sie mehr Eitelkeit und Eigenliebe besitzen. […] ihre leicht erregbaren Nerven lassen sie vor der Erzählung krasser und widerlicher Dinge zurückschrecken (Linke 1918: 75; 58). 242 82). Darüber hinaus wird das Gesprächsverhalten zwischen höherstehenden und niedrigerstehenden und zwischen älteren und jüngeren Gesprächspartnern ausführlicher besprochen als dies in den modernen Smalltalk- Ratgebern der Fall ist. Der Leser lernt etwa, dass er ältere oder höherstehende Personen nicht selbständig in ein Gespräch verwickeln, Fragen stellen, zu lange reden oder von sich aus die Unterhaltung abbrechen darf (z. B. Wedell o. J.: 75, ebenso: Smolka 1957: 303, beide zitiert nach Zillig 2004). Wie auch in den Smalltalk-Ratgebern finden sich Ratschläge für schwierige Gesprächspartner wie Anekdotenjäger (Baudissin/ Baudissin 1901: 330, zitiert nach Zillig 2004), Pointenmörder (ebd. 333) oder Schmeichler (Smolka 1957: 34) häufig auch in eigenen Kapiteln (z. B. Charakter müßte man haben bloß welchen? ebd. 30). Daneben wird das (Gesprächs-)Verhalten anderer Nationen beschrieben, wenn es sich von dem in Deutschland unterscheidet. Die Länder, die am häufigsten berücksichtigt werden, sind England, Frankreich, Amerika, Italien und Spanien. Die These, dass der amerikanische Einfluss auf die Ratgeber seit dem 2. Weltkrieg merkbar wächst, kann anhand des historischen Korpus nicht ohne Weiteres nachgewiesen werden. Als Stichprobe wurde mit Hilfe der Suchfunktion in Zilligs (2004) digitalem Korpus die rein quantitative Nennung von Amerika/ amerikanisch/ Amerikaner/ in (59x, incl. 3x USA), England/ englisch/ Engländer/ in (88x) und Frankreich/ französisch/ Franzose/ Französin (77x) im ersten Nachkriegsratgeber „Das Buch der Etikette“ von Karlheinz Graudenz aus dem Jahr 1956 ermittelt. Wie die Zahlen in Klammern belegen, wird die USA sogar weniger häufig genannt als England und Frankreich. Amerika scheint im Vergleich zu anderen Ländern keinen erhöhten Einfluss auf die Gestaltung des Ratgebers gehabt zu haben, obwohl das Buch sogar in der amerikanischen Besatzungszone gedruckt wurde. 336 e) Themenwahl Der Kanon der Gesprächsthemen und Tabuthemen weist eine stabile Tradition in der deutschen Ratgeberliteratur auf und so werden die in den modernen Smalltalk-Ratgebern besonders häufig genannten Standardthemen auch in den historischen Ratgebern empfohlen (vgl. Kap. V.7.6.4): Über ein Konversationsthema darf man nicht lange nachdenken. Die naheliegendsten Dinge geben den besten Stoff. Man braucht durchaus nicht immer das Wetter 337 oder die Gesundheit abzuhandeln, und über den lieben Nächsten herzufallen, es giebt genug andere Dinge von allgemeinem Interesse. Kunst, Literatur, Theater, Reisen sind stets ein willkommener Gesprächsstoff. Im kleineren Kreise berührt man auch gern die persönlichen 336 Der chronologisch nächste Ratgeber (Holm 1971) ist hinsichtlich einer solchen quantitativen Auswertung nicht brauchbar, da er fast keine Bezüge zu anderen Kulturen aufweist: Die untersuchten Lexeme kommen zusammen weniger als 15 Mal vor. 337 Verbreitet sind gewisse Vorbehalte gegenüber dem Wetterthema: Es wird als uninteressant, oberflächlich und wenig anregend eingestuft (z. B. Gayette-Georgens 1878: 21). Während es für den Salon meist abgelehnt wird, ist für ein kurzes Gespräch auf der Straße akzeptabel (Franken 1908: XII. Kapitel). 243 Verhältnisse, um gegenseitiges Interesse darzuthun. (Schramm 1919: 25, zitiert nach Zillig 2004) Die Gesprächsstoffe in den historischen Gesprächs- und Anstandslehren sind vielfältig, aber nicht beliebig. „Sie sind zum Grossteil ‚bildungsbürgerlich’, indem sie sich vorwiegend an Gegenständen mit anerkanntem Bildungswert orientieren.“ (Linke 1996a: 197). Auch in den Smalltalk-Ratgebern wird immer wieder darauf hingewiesen, dass (Allgemein-)Bildung für eine Unterhaltung von Vorteil ist, da man auf jedes Thema etwas erwidern [kann] (Müller/ Weiden 2002: 178). Aber obwohl in den Smalltalk-Ratgebern die typisch bildungsbürgerlichen Themen wie „Theater“, „Literatur“ oder „Kunst“ genannt werden, weisen die Autoren darauf hin, dass Bildungswissen keinesfalls zu einem eitlen Schaulaufen geraten darf (Nöllke 2005: 61), denn zu intellektuelles Geplänkel schafft Distanzen (Lüdermann 2007: 41 f., vgl. auch Naumann 2004: 77). Im Vergleich mit den historischen Ratgebern lässt sich ein weiterer Unterschied in der Themenwahl finden: Während sich die Themen aufgrund der „professionalisierten Trennung beruflicher und privater Existenz“ in der bürgerlichen Lebenswelt des 19. Jahrhunderts „im wesentlichen aus arbeitsfernen Bereichen“ rekrutieren (Linke 1996a: 197), gilt dies für die modernen Smalltalk-Ratgeber nur eingeschränkt: 10 von 20 Ratgebern nennen Arbeit und Beruf als geeignete Smalltalk-Themen. Dass dennoch einige Smalltalk- Ratgeber zur Vorsicht beim Thema Arbeit aufrufen (z. B. Hesse/ Schrader 2001: 128), mag daran liegen, dass eine Trennung zwischen Berufs- und Privatleben ein deutscher Kulturstandard ist, der auch in den modernen Ratgebern, wenn auch in abgeschwächter Form, handlungsrelevant ist (vgl. Kap. VI.1.). Ebenso fest wie der Kanon der empfohlenen Themen ist in den historischen Ratgebern der Kanon an Tabuthemen: Sprich nie von dir selbst, vor allen Dingen nie von deinen Geldsachen. (Linke 1918: 33) […] ebenso sollte man auch Politik und Religion nicht in die Gesellschaft hineinziehen. […] Überhaupt sollte man wissenschaftliche und andere Themata nur da einer Erörterung unterwerfen, wo man Verständnis dafür voraussetzen darf. (Samsreither 1900: 146, zitiert nach Zillig 2004) Die Beispiele zeigen, dass etwa die in den Smalltalk-Ratgebern häufig genannten Tabuthemen Religion, Politik und Geld eine stabile Tradition aufweisen. Auch wird regelmäßig vor dem Klatschen in Gesellschaft gewarnt (z. B. Linke 1918: 27), denn wer klatscht, ist weder gut noch selbst gebildet (Calm 1886: 313, zitiert nach Zillig 2004). Während diese Tabus in den historischen Ratgebern noch als eindeutige Verbote formuliert waren, werden sie in den meisten Smalltalk-Ratgebern schon weniger rigoros gehandhabt. Das in den historischen Ratgebern häufig zu findende Tabuthema Wissenschaft findet ebenfalls ein Pendant in den Smalltalk-Ratgebern: Dort werden alle Arten von Spezial- und Expertenwissen abgelehnt (z. B. Baur 2001: 51). 