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Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert

2013
978-3-8649-6918-8
UVK Verlag 
Ludolf Kuchenbuch

Ludolf Kuchenbuch untersucht die dingliche Ausstattung (Höfe, Ländereien, Zugehörigkeiten), die herrschaftlichen Belastungen (Zinse, Zehnt, Patronat, Vogtei, Steuer) sowie die sozialen Grundbeziehungen (Verwandtschaft, Ehe, Arbeit, Erbe, Nachbarschaft) der Dörfler im Raum nördlich von Goslar und zwischen Hildesheim und Braunschweig. Ausgangspunkt ist das Besitz- und Einkünfteregister des Goslarer Nonnenklosters Neuwerk (1355). Einbezogen sind die zeitnahen Urkunden, Urbare und Lehnsregister der regionalen kirchlichen und weltlichen Herrschaften, deren Güter im regionalen und lokalen Gemenge mit denen der Neuwerker Bauern liegen. So entsteht ein sozialstrukturelles Querschnitts-Porträt für einige Landstriche Ostfalens, das zugleich einen kritischen Baustein für die Erarbeitung eines differenzierteren neuen Bildes vom krisengeschüttelten 14. Jahrhundert bildet.

Ludolf Kuchenbuch Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert Spätmittelalterstudien herausgegeben von Gadi Algazi (Tel Aviv) · David Collins (Washington) · Christian Hesse (Bern) Nikolas Jaspert (Heidelberg) · Hermann Kamp (Paderborn) Martin Kintzinger (Münster) · Pierre Monnet (Frankfurt a. M. / Paris) Joseph Morsel (Paris) · Eva Schlotheuber (Düsseldorf ) Hans-Joachim Schmid (Fribourg) · Gabriela Signori (Konstanz) Birgit Studt (Freiburg i. Br.) · Simon Teuscher (Zürich) Band 3 Ludolf Kuchenbuch Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München Gedruckt mit Fördermitteln des Laboratoire de Médiévistique Occidentale de Paris (Université Paris1 Panthéon-Sorbonne) und des Institut Universitaire de France Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1868-7490 ISBN 978-3-86764-430-3 (Print) ISBN 978-3-86496-377-3 (EPUB) ISBN 978-3-86496-918-8 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer-halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © Stadtarchiv Goslar, Reg. Neuwerk Kopialbuch A (Register v. 1355), S. 2-3. Dank an das Stadtarchiv! Kartographie: R.W.Wildgrube Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de Für Alain, Joseph, Julien 7 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1 Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3 Goslar, das Kloster Neuwerk und das Register von 1355. . . . . . . . . . . . . 29 4 Der Neuwerker Besitz im Westharzvorland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B Hauptteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I Hove, hoff, hus und tobehoringe: die dingliche Ausstattung . . . . . . . 45 1 Mansus/ Hufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2 Curia und area . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3 Der Betrieb als Verbindung von Hof und Hufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4 Vermutungen über Grundriß, Aufriß und Inventar der Höfe . . . . . . . . . 67 5 Pertinenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II Tyns und denst: das Konglomerat der Mehrarbeit. . . . . . . . . . . . . . 77 1 Die sachlichen Formen der Mehrarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2 Zu Rechtsgrund und Radizierung der Mehrarbeitsformen . . . . . . . . . . . 92 3 Zur Zusammensetzung und Höhe der Zinse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4 Zur lokalen Verteilung der Zinse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III De lude: Formen der Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2 Initiation zur Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3 Arbeyde: Reproduktion und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4 Zinsen und (Ver)erben im Lauf der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5 Buren und burscap: Aspekte des lokalen Gemeinschaftshandelns . . . . . . 167 C Resultat und Ausblick: malus status terrae? . . . . . . . . . . . . . 173 D Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1 Währungs- und Münzverhältnisse im Goslarer Raum im 13. und 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2 Getreidepreise in Goslar im 14. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3 Tabellenverzeichnis (Tabellen abrufbar unter http: / / www.uvk.de/ isbn/ 9783867644303). . . 188 4 Abkürzungen in den Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5 Kartenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Abkürzungen von Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 8 E Postskript 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1 Ausgangspunkt, Verschiebung der Forschungsaufgabe und Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2 Die aktuelle Lage der agrarwissenschaftlichen Forschung . . . . . . . . . . . 210 2.1 In Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2.2 Im europäischen Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3 Der Text von 1983 und der heutige Stand der agrargeschichtlichen Forschung über Ostfalen . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4 Worum es (mir) künftig gehen würde, wenn … Forschungsmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 9 Vorwort In der Geschichtswissenschaft haben sich während der letzten Jahrzehnte die turns so rasch abgelöst, dass es auf den ersten Blick verwegen wirkt, ein Manuskript aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu publizieren. Allerdings wird mittlerweile auch Kritik an einer bisweilen unaufhaltsam wirkenden Beschleunigung des Wissenschaftsbetriebs laut. Gerd Schwerhoff gab kürzlich in der FAZ zu bedenken, dass die pausenlosen Aufbrüche einer intensiven Diskussion gewichtiger Thesen auch immer wieder den Weg abschneiden. Unter diesem Gesichtspunkt ließe sich die Publikation eines wichtigen, aber noch ungedruckten Manuskripts älteren Datums schon fast als Beitrag zu einer heilsamen Entschleunigung anpreisen. Das vorliegende Buch hat allerdings an sich große Meriten - ganz unabhängig von Grundsatzdebatten über Zeit und Vergänglichkeit in der Geschichtswissenschaft. Ludolf Kuchenbuchs Untersuchung zu den Neuwerker Bauern ist eine im besten Sinn deskriptive Arbeit. Sie orientiert sich zwar am Fragehorizont von Debatten über die Krise des Spätmittelalters, die in der Einleitung so klar und knapp wie wohl nirgendwo sonst auf den Punkt gebracht werden. Das Buch erörtert dann aber nicht einzelne Forschungsprobleme, sondern setzt zu einer breit angelegten Bestandsaufnahme von Formen der wirtschaftlichen Produktion und der gesellschaftlichen Organisation der ländlichen Bevölkerung im Raum Goslar an. Wieso Goslar? Unter anderem, weil dies vom damaligen West-Berlin aus einer der am nächsten gelegenen zugänglichen ländlichen Räume war! Ausgangspunkt der Untersuchung bildet ein einzelnes Dokument, ein Güter- und Einkünfteverzeichnis des Goslarer Klosters Neuwerk aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die Auswertung setzt dieses eine Verzeichnis zu einem sehr reichen regionalen Vergleichsmaterial in Beziehung. Der transparente Aufbau der Arbeit verrät bereits, dass sich hier Fragestellungen der sozialgeschichtlich ausgerichteten französischen Regionalgeschichte mit einem in der deutschsprachigen Forschungstradition fußenden Interesse an Herrschaftsinstitutionen verbinden. Die kurze Einleitung umfasst außer dem Resümee der (damaligen) Krisendiskussion eine Präsentation des Quellenmaterials. Darauf folgt ein dichter Überblick über Wirtschaft, Gesellschaft und geistliche Institutionen in Goslar. Die Beschreibung des städtischen Umlandes verbindet naturräumliche, kulturgeographische und herrschaftstopographische Gesichtspunkte zu dichten „Ortsbildern“. Der eigentliche Hauptteil der Arbeit setzt bei den in der Quelle explizit verhandelten Besitzverhältnissen an. Er geht dann schrittweise zur nur noch beiläufig oder implizit dokumentierten wirtschaftlichen und sozialen Organisation des bäuerlichen Lebens über. Am Anfang steht 10 die Beschäftigung mit der Größe und Zusammensetzung der Hufen und eine Typologie bäuerlicher Betriebe. Berücksichtigt werden dabei auch die Gärten, die Wirtschaftsgebäude und die Nutzungsregelungen für kollektive Güter wie Wälder, Weiden und Gewässer. Dann geht es um die Abgaben, deren Formen und Höhe, deren Einzug und Verteilung auf die lokalen Betriebe sowie um die Vermarktung der Produkte. Schließlich kommen die sozialen Verhältnisse zur Sprache, auch die Bindungen der Bauern untereinander. Dabei rückt Kuchenbuch die Ehe und genossenschaftliche Kooperationsformen ins Zentrum, untersucht aber auch Vererbungsmuster und kulturelle Wahrnehmungen der Arbeit. Das Buch bietet weniger eine geschlossene Argumentationskette als eine monographische Untersuchung mit einer beindruckenden Fülle von Ergebnissen, die nach vielen Seiten hin anschlussfähig sind. Durch völlig neue Einsichten bereichert werden nicht nur Forschungsdiskussionen zur Landwirtschaft, sondern auch zu Familie und Ehe, zu den frühen Märkten, zur Schriftlichkeit und Verwaltung oder zur Arbeit. Um es gleich zu verraten: Ludolf Kuchenbuch enthält sich einer Stellungnahme zur Krisendiskussion. Er hält aber fest, dass aus seinem Material kaum Hinweise auf eine allgemeine Krise beizubringen sind. Zu den besonders wichtigen und innovativen Leistungen dieser Untersuchung gehören die belastbaren Ergebnisse zu den bäuerlichen Betriebsstrukturen und -größen, zur sozialen Ungleichheit auf dem Land und den damit zusammenhängenden Abhängigkeiten unter den Bauern, die nicht rechtlich geregelt werden mussten, weil sie sich aus wirtschaftlichen Erfordernissen ergaben. Unglaublich reich sind die Beobachtungen zu den unterschiedlichen Abgabeformen und ihren Beziehungen zur sozialen Praxis, also z. B. dazu, wie sich die Risiken und Chancen der Vermarktung durch die Modalitäten der Abgabeerhebung unterschiedlich auf Bauern und Herren verteilten. Sehr aufschlussreich und weit über die Forschung zur ländlichen Gesellschaft hinaus relevant sind auch die Beobachtungen zur Semantik des Arbeitens und zu den Zusammenhängen zwischen Besitz- und Leiheformen und den Vererbungssystemen. Hier zeigt sich, dass die Zusammenhänge zwischen grundherrlichen Leiheformen und der Familienorganisation weit komplexer sind, als einige mittlerweile erschienene Arbeiten zu diesem Thema voraussetzen. Die Arbeit bietet auf hohem Reflexionsniveau grundlegende Einblicke in die Funktionsweise ländlicher Gesellschaften. Es handelt sich um Grundlagenforschung in einem Feld, das gerade in der deutschen Historiographie noch weitgehend terra incognita ist. Einige vom Autor selbst als solche gekennzeichnete Spekulationen, etwa zum Verhältnis zwischen den Geschlechtern, ließen sich heute wohl auf weiter entwickelter theoretischer Grundlage ausführen. Und sicher möchte man mehr darüber wissen, wie das untersuchte Register selbst in Praktiken einging - wie es nicht nur als Quelle über Sachverhalte Auskunft gibt, sondern als Instrument der Verwaltung auch auf eben diese Sachverhalte einwirken sollte. Überhaupt würde ein geschärfter Blick auf die Rolle des Schriftgebrauchs in der sozialen Domination wohl zeigen, dass die in der deutschen Forschungs- 11 praxis so tief verankerte Untersuchungskategorie der Bauern - als Gegenstück zu Herren und Herrschaft - sich zwar an zeitgenössische Rechtsbegriffe anlehnt, aber als Ausgangspunkt einer sozialgeschichtlichen Beschreibung der ländlichen Gesellschaft weit problematischer ist, als lange vorausgesetzt worden ist. Ein englischer Wirtschaftshistoriker würde möglicherweise monieren, dass der Autor wenig auf Modelle der landwirtschaftlichen Produktionsabläufe zurückgreift, ja dass er überhaupt die Produktionspraktiken zugunsten der Herrschaftsmechanismen vernachlässigt. Nur: gerade das insistente Fragen danach, wie sich herrschaftliche Rechtsansprüche in soziale Praktiken einfügten, gehört zu den besonderen Qualitäten dieser Untersuchung. Ludolf Kuchenbuchs Untersuchung hält sich methodisch eng an einen lokalen Fall und eine spezifische Quelle, tut dies aber mit großer historiographischer Weitsicht. Diese wird systematischen Analysen und Quantifizierungen unterzogen, die aber Annäherungen an qualitative Entwicklungen nicht im Weg stehen. Im Gegenteil: Ludolf Kuchenbuch verbindet immer wieder Auszählungen mit semantischen Analysen und bindet Fragen nach Kausalitäten an solche nach Bedeutungen an. In dieser Hinsicht besonders eindrücklich sind seine Überlegungen zu den Sprachbildern und Denklogiken, die sich in der Terminologie des Eintreibens von Abgaben äußern. Wenn nach dem cultural turn heute in der Selbstreflexion der Geschichtswissenschaft gefragt wird, wie der nunmehr so intensiv diskutierten Ebene des Bedeutens auch wieder jene des Handelns zur Seite gestellt werden kann, wie neben den Semantiken auch die Materialität und neben den Diskursen auch die Ressourcenflüsse in den Blick zu bekommen sind, dann findet man in dieser Pionierarbeit relevante Ansätze. Als einer der wichtigsten deutschsprachigen Beiträge zur ländlichen Gesellschaft im Mittelalter liegt sie rund ein Vierteljahrhundert nach ihrer Entstehung endlich in Buchform vor. Simon Teuscher 13 A Einführung 1 Eingrenzung der Untersuchung Um das Verständnis für die Fragestellung und den Aufbau dieser Arbeit zu erleichtern, muß ich etwas über ihre Entstehung vorausschicken. Begonnen hatte ich die Durchsicht der Quellen und der regionalgeschichtlichen Literatur mit der Absicht, ‚Ostfalens Weg in die Krise des späten Mittelalters‘ darzustellen. Ich stand unter dem Eindruck von Guy Bois’ Studie zur „Crise du féodalisme“ in der östlichen Normandie 1 , hatte die Diskussion über die Thesen von Robert Brenner zur Klassenstruktur auf dem Lande und deren Einfluß auf die Wirtschaftsentwicklung verfolgt 2 , war immer wieder über die ‚Markt-Theorie‘ von Wilhelm Abel 3 gestolpert und hatte mancher neueren Regi- 1 Crise du féodalisme. Économie rurale et démographie en Normandie Orientale du début du XIV e siècle au milieu du XVI e siècle, Paris 1976. Weil diese Studie ein so großes Echo gefunden hat, sei auf einige Rezensionen und Diskussionsbeiträge hingewiesen: E. Le Roy Ladurie, En Haute- Normandie: Malthus ou Marx? , in: A.E.S.C. 33, 1978, S. 115-24; R. Fossier, in: LMA 84, 1978, S. 323-30; A. Guerreau, Le féodalisme. Un horizon théorique, Paris 1980, S. 111f.; H. Wunder, Agrarwirtschaft und Klassenstruktur im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, in: SOWI 8, 3, 1979, S. 126 f.; W. Abel, Strukturen, S. 10f.; M. Aymard, L’Europe Moderne: féoda- L’Europe Moderne: féodalité ou féodalités? , in: A.E.S.C. 36, 1981, S. 426-35; P. Kriedte, Spätmittelalterliche Agrarkrise oder Krise des Feudalismus? , in: GG 7, 1981, S. 42-68. Kriedtes Auseinandersetzung mit Bois ist zugleich der beste Überblick über den neuesten Stand der internationalen Diskussion. Den älteren Stand bietet F. Graus, Das Spätmittelalter als Krisenzeit (1969). 2 Agrarian Class Structure and Economic Development in Pre-industrial Europe, in: P & P 70, 1976, S. 30-75; an der Diskussion um Brenners Kritik der ‚Malthusianer‘ und ‚Markttheoretiker‘ und seine These über die Rolle der ländlichen Klassenkonstellationen und -konflikte beteiligten sich: M. Postan/ J. Hatcher (P&P 78, 1978, S. 24-37), P. Croot/ D. Parker (a.a.O., S. 37-47), H. Wunder (a.a.O., S. 47-55), E. Le Roy Ladurie (P&P 79, 1978, S. 55-59), G. Bois (a.a.O., S. 60-69), R.H. Hilton (P&P 80, 1978, S. 1-19), J.P. Cooper, (a.a.O., S. 20-65). Eine Antwort Brenners ist erschienen in: P & P 97, 1982, S. 16-113. 