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»Eisen schaffen für das kämpfende Heer!«

2016
978-3-7398-0027-1
UVK Verlag 
Dr. Wolf-Ingo Seidelmann

Kurz vor Kriegsbeginn einigten sich das Deutsche Reich und die fünf saarländischen Stahlwerke auf den Bau einer Eisenhütte auf der Baar und gründeten mit der Doggererz AG ein halbstaatliches Unternehmen, das bis 1940/41 mit über 1.600 Bergbau-Beschäftigten und einem Grundkapital von 40 Mio. RM zur größten Aktiengesellschaft in Südbaden heranwuchs. Vor dem Hintergrund des von Hitler und Göring Ende 1936 geschaffenen staatlichen Vierjahresplans zur Sicherstellung kriegsnotwendiger Ressourcen hatte das gemeinsame Rüstungs- und Autarkieprojekt nichts Geringeres im Sinn, als den Aufbau eines neuen deutschen Schwerindustriereviers im militärisch gesicherten Hinterland: "Eisen schaffen für das kämpfende Heer!" - so der pathetisch-programmatische Aufruf des Vorstands der Doggererz AG vom Oktober 1939. Wolf-Ingo Seidelmanns Untersuchung der Doggererz AG mit Sitz im badischen Blumberg verfolgt die Entstehung und Umsetzung eines bisher kaum erforschten Rüstungsprojektes, analysiert das Verhältnis der saarländischen Montanindustrie zum NS-Staat und zeigt die Folgen dieser Zusammenarbeit auf: Die Gründung der Doggererz AG löste zahlreiche Aktivitäten des NS-Staats auf den Gebieten des Wohnungsbaus, der zwangsweisen Personalbeschaffung, der Energiewirtschaft und der Sozialpolitik aus. Der Frage der Verantwortlichkeit widmet sich der Autor in biographischen Skizzen der seinerzeitigen Handlungsträger in Unternehmen, staatlicher Bergverwaltung und auf kommunaler Seite.

Wolf-Ingo Seidelmann »Eisen schaffen für das kämpfende Heer! « Gewidmet zwei Kriegsopfern: meinem Schwiegervater Peter Paul Habicht, gefallen am 11. Januar 1944 bei Ottleben im Luftkampf mit alliierten Begleitjägern und meinem Onkel Werner Kaiser, vermisst seit dem 24. April 1945 in der Schlacht um Berlin Zum Autor Dr. Wolf-Ingo Seidelmann, Volkswirt und Historiker, war 1982-1985 Assistent am Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Agrargeschichte der Universität Hohenheim, anschließend in der wirtschaftlichen Selbstverwaltung tätig, zuletzt Hauptgeschäftsführer einer deutschen IHK. Er verfasste zahlreiche Publikationen zur baden-württembergischen Verkehrs- und Wirtschaftsgeschichte, darunter über den geplanten Neckar-Donau-Kanal (1988) und über badische Eisenerzpolitik im 20. Jahrhundert. Wolf-Ingo Seidelmann »Eisen schaffen für das kämpfende Heer! « Die Doggererz AG - ein Beitrag der Otto-Wolff-Gruppe und der saarländischen Stahlindustrie zur nationalsozialistischen Autarkie- und Rüstungspolitik auf der badischen Baar UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz und München Gedruckt mit freundlicher Förderung der Otto Wolff Stiftung der Stadt Blumberg des Schwarzwald-Baar-Kreises / Kreisarchiv und des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-86764-653-6 (Print) ISBN 978-3-7398-0026-4 (EPUB) ISBN 978-3-7398-0027-1 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Buchtitel: Zitat aus dem programmatischen Vorwort einer am 30. Oktober 1939 der badischen Regierung übergebenen Denkschrift des Blumberger Bergwerksdirektors Dr. Hans Bornitz Einbandmotiv: Richtfest des Betriebsgebäudes der Lurgi-Drehrohrofen-Anlage im Herbst 1937. Druck: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de Otto Wolff Stiftung 5 Inhalt Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 1. Ein Hauptanklagepunkt im Rastatter Tribunal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Forschungsobjekt und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19 1. Folgen des Versailler Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Badische Bergbaupolitik und fürstliches Vorbaurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Das Engagement der Gutehoffnungshütte in Gutmadingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4. Die Grube Karl Egon als Rüstungsobjekt der frühen NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41 1. Ausgangslage: Saarwerke im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Das Neunkircher Eisenwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Uneinige Partner und ein euphorischer Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Finanzierungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Der missglückte 13 Millionen-Coup. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Das Blumberger Bergwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Fachpersonal- und Wohnraumengpässe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Überstürzter Betriebsaufbau ohne soziale Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Managementfehler und Massenentlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 d) Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Konfrontation mit Schlattmann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 1. Das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Fördersteigerung auf Parteibefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6 Inhalt 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Gegenstand und Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) »Vollkommen versagt« - die erste Programmstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Verschärfung der Probleme - Baustufe II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Die Ablösung der Deutschen Arbeitsfront. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 e) Blumberg als städtebauliche Mustersiedlung des Vierjahresplans . . . . . . . . . . . . 107 f ) Zunehmende Ressourcenengpässe - Baustufen III und IV . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Pleigers Machtwort in der Aufbereitungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Personalbeschaffung durch Zwangsrekrutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Positionskämpfe unter den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 e) Forcierter Betriebsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Objekte der Macht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Leben und Arbeiten im Blumberger Exil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) »Vollkommen entrechtet« - die Unterwerfung einer Region . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Ignorierte Bergbaurechte des Fürsten zu Fürstenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6. Reichswerke und Baarerze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Röchlings Hüttenbaupläne bei Waldshut und Blumberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Pleigers Stahlwerksprojekt bei Gutmadingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 c) Ein zeitgenössisches Resümee: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist abgelöst durch das nationalsozialistische« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) . . . . . . . . . . . . . . . .181 1. Personelle Strukturen und Ziele staatlicher Eisenpolitik für die Saar. . . . . . . . . . . . . . 181 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Das Memorandum der Saarhütten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Die Intervention der rheinisch-westfälischen Montanindustrie . . . . . . . . . . . . . 187 c) Das Hüttenwerks-Projekt - Staatsdiktat oder Pakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Otto Wolff als Verhandlungsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Die »Poensgen-Kommission« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Die Verhandlungen zwischen dem Reich und den Saarwerken . . . . . . . . . . . . . 202 d) Personelle Absprachen unter Exklusivpartnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 e) »Kanapee-Fragen«: die Gründung der Doggererz AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Die Technische Kommission - Röchlings Planungsinstrument und Wolffs Widerpart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Widerstand des Agrarsektors in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Die Kokereifrage: Techniker gegen Kaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 d) Das Ringen um Projektkontinuität nach Kriegsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 e) Der Baubeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 f ) Interne und externe Friktionen bei der Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 7 Inhalt 5. Bergbaustandort Blumberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Retardierte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Produktion und Betriebsausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Gefährliche Abbautechnik: die Tragödie von Karfreitag 1940 . . . . . . . . . . . . . . 248 d) Anhaltende Infrastrukturdefizite … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 e) … und städtebauliche Größenphantasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Ein Vierjahresplan-Vorhaben ohne rüstungs- und rohstoffpolitischen Auftrag. . 273 b) Konträre Problemlösungsansätze der DAG-Spitzenfunktionäre . . . . . . . . . . . . . 277 c) Notdürftig überbrückte Gegensätze: die Beschlüsse der Saarwerke vom Juli 1940 282 d) Projektfortsetzung: der faule Kompromiss vom Dezember 1940 . . . . . . . . . . . . 286 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Der Vorstoß des RWM und der Wolff-Gruppe für ein Erzpreissyndikat . . . . . . 290 b) Das Gegenkonzept der Ruhr: ein Gemeinschaftswerk für den nächsten Krieg . . 293 c) Krauchs Sieg: die Wiederentdeckung des Wirtschaftlichkeitsprinzips . . . . . . . . 299 d) Das Einknicken der Saarwerke: Standortwechsel an den Rhein . . . . . . . . . . . . . 307 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft. . . . . . . . . . . 311 a) Der südwestdeutsche Gasmarkt: Entwicklung, Strukturen, Protagonisten. . . . . 311 b) Zwangsverweis der württembergischen Städte auf das DAG-Kokereigas . . . . . . 315 c) Desinteresse bei den badischen Kommunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 d) Die Gründung der Südwestdeutschen Ferngas AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) . . . . . . . . . . . . . . . . .327 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Röchlings Betriebsschließungsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Funks Lavieren: Fördereinschränkung und ein theoretischer Kokereibau. . . . . . 330 c) Bornitz’ Rationalisierungsprogramm - ein vergeblicher Rettungsversuch . . . . . 332 d) Speers Stilllegungsbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 2. Unternehmensabwicklung im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Die Einstellung des Bergbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Das Ende des Kehler Kraftwerksprojekts - Wittkes Rückzug . . . . . . . . . . . . . . 340 c) Die Nachnutzung der Blumberger Betriebsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 d) Eselstritte - Diffamierungen des DAG-Vorstands durch die örtliche Partei . . . . 346 d) Hüttenbauphantasien im totalen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 a) Die Machtfrage unter den Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Demontagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 c) Substanzerhaltung - die Niederlage des BLKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Konsolidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Die Entsorgung der Altlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Stille Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 8 Inhalt VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .379 1. Veränderungen der Machtbalance zwischen NS-Staat und Montanbetrieben . . . . . . . 379 2. Die Verantwortung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 3. Zur Rationalität des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 IX. Die Verantwortlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .387 1. Das Management der DBG und der DAG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 a) Gesellschafter und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 b) Geschäftsführung und Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 c) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Die staatliche Bergverwaltung … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) … in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) … in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Blumberg - die kommunale Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .433 1. Werksanlagen in Blumberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 2. Kennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 a) Staatliche Fördervorgaben und ihre Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 b) Betriebskennziffern der DBG/ DAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 c) Das Wohnungsbauprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 d) Gehaltsstruktur der DBG/ DAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 3. Quellen und Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 a) Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 b) Mündliche und schriftliche Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 c) Unveröffentlichte Manuskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 d) Gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 e) Zeitungen, Periodika und elektronische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 f ) Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 4. Verzeichnisse und Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 b) Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 c) Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 9 Vorwort Die nachfolgende Darstellung basiert zum größten Teil auf Akten aus staatlichen und privaten Archiven. Auskünfte von Zeitzeugen und deren Nachfahren, die Fotografien beitrugen oder abgebildete Personen identifizieren konnten, bildeten eine weitere Erkenntnisquelle. Diesen Menschen und Institutionen, die ich im Quellenverzeichnis benannt habe, möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank bekunden. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich dem im Mai 2014 verstorbenen Archivar der Stadt Donaueschingen, Dr. Raimund Adamczyk, der meine Forschungen mit einer außergewöhnlichen Hilfsbereitschaft begleitet hat. Auch Herrn Bernhard Prillwitz, dem personifizierten Gedächtnis der Stadt Blumberg, bin ich für zahlreiche Auskünfte, für die Vermittlung von Kontakten zu Zeitzeugen und für die Bereitstellung einer großen Zahl von Fotografien sehr dankbar. Frau Dr. Astrid Gehrig danke ich für die Ausführung eines Rechercheauftrags im Centre des Archives diplomatiques La Courneuve. Der Otto Wolff Stiftung und der Stadt Blumberg danke ich für die Gewährung von großzügigen Druckkostenzuschüssen, die es möglich machten, meine Arbeit als Buch zu veröffentlichen. Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar e.V. leisteten wertvolle finanzielle Beiträge, für die ich sehr dankbar bin. Danken möchte ich auch der Lektorin des UVK-Verlags, Frau Uta C. Preimesser, für die außerordentlich angenehme Zusammenarbeit. In großer Schuld stehe ich bei meiner Frau Sigrid, die meine 4½jährige Abstinenz von den Erfordernissen des täglichen Lebens nicht nur mit großer Geduld ertragen hat, sondern mir bei der Auswertung von Archivalien und beim Korrekturlesen nachhaltig zur Seite stand. Ihr gilt mein tief empfundener Dank. Rödental, im Herbst 2015 Wolf-Ingo Seidelmann 11 I. Einleitung 1. Ein Hauptanklagepunkt im Rastatter Tribunal Die Frage nach der unternehmerischen Freiheit im Dritten Reich wird in der Geschichtswissenschaft seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert 1 . Ihre Brisanz bezieht sie vor allem daraus, dass jede gegebene Antwort auch ein Urteil über die moralische Mitverantwortung der Wirtschaft für die Verbrechen und für die Niedertracht des Nationalsozialismus enthält. Das Thema stand und steht nicht nur im Fokus einer engagiert geführten Wissenschaftsdebatte: Wenige Jahre nach dem Krieg wurden auch die strafrechtlichen Konsequenzen für einige Industrielle aus der chemischen und aus der Schwerindustrie vor den alliierten Schwurgerichten verhandelt. Hier ging es nicht um Moral, sondern um Schuld. In einem dieser Prozesse spielte das hier behandelte Doggererz-Projekt eine wesentliche Rolle: Im Rastatter Kriegsverbrecherprozess gegen das Management der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke diente es der Staatsanwaltschaft als Begründung für einen von drei Hauptanklagepunkten. Der Vorwurf lautete auf »Verbrechen gegen den Frieden« 2 . Dem langjährigen Leiter und Mitgesellschafter des Völklinger Stahlkonzerns, Dr. h.c. Hermann Röchling, und seinen führenden Mitarbeitern wurde zum Vorwurf gemacht, ihr Engagement für den Eisenerzabbau auf der badischen Baar habe der Vorbereitung und der Führung nationalsozialistischer Angriffskriege gedient. Inhaltlich ging es um einen Komplex, dessen militärischer Zweck kaum zu leugnen ist. Der staatliche Vierjahresplan, von Hitler und Göring Ende 1936 als Instrument zur Sicherstellung der benötigten Ressourcen für einen kommenden Krieg geschaffen, wies in seiner ersten Fassung vom Januar 1937 für das badische Bergbaurevier fast die Hälfte aller reichsweit veranschlagten Mittel aus, die in den Ausbau von Eisenerzgruben und in die Errichtung großer Aufbereitungsanlagen gesteckt werden sollten 3 . Zwei Jahre später einigten sich das Deutsche Reich und die fünf saarländischen Stahlwerke auf den Bau einer 100 Mio. RM teuren Eisenhütte auf der Baar und gründeten die Doggererz AG, ein halbstaatliches Unternehmen, das bis 1940 mit über 1.600 Bergbau-Beschäftigten zur größten Aktiengesellschaft in Südbaden heranwuchs und zahlreiche Zwangsarbeiter aus Polen beschäftigte. Das gemeinsame Rüstungs- und Autarkieprojekt der saarländischen Montanindustrie mit dem NS-Staat hatte nichts Geringeres im Sinn, als den Aufbau eines neuen deutschen Schwerindustriereviers im militärisch gesicherten Hinterland: »Eisen schaffen für das kämpfende Heer! « 4 Dieser pathetisch-programmatische Aufruf des Vorstands der Doggererz AG vom Oktober 1939, der diesem Buch seinen Titel gab, steht für das Selbstverständnis der damaligen Protagonisten. 1 Einen Überblick über die wissenschaftliche Diskussion seit den 1930er Jahren gibt Plumpe, Zwischenbilanz. 2 Denkschrift der Staatsanwaltschaft v. 30.9.1948 zur Begründung ihres Revisionsantrags im Verfahren gegen Hermann Röchling und sein Management, StAF T 1-33. 3 Siehe Kap. IV Anm. 10. 4 Vorwort einer am 30. Oktober 1939 der badischen Regierung übergebenen Denkschrift des Blumberger Bergwerksdirektors Dr. Hans Bornitz, LGRB 10 A/ 109. 12 I. Einleitung Die Beweislage im Rastatter Prozess war ausgesprochen dünn. Im Laufe der Hauptverhandlung zog die Staatsanwaltschaft den Anklagepunkt eines »Verbrechens gegen den Frieden« gegenüber dem Röchling-Management zurück und lastete ihn nur noch dem 75jährigen Firmenpatriarchen an. Letzterer verteidigte sich damit, dass seine Teilnahme an mehreren geheimen Konferenzen, die Göring über den Einsatz eisenarmer Inlandserze abgehalten hatte, keineswegs ausschließlich der Aufrüstung gedient habe, sondern dass von Göring und von ihm selbst auch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Reichs beabsichtigt gewesen sei. Beide Instanzen des Rastatter Tribunals folgten der Argumentation und sprachen Röchling in diesem Punkt frei. Insbesondere müsse, so meinten die Richter der Revisionsinstanz, die von Röchling »vorgeschlagene Verwertung armer Erze, die durch wirtschaftliche Bedürfnisse gerechtfertigt sein kann, keineswegs, selbst in rüstungswirtschaftlicher Hinsicht, zwangsläufig den Ausbruch von Angriffskriegen zur Folge haben« 5 . Die Urteilsbegründung legt einige Themen dieser Untersuchung frei: Gab es wirklich, so ist zu fragen, diesen zivilen Aspekt des Autarkieprojekts auf der Baar? Entsprang er, wenn dem so gewesen sein sollte, eher den strukturpolitischen Zielen des NS-Staats oder mehr der betriebswirtschaftlichen Interessenlage der beteiligten Montankonzerne, die ihre Zukunft durch eine strategische Investition an einem neuen Standort zu sichern gedachten? Oder war es ein reines Militärprojekt, an dem die Stahlindustrie verdienen wollte? Durfte und konnte sie zu Recht davon ausgehen, dass es sich um ein »normales« Rüstungsvorhaben handelte - und nicht um die gezielte Vorbereitung eines Angriffskriegs? Erfolgte das Engagement der Firmen letztlich freiwillig oder unter Zwang? 2. Das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft In seiner 1964 vorgelegten Dissertation über die »Autarkiepolitik im Dritten Reich« erkannte Dietmar Petzina im nationalsozialistischen Vierjahresplan eine Zäsur zur bislang herrschenden liberalen Marktordnung und erhob ihn zu »einem besonders wichtigen Modellbeispiel nicht nur staatlicher Kommandowirtschaft, sondern auch enger Zusammenarbeit von Staat und Großwirtschaft« 6 . Die aus dem symbiotischen Verhältnis zwischen IG-Farben und Staat abgeleitete These von einer »privaten Durchdringung der Wirtschaftspolitik« und »deren ›Privatisierung‹ zugunsten großer Monopolgruppen« 7 ließ sich in dieser Pauschalität nicht halten. Communis opinio blieb jedoch Petzinas Erkenntnis, dass die Industrie weder »unschuldig noch hauptverantwortlich« gewesen sei und dass es »letztlich politische Vorgaben waren, nach denen sich die Wirtschaft und die Unternehmen richten mußten« 8 . So stellte drei Jahrzehnte nach Petzinas Publikation Henry A. Turner in einem Symposium über »Unternehmer und Unternehmen im Nationalsozialismus« fest, es 5 Revisionsurteil des Obersten Gerichts v. 25.1.1949, StAF T 1-41. 6 Petzina, Autarkiepolitik, S. 197. 7 Ebenda. 8 Plumpe, Unternehmen im Nationalsozialismus, S. 264. 13 2. Das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft »überwiegt heute die Ansicht, daß im Verhältnis zwischen Unternehmertum und Nationalsozialismus ein weitgehender Primat der Politik geherrscht hat. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Unternehmer ohne Einfluß waren, sondern daß die entscheidenden Impulse vom politischen Bereich, nicht von der Seite der Wirtschaft ausgingen. […] Staatliche Kontrollen über den Zugang zu Rohstoffen, über Einfuhr, Ausfuhr und Devisen, sogar über die Verwendung von Profiten, engten die Entscheidung der Unternehmer ein. Unwiderstehliche finanzielle Anreize lenkten Investitionen und Produktion in Richtungen, die vom Regime bestimmt wurden, die jedoch gegen die Eigeninteressen von vielen Unternehmen gingen. Als mit dem zweiten Vierjahresplan die Aufrüstung auf volle Touren kam, fand sich mancher Unternehmer von Seiten der Behörden unter Druck gesetzt, wirtschaftliche Rationalität im Interesse der politischen Ziele des Regimes zu opfern. Und wie die Einschüchterung der Eisen- und Stahlindustriellen bei der Gründung der Reichswerke Hermann Göring zeigte, war das Regime durchaus dazu fähig, mächtige konkurrierende Unternehmen eigener Prägung auf Kosten der Privatwirtschaft aus dem Boden zu stampfen, wenn Unternehmer nicht bereit waren, sich dem Willen der Machthaber zu beugen« 9 . Die Frage, welchen Spielraum die Wirtschaft innerhalb der ihr von der Politik zugewiesenen Grenzen hatte und wie sie diesen nutzte, blieb aber umstritten. Bereits 1985 hatte Gerhard Mollin in seiner Arbeit über die Vereinigten Stahlwerke behauptet, Göring habe sich 1937 durch den Vierjahresplan eine Kontrollposition verschafft, »die einer ökonomischen Machtergreifung und ›Wirtschaftsdiktatur‹ nahekam. Unter dem Druck dieser Befehlswirtschaft, die interventionspolitisch, wirtschaftsrechtlich und staatswissenschaftlich einen Bruch in der modernen deutschen Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte bedeutete, veränderte sich die deutsche Montanindustrie grundlegend« 10 . 18 Jahre später stellte Michael von Prollius die These auf, der Nationalsozialismus sei in weiten Teilen »eine Bedarfs- und Befehlswirtschaft« gewesen, die »lediglich die Hülle des Privateigentums als nahezu letztem marktwirtschaftlichen Element übrig ließ« 11 . Die Machtlosigkeit der Wirtschaft betonen auch Diehl 12 , Hayes und Tooze 13 . Letztere räumen immerhin ein, dass nicht nur der Druck des Staats, sondern auch dessen ökonomische Anreize für unternehmerische Entscheidungen ursächlich gewesen seien 14 . Eine konträre Position zu den Auffassungen Mollins, Prollius’ oder Diehls nehmen Buchheim und Scherner ein, die 2003 ihre »Anmerkungen zum Wirtschaftssystem des ›Dritten Reichs‹« vorlegten. Beide machen die Begriffe des Privateigentums und der Vertragsfreiheit zum Lackmustest für den Charakter des nationalsozialistischen Wirtschaftssystems: »Gibt es sie, dann sind Unternehmen zu autonomen Produktionsentscheidungen gemäß ihres Ziels der Gewinnmaximierung fähig und es existiert eine Marktwirtschaft« 15 . Das Prinzip der Vertragsfreiheit schließe notwendigerweise auch die Freiheit ein, keinen 9 So Turner in der 20. Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, die am 20. und 21. Juni 1997 in Frankfurt am Main stattfand. Turner, Unter dem Hakenkreuz, S. 16 und 19. 10 Mollin, Montankonzerne, S. 276. 11 Prollius, Wirtschaftssystem, S. 230. 12 Diehl, Marktwirtschaft, S. 179 spricht von einer »Zentralplanwirtschaft«. 13 Hayes, Degussa und Tooze, Ökonomie. 14 Ziegler, Verhängnisvolle Planwirtschaft, S. 253. 15 Buchheim/ Scherner, Anmerkungen, S. 85. 14 I. Einleitung Vertrag zu schließen, was man auch negative Vertragsfreiheit nennen könne. Anhand dieser Kriterien, so die Autoren, müsse untersucht werden, »inwieweit in der Wirtschaft des ›Dritten Reichs‹ die Vertragsfreiheit gewährleistet war, und zwar auch und vor allem im Verhältnis der Unternehmen zum Staat. In diesem Zusammenhang muß dann ebenfalls analysiert werden, ob die Gewährleistung des Privateigentums an den Produktionsmitteln tatsächlich davon abhängig war, daß die Unternehmen den Anforderungen des Staates stets Priorität einräumten und somit gegebenenfalls ihre eigenen Ziele unterordneten« 16 . Buchheim und Scherner hoben hervor, dass die Analyse der Investitionsentscheidungen zur Beantwortung der Frage nach dem Charakter des Wirtschaftssystems ganz besonders wichtig sei, denn ein wesentlicher Unterschied zwischen einer vom Staat dominierten Wirtschaft und einer Marktwirtschaft liege darin, ob über Investitionen letztlich zentral durch die Politik oder dezentral durch autonome Unternehmen bestimmt werde und nach welchen Kriterien dies geschehe. Die Autoren räumten zwar die Existenz selektiver Investitionskontrollen durch den NS-Staat ein, machten diesbezüglich aber geltend, dass derartige Maßnahmen das gewinnorientierte Handeln der Firmen keineswegs aufgehoben hätten und das Machtverhältnis zwischen Staat und Wirtschaft daher nicht grundsätzlich verschoben worden sei. Weiter heißt es: »Dagegen wäre eine Situation, mit direkten staatlichen Anweisungen an die Unternehmen, bestimmte Investitionen vorzunehmen, ganz anders zu beurteilen. Dadurch würde nämlich die (negative) Vertragsfreiheit aufgehoben, das ökonomische Rationalitätskalkül autonom und gewinnorientiert agierender Unternehmen wäre nicht nur beschränkt, sondern beseitigt. Es gäbe in einem für die Gestaltung der Zukunft der Unternehmen enorm wichtigen Bereich keine privaten Verfügungsrechte mehr. In diesem Fall könnte man daher auch nicht mehr von Marktwirtschaft sprechen. […] Demnach ist im folgenden zu fragen, ob es im ›Dritten Reich‹ einen Investitionszwang gegeben hat« 17 . In ihrer Antwort strichen Buchheim und Scherner heraus, dass die Investitionen der Ersatzstoff- und Rüstungsbranchen größtenteils auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Staat und der Wirtschaft beruht hätten und von unternehmensindividueller Gewinnmaximierung gekennzeichnet gewesen seien. Dagegen habe der Staat Zwangsmittel, »denen er eigentlich […] prinzipiell ablehnend gegenüberstand«, nur extrem selten ergriffen. Insofern sei es weder richtig, »daß die Respektierung des Privateigentums an den Produktionsmitteln generell unter dem Vorbehalt unternehmerischer Willfährigkeit gegenüber den Wünschen des Staates stand, noch kann man sagen, was häufig geschieht, daß lediglich die Hülle des Privateigentums erhalten geblieben ist. Vielmehr wurden die Verfügungsrechte der Industrieunternehmen bezüglich ihrer Produktions-, vor allem aber auch bezüglich ihrer Investitionsentscheidungen vom Regime offensichtlich weitgehend respektiert« 18 . Im Jahre 2004 legte Claus-Martin Gaul eine Analyse des industriellen Investitionsverhaltens zwischen 1933 und 1939 vor. Er gelangte zu dem Schluss, dass der Staat das 16 Ebenda, S. 86. 17 Ebenda S. 89. 18 Ebenda S. 97. 15 3. Forschungsobjekt und Quellenlage Privateigentum der Unternehmer grundsätzlich geachtet habe und somit ein zentraler Baustein der »bürgerlichen Ordnung« aus der Zeit vor 1933 erhalten geblieben sei. Die Firmen hätten weiterhin Gewinnmaximierung betrieben, allerdings seien die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen vom Staat derart verändert worden, dass »gewinnmaximierendes Verhalten in der Zeit ab 1933 zunehmend [bedeutete], die staatlichen Stellen für die eigenen Vorhaben zu beeinflussen« 19 . Die Initiative für die Investitionsentscheidung habe in der Regel beim Unternehmer gelegen, dessen Verhalten vom Staat über die Beeinflussung von Preisen, Löhnen, Zinsen oder Gewinnen, also auf indirekte Weise, gelenkt worden sei. Bei Großprojekten dagegen »ging die Initiative zur Investition zunehmend vom Staat aus und direkte Investitionssteuerungsmaßnahmen gaben für das Zustandekommen eines Projekts den Ausschlag« 20 . Jedoch sei die Anwendung von Zwangsmaßnahmen im engeren Sinne hier die Ausnahme geblieben. 2006 bekräftigte Buchheim nochmals seine These, dass die wachsende staatliche Regulierung keinen Zwang ausgeübt, sondern nur bestimmte Entscheidungsoptionen für die Unternehmen unattraktiv gemacht habe. Unter Wahrung der Prinzipien von Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit seien vom Staat lediglich einige Handlungsmöglichkeiten privilegiert oder erst etabliert worden. Selbst die 1937 erfolgte Enteignung der Salzgitter- Erze zugunsten der Reichswerke Hermann Göring, von der Wissenschaft bislang stets als Niederlage der Ruhrwerke gewertet, war aus Buchheims Sicht »eher ein Sieg, weil das Regime es gerade nicht vermochte, die Privatindustrie hierzu [zur Ausbeutung der Erze, WIS] zu bewegen« 21 . 2010 zog Ziegler aus dieser Argumentation den Schluss, dass »der vermeintliche Bruch zwischen der Ära Hjalmar Schacht und der Ära des Vierjahresplans gar nicht so dramatisch zu sein« 22 scheine. 3. Forschungsobjekt und Quellenlage Ob nun Prollius und Diehl oder eher Buchheim und Scherner die Geschichte treffender beschreiben, entscheidet sich am konkreten Objekt, den Unternehmen, Branchen und Wirtschaftssektoren. Über sie wurde in den letzten 20 Jahren eine Reihe von Untersuchungen 23 erstellt. Aus ihnen ergab sich für Ralf Banken 2005 »ein differenziertes Bild. Es bestätigte sich weder die früher behauptete Zwangs- oder Befehlswirtschaft noch der Eindruck uneingeschränkter Handlungsoptionen der Unternehmen oder sogar deren Möglichkeit, die grundsätzliche Politik des Regimes entscheidend zu beeinflussen. Vielmehr war stets ein gewisser Grad der Autonomie für unternehmerisches Handeln gegeben - und die Unternehmen versuchten diesen immer zu erweitern oder zumindest zu 19 Gaul, Anlageinvestitionen, S. 427. 20 Ebenda S. 431. 21 Buchheim, Unternehmen, S. 367. 22 Ziegler, Verhängnisvolle Planwirtschaft, S. 254. 23 Besonders verwiesen sei auf die Arbeiten und auf den Anmerkungsapparat von Gehrig (Rüstungspolitik), Bräutigam (Mittelständische Unternehmen), Gaul (Anlageinvestitionen), Hensler (Stahlkontingentierung) und Scherner (Logik). Weitere Verweise bei Plumpe, Unternehmen im Nationalsozialismus, S. 252 f. 16 I. Einleitung erhalten« 24 . Ob das bei dem eingangs geschilderten Rüstungsprojekt der saarländischen Stahlindustrie und des Deutschen Reichs zutraf und in welchem Maße dies gelang, soll im Folgenden untersucht werden. Dabei stellt die von Buchheim und Scherner genannte »negative Vertragsfreiheit« ein wichtiges Beurteilungskriterium dar. Die zu erwartenden Ergebnisse können sicher nicht generalisiert werden, dürften aber einen argumentativen Baustein zu einer noch längst nicht abgeschlossenen Debatte beitragen. Untersuchungsgegenstand ist ein Projekt, das sich über nahezu alle Phasen nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik hinzog. Getragen wurde es von den im Saarland ansässigen Betrieben der eisenschaffenden »Monopolindustrie«, die keinem Vergleich mit den mächtigen Ruhrhüttenwerken standhielten, was an ihren mittelständischen Betriebsstrukturen und großen Rationalisierungsrückstanden lag, aber auch externen Ursachen geschuldet war, wozu die periphere geografische Lage, die schlechte Qualität des Saarkokses und nicht zuletzt die seit 1919 erfolgten Umbrüche und Grenzkorrekturen gehörten 25 . Dies bedeutete jedoch nicht, dass ihre Repräsentanten einflusslos waren. So erfreute sich Hermann Röchling der Gunst Adolf Hitlers und stieg bis zum Leiter der Reichsvereinigung Eisen auf. Otto Wolff, der Hauptaktionär des Neunkircher Eisenwerks, war einer der Mitbegründer der Vereinigten Stahlwerke und pflegte enge Kontakte zu Heinrich Brüning und Kurt von Schleicher. Der NS-Ideologie stand er fern 26 . Den Kurs seiner in der Weltwirtschaftskrise konkursreif gewordenen Unternehmensgruppe bestimmte er allerdings nicht mehr völlig allein: Wesentliche Entscheidungen traf nach erfolgter Sanierung auch Rudolf Siedersleben 27 , der 1934 vom Reichswirtschaftsministerium als Generalbevollmächtigter ausgesucht worden war. Dieser verfügte über ausgezeichnete Kontakte zu den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern im Dritten Reich. Weitere Mitwirkende aus dem Bereich der privaten Hüttenindustrie gibt es in großer Zahl, doch bleiben diese in ihren Einflussmöglichkeiten hinter den drei genannten Persönlichkeiten zurück. So unterlag das Neunkircher Management den Weisungen Wolffs und Siederslebens aus Köln; die Direktoren der Burbacher, Dillinger und Halbergerhütte folgten den Vorgaben ihrer Mehrheitsgesellschafter in Frankreich und Luxemburg. Den regionalen Parteiinstanzen war das Wirken ausländischer Hüttendirektoren in ihrem Machtbereich zwar ein Dorn im Auge, doch sagte der Eisenindustrielle und Politiker Ludwig Noé nach dem Zweiten Weltkrieg aus, »dass die Politik dort in ihrem Aufbau langsam und vorsichtig vorwärts ging, vor allem in der sogenannten Gleichschaltung der Schwerindustrie. Sie wusste genau, dass diese Industrie vollständig abhing von der französischen Minette und der Bereitwilligkeit der Franzosen, die Saarhütten weiter mit Erz zu beliefern. Aus dieser Erkenntnis heraus liess der Gauleiter Bürckel die massgebenden Posten in den Saarhütten in den Händen von Ausländern […] und einigen Deutschen, die nicht zur Partei gehörten. […] Die Partei erfasste die Hüttenbetriebe 24 Banken, Boom, S. 194. Dort weitere Verweise zu firmenhistorischen Publikationen. 25 Siehe Latz, Schwerindustrie, S. 199 ff. und Mollin, Montankonzerne, S. 71 und 372 Anhang 12. 26 Zu Otto Wolff und dem Nationalsozialismus: Conze, Titane, S. 128-137. 27 Dülfer, Gruppe, S. 165. 17 3. Forschungsobjekt und Quellenlage und auch die übrige Industrie von unten herauf, vor allem durch die Betriebsobmänner, Vertrauensräte, Meister, mittlere Angestellte usw.« 28 Dennoch räumten im Saarland zwischen 1937 und 1939 drei Generaldirektoren mit ausländischer Staatsbürgerschaft ihre Posten und wurden durch Deutsche ersetzt. Mindestens im Falle der Dillinger Hütte, wo Wilhelm Wittke 1937 den Vorstandsvorsitz übernahm, scheint auch Druck durch die Deutsche Arbeitsfront im Spiel gewesen zu sein 29 . Wittke, der der NSDAP wahrscheinlich nicht angehörte, sollte dann ab 1940 die vierte bedeutende Figur auf Seiten der Saarindustrie bei diesem Projekt werden. Sein Einfluss blieb aber hinter dem von Röchling, Wolff oder Siedersleben zurück. Wesentliche Erkenntnisse über beteiligte Unternehmen und Personen entstammen den akribisch geführten Akten Siederslebens, die im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv lagern. Sie liefern den Schlüssel zu Vorgängen, die sich auch in den Unterlagen anderer Protagonisten niederschlugen, aber nur einen Blick auf die Oberfläche des Gesamtkomplexes freigeben. Es versteht sich von selbst, dass die zeitgenössischen Kommentierungen subjektiv sind. Da sie kein durchweg günstiges Bild von Hermann Röchling entwerfen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn auch die individuelle Sicht des Kommerzienrats hätte berücksichtigt werden können. Leider gelang das nur begrenzt. Die Gründe bestehen einerseits darin, dass große Teile von Röchlings Korrespondenz mit Hitler, Todt, Goebbels und Göring kurz vor dem Eintreffen der Alliierten vernichtet worden sind 30 . Die restlichen Unterlagen verblieben nach dem Ausstieg der Familie Röchling aus der Stahlproduktion teils im Völklinger Werk, teils gelangten sie in das Mannheimer Familienarchiv. Soweit sie sich heute im Besitz der Saarstahl AG befinden, konnten sie eingesehen und ausgewertet werden. Als unzugänglich erwiesen sich dagegen die Bestände des Familienarchivs. Akten, deren Übergabe an das Familienarchiv werksseitig penibel protokolliert worden war, blieben in Mannheim leider unauffindbar. Demgemäß steht die hier vorgelegte Untersuchung diesbezüglich unter Forschungsvorbehalt. Auskunft über Strategien und Entscheidungsprozesse auf staatlicher Seite liefern vor allem die im Bundesarchiv Berlin verwahrten Akten des Reichsfinanzministeriums, das sich darum bemühte, den Reichshaushalt vor den Lasten eines Projekts zu bewahren, das vom Reichswirtschaftsministerium (RWM) favorisiert wurde. Da die einschlägigen Unterlagen des RWM verloren gingen, fehlen Quellen über behördeninterne Entscheidungsabläufe und über die Einflussnahme der Partei auf die Spitze der Ministerialbürokratie. Ausnahmen bilden die Vorakten des Reichsamts für Wirtschaftsausbau für den Zeitraum 1936/ 37 und der Bestand »Reichsstelle für Raumordnung«. Letzterer legt im Zusammenhang mit der Standortwahl für das Hüttenwerk um 1940/ 41 den Blick auf eine zur Selbstblockade neigende polykratische Herrschaftsstruktur frei. Immerhin können die Unterlagen Siederslebens und der im Stadtarchiv Neunkirchen archivierte Bestand »Neunkircher Eisenwerk« in einigen Fällen die bestehenden Lücken in der staatlichen Überlieferung überbrücken. 28 Aussage Noé v. 2.10.1946 im Spruchkammerverfahren Walther Wieland, StAM SpKA K 1965. 29 Wittke folgte dem Franzosen Henri Roger nach. 1939 wurde Alphonse Wagener in der Burbacher Hütte durch Heinrich Berve ersetzt, im Neunkircher Eisenwerk Eugen Kugener durch Heinrich Puppe. 30 Aussage von Frau Hesse, der früheren Sekretärin Hermann Röchlings im Rastatter Prozess, StAF T 1-26. 18 I. Einleitung Die Sicht des Managements der Doggererz-Bergbau GmbH bzw. der Doggererz AG lässt sich unter anderem aus den im Staatsarchiv Freiburg verwahrten Unternehmensakten erschließen. Dort lagern auch die südbadischen Spruchkammerakten, denen sich wertvolle Hinweise zu den Biografien vieler Beteiligter entnehmen ließen. Aufschluss über die Rolle der badischen Landes- und Bergbehörden erteilten die Bestände des Staatarchivs Freiburg, der Landesbergdirektion Baden-Württemberg in Freiburg und des Generallandesarchivs Karlsruhe. In Letzterem lagern auch die Akten des auf den Vierjahresplan zurückgehenden Arbeiterwohnungsbaus auf der Baar. Für die Erschließung der Vorgänge im kommunal- und sozialpolitischen Bereich standen die Archive der Stadt Blumberg und des Erzbischöflichen Ordinariats in Freiburg zur Verfügung. Die nachfolgenden Seiten beinhalten nicht nur die Firmengeschichte der Doggererz- Bergbau GmbH und der Doggererz AG. Zu den wichtigsten Untersuchungszielen gehört es, die Auseinandersetzungen zwischen den Saarwerken unter dem Druck der staatlichen Autarkiepolitik nachzuvollziehen und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Handlungsspielräume die Akteure gegenüber den nationalsozialistischen Instanzen besaßen und wie sie diese nutzten. Der Blick reicht aber weiter: Der Erzabbau auf der Baar löste ja umfangreiche Aktivitäten des NS-Staats auf den Gebieten des Wohnungsbaus, der zwangsweisen Personalbeschaffung, der Energiewirtschaft, der Sozialpolitik und der städtebaulichen Planung aus. Auch diese Vorgänge werden hier untersucht. So ergibt sich in der Gesamtbetrachtung ein Bild, mit wieviel Rationalität und mit welchem Erfolg Vierjahresplan-Vorhaben vom NS-Staat konzipiert und umgesetzt wurden. Das Experimentierfeld dafür befand sich in Südbaden. Insofern hat die Arbeit auch einen regionalhistorischen Ansatz. 19 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? 1. Folgen des Versailler Vertrags Auf der Baar, einer ländlich strukturierten Hochebene zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, lagert in den Schichtungen des Braunen Jura eines der größten deutschen Eisenerzvorkommen 1 . Im Raum Blumberg bildet es ein etwa 4 m hohes Flöz aus. Die harten, linsenförmigen Eisenpartikel von etwa 3 mm Durchmesser, auch Ooide genannt, verteilen sich wolkenartig in einem tonig-mergeligen Substrat von hohem Kieselsäuregehalt. Das Doggererz weist nur etwa 23 % Eisen auf. Systematisch abgebaut wurde es lediglich über eine kurze Zeitspanne: 1836 eröffnete der Fürst zu Fürstenberg bei Gutmadingen das Karl-Egon-Bergwerk, dessen Förderung er im Hüttenwerk von Bachzimmern verarbeiten ließ. Da das feine Korn des Erzes im Hochofen verrieselte und schwere Störungen beim Schmelzprozess hervorrief 2 , gab man es dem Möller nur als Zuschlag bei. 1856 stellte der Fürst den unwirtschaftlichen Bergbaubetrieb ein. Dieses Schicksal teilte bald das gesamte, auf Holzkohlebasis arbeitende Montangewerbe im Lande: 1874 wurde in Kandern der letzte Hochofen stillgelegt. Das Feld erobert hatten die Hüttenwerke an Rhein und Ruhr. Auf ergiebigen Steinkohlevorkommen gelegen, die sie mit billigem Koks versorgten, bezogen die Betriebe ihre Erze aus den nahegelegenen Revieren von Lahn, Dill und Sieg. Der Krieg von 1870/ 71 brachte dann die lothringische Minette zum Teil in deutsche Hand. Sie diente nach Einführung des Thomasverfahrens der Montanindustrie an Rhein, Ruhr und Saar als Quelle billiger Erze. Ein Land mit reichen, aber eisenarmen Erzvorkommen, ein Land ohne Kohle und Großschifffahrtswege zu diesen Lagerstätten, wie Baden es war, hatte bei dieser Konkurrenz keine schwerindustriellen Entwicklungschancen mehr. Demgemäß nahm die Karlsruher Regierung »mit ziemlicher Bestimmtheit« an, »dass der badische Eisenerzbergbau der Vergangenheit angehöre und auch auf absehbare Zeit hinaus keine Zukunft mehr habe« 3 . Nach dem Ersten Weltkrieg bahnte sich ein radikaler Meinungswandel an: 1919 musste Deutschland auf Elsass-Lothringen verzichten und akzeptieren, dass das Saargebiet mit seiner Schwerindustrie für längere Zeit dem französischen Wirtschaftsgebiet angehörte. Die Pariser Regierung enteignete eine Reihe deutscher Stahlkonzerne und übertrug deren lothringische Hüttenwerke und Erzfelder auf französische Eigentümer. Deutschland verlor etwa drei Viertel seiner Eisenerzvorräte. Das Deutsche Reich, zu Kriegsbeginn mit einem Weltmarktanteil von 24 % der zweitgrößte Eisenerzeuger auf dem Globus, besaß 1919 nur noch 2 % der Welterzvorräte, aus denen es ganze 18 % seiner Roheisenproduktion bestreiten konnte. 1913 hatte die Selbstversorgungsquote noch über 50 % betragen 4 . 1 1937 gab es eine halbamtliche Schätzung über 130 Mio. t Fe(rrum). BAB R 3112/ 182. 2 Naumann, Denkschrift über den badischen Bergbau (1919), GLA 237/ 40427. 3 Allgem. Begründung zum bad. Berggesetz v. 15.7.1924, GLA 233/ 23911. 4 Zahlen aus: Gemeinfassliche Darstellung, S. 251 und 261 sowie Gutachten Wenzel, RWWA 130- 40011/ 12. 20 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Um die chronisch defizitäre deutsche Zahlungsbilanz zu entlasten, förderte die Reichsregierung zu Anfang der 1920er Jahre die Rohstoffsuche im Inland: Die deutschen Montankonzerne erhielten finanzielle Entschädigungen für den Verlust ihrer Auslandsfelder mit der Auflage, einen Teil der Gelder in die Erkundung und in den Aufschluss neuer deutscher Erzlagerstätten zu investieren 5 . Der Verlust der Minetteerze war damit allerdings nicht zu kompensieren: Die Ruhrindustrie sicherte sich ihre Rohstoffbezüge vor allem durch den Abschluss langfristiger Lieferverträge über schwedisches Eisenerz. Da dessen Verhüttung zu Brennstoffeinsparungen führte und die handelspolitischen Beziehungen zu Frankreich angespannt blieben, nahm der Anteil skandinavischen Erzes am Möller der Ruhr stetig zu, während deutsches Material oder die Minette nur eine Nebenrolle spielten 6 . Die badischen Vorkommen entfalteten wenig Attraktivität auf die Stahlindustrie: Zum einen lagen sie weit von der Ruhr entfernt, so dass hohe Frachtkosten anfielen; zum anderen erhöhte der geringe Eisengehalt der Erze deren Abbaukosten und das Transportvolumen. Deshalb richtete sich das Augenmerk der Werke auf Vorkommen, die näher an ihren Standorten lagen - etwa die Lagerstätten von Salzgitter. Doch selbst diese beutete man nicht aus, sondern hielt sie nur als Reserveflächen vor. 2. Badische Bergbaupolitik und fürstliches Vorbaurecht Ende 1918 glaubten badische Bergbaupraktiker fest an eine neue Chance für das Doggererz auf der Baar und forderten die Karlsruher Regierung zu entschlossenem Handeln auf 7 . Diesem stand leider das geltende Bergrecht entgegen: Zwar garantierte das badische Berggesetz vom Juni 1890 8 weitestgehende Bergbaufreiheit im Lande, doch galt diese Regelung nicht für die Baar, die bis zur Mediatisierung von 1806 zum Standesgebiet des Fürsten zu Fürstenberg gehört hatte. Auf diesem Territorium durfte der badische Staat eine Bergbauberechtigung an Dritte nur dann erteilen, wenn der Fürst auf die ihm zustehenden Vorbaurechte ausdrücklich verzichtete. Gegen dieses Privileg, das den Bergbau unnötig behinderte und verteuerte, richtete sich nun heftige Kritik aus den Reihen der badischen Beamten: Prof. Dr. Wilhelm Deecke 9 , der Direktor der Badischen Geologischen Landesanstalt, forderte im Dezember 1918 die Karlsruher Regierung auf: »Jetzt, wo wir Lothringen verlieren, müssen diese Eisenerze der Baar neu untersucht werden auf ihre Ausbeutungsfähigkeit, schon deswegen, um französischen Ausfuhrzöllen ein Paroli zu bieten […] Das Vorbaurecht des Fürsten muss fallen; denn die Eisengewinnung in Deutschland selbst wird zu einer Lebensfrage werden. Jede alte Schranke ist fort zu schaffen und ein Gewinn dem Staate vorzubehalten« 10 . 5 Entwurf der Denkschrift E. Poensgen v. 24.8.1937, BAB R 3112/ 180. Siehe auch Haus, Lothringen, S. 93. 6 Gutachten Wenzel, RWWA 130-40011/ 12. Siehe auch Haus, Lothringen, S. 81. 7 Denkschrift Ernst Frohwein v. Dezember 1919, GLA 237/ 32693. 8 Bad. Berggesetz v. 22.6.1890, BGVBl. 1890, S. 447 ff. 9 Dr. Wilhelm Deecke (25.2.1862 Lübeck - 23.10.1934 Freiburg): Geologe und Paläontologe, Professuren in Greifswald und Freiburg, 1907-1928 Direktor der Badischen Geologischen Landesanstalt. 10 Zitiert in Naumanns Denkschrift über den badischen Bergbau (1919), GLA 237/ 40427. 21 2. Badische Bergbaupolitik und fürstliches Vorbaurecht Die badische Regierung unternahm bis zum Sommer 1924 jedoch nichts, um das Berggesetz radikal zu ändern. Diese Untätigkeit verschaffte dem Hause Fürstenberg die erforderliche Zeit, um sich das Eigentum an den besten Eisenerzfeldern auf der Baar zu sichern. Mit einem Stammkapital von 30.000 Mark gründeten Fürst Max Egon 11 und Erbprinz Karl Egon 12 am 17. Februar 1920 die Jura Eisenerz-Bergbau GmbH mit Sitz in Donaueschingen 13 . Das Unternehmen ließ sich bis Ende 1921 16 Felder vom badischen Staat verleihen. Da dem Fürsten seit 1897 bzw. 1899 vier andere Berechtigungen gehörten, verfügte sein Haus nun über 20 Areale mit 3.658 ha Fläche. Sie lagen allesamt dort, wo die Erze den größten Eisengehalt aufwiesen: südlich der Donau, zwischen Gutmadingen und Blumberg. Der badische Staat begnügte sich bei dieser Verteilung mit den mageren Resten. Er belegte bis 1921 meist nördlich der Donau 22 Felder, deren Erze lediglich einen bescheidenen Eisengehalt aufwiesen. Erst nachdem die Felle derart einseitig verteilt 14 waren, ging man in Karlsruhe daran, das Berggesetz von 1890 zu ändern: Am 15. Juli 1924 verkündete das Badische Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 38, dass die Ausbeutung von Eisenerzen dem Staat vorbehalten bleibe und alle standesherrlichen Vorbaurechte im Falle der Eröffnung neuer Bergwerke aufgehoben seien. Die fürstliche Kammer erzielte Anfang der 1920er Jahre keinen Erfolg mit dem Versuch, ihre Erzfelder bei der Montanindustrie unterzubringen 15 . Das Karlsruher Finanzministerium war diesbezüglich in keiner besseren Lage und fragte seit 1920 regelmäßig im Hause Fürstenberg an, »ob uns nicht gegen Ersatz der hierfür aufgewandten Kosten wenigstens zwei Felder überlassen werden könnten, in denen der Eisengehalt der Erze die Abbaumöglichkeit nahelegt […], damit uns nicht der Vorwurf trifft, wir hätten eine Vereinbarung mit der Kammer getroffen, bei welcher der Staat praktisch leer ausgeht« 16 . Da das Finanzministerium anbot, auch die Vermarktung des fürstlichen Besitzes zu übernehmen, willigten Fürst Max Egon und die Jura Eisenerz-Bergbau GmbH schließlich in das Geschäft ein. Mitte 1922 verkauften sie dem Land Baden vier Areale 17 mit insgesamt 660 ha Fläche. Bergrat Erich Naumann 18 , der für den Bergbau zuständige Abteilungsleiter im Finanzministerium, verfügte seit 1920 über ausgezeichnete Kontakte zur Gutehoffnungshütte (GHH), einem Montan- und Maschinenbaukonzern mit Sitz in Oberhausen, der sich gerade anschickte, auf den süddeutschen Eisenmarkt vorzudringen. Nach Kriegsende hatte man eigene Verkaufsniederlassungen in Mannheim und Nürnberg gegründet und 11 Maximilian Egon II. Fürst zu Fürstenberg (13.10.1863 Lana - 11.8.1941 Heiligenberg): persönlicher Freund Kaiser Wilhelms II, Mitglied des k.u.k. Reichshofsrats, Pg. seit 1933, ab 1938 SA-Standartenführer. 12 Karl Egon V. Fürst zu Fürstenberg (6.5.1891 Wien - 23.9.1973 München): Sohn Max Egons II. 13 FFA Berg- und Hüttenadm. Generalia Bergbau XI/ 2 und XIa/ 1. Das Unternehmen wurde am 11.10.1935 wieder liquidiert und seine Eisenerzfelder auf Fürst Max Egon übertragen. 14 So klagte das BFM 1921, es könne dem eigenen Feldesbesitz »auf absehbare Zeit hinaus eine praktische Verwertung überhaupt nicht zukommen, da die Erze nur in dem südlichen Gebiet, von dem wir uns auf Wunsch der Fürstlichen Kammer fernhielten, einen beachtlichen Eisengehalt aufweisen«. BFM an FF Kammer v. 7.3.1921, FFA Berg- und Hüttenadm. Generalia Bergbau V/ 2. 15 Geschäftsbericht v. 6.12.1921, FFA Berg- und Hüttenadm. Generalia Bergbau XIa/ 1. 16 Naumann an FF Kammer v. 3.8.1920, FFA Berg- und Hüttenadm. Generalia Bergbau V/ 2. 17 Kaufvertrag v. 7.6.1922, LGRB Bezirksamt DS, Verleihungsakten Karl-Egon-Bergwerk. 18 Kurzbiografie Erich Naumann: siehe Kap. IX/ 2/ a. 22 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? sich an großen eisenverbrauchenden Produzenten, wie etwa der MAN oder der Maschinenfabrik Esslingen, beteiligt. Der Generaldirektor der GHH, Paul Reusch 19 , stieß damit in das Hauptabsatzgebiet der saarländischen Eisenindustrie vor, deren bisherige Position durch ihre bevorstehende Eingliederung in das französische Zollgebiet vakant zu werden versprach 20 . Da die GHH 1919 ihren Grubenbesitz in Lothringen und in der Normandie verloren hatte, suchte sie Ersatz in den württembergischen Eisenerzvorkommen bei Wasseralfingen und Tuttlingen. Die Stuttgarter Regierung knüpfte die Vergabe der Schürfrechte allerdings daran, dass sich deren Erwerber bei der Modernisierung der Schwäbischen Hüttenwerke engagierten 21 , eines staatlichen Unternehmens mit Sitz in Wasseralfingen, das Paul Reuschs Vater Hermann bis 1881 geleitet hatte. Der Sohn entschied sich 1921 zu einer 50 %igen Beteiligung der GHH an der bisherigen Staatsfirma. Das in eine GmbH umgewandelte Unternehmen, dem die Regierung in langfristigen Pachtverträgen alle Erzrechte im Lande verlieh, wältigte die stillgelegte Erzgrube Wilhelm in Wasseralfingen wieder auf. Die Analysen des Erzes fielen jedoch enttäuschend aus: Der hohe Kieselsäureanteil und die harte Erzstruktur ließen eine wirtschaftlich vertretbare Verhüttung nicht zu 22 . Die GHH sah sich deshalb auch anderweitig um. Ende 1921 gelang es Naumann die Zusage Hermann Kippers 23 , des für Erzbergbau zuständigen Abteilungsleiters der GHH, zu einer gemeinsamen Begehung der Felder auf der Baar zu erhalten. Am 22. April 1922 besichtigte man die alten Stollenanlagen bei Gutmadingen und entnahm Erzproben. Deren Analyse fiel aus Sicht von GHH- Generaldirektor Hermann Kellermann 24 derart günstig aus, dass er Naumann am 2. Mai 1922 bat, den Kapfstollen des Karl-Egon-Bergwerks wieder aufwältigen zu lassen. Bergassessor Rudolph führte das Vorhaben im Juni 1922 aus und sandte 30 t Erz per Bahn an die GHH. Noch während die Erzanalysen in Oberhausen andauerten, verhandelten Naumann und Kellermann über einen Pachtvertrag, konnten sich aber lange nicht über die finanziellen Bedingungen einigen. Verzögerungen lösten auch die Wirren der Ruhrbesetzung aus. So schloss man erst im Dezember 1923 einen Vertrag 25 , in dem das Land Baden der GHH acht Areale mit einer Fläche von insgesamt 1.515 ha auf eine Dauer von 30 Jahren verpachtete. Naumann erwartete nun, »dass sich bei Gutmadingen ein Bergbau ganz bedeutenden Grades entwickeln wird« 26 . Die fürstenbergische Verwaltung hatte bei diesem Geschäft das Nachsehen: Obwohl ihr eine gemeinsame Vermarktung zugesichert worden war, tat Naumann nichts für sie. Sein Ziel bestand darin, »das Interesse der Gutehoffnungshütte immer wieder auf diejenigen Felder, die dem Staat gehören […] zu konzentrieren. […] Sonst wendet sich die Gutehoffnungshütte von unsern [! ] Feldern ab und dem fürstenbergischen zu. Der staatliche Feldesbesitz muss Mittelpunkt des Interesses bleiben« 27 . Erst im Februar 1924 setzte 19 Paul Reusch (9.2.1868 Königsbronn - 21.12.1956 Backnang): Biografie: NDB 21 (2003) S. 455-457. 20 Maschke, Konzern, S. 131. Literaturliste zu Reusch und der GHH in Marx, Mischung. 21 Fliegauf, Schwäbischen Hüttenwerke, S. 262. 22 Bericht Kipper v. 16.1.1935, RWWA 130-400 101 307/ 11. 23 Hermann Kipper (13.7.1878 - ? ): Serlo Nr. 863. 24 Hermann Kellermann (28.9.1875 Altenessen - 3.7.1965 Mühlheim/ Ruhr): Serlo Nr. 716. 25 Vertrag GHH-Land Baden v. 4./ 10.12.1923, GLA 237/ 32711. 26 Naumann an bad. Finanzminister v. 25.3.1924, GLA 237/ 32712. 27 Naumann an Deecke v. April 1924, GLA 237/ 32712. 23 3. Das Engagement der Gutehoffnungshütte in Gutmadingen Naumann die fürstliche Kammer in Kenntnis, dass er die staatlichen Flächen verpachtet hatte und sie von eigenen Akquisitionsmaßnahmen nicht länger abhalten wolle 28 . Die Jura Eisenerz-Bergbau GmbH versuchte nun ihre Felder selbst zu vermarkten, blieb aber erfolglos. 3. Das Engagement der Gutehoffnungshütte in Gutmadingen Die GHH sandte die im Juni 1922 entnommenen Erzproben an Hans Schneiderhöhn 29 , der in Aachen eine Professur für Mineralogie innehatte. Dessen Analyse fiel enttäuschend aus. Die Gründe lagen in der chemischen und physikalischen Zusammensetzung des Materials: Der geringe Eisengehalt von etwa 23 % hatte zur Folge, dass das Erz einen hohen Anteil tauber Masse, sog. Gangart, enthielt. Wollte man das rohe, unbehandelte Erz direkt im Hochofen verhütten, dann musste man pro Tonne Eisen die mehrfache Menge Gangart mit einschmelzen, die dann als Schlacke aus dem Hochofen rann. Schon dies musste zu einem extrem hohen Koksverbrauch bei der Eisenproduktion führen. Das Gutmadinger Erz enthielt zudem hohe Anteile an Schwefel und Kieselsäure. Da Schwefel Stahl brüchig macht, hatten die Techniker bei der Verhüttung dafür zu sorgen, dass der, auch im Koks vorhandene, Schwefel in die Schlacke wanderte - und nicht in das Roheisen. Bedingung dafür war eine basische Zusammensetzung des Möllers, der Kalk und Kieselsäure im Verhältnis von 7 oder 8 zu 10 enthalten musste. Traf dies zu, dann war der Möller »selbstgängig«. Wies das Erz jedoch einen Kieselsäureüberschuss auf, wie es beim Gutmadinger Erz der Fall war, dann musste dieser zwingend beseitigt werden. Üblicherweise gab man dem Hochofenmöller einen ausgleichenden Zuschlag von Dolomit bei. Da dieser ebenfalls mit eingeschmolzen werden musste, erhöhte sich der Koksverbrauch abermals - und zwar überproportional, weil Kalkstein einen höheren Schmelzpunkt aufweist als Eisen. Zugleich verminderte sich die Leistungsfähigkeit des Hochofens, da er viel Schlacke und wenig Eisen enthielt. Im Ergebnis konnte der Hüttenprozess völlig unwirtschaftlich werden, was auf das Gutmadinger Erz zutraf: Seine Verhüttung hätte, wie man später errechnete, das Dreifache der Koksmenge erfordert, die zum Niederschmelzen von schwedischem Kiruna-Erz notwendig war 30 . Die GHH und andere Hütten forschten deshalb nach einer Aufbereitungstechnologie, mit der man die Gangart problematischer Erze vor der Verhüttung vermindern und ein selbstgängiges Erzkonzentrat von erhöhtem Eisengehalt erzeugen konnte. Aus wirtschaftlichen Gründen musste darauf geachtet werden, dass während des Aufbereitungsprozesses wenig Eisen verloren ging und die Betriebskosten niedrig blieben. Den Auftrag für erste Versuche mit dem Gutmadinger Erz vergab die GHH an die Bochumer Firma Gröppel. Dort setzte man auf ein nassmechanisches Aufbereitungsverfahren. Dieses basierte darauf, dass man das Erz ausgiebig wusch und dabei dessen Eisenbestandteile von der Gangart trennte. Das Wasser verwandelte die Ballaststoffe des Erzes in Schlamm, der leicht aus dem Betriebsprozess ausgeschieden werden konnte. Im Falle des Gutmadinger 28 Naumann an FF Kammer v. 23.2.1924, FFA Berg- und Hüttenadm. Generalia Bergbau V/ 2. 29 Dr. Hans Schneiderhöhn (2.6.1887 Mainz - 5.8.1962 Sölden): Biografie: NDB 23 (2007) S. 314 f. 30 Wilhelmi, Verhüttung und Lennings, Erschmelzen. 24 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Erzes schlugen die Aufbereitungsversuche jedoch fehl: Der Kieselsäuregehalt des erzeugten Konzentrats hatte sich nicht vermindert, sondern ganz im Gegenteil sogar deutlich erhöht, weil vor allem der Kalk aus dem Erz gewaschen worden war. Naumann erhielt daher im Dezember 1922 aus Oberhausen die Nachricht, dass das Erz der Baar »mit den Erzen von der Lahn und vom Vogelsberg nicht wettbewerbsfähig sein wird, wenn eine Verhüttung hier in Frage kommt. Anders wäre es, wenn das Erz einmal an Ort und Stelle verhüttet werden könnte« 31 . Damit war in nächster Zukunft allerdings kaum zu rechnen. Die GHH gab daraufhin weitere Versuchsreihen in Auftrag, doch führten die Arbeiten der Kölner Maschinenbaugesellschaft Humboldt zu ebenso unbefriedigenden Ergebnissen wie die Tätigkeit der Firmen Tornulf, Excelsior, Meixner oder Lurgi. Da an einen Grubenbetrieb in Gutmadingen unter diesen Umständen nicht zu denken war, schürfte die GHH für ihre Aufbereitungsversuche Mitte der 1920er Jahre nur geringe Erzmengen an der Erdoberfläche und brachte sieben Aufschlussbohrungen im Konzessionsgebiet nieder. Weil sonst wenig geschah, musste sich Kellermann bei dem hartnäckig nachfragenden Naumann mehrfach entschuldigen, dass sich die Prüfung der Verwertbarkeit der Erze so lange hinziehe, doch dürfe man einen Sprung ins Dunkle im Interesse der Sache nicht wagen 32 . Ende der 1920er Jahre zeigte sich endlich ein Silberstreif am Horizont: Die GHH ließ unter anderem auch Aufbereitungsversuche bei der Münchener Studiengesellschaft für Doggererze durchführen. Die 1922 vom Bayerischen Staat und einigen interessierten Hüttenwerken, wozu auch die GHH gehört hatte, gegründete Gesellschaft 33 bemühte sich um die Lösung aller Aufbereitungs- und Verhüttungsprobleme, die die deutschen Doggererze aufwarfen. Großversuche für die GHH führten 1928 zur Entwicklung eines nassmechanischen Verfahrens, mit dem aus 2,5 t bis 3 t Roherz eine Tonne Konzentrat mit einem Eisengehalt von etwa 45 % zu gewinnen war. Daraufhin reiste Kipper im Juni 1928 nach Karlsruhe und suchte Naumann in dessen Wohnung auf. Er kündigte an, die GHH wolle den Grubenbetrieb in Gutmadingen bald aufnehmen und dort eine Versuchsanlage zur Erzaufbereitung nach dem nassmechanischen Prinzip bauen. Dieses sei wegen der ungelösten Frage der Speicherung anfallender Schlämme zwar mit Schwierigkeiten verbunden, doch bereite die Erzanreicherung auf trockenem Wege derzeit noch größere Probleme. Zweck der Maßnahme sei es, Aufschlüsse über die Höhe der Erzförder- und Aufbereitungskosten im industriellen Großbetrieb zu gewinnen. Weit reichten Kippers Hoffnungen offenbar nicht, denn er führte aus, man müsse es bereits als günstige Lösung betrachten, wenn sich die GHH nicht schlechter stelle als beim Bezug ausländischer Erze. Der ganze Versuch sei überhaupt nur gerechtfertigt in der nationalen Absicht, die Handelsbilanz durch einen Verzicht auf einen Teil der Erzeinfuhr zu verbessern 34 . Es dauerte noch etwa ein Jahr, bis der GHH-Vorstand nach Süddeutschland reiste und konkrete Pläne vorlegte. In einem Gespräch, das am Morgen des 23. Oktober 1929 in 31 Vermerk Schmidt v. 12.12.1922, GLA 237/ 32712. Unterstreich. im Orig. 32 Kellermann an Naumann v. 15.4.1926, GLA 237/ 32712. 33 Bericht Hermann Reusch über die Aufschließung deutscher Eisenerzvorkommen […] durch die GHH v. August 1937, RWWA 130-4011/ 14. Die technische Entwicklung wurde bei der Maxhütte in Rosenberg geleistet. 34 Aktennotiz Naumann v. Juli 1928, LGRB 13 A/ 148. 25 3. Das Engagement der Gutehoffnungshütte in Gutmadingen Karlsruhe begann und abends auf Reuschs württembergischem Wohnsitz Katharinenhof fortgesetzt wurde, offenbarte sich, dass innerhalb der GHH unterschiedliche Auffassungen über den Wert der angekündigten Investitionen bestanden. Während Kellermann auf Gestehungskosten für das Gutmadinger Konzentrat hoffte, die langfristig mit den schwedischen Erzpreisen mithalten konnten, lehnte Hüttendirektor Schmidt das Projekt wegen seiner Unwirtschaftlichkeit ab. Die Entscheidungsgewalt hatte jedoch Paul Reusch. Dieser beklagte, dass Deutschland stark vom Bezug ausländischer Eisenerze abhänge, deren Preise seit 50 Jahren kontinuierlich stiegen. Beunruhigt war er auch darüber, dass die USA neuerdings wachsende Erzmengen aus Schweden bezögen, was weitere Preissteigerungen zur Folge haben mochte. Reusch befürchtete, dass sich die ausländischen Eisenerzeuger bald zusammenschlössen und schlechtere Bezugsbedingungen für ihre deutschen Konkurrenten schüfen. Die Umstände würden dabei umso ungünstiger ausfallen, je weniger sich Deutschland aus eigener Förderung helfen könne. Reusch räumte zwar ein, dass die Gutmadinger Erze sehr eisenarm seien, doch: »Sie lassen sich leicht gewinnen, einfach aufbereiten und sind frei von schädlichen Bestandteilen. Ihre Menge ist ausserordentlich gross. Mithin müsste aus nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkten einmal ein Mann den Mut finden, ihre Verwertbarkeit in einem Grossversuch zu erproben« 35 . Reusch entschied, dass er dieser Mann sei und ordnete an, der Versuch müsse gemacht werden. Dem Gespräch in Katharinenhof schloss sich am 24. Oktober 1929 eine gemeinsame Besichtigung in Gutmadingen an. Reusch kündigte dabei den Beginn der Bauarbeiten für den 1. April 1930 an. Bergwerk und Aufbereitungsanlage sollten im August einen dreijährigen Probebetrieb aufnehmen, um belastbare Ergebnisse in technischer und wirtschaft licher Hinsicht zu erhalten. Danach war über das weitere Schicksal der Versuchsanlage zu entscheiden. Reusch verkündete dies zufällig am gleichen Tag, an dem der New Yorker Börsenkrach die Weltwirtschaftskrise einleitete. Während nun die Konjunktur allmählich in eine tiefe Depression glitt, in deren Verlauf die Schwedenerzpreise um 35 % sanken 36 , begann die GHH ihre Pläne zu verwirklichen. Am 23. Juni 1930 schloss sie mit zehn privaten Grundeigentümern und der Gemeinde Gutmadingen eine Reihe von Kaufverträgen 37 ab. Zu Preisen zwischen 10 und 40 Pfg. je m 2 erwarb sie ihre Betriebsgrundstücke und beauftragte die Studiengesellschaft für Doggererze damit, auf dem Gelände eine Versuchsanlage nach nassmechanischem Prinzip zu errichten. 13 Monate später eröffnete die GHH ein Werk, das 300.000 RM gekostet hatte und jährlich 24.000 t Roherz verarbeiten konnte. Den Betrieb mit 25 Beschäftigten leitete Dr. Max Teike 38 . Naumann sah im Geiste bereits ein neues Lothringen auf der Baar entstehen und jubelte, »daß sich - beinahe unbeachtet - hier in Baden ein Ereignis abspielt, das vielleicht für die deutsche Wirtschaftsgeschichte von ganz ungeheuerer Bedeutung werden kann. […] Kommt der große Bergwerksbetrieb in Gutmadingen zustande, so ist […] auch das 35 Aktennotiz Naumann v. 28.10.1929, LGRB 13 A/ 148. 36 Gaul, Anlageinvestitionen, S. 215. Siehe auch Haus, Lothringen, S. 126. 37 Fasz. Handel und Gewerbe, Gewerbebetriebe, Bergwerke 1929, GAG. 38 Dr. Max Teike (4.9.1894 Weißenburg/ Elsass - ? ): Sohn eines Studienrats, 1913 Abitur in Straßburg, 1914-1917 Kriegsfreiwilliger, 1917-1920 naturwiss. Studium in Freiburg, 1921 mit einer geolog. Diss. promoviert, ab 1922 bei den Schwäbischen Hüttenwerken tätig, 1931/ 32 Betriebsleiter in Gutmadingen, danach im Bad. Geologischen Landesamt bzw. in der Reichsstelle für Bodenforschung beschäftigt. LGRB 10 A/ 145 und UAFB B 31/ 450. 26 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? entsprechende Hüttenwerk an Ort und Stelle nur noch eine Frage der Zeit« 39 . Tatsächlich aber erwies sich die Gutmadinger Anlage als ungeeignet für einen großindustriellen Betrieb: Das Nassaufbereitungsverfahren verursachte zu große Erzverluste, einen zu hohen Wasserverbrauch und inakzeptabel große Schlammhalden 40 . Im März 1932 kündigte Kellermann die Stilllegung des Betriebs an und begründete sie mit der katastrophalen Wirtschafts- und Finanzlage. Betriebsleiter Teike und 28 der insgesamt 31 Mitarbeiter wurden entlassen 41 . 4. Die Grube Karl Egon als Rüstungsobjekt der frühen NS-Zeit Die »Machtergreifung« stieß die Dinge wieder an. Robert Wagner, im April 1933 zum Reichsstatthalter als oberstem Gewalthaber in Baden ernannt, berief am 6. Mai die neue, nationalsozialistische Landesregierung. An ihrer Spitze stand Walter Köhler, der die Ämter des Ministerpräsidenten und des Finanz- und Wirtschaftsministers in einer Person vereinigte. Kurz nach seiner Bestellung lud Köhler die GHH-Vorstandsmitglieder Wilhelm Funcke und Hermann Kipper nach Karlsruhe ein und forderte sie auf, den Erzabbau in Gutmadingen bald wieder aufzunehmen. Die Geladenen zeigten sich jedoch wenig zugänglich: Sie räumten zwar ein, dass man die technischen Grundfragen der Erzaufbereitung gelöst habe, klagten aber, dass die Kosten um 40 % bis 50 % höher lägen als bei der Verarbeitung von Importerzen. Da die GHH langfristige Verträge mit ihren ausländischen Lieferanten eingegangen sei, müsse sie trotz der Absatzkrise unerwünscht hohe Erzmengen abnehmen und einlagern. Kipper und Funcke verkündeten daher, den Betrieb in Gutmadingen erst dann wieder aufnehmen zu können, wenn man nicht mehr durch lästige Abnahmeverträge an Auslandslieferanten gebunden sei. Um der GHH diese Einrede zu nehmen, empfahl Naumann seinem neuen Vorgesetzten Köhler, in Berlin auf eine Devisensperre für Minette- und Wabana-Erzimporte hinzuwirken 42 . Auch von den Berliner Behörden wurde der GHH nahegelegt, ihren Betrieb in Gutmadingen wieder zu eröffnen und dessen Kapazität zu vergrößern 43 . Dabei standen die Einsparung knapper Devisen und rüstungspolitische Motive im Vordergrund 44 . In Oberhausen stellte man fest, dass Investitionen in Höhe von zwei bis drei Mio. RM nötig wären, um die Grube- und die Konzentratanlage auf eine Jahresförderung von 500.000 t auszubauen 45 und hielt den ungeduldigen Behörden entgegen, »dass die Förderung in Gutmadingen zwar nationalwirtschaftlich wichtig, aber vom Unternehmerstandpunkt 39 Naumann an bad. Finanzminister Mattes v. 17.7.1931, LGRB 13 A/ 148. 40 Bericht Naumann v. Juli 1934 über den Stand der Eisenerzgewinnungsfrage in Gutmadingen, GLA 237/ 32713. 41 Protokoll der Behördenbesprechung v. 7.3.1932, StAF A 96/ 1-3675. 42 Aktennotiz Naumann über das Gespräch am 30.5.1933, LGRB 13 A/ 148. 43 So Paul Reusch rückblickend in: GHH an Bad. BA v. 1.4.1936, LGRB 1/ 28. 44 Paul Reusch hielt der Reichsbahn im Dezember 1933 vor, der Bergbau in Gutmadingen diene nicht den eigenen Unternehmenszielen, sondern verfolge nationalwirtschaftliche Zwecke »nach der devisen-und wehrpolitischen Seite hin«. Kellermann an Naumann v. 22.12.1933, LGRB 13 A/ 148. 45 GHH an Bad. Bergamt v. 8.1.1934, RWWA 130-400 101 304/ 5. 27 4. Die Grube Karl Egon als Rüstungsobjekt der frühen NS-Zeit aus doch ein reines Verlustgeschäft sein wird« 46 . Um den Ball auf das Feld des Staats zurückzuschlagen, beantragte Reusch im Herbst 1933 bei der Reichsbahn, den Erztransporten von der Baar einen dauerhaften Ausnahmetarif einzuräumen, der den üblichen Satz um 75 % unterschritt. Die Reichsbahn leistete gegen die Forderung der GHH hinhaltenden Widerstand. Erich Winnacker, der Leiter der Bergabteilung im Preußischen Wirtschaftsministerium, bot dem Oberhausener Unternehmen zwar seine Hilfe auf politischen Kanälen an, doch lehnte die GHH-Spitze dessen Plan, eine Pressekampagne anzuzetteln, strikt ab. Kellermann hob Ende 1933 hervor, er lege Wert darauf, »daß von Berlin aus nichts geschieht, was unsere Kreise stören kann« 47 . Winnacker sei bekanntlich sehr impulsiv und könne leicht einen unüberlegten Schritt tun, der schwer wieder gutzumachen sei. Reusch versuchte lieber über Reichswirtschaftsminister Kurt Schmitt weiterzukommen. Dessen Mitarbeiter, Ministerialrat Curt Pasel, lud Kellermann für den 9. Februar 1934 48 zu einem Gespräch nach Berlin ein, in dem der GHH-Vorstand ausdrücklich hervorhob, dass das Gutmadinger Projekt »lediglich allgemein wirtschaftliches Interesse habe und dass wir bei Bewilligung unseres Antrages in die Lage versetzt würden, sofort 2-3 Millionen Mark aufwenden zu müssen, die wir an anderer Stelle viel zweckmäßiger und wirtschaftlicher anlegen könnten« 49 . Pasel versicherte, dass bald eine Entscheidung in der Frachttariffrage fallen werde, da »maßgebendste Stellen« darauf drängten. Kurz darauf wurde die Verhandlungsposition der GHH schwieriger: Zwei Hüttenwerke an der Saar, das Neunkircher Eisenwerk und die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke, hatten Ende 1933 eine Interessengemeinschaft für das Doggererzstudium gegründet und ihren Repräsentanten Dr. Wilhelm Lillig nach Baden entsandt. Der suchte Naumann am 14. Februar 1934 auf und berichtete von derart hochfliegenden Plänen, dass Kellermann den badischen Ministerialrat zwei Tage später erschrocken warnte: »Herr Dr. Lillig scheint bei Ihnen Hoffnungen geweckt zu haben, die unmöglich Wirklichkeit werden können. Ich warne ausdrücklich vor dem von Herrn Dr. Lillig gezeigten Optimismus und bitte Sie dringend, die Dinge nach wie vor ganz nüchtern zu betrachten. Ein Unternehmen im Doggererzgebiet mit 700 - 1.000 Arbeitern aufziehen zu wollen, ist eine Utopie« 50 . Um Realismus einkehren zu lassen, hielt Reusch am 6. April 1934 eine Konferenz mit süddeutschen Regierungsvertretern in Donaueschingen ab. Der Freiburger Universitätsprofessor Schneiderhöhn stellte dabei ein Gutachten über die Eisenerzlager zwischen dem badischen Geisingen und dem württembergischen Hechingen vor. Auf Reuschs Gästeliste standen Ministerpräsident Köhler und Naumann sowie der württembergische Finanzminister Alfred Dehlinger. Auch Wilhelm Keppler 51 , der Wirtschaftsbeauftragte des 46 So Kipper lt. Naumann in: Naumann an BFWM v. 11.1.1935, GLA 237/ 32711. 47 Kellermann an Naumann v. 13.12.1933, LGRB 13 A/ 148. 48 Pasel an Kellermann v. 5.2.1934, RWWA 130-400 101 304/ 5. 49 Bericht Kellermanns an Naumann v. 12.2.1934, LGRB 13 A/ 150. 50 Kellermann an Naumann v. 16.2.1934, LGRB 13 A/ 150. 51 Wilhelm Keppler (14.12.1882 Heidelberg - 13.6.1960 Friedrichshafen): Unternehmer, Pg. seit 1927, persönlicher Wirtschaftsberater Hitlers ab 1931, ab 1933 Beauftragter für Wirtschaftsfragen in der NSDAP und Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der NSDAP-Reichsleitung; 1934 mit der Sonderaufgabe Deutsche Rohstoffe betraut, 1936-1937 Dienststellenleiter im VJP, 1938-1945 Präsident des Reichsamts für Bodenforschung. 1945 interniert und 1949 zu 10 Jahren Haft verurteilt. 1951 be- 28 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Abb. 2: Vor der Aufbereitungsanlage in Gutmadingen. Von links: Erich Naumann, Walter Köhler, unbekannt, Wilhelm Keppler, Hermann Kellermann und ganz rechts Paul Reusch. Bild: Familie Naumann. Abb. 1: Besichtigung des Karl-Egon-Bergwerks der Gutehoffnungshütte in Gutmadingen am 6. April 1934. Von links: Ministerialrat Erich Naumann, Ministerpräsident Walter Köhler, Hitlers Wirtschaftsbeauftragter Wilhelm Keppler und der GHH-Vorstandsvorsitzende Paul Reusch. Bild: Familie Naumann. 29 4. Die Grube Karl Egon als Rüstungsobjekt der frühen NS-Zeit »Führers«, zählte zum Kreis der Geladenen. Ihnen kündigte Reusch an, die GHH werde ihren Gutmadinger Betrieb zwar bald wieder aufnehmen, dessen Kapazität aber erst dann erweitern, wenn Klarheit über die Aufbereitungstechnologie herrsche. Kellermanns Notizen zufolge kam es dabei zu einem Disput mit Keppler, der »nicht einsehen [wollte], daß Gutmadingen für die erste Betriebsanlage am besten geeignet sei. Er schützte immer wieder militärische Gründe vor, deren Nichtberechtigung wir allerdings ohne Erfolg nachzuweisen suchten. Auch wies er immer wieder auf das Rennverfahren von Krupp- Grusonwerk hin, das ihm anscheinend sehr am Herzen liegt und dessen Verwertung er namentlich für Wasseralfingen befürwortet. Wir haben versucht, ihm klarzumachen, daß das Rennverfahren voraussichtlich an der Schwefelfrage scheitern würde« 52 . Auch die Karlsruher Regierung konnte dem Konferenzergebnis wenig abgewinnen. Kellermann notierte: »Die badischen Herren waren nicht gerade entzückt […] und versuchten uns immer wieder zu einer sofortigen Entscheidung und Aufnahme des Betriebes in größerem Umfange zu bringen« 53 . Die GHH nahm die Förderung in Gutmadingen am 2. Mai 1934 jedoch nur im alten Umfang wieder auf 54 . Kurz nach der Donaueschinger Konferenz gründete Keppler eine »Kommission zur Untersuchung der Aufbereitungsfrage und Nutzbarmachung süddeutscher Eisenerze« 55 . Das Gremium tagte erstmals am 7. Mai 1934 und organisierte einen Erfahrungsaustausch zwischen den Hüttenwerken und den Anbietern neuer Aufbereitungstechnologien. Hitlers Wirtschaftsbeauftragtem gelang es sogar, Julius Dorpmüller, den Generaldirektor der Reichsbahn, zum Einlenken in der Tariffrage zu bewegen. Am 19. Juli 1934 teilte Keppler Reusch seinen Erfolg mit und drängte diesen, die Anlagen in Gutmadingen nun sofort zu erweitern, denn es »würde sich der Führer, dessen Stellungnahme bei obiger Entscheidung maßgebend war, über eine derartige Mitteilung sehr freuen« 56 . Dorpmüller wollte die Frachtermäßigung aber nur so lange gewähren, wie der Notstand bei der Rohstoffbewirtschaftung und Devisenbeschaffung 57 anhielt, also für maximal zwei oder drei Jahre, was aus Sicht der GHH wohl kaum eine geeignete Grundlage für eine langfristige Anlageinvestition abgab. Der GHH-Aufsichtsrat tagte am 24. Juli 1934 in Freiburg und traf eine taktische Entscheidung. Er gab dem Vorstand Vollmacht, den bestehenden Komplex maßvoll zu erweitern, entschied aber, die Errichtung einer neuen Großanlage weiterhin zurückzustellen, bis die Frachtfrage endgültig geklärt sei und Gewissheit über die künftige Aufbegnadigt. Biografie: NDB 11 (1977) S. 509 f. Siehe auch: Riedel, Eisen und Kohle, S. 15 ff. und Turner, Großunternehmer, S. 244, 293 ff. 52 Aktennotiz Kellermann v. 10.4.1934, RWWA 130-400 101 304/ 5. Für Keppler lag Gutmadingen im Konfliktfall zu nahe an der französischen Grenze. Zum Rennverfahren: Johannsen, Krupp-Rennverfahren. 53 Ebenda. 54 Die Arbeiten beschränkten sich zunächst darauf, das Bergwerk aufzuwältigen. Um die Erzlagerstätte zu erschließen, trieb man ab Juli 1934 den Kapfstollen als Hauptstrecke in den Berg. Östlich von ihm entstanden zwei weitere Stollen im Wolfhag und im Krayloch. Die geringe Zahl von durchschnittlich 57 Arbeitnehmern förderte 1934 13.100 t. Eisenerz. Statistik Ziervogel v. 7.12.1935, StAF F 235/ 5-253. 55 Mitglieder waren GHH, NE, RESW, Mitteldeutsche Stahlwerke und die Humboldt-Werke. Sitzungsbericht v. 7.5.1934, LGRB 13 A/ 150. 56 Keppler an Paul Reusch v. 19.7.1934, RWWA 130-400 101 293/ 22. 57 Kellermann an Naumann v. 22.11.1934, GLA 237/ 32713. 30 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? reitungstechnologie herrsche 58 . Es dauerte weitere fünf Monate, ehe der Vorstand einen konkreten Baubeschluss fasste und diesen der badischen Regierung mitteilte. Dabei hielt es Kellermann für notwendig zu betonen, dass die Erweiterung »nur schweren Herzens […] aus nationalwirtschaftlichen Gründen« 59 erfolge. Der Termin war wohl kein Zufall: Neun Tage zuvor hatte Keppler von Hitler die »Sonderaufgabe Deutsche Rohstoffe« erhalten. Im Frühjahr 1935 begann der Anlagenausbau in Gutmadingen. Es entstanden ein Lagerschuppen, eine Mannschaftsbaracke, eine Wohn- und Schlafbaracke sowie ein Anbau an die bestehende Aufbereitungsanlage. Auch die Transformatorenhäuser an den Berg- und Talstationen der Seilbahn wurden vergrößert 60 . Der Staat förderte die 580.000 RM teure Investition durch Zuschüsse aus der Arbeitslosenversicherung 61 . Am 1. November 1935 nahm der auf eine Jahresleistung von 100.000 t ausgebaute Komplex seinen Vollbetrieb mit 119 Beschäftigten auf. Deren Arbeitsbedingungen waren schlecht: Das Werk verfügte weder über gut beheizbare Büroräume noch existierte eine Waschkaue für die Bergleute 62 . Keppler dürfte in diesem bescheidenen Ausbau wohl kaum einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der aktuellen Rohstoffprobleme gesehen haben. 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan 1934 verschärfte sich die deutsche Rohstoff- und Devisenkrise. Arbeitsbeschaffung und Aufrüstung sorgten für wachsende Investitionen und eine anziehende Binnenkonjunktur, doch blieb die Exportnachfrage derart schwach, dass die Wirtschaft zu wenige Devisen verdiente, um den Import von Nahrungsmitteln und Rohstoffen zu bezahlen. Reichswirtschaftsminister Schmitt, ernannte daraufhin den Ingenieur Dr. Johann Puppe 63 zum Kommissar für die Rohstoffbeschaffung im RWM. Um wenigstens die wichtigsten Güter importieren zu können, führte Schmitts Nachfolger Schacht eine vollständige Devisenbewirtschaftung und Einfuhrbeschränkungen nach staatlich festgelegten Dringlichkeitsstufen ein 64 . Zur Devisenverteilung und Kontrolle der Rohstoffverwendung auf dem Eisensektor wurde am 13. August 1934 im RWM eine Überwachungsstelle für Eisen und Stahl eingerichtet, deren Leitung Dr. Rudolf Scheer-Hennings 65 58 Bericht Naumann v. Juli 1934 über den Stand der Eisenerzgewinnungsfrage in Gutmadingen, GLA 237/ 32713. 59 Kellermann an Naumann v. 22.11.1934, GLA 237/ 32713. 60 Bauakten, GAG. Die GHH ließ die Grundbesitzer enteignen. BFWM an BMI v. 2.2.1935, LGRB 13 A/ 150. 61 Bescheid Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung über 64.125 RM Förderprämie v. 18.4.1935, LGRB 1/ 28. 62 Dieser Umstand führte Anfang 1937 zu einem heftigen Konflikt zwischen GHH und der Karlsruher Bergpolizei, in dem sich Hermann Reusch gegen den Vorwurf »asozialen Verhaltens« verwahrte. LGRB 10 A/ 144. 63 Dr.-Ing. Johann Puppe (14.4.1882 Oberhausen - 19.12.1941 Breslau): Nachruf in Stahl und Eisen 1942, Heft 5 v. 29.1.1942. 64 Zu Schachts neuem Plan: Müller, Grundriß, S. 256 ff.; Ebi, Exportförderung, S. 128 ff.; Petzina, Autarkiepolitik, S. 24 ff. und Kroll, Staatskonjunktur, S. 480 ff. 65 Rudolf Scheer-Hennings (5.4.1897 Kiel - 31.5.1958 Braunschweig): Biografie: Pudor, Scheer-Hennings. 31 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan übernahm. Diese teilte über die Devisenvergabe für Importerze den Hüttenwerken faktisch ihren Hochofenmöller zu 66 . Da Rohstoffkommissar Puppe kaum Erfolge einfuhr, erteilte Hitler seinem Wirtschaftsbeauftragten Keppler am 13. November 1934 den »Auftrag Deutsche Rohstoffe«. In deren Fokus stand auch die Schwerindustrie, die 70 % ihrer Eisenerze aus dem Ausland bezog 67 . Diese Importabhängigkeit kostete nicht nur Devisen, sondern barg auch militärische Risiken: Im Kriegsfall war damit zu rechnen, dass der Gegner die Erzzufuhr unterband und die deutsche Rüstung in die Knie zwang. Um das zu verhindern 68 , hatte Keppler nach Wegen zu suchen, wie Auslandsimporte durch einheimische Rohstoffe ersetzt werden konnten. Die Kosten spielten aus dieser rüstungswirtschaftlichen Sichtweise heraus keine Rolle. Keppler bedrängte die widerstrebende Ruhrindustrie, den Abbau und die Verhüttung deutscher Eisenerze massiv zu forcieren. Als materiellen Anreiz initiierte er eine staatliche Grundprämie 69 , in deren Genuss alle Betriebe kamen, die neue Gruben ausbauten. Kepplers Mitarbeiter Paul Pleiger 70 setzte, seinem Naturell gemäß, jedoch vor allem auf Druck gegenüber der Industrie. Seine Untergebenen, Hütteningenieur Dr. Paul Rheinländer 71 und Bergassessor Oskar Gabel 72 , unterstützten ihn dabei. Keppler selbst gab den neuen Ton vor und drohte den Ruhrhütten am 12. Februar 1935 indirekt »staatliche Zwangsmittel« 73 an. 66 Die Überwachungsstelle griff mitunter massiv in die Erzbeschaffung der Werke ein. Sie ordnete den Ab- und Aufbau von Lagerbeständen oder die Umverteilung der Bezüge innerhalb der Eisenindustrie an. VSt.-Direktor Wenzel trieb der Erzmangel Mitte 1936 zu der Forderung, die Reichsregierung möge die Rohstahlerzeugung kontingentieren oder aber den Werken freie Hand bei der Erzbeschaffung lassen, damit diese in der Lage seien, ihren Kundenaufträgen nachzukommen. Vermerk »Erzversorgung der Saarhütten, Verhandlungen in […] der Überwachungsstelle Berlin vom 3. August 1936«, RWWA 72- 218-2. Siehe auch RWWA 72-148-1. 67 1934 kamen 29,6 % der Eisenerze aus dem Inland, 39 % aus Skandinavien sowie 14,6 % aus Frankreich und Luxemburg. Nach Reintegration der Saar nahmen die Minetteimporte stark zu. Ihr Anteil an der deutschen Eisenerzversorgung stieg von 14,6 % (1934) auf 31,1 % (1935). Gemeinfassliche Darstellung, S. 270. 68 Das starke rüstungswirtschaftliche Motiv wird durch Kepplers tiefe Verärgerung über Presseberichte zum Doggererz-Projekt belegt. Von diesem »wurde der ausdrückliche Wunsch ausgesprochen, über diese Dinge nichts in der Öffentlichkeit verlauten zu lassen«. Vermerk Tgahrt v. 29.10.1935 über sein Gespräch mit Keppler am 24.10.1935, RWWA 72-147-8. 69 Aus dem Haushalt der Reichsarbeitslosenversicherung wurden drei RM je Schicht und Mann gezahlt, sofern die Betriebe arbeitslose Bergleute für die Aus- und Vorrichtungsarbeiten einstellten. Rheinländer reklamierte die Initiative für das Büro Keppler. Rheinländer, Eisen- und Stahlwirtschaft, S. 13. 70 Paul Pleiger (28.9.1899 Buchholz - 22.7.1985 Buchholz): 1925 Gründer und bis 1985 Direktor der Paul Pleiger Maschinenfabrik in Sprockhövel, 1932-1945 NSDAP-Gauwirtschaftsberater, 1934 von Keppler als Mitarbeiter für die Sonderaufgabe Deutsche Rohstoffe akquiriert, 1936 Referatsleiter im Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1937-1945 Vorstand der Reichswerke Hermann Göring, 1949 zu 15 Jahren Haft verurteilt, 1951 freigelassen. Laut Riedel, Eisen und Kohle, S. 361 ein gütiger Mensch mit rauer Schale, laut Mollin, Montankonzerne, S. 72 und 110 ein dynamisch-brutaler Ideologe von proletarischer Herkunft mit rüdem Befehlston. Zu Pleiger auch: Kehrl, Krisenmanager, S. 77 und NDB 20 (2001) S. 526 f. 71 Paul Rheinländer (28.3.1903 Hagen - 13.1.1979 Wolfenbüttel): Eisenhütteningenieur, 1935 von Pleiger in den Stab Keppler geholt, ab 1936 Pleigers Mitarbeiter im Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1940 Hüttendirektor der Reichswerke Hermann Göring. Biografie: NDB 21 (2003) S. 492 f. 72 Kurzbiografie Oskar Gabel: siehe Kap. IX/ 2/ b. 73 Vermerk Kellermann v. 12.2.1935, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 32 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Am 28. Februar 1935 verloren die Länder durch ein Reichsgesetz 74 ihre Kompetenz für den Bergbau an das RWM, das ein halbes Jahr zuvor mit dem Preußischen Wirtschaftsministerium fusioniert worden war. Dessen Bergabteilung bildete nun die vierte Institution, mit deren Wünschen sich die Montanindustrie auseinanderzusetzen hatte. Zwar forderte auch Reichswirtschaftsminister Schacht eine stärkere Verhüttung von Inlandserzen, allerdings in engeren Grenzen als Pleiger. Diese lagen nach Schachts Auffassung dort, wo überhöhte Roheisenkosten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie gefährden konnten. Da Erich Winnacker als Leiter der Bergabteilung gescheitert war, hatte ihn Schacht durch Heinrich Schlattmann ersetzt, was von den Ministerialräten Curt Pasel und Hans Arlt 75 , zwei altgedienten preußischen Bergassessoren, die die zweite Führungsebene der Abteilung darstellten, mit Beifall quittiert worden war. Schlattmann setzte nun Schachts Politik gegenüber der Montanindustrie um: Im Hinblick auf Keppler räumte der Oberberghauptmann zwar ein, dass Deutschlands »Wehrfreiheit« durch einen angemessenen Erzbergbau unterstützt werden müsse, doch könne dies nur in dem Umfange geschehen, wie es wirtschaftlich vertretbar und tragbar sei 76 . Im Mai 1935 kündigte Frankreich den mit Deutschland bestehenden Handelsvertrag 77 . Da die im Juni aufgenommenen Verhandlungen erfolglos blieben, trat am 1. August 1935 ein vertragsloser Zustand zwischen den beiden Staaten ein. In Schachts System der bilateralen Außenwirtschaftsbeziehungen klaffte nun eine Lücke, die zur Folge hatte, dass die notwendigen Minetteimporte für die kürzlich angegliederte Saarindustrie gefährdet waren 78 . Vor diesem Hintergrund fand am 2. August 1935 eine Sitzung des Beirats der Überwachungsstelle für Eisen und Stahl in Düsseldorf statt. Unter Hinweis auf abnehmende Erzvorräte und sinkende Importmöglichkeiten teilten Scheer-Hennings und Arlt den versammelten Stahlindustriellen mit, Schacht habe sie beauftragt, ein Programm über den Ausbau der deutschen Erzförderung zu erarbeiten. Die anwesenden Werksvertreter zeigten sich wenig begeistert. Sie hielten es für unmöglich, die fehlende Menge an Auslandserzen durch eine erhöhte Inlandsförderung zu ersetzen und schlugen vor, Devisenkredite aufzunehmen, um den Erzimport auf dem bisherigen Niveau zu erhalten. Das RWM entschied jedoch am Ende einer kontroversen Debatte, es »käme die Einfuhr von Minette auf Grund langfristiger Kredite für die Saarwerke aus politischen Gründen auf keinen Fall in Frage« 79 und ordnete an, dass die Ruhrwerke ihre Minettebezüge an die Saar abzutreten hätten. Dahinter steckte ein verhandlungstaktisches Motiv: Eine demonstrativ große Erzvorratshaltung an der Saar 80 und ein Inlandsförderprogramm, das 74 RGBl 1935 I S. 315. 75 Kurzbiografien Erich Winnacker, Heinrich Schlattmann, Curt Pasel und Hans Arlt: siehe Kap. IX/ 2/ b. 76 Notiz Tgahrt über das Gespräch mit Schlattmann und Arlt am 7.12.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 77 Schröder, Wirtschaftsbeziehungen, S. 388. 78 Die RESW klagten Mitte 1935, die Erzversorgungslage sei wegen des gekündigten deutsch-französischen Clearingvertrags »sehr ernst […] So konnten wir für den Monat August überhaupt keine Genehmigung zum Bezug von Algringer Erz, unsere Hauptbezugsquelle, erhalten«. Zwischenbericht II. Quartal 1935, KAS RESW F-K 1/ 2101. 79 Vermerk Vosgerau v. 8.8.1935 zur Beiratssitzung v. 2.8.1935, RWWA 72-212-1. Riedel, Eisen und Kohle, S. 42 widmet dieser wichtigen Sitzung, wohl aufgrund seiner damaligen Quellenlage, nur einen einzigen Satz. 80 Obwohl zumindest in Neunkirchen genügend Erzvorräte lagerten, ordnete Scheer-Hennings im Oktober 1935 an, dass die Saarhütten zusätzliche Reserven anlegen müssten, die nur mit seiner Erlaubnis 33 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan auf kurzfristige Erfolge abzielte, sollte den Flankenschutz 81 für die deutsch-französischen Verhandlungen abgeben, zu denen Schacht und Schlattmann mehrfach nach Paris fuhren 82 . Am 7. August 1935 teilte Schlattmann den deutschen Hüttenwerken mit, dass wegen der ernsten Lage auf dem Eisenmarkt ein Programm für eine wesentliche Steigerung des heimischen Erzabbaus zu erstellen sei. So bat er die GHH darum, ihm einen Plan vorzulegen, der die baldige Förderung von süddeutschen Doggererzen »in einigermaßen beträchtlichem Umfange« 83 vorsah. Die anderen Werke erhielten ähnliche Schreiben 84 . Schlattmann wies ausdrücklich darauf hin, dass es um die Verhüttung von Roherz gehe und dass es die dringlich gewordenen Bedürfnisse nicht zuließen, kostbare Zeit mit langwierigen Aufbereitungsversuchen zu verlieren. Daraufhin fand am 13. August 1935 im Essener Hotel Kaiserhof eine Konferenz von Rohstoff-Managern der GHH, der Vereinigten Stahlwerke und von Krupp statt, an der als einziger Saarindustrieller Hermann Röchling teilnahm. Auf ihr wurde eine gemeinsame Reaktion auf die Forderungen Schlattmanns und Kiegels besprochen. Hermann Wenzel, der Direktor der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke, machte einleitend das Unbehagen der Ruhrindustrie über die Vorgaben des RWM deutlich und führte aus, dass die Verwendung großer Mengen inländischer Roherze die Roheisenerzeugung im normalen Hochofenprozess stören müsse. Die von Röchling vorgeschlagene Produktion von Vorschmelzeisen 85 oder von Luppen nach dem Krupp-Renn-Verfahren böten leider auch keinen Ausweg, denn sie hätten den Nachteil, dass das Endprodukt stark mit schädlichen Bestandteilen, insbesondere mit Schwefel, angereichert sei und daher Schwierigkeiten bei der Weiterverarbeitung entstünden. Da Wenzels Meinung wohl Opinio communis war, stand am Ende der Sitzung nicht das von Schlattmann gewünschte Programm zur sofortigen Verhüttung großer Mengen inländischen Roherzes, sondern ein kostenintensives Gesamtprojekt, das den zeitraubenden Neu- und Ausbau von Erzaufbereitungsanlagen einschloss. Die Stahlindustriellen verständigten sich am 13. August 1935 darauf, dem RWM einen gemeinsamen Plan vorzulegen, der eine Erhöhung der inländischen Erzförderung um 5,15 Mio. t Roherz vorsah, wovon 4,3 Mio. t aus den Grubenbetrieben der Ruhrwerke und davon wiederum 1,6 Mio. t, also mehr als ein Drittel, aus dem badischen Feldesbesitz der GHH stammen sollten. Die anfallenden Investitions- und Betriebskosten wollte das Oberhausener Unternehmen nur insoweit tragen, als davon der Ausbau der Grube und der Aufbereitungsanlage in Gutmadingen auf eine Jahreskapazität von 600.000 t betroffen war. Für die darüber hinaus gehende Menge von 1 Mio. t sollte eine verbraucht werden dürften (PdB Eisenindustrie/ RWM v. 22.10.1935, RWWA 72-147-8). Das Motiv solcher Maßnahme waren stets »handelspolitische Gründe gegenüber den Franzosen. (Es sollte demonstrativ den Franzosen klargemacht werden, dass sie nicht einseitig in der Lage seien, durch plötzliche Einstellung ihrer Minettelieferung die Saarbetriebe stillzulegen)«. Vermerk Betzhold v. 30.7.1937, RWWA 72-218-2. 81 »Die Produktion in Zollhaus ist notwendig als Druckmittel gegen Frankreich«. MR Arlt (RWM) lt. Vermerk eines bad. Regierungsbeamten v. Dezember 1935, LGRB 41/ 1. 82 Lillig berichtet davon in seiner Aktennotiz v. 14.10.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 83 RWM an GHH v. 7.8.1935, GLA 237/ 32713. 84 So beispielsweise die Saarhütten. Siehe dazu: Kap. III/ 2/ c. 85 Siehe dazu: Kap. III/ 2/ b. 34 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? zweite Gruben- und Aufbereitungsanlage gebaut werden, deren Erzeugung anderen Hüttenwerken zur Verfügung stehe, da der Bedarf der GHH aus ihrer Gutmadinger Anlage bereits restlos gedeckt sei. Über die Frage, wer die Hauptlast des Programms tragen sollte, das Investitionen in Höhe von insgesamt 27 Mio. RM auslöste, die je zur Hälfte auf den notwendigen Ausbau der Erzgruben und den Neubau von Aufbereitungsanlagen entfielen, erzielten die Industriellen weitgehend Einigkeit: »Allgemein ist man der Ansicht, daß die Industrie die gesamten zu investierenden Gelder nicht aufbringen kann und daher von seiten des Reiches unterstützt werden muß. Herr Wenzel ist der Meinung, daß man von dem Reich nicht den gesamten Betrag verlangen könne. Die Industrie müßte einen bestimmten, noch näher festzusetzenden Betrag selber investieren. Er sei der Meinung, daß die Kosten für den Ausbau der Gruben grundsätzlich von dem Bergwerksbesitzer getragen werden müßten. Wie dieser sich die Gelder dafür beschaffe, sei eine andere Sache. Für die weiteren Anlagen müßte die Reichsregierung die Gelder à fonds perdu zur Verfügung stellen und das Eigentum an den Anlagen erhalten. Diesen Gedankengängen von Herrn Wenzel wurde allgemein grundsätzlich zugestimmt« 86 . Wenzel setzte damit auf ein Konzept, das die Programmdurchführung auf staatseigene Erz- und Aufbereitungsbetriebe abwälzte, die ihrerseits von der privaten Industrie gepachtet werden sollten: Dr. Ernst Poensgen, der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Stahlwerke, hatte bereits unmittelbar nach der Düsseldorfer Beiratssitzung vom 2. August 1935 Dr. Reichert, den Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, gebeten, Erkundigungen über das aktuelle Programm zur Errichtung reichseigener Betriebe in anderen Rohstoffbranchen einzuholen 87 . Diese basierten auf dem 1934 erlassenen Gesetz zur Übernahme von Reichsgarantien, das den Reichsfinanzminister ermächtigte, zum Ausbau der deutschen Rohstoffwirtschaft Verträge mit der Privatindustrie zu schließen, um betriebswirtschaftlich unrentable Investitionen in sog. Autarkiebranchen zu initiieren. Der Staat übernahm dabei teilweise oder ganz die Risiken und Kosten der Kapitalanlage oder der Produktion 88 . Mitte August 1935 wurden die Pläne Reicherts und der GHH auf einer Sitzung der Ruhrwerke in Berlin diskutiert 89 und danach in einer Denkschrift über die Erhöhung der inländischen Eisenerzförderung zusammengefasst, die Wenzel Mitte September persönlich im RWM abgab. Die Ruhrwerke rechneten dem RWM in ihrem Memorandum vom 10. September 90 die Kosten vor, die an ihren Gruben- und Hüttenstandorten entstehen würden, wenn sie die Eisenerzförderung in ihrem Verantwortungsbereich bis Jahresende 1936 um 4,3 Mio. t (1,1 Mio. t Fe) steigern und diese zusätzlichen Mengen verhütten würden: Dies waren einmalige Investitionskosten in Höhe von 40,5 Mio. RM und eine dauerhafte Erhöhung der Produktionskosten von 19 Mio. RM pro Jahr. Die Werke lehnten es ab, diese Bürde 86 PdB am 13.8.1935 im Essener Hotel Kaiserhof, KATK A/ 13271. Teilnehmer: H. Röchling (RESW), Kellermann, Lübsen und Kipper (GHH), Klotzbach und Sohl (Krupp), Wenzel und Kyllmann (VSt.). 87 Reichert an E. Poensgen v. 5.8.1935, RWWA 72-147-8. 88 RGBl 1934 I S. 1253. Zum Thema: Scherner, Logik und ders., Gesetz. 89 Siedersleben an Vosgerau v. 22.8.1935, RWWA 72-212-1. Planzahlen siehe Anhang X/ 2. 90 Ruhrwerke an RWM v. 10.9.1935, GLA 237/ 32713. 35 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan selbst zu tragen und erhoben die Forderung, auf dem Verhandlungswege zu klären, wer diese Investitionen finanzieren und ihnen die »nachgewiesene Dauerbelastung« 91 finanziell erstatten sollte. Schlattmann erhielt zudem auch ein Memorandum der GHH, in dem sie über ihre bisherigen Aufschlussarbeiten Bericht erstattete. Darin gab sie an, dass es technisch möglich sei, ihren Erzabbau in Gutmadingen bis Jahresende 1936 auf 1,6 Mio. t zu erhöhen, »sofern die zur Verarbeitung dieser Erze erforderlichen Aufbereitungsanlagen bis dahin fertiggestellt werden können. Das ist aber kaum zu erwarten« 92 . Das GHH-Papier bezifferte die Verhüttungskosten der Erze auf einen Betrag, der die üblichen Roheisenselbstkosten um 50 % bis 85 % exorbitant überschritt. Daher stellte man die Verwirklichung aller Planungen ausdrücklich unter den Vorbehalt, dass die finanziellen Möglichkeiten dazu geschaffen würden, was ein deutlicher Hinweis auf den Reichshaushalt war. Nach Einschätzung des RWM rechnete die Ruhr fest mit staatlichen Zahlungen zur Finanzierung des Erzprogramms. Ministerialrat Arlt hielt im September 1935 fest, die Werke wollten »eine eigene Gesellschaft gründen, die durch Förderprämien etc. unterstützt werden soll« 93 . Über die nachfolgenden Verhandlungen der Ruhrwerke mit dem Reich berichtete im Oktober 1935 das Vorstandsmitglied der Mannesmann AG, Hermann Winkhaus, dass sie »zum Teil einen recht scharfen Charakter angenommen haben. Die zurückhaltende oder gar ablehnende Stellung der Hochofenleute gegenüber der Forderung, deutsche Erze in erheblichem Masse einzusetzen, wird sehr übel vermerkt und hat zu der Drohung Anlass gegeben, dass scharf durchgegriffen werden müsse, um das Problem der deutschen Erze zu lösen« 94 . Am 30. November 1935 legte das RWM den Ruhrwerken ein eigenes Erzprogramm vor, das deren Vorschlag vom 10. September zwar aufnahm, aber rund 40 % höhere Förderziele formulierte 95 ; Anfang Dezember 1935 verständigten sich Schlattmann und die Ruhrindustriellen über einen zweistufigen Plan, der die zusätzliche Förderung von 5,8 Mio. t Inlandserz (1,7 Mio. t Fe) aus dem Verantwortungsbereich der Ruhrwerke vorsah. Letztere hatte nicht nur Zugeständnisse bei den Mengen gemacht, sondern, entgegen den Bedenken der Hochofen-Ingenieure, Schlattmann zugesichert, ihrem Möller im Rahmen der ersten Planstufe 10 % deutsches Roherz beizufügen 96 . Für die Verarbeitung der restlichen Erze sollten Aufbereitungsanlagen gebaut werden. Die Industriellen gaben jetzt auch ihre Forderungen nach staatlichen Zahlungen auf 97 . Der Neunkircher Generaldirektor Erich Tgahrt, der sich am 7. Dezember 1935 von Kel- 91 Ruhrwerke an RWM v. 10.9.1935, GLA 237/ 32713. Der Inhalt der Denkschrift wird von Haus, Lothringen, S. 141 ff. und Riedel, Eisen und Kohle, S. 46 ff. ausgiebig erörtert. 92 Undat. Memorandum »Eisenerz-Aufschlussarbeiten der GHH« (Sommer 1935), GLA 237/ 32713. 93 So MR Arlt lt. Bericht Otto Berger (RESW) über seinen Besuch beim RWM am 19./ 20.9.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. Siehe dazu auch Kap. III/ 2/ c. 94 Niederschrift Nr. 2 über die erweiterte Vorstandssitzung am 14.10.1935, SZ/ MA M 12.016.1. 95 Vermerk Tgahrt v. 7.12.1935 über seine Gespräche mit Kellermann, Wenzel, Schlattmann und Arlt, KAS RESW F-K 57/ 2526. 96 Kellermann an Pleiger v. 22.10.1935, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 97 Am 14.10.1935 erklärte Kellermann, »dass die GHH jede Subventionierung ablehnt und das Opfer für die teurere Roheisenerzeugung aus sauren heimischen Erzen schweren Herzens auf sich nimmt« (Aktennotiz Lillig v. 14.10.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526). Ob Kellermanns heroische Haltung Folge von Schlattmanns Drohung war, der Ruhr eine Umlage zugunsten der Saarhütten aufzuerlegen, ist ungewiss. Siehe dazu: Kap. III/ 2/ c. 36 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? lermann, Wenzel, Schlattmann und Arlt über die Vereinbarungen des RWM mit der Ruhrindustrie unterrichten ließ, hielt in seinem Vermerk fest, die Werke hätten »weder einen Zuschuss zu den Baukosten noch zum laufenden Betrieb verlangt. Kellermann schätzt den Kapitalbedarf auf RM 25 Mill.« 98 Am 24. Januar 1936 trat dann das sog. Schlattmann-Programm 99 in Kraft. Der größte Teil der geplanten Fördersteigerung entfiel auf den süddeutschen Doggerbezirk und auf die Kreideerze von Salzgitter. Geht man der Frage nach, warum die Ruhr ihre Position in der Subventionsfrage räumte, so wird man Pleigers Verhalten bedenken müssen: Letzterer dürfte von den Aktionen Kiegels und Schlattmanns Anfang August 1935 überrascht worden sein, weshalb er drei Wochen später, um Flagge zu zeigen, selbst tätig geworden war. Am 21. August hatte er den Ruhrwerken vorgeworfen, trotz wortreicher Zusagen wenig für die Verhüttung inländischer Eisenerze getan zu haben und sie in rüdem Ton aufgefordert, ihm einen verbindlichen Plan vorzulegen, der auf eine Verdreifachung der inländischen Eisenerzförderung bis Ende 1936 hinauslief 100 . Trotz Schachts Zuständigkeit für die Erzfrage konnten die Ruhrindustriellen Pleiger nicht ignorieren, da er hartnäckig insistierte und eigene Besprechungen ansetzte, in denen er die Forderung nach einer zügigen Erhöhung der inländischen Eisenerzförderung um 10 Mio t (3 Mio. t Fe) 101 erhob. Im Oktober 1935 hatte Pleiger die Ruhrindustriellen extrem unter Druck gesetzt, ihnen »Sabotage« 102 vorgeworfen und sie beschuldigt, dass sie aus »Gemeinheit« 103 hinter den Planungen der Saarhüttenwerke zurückblieben, die ihm jüngst in Berlin ein beeindruckendes Erzabbauprogramm für Baden 104 präsentiert und dabei niedrige Abbaukosten und hohe Förderzahlen genannt hätten. Man wird annehmen dürfen, dass es die Ruhr unter diesen Umständen vorzog, Differenzen mit dem RWM zu vermeiden und sich rasch mit Schlattmann zu einigen. Das RWM teilte dem Karlsruher Finanz- und Wirtschaftsministerium am 2. März 1936 die Förderziele des Schlattmann-Plans mit und forderte es zur Vollzugsüberwachung auf 105 . Aus badischer Sicht fielen die Planinhalte enttäuschend aus, denn die GHH 98 Vermerk Tgahrt v. 7.12.1935 über seine Gespräche mit Kellermann, Wenzel, Schlattmann und Arlt, KAS RESW F-K 57/ 2526. 99 Erlass des RWM III.7509/ 35 v. 24.1.1936, LGRB 10 A/ 115. 100 Pleiger an die Arbeitsgemeinschaften der Ruhrhütten und der Saarhütten sowie an einzelne Hüttenwerke v. 21.8.1935, NWA 2/ 10141. Zum Vorgang ausführlich: Riedel, Eisen und Kohle, S. 41 ff. Riedel hat allerdings eine stark auf Pleiger ausgerichtete Sicht der Dinge, die Schlattmanns Rolle weitgehend unbeachtet lässt. 101 So sahen sich die Ruhrindustriellen am 9.10.1935 Pleigers und Kepplers Forderung ausgesetzt, es sollten bei einer jährlichen Roheisenerzeugung von 12 Mio. t (entsprechend 11,4 Mio. t Fe) rund 3 Mio. t Fe (= 26,5 % des Fe-Gehalts) durch saure deutsche Erze ersetzt werden Dies hätte bei einem 70%igen Produktionsanteil der Ruhr eine zusätzliche Inlandsförderung von 2,1 Mio. t Fe hervorgerufen. Ersetzt werden sollten Auslandserze, die große Schlackemengen ergaben. Dies waren u.a. die Sorten Wabana, Normandie, Minette. Vermerk Bansen u.a. über die Sitzung am 9.10.1935, RWWA 72-147-8. 102 So Pleiger lt. Bericht über die Sitzung in Berlin am 9.10.1935, RWWA 130-400 101 303/ 5. 103 So Pleiger lt. Kellermanns Bericht über die Sitzung in Bochum am 5.10.1935, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 104 Siehe Kap. III/ 2/ c. 105 RWM an BFWM v. 2.3.1936, LGRB 10 A/ 115. In einer Besprechung am 19.5.1936 in Berlin wurden die Landesbehörden von Schlattmann und Arlt auf ihre Aufgaben eingeschworen. Niederschrift zur Sitzung v. 19.5.1936 über die Durchführung und Überwachung des Erzförderungsplanes für zusätzliche Förderung von deutschen Eisenerzen, LGRB 1/ 28. 37 5. Von der Kündigung des deutsch-französischen Handelsvertrags zum Schlattmann-Plan verlegte ihren Förderschwerpunkt nach Württemberg: Da sich die Erze aus der bei Geislingen gelegenen Grube Karl unaufbereitet verhütten ließen 106 , wurden die Abbauplanungen dort auf 1 Mio. t gesteigert. Die Förderung in Gutmadingen dagegen sollte sich auf maximal 600.000 t in der zweiten Stufe des Schlattmann-Plans beschränken. Vorsorglich stellte die GHH im März 1936 beim Arbeitsamt einen Antrag auf Grundförderung für den Bergwerksausbau 107 in Gutmadingen. Der GHH-Vorstand kam von seinem Plan jedoch bald wieder ab. Der Versuchsbetrieb auf der Baar zeigte nämlich, dass Erzabbau, Aufbereitung und Verhüttung des gewonnenen Konzentrats in den Oberhausener Hochöfen zwar technisch befriedigend verliefen, in wirtschaftlicher Hinsicht aber katastrophal ausfielen. Reusch und Kellermann teilten der badischen Regierung daher am 7. August 1936 mit, dass »wir durch die jetzt vorliegenden Betriebsergebnisse bezüglich der wirtschaftlichen Ausnutzung der Lagerstätte in unseren Hoffnungen auf das schwerste enttäuscht worden sind« 108 . Deshalb sei an die ursprünglich beabsichtigte Betriebsvergrößerung auf absehbare Zeit nicht mehr zu denken. Die GHH änderte ihr Urteil nicht mehr: Bis zur Einstellung des Betriebs im Jahre 1942 verblieb es bei einer Belegschaft von etwa 120 bis 190 Mann, die höchstens 125.000 t Erz pro Jahr abbauten. 106 Niederschrift der Besprechung Naumann/ Hermann Reusch v. 23.11.1935, LGRB 13 A/ 150. 107 GHH an Präsidenten des Landesarbeitsamts Südwest v. 7.3.1936, LGRB 1/ 28. 108 GHH an BFWM v. 7.8.1936, RWWA 130-400 101 304/ 5. Ursachen dafür waren häufiger Personalwechsel, der aus geologischen Gründen schwierige Erzabbau und ein hoher Verschleiß der Aufbereitungsanlage. Hinzu kam, dass etwa 30 % des geförderten Eisens verloren ging und in die Abraumberge wanderte. Die Abbaukosten pro t geförderten Erzes betrugen nicht die erwarteten 1,50 RM, sondern fielen um 85 % höher aus. Auch die Aufbereitung kostete pro t erzeugten Konzentrats nicht 3,10 RM, wie von der Studiengesellschaft für Doggererze geschätzt, sondern rund 8 RM. Kellermann an Keppler v. 15.8.1936, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 38 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Abb. 3: Erzkonzessionsgebiete und Eigentumsverhältnisse auf der Baar um 1925. B.L. = Badischer Landesfiskus; F.F. = Fürst zu Fürstenberg; J.B. = Gewerkschaft Johann Baptist in Nürnberg; J.E. = Jura Eisenerz-Bergbau GmbH (in fürstlichem Eigentum). Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 39 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Abb. 4: Lage der Erzkonzessionsgebiete auf der Baar 1940. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 40 II. Ein neues Lothringen auf der Baar? Abb. 5: Plan des Karl-Egon-Bergwerks in Gutmadingen (ca. 1936). Am Mundloch des Stollens wurde das Erz in einer Brecher- und Siebanlage trocken vorzerkleinert, um dann seinen Weg über eine 800 m lange Seilbahn in die Nassaufbereitungsanlage zu nehmen, deren Betriebswasser die Donau lieferte. In einer Trommel wurde das Material gewaschen und die Erzträger vom Schlamm getrennt. Letzteren lagerte man in Klärteichen ab, die westlich des Bahnhofs angelegt worden waren. Der Ausbauzustand 1931/ 32 ist in Rosa eingezeichnet. Im Frühjahr 1935 wurde die Grube in einer zweiten Stufe auf 100.000 t Förderkapazität erweitert (in Blau), der im März 1936 eine dritte Stufe (in Gelb) mit 600.000 t hätte folgen sollen. Das etwa 3,8 Mio. RM teure Erweiterungsprojekt sah auch den Bau weiterer Seilbahnen und einer großen Aufbereitungsanlage vor. Die Energie lieferte eine bereits existierende 15.000 Volt-Leitung aus dem Überlandkraftwerk Laufenburg. Technische Details zur Anlage bei Glunk, Gutmadingen. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 41 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) 1. Ausgangslage: Saarwerke im Umbruch Ende 1933 meldeten sich in Karlsruhe zwei weitere Interessenten für die Eisenerze der Baar. Es waren das Neunkircher Eisenwerk (NE) und die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke (RESW) aus Völklingen. Beide Unternehmen lagen im Saargebiet und waren Teil einer regional dominierenden Montanindustrie, die seit den 1880er Jahren lothringische Minette mit saarländischer Kohle zu Thomasstahl verarbeitete. Ihre Eigentümer, die Familien Röchling, Böcking und Stumm, besaßen Minettegruben im deutschen Teil Lothringens und hatten dort im Laufe der Zeit weitere moderne Hochofenwerke errichtet, die Roheisen für ihre Stahlwerke an der Saar zulieferten. Die deutsche Niederlage von 1918 veränderte die Besitzverhältnisse: Der Versailler Vertrag schlug das Saargebiet 1920 für 15 Jahre dem französischen Wirtschaftsraum zu; danach sollte ein Plebiszit über seine Staatszugehörigkeit entscheiden. Durch Enteignung büßten die deutschen Saarhütten 1919 ihre lothringischen Minettegruben und Hochofenwerke zugunsten französischer Firmen ein. Zugleich übernahm die französische Regierung die Saarkohlegruben in Staatseigentum und nutzte die von ihr kontrollierte Brennstoffversorgung der saarländischen Stahlwerke als Druckmittel gegenüber den deutschen Aktionären, ihre Kapitalmehrheit an französische Unternehmen abzutreten 1 . a) Das Neunkircher Eisenwerk 1920 gab die Stummgruppe 60 % ihrer Anteile an den Werken in Neunkirchen, Dillingen und Brebach (Halbergerhütte) ab. Das Herzstück ihres Besitzes bildete das NE, das Erzfelder und ein Hochofenwerk im lothringischen Ueckingen besessen hatte. Durch Gerichtsurteil verlor das NE 1919 seine Eigentumsansprüche an die »Forges et Aciéres de Nord et Lorraine« (Norloron), eine eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft. Norloron übernahm von Stumm zudem 60 % der Aktien am NE und sicherte sich das Belieferungsmonopol für das Neunkircher Werk über einen Erzliefervertrag. Das Interesse des neuen Haupteigentümers hielt allerdings nicht lange an: Durch die 1920 vollzogene Integration der lothringischen und saarländischen Montanindustrie in den französischen Eisenmarkt waren hohe Überkapazitäten entstanden. Norloron verspürte deshalb wenig Neigung, notwendige Investitionen in Neunkirchen zu finanzieren. Das NE geriet 1 Zur Geschichte der saarländischen Montanindustrie: Banken, Industrialisierung und Latz, Schwerindustrie. Zeitgenössische Literatur: Emmrich, Nachkriegsentwicklung; Seibt, Rückgliederung und Kurz, Standortproblem. 42 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) dadurch in eine schwierige Lage, die sich verschärfte, als 1925 sein Minderheitsaktionär, die Stumm-Gruppe, eine existenzielle Krise erlitt 2 . 1926 fand sich in der Otto Wolff oHG ein neuer Investor für das stark angeschlagene NE. Die Kölner Unternehmensgruppe trieb Eisengroßhandel und hielt zahlreiche Industriebeteiligungen. Das Motiv für ihr Neunkircher Engagement war strategischer Natur: 1918 hatten die Stahlproduzenten an Rhein und Ruhr begonnen, Werkshandelsfirmen zu gründen, um die freie Konkurrenz auszuschalten. Mit dem Ziel, seine Abhängigkeit von den Ruhrkonzernen zu mindern und die Aktivitäten seiner Gruppe in Süddeutschland zu verstärken, legte sich Wolff mit dem NE eine eigene Produktionsbasis zu. Von der angeschlagenen Stummgruppe übernahm er auch den Eisenhandel des NE 3 . Wolff initiierte ab 1926 ein großes Rationalisierungs- und Erweiterungsprogramm, das die Kapazitätsengpässe bei der Roheisenerzeugung reduzierte. Die Investitionen kosteten bis Ende 1933 280 Mio. FF 4 und wurden durch Abschreibungen und Kapitalerhöhungen finanziert. Weil Norloron an Letzteren nicht teilnahm, sank sein Aktienanteil bis 1932 auf etwa 3 % ab. Mit jeweils ca. 48,5 % Kapitalanteil 5 waren Stumm und Wolff formell gleichberechtigte Partner. Da sich Wolff aber mit etwa 10 % an der Stumm GmbH beteiligt hatte, verfügte seine Gruppe über 53,3 % der Stimmrechte 6 im NE. Als Mehrheitsaktionär und Inhaber des Alleinverkaufsrechts für die Erzeugnisse des NE 7 besaß Otto Wolff einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäftspolitik des Unternehmens. 1926 berief der Aufsichtsrat Erich Tgahrt 8 als kaufmännischen Generaldirektor in den Neunkircher Vorstand. Ihm stand ab 1928 der luxemburgische Staatsangehörige Eugen Kugener als technischer Generaldirektor zur Seite. Mit 6.060 Mitarbeitern im April 1930 war das NE der mit Abstand größte Betrieb in der Wolff-Gruppe, die 1938 etwa 5 % Anteil an der deutschen Rohstahlerzeugung besaß 9 . Das NE hatte eine Kokerei, ein Hochofen-, ein Thomasstahl-, ein Siemens-Martin- und ein Walzwerk, in dem Schienen, Bleche, Stab- und Bandeisen oder Draht hergestellt wurden. Das Thomasstahlwerk verfügte 1934 über eine Produktionskapazität von 600.000 t pro Jahr, was zu diesem Zeitpunkt etwa einem Viertel des saarländischen und ca. 4 % des deutschen Volumens entsprach 10 . Weil es 1919 sein Hochofenwerk in Ueckingen verloren hatte, war die Roheisenkapazität des Werks trotz der seit 1926 vollzogenen Ausbauten 11 knapp. Zur Auslastung des Stahlwerks blieb man auf Roheisenzukäufe von außen 2 Aktenbefund BAB R 3101/ 17966; siehe auch: Latz, Schwerindustrie, S. 151 und Ufermann, Stahltrust, S. 76-79. 3 Vertrag Stumm GmbH - NE v. 25.2.1926 und BP Wolff oHG - Stumm GmbH v. 26.2.1926, RWWA 72-320-2. 4 PB-JB NE 1933, RWWA 72-294-1. 5 Undatierter Vermerk VGK, RWWA 72-217-18. 6 Aktenbefund RWWA 72-117-2. 7 Dem lag ein bis zum 30.9.1956 laufender Konsortialvertrag zwischen der Gebr. Stumm GmbH und der Firma Otto Wolff zugrunde. NE-ARP v. 27.3.1940, RWWA 72-146-2. 8 Kurzbiografien Erich Tgahrt und Eugen Kugener: siehe Kap. IX/ 1/ a. 9 Von den rund 1,1 Mio. t Rohstahlerzeugung der Wolff-Gruppe im Jahre 1938 entfielen 61 % auf das NE und der Rest auf die Eisenhüttenwerke in Bochum (15 %), in Rasselstein (14 %) und in Thale (10 %). RWWA 72-43-3. 10 Der Bilanzprüfungsbericht des NE gibt für 1933 50.000 t pro Monat als einheitliche »Normalkapazität« von Hochofen- und Thomasstahlwerk an, die um 20 % steigerungsfähig sei. RWWA 72-294-1. 11 Bezogen auf 1919 verdoppelte sich der Hochofenraum. Wolff an Flick v. 30.12.1935, RWWA 72-147-8. 43 1. Ausgangslage: Saarwerke im Umbruch angewiesen 12 . 1932 gerieten zunächst das NE 13 und ein Jahr später auch die Wolff-Gruppe in den Strudel der Weltwirtschaftskrise. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass ein Konkurs der Kölner Zentrale auch die von ihr beherrschten Industrieunternehmen in den Abgrund reißen würde 14 , entschloss sich die Reichsregierung Anfang 1934 zur Rettung der Gruppe und setzte den 39jährigen Bankangestellten Rudolf Siedersleben 15 als Generalbevollmächtigten ein. Siedersleben, von Wolff nach erfolgreicher Sanierung 1936 zum Teilhaber gemacht, gab bis 1945 den Ton in der Gruppe und in deren Industrieunternehmen an. Im Februar 1935 zog er - zunächst als Gast - in den Aufsichtsrat des NE ein. Mit ihm nahm eine hochbegabte Persönlichkeit in den Gremien Platz, die stets liberale ordnungspolitische Ansichten vertrat, in der Praxis aber dem NS-Staat ein außerordentliches Maß an Servilität und Kooperationsbereitschaft entgegenbrachte 16 . b) Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke GmbH waren ein Konzern mit Sitz in Völklingen, dessen Kern aus einem Massenstahlwerk, der RESW AG, und der Edelstahlwerk Röchling AG, bestanden. Beide Aktiengesellschaften befanden sich vollständig im Besitz der GmbH, die ein reines Familienunternehmen war. Mit zwei Kokereien, fünf Hochöfen, einem Thomasstahlwerk, einem Siemens-Martin-Werk, Walzwerken, einer Gießerei und zahlreichen Betrieben zur Verwertung der Nebenprodukte verfügten die RESW über eine vergleichbare Kapazität wie das NE. 1934 produzierte das Völklinger Werk rund 520.000 t Rohstahl und beschäftigte 5.146 Arbeitnehmer 17 . 1919 hatte die Eigentümerfamilie ihr lothringisches Hochofenwerk, die Carlshütte in Diedenhofen, und die dazu gehörende Erzbasis, zwei ergiebige Erzgruben in Algringen, an die »Société Lorraine Minière et Métallurgique« verloren 18 . Zwar konnte das Völklinger Werk weiterhin große Mengen kalkiger Minette aus Algringen beziehen 19 , doch 12 Die Roheisenzukäufe des NE sanken von 44.260 t (1935) auf 15.111 t (1937). NE an RWM v. 2.11.1938, RWWA 72-219-6. Zur Produktionsentwicklung der Saarhütten: Latz, Schwerindustrie, S. 233, Tab.25. 13 Das NE hatte sich bei Firmenübernahmen übernommen. BAB R 2/ 16168 und Latz, Schwerindustrie, S. 195. 14 Bericht Hans v. Flotow über die Firma Otto Wolff (29.12.1933), BAB R 2/ 16372. Siehe auch: Dülfer, Gruppe. 15 Kurzbiografien Otto Wolff und Rudolf Siedersleben: siehe Kap. IX/ 1/ a. 16 1938 stellte Siedersleben einen Lobbyisten in Berlin ein, um »zu vermeiden, dass von meiner Firma etwa Massnahmen eingeleitet oder erwogen werden, die den Absichten massgebender Stellen nicht oder nicht hinreichend entsprechen, andererseits mich durch rechtzeitige Kenntnis von den Plänen und Erwägungen der massgebenden Instanzen in die Lage zu versetzen, von vorn herein positiv eine gemeinwirtschaftlich und privatwirtschaftlich zutreffend ausgerichtete Geschäftsgebarung beizubehalten, und drittens allgemein das in meinen Kräften Stehende zu tun, um die bestmögliche Übereinstimmung mit den gedachten Instanzen auch unter ihrer sich zunehmend verstärkenden Einwirkung auf das wirtschaftliche Geschehen sicherzustellen«. Siedersleben an NE-Vorstand v. 22.7.1938, RWWA 72-233-9. 17 Geschäftsbericht RESW AG 1934, KAS RESW Ber-K 13/ 86. Zur Unternehmensgeschichte: Seibold, Röchling. 18 Emmrich, Nachkriegsentwicklung, S. 65. 19 Die RESW bezogen Ende der 1920er Jahre ihre kalkige Minette hauptsächlich aus den Gruben Algringen und La Mourière bei Pinnes und ihre kieselige Minette aus Hussigny-Godbrange. KAS RESW A-K 7/ 81. 44 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) musste es nun stark erhöhte Preise zahlen und jährliche Mehrkosten von bis zu drei Mio. RM tragen 20 . Die RESW regierten darauf mit einem Innovationsschub 21 , der die Produktionskosten senkte und eine effizientere Nutzung des knapp gewordenen Hochofenraums erlaubte. Von 1926 bis 1933 investierte die Familie Röchling etwa 27,5 Mio. RM 22 in ihr Völklinger Hüttenwerk, was allerdings nur etwa die Hälfte der Summe war, die Otto Wolff zur gleichen Zeit für die Modernisierung des NE ausgab 23 . Dennoch reichten die Investitionen in Völklingen offenbar aus, um das Werk rentabel zu erhalten 24 . Bei den Berliner Behörden herrschte jedoch der Eindruck vor, dass der Betrieb unorganisch aufgebaut, veraltet und unrentabel sei 25 . 1924 geriet der Konzern in Finanzprobleme 26 . Aus politischen Gründen 27 gaben Reich und Preußische Staatsbank zwischen 1924 und 1926 insgesamt 37 Mio. RM Kredit an den Röchling-Konzern. Dieser tat sich mit der Tilgung schwer und schuldete dem Staat auch 1935 noch über 22 Mio. RM 28 . Seit 1926 bestimmte Dr. h.c. Hermann Röchling 29 als Vorsitzender der RESW-Geschäftsführung den Kurs des Konzerns. Da er nicht über die Mehrheit der Stimmrechte verfügte, war er bei nahezu allen Entscheidungen, die sich auf künftige Dividendenzahlungen auswirken konnten, von denen ein Teil des weit verzweigten Familienstamms lebte, auf die Zustimmung seines Aufsichtsrats angewiesen. Dennoch agierte er äußerst machtbewusst und verquickte seine politischen und unternehmerischen Ambitionen stark. Der Kommerzienrat war Nationalist und ein entschiedener Gegner aller Ansprüche Frankreichs auf das Saargebiet 30 . Schon vor der Rückgliederung des Saarlands näherte er sich dem Nationalsozialismus stark an. Im November 1931 beklagte der SPD-Politiker Hermann Petri 31 , bei Röchling herrsche ein verwerflicher und schmutziger »Gesinnungsdruck«. Dort würden »Arbeiter nach ihrer Gesinnung abgewogen und freie Gewerkschaftler gegen Nazis und Stahlhelmler ausgewechselt« 32 . Hermann Röchling selbst hielt am 18. August 1933 eine denkwürdige Rede im RESW-Aufsichtsrat, die nur als Ab- 20 KAS RESW B-K 3/ 16. 21 KAS RESW A-K 7/ 89 und B-K 3/ 16. 22 KAS RESW F-K 32/ 2372. 23 Latz, Schwerindustrie, S. 234, Tab. 27. 24 1927 informierte Hermann Röchling seinen Aufsichtsrat, trotz eingetretener Erzpreissteigerungen einen Gewinn von 5,3 Mio. Goldmark erzielt zu haben (KAS RESW B-K 3/ 16). Selbst in den Krisenjahren 1930 und 1931 verbuchte das Massenstahlwerk einen Gewinn von 2,2 Mio. bzw. 1 Mio. RM. Latz, Entwicklung, S. 195. 25 Vermerk RFM v. 26.8.1936, BAB R 3101/ 17963. Ähnlich äußerte sich Max von der Porten als Mitglied des Röchling-Überwachungsausschusses in einem Schreiben an Staatsrat Brekenfeld v. 31.1.1930, BAB R 2/ 15913. 26 Die Verluste entstanden in den Bereichen Handel, Bank und Bergbau und mussten dort abgedeckt werden. Nach Latz, Schwerindustrie, S. 148 flossen nur 10 % der Kredite in die Völklinger Hütte. 27 Das RFM betonte den politischen Charakter der Kredite. RFM an RWM v. 3.2.1933, BAB R 3101/ 17964. 28 Vermerk RFM v. August 1935, BAB R 3101/ 17964. 29 Kurzbiografien Hermann Röchling und Hans-Lothar v. Gemmingen-Hornberg: siehe Kap. IX/ 1/ a. 30 So mussten seine Arbeitnehmer, die ihre Kinder nicht von der französischen Schule nehmen wollten, mit ihrer Entlassung rechnen. Fall Otto Mannesmann, KAS RESW D-K 8/ 32. 31 Hermann Petri (5.1.1883 Neunkirchen - 1.10.1957): SPD-Lokalpolitiker, ab 1919 Sekretär des saarländischen Bergarbeiterverbands, später im Landesrat, während der NS-Zeit im Zuchthaus inhaftiert. 32 Aktennotiz Afa v. 26.11.1931, KAS RESW D-K 8/ 32. Der 1918 gegründete Wehrverband »Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten« stand der DNVP nahe, wurde 1933 in die SA eingegliedert und 1935 aufgelöst. 45 1. Ausgangslage: Saarwerke im Umbruch rechnung mit der Demokratie und als persönliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus gewertet werden kann 33 . Sein Unternehmen beteiligte sich bereits 1933 und 1934 mit einem hohen Betrag an der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft 34 . Röchlings Schwiegersohn und stellvertretender Vorsitzender der RESW-Geschäftsführung, Hans- Lothar von Gemmingen-Hornberg, stellte am 10. Oktober 1933 einen Aufnahmeantrag bei der NSDAP 35 . Röchling war ein geübter Subventionsritter, der politische Stimmungen zum eigenen Vorteil zu nutzen verstand. Als sein Konzern 1929 in Schwierigkeiten geriet, machte er weder die Marktlage noch eigene Fehler dafür verantwortlich, sondern sah »einen richtigen konzentrischen Angriff von allen französischen Seiten« 36 am Werk. Die Familie kam 1929 nicht umhin, zur Sanierung ihres maroden Konzerns die Aktienmehrheit an der bayerischen Maximilianshütte zu verkaufen, büßte aber nach Meinung eines Insiders durch »reine Ungeschicklichkeit« 37 einen Teil der vereinbarten Kaufsumme ein. Der mit der Trennung von der Maxhütte verbundene Bedeutungsverlust seiner Familie schmerzte Hermann Röchling sehr und stachelte ihn an, sich auf der Baar Ersatz zu schaffen. In der Kombination von badischem Erz und staatlicher Autarkiepolitik erkannt er bald »eine ganz große Gelegenheit für unsere Familie, die durch den Verkauf der Maxhütte verlorene innerdeutsche Position in der Eisenerzeugung wiederzugewinnen«. Der Kommerzienrat war fest davon überzeugt, dass »mit oder ohne uns in Südbaden eine neue Eisenindustrie entsteht, aus ähnlichen Gründen, aus denen Ende der 90er Jahre die Saarhüttenwerke sich Tochterunternehmungen in Lothringen schufen. Es war damals der Hunger nach Eisen, der diese Entwicklung erzwang, wenn die einzelnen Unternehmungen nicht vollkommen ins Hintertreffen im Konkurrenzkampf innerhalb der Eisenindustrie kommen wollten. Heute ist es staatliche Notwendigkeit, die diese Entwicklung herbeiführen wird« 38 . 33 H. Röchling kommentierte die gescheiterte Londoner Konferenz vom 12.6.1933, diese habe nur einen Erfolg gehabt, nämlich die Feststellung, dass derartig große Konferenzen »zwecklos« seien und dass »das Gequassel auf dieser halbparlamentarischen Basis erfolglos sein muss«. Zur US-amerikanischen Innenpolitik stellte er fest, dass »das Angelsachsentum in seiner politischen Denkart noch nicht so weit sich entwickelt hat, um zu erkennen, dass zur Gesundung des kranken Organismus die persönliche Freiheit soweit eingeschränkt werden muss, wie diese bei allen Formen des Faschismus und auch des Kommunismus charakteristisch ist. Man glaubt offenbar noch nicht, dass es keine andere Rettung vor dem Kommunismus für die angelsächsischen Völker gibt als den Faschismus«. Im Hinblick auf Frankreich stellte er die Frage in den Raum, »ob die jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland sich in Paris so unbeliebt machen, dass dort ein Antisemitismus entstehen wird. Selbst wenn dies der Fall wäre, dürfte dadurch kaum ein Antisemitismus in die französische Politik hineingetragen werden, eher noch das Abwirtschaften der Linksparteien, die unter jüdischer Führung stehen«. KAS RESW F-K 1/ 2100. 34 KAS RESW Ber-K 13/ 86. Von den RESW kam 1936 mit 18.000 RM die höchste Einzelspende der regionalen Wirtschaftsgruppe. Aktenbefund KAS RESW B-K 37/ 254. 35 Von Gemmingen lieferte sich 1938 Auseinandersetzungen mit regionalen Parteigrößen, in deren Verlauf er für zwei Wochen demonstrativ von der Geschäftsführung zurücktrat. Die Fehde hatte ihre Ursache jedoch nicht in ideologischen Differenzen, sondern in der Tatsache, dass die Gauleitung den Konzern bei der Besetzung von Ehrenämtern überging, weil sie mit Hermann Röchlings selbstbewusstem Verhalten unzufrieden war. V. Gemmingen an RESW-Aufsichtsrat v. 14.10.1938, KAS RESW D-K 36/ 203. 36 H. Röchling an Brekenfeld v. 7.2.1930, BAB R 2/ 15913. Freilich wurde Röchling von neutraler Stelle aus bescheinigt, die Krise seiner Bank durch ungeschickte Reaktionen womöglich selbst verstärkt zu haben. Besprechungsniederschrift Deutsche Revisionsu. Treuhand AG v. 19./ 20.2.1928 (recte: 1929), BAB R 2/ 15913. 37 Von der Porten an Brekenfeld v. 31.1.1930, BAB R 2/ 15913. 38 H. Röchling an RESW-Aufsichtsratsvorsitzenden Oskar Mügel v. 30.3.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 46 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) Neben NE und RESW existierten drei weitere selbständige Eisenwerke an der Saar, von denen zwei französische Mehrheitsaktionäre besaßen: die Halbergerhütte in Brebach und die Dillinger Hütte 39 im gleichnamigen Ort. Die im Westteil von Saarbrücken gelegene Burbacher Hütte 40 war dagegen eine Tochtergesellschaft des belgisch-luxemburgischen ARBED-Konzerns. Alle drei Werke verband die Tatsache, dass ihre ausländischen Hauptgesellschafter eigene Minettegruben unterhielten, aus denen sie ihre Saartöchter belieferten 41 . Am badischen Erz waren sie daher nicht interessiert. 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen a) Uneinige Partner und ein euphorischer Geschäftsführer Zwischen den saarländischen Hüttenwerken und ihren lothringischen Minettelieferanten bestand eine wechselseitige Abhängigkeit: Da die französische Erzförderung den Bedarf der inländischen Eisenindustrie deutlich überstieg, waren die Grubenbetriebe auf Exporte angewiesen 42 . Dies galt auch für die »Forges et Aciéres de Nord et Lorraine«, die nur ein Viertel ihrer Erzförderkapazität für die eigene Eisenproduktion nutzen konnte 43 . 1926 hatte man deshalb mit dem NE einen Vertrag 44 geschlossen und sich eine monopolartige Stellung in der Belieferung des Werks mit kalkiger Minette gesichert, die einen Anteil von 80 % am Neunkircher Hochofenmöller einnahm 45 . Der Vertrag gestand dem Lieferanten einen hohen Erzpreis 46 zu und lief bis 1946. In einer ähnlichen Lage war die »Société Lorraine Minière et Métallurgique«, die 1919 Röchlings Carlshütte samt deren Minettegruben im lothringischen Algringen übernommen hatte. Da die Gesellschaft nur die Hälfte ihrer Erzförderung in der Carlshütte verarbeiten konnte, musste sie den Rest verkaufen. Die RESW bezogen ihre Minette hauptsächlich aus dieser Quelle, verfügten aber über keine langfristigen Lieferverträge. 39 Jeweils 40 % gehörten der Stummgruppe. Zu den Besitzverhältnissen: Seibt, Rückgliederung, S. 82 ff. und Emmrich, Nachkriegsentwicklung, S. 71 ff. Neben den 5 genannten Saarhütten existierte noch das Homburger Eisenwerk, ein Röhrenhersteller mit fast 900 Mitarbeitern, den das NE seit 1926 als Pachtbetrieb führte und mit Halbfabrikaten versorgte. Das je zur Hälfte im Besitz der Stumm- und der Wolff-Gruppe befindliche Werk war zwar bis 1937 rechtlich selbständig, wurde technisch aber wie eine Betriebsabteilung von Neunkirchen geführt. 40 Zum Werk: Wagener, Erneuerungsarbeiten. ARBED: Vereinigte Hüttenwerke Burbach-Eich-Düdelingen. 41 Die Burbacher Hütte bezog kalkige Minette vor allem aus den ARBED-eigenen Gruben »Burbach« und »Viktor« in Lothringen und ihre Kieselminette von Maxéville und Bois du Four. Dillingen erhielt Kalkerze aus den Minen von Tuquegnieux und Homécourt und Kieselerze aus Redingen. Die Halbergerhütte bezog Kalkminette von Auboué und Kieselminette aus Redingen. KAS RESW A-K 7/ 81. Siehe auch Seibt, Rückgliederung, S. 48. 42 Minetteförderung 1928 in Frankreich: 39,75 Mio. t; Inlandsverbrauch: 26,5 Mio. t; Export: 13,75 Mio. t, davon 4,9 Mio. t zur Saar und 2,55 Mio. t nach Deutschland. Denkschrift Boehmer, KAS RESW A-K 7/ 81. 43 Memorandum der Deutschen Bank v. Juli 1940, RWWA 72-288-2. 44 Monatlich garantierte Mindestmenge: 80.000 t. Tgahrt an NE-ARM v. 20.6.1931, StANK 853-1-6-26- 07. 45 Möllerstruktur 1927. Hinzu kamen u.a. 6 % kieselige Minette, 7 % Mangan. StANK 298-1-6-22-52. 46 Norloron erzielte einen Reinerlös von 2 RM pro t an das NE gelieferte Erz. Vermerk Dr. Hardt v. 28.7.1940, RWWA 72-217-17. Vgl. auch Haus, Lothringen, S. 90. 47 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen 1930 wurde dieses für beide Seiten förderliche Geschäft von der französischen Regierung in Frage gestellt: Eine Kommission, die unter der Leitung von Marin Guillaume stand, des Ministerialdirektors im französischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, stellte in einem Gutachten fest, dass die Minettevorräte begrenzt seien und schlug vor, in einigen Jahren Exportbeschränkungen zu erlassen 47 . Die Saarwerke erhielten den Rat aus Paris, sich in den süddeutschen Lagerstätten eine neue Erzbasis zu erschließen 48 . 1933 sorgte die einsetzende Diskussion über die künftige Staatszugehörigkeit des Saargebiets für neue Verunsicherung. Einige französische Politiker forderten, eine Liefersperre für Minetteerze zu verhängen, falls das Plebiszit zugunsten Deutschlands ausging. Trat letzteres ein, dann waren die Saarhütten künftig durch eine Währungsgrenze von ihren Erzlieferanten getrennt. Devisenmangel auf deutscher Seite würde genügen, um die Werke in Schwierigkeiten zu bringen 49 . Bereits im Herbst 1933 erhielten die deutschen Saarhüttenwerke einen dezenten Hinweis aus Berlin, wie dem drohenden Erzmangel beizukommen sei. Oberberghauptmann Erich Winnacker vom Preußischen Wirtschaftsministerium besuchte damals die Saar und wies Tgahrt und Röchling auf die »grosse Bedeutung der Doggererze bei Donaueschingen für die Unabhängigmachung Deutschlands von fremdem Erzbezug« 50 hin. Auf Winnackers Vorschlag hin reisten die beiden Saarindustriellen im November 1933 nach Baden, um das Gutmadinger Bergwerk der GHH zu besichtigen und sich in Karlsruhe mit Ministerialrat Naumann zu treffen. Tgahrt hielt in seinem Gesprächsprotokoll fest, Naumann stelle die Lage sehr günstig dar und beziffere die Erzabbaukosten auf maximal RM 1,50 pro Tonne. Die Auskünfte aus Gutmadingen brachten den ernüchterten Tgahrt jedoch schnell zu der Erkenntnis, dass der Doggererzabbau völlig unwirtschaftlich sei, solange man noch genügend Minette beziehen könne. Bestenfalls unter billigsten Bedingungen wollte der Generaldirektor des NE einige Konzessionen erwerben und die Felder anschließend untersuchen lassen, denn die Möglichkeit, im äußersten Notfall auf deutsche Erze zurückgreifen zu können, sei ja doch gewisse Opfer wert. Röchling und er kamen überein, »dass wir, wenn überhaupt beide sich entschliessen, sich für dieses Vorkommen zu interessieren, alle weiteren Fragen auf der Grundlage von 50 zu 50 % erledigen« 51 . 47 »Rapport à la Commission Interministerielle chargeé d’étudier les mesures a prendre en vue de ménager les ressources en minerais de fer du bassin lorrain« v. 14.2.1930. Verf.: André Marin Marie Guillaume (1880-1970). 48 Röchling, Eisenindustrie. Ähnlich die Aussage H. Röchlings v. 29.1.1948 im Pleiger-Prozess, Fall 11, Dokumentenbuch III, Dok. 31, S. 38 f., NWA 2/ 5556. Hermann Röchling, der hinter dem Plan das Wirken seiner lothringischen Konkurrenz vermutete, gab daraufhin ein Gutachten in Auftrag, das die Minettevorräte bewerten und darlegen sollte, wie sich die Saar gegen ein französisches Ausfuhrverbot für Minetteerze sichern könne. Dessen Autor konnte zwar nachweisen, dass die Minettevorräte noch fast 100 Jahre lang ausreichten, war aber nicht in der Lage, der Saarindustrie eine überzeugende Strategie gegen das drohende Exportverbot zu empfehlen. Denkschrift Hans Boehmer »Die Erzreserven des Minettegebiets […]«. KAS RESW A-K 7/ 81. 49 Um den grenzüberschreitenden Rohstoffaustausch zu sichern, hatte Otto Wolff bereits 1928 versucht, eine Kapitalverflechtung zwischen der Saarkohlenwirtschaft und den lothringischen Erzgruben zu organisieren. Er war jedoch am Widerstand der Regierungen in Paris und Berlin, aber auch an Hermann Röchling gescheitert. Latz, Schwerindustrie, S.93 f. 50 Aktennotiz Tgahrt v. 24.11.1933, StANK AD. 51 Ebenda. 48 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) NE und RESW gründeten Anfang 1934 eine »Interessengemeinschaft für Doggererzstudium«, in der Neunkirchen die Federführung und die kaufmännische Abwicklung übernahm. Da Völklingen bei Aachen die Kohlegrube Carl Alexander betrieb und über Bergbauerfahrung verfügte, konnte Röchling mit dem 34jährigen Bergingenieur Dr. Wilhelm Lillig 52 , einem überzeugten Nationalsozialisten, einen fachlich versierten Geschäftsführer stellen. Lillig suchte im Februar 1934 Naumann in Karlsruhe auf, der ihm ein Gesamtpaket aus staatlichem und fürstlichem Feldesbesitz nahe Blumberg anbot. Da vom Fürsten hohe Preisforderungen erwartet wurden, kündigte Naumann vertraulich eine Änderung des geltenden Berggesetzes an, mit der die Enteignung des Fürsten erleichtert und dessen Feldbesitz gegen eine Entschädigung von höchstens 200.000 RM auf die Interessengemeinschaft übertragen werden sollte 53 . Lillig fuhr daraufhin nach Donaueschingen und nahm Gespräche mit Prinz Max und Oberforstrat Friedrich Goldmayer 54 auf. Von diesen erhielt er die Erlaubnis, gegen eine Abfindung von 2.000 RM Probebohrungen auf den fürstlichen Arealen niederzubringen 55 . Da sich Lillig mit der Bezahlung viel Zeit ließ, auf berechtigte Beschwerden unsensibel reagierte und äußerst fragwürdige Bestätigungsschreiben verfasste 56 , galt sein Verhältnis zum fürstlichen Kammerdirektor Karl Friedrich Zopff 57 schon bald als zerrüttet 58 . Selbst Naumanns Vermittlungsgeschick 59 war am Ende überfordert. Im Frühjahr 1934 richtete Lillig die Verwaltung seines Betriebs in Donaueschingen ein. Nachdem er vorübergehend in der Nähe des örtlichen Rathauses Quartier bezogen hatte, verlegte er sein Büro in den Carlshof 60 ein repräsentatives Palais, das dem Hause Fürstenberg gehörte. Das Personal für die geologischen Untersuchungen benannte ihm Blumbergs Bürgermeister Theodor Schmid. Dieser erinnerte sich später: »Im Jahre 1934 im März kam Herr Dr. Lillig zu mir ins Rathaus und erklärte mir, dass er […] den Auftrag habe, festzustellen, ob die Doggererzschichten (Eisenerze), die hier um Blumberg nach der Geologischen Karte vorkommen sollten, abbruchfähig seien. Er bat mich, ihm innerhalb von 8 Tagen etwa 10 - 15 Erdarbeiter zu beschaffen. Nach 8 Tagen kam Dr. Lillig wieder und stellte von den Leuten 12 Mann ein. Die nötigen Arbeitsgeräte wurden gekauft, 52 Kurzbiografie Dr. Wilhelm Peter Lillig: siehe Kap. IX/ 1/ b. 53 Vermerk Lillig über sein Gespräch mit Naumann am 13./ 14.2.1934, KAS RESW F-K 54/ 2454. 54 Friedrich Goldmayer (10.11.1884 Wiesenheid - 11.5.1951): 1904-1909 Studium an der Forstlichen Hochschule Aschaffenburg und an der Universität München, 1914/ 1919 im bayer. Staatsdienst, 1919 Vorstand des FF Forstamts Friedenweiler, 1933 als Forstreferent nach Donaueschingen versetzt, bis 1938 Leiter der FF Domänenverwaltung, danach verwaltungsintern Stellvertreter von Prinz Max, 1950 als FF Forstrat pensioniert. Pg. ab 1937, als Mitläufer entnazifiziert. FFA PA Go 24 und StAF D 180/ 2- 36775. 55 FF Kammer an Lillig v. 12.3.1934, StAF V 500/ 3-1. 56 Aktenbefund FFA Bergu. Hüttenadm. Generalia Bergbau V/ 3. 57 Karl Friedrich Zopff (17.8.1870 Rastatt - 4.7.1943 Stuttgart): Sohn des Kaufmanns Gustav Zopff, 1890-1894 finanzwissenschaftliches Studium in Würzburg, Freiburg, München und Heidelberg, 1894- 1896 Praktikant in der bad. Finanzverwaltung, 1896-1935 Karriere in der FF Verwaltung, zuletzt Kammerpräsident. FFA PA Zo 4. 58 Memorandum über die Vertragsverhandlungen zwischen FF Verwaltung und DBG v. 10.4.1938, StAF V 500/ 1. 59 Z.B. Naumann an FF Kammer v. 18.10.1934, StAF F 235/ 5-137. 60 Auskunft Zeitzeugin Gretel Lang. 49 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen und am nächsten Tage mussten die Leute die Arbeit aufnehmen. Noch am gleichen Tag ging ich mit Dr. Lillig […] die Abhänge vom Eichberg, Buchberg und Ristelberg ab und stellten wir zusammen die Stellen fest, an denen Eisenerze über Tage vorkamen. Dr. Lillig bestimmte dann am gleichen Tage abends noch die Stellen, an denen die Schürfgruben auf Eisenerz angelegt werden sollten. Am nächsten Tage begannen 12 Mann an verschiedenen Stellen und wurden innerhalb 6 Monaten ca. 50 Schürfstellen (Schächte bis zu 16 m) angelegt« 61 . Lillig selbst schrieb dazu, er habe den Betrieb mit »etwa 20 Mann aufgenommen, davon etwa 5 gelernte Bergleute vom alten Bergwerksbetrieb Schauinsland, der Rest ungelernte Leute aus der dortigen Gegend, die vorher als Strassen-, Steinbruchs- und Bahnarbeiter beschäftigt waren. Es gelang aus diesen ungelernten Leuten, deren Zahl allmählich auf 50 Mann gebracht wurde, vernünftige Bergleute heranzuziehen« 62 . Vorarbeiter war Otto Cosalter, ein Blumberger Tiefbauarbeiter 63 , der große Erfahrung im Abteufen von Schächten besaß. Zwischen März und Oktober 1934 legten die Arbeiter rund 150 Schürfschächte und -gräben an, mit denen sich Lillig einen Überblick über die Höhenlage und Schichtenzusammensetzung der Erzlager verschaffte. Bereits im April 1934 sandte Lillig ein euphorisches Gutachten an die Saar, in dem er extrem niedrige Selbstkosten für einen Großabbau prognostizierte 64 . Der Völklinger Aufsichtsrat beriet das Papier am 20. April. Eine Tischvorlage von Wilhelm Rodenhauser 65 plädierte für einen Konzessionserwerb auf der Baar und kündigte gewaltige Pläne an: »Mit der Sicherung und Inbetriebnahme dieser Erzfelder darf die Erzversorgung der Völklinger Hochöfen auf lange Zeit auf wirtschaftlicher Basis sichergestellt sein. Im ersten Ausbaustadium […] dürften ungefähr 2.000 Arbeiter beschäftigt werden können« 66 . Da man in Völklingen die Doggererz-Aktivitäten aus den Erträgen eines zweckgebundenen Devisengeschäfts finanzieren konnte 67 , saß hier das Geld viel lockerer als in Neunkirchen, wo man die Dinge deutlich nüchterner und zurückhaltender einschätzte. Der skeptische Tgahrt versuchte von Anfang an, Lilligs kostentreibenden Hang zur Größe einzufangen 68 , doch musste er später einräumen, dass alle von ihm ergriffenen »Massnahmen 61 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 62 Vermerk Lillig zur Arbeitsmarktlage v. 2.10.1935, LGRB 41/ 1. 63 Kurzbiografie Otto Cosalter: siehe Kap. IX/ 1/ c. 64 Gutachten vom 17.4.1934 über das badische Doggererzvorkommen, KAS RESW F-K 22/ 2185. 65 Dr. Wilhelm Rodenhauser (17.5.1880 Elmshorn - 14.11.1953 Völklingen): 1899-1903 Elektrotechnikstudium an der TH Darmstadt, Erfinder eines Elektroofens zur Herstellung von Qualitätsstahl, der unter seiner Leitung bei den RESW produziert wird, 1923 Generaldirektor und techn. Bevollmächtigter für die Abt. Rohstahl bei den RESW; Direktoriumsmitglied der RESW GmbH, 1929 Dr. Ing. E.h.; 1948 in Rastatt zu 3 Jahren Haft verurteilt. Quellen: Ausk. Archiv TH Darmstadt und StAF T 1-47. Nachruf in: Stahl und Eisen 74 (1954) S. 260. 66 Papier »Die Erzschürfungen bei Donaueschingen« v. 20.4.1934, KAS RESW F-K 22/ 2185. 67 H. Röchling hatte vor der Saarrückgliederung sein Pariser Lager abgestoßen und dafür Sperrmarkguthaben im Nominalwert von 1,85 Mio. RM erworben, dafür aber nur 878.500 RM bezahlt. Die Verwendung des Guthabens zu pari für die Finanzierung des Doggererz-Projekts war ihm von den Behörden zugesagt worden. JB RESW AG 1934 (KAS RESW Ber-K 13/ 86), Vermerk Tgahrt v. 2.4.1935 (RWWA 72-147-8), v. Gemmingen/ H. Röchling an RESW-Aufsichtsrat v. 25.5.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. Zum Thema Sperrmark: Ebi, Export, S. 40 ff. 68 NE-Generaldirektion an Lillig v. 1.3.1934, KAS RESW F-K 54/ 2494. 50 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) zwecks Einschränkung der übergrossen Selbständigkeit des Herrn Dr. Lillig« 69 wirkungslos geblieben seien. Bereits 1934 liefen die Kosten völlig aus dem Ruder 70 . Lilligs Auftrag beschränkte sich ursprünglich auf ein Budget von 25.000 RM, das im Herbst 1934 auslaufen sollte, doch wurde es von den Saarhütten mehrfach verlängert 71 . Nach Rücksprache mit Keppler 72 entschieden sich die Werke, das Aufschlussprogramm in Blumberg zu erweitern und ihren losen Zusammenschluss in eine »Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen für Doggererze« (ARGE) umzuwandeln. Lillig stellte daraufhin 20 Bergleute von der Saar ein 73 , die »sich aus politischen Gründen ausser Arbeit befanden« 74 , und begann mit der Anlage von Aufschlussstollen. Im Dezember 1934 erlebte die Belegschaft im Blumberger Gasthaus »Zur Post« unter Anwesenheit der regionalen Parteiprominenz ihre erste Barbarafeier. Betriebsführer Lillig gab darin ein schwülstiges Treuegelöbnis an NS-Staat und Gefolgschaft ab, das Betriebsobmann Karl Kurz »als alter Nationalsozialist« 75 namens der Belegschaft erwiderte und mit einem dreifach donnernden »Siegheil« bekräftigen ließ. Im Januar 1935 reichte Lillig beim Bergamt einen Betriebsplan ein, der den Aufschluss weiterer Gruben vorsah und sogar den Bau einer Versuchsanlage zur Erzaufbereitung in Aussicht stellte 76 . Im Februar erweiterte er sein Führungspersonal und stellte als Reviersteiger Karl Breiing 77 ein, der bisher Fahrsteiger auf Röchlings Kohlengrube Carl Alexander gewesen war. Breiing stieg später zum Betriebsleiter auf. Als Steiger kamen Edgar Kießling, Franz Lüttgenbruch, Georg Schloms und Hermann Caspers hinzu, die gleichfalls zuvor im westdeutschen Kohlenbergbau gearbeitet hatten. Zu dieser Zeit wurde auch Diplom-Ingenieur Viktor Grablowitz eingestellt, ein politscher Flüchtling aus Österreich, der sich um Fragen der Erzaufbereitung zu kümmern hatte. Grablowitz verdankte seine Einstellung dem Umstand, dass er ein illegaler österreichischer Nationalsozialist war 78 . Lillig nutzte zudem die Vergabe öffentlicher Fördermittel 79 , um sein Personal mit zahlreichen arbeitslosen Ortsansässigen 80 und 10 saarländischen Bergleuten aufzustocken. Bis 69 Vermerk Siedersleben v. 22.12.1935, RWWA 72-147-8. 70 NE-Generaldirektion (Tgahrt) an Rohstoffkommissar Puppe v. 5.11.1934, KAS RESW F-K 57/ 2526. 71 Stellungnahme Günther v. 14.4.1936, RWWA 72-1447-4. 72 JB RESW AG 1934, KAS RESW Ber-K 13/ 86. 73 Das Donaueschinger Tagblatt berichtete am 11.12.1934 über die Ankunft der ersten Bergleute von der Saar. 74 Vermerk Lillig v. 17.12.1935, GLA 478/ 49. Vermutlich handelte es sich um Bergleute aus den saarländischen Kohlegruben, die von der französischen Werksleitung aus politischen Gründen entlassen worden waren. 75 Schwarzwälder Tagblatt v. 4.12.1934. Siehe auch Donaueschinger Tagblatt v. 6.12.1934. 76 Betriebsplan der Saarhütten-ARGE v. 21.1.1935, LGRB 1/ 32. 77 Kurzbiografie Karl Breiing, Edgar Kießling, Georg Schloms und Viktor Grablowitz: siehe Kap. IX/ 1/ b und c. 78 Zeugenaussage Moritz Feuerhake v. 8.10.1952, StAF F 196/ 1-3512. 79 Förderbescheid der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung v. 17.4.1935, LGRB 1/ 28. 80 Vermerk Lillig »Arbeitsmarktlage im Doggererz-Bergbaugebiet Zollhaus-Blumberg« v. 20.10.1935, LGRB 41/ 1. Ein Belegschaftsverzeichnis vom 4.4.1935 listet 84 vorwiegend einheimische Arbeiter auf. Diese wurden meist von den Bürgermeistern der umliegenden Orte zur Einstellung vorgeschlagen. Dabei war die Parteinähe der Bewerber wohl das vorrangige Auswahlkriterium. Leipferdingen, Aulfingen und Riedöschingen benannten fast nur Mitglieder oder Anwärter von NSDAP, SA oder ihr nahestehenden Organisationen. Das Bürgermeisteramt Schwaningen verwies darauf, dass seine Einwohner »durch die verschollene Halunkenregierung« zu 90 % fast völlig verarmt seien, was eine niederträchtige An- 51 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen zum August 1935 wuchs die Mannschaft auf 101 Arbeitern und 6 Angestellte 81 an. Das bei den Aufschlussarbeiten gewonnene Erz wurde zu Aufbereitungsversuchen an verschiedene Unternehmen an Ruhr und Saar versandt. b) Finanzierungsprobleme Anfang 1935 unternahm das NE erste Verhüttungsversuche mit dem Blumberger Erz. Man gab es dem Möller roh oder gesintert bei. Da die lehmigen Brocken bei feuchter Witterung oder Frost zu Schmiere zerfielen, setzten sich Förderbänder und Erzbrechanlagen binnen weniger Minuten zu. Anlagenstillstände waren die Folge. Selbst mit trockenem Roherz oder gesintertem Material ergaben sich technische Schwierigkeiten oder ein weit überhöhter Koksverbrauch. Hubert Gödel, seit 1927 Betriebsdirektor im NE 82 , warnte deshalb Otto Wolff, dass es mit dem derzeitigen Stand der Technik unmöglich sei, Doggererz im normalen Betrieb rentabel zu verhütten: »Die Verwendung dieser Erze käme somit nur für Ausnahmefälle - sei es zur Überbrückung der Devisenknappheit, oder sei es für den Ernstfall, wo unter allen Umständen Eisen geschaffen werden muss - in Frage. Aber auch in diesen Fällen würde der Kapitaldienst durch Erstellung von Aufbereitungsanlagen vollkommen unerträgliche Belastungen für die Industrie bedeuten« 83 . Innerhalb der mit dem NE bestehenden Arbeitsgemeinschaft war es Röchlings Aufgabe, nach einem technisch zuverlässigen und wirtschaftlich tragfähigen Aufbereitungsverfahren zu fahnden. Da er über eine stillgelegte Zementfabrik verfügte, in der sich Versuche praktizieren ließen, ohne den Hüttenbetrieb zu stören, führte er Mitte 1934 Experimente mit einem Verfahren durch, das die Kölner Humboldt-Werke und der luxemburgische Ingenieur Paul Gredt entwickelt hatten. Nach deren Scheitern mietete er Anfang 1935 die Müllverbrennungsanlage von Köln-Niehl und realisierte dort weitere Tests. Die Ergebnisse fielen jedoch allesamt unbefriedigend aus, weil keine Fortschritte in der Verfahrensentwicklung erkennbar waren oder aber weil hohe Anlage- und Brennstoffkosten die Wirtschaftlichkeit der Methode sehr in Frage stellten 84 , wie dies beim Krupp-Renn-Verfahren 85 , das man im Sommer 1935 bei Krupp-Gruson in Magdeburg erprobte, der Fall war. Da auch die rheinisch-westfälische Industrie nach Wegen suchte, wie eisenarmes Inlandserz kostengünstig aufbereitet werden konnte, tauschten sich die Saar- und die Ruhr ingenieure in der von Keppler 1934 gegründeten Doggererzkommission aus. Deren Aufgabe bestand unter anderem darin, eine Technologie zu finden, mit der im Kriegsfalle spielung auf das in »Schutzhaft« genommene Kabinett des Staatspräsidenten Josef Schmitt war. BMA Schwaningen (Güntert) an BMA Blumberg v. 18.7.1934, StAB III/ 4. 81 Bericht BFWM an BMI v. 26.8.1935, LGRB 13 A/ 149. 82 Hubert Gödel (21.9.1883 Hotzenplotz - 8.6.1961 Saarbrücken): Diplom-Ingenieur, seit 1927 im NE, 1946 Vorsitzender eines Säuberungsausschusses im Kreis Ottweiler. 83 Vermerk Gödel »Doggererze« v. 14.8.1935, StANK 543-1-7-37-52. 84 Weitere Versuche fanden statt bei Polysius (Dessau), Meixner, Sachtleben AG, BBC und dem Kaiser- Wilhelm-Institut. Denkschrift Hahl, »Die bisherigen Versuche mit Doggererzen« v. 1.12.1936 und undat. (1937) Memorandum des NE über »Doggererz-Versuche Neunkirchen«, StANK AD. 85 Zum Verfahren: Johannsen, Krupp-Rennverfahren. 52 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) süddeutsches Doggererz an der Ruhr und an der Saar zur Roheisenproduktion genutzt werden konnte 86 . Die Werke zogen schließlich den Bau einer gemeinsamen Aufbereitungsanlage auf der Baar ernsthaft in Betracht. Im Frühjahr 1935 nahm die Ruhr ihre Zusage wieder zurück und wollte das Projekt stattdessen mit der bayerischen Maxhütte realisieren, die Friedrich Flick gehörte. Mit dieser Entscheidung entging der Saarhütten- ARGE ein fest eingeplanter Betrag von 1,5 Mio. RM. Tgahrt und Röchling fuhren daraufhin im April 1935 zu Keppler und forderten von ihm, dass »andere Mittel und Wege gefunden werden müssten, da es für uns allein unmöglich wäre, diese Frage zu lösen« 87 . Keppler hielt sich jedoch sehr bedeckt und stellte die Vergabe von »gewissen Mitteln« unverbindlich in Aussicht. Wegen der ungelösten Finanzierungsfrage schoben die Saarhütten ihre Entscheidungen über den Bau einer Aufbereitungsanlage in Blumberg nun vor sich her und betonten gegenüber dem RWM stets die Notwendigkeit weiterer Versuche 88 . Röchling begann im Sommer 1935 mit einer neuen Technologie zu experimentieren: Um die hohen Anlagekosten für den Bau von Aufbereitungsanlagen einzusparen, schmolz er das Doggererz mit saurer Schlackenführung ohne den bislang üblichen Kalksteinzuschlag nieder. Daraus entstand ein sog. Vorschmelzeisen, das noch durch Sodazugabe von seinem hohen Schwefelgehalt befreit werden musste, bevor es zu Thomasstahl verblasen werden konnte 89 . Röchling verließ das geltende Prinzip, Hochofenraum durch Maßnahmen der Erzaufbereitung einzusparen und setzte vielmehr auf eine Erweiterung des Ofenraums: Seine konzeptionellen Vorstellungen liefen im Ergebnis darauf hinaus, mit Hilfe von staatlichen Subventionen oder mit Zuschüssen der Ruhrindustrie ein Hochofenwerk auf der Baar zu erstellen, das im Kriegsfall die deutschen Stahlwerke mit Vorschmelzeisen beliefern konnte. Röchling hielt einen baldigen Konflikt mit Frankreich für wahrscheinlich 90 und wohl auch für wünschenswert 91 , um seinen verlorenen Besitz in Lothringen zurück zu erobern. Seine Vorschläge, die er in Sachen Doggererz an die Entscheidungsträger im Dritten Reich richtete, stellten daher fast alle auf einen militärischen Konflikt ab 92 . Um die bestehende Skepsis gegen seine neue Technologie auszuräumen, demonstrierten seine Leute in Völklingen vor den Augen der kritischen Konkurrenz, wie weit ihre Versuche gediehen waren. Im August 1935 gelang es ihnen, Doggererz in einem kleinen Schachtofen sauer zu verhütten und den bislang extrem hohen Koksverbrauch auf 1.300 kg pro t erzeugten Eisens zu begrenzen 93 . Röchling zeigte sich im Kreise seiner Kollegen zuversichtlich, den Kokseinsatz auf 900 kg vermindern und ein wettbewerbsfähiges Roh- 86 »Wir waren zu dem Vorschlage der magnetischen Aufbereitung ursprünglich aus militärischen Gesichtspunkten heraus gekommen, weil wir glaubten, dass er schliesslich der einzige Weg sei, nach dem in den rh.-westf. Hochöfen die Verarbeitung im Mobfalle vorgenommen werden könnte.« Undatierter (1935) Briefentwurf RESW an Rohstoffkommissar Puppe, KAS RESW F-K 57/ 2526. 87 Vermerk Tgahrt v. 2.4.1935, RWWA 72-147-8. 88 Bericht Lillig über seinen Besuch bei Arlt v. 12.6.1935, KAS RESW F-K 54/ 2526. 89 Zum sauren Schmelzen vgl. Riedel, Entwicklung und ders., Eisen und Kohle, S. 132-134. 90 Laut Keppler befürchtete H. Röchling »die Bolschewisierung Frankreichs und damit einen baldigen Krieg«. Vermerk Kellermann über ein Gespräch mit Keppler am 30.9.1936, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 91 Mollin, Montankonzerne, S. 71. 92 So in seinem Brief an Hermann Göring v. 27.3.1937, in: Emessen, Görings Schreibtisch, S. 78 ff. 93 Der Koksbedarf für das Erschmelzen einer Tonne Roheisen aus Minetteerzen lag Mitte der 1930er Jahre bei 1.000 kg. Denkschrift der Saarhütten über die südbad. Doggererze v. Oktober 1938, StANK AD. 53 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen eisen produzieren zu können, dessen Gestehungskosten er mit unglaublich niedrigen 40 RM pro t angab 94 . Die Kommentare in den Führungsetagen an Saar 95 , Rhein und Ruhr 96 sowie bei Otto Wolff in Köln 97 fielen vernichtend aus. Röchling ließ im Sommer 1935 keine Gelegenheit aus, für die Autarkiepläne des Dritten Reichs öffentlich zu werben und seine Investitionsbereitschaft für den Fall zu erklären, dass Staatsgeld floss. Seine Argumente waren stets devisen- und rüstungswirtschaftlicher Natur; seine Ziele aber lagen im betriebswirtschaftlichen Bereich: In Völklingen besaß er ein Werk, das sich nur schwer erweitern ließ. Es lag direkt an der Grenze, war im Krieg von Stilllegung oder Zerstörung bedroht und hatte im Frieden geringere Chancen, am Rüstungsboom 98 teilzunehmen als seine Konkurrenten an der geschützten Ruhr. Sein Kundenkreis lag in Süddeutschland, wohin in den 1920er Jahren andere Wettbewerber, allen voran die GHH, vorgedrungen waren, die mit dem Rhein einen billigen Transportweg nutzen konnten, während ihm ein Kanal in sein Hauptabsatzgebiet fehlte 99 . Deshalb hatte er hohes Interesse daran, Kapazitätserweiterungen seines Werks nicht mehr an der Saar, sondern auf der badischen Erzbasis vorzunehmen, die deutlich näher bei seinen Abnehmern lag 100 . Im Hause Wolff machten sich dagegen Befürchtungen breit, man werde mit dem Doggererz in eine gewaltige Kosten- und Kreditfalle hineinlaufen, die das NE in Schwierigkeiten bringen könne. Binnen 14 Monaten hatte die ARGE in Blumberg etwa eine halbe Mio. RM ausgegeben, ohne dass ein klar formuliertes Ziel vor Augen stand oder dass man wusste, unter welchen Rahmenbedingungen weitergearbeitet werden konnte. Der 94 Bericht Brackelsberg (Krupp) v. 2.9.1935, RWWA 130-40126/ 23. 1935 lagen die Selbstkosten der Ruhrhütten, die mit hocheisenhaltigen Schwedenerzen sehr effizient produzierten, bei rund 42 RM pro t Thomasroheisen. Undat. Denkschrift »Eisenerz-Aufschlussarbeiten der GHH« (Sommer 1935), GLA 237/ 32713. Gleichlautend: Memorandum (des Rohstoffamts) »Vorschlag zur Steigerung der deutschen Eisenproduktion«, NWA 2/ 10141. 95 H. Röchling selbst räumte ein, dass »meine Kollegen hier an der Saar nichts oder nur sehr wenig von diesem sogenannten Röchling’schen Optimismus wissen wollen«. Memorandum Röchlings »Wieweit können wir uns von der Auslandslieferung von Eisenerzen unabhängig machen? « v. 27.10.1936 KAS RESW F-K 22/ 2185. 96 Ausführlicher: Riedel, Eisen und Kohle, S. 50 f. und Haus, Lothringen, S. 151 f. 97 »Die Berechnungsart des Herrn Röchling erscheint mir unwahrscheinlich und wird sich bei näherer Prüfung als viel zu günstig hingestellt erweisen, was Sie schon aus den 900 kg. Koks für den Hochofenbetrieb ersehen. Ich halte es nicht für möglich, mit 900 kg. Koks ein Erz von so geringem Eisengehalt herunterzuschmelzen; Sie brauchen dazu sicher 1.200 kg. - Die Frage des Entschwefelns lässt sich auch nicht mit ein paar nebensächlichen Worten erledigen. Das sind doch Vorgänge, wobei jeder Fachmann sich darüber klar sein muss, dass die Sache so nicht geht«. Wolff an Tgahrt v. 5.9.1935, RWWA 72-147-8. 98 1935 stieg die Eisen- und Stahlproduktion wieder auf das Niveau von 1928 an (Gaul, Anlageinvestitionen, S. 395). Die Saar wurde jedoch kaum zu Heereslieferungen herangezogen (Vermerk Tgahrt v. 29.10.1935, RWWA 72-147-8). Gleichlautend bei Wolff an Flick v. 30.9.1935 (RWWA 72-147-8). Auch Oberst Georg Thomas, der Leiter des Wehrwirtschaftsamts, bestätigte 1938, »dass die Saarwerke bekanntlich inbezug auf eigentliche Heeresaufträge nicht entfernt in einer Linie mit den sonstigen Eisenhütten stünden und aus Lagegründen auch in Zukunft nicht stehen würden«. Siedersleben an v. Kühlmann v. 15.2.1938, RWWA 72-218-15. 99 Hitler hatte sich schon 1934 gegen den Bau des von der Saarindustrie geforderten Saarpfalz-Rhein- Kanals entschieden. Seidelmann, Neckar-Donau-Kanal, S. 267. 100 H. Röchling setzte sich häufig für den Bau eines integrierten Hüttenwerks auf der Baar ein, z.B. in seinem Memorandum v. 27.10.1936 »Wieweit können wir uns von der Auslandslieferung von Eisenerzen unabhängig machen? « (KAS RESW F-K 22/ 2185). Ebenso H. Röchling an RESW-ARM v. 9.7.1937, KAS RESW E-K 65/ 286. 54 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) Vorstand des NE versuchte daraufhin mit staatlicher Hilfe 101 auch die drei ausländisch dominierten Saarhütten am Projekt zu beteiligen und lud deren Spitzen 102 für den 28. Juni 1935 zur Besichtigung der Blumberger Anlagen ein. Obwohl drei Vorstandsmitglieder des NE anwesend waren, ließ sich Hermann Röchling mit einem Termin im Reichskriegsministerium entschuldigen 103 und entsandte auffallenderweise keinen Vertreter der RESW. Bei den umworbenen Saarwerken stieß die Einladung zur Mitwirkung nur auf verhaltene Resonanz: Sowohl die Burbacher als auch die Halbergerhütte gaben so schnell keine Entscheidung bekannt; die Dillinger Hütte machte dagegen kein Hehl daraus, dass sie sich dem verlustbringenden Projekt konsequent zu entziehen gedachte 104 . Otto Wolff und Siedersleben berieten am 20. Juli 1935 mit dem NE-Vorstand über die verfahrene Lage und kamen überein, den weiteren Ausbau in Blumberg von konkreten Zusagen über öffentliche Zuschüsse abhängig zu machen 105 . Wolff drängte seinerseits darauf, bald eine Bergbau-GmbH zu gründen, auf die man das Risiko von den beiden beteiligten Werken abwälzen konnte 106 . c) Der missglückte 13 Millionen-Coup Bereits wenige Monate nach Rückgliederung des Saargebiets kündigten sich ernste Probleme für die Rohstoffversorgung der Saarwerke an: Die Kündigung des deutsch französischen Handelsvertrags zum 31. Juli 1935 schränkte die Importmöglichkeiten Deutschlands ein 107 und gefährdete die Minettebezüge der Saar- und der Ruhrhütten. Am 2. August fand die schon erwähnte Beiratssitzung der Überwachungsstelle für Eisen und Stahl in Düsseldorf statt 108 . Während alle anderen Teilnehmer ratlos wirkten, wie dem aufkommenden Erzmangel zu begegnen sei, hielt Hermann Röchling, dessen Werk besonders unter der Problematik litt, sofort eine Lösung parat. Er verwies auf die Tätigkeit der ARGE und auf den großen Vorrat an badischem Doggererz, der verhältnismäßig schnell in wachsenden Mengen gefördert und auch verhüttet werden könne, wenn die derzeit laufenden Versuche mit seiner neuen Technologie erfolgreich ausfielen. Da der 101 Am Treffen v. 28.6.1935 nahmen von Seiten des Staats teil: MR Hans Arlt vom RWM, MR Erich Naumann vom BFWM und Präsident Karl Schnarrenberger von der Badischen Geologischen Landesanstalt. 102 Darunter waren: Direktor Dr. Alphonse Wagener, Hochofenchef Würth und Ingenieur X. Blum von der Burbacher Hütte, Direktor Emil Aumann und Hochofenchef Ewald Bertram von der Halbergerhütte und Generaldirektor Henri Roger von der Dillinger Hütte (Besuchsbericht Lillig v. 1.7.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526). Die Gäste bekamen von Lillig ein Exposé, das die weiteren Pläne der Saarhütten- ARGE in völlig übertriebener Form anpries. Exposé »Das Doggererzvorkommen der Arbeitsgemeinschaft […]« v. 26.6.1935. StANK AD. 103 Lillig an Naumann v. 24.6.1935, LGRB 10 A/ 109. 104 Sitzungsprotokolle DH-Direktionskomitee v. 30.6.1935 und v. 21.9.1935, FADH Nr. 147. 105 Vermerk Siedersleben v. 22.7.1935, RWWA 72-212-1. 106 Wolff an Tgahrt v. 5.9.1935, RWWA 72-147-8. 107 Ab 1.8.1935 konnten nur noch 30 % der deutschen Erlöse aus Exporten nach Frankreich zum Abschluss neuer Importgeschäfte mit Frankreich verwendet werden; der Rest diente der Abtragung aufgelaufener deutscher Zahlungsrückstände und der Zinszahlungen für die Dawes- und Young-Anleihen. Zwischenbericht Geschäftsführung RESW v. II. Quartal 1935, KAS RESW F-K 1/ 2101 und Seibt, Rückgliederung, S. 50. Zum Thema Bilateralismus der 1930er Jahre: Ebi, Export, S. 26. 108 Siehe Kap. II/ 5. 55 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen Kommerzienrat wohl seine Hüttenbaupläne auf der Baar befördern wollte, wies er hintersinnig darauf hin, dass seine Zusicherung nur für den Fall gelte, dass »genügend Hochofenraum zur Verfügung stünde« 109 . Röchling übernahm nun die Regie: Sofort nach der Düsseldorfer Sitzung berief er eine Konferenz aller Saarwerksdirektoren nach Völklingen ein und berichtete, die Überwachungsstelle für Eisen und Stahl habe von der Montanindustrie verlangt, ab jetzt in weitest gehendem Maße Inlandserze zu verhütten. Sämtliche Saarwerke müssten nun ihren Beitrag leisten und badisches Erz abnehmen. Um die Förderung im Oktober aufnehmen zu können, kündigte Röchling ein mehrere 100.000 RM teures Sofortprogramm zum beschleunigten Ausbau der Blumberger Anlagen an. Zwar habe man eigentlich warten wollen, bis die Aufbereitungsfrage geklärt sei, doch könne man dies wegen Scheer-Hennings Forderung nun nicht mehr tun. Die Werke in Dillingen, Burbach und Brebach forderte Röchling auf, sich an einer gemeinsamen Bergbau-GmbH zu beteiligen und deren Erz entweder roh zu verhütten, was technisch kaum möglich war, oder es nach seinem »Vorschmelzverfahren zur Verhüttung zu bringen« 110 . Wilhelm Lillig, der an der Besprechung teilnahm, erhielt den Auftrag Röchlings, die örtlichen Voraussetzungen für das Sofortprogramm abzuklären, wozu auch die kuriose Idee gehörte, zum innerbetrieblichen Erztransport eine Schmalspurbahn auf der Reichsstraße 27 zu verlegen. Mit seinem sauren Schmelzverfahren ging Röchling auch bei den Ruhrhütten hausieren, die ihrerseits über die Konsequenzen der Düsseldorfer Sitzung berieten. So sandte er Ernst Poensgen, dem Vorstandsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke, das Protokoll der Saarhüttenkonferenz zu und kündigte an, in Blumberg zwei Hochöfen zur Produktion von Vorschmelzeisen bauen zu wollen. Röchling lud Poensgen dazu ein, seinem Beispiel bei den Salzgittererzen zu folgen und mit ihm über eine Zusammenarbeit zu sprechen 111 . In Völklingen arbeitete das Technische Büro der RESW nun eilends einen Kostenvoranschlag für eine »Hochofenanlage Donaueschingen« 112 aus, den Röchling zu diversen Konferenzen mit den Vertretern der Ruhrindustrie mitnahm. Da Röchling agierte, ohne seine Mitstreiter im NE oder bei Otto Wolff zu informieren oder sich gar mit ihnen abzustimmen 113 , entstanden dort große Irritationen. Bei den Ruhrindustriellen stieß der Kommerzienrat mit seiner Idee, das Problem über die Erzeugung von Vorschmelzeisen zu lösen, jedoch auf starke Vorbehalte 114 . Noch während Röchling die Ruhr für sein Projekt einzunehmen versuchte, forderte Schlattmann die Saarhütten-ARGE am 7. August 1935 dazu auf, ihm ein überzeugendes Erzabbauprogramm für den Blumberger Grubenbetrieb vorzulegen 115 . In seiner Antwort vom 17. August wies Lillig das RWM auf Röchlings Sofortprogramm hin und sagte diesem zu, die Aufschlussarbeiten im Stoberg derart zügig voranzutreiben, dass schon im November eine Tagesförderung von 2.500 t Erz aufgenommen werden konnte. Zudem 109 Vermerk Vosgerau v. 8.8.1935 zur Beiratssitzung v. 2.8.1935, RWWA 72-212-1. 110 H. Röchlings Protokoll (v. 6.8.1935) der Saarhüttenbesprechung am 5.8.1935, RWWA 72-147-8. 111 H. Röchling an E. Poensgen v. 7.8.1935, RWWA 72-147-8. 112 Kostenanschlag Nr. 2720 v. 8.8.1935, KAS RESW Reisemappe Doggererze/ Selbstkosten. 113 Siedersleben an Vosgerau v. 22.8.1935, RWWA 72-212-1. Dabei ging es um eine nicht näher bezeichnete »Erzsitzung«, die H. Röchling mit den VSt., der GHH und anderen Großfirmen abgehalten habe. 114 Zur Besprechung am 13.8.1935 im Essener Hotel Kaiserhof siehe Kap. II/ 5. 115 Undatierte Kopie des Schreibens RWM an Saarhütten-ARGE (v. 7.8.1935), GLA 237/ 32713. 56 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) kündigte er an, dass im Frühjahr 1936 eine zweite Grube im Eichberg eröffnet und der tägliche Abbau auf insgesamt 6.000 t gesteigert werden könne 116 . In Neunkirchen begann man sich nun widerstrebend auf die Verarbeitung von Doggererz einzustellen. Otto Wolff hatte den Betriebsdirektor des NE, Hubert Gödel, sofort nach der Düsseldorfer Sitzung vom 2. August um eine hüttentechnische Bewertung des Materials gebeten und von ihm die Antwort erhalten, dass es selbst mit modernster Betriebstechnik unmöglich sei, das Erz rentabel zu verhütten 117 . Da Gödel es für technisch schwierig, aber gerade noch für verantwortbar hielt, monatlich etwa 15.000 t Roherz zu verarbeiten, fasste der Aufsichtsrat am 22. August einen entsprechenden Beschluss 118 . Damit leistete das Werk einen eher symbolisch gemeinten Beitrag zur Erfüllung von Schlattmanns Zielen. Als dann jedoch Pleigers Brief vom 21. August 1935 119 bei Lillig eintraf, der viel weitergehende Forderungen erhob, war klar, dass die Finanzierungsfrage nicht länger hinausgeschoben werden konnte. Im Hause Wolff setzte man sich sehr grundsätzlich damit auseinander, wer das Investitionsrisiko für die erforderlichen Bergbau- und Ausbereitungsanlagen zu übernehmen habe. Da man die Auffassung vertrat, dass das Projekt nicht von privatem Gewinnstreben, sondern von öffentlichen Wünschen ausgelöst worden sei, herrschte Übereinstimmung darüber, dass sich dies in der Lastenverteilung widerspiegeln müsse. Die von Hermann Röchling als Modell angesehene Lösung der Ruhrindustrie zu kopieren, die ihre Kapazitätserweiterungen teils privat, teils staatlich finanzieren wollte, lehnte Siedersleben ab, weil er unkalkulierbare Folgekosten fürchtete. Der Aufsichtsrat des NE beschloss daher am 22. August 1935 120 Verhandlungen mit dem Staat aufzunehmen, um einen Vertrag über die Verteilung der Betriebsverluste zu schließen, die aus der Doggererzverhüttung resultierten. Präzedenzfälle und Standardverträge gab es bereits in der Blei- und in der Zinkindustrie, die seit 1934 dem staatlichen Auftrag nachkam, ihre Inlandsförderung »ohne Rücksicht auf die entstehenden Kosten« 121 zu steigern. Die Betriebsverluste glich der Fiskus durch Förderprämien aus. Zwei Firmen 122 der Wolff-Gruppe, die Stolberger Zink AG und die Mansfeld AG 123 , hatten 1934 Förderprämienverträge mit dem Reich abgeschlossen und erhielten seitdem staatliche Zahlungen. In die Aufsichtsräte der beiden Firmen war als öffentlicher Vertreter Ministerialrat Curt Pasel eingezogen, der die Vertragsregelungen 124 für den notleidenden Nichteisenmetallbergbau 1933 im RWM konzipiert hatte. Tgahrt besorgte sich das nötige Fachwissen über die aktuellen Subventionsmodelle bei Otto Kalthoff 125 , dem Generaldirektor der Stolberger Zink AG, sprach sich mit Röchling 116 Saarhütten-ARGE an RWM v. 17.8.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 117 Vermerk Gödel »Doggererze« v. 14.8.1935, StANK 543-1-7-37-52. 118 Siedersleben an Vosgerau v. 22.8.1935, RWWA 72-212-1. 119 Pleiger an Stahlindustrie v. 21.8.1935, NWA 2/ 10141. Hintergründe siehe Kap. II/ 5. 120 Siedersleben an Vosgerau v. 22.8.1935, RWWA 72-212-1. 121 Scherner, Logik, S. 54. 122 Zu Wolffs Einfluss auf beide Unternehmen: Dahlmann, Unternehmen Otto Wolff, S. 69, 89 f. und 97. 123 Prämienfördervertrag Reich-Stolberger Zink AG v. 1.9.1934, RWWA 72-299-2. 124 Scherner, Logik, S. 54 und 68. 125 Otto Kalthoff (25.9.1884 Katernberg - 27.2.1947 Aachen): preuß. Bergassessor, 1922 Oberbergdirektor der Stolberger Zink AG, 1936 deren Vorstandsvorsitzender, Pg. ab 1933, nach Kriegsende interniert. Serlo Nr. 1157. 57 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen ab und fuhr Ende August 1935 nach Berlin, um mit Rohstoffkommissar Puppe und Ministerialrat Arlt vom RWM über einen Förderprämienvertrag zu sprechen. Arlt glaubte zunächst, dass der Vertragsabschluss auf keine Schwierigkeiten stoßen werde, musste aber, wohl nach Rücksprache mit Schlattmann, bald einen Rückzieher machen 126 . Daraufhin übernahm Röchling die Regie, der das Feld durch vollmundige öffentliche Erklärungen zur künftigen Rolle der Doggererze, die er bei der Eröffnung der Leipziger Messe am 24. August abgegeben hatte 127 , gut vorbereitet glaubte. Röchling versuchte Keppler und Rudolf Brinkmann, den Generalreferenten im RWM, für den Plan zu gewinnen 128 , der gesamten deutschen Montanindustrie Abnahmeverpflichtungen für das Doggererz aufzuerlegen und sie dafür von der kürzlich beschlossenen Ausfuhrförderabgabe freizustellen 129 . Da Wolffs exportstarke Gruppe von der Abgabe profitierte, verweigerte er Röchling seine Zustimmung für das Konzept und rief auch Tgahrt zur Ordnung, der diesen Ideen ein ungebührliches Maß an Sympathie entgegenbrachte 130 . Um ihre Kontroverse beizulegen, fuhren Röchling und der Vorstand des NE am 5. September nach Köln. In Wolffs Firmenzentrale entstand ein Memorandum, das bislang Röchling allein zugerechnet und vorgeworfen wurde 131 , tatsächlich aber ein Gemeinschaftswerk mit Wolff war. Darin skizzierten die Partner den utopischen Plan, die saarländische Eisenindustrie völlig auf Doggererz umzustellen. Dazu sollte eine gemeinsame Gesellschaft aller Saarwerke gegründet werden, deren Aufgabe es war, neue Erzgruben und Aufbereitungsanlagen für eine Jahresförderung von rund 13 Mio. t auf der Baar zu erstellen. Die Werke sollten sich entsprechend ihrer Roheisenerzeugung an der Gesellschaft beteiligen und deren Erz abnehmen. »Vorstehender Vorschlag«, so formulierte man pathetisch im Positionspapier, »bringt die endgültige und grundlegende Befreiung der Knebelung der Saarindustrie von französischer Erz-Zufuhr und wird sich handelspolitisch auswirken« 132 . Damit war eine verbesserte Verhandlungsposition Deutschlands bei den laufenden Handelsvertragsgesprächen mit Frankreich und eine jährliche Deviseneinsparung von 30 Mio. RM gemeint. Der Vorschlag wies dem Reich die wenig attraktive Rolle des Zahlmeisters für das 70 Mio. RM teure Projekt zu: Die öffentliche Hand sollte Bürgschaften für die Investitionskredite der Gesellschaft übernehmen und den Saarhütten sämtliche Mehrkosten vergüten, die ihnen aus der Doggererzverhüttung entstanden. Wolff hatte sich damit gegenüber Röchling durchgesetzt, denn die Forderung lief im Grunde immer noch auf ein Förderprämienmodell hinaus. Man muss allerdings spe- 126 NE-Generaldirektion (Tgahrt) an NE-Aufsichtsrat v. 3.9.1935, RWWA 72-212-1. 127 H. Röchling weckte völlig überzogene Vorstellungen vom künftigen Beitrag der Doggererze zur deutschen Eisenproduktion, für deren Einsatz »von allen Stellen die Voraussetzungen geschaffen« werden müssten, was klar auf den anwesenden Reichswirtschaftsminister Schacht gemünzt war, der gefälligst die notwendigen Subventionen beschaffen sollte. Zur Rede und ihrer Aufnahme bei der Ruhrindustrie: Haus, Lothringen, S. 140 f. 128 So Tgahrt in seinem Schreiben an den NE-Aufsichtsrat v. 3.9.1935, RWWA 72-212-1. 129 Ab 1.7.1935 mussten Unternehmen auf Anordnung der Reichswirtschaftskammer eine Umlage zur Förderung der Exportwirtschaft aufbringen, die aus dem Gewinn gezahlt wurde. Ebi, Export, S. 159 ff. 130 Wolff an Tgahrt v. 5.9.1935, RWWA 72-147-8. 131 So sprechen Pleiger und J. Puppe stets von H. Röchlings 13 Mio. t-Projekt. Aktenvermerk GHH v. 5.10.1935, RWWA 130-400 101 304/ 11b und Vermerk Kellermann v. 23.1.1936, RWWA 130-400 101 307/ 11. 132 Urfassung des titellosen Memorandums v. 9.9.1935, RWWA 72-147-8. 58 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) kulieren, wer für das gewaltige Abbauvolumen verantwortlich war, das eher den Zielen Röchlings und auch seinem bisherigen Verhalten in der Eisenerzfrage entsprach. Siedersleben machte 1936 in der Rückschau Röchling dafür verantwortlich 133 , doch bezeichnete Tgahrt im September 1935 Otto Wolff als den geistigen Urheber des Plans 134 . Über dessen Ziele stellte Paul Pleiger die naheliegende Vermutung auf, dass »die Saar ihr Programm nicht nur aus nationaler Begeisterung aufstelle, sondern wahrscheinlich den Plan habe, durch mit Staatsmitteln in Süddeutschland errichtete Eisen- und Stahlwerke höhere Quoten in den Verbänden zu erhalten« 135 . Wolff scheint dem Gedanken Röchlings näher gestanden zu haben 136 als Siedersleben, der in dieser Frage stets eine sehr große Zurückhaltung an den Tag legte. Da nach Arlts eine Woche zuvor erfolgtem Rückzieher schwerlich die Zustimmung des RWM zu derart weitgehenden Wünschen zu erwarten war, setzten die Industriellen jetzt auf die Konkurrenz. Am 10. September 1935 fuhren Röchling und Tgahrt nach Berlin und präsentierten Keppler und Pleiger ihr Programm: »Es machte grössten Eindruck« 137 . Keppler stellte seinen Besuchern Hilfe bei der Kapitalbeschaffung in Aussicht, lehnte Reichszuschüsse für den laufenden Betrieb jedoch ab. Pleiger erklärte dagegen, dass »die gesamte Eisen- und Stahlindustrie in Form einer Umlage« an den exorbitanten Kosten des Doggererzes beteiligt werden müsse. Die Unterredung schloss mit der Versicherung Kepplers, dass er sofort mit Schacht und »vielleicht auch mit dem Führer« sprechen werde. Die beiden Saarvertreter suchten auch Rohstoffkommissar Puppe auf, von dem sie staunend erfuhren, welches Füllhorn an staatlichen Subventionen sich gerade über diverse Autarkiebranchen ergoss 138 . Tgahrt vermerkte erfreut, Johann Puppe habe die »Grösse und auch die wehrpolitische Bedeutung des Vorschlags« 139 sofort erkannt. Zwar empfahl der Rohstoffkommissar, das Projekt um 50 % zu verkleinern, sagte aber zu, mit dem Leiter des Wehrwirtschaftsstabs, Oberst Georg Thomas 140 , mit Reichswehrminister von Blomberg sowie mit Schacht und mit Hitler reden zu wollen. Der NE-Aufsichtsrat genehmigte das Vorgehen am 17. September 1935 und beschloss, gemeinsam mit dem Völklinger Werk ein Schreiben an das RWM zu richten, das die Forderungen des Kölner Papiers enthielt 141 . Man ergänzte den Text um einen Hinweis 133 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 21.12.1936, RWWA 72-149-8. 134 Vermerk Tgahrt über seinen Besuch mit Röchling bei Keppler (und J. Puppe) am 10.9.1935, RWWA 72-147-8. 135 Aktenvermerk GHH v. 5.10.1935, RWWA 130-400 101 304/ 11b. 136 So hielt Wolff im Januar 1936 eine rentable Doggererzförderung und den Bau eines Hüttenwerks auf der Baar langfristig für durchaus möglich (Wolff an Tgahrt v. 5.1.1936, RWWA 72-147-8). Im Juli 1938 brachte Wolff Röchlings Hüttenprojekt beim Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe aus eigener Initiative heraus wieder ins Gespräch. Vermerk Gasper über ein Gespräch mit Rheinländer am 30.7.1938 in Köln, RWWA 72-146-7. 137 Vermerk Tgahrt über seinen Besuch mit Röchling bei Keppler (und J. Puppe) v. 10.9.1935, RWWA 72-147-8. 138 Papier »Deutsche Rohstoffversorgung aus dem Inlande« v. 10.9.1935, RWWA 72-212-1. 139 Vermerk Tgahrt über seinen Besuch mit Röchling bei Keppler (und J. Puppe) v. 10.9.1935, RWWA 72-147-8. 140 Georg Thomas (20.2.1890 Forst/ Lausitz - 29.10.1946 Frankfurt/ Main): Berufssoldat, ab 1934 Leiter der Dienststelle »Wehrwirtschaft und Waffenwesen« im Wehrmachtsamt des Wehrministeriums, 1939- 1942 Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts im Oberkommando der Wehrmacht. 141 Vermerk Siedersleben v. 17.9.1935, RWWA 72-212-1. 59 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen auf die in Blumberg bereits geleistete Arbeit und strich fatalerweise besonders heraus, dass die »Frage der Aufbereitungsmöglichkeit der Erze nach der grundsätzlichen Seite hin als gelöst betrachtet werden« könne. Da militärische Aspekte nun deutlich stärker im Vordergrund standen, ging man auf Abstand zu den übrigen Saarhütten und wollte diese nur noch »gegebenenfalls« in der gemeinsamen Erzgesellschaft beteiligen. Der vom RWM 142 wie von Keppler 143 genehmigte Abbruch der Gespräche mit den ausländisch dominierten Werken wurde mit den außerordentlichen wirtschafts- und wehrpolitischen Dimensionen des Projekts begründet. Am 19. September fuhren Erich Tgahrt und Hüttendirektor Otto Berger 144 von den RESW nach Berlin, suchten Arlt im RWM auf und übergaben ihm den gemeinsamen Brief 145 der beiden Werke. Keppler erhielt diskret eine Kopie 146 . Otto Berger gab im Gespräch mit Ministerialrat Arlt offen zu, dass man in Völklingen keinerlei Interesse daran habe, mit den anderen drei Saarhütten zusammenzuarbeiten, sondern alle Hoffnung auf ein staatlich finanziertes Großprogramm setze 147 . Die Rechnung schien zunächst aufzugehen, denn Wolff berichtete wenige Tage später, er habe auf inoffiziellen Kanälen vernommen, dass die geforderten Mittel bewilligt würden. Wolff hielt Tgahrt jetzt dazu an, in dieser prestigeträchtigen Sache künftig mehr in den Vordergrund zu treten und nicht mehr Röchling allein das Feld zu überlassen 148 . Mitte Oktober 1935 kam dann Schlattmann mit Arlt auf die Baar und besichtigte die Anlagen in Blumberg und Gutmadingen. Im Donaueschinger Hotel Schützen fand eine Besprechung statt, an der Lillig und mehrere Vertreter der GHH teilnahmen. Lillig erhielt dabei erste Einblicke in die Ansichten des RWM: Schlattmann erklärte in der Sitzung, dass der Reichskriegsminister eine wehrpolitische Notwendigkeit zu einem extrem beschleunigten Ausbau der Anlagen auf der Baar sehe und dass die Mehrkosten der Doggererz-Verhüttung für die Saarwerke »untragbar« seien. Dennoch lehnte der Oberberghauptmann die Zahlung staatlicher Subventionen ab und vertrat die Meinung, dass »hier eine Umlage eintreten müsse, an der entweder sämtliche Roheisenproduzenten oder die gesamte Eisen schaffende Industrie mittragen müssten«, wogegen nach Lilligs Bericht »die Herren der Ruhr sofort Sturm liefen«. Einem Gespräch, das Hermann Reusch und Kellermann am Nachbartisch führten, durfte Lillig entnehmen, »dass Herr Schlattmann die Vorschläge der Arbeitsgemeinschaft - 13 Millionen t-Projekt - für undurchführbar hält und er die Sache niemals von sich aus befürworte, da sie nach seiner Auffassung zu 142 Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Dr. Kiegel im RWM am 1.10.1935, RWWA 72-115-5. Das RWM teilte der Dillinger Hütte im Oktober 1935 mit, dass ihre Beteiligung am Projekt derzeit nicht erforderlich sei. So Arlt zu Henri Roger und Kurt Böcking lt. Sitzungsprotokolle DH-Direktionskomitee v. 11.10.1935, FADH Nr. 147. 143 Vermerk Tgahrt über die Gespräche mit Keppler, Pleiger und J. Puppe am 24.10.1935, RWWA 72-147-8. 144 Otto Berger (21.3.1883 Saarbrücken - 20.1.1952 Saarbrücken): Direktor in der Völklinger Hütte ab ca. 1930, dort für den Verkauf zuständig, 1948 als »nicht betroffen« entnazifiziert. Ausk. Landesarchiv Saarbrücken. 145 NE und RESW an RWM v. 17.9.1935, LGRB 10 A/ 110. 146 NE-Generaldirektion an Keppler v. 17.9.1935, NWA 2/ 9738. 147 Reisebericht Otto Berger über den Besuch im RWM am 19./ 20.9.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 148 Wolff an Tgahrt v. 27.9.1935, RWWA 72-147-8. Wolff klagte später, »es sei doch soweit gewesen, dass Herr Keppler beim Finanzministerium RM 30 Mio habe bereitstellen wollen, aber als dann wieder mit Herrn Schlattmann verhandelt werden musste, hätte dieser erklärt, kein Geld zur Verfügung zu stellen. Schacht habe ausdrücklich erklärt, Schlattmann würde die Geldzuweisung unterbinden«. PdB am 8.2.1939, StAF V 500/ 3-67. 