244 Ein auffallender Unterschied in der Themenbehandlung ist, dass in den älteren Ratgebern ausführlich geschlechtsspezifische Ratschläge gegeben werden, d. h., es gibt Themen, die nur für Herren- oder Damenrunden geeignet sind. Diese geschlechtsspezifischen Ratschläge werden durch die „Natur“ der Geschlechter begründet. Frauen sind flüchtiger, oberflächlicher, leichter zu ermüden (Franken 1908: IV. Kapitel). Deshalb sind keinesfalls zu ernste Stoffe zu wählen; Religion und Politik sind für Gespräche mit Frauen ungeeignet (Linke 1918: 36). Frauen werden dagegen gewarnt, in Gegenwart von Männern über „weibische Themen“ wie Haushalt oder Kindererziehung zu sprechen (Linke 1996a: 204). Als ein wesentlicher Unterschied zwischen den amerikanischen und den deutschen Ratgebern wurde im vorangehenden Kapitel die Thematisierung der eigenen Person herausgestellt. Die amerikanischen Ratgeber-Autoren formulieren es stärker als die deutschen als eine Pflicht, auch von sich selbst zu sprechen: Regardless of how many appropriate questions you have on hand, sooner or later you must talk about yourself (Fine 2004: 67). Die Zurückhaltung der deutschen Smalltalk-Ratgeber diesbezüglich könnte auf die von den deutschen Kulturstandards geprägten Ratgebertraditionen zurückzuführen sein. In den historischen Gesprächs- und Anstandslehren werden nämlich teils sehr deutliche Verbote der Thematisierung der eigenen Person und der eigenen Angelegenheiten ausgesprochen: Rede nie zuviel von dir selbst und deinen Angelegenheiten. Das Thema der Schwätzer ist die eigene Person. (Schicklichkeits- und Ritterspiegel 1915: 21, zitiert nach Krumrey 1984, ähnlich: Smolka 1957: 300, zitiert nach Zillig 2004). Dass das Verbot, über sich selbst zu sprechen, eine traditionsreiche Verhaltensregel ist, zeigt sich auch im Ratgeber von Wulff (1963: 55 f.), der sich rechtfertigen muss, einen entgegengesetzten Ratschlag zu erteilen: Im Gegensatz zu machen Kennern des geselligen Lebens halte ich es für falsch, grundsätzlich auf jede Äußerung über sich selbst, über eigene Angelegenheiten und eigene Ansichten zu verzichten. Denn wie schon angedeutet, ist nur ein Übermaß des Redens von sich selbst eine Belästigung der Mitmenschen, ein gewisses Maß persönlicher Mitteilsamkeit aber bedeutet nach meiner Erfahrung eine Ehrung des Partners. Vollständiger Verzicht darauf wirkt wie Hochmut und Abweisung. Zudem sollte die Zuwendung zum Gesprächspartner nie so weit führen, dass man in dessen Privatsphäre eindringt. Denn durch eine zu starke ‚Verpersönlichung’ des Gesprächs wird die „freundlich-distanzierte Halböffentlichkeit [gefährdet], die ein gewisses Maß an Harmonie garantiert“ (Linke 1996a: 206). So verwundert es wenig, dass die Steigerung der ‚Verpersönlichung’, das Zeigen von Gefühlen und Gedanken, in den deutschen Ratgebern kaum zur Sprache kommt, auch nicht als Verbot. Anscheinend ist die Regel, dass man sein „Innenleben“ nicht kommuniziert, allgemein bekannt und akzeptiert, so dass sich Ausführungen dazu erübrigen. 245 f) Sprech- und Gesprächsstil Die historischen Ratgeber legen insgesamt noch etwas mehr Wert auf eine „gepflegte“ Sprache als die modernen Smalltalk-Ratgeber. Eine saubere Aussprache, bei der weder Wörter noch Silben verschluckt werden, sowie eine korrekte Grammatik 338 sind dabei eine Grundvoraussetzung. Es ist nicht genug, die Sprache, in der man öffentlich spricht, rein und nach den Regeln der Grammatik zu reden, man muß auch schön sprechen können, d. h. die besten, bezeichnendsten Wörter wählen und sie in die beste Ordnung setzen. (Baudissin/ Baudissin 1901: 676, zitiert nach Zillig 2004) Zu dieser schönen Sprache gehört nach Meinung der Ratgeberautoren, dass sie möglichst frei von Fremdwörtern sein sollte. Dies ist allerdings erst eine Entwicklung des späteren 19. Jahrhunderts, denn Fremdwörter waren lange Zeit das an der Sprache festzumachende Kriterium für eine gute Bildung. Mit der deutschen Reichsgründung im Jahre 1871 beginnt eine neue Phase des deutschen Purismus, in der es zu einer regelrechten „Fremdwortjagd“ kommt (vgl. Polenz 1978: 160 ff.). In diesem Zusammenhang wird auch die Koppelung von Fremdwortgebrauch und Bildung als hinfällig bezeichnet: Bis zur Mitte dieses [= 19., K.K.] Jahrhunderts galt es als fein, solche fremde Worte einfließen zu lassen. Man verriet dadurch seine Bildung. Heute ist es gottlob anders. Da schämen wir uns unserer guten deutschen, oft so treffend kernigen Worte nicht mehr. (Wedell o. J.: 75, zitiert nach Zillig 2004) Und Franken (1908: II. Kapitel) geht sogar noch weiter und nennt es eine ganz irrige Meinung, daß eine mit französischen oder englischen Brocken durchsetzte Rede ein Zeichen vornehmer Bildung und ein charakteristisches Merkmal der feinen Gesellschaftsklassen sei. Bildung bleibt allerdings zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiterhin ein Wert, der sich auch in der Sprache und im Kommunikationsverhalten widerspiegeln soll. Dass man dazu vor Fremdwörtern warnt, liegt nicht nur daran, dass Fremdwörter von der Bildungselite prinzipiell abgelehnt werden, vielmehr geschieht der Verzicht auf Fremdwörter prophylaktisch: Wer keine Fremdwörter anwendet, entgeht der Gefahr, sie zu verstümmeln oder falsch zu gebrauchen (Schramm 1919: 24, zitiert nach Zillig 2004). Im Laufe des 20. Jahrhunderts scheint sich der Status von Bildung im geselligen Gespräch zu verändern: Übermäßiger Fremdwortgebrauch wird nun als Bildungs- Protzerei (Wulff 1963: 34) abgelehnt. 339 Pflegenswert an der deutschen Sprache ist laut den historischen Ratgebern allerdings lediglich die Standardsprache, denn neben den Fremdwörtern wird auch der Dialekt bekämpft: Spricht man stark Dialekt, so suche man ihn durch deutschen Sprachunterricht zu verbessern […] (Wedell o. J.: 73 f., zi- 338 Teilweise werden in den Ratgebern konkrete Grammatikverstöße, so etwa die Verwechslung von Dativ und Akkusativ (Franken 1908: II. Kapitel), angeprangert. 