3 Immer wieder hat W. Abel seinen theoretischen Ansatz offengelegt: ‚Wirtschaft‘ ist das „Verbundsystem von Produktion, Verteilung und Verbrauch“. ‚Produktion‘ geschieht durch die Verbindung der „drei Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital“ und führt zur „Triade der Einkommen Rente, Lohn und Profit“ (Strukturen, S. 129, in ähnlicher Form fast in allen seinen Schriften). Er ist sich aber klar darüber, daß das ‚Wirkverhältnis‘ dieser - auf Ricardo und Malthus zurückgehenden - Theorie „in der Wirklichkeit jener Zeit (dem späten Mittelalter, L.K.) noch von Gegebenheiten durchkreuzt war, die im Datenkranz Ricardianischer Theorie nicht Aufnahme fanden. Dahin gehören die noch geringen Marktquoten bäuerlicher Wirtschaften, psychologische Faktoren und soziale Umstände wie Genossenschaft und Herrschaft, Heimatliebe und Schollenzwang. Das alles bedarf der Beachtung… So mögen, wie ja auch schon oft betont wurde, Seuchen, Kriege, Fehden und herrschaftliche Willkür auch unmittelbar zu Wüstungen geführt haben“ (Landwirtschaft, S. 332f.). Diese ‚Durchkreuzung‘ der Wirtschaftskategorien führt bei Abel in Unsicherheiten der Begriffsbildung hinein, deren Konsequenzen 14 onalstudie zur spätmittelalterlichen Entwicklung ‚Passendes‘ und ‚Unpassendes‘ entnehmen können. Ich war der Meinung, daß das Bild von der Allgemeinheit der Krise, wie es nunmehr auch die Handbücher zu erobern begann, von ‚unten‘, durch regionalgeschichtliche Detailarbeit zu prüfen sei. Ich ging von der Vermutung aus, daß die vielen Unterschiede, die ich von ‚Fall‘ zu ‚Fall‘ wahrgenommen hatte, nur durch einen theoretischen Zugriff vereinbar würden, in dessen Kern die Vorstellung von einer zeit- und raumspezifischen Hierarchie von Ursachen - und damit auch Verläufen und Folgen gehört. Natürlich hat der Pesteinbruch von 1348-50 als überregionale Katastrophe die europäische Bevölkerungsstruktur mit einer Simultaneität bisher unbekannten Ausmaßes getroffen. Seit diesen Jahren lebt Europa mit den Folgen der „unification microbienne“ 4 . Die Allgemeinheit dieser er selber nicht beachtet. Wie der ‚soziale‘ Faktor der ‚Herrschaft‘ in den Ökonomismus der Theorie eindringt, wenn von etwas anderem als Preisen und Löhnen die Rede ist, kann man gut daran sehen, wie sich der Rentenbegriff unter Hand aufspaltet, wenn die soziale Verteilung der Einkommen erläutert wird: „Mit den Verschiebungen im Leistungsgefüge der Wirtschaft (des späten Mittelalters, L.K.) veränderten sich die Relationen der Einkommen in der Gesellschaft. Die Renten sanken, die Löhne stiegen. Feudale Macht mochte den Rückgang der Herreneinkommen hemmen, doch konnte sie ihn nicht aufhalten. Stärker als die Gewalt der Herren erwiesen sich die anonymen Kräfte des Marktes. Neben den Renten vom ricardianischen Typ sanken auch die Feudalrenten“. Sieht man schon hier, wie nur mit der Aufspaltung der Rente in die (Differential-)Rente und die Feudalrente der Zirkel der ökonomischen Kategorien aufgebrochen ist, so wird die Frage, wie nun die bäuerlichen Einkommen kategorial zu fassen seien, zum noch größeren Problem: „Die bäuerlichen Einkommen sind schwerer zu fassen. Sie setzten sich aus dem Zusammenwirken von Boden, Arbeit und unter Umständen noch Kapital zusammen, hingen von der Größe der Betriebe, der Produktionsrichtung und der Art der bäuerlichen Lasten ab. Großbauern standen den Herren näher, Kleinbauern den Arbeitern“ (Strukturen, S. 130). Demnach gibt es für das Einkommen des ‚durchschnittlichen‘ Bauern keinen Platz in der Begriffswelt dieser Theorie! Daran, worauf diese Sichtweise zielt, ist zu erkennen, woher sie kommt. Sie kann nur die peripheren Bereiche bäuerlichen Arbeitsverhaltens fassen, die Lohnarbeit auf der einen, die auf Rente bzw. Profit ausgerichtete Marktproduktion auf der anderen Seite. Der bestimmende Kern, um den diese Einkommensformen gelagert sind, die Subsistenzwirtschaft, bleibt unerfaßt. Zugespitzt heißt dies, daß die Einkommensformen des Adels und der Bauern mit dieser Theorie nur unzureichend oder gar nicht erfaßt werden. Ich hoffe, damit einige Erläuterungen zu dem gegeben zu haben, was ich mit ‚Markttheorie‘ meine. Daß selbst innerhalb dieser Markttheorie Grobheiten existieren, die zu weitreichenden Fehleinschätzungen führen können, hat U. Dirlmeier (Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters, Heidelberg 1978, S. 533) wahrscheinlich gemacht. Der Slogan vom „goldenen Zeitalter des Handwerks“ steht und fällt mit der Fassung der Einkommenskategorie ‚Lohn‘. Wird allein die Rohgestalt dieser Kategorie beachtet - z.B. die Menge an Brotgetreide -, dann besteht die Gefahr, daß die Weiterverarbeitungsprozesse, die zum arbeitsteiligen Marktgeschehen gehören, als ökonomischer Vorgang, der das Konsumniveau des ‚Lohnempfängers‘ bestimmt, nicht genügend beachtet werden. Die Kornmenge aber wird als Indikator für die ‚Nahrung‘ in dem Moment fragwürdig, wo der Brotpreis als Ausdruck für das Lebensniveau und die Profitchancen von ‚kleinen Warenproduzenten‘ ins Kalkül gezogen wird. Durch das binnenstädtische Austauschverhältnis - ‚Lohn‘ gegen ‚Brot‘ - kann der ‚Belohnte‘ schnell um das Lebensniveau gebracht werden, das ihm der Getreidewert des Lohns zu bescheren scheint. 4 E. Le Roy Ladurie, Un concept: l’unification microbienne du monde (XIV e -XVII e siècles), in: 15 Folgen, wie sie - logisch bestechend - F. Lütge schon 1950 erläuterte 5 , bricht sich aber im regionalen Zusammenhang daran, ob der ersten Pandemie weitere gefolgt sind, und wenn, in welchen Abständen 6 . Denn es ist bekannt, wie schnell ein abrupter Einbruch wieder ‚aufgeholt‘ werden kann. Natürlich hat der hochmittelalterliche Landesausbau die Bauern auf Böden getrieben, die sie mit den ihnen geläufigen Bearbeitungs- und Regenerierungsmethoden nicht langfristig fruchtbar halten konnten. Im regionalen Zusammenhang kann dieser klassisch malthusianische Mechanismus aber völlig bedeutungslos sein, weil die Bodenqualitäten nicht differieren, somit die Flur nicht aufgegeben werden muß. Daß trotzdem der allgemeine Wüstungsquotient der betreffenden Region als hoch gilt, kann lediglich im Ortswüstungsquotienten gründen. Dieser sagt aber leider noch nichts über die Entwicklung der Bevölkerungszahlen, da er auf Ballungsvorgänge zurückgeführt werden kann. Natürlich hat die landesherrliche Steuer, die die herkömmlichen Rentenformen zu überlagern begann, die Rentenquote pro bäuerlichem Betrieb und dessen Anfälligkeit für langfristige Verelendung - besonders dann, wenn Mißernten ‚dazukamen‘ - erhöht. Wo aber hat es diese Überlagerung als ‚System‘ gegeben? Die Bedeutung der Steuer variiert von Region zu Region: Hier ist sie zum vielfältigen System jährlicher Abschöpfung gediehen, dort zum gewohnheitsrechtlichen Zins erstarrt und entfremdet, anderswo steht sie als akzidentelle Bede unter argwöhnischer Kontrolle der Stände. Natürlich hat die Geldentwertung, sowohl als Münzverschlechterung und Schlagschatz wie auch als Kornschwund des Gewichtsgeldes die ‚kleinen Leute‘ um Marktgerechtigkeit und -chance bringen und ihren Zahlungsverkehr behindern können. Um dies im regionalen Zusammenhang aber angemessen zu gewichten, bedarf es genauerer Kenntnisse über die Marktquote und den Monetisierungsgrad des Tauschverkehrs jener Leute, besonders aber der Bauern. Hier klafft eine der größten Lücken in unserer Kenntnis dieser Zeit. Ich will hier abbrechen, obwohl ähnliche Widersprüche zwischen der Allgemeinheit des Epochenbildes und der Besonderheit der regionalen Form und Entwicklung auch an Faktoren wie Krieg und Frieden, Handelskonjunktur und Land-Stadt-Verhältnis aufgezeigt werden könnten 7 . Hatte ich nun erwartet, zur Lösung dieser Widerspruche durch eine regionalgeschichtliche Analyse aller genannten Faktoren beitragen zu können, so waren die Hindernisse, auf die ich traf, zu groß: Einerseits fehlte es an Quellen, denen gewöhnlich die wichtigsten Zahlen über den ‚Ablauf‘ der kurz- und langfristigen Konjunktur entnommen werden: dichte Folgen von Zehnterträgen,von landes- Schweizerische Zeitschrift f. Geschichte 23, 1973, S. 627 ff. 5 F. Lütge, Das 14./ 15. Jahrhundert in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte , in: JNS 162, 1950, S. 161-213. 6 Hierzu allgemein nun: J.-N. Biraben, Les hommes et la peste; N. Bulst, Der schwarze Tod. Demographische, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von 1347-1352. Bilanz der neueren Forschung, in: Saeculum 30, 1979, S. 45-67. 7 Die eben angesprochenen Fragen behandelt - mit vorzüglichen Literaturhinweisen - P. Kriedte, Spätmittelalterliche Agrarkrise, S. 58 ff. 16 herrlichen Steuerlisten, von städtischen und grundherrlichen Rechnungen, von Preistafeln 8 . Die einzige Serie von Rechnungen, die man benutzen kann, die des St. Blasius-Kollegiatstifts in Braunschweig 9 , ist für das 14. Jahrhundert chronologisch und sachlich so lückenhaft überliefert, daß - dies hat H. Hoffmann in seiner schönen Analyse gezeigt - nur wenig über den konjunkturellen Gesamtzusammenhang herauszuholen ist: Allein der Einkommensverfall ist deutlich rekonstruierbar; schon bei der Bewegung der Getreidepreise hört die Sicherheit auf, und das, was man zur Entwicklung der Bevölkerungszahlen, zur Siedlungsbewegung, zum Bruttoprodukt (etwa an der Entwicklung des Zehnten), zu den ländlichen und städtischen ‚Löhnen‘ finden kann, geht über illustrative Einzelheiten kaum hinaus 10 . Da weitere Quellen mit zeitgleicher Überlieferung und ähnlichem Gehalt nicht verfügbar wurden 11 , war somit der ‚konjunkturelle‘ Ansatz, als Untersuchungsmethode und Darstellungsweg im strengen Sinne, praktisch ausgeschlossen 12 . 8 Da ich hier nicht aufhäufen will und kann, was in der - besonders westeuropäischen - Forschung mit Hilfe geeigneter Quellenbestände geleistet werden konnte, führe ich nur drei Beispiele an, die mich besonders beeindruckt haben: M.-Th. Lorcin (Les campagnes de la région lyonnaise aux XIV e et XV e siècles, Lyon 1974) hat sich für sehr verschiedene Fragen (demographische, soziale, ökonomische) die dichte Reihe von Testamenten zunutze gemacht, die ihr vorlag. C. Rotelli (Una campagna medievale. Storia agraria del Piemonte fra il 1250 e il 1450, Torino 1973) standen umfassende Rechnungen aus 16 Kastellaneien Piemonts meist seit Ende des 13. Jahrhunderts zur Verfügung. Z. Razi (Life, Marriage and Death in a Medieval Parish. Economy, Society and Demography in Halesowen 1270-1400) brachte es mit Hilfe einer dichten Reihe von Court Rolls fertig, 677 Familien im Pfarrsprengel von Halesowen westlich von Birmingham zwischen 1270 und 1400 zu rekonstruieren und so zum ersten Mal die Bevölkerungsentwicklung einer Kleinregion direkt, ohne ‚Indizien‘ wie Steuer, Zehnt, Rodung-Wüstung und dergleichen aufzuschlüsseln. 9 Die Vizedominatsrechnungen des Domstifts St. Blasii zu Braunschweig 1299-1450, hg. v. H. Goetting/ H. Kleinau (Veröff. d. Nds. Archivverwaltung H.8), Göttingen 1958 (im ff. zit. GK). 10 H. Hoffmann, Agrarkrise, pass. H. hat dankenswerterweise die von ihm ermittelten Fehler der Goetting-Kleinauschen Edition mitgeteilt: a.a.O., S. 280-86, so daß diese Edition nun ohne Einschränkung (mindestens bis 1399) benutzbar ist. 11 Die städtischen Rechnungen, eine gute Quellengattung für Einkaufspreise und Löhne (städtische Bedienstete und Baugewerbe), setzen erst so spät ein (Hildesheim ab 1379 (UBStHi 5ff.); Braunschweig: einzelne Stücke ab 1354; Goslar ab 1447/ 50), daß sie für diese Arbeit - sie hätten ohnehin nur Stützendes, nicht Tragendes für die ländliche Konjunktur beitragen können - beiseitegelassen werden mußten. Weiträumig grenzt allein der Bestand an Rechnungen des Klosters Diesdorf (w. Salzwedel) an. Aber sie setzten auch zu spät ein (1376) und sind bislang vorwiegend qualitativ ausgewertet worden (G. Wentz, Das Wirtschaftsleben des altmärkischen Klosters Diesdorf im ausgehenden Mittelalter, Salzwedel 1922; ders., Das offene Land und die Hansestädte in: HGbll 48, 1923, S. 61ff. In seiner, dem Abelschen Ansatz verpflichteten Regionalstudie konnte H. Kullak-Ublick, Wechsellagen und Entwicklung der Landwirtschaft im südlichen Niedersachsen (1953), die Kämmerei-Register der Stadt Göttingen auswerten. Diese beginnen aber erst gegen Ende des 14. Jhs.! 12 Die konjunkturgeschichtliche Orientierung, die die neueren, von A. v. Brandt und R. Sprandel inspirierten Untersuchungen der Rentenmärkte norddeutscher Städte aufweisen, haben hier deshalb keinen oder nur begrenzten Nutzen weil die Fluktuationen dieser Märkte vor allem Auskunft über die Handelskonjunktur und die politisch begründeten Kreditbedürfnisse von 17 Wie der Mangel, so hat nun auch die Fülle der Überlieferung und der Grad ihrer Verfügbarkeit mich daran gehindert, die Absicht, eine regionalgeschichtliche Untersuchung zu erstellen, die der französischen, belgischen und englischen Praxis und dem Maßstab deutscher landesgeschichtlicher Forschung entsprechen und genügen könnte, weiter zu verfolgen. Tausende von urkundlichen Zeugnissen, von denen nur ein Bruchteil veröffentlicht ist 13 - viele Urkundenbücher enden bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts -, hätten durchgesehen und als Bestand - nicht nur unter Gesichtspunkten der Blütenlese - verarbeitet werden müssen. Der zeitraubende Such-, Lese- und Aufbereitungsaufwand, der nötig gewesen wäre, hätte nicht garantieren können, ob über die Bestätigung von bereits Bekanntem hinaus diese Verfolgung des Vollständigkeitsprinzips qualitativ Neues zutage fördern würde. Aber auch der Stand der landesgeschichtlichen Forschung zum ostfälischen Raum hat zur streng regionalgeschichtlichen Orientierung quer gelegen, in mehrfachem Sinn. Einmal fehlt die Untersuchung mit vergleichbarem Thema, an die zeitlich anzuknüpfen gewesen wäre. Die Studie Otto Teutes über das ‚alte Ostfalenland‘ 14 mündet in ihrem agrargeschichtlichen Schlußteil massiv in den Strom der Argumente Werner Wittichs über die Auflösung der Villikationsverfassung und das Aufkommen des Meierrechts 15 . Gerade diese - lange Zeit so überaus wirksame - Lehre ist nun vor einigen Jahren von Walter Achilles gründ- Städten und Herren geben. Vgl. den Überblick v. R. Sprandel, Der städtische Rentenmarkt in Nordwestdeutschland im Spätmittelalter, in: Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1971, S. 14ff.; für den hier untersuchten Raum sind dies: J. Bohmbach, Umfang und Struktur des Braunschweiger Rentenmarktes 1300-1350, in: NdsJb 41, 1969/ 70, S. 119ff.; B. Schwarz, Der „Pfenningstreit“ in Hildesheim 1343, S. 18ff. Nur die Studie von J. Ellermeyer, Stade 1300-1399. Liegenschaften und Renten in Stadt und Land, z.B. S. 91ff., 104ff., kann mit Verbindungen zwischen städtischer Rentenkonjunktur und ländlicher Versorgungssituation aufwarten. Da diese aber nur für den näheren Umkreis der Stadt gelten, sind sie überregional wenig verallgemeinerungsfähig, worauf E. auch hinweist. 13 Schon vor gut 20 Jahren hat E. Pitz (Über die Aufgaben der geschichtlichen Landesforschung in Südost-Niedersachsen, in: BrJb 41, 1960, S. 5ff.) auf den unübersichtlichen Überlieferungs- und ungenügenden Editionsstand der urkundlichen Quellen und anderen Register hingewiesen, der systematische Regionalforschung zu vielen wichtigen Fragen geradezu blockierte. Die damals angeregte Arbeit an einem niedersächsischen Urkundenbuch ist - nach lange schleppendem Fortgang - nun zwar in ein neues Stadium getreten (vgl. A. Hellfaier, Die Sammlung niedersächsischer Urkunden bis 1500, in: NdsJb 53, 1981, S. 301ff.), bietet aber dem jetzigen Stande nach dem Ratsuchenden noch keine Gewähr, über sein Forschungsgebiet vollständige Auskunft zu erhalten. Zur Orientierung: M. Hamann, Überblick über die wichtigsten Veröffentlichungen mittelalterlicher Urkunden zur niedersächsischen Geschichte, in: NdsJb 39, 1967, S. 45ff. 14 Die Dissertation von O. Teute (Das alte Ostfalenland. Eine agrarhistorisch-statistische Studie, phil. Diss. Erlangen, Leipzig 1910) ist - einmal abgesehen von ihren rassistischen Einschlägen - methodisch naiv, weil T. keinen klaren Weg gefunden hat, seine ‚statistischen‘ Materialien angemessen aufzubereiten und zu erläutern. Außerdem strotzen sie von Fehlern. Daneben bleibt sie in vielen Einzelheiten doch nützlich. 15 W. Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Leipzig 1896, S. 301ff. 18 lich demontiert worden, nachdem sich in verschiedenen Detailstudien Kritik geregt hatte 16 . Damit ist eine der großen Fragen der Agrargeschichte dieses Raumes wieder offen, und die Erforschung der Ausgangspunkte der spätmittelalterlichen Entwicklung muß neu beginnen 17 . Zweitens ist die Forschung über die Genesis der niedersächsischen ‚Hofklassen‘, d. h. der ökonomischen (und auch rechtlichen) Binnengliederung der frühneuzeitlichen Dorfbevölkerung, sehr im Fluß, seit Entstehung und Geltung des ‚alten‘ Meierrechts in Zweifel stehen und die vorwiegend rechtshistorische Interpretation des ‚neuen‘ ergänzungsbedürftig erscheint 18 . Also auch das Wissen um die Verhältnisse, in die die intendierte Untersuchung münden könnte, bietet derzeit wenig Sicherheit 19 . 16 W. Achilles, Die Entstehung des niedersächsischen Meierrechts nach Werner Wittich - Ein kritischer Überblick, in: ZAA 25, 1977. S. 145ff. 17 Mit W. Röseners Strukturformen der älteren Agrarverfassung im sächsischen Raum (in: NdsJb 52, 1980, S. 107ff.) ist ein erster Anfang gemacht. 18 Der mit C. Gesenius, Das Meyerrecht mit vorzüglicher Hinsicht auf den Wolfenbüttelschen Theil des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg, Wolfenbüttel 1801/ 03 begründete Strang der rechtshistorischen Forschung, die besonders die landesherrliche Gesetzgebung (Landtagsabschiede, Polizeiverordnungen) untersucht, hat mit G. Turner, Das Calenberger Meierrecht. Geschichte und System, Göttingen 1960, und H.