60 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) phantastisch ohne Unterlagen aufgezogen sei«. Lillig fasste seinen Eindruck so zusammen, »dass Herr Schlattmann im Fahrwasser der Ruhr fährt und dass Herr Dr. Arlt sich mit ihm persönlich recht wenig versteht« 149 . Lillig meldete seine Erkenntnisse nach Neunkirchen, wo sich Wolff, Röchling und Tgahrt am 21. Oktober trafen. Alarmiert von der Nachricht, dass es mit den Staatszahlungen nichts werden würde und stattdessen eine Umlage kommen sollte, mit der man auch selbst belastet werden würde, beschlossen die Industriellen, am 24. Oktober bei den Berliner Behörden vorstellig zu werden. Wolff nahm an der gemeinsamen Fahrt jedoch nicht teil, sondern überließ es Siedersleben, der für den 23. Oktober 1935 einen eigenen Termin mit Keppler ausgemacht hatte, die Interessen der Kölner Gruppe einzubringen. Bei diesem Gespräch legte Siedersleben, bildlich gesprochen, den Rückwärtsgang ein und betonte, dass eine vollständige Umstellung der Saar auf die Verhüttung von Doggererz oder gar die Errichtung neuer Betriebe auf dieser Erzbasis doch sehr lange Zeiträume benötige, die er auf 10 bis 20 Jahre oder eine »sonst unabsehbare Dauer« 150 schätze. Keppler gab ihm diplomatisch Recht und sicherte eine langsame und schonende Entwicklung zu. Bezüglich der Subventionsfrage erfuhr Siedersleben, dass das Prämienmodell für die Saar nun endgültig vom Tisch sei, weil dem Reich die Mittel fehlten. Keppler betonte jedoch, dass der Saar geholfen werden müsse und kündigte an, was Siedersleben wenig erfreut haben dürfte, dass die Mehrkosten für das Doggererz auf die gesamte Stahlindustrie umgelegt würden, und zwar vornehmlich auf die Ruhr. Tags darauf trafen Röchling und Tgahrt in Berlin ein, konnten ihr Anliegen aber, da Schlattmann und Arlt verreist waren, im RWM nicht vorbringen. Sie führten stattdessen ein unergiebiges Gespräch mit Johann Puppe und suchten anschließend Keppler und Pleiger auf. Ersterer erklärte sich für alleinzuständig in allen Erzfragen und machte seinen Besuchern Vorwürfe, dass sie sich in dieser Sache überhaupt mit Johann Puppe und mit dem RWM abgaben. Keppler, der sich im herrschenden Kompetenzkonflikt gegenüber dem RWM im Vorteil wähnte, führte aus, er habe vom Reichsfinanzministerium 50 Mio. RM Kredit für den Ausbau der deutschen Lagerstätten in Aussicht gestellt bekommen. Für die Mehrkosten des Abbaus und der Verhüttung von deutschen Eisenerzen müsse die Industrie aber selbst aufkommen. Keppler kündigte eine Zwangsumlage zur Finanzierung eines Erzförderprogramms an, das auf die zusätzliche Erzeugung von 3 Mio. t Roheisen aus deutschen Erzen ausgelegt sei. Da auch ihre eigenen Betriebe davon betroffen sein würden, legten Röchling und Tgahrt sofort Protest ein. Sie klagten, dass die Saar wegen der Rückgliederung ohnehin schon große Lasten zu tragen habe und auch bei Rüstungsaufträgen übergangen werde, was dazu führen müsse, »dass eine Umlage dieser erneuten Last uns selbst […] zur vollständigen Unrentabilität verurteilen würde«. Tgahrt hielt fest, Keppler und Pleiger hätten daraufhin die besondere Lage der Saarwerke anerkannt und »in allgemeinen Redewendungen« 151 Hilfe versprochen. 149 Aktennotiz Lillig über die Visite Schlattmanns am 13./ 14.10.1935 auf der Baar, KAS RESW F-K 57/ 2526. 150 Vermerk Siedersleben über seine Besprechung mit Keppler am 23.10.1935, RWWA 72-196-12. 151 Vermerk Tgahrt über die Gespräche mit Keppler, Pleiger und J. Puppe am 24.10.1935, RWWA 72-147- 8. Ironischerweise baute Keppler mit seinem Vorhaben auf einer Idee Röchlings auf, der wenige Wochen zuvor gefordert hatte, der deutschen Montanindustrie Bezugsverpflichtungen für das Blumberger Erz 61 2. Die Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen Otto Wolff versuchte die angestrebte Förderprämienvereinbarung mit dem Staat doch noch zu retten und sprach Anfang November 1935 bei Rohstoffkommissar Puppe vor, der ihm als Basis einer eventuellen Verständigung in dieser Frage die »Zurückschreibung« 152 des Wolffschen Vorschlags auf ein Viertel des vorgesehenen Förderumfangs vorschlug. Maßgeblich zu diesem Zeitpunkt waren jedoch allein die Entscheidungen des RWM. Da man dort einen plötzlichen und totalen Ausfall der Minetteimporte in Friedenszeiten für unwahrscheinlich hielt 153 und dem Doggererz in keiner Weise rüstungswichtige Bedeutung beimaß 154 , bestimmten langfristige ökonomische Erwägungen den Kurs des Ministeriums. Dieser zielte darauf ab, dass die deutschen Bergwerksbetriebe »so gestellt sind, dass sie in Kriegszeiten schnell eine notwendige grosse Steigerung der Erzeugung ermöglichen, dass sie aber nicht allzu umfangreich entwickelt werden dürfen, um in Zeiten normalen internationalen Güteraustausches nicht Betriebseinschränkungen erleiden zu müssen, die mit einer Arbeiterentlassung und Kapitalvergeudung verbunden sein würden. Es wird deshalb der weitere Ausbau dieses neuen Eisenerzbezirkes in Baden vorsichtig und schrittweise zu erfolgen haben […] Eine unmittelbare finanzielle Hilfe durch das Reichswirtschaftsministerium wird nicht möglich sein, da hierfür im Haushalt Mittel nicht vorhanden sind. Die notwendigen Investierungen für die technische Entwicklung der Gruben und Aufbereitungen werden die Hütten im allgemeinen selbst zu tragen haben« 155 . Das RWM ließ die Saarwerke über seine Entscheidung zunächst im Ungewissen, doch sickerten wohl Informationen zu Röchling durch, der sich mit seiner Niederlage nicht abfand. So trug er Göring bei dessen Besuch Anfang November 1935 in Saarbrücken seine militärstrategischen Argumente 156 für ein großes staatsfinanziertes Erzprogramm auf der Baar vor und wandte sich am 27. November an Pleiger 157 , blieb aber erfolglos. Keppler bot den Saarwerken einen Reichsbankkredit über 360.000 RM an, den Tgahrt ablehnte, weil er nicht zur Abgabe einer Kreditbürgschaft durch das NE bereit war. Röchling dagegen plädierte für die Annahme des Angebots, weil er glaubte, dass die später beabsichtigte Gründung einer Bergbau-GmbH ohnehin eine Bürgschaft der Hüttenwerke erfordere. Er, Tgahrt und Otto Wolff berieten am 16. November 1935 über Kepplers Kreditangebot. Da bereits bekannt geworden war, dass Schlattmann einen eigenen Plan aufgestellt hatte, der auf ihre Wünsche keine Rücksicht nahm, setzte sich am Ende Wolffs irrtümliche Auffassung durch, wonach man es der Reichsregierung überlassen solle, »zu aufzuerlegen und ihr im Gegenzug die Belastungen der Ausfuhrförderabgabe zu ersparen. Keppler strich aus Röchlings Vorschlag die entlastende Abgabenfreistellung heraus und beließ es bei den finanziellen Lasten. 152 Wolff an Siedersleben v. 5.11.1935, RWWA 72-147-8. 153 So Arlt am 27.11.1935 gegenüber Naumann. BP Naumann v. 29.11.1935, LGRB 13 A/ 150. 154 »Schacht hat auch für den Kriegsfall kein Interesse a[n] d[er] ganzen Sache«. Notiz Rodenhauser über einen Vortrag H. Röchlings zum Thema Doggererz auf der RESW-ARS v. 25.3.1936, KAS RESW F-K 1/ 2102. 155 RWM an RAM v. 11.11.1935, LGRB 41/ 1. 156 H. Röchling nimmt darauf Bezug im Schreiben an Göring v. 27.3.1937. Emessen, Görings Schreibtisch, S. 78. 157 Anklageschrift gegen die Leiter der Firma Röchling im Rastatter Prozess, Heft 4, S. 373, StAF T 1-27. 62 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) sagen woher das Geld käme« 158 . Demgemäß wurde Tgahrt beauftragt, Pleiger über die Ablehnung des Kreditangebots persönlich zu informieren. Am 7. Dezember 1935 führten Schlattmann und Arlt endlich ein offizielles Informationsgespräch mit Tgahrt, Röchling und dessen Schwiegersohn von Gemmingen. Darin war zu erfahren, dass sich das RWM mit der Ruhr auf ein Förderprogramm verständigt hatte und nun auch von den Saarwerken einen angemessenen Beitrag erwartete. Dieser bestand darin, dass die Saarhütten-ARGE ihren Erzabbau in Blumberg endlich aufnehmen und zügig auf 600.000 t im Jahr bringen sollte. In einer zweiten Stufe musste die Förderung dann auf 2 Mio. t gesteigert werden. Ernüchtert notierte Tgahrt, dass ein Reichszuschuss für Zusatzkosten und Kapital nicht geleistet werde. Der Neunkircher Generaldirektor forderte daraufhin, dass die Ruhrhütten ihre Minettebezüge für die Dauer der Erzimportkrise vollständig an die Saar abtreten sollten und auch die mittel- und ostdeutschen Hüttenwerke an den finanziellen Lasten der Saar zu beteiligen seien. Letzteres lehnte Schlattmann jedoch entschieden ab 159 . Friedrich Flick 160 , den Tgahrts Forderungen stark belastet hätten, erhielt bald Kenntnis von ihnen und protestierte bei Otto Wolff, der jegliche Urheberschaft bestritt 161 . Im Januar 1936 trat das Schlattmann-Programm in Kraft. Kepplers und Pleigers Vorhaben, das die Gründung einer umlagefinanzierten Pflichtgemeinschaft für die Verwertung aller Inlandserze vorsah, scheiterte dagegen am Widerstand Schachts 162 . Auf die Wolff oHG und die beiden Saarhütten kamen nun erhebliche Probleme zu: Sie hatten im Berliner Kompetenzkonflikt auf das falsche Pferd gesetzt, Keppler hofiert und Schlattmann verärgert; sie hatten völlig überzogene Erwartungen geweckt, unrealistisch niedrige Kostenprognosen 163 in die Welt gesetzt und Pleiger willkommene Vorlagen dafür geliefert, dass er die Ruhrindustrie in die Defensive drängen und ihr Gemeinheit und Sabotage 164 vorwerfen konnte. Unterkühlt war fortan das Verhältnis zwischen Röchling und der GHH, die sich ohnehin von Lilligs rüdem Verhalten auf der Baar »eigenartig berührt und befremdet« 165 fühlte. Verprellt waren auch die anderen drei Saarhütten, die man erst zum Mitmachen gedrängt und dann wieder ausgeladen hatte. Am Ende stand man mit leeren Händen da und musste befürchten, an den eigenen, übertriebenen Ankündigungen ge- 158 Aktennotiz H. Röchling v. 19.11.1935, KAS RESW F-K 22/ 2185. Darin notierte Röchling enttäuscht, Wolff habe von Schacht gehört, dass dieser »über das Programm von 3 Mill. t Eisen pro Jahr nicht hinausgehen wolle, da er den Anschluß an die übrige Weltwirtschaft […] nicht verlieren wolle«. 159 Aktennotiz Tgahrt v. 7.12.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 160 Friedrich Flick (10.7.1883 Ernsdorf - 20.7.1972 Konstanz): Eigentümer der Mitteldeutschen Stahlwerke AG, der Maximilianshütte in Rosenberg und der Gelsenkirchener Bergwerks AG. Pg. ab 1937, Wehrwirtschaftsführer. 1947 zu 7 Jahren Haft verurteilt. 161 Flick an Wolff v. 27.12.1935 und Wolff an Flick v. 30.12.1935, RWWA 72-147-8. 162 Riedel, Eisen und Kohle, S. 67 und Haus, Lothringen, S. 150 f. Haus irrt im Glauben, Pleiger habe mit seinem Plan vom Oktober 1935 zur Gründung einer Erzgesellschaft den Vorschlag der Saarhütten übernommen und auf alle deutschen Eisenerze ausgedehnt. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Saar eine vollständige Reichsfinanzierung forderte, während Pleiger die Finanzierungslasten per Umlage auf die Industrie verschob. 163 Wohl um den erhofften Verlustausgleich durch das Reich nicht zu gefährden, gab man Arlt gegenüber günstigere Kostenprognosen ab als die Ruhr. Reiseberichte Otto Berger v. 23.9.1935, KAS RESW F-K 57/ 2526. 164 Siehe Kap. II/ 5. 165 Kipper an H. Röchling v. 7.8.1935, RWWA 130-40 126/ 23. 63 3. Das Blumberger Bergwerk messen zu werden. GHH-Direktor Kellermann stellte diesbezüglich fest, »dass uns Herr Röchling mit seinem Optimismus einen sehr schlechten Dienst erwiesen hat und dass es grosser Anstrengung […] bedarf, um die falsche Meinung, die in Berlin an gewissen massgebenden Stellen heute vertreten wird, wieder zurecht zu rücken und diese Herren dahin zu bringen, dass sie sich wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückfinden« 166 . 3. Das Blumberger Bergwerk a) Fachpersonal- und Wohnraumengpässe Am 5. August 1935 hatte Röchling ein Sofortprogramm verkündet, für dessen Erfüllung Lillig ein Startbudget von 2,1 Mio. RM erhielt 167 . Der Ingenieur selbst bezifferte den Gesamtumfang des Projekts auf etwa 14 Mio. RM und erweckte bei den regionalen Behörden großspurig den Eindruck, das Blumberger Bergwerk werde nun auf eine Größenordnung von 2.200 Beschäftigten ausgebaut 168 . Lilligs vordringliche Aufgabe bestand darin, die materiellen und personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Ende des Jahres eine Monatsförderung von 60.000 t Erz aufgenommen werden konnte. Der ARGE-Geschäftsführer stellte im August 1935 35 Bergleute aus Recklinghausen ein, denen bald 40 Kumpel aus der Saar folgten. Wegen niedriger Löhne und unzumutbarer Lebenswie Arbeitsbedingungen verschwanden jedoch 80 % der eingestellten Bergleute binnen kürzester Frist wieder 169 . Beim Stollenvortrieb musste man daher vor allem auf ungelernte Männer aus der Baar zurückgreifen, die sich auf Lilligs Umfrage hin bei ihren Bürgermeistern gemeldet hatten 170 . Zur Klärung der Personalfrage fand am 14. September 1935 in Blumberg ein Gespräch 171 mit Beamten aus den Karlsruher Ministerien und aus der Arbeitsverwaltung statt. Darin kündigte Lillig einen Bedarf von bis zu 1.400 Leuten an, den er nach seinen enttäuschenden Erfahrungen aber nur mit etwa 200 ortsfremden Bergleuten decken wollte. Das Gros seiner künftigen Belegschaft sollte aus anspruchslosen Einheimischen bestehen, die schwere Arbeit und niedrige Löhne gewohnt waren, wenig Aussicht auf bessere Stellenangebote hatten und keine Kosten für den Bau von Unterkünften verursachten. Lillig stieß mit seinen Absichten jedoch auf Widerstand: Da in Nordbaden immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit herrschte, setzten die Karlsruher Ministerialbeamten durch, dass die ARGE ihre Belegschaft zu einem Drittel aus Nordbaden rekrutieren musste. Widerstrebend übernahm Lillig daraufhin den Bau von mehreren Unterkunfts- 166 Kellermann an Peter Klöckner v. 29.10.1935 RWWA 130-400 101 304/ 5. 167 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, Anl. 1, StAF V 500/ 3-100. 168 Bericht Bader über die Vorbesichtigung in Blumberg v. 4.11.1935, GLA 478/ 39. 169 Vermerk Lillig »Arbeitsmarktlage […]« v. 2.10.1935, LGRB 41/ 1. 170 Im September 1935 meldeten sich 106 Arbeitssuchende aus Blumberg und näherer Umgebung sowie weitere 158 Männer aus weiterer Entfernung. Es dominierten die Berufsangaben Landwirt, Taglöhner und Hilfsarbeiter. Verzeichnisse v. 4.9. und v. 23.9.1935, StAB III/ 4. 171 PdB »zur Klärung der Arbeitseinsatz- und Siedlungsfrage […] am 14.9.1935«, KAS RESW F-K 54/ 2494. 64 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) und Verpflegungsbaracken für etwa 200 Insassen 172 . Auch die Stadt Heidelberg baute in Blumberg eine Wohnbaracke für ihre arbeitslosen Bürger 173 , von denen jedoch 50 % binnen zweier Monate nach Arbeitsaufnahme wieder verschwanden 174 . Den später von auswärts zuziehenden Bergmannsfamilien mussten Mietwohnungen angeboten werden. Lillig bezifferte in der Konferenz vom 14. September den akuten Bedarf bis Ende 1936 auf bis zu 300 Einheiten, die als genormte Einfamilienhäuser geschaffen werden sollten. Um deren Bewohnern die Möglichkeit zu einem landwirtschaftlichen Nebenerwerb zu eröffnen, plante man die Grundstücke mit 600 m² großen Gärten und mit weiteren Pachtflächen auszustatten. Dies war jedoch nicht als soziale Wohltat gedacht, sondern sollte es dem Betrieb gestatten, seine Löhne auf das niedrigste Niveau zu beschränken. Das Innenministerium erklärte daraufhin die Gemarkungen Blumberg, Hondingen, Neudingen Riedböhringen, Riedöschingen, Gutmadingen und Geisingen zum Wohnsiedlungsgebiet 175 , was zur Folge hatte, dass Grundstückstransaktionen ab dem 1. Oktober 1935 genehmigungspflichtig wurden. Gleichzeitig wurde Regierungsbaurat Rodney Uhde 176 nach Donaueschingen abgeordnet, der zusammen mit drei Architekten des Reichs- und des badischen Gauheimstättenamts nach geeignetem Baugrund für die Arbeitersiedlung in Blumberg suchen sollte. Zwischen Johann Wilhelm Ludowici 177 , dem Leiter des Reichsheimstättenamts, der im November 1935 selbst die Baar besichtigte, und Innenminister Karl Pflaumer 178 kam es bald zum Dissens über ihre Kompetenzen. Ludowici bedrängte Pflaumer, doch bitte seinem Amt die Auswahl der künftigen Mieter zu überlassen, »um so von vorneherein die Gefahren zu vermeiden, welche Sie mir bei unserer Besprechung nannten« 179 . Reichsstatthalter Robert Wagner drückte sich in dieser Hinsicht deutlich klarer aus. Er befürchtete, die Bergleute von Saar und Ruhr würden »sich schwer assimilieren und könnten auch im Hinblick auf die politische Gesinnung […] einen bedenklichen Fremdkörper in der dortigen Gegend bilden« 180 . Wagner lehnte daher den Bau geschlossener Bergarbeitersiedlungen ab und drang darauf, das ihm suspekt erscheinende Unruhepotential auf mehrere Dörfer bei Blumberg zu verteilen. 172 Vermerk Naumann v. 17.9.1935, LGRB 41/ 1 und Bad. Bezirksamt an BFWM v. 26.10.1935, StAF G 11/ 2-119. 173 BMA Blumberg an Deutschen Gemeindetag v. 15.10.1935, StAB III/ 4. 174 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 175 BMI an BFWM v. 23.9.1935, LGRB 41/ 1. 176 Rodney Uhde (1.6.1892 Hamburg - 13.7.1975 Freiburg): 1911 Abitur in Mannheim, 1912- 1914/ 1919-1920 Ingenieursstudium an der TH Karlsruhe, 1914-1918 Kriegsteilnahme als Offizier, ab 1922 Karriere in der bad. Straßen- und Wasserbauverwaltung bis zum Regierungsbaudirektor (1943), 1940-1944 zugleich Referent und Leiter der Straßenbauabteilung beim CdZE, Pg. seit 1937, 1933- 1938 SS-Fördermitglied, NSFK-Sturmführer ab 1941; laut Kreisamtsleitung Karlsruhe »fest auf dem Boden des nat.soz. Staates, auch in der Judenfrage denkt und handelt er nationalsozialistisch«. »Uhde ist ein großer Judengegner, was er in den September-Tagen 1938 zeigte«. 1948 wurde Uhde als Mitläufer eingestuft und zum Regierungsbaurat degradiert. StAF D 180/ 2-8340. 177 Dr. Johann Wilhelm Ludowici (29.3.1896 Jockgrim - 1983): Ingenieur und Unternehmer, Pg. seit 1923, ab 1933 NSDAP-Beauftragter für alle Siedlungsfragen, Leiter des Reichsheimstättenamts und Siedlungsbeauftragter im Stab des Stellvertreters des Führers, ab 1935 Leiter der Akademie für Landesforschung und Reichsplanung. 178 Karl Pflaumer (27.7.1896 Rauenberg - 3.5.1971 Rastatt): 1933-1945 bad. Innenminister. Biografie: Kißener/ Scholtyseck, Führer, S. 539-566. 179 Ludowici an Pflaumer v. 19.11.1935, GLA 478/ 39. 180 BRSH an Siedlungsbeauftragten v. 27.11.1935, GLA 478/ 49. 65 3. Das Blumberger Bergwerk Ein großes Problem bildete die Finanzierung des etwa 1,4 Mio. RM teuren Wohnungsbauprojekts. Da es hohe Risiken für den Fall barg, dass der Erzabbau eines Tages wieder zum Erliegen käme und die Unterkünfte dann keine Nachmieter mehr fänden, wollten sich die Saarwerke nicht in die Rolle des Bauträgers begeben. Ministerialrat Dr. Eugen Imhoff, der Leiter der Bau- und Wohnungsabteilung im Badischen Innenministerium, betonte seinerseits, er sehe keinerlei Veranlassung, das landeseigene Wohnungsbauprogramm dadurch zu gefährden, dass er Haushaltsmittel zugunsten eines Projekts umschichte, das nicht der badischen Bevölkerung, sondern den von Ruhr und Saar zuziehenden Bergarbeiterfamilien zugutekäme. Man einigte sich am 14. September darauf, mit dem RWM und dem Reichsarbeitsministerium (RAM) darüber zu verhandeln, dass das Reich »auch die erforderlichen Baudarlehen für die Erstellung der Arbeiterwohnungen bereitstellt« 181 . Imhoff wandte sich daraufhin an das RAM, das eine Mittelvergabe von einem positiven Votum des RWM abhängig machte, das erst nach wochenlangen Verzögerungen Mitte November 1935 erteilt wurde 182 . Am 10. Dezember 1935 fand unter Pflaumers Vorsitz eine Konferenz in Donaueschingen statt, auf der die Finanzierungsfrage zwischen Behörden, Heimstättenämtern, Saarhütten-ARGE und der GHH, die ebenfalls Wohnungen für ihre Arbeiter benötigte, abschließend geklärt werden sollte. Ministerialrat August Schmitt vom RAM bekundete die Bereitschaft, den Arbeiterwohnbau durch Bürgschaften und Kredite des Reichs umfassend zu fördern, verlangte aber von den Hüttenwerken, sich mit etwa 25 % an der Finanzierung zu beteiligen. Offenbar hatte es Absprachen zwischen den Saarindustriellen und den Direktoren der GHH gegeben, denn beide Parteien lehnten jegliche Beteiligung an der Wohnungsfinanzierung für ihre eigenen Arbeiter ab. Schmitt resümierte am Ende verärgert, »dass ihm noch in keiner Besprechung ein so völlig ablehnender Standpunkt von Seiten der beteiligten Werke vorgekommen sei« 183 . Pflaumer gelang es auch später nicht, den Widerstand der Industriellen zu brechen, so dass die Dinge während der folgenden zwölf Monate in der Schwebe blieben. b) Überstürzter Betriebsaufbau ohne soziale Verantwortung Mit einer auf insgesamt 290 Leute 184 angewachsenen Belegschaft trieb Lillig ab Oktober 1935 den Betriebsaufbau in Blumberg überhastet voran. Aus geologischen und verkehrstechnischen Zwängen heraus ergab sich eine Zweiteilung des künftigen Werkskomplexes: Während die Gruben im Stoberg und im Eichberg im Nordteil lagen, mussten der Verladebahnhof und die Aufbereitungsanlage 2 km weiter südlich geplant werden, wo die Gleise der Eisenbahn verliefen und im Ristelberg eine weitere Erzgrube eröffnet werden sollte. Zwischen den beiden Werksteilen lagen das Aitrachtal und ein Moor. Da sich die beiden Stollenausgänge im Nordwerk direkt gegenüber lagen, plante Lillig den Bau einer gemeinsamen Kettenbahn, mit der die Erze aus den Gruben geholt und über eine 181 PdB »zur Klärung der Arbeitseinsatz- und Siedlungsfrage […] am 14.9.1935, KAS RESW F-K 54/ 2494. 182 RWM an RAM v. 11.11.1935, LGRB 41/ 1. 183 PdB am 10.12.1935 in DS, GLA 478/ 49. 184 Bericht Lillig v. 25.10.1935, StAF G 11/ 2-119. 66 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) 1.040 m lange Förderbrücke bis zum Südwerk transportiert werden sollten. Der Ingenieur schrieb das Projekt im September aus und beauftragte das Frankfurter Unternehmen Holzmann damit, Fundamente und Pfeiler der Brücke vom Stoberg über das Ried bis zum künftigen Verladebahnhof zu erstellen 185 . Im Herbst arbeiteten 130 Bauarbeiter mehrerer Firmen daran, die oberirdischen Betriebsanlagen der ARGE aufzubauen 186 . Im November 1935, mehr als 1½ Jahre nach Beginn der ersten Bergbauarbeiten, konnte am Schachteingang des Stobergs der erste Waschraum mit Warmwasserversorgung in Betrieb genommen werden. Einen Monat später eröffnete Lillig am Eichberg mehrere Werkstätten und eine Verwaltungsbaracke 187 , die weitere Waschkauen enthielt. Auch der Bau der Förderbrücke kam zügig voran, musste jedoch Ende November wegen des einsetzenden Frostes unterbrochen werden. Die regionale Presse bejubelte die neu geschaffenen Arbeitsplätze »in unserer sonst an Verdienst armen Gegend« und sagte voraus, dass »hierdurch der Wohlstand der Gegend bedeutend erhöht wird, ist dann nur noch eine Frage der Zeit« 188 . Die Realität sah freilich anders aus. Ein düsteres Kapitel betraf die sozialen Verhältnisse der über die Arbeitsämter angeworbenen Bergarbeiter von Saar und Ruhr: Mangels werkseigener Unterkünfte wurden die Menschen bei den Landwirten in den umliegenden Dörfern untergebracht und zahlten für Kost und Logis weit überhöhte Preise, die etwa die Hälfte ihres Lohns beanspruchten. In vielen Fällen erhielten sie dafür weder eine ausreichende Verpflegung noch fanden sie hygienische Verhältnisse vor. In welchem Ausmaß die örtliche Bevölkerung an den Bergarbeitern verdienen konnte, zeigt das Beispiel eines Gastwirts aus Riedöschingen, dessen Anwalt nach dem Krieg erklärte, die exorbitant hohen Einkommenssteigerungen seines Mandaten seien keineswegs auf eine Begünstigung durch den Nationalsozialismus zurückzuführen, sondern beruhten vielmehr darauf, dass er »viele Arbeiter, die in Blumberg und im Doggererzbergwerk beschäftigt waren, verköstigt und auf seinem Anwesen untergebracht« 189 habe. Lillig bemerkte zu den Nöten seiner Arbeiter nur, allgemein könne gesagt werden, dass der Bauer von der Baar in seinem Haushalt nicht gerade übermäßig sauber sei 190 . Von ihren Einkommen konnten die Bergleute nicht leben: Tageslöhne zwischen 6,95 RM und 7,80 RM gewohnt, waren sie von Lillig mit einem Lohnangebot von 6 bis 7 RM nach Blumberg gelockt worden. Tatsächlich lagen die Gedingelöhne bei 5,50 RM. Selbst diese Summe kam nicht zur Anrechnung, weil noch kein regelmäßiger Förderbetrieb existierte. Solange sich Lillig darauf beschränkte, das Bergwerk auf einen späteren Großabbau 185 Die Konstanzer Zeitung v. 23.11.1935 berichtete über die Bauarbeiten von 60 Holzmann-Arbeitern. 186 Ende Oktober 1935 arbeiteten 420 Leute für das Erzprojekt in Blumberg, davon 290 bei Lillig und 130 bei Baufirmen. 40 % der Leute waren Auswärtige. Bezirksamt DS an BFWM vom 26.10.1935, StAF G 11/ 2-119. 187 Bericht Lillig Nr. 14 v. 27.1.1936, StANK AD. Es entstanden Bürogebäude, Magazin, Schmiede, Schreinerei, Waschkauen, Transformatorenstationen, Antriebsstationen der Förderkettenbahn am Stoberg sowie diverse Unterkunftsbaracken in Zollhaus oberhalb der Kranzwirtschaft. Denkschrift v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 188 Donau-Bote v. 23.11.1935. 189 StAF D 180/ 2-161360. Das Jahreseinkommen des Gastwirts stieg von 2.295 RM (1935) auf 17.329 RM (1939). 190 PdB »zur Klärung der Arbeitseinsatz- und Siedlungsfrage […] am 14.9.1935«, KAS RESW F-K 54/ 2494. 67 3. Das Blumberger Bergwerk Abb. 6: Betriebsanlagen des Blumberger Bergwerks. Der Tagebau begann erst 1938. Bild: Baarverein. Abb. 7: Blumberger Bergleute, darunter der politischen Repressionen durch die Ortspartei ausgesetzte Vorarbeiter Otto Cosalter (Bildmitte) mit seinen Brüdern Karl (mit Pfeife) und Emil (2. von links). Bild: Sammlung Prillwitz. 68 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) vorzubereiten, wurde nur der Mindestlohn von 4,25 RM ausbezahlt. Das Arbeitsamt Villingen bescheinigte diesen Einkommenshöhen, dass sie »naturgemäss für die ledigen Arbeitskräfte schon das äußerste Mass des Zumutbaren darstellen, während verheiratete Leute ihre und ihrer Familien Existenz auch bei Weitergewährung von Sozialleistungen […] nicht mehr zu bestreiten vermögen. Zu beachten sind hierbei immer die hohen Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Betrage von monatlich durchschnittlich RM 50, der starke Kleiderverbrauch, die z.Tl. von Bauern gewährte unzureichende Kost, die eine Zusatzernährung notwendig macht« 191 . Die Arbeitsbedingungen waren auch für die damalige Zeit extrem schlecht 192 : Für 250 Bergleute gab es bis zum Herbst 1935 weder ein Waschbecken, noch Wirtschafts- oder Unterkunftsbaracken. Die empörten Arbeiter beschwerten sich bei den Behörden und forderten ihre Werksleitung monatelang zur Abhilfe auf 193 . Lillig verhinderte über den badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler und Innenminister Karl Pflaumer, dass die Deutsche Arbeitsfront unliebsame Kontrollbesuche im Werk durchführen konnte 194 . Im Wesentlichen ging der Widerstand von den gut organisierten Saarkumpel aus, während die eher anspruchslosen Einheimischen dankbar für die neuen Arbeitsplätze waren. In der Folge kam es zu einer Spaltung der Belegschaft, in der sich die beiden Gruppen gegenseitig Faulheit vorwarfen 195 . Da Lillig keinerlei Anstalten traf, die Missstände zu beheben, stellte das Arbeitsamt Villingen nach vergeblichen Mahnungen die Transporte von Bergarbeitern aus der Saar ein. Lillig beschwerte sich daraufhin bei Keppler, beim Reichsarbeitsminister und beim Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung. Der Bergingenieur führte den Widerstand der Saarkumpel nicht auf die von ihm zu verantwortenden Verhältnisse zurück, sondern auf »das Gehetze« einzelner staatsfeindlicher Individuen 196 und forderte die Gestapo im Oktober 1935 dazu auf, »hier säubernd einzugreifen und Sorge dafür zu tragen, dass solche Elemente unschädlich gemacht werden« 197 . Wie die Dinge wirklich lagen, schildert ein Bericht des Arbeitsamts Villingen. Dessen Leiter notierte im Oktober 1935: »Die Arbeitnehmer machen offen gestanden einen so abgerissenen Eindruck, dass es wunder nehmen muss, dass überhaupt die Arbeit noch weiter durchgeführt wird und dass noch keine offene Revolte ausgebrochen ist. An dem Arbeitswillen der Gefolgschaft besteht m.E. kein Zweifel«. Die Ursache für die Misere sei vielmehr auf die »Verständnislosigkeit der Betriebsführung zurückzuführen« und darauf, »dass bei dem weiteren Aufbau des Unternehmens auf die technischen Erfordernisse ausschlaggebenden Wert gelegt wird, während die Arbeiterfrage ins Hintertreffen gerät«. Daher müsse gesagt werden, »dass auf die Dauer die bestehenden Zustände un- 191 AAV an BFWM v. 24.10.1935, LGRB 41/ 1. 192 Das BFWM hob hervor, dass Lillig der sozialen Frage »bis jetzt kein grosses Verständnis« entgegengebracht habe. Demgegenüber habe die GHH »mehr soziales Verständnis.« Vermerk BFWM v. 17.9.1935, LGRB 41/ 1. 193 AAV an BFWM v. 24.10.1935, LGRB 41/ 1. 194 Vermerk Lillig v. 17.12.1935, GLA 478/ 49. 195 Bad. BA an BFWM v. 12.11.1935, LGRB 41/ 1. 196 Lillig klagte bei Behördenvertretern, »dass unter diesen Leuten, die z.T. 4-5 Jahre arbeitslos gewesen sind, ausserordentlich viele arbeitsunwillige assozialen Element [! ] stecken, die für den Aufbau des für die deutsche Rohstoffversorgung ausserordentlich wichtigen Betriebs eine grosse Gefahr darstellen«. PdB »zur Klärung der Arbeitseinsatz- und Siedlungsfrage […] am 14.9.1935«, KAS RESW F-K 54/ 2494. 197 Vermerk Lillig »Arbeitsmarktlage […]« v. 2.10.1935, LGRB 41/ 1. 69 3. Das Blumberger Bergwerk tragbar sind« 198 . Auch die Gestapo untersuchte die Sache und befand, die Bergleute hätten in Blumberg Arbeitsbedingungen vorgefunden, »die in einem nationalsozialistischen Deutschland unmöglich sein sollten«. Deshalb sei es »erklärlich und menschlich durchaus verständlich, dass die Arbeiterschaft ihrer Empörung über die schlechten Arbeitsverhältnisse offen zum Ausdruck« 199 bringe. Angesichts dieser Erkenntnisse blieb die von Lillig geforderte Säuberung aus. In ihrem Lagebericht 200 vermerkte die Gestapo allerdings doch, dass sich Ansätze kommunistischer Zersetzungszellen im Blumberger Bergwerk bemerkbar machten. Insbesondere die aus dem Saargebiet stammenden Bergleute versuchten nach rein kommunistischen Methoden ihre Arbeitskollegen unter Hinweis auf die geringen Löhne und primitiven Wohnungsverhältnisse zur Unzufriedenheit aufzuhetzen. c) Managementfehler und Massenentlassung Die badische Regierung beurteilte Lilligs Persönlichkeit zunehmend skeptischer. Ministerpräsident Köhler sprach ihm Ende 1935 die soziale Fähigkeit ab, seine Belegschaft erfolgreich zu leiten 201 . Gleichzeitig beging Lillig gravierende Managementfehler: So vollzog er das von Röchling initiierte Sofortprogramm in einem rasenden Tempo und konzentrierte sich ganz auf die technischen Aspekte des Betriebsaufbaus. Wirtschaftliche Erwägungen waren ihm fremd. Ein später erstelltes Gutachten warf ihm vor, trotz üppiger Personaldecke 202 keine funktionsfähigen Verwaltungsstrukturen geschaffen zu haben. Da sein Betrieb in kaufmännischer Hinsicht chaotisch arbeitete 203 , weder eine Kostenrechnung noch eine Finanzbuchhaltung existierte und auch das federführende NE auf eine wirksame Finanzkontrolle verzichtet hatte, kam dem Geschäftsführer der Überblick über seinen Betrieb im Laufe der Zeit abhanden 204 . Ende 1935 hatte er sein Budget um fast 1 Mio. RM überschritten, große Bestände an überflüssigen Materialien und Maschinen angehäuft, andererseits aber notwendige Bestellungen vergessen. Da er in unproduktive Auseinandersetzungen mit seinem Führungspersonal verstrickt war 205 und seine Sozialkompetenz vielfach bezweifelt wurde, drangen gezielte Indiskretionen zu Siedersleben vor. Auf dessen Betreiben hin erließ der Aufsichtsrat des NE am 21. Dezember 1935 ein Bestellverbot für die ARGE und verhinderte das Vorhaben des NE-Vorstands, Lillig zum Geschäftsführer der künftigen Bergbau-GmbH zu berufen 206 . Da sich mit dem Schlattmann-Plan ohnehin alle Hoffnungen auf staatliche Zahlungen für den Bergbau zerschlagen hatten, traf der NE-Aufsichtsrat am 21. Dezember 1935 eine harte Entscheidung: 200 Bergleute, denen nur wenige Wochen zuvor auf ihrer öffentlichen Barbarafeier die Parteiprominenz, darunter NSDAP-Kreisleiter Eberhard Se- 198 AAV an BFWM v. 24.10.1935, LGRB 41/ 1. 199 So rückblickend der Bericht von Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9 A/ 88. 200 Schadt, Verfolgung, S. 164. 201 Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Herbert Göring am 20.12.1935, RWWA 72-147-8. 202 Lillig verfügte über 25 Verwaltungsangestellte. Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 203 So wurden selbst Bestellungen und Arbeitsverträge kaum dokumentiert. Ebenda. 204 Der Bericht Syberg v. 13.1.1936 zeichnete ein desaströses Bild der kfm. Verwaltung. RWWA 72-147-8. 205 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 206 Siedersleben an v. Kühlmann v. 7.2.1936, RWWA 72-1447-4. 70 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) delmeyer und »Pg. Fürst zu Fürstenberg« 207 , die besondere Achtung der Gesellschaft bekundet hatte, erhielten nun ohne jede Vorwarnung ihre Kündigung und standen ohne ausreichende Mittel zur Rückkehr in ihre Heimat da. Blumbergs Bürgermeister Theodor Schmid erinnerte sich später: »Am Tage vor dem Weihnachtstag waren etwa 60-70 Mann bei mir auf dem Rathaus und verlangten das Fahrgeld zurück in ihre Heimat zu den Familien. Es war in diesen Tagen eine grosse Aufregung und erforderte ruhiges Blut, und nur mit bestimmter Sachlichkeit und gutem Einreden konnte ein Tumult unter den Arbeitern von mir verhütet werden« 208 . Erst massiver Druck der von Schmid alarmierten Behörden führte dazu, dass Lillig seinen Leuten den halben Fahrpreis zahlte und sie noch einige Tage beschäftigte, damit die Gemeindekasse nicht aushelfen musste 209 . Die Presse verlor über die für das NS-Regime peinliche Massenentlassung kein einziges Wort. Die Gestapo berichtete dagegen von »erheblicher Mißstimmung« 210 unter der Belegschaft. Die Otto-Wolff-Gruppe hatte die Notbremse gezogen und benutzte Lilligs ökonomische Fehler, um sich von Verpflichtungen zu befreien, die in der irrtümlichen Annahme eingegangen worden waren, dass das Reich schon alles zahlen werde. Unter den beiden Saarhütten setzten nun Überlegungen ein, das Bergwerk völlig zu schließen 211 . Erich Tgahrt und seine Vorstandskollegen kostete der Vorfall viel Renommee im NE- Aufsichtsrat 212 . Siedersleben fürchtete den Spott der eigenen Kollegen, denn auf Völklinger Seite werde ein kaufmännischer Reinfall Neunkirchens, das die Federführung der Arbeitsgemeinschaft innegehabt habe, »mit Betonung bemerkt« 213 . Der NE-Vorstand durfte Entscheidungen in dieser Angelegenheit daher nur noch im Einvernehmen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Richard von Kühlmann und mit Otto Wolff treffen 214 . Die beiden Saarhütten setzten am 2. Januar 1936 einen Untersuchungsausschuss ein 215 , der Lillig immerhin zugestand, dass er die Grubenanlagen sorgfältig und zweckmäßig errichtet hatte. Ende Januar wurde der gescheiterte Geschäftsführer suspendiert und zum März 1936 gekündigt 216 . Lillig hielt sich mit einem Gutachten für die badische Regierung über Wasser, bevor er bei Pleiger eine neuen Posten fand. Die Saarwerke zahlten ihm eine hohe Abfindung 217 , konnten aber nicht verhindern, dass Lillig in Berlin gegen sie intrigierte 218 . Der Personalabbau betraf auch viele Einheimische und zerstörte den ohnehin schlechten Ruf des Unternehmens. Es kamen Rachegelüste auf und sorgten für ungewöhnliche 207 Schwarzwälder Tagblatt v. 2.12.1935. 208 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 209 AAV an Bezirksamt DS v. 23.1.1936, StAF G 11/ 2-119. 210 Schadt, Verfolgung, S. 182. 211 So Gärtner und Würtz laut Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 212 Besprechungsvermerke Siedersleben v. 17. und v. 27.2.1936, RWWA 72-1447-4. 213 Siedersleben an v. Kühlmann v. 7.2.1936, RWWA 72-1447-4. 214 NE-ARP v. 21.12.1935, RWWA 72-211-15. 215 Memorandum »Prüfung der Verhältnisse in Donaueschingen« v. 2.1.1936, RWWA 72-147-8. 216 Lillig an Saarhütten-ARGE v. 29.1.1936 und NE an Lillig v. 30.1.1936, RWWA 72-147-8. 217 11.000 RM laut Prüfungsbericht zur Eröffnungsbilanz der DBG zum 1.2.1936, StAF V 500/ 2. 218 So beanstandete das Reichskriegsministerium bei Keppler und beim RWM, dass die Entlassung Lilligs und der Blumberger Arbeiter nicht seinen Wünschen entspreche und forderte einen Bericht an (Siedersleben an Tgahrt v. 13.2.1936, RWWA 72-1447-4). Siedersleben diagnostizierte 1936, »dass Dr. Lillig wieder stark im Büro Pleiger gegen uns tätig ist«. Vermerk Siedersleben v. 11.9.1936, RWWA 72-148-2. 71 3. Das Blumberger Bergwerk Allianzen: Blumbergs Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Schmid erkannte zwar an, dass Lillig »Grosses in kurzer Zeit geleistet« 219 habe, warf ihm aber spektakuläre Alkoholexzesse und sittliche Verfehlungen vor. Um diesen strafrechtlich zu belangen, fahndete Schmid Anfang 1936 intensiv nach aussagebereiten Zeuginnen für Lilligs lockeren Lebenswandel, »weil ja gerade durch dieses die edelsten Grundsätze der NSDAP mit Füssen getreten werden. Schon seit 5 Monaten suchen wir nach Tatsachen die es ermöglichen derartige Schädlinge im neuen Deutschland dorthin zubringen wohin sie gehören« 220 . Trotz tatkräftiger Mithilfe des katholischen Ortsgeistlichen Erwin Dietrich gelang es Schmid allerdings nicht, gerichtsfeste Aussagen zu erhalten, mit denen Lillig »gepackt werden könnte« 221 . Lilligs Arbeitgeber ließ die Tätigkeit seines Geschäftsführers untersuchen und bekam bescheinigt, dieser habe »in unverantwortlicher Weise seine Befugnisse überschritten« und »persönlich sich Rechte angemaßt und Gelder zugeführt«, was als ein Verhalten zu werten sei, »welches hart an die Grenze der geschäftlichen und persönlichen Moral streift«. Die Prüfer beanstandeten überhöhte Reisekosten und hielten Lilligs Spesenabrechnungen für vollkommen unglaubwürdig: »Man hat geradezu üppig gelebt. […] Bei allen Wirtshausrechnungen spielen übrigens Getränke eine grosse Rolle«. Auf beißende Kritik stieß auch die Tatsache, dass der vom Rennsport begeisterte Lillig binnen 18 Monaten drei Dienstwagen gekauft und »eine erdrückende Anzahl von Instandsetzungskosten« 222 verursacht hatte: Die Kotflügel der von ihm gefahrenen Autos waren 47mal repariert worden. d) Konsolidierung Zu Lilligs Nachfolger als Bergwerksdirektor wurde am 23. Januar 1936 223 der 55jährige Bergassessor Eduard Gärtner 224 bestellt, der bereits 1926 als Direktor der Kohlengrube Carl-Alexander in Röchlings Dienste getreten war und seit 1929 deren Saarbrücker Niederlassung leitete. Da er von seinen bisherigen Aufgaben nicht entbunden wurde, konnte Gärtner seine Blumberger Aufgabe nur in Teilzeit erledigen. Einmal pro Woche flog er in voller Grubenkleidung mit Röchlings Privatflugzeug, einer Me 108, von Saarbrücken nach Blumberg, landete mit einer Sondererlaubnis in der Nähe des Bergwerks und kehrte abends wieder in das Saarland zurück 225 . Siedersleben lag sehr daran, dem von Röchling gestellten Bergwerksleiter einen kaufmännischen Konterpart zur Seite zu stellen, der die eigenen, auf Kostenbegrenzung ausgerichteten Interessen wirkungsvoll zur Geltung brachte. Seine Wahl fiel auf Dr. Karl Würtz, einen sehr fähigen, aber überaus ehrgeizigen Diplom-Volkswirt von 32 Jahren, der seit 1927 für Wolff und das NE tätig war. Würtz hatte seine hohe Kompetenz bei der Sanierung maroder Unternehmen schon mehrfach 219 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 220 Schmid an Pfarrer Dietrich v. 20.1.1936, AKPAB XXII. 221 Vermerk Dietrich v. 21.1.1936, AKPAB XXII. 222 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. Unterstreich. im Orig. 223 Gödels PdB am 23.1.1936, RWWA 72-147-8. 224 Kurzbiografien Eduard Gärtner, Karl Würtz und Kurt Heyer: siehe Kap. IX/ 1/ b. 225 Ausk. von Dr. Gerhard D. Gärtner, dem Sohn von Eduard Gärtner. 72 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) beweisen können und saß nach einer steilen Karriere seit 1932 im Vorstand der konzernzugehörigen Neuwalzwerk AG in Bösperde. Am 16. Januar erhielt er die nebenamtliche Aufgabe, den kaufmännischen Betrieb in Blumberg zu reorganisieren. Würtz säuberte den vorgefundenen »Augias-Stall« 226 . Er veräußerte überflüssiges Material, widerrief zahlreiche Bestellungen und ersetzte Lilligs luxuriösen Dienstwagen, einen Ford V 8, durch einen bescheidenen Opel P 4. Er löste den prunkvollen Verwaltungssitz im Palais Carlshof auf, reduzierte den aufgeblähten Mitarbeiterstab und verlagerte die Geschäftsführung in eine Bürobaracke auf dem Blumberger Grubengelände. Da dort keine Toiletten existierten, mussten die Angestellten leider ihre Notdurft im Wald verrichten 227 . Würtz führte eine Kostenrechnung und eine Betriebsbuchhaltung ein und gab dem Werk ein schlankes Management und eine effiziente Organisationsstruktur vor 228 . Dort existierten nun eine Kaufmännische und eine Technische Abteilung: Erstere besaß fünf Angestellte und einen Leiter, der das Unternehmen nach außen zu vertreten hatte. Aus Kostengründen wurde der Posten als Prokuristenstelle für einen »kaufmännisch gut durchgebildeten Herrn« konstruiert. Deren Besetzung zog sich hin. Erst im Juli 1936 holte Würtz den ihm persönlich bekannten 38jährigen Reserveoffizier Kurt Heyer ins Unternehmen. Zum Betriebsleiter und Leiter der Technischen Abteilung stieg der 35jährige Karl Breiing auf, der seit Februar 1935 als Reviersteiger in Blumberg arbeitete. Breiing verdankte seine Karriere der Tatsache, dass er aus dem Steinkohlenbergbau kam und mit dem Wanderpfeilerbruchbau, der künftig in Blumberg angewandt werden sollte, durch eine mehrjährige Berufspraxis in der Duisburger Schachtanlage Friedrich Thyssen 2/ 5 gut vertraut war. Ihm unterstand der gesamte technische Betrieb mit etwa 100 Personen. Er war Vorgesetzter aller Steiger und hatte die Befugnis zur Personaleinstellung. Seine Führungsqualität war umstritten 229 . Die Stellvertretung und wissenschaftlich-akademische Assistenz des Bergbaupraktikers Breiing übernahm Diplom-Ingenieur Viktor Grablowitz, der die Leitung des neu geschaffenen Technischen Büros erhielt. Am 16. Januar 1936 fanden mehrere Sitzungen der Saarhütten über den künftigen Kurs der ARGE in Blumberg und in Donaueschingen statt, an denen auch Ministerialrat Arlt teilnahm. Siedersleben waren die Gespräche derart wichtig, dass er selbst das Protokoll verfasste 230 . Die Runde entschied, das Aufschlussprogramm im Eichberg und im Ristelberg abzubrechen und den Bergbau während der nächsten 1½ Jahre allein auf den Stoberg zu konzentrieren, dessen Hauptstollen und Erzrichtstrecke bis zur östlichen Bergflanke vorangetrieben werden sollten. Gleichzeitig wollte man den Verladebahnhof und die Erzaufbereitungsanlagen erstellen und das eigene Führungspersonal, das die aus unerfahrenen Einheimischen zu rekrutierende Mannschaft 231 ja später einmal anleiten 226 Würtz an Siedersleben v. 25.1.1936, RWWA 72-283-5. 227 Ausk. der Direktionssekretärin Gretel Lang. 228 Organisationsplan vom 21.4.1936, RWWA 72-1447-4. 229 »Herr Breiing wurde technischer Betriebsleiter und gerade in diesen Wochen war eine grosse Unzufriedenheit unter der Belegschaft. Bald jeden Tag hatte ich Beschwerden von Arbeitern des Werkes in meinem Büro entgegenzunehmen«. Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 230 PdB am 16.1.1936, Anlage 1 des Berichts Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 231 Da Gärtner marktübliche Bergbaulöhne nicht zahlen mochte und mit einer erfolgreichen Anwerbung von Fachpersonal aus deutschen Bergbaurevieren deshalb kaum zu rechnen war, wollte er, wie zuvor auch Lillig, auf das Potential an billigen, ungeschulten Arbeitskräften aus der Baar zurückgreifen. 73 3. Das Blumberger Bergwerk sollte, im Wanderpfeilerbruchbau schulen. Demgemäß wurden im Frühjahr 1936 ausgewählte Mitarbeiter in andere Bergwerke entsandt, wozu die Zechen Minister Achenbach, Grillo, Zollern, Gutmadingen und Gottessegen in Sachsen zählten 232 . Da die von Lillig Ende 1935 stark reduzierte Mannschaft für das geringe Fördervolumen der nächsten 18 Monate völlig ausreichte und man langfristig nur einen Personalbestand von etwa 125 Bergleuten anvisierte 233 , sollte künftig nur eine überschaubare Zahl auswärtiger Kumpel angeworben werden. Daher stand der von Lillig 1935 angestoßene Bau einer Bergarbeitersiedlung für die nächste Zeit nicht mehr zur Diskussion. Gärtner und Würtz erschienen am 4. Februar 1936 beim badischen Innenminister Karl Pflaumer, mit dem Lillig noch wenige Monate zuvor über das Wohnbauprojekt verhandelt hatte und bliesen es kurzerhand wieder ab 234 . Die internen Planungen der ARGE nahmen wenig Rücksicht auf Schlattmanns Wunsch nach einer raschen Förderaufnahme. Sie sahen den frühesten Beginn eines Versuchsabbaus erst für den Herbst 1936 vor, und auch dann nur mit 1.000 t Erz pro Tag. Gleichfalls viel Zeit ließen sich die Werke mit ihrer Planung für die Blumberger Infrastruktur. So beschloss man am 16. Januar 1936, den Bau der Förderbrücke über das Ried einzustellen und eine billige Gummibandförderung ins Auge zu fassen. Da Lillig bereits die Förderwagen gekauft hatte und Bedenken auftauchten, dass das bei Nässe zu Schmiere zerfallende Erz große Störungen auf dem Gummiband auslösen würde, blieb man nach längerer Debatte bei der Bandbrückenlösung. Gärtner ließ sich allerdings Zeit mit der Realisierung des Projekts und schrieb den stählernen Oberbau der Brücke im Februar 1936 erst einmal neu aus 235 . Offensichtlich wurden Zeitverzögerungen beim Bau der Transport- und Verladeanlagen vorsätzlich eingeplant, um sich Schlattmanns Forderungen mit technischen Argumenten entziehen zu können 236 . Obwohl es der Zeitplan dringend geboten hätte, konnten sich die Saarwerke über die Technologie der in Blumberg zu erbauenden Erzaufbereitungsanlagen in ihrer Besprechung am 16. Januar 1936 nicht einigen. Röchling setzte darauf, das Erz zu rösten und anschließend sauer zu verhütten; im NE präferierte man dagegen das Sinterverfahren und eine Verhüttung in basisch geführter Schlacke. Um in dieser umstrittenen Frage weiterzukommen, beschloss man, das Maschinenbauunternehmen Westfalia-Dinnendahl-Gröppel AG (WEDAG) als Gutachter einzuschalten und ihm die Begleitung der weiteren Aufbereitungsversuche zu übertragen. Leider wirkte sich diese Vereinbarung be- 232 Vermerk Siedersleben über die Besprechung am 28.3.1936 in Neunkirchen, RWWA 72-1447-4 und DBG-Bericht über den Stand der Arbeiten v. Juli 1937, LGRB 10 A/ 109. 233 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, S. 47, StAF V 500/ 3-100. 234 Pflaumer an BFWM v. 11.2.1936, LGRB 41/ 1. Im RWM und im RAM nahm man die Einstellung des Wohnbauprojekts sehr gelassen. RAM an BMI v. 6.4.1936, GLA 478/ 49. 235 PdB am 20.2.1936 in Völklingen, StANK AD 236 So beruhigte H. Röchling den hinsichtlich der Gründung einer Bergbau-GmbH skeptischen RESW- Aufsichtsrat mit der Versicherung: »Die vielleicht nahe liegende Vermutung, es könne durch Regierungsauflage eine die Kräfte der Saarwirtschaft übersteigende Abnahmeverpflichtung [von Doggererz, WIS] auferlegt werden, findet ihre natürliche Grenze in den örtlichen Verhältnissen in Zollhaus-Blomberg [! ], wo ohne ganz große Investierungen der Reichsbahn die erforderliche Abfuhrmöglichkeit nicht geschaffen werden kann«. RESW-Geschäftsführung an Aufsichtsratsvorsitzenden Mügel v. 12.5.1936, KAS RESW F-K 32/ 2372. 74 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) lastend auf das ohnedies schon sehr angespannte Verhältnis unter den Beteiligten aus 237 : Röchling und Gärtner verhinderten lange Zeit, dass der Auftrag überhaupt erteilt werden konnte. Die Ursache dafür war angeblich ein Patentstreit zwischen WEDAG-Teilhaber Karl Gröppel 238 und Hermann Röchling, doch gab in Wahrheit wohl eher die Sorge Röchlings den Ausschlag, Gröppel könne das Sinterverfahren bevorzugen 239 . Siedersleben und Tgahrt beschlossen nach monatelangem Streit mit Röchling, Gröppel auf Kosten des NE zu beauftragen 240 . Der Vorgang belastete das Verhältnis unter den ARGE-Partnern stark und entfremdete sie immer stärker voneinander. Siedersleben war sich mit dem Vorsitzenden des NE-Aufsichtsrats, Richard von Kühlmann 241 , ohnehin schon seit längerer Zeit darüber einig, dass die »Meta mit Völklingen aus personellen Gründen sehr schwierig ist« 242 , weil der eigensinnige Röchling kaum eine Gelegenheit ausließ, seine Partner vor den Kopf zu stoßen. So setzte der Kommerzienrat im Februar 1936 seine bereits früher scharf kritisierte 243 Praxis ungerührt fort, übertriebene Presseberichte zu lancieren, in denen der Eindruck erweckt wurde, das Doggererz könne Deutschlands »Rohstoffversklavung« 244 beenden und die Minette als Erzgrundlage der Saarhütten vollständig ablösen, da es billig zu fördern und mit Röchlings saurem Schmelzverfahren einfach zu verarbeiten sei. Im RWM geißelte man die Aktion als »voreilige und inhaltsunbegründete Ankündigung von zwei- 237 So klagte Siedersleben, dass mannigfache Äußerungen der Völklinger Seite »die Gefahr recht unerwünschter neuer Missverständnisse« nahelegten. Siedersleben an Tgahrt v. 13.2.1936, RWWA 72-1447-4. 238 Dr. Karl Gröppel (11.3.1883 Beuthen - 4.7.1962 Bochum): Spezialist für den Bau von Aufbereitungsanlagen, Inhaber der Bochumer Maschinenfabrik Fr. Gröppel, die später in der WEDAG aufging. Biografie: NDB 7 (1966) S. 117 f. 239 Aktenbefund RWWA 72-1447-4. 240 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 14.5.1936, RWWA 72-1447-4. 241 Dr. Richard von Kühlmann (3.5.1873 Konstantinopel - 16.2.1948 Ohlstadt): Diplomat und Industrieller, 1917/ 18 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, danach im Ruhestand, verheiratet mit Margarete von Stumm. 242 Vermerk Siedersleben über sein Gespräch mit v. Kühlmann am 17.2.1936, RWWA 72-1447-4. Meta: kaufmannssprachlich »zur Hälfte, auf gleichen Gewinn und Verlust«. Heyse, Fremdwörterbuch, S. 592. 243 Aus Gründen der militärischen Geheimhaltung monierte Keppler im Herbst 1935 einen Zeitungsbericht: »Diese Veröffentlichung wurde als sehr unangenehm empfunden und erfuhr stärkste Missbilligung. Es wurde der ausdrückliche Wunsch ausgesprochen, über diese Dinge nichts in der Öffentlichkeit verlauten zu lassen«. Vermerk Tgahrt über das Gespräch H. Röchling/ Tgahrt/ Keppler am 24.10.1935, RWWA 72-147-8. 244 Artikel »Deutschlands Erzversorgung unabhängig vom Ausland? «, Saarbrücker Zeitung v. 21.2.1936. Röchling verfolgte mit seiner Öffentlichkeitsarbeit wahrscheinlich mehrere Ziele. Dazu gehörten die Werbung für sein Verhüttungsverfahren und der Versuch, seine Minettelieferanten unter Druck zu setzen. Darüber hinaus gab es auch einen Adressaten in Berlin: Sein Konzern schuldete dem Fiskus 1936 noch 22,4 Mio. RM aus Krediten, die ihm das Reich und Preußen zwischen 1924 und 1926 gewährt hatten. Um seine Zinsbelastung zu verringern und das öffentliche Darlehen gewinnbringend abzulösen, zielte Röchling Anfang 1936 darauf ab, eine staatliche Genehmigung zur Aufnahme eines sog. Sperrmark-Kredits zu erhalten. Da die Zins- und Tilgungszahlungen in ausländischer Währung zu leisten waren, versuchte er der Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung glaubhaft zu machen, dass die Tätigkeit seines Konzerns per Saldo zu einer großen Deviseneinsparung führe. Der Ersatz von Minetteimporten durch Doggererz sollte nach Röchlings Bekunden jährlich 19,5 Mio. RM Devisenausgaben einsparen helfen. Der Antrag wurde zwar im März 1936 abgelehnt, doch erhielt Röchling im Oktober 1936 die Genehmigung des RWM zur Begebung einer Obligationsanleihe, aus deren Einnahmen der Staatskredit getilgt werden konnte. Das Reich erließ der Familie Röchling von 22,3 Mio. RM Restschuld mehr als 6,8 Mio. RM. Aktenbefund BAB R 3101/ 17963 und KAS RESW F-K 32/ 2372. Zum Thema Sperrmark: Ebi, Export, S. 40 ff. 75 4. Konfrontation mit Schlattmann felhaften Ergebnissen« 245 und sagte voraus, dass ihr einziger Erfolg eine weitere finanzielle Belastung der Saarwerke sein werde. Im NE fühlte man sich dermaßen provoziert, dass beide Gesellschaftergruppen 246 und der Vorstand Röchling vorwarfen, die Kosten- und Technikprobleme des Doggererzes auszublenden und sich »aus der Sphäre nüchterner volkswirtschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher Betrachtungen in die von Erwartungen und Hoffnungen« 247 begeben zu haben, was eine sehr höfliche Umschreibung für das Wort Realitätsverlust war. Röchling zog seinerseits den Schluss, seine bisherigen Partner in Neunkirchen hegten am Doggererz-Projekt wohl »kein Interesse mehr« 248 . 4. Konfrontation mit Schlattmann Anfang 1936 mussten die Saarhütten entscheiden, wie sie auf Schlattmanns Vorgaben offiziell reagierten. Tgahrt plädierte für einen konfrontativen Kurs und entwarf einen Brief an das RWM, in dem er feststellte, dass man am 17. September 1935 zwar einen Plan vorgelegt habe, der »die völlige Unabhängigkeit des Saarlandes von dem Bezuge fremden Erzes als Ziel ins Auge fasste«, doch könne eine derartige Lösung nur dann in Betracht kommen, wenn das Reich umfangreiche Kredite und Förderprämien vergebe: »Dieser Vorschlag hat Ihre Billigung nicht gefunden; er wäre in absehbarer Zeit auch nicht durchführbar, weil die Frage der Aufbereitung und Verhüttung der Erze in grossem Umfange zur Zeit noch nicht als gelöst betrachtet werden kann« 249 . Dies war exakt das Gegenteil dessen, was man am 17. September 1935 selbst behauptet hatte. Der Entwurf war kaum anders zu verstehen als eine umfassende Distanzierung der Saarhütten vom badischen Bergbau. Röchling beschwerte sich umgehend bei Tgahrt und warf ihm vor, er sehe die Dinge viel zu schwarz 250 . Der diplomatische Siedersleben verhinderte den Versand des Briefs, zumal ihm Keppler am 8. Januar 1936 mitgeteilt hatte, dass er Rohstoffkredite vom Reichsfinanzministerium besorgen könne 251 . Gemeinsam mit Tgahrt, der am 9. Januar nach Berlin angereist war, formulierten er und Wolff einen geschmeidigeren Text für das RWM, in dem man sich von den großspurigen Ankündigungen vom Herbst 1935 distanzierte, die umstrittene Subventionsfrage einfach ausklammerte und massive Bergbauprobleme sowie aufbereitungstechnische Schwierigkeiten als Gründe für die Unerfüllbarkeit der eigenen Planziele vorschob 252 . Keppler erhielt eine Kopie des Schreibens 253 . Röchling, der die Federführung in allen technischen Fragen besaß, in 245 Vermerk Siedersleben über sein Telefongespräch mit Arlt am 25.2.1936, RWWA 72-1447-4. 246 Vermerk Siedersleben v. 29.2.1936, RWWA 72-1447-4. 247 Entwurf eines Schreibens an H. Röchling v. 28.2.1936. Der tatsächlich versandte Brief v. 29.2.1936 fiel moderater aus. RWWA 72-1447-4. 248 Notiz Rodenhauser über einen Vortrag H. Röchlings auf der RESW-ARS v. 25.3.1936, KAS RESW F-K 1/ 2102. 249 Briefentwurf NE an RWM v. 6.1.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 250 H. Röchling an Tgahrt v. 8.1.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 251 Vermerk Siedersleben über sein Gespräch mit Keppler am 8.1.1936, RWWA 72-196-12. 252 Saarhütten-ARGE an RWM v. 9.1.1936, RWWA 72-196-12. 253 Rohstoffkommissar Puppe wurde von Röchling persönlich informiert und gab Kellermann gegenüber später den Kommentar ab, dass »die Phantasiepläne des Herrn Röchling bezw. des Herrn Lillig« zu Grabe getragen worden seien. Vermerk Kellermann über sein Gespräch mit Puppe am 22.1.1936, RWWA 76 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) den Vorgang aber in keiner Weise eingebunden worden war, protestierte sofort und wies Tgahrt süffisant darauf hin, dass »der Erzbergbau in der Gegend von Donaueschingen ein grosser Steinbruch ist und sein wird, der sich mit den Schwierigkeiten, die im Kohlenbergbau vorhanden sind, überhaupt nicht vergleichen lässt« 254 . Um Schlattmann einzubinden, ihm die örtliche Lage vor Augen zu führen und Absprachen zu treffen, lud ihn Siedersleben zur Besprechung der Saarhütten am 16. Januar 1936 in Blumberg ein. Wohl aus Rücksicht gegenüber dem RWM erhielt Keppler keine Einladung 255 . Schlattmann beauftragte jedoch Arlt mit seiner Vertretung und kündigte eine eigene Besprechung für den 23. Januar in Saarbrücken an. Diese fand in stark unterkühlter Atmosphäre statt. Der Oberberghauptmann erklärte, er stehe unter dem Druck der Wehrmacht, mit der Saar ein ähnliches Abkommen zu schließen wie mit der Ruhr und forderte seine Gesprächspartner auf, dem Beispiel der Ruhr zu folgen und ihrem Möller sofort 12 % unaufbereitete, rohe Inlandserze beizugeben. Die anfallenden Mehrkosten müsse die Saar selbst tragen; staatliche Zuschüsse oder eine Umlage auf die gesamte deutsche Industrie kämen nicht in Betracht. Schlattmann drängte die Werke, den Bau der Blumberger Verladebrücke und der übrigen Anlagen stark zu beschleunigen und warf ihnen vor, dass sie sich »selbst sehr viel verdorben hätten durch Reden und Aufsätze, die in einem ganz und gar unbegründetem [! ] Optimismus das Problem als gelöst hinstellten« 256 . Dadurch »seien sowohl beim Büro Keppler als auch in der Öffentlichkeit viel zu grosse Hoffnungen über die Aufbereitbarkeit der Doggererze geweckt worden […], die jetzt nur sehr schwer beseitigt werden könnten« 257 . Die Werksvertreter leisteten hinhaltenden Widerstand. Gödels Protokoll zufolge einigte man sich endlich auf eine Beimischungsquote von 9 %, wobei es den Hütten gelang, die Erfüllung der grundsätzlich erteilten Zusage an die Bedingung zu knüpfen, dass eine Prüfung belegen müsse, dass die Roherzbeigabe unschädlich für ihre Hochöfen sei, womit ein Schlupfloch gefunden war. Der Oberberghauptmann kündigte den Werken einen Erlass zur Fixierung der Förderziffern an, blieb diesen jedoch schuldig 258 . Bereits sechs Wochen später versuchten die Werke, sich aus ihrer Zusage wieder herauszuwinden. Tgahrt teilte dem RWM Ende Februar 1936 mit, dass sich Röchlings Röst- und Verhüttungsversuche mit dem Doggererz nicht fortsetzen ließen, weil Gärtner den bislang betriebenen Versuchsabbau von 400 t pro Tag in Blumberg aus Sicherheitsgründen habe einstellen müssen 259 . Am 17. März fuhren Gärtner und Würtz im Auftrag 130-400 101 307/ 11. 254 H. Röchling an Tgahrt v. 14.1.1936, RWWA 72-147-8. 255 Siedersleben begründete dies offiziell damit, dass es bei dem Termin nur um technische Bergbaufragen gehe. Siedersleben an Dr. Voss v. 9.1.1936, RWWA 72-196-12. 256 Gödels PdB am 23.1.1936, RWWA 72-147-8. Gesprächsteilnehmer waren vom RWM: Schlattmann, Arlt; von den RESW: v. Gemmingen, Maier, Gärtner; vom NE: Siedersleben, Kugener, Gödel. 257 V. Gemmingens PdB am 23.1.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 258 Laut Vermerk Siedersleben teilte Arlt am 25.2.1936 mit, dass der avisierte RWM-Erlass nicht erstellt werde und forderte die Saarhütten auf, »schnellstens voranzuschreiten«. Vermerk v. 29.2.1936, RWWA 72-1447-4. 259 Tgahrt an Arlt v. 24.2.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. Gärtner plante zunächst einen Versuchsabbau von 400 t pro Tag aufzunehmen. Dies war der maximale Umfang, den die dürftigen Verlade- und Transporteinrichtungen in Blumberg eben noch zuließen. Die Erfahrungen zeigten aber, dass ein extrem langsam betriebener Bergbau die Kumpel gefährdete, weil unvermutet das Hangende über sie hereinbrach. 77 4. Konfrontation mit Schlattmann des NE 260 nach Berlin und setzten Schlattmann davon in Kenntnis, dass die Hochöfen an der Saar keinesfalls die von ihm geforderten Roherzmengen verhütten könnten 261 . Der Oberberghauptmann lehnte es jedoch kategorisch ab, darauf zu warten, welche Resultate die Aufbereitungsversuche in ein oder zwei Jahren brächten. Da ihm seinerzeit erklärt worden sei, dass die Saarhütten problemlos 600.000 t rohes Doggererz im Hochofen verarbeiten könnten, müsse er jetzt darauf bestehen, dass dieses Fördervolumen rasch realisiert werde. »Alles übrige sei in diesem Augenblick gewissermaßen Nebensache, denn es sei höchste Zeit, endlich mit Rücksicht auf die bevorstehenden Wirtschaftsverhandlungen mit Frankreich mit einem entsprechenden Druckmittel, in diesem Falle der Erzförderung, herauskommen zu können«. Da der Konflikt mit Keppler immer noch schwelte, schärfte er seinen Besuchern ein, dass »er allein und keine andere Stelle des Reichs für unsere Belange zuständig sei und wir uns lediglich nach seinen Anweisungen zu richten hätten [...]. Sollte irgend eine andere Stelle es unternehmen, uns Anweisungen zu geben oder irgendwelche anderen Vorschriften zu machen, so untersage er uns nachdrücklich, uns hiernach zu richten« 262 . Nach ihrem Gespräch im RWM gingen Gärtner und Würtz zu Keppler, der den von Schlattmann genannten Förderumfang von 600.000 t für »viel zu niedrig« 263 hielt und seine Besucher vorwurfsvoll darauf hinwies, dass Röchling noch im Dezember 1935 ein Abbauvolumen von 10 Mio. t angekündigt habe. Keppler betonte, er könne nicht begreifen, wie so lange Zeit verflossen sei, ohne eine Förderung zu erreichen. Hitlers Wirtschaftsberater räumte im weiteren Gesprächsverlauf zwar ein, dass er Schlattmann gegenüber momentan am kürzeren Hebel saß, kündigte aber für die Zeit nach der Reichstagswahl eine Entscheidung zu seinen Gunsten im Kompetenzkonflikt mit dem RWM an. Anschließend wolle er höhere Forderungen gegenüber der Montanindustrie formulieren, über deren exakten Umfang er sich allerdings ausschwieg. Die beiden Geschäftsführer resümierten in ihrem Besuchsbericht, dass ihre weitere Arbeit an den technischen Fragen erst dann einen Sinn ergäbe, wenn eindeutig feststehe, welchen Umfang die Förderauflage des Reichs denn nun haben werde. Schlattmann musste von seinem Gespräch mit Gärtner und Würtz einen sehr ungünstigen Eindruck gewonnen haben. Bereits am nächsten Tag, dem 18. März 1936, forderte er die Saarhütten-ARGE ultimativ und in wenig freundlichem Tonfall auf, ihm schriftlich zu erklären, »dass die Abnahme einer jährlichen Fördermenge von 600.000 t Roherzen durch die Saarhütten für den Einsatz in den Möller, ohne die Entwicklung der Anreicherungs- oder Verhüttungsverfahren abzuwarten, dadurch sichergestellt wird, dass mit grösstmöglichster [! ] Gärtner verfügte daraufhin den Abbruch des Experiments und ordnete Arbeiterentlassungen an. PdB am 20.2.1936, RWWA 72-1447-4. 260 Ergebnis der Besprechung v. Kühlmann, Tgahrt, Kugener, Gärtner, Würtz am 28.2.1936 RWWA 72- 1447-4. 261 Gärtner/ Würtz an NE und RESW v. 17.3.1936, StANK AD. 262 Vermerk Gärtner/ Würtz über die Besprechung im RWM am 17.3.1936, StANK AD. Unterstreich. im Orig. 263 Vermerk Gärtner/ Würtz über den Besuch bei Keppler am 17.3.1936, StANK AD. Unterstreich. im Orig. 78 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) Beschleunigung a) für die Beförderung dieser Mengen zum Eisenbahnanschluss und für ihre Verladung gesorgt wird und dass b) im Bergbaubetrieb die Aus- und Vorrichtung sowie die Vorbereitung des Abbaues so betrieben werden, dass die erforderliche Fördermenge rechtzeitig geliefert werden kann. Ich bitte um Angabe der Termine, zu welchen mit der Durchführung der oben genannten Massnahmen gerechnet werden kann. Ich setze voraus, dass sie über 6 Monate nicht hinausgehen« 264 . Das Schreiben löste Empörung bei Siedersleben aus, der Schlattmanns Standpunkt für abwegig hielt, wonach man größere Roherzmengen verhütten könne, ohne zuvor die aufbereitungstechnischen Probleme gelöst zu haben 265 . Auch die Völklinger Geschäftsführung lehnte Schlattmanns Wunsch ab 266 . Röchling erklärte seinem Aufsichtsrat, es sei »z.Z. allgemeine Zurückhaltung geboten und dementsprechendes Abwarten« 267 . Man unterließ es deshalb, Schlattmann sofort zu antworten. Am 28. März 1936 einigten sich die beiden Saarhütten dann darauf, dass es bei den bisherigen Planungen verbleiben sollte, wonach der Bergbau auf reine Aus- und Vorrichtungsarbeiten beschränkt blieb, weil kaum zu erwarten sei, dass die Förderbrücke und der Verladebahnhof rechtzeitig zu dem von Schlattmann geforderten Termin, dem 1. Oktober 1936, vollendet sein würden 268 . 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH Nachdem sich das Doggererz nicht als Subventionsquelle, sondern als Zuschussgeschäft erwiesen hatte, waren das NE und die Otto-Wolff-Gruppe nicht länger bereit, die Hälfte der Lasten zu tragen. In Neunkirchen und Köln drängte man schon seit Monaten auf die Umwandlung der bestehenden Arbeitsgemeinschaft in eine Bergbau-GmbH, an der auch die anderen drei Saarhütten beteiligt werden sollten. Damit wollte Siedersleben auch funktionsfähige Organisationsstrukturen schaffen, die eine formalisierte, klare Willensbildung zuließen und deren rasche Umsetzung garantierten 269 , da sich die Differenzen mit Röchling verstärkten und wichtige Entscheidungen in technischen Fragen blockierten. Gärtner und Würtz bereiteten seit Januar 1936 die beabsichtigte GmbH-Gründung vor und legten im April 1936 einen Bericht 270 vor, in dem sie die Gesamtkosten zur Erfüllung der ersten Stufe des Schlattmann-Plans auf 3,8 Mio. RM bezifferten. Weitere 2 Mio RM würde der Bau der notwendigen Röstöfen kosten. Eine Summe von insgesamt 2,3 Mio. RM hatten die beiden Saarhütten seit Anfang 1934 bereits investiert, die restlichen 3,5 Mio. RM mussten noch aufgebracht werden. 264 RWM an Saarhütten-ARGE v. 18.3.1936, RWWA 72-1447-4. 265 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 20.3.1936, RWWA 72-1447-4. 266 V. Gemmingen/ H. Röchling an RESW-ARM v. 25.5.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 267 Notiz Rodenhauser über einen Vortrag H. Röchlings auf der RESW-ARS v. 25.3.1936, KAS RESW F-K 1/ 2102. 268 Vermerk Siedersleben über die Besprechung NE-RESW am 28.3.1936, RWWA 72-1447-4. 269 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 14.5.1936, RWWA 72-1447-4. 270 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 79 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH Um eine Kostenbeteiligung der übrigen drei Saarwerke zu erzwingen, parierten das NE und die RESW Schlattmanns Brief vom 18. März ihrerseits mit der Aufforderung an das RWM, es möge noch tiefer in die Autonomie der Wirtschaft eingreifen. Obwohl dessen Schreiben nur an die beiden Werke in Völklingen und Neunkirchen gerichtet worden war, hoben sie in ihrer Replik darauf ab, dass die Auflage des RWM zur Doggererzverhüttung auch für die anderen drei, von Auslandsgesellschaften dominierten Werke gelten müsse und diese vom RWM zu zwingen seien, sich an der Bergbau-GmbH zu beteiligen 271 . Dieser Vorstoß hatte nicht nur eine Kostenumverteilung zum Ziel: Röchling hoffte den erwartbaren Widerstand der Betroffenen zu nutzen und eine gemeinsame starke Abwehrfront aller fünf Hütten gegen die Auflagen des RWM organisieren zu können 272 . Was die Fördervorgabe des Schlattmann-Plans anbelangte, so gaben NE und RESW in ihrem Antwortbrief keinerlei feste Zusage darüber ab, zu welchem Zeitpunkt sie dessen erste Planstufe erfüllen wollten. Sie wiesen stattdessen auf Bergbauprobleme hin und beließen es bei der Zusicherung, sich ernsthaft zu bemühen, ab Herbst 1936 täglich 2.000 t Doggererz abzubauen. Zugleich forderten sie Steuervergünstigungen, niedrige Frachttarife und den exklusiven Bezug lothringischer Minette beim RWM ein. Tgahrt reiste am 9. April 1936 nach Berlin und übergab Arlt das Schreiben. Dieser machte keine Bedenken geltend, verwies aber darauf, dass für die geäußerten Subventionswünsche andere Stellen zuständig seien 273 . Am 17. April 1936 schrieb Schlattmann die Hütten in Burbach, Dillingen und Brebach an und ließ deren Vorstände wissen, er erwarte, dass auch »Ihr Hüttenwerk […] zur Abnahme des entsprechenden Anteils an der südbadischen Eisenerzförderung bereit sein wird und […] mit der Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen die erforderlichen technischen und finanziellen Abmachungen treffen wird. Einer dahingehenden Erklärung darf ich alsbald entgegensehen« 274 . Kurz darauf wurden die Werke von Tgahrt und Röchling über die beabsichtigte Gemeinschaftsgründung einer Bergbau-GmbH unterrichtet 275 . Die Adressaten reagierten ablehnend: Ende April 1936 machte die Burbacher Hütte technische Probleme bei der Verhüttung von rohem Doggererz geltend 276 , doch wies Ministerialrat Pasel am 5. Mai 1936 ihren Einspruch gegen die ministerielle Auflage zurück 277 . Am 28. Mai 1936 fand dann auf Einladung Tgahrts eine Sitzung aller fünf Saarhütten in Neunkirchen statt, auf der die GmbH-Gründung beraten und beschlossen werden sollte. Siedersleben legte großen Wert auf die Einbindung des RWM und sorgte dafür, dass dieses eine Einladung zur Sitzung erhielt 278 , die Arlt wahrnahm. Während der gemeinsamen Anreise aus Berlin stimmte sich Siedersleben mit Arlt ab 279 . 271 »Wir glauben deshalb, dass die Beteiligung der übrigen Saarwerke nur dann in absehbarer Zeit zu erreichen sein wird, wenn die Autorität des Reichswirtschaftsministeriums voll dahinter steht und sich in einem Schreiben an die Saarwerke dokumentiert, in dem ihnen die anteilsmässige Erfüllung der vom Reichswirtschaftsministerium gestellten Aufgabe zur Pflicht gemacht wird«. NE und RESW an RWM v. 7.4.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 272 V. Gemmingen/ H. Röchling an RESW-ARM v. 25.5.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 273 Vermerk Tgahrt v. 14.4.1936, RWWA 72-1447-4. 274 RWM an Halbergerhütte, Burbacher Hütte und Dillinger Hütte v. 17.4.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 275 NE/ RESW an Halbergerhütte, Burbacher Hütte und Dillinger Hütte v. 21.4.1936, RWWA 72-1447-4. 276 Burbacher Hütte an RWM v. 25.4.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 277 RWM an Burbacher Hütte v. 5.5.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 278 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 14.5.1936, RWWA 72-1447-4. 279 Siedersleben an Tgahrt v. 22.5.1936, RWWA 72-148-1. 80 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) In der Sitzung verteilte Tgahrt einen Satzungsentwurf sowie eine Eröffnungsbilanz der GmbH und lud die Hütten zur gemeinsamen Gründung ein. Arlt erläuterte den Schlattmann-Plan und forderte alle Werke auf, ab 1. Oktober 1936 monatlich 50.000 t Doggererz zu fördern und anteilig abzunehmen. Auffallenderweise unterließ er es aber, sie auch zu einer Beteiligung an der GmbH aufzurufen. Weder Tgahrt noch Arlt erzielten durchschlagenden Erfolg: So stimmte die Burbacher Hütte einer GmbH-Beteiligung zwar prinzipiell zu, doch lehnte sie jegliche Verarbeitung von Roherz ab. »Anders läge der Fall«, so Direktor Dr. Alphonse Wagener 280 , »wenn die Aufbereitung in Zollhaus- Blumberg bereits gediehen sei und die Doggererze als geröstetes Produkt bezogen werden könnten« 281 . Dr. Walther Wieland von der Halbergerhütte erklärte, sein Aufsichtsrat sperre sich gegen eine GmbH-Beteiligung, da ihm die Reichsregierung bereits andere finanzielle Lasten auferlegt habe. Der Generaldirektor der Dillinger Hütte, Henri Roger 282 , vermied eine klare Aussage und bestand auf der Klärung aller noch offenen technischen Fragen. Am Ende einigte man sich auf einen Minimalkonsens, wonach die drei Werke geringe Mengen Doggererz bezogen, um erste Verhüttungsversuche damit zu unternehmen. Im Anschluss an die Sitzung vom 28. Mai 1936 gründeten das NE und die RESW allein die Doggererz-Bergbau GmbH (DBG) und teilten die Geschäftsanteile der Blumberger Firma hälftig unter sich auf 283 . Tgahrt übernahm den Aufsichtsratsvorsitz; Gärtner und Würtz wurden zu Geschäftsführern des mit 2 Mio. RM Grundkapital ausgestatteten Unternehmens bestellt 284 . Drei Wochen später fand erneut eine Sitzung aller fünf Werke über die Beitrittsfrage in Völklingen statt. Sie offenbarte eine schwierige Gemengelage: Röchling und Tgahrt benötigten einerseits den Druck des RWM auf die anderen Werke, um diese zur Beteiligung an der GmbH und damit auch an den Kosten der Aufbereitungsanlagen zu zwingen; andererseits aber kam ihnen der Widerstand ihrer Wunschpartner gegen eine Verhüttung von rohem Doggererz durchaus gelegen. Zu Sitzungsbeginn berichtete Wagener, dass die Verhüttungsversuche mit dem Blumberger Roherz in Burbach völlig gescheitert seien 285 . Man sei zwar bereit, Anteile an der DBG zu zeichnen, tue dies aber nur unter der Bedingung, vor Vollendung der Aufbereitungsanlagen kein Roherz abnehmen zu müssen 286 . Da sich Arlt auf die taktische Position zurückzog, dass das RWM auf seinen Vorgaben nicht mehr beharren könne, wenn eine Roherzverhüttung ohne vorherige Aufbereitung 280 Kurzbiografien Alphonse Wagener und Walther Wieland: siehe Kap. IX/ 1/ a. 281 Protokoll der Sitzung am 28.5.1936, StANK AD. 282 Henri Roger (12.6.1881 Breteuil - 1964): Nachruf in: Revue Technique Luxembourgeoise 56 (1961) S. 176. 283 DBG-Gesellschaftsvertrag v. 28.5.1936. LGRB 9 A/ 98. 284 Die DBG bat das RFM umgehend um Freistellung von allen Reichs-, Landes- und Gemeindesteuern oder Gebühren (ARGE an RFM v. 29.5.1936, BAB R 3112/ 184). Der Antrag wurde im Februar 1938 für Vermögen-, Umsatz- und Körperschaftsteuer befristet auf 2 Jahre genehmigt (DBG-GVP v. 22.2.1938, RWWA 72-146-7). Steuerbefreiungen für Autarkieprojekte waren durchaus üblich. Siehe beispielsweise Scherner, Logik, S. 177. 285 Am 18.8.1936, sandte die Burbacher Hütte den anderen Werken einen Versuchsbericht zu, der zu dem Resultat kam, dass die Verhüttung von rohem Doggererz »undurchführbar« sei »und zu unübersehbaren Ofenstörungen und fühlbaren Produktionsausfällen« führe. Bericht Burbacher Hütte v. 18.8.1936, StANK AD. 286 NE-Generaldirektion an Siedersleben v. 11.8.1936, RWWA 72-148-1. 81 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH technisch unmöglich sei, ging es jetzt nur noch um den GmbH-Beitritt und eine Kostenbeteiligung an den Aufbereitungsanlagen. Tgahrt und Siedersleben erhoben die Forderung, dass »Brebach und Dillingen unbedingt mitmachen müssten, nachdem sich nun auch Burbach bereit erklärt habe«, was den Brebacher Generaldirektor Wieland allerdings nur zu der wütenden Feststellung trieb, dass es inakzeptabel sei, wenn Neunkirchen und Völklingen »jetzt eine Beteiligung von Halberg erzwingen wollten, nachdem sie früher eine solche nicht gewünscht hätten. Es sei weiterhin unmöglich und untragbar, und dies müsse deutlich unterstrichen werden, dass Völklingen und Neunkirchen die Weigerung und Unmöglichkeit von Halberg, sich an der Doggererz-Bergbau GmbH finanziell zu beteiligen, benutzen wollten, um ihre bisherige Aufgabe bezw. die Wünsche der Regierung nicht auszuführen oder weiterzuentwickeln«. Tgahrt konterte seinerseits mit der Forderung nach staatlichem Zwang und bat »wiederholt um die Feststellung, dass Brebach und Dillingen sich an der Doggererz-Bergbau GmbH zu beteiligen haben« 287 . Arlt ließ Tgahrt jedoch abblitzen und meinte, dass es dem RWM gleichgültig sei, in welcher Form die künftige Erzabnahme abgewickelt werde. Wenn sich ein Werk nicht an der GmbH beteiligen wolle, dann müssten eben die Erzpreise der DBG mit einem kostendeckenden Zuschlag versehen werden. Da Tgahrt hier im Moment nicht weiter kam, ging er Arlt frontal an: Mit dem Argument, dass die Saarhütten bei Erfüllung des Schlattmann-Plans wegen ihrer extrem eisenarmen Erze wesentlich höhere Kosten als die Ruhrwerke zu tragen hätten, verlangte er, dass eine Reichsbeteiligung an den Doggererzlasten nochmals erörtert werden müsse. Tgahrt bekam von Arlt jedoch nicht mehr als eine verständnisvoll hinhaltende Antwort zu hören. Da der Dissens nicht zu überbrücken war, verlief die Sitzung vom 18. Juni 1936 weitgehend ergebnislos. Auch ein späterer Versuch, am 10. Juli 1936 in Donaueschingen eine Beteiligung der widerstrebenden Saarhütten herbeizuführen, scheiterte. Bis zum Sommer 1936 war von einem zügigen Betriebsaufbau in Blumberg wenig zu bemerken. Die Mitarbeiterzahl stagnierte bei 12 Angestellten und 106 Arbeitern, die nur geringe Erzmengen beim Stollenvortrieb gewannen 288 . Auch die Projektierung der Anlagen, an der Karl Gröppel und die WEDAG mitwirkten, machte kaum Fortschritte: Erst am 4. Mai 1936 wurden Gärtner und Würtz von den Saarwerken ermächtigt, den Auftrag für den Stahloberbau der Förderbrücke an den Saarbrücker Förderanlagenbauer Ernst Heckel zu vergeben 289 . Am 8. Juli 1936 begann man mit den Arbeiten an der Förderbrücke und am Verladebahnhof 290 , musste aber mit langen Verzögerungen rechnen 291 , weil von 120 Arbeitern, die das Arbeitsamt zugesagt hatte, nur 30 zum Dienst antraten. Der Rest fiel wegen der verspäteten Ernte und des Baus von Kasernen in Donaueschingen aus. 287 PdB der Saarhütten am 18.6.1936 in Völklingen, RWWA 72-148-1. 288 Bericht des Bad. Bergamts v. 8.6.1936, LGRB 10 A/ 115 und ARGE an Bad. Bergamt v. 6.6.1936, LGRB 1/ 32. 289 Niederschrift über die ARGE-Sitzung am 4.5.1936 in Saarbrücken, RWWA 72-1447-4. 290 Bericht Bürgermeister Schmid an Ortswachtmeister Leitz v. 2.7.1936. StAB III/ 4. 291 DBG an RWM v. 21.8.1936, LGRB 1/ 32. 82 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) Schlattmann verlor nun die Geduld und sandte am 24. Juli 1936 ein unfreundliches Schreiben nach Neunkirchen. Darin warf er den Saarwerken vor, in ihren letzten Sitzungsprotokollen behauptet zu haben, dass die Verhüttung von rohem Doggererz nicht möglich sei. Diese Mitteilung überrasche ihn umso mehr, als ihm die Werke am 7. April ausdrücklich zugesagt hätten, dass ab 1. Oktober 50.000 t Doggererz monatlich verarbeitet werden könnten, ohne die Entwicklung der Anreicherungs- und Verhüttungsverfahren abzuwarten. Nachdem die ARGE bereits ihre für den Herbst 1935 gemachte Zusage nicht erfüllt habe, erfahre der für den Herbst des Jahres vorgesehene Einsatz heimischer Erze an der Saar abermals eine Verzögerung. Schlattmann forderte eine Erklärung und hielt die DBG dazu an, die erforderlichen Aufbereitungs- und Transportanlagen so schnell wie möglich zu errichten 292 . Schlattmann ging mit der Wahrheit sehr großzügig um, denn es gab weder eine Zusage der Werke zur Roherzverhüttung, noch waren ihm deren Bedenken neu. Tgahrt ignorierte Schlattmanns Philippika, was ihm harsche Kritik von Siedersleben eintrug 293 , der seine guten Kontakte zum RWM gefährdet sah und Tgahrt nun plötzlich um Prüfung bat, ob sich das rohe Erz nicht doch verhütten lasse. Tgahrt beschied Siedersleben ungerührt, dass die Burbacher Hütte als perfekter »Kronzeuge« dafür zu gelten habe, dass die Verarbeitung von Roherz unmöglich sei und Arlt ihr am 18. Juni ja selbst zugesichert habe, kein Roherz beziehen zu müssen. Hinzu komme, dass viele Subventionsfragen und vor allem der Beitritt von Brebach und Dillingen bislang in keiner Weise von der Reichsregierung entschieden worden seien: »Solange daher das RWM seinerseits selbst nicht den Entschluss aufbringt, die Aussenseiter zwangsweise zur Doggererz-Bergbau G.m.b.H zusammenzuschliessen, dürfte uns auch von dieser Seite kein Vorwurf zu machen sein« 294 . An Tgahrts Stelle beantworteten am 13. August 1936 die RESW 295 Schlattmanns Brief. Sie wiesen namens der beiden Hütten jegliche Verantwortung für Verzögerungen am Doggererz-Projekt zurück und schoben sie den anderen drei Werken zu, von denen nicht zu erfahren sei, welche Art der Erzaufbereitung sie wünschten 296 . Das RWM forderte die Dillinger Hütte zwei Tage später auf, sich aus nationalwirtschaftlichen Gründen an der DBG zu beteiligen 297 . Wahrscheinlich wurde auch die Halbergerhütte entsprechend bearbeitet. Für den 2. September 1936 beriefen Tgahrt und Röchling eine Saarhütten-Konferenz in Burbach ein, auf der über die Infrastruktur des Blumberger Betriebs entschieden werden sollte. Zur Abstimmung stand ein 1,3 Mio. RM teures Projekt, das den Bau einer 292 RWM (Schlattmann) an DBG v. 24.7.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. Zu dieser Zeit geriet Schlattmanns Kompetenz für das Erzprogramm in Gefahr: Göring, der von Hitler am 4.4.1936 zum Rohstoff- und Devisenkommissar ernannt worden war, hatte am 6.7.1936 entschieden, ein Zentralbüro für den Aufbau einer deutschen Rohstoffbasis zu errichten. Anfänglich sollte Keppler die Leitung übernehmen. Riedel, Eisen und Kohle, S. 88 ff. 293 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 10.8.1936, RWWA 72-148-1. 294 NE-Generaldirektion an Siedersleben v. 11.8.1936, RWWA 72-148-1. 295 RESW an Schlattmann v. 13.8.1936 und undatierter Briefentwurf, KAS RESW F-K 57/ 2526. 296 Um Schlattmann die Sinnlosigkeit seiner Wünsche vor Augen zu führen, sandte ihm Röchling einige Brocken Doggererz mit der Empfehlung zu, sie ins Wasser zu legen und zu beobachten, wie sie zu Schmiere zerfielen. Solches Erz könne man nicht verarbeiten. H. Röchling an Schlattmann v. 22.8.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 297 RWM-Erlass v. 15.8.1936, zitiert in Rechtsanwälte Wolff/ Thurm an RJM v. 15.7.1941, StAF V 500/ 1. 83 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH Erzbrechanlage, einer Roherzstapelhalle und von vier Röstöfen beinhaltete 298 . Da Röchling den Widerstand der Werke in Brebach und Dillingen endlich brechen und eine Entscheidung zugunsten seiner Röstöfen erzwingen wollte, begann er Schlattmann vor sich herzutreiben: In einem Brief, den er am 27. August an dessen private Adresse richtete, behauptete er, dass die Verhüttung größerer Erzmengen vom Bau seiner Röstöfen abhänge. Wolle Schlattmann die Erfüllung der ersten Planstufe wenigstens im Frühjahr 1937 erleben, dann sei es »von ungeheurer Wichtigkeit«, dass der Baubeschluss zugunsten der Röstöfen falle und sich Brebach und Dillingen am Kapital der DBG beteiligten. Bringe Schlattmann die widerspenstigen Werke nicht zur Räson, müsse man die Bergleute in Blumberg nach Beendigung des Stollenvortriebs entlassen, was als »verheerend für das ganze Problem« zu betrachten sei. Röchling fuhr fort: »Wenn wir bisher die erforderlichen Geldmittel von uns aus aufgebracht haben, so geschah dies in der festen Überzeugung, […] dass entweder die Reichsregierung die Macht hat und sie auch auszunutzen gewillt ist, die übrigen Hütten zu bestimmen, mitzutun - oder - falls sie diese Möglichkeit nicht hat, sie die finanzielle Regelung in einer solchen Weise trifft, dass diese überaus wichtige Aufgabe gelöst wird. Ich wollte nicht verfehlen, diese Gesichtspunkte vor der Sitzung Ihnen darzulegen, da ich nicht den Wunsch habe, dass wenn etwas schief geht, es nachher von den beteiligten Stellen heissen könnte: Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir anders gehandelt« 299 . Mit der Bitte, Druck auf das RWM auszuüben, sandte Röchling eine Kopie seines Briefs an Georg Thomas, den Leiter des Wehrwirtschaftsstabs, und forderte auch Keppler zur Einflussnahme auf 300 . Die Saarhütten-Konferenz vom 2. September 1936 endete enttäuschend für Röchling: Zwar knickte die vom RWM bearbeitete Halbergerhütte 301 ein und erklärte sich bereit, 6,5 % der GmbH-Anteile zu übernehmen, doch blieb die Dillinger Hütte weiterhin standhaft. Ihr Generaldirektor Roger und Kurt Böcking 302 , der Repräsentant des deutschen Minderheitsaktionärs, lehnten eine Kapitalbeteiligung an der DBG weiterhin ab. Unter dem Vorbehalt, dass in dieser Angelegenheit noch nicht das letzte Wort gesprochen sei, entschieden die übrigen vier Werke, eine Mio. RM in den Bau einer Erzbrechanlage und einer Roherzstapelhalle zu investieren und die notwendigen Betriebsmittel anzuschaffen. Über die Aufbereitungsanlagen gab es eine heftige Diskussion. Da erhebliche Zweifel an Röchlings Rösttechnologie herrschten 303 , einigte man sich erst im Oktober darauf, dass die vier Schachtröstöfen von der DBG gebaut wurden, Röchling dem NE 298 Kostenaufstellung v. 24.8.1936, StANK AD. 299 H. Röchling an Schlattmann v. 27.8.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. Unterstreich. im Orig. 300 Anklageschrift gegen die Leiter der Fa. Röchling im Rastatter Prozess, Heft 4, S. 373 f., StAF T 1-27. 301 Dies legen die Ausführungen Wielands in der Doggererz-Sitzung v. 2.9.1936 nahe. RWWA 72-148-2. 302 Kurt Böcking (4.3.1886 Antwerpen - 28.12.1976 Birkenfeld/ Nahe): Nachkomme einer mit den Stumms verschwägerten Unternehmerfamilie, bis 1918 Marineoffizier, danach Betreiber eines ererbten Sägewerks, 1923-1964 Bürgermeister von Abentheuer, für die Familie Stumm langjährig im Aufsichtsrat der Dillinger Hütte. 303 »Das Problem des viereckigen Röstofens ist noch nicht gelöst«. Tgahrt lt. PdB am 21.10.1936, LGRB 13 A/ 150. 84 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) und der Burbacher Hütte ihren Baukostenanteil aber zurückerstatten musste, wenn sich diese für eine andere Art der Aufbereitung entschieden 304 . Da sich die Dillinger Hütte unter Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit des Projekts 305 immer noch gegen eine GmbH-Beteiligung sperrte, setzte Röchling am 8. September nach und forderte Oberst Thomas auf, »zu veranlassen, dass der Wirtschaftsminister auf die Vertreter der Stahlwerke von Dillingen (Saar) Druck ausübe, um sie dazuzubringen [! ], der Doggererzgesellschaft beizutreten« 306 . Auch das neu geschaffene Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe wirkte offenbar massiv auf die Dillinger Hütte ein. Das Unternehmen leistete zunächst weiterhin hinhaltenden Widerstand, musste jedoch nach einem Gespräch mit Generalreferent Herbert Göring und Ministerialrat Arlt im RWM erkennen, dass die Fortsetzung des bisherigen Kurses nicht mehr möglich war 307 . Das Unternehmen stellte noch diverse Bedingungen und erklärte dann »nach sehr ernsten, bitteren Verhandlungen« 308 gezwungenermaßen am 20. November 1936 seine rückhaltlose Bereitschaft zum GmbH-Beitritt 309 . Die Saarhütten einigten sich, dass das NE, die RESW und die Burbacher Hütte einen Anteil von je 27 % an der DBG hielten, während die Dillinger Hütte 12,5 % und die Halbergerhütte 6,5 % übernahmen. Die Quoten orientierten sich am sog. Roheisenschlüssel, also den jeweiligen Anteilen an der saarländischen Roheisenproduktion. Röchling ging aus dieser Auseinandersetzung zwar als klarer Sieger hervor, doch führte das monatelange Tauziehen bei ihm zu der Erkenntnis, es sei ausgeschlossen, dass »mit den übrigen Saarhütten etwas gemeinsam zu unternehmen wäre« 310 . Schlattmanns Erfolgsbilanz fiel im Herbst 1936 eher mager aus: Als Erfolg durfte er immerhin verbuchen, dass auf dem Blumberger Werksgelände im Oktober 1936 wieder 220 Mann arbeiteten und der Hauptstollen sowie die Erzrichtstrecke im Stoberg nahezu fertiggestellt waren 311 . Auch der Bau des Verladebahnhofs und der Erzförderbrücke hatte deutliche Fortschritte gemacht. Blumbergs Bürgermeister Schmid bescheinigte der DBG ausdrücklich, zu diesem Zeitpunkt »wieder eine andere, aufbauende Richtung eingeschlagen« 312 zu haben. Dennoch musste Schlattmann am Ende des Jahres 1936 feststellen, dass die in Baden abgebauten Erzmengen nur 7 % seiner Planzahlen entsprachen 313 . 304 Aufstellung DBG-Beschlüsse v. 6.11.1937, StANK AD. 305 Die DH versuchte sogar, Erze der GHH aus deren Geislinger Grube Karl oder von den VSt. zu beziehen, um den Bezug von Doggererzen abzuwenden. Sitzungsprotokoll DH-Direktionskomitee v. 7.7.1936, FADH Nr. 147. 306 Zitiert nach Anklageschrift […] im Rastatter Prozess, Heft 4, S. 374, StAF T 1-27. 307 Sitzungsprotokoll DH-Direktionskomitee v. 5.10.1936, FADH Nr. 147. 308 So Wittke lt. DAG-ARP v. 28.10.1941, RWWA 72-151-4. 309 Niederschrift über die am 20.11.1936 in den RESW stattgefundene Doggererz-Sitzung, StANK AD. 310 Vermerk H. Röchling v. 24.10.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 311 Nur 125 der insgesamt 220 Beschäftigten arbeiteten im Bergwerk; der Rest erstellte Neubauten über Tage. Im Stoberg waren vom 1.200 m langen Hauptstollen 1.100 m vollendet, von der 1.100 m langen Erzrichtstrecke 940 m. DBG an Siedersleben v. 12.10.1936, RWWA 72-148-2. 312 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 313 Anlage 1 zur Besprechung am 23.7.1937: »Entwicklung der Förderung von Eisenerzen in sämtlichen deutschen Bezirken«, BAB R 3101/ 30980. Das Papier wies für den badischen Bergbau im Jahr 1936 ein Förderziel von 700.000 t Roherz aus. Gefördert wurden 50.000 t. 85 5. Röchlings Erfolg: die erzwungene Gemeinschaftsgründung der Doggererz-Bergbau GmbH Abb. 8: Der Bau des Zechenbahnhofs östlich von Zollhaus begann am 8. Juli 1936. Im Hintergrund die montagefertigen Brückenfelder neben den Pfeilern der Förderbrücke über das Ried. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. Abb. 9: Montage der Brückenfelder zwischen Nordwerk und Südwerk. Blickrichtung vom Südwerk in Richtung Nordwerk. In der Bildmitte der Stoberg, rechts (angeschnitten) das Stahlskelett der Roherzstapelhalle. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 86 III. Autarkie als gescheitertes Geschäftsmodell (1933 - 1936) Abb. 10: Faltungen und Störungen der Gebirgsschichten, plötzliche Absenkungen des Hangenden und Steinfall kamen im Blumberger Bergwerk häufig vor und gefährdeten die Belegschaft. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 11: Die Bergbehörden des Landes und des Reichs, aber auch die Knappschaft kontrollierten die Anlagen in Blumberg regelmäßig. Vermutlich entstand dieses Bild bei einer derartigen Inspektion. Zweiter von links: Bergverwalter Karl Breiing. Bild: Sammlung Prillwitz. 87 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) 1. Das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe Da sich die außenwirtschaftlichen Probleme Deutschlands im 1. Quartal 1936 verschärften, ernannte Adolf Hitler Hermann Göring am 4. April 1936 zum Rohstoff- und Devisenkommissar. Dieser richtete einen Arbeitsstab unter der Leitung von Oberst Fritz Löb 1 ein, der Vorschläge zur Lösung der Krise erarbeiten sollte. In der einsetzenden Debatte 2 plädierten Schacht und die Ruhrindustrie dafür, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie zu stärken und teures Inlandserz nur in begrenztem Maße zu verarbeiten. Erst im Krieg sollte die Förderung kräftig gesteigert werden. Göring war jedoch der Auffassung, dass bereits jetzt »alle Maßnahmen vom Standpunkt einer gesicherten Kriegsführung aus zu betrachten« 3 seien. Er befand, es sei schon im Frieden notwendig, »dass man bei unseren Erzvorkommen nicht bei kleinen Versuchen bleibt, sondern zum Großbetrieb übergeht, sonst ist die Produktionsreserve im A-Fall nicht da«. Da er die wertvollen und knappen Manganerze des Siegerlandes als Kriegsreserve aufsparen wollte, kam er zu dem Schluss, dass man »bei Schonung des Manganträgers die Salzgitterer- und Dogger-Erze in erster Linie abbauen solle« 4 . Damit war eine Vorentscheidung für eine massive Fördererhöhung auf der Baar gefallen. Mit dem Ziel, die deutsche Wirtschaft binnen vier Jahren kriegsfähig zu machen, entschloss sich Hitler im August 1936 zu einem radikalen Autarkiekurs. In einer geheimen Denkschrift forderte er »mit eiserner Entschlossenheit« 5 die völlige Selbstversorgung Deutschlands auf all jenen Gebieten herzustellen, wo dies technisch möglich sei. Am 9. September 1936 ließ Hitler auf dem Nürnberger Parteitag verkünden, dass ein Vierjahresplan aufgestellt werde und beauftragte Göring mit dessen Durchführung 6 . Dieser legte im Oktober 1936 die Organisation einer Vierjahresplan-Behörde fest 7 und schuf das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, dessen Leitung Oberst Löb erhielt. Löb initiierte einen Arbeitskreis der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, der ab Januar 1937 darüber beriet, wie die Stahlproduktion aus deutschem Eisenerz massiv zu erhöhen sei 8 . Mit Löbs Rohstoffamt verlor das RWM sein Machtmonopol zur Durchsetzung politischer Ziele in der Wirtschaft an eine Parteiorganisation, in der auch Kepp- 1 Fritz Löb (14.9.1895 Berlin - 22.6.1940 Greveres): Berufssoldat, 1934 Chef des Beschaffungswesens im RLM, ab 1936 Chef des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1938 Abteilungsleiter im RWM. 2 Dazu: Haus, Lothringen, S. 153-182. 3 Ministerratssitzung v. 27.5.1936. Zitiert nach Petzina, Autarkiepolitik, S. 43. 4 Sitzung Gutachterausschuss v. 26.5.1936, BAB R 26 I/ 29. Der A-Fall war der Kriegsfall. 5 Geheime Denkschrift Hitlers vom August 1936, zitiert nach Fischer, Wirtschaftspolitik, S. 76. 6 Petzina, Autarkiepolitik, S. 53 ff. 7 Erlass v. 22.10.1936, BAB R 3901/ 20715. 8 Haus, Lothringen, S. 186. 88 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) lers ehemaliges Büro aufging 9 . Pleiger, der mit seinem Inlandserzprogramm an Schachts Widerstand bislang gescheitert war, fand sich in Löbs Amt als Hauptreferatsleiter für Metalle wieder und arbeitete Anfang 1937 neue Fördervorgaben für die Montanindustrie aus. Dabei maß er den badischen Erzen höchste Priorität bei: Nach der Fassung des Vierjahresplans vom Januar 1937 sollten auf der Baar bis 1939 insgesamt 105 Mio. RM in den Ausbau der Erzbergwerke und in den Neubau von Aufbereitungsanlagen investiert werden. Dies entsprach fast der Hälfte aller reichsweit zu diesem Zweck veranschlagten Mittel 10 , die von der Privatwirtschaft aufgebracht werden sollten. Das Wehrwirtschaftsamt im Reichskriegsministerium zollte der erhöhten rüstungspolitischen Bedeutung des Doggererz-Projekts seinerseits Respekt und ordnete kurz nach dem Nürnberger Parteitag eine Besichtigung des Blumberger Betriebs durch seine Offiziere an 11 . Adolf Hitler und Hermann Göring verpflichteten die Spitzenvertreter der deutschen Industrie in einer Veranstaltung, die am 17. Dezember 1936 im Berliner Preußenhaus stattfand, persönlich auf die bedingungslose Erfüllung des Vierjahresplans. Nach den Aufzeichnungen Siederslebens, der zum Kreis der Geladenen zählte, beschwor Göring die Gefahren des Bolschewismus und kündigte das »Heranrücken des Endkampfes« an. Er betonte die »unbedingte Notwendigkeit, auf militärischem, wirtschaftlichem und geistigem Gebiete in jeder Hinsicht und mit allen Mitteln aufzurüsten« und fegte alle Bedenken beiseite, dass neue oder erweiterte Produktionsstätten zu Überkapazitäten führen könnten: »Die uns gestellte Aufgabe ist so ungeheuer, dass eine Zuviel-Bereitstellung von Kapazität ausgeschlossen ist. […] Bei der grossen Auseinandersetzung handelt es sich nur um Sieg oder Untergang«. Daher müssten Erze und andere Rohstoffe, wo immer sie sich in Deutschland befänden, aufgeschlossen und verwendet werden. Hitler ergänzte Görings zweistündige Rede mit einem einstündigen Monolog, in dem er herausstrich, dass die Erzeugung »bis zum Höchstmasse« gesteigert und das »rasende Tempo der Aufrüstung« beibehalten werden müsse, »denn wir leben im Zustande eines Krieges, auch wenn nicht geschossen wird. […] Mit den Worten ›Das geht nicht‹ muss es in unserer geistigen, wirtschaftlichen und militärischen Aufrüstung aufhören. Der Vierjahresplan ist das größte und revolutionärste Wirtschaftsprogramm, das Deutschland je besass. Ihm wird jedes einzelne Interesse untergeordnet« 12 . Siedersleben fertigte einen Vermerk über die Veranstaltung an und kommentierte ihn mit dem Hinweis: »Die Versammlung war von den Reden in höchstem Masse mitgerissen und spendete während der Ansprachen wie zum Schlusse begeisterten spontanen Beifall« 13 . Da er seinen 9 Keppler selbst wurde in Löbs Amt mit dem Hauptreferat Industrielle Fette abgespeist. Rohstoffkommissar Puppe bat Schacht Anfang 1937 um Entlassung. Schacht an J. Puppe v. 8.1.1937, RWWA 130-400 101 307/ 11. 10 Der VJP in der Fassung v. 10.1.1937 sah für die ersten 3 Jahre von 1937 bis 1939 reichsweit 213,3 Mio. RM an Investitionen für das Sachgebiet Eisenerz vor, davon 105 Mio. RM (49,2 %) für das badische Doggererz (BA-MA Wi I F 5/ 2363). In der Planfassung v. 23.3.1937 sank der badische Anteil dann auf rund 41 %. BAB R 3112/ 183. 11 Briefwechsel Thomas-H. Röchling v. September 1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 12 Vermerk Siedersleben über die Veranstaltung im Preußenhaus am 17.12.1936, RWWA 72-101-13. Die Einladung erging am 12.12.1936 von Hermann Göring an Siedersleben persönlich (RWWA 72-44-7). Siedersleben zählte etwa 200 Teilnehmer, während Riedel, Eisen und Kohle, S. 111 nur von etwa 100 spricht. 13 Siedersleben an Schröder, Kugener, Tgahrt, Kalthoff, Neizert, Köhler, Würtz und Weigel v. 17.12.1936, RWWA 72-101-13. 89 2. Fördersteigerung auf Parteibefehl Vermerk an die Vorstände der gruppenzugehörigen Eisenwerke versandte, wusste nun jeder, wohin die Reise ging. 2. Fördersteigerung auf Parteibefehl Am 16. September 1936, fünf Wochen bevor Göring die Organisation der Vierjahresplan-Behörde bekanntgab, lud Pleiger DBG-Direktor Gärtner zum Rapport vor. Den Anlass bildete ein in Berlin bereits vorliegender Förderantrag der DBG, der auf das im Schlattmann-Programm vorgesehene Abbauvolumen von 600.000 t ausgelegt war. Gärtner kam der Vorladung am 29. September nach und wurde von Gabel empfangen. Letzterer legte ihm eine Liste aller deutschen Erzbergwerke vor, neben deren Namen Keppler drastisch erhöhte Fördervorgaben eingetragen hatte. Für die DBG waren 4 Mio. t pro Jahr vorgesehen. Gabel forderte Gärtner ultimativ dazu auf, den alten Förderantrag »mit Rücksicht auf das Verlangen des Beauftragten des Führers« neu zu stellen und kündigte Hilfe und »eine weitgehende Bevorzugung« der DBG an, »aber immer nur dann, wenn die von ihm genannten 4 Mil. to Roherz für die Aus- und Vorrichtung in Aussicht genommen werden« 14 . Gärtner wurde auch zu Pleiger zitiert, der den Saarwerken vorwarf, den Ausbau ihres Bergwerks vorsätzlich verschleppt zu haben und sich lautstark in massiven Drohungen gegen die Verantwortlichen erging. Um seine respektlose Behandlung und die einschüchternde Atmosphäre zu illustrieren, hob Gärtner in seinem Bericht 15 hervor, die dreistündige Vorsprache sei von zahllosen Telefonaten unterbrochen worden. Röchling reagierte prompt auf Pleigers Provokation und warf ihm »Unverschämtheit« 16 vor, was einen scharfen Briefwechsel mit Keppler auslöste, der seinen Mitarbeiter in Schutz nehmen wollte. Auch Arlt war über Pleigers Vorgehen pikiert und bescheinigte den Saarhütten auf ihrer Sitzung vom 6. Oktober 1936, das RWM stehe nicht unter dem Eindruck, dass sie sich sträubten oder zu langsam beim Aufbereitungsthema vorangingen 17 . In der Frage, ob die Industriellen Pleiger nachgeben oder Widerstand leisten sollten, womit sie dann allerdings die Ablehnung ihres Förderantrags riskierten, gingen die Meinungen auseinander: Tgahrt plädierte dafür, sich ohne eine staatliche Gegenleistung keinesfalls auf ein Fördervolumen von 4 Mio. t festlegen zu lassen. Siedersleben äußerte dagegen die Ansicht, und war sich darin mit Röchling einig, dass »dem Wunsche von Herrn Pleiger […] sogleich entsprochen wird« 18 . Tgahrt, der Siedersleben entgegenhielt, dass man mit dieser Zusage Gefahr laufe, »unsere Erstgeburt gegen ein Linsengericht zu 14 Gärtners PdB beim Beauftragten des Führers […] am 29.9.1936 in Berlin, RWWA 72-148-2. 15 Pleiger hielt es für »unerhört«, dass sein jetziger Mitarbeiter Lillig damals von der Saarhütten-ARGE ausgebootet worden sei. Dieser habe sich hohe Verdienste um die Doggererze erworben, weshalb zu vermuten sei, dass er als vorgeschobenes Opfer für Dinge habe eintreten müssen, die nach außen nicht hätten in Erscheinung treten dürfen. Scharf kritisierte Pleiger die bisherige Förderplanung der DBG und bezeichnete es als »ein Verbrechen, dass der Eichbergstollen von uns eingestellt worden sei, und er (Pleiger) hoffe, einmal in der Lage zu sein, diejenigen Leute, die die Einstellung verlangten, zur Bestrafung heranzuziehen«. Ebenda. 16 Röchling an Pleiger v. 2.10.1936, BAB R 26 I/ 31. 17 Sitzungsniederschrift v. 6.10.1936, StANK AD. 18 Siedersleben an Tgahrt v. 5.10.1936, RWWA 72-148-2. 90 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) verkaufen« 19 , konnte im endgültig formulierten Antwortbrief zwar ein Junktim zwischen Fördererhöhung und Staatssubventionen durchsetzen 20 , doch bestand Siedersleben darauf, Keppler das Schreiben persönlich zu überreichen. Für das bevorstehende Gespräch mit diesem erhielt der Kölner Industrielle schriftliche Argumentationshilfen von Gärtner und Würtz, die die Forderung nach Reichszuschüssen untermauern sollten 21 . Das Gespräch zwischen Siedersleben und Keppler fand am 14. Oktober 1936 in Berlin statt und dauerte nur 30 Minuten, in denen Siedersleben kaum etwas von dem vortragen konnte, was er sich zurechtgelegt hatte. Er beteuerte, die Saarhütten hätten das aufrichtige Bestreben, sich durch das Doggererz so schnell und so gut wie möglich von ausländischen Bezügen zu lösen, doch überfordere das 4 Mio. t-Projekt deren Finanzkraft. Außerdem verteuerten sich die Roheisenselbstkosten um einen Betrag von 12 RM pro t, der wegen des geltenden Preisstopps nicht auf die Kunden abgewälzt werden könne. Keppler hielt dem zwar entgegen, dass damit im Grunde nur das Vorkriegspreisniveau wieder erreicht werde, doch stellte er die teilweise Erfüllung der Bitte um zinsverbilligte öffentliche Darlehen unverbindlich in Aussicht. Siedersleben wagte es am Ende des Gesprächs nicht oder hielt es für unangebracht, Keppler den mitgeführten Brief auszuhändigen. Er begründete seine Unterlassung Tgahrt gegenüber mit dem Argument, das Schreiben habe sich überholt. Siedersleben hielt es jetzt plötzlich für erforderlich, Tgahrt mitzuteilen, das Doggererz-Projekt müsse »mit rücksichtsloser Entschlossenheit« 22 verfolgt werden. Tgahrt reagierte auf Siederslebens Rückzieher tief verärgert und drohte ihm an, er wolle den DBG-Aufsichtsratsvorsitz niederlegen, der dann wohl Röchling zufallen werde, was jedoch, so Tgahrt süffisant, »nicht einfach, sondern sogar recht misslich sein wird, wenn Herr RÖCHLING alsdann den Vorsitz hat, der dann noch in viel ausgedehnterer Weise als bisher durch Besprechungen, über die man nichts erfährt, sich selbst und seine Ansichten in den Vordergrund stellen kann« 23 . Siedersleben zwang Tgahrt jedoch ungerührt, seinen Vorsitz beizubehalten. Bald darauf erreichte die Konfusion über den Regierungskurs ihren Höhepunkt: Um in Erfahrung zu bringen, welche Förderzahlen der Vierjahresplan denn nun für Blumberg vorsah, sandten die Saarhütten Karl Gröppel nach Berlin, der bei Arlt im RWM und bei Kepplers Mitarbeiter Paul Rheinländer diskrete Erkundigungen einzog, ob es bei der früher geplanten Höchstförderung von 6.000 t pro Tag verblieb oder doch eher mit einem von Lillig genannten Volumen von 20.000 t zu rechnen war. Während Arlt mutmaßte, die Menge liege wohl näher an der letzteren Zahl als bei der ersteren, weil Pleiger bereits 14.000 t täglich gefordert habe, gab Rheinländer eher grundsätzliche Erläuterungen 24 zum Vierjahresplan ab, aufgrund derer Gröppel nun selbst eine Tagesförderung errechnete, die bei 12.500 t liegen mochte - oder aber bei 16.700 t. DBG-Bergbaudirektor Gärtner stellte sich seinerseits auf den Standpunkt, dass es technisch unmöglich sei, mehr als 6.000 t aus den beiden Stollen im Eichberg und im Stoberg zu fördern, was Gröppel 19 NE-Generaldirektion (Tgahrt) an Gärtner v. 7.10.1936, RWWA 72-196-12. 20 Siedersleben an Tgahrt v. 8.10.1936, RWWA 72-148-2. 21 DBG an Siedersleben v. 12.10.1936 und Würtz an Siedersleben v. 12.10.1936, RWWA 72-148-2. 22 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 14.10.1936, RWWA 72-148-2. 23 Tgahrt an Siedersleben v. 16.10.1936, RWWA 72-148-2. Großschreibung im Orig. 24 Vermerk Gröppel über seine Gespräche am 14./ 16.10.1936 mit Arlt und Rheinländer, StANK AD. 91 2. Fördersteigerung auf Parteibefehl jedoch in Zweifel zog und den Hütten dringend empfahl, sich auf wesentlich höhere Forderungen aus Berlin einzustellen 25 . Schlattmann selbst trug nichts zur Klärung bei. Wohl um sein Revier gegen Keppler zu verteidigen und eigene Aktivitäten nachzuweisen, lud er die Montanindustrie für den 21. Oktober 1936 zu einer Sitzung nach Berlin ein. Siedersleben zog Erkundigungen ein und erfuhr im RWM, dass Göring angeblich ein neues, viel umfangreicheres Programm von Schlattmann angenommen habe, was Tgahrt sofort dazu veranlasste, bei Arlt nachzufragen, der aber von nichts wusste und wacker darauf bestand, dass es nur ein einziges Schlattmann-Programm gebe, eben jenes vom Frühjahr 1936, das der Ministerrat unter Görings Vorsitz autorisiert habe 26 . In der Sitzung am 21. Oktober 1936 war dann aber doch zu erkennen, dass Schlattmann sehr wohl über Möglichkeiten zur Beschleunigung und Vergrößerung seines Programms beraten ließ. Ein greifbares Ergebnis stellte sich nicht ein 27 . Die in die Defensive geratenen Saarwerke trugen den Machtveränderungen ihrerseits Rechnung und kämpften auf ihrer eigenen DBG-Gesellschafterversammlung vom 20. November 1936 nicht mehr gegen Pleigers Kurs an, sondern nur noch gegen den Vorwurf »gewisser Stellen«, man habe in der Vergangenheit nicht genügend für die Erzförderung getan. Die Botschaft war an den erstmals anwesenden Vertreter des Rohstoffamts gerichtet und wurde von Ministerialrat Arlt unterstützt, der erklärte, dass ihm derartige »Angriffe« 28 zwar bekannt, in der Sache aber völlig substanzlos seien. Pleiger, dessen Büro zu dieser Zeit gerade Görings Rohstoffamt zugeordnet worden war, ficht das nicht an. Er stellte gegenüber den Hüttenwerken und dem RWM sofort die Machtverhältnisse klar: Anfang Dezember 1936 sandte er seine Bergbauspezialisten Gabel und Lillig nach Gutmadingen und Blumberg, wo sie die Gruben inspizieren und Pleigers künftigen Anordnungen zur Vergrößerung der Betriebe das Feld bereiten sollten. Die GHH ließ sich bei den Terminen durch ihr Vorstandsmitglied Hermann Reusch vertreten, während die Saarhütten den Betriebsdirektor des NE, Hubert Gödel, entsandten. Bereits die am 3. Dezember vorgenommene Befahrung des Gutmadinger Karl-Egon- Bergwerks endete im Dissens. Gabel kritisierte scharf, dass die bergbauliche Erschließung der Lagerstätte seinen Erwartungen nicht entspreche und kündigte an, Pleiger darüber zu informieren. Reusch verteidigte sich damit, dass Arbeitskräftemangel herrsche und größere Aufschlussarbeiten ohnehin zwecklos seien, solange die Aufbereitungsfrage nicht einwandfrei geklärt werden könne 29 . Im Kreise der in Donaueschingen versammelten Kollegen wurde Reusch deutlicher und erklärte, »dass man bei seiner Gesellschaft mit einem Versuch eines Zwanges auf Granit stossen würde« 30 . Die Befahrung des Blumberger Bergwerks am 5. Dezember 1936 geriet zum Eklat. Als zwei Tage zuvor bekannt geworden war, dass Lillig der Delegation des Rohstoffamts angehören sollte, hatte Tgahrt von Neunkirchen aus ein Telegramm an Pleiger gesandt 25 Aktennotiz Gröppel »Doggererz-Bergbau GmbH« v. 26.10.1936, StANK AD. 26 Briefwechsel Siedersleben-Tgahrt v. 14./ 16.10.1936, RWWA 72-148-2. 27 Die Sitzung ist eingehend behandelt bei Riedel, Eisen und Kohle, S. 105 f. und Haus, Lothringen, S. 73 f. 28 Niederschrift über die Doggererz-Sitzung am 20.11.1936 in Völklingen, StANK AD. 29 GHH-Vermerk v. 6.12.1936, RWWA 130-400 101 304/ 5. 30 Bericht Gödel über die Sitzung Stab Pleiger/ GHH/ NE/ Lurgi in DS am 4.12.1936, StANK AD. 92 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) und seinen ehemaligen Mitarbeiter zur unerwünschten Person erklärt. Heyer und Breiing befürchteten zu Recht, Lilligs Erscheinen könne den Betriebsfrieden stören und ihre Autorität untergraben, weil dieser nach seinem unrühmlichen Abgang in den umliegenden Wirtshäusern Rache geschworen und verkündet hatte, »dass er wiederkehren würde, und dass dann einige Leute, u.a. auch der Betriebsführer Breiing und der stellvertretende Betriebsführer Grablowitz ›ihre Koffer packen könnten‹«. Pleiger ließ Tgahrts Telegramm jedoch unbeantwortet. Da Gabel am Vorabend der Besichtigung Heyer drohte, die DBG müsse sich »über die Folgen, die eine Verweigerung der Befahrung durch einen Abgesandten des Herrn Ministerpräsidenten Göring nach sich ziehen würde, […] klar sein«, gab Tgahrt schließlich nach. Die Befahrung geriet dann zu einem Tribunal gegen Lilligs frühere Mitarbeiter, in dem sich Gabel selbst zum Richter erhob und offiziöse »Vernehmungen und Gegenüberstellungen« durchführte. Den Vorwurf des Betriebsobmanns der DAG, »dass aus der Gefolgschaft heraus ständig Klagen über die willkürliche und launenhafte Behandlung der Leute durch Dr. L[illig] laut geworden« wären, entkräftete der am seinerzeitigen Geschehen völlig unbeteiligte Gabel mit dem Einwand »dass dies natürlich aber nicht bös gemeint« gewesen sei. Lillig selbst gestand zwar ein, dass er seine führenden Mitarbeiter möglicherweise als »Hunde« bezeichnet und angeredet habe, wollte den »Ausdruck aber keinesfalls in beleidigendem Sinne gebraucht« haben. Da Gabel ein verständnisvoller Richter war, konnte er am Ende zu dem erfreulichen Resultat gelangen, dass »sämtliche Vorwürfe, die Dr. L[illig] gemacht würden, sich bei näherer Nachprüfung als nicht schwerwiegend« 31 herausgestellt hätten. Der eingeschüchterte Heyer hatte ihm abschließend zu bestätigen, dass durch den widerrechtlich erzwungenen Zutritt Lilligs der Betriebsfriede nicht gestört worden sei. Danach war der Spuk vorbei. Am 9. Dezember 1936 sandte Pleiger den deutschen Hüttenwerken seine Forderungen zu. Im Falle der GHH wies es die Form eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens auf. Schenkte man ihm Glauben, dann hatte Reusch sechs Tage zuvor Gabel versprochen, das Fördervolumen des Karl-Egon-Bergwerks binnen Jahresfrist auf 600.000 t zu steigern, eine neue Aufbereitungsanlage von gleicher Kapazität in Gutmadingen zu bauen und darüber hinaus ein weiteres Bergwerk im Aitrachtal zu eröffnen. Auf eine Kostenbeteiligung des Reichs an den Maßnahmen, so hielt das Schreiben fest, wolle die GHH verzichten 32 . In Oberhausen ging man auf Konfrontationskurs und beschied Pleiger, man bestreite die Existenz derartiger Zusagen »ganz entschieden«. Vielmehr haben »wir […] Ihnen gegenüber immer wieder festgestellt, dass der derzeitige Stand unserer Versuche derartig hohe Kosten für die Einheit Eisen in der Tonne Konzentrat erbracht hätte, dass an eine Wirtschaftlichkeit des Betriebes nicht zu denken sei« 33 . Faktisch kam das einer Ablehnung von Pleigers Auflagen gleich und wurde von Löb auch so gewertet 34 . In Pleigers Büro meinte man, die ganze Darstellung der GHH sei »eine Unwahrheit« und beweise, »mit welch geringem Interesse […] und mit welchem Mangel an Energie« 35 das Unternehmen die Ausbeutung seiner Erzkonzession in Gutmadingen betreibe. 31 Bericht Heyer über die Befahrung Gabel/ Lillig am 5.12.1936, RWWA 72-149-8. 32 Pleiger an GHH v. 9.12.1936, NWA 2/ 10141. 33 GHH an Rohstoffamt v. 12.12.1936, NWA 2/ 10141. 34 Siedersleben an Herbert Göring v. 16.12.1936, RWWA 72-149-8. 35 Vermerk zum Schreiben der GHH v. 12.12.1936, NWA 2/ 10141. 93 2. Fördersteigerung auf Parteibefehl Auch die DBG wurde von Pleiger am 9. Dezember 1936 mit einer hohen Förderauflage bedacht: Zeitlich verteilt auf mehrere Steigerungsschritte sollte sie ab 1940 3,6 Mio. t Erz pro Jahr abbauen 36 . Im Gesellschafterkreis regte sich nun vorsichtiger Widerstand: Am 16. Dezember fuhren Tgahrt und Siedersleben nach Berlin und sprachen bei Löb vor. Dieser gab sich überrascht, dass Pleigers Auflage ohne Verständigung mit den Saarhütten erfolgt sei und erklärte scheinheilig, dass sein Amt auf die freiwillige und überzeugte Arbeit aller Beteiligten gerade im Bergbau besonderes Gewicht lege. Die beiden Petenten trugen daraufhin tapfer vor, dass die neuerdings verlangten Förderziffern auch nach Ansicht der Bergabteilung des RWM nicht erreichbar erschienen und deshalb nicht erfüllt werden könnten, und zwar ganz unabhängig davon, wie die wirtschaftliche Seite betrachtet und gelöst werde. Löb kommentierte die Ausführungen nicht, sondern stellte nicht näher bezeichnete Hilfe für den Bau der Aufbereitungsanlagen in Aussicht, was aber schon der einzige Gesprächserfolg war 37 . Am 19. Dezember 1936, zwei Tage nach Siederslebens Teilnahme an der martialischen Veranstaltung im Berliner Preußenhaus 38 , fand eine DBG-Gesellschafterversammlung zu Pleigers Förderauflagen statt. Es ließ sich kein Protokoll der Tagung ermitteln, doch ist stark anzunehmen, dass die Beratungen unter dem Einfluss der apokalyptischen Reden Hitlers und Görings standen. Im Ergebnis sandte die DBG am 7. Januar 1937 ein Schreiben an das Berliner Rohstoffamt und teilte mit: »Sämtliche Saarhütten sind in Erkenntnis und Würdigung der Verhältnisse zu tatkräftiger Mitarbeit zur Erreichung der Ziele des Vierjahresplans bereit: Auf dem für sie besonders wichtigen Gebiet der Rohstoffversorgung aus den südbadischen Erzen ist man der Auffassung, dass mit allen Mitteln auf eine Endförderung von 3,6 Millionen Tonnen mit Ablauf des Jahres 1940 hingearbeitet werden muss« 39 . Es folgten zahlreiche Bedingungen und Vorbehalte, wozu auch der Wunsch nach staatlichen Zuschüssen für die notwendigen Investitionen in Höhe von bis zu 25 Mio. RM gehörte. Allerdings stellte man die Klärung dieser Frage bis auf weiteres zurück. Den von Pleiger geforderte Zeitplan für ihren Betriebsausbau, anhand dessen eine Kontrolle der Entwicklungsfortschritte jederzeit möglich war, lieferten die Saarhütten wohlweislich nicht ab, sondern wiesen auf die Unwägbarkeiten des Bergbaus hin. Darüber hinaus stellten sie klar, dass folgende Hauptprobleme zu lösen seien: 1. die Beschaffung von 1.600 Arbeitskräften, 2. der Bau von Wohnraum in Bergwerksnähe durch die öffentliche Hand, 3. die Klärung der immer noch offenen Aufbereitungsfrage, 4. der von Materialmangel gefährdete, sehr teure Ausbau der Betriebsanlagen, 5. die Gewährung von staatlichen Investitionszuschüssen. Pleiger versuchte seinerseits die finanziellen Lasten des Erzprogramms vom Staat fernzuhalten und der Eisenindustrie aufzubürden. Am 10. Dezember 1936 sandte er dem 36 Rohstoffamt (Pleiger) an DBG v. 9.12.1936, RWWA 72-147-6. 37 Siedersleben an Herbert Göring v. 16.12.1936, RWWA 72-149-8. 38 Siehe Kap. IV/ 1. 39 DBG an Rohstoffamt v. 7.1.1937, BAB R 3112/ 184. 94 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) NE ein Memorandum zu 40 , das »die Lösung des gesamten deutschen Eisenerzproblems von zentraler Stelle aus unter staatlicher Einflussnahme vorwärts zu treiben« 41 versprach. Demnach sollten die deutschen Hüttenwerke eine gemeinsame Gesellschaft gründen und finanzieren, die den deutschen Bergbaubetrieben die Mittel zum Ausbau ihrer Gruben zu geben und im Gegenzug ihre Gesellschafter, also die Hüttenwerke, mit Erz zu versorgen hatte. Über interne Subventionen sollten bestehende Kostenunterschiede zwischen den Erzsorten nivelliert werden, die auf einem zu geringem Eisengehalt, zu hohen Frachtkosten oder auf anderen Nachteilen beruhten, wie dies bei den Doggererzen der Fall war. Die Saarindustriellen berieten am 14. Januar 1937 Pleigers Vorschlag, der den Verlust der Kostenherrschaft und die Begründung einer Haftungsgemeinschaft mit der Ruhr für sie bedeutet hätte. Tgahrt sprach sich gegen den Plan mit dem Argument aus, »eine solche Lösung würde für die Saarhütten eine unerträgliche Belastung bringen«. Er erhielt Beistand von Röchling, der auf die ablehnende Haltung der Ruhr verwies und forderte, es »sollten die Saar-Hütten ebenfalls allein marschieren, evtl. mit Staatskrediten« 42 . Tgahrt hatte bereits vor der Sitzung den Entwurf eines Antwortschreibens verfasst, der Pleiger zwar in dem Punkt zustimmte, dass die Lasten des Erzprogramms gleichmäßig auf die Eisenindustrie verteilt werden müssten, doch sei man der Meinung, »dass, um dieses Ziel zu erreichen, kein Weg gangbar ist, der das einzelne Hüttenwerk oder eine Gruppe von Hüttenwerken zum Kostgänger von anderen Hüttenwerken macht« 43 . Freilich hatte Tgahrt genau diese Forderung früher selbst erhoben 44 . Jetzt gedachte er Pleiger einen Gegenvorschlag zu präsentieren, der auf die Gewährung staatlicher Förderprämien hinauslief, was, da Pleiger eine Woche zuvor die Zahlung von Zuschüssen für laufende Betriebskosten abgelehnt und nur »eine gewisse finanzielle Mitwirkung der öffentlichen Hand bei der Kreditbeschaffung« 45 in Aussicht gestellt hatte, keinerlei Realisierungschancen besaß. Ob die Saarwerke Tgahrts Entwurf billigten oder es doch lieber der Ruhr überließen, Pleigers Erzgesellschaft zu torpedieren 46 , lässt sich den Akten nicht entnehmen. Sicher ist hingegen, dass es bis 1939 zu keiner Entscheidung in Berlin kam, ob die Saarwerke einen staatlichen Ausgleich für das ihnen aufgezwungene Erzprogramm erhielten. Obschon in den Sitzungen der DBG weiterhin präsent, spielte das RWM bei diesen Vorgängen keine große Rolle mehr, ein Umstand, den Röchling aus vollem Herzen begrüßte 47 . Um den Vollzug der parteiamtlichen Vorgaben zu überwachen und voranzutreiben, zogen nun leitende Mitarbeiter des Rohstoffamts in die DBG-Gremien ein, was von 40 Pleiger an NE v. 10.12.1936, StANK AD. 41 Memorandum Pleiger »Zur Frage der deutschen Eisenerzversorgung« v. 10.12.1936, StANK AD. 42 Aktennotiz Gröppel über die DBG-Sitzung am 14.1.1937, RWWA 72-149-8. 43 Entwurf des Schreibens an das Rohstoffamt v. 5.1.1937, RWWA 72-149-8. 44 Gegenüber Schlattmann am 7.12.1935; siehe Kap. III/ 2/ c. 45 Tgahrts PdB im Rohstoffamt am 7.1.1937, StANK AD. 46 Riedel, Eisen und Kohle, S. 109. 47 H. Röchling klagte im Februar 1937, innerhalb der DBG könne über wichtige Dinge nur einstimmig Beschluss gefasst werden: »Wir haben es also mit einem regelrechten polnischen Reichstag zu tun, bei dem die Sache nur funktionieren kann, wenn eine ausserhalb der Doggererz-Bergbau GmbH stehende Macht die Entwicklung sicherstellt. Solange das Reichswirtschaftsministerium in dieser Angelegenheit regiert hat, fehlte es vollkommen an dieser Macht, die den Willen hatte, die Dinge vorwärts zu treiben. Dies hat sich aber geändert, seitdem im Rahmen des Vierjahresplans das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe die Sache unter sich hat«. H. Röchling an O. Mügel v. 18.2.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 95 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm der übrigen Eisenindustrie mit großem Unverständnis aufgenommen wurde 48 . Den Ton unter mehreren halbamtlich-staatlichen Vertretern gab Maximilian Heinrich Kraemer 49 vor, ein Metallurge, der Ende 1936 von Löb als Gruppenleiter in die von Carl Krauch geleiteten Abteilung III (Forschung und Entwicklung) des Rohstoffamts geholt worden war 50 . Die Interessen des saarpfälzischen Gauleiters Bürckel 51 nahm Assessor Albert Lütke 52 wahr. Pleiger, der die Machtverhältnisse in seinem Sinne geklärt sah, versuchte bald die beschädigten Beziehungen zu den Saarindustriellen zu verbessern und die causa Lillig zu bereinigen: Ende Januar 1937 kündigte er der DBG-Geschäftsführung großzügig an, »dass über die in der Vergangenheit aufgetauchten Meinungsverschiedenheiten nicht mehr gesprochen werden soll« 53 . Lillig genoss die Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse sichtlich und setzte die Intrigen gegen seinen alten Arbeitgeber fort 54 . Kraft Amtsgewalt griff er derart häufig und kleinlich in die Geschäftsführung ein, dass Tgahrt im April 1937 klagte, »der Mann lässt die DBG nicht in Ruh« 55 und Gärtner zu Beschwerden bei Löb aufforderte. 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm a) Gegenstand und Akteure Der Arbeiterwohnungsbau auf der Baar fügte sich in den Rahmen eines staatlichen Gesamtprogramms, das Bestandteil des Vierjahresplans war. In seiner ersten Stufe sah es bis Ende 1938 den Bau von fast 10.000 Wohnungen für die Beschäftigten ausgewählter Rüstungsbetriebe in ganz Deutschland vor 56 . Die Ermittlung des Bedarfs und die Vorgabe der Erstellungstermine lagen in den Händen des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe, das den 42jährigen NSKK-Gruppenführer Martin Wisch 57 mit der Erledigung dieser 48 Vermerk Siedersleben über die Sitzung der WGE am 24.11.1938, RWWA 72-147-6. 49 Dr. Maximilian Heinrich Kraemer (27.12.1898 Saarbrücken - 22.6.1962 Berlin): Eisenhütteningenieur, 1925-1929 und 1932-1933 Assistent an der TH Berlin, 1929-1932 Geschäftsführer einer Eisengießerei, 1933 Schriftleiter und Geschäftsführer des VDI, ab 1936 Gruppenleiter beim Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1939-1945 technischer Vertriebsleiter in der AEG Kunststoff- und Pressstofffabrik Henningsdorf, 1945 Eintritt in die KPD, Direktor des VEB Metallurgieprojektierung. Kinne, Bahnbrecher und BAB R 43 II/ 356. 50 Löb an Lammers v. 11.12.1936, BAB R 43 II/ 356. 51 Josef Bürckel (30.3.1895 Lingenfeld - 28.9.1944 Neustadt/ Weinstr.): Biografien: RPPD und Wettstein, Bürckel. 52 Albert Lütke (12.11.1887 Koblenz - 5.11.1939 Berlin): Biografie: NDB 15 (1987) S. 481 f. 53 Niederschrift der Besprechung im Rohstoffamt v. 29.1.1937, RWWA 72-149-8. 54 So etwa in Lillig an FF Forstrat Stephani v. 16.2.1937, FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 55 NE-Generaldirektion (Tgahrt) an Siedersleben v. 6.4.1937, RWWA 72-283-5. 56 Der VJP in der Fassung v. 25.5.1937 (BAB R 3112/ 21) sah bis Ende 1938 Investitionen von 65,1 Mio. RM für den reichsweiten Bau von 9.780 Wohnungen vor. Laut Denkschrift der DAF v. 17.11.1936 (BAB R 3901/ 20915) umfasste das Gesamtprogramm 30.000-50.000 Einheiten. 57 Martin Wisch (10.2.1896 Wittenberg - 15.8.1972 Hannover): Kaufmann, Pg. seit 1930, ab 1933 in Dortmund tätig, steile Karriere im NSKK und in der Motor-SA, ab 1936 im Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1937 Leiter des Hauptdezernats A 20 (Siedlung, Wohnlager, Arbeitseinsatz etc.) in der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau. BAB NSDAP-Mitgliederkartei, Ausk. Stadtarchive Dortmund, Wittenberg und Hannover. 96 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Aufgabe betraute. Der in Pleigers Hauptreferat IV 1 tätige Wisch musste sich innerhalb der Vierjahresplan-Organisation mit der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz abstimmen, an deren Spitze Ministerialdirektor Werner Mansfeld 58 stand. Mansfeld leitete zugleich die sozialpolitische Hauptabteilung III im Reichsarbeitsministerium (RAM). Letzteres war reichsweit für das Siedlungswesen zuständig und förderte seit 1935 den Bau von sog. »Volkswohnungen« durch die Vergabe öffentlicher Kredite. Die Zuständigkeit für dieses Programm innerhalb des RAM lag aber nicht bei Mansfeld, sondern bei der von Ministerialrat Dr. Ernst Knoll 59 geleiteten Hauptabteilung IV. Ohne Zweifel verfügte das RAM unter allen Akteuren mit Abstand über den größten Einfluss. Ein weiterer Projektbeteiligter war das Reichsheimstättenamt, eine Institution der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und der NSDAP 60 . Die DAF bot sich im November 1936 an, »die Gewähr für die Durchführung […] eines I. Abschnitts mit 30.000 Wohnungen bis Ende 1938« zu übernehmen und über ihre Versicherungskonzerne 60 Mio. RM aufzubringen, um »die Finanzierung von mindestens 10.000 Wohnungen restlos sicherzustellen« 61 . Entgegen den Vorbehalten des RAM und des RWM 62 wurde Ende November 1936 auf Weisung Görings die Zuständigkeit für die Planung und die Realisierung des Arbeiterwohnstättenbaus im Rahmen des Vierjahresplans auf die DAF und ihr Heimstättenwerk übertragen 63 . Die DAF schuf eine Zentralstelle für den Vierjahresplan, der die zentrale Betreuung und Durchführung des Programms oblag 64 . Der stellvertretende Leiter des Reichsheimstättenamts, Ernst von Stuckrad 65 , übernahm die Leitung dieser DAF-Abteilung. Diese multipolare Struktur aus Staats- und Parteidienststellen, die sich in eifersüchtiger Konkurrenz um Kompetenzen stritten, existierte auch in Baden. Dem vom Architekten Anton Johner 66 geleiteten Gauheimstättenamt stand das Badische Innenministerium (BMI) gegenüber, dessen Bau- und Wohnungsabteilung mit Ministerialrat Dr. Eugen Imhoff 67 als 58 Werner Mansfeld (12.12.1893 - 1953): Jurist, ab 1930 Beamter im RAM, 1933-1942 dort MD und Leiter der sozialpolitischen Hauptabteilung, ab 1936 auch Leiter der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz beim Beauftragten für den VJP, Pg. seit 1933; nach 1945 im Vorstand der Salzdetfurth AG, Biografie: Hachtmann, Koloß, S. 18 f. 59 Dr. Ernst Knoll (1889-1965): Jurist, 1932-1939 Beamter im RAM, dort ab 1937 MD, 1939 aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt, ab 1950 Karriere in Bonner Ministerien und im Justizapparat. KB, BAB. 60 Mattausch, Siedlungsbau, S. 51 und 76 ff. 61 DAF-Denkschrift v. 17.11.1936, BAB R 3901/ 20915. 62 Hachtmann, Wirtschaftsimperium, S. 442. 63 VJP-Behörde (Mansfeld) an RAM v. 7.12.1936, BAB R 3901/ 20915. Siehe auch: Haerendel, Siedlungsideologie, S. 148. 64 Harlander, Heimstätte, S. 89. 65 Ernst von Stuckrad (1890-? ): Bis Februar 1937 Abteilungsleiter Bauwirtschaft im Schatzamt der DAF und stv. Leiter des Reichsheimstättenamts, 1937-1939 dessen Leiter. Hachtmann, Wirtschaftsimperium, S. 432. 66 Anton Johner (18.6.1889 Rottenburg/ Neckar - 25.5.1944 Mannheim): Sohn des Rottenburger Bauunternehmers und Stadtrats Anton Johner, ab 1913 als Architekt in Mannheim tätig, Pg. seit 1931, Leiter des badischen Gauheimstättenamts. BAB NSDAP-Mitgliederkartei, Ausk. Stadtarchive Mannheim und Rottenburg. 67 Dr. Eugen Imhoff (3.11.1876 Görwihl - 2.5.1951 Karlsruhe): Jurist, ab 1919 MR und Leiter der Wohnungsbauabteilung im BMI/ BAM, ab 1935 nebenamtlicher Präsident der Landeskreditanstalt für Wohnungsbau, ab 1938 Präsident der Bad. Gebäudebrandversicherung, Pg. seit 1937, als Mitläufer 97 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Leiter und mit Oberregierungsrat Dr. Eduard Leutz 68 sowie Regierungsrat Walter Staiger 69 als führende Mitarbeiter besetzt war. Mit der im Herbst 1934 gegründeten Badischen Landeskreditanstalt für Wohnungsbau, deren Vorstand von Imhoff, Leutz und Staiger gebildet wurde, stand dem Ministerium ein eigenes Instrument zur Durchsetzung und Finanzierung der wohnungsbaupolitischen Ziele des Landes zur Verfügung 70 , das den Ansprüchen vollauf genügte. Dennoch sah sich das Land, vor allem auf Druck des RAM, das den gleichgelagerten Plänen der Heimstättenorganisation zuvorkommen wollte, im Herbst 1936 genötigt, gemeinsam mit dem Reich eine Betreuungsgesellschaft für den stockenden Kleinsiedlungsbau zu gründen, die als Badische Heimstätte GmbH 71 in das Handelsregister eingetragen wurde. Den Aufsichtsratsvorsitz übernahm der badische Innenminister Pflaumer; die Geschäftsführung oblag dem parteilosen Diplom-Kaufmann Dr. Paul Wirths 72 . Anfang November 1936 eröffnete Wirths den Geschäftsbetrieb der BH und baute zügig eine Organisation auf, die bis zu drei Dutzend Mitarbeiter beschäftigte. Auf Druck der Ortspartei 73 stellte Pflaumer den überzeugten Nationalsozialisten Paul Walter 74 , einen Architekten und beurlaubten Beamten der Stadt Karlsruhe, als zweiten, für den technischen Bereich verantwortlichen Geschäftsführer ein. Später sollte ihn Ernst Blechschmidt 75 ablösen. Der BH fiel nun nach Verkündung der wohnungsbaupolientnazifiziert. StAF D 180/ 2-700 und Baden-württemb. Biografien NF 4 (1996) S. 149. 68 Dr. Eduard Leutz (30.9.1889 Mannheim - 29.9.1958 Karlsruhe): Jurist, ab 1911 im bad. Staatsdienst, ab 1925 RR im BMI, 1936 dort ORR, ab 1935 Vorstandsmitglied der Bad. Landeskreditanstalt für Wohnungsbau, 1934/ 35 im SA-Landsturm, Pg. ab 1937, 1938 Blockhelfer, 1934-1939 SS-Fördermitglied, 1945 Dienstenthebung, im Entnazifizierungsverfahren u.a. von Fritz Cahn-Garnier entlastet und 1947 als Mitläufer eingestuft, ab 1949 Rückkehr in das Beamtenverhältnis, zuletzt Präsident der Bad. Landeskreditanstalt. GLA 466-2/ 6212-6213, 456 E/ 7192, 465h/ 15316; StAF S 60/ 1, UAFB B 29/ 595. 69 Walter Staiger (31.3.1908 Kehl - 3.4.1987 Karlsruhe): Jurist, ab 1932 im BMI tätig: 1935 RR, 1941 ORR, 1944 Regierungsdirektor; ab 1940 beim CdZE, 1933/ 34 SA-Anwärter, 1937-1940 Reiter-SA, dort ab 1939 Rottenführer, ab 1941 Pg.; 1945 suspendiert, 1947 als Mitläufer entnazifiziert und von Nordbaden wieder als Beamter übernommen; 1951 MR und Präsident der Bad. Landeskreditanstalt, ab 1952 Vorstandsmitglied der Badischen Bank, 1970-1973 Präsident der IHK Karlsruhe. GLA 466- 2/ 9527-9529 und 465a/ 51/ 7/ 14649; HStASt J 191. 70 VO vom 29.10.1934 über die Errichtung einer Bad. Landeswohnungsanstalt, in: BGVBl 1934 Nr. 53, S. 283. 71 Das Stammkapital der in Karlsruhe sitzenden BH betrug anfangs 1 Mio. RM und wurde hälftig vom Deutschen Reich und von der Badischen LAKRA für Wohnungsbau aufgebracht. 72 Dr. Paul Wirths (23.08.1901 Eiserfeld - 2.3. 1973 Kronshagen): Sohn eines Bauunternehmers, kfm. Lehre in der Hüttenindustrie, wirtschaftswiss. Studium in Köln, Freiburg und Frankfurt/ Main, 1927 Promotion, danach kfm. Angestellter, ab 1930 Prokurist der Westfälischen Heimstätte GmbH, 1937- 1942 Geschäftsführer der BH, Pg. seit 1937, 1947 als Mitläufer eingestuft, ab 1948 kfm. Geschäftsführer der Heimstätte Schleswig-Holstein GmbH, ab 1950 Direktor/ Vorstandsmitglied der Landestreuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen Schleswig-Holstein, Vizepräsident der Wohnungsbaukreditanstalt S-H, 1966 Bundesverdienstorden, GLA 465a/ 51/ 12/ 954, Universitätsarchiv Frankfurt/ Main 604/ 529 und 156/ 1442, LASH 605/ 14326 und 761/ 1219. 73 Aussage Wirths in seinem Entnazifizierungsverfahren, GLA 465a/ 51/ 12/ 954. 74 Paul Walter (10.11.1898 Freiburg - 9.2.1981 Marxzell): 1919-1921 Bauingenieurstudium an der TH Karlsruhe, bis 1923 Bauassistent bei der Reichsbahn, 1923-1926 arbeitslos, 1926 -1928 Architekt der Baugenossenschaft Gartenstadt Karlsruhe, 1928-1945 Architekt bei der Stadtverwaltung Karlsruhe, dort ab 1933 Beamter, 1937-1939 als Technischer Geschäftsführer zur BH beurlaubt; Pg. seit 1930, 1931/ 32 SA-Mann, 1934-1945 Ortsgruppenamtsleiter in Rüppurr, dort 1944/ 45 stv. Ortsgruppenleiter, 1945-1948 interniert, 1949 als Mitläufer ohne Sühne entnazifiziert, ab 1950 als freier Architekt tätig. GLA 465f/ 1647. 75 Ernst Blechschmidt (31.10.1891 Diedenhofen - ? ): Anfang der 1930er Jahre freier Architekt, 1938-1945 98 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) tischen Ziele des Vierjahresplans kraft ihrer schieren Existenz die Rolle eines Projektentwicklers für den Arbeitersiedlungsbau auf der Baar zu. Der Badischen Landeskreditanstalt für Wohnungsbau oblag ihrerseits die Funktion einer Bewilligungsbehörde 76 gegenüber einem Bauträger, der Anfang 1937 noch gar nicht feststand. Am Wohnbauprojekt auf der Baar wirkte auch die Landesplanungsgemeinschaft Baden mit, ein Amt, das Reichsstatthalter Wagner am 9. Juli 1936 gegründet hatte und das ihm persönlich unterstand. Aufgabe der Behörde, die aufgrund einer Reichsverordnung 77 etabliert worden war und die der 1935 errichteten Reichsstelle für Raumordnung aufsichtsrechtlich unterstand, war die Landesplanung, wozu nach Wagners Worten in erster Linie die Deckung des Raumbedarfs der Wehrmacht, die Verdichtung dünn besiedelter Gebiete und die Auflockerung von unerwünschten Industrieballungen in den Großstädten gehörte 78 . Die von Oberregierungsbaurat Karl Feldmann 79 als Landesplaner geleitete und mit dem Konstanzer Regierungsbaurat Wilhelm Sindlinger 80 als Sachbearbeiter für das Doggererz-Projekt besetzte Stelle sollte auf Weisung des Rohstoffamts von anderen Behörden bei der Siedlungsplanung auf der Baar »zur Mitarbeit herangezogen werden« 81 . In dieser Funktion erstellte sie 1937 einen Wirtschaftsplan für die Gemeinde Blumberg 82 , doch nutzte sie Wagner auch als Machtinstrument, um die Kompetenzen des BMI in wichtigen Fragen an sich reißen zu können, wie dies vor allem bei der Aufstellung des Blumberger Generalbebauungsplans der Fall war. Die Saarwerke selbst hatten aus Kostengründen keinerlei Interesse daran, den Arbeiterwohnungsbau auf der Baar zu übernehmen 83 . Auch auf private Investoren entfaltete das Techn. Leiter/ Techn. Geschäftsführer der BH; Pg. seit 1938, 1946 als Mitläufer eingestuftt. GLA 465a/ 54/ 22/ 726. 76 Geschäfts- und Verwaltungsbericht Bad. LAKRA für Wohnungsbau 1937, S. 13, HStASt E 151/ 08- 473. 77 Erste Verordnung zur Durchführung der Reichs- und Landesplanung v. 15.2.1936, RGBl 1936 I S. 104. 78 Protokoll der Gründungsversammlung v. 9.7.1936, GLA 462 Zug. 1994-38/ 73. 79 Karl Feldmann (19.09.1884 Spielberg - 11.12.1945 Donaueschingen): 1903-1907 Ingenieurstudium an der TH Karlsruhe, 1913 Regierungsbaumeister bei der Wasser- und Straßenbauinspektion DS, 1921-22 leitende Tätigkeit beim Schwarzenbach-Talsperrenbau, ab 1923 Vorstand des Murgwerks in Forbach, 1927-1936 Vorstand des Wasser- und Straßenbauamts Waldshut, 1937-1941 Leiter der Landesplanungsgemeinschaft Baden, 1941-1944 Leiter und Baudirektor des Wasser- und Straßenbauwesens beim CdZE, DVP-Mitglied bis 1932, Pg. seit 1933, 1942-1944 SA-Hauptsturmführer, posthum als Minderbelasteter eingestuft. StAF D 180/ 2-216797, GLA 456 E/ 2841 und 233/ 25269. 80 Wilhelm Konrad Sindlinger (4.3.1894 Waldshut - 5.9.1992 Heidelberg): 1913-1919 Ingenieurstudium an der TH Karlsruhe, 1922 Regierungsbaumeister beim Bezirksamt Konstanz, 1924 infolge Personalabbaus entlassen, 1925-1927 Architekt beim Neckarbauamt Heidelberg und bei der Neckarbaudirektion Stuttgart, ab 1927 Angestellter beim BFWM, 1934 Zweiter Beamter beim Bezirksamt Konstanz, 1936- 1940 Bezirksplaner der Landesplanungsgemeinschaft Baden in Konstanz, 1940 zur Hauptgeschäftsstelle Karlsruhe versetzt, 1942 nach Straßburg; Pg. seit 1933, in Konstanz als »betonter Nationalsozialist« bekannt; 1948 als Mitläufer eingestuft und pensioniert. StAF D 180/ 2-40385 und F 30/ 1-1994-1997, GLA 466-2/ 9402 und 456 E/ 10326. 81 Rohstoffamt (Pleiger) an BMI v. 26.1.1937, GLA 478/ 49. 82 GLA 478/ 1. Der Wirtschaftsplan wurde in Grundzügen unter dem Titel »Planungen im Doggererzgebiet« in der Zeitschrift Raumforschung und Raumordnung 2 (1938) S. 305-307 veröffentlicht. 83 Der Bau von unternehmenseigenen Werkswohnungen war darüber hinaus von Seiten der VJP-Behörden generell unerwünscht, »weil die betreffenden Arbeitskräfte dann an das jeweilige Unternehmen gebunden worden wären und nicht entsprechend den rüstungspolitischen Bedürfnissen des Regimes flexibel hätten eingesetzt werden können«. Hachtmann, Wirtschaftsimperium, S. 442. 99 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Projekt wenig Attraktivität: Einerseits trieben die Erfordernisse der klimatisch bedingten Wärmedämmung und eine ungünstige Topografie die Baukosten der Häuser in die Höhe; andererseits waren die Einkommen der künftigen Bewohner derart gering, dass nur sehr niedrige Zins- und Tilgungslasten auf die Mieten umgelegt werden konnten. 1935 hatte das RAM für derartige Fälle einen Wohnungstyp entwickelt, der nach dem Eingeständnis von Joseph Goebbels zu den »primitivsten« und »notdürftigsten« 84 Behausungen im Reich zählte. Das RAM förderte durch die Vergabe von Reichsdarlehen in Höhe von 1.000 RM den Bau von sog. Volkswohnungen, die im Regelfall 34 m² Wohnfläche für kinderarme und 42 m² für kinderreiche Familien vorsahen. Um die Herstellungskosten zu begrenzen, wurde auf den Einbau von Bädern oder den Anschluss an die Kanalisation verzichtet. Die Arbeitgeber beteiligten sich bei solchen Projekten zumeist mit Darlehen oder Zuschüssen am Wohnungsbau für ihre Beschäftigten. b) »Vollkommen versagt« - die erste Programmstufe Ende Januar 1937 wurde das BMI vom Rohstoffamt über den Umfang des Wohnungsprogramms unterrichtet. Pleigers Schreiben zufolge mussten bis 1939 1.000 Einheiten in Blumberg gebaut werden, 50 davon bis Ende Mai 1937, weitere 100 bis Jahresende. Ähnliche Dimensionen kündigte Pleiger für Gutmadingen 85 an. Beim BMI war man der festen Überzeugung, dass der Ausbau der Bergwerke im Bezirk Donaueschingen unter die Arbeiten des Vierjahresplans falle, weswegen es »in erster Linie Sache des Reichs« sei, »die finanziellen Voraussetzungen zur Durchführung der Wohnungen und Siedlungen zu schaffen« 86 . Am 3. Februar 1937 fand ein Spitzengespräch im BMI statt, an dem der badische Innenminister Karl Pflaumer, Gruppenführer Martin Wisch und Ernst von Stuckrad, der Leiter des Reichsheimstättenamts, teilnahmen. Letzterer erklärte vollmundig, »daß die Arbeitsfront für die Finanzierung bis zu 100 v.H. Sorge tragen werde« 87 . Die DAF konnte ihre Zusage später zwar nicht einlösen, bewirkte mit ihr aber, dass die Industrie in einer konzertierten Aktion versuchte, sich ihrer finanziellen Mitverantwortung für den Arbeiterwohnungsbau zu entledigen, was ein anhaltendes Chaos im Regierungs- und Parteiapparat auslöste 88 . 84 Harlander, Heimstätte, S. 98. 85 Tatsächlich wurden später in Gutmadingen von der BH nur insgesamt 12 Wohnungen gebaut und zum Herbst 1938 fertiggestellt. Aktenbefund GAG und GLA 478/ 50. 86 BMI (Staiger) an RAM v. 3.3.1937, GLA 478/ 49. 87 Vermerk BMI v. 23.2.1937, GLA 478/ 49. 88 DBG und GHH hatten dem BMI im Dezember 1936 die Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen von 750 bis 1.000 RM pro Wohnung angekündigt, zogen ihre Zusagen aber unter Hinweis auf die Gesamtfinanzierung des Projekts durch die DAF wieder zurück (Aktenbefund GLA 478/ 49 und NWA 2/ 10141). Pleiger fuhr in der Sache einen Schlingerkurs: Im Januar 1937 teilte er dem BMI mit: »Eine restlose Finanzierung der Wohnungsbauten durch die Deutsche Arbeitsfront, wie Sie annehmen, ist nicht vorgesehen. Im Gegenteil sollen die Werke nach wie vor für jeden Wohnungsbau einen Zuschuss leisten« (Pleiger an BMI v. 26.1.1937, GLA 478/ 49). Gleichzeitig aber erklärte er der Ruhrindustrie: »Ein Zuschuss zu den Siedlungsbauten soll in Zukunft nicht mehr von den Bergbautreibenden erhoben werden« (PdB am 29.1.1937, BAB R 3112/ 183). Erst Monate später schuf die Leitung des Rohstoffamts Klarheit und ordnete an, jedes Werk habe sich am Arbeiterwohnbau finanziell zu beteiligen. Überforderten Werken bot Löb eine Zwischenfinanzierung durch einen DAF-Kredit an. 100 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Bis die finanziellen Rahmenbedingungen endgültig geklärt waren, versuchte die BH, die dem DBG-Management bereits im Januar versprochen hatte, den Bau der ersten 50 Wohnungen »mit größter Beschleunigung« 89 zu befördern, die Finanzierungsfrage für diesen Abschnitt in eigener Regie zu lösen. Die Verhandlungen zwischen Wirths und Gustav Bender 90 , dem Direktor der Bezirkssparkasse Donaueschingen, führten zu dem Ergebnis, dass die auf rund 4.000 RM je Wohnung geschätzten Baukosten über einen reichsverbürgten Hypothekenkredit der Sparkasse (1.750 RM), durch ein Reichsdarlehen (1.500 RM) und einen Werkskredit der DBG (750 RM) finanziert werden sollten 91 . Da das Reich für seine Wohnbaudarlehen jedoch meist 4 % Zinsen verlangte, hätten sich überhöhte Mieten für die Blumberger Bergarbeiter ergeben. Daher drangen das BMI und die BH beim RAM auf eine Zinssenkung und verlangten, dass wegen des großen Projekt umfangs ein gesonderter Bauträger gegründet werden müsse, dessen Kapital das Reich und die Hüttenwerke zu übernehmen hätten. Nur »nötigenfalls« 92 wollte sich das Land mit einem geringen Betrag an dieser Gesellschaft beteiligen. Das Reichsfinanzministerium (RFM) verhinderte jedoch durch eine hinhaltende Taktik über Monate hinweg, dass es zu einer derart unerwünschten Belastung des Reichshaushalts kam 93 . Ein Gespräch, das Wirths am 27. Februar 1937 mit Geheimrat Stephan Poerschke, dem geistigen »Vater der Kleinsiedlung« 94 , im RFM führte, erbrachte keinerlei erkennbare Fortschritte, weswegen das BMI in Berlin darauf verwies, jegliche Verantwortung für auftretende Verzögerungen ablehnen zu müssen 95 . Trotz der ungeklärten Lage vergab die BH im April 1937 auf eigenes Risiko den Auftrag zur Realisierung des ersten Bauabschnitts mit 64 Wohnungen. Blumbergs Bürgermeister Schmid, ein gelernter Bautechniker, leitete den Straßenbau und übernahm für die BH auch die schwierigen Grundstücksverhandlungen mit den Landwirten. Den Bebauungsplan erstellte das Wasser- und Straßenbauamt Donaueschingen. Zu »sehr gedrückten Preisen« 96 bemühten sich drei regionale Bauunternehmen darum, den angestrebten Fertigstellungstermin (Anfang Juni 1937) wenigstens annähernd einzuhalten. Im September 1937 musste DBG-Direktor Gärtner jedoch feststellen, der Siedlungsbau komme nicht voran und habe »zeitlich vollkommen versagt« 97 . Die bürokratischen Hürden bei der Bewirtschaftung von Eisen- und Stahl hatten die Auslieferung der Bestellungen um bis zu sechs Wochen verzögert, »so dass bis dahin die Handwerker ohne Material« 98 da- 89 Vermerk Wirths v. 15.1.1937, GLA 478/ 49. Die 1. Baustufe wurde später auf 64 Wohnungen aufgestockt. 90 Dr. Gustav Bender (25.8.1897 Karlsruhe - 26.7.1980 Karlsruhe): Diplom-Volkswirt und Bankkaufmann, 1927-1931 Sekretariatschef der Bad. Komm. Landesbank Mannheim, 1931-1945 Geschäftsleiter der Bezirkssparkasse DS, ab 1947 Sparkassendirektor in Stockach; Pg. seit 1933, Kreiswirtschaftsberater DS 1933-1938, 1948 als Minderbelasteter eingestuft, 1951 als Sympathisant. StAF D 180/ 2-119086. 91 Vermerk Wirths v. 15.1.1937, GLA 478/ 49. 92 BMI (Staiger) an RAM v. 3.3.1937, GLA 478/ 49. 93 Aktenbefund BAB R 2/ 19307. 94 Haerendel, Wohnungspolitik, S. 237. 95 BMI (Staiger) an RAM v. 3.3.1937, GLA 478/ 49. 96 Vermerk Gärtner zur Siedlungs-Angelegenheit v. 5.5.1937, BAB R 3112/ 184. 97 DBG-GVP v. 13.9.1937, StANK AD. 98 BH (Wirths) an Rohstoffamt v. 24.9.1937, GLA 478/ 7. Durch das schwerfällige Abstempelungs- und Lieferverfahren verfiel zudem fast die Hälfte der den Baufirmen zugeteilten Rohstahlkontingente. 101 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm standen. Einmal fehlten Fußbodenbretter, das andere Mal Bleche zur Dachgaubenabdeckung. Größte Probleme bereitete die Beschaffung von 850 kg Baueisen pro Haus. Daher konnten die letzten Wohnungen erst mit langer Verspätung Ende November 1937 fertiggestellt und überhastet bezogen werden 99 . Den Mietern blieb es am Ende überlassen, fehlende Handwerkerarbeiten selbst nachzuholen. Die Mieterwahl löste heftigen Streit aus. Auf Wunsch der DAF sollten in die 42 m² großen Erdgeschosswohnungen, bestehend aus einer Wohnküche und zwei Schlafräumen, vor allem Großfamilien mit fünf bis acht Kindern einziehen. Wirths hielt dem erfolgreich entgegen, dass es »aus sozialen und gesundheitlichen Gründen unmöglich sei, kinderreiche Familien in die viel zu kleinen Wohnungen des I. Bauabschnitts hineinzuzwängen« 100 . In die Erdgeschosswohnungen zogen daher »nur« Familien mit maximal drei Kindern ein. Die kleineren Einliegerwohnungen im Obergeschoss, bestehend aus Wohnküche und einem Schlafraum, dienten Ehepaaren mit höchstens einem Kleinkind als Unterkunft. Ein Viertel der Häuser zweigte man für die Angestellten der DBG ab, überließ deren Familien aber das gesamte Haus einschließlich der Einliegerwohnung. Das überschaubar dimensionierte Projekt löste Erschließungskosten in Höhe von 16.380 RM aus und trieb Blumberg, einen kleinen Ort mit 166 Haushaltungen und einem jährlichen Steueraufkommen von 21.736 RM (1936), an den Rand der Zahlungsunfähigkeit 101 . Ihren Eigenanteil musste die völlig überforderte Gemeinde durch einen außerordentlichen Holzhieb 102 finanzieren. Allen Beteiligten war klar, dass die Kommune für die nachfolgenden Bauabschnitte keinerlei substantielle Beiträge mehr würde leisten können. Die Frage, wer zu welchen Bedingungen für sie einspringen musste, bildete den Kern heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Landes- und den Reichsbehörden. c) Verschärfung der Probleme - Baustufe II Noch bevor die Finanzierung des ersten Abschnitts geklärt und mit dessen Bau begonnen worden war, forderte die DBG bereits vom Rohstoffamt, bis zum Herbst 1937 müssten insgesamt 400 Wohnungen fertiggestellt werden 103 . Zur Vorbereitung eines zweiten Bauabschnitts, der 336 Einheiten umfasste, fand am 19. April 1937 eine Besprechung im Rohstoffamt statt, an der unter anderem Wirths (BH), Heyer (DBG), Wisch (Rohstoffamt) und Wessel (DAF-Zentralstelle für den Vierjahresplan) teilnahmen. Wirths warnte vor überzogenen Hoffnungen und hielt »es bei dem augenblicklichen Stand der Dinge für technisch fast unmöglich, dass die weiteren 336 Wohnungen bis zum Herbst fertig sein« 104 könnten. Das neue Projekt besaß ein Investitionsvolumen von ca. 1,5 Mio. RM und löste Erschließungskosten von rund 500.000 RM aus. Die Wohnungen sollten über 99 Das Schwarzwälder Tagblatt berichtete über den Einzug der Bergleute am 30.11.1937. 100 Vermerk Wirths v. 4.11.1937, GLA 478/ 7. 101 BMA Blumberg an Bezirksamt DS v. 4.8.1937, GLA 478/ 7. 102 Das Fürstliche Haus reagierte sofort auf die erhöhte Holznachfrage und erwarb das örtliche Sägewerk Rexroth. Der Landeskommissär in Konstanz machte sich jedoch vergeblich dafür stark, dessen Geschäfte dadurch zu fördern, dass man Holzfachwerkhäuser in Blumberg baute. Aktenbefund StAF A 96/ 1-3373. 103 DBG (Gärtner) an Rohstoffamt v. 15.3.1937, BAB R 3112/ 184. 104 Vermerk Heyer über die Besprechung am 19.4.1937 im Rohstoffamt, GLA 478/ 49. 102 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Hypotheken-, Reichs- und Werksdarlehen finanziert werden, deren Höhe und Verzinsung allerdings noch völlig ungeklärt waren. Wegen der Emissionsbeschränkungen 105 auf dem Kapitalmarkt konnte das große Volumen der Hypothekenkredite nicht mehr von der badischen Sparkassenorganisation aufgebracht werden. Offen blieb auch die Frage, wer die Erschließungskosten für die überforderte Gemeinde Blumberg trug. Die Klärung ließ monatelang auf sich warten: Während das Rohstoffamt der BH unrealistisch knappe Terminvorgaben aufdrängte 106 , prüfte die Berliner Ministerialbürokratie mit preußischer Gründlichkeit die Finanzierungsfragen. Gegenwind kam auch von der DBG, die sich bis in den Sommer hinein weigerte, ihre Darlehen auf 1.000 RM anzuheben, damit die Kostensteigerungen für den von ihr initiierten Bau von Einzelhäusern aufgefangen werden konnten 107 . Die Fülle ungelöster Probleme und der fehlende Projektfortschritt belasteten das Verhältnis zwischen dem BMI und der DAF 108 . Da solche Mängel auch bei anderen Wohnbauvorhaben des Vierjahresplans auftraten, setzten während des Frühsommers »in Berlin unter den betreffenden Stellen scharfe Auseinandersetzungen über die Schuldfrage der bisherigen Verzögerungen« 109 ein. Ende Mai 1937 forderte das BMI die Berliner Behörden dringend dazu auf, eine Krisensitzung unter Leitung des RAM einzuberufen 110 . BH- Geschäftsführer Paul Wirths sekundierte und prangerte gegenüber dem Rohstoffamt die schädlichen Folgen der bestehenden Kompetenzzersplitterung an 111 . Die DAF berief nun eilends eine Behördenkonferenz nach Karlsruhe ein, die allerdings wenig greifbare Ergebnisse brachte. Vor allem in der Frage, wer die Erschließungskosten übernehmen sollte, verhärteten sich die Fronten: Während Dr. Paul Briese 112 von der DAF-Zentralstelle für den Vierjahresplan befand, dies sei eine Angelegenheit der Kommune, wurde »seitens des Bürgermeisters von Blumberg und des Landrats […] in der Versammlung erklärt, dass die Gemeinde aus eigenen Mitteln künftig keinerlei Kosten mehr für das Unternehmen aufwenden könne« 113 . Mitte Juni 1937 traf in Karlsruhe endlich eine Entscheidung aus Berlin ein. Das RAM teilte seine Bereitschaft mit, die Erschließungskosten für die Gemeinde Blumberg als Darlehen vorzustrecken, staatliche Wohnbaukredite in Höhe von 1.500 RM pro Wohnung zu gewähren und den Zinssatz auf 1 % abzusenken, was als ein Entgegenkommen 105 Vermerk Leutz v. Mai 1937, GLA 478/ 49. Zur Einschränkung von Hypothekenemissionen: Gaul, Anlageinvestitionen, S. 138-153 und Mattausch, Siedlungsbau, S. 39. 106 Rohstoffamt (Wisch) an BH v. 19.5.1937, GLA 478/ 49. 107 DBG-GVP v. 10.5.1937, BAB 3112/ 184. Die DBG lenkte erst ein, nachdem ihr zugesichert worden war, sie könne sich über ein Schuldscheindarlehen bei der DAF refinanzieren. Tatsächlich erhielt sie Ende 1937 ein mit 4,5 % zu verzinsendes Reichsdarlehen über 336.000 RM. RAM an DBG v. 9.11.1937, GLA 478/ 7. 108 BH-Geschäftsführer Wirths berichtete am 30.9.1946 rückschauend von einem »sehr schlechten Verhältnis zwischen den staatlichen und parteiamtlichen Dienststellen auf dem Gebiet des Wohnungs- und Siedlungsbaues«. GLA 465a/ 51/ 12/ 954. 109 So H. Röchling lt. Vermerk Wirths v. 11.6.1937, GLA 478/ 49. 110 BMI an RAM, RFM, DAF, Rohstoffamt, Mansfeld v. 29.5.1937, GLA 478/ 49. 111 BH (Wirths) an Rohstoffamt v. 26.5.1937, GLA 478/ 49. 112 Dr. Paul Briese (15.1.1905 Königsberg - ? ): 1923-1924 Banklehre, 1923-1927 Studium der Nationalökonomie, 1929 Promotion in Königsberg, Mitarbeiter im Zentralbüro der DAF, Tätigkeit bei Fritz Todt, 1942 MR im RBM. 113 Vermerk Landrat Binz (DS) über die Sitzung am 12.6.1937, StAB III/ 4. 103 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm zu werten sei, »wie es noch in keinem anderen Fall, auch nicht im Rahmen des Vierjahresplans, geschehen ist« 114 . Auch das RFM stellte seine Bedenken gegen die Gründung einer Bauträgergesellschaft für den Blumberger Wohnungsbau zurück 115 , so dass das Reich und badische Körperschaften des öffentlichen Rechts am 12. Juli die Siedlungsgesellschaft für das Doggererzgebiet Oberbaden GmbH (SDO) gründen konnten. Das Reich übernahm 60 Prozent der Geschäftsanteile 116 . Die Geschäftsführung übten die beiden Leiter der BH, Wirths und Walter, in Personalunion aus. Das Unternehmen eröffnete im Juli 1937 eine Geschäftsstelle in Blumberg und übertrug deren Leitung seinem Prokuristen Heinrich Lauer 117 . Im BMI notierte man erleichtert, dass nun »ein wesentlicher Fortschritt in der Blumberger Siedlungsfrage verzeichnet« 118 worden sei. Da die staatlichen Bauämter in Donaueschingen mit militärischen Projekten beschäftigt waren, konnten sie die Erschließungsplanung nicht übernehmen. Die Gemeinde Blumberg musste die Bearbeitung der Pläne, die Ausschreibung und die Bauleitung Albert Lehr 119 übertragen 120 , der ein Ingenieurbüro in Freiburg unterhielt. Im August 1937 konnten endlich die ersten Bauaufträge für die Häuser erteilt und mit vorbereitenden Erdarbeiten begonnen werden. Um Preisabsprachen zu verhindern, wie sie bereits vorgekommen waren, aber auch um das große Volumen abwickeln zu können, hatte sich die BH trotz des Protests der Donaueschinger Kreisleitung dazu entschlossen, auswärtige Bauunternehmen in die Ausschreibungen einzubeziehen 121 . Mit dem Ziel, die großen Verspätungen wenigstens teilweise aufzuholen, wurden Straßen und Wohnhäuser nun gleichzeitig gebaut 122 , was erhebliche logistische Probleme auslöste. Da es an Unterkünften für die Bauarbeiter mangelte, musste das Rohstoffamt im November 1937 eine Barackensiedlung für 384 Mann vom Reichsarbeitsdienst organisieren, in der auch Bergleute 114 RAM an BMI v. 12.6.1937, GLA 478/ 7. 115 RFM an RAM v. 15.7.1937, BAB R 2/ 19307. 116 Vom Stammkapital (251.000 RM) übernahmen: das Reich 150.000 RM, die Badische LAKRA für Wohnungsbau 50.000 RM, die DBG 50.000 RM und die BH 1.000 RM. Geschäftsbericht BH 1938, GAG. 117 Heinrich Lauer (27.7.1896 Niederlustadt - 9.5.1968 Karlsruhe): 1927-1931 Prokurist, später Geschäftsführer der Bauhütte Mannheim, 1931-1937 Geschäftsführer und Vorstand des Bau- und Sparvereins Mannheim, 1937-1945 Finanzsachbearbeiter und Geschäftsstellenleiter der BH in Blumberg, vor 1933 SPD-Mitglied, Pg. ab 1940. Lauer spielte in Blumberg eine äußerst dubiose Rolle: 1943 zeigte er einen BH-Mieter wegen Abhörens eines Schweizer Senders an. Das Opfer erhielt eine Gefängnisstrafe, die in Frontbewährung umgewandelt wurde. Nach 1945 saß Lauer wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit fast 9 Monate in alliierter Untersuchungshaft. Ihm wurde vorgeworfen, 1942 einen Kollegen wegen dessen systemkritischer Gesinnung denunziert zu haben. Dieser war nach einem missglückten Fluchtversuch aus der Haft 1943 hingerichtet worden. Der Kreisuntersuchungsausschuss Donaueschingen stufte Lauer 1947 als Mitläufer ein. StAF D180/ 2-158993 und StAF G 701/ 2-3952. 118 BMI an RAM v. 5.7.1938, GLA 478/ 7. 119 Albert Lehr (15.3.1883 Heimbach - 2.2.1970 Freiburg): Sohn einer Baumeisterfamilie, Ingenieurstudium in Karlsruhe, danach in Metz und Renchen als angestellter Ingenieur tätig, in den 1920er Jahren Bauunternehmer in Freiburg, nach Insolvenz des Unternehmens als Ingenieur tätig; Konstrukteur und Erbauer von Brücken, Talsperren, Kirchenkuppeln und Industriebauten, Spezialist im Eisenbetonbau; keinerlei Mitgliedschaft in NS-Organisationen, ab 1945 Mitwirkung in Spruchkammerverfahren, Betrieb mehrerer Ingenieurbüros. StAF D 180/ 2-199811, Badische Zeitung v. 7./ 8.2.1970, S. 18 und Ausk. Christof Lehr. 120 LPGB (Feldmann) an BMI v. 21.5.1937, GLA 478/ 49. 121 BH an BMI v. 14.6.1938, GLA 478/ 9. 122 PdB am 30.4.1937, StAB III/ 4. 104 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 12: Wohnungsbau in Blumberg um 1937. Ganz rechts wahrscheinlich Blumbergs Bürgermeister Theodor Schmid. Bild: Stadtarchiv Blumberg. Abb. 13: Bergarbeitersiedlung Blumberg um 1940. Im Vordergrund rechts der östliche Rand des alten Dorfs. Bild: Sammlung Prillwitz. 105 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Abb. 14: Übersichtsplan der Bergarbeitersiedlung um 1938. Bild: Generallandesarchiv Karlsruhe. 106 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) unterkamen, die auf den Bezug ihrer Wohnungen warteten 123 . Deren Fertigstellung zog sich hin: Wegen der rüstungsbedingt überhitzten Baukonjunktur herrschte großer Kräftemangel im Reich, so dass in der zweiten Jahreshälfte 1937 durchschnittlich nur etwa 50 Prozent der für den Blumberger Wohnungsbau benötigten Arbeiter verfügbar waren 124 , zeitweise sogar weniger 125 . Als Folge davon wurden die 366 Wohnungen des zweiten Bauabschnitts erst im Juli 1938 bezugsfertig, neun Monate später als ursprünglich geplant. d) Die Ablösung der Deutschen Arbeitsfront Seit Anfang 1937 reduzierte sich die Funktion des eigentlich für den Wohnungsbau im Lande zuständigen BMI auf die eines schlecht informierten und verzweifelt um Einfluss ringenden Erfüllungsgehilfen für die DAF und das Berliner Rohstoffamt 126 . Das bis zum Sommer 1937 entstandene Chaos machte allen Beteiligten deutlich, dass es so nicht weitergehen konnte. Am 16. August 1937 beschwerte sich das BMI beim Rohstoffamt, die große Zahl der an Einzelfragen mittelbar und unmittelbar beteiligten Stellen schließe »ein rasches und erfolgreiches Arbeiten praktisch aus« 127 . Aus seiner vernichtenden Kritik der bestehenden Zustände leitete das BMI die Forderung ab, ihm die Leitungskompetenz für das Wohnbauprojekt in Baden zu übertragen. Zugleich beschwerte sich Innenminister Pflaumer in einem persönlichen Brief 128 bei Görings Staatssekretär Paul Körner 129 . Die - wahrscheinlich mit anderen Akteuren in Berlin abgestimmte - Aktion hatte Erfolg: Am 19. August 1937 entzog Göring der DAF die Zuständigkeit für den Arbeiterwohnungsbau des Vierjahresplans 130 . Eine Woche später wurde das BMI offiziell über die neue 123 Siehe Kap. IV/ 4/ b. 124 DBG-GVP v. 10.11.1937, RWWA 72-146-5. 125 So klagte das RAM, anstatt 420 seien nur 176 Mann auf der Baustelle tätig (RAM an BMI v. 15.10.1937, GLA 478/ 7). Da weitere Unternehmen für die Errichtung der DBG-Werksinfrastruktur tätig waren, tummelten sich Ende 1937 etwa 1.200 Bauarbeiter in Blumberg. BMA Blumberg an Reichsforstamt v. 15.11.1937, StAB III/ 4. 126 Am 10.2.1937 informierte das RAM die Wohnungsressorts der Länder über den Auftrag der DAF und wies diese an, »die Zentralstelle der Deutschen Arbeitsfront bei der Durchführung ihrer Aufgaben in jeder Weise zu unterstützen«. RAM an Länderregierungen u.a. v. 10.2.1937, BAB R 3901/ 20915. 127 Das BMI forderte, dass künftig »bei einer Stelle verwaltungsmäßig die Bearbeitung aller einschlägigen Fragen zusammengefaßt ist. […] Die Zusammenfassung bei einer Zentralstelle setzt aber voraus, daß diese über alle von dem Beauftragten für den Vierjahresplan getroffenen Anordnungen frühzeitig Kenntnis erhält und gegenüber allen anderen Dienststellen im Lande ihre führende Stellung klar herausgestellt wird. Diese Voraussetzungen waren bisher nicht gegeben; ihr Fehlen konnte trotz angestrengtester Bemühungen nicht ausgeglichen werden. Wenn es trotzdem gelungen ist, in Blumberg die finanziellen Voraussetzungen zur baldigen Fertigstellung von 400 Wohnungen zu schaffen, so ist dies unter einem kaum vorstellbaren Aufwand von Verwaltungsarbeit möglich gewesen. Es ist aber ausgeschlossen, die noch vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen, wenn nicht alsbald eine Klärung in dem angedeuteten Sinne erfolgt«. BMI an Rohstoffamt v. 16.8.1937, GLA 478/ 7. 128 Pflaumer an Körner v. 16.8.1937, GLA 478/ 7. 129 Paul Körner (1893-1957): Jurist, ab 1933 Staatssekretär im Preuß. Innenministerium, ab 1936 auch in der VJP-Behörde, Pg. seit 1926, SS-Mitglied seit 1931; 1949 zu 15 Jahren Haft verurteilt, 1951 vorzeitig entlassen. 130 »Die der deutschen Arbeitsfront bisher erteilten Aufträge werden nach näheren Weisungen des Amtes für deutsche Roh- und Werkstoffe und der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz von ihr noch zu Ende geführt. Soweit die Finanzierung der Bauten und die Geländebeschaffung noch nicht abschliessend geklärt 107 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Situation unterrichtet: Am 24. und 25. August kamen Dr. Werner Mansfeld, der Leiter der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz, Martin Wisch vom Rohstoffamt und Ministerialrat August Schmitt vom RAM zu Gesprächen nach Karlsruhe und Blumberg, wo sie die örtliche Situation auf den Baustellen und Bergwerksanlagen in Augenschein nahmen. Dabei teilte Mansfeld den Vertretern des BMI, Imhoff und Leutz, mit: »Die Einschaltung der DAF. mit den Heimstättenämtern in die Vierjahresplanvorhaben hat sich nicht als zweckmäßig erwiesen. Ministerpräsident Generaloberst Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan habe daher den Auftrag an die DAF. zurückgenommen und verfügt, daß die Vierjahresplanvorhaben nur von den staatlichen Stellen bearbeitet und durchgeführt werden. Die Ausführungen in dem Schreiben des Bad. Ministers des Innern vom 16. August 1937 […] entsprächen den auch anderwärts gemachten Erfahrungen« 131 . Gleichzeitig gab Mansfeld einen dritten Bauabschnitt bekannt: Bis zum 1. Oktober 1938 sollten, nun unter der Leitung des BMI, weitere 250 Einheiten in Blumberg erstellt werden. Mansfeld übertrug der Behörde am 14. September 1937 die »örtliche Verantwortung« für alle künftigen Teilvorhaben des badischen Arbeiterwohnbaus und wies die DAF an, ihre bereits laufenden Vorhaben »nur im Benehmen« 132 mit dem BMI abzuwickeln. Innenminister Pflaumer untersagte per Runderlass sofort jede nicht abgestimmte Tätigkeit in seinem neuen Verantwortungsbereich 133 . e) Blumberg als städtebauliche Mustersiedlung des Vierjahresplans Die Konzentration des Arbeiterwohnungsbaus auf den Grubenstandort Blumberg stand nicht von Anfang an fest: Um das Siedlungskonzept zu erörtern, hatte Landesplaner Feldmann für den 30. April 1937 eine Konferenz zahlreicher Behörden mit der Bergwerksleitung und mit der Baugesellschaft im Blumberger Rathaus organisiert. Dort stand auch eine alternative Lösung zur Debatte, wonach man die Arbeiterwohnungen auf mehrere Ortschaften hätte verteilen können. Sie fand jedoch wenig Anklang: Die Teilnehmer plädierten für ein zentrales Konzept und führten betriebswirtschaftliche, technische oder polizeiliche Argumente ins Feld. DBG-Direktor Gärtner meinte, man könne in einer geschlossenen Siedlung »den Leuten mehr bieten, sodass sie sich leichter in die neuen Verhältnisse schicken« 134 . BH-Geschäftsführer Wirths betonte, dass auch die »massgebenden Herren in Berlin« eine geschlossene Siedlung vorzögen. Unter den Bürgermeistern, Regionalpolitikern und den Vertretern von Land- und Forstwirtschaft herrschte der Konsens, dass man die Folgen der Industrialisierung lokal begrenzen und den unvermeidlichen Abzug von Arbeitskräften aus dem Agrarsektor möglichst gering halten wollte. sind, werden die der DAF erteilten Aufträge zurückgenommen«. Hermann Göring an Rohstoffamt und GGAE v. 19.8. 1937, GAG. 131 Vermerk Leutz v. 1.9.1937, GLA 478/ 7. 132 GGAE (Mansfeld) an BMI v. 14.9.1937, GAG. 133 Runderlass BMI (Pflaumer) v. 22.9.1937, GAG. 134 PdB v. 30.4.1937, StAB III/ 4. 108 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Blumbergs Bürgermeister Schmid hätte hier den Versuch starten können, seinen Ort vor einem brutalen Strukturwandel zu bewahren, doch sprach auch er sich für eine zentrale Siedlung aus, »obwohl man sie in Blumberg mit gemischten Gefühlen betrachtet«, was bedeutete, dass sich Handel und Handwerk positive Impulse von ihr erhofften, während die Landwirte sie ablehnten. Auffällig ist, dass fast keine Gegenargumente laut wurden und dass die von Robert Wagner früher geäußerten Vorbehalte 135 gegen eine unerwünschte Konzentration systemkritischer Bergleute in einem zentralen Ort von Feldmann, der ja Wagners Mitarbeiter war, jetzt mit keinem einzigen Wort erwähnt wurden. Man wird wohl vermuten dürfen, dass der badische Gauleiter mittlerweile seine Chance gewittert hatte, sich in Blumberg ein städtebauliches Denkmal setzen zu können, was Schmid nicht verborgen geblieben sein dürfte. Verlierer des Beschlusses vom 30. April 1937 waren auf jeden Fall die von den notwendigen Flächenabgaben existentiell hart betroffenen Blumberger Landwirte. Letztere forderten, als sie merkten, was auf sie zukam, Anfang November 1937 in einer Resolution, »dass die Siedlungen nicht in dem Ausmass in unserer Gemeinde erstellt werden, wie di[e]ses geplant ist, sondern im kleinerem [! ] Rahmen und auf weniger gutes landwirtschaftliches Gelände« 136 . Sie blieben jedoch erfolglos. Schmid betrachtete die Verluste seiner Landwirte offenbar lediglich als »Unannehmlichkeiten« 137 , die für den Aufbau des Dritten Reichs nun einmal hinzunehmen seien. Aus dem Siedlungskonzept heraus ergab sich der Zwang, einen Generalbebauungsplan aufzustellen, der die künftige Entwicklung Blumbergs in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken hatte. Nach dem Scheitern der DAF und dem von Mansfeld erhaltenen Auftrag zum Bau weiterer Wohnungen durfte sich nun Innenminister Pflaumer als unumschränkter Herr des Verfahrens fühlen. Um seinen Gestaltungsanspruch innerhalb des badischen Behördenapparats zu unterstreichen, berief Pflaumer für den 29. September 1937 eine von ihm selbst geleitete Konferenz nach Karlsruhe ein, an der zahlreiche Projekt-Beteiligte, darunter die Landesplanungsbehörde, das Gauheimstättenamt und die Vertreter der DBG teilnahmen. In der Besprechung wurde Einigkeit erzielt, dass der Bau weiterer Wohnungen in Blumberg nötig sei, doch kannte leider niemand die genaue Zahl: Hatte bislang die Hypothese gegolten, dass der Zuzug von 1.000 Bergarbeiterfamilien zu einer Ortsgröße von 5.000 Einwohnern führen werde, so überraschte Hermann Röchling, der längst eigene Hüttenbaupläne schmiedete 138 , die Ministerialbeamten mit der Nachricht, dass die Zahl von 1.000 Kumpel nur »einen Anfang bedeute. Mit der Steigerung der Förderung wird wohl mit etwa 5000-6000 Bergarbeitern zu rechnen sein. Ferner sei mit größter Wahrscheinlichkeit mit der Errichtung eines Hüttenwerks zu rechnen, durch welches ein weiterer Bedarf von 5000 Arbeitern entstehen würde« 139 . Pflaumer beschloss, Erkundigungen über die wahren Absichten in Berlin einzuholen und beauftragte die BH am 2. Oktober 1937 mit der Erstellung des Generalbebauungsplans. Der Innenminister hatte seine Rechnung jedoch ohne Landesplaner Feldmann und 135 Siehe Kap. III/ 3/ a. 136 Blumberger Landwirte an Landes- und Kreisbauernführer DS v. 7.11.1937, StAB III/ 4. 137 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 138 Siehe Kap. IV/ 6/ a. 139 Vermerk über die Besprechung am 29.9.1937, GLA 478/ 7. 109 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm dessen Chef Robert Wagner gemacht. Der Reichsstatthalter zitierte Pflaumer und dessen Beamte umgehend zu einer von ihm selbst geleiteten »Besprechung der überplanlichen Fragen im Gebiet des Doggererzes Blumberg-Gutmadingen« 140 . In der Blumberger Konferenz vom 5. Oktober 1937, an der Ministerpräsident Köhler, Pflaumer und seine Mitarbeiter sowie Landes-, Regional- und Kommunalbehörden teilnahmen, traten erhebliche Differenzen unter den badischen Amtsträgern zutage. Alarmiert durch Röchlings überdimensionierte Pläne versuchte Ministerialrat Eugen Imhoff die Risiken und Lasten des Projekts vom badischen Staatshaushalt 141 fernzuhalten. Eigenen Angaben zufolge führte der Leiter der Wohnbauabteilung im BMI während der Sitzung mit Wagner aus: »Man wisse nicht, welche Ausdehnung der Bergbau nehme und wie lange er bestehen würde, man müsse vermeiden, daß bei Einstellung des Bergbaues die erbauten Wohnungen wertlos würden und ein häßliches Torso bestehen bleibe, es handle sich um eine Aufgabe des Reichs, dieses müsse deshalb für die Finanzierung sorgen und nicht das Land Baden. Der Reichsstatthalter wies meine Auffassung sehr schroff und in einer für mich kränkenden Weise zurück; er verlangte, dass eine nationalsozialistische Mustersiedlung in Blumberg erstellt würde, er werde etwaige Widerstände, auch personeller Natur, beseitigen« 142 . Imhoff behauptete später, diese »ungerechte und verletzende Behandlung« 143 habe ihn bewogen, 1938 seinen Posten im BMI zu räumen. In der Sache setzte sich Wagner jedenfalls während der Sitzung vom 5. Oktober 1937 über die Kompetenzen Pflaumers hinweg. Mit dem Argument, dass nur die besten Kräfte für die Gestaltung des künftigen Stadtzentrums von Blumberg eingesetzt werden dürften, zwang Wagner seinen Innenminister, der BH den Auftrag für den Generalbebauungsplan wieder zu entziehen 144 und ihn an den Freiburger Architekten Alfred Wolf 145 , einen alten Parteigenossen, zu vergeben. Dieser hatte nach Wagners Vorgabe den Kern der angehenden Bergarbeiterstadt »in einfacher Form« so zu gestalten, dass er »Ausdruck des nationalsozialistischen Gestaltungswillens wird« 146 . Als Planungsgröße schrieb ihm Feldmann 20.000 Einwohner vor. Während Wolf noch arbeitete, teilte die DBG dem BMI mit, sie habe die Reichsbehörden darüber unterrichtet, dass bis Jahresende 1938 in Blumberg weitere 400 Wohnungen 140 PdB v. 5.10.1937, LGRB 9 A/ 98. 141 So lagen Imhoff Berechnungen vor, wonach allein für die beiden ersten Stufen des Wohnbauprogramms öffentliche Infrastrukturkosten von fast 1,9 Mio. RM anfielen, darunter fast 700.000 RM für den Bau einer neuen Schule samt Lehrerwohnungen. BMA Blumberg an Bezirksamt DS v. 4.8.1937, GLA 478/ 7. 142 Vermerk Imhoff v. 18.1.1946, StAF D 180/ 2-700. 143 Imhoff an Stenz v. 18.1.1946, StAF D 180/ 2-700. 144 BMI (Pflaumer) an Bezirksamt DS v. 28.10.1937, StAF G 11/ 2-216. 145 Alfred Wolf (13.8.1892 Eubigheim - 13.1.1962 Freiburg): 1911-1913/ 1919 Architekturstudium in Karlsruhe, 1914-1918 Kriegsteilnahme, 1922-1924 Regierungsbaumeister im bad. Staatsdienst, 1924-1931 Innenarchitekt bei Welte & Söhne, der Orgelfabrik seines Schwiegervaters Karl Bockisch, 1931-1945 als freier Architekt in Freiburg mit Geschäftshäusern, Industriebauten und Projekten der Stadt(rand)bebauung beschäftigt, 1941-1944 Leiter des Wiederaufbaus Neuenburg, 1944/ 45 Leiter der baulichen Sofortmaßnahmen der Stadt Freiburg, 1935-1945 Ratsherr in Freiburg; seit 1932 Pg. und Mitglied der Motor-SA, 1933/ 34 Obmann im NS-Bund Deutscher Technik, 1941 NSKK-Sturmführer, von der NSDAP-Kreisleitung Freiburg 1938 als »alter Parteigenosse, erprobt und bewährt« beurteilt; 1945/ 46 interniert, 1946/ 47 Bauhilfsarbeiter, 1948 als Minderbelasteter entnazifiziert, danach als freier Architekt tätig. StAF D 180/ 2-206265 und D 180/ 3-1993. 146 PdB v. 5.10.1937, LGRB 9 A/ 98. 110 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) (Bauabschnitt IV) erstellt werden müssten 147 . Diese Nachricht löste starke Besorgnis in Karlsruhe aus. Innenminister Pflaumer lag bereits ein drängendes Schreiben des Blumberger Bürgermeisters Schmid vor, in dem dieser bemängelte, dass sein Ort demnächst 4.000 Einwohner beherbergen werde, die wesentlichen Fragen der künftigen Versorgungs- und Bildungsinfrastruktur aber noch völlig ungelöst seien 148 . Sowohl der badische Ministerpräsident Köhler als auch Innenminister Pflaumer intervenierten nun in Berlin. Pflaumer verlangte, »dass in kürzester Frist über den Gesamtausbau von Blumberg Klarheit geschaffen wird. […] Auch ist dringend erforderlich, dass die Finanzierungsfrage einheitlich gelöst wird und nicht über jede Massnahme lange Verhandlungen der beteiligten Stellen notwendig sind, die in schroffem Gegensatz zu der regelmässig geforderten Schnelligkeit der Ausführung steht« 149 . Daraufhin fand am 21. und 22. Juni 1938, teils unter Köhlers, teils unter Pflaumers Vorsitz, eine zweitägige Konferenz mit mehreren Reichsbehörden in Karlsruhe und Blumberg statt. Auf ihr erfuhren die badischen Beamten rund 1½ Jahre nach dem Start des Wohnbauprogramms erstmals konkrete Zahlen. Nach den Wünschen der Berliner Behörden sollte Blumberg im Jahre 1940 10.000 Einwohner umfassen, was einer Halbierung der von Reichsstatthalter Wagner im Oktober 1937 verkündeten Planziele entsprach. Ministerialrat August Schmitt vom RAM, der entsprechende Anfragen des BMI monatelang ignoriert hatte, mokierte sich 150 nun über die üppigen Dimensionen des von Wolf erstellten Generalbebauungsplanentwurfs, der nach Wagners Wünschen auf 20.000 Einwohner abgestellt worden war. Da Wolf wohl auch das Repräsentationsbedürfnis der Partei im Ortskern unterschätzt hatte, ordnete das RAM die »Einschränkung und Umarbeitung des Gesamtbebauungsplans« 151 an. Mit dem Argument, »daß bei dem starken Einsatz von Reichsmitteln bei den Vierjahresplanbauten nur städtebaulich Vorbildliches geschaffen« 152 werden dürfe, unterstellte die Reichsbehörde Wolfs weitere Arbeiten ihrem Genehmigungsvorbehalt und beendete Wagners kurze Alleinherrschaft über die städtebauliche Konzeption der entstehenden Bergarbeiterstadt. f) Zunehmende Ressourcenengpässe - Baustufen III und IV Während seines Besuchs im August 1937 hatte Mansfeld die Anordnung zur Realisierung eines dritten Wohnbau-Abschnitts bekannt gegeben: Bis zum 1. Oktober 1938 sollten, nun unter der Leitung des BMI, weitere 250 Einheiten in Blumberg erstellt werden. Die sofort anlaufenden Planungen führten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Saarwerken und der BH/ SDO. Während der Bauträger aus Kostengründen an den bislang realisierten Haustypen festhalten wollte, forderten die Saarhütten, künftig nur noch 147 DBG (Bornitz) an BMI (Imhoff) v. 4.6.1938, GLA 478/ 9. 148 BMA Blumberg (Schmid) an BMI v. 27.5.1938, StAB II. 149 BMI (Pflaumer) an RAM v. 8.6.1938, GLA 478/ 9. Unterstreich. im Orig. 150 PdB im BMA Blumberg am 22.6.1938, StAB II. 151 RAM an BMI v. 14.7.1938, GLA 478/ 9. 152 Vermerk BMI (Staiger) über die Besprechung im RAM am 10.8.1938, StAF G 11/ 2-216. Unterstreich. im Orig. 111 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Abb. 15: Besichtigung der künftigen Mustersiedlung für den Vierjahresplan um 1938/ 39. Von links: Architekt Alfred Wolf, Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz, hinter ihm Landrat Rudolf Binz mit weißem Hut, Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner (mit Hakenkreuzbinde), hinter ihm Bürgermeister Theodor Schmid, DBG- Geschäftsführer Kurt Heyer (in Knickerbockers), Kreisleiter Walther Kirn (in Uniform), DBG-Ausbildungsleiter Albert Moses (in Knickerbockers) und Grubenleiter Karl Breiing (im dunklen Anzug). Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 16: Von links: Landrat Rudolf Binz (angeschnitten), Bürgermeister Theodor Schmid, Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz (in Uniform), Dr. Paul Wirths, der Geschäftsführer der Badischen Heimstätte GmbH (in Zivil mit abgenommenem Hut), Gauleiter Robert Wagner (im Profil), DBG-Geschäftsführer Kurt Heyer, Architekt Alfred Wolf (mit aufgesetztem Hut), Kreisleiter Walther Kirn und Grubenleiter Karl Breiing. Bild: Sammlung Prillwitz. 112 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 17: Frühe Planung des Freiburger Architekten Alfred Wolf (November 1938) für die nationalsozialistische Mustersiedlung für den Vierjahresplan. Von rechts nach links: die realisierte Bergarbeitersiedlung; dann der alte dörfliche Ortskern; das neue, städtische Zentrum mit langen Fassaden, oben im Bild Sport- und Aufmarschplätze. Die nördliche Richtung weist nach links. Bild: Architekturbüro Wolfgang Huller, Freiburg. 113 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm Einfamilienhäuser zu bauen, weigerten sich aber, ihre Werksdarlehen kostenadäquat zu erhöhen 153 . Sie waren der Meinung, die BH habe sich bislang nicht ausreichend um Mengenrabatte bei der Baustoffbeschaffung gekümmert und deshalb »viel zu teuer gebaut« 154 . Im Februar 1938 gelang es Röchling gegen den Widerstand der BH/ SDO bei Pflaumer durchzusetzen, dass der Düsseldorfer Architekt Hans Spiegel 155 , ein anerkannter Spezialist für den Siedlungs- und Kleinwohnungsbau, als Vertreter der DBG am Planungsprozess beteiligt wurde 156 . Die folgende Zeit war geprägt von »teilweise sehr erregten Auseinandersetzungen« 157 zwischen Spiegel, der die auf Kostenminimierung gerichteten Ziele der Saarhütten durchzusetzen gedachte, und der BH/ SDO, die einen Mindeststandard an Wohnqualität sicherstellen wollte. Letzteres gelang offenbar nicht. Als 1941 massive Baumängel an den Häusern festgestellt wurden, hielt die BH der DBG vor: »Teilweise haben Sie sogar durch Ihren damaligen Bevollmächtigten, Prof. Dr. Spiegel, unmittelbar an der Planung der Haustypen und an der Festlegung der Baukonstruktion, usw. maßgeblich mitgewirkt; allerdings, wie wir ausdrücklich hervorheben, nicht mit dem Ziel, die Pläne und Baukonstruktionen zu verbessern, sondern sie zu verkleinern und zu verschlechtern, um durch die hieraus erhofften Ersparnisse die Höhe der Werkdarlehen herabmindern zu können. Ihr damaliger Aufsichtsratvorsitzer, Herr Kommerzienrat Röchling, hat sogar mehrfach uns gegenüber und in allgemeinen Sitzungen erklärt, daß die von uns errichteten Bauten und Wohnungen für die Bedürfnisse der Bergarbeiter zu üppig seien, und auf wesentliche Einsparungen, die nur auf Kosten der Qualität der Bauten gehen konnten, gedrängt. Lediglich unserem schärfsten Widerstand gegenüber den Absichten von Kommerzienrat Röchling und Professor Dr. Spiegel ist es zu verdanken, daß eine weitere Verschlechterung der Bauten vermieden wurde« 158 . Um die Frage des Haustyps zu klären, fand unter Beteiligung von Berliner Behörden am 17. April 1938 ein Gespräch 159 in Blumberg statt. Dabei setzten sich die BH/ SDO und das BMI gegenüber den Saarwerken durch: Zwar beschloss man, 178 der insgesamt 214 Gebäude des Abschnitts III als Einfamilienhäuser zu bauen, doch musste die DBG ihren Werkszuschuss für diese Quartiere auf 1.500 RM erhöhen. 239 Wohnungen sollten in Blumberg, elf im benachbarten Riedböhringen entstehen. Die erwähnte Regierungskonferenz vom 21. und 22. Juni 1938 erbrachte endlich auch Aufschluss über den künftigen Wohnungsbau in Blumberg. Nach den Vorgaben aus Ber- 153 DBG an BMI v. 23.2.1938, GLA 478/ 8. 154 DBG-Direktor Gärtner lt. DBG-GVP v. 22.2.1938, RWWA 72-146-7. 155 Dr. Hans Spiegel (4.6.1893 Nürnberg - 11.4.1987 Düsseldorf ): 1912-1916 Architekturstudium an der TH München, ab 1919 im bayer. Staatsdienst, ab 1923 freier Architekt in Düsseldorf, 1930 Promotion an der TH Berlin, ab 1932 Professor an der TeH Aachen, 1941 Abteilungsleiter beim Reichskommissar für das Wohnungswesen und Präsident der Deutschen Akademie für Wohnungswesen. Spiegels Kernkompetenzen waren Industriebau, Landhausbau, Siedlungs- und Kleinwohnungsbau, Baustoffe und Baukonstruktionen, sowie Bauführung und Bauorganisation. Schäfers, Werkbund und UAA Personalakte Spiegel 2640, 13298. 156 Vermerk BMI (Staiger) über die Besprechung am 9.2.1938, GLA 478/ 8. 157 BH an BMI v. 2.4.1941, GLA 478/ 29. 158 SDO (Wirths) an DBG v. 6.5.1941, GLA 478/ 32. 159 Vermerk Bornitz über die Besprechung am 27.4.1938, GLA 478/ 8. 114 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) lin sollten bis 1940 insgesamt 2.150 Einheiten gebaut werden; das waren weitere 1.500 über die bereits beschlossenen 650 Einheiten der Baustufen I bis III hinaus. Auf Anordnung des RAM musste man mit dem Bau von 400 Wohnungen der Baustufe IV sofort beginnen 160 . Darüber hinaus wurden in der Konferenz zahlreiche Infrastrukturprojekte 161 für Blumberg behandelt, doch scheiterte die badische Seite mit ihrem Verhandlungsziel, eine einheitliche, im Wesentlichen vom Reich getragene Lösung der Finanzierungsfrage herbeizuführen. Die Vertreter des RAM und des RFM erklärten, das Reich werde für die Erschließungskosten des Wohnungsbaus und für einige andere Projekte »in Vorlage treten. […] Die Gemeinde werde zunächst nicht Schuldner; erst später werde festgestellt, ob eine darlehensmäßige Belastung erfolge oder die Beträge als Zuschüsse gewährt würden« 162 . Parallel zu den bereits laufenden Bauarbeiten des dritten Abschnitts begann die BH/ SDO Mitte August 1938 mit der Realisierung des Teils IV, musste sich dabei jedoch wieder mit den Saarhütten über zahlreiche Detailfragen streiten 163 . Der Projektumfang war auf 366 Wohnungen ausgelegt, von denen 68 jedoch bald zurückgestellt wurden, weil die DBG auf den Grundstücken Tagebau betreiben wollte. Da der Blumberger Wohnungsbau einen beachtlichen Umfang angenommen hatte, die Koordinierung mit den Erschließungsarbeiten bislang aber zu wünschen übrig ließ, betraute das BMI den zweiten Geschäftsführer der BH, den Architekten Paul Walter, mit der Oberleitung der gesamten Blumberger Bautätigkeit. Die Landesversicherungsanstalt Baden vergab, wie bereits zuvor bei der zweiten Tranche, die erstrangigen Hypothekenkredite für die Baustufen III und IV. Die Bauarbeiten kamen nur sehr schleppend voran. So standen während der Bauperiode 1938 statt der benötigten 300 bis 400 Mann lediglich 140 bis 150 Arbeiter zur Verfügung. Hinzu kam ein drückender Materialmangel 164 . Der Blumberger Wohnungsbau befand sich in klar benachteiligter Position gegenüber prioritären Rüstungsprojekten, wie 160 Vermerk BMI (Imhoff) über die Besprechung BMI/ RAM/ RFM/ RWA u.a. am 21./ 22.6. 1938, GLA 478/ 9. 161 Schulgebäude, Lehrer- und Polizistenwohnungen, Schlacht-, Leichen- und Krankenhaus, Gesamtsiedlungsplan, Geschäftsstraße, neues Rathaus, Badeanstalt, Kindergarten, Wasserversorgung und Kanalisation. 162 ORR Büge (RFM) lt. Vermerk BMI (Imhoff) über die Besprechung am 21./ 22.6. 1938, GLA 478/ 9. 163 So hatte H. Röchling die lohnkostendämpfende Wirkung einer Lebensmittel-Selbstversorgung der künftigen Siedlungsbewohner fest im Blick und nervte die Berliner Ministerien mit der Forderung nach größeren Gärten, weil die Bergleute »durchweg den Wunsch hätten, Ziegen zu halten«. RAM an BMI v. 29.8.1938, GLA 478/ 10. 164 »Die Hauptursache der Verzögerungen liegt an dem starken Mangel an gelernten und ungelernten Arbeitern sowie an der schleppenden Materialzufuhr einzelner wichtiger Baustoffe, wie Zement, Gips. Ziegel und Holz. […] Die Freimachung von Arbeitskräften von seiten des Arbeitsamtes Villingen für Arbeiten im Rheinvorland unterbindet jede Möglichkeit, Arbeiter für die Siedlung bereitzustellen. Erschwerend wirkt weiter noch die zurzeit im Gang befindliche Ernte. […] Unter den vorerwähnten Umständen ist eine Einhaltung der Termine des III. und IV. Bauabschnittes unmöglich. Diesbezügliche Schritte zur Abstellung dieser Mißstände sind mehrfach unternommen worden und werden weiterhin unternommen. Dies alles sind Dinge, die Tage an Tage und Woche an Woche anreihen und damit neue Verzögerungen herbeiführen« (Oberbauleitung Vierjahresplansiedlung Blumberg (Walter) an BMI v. 1.9.1938, GLA 478/ 10). Auch die örtlichen Ressourcen waren überfordert: Durch die vielen Bauten in Blumberg entstand ein derart großer Wasserverbrauch, dass die Unternehmen ihren Bedarf aus dem Bach decken mussten. Schwarzwälder Tagblatt v. 5.10.1938. 115 3. Das staatliche Wohnungsbauprogramm dem Bau des Westwalls oder der Reichswerke. Das Arbeitsamt Villingen war demgemäß nicht in der Lage, dem Projekt die benötigten Arbeitskräfte zu besorgen und musste sich im Herbst 1938 darauf beschränken, die Blumberger Baustellen vor dem drohenden Personalabzug zugunsten des Westwalls zu bewahren 165 . Ähnlich schleppend ging es in Gutmadingen voran, wo 12 Wohnungen für die GHH entstanden. Das BMI setzte die Arbeitsverwaltung im Herbst 1938 unter Druck 166 , mehr Kräfte abzustellen und drang bei der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau 167 auf eine höhere Priorisierung des Wohnungsbaus auf der Baar. Es löste damit aber nur einen sehr gereizten Schriftwechsel 168 mit Reichsstellenleiter Albrecht Czimatis über die Verantwortung für die entstandenen Bauverzögerungen aus. Erst Ende 1938 wurden einige Vorhaben des reichsweiten Arbeiterwohnstättenbaus, darunter auch die Teile III und IV des Blumberger Projekts, unter die Verordnung vom 22. Juni 1938 gestellt 169 . Die Maßnahme blieb jedoch wirkungslos: Geländeprobleme, gravierende Mängel in der Bauorganisation 170 und der lange Winter auf der Baar behinderten den Fortgang der Arbeiten stark. Die letzten Wohnungen des Bauabschnitts IV konnte die BH/ SDO erst zu einem Zeitpunkt (Frühjahr 1941) vollenden, als sie längst nicht mehr benötigt wurden. Über 200 Einheiten standen bereits zum Jahresende 1940 leer 171 . Trotz chaotischer Zustände und Abläufe, die bei den Beamten des BMI zuweilen die Nerven blank legten, wurden bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs 650 der insgesamt 948 Volkswohnungen in Blumberg bezogen und 6 km Straße, 8 km Wasserleitung sowie 7 km Abwasserkanäle fertiggestellt 172 . Angesichts der enormen Probleme im Finanzierungs-, Material- und Arbeitskräftebereich war der Arbeiterwohnungsbau auf der Baar also ein durchaus erfolgreiches Projekt. Er ging jedoch stark zu Lasten aller anderen Zielgruppen: Fast zwei Drittel der 622 Einheiten, die im Herbst 1937 landesweit von der BH gebaut wurden, entstanden in Blumberg. Das BMI beklagte sich beim RAM, die knappen Eigenmittel der Gesellschaft würden dermaßen stark vom Vierjahresplan beansprucht, dass »die allgemeinen Wohnungs- und Siedlungsbauten im übrigen Lande zwangsläufig Not« 173 litten. 