339 Für eine Diskussion des Zusammenhangs zwischen Fremdwortgebrauch und Bildung in den Rhetoriklehren siehe Bremerich-Vos (1991: 129 ff.). 246 tiert nach Zillig 2004). Während für die einen Autoren ein bisschen Dialektanklang (ebd.) akzeptabel ist, raten andere zur strengsten Vermeidung jeden Dialekts (Schramm 1919: 24, zitiert nach Zillig 2004): Einen Dialektausdruck in gewählter Gesellschaft zu gebrauchen, das ist ebenso unpassend, als wolltest du dich im Salon im Negligéanzug zeigen […]. (Franken 1908: II. Kapitel) 1.3.4 Tests und Übungen Tests und Übungen gibt es in den von mir untersuchten historischen Gesprächs- und Anstandslehren nicht. Auch die jüngeren Ratgeber der 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts aktivieren den Leser nicht zu einem Einüben der Ratschläge jenseits der Buchlektüre. Eine andere Art der Aktivierung des Lesers findet sich in den Ratgebern, die Unterhaltung nicht nur in der Bedeutung ‚Gespräch’, sondern auch in der Bedeutung ‚Zeitvertreib’ verstehen. So präsentiert etwa Gayette-Georgens (1878) Ratespiele, Gesellschaftsspiele aller Art, Gedichte zum Rezitieren usw. 1.3.5 Gesprächsmaximen Die in den Smalltalk-Ratgebern teils sehr deutlich formulierten Maximen treten in den historischen Ratgebern zwar nicht in Erscheinung, man kann sie aber dennoch aus den Ratschlägen abstrahieren. So wird etwa deutlich, dass das Harmonieprinzip für alle Gesprächsregeln, allgemeiner noch, für alle Regeln des gesellschaftlichen Lebens maßgebend ist: Die Kenntnis und Aufrechterhaltung der Gebräuche und Gesetze, welche die gute Gesellschaft beherrschen, begreift man unter dem Namen „Etikette“. Die genaue Beobachtung derselben und die Fernhaltung aller zerstörenden Einflüsse und unberechtigten Eindringlinge ist einfache Pflicht der Selbsterhaltung der guten Gesellschaft; […]. (Junker 1887: 28, zitiert nach Zillig 2004) Nicht deutlich greifbar sind die Maximen „Sei optimistisch! “ und „Vermeide Euphorie! “. Außerdem wurde bereits darauf hingewiesen, dass die eigene Person als Gesprächsthema in den historischen Ratgebern eher verpönt ist. Deshalb lässt sich auch die Maxime „Sei persönlich! “ nicht nachweisen. 1.4 Exemplarische diachrone Analyse: Grüßen und (sich) vorstellen Grüßen 340 und (sich) vorstellen ist zwar kein rein smalltalk-spezifisches Problem, da es aber sowohl in den Smalltalk-Ratgebern als auch in den historischen Gesprächs- und Anstandslehren einen zentralen Stellenwert hat, bietet es sich für eine exemplarische diachrone Analyse, die den gesamten Untersuchungszeitraum umfassen soll, gut an. Anhand von Zitatreihen zu einzelnen Aspekten des Problems „Grüßen und (sich) vorstellen“ soll ge- 340 Es soll hier keine zusätzliche Unterscheidung zwischen Grüßen und Begrüßen vorgenommen werden, vgl. zur Unterscheidung Hartmann (1973: 146 f.). 247 zeigt werden, welche Ratschläge über die Jahrhunderte hinweg stabil geblieben sind und welche Ratschläge zeitspezifisch sind. Zitate, die Hinweise auf kulturspezifische Verhaltensweisen geben, sowie die Ergebnisse des kulturvergleichenden Kapitels helfen dabei, die Frage nach der Universalität und der Kulturspezifik gewisser Ratschläge zu beantworten. a) Wer grüßt wen? (1) […] der Gruß [wird] durch Verbeugung, oder die Tageszeit Wünschen bei uns dem gesellschaftlich Höherstehenden von dem Untergebenen dargebracht […], so daß also der Herr die Dame, der Jüngere den Aelteren, der Diener den Gebieter zuerst grüßt […]. (Calm 1886: 231, zitiert nach Zillig 2004) (2) Als erste Regel gilt: der niedere, tiefer im gesellschaftlichen Rang Stehende begrüßt den Höherstehenden zuerst. Es ist dies aber manchmal sehr schwer zu beobachten, und bei unsern jetzigen gesellschaftlichen Regeln äusserst schwer festzustellen, wer tiefer im Range, wer höher sei. Steht ein armer Litterat, ein armer Dichter im zerlumpten Rock tiefer als ein Spekulant, ein Millionär, welcher vielleicht seine Muttersprache nicht richtig schreiben kann? […] Bei der immer mehr sich verallgemeinernden Gleichheit der Menschen müssen wir daher sagen: Derjenige grüßt zuerst, der am höflichsten sein will. (Lindau 1891: 124, zitiert nach Krumrey 1984: 411) (3) Die Jugend hat das Alter, der Herr die Dame, der Untergebene den Vorgesetzten zuerst zu grüßen. So ist es in Deutschland. In England z. B. gilt es als taktlos, wenn der Herr die Dame zuvor grüßt. Er muß warten, ob ihn die Dame grüßt. (Schütte o. J.: 33, zitiert nach Zillig 2004) 341 (4) Es grüßen also der Herr die Dame, der Jüngere den Älteren, der einzelne die Gruppe, die Unverheiratete die Verheiratete zuerst. (Graudenz 1956: 240, zitiert nach Zillig 2004). (5) Grundsätzlich grüßt zuerst jedoch immer noch der Herr die Dame, der Jüngere den Älteren, der Rangniedere den Ranghöheren und der einzelne die Gruppe. (Holm 1971: 34, zitiert nach Zillig 2004) (6) Wen grüßen Sie zuerst? Hier gilt: Damen vor Herren, ältere Personen vor jüngeren, ranghöhere Personen vor rangniedrigen. (Lermer 2003: 50) Die Zitatreihe belegt, dass der Ratschlag zur Ratfrage „Wer grüßt wen? “ 342 über den gesamten Untersuchungszeitraum stabil bleibt. Obwohl sich bereits früh kritische Stimmen zu dieser Regel finden lassen (Zitat 2), wird das 341 Das Buch ist laut Zillig (2004) undatiert. Der Titel gibt jedoch Aufschluss über den ungefähren Entstehungszeitraum: „Willst du erfahren was sich ziemt? Ein lustiges und lehrreiches Handbuch für die Jugend im Dritten Reich“. 342 Die Ratschläge beziehen sich auf die Situation „gesellschaftlicher Anlass mit mehreren Personen“, nicht etwa auf das Grüßen auf der Straße bei einer zufälligen Begegnung mit einem Bekannten oder Freund. Sie gelten auch nicht nur für das Grüßen, sondern auch für das Vorstellen: Die alte Regel lautet, daß beim Vorstellen der sozial Tiefergestellte vor dem Höhergestellten, der Mann vor der Frau, der Jüngere vor dem Älteren genannt werden soll, damit der jeweils „Höhere“ zuerst über den Namen des anderen informiert wird (Leisi/ Leisi 1993: 50). 