-J. Kraschewski, Wirtschaftspolitik im deutschen Territorialstaat des 16. Jahrhunderts. Herzog Julius v. Braunschweig-Wolfenbüttel (1528-1589), Köln-Wien 1978, S. 98ff., seinen bislang letzten Ausdruck gefunden. Es war als erster W. Küchenthal, Bezeichnung der Bauernhöfe und der Bauern (1965), der der Entstehung der ‚Hofklassen‘ durch ausgiebige Bezugnahme auf die urkundliche Überlieferung beizukommen suchte. Seine terminologischen und ortsgeschichtlichen Belegreihen und (Teil-)Ergebnisse sind von hohem Nutzen für die agrarverfassungsgeschichtliche Forschung Ostfalens, auch wenn Aufbau und Heimatromantik die Auswertung deutlich erschweren. Ob Küchenthals Filiationen zwischen dem 12./ 13., dem 14. und dem 16. Jahrhundert so haltbar sind, daß sie als Grundzüge der agrargeschichtlichen Entwicklung (im Bereich der Betriebsformen und -großen) gelten könnten, wird je unsicherer, desto mehr lokalgeschichtliche Nachweise dafür erbracht werden, daß auch zwischen der Höfestruktur, wie sie die Urkunden des 14. Jahrhunderts, die frühesten Erbregister, dann aber auch die folgenden bieten, noch klar erkennbare Veränderungen liegen. Dies hat W. Achilles, Zur Frage nach der Bedeutung und dem Ursprung südniedersächsischer Hofklassen, in: BrJb 49, 1968, S. 86ff. und ders., Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Fleckens Lütter am Barenberge, a.a.O. 53, 1972, S. 127ff. an einem Beispiel gezeigt. Die Vielfalt der Entstehungsgründe und die ständigen Umgruppierungen dürften lineare Deduktionen von frühneuzeitlichen Höfen aus dem Spätmittelalter verbieten. M. E. müssen zunächst einmal die Gründe für diese ‚Bewegung‘ der Betriebsformen bedacht werden: Erbrecht und Bevölkerungstrend, herrschaftlicher Einfluß und Konjunktur. 19 Eine sinnvolle Orientierung könnte es sein, wenn man den berühmten Landtagsabschied Herzog Heinrichs v. Braunschweig-Wolfenbüttel von 1433 (Franz, Quellen Nr. 207, S. 523ff.) im Zusammenhang mit der ‚Handwerker, Tagelöhner- und Gesindeordnung für das Gebiet der Stifte Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim und der Herzogtümer Braunschweig und Lüneburg‘ von 1445 (in: ZHV 27, 1894, S. 427 ff.) sähe: ‚Bauernschutz‘ auf der einen, ‚Lohnregulierung‘ auf der anderen Seite. Ich konnte diese Orientierung aber nicht verfolgen, da sie - abgesehen von dem zugänglichen hildesheimer, halberstädter und hzgl. braunschweigischen Material - intensive Archivarbeit nötig gemacht hätte. 19 Mit diesen Erfahrungen, die mir der Forschungsstand vermittelte, war keine methodisch lautere Entscheidung darüber mehr möglich, wann die Untersuchung beginnen und wann sie enden sollte. Konnte ich den Weg regionaler Konjunkturentwicklung also nicht beschreiten, weil es an qualitativen Quellen dazu fehlt, dem Maßstab räumlicher Dichtigkeit der Belege nicht Genüge tun, weil das Quellenmaterial zu wenig zugänglich ist, so fehlten mir nun letztendlich auch die sachlichen Abgrenzungskriterien für den Untersuchungszeitraum. In dieser Lage blieb mir nur die Entscheidung für eine monographische Orientierung, die zeitlich und sachlich schlicht günstig schien. Meine Wahl fiel hier auf das Besitz- und Einkunftsregister des Benediktinerinnenklosters Neuwerk in Goslar von 1355 20 . Diese Quelle ist bislang so gut wie völlig unbeachtet geblieben 21 , obwohl sie hochinteressante Auskünfte für den status terrae der Landstriche nördlich des Oberharzes zwischen Oker und Nette bis hinein ins Hildesheimische und Braunschweigische Land kurz nach der Jahrhundertmitte enthält. Diese Auskünfte nach allen Seiten hin zu klären, soll der Hauptzweck dieser Untersuchung sein. Gewissermaßen synchron mit diesem Ausgangspunkt betrachte ich Register, Verzeichnisse und Urkunden, die zur - oft dringend notwendigen - Klärung der Neuwerker Details dienen können, ebenso aber auch zur Ergänzung und Kontrastierung derselben. Damit eröffnet sich auch die Chance, die Neuwerker Eigenarten auf eventuell Typisches zu beziehen. Das Bild von der Agrarverfassung läßt sich so sachlich differenzieren und zugleich räumlich verdichten. Diese Verdichtung kann man, sollte sie gelingen, als Vorstufe regionalen Untersuchungszugriffs auffassen. Dieses Verfahren kommt im zweiten Glied des Gesamttitels dieser Studie zum Ausdruck! Es geht auch um die Nachbarn der Neuwerker Bauern. Die Querschnittsanalyse also betrachte ich als den Hauptteil meiner Arbeit. Mit ihr will ich systematisch dazu beitragen, daß die Orientierung über die so schwierige Übergangsepoche von 1250 bis 1400 erleichtert wird. Bislang wurde dies - wie oben angedeutet - meist von den ‚Enden‘ her versucht. Mit dem Bau einer Wissensachse und der Bildung von Wissensinseln mitten in dieser Epoche versuche ich eine Methode, die mir durchaus als Verkehrung der Not zur Tugend erscheint. Das Netz, mit dessen Hilfe ich das Neuwerker Register und die einzuschachtelnden ‚Hilfs‘-Quellen interpretieren möchte, ist aus dem Nachdenken über die Vereinbarkeit der dieser Zeit und Region eigentümlichen Überlieferung und 20 Druck: GUB 4/ 525, S. 388-398. Eine erneute Untersuchung der Handschrift, überliefert als dem älteren Neuwerker Kopialbuch angefügter Anhang von 16 S. in-8°, schien mir im Blick auf die Edition nicht geboten. Zur Beschreibung des Kopialbuches s. G. Bode in GUB 1, S. XIV f. sowie G. Cordes, Neuwerker Copialbuch, S. 13 f. 21 Ich kenne nur die - in ihrer positiven Gesamteinschätzung des Registers fehlgehenden - Hinweise bei G. Bode, GUB 4/ 525, S. XXVIf.; B. Brökelschen, Neuwerk, S. 10. Auf nur ein Detail - die Lohnregulierung am Ende des Registers, GUB 4/ 525, S. 396f. - geht H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 249f. ein. Orts- und siedlungsgeschichtliche Bezugnahmen schließe ich hier aus. 20 meiner Kenntnis zum Begriff des ‚europäischen Bauerntums‘ entstanden 22 . Es geht nicht darum, eine Begriffshülse zu füllen oder zu testen, für die ich mich heuristisch entschieden habe, sondern es geht um einen Kompromiß, der dem Aussagestil und der Aussagerichtung der Quellen, damit auch ihrer Anschaulichkeit, Rechnung trägt und die Quellendetails zugleich Abstraktionen zuordnet (z.B. ‚Betrieb‘, ‚Rente‘), die dem eigenen Forschungswillen und Darstellungsentscheidungen dienlich sind. Der Deutungsprozeß muß über die Reproduktion des Eigensinns der Quellen hinausgehen, wenn die Untersuchung einem Thema gilt, das von allgemeinem Interesse für das Gesamtbild von der betreffenden Epoche ist. Ein so breit angelegter beschreibender Querschnitt der Landleute dieser Region um die Mitte des 14. Jahrhunderts soll zugleich dazu taugen, weiteren Forschungen über den säkularen Wandel der ländlichen Lebensverhältnisse Ostfalens vom 13. bis zum 15. Jahrhundert als Ausgangsorientierung zu dienen. Er kann also die Voraussetzungen für das Studium der ‚Krise‘ im spätmittelalterlichen Ostfalen verbessern. Schon mehrfach ist angeklungen, auf welche Quellen sich die Untersuchung gründet. Dies muß nun systematisch behandelt werden. 2 Überlieferung An erster Stelle stehen Dokumente, die aus der Absicht entstanden sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt Klarheit über Besitz- und Ertragsverhältnisse zu gewinnen. Diese Verzeichnisse sind Zeugnisse grund-, gerichts-, stadt-, kirchen-, lehns- und landesherrlicher Aneignungs- und Verteilungspraxis, die widerspruchsfrei zu typisieren unmöglich ist. Die Verschwommenheit der Überlieferungsformen ist selbst Charakteristikum dieser Übergangszeit: Die Zunahme der Verschriftung rechtsverbindlicher Handlungen, der Übergang zur Verschriftung der gesprochenen Sprache, die funktionale Differenzierung allen Schriftguts hat noch nicht zu der sprachlichen und sachlichen Normung geführt, die eine wissenschaftliche Ordnung im Sinne einer Quellenkunde ermöglicht hätte 23 ; was historisch und logisch zwischen Urkunde und Akte fällt, ist sachlich und formal eben zu neu, als daß anders als nach der Instanz verschriftet werden könnte. Für die von mir berücksichtigten Verzeichnisse heißt dies, daß Besitzregister, Urbar, 22 Informativ für mich waren: W. Rösener, Art. ‚Bauer, Bauerntum‘ in: Lexikon des Mittelalters, Bd.1, Lfrg. 8, 1980, Sp.1563ff. (mit weiterer Literatur); H. Mendras, Un schéma d’analyse de la paysannerie occidentale, in: PSN 1, 1972, S. 79ff., 126 ff.; R.H. Hilton, The English Peasantry in the Later Middle Ages, Oxford 1975; Historische Familienforschung, hg. v. M. Mitterauer u. R. Sieder, Frankfurt 1982. 23 Hierzu grundlegend E. Pitz, Entstehung und Umfang statistischer Quellen in der vorindustriellen Zeit, in: HZ 223, S. 1ff.; H. Patze, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert I (=VuF 13), Sigmaringen 1970, S. 9ff. ist in weiten Teilen eng auf das landesherrliche Schriftgut begrenzt. 21 Passiv- oder Aktivlehnsregister, Bede-, Hörigen-, Kornzins-, Geldzinsverzeichnis, Pfand-, Schulden-, Kapitalwerteintrag und dergleichen von den Verfassern der Register selten in systematischer Ordnung präsentiert sind. Das beste Beispiel für dieses Frühstadium schriftlicher Verwaltung ist das Neuwerker Register selbst. Es besteht aus dem Verzeichnis des ländlichen Besitzes, welches systematisch mit urbarialen Einträgen versehen ist. Dann folgen Inventare des Häuser- und Budenbesitzes in Goslar, des Wald-, Hütten- und Grubenbesitzes um Goslar, im Harz und im Rammelsberg; dies alles ohne Ertragshinweise. Drittens werden die verschiedenen ‚Zinsen-Dienste‘ und Pfandschaften registriert. Schließlich geht die Aufzeichnung in eine Art Ausgabenteil einer Rechnung über, der in einer Klage über den schlechten Stand der Versorgung der Nonnen endet. Dem ist zuletzt noch ein Hörigenverzeichnis beigefügt, zu dem auch Angaben über Zinse gehören. Wenn ich die benutzten Register im Folgenden doch nach inhaltlichen Gesichtspunkten gegliedert aufreihe, dann ist dies eine Notlösung. Als vorwiegend von grundherrlichen Gesichtspunkten bestimmte Verzeichnisse können m.E. gelten: - 5 Register bzw. Urkunden des 12.-13. Jahrhunderts der Stifter in Hamersleben, Walbeck, St. Paulus und St. Bonifatius in Halberstadt sowie des Klosters St. Liudger in Helmstedt 24 ; 24 Hamersleben: Druck bei W. Zöllner, Die Urkunden und Besitzaufzeichnungen des Stifts Hamersleben (1108-1462), Leipzig 1979, S. 276-291. Z. datiert dieses ‚Stiftsurbar‘ auf den Anfang des 13. Jahrhunderts (a.a.O., S. 41). Es hat mit seinen Einzelheiten zur Arbeitsrentenverfassung zweifellos überregionale Bedeutung, ist der Forschung bislang aber ganz entgangen (a.a.O., S. 42). Walbeck: Druck: P.W. Behrends (Hg.), Güterverzeichnis des ehemaligen Collegiatstiftes zu Walbeck aus dem 13. Jahrhundert nebst einigen Urkunden, in: Neue Mitt. aus dem Gebiete histor.-antiquar. Forschungen 2,1 (1835), S. 40-49. O. Teute, Ostfalenland, S. 245ff. hat Behrends Datierung auf die „Mitte des 13. Jahrhunderts“ übernommen, den gesamten Gehalt tabellarisch erfaßt und Hinweise zur Beurteilung gegeben. Eine erneute Detailuntersuchung würde sich m. E. lohnen (mansus-area-Beziehung; Korn- und Geldzins u. a. m.). St. Paulus/ Halberstadt: Druck in UBSPH 2/ 1136, S. 292ff.; eine präzise Auswertung ist mir nicht bekannt. St. Bonifatius/ Halberstadt: Druck in UBSPH, S. 264ff.; kommentarlose Tabellierung bei O. Teute, Ostfalenland, S. 214ff. Die villicationes Bossleben, Keklingen und Twelken sind schwer zu datieren, da Bezugsnachrichten fehlen. M. E. gehören sie ins späte 12. bzw. Anfang 13.Jh. St. Liudger/ Helmstedt: Druck bei R. Kötzschke (hg.). Die Urbare der Abtei Werden a.d. Ruhr. A. Die Urbare vom 9.-13.Jh. (= Rheinische Urbare 2), Bonn 1906, Urbar D (Heberegister des Klosters St. Liudger vor Helmstedt aus der Zeit Abt Wilhelms) (um 1150), S. 167-85. Zur Deutung: R. Kötzschke, Die Urbare der Abtei Werden a. d. Ruhr. Einleitung und Register. II. Einleitung (= Rheinische Urbare 4), Bonn 1958, S. CCCLXXIVff.; O. Teute, a.a.O., S. 260ff.; W. Rösener, Strukturformen, S. 134ff. (geht von einer Datierung auf 1160 aus); wieviel aus diesem bedeutenden Register noch herauszuholen ist, zeigt H. Jäger, Zur Größe mittelalterlicher Dörfer in Niedersachsen, in: Gedenkschrift H. Wesche, Neumünster 1979, S. 79ff., bes. 89ff. Weitere urbariale Zeugnisse aus dem 13. Jahrhundert, die Grundherrschaften der Stifter Gandersheim und Quedlinburg betreffen, sind bei Teute angeführt. Sicher ist auch noch manches Stück unediert. So hat E. Döll, St. Blasius, S. 232, auf ein Urbar des St. Cyriacus-Stiftes aus dem beginnenden 13 Jh. hingewiesen (StA Wolfenbüttel 8 Urk 2), ebenso H. Goetting (Bearb.), 22 - 2 Register des Domstifts St. Blasius zu Braunschweig von 1320 und ca.1340 25 ; - 8 Register Hildesheimischer Stifter und Klöster zwischen dem Ende des 12. Jahrhunderts und 1382 26 ; - 3 Register des Goslarer Domstifts von 1181, 1285/ 96 und 1309 27 ; Das reichsunmittelbare Kanonissenstift Gandersheim, S. 285ff. auf Gandersheimer Register bzw. Urbare des 13./ 14.Jahrhunderts. M. E. ist - bezieht man die Hildesheimischen und Goslarer (Domstift) urbarialen Quellen mit ein - die Erforschung der Agrarentwicklung Ostfalens seit dem Ende des 12. Jahrhunderts neu zu beginnen. Alle genannten Register sind für die Frage nach der Auflösung der sog. Villikation von großem Interesse. 25 St. Blasius: 1. Urbar v.1320, Druck bei H. Hoffmann, Agrarkrise, Anhang 2, S. 256-264. Damit ist der - verdeutschte - Druck bei E. Döll, Kollegiatstifte, S. 344-347 ersetzt. 2. Urbar v. ca.1340, Druck bei GK, S. 45-48. Die Hg. haben das Urbar noch für den ‚receptus‘-Teil einer Rechnung gehalten. Erst H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 171ff. konnte diesen rotulus 7 (GK S. 9) als Urbar erweisen. Beide Register sind für die Ermittlung durchschnittlicher Geld- und Kornzinse von hohem Wert. Zur Grundherrschaft v. St. Blasius vgl. E. Döll, a.a.O., S. 232ff.; H. Hoffmann, a.a.O., S. 232ff. 26 Domstift Hildesheim: 1. Obedienzien-Verzeichnis (12./ 13. Jahrhundert), Druck: UBHHi 6/ Nachtrag 6, S. 987-995 (interessante Details zur Hufengröße, zum frühen Teilbau, zur Spätphase der Arbeitsrentenverfassung). 2. Einnahme-, Ausgabe- und Zinsregister des Domdechanten Johann (1277-86), Druck: UBHHi 3/ 484, S. 226-259 (eine ungeordnete Folge von receptus- Notizen nach verschiedenen Gesichtspunkten wie Zinsform, Besitzart, Jahr; wichtig für den Übergang von Produktzu Geldzinsformen; für das Aufkommen ländlicher ‚Saisonarbeiter‘ u. a.). 3. Besitzregister und Urbar der Dompropstei von 1382, Druck: UBHHi 6/ 546, S. 389- 400 (das späteste von mir einbezogene grundherrliche Register; sehr wichtige Auskünfte über Hufengrößen, Zinse (verschiedene Getreidezinsformen), Wüstung; hoher Deckungsgrad der villicatio Barum mit dem Neuwerker Grundherrschaftsbereich. Zur Deutung: O. Teute, a.a.O., S. 193ff.; R. Hoffmann, Die wirtschaftliche Verfassung und Verwaltung des Hildesheimer Domkapitels bis zum Beginn der Neuzeit, phil. Diss. Münster 1911, S. 11ff. Moritz-Stift: Obedienzien-Verzeichnis (nach 1302), Druck: UBHHi 3/ 1409, S. 673-677 (klärende Details zum Teilbau, zur curia-area-Beziehung, zur locatio). Ein weiteres Obedienzien- Verzeichnis v. Anfang des 14. Jahrhunderts, Druck: UBHHi 6/ Nachtrag 28, S. 1004-6, mit ähnlichen Einzelheiten ist keinem Stift sicher zuzuordnen. St. Michael: 1. Güterverzeichnis von 1321, Druck: UBHHi 4/ 638, S. 344-352 (grundlegend für die Klärung des curia-area-mansus-Verhältnisses; wichtige Auskünfte zu den Zinsformen). 2. Verzeichnis von Lehnsgütern und Erwerbungen Abt Heinrichs (vor 1331), Druck: UBHHi 4/ 1155, S. 619-22 (Freikauf v. villicationes). 3. Lehnsregister, Güterverzeichnis und Urbar von 1333, Druck: UBHHi 4/ 1334, S. 722-30 (grundlegend für Zinsformen von Hufen und Höfen); zur Wirtschaftsgeschichte v. St. Michael vgl. H.-D. Illemann, Bäuerliche Besitzrechte, S. 12ff. 27 Domstift St. Simon u. St. Judas: 1. Register von 1174-1195 (1181, so W. Rösener, Strukturformen, S. 137), Druck: GUB 1/ 301, S. 320-38; zur Deutung G. Nöldecke, Verfassungsgeschichte des kaiserlichen Exemtstiftes SS. Simonis et Judae zu Goslar von seiner Gründung bis zum Ende des Mittelalters, phil. Diss. Göttingen 1904; O. Teute, a.a.O. S. 216ff.; W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 55ff., 74ff.; W. Rösener, a.a.O., S. 136ff. (herangezogen wurden besonders die villicationes Lebenstedt, Jerstedt, Harlingerode, Semmenstedt). 2. Fragment eines Obedienzien-Verzeichnisses ca.1285-96, Druck: GUB 2/ 419, S. 422-430. 