165 AAV an BMI v. 11.11.1938, GLA 478/ 10. 166 Vermerk BMI (Staiger) v. 10.9.1938, GLA 478/ 10. 167 Zu deren Funktion: Kap. V/ 1. 168 BMI an RWA v. 5.10.1938 und RWA (Czimatis) an BMI v. 12.10.1938, GLA 478/ 10. 169 RWA (Wisch) an BMI v. 12.12.1938, GLA 478/ 11. Die »Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung« vom 22.6.1938 (RGBl 1938 I S. 652) diente der prioritären Arbeitskräftebeschaffung für spezielle Rüstungsprojekte. 170 »Bei regnerischem Wetter ist eine Zufuhr von Baumaterialien mit Lastwagen auf dem lehmig glatten Boden unmöglich, wobei noch sehr erschwerend das hängige Gelände hierzu beiträgt. […] Die derzeitige Arbeitsweise, 4 verschiedene Stellen (Kultur- und Wasserbauamt, Strassenbauamt, Ingenieurbüro Lehr und örtliche Bauleitung) an 3 verschiedenen Orten (Donaueschingen, Freiburg, Blumberg), sowie der schleppende Verkehr mit der Firma Lehr-Freiburg […] sowie die dauernden Beanstandungen, Mahnungen und Aufforderungen zur rascheren Erledigung erforderlicher Massnahmen, lassen Zweifel aufkommen über einen raschen und zielsicheren Fortgang der zukünftigen tiefbautechnischen Arbeiten«. Oberbauleitung Vierjahresplansiedlung Blumberg (Walter) an BMI v. 7.11.1938, GLA 478/ 11. 171 PB-JB 1940, StAF V 500/ 1. 172 BMI an RAM v. 9.11.1939, GLA 478/ 13. 173 BMI an RAM v. 3.9.1937, BAB R 2/ 19307. 116 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite a) Pleigers Machtwort in der Aufbereitungsfrage Unter den Saarhütten bestanden große Differenzen darüber, mit welchem Verfahren sich das Doggererz am wirtschaftlichsten verhütten lasse. Röchling wollte das Erz in Blumberg rösten 174 und es anschließend ohne den bislang üblichen Kalksteinzuschlag verhütten. Die saure Schlackenführung verminderte den Koksverbrauch und die Verarbeitungskosten, beanspruchte aber wesentlich mehr Hochofenraum als der übliche Minettemöller 175 . Da Hochofenraum in Neunkirchen knapp war und eine Anlagenerweiterung vermieden werden sollte, aber auch, weil man Qualitätsprobleme bei der Stahlproduktion befürchtete 176 , entschied sich das NE für die basische Verhüttung von aufbereitetem Erzkonzentrat. Auf der Suche nach einem geeigneten Aufbereitungsverfahren hatte das Werk innerhalb der ARGE durchsetzen können, dass der Frankfurter Anlagenbauer Lurgi den Auftrag zu einer Versuchsreihe erhielt, die in einem Ofen des Homberger Bergbau- und Chemieunternehmens Sachtleben stattfand 177 . Im Juli 1936 konnte die Lurgi dann von »überraschend günstigen Ergebnissen« 178 berichten. Tatsächlich war es durch die Verwendung eines Drehrohrofens, den die Ingenieure Carl Paul Debuch 179 und Ernst Markworth erfunden hatten 180 , möglich gewesen, ein Erzkonzentrat von verdoppeltem Eisengehalt herzustellen. Leider gingen etwa 20 % Erz verloren, und es entstanden hohe Anlage-, Personal- und Energiekosten. Das NE versuchte am 2. September 1936 einen Beschluss aller Saarhütten zum Bau einer Versuchsanlage in Blumberg herbeizuführen, scheiterte aber an Röchling, der das Lurgi-Verfahren als unwirtschaftlich ablehnte 181 . Wolff hielt ihm zwar entgegen, dass es billiger sei, eine einzige große Aufbereitungsanlage in Blumberg zu bauen, als umfangreiche Erweiterungsinvestitionen auf jedem einzelnen Hüttenstandort 174 Die Röstung mit mehreren hundert Grad Celsius trieb Kohlensäure und gebundenes Wasser aus dem Erz. Es entstand ein leicht lager- und transportierbares Röstgut, das ein Viertel seines früheren Volumens verloren hatte und so die Frachtkosten reduzierte. Außerdem stieg der Eisengehalt auf bis zu 28 % an. Das Rösterz enthielt allerdings immer noch viel taubes Gestein, das hohe Frachtkosten zum Saarland verursachte. 175 Grund ist der hohe Schlackeanteil. Generell dazu: Wilhelmi, Verhüttung und Lennings, Erschmelzen. 176 Vermerk Gödel »Verarbeitung von Doggererz« v. 26.8.1936, StANK AD. 177 Vermerk Siedersleben »Besprechung über Doggererzfragen« am 28.3.1936, RWWA 72-1447-4. 178 Bericht über den Besuch bei der Sachtleben AG am 7.7.1936, RWWA 72-148-1. Das Lurgi-Verfahren basierte darauf, dass man das Erz zunächst zerkleinerte und dann in einem Drehofen bei etwa 500 Grad Celsius röstete. Da sich die Ooide dabei magnetisierten, konnten sie danach durch Magnetscheider aus der Erzgrundmasse herausgezogen werden. Verfahrensbeschreibung in: Debuch, Aufbereitung. 179 Carl Paul Debuch (25.11.1882 Hamm - 22.1.1953 Frankfurt/ Main): ab 1901 Studium an der TeH Aachen (Bergbau, Chemie, Hüttenkunde), danach in Köln-Kalk (Maschinenfabrik Humboldt? ), Frankfurt am Main und Bochum (Fr. Gröppel? ) gemeldet, ab 1930 Direktor der Lurgi GmbH in Frankfurt/ Main, 1939 Promotion mit einer geheimen Dissertation über »das Lurgi-Verfahren für die Aufbereitung armer Eisenerze«. Bei der Entnazifizierung als nicht betroffen eingestuft, nach 1945 Engagement beim VDEh. Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Hausstandsbuch; Ausk. NWA, Archiv RWTH Aachen und Stadtarchiv Hamm. 180 Stahl und Eisen 56 (1936) S. 1369 und 57 (1937) S. 429. 181 Röchling bezeichnete sein Röstverfahren im Kollegenkreis stets »als den einzig aussichtsreichen Weg, der zum Ziel führt«. Niederschrift über die ARGE-Sitzung am 4.5.1936 in Saarbrücken, RWWA 72- 1447-4. 117 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite vorzunehmen 182 , doch schreckten die hohen Betriebskosten auch die anderen Werke ab. Röchling dagegen konnte am 2. September einen gemeinsamen Beschluss zum Bau von vier Röstöfen in Blumberg herbeiführen 183 . Um ihre Geschäftsinteressen durchzusetzen, suchte die Lurgi den Schulterschluss mit dem Berliner Rohstoffamt, dessen rüstungswirtschaftliche Pläne 184 nur aufgehen konnten, wenn bald eine Großversuchsanlage zur Aufbereitung der süddeutschen und der Salzgitterer Erze gebaut werden würde. Das Unternehmen band deshalb Kepplers Metallurgen Paul Rheinländer von Anfang an eng in seine Versuchsarbeiten ein 185 . Röchlings Mitarbeiter Gärtner bekam die Folgen dieser Koalition bei seiner Vorladung in Kepplers Büro Ende September 1936 zu spüren und berichtete den Saarwerken, »dass die Herren der Lurgi beim Beauftragten des Führers gewesen sind und ihrem Verfahren so stark das Wort gesprochen haben, dass Herr Pleiger vollkommen unter dem Eindruck dieser Ausführungen stand und für nichts anderes mehr zu haben war« 186 . Angesichts des von Pleiger ausgeübten Drucks bat Siedersleben die Lurgi-Direktoren dringend um mehr Zurückhaltung gegenüber amtlichen Stellen 187 . Dennoch setzte nun ein intriganter Wettbewerb der Verfechter ihrer jeweiligen Technologiekonzepte um die Gunst der Behörden ein. So schrieb Röchling im Oktober 1936 einen Brief an das RWM und rechnete Arlt vor, dass die Lurgi-Technik zum Verlust von mehreren Millionen Tonnen Erz führen müsse, wenn man sie zur Aufbereitung der Dogger- und Salzgittererze einsetze 188 . Hinter dem Rücken seines irritierten Neunkircher Partners suchte der Kommerzienrat kurz darauf Keppler auf 189 . Um Röchlings Propaganda zu neutralisieren und vorzufühlen, ob das RWM bereit war, Subventionen für den Großeinsatz der Lurgi-Technik zu gewähren, sorgte Otto Wolff dafür, dass Tgahrt und Lurgi-Direktor Debuch am 5. November 1936 ein Gespräch mit Schacht führen konnten, das leider ohne konkretes Ergebnis endete 190 . Auf der Saarhütten-Sitzung am 20. November 1936 scheiterte dann auch Tgahrts Antrag, einen 1,6 Mio. RM 191 teuren Drehrohrofen in Blumberg zu bauen, am geschlossenen Widerstand der übrigen Werke 192 . Da sich die Lurgi weigerte, eine Garantie für den Kohlenverbrauch zu geben, untermauerte sie ungewollt Röchlings Argumentation, die Anlage sei »zwecklos und zu teuer« 193 . Um seinen Auftrag zu retten, wandte sich das 182 Außerdem hielt Wolff es für inopportun, sich mit dem sauren Schmelzen, das eine Entschwefelung des Roheisens mit Soda erforderte, freiwillig in die Abhängigkeit des Soda-Kartells zu begeben. Bericht über die Doggererz-Sitzung v. 2.9.1936, RWWA 72-148-2. 183 Siehe Kap. III/ 5. 184 So führte Rheinländer aus, »dass die Soldaten die Lurgigeschichte sehr stark in den Vordergrund schöben wegen der Versandmöglichkeiten im Kriegsfalle«. Vermerk H. Röchling v. 17.12.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185. 185 Lurgi-Mitarbeiter Ernst Markworth bemerkte dazu, »dass wir ohne Zweifel eine große Stütze in Herrn Dr. Rheinländer und damit durch das Büro Keppler haben«. Notiz Markworth v. 10.8.1936, RWWA 72-148-1. 186 Gärtners PdB beim Beauftragten des Führers […] am 29.9.1936 in Berlin, RWWA 72-148-2. 187 Niederschrift der Saarhütten-Sitzung v. 6.10.1936, StANK AD. 188 H. Röchling an Arlt v. 6.10.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 189 Siedersleben an Würtz v. 14.10.1936, RWWA 72-148-2. 190 Vermerk Tgahrt v. 7.11.1936, StANK AD. 191 Lurgi an NE v. 14.11.1936, StANK AD. 192 Niederschrift über die Doggererz-Sitzung am 20.11.1936 in Völklingen, StANK AD. 193 Röchling an Burbacher Hütte v. 8.5.1937, RWWA 72-149-8. 118 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Unternehmen an Pleiger 194 , während Röchling, um das Gegenteil zu bewirken, ein langes Memorandum nach Berlin sandte, in dem er das saure Schmelzen anpries und dem Lurgi-Verfahren die »Vergeudung von Erz« 195 vorwarf. Da er dies abermals hinter dem Rücken seiner Partner tat, bewerteten Siedersleben und Tgahrt das »Verhalten von Röchling [als] in höchstem Grade unkameradschaftlich« 196 . Ende November 1936 erfuhr Tgahrt von Debuch, Pleiger könne genügend Reichsmittel besorgen, um zwei Versuchsanlagen zu finanzieren 197 . Drei Wochen später, am 17. Dezember, fand unter Vorsitz von Dr. Maximilian Heinrich Kraemer, dem für Metalle verantwortlichen Gruppenleiter der Abteilung Forschung und Entwicklung von Löbs Rohstoffamt, eine Besprechung in Berlin statt, an der neben Pleigers Mitarbeiter Gabel und Lillig sämtliche Saarhütten, die Lurgi und zwei weitere Anbieter von Aufbereitungstechnologie teilnahmen. Röchling warb hier für seine Röstmethode, musste sich jedoch von dem skeptischen Kraemer sagen lassen, dass die Regierungsstellen in der ausschließlichen Konzentration auf sein Verfahren »keine genügende Gewähr« fänden, denn: »Sie möchten bildlich gesprochen, nicht auf einem Bein stehen, sondern legen voll Wert darauf, dass die von [! ] NE vorgeschlagene Aufbereitungsanlage nach Lurgi erstellt wird« 198 . Daraufhin bat Tgahrt Pleiger um eine Kostenzusage 199 für die Lurgi-Anlage und wurde zum 7. Januar 1937 gemeinsam mit Debuch nach Berlin beordert. In dem Gespräch stellte sich schnell heraus, dass Pleiger offensichtlich das Geld fehlte. Da Tgahrt sich weigerte, das Projekt allein zu finanzieren, hielt ihm Pleiger verärgert vor, er könne es »nicht begreifen, dass die Saarwerke sich so kleinlich bei der Arbeit am Vierjahresplan zeigten«, und kündigte an, »er werde schon einen genügend weitsichtigen und dem Vierjahresplan ergebenen Unternehmer dafür finden«. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, stellte er eine Reichsbeteiligung »an diesem ersten Bau« 200 in Höhe von 500.000 RM unverbindlich in Aussicht. Am 14. Januar 1937 fand dann im Beisein Kraemers die nächste Debatte der Saarwerke über den Bau der Lurgi-Anlage statt. Röchling polemisierte in der Sitzung derart heftig gegen das Projekt, dass Tgahrt die Diskussion über technische Fragen schließlich verstimmt abbrach. Auch in der besonders umstrittenen Finanzierungsfrage kam man nicht voran. Röchling lehnte es ab, überhaupt einen Kostenanteil zu übernehmen, reagierte dann aber auf eine Drohung Kraemers, das Rohstoffamt könne auch »auf andere Mittel« 201 zurückgreifen, mit dem Angebot, seinen Beitrag in Form eines Kredits zu leis- 194 Lurgi an Tgahrt v. 26.11.1936, RWWA 72-149-8. 195 Denkschrift Hahl »Die bisherigen Versuche mit Doggererzen« v. 1.12.1936, StANK AD. 196 Tgahrt an Siedersleben v. 5.1.1937, RWWA 72-149-8. 197 Lurgi an Tgahrt v. 26.11.1936, RWWA 72-149-8. Pleigers Mitarbeiter Lillig versuchte auch der GHH das Lurgi-Verfahren aufzudrängen. Auf der Doggererz-Tagung am 4.12.1936 in Donaueschingen sah NE-Direktor Gödel die Herren Gröppel, Debuch und Lillig »gewisse Fäden spinnen«. GHH-Vorstandsmitglied Hermann Reusch durchschaute das Spiel und sagte Debuch ins Gesicht, er habe den Eindruck, dass »seitens einer Stelle die Regierungskreise in Berlin beeinflusst würden, einen Druck auf die eisenschaffende Industrie auszuüben«. Allerdings werde man bei der GHH »mit einem Versuch eines Zwanges auf Granit stoßen.« Bericht Gödel über die Sitzung am 4.12.1936, StANK AD. 198 Vermerk Gödel über die Besprechung am 17.12.1936 im Rohstoffamt, StANK AD. 199 NE-Vorstand an Rohstoffamt v. 21.12.1936, RWWA 72-149-8. 200 Tgahrts PdB im Rohstoffamt am 7.1.1937, StANK AD. 201 Aktennotiz Gröppel über die DBG-Sitzung in Burbach am 14.1.1937, RWWA 72-149-8. 119 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite ten, was leider auch keine befriedigende Lösung war. Nur die Burbacher Hütte sagte wenige Tage später ihre Kostenbeteiligung an der Lurgi-Anlage zu. Daraufhin unterrichtete der frustrierte Tgahrt nun Kraemer und befragte diesen, ob das Rohstoffamt nicht die noch fehlenden Gelder beschaffen könne. Kraemer dürfte seinerseits Pleiger in Kenntnis gesetzt haben, der auf die ihm geläufigen Mittel zurückgriff: Wilhelm Wittke, der Generaldirektor der Dillinger Hütte, erinnerte sich noch 1942 daran, dass er seinerzeit »stark angegriffen« und von Pleiger als »Saboteur am Willen des Führers bezeichnet« 202 worden sei. Auch Röchling wurde zur Ordnung gerufen und gab unter dem starken Druck des Rohstoffamts seinen Widerstand auf 203 . Pleiger lud nun die Ruhr- und die Saarwerke zu getrennten Gesprächen nach Berlin ein. Am 28. Januar 1937 rang er Hermann Wenzel, dem Direktor der Vereinigten Stahlwerke, das Zugeständnis ab, über einen Investitionszuschuss von 200.000 RM »mit den Saarhütten zu verhandeln« 204 . Tags darauf kündigte Pleiger den Saarwerken in einer gesonderten Besprechung an, die Ruhr wolle 250.000 RM [! ] zu den Kosten der Lurgi- Anlage beitragen und forderte die Hüttenwerke in Brebach und Dillingen auf, ihrerseits eine entsprechende Zusage abzugeben. Ihren hinhaltenden Widerstand brach Pleiger mit dem Hinweis, dass Werke, die sich seiner Forderung nach Verwertung der deutschen Erze verschlössen, »mit einer gewissen Restriktion rechnen« 205 müssten. Das wirkte offenbar. Am Ende der Diskussion konnte Tgahrt jedenfalls vermerken, dass die Finanzierung des Lurgi-Projekts gesichert sei. Tgahrts Erleichterung hielt jedoch nicht lange an. Wenzel teilte ihm nämlich kurz darauf mit, dass Pleigers Ausführungen »nicht den Tatsachen« entsprächen: Man habe lediglich versprochen, mit den Saarhütten in Verbindung zu treten. Da die Finanzierung der Anlage ja mittlerweile geordnet sei, erscheine es »unzweckmäßig, wenn sich die Ruhrwerke trotzdem noch beteiligen wollten« 206 . Tgahrt behielt diese Information offenbar erst einmal für sich und beraumte für den 22. Februar 1937 eine Sitzung der Saarwerke in Neunkirchen an, in der die Auftragserteilung für die Lurgi-Anlage formell beschlossen wurde 207 . Die Halbergerhütte und die Dillinger Hütte überwiesen anschließend zwar ihren Finanzierungsbeitrag, zogen bei dessen Berechnung aber den von Pleiger angekündigten Investitionszuschuss der Ruhr ab, womit sich Tgahrt naturgemäß nicht zufrieden geben konnte. Am 12. März 1937 tagte eine Gesellschafterversammlung der DBG in Neunkirchen, auf der Tgahrt die Absage der Ruhr schließlich einräumen und die Hütten in Dillingen und Brebach darum bitten musste, ihren vollständigen Beitrag zu leisten 208 , was diese wiederum empört von sich wiesen und erklärten, die von Pleiger zugesicherte Leistung der Ruhrhütten sei Geschäftsgrundlage ihrer eigenen Zustimmung gewesen 209 . Röchling versuchte in der Sitzung eigene Akzente 202 DAG-ARP v. 22.4.1942, RWWA 72-151-4. 203 Röchling selbst berichtete, das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe »hat stark auf uns gedrückt«. H. Röchling an den Aufsichtsratsvorsitzenden der RESW GmbH v. 18.2.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 204 Rheinländers PdB des Rohstoffamts mit den Ruhrhütten am 28.1.1937, BAB R 3112/ 183. 205 Niederschrift über die Besprechung der Saarhütten im Rohstoffamt am 29.1.1937, RWWA 72-149-8. 206 Rohstoffbetriebe der VSt. an NE v. 9.2.1937, RWWA 72-149-8. 207 PdB am 22.2.1937 in Neunkirchen, StANK AD. 208 DBG-GVP v. 12.3.1937, BAB R 3112/ 184. 209 Halbergerhütte an DBG v. 19.3.1937 und Vermerk Tgahrt v. 15.3.1937, RWWA 72-149-8. 120 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) zu setzen und bestand darauf, es müssten sofort vier weitere Röstöfen gebaut werden 210 . Da Röchlings Antrag scheiterte, lieferte er sich einen erregten Wortwechsel mit Tgahrt 211 . Die folgenden Wochen waren geprägt von einer Verschärfung des Tons zwischen NE und RESW, in deren Verlauf Röchling seine Finanzierungszusage zurückzog und man sich gegenseitig bescheinigte, bei diesem Projekt aufeinander verzichten zu können 212 . Zugleich ließ Röchling keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen, das Lurgi-Verfahren bei den Behörden in ein schlechtes Licht zu rücken 213 . Da den Saarhütten bis zum Mai 1937 keine Einigung gelang, beschloss man Pleiger die Angelegenheit vorzutragen 214 . Der um seinen Auftrag besorgte Lurgi-Direktor Carl Paul Debuch wollte nichts dem Zufall überlassen und bereitete Pleiger schon einmal brieflich vor. Seiner bewegenden Klage zufolge waren auf der vorangegangenen DBG-Gesellschafterversammlung am 10. Mai in Donaueschingen recht »sonderbare Dinge vor sich gegangen, die in der unzweifelhaften Feststellung gipfeln, dass Herr Kommerzienrat Röchling mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, in letzter Stunde den Bau der Aufbereitungsanlage nach dem Lurgi-Verfahren unmöglich zu machen« 215 . Das entscheidende Gespräch fand am 20. Mai 1937 unter Pleigers Vorsitz in Berlin statt. Darin hatte Tgahrt dem um seine Glaubwürdigkeit völlig zu Recht besorgten Pleiger zu bestätigen, er habe dessen Ankündigung über eine Zusage der Ruhrindustrie stets als unverbindlich betrachtet. Darüber hinaus waren sich die fünf Saarwerke nun überraschend einig, dass sie die Investitionslasten der Lurgi-Anlage gemeinsam tragen und auf jede »Heranziehung der Ruhr« 216 verzichten wollten. Vorsichtshalber ließ sich Pleiger ersteres von jedem Hüttenwerksdirektor schriftlich bestätigen. b) Personalbeschaffung durch Zwangsrekrutierung Am 12. März 1937 legte die DBG dem Rohstoffamt einen Zeitplan vor, nach dem sie die Erzförderung sofort aufnehmen und stufenweise auf 3,6 Mio. t pro Jahr (= 12.000 t pro Tag) erhöhen wollte. Bis zum Sommer 1937 sollte eine tägliche Abbauleistung von 210 Röchling verfolgte damit insgeheim das Ziel, mit dem zusätzlich erzeugten Rösterz die Eisen- und Stahlproduktion in Völklingen auszudehnen und sich zu Lasten seiner Konkurrenz eine verbesserte Ausgangsposition bei den Neuverhandlungen der Produktionsquoten im Jahre 1940 zu verschaffen. Bericht H. Röchling, ARP RESW GmbH v. 9.3.1937, KAS RESW F-K 32/ 2372. 211 Röchling verwahrte sich dagegen, »dass man ihm jetzt eine Störung der Gemeinschaft vorwerfe; er sei der einzige Betreibende des Doggererz-Bergbaus gewesen«. Tgahrt verwahrte sich nun seinerseits »gegen die Unterstellung, er habe Herrn Röchling Störung der Gemeinschaft vorgeworfen« und hob hervor: »Wir kamen freiwillig zur Doggererz-Bergbau G.m.b.H.«, was Röchling mit der eisigen Replik bedachte: »Ich wäre lieber allein gegangen«. Reisebericht Strickrodt über die DBG-Gesellschafterversammlung am 12.3.1937, BAB R 3112/ 184. 212 Schriftwechsel NE-RESW vom April/ Mai 1937 in RWWA 72-149-8. 213 Als Schlattmann am 8. Mai 1937 die Gruben in Gutmadingen und Blumberg inspizierte, teilte Röchling ihm mit, die Lurgi-Technologie »sei gänzlich aussichtslos« und bekam Beistand vom anwesenden GHH-Direktor Hermann Kellermann. Vermerk H. Röchling v. 12.5.1937, KAS RESW F-K 22/ 2184. 214 DBG-GVP v. 10.5.1937, BAB R 3112/ 184. 215 Debuch an Pleiger v. 11.5.1937, BAB R 3112/ 184. 216 Vermerk Strickrodt über die Besprechung mit den DBG-Gesellschaftern am 20.5.1937, BAB R 3112/ 184. 121 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite 2.000 t realisiert und in halbjährlichen Abständen um jeweils 2.000 t gesteigert werden 217 . Um das endgültige Förderziel erreichen zu können, musste die DBG ihren Personalbestand sukzessive von 220 Mann im Herbst 1936 auf 1.600 Bergleute im Jahre 1940 erhöhen. Gärtner gedachte vor allem einheimische Billigkräfte zu akquirieren, deren Schulung eine überschaubare Zahl von Steigern und Vorarbeitern übernehmen sollte, die im Frühjahr 1937 aus Sachsen zur DBG gekommen war 218 . Die am 15. April 1937 in einem Versuchsabbaufeld unter dem Westhang des Stobergs aufgenommene Förderung geriet jedoch rasch in Zeitverzug, weil unvermutet das regionale Arbeitskräfteangebot wegen des bei Donaueschingen aufgenommenen Kasernenbaus knapp wurde und weil für die ungeschulten Kräfte, die man bekam, keine Zeit für eine gründliche Ausbildung zur Verfügung stand, so dass die Leistungen gering blieben. Auf Drängen Gärtners richtete die Badische Landesplanungsstelle Anfang 1937 im Saargebiet, wo immer noch eine hohe Unterbeschäftigung herrschte 219 , ein Hilfsbüro zur Personalanwerbung ein. Mit dem Argument, er müsse »eine untragbare Selbstkostenerhöhung« 220 vermeiden und wolle keine »Unzufriedenheit« 221 bei seiner unterbezahlten Kernbelegschaft aus Einheimischen schüren, blieb Gärtners Lohnangebot an die Bergleute von der Saar allerdings um 30 % hinter deren bisherigem Lohn zurück 222 . Die DBG nutzte hier die sozialen Folgen einer politischen Säuberungsaktion des saarpfälzischen Gauleiters Bürckel aus, die dieser gemeinsam mit Hermann Röchling initiiert hatte 223 : Um sich des Unruhepotentials antifaschistischer Kumpel zu entledigen, die beim Saarreferendum gegen den Anschluss an Deutschland gestimmt hatten, aber auch um arbeitslose Parteigänger unterzubringen, sprachen die staatlichen Saargruben von Mai bis Juni 1937 etwa 1.300 Bergarbeitern die Kündigung aus 224 . Die Entlassenen hatten kaum eine andere Wahl, als nach Blumberg oder in andere Bergbaureviere zu gehen 225 . Auch missliebige Arbeitslose gerieten in dieses außerordentlich erfolgreiche System einer zwangsweisen Personalbeschaffung. Die Gauleitung Baden versuchte im Sommer 1937 vergeblich, den Zuzug von Systemgegnern mit dem Argument zu stoppen, »daß gerade der angrenzende Kanton Schaffhausen stark kommunistisch durchsetzt ist, so daß grösste Vorsicht bei der Auswahl der Siedler in Blumberg angebracht erscheint. Es möchte jedenfalls vermieden werden, daß in Blumberg eine Zelle entsteht, die im Sinne ausländischer 217 DBG an Rohstoffamt v. 12.3.1937, BAB R 3112/ 184. 218 NE-Generaldirektion (Tgahrt) an Siedersleben v. 6.4.1937, RWWA 72-283-5. 219 Zehn statt tausend, S. 103. 220 DBG (Gärtner/ Würtz) an Siedersleben v. 12.10.1936, RWWA 72-148-2. 221 So Gärtner lt. PdB in Saarbrücken am 30.4.1937, StANK 1-7-37-52. 222 Die DBG legte den Schichtlohn für Hauer auf 5,50 RM fest. Deren Durchschnittslohn betrug 1937 im Steinkohlenbergbau an der Saar 7,76 RM pro Schicht. Statistische Mitteilungen über […] Bergbau des Deutschen Reiches für das Jahr 1937, BAB R 3101/ 30208. 223 H. Röchling schlug Hermann Göring im März 1937 vor, »körperlich und geistig […] heruntergewirtschaftet[e]« Arbeitslose zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs in Baden heranzuziehen: »Also zuerst an Ort und Stelle aufpäppeln und an Arbeit gewöhnen, die Männer dann verpflanzen und die Familien nachkommen lassen« (Röchling an Göring v. 27.3.1937, in: Emessen, Schreibtisch, S. 84). Göring befahl daraufhin Röchling und Bürckel zur Rücksprache. 224 Mallmann/ Steffens, Lohn, S. 222. 225 Die DAG räumte später freimütig ein, ihre Belegschaft seien »Leute, die für den Status-Quo stimmten« und deshalb von Bürckel »abgeschoben« wurden. Bornitz an Landschütz v. 10.11.1941, LGRB 9 A/ 98. 122 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Kommunisten arbeiten könnte« 226 . Das Reichswirtschaftsministerium reagierte darauf jedoch nur insoweit, als es die Zusicherung der Arbeitsverwaltung einholte, »dafür Sorge zu tragen, dass bei der Auswahl der für das Zollhaus Blumberg zu vermittelnden Bergarbeiter politisch unzuverlässige Elemente ausgeschaltet werden« 227 . Bereits zum Jahresende 1937 bestand die 724 Personen starke DBG-Belegschaft zu über 61 % aus Saarländern; einheimische Kräfte rangierten mit knapp 24 % nur noch an zweiter Stelle 228 . Zur Unterbringung der zahlreichen Neuankömmlinge stellte die DBG mehrere Baracken auf ihrem Werksgelände auf, in denen während des Sommers 1937 rund 150 von insgesamt 300 Mann wohnten. Da sich der Zustrom von Arbeitskräften im Herbst intensivierte, der Wohnungsbau aber stagnierte, musste das Rohstoffamt im November 1937 Nothilfe leisten und am Blumberger Bahnhof ein Barackenlager mit 384 Plätzen errichten 229 . Die vorgefundenen Arbeits- und Lebensbedingungen sagten den angeworbenen Bergleuten naturgemäß nicht zu: Von 170 Mann, die im ersten Halbjahr 1937 ihren Dienst antraten, kündigten 130 wieder, davon 70 fristlos 230 . Als Folge der Personalprobleme blieb die Erzförderung 231 stark hinter den Planziffern zurück. Schwierigkeiten entstanden aber auch daraus, dass das saarländische Arbeitsamt wahllos Personal überwies. So klagte Gärtner im Herbst 1937: »Der letzte Transport von 48 Mann brachte nur 17 Bergleute, die anderen haben bergfremde Berufe, darunter Hausierer und Artisten. Mit einer derartigen Belegschaft einen Bergbau […] zu betreiben, ist außerordentlich schwierig« 232 . In der DBG wuchs nun notgedrungen die Bereitschaft, höhere Löhne für qualifiziertes Bergbau-Personal anzubieten 233 . c) Positionskämpfe unter den Gesellschaftern Die nach Lilligs Abgang installierte Geschäftsführung aus zwei Direktoren, die sich nur gelegentlich in Blumberg aufhielten, geriet im Sommer 1936 an ihre Grenzen. Siedersleben beklagte sich regelmäßig bei Würtz, dem von der Wolff-Gruppe gestellten kaufmännischen Geschäftsführer, die Blumberger Führung lasse die Initiative vermissen, trete zu wenig für die Belange der Kölner Gruppe ein und wälze zu viele Aufgaben auf das NE ab 234 . Tgahrt hieb in die gleiche Kerbe und forderte im Oktober 1936, »daß in einer der nächsten Sitzungen dafür gesorgt wird, daß endlich die Geschäftsführung der D.B.G. das wird, was ihr Name verlangt, nämlich die Geschäftsführung« 235 . Da das Unternehmen 226 RfR (Hanns Kerrl) an Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung v. 19.6.1937, BAB R 3901/ 20217. 227 Landesarbeitsamt Südwest an Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung v. 21.7.1937, BAB R 3901/ 20217. 228 Es folgten die Herkunftsgebiete Hochwald (6 %) und Ruhr (2,5 %). Nur 10 Personen waren Ausländer. Statistik »Belegschaft nach Zuweisungsbezirken Ende 1937«, StANK AD. 229 Vertrag Reich-DBG v. 25.11./ 8.12.1937, BAB R 3101/ 34210. 230 DBG-GVP v. 2.7.1937, BAB R 3112/ 184. 231 Diese lag im Sommer 1937 zwischen 36 % und 44 % des Plansolls. DBG-GVP v. 13.9.1937, StANK AD. 232 DBG-GVP v. 10.11.1937 RWWA 72-146-5. 233 Aktenvermerk v. 3.1.1938 zur DBG-ARS am 29.12.1937, RWWA 72-146-5. 234 Siedersleben an Würtz v. 2.7.1936, RWWA 72-148-1. 235 Tgahrt an Siedersleben v. 16.10.1936, RWWA 72-148-2. Gärtner und Würtz konterten spitz, die von den Saarwerken geforderte Arbeitsentlastung ließe sich »dadurch erreichen, daß den Geschäftsführern 123 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Abb. 18: Bergarbeiter in der Barackensiedlung. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb.19: Wohnen in der Einöde: die Barackensiedlung des Blumberger Werks. Bild: Stadtarchiv Blumberg. 124 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) bald in die Dimensionen eines Großbetriebs hineinwachsen musste, hielt Siedersleben die bisherige Teilzeitlösung an der DBG-Spitze für überholt. Röchling, dessen Bergbaudirektor Gärtner den Fortgang der Dinge in Blumberg zu Gunsten der RESW beeinflussen konnte, hatte dagegen kein Interesse an einer Veränderung. Aus Kostengründen sperrten sich auch die anderen Werke gegen das Kölner Begehren. Nachdem Siedersleben im April 1937 angekündigt hatte, Würtz nach Thale versetzen zu wollen, musste schließlich doch eine neue Lösung gefunden werden. Den Posten als hauptamtlicher kaufmännischer DBG-Geschäftsführer übernahm am 10. Mai 1937 Kurt Heyer, der bereits im Juli 1936 als Prokurist nach Blumberg gekommen war. Zu dessen Entlastung stellte Würtz im April 1937 den ihm persönlich bekannten Moritz Feuerhake 236 als Direktionsassistenten ein. Im Herbst 1937 nahmen die Spannungen unter den DBG-Gesellschaftern weiter zu. So beförderten die Lurgi-Direktoren Debuch und Kohlschein in Neunkirchen den Verdacht, Gärtner und dessen Mitarbeiter Grablowitz würden den Bau der Lurgi-Anlage vorsätzlich behindern, um Röchlings Röstöfen einen ungerechtfertigten Terminvorteil zu verschaffen 237 . Ein Gespräch, das Tgahrt anschließend mit Gärtner führte, erbrachte wenig Greifbares, zeigte aber deutlich auf, dass allseits die Nerven blank lagen 238 . Siedersleben fühlte sich durch den Vorfall in seiner »seit vielen Monaten vergeblich vorgetragenen« Forderung bestätigt, dass ein hauptamtlicher Bergbaudirektor einzustellen sei - und zwar »einerseits aus Zeitgründen, andererseits weil volle Objektivität gegenüber den verschiedenen Beteiligten von vorn herein klar sein muss« 239 . Seiner Meinung nach sollte Dr. Hans Bornitz 240 , ein 42jährigen Bergingenieur, der nahe der sächsischen Stadt Freiberg eine staatliche Bleierzgrube leitete und Siedersleben bereits im Februar 1936 von Arlt empfohlen worden war 241 , den Posten übernehmen. Über Otto Kalthoff, den Generaldirektor der Stolberger Zink AG, hatte die Wolff-Gruppe seitdem Kontakt zu Bornitz 242 gehalten, war aber im Herbst 1937 mit ihrem Versuch, Gärtner durch Bornitz abzulösen, an Röchling und an den übrigen DBG-Gesellschaftern gescheitert. Am 15. November 1937 verließ Tgahrt, der kraft seiner Persönlichkeit und seines hohen Ansehens auch Röchling in die Schranken weisen konnte, das NE, um Vorstandsvorsitzender bei Hoesch zu werden. Damit fehlte ein Gegengewicht zum Kommerzienrat im Kreise der Saarhütten 243 . Röchling, der bereits in der Vergangenheit durch abfällige Äußerungen über seine Kollegen unangenehm aufgefallen war 244 , fühlte sich nun berufen, die die Arbeiten zur Erledigung übertragen werden, welche in den Arbeitsbereich der Geschäftsführer fallen«. Aktennotiz v. 25.1.1937, RWWA 72-149-8. 236 Kurzbiografie Moritz Feuerhake: siehe Kap. IX/ 1/ c. 237 Vermerk Tgahrt über sein Gespräch mit Debuch/ Kohlschein am 1.9.1937, StANK AD. 238 »Er wäre es überhaupt leid, dass ein grosser Teil seiner zeitlichen Inanspruchnahme darauf gerichtet sei, den verschiedenen Gesellschaftern Erklärungen über diese oder jene Massnahme oder Unterlassung der Geschäftsführung zu geben und zur ständigen Zielscheibe des Zwistes zwischen hie Lurgi-Anlage/ hie Völklingen-Anlage gemacht zu werden«. So Gärtner lt. Gesprächsvermerk Tgahrt v. 1.9.1937, StANK AD. 239 Siedersleben an Tgahrt v. 4.9.1937, RWWA 72-146-5. 240 Kurzbiografie Dr. Hans Bornitz: siehe Kap. IX/ 1/ b. 241 Vermerk Siedersleben über sein Gespräch mit Arlt am 25.2.1936, RWWA 72-1447-4. 242 Siedersleben an Tgahrt v. 17.4.1937, RWWA 72-149-8. 243 Tgahrts Aufsichtsratssitz in der DBG nahm NE-Betriebsdirektor Franz Haug ein. 244 Über Tgahrt und Wagener, wie Siedersleben im Schreiben an Würtz v. 5.4.1937 erwähnt. RWWA 72- 283-5. 125 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Machtverhältnisse unter den Werken neu zu ordnen und zu verhindern, dass Alphonse Wagener, der sich von Röchling wegen seiner luxemburgischen Staatsbürgerschaft systematisch diskriminiert fühlte 245 , turnusgemäß den Vorsitz im DBG-Aufsichtsrat übernahm. Als Vorsitzender der Eisenhütte Südwest eröffnete Röchling am 23. Januar 1938 ein Festbankett und rechnete vor mehreren hundert Gästen mit den früheren Kriegsgegnern ab. Dabei beklagte er die Diskriminierung und Ausbürgerung von deutschen Arbeitnehmern in Frankreich und Luxemburg und hielt den Hinweis für angebracht, dass im Saarland wegen »der auf wehrwirtschaftlichem Gebiet liegenden Aufgaben die Belassung von Ausländern in massgebenden Stellungen zu unlösbaren Konflikten führen muss« 246 . Dies konnte man nur als Aufforderung zur Entfernung seiner luxemburgischen Kollegen Wagener und Kugener auffassen. Mehr als ein Dutzend der zum Teil ausländischen Gäste verließ während der Rede demonstrativ den Raum. Röchling glaubte wohl auf Pleigers Beistand zählen zu können, forderte dieser doch die Werke wegen jüngst eingetretener Förderrückschläge beim Doggererz auf, Röchlings im Februar 1938 endenden Aufsichtsratsvorsitz in der DBG um mindestens ein Jahr zu verlängern 247 . Tatsächlich aber trat das Gegenteil ein: Der von Röchling ausgelöste Eklat führte zum Schulterschluss unter den übrigen vier Saarhütten und leitete das Ende der Herrschaft Gärtners in Blumberg ein. Am 4. Februar 1938 kamen die Vorstände der Werke in Neunkirchen, Burbach, Dillingen und Brebach unter Ausschluss Röchlings zusammen und einigten sich darauf, dass in der nächsten DBG-Aufsichtsratssitzung ein Beschluss zur Bestellung eines hauptamtlichen Bergbaudirektors fallen müsse. Gemeinsam verfassten sie ein frostiges Schreiben an Röchling, in dem sie eine weitere Zusammenarbeit mit ihm für »unmöglich« 248 erklärten und ihn zum Rücktritt vom Vorsitz der Eisenhütte Südwest aufforderten. Der Partei und den Berliner Behörden war Röchlings Auftritt sichtlich unangenehm. Hinter den Kulissen distanzierten sich die Reichsbank, die Bergabteilung des RWM und auch Pleiger von ihm 249 . General Thomas, der Leiter des Wehrwirtschaftsstabs im Reichskriegsministerium, diagnostizierte nachsichtig einen »Husarenritt des ›alten Kavalleristen Röchling‹, den sich dieser ohne irgendwelchen amtlichen Rückhalt geleistet hat« 250 und betonte gegenüber Siedersleben, »im Augenblick und für die nächste Zeit« 251 könne und müsse es nur erwünscht sein, dass die Verflechtung der Saarwerke mit dem französischluxemburgischen Wirtschaftsgebiet innerhalb angemessener Grenzen bestehen bleibe. An eine Übernahme der Kapitalmehrheiten der Werke in Burbach, Brebach und Dillingen durch deutsche Stellen sei ja aus Devisengründen derzeit nicht zu denken. Offizielle Re- 245 So hatte sich Wagener am 7.5.1936 bei H. Röchling beschwert, die Burbacher Hütte werde wegen seiner ausländischen Staatsbürgerschaft bei der Besetzung ehrenamtlicher Positionen in Verbänden und IHK übergangen. KAS RESW B-K 37/ 254. 246 So Röchling beschwichtigend in seinem Schreiben an die Saarhüttendirektoren v. 7.2.1938, RWWA 72-218-15. Tatsächlich müssen seine Worte wesentlich drastischer ausgefallen sein, denn die Werksdirektoren warfen ihm »ausserordentlich heftige Angriffe« vor. Vier Saarhütten an Röchling v. 5.2.1938, RWWA 72-146-7. 247 Siedersleben an NE-Vorstand v. 7.2.1938, RWWA 72-146-7. 248 Vier Saarhütten an Röchling v. 5.2.1938, RWWA 72-146-7. 249 Siedersleben an NE-Vorstand v. 12.2.1938, RWWA 72-218-15. 250 Vermerk v. Khaynach über die Besprechung mit Georg Thomas am 14.2.1938, RWWA 72-218-15. 251 Siedersleben an v. Kühlmann v. 15.2.1938 über sein Gespräch mit Thomas, RWWA 72-218-15. 126 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) aktionen auf den Eklat blieben freilich lange aus. Erst am 9. Februar 1938, über zwei Wochen später, rief das Büro von Gauleiter Bürckel bei Wilhelm Wittke, dem Generaldirektor der Dillinger Hütte, an und teilte mit, Röchlings Rede über die Entfernung französischen Kapitals in den Saarhütten beinhalte dessen »absolute Privatmeinung« 252 , was Wittke den übrigen Werken doch bitte bekanntgeben möge. Wittkes Rückfrage, ob das Dementi auch für luxemburgisches Kapital gelte, wurde erst nach eintägiger Bedenkzeit bejaht. Siedersleben versuchte den Konflikt zu entschärfen, um die unliebsame Debatte über Kugeners Staatsbürgerschaft schnell zu beenden. Seine Prognose, man könne den Kommerzienrat nicht aus seinem Ehrenamt drängen, weil er als Vorsitzender der Eisenhütte Südwest nicht von den Werken gewählt, sondern von Ernst Poensgen, dem Führer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, ernannt worden sei, erwies sich als zutreffend. Röchling beantwortete die Rücktrittsforderung seiner Kollegen ausweichend 253 . Kurz darauf erhielt er Audienz bei Hitler 254 und blieb im Amt. Röchling kam jedoch nicht umhin, die Beleidigung seiner Kollegen schriftlich zu widerrufen und zu versprechen, deren Staatsangehörigkeit nicht mehr zu thematisieren 255 . Die Frage, ob sie einen hauptamtlichen Bergbaudirektor bei der DBG einstellen und Röchling die satzungsgemäße Aufgabe seines Aufsichtsratsvorsitzes abverlangen konnten, wagten die vier Saarhütten nicht ohne Pleigers Segen zu entscheiden. Dieser stimmte einem von der Wolff-Gruppe erbetenen Gespräch mit dem DBG-Aufsichtsrat zu, das am 17. Februar 1938 im RWM stattfand. Röchling gab bereits in einer internen Vorbesprechung unter den Werken seinen Widerstand gegen die Einsetzung eines neuen Bergbaudirektors auf. Da Pleiger, der nach Röchlings Meinung kurz zuvor von Siedersleben »bearbeitet« worden war, im anschließenden Gespräch keine Einwände erhob, wurde Alphonse Wagener zum künftigen Vorsitzenden des DBG-Aufsichtsrats bestimmt. Mit innerem Kopfschütteln kommentierte Röchling die »ganze verrückte Situation« 256 , in der ein Ausländer an die Spitze eines Rüstungsprojekts gestellt werden sollte, das sich auch gegen dessen Herkunftsland richten konnte. Trotz weiterer telefonischer Bemühungen bei Pleiger gelang es Röchling nicht, Wagener als künftigen DBG-Aufsichtsratsvorsitzenden zu verhindern 257 . Pleiger selbst versuchte zwar, den Bergbaudirektor der Reichswerke, Dr. Leonhard Kirschnick 258 , der mit seinem Mitarbeiter Dr. Lillig angeblich nicht fertig wurde, für die Stelle des DBG-Bergbaudirektors zu empfehlen, doch da er den Saarhütten die Wahl ihres neuen Bergbaudirektors nicht aufzwingen wollte 259 , entschieden sich diese 252 Bürckels Büro stellte dabei klar, dass Gauleitung und Reich Röchlings Stellungnahme in ihrer Gesamtheit ablehnten, soweit sie sich auf die Arbeit der in den Saarhütten tätigen Persönlichkeiten beziehe. Dillinger Hütte an NE v. 10.2.1937, RWWA 72-218-15. 253 H. Röchling an Saarhüttendirektoren v. 7.2.1938, RWWA 72-218-15. 254 Vermerk Siedersleben auf einem Brief an den NE-Vorstand v. 7.2.1938, RWWA 72-146-7. Röchling bat, eine geplante Doggererz-Sitzung nicht vor der Audienz bei Hitler abzuhalten. 255 Siedersleben an v. Kühlmann v. 15.2.1938, RWWA 72-218-15 und Wagener an H. Röchling v. 11.11.1938, RWWA 72-147-6. 256 Vermerk H. Röchling über die Besprechung am 17.2.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185. 257 Röchling selbst behauptet, der Widerstand gegen Wagener sei vom Generaldirektor der Halbergerhütte, Dr. Walther Wieland, ausgegangen. 258 Leonhard Kirschnick (26.5.1887 - ? ): Serlo Nr. 1253. 259 Vermerk Siedersleben über die Besprechung am 17.2.1938, RWWA 72-146-7. 127 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite im März 1938 für Dr. Hans Bornitz 260 . Vorsichtshalber holte man aber doch Pleigers Zustimmung ein. Erleichtert schrieb Siedersleben an Dr. Wilhelm Voss, das Vorstandsmitglied der Deutschen Revisions- und Treuhand AG: »Damit ist ein Kampf von über 18 Monaten, den ich zwecks besserer und schnellerer Überwindung der vielen Schwierigkeiten in Zollhaus-Blumberg zunächst gegen alle vier anderen Saarhütten geführt habe, im Sinne meiner Anregung entschieden« 261 . e) Forcierter Betriebsaufbau 1937 stand im Zeichen einer massiven Betriebserweiterung: Im April wurde die Erzförderung im Stoberg aufgenommen und bis zum Dezember auf 24.000 t pro Monat gesteigert. Die Belegschaft verdreifachte sich binnen Jahresfrist auf 724 Leute. Zeitgleich investierte man fast 4,4 Mio. RM in die Betriebsanlagen 262 . Bei eisiger Kälte nahmen im Februar 1937 vier Baufirmen mit insgesamt 180 Mann, wozu auch das Donaueschinger Unternehmen Mall mit 110 Arbeitern gehörte, ihre Arbeit auf 263 . Zu den wichtigsten Bauprojekten zählten die Aufbereitungsanlagen im Südwerk (Röchlings vier Röstöfen und die Lurgi-Anlage) und eine stählerne Förderbrücke über die Reichsstraße 27. Am Stoberg waren dies: eine Waschkaue für 600 Mann mit den Steigerbüros und einem Hilfsstofflager, ein Maschinenhaus und die Vergrößerung der Transformatorenstation. Am Eichberg wurde das Verwaltungsgebäude erweitert. Sämtliche Bauvorhaben litten unter dem Rohstoffmangel. Für die Röstöfen und den Grubenausbau kam im April 1937 nur die Hälfte des bestellten Eisens an; außerdem fehlten Elektrokabel. Beim Bau der Lurgi-Anlage verhedderte man sich im Dickicht der beginnenden Stahlbewirtschaftung und musste sich mehrfach hilfesuchend an Schacht und an Pleiger wenden 264 . Dennoch schritt der Anlagenbau zügig voran. Am 21. Juli 1937, kurz nachdem örtliche Baufirmen die Fundamente des Lurgi-Ofens und der Ofenhalle vollendet hatten, erreichte der erste Sonderzug mit Ofenbestandteilen den Bahnhof von Zollhaus 265 . Die Burbacher Hütte übernahm die Montage und den Bau der Stahlskelett-Ofenhalle. Der Lurgi-Ingenieur Dr. Wilhelm Kohlschein 266 leitete die Baustelle von Anfang 1937 bis Mitte 1938. Gleichzeitig arbeiteten Gärtners Leute an Röchlings vier Röstöfen, von denen der erste im Oktober 1937 und der zweite im Februar 1938 zu arbeiten begannen. Am 5. Januar 1938 ging 260 DBG-ARP v. 22.3.1938, RWWA 72-146-7. 261 Siedersleben an Voss v. 15.3.1938, RWWA 72-238-11. 262 PB-JB 1937, StAF V 500/ 1. 263 Schmid an BMI v. 28.2.1937, StAB III/ 4. 264 Debuch an Schacht und Pleiger v. 23.3.1937, StANK AD. 265 Vermerk Hold/ Bittner »Besichtigung der Lurgi-Anlage« am 15.-17.7.1937, StANK AD. 266 Dr. Wilhelm Kohlschein (12.11.1901 Essen-Borbeck - 14.8.1990 Hannover): 1921 Abitur in Essen, 1921-1925 Bergbaustudium in Clausthal, 1925 Diplom-Bergingenieur, 1931 Promotion an der Bergakademie Freiberg, dort 1929 -1932 Stellv. Betriebsleiter der Sächsischen Versuchsstrecke, 1932-1935 Aufbereitungsingenieur bei Krupp-Gruson in Magdeburg, 1935-1937 Prokurist bei der Altenberg AG in Essen, 1937-1948 bei der Lurgi GmbH in Frankfurt/ Main, dort zunächst Außeningenieur, ab 1942 Geschäftsführer; Pg. seit 1940, 1948 als Entlasteter (Kat. 5) entnazifiziert, ab 1948 bei der Kali Chemie AG in Hannover tätig. LANRW NW 1005-G.8/ 617; Ausk. UAF und Torsten Kohlschein. 128 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 20: Nordwerk, Blick vom Eichberg auf den Westhang des Stobergs. Im Tal rechts die Waschkaue, am Hang mittig das Maschinenhaus. Die Gleise der Förderbrücke führen im Hintergrund nach rechts in Richtung der zweiten Förderbrücke zu den Aufbereitungs- und Verladeanlagen des Südwerks: Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. Abb. 21: Nordwerk, Blick vom Stoberg auf den Osthang des Eichbergs. Im Vordergrund rechts die Waschkaue, links die Garagen. Im Hintergrund das erste Verwaltungsgebäude am Eichberg. Die Förderbrücke ganz rechts verbindet über das Tal und die Reichsstraße 27 hinweg den Eichbergmit dem Stobergstollen. Bild: Sammlung Prillwitz. 129 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Abb. 22: Nordwerk: Oberer Mund des Stobergstollens. Die Fördergleise biegen in die Kettenförderbahn zum Südwerk ab. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. Abb. 23: Gesamtsicht Nordwerk: Links oben das alte Verwaltungsgebäude, am oberen Bildrand die Förderbrücke zwischen Eichberg (links) und Stoberg (rechts). Das Zechenhaus rechts besitzt noch nicht den 1940 realisierten Anbau (neues Verwaltungsgebäude). Der Mund des Eichbergstollens befindet sich bereits außerhalb des Plans (ganz links oben). Bild: Archiv Prillwitz. 130 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 24: Südwerk. Die im Nordwerk geförderten Erze gelangen über eine Förderbrücke zum Südwerk und werden in der Roherzstapelhalle zwischengelagert, bevor sie dann entweder in den Röstöfen oder in einer Drehrohrofen- Anlage des Frankfurter Herstellers Lurgi aufbereitet werden. Förderanlagen bringen das Röstgut und das Lurgi- Konzentrat zum Verladebahnhof. Bild: Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe, Freiburg. 131 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Abb. 25: Südwerk im Oktober 1937. Blick von Süden, links die mit einem 12,5 t-Laufkran bestückte Stapelhalle für das Roherz. Der Betrachter hat Durchsicht zur Förderbrücke, über die das Erz vom Eichberg (links) und vom Stoberg (rechts) antransportiert wird. Neben der Erzstapelhalle rechts das helle Maschinenhaus. Ganz rechts, angeschnitten, die dunkle Röstofenhalle. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. Abb. 26: Montage des von Firma Heckel hergestellten Kettenbahnantriebs im Maschinenhaus des Nordwerks. 1941 wurde der Antrieb für die Förderwagen in das Südwerk versetzt. Bild: Sammlung Prillwitz. 132 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 27: Konstruktion von Röchlings Röstöfen in Blumberg. Bild: Stahl und Eisen 59 (1939) S. 964. Abb. 28: Bau der Röstöfen Mitte 1937 im Südwerk. Bild: Sammlung Prillwitz 133 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Abb. 29: Bau der Lurgi-Drehrohrofen-Halle im Sommer 1937. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 30: Verladebahnhof im Südwerk um 1938. Im Hintergrund die Lurgi-Aufbereitungsanlage, ganz rechts die Röstofenhalle (angeschnitten). Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 134 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 31: Betriebskennziffern der Doggererz-Bergbau GmbH 1937-1938/ 39. Bild: Stahl und Eisen 59 (1939) S. 963. Abb. 32: Belegschaftsentwicklung 1937. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 135 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite die Lurgi-Anlage in Betrieb; Mitte Februar 1938 war der erste Bauabschnitt weitgehend vollendet 267 . Bald zeigte sich, dass die Leistung der Lurgi-Anlage viel zu gering war. Zudem belasteten der hohe Energieverbrauch und die Kosten für eine 17köpfige Bedienungsmannschaft die Rentabilität des Verfahrens schwer. In einem Wirtschaftlichkeitsvergleich zog der Verein deutscher Eisenhüttenleute Ende Mai 1938 den Schluss, dass die Roheisenproduktion mit der Lurgi-Methode wesentlich teurer werden würde als mit dem Röstkonzept 268 . Die Lurgi-Anlage wurde daraufhin Anfang Juni stillgelegt und monatelang umgebaut. Da sie ein »Missgriff ersten Ranges« 269 zu sein schien, nahm man im Herbst 1938 davon Abstand, bis zu fünf weitere Drehrohröfen 270 im Südwerk zu errichten 271 . Der aufwändige Anlagenumbau zeitigte dann jedoch Erfolg. Als der Ofen im November 1938 wieder zu arbeiten begann, besaß er eine um 60 % erhöhte Leistungsfähigkeit und einen stark verminderten Energieverbrauch. Die großen Erzverluste bereiteten zwar immer noch Probleme, doch glaubte man diese mit dem späteren Einbau von Staubrückgewinnungs- und -brikettieranlagen lösen zu können 272 . Das NE-Management vermerkte befriedigt, man könne jetzt »von einer gewissen Wirtschaftlichkeit reden« 273 . Auch die Röstöfen erwiesen sich als mangelhaft: Da sie sich nicht gleichmäßig beheizen ließen, wurden die Erze teils überhitzt, teils blieben sie roh. Zudem hielt die Anreicherung auf einen Eisengehalt von höchstens 24 % den ursprünglichen Erwartungen (30 %) nicht stand 274 . Die Staubent wicklung der Anlage war »unerträglich« 275 . Siedersleben gab ihr keine Zukunft, weil »sie nach übereinstimmender Ansicht aller Beteiligten völlig unwirtschaftlich arbeitet und schnellstmöglich durch Hochöfen« 276 oder durch andere technische Lösungen ersetzt werden müsse. Große Sorgen bereitete die Entwicklung im Bergbau: Die DBG stellte 1938 1.800 Arbeiter ein, von denen 1.000 wieder davonliefen 277 . Die hohe Fluktuation und der stete Zustrom von ungeschulten Kräften frustrierten die Ausbilder, beeinträchtigten den Betriebsablauf, steigerten Abbaukosten wie Unfallgefahren und führten zu stark überhöhten Verwaltungskosten. Stets fehlte Personal: Die Sollstärke der Grubenbelegschaft betrug 267 Am 15.2.1938 wurde die Waschkaue im Nordwerk in Betrieb genommen. Fast abgeschlossen waren: der Umbau des Verwaltungsgebäudes am Eichberg, der Bau der Förderbrücke über die R 27 und des Maschinenhauses am Stoberg. Dem ersten Bauabschnitt folgte im Juni 1938 ein etwa 1 Mio. RM teures Ausbauprogramm (Zentralwerkstatt, Vergrößerung des Zechenbahnhofs). DBG-ARP v. 14.6.1938, RWWA 72-146-7. 268 VDEh-Bericht 305 Sa. v. 20.5.1938, StANK AD. Der Bericht stellt fest, die Lurgi-Anlage koste samt Folgeinvestitionen mehr als ein neues Hochofenwerk, das nach dem Röstverfahren arbeite. Die Ingenieure rieten Werken mit genügend Hochofenraum, dem Röstverfahren den Vorzug zu geben, empfahlen aber auch Werken mit knapper Kapazität, wie es beim NE der Fall war, das Festhalten am Lurgi-Prinzip sehr sorgfältig abzuwägen. 269 Siedersleben an NE-Vorstand v. 19.9.1938, RWWA 72-146-7. 270 Niederschrift der Besprechung über Erweiterung der Lurgi-Anlage am 5.3.1938, StANK AD. 271 DBG-GVP v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 272 Lurgi-»Denkschrift über den jetzigen Stand des LURGI-Verfahrens […]«, StANK, AD. 273 Vermerk »Vorschläge der 5 Saarwerke zu den Selbstkosten […]« v. Sommer 1939, StANK AD. 274 Vermerk NE über die DBG-ARS am 29.12.1937, RWWA 72-146-5. 275 So der DBG-Aufsichtsratsvorsitzende Wagener, DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7. 276 Siedersleben an NE-Vorstand v. 19.9.1938, RWWA 72-146-7. 277 PB-JB 1938, StAF V 500/ 1. 136 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) im Mai 1938 873 Mann; tatsächlich vorhanden waren aber nur 526 Leute, die knapp 28 % der geplanten Förderzahlen erreichten 278 . Anfang 1938 stellte Gärtner eine größere Zahl lokaler Kräfte ein 279 , doch zog das Arbeitsamt einen Teil der ausgebildeten Leute in die Landwirtschaft ab. Um Arbeiter zu akquirieren, ließ Gärtners Nachfolger Bornitz einen »freundlich ausgestalteten Prospekt« 280 drucken und Werbeaktionen bei HJ und Wehrmacht durchführen. Dem badischen Landesbauernführer Fritz Engler-Füßlin rang er die Zusage ab, dritte und vierte Bauernsöhne für den Bergbau freizugeben. Dennoch stagnierte im Sommer 1938 die Mitarbeiterzahl. Am 17. Juni 1938 kam letztmals ein Sammeltransport mit 26 Hilfsarbeitern aus dem Saarland an. Da wegen des Westwallbaus dort ein starker Personalengpass herrschte, ließen die örtlichen Behörden keine Akquisitionen mehr zu. Bornitz forderte die Arbeitsverwaltung auf, ihm Kumpel aus anderen Bezirken zuzuweisen und die Arbeitskräfteabwanderung aus dem Doggererz-Bergbau für mindestens ein Jahr zu untersagen 281 . Das Landesarbeitsamt erlaubte der DBG schließlich die Anwerbung von 500 Italienern. Im dritten Quartal 1938 gelang es, 84 arbeitslose italienische Bergleute in Frankreich und in Luxemburg zu akquirieren. Ende September brachte ein Sonderzug weitere 159 Mann über den Brenner nach Blumberg 282 . Direktionsassistent Feuerhake begrüßte sie am Bahnhof und führte sie in ein Barackenlager, über dem die Trikolore wehte 283 . Bis Jahresende 1938 stieg die Zahl der Italiener auf 415 an. Auf Wunsch des Berliner Inspektorats der Auslandsfasci 284 hatte die DBG Gustavo de Feo als Dolmetscher und Sozialreferenten angestellt. Die Geschäftsführung betrachtete Ausländer allerdings mit großem Argwohn und hielt »schon aus völkischen Gründen die Entwicklung einer internationalen Belegschaft zumal an der Reichsgrenze für gefährlich« 285 . Um der katholischen Kirche jegliche Einflussnahme auf die Gastarbeiter zu verwehren, erließ die Werksleitung für den italienischen Kaplan Mario Martinelli ein Zutrittsverbot zum Barackenlager 286 . Weitere Anwerbungen scheiterten als Folge des deutschen Devisenmangels: Im Dezember 1938 untersagte ein Erlass der Reichsregierung den Lohntransfer nach Italien für neu angestellte Gastarbeiter. Die Regierung in Rom unterband daraufhin die Ausreise von 85 Kalabresen. In Berlin versuchte man vergebens, die Lücken mit oberschlesischen, sudetendeutschen oder tschechischen Kumpel zu füllen 287 . 1938 betrugen die Abbaukosten pro t Erz nicht den 1934 erhofften Wert von 1 bis 2 RM, sondern etwa 5 RM 288 . Abhilfe sollte der amerikanische Bergbau-Ingenieur John A. 278 Statt 4.300 t erzielte die DBG im Mai 1938 1.200 t Tagesförderung. Bornitz an Wagner v. 19.5.1938, StAB II. 279 Von Ende 1937 bis Mitte 1939 stieg die Zahl badischer Arbeiter von 173 auf 387 an; deren Quote an der Belegschaft blieb mit rund 23 % konstant. Memorandum Bornitz v. 4.1.1939 (recte: 4.1.1940), LGRB 10 A/ 109. 280 DBG-ARP v. 14.6.1938, RWWA 72-146-7. 281 DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7 und DBG an OBA Karlsruhe v. 6.7.1938, LGRB 9 A/ 88. 282 DBG-GVP v. 15.11.1938, StANK AD. 283 Schwarzwälder Tagblatt v. 19. und 20.10.1938. 284 Italienisches Konsulat an OBA Karlsruhe v. 4.1.1939, LGRB 9 A/ 88. 285 DAG-Vorstand an BMI v. 5.4.1941, GLA 478/ 15. 286 Pfarrer Hüfner an Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg v. 8.1.1939, AKPAB XXII. 287 RAM an BMI v. 21.11.1938, GLA 478/ 10. 288 Mitte 1938 betrugen die Abbaukosten unter Tage 4,70 RM pro t Erz. Bornitz an Grochtmann v. 137 4. Versuche der Planerfüllung auf Unternehmensseite Abb. 33: Italienische Bergarbeiter nach erfolgreichem Abschluss eines betrieblichen Lehrgangs. Von rechts: Karl Breiing und Hans Bornitz, dritter von links: Gustavo de Feo. In der rechten Mitte hinter dem Arbeiter mit heller Jacke und dunkler Hose Rudolph Philipp, der Leiter des Bergamts Freiburg. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 34: Der zwischen 1938 und 1941 betriebene Tagebau richtete schwere Landschaftsverwüstungen an den Berghängen rund um Blumberg an. Bild: Sammlung Prillwitz. 138 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Savage schaffen, der in ähnlicher Mission schon für die Reichswerke tätig gewesen war. Im Auftrag der Wolff-Gruppe besichtigte Savage im August 1938 den Blumberger Betrieb und kündigte an, mit neuen Methoden und amerikanischen Abbaumaschinen die Kosten um 50 % senken zu können 289 . Da die Devisen zum Kauf der teuren Spezialgeräte fehlten, scheiterte der Versuch, durch Mechanisierung die Kosten im Tiefbau zu senken. Bornitz hätte im Oktober 1938 eigentlich eine weitere Grube im Ristelberg eröffnen müssen, um den Zeitplan der Fördersteigerungen einzuhalten. Unter dem Zwang, Fixkostensprünge zu vermeiden und Zeit zur Entwicklung kostensparender Tiefbaumethoden zu gewinnen, entschloss er sich nun, die Förderzuwächse im billigeren Tagebau zu erzielen 290 . Die Stuttgarter Baufirma Baresel erhielt von Bornitz einen Subunternehmervertrag und nahm im Oktober 1938 mit einem 70 t-Löffelbagger die Förderung am Stoberg auf. Wenige Wochen später ging der Tagebau am Ristelberg in Betrieb. Da der Abbau in einer Regenperiode stattfand, zerfielen die geförderten Randerze zu einer lehmigen Masse und verursachten schwere Störungen in den Verhüttungsanlagen an der Saar. Vier Werke verweigerten daraufhin den Erzbezug, woraufhin der DBG-Aufsichtsratsvorsitzende Wagener eine befristete Fördereinschränkung anordnen musste 291 . Röchling sah darin eine günstige Gelegenheit, den ihm missliebigen Wagener zu maßregeln und bei den Vierjahresplan-Behörden zu denunzieren. Provozierend wies er seinen Burbacher Kollegen zurecht, dieser dürfe sich »als Ausländer […] nicht anmassen, Dinge verbieten zu wollen, die im Interesse unserer grossen deutschen Sache liegen« 292 . Wagener reagierte mit einer scharfen Generalabrechnung, in der er Röchling die unsachgemäße Ausübung einer »Nebenregierung« 293 in der DBG vorwarf. In Köln nahm man Röchlings abermalige Entgleisung missbilligend zur Kenntnis 294 . Das Blumberger Erz ging per Bahn zu den Saarhütten. Waren es 1937 noch 164.000 t gewesen, die als Roherz ihre Empfänger erreichten, so stieg der Erzabbau 1938 auf 440.000 t an. Der stärkste Zuwachs erfolgte im letzten Quartal. Nachdem die Aufbereitungsanlagen 1938 in Betrieb gegangen waren, nahm der Roherzanteil am Versand ab. Die Hütten bezogen jetzt vorwiegend geröstetes Material, die Werke in Neunkirchen und Burbach auch Lurgi-Konzentrat. Da die verrechneten Erzpreise stark unter den Gestehungskosten lagen, fuhr die DBG chronische Verluste ein. Bis zum Herbst 1938 verlor sie nahezu ihr gesamtes Eigenkapital von zwei Mio. RM 295 . Um den drohenden Konkurs abzuwenden, mussten ihre Gesellschafter Ende 1938 eine rückwirkende Anhebung der Erzpreise beschließen. 29.8.1937, RWWA 72-146-7. Der Selbstkostenpreis lag bei 8,54 RM pro t Roherz. DBG-GVP v. 16.9.1937, RWWA 72-146-7. 289 Siedersleben an NE-Vorstand v. 9.8.1938, RWWA 72-146-7. 290 DBG-GVP v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 291 DBG-GVP v. 15.11.1938, StANK AD. 292 H. Röchling an Wagener v. 9.11.1938, RWWA 72-147-6. 293 Wagener an H. Röchling v. 11.11.1938, RWWA 72-147-6. 294 Siedersleben urteilte, Röchling habe seinen Brief »nicht im Zustande ruhiger Überlegung geschrieben«. Siedersleben an Kugener v. 13.11.1938, RWWA 72-147-6. 295 PB-JB 1937 und 1938, StAF V 500/ 1. Der Verrechnungspreis für Roherz betrug 1938 2,75 RM pro t; der Selbstkostenpreis lag am 1.1.1938 dagegen bei 8,54 RM je t. DBG-GVP v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 139 5. Objekte der Macht Managementfehler verhinderten den Aufbau einer leistungsfähigen kaufmännischen Verwaltung. Monierten die Buchprüfer anfangs noch einzelne Tatbestände, wie etwa fehlende Kassenschlüssel 296 , so dehnte sich deren Kritik bald auf die gesamte Organisation aus. Ende 1938 stellten sie fest, dass die Buchhaltung mit der raschen Ausweitung des Produktionsbetriebs nicht Schritt gehalten habe und »den stärkeren Anforderungen […] kaum noch gerecht geworden« 297 sei. Als Mitte 1939 die DBG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ihr Sachvermögen ermittelt werden sollte, sah sich die Verwaltung außerstande, die benötigten Daten zu liefern. Das Projekt musste monatelang verschoben und ein externes Gutachten in Auftrag gegeben werden. Wirtschaftsprüfer gaben ein vernichtendes Urteil über die innerbetriebliche Organisation ab 298 . Da die »völlig verfahrenen Verhältnisse« 299 dem kaufmännischen Geschäftsführer zur Last gelegt wurden, war dessen Ablösung Mitte 1939 beschlossene Sache. Kurt Heyer entging seinem Schicksal nur durch die Tatsache, dass er Ende August 1939 zum Militär einberufen wurde. 5. Objekte der Macht a) Leben und Arbeiten im Blumberger Exil Ende 1938 hatte sich die DBG zu einem Großbetrieb entwickelt. Etwa die Hälfte ihrer 1.393 Arbeiter bestand aus Grubenpersonal; ein Viertel hielt den Betrieb der Aufbereitungsanlagen aufrecht; der Rest betätigte sich in diversen Werkstätten, Magazinen, im Fuhrpark und im Tagebau. In den Büros arbeiteten 95 Angestellte, davon 49 im technischen und 46 im kaufmännischen Bereich. Unter den Kaufleuten gab es einen gewissen Anteil von Persönlichkeiten, der Probleme mit früheren Arbeitgebern oder mit der Partei gehabt hatte, was wohl darauf zurückzuführen war, dass die DBG nicht eben als attraktiver Betrieb galt und nehmen musste, was der leergefegte Arbeitsmarkt eben hergab. Dem Klima schien das nicht zu schaden. In der von Kurt Heyer und später von Dr. Walther Berger geleiteten kaufmännischen Verwaltung war angeblich »das nationalsozialistische Getue nicht üblich, da der alte Bergmannsgruss ›Glückauf‹ beibehalten wurde und man den Eindruck hatte, noch in der alten guten Zeit zu leben« 300 . Da diese Behauptung in einem Spruchkammerverfahren erhoben wurde, wird man ihr mit Skepsis begegnen müssen. Tatsache bleibt aber doch, dass Parteilosigkeit bei dem Unternehmen auch 1942 kein Ausschlusskriterium für eine Tätigkeit als Abteilungsleiter war. Die Grube leitete Karl Breiing, ein selbstbewusster, kräftiger Mann, der aus dem katholischen Milieu des Ruhrgebiets stammte. Er war privat sehr gesellig, legte im Betrieb aber einen derart schroffen Ton an den Tag, dass es in der Belegschaft heftig gärte. Bürgermeister Schmid warf ihm vor, dass er »zu den Leuten den richtigen Kontakt nicht 296 PB-JB 1936, StAF V 500/ 1. 297 PB-JB 1938, StAF V 500/ 1. 298 PB-JB 1939, StAF V 500/ 1. 299 Wittke an Wolff v. 10.10.1939, RWWA 72-148-9. 300 Aussage Buchhalter Hugo Raff v. 7.6.1947, StAF D 180/ 2-163583. 140 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) findet, sie barsch behandelt, wenn auch nicht alle, so doch viele« 301 . Die Betriebsleitung regierte offenkundig mit harter Hand und fürchtete stets den Ausbruch organisierter Streiks, politischer Demonstrationen oder sonstiger Unruhen. Der Karlsruher Polizeibeamte Denecke stellte Ende 1938 jedoch fest, die zahlreich eingegangenen Meldungen hierüber hätten sich bei einer Nachprüfung sämtlich als falsch oder stark übertrieben herausgestellt. Allerdings herrsche unter der Belegschaft eine dauernde Unzufriedenheit und Missstimmung. Die Arbeiter brächten keinerlei Verständnis dafür auf, dass sie beim Vorbringen ihrer Wünsche angebrüllt und hinausgeworfen würden, dass die Zahl der Betriebsunfälle äußerst hoch sei und dass das Wort Volksgemeinschaft für sie anscheinend keine Geltung habe. Schuld trage nicht nur die Werksleitung, sondern auch Behörden und Parteiinstanzen, die dem »amerikanischen Aufbautempo« nicht gewachsen seien: »Es wäre hier Sache der Partei gewesen, rechtzeitig einzugreifen und durch geeignete Massnahmen eine Werkgemeinschaft im nationalsozialistischen Sinne herzustellen« 302 . Ideologische Vorbehalte behinderten die Integration: »Blumberg war eine ausgesprochene Nazi-Siedlung« 303 , den Bergarbeitern haftete dagegen das Stigma politischer Unzuverlässigkeit an. Nicht nur deshalb blieb das Verhältnis zwischen Einheimischen und Neubürgern von »erhebliche[n] Spannungen« 304 geprägt. Die Saarländer nannten die Alteingesessenen abschätzig »Kimmocken« 305 ; Blumbergs Bürgermeister Schmid revanchierte sich nach dem Ende des Bergbaus mit der giftigen Feststellung, die 1943 neu zugezogenen Beschäftigten eines anderen Betriebs machten »alle den Eindruck von rechtschaffenen, ordentlichen und anständigen Menschen, die in keiner Weise mit jenen vergleichbar sind, die bei der Entwicklung des Bergwerks hierher gezogen sind« 306 . Ressentiments 307 und Denunziationen 308 beschränkten sich nicht auf das private Umfeld der oft systemskeptischen Bergleute 309 , sondern manifestierten sich auch im beruflichen Alltag 310 , wo überzeugte Nationalsozialisten, wie Viktor Grablowitz oder Michl Huber, leitende Positionen bekleideten oder aber nebenamtlich in der örtlichen Parteileitung tätig 301 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 302 Bericht Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9 A/ 88. 303 So Pfarrer Albert Wik rückschauend am 25.4.1948, StAF D 180/ 2-214897. 304 Reichswerke (Lillig) an Ministerpräsident Köhler v. 3.7.1941, StAF F 235/ 5-137. 305 So Zeitzeugin Hildegard Recktenwald. 306 Schmid an BFWM vom 14.1.1943, StAB III/ 4. 307 So meinte Bornitz 1940 abschätzig, »man sah sich gezwungen, nach der Saarabstimmung die dort missliebig gewordenen Elemente hereinzunehmen«. Positionspapier Bornitz v. 4.1.1939 (recte: 4.1.1940), LGRB 10/ 109. 308 So stellte Walther Berger fest, es gehöre zu den Erscheinungen des Blumberger Lebens, »dass Verleumdungen und Anzeigen […] an der Tagesordnung sind«. W. Berger an Siedersleben v. 3.5.1944, RWWA 72-151-9. 309 »Sie [die Bergleute, WIS] sind unzufrieden«. Bericht Hüfner an EBO Freiburg v. 28.9.1938, EBOAF B4/ 1066. 310 Denunziationen aus dem betrieblichen Alltag heraus sind in drei Fällen nachweisbar: Im August 1940 zeigte Julius Peter Karl Breiing wegen staatsfeindlicher Äußerungen an. Das Verfahren wurde eingestellt (StAF A 47/ 1-1171). Im Herbst 1941 denunzierte der Steiger Wienand Huppertz einen elsässischen Arbeiter wegen abwertender Äußerungen über das Winterhilfswerk. Amtsrichter Glöckler beließ es bei einer Verwarnung (StAF A 47/ 1-178). Im Oktober 1941 wurde der Kraftfahrer der DAG, Anton Liebert, von Heinrich Kuntz wegen abfälliger Äußerungen über eine Hitlerrede denunziert. Liebert kam nach längerer U-Haft frei. StAF A 47/ 1-170. Weitere Denunziationsfälle aus Blumberg: StAF A 47/ 1-95/ 96, D 180/ 2-158993, D 180/ 2-146573, G 701/ 2-3952, A 47/ 1-1849 und 1850. 141 5. Objekte der Macht waren. Betriebsleiter Karl Breiing schien zwar keine besonders ausgeprägte Sympathie für den Nationalsozialismus zu hegen, doch war er nach den Erkenntnissen der Karlsruher Gestapo bei seinen Kumpel »allgemein unbeliebt« 311 . Ort und Betrieb galten im Saarland als regelrechte »Strafkolonie« 312 . Beeinträchtigt wurde das Arbeitsklima auch dadurch, dass sich zwischen Breiing und seinen führenden Mitarbeitern immer wieder Machtkämpfe und Intrigen abspielten, die zu Entlassungen, zu einem Arbeitsgerichtsprozess und 1940 zu einer Denunziation Breiings bei der Gestapo führten. Dessen Widersacher, der 1940 entlassene Leiter der Markenkontrolle, Julius Peter 313 , behauptete, er habe die Grubenleitung gebeten, mehr Rücksicht auf die verminderte Leistungsfähigkeit der Schwerbeschädigten im Werk zu nehmen, denn sonst könnten die Leute nicht leben. Als zynische Antwort habe er erhalten: »Die Leute sollen ja kaputt gehen« 314 . Von der Einheitsgewerkschaft Deutsche Arbeitsfront (DAF) hatten sie wohl keinerlei Beistand zu erwarten. Betriebsobmann Karl Kurz fehlte die Courage 315 ; der für Blumberg zuständige Kreisobmann Robert Lucas 316 fiel der Karlsruher Gestapo vor allem »durch sein brutales und anmassendes Wesen« auf, »das besonders in der Trunkenheit zum Ausdruck« komme. Die Gestapo hielt fest, Lucas bringe »keinerlei Verständnis« für die sozialen Probleme der Bergarbeiter auf und habe bislang nur Klagen über die Arbeiterschaft, nie aber gegen das Werk selbst vorgebracht: »In der Beurteilung des Sicherheitsdienstes RFSS wird Lucas als willenloses Werkzeug der Betriebsleitung der Doggererzbergbau G.m.b.H. bezeichnet« 317 . Die Tätigkeit im Bergwerk war körperlich derart belastend, dass bergungewohnte Industriearbeiter nur selten lange durchhielten. Eine dürftige Ventilation und häufige, durch Schneeschmelzen und Regenperioden verursachte Wassereinbrüche erschwerten die Arbeit sehr. Nach Kriegsbeginn sorgte der Mangel an Zwirn und Arbeitsschuhen 318 dafür, dass die Kumpel »häufig ihre Arbeit in zerrissener Kleidung verrichten mußten« 319 und Zwangsarbeiter barfuß auf den Baustellen arbeiteten 320 . Der hohe Anteil Ungelern- 311 Gestapo-Untersuchungsbericht v. 10.10.1940, StAF A 47/ 1-1171. 312 Mallmann/ Steffens, Lohn, S. 222. 313 Kurzbiografie Julius Peter und Karl Kurz: siehe Kap. IX/ 1/ c. 314 Rechtsanwalt Schandelmeier an Landesarbeitsgericht Konstanz v. 23.10.1940, StAF A 47/ 1-1171. 315 Kurz verteidigte sich 1936 gegen den Vorwurf der Untätigkeit damit, dass er »nicht genug geschult gewesen wäre, sodass er über seine Rechte und Pflichten als Betriebszellenobmann noch gar nicht unterrichtet war«. Vermerk Heyer über die Befahrung am 5.12.1936, RWWA 72-149-8. 316 Robert Lucas (28.10.1901 Emmerichenhain - 26.7.1945 Jugoslawien): Landwirt und Bergarbeiter, Pg. seit 1930, 1933/ 1934 Bürgermeister und Ortsgruppenleiter von Emmerichenhain, Mitglied des Kreisausschusses Oberwesterwald, ab Herbst 1934 Gau-Bergwerkssachbearbeiter in Frankfurt/ Main, 1937- 1940 DAF-Kreiswalter in DS, ab 1941 DAF-Kreiswalter in Mühlhausen und Rappoltsweiler (Elsass); ab Mitte 1944 Militärdienst, Tod in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft. Gestapoleitstelle Karlsruhe an BMI v. 28.2.1939, GLA 478/ 11, Melderegister Hüfingen und Mulhouse, Mitteilung Axel Göbel, Rennerod. 317 Gestapoleitstelle Karlsruhe an BMI v. 28.2.1939, GLA 478/ 11. 318 Im Februar 1940 wurde in Berlin eine Sonderaktion zur Beschaffung von bis zu 100.000 Paar Arbeitsschuhen beschlossen, die nach Meinung der DAF aber »bei weitem nicht dem augenblicklichen Bedarf im Bergbau gerecht werden« könne. Rundschreiben DAF, Fachamt Bergbau, Nr. 22/ 40 v. 29.2.1940, Archiv Hönle 319 DAF-Gauwaltung Baden an DAF-Kreisleitung DS v. 24.2.1940, Archiv Hönle. 320 DAG (Gerlach) an Wirtschaftsamt DS v. 20.7.1940, Archiv Prillwitz. 142 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) ter 321 und eine umstrittene Bergbaumethode, der Wanderpfeilerbruchbau, gefährdeten die Belegschaft. Die Zahl der tödlichen Unfälle lag stark über dem Durchschnitt 322 : Allein zwischen 1938 und 1942 starben 21 Bergleute 323 . Das Sicherheitsbewusstsein unter Tage war mangelhaft: 1940 monierte das Bergamt Freiburg defekte Ventilatoren und Lüftungsleitungen auf über 130 m Stollenstrecke, die zu einer Gasvergiftung von fünf Bergleuten geführt hatten. Da der verantwortliche Fahrsteiger äußerte, »dass ihn die ganze Sache nichts anginge und ihm sehr egal sei« 324 , entzog ihm das Bergamt die Zulassung für seinen Posten, ließ ihn aber als Reviersteiger weiter gewähren. Regelmäßig musste die Bergpolizei auf die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen drängen und den Widerstand der Werksleitung überwinden, die selbst nach tödlichen Unfällen ihr Heil im Gegenangriff suchte und das Bergamt bei den nationalsozialistischen Würdenträgern in Misskredit zu bringen trachtete, um die Bestrafung der Schuldigen zu hintertreiben oder unliebsame Änderungen der gewohnten Abbautechnik abzuwehren 325 . Zahlreiche Unfälle wurden der Bergbehörde offenbar erst gar nicht gemeldet 326 . Für die überlebenden Opfer war schlecht gesorgt. Obwohl von Bergwerksdirektor Bornitz mehrfach angemahnt, wurde kein Krankenhaus in Blumberg gebaut, was zur Folge hatte, dass »Leute auf dem Transport ins Krankenhaus Donaueschingen gestorben sind, denen man ihr Leben hätte erhalten können, wenn ein chirurgischer Eingriff schneller hätte erfolgen können« 327 . Die DBG kümmerte sich ihrerseits nur unzureichend um Abhilfe und zögerte den Bau einer Krankenhausbaracke auf dem Werksgelände aus Kostengründen jahrelang hinaus. Mit der Sicherheit über Tage war es gleichfalls nicht immer zum Besten bestellt. So lagerte die DBG 10 t Karbid im Freien und glaubte dabei auf die üblichen Sicherheitsfässer verzichten zu können 328 . Röst- und Lurgi-Anlage riefen selbst nach Einschätzung der Werksleitung eine unerträgliche Staubbelastung für die Bedienungsmannschaft hervor 329 . Dennoch mochte Bornitz dem Drängen der Behörden und seiner Mitarbeiter nicht nachkommen, dort einen geheizten und staubfreien, durch Filter und Schleuse geschützten Pausenraum zu bauen 330 . Die Arbeiter versammelten sich daher zum Frühstück um einen offenen, brennenden Kokskorb, der Ende 1941 einen Großbrand in der Lurgi-Anlage auslöste 331 . 321 80 % lt. DBG-GVP v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 322 So das Selbsteingeständnis der DBG lt. DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7. 323 Albiez, Eisenerz-Bergbau in Blumberg, S. 199. Einer der ersten Toten war August Meister aus Eschach, der im Februar 1935 eine Frau und 11 Kinder hinterließ. Bei den Untersuchungen der Bergpolizei kam es zu Falschaussagen über die Unfallursache und zu Haftstrafen für Mitbeteiligte. LGRB 10 A/ 103 und Donaubote v. 28.2.1935. 324 So zitiert in: BA Freiburg an DAG/ Schloms/ OBA Karlsruhe v. 2.8.1940, LGRB 9 A/ 92. 325 So etwa 1935 von Lillig beim Tod des Arbeiters August Meister. Auch Bornitz tat dies nach dem großen Unfall mit 6 Toten am Karfreitag 1940. Aktenbefund LGRB 9 A/ 92 und 10 A/ 103. 326 Der 1940 entlassene Leiter der Markenkontrolle, Julius Peter, warf der DAG vor, dass 1939 die Unfälle nur zu einem Drittel gemeldet worden seien. StAF A 47/ 1-1171. Auch im Gutmadinger Karl-Egon- Bergwerk der GHH war die Sicherheit angeblich mangelhaft. Dessen Betriebsführer kam nach Berichten von Mitarbeitern regelmäßig betrunken zum Dienst, und beim Sprengen unter Tage herrschten »Zustände, wie sie in keinem anderen Bergwerk zu finden sind«. Gendarmeriebezirk DS an Bezirksamt DS v. 22.4.1936, LGRB 1/ 28. 327 BMI an DBG v. 31.5.1938, GLA 478/ 24. 328 Aktenbefund LGRB B I a 17/ 1. 329 DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7. 330 BA Freiburg an DAG v. 5.1.1942, StAF V 500/ 3-26. 331 Aktenbefund LGRB 9 A/ 86. 143 5. Objekte der Macht Das Einkommensniveau war niedrig. Obwohl die DBG den Schichtlohn für ihre Hauer im Herbst 1937 auf 6,40 RM 332 angehoben hatte, lag er immer noch um 24 % unter den Sätzen, die im Kohlebergbau an der Saar und an der Ruhr gezahlt wurden 333 . Dort erhielten die Kumpel kostenfreie Deputatkohle, während ihre Kollegen im eisigen Blumberg die hohen Heizkosten selbst zu tragen hatten 334 . Die niedrigen Löhne passten nicht zu den hohen Lebenshaltungskosten im verkehrsungünstig gelegenen Blumberg, das unter hohen Transportkosten und Konsumgüterpreisen litt 335 . Demgemäß war die soziale Lage vieler Kumpel »prekär« 336 ; ihr Einkommen reichte oft nicht zur Beschaffung des notwendigsten Hausrats aus: 1940 musste die NSV eine Sonderaktion zum Kauf von Bettwäsche finanzieren, die für Bergarbeiterfamilien gedacht war, deren Ernährer bereits jahrelang bei der DBG arbeiteten 337 . Die Lebensumstände der Zugezogenen waren trist: Da in Blumberg bis in den November 1937 hinein keine einzige Wohnung bezugsfertig geworden war, mussten die verheirateten Bergleute ihre Familien im Saarland zurücklassen und zu den Junggesellen in die Baracken ziehen. Dort wohnten 1937 44 % der Belegschaft; 20 % der Insassen waren vorbestraft 338 . Sie alle standen unter der Knute des Lagerleiters Michl Huber, eines 47jährigen SS-Hauptsturmführers, der Ende März 1937 aus Baden-Baden gekommen war, wo er sich fünf Jahre zuvor an einem Sprengstoffanschlag gegen die örtliche Polizeidirektion beteiligt hatte. Dieser hielt das Lager in derart straffer Zucht, dass ein Belegschaftsmitglied von Terror sprach 339 . Die Bewohner zahlten für Unterkunft und Verpflegung eine RM pro Tag, fanden aber kaum erträgliche Zustände vor. Die Quartiere waren verwanzt und verlaust 340 . Ständig fielen die warmen Mahlzeiten aus, weil die Zollhauser Trinkwasserversorgung überfordert war 341 . Toiletten gab es viel zu wenige. So schrieb Theodor Schmid 1936 an die DBG-Direktion: »Es ist durch die unzulänglichen Abortverhältnisse ein Zustand entstanden, da wohl ein Grossteil der in den Baracken wohnenden Arbeiter ihre Notdurft im Freien verrichten [! ], dass ein Begehen der Grundstücke und auch zum Teil des Waldrandes in der Nähe der Baracken ohne schmierige Schuhe zu bekommen, fast nicht mehr möglich ist« 342 . Ein Jahr später mussten sich die Behörden immer noch mit den »unhaltbaren Zuständen« 343 im Blumberger Wald befassen. 332 PB-JB 1938, StAF V 500/ 1. 333 1938 betrug der Durchschnittslohn von Hauern im Steinkohlenbergbau an der Ruhr 8,45 RM und an der Saar 8,41 RM pro Schicht. Statistische Mitteilungen (...) des Deutschen Reiches für 1937, BAB R 3101/ 30208. 334 Mitunter blieb »die versprochene Kohlensendung« auch aus. Im Winter 1937/ 38 musste die DBG Leute zum Holzfällen abstellen, um Heizmaterial zu erhalten. Schwarzwälder Tagblatt v. 3.1.1938 und v. 25.1.1938. 335 Ertragsberechnung Schächtle v. 28.11.1939, StAB III. Ebenso: Vermerk RAM v. 16.5.1940, GLA 478/ 24. 336 Bericht Ord.Rat Dr. Hirt an EBO Freiburg v. 21.11.1939, EBOAF B4/ 1066. 337 BMA Blumberg an LRA DS v. 26.8.1940, StAB III/ 4. 338 Zahlen aus: DAG-MB Januar 1941 (BAB R 2/ 15079) und BH an BMA v. 17.12.1937, StAB III/ 4. 339 Eidesstattl. Aussage Julius Peter v. 20.11.1946, Privatbesitz. Kurzbiografie Michl Huber: siehe Kap. IX/ 1/ c. 340 SDO an DAG v. 14.11.1940, StAF G 11/ 2-193. 341 BMA Blumberg an BMI v. 12.12.1938, GLA 478/ 11. 342 Schmid an DBG v. 8.12.1936, StAB III/ 4. 343 Bezirksamt DS an Landeskommissär Konstanz v. 11.12.1937, StAF A 96/ 1-3389. 144 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 35: Die Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft im Blumberger Bergwerk um 1938: von links Heinrich Landschütz, der Leiter des Oberbergamts Karlsruhe, Ministerpräsident Walter Köhler, wahrscheinlich Ministerialrat Karl Spieß, Abteilungsleiter Wasser- und Straßenbau im BFWM, Hermann Röchling, Hans Bornitz und Karl Breiing. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 36: Die Betroffenen: Blumberger Grubenbelegschaft. Bild: Sammlung Prillwitz. 145 5. Objekte der Macht Ein Freizeitangebot fehlte völlig. Obwohl die DBG schon 1936 beklagt hatte, die »einsame Gegend« 344 schlage ihren an Leben und Betrieb gewöhnten auswärtigen Arbeitern schwer aufs Gemüt und treibe sie nach kurzer Zeit wieder fort, existierte in Blumberg 1937 weder ein Kino noch sonst eine andere Vergnügungsstätte. Manche Arbeiter ertrugen die Einöde nicht und glitten in den Alkoholismus ab. Ein harter Kern von etwa 50 Mann erschien nach Zahl- oder Feiertagen regelmäßig nicht zur Arbeit. »Um eine Demoralisierung der übrigen Belegschaft zu verhindern«, forderte Röchling »strengste Massnahmen« gegen »wirklich arbeitsunwillige Elemente« 345 zu ergreifen. Die Werksleitung schaltete die Gestapo und den Sicherheitsdienst der SS ein, die erwogen, derart »charakterlich minderwertige und haltlose Menschen« 346 in »Schutzhaft« zu nehmen. Man kam davon aber wieder ab, weil Bürgermeister Schmid und Kreispropagandaleiter Alfred Compost 347 meinten, dass die Wurzel des Übels tiefer sitze, nämlich auf sozialem Gebiet, und dass mit staatspolizeilichen Zwangsmaßnahmen nichts zu erreichen sei. Die Gestapo resümierte: »Der wahre Grund für die vielen Feierschichten ist letzten Endes darin zu sehen, dass den Arbeitern in Blumberg nach vollbrachtem Tagewerk jede Möglichkeit fehlt, ihren Feierabend auf anständige Art und Weise zu verbringen. Die Folge davon ist, dass sie die Wirtshäuser aufsuchen, beim Alkohol die einzige Ablenkung finden und ihren Lohn vertrinken« 348 . Andererseits klagte das DBG-Management, die örtliche Gastronomie habe »völlig versagt« 349 , weil durstige Bergarbeiter nach dem Schichtwechsel um 22 Uhr oft vor geschlossenen Wirtshaustüren standen. Für sie und etwa 700 Bauarbeiter, die Mitte 1937 in Blumberg tätig waren, richtete die DBG einen eigenen Alkoholausschank in ihrer Kantine ein. Die Firmenleitung musste sich dabei gegen den heftigen Protest von Schmid durchsetzen, der die Bergleute angeblich vor dem Alkohol bewahren wollte, dabei aber wohl auch den Konkurrenzschutz der lokalen Gastronomie fest im Blick hatte 350 . Zu Kriegsbeginn wurden die Zügel gegenüber dem Bergbaupersonal reichsweit angezogen. Das Berliner Zentralbüro der DAF stellte Ende 1939 ein Ansteigen der Krank- 344 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 345 DBG-GVP v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 346 Bericht Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9 A/ 88. 347 Alfred Compost (27.4.1884 Offenburg - 28.3.1960 Donaueschingen): Schlossermeister, ab 1919 Miteigentümer der Donaueschinger Waagenfabrik Compost & Heil, Pg. ab 1931, 1933-1935 Kreispropagandaleiter in DS, SS-Mitglied ab 1938, SS-Untersturmführer, 1937-1945 Außenstellenleiter des SD in DS, 1945-1948 in Hüfingen und Freiburg interniert, 1949 als Minderbelasteter entnazifiziert. StAF D 180/ 3-393. 348 Bericht Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9A/ 88. »Dieses ehemalige Gasthaus ›Zum Frieden‹ hatte in der Bergmannszeit des Doggererz-Abbau in Blumberg mit ca. 7.800 Liter Bier im Monat (! ) den höchsten Bierausstoß. Das Lokal war so gut besucht, dass unsere Tante Karoline zwei Bedienungen nebst Küchenhilfe beschäftigte, die zum größten Teil Bier ausschenkten und servierten. Die Theke war so lang, dass die Bergleute nebeneinander und hintereinander stehend, so wie sie es aus dem Saarland und dem Rheinland her kannten, das Bier tranken. Es kam auch vor, dass das Lokal rund um die Uhr geöffnet war, weil im Doggererz-Werk in drei Schichten gearbeitet wurde. […] Der Drang der Bergarbeiter in die Wirtschaft ›Zum Frieden‹ zu gehen war zum Teil so stark, dass sie die Familie zu Hause vergaßen. Deshalb kam es auch vor, dass Mütter mit ihren weinenden Kindern in der Nacht die Wirtschaft aufsuchten, um ihre betrunkenen Männer nach Hause zu holen«. Knöpfle, Lebensbilder, S. 31. 349 DBG an Gendarmerie Riedböhringen v. 19.8.1937, StAB V/ 2. 350 Schmid an Bezirksamt DS v. 3.8.1937, StAB III/ 4. 146 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 37: Eintrag von Blumberger Bergleuten im Gästebuch des Traditionshauses »Scheffellinde« zu Achdorf. Bild: Familie Wiggert-Hille, Achdorf. 147 5. Objekte der Macht heitsfälle im Bergbau fest und forderte die Betriebsobmänner auf, Namenslisten von »notorischen Bummelanten« 351 einzureichen, damit diese vertrauensärztlich untersucht, polizeilich verwarnt oder durch die Gestapo verhaftet werden könnten. Dabei schoss man offenbar weit über das Ziel hinaus, denn die Knappschaftliche Krankenversicherung beschwerte sich umgehend bei der DAF, »dass Erkrankte und auch Verletzte bei den […] Nachuntersuchungen arbeitsfähig geschrieben wurden, trotzdem erkennbar war, dass ihnen die Arbeitsaufnahme unmöglich ist« 352 . Der bereits erwähnte DAF-Kreisobmann Lucas bestritt dagegen die Existenz derartiger Fälle in seinem Verantwortungsbereich und warf stattdessen der Knappschaft vor, dass sie in Blumberg »eine ziemlich grosse Zahl Simulanten unterstützt. […] Es ist ein untragbarer Zustand, eine Krankenziffer von 12 % zu haben, wovon ein grosser Teil Ausländer sind« 353 . Demgemäß hatte Lucas nichts gegen schärfere Sanktionen gegen die eigenen Mitglieder einzuwenden, jedoch immer nur in »einer Form, dass nicht wir als Auftraggeber für die Verhaftungen usw. in Erscheinung« 354 treten. Tatsächlich erließ Bornitz im Mai 1940 »strenge Massnahmen zur Ahndung willkürlicher Feierschichten« 355 , die angeblich äußerst wirksam waren. Offenbar hielt der Erfolg aber nicht lange an: Ein halbes Jahr später versprach nämlich Reichstreuhänder Wilhelm Kimmich 356 notorische Bummelanten »in das Konzentrationslager nach Ellwangen zum Zwecke der Erziehung [zu] stecken. Auf diese Weise würde man die Bummelei mit Stumpf und Stiel ausrotten« 357 . Um seine Arbeiter an den Betrieb zu binden, unternahm Bornitz einige Anstrengungen: Er ließ das Barackenlager verschönern und erhebende Betriebsappelle mit dem Kreisleiter abhalten. Zur Klimaverbesserung und zur ideologischen Festigung warb die DBG einen Schulungsleiter von der NS-Ordensburg Krössinsee als Sozialreferenten an, der den Aufbau von Werk- und Sportgemeinschaften, von Sing- und Musikscharen organisieren sollte. Der bereits zitierte Kriminalbeamte Denecke quittierte das Unterfangen mit großem Beifall, denn es sei »schon viel wert, wenn die Arbeiter sehen, dass es überhaupt einen Menschen gibt, der sich um sie kümmert« 358 . Die KdF-Organisation organisierte den gemeinsamen Besuch von Kino- und Konzertveranstaltungen in Donaueschingen 359 . Das Werk initiierte Vorträge über Fliegerei 360 und Ziegenzucht 361 , fand damit aber nicht immer große Resonanz. Im Herbst 1938 gründete sich ein 18köpfiger Werks-Musikzug 362 . Gleichzeitig begann die regionale Presse damit, regelmäßig Nachrichten aus dem 351 DAF-Fachamt Bergbau Zentralbüro Berlin an DAF-Gauwaltung Baden v. 9.12.1939, Archiv Hönle. 352 DAF-Fachamt Bergbau RS 12/ 40 v. 12.2.1940, Archiv Hönle. 353 DAF-Kreisleitung an DAF-Gauwaltung Baden v. 21.2.1940, Archiv Hönle. 354 DAF-Kreisleitung DS an DAF-Gauwaltung Baden v. 9.1.1940, Archiv Hönle. 355 DAG-MB Mai 1940, StAF V 500/ 1. 356 Wilhelm Kimmich (25.6.1888 Kleinsachsenheim - 1957): Jurist, ab 1923 Schlichter in der Tarifpolitik, 1933-1942 Reichstreuhänder der Arbeit Südwest, 1942-1945 MD im RAM, Pg. seit 1933, 1948 als Mitläufer eingestuft, dessen »Haltung stets menschlich anständig gewesen« sei. HStASt J 191, StAL EL 902/ 20-72303. 357 Aktennotiz W. Berger über die Besprechung mit Kimmich am 14.11.1940, GLA 478/ 29. 358 Bericht Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9 A/ 88. 359 DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7. 360 Schwarzwälder Tagblatt v. 26.1.1938. 361 Schwarzwälder Tagblatt v. 15.9.1938. 362 Schwarzwälder Tagblatt v. 20.10.1938. 148 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Saarland abzudrucken. Als festlicher Höhepunkt fand stets im Dezember eine humorvolle Barabarafeier statt, in der Belegschaft und Gäste aus der Politik 1937 den Auftritt einer afrikanischen Tänzerin erleben durften 363 . Sogar Röchling besuchte das Fest. Auch das Blumberger Kulturangebot erfuhr eine Bereicherung. 1938 wurde ein Kino eröffnet, dessen Besitzer allerdings über mangelnden Zuspruch klagte. Die Maßnahmen trafen auf eine apathische Zielgruppe. Mitte 1938 stellte Ortspfarrer Karl Hüfner 364 fest, viele der Zugezogenen seien »verbittert, weil sie wandern mussten und wollen vorerst überhaupt von nichts wissen. Sie sind unzufrieden« 365 . Hüfner kümmerte sich seelsorgerisch um die stark wachsende Zahl der katholischen Bergarbeiter, stieß aber bei seiner männlichen Klientel auf derart geringe Resonanz 366 , dass ihm der Mut fehlte, die Männer zusammenzurufen: »Die Bauern haben wenig Zeit und die Siedler wenig Lust. Ich glaube, es gäbe ein Fiasko«. Auch bei Frauen und Kindern blieb Hüfner erfolglos. Als Ursache machte er eine religionsfeindliche Einflussnahme durch die Schule und Ortsgruppenleiter Schmid aus, der dem Christentum »sehr feindlich gesinnt« 367 sei. Die Leitung der DBG tat das Ihre und verbot Priestern den Zutritt zu ihren Barackenlagern 368 . 1939 zog Hüfner desillusioniert Bilanz: Blumberg sei einer der schwersten Posten. Man brauche viel Optimismus und dürfe keine Mühe scheuen, den Menschen nachzulaufen. Der Ort weise ein zusammengewürfeltes, geradezu internationales Publikum auf, »zum Teil entwurzelt durch lange Arbeitslosigkeit, verbittert durch eine manchmal zwangsweise zu nennende Verpflanzung nach Blumberg« 369 . Da die Personalfluktuation anhielt, griff Bergwerksdirektor Bornitz bald nach jedem Strohhalm. Im Juli 1938 teilte er Bürgermeister Schmid mit, dass binnen zweier Wochen »wieder 35 Mann gekündigt haben. Die Gründe sind wieder sehr undurchsichtig, und bitten wir Sie, schon jetzt diese einzelnen Leute dahingehend zu bearbeiten, dass dieselben […] unseren Betrieb nicht verlassen« 370 . Schmid hatte zwar in keinem einzigen Fall Erfolg, fand aber heraus, dass eine ungerechte Behandlung, die schlechten Wasserverhältnisse im Stollen oder eine als zu hoch angesehene Miete die Leute davon abhielten, ihre Familien nach Blumberg zu holen. Wieder andere erklärten, dass sie abkehren würden, weil sie im Abbau bald jeden Tag an einer anderen Stelle eingesetzt worden seien und auch immer wieder andere Arbeitskameraden zugeteilt bekommen hätten. Der frustrierte Bornitz brachte kein Verständnis für sie auf. Für ihn waren es »asoziale Elemente« 371 , deren Wanderlust und »Mangel an Arbeitswillen« 372 den Betriebsaufbau und die Wehrkraft des Reichs gefährdeten. 363 Schwarzwälder Tagblatt v. 10.12.1937. 364 Karl Hüfner (22.1.1902 Bruchsal - 28.5.1981 Stein/ Kocher): 1937-1939 Pfarrverweser in Blumberg, danach in Waltershofen bei Freiburg und Stein. Biografie: Spintzig, Kirchengeschichte, S. 228-232. 365 Bericht Hüfner an EBO Freiburg v. 28.9.1938, EBOAF B4/ 1066. 366 »Männerseelsorge ist sehr schwer. Zweidrittel sind durch die Schichtarbeit entschuldigt. Das religiöse Bedürfnis der Männer ist sehr gering. Die wenigen Männer, die zur Kirche kommen, werden von den vielen verspottet«. Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 29.6.1939, EBOAF B4/ 1066. 367 Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 28.9.1938, EBOAF B 4/ 1066. 368 Hüfner an Martinelli v. 8.8.1939, AKPAB XII. Siehe auch: Spintzig, Kirchengeschichte, S. 231. 369 Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 29.6.1939, EBOAF B4/ 1066. 370 DBG an Schmid v. 15.7.1938 (StAB III/ 4). Schmid antwortete der DBG am 28.7.1938, StAB III/ 4. 371 DBG (Bornitz/ Heyer) an Ministerpräsident Köhler v. 16.7.1938, LGRB 9 A/ 88. 372 DBG (Bornitz) an Landschütz v. 16.7.1938, LGRB 9 A/ 88. 149 5. Objekte der Macht Wer sich unter den Verheirateten doch zum Bleiben entschlossen und eine Mietwohnung bei der Badischen Heimstätte beantragt hatte, der musste sich einem Auswahlverfahren stellen, in dem neben der Werksleitung auch Betriebsobmann Karl Kurz und die regionalen Funktionäre von Partei und DAF mitwirkten. Als Ortsgruppenleiter von Blumberg war auch Schmid beteiligt. Naturgemäß legten er und der Donaueschinger Kreisleiter Walther Kirn 373 großen Wert auf die rechte Gesinnung der Mieter. Kirn schreckte nicht vor Repressionen gegen das Management der Badischen Heimstätte zurück, um alte Parteikämpfer bei der Wohnungsvergabe zu bevorzugen 374 . Mit der Begründung, dass sich ihm »gewisse Bedenken gegenüber der politischen Zuverlässigkeit des größten Teils der Arbeiter« aufdrängten, forderte Kirn im November 1937 die Karlsruher Behörden auf, eine Mindestzahl »politisch unbedingt zuverlässiger« 375 Gewerbetreibender in den Wohnungen unterzubringen. Das Innenministerium erkundigte sich umgehend bei der Badischen Heimstätte nach dem Leumund ihrer ersten Mieter, doch musste diese passen. Sie konnte nur bestätigen, dass die von ihr ausgesuchten Bergarbeiter keine Vorstrafen aufwiesen, doch habe man deren politische Zuverlässigkeit nicht überprüfen können. Man sei ja ernsthaft bestrebt, »eine in jeder Hinsicht möglichst einwandfreie Mieterschaft zu bekommen, aber in Anbetracht der Verhältnisse und der geringen Auswahlmöglichkeit werden unsere Wünsche ja wohl nicht erfüllt werden können«, denn bei dem reichsweiten Arbeitermangel sei »kaum damit zu rechnen, dass die Arbeitsämter im Saargebiet und im Hunsrück die besten und zuverlässigsten Arbeiter nach Blumberg entsenden werden« 376 . 373 Walther Kirn (12.6.1891 Mühlen - 9.9.1944 Bruchsal): Sohn eines Pfarrers und späteren Schulrats, 1909 Abitur in Stuttgart, landwirtschaftliches Studium (abgebrochen), 1914-1918 Kriegseinsatz, 1919- 1920 Tätigkeit auf Eschenau, dem Gut seines Schwiegervaters, 1921-1922 Filialleiter eines Milchversorgungsverbands in Freudenstadt, 1922 Gründung eigener Firmen, 1924 Konkurs, 1924-1927 Filialleiter eines landwirtschaftlichen Büros in Schwäbisch Hall, 1926 Kauf des Königshofs in Deisendorf, 1939 Notverkauf trotz 1936 erfolgter Entschuldung; Pg. seit 1931, Ortsgruppenleiter in Deisendorf, 1933-1937 Bürgermeister von Salem, 1935-1937 persönlicher Adjutant von Reichshauptamtsleiter Robert Öxle, 1937-1940 Kreisleiter in DS, 1940-1942 Kreisleiter in Rappoltsweiler/ Elsass, 1942 freiwillige Meldung zum Osteinsatz, 1942 NSDAP-Stabsleiter in Minsk, Ausschluss aus der NSDAP am 31.8.1942, vom Sondergericht Straßburg am 20.4.1943 wegen schwerer Untreue als Volksschädling zu 9 Jahren Zuchthaus verurteilt, in Haft an Herzschwäche verstorben. HStASt M 430/ 3-5707, BAB R 3001/ 151862 und NSDAP-Mitgliederkartei, Ausk. Standesamt Horb, Stadtarchive Bruchsal, Obersulm und Überlingen. Biografie: Seidelmann, Walther Kirn. 374 Erklärung Ernst Blechschmidt im Fragebogen zu seiner Entnazifizierung, GLA 465a/ 54/ 22/ 726. 375 BRSH-Planungsreferent (Feldmann) an Innenminister Pflaumer v. 4.11.1937, GLA 478/ 7. 376 BH an BMI v. 17.12.1937, StAB III/ 4. Wie stark im Leben der Wohnungsanwärter herumgeschnüffelt wurde, dokumentiert ein Verfahren um die Vergabe einer Siedlerstelle in Blumberg. Schmid holte dazu ein »kriminalbiologisches Gutachten« über einen vorbestraften Antragsteller ein. Darin wurde er nicht nur über die Vita des Bewerbers informiert (schon als 14jähriger Junge kriminell und sittlich verwahrlost, schwach begabt, lügenhaft, sehr willensschwach, Anlage zur Heuchelei), sondern auch über die angeblich anomale Veranlagung der Mutter sowie den Alkoholismus und die Tobsuchtsanfälle des Bruders. Daraus ergab sich dann zwangsläufig, dass der Proband mit einer »moralischen Abwegigkeit« und »mit einer psychopathischen Konstitution, also mit einer Minderwertigkeit in Verbindung zu bringen« sei. Auch seine Ehe mit einer »sehr guten, fleißigen und liebevollen Frau« änderte nichts mehr daran, dass der Bewerber »weder die persönlichen noch erbbiologischen Qualitäten« aufbrachte, um eine Siedlerstelle zu erhalten. Kriminalbiologisches Gutachten der Kriminalbiologischen Sammelstelle München zu Jakob P. v. 13.2.1937, StAB III/ 4. 150 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Die Umzüge endeten für manche Familien im Chaos: Oft waren die Wohnungen nicht rechtzeitig fertig geworden, und die Neuankömmlinge mussten mit Notquartieren auf Bauernhöfen vorlieb nehmen. Als sie dann endlich einziehen konnten, fehlten, zumeist im beginnenden Winter, Türen und Fenster 377 . Der Umzug vom Saarland nach Blumberg erwies sich häufig als Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie. Da die Leute oft mittellos waren, beglich das Arbeitsamt zwar ihre Umzugsrechnung, schrieb ihnen aus Kostengründen aber bisweilen vor, ihr Mobiliar als unversichertes Bahn-Stückgut zu versenden, was sechs bis acht Tage dauerte und zumeist Transportschäden hervorrief. Weil sich der Blumberger Bahnhof weigerte, saarländische Frachtgutscheine anzuerkennen, mussten zwei Familien wochenlang auf ihren Hausrat warten. Erst nach einem grotesken Disput über Fragen der Zuständigkeit, an dem sich zwei Arbeitsämter, eine Reichsbahndirektion, zwei Bahnhöfe und die Geschäftsleitung der DBG zu beteiligen hatten, klärte sich die Lage 378 . Die zugezogenen Familien waren oft kinderreich und durch längere Arbeitslosigkeit bitterarm. Ihre erbärmliche Haushaltsausstattung war Gegenstand einer mitleidigen Berichterstattung, in der die NSV publizistische Triumphe ihres Wirkens feiern konnte 379 . Die katholische Kirche und ihre Sozialeinrichtungen wurden in dieser prestigeträchtigen Angelegenheit von Schmid an den Rand gedrängt 380 . Ihre Helfer, wie etwa den Blumberger Apotheker Alfred Bausch, einen trotz seiner Parteizugehörigkeit gläubigen Katholiken, strafte er mit Boykott und Verachtung 381 . Schmid und das Innenministerium 382 sahen in den Blumberger Neubürgern ein parteifernes Gefahrenpotential mit charakterlichen Defiziten 383 , das man dem Einfluss der Kirche entziehen und durch eine Mischung aus Indoktrination und Wohltaten entschärfen musste 384 . Daher grub die NSV kirchli- 377 Auskunft Zeitzeugin Hildegard Recktenwald. 378 DBG an AAV v. 26.11.1937, StAB III/ 4. 379 Schwarzwälder Tagblatt v. 18.10.1938. Die NSV hatte im Januar 1938 eine Hauptstelle in Blumberg unter der Leitung von Pg. Gaisser eingerichtet. Schwarzwälder Tagblatt v. 3.1.1938. 380 »Unsere drei Gengenbacher Krankenschwestern tun alles, was sie tun können. Doch sind sie von der weltlichen Behörde (Rathaus) nicht gerne in den Siedlungen gesehen. Man betrachtet anscheinend die Siedlungen als ein Gebiet, das uns verschlossen sein soll«. Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 28.9.1938, EBOAF B 4/ 1066. 381 »Die NS-Schwesternstation, die Kinderkrippe, sowie das Säuglingsheim bezogen ihren Bedarf grösstenteils von auswärtigen Apotheken, während der Bürgermeister es ablehnte, weiterhin wie bisher für den Bedarf der kathol. Krankenschwesternstation aufzukommen«, so Bausch nach dem Krieg. StAF D 180/ 2-141644. Bauschs Aussagen dienten sicher der eigenen Entlastung, erscheinen aber angesichts gleichlautender Zeugnisse von Pfarrer Hüfner glaubwürdig. 382 Das BMI fürchtete, dass »die Gesamtzusammensetzung der Arbeiterschaft in Zukunft zu erheblichen Schwierigkeiten führen wird, wenn es nicht gelingt, durch entsprechende Einwirkung einen günstigen Einfluss zu gewinnen. Ich sehe hier eine bedeutsame Aufgabe der Arbeitsfront und der NSV«. BMI an BRSH v. 12.1.1938, GLA 478/ 8. 383 So mokierte sich das BMI, es würden »nicht die körperlich und charakterlich tüchtigsten Kräfte nach Blumberg abgegeben«. BMI an RAM v. 7.3.1938, GLA 478/ 8. 384 1942 brüstete sich Schmid rückblickend: »Eine ganz aussergewöhnliche, schwierige Aufgabe der Menschenführung war durch den Zuzug der vielen wurzel- und heimatlosen Menschen zu lösen. Ein Großteil dieser fühlte sich mit dem NS-Staat in keiner Weise verbunden, waren zunächst an ein geregeltes Arbeiten zu gewöhnen und in eine ordentliche Lebensführung erst wieder einzugliedern, vor allem auch ein Teil der vielen aus dem Saargebiet zugezogenen Bergarbeiterfamilien, die durch mehrere Jahre ihrer Arbeitslosigkeit unter der französischen Fremdherrschaft völlig haltlos geworden waren. Durch engste Zusammenarbeit der Gemeindeverwaltung und der NSDAP. konnten die zugezogenen, haltlo- 151 5. Objekte der Macht chen Aktivitäten eilends das Wasser ab und baute in Blumberg eine Schwesternstation, einen Kindergarten 385 und ein Säuglingsheim. Dennoch trat Mitte 1940 der reichsweit einzigartige Fall auf, dass sich 20 % der besuchten Bergarbeiterfamilien weigerten, eine Betreuung von der NSV anzunehmen, was Pg. Zeichner in Vertretung von NSV-Reichsamtsleiter Erich Hilgenfeldt nach Blumberg reisen ließ 386 . Trotz aller ideologischen Motivation wird man dem Blumberger Bürgermeister und denen, die praktische Hilfe leisteten, eine echte Anteilnahme am Schicksal der Bergarbeiterfamilien und den aufrichtigen Wunsch, ihnen zu helfen, keinesfalls absprechen können. Schmid wurde von den Saarländern durchaus in einem positiven Licht gesehen 387 . Das galt auch für Magdalena Vetter 388 . Verbittert setzte sich nach dem Krieg die langjährige Leiterin der Blumberger NS-Frauenschaft gegen ein hartes Spruchkammerurteil mit dem Argument zur Wehr, sie habe doch nur dazu beigetragen, »den Ärmsten der Armen in Blumberg, die grosse Not hatten, zu helfen. Ich half manche Arbeit in den armen Familien verrichten, die von manchen Kreisen, die heute über mich zu Gericht sitzen, abgelehnt wurde. Zu diesen Arbeiten zählten: vernachlässigte Kinder pflegen, ihre Wäsche und Bettzeug in Ordnung bringen, damit sie in ihrem Lager nicht verfaulen und viele andere nicht angenehme Arbeiten verrichten. […] Ich müsste heute für meine an den armen Menschen und Kindern geleistete soziale und caritative Tätigkeit ein Lob ernten, statt mit der Konfiszierung meines Vermögens eine der schwersten Strafen, die es geben kann, entgegen zu nehmen« 389 . Die Wohnverhältnisse für die Bergarbeiterfamilien waren prekär: Einerseits hatten sie wegen der hohen Baukosten teure Mieten zu tragen 390 , andererseits erwiesen sich die Räume als deutlich zu klein 391 . Auch die Aufteilung vieler Häuser in dreiräumige Erdgeschosswohnungen und zweiräumige Appartements im ersten Stock war nicht bedarfsgerecht. Letztere standen oft leer, weil es zu wenige kinderlose Paare gab; andererseits verspürten die Großfamilien in den für ihre Verhältnisse viel zu klein geratenen Parterrewohnungen drangvolle Enge. Soweit sie finanziell überhaupt in der Lage waren, zusätzlich auch die oberen Räume zu mieten, hatten sie schwere Belastungen zu tragen 392 . Aus sen Menschenmassen in aufopfernder, unermüdlicher Arbeit innerhalb der rückliegenden 3-4 Jahre zu einer ordentlichen Gemeinschaft zusammengefügt werden, wobei es sich ausserordentlich vorteilhaft auswirkte, daß der Endesunterzeichnete nicht nur als Bürgermeister, sondern auch als Ortsgruppenleiter der NSDAP. tätig sein konnte«. Denkschrift Schmid v. 30.4.1942, StAB 793.53. 385 Der von NS-Schwestern betreute Kindergarten mit 120 Plätzen nahm im August 1939 seinen Betrieb auf. DBG-Denkschrift »Schwierigkeiten […]« v. 30.10.1939, LGRB 10 A/ 109. 386 DAG-MB Juli 1940, StAF V 500/ 1. 387 Ausk. Zeitzeugin Hildegard Recktenwald. 388 Magdalena Vetter (13.11.1900 Blumberg - 15.9.1991 Stühlingen): Landwirtin, Pg. seit 1937, NSF- Leiterin 1937-1945, 1946 zusammen mit Ehemann Hermann Vetter mehrere Wochen inhaftiert. Die Entnazifizierung der Magdalena Vetter erwies sich als Machtkampf zwischen den Spruchkammern, die sie milde beurteilten, und der Militärregierung, die eine Verurteilung als Belastete anstrebte und mehrere Spruchkammerurteile aufhob. Bei dieser Auseinandersetzung stellte sich der Stadtrat von Blumberg im Juni 1947 geschlossen hinter Magdalena Vetter, die 1950 schließlich als Mitläuferin eingestuft wurde. 389 Begründung zum Revisionsantrag Magdalena Vetter v. 1947, StAF D 180/ 2-146719 und D 180/ 2- 146475. 390 Denkschrift Bornitz »Notwendigkeit, Umfang […]« v. 4.1.1939, LGRB 10 A/ 109. 391 Vermerk Aufsichtsratsvorsitzender SDO v. 16.7.1943, GLA 478/ 16. 392 Für wirtschaftlich tragbar hielt man Mietbelastungen von maximal 20 % des Nettoeinkommens. Die- 152 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Kostengründen gab es kein Bad; die Toilette war von beiden Mietparteien gemeinsam zu nutzen, was zu dem kuriosen Zustand führen konnte, dass »ein Marmeladeeimer der Familie als Abortersatz im Dachgeschoss dient, der des Nachts und auch tagsüber im Podest des Treppenhauses Aufstellung findet und naturgemäß einen üblen Geruch verbreitet, ab und zu wird er entleert, nicht in die Abortgrube, sondern weil einfacher hinter das Haus« 393 . Da die Familienväter Wanzen und Läuse aus den Baracken einschleppten, wurde die Siedlung von einer Ungezieferplage befallen. Allein im vierten Quartal 1940 musste der Kammerjäger über 150 Wohnungen begasen. Der DAG blieb nichts anderes übrig, als 1941 eine Desinfektionsanstalt für alle Blumberger Bürger zu errichten 394 . Das Kalkül, die Mieter könnten die 300 m² großen Gärten zum Gemüseanbau nutzen und damit ihre Haushaltslage verbessern, ging nicht auf. Da beim Hausbau auf die Einlagerung des Humusbodens verzichtet worden war, verwandelten sich die Gärten bei Regen in Morast, der für den Anbau völlig ungeeignet war. Bauliche Provisorien blieben lange erhalten: Rund um die Häuser fehlten die nötigen Anschüttungen, »sodass man die erste Treppe in einem Meter Höhe erreichen kann. Mit Brettern und allen möglichen Notbehelfen suchen die Leute zu erreichen, dass sie ohne Schwimmhäute in ihre Wohnung gelangen« 395 . Da man zudem die Befestigung der Gehwege in den Siedlungen für »entbehrlich« 396 gehalten hatte, stellte der Donaueschinger Kreisleiter Walther Kirn 1939 verärgert fest: »Bei dem derzeitigen Regenwetter gleicht die gesamte Stadt Blumberg einem Schlammbad, sodass es verständlich ist, wenn jedem da droben Lust und Liebe zum bleiben [! ] gründlich vergeht« 397 . Als unattraktiv für die Neubürger erwies sich auch, dass jahrelang keine Müllabfuhr existierte, weshalb sich rasch wachsende Abfallhalden vor den Häusern auftürmten. An den Bergarbeiterwohnungen tauchten schnell Baumängel auf: Waren die ersten 64 Einheiten noch von einheimischen Handwerkern in akzeptabler Qualität errichtet worden, so änderte sich dies, als größere Unternehmen hinzukamen. In einer Zeit zunehmenden Materialmangels hastig von auswärtigen Baufirmen errichtet, die keine Erfahrung im Umgang mit den besonderen klimatischen Verhältnissen der Baar aufbrachten, erwiesen sich viele der schlecht gedämmten Häuser bald als sanierungsreif. Als Ende 1940 DBG- Architekt Wilhelm Wurm die Bergarbeitersiedlung untersuchte, stellte er einen langen Katalog gravierender Mängel auf. Besonders die allgegenwärtige Feuchtigkeit bereitete Probleme: »In den ungeheizten, bezw. nicht heizbaren Räumen hängen die Tapeten von den Wänden. Letztere sind feucht und schimmelig. An Möbelstücken sind Schubladen nicht zu bewegen und durch Werfen von Schranktüren entstehen erhebliche Schäden« 398 . ses betrug für DAG-Arbeiter 1940 durchschnittlich RM 145,50 und musste zum größten Teil für die Ernährung ausgegeben werden. Die Mieten lagen zwischen RM 15 für eine Zweiraumwohnung und RM 43,30 für ein Einfamilienhaus mit fünf bis sechs Räumen. BH an BMI v. 2.4.1941, GLA 478/ 29. 393 SDO an Schmid v. 27.5.1940, StAF G 11/ 2-193. 394 Aktenbefund StAF G 11/ 2-193. 395 Kirn an Landesplaner Feldmann v. 7.3.1939, StAB II. 396 RAM an BMI v. 16.8.1938, GLA 478/ 9. 397 Kirn an Landesplaner Feldmann v. 7.3.1939, StAB II. 398 Das Gutachten v. 22.11.1940 moniert feuchte, schlecht isolierte und zu dünne Außenwände; stark frostgefährdete Wasserleitungen, fehlende Drainage; undichte Abortgruben, durch deren Wände Fäkalienwasser in die Häuser dringe; mangelhafte Lüftungsmöglichkeiten, chronisch verstopfte Sanitäranlagen als Folge unterdimensionierter Rohrdurchmesser, Wassereinbrüche in den Kellern, schlecht schließende 153 5. Objekte der Macht Zwei Wohnungen befanden sich in extrem gesundheitsgefährdendem Zustand, so dass der Landrat sie räumen ließ 399 . Die unter Druck geratene Siedlungsgesellschaft wehrte sich mit dem Vorwurf, die »Qualität« der von der DBG benannten Mieter sei »größtenteils derart miserabel« gewesen, dass die neuen Wohnungen binnen kürzester Zeit »in geradezu unglaublicher Weise verschmutzt und verwohnt« 400 worden seien. Die Versorgung der stark wachsenden Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen war schlecht. Da es der Blumberger Gemeindeverwaltung nicht gelang, die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte bedarfsgerecht zu erhöhen, entstand bald eine prekäre Lage. Für etwa 4.500 Einwohner gab es 1939 zwei Metzgereien, drei Bäckereien und vier Lebensmittelläden. Das Angebot an Oberbekleidung, Textilien und Schuhen war völlig ungenügend 401 . Schlachtungen fanden in einer Autogarage statt. Der Mangel an Einzelhandelsgeschäften wirkte sich nach Kriegsbeginn geradezu dramatisch aus. 1940 monierte die Badische Heimat, das neu eingeführte Abgabesystem gegen Lebensmittelmarken verzögere die Bedienung der Kunden derart, dass es nicht selten vorkomme, dass die Hausfrau bei Heimkehr des Bergmanns noch kein Essen habe zubereiten können oder dass das Feuer ausgegangen sei und der Bergmann mit den heimgekehrten Schulkindern in der kalten Wohnung sitzen müsse 402 . Da der erforderliche Bau von Geschäftshäusern kriegsbedingt nicht mehr zu realisieren war, blieb die unbefriedigende Versorgungslage bis Kriegsende und darüber hinaus bestehen. Vor Kriegsausbruch wollten Wandergewerbetreibende den Angebotsmangel lindern, doch lehnte Bürgermeister Schmid dankend ab, weil die Antragsteller »nicht unter genügender polizeilicher Kontrolle« 403 stünden. Die Vorbehalte scheinen nicht unbegründet gewesen zu sein, wie ein Bericht der Gestapo von 1938 zeigt, der sich - in zeittypischem Jargon - über die hohe Zahl an ausgenommenen Bergarbeiterfamilien mokiert: »Es ist bezeichnend für die Geisteshaltung dieser primitiven Menschen, dass sie, die nach vielen Jahren zum ersten Male wieder etwas mehr Geld verdienen, als zum Leben unbedingt nötig ist, sich von skrupellosen Vertretern, die den ganzen Ort überschwemmt haben, wie Kinder ausbeuten lassen. Selbst die verheirateten Arbeiter in den Siedlungshäusern haben sich die schönsten und kostbarsten Wohnungseinrichtungen aufschwatzen lassen. Natürlich konnten sie die übernommenen Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten, sodass zur Zeit sämtliche Keller des Bürgermeisteramtes mit gepfändeten Möbeln überfüllt sind« 404 . Türen, Fenster und Läden; undichte Dächer und starke Setzrisse an den Kaminen. StAB II/ 1. 399 Landrat DS an BH v. 22.4.1941, StAB II/ 1. 400 SDO (Wirths) an DBG v. 6.5.1941, GLA 478/ 32. 401 DBG-Denkschrift »Schwierigkeiten […]« v. 30.10.1939 , LGRB 10 A/ 109. 402 BH-Geschäftsstelle Blumberg an BH-Zentrale, Karlsruhe v. 10.1.1940, StAB III. 403 Schmid an Bezirksamt DS v. 11.8.1938, StAF G 11/ 2-174. 404 Bericht Kriminalkommissar Denecke v. 15.12.1938, LGRB 9 A/ 88. 154 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 38: Fachkräftezuzug aus dem Ruhrgebiet. Bild: Stadtarchiv Blumberg. Abb. 39: Im Blumberger Neubaugebiet. Bild: Sammlung Prillwitz. 155 5. Objekte der Macht b) »Vollkommen entrechtet« - die Unterwerfung einer Region Anfang 1936 war Blumberg eine wirtschaftlich gesunde Kommune von etwa 700 Einwohnern, die einen solide finanzierten Jahresetat von rund 22.000 RM besaß. Ihre Bevölkerung lebte von Ackerbau und Viehzucht oder aber vom Handwerk mit einer ergänzenden Nebenerwerbslandwirtschaft 405 . 1937 wurden dem Dorf schmerzhafte Veränderungen aufgezwungen: Als industrieller Fremdkörper drang die DBG rücksichtslos in die gewachsene Sozialstruktur des Ortes ein und wunderte sich über den Widerstand. 1947 gab Bergwerksdirektor Hans Bornitz rückschauend folgende Bewertung ab: »Die Bevölkerung ist der verkehr[s]entrückten Lage entsprechend in sich gekehrt und verschlossen. Sie lebt zum größten Teil von kärglicher Kleinbauernwirtschaft. […] Der mit diesen inneren, technischen Schwierigkeiten ringende Bergbau fand äusserlich keine freundliche Aufnahme oder auch nur Verständnis, sondern strickte [! ] Ablehnung. Die ›Einheimischen‹ wollten vom Eindringen der Industrie in diesen entlegenen, ruhigen, land- und forstwirtschaftlichen Winkel nichts wissen und ließen das die ›fremden‹ Bergleute von der Saar offen spüren. […] Die Ortsansässigen selbst waren taub gegenüber dem unermüdlichen Werben des Bergbaues. […] Tiefbohrungen und Schürfe wurden durch fortgesetzte Einsprüche von Wald- und Feldbesitzern, Privaten wie Gemeinden gestört. Klagen über Wege- und Flurschäden rissen nicht ab. Um jedes Stück Gelände, und wenn es nur für einen Leitungsmasten war, gab es Zank und Streit. […] Die Waldbesitzer protestierten gegen den Bergbau wegen Grundwasser-Entzug und gegen die Erzröstung wegen Rauchschäden, noch bevor der Abbau in grösserem Umfang und die Röstung überhaupt lief« 406 . Völlig unwillkommen war der Erzabbaubetrieb auf der Baar sicher nicht, fanden doch zahlreiche Arbeitslose und Nebenerwerbslandwirte nach der großen Krise erstmals wieder eine bezahlte Arbeit. Auch die örtlichen Handwerker und Einzelhändler lehnten die Zwangsindustrialisierung meist nicht ab. Zweifellos aber betrachteten viele Einheimische die zugereisten Bergleute als Störfaktor in ihrer ländlichen Heimat. Eine Integration dieser Menschen aus dem urbanen Milieu fand kaum statt. Die negativen Konsequenzen des sozialen Wandels, Alkoholismus 407 , Kriminalität 408 und ungewohnt lockere Moralvorstellungen, schreckten viele Alteingesessene ab. 1939 stellte Pfarrer Hüfner fest: 405 Denkschrift zum Wirtschaftsplan der Gemarkung Blumberg (1937), GLA 478/ 1. 406 Tätigkeitsbericht Bornitz v. 19.6.1947, LANRW NW 1022 B-38022. 407 »Die Blumberger Bevölkerung bestand während und nach dem Krieg zu ca. 90 Prozent aus zugewanderten Volksgruppen aus ganz Europa. Bei Tanzveranstaltungen im großen Festsaal des Gasthauses ›Adler‹ kam es immer wieder zu Schlägereien mit auswärtigen Gästen. Durch den Zuzug der vielen vorbestraften Bürger und der damit verbundenen Schlägereien in den Gasthäusern und Kantinen bekam Blumberg auf Jahre hinaus einen schlechten Ruf, […] Hilfspolizei und Polizeibeamte waren damals total überfordert; zumal sie selbst zum Teil auch Alkoholprobleme hatten«. Knöpfle, Lebensbilder, S. 43 f. 408 Anfangs soll der Anteil Vorbestrafter unter den Barackenbewohnern 70 % betragen haben (BH an BMI v. 17. 12.1937, StAB III/ 4). 1941 standen an der Spitze der in Blumberg begangenen Delikte: (1.) Arbeitsverweigerung und unerlaubter Arbeitsplatzwechsel, (2.) Diebstähle und (3.) sittliche Vergehen, wie widernatürliche Unzucht oder Kuppelei (Reichsernährungsminister an RfR v. 25.1.1941, BAB R 113/ 1405). In den ersten zehn Monaten des Jahres 1940 kamen beim Gendarmerieposten Blumberg 15 Sittlichkeitsdelikte zur Anzeige, darunter Kuppelei (5), Homosexualität (4), Sittlichkeitsverbrechen und 156 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) »Auch verstehen sich die Blumberger mit den Siedlern absolut nicht. Sie werden heute noch als Eindringlinge betrachtet und behandelt. Sie geben auch den Einheimischen kein gutes Beispiel. Viele von ihnen sind gewohnheitsmäßige Trinker und sehr wenig haushälterisch. […] Das Verhalten vieler Kinder ausserhalb der Schule ist schlecht. Sie vergehen sich an fremdem Eigentum und haben kein gutes Betragen. […] Paare, die bereits 10 und noch mehr Jahre zusammenleben. Ohne kirchliche Trauung. Hausbesuche haben noch nicht viel gefruchtet. […] Eine Sonntagsruhe gibt es in Blumberg nicht mehr. Die Geschäfte haben geöffnet, die Gipser und Anstreicher arbeiten z.T. in den Neubauten. Selbst die Bauern nehmen es mit der Sonntagsheiligung nicht mehr so ernst wie früher. Die Kinder laufen auch am Sonntag z.T. barfuss und ungewaschen auf der Strasse herum. Dagegen sieht es am Sonntag nachmittag anders aus. Da geht’s dann in die Wirtschaften. Bis tief in die Nacht hinein. Ein furchtbares Heidentum. Während früher in Blumberg am Abend eine heilige Stille war, beginnt jetzt am Abend erst das Leben. Besonders nach den Zahltagen ist nachts grosse Unruhe. Die Mädchenwelt ist sehr gefährdet. Die Unzucht mehrt sich von Tag zu Tag« 409 . Vor allem die große Zahl der ledigen oder getrennt von ihren Familien lebenden Barackenbewohner blieb nicht ohne anziehende Wirkung auf die Ehefrauen in den Siedlungen. 1940 klagte Schmid, dass sich die Fälle sittlicher und moralischer Verfehlungen unter den Bergarbeiterfamilien derart häuften, dass er ernstlich besorgt sei. Jede Woche müsse er Streitigkeiten von Paaren, die früher ein ordentliches Leben geführt hätten, vor dem Gemeindegericht schlichten. Um »einer weiteren moralischen und sittlichen Auflockerung in den einzelnen Familien« 410 vorzubeugen und den Barackenbewohnern ein sexuelles Angebot machen zu können, regte Schmid beim Landrat die Errichtung eines Bordells in Blumberg an. Die Kriminalpolizeistelle Karlsruhe machte sich die Forderung zu Eigen und wies darauf hin, dass für die Besetzung der Häuser keine deutschen, »sondern nur fremdvölkische Prostituierte oder Zigeunerinnen in Frage« 411 kämen. Als die Polizei dann im Sommer 1941 wirklich polnische Frauen »anwerben« wollte, musste Schmid feststellen, dass sämtliche Kosten für das Bordell der Gemeinde zu Last fallen würden. Umgehend nahm er von dem Projekt wieder Abstand. Die DBG machte wenig Anstalten, der finanziell überforderten Gemeinde Hilfe zu leisten. Obwohl die rasche Bevölkerungszunahme, steigende Fürsorgeaufwendungen und die zunehmende Kriminalität zu überbordenden Verwaltungskosten führen mussten, beantragte das Unternehmen beim RWM ungerührt, wenngleich vergeblich, die Freistellung von der Kommunalsteuer 412 . Eine Bitte Schmids um Gewährung eines Verwaltungskostenzuschusses lehnte man brüsk ab 413 . Da das Unternehmen stets einen Verlust auswies, erhielt Blumberg keine Steuern aus dessen Gewerbeertrag, sondern lediglich aus dem Gewerbekapital. 1939 führte die DBG nur etwa 6.360 RM Steuern an einen Ge- Prostitution (je 2), Notzucht und Abtreibung (je 1). Vermerk Hohfelser v. 4.11.1940, StAF G 11/ 2-211. 409 Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 28.9.1938, EBOAF B4/ 1066. Vom Verf. orthografisch überarbeitet. 410 Schmid an Landrat DS v. 13.9.1940, StAF G11/ 2-211. 411 Kriminalpolizeistelle Karlsruhe an Landrat v. 11.2.1941, StAF G 11/ 2-211. 412 ARGE an RFM v. 29.5.1936, BAB R 3112/ 184. 413 Aktenbefund StAB III/ 4. 157 5. Objekte der Macht meindehaushalt ab, dessen laufende Ausgaben fast 280.000 RM betrugen. Ein Fehlbetrag von über 92.600 RM war die Folge 414 . Blumberg musste 1940 eine Lohnsummensteuer einführen, um die DBG angemessen an den von ihr verursachten Lasten zu beteiligen 415 . Auf die örtliche Wirtschaft nahm die DBG keine Rücksicht. Beschwerden der Gastronomie gegen ihren ausufernden Kantinenbetrieb konterte sie mit dem Hinweis auf die eigenen »vaterländischen Aufgaben« und tat alles als kleinliche und »niederträchtige Beschwerden« 416 ab. Ihre Absicht, die Wälder um Blumberg herum mit Abraumhalden zuzuschütten 417 , rief den Widerstand der Forstbesitzer hervor. Das Unternehmen trieb seine Stollen in das Einzugsgebiet der Blumberger Wasserversorgung und verschärfte so deren ohnehin kritische Lage 418 . Zugleich weigerte es sich, für die werkseigenen Wohnhäuser den Erschließungsbeitrag zum Bau einer neuen Wasserversorgung zu zahlen 419 . Den Bau seiner Direktorenvillen nahm es ohne Genehmigung auf 420 . Ebenso selbstherrlich verfuhr die DBG beim Tagebau 421 . Sie hielt ihre eigenen Rekultivierungszusagen nicht ein 422 und hinterließ an den Berghängen »das Bild einer grauenhaften Zerstörung« 423 . Ihre Betriebsanlagen plante sie nach Meinung von Fachleuten »oft in einer unmöglichen architektonischen Form […] und auch ganz willkürlich in die Gegend« 424 . Die Röstöfen und die Lurgi-Anlage riefen einen derart großen Staubanfall hervor, dass die fürstenbergische Verwaltung 1940 den in Werksnähe gelegenen Steppacher Hof an die DBG verkaufte, um ihren ständig protestierenden Hofpächter loszuwerden. Am rücksichtslosesten benahm sich die DBG gegenüber den Landwirten. So rügten etwa die beiden Geschäftsführer Gärtner und Würtz Anfang 1936, es kennzeichne das Wesen der bisherigen Betriebsführung, dass man, ohne die Besitzer zu informieren, auf fremdem Gelände Schürfungen vornahm, Stollen bohrte oder Häuser baute: »Sämtliche Gebäude stehen auf fremden Grund und Boden« 425 . Trotz ihrer Einsicht, dass es »sich wohl nicht vermeiden« 426 lasse, eine Einigung mit den Betroffenen herbeizuführen, hielten auch Lilligs Nachfolger an dessen rücksichtslosem Kurs fest: Sie bauten weiterhin Häuser auf fremdem Gelände, legten Zäune nieder, pumpten Wasserbecken auf den Bauernhöfen leer, zogen Gräben durch die Äcker und lagerten den Grubenaushub auf erntereifen Getreidefeldern ab. Beim Werksausbau unterbrachen sie Feldwege und verhinderten monatelang, dass Landwirte ihre Äcker bestellen konnten. Ihre Tagebaubetriebe eröffnete die DBG grundsätzlich auf fremden Böden und ohne deren Eigentümer je 414 Haushaltsplan Blumberg für 1939 und LRA DS an BMI v. 21.3.1940, GLA 478/ 21. 415 Die Steuerzahlungen der DAG stiegen in den 1940er Jahren auf rund 77.000 RM an. StAB III/ 4. 416 DBG an Gendarmerie Riedböhringen v. 19.8.1937, StAB V/ 2. 417 Das von den Behörden abgelehnte Projekt sah vor, sog. Lurgi-Berge im Volumen von jährlich einer halben Mio. m³ auf Kahlflächen im Wald zu verkippen. LPGB an Gärtner v. 24.4.1937, StANK AD. 418 Aktenbefund LGRB B I a 14 und 9 A/ 88. 419 BMA Blumberg an BMI v. 12.12.1938, GLA 478/ 11. 420 Vermerk BMI v. 12.9.1938, GLA 478/ 10. 421 So wurde 1940 der Tagebau am Lindenbühl ohne behördliche Genehmigung eröffnet. Vermerk LRA DS v. 17.6.1940, LGRB B I a 19. 422 »Ich darf darauf hinweisen, was beim Tagbau am Stohberg [! ] durch die Firma versprochen und bis jetzt gehalten wurde«. BRSH an BFWM v. 8.4.1940, GLA 478/ 14. 423 Badische Landesnaturschutzstelle an LPGB v. 26.3.1940, GLA 478/ 14. 424 Architekt Alfred Wolf an BMI v. 13.12.1939, GLA 478/ 13. 425 PB-DBG-Eröffnungsbilanz zum 1.2.1936, StAF V 500/ 3-99. 426 Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. 158 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) zu fragen 427 . Entschädigungen an die Grundeigentümer mochte sie nicht oder erst nach jahrelangem Disput, immer aber nur in geringer Höhe zahlen. Gern setzte man auf eine Zermürbungstaktik 428 oder zielte auf die Enteignung der Landbesitzer zum Billigtarif ab 429 . Erbrachten die örtlichen Landwirte Dienstleistungen für die DBG, wurden ihre Rechnungen nicht selten einfach ignoriert. Mitte 1936 beklagte sich der Besitzer des benachbarten Bleichehofs, Hermann Vetter 430 , fassungslos bei Bürgermeister Schmid: »Da mir vom Bergwerk aus meine Felder seit 2 Jahren einfach verbaut u[nd] benutzt werden u[nd] auf meine Reklamationen überhaupt kein Mensch nicht im geringsten auch nur eine Andeutung macht, so bin ich gezwungen, bei Ihnen um Hilfe anzufragen. Wie das Werk kam, hat man sich gefreut u[nd] hat Rücksicht genommen auf alles. Aber heute muss ich nun endlich mal wissen, was mit mir geschieht. […] Es ist doch auch nicht am Platze, dass man mir einfach die Felder abschätzt u[nd] ich noch nicht mal in Kenntnis davon gesetzt werde. Es hätte sich doch wohl gehört, dass man zu mir gekommen wäre, hätte mir die Sache ausgesteckt u[nd] gesagt, bis hier her u[nd] bis dort hin brauchen wirs u[nd] dann hätte man mit den Leuten reden können« 431 . Schmid warnte die DBG, ihr Gebaren habe mittlerweile eine derart starke Erregung bewirkt, dass mit einem gewaltsamen Vorgehen der Grundeigentümer zu rechnen sei, wenn nicht bald eine Entschädigung gezahlt werde, doch handelte er sich nur eine süffisante Reaktion ein 432 . Vorwände zur Untätigkeit wurden vom Unternehmen gesucht und gefunden: Im Herbst 1940 weigerte sich die DAG, bereits paraphierte Grundstücksverträge zu unterzeichnen, weil die Verkäufer eine Entschädigung für die jahrelange widerrechtliche Inanspruchnahme ihres Landes einforderten. Zur gleichen Zeit klagte Bauer Vetter, er »sei bald soweit, dass er auf seinem Hof nichts mehr anpflanzen werde und alles brach liegen lasse, weil ihm durch die Belegschaft der einzelnen Unternehmer, die im Tagebau eingesetzt sind, sowie aber auch durch die Belegschaft des Erzbergwerkes selbst, soviel Flurschaden zugefügt wird und er es nicht verhüten könne, dass ihm die Leute in den Obstgarten gehen und ihm dort das Obst von den Bäumen herunterholen« 433 . Auf Vetters Beschwerde hin bat Schmid die Kreis- und Landesbehörden um Abhilfe; die Kreis- 427 »Die Inangriffnahme des Tagebaues […] erfolgt in der Weise, daß nach Genehmigung des Betriebsplans durch das Bergamt Freiburg die Grundstücke mit ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung der Grundstückseigentümer durch das Werk in Besitz genommen werden. Die Verhandlungen über die Abtretung des Eigentums an den Grundstücken werden jeweils erst später eingeleitet«. Notiz Landrat DS v. 17.6.1940, LGRB I a 19. 428 »Auffallend ist, daß bei sämtlichen Verhandlungen, die bisher gepflogen wurden, nie eine endgültige Entscheidung vereinbart werden konnte, da immer Vorbehalte irgend welcher Art gemacht werden, oder hinterher erklärt wird, daß der verhandelnde Vertreter der Dogger-Erz A.-G. zur Festlegung endgültiger Vereinbarungen nicht ermächtigt war«. Landesbauernschaft Baden an BRSH v. 1.2.1941, LGRB 9 A/ 92. 429 PB-DBG-Eröffnungsbilanz zum 1.2.1936, StAF V 500/ 3-99. 430 Hermann Vetter (30.6.1889 Behla - 20.4.1968 Blumberg): Landwirt, 1933 in einer NSDAP-eigenen »Liste der kommunalpolitischen Organisation« als Ersatzmann für den Blumberger Gemeinderat aufgeführt (GLA 465d/ 1054), Pg. ab 1937, Scharführer im SA-Reitersturm, als Mitläufer entnazifiziert. StAF D 180/ 2-146719. 431 Vetter an Schmid v. 31.7.1936, StAB III/ 4. Vom Verf. orthografisch überarbeitet. 432 Schmid an DBG v. 18.1.1937 und DBG an Schmid v. 25.1.1937, StAB III/ 4. 433 Schmid an LPGB, Kreisbauernschaft und Landrat v. 14.9.1940, StAB III/ 4. 159 5. Objekte der Macht bauernschaft verfasste ihrerseits einen Bericht, in dem sie auf die existenzgefährdenden Folgen des Landentzugs für kleine Höfe hinwies und klagte: »Bei der Bauernschaft Blumberg hat gegen das Bergwerk eine maßlose […] Erbitterung Platz gegriffen. Die Landwirte empfinden sich als vollkommen entrechtet, da man mit ihren Grundstücken macht, was man will. […] Es ist sicher kein Landwirt in Blumberg zu finden, der nicht glücklich wäre, wenn das Bergwerk nie nach Blumberg gekommen wäre. In welcher Weise sich in Blumberg das Leben nach der wenig angenehmen Seite entwickelt hat, ergäbe zweifellos ein Einblick in die Strafakten des Amtsgerichts in Donaueschingen. […] Die Landwirte und Bauern in Blumberg sind sich durchaus darüber klar, dass der Ausbau des Bergwerks notwendig war und haben sich darein geschickt. Aber man soll nicht durch kleinliches Markten die Stimmung unter der ländlichen Bevölkerung mit Gewalt zerstören« 434 . Das Landratsamt Donaueschingen warf der DAG daraufhin vor, ihr Verhalten sei »rechtswidrig und unzulässig« und drohte »geeignete Massnahmen« 435 an, die allerdings, wie die Landesbauernschaft kritisierte, »mit Rücksicht auf die große wehrwirtschaftliche Bedeutung dieses Unternehmens« unterblieben, wodurch sich »die Dogger-Erz A.-G. mehr denn je [als] Herr der Lage fühlt und sich weder um die Wünsche der Privaten noch die Anordnungen der Behörden bekümmert« 436 . Da das Unternehmen weiterhin alle Kaufverhandlungen verschleppte, wandte sich die Landesbauernschaft 1941 an Reichsstatthalter Wagner, rief damit aber nur eine patzige Reaktion der Firmenleitung hervor, die den Landwirten Übertreibung und Habgier vorwarf 437 . Vetter ärgerte sich dermaßen über die amtliche Passivität, dass er Ende 1940 schrieb: »Ich muss schon öfters fragen, ob ich in Russland lebe oder in Deutschland. […] Es ist nicht zu wundern, wenn die Leute überall herumschimpfen und sagen, da sieht man, wie man uns Bauern hilft, wir sind halt und bleiben die Dummen heute noch wie früher« 438 . Wagners Landesplaner Feldmann nahm sich der Sache zwar an, doch kamen die mit ihm abgesprochenen Aktivitäten des Landrats von Donaueschingen nicht über eine fruchtlose Aussprache unter den Kontrahenten hinaus. Feldmann genügte dies, um den lästigen Vorgang abzuschließen 439 . Der staatliche Träger für den Wohnungsbau, die Badische Heimstätte, verhielt sich kaum rücksichtsvoller. Sie diktierte die Bodenpreise, reagierte auf den geschlossenen Widerstand der Landwirte mit Enteignungsdrohungen 440 und forderte Kreisleiter Sedelmeyer zum Durchgreifen auf. Vor diesem Hintergrund gelang es Bürgermeister Schmid leicht, die Preisvorstellungen der Siedlungsgesellschaft durchzusetzen 441 . Bäuerlicher Protest ge- 434 Bericht Kreisbauernschaft DS v. 24.9.1940, StAB III/ 4. 435 Landrat an DAG v. 24.9.1940, StAB III/ 4. 436 Landesbauernschaft Baden an BRSH v. 1.2.1941, LGRB 9 A/ 92. 437 DAG an OBA Karlsruhe v. 24.2.1941, LGRB 9 A/ 92. 438 Hermann Vetter an Ernst v. Neurath v. 24.11.1940, GLA 478/ 15. Der Grundstücksstreit zwischen Vetter und der DBG/ DAG wurde erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg beigelegt. 439 LPGB (Feldmann) an BMI v. 3.6.1941, GLA 478/ 15. 440 Die Siedlungsgesellschaft saß am längeren Hebel. Das RAM hatte den Länderregierungen bezüglich des Arbeiterwohnungsbaus für Betriebe im Rahmen des VJP am 10.2.1937 mitgeteilt: »Soweit Enteignungsverfahren notwendig werden, sind sie mit größter Beschleunigung auszuführen«. BAB R 3901/ 20915. 441 Aktenbefund GLA 478/ 49. 160 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) gen die existenzbedrohenden Folgen des Landentzugs und gegen die als zu gering empfundenen Entschädigungszahlungen fand zwar statt, blieb aber ohne jede Wirkung 442 . Wer die Landwirte zu höheren Forderungen ermutigen wollte, wurde auf Anordnung des Innenministeriums massiv von der Polizei eingeschüchtert 443 . Die desillusionierten Bauern reagierten unterschiedlich auf ihren Eigentumsverlust: Viele hegten »trotz nachdrücklicher Einwirkung nicht die Absicht […], sich mit dem Verkaufserlös andere Grundstücke zu beschaffen« 444 ; andere kämpften unverdrossen gegen weitere Landabgaben 445 an, konnten sich am Ende aber nicht durchsetzen. Insbesondere durch die Errichtung von Werksanlagen und den Wohnungsbau büßte Blumberg zwischen 1925 und 1942 rund 15 % seiner landwirtschaftlichen Anbaufläche ein 446 - und deren Besitzer ihre Einkünfte. Bürgermeister Schmid hielt diese Entwicklung für unabwendbar 447 . c) Ignorierte Bergbaurechte des Fürsten zu Fürstenberg Der Konflikt um die Bergbaurechte begann bereits 1934: Um das Haus Fürstenberg von seinen hohen Preisforderungen abzubringen, hatte die Karlsruher Regierung damals eine Verschärfung des badischen Berggesetzes beschlossen. Seit Mai 1934 war auch eine kurzfristige Enteignung von Bergeigentum möglich 448 . Das Badische Wirtschafts- und Finanzministerium (BFWM) verzichtete allerdings darauf, die Drohung umzusetzen und den fürstlichen Besitz anzutasten. Da »jeder, der Röchling kennt, weiss, dass dieser am liebsten gar nichts zahlen möchte« 449 , zielte das Ministerium auf einen Interessenausgleich ab, mit dem beide Seiten leben konnten. Über die Details verhandelte im Sommer 1934 Ministerialdirektor Ludwig Sammet mit dem Donaueschinger Kammerdirektor Karl Friedrich Zopff 450 . Gemeinsam gründeten Land und Fürst im September 1934 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts 451 , in die der Fürst 12 Bergwerke einbrachte. Baden stattete die auf zwei Jahre Lebensdauer befristete Körperschaft mit eigenen Konzessionsrechten aus. Wegen der starken Spannungen 452 , die zwischen Lillig und Zopff herrschten, übernahm das BFWM die alleinige Geschäfts- und Verhandlungsführung bei der Feldervermarktung. Ministerialrat Naumann leitete zunächst keine weiteren Schritte ein, weil er gerade mit der GHH über einen neuen Pacht- und Konzessionsvertrag sprach und das Verhandlungsergebnis als Muster für seine Forderungen an die Saarhütten nutzen wollte. Da der Beamte jüdischer Abstammung Ende 1935 aus dem Dienst scheiden musste und sich die Bestellung eines Nachfolgers über ein Jahr hinzog, blieb die Frage zunächst ungeklärt. Im 442 Blumberger Landwirte an Landes- und Kreisbauernführer DS v. 7.11.1937, StAB III/ 4. 443 BMI an Polizeidirektion Freiburg v. 23.12.1937, GLA 478/ 8. 444 So Schmid lt. Vermerk über die Besprechung im BMI am 29.9.1937, GLA 478/ 7. 445 BH an BMA Blumberg v. 12.9.1938, StAB III/ 4. 446 Sie ging von 653 ha auf 554 ha zurück. Walz, Industriestadt, S. 364-365. 447 Siehe Kap. IX/ 3. 448 BGVBl. Nr. 30 v. 12.5.1934, S. 80. 449 Vermerk Naumann über ein Gespräch mit Hermann Reusch am 23.11.1935, LGRB 13 A/ 150. 450 BFWM (Sammet) an FF Kammer v. 15.5.1934, StAF 235/ 5-137. 451 Vertrag Baden-FF Kammer v. 3./ 7.9.1934, LGRB 9 A/ 98. 452 Memorandum zu den Vertragsverhandlungen zwischen FF Verwaltung und DBG v. 10.4.1938, StAF V 500/ 1. 161 5. Objekte der Macht Sommer 1936 kündigte die DBG dann den Abbau größerer Erzmengen an und bat ganz harmlos um die »Bereitstellung« 453 von 12 fürstlichen Arealen, vermied es dabei aber von Pachtung zu sprechen. Zugleich suchte die DBG um die Erteilung einer Konzession für weitere 3.034 ha Staatsfläche nach, die im Raum Randen-Kommingen lag. Im Herbst 1936 stimmten Fürst und BFWM ihre Angebote ab und sandten der DBG zwei Vertragsentwürfe 454 zu, die auf eine Förderabgabe von einem Pfennig pro t Erz hinausliefen. Die Saarhütten, die sich im Besitz einer früheren Zusage Naumanns wähnten, ihnen das fürstliche Eigentum kostenlos zu übertragen 455 , verlangten jedoch die unentgeltliche Überlassung der »praktisch wertlos[en]« 456 Felder und wandten sich deshalb auch an das Rohstoffamt. Die Fürstliche Kammer wertete diese Vorgehensweise als einen Generalangriff auf die »Unantastbarkeit des Privateigentums« und forderte das Land zur Bildung einer gemeinsamen »Abwehrfront« 457 auf. In den Verhandlungen, die Naumanns Nachfolger im BFWM, Heinrich Landschütz, Ende März 1937 in Karlsruhe einberief, wurden keinerlei Fortschritte erzielt 458 . Obwohl Baden in den folgenden Wochen den Saarwerken Zugeständnisse machte, blieben auch die trilateralen Gespräche vom 3. Mai zwischen DBG, BFWM und dem Berliner Rohstoffamt ergebnislos. Dabei ging es eigentlich um einen maßvollen Betrag: Landschütz rechnete Röchling vor, dass die Saarhütten bei einer Jahresförderung von 3,6 Mio. t lediglich 36.000 RM Jahresabgaben zu tragen hätten. Der Kommerzienrat blieb jedoch hart. Angesichts der Dringlichkeit, die man in Berlin dem Abbau heimischer Erze beimaß, rechnete er sich gute Chancen aus, »mit Hilfe des Herrn Pleiger« 459 oder durch das künftige Reichsberggesetz 460 weitgehend ungeschoren davonzukommen. Nach einmaliger Verlängerung lief im Herbst 1937 die 1934 gegründete BGB-Gesellschaft aus. Landschütz konnte daraufhin nicht mehr für moderate Forderungen aus Donaueschingen sorgen. Schon im ersten Gespräch, das im Oktober 1937 in Karlsruhe stattfand, kündigte der fürstenbergische Vertreter Dr. Heinz Maurer 461 der DBG wesentlich höhere Ansprüche an. Statt einem sollte die Förderabgabe nunmehr fünf Pfennige 453 DBG an BFWM v. 29.7.1936, LGRB 9 A/ 98. Es handelte sich um Flächen von insgesamt 2.180 ha. 454 BFWM an DBG v. 14.12.1936, StAF V 500/ 1. Vertragsentwürfe in: FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 3. 455 So die Ausführungen Tgahrts lt. Aktennotiz über die Sitzung am 14.1.1937, RWWA 72-149-8. 456 DBG an BFWM v. 21.1.1937, LGRB 9 A/ 98. 457 FF Kammer an BFWM v. 25.2.1937, LGRB 9 A/ 98. 458 PdB am 23.3.1937 im BFWM, StAF V 500/ 1. 459 Vertrauliche Aktennotiz H. Röchling v. 5.5.1937, StAF V 500/ 3-1. 460 So Gärtners Spekulation lt. DBG-GVP v. 10.5.1937, BAB R 3112/ 184. Zum Reichsberggesetz: Bähr/ Banken, Wirtschaftssteuerung, S. 71 ff. 461 Heinz Maurer (17.2.1906 Baden-Baden - 17.7.1945 Vorarlberg): Jurist, 1933-1934 als Rechtsanwalt tätig, 1934-1938 Angestellter der FF Kammer, danach als Rechtsanwalt nebenberuflich weiter für die FF Kammer tätig, Pg. und SS-Mitglied seit 1933, 1941-1944 als Leiter der Polizeiabteilung des SS- und Polizeiführers beim Gouverneur des Distrikts Galizien an »Judenaktionen« beteiligt, 1943/ 44 vertretungsweise Polizeidezernent in Lemberg, 1944 SS-Hauptsturmführer, im Juli 1945 Selbstmord nach Flucht aus der Internierung in Österreich; vom Untersuchungsausschuss Offenburg 1949 posthum als Minderbelasteter eingestuft, weil er mit einer »aufrechte[n] Antifaschistin« verheiratet gewesen sei, »die ihren gesamten Einfluss dahin geltend machte, daß er sich nichts Unrechtes zuschulden kommen liess«. FFA PA 106; StAF D 180/ 2-227645; BAB R 9361/ III-129164 und BDC SSO; Pohl, Judenverfolgung, S. 281 und 418. Biografie: Seidelmann, Dr. Heinz Maurer. 162 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) betragen. Das Land blieb bei seiner alten Offerte und setzte die DBG damit unter Druck, dass das Bergamt Einspruch gegen deren geplanten Handelsregistereintrag erhob. Da das Unternehmen neuerdings den Zugriff der Reichswerke Hermann Göring befürchten musste, war es jetzt an einem Vertragsabschluss mit dem Fiskus stärker interessiert 462 . Im Dezember 1937 kam schließlich ein Konzessionsvertrag zustande, in dem das Land Baden der DBG das Recht einräumte, auf einer 3.044 ha großen Fläche, die im Raum Riedöschingen-Talheim-Kommingen-Randen lag, Eisenerz abzubauen 463 . Die Förderabgabe betrug einen Pfennig pro t Erz. Zehn Tage später erfolgte die Eintragung der DBG in das Handelsregister 464 . Der Konflikt zwischen Fürst und Saarhütten spitzte sich dagegen weiter zu. DBG- Geschäftsführer Gärtner setzte unverhohlen darauf, das Fürstliche Haus durch »Mithilfe des Reiches zu vernünftigen Bedingungen« 465 zu pressen, sah sich aber plötzlich einer unvermuteten Konkurrenz ausgesetzt: Weil die Vereinigten Stahlwerke Ersatz für ihre verloren gegangenen Salzgittererze suchten, hatte Landschütz den Leiter von deren Rohstoffbetrieben, Dr. Karl Bretz 466 , während der Donaueschinger Doggererztagung vom Juli 1937 auf den fürstlichen Besitz aufmerksam gemacht. Bretz wandte sich daraufhin an den Fürsten und bekam vier Pachtflächen angeboten, für die es noch keine Bewerber gab 467 . Da rasch Zweifel auftauchten, ob die Vorräte für einen wirtschaftlichen Abbau ausreichten, bat Bretz im September um die Überlassung von zwei weiteren Feldern, die jedoch bereits von den Saarhütten beansprucht wurden 468 . Maurer setzte die DBG im Oktober 1937 von Bretz’ Wünschen in Kenntnis und forderte sie zu einer Verzichtserklärung für die beiden Flächen auf 469 . Da sich das Unternehmen dazu jedoch nicht in der Lage sah 470 , wandte sich die Fürstliche Kammer im November an das Rohstoffamt und bat um »eine dem dortigen eigenen Standpunkt entsprechende Entscheidung« 471 . Auch Bretz ersuchte das Amt um Beistand. Ende November teilte ihm Gabel mit, er habe Röchling angesprochen und von diesem gehört, »dass er grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden habe, wenn Sie die Felder zum Aufschluss bekämen. Er möchte Sie aber bitten, erst seine Verhandlungen mit dem Fürsten zu Fürstenberg abzuwarten, die bis spätestens Ende dieses 462 Vermerk Landschütz über die Besprechung am 15.10.1937 mit Gärtner, Maurer und Caesar, LGRB 9 A/ 98. 463 Vertrag Baden-DBG v. 24.11./ 6.12.1937, LGRB 9 A/ 98. Durch Nachtragsvertrag v. 10./ 15.11.1939 wurde das Konzessionsgebiet der DBG dann um 259,5 ha vergrößert. LGRB 9 A/ 98. 464 Handelsregister B Band II des Amtsgerichts Donaueschingen, StAF G 536/ 4. 465 So Gärtner lt. DBG-GVP v. 10.11.1937, RWWA 72-146-5. 466 Dr. Karl Bretz (13.4.1890 Eschweiler - 29.2.1968 Freiburg): preuß. Bergassessor, 1910-1914 Studium des Bergbaus, der Chemie und der Hüttenkunde an der TeH Aachen, 1918 dort Promotion, 1919 Bergwerksdirektor der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten AG in Dortmund, ab 1926 Prokurist bzw. ab 1934 Geschäftsführer der Rohstoffbetriebe der VSt., ab ca. 1939 Direktor des Eisenerzbergwerks Schönberg in Freiburg-St. Georgen. Von dort setzte er sich 1941 bei den Behörden für eine bessere Ernährung russischer Kriegsgefangener ein. StAF F 235/ 5-195, Ausk. ThyssenKrupp AG, Stadtarchiv Freiburg und UAA; Serlo Nr. 1280. 467 FF Kammer an VSt.-Rohstoffbetriebe v. 23.8.1937, LGRB 9 A/ 96. 468 VSt.-Rohstoffbetriebe an FF Kammer und BFWM v. 23.9.1937, LGRB 9 A/ 96. 469 FF Kammer an DBG v. 1.10.1937, LGRB 9 A/ 96. 470 DBG an FF Kammer v. 25.10.1937, FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 471 FF Kammer an Rohstoffamt v. 9.11.1937, LGRB 9 A/ 96. 163 5. Objekte der Macht Jahres […] beendet sein würden« 472 . Damit war klar, dass das Rohstoffamt auf Seiten der Saarhütten stand. Das Fürstliche Haus drängte die DBG weiterhin zum Verzicht auf die Areale: Maurer sandte ihr Ende 1937 einen Vertragsentwurf zu, der nur noch 10 Felder umfasste 473 . Das mit einer Förderabgabe von fünf Pfennigen verknüpfte Angebot löste aber nur einen hitzigen Schriftverkehr aus, in dem man sich gegenseitig Habgier vorwarf 474 . Die Fürstliche Kammer gab dem Wunsch der Vereinigten Stahlwerke, ihnen die beiden Felder auch ohne die Billigung des Rohstoffamts zu verpachten 475 , zwar nicht nach, warb aber weiterhin bei den Behörden in Berlin und Karlsruhe um Zustimmung zum geplanten Geschäft 476 . Parallel dazu teilte die DBG dem Rohstoffamt mit, dass sie die Flächen vorerst nicht herausgeben wolle, weil zu befürchten sei, dass sich die Vereinigten Stahlwerke mit dem Fürsten auf Vertragskonditionen einigen könnten, die für die eigene Verhandlungsposition recht »unbequem« 477 wären. Gabel hielt weiterhin zu den Saarhütten und ließ den Fürsten im Januar 1938 wissen, sein Amt hege zwar keine Bedenken gegen eine geologische Untersuchung der betreffenden Areale, halte es »aber nicht für unbedingt notwendig, dass den Vereinigten Stahlwerken die Felder […] bereits jetzt abgetreten werden« 478 . Kurz darauf verlangte Gabel von Bretz plötzlich die Vorlage eines Investitionsprogramms, sonst würden die Felder Röchling zugeteilt. Bretz ließ sich nicht erpressen und teilte Landschütz ungerührt mit: »Wenn nun Herr Gabel […] die Felder Herrn Röchling zuteilt, dann kann ich eben nichts daran machen. Ob dadurch mehr Eisenerze gefördert werden, muß Herr Gabel wissen und verantworten. […] Ferner habe ich auch keine Lust, […] mich mit Herrn Röchling in Gegensatz zu bringen wegen dieser Felder und mich mit ihm zu streiten« 479 . Die Vereinigten Stahlwerke konzentrierten sich fortan auf ihre Gruben Kahlenberg und Schönberg am Oberrhein. Auf Druck des Rohstoffamts 480 rückte der Fürst im Februar 1938 von seinen bisherigen Pachtforderungen ab. Die DBG unterbreitete ihm daraufhin ein eigenes Angebot 481 . Die Gespräche liefen im Sommer 1938 darauf hinaus, dass der Fürst 11 Areale für 175.000 RM an die Saarhütten verkaufte und sich die DBG dazu verpflichtete, das Sortiment der Fürstlichen Brauerei in ihrer Werkskantine auszuschenken 482 . In letzter Sekunde erfuhr die Fürstliche Kammer jedoch, dass die DBG mit der Reichsbahn und mit einigen Baubehörden über den Verkauf ihrer Lurgi-Schlacke verhandelte. Die Saarhütten drangen damit in einen regionalen Schottermarkt ein, der bislang von einem fürstlichen Unternehmen, den Süddeutschen Basaltwerken mit Sitz in Immendingen, beherrscht wurde. Die Kammer forderte die DBG umgehend auf, sich ihr gegenüber zu verpflichten, die 472 Gabel an Bretz v. 22.11.1937, LGRB 9 A/ 96. 473 FF Kammer an DBG v. 29.12.1937, LGRB 9 A/ 96. Vertragstext in: FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 474 DBG an FF Kammer v. 15.1.1938 und FF Kammer an DBG v. 29.1.1938, LGRB 9 A/ 96. 475 Bretz an FF Kammer v. 28.12.1937, FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 476 Aktenbefund LGRB 9 A/ 96. 477 DBG an Gabel v. 30.12.1937, StAF V 500/ 3-1. 478 Rohstoffamt an FF Kammer v. 18.1.1938, LGRB 9 A/ 96. 479 VSt.-Rohstoffbetriebe an Landschütz v. 12.2.1938, StAF F 235/ 5-137. 480 So Gärtner lt. DBG-GVP v. 22.2.1938, RWWA 72-146-7. 481 DBG an FF Kammer v. 25.3.1938, LGRB 9A/ 96. 482 FF Kammer an DBG v. 22.7.1938, StAF V 500/ 3-1. 164 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Lurgi-Berge nicht für den Verkehrswegebau zu verkaufen und deren Preise mit den Basaltwerken abzustimmen 483 . In Blumberg gab man vor, diesen Wunsch zu akzeptieren. Am 5. September 1938 unterschrieben die beiden DBG-Geschäftsführer den bereits ausgehandelten Kaufvertrag für 11 Eisenerzfelder und sandten ihn nach Donaueschingen 484 . Gleichzeitig überwiesen sie 175.000 RM auf das fürstliche Bankkonto. Weil den Juristen der Saarhütten aber plötzlich Bedenken gegen den Basalt-Vertrag gekommen waren, unterschrieben Heyer und Bornitz die Nebenverträge zu Bier und Basalt nicht. Weitere Gespräche zwischen DBG und Kammer endeten im Januar 1939 ergebnislos 485 . Mitte 1939 gewann das Erzprojekt der Saarhütten an Dynamik. Wegen ihrer Tagebauplanungen dehnten sie ihre Wünsche auf weitere Flächen des Fürsten aus und boten ihm 300.000 RM für den Verkauf von 15 Arealen an. Die Konzessionsbereitschaft des Fürsten war mittlerweile gewachsen, weil er nach den Erkenntnissen von Saarindustriellen »zur Verwirklichung seiner Pläne im Protektorat große Beträge brauche, die er von der DBG zu erhalten hofft« 486 . Prinz Max 487 zog auch in Erwägung, das fürstliche Bergeigentum in eine Beteiligung an der DBG einzubringen. Dr. Alfons Wagner, der Generaldirektor der Oberschlesischen Hüttenwerke in Gleiwitz, riet ihm jedoch dringend ab, sich an dem verlustbringenden Unternehmen zu beteiligen 488 . Die Kammer beauftragte Ende 1939 Dr. Karl Schnarrenberger, den ehemaligen Präsidenten der Badischen Geologischen Landesanstalt, mit der Prüfung des DBG-Angebots und erhielt ein positives Urteil 489 . Prinz Max unterzeichnete am 30. April 1940 den Kaufvertrag 490 . Um rechtliche Auseinandersetzungen über Bergschäden zu vermeiden, erwarb die DBG vom Fürsten 170 ha Waldfläche in den Distrikten Stoberg und Huchenegg. 6. Reichswerke und Baarerze a) Röchlings Hüttenbaupläne bei Waldshut und Blumberg Die militärische Zielsetzung des Vierjahresplans eröffnete Hermann Röchling im Herbst 1936 neue Chancen, sein badisches Hüttenprojekt wiederzubeleben und mit staatlichen Subventionen zu realisieren. Hatte er früher ein reines Hochofenwerk auf der Baar errichten wollen, so sprach er jetzt vom Bau eines integrierten Hüttenwerks, zu dem auch ein Stahl- und ein Walzwerk gehören sollten. Röchling trug seine Gedanken der ver- 483 So Heyer lt. DBG-GVP v. 12.7.1938, RWWA 72-146-7. 484 Aktenbefund FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 485 DBG an FF Kammer v. 14.1.1939, FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 486 DBG-ARP v. 19.7.1939, RWWA 72-750-3. 487 Maximilian Egon zu Fürstenberg (31.3.1896 Prag - 6.4.1959 Donaueschingen): ab 1934 Leiter der fürstlichen Kunstsammlungen in Donaueschingen, ab 1941 Besitzer aller Güter des Hauses Fürstenberg in Schwaben, Pg. und SA-Hauptsturmführer ab 1934, 1946 mit folgender Sühneleistung entnazifiziert: Abgabe von 1.000 ha Landwirtschaftsfläche und des Schlosses Stühlingen samt zugehörigem Hof. StAF C 44/ 1-1. 488 Protokoll des Gesprächs Prinz Max/ Wagner/ Maurer am 15.7.1939, FFA Bergu. Hüttenadm. Bergbau V/ 4. 489 Gutachten v. 20.2.1940, LGRB 9 A/ 96. 490 Kaufvertrag v. 30.4.1940, LGRB 9 A/ 96. Es handelte sich um insgesamt 193,93 ha Bergwerksfläche. 165 6. Reichswerke und Baarerze sammelten Montanindustrie auf Schlattmanns Eisenerz-Sitzung am 21. Oktober 1936 491 vor, stieß dabei aber auf den entschiedenen Widerstand Tgahrts, dem das Fiasko des gemeinsamen Großprojekts vom Herbst 1935 nur allzu präsent war 492 . Röchling ärgerte sich dermaßen über den Protest aus Neunkirchen, dass er Schlattmann erklärte, aus Tgahrts Äußerung sei ja deutlich zu ersehen, »daß die übrigen Hütten an der Saar nicht mittun würden. So wie die Dinge an der Saar betrieben würden, sei die Sache nicht zu machen. […] Bei diesem grossen Programm könne man überhaupt nicht davon reden, daß mit den übrigen Saarhütten etwas gemeinsam zu unternehmen wäre, das sei ausgeschlossen« 493 . Die Kontroverse mit Tgahrt, in der Röchling auf wenig Resonanz bei den anderen Eisenindustriellen 494 stieß, wurde schließlich so heftig, dass Schlattmann sie abbrach. Weil aus Röchlings Sicht die gewünschten Ergebnisse ausblieben, vermerkte er drei Tage später verärgert, es sei eine »ausserordentlich blamable Sitzung« gewesen, die dazu führen werde, »daß entweder Herr Schlattmann oder Herr Schacht aus dem ganzen Rohstoffprogramm ausgeschaltet werden, wenn sie nicht mit ganz besonderen Leistungen aufwarten können, wie z.B. Bau eines Hüttenwerks da unten« 495 . Einen Tag nach der Sitzung im RWM suchte Röchling den Leiter des soeben geschaffenen Rohstoffamts, Fritz Löb, auf und trug ihm seine Pläne vor. Löb hielt zwar den von Röchling gewählten Hüttenstandort Waldshut aus militärischen Gründen für ungeeignet, sagte aber seine Unterstützung für ein Projekt in Grubennähe zu 496 . Für einen zweiten Termin mit Löb verfasste Röchling eine Denkschrift, in der er große Versorgungsprobleme der saarländischen Eisenindustrie mit lothringischer Minette voraussagte und forderte, zunächst 40 % der bisherigen Importe durch Doggererze zu ersetzen und in einem zweiten Schritt ein oder zwei integrierte Hüttenwerke auf der Baar zu errichten. Röchling verlangte für sich höhere Quoten im Rohstahlkartell und erwartete vom Staat, dass er den Hochrhein von Basel bis Waldshut kanalisiere, wo ein Hafen entstehen und über eine Seilbahn mit den Stahlwerken in Blumberg und Gutmadingen verbunden werden sollte. Unter derart günstigen Voraussetzungen hielt es Röchling für möglich, »billiger von diesem Eisenerzgebiet über Rotterdam zu exportieren, als vom Saargebiet aus«. Röchlings Papier, das ein Dokument reinster Interessenpolitik war, schloss mit dem auf den Vierjahresplan abzielenden Satz: »Ein derartiges Programm ist innerhalb von 4 Jahren bestimmt durchführbar, aber nur bei straffster Führung« 497 . 491 Siehe Kap. IV/ 2. 492 PdB am 21.10.1936, BAB R 3101/ 30980. Seinen eigenen Worten zufolge trat Tgahrt Röchling »scharf entgegen«. Tgahrt an Siedersleben v. 28.10.1936, RWWA 72-148-2. 493 Vermerk H. Röchling v. 24.10.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 494 Lediglich vom Gleiwitzer Hüttendirektor Alfons Wagner bekam Röchling halbherzigen Beistand: »Mit dem Grundsatz, das Erz zur Kohle zu fahren, ist schon vor dem Krieg gebrochen worden, denn die Entwicklung in Lothringen ging ja dahin, daß die verschiedenen westfälischen Großkonzerne dort Eisenhüttenanlagen errichteten. Der Koks wurde heruntergefahren und als Rückfracht wurde Minette nach Westfalen befördert. Ein ähnlicher Weg käme für Zollhaus-Blumberg auch infrage, nicht dagegen der Bau von Stahlwerken, weil die Frage der direkten Weiterverarbeitung des flüssigen Dogger-Vorschmelzeisens noch nicht gelöst ist«. Alfons Wagner an Schlattmann v. 24.10.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 495 Vermerk H. Röchling v. 24.10.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 496 Ebenda. 497 Memorandum »Wieweit können wir uns von der Auslandslieferung an Eisenerzen unabhängig machen? « v. 27.10.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 166 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Röchling begab sich am 29. Oktober 1936 zu Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk, überreichte ihm sein Papier und forderte den Bau des Saarpfalz-Rhein-Kanals und die Schiffbarmachung des Hochrheins. »Der Minister schien schliesslich überzeugt zu sein. Ihn werden wir m.E. als Gegner nicht zu fürchten haben«, stellte Röchling am Ende fest. Danach suchte er Löb auf, der seine beiden Abteilungsleiter Albrecht Czimatis und Carl Krauch hinzuzog. Röchlings Schilderung zufolge kam Löb nach dem Studium des Memorandums zu dem Schluss, dass diese Sache unbedingt gemacht werden müsse. Vor allem die Aussicht auf eine Bauzeit von lediglich drei Jahren sei Wasser auf die Mühlen der Herren gewesen: »Man sah ordentlich, dass sie diese Sache für äußerst wichtig hielten«. Röchling forderte, dass die Erzkonzessionen neu verteilt werden müssten, was darauf abzielte, die GHH mit staatlicher Hilfe um ihre badischen Felder zu bringen. »Die Herren fragten mich, ob sie mit Herrn Reusch verhandeln sollten, worauf ich aber bat, diese Verhandlung mir zu überlassen« 498 . Nach Röchlings Aktennotiz wollte Löb das Hüttenprojekt sofort in sein Programm aufnehmen, doch bat ihn Röchling, noch abzuwarten, was sein anschließendes Gespräch mit Schlattmann und Schacht ergäbe. Da der Kommerzienrat kaum damit rechnen konnte, dass man im RWM seine Pläne unterstützte, war ihm wohl eher daran gelegen, den dortigen Widerstand zu kolportieren. Der sehr müde wirkende Schacht ließ sich Röchlings Wünsche vortragen, »wobei Schlattmann sehr stark schon abwiegelte«. Letzterer war allenfalls für eine reine Hochofenanlage auf der Baar zu gewinnen, deren Bau Röchling aber kategorisch ablehnte, »da man in diesem Falle Kohle und Koks dorthin und Roheisen dafür zurücktransportieren müsste; das sei derartig unwirtschaftlich, dass eine solche Sache gar nicht in Frage käme«. Schlattmann verwies Röchling darauf, dass sein ursprüngliches Programm ja noch bis 1938 Geltung habe. Erst danach könne man einen Aufstockungsplan über etwa 2 Mio. t Eisen in Angriff nehmen 499 und diesen bis 1940 beenden. Weil es genügend Möglichkeiten gebe, den Plan an anderer Stelle zu realisieren, könne man die Saar davon verschonen, ein derart großes Programm aufzuziehen. Röchling hielt ihm entgegen, die Einführung der 40 Stunden-Woche im französischen Erzbergbau werde eine weitere Drosselung der Minetteimporte nach sich ziehen, aber »das berührte Herrn Schlattmann […] gar nicht. Für ihn ist offenbar die Hauptsache, dass seine Ruhr mit Schwedenerzen versorgt ist. Alles andere ist ihm offensichtlich ziemlich egal« 500 . Röchling informierte anschließend Löb, der über die Reaktion Schlattmanns sehr überrascht gewesen sein soll. Da Löb an Röchlings Technologie Zweifel äußerte, sandte der Kommerzienrat im Dezember 1936 eine Ausarbeitung 501 nach Berlin, in der er darlegte, dass das Doggererz etwa 50 % der saarländischen Roheisenerzeugung übernehmen könne, sofern man das saure Schmelzverfahren anwende. Röchling hielt seinen Vorstoß weitgehend geheim, wusste er doch genau, dass seine »Kollegen hier an der Saar 498 Vermerk H. Röchling v. 31.10.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 499 Bei dem von Schlattmann genannten »Aufstockungsplan« dürfte es sich um den Zusatzplan von Hermann Görings Rohstoff- und Devisenstab vom Sommer 1936 gehandelt haben. Dazu: Riedel, Eisen und Kohle, S. 87. 500 Aktennotiz H. Röchling v. 31.10.1936, KAS RESW F-K 57/ 2526. 501 Denkschrift Hahl »Die bisherigen Versuche mit Doggererzen« v. 1.12.1936, StANK AD. 167 6. Reichswerke und Baarerze nichts oder nur sehr wenig von diesem sogenannten Röchling’schen Optimismus wissen wollen« 502 . Tatsächlich herrschte bei der Wolff-Gruppe die Meinung vor, das neue Projekt des Kommerzienrats werde wieder einmal, wie bereits im Herbst 1935, nichts bewirken und nur »zu Irrtümern und damit bedauerlichen Zeitverlusten Anlass bieten« 503 . Tgahrt, Schlattmann und Schacht waren sich bereits im November 1936 darüber einig gewesen, dass »die Anregung des Herrn Röchling, den Bau von Hochöfen, Stahl- und Walzwerken bei Donaueschingen bezw. in Waldshut a/ Rhein vorzusehen, […] abwegig« 504 sei. Demgemäß teilten Tgahrt und Siedersleben Löb am 15. Dezember 1936 mit, sie begegneten Röchlings Hüttenprojekt mit »bedingungsloser Ablehnung« 505 . Ab Januar 1937 wirkte Röchling in einem Arbeitskreis der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (WGE) mit, der in Löbs Auftrag einen Plan ausarbeitete, wie die aktuelle Rohstahlerzeugung durch den Einsatz größerer Mengen Inlandserz von derzeit 19,2 Mio. t auf 24 Mio. t gesteigert werden konnte. Das Gremium kam im Laufe seiner Beratungen zu der Erkenntnis, dass dazu der Neubau von bis zu 16 Hochöfen und 13 Kokereien auf den deutschen Werksstandorten erforderlich sei 506 . Um seinen Anteil in diesem wachsenden Markt zu behaupten, ließ sich Röchling im März 1937 vom RESW- Aufsichtsrat ein 2 Mio. RM teures Investitionsprogramm genehmigen, das den Bau von weiteren vier Schachtröstöfen in Blumberg und, zur Verarbeitung der zusätzlichen Röst erzmengen, die Erweiterung der Völklinger Produktionskapazität um ca. 120.000 t Roheisen pro Jahr vorsah 507 . Röchling, der zutiefst davon überzeugt war, dass »die Roheisen- und Stahlerzeugung für unsere heutigen Bedürfnisse erheblich zu niedrig« 508 sei, trieb seine ehrgeizigen Hüttenbau-Planungen energisch voran und wollte bereits Ende 1938 zwei Hochöfen in Blumberg betriebsbereit haben 509 . Löb scheint Röchlings Projekt bei seinen Planungen berücksichtigt zu haben: Im Februar 1937 zog sein Amt bei mehreren Stahlwerken Erkundigungen über die Kosten für den Bau von Verhüttungsanlagen ein. Kurz darauf fertigten Pleigers Mitarbeiter zwei Vermerke über die Errichtung von Hüttenwerken in Baden und in Franken an. Aktenvermerk Nr. 7 510 , der für eine Besprechung bei Göring am 17. März 1937 erstellt wurde, sah für den Standort Zollhaus-Blumberg den Bau eines Hochofenwerks vor, das 500.000 t Vorschmelzeisen im Jahr erzeugen und den größten Teil seiner Produktion an die Saar versenden sollte. Röchling selbst trug zu der auf 30 Mio. RM angesetzten Baukostenprognose des Rohstoffamts durch eigene Angaben 511 bei. Von seinen Mitarbeitern stammen wohl auch drei Lagepläne zu Werkstandorten nahe Blumberg 512 . 502 Memorandum H. Röchling »Wieweit […]« v. 27.10.1936, KAS RESW F-K 22/ 2185. 503 Siedersleben an NE-Generaldirektion v. 21.12.1936, RWWA 72-149-8. 504 Vermerk Tgahrt v. 7.11.1936 über sein Gespräch mit Schacht und Schlattmann, StANK AD. 505 Dies berichtet Siedersleben in seinem Schreiben an Herbert Göring v. 16.12.1936, RWWA 72-149-8. 506 »Bericht über die Verarbeitung deutscher Erze […] im Rahmen des Vierjahresplans« v. Juni 1937, R 3112/ 187. 507 RESW-ARP v. 9.3.1937, KAS RESW F-K 32/ 2372. 508 H. Röchling an RESW-ARM v. 9.8.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. Als Gründe für einen stark steigenden Stahlverbrauch nannte Röchling das Bevölkerungswachstum, die Rüstung und die Automobilindustrie. 509 Aktennotiz H. Röchling v. 25.3.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 510 BAB R 3112/ 184. 511 Haus, Lothringen, S. 178. 512 BAB R 3112/ 182. 168 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Röchling nahm am 17. März 1937 an einer Sitzung des Arbeitskreises der WGE mit Göring teil, die letzterer als die vielleicht »wichtigste Sitzung« 513 im Rahmen des Vierjahresplans bezeichnete. Darin hob Göring gegenüber den versammelten Stahlindustriellen die Bedeutung der inländischen Eisenerzförderung für den Kriegsfall hervor, forderte den Bau neuer Hochöfen ein und bot der Wirtschaft dafür finanzielle Hilfen an. Allerdings sollte der Import eisenreicher Erze in Friedenszeiten keinesfalls eingeschränkt, sondern ausgedehnt und möglicherweise um Lieferungen aus Brasilien ergänzt werden. Röchling gewann in der Sitzung den alarmierenden Eindruck, der deutsche Eisenerzbergbau solle im Frieden zurückhaltend betrieben und erst im Krieg intensiviert werden 514 . Da dies seinen betrieblichen Expansionsplänen völlig zuwiderlief, wandte er sich nun an Pleiger, der mit den Ergebnissen der Sitzung gleichfalls nicht zufrieden sein konnte. Um Pleigers immer noch bestehende Vorbehalte gegen das saure Schmelzen auszuräumen, überredete ihn Röchling zu einem Flug nach England. Dort machte ihn der Völklinger Industrielle mit dem amerikanischen Hüttenbauer Hermann Brassert und mit dessen neuestem Werk, der Eisenhütte von Corby, bekannt. Von Brassert zwischen 1933 und 1935 erbaut, arbeiteten die dortigen Hochöfen problemlos nach dem sauren Schmelzverfahren. Pleiger war begeistert 515 . Röchlings Aufzeichnungen zufolge erhielt er nun Pleigers feste Zusage, dieser werde bei Göring »für uns die G.H.H.-Felder herausschneiden« 516 . In Absprache mit Pleiger wandte sich Röchling am 27. März 1937 an Göring, wies ihn auf die hohe Bedeutung einer gesicherten Eisenproduktion aus inländischem Erz für den kommenden Krieg hin und kritisierte alle Gedanken an brasilianische Erzimporte als »Spielereien, die nichts nützen, wenn es um den letzten Einsatz geht«. Als Lösung präsentierte er das Doggererz der Baar und regte an, dort künftig 8,5 Mio. t Eisenerz pro Jahr abzubauen und zwei Hüttenwerke an Ort und Stelle zu errichten, in denen eine Mio. t Eisen pro Jahr erzeugt werden sollte. Röchling bot Göring den Bau einer Anlage »mit der nötigen Staatshilfe« 517 an, was ihm eine Einladung beim preußischen Ministerpräsidenten eintrug 518 . Der Völklinger Kommerzienrat unterrichtete nun auch Oskar Mügel 519 , den Vorsitzenden des RESW-Aufsichtsrats. In einem euphorischen Brief suggerierte er, Göring habe seine Doggererzpläne in der Sitzung vom 17. März vollauf bestätigt und werde das Füllhorn staatlicher Subventionen weit öffnen. Röchling wies Mügel auf die expansiven Produktionsplanungen des WGE-Arbeitskreises hin und sagte voraus, dass auf der Baar eine neue Eisenindustrie entstehen werde, weil es in keinem anderen Eisenerz-Bezirk Deutschlands möglich sei, ebenso rasch eine große Eisenerzeugung zu realisieren. Dort 513 Protokoll der Arbeitskreissitzung v. 17.3.1937, BAB R 13 I/ 619. Siehe auch Sitzungsvermerk von H. Reusch, RWWA 130-400 101 46/ 2 sowie Riedel, Eisen und Kohle, S. 124 ff. und Haus, Lothringen, S. 178 ff. 514 H. Röchling an Hermann Göring v. 27.3.1937, Emessen, Schreibtisch, S. 78 ff. 515 Riedel, Eisen und Kohle, S. 137. 516 Streng vertrauliche Aktennotiz H. Röchling v. 23.8.1937, KAS RESW F-K 22/ 2185. 517 H. Röchling an Hermann Göring v. 27.3.1937, Emessen, Schreibtisch, S. 78 ff. 518 Auch Bürckel wurde vorgeladen. Vermerk Hermann Göring auf Röchlings Brief. Ebenda. 519 Oskar Mügel, (9.3.1858 St. Johann - 11.5.1947 Berlin): Jurist, ab 1892 im preußischen Justizministerium, 1910 MD, 1913 Staatssekretär, 1917 Wirklicher Geheimer Rat, 1910 Dr. jur. e.h., 1931-1939 RESW- Aufsichtsratsvorsitzender, verheiratet mit Maria Röchling (1862-1946), dem vierten Kind Carl Röchlings. 169 6. Reichswerke und Baarerze liege auch der ideale Standort für die neuen Kokereien, die mit »beliebiger Kohle« zu betreiben seien und deren Gas der Versorgung großer Städte wie Konstanz, Ulm, Stuttgart oder Zürich dienen könne. Röchling hielt den Hochofenbau auf der Baar durch die RESW zwar noch nicht für spruchreif, packte Mügel aber vorsorglich an seiner Familien ehre, als er ihm mitteilte, das Projekt sei eine »ganz große Gelegenheit«, die durch den Verkauf der Maxhütte verlorene innerdeutsche Position der Familie in der Eisenerzeugung wiederzugewinnen, »und zwar unter tatkräftiger Mithilfe aller in Frage kommenden Stellen. So etwas kommt nur einmal« 520 . Am 10. April 1937 suchte Röchling Reichsverkehrsminister Dorpmüller auf, stellte ihm seinen Plan zum Bau eines Hochofenwerks auf der Baar vor und forderte niedrige Frachtsätze für die Transporte von Roheisen zur Saar und von Kohle zum Hüttenstandort 521 . Zugleich erhöhte der Kommerzienrat den Druck auf die GHH, deren Felder er sich aneignen wollte. So bat er Hermann Reusch in einem persönlichen Gespräch darum, ihm einen Erzvorrat von etwa 50 Mio. t auf der Baar abzutreten, handelte sich jedoch eine Absage ein 522 . Im Mai ging er Kellermann an und begründete seinen Vorstoß indirekt mit den Reden Hitlers und Görings am 17. Dezember 1936 im Berliner Preußenhaus. Röchling hielt Kellermann vor, es könne der GHH vielleicht gelingen, bei Schlattmann »mit einer kleinen Förderung von etwa 1 Mill. t pro Jahr o.ä. durchzukommen. Aber mit einem solchen Programm käme er im ganzen bestimmt nicht durch«. Kellermann räumte zwar ein, »dass man ihm bestimmt keine Ruhe lassen würde«, ignorierte aber Röchlings Offerte, »dort unten gemeinsam ein Hüttenwerk zu bauen unter gemeinsamer Aufschliessung der Erzgruben« 523 . Selbst Göring kam hier nicht weiter: Dieser bedrängte Mitte 1937 Paul Reusch zwei Tage lang auf dessen Gut Katharinenhof, dass die GHH 520 H. Röchling an Mügel v. 30.3.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. Röchling berichtete, am 17. März 1937 seien unter Görings Vorsitz die staatspolitischen Gesichtspunkte bekannt gegeben worden, die »für die möglichst weitgehende Unabhängigkeit unserer Eisenerzeugung von den ausländischen Zufuhren maßgebend sind. Ich kann an dieser Stelle nur sagen, dass sie sich in vollem Umfange mit dem decken, was ich seit Jahren gesagt habe und was mir seit Jahren von vielen Stellen bestritten worden ist. Unsere Arbeit […] um die Erschließung der Doggererze, um die Nutzbarmachung dieser Erze für unsere Eisenerzeugung zeigt sich heute in ihrer ganzen Bedeutung für die Nationalwirtschaft. Die Folge ist daher die, dass gar keine Rede mehr davon war, ob die einzelnen Hüttenwerke bereit sind, die Aufgaben zu erfüllen, die […] Göring der Eisenindustrie stellt. Es gibt Niemand unter den Eisenhüttenleuten, der es augenblicklich wagte, dem dringenden Appell der Reichsregierung, der innerhalb von 3 Monaten zum zweiten Mal [nach der Veranstaltung am 17.12.1936 im Berliner Preußenhaus, Anm. WIS] an uns und dieses Mal ganz speziell an die führenden Männer der Eisenindustrie gerichtet ist, sich ablehnend zu verhalten. […] Die Zeiten, in denen Herr Oberbergrat Arlt im Auftrage des Herrn Oberberghauptmann Schlattmann uns in der Doggererz-Bergbau GmbH-Sitzung sagte, er dächte nicht daran, uns irgendwelche Auflagen zu machen, die wir nicht erfüllen könnten, worauf natürlich die bequeme Ausrede des Ungleichseins sofort erhoben wurde, sind endgültig vorbei. Vorbei ist aber auch, dass Herr Schacht es ablehnte, irgendwie finanziell zu helfen, vorbei auch die Zeit, dass auf die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung, der Eisenbahn usw. kein Druck irgendwelcher Art ausgeübt wurde, um die Erfüllung der grossen Aufgaben, die vor uns liegen zu erleichtern. Im Gegenteil, es wurde in der rd. vierstündigen Besprechung von Herrn Ministerpräsidenten Göring eine Unterstützung nach jeder Richtung, insbesondere auch nach der finanziellen Seite hin zugesagt. […] Die Reichsregierung werde Niemand im Stich lassen«. 521 Aktennotiz Röchling v. 13.4.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. Angeblich versprach Dorpmüller Unterstützung der Reichsbahn, »selbst wenn wir dabei Geld verlieren würden«. 522 Aktennotizen H. Röchling v. 7.4.1937 und v. 15.4.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 523 Aktennotiz H. Röchling v. 24.5.1937 KAS RESW F-K 22/ 2184. 170 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) eigene Hochöfen auf der Baar errichten solle, doch »Reusch habe ihm gegenüber kategorisch erklärt, er werde unter gar keinen Umständen ein derartiges Hüttenwerk bauen« 524 . Anfang Juni 1937 drangen irritierende Meldungen zum NE vor: Dr. Rudolph Gerlach, ein ehemaliger Mitarbeiter, der zum Rohstoffamt abgewandert war, berichtete, dass in seiner Behörde über den Bau eines Hüttenwerks auf der Baar nachgedacht werde 525 . Eine Woche später erfuhr Otto Wolff von Pleiger, dass Görings Wirtschaftsstab dem Projekt positiv gegenüberstehe und dass Pleiger nach den in Corby erhaltenen Informationen an extrem niedrige Roheisenkosten von 36 RM pro t glaube. Wolff hielt dies für völlig illusorisch und versuchte Pleiger zu überzeugen, dass »diese Zahlen absolut nicht stimmen könnten«. Am Ende des Gesprächs meinte Wolff mit Pleiger vereinbart zu haben, »ehe man an diese Hochofensache herangeht, erst mal die Versuche, die jetzt doch bald im Resultat vorliegen, abzuwarten und dann weiter über die Sache zu reden« 526 . Über Röchling erfuhr Wolff aus anderer Quelle, dieser habe seine Aktionäre bereits auf die Beantragung von Millionenbeträgen für seinen Hüttenbau auf der Baar vorbereitet, was Wolff vermuten ließ, dass auch der Staat das Projekt finanziell unterstützen werde, wenn es Röchling gelingen sollte, seine skeptischen Gesellschafter für die Investition zu gewinnen. Tgahrt reagierte auf Wolffs Nachricht mit dem Hinweis, er fühle sich in seinem bereits länger gehegten Verdacht bestätigt, dass »Herr Pleiger sich bei seinem Besuch in Corby mit Herrn Röchling von den Röchlingschen Ideen hat beeinflussen lassen« 527 . Tgahrt hielt diese für einen Irrweg, weil die Verhältnisse in Corby, das über besseres Erz verfüge, ganz anders lägen als in Blumberg. Allerdings bestand nach Tgahrts Einschätzung derzeit nicht die Gefahr einer überstürzten Entwicklung, habe ihm doch Pleiger bei einer gemeinsamen Zugfahrt am 14. Juni bestätigt, dass die Erörterung des Hochofenbaus auf der Baar von ihm zurückgestellt worden sei, bis die Versuchsergebnisse der Verhüttung von Röstgut und Lurgi-Konzentrat vorlägen. Zwei Tage später, am 16. Juni 1937, fand unter Görings Vorsitz in Berlin eine Sitzung mit der Montanindustrie statt, in der es um den drückenden Eisenmangel ging. Göring ereiferte sich über angebliche Versäumnisse der Stahlindustrie und kündigte an, dass auf alle Fälle eine Reihe von Hüttenwerken neu erbaut werden würden, entweder durch die Eisenindustrie oder durch den Staat. Anschließend forderte Göring alle Anwesenden auf, ihm schnell ihre Lösungsvorschläge einzureichen, damit sofort eine Entscheidung getroffen werden könne 528 . Unmittelbar nach seiner Rückkehr in Völklingen verfasste Röchling ein Schreiben an Göring, in dem er sein übliches, mit zahlreichen Subventionswünschen verknüpftes Angebot zum Bau eines Hüttenwerks auf der Baar wiederholte 529 . Er sandte das Schreiben jedoch nicht ab, sondern besprach es am 23. Juni mit Pleiger in Berlin. Der Aufsichtsratsvorsitzende der RESW, Oskar Mügel, dem Röchling einen Durchschlag des Entwurfs übermittelt hatte, erhob sofort Prostet dagegen, dass der Vorsitzende der 524 Aktennotiz H. Röchling v. 16.7.1937 über ein Gespräch mit General Kurt Liese, KAS RESW D-K 46/ 202. 525 Vermerk Dr. Hardt v. 2.6.1937, RWWA 72-146-5. 526 Vermerk Otto Wolff v. 14.6.1937, RWWA 72-146-5. Das Gespräch fand am Rande einer Sitzung statt. 527 Tgahrt an Wolff v. 18.6.1937, RWWA 72-146-5. 528 Aktennotiz H. Röchling v. 21.6.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. Zur Sitzung: Riedel, Eisen und Kohle, S. 146 ff. 529 Entwurf des Schreibens H. Röchling an Hermann Göring v. Juni 1937, KAS RESW F-K 22/ 2184. 171 6. Reichswerke und Baarerze Abb. 40: Röchlings Hüttenprojekt bei Aulfingen (1937). Bild: Bundesarchiv Berlin. Abb. 41: Röchlings Hüttenprojekt bei Riedöschingen (1937). Bild: Bundesarchiv Berlin. 172 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Geschäftsführung, also Hermann Röchling, ohne Einbeziehung seiner Mitgesellschafter eine derart weitreichende Verpflichtung gegenüber der Politik abgeben wolle 530 . Die Absendung des Briefs unterblieb daraufhin. Am 9. Juli 1937 bereitete Röchling seinen Aufsichtsrat auf große Entscheidungen vor. Er teilte ihm mit, dass der Vierjahresplan zu einer starken Erhöhung der deutschen Roheisenerzeugung führen werde und fuhr fort: »Unsere hiesige Hochofenanlage ist aber bei voller Ausnutzung der vorhandenen fünf Hochöfen am Ende ihrer Leistungsfähigkeit (es sei denn, dass ganz grosse Mittel investiert würden). Ich halte es daher für erforderlich, dass wir auf die Dauer zu einem Hochofenwerk auf der Erzbasis in Südbaden kommen, dem sich dann Stahl- und Walzwerke anschliessen müssen […] Nun ist es sicher auf die Dauer nicht richtig, Kohlen und Koks von der Saar nach Südbaden zu fahren, das Roheisen zurückzukutschieren und nördlich an Zollhaus- Blumberg vorbei unsere Fertigfabrikate von der Saar nach Süddeutschland zu unseren Abnehmern zu fahren. Einfacher ist es, Kohle oder Koks oder beides nach Südbaden zu fahren und von dort aus die Fertigerzeugnisse mit einem Frachtvorsprung von 1-2 Mark gegenüber der Saar nach Süddeutschland zu leiten. […] Daß für uns, die wir mit unserem größten Familienunternehmen direkt an der französischen Grenze liegen, es zweckmässig ist, eine Gelegenheit zu ergreifen, eine zweite Anlage in politisch weniger gefährlicher Gegend zu schaffen, scheint mir keines Beweises zu bedürfen« 531 . Der Aufsichtsrat erteilte Röchling am 16. Juli den Auftrag, zunächst die finanziellen Auswirkungen des Projekts auf den Gesamtkonzern zu ermitteln 532 . Was Röchling nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass die Geschäftsgrundlage seiner Planungen bereits entfallen war: Am 15. Juli hatte Pleiger insgeheim die staatlichen Reichswerke Hermann Göring gegründet und selbst den Vorstandsposten übernommen 533 . Anderntags schloss er einen Vertrag mit Brassert über den Bau von drei Hüttenwerken ab. Das größte davon war mit einer Produktionskapazität von vier Mio. t Roheisen auf den Erzvorkommen von Salzgitter geplant. Zwei kleinere »Hüttenwerke in Bayern und Baden sollen eine Anfangsleistung von je 250.000 t jährlich in Roheisen haben und eine Erweiterungsmöglichkeit bis zu 1 Mill. t jährlich« 534 . Pleiger dachte keineswegs daran, Röchling die badischen Felder der GHH zu überlassen. Seine Pläne zielten vielmehr darauf ab, das Oberhausener Unternehmen zu zwingen, ein Gemeinschaftsunternehmen mit den Reichswerken zu gründen, in das sich die GHH mitsamt ihren badischen Erzkonzessionen als Minderheitsgesellschafterin einbrachte. Am 23. Juli informierte Göring die entsetzte Ruhrindustrie, dass sie nicht nur zahlreiche Erzfelder an das staatliche Unternehmen abzutreten hatte, sondern auch finanzielle Beiträge zu dessen Aufbau leisten sollte. Der an diesem Tag in Bayreuth weilende Röchling wurde von Hüttendirektor Otto Berger, der die RESW auf Görings Konferenz in 530 Handschriftlicher Brief Mügel an H. Röchling v. 23.6.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 531 H. Röchling an Aufsichtsratsmitglieder der RESW v. 9.7.1937, KAS RESW E-K 65/ 286. 532 ARP RESW GmbH v. 16./ 17.7.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 533 Dazu: Riedel, Eisen und Kohle, S. 155 ff. und Mollin, Montankonzerne, S. 102 ff. 534 Vertrag Brassert-Reichswerke v. 16.7.1937, NWA 2/ 9871. 173 6. Reichswerke und Baarerze Berlin vertreten hatte, telefonisch über die Reichswerkegründung informiert. Der Kommerzienrat ließ es sich nicht nehmen, umgehend den in Bayreuth anwesenden Schacht aufzusuchen und seinen Triumph auszukosten. Röchling hielt ihm vor, dass das Ergebnis seiner Politik »auch bei der Eisenindustrie nun vorläge; sie säße vollkommen daneben und der Eindruck, dass sie nicht mitziehe, habe sich überall verbreitet«, was ihm sehr unangenehm sei, weil er doch stets eine andere Meinung vertreten habe. Er habe Reusch »immer wieder angefleht«, er solle etwas mit den riesigen Feldern machen und ihn gewarnt, dass er mit Zwangsmaßnahmen rechnen müsse. Diese seien nun da, und die GHH verliere ihre Felder auf der Baar. Röchling schloss seine Gesprächsnotiz mit der zutreffenden Einschätzung ab, dass Schacht vollkommen daneben sitze und kaum eine Aussicht habe, wieder zum Zuge zu kommen: »Ich bin überzeugt, dass er nichts Wesentliches mehr zu sagen haben wird« 535 . Anschließend sandte er Pleiger eine Kopie seines Vermerks zur streng vertraulichen Kenntnisnahme zu 536 . Allerdings stand auch Röchling als Verlierer da, hatte ihm doch Pleiger mit seinem Zugriff auf die Erzfelder der GHH die Einlösung des im März 1937 gegebenen Versprechens verweigert. Der Kommerzienrat mokierte sich, »dass man im 3. Reich auch auf dem Gebiete der Gründung der Reichswerke Hermann Göring, wie auf so vielen Gebieten, undankbar sei«. Pleiger verteidigte sich scheinheilig, dass er bei Göring versucht habe, die Konzessionen für Röchling »herauszuschneiden«, doch sei er von Göring gewarnt worden, dies jetzt zu tun, da man nicht wissen könne, wie rasch sich die politische Situation ändere. »Sehen Sie«, vertröstete Pleiger den enttäuschten Röchling, »wenn ich jetzt den anderen die Felder wegnehme und Sie Ihnen gebe und Ihnen ausserdem ein grosses Darlehn gebe, so wird das ausserordentlich viel Staub aufwirbeln. Aber ob wir dort unten ein Werk für die Reichswerke bauen und Sie ein kleineres auf Ihre Anteile an den Doggererzen oder ob wir gemeinsam etwas machen, kann ich jetzt noch nicht sehen« 537 . Röchling gewann am Ende den unzutreffenden Eindruck, Pleiger versuche sein Versprechen mit allen Mitteln zu halten, blieb aber skeptisch, ob ihm dies werde gelingen können. Trotz der veränderten Lage trieb der Kommerzienrat sein Hüttenwerksprojekt weiter voran. Sein Stab präsentierte den Gremien der RESW am 2. September 1937 einen auf 55 Mio. RM lautenden Kostenvoranschlag und eine positive Rentabilitätsrechnung für den Bau eines integrierten Hüttenwerks auf der Baar, das auf eine Jahresleistung von 360.000 t ausgelegt war 538 . Der Aufsichtsrat blieb jedoch auf Abstand und verlangte die Vorlage eines detaillierten Investitions- und Finanzierungsplans 539 , den Röchling schuldig blieb. Stattdessen präsentierte er im November 1937 ein weitschweifiges und wenig aussagekräftiges Papier 540 . Der Aufsichtstrat gründete nun eine eigene Bearbeitungs-Kommission; bevor diese jedoch tätig wurde, zog Oskar Mügel im Dezember 1937 beherzt einen Schlussstrich unter die Angelegenheit 541 . Röchlings Pläne lagen damit auf Eis. 535 Vermerk H. Röchling über sein Gespräch mit Schacht am 24.7.1937, BAB R 3112/ 180. 536 H. Röchling an Pleiger (handschriftlich, undatiert), NWA 2/ 9738. 537 Vermerk H. Röchling über sein Gespräch mit Pleiger am 19.8.1937, KAS RESW F-K 22/ 2185. 538 Hahl an ARM und Geschäftsführung der RESW v. 2.9.1937, KAS RESW F-K 22/ 2184. 539 ARP RESW GmbH v. 9.9.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 540 H. Röchling an RESW-Aufsichtsratsmitglieder v. 1.11.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 541 Mügel an H. Röchling v. 13.12.1937, KAS RESW D-K 46/ 202. 174 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) b) Pleigers Stahlwerksprojekt bei Gutmadingen Pleiger forderte die GHH am 24. August 1937 auf, ihren badischen Feldbesitz 542 in eine Minderheitsbeteiligung an den Reichswerken einzubringen und mit diesen gemeinsam eine Eisenhütte in Gutmadingen zu bauen. Hermann Reusch und Hermann Kellermann leisteten heftigen Widerstand: Am 30. August sandten sie ein Memorandum 543 an Pleiger, das die Verdienste der GHH um den deutschen Erzbergbau betonte und lehnten es ab, »freiwillig auf die Ansprüche zu verzichten«. Empört warfen sie Pleiger vor, es sei »bitter, ungerecht und tiefverletzend«, demjenigen Werk schwere Opfer abzuverlangen, das seit 1922 »als erstes Unternehmen planmäßig ohne Rücksicht auf die entstandenen Kosten und ohne unnötigen Zeitaufwand die Nutzbarmachung der südbadischen Doggererze betrieben« habe, »während man andere Unternehmungen, die ihre Erzgrundlage unserer jahrelangen intensiven Arbeit verdanken, nicht antastet« 544 . Keppler, Schlattmann, Schacht und die badische Landesregierung erhielten Kopien des Schreibens und der Denkschrift 545 . Schacht teilte Hermann Reusch jedoch mit, dass ihm von den Vorgängen amtlich nichts bekannt geworden sei und er deshalb nichts veranlassen könne 546 . Die GHH wehrte sich weiterhin gegen den Verlust ihrer badischen Erzfelder und erzielte Erfolg 547 . Da Pleiger die Salzgitterer Erze für die wichtigeren hielt und er mit dem Hüttenbau auf der Baar nach Einschätzung von Friedrich Flick deshalb erst später beginnen wollte 548 , beließ er der GHH vorerst ihre dortigen Felder. Vermutlich machte das Unternehmen dafür Zugeständnisse. So erfuhr Röchling später vertraulich von Rheinländer, »dass Herr Reusch sich mit Herrn Pleiger geeinigt hätte über ein weiteres Arbeits- und Versuchsprogramm bezüglich Gutmadingen, dass er aber noch nicht frei gelassen sei. Es sei so, dass der Pfändungsbeschluss gewissermassen in den Händen des Gerichtsvollziehers sei, der ihn aber nicht zustelle« 549 . Im Sommer 1937 setzte die GHH eine aufwändige Versuchsreihe zur Verarbeitung von Erzen aus ihren süddeutschen Gruben in Gang. Da sich sämtliche getesteten Aufbereitungsverfahren in der Vergangenheit als unwirtschaftlich erwiesen hatten, legte das Unternehmen seinen Schwerpunkt nun auf die Durchführung hüttentechnischer Versuche, die in wirtschaftlicher Hinsicht aber auch keinen durchschlagenden Erfolg erbrachten 550 . Um Erkenntnisse bei anderen Unternehmen zu sammeln, besichtigte Anfang 1938 eine Gruppe von GHH-Ingenieuren mehrere Röstanlagen in Deutschland, Österreich und 542 Pleiger verlangte auch die »bedingungslose« Abtretung der GHH-Felder bei Salzgitter. 543 Bericht der GHH über die Aufschließung deutscher Eisenerzvorkommen […] v. August 1937, NWA 2/ 9297. 544 GHH an Pleiger v. 30.8.1937, BAB R 3101/ 30980. Der letzte Halbsatz zielte auf die Saarhütten ab. 545 Aktenbefund RWWA 130/ 400 101 303/ 4b, BAB R 3101/ 30980 und LGRB 13 A/ 150 bzw. 13 A/ 147. 546 Handschriftlicher Vermerk auf dem Schreiben H. Reuschs an Schlattmann v. 3.9.1937, BAB R 3101/ 30980. 547 Riedel, Eisen und Kohle, S. 224 macht ein »Gipfeltreffen« am 26.9.1937 zwischen Reusch, Kellermann und Pleiger für den beigelegten Streit verantwortlich, kann jedoch nicht über Einzelheiten berichten. 548 Notiz Flick für Steinbrinck und Burkart v. 20.8.1937, BAB R 8122/ 7. 549 Vermerk H. Röchling v. 4.5.1938 über das Gespräch mit Rheinländer am 29.4.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185. 550 Dazu ausführlich: Lennings, Erschmelzen und Wilhelmi, Verhüttung. 175 6. Reichswerke und Baarerze Tschechien 551 . Auch die Blumberger Öfen wurden inspiziert. Im Februar 1938 schlug der Betriebsleiter des Oberhausener Eisenwerks, Dr. Alfred Wilhelmi, dem Vorstand dann vor, eine Röstanlage mit 350 t Tagesdurchsatz in Gutmadingen zu errichten. Paul Reusch genehmigte das 500.000 RM teure Projekt in der Erwartung, dass es bis zum Herbst des Jahres 1938 realisiert werde 552 . Warum man dann doch darauf verzichtete, ließ sich nicht zweifelsfrei ermitteln. Im März 1938 gelangten Österreich und der steirische Erzberg in deutsche Hand. Pleiger sicherte sich diese ergiebigen Lagerstätten und beauftragte Brassert mit dem Bau eines Hüttenwerks in Linz. Als Konsequenz davon gab er die Planungen in Franken und Baden endgültig auf. Kellermann erfuhr Ende März 1938 von Fritz Werthmann, dem stellvertretenden Vorstandsmitglied der Reichswerke, dass die bislang in Amberg und Gutmadingen geplanten Hütten nicht gebaut würden 553 . Die GHH erweiterte ihr Engagement in Gutmadingen daher nicht mehr. Zur Begründung legte Hermann Reusch besonderen Wert auf die Feststellung, dass »wir bei unseren Doggererzgruben einen ungedeckten Sofortbedarf von mehr als 200 Bergarbeitern haben. Die Befriedigung scheitert daran, dass die Mehrzahl der zur Verfügung stehenden Arbeiter dem PLEIGER’schen Erzbergbau zugeführt wird« 554 . Die Gutmadinger Belegschaft sank von 188 im Jahre 1937 auf 146 in den beiden Folgejahren ab, die Fördermengen stagnierten bis 1941 bei etwa 120.000 t pro Jahr 555 . c) Ein zeitgenössisches Resümee: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist abgelöst durch das nationalsozialistische« Die Gründung eines staatseigenen Montankonzerns und die Enteignung seiner privaten Konkurrenz waren sichtbare Zeichen dafür, dass die nationalsozialistische Politik ihren Primat gegenüber der Wirtschaft rigoros durchzusetzen begann 556 . Bei der Stahlindustrie verstärkte sich daraufhin die seit längerem schwelende Debatte über drohende Überkapazitäten und über die ökonomischen Grenzen einer militärisch begründeten Autarkiepolitik. Die Diskussion fand auch in den Verbandsgremien statt, in denen die Vertreter der Saarhütten und der Otto-Wolff-Gruppe saßen. Letztere mussten sich, ebenso wie die Ruhr, darauf einstellen, dass sie bald Marktanteile an die jetzt im Entstehen begriffene staatliche Konkurrenz verlören. Wolff und die Saar hatten nun abzuwägen, ob sie sich am Widerstand der Ruhr beteiligen und mögliche Nachteile durch die Politik in Kauf nehmen sollten oder ob sie abseits blieben und sich um anderweitige Kompensation bemühten. 