248 Hierarchieprinzip bis in die modernen Smalltalk-Ratgeber tradiert (Zitat 6). Dies passt eigentlich nicht mit den von den Ratgeber-Autoren gepriesenen demokratischen Charakter von Smalltalk zusammen. Der Ratschlag ist konservativ und für die meisten gesellschaftlichen Situationen unzeitgemäß bzw. nur für sehr formelle Anlässe passend. Zitat (3) zeigt, dass „Wer grüßt wen? “ zumindest in einem Aspekt kulturspezifisch ist: Dadurch, dass die Frau den Gruß zuerst ausspricht, bleibt es ihr überlassen, ob sie überhaupt Interesse an einer Kontaktaufnahme mit dem Herren signalisiert. b) Selbstvorstellung (7) Keine Nation ist mit dem Vorstellen so schnell bei der Hand, wie wir - Amerikaner und Engländer sitzen bei der table d'hôte wochenlang nebeneinander, ohne daß sie auch nur auf den Gedanken kommen, sich gegenseitig ihren Namen zu nennen. (Baudissin/ Baudissin 1901: 22, zitiert nach Zillig 2004) (8) Im Falle niemand zugegen ist, der dich vorstellen könnte, darfst du dies auch selber thun, so z. B. auf der Reise, wenn du eine Bekanntschaft angeknüpft hast oder anknüpfen möchtest. (Franken 1908: III. Kapitel) (9) Wer mit einem Engländer reist, hat nicht nötig, sich schon nach ein paar Worten, die man miteinander tauscht, vorzustellen, selbst nicht nach tagelangem Beisammensein. Der Deutsche geht da manchmal zu weit und wird nicht begriffen. Man legt ihm, was wirkliche Anständigkeit ist, als Zudringlichkeit aus. (Haluschka 1938: 23, zitiert nach Zillig 2004) (10) Wie es im Ausland (England, Frankreich, Italien) niemals dem vornehmen Gebrauch entsprach, sich selbst überall vorzustellen und seinen Namen wahllos und unaufgefordert zu nennen, so hat sich auch bei uns eine gewisse wohltuende Reserve eingebürgert. (Gleichen-Rußwurm o. J.: 161, zitiert nach Zillig 2004) 343 (11) Man stellt sich auch bei längerer Reise nicht vor auch nicht im Schlafwagen! (Graudenz 1956: 417, zitiert nach Zillig 2004) (12) Damen stellen sich gewöhnlich nur anderen Damen vor. Im Beruf und im politischen Leben hat aber diese Regel ihre Allgemeingültigkeit schon nahezu völlig verloren. Wer als Ärztin oder Journalistin tätig ist, wer sich als Frau in der Personalabteilung eines Betriebes um Arbeit bewirbt oder sich im Anschluß an eine Versammlung mit dem Referenten unterhalten will, wird mit natürlicher Selbstverständlichkeit auch einem Manne gegenüber seinen Namen zuerst nennen. Das wird sich im Laufe der Zeit auch allgemein durchsetzen. (Smolka 1957: 17, zitiert nach Zillig 2004) (13) Die Dame stellt sich niemals vor, sie wird vorgestellt. (Fischer 2004: 64) Mit dieser Zitatreihe soll aufgezeigt werden, wie die Ratgeber die Möglichkeit, sich selbst vorzustellen, bewerten. Die Zitate (7), (9), (10) und (12) zeigen, dass es vor allem zu Beginn des Untersuchungszeitraums eine typisch deutsche Verhaltensweise gibt, die aber - im Gegensatz zum typisch deutschen Grußverhalten (vgl. Zitat 3) - aus Sicht der Ratgeber unerwünscht ist; 343 Krumrey (1984: 681) gibt als Erscheinungsjahr der ersten Auflage das Jahr 1932 an. 249 lediglich Franken (Zitat 8) erlaubt eine Selbstvorstellung auf Reisen. Obwohl sich laut Zitat (10) bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts dieses unpassende deutsche Verhalten gebessert hat, kommt der Ratschlag, sich auf Reisen keinesfalls vorzustellen, noch Jahrzehnte später in den Anstandslehren vor (vgl. Zitat 12). Da es zumindest fraglich ist, ob zu diesem Zeitpunkt das Problem eines voreiligen Vorstellens noch gegeben ist, könnte das Zitat ein Hinweis auf den konservativen Charakter der Ratgeberliteratur sein, die teils unreflektiert Ratschläge für nicht (mehr) existierende Probleme übernimmt. Ein ähnlicher Fall findet sich im Zitatenpaar (11) und (12), das eine geschlechtsspezifische Regelung umfasst: Obwohl die Regel, dass Frauen sich nicht vorstellen dürfen, bereits im Ratgeber der 50er Jahre gelockert wird und gesellschaftliche Veränderungen angedeutet werden, findet sie sich in einem Smalltalk-Ratgeber aus dem 21. Jahrhundert. Insgesamt scheint es früher üblicher gewesen zu sein, dass man vorgestellt wird. In den deutschen Smalltalk-Ratgebern überwiegt eindeutig die als wesentlich unkomplizierter bezeichnete Selbstvorstellung (Naumann 2004: 35). Wenn es sich um eine eher formelle Gesellschaft handelt, sollte der Gastgeber allerdings auch heute noch seine Gäste einander vorstellen (Hesse/ Schrader 2003: 124 f.; Bonneau 2005a: Punkt 19.). Zudem ist es notwendig, sich Personen vorstellen zu lassen, die in der sozialen Hierarchie mehrere Stufen über Ihnen stehen. (Naumann 2004: 35). c) Gesprächsaufhänger bieten (14) Führst du jemand in einem ihm noch ganz fremden Kreise ein, so begnügst du dich nicht damit, seinen Namen zu nennen, sondern fügst diesem irgend eine Bemerkung über seinen Stand, Beruf, Charakter u.s.w. hinzu, durch die er dem Interesse der Gesellschaft nähergerückt wird. (Franken 1908: III. Kapitel) (15) Wenn man sich kennt, ist es nicht schwer, miteinander ins Gespräch zu kommen. Komplizierter ist es, wenn man erst miteinander bekannt gemacht worden ist. In diesem Falle wird gewöhnlich der Vorstellende versuchen, eine Gesprächsbrücke zu bauen […]. (Smolka 1957: 296) (16) Manche Vorsteller glauben ihre Pflicht erfüllt zu haben, wenn sie sagen: „Darf ich bekanntmachen: Herr Siebenthal, Frau Mältzer.