3. Obedienzien-Verzeichnis von 1309, Druck: GUB 3/ 213, S. 140-145. Beide sind bislang weder einzeln, noch vergleichend (auch zu 1. von 1181) interpretiert worden (Hinweise bei K. Frölich, Das Goslarer Domstift in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, S. 109; R. Meier, Die Domkapitel zu Goslar und Halberstadt, S. 15). Von zentralem Interesse für die Entwicklung der Rentenformen im Einzugsgebiet der Neuwerker Güter. 23 - die Besitz- und Einkunftsregister der Patrizierfamilien Dörnten in Goslar von 1351 f. und Frese in Hildesheim von ca. 1370 28 . Zusammen mit dem Neuwerker stehen also über 20 grundherrliche Verzeichnisse zur Verfügung, die nach Zeitstellung, Aussagegehalt und räumlichem Bezug differieren, dementsprechend unterschiedliche Bedeutung für die Darstellung haben. Die zeitlich und räumlich dem Neuwerker nahestehenden Register werden intensiv für die systematischen Aspekte herangezogen; daher ist ihr Gehalt auch umfassend aufgearbeitet. In Karte 2 sind diese urbarial überlieferten Besitzungen zusammengefasst. Die verbleibenden Register können eher Details bieten und als Bezugspunkte für Entwicklungsprobleme dienen; dies rechtfertigt einen Verzicht auf systematische Aufbereitung. Daneben haben die vorwiegend lehnsherrlich bestimmten Verzeichnisse 29 nicht das gleiche Gewicht für die Untersuchung. Vielfach einförmiger in ihrem Aufbau 30 , bieten sie aber Einblicke in Grundzüge der Agrarverfassung, auf die hier nicht verzichtet werden kann. Weiter enthalten sie eine Unmenge klärender und ergänzender Einzelheiten, die es zu berücksichtigen gilt. Eine Auswahl der in ihnen verzeichneten Besitzungen, die ins Untersuchungsgebiet fallen, ist in Karte 3 zusammengefasst. Da leider große Verzeichnisse fehlen oder zeitlich zu spät liegen, die den hier untersuchten Raum abdecken 31 , mußte auf viele, räumlich vorwiegend angren- 28 Dörnten: Lehen- und Güterverzeichnis der von Dörnten (1351f.), Druck: GUB 4/ 449, S. 322- 329 (liegt ganz im Einzugsbereich der Neuwerker Güter; wegen seiner mittelniederdeutschen Form wichtig für Glossierung; unverzichtbar für Inhaberschaftsverhältnisse, Betriebsstruktur, Durchschnittserträge, Zehnt), bislang keine Interpretation; zur Familie Dörnten: L. Ohlendorf, Das niedersächsische Patriziat, S. 52, 110; S. Wilke, Das Goslarer Reichsgebiet, S. 192; C. Borchers, Villa, S. 64ff., 86, 88, 95. Frese: Gesamtbesitzverzeichnis von 1370, in: Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. W. Deeters, Göttingen 1964, S. 10-18; zur Familie Frese: W. Deeters, a.a.O., S. 7ff.; B. Schwarz, Pfennigstreit, S. 81f.; einmalige Auskünfte (mndt.) über Hufengröße und -zusammensetzung, Höfeterminologie, Hofzinse; bislang keine Interpretation (zit.: Deeters, Frese). 29 Hierzu immer noch grundlegend: W. Lippert, Die deutschen Lehnbücher. Beitrag zum Registerwesen und Lehnrecht des Mittelalters, Leipzig 1903 (Nachdr. 1970); K.-H. Spieß, Art. ‚Lehnbuch, Lehnregister‘, ‚Lehnsbrief; Lehnsrevers‘, in: HRG II, 197, Sp.1686ff., 1701f., 1742f.; die Unterscheidung von H. Patze, Typen, S. 33f. zwischen ‚Lehnsverzeichnissen‘ als Passivlehenregistern und ‚Lehnsbüchern‘ als Aktivlehensregistern liegt vielfach quer zu den - mir bekannten - Stücken. Dies gründet mindestens auch darin, daß auf den mittleren und unteren Ebenen der Lehnspyramide beide Beziehungen (Lehnsherr und Lehnsträger) zusammenfallen. Entsprechend entstehen dann Register mit beiden Formen (z.B. v. Wallmoden, Heimburg, dazu unten). 30 Eine deutliche Ausnahme stellt das große Register der Grafen von Regenstein-Blankenburg von ca.1346 dar (ich danke E. Pitz für die freundliche Überlassung seiner Abschrift aus StAWolfenbüttel VII A Nr.30): Nach einem - ständisch gegliederten - Aktivteil (Nr.1-243) folgen Schulden- und Bederegister (244-283), dann beginnt ein Verzeichnis von Passivlehen (284-328), gefolgt von Eigengut (329ff.); ab Nr.341 beginnt ein neuer Aktivteil, teils örtlich, teils ständisch gegliedert; den Abschluß bildet ein Zinsverzeichnis der Dörfer, die zur Westerburg gehören (522ff.). Eine präzise Untersuchung - auch nach Zeitschichten - würde sich lohnen. 31 Es ist zu bedauern, daß von den Grafen von Wöltingerode-Wohldenberg kein umfassendes 24 zende Verzeichnisse zurückgegriffen werden 32 . Es sind insgesamt 24, von denen 5 ins 13., die verbleibenden 19 ins 14. Jahrhundert gehören 33 . Vom kurzen Revers Register überliefert ist. Welche Mühe eine solche Überlieferungslücke verursacht, ist an der monumentalen Studie von W. Petke, Die Grafen von Wöltingerode-Wohldenberg. Adelsherrschaft, Königtum und Landesherrschaft am Nordwestharz im 12. und 13. Jahrhundert, Hildesheim 1971 abzulesen; zum Problem W. Petke, a.a.O., S. 391f. An den von P. über das urkundliche Material erstellten Karten über Grundbesitz und verschiedene Rechte der Grafen (Anhang Karte 1-5) kann man sehen, daß diese Güter und Rechte den Einzugsbereich der Neuwerker Güter großflächig abgedeckt hätten. Ebenso bedauerlich ist, daß das erste große Passivregister des Bistums Hildesheim erst aus dem 15. Jahrhundert stammt (Das Lehnbuch des Bischofs Ernst von 1458, hg. W. Deeters, in: Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, Göttingen 1964, S. 25ff.). 32 Eine Regionalmonographie über dieses eigenartige Quellenmaterial fehlt bislang. Die Literatur zu den einzelnen hier in Frage kommenden Adelsfamilien war für die hier verfolgten Fragen selten hilfreich. Ich führe sie im folgenden Verzeichnis der Register nur an, wenn sie zum Verständnis des Registers selbst beiträgt. Auf ein kleines Kompendium zur Adelsgeschichte dieses Raumes vom 12.-14. Jahrhundert ist hier aber hinzuweisen: W. Deich, Das Goslarer Vogteigeld. Staufische Burgenpolitik in Niedersachsen und auf dem Eichsfeld, Lübeck 1974, hat anhand der Vogteigeldrollen und Kaiserdenarregister einen Gutteil des Adels (und Patriziats) verfolgen können und bietet deshalb vielfach erste Orientierung. 33 13. Jahrhundert: 1. Lehnregister/ Güterverzeichnis des Grafen Sigfrid II. v. Blankenburg aus den Jahren 1209-1227; ich habe eine von E. Pitz dankenswerterweise mir überlassene handschriftliche Edition benutzen können, die die Hs. StA Wolfenbüttel VII A 27 berücksichtigt und damit die alte Edition von Bode/ Leibrock (ZHV 2, 1869, S. 71-94) ersetzt; zur Deutung O. Teute, a.a.O., S. 174ff. / 2. Lehnregister des Edelherrn Luthard v. Meinersen (ca. 1226, 1220-1240, 1250, 13. Jh.), Druck: Sud 1/ 10, S. 7-11; zur Deutung: O. Teute, a.a.O., S. 185ff. / 3. Lehnregister des Klosters Steterburg (um 1250), Druck: BrUB 2/ 131, S. 53; zur Deutung: O. Teute, a.a.O., S. 259ff. / 4. Lehnregister der Edelherren Luthard und Burchard v. Meinersen (ca.1274), Druck: Sud 1/ 79. / 5. Passivu. Aktivlehnregister der Ritter Dietrich u. Heinrich v. Wallmoden v. 1286, Druck: GUB 2/ 345, S. 356-359. 14. Jahrhundert: 6. Halberstädtisches Lehnregister v.1311, Druck: Riedel, Codex Diplomaticus Brandenburgensis I, Bd. XVII, Berlin 1859, S. 441-77. / 7. Lehnbuch des Herzogs Otto v. Braunschweig v.1318, Druck: Sud 1/ 303, S. 164-176; zur Deutung: H. Patze, Die welfischen Territorien im 14. Jh., S. 33f.; H. Kleinau, Überblick über die Gebietsentwicklung des Landes Braunschweig, in: BrJb 53, 1972, S. 11, 27f. / 8. Lehnregister der Edelherren v. Dorstadt (zurückgehend auf 1318), Druck: Sud 1/ 303, S. 183-4; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. / 9. Verzeichnis der Saldernschen Lehen um 1325, Druck: UBSa; 1/ 316, S. 137-140; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. / 10. Gandersheimer Lehen der Grafen v. Wohldenberg, mit denen Goslarer Bürger belehnt sind (vor 1332), Druck: W. Petke, Grafen, S. 560f.; zur Deutung: ebd.; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. / 11. Aufzeichnung über die v. Abt Johann v. Werden 1332 vorgenommenen Belehnungen (St. Liudger/ Helmstedt), Druck: Crecelius/ Fiedler (hg.), in: ZHVN 1870, Hannover 1871, S. 177-184. / 12. Lehnregister der Grafen v. Regenstein-Blankenburg (1346): s. o. Anm.30. / 13. Lehnbuch der Herzöge Magnus u. Ernst v. Braunschweig (1344- 1365), Druck: Sud 2/ 79, S. 39-53; zur Deutung: H. Patze, Territorien, S. 34, 47f.; H. Kleinau, Überblick, S. 29. / 14. Aktivu. Passivlehnregister der v. Heimburg v. ca. 1354, Druck: Sud 2/ 484, S. 258-262; G. Bode, Die Heimburg am Harz und ihr erstes Herrengeschlecht, die Herren v. Heimburg, 1909; zur Lage der Güter im Neuwerker Einzugsbereich s. Karte Nr. 3. / 15. Die Halberstädtischen Lehen Buchards v. Asseburg und seiner Bruders (1357-66), Druck: UBAss 2/ 1159, S. 262. / 16. Reichslehen Alards, Alards u. Heinrichs v. Burgdorf v. 1357, Druck: GUB 4/ 610; zur Deutung: S. Wilke, Reichsgebiet, S. 181ff.; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. / 25 bis zum umfassenden Register sind alle Formen vertreten. Auch hier mußte nach den Kriterien der zeitlichen Nähe und räumlichen Entsprechung zum Neuwerker Verzeichnis über intensive oder extensive Benutzung entschieden werden. Ich habe, um über sachlich und räumlich überschaubare Informationen zu verfügen, die Inhalte der kleineren Register und den Lehnsbesitz räumlich relevanter Lehnsträger aus den großen Registern tabelliert (und teilweise verkartet). Alles andere wird nicht als Bestand, sondern als Detail behandelt. Neben diesen beiden Haupt-Gruppen stehen Verzeichnisse mit je eigenem Inhalt: zwei Vogteiregister herzoglich-braunschweigischer Dörfer, eine kleine Reihe Goslarer Neubürgerlisten und eine Goslarer Waghaus- und Zollordnung 34 . Die zweite große Quellengruppe sind die Urkunden. Darüber, ob dieser Begriff für die in den regionalen Quellensammlungen vereinten Dokumente geeignet ist, kann ich hier schlecht rechten. Aber es ist klar, daß zwischen dem Ende des 12. und dem des 14. Jahrhunderts eine Formdifferenzierung und ein Formwechsel des verschrifteten Güter- und Rechtsverkehrs zwischen Einzelpersonen, Gruppen und weltlichen wie geistlichen Institutionen stattgefunden hat, dem der Urkundenbegriff der klassischen Lehre nur bedingt gerecht werden kann 35 . Gegen den Zweck, den ich hier verfolge, schlägt diese quellenkategoriale und -kritische Unsicherheit aber nicht so negativ durch, daß man befürchten müßte, eine Nutzung des agrargeschichtlichen Gehaltes dieser ‚Urkunden‘ verbiete sich ohne gründliche Vorarbeit zur Formgeschichte dieser Gattung. Natürlich besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen einer ‚Schenkungsurkunde‘ des 12. und einem Rentenverkaufseintrag im Stadtbuch zu Ende des 14. Jahrhunderts. Doch solange diese Dokumente in ihrem dispositiven Teil klare Bestimmungen über 17. Passivlehen Aschwins v. Meienberg (ca.1360), Druck: Sud 9/ 227, S. 304. / 18. Lehnbuch des Herzogs Magnus v. Braunschweig und Lüneburg (ca.1369), Druck: Sud 3/ 420, S. 282-84. / 19. Hildesheimische Lehen Bertolds v. Gadenstedt v. 1371, Druck: UBHHi 6/ 32. / 20. Lehnregister der Herzöge Ottos u. Friedrichs von Braunschweig (und Lüneburg) (ca.1374), Druck: Sud 5/ 26, S. 47f. / 21. Lehnbuch des Herzogs Friedrich von Braunschweig u. Lüneburg v. 1383-85, Druck: Sud 6/ 61, S. 61-69; zur Deutung: H. Patze, Territorien, S. 34. / 22. Lehnregister der v. Oberg v. 1387, Druck: D. Hellfaier, Oberg, S. 202-04; zur Deutung: ders., a.a.O., S. 118 ff.; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. / 23. Hildesheimer Lehen des Marschalls Hans v. Schwicheldt von ca.1390, Druck; UBHHi 6/ 1005. / 24 a. Hildesheimer Lehen Aschwins v. Saldern v.1395, Druck: GUB 5/ 986, S. 480f. / 24 b. Braunschweiger Lehen Aschwins von Saldern von 1398, Druck: GUB 5/ 1111, S. 563f.; zur Deutung: S. Wilke, Reichsgebiet, S. 175ff.; zur Lage der Güter s. Karte Nr. 3. 34 1. Einkünfte d. Herzogs Magnus v. Br. aus den Dörfern Bornum/ Königslutter und Dettum v. ca.1365, Druck: Sud 3/ 255 u. 256, S. 169-70; dazu H. Kleinau, GOV 1, 1967, S. 150f.; 2. Verzeichnis der neu aufgenommenen Bürger (ca. 1300-1350), Druck: GUB 4/ 404, S. 277- 88; ergänzend S. Steinberg, Die ältesten Bürgerlisten der Stadt Goslar, in: Familiengeschichtliche Blätter 20, 1922, S. 8f., 38ff., 69ff.; zur Interpretation C. Borchers, Villa, S. 90ff.; 3. K. Frölich, Die Goslarer Waghausu. Zollordnung von etwa 1400, in; HzZ 1, 1948, S. 61ff. Der normative Charakter dieser Quelle steht hier nicht im Vordergrund, daher ihre Einreihung als ‚Register‘. 35 Es ist wohl kein Zufall, daß die Urkundenlehre - ich beziehe mich hier nur auf O. Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters (1911), Nachdr. Darmstadt 1967, Teil IV, S. 153ff. - die Übergangszeit seit dem 13. Jahrhundert vorwiegend als Institutionengeschichte der Beurkundungsvorgänge und weniger als Morphologie der Urkunde anlegt. 26 die Art und Lage des ländlichen Rechtsgutes und ebenso über den Zeitpunkt und die Rechtsform des beurkundeten Geschäftes enthalten, kann man über jene Unterschiede hinwegsehen. Damit werden die Urkunden zu einem ‚Bestand‘, den man - unter bestimmten Einzelaspekten - auch als ‚Serie‘ auswerten kann. Dies gilt etwa für die Beschreibungsterminologie des Landbesitzes, für die Entwicklung der grundherrlichen Zinse, für Aufkommen wie Verschwinden bestimmter Erscheinungen wie Vogtei, Rodung, Verpfändung. Genauso wichtig aber sind die Urkunden für die Erkenntnis der Normaspekte des ländlichen Lebens und ihrer Kehrseite, den Unfrieden. Als akzidentelle Kompromisse divergierender Interessen bieten oft allein die Urkunden Einblicke in die Absichten der am Rechtsgeschäft Beteiligten, in die Gesamt-ratio der durch den Rechtsakt entstandenen Verpflichtungen, in die dem Rechtsakt vorangegangenen Ereignisse. Hat man noch das Glück, über eine Reihe von Urkunden zum gleichen (Streit-)Punkt zu verfügen, dann läßt sich auch der Folgezusammenhang ermitteln. Nicht zuletzt gestatten die Urkunden, die in den Registern nur punktuell erfaßten Güter oder Verhältnisse oft unter verschiedenen Entwicklungsaspekten zu vergleichen, etwa besitzgeschichtlich und rechtsgeschichtlich. Die urkundliche Überlieferung zum hier untersuchten Raum ist, das wurde oben schon angedeutet, nun aber so umfangreich, daß eine Entscheidung zur Beschränkung nötig war. Ich habe dies wie folgt getan: Im Zentrum steht natürlich das sowohl die städtische Überlieferung wie die aller geistlichen Institute vereinigende Goslarer Urkundenbuch 36 , dessen ca. 4000 Stücke des Zeitraums zwischen 1186, der Gründung Neuwerks, und 1400, dem Auslaufen des Urkundenbuches, hier als zugänglicher ‚Bestand‘ betrachtet und unter verschiedenen agrargeschichtlichen Gesichtspunkten bearbeitet und gedeutet wird 37 . Ebenso vollständig und systematisch habe ich dann nur noch die Urkundenbestände des Benediktinerinnenklosters Stötterlingenburg 38 und des Kollegiatstifts St. Pauli 39 in Halberstadt einbezogen. Beide Bestände flankieren gewissermaßen die Goslarer ‚Reihe‘. Alle anderen Urkundenbücher - Halberstadt. Braunschweig und 36 GUB 1 (922-1250), Halle 1893, 2 (1251-1300), Halle 1896, 3(1301-1335), Halle 1900, 4(1336-1365), Halle 1922, 5 (1366-1400), Berlin 1922, Bd.1-4 enthalten gute Register des Hg. G. Bode; zu Bd. 5 hat Th. Tappen nachträglich ein Orts- und Personenverzeichnis (Goslar 1956) erstellt. 37 Daß das GUB von - unerkannten - Fälschungen nicht frei ist, hat K. Frölich, Stand und Aufgaben der Goslarschen Geschichtsforschung, in: ZHV 64, 1931, S. 31 dargetan. Seine Hinweise wurden berücksichtigt. Erst neuerlich sind Ergänzungen hinzu gekommen: z. B. G. Cordes, Neuwerker Kopialbuch, S. 264. Welche Tragweite der Fund von mehr als 1000 - z. T. stark beschädigten - Briefen (zwischen 1375 und 1425) in den Fußbodendielen des Goslarer Rathauses 1973/ 4 - sie sind noch nicht archivalisch aufgearbeitet - für das hier verfolgte Thema hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Vgl. W. Hillebrand, Einführung in die Geschichte und Bestände des Stadtarchivs Goslar, Goslar 1979, S. 18, 24. 38 Die Urkunden des Klosters Stötterlingenburg. Im Auftrage d. Harzvereins f. Geschichte u. Altertumskunde bearb. von C. v. Schmidt-Phiseldeck (= Geschichtsquellen d. Provinz Sachsen, Bd.4), Halle 1874 (zit. UBStött). 39 Urkundenbuch der Collegiat-Stifter S. Bonifacii und S. Pauli in Halberstadt, bearb. v. Gustav Schmidt (= Geschichtsquellen d. Provinz Sachsen, Bd. 13), Halle 1881, S. 289ff. (zit. UBSPH). 