551 Bericht Wilhelmi v. 31.1.1938 über die Reise vom 10. bis 15.1.1938, RWWA 130/ 400 101 304/ 7. 552 Vermerk Wilhelmi über die Besprechung am 26.2.1938, RWWA 130/ 400 101 304/ 7. 553 Vertrauliche Notiz Kellermann v. 28.3.1938, RWWA 130/ 400 101 303/ 4b. 554 Vermerk Hermann Reusch v. 28.10.1938, RWWA 130/ 400 101 303/ 4b. Großschreibung im Orig. Kellermann paraphierte den Vermerk mit: »Sehr richtig! « 555 Aktenbefund LGRB, Betriebsakten Karl-Egon-Bergwerk. 556 Ob dies als eine generelle Zäsur im Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft gewertet werden kann, ist in der Geschichtswissenschaft bis jetzt umstritten. Zur Diskussion siehe z.B.: Scherner, Logik, S. 17 ff. 176 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Aus Schachts Umfeld heraus wurde Anfang August 1937 der Versuch unternommen, die Wolff-Gruppe in den Widerstand der Ruhrindustrie einzubinden: Von Dr. Hans Baumgarten 557 , dem Hauptschriftleiter der Zeitschrift »Der deutsche Volkswirt«, erhielt Siedersleben einen maschinenschriftlichen Essay, der den Titel »Das deutsche Eisenproblem« trug. Das Memorandum war eine Verteidigungsschrift der Stahlindustrie gegen den Vorwurf, sie habe aus egoistischen Gründen den Abbau und die Verhüttung eisenarmer Inlandserze unzureichend gesteigert. Der anonyme Verfasser beschäftigte sich nur kurz mit dem Thema betriebswirtschaftlicher Unrentabilität zu Friedenszeiten, denn er stellte fest, dass die Gründung der Reichswerke ja rein militärisch motiviert sei, weshalb untersucht werden müsse, ob der Staatskonzern im Kriegsfall überhaupt von Nutzen sei. Die Ausarbeitung kam zu einem negativen Urteil und sagte in hellsichtiger Klarheit voraus, dass die ressourcenfressende Förderung und Verarbeitung eisenarmer Inlandserze im Kriegsfall zu Kohlemangel führen werde, weil das Personal in den Kohlezechen fehle. Der Kern der Botschaft bestand in einer Ohrfeige für Göring: »Ziel und Aufgabe des neuen Institutes ist die Steuerung der gesamten deutschen Eisenwirtschaft, und zwar einzig und allein nach wehrwirtschaftlichen Gesichtspunkten. […] Wieder einmal wird im dritten Reich die freie Initiative des Unternehmers durch die Initiative des Staates ersetzt. […] Wieder einmal wird man also das Schauspiel erleben, daß riesige Millionenbeträge des deutschen Volksvermögens der vermeintlichen Stärkung des potentiel de guerre geopfert werden. Dabei achtet das dritte Reich die wehrwirtschaftlichen Gefahren dieser uferlosen Autarkiepolitik offenbar gering. Wir meinen den großen Menschenbedarf der heimischen Ersatzproduktion, die sich im Kriege unangenehm bemerkbar machen könnte. Denn die leistungsfähigen Arbeiterjahrgänge werden naturgemäss der Industrie entzogen. […] Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist abgelöst durch das nationalsozialistische, das von einer ganz anderen Geisteshaltung ist und das anderen inneren Gesetzen gehorcht« 558 . Siedersleben war jedoch mit Sicherheit der völlig falsche Adressat für Einladungen zu oppositionellen Umtrieben und antwortete Baumgarten diplomatisch, er habe nie einen Zweifel gehegt, dass die den Reichswerken übertragene Aufgabe nur mit weitestem Einsatz der öffentlichen Hand gelöst werden könne 559 , was zugleich auch eine indirekte Subventionsforderung für das Doggererz darstellte. Am 10. August 1937 fand auf Einladung Ernst Poensgens, des Vorstandsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke, eine Besprechung von 14 Montankonzernen in Düsseldorf statt 560 . Ihr Thema war eine Stellungnahme gegen die Reichswerkegründung, deren Abga- 557 Dr. Hans Baumgarten (4.1.1900 Berlin - 24.3.1968 Königstein/ Taunus): 1923-1933 Chefredakteur des »Berliner Börsen-Couriers«, 1934-1944 stellvertretender, dann Hauptschriftleiter der Fachzeitschrift »Der deutsche Volkswirt«; 1946-1948 Mitbegründer und verantwortlicher Redakteur der »Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung«, 1949-1965 Mitherausgeber der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. 558 Im Orig. verstümmelt: »opoteutiel de Guerre«. Memorandum »Das deutsche Eisenproblem. Wehrwirtschaftliche Hintergründe der Reichswerke ›Hermann Göring‹« v. 6.8.1937, RWWA 72-238-12. Unterstreich. im Orig. 559 Siedersleben an Baumgarten v. 7.8.1937, RWWA 72-238-12. 560 Über die Sitzung existiert ein ausführlicher Vermerk des NE-Prokuristen F.W. Engel. Anwesend waren: Thyssen, Vögler, Wenzel, Ernst und Helmut Poensgen (VSt), Klotzbach (Krupp), Brüninghaus, Baberg 177 6. Reichswerke und Baarerze be Poensgen Schacht versprochen hatte. Drei der fünf Saarhütten waren anwesend, doch hatten das NE mit ihrem Prokuristen Engel und die RESW mit Otto Berger nur ihre zweite Garnitur entsandt. Am Ende erklärten beide, die Sache ihrer Unternehmensspitze vortragen zu müssen, wobei sich Otto Berger in völliger Verkennung der wahren Interessen Röchlings zu der Prognose verstieg, dieser werde schon keine Bedenken gegen das Memorandum haben 561 . Von den Saarwerken bekannte sich nur Dillingens Generaldirektor Wittke sofort zur Unterschrift, was sicher seiner eigenen Überzeugung entsprach, aber auch ein Akt der Dankbarkeit gegenüber Schacht gewesen sein könnte, der ihn 1935 vor dem sozialen Abstieg bewahrt hatte 562 . Die Besprechung am 10. August endete mit dem Ergebnis, dass das Papier erstellt und zu einem späteren Termin über die Unterzeichnung abgestimmt werden sollte. Zwischen der Wolff-Gruppe und dem NE herrschten völlig konträre Auffassungen darüber, ob man eine Koalition mit der Ruhr eingehen oder abseits bleiben sollte. Tgahrt, der Poensgens Vorhaben unterstützen wollte, traf auf den Widerstand Siederslebens, der monierte, Engels Vermerk über die Sitzung biete »ein Bild von einem Teil der Führung der Eisen schaffenden Industrie, das ich uns allen nicht gewünscht hätte. Die Erörterung über die Denkschrift […] geht an den Tatsachen vorbei. Ich darf wohl voraussetzen, dass Sie nicht beabsichtigen, eine solche Rechtfertigungsschrift der Ruhrwerke, die sich auch Ihnen und uns gegenüber zu verteidigen hätten, durch den Namen des Neunkircher Eisenwerks zu decken« 563 . Man wird wohl annehmen dürfen, dass die Haltung der Wolff- Gruppe auch davon bestimmt war, sich als Eisenlieferant für den Bau der Reichswerke zu empfehlen. So hatte sich Siedersleben kurz zuvor bei Otto Make 564 , dem Vorstandsmitglied der gruppeneigenen Eisen- und Hüttenwerke Bochum AG, über seinen mangelnden Erfolg bei der Auftragsakquisition beklagt 565 und Make, einen alter Bekannter Pleigers 566 , um Vermittlung gebeten. Am 19. August gab Pleiger die Zusage ab, er werde (Hoesch), Otto Berger (RESW), Wittke, Schubert (Dillinger Hütte), Kellermann (GHH), Möller (Mitteldeutsche Stahlwerke), Meyer (Ilseder Hütte), Menzel (Oberschlesische Hüttenwerke), Reichert, Petersen (WGE), Klöckner (Klöckner), Scheer-Hennings, Haas (Stahlwerksverband), Köcke (Mannesmann) und Engel (NE). RWWA 72-238-12. 561 Flick-Manager Otto Steinbrinck erhielt von Hermann Terberger, der an der Sitzung gar nicht beteiligt war, einen telefonischen Bericht, aufgrund dessen er Röchling fälschlicherweise für einen der Sitzungsteilnehmer hielt. Notiz Steinbrinck v. 11.8.1937, BAB R 8122/ 7. Haus, Lothringen, S. 197, übernahm Terbergers Irrtum. 562 Urteilsbegründung (Freispruch) v. 28.5.1936, BAB R 3001/ 120960. Wittkes Vita bis 1935 wird behandelt bei Adolph, Wittke. Leider hat das im Bundesarchiv Berlin verwahrte Faszikel des Reichsjustizministeriums zu Wittkes Prozess keinen Eingang in Adolphs Aufsatz gefunden. Kurzbiografie Wilhelm Wittke: Kap. IX/ 1/ a. 563 Siedersleben an Tgahrt v. 17.8.1937, RWWA 72-238-12. Siedersleben meinte, Tgahrt falle »ein Widerspruch gegen Düsseldorfer Wünsche in solchen grundlegenden Fragen nicht leicht«, weshalb er sich erst »nach einigem Zögern« dem Votum der Wolff oHG gebeugt habe. Siedersleben an v. Kühlmann v. 2.9.1937, RWWA 72-238-12. 564 Otto Make (1.9.1887 Friedrichshain - nach 1960): 1927-1942 Vorstandsmitglied der Eisen- und Hüttenwerke Bochum AG, 1942-1945 deren Vorstandsvorsitzender, 1938-1944 Präsident der IHK Bochum, 1944-1945 Präsident der Gauwirtschaftskammer Westfalen-Süd, Pg. seit 1933, Biografie: Stremmel, Kammern, S. 269-270. 565 Siedersleben an Make v. 14.8.1937, RWWA 72-238-12. 566 So Siedersleben im Schreiben v. 23.2.1938 an Make, RWWA 72-146-7. 178 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) die Wolff-Gruppe bei seiner Auftragsvergabe für die Reichswerke »in weitestem Masse« 567 berücksichtigen. Einen Tag später sprach sich Otto Wolff bei einer Sitzung im Kreise der Stahlindustriellen gegen die Unterzeichnung von Poensgens Denkschrift aus 568 . Am 24. August fand in Düsseldorf die abschließende Sitzung zu Poensgens Memorandum statt. Pleiger, der davon erfahren hatte, sandte in Görings Namen drohende Telegramme an die beteiligten Werke ab, in denen er ihnen »Sabotage« 569 vorwarf. Bei Tgahrt führte die Depesche allerdings nur zu einem Missverständnis: Er hielt Hermann Görings Verwandten Herbert 570 , den Generalreferenten im RWM, für den Urheber und telegrafierte zurück, er habe »unseren Vertreter schon vor Erhalt Ihrer Drahtung angewiesen Unterschrift unter Denkschrift abzulehnen« 571 , was dann auch geschah 572 . Röchling, der sich zu diesem Zeitpunkt immer noch Pleigers Hilfe für seine Hüttenbaupläne erhoffte, verfasste am 23. August einen Vermerk, in dem er die Sorge der Ruhrindustrie, die Errichtung der Reichswerke könne zu Überkapazitäten führen, als völlig unbegründet verwarf 573 . Dieses Papier bildete die Grundlage für seine eigene Argumentation in der Sitzung am 24. August, in der er die Unterzeichnung des Memorandums ablehnte 574 und sogar eine finanzielle Beteiligung der Montankonzerne an den Reichswerken vorschlug. Da er seinen Vermerk an Pleiger sandte, war dieser über Röchlings Votum rechtzeitig im Bild. Nach Engels Notiz über den Sitzungsverlauf trat von den Saarhütten lediglich Wittke, »sehr stark dafür ein, die Denkschrift geschlossen zu unterschreiben. Er bezeichnet die Versammlung als eine Schicksalsstunde und beschwört die anwesenden Herren, unter allen Umständen zu unterschreiben« 575 . Sein Einsatz blieb freilich vergeblich 576 . Röchling zog aus den Ereignissen weitreichende Schlüsse auf den Charakter der künftigen NS-Wirtschaftspolitik. Auf der DBG-Gesellschafterversammlung vom 13. September 1937 unterstrich er die »unbedingte Entschlossenheit des Reiches« in der Eisenerzpolitik und leitete daraus ab: »Aus diesem Gedankengange heraus müsse er davor warnen, etwa anzunehmen, dass das Reich gegenüber anderen Beteiligten oder auf anderen Gebieten vor überkommenen Wirt- 567 PdB Make/ Pleiger/ Roehnert/ Reichswerkevertreter am 19.8.1937, RWWA 72-238-12. 568 Zur Sitzung vom 20.8.1937: Bähr/ Drecoll u.a., Flick-Konzern, S. 251. 569 RWWA 72-238-12. Siehe auch Riedel, Eisen und Kohle, S. 213 ff. und Haus, Lothringen, S. 220. 570 Herbert Ludwig Göring (9.12.1889 Kettwig - nach 1947): 1933 in der Wirtschaftsabteilung des Preußischen Staatsministeriums tätig, 1934-1938 Generalreferent im RWM, danach bei den VSt. 571 Tgahrt an Herbert Göring (RWM) v. 24.8.1937, 16.20 Uhr, RWWA 72-238-12. 572 Vermerk Engel über die Besprechung am 24.8.1937, RWWA 72-238-12. Direktor Goldbeck von der zur Wolff-Gruppe gehörenden Eisenhüttenwerk Thale AG teilte Reichert am Rande der Sitzung die Nichtunterzeichnung durch die Vertreter der Wolff-Gruppe mit. Langen an Siedersleben v. 24.8.1937, RWWA 72-238-12. 573 Vermerk H. Röchling v. 23.8.1937, KAS RESW F-K 22/ 2185. 574 Röchling meinte 1941, er habe »dafür gesorgt, dass die Absicht, eine einheitliche Stellungnahme der deutschen Eisenindustrie gegen die Schaffung der Reichswerke herbeizuführen, scheiterte. Ich habe mir dadurch die Feindschaft bisheriger guter Freunde zugezogen. Damit sind Freundschaften in die Brüche gegangen, die weit über ein Menschenalter hinaus gehalten hatten«. H. Röchling an v. Hanneken v. 22.1.1941, zitiert in: Anklageschrift im Rastatter Prozess, Heft 4, S. 390, StAF T 1-27. 575 Aktenvermerk Engel über die Besprechung am 24.8.1937, RWWA 72-238-12. 576 Zur Sitzung vom 24.8.1937 ausführlich: Riedel, Eisen und Kohle, S. 219-221 und Haus, Lothringen, S. 210-219. 179 6. Reichswerke und Baarerze schaftsformen Halt machen werde. Im Gegenteil. Das Reich werde über die Belange der Privatwirtschaft hinweggehen, soweit das zum gemeinen Wohle von Volk und Staat erforderlich erscheine. Natürlich werde das Reich auch künftig der Privatwirtschaft Gelegenheit bieten, auf allgemeine Appelle hin das zu tun, was im allgemeinen Interesse nötig sei. Geschehe das nicht, so würden Folgen wie die Gründung der Reichswerke A.G. auf keinem Gebiet ausbleiben. Der einzelne dürfe nicht etwa erwarten, jeweils erst gesondert aufgefordert oder begrüsst zu werden. Grundlegende Aenderungen der deutschen Wirtschaftsverfassung würden sich aus derartigen Vorgängen ergeben und müssten gesucht werden« 577 . Siedersleben attestierte Röchling später, in Bezug auf die Gründung der Reichswerke »klar und vorausschauend gehandelt« zu haben und nahm für sich selbst in Anspruch, »von vorn herein den nämlichen Standpunkt wie Röchling« 578 vertreten zu haben. Der Wolff-Teilhaber gedachte offenbar das Beste aus der Situation zu machen und sorgte im Februar 1938 für eine Kapitalbeteiligung seiner Firma an den Reichswerken: Mit der Übernahme eines Aktienpakets von 2,5 Mio. RM 579 sollte auch die Produktionsgrundlage der Wolff-Gruppe abgesichert werden, deren Stahlverarbeitungskapazität die eigenen Möglichkeiten zur Eisen- und Stahlerzeugung 580 deutlich übertraf. So verhandelte man mit Pleiger über den Bezug von Halbfabrikaten, mit dem die Produktionsanlagen der Werke in Bochum und Thale besser ausgelastet werden konnten 581 . Die Aktienübernahme erwies sich zudem als sehr förderlich für die Auftragsakquisition der gruppeneigenen Weserhütte 582 . Auch Röchling beteiligte sich 100.000 RM an den Reichswerken in der Erkenntnis: »Für unseren Eisenhandel wird es ganz bestimmt eine sehr interessante Angelegenheit sein« 583 . Tatsächlich bestellte Pleiger vier von acht Hochofengerüsten im Saarland 584 , wovon auch Röchling profitiert haben dürfte. 577 Vermerk Siedersleben v. 14.9.1937, RWWA 72-146-5. 578 Siedersleben an v. Kühlmann v. 2.9.1937, RWWA 72-238-12. 579 Siedersleben an Pleiger v. 9.2.1938, RWWA 72-238-12. 580 So wollte man 1939 Roheisen importieren, um die unterausgelasteten Walzkapazitäten in Neunkirchen, Thale, Neuwied und Bochum besser beschäftigen zu können. Fa. Wolff an RWM v. 27.4.1939, RWWA 72-146-3. 581 Vermerk Siedersleben über Gespräche mit Pleiger, Make und Krahé am 9.2.1938 bzw. mit Reichsbankdirektor Bulling am 10.2.1938, RWWA 72-238-12. 582 So deren Generaldirektor Dr. Heinz Hoeschen an Siedersleben v. 19.2.1938, RWWA 72-238-12. Die Wolff-Gruppe hielt 92,11 % Anteile an dem Hersteller von Baugeräten und Transportanlagen. RWWA 72-117-2. 583 Aktennotiz H. Röchling v. 21.2.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185. 584 Flick an Steinbrinck v. 21.8.1937, BAB R 8122/ 7. Flick berief sich auf eine Mitteilung von Dr. Reichert, dem Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie. 180 IV. Die Baar als schwerindustrielles Entwicklungsgebiet des Vierjahresplans (1937 - 1938) Abb. 42: Der Lurgi-Drehrohrofen im Südwerk der DAG mit Bedienungsmannschaft. Bild: Sammlung Prillwitz. 181 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) 1. Personelle Strukturen und Ziele staatlicher Eisenpolitik für die Saar Vor dem Hintergrund eines drückenden Stahlmangels wurde im Juli 1937 der Stabschef im Heereswaffenamt, Oberst Hermann von Hanneken 1 , von Hermann Göring zum Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung ernannt 2 . Ende 1937 trat Schacht als Reichswirtschaftsminister zurück. Sein Interimsnachfolger Göring bildete das RWM und die Vierjahresplan-Organisation sofort um: Das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe wurde im Februar 1938 aufgelöst und dessen Kompetenzen größtenteils in das RWM integriert 3 . Schlattmann räumte seinen Posten als Leiter der Bergabteilung des RWM; Chef der neu geschaffenen Hauptabteilung II (Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, Energiewirtschaft) wurde von Hanneken. Dieser behielt sich die Leitung der Eisenabteilung persönlich vor und bediente sich bei der Bearbeitung des Doggererz-Projekts seines Mitarbeiters Heinrich Schmitt, eines Reichsbahnoberrats, der innerhalb der Eisenabteilung das Referat 2 (Ein- und Ausfuhr sowie Verteilung von Eisenerzen, Eisen und Schrott) leitete. Oskar Gabel, der frühere Referent für Erzbergbau im Rohstoffamt, übernahm in von Hannekens Hauptabteilung die Leitung des Bergbauressorts. Gabels rechte Hand für das Doggererz-Projekt war Oberbergrat Dr. Alfred Stahl, der dem Referat 13 (Eisenerzbergbau) vorstand 4 . Das RWM musste seine Kompetenzen mit der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau teilen, einer von Albrecht Czimatis geleiteten und formal dem RWM unterstellten Behörde, die aus den Resten des aufgelösten Rohstoffamts gebildet worden war und die Zuständigkeit für Forschung und Entwicklung sowie für Planung und Durchführung erhielt. Mit dem Doggererz-Projekt hatten dort vor allem zwei leitende Angestellte zu tun: Dr. Paul Rheinländer, der bislang Pleigers Mitarbeiter im Rohstoffamt gewesen war und nun die Leitung eines Hauptdezernats in der Abteilung Entwicklung erhielt, das unter anderem für den Bereich Eisen und Stahl zuständig war, sowie Dr. Rudolph Gerlach 5 , der das Dezernat »Forschung und Entwicklung Eisen und Stahl für die deutsche Eisenindustrie« innehatte. Beide Institutionen standen 1938 vor einer schwer lösbaren Aufgabe: Einerseits sollten sowohl die Stahlproduktion 6 als auch der Einsatz eisenarmer Inlandserze gesteigert 1 Kurzbiografien Hermann von Hanneken, Heinrich Schmitt und Dr. Alfred Stahl: siehe Kap. IX/ 2/ b. 2 Hensler, Stahlkontingentierung, S. 65. 3 Dazu: Zumpe, Wirtschaft, S. 241; Boelcke, Wirtschaft, S. 184 und Gaul, Anlageinvestitionen, S. 320. 4 RWM-Geschäftsverteilungsplan v. 14.3.1938, BAB R 3101/ 30007. 5 Kurzbiografie Dr. Rudolph Gerlach: siehe Kap. IX/ 1/ b. 6 Hermann Göring ordnete Anfang 1938 eine Produktionssteigerung um 8 bis 12 % an. Notiz des Flick- 182 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) werden, was zusätzlichen Hochofenraum kosten musste, andererseits aber waren die Hochofenkapazitäten bereits völlig ausgelastet 7 und deren Erweiterung für die private Eisenindustrie auf Pleigers Betreiben hin verboten 8 worden. Obwohl er anfangs zähen Widerstand geleistet hatte 9 , kam von Hanneken im April 1938 nicht umhin, dem Drängen 10 Ernst Poensgens, des Vorsitzenden der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, nachzugeben und der Ruhrindustrie den Bau von Hochöfen zu genehmigen 11 . Auch an der Saar existierten 1938 Kapazitätsengpässe im Bereich der Verhüttungsanlagen. Die Reichsbehörden lehnten Hochofenneubauten dort aber generell ab, weil zu erwarten war, dass die grenznahen Werke im Krieg allesamt stillgelegt werden mussten 12 . Daher galt die Stellung derartiger Anträge unter den Saarindustriellen als »aussichtslos« 13 . Auch das NE verzichtete Ende 1938 darauf, ein Gesuch für einen Hochofenneubau zu stellen, da dies im Vorgespräch mit den Reichsstellen »als unerwünscht« 14 bezeichnet worden war. Andererseits aber mussten die Behörden dem Umstand Rechnung tragen, dass die Verhüttungskapazität an der Saar zu knapp war, um die in Blumberg stetig anwachsende Doggererzförderung zu verarbeiten, ohne die aktuelle Höhe der Eisenproduktion zu gefährden 15 . Im Rohstoffamt hatte man schon 1937 erkannt, dass »durch den erhöh- Managers Odilo Burkart für Otto Steinbrinck v. 25.2.1938, BAB R 8122/ 347. 7 Bäumer, Eisen schaffende Industrie, S. 40 stellt für 1938/ 39 wegen steigender Inlandserzverhüttung eine fühlbare Verknappung des Hochofenraums fest. Ähnlich der Bericht des Arbeitskreises für den VJP v. 8.7.1939, BAB R 3101/ 30590. Siehe auch: Hensler, Stahlkontingentierung, S. 40 ff.; Riedel, Eisen und Kohle, S. 254; Jäger, Abhängigkeit, S. 68 und Haus, Lothringen, S. 241. 8 Um bei dem akuten Ressourcenmangel nicht von Konkurrenzbauten behindert zu werden, erließ das Reich auf Pleigers Wunsch (Pleiger an von Hanneken v. 3.9.1937, BAB R 3112/ 185) eine Anordnung zur Sicherstellung des planmäßigen Ausbaus der deutschen Eisenindustrie (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 216 v. 18.9.1937, S. 1 f.), derzufolge die Errichtung von Hüttenwerksanlagen einer amtlichen Genehmigungspflicht unterlag. Faktisch bestand ein Investitionsverbot für die private Montanindustrie, an das sich auch die Otto-Wolff-Gruppe zu halten habe, wie Pleiger hervorhob (Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Pleiger am 9.2.1938, RWWA 72-238-12). Pleigers Mitarbeiter Rheinländer verkündete sogar, dass die Privatindustrie nur noch Genehmigungen für Projekte erhalten werde, die vor 1940 beendet seien. Die Zeit danach müsse wohl ausschließlich der Entwicklung der Reichswerke Hermann Göring vorbehalten bleiben (NE-Generaldirektion an Siedersleben v. 27.11.1937, RWWA 72-238-12). Die von Gaul, Anlageinvestitionen, S. 289 und von Meyer, Holding, S. 88 geäußerte Meinung, die Maßnahme sei von der Privatwirtschaft gewünscht worden oder diene ihrer Beruhigung, ist irrig. 9 So hatte von Hanneken im November 1937 gegenüber dem Stahlwerksverband »mit aller Entschiedenheit eine Lockerung des Bauverbots abgelehnt«. Flick-Manager Burkart an Steinbrinck v. 19.11.1937, BAB R 8122/ 347. 10 PdB im RWM am 10.2., 4.3. und 17.3.1938; PdB Thomas/ E. Poensgen/ Reichert am 17.2.1938, BAB R 13 I/ 606. 11 PdB im RWM am 27.4.1938, BAB R 13 I/ 606 und RWM (v. Hanneken) an E. Poensgen v. 6.4.1938 (zitiert im Vermerk H. Röchling v. 4.5.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185). Bis Mitte 1939 erhielt die Industrie Genehmigungen zum Bau von 13 Hochöfen. Protokoll der 54. Sitzung des VDEh-Hochofenausschusses am 26.7.1939, StANK AD. 12 »Aus allgemeinpolitischen Erwägungen heraus sei aber die Vornahme neuer Investitionen an der Saar heute unerwünscht«. Vermerk RFM v. Mai 1939, BAB R 2/ 17849. Schon 1938 wurde die Kapazität der saarländischen Montanindustrie im Mob-Programm, einem für den Kriegsfall erstellten Produktionsplan der Eisen schaffenden Industrie, völlig ausgespart. Riedel, Eisenerzversorgung, S. 484. 13 Vermerk Siedersleben über die Sitzung am 24.11.1938 im Stahlhof, RWWA 72-147-6. Ebenso H. Röchling im Schreiben WGE-Bezirksgruppe Saar an WGE-Hauptstelle v. 6.8.1940, RWWA 72-237-9. 14 Siedersleben lt. Protokoll der Sitzung am 24.11.1938 im Stahlhof, RWWA 72-147-6. 15 »In jedem Falle ist nach Ansicht der Behörde die Schaffung zusätzlichen Hochofenraums in dem Ausmasse erforderlich, dass trotz Verhüttung der Doggererze das Gesamtausbringen erhalten bleibt«, so 183 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite ten Einsatz von Doggererzen der vorhandene Hochofenraum, auch bei Verwendung der späteren Konzentrate, nur gar zu schlecht ausgenutzt werde«. Das Amt vertrat daher die Auffassung, dass »man in der Aufbereitung der Doggererze gar nicht weit genug gehen könne. Die weitgehendste Aufbereitung in diesem Sinne sei daher die Herstellung eines Roheisens in Donaueschingen, das alsdann den saarländischen Hochofenwerken weiter zugeführt werde« 16 . Dieser Ansatz hatte zudem den Charme, dass das Roheisen im Kriegsfall leicht zu den Stahlwerken an der Ruhr umgeleitet werden konnte 17 . Der Lösung bedurfte allerdings die Frage, wer die Finanzierung der Investitionen übernehmen sollte. Von Hanneken versuchte im April 1938 Hermann Röchling zu einem Gemeinschaftsprojekt mit der GHH anzustiften, doch lehnte Paul Reusch einen dementsprechenden Vorschlag aus Völklingen ab 18 . Dennoch hielt von Hanneken an seinem Ziel, Hochofenbauten in Baden zu initiieren, weiterhin fest 19 und setzte die Saarwerke ab Mitte des Jahres 1938 diesbezüglich unter zunehmenden Druck. 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite a) Das Memorandum der Saarhütten Die hohen Verluste in Blumberg 20 und die Erkenntnis, dass die Roheisenerzeugung aus Doggererz viel teurer werden würde als aus Minetteerz, lösten Ende 1937 große Besorgnis im DBG-Aufsichtsrat aus. Im NE glaubte man, dass sich die Gesamtkosten des Dogger erz-Projekts auf bis zu 50 Mio. RM summieren könnten 21 und zog gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern den Schluss: »Angesichts dieser Verhältnisse stellt sich die Frage des Erhaltes von Subventionen in der dringendsten Form« 22 . Röchling erhielt von seinen Kollegen den Auftrag, die gemeinsame Forderung nach Reichsbeihilfen in Berlin vorzutragen, erlitt damit aber Schiffbruch. Der von ihm angesprochene Pleiger erklärte, dass, wenn die DBG nicht leben könne, sie eben auf die öffentliche Hand überführt werden müsse, dann jedoch zu Bedingungen, welche für die künftige Rentabilität der Saarhütten äußerst nachteilig seien. Röchling kommentierte ernüchtert: »Das Reich denkt nicht daran, den Saarhütten mit ihrer starken ausländischen Beteiligung sehr unter die Arme zu greifen. Das war an sich zu erwarten« 23 . Mitte 1938 musste der DBG-Aufsichtsrat über ein Investitionsprogramm zur Anlagenerweiterung in Blumberg entscheiden. Wittke, der sich seit seinem Amtsantritt vor RWA-Dezernent Gerlach lt. Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Beratungen am 15.11.1938, RWWA 72-147-6. 16 Vermerk Hardt (NE) v. 2.6.1937, RWWA 72-146-5. 17 Vermerk RFM v. Mai 1939, BAB R 2/ 17849. 18 Paul Reusch an H. Röchling v. 23.5.1938, RWWA 130/ 400 101 290/ 67. »Der Zweck des Schreibens von Röchling ist doch nur, irgendwie an unsere Erzfelder zu kommen«. Paul Reusch an Kellermann v. 5.5.1938, RWWA 130/ 400 101 308/ 0. 19 Vermerk Puttkammer v. 11.6.1938, BAB R 113/ 1228. 20 Ende 1937 hatte die DBG bereits 1,4 Mio. RM Verlust erwirtschaftet. PB-JB 1937, StAF V 500/ 1. 21 Vermerk »Doggererz-Bergbau« v. 21.1.1938, RWWA 72-146-5. 22 Vermerk NE zur DBG-ARS v. 29.12.1937, RWWA 72-146-5. 23 Aktennotiz H. Röchling v. 21.2.1938, KAS RESW F-K 22/ 2185. 184 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) 18 Monaten als entschiedener Projektgegner profiliert hatte, drohte in der Aufsichtsratssitzung vom 16. Juni die Zahlungsverweigerung der Dillinger Hütte an, bis die Subventionsfrage geklärt sei 24 . Da Wittke die Stimmung richtig erfasst hatte, fand sein Vorschlag Billigung, einen Bericht über die unzumutbaren Lasten des Doggererz-Projekts zu verfassen, mit dem man das Reich unter Druck setzen wollte. Umstritten war jedoch, ob sich der Inhalt des Memorandums eher mit den betriebswirtschaftlichen Problemen der Saarhütten befassen sollte, was Siedersleben für zwecklos hielt, oder ob er die volkswirtschaftlichen Nachteile des Doggererz-Projekts (Vergeudung knapper Ressourcen) aufzeigen und den Staat auf diese Weise zur Kurskorrektur animieren sollte. Siedersleben gab sich offensichtlich der Illusion hin, die derart belehrten Behörden würden es den Saarwerken erlauben, ihren Blumberger Betrieb stark einzuschränken und die geforderte Mehrverhüttung inländischer Rohstoffe durch den Zukauf von Erzen aus Salzgitter oder aus der Steiermark sicherzustellen 25 . Offenbar blieb es zunächst beim Vorsatz, das Memorandum erstellen zu wollen. Im September 1938 spitzte sich dann die Lage der DBG dramatisch zu. Ihr Gesellschaftskapital war verbraucht und die Überschuldung drohte 26 . Um in der Subventionsfrage voranzukommen, rechnete Röchling den Reichsvertretern auf der Gesellschafterversammlung vom 16. September vor, dass das staatlich oktroyierte Projekt zu einem Jahresverlust von 14 Mio. RM führe, von dem die drei Werke in Neunkirchen, Burbach und Völklingen jeweils fast 3,8 Mio. RM zu tragen hätten 27 . Einige Beamten gaben zwar zu erkennen, »dass auch sie einen solchen Verlust privatwirtschaftlich für nicht tragbar halten« 28 , doch war daraus leider keine Subventionszusage abzuleiten. In ihren Debattenbeiträgen wurden die Differenzen unter den Industriellen offenbar: Während Siedersleben versuchte, die Reichsvertreter mit volkwirtschaftlichen Argumenten (Arbeitskräfte- und Materialfrage) vom Doggererz-Projekt abzubringen, damit aber ins Leere lief 29 , warb Röchling wieder einmal für die Errichtung eines integrierten Hüttenwerks auf der Baar. Albrecht Czimatis, der Leiter der RWA, und seine Beamten, die an der Sitzung teilnahmen, erhöhten massiv den Druck auf die Saarindustriellen. Diese erfuhren, dass im RWM und in der RWA nahezu einhellig die Ansicht bestehe, es müssten Hochöfen bei Blumberg errichtet werden. Nur die Bergabteilung des RWM sei derzeit noch anderer Meinung. Da die Saar konjunkturbedingt »riesig« verdiene, müsse es ein Leichtes für sie sein, nicht nur die 24 Wittke monierte, »dass seit drei Jahren in dem Briefwechsel zwischen den Reichsstellen und der DBG (Briefe der Herren Keppler und Schlattmann) diese Stellen zwar immer die Erhöhung der Förderung verlangt hätten, jedoch nie auf die Kostenfrage eingegangen wären, trotzdem die DBG durch ihre jeweiligen Aufsichtsratsvorsitzer immer wieder klar zum Ausdruck brachte, dass die Saarhütten die grossen Belastungen in Blumberg nicht allein tragen könnten. […] Er glaube ohne weiteres, dass die heute verlangten Mittel für den ordnungsgemässen Ausbau des Bergwerkes notwendig seien, aber seine Firma sei entschlossen, in Zukunft die Zahlungen zu verweigern, bevor die Frage der Mithilfe des Reiches nicht geklärt sei«. DBG-ARP v. 14.6.1938, RWWA 72-146-7. 25 Siedersleben an NE-Vorstand v. 25.6.1938, RWWA 72-146-7. 26 DBG-Geschäftsführung an Saarwerke v. 17.9.1938, RWWA 72-146-7. 27 DBG-GVP Nr. 21 v. 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 28 Vermerk Siedersleben über die Sitzungen und Besprechungen am 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 29 Siedersleben klagte später: »Die Vertreter der massgebenden Behörden legten [! ] aber eine Diskussion über diese berechtigte Frage glatt ab, denn man habe sich zur Aufgabe gestellt, dass auch das schlechteste Erz abgebaut werden müsse. Die Regierung verlange das und gehe nicht davon ab«. PdB im Stahlhof am 24.11. 1938, RWWA 72-147-6. 185 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite zum Ausbau des Blumberger Erzabbaubetriebs benötigten 20 Mio. RM aufzubringen, sondern darüber hinaus auch noch das Kapital für ein Hüttenwerk. »Würden sich die Saarhütten aber weigern, die 20 Millionen RM für zwei Hochöfen […] zusätzlich aufzuwenden, so könne dies seitens der Reichswerke Hermann Göring A.G. ohne weiteres geschehen. Alsdann würden die Saarwerke sich selbst den weiteren Entwicklungsfaden abgeschnitten haben« 30 . Die alarmierten Hüttenwerksdirektoren beschlossen daraufhin, ihre im Juni beschlossene Denkschrift endlich fertigzustellen. Die Arbeiten am Memorandum förderten abermals erhebliche Differenzen unter den Industriellen zutage: Während Völklingen und Dillingen die Produktionskostenunterschiede zwischen Minette- und Dogger-Roheisen vollständig vom Staat ersetzt haben wollten, wandte Siedersleben ein, dass er ein »grundsätzlicher Gegner von staatlichen Subventionen« 31 sei. Die Saarhütten sandten schließlich am 10. Oktober 1938 ein Memorandum 32 nach Berlin, das keine konkreten Forderungen enthielt, sondern nur einen Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen der Verhüttung von Minette und der von Doggererz aufwies. Das Papier traf die Feststellung, dass man schon 12,9 Mio. RM in Blumberg investiert hatte und bald weitere 25,5 Mio. RM anstanden, um das Bergwerk und die Betriebsanlagen an der Saar auf den vom Reich angeordneten Umfang zu bringen. Für die Saarwerke ergäben sich jährliche Mehrkosten von 15 Mio. RM durch die Produktion von 700.000 t Dogger-Roheisen, das günstigstenfalls 71,70 RM pro t koste, gegenüber 52,42 RM für Minette-Roheisen. In einem von Wittke formulierten Begleitbrief hoben die Werke hervor, dass die Aufgabe ihre Kapital- und Ertragskraft überfordere, zumal man bereits jetzt starke Wettbewerbsnachteile gegenüber der Ruhr zu erdulden habe 33 . Auf den reichsseitig gewollten Hochofenbau auf der Baar ging man mit keinem Wort ein. In Berlin versuchte man die Saarhütten mit guten Argumenten von ihren Subventionswünschen abzubringen und ihr Interesse auf das Hüttenprojekt zu lenken. Behördenvertreter wiesen die Industriellen in diskreten Gesprächen darauf hin, dass die Reichswerke der größte Erzabbaubetrieb in Deutschland seien und aus einer Erzpreisausgleichskasse, die zwangsläufig gegründet werden müsse, wenn die Werke mit ihren Wünschen durchdrängen, den Hauptnutzen zögen. Da die Saarhütten davon nur neue Belastungen zu erwarten hätten, sollten sie besser versuchen, aus »wehrwirtschaftlichen 30 Vermerk Siedersleben über die Sitzungen und Besprechungen am 16.9.1938, RWWA 72-146-7. 31 Siedersleben an NE-Vorstand v. 27.9.1938, RWWA 72-146-7. Tatsächlich standen wohl eher Bedenken bei Siedersleben im Vordergrund, dass der von den anderen Werken vorgeschlagene Verweis auf die vom Reich praktizierten Förderprämienmodelle bei Blei und Zink nach hinten losgehen und die Subventionszahlungen für die Stolberger Zink AG und die Mansfeld AG, zwei gruppeneigene Firmen, gefährden könnte. Siehe Kap. III/ 2/ c. 32 Denkschrift über die bisherigen und zukünftigen Aufwendungen der Saarhütten für die Gewinnung und Verwertung der südbadischen Doggererze aus Zollhaus-Blumberg, StANK AD. 33 DBG (Wittke) an RWM v. 10.10.1938, RWWA 72-146-7. Der Brief hob hervor, wegen Eigenkapitalmangels und herrschender Kapitalmarktrestriktionen seien die nötigen Investitionen nicht zu finanzieren. Die bei der DBG später jährlich anfallenden Betriebsverluste von 15 Mio. RM belasteten das NE und die RESW mit einem Betrag von jeweils 4 Mio. RM, was deren Jahresgewinne (NE: 1936 = 1,8 Mio. RM und 1937 = 2,1 Mio. RM; RESW: 1936 = 1,2 Mio. RM und 1938 = 0,9 Mio. RM) weit übersteige. Als spezifische Nachteile der Saar führte Wittke an: (1.) unbewältigte Rückgliederungsfolgen, (2.) politisch motivierte Anhebung der Arbeiterlöhne auf das Niveau der Ruhr und (3.) Konkurrenznachteile gegenüber der Ruhr durch kleinere Hochöfen und schlechtere Koksqualität. 186 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Gründen« 34 vom Staat ein Hochofenwerk in Blumberg errichten zu lassen und dessen Betrieb zu führen. Das nötige Geld sei bei der RWA vorhanden. In diesem Fall werde der übrigen Eisenindustrie kein Anlass gegeben, eigene Forderungen zu stellen. Im Herbst 1938 erhöhten die Behörden den Druck auf die Saarindustriellen. In der DBG-Gesellschafterversammlung vom 15. November kündigte Rheinländer an, das RWM wolle zwar nicht jedem einzelnen Saarwerk, wohl aber der DBG finanzielle Hilfe gewähren, sofern der ihr auferlegte Förderplan eingehalten und das Doggererz-Projekt mit allen Aufbereitungsvarianten weiterhin von allen Gesellschaftern gemeinsam betrieben werde. Um klarzustellen, dass jeder Widerstand zwecklos sei, strich der Vertreter der RWA, Rudolph Gerlach, hervor, dass die Behörden naheliegende Einwände gegen den Bau von Vorschmelzöfen auf der Baar als unbegründet abweisen würden, da sie eine derartige Entwicklung von Amts wegen nicht zuließen. Dies seien: (1.) die Gefahr einer Konkurrenz gegenüber den Muttergesellschaften durch diese Hochöfen, (2.) eine schleichende Erweiterung des Hochofenwerks zu vollständigen oder selbständigen Stahlwerken zu Lasten der Saar und (3.) die Versorgung anderer Konzerne als der Saarwerke. Gerlach zufolge hing die endgültige Entscheidung über das Projekt jetzt nur noch davon ab, ob die militärische Lage der Saarhütten nach kürzlich erfolgter Beilegung der Sudetenkrise grundlegend anders bewertet werde und ob sich der Staat dazu durchringe, die erheblichen Mehrkosten des Hochofen-Projekts auf der Baar - gegenüber einem Anlagenbau auf den Hüttenstandorten an der Saar - zu tragen 35 . Demgemäß stand eine Entscheidung der Reichsregierung in der Angelegenheit unmittelbar bevor. Die Ausführungen der Beamten wurden mit Enttäuschung aufgenommen. Siedersleben musste seine Hoffnungen begraben, das am 29. September geschlossene Münchner Abkommen werde die kriegswirtschaftliche Betrachtung des Saargebiets »wohl wesentlich ändern« 36 , also Kapazitätserweiterungen an der Saar zulassen und das Doggererz- Projekt obsolet machen. Alphonse Wagener, der Vorsitzende des DBG-Aufsichtsrats und Direktor der Burbacher Hütte, konfrontierte die Behördenvertreter in der Sitzung mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Erzgrundlage der Saar die Minette sei und bleibe. Da die Versorgung wegen der knappen Devisendecke in letzter Zeit unzureichend gewesen sei, habe man für den doppelten Preis je Eiseneinheit eisenarme Inlandserze und teure Auslandserze kaufen müssen. Nunmehr wünschten sich die Saarwerke, dass ihnen das RWM die benötigten Minettemengen zuteile und sie vom Bezug teurerer Auslands- und Inlandserze freistelle, da sie durch das Doggererz ohnehin schon hohe Belastungen tragen müssten 37 . 34 Undatierter, keine Namen nennender vertraulicher Bericht v. Spätherbst 1938, StANK AD. 35 Vermerk Siedersleben über die Doggererzberatungen am 15.11.1938 in Neunkirchen, RWWA 72-147-6. 36 Siedersleben an Wolff u.a. v. 5.10.1938, RWWA 72-147-6. 37 DBG-GVP v. 15.11.1938, StANK AD. 187 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite b) Die Intervention der rheinisch-westfälischen Montanindustrie Die Saarwerke hatten ihre Eingabe ohne vorherige Konsultation der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (WGE) beim RWM eingereicht 38 . Dennoch wurde ihr Vorstoß an der Ruhr rasch bekannt. Am 10. November 1938 berichtete das Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke, Hermann Wenzel, im Kollegenkreis, er habe im RWM gehört, dass von der Saar der Einsatz von Inlandserz für mindestens ein Drittel ihrer Roheisenerzeugung verlangt werde. Die Werke wehrten sich »mit Händen und Füssen« und reichten eine Denkschrift nach der anderen ein, in denen sie nachzuweisen suchten, dass eine solche Belastung ihren Ruin bedeute. Sie hätten damit schon so viel Erfolg erzielt, dass das RWM überlege, wie der Bezug von Inlandserz subventioniert werden könne. Dort denke man entweder an eine lokale, auf die Saar beschränkte Subvention durch das Reich oder aber an eine Unterstützung der gesamten Eisenindustrie, wobei die nötigen Mittel durch eine Belastung der Auslandserze, der hochwertigen Inlandserze und des Schrotts erfolgen würde. Die Ruhrindustriellen waren sich rasch darüber einig, dass die Gründung einer Ausgleichskasse »unter allen Umständen bekämpft werden« müsse, da damit der Weg vorgezeichnet sei, die Verluste der Reichswerke Hermann Göring umzulegen: »Wenn überhaupt der Saar geholfen werden muss, darf das nur durch eine Reichsunterstützung geschehen« 39 . Ebenso sah es Friedrich Flick 40 . Mitte November 1938 wurde die Angelegenheit offiziell: Albrecht Czimatis bat Otto Petersen 41 , das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Vereins deutscher Eisenhüttenleute (VDEh), um Mitwirkung von mehreren Vereinsmitgliedern in einem Gremium, das die wirtschaftlichen und technischen Fragen des Doggererz-Projekts klären sollte: Der von den Saarwerken und Czimatis gleichermaßen übergangene und düpierte WGE- Vorsitzende Ernst Poensgen 42 berief daraufhin eine Sitzung von Verbandsvertretern und Stahl industriellen 43 für den 24. November 1938 nach Düsseldorf ein, auf der die Denkschrift der Saarwerke diskutiert werden sollte. Da Letztere den Versuch unternommen hatten, das ihnen unangenehme Treffen durch eine Intervention bei Czimatis zu hinter- 38 Wittke hatte der WGE und dem VDEh allerdings nachträglich Kopien des Memorandums übermittelt. 39 Vermerk Lübsen über die Besprechung in Berlin am 10.11.1938, RWWA 130/ 400 101 303/ 4b. 40 Flick meinte gegenüber von Hanneken, dass die Saar ja noch kürzlich Roheisengestehungskostenvorteile von bis zu 13 RM je t gehabt habe, damals aber einen Kostenausgleich nicht thematisiert habe. Flick betonte, er wolle keinen Protest gegen staatliche Subventionen für die Saar einlegen, lehne aber einen Kostenausgleich »unter den Werken ab«. Notiz über eine Besprechung mit v. Hanneken am 19.1.1939, BAB R 8122/ 58. 41 Dr. Otto Friedrich Petersen (13.1.1874 Eschweiler - 27.12.1953 Düsseldorf ): Hauptgeschäftsführer des VDEh 1917-1946. Biografien: NDB 20 (2001) S. 251 f. und Dietmar Bleidick, Emil Schrödter und Otto Petersen: zwei starke Geschäftsführer, in: Maier/ Zilt/ Rasch, 150 Jahre Stahlinstitut, S. 71 ff. 42 Ernst Poensgen (19.9.1871 Düsseldorf - 22.7.1949 Bern): 1935-1944 Vorstandsvorsitzender der VSt.; ab 1929 Vorsitzender des VDESI, 1934-1942 auch der WGE; kein Pg. Biografie: NDB 20 (2001) S. 569 f. 43 Anwesend waren E. Poensgen und Reichert (WGE); Petersen, Wesemann und Rummel (VDEh); von der Ruhr: Wenzel (VSt.), Winkhaus (Mannesmann), Lübsen (GHH), Sohl (Krupp), Wallauer (Hoesch), Guldner (Klöckner) und Ahrens (Bezirksgruppe Nordwest der WGE); für die Saarwerke: Wittke (Dillingen), Siedersleben (Otto Wolff oHG), Haug (NE), von Gemmingen und Otto Berger (RESW), Nohl (Burbach), Aumann (Halberg) und Martin (Bezirksgruppe Saar der WGE). 188 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) treiben, dabei aber an von Hanneken gescheitert 44 waren, fand die Besprechung in einer frostigen Atmosphäre statt. Wortführer der saarländischen Industriellen war Wilhelm Wittke, ein konsequenter Gegner des Doggererz-Projekts, der als stellvertretender DBG- Aufsichtsratsvorsitzender den Inhalt des Memorandums maßgeblich beeinflusst hatte. Dagegen entzog sich Hermann Röchling, der stetige Verkünder optimistischer Botschaften über das Doggererz, der für ihn peinlichen Situation 45 durch die Entsendung seines Schwiegersohns Hans-Lothar von Gemmingen-Hornberg. Auch Alphonse Wagener, der Aufsichtsratsvorsitzende der DBG, fehlte in der Besprechung, was wohl auf das Stigma seiner ausländischen Staatsbürgerschaft zurückzuführen war. Den acht Vertretern der Saar saßen fünf Düsseldorfer Verbandsfunktionäre und sieben Ruhrdirektoren gegenüber, von denen Wenzel und Poensgen die heftigsten Attacken gegen ihre saarländischen Kollegen ritten. So leitete Poensgen die Sitzung mit einer Rücktrittsdrohung für den Wiederholungsfall an, dass sich eine Untergruppe der WGE unter Umgehung der Hauptstelle an ein Reichsministerium wende. Die Verteidigungsstrategie der unter Druck geratenen Saarwerke bestand darin, ihre wirtschaftlichen Probleme zu dramatisieren und sich als das wehrlose Opfer einer staatlichen Rüstungspolitik zu gerieren, die keine Rücksicht auf ökonomische Zwänge 46 nahm. Gemäß ihrer Argumentation stellte das von der Ruhr beanstandete Memorandum lediglich einen legitimen Akt der Notwehr dar, der aus innerer Überzeugung heraus keinen Subventionsantrag enthalte, sondern nur dem Ziel diene, eine als untragbar erkannte Situation abzustellen, wobei man dem verursachenden Staat bewusst die Wahl der Mittel überlasse. Die Vertreter der Ruhr und der WGE nahmen eine konträre Position ein: Sie hoben auf die Sinnlosigkeit des Doggererz-Projekts ab 47 , verurteilten den Alleingang der Saarindustrie, aus dem sich unabsehbare Folgen 48 für die gesamte Wirtschaftsgruppe er- 44 Über die Beteiligung der WGE gab es offenbar Differenzen zwischen von Hanneken und Czimatis. Letzterer teilte Siedesleben später mit, »daß er die Einschaltung der Ruhr in die Doggererz-Verhandlungen von Anfang an für nachteilig erachtet habe […] und daß diese Auffassung inzwischen auch anderweit angenommen worden sei. Denn die Einschaltung von Düsseldorf habe nur zu einer neuen Verzögerung geführt«. Vermerk Siedersleben v. 26.1.1939, RWWA 72-147-7. 45 Lübsen warf in der Sitzung ironisch »die Frage auf, wer denn eigentlich die Inlandserzfragen so stark vorwärts getrieben habe. Das sei doch Herr Kommerzienrat Röchling gewesen, der auf hemmende Vorhaltungen wegen der Verhüttbarkeit ausdrücklich erklärt habe: ›Ich werde es Ihnen beweisen, dass es möglich ist! ‹« WGE-PdB am 24.11.1938, RWWA 72-147-6. 46 Wittke klagte, dass die DBG in ihrer gegenwärtigen Form »zum Untergang der Saarhütten« führe, dass sie »eine ›aufgelegte Pleite‹ sei und es sich bei der ganzen Sache um einen wirtschaftlichen Unfug handele. Die Erzeugungsgrundlage für die Saarhüttenwerke sei die Minette und wenn man ihnen diese entziehe, würden sie zugrunde gehen«. Die Saar wisse nicht, woher das Kapital für den Ausbau in Blumberg kommen solle und sei mit ihrem Latein am Ende. Daher müsse sie die Forderung erheben: »Entweder Kapital oder Drosselung des Bergwerks«. Winkhaus meinte, dass es doch nur um eine Investitionssumme von 15 Mio. RM gehe, die auf eine saarländische Jahresproduktion von 2 Mio. t umgelegt werden könne, was eine Roheisenverteuerung von lediglich 7,50 RM je t bewirke: »An der Ruhr wäre man froh, wenn man so billig davonkäme«. Zitate aus: WGE-PdB am 24.11.1938, RWWA 72-147-6 und BP v. 24.11.1938 der Bezirksgruppe Saar, KAS RESW D-K 33/ 147. 47 Reichert bezweifelte den wehrpolitischen Sinn des Doggererz-Projekts: Im Kriegsfalle mit Frankreich seien die Saarhütten ohnehin »sofort erledigt«, im Frieden aber könne man stets damit rechnen, »bestimmte Mengen Minette aus Frankreich zu erhalten. Man müsse mit Herrn General von Hanneken sprechen und ihm eindeutig erklären: Bis hierher und nicht weiter«. WGE-PdB am 24.11.1938, RWWA 72-147-6. 48 So warnte Ernst Poensgen, Czimatis denke bereits über folgende Lösungen nach: (1.) die Subventionie- 189 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite gäben und bezweifelten generell 49 , wie es Wenzel sehr ausgiebig tat 50 , dass die Saarwerke überhaupt in einer wirtschaftlichen Zwangslage seien oder generelle Produktionskostennachteile gegenüber der Ruhr zu tragen hätten. Stark in die Defensive geriet die Saar durch Sohls (Krupp) Feststellung, dass die Ruhr bereits jetzt 20 Prozent Inlanderz in ihren Hochöfen verhütte, die Saar dagegen nur drei oder vier Prozent. Winkhaus (Mannesmann) brachte die Dinge auf den Punkt, als er seinen Kontrahenten vorwarf, sie könnten doch wohl nicht ernsthaft behaupten, die Wirtschaftlichkeit ihrer Werke sei gefährdet, wenn sie mehr als drei oder vier Prozent Inlandserz verarbeiten müssten. Da die Saarwerke bekundet hatten, weder an Subventionen noch an einer Erzpreisausgleichskasse interessiert zu sein, konnten sie am Ende Poensgens Vorschlag kaum ablehnen, wonach die WGE dem RWM mitteilen wollte, dass der steigende Inlandserzbedarf der Saarindustrie aus den Gruben der Ruhrwerke gedeckt werden könne, weshalb »der weitere Ausbau der DBG als Fehlinvestition anzusehen sei und deswegen […] für diese Arbeiten kein Eisen mehr freigegeben werden soll« 51 . Aus Sicht der Ruhr waren damit zwei Probleme gleichzeitig gelöst: Erstens würde es weder eine Erzpreisausgleichskasse noch Subventionen für die saarländische Konkurrenz geben; und zweitens bekamen die Ruhrwerke zusätzliche Abnehmer für ihre überschüssigen Inlandserze, die sie wegen umfangreicher Erzabnahmeverträge mit den Reichswerken bislang nur unzureichend hatten verwenden können 52 . Das Konzept wurde jedoch von der Illusion getragen, die Berliner Behörden seien sich des Überflusses an deutschen Erzen bewusst und wünschten keine Steigerung der Förderkapazitäten. Tatsächlich traf das Gegenteil zu. Die Saarhütten wiesen die Ruhrwerke ausdrücklich auf diesen Umstand hin, stellten aber die Realisierung von Poensgens Vorschlag »anheim, da es für die Saar auf das Ergebnis (Behebung der unhaltbaren Lage), weniger auf den einzuschlagenden Weg ankomme, den die Regierung zu bestimmen habe« 53 . Wittke meinte dazu nur: »Ob es freilich der Ruhr gelinge, die Saar von dieser Sache herunterzubringen, erscheine ihm fraglich« 54 . Am 25. November 1938 sandte Poensgen die vereinbarte Stellungnahme an das RWM. Darin stellte er fest, dass die volle Ausnutzung der stark gewachsenen inländischen Erzförderkapazitäten zu einem merklichen Abfall der Rohstahlgewinnung führen müsse. rung des deutschen Erzbergbaus, (2.) die Gründung einer Erzpreisausgleichskasse oder (3.) eine Preiserhöhung für Fertigfabrikate. Da auch Pleiger über Subventionen für seine Reichswerke spreche, müsse man mit derartigen Anträgen äußerst zurückhaltend sein. 49 Einen der Gründe lieferte Erich Tgahrt. Der frühere NE-Generaldirektor hatte wenige Tage vor der Düsseldorfer Sitzung im Kreis der Ruhrkollegen die Einschätzung abgegeben, dass die Saar stark übertreibe. Vermerk Lübsen über die Besprechung in Berlin am 10.11.1938, RWWA 130/ 400 101 303/ 4b. 50 Wenzel zog in Zweifel, ob es überhaupt eine konkrete Förderauflage des RWM für die Saar gebe und behauptete, niemand könne die Werke zwingen, 3,6 Mio. t Doggererz zu verhütten. Da es der Regierung angeblich gleichgültig sei, woher die Saar ihr Inlandserz beziehe, könne sie es ebenso gut aus den Bergbaubetrieben der Ruhrhütten erhalten und so den Förderplan für Blumberg stark herabdrücken. Es sei doch Unsinn, Kapazitäten auszubauen, die nicht verwertet werden könnten. Darüber könne man durchaus mit von Hanneken und Gabel reden. Zwar hätten die Behörden auch der Ruhr Auflagen gemacht, doch sei man in Berlin verständig genug, nicht zu viel zu verlangen. BP v. 24.11.1938 der Bezirksgruppe Saar, KAS RESW D-K 33/ 147. 51 WGE-PdB v. 24.11.1938, RWWA 72-147-6. 52 Siehe dazu auch Mollin, Montankonzerne, S. 156-157. 53 Vermerk Siedersleben über die Besprechung in Düsseldorf am 24.11.1938, RWWA 72-147-6. 54 BP v. 24.11.1938 der Bezirksgruppe Saar, KAS RESW D-K 33/ 147. 190 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Deshalb sei es nicht richtig, »den Ausbau der Gruben bei Zollhaus Blumberg in dem offenbar geplanten verschärften Tempo weiter fortzusetzen, da der Arbeitermangel die Ausnutzung dieser gesteigerten Grubenkapazität verhindert und die Verhüttung zunehmender Doggererzmengen unweigerlich zu einer Leistungseinbuße der saarländischen Hochofenwerke führt« 55 . Dieses Votum und die Ergebnisse der Sitzung vom 24. November lösten Empörung bei Hermann Röchling aus, der Poensgen vorhielt, Deutschland könne doch unmöglich Großmachtpolitik betreiben, ohne sich durch eine Eisenerzeugung aus eigenen Mitteln abzusichern. Die private Eisenindustrie habe dabei nur die Wahl, diese Aufgabe entweder den Reichswerken zu überlassen oder aber, wofür er eintrete, sie selbst zu erfüllen und den Staat um finanzielle Hilfe zu bitten 56 . Poensgen antwortete ungerührt, dass es derzeit nicht darum gehe, wie viel man fördern könne, sondern darum, wie das Geförderte unterzubringen sei 57 . Die Rechnung des WGE-Vorsitzenden ging jedoch nicht auf: Am 28. November erfuhr Wolffs Geschäftsführer Georg Gasper von Rheinländer, dass es nach Auffassung von Czimatis auch künftig bei einem Förderziel von 3,6 Mio. t in Blumberg bleiben werde, weil diese Menge im Rohstoffplan der Eisenerzeugung vorgesehen sei. Rheinländer empfahl, »das Eingreifen der Ruhr nicht gar zu tragisch« zu nehmen. Dieses könne vielleicht eine Verzögerung, aber doch keine Abänderung des Förderplans verursachen und werde am Ende nur bewirken, dass das Reich »in den finanziellen Fragen steifer werden würde« 58 . Am 30. November 1938 informierte von Hanneken die Wolff-Gruppe über seine weiteren Planungen: Zu deren Leidwesen lehnte er eine Vergrößerung des Hochofenraums an der Saar »auch in Zukunft« kategorisch ab und verwies auf den Bau eines »Bereitschaftswerks für den Kriegsfall« direkt auf den badischen Erzvorkommen, in dessen Sinter- und Hochofenanlagen Eisenluppen für die Hochöfen »vornehmlich der Saar« 59 erzeugt werden sollten. Da er in dieses Projekt nur zu gern die GHH eingebunden hätte, bat von Hanneken Georg Gasper darum, Otto Wolff auszurichten, dieser möge doch einmal vorsichtig in Oberhausen vorfühlen. Wolff und Siedersleben holten sich dort freilich die gleiche Abfuhr wie zuvor Hermann Röchling 60 . Erst am 23. Dezember 1938 setzte von Hanneken Poensgen über seine ablehnende Haltung zu dessen Vorschlägen vom 25. November in Kenntnis. In seinem Schreiben wies er sämtliche Bedenken zurück, dass eine Mehrverhüttung von Inlandserz wegen 55 WGE (E. Poensgen) an RWM (v. Hanneken) v. 25.11.1938, KAS RESW D-K 33/ 147. 56 H. Röchling an E. Poensgen v. 29.11.1938, RWWA 72-147-6. 57 »Wie ich aus der mir inzwischen übergebenen Denkschrift ersehe, glaubt die Saarindustrie die für den künftigen Ausbau von Zollhaus-Blumberg erforderlichen 25,5 Millionen Reichsmark nicht selbst aufbringen zu können, und in diesem Zusammenhang ist das Wort Subventionen gefallen. […] Hier stehen sich Ihre Ansicht und die der Ruhrwerke diametral entgegen. […] Eine Subvention lehnen wir ab, wir wollen die entstehenden Lasten so lange wie irgend möglich selbst tragen. […] Die zweite Frage war die durch die Verhüttung der armen Erze jetzt und in Zukunft hervorgerufene Steigerung der Selbstkosten des Roheisens. Hier wurde im wesentlichen von den Ruhrwerken der Standpunkt vertreten, daß die Saarwerke den gleichen Prozentsatz armer deutscher Erze auch jetzt schon verhütten könnten und verhütten müßten, den die Ruhrwerke heute verarbeiten. Die erforderlichen Erzmengen können von den Ruhrwerken aus deren süddeutschen Vorkommen zur Verfügung gestellt werden«. E. Poensgen an H. Röchling v. 7.12.1938, KAS RESW D-K 33/ 147. 58 Vermerk Gasper über eine Besprechung mit Rheinländer am 28.11.1938, RWWA 72-147-6. 59 Vermerk Gasper über seine Besprechung mit v. Hanneken am 30.11.1938, RWWA 72-147-6. 60 Vermerk Siedersleben über das Gespräch mit Hermann Reusch am 3.1.1939, RWWA 72-147-7. 191 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite des fehlenden Hochofenraums zu einer sinkenden Roheisenerzeugung führen müsse, da die in Salzgitter entstehenden Anlagen der Reichswerke den derzeit knappen Verhüttungsraum bald vergrößern würden. Im Übrigen habe es die private Hüttenindustrie ja selbst in der Hand, durch den verstärkten Bau von Aufbereitungs- und Sinteranlagen zu verhindern, dass die Mehrverhüttung eisenarmer Inlandserze eine Verengung des Hochofenraums hervorrufe. Von Hanneken betonte, die Ereignisse vom September 1938 hätten gezeigt, dass die Regelung der wehrwirtschaftlich besonders bedeutsamen Frage, wie der Saar eine deutsche Erzgrundlage zu verschaffen sei, keinen Aufschub vertrage. Zwar müsse das Projekt, »wenn irgend möglich«, von der Industrie aus eigener Kraft realisiert werden, doch könne der Staat nicht zulassen, dass »die Industrie sich von der Aufgabe abwenden würde, wenn sie diese aus eigenen Kräften nicht oder nicht ganz lösen kann. Die Entwicklung der Salzgitterfrage hat ja gezeigt, daß der Staat dann solche Aufgaben allein löst und die private Industrie ganz ausschaltet« 61 . c) Das Hüttenwerks-Projekt - Staatsdiktat oder Pakt? Am 24. November 1938 setzte Albrecht Czimatis eine »Doggererzkommission« ein, die der Regierung technische Maßnahmen zur Fortentwicklung des Doggererz-Projekts vorschlagen sollte 62 . Dem von Edouard Houdremont 63 geleiteten, formell der RWA unterstehenden Gremium gehörten Kurt Rummel 64 , Fritz Wesemann 65 (beide VDEh), Rudolph Gerlach (RWA) und vier Werksingenieure 66 an. Die Kommission legte am 26. Januar 1939 einen Zwischenbericht vor, in dem sie empfahl, die tägliche Erzförderung auf der Baar von derzeit 3.000 t auf 5.000 t zu steigern und die Aufbereitungskapazität in Blumberg dementsprechend zu vergrößern. Kurzfristig höhere Mengen zu fördern, erschien ihr sinnlos, weil die Verhüttungsanlagen an der Saar nicht ausreichten, um ohne starke Leistungseinbuße die geförderte Doggererzmenge zu verarbeiten. Die notwendige Aus- 61 RWM (v. Hanneken) an E. Poensgen v. 23.12.1938, RWWA 72-147-6. 62 Vermerk über die Besprechung am 1.12.1938 in der RWA, StAF V 500/ 3-67. 63 Dr. Edouard Houdremont (19.5.1896 Luxemburg - 10.6.1958 Essen): Ingenieur, ab 1924 Karriere bei Krupp, dort Leiter des Bereichs Stahlforschung, 1938 stv. Direktor, 1943 Mitglied des Direktoriums bzw. Generalbevollmächtigter, Beratungstätigkeit für den Beauftragten für den VJP, Pg. seit 1940, 1948 in Nürnberg zu langjähriger Haftstrafe verurteilt, Freilassung 1951. Biografie: Andreas Zilt, Edouard Houdremont (1896-1958), in: Wolfhard Weber, Ingenieure, S. 474 ff. und Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, Bd. 2, S. 878 f. 64 Dr. Kurt Rummel (1.7.1878 Aschaffenburg - 14.12.1953): Maschinenbauingenieur, Assistent an der TeH Aachen, 1905 Promotion, danach als Spezialist für Kraftwirtschaft in der Hüttenindustrie tätig, ab 1919 Leiter der VDEh-Überwachungsstelle für Brennstoffwirtschaft bzw. der Wärmestelle Düsseldorf; ab 1945 Kurator der VDEh-Energie- und Betriebswirtschaftsstelle. Nachruf in: Eisen und Stahl 74 (1954) S. 194 f. 65 Dr. Friedrich Wesemann (22.9.1901 - 20.3.1987): 1926-1935 Leiter der oberschlesischen Zweigstelle des VDEh, ab 1935 in der Hauptdienststelle Düsseldorf; 1938 Promotion an der TeH Aachen, 1941- 1945 im Vorstand der Maximilianshütte, 1943-1945 Bezirksbeauftragter des Hauptrings Eisenerzeugung und Eisenverarbeitung des RWM in Mitteldeutschland, ab 1945 wieder Leiter der Energie- und Betriebswirtschaftsstelle des VDEh in Düsseldorf. Nachruf in: Eisen und Stahl 107 (1987) Nr. 9, S. 4. 66 Dr. Reichardt (VSt.), Dr. Eduard Senfter (RESW), Dr. Alfons Graff (Burbacher Hütte) und Rudolf Hahn (NE). 192 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) weitung der Verhüttungsanlagen empfahl die Kommission auf der badischen Erzbasis vorzunehmen und dort ein Vorschmelzwerk mit mehreren Hochöfen samt einer Kokerei zu errichten. Nach deren Fertigstellung sollte die DBG ihre Erzförderung auf 10.000 t pro Tag steigern, von denen man 6.000 t an Ort und Stelle zu Vorschmelzeisen verarbeiten wollte, einem Zwischenprodukt, das wegen seines hohen Schwefelgehalts einer metallurgischen Nachbehandlung bedurfte. Die auf der Baar täglich erzeugten 1.200 t Vorschmelzeisen sollten auf der Schiene zu den Saarwerken befördert und in deren Hochöfen umgeschmolzen und entschwefelt werden. Die restlichen 4.000 t der Blumberger Roherzförderung waren an der Grube aufzubereiten oder zu rösten und danach gleichfalls zur Saar zu schicken. Die Kommission errechnete für dieses Konzept einen deutlichen Produktionskostenvorteil gegenüber der Möglichkeit, die Hochöfen an der Saar zu errichten, hob jedoch hervor, was Wasser auf die Mühlen der stets klagenden Saarindustriellen war, dass die Werksselbstkosten »in jedem Falle über den in der Denkschrift der Saarwerke angegebenen Minette-Roheisen-Selbstkosten von 52,50 RM/ t [liegen]. Die Mehrkosten betragen bei der Verhüttung von badischem Doggererz etwa 20 - 30 RM/ t Roheisen« 67 . Selbst dieses wenig attraktive Ergebnis kam nur unter der völlig ungewissen Prämisse zustande, dass die Bahn allen Transporten einen Tarif von 0,525 RM je Tonnenkilometer gewähren würde, dass die Erzabbaukosten nur 4 RM je t betrügen, wovon sie Anfang 1939 noch weit entfernt waren, und dass die Kohlenversorgung des Hüttenwerks aus den staatlichen Saargruben zu dauerhaft konstanten Preisen erfolgen würde. Die in Baden notwendigen Investitionen wurden auf 91,5 Mio. RM 68 berechnet; hinzu kamen über 4 Mio. RM 69 für den Bau von Sinterbändern an der Saar. Wie diese Beträge und die andauernden Betriebskostenerhöhungen bei den Saarwerken finanziert werden sollten, musste noch zwischen ihnen und dem Staat ausgehandelt werden. Während das RWM die Projektrealisierung naturgemäß für dringlich hielt, legten die meisten Saarwerke »erklärlicherweise keinen besonderen Wert auf eine schnelle Entscheidung im Sinne eines Vorschmelzwerks« 70 . Allerdings hielt man das Projekt im NE unter zwei Voraussetzungen für lukrativ: Der Staat müsse die Baukosten vollständig übernehmen, und die Blumberger Eisenerzeugung habe ausschließlich der Produktionserhöhung zu dienen. Die dann noch verbleibende Verteuerung der Roheisenkosten sei, so hielt ein Papier fest, leicht »durch die Mehrerzeugung von etwa 33 % im Stahl- und Walzwerk sowie in der Weiterverarbeitung herauszuholen« 71 . Diesen Optimismus teilten jedoch nicht alle Werke. Was sie einte, war die Furcht, das RWM könne das Projekt dazu nutzen, ihnen die Minettegrundlage zu entziehen. Die Saarindustriellen versuchten daher die 67 Zwischenbericht über die Arbeiten der Doggererzkommission vom 26.1.1939, StAF V 500/ 3-67. 68 Laut H. Röchling kam ein Bericht der Saaringenieure Dr. Alfons Graff (Burbacher Hütte), Dr. Eduard Senfter (RESW) und Rudolf Hahn (NE) vom Januar 1939 zu diesem Ergebnis. H. Röchling an Bornitz v. 1.8.1939, StANK. 69 Papier Senfter über die »Ermittelung des Gesamtkapitalaufwandes zum Vollausbau der Erzgruben und zur Errichtung eines Vorschmelzwerkes in Zollh.-Blumberg« v. 31.1.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 70 Vermerk des NE-Ingenieurs Rudolf Hahn v. 21.1.1939, StANK AD. 71 Ebenda. Auch die RESW wollten sich weder an Kreditbürgschaften noch an den Baukosten des Vorschmelzwerks beteiligen. Vermerk v. Gemmingen v. 7.1.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 193 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite Belieferung mit diesen Erzen, die schon im vergangenen Jahr mangelhaft 72 gewesen war, auf politischem Wege für die Zukunft abzusichern: Am 3. Januar 1939 fanden sich vier Saarindustrielle und die Spitze der IHK Saarbrücken 73 bei Hans Barth 74 ein, dessen Vorgesetzter, der saarpfälzische Gauleiter Josef Bürckel, in Berlin als entschiedener Gegner des Hüttenprojekts auf der badischen Erzbasis galt 75 . Wittke, der die Delegation anführte, betonte, »die Doggererze könnten keinen Ersatz bieten für die französische Minette« 76 und kündigte Betriebseinschränkungen für den Fall an, dass es nicht gelingen werde, größere Minettemengen zu bekommen. Wenige Tage später entschied die unter Röchlings Vorsitz tagende WGE-Bezirksgruppe Saar, eine Denkschrift an das RWM zu richten 77 , in der man hervorhob, »dass die französische Minette nach wie vor die lebenswichtige Erzgundlage der Saarhütten« 78 sei. Demgemäß drängte man auf erhöhte Zuteilungen und diagnostizierte, was außerordentlich wichtig für die Legitimation der Forderung war, das Doggererz habe der Produktionsausweitung zu dienen, dass der Marktanteil der Saar im Vergleich zur Ruhr seit 1935 stetig gesunken war. Darüber hinaus stellte Hermann Röchling in seinem Begleitbrief noch einen Kostenvergleich zwischen der Ruhr- und der Saarindustrie an, der belegen sollte, dass die Saar auf direktem Wege in eine existenzbedrohliche »Verlustwirtschaft« 79 sei. Das gegen die Ruhr gerichtete Papier belastete die Beziehungen zwischen den beiden Eisenbezirken derart stark, dass sich Poensgen im Namen der Bezirksgruppe Nordwest zu einem scharfen Protest bei Röchling und von Hanneken genötigt sah 80 . Was das Vorschmelzwerk anging, so zielte die Wolff-Gruppe erkennbar darauf ab, die Verhandlungsführung der Saarwerke gegenüber dem Reich zu übernehmen und das umstrittene Projekt zum Erfolg zu führen. Zur Vorbereitung der nächsten DBG-Gesellschafterversammlung, die am 26. Januar 1939 in Völklingen über die weiteren Schritte beraten sollte, trafen sich tags zuvor Paul Rheinländer (RWA) und der Geschäftsführer der Wolff-Gruppe, Georg Gasper, in Wolffs Haus zu Berlin. Dabei zeigte sich, dass die 72 1938 nahmen die Erzbezüge der Saar gegenüber dem Vorjahr um 878.300 t auf 6,18 Mio. t ab. Die Hauptursache waren rückläufige Minetteimporte. Die Zufuhr von Doggererz legte um 183.000 t (110 %) zu. Die Saarwerke glichen Fehlmengen durch Vorratsentnahmen aus. Kurz, Standortproblem, S. 64 und 83 sowie Geschäftsbericht DH 1938/ 39, FADH Nr. 144. 73 Die Delegation bestand aus IHK-Präsident Hans Karcher (1890-1959), IHK-Hauptgeschäftsführer Hans Hagenbuch (1905-? ), von Gemmingen (RESW), Wittke (Dillingen), Nohl (Burbach) und Haug (NE). Der Termin fand auf Wunsch Bürckels statt, der nach dem Studium der ihm übersandten Saarhütten-Denkschrift vom Oktober 1938 nach Wegen suchte »die Saarhütten in ihren Bestrebungen bezüglich der Doggererzfrage bei den Regierungsstellen in Berlin unterstützen zu können«. Vermerk Haug über die Besprechung am 3.1.1939 bei der NSDAP-Gauleitung in Neustadt, RWWA 72-147-7. 74 Hans Barth (23.3.1896 St. Ingbert - 2.8.1962): Jurist, ab 1934 persönlicher Referent von Gauleiter Bürckel, ab 1935 Abteilungsleiter beim Reichskommissar für das Saarland, 1940-1945 Regierungspräsident beim Reichsstatthalter in der Westmark und Chef der Zivilverwaltung in Lothringen in Saarbrücken (Vertreter des Reichsstatthalters); Pg. seit 1935, 1936 Gauhauptstellenleiter im Gauamt für Kommunalpolitik des Gaus Saarpfalz; 1939-1945 Leiter des Gauamts für Kommunalpolitik des Gaus Saarpfalz (ab 1940 Westmark), Biografie: RPPD. 75 So die Einschätzung im RWM lt. Gaspers PdB im RWM am 30.11.1938, RWWA 72-147-6. 76 Vermerk Haug über die Besprechung am 3.1.1939 bei der NSDAP-Gauleitung in Neustadt, RWWA 72-147-7. 77 Notiz Otto Berger über die Sitzung am 9.1.1939, KAS RESW D-K 33/ 147. 78 Denkschrift über die Erzversorgung der Saarhütten v. Januar 1939, D-K 33/ 147. Unterstreich. im Orig. 79 Bezirksgruppe Saar der WGE (H. Röchling) an v. Hanneken v. 27.1.1939, KAS RESW D-K 33/ 147. 80 Bezirksgruppe Nordwest (E. Poensgen) an Bezirksgruppe Saar der WGE v. 14.2.1939, RWWA 72-147-7. 194 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Intervention der Ruhr nicht fruchtlos geblieben war. Rheinländer teilte Gasper mit, dass von Hanneken seine frühere Absicht aufgegeben habe, die Eisenerzförderung in Blumberg durch fortlaufende Beihilfen »lukrativ zu machen, weil inzwischen starke Angriffe gegen ein derartiges Verlangen der Saarindustrie von der Fachgruppe eisenschaffende Industrie erhoben worden wären« 81 . Paul Rheinländer kündigte an, von Hanneken werde am 9. Februar 1939 in Berlin mit den Saarhütten über die Finanzierung des Hüttenwerks sprechen und griff Gaspers Vorschlag gern auf, von Hanneken darum zu bitten, Wolff einen gesonderten Termin unmittelbar vor dieser Sitzung einzuräumen. Auf der DBG-Gesellschafterversammlung vom 26. Januar 1939 fand der von Gerlach vorgestellte Bericht der Doggererzkommission nur eine geteilte Aufnahme. Der nach Völklingen gekommene Czimatis forderte die Saarindustriellen auf, sich bis zu den Verhandlungen mit von Hanneken am 9. Februar »auf eine klare Grundlinie festzulegen« 82 , wie sie sich die Projektrealisierung in technischer und ökonomischer Hinsicht vorstellten. In der Debatte zeigte sich jedoch rasch, dass die Gruppe der Saarwerke tief gespalten war. Während dem NE und den RESW eine konstruktive Mitarbeit an den Regierungsplänen ratsam erschien und sich ihre Blicke zunehmend darauf richteten, wie für das Projekt eine hohe Staatsbeihilfe herauszuschlagen sei, nahmen andere Werke eine kaum kaschierte, von grundsätzlicher Ablehnung geprägte Haltung ein 83 . Wittke, der schon Ende 1938 den Ausbau der Blumberger Aufbereitungsanlagen hatte blockieren wollen, bis sämtliche Subventionsforderungen erfüllt seien 84 , war der Anführer dieser Fundamentalopposition und beharrte darauf, dass es »unbedingt erforderlich [wäre], die Finanzierungsfrage zu lösen, ehe fertige Vorschläge gemacht würden« 85 . Da sich Walther Wieland, der Generaldirektor der Halbergerhütte, ähnlich hinhaltend äußerte, konnte Siedersleben am Ende lediglich eine eingeschränkte, mit allerlei Vorbehalten versehene Zustimmung zum Projekt durchsetzen. Weitere Details ihrer Verhandlungslinie wollten die Werke am 31. Januar 1939 in Burbach klären, doch wurden in dieser Sitzung, an der mit Gerlach bezeichnender Weise ein Regierungsvertreter teilnahm, kaum Fortschritte erzielt 86 . Man vertagte sich schließlich auf eine Besprechung, die am Vorabend der Konferenz mit von Hanneken in der Berliner Niederlassung der Wolff-Gruppe stattfinden sollte. Im RWM war bald klar, dass bis zum 9. Februar nicht mehr mit einem gemeinsamen Vorschlag aller Saarwerke gerechnet werden konnte. Um die Front der Projektgegner um Wittke und Wieland herum auszumanövrieren, fand am 1. Februar in Berlin eine vertrauliche Zusammenkunft zwischen den Spitzenfunktionären der Wolff-Gruppe und des RWM statt 87 . Von Hanneken bat Otto Wolff darum, einen eigenen Vorschlag aus- 81 Notiz Gasper über sein Gespräch mit Rheinländer am 25.1.1939, RWWA 72-147-7. Im Gespräch äußerte Gasper die Auffassung, das Hüttenprojekt auf der Baar werde langfristig rentabel sein. 82 Vermerk Siedersleben über die DBG-Gesellschafterversammlung am 26.1.1939, RWWA 72-147-7. 83 So die Einschätzung Siederslebens in einem Briefentwurf an das RWM v. 2.2.1939, RWWA 72-147-7. 84 Wittke klagte, »dass er solchen Neuinvestierungen nicht zustimmen könne, bis die Finanzierung derselben durch die Regierung geklärt sei. Man wisse, dass Dillingen im letzten Geschäftsjahre einen Verlust von 1.500.000 RM aufgewiesen habe. Hiervon kämen 1,2 Millionen auf das Konto Doggererz. Eine solche Unterbilanz könne er als verantwortlicher Generaldirektor nicht vertreten, da sie auf Dauer zum Bankerott führe«. PdB der Saarhütten am 15.12.1938, StAF V 500/ 3-67. 85 DBG-GVP Nr. 23 v. 26.1.1939, StAF V 500/ 1-15. 86 Niederschrift über die Besprechung am 31.1.1939 auf der Burbacher Hütte, RWWA 72-147-7. 87 Sitzungsteilnehmer: Wolff, Gasper, Siedersleben, von Hanneken und Reichsbahnoberrat Schmitt. 195 2. Strategien zur Kostenbegrenzung auf Unternehmensseite zuarbeiten und diesen in der am 9. Februar stattfindenden Verhandlung als gemeinsame Position aller Saarhütten zu präsentieren 88 . Angeblich hatte Wolff bei dessen Formulierung völlig freie Hand, musste das Papier dem RWM aber noch vor der Sitzung zuleiten. Glaubt man den Firmenakten, dann wurden Wolff und seine Gruppe von den Behörden in eine Schlüsselposition zur Durchsetzung der staatlichen Pläne gedrängt, doch wird man getrost davon ausgehen dürfen, dass das Kölner Management diesen Prozess auch selbst befördert hat. Am 2. Februar wurde der Neunkircher Generaldirektor Kugener von Siedersleben über das am Vortag stattgefundene Gespräch mit von Hanneken unterrichtet und zur Verschwiegenheit gegenüber allen seinen Kollegen an der Saar verpflichtet. Der Wolff- Teilhaber übernahm auch die Formulierung des vom RWM geforderten Vorschlags. Der in Form eines Schreibens an das Ministerium gehaltene Inhalt geriet mit 13 Seiten derart üppig 89 , dass Gasper spöttelte, er enthalte zweifellos all das, was einmal gesagt werden müsse und ihn kräftig kürzte. Den Vorstellungen im Hause Wolff zufolge sollte: • die DBG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ihr Eigenkapital stark erhöht werden, • sich die Wolff-Gruppe die Majorität an der AG verschaffen, • die AG das Vorschmelzwerk bauen und es zum Teil über Anleiheemissionen finanzieren, • die saarländische Stahlindustrie die Produktion der AG zum Selbstkostenpreis abnehmen, • der Staat den Saarwerken die Produktionskostendifferenz zwischen Minette- und Dogger-Roheisen vollständig ersetzen und • die Erzeugung von 700.000 t Dogger-Roheisen den Saarhütten ausschließlich zur zusätzlichen Beschäftigung dienen, also das Minette-Roheisen keinesfalls ersetzen. Gasper empfahl Wolff dringend, diesen Vorschlag nicht im Kreise der anderen Werke zu machen, sondern nur an von Hanneken zu richten und den Generalmajor zu bitten, das Papier nicht in zu weite Kreise zu bringen: »Man schafft sich damit eine lästige Opposition« 90 . Am 8. Februar 1939 fand in der Berliner Wolff-Niederlassung eine interne Sitzung der Saarwerke zur Vorbereitung ihrer Verhandlungen mit dem RWM statt. Gemäß seiner Zusage an von Hanneken drängte Otto Wolff mit düsteren Prognosen über die Sicherheit der Minetteversorgung darauf, »dem Herrn General einen praktischen Vorschlag zu unterbreiten« 91 . Wolff stellte in Aussicht, man könne sich im Gegenzug von der Regierung einen preisgünstigen Möller und einen Ausgleich für die Mehrkosten des Doggererzes einhandeln 92 . Unter den Saarindustriellen regte sich wenig Widerstand. Sie forderten 88 Siedersleben an Kugener v. 2.2.1939, RWWA 72-147-7. 89 Vorentwurf Siedersleben für ein Schreiben an das RWM v. 2.2.1939, RWWA 72-147-7. 90 Gasper an Wolff v. 2.2.1939, RWWA 72-569-12. 91 Niederschrift über die Vorbesprechung der Saarhüttenwerke am 8.2.1939, StAF V 500/ 3-67. 92 Wolff vertrat »die Ansicht, wenn über diese Punkte eine grundsätzliche Entscheidung vorliege, fände sich auch der Weg, das entsprechende Geld zu erhalten«. Die Verantwortung für die entstandene Lage lud er bei Schlattmann ab, der 1935 Subventionen für das Doggererz abgelehnt hatte: »Schlattmann sei schuld an der heutigen Situation. Wenn der nicht gewesen sei, könnte man mit dem Problem heute 196 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) lediglich, in den Verträgen mit dem Reich eine Preisobergrenze für ihre Erzzuteilungen durchzusetzen und verabschiedeten eine vom Wolff-Management vorbereitete Resolution, in der sie • die Notwendigkeit der Durchführung des Doggererzvorhabens ausdrücklich anerkannten und diesem eine loyale Unterstützung zusicherten, • ihre Bereitschaft bekundeten, sich mit höchstens 25 Mio. RM an einer Kapitalerhöhung der DBG zu beteiligen, wovon 20 Mio. RM auf die bereits getätigten Investitionen angerechnet und die restlichen 5 Mio. RM in bar aufgebracht werden sollten, • der Regierung versprachen, ihr ein Bauprogramm für die Anlagenerweiterungen der DBG in kürzester Frist vorzulegen, • bestätigten, die Erzförderung der DBG zum Preis der Minette abzunehmen, • von der Regierung verlangten, der DBG den Differenzbetrag zwischen Selbstkosten und Verrechnungspreisen finanziell auszugleichen, • bis zur Fertigstellung des Vorschmelzwerks einen wirtschaftlich tragfähigen Möller von der Regierung zugeteilt haben wollten, der überteuerte Inlands- und Auslandserze ausschloss 93 . Am 9. Februar 1939 fanden die Verhandlungen zwischen der Montanindustrie und dem RWM statt. Von Hanneken hielt ein Eröffnungsreferat, in dem er betonte, dass der Ausbau der Doggererz-Förderung so teuer werde, dass er von den Saarwerken nicht allein getragen werden könne, weswegen es nun Sache des Staates sei, dasjenige herauszufinden, was am Günstigsten liege. Um die Vertreter der saarpfälzischen Gauleitung, hinter der sich einige Werke verschanzt hatten, ruhig zu stellen, hob er hervor, dass der Bau des Vorschmelzwerks auf der Baar weder zu einer Verminderung der saarländischen Roheisenproduktion noch zu deren Abwanderung führen werde. Anschließend präsentierte er den Saarindustriellen seine Pläne. Demnach war das RWM bereit, ab sofort »bis zur Errichtung des Vorschmelzwerks diejenigen Kosten, welche der Saar durch die Verhüttung der inländischen Erze zusätzlich entstehen, und zwar über das Mass hinaus, was man billigerweise verlangen kann, in irgendeiner Form zu ersetzen. Der Zeitraum, wie lange dieser Zuschuss gewährt wird, hängt von der Errichtung des Vorschmelzwerkes ab. Sobald dieses steht, fällt jegliche Unterstützung fort. Die Saar ist dann wieder auf sich selbst gestellt. In welcher Form der Zuschuss gewährt werden soll, ist noch nicht geklärt. […] Hierüber muss später gesprochen werden« 94 . Nach von Hannekens Rede durfte Alphonse Wagener, der DBG-Aufsichtsratsvorsitzende, den Forderungskatalog der Saarwerke verlesen, den der Unterstaatssekretär zu prüfen versprach, um anschließend zu verkünden, das Reich werde den Ausbau der DBG binnen längst fertig sein. Es müsse morgen unbedingt die Entscheidung fallen. Deswegen solle man jetzt die Forderung der Saarhütten zusammenfassen und sie morgen Herrn General von Hanneken schriftlich überreichen«. Ebenda. 93 Papier »Sitzung am 8.2.1939«, LGRB 10 A/ 111. 94 Niederschrift über die Sitzung im RWM am 9.2.1939, StAF V 500/ 3-67. Unterstreich. im Orig. 197 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft zweier Monate regeln, sich dabei aber nicht mit den Saarhütten, sondern nur mit der DBG auseinandersetzen. Um einen autorisierten Verhandlungspartner zu haben, forderte er die Industriellen auf, »aus der Mitte der Saarhüttenwerke einen Herrn zu benennen, der die Interessen der D.B.G. vertreten soll, sowohl bei den Ausbaufragen, als auch bei den Finanzverhandlungen. Es müsse ein Herr sein, der von sich aus die Verantwortung hat und beiderseits das nötige Vertrauen geniesst« 95 . Kritik oder Widerstand regte sich in dieser Sitzung nicht. Lediglich die Neustädter Gauleitung beschwerte sich nach von Hannekens Abgang »in temperamentvoller Weise« 96 über ihren bisherigen Ausschluss von den Verhandlungen und gab bekannt, sie halte ihre Stellungnahme in der gesamten Angelegenheit ausdrücklich offen. Das formale Ergebnis der Sitzung vom 9. Februar bestand in der Bildung einer neuen Kommission: Da von Hanneken eine seriöse Grundlage für seinen Haushaltsantrag benötigte, der dem kritischen Blick des Reichsfinanzministers standhielt und er besonderen Wert auf eine Einbindung der Ruhrindustrie legte, beauftragte 97 er die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie am 11. Februar 1939 mit der Bildung einer Sachverständigengruppe, die sich aus Vertretern aller Eisenbezirke zusammensetzen sollte. Die unter der Leitung von Ernst Poensgen stehende Kommission hatte einen Vorschlag auszuarbeiten, wie die Projektkosten zu finanzieren seien und in welcher Höhe die Saarwerke staatliche Entschädigungen dafür erhalten sollten, dass sie teurere Erze als die Minette verarbeiteten. 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft a) Otto Wolff als Verhandlungsführer Nach der Sitzung am 9. Februar gab die Opposition unter den Saarindustriellen ihren Widerstand auf. Otto Wolff teilte dem RWM schon anderntags mit, die Werke seien fest »entschlossen, die weiteren Arbeiten im Sinne der gestern vorgetragenen Erklärung mit allen Kräften auf das nachdrücklichste voranzutreiben« 98 . Auf seinen Wunsch hin entschied die DBG-Gesellschafterversammlung, der Gauleitung Saarpfalz zu melden, dass sich die Werke jetzt einmütig hinter das Hüttenprojekt stellten. Der Generaldirektor der Halbergerhütte, Dr. Walther Wieland erzwang allerdings, dass man im Brief besonders hervorhob, nur durch die Erfüllung aller von den Werken am 9. Februar 1939 erhobenen Forderungen könne »für die Gauleitung und das Reichskommissariat ein ausreichender Beweggrund gegeben sein, sich im Interesse der Saarhütten für das Gesamtprojekt […] einzusetzen« 99 . 95 Ebenda. Unterstreich. im Orig. 96 Ebenda. 97 RWM an WGE v. 11.2.1939, RWWA 72-147-7. 98 Otto Wolff an RWM v. 10.2.1939, LGRB 10 A/ 111. 99 Burbacher Hütte (Wagener) an Reichskommissar für das Saarland v. 25.2.1939, RWWA 72-1447-3. Die Gauleitung Saarpfalz stellte ihre Bedenken gegen das Vorschmelzwerk zurück, nachdem ihr von Hanneken zugesichert hatte, dass mit einem weiteren Ausbau der Anlagen auf der Baar in nächster Zeit nicht zu rechnen sei. Protokoll Hahn (NE) über die Sitzung der Saar-Kommission am 2.3.1939, StAF V 500/ 3-67. 198 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Widerspruchslos erfüllten die Industriellen von Hannekens Wunsch, ihre Verhandlungskompetenz an einen Dritten abzutreten. Auf Vorschlag des DBG-Aufsichtsratsvorsitzenden Wagener benannten sie Otto Wolff als »alleinigen, verantwortungsvollen Verhandlungspartner« 100 für das RWM. Der düpierte Röchling, dem Wagener coram publico bescheinigt hatte, dass er als eigentlicher Initiator der DBG im Grunde der berufenere Vertreter gewesen wäre, stimmte dem Antrag mit einer spitzen Bemerkung über Wolffs fragile Gesundheit zu. Auch bei der Auswahl ihrer Repräsentanten, die die Saarwerke in die von Poensgen geführte WGE-Kommission entsandten, wurde der Kommerzienrat übergangen. Bezeichnender Weise legte Siedersleben dem NE-Vorstand in diesem Zusammenhang dar, der Vorgang habe »keinerlei Tendenz zur Ausschaltung des Herrn Röchling, sondern nur den Zweck, eine einheitliche und durch frühere Vorgänge nicht beschwerte Verhandlungsführung« 101 sicherzustellen. Wolffs Wahl zum Verhandlungsführer stärkte zweifellos die Position seiner Gruppe innerhalb der saarländischen Montanindustrie. Er und sein Management zogen aber auch die Kritik derjenigen auf sich, die sich an Wolffs exponierter Stellung rieben und nach Wegen suchten, ihren eigenen Einfluss zu stärken, den sie unzulässig beschnitten sahen. So gelang es Hermann Röchling im März 1939, sich eine führende Rolle bei der Bearbeitung von allen technischen Fragen zu sichern, die mit der Planung des Vorschmelzwerks zusammenhingen. Als Konsequenz ergaben sich schwere und für den Projektfortschritt schädliche Auseinandersetzungen zwischen dem Management der Wolff-Gruppe, das sich besonders um Maßnahmen der Kostenbegrenzung bemühte, und der von Röchling geführten Technischen Kommission, die andere Prioritäten setzte. Auch Wilhelm Wittke, der am 1. März 1939 Wagener als DBG-Aufsichtsratsvorsitzenden ablöste, tat sich mit dem eingetretenen Bedeutungsverlust seines Amts schwer und geriet mehrmals in Konflikt mit Wolff. b) Die »Poensgen-Kommission« Im März 1939 nahm die vom RWM beauftragte WGE-Kommission ihre Arbeit auf. Ernst Poensgen berief ein halbes Dutzend Eisenindustrielle und mehrere Fachleute des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) in dieses Gremium 102 , dessen erste Sitzung in der Kölner Zentrale der Wolff oHG stattfand. Die Erwartungen der Saarindustriellen waren gedämpft, hatte doch Röchling über eine negative Haltung der Ruhr geklagt und daraus die illusorische Forderung an die Behörden abgeleitet: »Der Kommission sollen möglichst keine Vertreter der Ruhrwerke angehören« 103 . Poensgen reiste am 2. März 1939 mit einem bereits vorformulierten Lösungsvorschlag nach Köln. Diesem zufolge sollte: 100 Wagener an v. Hanneken v. 11.2.1938, RWWA 72-569-12. 101 Siedersleben an NE-Vorstand v. 13.2.1939, RWWA 72-147-7. 102 Kommissionsmitglieder und ständige Gäste: Ernst Poensgen (Vorsitzender), Eugen Böhringer (Maxhütte), Hermann Reusch (GHH), Alfons Wagner (Oberschlesische Hüttenwerke), Eugen Kugener (NE), Wilhelm Wittke (Dillinger Hütte), Georg Gasper (für den erkrankten Otto Wolff), Jakob Reichert (WGE), Edouard Houdremont (RWA), Rudolph Gerlach (RWA), Dipl.-Ing. Mencke (RWM), Kurt Rummel und Fritz Wesemann (VDEh). 103 DBG-ARP v. 15.2.1939, StANK AD. 199 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft • das Vorschmelzwerk durch ein unkündbares, zinsloses Reichsdarlehen finanziert werden, • bei ausreichender Minettezufuhr der gesamte Komplex auf der Baar auf Sparflamme betrieben werden und lediglich als Bereitschaftswerk für den Kriegsfall dienen, • der Saar für den Fall unzureichender Minettebezüge eine staatliche Verhüttungsprämie für die Verarbeitung eisenarmer Inlandserze gewährt werden. Um ein Kriterium für die Zumutbarkeit von Kostenbelastungen zu ermitteln, sollten die Roheisenselbstkosten an der Saar und an der Ruhr erhoben und miteinander verglichen werden. Die Idee des Bereitschaftswerks diente ganz sicher dem Ziel, das Projekt nach Poensgens erfolglos gebliebener Intervention vom Herbst 1938 doch noch zu reduzieren oder zu verzögern. Mit dem Konzept einer an den Roheisenkosten orientierten Verhüttungsprämie verfolgte Poensgen den Zweck, Subventionen nicht nur für die Saar, sondern für die gesamte Eisenindustrie zu generieren, von denen auch die Ruhr profitieren sollte 104 . Die Saarwerke hatten ihrerseits jedoch erhebliche Probleme, ausgerechnet die Roheisenselbstkosten als Maßstab für eine Subventionsbedürftigkeit heranzuziehen: Da absehbar war, dass ein Betriebsvergleich ihre stets vorgetragene Behauptung widerlegen würde, sie seien durch die Entwicklung auf dem Rohstoffsektor gegenüber der Ruhr benachteiligt, forderten sie, dass der Minettepreis und die seit 1935 erfolgte Verteuerung ihrer Möllerkosten als Berechnungsgrundlage zu dienen habe. Poensgens Förderprämienmodell hielten sie dagegen für gefährlich, weil das Reich dessen Finanzierung entweder über eine Erzpreisausgleichskasse oder über eine Belastung billiger Importerze vornehmen werde. Nach Ansicht Wolffs sollten die Subventionslasten durch einen Preiszuschlag auf alle Walzwerkserzeugnisse aufgebracht werden 105 . Die Kommissionssitzung vom 2. März verlief kontrovers: Die drei Saarvertreter Wittke, Kugener und Gasper, der den erkrankten Wolff vertrat, scheiterten mit ihrem Versuch, die übrigen Mitglieder für eine ausschließlich an ihren Interessen orientierte Lösung zu gewinnen. Poensgen und Houdremont, der die RWA repräsentierte, beharrten darauf, man müsse die Sache so anpacken, dass man nach demselben Verfahren später automatisch auch andere notleidend werdende Eisenindustriebezirke untersuchen und behandeln könne. Die Vertreter der Ruhr lehnten eine Sonderlösung für die Saar ab und betonten, »dass wenn dieses Jahr die Saar notleidend sei, dies im nächsten Jahr für die Ruhr ebenfalls zuträfe« 106 . Die Kommission erteilte am Ende den beiden technischen Sachverständigen Kurt Rummel und Fritz Wesemann den Auftrag, die Roheisenkosten von jeweils vier Werken an der Ruhr und an der Saar zu ermitteln und miteinander zu vergleichen. Gaspers Forderung nach einem Zuschlag auf die Verkaufspreise von Walz- 104 In Düsseldorf entstandener »Leitfaden für die Verhandlungen in der Saarkommission« v. 1.3.1939, RWWA 72-1447-3. Darin zielte man darauf ab, staatliche Regelungen, wie sie bereits im Nichteisenmetall-Bergbau galten, auch auf den Eisenerzsektor auszudehnen und »bei der Saar alles, was über die jeweiligen Kosten des Minette-Möllers, bei der Ruhr dasjenige, [was] über den normalen Schwedenerz- Minette-Vabana-Möller hinausgeht, zu einem gewissen Prozentsatz zu fördern«. 105 Positionspapier der Saarwerke v. 2.3.1939, StAF V 500/ 3-67. 106 Niederschrift Hahn (NE) über die Sitzung der Saar-Kommission am 2.3.1939, StAF V 500/ 3-67. 200 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) werksprodukten erwies sich dagegen als nicht durchsetzbar. Die Kommission beschloss vielmehr, die Mittel zum Ausbau des Doggererz-Projekts sollten aus dem allgemeinen Reichshaushalt kommen. Am 15. März legten Rummel und Wesemann der Kommission einen Selbstkostenvergleich vor, der alle Befürchtungen an der Saar bestätigte. Demnach waren dort die Roheisenkosten seit 1935/ 36 zwar deutlich gestiegen, lagen aber im Januar 1939 unter den Werten an der Ruhr, wo man weit stärkere Kostenzuwächse hinzunehmen gehabt hatte als an der Saar. Selbst für den Fall, dass die Saarwerke ihrem Möller künftig 11 Prozent Inlandserze beifügten, ein Wert, von dem sie noch weit entfernt waren, den die Ruhrindustrie aber schon längst erreicht hatte, sagte das Gutachten nur eine weitgehende Kostengleichheit zwischen den beiden Gruppen voraus 107 . Vor diesem Hintergrund verständigten sich die Saarindustriellen nun eilends darauf, dass gegenüber den Reichsbehörden »jedes Eingehen auf das Relativverhältnis Selbstkosten Ruhr/ Saar vermieden werden muss. Das ist abzubiegen« 108 . Die Wolff-Gruppe versuchte daraufhin, die Ergebnisse des »Wesemann-Berichts« noch vor dessen Veröffentlichung in Berlin stark herunterzuspielen 109 . Am 17. März 1939 trug die Kommission ihre wirtschaftspolitischen Empfehlungen auf einer Sitzung vor, an der neben von Hanneken auch zahlreiche Vertreter des RWM, der RWA, der badischen Regierung und der Gauleitung Saarpfalz teilnahmen. Demnach sollte: • das Vorschmelzwerk zwar gebaut, das Ausbautempo der Blumberger Gruben aber gedrosselt und Ersatz für die fehlenden Mengen aus den süddeutschen Erzbergwerken der Ruhrhütten beschafft werden, • bei ausreichender Minetteversorgung der Saar das gesamte Werk auf der Baar als »Bereitschaftsanlage für den A-Fall betrachtet und bei völliger Vorrichtung der Gruben so schwach betrieben werden, wie dies technisch möglich ist«, • der Saar für den Fall unzureichender Minettebezüge ein finanzieller Ausgleich gewährt werden, sofern sich aus der Verhüttung anderer Erze eine untragbare Belastung für sie ergab. Wegen der unüberbrückbaren Differenzen unter ihren Mitgliedern machte die Kommission jedoch keinen Vorschlag über Aufbringung und Verteilung der Mittel. • Der Bau des Vorschmelzwerks sollte vom Reich finanziert werden, »da es weder für die Saar, noch für die Eisenindustrie überhaupt möglich ist, diese Kosten aufzubringen« 110 . 107 Gutachten Rummel/ Wesemann »Vergleich der Selbstkosten […]« v. 15.3.1939, RWWA 72-565-4. Dem Gutachten zufolge waren von 1935/ 36 bis Januar 1939 die Roheisenselbstkosten der Saarwerke von 45,22 RM auf 56,00 RM je t gestiegen, diejenigen der Ruhrwerke aber von 46,34 RM auf 61,37 RM. Zeitgleich dazu hatte sich der Inlandserzanteil am Möller von 0,14 % auf 6,63 % (Saar) bzw. von 2,24 % auf 11,0 % (Ruhr) erhöht. 108 Vermerk Gasper über die DBG-ARS v. 13.3.1939, RWWA 72-1447-3. 109 So zum Beispiel Siedersleben in einem Gespräch mit Czimatis am 16.3.1939, RWWA 72-1447-3. 110 Bericht der WGE über die Sitzung im RWM am 17.3.1939, StAF V 500/ 3-67. 201 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft Die ersten beiden Vorschläge stießen auf Widerstand bei von Hanneken, dem das Konzept eines Bereitschaftswerks für den Kriegsfall derart missfiel, dass er abfällig von einem »Schattenwerk« auf der Baar sprach. Poensgen versuchte vergeblich, den Unterstaatssekretär mit dem Argument umzustimmen, Deutschland verfüge über einen großen Überschuss an Grubenbetrieben und Fördermöglichkeiten, weshalb die Saar problemlos auch aus den süddeutschen Gruben der GHH und der Vereinigten Stahlwerke beliefert werden könne. Da sich die Kommission in der zentralen Frage nicht hatte einig werden können, wie die Subventionen aufgebracht und nach welchem Maßstab sie gewährt werden sollten, wurde die Debatte über Roheisenkosten und Standortnachteile nun vor den Augen der Ministerialbeamten mit aller Härte weitergeführt. Poensgen trug seine Prämienlösung für die Inlandserzverhüttung vor, die Gasper mit dem Argument ablehnte, man wolle kein Staatsrentner an der Saar werden. Der Wolff-Geschäftsführer erhob seinerseits Anspruch auf einen Ausgleich der angeblich höheren Möllerkosten gegenüber der Ruhr und schlug zur Finanzierung der gesamten Projektkosten eine Umlage auf den Stahlverbrauch vor. Von Hanneken lehnte dagegen jegliche Form der Preiserhöhung ab und verkündete, die Finanzierung des Vorschmelzwerks werde entweder über einen Reichskredit oder aber durch eine reichsverbürgte Kapitalmarktanleihe der Saarwerke erfolgen. Da die Kommission keinen Vorschlag zustande gebracht hatte, in welcher Höhe die Saarwerke staatliche Entschädigungszahlungen für ihre laufende Doggererzverhüttung erhalten sollten, bekam Poensgen nun den Auftrag, seine noch nicht beendeten Untersuchungen nicht nur auf die Produktionskostendifferenzen zwischen Saar und Ruhr zu beschränken, sondern auch die Erlössituation mit einzubeziehen und von Hanneken dann eine konkrete Empfehlung zu unterbreiten. Gasper verließ die Sitzung im festen Glauben, von Hanneken werde einen Fördersatz von 6 RM pro t Rohstahl wohl akzeptieren, wenn ihn die Kommission gut begründe 111 . Im NE hielt man die Situation dagegen für »äußerst ernst, als der Wesemann-Bericht, wenn er richtig wäre, die Voraussetzung unseres gemeinsamen Antrags vom 9. 2. 1939, nämlich einen zu teuren Möller der Saarhütten, als nicht gegeben erwiesen hätte« 112 . Gasper wandte sich daraufhin mit einem Schreiben an alle Vorstände der Saarwerke. Da er befürchtete, die vom RWM neuerdings in Auftrag gegebene Studie werde am Ende gleichfalls »zu Schlüssen kommen, die vielleicht alles andere als eine Untermauerung unseres Anspruchs auf Unterstützung darstellen« 113 , versuchte er eine Abwehrfront der Saarwerke zu organisieren und Argumente gegen die Schlüssigkeit der Berichte zu sammeln. Mitte April musste er sein Vorhaben jedoch aufgeben: Wesemann und Rummel hatten ihre Arbeiten am Kosten- und Erlösvergleich beendet und waren zu dem befürchteten Ergebnis gelangt, dass die Saar zwar etwas höhere Kosten aber eben auch höhere Erlöse habe, so dass »die endgültige Differenz ungefähr dieselbe ist, die sich aus der Differenz der Thomasroheisenbetriebsselbstkosten ergibt« 114 . In der Hoffnung, die Publikation des Gutachtens noch verhindern zu können, beschloss der DBG-Aufsichtsrat am 12. April, Poensgens Prinzip einer Verhüttungsprämie endlich zu akzeptieren und ihm einen 111 Vermerk Gasper über die Doggererzverhandlungen in Berlin am 17.3.1939, RWWA 72-1447-3. 112 Gasper an Vorstände der Saarwerke v. 21.3.1939, RWWA 72-1447-3. 113 Ebenda. 114 Vergleich der Selbstkosten und Erlöse […] auf den Saar- und Ruhrhütten v. 17.4.1939, RWWA 72-565-4. 202 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Fördersatz vorzuschlagen, der zwischen 2,50 und 3,50 RM pro t erzeugten Roheisens lag 115 . Poensgen lehnte es zwar ab, das Gutachten unter Verschluss zu halten 116 , erklärte sich aber zu einem Gespräch bereit, das am 24. April in Köln stattfand. Dabei einigte man 117 sich auf einen Kompromiss. Demnach sollte das Reich der Saar: • für den Doggererzabbau eine Förderprämie von 4 RM pro t Erz gewähren, was bei dem für 1939 geplanten Abbauumfang von 900.000 t einen Betrag von 3,6 Mio. RM ergab, und ihr • für die Doggererzverarbeitung eine Verhüttungsprämie zahlen, deren Höhe vom Anteil dieser Erze am saarländischen Roheisenmöller abhing. Da er für 1939 auf rund 10 % geschätzt wurde, ergab sich ein Jahresbetrag von 6 Mio. RM, der, auf die saarländische Roheisenproduktion von 2,4 Mio. t umgelegt, einen Fördersatz von 2,50 RM pro t ausmachte. Poensgen unterrichtete von Hanneken am 25. April über das Gesprächsergebnis und stellte es als ein Petitum seiner Kommission dar, die von »ihrem« Votum freilich noch gar nichts wusste, sondern nur zeitgleich von ihrem Vorsitzenden unterrichtet wurde. Da der Vorschlag mit dem Gutachten von Rummel und Wesemann kaum in Einklang zu bringen war, spielte Poensgen dessen Ergebnisse in seinem Brief an von Hanneken herunter und verwies in sehr allgemein gehaltener Form auf »die besonderen Verhältnisse an der Saar, die durch die Verwendung armer süddeutscher Erze und durch die Entwicklung der allgemeinen Betriebsverhältnisse besonders getroffen« 118 sei. Allerdings hatte der WGE-Vorsitzende seinen Einfluss innerhalb der Eisenindustrie wohl stark überschätzt. Als erster protestierte der Gleiwitzer Hüttendirektor Alfons Wagner, der in der Kombination von Förder- und Verhüttungsprämie eine »Übersubventionierung« 119 der Saar sah. Wagner gelang es zwar nicht, das Votum der WGE abzuändern, doch kam Poensgen nicht umhin, das für ihn peinliche Protestschreiben nach Berlin weiterzuleiten, wo es beim Reichsfinanzministerium (RFM) auf fruchtbaren Boden fiel. c) Die Verhandlungen zwischen dem Reich und den Saarwerken Von Hanneken nutzte Poensgens Stellungnahme, um seinen Haushaltsantrag zu begründen, den er am 5. Mai beim RFM einreichte. Dieser bezifferte die Baukosten des Projekts auf 80 bis 90 Mio. RM, von denen die Saarwerke bereits 25 Mio. RM aufgebracht hätten oder noch aufbringen wollten. Weil damit deren Finanzkraft ausgeschöpft sei, müssten alle weiteren Mittel von dritter Seite beschafft werden. Um Einwänden des RFM vorzubeugen, machte von Hanneken darauf aufmerksam, dass »bei der anfänglich geplanten 115 Anlage zum DBG-ARP v. 12.4.1939, StAF V 500/ 1. 116 Notiz Gasper über sein Telefongespräch mit E. Poensgen am 15.4.1939, RWWA 72-146-3. 117 Teilnehmer waren u.a.: E. Poensgen, H. Reusch und Siedersleben. Ein Protokoll war nicht auffindbar. 118 WGE (E. Poensgen und Reichert) an v. Hanneken v. 25.4.1939, RWWA 72-146-3. 119 Oberschlesische Hüttenwerke (A. Wagner) an E. Poensgen v. 28.4.1939, RWWA 72-146-3. 203 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft Errichtung eines geschlossenen Hüttenwerks mit einer Leistung von etwa 1 Mio t Rohstahl und Walzerzeugnisse durch die Reichswerke [Hermann Göring] ein Mehrfaches der nunmehr von der Privatindustrie benötigten Geldmittel« 120 erforderlich gewesen wäre. Im RFM stieß der Antrag auf Widerstand. In einer ersten Stellungnahme lehnte Ministerialdirigent Arthur Nasse 121 sowohl die Verhüttungsprämie als auch eine Staatsfinanzierung des Hüttenbaus ab und machte seinem Minister gegenüber geltend, eine zeitlich unbegrenzte Prämienzahlung schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall zugunsten der gesamten Eisen schaffenden Industrie, der das Reich mit jährlichen Ausgaben von 200 bis 300 Mio. RM belasten könne. Nasse hielt es für angezeigt, die Saarwerke zur Finanzierung des Vorschmelzwerks auf den Kapitalmarkt zu verweisen und empfahl seinem Minister, »zur Erörterung der gegen das Vorhaben zu erhebenden Bedenken« 122 Hermann von Hanneken und RWM-Staatssekretär Friedrich Landfried 123 zu einem Gespräch zu bitten. Mit seiner fundamentalen Ablehnung konnte sich Nasse innerhalb des RFM zwar nicht durchsetzen, doch versuchte er wenigstens die Verhüttungsprämie unter Hinweis auf Wagners Kritik beim RWM deutlich in Frage zu stellen. Daraufhin musste von Hanneken Poensgen am 15. Mai darum bitten, seinen Vorschlag entweder fallen zu lassen oder aber ihn so gut zu begründen, dass er in der Lage sei, eine derart unpopuläre Regelung »dem Herrn Reichsfinanzminister gegenüber zu vertreten« 124 . Poensgen musste nun seinerseits zusehen, wie er das Problem vom Tisch bekam. Seine Position war mittlerweile schwierig geworden, weil sich viele seiner Kommissionsmitglieder Wagners Prostest angeschlossen und Beistand von Rummel und Wesemann erhalten hatten. Dem WGE-Vorsitzenden blieb nichts anders übrig, als Siedersleben anzurufen und einzuräumen, er stehe zwischen den Lagern seiner zerrissenen Kommission, »könne aber nicht verkennen, dass der Saarstandpunkt ohne wirklich einleuchtende Begründung wenig oder keine Erfolgsaussicht habe« 125 . Mit dem Hinweis, er sei vom RWM bedrängt worden, sofort einen Ersatzvorschlag für die Verhüttungsprämie einzureichen, der vom RFM leicht überprüfbar sei und nur mit der Lohnentwicklung an der Saar begründet werden dürfe, berief Poensgen für den 19. Mai eine Kommissionssitzung nach Düsseldorf ein 126 , deren Teilnehmerzahl wegen der kurzfristig erfolgten Einladung gewollt überschaubar blieb 127 . Darin einigte man sich auf einen Vorschlag, wonach der Saar die umstrittene Verhüttungsprämie nur noch für ein halbes Jahr gezahlt werden sollte, was einer Gesamtsumme von 3 Mio. RM entsprach. Der verhinderte Alfons Wagner hatte sein Einverständnis bereits zuvor erteilt; darüber hinaus zeigten sich weder Poensgen noch die Saarvertreter an weiteren Querschüssen interessiert. Im Protokoll wurde 120 RWM an RFM v. 5.5.1939, BAB R 2/ 17849. Der Antrag wies für das Jahr 1939 eine Summe von 25,1 Mio. RM aus, wovon 3,6 Mio. RM als Erzförderprämie, 8 Mio. RM als Verhüttungsprämie und 13,5 Mio. RM als Finanzierung der Investitionen für das Vorschmelzwerk bestimmt waren. 121 Arthur Nasse (2.8.1882 Obervölklingen - nach 1946): Jurist, 1930-1936 MR im RFM, dort ab 1939 MDirig. 122 Vermerk v. 8.5.1939, BAB R 2/ 17849. 123 Dr. Friedrich Landfried (26.9.1884 Heidelberg - 31.12.1952 Hamburg): Jurist, ab 1920 im preuß. Staatsdienst, von März 1939 bis Ende 1943 zugleich Staatssekretär im RWM. 124 RWM (v. Hanneken) an E. Poensgen v. 13.5.1939, RWWA 72-146-4. 125 Vermerk Siedersleben über sein Telefongespräch mit E. Poensgen am 15.5.1939, RWWA 72-146-4. 126 E. Poensgen an Mitglieder der RWA-Kommission v. 19.5.1939, RWWA 72-146-4. 127 Teilnehmer: Ernst und Otto Poensgen, Houdremont, H. Reusch, Gasper, Siedersleben, Bornitz, Kugener. 204 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) vermerkt, unter den Sitzungsteilnehmern herrsche »die einheitliche Ansicht, dass Einsprüche nicht erschienener Mitglieder im übrigen nicht berücksichtigt werden könnten, weil sich sonst untragbare Verzögerungen angesichts der regierungsseitig gesetzten Fristen ergeben würden« 128 . Mit dem neuen Kommissionsvotum im Rücken fanden sich Landfried und von Hanneken am 20. Mai bei Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk ein. Das Projekt wurde im RFM jetzt nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt; Nasse bemühte sich nur noch um Schadensbegrenzung. Seinen Gesprächsvermerken 129 zufolge einigten sich die Spitzen des RWM und des RFM auf: • die Zahlung einer bis Ende 1941 befristeten Förderprämie von höchstens 4 RM je t Doggererz an die DBG, • eine Kapitalbeteiligung des Reichs an der zu gründenden Doggererz AG (DAG) von maximal 25 Mio. RM für den Fall, dass sich keine privaten Kapitalgeber fänden, • die Gewährung einer nachrangigen, zeitlich begrenzten Rückbürgschaft des Reichs für die Anleihen der DAG, sofern die Saarwerke eine vorrangige Garantie übernähmen, • die einmalige Zahlung von 3 Mio. RM an die Saarwerke aus dem Reichshaushalt. Da es das RFM abgelehnt hatte, den von Poensgen gewünschten Verhüttungszuschuss zu gewähren, weil es keinen Präzedenzfall zugunsten anderer Interessenten schaffen wollte, wurde die Summe als Ausgleich für früher entstandene Verluste (sog. »alte Förderprämie«) deklariert. Von Hanneken teilte Otto Wolff das Verhandlungsergebnis mit dem RFM am 23. Mai 1939 mit und räumte ihm für den 31. Mai einen Termin »zu einer Aussprache und zur Entgegennahme Ihrer endgültigen Vorschläge« 130 ein. Zur Abstimmung ihrer Verhandlungslinie suchten Siedersleben, Gasper, Wittke und NE-Direktor Franz Haug am 27. Mai Otto Wolff auf, der zur Kur in Bad Nauheim weilte. Im Grandhotel Jeschke wurde beschlossen, dass die private Seite kein Minderheitsgesellschafter werden, sondern sich gleichberechtigt mit dem Reich am Kapitel des gemeinsamen Unternehmens beteiligen sollte. Die Finanzierung von 25 Mio. RM stellte jedoch ein Problem dar: Da man erwartete, dass das Reich von den bislang getätigten Doggererz-Ausgaben nur etwa 12 Mio. RM anerkennen würde, mussten liquide Mittel in Höhe von 13 Mio. RM aufgebracht werden. Leider waren nur 8 Mio. RM gesichert: 5 Mio. RM hatten die Werke dem RWM am 9. Februar 1939 bereits zugesagt; weitere 3 Mio. RM sollten durch Überweisungen aus dem Reichshaushalt (»alte Förderprämie«) bestritten werden 131 . Zusätzliche Zahlungen zu leisten waren jedoch weder das NE noch die Dillinger Hütte bereit. Wolff erwog, die noch fehlenden Mittel teilweise selbst beizusteuern, zog seine Zusage aber nur wenige Tage später wieder zurück, weil ihm das Risiko zu hoch erschien. Am 31. Mai 1939 fanden in Berlin die entscheidenden Verhandlungen zwischen dem RWM und den Saarwerken statt. Letztere wurden von Siedersleben und von Wittke ver- 128 Vermerk Siedersleben über die Sitzung im Stahlhof am 19.5.1939, RWWA 72-146-4. 129 Vermerke Nasse v. Mai 1939, BAB R 2/ 17849. 130 RWM (v. Hanneken) an Otto Wolff v. 23.5.1939, RWWA 72-148-7. 131 Vermerk Siedersleben über die Besprechung in Bad Nauheim am 27.5.1939, RWWA 72-146-4. 205 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft treten. Beide Parteien einigten sich auf eine paritätische Kapitalbeteiligung an der künftigen Doggererz AG von jeweils 25 Mio. RM 132 . Differenzen bestanden zwar noch darüber, wie die Kredit- und Bürgschaftslasten unter den Partnern verteilt werden sollten 133 , doch beurteilte Siedersleben das Verhandlungsergebnis insgesamt als »günstig« 134 . Auf Wunsch von Hannekens wurde es von ihm noch am gleichen Tag in der Berliner Wolff-Niederlassung als formeller Antrag der Saarhütten an das RWM schriftlich fixiert. Darin stellte Siedersleben klar, dass die Saarhütten das Vorschmelzeisen und das Doggererz dauerhaft zu Preisen erhalten müssten, die auf der Minette-Grundlage abgestellt seien 135 . Mit diesem Zusatz hielt man sich die Option ausdrücklich offen, bei ungünstiger Kostenentwicklung, womit ja realistischer Weise zu rechnen war, auch nach Ablauf der auf 1941 befristeten Förderprämienregelung noch Reichszuschüsse einfordern zu können. Da vor Abgang des Briefs lediglich Hermann Röchling konsultiert worden war, die übrigen Saarindustriellen aber erst in der DBG-Aufsichtsratssitzung vom 3. Juni informiert wurden, machte sich rasch Unmut breit. Um die Attacke von Alphonse Wagener parieren zu können, sah sich Wittke sogar genötigt, seinen Rücktritt vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden anzudrohen. In der Sache billigte man jedoch das Verhandlungsergebnis und bat Wittke sowie das Wolff-Management, auf Basis des bisher Erreichten mit dem Reich abzuschließen 136 . Von Hanneken unterrichtete das RFM am 8. Juni 1939 über das Ergebnis seiner Verhandlungen mit den Saarwerken, stieß jedoch auf Widerstand bei Ministerialdirigent Arthur Nasse. Dieser störte sich an den Lieferverträgen, die zwischen der DAG und den Saarwerken abgeschlossen werden sollten. Da Siedersleben in seinem Schreiben vom 31. Mai gefordert hatte, die zwischen der DAG und den Saarhütten vereinbarten Verrechnungspreise für Erz und für Vorschmelzeisen müssten sich am Minettepreis ausrichten, sah man im RFM hohe Verluste bei der DAG voraus, die entweder das Reich als Mitgesellschafter belasten oder aber zur Fortsetzung des Förderprämienverfahrens über das Jahr 1941 hinaus führen würden, was »unter allen Umständen vermieden werden« 137 müsse. Von Hanneken trug den Einwänden des RFM Rechnung, indem er am 17. Juli 1939 einen Erlass an die Saarhütten versandte, der die zentrale Frage des langfristigen Preises für Vorschmelzeisen und Doggererz bewusst offen ließ und den Werken folgende Regelungen anbot: • Zahlung einer staatlichen Förderprämie von maximal 4 RM ab 1. Januar 1939, endend bei Aufnahme der Vollleistung des Vorschmelzwerks, spätestens jedoch am Jahresende 1941, 132 Vermerk Siedersleben über die Verhandlungen in Berlin am 31.5.1939, RWWA 72-146-4. 133 Nach dem Willen des RFM hätten die Saarhütten für die gesamte Anleihesumme eine erstrangige Bürgschaft leisten sollen, was diese ablehnten und auf den Erhalt ihrer angespannten Kreditfähigkeit verwiesen. Zwar sah von Hanneken noch Verhandlungsspielraum, warnte aber vor großen Hoffnungen, denn es sei »so gut wie ausgeschlossen, dass das Reich die Zinsen und den Tilgungsdienst für die Anleihe auf eine längere Dauer als 4 bis 5 Jahre (nach voller Inbetriebsetzung des Vorschmelzwerks) gewährleisten bezw. übernehmen würde«. Ebenda. 134 Siedersleben an E. Poensgen v. 1.6.1939, RWWA 72-146-4. 135 Fünf Saarwerke (Siedersleben) an RWM v. 31.5.1939, StANK AD. 136 Vermerk Siedersleben über die DBG-ARS v. 3.6.1939, RWWA 72-146-4. 137 RFM an RWM v. Juli 1939, BAB R 2/ 17849. 206 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) • Gewährung einer einmaligen Förderprämie in Höhe von 3 Mio. RM als Abgeltung aller Verluste, die der Saar bis Ende 1938 aus dem Doggererz-Projekt entstanden waren, • Paritätische Beteiligung des Reichs und der Saarwerke am Kapital der DAG in Höhe von jeweils 25 Mio. RM, • Bürgschaftsübernahme für Kredite der DAG zu je 50 Prozent vom Reich und von den Werken, »wobei der Zinsen- und Tilgungsdienst - soweit ihn die Doggererz AG nicht selbst zu leisten imstande ist - von beiden Garanten im gleichen Verhältnis zu leisten ist« 138 . Am 19. Juli 1939 beriet der DBG-Aufsichtsrat über das Angebot des RWM. Um den Saarwerken Gelegenheit zu einer ungehinderten Aussprache zu geben, waren die sonst stets anwesenden Reichsbeamten nicht nach Dillingen gereist. Die Diskussion hatte jedoch bereits im Vorfeld der Sitzung begonnen: Kritisch wurde vor allem bewertet, dass die Regelung der Bürgschaftsfrage unter den Erwartungen geblieben war, die von Hanneken am 31. Mai selbst geweckt hatte. Als positiv erkannte man an, dass die Saarwerke künftig massive Zahlungen erhielten, was der Konkurrenz nicht verborgen blieb. So berichtete Hermann Röchling von »Äußerungen aus Rhein-Ruhr-Kreisen, wonach die Saar mit ihrer Behandlung des Problems der armen deutschen Erze für die Ruhr als Vorbild dienen könne« 139 . Siedersleben wehrte sich zwar gegen dieses positive Urteil mit der Behauptung, »von irgendwelchen Verhandlungserfolgen in dem Sinne, daß die Saarhütten ein Geschäft gemacht hätten, könne nicht entfernt die Rede sein. Im Gegenteil gingen die Aufwendungen, zu denen sich die Saarhütten seit dem 9. Februar 1939 allmählich weiter entschlossen hätten, sehr hoch über das damalige Limit hinaus« 140 ; andererseits meinte man im NE-Aufsichtsrat, es sei »mehr erreicht worden, als ein vorsichtiger Beurteiler bei der heutigen Lage der Reichsfinanzen durchzusetzen erhoffen konnte« 141 . An Wittke schrieb Siedersleben, dass trotz aller Kritik am Erlass des RWM »die Zustimmung hierzu sich gleichwohl als das Gegebene und nach Lage der Verhältnisse Notwendige« 142 darstelle. Welchen Verlauf die Diskussion im Aufsichtsrat nahm, lässt sich den drei vorhandenen Quellen 143 nicht entnehmen; sicher ist nur, dass der eigentlichen Sitzung eine einstündige interne Besprechung von Aufsichtsratsmitgliedern vorausging. Im Ergebnis stimmten die Saarwerke dem Vorschlag des RWM zu und beauftragten die Juristen der Wolff-Gruppe mit der Erstellung eines Satzungsentwurfs für die Doggererz AG. Den Aufsichtsrat gedachte man mit sieben Vertretern zu besetzen, von denen jeweils einer von den fünf Saarwerken und zwei vom Reich gestellt werden sollten 144 . Noch am Tage der Sitzung 138 RWM an Firma Otto Wolff v. 17.7.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 139 Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 19.7.1939, RWWA 72-146-1. 140 Ebenda. 141 So Richard v. Kühlmann in seinem Schreiben an Siedersleben v. 26.7.1939, RWWA 72-146-1. 142 Siedersleben an Wittke v. 17.7.1939, RWWA 72-750-3. 143 DBG-ARP v. 19.7.1939, RWWA 72-750-3; Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 19.7.1939, RWWA 72-146-1 und Bericht über die DBG-ARS am 19.7.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 144 Bericht über die DBG-ARS am 19.7.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 207 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft bedankte sich Siedersleben beim RWM dafür, dass die saarländische Eisenindustrie nun bald »von einer unmöglich gewordenen Last befreit« werde und teilte dem Ministerium mit: »In diesem Sinne stimmen die Saarhütten den Massgaben zu, unter denen der Erlass meine Vorschläge vom 31. Mai des Jahres angenommen hat« 145 . Mit dieser leicht verunglückten Formulierung hielten die Saarwerke ihre Forderung aufrecht, wonach ihnen das Vorschmelzeisen und das Doggererz dauerhaft auf der Basis des Minettepreises geliefert werden müsse. d) Personelle Absprachen unter Exklusivpartnern Angesichts der wachsenden Kriegsgefahr trieb das RWM das Hüttenprojekt auf der Baar nun zügig voran: Von Hanneken lud Otto Wolff für den 7. August 1939 zu einer Besprechung ein, auf der die Einzelheiten der gemeinsamen Unternehmensgründung geklärt werden sollten. Gasper, der seinen Vorgesetzten mit einem Vermerk auf das Gespräch vorbereitete, äußerte darin die Sorge, dass die Saarwerke, nachdem jetzt die grundlegende Einigung für den Ausbau des Dogger erfolgt sei, ein Interesse daran hätten, Otto Wolff bei der weiteren Verwaltung auszuschließen, »da wir mit unserer Gründlichkeit, auch in Einzelfragen, den Leuten mindestens lästig werden« 146 . Tatsächlich hatte es nur vier Wochen zuvor einen Beschluss des DBG-Aufsichtsrats gegeben, der festhielt, dass »nach Regelung der Finanzfragen der Sonderauftrag des Herrn Wolff von selbst erlösche« 147 . Dem Votum vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit Wittke, der sich als DBG-Aufsichtsratsvorsitzender von Wolffs Engagement überrollt gefühlt und diesem mitgeteilt hatte, er sei der Ansicht, »dass auf einem Schiff nur einer und nicht zwei gleichzeitig Kapitän sein können, und lege Wert darauf, dass so schnell als irgend möglich nunmehr festgestellt wird, wer Kapitän sein soll« 148 . In einem längeren Gespräch, das die beiden Industriellen daraufhin am 8. Juli 1939 in Bad Nauheim geführt hatten, war es für Wittke zu keiner wirklich befriedigenden Lösung gekommen. Wolff hatte erklärt, »dass er sich durch seinen Auftrag an Unterstaatssekretär von Hanneken persönlich gebunden fühle« und »dass er sich von seinem Auftrage erst befreit finden könne, wenn Organisation und Arbeit der Doggergesellschaft definitiv geregelt und die Gesellschaft reibungslos am Laufen sei« 149 . Über den Konflikt mit Wittke hinaus führte das Wolff-Management seit Monaten eine erbitterte Debatte mit Röchling über grundsätzliche Fragen der Investitionsplanung auf der Baar 150 . Angesichts dieser Lage hielt es Gasper für nötig, weiterhin dafür zu sorgen, »dass die Firma Otto Wolff massgebend die Geschicke beeinflusst« 151 . In seinem Vermerk für Wolffs Gespräch mit von Hanneken schlug er vor, die Zahl der Aufsichtsratsmandate von sieben auf zehn zu erhöhen und die zusätzlichen Sitze für die Wolff-Gruppe zu reser- 145 Siedersleben an RWM v. 19.7.1939, RWWA 72-148-7. 146 Vermerk Gasper für Otto Wolff v. 3.8.1939, RWWA 72-565-7. 147 Vermerk Planck über die Besprechung Wittke/ Wolff am 8.7.1939, RWWA 72-750-3. 148 Wittke an Wolff v. 4.7.1939, RWWA 72-750-3. 149 Vermerk Planck über die Besprechung Wittke/ Wolff am 8.7.1939, RWWA 72-750-3. 150 Siehe dazu Kap. V/ 4. 151 Vermerk Gasper für Otto Wolff v. 3.8.1939, RWWA 72-565-7. Unterstreich. im Orig. 208 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) vieren. Zudem sollte Otto Wolff den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen und Gasper sowie Siedersleben dessen Stellvertretung ausüben. Siedersleben zweifelte jedoch daran, dass es gelingen könne, derart umfangreiche Wünsche durchzusetzen. In seinem Kommentar zu Gaspers Vermerk hob er hervor, es stets vermieden zu haben, von Aufsichtsratssitzen für die Firma oder für die Person von Otto Wolff zu sprechen. Siedersleben hielt es für klüger, die Deutsche Bank im Aufsichtsrat unterzubringen, die dann im Sinne der Gruppe tätig werden könne 152 . Das Gespräch zwischen Wolff und von Hanneken fand am 7. August wahrscheinlich unter vier Augen statt. Siedersleben verhinderte durch allerlei Ausflüchte, dass der hellhörig gewordene Wittke daran teilnahm 153 . Wolff selbst unterrichtete den DBG- Aufsichtsratsvorsitzenden erst zwei Wochen später, als die Gründung der Doggererz AG (DAG) unmittelbar bevorstand, in seinem Berliner Haus über das Gesprächsergebnis. Es bestand darin, dass nun »die förmliche Errichtung der Doggererz AG ohne Aufschub vor sich gehen« 154 sollte. Leider kam der nächstliegende Gedanke, die DBG in eine AG umzuwandeln, nicht in Frage, da die desolate Buchhaltung des Unternehmens keinerlei Aufschluss über dessen Sachvermögen erlaubte. Zwar hatte die Deutsche Revisions- und Treuhand AG bereits den Auftrag erhalten, diese Zahlen zu ermitteln, doch wollte von Hanneken keineswegs so lange warten, bis deren aufwändige Arbeiten beendet waren. Er forderte Wolff und die Saarwerke daher auf, die AG zunächst allein zu errichten und die zur Bargründung notwendigen Mittel (2 Mio. RM) aus der einmaligen Zahlung zu bestreiten, die ihnen als sog. »alte Förderprämie« vom Reich zufloss. Am 7. August wurden auch die Personalien ausgehandelt: Als Anerkennung für seine Kooperation mit dem RWM schlug Wolff bei von Hanneken einen persönlichen Sitz für sich im DAG-Aufsichtsrat heraus, musste sich allerdings mit einem von zwei Stellvertreterposten für den Vorsitzenden des Aufsichtsrats bescheiden. Für das letztere Amt, das formal aufgewertet und nicht mehr, wie bisher, einer jährlichen Rotation unterworfen werden sollte, kam nach den Vorstellungen des RFM nur eine herausragende Persönlichkeit in Frage, »welche in gleicher Weise die Belange des Reichs wie der Saarhütten zu berücksichtigen in der Lage ist« 155 . Überraschender Weise verständigten sich Wolff und von Hanneken auf Wittke, obwohl in ihren Häusern Zweifel darüber bestanden, »ob Herr Wittke in seiner gegenwärtigen Verfassung die erforderliche Tatkraft werde aufwenden können« 156 . Man wird vermuten dürfen, dass die Wahl von Hannekens auf Wittke fiel, weil er den ewigen Opponenten einbinden wollte und Wolff selbst für diese Position wegen des wachsenden Widerstands seiner saarländischen Kollegen nicht in Frage kam. Den Ambitionen des eigenwilligen Röchling wurde dadurch Rechnung getragen, dass man ihm den zweiten Stellvertreterposten für Wittke zusprach. Von Hanneken und Wolff einigten sich auch auf die Besetzung des Vorstands: Da sich der bisherige GmbH-Geschäftsführer Dr. Hans Bornitz bewährt hatte, fiel ihm das 152 Stellungnahme Siedersleben gegenüber Wolff zu Gaspers Vorschlägen, RWWA 72-565-7. 153 Siedersleben an Wittke v. 1.8.1939, RWWA 72-146-1. 154 Siedersleben an Trimborn v. 9.8.1939, RWWA 72-146-1. 155 Vermerk RFM v. Juni 1939, BAB R 2/ 17849. 156 Notiz Planck über eine Besprechung am 3.10.1939, in der Wolff und Schmitt (RWM) diese Ansicht äußerten. RWWA 72-148-9. 209 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft Amt des für Bergbau zuständigen Vorstandsmitglieds zu. Sein kaufmännischer Kollege Kurt Heyer galt dagegen als gescheitert und sollte ersetzt werden 157 . Gasper hatte Wolff vor dem Gespräch mit von Hanneken gedrängt, es müsse »das Schwergewicht in einen Vorstand gelegt werden, der Ihnen, Herr Wolff, nahesteht« und ihn davor gewarnt, »vom Staat einen Verwaltungsfachmann zu nehmen, wir geben da zu viel aus der Hand« 158 . Wolff schlug von Hanneken Heinrich Flothow vor, ein an der Saar bekanntes Vorstandsmitglied der staatseigenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deutsche Revisions- und Treuhand AG, der seine zunächst gegebene Zusage wegen eines besseren Angebots der Reichswerke jedoch bald wieder zurückziehen sollte. Da nach dem 1. September 1939 jederzeit mit der Aufnahme von Kampfhandlungen im Westen zu rechnen war, einigten sich Wittke und Siedersleben später darauf, die Besetzung des Postens aufzuschieben, »denn es muss sich ja in aller kürze entscheiden, ob die 4 stillgelegten Saarhütten, vielleicht auch Neunkirchen, zum Untergang verurteilt sind oder nicht. Kommt es tatsächlich im Westen zu einer Auseinandersetzung der Waffen, dann dürften die Werke zwar vernichtet, aber wohl kaum wieder aufgebaut werden. Dann sind aber die 4 kaufm. Leiter von mindestens 4 Hüttenwerken arbeitslos« 159 . Eine Interimslösung musste jedoch gefunden werden, weil der bisherige kaufmännische Leiter der DBG, Kurt Heyer, zu Kriegsbeginn zum Militär eingezogen worden war. Die Wahl fiel auf Moritz Feuerhake, einen 31jährigen Kaufmann, den der damalige DBG-Geschäftsführer Dr. Würtz bereits 1937 von den Vereinigten Stahlwerken zur DBG abgeworben hatte. Feuerhake leitete bis Mitte 1940 die kaufmännische Abteilung in Blumberg. Glatter verlief die Besetzung des dritten Vorstandsamts, dem die technische Leitung beim Bau des Vorschmelzwerks oblag: Wolff und von Hanneken einigten sich auf Dr. Rudolph Gerlach, einen Hütteningenieur, der bis 1937 im Hochofenbetrieb des NE tätig gewesen war, dann zum Rohstoffamt und 1938 zur RWA gegangen war, wo er das Referat für Forschung und Entwicklung im Bereich der Stahlindustrie leitete. Der 39jährige hatte die technischen Planungen für das Vorschmelzwerk bislang aus staatlicher Perspektive heraus begleitet, sich dann aber im April 1939 den Saarhütten für höhere Aufgaben angedient und sein persönliches Interesse mit einem ausdrücklichen Wunsch des RWM bemäntelt 160 . Siedersleben, Kugener und Wittke waren zwar nicht bereit, Gerlachs Forderung zu erfüllen, ihm »die ausschlaggebende Stellung« 161 unter seinen Vorstandskollegen einzuräumen, doch erhielt er einen Posten als einfaches Vorstandsmitglied, den er am 1. Dezember 1939 antrat. 157 Siehe dazu Kap. IV/ 4/ d. 158 Vermerk Gasper v. 3.8.1939, RWWA 72-565-7. 159 Wittke an Wolff v. 10.10.1939, RWWA 72-148-9. 160 Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Gerlach am 17.4.1939, RWWA 72-146-3. 161 Vermerk Siedersleben über ein Telefonat mit Wittke am 15.5.1939, RWWA 72-236-5. Unterstreich. im Orig. 210 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) e) »Kanapee-Fragen«: die Gründung der Doggererz AG Zur Gründung der DAG lud Wolff die Vertreter der Saarwerke für den 22. August um 11.30 Uhr in seine Berliner Niederlassung ein. In der von ihm geleiteten Sitzung gab er Kenntnis über seine Absprachen mit von Hanneken und kündigte für 13.00 Uhr einen Notar zur Beurkundung der Unternehmensgründung an. Die Eile diente verhandlungstaktischen Zielen, denn die Gestaltung des Aufsichtsrats stellte sich jetzt völlig anders dar, als vier Wochen zuvor abgesprochen worden war. Die Saarindustriellen wurden von Wolff nun mit der Nachricht konfrontiert: »Den stellvertretenden Vorsitz habe Herr von Hanneken ihn (Wolff) zu übernehmen gebeten. Er sei hierzu bereit, bitte jedoch […] ein weiteres Mitglied der Firma Otto Wolff in den Aufsichtsrat zu wählen. Von Seiten der 5 Saarwerke würde, wie von Anfang an vorgesehen, je eine leitende Persönlichkeit in den Aufsichtsrat gewählt« 162 . Röchling, der wie die meisten seiner Kollegen eine Gremienstruktur ablehnte, in der das NE und die Wolff-Gruppe gemeinsam über drei Mandate, die übrigen Werke aber nur über jeweils einen einzigen Sitz verfügten, zettelte daraufhin eine Revolte 163 an. Um Siedersleben und Kugener neben Wolff im Aufsichtsrat platzieren zu können, kam die Kölner Gruppe nicht darum herum, den Werken in Dillingen, Burbach und Völklingen jeweils zwei Sitze einzuräumen. Da aber auch das RWM und das RFM erklärt hatten, sich nicht mit zwei Sitzen für das Reich abspeisen zu lassen, sondern vier Mandate forderten 164 , umfasste der Aufsichtsrat nun 14 anstelle von 7 Personen 165 . Die Sitzung brachte keine Ruhe in die strittige Sache. Röchling stellte bereits am nächsten Tag bei Wittke klar, er habe der Regelung nur zugestimmt in der Erwartung, dass Wolff bei den normalen Aufsichtsratssitzungen nicht zugegen sei 166 und erhielt Beistand vom Direktor der Burbacher Hütte, Paul Nohl 167 , der jegliche Verschiebung der Stimmverhältnisse zugunsten eines anderen Gesellschafters ablehnte. Siedersleben versuchte die Rebellion im Keime zu ersticken und hielt Kugener zur Intervention bei seinem Kollegen Wagener in Burbach an. Dabei klagte er, Burbach müsse doch »einsehen, dass Herr Wolff, Herr Gasper und ich in den letzten 6 oder besser 12 Monaten uneigennützig die Belange sämtlicher 5 Saarhütten wahrgenommen haben. […] Die behördlichen Stellen haben bei Aufgaben der vorliegenden Art eine schon oft ausgesprochene und selbstverständliche Tendenz einer gewissen Zurückhaltung gegenüber den Saarwerken, deren Aktienmehrheit in ausländischen Händen liegt. Prestige- und Kanapee-Fragen, wie Herr Nohl sie sich jetzt im Sinne des Herrn Kommerzienrats Dr. Röchling zu eigen macht, 162 Vermerk Siedersleben über die Gründung der DAG v. 22.8.1939, BAB R 2/ 15076. 163 H. Röchling bezeichnete sich selbst als Initiator der Vermehrung der Aufsichtsratsposten. Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Schmitt (RWM), H. Röchling und Nohl am 19.9.1939, RWWA 72- 565-7. 164 Aktenbefund RWWA 72-565-7 und 72-148-7. 165 Am 22.8.1939 gewählte Aufsichtsratsmitglieder: Wittke (Vorsitzender), Otto Poensgen (beide Dillingen); Wieland (Halbergerhütte); Wagener, Nohl (Burbach); H. Röchling, v. Gemmingen (RESW); Wolff, Kugener, Siedersleben (NE bzw. Wolff-Gruppe). Designiert waren ORR Dr. Heinrich Müller (RFM); Reichsbahnoberrat Heinrich Schmitt, ORR Dr. Hans Römer, Oberbergrat Dr. Alfred Stahl (alle RWM). 166 H. Röchling an Wittke v. 23.8.1939, RWWA 72-565-7. 167 Nohl an Wittke v. 24.8.1939, RWWA 72-146-1. Kurzbiografie Paul Nohl: siehe Kap. IX/ 1/ a. 211 3. Der Interessenausgleich zwischen Staat und Privatwirtschaft werden deswegen in Berlin bei Werken wie Burbach besonders schwer verstanden werden. […] Jedenfalls werden die Leitungen aller Saarwerke in den Augen der Berliner Stellen ansehensmässig leiden, wenn sich jetzt die Uneinigkeit in nicht zu überbietender Form erneut zeigt, nachdem sie durch den Beschluss vom 9. Februar 1939 vorübergehend unterbunden war« 168 . In der weiteren Diskussion verschanzte sich das Wolff-Management hinter dem RWM und pochte auf dessen »ausdrücklichen Wunsch«, dass Wolff den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitz innehabe, weswegen dieser auch »weiterhin an den entscheidenden Beratungen« 169 teilnehmen müsse. In Wirklichkeit aber war die Position der Wolff-Gruppe in dieser Frage ausgesprochen heikel, weil den Reichsbeamten die Zahl von 14 Mandaten als zu hoch erschien und sie »ziemlich pikiert« 170 deren Verminderung forderten. Siedersleben bemühte sich sehr darum, den »häuslichen Streit« unter den Werken vor den Behörden zu verbergen, musste er doch befürchten, dass eine Verkleinerung des Aufsichtsrats vor allem zu Lasten der Wolff-Gruppe gehen würde. Da es ihm nicht gelang, den amtlichen Widerstand gegen die hohe Mandatszahl zu brechen 171 , musste Wolff- Direktor Erwin Planck 172 schließlich von Hanneken um Hilfe bitten. Dieser hielt jedoch neun Sitze für ausreichend und vertrat die Ansicht, dass es »doch möglich sein müsse, jedem Saarwerk nur einen Sitz zu geben - Herrn Wolff also den von Neunkirchen, und für Herrn Wolff die Möglichkeit einer vollwertigen Vertretung für die Dauer seiner gesundheitlichen Behinderung zu schaffen« 173 . Da das Kölner Management in dieser Frage aber stur blieb, weitete sich der Streit allmählich zu einer veritablen Krise unter den Werken aus, in deren Verlauf der zwischen allen Stühlen sitzende Wittke schließlich seinen Rücktritt androhte 174 und die Vermittlungsversuche engagierter Ministerialbeamter kläglich scheiterten 175 . Erst im November 1939 konnten sich die Saarwerke auf eine Regelung verständigen: Otto Wolffs persönlicher Sitz blieb zwar erhalten, doch stellte jedes Werk künftig nur noch einen Vertreter im Aufsichtsrat 176 . Da NE-Generaldirektor Kugener nach Kriegsbeginn wegen seiner luxemburgischen Staatsangehörigkeit kaltgestellt und von der Wolff-Gruppe als Werksrepräsentant in sein Heimatland »abgeschoben« worden war 177 , sicherte sich Siedersleben dessen Sitz im DAG-Aufsichtsrat. Nach Wolffs Tod im Januar 1940 übernahm er dort auch den stellvertretenden Vorsitz. 168 Siedersleben an Kugener v. 28.8.1939, RWWA 72-146-1. Unterstreich. im Orig. 169 Siedersleben an Wittke v. 24.8.1939, RWWA 72-565-7. 170 Notiz Gasper über seine Besprechung mit Schmitt vom RWM am 30.8.1939, RWWA 72-217-18. 171 Vermerk Siedersleben über seine Besprechung mit den Reichsressorts am 25.8.1939, RWWA 72-146-1. 172 Erwin Planck (12.3.1893 Charlottenburg - 23.1.1945 Berlin): 1932-1933 Staatssekretär in den Kabinetten v. Papen und Schleicher, danach in den Ruhestand versetzt, ab 1936 leitende Position in der Wolff-Gruppe, 1944 nach dem Attentat vom 20. Juli zum Tode verurteilt, 1945 hingerichtet. Biografie: NDB 20 (2001) S. 500 f. 173 Vermerk Planck über sein Telefongespräch am 26.8.1939 mit v. Hanneken, RWWA 72-146-1. 174 Siedersleben an Wittke v. 28.8.1939, RWWA 72-146-1. 175 Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Schmitt (RWM), H. Röchling und Nohl am 19.9.1939, RWWA 72-565-7. 176 Bericht Siedersleben an NE-Vorstand über die DAG-ARS v. 1.11.1939, RWWA 72-565-7. 177 Vermerk Siedersleben v. 9.9.1939, RWWA 72-218-15. 212 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts a) Die Technische Kommission - Röchlings Planungsinstrument und Wolffs Widerpart Neben den finanziellen und juristischen Fragen mussten die technischen Grundlagen des Rüstungsprojekts auf der Baar geklärt werden. Die Saarwerke bildeten dafür am 9. Februar 1939 einen eigenen Ausschuss 178 , mussten jedoch erleben, dass Albrecht Czimatis, der Leiter der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (RWA), ihre Kompetenzen an sich riss 179 und die Entscheidungsbefugnis über die technischen Planungen der im November 1938 von ihm eingerichteten Doggererzkommission 180 übertrug. Das Gremium wurde von Edouard Houdremont geleitet, der im März 1939 seine Rolle an RWA-Referatsleiter Dr. Rudolph Gerlach abtrat. Die Technischen Direktoren der Saarwerke nahmen an den Sitzungen als einfache Kommissionsmitglieder teil. Gerlach betonte zwar, durch die verordnete Zentralisierung solle die eigene Initiative und die Verantwortlichkeit der Saarwerke in keiner Weise beeinträchtigt, sondern nur »die grösstmöglichste Arbeitsintensität« 181 erzielt werden, doch war dies kaum mehr als ein billiger Kanzleitrost. Hermann Röchling, der von 1897 bis 1901 das Diedenhofener Hochofenwerk der RESW errichtet hatte und daher viel Erfahrung im Bau von Verhüttungsanlagen besaß, durfte in der Kommission als Sprecher der Saarwerke auftreten; Bornitz war für die Umsetzung beschlossener Maßnahmen vor Ort zuständig. Es ist anzunehmen, dass die ungleiche Rollenverteilung dem Selbstverständnis der Saarindustriellen zuwiderlief und Proteste hervorrief. Das RWM pfiff die RWA im April 1939 jedenfalls wieder zurück und schrieb ihr vor, »in der Führungstätigkeit Zurückhaltung zu üben, vielmehr darauf hinzuwirken, daß den Vorsitz und die Führung ein Vertreter des Saargebietes habe« 182 . Daraufhin übernahm Röchling den Vorsitz im Gremium, das fortan Technische Kommission hieß. Deren dringlichste Aufgabe bestand darin, einen geeigneten Standort für das Vorschmelzwerk zu finden, das etwa vier km² ebene Fläche benötigte. War Röchling in seinen frühesten Planungen noch davon ausgegangen, dass der am besten geeignete Standort nahe der bestehenden Bergwerks- und Aufbereitungsanlagen zu suchen sei, also im Aitrachtal zwischen Steppach und Riedöschingen, so hatte sich doch bald herausgestellt, dass der mergelige Baugrund dort zu schlecht und das Tal viel zu schmal waren, um die Hütte kostengünstig bauen, betreiben und später erweitern zu können. In der ersten Kommissionssitzung vom 16. Februar 1939 standen sechs Standortalternativen zur Diskussion, von denen vier 183 wegen Raummangels, schlechten Baugrunds oder einer ungünstigen Lage in Bezug auf die Erzgruben verworfen wurden. Übrig blieben zwei Standorte in der Nähe des Grubenbetriebs, von denen einer im Hondinger Tal 178 Wolff an RWA v. 10.2.1939, RWWA 72-147-7. 179 RWA (Czimatis) an Wolff v. 27.2.1939, RWWA 72-1447-3. 180 Siehe dazu Kap. V/ 2/ c. 181 Sitzungsprotokoll Doggererzkommission v. 21.3.1939, StANK AD. 182 Bad. Staatskanzlei, Außenstelle Berlin an Landschütz v. 15.4.1939, StAF F 235/ 5-182. 183 Es waren dies Plätze (1.) östlich von Steppach, (2.) bei Dielen, (3.) bei Aulfingen und (4.) ein in Donaunähe liegender Ort namens »Dörstel« (evt. der Dörstelgraben südlich von Kirchen-Hausen). BP Doggererzkommission v. 16.2.1939, StANK AD. 213 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts und der andere im Ried lag, direkt am östlichen Ortsrand von Blumberg, zwischen der heutigen Weiherdammstraße und der Reichsstraße 27. DBG-Bergwerksdirektor Bornitz erhielt den Auftrag, an diesen beiden Plätzen Geländeuntersuchungen vorzunehmen und ein kleines Hüttenbaubüro zu bilden 184 , das die technischen Rahmendaten für das Vorschmelzwerk zusammentragen und entscheidungsreife Vorlagen für die Kommission erstellen sollte. Da dem Büro anfangs nur zwei Fachkräfte aus Neunkirchen zur Verfügung standen, mussten ihm andere Saarwerks-Ingenieure nebenberufliche Hilfe leisten. Tonangebend waren Röchlings persönlicher Assistent Dr. Eduard Senfter 185 , der Burbacher Hütteningenieur Dr. Alfons Graff und der Eisenbahn- und Transportexperte der RESW, Regierungsbaumeister a.D. Friedrich Oltersdorf 186 . Senfter legte der Kommission am 21. März 187 einen Hüttenstandort nahe, der bislang noch nicht erörtert worden war. Das Dorf Neudingen an der Donau bot, was anderen Orten auf der gebirgigen Südbaar fehlte: ebene und weite Flächen auf gutem Baugrund, der an einer leistungsfähigen Bahnstrecke lag, die über Donaueschingen nach Offenburg führte. Zudem war die Donau nicht weit und konnte das Werk billig mit Wasser versorgen und dessen Abwässer abführen. Ein neu erwogener Alternativstandort bei Riedböhringen 188 schied dagegen schnell wieder aus, weil die Platzverhältnisse dort für spätere Werkserweiterungen zu beengt waren. Auch das moorige Gelände im Blumberger Ried wurde wegen überhöhter Fundamentierungskosten bald wieder verworfen. Als neuer Vorsitzender der Technischen Kommission trieb Röchling deren Arbeiten rasch voran und bestimmte auch die Inhalte der Planung. Bornitz, Senfter, Graff und Oltersdorf stellten dem Gremium in der Sitzung vom 28. April 1939 ein ambitioniertes Konzept vor, das fünf Kernelemente enthielt: • eine kontinuierliche Steigerung der Blumberger Erzförderung bis 1942 auf 8.000 t pro Tag 189 , • das Vorschmelzwerk mit Standort in Neudingen an der Donau, • eine 12 km lange Werkseisenbahn 190 von den Blumberger Erzgruben zum Hochofenwerk, 184 Wagener an Wolff v. 17.2.1939, LGRB 10 A/ 111. 185 Dr. Eduard Senfter (8.9.1900 Bingen - 15.6.1965 Mainz): Eisenhütteningenieur, 1927-1928 bei den VSt., 1928-1929 Hochofenbetriebsingenieur bei Krupp, ab 1929 als Spezialist für Stoff- und Energiewirtschaft der der Wärmestelle Düsseldorf des VDEh tätig, ab 1935 Leiter der Wärmezweigstelle Saar des VDEh in Saarbrücken, 1937 Promotion an der TeH Aachen, ab 1938 bei den RESW tätig, zunächst als persönlicher Assistent H. Röchlings, 1939-1940 Leiter des DAG-Hüttenbaubüros in Donaueschingen, danach Rückkehr zu den RESW, dort Leiter des Hochofenwerks Diedenhofen, 1943 Habilitation an der TeH Aachen. UAA 7086 b und Ausk. VDEh. 186 Friedrich Oltersdorf (20.6.1884 Falkenburg/ Pommern - 12.3.1966 Kehl): Ingenieurstudium in Danzig, danach Regierungsbaumeister, 1927-1939 als Verkehrsplaner bei den RESW angestellt, 1940- 1942 Leiter der DAG-Eisenbahnabteilung, anschließend selbständig, Erfinder von Entladegeräten für den Massengutverkehr; Pg. seit 1933, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. StAF V 500/ 3-93 und GLA 465a/ 59/ 47/ 472. 187 Besprechungsunterlagen Bornitz für den 21.3.1939, StANK AD. 188 Sitzungsprotokoll Doggererzkommission v. 21.3.1939, StAF V 500/ 3-67. 189 Besprechungsunterlagen Bornitz für den 21.3.1939, StANK AD. 190 Zwar gab es bereits eine Bahnverbindung zwischen Blumberg und dem 9 km Luftlinie entfernten Neudingen, doch war die über Immendingen führende Strecke 34 km lang, was als betriebswirtschaftlich unrentabel galt. 214 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) • eine Kokerei am Hüttenstandort zur Herstellung von Hochofenkoks, • eine rentable Gaswirtschaft: Im Rahmen eines Ferngasprojekts sollten jährlich rund 200 Mio. m³ überschüssiges Kokereigas über ein verzweigtes Leitungsnetz in die württembergischen Industriegebiete bei Stuttgart, Heilbronn, Heidenheim und Ulm verkauft und damit dringend benötigte Deckungsbeiträge für den Hüttenbetrieb erzielt werden. Das Konzept zielte auf niedrige Betriebskosten ab, setzte aber hohe Investitionen voraus: Allein für das Bahnprojekt, das einen Tunnelbau unter dem Fürstenberg enthielt, wurde eine Summe von 8 bis 11 Mio. RM veranschlagt; hinzu kamen rund 12 Mio. RM für den Kokereibau. Die Kommission billigte das Konzept und empfahl zur Nutzung der Gasüberschüsse auch die Errichtung eines Hydrierwerks in Erwägung zu ziehen 191 . Bornitz reagierte umgehend auf die Beschlüsse und warb bereits einen Tag später mit einer ganzseitigen Zeitungsanzeige um regionale Arbeitskräfte für den Werksausbau 192 . b) Widerstand des Agrarsektors in Baden An den Landesbehörden war die Entwicklung seit Mitte 1938 weitgehend vorbeigelaufen: So hatte das Karlsruher Innenministerium erst Ende Januar 1939 durch eine Indiskretion überhaupt davon erfahren, dass ein Hüttenwerk in Baden gebaut werden sollte 193 . Der DBG-Aufsichtsrat beschloss zwar am 15. Februar 1939, die NSDAP-Gauleitungen Saarpfalz und Baden 194 zu informieren, doch stieß Röchlings Anregung, auch den badischen Ministerpräsidenten Köhler zu unterrichten, auf den Widerstand Wittkes, der meinte, »man könne nicht allen Stellen schreiben, es müssten nach dieser Richtung hin Grenzen gezogen werden« 195 . Bornitz unterrichtete die badische Regierung dann zwar doch am 20. Februar über den Hüttenbau 196 , vermied es aber, die Standortfrage zu thematisieren. Köhler bat daraufhin von Hanneken, künftig auch Landesbeamte zu seinen Besprechungen einzuladen 197 . Er handelte sich eine vage Zusage 198 ein, die nur anfangs eingehalten 199 wurde. Mitte März 1939 herrschte bei der badischen Regierung der Eindruck vor, das Vorschmelzwerk werde in direkter Grubennähe bei Blumberg gebaut 200 . Ende des Monats erfuhr die Landesbauernschaft erstmals vom neuen Standort in Neudingen und legte 191 Sitzungsprotokoll Technische Kommission v. 28.4.1939, LGRB 10 A/ 111. 192 Schwarzwälder Tagblatt v. 29.4.1939 193 BMI an BFWM v. 9.2.1939, LGRB 41/ 1. 194 Gauleiter Wagner war von Bornitz allerdings schon am 13.2.1939 (auf indirektem Wege über den Donaueschinger Kreisleiter Kirn) informiert worden. Kirn an RSH Wagner v. 13.2.1939, GLA 478/ 11. 195 DBG-ARP v. 15.2.1939, StANK AD. 196 DBG (Bornitz) an Köhler v. 20.2.1939, LGRB 10 A/ 111. 197 BFWM (Köhler) an v. Hanneken v. 2.3.1939, LGRB 10 A/ 111. 198 RWM (v. Hanneken) an Ministerpräsident Köhler v. 17.3.1939, LGRB 10 A/ 111. 199 Bad. Staatskanzlei, Außenstelle Berlin an Landschütz v. 15.4.1939, StAF F 235/ 5-182. 200 BMI (Pflaumer) an BFWM v. 17.3.1939, LGRB 41/ 1. 215 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts Abb. 43: Übersichtsplan der Grubenanlage Blumberg und des Vorschmelzwerks Neudingen. Eine 12 km lange Werksbahn von der Aufbereitungsanlage bei Zollhaus sollte die geförderten Erze zu den Verhüttungsanlagen an der Donau befördern. Dazu war der Bau eines Tunnels unter dem Fürstenberg notwendig. Rechts oben im Bild Gutmadingen, wo sich das Bergwerk der Gutehoffnungshütte befand, das seinerseits Erze hätte anliefern können. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 216 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) sofort Protest beim Reichsnährstand 201 und bei der Karlsruher Landesplanung 202 ein. Die landwirtschaftlichen Standesvertreter waren nach leidvollen Erfahrungen 203 von tiefem Misstrauen gegen die Saarwerke erfüllt und glaubten den Beteuerungen der DBG nicht, es werde bei Neudingen lediglich ein reines Hochofenwerk entstehen, sondern sahen vor ihrem geistigen Auge bereits ein zweites Ruhrgebiet aufkommen, das zum Verlust wertvollen Bodens und zum Niedergang des Baaremer »Bauerntums« führen müsse. Am meisten fürchtete sich die Standesorganisation jedoch vor der Abwanderung von billigen Arbeitskräften zur Industrie. Demgemäß brachte sie vor, es sei unsinnig, »die industriellen Anlagen in die rein landwirtschaftlich orientierte Baar zu legen, die als Kornkammer Badens bezeichnet wird und deren landwirtschaftlicher Charakter durch die Ansetzung von Großindustrien völlig zerstört werden würde« 204 . Da sie sich wirtschaftliche Vorteile für den Kreis Donaueschingen versprachen, standen Kreisleiter Walther Kirn und sein Amtsvorgänger, der Donaueschinger Oberbürgermeister Eberhard Sedelmeyer, dem Hüttenstandort Neudingen aufgeschlossen gegenüber. Landesplaner Feldmann teilte dagegen die Bedenken der bäuerlichen Funktionäre und berief eine Behördenbesprechung für den 29. April 1939 nach Donaueschingen ein. Gerlach und Bornitz verteidigten hier ihre Wahl für den Standort Neudingen mit dem großen Wasser- und Platzbedarf des Werks. In der Diskussion zeigte sich, dass der Staatsapparat keineswegs eine geschlossene Haltung einnahm: Schlugen sich viele Vertreter der Regionalbehörden, wie Landrat Binz und Landeskommissär Wöhrle es taten, klar auf die Seite der Landesbauernschaft, so hielten sich die anwesenden Ministerialbeamten mit Kritik stark zurück. Auch Kreisleiter Kirn lavierte. Feldmann fasste am Ende »das Ergebnis der Besprechung dahin zusammen, daß von allen örtlichen Stellen ein Eindringen der Erzindustrie in die offene Baar als unerwünscht bezeichnet wird, und daß jede Möglichkeit ausgeschöpft werden muß, die Anlagen im Aitrachtal unterzubringen« 205 . Der Landesplaner schaltete daraufhin seinen Chef Robert Wagner und die Berliner Reichsstelle für Raumordnung (RfR) ein. Letztere zog die Entscheidungskompetenzen rasch an sich 206 und eröffnete ein formelles Verwaltungsverfahren. Die ungeklärte Lage erwies sich für die weiteren Arbeiten der DBG als sehr hinderlich: Mitte Mai klagte Bornitz, seine Tätigkeit für das Hüttenprojekt sei »z.Zt. gehemmt. Ganz besonders gilt dies für das Anbahnen von Verhandlungen für den Erwerb des Geländes, das sich hauptsächlich im Besitz von Kleinbauern befindet« 207 . Verzögerungen entstanden auch dadurch, dass die Geländebohrungen in Neudingen abgebrochen werden mussten, weil dort die Maul- und Klauenseuche wütete und die Mannschaften größtenteils unter Quarantäne standen. Bei den Saarwerken wuchs die Erkenntnis heran, dass die Hilfe der badischen Regierung am Ende doch viel wertvoller sein könne, als man ursprünglich gedacht hatte. So sandte Bornitz am 4. Mai eine lange Rechtfertigung für die getroffene 201 Landesbauernschaft Baden an Reichsbauernführer v. April 1939, BAB R 3601/ 3316. 202 LPGB (Feldmann) an Reichsstelle für Raumordnung (RfR) v. 11.4.1939, LGRB 10 A/ 109. 203 Siehe dazu Kap. IV/ 5/ b. 204 So der Protest der Landesbauernschaft Baden lt. Schreiben RfR an RWM v. 11.5.1939, BAB R 113/ 1404. 205 PdB in Donaueschingen am 29.4.1939, BAB R 113/ 1404. 206 RfR an RWM v. 11.5.1939, BAB R 113/ 1404. 207 Sitzungsprotokoll Technische Kommission v. 13.5.1939, LGRB 10 A/ 111. 217 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts Standortwahl nach Berlin 208 , die von der RWA für eine Stellungnahme gegenüber der RfR gebraucht wurde, und versäumte es dabei nicht, auch Ministerpräsident Köhler eine Kopie zu übermitteln. Die entscheidenden Aktivitäten gingen von Hermann Röchling aus: Dieser hielt am 15. Mai in Blumberg eine Besprechung mit dem badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler und Staatssekretär Neumann 209 ab. Zwei Wochen später suchte der Kommerzienrat Robert Wagner auf und erhielt dessen Zusicherung, auf Einsprüche gegen den Hüttenstandort zu verzichten. Daraufhin meldete er den Mitgliedern seiner Technischen Kommission: »Die Wahl des Platzes in Neudingen ist somit genehmigt« 210 . Tatsächlich beklagte sich Wagner zwei Wochen später in einem Schreiben an die RfR über die beabsichtigte »Zerstörung der Struktur eines gesunden Bauerntums in der Baar« und über die »Zerstörung des eigenartigen Reizes einer bis jetzt völlig unberührten Landschaft« 211 , teilte zugleich aber mit, dass er sich wegen der außerordentlich weittragenden wirtschaftlichen Bedeutung des Erzbergbaus nicht dazu entschließen könne, formellen Einspruch gegen die Pläne der Saarwerke einzulegen. RfR-Referent Dr. Walter Puttkammer 212 kündigte dem Reichsernährungsminister daraufhin an, seine Behörde werde keinen Einspruch gegen den Standort Neudingen erheben, weil der Platz im Aitrachtal für ein Hüttenwerk eben leider nicht ausreiche 213 . Trotz Wagners Stellungnahme versuchte die Badische Regierung auch später noch, die Saarwerke in der Standortfrage umzustimmen. So erschien Ministerpräsident Köhler am 24. Juni 1939 bei Otto Wolff in Bad Nauheim und sicherte diesem »die vollste Unterstützung zu, gleichviel, ob das geplante Vorschmelzwerk nach Neudingen oder in das Aitrachtal gelegt wird. Jedoch würde das Land Baden es begrüßen, wenn das Aitrachtal als Standort gewählt werden könnte, damit der gute Ackerboden bei Neudingen geschont wird« 214 . Wolff lehnte dies aus technischen Gründen heraus zwar ab, versprach aber eine Begrenzung der Anlagengröße auf das unbedingt notwendige Maß: Eine Ausdehnung des Doggererzvorhabens durch große Anlagen für Schlackeverwertung, Kokerei, Hydrieranlage oder Ähnliches komme nach Ansicht der Wolff-Gruppe nicht in Frage. Gerade über diesen Punkt aber bestanden leider erhebliche Meinungsunterschiede zwischen den Saarwerken. 208 DBG (Bornitz) an RWA (Gerlach) v. 4.5.1939, LGRB 10 A/ 111. 209 Gemeint wahrscheinlich Erich Neumann (31.5.1892 Forst/ Lausitz - 23.3.1951 Garmisch-Partenkirchen): Jurist und Volkswirt, ab 1936 in der VJP-Behörde, dort ab 1938 Staatssekretär, Pg. seit 1933, SS-Mitglied seit 1934. 210 H. Röchling an Technische Kommission v. 31.5.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 211 LPGB (Wagner) an RfR v. 13.6.1939, BAB R 113/ 1404. 212 Dr. Walter Puttkammer (31.5.1902 Lippusch - ? ): Diplom-Volkswirt, Leiter des Referats Gewerbliche Wirtschaft bei der RfR. BAB R 113/ 1789. 213 RfR an Reichsernährungsministerium v. 10.7.1939, BAB R 3601/ 3316. 214 So Köhler lt. Siedersleben an Kugener v. 24.6.1939, KAS RESW F-K 54/ 2494. 218 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) c) Die Kokereifrage: Techniker gegen Kaufleute Für den Werksausbau auf der Baar standen 73 Mio. RM 215 zur Verfügung. Die RWA- Kommission hatte aber schon im Januar 1939 einen Investitionsbedarf von 91,5 Mio. RM ermittelt, der durch das neu hinzugekommene Werksbahnprojekt um etwa 8 Mio. RM höher ausfiel, so dass sich ein Fehlbetrag von insgesamt 26,5 Mio. RM auftat. Daraus ergab sich der Zwang, entweder das Projektvolumen zu verringern oder aber die Kreditaufnahme stark zu erhöhen, was umfangreiche Rückzahlungs- und Verzinsungspflichten für die DAG-Aktionäre begründet hätte. Wittke und das Wolff-Management einigten sich am 27. Mai 1939 darauf, dass auf den Kokerei- und auf den Bahnbau verzichtet werden müsse, um den geplanten Kreditrahmen strikt einzuhalten 216 . NE-Generaldirektor Kugener wurde daraufhin von Siedersleben beauftragt, die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Entfall der Anlagen zu klären und zu prüfen, ob die Hochöfen nicht doch noch in Bergwerksnähe gebaut werden könnten. Auch mit von Hanneken, dem kaum an einer weiteren Belastung des Reichshaushalts gelegen sein konnte, erzielten Wittke und Siedersleben am 31. Mai 1939 die Übereinkunft, dass auf den Bahn- und auf den Kokereibau möglichst verzichtet werden sollte 217 . Röchling und alle Saarwerks-Ingenieure lehnten die Forderungen des Wolff-Managements aus betriebswirtschaftlichen Gründen heraus jedoch ab. In der DBG-Aufsichtsratssitzung vom 3. Juni rechneten Kugener und Röchling den Anwesenden vor, es ergebe sich ein »Mehrpreis von rund RM 8 für die Tonne Roheisen, wenn die Kokerei bei Zollhaus-Blumberg nicht gebaut werden würde« 218 . In Köln und in Dillingen setzte man demgegenüber darauf, dass das Reich die Betriebskostendefizite des staatlich verordneten Rüstungsprojekts dauerhaft tragen müsse 219 und sah wenig Sinn darin, hohe Investitionen der Privatwirtschaft zu tätigen, um die öffentlichen Kassen zu schonen. Daher setzte Siedersleben am 3. Juni 1939 eine Absichtserklärung im DBG-Aufsichtsrat durch, »dass die Kokerei jedenfalls nicht für Rechnung des Doggererz-Unternehmens errichtet werden soll« 220 . Die Technische Kommission hielt dennoch an ihren Planungen fest. Als Käufer für überschüssiges Koksgas hatte sie ein Hydrierwerk im Auge, das die RWA und die IG Farbenindustrie AG zu errichten gedachten. Deren gemeinsamer Spitzenfunktionär Carl Krauch 221 war von Hermann Göring im Sommer 1938 zum Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung ernannt worden und trieb seitdem den Bau von Hydrierwerken energisch voran. Krauch bemühte sich intensiv darum, Görings For- 215 Mittelherkunft: 25 Mio. RM Kapitaleinzahlung des Reichs, 8 Mio. RM Bareinzahlung der Saarwerke und 40 Mio. RM Kapitalmarktanleihe. 216 Vermerk Siedersleben über die Besprechung in Bad Nauheim am 27.5.1939, RWWA 72-146-4. 217 Vermerk Siedersleben über die Verhandlungen mit dem RWM in Berlin am 31.5.1939, RWWA 72-146-4. 218 Vermerk Siedersleben über die DBG-ARS v. 3.6.1939, RWWA 72-146-4. 219 »Herr Siedersleben ist der Ansicht, dass in Neudingen gebaut werden soll und zwar ein reines Vorschmelzwerk, dessen Unrentabilität gewissermassen vom Staat getragen werden müsste«. PdB am 26.7.1940, RWWA 72-148-9. 220 Vermerk Siedersleben über die DBG-ARS v. 3.6.1939, RWWA 72-146-4. 221 Dr. Carl Krauch (7.4.1887 Darmstadt - 3.2.1968 Bühl): Chemiker, 1934 Vorstandsmitglied der IG Farben AG, 1936-1938 Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung des Amtes für deutsche Roh- und Werkstoffe, Pg. seit 1937, 1938 Wehrwirtschaftsführer und GB für Sonderfragen der chemischen Erzeugung im VJP, ab 1939 Präsident des RWA. Biografie: NDB 12 (1979) S. 679-681. 219 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts derung 222 zur Errichtung von Anlagen zu erfüllen, in denen Hochleistungs-Flugtreibstoff erzeugt werden konnte. Da letzterer zu 25 % aus Isooktan bestand, zu dessen Produktion große Mengen an Kohle und Wasser eingesetzt werden mussten 223 , geriet der Standort Neudingen in Krauchs Blickfeld. Dessen Referent für den Bau von Hydrieranlagen, Dr. Erich Kranepuhl 224 , stellte der Technischen Kommission auf der Blumberger Sitzung vom 3. Juli 1939 das Konzept 225 für ein 50 ha großes Hydrierwerk an der Donau vor, das 600 Arbeiter beschäftigen und 200 Mio. m³ Koksofengas sowie 250.000 t Kohle zu 25.000 t Isooktan und 17.000 t Benzin 226 verarbeiten sollte. In genannter Kommissionssitzung vom 3. Juli 1939 fiel bereits eine Vorentscheidung für den Standort Neudingen, die den Bau der teuren Werksbahn zwangsläufig mit einschloss. Siedersleben nahm an dieser Konferenz teil und kritisierte den eingeschlagenen Kurs gegenüber dem NE-Vorstand mit den Worten, dass die anderen Saarhütten und auch die DBG selbst »das Problem vorzeitig als geklärt betrachten« 227 . Kugener erhielt deshalb umgehend den Auftrag zur Aufnahme eigener Planungen für einen Alternativstandort im Aitrachtal. Der Neunkircher Generaldirektor kam dieser Bitte jedoch nicht nach, sondern sandte einen Vermerk von Werksingenieur Rudolf Hahn nach Köln, der Siedersleben völlig in Rage brachte. Darin berichtete Hahn, die Technische Kommission richte ihre Planungen auf ein riesiges Projekt aus, das 9 bis 10 Hochöfen samt Kokerei umfasse und für eine Jahresproduktion von einer Mio. t Roheisen ausgelegt sei. Hahn empfahl Siedersleben »eine etwas großzügige Einstellung zu dem vorliegenden Problem« 228 und meinte, wegen des großen Platzbedarfs der Anlagen und aus Gründen der Transportökonomie komme als Werksstandort ja ohnehin nur Neudingen in Frage. Siedersleben bekundete daraufhin seine »Fassungslosigkeit« gegenüber den »ins Uferlose weisenden Plänen« und wollte umgehend »mit einer grundsätzlichen Überprüfung des Planungswesens« 229 in der DBG beginnen, handelte sich aber nur Röchlings schroffe Absage 230 ein. Die Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der technischen Planungen wurden auch in den laufenden Gesprächen über den Projektfortschritt zwischen den Saarindustriellen und dem RWM thematisiert. Reichsbahnoberrat Schmitt schlug sich auf die Seite der Kaufleute und betonte, es sei mit den geplanten 73 Mio. RM »auszukommen, die technischen Vorhaben also nach Massgabe der Mittel zu gestalten« 231 . Um die strittige Frage im DBG-Aufsichtsrat entscheiden zu können, einigten sich Wittke und Siedersleben am 14. Juli mit dem RWM darauf, der Technischen Kommission in der Aufsichts- 222 Gaul, Anlageinvestitionen, S. 324. 223 Plan zur Erzeugung von Hochleistungs-Flugtreibstoff v. 22.12.1938, BAB R 3112/ 117. 224 Dr. Erich Kranepuhl (20.11.1889 Borgisdorf - ? ): 1931-1947 Betriebschemiker der Leunawerke, ab 1938 auch Referent und technischer Berater für den Bau von Hydrieranlagen in der RWA, Pg. seit 1931, 1933-1934 DAF-Amtswalter, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. StAS WÜ 13 T 2/ 2656-2326 und 703-002. 225 Sitzungsprotokoll Technische Kommission v. 3.7.1939, LGRB 10 A/ 111. 226 Vermerk RFM v. 31.8.1939, BAB R 2/ 15076. 227 Siedersleben an NE-Vorstand v. 3.7.1939, RWWA 72-750-3. 228 Aktennotiz Hahn (undat.), StANK AD. 229 Siedersleben an NE-Vorstand v. 13.7.1939, RWWA 72-750-3. 230 H. Röchling an Siedersleben v. 15.7.1939, RWWA 72-750-3. 231 So Schmitt lt. Siederslebens Vermerk über die Besprechung im RWM am 14.7.1939, RWWA 72-750-3. 220 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) ratssitzung vom 19. Juli den Auftrag zu erteilen, bis Ende September Kostenvoranschläge und Angebote für mehrere Planvarianten einzuholen, die Neudingen und Blumberg als Standortalternativen aufweisen und verschiedene Möglichkeiten der Werksausgestaltung enthalten sollten 232 . Röchling und Gerlach versuchten nun handstreichartig Fakten zu schaffen und beriefen für den 18. Juli 1939 eine Sitzung von Technikern nach Völklingen ein, die unter der Leitung von Fritz Wesemann stand. Am nächsten Tag trug Gerlach dem DBG- Aufsichtsrat vor, Wesemann und die RWA seien zu dem Schluss gelangt, dass es »für das Vorschmelzwerk wirtschaftlich von Vorteil ist, wenn die Koksofenanlage in Verbindung mit einem Treibstoffwerk in Zollhaus-Blumberg errichtet wird. Der Bezug von Koks von der Saar erscheint als unwirtschaftlich« 233 . Da Gerlach keinerlei Unterlagen vorweisen und seine Zahlen nicht belegen konnte, verhinderte Wittke jegliche Beschlussfassung in der Kokereifrage. Der Aufsichtsrat beauftragte stattdessen die Technische Kommission mit einem abschließenden Gutachten, das bis zur nächsten Kommissionssitzung am 28. August vorliegen sollte. Siedersleben verließ den Aufsichtsrat am 19. Juli 1939 in der fatalen Erkenntnis, dass »die Herren Techniker einstimmig für Neudingen sind« 234 und dass er mit seiner gegenteiligen Meinung auch im eigenen Kölner Haus nicht mehr unumstritten war 235 . Um wenigstens den Bahnbau auf die Reichsbahn abwälzen zu können, erteilte der DBG-Aufsichtsrat Röchling und Siedersleben ein dementsprechendes Verhandlungsmandat für das Reichsverkehrsministerium, doch wurden die Gespräche mit der Reichsbahndirektion Karlsruhe nach Kriegsbeginn abgebrochen 236 . Die anhaltende Diskussion über die technischen Daten des Vorschmelzwerks, aber auch die noch ausstehenden Zahlungen des Reichs blockierten weitgehend die Planungen. Hatte man im Februar 1939 noch geglaubt, alle Vorarbeiten binnen acht Wochen beenden zu können, so trat im Sommer nahezu Stillstand ein: Obwohl das RWM drängte, »die Arbeiten, insbesondere die Bestellungen, so fortzuführen, als ob die Entscheidung des Herrn Reichsfinanzminister im positiven Sinn bereits vorliege« 237 , waren sich die Saarindustriellen völlig einig, dass »für die Ausarbeitung des Projekts H[ütte] keine Geldmittel bewilligt werden, bis die Aktiengesellschaft gegründet ist. Lediglich zur Inganghaltung der Arbeiten werden 30.000 M für Gehälter und sonstigen Bürobedarf bewilligt« 238 . Demgemäß erfuhr das kleine Hüttenbaubüro unter Bornitz’ Leitung, das den Bau nach den Vorstellungen im RWM längst hätte ausschreiben sollen, bis zum Kriegsbeginn keine Erweiterung 239 . 232 Dazu zählten Projekte mit und ohne den Bau einer Kokerei, einer Werksbahn, eines Hüttenkraftwerks oder eines Hydrierwerks. Zugleich ließ das NE auf Wunsch Siederslebens eine Expertise über die Geländeverhältnisse im Hondinger Tal anfertigen. Der Aachener Bauingenieur Andreas Grotkamp sollte darin später zu dem Schluss kommen, dass auch im unteren Ried bei Blumberg eine Projektrealisierung durchaus möglich sei. Siedersleben an NE-Vorstand v. 28.8.1939, RWWA 72-153-7. Zu Grotkamp: Kalkmann, TeH Aachen, S. 388 und 396. 233 Bericht Senfter (? ) über die DBG-ARS v. 19.7.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 234 Vermerk Siedersleben über die DBG-ARS am 19.7.1939, RWWA 72-146-1. 235 So plädierte Wolffs Mitarbeiter Grochtmann für Neudingen. Vermerk v. 17.7.1939, RWWA 72-148-7. 236 Aktenbefund LGRB 10 A/ 106 und 10 A/ 114. 237 So Reichsbahnoberrat Schmitt am 5.7.1939 lt. Siedersleben an Wittke v. 5.7.1939, RWWA 72-750-3. 238 Bericht Senfter (? ) über die DBG-ARP am 19.7.1939, KAS RESW F-K 22/ 2184. 239 DAG (Bornitz) an Wittke v. 15.1.1940 StANK AD. 221 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts Für die Vergabe des Projektierungs- und Bauauftrags hatte die Technische Kommission im Februar 1939 zwei Konkurrenten ausgewählt: (1.) den amerikanischen Hüttenbauingenieur Hermann A. Brassert, für den sich Röchling besonders stark einsetzte, und (2.) eine Arbeitsgemeinschaft, die noch aus der Duisburger DEMAG AG und der Gutehoffnungshütte AG gebildet werden sollte. Da sich das Oberhausener Unternehmen wegen Arbeitsüberlastung kategorisch weigerte, für die Saarwerke tätig zu werden 240 , ging die DEMAG im Juni 1939 eine Kooperation mit der Frankfurter Lurgi AG, dem Saarbrücker Förderanlagenbauer Ernst Heckel GmbH und mit der Zweibrücker Dinglerwerke AG ein 241 . Brassert, der Röchling bereits im April 1939 ein erstes Angebot 242 über die Projektierung und den Bau des Hochofenwerks abgegeben hatte, besichtigte am 8. Juli gemeinsam mit dem Völklinger Kommerzienrat das Neudinger Hüttengelände und die Blumberger Werksanlagen 243 . Bezüglich der DEMAG erwartete man die Abgabe eines Angebots für Mitte September 244 . Am 28. August 1939 legten Dr. Alfons Graff und Dr. Eduard Senfter den vom DBG- Aufsichtsrat verlangten Bericht zum »Standort- und Verkehrsproblem beim Bau eines Vorschmelzwerkes im südbadischen Doggererz-Gebiet« 245 vor. Er fiel erwartungsgemäß im Sinne Röchlings und der RWA aus: Die beiden Saarwerks-Ingenieure legten dar, dass eine fehlende Kokerei den Betrieb des Hüttenwerks um 8 bis 10 RM pro t Vorschmelzeisen verteuern werde. Ursächlich sei, dass die Kokerei auf der Baar durch die beabsichtigte Koppelung mit einem Hydrierwerk sehr kostengünstig arbeiten könne. Das Gutachten plädierte für einen Hüttenstandort im Donautal, der den Bau einer rund 8 Mio. RM teuren Werksbahn von Blumberg nach Neudingen unumgänglich mache. Wähle man dagegen einen grubennahen Hüttenstandort, entfalle zwar der Bahnbau, doch entstünden hohe Kosten für die Fundamentierung der Anlage im moorigen Aitrachtal und für den Bau einer langen Wasserleitung von der Donau zu den Hochöfen. Der Bericht resümierte, dass die Anlagekosten in Neudingen zwar bei 87,7 Mio. RM lagen und damit um 1,8 Mio. RM höher ausfielen als im Aitrachtal, doch seien mit letzterem Standort jährliche Betriebsmehrkosten von 272.000 RM verbunden. Senfter und Graff empfahlen daher den Bau des Vorschmelzwerks samt Kokerei bei Neudingen vorzunehmen. Der Techniker Röchling hatte sich damit gegen die Kaufleute um Wittke und Siedersleben durchgesetzt. d) Das Ringen um Projektkontinuität nach Kriegsbeginn Zu Kriegsbeginn trat jene Lage ein, für die man mit dem Bau des Vorschmelzwerks hatte vorsorgen wollen: Die Minettezufuhr war unterbrochen, vier der fünf Saarhütten lagen still; ihre Vorstände hatten sich in Notbüros abgesetzt 246 , während die Arbeiter in anderen 240 Aktenbefund RWWA 72-750-3. 241 Gründungsprotokoll Arbeitsgemeinschaft DEMAG/ Lurgi/ Heckel/ Dingler v. 16.6.1939, LGRB 10 A/ 114. 242 RESW (H. Röchling) an Mitglieder der Technischen Kommission v. 6.5.1939, LGRB 10 A/ 111. 243 H. Röchling an Mitglieder der Technischen Kommission v. 10.7.1939, StANK AD. 244 Vermerk Siedersleben v. 17.8.1939, StANK AD. 245 StAF V 500/ 3-67. 246 Röchling verlegte sein Vorstandsbüro nach Ludwigshafen, Wittke in das Bingener Hotel Starkenburger 222 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Eisenbetrieben Beschäftigung fanden 247 . Die Zukunftsaussichten waren ungewiss: Mit der völligen Zerstörung der Hütten war zu rechnen; ein Wiederaufbau blieb fraglich. Als einziges Werk produzierte das NE mit halber Kapazität weiter und griff nun verstärkt auf das ungeliebte Doggererz zurück. Im September 1939 nahm es mit rund 44.000 t mehr als die Hälfte der Blumberger Monatsförderung (80.000 t) ab. Insgesamt waren die Saarhütten in einer schwierigen Lage: Einerseits hatten sie hohe Fixkosten zu tragen, andererseits brachen ihre Einnahmen ganz oder teilweise weg. Die Werke erklärten sich daher außerstande, ihre bisherige Zusage einzulösen, der zufolge sie 5 Mio. RM frisches Geld in die Doggererz AG investieren wollten 248 und verlangten ihrerseits Liquiditätshilfe vom Reich 249 , wurden zu ihrem Leidwesen aber auf den Anleiheweg verwiesen 250 . Angesichts dieser schwierigen Situation musste dringend geklärt werden, was mit dem betriebswirtschaftlich belastenden Doggererz-Projekt geschehen sollte. Ministerialrat Schmitt hatte bereits zwei Tage vor dem Angriff auf Polen gegenüber Gasper betont, käme es zu Verwicklungen, dann könne man sich vorstellen, dass die Frage Vorschmelzwerk überhaupt zurückgestellt würde, da man Lösungen, die erst in zwei Jahren zur Auswirkung kämen, nicht forcieren wolle 251 . Auch Siedersleben stieß in seinem Gespräch, das er am 6. September 1939 mit Heinrich Schmitt von der Eisenabteilung und Dr. Alfred Stahl von der Bergabteilung führte, auf eine große Bereitschaft zum Projektabbruch: »Die Herren baten daher von sich aus, die Planung jetzt auf das kleinstmögliche Vorhaben zu begrenzen, also auf ein Vorschmelzwerk zunächst ohne Kokerei, ohne Bahnbau und ohne Kombination mit einer Hydrieranlage« 252 . Drei Tage später erhielt Siedersleben einen Anruf von Ministerialrat Schmitt. Dieser war sichtlich bemüht, den negativen Ton, der in der Besprechung vom 6. September geherrscht hatte, zu revidieren. Schmitt verkündete, von Hanneken habe soeben die Entscheidung zur Fortführung und Ausweitung des Doggererz-Projekts getroffen und bat dringend darum, die Planungen für das Vorschmelzwerk »beschleunigt und nachdrücklich« 253 voranzutreiben, allerdings ohne den früher geplanten Kokerei- und Werksbahnbau. Siedersleben setzte umgehend Wittke in Kenntnis, der eine Besprechung der Saarwerke in Bingen einberief, die zum Eklat geriet: Röchling fasste den amtlichen Verzicht auf die Nebenanlagen des Vorschmelzwerks als ein Komplott der Wolff-Gruppe auf und geriet völlig außer sich. Er richtete »heftige angriffe« gegen Siedersleben und Otto Wolff und Hof; die Direktionen der Burbacher und der Halbergerhütte wichen nach Frankfurt am Main aus. RWWA 72-146-2. 247 Dies waren vor allem: die Reichswerke Hermann Göring, die Eisenindustrie in Ostoberschlesien und Werke in Gelsenkirchen und Wetzlar. In Dillingen allerdings stob die Belegschaft unkoordiniert auseinander, so dass bald keine Verbindung mehr zur Unternehmensleitung bestand. Aktenbefund RWWA 72-565-7. 248 Vermerk RFM v. 2.10.1939 über die DAG-ARS v. 19.9.1939, BAB R 2/ 15076. 249 H. Röchling an Landfried (RWM), Reinhard (RFM) und Gauleiter Bürckel v. 13.9.1939, RWWA 72- 146-2. 250 BP Aufsichtsrat-Vorstand der DH am 29.9.1939, FADH Nr. 144. Die finanzielle Lage der Saarwerke war Ende 1939 offenbar mehr als gut. So verfügte die DH über 10,5 Mio. RM an liquiden Mitteln, für die sie nach geeigneten Anlagemöglichkeiten suchte und dann im Kauf zweier badischer Unternehmen fand. 251 Vermerk Gasper über die Besprechung am 30.8.1939, RWWA 72-217-18. 252 Siedersleben an Wittke und Bornitz v. 7.9.1939, RWWA 72-146-2. 253 Vermerk Siedersleben v. 9.9.1939, RWWA 72-146-2. 223 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts erklärte mehrfach, er lasse sich von ihnen »nicht als dummer junge behandeln« und die Arbeiten der Technischen Kommission wegen Kokerei usw. sabotieren. Er habe in Bezug auf das Doggererz mehr gearbeitet als irgendeiner und beanspruche nun die Führung in den technischen Fragen, wobei er, wie Siedersleben kommentierte, wohl etwas Ähnliches anstrebe wie das Verhandlungsmonopol Wolffs gegenüber dem RWM. Wittke versuchte den entfesselten Röchling zu beruhigen, woraufhin ein »zweiter angriff mit noch beleidigenderen aeusserungen folgte« 254 . Erst nach einer Sitzungsunterbrechung, in der Wittke den Tobenden ins Gebet genommen hatte, kehrte Beruhigung ein. Da Röchling mit der Forderung nach einem Technikmonopol für sich selbst nicht durchdrang, drohte er die Einstellung seiner Mitarbeit in den DAG-Gremien an und verließ abrupt die Sitzung, um die Sache nun in Berlin klären zu lassen. Tatsächlich suchte Röchling am 13. September von Hanneken in Berlin auf 255 und begab sich danach zu Otto Wolff. In den Gesprächen kam das Ergebnis heraus, dass das Vorschmelzwerk zunächst ohne Nebenanlagen gebaut werden sollte, deren spätere Realisierung aber bereits im Planungsstadium zu berücksichtigen war. Bezüglich seiner strittigen Monopolstellung im technischen Bereich errang Röchling einen Teilsieg: Zuständig für die Projektierung war die von ihm geleitete Technische Kommission, in deren Tätigkeit sich niemand einmischen sollte, bis die fertigen Pläne vorlagen 256 . Die Streitereien gingen freilich weiter: Bereits zwei Tage nach dem Berliner Kompromiss fühlte sich Wittke von Röchling in einer anderen Angelegenheit derart brüskiert, dass er sich bei Siedersleben »in den deutlichsten Ausdrücken« über das »dolose« 257 und illoyale Verhalten des Kommerzienrats beklagte und ankündigte, er »werde morgen Herrn Reichswirtschaftsminister Funk fernmündlich mitteilen, dass er (Wittke) sich wegen Röchlings Vorgehen gezwungen sehe, den Aufsichtsratsvorsitz der Doggererz AG niederzulegen«. In einem »sehr langen Telefongespräch« 258 gelang es Siedersleben schließlich, den außer sich geratenen Wittke von seinem Vorhaben abzubringen. Nachdem Beruhigung eingekehrt war, fand am 19. September 1939 eine Aufsichtsratssitzung der Doggererz AG in Wolffs Berliner Firmenzentrale statt. Dort legte man Neudingen als Standort für das Vorschmelzwerk fest und erteilte der unter Röchlings Vorsitz stehenden Technischen Kommission den Auftrag, unverzüglich alle Pläne und Kostenberechnungen zu erstellen und dem Aufsichtsrat zur Beschlussfassung vorzulegen. Da die Zerstörung der Saarwerke möglich schien, sollte neben dem bisher erörterten Projektumfang auch eine Variante untersucht werden, nach der die gesamte Doggererzförderung in Neudingen zu verhütten war 259 . Ministerialrat Schmitt bremste den extrem motivierten Röchling allerdings mit dem Argument, »dass kein grosses Projekt zustande gebracht werden soll« 260 . Allseitiges Unbehagen löste die Ankündigung des Kommerzienrats aus, er werde mit seinem eigenen Firmenstab, der nach Stilllegung des Völklinger 254 Telegramm Siedersleben an Betzhold v. 12.9.1939 über die Besprechung am 11.9.1939, RWWA 72-565-7. 255 Dies ergibt sich aus einem Schreiben Wolffs an Wittke v. 13.9.1939, RWWA 72-146-2. 256 Siedersleben an Wittke v. 13.9.1939, RWWA 72-148-9. 257 Dolos: betrügerisch, hinterlistig, absichtlich schadend. Heyse, Fremdwörterbuch, S. 290. 258 Vermerk Siedersleben v. 15.9.1939, RWWA 72-146-2. 259 Vermerk RFM v. 2.10.1939 über die DAG-ARS v. 19.9.1939, BAB R 2/ 15076. 260 DAG-ARP v. 19.9.1939, StAF V 500/ 1-15. 224 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Werks weitgehend beschäftigungslos geworden war, selbst die Projektierung übernehmen. Siedersleben argwöhnte sofort, Röchling werde die Planungen einseitig an seiner umstrittenen Technologie des sauren Schmelzens ausrichten und dabei unnötige Risiken eingehen. Da das RWM ähnliche Sorgen hegte, baten ihn Siedersleben und Schmitt, allerdings ohne Erfolg, auch die Gutehoffnungshütte in seine Arbeiten einzubinden. Unter den zerstrittenen Partnern formierten sich nun die Fronten: Um den Einfluss der Wolff-Gruppe zu sichern, wies Siedersleben den Neunkircher Generaldirektor Kugener an, »einen massgebenden Techniker sowohl in der technischen Kommission als auch bei den laufenden Planungsarbeiten« 261 unterzubringen. Der Betriebsdirektor des NE, Hubert Gödel, übernahm die unangenehme Aufgabe, sich mit dem selbstbewussten Röchling anzulegen. Auch drang Siedersleben bei Wittke darauf, dass DAG-Vorstandsmitglied Gerlach, dem die technische Leitung des Vorschmelzwerks künftig oblag, endlich seine Stelle antrete und an den Sitzungen der Technischen Kommission teilnehme, denn »sonst steht er hinterher gewiss vor manchen Entscheidungen, die er vielleicht nicht richtig auffasst oder billigt« 262 . Röchling versuchte seinerseits, die eigene Position zu festigen, indem er Siedersleben mit einem rüden Schreiben 263 aus der Technischen Kommission warf, den Vertretern des NE in der Kommission wichtige Beratungsunterlagen vorenthielt oder ihnen das Wort entzog 264 und durch allerlei Kunstgriffe verhinderte, dass ihm der DAG- Vorstand in die Karten blicken konnte 265 . In der Sache allerdings kamen die Dinge nur zäh voran. Ende September schlossen Röchling und DBG-Direktor Bornitz einen Vertrag, der die Hüttenwerksplanungen dem technischen Stab Röchlings übertrug 266 . Da es in Blumberg keine Büroräume gab, mietete der Kommerzienrat das Hotel Lamm in Donaueschingen, wo ein Konstruktionsbüro, das Röchling der Leitung von Dr. Eduard Senfter und Oberingenieur Herbst unterstellte, seine Tätigkeit mit 45 Beschäftigten aufnahm. Offenbar ging es nur langsam voran, denn Gödel berichtete Ende Oktober nach Neunkirchen, man komme bisher »über allgemeine Dinge nicht hinaus«, und auch die Zusammenarbeit mit Röchling sei »im Augenblick nicht gerade erfreulich«. Letzterer hatte wieder einmal eine seiner Tiraden gegen das NE gerichtet und Gödel am Ende erregt gedroht: »Unter keinen Umständen lasse er sich weiterhin eine derartige Behandlung von Neunkirchen gefallen. Wenn Neunkirchen seine Einstellung nicht grundlegend ändert, werde er uns auch in derselben Weise entgegentreten. Er sei in der Lage dazu« 267 . Nicht in der Lage war Röchling dagegen, die Terminvorgaben für seine Planungsarbeit einzuhalten 268 . In der DAG-Aufsichtsratssitzung vom 1. November 1939 konnte er nur 261 Siedersleben an Kugener v. 19.9.1939, RWWA 72-565-7. 262 Siedersleben an Wittke v. 14.10.1939, RWWA 72-148-9. 263 H. Röchling an Siedersleben v. 14.10.1939, RWWA 52-153-7. 264 So der Vorwurf Siederslebens lt. DAG-ARP v. 15.5.1940, BAB R 2/ 15077. 265 Vermerk Siedersleben zur DAG-ARS v. 1.11.1939, RWWA 72-146-2. 266 Aktennotiz H. Röchling/ Bornitz v. 25.9.1939, RWWA 72-146-2. 267 Gegenstand der Erregung H. Röchlings war u.a. das schier unerschöpfliche Thema »Nebenanlagen« des Vorschmelzwerks: »Dass die Kokerei nicht gebaut wird, ist wiederum das Werk von Neunkirchen. Schliesslich sei es einzig und allein das Werk Neunkirchens, dass die geplante Werksbahn von der Grube zur Hütten Neudingen nicht gebaut wird«, so Röchling lt. Gödels Aktennotiz v. 23.10.1939, StANK AD. 268 Als wegen der Arbeitsrückstände in Röchlings Konstruktionsbüro sogar eine Aufsichtsratssitzung ausfallen musste, wurde Gödel wieder einmal nach Donaueschingen entsandt. Dieser berichtete pikiert, dass 225 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts allgemeine Angaben über den Arbeitsstand machen, die allerdings ausreichten, um große Verunsicherung auszulösen. So wollte der Kommerzienrat in Neudingen zunächst zwei Hochöfen mit einer Tagesleistung von 500 t Eisen bauen, was einschließlich der nötigen Investitionen in die Erzgruben und Aufbereitungsanlagen sowie in den Wohnungsbau rund 51,5 Mio. RM kosten sollte. Weil der Kokerei- und Hydrierwerkbau sehr fraglich geworden war, hatte er die Möglichkeit geprüft, den hohen Überschuss an Hochofengas zum Betrieb eines großen Elektrizitätswerks zu nutzen, doch ließen die Stromabsatzpreise einen wirtschaftlichen Kraftwerksbetrieb nicht zu. Daher musste das Gas abgefackelt und auf wertvolle Deckungsbeiträge verzichtet werden. Als Folge ergab sich, dass die Prognose der Werksselbstkosten für das Dogger-Roheisen den exorbitant hohen Wert von 102 RM je t 269 erreichte. Walther Wieland zog daraus in der Sitzung den Schluss, die Werke müssten nun Nachforderungen gegenüber dem Reich geltend machen, doch hoffte er in Wahrheit wohl eher darauf, dies werde zu einem raschen Projektende führen. Röchling seinerseits nutzte die Kostensteigerung, um den Widerstand Siederslebens und des RWM gegen den Kokereibau zu bekämpfen. Unmittelbar nach der Aufsichtsratssitzung vom 1. November nahm er Kontakt mit dem Reichsfinanzministerium auf und übergab diesem ein Memorandum, in dem er beteuerte, das Hüttenprojekt wäre in Verbindung mit einer Kokerei und mit einem Hydrierwerk »ein hochrentables Geschäft« 270 geworden, ohne diese Nebenanlagen aber drohten hohe Verluste. Ministerialdirigent Nasse notierte erschrocken: »Danach wird das aus Vorschmelzeisen gewonnene Roheisen an 100 RM je t herankommen! Ob das tragbar ist, erscheint zweifelhaft« 271 . Da Nasse stets befürchtet hatte, die Betriebskostendefizite des Vorschmelzwerks würden zu einer Dauerbelastung des Reichshaushalts führen, lud er die Beamten des RWM eilends zu einer Krisensitzung am 21. November 1939 ein. Dabei zeigten sich große Differenzen innerhalb des RWM: Die Bergabteilung hielt Distanz zu dem Projekt und stellte nachdrücklich klar, dass das Blumberger Erz »das schlechteste deutsche Erz« 272 sei. In der Eisenabteilung herrschte dagegen die Ansicht vor, dass der akute Transportraummangel zum Bau des Vorschmelzwerks nötige. Nasse plädierte seinerseits für einen Projektabbruch, da das Werk wegen seiner zweijährigen Bauzeit keinerlei kriegswirtschaftliche Bedeutung habe und das Schicksal der Saarhütten im späteren Frieden völlig ungewiss sei 273 . Das Gespräch endete zwar ohne konkretes Ergebnis, dürfte aber den Plan der Eisenabteilung, das Vorschmelzwerk ohne die Kokerei zu bauen, nicht eben befördert haben. zentrale Fragen immer noch offen seien (Bericht Gödel v. 19.12.1939, StANK AD). Siedersleben war darüber »einigermassen erschüttert« und fragte Kugener, »warum jetzt 4½ Monate ohne erkennbares Ergebnis verstrichen sind« (Siedersleben an Kugener v. 23.12.1939, RWWA 72-153-7). Vier Wochen später ärgerte sich Wittke, »daß die DAG im Laufe des letzten Jahres, soweit die hüttentechnische Seite in Frage kommt, in der Verwirklichung der ihr gestellten Frage nicht weitergekommen« sei. DAG-ARP v. 24.1.1940, BAB R 2/ 15077. 269 Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 1.11.1939, RWWA 72-146-2. Der Wert galt incl. Kapitalkosten. Die Betriebsselbstkosten wurden auf 70 RM je t beziffert. DAG-ARP v. 1.11.1939, BAB R 2/ 15076. 270 So wird H. Röchling im Vermerk des RFM für die Besprechung am 21.11.1939 zitiert, BAB R 2/ 17849. 271 Ebenda. Unterstreich. im Orig. 272 Vermerk RFM v. November 1939, BAB R 2/ 17849. 273 Vermerk über das Gespräch RWM/ RFM am 21.11.1939, BAB R 2/ 17849. 226 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Nachdem Röchling das Feld für eine große Lösung in Berlin bereitet glaubte, legte sich die Technische Kommission in ihrer Sitzung am 13. Januar 1940 auf den Bau einer Werksbahn und einer Kokerei fest, da so »die vorhandenen Gasüberschüsse am vorteilhaftesten zu verwerten und damit die Grundlage für die bestmöglichsten [! ] Selbstkosten zu schaffen« 274 seien. Technisch sollte dies durch den Bau von Gasröstöfen für die Erzaufbereitung gelöst werden 275 . In der Kommission war auch der Wunsch der Energieabteilung des RWM 276 erörtert worden, das Gas über ein Fernleitungsnetz an industrielle Großverbraucher im Stuttgarter Ballungsgebiet zu verkaufen, wo nach Röchlings Meinung eine hohe Nachfrage herrschte. Im NE befürchtete man jedoch in eine selbstgestellte Falle zu laufen, weil bei einem späteren Ausfall von Reichssubventionen für den Vorschmelzbetrieb die Gefahr drohe, dass als Folge der eingegangenen Lieferverpflichtungen das Werk nicht mehr so ohne weiteres stillgesetzt werden dürfe, da die Ferngasversorgung seine Stillegung ausschließe 277 . Im Ergebnis empfahl die Kommission den Bau von drei Hochöfen mit einer Tagesleistung von jeweils 400 t. Das Investitionsvolumen betrug rund 100 Mio. RM, wovon 75,7 Mio. RM auf die Hütte und die Kokerei entfielen, der Rest auf den Bahn-, Berg- und Wohnungsbau. Röchling präsentierte den Vorschlag in der DAG-Aufsichtsratssitzung vom 14. Januar 1940 und prognostizierte Betriebsselbstkosten von 60 RM je t Roheisen. e) Der Baubeschluss Zur Finanzierung des 100 Mio. RM teuren Projekts standen 28 Mio. RM bare Eigenmittel 278 bereit, sofern der Reichsfinanzminister die Gelder bewilligen würde. Die fehlenden 72 Mio. RM waren als Darlehen aufzubringen, was horrende Zins- und Tilgungslasten für die DAG auslösen musste, die das ohnehin verlustreiche Unternehmen aus eigener Kraft kaum würde tragen können. Wittke schlug in der Aufsichtsratssitzung vom 24. Januar 1940 vor, das Investitionsprogramm der Technischen Kommission, und damit den Kokereibau, zu akzeptieren, obwohl »im Augenblick nicht feststehe, wer die fehlenden 72 Millionen finanzieren werde«. Wolffs Vertreter Gasper stellte dagegen klar, dass die Saarwerke nach ihrer Stilllegung »keine diesbezügliche Verpflichtung mehr übernehmen und auch ihre Unterschriften nicht für eine aufzulegende Obligationsanleihe der DAG geben« 279 könnten. Siedersleben kritisierte seinerseits, dass der von Röchling prognostizierte Roheisenpreis von 60 RM je t immer noch untragbar für die Werke sei und laufende Reichszuschüsse erfordere. Die Bergabteilung des RWM bekämpfte den Kokereibau mit dem Argument, dass die nötige Saarkohle fehle und über deren Lieferung 274 Protokoll TKS v. 13.1.1940, BAB R 2/ 15076. 275 Denkschrift Senfter v. 9.1.1940, StAF V 500/ 1-9. 276 Siehe dazu Kap. VI/ 3. 277 Aktennotiz Haag über die TKS v. 13.1.1940, RWWA 72-153-7. 278 25 Mio. RM Barzahlung (Kapitalanteil) des Reichs bzw. 3 Mio. RM der Saar. Der restliche Kapitalanteil der Saar bestand in der Anrechnung früherer Bergbau-Investitionen (ca. 17 Mio. RM) und einer weiteren Verpflichtung zur Barzahlung von 5 Mio. RM, die die Werke nach Kriegsbeginn aber nicht mehr leisten wollten. 279 DAG-ARP v. 24.1.1940, BAB R 2/ 15077. 