“ Damit haben sie etwas Notwendiges ausgelassen, nämlich eine minimale Information über die beiden Personen, auf Grund derer diese beiden ein Gespräch anknüpfen können. (Leisi/ Leisi 1993: 50-51) (17) 1. Sie begrüßen Ihr Gegenüber freundlich, 2. Sie nennen Ihren Namen, 3. geben eine Information (Thema) über sich und verweisen auf eine gemeinsame Bekannte. (Müller/ Weiden 2002: 85) Dass man bei einer Vorstellung nicht nur den Namen nennt, sondern auch eine zusätzliche Information liefert, die als Anknüpfungspunkt für den weiteren verbalen Austausch dient, ist ebenfalls ein Ratschlag, der sich bereits früh in der Ratgeberliteratur nachweisen lässt. In den Smalltalk-Ratgebern (Zitat 17) wird dieser Ratschlag im Zusammenhang mit der Selbstvorstel- 250 lung genannt, die dort, wie oben bereits dargestellt wurde, eine größere Rolle spielt als die Fremdvorstellung. Der eigentlich „alte“ Ratschlag wirkt in den Smalltalk-Ratgebern dadurch als besonders innovativ, weil er Teil von fachsprachlich wirkenden Wortformeln wie BASF (Hesse/ Schrader 2003: 26) oder Gru-Na-The (Müller/ Weiden 2002: 84) ist (vgl. Kap. V.7.6). d) Bedeutung des Handschlags (18) […] möchten wir das Handreichen nur als Zeichen näherer Bekanntschaft, Freundschaft und Verwandtschaft betrachtet wissen. (Ebhardt 1878: 330; zitiert nach Krumrey 1984: 466) (19) Das Bieten der Hand hat stets von der Respektsperson auszugehen. Es ist also nicht statthaft, daß der Geringere dem Vornehmen, der Untergebene dem Vorgesetzten zuerst die Hand biete […]. (Adelfels 1900: 179; zitiert nach Krumrey 1984: 412) (20) Wenn ein Deutscher einen Schutzmann nach einer Straße fragt, wenn er sich bei einem Straßenbahnschaffner nach einer Fahrgelegenheit erkundigt, so lüftet er stark und steif den Hut. Wenn Amerikaner oder Engländer flüchtiger Bekanntschaft sich treffen, gibt es ein shake-hands, keine Kopfentblößung. (Koebner 1913: 70, zitiert nach Zillig 2004) (21) Man reicht sich [in England, K.K.] nicht die Hände. Überhaupt tut man das viel seltener als bei uns. (Haluschka 1938: 24, zitiert nach Zillig 2004) (22) Reiche dem Freunde kräftig die Hand. […] Auch sonst ist unter Herren, die einander - sei es auch noch so flüchtig - bekannt sind, der Händedruck allgemein üblich. (Von Franken 1951: 55; zitiert nach Krumrey 1984: 480) (23) Das Handreichen beim Zusammentreffen ist nur unter Verwandten und Bekannten üblich. (Bodanius 1957: 63; zitiert nach Krumrey 1984: 481) (24) Wer reicht wem zuerst die Hand? Die ältere Dame der jüngeren, die Dame dem Herrn, der Lehrausbilder seinem Lehrling. Treffen sich zwei Ehepaare, so werden sich zuerst die Damen und die beiden Herren die Hand reichen. Erst dann werden die Herren die Damen begrüßen! (Smolka 57: 21, zitiert nach Zillig 2004) (25) Dabei wartet die rangniedere Person, bis die ranghöhere die Hand reicht. Dieser steht es wiederum frei, ob sie die Hand reicht oder nicht. (Schäfer-Elmayer 1999: 38, zitiert nach Zillig 2004) (26) Die Hand zum Gruß zu reichen […] steht […] der hierarchisch höheren Person zu. Sie entscheiden also als Frau, ältere oder vorgesetzte Person, ob und wem Sie die Hand geben. (Schäfer-Ernst 2002: 60) Der Handschlag ist ein typisches Element des Grüßen und Vorstellens. Die Zitatenreihe zeigt, dass es im Untersuchungszeitraum teils unterschiedliche, teils einheitliche Regeln dazu gibt, wann ein Handschlag angemessen ist und wer die Initiative ergreifen darf. In den älteren Quellen herrscht noch Uneinigkeit darüber, ob der Handschlag nur Freunden, Verwandten und guten Bekannten vorbehalten ist (Zitate 18, 22, 23). Dass es heute vor allem bei der Begrüßung und (formellen) Vorstellung fremder Personen üblich ist, dass man sich die Hand gibt, wird in den deutschen Smalltalk-Ratgebern 251 kaum problematisiert, wahrscheinlich, weil es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Wie auch beim Beispiel des Grüßens (siehe oben) ist die Initiative des Handschlags hierarchisch geregelt (Zitate 19, 24, 25, 26), jedoch mit einem wichtigen Unterschied: Während der Gruß vom Rangniedrigeren ausgehen muss, darf der Ranghöhere entscheiden, ob er die Hand anbietet. Weitere Hinweise zum geschlechtsspezifischen (Zitate 22, 24) oder kulturspezifischen (Zitate 20, 21) Verhalten beim Handschlag finden sich nur in älteren Ratgebern, wobei sich die kulturspezifischen Zitate sogar widersprechen. Die exemplarische diachrone Analyse hat gezeigt, dass die Smalltalk- Ratgeber in Bezug auf das Grüßen und (sich) Vorstellen nachweislich in der Tradition von Gesprächs- und Anstandslehren stehen. Selbst einige als besonders innovativ und modern dargestellte Ratschläge (z. B. Gesprächsaufhänger bieten) sind bereits vor 100 Jahren nachweisbar. Obwohl die Ratgeberautoren den Smalltalk als eine zeitgemäße, demokratische Gesprächsform propagieren, übernehmen sie einige sehr formelle Regeln (z. B. Wer grüßt wen? oder Wer gibt wem die Hand? ), die sicherlich in vielen alltäglichen Smalltalk-Situationen unnötig, vielleicht sogar unpassend sind und die Kommunikation eher erschweren als erleichtern. 344 Anscheinend gibt es einen bestimmten Kanon an Problemen und Ratschlägen, der teils unreflektiert tradiert wird. 2. Gesellschaftlicher Wandel und Kulturstandards Obwohl Ratgeber eher konservativ sind, können sie sich gegenüber sozialem Wandel nicht völlig verschließen. Deshalb ist es auch nicht richtig, die Ratgeber als rein normativ oder rein präskriptiv zu bezeichnen. Teilweise weisen die Autoren von Ratgebern in den Vorworten oder Einleitungen zu Neuauflagen darauf hin, dass sie ihr Buch aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen, die etwa durch Kriege hervorgerufen wurden, überarbeiten oder ergänzen mussten (vgl. Krumrey 1984: 127): Alles im Getriebe des menschlichen Lebens Stehende ist der Veränderung unterworfen, und so wechselt auch manche Sitte, mancher kleine Brauch im Laufe der Jahre. Wer scharf beobachtet, erkennt, daß der gute Ton sich mehr und mehr frei macht vom leeren Formelwesen und trotz des immer vielseitiger gestalteten Lebens weiter und weiter zurückgreift auf die ganz einfachen Grundgesetze des Verkehrs unter Menschen. (Ebhardt 1900: 18, zitiert nach Krumrey 1984: 125) 344 Unsere tradierten Umgangsformen verlieren laut Sack (2007a: 40 f.) zunehmend an Bedeutung, weil wir in einer „Digitalmoderne“ leben, die eine Rationalisierung zwischenmenschlicher Beziehungen zur Folge hat. „[…] und das ist ja nicht das Schlechteste. […] Man muss die neue Welt […] nur richtig nutzen, dann findet man zu neuen Umgangsformen. Und damit zu einer ganz neuen, girlandenfreien Höflichkeit.