27 Hildesheim 40 , dazu manche zu einzelnen Institutionen 41 oder Familien 42 - sind nur ergänzend konsultiert. Ob dieser - einerseits arbeitsökonomisch, andererseits methodisch - begründete Ausschluß gerechtfertigt ist, muß die Folgeforschung zeigen. Wichtige Dienste leisten die St. Blasius-Rechnungen des 14. Jahrhunderts, auf die schon hingewiesen wurde 43 . Um hier den Weg sinnvoller Beschränkung zu gehen, habe ich die Auswertung auf eine Auswahl der Angaben über 13 Orte begrenzt 44 . Das Auswahlprinzip ist das der räumlichen Nähe zu den Neuwerker Gütern, nicht der Inhalt. Dieses Material ist sowohl für syn- und diachrone Zwecke gut zu nutzen 45 . Ohne Seitenblicke auf normative Quellen ist bei einer solchen Untersuchung wie dieser nicht auszukommen. In Frage kommt, da frühe Weistümer fehlen, insbesondere das Landrecht des Sachsenspiegels 46 , von dessen Wirken im 14. Jahrhundert man genügend Zeugnisse hat 47 . Leider gibt es noch keine Untersuchung 40 Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, hg. v. Gustav Schmidt, Bd. 1-4 (= Publicationen aus den Kgl. Preußischen Staatsarchiven, Bd. 17, 21, 27, 40), (1883-89) Neudr. Osnabrück 1965 (zit. UBHHa); Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 1-2 hg. v. Ludwig Hänselmann, Braunschweig 1873/ 1900, Bd. 3-4 hg. v. Ludwig Hänselmann und Heinrich Mack, Braunschweig 1895/ 1912 (Neudruck Osnabrück 1975) (zit. BrUB); Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, T.1 hg. v. Karl Janicke, 1896 (= Publicationen aus den Kgl. Preußischen Staatsarchiven, Bd. 65), T. 2-6 bearb. v. Hermann Hoogeweg, 1901-1911 (= Quellen u. Darstellungen z. Geschichte Niedersachsens, Bd. 6, 11, 22, 24, 28) (zit. UBHHi). In dem Verzicht auf systematische Berücksichtigung der Hildesheimer Diözesan-Urkunden liegt m. E. das größte Risiko, da der Einzugsbereich der Neuwerker Güter und Rechte weitgehend in die Hildesheimer Diözese fällt. 41 Z.B. die UB der Klöster Ilsenburg, Himmelpforten und Waterler sowie der Deutschordens- Kommende Langeln, der Stadt Wenigerode u. a. m. 42 Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande, hg. v. H. Sudendorf, Bd. 1-11, Hannover 1859-1883 (zit. Sud); Asseburger Urkundenbuch. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Geschlechts Wolfenbüttel-Asseburg und seiner Besitzungen, hg. v. J. Graf v. Bocholtz-Asseburg, Bd. 1-3 (1876-1905), Neudruck Osnabrück 1975 (zit. UBAss); Urkunden der Familie von Saldern 1, hg. v. Otto Grotefend (= Veröff. d. Hist. Komm. f. Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen, Bd.13), Hildesheim/ Leipzig 1932 (zit. UBSa); Das Kopial- und Lehenbuch der Herren von Oberg, in: D. Hellfaier, Oberg, S. 202-241; P.W. Behrends (Hg.), Diplomatarium monasterii S. Liudgeri prope Helmstede, in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen, Bd.3, H.1 (1836), S. 73ff., H.3, S. 65ff. 43 S. o. Anm.9 u. 10. 44 Es sind die Orte Watenstedt, Timmern, Kl. Biewende, Drütte, Ostu. Nord-Heerte, Gr.u. Kl.-Flöthe, Lobmachtersen, Bruchmachtersen, Söhlde, Lengde und Köchingen. 45 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 232ff. hat sich bei seinen Bemerkungen über die ‚Wirtschaftsverfassung‘, wie sie sich in den Rechnungen darbietet, nur sporadisch auf die Angaben zu den Inhaberschaftsverhältnissen bezogen. Hier habe ich Möglichkeiten der Auswertung gesehen, die sich auf die Praxis des Erbrechts beziehen. Daneben sind die Rechnungen für die Differenzierung der bäuerlichen Betriebe und Rentenformen nützlich. Unentbehrlich sind sie natürlich für die kurz- und langfristige Entwicklung der Zinse. 46 Ich benutze: Das Landrecht des Sachsenspiegels, hg. v. Karl August Eckhardt (= Germanenrechte. Texte und Übersetzungen, Bd.14), Göttingen 1955 (zit. SspLaR). 47 Hierzu aufschlußreich K. Kroeschell, Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit: Das Beispiel 28 über die Aspekte bäuerlicher Mentalität, die in Eikes Werk wirken 48 . Zudem ist der ständische Bezug vieler Bestimmungen nur bedingt deutlich, weil Eike nicht nur Wirklichkeit spiegeln, sondern auch werten wollte. Neben dem Sachsenspiegel ist bisweilen auch das Goslarer Stadtrecht zu konsultieren, dessen Urfassung W. Ebel auf ca. 1330, dessen 2. Redaktion auf 1351 datiert 49 . Damit sei die Aufreihung der wichtigsten Quellen, die dieser Studie zugrunde liegen, beendet. Zur Bearbeitungs- und Verwertungsweise besonders der registerartigen Quellen nur kurz: Ich habe zunächst die systematisierbaren Einzelheiten dieser Register in Tabellen geordnet 50 . Diese Tabellen sind - möglichst nach gleichem Schema angelegt - der Arbeit als Anhang beigefügt 51 . Sie dem Text einzugliedern, hätte einerseits Entscheidungen darüber erfordert, welcher Platz - bei oft mehrfacher Benutzung - für die jeweilige Tabelle der günstigste sei, den Leser zugleich zum suchenden Blättern gezwungen. Andererseits ist das ‚Mitlesen‘ von Tabellen im laufenden Text oft mißlich, da man sich leicht in ihren Datenmengen verfängt und den Lesefluß aufgeben muß. Aus dieser Entscheidung folgt die Aufgabe, den Inhalt und die Deutung dieser Tabellen dem Leser zu vermitteln - eine neue Aufgabe für mich. des Sachsenspiegels, in: VuF 23, 1977, S. 349-80, hier: 372ff.; zur Anlehnung des Goslarer Stadtrechts an den Ssp. vgl. W. Ebel, Über das Stadtrecht von Goslar, in: ders. Rechtsgeschichtliches aus Niederdeutschland, Göttingen 1978, S. 142, 148. 48 Vgl. G. Kisch, Sachsenspiegel-Bibliographie, in: ZRG GA, 90, 1973, S. 73ff.; wichtige Arbeiten für unsere Zwecke: H. Fehr, Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, in: ZRG GA 30, 1909, S. 264ff.; G. Buchda, Die Dorfgemeinde im Sachsenspiegel, in: Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, Bd. 2 (=VuF 8), Konstanz/ Stuttgart 1964, S. 7ff. K. v. Amira, Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, Leipzig 1902, I. Ausgabe, II Erläuterungen, Leipzig 1925/ 6; F.-W. Fricke, Das Eherecht des Sachsenspiegels. Systematische Darstellung, Frankfurt/ M. 1978; K. Bischoff, Land und Leute, Haus und Hof im Sachsenspiegel, in: Jahrbuch f. niederdeutsche Sprachforschung 91, 1968, S. 43ff. 49 W. Ebel (hg.), Das Goslarer Stadtrecht, Göttingen 1968 (zit. StRG); zur Datierung: S. 7ff. 50 Ordnungsarbeit dieser Art bedeutet von Tabelle zu Tabelle oft ganz Verschiedenes. Den Inhalt einer kleinen Lehnsurkunde zu tabellieren, mag schnell erledigt sein. Die Entwicklung von Hufenzinsen der gleichen Hufen während eines Jahrhunderts oder aller Hufen, die in einem Gesamtbestand von ca. 4000 Urkunden in einem Zeitraum von gut 200 Jahren greifbar sind, tabellarisch klar zu erfassen, erfordert ganz andere und aufwendigere Arbeitsgänge, über die ich mir wenig klar war, als ich damit begann. Fragen, die während dieser Arbeit auftauchten, hat W.H. Schröder mir immer gern beantwortet. Ich habe aus folgenden Einführungsbüchern gelernt: R. Floud, Einführung in quantitative Methoden für Historiker, Stuttgart 1980; Hans Riedwyl, Graphische Gestaltung von Zahlenmaterial, Bern/ Stuttgart 1979. 51 Jede Tabelle wird nach ihrer Nummer, Einzelheiten werden zusätzlich nach Zeile (Z) und Spalte (Sp) zitiert. 29 3 Goslar, das Kloster Neuwerk und das Register von 1355 Um 1355 hat die Stadt Goslar in vielerlei Hinsicht einen gut 60 Jahre währenden kontinuierlichen Aufstieg hinter sich 52 . Während des Jahres 1290 waren mit dem Lehnserwerb der Reichsvogtei vom Grafen von Wohldenberg, mit der kaiserlichen Anerkennung lange unterdrückter Innungen und mit dem Kompromiß zwischen den - nunmehr zur Korporation zusammengeschlossenen - Montanen und Silvanen und den von den Kaufleuten angeführten städtischen Gilden bzw. Innungen günstige Bedingungen für eine schrittweise Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Lage der Stadt unter der Führung des vorwiegend patrizisch rekrutierten Rates geschaffen. Noch vor der Jahrhundertwende wird den binnenstädtischen Stiftern und Klöstern die Verfügung über die so wichtigen Kaufbuden und Mühlen abgerungen (1293), ohne daß es zu einer bleibenden Kluft zwischen Stadt und Kirche kommt. Zugleich geht man an den Aufbau eines städtischen Territoriums durch den Erwerb von der Stadt vorgelagerten Gebieten und die Erteilung von Rodungsprivilegien dort selbst. Die Stadt engagiert sich zunehmend in städtischen Bündnissen (1294/ 5, 1335, 1351), beginnt mit Inpfandnahmen von Burgen die weiträumige Sicherung von Umland und Straßen (1303 Lutter, 1307 Neu-Wallmoden, 1311 Seesen, 1333. Liebenburg, 1341 Vienenburg). Weitere Stationen dieser Verdichtungen des Einflusses nach außen und der Autonomie nach innen sind: die Errichtung einer städtischen Münze (1331), die von den Herzögen v. Braunschweig konzedierte Befugnis, Landwehren zu errichten (1338), die Verleihung des Heerschildrechts durch Ludwig d. Bayern (1340), der Erwerb der Gerichtshoheit über die ‚kleine Vogtei‘, das Gebiet zwischen dem südlichen Stadtrand und dem Rammelsberg (1348), sowie der schrittweise patrizische Einkauf in Gruben, Hütten und Forsten. Gekrönt wird die zunehmende Verbindung von Stadt und Berg mit der Verleihung von Zehnt und Gericht auf dem Rammelsberg an die patrizischen Sechsmannen des Berges (1356/ 59) und mit der Befugnis zur Einlösung der Goslarer Vogteigeldlehen (1357), die den Stadtsäckel belasten. Um die Jahrhundertmitte steht Goslar in der militärischen Selbsteinschätzung der niedersächsischen Städte an dritter Stelle hinter Magdeburg und Braunschweig (Gleweordnung v.1351). Etwa gleichzeitig werden in ihrer Art einmalige, für die Forschung kostbare Kompilationen des geltenden Gewohnheitsrechts erstellt: das Stadtrecht und das Bergrecht 53 . 52 Die folgenden Bemerkungen sind herausgelesen aus: K. Frölich, Die Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, in: ZRG GA 47, 1927, S. 287-486, bes. 424 ff.; E. Schiller, Bürgerschaft und Geistlichkeit in Goslar (1290-1365), Stuttgart 1912; C. Borchers, Villa und Civitas Goslar, S. 29ff., 84ff.; U. Kleist, Die sächsischen Städtebünde zwischen Weser und Elbe im 13. und 14. Jahrhundert, in: ZHV 25, 1892, bes. S. 10ff., 30ff.; A. Schmidt, Die Gewerbe der Stadt Goslar im Mittelalter, Freiburg 1922; C. Borchers, Die Landwehren der Reichsstadt Goslar, in; ZHV 64, 1931, S. 71ff.; W. Bornhardt, Geschichte des Rammelsberger Bergbaues von seiner Aufnahme bis zur Neuzeit, Berlin 1931, S. 26ff.; Art. ‚Goslar‘ in: Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. E. Keyser, Stuttgart 1952, S. 152-161; Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 35: Goslar, Bad Harzburg, Mainz 1978. 53 Hg. v. K. Frölich in: Goslarer Bergrechtsquellen des früheren Mittelalters, insbesondere das Bergrecht 30 Demgegenüber scheinen erste - nur schwer präzisierbare - Zeichen der Not weniger zu bedeuten. Vom Wirken der Pestpandemie von 1350 in und um Goslar weiß man nichts 54 . Daß die Ertragslage der Gruben im Rammelsberg sich bis 1360 peu à peu, dann aber dramatisch verschlechtert, kann man aus verschiedenen Zeugnissen schließen 55 . Am 20. März 1355 spricht Abt Eggeling von Riddagshausen die gesamte Geistlichkeit und den Rat von Goslar im päpstlichen Auftrag vom Bann frei, dem sie wegen ihrer antikurialen Parteinahme im langjährigen Hildesheimer Bischofs-Streit (1331-1354) verfallen waren 56 . Wie diese Konfliktjahre, die im Hildesheimischen schwere Schäden in Stadt und Land verursachten 57 , in und bei Goslar wirkten, ist - bislang - nicht bekannt. Die durch Graben, Wall und Mauerring gut bewehrte Stadt 58 könnte in diesen Jahren vielleicht zwischen 8000 und 10000 Bürgern und ‚Gästen‘ 59 Schutz, Bleibe und Auskommen geboten haben 60 . Das ihr eigene soziale Profil erhielt und erhält die Stadt durch den Kupfer-, Blei- und Silberabbau im Rammelsberg. Die Nähe zum Berg schloß eine für den weiträumigen Handelsverkehr günstige Lage aus. Seine wirtschaftliche Bedeutung hatte bis weit ins 13. Jahrhundert hinein die politische Präsenz des Reiches und der Reichskirche nach sich gezogen. Der politische Status als ‚Reichs‘-Stadt war davon geblieben, dazu war die Stadt durchsetzt und umgeben von Stiftern und Klöstern. So lebten in und um Goslar um die Jahrhundertmitte zusammen 61 : des Rammelsberges aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, Gießen 1953, S. 28ff. 54 Zusammenstellung des für die Region greifbaren chronikalischen Materials bei H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 207ff. Für Goslar fehlt eine zeitgenössische Chronistik, die verläßliche Nachrichten enthält. 55 W. Bornhardt, Geschichte, S. 51ff. Daß der Niedergang der Gruben mit deren bürgerlicher Inbesitznahme in ursächlichem Zusammenhang steht, hat K. Frölich, Die Verzeichnisse über den Grubenbesitz des Goslarer Rates am Rammelsberge um das Jahr 1400, in: HGbll 45, 1919, S. 124ff. erwiesen. Eine Verbindung zwischen dem Schrumpfen der Silberproduktion und dem Sinken der Grundstücks-‚Preise‘ 1339-1350 stellt H. Kindl, Kaufkraft, S. 111 her. 56 GUB 4/ 521; zur Geschichte: H. Hoogeweg, Der Streit um den Bischofssitz von Hildesheim (1331-1354), in: ZHVM 1906, S. 1-48, hier; S. 24ff., 47. 57 Hierzu B. Schwarz, Pfennigstreit, S. 9ff.; H. Kindl, Kaufkraft, S. 109ff. 58 H. Griep, Die Befestigungsanlagen, in: Führer, S. 152ff. 59 StRG 5 § 7: We mit uns nicht ne scotet, de is en gast unde nen borghere. 60 H. Stoob, Die Wachstumsphasen der Stadt Goslar bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, in: HzZ 22/ 3, 1970/ 1, S. 61 schätzt die Einwohnerzahl um 1250 auf ca.7-8000; E. Keyser, Städtebuch, S. 154 nennt für 1200 3-4000, für 1500 etwa 12000. 61 Es gibt keine Analyse des Sozialgefüges Goslars seit dem 14. Jh. Das so verbreitete Interesse für die Ursprünge hat auch im Falle Goslars nicht wesentlich über den sozialgeschichtlich so wichtigen Kompromiß von 1290 hinausgeführt. Zwei weitere Gründe mögen dazu beigetragen haben: die - im Vergleich zu vielen anderen Städten - ‚ereignislose‘ Geschichte der Stadt im 14. Jh. und die magere Überlieferung (besonders zum Handwerk und Handel). In der neueren Forschung über das Verhältnis der Reichsministerialen zu den Rittern und Patriziern (hierzu W. Petkes Auseinandersetzung mit den Resultaten S. Wilkes in; BlldtLg 109, 1973, S. 270 ff.) spielt das 14. Jahrhundert nur eine subsidiäre Rolle. Anzuknüpfen hätte eine derartige Arbeit an C. Borchers, Villa, S. 56ff. und an die Analysen des Bergrechts von W. Bornhardt, Geschichte, S. 30ff. 31 - in den meisten Haushalten Gesinde verschiedener Rechtsstellung mit mannigfaltigen Aufgaben; - vielleicht nicht mehr als 300 Bergleute (im Bergdorf oder in der Stadt): Wasserträger, Lohnhäuer, Lehnhäuer, Werkmeister und -pfleger; dazu das Personal der Schmelzhütten sowie der Treib-, Frisch- und Schlackenhütten vor der Stadt, in denen Silber, Blei und Kupfer erschmolzen wurde 62 ; - die nicht schätzbare Menge der im Rat als Minderheit vertretenen Handwerker, die, nur zum Teil zu Innungen geschlossen, vor allem für den binnenstädtischen Tagesbedarf sorgten: Bäcker, Knochenhauer, Gerber/ Kürschner/ Schuster, Schmiede; dazu die ratsbediensteten Gewerbetreibenden, besonders die Müller und Brauer 63 ; - der Kleinhandel: Krämer und Höker, sicher in die Hunderte gehend; sie beschickten den städtischen Versorgungsmarkt als Detaillisten vor allem der Importgüter 64 ; - endlich die den Rat kontinuierlich majorisierenden Kaufleute/ Gewandschneider und Münzer/ Wechsler, ein Konglomerat zum Teil eng verwandter und verschwägerter Personen und Häuser, vielleicht um die 50 Familien 65 . Dieses ‚Patriziat‘ besorgte die Wechselgeschäfte, den hansischen Export der Metalle 66 , des Gose-Biers, des Schiefers und brachte Tuch und andere auswärtige Stoffe, Gewürze, Wein, fremdes Bier und Salzbzw. Trockenfisch in die Stadt. Ob solcher Versorgungsgroßhandel auch zum weiträumigen Zwischenhandel gedieh, ist unklar, da die Heimatstadt Goslar als Ausgangspunkt hierfür wenig in Frage kam. Das Patriziat legte seine Gewinne in Häuser-, Gruben-, Hütten- und Landbesitz an und hatte sich über den Rat mit dem Rentenkauf Zins- und Kreditquellen geschaffen. Innerhalb der Stadt bestanden enge, teilweise engste Beziehungen zur letzten wichtigen Gruppe; - die Geistlichkeit: sie umfaßte 4 Stifter, 3 Klöster, 2 Kommenden, 3 Hospitäler, 5 Pfarrkirchen, 2 Brüderschaften und 5 Kapellen 67 . In der Urkunde von 1355, die diese Geistlichkeit vom päpstlichen Bann befreit - es war oben schon davon die Rede -, sind über 110 geistliche Herren und Damen 62 Hierzu: C. Neuburg, Goslars Bergbau bis 1552, Hannover 1892, S. 257ff.; F. Rosenhainer, Die Geschichte des Unterharzer Hüttenwesens, Goslar 1968, S. 38ff., 77ff. 63 Bislang ist völlig ungeklärt, warum es in Goslar nicht zur Ausbildung exportorientierter Buntmetallverarbeitung gekommen ist, obwohl Abbau und Verhüttung vor den Toren stattfanden. Auch von Textilwerkern hört man erst im 15. Jahrhundert (A. Schmidt, Gewerbe, S. 76). Zum Brauwesen: a.a.O., S. 28ff., H. Brinkmann, Das Brauwesen der Kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, Goslar 1925. 64 Ein schöner Text v. 1330 (StRG 5 § 21, S. 176ff.) zeigt dies - in Abgrenzung zu den Gewandschneidern. 65 G. Bode, GUB 4 (1336-65), S. 714 f., zählt 99 ‚Ratsgeschlechter‘. 