227 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts erst noch verhandelt werden müsse, was Wittke zu einer wütenden Grundsatzerklärung über die Mitverantwortung des Reichs als Initiator des Doggererz-Bergbaus trieb, die in der Ankündigung gipfelte: »Wenn trotz unermüdlicher Arbeit und persönlicher Opfer der Saarwerke seitens des Reiches die Angelegenheit nicht vorwärts gebracht wurde und immer wieder neue Verhandlungen ohne sichtbaren Erfolg angeregt werden, müsse er die Verantwortung für die weitere Entwicklung und Gestaltung der DAG ablehnen«. Röchling unterstützte die Position Wittkes und drohte, die Angelegenheit Göring vorzulegen, denn »ohne ein bestimmtes Ziel vor sich zu haben, habe es wirklich keinen Zweck weiterzuarbeiten« 280 . Ministerialrat Schmitt von der Eisenabteilung des RWM schlug sich erwartungsgemäß auf die Seite Röchlings und Wittkes und bestätigte, dass der Krieg die Bedeutung des Projekts noch erhöht habe. Man könne nicht daran zweifeln, dass die Erze gebraucht würden und solle sich besser auf einen langen Krieg einstellen. Nach einer langen, äußerst kontrovers geführten Debatte stimmten die Saarindustriellen schließlich Röchlings Investitionsprogramm zu, wobei sie klarstellten, dass sie über die 3 Mio. RM staatlicher Entschädigungszahlungen und ihren Anteil an den Blumberger Sachwerten hinaus keinerlei Kapital mehr in die DAG einbringen wollten 281 . Naturgemäß trafen diese Vorstellungen bei den gastweise anwesenden Beamten des Reichsfinanzministeriums auf Zurückhaltung. Sie stellten den Werken eine Beschlussfassung über das Programm zwar anheim, betonten aber, dass es der Entscheidung ihres Ministers vorbehalten bleiben müsse, ob die Ausgabe einer derart hohen Summe für das Neudinger Hochofenwerk unter den Kriegsverhältnissen »vertretbar geblieben sei« 282 . Siedersleben wiederum legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass er dem Beschluss zum Kokereibau nur deshalb zugestimmt habe, weil »die kreditmässige Geldbeschaffung hierfür seitens der Reichsressorts […] in Aussicht gestellt wurde« 283 . Am 5. Februar 1940 unterrichtete Wittke die Berliner Ministerien über die getroffenen Aufsichtsratsbeschlüsse und forderte die sofortige Bereitstellung von Reichsmitteln an. Seiner Meinung nach ging er dabei hart an die Grenzen dessen, »was man ohne anzuecken sagen kann. Ich habe in meinem Brief darauf hingewiesen, dass wir mit unseren Vorarbeiten soweit sind und habe gewissermassen die Verantwortlichkeit für jede noch eintretende Verzögerung auf die Reichsregierung abgewälzt« 284 . Von Hanneken setzte daraufhin eine Besprechung für den 7. Februar 1940 im RWM an, in der er seine beiden widerstreitenden Abteilungen endlich auf eine einheitliche Linie brachte. Das Gespräch, an dem auch Wittke teilnahm, endete mit der Zusage von Hannekens, Staatssekretär Landfried werde umgehend eine positive Entscheidung treffen, die auch einen schnellen Kokereibau vorsehe 285 und anschließend Haushaltsverhandlungen mit dem RFM aufnehmen. Wittke war daraufhin überzeugt, dass »das Reich zur langfristigen Hergabe der weiteren Mittel bereit sein wird, sei es im Anleiheweg unter Haftung des Reichs, sei 280 Ebenda. 281 Lediglich das NE hielt seine Zusage aufrecht. Siedersleben an NE-Vorstand v. 24.1.1940, RWWA 72- 153-7. 282 So die Vertreter des RFM lt. Siederslebens Bericht an den NE-Vorstand v. 24.1.1940, RWWA 72-153-7. 283 Siedersleben an Wittke v. 21.4.1940, RWWA 72-148-9. 284 Wittke an Siedersleben v. 19.3.1940, RWWA 72-153-7. 285 MR Schmitt kassierte diese Zusage freilich am 5.3.1940 wieder ein. Gerlach an Wittke v. 6.3.1940, Archiv Prillwitz. 228 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) es zunächst als Kassenvorschuss« 286 . Röchling blieb seinerseits nicht untätig und nahm unabgestimmte »Sonderverhandlungen« mit Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk und Ministerialdirigent Nasse auf, die nach Wittkes Einschätzung aber nur dazu führten, dass die Reichsressorts meinten, »auf Seiten der Saarhütten ginge alles durcheinander« 287 . Der von Röchling aufgeschreckte Schwerin von Krosigk richtete Ende Januar 1940 ein privates Schreiben an Friedrich Landfried, in dem er seine früher erhobenen Bedenken gegen den Bau des Vorschmelzwerks während des Krieges bekräftigte und dem Staatsekretär im RWM riet, die »Lösung der Erz-Beförderungsfrage in Richtung des Neubaus von Reichsbahn-Güterwagen zu suchen« 288 . Landfried antwortete am 13. Februar 1940 mit einem langen Elaborat, in dem er den Gedanken, die Transportkapazitäten der Eisenbahn zu erhöhen, als unrealistisch zurückwies und eine Reihe mehr oder minder stichhaltiger Gründe für den sofortigen Bau des Vorschmelzwerks anführte, wozu die Ferngasversorgung der südwestdeutschen Industrie, aber auch das von seinem Mitarbeiter von Hanneken stets bestrittene Argument gehörte, der reichsweit knapp gewordene Hochofenraum werde die wachsenden Mengen inländischer Eisenerze nicht mehr verarbeiten können 289 . Im RFM blieb man jedoch skeptisch: Nasses Mitarbeiter, Oberregierungsrat Dr. Heinrich Müller, sah die Lasten und Risiken des Projekts einseitig auf das Reich verlagert, denn: »Der Anleiheweg für die Dogger-Erz A.G. dürfte heute versperrt sein, weil heute die Garantie der Saarhütten wertlos wäre. Infolgedessen würde der Gesamtkapitalbedarf aus dem Reichshaushalt gedeckt werden müssen. Das Reich würde daher nicht nur 25 Millionen Grundkapital Anteil, sondern […] weitere 73 Mio RM bis Ende 1941 aufbringen müssen, […] deren Tilgung unmöglich und deren Verzinsung fraglich wäre« 290 . Hinsichtlich der von Landfried vorgetragenen Begründung für einen sofortigen Baubeginn wies Müller seine Vorgesetzten darauf hin, dass die Rohstoff- und Eisenerzeugungslage nach dem Krieg für die aktuell zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung sei, denn Göring habe zu Kriegsbeginn erklärt, dass der Fehler des Weltkriegs, nämlich Fortgang der gewohnten Friedenserzeugung, nicht wiederholt werden dürfe. In diesem Krieg sei alles, was geplant und gebaut werden würde, nur auf den Krieg auszurichten. Daher hänge die Realisierung des fragwürdigen Projekts allein davon ab, ob sie als kriegswichtig anerkannt werden könne. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn: • die Erzförderung in Blumberg bis zum Anlaufen des Vorschmelzwerks im Herbst 1941 auf mindestens 2 Mio. t gesteigert werden könne, was nach dem äußerst zurückhaltenden Urteil der Bergabteilung über die Qualität des Doggererzes höchst zweifelhaft sei, • die Reichsbahn erkläre, das Erz nicht im benötigten Umfang zur Ruhr befördern zu können und 286 So zitiert Siedersleben Wittke in seinem Schreiben an den NE-Vorstand v. 8.2.1940, RWWA 72-153-7. 287 Vermerk Siedersleben v. 7.2.1940, RWWA 72-565-7. 288 Schwerin v. Krosigk an Landfried v. 30.1.1940, BAB R 2/ 17849. 289 RWM (Landfried) an v. Krosigk v. 13.2.1940, BAB R 2/ 17849. In finanzieller Hinsicht führte Landfried an: »Der Verzicht auf das Vorschmelzwerk hätte […] die Verewigung von Entschädigungsverhandlungen für die Förderung zur Folge und würde die Möglichkeit, in Zukunft von dem Prämiensystem loszukommen, unterbinden«. 290 Vermerk RFM (H. Müller/ Kiefer) v. 20.2.1940, BAB R 2/ 17849. 229 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts • der behauptete Hochofenraummangel wirklich existiere, was Müller fraglich erschien 291 . Müllers Analyse blieb nahezu folgenlos, denn es wurde nur die Transportfrage geklärt: Ende Februar 1940 fanden Gespräche des RFM mit den Staatssekretären im Reichsverkehrsministerium, Ernst Ackermann und Paul Sommerlatte, statt, in denen beide erklärten, dass es unmöglich sei, ausreichend Waggons und Lokomotiven zu bauen, um das Blumberger Erz an die Ruhr zu fahren 292 . Schwerin von Krosigk gab nun auf und teilte RWM-Staatssekretär Landfried am 2. März 1940 mit, er sei einverstanden, dass mit dem Bau des Vorschmelzwerks jetzt begonnen werde, weil ohne ihn das kriegswichtige Erz nicht zu den Ruhrhütten befördert werden könne 293 . Angesichts der Tatsache, dass die Bergabteilung des RWM und die Arbeitsebene des RFM stets eine gegenteilige Auffassung über die Bedeutung des Blumberger Erzes vertreten hatten, ist sehr wahrscheinlich, dass die Sache am Ende politisch entschieden worden war. Landfried teilte Wittke am 15. März 1940 die Zustimmung des RFM zum Hüttenbau mit und forderte die DAG auf, »dafür zu sorgen, dass nunmehr ohne jede Verzögerung die Bauarbeiten in Angriff genommen, die notwendigen Bestellungen herausgegeben werden und noch im Jahre 1941 mit dem Betriebe begonnen werden kann« 294 . Die Eisenabteilung des RWM bat jedoch diskret, den Ball in Sachen Kokereibau flach zu halten. Zwar habe Landfried »die Ausbaufrage im Sinne der Kokerei entschieden«, doch sollte die DAG »die Kokerei zunächst nur in die Planung aufnehmen, sonst aber keine weiteren Schritte unternehmen« 295 . f) Interne und externe Friktionen bei der Realisierung Die Saarwerke veranlassten am 8. April 1940 den Handelsregistereintrag der Doggererz AG (DAG) und beteiligten sich an deren Grundkapital (2 Mio. RM) im gleichen Verhältnis wie zuvor an der DBG 296 . Die von ihnen geschaffenen Organisationsstrukturen waren jedoch völlig ungeeignet, das komplexe Hüttenbauvorhaben zügig zu realisieren: So gab es seit dem Frühjahr 1939 ein DBG-eigenes Baubüro von bescheidenem personellen Umfang, das Gerlach unterstand, der im Dezember 1939 seinen Vorstandsposten als Verantwortlicher für den Bau und den Betrieb des Vorschmelzwerks angetreten hatte. Unabhängig davon arbeitete Röchlings persönlicher Stab in Donaueschingen, dessen Planungen nach dem Urteil des Neunkircher Betriebsdirektors Gödel dermaßen langsam vo- 291 H. Müller meinte, »daß die Hochöfen an der Ruhr durch den Ausfall der überseeischen Erze […] entlastet sind. Neuer steigerungsfähiger Hochofenraum steht in Oberschlesien und in Polen zur Verfügung. Die HGW (Pleiger) wollen Witkowitz von 0,5 Mio t auf rund 1 Mio t Hochofenkapazität vergrößern. Vor allem aber werden die Hermann Göring-Werke eine zusätzliche Hochofenkapazität von 3,5 Mio t erstellen«. Ebenda. 292 Vermerk über die Gespräche RFM/ RVM am 23./ 26.2.1940, BAB R 2/ 17849. 293 RFM (v. Krosigk) an RWM (Landfried) v. 2.3.1940, StAF V 500/ 3-15. 294 RWM (Landfried) an Wittke v. 15.3.1940, BAB R 2/ 15077. 295 Gerlach an Wittke über ein Gespräch mit MR Schmitt (RWM) v. 6.3.1940, Archiv Prillwitz. 296 Die Stammkapitalanteile betrugen: RESW, NE und Burbacher Hütte: jeweils 27 %, Dillinger Hütte: 12,5 % und Halbergerhütte: 6,5 %. Vermerk RFM v. Oktober 1940, BAB R 2/ 17849. 230 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 44: Amtlicher Lageplan des Vorschmelzwerks Neudingen vom 12. November 1940. Bild: Staatsarchiv Freiburg 231 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts Abb. 45: Links der Eingangsstraße: Erzsilo und Erzaufbereitungsanlagen; rechts der Straße: Kesselhaus, Wasserhochbehälter, Kraft- und Gebläsehaus; in Verlängerung der Hüttenstraße: die vier Hochöfen, rechts daneben der runde Gichtgasbehälter, weiter rechts die langgestreckten Koksbatterien mit dem breiten, viereckigen Kohlenturm in der Mitte. Vor der Kokerei, über der Bildlegende die Fabrik für die Nebenerzeugnisse der Kokerei (Pech, Teer, Ammoniak). Bild: Staatsarchiv Freiburg. 232 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 46: Schachtarbeiten zur Planierung des Neudinger Hüttengeländes. Bild: Saarstahl AG. Abb. 47: Skizze des geplanten Hüttenwerks bei Neudingen aus gleicher Perspektive wie obiges Foto. Blick nach Süden. Im Hintergrund rechts der zu untertunnelnde Fürstenberg. Bild: Staatsarchiv Freiburg. 233 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts ranschritten, dass selbst im März 1940 »eigentlich so gut wie nichts fertig zur Bestellung« vorlag. Um der drohenden Gefahr weiterer Verzögerungen infolge einer »unerspriesslichen Doppel- und Nebeneinanderarbeit« 297 beider Teams zu begegnen, schlug Gödel vor, die DAG solle sich zwar der persönlichen Mitarbeit Röchlings versichern, dessen Hüttenbaubüro aber von den weiteren Arbeiten ausschließen. Auch Gerlach und Bornitz wollten sich nicht mit einer Regelung abfinden, wonach wesentliche Teile der Werksplanungen einer Gruppe von Ingenieuren oblagen, deren Tätigkeit sie nicht beeinflussen konnten. Beide DAG-Vorstände hatten sich deshalb bereits im Januar 1940 an Wittke gewandt und diesen gebeten, »klare Verhältnisse zu schaffen« 298 . Ihrer Ansicht nach sollten Röchlings Aufgaben auf eine beratende Funktion beschränkt und dessen Hüttenbaubüro in die DAG eingegliedert werden. Wittke hatte versucht, die Angelegenheit einvernehmlich zu lösen, konnte am Ende aber nicht verhindern, dass sich ein Machtkampf zwischen Röchling und dem DAG-Vorstand entwickelte. Gerlach kritisierte, der Kommerzienrat wolle »dem Hüttendirektor praktisch kein Betätigungsfeld« 299 zugestehen, und musste sich von diesem mangelnde Erfahrung vorwerfen lassen 300 . Verschärft wurden die sachlichen Gegensätze durch persönliche Differenzen zwischen Gerlach und Röchlings Chefplaner Senfter. Da Wittkes Vermittlungsversuche allesamt scheiterten, musste der Aufsichtsrat die Sache regeln. Am 13. März fand eine fünfstündige Sondersitzung mit »eigenartigem Verlauf« 301 statt, die in einem hart umkämpften Kompromiss gipfelte: Röchlings Angestellte traten in die Dienste der DAG ein, und Senfter nahm künftig andere Aufgaben außerhalb der DAG wahr. Röchling gab seinen Vorsitz in der Technischen Kommission auf und wechselte bis Ende 1941 in den Vorstand. Dort war er gemeinsam mit Gerlach, der sich vergeblich gegen die von Wittke initiierte Regelung gestemmt hatte, zuständig für die Leitung, die Planung und den Bau der Hochöfen mit allen Nebenanlagen 302 . Röchlings Vorsitz in der Technischen Kommission übernahm der Burbacher Hüttendirektor Heinrich Berve 303 . Da sich Röchling weiterhin »mehr oder minder diktatorisch« 304 benahm, blieben die Spannungen innerhalb des Vorstands bestehen. Im April 1940 kolportierte Siedersleben, Gerlach habe eine Betriebsversammlung in der DAG einberufen: »Da die Gerlach’sche Aussprache Herrn Dr. Röchling nicht zugesagt habe, hätte dieser anschließend eine weitere Betriebsversammlung veranstaltet, in der er ungefähr das Gegenteil von Herrn Dr. Gerlach gesagt habe« 305 . 297 Vermerk Gödel über seinen Besuch in Donaueschingen vom 7.-9.3.1940, StANK AD. 298 DAG-Vorstand an Wittke v. 15.1.1940, BAB R 2/ 15077. 299 DAG-Vorstand (Gerlach/ Bornitz) an Wittke v. 9.3.1940, Archiv Prillwitz. Unterstreich. im Orig. 300 H. Röchling wies in der Aufsichtsratssitzung v. 13.3.1940 »darauf hin, dass Dr. Gerlach so gut wie noch niemals selbständig gebaut habe; er warnt vor Experimenten«. DAG-ARP v. 13.3.1940, BAB R 2/ 15077. 301 Siedersleben an NE-Vorstand v. 16.3.1940, RWWA 72-237-9. 302 Vertrag DAG-RESW v. 14./ 19.6.1940, RWWA 72-153-7 und StAF V 500/ 1. Die RESW beurlaubten ihre Ingenieure für die Dauer des Baus der Neudinger Hochofenlage. Für seine persönliche Mitwirkung am Hüttenbau sollte Röchling eine Provision von bis zu 750.000 RM erhalten, was im NE als eine außergewöhnlich hohe Entlohnung gewertet wurde (H. Puppe an Siedersleben v. 14.1.1941, RWWA 72-153-8). Am 2.5.1941 hob der DAG-Aufsichtsrat den Vertrag auf Röchlings Wunsch wieder auf und fand ihn mit 200.000 RM ab. 303 Kurzbiografie Heinrich Berve: siehe Kap. IX/ 1/ a. 304 H. Puppe an Siedersleben v. 14.1.1941, RWWA 72-153-8. 305 Siedersleben, der sich auf einen Bericht Wittkes berief, an NE-Vorstand v. 9.4.1940, RWWA 72-153-7. 234 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Inhaltlich umstritten waren technische Fragen, wozu vor allem die Gestaltung der Hochofenprofile gehörte. Röchling setzte dabei auf einen neuartigen Typ mit höherem Fassungsvermögen, größerem Durchmesser und geringerer Höhe, von dem er sich geringere Kapital- und Betriebskosten versprach. Die Techniker des NE befürchteten jedoch schädlich hohe Gichttemperaturen und eine schlechte Gasverteilung in diesen noch völlig unerprobten Konstruktionen. Siedersleben bestand daher auf einem Unbedenklichkeitsnachweis für Röchlings Innovation, was dieser empört »als einen Angriff auf das ihm geschenkte Vertrauen« 306 zurückwies. Gerlach und die Berliner Ministerialbürokratie teilten dagegen die Vorbehalte des NE. Im Reichsfinanzministerium meinte man, das RWM werde »darauf achten müssen, dass Röchling den Bau des Vorschmelzwerks nicht zum Anlass nimmt, um interessante, aber finanziell gefährliche Versuchskonstruktionen zu bauen« 307 . Die teilweise sehr erregt geführte Debatte wurde erst im Juni 1940 durch einen Kompromiss beigelegt 308 . Als schwierig stellte sich die Zusammenarbeit der DAG mit den regionalen Planungsinstanzen dar, die im Frühjahr 1939 vergeblich versucht hatten, den Werksstandort Neudingen zu verhindern und auch später nach Meinung von Ministerialrat Schmitt (RWM) die Vorarbeiten für den Hüttenbau nicht mit dem nötigen Ernst betrieben 309 . So war vor allem das Verhältnis von Landesplaner Feldmann zu Bornitz derart stark belastet, dass es »zu scharfen Auseinandersetzungen« 310 kam. Zwar konnten die regionalen Behörden das Projekt nicht mehr verhindern, doch versuchten sie wenigstens den Geländeerwerb für das Hüttenwerk, das etwa 100 ha Fläche auf den Markungen von Neudingen und Pfohren beanspruchte 311 , in geordnete Bahnen zu lenken und die Landwirte vor Ausbeutung durch die DAG zu bewahren. Da eine Umlegung wegen des kriegsbedingten Mangels an Verwaltungspersonal nicht in Frage kam, einigte man sich darauf, dass »die Grundstücksverhandlungen von einer Kommission geführt werden, welcher der Reichsnährstand, die Werksleitung, der Bürgermeister und der Landesökonomierat angehören sollen; Aufgabe der Kommission soll die Herbeiführung einer gütlichen Regelung über die Geländeabgabe und die Entschädigung sein« 312 . Die DAG akzeptierte zunächst das Verfahren, doch brach Gerlach die aufgenommenen Gespräche bald wieder ab, weil ihm die geforderten Preise nicht zusagten 313 . Stattdessen setzte er seine guten Kontakte nach Berlin ein und konnte erreichten, dass Göring eine Verordnung 314 zum Vorteil der DAG 306 DAG-ARP v. 1.11.1939, BAB R 2/ 15076. 307 Vermerk RFM v. 10.6.1940, BAB R 2/ 15077. 308 Protokoll TKS v. 9.6.1940, StANK und Vermerk Haag/ Gödel über die TKS v. 9.6.1940, RWWA 72- 149-6. 309 DAG-ARP v. 1.11.1939, BAB R 2/ 15076. 310 Vermerk BMI (Staiger) über die Besprechung am 20.10.1939, GLA 478/ 12. 311 Für den Bau der ersten 3 Hochöfen und der Kokerei waren nur 51 ha Gelände erforderlich, die DAG wollte sich jedoch frühzeitig eine Flächenreserve zulegen. 312 Vermerk BMI (Staiger) über die Besprechung am 20.10.1939, GLA 478/ 12. 313 Die DAG schlug einen Quadratmeterpreis von 50 Pfg. vor, der Neudinger Bürgermeister Mort verlangte 65 Pfg. und verwies darauf, die Wehrmacht habe 95 Pfg. für Kasernengelände gezahlt. Die DAG wollte jedoch keinen Präzedenzfall für ihren künftigen Flächenerwerb schaffen. DAG-ARP v. 24.1.1940, BAB R 2/ 15077. 314 Verordnung über die Landbeschaffung für Zwecke der Doggererz-Bergbau GmbH v. 7. März 1940, RGBl. 1940 I S. 478; Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht v. 29. März 1935, RGBl. 1935 I S. 467. 235 4. Mühsame Umsetzung des Hüttenwerks-Projekts erließ. Diese unterstellte den Landbedarf des Unternehmens unter die Bestimmungen des »Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht«, was eine rasche Enteignung der Landwirte und die Festlegung der Entschädigungszahlung durch die Reichsstelle für Landbeschaffung möglich machte. Gerlachs Hoffnung, die Stelle werde seinen Preisvorstellungen folgen und den Saarwerken hohe Ausgaben ersparen, erfüllte sich jedoch nicht vollständig 315 . Ungeachtet dessen, dass ihr die notwendigen Betriebsgrundstücke noch gar nicht gehörten, vollzog sich ab März 1940 das Hüttenbauprogramm der DAG. Da die Finanzabteilung des RWM avisiert hatte, das Reich werde dem Unternehmen 5 Mio. RM als Vorschuss auf seine spätere Kapitaleinzahlung gewähren 316 , legte Wittke dem DAG-Aufsichtsrat am 19. März ein »vorläufiges Anlaufprogramm« in Höhe von 7,9 Mio. RM zur Beschlussfassung vor. Davon sollten 4 Mio. RM in die Hütte und 3,8 Mio. RM in den Bergbau gesteckt werden 317 . Vier Wochen später reichte der Vorstand beim Bezirksamt Donaueschingen einen Bauantrag 318 für das Vorschmelzwerk ein, dessen Materialbedarf auf 55.000 t Eisen, 10.000 m³ Holz und 26.000 t Zement beziffert wurde. Am 29. April 1940 erfolgte der erste Spatenstich. Da das Werk die bestehende Landstraße zwischen Pfohren und Neudingen unterbrach, übersandte das DAG-Hüttenbaubüro Ministerpräsident Köhler am 23. Mai 1940 seine Wünsche zum Ausbau der öffentlichen Infrastruktur 319 . Sie beinhalteten den Bau einer direkten Straßenverbindung zwischen Donaueschingen und Neudingen, die bei Allmendshofen beginnen, südlich der Bahnstrecke am Werk vorbeiführen und östlich von Neudingen wieder in die alte Landstraße einmünden sollte. Die Bearbeitung der Pläne oblag Manfred Weis, dem Leiter des Straßenbauamts Donaueschingen, und seinem Kollegen vom Wasser- und Kulturbauamt, Dr. Franz Jäger, der erst nach mehrfachen Bitten der Karlsruher Regierung und des badischen Gauleiters Wagner 320 beim Chef des Wehrkreiskommandos V, General Erwin Oßwald, UK-gestellt worden war. Die Arbeiten der DAG konzentrierten sich darauf, das Werksgelände einzuebnen, eine Werksstraße zu verlegen sowie Materialmagazine, Wohn- und Küchenbaracken für 570 Bauarbeiter zu errichten. Der Vorstand hoffte, das Werk Anfang 1941 mit zunächst zwei Hochöfen in Betrieb nehmen zu können. Die Kokerei und der dritte Ofen sollten dann bis zum Sommer bzw. gegen Jahresende 1942 fertiggestellt werden. Tatsächlich aber verhinderte der kriegsbedingte Mangel an Material und an Arbeitskräften einen zügigen Baufortschritt. So waren im Mai 1940 auf der Neudinger Baustelle lediglich 50 Bauarbeiter, zwei Löffelbagger, zwei Dampflokomotiven und 100 Schmalspurwagen im Einsatz 321 . Gerlach beantragte zwar beim Reichsarbeitsministerium die Zuteilung von 300 315 Die DBG scheint in Neudingen 60 Pfg. je m² gezahlt zu haben. 316 Vermerk Siedersleben v. 7.2.1940, RWWA 72-565-7. 317 Wittke an DAG-ARM v. 19.3.1940, BAB R 2/ 15077. 318 DAG an Bezirksamt DS vom 23.4.1940, LGRB 10 A/ 104. 319 DAG an Köhler v. 23.5.1940, LGRB 10 A/ 106. Landesplaner Feldmann und Bornitz beurteilten die Frage der Kostenübernahme jedoch strittig. Vermerk BMI (Staiger) über die Besprechung am 20.10.1939, GLA 478/ 12. 320 Wagner an Oßwald v. 14.3.1940, LGRB 10 A/ 114. 321 DAG-ARP v. 15.5.1940, BAB R 2/ 15077. Der Gerätepark wuchs bis November 1940 auf 5 Bagger und 10 Loks. Die Zahl der Bauunternehmen stieg von 6 auf 11. Dies waren: Wurz & Ferkel (Kehl), 236 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) polnischen Arbeitern, die ihm das RWM aus der Region Posen zu schicken versprach 322 , doch kamen nur 168 Mann in Neudingen an, von denen 155 einsatzfähig waren. Im Juli 1940 erfolgte die Zuweisung von weiteren 89 Arbeitern aus Belgien, von denen bis zum November nur 10 Mann auf der Hüttenbaustelle blieben 323 . Daraufhin setzte die DAG zunehmend französische Kriegsgefangene ein 324 , für die eine große Mannschaftsbaracke zwischen Neudingen und Pfohren errichtet wurde 325 . In den Zeiten höchster Beschäftigung arbeiteten 40 DAG-eigene Kräfte, etwa 100 polnische Zwangsarbeiter und rund 200 kriegsgefangene Franzosen auf der Hüttenbaustelle. In direkter Nähe, südlich von Pfohren, nahm die Badische Heimstätte GmbH den Bau der ersten 70 Volkswohnungen für die künftigen Hüttenarbeiter auf 326 ; zugleich entstanden in Donaueschingen 15 Einheiten für die Hüttenbeamten der DAG 327 . Im Donaueschinger Hotel Lamm, das die DAG im Frühjahr 1940 für 100.000 RM gekauft hatte, legten rund 70 Mitarbeiter des werkseigenen Hüttenbaubüros die technischen Details der künftigen Produktionsanlagen fest und schrieben sukzessive die Herstellungsaufträge aus. Weil sich jeder Gesellschafter für sein eigenes Maschinenbauunternehmen stark machte, geriet die Auftragsvergabe zwangsläufig zum Politikum. Bis Ende November 1940 gingen Bestellungen in Höhe von 20,3 Mio. RM hinaus, weitere 30 Mio. RM standen zur baldigen Vergabe an 328 . Da die Reichsbahn keinerlei Interesse besaß, den Bau der 12 km langen Bahnstrecke zwischen Blumberg und Neudingen zu übernehmen, musste die Planung für das Projekt, das einen Tunnel unter dem Fürstenberg enthielt, selbst in die Hand genommen werden. Gleichzeitig fanden Verhandlungen zur Lieferung von 80 Mio. m³ Koksgas mit dem Zweckverband Gasversorgung Württemberg statt, der am 2. Februar 1940 unter der Führung des Stuttgarter Oberbürgermeisters Strölin gegründet worden war. Auch die Abwärme der Werksaggregate versuchte man zu vermarkten: Um die stark wachsende Bevölkerung der Baar mit Gemüse versorgen zu können, schlug die DAG Ministerpräsident Köhler den Bau von 80.000 m² Gewächshausfläche vor, die mit Kühlwasser beheizt werden sollten 329 . Zur Erzversorgung des Werks wollte auch die Gutehoffnungshütte (GHH) beitragen, die seit 1930 das Karl-Egon-Bergwerk im nahe gelegenen Gutmadingen betrieb. Das GHH-Vorstandsmitglied Hermann Reusch suchte am 20. März 1940 von Hanneken in Berlin auf und unterbreitete diesem das Angebot, bei Hondingen eine neue Grube zu eröffnen und »einen Teil der Versorgung der geplanten Eisenhütte in Donaueschingen zu übernehmen« 330 . Der Unterstaatssekretär im RWM nahm die Offerte gern an, sah er Alfred Müller (Hüfingen), Glaser (Konstanz), Mall (Donaueschingen), Dannegger (Geisingen), AEG (Freiburg), P. Blessing (Hüfingen), Bauer (Donaueschingen), Münzer (Neudingen), Keller (Renchen) und Schaeffer (Neudingen). 322 RWM (Schmitt) an DAG v. 25.5.1940, Archiv Prillwitz. 323 LGRB Akten Doggererz, Ordner »Blumberg, Unterlagen für Sitzungen des Aufsichtsrats und der T.K.« 324 Im Januar 1941 arbeiteten auf der Neudinger Hüttenbaustelle 8 Unternehmen, 155 Zivilarbeiter und 150 Kriegsgefangene. DAG-MB Januar 1941, BAB R 2/ 15079. 325 Vermögensauskunft DAG (Denzer) v. 15.10.1943, BAB R 2/ 15078. 326 Das Programm umfasste 465 Wohnungen und wurde Mitte 1941 eingestellt. StAF C 18/ 1-154. 327 DAG an Gauwohnungskommissar v. 21.4.1941, GLA 478/ 41. 328 LGRB Akten Doggererz, Ordner »Blumberg, Unterlagen für Sitzungen des Aufsichtsrats und der T.K.« 329 DBG (Senfter) an Köhler v. 4.3.1940, LGRB 9 A/ 97. 330 So Reuschs Bericht an Ministerpräsident Köhler v. 21.3.1940, LGRB 10 A/ 114. 237 5. Bergbaustandort Blumberg in ihr doch eine Kostenentlastung, die zum vorzeitigen Bau eines vierten Hochofens genutzt werden konnte. Allerdings meldete Siedersleben wenige Wochen später an Wittke, Georg Lübsen, der Bergwerkschef der GHH, habe eine Beteiligung am Vorschmelzwerk abgelehnt, und man wolle auch nicht 6 bis 8 Mio. RM für den Ausbau der Grube in Gutmadingen aufwenden 331 . Im Mai 1940 nahmen GHH und DAG dann erste Gespräche über einen Erzliefervertrag auf, die nach Wittkes Meinung von der GHH verschleppt wurden 332 . Ein Ergebnis stellte sich jedenfalls nicht ein. 5. Bergbaustandort Blumberg a) Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Retardierte Nach dem Plan der Technischen Kommission vom 21. März 1939 sollte die Förderbelegschaft in Blumberg bis zur Inbetriebnahme des Vorschmelzwerks auf 3.200 Leute verdoppelt werden, was sich wegen der Arbeitsmarktlage, des niedrigen Lohnangebots und der schlechten Arbeitsbedingungen als unmöglich erwies. Im August 1939 schaffte es die DAG immerhin, eine größere Zahl volksdeutscher Flüchtlinge aus Polen, die in verschiedenen Lagern an der Ostgrenze untergekommen waren, als Arbeitskräfte zugeteilt zu bekommen 333 . In den folgenden Wochen verschärfte sich jedoch die Personallage: Die DAG verlor 84 Arbeitnehmer an das Militär, und nach dem Sieg über Polen kehrten viele der im August eingestellten Flüchtlinge in den Osten zurück 334 . Bornitz warb daraufhin einige Arbeiter in Luxemburg an 335 , konnte die erlittenen Personalverluste aber nicht ausgleichen. Anfang 1940 klagte die Werksleitung, dass »trotz schärfster Arbeitsplatzwechsel bestimmungen« 336 in den vergangenen 13 Monaten rund 1.000 Abkehrungen festgestellt worden seien. Auch in der folgenden Zeit gelang es nur mühsam, die Zahl der Arbeiter bei ungefähr 1.400 zu halten. Mit Kriegsbeginn war die DAG in eine unglückliche Lage geraten: Ihre Förderziele blieben in leicht gemilderter Form 337 bestehen, doch konnte sie nur auf Personalzuweisungen in einer Höhe zählen, die zur Aufrechterhaltung ihrer Belegschaft unumgänglich waren. Die DAG stellte Anfang 1940 beim Reichsarbeitsministerium einen Antrag auf Zuteilung polnischer Kräfte und bekam Mitte Februar 168 Nationalpolen 338 , darunter 331 Siedersleben an Wittke v. 21.4.1940, RWWA 72-148-9. 332 Wittke an Bornitz v. 22.5.1940, Archiv Prillwitz. 333 Vermerk LRA DS v. 11.8.1939, GLA 478/ 12. Mitte August 1939 bestand die 1.672 Mann zählende Arbeiterschaft der DAG aus 897 Inländern (darunter 462 Saarländer, 387 Badener und 48 sonstige) und 775 Ausländern (darunter 498 Italiener, 232 Polen, 32 Jugoslawen und 13 Tschechen). Positionspapier Bornitz v. 4.1.1939 (recte: 4.1.1940 ! ), LGRB 10 A/ 109. 334 Im November 1939 stellte die DAG-Werksleitung gegen 71 Flüchtlinge aus Oberschlesien Strafanzeige wegen unberechtigten Verlassens ihres Arbeitsplatzes. Schadt, Verfolgung, S. 290. 335 DAG an RWM v. 8.12.1939, StAF F 235/ 5-137. 336 DAG-MB Januar 1940, StAF V 500/ 1. Seit September 1939 galt eine Verordnung zur Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels. Zudem herrschte eine allgemeine Dienstpflicht (RGBl 1939 I S. 206 und 1685). 337 DAG an RWM v. 5.6.1940, StAF F 235/ 5-137. 338 DAG-MB Februar 1940, StAF V 500/ 1 und BAV v. Februar 1940, GLA 237/ 28857. 238 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) 103 Bergarbeiter, vom Arbeitsamt Ostrowo (Wartheland) zugewiesen. Dennoch blieb »ein ungedeckter Bedarf an 240 Hauern, Schleppern und Hilfskräften« 339 bestehen. Die Zuteilung von Fremdarbeitern für die Hüttenbaustelle scheiterte zunächst daran, dass die Behörden aus militärischen Gründen planten, Ausländer aus der grenznahen Baar »grundsätzlich zu entfernen« 340 . Erst nach langen Verhandlungen in Berlin gelang es Gerlach, eine behördliche Zusage 341 zur Abordnung von 300 polnischen Kräften aus Posen zu erhalten. Ob sich ein Teil der Menschen freiwillig gemeldet hatte oder ob sie ausnahmslos deportiert wurden, ist unklar 342 . Die erbärmliche Ausstattung vieler Polen, die nicht einmal Schuhe besaßen und ihre Arbeit anfangs barfuß verrichten mussten 343 , lässt eine »freiwillige« Meldung, die aus sozialer Not heraus erfolgte, für den ersten Transport als denkbar erscheinen. Allerdings litten auch diese Menschen an Lebens- und Arbeitsbedingungen in Blumberg, die nur als Zwangsarbeit bezeichnet werden können. Die Werksleitung beteiligte sich aus eigener Initiative an der Ausbeutung ihrer neuen Mitarbeiter: Um jährlich 30.000 RM einsparen zu können, schloss sie die Polen mit amtlicher Genehmigung von den sonst üblichen sozialen Beihilfen aus 344 . Wohl als Folge der »Polenerlasse« vom 8. März 1940 345 erließ das Landratsamt Donaueschingen »strenge Maßnahmen« für das Verhalten aller polnischen Zwangsarbeiter im dienstlichen wie im privaten Bereich. Ihre Unterkunftsbaracken mussten »mit Stacheldraht umzäunt werden. Der Ausgang der Nationalpolen beschränkt sich auf bestimmte Zeit und auf einen bestimmten Stadtteil; er findet unter Bewachung statt« 346 . Letztere sollte die Polen offenbar von der Flucht abhalten, war aber auch aus ganz anderen Gründen angezeigt. So drohten Grenzangestellte, die in Randen stationiert waren, »dass sie den Polen auf offener Strasse ins Gesicht schlagen oder wenn sie alleine im freien Feld wären, sie erschiessen würden« 347 . Auch das DAG-eigene Wohnlager war ein höchst unsicherer Ort: Polen und andere Nationalitäten sahen sich dort den unaufhörlichen Schikanen des Kantinenwirts Michl Huber ausgesetzt, eines SS-Hauptsturmführers, der »mit verwerflichen Methoden die Lagerinsassen terrorisierte, wodurch ganz besonders die Fremdarbeiter betroffen wurden« 348 . Die Verpflegung war völlig unzureichend und wurde nur durch die Hilfsbereitschaft des Blumberger Bäckers Kurt Knöpfle, der Lebensmittel über seine polnischen und französischen Hilfskräfte in die Lager einschmuggeln ließ, notdürftig aufgebessert 349 . 339 BAV v. März 1940, GLA 239/ 28857. 340 DAG an Oberkommando der Wehrmacht v. 18.3.1940, Archiv Prillwitz. 341 RWM an DAG v. 25.5.1940, Archiv Prillwitz. Laut BAV v. Juni 1940 kamen 168 Polen aus dem Bezirk Jarotschin (Reichsgau Wartheland) in Neudingen an, die diversen Baufirmen zugeteilt wurden. GLA 239/ 28857. 342 Zum Thema »freiwillige Meldungen« von Polen siehe: Herbert, Fremdarbeiter, S. 95 ff. 343 DAG an Wirtschaftsamt DS v. 20.7.1940, Archiv Prillwitz. 344 DAG-MB März 1940, StAF V 500/ 1. Die Lohnhöhe ist unbekannt. Zur Besteuerung polnischer Arbeitskräfte: Vergin, Arbeitereinsatzverwaltung, S. 435 ff. 345 Dazu: Herbert, Fremdarbeiter, S. 87 ff. 346 DAG-MB April 1940, StAF V 500/ 1. 347 Protokoll Gendarmeriemeister Weis v. 24.5.1940, StAF G 11/ 2-209. 348 Eidesstattliche Aussage Julius Peter v. 20.11.1946, Privatbesitz. 349 Eidesstattliche Erklärungen Miksa und Bednarski (? ) v. 6.12.1945 sowie Bescheinigung des ehemaligen Kriegsgefangenen Pierre Lumalé aus La Rochelle v. 10.1.1946, in: StAF D 180/ 2-215525. 239 5. Bergbaustandort Blumberg Bei der Arbeit setzte sich die Diskriminierung von Ausländern ungehemmt fort: Als im Juli 1940 mehrere Polen wegen technischer Mängel im Bergwerk eine Gasvergiftung bekamen, meinte der verantwortliche Fahrsteiger nur, »dass ihn die ganze Sache nichts anginge und ihm sehr egal sei«. Das den Fall untersuchende Bergamt stellte daraufhin klar: »Der etwaige Einwand, es seien ja nur Polen verunglückt, zieht nicht« 350 . Josef Imhäuser, ein leitender Angestellter der DAG von 1940 bis 1943, urteilte 1946, dass die »in den hiesigen Betrieben eingesetzten ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen […] sich meist in einem Zustand physischer und psychischer Verelendung befanden« 351 . Die Betroffenen versuchten über die nahe Grenze in die Schweiz zu flüchten, wurden aber oft von der Grenzpolizei gestellt 352 . So scheiterte 1940 der Plan einer Gruppe tschechischer Bergleute, sich über die Schweiz nach Frankreich abzusetzen und dort einer Exilorganisation beizutreten. Gegen ihren Fluchthelfer wurde ein Landesverratsprozess initiiert 353 . Die Werksleitung erstattete in solchen Fällen Anzeigen wegen Arbeitsverweigerung und Arbeitsvertragsbruchs, was hohe Freiheitsstrafen 354 bis hin zur Einweisung in ein KZ nach sich ziehen konnte 355 . Die Massenflucht hielt trotzdem weiter an 356 . Wer erwischt wurde, hatte schwere Misshandlungen 357 oder den Tod zu erwarten. So scheiterte 1943 bei Blumberg der Fluchtversuch zweier Arbeiter aus Ostrowo und Michalkowitz, die einen Grenzposten niedergeschlagen hatten, auf tragische Weise. Beide Arbeiter wurden im Juli 1943 vom Sondergericht Freiburg, das unter der Leitung von Landgerichtsdirektor Walter Krug stand, als »Gewaltverbrecher« 358 zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand in Stuttgart statt. Das Arbeitsamt Villingen hatte große Probleme, den Anforderungen der DAG nachzukommen 359 . Da auch Deutsche zunehmend das Weite suchten, weil sie anderwärts bes- 350 BA Freiburg an DAG v. 2.8.1940, LGRB 9 A/ 92. 351 Erklärung Imhäuser v. 11.5.1946, StAF D 180/ 2-57506. 352 So wurden allein im August 1940 36 abgewanderte Polen »dem Hüttenbaubetrieb in Neudingen wieder zugeführt«. Offen ist, ob diese an der Grenze gestellt worden waren. BAV v. August 1940, GLA 239/ 28857. 353 LGK v. 28.8.1940, GLA 309/ 1205. 354 So stellte das Arbeitsamt Villingen Strafantrag gegen einen abtrünnigen italienischen DAG-Arbeiter und bestand auf einer Freiheitsstrafe. AAV (Kleinboeck) an Oberstaatsanwalt KN v. 7.1.1942, Archiv Hönle. 355 Dazu: Ulrich, Fremdarbeiter, S. 86. Siehe auch: Schadt, Verfolgung, S. 298. 356 Binnen vier Wochen setzten sich von 115 Italienern, die Bornitz im August 1940 vom Arbeitsamt erhalten hatte, die meisten wieder ab (Peter, Rüstungspolitik, S. 331, Anm. 87). Im Dezember flüchteten 170 von 200 neu zugewiesenen Polen (LGK v. 3.2.1941, GLA 309/ 1205). Der BAV v. Oktober 1940 (GLA 237/ 28857) stellte fest, die Abwanderung von Arbeitskräften nehme bei der DAG »von Monat zu Monat einen grösseren Umfang an«. Es half auch nichts, dass das Arbeitsamt 92 von 103 Kündigungsanträgen Blumberger Arbeiter ablehnte. 357 »Die ganzen Polen haben während des Krieges jede Gelegenheit benutzt, um über die Grenze zu gehen, also abzuhauen. Da haben unsere Nazis hier gesagt […]: ›Also, das geht nicht mehr so weiter, daß die da über die Grenze gehen und nachts abhauen. Wir machen einen kalt und hängen ihn auf.‹ Wie ich das gehört habe, bin ich natürlich energische dagegen eingeschritten. […] Und es ist dann auch nicht erfolgt, sondern sie haben die Ausländer dann geschlagen. […] Und da war ein Mann aus Riedböhringen, der war wesentlich beim Schlagen beteiligt und der hat sich dabei mit so ’nem Totschläger das Auge rausgeschlagen«. Aussage des Betriebsleiters der Firma Walter Kopperschmidt, Heinrich Ueberle, am 1.9.1992, zitiert in: Mietzner, Demokratie, S. 211. 358 StAF A 47/ 1-18. Die Flüchtlinge waren keine DAG-Arbeiter. Hensle, Todesurteile, S. 93-99, schildert den Fall. 359 Die DAG erhielt: im Juli 1940 53 Belgier, 61 Volkspolen und 24 überwiegend jugoslawische Kräfte (BAV v. Juli 1940, GLA 239/ 28857), im August 1940 175 Italiener (BAV v. August 1940), Ende 1940 240 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) ser verdienten 360 , verlor das Werk im Laufe des Jahres 1940 1.215 Arbeitnehmer 361 . Eine leichte Entspannung der Situation ergab sich aus dem Sieg über Frankreich, der einen wachsenden Einsatz von Kriegsgefangenen nicht nur im badischen Eisenerz-Bergbau zur Folge hatte 362 . Am 21. Oktober 1940 wies das Arbeitsamt Villingen der DAG erstmals 100 Franzosen aus dem Stammlager Villingen zu 363 . Bis Januar 1941 stieg die Zahl der in Blumberg und Neudingen tätigen Kriegsgefangenen auf rund 400 an 364 . Bornitz klagte zwar über deren unzureichende Leistung und durfte eine Reihe bergfremder gegen berggewöhnte Leute austauschen, erzielte andererseits aber in dem Revier, das mit den bergfremden Gefangenen arbeitete, die höchste Abbauleistung pro Mann und Schicht 365 . Da Gefangene lediglich die Hälfte der ohnedies niedrigen Löhne bekamen, machte die DAG kein schlechtes Geschäft. Darüber hinaus beschäftigte man eine größere Anzahl Elsässer, die allerlei Diskriminierungen erfuhren, wozu auch ein Trageverbot für Baskenmützen gehörte, weil es aus Sicht von NS-Bonzen »als Böswilligkeit und Missachtung der im Deutschen Reich üblichen Gepflogenheiten aufgefasst und gewertet wird« 366 . Die Entwicklung führte zu einem Völkergemisch: Von 1.477 Mann Förderbelegschaft galten Ende 1940 nur 844 als »deutschstämmig« 367 ; der Rest setzte sich aus sieben Nationalitäten zusammen. Zwei Jahre zuvor hatte der Anteil Deutscher noch 98,6% 368 betragen. Das Arbeitsamt Villingen versuchte zwar, »die starke Überfremdung der Gefolgschaft« 369 durch die Vermittlung von Bergleuten aus Lothringen einzudämmen, doch wurde Bornitz im RWM eröffnet, dass »vielleicht noch auf 10 Jahre hinaus der Betrieb mit ausländischen Arbeitskräften, die in Baracken untergebracht werden, fortgeführt werden müsse, und deutsche Arbeiter nicht zur Verfügung gestellt werden können« 370 . Die Werksleitung stemmte sich mit ideologischen Argumenten 371 gegen diese Entwicklung, die es ihr eretwa 200 Polen (LGK v. 3.2.1941, GLA 309/ 1205). Hinzu kamen Kräfte aus dem Elsass und anderen Regionen in nicht genannter Zahl. Im September 1940 beantragte die DAG die Zuweisung von 150 Bergarbeitern aus Elsass-Lothringen, doch sah sich das Arbeitsamt nur in der Lage, »dem Bergbau verhältnismässig sehr wenig Kräfte« zu stellen. BAV v. September 1940, GLA 239/ 28857. 360 Lagebericht OBA Karlsruhe v. Oktober 1940, BAB R 3101/ 30464. 361 Dem standen 1.253 Neuzugänge gegenüber. DAG-Jahresbericht 1940, BAB R 2/ 15079. 362 Waren im Juni 1940 im bad. Eisenerz-Bergbau 381 Fremdarbeiter und kein Kriegsgefangener tätig, so wuchs die Zahl letzterer bis Oktober 1940 auf 480 an, während sich die Zahl der Fremdarbeiter auf 354 reduzierte. Im Dezember 1940 befanden sich nur noch 207 Fremdarbeiter im Einsatz (Lageberichte OBA Karlsruhe an RWM, BAB R 3101/ 30464). Kriegsgefangene waren nicht nur billiger als Zivilarbeiter, sondern konnten auch besser überwacht werden, was beim Bau des Schluchsee-Kraftwerks einen Rückgang der Fluktuation bewirkte. LGK v. 28.8.1940, GLA 309/ 1205. 363 DAG-MB Oktober 1940, StAF V 500/ 1. 364 Laut DAG-MB Januar 1941 wurden in Blumberg 254 und auf der Hüttenbaustelle Neudingen rund 150 Gefangene eingesetzt (BAB R 2/ 15079). In Blumberg arbeiteten meist Franzosen, in Neudingen zeitweise auch viele Engländer. Das dortige Lager wird als »Korsenlager« bezeichnet. BAV v. August 1941, GLA 239/ 28857. 365 DAG-MB Januar und Februar 1941, BAB R 2/ 15079 und Archiv Prillwitz. 366 DAF-Kreisverwaltung DS an DAG v. 21.1.1942, Archiv Prillwitz. 367 Stellungnahme RWA v. 4.2.1941, BAB R 113/ 1405. 368 DAG-MB Oktober 1940, StAF V 500/ 1. 369 BAV v. November 1940, GLA 237/ 28857. 370 So zitiert Bornitz einen Referenten des RWM. PdB v. 19.12.1940, StAF G 11/ 2-216. Unterstreich. im Orig. 371 »Es ist immer unser Bestreben gewesen, einheimische Arbeiter für Blumberg zu bekommen, da wir schon aus völkischen Gründen die Entwicklung einer internationalen Belegschaft zumal an der Reichsgrenze für gefährlich hielten«. DAG (Bornitz/ W. Berger) an BMI v. 5.4.1941, GLA 478/ 15. 241 5. Bergbaustandort Blumberg schwerte, eine große Stammbelegschaft heranzubilden. Selbst hatte das Unternehmen allerdings nur wenig dazu beigetragen, den eklatanten Mangel an gelernten Bergleuten abzustellen. Erst im Februar 1940 begann die DAG »auf wiederholtes Drängen der Bergbehörde« 372 mit dem Aufbau eines betrieblichen Ausbildungswesens. Der Vorstand stellte den 47jährigen arbeitslosen Bergingenieur Josef Imhäuser 373 als Ausbildungsleiter ein und nahm Verhandlungen mit der badischen Regierung auf, die Mitte 1940 in einen Vertrag über die Errichtung einer werkseigenen Bergmännischen Berufsschule Blumberg münden sollten. Die DAG wollte jährlich 110 Lehrlinge 374 ausbilden, scheiterte aber im Frühjahr 1940 bei der Anwerbung von Schulabgängern, was auch auf den eigenen schlechten Ruf zurückzuführen war: Zwar konnten zunächst 20 Lehrverträge abgeschlossen werden, doch mussten 15 davon »nach einer Rücksprache und Einsichtnahme der Eltern im Werk selbst« 375 wieder gelöst werden. Nur zwei der verbliebenen fünf Lehrlinge wollten Bergleute werden. Die Werksleitung griff zum letzten Mittel und setzte eine Art Drückerkolonne ein. Grubenbetriebsleiter Karl Breiing und Betriebsobmann Karl Kurz suchten im April 1940 die Eltern ihrer jugendlichen Betriebsangehörigen auf und bedrängten diese, einen bergbaulichen Lehrvertrag für ihre Kinder abzuschließen. Da sich keine Familie zu widersetzen wagte, konnte im Juli 1940 ein Kurs mit 21 Lehrhauern beginnen 376 . Die Werksleitung blieb ihrem schlechten Ruf treu. Das Arbeitsamt Villingen kritisierte im Sommer 1940: »Seit 4 Monaten ist für die Lehrlingsausbildung und Unterbringung so gut wie garnichts geschehen« 377 . Imhäuser verteidigte sich gegenüber den Behörden mit dem vertraulichen Hinweis, dass er von der Werksleitung sehr wenig unterstützt werde und er, wenn es so weiter gehe, wieder ausscheiden müsse. Die IHK Freiburg verhängte Mitte 1940 »wegen der völligen Unzulänglichkeit der Ausbildungsverhältnisse« 378 eine Zuweisungssperre für gewerbliche Lehrlinge. Erst 1941 konnte sich die Werksleitung dazu durchringen, vier Häuser am Westrand der Bergarbeiter-Siedlung von der Badischen Heimstätte zu pachten, um in ihnen ein Lehrlingsheim für 44 Jugendliche einzurichten 379 , das für die Schulabgänger des kommenden Jahres gedacht war. Da das Reichsarbeitsministerium einigen Arbeitsämtern in anderen Regionen 380 Akquisitionsmaßnahmen zugunsten der DAG erlaubt hatte, erhielt das Unternehmen bis zum Januar 1941 52 amtliche Anmeldungen 381 , die auf Druck der Eltern aber fast allesamt wieder zurückgezogen werden mussten. Imhäuser reiste daraufhin nach Bayern, woher die meisten Meldungen stammten, und bearbeitete die Eltern, so »dass wieder etwa 40 Jugendliche 372 DAG-MB Februar 1940, StAF V 500/ 1. 373 Kurzbiografie Josef Imhäuser: siehe Kap. IX/ 1/ c. 374 Davon 52 Bergleute, 28 Hüttenleute und 30 gewerbliche Lehrlinge. DAG-MB November 1940, StAF V 500/ 1. 375 AAV an BA Freiburg, undatiert (Juni 1940), LGRB 10 A/ 102. 376 DAG-MB April - Juli 1940, StAF V 500/ 1. 377 AAV an BA Freiburg, undatiert (Juni 1940), LGRB 10 A/ 102. 378 Ebenda. 379 Eine neben dem Heim errichtete Baracke beherbergte Küche, Speise- und Aufenthaltsräume. Im Gebäude der Waschkaue Ristelberg fand der Unterricht statt. DAG-MB April 1941, Archiv Prillwitz. 380 Nürnberg, Salzburg, Reichenberg (Sudetenland), Rheinland, Elsass. Aktenbefund LGRB 10 A/ 102. 381 DAG-MB Januar 1941, BAB R 2/ 15079. 242 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) zur Verfügung standen« 382 . Fast die Hälfte wurde dann wegen gesundheitlicher Probleme von den Ärzten ausgesondert oder wegen starker Verhaltensauffälligkeiten wieder nach Hause geschickt. Vom verbleibenden Rest galten nicht wenige als geistig unterentwickelt. Ihre Ausbildung spottete jeder Beschreibung: Da die Wehrmacht nahezu alle Maschinen aus der Lehrwerkstatt beschlagnahmt hatte, beschäftigte die DAG ihre Lehrlinge mit Erdarbeiten. Sechs Jugendliche versuchte daraufhin »mit allen Mitteln […] ihre Entlassung zu erzwingen« 383 . b) Produktion und Betriebsausbau Die Planungen vom März 1939 sahen eine zügige Unternehmensexpansion vor; tatsächlich aber musste die Werksleitung Krisenmanagement nach Kriegsbeginn betreiben. Da vier der fünf Saarwerke kein Erz mehr abnehmen konnten, bestanden gravierende Absatzprobleme, die durch Engpässe in der Waggongestellung noch verschärft wurden. In den Verhandlungen, die Siedersleben am 6. September 1939 in Berlin führte, zeigte sich, dass das RWM dem Doggererz nur noch wenig Bedeutung beimaß, weil das Reich über genügend ungenutzte Förderkapazitäten an besseren Erzen verfüge 384 , deren Lagerstätten näher bei den Eisenerzeugern an der Ruhr lägen. Demgemäß teilte das Oberbergamt Karlsruhe der DBG Anfang November 1939 mit, dass sie, entgegen der früher aufgestellten Kriegsplanung, zusätzliche Arbeiter für eine Fördererhöhung nicht erhalten könne 385 . Was die laufende Blumberger Produktion anging, so ordnete die Überwachungsstelle für Eisen und Stahl an, dass überschüssige Erzmengen an die Ruhr zu senden seien 386 . Zwar konnte die DAG während der ersten neun Kriegsmonate etwa 280.000 t Doggererz an die rheinisch-westfälische Eisenindustrie liefern, doch nahm diese das Material nur sehr unwillig 387 ab, akzeptierte dessen Preise nicht und verweigerte die Zahlung der Rechnungen. Mitte 1940 türmten sich bereits 53.000 t Erz 388 auf den Blumberger Halden. Als im Juni 1940 die Überwachungsstelle für Eisen und Stahl die Ruhr von ihrer Abnahmepflicht für Doggererze teilweise entband, musste die DAG ihre Monatsförderung auf 72.000 t reduzieren, obwohl die Betriebsanlagen wesentlich größere Abbaumengen erlaubt hätten. Die Werksleitung befürchtete, bald Bergarbeiter entlassen zu müssen, was »den Weiterausbau 382 DAG-MB April 1941, Archiv Prillwitz. 383 DAG-MB Mai 1941, Archiv Prillwitz. 384 So Siedersleben an Wittke und Bornitz v. 7.9.1939, RWWA 72-146-2. 385 OBA Karlsruhe an DBG v. 1.11.1939, StAF V 500/ 1-12 und RWM (Gabel) an RAM v. 20.12.1939, GLA 478/ 13. 386 NE-Vorstand an Siedersleben v. 15.9.1939, RWWA 72-146-2. 387 Lagebericht OBA Karlsruhe v. Juni 1940, BAB R 3101/ 30464. Laut Albiez, Eisenerz-Bergbau in Blumberg, S. 188 entstanden deshalb in den Häfen Frankfurt, Hanau und Aschaffenburg große Erzstapel. Gründe für die Unbeliebtheit des Doggererzes im Krieg waren: (1.) Mit dem stark schwefelhaltigen Erz konnte kein Qualitätseisen erzeugt werden. (2.) Das Material setzte die Leistung der Hochöfen herab. (3.) Wegen des fehlenden Vorschmelzwerks stand nur transportraumintensives Röst- oder Roherz zur Verfügung, für dessen Beförderung der Reichsbahn die Waggons fehlten. (4.) Hochwertiges Schwedenerz gelangte zunächst in ausreichenden Mengen über die Ostsee nach Deutschland. Zu Letzterem: Riedel, Eisenerzversorgung, S. 493. 388 Lagebericht OBA Karlsruhe v. Juli 1940, BAB R 3101/ 30464. 243 5. Bergbaustandort Blumberg unseres Unternehmens ernst zu gefährden« 389 drohe. Um der drückenden Kosten- und Liquiditätsklemme zu entkommen, setzte Bornitz Mitte 1940 ein engagiertes Rationalisierungsprogramm 390 im Kraft, das die Einstellung der Nachtschicht im Bergwerk sowie die Einführung von Sonntagsarbeit und von unbezahlten Überstunden vorsah. Darüber hinaus galt ein Einstellungsstopp für die kaufmännische Verwaltung, der die dort vorhandenen Probleme leider deutlich verschärfte. Ende August 1939 hatte der zur Artillerie einberufene kaufmännische Geschäftsführer Kurt Heyer eine wenig leistungsfähige Abteilung hinterlassen, in der chaotische Zustände herrschten. Zwar erhielt der kaufmännische Bereich nach Kriegsbeginn vorübergehend personelle Verstärkung von den Saarwerken, doch waren diese Leihkräfte den Anforderungen teils nicht gewachsen, teils ergab sich, »daß die Betreffenden nach einiger Zeit nur noch lustlos arbeiteten, weil ihnen die vorgefundenen Verhältnisse keine Erledigung der übertragenen Aufgaben in gewohnter Ordnungsmäßigkeit ermöglichten« 391 . Daher gelang es auch Heyers Interimsnachfolger Moritz Feuerhake nicht, die »bedrohliche Entwicklung« 392 zu stoppen, was zu einer beißenden Kritik der Rechnungsprüfer führte, die auf die Einstellung eines erfahrenen Verwaltungsleiters und von mehr Fachpersonal drängten. Die Saarhütten zögerten diesen Schritt jedoch hinaus, bis der Krieg im Westen entschieden war. Erst zum 1. Juli 1940 besetzten sie den Posten des kaufmännischen Vorstands bei der DAG mit Dr. Walther Berger 393 , einem 38jährigen Juristen, der als Regierungsrat beim Oberfinanzpräsidium Würzburg tätig gewesen war und über viele Jahre hinweg die Steuerbilanzen der Saarwerke geprüft hatte. Die auf Wittke zurückgehende Entscheidung sollte sich als sehr glücklich erweisen. Der Krieg verschärfte die bestehenden Engpässe bei der Beschaffung von Maschinen und Material. Im März 1940 musste die Vorrichtung in der Grube Eichberg wegen des Mangels an mechanischen Fördermitteln auf Pferdetraktion umgestellt werden 394 . Die extrem kalten Kriegswinter, eine meist unzureichende Brennstoffversorgung und mehrere schwere Unfälle lösten Betriebsstörungen aus, die von Kettenrissen 395 über zugefrorene Erzbunker bis hin zu zerstörten Produktionsanlagen reichte. So brannte am 27. Dezember 1940 wegen unsachgemäßer Beheizung die Förderbrücke zwischen Lurgi-Anlage und Erzstapelhalle im Südwerk ab 396 . In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1941 sorgte ein Brand in der Magnetscheidung der Lurgi-Anlage für Gebäude- und Maschinenschäden. Auch die Lebensmittelversorgung war zeitweise prekär, stockte doch im Sommer 1941 die Zufuhr italienischer Naturalien für die südeuropäischen Bergleute. Außerdem fehlten der Werkskantine monatelang ausreichend Kartoffeln zur Verköstigung von 600 hungrigen Barackenbewohnern 397 . 389 DAG-MB Juli 1940, StAF V 500/ 1. Unterstreich. im Orig. 390 DAG-MB August 1940, StAF V 500/ 1. 391 PB-JB 1939, StAF V 500/ 1. 392 Ebenda. 393 Kurzbiografie Dr. Walther Berger: siehe Kap. IX/ 1/ b. 394 DBG an BA Freiburg v. 5.4.1940, LGRB B I a 5. 395 DAG-MB Dezember 1940, StAF V 500/ 1. 396 Lagebericht OBA Karlsruhe v. Dezember 1940, BAB R 3101/ 30464. 397 Diverse DAG-MB 1941, Archiv Prillwitz. 244 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 48: Förderplan der Doggererz-Bergbau GmbH vom 21. März 1939. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 245 5. Bergbaustandort Blumberg 1939 vollzog die DAG ein umfangreiches Programm zur Sicherung und zur Erweiterung ihres Erzabbaubetriebs. Um die hohe Anzahl schwerer Betriebsstörungen vermindern zu können, die bis 1938 regelmäßig eingetreten waren 398 , fanden zahlreiche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen statt. Diese betrafen die Kettenbahnen 399 , die Roherzstapelhalle 400 und den Zechenbahnhof. Am Stoberg wurde die Waschkaue vergrößert 401 und an ihre nördliche Giebelseite 1940 ein zweistöckiges Verwaltungsgebäude angebaut. Letzte- 398 Bericht Bornitz über Betriebslage und Planung v. 25.1.1939, StAF V 500/ 1-15. 399 Die Kettenbahn in der Grube Stoberg machte einen derart starken Knick, dass sich die Kette oft aus den Förderwagen hängte. Bornitz begradigte deshalb zunächst die Hauptrichtstrecke auf 35 m Länge, doch traten immer noch Kettenbrüche auf. Daher wurde 1939 der Transport im Bergwerk vollständig auf Gummibänder umgestellt. Die Kettenbahn verkehrte danach nur noch zwischen dem Stollenmundloch des Stobergs und der Roherzstapelhalle im Südwerk. Zur Leistungserhöhung wurde 1941 der Kettenbahnantrieb vom Nordwerk zum Südwerk versetzt, doch blieb das Transportsystem weiterhin ein fühlbarer betrieblicher Engpass. 400 Das Fassungsvermögen der Roherzstapelhalle erwies sich wegen häufiger Betriebsstörungen nachgelagerter Produktionsanlagen (Verstopfen von Hammermühle und Bunker) und wegen schwankender Wagengestellung der Reichsbahn als zu klein. 401 Waschkaue am Stoberg: Gebäude 2 der Gebäudeliste Nordwerk im Anhang. Es entstanden neue Büros für die Markenkontrolle und gesonderte Baderäume für die Fahrsteiger. Zudem wurde die Zahl der Kleiderhaken von 600 auf 850 erhöht. Abb. 49: Nordwerk der Doggererz AG nach dem 1940/ 41 erfolgten Betriebsausbau. Blickrichtung nach Osten vom Eichberg auf den Stoberg. Aufnahmestandort ist das Dach des Werkstattgebäudes 56. Das Betriebsgelände wird geteilt durch die von links nach rechts querende Reichsstraße 27. Exakt in der Bildmitte (mit Walmdach) das Verwaltungsgebäude, das 1940 an die 1937 erstellte Waschkaue (langgestrecktes Gebäude rechts) angebaut wurde. Oberhalb des Verwaltungsgebäudes das 1936/ 37 erbaute Maschinenhaus, in dem unter anderem die Pressluft für die Abbaugeräte der Bergleute erzeugt wurde. Das weiße Haus mit Turm links daneben ist die 1937 erbaute Trafostation. Links darunter die Förderbrücke zwischen den Gruben im Stoberg und im Eichberg. Die Gleise rechts unten führen zum Tagebau Eichberg. Bild: Sammlung Prillwitz. 246 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) res löste die 1937 errichtete Baracke am Mundloch des Eichbergs 402 als Sitz der Geschäftsleitung ab. Im Südwerk entstanden eine Waschkaue 403 und eine Zentralwerkstatt 404 . Darüber hinaus wurden weitere Häuser, Werkstätten und Baracken errichtet, darunter das Betriebskrankenhaus, zwei Ledigenheime und eine Entlausungsanstalt. Als letztes großes Bauwerk stellte man gegen Jahresende 1941 den Rohbau der Transformatorenstation Stoberg-Eichberg 405 im Nordwerk fertig. Für ihre Direktoren errichtete die DAG zwei Villen in bester Lage am Südhang des Eichbergs, nordwestlich des Ortsrands von Blumberg 406 . Die zweite Führungsebene erhielt Häuser nahe dem Betriebsgelände. Bis Ende 1941 baute das Unternehmen insgesamt 36 Werkswohnungen für seine Angestellten. Darunter befand sich auch das »Haus in der Sonne«, ein Neubau am Osthang des Eichbergs, das Prokurist Moritz Feuerhake bewohnte, bis es Walther Berger 1943 kaufte. Anfang 1940 waren die 1938 eröffneten Tagebaue am Stoberg und am Ristelberg fast ausgeerzt. Bornitz beantragte daher die Genehmigung zur Eröffnung von zwei neuen Tagebaubetrieben am Eichberg und am Lindenbühl. Die Landesnaturschutzstelle sperrte sich allerdings gegen den Plan, 100.000 m³ Aushub auf die umliegenden Äcker zu kippen. Auch das Badische Innenministerium forderte, »daß aus städtebaulichen Gründen unter allen Umständen eine Wiederholung der Verhältnisse, wie sie sich beim Tagebau am Stoberg ergeben haben, in der Nähe der bebauten Teile der Gemarkung Blumberg verhindert werden muß« 407 . Die Entscheidung fiel jedoch im Umfeld Robert Wagners. Dessen Landesplaner Karl Feldmann mochte sich wegen des Kriegs, »wo die Erzförderung ganz besondere Bedeutung hat« 408 , dem Wunsch der DAG nicht widersetzen. Am Ende genehmigte das Bergamt Freiburg die Betriebspläne. Wie üblich nahm das Unternehmen seine Förderung auf, ohne die Grundeigentümer vorher um Erlaubnis zu bitten. Der Erzabbau dauerte von Juni 1940 (Lindenbühl) bzw. September 1940 (Eichberg-Süd) bis November 1941. Zwar beinhalteten die amtlichen Genehmigungen erstmals konkrete Rekultivierungsauflagen 409 , doch mussten diese erst nach Kriegsende realisiert werden. Unter Tage konzentrierte sich der Werksausbau darauf, ein völlig neues Bergwerk einzurichten. Zwar trug die seit 1934 bestehende, mittlerweile aber als veraltet geltende Grube im Stoberg weiterhin die Hauptlast der Förderung, doch baute Bornitz im gegenüber liegenden Eichberg einen wesentlich moderneren Betriebsteil auf, der seine Förderung in dem Moment aufnehmen sollte, zu dem auch das Vorschmelzwerk in Betrieb ging: Am 1. Februar 1939 wurde mit der Aufwältigung des Eichbergs und mit dem Bau der Hauptrichtstrecke begonnen. Bis April 1942 trieb man den Hauptstollen für eine doppelgleisige elektrische Förderung rund 900 m in den Berg hinein und mauerte ihn aus. Daneben wurden jeweils 600 m der Erzrichtstrecke im Türstockausbau und der Materialstrecke Nord-Ost im Pokalbau realisiert. Ein nennenswerter Erzabbau kam dort nicht mehr zustande. 402 Altes Verwaltungsgebäude am Eichberg: Gebäude 9 der Gebäudeliste Nordwerk im Anhang. 403 Waschkaue am Ristelberg: Gebäude 3 der Gebäudeliste Südwerk im Anhang. 404 Zentralwerkstatt am Ristelberg: Gebäude 11 der Gebäudeliste Südwerk im Anhang. 405 Transformatorenstation Stoberg-Eichberg: Gebäude 1 der Gebäudeliste Nordwerk im Anhang. 406 Es waren dies die Häuser »Am Eichberg« 1 und 3, die von Hans Bornitz und Kurt Heyer bewohnt wurden. 407 BMI an BFWM v. 3.5.1940, GLA 478/ 14. 408 LPGB (Feldmann) an BFWM v. 8.4.1940, LGRB B I a 19. 409 BA Freiburg an DAG v. 20.6.1940, LGRB B I a 19. 247 5. Bergbaustandort Blumberg c) Gefährliche Abbautechnik: die Tragödie von Karfreitag 1940 Neben geologischen Faktoren wirkten sich betriebswirtschaftliche und rüstungspolitische Zwänge auf die Wahl der Abbautechnik im badischen Doggererz-Bergbau aus: Das eisenarme Erz vertrug kein teures Abbauverfahren, und gemäß Anordnung der Reichsregierung sollte die Förderung ab 1937 schnell gesteigert werden, was bei dem herrschenden Bergarbeitermangel sehr schwierig war. Die angewandte Bergbautechnik musste demnach billig und personalsparend sein. Der traditionelle »Versatzbau« 410 , der eine kosten- und personalintensive Verfüllung der ausgeerzten Hohlräume mit taubem Gestein beinhaltete, kam nicht in Frage. Die Saarwerke und ihr Bergbaudirektor Gärtner betraten deshalb Neuland im Eisenerzbergbau und entschieden sich 1936 für eine britische Technik, die seit 1929 nur im westdeutschen Kohlenbergbau Nachahmung gefunden hatte: Der Wanderpfeilerbruchbau war ein »versatzloses« Abbauverfahren, bei dem man jene Gebirgsschichten, die sich oberhalb des Flözes befanden, nach dessen Ausbeutung planvoll hereinbrechen ließ. Die deutschen Bergämter begegneten der »an sich nicht ungefährlichen Abbau methode« 411 zunächst mit Widerstand, der seitens der Badischen Instanzen auch im März 1937 noch anhielt. Gärtner kritisierte deshalb die Karlsruher Bergbehörde gegenüber dem Rohstoffamt 412 , was dazu beigetragen haben dürfte, dass der unbequeme Chef der Badischen Bergpolizei, Oberbergrat Dr. Hermann Ziervogel 413 , vorzeitig abgelöst wurde. Der kommissarische Leiter des Karlsruher Bergamts, Bergassessor Clemens Spannagel, vertrat dann Ende 1938 die staatspolitisch erwünschte Meinung 414 , dass der Wanderpfeilerbruchbau beim Doggererz »ohne Gefahrenerhöhung« 415 realisierbar sei. Die größte Gefahr ging vom enormen Gebirgsdruck aus: Um diesen während des Abbaus auffangen zu können, wurde der streckenförmige Abbauraum (Streb) mit Kästen aus Hartholzbalken oder Eisenbahnschienen (Wanderpfeiler) gesichert. War der Abbau später vorangeschritten, befreite man die Wanderkästen durch Auslösebalken vom Gebirgsdruck und setzte sie weiter nach vorn in Richtung des Erzstoßes um. Daraufhin brachen die Dachschichten (das »Hangende«) über dem abgebauten Lager, dem »Alten Mann«, plangemäß herein, verfüllten die Hohlräume und bildeten ihrerseits das Auflager für das nachsinkende Haupthangende: »Dieses soll sich möglichst bruchfrei absenken. Gelingt das Hereinwerfen nicht, so treten stark wechselnde Druckerscheinungen ein, die zu Überbeanspruchung und regellosen Brüchen der Dachschichten führen; das Hangende im Arbeitsfeld 410 Allgemein zu Technik und Begriffen des Bergbaus: Reuther, Lehrbuch, hier bes. S. 362 ff. und S. 426 ff. Zum Wanderpfeilerbruchbau: Keienburg, Erfahrungen und Bericht Würtz/ Gärtner v. 1.4.1936, StAF V 500/ 3-100. Zur Geologie: Teike, Eisenerze. Zur Bergbautechnik auf der Baar: Spannagel, Erfahrungen; Bornitz, Erfahrungen; Albiez, Eisenerz-Bergbau in Gutmadingen und ders., Eisenerz-Bergbau in Blumberg sowie Huber, Eisenerz. 411 So der Leiter der bad. Bergpolizei, Dr. Hermann Ziervogel, an H. Reusch v. 29.2.1936, LGRB 1/ 28. 412 DBG (Gärtner/ Würtz) an Rohstoffamt v. 12.3.1937, BAB R 3112/ 184. 413 Kurzbiografie Hermann Ziervogel: siehe Angang 9/ 2/ a. 414 1938 warb die Reichbetriebsgemeinschaft Bergbau mit einem großen Artikel in ihrem Mitteilungsblatt für den Wanderpfeilerbruchbau. Der Verfasser Keienburg hieß »jedes Mittel recht«, um die Abbauleistungen für den Vierjahresplan zu steigern. Keienburg, Erfahrungen. 415 Spannagel, Erfahrungen, S. 953. 248 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 50: Schematische Darstellung des Strebbruchbaus. Das obere Bild zeigt den Grundriss, darunter ein Schnitt durch den Streb entlang der Linie A-B. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. 249 5. Bergbaustandort Blumberg wird gefahrdrohend schlecht« 416 . Der Beschaffenheit und Dicke der Überdachung kam demgemäß eine Schlüsselrolle für den gefahrlosen Einsatz des Wanderpfeilerbruchbaus zu 417 . Waren die Risiken im Kohlenbergbau noch kalkulierbar, so lagen die Dinge beim Doggererz völlig anders: »Im Gegensatz zum Kohlenbergbau, aus dem das Abbauverfahren des streichenden Strebbaues mit Wanderpfeilern stammt, wo die Kohle plastisch, das Hangende meist wesentlich fester ist, hat der Doggererz-Bergmann eine feste Erzmasse unter plastischem Hangenden (Ornatenton) vor sich. Während im Kohlenbergbau das Deckgebirge (meist Sand, mehr oder weniger sandiger Ton) ziemlich starr in seiner Lage bleibt und so den ausgekohlten Raum in nahezu unveränderter Höhe offen lässt, […] reisst im Doggererzbergbau der Ornatenton schlagartig an der starren Erzkante ab« 418 . Als Folge des Ornatenton-Abrisses sank das Hangende nicht gleichmäßig, sondern stoßweise ab, was gefährlich große Seitenschübe 419 beim Abbau auslöste. Im DBG-Aufsichtsrat und in der Wolff oHG war bekannt, dass insbesondere bei zutretender Feuchtigkeit 416 Memorandum »Teilversatz bezw. Bruchbau unter Verwendung von Wanderkästen« des Preuß. Oberbergamts Dortmund v. 24.11.1936, LGRB 10 A/ 101. 417 Gärtner lt. Protokoll der Tagung deutscher Doggererz-Bergleute am 6./ 7.8.1936, StANK AD. 418 Positionspapier Bornitz v. 4.1.1939 (recte: 4.1.1940), LGRB 10/ 109. 419 Gärtner lt. Protokoll der Tagung deutscher Doggererz-Bergleute am 6./ 7.8.1936, StANK AD. Abb. 51: Wanderpfeiler aus Eisenbahnschienen, dahinter das Bruchfeld. Bild: Sammlung Prillwitz. 250 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) »das Deckgebirge mit fortrückendem Abbau ins Rutschen gerät. Die Folge sind ständige Einstürze im Abbaufeld, wodurch der Bergbau besonders gefährlich wird« 420 . Bei ihren technischen Entscheidungen befanden sich die Blumberger Bergbaudirektoren stets in einer Zwickmühle: Einerseits forderten ihre Gesellschafter niedrige Abbaukosten und die Behörden schnelle Fördererfolge ein, andererseits verlangten die schwierigen geologischen Verhältnisse einen aufwändigen Streckenausbau und eine sichere Abbaumethode. Wie die überdurchschnittlich hohe Unfallrate 421 wohl nahelegt, räumten Lillig, Gärtner und Bornitz den ökonomischen und rüstungspolitischen Belangen den Vorrang gegenüber allen sicherheitstechnischen Erwägungen ein. Bornitz führte die extreme Unfallhäufigkeit zwar gern auf externe Faktoren zurück, wozu eine hohe Personalfluktuation, die große Zahl an ungelernten Arbeitern und Verständigungsprobleme unter sieben Nationalitäten gehörten, doch lassen sich den Akten bis Mitte 1940 kaum nachhaltige Aktivitäten der Grubenleitung entnehmen, die auf eine systematische Verminderung der hohen Unfallrate abzielten. Bornitz Hauptsorge galt stets einer Senkung der Abbaukosten. Aus diesem Grund stellte er im März 1940 den gesamten Betrieb auf ein neues Verfahren um, mit dem er seit Mitte 1939 wirtschaftlich positive Resultate erzielt hatte: Statt des bisher angewandten »Zwei-Scheiben-Strebbaus«, der den Abbau des 4,10 m dicken Erzflözes zeitlich versetzt in zwei getrennten Schichten vorsah, wurde nun der »Ein-Scheiben-Strebbau« angewandt. Beim neuen Ein-Scheiben-Strebbau baute man das Erzflöz in einem einzigen Arbeitsschritt ab. Da die Arme der Bergleute nur bis in eine Höhe von maximal 2,30 m reichten, blieb während des Abbaus eine etwa 1,80 m dicke Erzschicht über den Köpfen erhalten, die später zu Bruch geworfen wurde. Solange sie hing, ging von ihr eine wesentliche Gefahr für die Bergleute aus. 420 Bericht Grochtmann v. 29.8.1938, RWWA 72-146-7. 421 Siehe Kap. IV/ 5/ a. Abb. 52: Strebbruchbau der Doggererz AG mit dem typischen Abreißen am Stoß. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 251 5. Bergbaustandort Blumberg An Karfreitag, dem 22. März 1940, kurz nach 12 Uhr, ereignete sich im Stoberg ein Unfall, der die bislang gewohnten Dimensionen überstieg: Im gerade angefahrenen Streb 9 brach ein Erzbrocken von 60 m Länge, 6 m Breite und 1,80 m Höhe aus der Decke und begrub zahlreiche Bergleute unter sich. Neben 9 Verletzten gab es sechs Tote zu beklagen. Es waren dies: Abb. 53: Zwei-Scheiben-Strebbau mit Zwischenmittel (stehen gelassener Erzbank). Beide rund 1,50 m hohen Scheiben wurden im Abstand von 40 bis 50 m abgebaut (die obere voraus). In einer späteren Phase verzichtete man auf das Zwischenmittel. In diesem Fall lief die obere Scheibe der unteren um ein bis zwei Jahre voraus. Scheibenhöhe beim Verzicht auf Zwischenmittel: jeweils 2,05 m. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. Abb. 54: Der von Bornitz 1939 eingeführte Ein-Scheiben-Strebbau. Über dem etwa 2,30 m hohen Streb verblieb eine etwa 1,80 m dicke Erzschicht, die am Stoß meist abriss. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. 252 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) • der Reviersteiger Hermann Eid 422 , geb. am 3.11.1907 in Obermoschel, • Giuseppe di Felice, geb. am 21.10.1903 in Castiglione, • Mathias Horst, geb. am 10.3.1910 in Oberzerf, • Peter Hoy, geb. am 8.4.1897 in Wustweiler, • Franz Kostanjewo, geb. am 13.11.1891 in Loke, • Josef Mertens, geb. am 11.7.1907 in Wadrill. Die Toten wurden im Feuerwehrraum des Nordwerks aufgebahrt und am Ostermontag unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen. Die Partei geriet durch die Tragödie stark unter Druck. Reichsorganisationsleiter Robert Ley 423 sah sich genötigt, am 10. April 1940 nach Blumberg zu kommen und Flagge zu zeigen. Dabei richtete er eine flammende Rede an die Belegschaft, die laut Monatsbericht der DAG »von den Zuhörern begeistert aufgenommen wurde« 424 . Wenig Begeisterung dürfte die materielle Entschädigung der DAG ausgelöst haben: Die Angehörigen der Opfer, darunter fünf Ehefrauen und insgesamt 15 unmündige Kinder, erhielten von ihr nur geringfügige Zahlungen 425 . 422 Kurzbiografie Hermann Eid: siehe Kap. IX/ 1/ c. 423 Dr. Robert Ley (15.2.1890 Nümbrecht - 25.10.1945 Nürnberg): Chemiker, ab 1932 NSDAP-Reichsorganisationsleiter, 1934-1945 Gründer und Leiter der DAF, ab 1940 Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau, ab 1942 Reichswohnungskommissar. 424 DAG-MB April 1940, StAF V 500/ 1. 425 Es ist von etwa 150 RM pro Opfer auszugehen. Der DAG-Monatsbericht vom Mai 1940 nennt eine Summe von 2.055 RM an gewährten Beihilfen für alle Gefolgschaftsmitglieder einschließlich der Unfallopfer. Im Vormonat hatte die Summe der Beihilfen noch bei 1.165 RM gelegen. StAF V 500/ 1. Abb. 55: Das nach dem Unfall notdürftig abgestützte Hangende. Bild: Sammlung Prillwitz. 253 5. Bergbaustandort Blumberg Abb. 56: Amtliche Skizze zum Bergunfall von Karfreitag 1940 im Stoberg. Bild: Staatsarchiv Freiburg. 254 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 57: Die am Stoberg aufgebahrten Toten des Unfalls von Karfreitag 1940. Bild: Jürgen Moses. Abb. 58: Reichsorganisationsleiter Robert Ley am 10. April 1940 in Blumberg. Von links: Grubenbetriebsleiter Karl Breiing (in heller Grubenkleidung und Kappe), Betriebsobmann Karl Kurz (2. Reihe), Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz (mit Brille, dunklem Mantel, Zivilhut), Leys Adjutant Witteler (2. Reihe), Robert Ley (im hellen Mantel), Leys Pressereferent Kiehl (2. Reihe), Donaueschingens Kreisleiter Walther Kirn (den Kopf Ley zugewandt). Ganz vorn rechts neben Kirn laufend und gestikulierend: Blumbergs Bürgermeister Theo Schmid, rechts (angeschnitten): Reichsfachamtsleiter Stein. Bild: Sammlung Prillwitz. 255 5. Bergbaustandort Blumberg Die Aufarbeitung des Unfalls spiegelte die Kriegsverhältnisse wider. Zwar verständigten Werksleitung und Gendarmerie ein Dutzend Behörden 426 , doch spielten sich die entscheidenden Vorgänge zwischen den Bergbehörden und der DAG ab. Eine Besichtigung der Unglücksstelle, an der die Leiter sämtlicher südwestdeutscher Doggererzgruben teilnahmen, erbrachte keinen Aufschluss über die Unfallursache. Das Bergamt Freiburg unter der Leitung von Bergrat Rudolph Philipp 427 befand sich insofern in einer heiklen Lage, als es tags zuvor die Grube befahren und keinen Grund zur Kritik gesehen hatte. Bis zur Klärung der Unfallursache ordnete Philipp Betriebseinschränkungen an, wozu auch ein Anwendungsverbot von Bornitz’ neuem Abbauverfahren gehörte. Letzterer setzte sich massiv zur Wehr, ließ in Berlin anklingen, das Bergwerk könne nun den Bedarf des geplanten Vorschmelzwerks nicht mehr rechtzeitig decken 428 und prangerte Philipps Auflagen als Gefährdung der »seit nunmehr ¾ Jahren mit steigendem Erfolg durchgeführten technischen Abbaufortschritte« 429 an. Der denunzierende Brief sorgte für einen Eklat: Philipps Vorgesetzter Landschütz beschwerte sich wütend bei Wittke, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der DAG, über Bornitz’ scharfen Ton und warf letzterem vor, er schiebe den »bei einem grösseren Grubenunglück stets eintretende[n] Förderausfall kaltblütig auf das Schuldkonto der Bergbehörde« 430 . Um nicht selbst in die Schusslinie der Berliner Instanzen zu geraten und die Wirtschaftsfreundlichkeit der Bergpolizei zu betonen, hob Landschütz hervor, diese sei in Sicherheitsfragen bis an die Grenzen ihrer Kompromissfähigkeit gegangen: »Wir glauben, in allen badischen Berginstanzen, […] dem Betrieb, soweit es die bergpolizeiliche Sicherheit eben noch zuliess, entgegengekommen zu sein, obwohl dies bei dem oft überstürzten und raschen Wechsel in der bergbaulichen Planung bisweilen nicht leicht gefallen ist. Wir haben aber immer geglaubt, einen gerechten und erträglichen Ausgleich zwischen den Forderungen der Grubensicherheit und der Bergwirtschaft anstreben und auch finden zu müssen schon mit Rücksicht auf die ausserordentlich gesteigerte Bedeutung der Eisenerzförderung in jetziger Zeit« 431 . Der Versuch Philipps, nach dem tragischen Unfall mehr Grubensicherheit durchzusetzen, schlug fehl. Hermann Röchling sorgte dafür, dass Fritz Todts Stellvertreter Karl- Otto Saur 432 beim Oberbergamt Karlsruhe intervenierte und die Forderung erhob, »dass alle Möglichkeiten erschöpft werden, um ein beschleunigtes Wiederanlaufen der Produktion auf den alten Stand bezw. darüber hinaus auf den höchstmöglichen Stand zu 426 Oberstaatsanwaltschaft, Landeskommissär und Gendarmerie in Konstanz; Gendarmerie, Sicherheitsdienst, Landrat und Amtsgericht in Donaueschingen; Gestapo und Kripo in Villingen; Gaupropagandaamt, Kripo, SS und BMI in Karlsruhe. Bericht Gendarmerieposten Blumberg (Weis) v. 22.3.1940, StAF G 11/ 2-119. 427 Kurzbiografie Rudolph Philipp: siehe Kap. IX/ 2/ a. 428 Vermerk RFM v. 30.5.1940, BAB R 2/ 15077. 429 DBG (Bornitz) an RWM (Stahl) v. 11.4.1940, LGRB 9 A/ 92. 430 OBA Karlsruhe (Landschütz) an Wittke v. 15.4.1940, LGRB 9 A/ 92. 431 Ebenda. 432 Karl-Otto Saur (16.2.1902 Düsseldorf - 28.7.1966 Pullach): Diplom-Ingenieur, ab 1929 Direktor bei Thyssen, Pg. seit 1931, Aufstieg zum Stellvertreter Todts in der Organisation Todt, ab 1942 Amtsleiter im Rüstungsministerium, ab 1944 Stabschef im Jägerstab. 256 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) erreichen« 433 . Landschütz hielt zwar wacker dagegen und beschied Saur, »dass die Grubensicherheit, d.h. die Sorge für das Leben und die Gesundheit der Arbeiter den Primat vor den wirtschaftlichen Erfordernissen behalten« 434 müsse, doch führte am 27. April 1940 eine Aussprache zwischen Bornitz und Philipp 435 dazu, dass das Bergamt Freiburg seine »vorläufigen Anordnungen über die weitere Abbauart geändert [hat] und zwar in der Weise, daß das seit einem Jahr mit Erfolg durchgeführte Abbauverfahren in Zukunft wieder angewandt werden darf« 436 . Die Ursache der Kehrwende lag in einem Gutachten über die Unfallursache, das nicht etwa Philipp, sondern die DAG bei Professor Dr. Carl Hellmut Fritzsche 437 in Auftrag gegeben hatte. Sowohl Bornitz als auch Fritzsche waren in den 1920er Jahren in Südamerika tätig gewesen, was eine Bekanntschaft und den Aufbau persönlicher Bindungen möglich erscheinen lässt. In seiner Expertise diagnostizierte Fritzsche folgenden Unfallablauf: Der neu angelaufenen Streb 9 hatte am Morgen des 22. März eine Breite von insgesamt 13 m erreicht: Auf 7 m war der Alte Mann bereits zu Bruch geschossen worden. Die restlichen 6 m bestanden aus zwei Abbaufeldern, die bis zu einer Höhe von 2,30 m ausgeerzt waren. Über den Abbaufeldern, deren Breite mit jeweils 3 m außergewöhnlich groß dimensioniert war, hing eine Erzbank von 1,80 m Stärke, die durch Stempel und Wanderpfeiler gesichert wurde. Am Vormittag des Unglückstags errichtete man neue Wanderpfeiler im vordersten Feld und demontierte die rückwärtigen Pfeiler nahe des Alten Manns. Daraufhin riss die über den Köpfen hängende Erzbank am Erzstoß ab und löste sich von der darüber liegenden Tonschicht. 433 VJP-Behörde (Saur) an OBA Karlsruhe (Landschütz) v. 15.4.1940, LGRB 9 A/ 92. 434 OBA Karlsruhe (Landschütz) an Saur v. 17.4.1940, LGRB 9 A/ 92. 435 DBG (Bornitz) an BA Freiburg (Philipp) v. 27.4.1940, LGRB 9 A/ 92. 436 DAG-MB April 1940, StAF V 500/ 1. 437 Dr. Carl Hellmut Fritzsche (18.7.1895 Gelsenkirchen - 15.3.1968 Kreuth): Geologe und Bergbauingenieur, Studium in Zürich, Bonn, Freiberg und Berlin, 1920-1927 als Regierungsberater, beratender Ingenieur und als Betriebsleiter von Bergbaugesellschaften in Chile und Bolivien tätig, 1927-1931 Mitglied der Geschäftsführung des Vereins für bergbauliche Interessen, 1931-1963 Professor an der TeH Aachen. Abb. 59: Querschnitt durch den Streb vor dem Unfall. Der Wanderkasten ist noch nicht in Richtung des Erzstoßes (nach rechts) versetzt. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 257 5. Bergbaustandort Blumberg Da der Erzpacken von den neuen Wanderpfeilern nur noch an exzentrischer, weit außerhalb seines Schwerpunkts gelegener Stelle abgestützt wurde, senkte er sich im Bereich des Alten Mannes stark ab und warf anschließend in einem seitlichen Schub den gesamten Grubenausbau um. Das von der Bergbehörde mit einigen Fragezeichen glossierte Gutachten kam zu dem Schluss, dass die wesentliche Unfallursache einer geologischen Überraschung zuzuschreiben sei. Nach Fritzsches Analyse wiesen »die Dachschichten im Unfallstreb ein anderes Verhalten als in den übrigen von mir beobachteten Abbauen auf. Neu und der bisherigen Erfahrung widersprechend ist in erster Linie das vollständig glatte Lösen zwischen Erzlager und Ornatenton. Dieses Lösen hat die günstigen Voraussetzungen für den Unfall geschaffen« 438 . Die zweite Unfallursache sah das Gutachten in der überdimensionierten Feldbreite. Im Kern aber hielt Fritzsche den Unfall wohl lediglich für einen »unglückli- 438 Gutachten über die Ursachen des Strebbruchs im Abbau 9 Nord […] v. 17.4.1940, LGRB 10 A/ 103. Abb. 60: Ablösen der Erzbank nach dem Umsetzen der Wanderpfeiler zum Erzstoß (nach rechts). Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. Abb. 61: Erzpacken in der Seitwärtsbewegung. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 258 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) chen Zufall« 439 und sah keinerlei Anlass, den Wanderpfeilerbruchbau generell in Frage zu stellen. Demgemäß beließ er es bei der Empfehlung von marginalen Vorsichtsmaßnahmen 440 . Eine Woche, nachdem sich Bornitz gegenüber dem Bergamt durchgesetzt hatte, ereignete sich dann ein weiterer schwerer Steinfall im Stoberg, bei dem glücklicherweise niemand getötet wurde 441 . Die Verantwortlichen der DAG gerieten nun zunehmend unter den Druck von Behördenvertretern, die auf eine Änderung der gefährlichen Abbaumethode drängten. Auch innerhalb des Aufsichtsrats billigten nicht alle Mitglieder Bornitz’ unnachgiebigen Kurs. So wandte sich Rudolf Siedersleben an Ministerialrat Arlt mit der Frage, »was noch veranlasst werden könnte, um eine Wiederholung des schrecklichen Karfreitagsunglücks im Rahmen des menschenmöglichen zu verhüten« 442 . Dessen Rat, den Wanderpfeilerbruchbau aufzugeben und sich »in Zollhaus-Blumberg der Methode des Minette-Bergbaus von Lothringen zu erinnern« 443 , stieß auf Ablehnung bei Bornitz. Um den Blumberger Bergbaudirektor umzustimmen, schaltete Siedersleben auch Otto Kalthoff ein, den Vorstandsvorsitzenden der Stolberger Zink AG. Dieser führte ein langes Gespräch mit Fritzsche. Da letzterer betonte, dass »nach seiner festen Überzeugung der […] Strebbruchbau und Einscheibenbau bei den gegebenen Verhältnissen sowohl der von der technischen wie wirtschaftlichen Seite aus gesehen das richtige« 444 sei, strich Siedersleben schließlich die Segel und teilte Bornitz ergeben mit, er teile nunmehr dessen Meinung, dass »Zusätzliches bis auf Weiteres nicht veranlasst werden kann« 445 . Da weiterhin schwere Unfälle vorkamen, konnte sich Bornitz dem Druck der Bergbehörden nicht auf Dauer entziehen 446 . Auf ihren Wunsch hin unternahm er Anfang 1941 erste Abbauversuche im Langfront-Pfeilerbruchbau, einem Verfahren, das aus dem Minette-Bergbau stammte. Stehen gelassene Erzpfeiler (»Sicherheitssäulen«) übernahmen hier die Funktion der Wanderkästen. Da die neue Technik erhebliche Kostenvorteile und einen merklichen Sicherheitsgewinn zu bieten schien, legte Bornitz im Frühjahr 1941 sämtliche Strebbaue still und stellte sein Bergwerk vollständig auf die neue Technik um. Der Monatsbericht vom April 1941 hält fest: »Die Umstellung des Abbauverfahrens zeigt schon im 1. Monat eine ganz bedeutende Senkung der Unfallziffer« 447 . Drei Monate später brach ein großer, flacher Gesteinskörper (»Sargdeckel«) aus dem Hangenden und tötete zwei Bergleute, was den Optimismus erheblich dämpfte 448 . Tatsächlich gingen bis zur Einstellung des Bergbaus immer wieder ganze Felder im Stoberg zu Bruch 449 . 439 So wird Fritzsche zitiert in Kalthoff an Siedersleben v. 4.6.1940, RWWA 72-153-8. 440 Dies waren: (1.) die Reduzierung der Feldbreite in einem anlaufenden Streb, (2.) eine Verstärkung der Wanderkästen und (3.) die Vermeidung exzentrischer Unterstützungen des Hangenden. 441 Der Unfall fand am 8.5.1940 statt. DAG-MB Mai 1940, StAF V 500/ 1. 442 Siedersleben an Arlt v. 28.5.1940, RWWA 72-153-8. 443 Arlt an Siedersleben v. 29.5.1940, RWWA 72-153-8. 444 Kalthoff an Siedersleben v. 4.6.1940, RWWA 72-153-8. 445 Siedersleben an Bornitz v. 6.6.1940, RWWA 72-153-8. 446 Memorandum Lillig zu Fragen des bad. Doggererzvorkommens v. 12.9.1940, StAF F 235/ 5-137. 447 DAG-MB April 1941, Archiv Prillwitz. 448 Die Werksleitung meinte nun, es müsse »mit dem Ausbau beobachtend und sehr vorsichtig vorgegangen werden, um nicht durch Unfälle grössere Rückschläge zu erleiden«. DAG-MB Juli 1941, Archiv Prillwitz. 449 Lagebericht OBA Karlsruhe v. März 1942, BAB R 3101/ 30464. 259 5. Bergbaustandort Blumberg d) Anhaltende Infrastrukturdefizite … Das rasante Bevölkerungswachstum überforderte die Blumberger Infrastruktur. Der kleine Ort besaß 1937 lediglich eine Metzgerei, zwei Bäckereien, drei Lebensmittelgeschäfte und vier Gaststätten 450 . Innenminister Pflaumer ordnete im Oktober 1937 an, den Architekten Alfred Wolf mit der Planung für eine Geschäftsstraße zu betrauen 451 , die 10 bis 15 Läden aufweisen sollte. Die Bewerberauswahl für die Geschäfte oblag Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Schmid sowie Kreisleiter Kirn. Naturgemäß legte die Partei großen Wert darauf, dass Bewerber »aus dem Kreise politisch unbedingt zuverlässiger Leute« 452 zu rekrutieren seien, weshalb sich Robert Wagners Mitarbeiter Feldmann in dieser Sache direkt an Innenminister Pflaumer wandte. Auch die IHK Freiburg forderte: »Bei der Zusammensetzung der Arbeiterschaft des Bergwerks muss der Mittelstand Blumbergs, der sich vor allem aus dem Einzelhandel zusammensetzen wird, politisch und moralisch absolut einwandfrei und zuverlässig sein« 453 . Das Innenministerium beruhigte den anfragenden Feldmann, Schmid habe von jedem Interessenten ein politisches Zuverlässigkeitszeugnis des zuständigen Kreisleiters eingeholt und verlangt, dass die Geschäftsleute NSDAP-Mitglied seien oder in der SA, in der SS oder im NSKK Dienst täten. Andere Bewerber seien nicht zugelassen oder nicht ausgewählt worden 454 . 450 BMA Blumberg (Schmid) an BMI v. 27.5.1938, StAB II. 451 BMI an BMA Blumberg v. 28.10.1937, StAB III/ 4. 452 BRSH-Planungsreferent (Feldmann) an Innenminister Pflaumer v. 4.11.1937, GLA 478/ 7. 453 IHK Freiburg an Bezirksamt DS, undat., StAB II/ 1. 454 BMI an BRSH-Planungsreferent v. 12.1.1938, GLA 478/ 8. Abb. 62: Beim Langfrontpfeiler-Bruchbau trieb man von der Bandstrecke aus mehrere Kammern (Breite: 4 m, Höhe 4,10 m) bis auf 80 m Länge vor. Zwischen ihnen blieben 10 m breite Langpfeiler aus Erz stehen. Diese wurden im hinteren Bereich durchbrochen, so dass quadratische Sicherheitssäulen von 3 × 3 m entstanden. Die Säulen wurden später gesprengt. Leider erwies sich das Doggererz als nicht hinreichend tragfähig, so dass immer wieder Kammern zu Bruch gingen. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. 260 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Tatsächlich führt das Verzeichnis der Blumberger Geschäftshausneubauten 455 mehrere alte Kämpfer auf, darunter den Metzger Franz Faller, der schon 1931 in die Partei eingetreten war 456 und seit 1933 in Donaueschingen die Gastwirtschaft zum Schwanen betrieb, in der »die örtlich führenden Nationalsozialisten Donaueschingens und ihre Frauen verkehrt haben« 457 oder den Singener Schuhhändler Karl Gleichauf, der dort »als eine Säule der Partei« galt und »auf der amtlichen Ehrentafel der [alten Parteigenossen] von Singen abgebildet« 458 war. Zum Zuge kam auch der Hondinger Maurermeister Josef von Briel, der 1931 der NSDAP beigetreten und 1932 wegen fehlender Beitragszahlungen ausgeschlossen worden war, aber »später wieder am Parteileben teilgenommen« 459 und freiwillige Zahlungen geleistet hatte. Willy Klumpp, der ein Lebensmittelgeschäft in Blumberg eröffnen durfte, umgab sich selbst mit dem Nimbus eines Nationalsozialisten der ersten Stunde und legte Wert auf die Feststellung, ihm seien »in den Jahren des Kampfes Sprengkörper gelegt« 460 worden. Zuverlässige örtliche Parteigenossen erhielten ebenfalls eine Baugenehmigung: So führt die Liste den Uhrmachermeister Wilhelm Benz 461 auf, der seit 1933 als Kassenleiter in der Ortsgruppe Blumberg und seit 1935 als Beigeordneter im Gemeinderat wirkte. Allerdings waren nicht alle Geschäftsleute überzeugte Nationalsozialisten: So geriet der 1935 der NSDAP beigetretene Bäcker Kurt Knöpfle 462 wegen seines Desinteresses an der Parteiarbeit 1943 in das Fadenkreuz von Ortsgruppenleiter Theo Schmid und ging überdies hohe persönliche Risiken ein, als er polnische Zwangsarbeiter und französische Kriegsgefangene im örtlichen Lager heimlich mit Nahrungsmitteln versorgte. Im April 1938 lagen sechs Bauanträge für Geschäftshäuser bei der Gemeindeverwaltung vor 463 ; einen Monat später wurde an vier Projekten gebaut 464 , was bei Weitem nicht ausreichte, um den örtlichen Bedarf zu decken. Zwar gab es Bewerber für rund drei 455 Verzeichnis der Geschäftshaus-Neubauten in Blumberg v. 29.11.1939, GLA 478/ 13. 456 BAB NSDAP-Mitgliederkartei. 457 Untersuchungsausschuss DS v. 18.8.1948, StAF D 180/ 2-214897. Franz Faller (30.10.1897 Allmendshofen - 5.12.1970 Blumberg): ab 1928/ 1929 Gemeinderatsmitglied in Allmendshofen, Stadtrat in Donaueschingen, Pg. seit 1931; 1933-1940 Gastwirt und Metzger im Schwanen zu Allmendshofen, ab 1940 Metzger in Blumberg, Fleisch- und Wurstlieferant für die Kantinen der DBG/ DAG; 1941 wegen Verdachts auf Schwarzschlachtungen mehrere Monate in U-Haft, anschließend Parteiausschluss. Im Entnazifizierungsverfahren folgte der Untersuchungsausschuss Donaueschingen der Einschätzung des Blumberger Pfarrers Wik nicht, der Faller für einen Systemgegner hielt, sondern befand, dieser sei »ein überzeugter Anhänger Hitlers und seiner Partei gewesen« und stufte ihn 1948 als Minderbelasteten ein. 458 Begründung Untersuchungsausschuss Konstanz v. 25.3.1948 zum Spruchkammerurteil (»Minderbelasterer«) Karl Gleichauf (27.9.1898 Fützen - ? ), StAF D 180/ 2-156826. Siehe auch StAF D 180/ 3-145. 459 Begründung Untersuchungsausschuss DS v. 18.8.1948 zum Spruchkammerurteil (»Minderbelasterer«) Josef v. Briel (7.3.1895 Hondingen - 22.8.1968 Blumberg), StAF D 180/ 2-210683. 460 Klumpp an Theodor Schmid v. 20.7.1942, StAB IV/ 2. Willy Klumpp (15.12.1903 Schönmünzach - 1944 im Krieg vermisst) stellte in Jestetten bereits am 1.1.1931 einen Aufnahmeantrag bei der NSDAP, wurde aber erst ab 1.5.1932 als Pg. geführt. Ausk. Stadtarchiv Blumberg und BAB NSDAP-Mitgliederkartei. 461 Zur Biografie von Wilhelm Benz siehe Kap. IX/ 3 Anm. 30. 462 Kurt Knöpfle (16.6.1912 Blumberg - 6.9.1984 Blumberg): Bäckermeister, Pg. ab 1935, 1943-1945 von Schmid zur Parteiarbeit durch schriftliche Drohungen gezwungen, 1948 als Mitläufer ohne Sühne entnazifiziert. StAF D 180/ 2-163772 und D 180/ 2-215525. 463 Vermerk BMI über die Besprechung zur baulichen Erschließung Blumbergs am 4.4.1938, GLA 478/ 6. 464 Dies waren: 1 Lebensmittelgeschäft, 1 Bäckerei, 1 Café mit Konditorei und 1 Metzgerei. BMA Blumberg (Schmid) an BMI v. 27.5.1938, StAB II. 261 5. Bergbaustandort Blumberg Dutzend weiterer Objekte, doch konnten diese nicht realisiert werden, weil die Straßenführungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststanden. Als dies im Spätsommer 1938 endlich der Fall war, fehlten die nötigen 189 t Eisen und 1.080 m³ Holz. Schmid forderte im August 1938 Abhilfe beim Innenministerium ein 465 , löste aber nur einen kontroversen Schriftverkehr zwischen den Regierungsbehörden in Karlsruhe und Berlin aus 466 . Anfang 1939 vermerkte Schmid verbittert: »Nachdem aber bereits 2 Jahre verstrichen sind und mit dem Bau der Geschäftshäuser und sonstigen öffentlichen Anlagen immer noch nicht begonnen wird, werden die Leute ungeduldig, das sich dadurch auswirkt, dass viele Familien sich entschlossen haben, von hier wieder wegzuziehen« 467 . Öffentlich schwadronierte der Blumberger Ortsgruppenleiter allerdings markig über die Triumphe des »nationalsozialistischen Gestaltungswillens« 468 in seiner Gemeinde. Tatsächlich blieben große Ansiedlungserfolge auch wegen der ständigen Umplanungen weitgehend aus. Die Konzeption des Blumberger Geschäftszentrums hing ja wesentlich von der Frage ab, für welche Einwohnerzahl es errichtet werden sollte. War man Mitte 1938 noch von 10.000 Menschen ausgegangen, so machte der Anfang 1939 gefasste Beschluss zum Bau eines Vorschmelzwerks auf der Baar alle bisherigen Prognosen über die Arbeitskräfteentwicklung in Blumberg obsolet. Da unklar war, an welchen Standorten und in welchem Maß das Programm fortgeführt werden sollte und man in Berlin die Entstehung von Überkapazitäten auf dem Blumberger Wohnungsmarkt zu fürchten begann 469 , zog die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau im Januar 1939 ihren Auftrag zum Bau von 1.100 Einheiten (Bauabschnitte V und VI) wieder zurück 470 . Als Hemmnis für die Planung der Blumberger Versorgungsinfrastruktur wirkte sich auch ein Dissens zwischen Gauleiter Wagner und dem Reichsarbeitsministerium (RAM) aus, der die Konzeption des Blumberger Ortskerns betraf. So legte der mit den Planungsarbeiten beauftragte Architekt Alfred Wolf zwar im Januar 1939 seinen Entwurf für einen Generalbebauungsplan vor, doch musste er wegen der herrschenden Differenzen ausgerechnet die Gestaltung des Zentrums weiter offen lassen. Eine zügige Realisierung der Geschäftsstraßen unterblieb auch deshalb, weil niemand die Erschließungskosten tragen wollte. Von der DAG-Geschäftsleitung wurden die Infrastrukturdefizite mit großer Sorge betrachtet. Da wegen der schlechten Versorgungslage die Personalfluktuation im Bergwerk anhielt, bat Bornitz im Februar 1939 den Donaueschinger Kreisleiter Kirn, bei Gauleiter Wagner zu intervenieren, denn wenn die Bevölkerung »nicht in der Lage ist, ihre Bedürfnisse am Platz zu befriedigen, werden wir keine Beruhigung nach Blumberg bringen« 471 . Die Ministerialbürokratie setzte daraufhin zwar neue Besprechungen an, konnte das Pro- 465 BMA Blumberg (Schmid) an BMI v. 8.8.1938, GLA 478/ 10. 466 Aktenbefund GLA 478/ 9 und 478/ 10. 467 Vermerk Schmid v. 16.2.1939, StAB II. 468 Siehe dazu Kap. V/ 5/ e. 469 Die RWA gab im Februar 1939 als Grund für die Rücknahme des Bauauftrags für die Abschnitte V und VI an, dass in Blumberg zur Zeit alle verheirateten Bergarbeiter untergebracht worden seien und bis Mitte 1940 weitere 550 Wohnungen der Bauabschnitte III und IV fertiggestellt würden, »die dann sozusagen auf Vorrat vorhanden seien. Mit einem wesentlichen Neuzugang von Arbeitskräften für den Bergbaubetrieb sei aber bei der bekannten Knappheit von Bergarbeitern zunächst nicht zu rechnen«. PdB im RAM v. 1.2.1939, 478/ 11. 470 Vermerk BMI v. 9.2.1939, GLA 478/ 11. 471 Kirn an Wagner v. 13.2.1939, GLA 478/ 11. 262 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) blem des drückenden Material- und Arbeitskräftemangels aber nicht lösen. Demgemäß endete im Juni 1939 eine Konferenz der ministeriellen und regionalen Entscheidungsträger mit dem zuständigen Arbeitsamt weitgehend ergebnislos 472 . Erst nach scharfen Debatten zwischen dem Badischen Innenministerium (BMI) und der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau 473 erkannte letztere im Sommer 1939 19 Geschäftshausbauten außerhalb des künftigen Blumberger Stadtzentrums als prioritäre Vierjahresplan-Maßnahme an. Die Behörde sah sich jedoch chronisch außerstande, die nötigen Bezugsscheine für das Baumaterial abzugeben. Folglich befanden sich Ende Juli 1939 nur sieben Objekte im Bau 474 . Bürgermeister Schmid entschloss sich daraufhin, den Bau von Geschäftshäusern zu dulden, ohne dass die Freigabe der kontingentierten Baustoffe bereits erfolgt war - und stand zu Kriegsbeginn vor Problemen, weil die ungenehmigte Herausgabe von Baumaterial unter Strafe gestellt worden war. Die Lieferanten verweigerten nun weitere Leistungen und forderten sämtliche noch ausstehenden Bezugsscheine ein. Da niemand sie besaß, ruhte der Innenausbau an den wenigen fertig gestellten Rohbauten. Der Krieg verschärfte die Probleme auch auf dem Wohnungsmarkt. So klagte die Badische Heimstätte im September 1939, dass sie die Einheiten des Bauabschnitts IV kaum fertig stellen könne, weil viele Bauarbeiter eingezogen und alle Lastkraftwagen von der Wehrmacht beschlagnahmt worden seien. Flehentlich bat sie die Donaueschinger Kreisleitung um Hilfe bei der Beschaffung von 15 Gipsern, 10 Maurern und zwei Lastkraftwagen 475 . Probleme bereitete auch, dass alle Unterkünfte des zuletzt fertig gestellten Bauabschnitts III mit Flüchtlingen aus Oberschlesien belegt worden waren. Da die übrigen Wohnungen zunehmend von Familien genutzt wurden, deren Ernährer wegen Kündigung, Krankheit oder Entlassung nicht mehr bei der DAG beschäftigt waren, nahm der Wohnraummangel weiter zu. Die DAG musste einen Teil ihrer Arbeitnehmer in Donaueschingen oder Immendingen unterbringen, was hohe Fahrtkosten verursachte. In Absprache mit Schmid schlug Kreisleiter Kirn Gauleiter Wagner vor, »daß aus der bereits bestehenden Siedlung ein Teil auf die Gemeinde übertragen wird und zwar der Teil der Siedlungen, der probeweise aus Ersparnisgründen mit einer kleineren Grundfläche erbaut wurde, also die Wohnungen, über die am meisten geklagt wird, und die eigentlich hätten nie erbaut werden dürfen« 476 . In diesen Quartieren sollten nach Kirns Vorschlag die ehemaligen Werksangehörigen untergebracht werden. Wagner fragte im BMI um Rat, wo man es ablehnte, »ausgesprochen asozialen [! ], die beim Bergwerk nicht mehr eingestellt werden« 477 , ihre dürftigen Unterkünfte zu belassen. Wagner akzeptierte die Empfehlung von Regierungsrat Staiger und ließ Schmid ausrichten, er möge »asoziale Elemente« 478 in Baracken abschieben. Nach Kriegsbeginn geriet das für den Wohnungs- und Infrastrukturausbau zuständige BMI in eine aussichtslose Lage: So verlangte ihm der in Berlin beschlossene Bau des Hüt- 472 Aktenvermerk BMI über die Besprechung am 19.6.1939 im Landratsamt DS, GLA 478/ 12. 473 Aktenbefund GLA 478/ 12. 474 Monatsbericht Nr. 2 BH Geschäftsstelle Blumberg v. 31.7.1939, GLA 478/ 12. 475 BH an NSDAP-Kreisleitung DS v. 19.9.1939, StAB III. 476 NSDAP-Kreisleitung DS an Gauleiter Wagner v. 29.11.1939, StAB III. 477 BMI (Staiger) an Robert Wagner v. 12.12.1939, GLA 478/ 13. 478 BMI (Staiger) an Schmid v. 12.1.1940, StAB III. 263 5. Bergbaustandort Blumberg tenwerks zusätzliche Anstrengungen ab, doch verhinderte der Mangel an personellen und sachlichen Ressourcen selbst die Realisierung der allernotwendigsten Bauten, was sich nach Erkenntnissen des BMI »auf Einsatzfreudigkeit und Stimmung der Arbeiterschaft überaus gefährlich auswirkt« 479 . Um die kriegswichtige Moral der Leute heben zu können, fand am 31. Oktober 1939 in Karlsruhe unter dem Vorsitz von Gauleiter Wagner eine Krisensitzung statt, an der Oberbergamtsdirektor Landschütz, Geschäftsführer Wirths von der Wohnbaugesellschaft, Innenminister Pflaumer mit seinen Beamten, Kreisleiter Kirn, Bürgermeister Schmid, Röchling und Bornitz teilnahmen 480 . Letzterer übergab Wagner in der Sitzung ein langes Memorandum 481 , das die Zustände in Blumberg hart kritisierte. Das Konferenzergebnis bestand in einer gemeinsamen Intervention der DAG und des BMI in Berlin, wo Regierungsrat Staiger und Bornitz mit dem RAM und der RWA über die Materialbereitstellung für die dringendsten Projekte verhandelten. Dazu gehörten der Bau von 14 Geschäftshäusern, eines Schulhauses samt 5 Lehrerwohnungen, einer Kläranlage und die Erweiterung der chronisch überforderten Wasserversorgung des Orts. Die Anfang November 1939 aufgenommenen Gespräche verliefen jedoch erfolglos. Staiger resümierte, der Materialmangel sei derart groß, dass jetzt grundsätzlich überprüft werde, ob für Vierjahresplan-Betriebe überhaupt noch Arbeiterwohnungsbauten begonnen werden könnten. Zugleich aber drängte Ministerialrat Schmitt vom RWM den badischen Ministerpräsidenten Köhler dazu, die Bautätigkeit auf der Baar vorwärts zu treiben. Staiger zog aus dem widersprüchlichen Verhalten der Reichsinstanzen den Schluss: »Da wieder die sehr naheliegende Gefahr besteht, daß für den unzureichenden Fortgang der Bauarbeiten das Ministerium verantwortlich gemacht wird, ist es notwendig, schon jetzt die Reichsstellen vor die Entscheidung zu stellen, ob das benötigte Material bereitgestellt werden kann« 482 . Um zu betonen, wer die Verantwortung trug, verfasste Staiger einen von Pflaumer unterzeichneten Brief an das RWM, der eine harsche Kritik 483 am Vergan- 479 BMI (Pflaumer) an RWM v. 9.11.1939, GLA 478/ 13. 480 Aktenvermerk Feldmann über die Besprechung am 31.10.1939, GLA 478/ 13. 481 Das Papier bemängelte, dass von 8 notwendigen Lebensmittelgeschäften lediglich 4 existierten, hinzu kämen 1 Metzgerei und 2 Bäckereien - für 4.500 Einwohner. Anbieter mit den Sortimenten Haushaltswaren, Obst und Gemüse, Drogerieartikel, Textilien, Leder oder Farbe suche man sogar vergeblich. Die Ansiedlung weiterer Geschäfte sei vordringlich, scheitere aber an einer schleppenden Bearbeitung der Baugesuche und an einer ungenügenden Zuteilung von Baustoffkontingenten. So ruhten etwa die Arbeiten an einem halben Dutzend Rohbauten völlig, andere könnten nicht eingedeckt werden, weil Dachziegel fehlten. Eine höhere Schule fehle ebenso wie ein Krankenhaus, über das seit 18 Monaten ergebnislos verhandelt werde. Dringlich sei auch der Bau einer Badeanstalt, einer Gemeinschaftshalle und eines Schlachthauses, damit die Schlachtungen nicht mehr in einer Autogarage stattfinden müssten. Zudem existierten weder eine ausreichende Trinkwasserversorgung noch eine leistungsfähige Abwasserkanalisation oder eine Kläranlage. In Blumberg sei keine einzige Straße mit Sorgfalt ausgeführt oder zu Ende gebaut worden. Dadurch werde der Verkehr gefährdet und das Gesamtbild der Stadt unzumutbar herabgewürdigt. DBG-Denkschrift »Schwierigkeiten, die dem Ausbau von Werk und Stadt Blumberg entgegenstehen« v. 30.10. 1939, LGRB 10 A/ 109. 482 Vermerk BMI (Staiger) v. 9.11.1939, GLA 478/ 13. 483 »Trotzdem es gelungen ist, bisher […] 950 Wohnungen ganz oder nahezu fertigzustellen und […] 6 km Straße, 8 km Wasserleitungen und 7 km Kanalisationsleitungen herzustellen, sind sich alle beteiligten Stellen darüber klar, daß der Ausbau zu langsam vor sich geht. […] Die für die Geländeaufschließung, den Wohnungsbau und die Folgeeinrichtungen notwendigen Finanzierungsmittel und Materialien mußten aber in endlosen Verhandlungen erkämpft werden, während die Baudurchführung unter empfindlichem Arbeitermangel litt. Da das Notwendige oft nur unzulänglich und verspätet bereitgestellt 264 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) genen enthielt und den Adressaten aufforderte, endlich Klarheit in der »Materialfrage« zu schaffen. Ende November 1939 fand eine Konferenz im RWM statt, an dem Staiger und mehrere Beamten anderer Reichsbehörden teilnahmen, doch kam dabei am Ende nur ein Prüfauftrag heraus 484 . Im Februar 1940 teilte der Generalbevollmächtigte für das Bauwesen zwar 130 t Eisen und 400 m³ Holz für den Bau des Schulhauses, von 12 Geschäften und der Blumberger Wasserversorgung zu 485 , doch war die Frage der Kriegswichtigkeit, ohne die der Bau nicht begonnen werden konnte, immer noch ungeklärt. Bornitz, der wegen seiner Personalprobleme »alles versucht, um die Gefolgschaftsangehörigen mehr an das Werk und die Stadt Blumberg zu binden« 486 , drängte Ministerpräsident Köhler im März 1940 zu stärkeren Fortschritten 487 , ging den badischen Behörden inzwischen aber derart auf die Nerven, dass sie beschlossen, ihn künftig zu ignorieren 488 . Bornitz versuchte sein Glück daraufhin in Berlin. Am 18. April 1940 begaben sich Röchling, Wittke, Gerlach und er zu Robert Ley, der kurz zuvor Blumberg besucht hatte. Der Reichsorganisationsleiter verkündete vollmundig, »sich für die Belange des Werkes und der Stadt persönlich einzusetzen« 489 , doch herrschte auch ein Jahr später noch Ungewissheit über die städtebaulichen Planungsgrundlagen. So resümierte das BMI: »Es ist für die ganze bevölkerungsmäßige Struktur Blumbergs und damit auch für seinen äußeren Aufbau nicht gleichgültig, ob Blumberg auf der Basis einer rein deutschen, oder wenigstens in überwiegendem Maße deutschen Bevölkerung geplant und aufgebaut wird, oder ob auf unbestimmte Zeit damit zu rechnen ist, daß ausländische Bergarbeiter verschiedener Nationalitäten zu größerer Zahl in den Bergwerken von Blumberg arbeiten und dann auch dort untergebracht werden müssen. Glaubt man mit der letzteren Möglichkeit rechnen zu müssen, so muß man sich darüber klar werden, wie weit die behelfsmäßige Unterbringung der ausländischen Bergarbeiter in Baracken ein Dauerzustand sein soll, oder ob irgend eine andere Form der Unterbringung in Frage kommen wird, ob auch die Familien dieser Ausländer nach Blumberg geholt werden sollen und auf welche Weise räumlich das Verhältnis der deutschen Siedler und der ausländischen Arbeiter geordnet werden soll. Gerade im Hinblick auf den [sicheren Sieg Deutschlands und den] Anfall heute noch nicht übersehbarer Aufgaben nach dem Krieg [im europäischen und außereuropäischen Raum] muß mit einer Verknappung des deutschen Menschenmaterials […] gerechnet werden« 490 . werden konnte, blieb der Baufortschritt hinter den Erwartungen all derer zurück, die wohl wußten, daß mehr erreicht werden sollte, nicht aber die Wege weisen konnten, um zu einem besseren Ergebnis zu gelangen«. BMI an RWM v. 9.11.1939, GLA 478/ 13. 484 Vermerk BMI (Staiger) v. 4.12.1939, GLA 478/ 13. 485 Generalbevollmächtigter für das Bauwesen an RAM v. 3.2.1940, GLA 478/ 13. 486 DAG-MB Januar 1940, StAF V 500/ 1. 487 Bornitz an Köhler v. 8.3.1940, StAB III/ 4. 488 Vermerk BMI (Staiger) v. 14.3.1940, GLA 478/ 14. 489 DAG-MB April 1940, StAF V 500/ 1. 490 BMI an DAG v. 24.3.1941, GLA 478/ 15. Eckig eingeklammerte Passagen wurden im Orig. wieder gestrichen. Tatsächlich standen 1941 bereits über 200 neu errichtete Wohnungen des letzten Bauabschnitts IV leer, weil sich die Beschäftigtenstruktur seit Herbst 1938 deutlich gewandelt hatte. Statt deutscher Familienväter stellten nun Fremdarbeiter und Kriegsgefangene den Hauptteil der DAG-Belegschaft. Sie lebten in werkseigenen Gemeinschaftslagern und wurden dort versorgt. 265 5. Bergbaustandort Blumberg Nach dem festgefahrenen Angriff auf die UdSSR stellte man den Infrastrukturausbau in Blumberg ein. Lediglich der Ersatz des alten, nur 110 Kinder fassenden Schulgebäudes blieb weiterhin auf der Agenda 491 . Weil die Finanzierung des 500.000 RM teuren Vorhabens zwischen dem Reich und dem Land sehr umstritten gewesen war, hatte man erst Mitte 1939 mit dem Bau des neuen Gebäudes beginnen können, der sich durch kriegsbedingte Mängel in der Materialzuteilung dann noch lange hinziehen sollte. Über Jahre hinweg erhielten die meisten der etwa 500 bis 600 Kinder ihren Unterricht in sechs Baracken, die eilends aufgerichtet worden waren. Schulrektor Franz Eckert, ein fähiger Pädagoge, aber auch ein überzeugter Nationalsozialist, musste nach dem Zeugnis von Theodor Schmid ein »aussergewöhnliches Organisationstalent und ganz intensive Betätigung« 492 an den Tag legen, um den Schulbetrieb halbwegs störungsfrei zu gestalten. Erst im Frühjahr 1943 konnte in vier Ergeschossräumen des unfertigen, noch an gefährlichen Baumängeln 493 leidenden Neubaus unter provisorischen Bedingungen der Unterricht aufgenommen werden. Ein anderes wichtiges Infrastrukturprojekt blieb dagegen im Planungsstadium stecken. Wegen der vielen Grubenunfälle drangen Bornitz und Schmid darauf, ein Krankenhaus in Blumberg zu bauen, das den risikoreichen Transport der Verletzten ins 15 km entfernte Donaueschingen entbehrlich machen sollte, doch scheiterten im April 1938 die Gespräche zwischen der Reichsknappschaft und der DBG über den Bau eines 1,2 Mio. RM teuren Objekts mit 120 Betten. Da der Versicherungsträger auf die Zuständigkeit des Landes verwies, setzte Bornitz die Karlsruher Regierung unter Druck 494 . Das BMI bezweifelte jedoch die Rentabilität des Klinikprojekts und hielt den Ausbau des Donaueschinger Krankenhauses für ausreichend. Im August 1938 fand eine Besprechung zwischen Dr. Ludwig Sprauer, dem Leiter der Gesundheitsabteilung im BMI, und den regionalen Instanzen statt, die einen raschen Krankenhausbau für »unbedingt erforderlich« 495 erklärten. Das Badische Finanz- und Wirtschaftsministerium stellte jedoch fest, die Lage sei eben leider so, »daß das Land neben seinen bisherigen Beiträgen finanzielle Leistungen für Blumberg nicht mehr aufbringen könne« 496 . Das BMI reichte den Schwarzen Peter daraufhin an das RAM weiter 497 , blieb aber erfolglos damit. Um wenigstens eine notdürftige medizinische Versorgung vor Ort gewährleisten zu können, einigte sich das BMI mit Landrat Binz und Direktor Bornitz Mitte 1939 darauf, auf dem DBG-Werksgelände eine Krankenbaracke zu errichten. Die Realisierung dieses Notbehelfs mit lediglich 20 Betten zog sich freilich lange hin: Erst im Mai 1940 war der Rohbau vollendet, und es fehlte noch immer die medizinische Einrich- 491 1937 besaß Blumberg zwei Schulen: eine im Hauptort für 110 Schüler und eine weitere im Ortsteil Randen für 60 Schüler. Das Schulhaus in Randen musste jedoch später der DAG als Betriebsgebäude überlassen werden. Für den Unterricht standen insgesamt zwei Hauptlehrer und ein Hilfslehrer zur Verfügung. 492 Schmid an Bad. Kultusministerium v. 29.5.1941, StAF L 50/ 1-4764. Zu Eckert: Kap. IX/ 3 Anm. 38. 493 Vermerk des SDO-Aufsichtsratsvorsitzenden v. 16.7.1943, GLA 478/ 6. 494 DBG (Bornitz) an BFWM v. 22.4.1938, StAF F 235/ 5-137. 495 BP Oswald v. 2.8.1938, GLA 478/ 24. 496 Vermerk BMI (Staiger) v. 12.9.1938, GLA 478/ 24. 497 BMI (Pflaumer) an RAM v. 12.9.1938, LGRB 41/ 1. 266 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) tung. Insgesamt wurden von der öffentlichen Hand bis Mai 1940 7,75 Mio. RM 498 in den Blumberger Wohnungsbau und in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Ein Mehrfaches davon wäre nötig gewesen, um die Grundbedürfnisse der betroffenen Menschen abzudecken 499 . e) … und städtebauliche Größenphantasien Die magere Bilanz der nationalsozialistischen Infrastrukturpolitik stand in krassem Gegensatz zu den markigen Absichtserklärungen, die von den regionalen Parteigrößen abgegeben worden waren. So hatte Blumbergs Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Theodor Schmid im Mai 1939 geprahlt: »Nachdem im Jahre 1938 der Ausbau der Gemeinde Blumberg zu einer Stadt bis zu 15.000 Einwohnern entschieden und bestimmt war, wurde Herr Reg.Baumeister a. D. Wolf, Architekt in Freiburg/ Br., mit der Aufstellung des Gesamtbebauungsplanes der Stadt Blumberg beauftragt. Nach diesem Plane werden nunmehr Geschäftshäuser, Gemeinschaftshäuser, Schulen und alle erforderlichen öffentlichen Gebäude entstehen, die der neu erstandenen Stadt das Gepräge nationalsozialistischen Gestaltungswillens geben werden. Tausende weiterer Arbeiterwohnstätten werden noch entstehen, um der immer mehr anwachsenden Belegschaftszahl des Eisenerzbergwerkes Wohnungsmöglichkeit zu geben und so wird sich nach 2-3 Jahren das Bild der Stadt formen, wie es im Modell bereits festliegt. […] Mit Eifer und Tatkraft wird der Gemeindeleiter und alle mit dem Aufbau betreuten Stellen auch weiterhin an die Lösung aller Fragen herangehen und so wird in einigen Jahren eine völlig neue, vom Lied der Arbeit und dem Gesang der Bohrhämmer erfüllte Industriestadt als Folge nationalsozialistischer Staats- und Wirtschaftsführung erstanden sein« 500 . Tatsächlich hatte das BMI auf Anordnung von Gauleiter Wagner dem Freiburger Architekten Alfred Wolf im Herbst 1937 den Auftrag erteilt 501 , den Blumberger Generalbebauungsplan zu erstellen, doch war Wolf seitdem nur langsam vorangekommen, weil zwischen ihm und Karl Pfeiffer 502 , dem Leiter des Referats Siedlung und Planung im 498 Übersicht über die zum Ausbau Blumbergs bereitgestellten Finanzierungsmittel, BAB R 3101/ 30590. 499 Der Bau eines öffentlichen Bads für die Bergarbeiter, deren Häuser ausnahmslos ohne Bad errichtet worden waren, ließ sich ebenso wenig realisieren, wie der notwendige Kläranlagenbau. Auch das rund 25.000 RM teure Schlachthausprojekt wurde nicht verwirklicht, obwohl Architekt Alfred Wolf bis Ende 1941 mehrere Entwürfe anfertigte (Aktenbefund GLA 478/ 28). Als Konsequenz daraus fanden die Schlachtungen in Blumberg weiterhin in einer Autogarage statt. Im Oktober 1940 konnte die zweite Schlachterei ihren Betrieb nicht aufnehmen, weil 150 m² Korkplatten für den Kühlraum fehlten. 500 Vermerk »Die Entwicklung der Stadt Blumberg von 1933 bis 1. Mai 1939«, StAB III/ 4. 501 Siehe dazu Kap. IV/ 3/ e. 502 Karl Pfeiffer (1.10.1902 Weißenburg-Haardt - 30.7.1957 Bayreuth): 1922-1927 Studium an der TH München, 1927-1931 bei German Bestelmeyer, 1931-1934 dessen Assistent an der TH München, 1934 Künstlerischer Berater im Deutschen Siedlungswerk Berlin, ab 1935 Referatsleiter »Siedlung und Planung« im RAM, ab 1939 Professor an der Akademie Düsseldorf, 1941 Leiter des Wiederaufbaus der zerstörten Gemeinden im Elsass, 1943-1945 Militärdienst und Kriegsgefangenschaft, 1947-1957 freier Architekt in Bayreuth. 267 5. Bergbaustandort Blumberg Reichsarbeitsministerium (RAM), große Differenzen über die Ausgestaltung des neuen Stadtzentrums bestanden 503 . Noch bevor diese beigelegt worden waren, fiel im Februar 1939 die Entscheidung zum Bau des Vorschmelzwerks, was die Planungsgrundlagen stark veränderte. Der jetzt absehbare Aufbau eines schwerindustriellen Zentrums auf der Baar stärkte die Position Wagners, der den Bevölkerungszuwachs für Blumberg stets optimistischer als das RAM und das BMI eingeschätzt hatte, löste andererseits aber Bedenken in der Nachbarschaft aus. Kreisleiter Gottfried Huber im württembergischen Tuttlingen fürchtete, der Kreis Donaueschingen könne durch eine Gebietsreform zu Lasten seines eigenen Einflussgebiets »noch grösser werden« 504 . Am 14. Juni 1939 fand eine Besprechung der badischen und der Reichsbehörden unter Wagners Leitung statt, in der die bisherige Zielgröße auf 20.000 Einwohner erhöht und auf Wagners Wunsch hin der Beschluss gefasst wurde, im Ried östlich von Blumberg eine große Ost-West-Achse 505 mit repräsentativen Bauten zu errichten 506 . Wagner beauftragte das BMI, eine Liste der benötigten öffentlichen Gebäude aufzustellen und sagte dem RAM zu, sich für eine zügige Errichtung von Parteibauten einzusetzen. Er vermied es jedoch, finanzielle Verpflichtungen für das Land einzugehen. Der Kriegsbeginn und Wolfs Einberufung zum Militär verschleppten die Angelegenheit monatelang. Zudem konnten sich Pfeiffer und er über die Gestaltung des Stadtzentrums noch immer nicht einig werden. Während Wolf die bestehende Bausubstanz weitgehend unangetastet lassen und bei der städtebaulichen Dimensionierung Rücksicht auf die kleinteiligen Strukturen des alten Bestands nehmen wollte, hegte Pfeiffer, der zur »gleichmässige[n] Verteilung der Baumassen beiderseits der Achse« 507 viele alte Häuser abreißen wollte, deutlich radikalere Pläne. Das Zerwürfnis zwischen den Architekten gedieh so weit, dass das RAM im Dezember 1939 eine vernichtende Kritik der Tätigkeit Wolfs abgab und das BMI aufforderte, ihm den Auftrag für die städtebauliche Planung zu entziehen und diesen an Pfeiffer zu vergeben 508 , der kurz zuvor als Professor an die Akademie Düsseldorf berufen worden war. Das BMI befand sich jedoch in einer einflusslosen Position gegenüber Wolf, der Wagners uneingeschränkte Unterstützung genoss. Da die Planungen trotz des Drängens von Bürgermeister Schmid und Landrat Binz kaum vorankamen, monierte Bornitz im März 1940 bei Ministerpräsident Köhler, dass »seit Jahren ein Stadtplan den anderen ablöste, ohne dass auch nur einer die endgültige Genehmigung gefunden hatte« 509 . Bei diesem Zustand blieb es auch in den folgenden Monaten: Das BMI und die regionalen Behörden der Baar wehrten sich heftig gegen Pfeiffers archi- 503 Aktenbefund GLA 478/ 11. Wahrscheinlich spielte dabei auch das persönliche Prestigedenken Pfeiffers eine gewisse Rolle. Ähnliche Differenzen gab es 1940 zwischen ihm und dem für die städtebauliche Planung von Salzgitter zuständigen Architekten Herbert Rimpl. Schneider, Stadtgründung, S. 81-82. 504 Kreisleitung Tuttlingen (Huber) an RSH Murr v. 24.4.1939, HStASt E 151/ 41-916. 505 Zur Bedeutung von Achsen im NS-Städtebaukonzept: Schneider, Stadtgründung, S. 94 ff. 506 Anwesende: Wagner mit Adjutant Gaedecke, Innenminister Pflaumer mit Regierungsrat Staiger, Pfeiffer (RAM), Feldmann (LPGB) und Architekt Wolf. Vermerk BMI über die Konferenz am 14.6.1939, StAF G 11/ 2-216. 507 BMI an RAM v. 12.4.1940, GLA 478/ 14. 508 RAM (Durst) an BMI v. 13.12.1939, GLA 478/ 13. 509 Bornitz an Köhler v. 8.3.1940, StAB III/ 4. 268 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) tektonischen Kahlschlag 510 und hatten ihre Not, sich in dem Ringen mit dem RAM um Kompetenzen und Planungsinhalte zu behaupten 511 . Im Juni 1940 änderten sich die Planungsgrundlagen erneut: Der Sieg im Westen warf nicht nur für Wolf die Frage auf, »ob Blumberg weiterhin den großzügigen Ausbau erhalten soll, oder ob eine wesentliche Verkleinerung stattfinden wird« 512 . Einerseits leitete die Wiedergewinnung der lothringischen Erzbasis eine schleichende Marginalisierung des Bergbaus auf der Baar ein; andererseits aber eröffnete der scheinbar gewonnene Krieg den parteipolitischen Instanzen im Land und in der Region unvermutet rasch die Aussicht, ihre städtebaulichen Visionen zu realisieren, wozu ganz unvermeidlich die NS-typischen Monumentalbauten, riesige Aufmarschplätze und imponierende Achsen gehörten. Schmid und Kreisleiter Kirn trieben im Herbst 1940 die Dinge auf der Parteischiene voran und ließen das einflusslose BMI links liegen. Am 24. Oktober 1940 fand in der Karlsruher Gauwaltung der DAF ein Gespräch statt, das den Bau von Parteidienstgebäuden, eines Gemeinschaftshauses sowie von großen Sport- und Freizeitanlagen in Blumberg zum Inhalt hatte. In der Besprechung wurde ein Gelände östlich der Stadt als Standort für die Bauten bestimmt und Architekt Wolf von Herbert Steinwarz, dem Leiter des Sonderreferats für NS-Gemeinschaftshäuser beim NSDAP-Reichsorganisationsamt, der Auftrag zur Ausarbeitung eines Vorentwurfs erteilt 513 . Da sich die DAG mit dem Bau eines repräsentativen Verwaltungsgebäudes einen sichtbaren Anteil am künftigen Stadt- und Machtzentrum der Partei verschaffen wollte, drängte sie die Landesbehörden zum großzügigen Ausbau der Blumberger Infrastruktur, wobei sie ihre Mitwirkung beim Bau der Sportanlagen anbot 514 . Nach Einschätzung des BMI setzte das Unternehmen bei seinem Engagement auch auf »einen Anreiz für die besseren Elemente unter den Arbeitern, in Blumberg zu bleiben« 515 . In Herbst 1940 erstellte Wolf seine Vorentwürfe für den künftigen Blumberger Stadtkern. Daraufhin fand am 16. Dezember 1940, wieder ohne jede Beteiligung staatlicher Behörden, in der Karlsruher Gauwaltung der KdF das nächste Gespräch unter den Parteiinstanzen statt. Steinwarz erklärte darin, er habe Wolfs Entwürfe dem Generalbau inspektor für die Reichshauptstadt, Albert Speer, vorgelegt; nach deren Prüfung werde »eine endgültige Festlegung der durch die NSDAP-Reichsleitung zur Erstellung bezw. Finanzierung vorgesehenen Bauvorhaben erfolge[n]« 516 . Schmid erhielt von Steinwarz den Auftrag zur Führung der weiteren Verhandlungen mit dem Ziel, eine baureife Planung der festgelegten Bauvorhaben herbeizuführen 517 . Architekt Wolf leitete aus der Tatsache, 510 Gegen Pfeiffers Entwurf brachte ORR Kobe (BMI) vor, dass »in seiner Gesamtstruktur drei verschiedene Teile zu erkennen seien. Dies sei wohl auf den von außen hereingetragenen Gedanken einer repräsentativen Achse zurückzuführen. Es fehle der organische Anschluß an die bestehenden Bauabschnitte«. Vermerk RAM über die Besprechung am 8.3.1940, GLA 478/ 14. 511 Aktenbefund GLA 478/ 14. 512 Wolf an BMI v. 23.7.1940, StAF G 11/ 2-216. 513 Schmid an BMI v. 30.10.1941, GLA 478/ 17. 514 DAG (W. Berger) an Wasserwirtschaftsamt DS v. 15.11.1940, StAF V 500/ 1-12. 515 BMI (Müller-Trefzer) an RAM v. 28.1.1941, GLA 478/ 15. 516 PdB am 16.12.1940, GLA 478/ 17. Teilnehmer: Steinwarz, KdF-Gauamtsleiter Dr. Roth, KdF-Gauwart Hafen, KdF-Kreisobmann Nägele (in Vertretung von Kreisleiter Kirn), DAG-Vorstand Dr. W. Berger, Architekt Wolf und Ortsgruppenleiter Schmid. 517 Ebenda. 269 5. Bergbaustandort Blumberg dass er sich nun bei Speer seine Direktiven abholen durfte, eine derart starke Position für sich selbst ab, dass er der Ministerialbürokratie erklärte, es erübrige sich deren Stellungnahme zu seinen Plänen 518 . Demgemäß rannten das RAM und das BMI nun den Informationen hinterher und hatten im Februar 1941 keine Ahnung, »was der Reichsschatzmeister für die NSDAP. tatsächlich zugesagt hat oder noch zusagt« 519 . Die zuständigen Beamten im RAM und im BMI, Max Büge 520 und Karl Kobe 521 probten daraufhin den Aufstand gegen die Entmachtung der Staatsverwaltung durch den Parteiapparat. Man wird vermuten dürfen, dass dies nicht völlig ohne Rückendeckung von oben geschah. Wegen Wagners Protektion für Wolf musste sich das BMI allerdings sehr vorsichtig verhalten und hinter dem breiten Rücken des RAM verschanzen. In einer Besprechung, die am 18. Februar 1941 im RAM mit dem BMI, der DAG und den regionalen Planungsinstanzen stattfand, stellte Büge (RAM) demonstrativ klar, dass seine Behörde die Entscheidungsgewalt über Einzelheiten der Planung dem BMI übertragen habe: »Dort müsse daher für eine einwandfreie städtebauliche und architektonische Planung gesorgt und verhindert werden, daß der Architekt Wolf ohne Beteiligung der zuständigen Verwaltungsbehörden mit anderen Stellen verhandelt« 522 . Inhaltlich hob Büge hervor, dass »er sich mit den Veränderungen des Bebauungsplans durch Wolf nicht einverstanden erklären könne, insbesondere lasse die Anordnung der Großbauten auf und an dem Sportgelände jede städtebauliche Planung vermissen […] Wenn - wie Wolf behauptet - Professor Speer die entscheidende Verantwortung übernehmen solle, so müsse dies ausdrücklich bestimmt werden; ihm ist hierüber bisher nichts bekannt. Das Reichsarbeitsministerium wird keine Mittel bewilligen, bevor die Planung für die ganzen Bauten des sog. VI. Bauabschnitts nicht geklärt ist« 523 . Kobe griff Büges Ausführungen dankbar auf und hob gegenüber seinen Vorgesetzten im BMI hervor, es erscheine »sehr erwünscht, daß Oberregierungsrat Büge hierher kommt und beim Reichsstatthalter und beim Landesplaner die Stellung Wolf ’s in der Behandlung der Planung und die Stellung des Bad. Ministeriums des Innern klarstellt« 524 . Das aufrührerische Votum des RAM löste Unmut in Wagners Umgebung aus, wo man das BMI für den wahren Urheber der Aktion hielt. Um nicht in Ungnade bei Wagner zu fallen, pfiff Kobe Büge eilends zurück und bat diesen, bei Wagner keinesfalls auf eine Ablösung Wolfs hinzuwirken, sondern letzterem eine Ergebenheitsadresse abzuliefern, wonach »wir weit davon entfernt sind, die grundsätzlich 518 So wird Wolf von Max Büge im Protokoll der Besprechung im RAM am 18.2.1941 zitiert. GLA 478/ 17. 519 Aktenvermerk Kobe zur Besprechung am 18.2.1941, GLA 478/ 15. 520 Max Büge (8.12.1892 Stralkowo - 23.4.1978): Architekt, ab 1921 in der preuß. Staatshochbauverwaltung, ab 1925 im Preuß. Ministerium für Volkswohlfahrt, ab 1932 im Preuß. Wirtschaftsministerium, 1935-1945 im RAM, zuletzt MR, 1948-1951 städt. Baudirektor in Frankfurt/ Main, danach im Ministerium für Wiederaufbau des Landes NRW, zuletzt Ministerialdirigent. Nachruf: Die Bauverwaltung 51 (1978) S. 78 und S. 277. 521 Karl Kobe (16.5.1886 Karlsruhe - 25.4.1945 Bonndorf/ Schw.): Architekt, Regierungsbaumeister, als Referent für Wohnungs- und Siedlungswesen im bad. Staatsdienst, ab 1920 im Bad. Arbeitsministerium, ab 1924 im BMI, ab 1936 in der Bad. LAKRA für Wohnungsbau, 1924 Baurat, 1927 Reg.-Baurat, 1937 Oberreg.-Baurat, kein Pg., 1940 eingestelltes Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat, 1945 bei einem Luftangriff verstorben. GLA 466-2/ 5456-5457 und 236/ 29290. 522 Protokoll Büge der Besprechung am 18.2.1941 GLA 478/ 17. 523 Aktenvermerk Kobe zur Besprechung am 18.2.1941, GLA 478/ 15. 524 Ebenda. 270 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) maßgebenden und richtigen Forderungen der Parteistellen zu sabotieren, daß aber auch eine Beratung im einzelnen dem Erfolg seiner Planung nur förderlich sein kann« 525 . Am 11. März 1941 stellten Wolf, Schmid und der Donaueschinger Interims-Kreisleiter Arnold Haller 526 Gauleiter Wagner die fertigen Entwürfe für das Blumberger Stadtzentrum vor. Wagner vermied es, ohne Rückendeckung der Münchner Parteizentrale eine eigene Entscheidung zu treffen 527 . Zwei Tage später reisten Wolf, Schmid und Haller in die NSDAP-Reichsleitung. Deren Referatsleiter Steinwarz ordnete einige Änderungen an, die Wolf im zweiten Quartal 1941 vollzog und, abermals gemeinsam mit Schmid und Haller, am 10. Juli 1941 Gauleiter Wagner präsentierte. Dieser stimmte dem sog. Entwurf D zu, der Baukosten in Höhe von rund 3,5 Mio RM auslöste, woraufhin sämtliche Unterlagen zur NSDAP-Reichsleitung nach München wanderten. Am 24. Oktober 1941 setzte der neue Donaueschinger Kreisleiter Felix Elger 528 Schmid darüber in Kenntnis, dass die parteiamtliche Genehmigung zum Bau eines Gemeinschaftshauses vorliege und forderte ihn auf, »dem Ministerialdirektor Müller-Trefzer […] von der Genehmigung des Entwurfs und der Tatsache, daß das Gemeinschaftshaus errichtet wird, [Kenntnis, WIS] zu geben« 529 . Damit wusste nun auch das zuständige Ministerium Bescheid. Das BMI ging geschwächt aus der Kontroverse hervor. Zwar versuchte man im Sommer 1941, die abgerissenen Kontakte zu Wolf wieder anzuknüpfen, doch gelang dies nur auf Kosten totaler Selbstverleugnung. Müller-Trefzer 530 , der im April 1941 noch erklärt hatte, dass mit Wolf »eine fruchtbare Zusammenarbeit kaum möglich« 531 sei, beeilte sich jetzt diesem zu versichern, es handele sich bei seiner Bitte um eine Abstimmung mit dem Innenministerium doch im Grunde nur darum, »gegenüber den weit gehenden Einschaltungsversuchen des Reichsarbeitsministeriums eine einheitliche Linie aller bad. Stellen festzustellen und einzuhalten« 532 . Das BMI musste sich schließlich mit der lauen Zusage Wolfs begnügen, »bei der weiteren Gestaltung der Planung den Wünschen des Ministeriums wenn möglich Rechnung zu tragen« 533 und bemühte sich noch im Herbst 1941 um die Information, »welche Dienststellen der NSDAP. die Entscheidung über den Bau des 525 Kobe an Büge v. 30.5.1941, GLA 478/ 15. 526 Arnold Haller (4.2.1894 - 13.8.1967 Ihringen a.K.): Vermessungsingenieur, Pg. seit 1931, Ortsgruppenleiter von Radolfzell, 1938-1945 Kreisleiter in Villingen, ab Mai 1941 bis zur Einsetzung Elgers kommissarischer Kreisleiter in Donaueschingen; 1945-1946 Kriegsgefangenschaft, danach bis 1950 in Herne/ Westf. untergetaucht. Entnazifizierungsverfahren 1951 eingestellt. StAF D 180/ 2-229633. 527 Schmid an BMI v. 30.10.1941, GLA 478/ 17. 528 Felix Elger (7.5.1911 Bremen - 1.11.1960 Donaueschingen): Sohn einer Baden-Badener Hoteliersfamilie, NSDAP- und SA-Mitglied seit 1930, Karriere in der SA, ab 1937 Gaustellenleiter der Gaupropagandaleitung Baden, 1939-1940 Militärdienst, ab 1941 Kreispropagandaleiter in Mühlhausen/ Elsass, ab 15.6.1941 Kreisleiter in Donaueschingen, 1944-1945 Militärdienst; nach Kriegsgefangenschaft und Internierung als Belasteter entnazifiziert, später Miteigentümer einer Druckerei in Ulm, bei Verkehrsunfall getötet. Schwarzwälder Tagblatt v. 1.6.1941, Ausk. Stadtarchiv Baden-Baden, StAL FL 300/ 34 II-1621, StAF D 180/ 3-1193 und D 180/ 2-132620. 529 So zitiert Schmid Elger in seinem Schreiben an das BMI. Schmid an BMI v. 30.10.1941, GLA 478/ 17. 530 Friedrich Müller-Trefzer (4.10.1879 Karlsruhe - 13.1.1960 Baden-Baden): ab 1933 Chef der bad. Staatskanzlei, 1939-1945 MD im BMI. Biografie: Ruck: Baden-Württembergische Biografien 2 (1999) S. 332-336. 531 Vermerk Müller-Trefzer v. 8.4.1941, GLA 478/ 17. 532 Vermerk BMI über die Besprechung mit Wolf am 21.8.1941, GLA 478/ 15. Unterstreich. im Orig. 533 Ebenda. 271 5. Bergbaustandort Blumberg Gemeinschaftshauses, Dienstgebäudes, Freiplatz- und Sportanlagen getroffen haben und wenn [! ] diese erfolgt seien« 534 . Praktische Bedeutung besaß das Ergebnis der Recherche nicht mehr: Nach dem Angriff auf die UdSSR hatte die Wehrmacht Ende August 1941 den Eisenerzbezirk von Krivoy Rog eingenommen 535 , was nach Einschätzung des BMI »eine Beschränkung der Bedeutung Blumbergs und wahrscheinlich auch auf längere Zeit eine Beschränkung in der Zahl der für Blumberg verfügbaren deutschen Bergarbeiter mit sich bringen wird« 536 . Im Oktober 1941 hob Müller-Trefzer in einer Behördenkonferenz hervor, dass wegen der kritischen Arbeitskräfte- und Baustoffversorgung an eine sofortige Realisierung der Bauten nicht mehr zu denken sei. Bürgermeister Schmid warnte vergeblich davor, »dass ein Steckenbleiben der städtebaulichen Entwicklung einen kommunalen Torso zur Folge haben würde, den als Gemeinwesen auszustatten und zu verwalten für die Gemeinde eine kaum lösbare und nicht tragbare Aufgabe bedeuten würde« 537 . Sechs Monate später gab die DAG ihren Erzabbau auf. Das BMI kassierte den Auftrag an Wolf 538 und zog seinerseits den Schluss, »daß die geistigen und materiellen Grundlagen für einen großzügigen Auf- und Ausbau von Blumberg sehr in Frage gestellt sind« 539 . 534 So zitiert Ortsgruppenleiter Schmid das BMI. Schmid an BMI v. 30.10.1941, GLA 478/ 17. 535 Eichholtz, Kriegswirtschaft, II S. 460. 536 So Müller-Trefzer lt. Vermerk BMI über die Besprechung am 6.10.1941, GLA 478/ 17. 537 Vermerk RAM über die Behördenbesprechung in Blumberg am 7.10.1941, GLA 478/ 15. 538 Faktisch endeten Wolfs Arbeiten erst im Frühjahr 1943, als er der Gemeinde ein 300 x 190 cm messendes Holzmodell übergab. Dafür und für die Erstellung des Gesamtbebauungsplans, dreier Teilbebauungspläne (Wohnbauabschnitte III, V und VI) und für die Anfertigung mehrerer Schlachthausentwürfe erhielt er zwischen 1937 und 1941 rund 36.000 RM an Honorar und Kostenersatz. Aktenbefund StAB. 539 BMI (Müller-Trefzer) an Wolf v. 30.6.1942, GLA 478/ 15. Abb. 63: Wolfs Entwurf für den Blumberger Generalbebauungsplan von 1940: Im Stadtkern endet die vom Bergwerk kommende Ost-West-Achse. Parallel zur Achse stehen sich Verwaltungs- und Parteigebäude mit jeweils 120 m Fassadenlänge gegenüber. Anordnung und Größe der Bauten, die das Machtverhältnis zwischen Staat und Partei widerspiegeln sollte, war lange umstritten. Ebenfalls im Stadtzentrum: Gemeinschaftshalle (Festhalle), Kameradschaftsheim, HJ-und NSKK-Heim, Bergmannschule und ein Verwaltungsgebäude der Doggererz AG (an der Querachse). Bild: Architekturbüro Huller, Freiburg. 272 V. Ein halbstaatlicher Rüstungsbetrieb entsteht (1939 - 1940) Abb. 64: Wolfs Entwurf des Blumberger Generalbebauungsplans von 1940 sah ein großes Sport- und Aufmarschareal östlich der Stadt vor. In der Bildmitte die vom Bergwerk zur Innenstadt führende Ost-West Achse. Sie weist im Stadtkern große, gleichförmige Baukörper aus, was vom Badischen Innenministerium als »eine Abkehr vom bürgerlichen Siedlungsbild und […] Ausdruck einer besonders militärischen Haltung« (PdB am 8.3.1940, GLA 478/ 14) gewürdigt wurde. Wolf platzierte das Rathaus als Brückenbau über die Ost-West-Achse und trennte damit den »Alltagsraum« des alten Siedlungskerns optisch vom Bereich des Festplatzes ab. Wolf handelte sich mit diesem Konzept jedoch massive Kritik von Prof. Karl Pfeiffer, dem Referatsleiter für Siedlung und Planung im Reichsarbeitsministerium, ein, dem die Planungen nicht großzügig genug erschienen. Sicht von Osten nach Westen. In der linken Bildmitte liegt die zwischen 1937 und 1941 errichtete Bergarbeitersiedlung. Der Entwurf war zweifellos inspiriert von den Planungen Herbert Rimpls, der 1940 ähnliche Elemente für Salzgitter vorsah (dazu: Schneider, Stadtgründung). Bild: Architekturbüro Huller, Freiburg. Abb. 65: Alt-Blumberg um 1938 von Süden aus gesehen. Rechts ein Teil des neuen Wohnbaugebiets. In dessen Verlängerung liegt das Bergwerk. Bild: Architekturbüro Huller, Freiburg. 273 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? a) Ein Vierjahresplan-Vorhaben ohne rüstungs- und rohstoffpolitischen Auftrag Der Status Quo vom Frühjahr 1940 war geprägt von einem mühsam austarierten Kompromiss zwischen den Saarwerken und den Reichsbehörden, bei dem die Klärung vieler strittiger Punkte auf später vertagt worden war. Dies betraf vor allem die zentrale Frage, wer die Defizite der DAG auf lange Sicht zu tragen hatte. Während man im Reichsfinanzministerium (RFM) die Ansicht vertrat, dass das Unternehmen ab 1942 volle Kostendeckung über seine Verkäufe an die Saarwerke erzielen müsse und alle staatlichen Zahlungen einzustellen seien, gingen die meisten Werke davon aus, dass ihnen der Staat auf Dauer die Kostendifferenz zwischen der Minette und dem Doggererz bzw. dem Vorschmelzeisen zu ersetzen habe. Das RWM wiederum lavierte in dieser heiklen Angelegenheit und war sichtlich bemüht, keinen der Beteiligten vor den Kopf zu stoßen, um das bei den meisten Saarindustriellen wenig geschätzte Hüttenbauprojekt nicht zu gefährden. Offen war auch die Finanzierung der Investitionen: So hatte von Hanneken die Saarwerke kurz vor Kriegsausbruch genötigt, mit einem Grundkapital von lediglich 2 Mio. RM eine Aktiengesellschaft zu gründen, die ein mehr als 100 Mio. RM teures Vorhaben in Angriff nehmen sollte. Zwar war eine Kapitalerhöhung auf 50 Mio. RM, an der sich das Reich mit 25 Mio. RM beteiligen wollte, von Anfang an geplant, doch reichte dieser Betrag keineswegs aus, um den Finanzbedarf vollständig abzudecken. Spätestens Anfang 1940 war allen Beteiligten klar, dass das Unternehmen derart viel Fremdkapital aufnehmen musste, dass die hohen Zins- und Tilgungslasten einen wirtschaftlichen Betrieb von vorn herein ausschlossen 1 . Selbst die dringliche Kapitalerhöhung auf 50 Mio. RM konnte nicht stattfinden, weil das Vermögen der Doggererz-Bergbau GmbH, das die Saarhütten in die AG einbringen wollten, noch nicht bewertet worden war. Zudem weigerten sich die stillliegenden Werke nach Kriegsbeginn ihre Zusage einzulösen, dass sie sich mit 5 Mio. RM aus eigenen Barmitteln an der beabsichtigten Kapitalerhöhung beteiligen würden. Der DAG-Vorstand musste daher Vorschüsse des Reichs auf dessen künftige Kapitaleinzahlung einfordern, um seine Anlagenbestellungen für das Vorschmelzwerk finanzieren zu können. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass das Vorhaben auf Annahmen von zweifelhaftem Realitätsgehalt basierte. So hatte die von Albrecht Czimatis Ende 1938 eingesetzte Dog- 1 Siehe dazu: Kap. V/ 4/ e. 274 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung gererzkommission ihrer Wirtschaftlichkeitsprognose 2 die verwegene These zugrundegelegt, dass die Erzabbaukosten in Blumberg nur rund 4 RM je t betrügen und dass die Reichsbahn den Kohle- und Eisentransporten zwischen Saar und Baar einen extrem niedrigen Frachtsatz von 0,525 Pfg. je tkm einräumen würde. Tatsächlich zeichnete sich bereits Anfang 1940 ab, dass sich die Bahn keineswegs um entsprechende Bitten des RWM scherte 3 , sondern Beförderungspreise anbot, deren Höhe beim Dreibis Vierfachen des erwarteten Betrags lag, weshalb der alarmierte DAG-Vorstand sogar eine Verlagerung des Hüttenstandorts nach Stuttgart in Betracht zog 4 . Auch die Selbstkosten für den Erzabbau im Stoberg verhielten sich nicht wunschgemäß, sondern betrugen im Jahresdurchschnitt 1940 rund 8 RM pro t 5 . Angesichts dieser Sachlage galt die DAG beim RFM als eine »in ihrer Wirtschaftlichkeit nicht völlig zweifelsfreie Gesellschaft« 6 . Im RFM befürchtete man, nach Kriegsende »könnte der Fall eintreten, daß es wehrpolitisch unbedenklich, handelspolitisch möglich bezw. erwünscht und preislich billiger wäre, Auslandserz anstelle von Blumbergerz zu verhütten. Dann müßte das Reich im Hinblick auf das Gebot sparsamer Verwendung öffentlicher Gelder die Einstellung der Förderprämie für die Gesellschaft in Erwägung ziehen. Andererseits würden die Saarhütten ihren Vorteil wahrzunehmen wissen. Unter Umständen könnten die Saarhütten es dann für zweckmäßig halten, vom Blumberger Erzbergbau als Kunden abzurücken und die Abwicklung dieses Vorhabens dem Reich zu überlassen. Diese Möglichkeit sollte dazu führen, die Saarhütten kapitalmäßig so stark wie möglich an die Gesellschaft zu binden. Man müßte deshalb die Saarhütten entweder noch stärker als z.Zt. vorgesehen als Gesellschafter oder aber in erheblichem Ausmaß als Gläubiger an die Gesellschaft fesseln« 7 . Das RFM forderte das RWM daher auf, für eine höhere Eigenkapitalausstattung der DAG zu sorgen, die bei 70 oder 80 Mio. statt 50 Mio. RM liegen sollte. Ministerialrat Dr. Wilhelm Koehler 8 , der Leiter des Referats Kapitallenkung im RWM, schlug der Saarindustrie einen derartigen Beschluss im April 1940 vor, doch waren sich Wittke und Siedersleben rasch darin einig, dass die Werke wegen der vielen ungelösten technischen und wirtschaftlichen Fragen keinerlei Interesse daran besaßen 9 . Gleichzeitig verstärkten sich in Neunkirchen, wo man als einziges Saarwerk bis zu 40 % Doggererz in den Hochöfen verarbeitete, die technischen Probleme. Betriebsdirektor Gödel, der im Oktober 1939 zu dem Schluss gelangt war, Vorschmelzeisen sei »jeder 2 Siehe dazu: Kap. V/ 2/ c. 3 RWM (Landfried) an RVM (Dorpmüller) v. 16.5.1939, StAF V 500/ 3-13. 4 Bericht Oltersdorf über die Sitzung in der Reichsbahndirektion Essen v. 20.1.1940, StAF V 500/ 3-13. 5 Die Selbstkosten (incl. Versand, aber ohne Kapitalverzinsung) lagen 1940 bei 8,19 RM pro t geförderten Erzes aus der Grube Stoberg. Papier »Entwicklung der Selbstkosten 1941«, RWWA 72-149-5. 6 Vermerk RFM v. 10.6.1940, BAB R 2/ 15077. 7 Vermerk RFM v. März 1940, BAB R 2/ 17849. 8 Dr. Gustav Wilhelm Koehler (13.9.1892 Straßburg - ? ): Jurist, ab 1930 im RWM tätig, dort 1935 MR, 1942 MD, Reichskommissar bei der Berliner Börse. 9 Schriftverkehr Wittkes mit den 5 Saarwerken und Siedersleben v. April 1940, RWWA 72-148-9. 275 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? Dreck, der eben noch aus dem Hochofen rausläuft« 10 , setzte den Vorstand in Kenntnis, dass aus dem badischen Erz nur ein minderwertiger Stahl herzustellen sei 11 und warnte davor, nach Vollendung des Neudinger Werks größere Mengen Vorschmelzeisen in den eigenen Hochöfen einzusetzen. Auch aus Kostengründen machte er sich für ein Alternativkonzept stark, das über die aktuellen Pläne zum Bau von Hochöfen auf der Baar weit hinausging. Seiner Meinung nach sollte dort ein integriertes Hüttenwerk mit eigenen Stahl- und Walzanlagen entstehen, das »auf Fertigprodukte arbeitet und als selbstständiger Wirtschaftskörper aufgezogen wird«, denn: »Wenn die Saarhütten gezwungen sind teuere Vorprodukte aus Neudingen weiter zu verarbeiten, so wird die dortige Überteuerung in unseren Selbstkosten verschwimmen und wir werden uns in der unangenehmen Lage sehen, den ganzen Mehraufwand zu tragen« 12 . Gödels Vorschlag stimmte mit Röchlings oft vorgetragener Vision eines integrierten Hüttenwerks auf der badischen Erzbasis überein, das nahe bei den süddeutschen Eisenverbrauchern lag und eine bessere Wirtschaftlichkeitsprognose besaß als ein reiner Zulieferbetrieb für die Saar. Otto Wolff hatte dieser Idee durchaus Sympathie entgegengebracht, doch bestimmte nach dessen Tod nun der skeptische Siedersleben den Kurs der Kölner Gruppe. Dieser lehnte den Plan Gödels, als dessen wahren Urheber er den DAG-Vorstand verdächtigte, brüsk ab und hielt Wittke dazu an, umgehend für die »Niederschlagung« 13 derartiger Erwägungen zu sorgen. Da sich Siedersleben im Besitz einer ministeriellen Zusage wähnte, wonach sich »die Erzeugnisse der Doggererz AG […] auf alle absehbare Dauer weiterhin einer Verbilligung durch öffentliche Mittel« 14 erfreuen könnten, dürfte er in Gödels Idee nicht nur keinen Nutzen erblickt, sondern nur den Nachteil gesehen haben, dass sich die Wolff-Gruppe bei seiner Verwirklichung finanziell noch stärker an das Doggererz band. Siedersleben nutzte Gödels Bericht aber dazu, Wittke gegenüber zahlreiche Einwände gegen die technischen Planungen in Neudingen zu erheben, die zwar allesamt nicht unberechtigt waren, aber doch wohl auch den Zweck verfolgten, den Baufortschritt zu verzögern, bis Klarheit über den Kriegsausgang herrschte. Wittke, der sich noch 1937 als entschiedener Gegner des Doggererz-Projekts profiliert hatte, nahm mittlerweile eine wesentlich konziliantere Haltung ein. Als DAG-Aufsichtsratsvorsitzender fühlte er sich dem Erfolg »seines« Unternehmens offenbar stark verpflichtet und versuchte wohl auch, die vakante Rolle Wolffs als respektierter Partner des RWM zu übernehmen. Die Position Siederslebens, der zufolge die Geschäftsgrundlage des Doggererz-Projekts darauf beruhe, dass von Hanneken den Werken eine zeitlich unbegrenzte Subventionszusage gegeben habe, hielt Wittke für abwegig. Zum Verdruss der Wolff-Gruppe hatte er dem RFM im Februar 1940 vielmehr erklärt, dass die Saar- 10 Bericht Gödel über seinen Besuch in Donaueschingen am 15./ 16.12.1939, StANK AD. An anderer Stelle urteilt Gödel: »Wenn man das Kind beim richtigen Namen nennt, so ist es Schrott von nicht gerade erster Qualität. Wie das Zeug den Hochofen verlässt, mit viel oder etwas weniger Schwefel, wie es klein geschlagen und an die Saar geschickt wird. Wir werden uns dann in die angenehme Lage versetzt sehen, diesen durchaus nicht einwandfreien Schrott zu einem Einstandspreis von Mk. 75,- bis 80,- zu verhütten«. Aktennotiz Gödel v. 23.10.1939, StANK AD. 11 Siedersleben an v. Kühlmann v. 19.5.1940, RWWA 72-153-7. 12 Vermerk Gödel v. 13.3.1940, StANK AD. 13 Siedersleben an Wittke v. 18.3.1940, RWWA 72-237-9. 14 Ebenda. 276 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung werke in der Lage sein müssten, bei normaler Belieferung mit Minette das in Blumberg vorgeschmolzene Eisen mit zu verhütten, »und zwar zu einem Preise, der die Selbstkosten von Blumberg deckt« 15 . Demgemäß beschied Wittke Siederslebens im März 1940 vorgetragene Einwände gegen die technischen Planungen abschlägig und hielt diesem vor, man könne zwar alle Fragen, die im Kompromisswege gelöst worden seien, nochmals aufrollen, doch komme man auf diese Weise nicht weiter und sitze »vielleicht Mitte 1940 immer noch da, wo wir voriges Jahr im Februar gehalten haben. Und das geht einfach nicht. Ich beabsichtige mich über alle Bedenken, die hier und da in technischer Hinsicht noch geltend gemacht werden, stur hinwegzusetzen und nunmehr dafür zu sorgen, dass die Aufträge […] unverzüglich herausgegeben werden« 16 . Da sich Siedersleben jedoch nicht abspeisen ließ, blieb Wittke am Ende nichts anderes übrig, als einer Erörterung der Thematik in der Technischen Kommission zuzustimmen. Gödel verfasste dafür eine neue Aktennotiz, die seine Idee zum Bau eines integrierten Hüttenwerks auf der Baar zwar nicht mehr enthielt, dafür aber eine alarmierende Warnung vor den Folgekosten des Doggererz-Projekts aufwies 17 , die von den Vertretern mehrerer Werke in der DAG-Aufsichtsratssitzung vom 15. Mai 1940 dazu genutzt wurde, den Bau des Vorschmelzwerks massiv in Frage zu stellen. Wittke warf daraufhin seinen Kollegen vor, er fühle sich gegenüber dem RFM desavouiert, wenn jetzt mehrere Werke die Überlebensfähigkeit der DAG bezweifelten, obwohl neue Umstände nicht eingetreten seien, doch hielt ihm der Burbacher Direktor Blass entgegen, ob, was auf die jüngsten militärischen Erfolge im Westen gemünzt war, denn »nicht die weltpolitische Entwicklung der allerletzten Zeit als ein solcher Umstand angesehen werden könne« 18 . Dank der Intervention anwesender Ministerialbeamter 19 verlief die Rebellion zwar im Sande, doch wertete man sie im RFM als ein alarmierendes Indiz dafür, die Werke könnten jetzt »bestrebt sein, sich von dem Vorhaben zurückzuziehen und dieses dem Reich zu überlassen« 20 . Tatsächlich sondierte Siedersleben nun gezielt die Chancen für einen Projektabbruch bei der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (WGE): Am 26. Mai 1940 führte er ein Gespräch mit deren Hauptgeschäftsführer Dr. Jakob Reichert und wurde sich mit diesem einig, dass im Falle einer Rückgliederung Lothringens sowie im Hinblick auf die Luxemburger Minette das Doggererz-Vorhaben »erheblich an Interesse verlieren müsse« 21 . Reichert hob seinerseits hervor, dass Deutschland nach einem Sieg über derart große Kapazitäten in der Eisen- und Stahlherstellung verfüge, dass sich die Frage stelle, wie diese langfristig auszufüllen seien. Siedersleben deutete vorsichtig eine 15 So Wittke lt. eigener Aussage in seinem Schreiben an Siedersleben v. 19.3.1940, RWWA 72-153-7. 16 Ebenda. 17 Gödel prognostizierte eine Kostenerhöhung von über 47 RM pro t Vorschmelzeisen und sagte voraus, man werde eines Tages sein »blaues Wunder« erleben. Vermerk Gödel v. 23.3.1940, RWWA 72-148-9. 18 Siedersleben an NE-Vorstand v. 16.5.1940, RWWA 72-237-9. 19 MR Schmitt betonte, dass »der Bau des Hüttenwerkes nach wie vor notwendig« sei, und Siedersleben musste auf Wunsch von MR Koehler eine Erklärung abgeben, wonach das NE am Gesamtprojekt festhalte, »solange es in Arbeit bleibe«. DAG-ARP v. 15.5.1940, BAB R 2/ 15077. 20 Vermerk RFM v. 10.6.1940, BAB R 2/ 15077. 21 Vermerk Dr. Reichard über das Gespräch am 26.5.1940, RWWA 72-153-8. 277 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? Verzögerungstaktik der Wolff-Gruppe bezüglich des Doggererz-Projekts an und meinte, dass man mit dem Bau des Vorschmelzwerks nicht überstürzt vorgehen sollte. b) Konträre Problemlösungsansätze der DAG-Spitzenfunktionäre Am 26. Juni 1940, einen Tag nach Inkrafttreten des deutsch-französischen Waffenstillstands, wurde Hermann Röchling vom Chef der lothringischen Zivilverwaltung, Josef Bürckel, zum Sonderbeauftragten ernannt, der die Eisenhütten in Lothringen und im Departement Meurthe-et Moselle in Obhut nehmen sollte. Eine gleichlautende Aufgabe erhielt Wittke von Bürckel für die Erzgruben 22 dieser Gebiete. Während Röchlings Auftrag von Hermann Göring bestätigt und er am 1. Juli 1940 zum Generalbeauftragten für Eisen und Stahl für die Hüttenwerke in Lothringen und Meurthe-et Moselle bestellt wurde, scheiterte die Ernennung Wittkes am Einspruch der Reichswerke Hermann Göring. Diese konnten die Bestellung ihres Vorstandsmitglieds Paul Raabe zum Generalbeauftragten für die Eisenerzgewinnung und Verteilung für die Gebiete Luxemburg und Lothringen durchsetzen 23 . Angesichts der »wunderbaren Erfolge der deutschen Waffen« 24 rechnete Siedersleben fest damit, dass die Saarwerke ihre Erzgrundlage aus der Zeit vor 1918 wieder zurückerhielten und vielleicht sogar das gesamte Minette-Erzbecken zu Deutschland kam. Auch in Dillingen gab es derartige Erwägungen 25 , doch stellte sich bald heraus, dass die Reichsregierung bis zum Abschluss eines Friedensvertrags mit Frankreich warten wollte, bis sie die Eigentumsverhältnisse in den eroberten Gebieten neu regelte 26 . Die alten Eigentümer schufen dennoch Fakten. Hermann Röchling setzte Dr. Hans Hardt, den Generalsekretär 22 Bergassessor Robert Schmidt an Siedersleben v. 4.7.1940, RWWA 72-217-17. 23 Dazu: Herrmann, Röchling, S. 411, Bähr, Flick-Konzern, S. 826 und Eichholtz, Kriegswirtschaft, I S. 193 ff. Bei den Saarwerken wurden diese und andere politische Entscheidungen als Zurücksetzung der Saar hinter der Ruhr und anderen Gruppen der Eisen schaffenden Wirtschaft hart kritisiert. So monierte Siedersleben ein Votum, das der WGE-Vorsitzende Ernst Poensgen Ende Juli 1940 gegenüber dem RWM zu der Frage abgegeben hatte, wie die künftigen Besitzverhältnisse der Minettefelder und Hüttenwerke in den eroberten Gebieten zu regeln seien. Poensgen hatte empfohlen, den Hüttenwerken an der Saar, in Lothringen und in Luxemburg Minettefelder in einem Umfang zuzuteilen, der für einen Produktionszeitraum von 75 Jahren reiche und die übrigen Vorräte der sonstigen großdeutschen Eisenindustrie zu geben. Der Plan begünstigte die Ruhrindustrie und die Reichswerke, die in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten erhöht hatten und benachteiligte die Saarindustrie, deren Investitionspläne an den militärstrategisch begründeten Einsprüchen der Reichsbehörden vielfach gescheitert waren. Daher lehnte es Siedersleben entschieden ab, dass »der Umfang der jetzt vorhandenen Hochöfen über die künftige Minetteerzgrundlage entscheiden« sollte und befand, es sei ungerecht, wenn sich »diese Folge der Kriegsvorbereitung und des Krieges selbst« zu Lasten der Saarwerke auswirke (Siedersleben an NE-Vorstand v. 29.7. 1940, RWWA 72-217-17). Um ein Gegengewicht zur Konkurrenz im Kampf um die lothringische Minette zu bilden, erwogen die Saarindustriellen im Sommer 1940, der DAG den künftigen Grubenbesitz der Saarwerke in Lothringen zu übertragen und sich so eine wirksame Interessenvertretung zu verschaffen. Aktenbefund StAF V 500/ 1-12, RWWA 72-153-8 und 72-217-17. 24 Siedersleben an Wittke v. 28.6.1940, RWWA 72-148-9. 25 Vermerk über die Besprechung Kurt Böcking/ Otto Poensgen/ Emil Schubert am 15.6.1940, FADH Nr. 144. 26 Vermerk Reichard v. 2.7.1940, RWWA 72-217-17. 278 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung des NE, als Kommissar zur Betreuung der Eisenhütte in Ückingen 27 ein und sandte eigenmächtig eine Völklinger Führungskraft nach Algringen, um dort seine früheren Betriebe zu übernehmen, was bei den überrumpelten Bergbehörden auf massive Kritik stieß 28 . Aus der »wesentlich veränderten Lage« ergab sich für Siedersleben die logische Konsequenz, dass sich die Saarhütten künftig nicht mehr »in der Lage sehen werden, in dem während des Frühjahres und Sommers 1939 vorausgesetzten Sinne langfristige Abnahmeverpflichtungen für hohe Mengen Doggererz gegenüber der Doggererz AG einzugehen« 29 . Zudem schien dem Wolff-Teilhaber die Zeit reif, über ein Baumoratorium in Neudingen zu sprechen. Daher forderte er den zur Kur in Marienbad weilenden Wittke am 28. Juni 1940 auf, eine interne Sitzung ohne Teilnahme von Regierungsvertretern unter den Saarwerken einzuberufen. Die Initiative diente erkennbar der Absicht, einen Ausstiegsbeschluss aus dem Doggererz-Projekt herbeizuführen. Vier Tage später konnte sich Siedersleben mit Röchling besprechen, der wegen seines Auftrags kaum mehr in der Lage war, in den DAG- Gremien Präsenz zu zeigen. Dieser berichtete in den Verhandlungen, die am 2. und 3. Juli über eine zügige Betriebsaufnahme der lothringischen Gruben und Eisenhütten im Saarland stattfanden, über die Ergebnisse seiner kurz zuvor unternommenen Inspektionsreise nach Westen. Dabei zeigte sich, dass Röchlings Begeisterung für das Doggererz merklich abgeklungen war. Um den Betrieb in den Minettegruben zu organisieren und den nationalsozialistischen Machtanspruch in den eroberten Gebieten personell zu untermauern 30 , plante er eine größere Zahl Blumberger Bergarbeiter nach Lothringen abzuordnen, wo er eine »fast völlige Menschenleere« 31 vorgefunden haben wollte. Dennoch gedachte Röchling das Doggererz-Projekt nicht zu beenden, sondern er hob hervor, dass von Hanneken eine Woche zuvor erneut entschieden habe, das Vorhaben fortzusetzen. Dies beruhe auf einer Weisung Hitlers und könne nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus geändert werden. Zwar stimmte Röchling Siedersleben zu, dass die bislang geplante Fördersteigerung auf 3,6 Mio. t nicht mehr aktuell sei und man auf eine geringere Menge zurückgehen müsse, doch bleibe gerade deshalb die Notwendigkeit zur Errichtung des Neudinger Hüttenwerks in der vorgesehenen Größe bestehen, das, in Abweichung vom ursprünglichen Plan, nicht nur ein Vorschmelzwerk, sondern ein voll ausgebautes Hütten- und Walzwerk sein müsse. Sonst könne man trotz der jetzt wieder offenen Transportwege durch Elsass-Lothringen dessen Lebensfähigkeit nicht gewährleisten. 27 So stritten das NE und die Stummgruppe im Juli 1940 intensiv über ihre Ansprüche auf das Hochofenwerk und die Erzgruben in Ückingen. Gleichzeitig bewertete die Deutsche Bank bereits die Ückinger Vermögenswerte für das NE. Aktenbefund RWWA 72-146-6, 72-217-17 und 72-288-2. 28 Bergassessor Robert Schmidt an Siedersleben v. 4.7.1940, RWWA 72-217-17. 29 Siedersleben an Wittke v. 28.6.1940, RWWA 72-148-9. 30 »Das allerwichtigste Problem sei, wo bekommen wir die Menschen her? […] Wie der Führer für die Besiedelung des Ostens gesorgt habe, müsse dies auch für den Westen geschehen. Der Herrschaftsanspruch bedinge, dass die Menschen dazu da sind, die diesen Herrschaftsanspruch effektiv machen. Eine einheitliche Führung werde auch hier die Lösung bringen«. H. Röchling lt. Protokoll Ferngasbesprechung v. 22.7.1940, HStASt E 151/ 41-916. 31 Vermerk Siedersleben über die Verhandlungen v. 2./ 3.7.1940, RWWA 72-153-8. H. Röchling meinte, dass die Leistungen je Mann und Schicht in den Minettegruben um 56 % höher ausfielen als in Blumberg. Zwar würden sich diese Differenzen vermindern, weil man den Arbeiterstamm in Lothringen nicht halten könne, doch bleibe der Abbau von Minette immer noch günstiger, weil diese 33 % Eisen enthalte, das Doggererz aber nur 20 %. 279 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? Am 10. Juli 1940 suchte Siedersleben Ministerialrat Schmitt im RWM auf und fand Röchlings Aussage bestätigt, wonach man in Berlin am Doggererz-Projekt festhielt. Schmitt bat darum, dass sich die Werke einheitlich zur unveränderten Ausführung der bisher gefassten Beschlüsse bereitfänden und sah absolut keinen Grund, aus dem sich eine veränderte Lage, insbesondere eine Einstellung des Hüttenwerkbaus ergeben könne. Selbst die von Röchling gewollte Abgabe Blumberger Bergarbeiter nach Lothringen lehnte Schmitt ab. Allerdings deutete er das Ende staatlicher Subventionen für die Saarwerke an, die, »nachdem jetzt die hauptsächlichen Rohstoffprobleme für die Eisen schaffende Industrie in so günstiger Weise gelöst seien, wirtschaftlich in den Stand kommen, das Doggererz-Vorhaben gemeinsam mit dem Reiche angemessen zu tragen« 32 . Just an diesem Tage meldete sich der DAG-Vorstand zu Wort. Diesem dürfte klar gewesen sein, dass die Wiedergewinnung der lothringischen Erzbasis einen verstärkenden Einfluss auf die Unrentabilität des ganzen Doggererz-Projekts haben würde 33 . Bei realistischer Betrachtung musste damit gerechnet werden, dass die DAG-Gesellschafter eines Tages nicht mehr bereit waren, den chronisch hohen Zuschussbedarf für den Betrieb des Vorschmelzwerks in Form von staatlichen Subventionen oder in Form von kostendeckenden Preisen zu tragen. Aus der stets drohenden Liquidationsgefahr ergab sich für den Vorstand eine andere Perspektive 34 , als sie der Aufsichtsrat hatte. Dies galt insbesondere für Dr. Rudolph Gerlach, der innerhalb des DAG-Vorstands für den Hüttenbau zuständig war. Gerlach hatte bis Ende 1939 als Dezernatsleiter bei der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (RWA) gearbeitet und konnte sich als Vertreter des Reichs im dreiköpfigen DAG-Vorstand fühlen. Der Aktenlage nach zu urteilen, dürfte er eine weitaus geringere Loyalitätsverpflichtung gegenüber den Saarwerken empfunden 35 haben als gegenüber seiner früheren Behörde. Letztere hatte im Dezember 1939 einen starken Machtzuwachs erfahren, der daraus resultierte, dass der einflussreiche Chemiker Dr. Carl Krauch, eine »Schlüsselfigur d[er] Verflechtung von NS-Staat u[nd] IG-Farben« 36 , den farblosen Albrecht Czimatis als Leiter der RWA abgelöst hatte 37 . Zugleich war die bisherige Reichsstelle in ein Reichsamt umgebildet worden, das formal zwar immer noch dem RWM unterstand, dessen Spitze sich aber als »reichsunmittelbar« 38 empfand und dementsprechend 32 Siedersleben an NE-Vorstand über sein Gespräch mit Schmitt am 10.7.1940, RWWA 72-146-6. 33 Der von Röchling in Ückingen eingesetzte Kommissar Dr. Hardt ermittelte im Juli 1940 einen Reingewinn von 2 RM je t Minetteerz, die Norloron an das NE geliefert hatte, was ein Maß für künftige Kostenreduktionen war, sollte das NE seine Minettegruben zurückerhalten. Vermerk Hardt v. 28.7.1940, RWWA 72-217-17. 34 So hatte Ernst Poensgen, der Vorsitzende der WGE, im Juni 1940 am Rande einer Sitzung bemerkt, dass er sich den Bau des Vorschmelzwerks dann nicht mehr vorstellen könne, wenn im Verhältnis zur luxemburgisch-französischen Minette grundsätzlich veränderte Bezugsverhältnisse eintreten sollten. Siedersleben gab diese Äußerung kommentarlos an Gerlach weiter, der sie als einen dezenten Hinweis auffassen durfte, dass sich bald Grundlegendes ändern würde. Siedersleben an Gerlach v. 9.6.1940, RWWA 72-153-8. 35 So meinte Gerlach, es könne zwar nicht in Abrede gestellt werden, dass eine Hütte am Standort Kehl den Saarwerken »den Rang ablaufen könnte«, doch »dürften derartige privatwirtschaftliche Bedenken heute nicht mehr ausschlaggebend sein«. Gerlach an einen ungenannten Ministerialrat v. Sept. 1940, StAF V 500/ 3-13. 36 Weiß, Lexikon, S.277. 37 Hermann Göring an Reichsminister v. 5.12.1939, BAB R 3101/ 30590. 38 So die Einschätzung Speers lt. Eichholtz, Kriegswirtschaft, I S. 111. Siehe auch: Zumpe, Wirtschaft, S. 320. 280 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung machtbewusst agierte. Beide, Gerlach und Krauch, trieben in den folgenden Monaten die Saarwerke und das RWM vor sich her. Gerlach zog am 10. Juli 1940 die Konsequenzen aus den veränderten geopolitischen Fakten und den hohen Tarifforderungen der Reichsbahn. In einem internen Vermerk stellte er den bislang geplanten Hüttenstandort Neudingen in Frage und brachte einen neuen, wesentlich frachtgünstiger gelegenen Standort am Rhein ins Spiel, der bei Kehl oder Waldshut liegen mochte. Um die bisher einkalkulierten Betriebsverluste des Werks zu vermeiden, sollte dessen Rohstoffversorgung nicht mehr allein auf dem Doggererz basieren, sondern auf den Einsatz von Minette und von anderen Erzen ausgeweitet werden. Gerlach argumentierte: »Es wäre möglich in einem Werk bei Kehl die Verarbeitung nicht nur der Doggererze bei Blumberg, sonder[n] auch die Oberrheintal-Erze und die im Fricktal anfallenden Schweizer Doggererze gemeinsam zu verarbeiten und zwar infolge der günstigen Lage des Werkes und der Möglichkeit der Heranziehung eines Anteils von Minetten unter Verhältnissen, die eine wesentliche [! ] schnellere Erreichung der Wirtschaftlichkeit des Werkes ermöglichen würden, wie es bei dem Standort Neudingen der Fall sein könnte« 39 . Besondere Frachtvorteile ergaben sich daraus, dass die Hütte ihre Kohle und Minette mit dem Binnenschiff beziehen konnte, weil der Rhein über den Rhein-Marne-Kanal und über den Saar-Kohlen-Kanal mit den Schwerindustriezentren in Lothringen und im Saargebiet verbunden war. Das Konzept eröffnete die Möglichkeit, dem Hochofenmöller kalkige Minette als Ausgleich für das saure Doggererz zuzuschlagen, was die Verhüttungskosten stark senkte. Gerlach fasste den Kern seiner Idee später mit dem einprägsamen Satz zusammen, die Minette sei gewissermaßen der Ersatz für die in Neudingen erforderlichen laufenden Staatszuschüsse 40 . Konsequent zu Ende gedacht, lief sein Konzept auf Gödels und Röchlings Vorschlag zum Bau eines integrierten Hüttenwerks hinaus, nur eben nicht in Neudingen, sondern an einem wesentlich attraktiveren Standort. Man wird vermuten dürfen, dass sich Gerlach in dieser Frage mit Röchling abgesprochen hatte. Gerlachs Konzept setzte sich rasch innerhalb des Vorstands durch. Auch Bornitz bekannte sich zu den Vorteilen eines Standortwechsels und plädierte für Kehl 41 , forderte aber, dass in Blumberg eine Tagesförderung von 6.000 t erhalten bleiben müsse 42 . Die Standortalternative Waldshut schied im Zuge der weiteren Prüfung bald wieder aus. Gerlach dürfte seinen Vermerk vom 10. Juli sofort an Krauch gesandt haben, denn dieser bat von Hanneken zwei Tage später, die Standortfrage für das Vorschmelzwerk neu aufzurol- 39 Vermerk Gerlach v. 10.7.1940, StAF V 500/ 3-13. 40 Undat. Ausarbeitung Gerlach (Jan. 1941), BAB R 113/ 1404. 41 Vermerk Bornitz v. 18.7.1940, StAF V 500/ 3-13. Die mögliche Standortverlagerung löste in Blumberg große Besorgnis über die Zukunft des Bergwerks aus. Bornitz beruhigte Bürgermeister Schmid mit der Nachricht, dass man die Erzförderung hier aufrecht erhalten wolle, aber aus wirtschaftlichen Gründen auf die Zuteilung von Minette angewiesen sei. Schmid forderte deshalb das BMI nachdrücklich auf, sich für die Zuteilung der nötigen Minettemengen an die DAG einzusetzen. BMA Blumberg (Schmid) an BMI v. 12.8.1940, GLA 478/ 14. 42 1944 behauptete Bornitz dagegen, stets gegen einen Standortwechsel nach Kehl eingetreten zu sein. Bornitz an Landschütz v. 2.10.1944, LGRB 10 A/ 85. 281 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? Abb. 66: Der im Sommer 1940 von DAG-Hüttenbauvorstand Rudolph Gerlach erstellte Vergleich der beiden alternativen Hüttenstandorte Neudingen und Kehl fiel wegen der günstigeren Transportbedingungen zugunsten Kehls aus. Bild: Bundesarchiv Berlin. 282 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung len 43 . Im RWM ignorierte man den Brief wochenlang, denn hier besaß man kein Interesse an einem Paradigmenwechsel, der aus dem Felde rüstungspolitischer Erwägungen hinaus- und in die Verantwortlichkeit eines nach ökonomischen Kriterien agierenden Vorstands hineinführte, der einen verkehrsgünstigen Standort am Rhein wohl nur dazu nutzen würde, sich schrittweise aus der Verhüttung von Doggererzen zurückzuziehen, um am Ende - ganz nach dem Vorbild der Werke an Rhein, Ruhr und Saar überwiegend Minette- oder schwedische Erze zu verarbeiten. Eine Alternative dazu zu schaffen, war von Hanneken ja gerade angetreten. Ende Juli 1940 fertigte Gerlach ein Memorandum 44 für den DAG-Aufsichtsrat an, in dem er die Standortalternative Kehl mit Neudingen verglich und realistische Bahnfrachtsätze für Kohle und Eisen annahm. Diese lagen deutlich über jenen 0,525 Pfg. je tkm, die zwar unbestrittene Geschäftsgrundlage der Vereinbarung zwischen den Saarwerken und dem RWM gewesen waren, tatsächlich aber eine illusionäre Hoffnung darstellten. Das Papier wies zahlreiche Vorteile für Kehl 45 aus und forderte den DAG-Aufsichtsrat zu einer raschen Standortentscheidung auf. Mit seiner Stoßrichtung durchkreuzte es erkennbar die Absicht der Wolff-Gruppe, das Projekt rasch zu beenden. c) Notdürftig überbrückte Gegensätze: die Beschlüsse der Saarwerke vom Juli 1940 Die von Siedersleben geforderte Besprechung der Saarindustriellen über ihre künftige Strategie in Sachen Doggererz fand am 26. Juli 1940 in der Berliner Wolff-Niederlassung statt. Allerdings fehlte ihr der vertrauliche Charakter, da Ministerialrat Schmitt vom RWM daran teilnahm 46 . Zu entscheiden war über drei Kernthemen. Es waren dies: • das Schicksal der DAG und die Standortfrage für das Hüttenwerk, • die noch ausstehende DAG-Kapitalerhöhung um 48 Mio. auf 50 Mio. RM und • die Erzversorgung der bald wieder anlaufenden Saarwerke. Wittke leitete die Sitzung mit der abwehrend gemeinten Feststellung ein, der Standort Kehl bedeute am Ende den Aufbau einer sechsten Saarhütte und hob hervor, dass auch von Hanneken ein Werk am Rhein ablehne, da er die Ansicht vertrete, wenn man das Erz nach Kehl fahre, dann könne man es auch bis an die Saar weiterfahren. Die nachfolgende Diskussion verlief äußerst kontrovers. Röchling sah eine Minette-Knappheit und steigende Abbaukosten in den lothringischen Gruben voraus, die dem wachsenden deutschen Eisenbedarf nicht gerecht werden könnten, weshalb man am Doggererz unbedingt festhalten und ein spezi- 43 Dies ergibt sich aus einem Schreiben Krauchs an von Hanneken v. 23.8.1940, BAB R 2/ 17849. 44 Das Papier »Standortvergleich […]« in der Fassung v. 1.8.1940 ist archiviert in: BAB R 113/ 1404. 45 Dies betraf die Faktoren: Frachtkosten, Klima, Wasserversorgung, Strom- und Gasabsatz, Arbeitskosten, Personalbeschaffung und Wohnungsbau. 46 Teilnehmer: Wittke (Dillinger Hütte), Nohl (Burbacher Hütte), H. Röchling (RESW), Siedersleben (NE), Wieland (Halbergerhütte); vom DAG-Vorstand: W. Berger, Gerlach und Bornitz sowie MR Schmitt (RWM) als Gast. 283 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? elles Hüttenwerk dafür bauen müsse, denn wenn das Erz an der Saar mit verhüttet werde, dann stünden in sechs Jahren »nur noch Ruinen in Blumberg« 47 . Aus Gründen der Rentabilität plädiere er für Kehl. Ministerialrat Schmitt hielt sich in der Standortfrage zurück, gab Röchling aber darin recht, dass eine dauerhafte Verhüttung des Doggererzes nur in einem speziellen Vorschmelzwerk sichergestellt werden könne. Alle anderen Hochöfen, insbesondere die an der Saar, würden das Erz ja früher oder später doch ablehnen. Siedersleben fuhr strikten Gegenkurs zu seinen Vorrednern und stellte sich auf den Standpunkt, dass bei einer künftigen deutschen Rohstahlerzeugung von 45 Mio. t weder eine Knappheit an Hochöfen noch an Erz zu erwarten sei. Röchling und Schmitt hielt er entgegen, ihre Argumentation lasse nur den Schluss zu, dass »eben in Wirklichkeit die Doggererz-Verhüttung nach der Eröffnung der Minette-Grundlage überall nur unter Zwang vor sich gehen werde, sowohl in Kehl wie auch an der Saar oder sonst wo« 48 . Da jetzt wieder genügend Minette zur Verfügung stehe und das frühere Bedürfnis der Saarhütten, über das Doggererz eine zusätzliche Beschäftigung zu bekommen, nicht mehr existiere, könnten die Werke an »solchen Sonderwegen« nicht länger festhalten und müssten »bei privatwirtschaftlicher Betrachtung nur für sofortige Einstellung des Doggererzvorhabens eintreten« 49 . Dies bedeute ja keineswegs, dass aus den Blumberger Produktionsanlagen zwingend Ruinen werden müssten, denn dort könne auch ein Schattenbetrieb, der Rohstoffreserven für Notzeiten anlege, erhalten bleiben. Wenn die Reichsregierung aus Gründen der Staats- und Wirtschaftspolitik die Fortsetzung des Projekts anordne, dann werde man daran mitarbeiten, verlange aber, dass die Lasten nicht mehr allein auf die Saarwerke, sondern auf die gesamte deutsche Industrie oder wenigstens auf die lothringische und luxemburgische Eisenindustrie umgelegt würden. Siedersleben traf damit auf Zustimmung bei Nohl 50 (Burbacher Hütte), der gegen den Standort Kehl Stellung bezog, weil er eine unliebsame Konkurrenz für die Saarwerke darstelle. Allerdings meinte Wieland von der Halbergerhütte, dass man zu prüfen habe, welches der billigste Platz sei, und auf diesen billigsten Platz müsse man unter allen Umständen gehen 51 . Am Ende siegten die Gegner Kehls: Der Aufsichtsrat forderte den DAG- Vorstand auf, seine Tarifverhandlungen mit der Reichsbahn fortzusetzen und wollte im Falle des Scheiterns dieser Gespräche von Hanneken vor die Wahl stellen, entweder den gewünschten Frachtsatz für Kohle und Eisen auf dem Amtswege durchzusetzen oder aber die Preisgabe des Werksstandorts Neudingen hinzunehmen. Allerdings gab es schon bei der Frage, was im letzteren Fall anschließend geschehen sollte, erhebliche Differenzen: Während Wittke glaubte, das Werk werde dann wohl in Kehl realisiert, mochte sich Siedersleben nur vorstellen, dass dann »vielleicht« Kehl in Frage käme, »vielleicht müssten noch weitergehende Folgerungen inbezug auf Abstandnahme von dem Vorschmelzwerks- Vorhaben gezogen werden« 52 . 47 Protokoll Saarhüttenbesprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-148-9. 48 Bericht Siedersleben an den NE-Vorstand über die Besprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-153-8. 49 Siedersleben an Wittke v. 12.8.1940 (Protokollrüge Sitzung v. 26.7.1940), RWWA 72-148-9. 50 Nohl an Wittke v. 21.8.1940, RWWA 72-153-8. 51 Protokoll Saarhüttenbesprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-148-9. 52 Bericht Siedersleben an den NE-Vorstand über die Besprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-153-8. Unterstreich. im Orig. 284 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Als strittig erwies sich auch das Thema Kapitalerhöhung der DAG, zu der die Werke noch 23 Mio. RM beitragen mussten. Ein Bericht der Deutschen Revisions- und Treuhand AG 53 hatte im Juni bestätigt, dass sie mit ihrer Doggererz-Bergbau GmbH einen Sachwert von 17,2 Mio. RM einbringen konnten, was eher das Resultat von Verhandlungen mit dem RWM als das Ergebnis einer echten Bewertung gewesen war. Der Wille zur Aufbringung der restlichen 5,8 Mio RM war nicht groß. Die Vertreter der stillliegenden Saarwerke beklagten, dass ihre Entschädigungsansprüche vom Staat abgelehnt und sie zur Finanzierung der Wiederanlaufkosten auf den Kreditweg verwiesen worden seien, was »eine unerträgliche Verschuldung der Saarhütten zur Folge« 54 habe. Da sie damit rechneten, bald hohe Zahlungen für den Erwerb und die Modernisierung der lothringischen Gruben und Hütten aufbringen zu müssen, hatte Siedersleben, dem aus taktischen Gründen an einer Zusage aller Werke gelegen war, große Mühe, Röchling zu irgendeiner Konzession zu bewegen. Nach einer kontrovers geführten Diskussion beschlossen die Industriellen, sich an der Kapitalerhöhung für die DAG zwar zu beteiligen, verknüpften sie aber mit einer befriedigenden Regelung der Entschädigungsfrage durch das Reich. Das dritte Thema bildete die Rohstoffversorgung der wieder anlaufenden Saarwerke, die seit der Ernennung des Reichswerke-Managers Paul Raabe zum Generalbeauftragten für die lothringische und luxemburgische Eisenerzgewinnung teilweise in den Händen der Konkurrenz lag. Weil ihr eigener Erzabbaubetrieb auf der Baar, die DAG, schwere Absatzprobleme hatte und seine stetig wachsenden Abbaukapazitäten weitgehend ungenutzt blieben, befürchteten die Saarwerke, dass ihnen das RWM das teure Doggererz zwangsweise verordnen und die kostengünstige Minette ihren Konkurrenten an Rhein und Ruhr oder in Salzgitter zuteilen würde. Um diese Gefahr zu bannen, erklärten sich die DAG-Gesellschafter für außerstande, die Wiederinbetriebnahme ihrer Hüttenwerke »auf Doggererz-Grundlage durchzuführen« und betonten, dass »es weder den Saarhütten zugemutet noch als volkswirtschaftlich vertretbar angesehen werden könnte, Lothringer Minette demnächst an der Saar vorbei zur Ruhr oder sonstigen entfernteren Eisenhütten zu fahren, während Doggererz von Blumberg nach der Saar versandt wird« 55 . Ministerialrat Schmitt teilte den Standpunkt. In seinem Bericht 56 an den NE-Vorstand wertete Siedersleben das Treffen als großen Erfolg, weil es eine einheitliche Vorgehensweise der fünf Saarwerke sicherstelle, und zwar hinsichtlich: • der Kapitalerhöhung für die DAG, • des Festhaltens an dem mühsam zustande gebrachten Neudingen-Plan, • der Erkenntnis, dass in einer Zeit der Verfügung über hinreichende Minettemengen keine privatwirtschaftliche Berechtigung mehr zu den Doggererzplänen existiere, 53 Bericht Nr. 13707 v. 8.6.1940 bezifferte das Reinvermögen der DBG auf 12,552 Mio. RM. Zusammen mit den von 1936 bis 1938 entstandenen Anlauf- und Verfahrensentwicklungskosten in Höhe von 4,696 Mio. RM ergab sich ein Sachwert von 17,248 Mio. RM, den die Saarwerke in die DAG einbringen konnten. RWWA 72-146-6. 54 Bericht Siedersleben an den NE-Vorstand über die Besprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-153-8. 55 Bericht Siedersleben an den NE-Vorstand über die Besprechung v. 26.7.1940, RWWA 72-153-8. 56 Ebenda. 285 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? • der Durchsetzung des Anspruchs auf eine ausreichende Minetteversorgung der Saar, und zwar unabhängig von den gleichgerichteten Wünschen anderer Gruppen der Eisenwirtschaft, • der Notwendigkeit, die Saar für einen Teil der nicht eingelösten Saarrückgliederungszusagen schadlos zu halten, was sich insbesondere gegen die Ruhr wende und • der Erfordernis, auch künftig in gemeinsamen Belangen einheitlich vorzugehen. Es zeigte sich allerdings rasch, dass jeglicher Optimismus unangebracht war. So glättete Wittke das Sitzungsprotokoll derart stark, dass sich Siedersleben veranlasst sah, seine eigene Position in einer ausführlichen Protokollrüge 57 klarzustellen, die er an alle Sitzungsteilnehmer sandte. Zudem rückten Röchling, die Burbacher und die Halbergerhütte von ihrer Zusage rasch wieder ab, ihre künftigen Entschädigungseinnahmen in eine Kapitalerhöhung der DAG einzubringen. Der völlig verärgerte Wittke versuchte vergeblich, die renitenten Werke mit einer Drohung zur Räson zu bringen, wonach von Hanneken ein Scheitern der Kapitalerhöhung damit beantworten wolle, »dass dann die Reichswerke Hermann Göring unsere Nachfolger werden. Dann haben wir die letzten Jahre nicht nur umsonst gearbeitet, sondern büssen auch alle bisher geleisteten Zahlungen ein« 58 . Das RWM reagierte auf die blockierte Kapitalerhöhung, indem es seine Vorauszahlungen an die DAG drosselte, aus denen die Anlagenbestellungen für das Vorschmelzwerk und für den Grubenausbau finanziert wurden. Die DAG geriet dadurch in erhebliche Probleme: Einerseits verweigerten ihre Gesellschafter eine Kapitalerhöhung, andererseits ging der Vorstand finanzielle Verpflichtungen ein, die in einem krassen Missverhältnis zu den vorhandenen Mitteln standen. Bereits Mitte August 1940 beliefen sich die Verbindlichkeiten der DAG auf 20,3 Mio. RM, wovon 3 Mio. RM bis Ende September fällig waren, aber nicht aufgebracht werden konnten. DAG-Finanzvorstand Berger klagte gegenüber Wittke, »daß wir in ernste Schwierigkeiten kommen, wenn uns nicht in den nächsten Tagen ein grösserer Geldbetrag zugeht« 59 . Auch die Umsatzprognosen des Unternehmens hatten sich stark verschlechtert. Als Folge der Aufsichtsratsentscheidung vom 26. Juli blieb es der DAG für längere Zeit verwehrt, ihren geringen Absatz an die Saar so zu steigern, dass eine betriebswirtschaftlich rentable Mindestförderung von 150.000 t zusammenkam. Der Vorstand musste daher im August 1940 eine Personalreduktion und ein Kostensparprogramm 60 in Kraft setzen. Der DAG-Aufsichtsrat stand dem Schicksal seines Unternehmens mit kühler Distanz gegenüber, hatte doch Siedersleben am 26. Juli erklärt, die Blumberger Erzförderung werde bis zur Fertigstellung des Vorschmelzwerks in derart »unerträglich großem Umfang unabsetzbar bleiben«, dass sich das »Doggererz-Vorhaben in der vorgesehenen Größenordnung binnen nicht zu ferner Monate als undurchführbar« 61 erweisen müsse. 57 Siedersleben an Wittke v. 12.8.1940 (Protokollrüge betr. Sitzung v. 26.7.1940), RWWA 72-148-9. 58 Wittke an Saarwerke v. 27.8.1940, RWWA 72-153-8. 59 DAG (W. Berger) an Wittke v. 16.8.1940, Archiv Prillwitz. 60 DAG-MB August 1940, StAF V 500/ 1. 61 Siedersleben an Wittke v. 12.8.1940 (Protokollrüge betr. Sitzung v. 26.7.1940), RWWA 72-148-9. 286 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung d) Projektfortsetzung: der faule Kompromiss vom Dezember 1940 Angesichts der grundsätzlich veränderten Lage im Westen wollte das RFM Mitte 1940 die DAG liquidieren, was auch den Plänen der Bergabteilung im RWM entsprach 62 . Von Hanneken dagegen entschied sich für eine Projektfortsetzung, hatte aber massive Probleme, eine einleuchtende Begründung dafür zu finden, warum er trotz des riesigen Kapazitätsgewinns im Bergbau- und Verhüttungsbereich weiterhin am Bau des Neudinger Werks und an einer Doggererzförderung von 2,5 Mio. t pro Jahr festhalten wollte. Am Ende fand sich dann im nächsten Krieg gegen Frankreich eine notdürftige Argumentationsgrundlage 63 . Furcht vor dem Aufbau von Überkapazitäten besaß von Hanneken offenkundig nicht. Dem RFM erklärte er: »Die großen Friedensaufgaben, welche der Ausbau des deutschen Wirtschaftsraumes und die mit der Neuordnung Europas verbundenen wirtschaftlichen Verpflichtungen Deutschlands gegenüber dem übrigen Europa und den anderen Erdteilen mit sich bringen, sichern der deutschen Eisenindustrie weiterhin die Beschäftigung« 64 . Im RFM erzielte von Hanneken wenig Eindruck. Ministerialdirigent Nasse hielt fest, man habe dem Vorhaben seinerzeit nur zugestimmt, weil die deutsche Erzversorgung für einen kommenden Krieg sichergestellt werden musste. Nun aber habe sich die Lage völlig geändert. Eine Projektfortsetzung sei nur dann zu begründen, wenn entweder die deutsche Industrie im kommenden Frieden auf das schlechte Doggererz angewiesen sei oder aber ein neuer Krieg demnächst zu einer Einfuhrblockade führe. »Beides ist wenig wahrscheinlich« 65 . Nasse fürchtete, die DAG werde sich zu einem Fass ohne Boden entwickeln und den Staat auf lange Zeit hinaus jährliche Subventionslasten von 8 bis 10 Mio. RM aufbürden, wenn es dem RWM nicht gelinge, die Saarwerke zu zwingen, Vorschmelzeisen und Doggererz zu kostendeckenden Preisen abzunehmen. Der Reichsfinanzminister teilte Nasses Bedenken zunächst. In einem Schreiben an Staatssekretär Landfried vom RWM wies Schwerin von Krosigk von Hannekens Argumente zurück 66 und forderte eine Einstellung des Projekts, mindestens aber eine Verringerung der öffentlichen Belastung. Eine Entscheidung sollte in einem persönlichen Gespräch zwischen Schwerin von Krosigk und Landfried getroffen werden, das am 8. Oktober 1940 stattfand und mit einem glatten Sieg Landfrieds endete. Letzterer unterlief Nasses Bedenken 62 So rückblickend MR Stahl lt. Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 22.4.1942, RWWA 72-154-1. 63 So räumte von Hanneken zwar ein, dass sich die bisherige deutsche Roheisenerzeugung von 18 Mio. t durch die Einbeziehung von Luxemburg und Lothringen um bis zu 9,5 Mio. t erhöht habe, doch sei »dieser außerordentliche Zuwachs an Erzeugung, die ganz auf eigener Erzgrundlage steht, […] im Kriegsfall sehr gefährdet, da sowohl die Rohstofflager als auch die Erzeugungsanlagen in unmittelbarem Grenzgebiet liegen und jeder feindlichen Einwirkung ausgesetzt sind«. RWM (v. Hanneken) an RFM v. 19.8.1940, LGRB 10 A/ 114. 64 Ebenda. 65 Vermerk RFM v. Sept. 1940 BAB R 2/ 17849. 66 RFM (Schwerin v. Krosigk) an Landfried v. Sept. 1940, BAB R 2/ 17849. Das RFM führte an, die Minettevorräte reichten noch über 50 Jahre, so dass keine Notwendigkeit bestehe, in Blumberg »das schlechteste und damit teuerste deutsche Erz« abzubauen. Der Baar drohe im Kriegsfall die gleiche Luftgefahr wie dem Minettegebiet. Zudem führe die »Verlagerung der standortgebundenen Industrie nach dem Inneren Deutschlands zu einer Verelendung der Grenzlande«. Insgesamt halte man es »nicht für vertretbar, daß so große Vorhaben ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit ausschließlich zu Lasten des Reiches geplant und durchgeführt werden«. 287 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? vor einer endlosen Subventionierung der DAG mit der Zusicherung, man werde das Vorschmelzeisen nötigenfalls »durch Zwang unterbringen« 67 , wenn die Preisverhandlungen mit den Saarwerken scheitern sollten. Da Nasse und sein Mitarbeiter Heinrich Müller wohl wenig Rückhalt von ihrem eigenen Minister verspürten, stellten sie ihren Widerstand gegen das Projekt nun notgedrungen ein. Der erkennbare Unwillen des RFM gegenüber einer dauerhaften Belastung des Reichshaushalts schlug sich in einer deutlich härteren Gangart des RWM gegenüber den Saarhütten nieder. In mehreren Gesprächen, die Wittke zum Teil als »ungewöhnlich ernst« 68 empfand, wurde er aufgefordert, bindende Erklärungen der Werke einzuholen, denen zufolge sie: • bis zur Inbetriebnahme des Vorschmelzwerks beachtliche Mengen Doggererz beziehen, • anschließend daran das Vorschmelzeisen zu kostendeckenden Preisen abnehmen und • für das von der DAG aufgenommene Fremdkapital eine Mithaftung übernehmen wollten. Die Ministerialräte Schmitt und von Spindler 69 teilten Wittke im Oktober 1940 ultimativ mit, dass der Reichsfinanzminister vorbehaltlose Erklärungen verlange, »auch wenn uns diese Erklärungen nicht passten. In beiden Ministerien herrsche zur Zeit die Auffassung, als wollten sich die Saarhüttenwerke angesichts der Erschließung der Minettelieferungen vom Doggererz-Vorkommen mehr oder minder zurückziehen. Das lasse man auf keinen Fall zu. Die Sache wäre nun mal aufgezogen und müsse durchgestanden werden« 70 . Anfang November erhöhte Schmitt abermals den Druck und ließ Wittke wissen, von Hanneken beabsichtige Göring den Vorschlag zu machen, die Wünsche der Saarwerke zur Verteilung der lothringischen Beute, »seien es Hütten, seien es Gruben«, so lange unbeachtet zu lassen, bis sie die geforderte Erklärung abgegeben hätten, »dass sie grundsätzlich bereit sind, das Vorschmelzeisen zu den Selbstkosten zu übernehmen« 71 . Wittke beurteilte die Lage so ernst, dass er den DAG-Vorstand anwies, seine Anlagenbestellungen abzubrechen und er für den 1. und den 14. November Besprechungen der Saarindustriellen nach Dillingen einberief. Aus einer Aktennotiz Siederslebens über den 67 Vermerk RFM über das Gespräch am 8.10.1940, BAB R 2/ 17849. 68 Wittke an Siedersleben v. 30.9.1940, RWWA 72-148-9. 69 Dr. Dr. Joachim von Spindler (28.6.1899 Langenselbold - 1987): Jurist, 1932-1945 im RWM, dort 1940 MR und Leiter des Referats 2 in der Abt. IV (Finanzierung des Ausbaus der gewerblichen Wirtschaft), Pg. seit 1937. 70 Bericht Wittkes über das Gespräch im RWM an NE-Vorstand v. 17.10.1940, RWWA 72-148-9. Siedersleben und Planck sondierten ihrerseits bei Schmitt. Dieser bestand auf einer Erklärung der Werke, das Vorschmelzeisen »zu dem hierbei sich ergebenden Preis abzunehmen« und milderte seine Forderung mit der vagen Zusage ab, das RWM wolle unbillige Härten in der Preisentwicklung ausgleichen, wofür es ausreichend Mittel gebe. Siedersleben wand vergeblich ein, die Saar habe das ganze Projekt ja nur unter der Voraussetzung begonnen, dass ihr das Doggererz dieselbe preisliche Grundlage biete wie die Minette. Schmitt wimmelte Siedersleben mit der Erklärung ab, er habe »Wittke damit beauftragt, diese Zusage herbeizuführen. Sei hierin erst einmal Klarheit geschaffen, werde er uns in der Preisfrage schon behilflich sein«. Vermerk Planck über das Gespräch mit Schmitt am 23.10.1940, RWWA 72-146-6. 71 So zitiert Wittke einen Telefonanruf Schmitts in: Saarwerke an RWM v. 19.11.1940, RWWA 72-146-6. 288 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung zweiten Termin geht hervor, dass man die geforderte Erklärung nicht abgeben wollte. Sogar Röchling, der zuvor noch versichert hatte, »die vollen Verlustpreise des Doggererz- Vorschmelzeisens dauernd aufzuwenden, wenn Gruben in Lothringen in hinreichender Menge zu entsprechenden Bedingungen an die Saarhütten überlassen werden« 72 , wechselte nach Ablehnung seiner Wünsche durch das RWM eilends die Fronten. Zur Verwunderung Siederslebens, der sich fragte, wie dieser neue Standpunkt mit Röchlings sonstiger Einstellung zu dem Vorhaben vereinbart werden könne, meinte der Kommerzienrat, dass eine ausreichende Versorgung der DAG mit Koks oder Kokskohle während der nächsten fünf Jahre nicht sicherzustellen sei, weshalb »die Durchführung des Doggererzvorhabens einfach an der Kohlenfrage scheitern werde« 73 . Die Saarindustriellen formulierten am 14. November ein gemeinsames Schreiben an das RWM, das Siederslebens Handschrift trug. Es unterstrich die Bereitschaft der Werke zu einer Kapitalerhöhung bei der DAG, stellte aber auch klar, dass der Bezug von Dogger erz auf Basis des Minettepreises stets die Geschäftsgrundlage aller mit dem Reich getroffenen Vereinbarungen gewesen sei und dass die volle Überwälzung der stark gestiegenen Projektkosten zu einer Überforderung der Werke führen werde. Für die finanziellen Lasten, die sich aus der Lösung eines nationalwirtschaftlichen Problems ergäben, das keineswegs der Privatwirtschaft zugerechnet werden könne, müsse sich der Staat eben »einen anderen geeigneten Träger« 74 suchen. Diesen sah man im Reichshaushalt, wollte sich aber auch gegen eine Umlage »auf breitere Schultern« der gesamten Eisenindustrie nicht wehren. Wittke trug die Resolution trotz seiner eigenen Vorbehalte tapfer mit und übergab das von ihm selbst unterzeichnete Schreiben persönlich an Ministerialrat Schmitt. Das RWM hielt in seiner Replik seinerseits Kurs und bestritt die Existenz einer Abrede über die Kostengleichheit von Minette und Doggererzen. Genüsslich spießte das RWM die Uneinigkeit unter den Werken auf und hielt ihnen vor, einzelne ihrer Vertreter, was auf Röchling und Wittke zielte, hätten bis zuletzt ihre Bereitschaft erklärt, Vorschmelzeisen zum Selbstkostenpreis abzunehmen. Dem an Wittke gerichteten Brief war eine vorformulierte Erklärung beigefügt, in der sich die Werke verpflichten sollten, »im Rahmen des Angemessenen und Zumutbaren« 75 sowohl Vorschmelzeisen als auch zusätzliches Dogger erz in dem Umfang, wie es zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Produktion bei der DAG erforderlich war, zu höheren Preisen zu beziehen. Über Details sollte verhandelt werden, sobald die Selbstkostenlage der DAG feststehe. Da die vom RWM vorformulierte Erklärung keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Werke begründete, die Produkte der DAG zu absolut kostendeckenden Preisen ab- 72 Vermerk Siedersleben über die Besprechung am 14.11.1940, RWWA 72-148-9. 73 Ebenda. 