“ 252 Neben der Entritualisierung zählt der Wandel in den Geschlechterbeziehungen, im Generationenverhältnis sowie im Standesdenken zu den auffälligsten gesellschaftlichen Veränderungen, die auch anhand der Ratgeber nachzuvollziehen sind. In einer immer „enger“ werdenden Welt spielt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zudem zunehmend die Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen eine Rolle. „Diese Entwicklung fordert, daß man sich auch um ausländische Verhaltensregeln kümmern muß“ (Krumrey 1984: 136). Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass ausländische Verhaltensnormen in früheren Jahrhunderten für die deutsche Ratgeberliteratur keine Rolle gespielt hätten. Vielmehr wurde aus der englischen Kultur das Konzept des Gentleman entnommen und aus der französischen Kultur, wie bereits weiter oben erläutert, die Gesprächssorte Konversation. Obwohl viele Aspekte des Smalltalk-Konzepts historisch auch im Deutschen nachgewiesen werden können, bedeutet dies nicht, dass damit auch die Theorie der Kulturstandards widerlegt ist, die ja gerade den Deutschen keine solchen oberflächlichen, beziehungsorientierten Gespräche zuspricht (vgl. Kap. VI.1.2 und VI.1.3). Die Ratgeber bilden nämlich nicht zwingend ein tatsächliches Sprachverhalten ab. 345 Vielmehr finden sich zahlreiche Belege dafür, dass die Deutschen mit der Konversation Schwierigkeiten haben: Eine der Besonderheiten der die Umgangsformen in Deutschland betreffenden Entwicklungsbedingungen ist - in Vergleich zu denen der europäischen Nachbarn - der schwierige Stand dessen, was Knigge die ‚wahre Kunst der gesellschaftlichen Beredsamkeit’ nennt. […] Diese Krise der Konversationskunst ist auf den offenkundigen Abstand zurückzuführen, der zwischen dem Idealbild, wie es die italienischen, spanischen und vor allem französischen Modelle in Deutschland dargestellt haben, und ihrer tatsächlichen Praxis besteht. (Montandon 1991: 13) Auch die Französin Anne Germaine de Staël, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Abhandlung über die Deutschen verfasst hat, bescheinigt ihnen den „smalltalkfeindlichen“ Kulturstandard Sachorientierung: Die Art des Wohlbefindens, welche eine belebte Unterhaltung gewährt, besteht gerade nicht in dem Gegenstande dieser Unterhaltung; nicht die Ideen und die Kenntnisse, die man darin entwickeln kann, bilden das Haupt-Interesse. Dies geht hervor aus einer gewissen Manier, aufeinander zu wirken, sich gegenseitig rasch Vergnügen zu machen, […] und, nach Belieben, eine Art von Elektrizität hervorzubringen, deren sprühende Funken die Lebhaftigkeit der einen mäßigt und die unangenehme Apathie der andern verbannt. Diesem Talente aber ist nichts so fremd wie der Charakter und die Geistesart der Deutschen. Sie wollen in allen Stücken ein ernsthaftes Ergebnis. (Staël 1985: 74) 345 Umgekehrt kann man allein aus der Tatsache, dass es Ratgeber für bestimmte Gesprächssorten gibt, auch nicht den Schluss ziehen, dass diese in der entsprechenden Kultur nicht beherrscht wird. So gibt es auch in den USA Smalltalk-Ratgeber, obwohl es als das Kernland des Smalltalk bezeichnet wird (Bonneau 2005a: Punkt 41), vgl. Kap. VI. 253 3. Zusammenfassung: Die Historizität von Smalltalk und Smalltalk-Ratgebern Es konnte anhand von Gesprächs- und Anstandslehren des 19. und 20. Jahrhunderts nachgewiesen werden, dass wesentliche Definitionsaspekte von Smalltalk in Gesprächskonzepten wie Konversation, Unterhaltung oder Plauderei greifbar sind. Am ehesten scheint ein Unterschied in Fragen des gesellschaftlichen Status der Gesprächspartner und, damit verbunden, in der Bedeutung von Bildung zu bestehen. Smalltalk-Ratgeber stehen nachweislich in der deutschen Tradition der Subsorten Gesprächslehre und Anstandslehre, wobei es neben den kulturspezifischen Problemen und Ratschlägen einen bestimmten Kanon an kulturübergreifenden Problemen bzw. Ratschlägen gibt, die vielleicht sogar universell sind (z. B. Tabuthemen). Universell scheinen prinzipiell auch die meisten Elemente der massenmedialen Beratungssituation in Buchform zu sein sowie die verwendete Beratungssprache. Nicht geklärt werden konnte die Herkunft der Übungen in den deutschen Smalltalk-Ratgebern, da sie weder im historischen noch im amerikanischen Material vorkommen. Ein allgemeiner amerikanischer Einfluss auf die Ratgeberliteratur konnte anhand des verwendeten historischen Materials nur in Ansätzen nachgewiesen werden und bleibt ein Forschungsdesiderat. Erhärtet hat sich die These, dass die Bedeutung der eigenen Person im Gespräch auf den amerikanischen Einfluss zurückgeht; sie müsste jedoch anhand weiteren Materials (z. B. historische amerikanische Ratgeber) überprüft werden. Die in den Smalltalk- Ratgebern vorkommenden kommunikationspsychologischen Ausführungen sind eher der praktischen Rhetorik geschuldet und finden erst im Zuge der pragmatischen Wende in den 70er Jahren Eingang in die Ratgeberliteratur. Zuletzt konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse der Kulturstandardforschung auch einer historischen Analyse Stand halten: Die Deutschen hatten anscheinend schon immer Schwierigkeiten mit beziehungsorientierten Gesprächen. Ob die Deutschen zwar smalltalken können, aber einfach nicht wollen, wie das Widmungszitat in Kap. VI. nahe legt, wäre aber noch zu klären. 