66 Hierzu W. Hillebrand, Der Goslarer Metallhandel im Mittelalter, in: HGBll 87, 1969, S. 31ff. H. bringt Entwicklungsaspekte des Handels zum Vorschein, die bei F. Bitter, Der Handel Goslars im Mittelalter, Goslar 1940, zu kurz kommen. 67 Zusammenstellung bei G. Bode, GUB 4, S. 683-700. Zur Geschichte des Goslarer Klerus dieser Zeit: E. Schiller, Bürgerschaft, pass. 32 verschiedenster Weihegrade, Stände und Funktionen genannt - dabei fehlen noch die Konvente der Nonnenklöster Frankenberg und Neuwerk. Rechnet man diese und das Personal der in der Urkunde nicht erfaßten Kirchen, Kapellen und Gemeinschaften samt der Bediensteten aller kirchlichen Institute hinzu, dann dürften es etwa 200 Personen gewesen sein. Zu ihnen gehörten Hunderte von Bauernhöfen und Hufen im näheren und weiteren Umland von Goslar, deren Zinse den Grundstock ihrer Einkommen und Pfründen bildeten; dazu kamen Mieten, Pacht- und Rentenzinse, Gefälle aus Stiftungen für gottesdienstliche und karitative Verrichtungen. Um die Jahrhundertmitte wird schon seit einigen Jahrzehnten das Nonnenkloster Neuwerk das Lieblingskloster der begüterten und einflußreichen Bürger Goslars gewesen sein. Das genaue Datum seiner Gründung ist nicht bekannt 68 . Als 1186 Bischof Adelog v. Hildesheim die Stiftung des Goslarer Vogts Volkmar v. Goslar 69 bestätigte, müssen doch einige Jahre seit der Gründung hingegangen sein, da nun bereits die Weihe des Hauptaltars der Kirche nötig war. Schon zu diesem Zeitpunkt mit Landgut, Häusern, Buden und auch Grubenbesitz ausgestattet, vermochten Äbtissin, Konvent und Propst dann den Besitzstand kontinuierlich zu mehren 70 . Zehnte, möglichst vogteifreie Höfe und Hufen, Forsten, Hütten und Grubenanteile wurden den Rittern, Grafen und Bischöfen der Region abgekauft, dazu traten auch Stiftungen, Tauschgeschäfte, Renten von Stiftern, Klöstern, Bürgern und dem Rat in Goslar. Mit dem Ende des 13. Jahrhunderts wurden die Beziehungen zwischen dem Kloster und dem Stadtregiment immer enger. Dies kam insbesondere durch ‚Provisoren‘, immer Mitglieder des Rates, zum Ausdruck, die der Abtei als Vormunden seit 1304 vorstanden 71 . Solche Regulierung der weltlichen Geschäfte - sie bezog sich auf allen Güterverkehr, auf Verhandlungen mit Klägern und Gerichten, auf die Anlage jeglicher Vermögen, ja auch auf die Versorgung einzelner Nonnen - wahrte einerseits die Standesinteressen der Nonnen selbst. Sie stammten seit dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts vorwiegend aus den ratsfähigen bzw. alteingesessenen Bürgerfamilien der Stadt 72 . 68 Hierzu K. Steinbrück, Die Gründung des Klosters Neuwerk in Goslar und seine Entwicklung bis 1225, Halle 1910, S. 7ff. 69 S. Wilke, Reichsgebiet, S. 168, konnte klären, daß der Gründer nicht der Familie von Wildenstein angehörte (wie dies fälschlich sein späteres Grabmal in der Klosterkirche ausweist), sondern der von Goslar. 70 Vgl. die besitzgeschichtlichen Überblicke bei G. Bode in seinen Einleitungen zu GUB 1-4, dazu die Aufschlüsselungen in den Registern; aber auch schon G.F.E. Crusius, Geschichte der vormals Kaiserlichen freien Reichsstadt Goslar, Osterode 1842, S. 66f., 79f., 89, 108ff., 120ff., 134ff., 154f.; zur Frage der Ordensregel (Benediktiner/ Zisterzienser) G. Hawacker, Die Beziehungen des Klosters Neuwerk zu Ichtershausen, in: Neuwerk. Zwei Beiträge zu seiner Geschichte als Gabe an Th. Tappen z. Vollendung d. 80. Lebensjahres, Goslar 1956, S. 29ff. 71 Hierzu ausführlich E. Schiller, Bürgerschaft, S. 108ff. 72 E. Brökelschen, Wandlungen, S. 13f.; nach dem Register G. Bodes zu GUB 4, S. 690f. sind von den 31 zwischen ca. 1337 und 1363 erwähnten Nonnen 14 aus Ratsgeschlechtern, 9 aus alteingesessenen Bürgerfamilien, eine aus einer Neubürgerfamilie, je eine aus dem Halberstädter und 33 Darüber hinaus aber konnte der Rat das Gesamtvermögen der Abtei seiner Finanz- und Erwerbspolitik und der einzelner Bürger dienlich machen und halten. Versorgungsinstitut vorwiegend der von Ehe und Erbe abgedrängten Töchter der wohlsituierten Familien, reich dotierter Bezugspunkt bürgerlicher Jenseitsvorsorge und Heilsverwaltung 73 und bedeutender Krediteur für die Ratsgeschäfte - diese Verbindung charakterisiert das Kloster um die Jahrhundertmitte. Als 1363 der Generalvikar des Hildesheimer Bischofs die Goslarer Stifter und Kloster zur Entrichtung eines caritativum auxilium auffordert, ist Neuwerk mit 10 Mark am höchsten eingestuft 74 . In der Urkunde von 1355 werden die vom Bann befreiten Mitglieder des Klosters - Propst, Äbtissin, Priorin. Konvent, 2 Kapläne, 4 Scholaren, 2 Konversen und 3 Plebane - an fünfter Stelle, nach den traditionsreichen drei Stiftern Simon und Judas, Petersberg und Georgenberg und dem Nonnenkloster Frankenberg, aufgeführt. Beide Tatsachen dürften genug darüber sagen, wie Neuwerk aus der Sicht der Diözese damals dasteht. In der Aufzählung der Mitglieder wird an erster Stelle mit dem dominus Hermannus praepositus der Mann genannt, der - sicher in engstem Übereinkommen mit den Vormündern - am 6. Mai des gleichen Jahres jenes Verzeichnis abschloß, dessen agrargeschichtlicher Gehalt hier im regionalen Kontext ausführlich interpretiert werden soll. Auf die grobe Einteilung des Textes wurde oben schon hingewiesen. Er ist wirklich schwer einzuordnen: Landbesitzregister und Urbar, Register der verschiedensten Besitztitel, Pfandschaften und Zinse, Hörigenverzeichnis und Rechnung in einem. Man hat den Eindruck, als wollte oder sollte Propst Herrmann eine ebenso grundsätzliche wie aktuelle Bilanz ziehen. Sowohl im Register der ländlichen Güter wie auch im Rechnungsteil ist von Problemen die Rede: bestimmte Zinse werden nicht (mehr) entrichtet; zusätzliche Mittel müssen zur Ergänzung der Nonnenpräbenden und für Geschenke an die Burgvögte und deren Diener aufgebracht werden 75 . Wie war der Stand der Dinge? In Zahlen ausgedrückt: auf dem Land ca. 235 mansi in 30 Ortschaften (und 4 Fluren vor der Stadt), 14 Zehnte von ganzen und ‚halben‘ Dörfern; in der Stadt die Jacobi-Pfarrei, das Waghaus, 34 Häuser, 2 casae, 60 Verkaufsbuden, der große Garten zwischen Rosen- und Vititor, 17 An- Braunschweiger Bürgertum und 3 aus dem Adel (Oberg, Gowische); drei sind unbestimmbar. 73 Zwischen 1340 und 1363 werden der Abtei 13 Jahrgedächtnisse gestiftet! Seit 1334/ 5 hat das Kloster das Patronatrecht über Kirche und Sprengel St. Jacobi in Goslar: GUB 3/ 1005/ (1334), 3/ 1032/ 1335, 5/ 576/ 1385; dazu H. Gidion, Geschichte der Kirche und Gemeinde St. Jacobi in Goslar, Goslar 1963, S. 19ff. 74 GUB 4/ 793. 75 Auf diese Erscheinungen ist abschließend zurückzukommen. Im Urbarteil sind besonders die Schweinezinse betroffen. Zu den anderen heißt es (GUB 4, S. 397): Preterea notandum est, quod interim, quod status se habet secundum quod nunc, quod ad supplendam prebendam dominarum ad bonam cervisiam et ad albos panes, ad pultes, ad rapas, ad oleum et ad species et ad pisces et ad vinum et crateras, ad scutellas et ad candelas, ad lac et ad mel, quod habent in conswetudine dari sibi moniales, oportet haberi non minus quam X marce, exceptis aliquibus beneficiis, que largiuntur aliquando ad castra et advocatis principum et servis advocatorum. 34 teile an Forsten und Gehölzen im Umkreis der Stadt und im Harz 76 ; verschiedene Anteile an 41 Gruben im Rammelsberg 77 , 12 Kammern neben den ausgehenden Schächten auf dem Berg 78 , 8 Hütten mit ihren Waldanteilen am Harzrand zwischen Astfeld und Langelsheim und die Innerste aufwärts in den Harz hinein 79 . Die realen, oder besser aktuellen Erträge all dieser Güter sind nicht verzeichnet. Gewissenhaft aber notierte der Propst Zinse, die - unter verschiedenen zeitlichen Bedingungen - den Eigentümern gepachteter Güter oder Rentnern zu entrichten sind: an Ewigzinsen knapp 16 mc, an - frei kündbaren - weddeschat-zinsen ca. 60 mc. Die per mortem sich erledigenden Geld- und Getreiderenten lassen sich nicht klar addieren 80 . Zieht man noch die Verpfändungen hinzu, dann ergibt sich das Bild einer komplexen Finanzsituation: über 800 mc sind dem Kloster ‚kreditiert‘, dafür ist es mit über 150 mc Zinsen-, Renten- und Pfründen-‚Dienst‘ belastet 81 . Ein beträchtlicher Teil dieser Ausgaben ist im Neuwerker Landbesitz ‚gesichert‘, Teile der Güter in 4 Dörfern sind verpfändet 82 . Dazu kommen noch die 112 mc, die für die Bewirtschaftung der Klosteranlage, der Vergütungen der familia, der standesgemäßen Versorgung der Nonnen und andere Zahlungen aufgebracht werden mußten 83 . 76 Die Verteilung der Anteile: 6/ 6, 1/ 8, 2/ 9, 6/ 12, 2/ 24; weiter Anteile an den Wäldern Ek, Parken und Dornden zwischen Dörnten, Hahndorf und Immenrode; die Angaben des Registers hat Propst Herrmann einerseits einer Aufstellung von 1340 (GUB 4/ 126) entnommen, andererseits ex ore Hertzonis de Barum et ex ore Boten de Osterrode, qui ista multis annis custodiverunt (GUB 4, S. 393); hierzu H. Denker, Der Waldbesitz des Klosters Neuwerk im Oberharz nach den alten Urkunden, in: ZHV 51, 1918, S. 22ff.; K. Frölich, Die Besitz- und Herrschaftsverhältnisse in der Waldmark bei Goslar bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Abhandlungen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, FS. A. Zycha, 1941, S. 123ff. 77 W. Bornhardt, Geschichte, S. 31 schätzt die Zahl der Gruben im Rammelsberg in dieser Zeit auf ca. 100 (s. das Verzeichnis a.a.O., S. 302ff). So hätte Neuwerk Anteile an fast der Hälfte der Gruben gehabt! Die Verteilung der Anteile: 2x ganze Gruben, dann 25/ 2, 2/ 3, 9/ 4, 4/ 8, 28/ 16, 8/ 32; die Gruben dürften vom Konsortium der Anteiler an Werkpfleger ausgegeben gewesen sein. Sicher waren nicht alle Gruben gleichzeitig in Betrieb. Schon so läßt sich die Parzellierung der Anteile verstehen. Im übrigen folgt sie - analog der Gewohnheiten im Fernhandel - den Prinzip der Risikoverteilung. 78 Die Kammern dienten (W. Bornhardt, a.a.O., S. 38) der Aufbewahrung der Arbeitsgeräte und des zutage gebrachten Gezähes bzw. Erzes, das der Verteilung harrte. 79 Zu den Hütten s. den Katalog bei F. Rosenhainer, Geschichte, S. 56-77, Nrn. 11, 21, 30, 33, 56, 67, 100. 80 GUB 4, S. 394-396. 81 Diese Zahlen sind reine Annäherungswerte. Viele Angaben in den hier gedeuteten Abschnitten sind äußerst unvollständig, wohl sicher deshalb, weil Propst Herrmann die ‚Unterlagen‘ fehlten. Vieles wird ja vom Rat und von den Vormunden abgemacht worden sein. 82 Die Güter bzw. Einkünfte in 14 Dörfern sind auf diese Weise in die ‚Kapitalwirtschaft‘ des Klosters einbezogen. Es besaß im Ganzen Güter in gut 30 Dörfern; also etwa die Hälfte der Orte ist betroffen. 83 GUB 4, S. 396f. 35 Das dem Register angefügte Verzeichnis der progenies der Abtei, wohl zeitlich geschichtet 84 , nennt ca. 50 Personen mit ihrer Familie, ihrem Aufenthaltsort, ihren Zinsen 85 . Hier ist nicht zu entscheiden, ob der Inhalt dieses Registers es erlaubt, das Kloster im Vergleich zur Ausstattung anderer Institute Goslars oder der Region als ‚reich‘ zu bezeichnen. Man hat aber den Eindruck, daß es, so eng auf die materiellen und spirituellen Interessen von Rat und Patriziat ausgerichtet, eben auch deren Wirtschaftsweise ausdrückt. An dem nicht-agrarischen Besitz, an der Finanzsituation ist dies gut ablesbar. Und an der Struktur und Nutzungsweise des ländlichen Besitzes? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es sorgfältiger Analyse der Einzelheiten. 4 Der Neuwerker Besitz im Westharzvorland Ohne einige Hinweise auf die naturräumlichen Rahmenbedingungen bäuerlichen Lebens in dieser Region und auf die historische Gestalt des Landes kann die Interpretation nicht auskommen. Der Einzugsbereich der Neuwerker Güter deckt sich mit den von der Geographie ermittelten naturräumlichen Landschaften des östlichen Innerste-Berglandes, dem Südrand und -zipfel der Braunschweig-Hildesheimischen Lößbörde, dem Südwestzipfel des Ostbraunschweigischen Hügellandes und dem Westrand der Harzrandmulde 86 . Die Bodengestalt ist vielgliedrig: schmale, in der Regel zwischen 250 und 300 m hohe Höhenzüge umrahmen, meist in Nord-Südbzw. Nord-Südost-Richtung liegend, schwachgewellte Beckenlandschaften, durch die die vom Harz kommenden, teilweise schiffbaren Flüsse sowie deren Nebenflüßchen oder Bäche führen. Im Norden, jenseits der Fuhse, und im Osten, jenseits von Oker, Fallstein und Ecker und in West-Ost-Richtung geteilt durch das ‚Große Bruch‘ mündet die Landschaft in Großräumigkeit. Die Spitzen der Höhenzüge ragen als tertiäre Bildungen sehr verschiedener Zusammensetzung hervor aus einer dichten 0,5-2 m mächtigen Decke diluvialer Ablagerung von Löß, der 84 Der zweite Absatz des Verzeichnisses (GUB 4, S. 397) ist zeitgleicher Zusatz. 85 Die Personen sind über 10 Orte verteilt, die Zinse erbringen zusammen: an Geld 4 ½ mc, 11 s, 3 d; an Getreide 6 ch, 36 md, 1 ½ mdl. 86 E. Meynen u.a. (Hg.), Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands, Bd.1, Bad Godesberg 1953-62, S. 598ff., 769ff., 777ff.; nützlich sind auch die Überblicke von W. Meibeyer, Die Landesnatur, in: R. Moderhack (hg.), Braunschweigische Landesgeschichte im Überblick, Braunschweig 1976, S. 1ff.; K. Mittelhäusser, Die Natur des Landes, in: H. Patze (hg.), Geschichte Niedersachsens, Bd.1, Hildesheim 1977, S. 145ff., 151ff.; für das Gebiet nördlich von Goslar bis zur Warne: W. Bornstedt, Die Siedlungen nördlich des Oberharzes, in: Jahrbuch d. Geogr. Gesellschaft zu Hannover 1930, S. 16ff.; für den westlich anschließenden Raum: F. Günther, Der Ambergau, Hannover 1887; J.K. Rippel, Die Entwicklung der Kulturlandschaft am nordwestlichen Harzrand, Hannover 1958. Ohne den ständigen Blick auf die einschlägigen Blätter der beiden historischen Kartenwerke, die Gaußsche Landesaufnahme (Fürstentum Hildesheim 1827-1840) und die Karte des Landes Braunschweig im 18. Jahrhundert, war nicht auszukommen. 36 nur am unmittelbaren Harzrand in schotterige Lehme, in den Talauen in alluviale Sande übergeht. Nicht nur die vorwaltende Bodenform, auch das Klima „begünstigt die landwirtschaftliche Nutzung“. Dazu kommt eine Vegetation, die auf den Höhen und Hängen vom Laubmischwald mit Bevorzugung der Buche bestimmt gewesen ist. Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn, so kann man wohl sagen, waren von der Natur gut ausgestattet. In die historisch-politischen Grundlagen des Landes, in dem sie lebten - Fernstraßen und Wege, Archidiakonate, Pfarrorte, Klöster, Burgen, Marktflecken, Zollstätten, Dingstätten, und alle lokalen Güter im Gemenge mit denen anderer weltlicher und geistlicher Herrschaften - lässt sich am besten am Leitfaden der Aufzählungsfolge des Landgüterregisters Propst Herrmanns einführen, weil es durchaus an eine Reiseroute denken lässt. Ob er das Verzeichnis und Urbar wirklich von Ort zu Ort reisend erhoben hat, sei dahingestellt 87 . Karte 1: Hufenbesitz und Zehntrechte Neuwerks im Westharzvorland (1355) 87 Sicher hat Propst Herrmann aus Urkunden geschöpft. Da in ihnen aber so gut wie keine Rentenangaben enthalten sind, muß er weitere ‚Unterlagen‘ gehabt haben. Die zeitgenössischen Besitzregister und Urbare geben nur ganz selten Einzelheiten über ihre Entstehung preis. Nur aus dem Güterverzeichnis der Hildesheimischen Dompropstei von 1382 geht klar hervor, daß die Litonen befragt wurden (UBHHi 6/ 545, S. 397 pass.). Vielleicht wurde der Meierding dazu benutzt? Bei H.-D. Illemann, Besitzrechte, konnte ich allerdings nichts dazu finden. Goslar Goslar Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ HARZ R.-W.W. heutiger Wald heutige Ortschaft heutige Wüstung Burg Kloster Archidiakonat Goding Meierding Markt Gewässernetz Dorf mit Neuwerker Besitz Gr. Heere Zehnt (ganz, halb) Neuwerker Hufenbesitz 5 20 Beschreibungsfolge im Register (1355) 0 1 2 3 4 5 km 37 Das Inventar - nun verstanden als Weg 88 - beginnt mit bzw. in Jerstedt. Es ist ein für die Region typisches Haufendorf in typischer Lage: als Nest längs eines zur Innerste führenden Baches, 2 km vom eigentlichen Flußtal entfernt. Jerstedt ist Pfarrdorf wie sehr viele, aber nicht alle Orte ringsum und gehört zum Bann des Archidiakonats Haringen 89 der Hildesheimer Diözese. Es liegt an der Straße nach Hildesheim, gut geeignet zur Erhebung von Zöllen. 