74 Wittke an RWM v. 19.11.1940, RWWA 72-148-9. Im Schreiben argumentierte man, dass die jetzt absehbaren Erhöhungen der Transport- und Brennstoffkosten gegenüber den früheren Annahmen einen Selbstkostenpreis für das Vorschmelzeisen verursachten, der nicht beim ursprünglich prognostizierten Wert von 60 RM je t liege, sondern 80, 90 oder gar 100 RM erreiche. Dies sei ein Betrag, der die Minette-Roheisenkosten um bis zu 40 RM übersteige und bei einer Jahresproduktion von 420.000 t Vorschmelzeisen zu einem Mehraufwand von 12 Mio. bis 16,8 Mio. RM führen müsse. Ihn zu tragen bewirke »auf Jahre hinaus die völlige Zerschlagung nicht nur der Rente der Hüttenwerke sondern auch ihres Kredits«. 75 Erlass RWM v. 29.11.1940, RWWA 72-153-8. 289 1. Nach dem Sieg im Westen: Neuorientierung oder Projektabbruch? zunehmen, sondern eine Zumutbarkeitsklausel enthielt, wollte sie Wittke akzeptieren 76 . Siedersleben dagegen lehnte das Eingehen einer »mengenmäßig unbegrenzten Abnahmeverpflichtung« ab, die jeden Bezug zum Minettepreis vermissen ließ und sich lediglich in »allgemeinen Wendungen« über eine künftige Preisgrundlage erging. Mit Sarkasmus reagierte er auf die Uneinigkeit unter seinen Kollegen: Gemünzt auf Röchling und Wittke, die dem RWM ihre Bereitschaft zur Zahlung kostendeckender Preise avisiert hatten, schrieb Siedersleben an Wittke, er könne es »nur auf das wärmste begrüßen«, wenn ein Teil der Werke zur Entlastung der DAG bereit sei und höhere Erzpreise anlegen wolle: »Ich bitte deshalb, dass der Punkt in der bevorstehenden Aufsichtsratssitzung unter voller Namensnennung ausführlich erörtert wird« 77 . Wittke berief für den 4. Dezember 1940 eine Hauptversammlung der DAG-Aktionäre ein, in der er sich vergeblich für die Annahme der vom RWM vorgelegten Erklärung einsetzte. Seine Kollegen schlossen sich allesamt Siederslebens kritischer Haltung an. Röchling, der als einziger Industrieller Wittkes Position zeitweise geteilt hatte, zog es vor, sich von seinem Schwiegersohn Hans-Lothar von Gemmingen-Hornberg vertreten zu lassen, der es nach Siederslebens Beobachtungen aber ablehnte, »irgendwelche vertraglichen Folgerungen aus Herrn Dr. Röchlings ministeriellen Erklärungen abzuleiten, desgleichen Herr Wittke aus seinen Zusagen im Ministerium« 78 . Letzterer verteidigte seine unhaltbar gewordene Position damit, er habe seine wiederholten Erklärungen zur Abnahme des Vorschmelzeisens auf Selbstkostenbasis stets im Einvernehmen mit den anderen Werken abgegeben, erntete aber heftigen Widerspruch dafür. Bei aller Kritik wollten die Industriellen einen offenen Bruch mit den Reichsbehörden jedoch nicht riskieren. Nach langer interner Diskussion, der sich eine redaktionelle Beratung mit Dr. Wilhelm Koehler, dem Leiter der Finanzabteilung im RWM, anschloss, einigte man sich auf die Abgabe einer Erklärung, die den Formulierungen des RWM zwar weitgehend entsprach, aber die Grenzen künftiger Belastungen etwas klarer aufzeigte 79 . Die Hauptversammlung vom 4. Dezember 1940 machte auch den Weg für die Kapitalerhöhung bei der DAG frei, die aber nicht mehr auf 50 Mio., sondern nur noch auf 40 Mio. RM lauten sollte 80 . Obwohl Koehler gerade ein halbes Jahr zuvor einen Betrag von 70 Mio. bis 80 Mio. RM gefordert hatte, akzeptierte er diese Reduktion ebenso wie den Wunsch der Werke, ihre Bareinzahlung erst dann leisten zu wollen, wenn das Reich seinen Anteil vollständig eingebracht hatte. Eine Mithaftung für die Anleihen der DAG lehnten die Vertreter der Saarwerke ab. Als Folge der getroffenen Beschlüsse ließ die DAG ihre Kapitalerhöhung am 28. Dezember 1940 in das Handelsregister Donaueschingen 76 Wittke sandte die Erklärung den Saarwerken am 30.11.1940 mit der Randnotiz zu: »Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden«. RWWA 72-153-8. 77 Siedersleben an Wittke v. 2.12.1940 RWWA 72-153-8. 78 Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 4.12.1940, RWWA 72-149-2. 79 Der Text nahm Bezug auf die Erklärungen der Werke von 1939, stellte klar, dass die Eisenproduktion aus Doggererz eine zusätzliche sein müsse und wollte vor allem gewährleistet wissen, dass die »Saarhütten wirtschaftlich im Verhältnisse zu den übrigen deutschen Eisenhütten nicht in Rückstand geraten«. 80 Die Deutschen Revisions- und Treuhand AG forderte für die Aktivierung der in Blumberg aufgewandten Verfahrens- und Entwicklungskosten besondere Sicherheiten, die weder das Reich noch die Saarhütten aufbringen wollten. Daher verzichtete man darauf, diesen Teil des DBG-Vermögens auf die DAG zu übertragen. 290 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung eintragen und übernahm rückwirkend zum 1. Januar 1940 das Vermögen der Doggererz- Bergbau GmbH. In ihrem Aufsichtsrat nahmen nun auch vier Ministerialbeamte Platz 81 . Die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 4. Dezember 1940 reihten sich in typischer Weise in die bisherigen Verhandlungsresultate ein. Mit einem faulen Kompromiss war die Frage, wer die Lasten des Doggererzes auf Dauer zu tragen hatte, wieder einmal vertagt worden. Das RFM stimmte dem Verhandlungsergebnis 1941 in der Erkenntnis zu, eine »weitergehende Erklärung […] über die Abnahme des Doggererzes oder eine höhere finanzielle Beteiligung war von den Saarhütten nicht zu erhalten. Es ist das Höchstmaß, was sich nach den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Saargebietes in der Vergangenheit […] erreichen liess« 82 . 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite a) Der Vorstoß des RWM und der Wolff-Gruppe für ein Erzpreissyndikat Ende Juli 1940 war die Wolff-Gruppe mit ihrem Plan gescheitert, das Doggererz-Projekt zu beenden. Da es misslungen war, das Reich zur Übernahme der künftigen Defizite zu bewegen, versuchten die Saarwerke nun, diese Lasten auf die gesamte deutsche Eisenindustrie abzuwälzen. Die Wolff-Gruppe wurde in diesem Sinne aktiv und verband ihre Bemühungen mit dem Nebenziel, ein weiteres Wachstum der seit Juni 1940 extrem stark gestiegenen Stahlverarbeitungskapazität im deutschen Machtbereich zu verhindern, deren Auslastung in einer Friedenswirtschaft ihr fragwürdig erschien. Insbesondere fühlte man sich vom Ausbau der Walzwerkskapazitäten bei den Reichswerken bedroht. Am 30. August 1940 trafen sich Georg Gasper, der Geschäftsführer der Wolff-Gruppe, und Ernst Poensgen, der Vorsitzende der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffenden Industrie (WGE), in Brüssel. Ersterer beklagte den ungleichen Konkurrenzkampf der Privatindustrie mit den Reichswerken und meinte, »dass es jetzt doch vielleicht an der Zeit sei, einmal zu überlegen, wie man die weitere Ausdehnung der Hermann-Göring-Werke vermeiden könnte, die nachgerade eine Gefahr für jede wirtschaftliche Betätigung würden« 83 . Gasper präsentierte Poensgen in groben Zügen seine Idee, die Erzversorgung der deutschen Eisenindustrie über eine gemeinsame Erzgesellschaft zu regeln, deren Details er in einem späteren Gespräch unterbreiten wollte, doch kam es nicht mehr dazu. Vierzehn Tage später wandte sich Gasper an Reichswirtschaftsminister Funk. In einem Memorandum legte er dar, dass die deutsche Erzversorgung nach dem Ende des Kriegs zwar günstiger ausfallen werde als bisher, doch verschärften sich gerade dadurch die bestehenden Kostenprobleme für sämtliche Betriebe, die aus wehrwirtschaftlichen Gründen heraus weiterhin eisenarme Inlandserze erschließen und verhütten müssten, was vor allem bei den Reichswerken und den Saarhütten der Fall sei. Als Konsequenz daraus ergebe sich ein stetiger Zwang zur Gewährung von Staatszuschüssen, die nie eingestellt, sondern von den 81 MD Dr. Wilhelm Koehler (Leiter der Finanzabteilung im RWM), MR Heinrich Schmitt (Eisenabteilung im RWM), MR Dr. Alfred Stahl (Bergabteilung im RWM) und MR Dr. Heinrich Müller (RFM). 82 Vermerk RFM v. Januar 1941, BAB R 2/ 17849. 83 Aktennotiz Gasper v. 30.8.1940, RWWA 72-538-3. 291 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite Werken bestenfalls dadurch begrenzt werden könnten, dass »man ständig immer weiter in die Verfeinerung geht und versucht, Gewinne in dieser Verfeinerung zur Abdeckung von Verlusten, die mit der Eisenerzeugung als solche verbunden sind, zu erhalten. Diesen letzteren Weg gehen die Hermann-Göring-Werke. Mit Erfolg haben sich bisher die Saarwerke dagegen gewehrt mit dem Dogger auf den gleichen Weg getrieben zu werden«. Um künftige Staatssubventionen zu vermeiden, schlug Gasper vor, die aufgelaufenen Verluste der Reichswerke und der DAG einmalig auszugleichen und eine Syndikatsgesellschaft zu gründen, deren Aktien die deutsche Eisenindustrie zu übernehmen habe. Die AG sollte folgende Funktionen ausüben: • Aufschluss und Förderung armer Inlandserze, soweit sie aus wehrwirtschaftlichen Gründen heraus auch in Zukunft verhüttet werden müssten, • Ausbeute der nach einem Friedensschluss in deutscher Hand befindlichen Minette gruben in Lothringen, Luxemburg und Frankreich, • Monopolimport ausländischer Eisenerze und • Quersubventionierung und Verkauf der Eisenträger an die Industrie in der Form, dass Werken, die aus wehrwirtschaftlichen Gründen genötigt seien, arme deutsche Erze zu verwenden, kein finanzieller Nachteil entstehe. Am Ende seiner Schrift stellte Gasper folgende These auf: Wenn die Entstehung dauernder Verluste aus der Eisenerzeugung bei denjenigen Werken vermieden würde, die eisenarme Erze verwendeten, ergebe sich daraus die Konsequenz, dass die Hermann- Göring-Werke »in der Eisenerzeugung selbst sich auf den Rahmen beschränken, der ursprünglich ihre Aufgabe war, weil ja eine Abdeckung von Verlusten auf dem Wege in die Verfeinerung nicht mehr notwendig ist. Die Hermann-Göring-Werke müssten also […] mit der Erzeugung von Roheisen und Stahlblöcken ihre Produktion beenden« 84 und die Weiterverarbeitung ihrer Halbfabrikate der privaten Industrie überlassen. Der Vorschlag barg beachtliche Vorteile für die Wolff-Gruppe: So fielen die Kosten des Doggererzes künftig der gesamten Eisenindustrie zur Last. Zudem würde mit den Reichswerken ein Konkurrent für die Stahlverarbeitung eliminiert und auf die Rolle eines Halbzeuglieferanten reduziert, der Beiträge zur Versorgungssicherheit der Wolffschen Werke in Thale und Bochum leisten durfte 85 . Fraglich ist allerdings, ob die Konzeption des Erzpreissyndikats mit den Saarhütten abgesprochen worden war. Immerhin hatten diese 1937 einen ähnlichen Vorschlag des späteren Reichswerke-Vorstands Paul Pleiger wegen seiner »unerträgliche[n] Belastung« 86 abgelehnt. 84 Anlage zum Schreiben Gasper an Funk v. 12.9.1940, RWWA 72-153-8. 85 Die zur Wolff-Gruppe zählenden Eisenwerke in Bochum und Thale wollten jährlich 200.000 t Halbzeug von den Reichswerken kaufen. Vermerk Siedersleben über das Gespräch im RWM am 19.11.1940, RWWA 72-153-8. 86 So NE-Generaldirektor Erich Tgahrt in der DBG-Sitzung am 14.1.1937, RWWA 72-149-8 (Siehe: Kap. IV/ 2). Auch findet sich in den Akten Siederslebens kein Schriftverkehr zwischen der Wolff-Gruppe und dem NE-Vorstand in dieser Frage. Andererseits forderte H. Röchling einen (noch weitergehenden) preislichen »Ausgleich auf der Grundlage des Rohblockpreises […], so, daß jedes Walzwerk mit den gleichen Einstandspreisen für Rohblöcke rechnen könne«. PdB Reichert/ H. Röchling v. 11.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 292 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Siedersleben und Planck besprachen das Thema Erzpreisausgleich am 24. September 1940 mit Paul Raabe, dem Vorstandsmitglied der Reichswerke, wobei kaum zu vermuten ist, dass dabei von einem Verzicht seines Unternehmens auf den Ausbau von Walzkapazitäten die Rede war. Raabe zeigte sich interessiert, hielt ein sachliches Ergebnis nach Lage der Dinge aber nur für denkbar, wenn der Plan von maßgebender Amtsstelle komme 87 . Inhaltlich deckte er sich mit den Zielen der Reichswerke. Deren Hüttendirektor Paul Rheinländer hatte dem RWM einen nahezu identischen »Vorschlag zur Ausgestaltung der Eisenindustrie im Großdeutschen Wirtschaftsraum nach dem Krieg« 88 unterbreitet. Gaspers Intervention löste zwar keine unmittelbare Reaktion im RWM aus 89 , doch stellte von Hanneken bald eigene Überlegungen zu einem Erzpreisausgleich innerhalb der Eisenindustrie an. Den Anlass dazu gaben Auseinandersetzungen mit dem Reichsamt für Wirtschaftsausbau (RWA) über den Standort des Vorschmelzwerks der DAG: Während sich das RWA im Herbst 1940 dafür einsetzte, ein betriebswirtschaftlich rentables Hüttenwerk in Kehl zu errichten, das ohne Staatszuschüsse auskam, beharrte von Hanneken darauf, ein defizitäres Werk in Neudingen zu bauen 90 , musste allerdings, um das RWA, das Reichsfinanzministerium und andere Kritiker ruhig zu stellen, eine Lösung zur haushaltsneutralen Finanzierung der unvermeidlichen Betriebskostendefizite finden 91 . Die Gründung einer Erzpreisausgleichskasse zu Lasten der Eisenindustrie wurde erstmals am 8. November 1940 zwischen von Hanneken und Poensgen erörtert. Ersterer bestätigte die Existenz derartiger Pläne im RWM und begründete sie mit den fortwährenden Wünschen der privaten Industrie nach Subventionen und Ausnahmentarifen. Als Beispiel nannte er das Dogger- und das Tschenstochauer Erz. Von Hanneken betonte, dass die Belastung des Reichs durch Zuschüsse und billige Ausnahmetarife nach dem Kriegsende aufzuhören habe und kündigte an, dass der Erzimport mit der Inlandsförderung und mit dem Zukaufsschrott in ein Verrechnungsverhältnis gebracht werden würde. Die Kosten für die Verarbeitung ungünstig zusammengesetzter Inlandserze müssten durch eine Abgabe ausgeglichen werden, die von denjenigen Betrieben zu tragen sei, die hochwertige Erze aus dem Inland oder dem Ausland verhütteten. Dabei denke das RWM nicht an Zwangsmaßnahmen, sondern bitte die Wirtschaftsgruppe, das von ihm umrissene Konzept im Wege der Selbstverwaltung zu realisieren. Poensgen wandte dagegen ein, dass dann niemand mehr Interesse daran habe, Qualitätseisen herzustellen und dass auf keinen Fall dem Drängen Pleigers nachgekommen werden dürfe, der die Nivellierung von Löhnen und Kohlenpreisen fordere 92 . 87 Vermerk Siedersleben über das Gespräch mit Raabe am 24.9.1940, RWWA 72-217-17. 88 Vermerk Rheinländer von Mitte 1940, NWA 2/ 10601. 89 Von Hanneken erklärte später, er glaube nicht, »daß Herr Minister Funk die Denkschrift Gaspers irgendwie verwertet habe«. PdB WGE/ RWM v. 18.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 90 Siehe dazu: Kap. VI/ 2/ c. 91 Möglich ist, dass von Hanneken darüber hinaus beabsichtigte, das Erzsyndikat als Instrument gegen den Wunsch der Reichswerke zu nutzen, ihre Defizite bei der Inlandserzverhüttung durch die Verarbeitung hochwertiger Importerze auszugleichen. So meinte H. Röchling, »die Einführung eines Erzpreisausgleichs sei vielleicht das Beste, um Watenstedt die Begründung zu nehmen, sich von Salzgitter-Erzen auf Schwedenerze umzustellen«. PdB Reichert/ H. Röchling am 11.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 92 PdB v. Hanneken/ E. Poensgen/ Reichert u.a. v. 8.11.1940, BAB R 13 I/ 602. 293 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite Elf Tage nach dem Gespräch mit Poensgen informierte von Hanneken Siedersleben und Gasper, dass er das Thema Erzpreisausgleich jetzt regeln wolle. Im Hinblick auf dementsprechende Forderungen in Gaspers Denkschrift erklärte es der Unterstaatssekretär allerdings für »ausgeschlossen, dem Herrn Reichsmarschall vorzuschlagen, dass die Verarbeitungsstufe der Reichswerke mit dem Roheisen, dem Rohstahl, Halbzeug oder mit Stabeisen aufhören solle« 93 . Siedersleben und Gasper wandten zwar ein, dass die Verwertung von Inlandserzen keinesfalls zu einer Erweiterung von Walzkapazitäten führen dürfe und dass die Salzgitterer Halbzeugproduktion bei der Privatindustrie leicht absetzbar sei, doch konterte von Hanneken mit dem Argument, Gasper gehe von einem viel zu geringen Eisenbedarf in Deutschland aus. Dieser liege nicht bei 43 bis 45 Mio. t, sondern bei 55 Mio. t pro Jahr. Überdies gebiete die Gründungsgeschichte der Reichswerke, die ja auf einer früheren Weigerung der Ruhr beruhe, ihre Eisenerzfelder bei Salzgitter auszubeuten, die Reichswerke auch bezüglich der Auswalzung ihres Stahls unabhängig zu stellen. b) Das Gegenkonzept der Ruhr: ein Gemeinschaftswerk für den nächsten Krieg Am 18. November 1940 teilte von Hanneken Poensgen mit, dass der »wehrwirtschaftlich und volkwirtschaftlich notwendige Plan«, an der Verhüttung eisenarmer Inlandserze festzuhalten, immer schwerer zu erfüllen sei. So verbilligten sich wegen des Zugangs wertvoller Erzvorkommen im Westen und wegen des Verfalls der Schrottpreise die Selbstkosten der Eisenindustrie, doch wüchsen dadurch die Kostendifferenzen zu Lasten des Inlands erzes an. Deren Ausgleich durch den Staat sei »nach Eintritt friedensmäßiger Verhältnisse« aber nicht mehr möglich. Daher bitte er darum, ihm »in Forme eines eingehenden Gutachtens Vorschläge zu machen, durch die […] das Ziel einer für alle gleichmäßig gerechten Grundlage in den Preisen für die Hauptrohstoffe des Hochofenmöllers und für den Schrott erreicht wird. In dem Gutachten bitte ich zu den verschiedenen Möglichkeiten […], wie Bildung einer gemeinsamen Einkaufs- und Verteilungsgesellschaft, Vereinheitlichung durch gegenseitige Ausgleichszahlungen, Ausgleich durch entsprechende Verteilung, Stellung zu nehmen« 94 . Einen Tag später sandte Siedersleben Gaspers Denkschrift an Poensgen 95 . Die WGE erfuhr nun mit zweimonatiger Verspätung erstmals von der Existenz eines Vorschlags, der aus ihren eigenen Reihen heraus an den Staat gerichtet worden war und der das Ziel hatte, die Eisenerzfelder ihrer Mitglieder zu vergesellschaften und deren Kostenrechnung zu belasten. Die Reaktion des düpierten Poensgen war barsch 96 und führte zu einem Briefwechsel mit Gasper 97 und Siedersleben, in dem letztere nach Kräften versuchten, ihre Verantwortung 93 Vermerk Siedersleben über das Gespräch im RWM am 19.11.1940, RWWA 72-153-8. 94 RWM (v. Hanneken) an E. Poensgen v. 18.11.1940, KAS RESW B-K 38/ 267. 95 Siedersleben an E. Poensgen v. 19.11.1940, RWWA 72-153-8. 96 E. Poensgen an Siedersleben v. 23.11.1940, RWWA 72-288-2. 97 Gasper an E. Poensgen v. 3.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 294 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung für den Vorgang herunterzuspielen und sie von Hanneken oder Röchling zuzuschieben. Unter seinen Kollegen in der rheinisch-westfälischen Industrie blieb Siedersleben völlig isoliert. So machte ihm Friedrich Flick klar, welch außerordentliche Verärgerung das an Funk gerichtete Exposé Gaspers »in der gesamten Industrie hervorgerufen habe. Es handele sich um einen ganz grundsätzlichen Fehler, wenn so vorgegangen werde« 98 . Bei der WGE deutete man das Schreiben von Hannekens so, dass er den von Pleiger geforderten Ausgleich aller Standortkosten anstrebe, der auch die Nivellierung von Löhnen, Frachtkosten, Kalk- und Kokspreisen bedeutete. Poensgen befürchtete, »man laufe Gefahr, in eine Sozialisierung des Eisens und der Kohle hineinzumarschieren« 99 . Dementsprechend reserviert fiel seine Antwort an das RWM aus: Am 4. Dezember 1940 kündigte er die Einberufung einer WGE-Beiratssitzung an, in der ein Arbeitsausschuss gegründet und damit beauftragt werden sollte, ein Gutachten zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe zu verfertigen, die er als eine »völlige Umgestaltung der deutschen Eisen wirtschaft« anprangerte. Inhaltlich hob Poensgen hervor, dass der Koksmangel die Roheisenerzeugung stärker beeinflusse als die Erzfrage. Das wehrwirtschaftlich begründete Gebot zur Aufrechterhaltung von inländischen Erzförderkapazitäten stellte er zwar nicht in Frage, unterstrich aber dessen betriebs- und volkswirtschaftliche Nachteile und zog den Nutzen eines Erzpreissyndikats mit dem Argument in Zweifel, dieses werde die Belastungen »nicht aufheben, sondern nur verwischen«. Sein Brief schloss mit der klaren Botschaft, dass zwangswirtschaftliche Entwicklungen zu vermeiden seien, denn: »Wird einem Unternehmen in den wichtigsten Fragen - und dazu gehört die Selbstkostengestaltung - die Verantwortung entzogen […], so ist Stillstand und wirtschaftlicher Rückschritt unausbleiblich« 100 . Hinter den Kulissen entfalteten die alarmierten Eisenindustriellen eilends Aktivitäten zur Abwehr der drohenden Gefahr, wobei Friedrich Flick die Rolle eines Kundschafters übernahm. Dieser teilte Poensgen am 5. Dezember mit, Pleiger habe ihm versichert, dass er keinerlei Initiative in Richtung Preisausgleich entwickelt habe und dass er im Falle einer Rückfrage von Hannekens den Standpunkt vertreten wolle, dass jede Diskussion darüber bis Kriegsende vertagt werden müsse. Als Befürworter des Preisausgleichs machte Flick Hermann Röchling aus, dessen Gedankengänge ausschließlich durch die Frage Donaueschingen begründet seien. Dieser habe einem seiner Mitarbeiter erklärt, dass das Doggererz-Projekt nicht von der Saar allein getragen werden könne, sondern dass sich die gesamte Eisenindustrie daran beteiligen müsse. Nachdem Röchling aber jetzt von Flicks Mitarbeiter erfahren habe, dass die Reichswerke nicht mehr hinter dem Erzpreis- 98 Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Flick am Rande einer Einladung bei Otto Meißner am 14.12.1940, RWWA 72-153-8. Flick betonte, dass ein Betrieb von Eisenerzgruben für eine Vielzahl von Hütten in befriedigender Weise unmöglich sei. In einer gemeinsamen AG werde es nur Streit geben. Alle deutschen Eisenwerke müssten es ablehnen, Hütten im Westen ohne die zugehörigen Erzfelder zu übernehmen. Da die Reichswerke keinerlei Interesse an einer Regelung der Kostenfrage vor dem Kriegsende besäßen, sei er davon überzeugt, dass von Hannekens Vorschlag zuvörderst dem Doggererz gelte, für dessen Erschließung und Verbilligung er so lebhaft eintrete. Im Übrigen hielt es Flick für ausgeschlossen, dass »die Reichswerke bei Rohstahl, Stabeisen oder einem anderen, nicht hochverfeinerten Walzerzeugnisse mit dem Ausbau ihrer Walzanlagen aufhören würden. Das sei zwar volkwirtschaftlich sehr erstrebenswert, aber nicht mehr möglich«. 99 PdB WGE/ RWM v. 18.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 100 E. Poensgen an RWM v. 4.12.1940, BAB R 13 I/ 383. 295 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite ausgleich stünden, scheine er bereit zu sein, einer anderen Problemlösung zuzustimmen, die darin bestehen könne, das Werk auf der Baar als Gemeinschaftswerk für die gesamte Eisenindustrie zu betreiben. Flick forderte Poensgen auf, das »Problem innerhalb unserer Reihen zu lösen, - vielleicht im Wege einer Abmachung […] Das beste wäre natürlich der Versuch, den weiteren Ausbau von Donaueschingen […] zu inhibieren« 101 . Poensgen bestätigt Flick am 6. Dezember, auch er habe gehört, dass »Herr Pleiger, nachdem ihm Schwedenerze zugesprochen worden sind, sich nicht mehr interessiert« 102 und kündigte an, er wolle Dr. Reichert, den Hauptgeschäftsführer der WGE, darum bitten, auf Röchling zuzugehen. Tatsächlich erhielt Reichert tags darauf telegrafische Weisung von Poensgen, noch vor der Beiratssitzung am 19. Dezember eine »sondereinigung mit der saar« 103 herbeizuführen. Noch bevor Reichert mit Röchling sprechen konnte, wurde er zu von Hanneken zitiert. Dieser war zwar sichtlich bemüht, den Konflikt mit Poensgen zu entschärfen, ließ aber dennoch nichts unversucht, die WGE durch ein Gemisch aus scheinheiliger Harmlosigkeit und dezentem Druck auf Linie zu bringen 104 . Durchsichtig geriet auch sein Unterfangen, die Wolff-Gruppe aus der Schusslinie ihrer Kollegen zu nehmen. Von Hanneken versicherte Reichert, die Idee des Erzpreisausgleichs sei allein von ihm ausgegangen, denn weder Gasper noch Pleiger hätten einen derartigen Antrag an ihn gerichtet. Reichert konnte das kaum widerlegen, da sich Gasper mit seinem Vorschlag direkt an Funk gewandt hatte und von Hanneken behauptete, der Reichswirtschaftsminister »habe ihm nichts von der Denkschrift Gaspers erzählt« 105 . Inhaltlich erzielten von Hanneken und Reichert wenig Übereinstimmung: Letzterer hob hervor, dass es eigentlich nur zwei Anlässe für einen Erzpreisausgleich geben könne: die hohen Kosten der Reichswerke in Salzgitter und diejenigen des Vorschmelzwerks in Neudingen 106 . Nachdem aber nun entschieden worden sei, dass die Reichswerke künftig Schwedenerze bezögen und so ihre Kosten senken könnten und sie darüber hinaus die lothringischen Werke de Wendels übernähmen, müsse man die ganze Frage für die Reichswerke als gelöst ansehen. Übrig bleibe Neudingen, für das man eine Art Gemeinschaftsregelung ins Auge fassen könne, an der aber auch die Reichswerke mittragen müssten. Von Hanneken hielt demgegenüber die künftigen Erzimportmöglichkeiten für begrenzt und prognostizierte einen riesigen Eisenbedarf in Deutschland. Aus der so hergeleiteten Diskrepanz zog er den Schluss, dass man alle erreichbaren Inlandserze zur Eisenproduktion nutzen 101 Flick an E. Poensgen v. 5.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 102 E. Poensgen an Flick v. 6.12.1940, BAB R 13 I/ 382. Interpunktation vom Verf. ergänzt. 103 E. Poensgen an Reichert v. 7.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 104 Vermerk Reichert über sein Gespräch mit v. Hanneken am 10.12.1940, BAB R 13 I/ 382. Reichert notierte, sein Gegenüber »habe das Gefühl, im Beirat der Wirtschaftsgruppe solle die Sache so hingestellt werden, daß die Wirtschaftsgruppe vor einer Art Zwang stehe und nicht anders handeln könne. Von Hanneken läge in Wirklichkeit die Absicht fern, einen Zwang anzuwenden. Er wünsche im Gegenteil, daß die Wirtschaftsgruppe ihm Vorschläge für die Gestaltung der Dinge mache, damit der Staat keinesfalls einzugreifen Anlaß habe. Vom Reichsmarschall höre er dann und wann Zweifel darüber, ob die Eisenindustrie die notwendigen Maßnahmen ergreifen wolle. Nun möchte er ihm einmal ein Beispiel zeigen, daß die Eisen schaffende Industrie von sich aus zweckdienliche Vorschläge gemacht habe«. 105 V. Hanneken lt. PdB WGE/ RWM v. 18.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 106 Die Meinung, dass es nur zwei Anlässe für die geplante Erzpreisausgleichskasse gebe, war nicht unumstritten. So erhob Hoesch-Generaldirektor Erich Tgahrt die Forderung nach einem Lastenausgleich für die Verhüttung armer deutscher Erze innerhalb der 6 Ruhrkonzerne. Tgahrt an E. Poensgen v. 13.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 296 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung müsse. Was die Zuteilung von Schwedenerzen für die Reichswerke anging, so behauptete er, diese sei noch nicht entschieden und werde von ihm auch nicht befürwortet. Reichert gelang es am Ende immerhin, von Hanneken die Zusicherung abzuringen, nicht den gesamten Hochofenmöller in den geplanten Kostenausgleich einzubeziehen, sondern lediglich eine Nivellierung zwischen den armen Inlandserzen und den hochwertigen Auslandserzen anzustreben. Reichert musste seinerseits akzeptieren, dass sich von Hanneken zur entscheidenden WGE-Sitzung am 19. Dezember ungeniert selbst einlud. Am Tage nach seinem Gespräch im RWM traf sich Reichert mit Röchling und unternahm den Versuch zu einer Sondereinigung mit der Saar. Reichert hielt Röchling vor, dass es wegen des großen Zuwachses an Minetteerzen und Verhüttungskapazität im Westen keinerlei Bedürfnis mehr für das Vorschmelzwerk gebe und dass man sogar in Zweifel ziehen müsse, ob eine Fortsetzung des Doggererzabbaus überhaupt noch Sinn ergebe, doch meinte Röchling, dass »es unmöglich erscheine, ein Projekt aufzugeben, für das sich schließlich sämtliche Regierungs- und Parteistellen bis hinauf zum Reichsmarschall interessiert hätten. Wenn dort inzwischen eine neue Stadt mit 10 000 Einwohnern geschaffen worden sei, so könne man nun nicht die Sache wieder abbauen« 107 . Röchling gab die jährlichen Mehrkosten des Neudinger Werks mit 10 Mio. RM an und betonte, diese müssten von der gesamten Industrie übernommen und über die Preise auf die Abnehmer abgewälzt werden. Reichert wand zwar ein, dass das unrentable Werk ja vermieden werden könne, wenn man sich auf den Erzbergbau beschränke und das Erz an der Saar verhütte, doch erwiderte ihm Röchling, »daß die Saar eine solche Belastung nicht übernehmen könne und daß die Saar überhaupt keine Doggererze mehr verhütten wolle« 108 . Reicherts Argument, dass der Koks fehle und mit derselben Koksmenge, die man in Neudingen benötige, an anderer Stelle eine viel höhere Roheisengewinnung zu erzielen sei, entkräftete der wendige Kommerzienrat dadurch, dass man nach Kriegsende die Lieferung englischer Brennstoffe im Tributwege verlangen müsse. Damit war Reicherts Absicht gescheitert, sich mit der Saar über das Ende des Doggererz-Vorhabens zu verständigen. Als einziger Ausweg verblieb noch die Konversion des Neudinger Werks in ein Gemeinschaftsprojekt der deutschen Eisenindustrie. Am 18. Dezember fand das entscheidende Gespräch zum Thema Erzpreisausgleich im RWM statt. Von der WGE nahmen Poensgen und Reichert teil, auf staatlicher Seite von Hanneken, Oberst John und die Ministerialräte Schmitt sowie Holtz 109 . Poensgen gab sich konstruktiv und erklärte, in den eigenen Reihen sei mittlerweile Ruhe eingekehrt, nachdem von Hanneken Reichert zugesagt habe, er wolle die Industrie nicht in eine Zwangswirtschaft pressen, gegen die sie sich wehren müsse. Die Leitung des geplanten WGE-Ausschusses werde Hermann Winkhaus 110 übernehmen, der als Leiter des Erzein- 107 PdB Reichert/ H. Röchling am 11.12.1940, BAB R 13 I/ 382. 108 Ebenda. 109 Dr. Wolfgang Holtz (1897 - 1966): Jurist, ab 1922 Reichsbeamter, 1932-1943 im RWM, dort u.a. Leiter der Ausgleichsstelle für öff. Aufträge, 1944 in der Militärverwaltung in Frankreich, 1944-1945 in der Reichsstelle für Eisen und Metalle, 1948-1959 in verschiedenen Bundesministerien tätig. 110 Dr. Hermann Winkhaus (14.3.1897 Essen - 1.10.1968 München): Bergbau-Ingenieur, 1927-1932 GHH-Bergwerksdirektor, 1932-1935 Bergwerksdirektor der Hoesch-Köln-Neuessen AG, ab 1935 Vorstandsmitglied der Mannesmann AG, ab 1940 deren stellvertretender Vorstandsvorsitzender, 1957- 1962 Vorsitzender. 297 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite kaufs bei Mannesmann große Erfahrung gesammelt habe. Poensgen betonte, dass man zunächst die Frage untersuchen müsse, »wieviel Koks für die Eisenerzeugung frei sei, denn das ganze Erzprogramm würde nichts nützen, wenn nicht genug Koks verfügbar sein würde« 111 . Divergent beurteilte man auch die Grundannahmen für das Kommissions-Gutachten. Dazu gehörte vor allem die Höhe der künftigen Eisennachfrage, die Poensgen viel skeptischer einschätzte als von Hanneken 112 , aber auch die Frage, ob den Reichswerken anstelle von Finanztransfers nicht doch besser Importerze zuzubilligen seien, was von Hanneken strikt ablehnte. Bezüglich des Doggererzes spielte Poensgen auf Zeit: Er schlug vor, die Produktion des Neudinger Vorschmelzwerks fünf Jahre lang als eiserne Kriegsreserve aufzustapeln. Da man ja auch noch eine Bauzeit von zwei Jahren einkalkulieren müsse, »habe man also Zeit genug, sich die Probleme von Neudingen später wieder zu überlegen«. Das RWM hielt sich bedeckt und gab vor, an Detailfragen generell nicht interessiert zu sein 113 . Am 19. Dezember fand sich der WGE-Beirat zu seiner Sitzung in Berlin ein. In einem einleitenden Grundsatzreferat kündigte von Hanneken gigantische Bauvorhaben 114 für die Nachkriegszeit an, zu deren Deckung die begrenzten Eisenerzimportmöglichkeiten nicht ausreichen würden, weshalb man »eben den letzten Winkel nach Eisenerzen, auch nach den schlechtesten deutschen Eisenerzen auskehren« 115 müsse. Allerdings könne man diejenigen Eisenwerke, die solche Erze zu verarbeiten hätten, nicht andauernd bestrafen, sondern müsse einen gerechten Preisausgleich herbeiführen, der aber weder als Gleichmacherei noch als Prämie auf die Faulheit missverstanden werden dürfe. Keine Lösung sei es dagegen, den Reichswerken und den Saarhütten Schwedenerze zuzuteilen, denn diese würden ja dann der Ruhr fehlen. Beim Thema Erzpreisausgleich vertrete er nicht die Interessen der Reichswerke, denn der »einzige Mann aus Ihrem Kreise, mit dem ich einmal über diese Dinge gesprochen habe, anläßlich eines Frühstücks, ist Herr Gasper von der Firma Otto Wolff gewesen, der aber allerdings die Idee in etwas anderer Form gehabt hat, als ich sie dachte« 116 . 111 PdB WGE/ RWM v. 18.12.1940, BAB R 13 I/ 382. Alle Zitate des Absatzes hieraus. 112 E. Poensgen hielt von Hannekens Prognose einer Stahlproduktion von 50 bis 55 Mio. t für deutlich zu hoch und meinte, man könne doch »nicht an der Leistungsfähigkeit und der tatsächlichen Erzeugung der verschiedenen im europäischen Raum gelegenen Stahlindustrien vorübergehen«. Diese habe im guten Rüstungsjahr 1937/ 38 nur 51 Mio. t betragen, wovon 4 Mio. t exportiert worden seien. Von Hanneken glaubte demgegenüber, dass der Hunger nach Eisen und Stahl nach dem Krieg gewaltige Formen annehmen werde und »daß die an die Achse geschmiedeten Völker Europas in Deutschland kaufen müßten«. 113 Von Hanneken meinte, er wolle nur »einen Anstoß geben. Für den Fall, daß sein Vorschlag von denjenigen Werken, welche arme Erze verhütten, nicht angenommen werde, solle es ihm recht sein. […] Es solle ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte gewaltsam verhindert, daß die armen Erze, die man noch brauche, in irgend einer Form verbilligt in die Produktion kämen. […] Der Weg aber, wie man letzten Endes die Sache mache, sei ihm egal«. 114 Wohnungsbau, Neubau und Erweiterung der Handelsflotte, Umbau des Verkehrswesens, Ergänzung der Binnenflotte und des Wasserstraßennetzes, völlige Neuordnung gewisser Großstädte, »Schlagfertighaltung« der Luftflotte, Ausbau einer großen Kriegsflotte, da man Kolonien und Weltgeltung haben wolle. 115 Bericht über die WGE-Beiratssitzung v. 19.12.1940, RWWA 72-217-17. 116 Ebenda. 298 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Poensgen und die anderen Industriellen waren über den Hinweis auf eine Miturheberschaft in den eigenen Reihen nicht amüsiert. Nach von Hannekens Abgang erklärte Poensgen unter dem »starken Beifall« des Auditoriums, er müsse »seiner Missbilligung darüber Ausdruck geben, dass solche Vorschläge, die an den Rand der Sozialisierung reichen, von Angehörigen der Eisen schaffenden Industrie an die Regierung herangetragen werden, ohne dass er als Leiter der Wirtschaftsgruppe davon Kenntnis erhält« 117 . Poensgen betonte, er habe von Hanneken am Vortag »dargelegt, dass die Eisenerzeugungsmöglichkeit vor allen Dingen ein Koksproblem sei. Es müsse daher das Problem so gestellt werden, auf Grund der vorhandenen Koksbasis die höchst möglichste [! ] Eisen- und Stahlproduktion zu erreichen« 118 . Poensgen kündigte an, zwei Kommissionen aufzustellen, und zwar eine unter dem Vorsitz von Winkhaus für die Hauptfragen der Erz- und Koksversorgung sowie eine weitere für technische Themen. Was das Doggererz anging, so erläuterte Poensgen seinen Vorschlag gegenüber dem RWM, die Produktion des Neudinger Vorschmelzwerks so lange aufzustapeln, bis eine eiserne Reserve von 1,5 Mio. t erreicht sei, die »man auch für einen etwaigen späteren Krieg wieder haben müsse« 119 . Da der Bau des Werks ebenfalls gewisse Zeit in Anspruch nehme, könne man die Frage des Eisenerzpreisausgleichs für das Doggererz etwa 7 bis 8 Jahre ruhen lassen. Das Protokoll verzeichnete lebhaften Beifall. Eine Diskussion fand nicht statt. Der Winkhaus-Ausschuss nahm am 3. Februar 1941 seine Arbeit auf. Seitens der Saar gehörten ihm Wittke und Röchling an. Im hier untersuchten Zusammenhang ist lediglich von Belang, dass beide dem Vorschlag Poensgens zustimmten, die Neudinger Roheisenproduktion jahrelang aufzustapeln und als eine auf Kosten der Allgemeinheit gehende Kriegsreserve zu betrachten 120 . Konkrete Folgen ergaben sich daraus nicht: Der Ausschuss setzte seine Arbeit zwar plangemäß fort, doch verlor von Hanneken im Februar 1941 den Konflikt über den Standort des Hüttenwerks der DAG. Dieses sollte nun in Kehl entstehen und war, anders als bei einer Realisierung in Neudingen, nicht mehr auf laufende Betriebskostenzuschüsse angewiesen. Daher spielte Poensgens Vorschlag im März 1941 keine Rolle mehr bei den Saarwerken 121 . Auch die Reichswerke verloren jegliches Interesse an einem Erzpreisausgleich 122 . Demgemäß hielt auch von Hanneken selbst das Thema bereits im März 1941 für »nicht mehr so eilig« 123 . Winkhaus legte zwar noch einen »Bericht zur Frage des Erz- und Schrottpreisausgleichs« 124 vor, doch galt dieser als Folge des deutschen Angriffs auf die UdSSR und der Besetzung ukrainischer Erzgruben und Hüttenwerke schon Anfang 1942 als überholt 125 . 117 Notiz Make über die WGE-Beiratssitzung am 19.12.1940, RWWA 72-217-17. 118 Notiz v. Gemmingen über die WGE-Beiratssitzung v. 19.12.1940, KAS RESW B-K 38/ 267. 119 Bericht über die WGE-Beiratssitzung v. 19.12.1940, KAS RESW B-K 38/ 267. 120 Sitzungsprotokoll Winkhaus-Ausschuss v. 3.2.1941, BAB R 13 I/ 383. 121 Vermerk Siedersleben über die Besprechung der Saarhütten am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. 122 »Die Ablehnung von Ausgleichskassen jeder Art liegt in unserem Interesse, da wir als grösster Erzeuger am meisten belastet würden«. Notiz Carlowitz v. 29.7.1941, NWA 2/ 11136. 123 So zitiert Wenzel von Hanneken in: Sitzungsprotokoll Winkhaus-Ausschuss v. 28.3.1941, BAB R 13 I/ 384. 124 BAB R 13 I/ 385. 125 Vermerk Reichard über eine regionale WGE-Mitgliederversammlung am 29.1.1942, RWWA 72-288-3. 299 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite c) Krauchs Sieg: die Wiederentdeckung des Wirtschaftlichkeitsprinzips Die Saarhütten hatten im Juli 1940 den Vorschlag des DAG-Vorstands verworfen, das auf der Baar geplante Vorschmelzwerk nach Kehl zu verlagern. Von Hanneken teilte diese Auffassung und ließ Wittke am 19. August wissen, dass das Werk in Neudingen gebaut werde und dass alle anderen Pläne gegenstandslos geworden seien 126 . Dem DAG-Aufsichtsrat gelang es jedoch nicht, seinen eigenwilligen Vorstand zur Räson zu bringen. Zwar konnte Siedersleben den beruflich in Paris weilenden Bornitz zu einer Distanzierung von Kehl bewegen 127 , doch blieb Gerlach, von dem die Debatte angestoßen worden war, unbeeindruckt und hielt Wittke am 22. August vor, mit einer Standortentscheidung für Neudingen werde »bewusst der Weg des grösseren Risikos eingeschlagen« 128 . Sicher nicht zufällig meldete sich Carl Krauch, der Leiter des Reichsamts für Wirtschaftsausbau (RWA), Gerlachs ehemaliger Arbeitsstelle, tags darauf bei von Hanneken und zählte ihm sämtliche wirtschaftlichen Vorteile für Kehl auf. Spitz wies er am Ende seines Briefs darauf hin, dass sich das Reichsfinanzministerium (RFM) seinen Erwägungen »sicher nicht verschliessen« 129 werde. Von Hanneken ließ zwar Krauchs Vorstoß ins Leere laufen, konnte aber nicht verhindern, dass die Dinge hinter den Kulissen in Bewegung kamen. So versuchte Gerlach diskret, einen Ministerialrat im RWM für Kehl einzunehmen 130 , und das RFM erhielt aus vertraulicher Quelle 131 einen Durchschlag von Krauchs Schreiben an von Hanneken und ein Exemplar von Gerlachs Denkschrift vom 1. August 1940 132 . Die Beamten im RFM durften jetzt mit Befremden zur Kenntnis nehmen, dass von Hanneken ihnen die Tatsache vorenthalten hatte, der zufolge es ein Konzept für ein wirtschaftlich arbeitendes Hüttenwerk am Standort Kehl gab, das weitgehend ohne Staatssubventionen auskommen konnte. Als Reaktion darauf mahnte das RFM eine Revision des Doggererz-Projekts beim RWM an 133 . Auch in Baden, wo sich Reichsstatthalter Wagner und die Landesregierung mit der vor Kriegsbeginn getroffenen Entscheidung für Neudingen nie hatten abfinden können 134 , erhob sich nun Widerstand. Unter Hinweis auf die veränderte militärstrategische Lage forderte Landesbauernführer Engler-Füßlin im August 1940 die unter Wagners Leitung stehende Landesplanungsbehörde auf, für eine Verlegung des Vorschmelzwerks nach Kehl zu sorgen 135 . Er stieß jedoch auf wenig Resonanz: Wagner war zwar ein Gegner des Standorts Neudingen, lehnte aber eine Verlagerung der Hütte nach Kehl ab, weil er eine Beeinträchtigung des Stadtbilds seiner künftigen Gauhauptstadt Straßburg fürchtete. Al- 126 Wittke an Siedersleben v. 22.8.1940, RWWA 72-153-8. Zu den Motiven von Hannekens siehe Kap. VI/ 1/ b. 127 Siedersleben an NE-Vorstand v. 17.8.1940, RWWA 72-153-8. 128 Gerlach an Wittke v. 22.8.1940, Archiv Prillwitz. 129 Krauch an v. Hanneken v. 23.8.1940, BAB R 2/ 17849. 130 Gerlach an einen Ministerialrat (wahrscheinlich Heinrich Schmitt) v. Sept. 1940, StAF V 500/ 3-13. 131 Vermerk RFM v. 11.9.1940, BAB R 2/ 17849. Die Quelle war MR Dr. Georg Bree vom Finanzreferat im RWM. 132 Siehe: Kap. VI/ 1/ b. 133 Zum weiteren Verlauf der behördeninternen Diskussion: Kap. VI/ 1/ d. 134 Siehe: Kap. V/ 4/ b. 135 Landesbauernschaft Baden (Engler-Füßlin) an Reichsstatthalter Wagner v. 26.8.1940, BAB R 113/ 1404. 300 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung lerdings suchte er zu dieser Zeit nach einer Kompensation für Karlsruhe, das gerade im Begriff stand, seine wirtschaftlich vorteilhafte Funktion als Gauhauptstadt an Straßburg zu verlieren. Demgemäß gab er am Rande einer Veranstaltung Oskar Hüssy, dem Oberbürgermeister von Karlsruhe, den Hinweis, sich um die Ansiedlung des DAG-Hüttenwerks zu bewerben, was dieser im September 1940 tat 136 . Bald schaltete sich auch das von Engler-Füßlin um Hilfe gebetene Reichsernährungsministerium ein, das sich seinerseits an die Reichsstelle für Raumordnung (RfR) wandte. Letztere war als Leitungs- und Koordinierungsorgan für die Landesplanung 137 im gesamten Reichsgebiet zuständig. Deren Referent Dr. Walter Puttkammer 138 holte im September 1940 die Stellungnahmen verschiedener Behörden zur Standortfrage ein: Das RWM plädierte erwartungsgemäß für Neudingen, das RWA und die badische Landesbauernschaft sprachen sich dagegen für Kehl aus; Robert Wagners Landesplanungsbehörde wiederum lehnte Kehl ab und wollte das Werk lieber in Karlsruhe haben. Ende Oktober unterstrich Wagner seine diesbezüglichen Wünsche mit Schreiben an das RWM und an das RWA 139 . Als nützlich für ihn dürfte sich der Umstand erwiesen haben, dass der früher für »Kabinettssachen« 140 in der RfR zuständige Rechts- und Verwaltungsreferent Dr. Erwin Muermann 141 zu seinem Straßburger Personal zählte. Wahrscheinlich mit dessen Hilfe wurde am 5. November 1940 im RWA ein Komplott gegen das RWM geschmiedet: In einer Besprechung, an der Muermann, Puttkammer, Fritz Baur 142 vom RWA sowie Gerlach und einer seiner Mitarbeiter teilnahmen, klagte Baur, dass die Saarwerke den Standort Neudingen nicht aufgeben wollten, weil ihnen ein frachtgünstig gelegenes Hüttenwerk am Rhein ein zu mächtiger Konkurrent sei. Da auch von Hanneken an Neudingen festhalte und das RWA als eine dem RWM nachgeordnete Behörde die Standortfrage nicht aus eigener Kraft wieder aufrollen könne, forderte Baur die RfR auf, hier tätig zu werden. Bezüglich des Hüttenstandorts erzielte die Runde einen Durchbruch: Gerlach kündigte an, einen neuen Plan zu erstellen, der Wagners Wünschen entgegenkam und das Werk »soweit wie möglich von Kehl bzw. Strassburg abrückt« 143 . 136 OB Karlsruhe (Hüssy) an Reichsstatthalter Wagner v. 9.9.1940, LGRB 10 A/ 114. 137 Die RfR wurde durch das Gesetz über die Regelung des Landbedarfs der öffentlichen Hand v. 29.3.1935 (RGBl. 1935 I S. 468) und durch Erlass v. 26.6.1935 (RGBl. 1935 I S. 793) geschaffen. 138 Dr. Walter Puttkammer (31.5.1902 Lippusch - ? ): Volkswirt, Referent für Wehrwirtschaftsplanungen in der RfR, nach Kerrls Tod Ende 1941 deren Leiter. BAB R 113/ 1789. 139 Wagner an den Beauftragten für den VJP (Büro Göring) v. 16.10.1940, BAB R 113/ 1404. 140 So MD Jarmer (RfR) über Muermann in seinem Empfehlungsbrief an Wagner v. 21.8.1940, GLA 466- 2/ 7114. 141 Dr. Erwin Muermann (7.7.1901 Bielefeld - 25.10.1985 Meckenheim): Jurist, 1935-1937 Referent in der Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen, ab 1937 Leiter der Referate Recht und gewerbliche Wirtschaft in der RfR, wegen Differenzen mit MD Jarmer 1939/ 40 nach Krakau bzw. 1940- 1942 als Rechts- und Verwaltungsreferent zum CdZE (Abt. Bauwesen und Planungsbehörde) abgeordnet, nach dem Tode Kerrls Rückkehr zur RfR, dort persönlicher Referent von Staatssekretär Hermann Muhs, Pg. seit 1933, 1948 als Entlasteter (Kat. 5) entnazifiziert, 1949-1951 Vorsitzender des Instituts für Raumforschung in Bad Godesberg, später Waffenlobbyist. GLA 466-2/ 7114-7116, LANRW NW 1072-LB/ 993 und NW 1037-BV/ 1428. 142 Dr. Fritz Baur (2.11.1900 Salem - ? ): Chemiker, 1927-1932 Hochschulassistent in Göttingen und Charlottenburg, 1932/ 33 im Heereswaffenamt, 1933-1936 am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie, ab 1936 Leiter der Gruppen »Chemie« und »Textilien« in der RWA, ab 1944 dort Vizepräsident, Pg. seit 1928, Träger des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP, SS-Sturmbannführer. BAB R 43/ 4567. 143 Vermerk Puttkammer über das Gespräch am 5.11.1940 im RWA, BAB R 113/ 1404. 301 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite Gerlach arbeitete anschließend einen neuen Lageplan für das Hüttenwerk in Kehl aus, den er Wagner am 15. November 1940 in dessen Straßburger Amtssitz vorstellte. Das zum Termin geladene RWM forderte den badischen Gauleiter vergeblich dazu auf, den Termin abzusagen 144 . An der von Wagner geleiteten Sitzung nahmen Gerlach, Puttkammer, der badische Landesplaner Feldmann, dessen Stellvertreter Muermann sowie Vertreter der Landesbauernschaft und des Reichsverkehrsministeriums teil. Gerlach führte darin aus, vom DAG-Aufsichtsrat Redeverbot erhalten zu haben und präsentierte anschließend ungerührt einen neuen Werksstandort 145 , der bei Auenheim lag, einem kleinen Ort am rechten Rheinufer nördlich von Kehl. Puttkammer notierte, die neue Lage werde von allen Beteiligten »als hervorragend geeignet empfunden. […] Die Türme von Strassburg sind von hier aus nicht mehr zu sehen, das Hüttenwerk würde das Stadtbild der neuen Gauhauptstadt also nicht beeinträchtigen« 146 . Hinsichtlich des weiteren Vorgehens glaubte Wagner, dass er auf absehbare Zeit zwar nicht an Göring herankomme, dass ihm aber wohl der Weg zu Hitler offen stehe, der ihm nach seiner Entscheidung, die Gauhauptstadt nach Straßburg zu verlegen, alle Vollmachten zur wirtschaftlichen Förderung Karlsruhes gegeben habe. Wagner beauftragte die Anwesenden mit der Formulierung einer Eingabe an Hans Lammers, den Chef der Reichskanzlei, die er selbst unterzeichnete. Darin wurde die Rolle eines Hüttenwerks in Kehl »für die Ansetzung von weiterverarbeitender Industrie im Oberrheintal, insbesondere in Karlsruhe« hervorgehoben und Lammers darum gebeten, »dem Führer alsdann hierüber Vortrag zu halten und seine Entscheidung einzuholen« 147 . Von Hanneken, der von Puttkammer bereits am 9. November aufgefordert worden war, neben Neudingen auch alternative Werksstandorte untersuchen zu lassen 148 , nahm die Entwicklung mit zunehmenden Unbehagen zur Kenntnis. Am 19. November hielt er Siedersleben dazu an, Gerlach endlich zu stoppen und im DAG-Aufsichtsrat für die »Beseitigung solcher sachlich falschen und formell unvertretbaren Eigenmächtigkeiten eines Vorstandsmitglieds zu sorgen« 149 . Siedersleben und Wittke führten daraufhin ein scheinbar erfolgreiches Gespräch mit dem Vorstand 150 . Staatssekretär Landfried vom RWM unternahm seinerseits den Versuch, Wagner zu bremsen und ihm zu erklären, dass 144 RWM (Landfried) an Wagner v. 12.11.1940, BAB R 113/ 1404. 145 Der zuvor von Gerlach erwogene Werksstandort hatte auf Höhe des Ortes Neumühl an der Bahnstrecke von Kork nach Kehl gelegen und stand für Wagner wegen seiner Nähe zu Straßburg nicht zur Debatte. 146 Reisebericht Puttkammer v. 18.11.1940, BAB R 113/ 1404. 147 Wagner an Lammers v. 15.11.1940, LGRB 10 A/ 114. Göring erhielt am 19.11.1940 ein ähnliches Schreiben. 148 RfR an RWM v. 9.11.1940, BAB R 113/ 1404. Als Gründe gegen Neudingen trug die RfR vor: die Schädigung der Kornkammer Badens, Probleme der Wasserwirtschaft, des Landschafts- und Naturschutzes, Spannungen im Arbeitseinsatz, »so dass hier mit einer völkisch unerwünschten Mischung verschiedener Volksstämme, wahrscheinlich sogar in erheblichem Ausmasse mit Ausländern gerechnet werden müsste«. Von Hanneken lehnte die Aufnahme der Standortdebatte am 30.11.1940 gegenüber Reichsminister Kerrl ab. BAB R 113/ 1404. 149 Vermerk Siedersleben über das Gespräch im RWM am 19.11.1940, RWWA 72-153-8. 150 Angeblich hatte das Gespräch »zu 100%iger Annahme des diesseitigen Standpunktes« geführt, nämlich: »Es verbleibt bei dem Standort Neudingen für das Hüttenwerk. Herr Gerlach versicherte, Abweichendes auch gegenüber dem Reichsstatthalter nicht vertreten zu haben«. Vermerk Siedersleben über die Besprechung mit dem DAG-Vorstand am 26.11.1940, RWWA 72-148-9. 302 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Karlsruhe als Werksstandort ungeeignet sei 151 , was nur den peinlichen Schluss zuließ, dass man im RWM nicht einmal darüber informiert war, dass sich Wagner längst für Kehl entschieden hatte. Als Folge von Wagners Brief an Lammers berief Ministerialdirektor Kritzinger 152 für den 6. Dezember 1940 eine Dienstbesprechung in die Reichskanzlei ein. Deren Ergebnis war die vom RWM gefürchtete Wiedereröffnung der Standortdebatte: Auf Vorschlag Kritzingers hatte die RfR Stellungnahmen bei diversen Reichsbehörden einzuholen und diese an das RWM weiterzuleiten, das dann erneut über den Standort entscheiden sollte 153 . Robert Wagners Landesplaner Feldmann wertete das Resultat bereits als Sieg 154 und forderte das RWM telegrafisch auf, »dass die Arbeiten in Neudingen stark eingeschränkt werden« 155 . Ähnlich äußerte sich die RfR 156 . Von Hanneken versuchte daraufhin, seine Gegner auszumanövrieren: Nach der Sitzung in der Reichskanzlei teilte er Kritzinger und Wagner auf dem Briefbogen des Generalbevollmächtigten für die Eisen und Stahlbewirtschaftung mit, dass es beim Standort Neudingen bleiben müsse 157 , erzielte jedoch keinen Erfolg. Kritzingers Vorgesetzter Lammers wandte sich sofort an Reichswirtschaftsminister Funk und drohte mit der Einschaltung Hitlers 158 . Von Hanneken ließ sich seinerseits nicht von Lammers abschrecken und lud für den Nachmittag des 7. Januar 1941 etwa 20 bis 30 Reichsbeamte zu einer Konferenz über das strittige Thema nach Berlin ein, zu der auch Wittke geladen war. Unter der Leitung von Ministerialdirektor Dr. Ernst Jarmer 159 hielt die Gegenseite bereits am Vormittag des gleichen Tags in der RfR-Geschäftsstelle ein konspiratives Treffen mit Gerlach ab, dessen Anwesenheit in Berlin »keinesfalls bekanntwerden« 160 sollte. Dr. Alfred Sauer 161 , der Leiter der Berliner Außenstelle der Badischen Staatskanzlei, war zu diesem Vorgespräch zwar nicht geladen, erzwang aber mutig 151 RWM (Landfried) an Wagner v. 30.11.1940, BAB R 113/ 1404. 152 Friedrich Wilhelm Kritzinger (14.4.1890 Grünfier - 25.4.1947 Nürnberg): Jurist, ab 1921 Ministerialbeamter in Berlin, 1938-1945 in der Reichskanzlei, dort zuletzt Staatssekretär, Teilnehmer der Wannseekonferenz. 153 Vermerk RfR über die Sitzung am 6.12.1940, BAB R 113/ 1404. 154 Tatsächlich gaben RAM, OKW und Reichsernährungsministerium Anfang Dezember Stellungnahmen gegen Neudingen ab (Aktenbefund BAB R 113/ 1404). Selbst das Oberbergamt Karlsruhe ging auf Distanz zum RWM (Lagebericht OBA Karlsruhe v. 12.12.1940, BAB R 3101/ 30464). Allerdings schien der badische Ministerpräsident Köhler noch unentschieden. Vermerk Siedersleben über die Besprechung der Saarwerke am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. 155 So zitiert in: Bad. Planungsbehörde (Feldmann) an RfR v. 10.12.1940, BAB R 113/ 1404. 156 RfR (Jarmer) an RWM v. 12.12.1940, BAB R 43 II/ 1338a. 157 V. Hanneken an Kritzinger v. 14.12.1940, BAB R 43 II/ 1338a. 158 Lammers an Funk v. 19.12.1940, BAB R 113/ 1404. Auch Wagner wies die Argumente von Hannekens zurück. Wagner an v. Hanneken v. 9.1.1941, LGRB 10 A/ 114. 159 Dr. Ernst Jarmer (14.8.1886 Lübau - ? ): Jurist, Rechtsanwalt, 1934-1935 Landeshauptmann von Pommern, preuß. Provinzialrat, ab 1935 Abteilungsleiter und MD in der RfR, Pg. seit 1925, 1926 Parteiaustritt, 1929 Wiedereintritt, Träger des Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP, »ein fanatischer Anhänger der NSDAP«, so die langjährige RfR-Sekretärin Gretel Porte 1946 über Jarmer. LANRW NW 1072- LB/ 993. 160 Bericht Sauer v. 9.1.1941, BAB R 113/ 1405. 161 Dr. Alfred Sauer (3.4.1887 Mannheim - 9.4.1962 Mannheim): Jurist, 1920-1933 Referent in der wirtschaftlichen Vertretung der Bad. Regierung in Berlin, 1920 RR, 1926 ORR, 1933 MR, 1934-1945 Leiter der Außenstelle Berlin der Bad. Staatskanzlei, 1936/ 37 zur Geschäftsgruppe Rohstoffverteilung der VJP-Behörde abgeordnet, 1944-1952 Leiter des Hafenamts Mannheim, 1949-1952 Präsident der Gebäudeversicherungsanstalt Baden, kein NSDAP-Mitglied. GLA 466-2/ 9112-9114 und 431/ 6774. 303 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite seine Teilnahme. Seiner Notiz zufolge heizte Gerlach die Stimmung gegen die Saarindustrie mit dem Vorwurf an, diese wolle den Schmelzeisenpreis in die Höhe treiben, »um zu verhindern, dass ihr eine Konkurrenz entstehen könne. Das Bestreben sei umso tragbarer, als die Beteiligung mit eigenen Mitteln von der Saar nur begrenzt sei, die Hauptlast aber beim Reich liege«. Jarmer betonte die Bedeutung des Kehler Werks als einen wirtschaftspolitischen Cluster, der zum Entstehen einer oberrheinischen Schwerindustrie führen könne, glaubte aber, dass wegen des steifen Widerstands im RWM wohl ein »Führerentscheid« nötig sein werde. Seine Frage, ob bei einem »Abspringen der Saarwerke« 162 deren Kapitalbeteiligung von 25 Mio. RM von badischer Seite aufgebracht werden könne, musste Sauer leider offen lassen. Nachmittags leitete von Hanneken die Sitzung im RWM mit der Behauptung ein, der Standort Kehl werde von einem einzelnen DAG-Vorstandsmitglied favorisiert, das den Aufbau einer vollständigen Hüttenindustrie plane, damit aber weder in der DAG noch bei den Saarhütten auf Resonanz stoße. Beabsichtigt sei nur der Bau eines reinen Vorschmelzwerks zur Eisenerzeugung bei der Saarindustrie. Letztere lehne es kategorisch ab, sich eine Konkurrenz in Kehl heranzuzüchten und werde sich bei einer Entscheidung, die ihren Interessen zuwider laufe, vom Projekt zurückziehen. Woher dann aber die Mittel für das unbedingt notwendige Vorschmelzwerk kommen sollten, sei völlig unklar. Zudem habe man bereits 16 Mio. RM investiert, so dass ein »Abgehen von Neudingen« mit zweifelhaften Erfolgsaussichten verbunden sei. Göring habe diesem Standort seine Zustimmung erteilt, und daher »müsse das durchgeführt werden, was der Reichsmarschall bestimmt habe«. Freilich musste von Hanneken diese Behauptung rasch wieder dementieren, nachdem ihm Jarmer geistesgegenwärtig entgegengehalten hatte, »dass wenn es der absolute Wille des Reichsmarschalls sei, die angesetzte Besprechung unnötig wäre, da dann überhaupt jede Diskussion zu unterbleiben habe« 163 . Unterstützung erhielt von Hanneken durch Wittke, der einen Konkurs der DAG für den Fall androhte, dass das Werk in Kehl errichtet werde und von Ministerialdirigent Nasse, der erklärte, das RFM wolle an Neudingen festhalten und habe kein Interesse an einem Hüttenwerk in Kehl. Die mit Abstand wichtigste Rolle spielte jedoch das Reichsverkehrsministerium. Dessen Ministerialdirektor Treibe verwies darauf, dass die Stellungnahme seiner Behörde erst in einigen Wochen kommen könne, sagte aber voraus, dass es die Reichsbahn wohl vorziehen werde, beladene Waggons die schwierige Gebirgsstrecke gegen Bezahlung hinaufzufahren, statt leere Waggons ohne Bezahlung, was als eine klare Präferenz zugunsten von Neudingen gedeutet werden mochte. Ministerialrat Sauer vertrat die badischen Interessen und betonte, dass es sich bei den Planungen für Kehl nicht um das Projekt eines einzelnen DAG-Vorstandsmitglieds handele, sondern um die Auffassung des badischen Reichsstatthalters. Gegen einen Standort auf der Baar wandte er ein, dass es sich dort um eine trostlose Gegend handele, die unter dem Bau von Industrieanlagen noch mehr zu leiden habe, doch hielt ihm von Hanneken entgegen, dass erst durch das Vorschmelzwerk die Zivilisation in diese Gegend gebracht werde. Anschließend überraschte der Unterstaatssekretär seine Kritiker mit der Feststellung, dass die 162 Bericht Sauer v. 9.1.1941, BAB R 113/ 1405. 163 Vermerk Baur über die Sitzung am 7.1.1941, BAB R 113/ 1405. 304 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Rentabilität des Neudinger Werks nicht durch einen Ausnahmetarif der Bahn gesichert werden müsse, sondern über Ausgleichszahlungen der deutschen Eisenindustrie, mit deren Konzeption er die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie kürzlich beauftragt habe. Siegessicher kündigte er an, die Standortfrage Göring nahebringen zu wollen, damit dieser sie dem Führer vortrage. Über den Ausgang habe er keinen Zweifel. Tatsächlich aber war von Hanneken am Ende der Sitzung keinen einzigen Schritt weitergekommen: Nur die Saarwerke 164 und das RFM, das auf seine Zusage baute, das geplante Erzsyndikat werde der DAG »auskömmliche Verkaufspreise« 165 sichern, unterstützten ihn noch. Seine Gegner hatte er in keiner Weise beeindrucken können 166 . Die Hauptprotagonisten eines Standortwechsels nach Kehl 167 machten sich nun selbst ein Bild von der Lage vor Ort: Jarmer von der RfR besuchte am 18. Januar 1941 die Baar und befand, dass das in Neudingen investierte Kapital wohl kaum bei 16 Mio. RM, sondern allenfalls bei 1,3 Mio. RM 168 liege. Zwei Tage später unternahm Baur vom RWA die gleiche Reise und stellte dabei fest, dass sich der Leiter des Bergamts Freiburg, Bergrat Rudolph Philipp 169 , persönlich zu Kehl bekannte 170 . Eine Woche später leitete dann der Reichsernährungsminister das Ende des Hüttenstandorts Neudingen ein. In seiner Erklärung warnte er davor, »wertvolles deutsches Bauernblut und Bauernland« für ein Industrieprojekt am falschen Platz zu opfern und den Arbeitskräftemangel für den Agrarsektor auf der Baar zu verschärfen. Bereits in der Vergangenheit habe die Ansammlung von »großen, teils fremdvölkischen Arbeitermassen verheerende Auswirkungen« 171 auf die Kriminalitätsstatistik gehabt. Am 4. Februar 1941 zog das RWA nach. Die von Carl Krauch unterzeichnete Stellungnahme tat die wehrwirtschaftliche Begründung für den Standort Neudingen als überholt ab und schenkte dem bislang vernachlässigten Wirtschaftlichkeitsprinzip Beachtung. Zugunsten Kehls stellte sie fest: 164 Wittke berichtete den Saarindustriellen über die »lebhaft« verlaufene Sitzung und warnte sie davor, »dass man von bestimmten Stellen aus« den Versuch unternehmen könne, einzelne Werke gegen Neudingen einzunehmen, weshalb er dringend bitte, am einstimmig gefassten Beschluss festzuhalten, denn dies habe er von Hanneken »noch einmal besonders versprochen«. Wittke an Saarwerke v. 8.1.1941, RWWA 72-153-8. 165 Vermerk über die Sitzung im RWM am 7.1.1941, BAB R 2/ 17849. 166 Lediglich der badische Ministerialrat Sauer glaubte »eine gewisse undurchsichtige Zurückhaltung« gegenüber den Wünschen Robert Wagners erkannt zu haben (Bericht Sauer an Wagner über die Sitzung v. 7.1.1941, BAB R 113/ 1405). Wagners Atlatus Muermann leitete Sauers Bericht am 13.1.1940 mit einem abfälligen Kommentar über Sauer und die Beamten im BFWM an Puttkammer weiter. BAB R 113/ 1405. 167 Fritz Baur meinte, dass die ganze Angelegenheit »für die Saarhüttenbesitzer eine rein kapitalistische Sache ist«, der nur dadurch beizukommen sei, dass der saarländische Aktienanteil an der DAG von der badischen Wirtschaft übernommen werde (Vermerk Baur über die Besprechung im RWM am 7.1.1941, BAB R 113/ 1405). Die Terminologie der »Neudingen-Kritiker« offenbart, dass diese ihr Engagement stets auch als Kampf um den Primat nationalsozialistischer Politik gegenüber den Interessen der Wirtschaft auffassten. So bezeichnete Gerlach den Standort Neudingen als »Vergewaltigung der techn. Entwicklung durch Kapitalinteressen« (undat. Vermerk Gerlach, BAB R 113/ 1404). Puttkammer betonte, dass es »bei einer autoritär geführten Wirtschaft« möglich sein müsse, »den Willen der staatlichen Wirtschaftslenkung […] durchzusetzen«. Undat. Vermerk Puttkammer, BAB R 113/ 1405. 168 Reisebericht Jarmer v. 24.1.1941, BAB R 113/ 1405. 169 Kurzbiografie Rudolph Philipp: siehe Kap. IX/ 2/ a. 170 Vermerk Philipp v. 20.1.1941, LGRB B I a 9. 171 Reichsernährungsministerium (Willikens) an RfR v. 25.1.1941, BAB R43 II/ 1338a. Unterstreich. im Orig. 305 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite »Die durch den Verlauf des Krieges bedingte neue Erzversorgungslage verlangt, daß die wirtschaftlichen Gesichtspunkte mehr gewürdigt werden und läßt den Standpunkt der Eisengewinnung um jeden Preis nicht mehr vertretbar erscheinen. Das Eisen aus Doggererz muß später zu normalen Preisen hergestellt werden können, wenn es nicht ebenso wie das Doggererz selbst, von den weiterverarbeitenden Hütten als zu teuer abgelehnt werden soll« 172 . Im RWM griff man nun nach jedem Strohhalm und wies eine Delegation württembergischer Kommunalvertreter, die befürchteten, der drohende Standortwechsel werde ihre Gasversorgung gefährden 173 , diskret darauf hin, dass bei den »nahen Beziehungen des Gauleiters Wagner zu den massgebenden Regierungsstellen eine kritische Lage entstanden […] sei. Man halte es deshalb im RWM für dringend erforderlich, dass auch Württemberg […] von sich aus ein Protestschreiben mit den Unterschriften des Herrn Reichsstatthalters Murr, der württembergischen Staatsregierung, des Herrn Oberbürgermeisters Strölin« 174 an von Hanneken, Lammers, Funk und an General Thomas vom Wehrwirtschaftsamt sende. Der Zweckverband Gasversorgung Württemberg unternahm daraufhin eine Demarche beim RWM, die Strölin aber nicht selbst unterzeichnete, sondern dessen Amtskollege Gültig aus Heilbronn 175 . Der württembergische Reichsstatthalter Murr unterschrieb seinerseits einen Protest an die Reichskanzlei und forderte deren Chef Lammers auf, auf eine »rasche und unumstössliche Entscheidung hinzuwirken und dafür einzutreten, daß es bei dem Projekt der Erstellung einer Kokerei in Neudingen und bei der Versorgung Württembergs aus dieser Kokerei verbleibt« 176 . Am 7. Februar 1941 gab das Reichsverkehrsministerium sein Votum ab, das als ausschlaggebend galt: Es befand, dass bei der Verarbeitung von reinem Doggererz der Hüttenstandort Kehl keinerlei verkehrstechnische Nachteile gegenüber Neudingen aufweise, dass er aber bei einer zusätzlichen Verhüttung von Erzen aus dem Einzugsgebiet des Rheins klar die bessere Wahl sei 177 . Der badische Reichsstatthalter Wagner richtete nun ein Schreiben an Lammers und forderte eine Entscheidung Hitlers für den Fall ein, dass von Hanneken jetzt nicht einlenke 178 . Im RWM und im RFM war man sich der prekären Situation wohl bewusst. In einer gemeinsamen Krisensitzung räumten die Beamten des RWM ein, dass von Hanneken jetzt nur noch eine Option blieb: die Zustimmung zu Kehl, denn sonst werde die Entscheidung von einer übergeordneten Dienststelle gefällt. Allerdings befürchtete man im RWM, dass die Saarwerke nun vom Doggererz-Projekt zurücktreten könnten. Ministerialrat Schmitt hatte bereits auf Wittke »im Sinne einer weiteren Beteiligung der Saarhütten eingewirkt« und ihm vor Augen geführt, dass »sonst die Gefahr einer Konkurrenz durch Kehl für die Saarhütten viel größer sei« 179 , was als dezenter Hinweis auf eine Projektübernahme durch die Reichswerke zu verstehen war. Im RFM hegte man zwar keine Bedenken gegen die Aufgabe des Standorts Neudingen und glaubte, dass der damit 172 Stellungnahme der RWA zur Standortfrage v. 4.2.1941, StAF V 500/ 3-13. Unterstreich. im Orig. 173 Siehe dazu: Kap. VI/ 3. 174 Aktennotiz Mezger über ein Gespräch mit RWM-Referent Schlegel am 7.2.1941, HStASt E 151/ 41-916. 175 ZGW (OB H. Gültig) an RWM und RfR v. 12.2.1941, BAB R 113/ 1405. 176 Murr an Reichskanzlei (Lammers) v. 12.2.1941, BAB R 43 II/ 1338a. 177 RVM (Treibe) an RWM v. 7.2.1941, BAB R 113/ 1405. 178 Wagner an Lammers v. 13.2.1941, BAB R 42 II/ 1338a. 179 Vermerk RFM über die Besprechung mit dem RWM am 12.2.1941, BAB R 2/ 17849. 306 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung verbundene Verlust von etwa 2 Mio. RM wohl durch den wirtschaftlicheren Betrieb in Kehl aufgewogen werde 180 , doch fürchtete man hier, ein mögliches Ausscheiden der Saarwerke aus dem Projekt werde das Reich am Ende teuer zu stehen kommen. Anfang März 1941 schaltete sich Hermann Röchling ein, der im Februar vergeblich versucht hatte, Wagner von den Vorteilen des Standorts Neudingen zu überzeugen 181 . Schriftlich forderte Röchling bei Lammers eine Entscheidung Hitlers ein 182 . Der von Lammers befragte »Führer« scheute eine harte Entscheidung zu Lasten eines seiner beiden Gauleiter und neigte »der Auffassung zu, daß der Standortort Kehl für das Vorschmelzwerk gewählt werden sollte, falls dieses Werk für die Gasversorgung Straßburgs von großer Bedeutung sein würde. Andernfalls möchte er geprüft wissen, ob es sich nicht empfiehlt, zwei Vorschmelzwerke zu errichten« 183 . Von Hanneken gab nun auf: Am 14. März 1941 ordnete er einen Baustopp für Neudingen an 184 und forderte die DAG zur Aufnahme von Planungen für Kehl auf, verbot aber bis auf weiteres jegliche Bautätigkeit. 180 Vermerk v. 14.5.1941, BAB R 2/ 17849. 181 Muermann an RfR v. 13.2.1941, BAB R 113/ 1405. 182 H. Röchling an Lammers v. 4.3.1941, BAB R 43 II/ 1338a. 183 Lammers an Funk v. 14.3.1941, BAB R 43 II/ 1338a. 184 RWM (v. Hanneken) an DAG, RfR, Wagner u.a. v. 14.3.1941, LGRB 9 A/ 95. Abb. 67: Ursprünglich vorgesehene Lage des Kehler Hüttenwerks nördlich von Neumühl. Nach dem Einspruch des badischen Gauleiters Robert Wagner musste der DAG-Vorstand die Anlage weiter vom Kern der künftigen Gauhauptstadt Straßburg abrücken. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 307 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite d) Das Einknicken der Saarwerke: Standortwechsel an den Rhein Bereits Anfang März deutete sich die Niederlage des RWM für die Saarindustriellen an. Wittke berief für den 8. März 1941 eine Besprechung nach Dillingen ein und berichtete, das RWM lege jetzt keinen Wert mehr auf eine Erklärung der Werke für Neudingen, wisse aber auch nicht, wie es weitergehen solle: Während von Hanneken und Ministerialrat Schmitt jetzt für Kehl eingestellt seien, vertrete Ministerialrat Stahl von der Bergabteilung »die radikale Auffassung«, den Bau bis Kriegsende ganz einzustellen. Die nachfolgende Debatte offenbarte, dass auch die Saarindustriellen zerstritten waren. So hielten Wittke Abb. 68: Revidierte Planung des Hüttenwerks Kehl vom Herbst 1940. Durch die Standortverlagerung nach Norden konnte eine Beeinträchtigung des Straßburger Stadtbilds vermieden werden. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 308 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung und Röchling immer noch an Neudingen fest: Letzterer verteilte eine kritische Analyse 185 der vorliegenden Behördengutachten und berichtete, wegen des in Kehl entstehenden »Schlackebergs habe er Lammers gebeten, die Frage dem Führer vorzulegen« 186 . Die Vertreter der übrigen Werke waren dagegen bereit, sich dem Wunsch der Berliner Regierung zu fügen und den Standort Kehl zu akzeptieren. Siedersleben notierte, die spätere Erweiterung des dortigen Hochofenwerks zu einem Stahl- und Walzwerk werde zwar allseits als unzweifelhaft betrachtet, doch sei der neu entstehende Wettbewerb durch 300.000 t Walzwerkserzeugnisse vom Umfang her »ohne entscheidende Bedeutung. Hierüber hinaus wurde klargestellt, dass das etwaige Walzwerk Kehl im Umfange der Beteiligungsquoten der Saarhütten deren einschlägige Herstellungs- und Lieferwünsche zu erfüllen haben werde« 187 . Allerdings war man nicht bereit, auf Entschädigungsansprüche gegenüber dem Reich zu verzichten. So stellte Dr. Walther Wieland, der Generaldirektor der Halbergerhütte, klar, dass bei einer »Vergewaltigung« 188 durch den Staat dieser ja wohl auch die volle Verantwortung zu tragen habe. Der in Berlin befürchtete Rückzug der Saarwerke aus dem Projekt stand nicht zur Debatte. Lediglich Siedersleben zog das Festhalten am Hüttenbau unter den veränderten Umständen in Zweifel und verwies erfolglos darauf, dass doch in erster Linie die Kohlen- und Koksversorgung der lothringischen Hütten sichergestellt werden müsse. Wittke und Röchling bezogen dagegen für den Bau eines Vorschmelzwerks »im Sinne einer unbestreitbaren Selbstverständlichkeit Stellung« 189 . Die Tagung endete schließlich mit dem dürftigen Ergebnis, dass man eine Entscheidung in der Standortfrage »als nicht besonders eilbedürftig« erklärte und den DAG-Vorstand aufforderte, der ebenso zerstritten war, weil Bornitz Neudingen präferierte, Gerlach und Berger aber Kehl zuneigten, ein geschlossenes Votum abzugeben. Dieses fiel neun Tage später für Kehl aus 190 . 185 H. Röchling hielt die Voten der Behörden zugunsten Kehls für fehlerhaft. Seiner Meinung nach kam dort eine gemeinsame Verhüttung von Erzen aus den Gruben bei Blumberg, Freiburg und im Fricktal nur für eine sehr kurze Zeit in Frage, weil die letzteren beiden Vorkommen rasch erschöpft sein würden. Zudem sagte er voraus, dass der weite Transport des frostempfindlichen Doggererzes von Blumberg nach Kehl im Winter zu großen Problemen führen werde. »Gedanken« Röchlings zu verschiedenen Gutachten v. 16.3.1941, RWWA 72-153-8. 186 PdB am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. Dazu führte H. Röchling in seinem Memorandum aus, man sei stets der Meinung gewesen, dass man die Schlackenhalde auf das Ried bei Blumberg, wo der Boden völlig wertlos sei, aufschütten solle. Wenn diese Schlackenhalde einen Schandfleck für die Landwirtschaft der Baar darstelle, so müsse man die Frage aufwerfen, ob eine Riesenschlackenhalde gegenüber dem Straßburger Münster zur Hebung des Stadtbilds und zur Hebung des Landschaftsbilds im Rheintal beitrage. Es sei lächerlich davon zu reden, dass man bis 700.000 m³ Schlacke im Jahr für die Dauer des Bestehens dieses Hüttenwerks in tote Rheinarme, die gar nicht existierten, verschwinden lassen könne. Es käme niemand daran vorbei, dass, wenn das Hüttenwerk in Kehl aufgebaut werde, ein Schandfleck von der Baar in das Rheintal verlegt werde: »Und dieses Rheintal ist sicher viel fruchtbarer […] als die Baar«. Gedanken Röchlings v. 16.3.1941, RWWA 72-153-8. 187 Vermerk Siedersleben über die Saarhüttenbesprechung am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. 188 PdB der Saarhütten am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. 189 Vermerk Siedersleben über die Saarhüttenbesprechung am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. H. Röchling verwies auf den Engpass an phosphorarmen Erzen in Deutschland und auf den Mangel an Schiffsraum nach dem Krieg. 190 DAG-Vorstand an Wittke v. 17.3.1941, RWWA 72-153-8. 309 2. Initiativen zur Deckung der Kostendefizite Als Folge des amtlichen Baustopps stellte der DAG-Vorstand alle Anlagenbestellungen ein, ließ aber bereits vergebene Aufträge in Höhe von 22,2 Mio. RM 191 bestehen. Siedersleben begrüßte das Baumoratorium »aus voller Überzeugung« 192 und meinte, man habe während des Kriegs dringlichere Aufgaben zu erledigen als den Bau des Vorschmelzwerks. Die Saarwerke stimmten am 2. Mai 1941 der Verlegung des Hüttenstandorts nach Kehl zu 193 , wollten aber Schadenersatz vom Reich haben, den letzteres erst nach langen Verhandlungen im Herbst 1944 zusagen sollte 194 . Den Wunsch Krauchs, »einen freiwilligen Entschluss der Saarhütten für Kehl herbeizuführen« 195 , lehnten diese ab. Zwischen April und September 1941 erfolgte der Rückbau in Neudingen: Rund 200 Kräfte, darunter viele Polen und 100 französische Kriegsgefangene, ebneten das Hüttengelände ein und brachen die Baracken des Gefangenenlagers zwischen Neudingen und Pfohren ab. Die Unterkünfte wurden zusammen mit einer Bürobaracke, die am Neudinger Bahnhof gestanden hatte, nach Auenheim am Rhein verbracht. Die große Lagerhalle, sechs weitere Baracken, das frühere Wohnhaus von Leo Egle und mehrere Liegenschaften in Donaueschingen 196 wurden an den Prinzen Max zu Fürstenberg bzw. die ihm gehörende Schwarzwald Flugzeugbau Donaueschingen GmbH 197 verkauft. Das rund 36 ha große Neudinger Hüttengelände, das man jetzt nicht mehr benötigte, auf dem aber bereits massive Erdbewegungen stattgefunden hatten, musste die DAG dennoch von den örtlichen Landwirten kaufen. Sechs Hektar davon übernahm der Prinz. Letzterer bestand seinerseits darauf, im Gegenzug den östlich von Zollhaus gelegenen Steppacher Hof an die DAG zu verkaufen, um seinen ständig protestierenden Pächter loszuwerden, der als Nachbar des Bergwerksbetriebs besonders stark unter dem unerträglichen Staub der Aufbereitungsanlagen zu leiden hatte 198 . Ende Mai 1941 zogen Gerlach und die 71 Mitarbeiter seines Hüttenbaubüros von Donaueschingen nach Straßburg, Hindenburgstraße 26 (jetzt: Avenue de la Marseillaise) um. Dort wurden nun alle Werksplanungen betrieben und ein Arbeitsprogramm zur Vorbereitung der Kehler Hüttenbaustelle konzipiert, deren Lage Gerlach bereits am 1. März 1941 mit der Landesplanungsbehörde abgestimmt hatte 199 . Zunächst begann man das Gelände zu vermessen, ein Barackenlager für die Bauarbeiter zu errichten und einen großen Lagerplatz samt Halle herzustellen. Die Fortschritte blieben aber gering, weil es wetterbedingte Verzögerungen bei der Räumung in Neudingen gab und weil die DAG 191 Stand: 31.3.1941 lt. Bericht DAG-Vorstand zur ARS v. 28.10.1941, LGRB Ordner Unterlagen ARS und TK. 192 Siedersleben an Wittke v. 29.3.1941, RWWA 72-148-9. 193 Vermerk RFM über die DAG-ARS v. 2.5.1941, BAB R 2/ 17849. 194 Am 20.9.1944 einigten sich RWM und DAG in einem Vergleich auf die Zahlung von 1,78 Mio. RM, was 78 % der Schadenssume entsprach. Aktenbefund BAB R 2/ 15078. 195 Vermerk Siedersleben über die Besprechung der Saarwerke am 8.3.1941, RWWA 72-153-8. 196 Dazu gehörten das Haus Harder und das Hotel Lamm, das von der DAG-Hüttenbauabteilung 1939/ 40 als Bürogebäude genutzt worden war. Bericht DAG-Vorstand zur ARS v. 28.10.1941 (LGRB Ordner Unterlagen ARS und TK), DAG-MB Juli 1941 (Archiv Prillwitz) und Vermögensauskunft DAG v. 15.10.1943, BAB R 2/ 15078. 197 Zum Unternehmen: Sturm, Segelflugzeugbau. 198 Die DAG vermied durch den Kauf einen Schadenersatzprozess wegen der Staubemissionen und erhielt rund 30 ha Tauschfläche für spätere Betriebserweiterungen. DAG-MB Juli 1941, Archiv Prillwitz. 199 Vermerk Oltersdorf über die Standortbesprechung am 1.3.1941 in Kehl, StAF V 500/ 3-62. 310 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung den größten Teil ihrer Arbeitskräfte, darunter 200 gefangene Franzosen, auf der Baar zurücklassen musste, für die sie von den Arbeitsämtern am Oberrhein nur unzureichend Ersatz erhielt 200 . Die Beschaffung der Grundstücke am Rhein wurde, wie zuvor schon in Neudingen, durch das Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht geregelt, das widerspenstige Landeigentümer einer Enteignungsdrohung durch die Reichsstelle für Landbeschaffung unterzog. Die DAG nahm im Juli 1941 ihre Preisverhandlungen auf, die, über die Köpfe der Eigentümer hinweg, nur mit den Funktionären der Bauernschaft erfolgten. Da auch 80 ha an kommunaler Waldfläche benötigt wurden, saßen die Bürgermeister von Auenheim, Kork und Leutesheim mit am Verhandlungstisch. Gerlach gab sich verständnisvoll und betonte, »dass es sein besonderer Wunsch wäre, in jeder Hinsicht mit den örtlichen Stellen gut auszukommen und ein ebenso harmonisches Verhältnis zu der Bevölkerung zu erzielen« 201 , doch war die Präsenz von Assessor Hans Schefer, des Referatsleiters der Reichsstelle für Landbeschaffung, wohl kaum anders als eine an die Adresse der Verkäufer gerichtete Mahnung aufzufassen, ihre Preisforderungen nicht zu übertreiben. Bezüglich des Ackerlands einigte man sich Ende Juli darauf, einem Wertgutachten der badischen Landesbauernschaft zu folgen, das Preise von bis zu 85 Pfennigen je m² vorsah. Die Bewertung der kommunalen Waldflächen blieb jedoch umstritten. Die Gemeinde Auenheim, die bei der 1896 erfolgten Erweiterung des Kehler Hafens noch 30 Pfennige je m² für ihr Gelände erhalten hatte, lehnte ein Gutachten des Forstamts Offenburg ab, das einen Durchschnittspreis von lediglich 14 Pfennigen je m² für ihre 46 ha große Waldfläche vorsah. Da die Verhandlungen scheiterten, wurde ein Enteignungsverfahren eingeleitet, woraufhin die Reichsstelle für Landbeschaffung eine vorläufige Besitzeinweisung der DAG in die von ihr beanspruchten Grundstücke aussprach 202 . Gauleiter Wagner und seine Straßburger Verwaltungsmannschaft behielten das Projekt fest im Griff und wiesen rund vier Dutzend badische Landesbehörden an, dem Kehler Hüttenbau »jedmögliche Förderung und Unterstützung angedeihen zu lassen« 203 . Das ausgebootete Innenministerium in Karlsruhe beschwerte sich vergeblich über seinen Kompetenz- und Informationsverlust 204 . Einzig die Wehrmacht leistete Widerstand gegen den neuen Hüttenstandort, weil sie befürchtete, die Kampfkraft ihrer Bunker am Westwall werde durch den Bau von Industrieanlagen beeinträchtigt. Wagner beschwerte sich daraufhin bei Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, der wiederum Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, einschaltete 205 . Erst nach einer ausdrücklichen Zusage der badischen Behörden, dass die Ansiedlung von weiterverarbeitender Industrie »nicht hier, sondern im Raume Karlsruhe entsteht« 206 , gab die Festungsinspektion endlich nach. 200 Vermerk RfR über eine telefonische Beschwerde des CdZE (Muermann ) v. 30.7.1941, BAB R 113/ 1405. 201 Vermerk über die Besprechung am 3.7.1941, KAOG Ortsakten Kehl Nr. 113. 202 Vermerk über die Behördenbesprechung am 23.2.1942 in Neumühl, GLA 465c/ 16339. 203 Erlass Wagner v. 12.7.1941, KAOG Ortsakten Kehl Nr. 113. 204 BMI (Müller-Trefzer) an den CdZE, Abt. Bauwesen v. 20.8.1941, KAOG Ortsakten Kehl Nr. 113. 205 Wagner an Lammers v. 7.5.1941 und OKW (Keitel) an Lammers v. 13.6.1941, BAB R 43 II/ 1338a. 206 Protokoll der Behördenbesprechung v. 14.6.1941 im Rathaus Kehl, BAB R113/ 1405. 311 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft a) Der südwestdeutsche Gasmarkt: Entwicklung, Strukturen, Protagonisten Das Vorschmelzwerk der DAG hätte einen großen Energieüberschuss erzeugt: Nur etwa 60 % des in den Hochöfen entstehenden Gichtgases wurden vom Werk selbst benötigt, um Kessel zu beheizen oder Strom für den Eigenbedarf herzustellen 207 ; der Rest musste auf andere Weise ökonomisch sinnvoll verwertet werden. Die Planungen der DAG sahen vor, das Gichtgas als Energiegrundlage für den Betrieb einer Kokerei zu nutzen, in der man den zur Eisenverhüttung erforderlichen Koks herstellen und das bei der Verkokung anfallende Koksgas teilweise extern vermarkten wollte 208 . Als Absatzweg bot sich der Bau einer Ferngasleitung in das industriestarke Ballungszentrum am mittleren Neckar an, wo zahlreiche Rüstungsbetriebe als Verbraucher in Betracht kamen. Den dortigen Gasmarkt beherrschte und verteidigte das städtische Gaswerk Stuttgart, ein regionaler Angebotsmonopolist, der bereits 1927 rund 50 Nachbarkommunen belieferte 209 und mit einer Jahreserzeugung von 77,5 Mio. m³ etwa 52 % Anteil an der gesamten württembergischen Gasproduktion von 1927/ 28 besaß 210 . Den Bezug von Ferngas hatten die südwestdeutschen Kommunen damals abgelehnt: So war Ende der 1920er Jahre die Absicht der Essener Aktiengesellschaft für Kohleverwertung (ab 1928: Ruhrgas AG), die wachsenden Gasüberschüsse der Kokereien des Ruhrgebiets zum Aufbau einer zentralen Gasversorgung für ganz Deutschland zu nutzen und ihr bislang auf die Rheinprovinz beschränktes Ferngasnetz nach Süden und Osten auszudehnen 211 , auf den Widerstand vieler Städte mit eigener Gasproduktion gestoßen, die ihre einträglichen Werke nicht schließen mochten und es ablehnten, sich einem unkalkulierbaren Liefermonopol auszusetzen. Zu den entschiedensten Widersachern der Ruhrgas AG hatte der Leiter des Stuttgarter Gaswerks, Dr. Richard Nübling 212 , gehört, der eigene Expansionspläne in der Region verfolgte und zu deren Absicherung ein Bündnis der Gasanbieter auf Landesebene initiierte: Mit dem Ziel, »die Gaswirtschaft in Württemberg auf einheitlicher kommunaler Grundlage fest in der Hand zu behalten« 213 , schlossen sich 1927 die 61 existierenden Gaswerke zum Landesverband württembergischer Gaswerke zusammen und entwickelten das Konzept einer dezentralisierten Gruppenversorgung, 207 DAG-Papier »Ferngasversorgung Südwestdeutschlands […]« v. 16.1.1942, StAF V 500/ 3-62. 208 Die DAG erwog 1940 auch, zur Nutzung des Gichtgasüberschusses ein Elektrizitätswerk mit 45 Megawatt Leistung zu bauen und davon 25 Megawatt an die Badenwerk AG zu verkaufen. Später wurde über ein 70 Megawatt-Gemeinschaftskraftwerk verhandelt, doch waren die Ertragsprognosen unbefriedigend. DAG-Papier »Projektierung des Kraftwerks […]« v. 28.6.1941, KAS RESW F-K 22/ 2183. 209 Gutachten Techn. Beratungsstelle für das WStaM v. 20.8.1927, HStASt E 130 b-1429. 210 Kett, Stuttgart und Gas, S. 85 und 120. 211 Memorandum »Deutsche Großgasversorgung« v. Juni 1927, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 1. Weiterführend: Krämer, Saar Ferngas, S. 241 ff. und Ruhrgas AG, 25 Jahre, S. 9 ff. 212 Dr. Richard Nübling (7.10.1880 Ulm - 11.10.1936 Stuttgart): Ingenieur, langjähriger Leiter des Gaswerks bzw. der Technischen Werke Stuttgart. 213 So Nübling lt. Neues Tagblatt (Stuttgart) v. 10.5.1929. 312 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung in dem man das Land in vier Versorgungsgebiete aufteilen und je eines den »Hauptgaswerken« in Stuttgart, Ulm, Heilbronn und Reutlingen als Absatzgebiet zuweisen wollte. Um die Bereithaltung großer Reserven einzusparen, sollten die vier Großgasereien durch Rohrleitungen untereinander verbunden werden 214 . Den Bezug von Ferngas aus der Ruhr lehnten sowohl der Stuttgarter Stadtrat als auch der Gasverbands-Vorsitzende Nübling entschieden ab 215 . Ebenso verhielt sich die badische Gaswirtschaft, die 1928 aus 35 Gaswerken bestand und eine Jahresproduktion von 120 Mio. m³ aufwies, von der 75 % auf das geografische Viereck Mannheim-Heidelberg-Karlsruhe-Pforzheim und auf den Raum Freiburg entfielen 216 . Als Reaktion auf den Vorstoß der Aktiengesellschaft für Kohleverwertung gründeten die badischen Gaswerke eine »Ferngasstudienkommision«, die im November 1928 zu dem Schluss gelangte, dass eine zentralisierte Gasversorgung Badens wegen der hohen Leitungskosten nicht in Betracht komme. Möglich und zweckmäßig sei vielmehr »nur ein Ausbau der in den Anfängen schon vorhandenen Gruppengasversorgung von den bestehenden grösseren kommunalen Gaswerken« 217 . Nach der »Machtergreifung« fanden die Vertreter der Ferngaswirtschaft zunehmend Gehör im RWM. Ende 1935 trat das Energiewirtschaftsgesetz in Kraft, das die Elektrizitäts- und Gasversorgung einer Reichsaufsicht unterstellte und im Kontext einer Ordnungspolitik stand, die auf Großerzeugung, Verbundwirtschaft und regionale Absatzmonopole setzte 218 . Es stärkte die Position der Ruhrkohle 219 , deren Repräsentanten mit militärpolitischen Argumenten dafür warben, die Koksgasüberschüsse der Montanreviere für die gesamte deutsche Rüstungswirtschaft nutzbar zu machen und »die bis dahin isolierten Versorgungsgebiete der Ferngaswirtschaft über Ring- und Kupplungsleitungen zusammenzuschließen, um auf diese Weise möglichen Produktionsausfällen […] begegnen zu können« 220 . Die Stilllegung der Ortsgaswerke gehörte jetzt nicht mehr zu den Zielen der Ruhrgas AG. Sie wollte vielmehr eine Verbundwirtschaft kreieren, in der das Ferngas die Eigenerzeugung kommunaler »Stützpunktwerke« in Mainz, Frankfurt, Mannheim und Stuttgart ergänzen, aber nicht verdrängen sollte 221 . Ein Schritt zur Verwirklichung derartiger Pläne war der Bau einer Ferngasleitung von Niederschelden im Siegerland nach Rüsselsheim durch die Ruhrgas AG, ein Projekt, das nach zähem Ringen zwischen den widerstreitenden Interessen der hessischen Gemeinden, der Ruhrgas AG und der Industrie unter Federführung des RWM im Oktober 1936 zustande gekommen war 222 . Das RWM erteilte der Ruhrgas AG darüber hinaus den 214 Gutachten Techn. Beratungsstelle für das WStaM v. 20.8.1927, HStASt E 130 b-1429. 215 Amtsblatt der Stadt Stuttgart v. 30.5.1929. 216 Eglinger, Ferngasversorgung, S. 79 ff. und Aktenbefund StadtAF C 4/ IV/ 4/ 1. 217 Entschließung der Studienkommission für die Gasfernversorgung v. 5.11.1928, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 1. 218 Dazu ausführlich: Stier, Staat und Strom, S. 436 ff. 219 So pries der nationalsozialistische Wirtschaftsdienst »Die deutsche Volkswirtschaft« (1936, S. 478 f.) das Gesetz als Hebel, um die Versorgung der Industrie mit billigem Ferngas durchzusetzen und die »Tarifmonopole der Gemeinden selbst, die die Versorgungsbetriebe zuweilen allzu sehr als melkende Kuh [! ] ansehen«, einer Missbrauchsaufsicht zu unterstellen. 220 Krämer, Saar Ferngas AG, S. 329. 221 Karlsruher Tagblatt v. 3.7.1936. 222 Krämer, Saar Ferngas AG, S. 332 f. Der Vorgang löste großen Widerhall in der Kommunalwirtschaft aus und wurde von ihr zu Recht als staatliche Demontage ihrer Selbstverwaltungskompetenz gewertet. Als 313 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft Auftrag, die Entwicklung der Gasverbundwirtschaft in Südwestdeutschland zu fördern und später eine Verbindung mit dem Netz der Ferngasgesellschaft Saar herzustellen 223 , die Anfang 1936 ihre Hauptleitung von Homburg nach Ludwigshafen eröffnet und die Gasversorgung der Pfalz aufgenommen hatte 224 . Gleichzeitig wurde das Stuttgarter Innenministerium (WMI) vom Reichsinnenministerium aufgefordert, die württembergischen Kommunen mit dem Thema Ferngasversorgung zu konfrontieren und sich den vom RWM genehmigten Mustervertrag der hessischen Gemeinden mit der Ruhrgas AG zu besorgen. Der Gemeindereferent im WMI, Dr. Kurt Göbel 225 ahnte, dass die Frage »der Ferngasversorgung von Stuttgart bereits am Horizont auftaucht« 226 . Angesichts der neuen energiepolitischen Vorgaben aus Berlin revidierte der zum Generaldirektor der 1933 gegründeten Technischen Werke der Stadt Stuttgart (TWS) beförderte Nübling seine Haltung zum Ferngas und verkündete: »Es wäre Kirchturmpolitik, wollte man nicht anerkennen, daß die Gaswirtschaft nur dann gedeihen kann, wenn sie sich - wie die Elektrowirtschaft - in eine gesamtdeutsche ›Großraum‹-Energiewirtschaft eingliedert« 227 . Tatsächlich aber herrschten in Stuttgart Vorbehalte gegen die vom Reich aus betriebene Umgestaltung der bisherigen Einzelgaswirtschaft in eine Gasverbundwirtschaft. Der jüngste Vorgang in der Pfalz, wo »die politische Durchsetzung der Ferngasidee gegen den Willen einer Großstadt« 228 , Ludwigshafens nämlich, gelungen war und elf kommunale Gaswerke ihre Eigenerzeugung eingestellt hatten, stand als Menetekel an der Wand. Stuttgarts Oberbürgermeister Karl Strölin 229 , ein alter Kämpfer, der in der NSDAP- Reichsleitung über einigen Einfluss verfügte und im Hauptamt für Kommunalpolitik die Hauptstelle für Wirtschafts- und Energieversorgungsfragen leitete, kritisierte im Herbst 1936 »das Bestreben des Bergbaus, seine Abnehmer in Industrie, Gewerbe und Haushalt stärker als bisher in die Hand zu bekommen« und forderte die Partei in einem Gutachten auf, sie müsse verhindern, dass Ferngasgesellschaften, besonders die Ruhrgas AG, sich ein Monopol für die gesamte Brennstoffwirtschaft sicherten. Strölin erteilte einer Gasverbundwirtschaft jedoch keine grundsätzliche Absage, sondern forderte Staat und Partei direkte Folge der Ereignisse löste sich zum Jahresende 1936 die 1928 von den Städten Frankfurt/ Main, Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Pforzheim, Ludwigshafen, Hanau und Wiesbaden gegründete Südwestdeutsche Gas AG auf. Ziel dieser Interessengemeinschaft war es gewesen, die beteiligten »Städte vor dem Ansturm der Ferngasgesellschaften zu schützen und ihre Gaswerke selbständig zu erhalten« (Ludwigshafens OB Ecarius). Mannheims OB Renninger konstatierte 1936: »Die Städte sind heute auf dem Gebiet der Gasversorgung nicht mehr souverän; die Verhandlungen werden unter Einschaltung der Regierungen geführt. Die Städte sind gar nicht mehr in der Lage, die in § 8 des Interessengemeinschaftsvertrags eingegangene Verpflichtung, mit Ferngasanbietern keine Verhandlungen zu führen, noch einzuhalten«. ARP Süwega v. 15.10.1936, StadtAK Reg. A 602. 223 Kommentar WStaM zum Gutachten Strölin v. 5.9.1936, HStASt E 130 b-1429. 224 Ausführlich dazu: Vieler, Entwicklung. 225 Dr. Kurt Göbel (12.11.1898 Neuenbürg - 1.5.1982 Stuttgart): Jurist, ab 1925 im württ. Staatsdienst, 1933-1945 Kommunalberichterstatter im WMI, dort zuletzt MR, 1945 entlassen, danach als freiberufl. Rechtsberater für den Zweckverband Landeswasserversorgung sowie publizistisch tätig; Pg. ab 1937 (nach einer 1933 erfolgten Ablehnung seines Mitgliedsantrags), 1947 als Mitläufer entnazifiziert. HStASt E 151/ 21-261. 226 Vermerk WMI (Göbel) v. 8.11.1936, HStASt E 151/ 41-916. 227 Nübling, Sinnvolle Verbundwirtschaft - das Programm der Zukunft, in: Das Gas- und Wasserfach, 1936/ 1. 228 Krämer, Saar Ferngas AG, S. 348. 229 Dr. Karl Strölin (21.10.1890 Stuttgart - 21.1.1963 Stuttgart): Jurist, OB von Stuttgart 1933-1945. 314 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung auf, »darüber zu wachen, dass sowohl Richtung wie Tempo der kommenden Entwicklung der Gaswirtschaft kompromisslos den Erfordernissen der Gesamtheit untergeordnet werden«. Darunter verstand Strölin den Erhalt der kommunalen Gasverteilungshoheit und die Gründung eines »Träger[s] zur regionalen Gasfernversorgung […] mit ausschlaggebendem Einfluss der Gemeinden« 230 . Nach Nüblings Tod im Herbst 1936 wurde dessen Schwiegersohn Willy Speidel 231 an die Spitze der TWS gestellt. Diese bekam einen sehr selbstbewussten und mit besten Kontakten zur Gauleitung ausgestatteten Elektrotechniker zum Chef, der im Laufe seiner kurzen Amtszeit endlose Dispute über energiepolitische Grundsatzfragen mit Strölin ausfocht. Als nebenamtlicher Bezirksleiter der Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung handelte Speidel gemeinsam mit Göbel vom WMI und der Saar Ferngas AG, die infolge einer Gebietsabgrenzung mit der Ruhrgas AG für Südwestdeutschland zuständig geworden war, bis Anfang 1939 einen Vertragsentwurf über die Lieferung von jährlich 60 Mio. m³ Ferngas an die württembergischen Gemeinden aus. Dessen Bestimmungen wahrten die Verteilungs- und Tarifhoheit der Gemeinden 232 und sahen den Bau einer Gasleitung von Ludwigshafen über Eberbach am Neckar nach Stuttgart vor. Die Verhandlungen trugen nach späterer Darstellung von Speidels Anwalt ganz wesentlich zum Bruch mit Strölin bei, der beabsichtigt habe, »auf dem Gebiet der Gasversorgung für die Stadt Stuttgart eine Sonderstellung zu erreichen«. Speidel sah sich Strölins Vorwurf ausgesetzt, eine »›württembergische Einstellung‹ und damit ein Handeln gegen die Interessen der Stadt Stuttgart« 233 gezeigt zu haben und musste Mitte 1939 aus der TWS ausscheiden. Als Verhandlungsführer in der Ferngassache fungierten ab Herbst 1939 Walter Bauser 234 und Dr. Robert Mezger 235 , die bei der TWS die Abteilungen für Ferngas bzw. Gas leiteten. Die badischen Kommunen folgten dem Kurs ihrer östlichen Nachbarn nicht, sondern erklärten der badischen Regierung mehrfach ihr Desinteresse am Ferngas aus der Saar 236 . 230 Gutachten Strölin zur Ferngasfrage v. 5.9.1936, HStASt E 130 b-1429. 231 Dr. Willy Speidel (13.6.1900 Oberurbach - 18.2.1972 Urbach): Dipl.-Ing., 1925-1936 bei der IG Farben in Ludwigshafen und Merseburg, 1937-1939 Leiter der TWS und der Bezirksgruppe Württemberg- Hohenzollern der Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung, 1939-1945 im EVS-Vorstand, Pg. ab 1931/ 32, SA-Obertruppführer, 1938 Wehrwirtschaftsführer, Gauredner, 1945-1948 interniert, 1948 als Belasteter zu 1 Jahr Arbeitslager verurteilt. StAL EL 902/ 20-79086. 232 Monatsbericht Hauptamt für Kommunalpolitik v. 25.2.1939, BAB NS 22/ 850. 233 RA H. Seeger am 10.9.1948, EL 902/ 20-79086. 234 Walter Bauser (25.7.1896 Alfdorf - 5.8.1986 Stuttgart): ab 1922 Abteilungsleiter im Stuttgarter Gaswerk bzw. bei den TWS, ab 1939 Werkleiter für Ferngasversorgung, ab 1941 auch für Gas und ab 1943 zusätzlich für Wasser; 1932-1945 Geschäftsführer des Landesverbands württ. Gaswerke, 1936-1939 Geschäftsführer der Bezirksgruppe Württemberg-Hohenzollern der Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung, 1940-1945 deren Leiter, 1940-1945 Geschäftsführer des ZGW, 1945 entlassen; Pg. seit 1933, 1934/ 35 SA-Sturmmann, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. StAL EL 902/ 20-66216. 235 Dr. Robert Mezger (29.10.1881 Stuttgart - 27.6.1963): Dipl.-Ing. und Chemiker, 1908-1914 in den USA tätig, ab 1919 in leitender Funktion im Stuttgarter Gaswerk, ab 1928 dort Betriebsdirektor, 1939- 1941 Werkleiter für Gasversorgung der TWS, 1942-1945 Vorstandsmitglied der Süwefag, Pg. ab 1940, 1947 als Mitläufer eingestuft. StAL EL 902/ 20-48442. 236 So lehnten Mannheim und Karlsruhe im März 1937 gegenüber Innenminister Pflaumer den Bezug von Ferngas ab. Auch die Ende 1937 erfolgte Intervention des stellvertretenden Gauleiters der Saarpfalz, Ernst Ludwig Leyser, beim badischen Ministerpräsidenten Köhler blieb ohne Effekt. Ende 1938 wurde die Sache zwischen der Ministerialbürokratie und den Städten Mannheim, Karlsruhe und Heidelberg nochmals erörtert. Das Protokoll hielt fest, dass nach dem aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen 315 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft Mannheim betrachtete sich gar als »ein ›Bollwerk‹ gegen alle Einbruchsversuche von Seiten der Ferngasversorgungsunternehmen« und lehnte es »strikt ab, einen ähnlichen Weg zu gehen wie Ludwigshafen, das sein Ortsgaswerk stillgelegt hat. Auch mit dem Ausbau als Stützpunkt würde Mannheim sich nicht begnügen« 237 . Das landeseigene Badenwerk hielt gleichfalls wenig von der Sache, weil es um seinen Stromabsatz fürchtete 238 . Wahrscheinlich deshalb hielt sich auch das Karlsruher Finanz- und Wirtschaftsministerium zurück. Die ungewöhnlich positive Haltung der württembergischen Kommunen zum Ferngas versuchte man sich in Baden damit zu erklären, »dass in Württemberg Stuttgart allein als Führer die ganze Gasversorgung in die Hand genommen hat und natürlich bestrebt ist, das Stuttgarter Werk als Hauptlieferwerk noch grösser auszubauen, als es jetzt schon ist« 239 . b) Zwangsverweis der württembergischen Städte auf das DAG-Kokereigas Im Januar 1939 zog sich die Saar Ferngas AG plötzlich von ihrem Angebot an die württembergischen Kommunen zurück und brachte als Ersatz die Lieferung von 200 Mio. m³ Ferngas ins Gespräch, die von der bei Neudingen geplanten DAG-Kokerei erzeugt werden sollten 240 . Kurz darauf verkündete Just Dillgardt, Görings Bevollmächtigter für die Energiewirtschaft, die Ferngasversorgung Württembergs werde zurückgestellt 241 . Als Grund kristallisierte sich heraus, dass das Gas der Saar Ferngas AG für die Produktion von Flugbenzin bei der IG-Farben benötigt wurde 242 und die Saar wegen ihrer Grenznähe keine Erlaubnis zum notwendigen Ausbau ihrer Kokereien erhielt. Zur Klärung der unübersichtlichen Lage suchte Strölin am 28. April 1939 von Hanneken auf, der ihn auf das Neudinger Kokereigas der DAG verwies und die unerfreuliche Mitteilung machte, dass die von Speidel mit der Saar Ferngas AG vereinbarten günstigen Preise nicht mehr zu halten seien 243 . Im Juli 1939 forderte Ministerialdirigent Konrad Warncke, der Leiter der Energieabteilung des RWM, den Gemeindereferenten im WMI, Kurt Göbel, dazu auf, sofort eine Abnahmeverpflichtung der württembergischen Gemeinden über 200 Mio. m³ Ferngas zu organisieren. Als Grund gab Warncke an, er müsse den Forderungen Carl Krauchs, des Sonderbevollmächtigten für chemische Fragen, entgegentreten, der das Neudinger Gas für ein Hydrierwerk zu nutzen beabsichtige 244 . In Stuttgart war man jedoch misstrauisch der Saar und Württemberg keinerlei Bereitschaft bei den badischen Städten bestehe, sich an die geplante Ferngasleitung anzuschließen. Auch »der Finanz- und Wirtschaftsminister hält seinerseits einen Anlass nicht für gegeben, z.Zt. weitere Schritte in der Angelegenheit zu unternehmen« (Vermerk BFWM über die Besprechung am 23.12.1938, StadtAK HReg. A 627). In Freiburg meinte man aber, dass die Werke in Offenburg, Triberg, Villingen und Lahr durchaus Ferngas abnehmen wollten. Stellungnahme Cordell v. 26.8.1938, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 1. 237 Stadt Mannheim an Reichshauptstellenleiter Strölin persönlich v. 12.8.1938, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 1. 238 Bericht Eglinger über die Sitzung im BFWM am 7.12.1937, StadtAK HReg. A 627. 239 So der Leiter der Stadtwerke Freiburg, Ernst Cordell, in seinem Vermerk über die Besprechung in Mannheim am 10.8.1940, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 3. Unterstreich. im Orig. 240 Vermerk über die Verhandlungen mit der Saar Ferngas AG v. 10.1.1939, HStASt E 151/ 41-916. 241 Dillgardt an Speidel v. 14.2.1939, HStASt E 151/ 41-916. 242 Vermerk Bauser v. 20.3.1939 (HStASt E 151/ 41-916) und Vermerk WStaM v. 18.8.1941, HStASt E 130 b-1429. 243 Gesprächsnotiz Strölin/ Bauser/ v. Hanneken v. 28.4.1939, HStASt E 141/ 41-916. 244 Zum Vorgang: Kap. V/ 4/ c. 316 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung und klagte, »daß man nicht genau erkennt, welche Kräfte eigentlich am Werk sind, vor allem, ob tatsächlich […] ein ernstlicher Vierjahresplanliebhaber für das Gas vorhanden ist oder ob das Reichswirtschaftsministerium im Interesse des Reichs uns zu hohen Gaspreisen nötigen will, weil das Reich letzten Endes das Risiko für die Doggererzverwertung tragen muß« 245 . Demgemäß verweigerte man in den nachfolgenden Verhandlungen mit dem Reich jede Festlegung zugunsten des teuren und mit dem Nachteil starrer Bezugsmengen verbundenen Neudinger Gases. Nach Kriegsbeginn stieg der Gasverbauch am mittleren Neckar rüstungsbedingt stark an 246 , was einen Ausbau der Produktionseinrichtungen nahelegte. Leider hatte das RWM den Neudinger Kokereibau im September 1939 zurückgestellt, verweigerte andererseits aber auch den Ausbau der örtlichen Erzeugungskapazitäten unter Hinweis auf die künftige Ferngasversorgung, die »aber so bald nicht komme« 247 . Strölin gründete daraufhin gemeinsam mit anderen Kommunen den Zweckverband Gasversorgung Württemberg (ZGW), dessen Vorsitz er selbst 248 und dessen Geschäftsführung Bauser übernahm. Strölin und der ZGW setzten sich keineswegs für den Bau der Neudinger Kokerei ein, deren hohe Produktionskosten zu teuren Gaspreisen führen mussten, sondern sie hielten an ihrem Ziel fest, Ferngas von der Saar zu bekommen. Als dann Mitte 1940 der Waffenstillstand mit Frankreich neue Wachstumsperspektiven für die saarländische Kokereiwirtschaft eröffnete, unternahm Strölin den Versuch, die württembergische Gasversorgung vom Doggererz-Projekt zu lösen. Im Juli 1940 erhob er gegenüber dem RWM Bedenken gegen eine Anbindung an die Neudinger Hüttenkokerei und forderte stattdessen den Bau einer Gasleitung von Mannheim nach Stuttgart, mit der man Anschluss an das deutsche Gasring-Netz erhalten wollte, in das auch die Ruhr bald einspeisen werde 249 . Letzteres bezog sich darauf, dass die Reichsbehörden Ende 1939 den Bau einer Gasleitung zwischen Rüsselsheim und Mannheim beschlossen hatten, mit der die Leitungsnetze der Saar Ferngas AG und der Ruhrgas AG miteinander verbunden werden sollten 250 . Um über mögliche Gasbezüge aus der Saar zu verhandeln, fuhr Strölin Ende Juni 1940 mit einer Delegation des ZGW nach Völklingen. Das Gespräch mit Hermann Röchling und Felix Vieler, dem Direktor der Saar Ferngas AG, verlief jedoch insofern »sehr negativ - als Röchling uns keinerlei irgendwie positiven Zusagen machte« 251 . 245 Vermerk WMI (Göbel) v. 11.8.1939 über die Besprechung im RWM am 29.7.1939, HStASt E 151/ 41- 916. 246 Von 1939 bis 1940 wuchs die Gasabgabe im ZGW-Gebiet um 10 % auf 215 Mio. m³ an und schöpfte die vorhandene Produktionskapazität von 229 Mio. m³ nahezu aus. Strölin an RWA v. 25.3.1941, StAF V 500/ 3-61. 247 WMI (Göbel) an RWM v. 30.4.1940, HStASt E 151/ 41-916. 248 Strölin ignorierte damit eine anderslautende Empfehlung des württembergischen Innenministers Jonathan Schmid. Dessen Gemeindereferent Göbel notierte besorgt: »Ob hierdurch der Zweckverbandsgedanke als solcher gefährdet wird oder ob nicht vielmehr die übrigen Städte jetzt nur noch Anhängsel an die Ferngasversorgung Stuttgart werden, bleibt abzuwarten«. Vermerk v. 23.1.1940, HStASt E 151/ 41-916. 249 ZGW (Strölin) an RWM (v. Hanneken) v. 14.7.1940, HStASt E 151/ 41-916. Strölin klagte, das Neudinger Gas werde zu teuer, stehe nicht in den langfristig erforderlichen großen Mengen zu Verfügung und könne, da es nur von einer einzigen Kokerei produziert werde, keine Liefersicherheit für Württemberg bieten. 250 Siehe dazu: RWM an RFM v. 15.12.1939, BAB R 2/ 21292. 251 OB Stuttgart (Strölin) an Innenminister Schmid v. 28.6.1941, HStASt E 151/ 41-916. 317 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft Da auch Strölins Vorhaben scheiterte, einen sog. Überbrückungsplan, der in Wahrheit nur »eine starke Vergrößerung des Stuttgarter Gaswerks« 252 kaschierte, bei den Reichsbehörden durchzusetzen, blieb nichts anderes übrig, als auf eine Entscheidung für den Kokereibau auf der Baar zu warten. Vorsorglich hatte Strölin in seinem Schreiben an von Hanneken jede »scharfe Stellungnahme gegen Blumberg vermieden« 253 , um nicht am Ende mit völlig leeren Händen dazustehen. Ein Vertrag mit der DAG bot aus seiner Sicht immerhin den Vorteil einer Exklusivbelieferung für Württemberg, was bei einer Abnahme von Saargas, das man sich mit anderen Kunden zu teilen hatte, nicht möglich war. Auch die Stuttgarter Regierung hielt am Saargas prinzipiell fest, meinte aber auch, dass ein Anschluss an die DAG-Kokerei doch besser sei als gar keiner. Zudem gelte: »Gegenüber den mit aller Energie betriebenen Plänen des Reichs wäre auch ein Widerstand Württembergs, wo man seither mehr für den Anschluss an die Saarversorgung war, aussichtslos« 254 . Anfang November 1940 forderte die Energieabteilung des RWM die Vertreter des Zweckverbands Gasversorgung Württemberg (ZGW) zur Eile auf. Ministerialrat Lohmann kündigte den Baubeginn der Neudinger Kokerei für das Frühjahr 1941 an und verwies auf die Notwendigkeit, die Ferngasleitungen bis zur Vollendung des ersten Betriebsteils im Herbst 1942 fertigzustellen. Erbauer und Träger des Leitungsnetzes sollte eine Aktiengesellschaft sein, an der sich das Reich zur Hälfte beteiligen wollte, den Rest sollten die württembergischen Gemeinden und die Saar Ferngas AG zu gleichen Teilen übernehmen 255 . Daraufhin nahm eine von Strölin geleitete Delegation des ZGW am 18. November die Gespräche über technische und wirtschaftliche Fragen mit DAG-Direktor Gerlach in Donaueschingen auf 256 . Sie standen im Zeichen eines zunehmenden Gasmangels am mittleren Neckar, der Mitte Januar 1941 sogar zur Androhung von örtlichen Liefersperren führen sollte 257 . c) Desinteresse bei den badischen Kommunen Im Februar 1941 erhielten die württembergischen Gasinteressenten erstmals Kenntnis von der in Berlin geführten Debatte über einen Standortwechsel des DAG-eigenen Hüttenwerks nach Kehl. Die Idee stieß beim ZGW auf herbe Kritik, hatte sie doch zur Folge, dass das geplante Gasleitungsnetz nun über weite Strecken auf badischem Gebiet verlief. In Württemberg befürchtete man, dass »die badische Wirtschaft einen erheblichen Teil des anfallenden Gases für sich beanspruchen« 258 werde, »dass Gauleiter Wagner als starker 252 Vermerk WMI (Göbel) v. 8.11.1940, HStASt E 151/ 41-916. 253 OB Stuttgart (Strölin) an WMI (Göbel) v. 17.7.1940, HStASt E 151/ 41-916. 254 Vermerk WStaM v. 28.9.1940, HStASt E 130 b-1429. 255 Vermerk über die Besprechung im RWM am 5.11.1940, HStASt E 130 b-1429. In der Verbandsversammlung des ZGW vom 15. November zeigten die Kommunalvertreter allerdings wenig Bereitschaft zu einer Minderheitsbeteiligung; ihr Versuch, die Initiative zur Gründung der AG an sich zu reißen, in der sie 80 % des Grundkapitals übernehmen wollten, scheiterte an Reichsstatthalter Wilhelm Murr und Innenminister Jonathan Schmid. Vermerk WMI (Göbel) v. 5.12.1940, HStASt E 151/ 41-916. 256 Vermerk DAG (Zobel) über die Besprechung am 18.11.1940, StAF V 500/ 3-61. 257 Verfügung Kreisleiter und OB Esslingen v. 18.1.1941, HStASt E 141/ 41-916. 258 ZGW (Gültig) an RWM (v. Hanneken) v. 12.2.1941, BAB R 113/ 1405. 318 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Mann die badischen Interessen in erster Linie berücksichtigen würde und dass somit für Württemberg kein Gas mehr übrig wäre« 259 . Um den Standortwechsel nach Kehl zu verhindern, fuhr im Februar 1941 eine Delegation des ZGW nach Berlin und suchte Spitzenbeamte in der Reichskanzlei, bei der Reichsstelle für Raumordnung und in der Energieabteilung des RWM auf 260 . Die Aktion brachte jedoch keinerlei Erfolg: Mitte März 1941 ordnete von Hanneken die in Stuttgart befürchtete Werksverlegung nach Kehl an, verbot allerdings jegliche Bautätigkeit. Da die künftige Ferngasleitung nun von Kehl über Karlsruhe und den Löchgau nach Württemberg führte, gewann die Akquisition der badischen Gauhauptstadt Priorität für die DAG. Zwar hatten sich die badischen Kommunen im August 1940 in ihrer ablehnenden Haltung zum Ferngas gegenseitig bestärkt 261 , doch nahm der Leiter der Karlsruher Stadtwerke, Oberstadtbaudirektor Constantin Eglinger 262 , insofern eine differenzierte Haltung ein, als er seit 1936 mehrfach betont hatte, dass er sich den Verzicht auf eine Erweiterung des städtischen Gaswerks zugunsten einer Abnahme von zusätzlichem Ferngas durchaus vorstellen könne 263 . Am 6. März 1941 fuhr Gerlach nach Karlsruhe und drängte Eglinger sowie dessen Vorgesetzten, Oberbürgermeister Oskar Hüssy, sich rasch gegenüber dem RWM zu einem Anschluss an das Ferngasnetz zu bekennen 264 . Eglinger informierte das Finanz- und Wirtschaftsministerium (BFWM) 265 und verhandelte zwei Wochen später mit Gerlach und mit den Repräsentanten des ZGW über die Aufteilung der Gasmengen. Dabei erklärte Eglinger, sein Land habe »nach Meinung des Badischen Wirtschaftsministeriums grösstes Interesse für das Kehler Gas« 266 und stellte den Bezug von bis zu 70 Mio. m³ Gas durch badische Abnehmer unverbindlich in Aussicht. Die weiteren Verhandlungen zwischen der DAG und dem ZGW führten dann zu einem Vorvertrag über die Lieferung von jährlich bis zu 220 Mio. m³ Ferngas nach Württemberg 267 . In Karlsruhe liefen die Dinge jedoch nicht wie gewünscht: In einer Besprechung, die am 30. April 1941 im BFWM stattfand, erklärten die Stadtspitzen von Mannheim, Karlsruhe und Pforzheim ihr völliges Desinteresse am Kehler Ferngas. Mannheims Oberbürgermeister Renninger zog die Seriosität des Vorhabens mit allerlei Einwänden hinsichtlich Rentabilität und Liefersicherheit in Zweifel und erklärte, die badischen Ge- 259 Notiz eines DAG-Mitarbeiters über ein Telefonat mit Mezger am 14.2.1941, StAF V 500/ 3-61. 260 Die ZGW-Delegation bestand aus: Gültig (OB Heilbronn), Frank (OB Ludwigsburg), Hirzel (Stadtkämmerer Stuttgart) und Mezger (Stv. Geschäftsführer ZGW). Sie sprach mit Willuhn (Reichskanzlei), MD Jarmer und Puttkammer (RfR), sowie Barth, Lohmann, Knappe und Schlegel (RWM). Aktenbefund HStASt E 141/ 41-916. 261 Niederschrift über die Besprechung in Mannheim (Cordell) v. 10.8.1940, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 3. 262 Constantin Eglinger (30.10.1876 Roggenburg - 04.11.1967 Karlsruhe): Langjähriger Leiter der Karlsruher Stadtwerke, Leiter der Bezirksgruppe Baden/ Saarpfalz der Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung, Pg. ab 1933, SS-Fördermitglied 1933-1945, 1947 als Mitläufer entnazifiziert. Badische Neueste Nachrichten v. 8.11.1967; GLA 465a/ 51/ 55/ 13. 263 Protokoll Beiratssitzung Städtische Werke v. 21.7.1936, Eglinger an OB Jäger v. 17.8.1937 und Vermerk Eglinger über das Gespräch im BFWM am 23.12.1938, StadtAK HReg. A 627. 264 Notiz über die Besprechungen in Karlsruhe am 6.3.1941 und Gerlach an Hüssy v. 10.3.1941, StAF V 500/ 3-61. 265 So Eglinger rückblickend in seinem Bericht an das BFWM v. 7.7.1941, StadtAK HReg. A 628. 266 ZGW-Protokoll der Besprechung am 21.3.1941, StAF V 500/ 3-61. 267 Vorvertrag DAG-ZGW v. 14.5.1941 und Notiz über die Besprechungen in Donaueschingen am 14.5.1941, StAF V 500/ 3-61. 319 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft meinden hätten keinerlei Ursache, die Rohrleitungen für Württemberg mitzubezahlen. Lediglich Dr. Reuther 268 wollte Gas für Straßburg, Schlettstadt und Colmar abnehmen. Am Ende resümierte Regierungsdirektor Josef Stöckinger 269 , dass die badischen Gemeinden der Gruppenversorgung aufgrund eigener Erzeugung den Vorzug gäben und diese künftig sogar noch ausbauen wollten. Nur für das Elsass käme ein Ferngasbezug aus Kehl in Betracht. Allerdings sei recht zweifelhaft, ob, wann und zu welchen Bedingungen das Ferngasprojekt überhaupt realisiert werde 270 . d) Die Gründung der Südwestdeutschen Ferngas AG Tatsächlich fehlte den Gasverhandlungen der reale Bezug, solange von Hannekens Baustopp für die Kehler Hüttenkokerei galt. Gemeinsam gingen Strölin und Gerlach ab März 1941 gegen das vom RWM erlassene Baumoratorium vor: In einer koordinierten Aktion forderten sie das Reichsamt für Wirtschaftsausbau (RWA) auf, für einen raschen Baubeginn zu sorgen. Strölin warnte vor drohenden Produktionsausfällen in der Rüstungsindustrie als Folge eines wachsenden Gasengpasses 271 ; Gerlach hob seinerseits hervor, was Strölin keinesfalls recht sein konnte, dass mit dem Bau der Kehler Kokerei »die Notwendigkeit des Baus einer Großgaserei bei Stuttgart bzw. die Erweiterung der Kokereien anderer Städte« 272 entfalle. Mitte Mai 1941 reiste Strölin nach Berlin, um die Angelegenheit Gasfernversorgung Württemberg »rasch zur Entscheidung zu bringen« 273 , erfuhr von den Reichsministerien aber nur, »dass die Kohlenversorgung für die künftige Kokerei nicht sichergestellt sei« 274 . Der DAG-Aufsichtsrat befasste sich am 2. Mai 1941 mit der Kokereifrage. Ministerialrat Schmitt vom RWM stützte Gerlachs Position, der auf einen raschen Baubeschluss drängte, insoweit, als er erklärte, dass nach einer Wartefrist von 6 bis 12 Monaten »möglichst doch schon alsbald in Kehl neu gebaut werden möge«. Dagegen lehnten fast alle Saarwerke einen baldigen Baubeginn unter Hinweis auf den herrschenden Arbeitskräfte- und Kohlemangel ab. Röchling hatte sogar den mit der DAG Anfang 1940 geschlossenen Vertrag über die Beteiligung seines Unternehmens an der Projektierung des Vorschmelzwerks bereits gekündigt und forderte seine ausgeliehenen Ingenieure von der DAG wieder zurück, weil er die Leute zum Betrieb der Carlshütte in Diedenhofen und in seinem Völklinger Stammwerk jetzt dringend brauchte. Da Gerlach dies ablehnte und der DAG-Vorstand Röchling sogar eine Schadenersatzklage androhte, kam es in der Sit- 268 Dr. Alfred Reuther (15.1.1907 Darmstadt - 31.12.1948 Jugoslawien): Volkswirt, Pg. seit 1931, 1934- 1945 Bürgermeister von Kehl, 1935-1937 Kreisleiter von Kehl, ab 1940 Beigeordneter der Stadt Straßburg. 269 Johann Josef Stöckinger (26.9.1890 Wiesloch - 15.5.1941 Karlsruhe): Jurist, 1919-1929 im württ. Staatsdienst, ab 1929 bad. Ministerialbeamter, zuletzt Regierungsdirektor im BFWM. GLA 234/ 15285/ 86. 270 Vermerk Stöckinger über die Sitzung im BFWM am 30.4.1941, GLA 236/ 23659. 271 Strölin an RWA v. 25.3.1941, StAF V 500/ 3-62. 272 DAG (Gerlach) an RWA v. 26.3.1941, StAF V 500/ 3-62. 273 ZGW-Rundschreiben Nr. 3 v. 10.5.1941, HStASt E 130 b-1429. 274 So zitiert Gerlach Strölin, in: Vermerk über die Besprechung DAG/ ZGW v. 14.5.1941 in Donaueschingen, StAF V 500/ 3-61. 320 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung zung zu einer »erregten Aussprache«. Wittke hielt als einziger Saarindustrieller zu Gerlach und forderte einen sofortigen Kokereibau, geriet aber selbst immer mehr in die Isolation. Nachdem sich sein eigener Vorstandskollege Otto Poensgen von ihm distanziert hatte und auch seine Drohung, die Dillinger Hütte aus dem Doggererz-Projekt vollständig herauszulösen, ins Leere gelaufen war, setzte sich der Aufsichtsrat über ihn glatt hinweg und beschloss die vorläufige Einstellung aller Bauarbeiten für die Hütte und die Zurückstellung des Kokereibaus. Gerlach wurde aufgefordert, sich mit Röchling »in freundschaftlicher Verständigung« 275 über eine Personalrückgabe zu einigen. Am 24. Mai 1941 teilte das RWA dem überraschten Wittke mit, dass »die Errichtung der Kokerei wegen der dringenden Gasfernversorgung sobald wie möglich in Angriff genommen werden soll« 276 . Der Erlass war ein schwerer Schlag für die Saarwerke und traf Röchling besonders hart, denn die DAG wurde in dem Erlass dazu aufgefordert, ihren derzeitigen Stab an technischen Mitarbeitern beizubehalten. Nach Lage der Dinge ist kaum anzunehmen, dass Gerlach bei der Formulierung des Schreibens völlig unbeteiligt gewesen war. Zwei Wochen später setzte das RWM den RWA-Erlass mit der Begründung außer Kraft, dass der Reichsbeauftragte für Kohle, Paul Pleiger, »Kohlenlieferungs- Bedenken« 277 hege. Da das RWM die Anweisung an Wittke nur mündlich erteilt und eine schriftliche Bestätigung gescheut hatte, geriet die Angelegenheit nun zur Posse: Der mit dem DAG-Vorstand paktierende Wittke enthielt seinen Kollegen im DAG-Aufsichtsrat wochenlang die Tatsache vor, dass der RWA-Erlass vom RWM wieder einkassiert worden war, weshalb Gerlachs Hüttenbaubüro seine Arbeit unbehelligt fortsetzen konnte und Röchlings dringende Personalwünsche weiterhin unerfüllt blieben. Ende Mai 1941 übernahm die Energieabteilung des RWM die Regie und lud die südwestdeutschen Regierungen und den ZGW zu Verhandlungen über die Gründung einer Ferngas AG ein, die den Leitungsbau und die Gasverteilung übernehmen sollte. Nach Aussage von Robert Barth, Ministerialrat in der Energieabteilung des RWM, fügte sich die beabsichtigte Gründung in den ministeriellen »Plan, ganz Deutschland mit einem Gasüberlandnetz zu überziehen, um die Gasüberschußmit den Gasmangelgebieten zu verbinden und so ein Gasüberlandnetz entsprechend dem Vorgang in der Elektrizitätswirtschaft aufzubauen« 278 . Bereits im September 1940 hatte Reichswirtschaftsminister Funk der Reichskanzlei einen Referentenentwurf seiner Energieabteilung vorgelegt, in dem die Absicht formuliert wurde, den Einfluss des Reichs auf dem Energiesektor wesentlich zu erhöhen. Im Rahmen einer gesetzlichen Neuordnung der deutschen Energiewirtschaft 279 sollten sog. »Bezirksgas-Versorgungsunternehmen« gebildet werden, »an deren Aktienkapital ein zentrales Reichsunternehmen (Reichs-Gasring AG.) entscheidend 275 Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 2.5.1941, RWWA 72-148-9. 276 RWA an Wittke v. 24.5.1941, RWWA 72-154-1. 277 Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 4.8.1941, RWWA 72-154-1. Pleiger hatte im März 1941 das Präsidentenamt in der Reichsvereinigung Kohle übernommen und war von Reichswirtschaftsminister Funk zum Reichsbeauftragten für Kohle ernannt worden. Ihm kam eine zentrale Rolle bei der Aufgabe zu, die gefährdete Energieversorgung für die deutsche Rüstungswirtschaft durch eine Erhöhung der Kohleförderung und durch Maßnahmen zur Kohleneinsparung sicherzustellen. Riedel, Eisen und Kohle, S. 271 ff. und Priemel, Macht. 278 Denkschrift Robert Barth v. 4.5.1945, HStASt EA 5/ 001-805. 279 Zu Motiven und Hintergründen (auf dem Elektrizitätssektor) ausführlich: Stier, Staat und Strom, S. 480 ff. 321 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft beteiligt ist« 280 . Zwar war das Vorhaben, die Position des Reichs zu Lasten der Gemeinden über eine massive Kapitalbeteiligung an der Energiewirtschaft zu stärken, an konträren Auffassungen innerhalb der Reichsregierung rasch gescheitert, doch bedeutete dies keineswegs, dass die Energieabteilung des RWM ihre Ziele nun aufgab. Sie setzte die Gründung von Ferngasgesellschaften vielmehr als Instrument ein, um ihre Pläne doch noch durchzusetzen. In der Konferenz, die am 10. Juni 1941 zur Gründung der Ferngas AG in Berlin stattfand, prallten die gegensätzlichen Interessen von Reich, Kommunen und Ländern hart aufeinander: Während das RWM auf einer 51%igen Kapitalmehrheit des Reichs bestand, sahen die württembergischen Vertreter ihre Ziele in der »Aufrechterhaltung der Verteilungs- und Tarifhoheit der Gemeinden« und wollten der Ferngas AG die »unmittelbare Belieferung der Industrie nur bei etwa ganz abseits von bisherigen Versorgungsgebieten liegenden Werken« 281 gestatten. Der Unternehmenssitz sollte Stuttgart sein. Zudem forderte Württemberg 75 % der Kehler Gasproduktion, 36 % des Grundkapitals und fast alle Spitzenpositionen in den Gesellschaftsorganen, wobei letzteres auf den besonderen Widerstand des Reichs stieß 282 . Der badische Vertreter wiederum, Ministerialrat Dr. Sauer, hatte Order, sich nicht mit einem unbedeutenden Kapitalanteil zu begnügen und sprengte die Sitzung mit derart überzogenen, durch keinerlei Erhebung bei den badischen Gemeinden 283 begründeten Gasforderungen, dass er völlige Fassungslosigkeit bei den Vertretern des Reichs und Württembergs auslöste 284 . Ende Juni setzte das RWM erneut Gespräche an, in denen der künftige Gesellschaftssitz und die Verteilung von Gasmengen, Kapitalanteilen und Aufsichtsratssitzen unter den Ländern kontrovers diskutiert wurden. Der badische Regierungsdirektor Dr. Max Jäger 285 hielt an Sauers Forderung hartnäckig fest und betonte, es könne doch »nicht ange- 280 Memorandum »Die Neuordnung der deutschen Energiewirtschaft« v. 7.7.1940, BAB R 43 II/ 346. 281 Positionspapier ZGW zu den Verhandlungen am 10.6.1941, HStASt E 151/ 41-916. 282 Das WMI wollte Innenminister Schmid als Aufsichtsratsvorsitzenden und ZGW-Geschäftsführer Bauser als Vorstand installieren, wofür das RWM, aber »nicht das geringste Verständnis« aufbrachte. Vermerk WMI (Göbel) über die Besprechung am 27.6.1941, HStASt E 151/ 41-916. 283 Im Juli 1941 musste die Wirtschaftsgruppe Gas- und Wasserversorgung dann eine ziemlich windige Berechnung über den künftigen badischen Gasverbrauch aufstellen, mit der das BFWM die überzogenen Mengenforderungen notdürftig zu begründen gedachte. Gutachten Eglinger v. 7.7.1941, StadtAK HReg. A 628. 284 Vom RWM wurde Sauer entgegengehalten, »dass Baden bisher keinerlei Interesse für das Ferngas gezeigt habe und auf wiederholte Anfragen höchstens 40 bis 70 Mio. m³ Bedarf nach Jahren angegeben habe. […] Mannheim-Heidelberg würden keinesfalls von Kehl, sondern bei Bedarf vom Saargebiet her versorgt werden. Auf der Strecke Kehl-württ. Landesgrenze könnten doch unmöglich 200 Mio. m³ untergebracht werden« (Vermerk Bauser über die Besprechung im RWM am 10.6.1941, HStASt E 151/ 41- 916). An die DAG berichtete Bauser, die Besprechung sei »zerplatzt, da der Badische Vertreter, ein Min. Rat Sauer, mit ungeheuer grossen Forderungen an Ferngaslieferungen auftrat. An sich war Zweck der Berliner Besprechung eine A.-G. ins Leben zu rufen, selbstverständlich mit dem Ziel, dass Württemberg in erster Linie mit der Belieferung von Ferngas berücksichtigt werden sollte. Die Forderungen des Bad. Vertreters warfen das Konzept des R.Wi.M. völlig durcheinander«. Vermerk DAG (Opitz) v. 12.6.1941 über ein Telefonat mit Bauser über die Sitzung im RWM am 10.6.1941, StAF V 500/ 3-61. 285 Dr. Max Jäger (2.10.1886 Rastatt - 13.7.1955 Rastatt): Finanzwirt, ab 1908 in der bad. Finanzverwaltung, 1920-1933 Direktor der Staatsbrauerei Rothaus AG, 1933-1939 Leiter der Landeshauptkasse und der Staatsschuldenverwaltung, 1939-1945 Abteilungsleiter staatliche Wirtschaftsunternehmen im BFWM, Pg. seit 1937, als Mitläufer entnazifiziert und im Staatsdienst belassen, 1949-1955 OB von Rastatt. StAF F 30-1/ 1099-1100. 322 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung hen, dass das auf badischem Boden erzeugte Gas durch Baden hindurch nach Württemberg geleitet« werde. Alle früheren Zusagen des RWM gegenüber Württemberg »müssten hinfällig werden«. Max Jäger reklamierte 25 % Kapitalanteil für Baden und den Gesellschaftssitz für Karlsruhe. Sein Kollege Göbel vom Stuttgarter Innenministerium hielt verdrossen fest, dass die Ausführungen der badischen Vertreter Württemberg gegenüber »vollkommen unsachlich und gehässig« 286 gewesen seien. Gerlach versuchte in einem Gespräch mit dem badischen Ministerpräsidenten Köhler zu vermitteln, scheiterte aber an dessen harter Haltung 287 . In Stuttgart suchte man daraufhin nach Alternativen zum Kehler Gas: Um die als destruktiv bewertete »Mitbeteiligung Badens aus[zu]schalten« 288 , wollte Strölin in Stuttgart ein Gemeinschaftsgaswerk für ganz Württemberg errichten, doch genehmigte das RWM die Pläne nicht. Auch eine Umorientierung auf das Saargas wurde diskutiert, doch gab Göbel dem persönlichen Referenten von Gauleiter Wilhelm Murr, Staatssekretär Karl Waldmann, zu bedenken, ein Gasbezug von der Saar sei für Württemberg zwar die bessere Lösung, »aber es wäre ein taktischer Fehler, jetzt von sich aus auf eine Saar-Lösung zuzugehen und das Kehler Gas Baden zu überlassen« 289 . Mitte Juli 1941 scheiterte ein weiterer Einigungsversuch, weil Baden nicht in der Lage war, seinen Gasbedarf nachvollziehbar zu begründen. Das Badische Finanz- und Wirtschaftsministerium erhöhte nun den Druck auf die Kommunen und ließ deren Vertreter durch den Gemeindetag nach Karlsruhe einladen. Eduard Jäkle 290 , der Geschäftsführer des Gemeindetags, und Regierungsdirektor Max Jäger berichteten über die vorausgegangenen Staatsverhandlungen, in denen man »von badischer Seite energisch gegen eine etwaige Bevorzugung des Landes Württemberg Stellung genommen« habe und warben für die Gründung eines badischen Ferngas-Zweckverbands mit dem Argument, dieser werde gebraucht, um bei den künftigen Gesprächen »mit dem nötigen Nachdruck« fordern zu können, dass Baden und Elsass in absolut gleicher Höhe wie Württemberg an der geplanten Ferngas AG beteiligt würden. Die überrumpelten Kommunalvertreter stimmten der Verbandsgründung einhellig zu; lediglich Mannheim gab an, »nicht sonderlich interessiert zu sein« 291 . Jäkles späterer Aufforderung zum Verbandsbeitritt folgten allerdings viele badische Kommunen nicht, darunter auch Freiburg, das rechtliche und finanzielle Bedenken gegen den Satzungsentwurf hegte 292 und sich auch nicht von Jäkles Drohung beeindrucken ließ, dass, wenn der behördlich gewünschte Zusammenschluss der kommunalen Gaswirtschaft scheitere, »evtl. das Badenwerk eingeschaltet werde« 293 . 286 Vermerk WMI (Göbel) über die Besprechung am 27.6.1941, HStASt E 151/ 41-916. 287 Vermerk über die Besprechung bei Köhler am 9.7.1941, StAF V 500/ 3-62. 288 Vermerk WStaM v. 18.8.1941, HStASt130 b-1429. 289 Vermerk Göbel für Waldmann v. 4.7.1941, HStASt E 151/ 41-916. 290 Dr. Eduard Jäkle (8.9.1897 Immendingen - 23.2.1970 Tuttlingen): 1926-1933/ 1949-1970 Bürgermeister von Immendingen, 1933-1945 geschäftsführender Direktor des Deutschen Gemeindetags Landesdienststelle Baden. 291 Vermerk BMI über die Besprechung am 4.8.1941, GLA 236/ 23659. 292 Vermerk Cordell für OB Kerber v. 22.8.1941, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 7. Auch Mannheim stellte das Vorhaben barsch in Frage: »Es wird also genügen, eine Gesellschaft oder auch eine lose Vereinigung zu bilden, oder überhaupt von der Bildung eines besonderen Organs abzusehen, da ja der Gemeindetag zur Behandlung der sich ergebenden Fragen jederzeit eine Besprechung einberufen kann«. Stadtverwaltung Mannheim (Walli) an Jäkle v. 21.8.1941, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 7. 293 Vermerk Hauptverwaltung Freiburg über ein Telefonat mit Jäkle am 27.8.1941, StadtAF C 4/ IV/ 4/ 7. 323 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft Die Beteiligung der badischen Gemeinden ließ derart zu wünschen übrig, dass Jäkle das Innenministerium, wenngleich vergeblich, darum bat, einen Pflichtverband ins Leben zu rufen, um ein Dutzend Verweigerer, darunter Mannheim, Heidelberg, Freiburg und Konstanz, zur Räson zu bringen 294 . Im August meldete sich der badische Ministerpräsident Köhler beim RWM und gab die unhaltbar gewordene Position in der Mengenfrage auf. Stattdessen bot er Württemberg zwei Drittel der Kehler Gasmengen an, hielt aber die übrigen Forderungen aufrecht und wollte überdies noch vergünstigte Gaspreise für Baden und Elsass durchsetzen 295 . Württemberg und das Reich lehnten diese Wünsche jedoch ab. Sauer, der Köhlers Vorschlag im September mit der Energieabteilung des RWM besprach, stieß dort auf derart großen Widerstand, dass er frustriert nach Karlsruhe berichtete, beim RWM werde die Rolle Badens »als ein nachträgliches Hineindrängen angesehen, bei einer Hervorkehrung des Bedarfs, der nicht in gleichem Maß dringlich und berechtigt wie in Württemberg sei« 296 . Anfang September 1941 legte das RWM zwei Entwürfe für die Satzung und den Konsortialvertrag der Ferngas AG vor, die ihr das Recht zugestanden, industrielle Großkunden künftig direkt mit Gas zu beliefern 297 . Die Stuttgarter Seite, die sich schon lange darüber ärgerte, »dass das Reich eine vollkommene Abhängigkeit der württemb[ergischen] Gemeinden vom Reich herbeiführen will« 298 , konterte ihrerseits mit zwei Gegenentwürfen, die das kommunale Gasverteilungsmonopol satzungsrechtlich festschrieben. Zur Klärung der unterschiedlichen Auffassungen sollte am 30. September eine Konferenz zwischen dem Reich und den Ländern in Straßburg stattfinden. Die württembergischen Interessenten hielten es nun für dringend geboten, einen Verbündeten zu gewinnen und gingen auf Baden zu. In einer Vorbesprechung, die die Vertreter der beiden Länder am 29. September 1941 in Straßburg abhielten, erzielten sie die Übereinkunft, am kommenden Tag gemeinsam den württembergischen Satzungsentwurf zu unterstützen. Sollten sie damit jedoch scheitern, wollte man dem Reich den Verzicht auf die satzungsrechtliche Fixierung der kommunalen Gasverteilungshoheit anbieten, sofern dieses von seiner Aktienmehrheit an der Ferngas AG Abstand nahm und den beiden Ländern eine qualifizierte Minderheit von jeweils 26 % einräumte. Dies würde, so die Kalkulation der Länder, ihnen eine ausreichende Mehrheit verschaffen, um gemeinsam auf die Geschäftsführung der Gesellschaft dahingehend einzuwirken, dass »auch die Industrie im Zweifel ihr Gas 294 Gemeindetag (Jäkle) an BMI v. 13.11.1941, GLA 236/ 23659. 295 BFWM (Köhler) an RWM v. 7.8.1941, GLA 236/ 23659. 296 Bericht Sauer über seine Verhandlungen im RWM v. 5.9.1941, GLA 236/ 23659. 297 Im Vorfeld des Übergangs der Energieaufsicht vom RWM auf den Generalinspektor für Wasser und Energie, Fritz Todt, hatte Strölin bereits Ende August vergeblich beim RWM auf eine andere Regelung gedrungen. Göbel vom WMI notierte, bei den Besprechungen in Berlin sei der Eindruck entstanden, dass man mit dem RWM über alle Fragen Einigung erzielt habe - mit Ausnahme der Verteilungshoheit der Gemeinden. Offenbar wolle das RWM im Einklang mit Todt keine Bindung eingehen, dass die Ferngas AG nur an Gemeinden liefern dürfe. Zwar halte das Reichsinnenministerium das kommunale Verteilungsrecht hoch, doch habe diese Position angesichts der Neuverteilung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft leider »keinen besonders starken Stand«. Vermerk Göbel v. 11.9.1941 zur Reise Strölins v. 28.8.1941, HStASt E 151/ 41-916. 298 Vermerk WMI (Göbel) über die Besprechung am 27.6.1941, HStASt E 151/ 41-916. 324 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung über die Ortsgaswerke zu beziehen hat« 299 . Am Ende der Vorbesprechung einigten sich die Ländervertreter auf die Verhandlungstaktik, »dass Baden vorgeschoben wird und dass Württemberg unterstützt. Notfalls müsse die Sitzung mit dem RWM abgebogen werden mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Einholung einer Genehmigung durch den Herrn Reichsstatthalter« 300 . Die Sitzung von Reich und Ländern, die am 30. September in Straßburg stattfand, wurde vom Chef der Energieabteilung des Generalinspektors für Wasser und Energie (GIWE) 301 , Dr. Eberhard Barth 302 , geleitet. Bauser und Strölin verteidigten darin den Wunsch der Länder, das Verbot direkter Gaslieferungen an industrielle Endkunden in die Satzung der Ferngas AG aufzunehmen, stießen jedoch auf den Widerstand der Reichsvertreter, die grundsatzpolitische Argumente bemühten und vor einem Scheitern des Kokereibaus warnten 303 . Ministerialrat Lohmann 304 vom GIWE bezeichnete die Festschreibung des kommunalen Gasverteilungsmonopols »als einen starken Eingriff in die Energiepolitik« und glaubte, es sei überall dort, wo die Ferngasgesellschaften Großverbraucher unmittelbar belieferten, eine Einigung mit den Ortsgaswerken erzielt worden. Allerdings »müsse verhindert werden, dass das Ferngas durch die Zwischenschaltung der Gaswerke unnötig verteuert werde«. Die Länder boten daraufhin die Aufgabe ihrer Forderung an, sofern sich das Reich mit der Position eines Minderheitsgesellschafters begnüge, doch lehnte Eberhard Barth den Vorschlag »angesichts der beiden zerstrittenen Länder« ab und hielt eine »klare Führungsgewalt eines Aktionärs für einen Segen. Diese […] könne nur beim Reich liegen« 305 . Immerhin wollte er sich dem Wunsch Strölins nicht verschließen, Generalinspektor Fritz Todt die endgültige Entscheidung zu überlassen. Strölin wandte sich nach der Sitzung an Todts Staatssekretär Günther Schulze-Fielitz und forderte die Herabsetzung des Reichsanteils von 51 auf 48 % sowie die Einräumung einer qualifizierten Minderheit von jeweils 26 % für die beiden Länder. Dabei argumentierte Strölin, dass das Reich doch in jeder Weise über seine Energieaufsicht auf die Ferngas AG einwirken könne 306 . Todt lehnte den Vorschlag jedoch ab. Am 11. Oktober kündigte er die Gründung der Gesellschaft allein durch das Reich an, sofern sich die Län- 299 Vermerk Göbel v. 6.10.1941 über die Besprechung in Straßburg am 29./ 30.9.1941, HStASt E 151/ 41- 916. 300 Ergebnisvermerk Bauser zur Besprechung der Länder am 29.9.1941 in Straßburg, HStASt E 151/ 41- 916. 301 Ende Juli 1941 hatte das RWM seine Zuständigkeit für die Energieaufsicht an Fritz Todt verloren, der von Hitler zum Generalinspektor für Wasser und Energie ernannt worden war und die Energieabteilungen des RWM und anderer Ministerien seinem neuen »Energieministerium« angegliedert hatte. Stier, Staat und Strom, S. 482. 302 Dr. Eberhard Barth (6.11.1897 Danzig - 1972): Jurist, 1925-1941 im RWM, dort zuletzt Abteilungsleiter Energiewirtschaft, 1941-1945 beim GIWE, Pg. seit 1937. 303 Formell abgelehnt wurde der Satzungsvorschlag der Länder im Schreiben GIWE (Schulze-Fielitz) an BFWM v. 8.11.1941 StAK HReg. A 628. 304 Friedrich Lohmann (11.12.1888 Kiel - 11.3.1967 Heiden/ Schweiz): Bergassessor, 1930-1932 Referent in der Abt. Kohlewirtschaft des RWM, 1932-1938 Abteilungsleiter im OBA Breslau, 1938-1945 Referatsleiter Gas- und Wasserwirtschaft im RWM bzw. beim GIWE, ab 1946 Abteilungsleiter Gas beim Zentralamt für Wirtschaft in Minden; Pg. seit 1937, als Entlasteter (Kat. 5) entnazifiziert. LANRW NW 1035 AZ 45-65 und NW 1068 MG-361. 305 Vermerk Bauser über die Konferenz der Länder mit dem Reich am 30.9.1941, HStASt E 151/ 41-916. 306 Strölin an Schulze-Fielitz v. 2.10.1941, GLA236/ 23659. 325 3. Der energiewirtschaftliche Beitrag der DAG für die Rüstungswirtschaft der nicht sofort zu einer Beteiligung unter folgenden Bedingungen entschlössen: • Es gilt die vom Reich erarbeitete Satzung. • Der Reichsanteil beträgt 51 %; die württembergische Seite erhält 26 %, die badische 23 %. • Das Reich stellt im achtköpfigen Aufsichtsrat vier, die Länder jeweils einen und deren Gaszweckverbände je einen weiteren Vertreter. • Das Reich hat das Vorschlagsrecht für den Aufsichtsratsvorsitzenden. Erstmalig wird Eberhard Barth Vorsitzender; seine Stellvertretung übernimmt Karl Strölin. • Die Gasverteilung zwischen Württemberg und Baden erfolgt im Verhältnis 2 : 1 307 . Die für Gas zuständigen Ministerial- und Kommunalbeamten der beiden Länder trafen sich am 14. Oktober in Karlsruhe. Sie werteten Todts Anmutung als »Ultimatum, dem man nur bedingungslos zustimmen könne«, da »bei einem Abseitsstehen der Länder Nachteile für ihre Belange und die der Gemeinden zu befürchten seien«. Um die Minimalchance einer Einflussnahme zu wahren, beschloss man den eigenen Standpunkt wenigstens als »Wunsch oder Anregung« 308 nach Berlin weiterzugeben. Der württembergische Reichsstatthalter Murr und Innenminister Schmid hießen den Rückzug gut und befanden, »dass notgedrungen dem Standpunkt des Reichs nunmehr zugestimmt werden muss« 309 . Man erwog zwar noch, Baden einen Vorstandsposten zu verschaffen und den vom Reich gesetzten Robert Barth 310 aus dem Vorstand zu verdrängen, unterließ es dann aber. Am 16. Dezember 1941 gründeten Reich, Länder und Kommunen die Südwestdeutsche Ferngas AG mit Sitz in Stuttgart. In den Vorstand berief man den Stuttgarter TWS- Angestellten Dr. Robert Mezger und Ministerialrat Robert Barth vom GIWE. Die kommunalen Gaszweckverbände hielten im Protokoll der ersten Aufsichtsratssitzung zwar ihren Wunsch fest, dass die AG jede Rücksicht auf die kommunalen Gaswerke zu nehmen habe und dass den Gemeinden die unmittelbare Belieferung der Industrie mit Gas vorbehalten bleiben solle 311 , doch stand ihnen zur Durchsetzung dieser Ziele keinerlei Rechtsmittel zur Verfügung. Allein schon der Umstand, dass das Reich den Vorstand und den Aufsichtsrat mit den beiden Barths hatte besetzen können, machte deutlich, wer den Ton in der AG angab. 307 GIWE (Todt) an BFWM und WMI v. 11.10.1941, GLA 236/ 23659 und HStASt E 151/ 41-916. 308 Vermerk BMI über die Sitzung am 14.10.1941, GLA 236/ 23659. 309 Vermerk WMI (Göbel) v. 17.10.1941, HStASt E 151/ 41-916. 310 Robert Barth (29.9.1886 Rottweil - 17.5.1959 Calw): Jurist, ab 1919 im württ. Staatsdienst, ab 1938 MR im RWM, ab 1945 in Württ.-Hohenzollern, zuletzt Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Württemberg-Hohenzollern, kein NSDAP-Mitglied. HStASt EA 2/ 150-35. 311 Vermerk BMI über die Gründung der Süwefag am 16.12.1941, GLA 236/ 23659. 326 VI. Das Doggererz in einer künftigen NS-Friedensordnung Abb. 69: Ferngas-Leitungsplan 1941. Bild: Sigrid Seidelmann nach einer Vorlage des Staatsarchivs Freiburg. 327 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel a) Röchlings Betriebsschließungsforderung Im Winter 1940/ 41 trat ein gravierender Kohleengpass im deutschen Machtbereich auf 1 . Die Lage verschärfte sich, als die Wehrmacht zur Vorbereitung des Angriffs auf die Sowjetunion zahlreiche Grubenarbeiter einberief, die bislang UK-gestellt worden waren. Als Folge ergaben sich erhebliche Kürzungen der Kohlenkontingente für die Saarwerke 2 . Die Bergabteilung im RWM reagierte im April 1941 auf die veränderte Lage mit einer Umstellung ihren Fördervorgaben für den Eisenerz-Bergbau: Sie nahm Abstand von der bisherigen »Tonnen-Ideologie« und setzte Prioritäten nach qualitativen Kriterien: Um Personal für den Minette-Bergbau verfügbar zu machen, forderte das RWM die DAG auf, ihren Erzabbau, der aktuell rund 91.600 t pro Monat betrug, auf 50.000 t abzusenken 3 . Der Erlass des RWM wurde am 2. Mai 1941 im DAG-Aufsichtsrat behandelt. Bergbaudirektor Bornitz stemmte sich dort gegen jegliche Betriebseinschränkung 4 , blieb aber erfolglos. Wittke, der stets ein offenes Ohr für die Belange des Vorstands hatte, gelang es immerhin, seine Aufsichtsratskollegen mit betriebswirtschaftlichen Argumenten davon zu überzeugen, die Förderung lediglich auf 70.000 t zu reduzieren 5 . Einen Stilllegungsbeschluss für die Lurgi-Anlage konnte aber auch er nicht verhindern. Bornitz setzte seinen Kampf gegen die Berliner Vorgaben jedoch ungerührt fort: Am 7. Mai kündigte er dem RWM die Abgabe von 150 Mann an, ließ aber anklingen, er werde einflussreiche Partei- und Staatsinstanzen auf das Ministerium hetzen, wenn es die Erfüllung der vom Führer und von der NSDAP gestellten »kolonisatorische[n] Aufgabe« 6 in Blumberg behindere. Tatsächlich knickte das RWM ein und teilte am 24. Juni mit, dass es vom Abzug von Arbeitskräften vorerst absehen wolle 7 . Bornitz nutzte die Kehrtwende des RWM als Rechtfertigung und wurde darin von Wittke bestärkt, die restriktiven Beschlüsse seines Aufsichtsrats zu ignorieren: Zwar konnte er die Abgabe von Leuten an die Landwirtschaft und an die Wehrmacht nicht verhindern, doch baute er vorwiegend Kriegsgefangene 1 Zu den Ursachen: Riedel, Eisen und Kohle, S. 271 ff. und Priemel, Macht. 2 Von bislang 330.000 t auf 290.000 t pro Monat, lt. Wittke an v. Hanneken v. 26.8.1941, RWWA 72-151-4. 3 RWM (Stahl) an DAG (Bornitz) v. 10.4.1941, LGRB 9 A/ 98. Das RWM wollte seine Förderplanung künftig an folgenden Kriterien ausrichten: (1.) knappe Erzsorten mit hohem Phosphorgehalt, (2.) kokssparende Erze, die wenig Zuschlagsstoffe benötigten und (3.) Bergwerke, in denen eine hohe Pro-Kopf- Leistung möglich sei. 4 DAG-MB April 1941, Archiv Prillwitz. 5 Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 2.5.1941, RWWA 72-148-9. 6 DAG (Bornitz/ W. Berger) an RWM v. 7.5.1941, StAF V 500/ 1-11. 7 RWM (Gabel) an DAG v. 24.6.1941, LGRB B I a 5. 328 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) und bergfremde Belegschaft in Bereichen ab, in denen die Produktivität gering war. Seine Personalverluste glich Bornitz durch ein effizienteres Abbauverfahren aus: Mit dem Langfrontpfeiler-Bruchbau erhöhte er die Pro-Kopf-Leistung um 20 % und sorgte dafür, dass die Förderung im September 1941 immer noch 88.500 t Erz betrug 8 . Auch die Lurgi-Anlage hielt Bornitz weiterhin in Betrieb. Wittkes Rückendeckung für den eigenmächtig handelnden Vorstand untergruben seine Autorität als Aufsichtsratsvorsitzender der DAG. So beschwerte sich Siedersleben bei Wittke über »das sonst in der Wirtschaft [...] nicht zu beobachtende Nichtfunktionieren der Zusammenarbeit« 9 und warf dem Vorstand vor, die gesetzlichen Befugnisse des Aufsichtsrats zu ignorieren. Auch Röchlings Geduld war erschöpft: Ende Juli stellte er sich an die Spitze einer allgemeinen Rebellion gegen Wittke. Auslöser der nachfolgenden Ereignisse war der wachsende Ressourcenmangel 10 bei den Saarwerken, die nicht einsehen mochten, dass sie selbst unter akuter Personalnot litten, während über 1.000 Mann auf der Baar damit beschäftigt waren, ein Eisenerz zu fördern, das wegen der herrschenden Kohleknappheit und der guten Verfügbarkeit an lothringischer Minette nicht mehr verarbeitet, sondern nur noch auf Halde geschüttet wurde 11 . Zudem ärgerte sich Röchling darüber, dass sein eigener Technikerstab, den er selbst in Völklingen und in Diedenhofen dringend brauchte, vom DAG-Vorstand eingesetzt wurde, um ein Hüttenwerk am falschen Standort zu planen, dessen Bau »nach der Eroberung von Russland und den dort bevorstehenden grossen Aufgaben [...] noch weniger wahrscheinlich« 12 war. Die Lösung des Problems konnte nur darin bestehen, die DAG für die Dauer des Kriegs zu schließen und deren Belegschaft dem Saarkohlen- und dem Minette-Bergbau zuzuführen oder aber sie zur Auffüllung des ausgedünnten Personalbestands in den Eisenwerken selbst zu verwenden, was umso notwendiger erschien, als man an der Saar weitere Verluste an Mitarbeitern befürchtete, die zum Aufbau der in militärische Greifweite gerückten Montanindustrie der Ukraine benötigt wurden 13 . Ende Juli 1941 suchte Röchling Wittke in Dillingen auf und forderte, wobei er sich auf eine Absprache mit den Werken in Neunkirchen und Burbach berief, nachdrücklich die temporäre Schließung der DAG für die Dauer des Kriegs 14 . Der überrumpelte Wittke 8 Zum Abbauverfahren: Bornitz, Erfahrungen. 9 Siedersleben an Wittke v. 20.7.1941, RWWA 72-154-1. 10 Den Saarwerken fehlten Mitte 1941 durch Einberufungen zur Wehrmacht rund 36 % ihres Personals. Wittke an v. Hanneken v. 26.8.1941, RWWA 72-151-4. 11 Tatsächlich lagen an der Saar Ende Juli 1941 190.000 t Doggererz auf Halde. 12 Einschätzung Siederslebens lt. dessen Vermerk v. 15.7.1941, RWWA 72-154-1. 13 So erfuhr Siedersleben von amtlichen Plänen, mit der fortschreitenden militärischen Besetzung russischer Gebiete eine weit verzweigte wirtschaftliche Organisation aufzuziehen. Vermerk v. 25.6.1941, RWWA 72-288-3. 14 H. Röchling trug folgende Begründung vor: »Die am 2. Mai 1941 amtlicherseits geäusserte Hoffnung auf wesentliche Erleichterungen der Gefolgschaftslage im Sommer und Herbst sei nicht eingetroffen. Im Gegenteil habe sich durch die Russland-Ereignisse eine grundsätzlich neue, nicht vorauszusehende Lage ergeben. Französische Kriegsgefangene würden ständig in namhafter Zahl nach Frankreich zurückbefördert. Die Neuaufgaben in Russland erfordern Abzug deutscher Arbeitskräfte, vielleicht sogar die Aufstellung einer industriellen Armee für Russland. Deswegen müssen jetzt die Doggererz-Betriebe sowohl in Kehl wie auch in Zollhaus Blumberg für die Dauer des Krieges oder der gegenwärtigen Verhältnisse stillgelegt und die dort beschäftigten über 1.600 Mann kriegsproduktiven Zwecken mit aller Beschleunigung zugeführt werden«. Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 4.8.1941 in 329 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel kam nicht umhin, für den 4. August eine Sitzung der Saarindustriellen nach Dillingen einzuberufen, die er kleinlaut mit einer Entschuldigung über eigene Versäumnisse der Unterrichtung des Aufsichtsrats einleitete. Anschließend begründete Röchling seinen Stilllegungswunsch mit der aktuellen Nutzlosigkeit des Doggererzes und mit der von Pleiger abgelehnten Kohleversorgung für die Kehler Kokerei 15 . Dem DAG-Vorstand hielt er vor, dass er, Röchling, in Völklingen kriegswirtschaftlich notwendige Maßnahmen nur unzureichend umsetzen könne, »während Herr Direktor Dr. Gerlach in Kehl ein Planungsbüro mit zum Teil höchstwertigen Kräften von 70-100 Mann unterhalte, und wegen dieses Planungsbüros entgegen dem Beschlusse vom 2. Mai 1941 irgendwelche weiteren Techniker an Völklingen nicht zurückgegeben habe«. Da Röchlings Stilllegungsplan von Heinz Puppe und Heinrich Berve 16 , den Generaldirektoren aus Neunkirchen und Burbach, massiv unterstützt wurde, votierte der in die Enge gedrängte Wittke am Ende der Debatte selbst für die Einstellung aller Arbeiten für das Kehler Hüttenwerk. Einen Beschluss zur Betriebseinstellung in Blumberg mochte er allerdings nicht mittragen, brachte aber Verständnis dafür auf, dass die drei großen Saarhütten Burbach, Neunkirchen und Völklingen mit ihrer mehr als 81%igen Mehrheit der privaten Seite so handeln könnten und auch müssten, wie es dem Vorschlag entspreche. »Er (Wittke) könne aber rein gefühlsmässig vorläufig nicht mit«. Mit Mühe gelang es Siedersleben und Röchling, den desavouierten Wittke davon abzuhalten, seinen Aufsichtsratsvorsitz sofort niederzulegen. Man einigte sich darauf, dass Wittke den Stilllegungsbeschluss mittrug und sein Amt beibehielt, »bis etwa regierungsseitig der heutige Vorschlag von Herrn Dr. Röchling abgelehnt würde. Eine solche Ablehnung würde in der Tat einen Anlass zur Amtsniederlegung darstellen« 17 . Am 19. August führte Wittke die undankbare Aufgabe aus, den Stilllegungswunsch seiner Kollegen dem RWM vorzutragen. Von Hanneken wies das Ansinnen jedoch »in deutlicher Weise« 18 zurück. Er erklärte, dass er für den Standpunkt der Saarhütten kein Verständnis aufbringe und dass es nicht angehe, das Doggererz-Vorhaben, das über viele Jahre hinweg mit so viel Nachdruck betrieben worden sei, jetzt ohne zwingenden Grund abzuschreiben. Die vorläufige Stilllegung werde ja doch sicher auf eine endgültige hinauslaufen, was umso weniger zu verstehen sei, als keineswegs damit gerechnet werden könne, dass die Erze im Becken von Briey auf Dauer zur Verfügung stünden. Von Hanneken kündigte Wittke eine endgültige Entscheidung durch Staatssekretär Landfried an, die je- Dillingen, RWWA 72-154-1. Im Original teilweise unterstrichen. 15 H. Röchling stellte fest, dass das Doggererz keinerlei Beiträge zur Aufrechterhaltung oder zur Steigerung der saarländischen Eisenproduktion leisten könne. Die Saarwerke nähmen dieses Erz seit Monaten auf Lager, weil Minette in hinreichender Menge und Güte vorhanden sei. Derzeit sei der dringendste kriegsentscheidende Bedarf an Eisen und Stahl gedeckt, während sich die Kohlenfrage so schwierig gestalte, dass in Lothringen und Meurthe et Moselle neue Stilllegungen ganzer Werke oder einzelner Hochöfen befürchtet werden müssten. Daher erscheine es unvertretbar, ja unzulässig, den Planungsbetrieb für den Hütten- und Kokereibau in Kehl fortzusetzen. Auf die rechtzeitige Zuteilung der Kokskohle sei ja vorläufig nicht zu rechnen, und ein produktiver Ertrag komme nicht vor 1943 oder 1944 in Betracht. Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 4.8.1941, RWWA 72-154-1. Sämtliche Zitate dieses und des folgenden Absatzes aus dieser Quelle. 16 Kurzbiografien Joseph Heinrich (»Heinz«) Puppe und Heinrich Berve: siehe Kap. IX/ 1/ a. 17 Vermerk Siedersleben über die Doggererz-Sitzung am 4.8.1941, RWWA 72-154-1. 18 So zitiert Siedersleben v. Hanneken in seinem Schreiben an Dir. Haag v. 25.8.1941, RWWA 72-145-9. 330 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) doch wochenlang auf sich warten ließ, weil unterschiedliche Auffassungen innerhalb des RWM herrschten: Dem Vernehmen nach plädierten von Hanneken, die Eisenabteilung und, wegen der Gasversorgung für Württemberg, »im wesentlichen« 19 auch die Energieabteilung für einen Weiterbau der Kokerei. Staatssekretär Landfried, Ministerialdirigent Holtz und die gesamte Bergabteilung hielten dies dagegen für falsch. Landfried hatte sich gegenüber Pleiger bereits auf einen Abbruch des Kokereiprojekts festgelegt, doch gelang es ihm nicht, seine Auffassung innerhalb des RWM durchzusetzen. Am 2. September 1941 beschloss die zerstrittene Schar, Wirtschaftsminister Funk die Entscheidung zuzuschieben 20 . b) Funks Lavieren: Fördereinschränkung und ein theoretischer Kokereibau Funk hatte sich zu entscheiden zwischen den Stilllegungsforderungen der Saarwerke, die von Röchling offensiv vertreten 21 und von Pleiger nachhaltig unterstützt wurden, und den gegenteiligen Wünschen des badischen Gauleiters Wagner, der sich bereits im Juli 1941 bei Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, über die fehlende Bautätigkeit in Kehl beschwert hatte 22 . Ende September, fünf Wochen nach Wittkes Vorsprache bei von Hanneken, fand unter Funks Leitung endlich eine Sitzung im RWM statt, an der auch Pleiger teilnahm. »Trotz erheblicher Bedenken« 23 entschied die Runde, »dass die Aufträge auf die Kokerei in Kehl vergeben und die Bauarbeiten für die Gesamtanlagen in Kehl in Angriff genommen werden sollen. […] Entscheidend war dabei, dass die dringenden Gasbedürfnisse Württembergs und auch Badens, deren befriedigende Deckung nur durch die Kokerei Kehl möglich ist, eine Entscheidung jetzt verlangen und dass zwischen dem Hochofenwerk und der Kokerei ein so enger Zusammenhang besteht, dass schon aus Gründen der Koksgasersparnis beide Anlagen zusammengebaut werden müssen« 24 . Die anschließend an Wittke und an Wagner gerichteten Erlasse 25 Funks enthielten jedoch die Auflage, dass die Bauarbeiten und die Bestellungen keinesfalls kriegsentscheidende Belange stören dürften, was bei den vorhandenen Engpässen auf dem Bausektor und im Produktionsbereich schlicht unmöglich war. Da mit der Zuteilung prioritärer Dringlichkeitsstufen für die Aufträge der DAG nicht gerechnet werden konnte, war man sich auch im RWM darüber im Klaren, dass die Realisierung des Projekts »von vorn herein mehr oder weniger aussichtslos [sei]. Es würde zwar der Bau der Kokerei in Kehl theoretisch weiterbetrieben werden, praktisch sei damit aber [...] nichts gewonnen« 26 . 19 Vermerk Reichard über ein Gespräch mit Ministerialdirigent Holtz am 28.8.1941, RWWA 72-145-9. 20 Reichard an Siedersleben über ein Gespräch mit Holtz am 3.9.1941, RWWA 72-145-9. 21 H. Röchling hatte sich am 14.9.1941 direkt an Funk gewandt, DAG-ARP v. 28.10.1941, RWWA 72-151-4. 22 Wagner an Lammers v. 10.7.1941, R 43 II/ 1338a. 23 RWM (Funk) an Lammers v. 26.9.1941, BAB R 43 II/ 1338a. 24 V. Hanneken an H. Röchling v. 27.9.1941, KAS RESW F-K 22/ 2183. 25 RWM (Funk) an Wittke bzw. an Wagner v. 26.9.1941, GLA 478/ 15 bzw. KAOG Ortsakten Kehl Nr. 113. 26 Vermerk Reichard über ein Gespräch mit Holtz v. 8.10.1941, RWWA 72-145-9. 331 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel Über das Schicksal des Blumberger Bergwerks schwieg sich das RWM weiter aus. Erst nachdem Röchling abermals bei Funk interveniert und Wittke Ministerialrat Schmitt aufgesucht hatte, sandte von Hanneken am 10. Oktober ein Schreiben nach Dillingen, das Betriebseinschränkungen und die Abgabe von Bergarbeitern für die Dauer des Kriegs anordnete, deren Umfang aber offen ließ und die DAG zur Vorlage eines eigenen Vorschlags aufforderte. Bei letzerem sollte beachtet werden, dass die Gruben und Einrichtungen intakt blieben und dass »ein genügender Stamm gelernter Leute beizubehalten ist, sodass die Wiederherstellung der bisherigen Betriebsleistung in kurzer Frist gesichert ist« 27 . Wittke bat Bornitz um eine entsprechende Beschlussvorlage für den Aufsichtsrat und kommentierte den Erlass, dieser enthalte »so viel des Hin und Her, dass man vieles zwischen den Zeilen lesen kann. Er ist, was den Bergbaubetrieb anbelangt, im Grunde aber positiv« 28 . Bornitz präsentierte Wittke daraufhin den Vorschlag, die Erzförderung von 88.500 t moderat auf 70.000 t abzusenken 29 . In der Aufsichtsratssitzung vom 28. Oktober 1941 versuchten die Saarwerke mit aller Macht, die aus ihrer Sicht unbefriedigende Entscheidung Funks zu revidieren. Gegen seine innere Überzeugung konfrontierte Wittke die vier Vertreter des Reichs mit dem Verlangen, »während des Krieges nicht nur die Planung für Kehl einzustellen, sondern darüber hinaus auch Blumberg stillzulegen und die freiwerdenden wertvolleren Arbeitskräfte den Saarhüttenwerken, wenn es gar nicht anders geht, im Wege der Dienstverpflichtung zu überlassen« 30 . Röchling verteilte ein Memorandum, in dem er den hohen Kohlenverbrauch bei der Doggererzverhüttung anprangerte und die Forderung erhob, die in Blumberg »frei werdenden unterirdischen Bergleute« 31 und einen Teil der Über- Tage-Belegschaft auf eine lothringische Kohlengrube zu überstellen. Berve und Puppe unterstützen die Position Röchlings nachhaltig und kündigten, wie dieser auch, eine Annahmeverweigerung für Doggererze an. Die Behördenvertreter sträubten sich gegen eine Schließung des Bergbau-Betriebs 32 , leisteten aber keinen Widerstand gegen eine maßvolle Förderreduktion. Nach äußerst kontroverser Diskussion setzte sich der Aufsichtsrat über 27 RWM (v. Hanneken) an Wittke v. 10.10.1941, StAF V 500/ 1-11. 28 Dillinger Hütte (Wittke) an DAG-Vorstand v. 13.10.1941, LGRB 9 A/ 98. 29 DAG-Vorstand (Bornitz/ W. Berger) an Wittke v. 18.10.1941, StAF V 500/ 1-11. 30 DAG-ARP v. 28.10.1941, RWWA 72-151-4. 31 Undat. Memorandum H. Röchling »Der Herr Reichsmarschall [...], RWWA 72-151-4. 32 Ministerialdirektor Koehler betonte, die Saar habe sich nun einmal gemeinsam mit dem Reich eine Aufgabe gesetzt, die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische und eine psychologische Seite habe: Wenn die DAG-Belegschaft, die unter schwierigsten Verhältnissen in Blumberg angesiedelt worden sei, nun erfahre, dass der gesamte Betrieb eingestellt werde, so könne dies den Ruf des Vierjahresplans und die Autorität des Reichs gefährden. Ministerialrat Stahl äußerte sein Erstaunen darüber, dass Röchling den Bau der Kokerei jetzt ablehne, obwohl er diesen doch lange gefordert habe und ihm bekannt gewesen sei, dass die Bergabteilung im RWM wegen der Kohleversorgung Bedenken erhoben habe. Nachdem nun aber der Minister seine Genehmigung zum Kokereibau erteilt habe, sei es unmöglich, schon mit Rücksicht auf die behördlichen Schwierigkeiten, vom Bau wieder zurückzutreten, ganz abgesehen davon, dass sich auch ohne die DAG sofort ein anderer Interessent dafür finden werde. Einer vollständigen Stilllegung würden weder der Minister noch Gabel oder aber Pleiger zustimmen, so dass es völlig aussichtslos sei, weitere Schritte in diese Richtung zu unternehmen. Die Behörden, die dem Hüttenwerksbau zugestimmt hätten, würden es keinesfalls zulassen, dass die Grube, die ja der Ausgangspunkt des ganzen Unternehmens gewesen sei, am Ende dem allmählichen Verfall preisgegeben werde. DAG-ARP v. 28.10.1941, RWWA 72-151-4. 332 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) den Protest von Wittke und Bornitz hinweg und beschloss, die Produktion auf 32.000 t Rösterz zu beschränken, was einem Abbauumfang von etwa 40.000 t Roherz entsprach. Die unwirtschaftliche und energieintensive Lurgi-Anlage sollte dagegen stillgelegt werden. Den zweiten Themenschwerpunkt in der Sitzung bildete der Kokereibau in Kehl, den Gerlach derart autokratisch behandelte, dass er nicht nur im DAG-Kontrollorgan, sondern auch bei seinen eigenen Vorstandskollegen an Rückhalt verlor. Der Aufsichtsrat beschloss gegen den Widerstand Wittkes die Wiedereinsetzung der Technischen Kommission, um Gerlach besser kontrollieren zu können. Die für letzteren bislang geltenden Bestellbeschränkungen in Sachen Kokerei musste er freilich aufheben. Die jüngste Entwicklung hinterließ bei Wittke das Gefühl tiefer Enttäuschung über seine eigenen Kollegen, insbesondere über Röchling, aber auch über die Berliner Ministerialbürokratie. So hatte er sich bereits im August 1941 bei von Hanneken über die ständigen Behördeneingriffe beschwert und geklagt, es kämen den Saarindustriellen Bedenken, ob sie ihre Pflichten als Aufsichtsrat der DAG überhaupt noch erfüllen könnten: »In der gleichen, vielleicht noch fataleren Lage befindet sich der Vorstand« 33 . Frustriert kündigte Wittke in der Sitzung vom 28. Oktober 1941 an, dass er künftig »nicht mehr präsidieren werde. Er habe die Aufopferung in dieser leidigen Angelegenheit satt« 34 . Am Ende blieb er jedoch mit der Begründung im Amt, dass er vom RWM »gleichsam gezwungen worden sei, entgegen seiner eigentlichen Absicht den Vorsitz im Aufsichtsrate der Doggererz AG beizubehalten« 35 . Als Zeichen seiner deutlichen Distanzierung überließ es Wittke einem seiner Mitarbeiter, dem DAG-Vorstand die vom Aufsichtsrat beschlossene Förderreduktion offiziell mitzuteilen 36 . c) Bornitz’ Rationalisierungsprogramm - ein vergeblicher Rettungsversuch Bornitz setzte im Herbst 1941 ein Rationalisierungsprogramm in Kraft, das die Stilllegung der Lurgi-Anlage, die Einstellung der Aufschlussarbeiten im Eichberg und das Auslaufen der beiden Tagebaue am Lindenbühl und am Eichberg umfasste. Die DAG-eigene Baukolonne wurde aufgelöst und mit den Tagebau-Arbeitern der Firma Baresel nach Kehl überstellt. Zudem verloren die Bereiche Luftschutz, Werkschutz und Feuerwehr die Hälfte ihres Personalbestands. Auf Wunsch des RWM gab die DAG rund 100 Leute an den kriegswichtigen Flussspatabbau ab, doch wurden nach Bornitz‘ interner Anweisung nur Kriegsgefangene, Ausländer und ortsungebundene Mitarbeiter ausgesucht 37 . Seine Kernbelegschaft suchte der Bergbaudirektor dagegen zu halten. Ende November 1941 präsentierte er dem Aufsichtsrat seinen Vorschlag, wie das in den ungenutzten »Produktionsstätten verankerte Kapital vor dem Brachliegen oder gar vor dem völligen Verlust« 38 33 Wittke an v. Hanneken v. 26.8.1941, RWWA 72-151-4. 34 Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 28.10.1941, RWWA 72-154-1. 35 Siedersleben an NE-Vorstand v. 4.11.1941, RWWA 72-145-9. 36 Dillinger Hütte (Bergs) an Bornitz v. 3.11.1941, LGRB B I a 5. 37 Vermerk über die Besprechung am 3.11.1941, StAF V 500/ 1-11. 38 DAG-Vorstand an Wittke v. 28.11.1941, RWWA 72-145-9. An neuen Gebäuden hatte man 1940/ 41 333 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel bewahrt werden könne. In einem Zuliefervertrag 39 mit der Messerschmitt AG wollte er die DAG verpflichten, mehrere Hundert ihrer Beschäftigten im Werkzeugbau für die Flugzeugindustrie einzusetzen. Wittke unterstützte Bornitz‘ Plan, stieß aber auf den Protest Siederslebens, der seinen Widerstand allerdings aufgeben musste, nachdem ihm Ministerialrat Schmitt vom RWM signalisiert hatte, dass man in Berlin »den Abschluss dieses Vertrags unter allen Umständen wünsche und zwar möglichst kurzfristig. Er bäte ausdrücklich darum, dass bei der Genehmigung durch den Aufsichtsrat keine unnötigen Schwierigkeiten gemacht würden, da der Abschluss dieses Vertrags im Staatsinteresse liege« 40 . Der so unter Druck gesetzte DAG-Aufsichtsrat stimmte im Dezember 1941 dem Begehren des Vorstands zu 41 , der einen Vertrag mit Messerschmitt abschloss und, als ersten Schritt, 50 Leute umschulen ließ. Diese stellten metallene Großhellige für die Montage von Flugzeugflügeln her und bauten Vorrichtungen aus Hartholz zum Pressen von Leichtmetallblechen. Drei Monate später arbeiteten unter der Leitung des Ingenieurs Karl Westram bereits 120 Mann im Zulieferbereich 42 , darunter auch viele Berginvaliden. Eine Verdreifachung der Mannschaft war für den Frühsommer 1942 geplant. Bornitz konnte sich gegen die personellen Begehrlichkeiten der Saarwerke durchsetzen und blieb vom Abzug seiner besten Bergleute verschont 43 . Dennoch ist unverkennbar, dass der Blumberger Betrieb 1941 ein Drittel seiner Arbeiter verlor 44 . Im September 1941 waren von drei Grubenrevieren im Stoberg nur noch zwei belegt, ein Zustand, der nach Bornitz’ Urteil »auf die Dauer nicht tragbar ist, da sonst mit dem Zubruchgehen grösserer Feldesteile zu rechnen ist« 45 . Im März 1942 ging dann das Südfeld im Stoberg fast vollständig zu Bruch 46 . Allerdings hätte dessen Erz ohnehin nicht mehr verarbeitet werden können: Da die DAG wegen des extremen Waggonmangels weder genügend Kohle zum Betrieb der vier Röstöfen erhielt, noch über ausreichend Transportraum zur Abfuhr verfügte, musste sie große Teile ihrer Produktion auf Halde legen. Als sich im März 1942 rund 65.000 t Erz in Blumberg angesammelt hatten und alle Stapelmöglichkeiten erschöpft waren, bestand auch nach Ansicht von Bornitz eine akute »Zwangslage der Grube zur Einstellung« 47 . errichtet: Eine 1.500 m² große Hauptwerkstatt für die Metallbearbeitung, eine Lok- und eine Lehrwerkstatt sowie zwei Rohbauten: das Umspann- und Schalthaus am Stoberg und die Vulkanisierwerkstatt am Mundloch des Eichbergstollens. Funktionslos waren auch die Gebäude der Lurgi-Anlage und die Waschkaue am Ristelberg. 39 Vertragsentwurf DAG-Messerschmitt v. 26.11.1941, RWWA 72-154-1. 40 Vermerk Reichard über ein Gespräch mit MR Schmitt am 9.12.1941, RWWA 72-154-1. 41 DAG-MB Dezember 1941, Archiv Prillwitz. 42 BFWM an LPGB v. 4.3.1942, StAF 96/ 1-3506. 43 RAM an CdZE v. 19.3.1942, BAB R 113/ 1405. Im Februar 1942 wurden 17 Italiener zur Fluss- und Schwerspatwerke Pforzheim Döppenschmitt & Co GmbH und 40 französische Kriegsgefangene zum Kappeler Bergwerk der Stolberger Zink AG versetzt. Lagebericht OBA Karlsruhe v. Februar 1942, BAB R 3101/ 30464. 44 Zahl der Mitarbeiter im technischen Bereich zu Jahresanfang 1941: 1.480 Mann, Ende 1941: 907 Mann. DAG-Jahresbericht 1941, Archiv Prillwitz. 45 DAG-MB September 1941, Archiv Prillwitz. 46 Lagebericht OBA Karlsruhe v. März 1942, BAB R 3101/ 30464. 47 Papier Bornitz zur DAG-ARS am 22.4.1942, StAF V 500/ 1-11. 334 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) d) Speers Stilllegungsbefehl Das Scheitern der Blitzkriegstrategie vor Moskau führte Ende 1941 zu einer Rationalisierung in der deutschen Rüstungsindustrie, deren Produktion auf die leistungsfähigsten Betriebe konzentriert werden sollte 48 . Röchling und Pleiger witterten jetzt eine neue Chance, das Doggererz-Projekt zu beenden und setzten sich bei Rüstungsminister Speer für eine Revision von Funks Entscheidung ein. Röchling hoffte zudem, die Blumberger Kumpel auf seine eigene Kohlenzeche abziehen zu können 49 und wandte sich mit seinem Stilllegungswunsch direkt an Hitler 50 . Auch Ernst Poensgen, der Chef der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, wurde hinter den Kulissen aktiv 51 . Am 19. März 1942 verkündete Poensgen am Rande einer Sitzung, an der auch Wittke teilnahm, Speer habe die Entscheidung getroffen, den Doggererzabbau und den Bau der Kehler Hütte für die Dauer des Kriegs einzustellen 52 . Weder Wittke noch dem DAG-Aufsichtsrat oder dem Vorstand war eine derartige Verfügung bislang bekannt. Röchling bemühte sich zwar am 22. März, den düpierten Wittke 53 wenigstens nachträglich in Kenntnis zu setzen, doch endete das Gespräch über »Röchlings unzuständiges Eingreifen« 54 im Eklat. Siedersleben musste den impulsiv reagierenden Wittke wieder einmal besänftigen und von Rücktrittsabsichten abhalten. Wittke fragte umgehend beim RWM nach, das angeblich von nichts wusste, ihm dann aber am 28. März die Existenz einer Verfügung Speers bestätigte 55 , die freilich bereits vom 23. März stammte. Das Dokument nahm Bezug auf Gutachten von Röchling und Pleiger und verwies auf die ausdrückliche Zustimmung Görings und Hitlers 56 . Speers Entscheidung diente dem Zweck, Bergleute für die kriegswichtigen Manganerzgruben des Siegerlands freizumachen, deren Abbauleistung durch eine Belegschaftserhöhung um 1.200 Mann erheblich gesteigert werden sollte 57 . Das in der Sache vom Rüstungsministerium übergangene RWM leitete nun eine überstürzte Aktion zum Transfer von Menschen und Material in den Bezirk des Oberbergamts Bonn ein: Noch bevor das 48 Eichholtz, Geschichte, II S. 27 f. und 47. 49 So die Einschätzung des RFM am 27.3.1942, BAB R 2/ 17849. 50 H. Röchling an Hitler v. 19.3.1942, Dok. H.R. 262, T.G. 154, Beweisführung der Staatsanwaltschaft gegen H. Röchling im Rastatter Prozess, 4. Heft, S. 390 ff., StAF T 1-27. 51 Vermerk Siedersleben über die ARS von Walther & Cie. am 18.4.1942, RWWA 72-154-1. 52 Stahlwerks-Verband AG an EHW-Bochum und Dillinger Hütte v. 20.3.1942, RWWA 72-145-9. 53 Völlig ahnungslos war Wittke über Röchlings Wirken nicht. Schon Monate zuvor hatte er sich beim RWM darüber beklagt, »dass erneut Kräfte am Werk sind, die auf eine völlige Stillegung des Grubenbetriebes abzielen. Das hat voraussichtlich mindestens die eine Wirkung, dass gefasste Beschlüsse möglicherweise umgeworfen, zum so und so vielten Male dieselben Dinge in Sitzungen diskutiert werden und dass die Arbeitsfreude der allein vor dem Gesetzgeber verantwortlichen Stellen [...] dann bald auf dem Nullpunkt angelangt sein wird«. Wittke an RWM v. 13.11.1941, StAF V 500/ 1-11. 54 Siedersleben an Wittke v. 26.3.1942, RWWA 72-148-9. 55 So Wittke lt. DAG-ARP v. 22.4.1942, RWWA 72-151-4. 56 Rüstungsministerium an Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung v. 23.3.1942, StAF V 500/ 1-11. Erst später wurde bekannt, dass das Gutachten Pleigers »im eigentlichen Sinne nicht vorhanden« war und es sich nur »um eine ablehnende Stellungnahme der Herren Müller und Winkhaus für die Reichsvereinigung Kohle« von 1941 gehandelt hatte (Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 22.4.1942, RWWA 72-154-1). Gemeint war wohl RVK-Präsidiumsmitglied und Direktor der Berghütte Ost, Max C. Müller (10.1.1894 Bordeaux - 28.8.1961 BRD). 57 So MR Stahl vom RWM lt. Vermerk RFM v. 27.3.1942, BAB R 2/ 17849. 335 1. Der Kampf um Kohle und Kumpel DAG-Management von der geplanten Betriebsschließung offiziell benachrichtigt worden war, erschienen bereits Beamte der badischen Bergbehörde bei Bornitz und forderten ihn zur Abgabe detaillierter Personal- und Materiallisten auf 58 . Die DAG kam dieser Auflage sofort nach 59 und erhielt einen Erlass des RWM, der den Verkauf ihres Sachvermögens einem behördlichen Genehmigungsvorbehalt unterzog 60 . Am 4. April unterrichtete das RWM Wittke dann endlich offiziell über Speers Verfügung 61 . Die Dinge vor Ort verliefen allerdings weiterhin derart chaotisch, dass Wittke noch Wochen später klagte, »alle möglichen Stellen« 62 versuchten in Blumberg Anweisungen zu erteilen und gäben widersprüchliche Auskünfte. Obwohl Bornitz schon seit dem 26. März Bescheid wusste, informierte er die Belegschaft erst am 10. April und löste mit seiner Nachricht eine lebhafte Erregung und große Missstimmung aus 63 . Die wütenden Menschen verdächtigten ihn, »der Urheber der Stillegung zu sein« 64 und rächten sich mit einer polizeilichen Anzeige, weil er entgegen dem geltenden Verbot zur privaten PKW-Nutzung mit seinem Dienstwagen zur Arbeit gekommen war. Für Unmut im Ort sorgte auch die Tatsache, dass nach den behördlichen Anweisungen einheimische Fachkräfte als erste abgezogen werden sollten, während weniger qualifizierte Auswärtige und Ausländer zunächst noch in Blumberg verbleiben durften. Letztere flüchteten in hellen Scharen, um ihrer drohenden Dienstverpflichtung zu entgehen. Bornitz griff »mit schärfsten Mitteln« 65 durch, ordnete Urlaubssperren an, initiierte Ausländerkontrollen auf öffentlichen Plätzen und ließ Arbeiter am Blumberger Bahnhof verhaften. Bis Mai 1942 wurden rund 450 Kumpel dem Siegerländer Bergbau zugeführt. Deren wirtschaftliche Lage verschlechterte sich drastisch: Einerseits erhielten sie geringere Löhne als zuvor, andererseits hatten sie die Kosten einer doppelten Haushaltsführung zu tragen, weil ihre Familien in Blumberg bleiben mussten. Vor allem kinderreiche Familien gerieten in derart große Bedrängnis, dass sie nach den Erkenntnissen der Deutschen Arbeitsfront »nicht einmal das Geld haben, um den Kindern überhaupt noch Brot kaufen zu können. Diese katastrophalen Zustände weiten sich immer mehr aus und es muss daher alles getan werden, um diese Zustände zu beheben« 66 . Einem Zeitzeugen sind die hungernden, bei Landwirten um Nahrungsmittel bettelnden Bergarbeiterfamilien noch heute im Gedächtnis 67 . Die Gemeinde bemühte sich um eine Linderung der ärgsten Not und zahlte 2.600 RM Vorschüsse an 66 bedürftige Haushalte aus 68 . Da die verarmten Familien ihre Miete oft nicht mehr begleichen konnten, häuften sich im Laufe des Sommers große Mietrückstände bei der Badischen Heimstätte GmbH an. Geschäftsführer Hein- 58 Bornitz an OBA Karlsruhe v. 27.3.1942, LGRB 9 A/ 85. 59 DAG (Bornitz) an RWM (v. Eicken) v. 1.4.1942, StAF V 500/ 1-11. 60 RWM an DAG v. 28.3.1942, StAF V 500/ 1-11. 61 RWM (Landfried) an Wittke v. 4.4.1942, StAF V 500/ 1-11. 62 DAG-ARP v. 22.4.1942, RWWA 72-151-4. 63 So Blumbergs Bürgermeister Theodor Schmid in seiner Denkschrift v. 30.4.1942, StAB 793.53. 64 Bornitz an H. Röchling v. 13.7.1943, RWWA 72-151-9. 65 Bornitz an Wittke v. 15.4.1942, StAF V 500/ 1-11. 66 DAF Donaueschingen an DAF-Gauverwaltung v. 14.8.1942, StAB Akten der nach dem Siegerland dienstverpflichteten Männer. 67 Bericht Franz Merz, Riedböhringen, gegenüber dem Verf. 68 Die Zahlungen wurden zwischen Juni und August 1942 geleistet. Aktenbefund StAB. 336 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) rich Lauer sprach säumigen Zahlern die Kündigung aus und schikanierte rücksichtslos die verzweifelten Bergarbeiterfrauen 69 . Besonders qualifiziertes technisches Personal, darunter Ingenieure, Meister und Steiger, kehrte zu den Saarwerken zurück oder ging in das Ruhrgebiet. Offen blieb zunächst das Los von rund 300 gering qualifizierten ortsgebundenen Kräften. Zugunsten dieser Menschen stockte die DAG ihre Zulieferfertigung für Messerschmitt auf und beschäftigte den Rest mit Reparaturen, bergbaulichen Sicherungsarbeiten oder aber mit dem Abbau und dem Versand des verkauften Betriebsvermögens. Nach den Vorgaben des RWM 70 mussten alle Fördereinrichtungen, Maschinen, Abbaugeräte und Materialien an ausgewählte kriegswichtige Betriebe abgegeben werden. Es waren dies: mehrere Manganerz- Bergwerke bei Siegen und Gießen, die Flussspatgrube der Gewerkschaft Finstergrund bei Wieden, die Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ost mbH, ein Tochterunternehmen der Reichswerke Hermann Göring, die sich die ukrainischen Eisen- und Manganerzminen gesichert hatte 71 und einige oberschlesische Kohlebergwerke. Diese erhielten zunächst Bestandslisten von der DAG und sandten dann ihre Vertreter nach Blumberg, um das Angebot zu besichtigen und Käufe zu tätigen. Bis zum 1. September 1942 verließen 430 Eisenbahnwaggons die Baar; 78 davon gingen nach Krivoy Rog und Nikopol in der Ukraine 72 . Wertvolle Großgeräte waren meist nicht dabei: Diese wurden vermietet oder fanden dankbare Aufnahme bei den Saarwerken. 2. Unternehmensabwicklung im Krieg a) Die Einstellung des Bergbaus Am 16. April 1942 kam Ministerpräsident Köhler nach Blumberg, um sich mit der Bergwerksleitung und den regionalen Parteigrößen zu besprechen. Deren Interessenlage deckte sich zu großen Teilen: Alle verfolgten das Ziel, die Chance einer späteren Wiederaufnahme des Bergbaus in Blumberg zu wahren und kurzfristig Ersatz für die wegfallenden Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu durften die Gruben nicht aufgegeben und die DAG nicht abgewickelt werden; vielmehr musste man für letztere eine neue, kriegswirtschaftlich gut begründbare Aufgabe finden. Köhler forderte das RWM noch von Blumberg aus telefonisch dazu auf, der geplanten Grubenunterhaltung zuzustimmen 73 und bat Bornitz darum, die bestehende Zulieferfertigung für Messerschmitt weiter auszubauen. Blumbergs Bürgermeister Schmid machte in der Besprechung vom 16. April seinerseits den Vorschlag, die DAG möge eine Reparaturwerkstatt für beschädigte Güterwagen der Reichsbahn eröffnen 74 . 69 So etwa im Fall der Familie Bonenberger, Vermerk Schmid v. 25.6.1942, StAB III/ 4. 70 Bornitz an Siedersleben v. 18.5.1942, RWWA 72-152-7. 71 Zur Berghütte Ost: Riedel, Bergbau; Mayer, Holding, S. 259 und Zumpe, Wirtschaft, S. 406. 72 Lagebericht OBA Karlsruhe v. Sept. 1942, BAB R 3101/ 30464. 73 Vermerk BA Freiburg (Philipp) über das Gespräch mit Köhler am 16.4.1942, LGRB B I a 21. Siehe dazu auch Bornitz’ Vermerk v. 20.4.1942 über dieses Gespräch, StAF V 500/ 1-11. 74 Undatierte, handschriftliche Gesprächsnotiz Schmids, StAB 772/ 4. 337 2. Unternehmensabwicklung im Krieg Das RWM 75 beriet sich am 20. April 1942 mit dem Reichsfinanzministerium über die Zukunft der DAG. Ministerialdirigent Koehler vom RWM hob hervor, dass eine Liquidation im Rechtssinne vorläufig nicht in Betracht komme; vielmehr müsse man bestrebt sein, die Geschäfte mit geringsten Kosten abzuwickeln, denn es bestünde die Möglichkeit, daß der Betrieb später wieder aufgenommen werde. Nach Meinung des RWM sollte die Grube im Eichberg von wenigen Kräften unterhalten werden; im Übrigen aber hielt man es für sinnvoll, den Stoberg aufzugeben, den Hüttenbau in Kehl einzustellen und den Vorstand bis auf Berger zu entlassen. Das RFM legte Wert auf eine weitgehende Abwicklung der DAG und lehnte den Ausbau des Zulieferbetriebs für Messerschmitt oder aber den Neuaufbau einer Waggonreparaturwerkstatt in Blumberg ab, denn es müsse »verhindert werden, daß unter der Firma Doggererz A.G. ein neuartiges Unternehmen mit anderer Zielsetzung entstehe« 76 . Am 22. April 1942 tagte der DAG-Aufsichtsrat. Wittke, dessen Leidensfähigkeit jetzt erschöpft war, hatte bereits im Vorfeld verkündet, seinen Vorsitz niederlegen zu wollen, doch verständigten sich Siedersleben und das RWM hinter seinem Rücken darauf, diesen Rücktritt zu verhindern, weil er nach außen hin »zu unvertretbaren Schlussfolgerungen führen« 77 könne. Zudem verspürte der für die Nachfolge in Frage kommende Siedersleben wenig Lust, den undankbaren Posten selbst zu übernehmen. Der unglückliche und desillusionierte Wittke musste daher weiterhin im Amt verbleiben, revanchierte sich in der Aufsichtsratssitzung aber mit einer beißenden Kritik an den Reichsinstanzen und ließ seine Philippika später ungeniert protokollieren. Diese spießte mit ätzender Schärfe die amtliche Ignoranz in der Doggererzfrage auf und prangerte den Stilllegungsbefehl als ein gesetzloses Handeln an, das die aktienrechtliche Verantwortlichkeit der DAG-Gremien ignoriere 78 . 75 Durch Speers Entscheidung war das RWM in eine unerquickliche Lage geraten, für die sich die Abteilungen nun gegenseitig verantwortlich machten. Ministerialrat Stahl von der Bergabteilung hatte bereits 1940 die Einstellung des Blumberger Bergbaus »für unvermeidlich erklärt«, sich aber gegen die Eisenabteilung nicht durchsetzen können. Deshalb »werfe man ihm jetzt vor, dass die Bergbauabteilung [...] den Sachverhalt nicht richtig beurteilt habe« (Vermerk Siedersleben über die DAG-ARS v. 22.4.1942, RWWA 72-154-1). Der den Weiterbau des Kehler Hüttenwerks befürwortende Ministerialrat Schmitt von der Eisenabteilung überwarf sich in dieser Frage mit Hermann Röchling, der anschließend veranlasst haben soll, dass Schmitt sein Referat an Walter Solveen verlor. Vermerk Siedersleben über ein Gespräch mit Schmitt am 11.7.1942, RWWA 72-148-9. 76 Vermerk RFM über die Besprechung am 20.4.1942, BAB R 2/ 17849. 77 Siedersleben an NE-Vorstand v. 13.4.1942 über ein Telefonat mit MR Schmitt, RWWA 72-154-1. 78 Wittke klagte, dass die entscheidenden Stellen es nicht für nötig erachteten, vor ihren Beschlüssen die DAG-Gremien anzuhören und sich somit außerhalb der Gesetzgebung stellten. Dies sei ein wirklich schlechter Dank für die von ihm in jahrelanger aufopfernder Arbeit geleisteten ehrenamtlichen Dienste. Er habe von Anfang an auf die Unwirtschaftlichkeit des Unternehmens hingewiesen mit dem traurigen Erfolg, 1937 von Herrn Pleiger als Saboteur am Willen des Führers bezeichnet worden zu sein, stark angegriffen von den Stellen, die heute die Schließung des Unternehmens verlangten. Dillingen sei damals nur gezwungenermaßen der DAG beigetreten. Alle Hinweise auf die Unwirtschaftlichkeit, die heute allenthalben herausgestrichen werde, hätten damals keinen Erfolg gehabt. Nachdem er zum Vorsitzer des Aufsichtsrats gewählt worden sei, habe er seine ganze Kraft, trotz vieler Wirrnisse, dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Wenn der Aufsichtsrat jedoch heute der Ansicht sei, daß er seine Pflicht nicht erfüllt habe, lege er gerne sein Amt nieder. Es sei beschämend für ihn gewesen, über eine Sitzung der Rohstahlgemeinschaft die vollzogene Stilllegung der DAG zu erfahren. Der vorliegende Fall sei geeignet, die Ordnungsmäßigkeit der DAG-Geschäfte zu untergraben, so dass er geneigt sei, zurückzutreten. »Wenn das Aktiengesetz seine Gültigkeit verloren hat, mag es aufgehoben werden. [...] Solange aber das 338 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Inhaltlich hatte der DAG-Aufsichtsrat am 22. April über das Los der Blumberger Betriebsanlagen, des Kehler Kraftwerks und der bestehenden Messerschmitt-Fertigung zu entscheiden. Während Röchling für eine vollständige Stillsetzung beider Grubenbetriebe und den Verkauf aller Aufbereitungsanlagen votierte, schlug Ministerialrat Stahl vom RWM vor, nur den Stoberg aufzugeben. Die Grube Eichberg, die Förderbrücke und die Verladeanlage wollte er erhalten wissen, schränkte aber ein, dass derzeit eine Wiederaufnahme der Erzförderung nach dem Kriege aus Sicht der Bergabteilung nicht geplant sei. Der Aufsichtsrat folgte Stahls Empfehlung und beschloss, die Aufbereitungsanlagen zu verkaufen und höherwertige Mobilia, wie Lokomotiven, Wagen und Bagger, möglichst zu verpachten 79 . Wittke und der gesamte DAG-Vorstand setzten sich für die Beibehaltung und den Ausbau der bestehenden Messerschmitt-Fertigung ein. Bornitz und Gerlach verwiesen darauf, dass es darum gehe, den in Blumberg verbliebenen Frauen der ins Siegerland dienstverpflichteten Bergleute Lohn und Brot zu geben und dass eine moralische Verpflichtung für die DAG bestehe, diesen Familien zu helfen. Der Aufsichtsrat folgte jedoch Siedersleben, der eine Beschränkung auf die satzungsgemäßen Aufgaben einforderte, »bei aller Würdigung der Verdienste des Vorstands um das gute Gelingen der Fabrikation«. Da man letztere wegen ihrer kriegswichtigen Funktion leider nicht ersatzlos streichen konnte, musste es der Aufsichtsrat bei einer an den Vorstand gerichteten Forderung belassen, die Messerschmitt-Fertigung in andere Hände überzuleiten, »sei es im Wege der Verpachtung, sei es auf anderem noch zu findenden Weg« 80 . Die Einrichtung einer Waggonreparaturwerkstatt, in der Kriegsinvaliden und bergfremde Arbeiter beschäftigt werden sollten, lehnte der Aufsichtsrat rundweg ab. Bornitz unterrichtete Köhler am 25. April 1942 über die Beschlüsse des Aufsichtsrats. Der badische Ministerpräsident begrüßte es, dass durch die Erhaltung des Eichbergstollens »die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Bergbaus entsprechend den Wünschen der Badischen Landesregierung gegeben sei« 81 . Allerdings löste die negative Entscheidung über die Messerschmitt-Fertigung und die Waggonreparaturwerkstatt wenig Freude aus. Landesregierung und Parteiführung gerieten dadurch stark unter Zugzwang. Hatte der Blumberger Bürgermeister und Ortsgruppenvorsitzende Schmid noch drei Jahre zuvor geprahlt, sein Dorf werde »als Folge nationalsozialistischer Staats- und Wirtschaftsführung« bald eine »völlig neue, vom Lied der Arbeit und vom Gesang der Bohrhämmer erfüllte Industriestadt« sein, so besiegelte der einst von ihm gerühmte »nationalsozialistische Gestaltungswillen« 82 jetzt nur noch den Niedergang seiner Gemeinde. Als Folge des Gesprächs vom 25. April setzte Schmid eine pathetische Denkschrift auf, in der er die Ansiedlung eines großen Unternehmens einforderte und auf das »verloren gegangene Aktiengesetz noch Gültigkeit besitzt, sei es für ihn verpflichtend, aber auch in gleichem Maße für jene Stellen, die diese Gesetzgebung gewollt haben«. DAG-ARP v. 22.4. 1942, RWWA 72-151-4. 79 Die behördliche Bestätigung der Beschlüsse erfolgte durch Erlass des RWM an das Oberbergamt Karlsruhe v. 1.5.1942 (LGRB 9 A/ 85) bzw. durch das Schreiben des Oberbergamts Karlsruhe an die DAG v. 15.5.1942. StAF C 33/ 1-8. 80 DAG-ARP v. 22.4.1942, RWWA 72-151-4. 81 Notiz Bornitz über seine Vorsprache bei Köhler am 25.4.1942, RWWA 72-154-1. 82 Manuskript »Die Entwicklung der Stadt Blumberg von 1933 bis zum 1. Mai 1939« von Schmid, StAB III/ 4. 339 2. Unternehmensabwicklung im Krieg Vertrauen« 83 der Bevölkerung hinwies. Schmid sandte sein Opus an Landrat Rudolf Binz, der eine Prognose über gewaltige Steuerausfälle 84 in Blumberg verfasste und die Schriftstücke der badischen Regierung zuleitete. Zweifellos befand sich der DAG-Vorstand in einem Dilemma zwischen den gegensätzlichen Vorgaben der Saarwerke und den weitreichenden Wünschen der regionalen Parteiinstanzen. Um nicht in deren Schusslinie zu geraten, nahm das DAG-Management doch noch Gespräche mit der Reichsbahn über die Eröffnung einer Reparaturwerkstatt auf. Die nachlässig geführten Konsultationen 85 dauerten bis in den Sommer und führten zu keinem verwertbaren Ergebnis. Der DAG-Vorstand verhandelte auch mit der Messerschmitt AG und drängte sie zur Übernahme der bestehenden Zulieferfertigung. Da ihm dies nicht gelang, entschloss sich Bornitz, diesen Produktionszweig bei der DAG eigenmächtig auszuweiten. Um die Belegschaft auf 400 Mann zu erhöhen, beantragte er im Sommer 1942 beim Bevollmächtigen für den Arbeitseinsatz die Zuweisung von 250 Facharbeitern 86 . Nach Wittkes Rückzug aus den DAG-Gremien 87 sorgte Siedersleben jedoch für das rasche Ende dieser Planungen 88 . Der Vorstand wickelte nun den Betrieb sukzessive ab: Die letzte Grubenfahrt in Blumberg erfolgte am 27. Juli 1942. Ende August verließ Hans Bornitz die Baar und trat in Leoben eine neue Position als Bergbaudirektor der Alpine Montan AG »Hermann Göring« an. Seine Funktion als Grubenleiter in Blumberg übernahm bis 1943 der Steiger Karl Thiemann. Weil noch viele Sicherungsarbeiten und Demontagen anstanden und die Auftragsfertigung für Messerschmitt noch bis zum 15. November 1942 weiterbetrieben wurde, sank der Personalbestand nur langsam von rund 270 Leuten (Juli 1942) auf 40 Arbeiter und Angestellte im März 1943 ab. Der Vorstand bestand zu dieser Zeit nur noch aus Walther Berger, der im Herbst 1942 vom Aufsichtsrat zum Liquidator der DAG bestellt worden war. 83 »Denkschrift über die Auswirkungen und Folgen, die durch die Einstellung der Doggererzförderung in der Gemeinde Blumberg entstehen werden« vom 30.4.1942, StAB 793.53. 