255 VIII. Zusammenfassung - Forschungsausblick Die Verknüpfung der Themen Smalltalk und Ratgeberbuch stellt einen äußerst ergiebigen Untersuchungsgegenstand von hoher Aktualität und gesellschaftlicher Relevanz dar. Smalltalk scheint gut in eine globalisierte, amerikanisierte Welt zu passen, in der Kommunikation informeller, aber auch demokratischer abläuft (vgl. dazu die Thesen in Fairclough 1993). Bisher hat sich v. a. die germanistische Sprachwissenschaft zu wenig mit den alltäglichen, informellen Gesprächssorten beschäftigt, bei denen der Informationsaspekt zugunsten des Beziehungsaspekts in den Hintergrund tritt. Das ist umso bedauerlicher, als beziehungsorientierte Gespräche einen wesentlichen Teil unserer Alltagskommunikation ausmachen. Sie funktionieren dabei, wie etwa die Auseinandersetzung mit den Konversationsmaximen von Grice gezeigt hat, nach anderen Regeln als die informationsbasierten. Es kann davon ausgegangen werden, dass weitere sprachwissenschaftliche Theorien von der Analyse beziehungsorientierter Kommunikation profitieren können. Die Sprachwissenschaft hat darüber hinaus die Beratung zu Sprach- und Kommunikationsproblemen weitgehend den so genannten „Laienlinguisten“ überlassen, Praktikern, die in der Regel keinen sprachwissenschaftlichen Hintergrund haben. Auch wenn die sprachwissenschaftliche Kritik an den Beratungsangeboten der „Praktiker“ in weiten Teilen ihre Berechtigung hat, sollte dabei nicht übersehen werden, dass diese „Laienlinguistik“ der Sprachwissenschaft durchaus Impulse geben kann. Da Smalltalk wissenschaftlich kaum untersucht ist, sind einige Ratgeberinhalte nämlich auch für eine Theorie des Smalltalks hilfreich, z. B. die Abstraktionen von Lermer (2003) hinsichtlich des typischen Smalltalk-Themas oder die Unterscheidung von Hesse/ Schrader (2003: 14) in obligatorisch- oder fakultativ-kommunikative (Smalltalk)-Situationen. Auch für die Funktion von Smalltalk finden sich in den Ratgebern einige Aspekte, die bisher in der Forschung nicht thematisiert wurden. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass es sich lohnt, vermeintlich triviale, öffentlichkeitsorientierte Themen sprachwissenschaftlich anzugehen. Obwohl der Begriff Smalltalk auch im Deutschen mittlerweile weit verbreitet ist, gibt es weder in der Forschung noch in den Ratgebern eine etablierte Definition. Es war daher notwendig, die unterschiedlichen Definitionsaspekte genauer darzustellen und eine Arbeitsdefinition vorzuschlagen. Das Kategorieninventar von Henne/ Rehbock musste dabei ergänzt werden. Auch wenn Smalltalk als eine typisch amerikanische Gesprächssorte erscheint, konnte die historische Analyse zeigen, dass viele Aspekte des Smalltalk-Konzepts bereits in den Anstands- und Gesprächslehren des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorkommen. Ein greifbarer Unterschied konnte im Status der Gesprächsteilnehmer ausgemacht werden: Im Gegensatz z. B. zur Konversa- 256 tion ist Smalltalk auch zwischen hierarchisch ungleichen Personen möglich. Zudem verlangt Smalltalk nicht zwingend eine höhere Bildung. Smalltalk-Ratgeber sind Teil eines komplexen Netzwerks an Beratungsangeboten zu Sprach- und Kommunikationsproblemen. Trainings bzw. die Face-to-face-Beratung und Ratgeberbücher stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Dies zeigt sich etwa darin, dass Autoren und Leser häufig Kommunikationstrainer sind. Der Vergleich mit einem Smalltalk-Seminar hat ergeben, dass es inhaltlich und konzeptionell große Übereinstimmungen zwischen diesen Beratungsangeboten gibt. Durch pseudodialogische Vermittlungsformen z. B. wird in den Ratgebern eine Face-to-face-Beratung simuliert, zudem könnte die auffällige Anzahl an Übungen in den deutschen Ratgebern z. B. auf den Einfluss der Trainings zurückgehen. Umgekehrt stammen wohl wesentliche Inhalte der Trainings wiederum aus der Ratgeberliteratur. Die Sprach- und Kommunikationsratgeber blicken nämlich auf eine lange Tradition zurück, die sich auch in den Smalltalk-Ratgebern bemerkbar macht. Im Vergleich mit den historischen Ratgebern konnte etwa nachgewiesen werden, dass sich viele Probleme und Ratschläge der Smalltalk-Ratgeber bereits in älteren Anstands- und Gesprächslehren finden lassen. Es scheint ein ziemlich stabiler Kanon an Sprach- und Kommunikationsproblemen und entsprechenden Ratschlägen zu bestehen, aus dem sich die Autoren bedienen können; Subsortengrenzen spielen dabei nicht immer eine Rolle. Smalltalk-Ratgeber sind deshalb in vielen Aspekten „alter Wein in neuen Schläuchen“. Die exemplarischen Analysen in Kap. V haben ergeben, dass die Ratgeber auf ein bestimmtes Problem nicht immer dieselben Ratschläge geben. Teilweise widersprechen sich die Ratschläge sogar. In einigen Fällen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autoren in den Büchern persönliche Vorlieben weitergeben. Die Ausnahme bilden „traditionsreiche“ Probleme wie „Grüßen und (sich) vorstellen“ oder „Tabuthemen“, bei denen sich die Autoren mit großer Wahrscheinlichkeit an den tradierten Normen orientieren und deshalb relativ einheitlich raten. Obwohl der amerikanische Smalltalk als vorbildlich gilt, wird er dennoch nicht 1: 1 in den deutschen Ratgebern umgesetzt, wie der Vergleich mit den amerikanischen Ratgebern verdeutlichte. Die deutschen Ratgeber behandeln größtenteils dieselben Probleme und geben dieselben Ratschläge; dabei ist auffällig, dass sie in weiten Teilen noch immer in den deutschen Kulturstandards verhaftet sind. Am Beispiel der prototypischen Smalltalk-Phrase Wie geht es dir/ Ihnen? konnte die Unsicherheit der deutschen Autoren aufgezeigt werden, ob sie gemäß den deutschen oder gemäß den amerikanischen Konventionen raten sollen, d. h., ob sie die deutschen Normen wahren oder amerikanische Normen setzen sollen. Einen anders gearteten Konflikt zeigt die historische Analyse: In den Smalltalk-Ratgebern werden teils sehr alte Ratschläge weitergegeben, die aber einer modernen demokratischen Welt nicht gerecht werden. Die Autoren zitierten diese alten Normen zwar, relativieren sie stellenweise aber wieder. 257 In den einzelnen Kapiteln wurde bereits verschiedentlich auf Möglichkeiten zur Ausweitung der Analyse hingewiesen. Die wichtigsten weiterführenden Fragestellungen sollen an dieser Stelle nochmals knapp zusammengefasst werden. 1. Tatsächliches Smalltalk-Verhalten In meinen Ausführungen habe ich im Wesentlichen die Sicht der Ratgeber dargestellt. Diese kann, muss aber nicht mit dem tatsächlichen Smalltalk-Verhalten übereinstimmen. Um beurteilen zu können, ob die Ratgeber ein Ideal darstellen oder ob sie die Realität abbilden (z. B. in Hinblick auf bestimmte Situationen, Themen oder Mustersmalltalks), ist ein empirisch fundiertes aktuelles deutsches Smalltalk-Korpus notwendig. Umgekehrt könnten die bereits vorliegenden empirisch fundierten Detailanalysen aus der (anglistischen) Forschung (z. B. Schneider 1988) anhand der Ratgeber überprüft werden (z. B. unterschiedliche Fragetypen zum Gesprächseinstieg, Frame-Ansatz). 