1355 ist es gerade ein Jahr her, daß Bischof Heinrich von Hildesheim zwar auf die von der Liebenburg aus erhobenen Geleitgelder und Zölle weiter im Norden verzichtet, nicht aber auf die kopenpenninghe in Jerstedt, Weddingen und Langelsheim, Dörfern dicht vor den Toren Goslars, an wichtigen Straßen liegend, die in die Stadt führen 90 . In Jerstedt ist - schon eine Zeit zurückliegend - auch ein Meierding des Goslarer Domstifts bezeugt, das grundherrliche Gericht, in dem die Litonen, herrengebunde Bauern dieser Zeit, zu Recht und Strafe kommen 91 . Sechs Hufen und zwei Höfe in Jerstedt sind im Neuwerker Besitz. Etwa 4 km südwestlich dann Langelsheim jenseits der Innerste, der zweite Ort des Registers. Durch Langelsheim, wo Neuwerk 5 ½ Hufen, 2 Höfe und den Zehnten hat, führt die Straße am Harzrand entlang nach Seesen. Die Innerste harzeinwärts sind die Hütten Neuwerks konzentriert. Durch das Luttersche Becken am Radberg vorbei - 4 km im Norden das ‚feste Haus‘ Lutter, von dem aus die Bauern der Umgebung (Jerstedt ist bezeugt 92 ) geschirmt und gerichtet werden - führt der Weg südlich von Nauen über die 88 Vergl. Karte 1. Angeregt zu dieser Darstellungsform haben mich: F. Zobel, Das Heimatbuch des Landkreises Goslar, Goslar 1928; W. Berges, Zur Geschichte des Werla-Goslarer Reichsbezirks vom neunten bis zum elften Jahrhundert, in: Deutsche Königspfalzen, Bd.1 (=Veröff. d. Max-Planck-Instituts f. Geschichte, Bd.11/ 1), Göttingen 1963, S. 114-131; B. hat plastisch die Verschiedenartigkeit der Besitzverhältnisse in den Kleinräumen herausgearbeitet. S. 130 faßt er zusammen: „Das Gesamtbild der Landschaft um Werla Goslar zeigt… zur Zeit der Fuldaer und Corveyer Traditionen und in den Urkunden des hohen Mittelalters ähnliche Züge, und zwar besonders in den Altsiedelgebieten. Aus einer nicht abschätzbaren Masse freien Kleinbesitzes heben sich Ortsherren von nur lokaler Bedeutung und Großgrundbesitzer mit weitausgreifenden Interessen hervor, und auf die Vororte der Grundherrschaften, auf befestigte Adelshöfe, die Walhöfe, Turmhöfe, Dikhöfe oder ähnlich heißen, und später auf ihre Eigenkirchen mit Turmwehr ist das Land in kleinräumiger Gliederung orientiert“. Dazu kommt dann noch das Reichs- und Reichskirchengut (S. 131-36). 89 J. Machens, Die Archidiakonate des Bistums Hildesheim im Mittelalter, Hildesheim/ Leipzig 1920; zur Frühgeschichte M. Erbe, Studien zur Entwicklung des Niederkirchenwesens in Ostsachsen vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, Göttingen 1969. 90 GUB 4/ 506/ 1354. Der Zollverzicht betrifft Ringelheim, die Liebenburg selbst und (Werla-) Burgdorf. 91 GUB 2/ 497 (1295-1296); über die älteren Meierdinge ist keine Monographie verfügbar; Einzelheiten zu Hildesheimer Grundherrschaften bei H.-D. Illemann, Besitzrechte, S. 11ff. 92 GUB 4/ 158/ 1341; die Pertinenz der Burg wird sehr schön deutlich in der Urkunde der Herzöge v. Braunschweig v. 1323 (Sud 1/ 374): use hus to L. … mit gherichte, mit gheleyde, mit tolen, mit voghedie, mit lůden, mit vorste, mit ackere, mit holte, mit velde, mit watere, mit weyde, mit alleme rechte un mit aller nůt. Zur Burg Lutter D. Hellfaier, Oberg, S. 72ff.; an dieser Stelle sei auf das Burgen-‚Handbuch‘ der Region verwiesen: F. Stollberg, Befestigungsanlagen im und am Harz von der Frühgeschichte bis zur Neuzeit, Hildesheim 1968, zu Lutter: S. 249. 38 Neile und den Osterkopf ins Bockenemer Becken nach Jerze; ein Kirchdorf, in dem vorwiegend die Schwestergemeinschaft des Klosters Frankenberg begütert ist. Neuwerk besitzt hier den Zehnten. Dann geht es weiter in den Ambergau hinein über die Nette nach Störy, dem westlichen Außenposten, mit 6 Neuwerker mansi am Ort. Die fünfte Station ist der Pfarrort Baddeckenstedt. Der Weg dorthin geht vorbei an dem Markt-Flecken Bockenem, die Nette abwärts links vorbei am Wohldenberg, dem Sitz des wichtigsten Adelsgeschlechts des Harzvorlandes seit dem 12. Jahrhundert 93 , nun schon lange mit Vögten des Bischofs von Hildesheim besetzt. Kristallisationskern eines der späteren Ämter 94 . Auch Baddeckenstedt wird dazu gehören. Der Zehnt und der Zins von 4 mansi dort geht an Neuwerk. Das Pfarrdorf liegt am nordöstlichen Fuße des Hainberges, dort, wo die Innerste zwischen Hainberg und Rasteberg hindurch das Ringelheimer Becken nach Nordwesten verläßt, ebenso wie die Straße von Halberstadt und Goslar nach Hildesheim. In der fruchtbaren Kammer des Salzgaus nördlich von Ringelheim ist das Kloster Neuwerk dichter begütert: nach Baddeckenstedt werden (wahrscheinlich Groß-)Heere am Osthang des Hainberges mit 4 mansi, dann Klein- Elbe zwischen Innerste und Hengstebach mit 4 Hufen und dem Zehnten und das heute wüste 95 Gruonstedt etwa 3 km östlich mit 4 Hufen und dem Zehnten im Register aufgeführt. Von dort aus südwärts liegt Söderhof mit Neuwerker Zehnt und 5 mansi, jenseits der Innerste Groß- und Klein-Sehlde (heute wüst) mit insgesamt 25 mansi, Zehnt und anderen Rechten. In Gr. und Kl. Sehlde ist um 1300 ein greveding bezeugt 96 . Gewissermaßen umgangen wird dabei der alte Klosterort, Gogerichts- und Archidiakonatsitz Ringelheim. Die nächste Besitzstation ist dann - nach Überquerung der Neile - Alt-Wallmoden, das Gutsdorf der ehemaligen Reichsministerialen v. Wallmoden, dem langlebigsten Geschlecht der Gegend. Neuwerk hat dort den Zehnten und einen kleinen Hof (area). Zwei Dörfer (Upen und (Ost-)Haringen) weiter südöstlich folgt dann Dörnten, der Pfarrort am Osthang des Salzgitterschen Höhenzuges, eines der größten Dörfer im südlichen Salzgau. Dort hat das Kloster mit dem halben Zehnten, 20 Hufen, 5 Höfen und 4 areae einen Besitzschwerpunkt. Von hier stammen die Ritter, Edelherren von Dörnten, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts auch 93 Hierzu die Monographie von W. Petke, Grafen, bes. S. 418f. 94 H.-W. Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, Göttingen 1932, S. 63ff. 95 Hierzu F. Zobel, Heimatbuch, S. 60f. Die Orientierung über die abgegangenen Orte oder Fluren des Untersuchungsbereichs ist recht schwierig, da es bislang nur ein geschichtliches Ortsverzeichnis gibt, das diesen Raum, wenigstens in kleinen Teilen, erfaßt (H. Kleinau, GOV: Lütterer Becken, Leragau nördlich der Warne, die Räume um Achim und Harlingerode östlich der Oker). Alles andere muß aus den Urkunden selber, den Angaben bei F. Zobel, W. Bornstedt, E. Jacobs (Wüstungskunde des Kreises Wernigerode), W. Evers (Wüstungen des Hildesheimer Landes) und den Hinweisen zusammengesucht werden, die die Register bei Petke, Grafen, S. 487ff., Wilke, Reichsgebiet, und Hellfaier, Oberg, S. 178ff. enthalten. Eine Verkartung habe ich in Karte Nr.1 versucht. 96 GUB 2/ 414/ 1290; 2/ 563/ 1299; 2/ 592/ 1300. 39 als Patrizier der Stadt Goslar belegt sind - ein Beispiel dafür, wie schwierig die Abgrenzung beider Gruppen von einander ist. Nach Weddingen dürften, um die Fischerköpfe, die Vierberge und die Meseburg herum die Nachbarschaftswege geführt haben, die Dörnten, Hahndorf, Ebelingerode (heute wüst) und Immenrode verbanden. Weddingen, am Schnittpunkt der Goslar-Braunschweigischen Straße mit dem alten Heerweg zwischen Hildesheim und Quedlinburg zwischen dem Harliberg und dem Salzgitterschen Höhenzug gelegen, ist in dieser Zeit bereits weitgehend in der Hand des Deutschen Ordens, der hier seit dem beginnenden 13. Jahrhundert Landgüter erworben hat. Neuwerk hat hier 7 Hufen mit mehreren Höfen. Die folgenden sieben Orte im Register liegen im Leragau, zwischen dem Salzgitterschen Höhenzug und dem Oderwald. Zunächst Gr. Mahner vor der Gitterschen Pforte. Der Weg dorthin von Weddingen aus führt an der 1302 vollendeten Liebenburg vorbei, einem der wichtigsten Hildesheimischen Stützpunkte gegen Braunschweig, Ausgangspunkt des späteren Amtes Liebenburg, zu dem auch Gr. Mahner gehören wird 97 . Vier Hufen und 7 areae zinsen dort für Neuwerk. 2 km ostwärts jenseits der Warne dann Ohlendorf mit 7 Hufen, 2 km nordwärts Flachstöckheim, dann Lobmachtersen seitlich der alten Fuhse. In diesen Kirchdörfern, die bereits zum Bann von Barum gehören Neuwerk zusammen 17 mansi, 2 curiae, 3 areae. Gut 5 km weiter nördlich die 4 Hufen in Watenstedt, dem nördlichen Außenposten des Klosterbesitzes am Rande der Braunschweig-Hildesheimer Börde, in enger Nachbarschaft mit dem Grundbesitz des Braunschweiger St. Blasius-Stifts. Das Gleiche gilt für die zehn Hufen und Höfe in Gr. Flöthe am Westhang des Oderwaldes und die fünf Hufen in der (heute wüsten) Flur von Meierdingerode ein paar km südwärts. In Gr. Flöthe besitzt Neuwerk das Patronat über die alte Pfarrkirche, im kommenden Jahr 1356 werden die Bauern des benachbarten Kl. Flöthe, bislang kirchgängig nach Gr. Flöthe. sich vom Bischof von Hildesheim die Errichtung einer eigenen Pfarrkirche bestätigen lassen, die unter Neuwerker Patronat steht 98 . Durch den Oderwald über den Klosterort Heiningen und die Oker bei Börßum geht die Straße nach Achim im südöstlichen Zipfel der Schöppenstedter Börde, wo Neuwerk mit dem Zehnten und zwei Hufen begütert ist. Nur 3 km südwärts jenseits des Großen Bruches liegt an der Nordspitze des Kleinen Fallstein der Burgflecken Hornburg. Das Burglehen und viele Hufen und Höfe der Umgegend sind in der Hand der Asseburger, eines Geschlechts, das schon viel ‚Geschichte‘ hinter sich hat. Die Güter und Rechte, die Neuwerk in Rhoden, Osterode und Ziesel (heute wüst) hat - zusammen 12 mansi, 1 curia, 1 area und das Patronat in Ziesel -, liegen also in enger Nachbarschaft mit denen der Asseburgischen Bauern. Die Güterbeschreibung wird fortgesetzt mit den 16 Hufen und 3 Höfen in Beuchte, einem alten Haufendorf im Winkel zwischen Wedde und Harliberg 97 H.-W. Klewitz, Studien, S. 67; F. Stollberg, Befestigungsanlagen, S. 243ff. 98 GUB 4/ 538. 40 an der Straße Goslar-Braunschweig. Eine bedeutende Besitzgruppe also, die das Kloster seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorwiegend von Ritterfamilien gekauft hatte. An dieser Straße dann auch die beiden (später wüsten) Orte Alvessem mit 6 Hufen und 2 Höfen sowie Kl. Schladen mit dem halben Zehnten. Vielleicht hat das Dreieck zwischen Harliberg, Wedde und Oker schon zu dieser Zeit in den Einflußbereich der seit 1341 Hildesheimischen Wasserburg Wiedelah am Durchbruch von Oker und Ecker zwischen Harliberg und Finkenheerd 99 gehört. Im 5 km nordwärts gelegenen (Werla-)Burgdorf, in dem Neuwerk 10 Hufen innehat, sind vor allem die Reichsministerialen v. Burgdorf begütert. Nach dem Lehnsbrief von 1357 haben sie: funf hoven ¼ und daz kirchlehen mit allem nutz und vogetie, den markt und geriecht in dem dort und wicbeldis recht und holzgrafschaft doselbes und das graz 100 . Vier Jahre zuvor hatten der Bischof v. Hildesheim und das Domkapitel die Wasserburg Schladen vom letzten Grafen von Schladen gekauft 101 . Von hier aus entsteht dann das Amt Schladen, zu dem auch das Dorf Gielde an der Warne gehören wird, in dem Neuwerk 1355 den Zehnten, stattliche 16 mansi und 2 areae besitzt. Kirchenrechtlich gehört das Pfarrdorf in den Bann von Neuenkirchen. Letzte Dorfregister-Station ist Immenrode, eines jener großen Haufendörfer, die Goslar im Abstand von etwa 5-6 km wie ein Kranz umgeben. Der Weg führt von Gielde geradewegs über Wehre und Weddingen dorthin: der Zehnte, 16 Hufen und 4 Höfe gehören der Abtei, dazu Waldanteile, eine Mühle, ein Fischteich und, etwas Seltenes, die Vogtei. Die Masse dieser Güter stammt aus dem alten Königsgut, mit dem Heinrich IV. 1086 den Hildesheimer Bischof beschenkt hatte 102 . Von hier oder von Dörnten aus dürften die 6 Hufen in der waldumgebenen Flur von Döhrenhausen (jenseits der Meseburg und der Vierberge) genutzt worden sein, da schon um 1319 zwei jener Hufen in campis ville quondam Dornedhehusen gelegen hatten 103 . Beschlossen wird das ‚Land‘-Register mit 26 Hufen, gelegen in der Stadtflur innerhalb der Landwehr oder im Vorfeld der Stadt 104 . Dieser kurze Umgang hat die wichtigsten Elemente des ‚Landes‘ aufscheinen lassen, in dem der Propst von Neuwerk dessen Landgüter und Rechte verortet wußte: - eine großräumige Landesherrschaft im Werden, von Burgen an strategisch wichtigen Plätzen ausgehend; - ein bodenständiger, aber stark fluktuierender und geschichteter Adel, der sich neben Allodialgut auf Lehnsbesitz verschiedenster Art stützen kann, welcher aber landesherrlichen (Burg-)Dienst impliziert; enge Beziehungen zum Stadtpatriziat können hinzukommen; 99 H.-W. Klewitz, a.a.O., S. 72; F. Stollberg, a.a.O., S. 428ff. 100 GUB 4/ 610. 101 H.-W. Klewitz, a.a.O., S. 70f.; F. Stollberg, a.a.O., S. 365ff. 102 W. Berges, a.a.O., S. 133; Neuwerk kauft einen Teil dieser Güter als ehemals Hildesheimische Lehen von den Grafen von Schaumburg: GUB 3/ 41/ 1303. 103 GUB 3/ 484. 104 Olhof 12, Propsteiburg 4, ante civitatem 12 Hufen. Hierauf ist zurückzukommen. 41 - ein festgeknüpftes, aber ergänzbares Netz amtkirchlicher Versorgung und Kontrolle; - ins Land eingestreute Klöster und Marktflecken; - eine räumlich und instanzlich schwer durchschaubare Gerichtsorganisation; - eine unentwirrbare, bis in kleinste Elemente parzellierte Verteilung und Verschränkung des Grundbesitzes bzw. der Einkommenstitel zwischen Landesherren, Kirche und Adel und aufs Land ausgreifenden Bürgern. Und zudem ist ihre Verteilung in ständigem Fluß zu denken. 105 Diese Komponenten zusammen bilden den räumlich-institutionellen Rahmen für die Lebensweise der Neuwerker Bauern und ihrer Nachbarn. Karte 2: Lokale und regionale Gemengelage der Güter geistlicher Institutionen (Urbare) im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) 105 Die Karten 2 und 3 (auf der folgenden Seite) sollen der groben Veranschaulichung dieser Verhältnisse dienen. Goslar Goslar Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ HARZ R.-W.W. Wald v. Dörnten Ortschaft St. Georgenberg Ordenskommende St. Simon u. Judas Riechenberg Hildesheim / Barum Frankenberg St. Blasius / Braunschweig Stötterlingenburg St. Michael / Hildesheim Gewässernetz Dorf mit Neuwerker Besitz Gr. Heere 0 1 2 3 4 5 km 42 Karte 3: Lokale und regionale Gemengelage adliger Güter (Lehnregister) im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) Goslar Goslar Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schladen Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Flachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel Ohlhof Weddingen HARZ HARZ HARZ R.-W.W. Gewässernetz heutiger Wald Dorf mit Neuwerker Besitz Gr. Heere Oberg O Schladen S Dorstadt D Salder Sa Wohldenberg W Regenstein R Heimberg H Burgdorf B Asseburg A Ortschaft O O O O O O O O S S S S S S S S S S S D D D D D D D D D D D D Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa W W W W W W W W W O W W R R R R R R H H H H H H H H H H H B B B B B B W B B B B B B B B A A A D B A A A O O O O O O O O S S S S S S S S S S S D D D D D D D D D D D D Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa Sa W W W W W W W W W O W W R R R R R R H H H H H H H H H H H B B B B B B W B B B B B B B B A A A D B A A A 0 1 2 3 4 5 km 43 B. Hauptteil Schon in der Einleitung hatte ich kurz angedeutet, daß der Aufbau der Darstellung einen Kompromiß ausdrückt, der zu finden war zwischen der Systematik des Begriffs ‚Bauer‘ und der Eigenart der Überlieferung. Die Gliederung der folgenden Studien ist hiervon entsprechend bestimmt. Sie kann als Abstufung des in den Quellen eher Offensichtlichen zu dem eher Verborgenen verstanden werden. Im ersten Abschnitt wird behandelt, wovon die Instanzen, die die Quellen erstellt und hinterlassen haben, selber direkt ‚sprechen‘, über den Grundbesitz. Von ihm ist wirklich ständig die Rede, in allen Quellengattungen, und dort jeweils vorrangig von ihm. Die Art, wie der Grundbesitzer - sei es der Lehnsherr, Lehnsmann, Allodist, Rentner oder Pächter - ‚seinen‘ Boden beschreibt, muß nun freigeben, welche dingliche Ausstattung für die ländliche Bevölkerung charakteristisch ist. Das Material hierzu ist - oberflächlich gesehen - erdrückend. Im zweiten Abschnitt werden Inhalt, Umfang und Rechtsform dessen untersucht, was von diesem Grundbesitz ‚fällt‘, der redditus, die zu erwirtschaftende Mehrarbeit der Bauern. Daß Grundbesitz Ertrag liefert, ist damals so selbstverständlich, daß dieser nicht grundsätzlich neben jenem genannt werden muß. Es gibt aber einen wichtigeren Grund dafür, daß die Quellenlage zur Rente schon deutlich schlechter ist: Der Ertrag schwankt, und zwar aus so verschiedenen Ursachen und so wenig beeinflußbar, daß verschriftete Kontrolle meist noch zu schwierig erscheint. Dementsprechend handeln die Quellen vorwiegend vom debitum, vom Recht auf bestimmte Rentenformen bzw. -quanta, dem bäuerlichen Soll. Die dem entsprechende Quellengattung ist das Urbar (Ertragssollregister). Selten dagegen ist die Aufzeichnung des wirklich Empfangenen, des receptus. Die Rechnung, die solche Praxis überliefert, ist Ausdruck einer Funktionsdifferenzierung bei den Rentenempfängern: Verbrauchen, Verteilen und Einnehmen sind entweder nicht mehr in einer Hand, oder sie werden über Delegierte ausgeübt, die mit den Delegierenden abzurechnen haben. Diese Funktionsteilung ist erst im Entstehen. Was also über die Rente zu ermitteln ist, wird vorwiegend die Soll- Form betreffen. Im dritten Abschnitt, der zu den Bauern, ihren Haushalten und deren wichtigsten sozialen Verbindlichkeiten führen soll, ist der direkte Zugang schon wesentlich schwieriger, weil die Bauern meist nur als Stifter des Ertrags wahrgenommen werden, nicht aber als Menschen mit eigener Lebensform. Hier kann man also die Interpretation nicht mehr am Absichtshorizont der Quellen orientieren. Indirekte, oder besser: ungewollte Aussagen werden nun wichtig. Name, Geschlecht, Verwandschaftsgrad, Herkunft, Stand müssen genannt sein, am bes- 44 ten dazu in Verbindung mit Boden und Rente, wenn man hier zu Ergebnissen kommen will. Die Quellenlage ist entsprechend diffus. Nur die - in dieser Zeit vorwiegend verdinglichter Herrschafts- und Eigentumsbeziehungen seltenen - Hörigenverzeichnisse sind als direkter Ausgangspunkt geeignet; alles ‚Weitere‘ ist Deutung, die quer zur Aussagelage der Quellen liegt. Da man die Formen bäuerlicher Arbeit erst dann konkretisieren kann, wenn sie durch den Frondienst ins Interesse der Herrschaft rücken, besteht im Rahmen dieser Untersuchung fast keine Chance hierzu, denn es gilt geradezu als Grundzug dieser Zeit, daß die Arbeitsrente (Frondienst) weitgehend verschwunden ist. Gewissermaßen als Ersatz für diesen Ausfall will ich versuchen, in der Art, wie in der Sprache der Herren die Verbindung der Bauern zum Boden ausgedrückt wird, Zeichen der Eigentümlichkeit und für Verschiebungen der ländlichen Subsistenzmentalität zu finden. Im fünften Abschnitt werden Spuren zur lokalen Organisation zusammengetragen, die vor allem an den - wenigen - Zeugnissen über innerdörfliche Konflikte ablesbar sind. Das Quellenmaterial, das sollten diese einleitenden Sätze zeigen, wird also von Abschnitt zu Abschnitt dünner und uneinheitlicher, die Interpretationsweise entfernt sich immer weiter von der Aussagerichtung der Quellen. Ist es in den ersten Abschnitten eher geboten, das, was die Quellen selber sagen wollen, so ernst wie möglich zu nehmen, so werden sie später immer mehr Mittel zum - anderen - Zweck. 