84 LRA Donaueschingen an BMI v. 7.5.1942, StAB 772/ 4. Demnach befürchtete Blumberg Steuerausfälle von über 50 %. 85 Bezüglich der Verhandlungen über die Waggonreparaturwerkstätte stellte man im BFWM fest: »Wir haben die allerdings nicht zu beweisende Vermutung, dass die Doggererz-A.G. selbst in der Sache nicht recht zieht«. Dr. Mühe an Dr. Sauer vom 1.7.1942, GLA 237/ 42827. 86 Zwischenbericht über die Abwicklungsarbeiten in Blumberg vom 7.7.1942, StAF V 500/ 1-15. 87 Siehe dazu Kap. VII/ 2/ b. 88 Am 11.7.1942 beschloss der Aufsichtsrat, dass es für die DAG »nicht richtig ist, eine satzungsgemäß nicht vorgesehene Fabrikation zu betreiben, geschweige denn auszubauen«. Der Beschluss enthielt einen Kanzleitrost in Form einer blumigen Erklärung, wonach man es für selbstverständlich erachte, dass die Doggererz AG »nach Maßgabe ihrer abwicklungsmäßigen Möglichkeiten weiterhin sämtliche Bestrebungen fördert, unterstützt und erleichtert, welche die tunliche Abwendung der Stillegungsfolgen von der Stadt Blumberg zum Gegenstande haben«. Dabei war an die Gewährung einer Spende zugunsten der badischen Regierung gedacht. Beschlussvorlage vom 9.7.1942 für die ARS am 11.7.1942, StAF V 500/ 1-15. 340 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) b) Das Ende des Kehler Kraftwerksprojekts - Wittkes Rückzug Unmittelbar nach Bekanntwerden von Speers Stilllegungserlass bildete sich eine Allianz zur Rettung des Kraftwerks heraus. Die Beteiligten verfolgten dabei unterschiedliche Ziele: Während die badische Regierung das Werk nutzen wollte, um die kommunale Stromversorgung in Straßburg zu stärken, lehnten die übrigen Frondeure um DAG- Vorstandsmitglied Gerlach eine Projektübergabe an die staatseigene Badenwerk AG ab, weil damit das unwiderrufliche Ende des Stahlwerks-Projekts am Rhein besiegelt worden wäre. Unterstützt wurde Gerlach vom Reichsamt für Wirtschaftsausbau (RWA), von der Reichsstelle für Raumordnung und vom Generalinspektor für Wasser und Energie (GIWE). Das erste Gespräch dieser Gruppe fand am 30. März 1942 unter der Leitung des badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler in dessen Staatskanzlei statt und endete mit der Absprache, dass Carl Krauch, der Leiter des RWA, an Speer schreiben und diesen mit dem Argument beeindrucken sollte, das Kraftwerk werde zur Versorgung des Aluminiumwerks in Rheinfelden gebraucht 89 . Der DAG-Aufsichtsrat diskutierte das Kraftwerksthema am 22. April 1942. Wittke wollte das Projekt erkennbar retten und gab eine Botschaft Köhlers bekannt, das Land werde sich mit einem negativen Aufsichtsratsbeschluss nicht abfinden, sondern nötigenfalls weitere Stellen unter Druck setzen, um den Weiterbau des Elektrizitätswerks zu erzwingen. Gerlach trug seinerseits vor, die DAG werde den Kraftwerksbau kaum ablehnen können, wenn kriegsentscheidende Belange der chemischen und der Aluminiumindustrie vorlägen. Röchling vertrat dagegen die Meinung, und wurde darin von seinen Kollegen aus Burbach und Neunkirchen bestärkt, dass der DAG nicht zugemutet werden könne, ein Kraftwerk zu errichten, wenn der Bau des zugehörigen Hüttenwerks von der Regierung abgelehnt werde. Habe das Kraftwerk erst einmal die öffentliche Stromversorgung übernommen, werde es der DAG nie wieder zur Verfügung stehen. Das RWM hielt sich auffällig zurück: Ministerialrat Schmitt bezweifelte, ob zusätzliche Kohle für das Kraftwerk vorhanden sei, wollte aber »höheren Instanzen« die Entscheidung überlassen, ob und von wem der Bau vollzogen werde. Wenn die DAG den Auftrag dafür erhalte, dann empfehle er, »keinen Widerstand zu leisten« 90 . Der Aufsichtsrat sprach sich am Ende gegen einen Kraftwerksbau durch die DAG aus, doch ließ Wittke hintersinnig protokollieren, man werde sich einer Behördenanordnung zum Kraftwerksbau natürlich pflichtgemäß fügen. 89 Besprechungsteilnehmer: Walter Köhler, der bad. Ministerialrat Sauer, Gerlach und Muermann (RfR). Letzterer war der persönliche Referent von Staatssekretär Muhs. Muermann teilte Landesplaner Feldmann am 1.4.1942 mit, er halte Köhlers Vorschlag, das Kraftwerk für die Erweiterung des Straßburger Stadtwerks zu nutzen »für abwegig, denn man würde hier einen Weg beschreiten, der inzwischen längst als falsch erkannt worden ist, nämlich Strom und Gas den Kommunen als besondere Einnahmequelle zu überlassen. Viel richtiger wird es sein, das Kraftwerk in Auenheim zu bauen, wo es bekanntlich im Rahmen der Hütte der Doggererz-A.G. vorgesehen war, und wo es, wenn nach dem Kriege, womit bestimmt zu rechnen ist, die Hütte gebaut wird, weit rentabler arbeiten wird, als jedes auf sich allein gestellte Werk. [...] Ausserdem würde so erreicht werden, dass wenigstens ein Teil des Hüttenwerkes gebaut wird, was zur Erhaltung des Verwaltungs- und Arbeiterstabes der Doggererz-A.G. unumgänglich nötig ist«. RfR (Muermann) an Feldmann v. 1.4.1942, GLA 465c/ 16339. 90 DAG-ARP v. 22.4.1942, RWWA 72-151-4. 341 2. Unternehmensabwicklung im Krieg Prompt teilte der GIWE am 6. Mai 1942 mit, der Kraftwerksbau werde von Speers Stilllegungsverfügung ausgenommen, da die angespannte öffentliche Elektrizitätsversorgung in Baden und im Elsass diesen Kapazitätszuwachs benötige 91 . Allerdings lehnte der GIWE, was unlogisch war, eine Projektübernahme durch das Badenwerk ab. Das RWA forderte seinerseits die DAG zum Kraftwerksbau mit größter Beschleunigung 92 auf. Daraufhin fand am 21. Mai 1942 eine Konferenz der Reichsbehörden mit Wittke in Berlin statt, in der letzterer den ablehnenden DAG-Aufsichtsratsbeschluss vom 22. April ignorierte und erklärte, »daß er bereit sei, für Rechnung der Gesellschaft das Kraftwerk zu bauen. Er rechne bestimmt darauf, daß die Gesellschaft nach Kriegsende das Hüttenwerk baue. Man werde nämlich an dem Doggererz künftig nicht vorbeigehen können. Man werde dann aber auch das Hüttenwerk brauchen« 93 . Im Reichsfinanzministerium gab man dem Kraftwerks-Projekt zwar keine Zukunft 94 , verzichtete aber auf offenen Widerstand gegen die vom Ministerialdirektor beim GIWE, Eberhard Barth, stark unterstützten Pläne. Im Frühsommer 1942 verhandelten Gerlach und Berger mit der Badenwerk AG über die Lieferung von Strom aus dem künftigen DAG-Kraftwerk, doch waren die vom Badenwerk angebotenen Preise derart unzureichend, dass der Vertragsentwurf sogar im DAG- Vorstand keine Mehrheit fand. Da das Projekt nun zu scheitern drohte, suchte Wittke beim GIWE um Hilfe nach, der allerdings keinerlei Anlass sah, sich für Subventionen einzusetzen 95 . Wittke geriet dadurch in eine schwierige Lage, zumal ihn Gauleiter Wagner und Ministerpräsident Köhler zu Fortschritten in der Kraftwerksfrage drängten. Erst jetzt informierte Wittke seine Aufsichtsratskollegen über die Verhandlungen des Vorstands zum Weiterbau des Kraftwerks 96 . Was immer danach passiert sein mag: Am 30. Juni 1942 teilte Wittke dem Aufsichtsrat überraschend mit, dass er erkrankt sei und seinen Stellvertreter Siedersleben bitte, seine Geschäfte in der DAG zu übernehmen. Zugleich weise er darauf hin, dass er auch nach der Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht mehr in der Lage sein werde, den Vorsitz im Aufsichtsrat auszuüben. Da seine Amtszeit ohnehin bald ende, bitte er »höflichst, jetzt schon die für eine Neubesetzung nötigen Vorkehrungen« 97 zu treffen. Tatsächlich zog sich Wittke aus den DAG-Gremien völlig zurück; Siedersleben musste den Vorsitz im Aufsichtsrat nun notgedrungen selbst übernehmen. Siedersleben nahm sofort Kontakt mit Hermann Röchling auf und wurde sich mit diesem einig, dass das Hüttenkraftwerk aus technischen Gründen für einen Einsatz in der öffentlichen Stromversorgung ungeeignet sei, weshalb man dessen Bau ablehnen müsse und es der Badenwerk AG überlassen solle, das Objekt in eigener Regie zu realisie- 91 GIWE (Eberhard Barth) an v. Hanneken v. 6.5.1942, StAF V500/ 3. 92 RWA an DAG v. 6.5.1942, RWWA 72-152-7. 93 Vermerk RFM über die Besprechung am 21.5.1942, BAB R 2/ 17849. 94 Das RFM hielt das Hüttenprojekt mittlerweile für völlig illusorisch und warnte vor dem Bau des unrentablen Kraftwerks, das auf eine unwirtschaftliche Kohlefeuerung angewiesen sei, da das als Nebenprodukt anfallende Hüttengas nicht mehr zur Verfügung stehe. RFM an RWM v. Mai 1942, BAB R 2/ 17849. 95 Vermerk RFM über die DAG-ARS v. 11.7.1942, BAB R 2/ 17849. 96 So Wittke in seinem Schreiben an die DAG-Aufsichtsratsmitglieder v. 17.6.1942, RWW 72-152-7. 97 Wittke an DAG-Aufsichtsratsmitglieder v. 30.6.1942, RWWA 72-152-7. 342 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) ren, sofern sie dies wünsche 98 . Um die Dinge derart zu regeln, wandte sich Siedersleben an den badischen Ministerpräsidenten Köhler, der einen Bau durch die DAG zwar begrüßt hätte, sich mit einer Projektübergabe an die Badenwerk AG jedoch abfand 99 . Siedersleben berief nun eine Sitzung des Aufsichtsrats für den 11. Juli nach Berlin ein, deren zentraler Tagesordnungspunkt lautete: »Vorschlag des Vorstandes, den Herr Wittke nicht abgelehnt hat [...], das Kraftwerk im Bewusstsein der Unvollständigkeit zu vollenden und innerhalb von drei Jahren nach Kriegsende das Hüttenwerk einschliesslich Kokerei hinzubauen« 100 . Der Einladung zur Sitzung war zwischen den Zeilen zu entnehmen, dass Siedersleben keineswegs um Zustimmung für diese Pläne warb, sondern darum, die vom Vorstand eigenmächtig betriebenen Verhandlungen zum Weiterbau des Kraftwerks zu beenden, weshalb er sogar auf die Autorität Röchlings Bezug nahm, der als Leiter der Reichsvereinigung Eisen ja eine herausragende Verantwortung für den Stilllegungsbefehl trug. Die Sitzung des DAG-Aufsichtsrats vom 11. Juli 1942 verlief wunschgemäß für Siedersleben: DAG-Finanzvorstand Walther Berger verlas dort ein Gutachten von Röchlings leitendem Elektrotechniker Wilhelm Rodenhauser, das die Unwirtschaftlichkeit eines Hüttenkraftwerks in der Großraum-Elektrizitätsversorgung nachwies und distanzierte sich anschließend, ebenso wie sein Kollege Bornitz, von jeglichem Kraftwerksbau durch die DAG 101 . Der im Vorstand isolierte Gerlach versuchte zwar noch, den Kraftwerksbau mit einer behördlichen Anordnung aus Berlin zu begründen, doch stellte der Aufsichtsrat unbeeindruckt fest, dass das Schreiben des GIWE vom 6. Mai 1942 eben »keine Weisung, sondern nur eine Erlaubnis für den Kraftwerkbau durch die DAG darstellte« 102 . Auch die Reichsvertreter aus dem RWM, die Order bekommen hatten, nach keiner Seite hin Druck auszuüben, und aus dem Reichsfinanzministerium schlossen sich dem negativen Votum der Saarindustriellen an. Der frustrierte Gerlach begann daraufhin eine Debatte mit dem Aufsichtsrat über die Schuld am Scheitern des Hüttenwerks-Projekts anzuzetteln, doch wies ihn Siedersleben kühl in die Schranken 103 . Der DAG-Vorstand nahm umgehend Verhandlungen mit der Badenwerk AG auf, doch scheiterte der Kraftwerksverkauf rasch am Einspruch der Berliner Behörden. Ursächlich dafür war die Erkenntnis, dass bei der geplanten Verwendung »das Werk ja 4 Monate praktisch stillstehen soll, und das wäre für ein so hochwertiges Werk mit so niedrigem Kohlenverbrauch nicht zweckmässig« 104 . Ministerpräsident Köhler konnte das Projekt auch mit einer persönlichen Vorsprache bei Albert Speer und im GIWE nicht retten. Letzteres ordnete am 5. August 1942 einen Baustopp für Kehl an, da eine anderweitige Verwendung des Kraftwerks sichergestellt sei 105 . Später erhielt die DAG Order, alle Anlagenteile und Konstruktionspläne der oberschlesischen Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Karwin-Trzynietz AG in Teschen zu übergeben, deren Produktionsanlagen 98 Vermerk Siedersleben über die Besprechung bei den RESW am 6.7.1942, RWWA 72-148-9. 99 Siedersleben an DAG-Vorstand v. 8.7.1942, RWWA 72-148-9. 100 So zitiert in: Siedersleben an DAG-Aufsichtsratsmitglieder v. 4.7.1942, RWWA 72-152-7. 101 DAG-ARP v. 11.7.1942, RWWA 72-151-5. 102 Vermerk RFM über die DAG-ARS v. 11.7.1942, BAB R 2/ 17849. 103 Siedersleben an DAG-Vorstand v. 17.7.1942, RWWA 72-148-9. 104 H. Röchling an Siedersleben v. 17.7.1942, RWWA 72-152-7. 105 Dies ergibt sich aus einem Telegramm der DAG an den GIWE v. 16.9.1942, StAF V 500/ 3. 343 2. Unternehmensabwicklung im Krieg modernisiert werden sollten. Es waren allerdings noch langwierige Verhandlungen nötig, bis im Februar 1943 ein Kaufvertrag geschlossen werden konnte. Gerlach verblieb als einzige Aufgabe die Auflösung seines Hüttenbaubüros. Am 15. Februar 1943 trat er dann einen Vorstandsposten bei der Prager Eisen-Industrie-Gesellschaft an. Nebenberuflich blieb er der DAG jedoch erhalten 106 . Seinen Abschiedsbesuch beim Straßburger Oberstadtkommissar Robert Ernst nutzte er, um für »sein« Hüttenwerk, das ihm sehr am Herzen lag, nochmals kräftig zu werben. Er wirkte offenbar so überzeugend, dass Ernst anschließend Gauleiter Wagner bat, »immer wieder« in Berlin vorstellig zu werden, »um den Anspruch, den Strassburg auf diese Industrieanlage hat, aufrecht zu erhalten« 107 . Tatsächlich entwickelten sich die Dinge aber in die entgegengesetzte Richtung, denn die Hüttenbaustelle in Auenheim wurde Mitte 1943 geräumt. Ende Juni erschien dort eine 11köpfige Arbeitskolonne und quartierte sich in einer der Baracken ein. Deren Vorarbeiter notierte: »Nebenan ist das Russenlager. Kein Radio nichts hört man hier, eine unheimlich Stille«. Die Kolonne entfernte unter großen Strapazen und ohne technische Hilfsmittel Eisenbahnschienen, Schwellen, Gussrohre und Eisenplatten. Abends trat sie erschöpft den Rückmarsch an: »Dies war der reinste Schweigemarsch« 108 . Auf der Hüttenbaustelle blieb nur das Barackenlager 109 erhalten, um dessen Verwendung sich das Landratsamt Kehl bis zum Kriegsende mit den Saarwerken stritt 110 . c) Die Nachnutzung der Blumberger Betriebsanlagen Um Blumberg vor einer sozialen und finanzpolitischen Katastrophe zu bewahren, hatte Gauleiter Wagner Minister Speer bereits im März 1942 um die Zuweisung eines größeren Rüstungsbetriebs gebeten. Speer versicherte Wagner, er habe Generalluftzeugmeister Erhard Milch und Wilhelm Leeb, den Chef des Heereswaffenamts, mit Nachforschungen beauftragt, welche Wehrmachtfertigung verlagert werden könne, um die Blumberger Arbeitersiedlung auszunutzen 111 . Allerdings fand sich monatelang kein Käufer für die Immobilien der DAG. Deren Vorstand knüpfte fruchtlose Kontakte zur Schwarzwälder Instrumentenindustrie und versuchte, wenigstens einige Teilflächen zu vermieten. Bürgermeister Schmid hielt die Akquisitionsmaßnahmen für halbherzig und kritisierte, dass zwar einige Firmendelegationen nach Blumberg gekommen seien, diese ihr Vorhaben aber aus ihm »nicht erklärlichen und unverständlichen Gründen« 112 kurz vor Vertragsabschluss aufgegeben hätten. Die Blumberger Kaufleute litten stark unter dem Nachfrageausfall 106 Aufhebungsvertrag Gerlach-DAG v. 15.3.1942, StAF V 500/ 1. 107 Ernst an Wagner v. 22.2.1943, GLA 465c/ 16339. 108 Bericht Willberger v. 6.7.1943, StANK AD. 109 Auf der Baustelle Auenheim waren bis März 1942 ein Barackenlager für 400 Bauarbeiter und ein Lagerplatz mit drei offenen Schuppen entstanden; zudem hatte man 23 ha Wald abgeholzt und mit der Aufschüttung des Hüttengeländes begonnen. Undat. Bericht über die Baustellen (März 1942), StAF V 500/ 1. 110 KAOG Ortsakten Kehl Nr. 113. 111 Speer an Wagner v. 23.3.1942, GLA 237/ 42827. 112 Schmid an Landrat in Donaueschingen v. 31.8.1942, StAB III/ 4. Bei den Firmen handelte es sich um Ford, Opel, IG-Farben, Mauser, Messerschmitt und Junghans. 344 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) ihrer abgewanderten Kundschaft und machten Schmid insgeheim heftige Vorwürfe. Im Juli 1942 sah sich der örtliche Lebensmittelhändler Willy Klumpp genötigt, Schmid gegenüber zu dementieren, dass er behauptet habe, »Ihr Verhalten, um nicht zu sagen, Ihre Unfähigkeit hätte wesentlich zur Schliessung der Doggererz A-G. beigetragen« 113 . Dem derart unter Druck geratenen Ortsgruppenleiter schien es das Klügste zu sein, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Im August 1942 ordnete das Rüstungsministerium an, dass der Hamburger Rüstungsbetrieb Walter Kopperschmidt & Söhne, der Plexiglas-Kanzeln für U-Boote und Flugzeuge baute, seine Produktion nach Blumberg zu verlegen habe 114 . Kopperschmidt übernahm die Waschkauen am Stoberg und am Ristelberg, das leere Transformatorenhaus am Stoberg und die Hauptwerkstätte am Ristelberg. Nahe letzterer errichtete man vier neue Produktionshallen. Anfang 1943 lief die Fertigung mit 750 Leuten an: 172 hatte man von der DAG übernommen, die übrigen stammten aus Hamburg. Nach dem verheerenden Luftangriff, den die Hansestadt am 25. Juli 1943 erlebte, folgten weitere Teile der Stammbelegschaft. Im Mai 1944 arbeiteten bereits über 1.250 Kräfte im Blumberger Betrieb. Auch die ausgebombte Chemiefabrik von Walters Bruder Curt Kopperschmidt nahm 1943 mit 80 Leuten die Produktion von Farben, Klebern, Leimen und Kunststoffdichtungen im DAG-Nordwerk auf. Die Belegschaft hielt Blumberg für ein »furchtbares Nest« und kam widerwillig in die angeblich »kriminellste Gemeinde von ganz Baden« 115 , wo es, gemessen am hohen Bedarf, nur unzureichend Wohnraum gab. Häufig mussten sich mehrere Familien eine einzige Wohnung teilen; rund 50 Haushalte besaßen im Oktober 1943 noch gar keine eigene Unterkunft. Auch die Versorgungsinfrastruktur hielt nicht stand: Lange Schlangen vor den wenigen Einzelhandelsgeschäften prägten wieder einmal das Bild. Der Gemeindekasse tat die Entwicklung dagegen ausgesprochen gut. Da Walter Kopperschmidt - anders als das Bergwerk zuvor - anhaltende Gewinne erzielte, stiegen die Steuereinnahmen stark an. 1943 war die Kommune erstmals seit 1937 wieder in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Bei Walter Kopperschmidt arbeiteten zwischen 400 und 500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Deren Gesundheitszustand war dermaßen erbärmlich, dass der Betriebsarzt Dr. Alfred Gerstner viele von ihnen für arbeitsunfähig erklärte. Als Konsequenz davon bekam Gerstner massive Probleme mit seinem Arbeitgeber und mit der Gestapo, die ihm »zweifelhafte Krankschreibungen« 116 vorwarf und ihn zu disziplinieren suchte. Die Firmenleitung setzte Spitzel auf den unbequemen Arzt an und wollte ihn mit Hilfe der NSDAP-Kreisleitung loswerden. Heinrich Ueberle 117 , langjähriger Betriebsleiter von 113 Klumpp an Schmid v. 20.7.1942, StAB IV/ 2. 114 RBM an BFWM v. 28.8.1942, GLA 237/ 42827. 115 So H. Überle, Betriebsleiter von W. Kopperschmidt rückblickend am 15.3.1990; KASB, Kassette Ueberle. 116 Gestapo Singen an Dr. Graf v. 18.9.1944, StAF D 180/ 2-57506. 117 Heinrich Ueberle (20.12.1905 Heidelberg - 1.9.1994 Tengen): bis 1939 teils als kfm. Angestellter, teils als Selbständiger in München und Hamburg tätig, 1939-1947 Prokurist und Betriebsleiter bei Walter Kopperschmidt, dort auch Abwehrbeauftragter, Werkschutzleiter, Mob-Sachbearbeiter und wahrscheinlich auch (innerbetrieblich) Beauftragter des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA); keine NSDAP-Mitgliedschaft nachweisbar. Ueberle wurde 1945/ 46 von Sprengart, Imhäuser und anderen ehemaligen Belegschaftsmitgliedern für die schlechte Behandlung ausländischer Zwangsarbeiter 345 2. Unternehmensabwicklung im Krieg W. Kopperschmidt, gab sich später für einen Mann aus, der das Schlimmste verhütet habe 118 , doch bezeugte 1948 der Chauffeur Andreas Sprengart, selbst dabei gewesen zu sein, »wie besprochen wurde, daß man Dr. Gerstner zwingen müßte, vor allen Dingen den Ausländern einfach nur Rizinusöl zu verabreichen und sie wieder zur Arbeit zu schicken, gleich ob sie dabei verrecken oder nicht« 119 . Da Walter Kopperschmidt nur mit einem vorübergehenden Aufenthalt in Blumberg rechnete 120 und auch nicht über die nötigen Mittel verfügte, lehnte er den Kauf der DAG-eigenen Immobilien ab. Siedersleben verhandelte über diese Frage im März 1943 mit Ministerialdirektor Alois Cejka, dem Chef der Amtsgruppe Technische Wirtschaft und Haushalt im Reichsluftfahrtministerium. Am Ende einigte man sich darauf, dass eine staatliche Finanzierungsgesellschaft, die Luftfahrt-Anlagen GmbH (LAG), große Teile des Werks zum Preis von 3,5 Mio. RM kaufte und an Kopperschmidt vermietete 121 . Im Oktober 1943 konnte Berger auch den Erzaufbereitungskomplex im Südwerk veräußern. Für rund eine Mio. RM erwarb die Otavi Minen- und Eisenbahngesellschaft den Lurgi-Drehrohrofen und alle Hallen, die der Aufbereitung, dem Transport und der Lagerung von Erzen gedient hatten 122 . Die Firma plante, Ferrovanadium aus der vorhandenen Lurgi-Schlacke zu erzeugen, ein Legierungselement für Edelstahl. Berger übernahm nebenamtlich die Geschäfte dieses Betriebs, konnte die Produktion bis Kriegsende aber nicht in Gang bringen, weil er die Gasgeneratorenanlage des Lurgi-Ofens 1942 an die Stadt Kassel verkauft hatte und ihm wichtige Spezialmaschinen fehlten. Auch die Direktorenhäuser fanden neue Besitzer: Bornitz’ Villa kaufte Walter Kopperschmidt; bei Heyers Anwesen kamen der Königsberger Professor Oskar Bruns und Oberregierungsrat Dr. Schüssler von der Vierjahresplanbehörde zum Zuge. Eines der beiden Prokuristen- Domizile, das »Haus in der Sonne«, sicherte sich Berger selbst. Die Erlöse aus ihren Anlagen- und Immobilienverkäufen, bis 1945 waren dies rund 18,7 Mio. RM, verteilte die DAG als verzinsliche Darlehen an ihre Gesellschafter 123 . Der Aufsichtsrat hielt Berger zu einer Liquidation »mit größtmöglicher Beschleunigung« an und wollte dafür sogar Vermögensverluste »erheblichen Ausmaßes« 124 akzeptieren; Berger dagegen stemmte sich gegen einen Anlagenverkauf unter Gestehungskosten und versuchte die Abwicklung mit allerlei Argumenten in die Länge zu ziehen 125 . Offen verantwortlich gemacht. Da sich Ueberle auf gegenteilige Aussagen des Betriebsrats stützen konnte und Robert Mattes, der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für die Bereinigung der Wirtschaft im Landkreis Donaueschingen, glaubte, Ueberle scheine »unter den zur Zeit gegebenen Verhältnissen [...] die Person zu sein, die den Betrieb erhalten kann, wodurch zahlreichen Arbeitern die Existenz gesichert« sei, kam Ueberle am Ende davon. StAF D 180/ 2-78576. 118 Mietzner, Demokratie, S. 211. 119 Erklärung Johann Peter und Andreas Sprengart v. 28.1.1948, StAF D 180/ 2-57506. 120 Vermerk BMI v. November 1942, GLA 478/ 15. 121 Vermerk Siedersleben über die Besprechung im RLM am 15.3.1943, RWWA 72-151-8. 122 W. Berger an Siedersleben v. 23.9.1943, RWWA 72-154-4. 123 Davon gingen 12 Mio. RM an das Reich, das seinen Kapitalanteil bereits voll eingezahlt hatte; den Rest erhielten die Saarwerke, die der DAG immer noch ca. 5 Mio. RM Kapitaleinzahlung schuldeten. 124 DAG-Aufsichtsratsbeschluss lt. DAG-ARP v. 7.1.1943, RWWA 72-151-5. 125 Berger glaubte, die DAG werde in Blumberg »noch auf Jahre hinaus« mit einer kleinen Verwaltungsstelle bleiben, weil das zum Teil unfruchtbare Gelände in Neudingen, das nicht veräußerungsfähige Gelände in Blumberg, der Forstbesitz, der landwirtschaftliche Pachtbesitz, die in Unterhaltung stehenden Gruben, die Bergwerkskonzessionen und die Beteiligung an der Siedlungsgesellschaft doch nicht abgestoßen 346 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) wird dabei die Frage bleiben müssen, ob Bergers Motive ausschließlich altruistischer Natur waren, oder ob er auch das persönliche Ziel verfolgte, seinen Verbleib auf der Baar zu verlängern, wo ihn eine Liaison mit der Tochter des Donaueschinger Stadtapothekers verband, die er kurz nach dem Krieg heiraten sollte. Auffällig bleibt jedenfalls die Tatsache, dass er Stellenangebote ausschlug, die ihn zum Verlassen der Baar gezwungen hätten. Ende 1943 versuchte Berger der DAG eine neue kriegswichtige Aufgabe zu verschaffen, indem er die vereinnahmten Abwicklungserlöse in Kapitalbeteiligungen an Rüstungsbetrieben investieren wollte. Seine Versuche, eine Kohlengrube zu erwerben, Aktien des ARBED-Konzerns zu kaufen oder aber die noch in französischer Hand befindliche Minderheitsbeteiligung von 40 % an der Dillinger Hütte zu übernehmen 126 , stießen bei Siedersleben jedoch auf Ablehnung und scheiterten allesamt. d) Eselstritte - Diffamierungen des DAG-Vorstands durch die örtliche Partei Die anfängliche Unverkäuflichkeit der Werksanlagen hatte im Blumberger Rathaus die Befürchtung geweckt, dass der DAG-Vorstand in egoistischer Weise investitionswillige Nachfolgebetriebe mit überzogenen Preisforderungen abschrecke und ihm das Schicksal der Gemeinde und ihrer Menschen gleichgültig sei. Wichtigtuerische Denunzianten aus dem Kreis der leitenden DAG-Angestellten, die engen Kontakt zu Bürgermeister Schmid pflogen, trugen zur Festigung dieses verzerrten Bildes bei 127 . Die Situation verschärfte sich, als es bei Kaufverhandlungen zwischen Berger und dem Management von Kopperschmidt regelmäßig zum Streit über die Preise kam. Der Plexiglas-Produzent beklagte werden könnten und sollten. Die Firma Doggererz mit den hinter ihr stehenden namhaften Gesellschaftern könne es sich wohl auch kaum leisten, das begonnene Unternehmen, insbesondere den Ausbau der Stadt Blumberg auf bis zu 6.000 Einwohner einfach zu verlassen, »ohne sich um das Schicksal der Einwohner und der damit verbundenen Gesamtwirtschaft der Umgegend weiterhin zu kümmern«. W. Berger an Siedersleben v. 12.3.1943, RWWA 72-154-2. 126 W. Berger an Siedersleben v. 23.5.1944, RWWA 72-151-9. 127 »Als eine wesentliche Ursache für die Unsicherheit im Betrieb ist die Tatsache anzusehen, dass die führenden Männer (Dr. Bornitz, Dr. Berger und Herr Gerlach) nicht zusammen, sondern neben- und gegeneinander arbeiten, und dadurch klare Betriebsführung unmöglich machen. Herr Imhäuser, der verantwortliche Ingenieur für die Messerschmitt-Fertigung, wird über die laufenden Verhandlungen nur ungenügend oder gar nicht unterrichtet, so dass eine nachhaltige Vertretung der Interessen der Firma Messerschmitt A.G. bezw. der in Aussicht genommenen Reichsbahn-Reparatur-Werkstätte nicht möglich ist. Es besteht der Eindruck, dass die genannten leitenden Herren ihre persönlichen Interessen in den Vordergrund stellen, ohne die Belange des Weiterbestandes und Wiederaufbaues genügend zu berücksichtigen. Ernsten Besprechungen zur Behebung der Mißstände sind die Herren bis jetzt ausgewichen. Eine sich hinziehende Abwicklung mit der Begründung der Verwaltung und Vermietung der vorhandenen Geräte scheint beabsichtigt zu sein. Als Beweis hierfür wird angeführt, dass heute noch 70 Bürokräfte bei einer Belegschaft von rund 200 Arbeitskräften beschäftigt werden. Vorschlag des Rü Kdo [Rüstungskommandos, WIS]: Einsetzung eines kommissarischen Betriebsführers. Trennung zwischen Abwicklung der Geschäfte der Doggererz Bergbau A.G. und Weiterführung (neue Fertigung) des Betriebs. Ministerial-Dir. Dr. Mühe wird veranlassen, dass Dir. Berger beim Bad. Ministerpräsidenten vorspricht und sich verantwortet«. Aktennotiz über eine Besprechung im Landeswirtschaftsamt Karlsruhe am 31.6.1942 [! ], GLA 237/ 42827. Dr. Wilhelm Mühe war Ministerialdirektor im Landeswirtschaftsamt Karlsruhe. 347 2. Unternehmensabwicklung im Krieg sich bei Schmid und fand als kriegswichtiger Rüstungsbetrieb und größter Arbeitgeber in der Gemeinde stets ein offenes Ohr. Um Bergers Ansehen war es dagegen schlecht bestellt. Dieser wahrte Distanz zur örtlichen NSDAP und ließ sich, anders als sein Kollege Bornitz, bei keiner Parteiversammlung je blicken. Auch die Anstellung eines »rassisch belasteten« Ingenieurs, der andernorts keine Arbeit mehr fand, trug sicher wenig dazu bei, Bergers Beliebtheit im Ort zu steigern. Zeugen bescheinigten ihm später, er habe hier als »politisch unzuverlässig« und »abschussreif« 128 gegolten. Im Oktober 1942 wurde Berger von Schmid beim Badischen Innenministerium denunziert, er bereite Kopperschmidt »in jeder Beziehung Schwierigkeiten [...], seinen Betrieb hier in Gang zu bringen« 129 . Da die Aktion folgenlos blieb, wich Schmid auf die Parteischiene aus. In einem Schreiben an die Kreisleitung warf er der DAG vor, seit über einem Jahr keinerlei Beiträge mehr für ein schnelles Kriegsende zu leisten, sondern die kriegswichtige Plexiglas-Produktion durch überhöhte Preisforderungen für Maschinen und Eisenkonstruktionen zu gefährden. Schmid warf Berger indirekt vor, er führe seine »Verhandlungen nach jüdisch-liberalistischem Geist und Grundsatz« 130 und forderte die Kreisleitung auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Sonderbeauftragte für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes, General Walther von Unruh, die Tätigkeit der DAG sofort beende. Auf dem Instanzenweg wanderte Schmids Pamphlet über Wagners Gauleitung zu Köhlers Finanz- und Wirtschaftsministerium (BFWM). In seiner Stellungnahme verwies Berger darauf, wie schwierig es unter den herrschenden Kriegsbedingungen gewesen sei, technische Anlagen und Bestellungen im Wert von über 40 Mio. RM sinnvoll zu verwerten und bei anderen Rüstungsbetrieben bedarfsgerecht unterzubringen 131 . Auf das BFWM wirkten die Darlegungen so überzeugend, dass es der Gauleitung Baden mitteilte, man habe die erhobenen Vorwürfe geprüft und verworfen, da eine wesentlich raschere Abwicklung der DAG nicht möglich gewesen sei. Probleme bestünden eben nicht nur in kaufmännischer, sondern vor allem auch in technischer Hinsicht 132 . Berger blieb jedoch weiterhin im Visier seiner Gegner, die ihn mit Denunziationen überzogen, die nur aus seinem Umfeld stammen konnten 133 . Bergers Anwälte warfen später Max Eichler, einem ausgebombten und 1943 in Bergers Haus eingewiesenen Schriftsteller, vor, er habe nach seiner Ankunft in Blumberg »sofort enge Beziehungen zum Ortsgruppenleiter aufgenommen und Spitzeldienste für die Partei geleistet« 134 . Im Herbst 1943 wurde die Lage für Berger kritisch: Der Sicherheitsdienst der SS beschuldigte ihn, er wolle sich »vor einem anderweitigen Einsatz, bzw. vor einer Einberu- 128 Zeugenaussage Dr. Otto Rieck v. 6.6.1947. StAF D 180-2/ 148718. 129 Schmid an BMI v. 17.10.1942, StAB III/ 4. 130 Ortsgruppenleitung Blumberg (Schmid) an Kreisleitung DS vom 13.3.1943, GLA 237/ 42827. Das Schreiben war nicht die erste Attacke der Partei auf Berger. Das Oberbergamt Karlsruhe erwähnt ein ähnliches Schreiben der Kreisleitung Donaueschingen vom 17.2.1943. OBA Karlsruhe an BFWM vom 14.4.1943, GLA 237/ 42827. 131 OBA Karlsruhe an BFWM vom 14.4.1943, GLA 237/ 42827. 132 BFWM an NS-Gauleitung Baden vom 13.5.1943, GLA 237/ 42827. 133 Berger wurde vorgeworfen, er habe UK-gestellte DAG-Arbeitskräfte zwei Stunden lang zweckentfremdet eingesetzt und sich zwei Hasenställe zur Privatwohnung bringen lassen. 134 Rechtsanwälte Haas/ Lehmann an Kreisuntersuchungsausschuss DS v. 17.2.1948, StAF D 180/ 2- 148718. 348 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) fung zur Wehrmacht drücken« 135 . Das BFWM schmetterte zwar auch diesen Vorstoß ab, doch beging der sonst so umsichtige Berger Anfang Januar 1944 den taktischen Fehler, einen Wintersport-Urlaub in den Alpen anzutreten, wo er sich den Knöchel brach. Seine Gegner hatten nun leichtes Spiel und konnten seine Einberufung zum 20. Februar 1944 durchsetzen. Direktor Hans Georg Schröder von der Otavi intervenierte zwar bei der Rüstungsinspektion Oberrhein, und, als das nichts half, auch bei Ministerpräsident Köhler und sogar beim Oberkommando des Heeres, erzielte aber keinen Erfolg. Der überaus vorsichtige Siedersleben mochte sich für seinen beim Militär übel beleumdeten Mitarbeiter gar nicht erst einsetzen, und als er es dann doch noch tat, verzichtete er ausdrücklich darauf, dessen UK-Stellung zu fordern 136 . Berger vermerkte die Passivität des DAG-Aufsichtsrats mit großer Enttäuschung, fand sich aber schließlich mit seinem Schicksal ab und schrieb an Siedersleben voller Spott, er habe es beim Militär verhältnismäßig gut getroffen »und wenigstens Reiten und Fahren neu hinzugelernt« 137 . d) Hüttenbauphantasien im totalen Krieg Nach Bergers Einberufung leitete der langjährige Prokurist Ernst Denzer das Blumberger DAG-Büro. Ein firmeninterner Aufstieg blieb ihm versagt. Zum nebenamtlichen Generalbevollmächtigten wurde Dr. Hans Reichard ernannt, der seit 1938 das Berliner Büro der Otto-Wolff-Gruppe leitete. Aus »stimmungsmäßigen« 138 Gründen heraus kam dessen formelle Berufung in den DAG-Vorstand für den Aufsichtsrat nicht in Frage, was wohl so zu deuten ist, dass man Probleme mit Berger vermeiden wollte, der sich vergeblich für Denzer eingesetzt hatte. Reichards Aufgabe bestand darin, alle noch offenen Immobilien- und Finanzfragen zu klären und die Liquidation der DAG zügig voranzutreiben. Reichard bemühte sich, Siederslebens anspruchsvolle Vorgaben zu erfüllen, musste im Herbst 1944 jedoch bekennen, dass er kaum vorangekommen sei. Große Schwierigkeiten bereiteten die Umsetzung des widersprüchlichen Vertragswerks mit Kopperschmidt und mit der Otavi, die sich untereinander heftig stritten, und die Beendigung des seit langem schwelenden Zwists mit Erbhofbauer Hermann Vetter über dessen vom Bergbau verwüstete Grundstücke 139 . Siedersleben reagierte ungehalten auf Reichards Scheitern und wollte Goebbels Erlasse zum totalen Krieg nutzen, um die Existenz der DAG umgehend zu beenden 140 . Für den 30. Oktober 1944 lud er zu einer Aufsichtsratssitzung in Neunkirchen ein, die den Beschluss fassen sollte, das Blumberger DAG-Büro weitgehend aufzulösen, den größten Teil der Akten nach Berlin zu verbringen und dort auch die Vorstandsgeschäfte zu betreiben. Der Dienstvertrag Bergers, mit dem sich Siedersleben seit Monaten über den künftigen Kurs der DAG stritt, sollte zum Sommer 1946 gekündigt und die »Überführung der stil- 135 SD-Hauptaußenstelle Karlsruhe an BFWM vom 9.10.1943, GLA 237/ 42827. 136 Aktenbefund RWWA 72-151-9. 137 W. Berger an Siedersleben v. 3.5.1944, RWWA 72-151-9. 138 Vermerk Siedersleben über die Besprechung in Neunkirchen am 3.3.1944, RWWA 72-151-9. 139 Reichard an Siedersleben v. 6.9.1944, RWWA 72-153-1. 140 Siedersleben an Reichard v. 14.9.1944, RWWA 72-151-3. 349 2. Unternehmensabwicklung im Krieg len in eine offene Liquidation« 141 besprochen werden. Die Erfolgschancen standen nicht schlecht, hatte doch sogar Hermann Röchling 1943 eingeräumt, dass eine Wiederaufnahme des Doggererz-Projekts »innerhalb absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann« 142 . Der Kommerzienrat überraschte seine Kollegen jedoch wieder einmal mit einem Positionswechsel: Da zu dieser Zeit die Lage an der Westfront kritisch geworden war, so dass der weitere Zugriff auf die lothringische Minette in Frage stand, machte Röchling als Leiter der Reichsvereinigung Eisen den Vorschlag 143 , die behördliche Rücknahme der 1942 ergangenen Stilllegungsanordnung zu beantragen, die Blumberger Tagebaue wieder in Betrieb zu nehmen und den gesamten, der DAG noch gehörenden Besitz zu erhalten 144 . Der Aufsichtsrat entsprach dem Wunsch Röchlings; dagegen fand die von Siederslebens gewollte Verlagerung der DAG-Zentrale in das stark luftgefährdete Berlin keinerlei Anklang. Die Kündigung Bergers zum Sommer 1946 wurde zwar beschlossen, doch berief man, um den Tagebau in Gang zu bringen, Gerlach wieder in den Vorstand, der bei der Prager Eisen-Industrie-Gesellschaft als Direktor gescheitert war. Da die DAG weder geeignetes Personal noch Abbaugerät besaß, griff Gerlach auf die Organisation Todt (OT) zurück, die ihrerseits Verträge mit regionalen Baufirmen abschloss. Im Zuge der vorbereitenden Arbeiten gelangten bald große Mengen an Material und Transportmitteln auf die 141 TO der DAG-ARS v. 30.10.1944, RWWA 72-151-10. 142 So H. Röchling lt. Gesprächsvermerk Siedersleben v. 20.8.1943, RWWA 72-237-7. 143 Vermerk RFM vom 30.11.1944, BA R 2/ 15078. 144 DAG-ARP v. 30.10.1944, RWWA 72-151-5. Abb. 70: Die letzte Grubenfahrt am 27. Juli 1942 im Blumberger Bergwerk. Mittig im Förderkorb Steiger Edgar Kießling. Bild: Sammlung Prillwitz. 350 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Baar 145 . Das Vorhaben war mit dem RWM abgestimmt, das sich Anfang November 1944 beim Rüstungsministerium für eine Rücknahme des Stilllegungsbescheids von 1942 einsetzte 146 . Allerdings stieß die Wiederaufnahme des Erzabbaus innerhalb der Reichsvereinigung Eisen 147 und bei der badischen Regierung auf massiven Widerstand. Letztere argumentierte, dass man die chronisch überlastete Reichsbahn vor zusätzlichen Aufgaben bewahren müsse 148 . Das Rüstungsministerium stellte seine Entscheidung Ende November 1944 zurück 149 ; nachdem dann aber im Dezember alle Saarwerke kriegsbedingt stilllagen 150 , teilte das RWM Siedersleben am 12. Januar 1945 mit, dass der Doggererzabbau nicht mehr aufgenommen werden solle 151 . Tags darauf erreichte die Nachricht Blumberg, woraufhin dort sämtliche Vorarbeiten eingestellt wurden. 145 Gerlach an Siedersleben v. 4.4.1945, RWWA 72-153-1. 146 RWM an Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion vom 3.11.1944, LGRB 9A/ 98. 147 RVE-Zentralausschuss für Rohstoffe und Verkehr (Sohl) an H. Röchling v. 18.11.1944, RWWA 72-153-1. 148 OBA Karlsruhe an RWM v. 9.11.1944, LGRB 9 A/ 98. 149 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion an RVE v. 27.11.1944, RWWA 72-237-7. 150 Als letztes Saarwerk fiel das NE Anfang Dezember 1944 nach einem Luftangriff aus. Reichard an Siedersleben v. 9.12.1944, RWWA 72-153-1. 151 Siedersleben an H. Röchling über sein Gespräch im RWM am 12.1.1945, RWWA 72-153-1. Abb. 71: Die Ende 1944 in Blumberg betriebenen Planungen sahen vor, den Tagebau am Lindenbühl wieder aufzunehmen und westlich des Stobergs eine 40.000 t große Erzhalde abzuräumen. Für den Transport der Erze vom Nordwerk zum Verladebahnhof im Südwerk sollte eine Feldbahn neben der Reichsstraße 27 mit einer demontierbaren Gleiskreuzung gebaut werden. Auch eine kleine Erzbrechanlage sollte im Südwerk neu entstehen. Nichts davon wurde verwirklicht. Bild: Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Köln. 351 2. Unternehmensabwicklung im Krieg Röchling setzte sich im Dezember 1944 von Völklingen nach Heidelberg ab und schickte sein Technisches Büro unter der Leitung von Baumeister Klötzsch ins Blumberger Exil. Mit staatlicher Hilfe versuchte er nun, das Überleben seines Konzerns wenigstens notdürftig zu sichern. Am 8. Dezember erhielt er von Albert Speer das Ritterkreuz und erbat sich von diesem einen neuen, nur auf seine Person zugeschnittenen Entwicklungsauftrag für das Doggererz: Grundbedingung sei für ihn, dass im Rahmen des neuen Auftrags nur er (Röchling) über die Durchführung im Großen wie im Einzelnen zu entscheiden habe, dass also niemand hineinrede und niemand gefragt zu werden brauche 152 . Wenig später bat Röchling Speer schriftlich darum, ihm einen Auftrag zur Erstellung von Plänen für ein integriertes Hüttenwerk auf der Baar zu erteilen, das zwei Hochöfen besitzen und jährlich etwa 60.000 t hochwertiges Eisen erzeugen sollte. Nach dem Abschluss der für April 1945 terminierten Planungsarbeiten wollte Röchling sofort mit dem Bau beginnen 153 . Tatsächlich kam Speer der Bitte am 9. Januar 1945 nach 154 . Röchling schlug Siedersleben und dem Vorstand des Neunkircher Eisenwerks (NE) vor, seine Pläne gemeinsam zu realisieren. Eine Kooperation mit Dillingen und Burbach lehnte der Kommerzienrat dagegen strikt ab, weil von dort aus regelmäßig nur Bedenken und Schwierigkeiten gekommen 155 seien. Siedersleben verwies Röchling stattdessen auf die gemeinsame Basis der finanziell hinreichend ausgestatteten DAG und ging auch auf dessen Vorschlag nicht weiter ein, die DAG-Aktien der beiden unerwünschten Werke aufzukaufen, um diese aus dem Unternehmen zu drängen. Allerdings lehnte der Wolff- Teilhaber seine Mitwirkung nicht völlig ab. Obwohl unübersehbar war, dass der Berliner Behördenapparat die Erfolgsaussichten des Vorhabens skeptisch beurteilte, so hielt er doch eine Mitwirkung der Wolff-Gruppe und des NE schon aus taktischen Erwägungen heraus für geboten 156 . In seiner Eigenschaft als DAG-Aufsichtsratsvorsitzender stellte Siedersleben Mitte Januar 1945 den Beamten des Reichsfinanzministeriums (RFM) und des RWM Röchlings Pläne vor. Letztere fasste der Wolff-Teilhaber erkennbar nur mit spitzen Fingern an, denn er trug vor, der Kommerzienrat wolle sich eine neue Lebensaufgabe setzen. »Speer habe ihm die Erfüllung dieses Wunsches zugesagt und auch die Erfüllung des weiteren Wunsches, daß er, Röchling, in dem Aufbau und in der Leitung dieses Unternehmens möglichst unbehindert und frei sein solle« 157 . Die anschließende Aussprache verlief sehr lebhaft. Ministerialrat Stahl vom RWM hielt es für abwegig, das hoch problematische Doggererz in Qualitätsstahl umwandeln zu wollen und wies darauf hin, dass selbst die Mitglieder der Reichsvereinigung Eisen, deren Chef Röchling ja war, den Plan mehrheitlich ablehnten. Einigkeit herrschte darüber, dass das Werk wegen seiner zweibis drei- 152 So H. Röchling lt. Siederslebens Bericht an Reichard über die Besprechung v. 10.12.1944, RWWA 72-151-3. 153 H. Röchling an Speer v. 14.12.1944, RWWA 72-237-7. 154 Speer an H. Röchling vom 9.1.1945, StAB III/ 4. 155 Bericht Siedersleben über die Besprechung mit H. Röchling am 10.12.1944, RWWA 72-151-3. 156 Siedersleben meinte, dass man »gleichwohl eine positive Haltung gegenüber Mitarbeit an dem neuen Auftrage des Herrn Reichsministers Professor Speer einnehmen werde und muss. Wir können es uns nicht erlauben, durch Zurückhaltung, Bedenklichkeit oder Zögern uns aus dem Vorhaben herauszumanövrieren«. Siedersleben an NE-Vorstand v. 13.1.1945, RWWA 72-153-1. 157 Vermerk RFM über die Besprechung im Berliner Hotel Kaiserhof am 12.1.1945, BA R 2/ 15078. 352 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) jährigen Bauzeit bedeutungslos für den Krieg war und auch im Frieden wenig bewirken konnte, weil es eine viel zu geringe Kapazität aufwies. Die Vertreter des RFM bezweifelten zudem die Rentabilität des 150 bis 200 Mio. RM teuren Objekts und zogen nach der Besprechung das vernichtende Resümee, »daß es Röchling in erster Linie darum geht, für sich und seine Mitarbeiter ein neues Arbeitsfeld zu erschließen und daß Röchling die Zusage von Reichsminister Speer auch in erster Linie in diesem Sinne auffaßt« 158 . Eine Anfrage der besorgten Beamten beim Rüstungsministerium erbrachte wenige Wochen später die beruhigende Auskunft, dass Röchling nur den Auftrag zu einem technischen Gutachten erhalten habe. Die herrschenden Verhältnisse würden die Realisierung des Vorhabens wahrscheinlich ausschließen 159 . Tatsächlich war die Beschaffungslage bereits dermaßen trostlos, dass sich der Kommerzienrat bei Speer beklagte 160 und sein Hüttenwerksprojekt schließlich auf einen einzigen Hochofen zusammenstrich 161 . Zuständig für die Leitung der Entwurfsarbeiten im Blumberger Hüttenbaubüro war der von Röchling wenig geschätzte Gerlach, den der Kommerzienrat noch Ende 1944 aus dem DAG-Vorstand hatte entfernen wollen, dessen Leistung er mangels personeller Alternativen jetzt aber ausgiebig lobte 162 . Gerlach war außerdem im Herbst 1944 zum Wehrbeauftragten des Rüstungsstabs bei der Firma Walter Kopperschmidt ernannt worden 163 und leitete deren Unter-Tage-Verlagerung, die schon im Mai 1944 ihren Anfang genommen hatte 164 . Dafür wurden die Gleise in den Hauptstollen des Eichbergs entfernt, die Sohlen betoniert, mehrere große Kammern ausgebrochen und Belüftungssowie Sanitäranlagen erstellt. Die Arbeiten erfolgten durch die DAG als Subunternehmer der OT. Für die Bauarbeiten setzte Gerlach zunächst 90 kriegsgefangene Bergleute ein, doch wurden diese später zum Teil von heimkehrenden Blumberger Kumpel ersetzt 165 . Die DAG-Gefolgschaft stieg so von 14 im November 1944 auf 120 Leute Anfang April 1945 an, was dem von Gerlach übergangenen DAG-Aufsichtsrat freilich erst nach Kriegsende bekannt werden sollte 166 . Noch während die Bautätigkeit andauerte, verlegte Kopperschmidt Teile seiner Produktion unter Tage. Mitte des ersten Quartals 1945 lösten sich die gewohnten Verwaltungsstrukturen auf: Zwar fand am 25. Februar eine informelle DAG-Aufsichtsratssitzung im Heidelberger Hotel Europäischer Hof statt, doch nahmen daran nur zwei der fünf Gesellschafter teil. Die sechs Spitzenfunktionäre aus Köln, Neunkirchen und Völklingen 167 konnten keinerlei wirksame Beschlüsse fassen. Von diesem Treffen aus kehrte Hans Reichard nicht mehr nach Berlin zurück, sondern meldete sich krank und setzte sich zu Verwandten nach 158 Ebenda. 159 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion an RFM vom 7.2.1945, BA R 2/ 15078. 160 H. Röchling an Speer v. 9.3.1945, RWWA 72-153-1. 161 H. Röchling an Siedersleben v. 12.2.1945, RWWA 72-237-7. 162 Siedersleben an Reichard v. 28.2.1945, RWWA 72-151-10. 163 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion an Gerlach v. 20.10.1944 RWWA 72-153-1. 164 DAG-Vorstandsbericht 1944, StAF V 500/ 1-16 und Vermerk BA Karlsruhe v. 4.7.1944, LGRB B I a 21. 165 Im Frühjahr 1945 arbeiteten noch 25 Kriegsgefangene am Stollenumbau. DAG-JB 1945 StAF, V 500/ 3- 105. 166 Bericht Gerlach v. 4.4.1945, RWWA 72-153-1. 167 Bericht Siedersleben an Reichard über die Besprechung am 25.2.1945 in Heidelberg, RWWA 72- 151-10. 353 2. Unternehmensabwicklung im Krieg Franken ab 168 . Mit ihm verlor Siedersleben auch seinen Kontakt nach Blumberg. Dort leitete Gerlach bis in den April hinein den Ausbau des Eichbergs für Kopperschmidt und schrieb darüber noch einen Bericht für Siedersleben 169 , den letzterer aber erst im Herbst erhalten sollte. Als sich die Front bedrohlich näherte, schob die DAG ihre Ausländer über die Schweizer Grenze ab 170 . Am 20. April standen französische Verbände vor Blumberg. Gerlach verließ seinen Arbeitsplatz sofort nach dem ausgelösten Alarm und setzte sich in Richtung Bodensee ab. Ernst Denzer blieb dagegen vor Ort und versuchte, die Sprengung der Eingänge zu den Eichbergstollen durch das deutsche Militär zu verhindern. Er blieb jedoch erfolglos: Um Kopperschmidts Maschinenpark vor dem feindlichen Zugriff zu retten, wurde am 23. April 1945 gegen acht Uhr morgens der Sprengbefehl des deutschen Abschnittskommandeurs Major Blatsch ausgeführt. Kurz danach besetzten französische Truppen die Werksanlagen 171 . Nachmittags fiel Blumberg. Die Kampfhandlungen wurden von Trendle hinreichend dokumentiert 172 ; hier ist nur von Belang, dass die DAG massive Plünderungen erfuhr, bei denen sie Möbel, Akten, Büromaschinen und Bargeldbestände sowie sämtliche PKWs verlor. Die wertvollen Werksgebäude blieben dagegen von Kriegsschäden weitgehend verschont. Anfang Mai 1945 gab die französische Armee einen Teil des DAG-Geländes wieder frei, hielt aber die Besetzung der ehemaligen Betriebsanlagen von Walter Kopperschmidt und von der Otavi weiterhin aufrecht. Zudem unterlagen diese Teile des Südwerks einem Zutrittsverbot für die Belegschaft der DAG. Letztere nahm am 10. Mai ihre Arbeit unter Denzers Leitung wieder auf und legte, einem Befehl des französischen Divisionsstabs in Konstanz folgend, der an die unter Tage lagernden Vorräte und Maschinen der Firma Kopperschmidt herankommen wollte, bis Mitte Juni 1945 die gesprengten Stollenmünder am Eichberg frei 173 . Gleichzeitig richteten die wenigen noch verbliebenen DAG-Angestellten ihre verwüsteten Büroräume wieder her. Das geflüchtete Führungspersonal stellte sich nicht wieder ein: Von Gerlach war nichts mehr zu hören, und Reichard schied Mitte 1945 aus den Diensten der Wolff-Gruppe aus, um Bürgermeister im fränkischen Leutershausen zu werden. Allein Berger meldete sich am 7. Juli bei Siedersleben in Köln zum Dienstantritt und kehrte über Franken, wo er sich von Reichard über den neuesten Stand informieren ließ, nach Blumberg zurück. Da die Verkehrsverhältnisse katastrophal und Reisen über die Grenzen einer Besatzungszone hinaus mit bürokratischen Hürden gespickt waren, konnte Berger erst im August einen Bericht an Siedersleben absenden. Demnach hatten die Besatzungstruppen bereits alle Maschinen aus Kopperschmidts Über-Tage-Anlagen nach Frankreich abtransportiert und standen gerade im Begriff, auch die aus den Stollen geborgenen Aggregate wegzuschaffen. Allerdings habe der französische Kommandant jetzt eingesehen, dass »damit eine vollkommene Arbeitslosigkeit in Blumberg ein- 168 Siedersleben an Dr. Remy v. 1.6.1945, RWWA 72-233-9. 169 Bericht Gerlach v. 4.4.1945, RWWA 72-153-1. 170 W. Berger an Siedersleben v. 15.8.1945, RWWA 72-151-3. 171 So der Bericht Denzers v. 30.8.1945, RWWA 72-151-3. 172 Trendle, Kriegsende. 173 DAG-Vorstandsbericht 1945, StAF V 500/ 1-16. 354 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) treten könnte, welche zu Unruhen 174 führen könnte. Es wird zur Zeit erwogen, dass Kopperschmidt Möbel herstellen soll« 175 . 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit a) Die Machtfrage unter den Gesellschaftern Nach dem Ende des Dritten Reichs setzte Siedersleben seine Tätigkeit zunächst ungehindert fort. Im Juli 1945 reiste er nach Neunkirchen und besprach mit der Werksleitung seinen Plan, die DAG bis zum Jahresende aufzulösen 176 . Siedersleben bat Hüttendirektor Franz Haug 177 , die Sache mit den anderen Saarwerken abzustimmen, was insofern keine einfache Aufgabe darstellte, als deren Vorstände, wie Siedersleben es dezent umschrieb, »verhindert« 178 waren, was nichts anderes hieß, als dass sie sich in französischer Haft 179 oder auf der Flucht befanden und ihre Posten gerade neu verteilt wurden: In Dillingen nahm jetzt Joseph Roederer, ein Franzose, als neuer Generaldirektor die Interessen des französischen Mehrheitsaktionärs wahr. In Burbach ersetzte der Luxemburger Pierre Chomé die bisherige deutsche Leitung. Die Völklinger Hütte wurde am 31. Juli 1945 dem Zwangsverwalter Georges Thédrel unterstellt 180 , der den seit Frühjahr amtierenden Geschäftsführer Dr. Ernst Röchling und den langjährigen Finanzdirektor Albert Maier 181 174 1954 stellte Blumbergs Bürgermeister Müller für die unmittelbare Nachkriegszeit fest: »Hunderte von Arbeitern wurden mit einem Schlage brotlos, weitere kamen laufend aus der Gefangenschaft zurück, sodass wir nach und nach ein ganzes Heer Arbeitsloser hatten und eine Armut setzte ein, wie sie vielleicht kein zweiter Ort erleben musste. Um nicht zu verhungern gingen Männer, Frauen und Kinder zum Betteln, oft kilometerweit zu den Bauern. Bis Ende 1948 hielt dieser trostlose Zustand an. Ausser einigen kleinen Betrieben, die jedoch keine finanzielle Grundlage hatten und nacheinander Pleite machten, war keine Arbeitsmöglichkeit vorhanden«. BMA Blumberg an RP Südbaden v. 17.8.1954, KASB LRA DS 1259. 175 W. Berger an Siedersleben v. 15.8.1945, RWWA 72-151-3. Die Kommunikation war damals extrem mühsam: Der Telefondienst auf der Baar funktionierte auch im Herbst 1945 noch nicht; im Briefverkehr musste man auf Boten und Reisende setzen. Da unabsehbar war, ob und wann die Briefe ankamen, sandte Siedersleben stets mehrere Durchschläge ab, die über verschiedene Etappen nach Blumberg gelangten. Berger beklagte sich über Probleme bei der Entsendung von Sonderboten, weil die französische Besatzungsmacht zonenüberschreitende Reiseerlaubnisse nur zögernd mit langer Wartezeit und auch dann nur auf kurze Benutzungsdauer erteile. 176 Vermerk Siedersleben über die Gespräche im Saargebiet am 28./ 29.7.1945, RWWA 72-153-2. 177 Kurzbiografie Franz Haug: siehe Kap. IX/ 1/ a. 178 Siedersleben an Saarwerke v. 29.8.1945, RWWA 72-151-3. 179 So klagte Haug im August 1945, dass die Militärregierung jetzt schon »bei der zweiten und dritten Garnitur Neunkircher Beamten mit Verhaftungen anfängt«. Gasper an Siedersleben v. 10.8.1945, RWWA 72-237-7. 180 Anordnung Nr. 10b des franz. Militärgouverneurs Koenig v. 31.7.1945, abgedruckt in: Hoffmeister, Saar, S. 91, Nr. 49. Nach Haugs Bericht kommentierte Ernst Röchling die Bestellung Thédrels: »Gott, mit dem was jetzt geschehen ist, muss man unter den obwaltenden Umständen zufrieden sein. Er, Röchling, habe Schlimmeres erwartet. [...] Herr Röchling meinte zu dieser Ernennung, dass sie nicht von Leuten ausgegangen sein könne, die dem Hause Röchling Schlechtes wollten«. Gasper an Siedersleben v. 10.8.1945, RWWA 72-237-7. 181 Albert Maier (9.5.1895 in Bad Wimpfen - 12.2.1957 Weißenthurm): Ab 1922 persönlicher Sekretär von H. Röchling, ab 1932 kfm. Direktor der RESW, Pg. seit 1937, 1946 als Mitläufer entnazifiziert, im Juli 1946 des Saarlandes verwiesen, im Rastatter Prozess angeklagt und freigesprochen, Verkehrstod bei 355 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit noch für einige Monate in ihren alten Positionen beließ. Das Neunkircher Eisenwerk (NE) blieb von Zwangsmaßnahmen vorerst verschont. Haug führte Siederslebens Auftrag im August 1945 aus und hielt eine Besprechung mit Albert Maier, Jacob Oberhauser und Betriebsleiter Klink, zwei deutschen Führungskräften aus Burbach, ab, in der man sich einig wurde, alsbald eine Hauptversammlung einzuberufen, die die Liquidation der DAG und deren Abwicklung von Völklingen aus beschließen sollte. Da sich die Hälfte der Anteile im Besitz des Deutschen Reichs befand, musste zuvor ermittelt werden, wer dessen Rechte jetzt vertrat. Die Industriellen beschlossen, Berger den Auftrag zur Klärung zu erteilen und eine Petition an die Militärregierung zu richten, in der man um Zustimmung für das Liquidationsvorhaben bat 182 . Um »die Stellung der Doggererz AG im Verhältnis zum Reich und zur Militärregierung zu klären«, suchte Berger Ende August die französische Militärregierung in Baden-Baden auf. Er sprach mit Colonel Leyrie, dem Verwalter der unter das alliierte Militärgesetz Nr. 52 183 fallenden Vermögen von Partei und Staat, wozu ja auch der Aktienanteil des Reichs an der DAG zählte. Colonel Leyrie erklärte Berger, dass die Rechte des Reichs auf die Militärregierung übergegangen seien und von ihm selbst wahrgenommen würden. Von einer Liquidation der DAG bitte er vorläufig Abstand zu nehmen, da der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen sei. Siedersleben hatte sichtlich Probleme, die eigene Ohnmacht zu akzeptieren und hielt Berger vor, er strenge sich einfach nicht genügend an, die Militärregierung zu überzeugen, die einem schlüssig vorgetragenen Liquidationswunsch doch sicher »gern zustimmen« 184 werde. Berger kündigte daraufhin die Dienstverträge aller DAG-Angestellten zum Jahresende 1945. Seine Hoffnung, die Dinge binnen vier Wochen im Sinne Siederslebens regeln zu können 185 , verflüchtigte sich allerdings im Laufe der folgenden Monate. Ende November 1945 warb er immer noch vergeblich in Baden- Baden um Zustimmung zur geplanten Liquidation 186 . Auch im Saargebiet kamen die Dinge nicht voran: Der Vorstand des NE hatte zwar den Entwurf der im Juli 1945 beschlossenen Petition an die Militärregierung 187 zügig zustande gebracht, doch hielt der Völklinger Finanzdirektor Albert Maier das von Haug bereits unterzeichnete Dokument zurück, weil er die Rückkehr des in Idar-Oberstein inhaftierten Lothar von Gemmingen abwarten wollte. Nachdem diese im Oktober 1945 immer noch nicht erfolgt war, leitete Maier das von ihm signierte Schreiben an die Dillinger und die Burbacher Hütte weiter, wo es liegen blieb oder verloren ging. Das NE hatte eigene Probleme und schottete sich ab. Albert Maier musste schließlich einen Boten zu Siedersleben schicken, um eine Aufklärung über Neunkirchen zu erhalten, weil eine Verbindung zwischen den beiden Werken »seit vielen Wochen schon nicht mehr bestehe« 188 . Um den Stillstand zu beenden und die Initiative in dieser verfahrenen Lage zurückzugewineiner Dienstreise. StAL EL 902/ 1-9358, StAF T 1. 182 Siedersleben an Saarwerke v. 29.8.1945, RWWA 72-151-3. 183 Gesetz Nr. 52 der alliierten Militärregierung von Deutschland, Gazette Officielle No. 1 v. 28.5.1945, S. 10. 184 Siedersleben an W. Berger v. 21.9.1945, RWWA 72-153-2. 185 W. Berger an Siedersleben v. 9.10.1945, RWWA 72-153-2. 186 DAG (W. Berger) an Leyrie v. 21.11.1945, StAF V 500/ 3-27. 187 Saarwerke an Militärregierung Finanzsection Baden-Baden (Entwurf ) v. 29.8.1945, RWWA 72-151-10. 188 Vermerk Siedersleben über sein Gespräch mit Emil Roes (RESW) v. 2.11.1945, RWWA 72-151-3. 356 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) nen, wies Siedersleben den Vorstand des NE an, eine erneute Besprechung der Saarwerke nach Neunkirchen einzuberufen. Der Kölner Industrielle wollte selbst daran teilnehmen, musste seine Reise aber kurzfristig absagen. Auch die Dillinger Hütte erschien nicht zum Treffen. Die drei verbliebenen Teilnehmer, Haug, Maier und Prokurist Oberhauser aus Burbach, beschlossen am 29. November, die DAG zum Jahresende 1945 aufzulösen, doch besaß ihre Entscheidung keinerlei Rechtskraft, weil das Reich nicht vertreten war 189 . Im Zuge einer Massenverhaftung von 76 Ruhrindustriellen 190 geriet Siedersleben am 1. Dezember 1945 in britische Internierungshaft, wo er im Juli 1946 starb 191 . Mit seinem Abgang erlosch die Kontinuität des im Dritten Reich gebildeten und über dessen Ende hinaus rudimentär existierenden DAG-Aufsichtsrats. Neue Machtstrukturen bildeten sich nicht sofort heraus. Erkennbar war nur, dass sich der Vorstand von nun an in allen Angelegenheiten, die mit den Aktionären der DAG abgestimmt werden mussten, direkt an die Saarwerke zu wenden hatte. Da Siederslebens akribisch geführte Akten nun schweigen und die Überlieferung aus dieser Zeit lückenhaft ist, bleiben es auch die Erkenntnisse. Belegt ist nur, dass am 26. März 1946 nochmals eine Konferenz der saarländischen DAG-Gesellschafter stattfand, an der Haug, Maier, Oberhauser und Bergs 192 teilnahmen 193 . Maiers Name verschwand bald aus den Protokollen der DAG: Nachdem Dr. Ernst Röchling bereits Anfang 1946 in Haft gekommen war 194 , wurde Maier im Juli 1946 aus dem Saargebiet ausgewiesen 195 . Inhaltlich beschäftigten sich die Saarindustriellen mit den Folgen des alliierten Gesetzes Nr. 52, das bestimmte Vermögen, wozu in erster Linie das Eigentum von Staat und Partei gehörte, einer Sperre und Kontrolle durch die Militärregierung unterzog. Im Kreise der DAG-Gesellschafter wurde zwar akzeptiert, dass der 50 %ige Kapitalanteil des Reichs unter die Bestimmungen des Gesetzes fiel, doch hatte Berger auf Druck der Reichsbank darüber hinaus die gesamte DAG zur Kontrolle angemeldet. Daraus ergaben sich weitreichende Einschränkungen der Verfügungsgewalt über das vorhandene Gesellschaftsvermögen 196 , die im Widerspruch zur gewünschten Unternehmensliquidation standen und sogar die Einsetzung eines staatlichen Zwangsverwalters zur Folge haben konnten. Die Saarwerke forderten Berger daher auf, ihren ehemaligen Rohstoffbetrieb aus diesem Korsett herauszulösen. In mehreren Eingaben, die der DAG-Vorstand im ersten Halbjahr 1946 an die Militärbehörden sandte, spielte er die dominierende Rolle des Reichs innerhalb des ehemaligen Rüstungs- und Vierjahresplan-Betriebs kräftig herunter und 189 PB-JB 1942-1945, StAF V 500/ 1. 190 Zu Umständen und Hintergründen: Henke, Besetzung, S. 561 ff. 191 Soénius, Auftrag, S. 293. 192 Gerhard Bergs (30.12.1900 Bergheim - 5.5.1980 Duisburg): Prokurist und Leiter der Betriebsbuchhaltung in der Dillinger Hütte von 1938 bis 1965, zuvor bei Krupp tätig. 193 PB-JB 1942-1945, StAF V 500/ 1. Als Aufpasser war ein französischer Commandant namens Klein zugegen. 194 Seibold, Röchling, S. 266. 195 StAL EL 901/ 1-9358. 196 Art. II des Gesetzes Nr. 52 bestimmte: »Niemand darf im Widerspruch mit den Bestimmungen dieses Gesetzes oder ohne Erlaubnis oder Anweisung der Militärregierung Vermögen der nach bezeichneten Art einführen, erwerben, in Empfang nehmen, kaufen, verkaufen, vermieten, verpachten, übertragen, ausführen, verpfänden, belasten oder sonstwie darüber verfügen oder zerstören oder den Besitz oder die Kontrolle über derartiges Vermögen aufgeben«. Gesetz Nr. 52, Sammlung der Gesetze. 357 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit behauptete, dass der nur über ein Drittel aller Aufsichtsratssitze verfügt habende NS-Staat doch »jederzeit von den Privataktionären [hätte] überstimmt werden« 197 können. Dabei überging Berger geflissentlich den Umstand, dass das Regime die Fassade eines normalen Industriebetriebs mit geringer politischer Einflussnahme leicht hatte aufrecht erhalten können, weil es über genügend andere Mittel verfügte, seinen Machtanspruch umfassend durchzusetzen. Die Reichsbank akzeptierte den dürftigen Vortrag: Am 16. Mai 1946 198 kassierte sie ihren früheren Bescheid. Die Militärregierung billigte zunächst dieses Urteil, änderte aber im Herbst 1946 ihre Auffassung und wies das das - von ihr jüngst zum Vollzug des Gesetzes Nr. 52 geschaffene - Badische Landesamt für kontrollierte Vermögen 199 (BLKV) an, die Kontrolle über die DAG auszuüben. Die Kontrollnahme des BLKV vollzog sich im Kontext der Errichtung neuer Machtstrukturen innerhalb der DAG: Etwa zur gleichen Zeit hatten sich die Saarwerke geeinigt, endlich einen funktionsfähigen Aufsichtsrat zu bilden, der zahlreiche, längst überfällig gewordene Beschlüsse fassen sollte, wozu vor allem die Billigung der Geschäftsabschlüsse für die letzten Jahre und eine der Steuervermeidung dienende Kapitelherabsetzung gehörten. Die französischen und luxemburgischen Generaldirektoren waren nicht erfreut darüber, mit dem BLKV einen weiteren Aspiranten auf das Erbe der DAG im Aufsichtsrat aufzunehmen und stellten fruchtlose Erwägungen an, die geplante Kapitalherabsetzung zu benutzen, um das Reich aus dem Gesellschafterkreis zu drängen 200 . Dabei ging es nicht nur um finanzielle Ansprüche. Die Geister schieden sich vor allem am Schicksal der wertvollen, unzerstörten Blumberger Immobilien: Die Saarwerke wollten sie nach Eintritt geordneter Währungsverhältnisse verkaufen und anschließend die DAG gewinnbringend liquidieren. Die Militärregierung gedachte dagegen abzuwarten, bis das Ausmaß künftiger Demontagen feststand. Das BLKV, und mit ihm alle deutschen Behörden auf der Baar, wollten rasch neue Betriebe in den Hallen ansiedeln. Demgemäß legten sie Wert auf niedrige Immobilienpreise und eine schnelle, betriebswirtschaftlich durchaus verlustreiche Abwicklung der DAG. Als Kriegsverlierer und Befehlsempfänger der Militärregierung hielt die deutsche Verwaltung allerdings die schlechtesten Karten in der Hand. Der Leiter des BLKV, Dr. Gerhard Heiland 201 , beabsichtigte im Oktober 1946, die DAG mit der Anordnung einer Zwangsverwaltung unter seine Kontrolle zu bringen und den Finanzvorstand des Unternehmens, Dr. Walther Berger, zum Zwangsverwalter zu ernennen. Letzterer war aber wegen seiner konsequenten Interessenvertretung für die Belange der DAG bei den neuen Funktionsträgern auf der Baar ebenso unbeliebt wie bei deren nationalsozialistischen Vorgängern. Hatte ihn Blumbergs Ortsgruppenleiter Schmid 1943 indirekt als einen Verhandlungsführer »nach jüdisch-liberalistischem Geist 197 DAG an Gouvernement Militaire, Contrôle des Biens, Konstanz v. 28.1.1946, StAF V 500/ 3-27. 198 PB-JB 1942-1945, StAF V 500/ 1. 199 Die Anweisung Nr. 2804 des Contrôle des Biens erging am 18.10.1946 an das BLKV. Vermerk Ritter v. 11.10.1951, StAF C 33/ 1-11. Zur Rolle des am 21.9.1946 geschaffenen BLKV: Laufer, Industrie, S. 54, Anm. 2. 200 DAG-Vorstand (W. Berger) an Saarwerke und BLKV v. 14.10.1946, StAF V 500/ 1-16. 201 Dr. Gerhard Heiland (8.2.1894 Leipzig - 22.8.1961): Jurist, ab 1923 Chef der Kriminalpolizei Leipzig, 1927-1933 SPD-Mitglied, 1933 Entlassung aus politischen Gründen, danach bei der Concordia- Versicherung, ab 1936 bei der Frankfurter Versicherungs-AG in Freiburg tätig, kein Pg., ab 1946 Leiter des BLKV, 1951-1961 Richter am Bundesverfassungsgericht. StAF D 180/ 2-23071. 358 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) und Grundsatz« 202 denunziert, so diffamierte ihn drei Jahre später die Geschäftsstelle des Untersuchungsausschusses für die wirtschaftliche Bereinigung im Landkreis Donaueschingen. Deren Leiter Robert Mattes 203 , ein im Dritten Reich verfolgter Gewerkschaftsfunktionär, der seit 1946 im Donaueschinger Stadtrat saß, räumte zwar ein, dass Berger »politisch wenig belastet« sei, doch müsse er wegen seines üppigen Direktorengehalts als »großer Nutznießer des 3. Reiches« gelten, der sich seinen soldatischen Pflichten, so suggerierte das Schreiben, in unpatriotischer Weise entzogen habe: »Seine Beseitigung läge insofern im Interesse des Staates, als die Doggererz A.G. unter dem Gesetz Nr. 52 liegt und die Abwicklung, bezw. die Wiedererschliessung oder die Wiederverwendung der Werksanlagen eine Angelegenheit ist, an der die Öffentlichkeit mehr Interesse hat, als an einem Abwicklungsdirektor« 204 . Landrat Lienhart 205 leitete das in hämischer Diktion verfasste Pamphlet ungerührt an die Militärregierung weiter und befand seinerseits: Auch wenn »vom rein politischen Standpunkt aus« nichts gegen Berger spreche, so sollte doch eine andere Person ausgewählt werden, da Berger »nicht die Gewähr dafür bietet«, dass »die Verwaltung der Werte in zweckentsprechender und die Pläne für eine Neubelebung der Wirtschaft in Blumberg förderlicherweise erfolgt« 206 . Heiland nahm daraufhin Abstand von Berger und bat das Wirtschaftsministerium um einen anderen Vorschlag 207 . Drei Wochen später endete Bergers Entnazifizierungsverfahren mit dem harten Urteil: »Entfernung als Direktor« 208 . Die Leitung des in Donaueschingen tagenden Ausschusses hatte Mattes innegehabt. Am 5. November 1946 fand die entscheidende Versammlung der DAG-Gesellschafter in Blumberg statt. Heiland, der hier die Reichsanteile und damit auch den Kriegsverlierer vertrat, verkündete den französischen und luxemburgischen Direktoren und Zwangsverwaltern aus dem Saargebiet seinen Plan, die DAG unter die Kontrolle des BLKV zu nehmen. Die Proteste der Siegerseite fielen heftig aus. Die Saarindustriellen monierten, 202 Ortsgruppenleitung Blumberg (Schmid) an Kreisleitung DS vom 13.3.1943, GLA 237/ 42827. 203 Robert Mattes (9.2.1879 Donaueschingen - 6.4.1949 Donaueschingen): Volkschule, Lehre als Müller in Frankreich, danach in Straßburg und bei der FF Brauerei in Donaueschingen tätig, ab 1922 Zweiter Vorsitzender der Ortskrankenkasse Donaueschingen, gewerkschaftlich und politisch engagiert, ab 1932 Arbeiter der Stadt Donaueschingen. »Ein Donaueschinger Zeitzeuge (Jahrgang 1922) erklärte, dass Mattes ›ein Primitiver‹ war, ein bei der Stadt angestellter Arbeiter, der nach Kriegsende in den Gemeinderat kam, weil man keine anderen (politisch unbelastete Kandidaten) hatte, der sich ›aufgeblasen‹ habe, aber ›nichts gebracht habe‹ und deshalb bald wieder ›in der Versenkung verschwunden‹ sei. Wörtlich meinte der Zeitzeuge: ›Man hat sich gewundert, wie ein Mattes in den Gemeinderat kam‹«. Auskunft Stadtarchivar Dr. Raimund Adamczyk StADS. Weitere Quellen zu Mattes: KASB B 2-3587, StADS Az 200 962 (Südkurier v. 6.5.1995), StAF D 180/ 2-204639 und B 822/ 1-2681. Siehe auch Huth, Donaueschingen, S. 222. 204 Mattes an LRA DS v. 17.10.1946, StAF C 33/ 1-9. 205 Dr. Robert Lienhart (26.9.1908 Straßburg - 13.5.2000 Donaueschingen): Jurist, Pg. seit 1933, nach einer Denunziation wegen staatsfeindlicher Äußerungen nicht in den Staatsdienst übernommen und nicht als Anwalt zugelassen, 1937-1944 in der Privatwirtschaft tätig, nach dem Krieg als Sympathisant entnazifiziert, 1945-1973 Landrat von Donaueschingen. StAF D 180/ 2-27438 und F 22/ 62- 932. 206 Lienhart an Militärgouverneur DS v. 23.10.1946, StAF C 33/ 1-9. 207 BLKV an SBMW v. 29.10.1946, StAF C 33/ 1-9. 208 Sitzungsbericht Untersuchungsausschuss für die wirtschaftliche Bereinigung im Landkreis Donaueschingen v. 28.10.1946, StAF D 180/ 2-148718. 359 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit dass ihre Werke, wie im Falle Burbachs und Dillingens, vollständig bzw. überwiegend ausländischen Gesellschaftern gehörten oder aber, wie im Falle Völklingens und Neunkirchens 209 , ja bereits unter einer Kontrolle ständen, die auch ihre eigenen Rechte an der DAG beinhalte. Eine doppelte Kontrolle aber sei völlig inakzeptabel. Die aufgebrachten Direktoren drohten ihre sofortige Abreise aus Blumberg an und verkündeten warnend, »sie müssten dann versuchen, über Herrn General Laffon 210 in Baden-Baden eine Aenderung herbeizuführen« 211 . Angesichts des geballten Widerstands gab Heiland sein Vorhaben umgehend auf und versicherte, dass er die DAG nur noch über das Aktienrecht kontrollieren wolle. Da dem deutschen Staat nach der geltenden Satzung lediglich ein Drittel aller Aufsichtsratsmandate zustand, waren Heilands Optionen bei dieser Regelung sehr begrenzt: Nach den am 5. November in Blumberg vorgenommenen Gremienwahlen stellten die Saarwerke mit Georges Thédrel 212 , Joseph Roederer 213 , Pierre Chomé 214 und Jacques Kryn vier von sechs Mitgliedern im DAG-Aufsichtsrat. Für die beiden Deutschen, Dr. Gerhard Heiland und Dr. Friedrich Leibbrandt 215 , blieb nur die Rolle von Juniorpartnern übrig. Als einzigen Erfolg konnte Heiland verbuchen, dass er zum ersten Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt wurde, was ihm aber, wie er sogleich erfahren sollte, nicht die geringste Einflussmöglichkeit eröffnete. Den Vorsitz im Aufsichtsrat übernahm Georges Thédrel, der zu dieser Zeit die wohl einflussreichste Persönlichkeit in der gesamten saarländischen Eisenindustrie war. Thédrel übte sein Amt äußerst selbstbewusst aus und nahm auf seine deutschen Partner wenig Rücksicht: Vier Wochen nach der Gesellschafterversammlung in Blumberg berief er eine Aufsichtsratssitzung nach Völklingen ein, die derart knapp terminiert war, dass Heiland und Leibbrandt keinerlei Chancen auf eine Teilnahme hatten. In dieser Sitzung wurde der bisherige DAG-Vorstand handstreichartig aufgelöst und durch Jean Loisel, den Finanzdirektor der Zwangsverwaltung im Neunkircher Eisenwerk, ersetzt. Berger, der den Saarwerken in einigen Fragen die Stirn geboten hatte, durfte mit deutlich reduzierten 209 Das NE wurde per Verfügung Nr. 100 des Administrateur Général v. 5.10.1946 (abgedruckt in: Hoffmeister, Saar, S. 93, Nr. 50) unter Zwangsverwaltung gestellt. Wolff-Geschäftsführer Gasper hatte bereits am 10.8.1945 ahnungsvoll an Siedersleben geschrieben, »wir müssten dann eben erwarten, dass das selbe bei uns passiert, was Röchling passiert«, wenn man einen Verkauf ablehne. RWWA 72-237-7. 210 Émile Laffon (20.6.1907 Carcassonne - 20.8.1957): Jurist, 1945-1947 Leiter der Militärregierung in der französischen Besatzungszone. 211 BLKV (Heiland) an Gouvernement militaire, Contrôle des Biens, Freiburg v. 6.11.1946, StAF C 33/ 1-9. 212 Kurzbiografie Georges Thédrel: siehe Kap. IX/ 1/ a. 213 Joseph Roederer (25.12.1882 Paris - 22.9.1969 Le Vésinet): Ingenieur, 1909-1914 Hochofen- und Kokereichef in der Ukraine, 1919 Chefingenieur der Saargruben im Bezirk Itzenblitz-Reden, 1920- 1924 Techn. Generaldirektor der Dillinger Hütte, 1924-1942 Direktor der »Usines de la Loire« von »Compagnie des forges et aciéries de la marine et d’Homécourt«, 1942-1945 bei letzterer Mitglied des Direktionsausschusses, 1945-1954 Generaldirektor der Dillinger Hütte. 214 Pierre Chomé (14.9.1891 Luxemburg - 8.8.1954 Zürich): Ingenieurstudium in Charlottenburg, ab 1917 in diversen ARBED-Werken tätig, ab 1925 Walzwerksleiter in Belval, nach Kriegsausbruch von den Deutschen entlassen und interniert, 1942-1944 untergeordnete Tätigkeit in Burbach, ab Juli 1945 Generaldirektor der Burbacher Hütte, ab 1954 Direktor in der ARBED-Zentralverwaltung. 215 Dr. Friedrich Leibbrandt (16.7.1894 Karlsruhe - 15.1.1960): Chemiker, 1946-1947 Ministerialdirektor und Leiter des Südbad. Wirtschaftsministeriums, 1947-1948 Südbad. Minister für Wirtschaft und Arbeit, 1948-1951 Ministerialdirektor, 1951 auf einer Brasilienreise erkrankt und beurlaubt. StAF F 22/ 62-919 und F 30/ 1-1384. 360 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Bezügen als Loisels Handlanger vorerst im Unternehmen verbleiben 216 . Als Begründung für den Personalwechsel gaben die Saarwerke Bergers »politische Belastung« an, doch war deren Abneigung gegen den eigenständig agierenden Vorstand wohl der wahre Grund 217 . Das BLKV erfuhr von den Völklinger Beschlüssen erst mehrere Wochen später. Heilands Protest fiel geharnischt aus. Mitte Dezember 1946 monierte er gegenüber Thédrel, man habe in Völklingen »über unseren Kopf hinweg schwerwiegende Beschlüsse gefasst«, die »ohne unsere Mitwirkung nichtig sind« 218 . Da sich die Militärregierung in Baden-Baden offensichtlich nicht mit den Saarwerken anlegen mochte, blieb Heiland die notwendige Unterstützung übergeordneter Instanzen versagt - und die geschaffenen Fakten hatten Bestand. Allerdings konnte, wohl wegen der rechtlichen Mängel, die Eintragung des neuen Vorstands in das Handelsregister nicht erfolgen, weshalb Berger zumindest im Außenverhältnis weiterhin die Verantwortung trug. Loisel übte seine Vorstandstätigkeit nebenamtlich aus und hielt sich nur selten in Blumberg auf. Die Leitung vor Ort übernahm Anfang 1947 der aus Neunkirchen kommende Handlungsbevollmächtigte Friedrich Lauer 219 , dem der langjährige DAG-Prokurist Ernst Denzer zur Hand gehen musste. Berger, zur Seite gedrängt und zwischen allen Stühlen sitzend, verließ das Unternehmen Ende Juli 1947. Da Loisels Eintragung in das Handelsregister weiterhin unterblieb, fehlte dem Unternehmen monatelang eine ordnungsgemäße rechtliche Vertretung. Bergers Abgang, für den die Regionalbehörden auf der Baar ja eine wesentliche Mitverantwortung trugen, wirkte sich in keiner Weise positiv auf deren Ziele aus: Die Einsetzung eines ihnen genehmen Zwangsverwalters war kläglich gescheitert; stattdessen hatten die am Schicksal der Region völlig desinteressierten Saarwerke eine »feindliche Übernahme« der DAG vollzogen. Diese leiteten das Unternehmen nach Gutsherrenart, ignorierten das geltende Recht und übergingen kaltschnäuzig die deutschen Behörden: Loisel hielt es nicht einmal für nötig, Heiland die Tatsache mitzuteilen, dass Berger ausgeschieden war. Der stellvertretende DAG-Aufsichtsratsvorsitzender war erfuhr erst Monate später davon 220 . Als gegen Jahresende 1947 auch noch aus dem Prüfungsbericht zur Jahresbilanz 1946 zu ersehen war, dass sich die Saarwerke aus der DAG-Kasse bedient hatten, forderte Heiland Loisel dazu auf, »im Einvernehmen mit uns einen Herren, der in Blumberg wohnhaft ist, zum verantwortlichen Geschäftsführer zu bestellen« 221 und Berger als fachkundigen Berater hinzuzuziehen. Die DAG ignorierte diesen Wunsch und versuchte ihrerseits, Berger sowie einen Abteilungsleiter im BLKV, dessen Kontrolltätigkeit ihr lästig war, bei Heiland in ein schiefes Licht zu rücken 222 . Der angegriffene Beamte Dr. W. Schulz meinte dazu: 216 DAG-ARP v. 3.12.1946 HStASt EA 6/ 304-1332. 217 Noch Monate nach Bergers Ausscheiden versuchte Loisel beim BLKV Misstrauen gegen den früheren DAG-Vorstand und einen Beamten, »dem man enge Verbindungen zu Herrn Dr. Berger nachsagt«, zu säen. Vermerk Heiland über ein Gespräch mit Loisel v. 19.1.1948, StAF C 33/ 1-10. 218 BLKV (Heiland) an President de la Chambre Syndicale (Thédrel) v. 23.12.1946, StAF C 33/ 1-9. 219 Kurzbiografie Friedrich Lauer: siehe Kap. IX/ 1/ b. 220 BLKV (Heiland) an DAG (Loisel) v. 5.11.1947, StAF C 33/ 1-9. 221 BLKV (Heiland) an DAG v. 24.12.1947, StAF C 33/ 1-9. 222 Vermerk Heiland v. 19.1.1948, StAF C 33/ 1-10. 361 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit »Die Saarhütten wie Herr Lauer persönlich haben, wie ihr Verhalten 1946/ 47 nachweist, alles Interesse bei der Doggererz sozusagen unter sich zu bleiben. Meine Kritik als Vertreter des BLKV [...] an der von Herrn Lauer geleisteten Arbeit kann dieser sachlich offenbar nicht zurückweisen; er versucht anscheinend durch Schaffung von Misstrauen seine eigene Nachlässigkeit zu verdecken. [...] Das ganze Vorbringen von Herrn Lauer über Herrn Loisel ist m.E. als Versuch anzusehen, die sachliche Kontrolle durch das BLKV mit allen Mitteln wieder auszuschalten. Der Vorgang bestärkt die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass ein Mann unseres Vertrauens in die Doggererz kommt« 223 . Tatsächlich aber geschah nichts dergleichen. Durch die Ernennung zum Vorstandsmitglied konnte Lauer seine Machtposition im Juli 1948 sogar noch ausbauen 224 . Schulz äußerte weiterhin scharfe Kritik an dessen intransparenter Amtsführung und forderte seinen Chef Heiland zu drastischen Maßnahmen auf, denn: »Praktisch ist damit der Fall der ›schlechten Verwaltung‹ gegeben, der die Veranlassung zur Verhängung der Zwangsverwaltung geben könnte« 225 . Die politischen Realitäten gestatteten es Heiland aber offenbar nicht, mehr zu tun, als nur die Faust in der Tasche zu ballen. b) Demontagen Den wertvollsten Besitz der DAG stellte ihr 30 ha großes, von Zerstörungen weitgehend verschontes Betriebsgelände dar, das über eine völlig intakte Starkstrominfrastruktur verfügte und zahlreiche unbeschädigte Fabrikgebäude aufwies, was im kriegszerstörten Deutschland ein überaus seltener Glücksfall war. Zwar hatte die DAG 1943 den größten Teil ihrer Werksanlagen verkauft, doch stand die Bezahlung der von Walter Kopperschmidt genutzten und von der Luftfahrt-Anlagen GmbH (LAG) erworbenen Immobilien nach Kriegsende immer noch aus. Die französische Militärregierung teilte dem um Auskunft ersuchenden Berger im August 1945 mit, dass der Vertrag mit der jetzt in der sowjetischen Zone liegenden LAG »gegenstandslos geworden, also erledigt - nichtig« sei. Berger zog daraus den Schluss, dass »wir uns unter den heutigen, wesentlich schwierigeren Verhältnissen nach einem neuen Interessenten für die Blumberger Anlagen umsehen müssen« 226 . Tatsächlich standen die Chancen für deren baldige Vermarktung schlecht: Das französische Militär hielt das Südwerk, in dem die illiquide Firma W. Kopperschmidt verzweifelt versuchte, mit den ihr noch verbliebenen Maschinen und Leuten eine notdürftige Friedensfertigung aufzunehmen, seit April 1945 besetzt und entzog es dem Zugriff der DAG. Zudem war ein Immobilienverkauf für das Unternehmen generell problematisch, weil es unter das Gesetz Nr. 52 fiel und sein Vermögen zu bewahren hatte. Berger musste sich daher zunächst damit begnügen, für die nicht besetzten Werksteile gewerbliche Mieter zu finden. Es gelang es ihm bis Ende 1946, mehrere Interessenten zu akquirieren, darunter den in Schwenningen ausgebombten Metall- und Kunststoffverar- 223 Vermerk Dr. W. Schulz (BLKV) v. 26.1.1948, StAF C 33/ 1-10. 224 DAG-ARP v. 1.7.1948, StAF V 500/ 1-16. 225 Notizen Schulz über den Revisionsbericht zur DAG-JB 1946, StAF C 33/ 1-9. 226 W. Berger an Siedersleben v. 4.9.1945, RWWA 72-153-2. 362 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) beitungsbetrieb Haller-Schlenker, der fast das gesamte Nordwerk mieten wollte, um dort mit 300 Leuten die Produktion von emaillierten Haushaltswaren aufzunehmen 227 . Im Dezember 1946 verfügte der Alliierte Kontrollrat weitreichende Demontagen für das Blumberger Werk, die sich gegen den ehemaligen Rüstungsbetrieb W. Kopperschmidt 228 richteten, tatsächlich aber auch das Sachvermögen der DAG betrafen 229 , da der Vertrag mit der LAG geplatzt und die DAG wieder Eigentümerin ihrer 1943 verkauften Immobilien geworden war. Mitte März 1947 erschienen französische Armeeoffiziere in Blumberg und verkündeten dem entsetzten Denzer, dass der Eichbergstollen und »sämtliche Anlagen über Tage auf Befehl zerstört werden müssten« 230 , weshalb der Abbruch aller laufenden Verhandlungen zur Vermietung der Fabrikgebäude notwendig sei. Zehn Tage später kursierte die Meldung in Blumberg, dass die Zerstörung nach dem 15. April erfolgen solle. Heinrich Ueberle, der Prokurist von W. Kopperschmidt, und Blumbergs Bürgermeister Erich Knöpfle wandten sich sofort an das Landratsamt und an die Militärregierung, um die Aktion zu verhindern. Berger fuhr eigens nach Neunkirchen um Loisel von der Notwendigkeit zu überzeugen, »dass auch die Saarhütten gegen die Zerstörung von Vermögens-Werten, an denen sie wesentlich interessiert sind, bei den zuständigen Instanzen intervenieren« 231 . Tatsächlich setzte sich der DAG-Aufsichtsratsvorsitzende Georges Thédrel daraufhin mit General Jacques Humbert in Verbindung, der bei Militärgouverneur Pierre Koenig für Abrüstung und Entwaffnung zuständig war 232 . Die DAG wähnte die Angelegenheit nun geregelt und führte die Einquartierung interessierter Firmen in ihren leer stehenden Immobilien ungerührt fort. Am 16. Mai 1947 erschien Generalinspekteur Ferasse von der »Commission Reparation et Restitution« 233 im Südwerk, zitierte Berger zu sich und wies ihn scharf darauf hin, dass alle von W. Kopperschmidt früher genutzten Anlagen für »disponible« erklärt worden seien: »Es sei deshalb ausgeschlossen, dass in diesen Betriebsanlagen weitergearbeitet werden dürfe. Wir müssten sofort die Arbeit einstellen lassen, etwaige Mietverträge über diese Anlagen annullieren und [...] die Schlüssel für die Anlagen Herrn Lieutenant Müller abliefern. Nur die Firmen Teveswerke und Farbenfabrik Curt Kopperschmidt dürften weiter arbeiten, weil sie bei der Besetzung Blumbergs schon in den Anlagen gearbeitet hätten« 234 . 227 DAG an Bürgermeister Knöpfle, Blumberg v. 9.1.1947, StAB. 228 Laffons Arrête Nr. 238 stellte W. Kopperschmidt am 1.9.1946 unter Zwangsverwaltung, die ab März 1947 von den Liquidatoren Capit. Veyronnet und Lieut. Muller ausgeübt wurde. StAF V 500/ 1-16 und C 33/ 1-8. 229 Im Juli 1947 berichtete Heiland rückschauend, die Lage der DAG sei »sehr schwierig geworden, weil die Militärregierung in Donaueschingen auf Grund eines Kontrollratsbeschlusses vom Dezember 1946, das Werk in grossem Umfange für disponibel erklärt worden ist. [! ] Es soll zum größten Teil gesprengt werden. Diese Anordnung des Kontrollrates ist Herrn Capitaine Veyronnet [dem Zwangsverwalter von W. Kopperschmidt, WIS] am 16.2.1947 zugegangen«. BLKV (Heiland) an frz. Militärregierung in Freiburg v. 5.7.1947, StAF C 33/ 1-9. 230 DAG (W. Berger) an Loisel v. 14.3.1947, StAF V 500/ 1-16. 231 DAG an Loisel v. 25.3.1947, StAF V 500/ 1-16. 232 So der Bericht der DAG an das SBMW v. 24.1.1949, StAF C 37/ 1-221. 233 Ebenda. An anderer Stelle heißt sie: »Commission disposibilité pour reparation«. Gemeint war wohl eine Abteilung der von Georges Glasser (1907-2002) geleiteten und in Baden-Baden residierenden - »Direction des reparations et restitutions« im Kabinett Laffon. Siehe Henke, Politik, S. 59. 234 DAG an Loisel v. 21.5.1947, V 500/ 1-16. 363 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit Fünf Firmen mit einer Belegschaft von 66 Leuten, die mittelfristig auf über 400 Beschäftigte hätte erhöht werden sollen 235 , verloren daraufhin ihr Quartier. Landrat Lienhart klagte über eine »völlige Lähmung jeden Versuchs Rettung Blumbergs« und bat Leo Wohleb telegrafisch um eine »tatkräftige Intervention bei Militärregierung« 236 . Der südbadische Staatspräsident benachrichtigte sofort Wirtschaftsminister Leibbrandt, erhielt von diesem aber vier Wochen später die Nachricht, dass »vorerst nichts zu erreichen« 237 sei. Lienhart wandte sich auch selbst an den Militärgouverneur Pierre Koenig 238 , blieb aber gleichfalls erfolglos. Am 18. Juni rückte ein Interniertenkommando aus Freiburg an, zu dem der frühere Bürgermeister Schmid gehörte, und begann mit der Demontage von Baracken und Schuppen 239 . Berger glaubte, dass der Abbruch aller Anlagen schon bald nachfolgen werde und wandte sich ratlos an Loisel: »Wir können von hier aus nichts mehr unternehmen. Nur Sie oder der Herr Aufsichtsratsvorsitzer können das Eigentum der Doggererz AG retten« 240 . Immerhin stellte man im Freiburger Finanzministerium erleichtert fest, die deutschen Bemühungen würden von einigen französischen Stellen unterstützt, insbesondere vom zuständigen Kreisdelegierten, der die örtlichen Verhältnisse gut kenne 241 . Am 3. Juli 1947 kam dann die ersehnte Nachricht, dass alle steinernen Fabrikgebäude erhalten bleiben würden, da bei der »Section Production Industrielle« derzeit ein Plan in Bearbeitung sei, mit dem neue Industriefirmen nach Blumberg gebracht werden sollten 242 . Die Saarwerke reklamierten später den Erfolg der Aktion ganz allein für sich 243 . Im zweiten Halbjahr 1947 fanden kaum noch Zerstörungen auf dem DAG-eigenen Gelände statt. Lediglich die Hauptrichtstrecke des Eichbergs wurde am 21. August 1947 durch französische Pioniertruppen gesprengt 244 . Über ihre Fabrikgebäude konnte die DAG allerdings erst Ende 1947 wieder verfügen 245 , musste aber vor Abschluss eines Mietvertrags die Genehmigung der Militärregierung einholen. Die Rettung der Häuser bedeutete jedoch nicht, dass die DAG von Demontagen weiterhin verschont blieb: »Mit der Veröffentlichung der Demontageliste für die französische Zone am 7.11.1947 trat 235 Betroffen waren im Südwerk der Radolfzeller Leichtbauplattenhersteller Thormann & Stiefel (Geb. 4 und 76), der Minen- und Farbbandproduzent Color (Lehrlingsbaracke), der Beleuchtungskörperfabrikant Neubauer (Geb. 39, 40 und 42) und die Kfz-Werkstatt Kempf (Schuppen 21 und 22). Im Nordwerk traf es den Metallwarenhersteller Haller-Schlenker und den Pharmazieproduzenten Riba (Geb. 9 und 56). Meist gedachten die Firmen ihre Produktion erst aufzunehmen; Neubauer arbeitete allerdings bereits. 236 Lienhart telegrafisch an Wohleb v. 23.5.1947, StAF C 15/ 1-295. 237 Leibbrandt an Wohleb v. 23.6.1947, StAF C 5/ 1-201. 238 Belegt ist u.a. eine Eingabe Lienharts an Koenig v. 14.7.1947, HStASt EA 6/ 304-1332. 239 Bis September 1947 waren abgebrochen die Gebäude mit den Nummern: 5, 78 und 79 (im Nordwerk), 21, 28, 80 und 82 (im Südwerk) sowie 39 und 40 (an der Eingangsstraße zum Südwerk). DAG an Militärregierung, Internierungslager Freiburg (undatiert), StAF V 500/ 3-27. 240 W. Berger an Loisel v. 20.6.1947 StAF V500/ 1-16. 241 Vermerk Dr. Bund v. 19.6.1947, HStASt EA 6/ 304-1332. 242 Vermerk DAG (F. Lauer) über ein Gespräch mit Lieut. Muller am 3.7.1947, StAF V 500/ 3-27. Die Section Production Industrielle war eine mit Fragen industrieller Planung und Verteilung beschäftigte Abteilung der französischen Militärregierung in Baden-Baden. Siehe: Laufer, Industrie, S. 69 ff. 243 DAG (Loisel) an BLKV (Heiland) v. 19.11.1947, StAF C 33/ 1-9. 244 Der Stolleneingang zum Eichberg war bereits am 29.4.1947 gesprengt worden. DAG an Loisel v. 2.9.1947, StAF V 500/ 1-16. 245 DAG-Vorstandsbericht 1947, StAF C 33/ 1-11. 364 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) die ›industrielle Abrüstung‹ [...] in das Stadium der eigentlichen Demontage ein« 246 . Betroffen waren die Blumberger Firmen Walter Kopperschmidt 247 , Curt Kopperschmidt 248 , die Otavi 249 , Goldeck-Photo 250 und Bank. Bei diesen Aktionen scherten sich die französischen Offiziere wenig um die spitzfindige Frage, wer juristischer Eigentümer der beschlagnahmten Gegenstände war. Die DAG verlor als Folge dieser Demontagen nicht nur ihre Pfandansprüche auf Kopperschmidts Maschinenpark, sondern darüber hinaus fünf eigene Transformatoren und einen 5 t-Laufkran 251 . Eine Sonderentwicklung machte der ehemalige Aufbereitungskomplex im Südwerk mit, der östlich des von W. Kopperschmidt genutzten Geländes lag und im Herbst 1943 von der Otavi-Gesellschaft gekauft worden war 252 , um dort die Produktion von Vanadium aufzunehmen. Im März 1946 verbot der Alliierte Kontrollrat jedoch die Erzeugung dieser Legierung 253 . Die Otavi beschränkte sich daher darauf, in den vom französischen Militär seit April 1945 besetzt gehaltenen Anlagen Ziegelsteine aus der reichlich vorhandenen Lurgi-Schlacke zu brennen. Im September 1946 kam das Unternehmen zunächst unter französische Zwangsverwaltung 254 ; im Dezember 1946 verfügte der Kontrollrat schließlich die völlige Demontage des Werks 255 . Aus begreiflichen Gründen heraus hatte die Otavi nun keinerlei Interesse mehr an den für sie nutzlos gewordenen, von Zerstörung bedrohten Immobilien und sabotierte erfolgreich die Umsetzung des geltenden Kaufvertrags mit der DAG 256 . Beide Unternehmen pflogen darüber jahrelange Verhandlungen, doch sollte der DAG am Ende nichts anderes übrig bleiben, als die aus konstruktiven Gründen nur schwer für andere Zwecke nutzbar zu machenden Anlagen wieder in ihr Eigentum zu übernehmen 257 . Für diesen Bereich des Werksgeländes ordnete die Militärregierung Mitte 1948 den Vollzug der 1946 beschlossenen Demontagen an. Viele Gebäude wurden bis auf die Fundamente abgebrochen. Bereits Anfang Dezember 1948 machte das Gelände »einen trostlosen Eindruck« 258 . Der Lurgi-Ofen gelangte 1949 als 246 Laufer, Industrie S. 105. 247 Demontageakten Walter Kopperschmidt und Bank: StAF C 37/ 1-256 und C 5/ 1-134. 248 Demontageakten Curt Kopperschmidt: StAF C 37/ 1-255. 249 Demontageakten Otavi: StAF C 37/ 1-253 und C 5/ 1-147. 250 Demontageakten Goldeck und Bank: StAF C 37/ 1-218. 251 DAG an BLKV v. 24.1.1949 (StAF C 37/ 1-221) und DAG an Lieut. Muller v. 19.9.1949, StAF V 500/ 3-27. 252 Neben dem Aufbereitungskomplex und dem Verladebahnhof im Südwerk hatte die Otavi 1943 auch die ehemalige Randenschule, den Steppacher Hof und zwei Wohnhäuser gekauft. 253 Laufer, Industrie, S. 59. 254 Arrête Nr. 237 v. 1.9.1946, StAF V 500/ 1-16. Zwangsverwalter und Liquidator der Otavi wurde Capit. Veyronnet. 255 BLKV-Kreisstelle DS an BLKV-Zentrale Freiburg v. 5.3.1947, StAF C 33/ 1-1. 256 Die DAG hatte 1941 ein Kompensationsgeschäft mit dem Fürsten zu Fürstenberg abgeschlossen und dabei den Steppacher Hof von ihm erwerben müssen (siehe: Kap. VI/ 3/ d). 1943 verkaufte die DAG den Hof an die Otavi weiter, doch verweigerte das Landratsamt Donaueschingen die Zustimmung zum Grundbucheintrag, um zu verhindern, dass Ackerland von Industriebetrieben gekauft wurde. Die Otavi nahm dies zum Anlass, sich aus dem gesamten Geschäft mit der DAG zurückzuziehen. DAG an BLKV- Kreisstelle DS v. 5.8.1947, StAF C 33/ 1-8. 257 Ein diesbezüglicher Vergleich wurde zwischen DAG und Otavi am 21.12.1949 geschlossen. StAF C 33/ 1-1. 258 Vermerk Heiland über seinen Besuch in Blumberg am 2.12.1948, StAF C 30/ 1-380. 365 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit Reparationsgut nach Jugoslawien 259 . Immerhin konnte die zur Torfgewinnung im Ried benötigte Förderbrücke nach schwierigen Verhandlungen gerettet werden. Über den Abbruch im Otavi-Komplex hinaus erlitt die die DAG Demontageschäden in Höhe von rund 2,2 Mio. RM 260 . c) Substanzerhaltung - die Niederlage des BLKV Die finanzielle Lage der DAG war schlecht: Das Unternehmen hatte ab 1942 seine Anlagen weit unter Wert verkaufen müssen und Millionenbeträge eingebüßt. Die Bilanz des Jahres 1945 wies einen Verlustvortrag von fast 10 Mio. RM auf 261 , was einem Viertel des Eigenkapitals entsprach. Auch die verbliebenen Werte standen nur auf dem Papier, denn die DAG hatte ihre Verkaufserlöse bereits als Darlehen an ihre Gesellschafter weitergereicht. Übrig geblieben war ein »Vermögen« von 7 Mio. RM, das aus Grundbesitz, unverwertbaren Reichsschatzanweisungen und höchst zweifelhaft gewordenen Forderungen an andere Unternehmen bestand. Zur Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtungen hatte die DAG Ende 1945 lediglich 229.000 RM auf ihren Konten. Allein der umfangreiche Grundbesitz und die aufgeblähte Bilanz lösten 1946 steuerliche Belastungen in Höhe von über 450.000 RM aus 262 . Der Vorstand versuchte verzweifelt, eine Kapitalherabsetzung zu organisieren, in der die nicht saldierten Bilanzpositionen steuersparend miteinander verrechnet werden konnten, scheiterte aber regelmäßig an der Militärregierung. Zwar gelang es in schwierigen Verhandlungen mit den Finanzbehörden, die Steuerbelastung 1947 merklich zu senken, doch blieb diese mit fast 69.000 RM 263 immer noch hoch. Adäquate Einnahmen erzielte die DAG nicht: Der insolvente Rüstungsbetrieb W. Kopperschmidt blockierte einen großen Teil der Werksanlagen, konnte aber keinerlei Miete mehr zahlen und beglich seine Schulden 1946 damit, dass er der DAG das Eigentum an allen Gebäuden abtrat, die er seit 1942 auf deren Boden errichtet hatte. Nur das Chemieunternehmen Curt Koppschmidt, die Firma Ueberle, ein kleiner Produzent von Obstpressen und Kindersportwagen, und der im März 1945 nach Blumberg verlegte Zweigbetrieb der Firma Teves entrichteten Mietzahlungen, deren Höhe allerdings gerade einmal die Personal- und Verwaltungskosten der DAG deckte 264 . Die Ende 1946 aufgenommenen Aktivitäten des DAG-Vorstands, sich weitere Einnahmequellen durch die Vermietung von Gebäuden zu erschließen, die das Militär freigegeben hatte, scheiterten im Mai 1947 an einer erneuten Requisition großer Teile des Werksgeländes. Erst im Frühjahr 1948, als die Militärregierung die beschlagnahmten Gebäude wieder freigegeben hatte und mit der Einquartierung einer größeren Zahl auswärtiger Unternehmen 259 Die Otavi bezifferte den Wert der beschlagnahmten Anlagen auf mehr als 1 Mio. Mark. Otavi an SBMW v. 8.2.1949, StAF C 37/ 1-253. 260 1948 hatte die DAG rund 1 Mio. RM Demontageschäden angemeldet; hinzu kamen Schäden in Höhe von 1,2 Mio. RM aus der Sprengung des Eichbergstollens. PB zur DM-Eröffnungsbilanz zum 21.6.1948, StAF V 500/ 1. 261 PB-JB 1942-1945, StAF V 500/ 1. 262 PB-JB 1946, StAF V 500/ 3-106. 263 PB-JB 1947, StAF V 500/ 3-108. 264 PB-JB 1946, StAF V 500/ 3-106. 366 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) in Blumberg beginnen wollte, verbesserten sich die Ertragsaussichten für den Blumberger Gewerbeflächenmonopolisten DAG. Freilich setzte nun der Kampf um die knappen Raum- und Personalressourcen mit aller Härte ein. Im April 1948 protestierte die örtliche Wirtschaft gegen die Ansiedlung fremder Unternehmen, weshalb die Gemeindeverwaltung das Wirtschaftsministerium und die Militärregierung dringend darum bat, von weiteren Firmenzuweisungen abzusehen, da »in Blumberg weder Arbeitskräfte noch Wohnungen vorhanden sind, um die von der Militärregierung eingewiesenen Produktionen aufnehmen zu können« 265 . Im Rathaus muss allerdings bekannt gewesen sein, dass einige der einheimischen Betriebe, denen man die knappen Ressourcen zuschanzen wollte, seit langem auf der Demontageliste standen 266 . Offenbar hielt man die davon ausgehende Gefahr für gebannt, wurde aber im Juli 1948 eines Besseren belehrt: Die Militärregierung ordnete in ganz Südbaden umfassende Demontageaktionen an und erhöhte die Zahl der in Blumberg betroffenen Firmen von drei auf fünf. Die Demokratische Partei beklagte daraufhin eine »tötlich [! ] getroffene Industrie in Blumberg« 267 . Bürgermeister Knöpfle nahm am 30. August 1948 zwar »erfreut [...] zur Kenntnis, dass die Regierung aus Protest gegen diese Demontageaktion gemeinsam zurückgetreten ist«, doch änderte dieser Rücktritt nichts daran, dass, wie Knöpfle es formulierte, durch »diese unverständliche Massnahme Menschen auf der Strasse liegen, Frauen und Kinder der Not und dem Hunger ausgesetzt« 268 sind. Gleichzeitig gerieten, vor allem als Folge der im Juni 1948 vollzogenen Währungsreform, andere Firmen in eine finanzielle Schieflage. Die Gemeindeverwaltung versuchte nun verzweifelt, auswärtige Unternehmen zu akquirieren 269 und kämpfte um höhere Stromzuteilungen für die verbliebenen Betriebe 270 , erzielte aber keinen Erfolg. Auch die Visite von Staatspräsident Wohleb, Finanzminister Eckert und Wirtschaftsminister Lais am 14. März 1949 271 besserte die »trostlosen Verhältnisse« 272 in Blumberg nicht. Die DAG verlor 1949 mehrere insolvent gewordene Mieter, weshalb sie selbst nicht aus der Verlustzone kam 273 . 265 BMA Blumberg (Hauptamtsleiter Schuler) an Comm. Meunier v. 22.4.1948, StAB 772/ 4. Schuler zählte 15 mittelständische Firmen sowie 110 Handwerksbetriebe mit insgesamt rund 850 Beschäftigten und etwa 150 unbesetzten Personalstellen auf. Die größten Arbeitgeber waren Teves (115), Neubauer (60), Ueberle (45), Curt Kopperschmidt (44), Villinger (40) und Otavi (32 Leute). Vorlage für den Gemeinderat v. 14.4.1948, StAB 772/ 4. 266 Die im November 1947 erfolgte Veröffentlichung der Demontageliste war seinerzeit von der CSV- Fraktion im Blumberger Gemeinderat »mit tiefer Erschütterung« zur Kenntnis genommen worden. Bürgermeister Knöpfle hatte sich hilfesuchend an die Landesregierung gewandt, deren Antwort vom 16.12.1947 Hoffnung aufkeimen ließ, dass zumindest die betroffene Farbenfabrik Curt Kopperschmidt von der Liste gestrichen werden könne, was sich später jedoch als Irrtum herausstellen sollte. Aktenbefund StAF C 37/ 1-255. 267 Undatierte Denkschrift der Demokratischen Partei Ortsverein Blumberg (Oktober 1948), StAF C 37/ 1-256. 268 BMA Blumberg an Landesregierung v. 30.8.1948, StAF C 37/ 1-221. Zur Ausweitung der Demontageliste und zu dem daraus resultierenden Rücktritt der Badischen Regierung: Laufer, Industrie, S. 108 ff. 269 StAB 772/ 4. 270 BMA Blumberg zu den Einschränkungsmaßnahmen für den Strombezug v. 19.1.1949, StAF C 37/ 1- 221. 271 Vermerk LRA DS v. 16.3.1949 (KASB LRA DS/ 1694) und Aktennotiz Heiland v. 15.3.1949, StAF V 500/ 3-69. 272 BMA Blumberg an SBMW v. 8.2.1949, StAF C 37/ 1-221. 273 PB-JB 1949, StAF V 500/ 1. 367 3. Beuteobjekt in der Besatzungszeit Im März 1949 stellten Wirtschaftsprüfer fest, die DAG habe die Wahl zwischen zwei Übeln: Ihr defizitärer Geschäftsbetrieb lege zwar eine rasche Liquidation nahe, doch sei diese wegen der aktuell ungünstigen Marktlage mit hohen Verlusten beim Immobilienverkauf verbunden. Man könne durchaus auch eine langsame Liquidation durchführen, »die die Chance höherer Preise bietet, andererseits jedoch die Verluste aus laufendem Geschäft zu tragen hat« 274 . Die Gemeinde Blumberg und der Landkreis Donaueschingen bevorzugten zweifellos eine schnelle Firmenabwicklung und wurden darin von Heiland unterstützt, dessen Kontrollbehörde 1948 dem Finanzministerium angegliedert worden war. Heiland mahnte im Mai 1949 bei der DAG die längst überfällig gewordene Vorlage eines Verwertungsplans für ihre Vermögensgegenstände 275 an, wurde aber von Lauer und Denzer belehrt, dass »die Verwertung unseres Besitzes an Betriebsgebäuden [...] unter den heutigen Verhältnissen noch längere Zeit beanspruchen« werde und dass die Bestrebungen des Landratsamts und der IHK, »unsere Industrieanlagen wieder nutzbar zu machen« 276 , wenig hilfreich gewesen seien. Heiland befürchte daraufhin, »daß die jetzige Verwaltung zum Selbstzweck wird« 277 . Im Juli 1949 eskalierte die Situation: Georges Thédrel, der seit 1945 die Völklinger Hütte leitete, übernahm jetzt zusätzlich die Zwangsverwaltung des Neunkircher Eisenwerks und berief, ohne sich mit dem DAG-Aufsichtsrat zu besprechen, den von Neunkirchen aus gestellten Jean Loisel als DAG-Vorstand ab. Heiland, der seine Einflusslosigkeit auf den Kurs der DAG jahrelang hingenommen hatte, probte nun den Aufstand. Am 3. September 1949 teilte er der Geschäftsleitung in Blumberg mit: »Da der Vorsitzende des Aufsichtsrates die erwartete enge Verbindung mit uns als der für die Kontrolle verantwortlichen Behörde nicht hergestellt hat und Herrn Loisel ohne uns zu befragen abberufen hat, sehe ich mich nunmehr veranlaßt, die zur Zeit völlig ungenügende Kontrolle des Betriebes in eine Zwangsverwaltung umzuwandeln« 278 . Mit Wirkung zum 15. September ernannte Heiland den Freiburger Wirtschaftsprüfer Dr. Ernst Dobler 279 zum Zwangsverwalter der DAG, der seinerseits den in Blumberg amtierenden Vorstand Friedrich Lauer vor die Tür setzte 280 . Die Saarwerke protestierten gegen Heilands Liquidationspläne und konnten erreichen, dass sich die Militärregierung des strittigen Falles annahm. In einer Sitzung, die am 10. Oktober 1949 unter der Leitung von Capitaine Lehmann stattfand, bekräftigten sie ihre Hoffnung, »den Erzbergbau wieder aufnehmen zu können. Die eintretenden Verluste von jährlich 30.000 spielen für sie keine Rolle« 281 . Nach langer Debatte wurde endlich das Ergebnis erzielt, dass Dobler ein Wirtschaftsgutachten erstellen und anschließend eine Gesellschafterversammlung stattfinden sollte, die über das weitere Schicksal der DAG zu entscheiden hatte. Bis dahin 274 PB-JB 1947 v. 14.3.1949, StAF V 500/ 3-108. 275 SBMF (Heiland) an DAG v. 13.5.1949, StAF V 500/ 3-69. 276 DAG an Heiland v. 24.5.1949, StAF C 33/ 1-1. 277 SBMF (Heiland) an RESW v. 12.10.1949, StAF C 33/ 1-9. 278 SBMF (Heiland) an DAG v. 3.9.1949, StAF V 500/ 3-69. 279 Kurzbiografie Ernst Dobler: siehe IX/ 1/ b. 280 Dobler an F. Lauer v. 28.9.1949, StAF V 500/ 3-68. 281 Aktennotiz Heiland über die Verhandlung bei Lehmann am 10.10.1949, StAF C 33/ 1-9. 368 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) durfte die Zwangsverwaltung weitergeführt werden. Dass dieses Resultat ein Etappensieg für die Saarwerke war, dürfte Heiland wohl bewusst gewesen sein, denn er notierte nach dem Termin, es sei zu prüfen, ob die Zwangsverwaltung »nicht wieder eingerichtet werden muß, wenn die GV zu Entschlüssen kommen sollte, die eine weitere Vergeudung des Vermögens der AG. bedeuten würde[n]« 282 . Die alles entscheidende Gremiensitzung der DAG fand am 11. Februar 1950 in Blumberg statt. Dobler erstattete hier seinen Bericht über die schwierige wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, woraufhin Heiland seinen Liquidationsantrag stellte - und eine vernichtende Niederlage erlitt. Thédrel erklärte, dass die Saarwerke ihre Forschungen zur Doggererz-Verhüttung unverändert aufrechterhielten und »mit allen Mitteln bestrebt« seien, ein positives Resultat zu erzielen. Daher habe der Grundsatz zu gelten: »Solange die DAG, selbst mit einem jährlichen Verlust von einigen Tausend DM, bestehen könne, solle sie ihre Tätigkeit aufrechterhalten« 283 . Auch Ministerialdirektor Dr. Friedrich Leibbrandt vom Wirtschaftsministerium, der die bergbaulichen Interessen des Landes vertrat, verzichtete darauf, Heiland zu unterstützen und drängte die Saarhütten dazu, ihre Forschungen energischer vorwärts zu treiben, »da es hier um das Interesse des Landes Baden gehe, dass die DAG erhalten bleibt« 284 . Dem isolierten Heiland blieb am Ende nichts anderes übrig, als selbst einem Beschluss zuzustimmen, dem zufolge das Überleben der angeschlagenen DAG durch einen Gesellschafterkredit in Höhe von 100.000 DM gerettet werden sollte, wovon die Saarwerke 50 % zu tragen versprachen. Heiland ging allerdings nicht als vollständiger Verlierer vom Platz, denn der Aufsichtsrat besetzte die beiden vakanten Vorstandspositionen neu, die nun paritätisch unter den Gesellschaftern aufgeteilt wurden. Während Thédrels Mitarbeiter Alfred Roy die Interessen der Saarwerke vertrat, nahm der bisherige Zwangsverwalter Ernst Dobler die Belange der staatlichen Seite wahr. Da beide Herren nur selten nach Blumberg kamen, führte Prokurist Ernst Denzer de facto die Geschäfte vor Ort. 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder a) Konsolidierung 1945 waren die Gebäude der DAG heruntergewirtschaftet, ihre Dächer undicht. Da Glas fehlte, hatte man leere Fensterhöhlen mit Brettern zunageln müssen. Im Herbst 1947 ging der Vorstand eilends Kompensationsgeschäfte ein, um dringend benötigte Dachpappe und Fensterglas gegen die Abgabe von Schienen und Büromöbel zu bekommen 285 . Trotz aller Baumängel stellte der Immobilienbesitz den wertvollsten Aktivposten in der Bilanz dar, über dessen Nutzung es regelmäßig zum Streit zwischen der DAG und ihren gewerblichen Mietern kam. 1947 hatte es einen erfolgreichen, von der Presse, vom Blumberger Rathaus und vom Landratsamt unterstützen Aufstand der Firmen Teves, 282 Ebenda. 283 DAG-ARP v. 11.2.1950, StAF V 500/ 1-14. 284 Ebenda. Siehe auch: Vermerk Leibbrandt über die DAG-ARS v. 11.2.1950, HStASt EA 6/ 304-1332. 285 Vermerk DAG v. 26.9.1947 und BP v. 6.11.1947, StAF V 500/ 1-16. 369 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder Curt Kopperschmidt und Ueberle gegen die Mietpreisforderungen der DAG gegeben, an dessen Ende eine behördlich angeordnete Senkung der Sätze um durchschnittlich 10 % stehen sollte 286 . Die Gemeindeverwaltung klagte aber auch noch im Januar 1950, die DAG verlange abschreckend hohe Mieten und Kaufpreise für ihre Immobilien, »so daß es für die Gemeinde nicht möglich sei, zur Beschäftigung der dortigen Arbeitslosen eine neue Industrie nach Blumberg zu bekommen« 287 . Die Sache geriet zum Politikum, als der wichtigste Arbeitgeber im Ort, ein Zweigbetrieb des Automobilzulieferers Teves, der 1945 ein Gebäude im Südwerk gemietet hatte und dieses jetzt kaufen wollte, mit Abwanderung drohte, wenn die DAG ihre Preisforderungen nicht senke. Bürgermeister Karl Müller verfasste ein Memorandum für Staatspräsident Wohleb, in dem er darüber klagte, dass »die Firma Doggererz A.G., die der Gemeinde Blumberg schon so viele Sorgen und Nöte bereitet hat«, völlig überhöhte Preise fordere und »ohne Rücksichtnahme auf die Interessen der Allgemeinheit lediglich ihre nach dem Grundsatz des Gewinnstrebens ausgerichteten Ziele verfolgt« 288 . Müller fuhr am 8. Februar 1950 mit einer kleinen Delegation nach Freiburg und konnte Wohleb und die Vertreter des Wirtschaftsministeriums davon überzeugen, in seinem Sinne auf die DAG einzuwirken 289 . Die Angelegenheit wurde am 11. Februar im Aufsichtsrat der DAG behandelt und ging, wahrscheinlich auf Druck der badischen Ministerialbeamten, im Sinne Blumbergs aus. Ministerialdirektor Leibbrandt hielt in seinem Vermerk ausdrücklich fest, dass seitens der Saarwerke »keine große Neigung« 290 für das Geschäft erkennbar gewesen sei, doch habe man sich nach zähen Verhandlungen verständigt, das Gebäude unter der Bedingung abzugeben, dass Teves einen Anspruch der DAG auf Rückabwicklung oder den Bau eines Ersatzgebäudes akzeptiere. Prokurist Denzer brachte den Vertrag dann zu einem reduzierten Preis, den die Gemeinde nochmals subventionierte, erfolgreich zum Abschluss 291 . Der Immobilienverkauf minderte die Mieteinnahmen der DAG. Da gleichzeitig der größte Nutzer des Nordwerks insolvent geworden war, sanken 1951 die Mieterträge aus Gewerberäumen um 40 % ab. Um die Jahresbilanz retten zu können, verkaufte die DAG Material und brach Teile der Werksinfrastruktur ab, die der jetzigen Nutzung im Wege standen: 1951 räumten Abbruchunternehmen das Südwerk auf und entfernten dort zahlreiche Schienen, Weichen, Schwellen und den Gleisunterbau. Der Vorstand veräußerte auch die beiden Förderbrücken 292 . Mit den erzielten Einkünften konnte eine starke Zunahme des Verlustvortrags von rund 115.000 DM verhindert werden. Im September 1951 286 DAG an Preisüberwachungsstelle v. 3.4.1947, StAF C 33/ 1-1 und PB-JB 1947, StAF V 500/ 3-108. 287 Aktennotiz SBMF v. 12.1.1950, StAF C 33/ 1-8. Anfang 1950 wies Blumberg rund 400 Arbeitslose aus, mehr als der gesamte restliche Kreis Donaueschingen. Vermerk SBMWA v. 9.2.1950, StAF C 33/ 1-1. Siehe dazu auch: Haußmann, Blumberg, S. 238 und Walz, Industriestadt, S. 376. 288 Denkschrift BMA Blumberg für Wohleb v. 8.2.1950, StAB Akte Teves. 289 Vermerk Müller v. 10.2.1950, StAB Akte Teves und SBMWA an SBMF v. 9.2.1950, StAF C 30/ 1-380. 290 Vermerk Leibbrandt v. 13.2.1950 über die DAG-ARS v. 11.2.1950, HStASt EA 6/ 304-1332. 291 Teves kaufte die Gebäude 4 und 11 mit 6.750 m² Grund für 130.000 DM. Die Stadt leistete einen Zuschuss von 30.000 DM und erließ Teves die Gewerbesteuer für 5 Jahre. Aktenbefund StAB. 292 1951 erfolgten Verkauf und Abbruch der Förderbrücke. Zwei Brückenfelder blieben zunächst stehen, da sie von der fürstenbergischen Verwaltung für den Torftransport benötigt wurden. 1955 brach man den Rest ab und sprengte den drittletzten Pfeiler nahe dem Südwerk. PB-JB 1951, StAF V 500/ 1 und KASB LRA DS 1181. 370 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) gelang es, mit der Richard Horstmann GmbH einen Mieter für die Waschkaue des Nordwerks finden. Die aus dem sächsischen Crimmitschau stammende Wollweberei dehnte sich rasch aus und belegte schon bald drei weitere Immobilien 293 . Im Südwerk erweiterte Teves seine Produktion und mietete vier Nachbargebäude 294 hinzu. Nebenan erwarb der Fernmeldeanlagenbauer Horst Kiaulehn die Waschkaue Süd, was dessen Nachbar Teves, der selbst ein Auge auf das Objekt geworfen hatte, mit großer Verärgerung zur Kenntnis nahm. Die finanziell stark angeschlagene Firma Kiaulehn, deren verschwenderischem Eigentümer ein psychiatrisches Gutachten »psychopathische Enthemmung« 295 bescheinigte, musste bereits 1954 durch eine Bürgschaft der Stadt Blumberg gerettet werden. In den ehemaligen Otavi-Komplex, dessen Bausubstanz durch Demontagen 1948 stark beschädigt worden war, zog die Bauplattenfabrik Mozer als Mieter dreier Gebäude 296 ein. Im Oktober 1954 stand dann keine einzige funktionsfähige Immobilie der DAG mehr leer 297 . Dank der Akquisitionserfolge stiegen die Mieteinkünfte aus Fabrikgebäuden nach 1951 stetig an, was eine schrittweise Sanierung der von jahrelanger Vernachlässigung und Demontagen gezeichneten Gebäude zuließ. Beachtliche Erträge 298 erzielte die DAG aus der Vermietung von 25 Wohnhäusern, aus dem Holzeinschlag im firmeneigenen Wald und aus dem Verkauf von Strom, den sie vom Wasserkraftwerk Laufenburg bezog und über das werkseigene Versorgungsnetz an ihre Mieter vertrieb. Da der Vorstand kontinuierlich Personal 299 abbaute, konnte er das Unternehmen allmählich aus der Verlustzone führen. Die Liquidität war bereits im September 1953 so gut, dass man der Stadt Blumberg einen Kredit von 25.000 DM gewähren konnte 300 . Positiv auf die Finanzlage wirkte sich 1956 ein Vertrag mit der Siedlungsgesellschaft für das Doggererzgebiet aus. Letztere entließ die DAG aus ihrer Gesellschaftsbeteiligung und zahlte den Barwert für einen Kredit aus, den sie einst zum Bau der Blumberger Arbeiterhäuser beigesteuert hatte 301 . Sporadische Einnahmen brachten der Verkauf der Randenschule an die Stadt Blumberg 293 Dies waren die ehemalige Rettungsstation (Geb. 6) und die Autogarage Stoberg (Geb. 12/ 83). Als das Unternehmen 1954 den Kauf der Immobilien in Erwägung zog, lehnte der DAG-Aufsichtsrat jedoch ab. Auf die regelmäßigen Einkünfte eines 10 Jahre lang laufenden Mietvertrags wollte er nicht verzichten. 294 Geb. 13, 14, 15 und Baracke 75. 295 Gutachten Dr. Wrede über Horst Kiaulehn v. 14.6.1955, StAF G 11/ 2-164. 296 Geb. 103, 104 und 105a. 297 Übersicht v. 4.10.1954, StAF V 500/ 1-14. 298 1951 stellten Materialverkaufserlöse ca. 54 % der gesamten Erträge von rund 232.000 DM. Danach folgten Mieteinnahmen aus Wohngebäuden (13 %), aus Fabrikgebäuden (10 %) sowie Erträge aus Holzverkauf (8%). Weil die Materialbestände sukzessive abnahmen, gingen auch die Einnahmen aus ihren Verkäufen zurück. 1959 betrugen die Gesamterlöse der DAG nur noch rund 107.000 DM. Sie bestanden zu 36 % aus Mieterträgen für Fabrikgebäude und zu 32 % aus Mieterträgen für Wohngebäude. Danach folgten Gewinne aus dem Handel mit Strom (14%) und Erlöse aus dem Holzeinschlag (12 %). PB-JB 1951 und 1959, StAF V 500/ 1. 299 Die Lohn- und Gehaltssumme der DAG sank von rund 50.000 DM (1950) auf 28.000 DM (1959). Gleichzeitig verminderte sich der Belegschaftsstand von 15 (9 Arbeiter und 6 Angestellte im Jahr 1950) auf 5 Beschäftigte (3 Arbeiter, 1 Angestellter und 1 Prokurist) im Jahr 1959. 1964 gab es nur noch 1 Arbeiter und 1 Angestellten. 1968 schied der letzte Arbeitnehmer aus. PB-JB 1950, 1959, 1964 und 1968, StAF V 500/ 1. 300 DAG-ARP v. 5.9.1953, StAF V 500/ 1-14. 301 DAG-ARP v. 8.5.1955 und v. 9.4.1956, StAF V 500/ 1-14. 371 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder (1950) und die Abgabe kleinerer Gebäude, Lagerflächen und Schuppen in Randlage an örtliche Betriebe und Landwirte. Spätestens Mitte der 1950er Jahre war die DAG zu einer Grundstücksgesellschaft geworden, die ihr Industrieflächenmonopol zum Leidwesen der betroffenen Kommune weidlich ausnutzte und ihren rohstoffpolitischen Auftrag nicht sonderlich ernsthaft verfolgte. Georges Thédrel selbst räumte 1955 ein, dass die Erzversorgung der Saarhütten durch die Montanunion, effektivere Abbaumethoden, Fortschritte in der Hüttentechnologie und durch neue Funde von Erzen mit hohem Eisengehalt in Afrika deutlich besser geworden sei. Dennoch gedachte er die DAG nicht zu liquidieren, sondern begründete die Fortexistenz des Blumberger Unternehmens mit den Wünschen des Bergamts, das fest davon ausgehe, dass der Abbau von Doggererz eines Tages doch wieder in Gang komme 302 . b) Die Entsorgung der Altlasten Mit ihren Tagebauen hatte die DAG eine etwa 52 ha große Fläche rund um Blumberg verwüstet und ein verunstaltetes Landschaftsbild an den Berghängen hinterlassen 303 , das von einem Gürtel tiefer Gräben und hoher Schutthalden geprägt wurde. Zwar waren 1940 klare Auflagen zur Rekultivierung der meisten Flächen erteilt worden 304 , doch hatte das Bergamt in Freiburg zum Ärger der betroffenen Kommune entschieden, dass wegen des Kriegs die Arbeiten zurückgestellt werden dürften, weshalb die DAG ihre Tätigkeit auf die Bildung steuersparender Rückstellungen in ihren Bilanzen 305 beschränken konnte. Im Juli 1948 mahnte Heiland die Rekultivierung der Tagebaue im DAG-Aufsichtsrat an, doch reagierte Thédrel darauf »sehr ausfällig und wies mit scharfen Ausdrücken auf die Zerstörungen hin, die die Deutschen in der Normandie verursacht hätten« 306 . Thédrel hielt Heiland entgegen, dass das Vermögen der DAG durch hohe Steuerlasten und durch die Währungsreform stark dezimiert worden sei; deshalb »könne gar nicht daran gedacht werden, irgendeinen Betrag für die Geländewiederherstellung zur Verfügung zu stellen. Der Vorstand der DAG wurde angewiesen, mit dem Badischen Landeskulturamt zu verhandeln mit dem Ziele der Entlassung aus dem unter anderen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen gegebenen Versprechen« 307 . 302 DAG-ARP v. 28.3.1955, StAF V 500/ 1-14. 303 Die Auseinandersetzungen zwischen Behörden und DAG zum Thema Rekultivierung der Tagebauflächen sind archiviert in: StAB 772/ 8. 304 Die 1940 eröffneten Tagebaue am Eichberg und am Lindenbühl waren vom Bergamt Freiburg nur unter der Voraussetzung genehmigt worden, dass das Gelände später vollständig rekultiviert werde. Für die Tagebaue am Ristelberg und am Stoberg existierte zwar keine derartige Auflage, doch hatte die DAG 1940 immerhin eine Erklärung abgegeben, wonach sie diese Flächen später wieder aufforsten wolle. Aktenbefund LGRB B I a 19. 305 Sie betrugen 1948 rund 777.000 RM, davon 50 % für die Rekultivierung der Blumberger Tagebaue und 40 % für die Wiederauffüllung des Hafenbeckens bei Kehl. PB-DM-Eröffnungsbilanz v. 21.6.1948, StAF V 500/ 1. 306 Notiz Heiland über die HV/ ARS v. 1.7.1948, StAF C 33/ 1-10. 307 DAG-ARP v. 1.7.1948, StAF V 500/ 1-16. 372 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Im Blumberger Rathaus fürchte man, die DAG könne von ihren Gesellschaftern liquidiert werden, ohne sich zuvor um ihre Rekultivierungspflichten gekümmert zu haben. Die Gemeinde zielte deshalb auf ein Kompensationsgeschäft ab, in dem ihr die DAG den wertvollen Waldbesitz und die wertlosen Tagebaugrundstücke am Eichberg sowie am Lindenbühl abtrat 308 . Im Gegenzug wollte die Kommune die Rekultivierungslasten tragen. Um die Rechtslage zu klären, suchte Blumbergs Bürgermeister Karl Müller im Januar 1950 das Freiburger Bergamt auf, erhielt aber die Auskunft, dass die Gemeinde keinen Rechtsanspruch, und damit kein Druckmittel, gegenüber der DAG auf eine Rekultivierung der Flächen besaß 309 . Das Thema blieb strittig. 1951 beklagt sich die Stadt beim Landratsamt, die DAG nutze ihr Gewerbeflächenmonopol als Erpressungspotential, um Steuernachlässe durchzusetzen und die Renovierungskosten für ihre Gebäude auf die Kommune abzuwälzen. Landrat Lienhart wollte die Rechtsposition Blumbergs gegenüber der DAG stärken und drängte das Bergamt im August 1951 indirekt dazu, der DAG gegenüber endlich den Vollzug seiner Auflagen anzuordnen 310 , handelte sich jedoch eine Absage ein 311 , weil, wie Lienhart notierte, das Bergamt, »die Auffassung vertritt, daß über kurz oder lang doch wieder Tagebau betrieben werden wird« 312 . Die DAG versuchte ihrerseits möglichst billig davon zu kommen und ihre Altlasten auf die Kommune zu verlagern. Im Januar 1953 bot sie dem Rathaus die »kostenlose« Überlassung des Geländes am Eichberg an; die Flächen am Lindenbühl wollte sie dagegen einebnen, um dort entweder selbst 215 Bauplätze zu schaffen 313 oder aber das Areal an die Badische Heimstätte zu verkaufen 314 . Für die Stadt wäre das Geschäft insofern interessant gewesen, als sie bei ihren eigenen Bemühungen, Bauland für die wachsende Zahl an Industriearbeitern zu akquirieren, auf den Widerstand örtlicher Landwirte gestoßen war und die geplante Rekultivierung des Lindenbühls neuen Baugrund schaffen konnte, der nicht zu Lasten der Landwirtschaft ging. Das Projekt kam jedoch, wohl auch auf Wunsch des Bergamts, das eine Perspektive für den Bergbau am Eichberg offen gehalten wissen wollte, nicht zustande 315 . Immerhin begann die DAG 1953 damit, ihre Tagebauflächen am Lindenbühl einzuebnen und zu bepflanzen. Vergleichbare Maßnahmen am Eichberg ließen dagegen weiter auf sich warten. 308 Vermerk BA Freiburg v. 20.1.1950, LGRB 221/ 8/ 43. Mit dem Walderwerb wollte Blumberg angeblich die drohende Ausgemeindung von Hondingen und Riedböhringen erschweren. Ebenda. 309 BA Freiburg (Philipp) an BMA Blumberg v. 28.1.1950, LGRB 221/ 8/ 43. Bergrat Philipp hielt Müller vor, es sei unsinnig, ausgerechnet am Lindenbühl und am Eichberg mit der Einebnung zu beginnen, da er glaube, dass hier der Bergbau eines fernen Tages wieder beginnen werde (Vermerk Philipp über sein Gespräch mit Müller und Denzer am 22.2.1950, LGRB 221/ 8/ 43). Zugleich wurde das Wirtschaftsministerium von Philipp belehrt, er halte eine derartige Geldverschwendung »in der heutigen Zeit für unangebracht. Man sollte dafür lieber Häuser bauen«. BA Freiburg (Philipp) an SBMWA v. 28.1.1950, LGRB 221/ 8/ 43. 310 LRA DS (Lienhart) an BA Freiburg v. 16.8.1951, LGRB 221/ 8/ 43. 311 BA Freiburg (Philipp) an LRA DS v. 24.8.1951, KASB LRA DS 1694. Offen muss dabei die Frage bleiben, ob das Bergamt dem Fiskus, der ja selbst zu 50 % an der DAG beteiligt war, unerwünschte Ausgaben mit den Mitteln des Bergrechts ersparen wollte oder sollte. 312 Aktenvermerk LRA DS (Lienhart) v. 23.5.1953, KASB LRA DS 1694. 313 BMA Blumberg an LRA DS v. 16.1.1953, KASB LRA DS 1694. 314 DAG-ARP v. 5.9.1953, StAF V 500/ 1-14. 315 DAG-ARP v. 11.10.1954, StAF V 500/ 1-14. 373 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder 1957 verlor die DAG ihr bisheriges Führungspersonal: Nachdem bereits 1955 die Zwangsverwaltung des Neunkircher Eisenwerks geendet hatte 316 , kehrte im November 1956 die Familie Röchling an die Spitze ihres Unternehmens zurück 317 . Als Folge davon gaben Georges Thédrel und Alfred Roy ihre Ämter zugunsten der neuen Völklinger Werksleitung auf. Deren Direktor Dr. Hans-Werner Osthoff 318 wurde 1957 Mitglied im DAG-Aufsichtsrat; zugleich trat Prokurist August Endemann Roys vakante Stelle im Vorstand an. Mit Hermann Eustachi, der seit 1952 als Bundesvertreter im Aufsichtsrat saß, übernahm dort erstmals ein Staatsbeamter den Vorsitz. Just zu diesem Zeitpunkt verkündete die Blumberger Firma Teves ihre Absicht, ihr Werk in einiger Zeit nach Barsinghausen verlegen zu wollen, was 655 Arbeitsplätze in Gefahr brachte 319 . Um ansiedlungswilligen Investoren geeignete Flächen anbieten zu können, plante die Stadtverwaltung Blumberg der DAG ein Geländestück abzukaufen, das westlich der Immobilien von Teves im Südwerk lag 320 . Der DAG-Aufsichtsrat hatte noch unter Thédrels Leitung zugestimmt, doch wurde Blumbergs Bürgermeister Karl Müller Mitte 1957 plötzlich von Eustachi informiert, die neuen Gremienmitglieder der DAG »seien über den Geländeverkauf nicht sehr begeistert, da die Röchling-Werke an ein Aufleben des Bergwerkbetriebes glaubten« 321 . In den folgenden drei Jahren verhandelte die Stadtverwaltung mehrfach mit Endemann über das Grundstücksgeschäft, dessen Abschluss im DAG-Aufsichtsrat auf große Vorbehalte stieß 322 . Anfang 1960 teilte Teves der Stadtverwaltung schließlich mit, dass man in Blumberg bleiben und seine Betriebsanlagen stark erweitern wolle 323 , wofür man neue Flächen im Südwerk benötige. In der Völklinger Geschäftsführung, die den Kurs der DAG zu wesentlichen Teilen bestimmte, vollzog sich nun ein Positionswechsel: Hatte Endemann, der seit Doblers Tod im September 1959 allein im Vorstand der DAG saß, größere Geländeverkäufe bislang stets skeptisch beurteilt, so bot er Blumbergs Bürgermeister Karl Wilhelm Schmidt jetzt an, Teves das gewünschte Areal zu veräußern, sofern die Stadt der DAG die Tagebaue abkaufe und deren Rekultivierung auf eigene Kosten 316 Amtsblatt des Saarlandes Nr. 122 v. 13.10.1955, S. 1501. 317 Dazu: Seibold, Röchling, S. 292 ff. und Völklinger Hüttenmann 20 (1966) S. 4 ff. 318 Dr. Hans-Werner Osthoff (11.2.1911 Berlin - 3.1.2006 Starnberg): Jurist, ab 1957 Geschäftsführer der RESW. Vita in: Völklinger Hüttenmann 11 (1957) S. 90. 319 Schwarzwälder Bote v. 19.1.1956. 320 DAG-ARP v. 16.2.1957, StAF V 500/ 1-14. 321 So Eustachi lt. Sitzungsprotokoll Industrieausschuss v. 16.8.1957, StAB 772/ 4. 322 Im Herbst 1958 bekundeten die Firmen Kugelfischer und Teves ihr konkurrierendes Interesse an den DAG-eigenen Flächen. Der städtische Industrieausschuss nahm erfreut zur Kenntnis, »daß bei der Firma Teves die Möglichkeit erwogen wurde, doch in Blumberg zu bleiben«, hielt es aber unbedingt »für zweckmäßig, daß die Gemeinde Blumberg, um irgendwelchen Manipulationen der Firma Teves zuvorzukommen, unverzüglich von der Firma Doggererz-AG. 30.000 qm Gelände erwirbt«. Am 24.1.1959 wurde das städtische Gesuch im DAG-Aufsichtsrat behandelt. Der Vertreter der Saarwerke lehnte zunächst jeden Verkauf ab. Erst nach einer langen Debatte, in der Denzer versichert hatte, dass nach den letzten Planungen von 1941 das Nordwerk als Standort für den künftigen Bau von Erzbrechanlagen vorgesehen gewesen sei, gelangte der Aufsichtsrat endlich zu der Erkenntnis, dass man der Gemeinde Blumberg eine Chance geben müsse und beschloss, eine etwa 6,8 ha große Fläche im Südwerk abzugeben. DAG-ARP v. 24.1.1959, StAF V 500/ 1-14 sowie Vermerke BMA Blumberg (Schmidt) v. 9.10.1958 bzw. 26.1.1959, StAB 772/ 4 bzw. 772/ 8. 323 Vermerk BMA Blumberg (Schmidt) v. 19.1.1960, StAB 772/ 4. 374 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) übernehme 324 . Schmidt und Endemann verhandelten hart über den Preis der wertlosen Flächen, doch blieb der Stadt, die von einer für Teves günstigen Regelung der Grundstücksfrage völlig abhängig war, nichts anderes übrig, als die Bedingungen der DAG zu akzeptieren. Da Regierungspräsident Anton Dichtl versichert hatte, sich für eine Streichung der Rekultivierungsauflagen einzusetzen 325 , kaufte die Stadt der DAG rund 23 ha Tagebaufläche am Eichberg und am Lindenbühl ab. Rekultiviert wurden diese später nicht. Gegen die Gemeinde Auenheim fuhr Endemann einen ähnlich harten Kurs: 1961 gelang es ihm, deren Anspruch auf Rekultivierung des ehemaligen Hüttengeländes durch die Zahlung von 200.000 DM abzulösen. Diese Verhandlungserfolge wirkten sich sehr positiv auf die Erfolgsrechnung der DAG aus. Anfang der 1960er Jahre erzielte sie ungewohnt hohe Buchgewinne 326 , die aus der Auflösung von Rückstellungen und aus den Geländeverkäufen an Teves 327 und an die Stadt Blumberg stammten. Da die Finanzlage durch eine 1958 aus der Bundeskasse erhaltene Ablösezahlung für den Altbestand an Reichsschatzanweisungen sehr gut geworden war, konnte man 1960 einen Gewinn von über 300.000 DM 328 ausschütten und mit der Sanierung des vernachlässigten Gebäudebestands beginnen. c) Stille Liquidation Der hartnäckige Fortbestand der DAG war ein fortwährendes Ärgernis für die Stadtverwaltung: Das brachliegende Unternehmen besaß das örtliche Industrieflächenmonopol, gab sein Gelände für Neuansiedlungen nur unwillig ab und legte seine langfristigen Absichten nicht offen. Die Aufstellung eines belastbaren Flächennutzungsplans war unter diesen Umständen nur sehr schwer möglich. Mitte 1958 beschwerte sich Bürgermeister Schmidt beim Stuttgarter Finanzministerium, seine Stadt könne doch »die Lösung der anstehenden Probleme der Industrieansiedlung nicht davon abhängig machen, ob zu einem noch ungewissen Zeitpunkt mit der Wiederaufnahme des Bergbaus gerechnet werden kann« 329 . Dabei zielte die Stadt nicht nur auf die Gewinnung von Industrieflächen ab, sondern versuchte auch den DAG-eigenen Steppacher Hof in ihren Besitz zu bringen, um örtlichen Landwirten eine attraktive Kompensation für die Preisgabe von Bauland anbieten zu können. Schmidt musste jedoch 1959 frustriert erkennen, »daß irgendwelche konkreten Absichten oder Planungen bei der Firma Doggererz z. Zt. noch nicht vorhanden sind. Es ist sogar festzustellen, daß innerhalb des Aufsichtsrates die Meinungen der 324 DAG-ARP v. 26.3.1960, StAF V 500/ 1-14. 325 Vermerk Schmidt über sein Gespräch am 30.6.1960 mit Dichtl, StAB 772/ 8. 326 1960 erzielte die DAG 184.000 DM Buchgewinne aus dem Verkauf der Tagebaugelände an die Stadt Blumberg und aus dem Betriebsflächenverkauf an Teves. Hinzu kam die Auflösung von Rückstellungen für Rekultivierung der Blumberger Tagebaue (206.000 DM) und des Hüttenwerksgeländes Kehl/ Auenheim (270.000 DM). PB-JB 1960 und 1961, StAF V 500/ 1; ARP v. 25.2.1961 und v. 27.2.1962, StAF V 500/ 1-14. 327 Teves erwarb im Juli 1960 das 6,8 ha große Areal im Südwerk. Die Stadt subventionierte den Kauf stark. 328 PB-JB 1958 und 1960, StAF V 500/ 1. 329 BMA Blumberg (Schmidt) an FMBW v. 21.7.1958, StAB 772/ 8. 375 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder einzelnen Vertreter erheblich voneinander abweichen, sich zum Teil widersprechen und kein klares Bild über die weiteren Möglichkeiten geben« 330 . Nachdem im Januar 1960 eine Einigung über den Flächenverkauf an Teves erzielt worden war, schöpfte man Hoffnung im Rathaus, dass die Liquidation der DAG doch noch vollzogen werden könne. Im April 1960 vertraute der langjährige Prokurist Ernst Denzer Bürgermeister Schmidt an, »dass Völklingen - welches in der Gesellschaft nach wie vor die führende Rolle spiele - z. Zt. nicht an der Gesellschaft interessiert sei. Dir. Endemann werde nächstes Jahr ausscheiden. […] Gen.Dir. Dr. Osthoff habe sich bisher um die Sache kaum gekümmert, womit ein gewisses Desinteresse zu beweisen sei. Bezüglich der Doggererz A.G. werde nur verwaltet. Auch ihn habe bezüglich der Geländeabgaben die neue Einstellung beeindruckt, nachdem bisher stets von Völklingen jeder Verkauf - wie z.B. in Neudingen abgelehnt worden sei. Ebenso fehle auch jede Linie seitens des Bundes und des Landes. Nach dem Tode von Reg. Dir. Eustachi habe der Bund auf einen Sitz im Aufsichtsrat verzichtet, dafür solle ein Vertreter der […] OFD Freiburg nachrücken. […] Man könne annehmen, dass nach dem Ausscheiden von Herrn Denzer kein Nachfolger mehr komme, womit die Liquidationsabsicht - mindestens von Völklingen her gesehen - langfristig noch verdeutlicht werden würde« 331 . Tatsächlich aber versah Endemann weiterhin sein Vorstandsamt und deutete Bürgermeister Schmidt im April 1961 den Fortbestand der DAG an. Die Abgabe des Steppacher Hofs kam für ihn nicht in Betracht, weil er als Standort für die künftigen Werksanlagen reserviert sei 332 . Denzer hielt allerdings weiterhin an der These fest, die DAG werde wohl bald liquidiert und begründete sie damit, »daß auf dem Gebiet der Erzwirtschaft zunehmend binneneuropäische Gruben geschlossen werden und überseeische Erze antransportiert werden« 333 . Ernst Denzer ging nach 25jähriger Tätigkeit für die DAG 1963 in den Ruhestand. Er erhielt umgehend einen Nachfolger, der ihn und den ausgeschiedenen Endemann ersetzte. Im Sommer 1963 übernahm der pensionierte Finanzbeamte Willi Stahl die Vorstandsgeschäfte im ärmlich ausgestatteten DAG-Büro, in dem er weder über Hilfskräfte, noch über eine elektrische Schreibmaschine oder einen Kopierer verfügte 334 . Mit Stahls Engagement waren, entgegen Denzers Prognose, die Weichen für den Fortbestand der DAG gestellt. Mitte 1964 resümierte der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Ewald Ackers, durch die planmäßige Sanierung des Personalhaushalts und durch die restlose Nutzung des Anlagevermögens sei man heute so aufgestellt, dass das Unternehmen sich, wenn nicht völlig unvorhergesehene Dinge einträten, nicht nur dauerhaft tragen könne, sondern auch kleine Gewinne abwerfen werde. Die Lage sei nun so, dass die DAG, solange es die Gesellschafter wünschten, fortbestehen werde und sich den Besitz ihrer Erzkonzessionen erhalten könne 335 . 330 Vermerk BMA Blumberg (Schmidt) v. 26.1.1959, StAB 772/ 8. 331 Vermerk Schmidt v. 27.4.1960, StAB 772/ 8. 332 Vermerk Schmidt v. 12.4.1961, StAB 772/ 8. 333 Vermerk Schmidt v. 22.1.1962, StAB 772/ 8. 334 Eine zeitgemäße Büroausstattung erhielt Stahl erst Mitte 1964. DAG-ARP v. 31.7.1964, StAF V 500/ 1-14. 335 DAG-ARP vom 31.7.1964, StAF V 500/ 1-14. 376 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Es folgte eine Dekade der Stagnation, in der aktive oder pensionierte Landesbeamte die Geschicke der DAG bestimmten 336 . Unter ihrer Leitung beschaffte sich das Unternehmen rein vorsorglich vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium einen Bescheid zur Verlängerung ihrer Eisenerz-Konzession, der bis zum 31. Dezember 1997 galt 337 . Die im Aufsichtsrat weiterhin vertretenen, von der beginnenden Stahlkrise Ende der 1960er Jahre aber bereits betroffenen Saarwerke dürften wohl keine großen Hoffnungen mehr auf die Eisenerze der Baar gesetzt haben. Anfang der 1970er Jahre leiteten die Gesellschafter schließlich die stille Liquidation der DAG ein 338 . Eine erste Maßnahme bildete 1973 die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH 339 . Der Aufsichtsrat hielt sie für nötig, um den erweiterten Publizitätspflichten des neuen Aktiengesetzes von 1965 zu entgehen. Gleichzeitig setzte man das Stammkapital von 400.000 DM auf 100.000 DM herab. Ab 1974 erfolgten dann massive Verkäufe des Sachvermögens: Die Wohnhäuser wurden meist von den bisherigen Mietern erworben, die marktübliche Preise zu zahlen hatten. Deutlich schwieriger gestaltete sich die Veräußerung der Betriebsgrundstücke, was in einem geringen Nachfragepotential seine Ursache hatte, aber auch darin, dass manche Anlagen und Gebäude in einem höchst desolaten Zustand waren. Das marode Stromleitungsnetz wurde nur deshalb von der Stadt erworben, weil ihr die DAG eine hohe Abfindung für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen überwies. Dennoch stellte sich die Liquidation der DAG als sehr ertragreich heraus: Da ihr Immobilienbesitz bilanziell stark unterbewertet 340 worden war, erzielte sie durch die Auflösung von stillen Reserven Millionengewinne 341 , die sie an ihre Eigentümer ausschüttete. In der Gesellschafterversammlung vom 4. April 1979 wurde schließlich die offene Liquidation beschlossen. Geschäftsführer Breinlinger und Ministerialrat Zeller, der im Mai 1974 den Vorsitz im Aufsichtsrat übernommen hatte, realisierten das Vorhaben. Am 14. November 1983 wurde die Firma aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen gelöscht 342 . 336 Ackers Amt als Aufsichtsratsvorsitzender übernahm Ende 1964 der Ministerialbeamte Dr. Karl Breinlinger; 1968 gab Stahl seinen Vorstandsposten auf. Die Nachfolge trat Albert Zädler an, ein früherer Finanzbeamter aus Villingen (Schwarzwälder Bote Nr. 180 v. 7.8.1968). Zädler wurde 1974 durch Breinlinger abgelöst, der vom Aufsichtsrat in den Vorstand wechselte. 337 Bescheid FMBW v. 8.12.1967, LGRB 221/ 8/ 10. 338 Im Grunde hatte die stille Liquidation schon 1949 begonnen. Das damalige Anlagevermögen von 1 Mio. DM sank in der Folgezeit stetig ab. 1969 betrug es nur noch 43 % des Werts von 1949. Das Umlaufvermögen verfünffachte sich zwischen 1949 und 1960 von ca. 157.000 DM auf rund 827.000 DM. Die stille (allmähliche) Liquidation wurde gewählt, um Progressionseffekte bei den Ertragssteuern zu vermeiden und günstige Marktlagen bei der Veräußerung des Anlagevermögens auszunutzen. Diverse PB-JB, StAF V 500/ 1. 339 HRB 902 Do, Amtsgericht Villingen-Schwenningen. 340 Allein für ihren Waldbesitz erhielt die DAG 1,2 Mio. DM. 1940 hatte sie die Flächen für ca. 407.000 RM vom Haus Fürstenberg erworben. PB-JB 1975, StAF V 500/ 1. 341 Einschließlich Liquidationserlös erzielte die DAG zwischen 1970 und 1979 Gewinne (nach Steuern) in Höhe von rund 3 Mio. DM, die sie sukzessive an ihre Gesellschafter ausschüttete. Befund StAF V 500/ 1. 342 HRB 610902, Amtsgericht Freiburg. 377 4. Immobiliengesellschaft im Wirtschaftswunder Abb. 72: Das Südwerk im Sommer 1993. Blick nach Süden. Rechts der Bereich der früheren Röstofenhalle, links die Reste des Lurgi-Aufbereitungskomplexes, auf denen neue Gebäude errichtet wurden. Bild: Seidelmann. Abb. 73: Das Nordwerk 1997. Blick nach Nordwesten: Im Vordergrund die ehemalige Waschkaue am Stoberg, rechts daran anschließend das 1940 gebaute Verwaltungsgebäude der DAG. Am gegenüberliegenden Osthang des Eichbergs das alte, um 1936 errichtete Verwaltungsgebäude. Bild: Seidelmann. 378 VII. Vom Produktionsbetrieb zum Filetstück (1941 - 1983) Abb. 74 und 75: Nordwerk der DAG. Blick vom Stoberg auf den gegenüber liegenden Stollenmund und das alte Ve rw altungsgebäude am Ei chberg, aufgenommen währ end des Ba us der Fö rd erbr ücke um 1937 (oben) und um 1940 (unten). Im unteren Bild rechts das (alte) Transformatorenhaus, mittig die Förderwagen für die Tagebaue. Bilder: Sammlung Prillwitz. 379 VIII. Zusammenfassung 1. Veränderungen der Machtbalance zwischen NS-Staat und Montanbetrieben Das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft wandelte sich im Laufe der Entwicklung des Doggererz-Projekts grundlegend: Zunächst war der Eisenerzabbau auf Initiative und im Eigeninteresse der privaten Hüttenindustrie entstanden. Die Partei meldete ihre rüstungspolitisch motivierten Wünsche jedoch rasch an und sah sich mit unterschiedlichen Reaktionen der Montankonzerne konfrontiert: Während die Gutehoffnungshütte 1933/ 34 dem Druck zum Ausbau ihres Gutmadinger Betriebs widerstand, stimmten die durch Trennung von ihrer Minetteerz-Basis bedrohten Saarwerke ihre Pläne frühzeitig mit Hitlers Wirtschaftsberater Keppler ab. Dessen mangelndes Durchsetzungsvermögen verhinderte, dass es an irgendeiner Stelle zu konkreten Ergebnissen seiner Tätigkeit kam. Insofern blieben »bürgerliche Ordnung« und »negative Vertragsfreiheit« 1 anfangs weitestgehend unangetastet. In einer zweiten Phase versuchten die beiden Saarwerke, die Mitte 1935 mit ihrem Projekt in eine Kostenfalle gelaufen waren, den Staat vor den Karren ihrer Interessen zu spannen. Als Frankreich den mit Deutschland bestehenden Handelsvertrag kündigte und Reichswirtschaftsminister Schacht aus verhandlungstaktischen Gründen den inländischen Eisenerzabbau forcierte, handelten sowohl Ruhrals auch Saarwerke in Erwartung eines öffentlichen Förderprogramms. Vor dem Hintergrund der Nachricht, dass der Staat andernorts großzügige Subventionen an die Rüstungsindustrie verteilte und deren Investitionsrisiken übernahm, bliesen Otto Wolff und Hermann Röchling ihr unrentables Vorhaben zu einem überdimensionierten Rüstungsprojekt von angeblich nationaler Bedeutung auf. Dieses Verhalten stützt Gauls These, dass »gewinnmaximierendes Verhalten in der Zeit ab 1933 zunehmend [bedeutete], die staatlichen Stellen günstig für das eigene Vorhaben zu beeinflussen« 2 . Die Strategie der Saar erwies sich als Bumerang: Schacht erkannte weder den Rüstungscharakter des Projekts an, noch war er zur Subventionszahlung bereit. Der Weg zu Keppler und Pleiger führte in eine Sackgasse und erhöhte lediglich die Erwartungshaltung der Partei, ohne dass es zu einer Korrektur im Sinne der Saar kam. Um seine eigenen Ziele zu erreichen, setzte Schacht die »negative Vertragsfreiheit« bei der deutschen Eisenindustrie teilweise außer Kraft und erteilte ihr maßvolle Förderauflagen, die im Gewande einer freiwilligen Selbstverpflichtung daherkamen. Die Ruhrindustrie akzeptierte den Investitionszwang und verzichtete auf die Forderung nach einer staatlichen Gegenleistung. Die beiden von deutschen Eignern beherrschten Saarwerke ließen es jedoch auf eine Machtprobe ankommen. Sie sabotierten die Erfüllung ihrer Auflage mit technischen Vorwänden und 1 Zu den Begriffen siehe Kap. I/ 2. 2 Gaul, Anlageinvestitionen, S. 427. 380 VIII. Zusammenfassung machten sie davon abhängig, dass das Reichswirtschaftsministerium die drei ausländisch dominierten Saarwerke zum Projektbeitritt zwang. Stellt man eine Zwischenbilanz zum Sommer 1936 auf, so ist festzuhalten, dass bereits unter Schacht mehr oder minder effektiv - direkter staatlicher Zwang auf die Privatwirtschaft ausgeübt wurde. Dass dieses teilweise auf Initiative der Wirtschaft selbst geschah, ist zwar bemerkenswert, aber per se noch kein Indiz für deren Kumpanei mit dem Nationalsozialismus, denn schließlich würden amtliche Investitionsauflagen auch in einem Rechtsstaat den Wunsch der Betroffenen auslösen, die Behörden mögen für eine gleichmäßige Lastenverteilung sorgen. Der Vierjahresplan stellte durchaus eine Zäsur im staatlichen Umgang mit der Montanindustrie dar. Obwohl der Griff zu Zwangsmitteln nicht neu war, so sprengten doch die extrem erhöhten Vorgaben für die Erzförderung und die unverhüllte Brutalität, mit der der staatliche Investitionszwang ausgeübt wurde, den bislang gewohnten Rahmen. Die Werke hatten keineswegs die Möglichkeit, sich zwischen mehreren, von den Behörden unterschiedlich privilegierten Investitionsalternativen zu entscheiden, sondern nur noch die Wahl zwischen Anpassung und Verweigerung. Dass Letztere zum Verlust ihres Eigentums auf der Baar führen konnte, hatte Pleiger den Stahlindustriellen 1937/ 38 mehrfach vor Augen geführt und im Falle der Gutehoffnungshütte nur deshalb nicht umgesetzt, weil Paul Reusch am Ende nachgegeben und Pleiger im steirischen Erzberg ein interessanteres Objekt gefunden hatte. Unter diesen Umständen ist erklärbar, dass die rüstungswirtschaftlich unbedeutende saarländische Eisenindustrie dem Anpassungsdruck eher nachgab als ihre mächtige Konkurrenz an der Ruhr. Durch ihre Uneinigkeit trugen die Saarindustriellen zu ihrer eigenen Machtlosigkeit bei. Insbesondere Röchling, der Löb im Herbst 1936 zu utopischen Planungsgrößen anstachelte, konterkarierte den auf Schadensbegrenzung gerichteten Kurs der Otto-Wolff- Gruppe. Als extrem kontraproduktiv sind auch die erfolglos gebliebenen Versuche des Kommerzienrats zu werten, sich hinter dem Rücken seiner Partner mit Pleiger zu verständigen, um Subventionen für den Bau eines eigenen Hüttenwerks auf der Baar zu generieren. Statt sich auf die Formulierung einer gemeinsamen Position gegenüber den Behörden zu verständigen, betrieben die Saarindustriellen ihre Selbstgleichschaltung. Sie integrierten führende Vertreter von Partei und Staat in ihre innerbetrieblichen Entscheidungsprozesse, zerstritten sich über technische wie finanzielle Fragen und werteten die Position Pleigers unnötig auf, indem sie ihn zum Schiedsrichter in ihrem Streit erhoben. Es ist bezeichnend, dass es die Werke nicht einmal wagten, ohne Pleigers Segen zu entscheiden, wer Aufsichtsratsvorsitzender oder Bergbaudirektor ihres eigenen Doggererz-Unternehmens werden sollte. Die Niederlage der Ruhrindustrie im Streit um die Salzgitter-Erze und die Gründung der Reichswerke Hermann Göring, von Zeitgenossen durchaus als eine grundsätzliche Abkehr von der bisher geltenden liberalen Wirtschaftsverfassung gewertet 3 , bestärkten die Vertreter der Otto-Wolff-Gruppe und der Saarwerke in ihrer Überzeugung, dass der von ihnen gewählte Anpassungskurs erfolgversprechend sei. Röchling sonnte sich in seinem Triumph über Schacht und die ungeliebte Konkurrenz an der Ruhr, doch war unübersehbar, dass er nach Pleigers Alleingang in Salzgitter mit leeren Händen dastand und selbst eine totale Niederlage erlitten hatte. 3 Siehe Kap. IV/ 6/ c. 381 1. Veränderungen der Machtbalance zwischen NS- Staat und Montanbetrieben Der ab 1938 von allen Saarwerken gemeinsam unternommene Versuch, sich mit Hilfe volks- und betriebswirtschaftlicher Argumente dem staatlichen Investitionsdiktat zu entziehen, scheiterte kläglich und löste nur dezidierte Enteignungsdrohungen seitens der NS-Instanzen aus. Nach Schachts Abgang und der Übernahme des Reichswirtschafts ministeriums durch den Parteiapparat präsentierte der neue Hauptabteilungsleiter von Hanneken den Saarindustriellen seinen kostenträchtigen Plan zum Bau eines Hochofenwerks auf der Baar, das im Frieden die saarländische Roheisenproduktion erhöhen, im Krieg aber der rüstungswirtschaftlich wichtigen Ruhrindustrie als Erzeugungsgrundlage dienen sollte. Das Reichswirtschaftsministerium ordnete den Vollzug des Hüttenbaus jedoch nicht einfach an, sondern stellte der Privatindustrie finanzielle Anreize in Aussicht, über deren Umfang und Dauer verhandelt werden sollte. Wie stark das Reich daran interessiert war, eine Konfrontation mit der Wirtschaft zu vermeiden, erhellt die Taktik von Hannekens, der, um den Widerstand gegen sein Projekt innerhalb der Saarwerke zu brechen, zuerst auf die Kooperation Otto Wolffs zurückgriff und anschließend der Ruhrindustrie eine wesentliche Mitverantwortung über den Umfang des Subventionsprogramms für die Saar übertrug, indem er die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie mit der Erstattung eines diesbezüglichen Gutachtens beauftragte. Die Zustimmung der Saarwerke zu von Hannekens Hüttenprojekt lässt sich nicht ausschließlich auf den Ausstoß staatlicher Enteignungsdrohungen zurückführen. Drei der beteiligten Werke wollten es im Januar 1939 offensichtlich auf einen Bruch ankommen lassen; Röchling und Wolff setzten dagegen auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Staat und verhinderten die Bildung einer gemeinsamen Abwehrfront. Ihre Motive dürften, wie besonders im Falle Röchlings unübersehbar zutage tretend, auch in der Wahrung unternehmensegoistischer Interessen zu suchen sein. Otto Wolff und einige Ingenieure des Neunkircher Eisenwerks beurteilten die Rentabilität eines hauptsächlich vom Staat finanzierten Hüttenwerks jedenfalls positiv. Dennoch wird man nicht außer Acht lassen dürfen, dass Zwang auch hier eine Rolle spielte: Sämtliche Saarwerke waren einem seit 1937 geltenden Staatsdiktat zur Förderung und Verhüttung wachsender Mengen Doggererz ausgesetzt. Die daraus in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht resultierenden Schwierigkeiten mussten auf die eine oder andere Weise gelöst werden. Die Wolff-Gruppe sah es als erfolgversprechend an, diese Probleme im Wege des staatlich gewünschten Hüttenbaus zu lösen und im Gegenzug attraktive wirtschaftliche Bedingungen für die beteiligten Saarwerke zu fordern. Der Verhandlungsverlauf dokumentiert einen starken Einigungswillen zwischen Staat und Wirtschaft. Das Reichswirtschaftsministerium und die Otto-Wolff-Gruppe zogen es vor, strittige Grundsatzfragen lieber auszuklammern und deren Klärung auf die Zukunft zu verschieben, als ein Scheitern der Gespräche zu riskieren. So wird den erfahrenen Juristen beider Seiten wohl kaum entgangen sein, dass ein diametraler Gegensatz bestand zwischen der illusionären Auffassung Siederslebens, wonach das Reich auf alle Zeit die Defizite des Vorschmelzwerks übernehmen werde und der Ankündigung von Hannekens, es würden sämtliche staatlichen Zahlungen nach Vollendung des Werks eingestellt. Schließlich ist der Umstand, dass die Verhandlungen zur Bereinigung dieser Differenzen 1½ Jahre andauerten und mit einem faulen Kompromiss endeten, der vom Reichsfinanz- 382 VIII. Zusammenfassung ministerium nur widerstrebend akzeptiert wurde, ein klarer Beleg dafür, dass die Privatwirtschaft selbst bei einem rüstungswirtschaftlichen Großprojekt in finanzieller Hinsicht dem Staat nicht wehrlos ausgeliefert war. Am Grundkonsens selbst durfte allerdings nicht mehr gerüttelt werden, wie das Scheitern der im Juni 1940 von Siedersleben ergriffenen Initiative zeigt, das - aus Sicht der meisten Saarwerke - nach der Einnahme des lothringischen Minettereviers sinnlos gewordene Projekt zu beenden. Im Herbst 1940 setzte ein Prozess massiver Machterosion zu Lasten der Wirtschaft und des bislang federführenden Reichswirtschaftsministeriums ein. Dem von Carl Krauch geleiteten Reichsamt für Wirtschaftsausbau gelang es im Zusammenwirken mit anderen parteipolitischen Instanzen die strategische Zielsetzung des Hüttenprojekts entscheidend zu verändern. Die mit dem badischen Reichsstatthalter Robert Wagner abgesprochene Standortverlegung von Neudingen nach Kehl bedeutete die Abkehr von einem rüstungswirtschaftlich motivierten Rohstoffsicherungskonzept hin zum Aufbau eines schwerindustriellen Clusters für das südbadische Wirtschaftsgebiet. Der Saar fiel in diesem Konzept die unpopuläre Zwangsaufgabe zu, ihre eigene Konkurrenz am Oberrhein mitzufinanzieren und aufzubauen. Diese Entscheidung fiel nicht in der Gesellschafterversammlung oder im Aufsichtsrat der Doggererz AG, wo der Staat als paritätischer Miteigentümer ja durchaus ein großes Mitspracherecht besaß. Sie war vielmehr das Ergebnis eines Machtkampfs verschiedener Gruppierungen in der Partei- und Ministerialhierarchie, die den Willen der privaten Gesellschafter völlig überging. Daher wird man die Standortverlegung als einen direkten Eingriff des Staats und der Partei in die Vertrags- und Investitionsfreiheit der Wirtschaft nennen dürfen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Saarwerke der Entscheidung später notgedrungen zustimmten und die Doggererz AG Entschädigungen für die in Neudingen getätigten Fehlinvestitionen erhielt. Die Spätphase der Doggererz AG war geprägt vom Verfall wirtschaftspolitischer Ordnungsgrundsätze und einem partiellen Funktionsverlust innerbetrieblicher Organisationsstrukturen. So kollaborierte der Aufsichtsratsvorsitzende mit dem Vorstand und den staatlichen Instanzen in zentralen Fragen gegen die Interessen der privaten Gesellschafter. Strategische Investitionsentscheidungen, wie über den Kokereibau in Kehl oder die Aufnahme einer Zulieferfertigung für Messerschmitt, hingen in letzter Instanz von den Beschlüssen des Staats ab. Die handelsrechtlich verantwortlichen Gremien segneten am Ende nur das ab, was in Berlin entschieden worden war. Bezeichnenderweise sahen sich die Saarwerke außerstande, die von ihnen gewünschte Einstellung des gesamten Projekts im Aufsichtsrat zu beschließen, sondern sie mussten den Umweg über Pleiger und Speer nehmen, um sich am Ende gegen das Reichswirtschaftsministerium durchzusetzen. Selbst den Käufer für ihr obsolet gewordenes Kraftwerk konnten sie nicht selbst bestimmen. Unter diesen Umständen mag man den hier behandelten Fall als Beleg dafür werten, dass sich die Machtbalance zwischen Unternehmen und Staat seit 1937 stetig, ab 1941/ 42 deutlich zu Lasten der Wirtschaft verschob und »bürgerliche Ordnung« wie »negative Vertragsfreiheit« nur noch eingeschränkt galten. 383 2. Die Verantwortung der Wirtschaft 2. Die Verantwortung der Wirtschaft Die Frage, ob und in welchem Umfang die am Blumberger Doggererz-Projekt beteiligten Firmen und Personen eine Mitverantwortung für die Führung der nationalsozialistischen Angriffskriege trifft, ist differenziert zu betrachten. Zweifellos stachelten im September 1935 Otto Wolff, Erich Tgahrt und Hermann Röchling Partei und Staat zu massiven Rüstungsausgaben an. Allerdings gibt es bezüglich der Otto-Wolff-Gruppe und des Neun kircher Eisenwerks keinen Beleg dafür, dass dies in der Absicht geschah, einen Angriffskrieg zu provozieren. Die Aktion der Saarhütten-ARGE vermittelt eher den Eindruck, dass eine Gesellschaft von Konjunkturrittern eifrig darum bemüht war, sich ein großes Stück vom staatlichen Subventionskuchen zu sichern, um damit ihre eigenen betriebswirtschaftlichen Ziele zu finanzieren. Röchling verfolgte darüber hinaus aber auch aggressive außenpolitische Ziele: Sein intensives, mit militärischen Argumenten untermauertes Werben für einen Hüttenbau auf der Baar, das er 1936/ 37 bei Oberst Löb und Hermann Göring hinter dem Rücken seiner Partner in Köln und Neunkirchen unternahm, lässt nur den Schluss zu, dass der Kommerzienrat einen Krieg gegen Frankreich nicht nur billigend in Kauf nahm, sondern sogar guthieß. Man wird Röchling nicht den Vorwurf ersparen können, dass er sich Hitlers revanchistischer Politik als Komplize andiente. Insofern erscheint sein partieller Freispruch im Rastatter Tribunal durchaus fragwürdig. Im Zuge des Vierjahresplans änderte sich die Situation grundlegend: Einerseits waren die Saarwerke mit der ultimativen Forderung des Staats konfrontiert, ihren Blumberger Rüstungsbetrieb deutlich auszubauen, andererseits konnte seit Hitlers und Görings apokalyptischem Auftritt im Preußenhaus kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Aufrüstung zum Krieg führen sollte. Von den Direktoren der Wolff-Gruppe wurde die martialische Rhetorik nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern von einigen Betriebsleitern sogar ausdrücklich begrüßt 4 . Die - neben Röchling - tonangebende Doggererz-Gesellschafterin beugte sich anschließend dem Staatsdiktat. Ob dies wirklich am Zuspruch zum nationalsozialistischen Kriegskurs lag oder doch eher unternehmensstrategische Erwägungen den Ausschlag gaben, weil man das gute Verhältnis 5 zu den NS- Machthabern nicht gefährden und keine Enteignung der Blumberger Anlagen riskieren wollte, wird sich kaum klären lassen. Zwar gab es sehr wohl partiellen Widerstand seitens der Saarwerke, doch war er nicht die Folge politischer Renitenz, sondern Ausdruck einer als unzumutbar empfundenen finanziellen Last. Diese Haltung war völlig rational im Sinne betriebswirtschaftlicher Zielsetzungen, aber eben auch ethisch fragwürdig. Dass die Beteiligten den finalen Aufrüstungszweck bestens kannten, belegt die Analyse Röchlings von 1938, wonach es eine völlig »verrückte Situation« 6 sei, den Aufsichtsratsvorsitz der Doggererz-Bergbau GmbH ausgerechnet einem Ausländer aus dem benachbarten Luxemburg anzuvertrauen. 4 Dülfer, Gruppe, S. 176. 5 So berichtete 1937 der zur Wolff-Gruppe gehörende Direktor Otto Make, dass Hermann von Hanneken, »nachdem Pleiger mich als […] Angehörigen der Gruppe Otto Wolff vorstellte, wörtlich äusserte: ›dieser Sektor der Schwerindustrie sei in Ordnung‹«. Vertrauliche Notiz Make v. 29.11.1937, RWWA 72-43-4. 6 Siehe Kap. IV/ 4/ c. 384 VIII. Zusammenfassung In der Sudetenkrise trat offen zutage, dass Hitlers Politik auf einen militärischen Konflikt abzielte. Nach dem im März 1939 erfolgten Überfall auf Tschechien muss den Saarindustriellen klar gewesen sein, dass das von Berlin geforderte Hüttenwerk auf der Baar in einem kausalen Zusammenhang mit der Führung eines - über kurz oder lang - von deutscher Seite ausgelösten Krieges stand. Die Leitung der Otto-Wolff-Gruppe entschied sich in dieser außenpolitisch stark angespannten Situation, eine Hauptrolle bei der Projektdurchsetzung zu übernehmen. Auch wenn unternehmensstrategische Gründe ursächlich gewesen sein dürften, so begünstigte die Kölner Gruppe mit ihrer Entscheidung doch einen Unrechtsstaat, der die Grundregeln des Völkerrechts mehrfach gebrochen hatte und keinerlei Anlass bot, auf Besserung zu hoffen. Es entbehrt nicht einer persönlichen Tragik, dass Otto Wolff, der in den 1920er Jahren die Verständigungspolitik Stresemanns unterstützt hatte, im Februar 1939 seine widerspenstigen Kollegen auf dieses Rüstungsprojekt einschwor und sich wenige Tage vor Kriegsbeginn mit Hermann von Hanneken über die Gründung der Doggererz AG abstimmte. Rudolf Siedersleben, ein Technokrat, der dem Doggererz-Projekt aus betriebswirtschaftlichen Gründen skeptisch gegenüberstand, führte die Detailverhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium. Darüber hinaus tragen sämtliche Aufsichtsräte, Geschäftsführer und Vorstände der Doggererz AG die Mitverantwortung für zahlreiche Rechtsverletzungen ihres Unternehmens, das zwar selbst unter starkem Erfolgsdruck durch die Behörden stand, diese Last aber auch ungerührt an Schwächere weitergab. Zu den besonders dunklen Kapiteln der Firmengeschichte zählen die chronische soziale Inkompetenz, die Initiierung und Mitbeteiligung an der zwangsweisen Rekrutierung saarländischer Bergleute und die Verantwortung für deren lebensgefährliche Arbeitsbedingungen. Das schlechteste Los hatten freilich Hunderte, zumeist polnische Zwangsarbeiter, die ab März 1940 in Blumberg kaserniert und gnadenlos schikaniert wurden. Die menschenverachtende und in vielen Fällen auch rechtswidrige Realisierung des nationalsozialistischen Vierjahresplan-Vorhabens auf der Baar wäre ohne die Kollaboration der Wirtschaft nicht möglich gewesen. 3. Zur Rationalität des Projekts Das Doggererz-Projekt konnte die Hoffnungen seiner Verfechter nie erfüllen. Es verursachte vielmehr hohe volks- und betriebswirtschaftliche Verluste. Überleben konnte der Bergbau auf der Baar nur als hochdefizitäres Rüstungsprojekt, dessen Lasten von der betroffenen Industrie oder dem Staat zu tragen waren. Seinen Zweck, die Sicherung der deutschen Stahlproduktion im Kriegsfall, verfehlte er völlig. Bereits 1938 hätten der reichsweite Mangel an Hochofenraum und der wachsende Überfluss an qualitativ besseren Inlandserzen 7 eine Stilllegung des Blumberger Betriebs nahegelegt. Der Anfang 1939 getroffene Beschluss zum Bau eines Hochofenwerks auf der Baar, das die rheinisch-westfälische Stahlindustrie im militärischen Konfliktfall mit Eisenerz versorgen sollte, war zwar logisch und in sich konsistent, doch verhinderte die lange Planungsdauer, dass sich praktische Erfolge einstellten. Statt nach Kriegsbeginn an dem Projekt festzuhalten, wäre 7 Siehe Kap. V/ 1 Anm. 7 und V/ 2/ b. 385 3. Zur Rationalität des Projekts es rational und für die spätere Kriegsphase nützlich gewesen, dem Vorschlag des Reichsfinanzministeriums vom März 1940 zu folgen und die Reichsbahn für größere Transportaufgaben zu ertüchtigen. Die vom Reichswirtschaftsministerium im Sommer 1940 verfolgte Strategie, den Widerstand der meisten Saarwerke gegen das Gesamtprojekt zu ignorieren und trotz des enormen, als Folge des Westfeldzugs eingetretenen Zuwachses an Verhüttungs- und Erzförderkapazitäten den Bau des Vorschmelzwerks bei Neudingen fortzusetzen, lässt sich nicht mehr rational, sondern nur noch mit der Existenz politischer Beharrungskräfte erklären. Letztere waren auch dafür verantwortlich, dass trotz der im Winter 1940/ 41 einsetzenden Kohlenkrise noch über ein Jahr lang Hunderte Bergleute, die in den Kohlezechen dringend benötigt wurden, ein Eisenerz auf der Baar förderten, gegen dessen Verhüttung die gesamte Montanindustrie vor allem deshalb Sturm lief, weil es einen unwirtschaftlich hohen Kohleverbrauch verursachte. Abb. 76: Der Lurgi-Drehrohrofen war bis zur Konzeption des Vorschmelzwerks der Garant dafür, dass das Blumberger Erz im Kriegsfall sowohl an der Saar als auch an der Ruhr verarbeitet werden konnte. Bild: Sammlung Prillwitz. 386 VIII. Zusammenfassung Abb. 77: Leitende Betriebsangestellte der Doggererz AG. Ganz links: Karl Breiing, neben ihm Kurt Heyer. Vierter von rechts: Steiger Georg Schloms. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb.78: Hermann Röchling, Ministerpräsident Walter Köhler und Heinrich Landschütz, der Leiter des Oberbergamts Karlsruhe, Mitte Juni 1938 im Südwerk der Doggererz AG. Bild: Sammlung Prillwitz. 387 IX. Die Verantwortlichen 1. Das Management der DBG und der DAG a) Gesellschafter und Aufsichtsrat Kapitalbeteiligungen an der Doggererz-Bergbau GmbH bzw. an der Doggererz AG in 1.000 RM (in Prozent) Gesellschafter 1.2.1936 Ende 1937 Ende 1940 Ende 1941 Neunkircher Eisenwerk 1.000 (50,00) 540 (27,00) 5.544 (13,86) 5.774 (14,43) Röchling, Völklingen 1.000 (50,00) 540 (27,00) 5.544 (13,86) 5.774 (14,43) Burbacher Hütte 540 (27,00) 5.544 (13,86) 5.774 (14,43) Dillinger Hütte 250 (12,50) 2.568 (6,42) 2.678 (6,70) Halbergerhütte¹ 130 (6,50) 800 (2,00) Deutsches Reich 20.000 (50,00) 20.000 (50,00) Stamm-/ Grundkapital 2.000 (100,0) 2.000 (100,0) 40.000 (100,0) 40.000 (100,0) 1 Die Halbergerhütte schied am 26.9.1941 aus dem Gesellschafterkreis aus. Vertretung der Gesellschafter im Aufsichtsrat der Doggererz AG¹ Gesellschafter August 1939 Ende 1942 1946 Neunkircher Eisenwerk (NE) Otto Wolff (pers. Sitz) Rudolf Siedersleben Eugen Kugener² Rudolf Siedersleben Heinrich Puppe Jacques Kryn Röchling, Völklingen (RESW) Hermann Röchling Hans L. v. Gemmingen Hermann Röchling Hans L. v. Gemmingen Georges Thédrel Burbacher Hütte (BH) Alphonse Wagener Paul Nohl Heinrich Berve Paul Nohl Pierre Chomé Dillinger Hütte (DH) Wilhelm Wittke Otto Poensgen Emil Schubert Joseph Roederer Halbergerhütte (HH) Walther Wieland Deutsches Reich, ab 1946 Land Baden Wilh. Koehler (RWM) Alfred Stahl (RWM) Heinr. Schmitt (RWM) Heinr. Müller (RFM) Gerhard Heiland Friedrich Leibbrandt 1 Aufsichtsratsvorsitzende fettgedruckt, Stellvertreter kursiv. 2 Anfang 1940 ersetzt durch Johannes Haag. 388 IX. Die Verantwortlichen Vorstands- und Geschäftsführungsvorsitzende der Saarwerke im Dritten Reich NE Erich Tgahrt (1926-1937), Eugen Kugener (1937-1940), Heinrich Puppe (1940-1945) RESW Hermann Röchling (1926-1945) BH Dr. Alphonse Wagener (1925-1939), Heinrich Berve (1939-1945) DH Henri Roger (1930-1937), Wilhelm Wittke (1937-1943), Otto Poensgen gemeinsam mit Emil Schubert (1943-1946) HH Emil Aumann gemeinsam mit Dr. Walther Wieland (1935-1945) Aufsichtsratsvorsitzende der DBG und der DAG Name Gesellschafter Amtszeit Erich Tgahrt Neunkircher Eisenwerk (NE) Anfang 1934 - März 1937 Hermann Röchling Röchling-Konzern (RESW) März 1937 - 28. Februar 1938 Dr. Alphonse Wagener Burbacher Hütte (BH) Februar 1938 - Februar 1939 Wilhelm Wittke Dillinger Hütte (DH) 1. März 1939 - 7. September 1942 Rudolf Siedersleben NE/ Otto-Wolff-Gruppe 7. September 1942 - 1946 Dr. Georges Thédrel Zwangsverwalter RESW/ NE 5. November 1946 - 1957 Dr. Hermann Eustachi Bundesrepublik 1957 - 14. Februar 1960 Dr. Ewald Ackers Land Baden-Württemberg 4. Juni 1960 - Juli 1964 Dr. Karl Breinlinger Land Baden-Württemberg 17. November 1964 - 31. Mai 1974 Karl August Zeller Land Baden-Württemberg 31. Mai 1974 - 1983 Kurzbiografien der Aufsichtsratsvorsitzenden Erich Tgahrt (17.7.1882 Marienwerder - 26.2.1945 Dortmund): Sohn eines Landwirts, Volksschule, kfm. Lehre in Marienwerder, kurzzeitige kfm. Tätigkeit in Berlin, 1902-1904 Studium an der Handelshochschule Köln mit Abschluss Diplom-Kaufmann, danach Privatsekretär bei Johann Carl Schlieper in Remscheid, später Leiter des Informationsbüros der Metallgesellschaft in Frankfurt/ Main und Prokurist der Berg- und Metallbank, 1911-1913 Direktionsassistent bei Krupp in Rheinhausen, ab 1912 Leiter der Eisenhandelsgesellschaft Georg von Cölln in Hannover, 1923-1926 Präsident der Handelskammer Hannover, 1926-1937 Generaldirektor des NE, 1937-1945 Generaldirektor der Hoesch AG in Dortmund. Das Verhältnis zwischen Tgahrt und seinem Kollegen Kugener, in Abb. 79: Erich Tgahrt. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 389 1. Das Management der DBG und der DAG dem Tgahrt stets der Primus inter pares war, blieb bis 1937 von Spannungen geprägt. Otto Wolff schätzte Tgahrt sehr, zeigte ihm aber auch, sofern nötig, klar die Grenzen der Handlungsfreiheit eines angestellten Direktors auf. Quellen: WWA S 8/ 128 und RWWA Bestand 72, insbes. 72-276-8. Hermann Röchling (12.11.1872 Völklingen - 24.8.1955 Mannheim): Sohn des Stahlindustriellen Carl R. und Ehefrau Alwine, 1891 Abitur, Hüttenwerkspraktikum, 1892/ 93 Jurastudium in Heidelberg, ab 1897 technische Leitung beim Bau der Carlshütte in Diedenhofen, ab 1901 technischer Leiter des Werks Völklingen, 1926-1945 Vorsitzender der RESW-Geschäftsführung, Pg. seit 1.11.1935, überzeugter Nationalsozialist und ideenreicher Techniker, zahlreiche Ehrenämter, Leiter der Bezirksgruppe Südwest der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, ab 1940 Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlindustrie in den Westgebieten, 1942 Vorsitzender der Reichsvereinigung Eisen, Ende 1944 nach Heidelberg geflüchtet, 1949 in Rastatt zu 10 Jahren Haft verurteilt, 1951 entlassen. R. war 1934/ 35 die treibende Kraft im Doggererz-Projekt, verfolgte jedoch rücksichtslos die Interessen seines eigenen Unternehmens zu Lasten aller anderen. Im DAG-Aufsichtsrat galt er lange als Enfant terrible, das mit seinen persönlichen Angriffen, unkalkulierbaren Alleingängen, unvorhersehbaren Positionswechseln und gezielten Indiskretionen die Arbeit des jeweiligen Aufsichtsratsvorsitzenden stark erschwerte. Erst beim Aufstand der Saarwerke gegen Wittkes Kurs einer Fortsetzung des Doggererz-Projekts im Sommer 1941 entfaltete R. vorübergehend eine integrative Wirkung. Quellen: RWWA Bestand 72 und die Veröffentlichungen von Fuchs, Herrmann, Seibold und Gräbner. Dr. Alphonse Wagener (23.10.1881 Diekirch - 8.1.1967 Luxemburg): 1901-1905 Studium der Hüttenkunde an der TeH Aachen, 1913 Promotion, leitende Tätigkeit als Ingenieur in den Hüttenwerken Dommeldingen (1906-1909), Düdelingen (1909-1924) und Burbach (1924-1939); Werksleiter der Burbacher Hütte von 1929-1939; 1945 Präsident der Association Luxembourgeoise des Ingénieurs et Industriels. Durch die Berufung eines luxemburgischen Staatsangehörigen zum DAG-Aufsichtsratsvorsitzenden fühlte sich Hermann Röchling in besonderem Maße provoziert. W. bildete demgemäß das bevorzugte Ziel seiner xenophoben Attacken. W. wurde im Oktober 1939 seitens der ARBED-Zentralverwaltung durch den Deutschen Heinrich Berve ersetzt. Quellen: RWWA Bestand 72, Revue Technique Luxembourgeoise 1967/ 1, S. 43 und Ausk. Archiv RWTH Aachen. Wilhelm Wittke (24.12.1884 Saarlouis - 3.1.1943 Dillingen): Sohn eines hohen Bahnbeamten, 1908-1931 beim Sachsenwerk tätig, dort zuletzt Vorstandsmitglied, 1931-1934 Vorsitzender des Verbands Sächsischer Industrieller (VSI), 1934 nach verbandsinternen Querelen um den fehlenden Beistand des VSI für die NSDAP in demokratischer Zeit unter dem Vorwand des Verdachts auf Wirtschaftskriminalität mehrere Monate in U-Haft, 1936 auf Beschluss des Landgerichts Dresden entschädigt, 1937-1943 Generaldirektor der Dillinger Hütte in Nachfolge des Franzosen Henri Roger, der Ende 1936 auf Druck der Deutschen Arbeitsfront sein Amt räumte. Mit W’s Ernennung wurde »eine Lösung gefunden, die [...] die französische Werksleitung und ihren Einfluss beseitigte. Es war ein 390 IX. Die Verantwortlichen wirklich großer Schritt für die Verwirklichung dieses großen Zieles, das Werk in deutsche Hände zurückzuführen« (NSZ-Westmark v. 6.1.1943). W. dürfte seine Berufung Schacht zu verdanken gehabt haben, der ihn 1936 mit einer Beschäftigung bei der Reichsbank vor einem wirtschaftlichen Abstieg bewahrt hatte. W. war weder Pg. noch NS-Funktionär und stand der Partei spätestens nach seiner Verhaftung in Sachsen, die ihn das Amt gekostet hatte, ablehnend gegenüber. Adolph rechnet ihn nicht dem politischen Widerstand zu, doch finden sich auch Indizien für eine gegenteilige Annahme. Diese liefert nicht nur Gisevius’ 1946 veröffentlichter Bericht, sondern auch W‘s Terminkalender aus dem Jahre 1938, der 13 Termine mit Beck, 10 mit Goerdeler und 7 mit Gisevius aufweist. Der Dillinger Hüttendirektor Emil Schubert bestätigte 1947 W’s enge Kontakte zu diesem Personenkreis und sagte aus, dass gegen seinen Kollegen in der zweiten Jahreshälfte 1942 ein Verfahren vor einem Sondergerichtshof anhängig gewesen sei, in dem ihn ein »gewisser Rechtsanwalt Noack in der Zange hatte« (Eidesstattliche Erklärung Emil Schubert v. 22.7.1947, LANRW NW 1022 B-38022. Bei dem genannten Rechtsanwalt dürfte es sich um den NS-Funktionär Erwin Noack gehandelt haben.) Hatte sich W. noch 1937 als entschiedener Gegner des Doggererz-Projekts profiliert, so wandelte er sich im Laufe seiner 3½jähringen Amtszeit als DAG-Aufsichtsratsvorsitzender zu dessen nachhaltigem Förderer, der dem Vorstand größte Handlungsfreiheit einräumte. Warum er diese Entwicklung nahm und sich von seinen skeptischen Kollegen derart absetzte, dass ihm 1942 nur noch der Rückzug blieb, ist schwer zu ergründen. Die Erklärung könnte in W’s Persönlichkeit liegen, die eine übernommene Aufgabe erfolgreich und selbstbestimmt zu Ende führen wollte. Demgemäß stellten ihn die zunehmenden Eingriffe des NS-Staats in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich vor erhebliche Akzeptanzprobleme, denen er mit sarkastischen Kommentaren und einer demonstrativen Protokollierung formaler Rechtsverstöße Ausdruck verlieh. Die Akten zeichnen das Bild eines konservativen und geradlinigen Mannes, der seinem Nachfolger im DAG-Aufsichtsrat riet, finanzielle Regelungen zugunsten des scheidenden DAG-Vorstands nicht mit der Elle des Kaufmanns, sondern »mit dem Herzen zu lösen«. W. hatte in den letzten Jahren seiner Tätigkeit häufig unter Erkrankungen zu leiden, über deren Natur und Ursachen nichts bekannt ist. Im Oktober 1942 fiel sein jüngerer Sohn Rudolf an der Ostfront; kurz darauf starb seine Ehefrau an einem schweren Schlaganfall; am 3. Januar 1943 wurde W. in seiner Dienstvilla tot aufgefunden. Der Arzt diagnostizierte einen Herzinfarkt; für ein Fremdverschulden gab es keine Beweise. Quellen: Nachruf W. in: Stahl und Eisen 63 (1943) S. 188; Adolph, VSI-Vorsitzende Wilhelm Wittke; Gisevius, Ende, S. 264; BAB R 3001/ 120960; RWWA Bestand 72; FADH Ordner Vorstandsmitglieder, Terminkalender W. (Besitz: Dr. Georg Wittke); Ausk. WASt sowie Stadtarchive Dresden, Saarbrücken und Saarlouis. Abb. 80: Wilhelm Wittke. Bild: Firmenarchiv Dillinger Hütte. 391 1. Das Management der DBG und der DAG Rudolf Siedersleben (20.6.1894 Glauchau - 25.7.1946 Rotenburg): Sohn des Kaufmanns und Fabrikbesitzers Wilhelm S. und Ehefrau Paula, 1914-1916 Jurastudium in Leipzig, ab 1921 Karriere im Kredit- und Bankensektor, 1931 im Direktorium der Preußenkasse, 1933 beurlaubt, 1934 auf Wunsch des RWM zur Sanierung der Otto- Wolff-Gruppe generalbevollmächtigt, 1936 dort Teilhaber, kein NSDAP-Mitglied, Tod in alliierter Internierung. Anders als Otto Wolff begegnete der Technokrat dem Doggererz-Vorhaben zeitlebens mit größter Skepsis. Gleichwohl führte er 1939 im Namen der Saarwerke die Verhandlungen zur Gründung der Doggererz AG mit dem RWM. Nach Wolffs Tod versuchte er immer wieder vergeblich, das Blumberger Unternehmen aufzulösen. S. hielt sich mit politischen Urteilen auffällig zurück und besaß meisterliche Fähigkeiten in der Formulierung diplomatischer Kommentare, die seine eigene Haltung sorgsam verbargen. Selbst herbe Niederlagen konnte er Dritten gegenüber in Siege umdeuten. Biografie: Soénius, Auftrag. Dr. Georges Thédrel (2.3.1888 St. Denis - März 1962): Ingenieur, Studium an der Ecole Polytechnique, 1908 Promotion, 1911-1924 Direktionsassistent der »Usines métallurgiques du Hainot« in Coullet, 1920-1923 Betriebsdirektor des NE, danach Tätigkeit bei der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ostrau, 1936-1944 leitende Position bei der Hütte »Etablissements de’l Est de la Compagnie Châtillon-Commentruy« in Neuves Maisons, 1945-1956 Zwangsverwalter der RESW, 1949-1955 auch des NE, Präsidiumsmitglied der Fédération des Chambres Syndicales des Metaux und Mitglied des »Comité d’Etudes«, einer Interessenvertretung, die nach 1945 von an der Saar tätigen französischen Direktoren der Eisenindustrie ins Leben gerufen wurde. Von 1945 bis 1956 war T. der wohl einflussreichste Stahlindustrielle im Saargebiet. Quellen: Hoffmeister, Saar; Du und Dein Werk (Werkszeitung RESW) 1953, S. 45 f. Dr. Hermann Eustachi (15.4.1902 Karlsruhe - 14.2.1960 Freiburg): Sohn eines Werkmeisters, Volkswirt, Studium in Heidelberg, 1936 Promotion, 1935-1939 Angestellter der Arbeitsverwaltung in Karlsruhe und Pforzheim, 1939 Beamter im Badischen Finanz- und Wirtschaftsministerium, 1942-1945 Leiter des Landeswirtschaftsamts Baden, 1933- 1945 NSKK-Obertruppführer, Pg. seit 1937, 1947 von der Spruchkammer Schwetzingen als Mitläufer entnazifiziert, von der Spruchkammer Freiburg wegen »engere[r] Beziehungen zum SD« und »Begünstigung einer NS-Firma« 1946 als Minderbelasteter eingestuft, 1947 als Sympathisant. Quellen: GLA 465o/ 3948 und StAF D 180/ 2-6704. Dr. Karl Breinlinger (3.9.1909 Liptingen - 13.9.1981 Freiburg): Sohn eines Bürgermeisters, Jurist, 1931-1934 Studium an den Universitäten Freiburg, München und Heidelberg, 1934-1938 Gerichtsreferendariat, 1939 Promotion in Freiburg, zugleich Besuch der Reichsfinanzschule in Herrsching, Abb. 81: Karl Breinlinger. Bild: Renate Liessem. 392 IX. Die Verantwortlichen 1940-1942 Finanzbeamter in Ansbach, Nürnberg und Straßburg, 1942-1945 Soldat in Guernsey; Pg. seit 1937, nach dem Krieg als Sympathisant entnazifiziert, 1947-1949 Vorsteher des Finanzamts Achern, 1939-1953 im Finanzministerium Freiburg, 1953- 1960 im Finanzministerium Stuttgart, ab 1960 Leiter der Landesvermögensabteilung der OFD Freiburg. Quellen: StAF F 22/ 62-116 und D 180/ 2-35345, UAFB B 29/ 1889 und Ausk. Renate Liessem. Kurzbiografien von Aufsichtsratsmitgliedern aus der Privatwirtschaft (1936 - 1945) Heinrich Berve (29.6.1887 Dortmund - 15.7.1971 Eschweiler): Sohn eines Bergwerksdirektors, Industrieschule in Kaiserslautern, Studium der Eisenhüttenkunde in Freiberg, 1911 Diplom, 1912-1914 Betriebsingenieur in den Stahlwerken der Königshütte, 1914-1918 Kriegsteilnahme, 1919-1927 Oberingenieur und Direktor bei den Sächsischen Gußstahl-Werken in Freital-Döhlen, 1929-1939 beim Klöckner-Konzern, dort zunächst Betriebsdirektor der Georgs-Marien-Werke in Osnabrück, 1932-1939 als Leiter der Eisenwirtschaftsbetriebe Vorstandsmitglied bei Klöckner, Mitte 1939 entlassen, ab 1.10.1939 Leiter der Burbacher Hütte, Pg. seit 1.5.1937, ab 1943 Wehrwirtschaftsführer, 1946/ 47 wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen in U-Haft, 1947 freigesprochen; 1948 als Mitläufer entnazifiziert, nach dem Krieg bis 1954 Vorstandsmitglied und Leiter der Hüttenbetriebe des Eschweiler Bergwerksvereins. ARBED-Generaldirektor Aloyse Meyer und Pierre Chomé, B’s Nachfolger in Burbach, stellten ihm ein gutes Leumundszeugnis aus. Chomé betonte, B’s Einstellung sei nicht auf Druck der Nationalsozialisten erfolgt, sondern wegen des vorgerückten Alters von Alphonse Wagener, der zum Zeitpunkt seiner Ablösung allerdings erst 58 Jahre alt war. Man wird annehmen dürfen, dass die anhaltende Diskriminierung Wageners und der Burbacher Hütte durch Hermann Röchling bei dem Vorgang durchaus eine Rolle gespielt hat. Quellen: UAF Matr. 5349; LA Saarland StKpolS 4424. Nachruf B. in: Stahl und Eisen, 92 (1972) S. 136. Dr. Hans-Lothar von Gemmingen-Hornberg (19.1.1893 Metz - 14.2.1975 Heidelberg): Sohn eines Regierungsassessors, 1910-1914 jurist. Studium in Oxford und Göttingen, 1914-1918 Kriegsteilnahme, 1921 Promotion in Heidelberg, kurzzeitig im bad. Staatsdienst, danach kaufmänn. Tätigkeit in Bremen und Mailand, seit 1922 mit Hermann Röchlings Tochter Ellenruth verheiratet, ab 1922/ 23 im Vorstand der RESW AG, ab 1936 Vorsitzender des Direktoriums der RESW GmbH, Pg. seit 10.10.1933, Kreiswirtschaftsberater ab 1941, 1945 in Idar-Oberstein interniert, 1948 in Rastatt zu 3 Jahren Haft verurteilt. Nachruf in: Hüttenmann 1975, S. 13. Johannes Haag (30.4.1893 Nürnberg - 24.4.1953 Haar bei München): Sohn eines Lehrers, 1912 Abitur auf dem Realgymnasium in Nürnberg, 1913-1914 Studium an der TH München, 1915-1918 Kriegsteilnahme, 1919-1922 Studium des Eisenhüttenwesens an der TH Breslau bis zum Diplom, 1922-1927 Assistent, später Leiter des Thomas- 393 1. Das Management der DBG und der DAG Stahlwerks der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, 1927-1929 Betriebsingenieur bei der Julienhütte in Bobrek/ Oberschlesien, 1929-1942 beim NE, dort zunächst Oberingenieur des Thomas- und Martinwerks, ab 1936 Betriebsdirektor der Stahlwerksanlagen, ab 1939 stellv. Vorstandsmitglied und technischer Leiter der gesamten Hütte, dort nach Querelen mit dem Vorstandsvorsitzenden Heinrich Puppe ausgeschieden, 1943-1945 Hüttendirektor und Technischer Leiter im Vorstand der Berghütte in Trzynietz; Pg. ab 1942, 1941-1943 Ehrenrangführer im Range eines SA-Sturmführers; vom Bürgermeister Neun kirchens 1946 als »Vollstrecker der nationalsozialistischen Betriebsführung« bezeichnet, 1947 als Mitläufer entnazifiziert. Quellen: RWWA 72-587-17; Ausk. Stadtarchive Neunkirchen und Nürnberg, StAM SpKA K 3462. Franz Haug (1.10.1898 Leustetten - 31.7.1983 Pforzheim): Bankkaufmann, 1923 bis 1937 Prokurist bzw. kfm. Direktor im NE, danach stellvertretendes bzw. ab 1940 ordentliches Vorstandsmitglied im NE, 1930-1938 auch Vorstandsmitglied der Kronenberg AG in Leichlingen, ab 1935 zugleich Geschäftsführer der Ferrum AG in Saarbrücken; seit 1939 Pg. und seit 1940 Wehrwirtschaftsführer, 1948 als Mitläufer ohne Sühne entnazifiziert, 1950-1958 Vorstandsvorsitzender der Dinglerwerke in Zweibrücken, ab 1958 kfm. Direktor der Saarbergwerke AG. Quellen: LA Saarland StkpolS 4485; RWWA 72-586- 10; Ausk. Stadtarchive Frickingen und Neunkirchen. Eugen Kugener (18.11.1885 Wasserbillig - 6.5.1973 Esch): Nach Ingenieursexamen in Löwen (1909) Tätigkeit bei der SA des Hauts-Fourneaux et Forges de Dudelange und beim Eschweiler Bergwerksverein; 1918-1927 leitende Stellung bei den Minières d’ Esch- Schifflange; ab 1928 als Nachfolger des 1. Techn. Direktors Paul Böhm beim NE. Nach Tgahrts Abgang stand K. bis Ende 1939 allein an der Spitze des NE, was Tgahrt 1937 mit dem Argument verhindern wollte, dass K’s luxemburgische Staatsangehörigkeit das NE im Umgang mit der Wehrmacht oder mit anderen Behörden benachteiligen werde. Tgahrt scheiterte jedoch an Otto Wolff, der erklärte, wenn sich Krupp mit Paul Goerens einen Luxemburger im Vorstand leisten könne, so sei dies auch für das NE möglich. Nach Kriegsausbruch wurde K. als NE- Werksvertreter in Luxemburg kaltgestellt. Von 1949 bis 1953 war er Repräsentant Luxemburgs in der Int. Ruhrbehörde. Quellen: RWWA 72- 218-15. Nachruf in: Revue Technique Luxembourgeoise 1973/ 3, S. 83-84. Paul Nohl (15.5.1888 Wesel/ Rees - 14.6.1961 Karlsruhe): Sohn eines Artillerie-Unteroffiziers, kfm. Ausbildung, bis 1919 in Hagendingen tätig (Thyssen? ), 1922-1926 Prokurist der Artewerk GmbH in Köln, 1928-1930 Geschäftsführer der A. Mickerts & Co., Abb. 82: Eugen Kugener. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. 394 IX. Die Verantwortlichen Eisenu. Stahlhandelsges. (Columeta-Arbed) in Wien, später in Luxemburg beschäftigt, 1934-1954 kfm. Direktor der Burbacher Hütte, Pg. ab 1936, Quellen: Ausk. Thyssen- Krupp-Archiv, Stadtarchive Karlsruhe, Saarbrücken, Wesel. Otto Poensgen (4.8.1896 Jünkerath - 30.1.1972 Aachen): Sohn eines Ingenieurs, 1919/ 20 Hüttenkunde- und Bergbaustudium an der TeH Aachen, später bei der Maxhütte angestellt, 1937-1946 techn. Direktor der Dillinger Hütte, nach dem Krieg Wechsel zu den RESW. Quellen: FADH und Ausk. RWTH Aachen. Heinrich Puppe (16.2.1896 Düdelingen/ Luxemburg - 4.11.1947 Solingen): Sohn eines Hüttenarbeiters und Gastwirts, dessen Ehefrau von der luxemburgischen Fremdenpolizei dem Rotlichtmilieu zugeordnet wurde, Neffe von Rohstoffkommissar Johann Puppe; 1902-1905 Volksschule in Dortmund, 1906-1912 Privatschule in Dos Caminos und Fagersta (Schweden), 1912-1915 techn. Ausbildung in Duisburg und Braunschweig, 1916-1918 Kriegsteilnahme, danach bei den RESW, 1927-1929 bei den Deutschen Edelstahlwerken zu Bochum, 1930 Wechsel zu den Hagener Gußstahlwerken, 1931- 1936 Oberingenieur beim NE, dort ab 1936 Betriebsdirektor, 1938-1939 Vorstandsvorsitzender der Eisenhüttenwerk Thale AG, 1940-1945 Vorstandsvorsitzender des NE, 1943 von Josef Bürckel mit der Oberleitung der Dinglerwerke in Zweibrücken betraut, 1943-1945 Leiter der Sozialabteilung der RVE, im März 1945 von einer Dienstreise nicht nach Neunkirchen zurückgekehrt, 1946 von der Wolff KG mit einem Beratervertrag für die Kronenberg AG in Leichlingen wirtschaftlich über Wasser gehalten; Pg. seit 1.11.1935, ab 1935 SA-Sturmführer, seit Januar 1940 Wehrwirtschaftsführer. Die Neunkircher Polizeiverwaltung gab 1946 an, P. sei »sehr ehrgeizig« gewesen, habe die Parteiuniform »sehr oft getragen« und »bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Betriebsversammlungen parteipolitische Reden gehalten, die seine nationalsozialistische Gesinnung und seine Arbeit für den Nationalsozialismus besonders unterstrichen«. Nach Meinung des Entnazifizierungsausschusses Opladen war P. als Belasteter einzustufen, doch endete das Verfahren ohne Spruch, da P. Anfang 1947 nach London verzog und nach seiner im Juni 1947 erfolgten Rückkehr in Deutschland verstarb. Quellen: LANRW NW 1018/ 1037; Zivilstandsregister Düdelingen, Archives nationales de Luxembourg, Police des étrangers - Série, P-1280 - Akte Puppe-Kuhn; RWWA 72-587-9; Ausk. Stadtarchive Neunkirchen, Leichlingen und Hannover. Emil Schubert (9.11.1879 Rittersgrün - 24.6.1968 Dillingen): Sohn eines Bartschneiders, wahrscheinlich kfm. Ausbildung, um 1898 in Konstanz tätig, 1899 Eintritt bei der Abb. 83: Heinrich (Heinz) Puppe. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen 395 1. Das Management der DBG und der DAG Dillinger Hütte, 1922 Prokurist, 1930 kfm. Direktor, 1937-1946 kfm. Vorstandsmitglied, Pg. ab 1935. Quelle: FADH und Ausk. Stadtarchive Breitenbrunn und Dillingen. Dr. Walther Wieland (21.11.1888 Trier - 26.12.1969 Dießen): Sohn eines preuß. Landrats, Banklehre in Paris und London, Studium der Rechte und der Nationalökonomie, Dr. jur., Dr. rer pol., 1919 Heirat mit Friederike, der Tochter von Bernhard Dernburg, dem Politiker und Compagnon von Hugo Stinnes, nach 1919 Direktor und Generaldirektor der Hugo Stinnes-Riebeck Montan- und Ölwerke AG, 1925-1935 als Generaldirektor der Deutsch-Russischen Naphta-Importgesellschaft (Derunapht) und der deutschen Vertriebsgesellschaft für russische Ölprodukte (Derop) mit dem Aufbau von deren Verkaufsorganisation in Mitteleuropa betraut, 1935-1944 Generaldirektor der Halbergerhütte, ab 1940 auch der Halberg Maschinenbau und Gießerei AG in Ludwigshafen, Ende 1944 nach Bayern geflüchtet; 1933 beantragte NSDAP-Mitgliedschaft 1935 durch Urteil eines Parteigerichts an W‘s Ehe mit der nicht-arischen Friederike gescheitert; 1941 von der Rüstungsinspektion XII zum Wehrwirtschaftsführer ernannt; 1947 Entnazifizierungsverfahren eingestellt, da »vom Gesetz nicht betroffen«. Neben Wittke war Wieland bis zum Ausscheiden der Halbergerhütte aus der DAG einer der Hauptkritiker des Doggererz-Projekts. Quellen: Ausk. Stadtarchive Dießen, Saarbrücken und Trier; StAM SpKA K 1965. Otto Wolff (8.4.1884 Bonn - 22.1.1940 Berlin): Sohn eines Organisten und Kantors, Oberrealschulbildung, kfm. Lehre, 1904 Gründung der Eisengroßhandlung Otto Wolff oHG (mit Compagnon Otmar Strauss), die bis 1929 zu einem Weltkonzern heranwuchs. W. stand der DVP nahe und befürwortete die auf eine deutsch-französische Verständigung ausgerichtete Politik Stresemanns. In der Endphase der Weimarer Republik unterstützte er Brüning und Schleicher. Den Nationalsozialismus lehnte er ab, arrangierte sich jedoch ab 1933 mit den neuen Verhältnissen, die - als Folge der Weltwirtschaftskrise - auch den Verlust der Alleinherrschaft in seiner Kölner Gruppe mit sich brachten. W. war ein selbstbewusster, mit derbem Humor ausgestatteter Selfmademan, der angestellte Direktoren mit einem gewissen Misstrauen betrachtete. An Richard von Kühlmann schrieb er 1935, der Neunkircher Generaldirektor »Tgahrt hat bei diesen Sachen immer eine komische Einstellung; er denkt, ich lasse Schwedenerze kaufen aus lauter Vergnügen am hohen Preis. [...] Tgahrt hat von Zeit zu Zeit die Allüren eines grossmächtigen Generaldirektors im Revier, und ich ertappe ihn hin und wieder auf den Spuren, Handelsgesellschaften zu gründen, Vertreter-Organisationen im Ausland zu errichten und all’ diese Sachen zu betreiben, die [...] nur dazu dienen, eine gewisse Geschäftigkeit zu entfalten, Dienstreisen zu machen und das ganze Geschäft in einen undurchsichtigen Mantel zu hüllen«. Wolff an v. Kühlmann v. 25.7.1935, RWWA 72-212-1. Biografie Wolff: Conze, Titane. 