2. Vernetzung der Beratungsangebote Es liegen keine Untersuchungen zu den Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen (laienlinguistischen) Beratungsangeboten wie Trainings und Ratgeberliteratur vor (insbesondere das anscheinend kulturspezifische Vorkommen von Übungen in den deutschen Smalltalk- Ratgebern). Dabei sollte die Perspektive auch auf die weiteren (massenmedialen) Beratungsangebote, z. B. via Internet, ausgeweitet werden. Zudem ist die Vernetzung innerhalb der Sprach- und Kommunikationsratgeber synchron und diachron noch nicht hinreichend untersucht. 3. Rezeptionsforschung Über die Leser von Sprach- und Kommunikationsratgebern und deren Rezeption ist noch nichts bekannt. Anhand von Kundenrezensionen konnte ich erste Hinweise zu dieser Problematik geben. Es wäre lohnend, sich über die Kundenrezensionen hinaus mit dem „Wert“ dieser Beratungsform zu befassen. Setzen die Leser die Ratschläge um? Machen sie die Übungen und Tests? Die Rezeptionsforschung müsste klären, ob diese Bücher überhaupt als Beratungsangebote gelesen werden und nicht nur als Unterhaltungslektüre. Vielleicht kann dann auch eine Antwort auf die Frage gefunden werden, warum Sprach- und Kommunikationsratgeber bzw. Smalltalk-Ratgeber so erfolgreich sind. Auch für die historischen Ratgeber sind das interessante Fragestellungen, die in einer Geschichte der Sprachratgeber berücksichtigt werden sollten. 4. Kulturspezifik Um eine bessere Einschätzung hinsichtlich des amerikanischen Einflusses auf die deutsche Gesprächskultur zu erhalten (z. B. die Maxime „Sei persönlich! “), sind weitere kulturvergleichende Untersuchungen nötig, möglichst auch historisch-vergleichend. Insbesondere sollte der Einfluss von Übersetzungen von Sprach- und Kommunikationsratgebern (z. B. 258 Carnegie) untersucht werden. Da rein kontrastive Studien in Fällen von Kulturimport nicht aussagekräftig sind, braucht die Sprachwissenschaft neue Methoden zur Ermittlung der Kulturspezifik von Gesprächs- und Textsorten. Die Kulturstandardforschung könnte, trotz der geschilderten Schwächen, ein brauchbarer Ansatzpunkt sein. 5. Phatische Kommunikation Neben dem Smalltalk gibt es weitere Gesprächssorten, Phrasen oder Wörter, die zur phatischen Kommunikation zählen. Phatische Kommunikation fungiert als „sozialer Kitt“ und ist deshalb von großer Bedeutung für unser Zusammenleben. Neben dem Smalltalk sollte sich die Forschung zudem verstärkt mit der phatischen Funktion verwandter Formen auseinandersetzen, auch der medial vermittelten (z. B. Chat, SMS). 6. Smalltalk und Gender In meiner Untersuchung konnte ich die Problematik Smalltalk und Gender an den unterschiedlichen Stellen nur andeuten. Diese scheint aber, auch unter historischen Gesichtspunkten gesehen, ein zentraler Aspekt zu sein, der mehr Aufmerksamkeit verdient. Auf die Genderproblematik im Smalltalk geht in Ansätzen die englischsprachige Forschungsliteratur ein (vgl. Coupland 2000a). 7. Geschichte der Gesprächslehren Ich konnte nachweisen, dass besonders bei diachronen Fragen historische Sprach- und Kommunikationsratgeber nützlich sein können. Steger (1998: 296) bezeichnet Briefsteller, Formularbücher, Benimmbücher u. a. als „ungehobene Quellenhorizonte für die Textsortengeschichte“, da sie „großteils von konservativ normierenden Prinzipien ausgehen, aber auch im Gang befindliche Textsortenentwicklungen sichtbar machen können.“ Insbesondere die Gesprächslehren zu Alltagsgesprächen wurden von der sprachgeschichtlichen Forschung noch zu wenig beachtet. Die vielen Forschungsfragen sind ein Beleg dafür, dass sowohl die Gesprächssorte Smalltalk als auch die Textsortengruppe Sprach- und Kommunikationsratgeber noch lange nicht erschöpfend untersucht wurden. Ob der Smalltalk-Ratgeber nur eine Modeerscheinung des frühen 21. Jahrhunderts ist oder ob er sich einen festen Platz innerhalb der Ratgeberliteratur sichern kann, bleibt allerdings abzuwarten. Der Markt an Ratgebern jedenfalls wächst ständig weiter. Einige Autoren von Smalltalk-Ratgebern bieten bereits neue Titel an, die sich von der Masse - auch der Smalltalk-Ratgeber - abheben sollen: Cornelia Topf (2005a): „Klatsch und Tratsch - die clevere Form der Kommunikation“ und Doris Märtin (2006b): „Smart Talk. Sag es richtig“. 259 Zitierte Ratgeberliteratur Adelfels, Kurt (1900): Das Lexikon der feinen Sitte. 9. Auflage. Stuttgart. Adlersfeld, Eufemia von (1899): Katechismus des guten Tons und der feinen Sitte. 3. Aufl. Leipzig. 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(Damit ist für Sie der Fragebogen an dieser Stelle beendet) 2. Was wäre ein deutsches Wort / eine deutsche Entsprechung für Smalltalk? 3. Smalltalk ist für Sie a) positiv eher positiv eher negativ negativ b) notwendig eher notwendig eher überflüssig überflüssig? 4. In welchen Situationen findet Ihrer Meinung nach Smalltalk statt? 5. Welches sind die Themen von Smalltalk? 6. Mit welchen Themen beginnt man Smalltalk? 7. In welchen der folgenden Situationen würden Sie mit einem Fremden sprechen. Worüber? a) Party: b) Zugreise: c) Theaterfoyer: d) Abendessen: 291 e) Bushaltestelle: f) Wartezimmer: g) im Bus/ in der U-Bahn: h) Cafeteria: i) am Strand: j) Kneipe: 8. In welchen der folgenden Situationen ist Smalltalk wahrscheinlich? a) mit den Nachbarn im Garten b) mit Kollegen während der Mittagspause c) mit Bekannten, die man zufällig beim Einkaufen trifft d) mit Familienangehörigen am Frühstückstisch e) mit einem (neuen) Geschäftspartner während des Essens f) mit einem (entfernten) Verwandten während eines Familientreffens 9. Welche anderen Situationen/ Themen fallen Ihnen ein? 10. Kennen Sie Bücher mit Ratschlägen zum gelungenen Smalltalk? ja, Titel: Nein. Ich habe von solchen Büchern gehört, kann aber keinen Titel nennen. 11. Glauben Sie, dass solche Ratgeber sinnvoll sind? ja, weil _____________________________________________________ nein weil ___________________________________________________