396 IX. Die Verantwortlichen b) Geschäftsführung und Vorstand Name Zuständigkeitsbereich Amtszeit Dr. Wilhelm Peter Lillig Gesamtverantwortung Januar 1934 - Januar 1936 Karl Breiing Betriebsführer Bergbau Februar 1935 - April 1942 Eduard Gärtner Bergbau (nebenamtlich) Februar 1936 - März 1938 Dr. Karl Würtz kaufmännisch (nebenamtlich) Februar 1936 - Mai 1937 Kurt Heyer kaufmännisch Mitte 1937 - August 1939 Dr. Hans Bornitz Bergwerksdirektor April 1938 - August 1942 Dr. Rudolph Gerlach Hüttenbau Januar 1940 - Januar 1943 Hermann Röchling Hüttenbau Sommer 1940 - Mitte 1941 Dr. Walther Berger kaufmännisch Juli 1940 - Juli 1947 Jean Loisel Gesamtverantwortung November 1946 - September 1949 Friedrich Lauer Juli 1947 - September 1949 Dr. Ernst Dobler Zwangsverwalter 1949/ 1950 September 1949 - September 1959 Alfred Roy Februar 1950 - 1957 August Endemann Mai 1957 - Juli 1963 Willi Stahl Januar 1963 - August 1968 Albert Zädler August 1968 - Mai 1974 Dr. Karl Breinlinger Mai 1974 - 1981 Dr. Wilhelm Peter Lillig (19.9.1900 Landsweiler/ Saar - 24.5.1945 Hinterzarten): Sohn eines Baumeisters, 1919 Abitur in Saarbrücken, anschließend Praktika in Steinkohlengruben an der Saar und in Erzgruben im Rhein- und Dillgebiet, 1920-1924 Bergbaustudium in Clausthal bis zur Diplomprüfung, Mitglied des Corps Montania, 1925-1928 Montangeologe, Berg- und Aufbereitungsingenieur in bolivianischen Blei- und Zinnerzgruben, 1929- 1931 techn. Direktor der Erzhandelsfirma Bicker in Bilbao, 1931 in der Aufbereitungs-Versuchsanstalt Krupp-Gruson in Magdeburg, 1932 Promotion zum Dr.-Ing. an der TH Berlin, ab 1932 Direktor des Skaland-Grafitwerks in Senjen (Norwegen), 1934- 1935 Geschäftsführer der Interessengemeinschaft für Doggererzstudium bzw. der Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen für Doggererze in Blum- Abb. 84: Wilhelm Lillig als Student. Bild: Corps Montania. 397 1. Das Management der DBG und der DAG berg, 1936-1937 Pleigers Mitarbeiter im Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, 1938- 1945 Bergwerksdirektor und Leiter der Bergbaugruppe Salzgitter der Reichswerke Hermann Göring; dort regelmäßig für Sonderaufgaben beurlaubt: 1939 Reichskommissar für den Steinkohlenbergbau im Olsagebiet, 1941 Sonderbeauftragter für den Erzbergbau in der Ukraine (Berghütte Ost), 1944/ 45 Stellv. Leiter der Zentralstelle für bergbauliche Sonderaufgaben, dort an mehreren Unter-Tage-Verlagerungen von Rüstungsbetrieben, u.a. bei den Projekten Hochhausen, Goldfisch, Steinbutt und Kiebitz (Markirch), persönlich beteiligt; 1944/ 45 Beauftragter des Reichsführers SS und des OKH, Chef H. Rüst u. BdE, 1945 Leiter eines ca. 9 Mann starken SS-Büros in Hinterzarten, im Mai 1945 von der Besatzungsmacht, die NS-Funktionäre wahrscheinlich gezielt für gefährliche Arbeiten heranzog, zum Munitionsräumen eingesetzt und dabei tödlich verunglückt. Eigenem Bekunden zufolge trat L. 1923 der NSDAP bei. Die Akten zeichnen das Bild eines überzeugten und sehr durchsetzungsfähigen Nationalsozialisten, der ein ausgezeichneter Bergingenieur war, aber keinerlei Interesse für die soziale Not seiner Mitarbeiter aufbrachte. Selbst genehmigte sich der von seinem Arbeitgeber wenig kontrollierte L. teure Autos und einen aufwändigen Lebensstil, der nicht selten zu Lasten der Firmenkasse ging. Seine Trinkgelage, bei denen mitunter das Porzellan in der Gaststube zerbrach, sorgten für Aufsehen in den Wirtshäusern der Baar; sein freizügiger Lebensstil in einem dörflichen Umfeld provozierte eine Mesalliance aus Moralwächtern von Kirche und Partei. Den Posten als Geschäftsführer in Blumberg, den er Hermann Röchling verdankt hatte, verlor er Ende 1935 wegen seiner betriebswirtschaftlichen Inkompetenz. Zeitgenössische Betrachter billigten dem ehrgeizigen Manager zu, an seiner Jugend und seiner Unerfahrenheit gescheitert zu sein. Später reüssierte L. in Funktionen, bei denen vor allem technische Fähigkeiten gefragt waren. Seine hohe Verantwortung bei der Unter-Tage-Verlagerung von Rüstungsbetrieben, seine dauerhafte Präsenz als leitender Bau-Funktionär bei Projekten, in denen zahlreiche SS-Häftlinge geschunden wurden und zu Tode kamen, wirft einen tiefdunklen Schatten auf seinen Lebenslauf. Man wird L. in die Kategorie der rücksichts- und moralfreien Technokraten des Dritten Reichs einordnen müssen, die ihre inferioren Persönlichkeitsanteile ungezügelt ausleben konnten. Quellen: Lebenslauf in: Lillig, Untersuchungen; Corps Montania Nachruf Lillig; StAB Bergwerksakten; BAB ehem. BDC, PK-Ende, Konrad; BAB R 3101/ 31208, 31216, 31218, 31220; NWA 2/ 5446-5447, 2/ 10540, 2/ 11015, 2/ 11020, 2/ 11187-11188; AKPAB XXII; Fröbe, Ägyptern, S. 413 Anm. 137; Riedel, Bergbau, S. 251 ff.; Riexinger/ Ernst, Vernichtung, S. 87 ff.; Roth/ Schmid, Daimler-Benz, S. 339 und Eichholtz, Geschichte, II S. 463. Ausk. Rudolf Schlegel, Gretel Lang, Dr. Karl Preis und Stadtarchiv Hinterzarten. Eduard Gärtner (1.3.1880 Osnabrück - 9.5.1964 Saarbrücken): Sohn eines Tuchgroßhändlers, Realgymnasium, ab 1901 Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1902-1906 Studium an der Universität München und an der Bergakademie Berlin; 1906 erste, 1910 zweite Staatsprüfung, 1912-1914 Lehrer an der Bergschule Bochum, 1914-1918 Kriegsdienst, 1917/ 18 Vorstand des Militärbergamts II und Leiter von Kohlegruben in Serbien, ab 1920 stellv. Vorstandsmitglied und Bergwerksdirektor der Schlesischen 398 IX. Die Verantwortlichen Kohlen- und Kokswerke in Gottesberg, ab 1922 deren Vorstandsmitglied, ab 1926 Bergwerksdirektor der Gewerkschaft Carl Alexander in Baesweiler bei Aachen, ab 1929 Leiter der Zweigniederlassung Saarbrücken der Gewerkschaft Carl Alexander (Aufgabe: Wiederingangsetzung der Grube Folschweiler bei St. Avold als Reparationsleistung), 1936-1938 nebenamtlicher Leiter des Doggererz-Bergwerks in Blumberg; Pg. seit 1.11.1935. G. war ein sparsam wirtschaftender Mitarbeiter in Röchlings Konzern, der den offen zur Schau gestellten Wohlstand seines bei der Wolff-Gruppe angestellten Kollegen Würtz, dieser fuhr ein Horch- Cabriolet mit roten Ledersitzen, missbilligte. Quellen: Bergbau-Archiv Bochum 134/ 1-2; Ausk. Dr. Gerhard D. Gärtner; Serlo Nr. 989. (Dr.) Karl Würtz (22.11.1903 Blieskastel - 19.1.1969 Ehingen): Sohn eines Amtsrichters und späteren Oberlandesgerichtsrats, Humanistisches Gymnasium, 1922-1925 Volkswirtschaftsstudium in Würzburg, 1927 Promotion zum Dr. rer. pol.; 1922- 1924 kfm. Lehre bei der Halbergerhütte, 1926/ 27 Angestellter der Deutschen Abflussrohr-Verkaufsstelle in Frankfurt/ Main, 1927-1930 Betriebsprüfer im Homburger Eisenwerk, 1931 dort Leiter des Arbeitsbüros, 1932/ 33 Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft Saar mbH in Düsseldorf, 1932-1937 erstes Vorstandsmitglied der Neuwalzwerk Bösperde AG, 1936-1937 nebenamtlicher Geschäftsführer der DBG, 1937-1939 kfm. Vorstand der Eisenhüttenwerk Thale AG, dort nach Machtkämpfen mit den Vorstandsvorsitzenden Goldbeck und Puppe auf Druck der Wolff oHG ausgeschieden, 1940-1943 kfm. Geschäftsführer der Reichswerke Hermann Göring AG und der Stahlwerke Braunschweig GmbH, dort fristlos gekündigt, ab April 1943 in U-Haft, aus ihr im März 1944 wegen Schlaganfalls entlassen, im Mai 1944 Anklageerhebung vor dem Sondergericht Braunschweig wegen Untreue zu Lasten der Reichswerke, Prozessverschleppung infolge W’s Behandlung in den psychiatrischen Heilanstalten Braunschweig und Hohe Mark, Verfahrenseinstellung 1949; 1943-1947 Teilhaber zweier Werkzeuggroßhandlungen, 1947-1949 kfm. Direktor und Vorstandsmitglied der Portland-Zementwerke AG in Heidelberg, dort fristlos gekündigt, ab März 1949 in U-Haft, 1950 wegen Untreue und fortgesetzter Urkundenfälschung zu 2½ Jahren Haft verurteilt, im März 1952 auf Bewährung entlassen, 1952 Aberkennung des Doktortitels durch die Universität Würzburg, Abb. 85 Eduard Gärtner (um 1930). Bild: Familie Gärtner. Abb. 86: Karl Würtz. Bild: Familie Würtz. 399 1. Das Management der DBG und der DAG ab 1953 Vertreter, später Vertriebsleiter beim Biberacher Baustoffhändler Carl Thommel (»Cato-Werk«). W. war kein Pg. Dank herausragender Fachkompetenz gelang W. bereits in jungen Jahren ein rasanter beruflicher Aufstieg. Die Reorganisation wirtschaftlich angeschlagener Betriebe war sein Spezialgebiet. In der Wolff-Gruppe, für die er lange erfolgreich tätig war, wurde er fachlich anerkannt, seine Persönlichkeit aber zwiespältig beurteilt: »Herr Dr. Würtz mag sehr tüchtig sein, er ist aber bestimmt außerordentlich verwöhnt und sehr empfindlich« (Krahé, RWWA 72-283-5). Mit seinem extremen Ehrgeiz überforderte er 1939 die Geduld seiner Vorgesetzten in Köln. Gegenüber der NSDAP verhielt sich der Mennonit unauffällig, zog jedoch Kritik auf sich, als er, dem Vorbild der Ruhrwerke folgend, im betrieblichen Schriftwechsel auf den Hitlergruß verzichten wollte. Als hochdotiertes Vorstandsmitglied der Stahlwerke Braunschweig hätte er nebenberufliche Tätigkeiten im Werkzeughandel nicht nötig gehabt. Die 1944 erfolgte Anklage, bei der ihm vorgeworfen wurde, sich über einen Zwischenhandel am Materialeinkauf seines Arbeitgebers bereichert zu haben, stellte W. als politische Verfolgung dar, doch stützen die erhalten gebliebenen Akten diese Behauptung nicht. Sein psychischer Zusammenbruch 1944, die zweite große Karrierechance, die er 1949 leichtfertig vergab und der bescheidenere Wiederaufstieg in Biberach sind Wegmarken eines an extremen Tiefen und Höhen sehr reichen Lebens, dessen berufliche Bilanz hätte weitaus besser ausfallen können. Ein Zeitzeuge beschrieb W. gegen dessen Lebensende als einen sympathischen und weltoffenen Mann. Quellen: Lebenslauf W., in: W., Reinwasserversorgung; Universitätsarchiv Würzburg Akte 120-07; RWWA 72-591-1 und 72-283-5; Staatsarchiv Wolfenbüttel 43 A Neu 4 Jg. 1943 Nr. 32 und 62 Nds Zg. 43/ 1984 Nr. 2/ 1-10, 62 Nds Zg. 43/ 1984 Nr. 3/ 3 und 3 Nds Nr. 595; GLA 309/ 3397-3409; Klinik Hohe Mark Patientenakten Karl Würtz; Ausk. Dorothea Thieme, Hüttenmuseum Thale und Horst Becker. Karl Breiing (10.12.1899 Recklinghausen - 8.8.1949 Wattenscheid): Eines von 16 Kindern eines Obersteigers, nach Abschluss der Volksschule 1914-1922 Bergarbeiter bei Thyssen in Duisburg Hamborn, 1918-1920 Bergvorschule, 1922-1925 Grubensteiger auf Zeche Lohberg bei Dinslaken, 1925-1926 Betriebsführerlehrgang an der Bergschule Bochum, 1926-1929 Reviersteiger auf Zeche Thyssen 2/ 5 in Duisburg-Hamborn, 1929- 1932 Fahrsteiger auf Zeche Ewald-Forts. in Recklinghausen, 1931-1935 Fahrsteiger auf Zeche Carl-Alexander in Baesweiler, 1935-1942 Betriebsführer der DBG/ DAG in Blumberg, danach Bergverwalter der Gewerkschaft Carl-Alexander in Folschweiler, 1944 bergbaulicher Leiter der Unter-Tage-Verlagerung in Markirch (Projekt Kiebitz), auch im Projekt Goldfisch involviert; 1929-1931 DVP-Mitglied, Pg. seit 17.6.1937; nach dem Krieg bei der Schwarz KG in Wattenscheid tätig; dort bei einem Bergunfall verstorben. Als Leiter des Grubenbetriebs unterstand B. direkt dem Vorstand und war, insbesondere in der Interimsperiode von 1936 bis 1938, während der Gärtner nur sporadisch nach Baden kam, neben Feuerhake und Heyer die zentrale Figur im Bergwerk. B. besaß große Erfahrungen mit dem Wanderpfeilerbruchbau, der auch in Blumberg zum Einsatz kam; seine Führungseigenschaften stießen jedoch auf breite Kritik, an der sich auch Bürgermeister Schmid beteiligte. Einem Gestapo-Denunzianten zufolge war B. »im ganzen 400 IX. Die Verantwortlichen Saargebiet als der Tyrann von Blumberg bekannt« (StAF A 47/ 1-1171). Ideologisch hielt der im katholischen Milieu des Ruhrpotts aufgewachsene B. offenbar innere Distanz zur NSDAP. So wurde er 1936 zur Schulungsburg Oberursel geschickt, doch sah sich deren Leitung außerstande, seine weltanschauliche Festigkeit zu bewerten. Stattdessen wurde betont, B. sei »sehr überlegend« und insgesamt »nicht zu beurteilen« (BAB, BDC, PK, Breiing). 1940 denunzierte ihn ein entlassener Mitarbeiter bei der Gestapo. B. hatte die oberste Staatsführung der Kriegstreiberschaft bezichtigt und geäußert: »Die den Krieg angezettelt haben, können ihn auch führen, aber ohne mich [...], die Juden seien genauso Menschen wi[e] wir auch«. Die Gestapo stellte ihre Ermittlungen zwar bald wieder ein, meinte aber, »die vertraulichen Ermittlungen auch einwandfreier politischer Persönlichkeiten [hätten] ergeben, dass dem Breiing die ihm zur Last gelegten Äusserungen tatsächlich zuzutrauen sind« (StAF A 47/ 1-1171). Weitere Quellen: BAB R 3101/ 31208-31209; LANRW NW 1037-A/ Reg.-9039; Ausk. Claus Breiing. Kurt Heyer (18.5.1898 Stettin - 25.10.1965 Marl): Realgymnasium in Stettin, Kriegsteilnahme ab 1914, Abitur 1919, danach wahrscheinlich kfm. Ausbildung, 1931-1934 kfm. Leiter der Liga-Sportartikelfabrik GmbH, 1935-1936 Buchhaltungsleiter des Fahrradteile-Herstellers Union in Fröndenberg, 1936-1939 zunächst Prokurist und kfm. Leiter, ab März 1938 kfm. Geschäftsführer der DBG, 1939-1942 Stabsführer der Schw.Art. Abt. 615, als dienstunfähig entlassen, 1943-1947 kfm. Direktor der Maschinenfabrik Helmut Nestler in Eilenburg, 1947-1948 Geschäftsführer der Firma Otto Kothe in Marl, ab 1948 bei Firma Emil Pröpper Marl; 1933-1936 SA-Mitglied, 1934 SA-Truppführer, 1936 Austritt; Pg. seit 1.10.1940; 1948 als Mitläufer entnazifiziert. Der von Würtz 1936 eingestellte Reserveoffizier genoss zunächst einen ausgezeichneten Ruf als kfm. Prokurist und wurde 1937 von Gärtner gelobt, er »hielte auf gute Ordnung, sei ein guter Verhandler, beherrsche das ganze Gebiet ausgezeichnet und geniesse grosses Ansehen. Sein gesellschaftlicher Verkehr wäre erstklassig« (Tgahrt an Siedersleben v. 6.4.1937, RWWA 72-283-5). Seine Beförderung zum Geschäftsführer erwies sich aber als Fehlschlag. Rechenfehler von bis zu 2,4 Mio. RM bei der Beantragung von Reichsmitteln lösten 1939 im DBG-Aufsichtsrat den Wunsch nach einer Ablösung H’s aus, die jedoch vor Kriegsbeginn nicht mehr umgesetzt werden konnte. Erst 1942 schied H. nach langen Querelen gegen eine Abfindung von 40.000 RM aus der DBG aus. Bornitz hielt ihn für den Urheber einer Strafrechtsanzeige gegen sich (Bornitz an Landschütz v. 12.3.1943, LGRB 9 A/ 85). Bei dem harten Urteil über H. wird man in Rechnung stellen müssen, dass die kfm. Abteilung der DBG chronisch unterbesetzt war und dass das Scheitern an Buchhaltungsmängeln in Blumberg Tradition hatte. Selbst Denzer stand öfter vor seiner Entlassung. Weitere Quellen: StAF V 500/ 3-83; LANRW NW 1039-H/ 5592. Dr. Hans Bornitz (22.4.1895 Altensteig - 14.3.1953 Braunschweig): Sohn eines Arztes, 1904-1913 Gymnasium in Bensheim, 1914 Maschinenbaustudium an der TH Darmstadt, 1914-1918 Kriegsfreiwilliger, 1919-1921 Studium an der Bergakademie Freiberg bis zum Diplom-Bergingenieur bzw. 1922 zur Promotion, 1922-1929 als Gutachter und Bergwerksdirektor in Bolivien, Chile, Argentinien und Peru für die Firmen Moritz Hoch- 401 1. Das Management der DBG und der DAG schild und Oruro tätig, 1929-1935 Bergingenieur und Bergverwalter beim Oberhohndorfer Steinkohlenbauverein, 1935-1938 Bergwerksdirektor der Gewerkschaft Halsbrücker Bergbau in Freiberg, 1938-1942 Bergwerksdirektor und Vorstandsmitglied der DBG/ DAG in Blumberg, 1942-1945 Vorstandsmitglied der Alpine Montangesellschaft in Leoben, 1940 auch Bergbaubeauftragter des Generalbevollmächtigten für die luxemburgische Eisen- und Stahlindustrie, 1946-1947 interniert; 1922-1933 DVP-Mitglied, Pg. seit 1935, 1938-1942 Kreiswirtschaftsberater in Donaueschingen, 1940 dort Kreisrat, 1947 als Mitläufer entnazifiziert, danach Bergbauberater in Essen, 1948 bei einem spanischen Unternehmen in Jerez angestellt, dann in Spanisch-Marokko tätig, 1953 Geschäftsführer bei der Salzgitter Industriebau GmbH. Anfangs war der 1938 als Bergbaudirektor eingestellte B. unumstrittener Herr in der DBG/ DAG, doch verschob sich das firmeninterne Machtzentrum 1940 zugunsten des für den Hüttenbau zuständigen Vorstandskollegen Gerlach, mit dem B. eine starke Rivalität verband. Seine langjährige Sekretärin Gretel Maier schildert B. als einen strengen, fordernden Chef, der selbst stark gefordert wurde. B. setzte sich für seine Leute ein, wenn sie wegen staatsfeindlicher Äußerungen denunziert und verhaftet wurden, wie das bei seinem Fahrer Anton Liebert der Fall war, ließ aber auch, um »abschreckend und erzieherisch auf die Belegschaft einzuwirken«, eine Strafkammersitzung im DAG-Verwaltungsgebäude abhalten, bei der ein Arbeiter als Volksschädling zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde (Bericht d. Generalstaatsanwalts v. 28.8.1940, GLA 309/ 1205). B. war Teil des nationalsozialistischen Establishments: Er übte politische Ämter aus, hielt gemeinsam mit Kreisleiter Kirn markige Betriebsappelle im Bergwerk ab und schickte den Sohn auf die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Napola), die im Frühjahr 1942 einen Zug von 15 Jungmannen zum Praktikum nach Blumberg entsandte. Ehefrau Elfriede, seit 1937 Pg., war 1941/ 42 Kreisfrauenvertreterin. Im Entnazifizierungsverfahren zog sich B. auf eine unpolitische Rolle als Fachmann zurück und behauptete wahrheitswidrig, in Blumberg niemals polnische Arbeiter eingesetzt zu haben. Quellen: StAF V 500/ 3-74; LANRW NW 1022 B/ 38022; BAK Z 42 VII/ 2415; HHStA 520 D-Z/ 500945; UAF 364 B 17; Aus dem Leben, S. 47-48; Im Gleichschritt 3 (1942) S. 212-214. Dr. Rudolph Gerlach (17.11.1899 Hirschberg - Heigenbrücken 24.3.1984): Fabrikantensohn; Oberrealschule in Hirschberg, 1917/ 18 Militärdienst, 1919 Abitur, 1920-1923 Eisenhüttenkunde-Studium in Breslau, 1923-1925 dort Hochschulassistent, 1925 Promotion zum Dr. Ing., 1925-1926 Betriebsassistent in der Kokerei der RESW in Völklingen, 1926-1937 Betriebsleiter und stv. Direktor des Hochofenbetriebs des NE, 1937- 1939 Leiter des Dezernats »Forschung und Entwicklung Eisen und Stahl für die deutsche Eisenindustrie« in der RWA, 1940-1942 für den Hüttenbau zuständiges Vorstandsmitglied der DAG, 1942-1944 Oberdirektor und Vorstandsmitglied der Prager Eisenindustrie AG und Leiter der Hüttenwerke Kladno und Königshof, 1944/ 45 wieder im Vorstand der DAG; Pg. seit 1.6.1933, SS-Fördermitglied, Wehrwirtschaftsführer, Mitglied im Stab des Reichsarbeitsingenieurs, Wehrbeauftragter des Rüstungsstabs bei Walter Kopperschmidt; 1948 als Begünstigter im Sinne der Verordnung 133/ 165 entnazifiziert; 1945- 1947 landwirtschaftlicher Arbeiter in Südbaden, 1948-1952 Teilhaber und techn. Leiter 402 IX. Die Verantwortlichen der Überlinger Haushaltskeramik GmbH, ab 1952 bei Krupp als Versuchsingenieur und Metallurge tätig, ab 1960 Einsatz auf dem indischen Subkontinent. G. nahm 1940/ 41 eine zentrale Rolle im DAG-Vorstand ein und setzte als Vertreter des Reichs das um, was er selbst und Carl Krauch, der Chef im Reichsamt für Wirtschaftsausbau, für richtig hielten. Obwohl sie die Mehrheit im Aufsichtsrat besaßen, hatten die Saarwerke in dieser Zeit das Nachsehen gegenüber dem sehr selbstbewusst agierenden Hüttenbauvorstand. Nach dem Ende des Projekts wechselte G. dank der Protektion von Krauch und des Bevollmächtigten für das Protektorat Böhmen und Mähren, Hans Kehrl, in den Vorstand der Prager Eisenindustrie AG, aus der er bereits 1944 nach heftigem Streit mit seinen Vorstandskollegen und dem Mehrheitsaktionär Mannesmann wieder ausschied. G. galt als guter Hütteningenieur; doch wurde seine Befähigung für oberste Führungspositionen von vielen angezweifelt. Angesichts der Tatsache, dass er bereits 1933 im Saargebiet der NSDAP beitrat, wird man in ihm einen überzeugten Nationalsozialisten sehen können. In der NS-Nomenklatura galt er als eine »unbedingt zuverlässige Persönlichkeit« (so Walter Bertsch an Karl-Otto Saur v. 10.3.1944, RWWA 72-151-9). Bei seiner Entnazifizierung gab G. an, erst 1937 der NSDAP beigetreten zu sein; auf seiner Mitgliedskarte ist jedoch der 5.5.1933 als Tag des Aufnahmeantrags verzeichnet. Seine Familie nennt als G’s charakteristische Eigenschaften seine Beharrlichkeit in der Ausübung seiner Arbeit bis hin zum Perfektionismus und seine absolute Loyalität. Weitere Quellen: BAB Fragebogen zur parteistat. Erhebung 1939 und NSDAP-Mitgliederkartei (BDC); StAF V 500/ 1-18 und D 180/ 2-212298; RWWA 72-217-9; Universitätsarchiv Wroclaw TH 154 und 218. Dr. Walther Berger (14.9.1901 Großenhain - 15.5.1974 Donaueschingen): Sohn eines Ledergroßhändlers, nach dem Abitur 1922-1928 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg und Leipzig, 1930 Promotion zum Dr. jur., zugleich im elterlichen Betrieb und bei den Leipziger Firmen Atlas-Werke Pöhler & Co bzw. Franz Roßmann tätig, 1931/ 32 in einer Dresdner Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt, 1932 Assessorexamen, 1933-1940 Beamter im Oberfinanzpräsidium Würzburg, dort zuletzt als Regierungsrat für die Betriebsprüfung der Saarwerke zuständig, 1940-1947 kfm. Vorstand der DAG, Pg. seit Abb. 87: Rudolph Gerlach. Bild: Sammlung Prillwitz. 403 1. Das Management der DBG und der DAG 1.5.1933; 1948 als Entlasteter eingestuft; nach dem Krieg Handelsvertreter für Eisen- und Stahl. Zeitzeugen beurteilten B. als einen »unabhängigen und eigenständigen Geist«, den Sparsamkeit und Ehrgeiz auszeichneten. Im DAG-Aufsichtsrat und in den Ministerien besaß er eine hohe Reputation; auf der Baar galt er dagegen als missliebiger Repräsentant eines rücksichtslosen Unternehmens, das am Schicksal Blumbergs wenig interessiert war. B’s strikte Interessenvertretung zugunsten der DAG, seine Distanz zur örtlichen Parteileitung und sein Winterurlaub mitten im totalen Krieg machten ihn zum Ziel persönlicher Angriffe, die auch nach 1945 noch anhielten. B. wurde weder politisch verfolgt, noch leistete er Widerstand. Der NSDAP war er, wohl aus Opportunismus, bereits 1933 beigetreten. Die Anstellung eines »rassisch belasteten« Ingenieurs bei der Otavi und seine Liaison mit der »halbjüdischen« Tochter des Donaueschinger Stadtapothekers Richard Baur, die kurz nach dem Krieg in eine Ehe mündete, sind aber starke Indizien dafür, dass er der NS- Ideologie fern stand. Sein erstes Spruchkammerurteil vom Herbst 1946, das im Dienste einer gegen die DAG gerichteten Politik des Donaueschinger Landrats Robert Lienhart stand, sorgte für seine Entfernung aus dem Vorstandsamt. In der Revisionsinstanz präsentierte sich B. als wendiger Verteidiger seiner selbst, der sein Verhältnis zu Wilhelm Wittke und Erwin Planck, zwei Männern, die dem deutschen Widerstand angehörten oder ihm zeitweise nahestanden, stark übertrieb. Seine 1948 erfolgte Entlastung war für die französisch dominierten Saarwerke kein Grund, den ihnen viel zu selbständig agierenden B. erneut einzustellen. Quellen: StAF D 180/ 2-148718 und V 500/ -76; UAFB B 44/ 53; Ausk. Stadtarchiv Großenhain, Universitätsarchiv Leipzig, Raimund Adamczyk, Rosemarie Berger, Gretel Lang, Manfred und Luise Hoffmann. Friedrich Lauer (28.11.1901 Neunkirchen - 25.8.1953 Neunkirchen): Industriekaufmann, Angestellter des NE, Pg. ab 1933. Quelle Ausk. Stadtarchiv Neunkirchen. Dr. Ernst Dobler (22.9.1895 Stockach - 24.9.1959 Freiburg): Sohn eines Stadtbaumeisters, nach Mittelschulbesuch 1912-1914 kfm. Lehre in Basel, 1914-1916 Kriegsfreiwilliger, 1916 schwerkriegsbeschädigt entlassen, 1917/ 18 Zivilbeamter in der deutschen Zivilverwaltung in Belgien, 1919 Abitur, anschließend bis 1922 Studium der Staatswissenschaften Abb. 88: Walther Berger mit Ehefrau Annemarie, geb. Baur (1949). Bild: Ulrich Mees. 404 IX. Die Verantwortlichen in Würzburg und Tübingen, 1922-1924 wiss. Mitarbeiter der IHK Freiburg, 1924-1925 Syndikus bei einem Lahrer Unternehmen, 1925-1931 Unternehmensberater in Stuttgart und Freiburg, 1931-1959 freiberuflicher Steuerberater, ab 1938 auch Wirtschaftsprüfer in Freiburg, 1949-1959 im DAG-Vorstand. Quellen: GLA 508 Zug. 1992-18/ 145. August Endemann (19.8.1894 Ludwigshafen/ Rhein - 3.9.1964 Völklingen): ab 1932 bei den RESW, dort zuletzt Prokurist und Leiter der Revisionsabteilung, 1959-1963 im DAG-Vorstand. Quelle: Stadtarchiv Völklingen. Willi Stahl (29.11.1895 Endingen - 19.12.1981): 1937 Steuerinspektor in Offenburg, später Steuerrat, seit 1937 Pg., nach 1945 interniert, 1963-1968 Vorstand der DAG, Quellen: StAF D 180/ 2-217304; BAB NSDAP-Mitgliederkartei und Schwarzwälder Bote vom 7.8.1968. Albert Zädler (19.3.1904 Waldenburg/ Schlesien - ? ): 1921-1933 Reichswehrsoldat, danach Finanzbeamter in der Reichsfinanzverwaltung, 1946 in Säckingen, später im Finanzamt Villingen tätig, 1968-1974 Vorstand der DAG; NSKK-Scharführer ab 1933, Pg. seit 1937; laut NSDAP-Personalblatt v. 3.12.1936: »Politisch wie allgemein gut und zuverlässig. Judengegner«. Quellen: StAF D 180/ 2-161978 und D 180/ 9-1113/ 1. c) Leitende Angestellte Personaltableau vom April 1942 I. Technische Abteilung Name Leiter der Abteilung Pg. seit bzw. Parteiamt Dr. Hans Bornitz Bergwerksdirektor 1935/ Kreiswirtschaftsberater Dr. Heinrich Ziergiebel Direktionsassistent 1937 Obering. Kramer Aufbereitung ? Josef Imhäuser Ausbildung u. Me-Fertigung kein Pg. Karl Breiing Grubenleiter 1937 Edgar Kießling Fahrsteiger ? Josef Pfnür Fahrsteiger 1937 Franz Feiten Reviersteiger 1940 Franz Wollschläger Reviersteiger 1937/ Ortspropagandaleiter Walter Kefer Tagebau 1940 Hermann Eichner Bauabteilung 1937 Aufnahmeantrag abgelehnt Gustav Schälderle Konstruktionsbüro ? Karl Westram Me-Fertigung 1931/ Parteiausschluss 1934 405 1. Das Management der DBG und der DAG Wilhelm Holtmann Wehr- und Wirtschaftsstelle 1933 Fritz Wenger Markenkontrolle Ortspresseamtsleiter Karl Kurz Betriebsobmann 1933/ SA-Funktionär II. Kaufmännische Abteilung Dr. Walther Berger Kaufmännischer Direktor 1933 Moritz Feuerhake Prokurist 1933/ SA-Kassenleiter Hugo Raff Personal wahrscheinlich kein Pg. Kurt Walter Liegenschaften 1940 Karl Bertold Kasse 1929/ Begründer einer Ortsgruppe Ernst Denzer Buchhaltung kein Pg. Werner Kobert Betriebsbuchhaltung 1933 Josef Peters Lohnbuchhaltung 1937/ SS-Angehöriger Hans Minas Einkauf 1937 Siegfried Troll Kantine 1937 Karl Fischer Werksheim ? Max Wölfle Versand 1937 Viele Führungskräfte waren bereits 1933 Pg. geworden; die größte Gruppe stellten jedoch solche, die der NSDAP erst nach Lockerung der parteiamtlichen Aufnahmesperre im Jahre 1937 beitraten. NS-Aktivisten, die für den Umsturz in der »Systemzeit« gekämpft oder sich an Sprengstoffanschlägen beteiligt hatten, wie Grablowitz oder Huber, befinden sich ebenso in der Minderzahl wie Menschen, die, wie Denzer oder Heyer, nicht oder wenigstens während ihrer Blumberger Dienstzeit noch nicht in der Partei waren. 1952 gab das langjährige Mitglied der DAG-Geschäftsleitung, Moritz Feuerhake, zu: »Es ist natürlich schon so, dass die Partei bei der Personalpolitik der Doggererz-AG. ein Wort mitgesprochen hat; irgendwelche krassen Fälle, dass jemand wegen seiner antinationalsozialistischen Haltung entlassen wurde, sind mir aber nicht bekannt« 1 . Parteiamtlich initiierte Degradierungen und verwehrte Aufstiegschancen gab es aber schon, wie die Fälle Cosalter und Imhäuser zeigen. Die bevorzugte Einstellung der österreichischen NS- Aktivisten Grablowitz und Lobnig durch Lillig ist gleichfalls belegt. Leitende technische Angestellte Viktor Grablowitz (4.4.1909 Wolfsberg/ Kärnten - 2.1.1969) Matura an der Realschule in Klagenfurt, 1926-1934 Studium des Bergwesens an der Montanistischen Hochschule Leoben; ab März 1933 (eigenen Angaben zufolge bereits ab November 1932) NSDAP- und SS-Mitglied (SS-Oberscharführer); aktive Teilnahme am gescheiterten Juli-Putsch im Raum Donawitz-Leoben, wo die blutigsten Kämpfe stattfanden, anschließend Flucht nach Deutschland, Internierung (? ) in Dachau, 1935-1938 stv. Leiter des techn. Büros 1 StAF F 196/ 1-3512. 406 IX. Die Verantwortlichen der DBG in Blumberg; Mitte 1938 Rückkehr nach Österreich, dort bei der Bergdirektion der Österreichisch Alpine-Montangesellschaft bis 1941 als Betriebsleiter der Rösterei Eisenerz beschäftigt, ab Ende 1941 in Donawitz tätig, 1944 bei der Maxhütte in Sulzbach- Rosenfeld; nach Kriegsende Internierung im britischen Lager Wolfsberg. Nach Aussage von Moritz Feuerhake spielte die Tatsache, dass G. und sein Kollege Lobnig illegale Nationalsozialisten aus Österreich waren, eine ausschlaggebende Rolle bei ihrer Einstellung. Quellen: StAF F 196/ 1-2512; StLA, VA Erzberg, Personalakten Angestellte, Dipl.-Ing. Grablowitz, geb. 4.4.1909; BAB R 9361 II/ 311668; StAB Vermerk Schmid v. 4.2.1938; Ausk. Kärtner Landesarchiv und Universitätsarchiv Leoben. Wilhelm Holtmann (13.6.1902 Somborn - nach 1948): kfm. Ausbildung, 1931-1933 Sachbearbeiter bei der Gelsenkirchener Bergwerks AG in Hamborn, 1933-1938 dort Direktionssekretär, 1939-1942 Leiter der Sozialabteilung bei der DAG, ab 1939 auch deren Abwehrbeauftragter, 1942-1946 Verwaltungsleiter der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke; Pg. seit 1935; 1948 als »nominelles Mitglied« (Kat. 5) entnazifiziert. StAF V 500/ 3-88 und LANRW NW 1111-BG. 3-94. Josef Imhäuser (16.2.1893 Fischbach - 8.6.1951 Bonn): Oberingenieur, 1928-1930 Betriebsleiter bei Bachem & Cie. in Königswinter, 1930-1937 Ausbildungsleiter beim Eschweiler Bergwerksverein in Kohlscheid, 1937/ 38 bei Heinkel Flugzeugwerke in Rostock, 1939-1940 arbeitslos, 1940-1942 Ausbildungsleiter und Leiter der Messer schmitt- Fertigung bei der DAG, 1943-1944 bei Walter Koppschmidt in Blumberg, 1944 von der Gestapo verhaftet und wieder freigelassen, nach dem Krieg im Blumberger Gemeinderat; I. war kein Pg. und gab 1946 an, von der Gestapo verfolgt worden zu sein. Das Gaupersonalamt Karlsruhe verhinderte 1942 seine Bestellung zum Schulleiter der Bergmännischen Berufsschule Blumberg, weil er »in seinem politischen und weltanschaulichen Gesamtverhalten noch nicht so hinreichend gefestigt« sei. I. gehörte zu den Zuträgern des Blumberger Bürgermeisters Schmid und gab vertrauliche Informationen aus der DAG preis. Quellen: StAF D 180/ 121527 und 57506; RWWA 72-151-8. Karl Kurz (21.9.1905 Riedöschingen - 25.9.1969 Tuttlingen): Landwirt, 1934-1942 angelernter Bergmann und Betriebsobmann bei der DBG/ DAG, 1942-1944 bei der Gewerkschaft Finstergrund; Pg. seit März 1933, 1934 SA- Scharführer; K. war völlig ungeeignet für eine wirksame Interessenvertretung seiner Klientel gegenüber der Bergwerksleitung. Quellen: StAF D 180/ 2-91036 und Ausk. Stadt Blumberg. Margarete (»Gretel«) Lang, geb. Maier (16.10.1919 Donau eschingen - 2.5.2015 Donaueschingen): 1935-1942 bei der DBG/ DAG angestellt, ab 1937 Chefsekretärin von Feuerhake, später von Heyer und Bornitz, nach 1946 Be- Abb. 89: Gretel Lang, geb. Maier. Bild: Christel Lang. 407 1. Das Management der DBG und der DAG trieb eines Einzelhandelsgeschäfts in Donaueschingen; Quelle wertvoller Erkenntnisse für den Verfasser. Dr. Hanns Müller-Stoll (31.12.1911 Karlsruhe - 25.6.1939): Geologe, 1936 Promotion in Halle, 1937/ 38 Topograph im bad. Staatsdienst, 1938/ 39 DBG-Montangeologe, bei einem Verkehrsunfall getötet. Quelle: Mayer, Hanns Müller-Stoll. Julius Peter (26.12.1897 Bochum - 24.1.1977 Niedenstein): Sohn eines Bergmanns, 1915-1938 kfm. Angestellter bei der Harpener Bergbau AG, 1938-1940 Leiter der Markenkontrolle und des Gefolgschaftsamts bei der DAG; Pg. seit 1939. P. denunzierte Breiing 1940 wegen staatsfeindlicher Äußerungen bei der Gestapo und gab Theo Schmid 1946 ein fragwürdiges Entlastungszeugnis (siehe Anhang IX/ 3). Quellen: StAF A 47/ 1- 1171 sowie Ausk. Stadt Blumberg und Stadtarchiv Bochum. Karl Westram (13.4.1879 Wimmenau/ Elsass - ? ): Sohn eines Forstbeamten, Abitur in Metz, Ingenieur-Studium an der TH Karlsruhe bis 1903, anschließend bei Unternehmen in Berlin, Riga, Peine, Halberstadt, München und Leipzig tätig, 1942 Leiter der Maschinen- und Werkzeugbeschaffung für die Messerschmitt-Fertigung der DAG, danach bei Walter Kopperschmidt tätig, Ende 1942 verhaftet und 1943 wegen staatsfeindlicher Äußerungen von einem Sondergericht zu 2 Jahren Haft verurteilt. Das Strafmaß berücksichtigte, dass sich W. »früher erhebliche Verdienste um die Bewegung [...] erworben« habe. W. war laut eigenem Bekunden seit 1922 Pg., seine Mitgliedskarte weist jedoch den 1.7.1931 als Eintrittstermin aus. Er war Ortspropagandaleiter in Berlin-Lichtenrade und wurde 1932 nach einem Streit unter Parteifunktionären wegen ehrenrühriger Handlungen gegen die NSDAP ausgeschlossen. Auch W. war einer der Entlastungszeugen des Blumberger Bürgermeisters Schmid. Quellen: StAF F 196/ 1-4790 und BAB NSDAP- Mitgliederkartei. Heinrich Ziergiebel (13.12.1901 Aue - 14.1.1976 Duisburg): Sohn eines Studienrats, Humanistisches Gymnasium, 1921-1926 Studium an der Bergakademie in Freiberg, 1923 als Freiwilliger an der Niederschlagung kommunistischer Aufstände in Sachsen beteiligt, 1926 Diplom-Bergingenieur, 1926-1927 Lehramtsstudium an der TH Dresden, 1927-1928 Berufsschullehrer in Brandis, 1928-1931 Betriebsingenieur bei südamerikanischen Bergbauunternehmen, 1933-1936 wiss. Mitarbeiter an den Bergakademien Freiberg und Clausthal sowie am Institut für Steine und Erden in Köthen, 1936-1939 bei der staatlichen Lagerforschungsstelle Freiberg, 1939-1942 Montangeologe bei der DAG (Nachfolge Müller-Stoll), 1943-1948 leitende Funktion in div. Grubenbetrieben des Erzgebirges, ab 1948 im Kalibergwerk Buggingen bzw. im Blei-Zinn-Bergwerk Schauinsland bei Freiburg, ab 1951 als Berggewerbeoberlehrer am Niederrhein tätig; seit 1936 SA- Mitglied und seit 1937 Pg.; 1948 als Begünstigter im Sinne der Verordnung 133/ 165 entnazifiziert. Quellen: StAF D 180/ 2-219599; Bergarchiv Freiberg 40028-413/ 9 und 40054-97; Aus dem Leben, S. 386-387. 408 IX. Die Verantwortlichen Steiger Otto Cosalter (8.12.1898 Blumberg - 17.9.1981 Bräunlingen): Sohn eines italienischen Bauarbeiters, der Ende des 19. Jahrhunderts zum Bau der Wutachtalbahn nach Blumberg gekommen war und dort eine Einheimische geheiratet hatte; 1930-1934 Gemeindearbeiter in Blumberg, 1934-1942 bei der DBG/ DAG, zunächst Sprengmeister und stv. Betriebsführer, ab Juli 1934 Steiger im Angestelltenverhältnis, 1935 auf Betreiben der örtlichen Parteileitung ausgebürgert und zum Arbeiter degradiert. C. war kein Pg., gehörte vor 1933 der SPD an und wurde im Ort verdächtigt, kommunistisch gewählt zu haben. Quellen: StAF D 180/ 2-192293 und F 196/ 1-3512. Hermann Eid (3.11.1907 Obermoschel - 22.3.1940 Blumberg): Reviersteiger, erschlagen beim schweren Bergunfall an Karfreitag 1940. Quellen: StAF G 11/ 2-119 und Ausk. Jutta Nessel. Franz Feiten (25.10.1902 Übach - 10.12.1977 Geilenkirchen): Volksschule, 1922-1926 Bergschul-Ausbildung in Kohlscheid und Aachen, 1931-1938 Reviersteiger auf der Steinkohlenzeche Carolus Magnus in Palenberg, 1939-1942 Reviersteiger und stv. Fahrsteiger in Blumberg, 1942-1944 als Obersteiger und Betriebsführer für die Berghütte Ost in der Ukraine, 1944/ 45 Bergmann in Österreich, ab 1945 Reviersteiger auf Zeche Hibernia in Herne, 1948 auf Carolus Magnus; Pg. seit 1940, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. Quelle: LANRW NW 1035-Aachen II-221. Edgar Kießling (26.11.1902 Saupersdorf - 9.12.1964 Kirchberg/ Zwickau): 1917-1920 Ausbildung zum Maschinenzeichner und -schlosser, 1920-1935 Bergmann auf Kohlenzeche Lohberg bei Dinslaken, 1928-1932 Bergschul-Ausbildung in Hamborn, 1935-1942 Betriebssteiger bzw. ab 1938 Fahrsteiger bei der DBG/ DAG, 1942-1944 Fahrsteiger bei der Gewerkschaft Carl Alexander, 1944 in die Unter-Tage-Verlagerungsprojekte Goldfisch (Neckarzimmern) und Carnallit (Pirna) involviert, 1945 Rückkehr nach Sachsen, ab 1946 Hauer bzw. Steiger in der Wolframit-Grube Pestelsgrün. K. trug wesentlich zur Einführung des Wanderpfeilerbruchbaus in Blumberg bei. Quellen: StaF V 500/ 3-78; Bergarchiv Freiberg 40054-82 und Kreisarchiv Zwickau Kbg II 12-241. Josef Pfnür (16.08.1910 Salzberg/ Berchtesgaden - 10.9.1980 Rosenheim): Zimmermannslehre, 1929-1934 Schüler an der Bergschule Zwickau, 1936-1938 Abteilungssteiger in Pegnitz, 1938-1942 Fahrsteiger bei der DBG/ DAG, 1942-1945 Fahrsteiger in Mühlbach am Hochkönig (Österreich); Pg. seit 1940, als Minderbelasteter entnazifiziert, nach 1945 Steiger im Torfwerk Raubling. Quellen: StAM SpKA K 3919, Ausk. Elisabeth Murf. Georg Schloms (23.2.1904 Harpen - 17.7.1981 Kamp-Lintfort): 1926-1933 Hauer auf Zeche Beeckerwerth in Duisburg, zugleich Bergschulausbildung, 1933-1935 Steiger auf Vereinigte Untertage- und Schachtbau in Essen, 1935-1940 Steiger und Fahrsteiger 409 1. Das Management der DBG und der DAG bei der DBG/ DAG, dort auf Anordnung des Bergamts Freiburg wegen eines schweren Verstoßes gegen die Grubensicherheit zum Reviersteiger degradiert, 1940-1945 Steiger auf Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort; Pg. seit 1940. Quellen: LGRB 9 A/ 92; LANRW NW 1035-RBDüss.-2481 und BAB NSDAP-Mitgliederkartei. Franz Wollschläger (27.7.1901 Hamborn - 8.6.1969 Borken): 1925-1929 Bergschulausbildung, 1931-1937 Kohlenhauer auf Zeche Neumühl in Duisburg, 1937-1942 Schichtsteiger bzw. ab 1940 Abteilungssteiger bei der DBG/ DAG, danach Abteilungssteiger auf Zeche Walsum; Pg. seit 1937; 1942 Propagandaleiter in Blumberg, 1947 als Mitläufer (Kat. 4) entnazifiziert; W. gab an, wegen seines katholischen Glaubens beruflich diskriminiert worden zu sein, weswegen er Pg. geworden sei und prompt ein Aufstiegsangebot aus Blumberg erhalten habe. Selbst zeigte er 1941 einen Bergmann wegen staatsfeindlicher Äußerungen bei der Polizei an. Quellen: LANRW NW 1035-280 und StAF A 47/ 1-178. Weitere Steiger: Hermann Caspers, Wienand Huppertz (2.4.1903 Hamborn - ? ), Franz Lüttgenbruch (geb. ca. 1901) und Karl Thiemann (26.7.1882 Weitmar - ? ). Abb. 91: Steiger des Blumberger Bergwerks. Von rechts: Georg Schloms, daneben Franz Wollschläger. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 90: Franz Wollschläger. Bild: Landesarchiv Nordrhein- Westfalen. 410 IX. Die Verantwortlichen Leitende Kaufmännische Angestellte Karl Bertold (22.4.1896 Bonndorf - ? ): Industriekaufmann, 1930-1938 selbständiger Buchdruckereibesitzer, 1938-1940 Buchhalter der KdF-Geschäftsstelle Neustadt, 1940- 1943 Kassenleiter bei der DAG. B. war laut Auskunft des Bonndorfer Bürgermeisters schon 1929 »einer der eifrigsten Mitbegründer der Ortsgruppe Bonndorf der NSDAP und war ein eifriger Verfechter der Machtübernahme, weil er glaubte, daraus wirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können«. Später hatte sich B. mit der Partei überworfen, weil er sie für die Schließung seines Betriebs verantwortlich machte. 1940 gab er seine, wie er sagte, »entwürdigende Stellung« bei der KdF nach »dienstlichen Schwierigkeiten« auf und klagte gegen deren Chef Robert Ley auf Zahlung rückständiger Lohnbestandteile, musste seine Klage aber auf Druck von Bornitz wieder zurückziehen. In der DAG war man mit seinen Leistungen sehr zufrieden, weshalb ihm neben der Kasse auch die Leitung der Wohnungsverwaltung, des Lohnbüros und der Personalabteilung übertragen wurde. Anfang 1943 erhielt er Handlungsvollmacht. Die Untersuchungskommission Neustadt stufte ihn 1948 als Minderbelasteten ein. Quelle: StAF D 180/ 2-109930. Ernst Denzer (21.6.1888 Wörsbach/ Pfalz - 6.2.1983 Blumberg): Sohn eines Landwirts, kfm. Lehre, 1906- 1918 bei der BASF in Ludwigshafen, dort als Kontorist im Inventarbüro für die Einführung des Hollerith-Verfahrens zuständig; 1918-1923 Leiter des Inventarbüros im Ammoniakwerk Leuna, 1923-1928 Chefbuchhalter und Prokurist der Federhalterfabrik Koch, Weber & Co. in Heidelberg, 1928-1934 selbständiger Schreibwarenfabrikant in Heidelberg, 1934-1937 kfm. Leiter einer Schreibwarenfabrik in Mailand, 1937/ 38 arbeitslos, 1938-1963 Buchhaltungsleiter der DBG/ DAG, 1940 Handlungsvollmacht, 1943 Prokura. D. war ein erfahrener Fachmann, der seine eigene Meinung gegenüber seinen Arbeitgebern ungewohnt offen vertrat. Auch in der DAG verlief sein Einsatz nicht spannungsfrei. Der meist schlechte Zustand der Buchhaltung wurde, neben Heyer, auch ihm zur Last gelegt, doch relativiert der chronische Personalmangel im kaufmännischen Bereich diesen Vorwurf. 1950 sollte D. in den Vorstand berufen werden, doch scheiterte der Plan am Widerstand der Werksdirektion von Teves. Als einziger DAG-Mitarbeiter erlebte D. sein 25jähriges Dienstjubiläum. Von 1950 bis 1963 leitete er die Blumberger Geschäftsstelle des Unternehmens und galt als dessen lebendes Gedächtnis. D. war kein Pg. Quellen: StAF V 500/ 3-73 und Ausk. Dr. Horst Denzer. Moritz Feuerhake (11.11.1908 Fröndenberg - 20.9.1963 Freiburg): Sohn des Fabrikanten Wilhelm F. und Ehefrau Auguste; kfm. Lehre im elterlichen Betrieb (Firma Union), »einige Semester« Studium an der Handelshochschule in Köln, 1932-1935 Sachbearbei- Abb. 92: Ernst Denzer. Bild: Dr. Horst Denzer. 411 1. Das Management der DBG und der DAG ter bei der Union Fröndenberg, 1936/ 37 Einkäufer bei den Vereinigten Stahlwerken in Dortmund, 1937-1942 Direktionsassistent, später Prokurist und zeitweise kfm. Leiter der DBG/ DAG, 1942-1945 kfm. Direktor der Preußag-Tochter Antimon AG in Belgrad, 1946/ 47 kfm. Direktor der Württ. Ölschieferwerke in Dotternhausen, Pg. seit 1.5.1933, 1933-1935 SA-Kassenleiter und Rottenführer, 1940-1942 Oberscharführer im NSKK, 1947 ohne Einstufung in eine Belastungsgruppe mit einer Strafe belegt, die üblicher Weise gegen Schuldige ergriffen wurde, 1948 als Minderbelasteter eingestuft; 1947 Gründung der »Bergbau GmbH Moritz Feuerhake« in Blumberg, 1949 Konkurs. F. hatte großen Anteil daran, dass eine von Arbeitskollegen gegen den Fahrer Anton Liebert erstattete Anzeige wegen staatsfeindlicher Äußerungen folgenlos blieb. Quellen: StAF V 500/ 3-82, D 180/ 2-163583, G 11/ 2-165 und A 47/ 1-170. Michl Huber (18.5.1890 Pfaffenhofen - 2.3.1942 Blumberg): Damenfriseur-Meister, 1926 in der Schweiz tätig, Pg. seit 1930, SS-Hauptsturmführer, 1931 auf Antrag des Wohlfahrtsamts Stuttgart mit Passsperre belegt, 1932 in einen Sprengstoffanschlag auf die Polizeidirektion Baden-Baden verwickelt, 1937 Leiter der Kantine und des Bergarbeiter-Barackenlagers der DBG, ab 1940 auch Leiter des Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagers, deren Insassen er »mit verwerflichen Methoden [...] terrorisiert« haben soll. Quellen: Eidesstattliche Versicherung Julius Peter v. 20.11.1946 (Privatbesitz), Stadtarchiv Baden-Baden Melderegisterauszug v. 1937, BAB NSDAP-Mitgliederkartei; Achim Reimer, Stadt, S. 20. Dr. Hans Reichard (31.12.1905 Straßburg - 10.12.1996 Pitzling bei Landsberg): Sohn eines Regierungsassessors und späteren Ministerialrats im Reichsfinanzministerium, 1924-1928 Jurastudium in Tübingen, München und Berlin, 1930 Promotion in Tübingen, Angestellter beim Mitteleuropäischen Wirtschaftstag, 1938-1945 Lobbyist der Otto-Wolff-Gruppe in Berlin, 1944/ 45 auch Generalbevollmächtigter der DAG, Pg. seit 1937, 1946 als Mitläufer entnazifiziert, 1945 kurzzeitig Bürgermeister von Leutershausen, Mitbegründer der CSU im Landkreis Ansbach, später als Rechtsanwalt tätig. Quellen: RWWA 72-233-9; Universitätsarchiv Tübingen 189/ 939 und 258/ 14746; StAN Spruchkammer Ansbach-Land R 24; Woller, Gesellschaft, S. 148; Ausk. Konrad Bickert und Stadtarchiv Leutershausen. Abb. 93: Michl Huber. Bild: Bundesarchiv Berlin. 412 IX. Die Verantwortlichen 2. Die staatliche Bergverwaltung … a) … in Baden Der Vollzug des badischen Berggesetzes 2 oblag seit 1919 der Abteilung für Salinen und Bergbau im Karlsruher Finanzministerium, die die Funktion einer oberen Bergbehörde wahrnahm. Der »Bergmeister«, 1922 in »Bergamt Karlsruhe« umbenannt, übte als untere Bergbehörde die Polizeigewalt aus. Im Februar 1935 wurde das Bergwesen durch ein Reichsgesetz zur Reichssache erklärt und die Bergbehörden der Länder den Weisungen des Reichswirtschaftsministeriums (RWM) unterstellt 3 . Von da an war die badische Bergverwaltung nur noch im Namen und Auftrag des Reichs tätig und hatte nach Inkrafttreten des Vierjahresplans von 1936 dessen expansive Förderziele umzusetzen. 1938 passte man den Behördenaufbau dem stark gewachsenen Aufgabenumfang an 4 : Das Bergamt Karlsruhe blieb als untere Bergbehörde erhalten; als Mittelbehörde diente ein neu errichtetes Oberbergamt mit Sitz in Karlsruhe; das Badische Finanz- und Wirtschaftsministerium (BFWM) fungierte weiterhin als oberste Bergbehörde. Da der Eisenerz-Bergbau in Südbaden ab 1937 stark zunahm, richtete das Land im Oktober 1938 auch ein Bergamt in Freiburg ein 5 . 1942 gliederte das Reich 6 die Bergbehörden der Länder seiner Verwaltung ein und ordnete deren Amtsbezirke neu 7 . Geleitet wurde die oberste Bergbehörde des Landes zwischen 1921 und 1935 von Erich Naumann, der 1903 auf Fürsprache von Baurat Max Honsell in den badischen Staatsdienst gelangt war. Der unteren Bergbehörde stand Dr. Hermann Ziervogel vor, ein streitbarer Zeitgenosse, der sich auch in den Zeiten des Vierjahresplans vehement für die Sicherheit im Bergbau einsetzte 8 . Als Folge der Nürnberger Rassegesetze verlor Naumann Ende 1935 seine Position; Ziervogel, der einen NSDAP-Beitritt stets ablehnte und seinen höchsten Vorgesetzten, Ministerpräsident Walter Köhler, wegen Missachtung bergpolizeilicher Vorschriften bei der Reichskanzlei angezeigt hatte 9 , wurde bei der Nachfolgeregelung übergangen. Im April 1937 trat der vom RWM ausgesuchte preußische Bergrat Heinrich Landschütz seinen Dienst als Bergbau-Chef im BFWM an. Einen Monat später wurde der aus Herne kommende Clemens Spannagel dem missliebigen Ziervogel im Bergamt Karlsruhe vor die Nase gesetzt. Ende April 1938 entfernte man Ziervogel aus der badischen Staatsverwaltung. Der aufstrebende Bergbau löste 1938 einen Personalzuwachs in der Bergverwaltung aus: Nach Gründung des Bergamts Freiburg übernahm Spannagel vorübergehend dessen Leitung und machte seinen Posten im Bergamt Karlsruhe für den neu eingestellten Ru dolph Philipp frei. Letzterer löste bald darauf Spannagel in Freiburg ab, woraufhin Philipps 2 Bad. Berggesetz v. 22.6.1890, BGVBl. 1890 S. 447 ff. und VO v. 22.12.1890, BGVBl. 1890 S. 804. 3 Gesetz zur Überleitung des Bergwesens auf das Reich, RGBl 1935 I S. 315. Dazu: Banken, Reichsberggesetz und Einzelmaßnahmen, in Bähr/ Banken, Wirtschaftssteuerung, S. 71 ff. 4 VO v. 30.3.1938, BGVBl. 1938 S. 29. 5 VO v. 13.10.1938, BGVBl. 1938 S. 95. 6 Gesetz über den Aufbau der Reichsbergbehörde v. 30.9.1942, RGBl 1942 I S. 603. 7 Details bei Stiefel, Baden, S. 1826 f. 8 Siehe dazu: Kap. V/ 5/ c und Kurzbiografie Ziervogel. 9 So Ziervogel in seiner Schrift an das Landgericht Karlsruhe v. 2.1.1954, GLA 466-2/ 11416. 413 2. Die staatliche Bergverwaltung … freigewordene Stelle im Bergamt Karlsruhe mit dem aus Bayern kommenden Manfred Grumbach besetzt wurde. Spannagel kehrte seinerseits Ende 1938 nach Karlsruhe zurück, wo er im neu errichteten Oberbergamt unter Landschütz Dienst tat. Nach Kriegsbeginn wurde Spannagel nach Krakau beordert und seine beim Oberbergamt Karlsruhe freigewordene Stelle 1940 mit Hermann Kleine-Doepke besetzt. Nach Grumbachs Tod Ende 1944 übernahm Paul Schulze-Vellinghausen die Leitung des Bergamts Karlsruhe. Die militärische Niederlage sorgte dann für eine harte Zäsur: Sie kostete Landschütz das Amt und machte deutlich, dass das Land eine überbesetzte Bergverwaltung besaß, in deren Verantwortungsbereich der Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen alltägliche Praxis gewesen war. Der Tod und das Leid der von der SS geschundenen Menschen kann den Beamten, die sich 1944/ 45 intensiv mit der Unter-Tage-Verlagerung deutscher Rüstungsbetriebe beschäftigt 10 hatten, nicht entgangen sein. Nach dem Ende des Deutschen Reichs richtete das BFWM im September 1945 wieder eine oberste Bergbehörde des Landes in Form einer eigenen Ministerialabteilung in Karlsruhe ein. Da es kein unbelastetes Spitzenpersonal gab, wurde Erich Naumann im Juli 1945 mit dieser Aufgabe betraut. Im französisch besetzten Südbaden baute das BFWM im August 1945 die Außenstelle Freiburg auf 11 und übertrug Rudolph Philipp, der seit 1938 Chef des Freiburger Bergamts war, die Leitung der Bergabteilung. 1946 wurde das südbadische Bergwesen dann dem Freiburger Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zugeschlagen 12 . Nach Gründung des Südweststaats richtete die Regierung 1952 das Oberbergamt Baden-Württemberg als oberste Landesbehörde mit Sitz in Freiburg ein und unterstellte sie dem Wirtschaftsministerium 13 . Seit 1998 obliegt die Bergbauverwaltung dem Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe, einer Abteilung des Regierungspräsidiums Freiburg. Erich Naumann (4.7.1875 Landeshut/ Schlesien - 8.10.1966 Karlsruhe): evangelisch getaufter Sohn eines jüd. Unternehmers, nach dem Abitur in Spandau Ausbildung zum preuß. Bergassessor, Studium in Heidelberg, Leipzig und Clausthal; nach zweiter Staatsprüfung 1903 Wechsel in den bad. Staatsdienst, dort Aufstieg vom Bergmeister (1904) zum Ministerialrat (1926), 1921-1935 Leiter der Abteilung für Salinen und Bergbau des BFM/ BFWM; bis 1933 DVP-Mitglied. Als Folge der Nürnberger Rassege- 10 Aktenbefund BAB R 3101/ 31208. 11 Erlass des BFWM Nr. 1839 v. 29.8.1945. 12 Erlass des SBMF Nr. 1932 v. 7.3.1946. 13 VO v. 22.9.1952, Gesetzblatt Baden-Württemberg 1952 S. 36. Abb. 94: Erich Naumann und der württembergische Finanzminister Alfred Dehlinger 1933 bei Gutmadingen. Bild: Familie Naumann. 414 IX. Die Verantwortlichen setze verlor N. Ende 1935 seinen Posten; als Partner in einer »privilegierten Mischehe« überlebte er das Dritte Reich. N. wurde im Juli 1945 reaktiviert und 1946 als Abteilungsleiter für Landwirtschaft, Domänen und Bergbau in der nordbad. Finanzverwaltung eingesetzt. Entlastungszeugnisse an politisch belastete Bergbeamte stellte er großzügig aus. Quellen: GLA 76/ 12984; Naumann, Lebenserinnerungen; Serlo Nr. 706; Badische Neueste Nachrichten v. 10.10.1966; Ausk. Dietrich Naumann. Dr. Hermann Ziervogel (2.1.1883 Nachterstedt - 2.6.1963 Karlsruhe): Sohn eines Schichtmeisters, Oberrealschulbildung, 1903-1908 Studium an der Bergakademie Berlin, 1908 Diplom-Bergingenieur und wiss. Assistent, 1910 mit einer geolog. Dissertation an der Universität Greifswald promoviert, ab 1909 im bad. Staatsdienst, dort Aufstieg vom Bergmeister (1911) zum Oberbergrat (1927); 1911-1938 Leiter des Bergamts Karlsruhe, am 1.5.1938 »aus gesundheitlichen Gründen« pensioniert, danach als Bergbau- Berater tätig; Z. war kein Pg., gehörte vor 1933 der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei an und unterlag 1952 in einer Wiedergutmachungsklage gegen das Land. Seine enorme Streitlust, seine Distanz zur NSDAP und sein Beharren auf Einhaltung bergbaulicher Sicherheitsvorschriften auch in Zeiten des Vierjahresplans führten zu seinem beruflichen Scheitern. Quellen: StAF 235/ 5-98, GLA 480/ 4595, 466-2/ 11416 und 462 Zug. 1994-38/ 73; Ausk. Sibylle Ziervogel. Heinrich Landschütz (19.4.1890 Runkel - 17.2.1975 Offenburg): Sohn eines preuß. Amtsgerichtsrats und spät. Bankdirektors, nach dem Abitur 1909 in Gotha Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1910-1913 Studium in Freiburg, München und an der Bergakademie Berlin, 1914-1918 Kriegsteilnahme, 1921 Bergassessor in Bochum, 1923 Betriebsdirektor der Mansfeld AG in Eisleben, 1924 bei der Geolog. Landesanstalt in Berlin, 1925 Bergrat, ab 1927 im RWM mit der Sonderaufgabe wirtschaftlicher Bewertung inländischer Rohstoffvorkommen betraut, 1931 Leiter des Bergamts Aachen, 1933 in Köln-West, 1934 Erster Bergrat in Koblenz, 1937 Leiter der Abt. für Salinen und Bergbau im BFWM, 1938-1945 Leiter des Oberbergamts Karlsruhe, 1943 Oberbergamtsdirektor, 1945 suspen- Abb. 95: Hermann Ziervogel. Bild: Petra Ziervogel. Abb. 96 Heinrich Landschütz (1938). Bild: Dr. Werner Landschütz. 415 2. Die staatliche Bergverwaltung … diert, 1948-1950 Zwangsverwalter des Kalibergwerks Buggingen; Pg. seit 1.5.1933, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. S. war gläubiger Katholik und machte seinen damaligen Bonner Vorgesetzten Otto Heyer für seinen Parteibeitritt verantwortlich. Seine politischen Beurteilungen durch die NS-Personalämter fielen teilweise sehr zurückhaltend aus. Ab 1945 betrieb der gesundheitlich stark angeschlagene L. erfolglos seine Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Quellen: GLA 466-2/ 6019-6024, 466-2/ 8956 und 465a/ 61/ 45/ 787; StAF D 180/ 2-53093; Serlo Nr. 1315; Ausk. Dr. Werner Landschütz. Clemens Spannagel (8.12.1903 Schmalkalden - 8.7.1979 Heilbronn): Sohn eines Regierungsrats, nach Oberrealschulabschluss Ausbildung zum preuß. Bergassessor, Bergbau- und Geologiestudium in Clausthal, Jena, Graz und Berlin, 1928 erste, 1931 zweite Staatsprüfung, 1932-1935 Bergingenieur beim Eschweiler Bergwerksverein, ab 1935 Bergassessor beim Bergamt Herne, ab 1937 im Bergamt Karlsruhe bzw. Freiburg, ab 1939 als Oberbergrat im Oberbergamt Karlsruhe tätig, nach Kriegsbeginn zum Bergamt Krakau versetzt, 1945 in Nordbaden suspendiert; SA-Rottenführer seit 1934, Pg. seit 1.5.1937, 1947 als Mitläufer entnazifiziert; ab 1949 als nordbad. Landesbeamter tätig. Quellen: GLA 465h/ 10269 und StAF F 235/ 5-14, Serlo Nr. 1656. Rudolph Philipp (22.11.1902 Betzdorf - 20.7.1990 Heidelberg): Sohn eines Hauptlehrers, 1921 Abitur auf dem Realgymnasium, Ausbildung zum preuß. Bergassessor, Bergbaustudium in Clausthal und Aachen, 1929 Bergassessor, anschließend Tätigkeit in einer Kohlenzeche bei Herbede, ab 1931 Bergassessor beim Bergamt Aachen, 1933 zum Bergrat befördert, ab 1935 beim Bergamt Saarbrücken- Ost, danach Leitung der Bergämter Zweibrücken (1937/ 1938), Karlsruhe (1938) Freiburg (1938- 1943), Mühlhausen (1940-1944) und Freiburg (1944/ 45); Mitte 1945 suspendiert, aber vorläufig im Dienst belassen. P. war Pg. seit dem 1.5.1933, wurde 1947 mit einem Verbot leitender Tätigkeit belegt, nach erfolgreicher Revision gegen das Spruchkammerurteil aber wieder als Leiter des Bergamts Freiburg eingesetzt. Entlastungszeugnisse politisch Verfolgter und teils kritische Beurteilungen seiner ideologischen Zuverlässigkeit durch die NS-Personalämter wirkten sich positiv für ihn aus. Quellen: StAF F 235/ 5-81 und D 180/ 2-94942, Serlo Nr. 1557, Ausk. Karl-Heinz Philipp. Abb. 97: Erich Naumann und Rudolph Philipp (1950). Bild: Karl-Heinz Philipp. 416 IX. Die Verantwortlichen Manfred Grumbach (4.5.1890 - 6.12.1944 Karlsruhe): preuß. Bergassessor, 1913 erste, 1920 zweite Staatsprüfung, 1922-1926 in der Privatwirtschaft, 1926 Referent im RWM, 1928 Bergrat beim Oberbergamt Dortmund, 1933-1937 in den Bergämtern Gleiwitz- Nord bzw. Süd, ab 1937 bei der Berginspektion Bayreuth tätig, 1939 zum Bergamt Karlsruhe versetzt. Der Choleriker lieferte sich Dauerfehden mit seinen jeweiligen Vorgesetzten und wurde im Juli 1944 von Landschütz wegen des Verdachts auf geistige Verwirrung vom Dienst suspendiert. G. reagierte seinerseits mit der Aufforderung an Himmlers Umfeld, der Reichsführer SS möge »in Baden reinen Tisch« machen, doch entschied dessen Stab, G. militärisch zu verwenden, was sich lange hinzog, da »keine Einheit Grumbach aufgrund seiner Veranlagung haben will«. Noch bevor G. einen Posten im SS-Führungshauptamt antreten konnte, verstarb er. Quellen: BAB NS 19/ 812 und PA Grumbach, BayHStA MHIG 89, Vermerk Ziervogel v. 13.7.1944, GLA 480/ 4595, LGRB OBA KA A 431 und A 432; Serlo Nr. 1303. Hermann Kleine-Doepke (25.9.1904 Werne bei Bochum - 17.6.1987 Wuppertal): Sohn eines Lehrers, nach Oberrealschulabitur Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1923-1928 Studium in Clausthal, Abschluss als Diplom-Ingenieur, 1932 Bergassessor, 1932/ 33 bei Krupp, 1934-1936 auf Zeche General Blumenthal, 1936-1939 beim Bergamt Celle, 1937 Bergrat, 1939/ 40 beim Bergamt Goslar, 1940-1945 beim Oberbergamt Karlsruhe, ab 1945 Leiter der Bergämter Lünen und Dortmund; seit 1.5.1933 Pg., 1933-1935 SA-Mann, ab 1935 Blockleiter, in einem Entlastungszeugnis von Erich Naumann als Abb. 98: von links: der 1940 tödlich verunglückte Steiger Hermann Eid, unbekannt, Heinrich Landschütz, der Leiter des Oberbergamts Karlsruhe und Gruben-Betriebsleiter Karl Breiing. Bild: Sammlung Prillwitz. 417 2. Die staatliche Bergverwaltung … Nazigegner gelobt, 1948 als »völlig entlastet« in Kategorie V eingestuft. Quellen: StAF F 235/ 5-25 und F 235/ 5-16; LANRW NW 292-223 und NW 1035-5015, Serlo Nr. 1703. Hugo Wolf (6.4.1882 Karlsruhe - 6.5.1954 Karlsruhe): Sohn eines Garnisons-Verwaltungsinspektors, Oberrealschule im Elsass, 1900-1902 Studium des Vermessungswesens in Karlsruhe, ab 1904 im bad. Staatsdienst, 1918-1926 beim Vermessungsbüro der Forst- und Domänendirektion, ab 1923 Leiter des Büros, nach dessen Auflösung bei der Wasser- und Straßenbaudirektion in Karlsruhe, 1929-1932 Lehrer am Staatstechnikum, 1932-1938 Vermessungsrat im BFWM, 1938 dem Oberbergamt Karlsruhe zur Dienstleistung zugewiesen, Ende 1945 entlassen; Pg. seit 1.5.1933, Blockleiter 1936- 1944, 1948 als Mitläufer entnazifiziert, 1949-1951 im Angestelltenverhältnis mit Kartographierungsarbeiten in der Finanzverwaltung beschäftigt. Der Betriebsrat beurteilte W. als unverträglichen Charakter, der meistens so verwendet wurde, dass »er möglichst mit keinem oder nur mit wenigem Personal zu tun hatte«. Quellen: GLA 465h/ 15013 und 466-2/ 11856-11857. Paul Schulze-Vellinghausen (29.3.1901 Düsseldorf - 29.12.1955 Remscheid): Sohn eines Kaufmanns, preuß. Bergassessor, 1925 erste, 1928 zweite Staatsprüfung, 1928 im Oberbergamtsbezirk Bonn, 1931 bei der Rheinischen AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation zu Köln, 1932 beim Landesarbeitsamt Rheinland zu Köln, ab 1934 Bergassessor im Oberbergamtsbezirk Breslau, ab 1935 Bergrat im Bergrevier Waldenburg-Nord, 1940 im Bergrevier Bochum 2 und Recklinghausen 1 tätig, nach Grumbachs Suspendierung 1944 zur Führung der Dienstgeschäfte des Ersten Bergrats zum Bergamt Karlsruhe abgeordnet. S. war seit 1.5.1933 Pg. und seit 6.5.1932 in der SA. Quellen: StAF 235/ 5-25, Serlo Nr. 1530. b) … in Berlin Die 1934 vollzogene Integration des Preußischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit in das RWM und der Anfang 1935 erfolgte Übergang der Zuständigkeit für den Bergbau von den Ländern auf das Reich übertrugen der Bergabteilung des RWM weitreichende Kompetenzen. Diese wurden jedoch ab 1935 von Kepplers Parteibüro systematisch untergraben. Heinrich Schlattmann, der Mitte 1934 sein Amt als Oberberghauptmann im RWM angetreten hatte und sich bei seiner Arbeit im Bereich des Erzbergbaus auf die Ministerialräte Pasel und Arlt stützte, sah sich im Herbst 1936 durch die Gründung des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe ins Abseits gestellt. Nachdem das alte Personal, wie Schlattmann, gegangen, oder, wie Arlt, kaltgestellt worden war, spielte die Bergabteilung des RWM wieder eine zentrale Rolle beim Ausbau der Erzförderkapazitäten. Die 1938 vollzogene Fusion des RWM mit dem Rohstoffamt, die in Wahrheit eine Machtübernahme der Partei war, brachte Hermann von Hanneken an die Spitze der für Bergbau und Eisenindustrie zuständigen Hauptabteilung II. Unter ihm tat Kepplers früherer Mitarbeiter Gabel als neuer Chef der Bergabteilung Dienst. Die Tagesarbeit für das 418 IX. Die Verantwortlichen Doggererz-Projekt leisteten die Ministerialräte Alfred Stahl, der in der Bergabteilung das Referat 13 (Eisenerze) leitete, und Heinrich Schmitt, dem das Referat 2 (Eisenindustrie) in der Eisenabteilung unterstand. Dr. Erich Winnacker (13.8.1889 Barmen - 10.8.1944 Erlangen): preuß. Bergassessor, 1916-1925 Bergwerksdirektor, 1925 Direktor der August-Thyssen-Hütte, 1926 Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke, Pg. und SA-Mitglied ab 1932, 1933-1934 Oberberghauptmann im Preuß. Wirtschaftsministerium bzw. RWM; W. wies Röchling und Tgahrt 1933 auf das Doggererz hin. Ministerialrat Arlt gab 1946 folgendes Urteil über ihn ab: »Mit der Machtergreifung durch die NSDAP trat, wie überall, auch in der Bergabteilung des Ministeriums ein völliger Wandel ein. Der Chef der Preußischen Bergverwaltung [...] wurde nun über Nacht, auf Vorschlag von Fritz Thyssen, durch einen Bergassessor ersetzt, der in der Staatsverwaltung nur seine Ausbildung erfahren hatte, danach sofort ausgeschieden und als Betriebsdirektor auf einem Steinkohlenbergwerk im Konzern der Ver. Stahlwerke tätig gewesen war. Er glaubte, die Arbeitsmethoden in der Centralbehörde so radikal ändern zu müssen, daß er zu verbieten versuchte, bei Entscheidungen auf ältere, in den Akten niedergelegte Vorgänge zurückzugreifen. Der in der Bergverwaltung sprichwörtlich gewesene kameradschaftliche Zusammenhalt verschwand, stattdessen machte sich Postenjägerei und Denunziation breit. Dieser erste, echt nationalsozialistische Oberberghauptmann machte sich im Staatsdienst, in dem er allzuhäufig durch zu starken Alkoholgenuß angegriffen, auftrat, binnen Jahresfrist unmöglich, daß sogar die Partei selbst seine Abberufung herbeiführte«. W. wurde 1934 von Schacht abgelöst. Zitat aus: Lebenslauf Arlt, PA Arlt, BayHStA Bayer. Oberbergamt Abgabe 19.9.2005. Serlo Nr. 1248. Quellen: Stadtarchive Wuppertal und Schliersee. Heinrich Schlattmann (6.1.1884 Dortmund - 24.1.1943 Berlin): preuß. Bergassessor, 1931 Berghauptmann in Breslau; 1934 auf Betreiben Schachts zum Oberberghauptmann und Ministerialdirektor im RWM ernannt, nach Schachts Rücktritt Ende 1937 im einstweiligen Ruhestand; keine NSDAP-Mitgliedschaft, Serlo Nr. 1104, Biografie: NDB 23 (2007) S. 28 f. Dr. Hans Arlt (3.7.1883 Waldenbuch/ Schlesien - 15.2.1951 Diez): Sohn eines Bergrats, Humanistisches Gymnasium, ab 1901 Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1904-1907 naturwissenschaftliches Studium in Straßburg, München und an der Bergakademie Berlin, 1907 erste, 1910 zweite Staatsprüfung, Promotion mit ei- Abb. 99: Hjalmar Schacht, Gustav Knepper und Heinrich Schlattmann auf Zeche Zollverein. Bild: Bergbau-Archiv Bochum. 419 2. Die staatliche Bergverwaltung … ner geologischen Dissertation an der Universität München, ab 1911 beim Oberbergamt Bonn, dort 1926 Abteilungsleiter, 1927-1934 Ministerialrat in der Bergabt. des Preuß. Wirtschaftsministeriums, 1934-1945 Ministerialrat im Preuß- und Reichswirtschaftsministerium, 1945/ 46 interniert, 1947/ 48 Sonderbeauftragter für Bergbau und Geologie des Bayer. Wirtschaftsministeriums bzw. des Oberbergamts München. A. war kein Pg. Sein Beispiel zeigt, dass berufliches Überleben, allerdings ohne Beförderungsaussichten, für Parteilose in hohen Positionen der staatlichen Bergverwaltung möglich war. Quellen: BayHStA Bayer. Oberbergamt, Abgabe 19.9.2005, PA Arlt; StAM Spruchkammerakte K 3831; Serlo Nr. 1053; Nachruf: Glückauf 87 (1951) S. 908. Ludolf Curt Pasel (20.6.1876 Köthen - 30.1.1944 Berlin): Sohn eines Direktors der Zuckerfabrik Köthen, Humanistisches Gymnasium, ab 1895 Ausbildung zum preuß Bergassessor, Studium an der TH Braunschweig, an der Universität und an der Bergakademie Berlin, 1900 erste und 1904 zweite Staatsprüfung, 1906-1909 Kolonialdienst in Deutsch- Südwestafrika, 1909 Direktor der Kolonialen Bergbaugesellschaft, 1912-1944 Ministerial karriere in Berlin, ab 1931 MR im RWM, 1934-1944 in der Bergabteilung des RWM, 1940 Ministerialdirigent und ständiger Vertreter des Oberberghauptmanns, P. entwickelte die Subventionsinstrumente Zuschussvertrag und Förderprämienverfahren für das RWM. Er starb bei einem Luftangriff. Nachruf als Sonderdruck der Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Deutschen Reich Ende 1944 erschienen. Quellen: Serlo Nr. 736, BAB R 1002/ 1290-1991, R 3301/ 1885-1886, R 3101/ 30164, 31300 und 35448. Hermann von Hanneken (5.1.1890 Gotha - 22.7.1981 Herford): preuß. Berufsoffizier, 1936- 1937 Stabschef im Heereswaffenamt, ab Juli 1937 Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung in Görings Vierjahresplanbehörde, ab Februar 1938 Leiter der Hauptabteilung II (Bergbau, Eisen- und Energiewirtschaft), deren Zuständigkeit im November 1938 erweitert wurde; im Mai 1939 Beförderung zum Unterstaatssekretär, im Frühling 1942 Entzug der Kompetenz zur Verteilung von Eisen und Stahl, im Herbst 1942 aus dem RWM ausgeschieden, 1942-1945 Militärbefehlshaber in Dänemark; beurteilt als »kluge, viel wissende, vielseitig gebildete u[nd] sehr gewandte Pers[önlichkeit]. Starkes pers. Geltungsbedürfnis« (Generaloberst Friedrich Fromm, BAMA Pers 6/ 299785). Nach Einschätzung von Eisenindustriellen hatte H. ein »sehr enges Verhältnis« zu Paul Pleiger und sich dessen Auffassung »in einem sehr großen Umfang zu eigen gemacht. [...] Seine Einstellung ist sehr stark gegen die Schwerindustrie gerichtet« (so Otto Make laut Notiz v. 29.11.1937, RWWA 72-43-4). Weitere Quellen: Deutsche Allgem. Zeitung v. 6.2.1938 und v. 22.3.1938, Völk. Beobachter (Ndd) v. 2.11.1938. Abb. 100: Hermann von Hanneken. Bild: Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg. 420 IX. Die Verantwortlichen Oskar Gabel (11.2.1901 Annen bei Witten - 19.12.1988 Langen): Sohn eines Reichsbahn- Oberinspektors, Oberrealabschluss in Essen, danach Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1920- 1921 Beflissener auf der Zeche Bonifacius in Essen- Kray, 1921-1926 Studium an der Bergakademie Clausthal, 1927 erste, 1930 zweite Staatsprüfung, 1930-1932 arbeitslos bis auf eine Aushilfstätigkeit bei der Int. Hygieneausstellung in Dresden, 1932- 1934 Hilfsarbeiter der Werksdirektion Schachtanlage Viktoria in Lünen, danach Sachbearbeiter für Bergbaufragen, und zwar: von März bis Nov. 1934 bei der Gauleitung Westfalen-Süd zu Bochum, von Dez. 1934 bis März 1935 und von Okt. 1935 bis Sept. 1936 im Büro Keppler zu Berlin, ab Okt. 1936 bis Jan. 1938 Referent für Erzbergbau im Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, ab Febr. 1938 bis 1945 Leiter der Bergabteilung im RWM, 1937 Bergrat, 1938 Ministerialrat, 1939 Ministerialdirigent, 1941 Oberberghauptmann, 1944/ 45 im Rüstungsstab für die Unter-Tage-Verlagerung luftgefährdeter Betriebe zuständig. G. gehörte früh dem rechten Lager an: 1919 war er Mitglied eines Freikorps, bekannte sich 1932 zur DNVP, trat am 1. April 1933 der NSDAP und im November 1933 der allgemeinen SS bei. In letzterer gelang ihm eine steile Karriere bis zum Obersturmbannführer im SS-Hauptamt. Im Lebensborn war er Mitglied. Zusammen mit seinem langjährigen Mentor Paul Pleiger trieb er ab 1934 mit Härte und Brutalität den Autarkiekurs und die Aufrüstung in der Eisenwirtschaft voran. Bei der Unter-Tage-Verlagerung der Industrie, die mit dem Tod und dem Leiden Tausender KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter verbunden ist, wirkte er maßgeblich mit. Die US-Behörden verhafteten ihn am 23.8.1945 und hielten ihn in Dachau, Nürnberg, Darmstadt und Neustadt bei Marburg in Internierungshaft. Im Nürnberger Prozess sagte er als Zeuge aus. Die Anklagebehörde in seinem eigenen Verfahren beantragte am 13.2.1948 seine Einreihung in die Gruppe der Hauptschuldigen, rückte aber von ihrer Forderung »im Interesse des deutschen Wiederaufbaus« im April 1948 wieder ab. G. verteidigte sich vor der Lagerspruchkammer Neustadt mit der Behauptung, »dass die Partei keinen Einfluss auf meinen Aufstieg hatte«, dass er bei seiner »Arbeit nicht an Autarkie gedacht« habe und dass er seine SS-Mitgliedschaft als »sportliche Betätigung« gesehen habe. Der niedersächsische Finanzminister Georg Strickrodt, der selbst bis 1945 als Pleigers rechte Hand galt, entlastete G. mit der Aussage, dieser sei ihm »nie als ein Mann der NSDAP oder gar der SS erschienen, sondern als ein Idealist aus den Reihen der Jugendbewegung« (HHStA Abt. 520 Fulda-Zentral Nr. A 11). Vor allem wegen Strickrodts Aussage wurde G. 1948 als Mitläufer eingestuft. Weitere Quellen: Personendatenblatt Gabel, BAL B 162; Vernehmungsprotokoll Gabel, StAN Rep. 502 VI G 2 und Rep. 501 KV-Prozesse Generalia L-1 und L-2; BAB R 3101/ 31173, 31208, 31218, 31220; Fröbe, Ägyptern, S. 405 und passim; Serlo Nr. 1592. Abb. 101: Oskar Gabel. Bild: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. 421 3. Blumberg - die kommunale Seite Dr. Alfred Stahl (10.11.1888 Berlin - 24.2.1979 Krefeld): Sohn eines Bankbeamten, Humanistisches Gymnasium, 1907 Abitur, danach Ausbildung zum preuß. Bergassessor, 1907-1911 Geologie-, Mineralogie- und Bergbaustudium an der Universität bzw. Bergakademie Berlin bis zur Promotion, 1911 erste, 1919 zweite Staatsprüfung, 1919-1935 bei der Preuß. Geologischen Landesanstalt, 1935-1937 Oberbergrat beim Oberbergamt Bonn, ab 1937 im RWM, dort ab 1939 Ministerialrat, 1946-1953 Zweigstellenleiter des Amts für Bodenforschung in Lünen, Bochum und Krefeld, S. war Pg. seit 1937, wurde 1949 als entlastet eingestuft und gab an, seine Beförderung zum Ministerialrat habe sich 2 Jahre verzögert, »da die für mich bewilligte Stelle zunächst einem aktiven Parteigänger zugewiesen wurde«, womit Oskar Gabel gemeint gewesen sein dürfte. Quellen: LANRW NW 1094/ 12298; Serlo, Nr. 1275, Nachruf in: Organisationspläne und Personalbestand der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und der Geologischen Landesämter der Bundesrepublik Deutschland: Nachrufe/ Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover, 1982. S. 85 ff. Das Todesdatum des Nachrufs (24.7.1979) ist falsch. Laut Todesanzeige in der Westdeutschen Zeitung v. 2.3.1979 starb S. bereits am 24.2.1979. Heinrich Schmitt (19.6.1891 Würzburg - 26.2.1944 Berlin): Sohn eines Studiendirektors, Humanistisches Gymnasium, 1909-1914 Maschinenbaustudium an der TH München, 1919-1924 als Regierungsbaumeister und Reichsbahnrat beim Bayer. Verkehrsministerium für Streckenelektrifizierung zuständig, 1924-1930 Baudirektor bei der AEG, 1927-1929 AEG-Bauleiter beim Eisenbahnbau in Guatemala, 1930-1934 erster Mitarbeiter des elektrotechn. Referats der DR-Hauptverwaltung, 1934-1935 Vorstand des Maschinenamts der Berliner S-Bahn, 1935-1937 als Dezernent bei der DR-Direktion Erfurt zuständig für die Elektrifizierung der Strecke Nürnberg-Halle, ab 1937 Leiter des Referats Eisen schaffende und Gießerei-Industrie im RWM, dort später Ministerialrat, im Juli 1942 Verlust seines Referats nach Auseinandersetzungen mit Hermann Röchling, Pg. seit 1940, an einer schweren Angina 1944 verstorben. BAB R 3101/ 35569, RWWA 72-148-9 und 72-151-9. 3. Blumberg - die kommunale Seite 1948 urteilte Pfarrer Albert Wik, Blumberg sei eine »ausgesprochene Nazi-Siedlung« 14 gewesen. Wohl trugen Einflüsse von außen, wozu das 1934 eröffnete Bergwerk und dessen nationalsozialistisches Management zählten, einen Teil der Verantwortung dafür - aber sicher nicht die alleinige. Blumbergs Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Theodor Schmid sagte 1952 aus, nach der »Machtergreifung« habe es etwa 70 Parteigenossen im Ort gegeben 15 , was bei lediglich 145 Haushalten 16 eine erkleckliche Anzahl ist. Die Nomenklatura der Akademiker spielte beim Nazifizierungsprozess eine wichtige Rolle: Der Apotheker Alfred Bausch, seit Mai 1933 selbst NSDAP-Mitglied, machte nach dem 14 Leumundsauskunft Wik zum Fall Franz Faller v. 25.4.1948, StAF D 180/ 2-214897. 15 Zeugenaussage Schmid im Entschädigungsfall Cosalter am 8.10.1952, StAF F 196/ 1-3512. 16 Mietzner, Demokratie, S. 195. 422 IX. Die Verantwortlichen Krieg zwei alte Parteikämpfer kenntlich: den bis 1933 in Blumberg praktizierenden Arzt Dr. Karl Egon Sauerland 17 , einen »notorischen Säufer« 18 , dem die Patienten in Scharen davonliefen 19 und den Tierarzt Dr. Adolph Zimmermann 20 . Eine zentrale Figur und treibende Kraft war auf jeden Fall Kurt Hollerbach 21 , dessen anhaltende Partei- und SA- Karriere auf einen in der Wolle gefärbten Nationalsozialisten schließen lässt. Der Blumberger Berufsschullehrer leitete bis 1934 den NSDAP-Stützpunkt bzw. die Ortsgruppe Blumberg. 1947 schilderte er in durchaus glaubwürdiger Weise die Selbstpreisgabe des Blumberger Bürgertums nach Hitlers Machtantritt, wobei er seine eigene Verantwortung naturgemäß im Ungewissen ließ: »Ich wohnte damals in Blumberg [...], wo der Bürgermeister Schmid (seit 1932 Pg. 22 ) im April 1933 eine Aussprache herbeiführte, an der zwei Lehrer, der Apotheker, der Ratsschreiber 23 u.a. ausser mir teilnahmen. Wir kamen überein, alle in die Partei einzutreten und uns in Donaueschingen anzumelden« 24 . Es ist nicht nachzuweisen, dass bei der Sitzung Druck auf die Einbestellten ausgeübt wurde, doch erhebt sich zwangsläufig die Frage, welchem Zweck sie denn sonst hätte dienen sollen? Mit Schmids Initiative reihte sich die Blumberger Nomenklatura jedenfalls gerade noch rechtzeitig vor Erlass der bis 1937 geltenden Partei-Beitrittssperre bei den sog. »Märzgefallenen« 25 ein. Nach den Aussagen des Apothekers Alfred Bausch 26 vereinigte Schmid anfänglich mehrere Parteiämter in seiner Person. »Als die Arbeit in der Partei 17 Dr. Karl Egon Sauerland (17.8.1890 Laucherthal - 29.7.1968 Krauchenwies): 1930-1933 Praktischer Arzt in Blumberg, danach in Krauchenwies. Pg. seit 1933, Sanitätsscharführer im SA-Reitersturm seit 1935, 1948 als Mitläufer entnazifiziert. StAS Wü 13 T 2-2596/ 322 und 13 T 2-1943/ 015. 18 Aussage Bausch in seinem Spruchkammerverfahren, StAF D 180/ 9-141644. 19 So die Rechtsanwälte des Praxisnachfolgers Dr. Adolf Herzog am 15.6.1947, StAF D 180/ 2-57514. 20 Dr. Adolph Zimmermann (15.9.1869 Bernau - 4.12.1957 Reichenau): seit 1923 Tierarzt in Zollhaus, Pg. seit 1933, StAF D 180/ 2-86178. 21 Kurt Siegfried Adolf Hollerbach (8.3.1902 Lörrach - 5.12.1959 Karlsruhe): 1928-1934 Berufsschullehrer in Blumberg, 1934-1936 in Bernau, 1936-1939 in Ettlingen, 1939-1944 Militärdienst, 1944 zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt und inhaftiert, nach dem Krieg Lehrer in der Erziehungsanstalt Flehingen, Pg. seit 1933, 1933-1934 Schriftwart, Pressewart, Vertrauensmann und Ortsgruppenleiter in Blumberg, ab 1934 Ortsgruppenleiter in Bernau, später Presseamtsleiter der Ortsgruppe Ettlingen, SA- Obertruppführer und Schulungsleiter des Sturmbanns II/ 185, SA-Kassenwart, Parteiausschluss 1944, als Minderbelasteter 1947 entnazifiziert. GLA 465i/ 2119. Kurt Hollerbach ist nicht zu verwechseln mit Eduard Karl Hollerbach (24.9.1904 Eubigheim - 8.10.1988 Geislingen), dem Überlinger NSDAP- Kreisgeschäftsstellenleiter von 1933 bis 1936. 22 Tatsächlich verzeichnet die im Bundesarchiv Berlin verwahrte NSDAP-Mitgliederkartei Schmid seit dem 1.4.1933 als Pg. in der Ortsgruppe Donaueschingen, ab 1.10.1934 in der Ortsgruppe Blumberg. 23 Gemeint Max Schlenk (8.5.1886 Blumberg - 13.1.1973 Villingen-Schwenningen): Ratsschreiber in Blumberg, Pg. seit 1937. StAF D 180/ 2-108744. 24 Hollerbach an Spruchkammer Ettlingen v. 11.1.1947, GLA 465i/ 2119. Unterstr. im Orig. 25 Dies war eine spöttische Bezeichnung der alten Kämpfer für Neumitglieder, die nach der Reichstagswahl vom März 1933 der NSDAP beitraten, was diesen den unterschwelligen Vorwurf des Opportunismus einbrachte. Zur Selbstgleichschaltung im kommunalen Bereich: Klöckler, Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. 26 Alfred Bausch (4.8.1889 Hüfingen - 11.4.1985 Blumberg): ab 1931 Apotheker in Blumberg, Pg. seit 1933, 1935/ 36 Kulturstellen- und Organisationsleiter, 1948 als Mitläufer eingestuft. StAF D 180/ 2- 141644. 423 3. Blumberg - die kommunale Seite aber zunahm, nötigte er mich wider Willen, 1935 die Ämter als Kulturstellenu[nd] Organisationsleiter zu übernehmen« 27 . Bausch versah sein Amt aber nur bis 1936, weil er sich mit Schmid und mit anderen Parteigenossen wegen seiner Kirchentreue zerstritt. Der Bevölkerungsstruktur gemäß wurde die Masse der Ämter und Mandate wohl von Handwerkern, Landwirten und Angehörigen des öffentlichen Dienstes übernommen, wobei auch hier mitunter sehr fraglich erscheint, ob sie dies freiwillig taten. In ihren Entnazifizierungsverfahren verteidigten sich diese Beschuldigten gern mit dem Argument, sie seien von Schmid zur Amtsübernahme gezwungen worden; 1946 sah es eine Spruchkammer als erwiesen an, dass der Blumberger Ortsgruppenleiter die örtlichen Bediensteten der Reichsbahn »allgemein zwangsmässig« 28 in ihre Parteiämter eingesetzt habe. In einem vergleichbaren Fall konnte der Betroffene immerhin einen Beweis vorlegen. Mit einem frostig gehaltenen Schreiben drohte Schmid dem Blumberger Bäcker Kurt Knöpfle, der lieber zur Jagd gehen als andere Menschen denunzieren wollte: »Ich kann Sie von der Übernahme eines Amtes als Blockleiter nicht entbinden. Falls Sie weiterhin auf der Ablehnung des Amtes bestehen, müsste ich Sie wegen Interesselosigkeit an der Partei dem Kreisleiter melden« 29 . Zu den ersten Funktionsträgern der Partei zählte der Uhrmacher Wilhelm Benz 30 , der im Mai 1933 die Kassenleitung der Ortsgruppe übernahm. Parteiamtliche Unterlagen 31 aus dem Sommer 1933 führen zwei Nationalsozialisten im vierköpfigen Blumberger Gemeinderat auf: Als NSDAP-Fraktionsführer fungierte der Landwirt und Hilfsgrenzangestellte Karl Schneider 32 aus Randen, als zweiter Rat ist der Landwirt Franz Fricker 33 verzeichnet, der auch stellvertretender Ortsbauernführer war. Mitte 1933 kamen Wilhelm Benz und Johann Glatz als weitere Gemeinderäte für die NSDAP hinzu. Im Herbst 1935 stiegen Schneider und Benz zu Beigeordneten auf; ihre Plätze im Gemeinderat übernahmen der Weichenwärter Wilhelm Rothmund 34 , Emil Gleichauf 35 und Franz Glatz, ein Bäcker aus Zollhaus, der dem verstorbenen Johann Glatz nachfolgte. Den Posten des verzogenen Karl Schneider als 2. Beigeordneter übernahm Anfang 1938 Ortsbauernführer Ernst Böhringer 36 , den Schmid gefördert hatte, weil er »schon vor der Machtübernahme [...] ein sehr rühriger Propagandist 27 Aussage Bausch in seinem Spruchkammerverfahren. Ebenda. 28 Spruch der Bahnverwaltung v. 7.3.1946 im Verfahren Hermann Hinderskirch, StAF D 180/ 2-169989. Auch der Reichsbahn-Obersekretär Josef Heimann gab 1946 an, »dass für die Zelle Zollhaus vom Ortsgruppenleiter Blumberg meistens ein Eisenbahner für die verschiedenen Ämter in der Partei [...] ohne freiwilliges Zutun bestimmt« wurde. StAF D 180/ 2-14490. 29 Schmid auf Briefbogen der NSDAP, Gau Baden an Knöpfle v. 11.6.1943, StAF D 180/ 2-215525. 30 Wilhelm Benz (2.2.1892 Lenzkirch - 31.5.1960 Blumberg): selbständiger Uhrmachermeister, ab 1933 Gemeinderatsmitglied, ab 1935 Beigeordneter; Pg. seit 1933. StAF G 11/ 2-134 und D 180/ 2-163746. 31 »Statistisches Material für die Hauptabteilung III, Amtsbezirk Donaueschingen« (undatiert), GLA 465d/ 1054. 32 Karl Schneider (28.11.1901 Blumberg - 14.10.1985 Randen): Landwirt, NS-Fraktionsführer im Blumberger Gemeinderat ab 1933, Pg. seit 1937 [! ], 1946 als Mitläufer entnazifiziert. StAF D 180/ 2-163778. 33 Franz Fricker (14.12.1888 Blumberg - 19.3.1972 Blumberg): Landwirt, ab 1933 im Blumberger Gemeinderat, stellvertretender Ortsbauernführer, als Sympathisant entnazifiziert. StAF D 180/ 2-146677. 34 Wilhelm Rothmund (27.9.1893 Blumberg - 7.10.1971 Blumberg): Eisenbahner seit 1917, Pg. seit 1933, NSBO-Führer. StAF D 180/ 2-166389. 35 Emil Gleichauf (17.12.1900 Fützen - 11.12.1982 Donaueschingen): Landwirt, Pg. seit 1933, Blockleiter 1937-1939, als Minderbelasteter entnazifiziert. StAF D 180/ 2-146557 und D 180/ 2-163752. 36 Ernst Böhringer (25.10.1902 Blumberg - 10.12.1968 Blumberg). 424 IX. Die Verantwortlichen für die NSDAP« 37 gewesen sei. Mitte 1938 stieg Franz Glatz zum 3. Beigeordneten auf. In den 1938 von vier auf sechs Mitglieder erweiterten Gemeinderat band Schmid erstmals Neubürger ein, darunter Franz Eckert 38 , der ab November 1938 das Blumberger Schulamt leitete und der Partei seit dem 1. Januar 1933 als Mitglied, Kreisamtsleiter und Propagandaredner eng verbunden war. Das Personal der Doggererz AG leistete gleichfalls Dienste für Partei und Kommune: Direktor Hans Bornitz und Grubenschlosser August Allgeier, der zugleich Ortsobmann der DAF war, zogen Ende 1939 in den Gemeinderat ein; Fritz Wenger 39 , dem die Markenkontrolle im Bergwerk oblag, leitete das Presseamt der Ortspartei; Franz Wollschläger, ein Steiger aus dem Ruhrgebiet, der 1941 einen elsässischen Kumpel denunzierte 40 , stand dem NS-Propagandaamt vor. Über die Leiterin der NS-Frauenschaft, Magdalena Vetter, und das parteipolitische Engagement der Blumberger Wirtschaft ist bereits an anderer Stelle berichtet worden 41 . Die Inkarnation der 12jährigen NS-Herrschaft in Blumberg war Theodor Schmid, der am 15. März 1892 als eines von zehn Kindern des Steinhauermeisters Franz Schmid und seiner Ehefrau Sitta im Blumberger Ortsteil Randen zur Welt kam. Theodor besuchte die örtliche Volksschule, absolvierte eine Lehre bei seinem Vater und ging anschließend auf die seinerzeit übliche Wanderschaft. Durch Fleiß und große Sparsamkeit, wie er selbst betont, brachte er bis zum Herbst 1912 die Mittel für das Studium des Tiefbaufachs am Karlsruher Staatstechnikum zusammen, das er, unterbrochen vom Kriegsdienst, in dem er das EK II erhielt, Mitte 1920 mit guten Noten verließ. 1919 ging er die Ehe mit der Blumberger Bürgerin Frieda Fluck ein, der drei Töchter entsprossen. In den 1920er Jahren arbeitete Schmid als Techniker bei mehreren staatlichen Bauämtern, wozu u.a. die Bahnbauinspektion in Neustadt, die Reichsvermögensstelle in Donaueschingen, das Neckarbauamt Hirschhorn und das Kulturbauamt Waldshut gehörten. Dort projektierte er den Gleisbau der Bahnstrecke Titsee-St. Blasien oder plante Kasernen, Pumpwerke und Staustufen. Seine Beurteilungen waren stets gut, doch wechselte er bis 1924 häufig die Stelle, teils, weil er mit den Verhältnissen unzufrieden war und selbst die Kündigung aussprach, teils, weil er wegen öffentlicher Finanznot entlassen werden musste. Im Juli 1924 trat er eine befristete Stelle im Kulturbauamt Donaueschingen an, wo er 1927 zum außerplanmäßigen Beamten aufstieg. Am 1. Juni 1929 quittierte er den Dienst, nachdem er zum ehrenamtlichen Bürgermeister von Blumberg gewählt worden war, und zwar nicht einstimmig, wie er später behaupten sollte, sondern denkbar knapp 42 . Bis sein Posten 1937 in eine hauptamtliche Stelle umgewandelt wurde, betätigte sich Schmid zugleich auch als freiberuflicher Architekt in seinem Ort. 37 BMA Blumberg (Schmid) an Kreisleitung DS v. 28.12.1937, StAF B 695/ 1-3682. 38 Franz Eckert (10.3.1902 Lienheim - 29.12.1968 Minseln): Volksschullehrer, ab 1938 Oberlehrer in Blumberg, ab 1942 dort Rektor; seit 1.1.1933 NSDAP-Mitglied, 1933-1938 Kreisschulungsamtsleiter, ab 1935 Kreisredner, ab 1939 Gemeinderatsmitglied in Blumberg; 1945-1948 interniert, 1949 als Minderbelasteter entnazifiziert und als Hauptlehrer nach Blumegg versetzt, 1952-1966 Hauptbzw. Oberlehrer in Minseln. StAF L 50/ 1-4764 und L 50/ 1-14041. 39 Fritz Wenger (30.7.1889 Pforzheim - 2.4.1964 Blumberg): Kaufmann, 1938-1942 bei der DAG, danach bei Walter Kopperschmidt beschäftigt. StAF G 11/ 2-129. 40 Fall Renatus Oge, StAF A 47/ 1-178. 41 Siehe: Kap. IV/ 5/ a und V/ 5/ d. 42 Mietzner, Demokratie, S. 195. 425 3. Blumberg - die kommunale Seite Schmid hatte eine patriotisch-konservative Weltanschauung und trat während seiner Studienzeit der Burschenschaft TWV Teutonia bei. 1929 wurde er Mitglied der Deutschen Staatspartei und übte ein Abgeordnetenmandat im Kreisrat von Donaueschingen aus. Seinen Anfang April 1933 erfolgten Übertritt in die NSDAP rechtfertigte er nachträglich als einen Akt von beruflicher Notwehr und staatsmännischer Pflicht: »Nur dadurch konnte ich das Amt als Bürgermeister behalten u[nd] die sich auch hier bemerkbar machenden unruhigen radikalen Elemente zurückdämmen, die Ruhe u[nd] Frieden in der Gemeinde stark bedrohten« 43 . In dieser stark geschönten Darstellung ließ Schmid völlig außer Acht, wie wenig er damals selbst zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung beigetragen hatte: Die Teilnehmer der von ihm geleiteten öffentlichen Versammlung im Gasthaus Hirschen, die im Oktober 1932 unter dem aggressiven Motto: »Kampf gegen Herrenclub und Reaktion! Alle Macht an Hitler! « 44 stattgefunden hatte, dürften wohl kaum eine Beruhigung der politischen Verhältnisse beabsichtigt haben. Ohne Zweifel war Theodor Schmid ein ideologisch stark gefestigter Nationalsozialist, »durchdrungen von nationalsozialistischem Geist« 45 , der Adolf Hitler für den »genialsten Deutschen« hielt, unter dessen Führung Deutschland »den Sieg über alle Feinde erringen wird« 46 . Theodor Schmid war ein dominanter Patriarch, neigte zum Selbstlob und strich seine Verdienste, oder das, was er dafür hielt, gern heraus. So wollte er der Nachwelt allen Ernstes suggerieren, vor allem er habe dafür gesorgt, dass das Bergwerk nach Blumberg kam 47 . Man täte Schmid aber völlig Unrecht, wollte man seine Rolle auf die eines eitlen, unduldsamen »Frühstücksdirektors« reduzieren. Als Bürgermeister leitete er eine Kommune, die extremen Strukturbrüchen unterlag, nachdem sie unerwartet in den Fokus des aufrüstenden NS-Staats geraten war. Ohne Zweifel billigte und förderte Schmid das Doggererz-Projekt, in dessen Bedeutung er sich sonnte und von dem er sich Profit für seine Gemeinde und ein höheres Ansehen für sich selbst versprach. An den Entscheidungen selbst hatte er jedoch nur wenig Anteil, denn diese wurden in der Regel andernorts gefällt. Die Meinung Mietzners, Blumbergs Kommunalpolitiker hätten die brutale Industrialisierung ihres Orts verhindern können 48 , teilt der Verfasser nicht. Es ist richtig, dass sich Schmid nicht dagegen wehrte, weil er selbst hinter dem Industrialisierungskonzept stand, doch wäre sein Widerstand gegen die Errichtung einer Mustersiedlung für den Vierjahresplan wohl kaum von Erfolg gekrönt gewesen. Tatsächlich übte Schmid eine Schlüsselfunktion aus, in der er die Interessenkonflikte verschiedener Parteien hätte ausgleichen müssen. Aus Regierungssicht sollte er die Flächenabgabe der Landwirte organisieren, dem Bergbau eine ungestörte Tätigkeit sichern und Kritiker ruhig stellen. Die Bauern erwarteten seinen Beistand im Kampf gegen die rücksichtslos agierende Bergwerksleitung, deren Begehr sich wiederum auf einen zügigen Ausbau der örtlichen Infrastruktur richtete. Die unter dem Druck der unsozialen Ver- 43 Selbstverfasster Lebenslauf Theodor Schmid v. 1.9.1947, Privatbesitz. 44 Bericht der Sicherheitspolizei, StAF B 695/ 10-32. 45 Vermerk Schmid »Die Neugestaltung Blumbergs im Vierjahresplan« v. 30.8.1938, StAB II. 46 Von Schmid unterzeichnetes Schriftstück v. 2.6.1942 im 1942 versetzten Blumberger Kriegerdenkmal, StAB. 47 Ebenda. 48 Mietzner, Demokratie, S. 218. Zur Rolle Blumbergs als Mustersiedlung des VJP siehe Kap. IV/ 3/ e. 426 IX. Die Verantwortlichen hältnisse leidenden Bergmannsfamilien setzten ihrerseits Hoffnungen auf das Rathaus. Schmid hatte weder die Macht noch genügend materielle und personelle Ressourcen, um allen Wünschen gerecht zu werden. Daraus speisten sich Urteile wie jenes, dass ihm ein großer Teil der Bevölkerung hinter vorgehaltener Hand die Fähigkeit zur Führung der Gemeinde absprach 49 . Schmid setzte sich durchaus für die örtlichen Landwirte ein; im Zweifel aber hatte der Bergbau Vorrang. So stellte er im Februar 1938 fest, viele Bauern verlören durch das Bergwerk ihre Existenz, doch müssten sie dann eben »umgesiedelt, oder in die Industrie eingegliedert werden. [...] Bei dem gewaltigen Geschehen, das sich hier vollzieht, ist es nicht zu verhüten, dass da und dort Unannehmlichkeiten auftreten. Aufgabe ist es, von der NSDAP. und allen NS-Organisationen sich hier mit voller Tatkraft einzuschalten, sodass bei der Schaffung des für die Nation lebenswichtigen Betriebes der Aufbau des Dritten Reiches in keiner Weise gestört, sondern mit ganzer Kraft und festem Willen gefördert wird« 50 . Die Schuld für unpopuläre Maßnahmen bekamen die Juden: Das Projekt wurde im Ort damit begründet, dass das Reich durch »jüdische Ankäufe schwedischer Erzbergwerke [...] in Druck gekommen« 51 sei. Schmid hatte aber auch sympathische Züge: Sein Einsatz zugunsten mittelloser Bergmannsfamilien 52 zeugt von der aufrichtigen Absicht, extreme Not zu lindern. Es dürfte allerdings auch dem Zweck gedient haben, zu verhüten, dass das nationalsozialistische Gesellschaftskonzept durch grobe soziale Missstände allzu sehr in Misskredit geriet. Zur Beurteilung von Schmids politischer Rolle ist man auf den Aktenbestand der Kirchen und auf Zeugenaussagen in Spruchkammer- oder Wiedergutmachungsverfahren angewiesen. Die örtlichen Parteiunterlagen wurden vernichtet. Was die Objektivität der römisch-katholischen Kirche angeht, so wird man zu beachten haben, dass Schmid Altkatholik war, also einer anderen Konfession angehörte und dass sich Kirche und NSDAP durchaus als Konkurrenten verstanden. Der Blumberger Pfarrer Karl Hüfner, ein Freund deutlicher Worte, klagte 1939 über ein extrem religionsfeindliches Klima: »Die hiesigen Parteistellen, vor allem der altkatholische Bürgermeister und die Junglehrer, sind fanatische Hasser des Christentums, im besonderen des katholischen Christentums, in dem sie ihren Hauptfeind erblicken. [...] Die Lehrer sind gegen die Geistlichen abweisend. Man merkt, dass man uns verachtet« 53 . 1938 verbot Schmid die öffentliche Weihe von 30 Kreuzen mit der Begründung: »M[eines] E[rachtens] wäre es besser, wenn die Jugend in allen Kirchen immer u[nd] immer wieder darauf hingewiesen würde, dass einzig und allein unser grosser Führer Adolf Hitler und seine Bewegung der Deutschen Jugend, wie dem ganzen Deutschen Volke grösste Not und unsägliches Elend abgewendet hat [...] und dass die Jugend ernstlich gelehrt würde, Gott dem Allmächtigen zu danken dafür« 54 . Pfarrer Karl Hüfner versah Schmids Schreiben mit der Randnotiz: »Ein solches infames Schreiben wird nicht beantwortet. Denn eine Antwort müsste gegen den Anstand ver - 49 Mietzner, Demokratie, S 217. 50 Vermerk Schmid v. 4.2.1938, StAB III/ 4. 51 Diese Begründung kolportierte der altkatholische Pfarrer Paul F. Pfister in seinem Bericht an Bischof Erwin Kreuzer. Vorausgegangen war ein Gespräch des altkatholischen Geistlichen mit Schmid. Pfister an Kreuzer v. 27.5.1937, ABA K 101 Ortsakten Blumberg. 52 Siehe dazu Kap. III/ 3/ c und VII/ 1/ d. 53 Bericht Pfarrer Hüfner an EBO Freiburg v. 29.6.1939, EBOAF B 4/ 1066. 54 BMA Blumberg (Schmid) an röm.-kath. Pfarramt v. 11.6.1938, AKPAB XXII. 427 3. Blumberg - die kommunale Seite stossen«. Mitte 1943 vermerkte ein Visitationsbericht des Erzbischöflichen Ordinariats: »Die neuen kirchenfeindlichen Bestrebungen werden in Blumberg betont angewandt« 55 . Die altkatholische Kirche, der Schmid und zahlreiche alteingesessene Blumberger angehörten, blieb von den Pressionen der Ortspartei anfangs verschont, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich sowohl der örtliche Pfarrer Paul Pfister 56 als auch ein beachtlicher Teil der Kirchenführung um eine Anbiederung bei der NSDAP bemühten 57 . Die damit verbundene Hoffnung, von staatlicher Willkür verschont zu bleiben, erfüllte sich in langfristiger Hinsicht jedoch nicht 58 . 1940 klagte Pfister, der mittlerweile auf Distanz zur Partei gegangen war, in einem aufrüttelnden Brief an seinen Bischof über die Zwangssäkularisierung der Gesellschaft durch die NSDAP und unterstrich dabei die Rolle des »in diesen Dingen überaus schnell u[nd] womöglich noch über seine Anweisung hinaus handelnden Herrn Bgmstr. Schmid« 59 . Bereits in seinem Seelsorgebericht für das Jahr 1938 hatte Pfister eine düstere Perspektive für seine Konfession erkannt und deren aktuelle Lage mit »Selbstbehauptung, bei erschütterten Fundamenten« 60 umschrieben. Als Mitverantwortlichen dafür machte er Theodor Schmid aus: »Unser Bürgermstr. besucht seit er Bgmstr. im Hauptamt ist, die Kirche überhaupt nicht mehr u[nd] er wie sein Bruder [...] sprechen im Familienkreis dauernd von Austritt. Sein Einfluss in der Gemeinde ist riesengross - sein Beispiel wirkt verheerend« 61 . 55 Vorbericht der Visitation der Pfarrei Blumberg am 30.8.1943, EBOAF B 4/ 1066. Ähnlich der Bericht des katholischen Apothekers Alfred Bausch. Siehe Kap. IV/ 5/ a. 56 Paul Franz Pfister (26.3.1897 Wertheim/ Main - 27.7.1982 Fulda): 1934-1942 altkatholischer Pfarrer in Blumberg, dann in Frankfurt am Main. Pfister durchlief in dieser Zeit einen Läuterungsprozess. So gründete er 1934 in Blumberg eine starke Untergruppe der Katholisch-Nationalkirchlichen Bewegung (KNB), die sich dem Nationalsozialismus als Bündnispartner anbiederte und stellte 1937 einen Aufnahmeantrag in die NSDAP. Seine Ehefrau war Kulturreferentin in der NS-Frauenschaft. Bereits 1938 kommentierte Pfister die Ablehnung seines Parteiaufnahmeantrags, es werde ihm »eine dauernde Quelle schwerer Gewissenskonflikte« erspart (Pfister an Kreuzer v. 16.1.1938, ABA Personalakte Pfister). Ab 1937 ließ Pfister seine KNB-Gruppe durch gezielte Vernachlässigung eingehen. Angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen offenbarte er Ende 1940 Bischof Kreuzer seine Seelenqual: »Mich aber bringt das alles in Not. Soll ich reden, soll ich Vorstellungen erheben, oder gar protestieren? Bin ich ein ›stummer Hund‹ nach dem Evgl., wenn ich aus Angst vor dem Konz.L. oder Schlimmerem schweige? Schweige zur prakt. Euthanasie usw. usw. Ich muss ja wohl annehmen, dass Herrn Bischof noch manches bekannt ist, was entweder direkter Verstoss gegen die Grundgebote Gottes u[nd] sittl. Gesetze bedeutet oder diese in unmittelbare Gefahr bringt. [...] Die Taktik, alles harmlos zu beurteilen u[nd] Schritt für Schritt nachzugeben, führt nur dazu, den andern weitgehenderen Plänen noch den Weg zu bereiten. [...] Alles ist von tödlicher Angst ergriffen. Ich selbst gar oft. Und zielsicher geht alles seinen Gang« (Pfister an Kreuzer v. 5.12.1940, ABA K 212). Biografie Pfister: Ring, Katholisch und deutsch, S. 431 Anm. 249. 57 Zur Verstrickung der altkatholischen Kirche mit dem NS-Regime: Ring, Katholisch und deutsch. 58 Siehe das bei Ring, Katholisch und deutsch, S. 719 f. Anm. 42 zitierte Beispiel. Weitere Belege in ABA K 101. 59 Pfister an Kreuzer v. 5.12.1940, ABA K 212 Reich, Länder usw. 1936-1950. 60 »Zum Seelsorgebericht der Randengemeinden 1938«, ABA K 101 Ortsakten Blumberg. In seinem Bericht klagte Pfister, bei manchen Gemeindemitgliedern hätte sich »die Meinung teilweise unausrottbar festgesetzt, es werde über kurz oder lang eine Einheitskirche - mit oder ohne Christus - geschaffen, die altkath. Kirche fliege doch in 5-10 Jahren auf«. Andere äußerten: »Hitler spricht nur von Gott, der Pfarrer spricht von Christus noch. [...] Das A[lte] und das N[eue] T[estament] von Juden geschrieben. Das muss alles weg. [...] Eine Lehre, zu der man studierte Pfarrer braucht, ist viel zu kompliziert. Usw. usw.« Pfister meinte dazu: »Welche Einflüsse hier am Werk sind, lässt sich unschwer erraten«. 61 Pfister an Kreuzer v. 11.2.1940, ABA Personalakte Pfister. 428 IX. Die Verantwortlichen Die von Schmid geleitete Ortsgruppe sorgte auch dafür, dass parteifernen Skeptikern der berufliche Erfolg versagt blieb, wie es der Fall des Otto Cosalter zeigt, der bis 1934 für die Gemeinde tätig gewesen war und bei Schmids Mannen im Verdacht stand, die Kommunisten gewählt zu haben, tatsächlich aber der SPD angehört hatte 62 . 1935 setzte die Ortsgruppe mit Hilfe der DAF und der Kreisleitung die Ausbürgerung Cosalters durch und sorgte bei der DBG für den beruflichen Abstieg des italienisch-stämmigen Angestellten. Schmid hatte nach dem Krieg immerhin den Anstand, Cosalters Entschädigungsklage, die am Ende erfolglos bleiben sollte, durch seine Zeugenaussage zu stützen, wobei er die Hauptverantwortung für die Folgen der stattgefundenen »Hetze« 63 auf die Kreisleitung schob. Schmids Part bei der Schädigung seiner Mitbürger ist auch in einem anderen Fall aus dem Jahre 1943 belegt, als das Regime militärisch in die Defensive geraten war und diesbezügliche Gerüchte in Blumberg umliefen. Nachdem es Schmid »trotz eifrigster Bemühungen« zunächst nicht möglich gewesen war, die Quelle zu ermitteln, erhielt er einen Hinweis auf den Friseurmeister Adolf Seifert, den Schmid bei der Gestapo anzeigte und dabei zu Protokoll gab, er glaube fest, »dass Seifert auch noch andere Gerüchte, die in Blumberg kursieren, vom Schweizer Sender gehört hat und in seinem Geschäft in Umlauf setzte« 64 . Wegen »Rundfunkverbrechens« wurde Seifert von einem Sondergericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt 65 , durfte sich dann aber gnadenhalber an der Front bewähren. Auch im Fall Walther Berger legen die Akten von Schmid das Bild eines Menschen bloß, der sich bedenkenlos des Repressionsapparats seiner totalitären Partei bediente 66 . Seiner ideologischen Überzeugung blieb Theodor Schmid auch dann noch treu, als das Dritte Reich zusammenbrach. Gegen den wachsenden Unmut der Bürger organisierte er als Bataillonsführer des Volkssturms die Verteidigung Blumbergs »bis zur letzten Patrone«. Unwilligen Volkssturmmännern drohte die örtliche Parteileitung den Erschießungstod an 67 . Nachdem ihm am 22. April 1945 wegen Aussichtslosigkeit die Gefolgschaft verweigert worden war, setzte sich Schmid nach Osten ab und überließ es Ratsschreiber Max Schlenk und Gemeinderechner Karl Müller, den Ort zu übergeben 68 . Schmid wurde später von französischen Truppen im Rathaus von Riedöschingen festgesetzt und brutal misshandelt. Die folgende Zeit verbrachte er im Kriegsgefangenenlager Mulsanne ( Sarthe), aus dem er am 2. Juni 1946 krank, einkommens- und mittellos nach Blumberg zurückkehrte. Nach einer Operation im Engener Krankenhaus wurde Schmid Ende November 1946 verhaftet, in das Gefängnis von Donaueschingen eingeliefert und im Januar 1947 dem Internierungslager Freiburg zugeführt, wo er bis 1948 verblieb. Während dieser Zeit holte seine Familie entlastende Aussagen für sein Spruchkammerverfahren ein, 62 Spruchkammerakte Otto Cosalter, StAF D 180/ 2-193293. 63 So Schmid wörtlich in seiner Zeugenaussage im Restitutionsverfahren Otto Cosalter, StAF F 196/ 1-3512. 64 Protokoll der Vernehmung Theodor Schmids durch Kriminalassistent Speer v. 17.9.1943, D 180/ 2-158993. 65 StAF A 47/ 1-1849 und 1850. Seifert selbst gab sich 1946 der Illusion hin, dass »diese Anzeige [...] an die Gestapo durch den Siedlungsverwalter Lauer über den Kopf des Ortsgruppenleiters Bürgermeister Schmidt [! ] getätigt« wurde (StAF D 180/ 2-158993). Das Anzeigeprotokoll belegt indessen, dass Schmid selbst die Anzeige erstattete, nachdem Seifert durch Heinrich Lauer bei ihm denunziert worden war (siehe Anm. 64). 66 Siehe dazu Kap. VII/ 2/ d. 67 Trendle, 10 Tage, S. 13, 30 und 65. 68 Zur Kapitulation und zu seiner unmenschlichen Behandlung im Internierungslager Hüfingen gibt es einen Augenzeugenbericht des Josef v. Briel aus dem Jahre 1948 in: StAF D 180/ 2-210683. 429 3. Blumberg - die kommunale Seite von dem unter anderem der Fortbestand des Vermögens abhing, das im März 1946 der für NS-Funktionäre üblichen Sperre und Kontrolle nach dem alliierten Militärgesetz Nr. 52 unterworfen worden war. Seine, ihn am stärksten belastende, Amtsübernahme als Ortsgruppenleiter, die er auf das Jahr 1937 verschob, verklärte Schmid 1947 zum unvermeidlichen Kollateralschaden einer Selbstaufopferung im Dienste der Allgemeinheit: »Ich habe aus idealistischen Gründen die weit lohnendere Tätigkeit als Architekt aufgegeben u[nd] die Bürgermeisterstelle hauptamtlich angenommen, da ich als Sohn der Heimatgemeinde bei der eingesetzten Entwicklung die Bürger nicht im Stich lassen wollte. [...] Nach Übernahme der hauptamtlichen Bürgermeisterstelle wurde ich mit der Übernahme der Ortsgruppenleiterstelle durch den Kreisleiter beauftragt. Zur Annahme [...] habe ich mich letzten Endes entschlossen, um die Sachlichkeit u[nd] die Ruhe in der Gemeinde unter der Bevölkerung zu gewährleisten. Wiederholt wurde ich von Bürgern auch hierum gebeten« 69 . Eigene Schuld konnte Schmid bei sich nicht entdecken. Er präsentierte sich vielmehr in der Rolle eines selbstlosen Bürgermeisters, der seinen Mitmenschen immer nur geholfen und niemandem, auch der Kirche nicht, einen Schaden zugefügt habe, der erst jetzt »mit Abscheu« 70 erkannt haben wollte, dass er von der obersten Führung »betrogen u[nd] belogen« worden sei und nun in so großer Not leben müsse, dass er sich täglich die Frage stelle, womit er das denn eigentlich verdient habe. Seine Zwangslage, in der er Unbestreitbares einräumen, anderes umdeuten musste, um Entlastungszeugen für seinen Entnazifizierungsprozess zu gewinnen, führte zu dem Kuriosum, dass er sich zum Nationalsozialismus bekannte und gleichzeitig von dessen Ideologie distanzierte. »Ich bekenne wohl«, schrieb Schmid 1946, »dass ich für die NSDAP aus Überzeugung eingetreten bin. Die Staatsform habe ich als die richtige anerkannt. Nachdem wir 1932 allgemein in Deutschland vor einem Kampf im eigenen Lande, alle gegen alle, standen, konnte nur durch eine straf[f ]e Regierung Ordnung geschaffen werden. Weltanschaulich konnte ich der NSDAP nie zustimmen«. Die letztere Verrenkung erklärt sich aus der Tatsache, dass Schmid, was er angesichts seiner Verdienste um Volk und Vaterland als reine Zumutung empfand, den Adressaten allen Ernstes um Fürsprache bei Erwin Dietrich bat, dem langjährigen römisch-katholischen Pfarrer von Blumberg, der dort 1937 entnervt die Segel gestrichen hatte 71 . Dietrich, der 1944 in politische Haft geraten und nur sehr knapp dem Volksgerichtshof entgangen war, sah sich Schmids liebenswürdiger Bitte ausgesetzt, er »wolle so gütig sein u[nd] mir eine amtliche Bescheinigung ausstellen, daß ich solange er hier war jeder Zeit der Kirche gegenüber einen sachlichen u[nd] gerechten Standpunkt eingenommen habe«. 69 Selbstverfasster Lebenslauf Theodor Schmid v. 1.9.1947, Privatbesitz. 70 Alle nachfolgenden Zitate des Absatzes aus dem Brief Schmids an die Familie Anderhuber v. 26.6.1946, Privatbesitz. Schmid schloss das Schreiben mit dem Kommentar: »Es ist ja traurig, daß man solche Bittgesuche stellen und sich bemühen muß um vor Urteilen beschützt oder befreit zu werden, die einen zum Verbrecher stempeln, obwohl man nur das Beste, für seine Heimat u[nd] das Vaterland wollte u[nd] getan hat«. 71 Erwin Dietrich (31.12.1886 Bachheim - 11.11.1965 Tiengen): 1920-1937 röm.-kath. Pfarrer in Blumberg, 1937-1952 in Lauchringen. Biografie: Spintzig, Kirchengeschichte, S. 227-228. 430 IX. Die Verantwortlichen Schmid konnte sich in seinem Spruchkammerverfahren auf ein breites gesellschaftliches Bündnis stützen, in dem sich der Blumberger Bürgermeister Erich Knöpfle, alle im Gemeinderat vertretenen Parteien, die Gewerkschaft und die Kirchen engagierten. Von ihnen erhielt die Militärregierung im November 1946 die mit einem wohlwollenden Begleitschreiben versehenen Entlastungszeugnisse von 20 Personen, darunter 9 ehemalige Zwangsarbeiter und 10 Deutsche. Unter den letzteren befanden sich mehrere frühere Parteigenossen und zwei Geistliche der altkatholischen Kirche, deren Mitglied Schmid ja war. Man bescheinigte ihm in Schreiben, die Schmid zum Teil selbst aufgesetzt hatte 72 , eine humane Behandlung von Fremdarbeitern, persönliche Bemühungen um die Freilassung einer KZ-Insassin im Jahre 1943, die Protektion einer jüdischen Mitbürgerin und die Verhinderung von mehreren Verhaftungen nach dem Attentat vom 20. Juli 1944. Der frühere altkatholische Pfarrer von Blumberg, Paul Pfister, entschuldigte Schmids frühere Linientreue damit, dass »er infolge seiner hauptsächlich praktischen Ausbildung und Tätigkeit als Architekt und Bürgermeister die Fähigkeit kritischen Unterscheidens nicht besass, die ja in der Regel humanistisches oder philosophisches Studium voraussetzten« 73 , was bei Lichte betrachtet doch eine ziemlich vergiftete Entlastung war. Man wird die von Schmid präsentierten Zeugnisse nicht mit der pauschalen Begründung verwerfen können, dass die Glaubwürdigkeit entlastender Aussagen in Spruchkammerverfahren generell niedrig sei. Es ist aber die Tatsache nicht zu leugnen, dass die Aussagen oft unsubstantiiert ausgefallen sind und sich deshalb jeglicher Überprüfung entziehen. Besonders schwer wiegt der Mangel, dass die Glaubwürdigkeit einiger Entlastungszeugen mehr als fraglich erscheint: Julius Peter, der Schmid zum aufrechten Kämpfer gegen den SS-Terror erhob, hatte 1940 nach vorheriger Aufforderung durch Schmid, wie er angab, die regimekritischen Äußerungen eines Vorgesetzten protokolliert, diesen bei der Gestapo denunziert und bekundet: »Wer als Deutscher noch Kommunist sein könne, der wäre nicht wert, das[s] er lebt« 74 . Karl Westram, der sich selbst für ein Opfer des Nationalsozialismus hielt und Schmids Unterstützung nach seiner 1943 erfolgten Verhaftung wegen staatsfeindlicher Äußerungen pries, war tatsächlich eine alter Kämpfer, der sich schon 1931 zum Parteieintritt entschlossen und später geprahlt hatte, sein Parteibuch von Adolf Hitler persönlich erhalten zu haben, was ihn 1934 allerdings auch nicht davor bewahren konnte, wegen eines Streits unter Parteifunktionären aus der NSDAP ausgeschlossen und auf deren schwarze Liste gesetzt zu werden 75 . Der dritte Entlastungskomplex trägt die Spuren eines Kompensationsgeschäfts: Schmid bestätigte im November 1946 sechs politisch Verfolgten, dass sie nach den Ereignissen des 20. Juli 1944 durch sein Eingreifen vor einer Verhaftung bewahrt worden 72 Dies geht aus einem Schreiben Schmids an Frau Moses v. 8.11.1946 hervor. Privatbesitz. 73 Pfarramtliches Zeugnis Pfister für Schmid v. 21.10.1945, Privatbesitz. In einem persönlichen Schreiben an Schmid stellte Pfister seinem Gemeindemitglied ein bemerkenswertes Zeugnis aus. Darin heißt es: »Ich habe es in den letzten Jahren in Blumberg sehr bedauert, dass wir nicht manchmal offen und ohne etwas befürchten zu müssen, miteinander über die Fragen uns aussprechen konnten, die - ich glaube, wir beide haben es sehr stark gefühlt - unausgesprochen zwischen uns standen und mit uns gingen. Sie konnten wohl kaum mehr zurück, aber vielleicht hätten sie manches mir zugeben müssen und wären wenigstens vor sich selbst manchmal kritisch u[nd] wacher geworden«. Pfister an Schmid v. 9.11.1948, Privatbesitz. 74 StAF A 47/ 1-1171. 75 Aktenbefund StAF F 196/ 1-4790 und BAB NSDAP-Mitgliederkartei. 431 3. Blumberg - die kommunale Seite seien 76 . Die Empfänger der Bescheinigung konnten damit ihre Ansprüche auf Restitution untermauern 77 . Im Gegenzug erklärten drei der Adressaten, es sei ihnen bereits damals bekannt geworden, dass Schmid 1944 ihre Verhaftung verhindert habe 78 . Bei den Unterzeichnern handelte es sich um Max Büche, Josef Schlenker und Albert Moses, die 1933 als KPD-Funktionäre im Grenzgebiet zur Schweiz festgenommen und für mehrere Monate in das KZ Ankenbuck verbracht worden waren. Büche und Schlenker hatten eine kriminelle Vergangenheit: Büche war seit 1924 insgesamt 12mal verurteilt worden, unter anderem wegen Eigentumsdelikten, Zoll- und Steuerhinterziehung sowie Hochverrat in Tateinheit mit Verbrechen gegen das Republikschutz- und Sprengstoffgesetz (1924) 79 . Schlenker hatte in der Weimarer Zeit mehrere Verurteilungen wegen Diebstahls oder Körperverletzung kassiert und wurde laut Aussage eines KPD-Genossen nach seiner 1933 erfolgten Freilassung aus Ankenbuck »von der Gestapo als Spitzel« 80 und Belastungszeuge gegen ehemalige Mitstreiter verwendet. Insofern sind die Entlastungszeugnisse Büches und Schlenkers mit Zurückhaltung aufzunehmen. Schmids Vernehmung vor dem Freiburger Säuberungsausschuss fand am 16. Dezember 1947 in einer entspannten Atmosphäre statt und endete, wenn man seinen Worten trauen kann, mit der Frage des Vorsitzenden, »wie ich mich zu einer eventl. Wiedereinsetzung als Bürgermeister in Blumberg stellen würde, vorausgesetzt, wenn die Franzosen dieses zulassen« 81 . Es erging eine Entscheidung, von der man nur vermuten kann, wie sie ausfiel. Diese hatte jedoch keinen Bestand. Am 2. September 1948 reihte die Freiburger Revisionsinstanz Schmid in die Gruppe der Minderbelasteten ein. Als Grund für das milde Urteil wurde sein »Eintreten gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft« 82 genannt. Die fragwürdigen Bescheinigungen von Peter, Westram, Büche, Schlenker und Moses wurden als drei von fünf Entlastungskomplexen in der 1½seitigen Urteilbegründung aufgeführt. Schmids weiterer Lebensweg ist ein Paradebeispiel für die Kontinuität der Eliten. 1948 nahm der frühere Ortsgruppenleiter seine Tätigkeit als freier Architekt wieder auf und kehrte erfolgreich in die Kommunalpolitik zurück. Er schloss sich den Freien Wählern an, wurde 1953 in Blumberg mit hohem Stimmenanteil zum Stellvertretenden Bürgermeister gewählt und zweimal im Amt bestätigt 83 . Im Laufe dieser Zeit verdichtete und 76 Bescheinigung Theodor Schmid v. 1.11.1946, StAF F 196/ 1-2681. 77 So von Albert Moses. StAF F 196/ 1-2681. Die Interessenverquickung in diesem Fall wird klar ersichtlich aus einem Schreiben Schmids an Moses’ Ehefrau v. 8.11.1946. Darin heißt es: »Beigeschlossen sende ich Ihnen die Bescheinigung, die Sie von mir [...] verlangt haben, und die Sie, wie Sie sagten, Ihrem Mann in die Gefangenschaft senden wollen, um dadurch seine alsbaldige Entlassung [...] zu erwirken. [...] Gleichzeitig lege ich noch eine Zweitschrift der Bescheinigung bei mit einer Erklärung. Ich bitte Sie, diese Bescheinigung ebenfalls Ihrem Manne zu senden. Ich bitte Sie, ihm mitzuteilen, ich möchte ihn ersuchen, daß er die Erklärung unterschreibt u[nd] wieder zurücksendet. Die anderen 5 Genannten unterschreiben die Bescheinigung auf einem anderen Blatt Papier im gleichen Wortlaut. Ich hoffe, daß die Bescheinigung [...] auch für mich und meine Zukunft dienlich ist«. Privatbesitz. Interpunktation vom Verf. ergänzt. Tatsächlich unterschrieben nur noch zwei weitere Entlastungszeugen. 78 Erklärung Max Büche, Josef Schlenker und Albert Moses, Kopie, beglaubigt am 18.1.1947, Privatbesitz. 79 Befund Wiedergutmachungsakte Max Büche, StAF F 196/ 1-1190. 80 Aussage des KPD-Funktionärs Fritz Birk am 7.6.1949, StAF F 196/ 2-3876. 81 Schmid an RA Dr. Gotthardt v. 18.12.1947, Privatbesitz. 82 Centre des archives diplomatiques, La Courneve 5 BAD 52. 83 Donaueschinger Zeitung v. 15.3.1992. 432 IX. Die Verantwortlichen dramatisierte Schmid seine Legende vom unpolitischen Retter Blumbergs, der das Rathaus 1933 vor der Erstürmung durch »radikale Elemente« 84 bewahrt haben will. Die Gesellschaft der 1960er Jahre, mehr um inneren Frieden denn um Sachaufklärung bemüht, beteiligte sich willig an der Verklärung einer nationalsozialistischen Karriere. 1967 erhielt Schmid auf einmütigen Beschluss des Gemeinderats die Ehrenbürgerwürde. In seiner Laudatio bescheinigte ihm Bürgermeister Gerber »Lauterkeit und Warmherzigkeit« und pries ihn »als Vorbild für das Denken und Handeln im Sinne einer Gemeinschaft« 85 . Der evangelische Pfarrer Willi Lohr betonte, so als gäbe es die gegenteiligen Berichte der gesamten Blumberger Priesterschaft nicht, »Schmid habe den damaligen kirchenfeindlichen Kurs abgemildert und die Konfessionen und Kirchen sogar unterstützt« 86 . Albert Moses, einer von Schmids Entlastungszeugen im Entnazifizierungsverfahren, zählte ihn »zu jenen, deren Ideale in Nichts zusammensanken, bevor ihre Verwirklichung überhaupt begonnen hatte« 87 . Ob sich Schmid jemals glaubwürdig vom Nationalsozialismus distanzierte, ist dem Verfasser nicht bekannt. Am 20. Juli 1975 starb er im Alter von 83 Jahren, was der Stadtrat zum Anlass nahm, nachfolgende Generationen an seine Lebensleistung zu erinnern: Die Straße, in der er lange gewohnt hatte, wurde nach ihm benannt. In ihr prangte noch Jahrzehnte nach Schmids Tod dessen Credo in großen Lettern auf seiner Hausfassade: »Unser Glaube, unsere Liebe, unserer Hände Arbeit, Deutschland für dich.« 84 Lebenslauf Schmid v. 6.3.1967, StAB 021.43. Darin überzeichnete Schmid seine Rolle als Retter Blumbergs stark und nahm für sich in Anspruch, er habe den Erzabbau initiiert, den Auftrag zur Herstellung von 600 bis 700 Arbeiterwohnungen ausgeführt und 1942 durch »Verhandlungen mit dem Reichswirtschaftsministerium [...], zu dem ich zu jener Zeit wöchentlich 1 oder 2 mal mit dem Flugzeug nach Berlin geflogen bin«, einen Nachfolgebetrieb für die Doggererz AG akquiriert. 85 Schwarzwälder Bote v. 15.3.1967. 86 Schwarzwälder Bote v. 16.3.1967. 87 Südkurier v. 16.3.1967. Abb. 102: Die vom Randener Künstler Bernhard Schneider-Blumberg gestaltete Fassade des Wohnhauses von Theodor Schmid. Bild: Sammlung Prillwitz. 433 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse 1. Werksanlagen in Blumberg Liste ausgewählter Gebäude im Blumberger Nordwerk¹ Nummer Baujahr Betriebszweck Nutzung ab Herbst 1942 Nutzung nach 1950 1 1941 Transformatorenhaus Curt Kopperschmidt Lauffenmühle/ KDM 2 1937 Waschkaue Stoberg Curt Kopperschmidt Weberei Horstmann ohne 1940 Verwaltungsgebäude als Anbau an die Waschkaue Stoberg 5 1939 Baracke Magazin und Lohnbüro 1947 abgebrochen 6 1937 Rettungsstation ? Weberei Horstmann 9 1937 Verwaltungsbaracke, ab 1940 Schlosserei Wohnungen 10 1941 Vulkanisierwerkstatt ? Wohnungen 12 1937 Magazin/ Garage ? Weberei Horstmann 18 1936 Maschinenhaus Darda 56 1936 Heizanlage/ Schlosserei ? Kindermann/ Color 57 1936 Wasserversorgung Pumpanlage Pumpanlage 78-79 1940 »Elsässer-Baracken« 1947 abgebrochen 1 Die Nummerierung der Gebäude wurde 1942 von der Firma Walter Koppschmidt vorgenommen. Liste ausgewählter Gebäude im Blumberger Südwerk¹ Nummer Baujahr Betriebszweck Nutzung ab Herbst 1942 Nutzung nach 1950 3 1940 Waschkaue Walter Koppschmidt Kiaulehn 4 1941 Lok.-Werkstatt Walter Kopperschmidt Teves 11 1940 Hauptwerkstatt Walter Kopperschmidt Teves 13 1943 von Walter Kopperschmidt errichtet Teves 14 1943 von Walter Kopperschmidt errichtet Teves 15 1940 »Schlackensteinfabrik« Walter Kopperschmidt Teves 16 1940 Garage 23 1940 Magazin/ Büro Walter Kopperschmidt Teves 80 u. 82 1940 »Elsässer-Baracken« Walter Kopperschmidt 1947 abgebrochen 101 1937 Roherzstapelhalle Otavi 1948 demontiert 103 1937 Röstofenhalle Otavi Mozer/ Color 203 1937 Lurgi-Ofen-Halle Otavi 1948 demontiert 1 Der von der Otavi genutzte Ostbereich des Südwerks mit den dreistelligen Gebäudenummern wurde 1948 zum größten Teil demontiert. Die Pläne zeigen dort vielfach nur Fundamentreste an. Der weiter westlich liegende Bereich, in dem Walter Kopperschmidt produziert hatte, blieb von Gebäudeabbrüchen weitgehend verschont. 434 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Abb. 103: Gebäudeplan Nordwerk. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 435 1. Werksanlagen in Blumberg 436 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Abb. 104: Gebäudeplan Südwerk (um 1949). Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. 437 1. Werksanlagen in Blumberg 438 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse 2. Kennziffern a) Staatliche Fördervorgaben und ihre Entstehung Fördervorschlag der Ruhrwerke und Röchlings vom 13. August 1935 (internes Papier) Mengen in 1.000 t Kapitalbedarf in 1.000 RM für Roherz Fe Grubenausrüstung allein Grube und Aufbereitung GHH Gutmadingen 1. Ausbau 2. Ausbau 600 1.000 85 165 1.500 3.000 4.000 8.500 GHH Wasseralfingen 800 240 2.000 2.000 Salzgitter Gruben Fortuna + Ida 400 100 3.000 7.500 Salzgitter Grube Finkenkuhle 400 100 1.000 1.000 Pegnitz 750 150 1.000 4.000 Doggererz Saarwerke Blumberg 1. Ausbau 2. Ausbau 600 600 100 100 1.000 1.000 ? ? Summen 5.150 1.040 13.500 27.000 Quelle: KATK A/ 13271 Fördervorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Ruhrwerke vom 17. September 1935 Mengen in 1.000 t Kapitalbedarf in 1.000 RM Roherz Fe GHH Gutmadingen 1. Ausbau 2. Ausbau 600 1.000 120 200 14.600 GHH Geislingen 750 205 2.750 GHH Wasseralfingen 120 33 250 Salzgitter Grube Fortuna 350 97 4.500 Salzgitter Grube Finkenkuhle 350 97 4.500 Bayern (VSt.) 60 24 600 Siegerland 235 92 3.610 Lahngebiet 272 104 Vogelsberg 180 36 450 Harz (Braunesumpf ) 120 40 250 Weser- und Wiehengebirge 260 60 1.000 Gesamtsumme I 4.297 1.108 32.510 Zusätzl. Bezug der Ruhrwerke aus Pegnitz bis zu 750 1.500 Gesamtsumme II 5.047 34.010 Quelle: GLA 237/ 32713 439 2. Kennziffern Schlattmann-Plan vom Januar 1936: Fördersteigerungen der Ruhrwerke Mengengaben in 1.000 t 1. Stufe 2. Stufe Gesamt Roherz Fe Roherz Fe Roherz Fe Doggererze GHH Gutmadingen 100 20 500 100 600 120 GHH Geislingen 120 35 1.000 300 1.120 335 Gewerkschaft Kl. Johannes 250 75 500 150 750 225 (a) Pegnitz 400 120 400 120 (b) Lichtenfels 400 140 400 140 Zwischensumme I (arme Doggererze) 470 130 2.800 810 3.270 940 Kreideerze (1.) Salzgitter (VSt./ Hoesch/ Krupp) (a) Grube Fortuna 350 110 350 110 (b) Gruben Ida und Finkenkuhle 650 190 650 190 (2.) Salzgitter, Ilsede 100 35 150 50 250 85 Zwischensumme II (arme Kreideerze) 450 145 800 240 1.250 385 Zwischensumme III (aus I und II = Dogger+Kreide) 920 275 3.600 1.050 4.520 1.325 Übrige Regionen Siegerland (VSt./ Krupp/ Hoesch…) 250 100 250 100 Lahngebiet mit Oberhessen 450 160 450 160 Harz (Grube Braunesumpf ) 200 60 200 60 Weser- und Wiehengebirge 350 75 350 75 Zwischensumme IV (übrige Regionen) 1.250 395 1.250 395 Gesamtsumme (aus I - IV) 2.170 670 3.600 1.050 5.770 1.720 Quelle: LGRB 13 A/ 150. Ziele des Vierjahresplans für die Eisenerzförderung auf der Baar und ihre Erfüllung (in 1.000 t) Planziele in den Fassungen vom Tatsächliche Förderung in Jahr 10.1.1937 31.12.1937 Gutmadingen Blumberg Baar gesamt Planerfüllung¹ Fe Roherz² Fe Roherz² Roherz 1936 79 20 99 1937 47 262 57 306 100 157 257 84 % 1938 263 1.200 197 1.000 126 438 564 56 % 1939 615 2.900 394 2.000 105 920 1.025 51 % 1940 775 3.600 628 3.000 126 953 1.079 36 % 1941 1.040 4.800 125 918 1.043 1942 5 79 84 1 gemessen an den Ziffern der Planfassung vom 31.12.1937 2 vom Verf. umgerechnet; die Vierjahrespläne geben die Förderziele meist nur in Form des Eisengehalts (Fe) an. Quellen: BAMA Wi I F 5/ 2363; BAB R 3112/ 183; LGRB Bergwerksakten; StAF V 500/ 1-3. 440 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse b) Betriebskennziffern der DBG/ DAG Förderplan der Saarhütten vom 21. März 1939: Erforderliche Belegschafts-und Wohnungszahl, durchschnittliche Roherzförderung und Erzaufbereitung in t pro Kalendertag Stand zum 1.1.1939 Planzahlen 1939 1940 1941 1942 1942²+x Wohnungen¹ 960 1.160 1.470 1.600 2.150 2.300 Gesamtbelegschaft Bergwerk 1.427 1.750 2.200 2.400 3.200 3.500 Grubenförderung (Roherz) 1.700 2.200 3.200 4.100 6.500 10.000 Tagebauförderung (Roherz) 1.300 1.300 1.300 1.300 1.500 0 Gesamtförderung Blumberg 3.000 3.500 4.500 5.400 8.000 10.000 Aufbereitungskapazität 2.600 2.900 2.900 2.900 Verbleibendes Roherz 400 600 1.600 2.500 Roherzabnahmekapazität Saar 600 600 1.000 1.000 Überschüssiges Roherz 0 0 600 1.500 1 Von den für 1939 verzeichneten 960 Wohnungen waren Anfang 1939 lediglich 412 fertiggestellt. 2 Die letzte Tabellenspalte bezieht sich auf die Zeit nach Erschöpfung der Tagebaue ab etwa 1949. Quelle Unterlagen Bornitz zur Besprechung am 21.3.1939, StANK Bestand AD. Tatsächliche Jahresförderung und Erzaufbereitung bei der Doggererz-Bergbau GmbH und der Doggererz AG (in 1.000 t) Förderung aus Aufbereitung in der dem Betriebsteil dem gesamten Abbaubetrieb Röstanlage Konzentratanlage Lurgi Grube Tagebau Input Output Input Output Roherz Roherz Roherz Fe Roherz Rösterz Fe Roherz Konz. Fe 1935 14 14 3 1936 21 21 4 1937 157 157 31 8 6 2 1938 393 45 439 85 222 177 44 87 32 13 1939 612 308 920 185 520 384 98 232 92 36 1940 624 329 953 187 525 389 97 210 78 31 1941 539 379 918 181 495 379 95 220 85 34 1942 79 79 15 43 33 8 Ges. 2.439 1.061 3.501 689 1.813 1.368 344 750 287 114 Quelle: Albiez, Eisenerz-Bergbau, S. 196 und DBG/ DAG-Jahresbilanzen. Geringfügige Rundungsfehler in der Gesamtsumme nicht korrigiert. 441 2. Kennziffern Gesamtzahl und Staatszugehörigkeit der Bergarbeiter bei der Doggererz-Bergbau GmbH bzw. der Doggererz AG 31.12.1937 31.12.1938 31.12.1939 31.12.1940 31.12.1941 April 1942 Zahl Anteil Zahl Anteil Zahl Anteil Zahl Anteil Zahl Anteil Zahl Anteil D 714 99 % 1.373 99 % 1.075 74 % 815 55 % 648 66 % 452 64 % I 322 22 % 391 26 % 186 19 % 145 21% PL 61 4 % 9 1 % 7 1 % RUS 3 8 % 12 7 % 10 10 % CH 10 1 % 20 1 % 5 4 % 5 3 3 YU 36 53 34 52 Sonst. 10 52 15 7 Krieg¹. 100 7 % 71 7 % 26 4 % Summe 724 1.393 1.448 1.480 978 702 1 Kriegsgefangene. Quelle Albiez, Eisenerz-Bergbau, S. 197. Kostenvergleich von Blumberger Rösterz, Lurgi-Konzentrat und französischer Minette Bezugskosten je t bei Verwendung von Doggererz in Form von Minette Kostenart Röstgut Lurgi-Konzentrat¹ Förderkosten 7,00 RM 39,40 RM 7,00 RM Brechen 0,15 RM Rösten 5,00 RM Verladekosten 0,16 RM 0,20 RM Fracht zur Saar² 1,48 RM 1,85 RM Entladung und Hüttenbahn 0,16 RM 0,10 RM 0,10 RM Sintern der Feinerzanteile etc. 0,53 RM 2,00 RM 0,67 RM Bezugskosten je t Erz/ Konzentrat 14,33 RM 43,55 RM 7,92 RM Technische Grunddaten zur Verhüttung Eisengehalt 19,5 % 43,2 % 29,0 % Eisenbedarf in kg je t Roheisen 1.020 kg 960 kg 960 kg Erz-/ Konzentratbedarf je t Roheisen 5,20 t 2,22 t 3,31 Koksbedarf je t Roheisen 1.185 kg 850 kg 1.000 kg Roheisengestehungskosten Erzkosten 74,51 RM 96,68 RM 26,22 RM Kokskosten 21,30 RM 15,30 RM 18,00 RM Verarbeitung 9,70 RM 6,97 RM 8,20 RM Erhöhter Fackelverlust 1,05 RM Entschwefelung (Soda) 2,70 RM 1,00 RM Schlackenabfuhr 0,60 RM Phosphorzugabe 1,50 RM Gestehungskosten je t Roheisen 109,86 RM 121,45 RM 52,42 RM 1 Die Zahlen dieser Spalte sind bezogen auf 1 t Lurgi-Konzentrat. 2 Minettepreis frei Hütte: 7 RM je t Quelle: Denkschrift der Saarhütten vom Oktober 1938, StANK AD. 442 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Die Vermögensentwicklung der DBG bzw. der DAG (1936-1940) in 1.000 RM Stichtag 1.2.1936 31.12.1936 31.12.1937 31.12.1938 31.12.1939 31.12.1940 Bilanzsumme 2.919 3.479 9.770 14.578 22.771 54.155 Bilanzverlust 354 1.083 311 772 644 Betriebsanlagen 1.239 2.260 5.487 7.367 10.220 18.940 Umlaufvermögen 322 379 1.135 1.701 5.046 10.905 Erläuterungen: Die Bilanzsumme steigt nach Gründung der DAG 1940 stark an und umfasst 16,3 Mio. RM an ausstehenden Einlagen auf das Grundkapital. Die Angaben über die Betriebsanlagen sind vermindert um Wertberichtigungen in der Bilanz und beinhalten auch Anzahlungen auf Betriebsanlagen. 1940 erfolgt ein starker Anstieg der Werte, weil Anzahlungen in Höhe von 3,7 Mio. RM für das bestellte Hüttenkraftwerk in Neudingen geleistet werden. Umlaufvermögen: 1939 führen umfangreiche Erzlieferungen an die Ruhrhütten zu einem signifikanten Anstieg. Da man an der Ruhr die ungewohnt hohen Preise weder anerkennen noch zahlen will, steigen die Forderungen aus Warengeschäften erheblich an. Als Folge der Kapitalerhöhung verfügt die DAG 1940 über höhere flüssige Mittel, was das Umlaufvermögen stark ansteigen lässt Quelle: PB-JB DBG/ DAG, StAF V 500/ 1. Die Vermögenswicklung der DAG (1941-1945) in 1.000 RM Jahresende 1941 1942 1943 1944 1945 Anlagevermögen 26.461 16.537 5.690 4.014 2.752 Forderungen gegen die Gesellschafter 9.122 5.122 16.122 23.122 23.122 Bilanzsumme 45.985 36.064 34.614 34.008 32.551 Eigenkapitel 42.064 32.280 33.024 32.727 31.013 Fremdkapital 3.921 3.784 1.392 1.281 1.538 Verlustvortrag 2.591 12.371 11.627 11.924 9.987 Erläuterungen: Das Anlagevermögen umfasst auch Anzahlungen auf Anlagen. Es sinkt ab 1942 durch den Verkauf der Betriebsanlagen drastisch ab. Da die Verkaufserlöse als Darlehen an die Eigner der DAG fließen, steigen die Forderungen der DAG gegen die eigenen Gesellschafter ab 1943 stark an. Die Höhe des Eigenkapitals täuscht über die wahren Vermögensverhältnisse hinweg: Von den 31 Mio. RM Eigenkapital des Jahres 1945 sind 23 Mio. RM als Darlehen an die Gesellschafter der DAG zurück geflossen oder waren als Kapitalanteil von den Saarhütten niemals eingezahlt worden. Fremdkapital: Es besteht ab 1943 fast nur aus Rückstellungen (meist für Geländerekultivierungen). Verlustvortrag: Er entstand vor allem durch stilllegungsbedingte Abschreibungen im Jahre 1942. Da es gelang, für einige abgeschriebene Sachanlagen in späteren Jahren höhere Preise zu erzielen, reduzierte sich die Höhe des Verlustvortrags ab 1943 leicht. Quelle: PB-JB DAG, StAF V 500/ 1. 443 2. Kennziffern Die Vermögensentwicklung der DAG (1948-1978) in 1.000 DM Jahresende (Ausn. 1948) 21.6.1948 1951 1957 1960 1968 1974 1978 Anlagevermögen 1.080 841 723 584 468 164 21 Umlaufvermögen 151 288 236 831 215 1.687 1.002 Bilanzsumme 1.276 1.296 1.049 1.421 684 1.851 1.023 Eigenkapital 1 440 318 370 945 633 1.231 694 Fremdkapital 792 811 596 470 51 620 330 Bilanzergebnis -122 -70 322 44 1.048 511 1 incl. Bilanzergebnis Erläuterungen: Das Anlagevermögen sinkt durch Immobilienverkäufe und unterlassene Erhaltungsinvestitionen stetig ab. Die Verkaufserlöse fließen auf die Geschäftskonten der DAG und erhöhen ihr Umlaufvermögen. Letzteres sinkt in manchen Jahren schlagartig ab, weil Veräußerungsgewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Da das Anlagevermögen bilanziell stark unterbewertet ist, entstehen bei Immobilienverkäufen hohe Gewinne. 1948 hat eine Kapitalherabsetzung das Eigenkapital (einschließlich gesetzlicher Rücklage) auf 440.000 DM reduziert. Flüssige Mittel bilden nur einen geringen Teil des Umlaufvermögens. Das Fremdkapital besteht fast nur aus Rückstellungen für Geländerekultivierung. Wechselseitige Ansprüche von DAG und Saarwerken (1,2 Mio. DM) wurden saldiert. Von 1948 bis 1951 summieren sich die Verluste auf 122.000 DM. Der Verlustvortrag kann bis 1957 stark abgebaut werden. 1958 erhält die DAG 300.000 DM Ablösezahlung aus der Bundeskasse. Sie verlässt die Verlustzone. 1960: Grundstücksverkäufe und die Auflösung überflüssiger Rückstellungen für Geländerekultivierung führen zu einem hohen Buchgewinn, der ausgeschüttet wird. Das Anlagevermögen ist deutlich gesunken, das Umlaufvermögen stark gestiegen. Das Eigenkapital hat sich in 9 Jahren verdreifacht. 1968: mit 44.000 DM Gewinn ein gutes Jahr. 1974: Die Liquidation ist in vollem Gange. Der Verkauf des Waldbestands bringt einen Erlös von 1,2 Mio. DM, der fast vollständig an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Das Fremdkapital besteht nur noch aus Rückstellungen für erwartete Steuerzahlungen. 1978: Diese Bilanz stellt zugleich die Liquidationseröffnungsbilanz für 1979 dar. Das Anlagevermögen ist fast vollständig aufgelöst. Dennoch erwartet man noch Verkaufserlöse von rund 300.000 DM. Quelle: PB-JB DAG, StAF V 500/ 1. 444 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse c) Das Wohnungsbauprogramm Kennziffern des Blumberger Siedlungsprogramms (Haustyp, Zahl und Fläche der Wohnungen pro Haus, Monatsmiete im Jahre 1940) Typ Wohnungszahl Raumaufteilung Wohnfläche Außenanlagen Miete in RM A B 2 EG: Küche + 2 Zimmer OG: Küche + 1 oder2 Zimmer 42-44 m² 27-33 m² Stall, 600 m² Garten Kleiner Garten 26,00 - 27,20 16,00 -17,30 C 1 Küche + 3 Zimmer ? Stall, 600 m² Garten 32,40 - 34,60 Quelle: GLA 478/ 29. Zum Vergleich: Der monatliche Nettoverdienst eines Blumberger Bergmanns betrug 1939 rund 120 RM. Der durchschnittliche Nettolohn für Unter- und Übertage-Personal lag 1940 bei 143,92 RM. Umfang, Bauzeit und Verteilung der geplanten Kosten des Wohnungsbauprogramms in Blumberg (Volkswohnungen) und Riedböhringen (Siedlerstellen) Baustufe I II III IV Gesamt Häuser 32 168 214 204 618 Wohnungen 64 336 250¹ 366² 1.016² Baubeginn April 1937 August 1937 Juni 1938 Sept. 1938 Bauende Dez. 1937 Sept. 1938 Sept. 1939 1940/ 41 Baukosten pro Wohnung 4.150 RM 5.100 RM 6.555 RM 5.738 RM Baukosten insgesamt 265.600 RM 1.713.600 RM 1.638.700 RM 2.100.000 RM 5.717.900 RM 1. Hypothek 102.400 RM 739.200 RM 867.500 RM 1.121.500 RM 2.830.600 RM Reichsdarlehen 115.200 RM 638.400 RM 442.200 RM 640.500 RM 1.836.300 RM Werksdarlehen 48.000 RM 336.000 RM 323.500 RM 338.000 RM 1.045.500 RM Eigenkapital Siedler¹ 5.500 RM 5.500 RM 1 davon 11 Kleinsiedlungshäuser in Riedböhringen, zu deren Bau die Siedler jeweils 500 RM beisteuern mussten. 2 davon wurden 68 Bauten stillgelegt, sodass Ende 1941 insgesamt 948 Wohnungen bezugsfertig waren. Quellen: Übersicht über das Siedlungsprogramm v. August 1938, RWWA 72-146-7; GLA 478/ 29; StAB Bauakten. 445 2. Kennziffern Erschließungskosten des Blumberger Wohnungsbaus und deren Verteilung in RM Baustufen I und II III IV Gesamt Straßenbau 173.000 97.200 ? ? Kanalisation 145.000 84.000 ? ? Wasserversorgung 150.000 32.000 ? ? Stromversorgung 60.000 15.000 ? ? Gesamtkosten 528.000 228.200 180.000 936.200 Kostenübernahme durch Hauseigentümerin (Siedlungsgesellschaft) 28.000 21.700 17.000 66.700 Reichsbeihilfe (Darlehen) 330.000 139.000 111.7000 580.700 Landeszuschuss 50.000 26.900 15.300 92.200 Zuschuss Badische Heimstätte GmbH 40.000 40.600 36.000 116.600 Zuschuss Doggererz AG 80.000 80.000 Quelle: StAB Siedlungsakten. Übersicht über die von der öffentlichen Hand zum Ausbau Blumbergs bis zum 15. Mai 1940 bereitgestellten Mittel Reich 4.311.220 RM Land Baden 470.000 RM Badische Landeskreditanstalt 392.000 RM Landkreis Donaueschingen 18.000 RM Badische Landesversicherungsanstalt 1.627.000 RM Reichsknappschaft 914.000 RM Summe 7.732.220 RM Quelle: BAB R 3101/ 30590. d) Gehaltsstruktur der DBG/ DAG Monatliche Bruttoeinkommen Vorstand (1940) 2.500 RM Geschäftsführung (1937/ 38) 800 RM Handlungsbevollmächtigte (1940) 650 RM Betriebsführer Bergwerk (1936) 450 RM Direktionsassistent (1936) 350 RM Steiger (1936) 300 RM Kfm. Angestellte (1936) 170 RM Hauer (1940) 208 RM Schlepper (1940) 157 RM Facharbeiter über Tage 184 RM Durchschnitt aller Arbeiter 176 RM Quelle: Personalakten und GLA 478/ 29. 446 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Abb.105: Erz-Verladeanlage im Südwerk der Doggererz AG. Bild: Sammlung Prillwitz. Abb. 106: Sitzungssaal des Blumberger Rathauses zur Zeit des Dritten Reichs. Das mittlere Bild und die Motive des geschnitzten Mobiliars stammen von Bernhard Schneider-Blumberg (1881 - 1956), einem in Randen geborenen Künstler, mit dem Theodor Schmid gut bekannt war. Bild: Sammlung Prillwitz. 447 3. Quellen und Literatur a) Archivalien α) Staatliche, kommunale und kirchliche Archive Altkatholisches Bistumsarchiv, Bonn K 101: Ortsakten Blumberg K 212: Akte Reich, Länder usw. 1936-1950 Personalakte Pfarrer Paul F. Pfister Personalakte Bischof Klemens Philipp Feldmann Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats, Freiburg B 4 Visitationen Archiv des Katholischen Pfarramts Blumberg XXII: Religions- und Seelsorge Archives nationales de Luxembourg Police des étrangers Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Bayerisches Oberbergamt, Abgabe 19.9.2005 Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe (MHIG) Bergbau-Archiv Bochum Bestand BBA 134: Nachlass Eduard Gärtner Bundesarchiv Berlin, Koblenz und Ludwigsburg 31XX und 3200: NSDAP-Mitgliederkarteien (ehem. Berlin Document Center) B 462: Personendatenblatt Oskar Gabel NS 22: Reichsorganisationsleiter der NSDAP NS 25: Hauptamt für Kommunalpolitik R 2: Reichsfinanzministerium R 13 I: Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller/ Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie R 26 I: Beauftragter für den Vierjahresplan R 43: Reichskanzlei R 113: Reichsstelle für Raumordnung R 3001: Reichsjustizministerium R 3101: Reichswirtschaftsministerium R 3112: Reichsamt für Wirtschaftsausbau R 3601: Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft R 3901: Reichsarbeitsministerium R 8122: Flick-Konzern R 9361 I: Sammlung »Berlin Document Center« (BDC), Personenbezogene Akten der NSDAP BDC SSO: SS-Offiziersakten Z 42: Spruchgerichte in der Britischen Zone Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg Wi I F 5/ 2363: Wehrwirtschaft-Rüstung Pers 6/ 299785: Personalakte Hermann von Hanneken Centre des archives diplomatiques, La Corneuve (F) Haut commissariat de la République française en Allemagne, Délégation provincial de Bade sud, Delegation du cercle de Donaueschingen - D Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt) Personenbezogene Unterlagen 448 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Generallandesarchiv Karlsruhe 76: Badische Diener-Akten 233: Staatsministerium 234: Justizministerium 236: Innenministerium 237: Finanzministerium 309: Staatsanwaltschaften 431: Badische Gebäudeversicherungsanstalt 462: Landesversicherungsanstalt Baden 456 E: XIV. Armeekorps Personalverwaltung 465 a/ f/ h/ i/ p: Spruchkammern 465 c: Document Center 465 d: NSDAP, Verbände und Polizei 466: Regierungspräsidium Karlsruhe 478: Badische Landeskreditanstalt (für Wohnungsbau) 480: Landesamt für Wiedergutmachung 508: Oberfinanzdirektion Karlsruhe 519 Zug. 1986/ 21: Kommunaler Versorgungsverband Baden-Württemberg 598: Staatliche Sammlungen für Naturkunde Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 191: Zeitungsausschnitte zur Personengeschichte M 430: Personalunterlagen von Offizieren und Militärbeamten E 130 b: Staatsministerium E 146: Innenministerium E 151: Innenministerium EA 2: Innenministerium EA 5: Finanzministerium EA 6: Wirtschaftsministerium Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 522/ 557 Kartei Internierungslager Darmstadt: Oskar Gabel Abt. 520 Fulda-Zentral / A 11S: Spruchkammerakte Oskar Gabel Abt. 520 D-Z/ 500945: Spruchkammerakte Elfriede Bornitz Kreisarchiv Offenburg Landkreis Kehl Ortsakten Kehl, Auenheim und Kork Kreisarchiv Schwarzwald-Baar Altbestand Landratsamt Donaueschingen Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Landesbergdirektion, Freiburg Bergamt Freiburg Südbaden Aktenplan 2 Akten des Bergamtes Freiburg - Allgemein - Aktenplan 3 Akten des Bergamtes Freiburg - Betriebsakten - Aktenplan 4 Bergamt Freiburg - Stehordner Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Duisburg NW: Entnazifizierungsakten Landesarchiv Saarland, Saarbrücken StKpolS 4424: Spruchkammerakte Heinrich Berve StkpolS 4485: Spruchkammerakte Franz Haug Epurationsentscheid Otto Berger Landesarchiv Schleswig-Holstein, Schleswig 605/ 14326: Verdienstkreuz Paul Wirths 761/ 1219: Personalakte Paul Wirths Landesarchiv Steiermark, Graz StLA, VA Erzberg, Personalakten Angestellte, Dipl.-Ing. Grablowitz, geb. 4. 4. 1909 449 3. Quellen und Literatur Niedersächsisches Landesarchiv, Staatsarchiv Wolfenbüttel 3 Nds Nr. 595: Spruchkammerakte Dr. Karl Würtz 43 A Neu 4. Jg. 1943 Nr. 32: Gefangenen-Personalakte Dr. Karl Würtz 62 Nds Zg. 43/ 1984 Nrn. 2/ 1-10 und 3/ 3: Landgerichtsprozessakten Dr. Karl Würtz Sächsisches Staatsarchiv Bergarchiv Freiberg 40028: Oberbergamt Freiberg 40054: Bergamt Zwickau Staatsarchiv Freiburg A 47/ 1: Staatsanwaltschaft beim Sondergericht Freiburg A 96/ 1: Landeskommissär Konstanz C 5/ 1: Badische Staatskanzlei, Gewerbe und Handel, Wirtschaft und Arbeit C 15/ 1: Badisches Innenministerium C 18/ 1: Badisches Innenministerium C 30/ 1: Badisches Finanzministerium C 33/ 1: Badisches Finanzministerium C 36/ 1, C 37/ 1, C 38/ 1: Badisches Ministerium der Wirtschaft und Arbeit D 5/ 1: Entschädigungsgericht Freiburg D 180: Spruchkammer Südbaden F 22/ 62: Regierungspräsidium Freiburg F 30/ 1: Regierungspräsidium Freiburg F 30/ 5: Regierungspräsidium Freiburg F 178/ 2: Staatsanwaltschaft Konstanz F 196/ 1: Landesamt für Wiedergutmachung, Außenstelle Freiburg F 235: Landesbergamt Baden-Württemberg G 11/ 2: Landratsamt Donaueschingen G 701/ 2: Justizvollzugsanstalt Freiburg, Gefangenenakten K 1001/ 1-3: Karten und Pläne Doggererz AG L 50: Personalakten von Lehrern T 1 (Zugang 2010/ 0034) Nachlass Drischel V 500/ 1-4: Unternehmensakten Doggererz AG Staatsarchiv Ludwigsburg EL 902/ 20: Spruchkammer 37 - Stuttgart: Verfahrensakten FL 300/ 34 II: Amtsgericht Ulm: Handels-, Genossenschafts-, Vereinsregister F 201: Stadtdirektion Stuttgart - Polizeisachen Staatsarchiv München SpkA K 3831 Hans Arlt SpKA K 3919 Josef Pfnür SpKA K 3462, Johannes Haag SpKA K 1965, Walther Wieland Staatsarchiv Nürnberg KV-Anklage Interrogations G 2 Spruchkammer Ansbach-Land R 24 Staatsarchiv Sigmaringen Wü 13 T 2: Staatskommissariat für die politische Säuberung Stadtarchiv Blumberg Verwaltungsakten Stadtarchiv Donaueschingen Zeitungsbestände und Verwaltungsakten Stadtarchiv Karlsruhe Bestand 1/ H-Reg.: Hauptregistratur Stadtarchiv Freiburg C4/ IV/ 04/ 01-07: Gasfernversorgung 1925-1944 450 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Stadtarchiv Gutmadingen Verwaltungsakten Stadtarchiv Konstanz Akten des Einwohnermeldeamts Stadtarchiv Neunkirchen Bestand Neunkircher Eisenwerk Bestand Doggererz AG (unverzeichnet) Universitätsarchiv Aachen Promotionsakten, Dissertationsurkunden, Studierendenverzeichnisse Universitätsarchiv Frankfurt am Main UAF 604/ 529 und 156/ 1442 Promotion Paul Wirths Universitätsarchiv Freiberg UAF 364 B 17 Promotion Hans Bornitz UAF Matr. 5349 Heinrich Berve UAF 364 K 17 Promotion Wilhelm Kohlschein UAF Matr. 6505 Heinrich Ziergiebel Universitätsarchiv Freiburg Promotionsakten, Dissertationsurkunden, Studierendenverzeichnisse Universitätsarchiv Tübingen AUT 189/ 939 und 258/ 14746: Promotion Hans Reichard Universitätsarchiv Wrocław TH 154 und TH 218: Studenten- und Personalakten Rudolph Gerlach Universitätsarchiv Würzburg Akte 120-07: Karl Würtz, Verfahren zur Aberkennung des Dr. Grades β) Firmen- und Vereinsarchive Corps Montania Clausthal, Clausthal-Zellerfeld Mitgliederkartei Firmenarchiv AG der Dillinger Hüttenwerke, Dillingen Unternehmensakten Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, Donaueschingen Bestand Edle Bergwerke Personalakten Album XIV Photographische Ereignisse Kreistag Donaueschingen 1938 Klinik Hohe Mark, Oberursel Patientenakten Karl Würtz Konzernarchiv Saarstahl AG, Völklingen Firmenakten Röchlingsche Eisen- und Stahlwerke Konzernarchiv ThyssenKrupp, Duisburg A: Bestand August-Thyssen-Hütte Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Köln Abt. 72: Bestand Neunkircher Eisenwerk Abt. 72: Bestand Doggererz-Bergbau AG Abt. 72: Bestand Eisenhüttenwerk Thale AG Abt. 72: Bestand Neuwalzwerk AG Bösperde Abt. 72: Bestand Otto Wolff AG Abt. 130: Bestand Gutehoffnungshütte Niedersächsisches Wirtschaftsarchiv Braunschweig, Wolfenbüttel NWA 2: Salzgitter-Konzern NWA 6: Reichswerke Hermann Göring Salzgitter AG-Konzernarchiv/ Mannesmann-Archiv, Mühlheim/ Ruhr M 12: Mannesmann Vorstandsakten 451 3. Quellen und Literatur γ) Privatpersonen Willi Hönle, Donaueschingen Wilfried Huber, Völklingen Karl-Heinz Philipp, Heidelberg Bernhard Prillwitz, Blumberg Prof. Dr. Georg Wittke, Linden b) Mündliche und schriftliche Auskünfte Dr. Raimund Adamczyk, Donaueschingen Dr. Charles Barthel, Luxemburg Rosemarie Berger, Freiburg Konrad Bickert, Leutershausen Claus Böcking, Bonn-Bad Godesberg Claus Breiing, Bad Dürrheim Karin Carl, Stadtarchiv Neunkirchen Adelheid Conrad, geb. Oltersdorf, Lorsch Irma Cosalter, Blumberg Dr. Horst Denzer, Augsburg Dr. Karl Peter Ellerbrock, Dortmund Dr. Michael Farrenkopf, Deutsches Bergbau-Museum Bochum Dr. Antje Fuchs, Dillinger Hütte Dr. Gerhard D. Gärtner, Essen Axel Göbel, Emmerichenhain Rainer Grablowitz, Aachen Angelika Herkert, Stadtarchiv Karlsruhe Klaus Hoen, Stadtarchiv Saarlouis Dr. Manfred und Luise Hofmann Dorit Huller, Freiburg Walter Hutter, Bermattingen Dr. Herbert Kaden, Universitätsarchiv Freiberg Dr. Otto Kalthoff, München Rainer Kapteinat, Landesbergdirektion Freiburg Renate Keusen, Donaueschingen Dr. Helmut Kinne, Panketal-Zepernick Prof. Dr. Jürgen Klöckler, Stadtarchiv Konstanz Torsten Kohlschein, Zwickau Dr. Werner Landschütz, Gengenbach Margarete Lang, Donaueschingen Christof Lehr, Freiburg Walter Liehner, Stadtarchiv Überlingen Renate Liessem, geb. Breinlinger, Freiburg Carmen Lorenz, Bundesarchiv Berlin Familie Meess, Donaueschingen Franz Merz, Riedböhringen Dr. Arnulf Moser, Konstanz Jürgen Moses, Blumberg Elisabeth Murf, geb. Pfnür, Berchtesgaden Hans Nanz, Hamburg (Studentenverbindung Teutonia) 452 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Dr. Dietrich Naumann, Leinfelden-Echterdingen Susanne Neis, Stadtarchiv Neunkirchen Jutta Nessel, geb. Eid, Obermoschel Gabriele Pankoke, geb. Feuerhake, Freiburg Rolf-Helmut Pfeiffer, München Karl-Heinz Philipp, Heidelberg Dr. Karl Preis, Blumberg Bernhard Prillwitz, Blumberg Prof. Dr. Manfred Rasch, Konzernarchiv ThyssenKrupp Hildegard Recktenwald, Blumberg Jochen Rees, Staatsarchiv Freiburg Christian Reichard, Poing Gilles Regener, Luxemburg Dr. Kornelia Rennert, Konzernarchiv Salzgitter AG/ Mannesmann Christian Reuther, Stadtarchiv Völklingen Dagmar Rumpf, Stadtarchiv Baden-Baden Nicole Schautzgy, Stadtverwaltung Blumberg Dr. Rüdiger Schell, Donaueschingen Stefan Scherer, Blumberg Holger Schick, Landesbergdirektion Freiburg Dr. Hans Schimpf-Reinhardt, Stadtarchiv Balingen Kurt Schloms, Kamp-Lintfort Kathrin Schmidt, Stadtarchiv Saarbrücken Michael Scholz, Stadt Rödental Gertrud Sprengart, Blumberg Dr. Joachim Sturm, Kreisarchiv Villingen-Schwenningen Petra Svenson, Stahlinstitut Düsseldorf Mathilde Thiessen, geb. Schnarrenberger, Ihringen Dorothea Thieme, Hamburg Dr. Jürgen Treffeisen, Generallandesarchiv Karlsruhe Egon und Hannelore Vetter, Blumberg Gernot Weber, Obersulm Daniela Wenosz, Stadtverwaltung Blumberg Dr. Peter Wettmann-Jungblut, Landesarchiv Saarbrücken Dr. Andreas Wilts, Fürstl. Fürstenberg. Archiv Donaueschingen Prof. Dr. Georg Wittke, Linden Annette Zeischka-Kenzler, Bamberg August Zeller, Blumberg Sybille Ziervogel, Karlsruhe c) Unveröffentlichte Manuskripte Kinne, Helmut: Dr.-Ing. Maximilian Heinrich Kraemer, 2011. Ellerbrock, Karl-Peter: Biografie Erich Tgahrt, 2012. Häck, Bernhard: Mut zur Wahrheit oder: Versuch einer geschichtlichen Aufarbeitung und einer möglichen Präsentation der Geschichte Blumbergs und seiner Umgebung, 2000. Korger, Gerold: Die wirtschaftliche Bedeutung des Eisenerzbergbaues im Lande Baden-Württemberg, Staatswissenschaftliche Ausarbeitung, Freiburg 1961. 453 3. 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Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Schattenblick-Rotfuchs, elektronische Zeitschrift Schwarzwälder Bote Schwarzwälder Tagblatt Stahl und Eisen Süddeutsche Wasserstraßen Südkurier Technikgeschichte Tradition, Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiografie Verwaltungsberichte der Reichsbank, Berlin Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Vierteljahresschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Völkischer Beobachter Wasser und Gas Westdeutsche Zeitung Zeitschrift für Bauwesen Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Deutschen Reich Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift für die Geschichte und Naturgeschichte der Baar Zeitschrift für praktische Geologie Zeitschrift für Unternehmensgeschichte f) Sekundärliteratur Aus dem Leben Alter Freiberger Bergstudenten, hg. vom Vorstand der Vereinigung Alter Berg- und Hüttenleute der Bergakademie Freiberg, Ergänzungsband, Essen 1971. 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Badisches Gesetz- und Verordnungsblatt BH Badische Heimstätte GmbH BLKV Badisches Landesamt für kontrollierte Vermögen BMA Bürgermeisteramt BMI Badisches Ministerium des Inneren BP Besprechungsprotokoll BRSH Badischer Reichsstatthalter CdZE Chef der Zivilverwaltung im Elsass DAF Deutsche Arbeitsfront DAG Doggererz AG DAG-MB Monatsbericht Doggererz AG DBG Doggererz-Bergbau GmbH DH Dillinger Hütte DS Donaueschingen EBOAF Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg EK Eisernes Kreuz EVS Energie-Versorgung Schwaben AG FADH Firmenarchiv Dillinger Hütte Fasz. Faszikel FF Fürstlich Fürstenbergisch 466 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse FFA Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen FMBW Finanzministerium Baden-Württemberg GAG Gemeindearchiv Gutmadingen GGAE Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz GHH Gutehoffnungshütte GIWE Generalinspektor für Wasser und Energie GLA Generallandesarchiv Karlsruhe Großherzogl. Großherzoglich/ e/ es/ er GVP Gesellschafterversammlungs-Protokoll HA Hauptabteilung Hg. Herausgeber/ herausgegeben HHStA Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden HV Hauptversammlung JB Jahresbilanz jüd. jüdisch KAOG Kreisarchiv Offenburg KASB Kreisarchiv Schwarzwald-Baar KAS RESW Konzernarchiv Saarstahl AG, Bestand Röchlingsche Eisen- und Stahlwerke KATK Konzernarchiv ThyssenKrupp KB Kabinettsprotokolle der Bundesregierung KN Konstanz LA Landesarchiv LAKRA Landeskreditanstalt LANRW Landesarchiv Nordrhein-Westfalen LASH Landesarchiv Schleswig-Holstein LEO-BW Landeskundliches Informationssystem für Baden-Württemberg LEO-BW LGK Lagebericht des Generalstaatsanwalts Karlsruhe LGRB Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Landesbergdirektion Freiburg LPGB Landesplanungsgemeinschaft Baden LRA Landratsamt lt. laut MB Monatsbericht MD Ministerialdirektor MDirig. Ministerialdirigent MR Ministerialrat NDB Neue Deutsche Biografie OB Oberbürgermeister OBA Oberbergamt OFD Oberfinanzdirektion OKW Oberkommando der Wehrmacht O/ S Oberschlesien ORR Oberregierungsrat PA Personalakte 467 4. Verzeichnisse und Register PB-JB Prüfungsbericht Jahresbilanz PdB Protokoll der Besprechung preuß. preußisch RA Rechtsanwalt RAM Reichsarbeitsministerium RBM Reichsministerium für Bewaffnung und Munition RESW Röchlingsche Eisen- und Stahlwerke RFM Reichsfinanzministerium RfR Reichsstelle für Raumordnung RFSS Reichsführer SS RJM Reichsjustizministerium RLM Reichsluftfahrtministerium RMI Reichsministerium des Innern Rohstoffamt Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe RPPD Rheinland-Pfälzische Personendatenbank RR Regierungsrat RS Rundschreiben RVK Reichsvereinigung Kohle RWA Reichsstelle bzw. Reichsamt für Wirtschaftsausbau RWM Reichswirtschaftsministerium RWWA Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln RSH Reichsstatthalter SBMF (Süd-)Badisches Finanzministerium SBMW (Süd-)Badisches Wirtschaftsministerium SBMWA (Süd-)Badisches Ministerium für Wirtschaft und Arbeit SDO Siedlungsgesellschaft für das Doggererzgebiet Oberbaden StAB Stadtarchiv Blumberg StADS Stadtarchiv Donaueschingen StadtAF Stadtarchiv Freiburg StAF Staatsarchiv Freiburg StAL Staatsarchiv Ludwigsburg StAM Staatsarchiv München StAN Staatsarchiv Nürnberg StANK Stadtarchiv Neunkirchen StAS Staatsarchiv Sigmaringen Stat. Statistisch/ e/ es StLA Steierisches Landesarchiv Süwefag Südwestdeutsche Ferngas AG Süwega Südwestdeutsche Gas AG SZ/ MA Salzgitter AG-Konzernarchiv/ Mannesmann-Archiv TK Technische Kommission TKS Sitzung der Technischen Kommission TO Tagesordnung 468 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse TWS Technische Werke der Stadt Stuttgart AG u. und UAA Universitätsarchiv Aachen UAF Universitätsarchiv Freiberg UAFB Universitätsarchiv Freiburg VDEh Verein Deutscher Eisenhüttenleute VDESI Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller VJP Vierjahresplan Vol. Volume VSt. Vereinigte Stahlwerke WASt Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung von Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht WEDAG Westfalia-Dinnendahl-Gröppel AG WGE Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie WMI Württembergisches Innenministerium WStaM Württembergisches Staatsministerium ZGW Zweckverband Gasversorgung Württemberg b) Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Besichtigung des Karl-Egon-Bergwerks 1934. Bild: Familie Naumann. (S. 28) Abb. 2: Vor der Aufbereitungsanlage in Gutmadingen. Bild: Familie Naumann. (S. 28) Abb. 3: Erzkonzessionsgebiete auf der Baar um 1925. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 38) Abb. 4: Erzkonzessionsgebiete auf der Baar 1940. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 39) Abb. 5: Plan des Karl-Egon-Bergwerks. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 40) Abb. 6: Betriebsanlagen des Blumberger Bergwerks. Bild: Baarverein, Donaueschingen. (S. 67) Abb. 7: Blumberger Bergleute. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 67) Abb. 8: Bau des Zechenbahnhofs in Zollhaus. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 85) Abb. 9: Montage der Brückenfelder. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 85) Abb. 10: Unter Tage. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 86) Abb. 11: Inspektion der Grubenanlagen. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 86) Abb. 12: Wohnungsbau in Blumberg. Bild: Stadtarchiv Blumberg. (S. 104) Abb. 13: Bergarbeitersiedlung Blumberg. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 104) Abb. 14: Straßenplan der Bergarbeitersiedlung. Bild: Generallandesarchiv Karlsruhe. (S. 105) Abb. 15 und 16: Robert Wagners Besichtigung in Blumberg. Bilder: Sammlung Prillwitz. (S. 111) Abb. 17: Planung der nationalsozialistischen Mustersiedlung für den Vierjahresplan Blumberg durch den Architekten Alfred Wolf. Bild: Architekturbüro Wolfgang Huller. (S. 112) Abb. 18: Bergarbeiter in der Barackensiedlung. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 123) Abb. 19: Barackensiedlung des Blumberger Werks. Bild: Stadtarchiv Blumberg. (S. 123) Abb. 20: Nordwerk, Westhang des Stobergs. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 128) Abb. 21: Nordwerk, Osthang des Eichbergs. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 128) Abb. 22: Nordwerk, oberer Mund des Stobergstollens. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 129) Abb. 23: Plan Nordwerk. Bild: Archiv Prillwitz. (S. 129) Abb. 24: Plan Südwerk. Bild: Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe, Freiburg. (S. 130) Abb. 25: Südwerk im Oktober 1937. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 131) 469 4. Verzeichnisse und Register Abb. 26: Montage des Kettenbahnantriebs im Nordwerk. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 131) Abb. 27: Konstruktion der Röstöfen. Bild: Stahlinstitut, Düsseldorf. (S. 132) Abb. 28: Bau der Röstöfen im Südwerk. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 132) Abb. 29: Bau der Lurgi-Drehrohrofen-Halle. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 133) Abb. 30: Verladebahnhof im Südwerk. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 133) Abb. 32: Belegschaftsentwicklung 1937 in Blumberg. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 134) Abb. 31: Betriebskennziffern der Doggererz-Bergbau GmbH. Bild: Stahlinstitut, Düsseldorf. (S. 134) Abb. 33: Italienische Bergarbeiter. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 137) Abb. 34: Tagebau in Blumberg. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 137) Abb. 35: Walter Köhlers Besuch in Blumberg. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 144) Abb. 36: Blumberger Grubenbelegschaft. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 144) Abb. 37: Eintrag im Gästebuch der »Scheffellinde«, Achdorf. Bild: Familie Wiggert-Hille. (S. 146) Abb. 38: Fachkräftezuzug aus dem Ruhrgebiet. Bild: Stadtarchiv Blumberg. (S. 154) Abb. 39: Im Blumberger Neubaugebiet. Bild: Archiv Prillwitz. (S. 154) Abb. 40: Röchlings Hüttenprojekt bei Aulfingen. Bild: Bundesarchiv Berlin. (S. 171) Abb. 41: Röchlings Hüttenprojekt bei Riedöschingen. Bild: Bundesarchiv Berlin. (S. 171) Abb. 42: Bedienungsmannschaft des Lurgi-Drehrohrofens. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 180) Abb. 43: Übersichtsplan der Grubenanlage Blumberg und des Vorschmelzwerks Neudingen. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 215) Abb. 44: Lageplan des Vorschmelzwerks Neudingen. Bild: Staatsarchiv Freiburg. (S. 230) Abb. 45: Hüttenwerk Neudingen aus der Vogelschau. Bild: Staatsarchiv Freiburg. (S. 231) Abb. 46: Planierung des Neudinger Hüttengeländes. Bild: Saarstahl AG. (S. 232) Abb. 47: Skizze des Neudinger Hüttenwerks. Bild: Staatsarchiv Freiburg. (S. 232) Abb. 48: Förderplan der Doggererz-Bergbau GmbH. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 244) Abb. 49: Nordwerk der Doggererz AG 1940/ 41. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 245) Abb. 50: Strebbruchbau. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. (S. 248) Abb. 51: Wanderpfeiler. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 249) Abb. 52: Abreißen am Stoß. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 250) Abb. 53: Zwei-Scheiben-Strebbau. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. (S. 251) Abb. 54: Ein-Scheiben-Strebbau. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. (S. 251) Abb. 55: Nach Unfall notdürftig abgestütztes Hangendes. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 252) Abb. 56: Amtliche Skizze zum Bergunfall von Karfreitag 1940. Bild: Staatsarchiv Freiburg. (S. 253) Abb. 57: Aufgebahrte Tote des Unfalls von Karfreitag 1940. Bild: Jürgen Moses. (S. 254) Abb. 58: Robert Ley am 10. April 1940 in Blumberg. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 254) Abb. 59: Querschnitt durch den Streb vor dem Unfall (Gutachten Fritzsche). Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 256) Abb. 60: Ablösen der Erzbank nach dem Umsetzen der Wanderpfeiler zum Erzstoß (Gutachten Fritzsche). Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 257) Abb. 61: Erzpacken in der Seitwärtsbewegung (Gutachten Fritzsche). Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 257) Abb. 62: Langfrontpfeiler-Bruchbau. Bild: Joachim Koch, Initiative Völklinger Hütte. (S. 259) Abb. 63: Blumberger Generalbebauungsplanentwurf. Bild: Architekturbüro Huller. (S. 271) Abb. 64: Geplantes Aufmarschareal in Blumberg. Bild: Architekturbüro Huller. (S. 272) Abb. 66: Vergleich der Hüttenstandorte Neudingen und Kehl. Bild: Bundesarchiv Berlin. (S. 281) Abb. 67: Ursprünglich vorgesehene Lage des Kehler Hüttenwerks nördlich von Neumühl. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 306) Abb. 68: Revidierte Planung des Hüttenwerks Kehl vom Herbst 1940. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 307) Abb. 69: Ferngas-Leitungsplan 1941. Bild: Sigrid Seidelmann nach einer Vorlage des Staatsarchivs Freiburg. (S. 326) Abb. 70: Die letzte Grubenfahrt im Blumberger Bergwerk. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 349) Abb. 71: Tagebauplanungen 1944. Bild: Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Köln. (S. 350) 470 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Abb. 72: Südwerk im Sommer 1993. Bild: Seidelmann. (S. 377) Abb. 73: Nordwerk 1997. Bild: Seidelmann. (S. 377) Abb. 74 und 75: Nordwerk der DAG 1937 und 1940. Bilder: Sammlung Prillwitz. (S. 378) Abb. 76: Lurgi-Drehrohrofen. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 385) Abb. 77: Leitende Angestellte der Doggererz AG. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 386) Abb. 78: Walter Köhler im Südwerk der Doggererz AG. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 386) Abb. 79: Erich Tgahrt. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 388) Abb. 80: Wilhelm Wittke. Bild: Firmenarchiv Dillinger Hütte. (S. 390) Abb. 81: Karl Breinlinger. Bild: Renate Liessem. (S. 391) Abb. 82: Eugen Kugener. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 393) Abb. 83: Heinrich (Heinz) Puppe. Bild: Stadtarchiv Neunkirchen. (S. 394) Abb. 84: Wilhelm Lillig. Bild: Corps Montania, Clausthal-Zellerfeld. (S. 396) Abb. 86: Karl Würtz. Bild: Familie Würtz. (S. 398) Abb. 85 Eduard Gärtner. Bild: Familie Gärtner. (S. 398) Abb. 87: Rudolph Gerlach. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 402) Abb. 88: Walther Berger mit Ehefrau Annemarie. Bild: Ulrich Mees. (S. 403) Abb. 89: Gretel Lang, geb. Maier. Bild: Christel Lang. (S. 406) Abb. 91: Steiger des Blumberger Bergwerks. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 409) Abb. 90: Franz Wollschläger. Bild: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. (S. 409) Abb. 92: Ernst Denzer. Bild: Dr. Horst Denzer. (S. 410) Abb. 93: Michl Huber. Bild: Bundesarchiv Berlin. (S. 411) Abb. 94: Erich Naumann und Alfred Dehlinger. Bild: Familie Naumann. (S. 413) Abb. 95: Hermann Ziervogel. Bild: Petra Ziervogel. (S. 414) Abb. 96 Heinrich Landschütz. Bild: Dr. Werner Landschütz. (S. 414) Abb. 97: Erich Naumann und Rudolph Philipp (1950). Bild: Karl-Heinz Philipp. (S. 415) Abb. 98: Hermann Eid, Heinrich Landschütz und Karl Breiing. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 416) Abb. 99: Hjalmar Schacht, Gustav Knepper und Heinrich Schlattmann. Bild: Bergbau-Archiv Bochum. (S. 418) Abb. 100: Hermann von Hanneken. Bild: Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg. (S. 419) Abb. 101: Oskar Gabel. Bild: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden. (S. 420) Abb. 102: Fassade des Wohnhauses von Theodor Schmid. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 432) Abb. 103: Gebäudeplan Nordwerk. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 434) Abb. 104: Gebäudeplan Südwerk. Bild: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Freiburg. (S. 436) Abb. 105: Erz-Verladeanlage im Südwerk der Doggererz AG. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 446) Abb. 106: Sitzungssaal des Blumberger Rathauses zur Zeit des Dritten Reichs. Bild: Sammlung Prillwitz. (S. 446) 471 A Ackermann, Ernst 229 Ackers, Ewald 375, 376, 388 Allgaier, August 424 Anderhuber, Alfred 429 Arlt, Hans 32 f., 35 f., 52, 54, 57, 59-62, 72, 75 f., 79-82, 84, 89-91, 117, 124, 169, 258, 417 f. Aumann, Emil 54, 187, 388 B Baberg, Wilhelm 176 Barth, Eberhard 318, 324, 325, 341 Barth, Hans 193 Barth, Robert 320, 325 Baumgarten, Hans 176 Baur, Fritz 300, 303 f. Baur, Richard 403 Bausch, Alfred 150, 421, 422, 423, 427 Bauser, Walter 314, 315 f., 321, 324 Bender, Gustav 100 Benz, Wilhelm 260, 423 Berger, Otto 35, 59, 62, 172, 177, 187, 193 Berger, Rosemarie 403 Berger, Walther 139, 140, 147, 240, 243, 246, 268, 282, 285, 308, 327, 331, 337, 339, 341 f., 345-349, 353-363, 396, 402 f., 405, 428, 453 Bergs, Gerhard 332, 356 Bertold, Karl 405, 410 Bertram, Ewald 54 Bertsch, Walter 402 Berve, Heinrich 17, 233, 329, 331, 387-389, 392 Binz, Rudolf 102, 111, 216, 265, 267, 339 Birk, Fritz 431 Blass, Hüttendirektor 276 Blatsch, Major 353 Blechschmidt, Ernst 97, 149 Blomberg, Werner von 58 Blum, X. 54 Böcking, Familie 41 Böcking, Kurt 59, 83, 277 Boehmer, Hans 46 f. Böhringer, Ernst 198, 423 Bornitz, Elfriede 401 Bornitz, Hans 11, 110 f., 113, 121, 124, 127, 136-138, 140, 142, 144 f., 147 f., 151, 155, 164, 192, 203, 208, 212-214, 216 f., 220, 222, 224, 233-235, 237, 239 f., 242 f., 245-247, 249 f, 254- 256, 258, 261, 263-265, 267, 280, 282, 299, 308, 327 f., 331-333, 335 f., 338 f., 342, 345-347, 396, 400 f., 404, 406, 410, 424, 453 Brassert, Hermann Alexander 168, 172, 175, 221 Breiing, Karl 50, 72, 86, 92, 111, 137, 139- 141, 144, 241, 254, 386, 396, 399 f., 404, 407, 416 Breinlinger, Karl 376, 388, 391 f., 396 Brekenfeld, Hermann 44 f. Bretz, Karl 162, 163 Briel, Josef von 260, 428 Briese, Paul 102, 453 Brinkmann, Rudolf 57 Brüninghaus, Alfred 176 Brüning, Heinrich 16, 395 Bruns, Oskar 345 Büche, Max 431 Büge, Max 114, 269, 270 Bulling, Emil 179 Bürckel, Josef 16, 95, 121, 126, 168, 193, 222, 277, 394 Burkart, Odilo 174, 182 C Carlowitz, Adolf von 298 Caspers, Hermann 50, 409 Cejka, Alois 345 Chomé, Pierre 354, 359, 387, 392 Compost, Alfred 145 Cordell, Ernst 315, 318, 322 Cosalter, Otto 49, 67, 405, 408, 421, 428 Czimatis, Albrecht 115, 166, 181, 184, 187- 191, 194, 200, 212, 273, 279 D Debuch, Carl Paul 116, 117 f., 120, 124, 127 Deecke, Wilhelm 20, 22 c) Personenverzeichnis* * Fett gesetzte Seitenzahlen verweisen auf biografische Angaben zur jeweils genannten Person. 472 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Dehlinger, Alfred 27, 413 Denecke, Kriminalbeamter 69, 140, 145, 147, 153 Denzer, Ernst 236, 348, 353, 360, 362, 367- 369, 372 f., 375, 400, 405, 410 Dernburg, Bernhard 395 Dichtl, Anton 374 Dietrich, Erwin 71, 429 Dillgardt, Just 315 Dobler, Ernst 367, 368, 396, 403 f. Dorpmüller, Julius 29, 169, 274 Durst, Karl 267 E Eckert, Franz 265, 424 Eckert, Wilhelm 366 Egle, Leo 309 Eglinger, Constantin 312, 315, 318, 321, 453 Eichler, Max 347 Eichner, Hermann 404 Eicken, Karl von 335 Eid, Hermann 252, 408, 416 Elger, Felix 270 Endemann, August 373-375, 396, 404 Engel, Friedrich Wilhelm 176-178 Engler-Füßlin, Fritz 136, 299 f. Ernst, Robert 343 Eustachi, Hermann 373, 375, 388, 391 F Faller, Franz 260, 421 Feiten, Franz 404, 408 Feldmann, Karl 98, 103, 107-109, 149, 152, 159, 216, 234 f., 246, 259, 263, 267, 301 f., 340 Felice, Giuseppe di 252 Feo, Gustavo de 137 Ferasse, Generalinspekteur 362 Feuerhake, Moritz 50, 124, 136, 209, 243, 246, 399, 405 f., 410 f. Fischer, Karl 405 Flick, Friedrich 42, 52 f., 62, 174, 177, 179, 187, 294, 295 Flothow, Heinrich 209 Flotow, Hans von 43 Fluck, Frieda 424 Frank, Karl 318 Fricker, Franz 423 Fritzsche, Carl Hellmut 256, 257 f. Frohwein, Ernst 20 Fromm, Friedrich 419 Funcke, Wilhelm 26 Funk, Walther 223, 290-292, 294 f., 302, 305 f., 320, 330 f. Fürstenberg, Karl Egon V. Prinz zu 21 Fürstenberg, Maximilian Egon II. Fürst zu 21, 70 Fürstenberg, Maximilian Egon Prinz zu 48, 164 G Gabel, Oskar 31, 89, 91 f., 118, 162 f., 181, 189, 242, 327, 331, 417, 420 f. Gaedecke, Walter 267 Gärtner, Eduard 63 f., 69-74, 76-78, 80 f., 89 f., 95, 100 f., 107, 113, 117, 121 f., 124, 136, 145, 157, 162 f., 247, 249 f., 396, 397 f., 399 Gasper, Georg 58, 190, 193-195, 198-204, 207, 209-211, 222, 226, 290 f., 293, 295, 297, 354, 359 Gemmingen-Hornberg, Hans-Lothar von 44 f., 49, 62, 76, 78 f., 187 f., 192 f., 210, 289, 298, 355, 387, 392 Gerber, Werner 432 Gerlach, Rudolph 141, 170, 181, 183, 186, 191, 194, 198, 209, 212, 216 f., 220, 224, 227, 229, 233-235, 238, 264, 279 f., 282, 299-302, 304, 308-310, 317-320, 322, 329, 332, 338, 340- 343, 346, 349 f., 352 f., 396, 401 f. Gerstner, Alfred 344 Gisevius, Hans Bernd 390 Glasser, Georges 362 Glatz, Franz 423 Glatz, Johann 423 Gleichauf, Emil 423 Gleichauf, Karl 260 Glöckler, Amtsrichter 140 Göbel, Axel 141 Göbel, Kurt 313, 314-317, 321-325 Gödel, Hubert 51, 56, 71, 76, 91, 116, 118, 224, 229, 233 f., 274-276, 280 Goebbels, Joseph 17, 99, 348 Goerdeler, Carl Friedrich 390 473 4. Verzeichnisse und Register Goldbeck, Willy 398 Goldmayer, Friedrich 48 Göring, Herbert Ludwig 69, 84, 92 f., 167, 178 Göring, Hermann 11-13, 15, 17, 31, 52, 61, 82, 87-89, 91-93, 96, 106 f., 121, 162, 166-170, 172 f., 176, 178, 181 f., 185, 187, 203, 218, 222, 227-229, 234, 277, 279, 285, 287, 290, 300 f., 303 f., 315, 334, 336, 339, 380, 383, 397 f., 419 Grablowitz, Viktor 50, 72, 92, 124, 140, 405 f. Graff, Alfons 191, 192, 213, 221, 453 Gredt, Paul 51 Grochtmann, Gerhard 136, 220, 250 Gröppel, Karl 23, 73, 74, 81, 90 f., 94, 116, 118 Grotkamp, Andreas 220 Grumbach, Manfred 413, 416, 417 Guillaume, Marin 47 Guldner 187 Gültig, Heinrich 305, 317 f. H Haag, Johannes 226, 234, 329, 387, 392 f. Hafen, KdF-Gauwart 268 Hagenbuch, Hans 193 Hahl, Hans 51, 118, 166, 173 Hahn, Rudolf 191 f., 197, 199, 219 Haller, Arnold 270 Haller-Schlenker, Christian 362 f. Hanneken, Hermann von 178, 181-183, 187-191, 193-198, 200-211, 214, 218, 222 f., 227 f., 236, 273, 275, 278, 280, 282 f., 285-287, 292-307, 315-318, 327-332, 341, 381, 383 f., 417, 419 Hardt, Hans 46, 170, 183, 277, 279 Haug, Franz 124, 187, 193, 204, 354, 355, 356, 393 Heckel, Ernst 81, 221 Heiland, Gerhard 357, 358-364, 366-368, 371, 387 Heimann, Josef 423 Herzog, Adolf 422 Heyer, Kurt 71 f., 92, 101, 111, 124, 139, 141, 148, 164, 209, 243, 246, 386, 396, 400, 405 f., 410 Heyer, Otto 415 Hilgenfeld, Erich 151 Himmler, Heinrich 416 Hinderskirch, Hermann 423 Hirt, Simon 143 Hirzel, Walther 318 Hitler, Adolf 11, 17, 30 f., 45, 53, 58, 82, 87 f., 93, 126, 301, 324, 334, 379, 383 f., 425-427, 430 Hoeschen, Heinz 179 Hold, Hermann 127 Hollerbach, Eduard Karl 422 Hollerbach, Kurt 422 Holtmann, Wilhelm 405, 406 Holtz, Wolfgang 296, 330 Honsell, Max 412 Horstmann, Richard 370, 433 Horst, Mathias 252 Houdremont, Edouard 191, 198 f., 203, 212 Hoy, Peter 252 Huber, Gottfried 267 Huber, Michl 140, 143, 238, 405, 411 Hüfner, Karl 136, 140, 148, 150, 155 f., 426 Humbert, Jacques 362 Huppertz, Wienand 140, 409 Hüssy, Oskar 300, 318 I Imhäuser, Josef 239, 241, 344, 346, 404 f., 406 Imhoff, Eugen 65, 96-97, 107, 109 f., 114 J Jäger, Franz 235 Jäger, Friedrich 318 Jäger, Max 321, 322 Jäkle, Eduard 322, 323 Jarmer, Ernst 300, 302, 303 f., 318 Johner, Anton 96 John, Friedrich-Wilhelm 296 K Kalthoff, Otto 56, 88, 124, 258 Karcher, Hans 193 Kefer, Walter 404 Kehrl, Hans 402 Keitel, Wilhelm 310 474 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Kellermann, Hermann 22, 24-31, 34-37, 52, 57, 59, 63, 75, 120, 169, 174 f., 177, 183 Keppler, Wilhelm 27 f., 29-32, 37, 50-52, 57-62, 68, 70, 74, 75-77, 82 f., 88-91, 117, 174, 184, 379, 417, 420 Kerber, Franz 322 Kerrl, Hanns 122, 301 Kiaulehn, Horst 370, 433 Kiegel, Walter 59 Kiehl 254 Kießling, Edgar 50, 349, 404, 408 Kimmich, Wilhelm 147 Kipper, Hermann 22, 24, 26 f., 34, 62 Kirn, Walther 111, 149, 152, 214, 216, 254, 259, 261-263, 268, 401 Kirschnick, Leonhard 126 Kleinboeck, Erwin 239 Kleine-Doepke, Hermann 413, 416 f. Klink, Betriebsleiter 355 Klöckner, Peter 63, 177, 187 Klotzbach, Arthur 34, 176 Klötzsch, Baumeister 351 Klumpp, Willy 260, 344 Knepper, Gustav 418 Knoll, Ernst 96 Knöpfle, Erich 362, 366, 430 Knöpfle, Kurt 238, 260, 423 Kobe, Karl 268, 269, 270 Kobert, Werner 405 Köcke, Gustav Wilhelm 177 Koehler, Gustav Wilhelm 274, 276, 289 f., 331, 337, 387 Koenig, Pierre 354, 362 f. Köhler, Walter 26-28, 68 f., 88, 109 f., 140, 144, 148, 214, 217, 235 f., 263, f., 267, 302, 314, 322 f., 336, 338, 340- 342, 348, 386, 412 Kohlschein, Wilhelm 124, 127 Kopperschmidt, Curt 344, 362, 364, 366 Kopperschmidt, Walter 239, 344 f., 352 f., 361 f., 364 f., 401, 406 f, 424 Körner, Paul 106 Kostanjewo, Franz 252 Kothe, Otto 400 Kraemer, Maximilian Heinrich 95, 118 f. Krahé, Franz 179, 399 Kramer, Obering. 404 Kranepuhl, Erich 219 Krauch, Carl 95, 166, 218, 279 f., 299, 304, 340, 382, 402 Kreuzer, Erwin 426 f. Kritzinger, Friedrich Wilhelm 302 Krug, Walter 239 Kryn, Jacques 359, 387 Kugener, Eugen 17, 42, 76 f., 88, 125, 138, 195, 198 f., 203, 209-211, 217-219, 224 f., 387 f., 393 Kühlmann, Richard von 53, 69 f., 74, 77, 125 f., 177, 179, 206, 275, 395 Kuntz, Heinrich 140 Kurz, Karl 50, 141, 149, 241, 254, 405, 406 Kyllmann, Gerhard 34 L Laffon, Émile 359, 362 Lais, Eduard 366 Lammers, Hans 95, 301 f., 305 f., 308, 310, 330 Landfried, Friedrich 203, 204, 222, 227-229, 274, 286, 301 f., 329, 335 Landschütz, Heinrich 121, 144, 148, 161- 163, 212, 214, 255 f., 263, 280, 386, 400, 412 f., 414 f., 416 Lang, Gretel 48, 72, 397, 401, 403, 406 f. Lauer, Friedrich 360 f., 363, 367, 396, 403 Lauer, Heinrich 103, 336, 428 Leeb, Wilhelm 343 Lehmann, Capit. 367 Lehr, Albert 103, 115 Leibbrandt, Friedrich 359, 363, 368 f., 387 Lennings, Wilhelm 23, 116, 174, 454 Leutz, Eduard 97, 102, 107 Leyrie, Colonel 355 Ley, Robert 252, 254, 264, 410 Liebert, Anton 140, 401, 411 Lienhart, Robert 358, 363, 372, 403 Lillig, Wilhelm Peter 27, 33, 35, 48-50, 52, 54 f., 59 f., 63-66, 68-73, 75, 89-92, 95, 118, 126, 140, 142, 160, 250, 258, 396 f., 405, 454 Löb, Fritz 87, 92 f., 95, 99, 165-167, 380, 383 Lobnig 405 Lohmann, Friedrich 317, 318, 324 Lohr, Willi 432 475 4. Verzeichnisse und Register Loisel, Jean 359-363, 367, 396 Lübsen, Georg 34, 187-189, 237 Lucas, Robert 141, 147 Ludowici, Johann Wilhelm 64 Lumalé, Pierre 238 Lütke, Albert 95 Lüttgenbruch, Franz 50, 409 M Maier, Albert 76, 354, 355 f. Make, Otto 177, 178 f., 298, 383, 419 Mall, Anton 127, 236 Mansfeld, Werner 96, 102, 107 f., 110 Markworth, Ernst 116 f. Martinelli, Mario 136 Mattes, Robert 345, 358 Mattes, Wilhelm 26 Maurer, Heinz 161, 162-164 Meißner, Otto 294 Meister, August 142 Mencke, Dipl.-Ing. (RWM) 198 Menzel, August 177 Mertens, Josef 252 Merz, Franz 335 Meunier, Command. 366 Meyer, Aloyse 392 Meyer, Gerhard 177 Mezger, Robert 305, 314, 318, 325 Miksa, Anton 238 Milch, Erhard 343 Minas, Hans 405 Möller, Friedrich 177 Moses, Albert 111, 430-432 Mozer 370 Muermann, Erwin 300, 301, 304, 306, 310, 340 Mügel, Oskar 45, 73, 94, 168, 169 f., 172 f., Mühe, Wilhelm 339, 346 Muhs, Hermann 300, 340 Müller, Alfred 236 Müller, Heinrich 210, 228 f., 287, 290, 387 Müller, Karl 354, 369, 372 f., 428 Muller, Lieut. 362-364 Müller, Max C. 334 Müller-Stoll, Hanns 407 Müller-Trefzer, Friedrich 268, 270, 271, 310 Murr, Wilhelm 267, 305, 317, 322, 325 N Nägele, KdF-Kreisobmann 268 Nasse, Arthur 203, 204 f., 225, 228, 286, 303 Naumann, Erich 19, 21-30, 37, 47 f., 54, 61, 64, 160, 412, 413 f., 415 f., 453 f. Nestler, Helmut 400 Neumann, Erich 217 Noack, Erwin 390 Noé, Ludwig 16 f. Nohl, Paul 187, 193, 210 f., 282 f., 387, 393 f. Nübling, Richard 311, 313 O Oberhauser, Jacob 355 f. Oge, Renatus 424 Oltersdorf, Friedrich 213, 274, 309 Oßwald, Erwin 235 Osthoff, Hans-Werner 373, 375 Oswald, Alfons 265 P Pasel, Curt 27, 32, 56, 79, 417, 419 Peter, Johann 345 Peter, Julius 140-143, 238, 407, 411, 430 f. Petersen, Otto Friedrich 177, 187 Peters, Josef 405 Petri, Hermann 44 Pfeiffer(-Haardt), Karl 266, 267 Pfister, Paul Franz 426, 427, 430 Pflaumer, Karl 64, 65, 68, 73, 97, 99, 106- 110, 113, 149, 214, 259, 263, 265, 267, 314 Pfnür, Josef 404, 408 Philipp, Rudolph 137, 255 f., 304, 336, 372, 412 f., 415 Planck, Erwin 207 f., 211, 287, 292, 403 Pleiger, Paul 31, 32, 35 f., 47, 56-62, 70, 88- 95, 98 f., 117-120, 125-127, 161, 168, 170, 172-175, 177-179, 182 f., 189, 229, 291, 294 f., 320, 329-331, 334, 337, 379 f., 382 f., 419 f. Poensgen, Ernst 20, 34, 55, 126, 176-178, 182, 187-191, 193, 197-199, 201-205, 277, 279, 290, 292-298, 334 Poensgen, Helmut 176 Poensgen, Otto 203, 210, 277, 320, 387 f., 394 476 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Poerschke, Stephan 100 Porten, Max von der 44 f. Pröpper, Emil 400 Puppe, Heinrich (Heinz) 17, 233, 329, 331, 387 f., 393, 394, 398 Puppe, Johann 30, 31, 50, 52, 57-61, 75, 88, 387, 394 Puttkammer, Walter 183, 217, 300, 301, 304, 318 R Raabe, Paul 277, 284, 292 Raff, Hugo 139, 405 Recktenwald, Hildegard 140, 150 f. Reichard, Hans 276 f., 298, 330, 333, 348, 350-353, 411 Reichardt, Paul 191 Reichert, Jakob Wilhelm 34, 177-179, 182, 187 f., 198, 202, 276, 291 f., 295 f., 454 Reusch, Hermann 24, 30, 37, 59, 91 f., 118, 160, 168 f., 174 f., 190, 198, 202 f., 236, 247 Reusch, Paul 22, 25-29, 37, 166, 169, 173- 175, 183, 380 Reuther, Alfred 319 Rheinländer, Paul 31, 58, 90, 117, 174, 181 f., 186, 190, 193 f., 292, 454 Rieck, Otto 347 Rimpl, Herbert 267 Röchling, Carl 168 Röchling, Ellenruth 392 Röchling, Ernst 354, 356 Röchling, Familie 41, 44 Röchling, Hermann 11 f., 16, f., 33 f., 43-63, 69, 71, 73-84, 88-90, 94, 102, 108 f., 113 f., 116-121, 124-127, 138, 144 f., 148, 160-174, 177-179, 182-184, 188, 190, 192 f., 198, 205-208, 210 f., 212-214, 217-219, 220-229, 233 f., 255, 263 f., 275, 277-280, 282-285, 288 f., 291 f., 294-296, 298, 306, 308, 316, 319 f., 327-332, 334 f., 337 f., 340, -342, 349-352, 354, 359, 373, 379-381, 383, 386-389, 392, 396 f., 418, 421, 454 Röchling, Maria 168 Rodenhauser, Wilhelm 49, 61, 75, 78, 342 Roederer, Josef 354, 359, 387 Roehnert, Hellmuth 178 Roes, Emil 355 Roger, Henri 17, 54, 59, 80, 83, 388 f. Römer, Hans 210 Roßmann, Franz 402 Rothmund, Wilhelm 423 Roth, Reinhold 268 Roy, Alfred 368, 373, 396 Rummel, Kurt 187, 191, 198-203, 454 S Sammet, Ludwig 160 Sauer, Alfred 302, 303 f., 321, 323, 339, 340 Sauerland, Karl Egon 422 Saur, Karl-Otto 255, 256, 402 Savage, John A. 138 Schacht, Hjalmar 15, 30, 32, 57 f., 59, 61 f., 87 f., 117, 127, 165-167, 169, 173 f., 177, 181, 379 f., 390, 418 Schächtle, Johann 143 Schälderle, Gustav 404 Scheer-Hennings, Rudolf 30, 32, 55, 177 Schefer, Hans 310 Schlattmann, Heinrich 30-33, 35-37, 55, 57, 59-62, 69, 73, 75-84, 89, 91, 94, 120, 165-167, 169, 174, 181, 184, 195, 417, 418 Schlegel, Referent im RWM 305, 318 Schleicher, Kurt von 16, 395 Schlenk, Max 422, 428 Schlenker, Josef 431 Schlieper, Johann Carl 388 Schloms, Georg 50, 142, 386, 408 f. Schmid, Franz 424 Schmid, Jonathan 316 f., 321, 325 Schmid, Sitta 424 Schmid, Theodor 48 f., 69-72, 81, 84, 100, 104, 108, 110 f., 127, 139 f., 143, 145, 148-153, 156, 158-160, 254, 259-263, 265, 266-268, 270 f., 280, 335 f., 338, 343 f., 346 f., 357 f., 363, 399, 406 f., 421-432 Schmidt, Hüttendirektor 25 Schmidt, Karl Wilhelm 373-375 Schmidt, Robert 277 f. Schmitt, August 65, 107, 110 477 4. Verzeichnisse und Register Schmitt, Heinrich 181, 194, 208, 210 f., 219 f., 222 f., 227, 229, 234, 236, 263, 276, 279, 282-284, 287 f., 290, 296, 299, 305, 307, 319, 331, 333, 337, 340, 387, 418, 421 Schmitt, Josef 51 Schmitt, Kurt 27, 30 Schnarrenberger, Karl 54, 164 Schneider-Blumberg, Bernhard 432, 446 Schneiderhöhn, Hans 23, 27 Schneider, Karl 423 Schröder, Hans Georg 88, 348 Schubert, Emil 177, 277, 387 f., 390, 394 f. Schuler, Ewald 366 Schulze-Fielitz, Günther 324 Schulze-Vellinghausen, Paul 413, 417 Schulz, W. 360 f. Schüssler, Oberregierungsrat 345 Schwerin von Krosigk, Johann Ludwig Graf 166, 204, 228 f., 286 Sedelmeyer, Eberhard 70, 159, 216 Seifert, Adolf 428 Senfter, Eduard 191 f., 213, 220 f., 224, 226, 233, 236 Siedersleben, Rudolf 16 f., 34, 43, 50, 53-56, 58-61, 69-76, 78-82, 84, 88-93, 95, 116-118, 121 f., 124-127, 135, 138, 140, 165, 167, 176 f., 178 f., 182-190, 194 f., 198, 200, 202-211, 217-228, 233-235, 237, 242, 258, 274-279, 282-289, 291-294, 298 f., 301 f., 308 f., 320, 327-330, 332, 334, 336- 339, 341 f., 345 f., 348-356, 359, 361, 381 f., 384, 387 f., 391, 400 Sindlinger, Wilhelm Konrad 98 Sohl, Hans Günther 34, 187, 350 Solveen, Walter 337 Sommerlatte, Paul 229 Spannagel, Clemens 247, 412 f., 415, 454 Speer, Albert 268 f., 279, 334, 337, 340-343, 351 f., 382 Speer, Kriminalassistent 428 Speidel, Willy 314, 315 Spiegel, Hans 113 Spieß, Karl 144 Spindler, Joachim von 287 Sprauer, Ludwig 265 Sprengart, Andreas 344 f. Stahl, Alfred 30, 181, 210, 222, 255, 286, 290, 307, 327, 334, 337 f" 351, 387, 418, 421 Stahl, Willi 375, 396, 404 Staiger, Walter 97, 99, 100, 110, 113, 115, 234 f., 262-265, 267 Stein, Reichsfachamtsleiter 254 Steinbrinck, Otto 174, 177, 179, 182 Steinwarz, Herbert 268, 270 Stinnes, Hugo 395 Stöckinger, Johann Josef 319 Strauss, Otmar 395 Stresemann, Gustav 395 Strickrodt, Georg 120, 420 Strölin, Karl 236, 305, 313, 314-317, 319, 322-325 Stuckrad, Ernst von 96, 99 Stumm, Familie 41 f. 74, 83 T Teike, Max 25, 26, 247 Terberger, Hermann 177 Teves, Alfred 366, 410 Tgahrt, Erich 31 f., 35 f., 42, 46 f., 49 f., 52- 54, 56-62, 70, 74-77, 79-83, 88-91, 93 -95, 117-122, 124, 165, 167, 170, 177 f., 189, 291, 295, 383, 388 f., 393, 395, 400, 418, 452 Thédrel, Georges 354, 359 f., 362, 367 f., 371, 373, 387 f., 391 Thiemann, Karl 339, 409 Thomas, Georg 53, 58, 83 f., 88, 125, 182, 305 Thommel, Carl 399 Thyssen, Fritz 72, 176 Todt, Fritz 17, 102, 255, 323 f. Treibe, Paul 303, 305 Troll, Siegfried 405 U Ueberle, Heinrich 239, 344, 362, 366 Uhde, Rodney 64 Unruh, Walter von 347 V Vetter, Hermann 151, 158, 159, 348 Vetter, Magdalena 151, 424 478 X. Anhang: Tabellen, Pläne und Verzeichnisse Veyronnet, Capit. 362, 364 Vieler, Felix 316, 455 Vögler, Albert 176 Vosgerau, Hans-Hero 32, 34, 55 f. Voss, Wilhelm 76, 127 W Wagener, Alphonse 17, 46, 54, 80, 124-126, 135, 138, 186, 188, 196-198, 205, 210, 213, 387-389, 392, 455 Wagner, Alfons 164 f., 198, 202 f. Wagner, Robert 26, 64, 98, 108-111, 136, 159, 214, 216 f., 235, 246, 259, 261- 263, 266 f., 269 f., 299-302, 304-306, 310, 317, 330, 341, 343, 347, 382 Waldmann, Karl 322 Wallauer 187 Walter, Kurt 405 Walter, Paul 97, 114 Warncke, Konrad 315 Weis, Manfred 235 Wenger, Fritz 405, 424 Wenzel, Hermann 19 f., 31, 33-36, 119, 176, 187-189, 298 Wesemann, Friedrich 187, 191, 198-203, 220 Wessel, Franz (? ) 101 Westram, Karl 333, 404, 407, 430 f. Wieland, Walther 17, 80 f., 126, 194, 197, 210, 225, 282 f., 308, 387 f., 395 Wik, Albert 140, 260, 421 Wilhelmi, Alfred 23, 116, 174 f., 455 Willikens, Werner 304 Willuhn, Franz 318 Winkhaus, Hermann 35, 187-189, 296, 298, 334 Winnacker, Erich 27, 32, 47, 418 Wirths, Paul 97, 100-103, 111, 113, 153, 263 Wisch, Martin 95, 99, 101 f., 107, 115, 455 Witteler 254 Wittke, Wilhelm 17, 84, 119, 126, 139, 177 f., 183-185, 187-189, 193 f., 198 f., 204, 206-211, 218-229, 233, 235, 237, 242 f., 255, 264, 274-278, 282 f., 285, 287-289, 298 f., 301-305, 307-309, 320, 327-335, 337 f., 340- 342, 387 f., 389 f., 395, 403 Wohleb, Leo 363, 366, 369 Wolf, Alfred 109, 110 f., 157, 259, 261, 266-271 Wolff, Otto 16 f., 42-44, 47, 51, 53-62, 70 f., 75, 78, 116 f., 139, 170, 178 f., 186, 190, 193-195, 197-199, 204, 207-213, 217, 223, 275, 379, 381, 383, 387, 389, 391, 393, 395 Wolf, Hugo 417 Wölfle, Max 405 Wollschläger, Franz 404, 409, 424 Wurm, Wilhelm 152 Würth, Jean 54 Würtz, Karl 63 f., 69-73, 76-78, 80 f., 88, 90, 117, 121 f., 124, 145, 157, 209, 247, 396, 398 f., 400, 455 Z Zädler, Albert 376, 396, 404 Zeller, Karl-August 376, 388 Ziergiebel, Heinrich 404, 407 Ziervogel, Hermann 29, 247, 412, 414, 416 Zimmermann, Adolph 422 Zobel, Robert 317 Zopff, Karl Friedrich 48, 160 Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Manfred Bosch, Oswald Burger »Es war noch einmal ein Traum von einem Leben« Schicksale jüdischer Landwirte am Bodensee 1930-1960 Mit einem Beitrag von Christoph Knüppel 2015, 240 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-630-7 Südseite. Kultur und Geschichte des Bodenseekreises Band 3 In neun Kapiteln stellen die Autoren jüdische Landwirte und Gutsbesitzer am nördlichen Bodenseeufer vor: Die meisten Porträtierten kamen aus großen Städten. Ihrer müde oder sogar überdrüssig, waren sie auf der Suche nach einer anderen Lebensweise oder wurden durch die politische Entwicklung der frühen 30er Jahre aus ihrer Lebensbahn geworfen und erwarteten sich von der Abgeschiedenheit dieser Landschaft den relativen Schutz grenznaher Regionen. Was u.a. die Motive von Erich Bloch, Kurt Badt oder Udo Rukser waren, sich für eine landwirtschaftliche Existenz zu entscheiden, welches ihr Schicksal während des Nationalsozialismus war und wie sie die Jahre nach 1945 erlebten, zeigt der vorliegende Band. Pressestimme: »Ein spannender Blick auf ein bislang noch unbekanntes Kapitel unserer Regionalgeschichte.« stadt land see. Kulturmagazin der Städte Weingarten, Ravensburg und Friedrichshafen Ralf Hoffrogge Werner Scholem Eine politische Biographie (1895 - 1940) 2014, 496 Seiten Hardcover ISBN 978-3-86764-505-8 Walter Benjamin beschimpfte ihn 1924 als »Lausejungen«, Stalin nannte ihn einen »tollen Burschen«, ließ ihn jedoch bald als »Dummkopf« fallen. Für den Philosophen Gershom Scholem hingegen war Werner Scholem vor allem eins: der große Bruder. Aufgewachsen in einer Berliner jüdischen Familie starteten beide eine Revolte gegen den autoritären Vater und den Chauvinismus des Ersten Weltkrieges. Werner inspirierte den Bruder zum Zionismus, er selbst bekannte sich zum Kommunismus. 1926 wurde er als erbitterter Gegner Stalins aus der Partei geworfen, 1933 verhaftet und 1940 im KZ Buchenwald ermordet. Pressestimme: »Diese Studie einer politischen Leidenschaft liest sich dramatisch. Welch eine Niederlage! Was für ein Jahrhundert! « Thomas Lackmann, Potsdamer Neueste Nachrichten : Weiterlesen Michael Kißener, Joachim Scholtyseck (Hg.) Die Führer der Provinz NS-Biographien aus Baden und Württemberg 3., unv. Auflage, 2015, 876 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-655-0 Pressestimme: »Was Nationalsozialismus war und wie er in der Provinz von seinen ›Goldfasanen‹ in Herrschaftspraxis vollzogen wurde, ist bei den ›Führern der Provinz‹ überzeugend vermittelbar: mit wissenschaftlicher Qualität aufbereitet - gegen das Vergessen.« AVS - Informationsdienst