45 I Hove, hoff, hus und tobehoringe: die dingliche Ausstattung 1 Mansus/ Hufe Der mansus bzw. die Hufe ist das Grundelement sachlichen Besitzes und rechtlicher Verfügung, das alle Quellengattungen beherrscht, die hier herangezogen wurden. In jedem Güterverzeichnis, Lehnsregister und Urbar, in ungezählten Urkunden stehen mansus oder Hufe obenan vor jeder anderen Güter- oder Einkunftskategorie 1 . Dies gilt ohne Unterschied des Standes: ob herzoglicher Lehnsherr oder bürgerlicher Lehnsmann, ob Grundherr oder Bauer, alle sind mit unterschiedlichen Rechten dieser Institution verbunden. Will man aber etwas genauer wissen, was sich als sachliches Gefüge hinter diesem Wort verbirgt, dann kommt man schnell in Schwierigkeiten. Stünde zur Beantwortung dieser Frage allein das Neuwerker Verzeichnis zur Verfügung, dann könnte man nur sagen: Der mansus ist eine in Dörfern vorfindliche Einheit, an der grundherrliche Erträge haften, die auf landwirtschaftliche Nutzung schließen lassen. An einer einzigen Stelle ist angedeutet, daß der mansus halbierbar ist 2 . Weiter scheint der Mansus mit anderen dinglichen Einheiten in Verbindung zu stehen, auf jeden Fall mit der curia. Endlich gehört zum mansus ein achtwort genanntes, sich auf Waldnutzung beziehendes Recht 3 . Vorwiegend also die ‚Außenverbindungen‘ des mansus werden angesprochen. Die innere Form ist in der Sichtweise dieses Besitzregisters und Urbars nicht erläuterungsbedürftig Da diese Beschreibungsform des Landbesitzes auch in den anderen Quellen gang und gäbe ist, muß es dafür einen Realitätsbezug geben. Ich sehe diesen darin, daß in den Quellen immer wieder eine Normvorstellung von der Größe der Hufe ausgesprochen wird. Diese Größennorm wird als Zahl von (Acker-)Landteilen ausgedrückt, in jugera und morghen. Die Norm, das ist längst bekannt 4 , sind 30 Morgen. Das kommt bei verschiedenen Anlässen zum Ausdruck. Herrmann von der Gowische gesteht dem rodungswilligen Kloster Frankenberg soviel Wald bei Astfeld zu, usque unusquisque mansus… triginta jugeribus compleatur 5 . Fünf Hufen bei Burgdorf gelten nur als vultellig, wenn jowelk hove heft drittich morghene 6 . 1 Ein Blick in die Hufen/ Mansus-Spalten aller Tabellen im Anhang zeigt dies überdeutlich. 2 Tabelle 1, Z.2. 3 GUB 4, S. 390 (Weddingen): quatuor areas et septem achtwert preter achtwert spectantes ad mansos specialiter in silva. 4 Für Niedersachsen: F. Engel, Mittelalterliche Hufenmaße als siedlungsgeschichtliche Quellen (1954), in: ders., Beiträge zur Siedlungsgeschichte und historischen Landeskunde, Köln/ Wien 1970, S. 123: Belege aus UBHHi: H. Kindl, Kaufkraft, S. 22f., der diese Normgröße auch durch die von ihm ermittelten Preisgrößen bestätigt sieht; für das braunschweigische Land: E. Döll, St. Blasius, S. 251. 5 GUB 3/ 261/ 1311. 6 GUB 5/ 858/ 1391; vgl. auch UBSPH 38/ 1265; UBStött 160/ 1391: es ist die Rede von einem 46 Man kann vorerst definieren: Der mansus wird als eine durch eine normierte Zahl von 30 Morgen Ackerland gebildete Fläche angesehen. Diese Vorstellung ist soweit gültig, daß die Teilung dieser Gesamtfläche nicht zum Verschwinden des Begriffes führt: Das bezeugen die halben Hufen allerorten ebenso wie die schon wesentlich selteneren Viertelhufen 7 . Der sich so äußernde Normierungswille steht aber offensichtlich im Spannungsverhältnis zur Wirklichkeit, überall sind Hufen belegt, deren Morgenzahl nicht der Norm entspricht 8 . Am klarsten läßt sich dies an der genauen Aufstellung im Fresischen Register von 1370 ablesen: In Gr. Elbe 2 km nördlich von Kl. Elbe, wo Neuwerk mit 4 Hufen begütert ist, liegen dreieinhalb Fresische Hufen, die zusammen nur 66 Morgen haben. Wie stark die Hufengröße aber allgemein auf den Fresischen Gütern schwankt, mag die folgende Zusammenstellung zeigen: Register-§ 2 4 5 6 7 10 15 17/ 8 19 23 25 26 Hufenzahl 3 3 3 3 4 3 4 4 3,5 6 4 3 Mg-Zahl 75 90 42 82 100 73 87 106 66 135 100 83 Mg pro Hufe 25 30 14 ≈27 25 ≈24 ≈22 26,5 19 22,5 25 ≈28 Sollte ein solches Bild nicht eine Wirklichkeit ausdrücken, die mit der Normvorstellung vereinfacht und damit besser verfügbar wird? Immerhin zeigt bei aller Schwankung im Einzelnen (zwischen 14 und 30 mg! ) die Häufigkeitsverteilung eher die Nähe zur 30-mg-Hufe, geht man von den Polen aus. Orientiert an diesen Werten wäre folgende Bilanz zur Größe der Hufe in unserer Region möglich: Der Normwert von 30 mg ist eher als eine Abstraktion anzusehen, die in der Praxis als oberste Grenze sichtbar wird. Unter diesem Maximalwert gibt es die breite Vielfalt eines Variationsbereiches, der in der Regel nicht unter die 20 mg- Grenze führt. Ich wage diese Verallgemeinerung auch deshalb, weil der einzige mir bekannte Versuch, über die 30 mg-Hufe hinausgehend zu typisieren, sich in diesem Bereich bewegt: Im Register der Hildesheimischen Dompropstei von 1382 werden magni, mediocri und parvi mansi unterschieden 9 , die man in der Kombination mit der Hufengrößendifferenzierung im domstiftischen Obedienzverzeichnis als 20-, 24- und 30-mg-Hufen ansehen kann 10 . hove landes, dar dre morghen ane breken. Die Aufrechnung der folgenden Aufzählung der Verteilung in der Flur ergibt 27 mg; 1 Hufe in Oberg zu 30 mg: Tabelle 38, Z.31. 7 In fast keinem Register mit Hufenangaben fehlt die halbe Hufe. Dies ist an den Hufenspalten der Tabellen ersichtlich. Viertelhufen sind wesentlich seltener: vgl. Tabelle 5a pass.; 17, Z.33ff.; 13, Z.37; 40, Z.2, 14, 15. 8 Z.B. UBSPH 33/ 1261, 35/ 1261, 62/ 1285, 91/ 1312; Besitzregister v. St. Michael v.1321: UBHHi 4/ 638, S. 346, 349. 9 UBHHi 6/ 546, S. 391ff.; zur Villikation Borsum s. Tabelle 11, Sp. mansi. 10 UBHHi 6/ Nachtrag 6 (12./ 13. Jh.), S. 989ff. 47 Die Quellen, die über die Morgenzahl der Hufen berichten, enthalten oft auch Angaben über den räumlichen Bezug der Hufenteile, also über deren Verteilung im velde 11 . An einer wirklich ins Detail gehenden Beschreibung der agri et jugera, die in campo ville Suthborch - also östlich vor den Toren Goslars - liegen und zusammen 4 Hufen ausmachen, ist nur deshalb eine ganz grobe Vorstellung zu gewinnen, weil ein beträchtlicher Teil der über 30 Flurnamen, in den verschiedene stucke oder morgen liegen, sich lokalisieren läßt 12 . Eine Verkartung ergibt folgendes Bild: Karte 4: Verteilung von 4 Hufen in der Sudburger Flur (ca.1350) Die Verteilung der Hufen-stucke ist deutlich in bestimmten Räumen konzentriert. Man kann daraus folgern, daß die Hufe in einer räumlichen Ordnung aufgeht. Leider läßt diese sich in keinem Dorf mit Neuwerker Hufenbesitz nachweisen. Aber hier hilft wieder der Fresische Besitz in Groß Elbe. Es sind dreieinhalb Hufen, de hebbe 66 morghen, in 1 velde 20 morghen unde in eneme velde 22 morghen, unde in eneme velde 24 morghen 13 . Die Gruppierung der Morgen, die auf der Sudburger Karte nur zu ‚sehen‘ war, ist hier deutlich ausgedrückt. Die Gruppierung in ‚Feldern‘ ist sogar eine relativ proportionale 20 zu 22 zu 24. In zwei Beschreibungen von Hufen in Wehrstedt, einem großen Dorf wenige km nordöstlich von Halberstadt, ist die Verteilung sogar genau proportional 14 : in 11 Z.B. UBSPH 33/ 1261: dimidium mansum in singulis territoriis sex iugera continentem. 12 GUB 4/ 383 v. ca.1350; hierzu: W. Lüders, Alte Sudburger Flurnamen, in: ZHV 67, 1934, S. 1ff. 13 Deeters, Frese, S. 12 § 14. 14 UBSPH 143/ 1385, 149/ 1391; gleiche Verteilung der mg auf die ‚Felder‘ auch bei den 6 Fre- Ausschnitt aus: A. Grundner-Culemann, Flurnamen, Beilage (die Schwärzungen des modernen Oker wurden getilgt) 48 jedem der drei Felder für beide Hufen je 10 mg. In diesen Beschreibungen wird auch klar, daß das ‚Feld‘ selbst eine komplexe Einheit ist. Ein Beispiel: eine der beiden Hufen hat in dem middelsten velde teyn morghen, der liggen dre tighen der kerken to Werstede in eneme stucke, de wenden dar in den grunt, unde eyn morghen thighen des dűvels crűcze unde twene morghen dar nicht verne an eneme stucke, de ten over den Emersleveschen wech, unde twene morghene an eneme stucke, de ten oppe de Holtemmen unde in den Quenstedeschen wech, eyn morghen aff jensit deme Sűlteberghe, de tud op den Quenstedeschen wech, unde eyn morghen de lyd bi deme anewende und tud op den Quenstedeschen wech. Leider war keine Flurkarte zu finden, die gestattet hätte, diese Beschreibung im Werstedter Raum lokal festzulegen. Aber allein aus der Wiederholung des Weges nach Quenstedt zur Kennzeichnung der Lage von drei Stücken (2, 1, 1 mg) läßt sich folgern, daß das ‚Feld‘, über das sich die 10 mg der Hufe - recht ungleichmäßig - verteilen, ein räumlich wenn nicht geschlossenes, so doch verdichtetes Gebilde ist, das aber ganz deutlich aus recht verschiedenen Teilen besteht. Sie heißen stucke oder acker 15 und dürften verschieden groß sein. Ein Schematismus wäre bei den natürlichen Voraussetzungen, die hier bestimmen, auch nicht denkbar. Der glückliche Fall einer gleichzeitigen Beschreibung mehrerer Hufen in den gleichen velden - es handelt sich um oldendorp im östlichen Vorfeld von Hildesheim - im Fresischen Register (§ 4, 5) zeigt folgende Verteilung: Feldname § 4: 3 Hufen §5: 3 Hufen (1. Feld): Inderste Wart 11,5 mg 23 mg (2. Feld): langes veld + hoch 7,5 23 (3. Feld): Botterborn/ Meer 8 19 (4. Feld): Kreyenberg/ Schild 15 17 Sie ist eine ungleiche für die beiden Hufeneinheiten. Kann man daraus verallgemeinernd schließen, daß die Morgen-Verteilung der Hufen in den Feldern grundsätzlich variiert? Vermutlich ist dies so. Auf jeden Fall - das zeigen die wenigen Belege, die hier beigebracht werden konnten - zeigt die räumliche Gliederung der Hufen auf eine überall ähnliche Ordnung des Ackerlandes, eine Gliederung in Felder, die wiederum in Stücke o. ä. unterteilt sein können. Die Verkartung 16 der Oldendorfer Feldnamen zeigt noch einmal die Grobform: sischen Hufen in Ölsburg; LeRg Halb, 1311 (Riedel, S. 473): in E. 2 iugera in quolibet campo (ähnlich S. 444, 448, 456, 460, 462); ebenso LeRg Regenstein/ Blank. 1346, Nr.186, 187; E. Döll, St. Blasius, S. 252. 15 UBStött 198/ 1432. Dort sind 2 Hufen wie folgt verteilt: im Nedervelt 15 mg auf 9 Äcker, im ander velt 12,5 mg auf 8 Äcker, im dridden velt 39,5 mg auf über 20 Äcker. In GUB 3/ 257/ 1311 ist von agri fossati et lapidibus consignati die Rede; ähnlich 2/ 578/ 1299; 2/ 510/ 1296. 16 J. Köppke, Stadtmark, hat die Informationen, die das Fresische Register enthält, nicht mehr aufnehmen können. Ich habe sie auf dem (verkleinerten) Kartenausschnitt neben seine Eintragungen gesetzt. 49 Karte 5: Feldnamen der Oldendorfer Flur (1370) Doch welche Funktion hat diese Grobform? Der ökonomische Sinn, den man natürlich vermutet, ist mir nur in einer einzigen Urkunde begegnet, in der eine Hufe in Osterwieck beschrieben wird 17 : von den 27 Morgen dieser Hufe liegen je 9 in deme brakvelde, im wintervelt und im sommervelt. Dies ist verständlich: Bei der Beschreibung einer Hufe anläßlich eines rechtsverbindlichen, auf Dauer anegelegten Aktes kann die aktuelle ökonomische Funktion der Flureinheiten, an denen die Hufe ‚beteiligt‘ ist, nicht zur Beschreibung herhalten. Deshalb haben die Felder auch meist Nummern, Lage- oder Geländenamen. Immerhin hat die ungewöhnliche Beschreibungsweise der Urkunde den wirtschaftlichen Sinn der Verteilungsform der Hufen auf den ‚Feldern‘ preisgegeben: die dörfliche Vergemeinschaftung des dreijährigen Fruchtwechsels im Ackerbau; modern ausgedrückt: die Dreifelderwirtschaft als Verbindung der Fruchtfolge von Wintersaat, Sommersaat und Brache mit einer verzelgten Flur. Die Hufe ist eine für dieses System konstitutive Anteilsgröße. Wer sie ‚hat‘, nutzt sie im Rahmen dieses Systems, des Flurzwangs. Ein eigenes Wort für diese ‚Flur‘ scheint es in dieser Zeit noch nicht zu geben. In den Urkunden wird meist nur grob zwischen dorp und veld (bzw. villa und campus) unterschieden. Nur selten fällt das Wort mark in diesem Zusammenhang 18 . Auf eines ist noch hinzuweisen. Es scheint so zu sein, daß die Summe der die ‚Felder‘ bildenden Hufen nicht mit der Gesamtfläche des dörflichen Ackerlandes 17 UBStött 160/ 1391. In UBHHa 4/ 2683/ 1362 wird die Lagebeschreibung einer halben Hufe mit der Angabe verbunden, welches Getreide gerade wo angebaut ist. 18 GUB 3/ 188/ 1308 (Harlingerode): VIII hove landes oppe der marke und by der marke… B o t t e r b o r n ( 1 4 2 1 ) (Essem) Steuerwald Oldendopper Wisch (1457) de Koppe (1502) Das Landmühlen Feld (1857) (Bischofs-) Camp (1451) langes Veld Drispenstedt Im Meer (1578) Kreygenberg (1452) In den Trift- Äckern (1857) Gosekamp (1766) Im Kneter Kampe (18.Jh) Im Sauteichsfeld (1857) Die Wellen (1583) Dam Stadtwisch (1484) boven dem Kreygenberg boven dem Botterborn Inderste Wart? Dorf Hildesheim 0 500 1000 m Auschnitt aus: J. Köppke, Hildesheim, Karte II (Hildesheims Flur im späten Mittelalter) 50 identisch ist. Immer wieder werden in den Urkunden und Registern Ackerland- Einheiten genannt, die nicht ‚verhuft‘ sind. Sie werden entweder nur in jugera oder morghen registriert oder tragen einen so sprechenden Namen wie overlant 19 . Solche Flurteile liegen iuxta campum, boven den… hoven 20 . Die Gründe für den Ausschluß aus der verhuften Flur dürften verschieden sein; gewiß spielt aber der Ausbau der Flur, einerseits am Rande zum Walde hin, andererseits in die sumpfigen Niederungen, dabei eine beachtliche Rolle. Was den Angaben des Neuwerker Registers nicht abzugewinnen war, wohl aber auch für sie gelten wird, läßt sich nun bündeln: 1. Die Hufe ist, so einfach sie von ‚außen‘ als Besitz- und Hebeeinheit erscheint, eine komplexe Verbindung von Ackerland-Einheiten (Morgen). 2. Die Morgen-Zahl variiert im Bereich zwischen etwa 20 und 30. 3. Die Gruppierung dieser Einheiten folgt einem alle Hufen des Dorfes erfassenden System, dem Mehrfruchtgetreidebau, dessen dreijähriger Zyklus eine entsprechende Grobgliederung der Flur in ‚Felder‘ nötig macht. 4. Die Variation der Anteile in den Feldern kann beträchtlich sein, neigt aber zur Proportionalität. 5. Die Anteils-Streuung innerhalb der Felder folgt wohl primär örtlichen Bedingungen wie Bodenqualität und Geländeform. 6. Die Hufe ist teilbar in halbe und Viertelhufen, und sie kann ebenso zu Mehrhufeneinheiten gebündelt werden. Größen- und Anteilsvariation, Teilung und Verbindung zeigen, daß dieses komplexe Gebilde in ‚Bewegung‘ ist. Nach welchen Kriterien dies geschieht, bleibt eine der wichtigsten Fragen, auf die eine Antwort gesucht werden muß. 2 Curia und area Neben den mansi sind die curiae und areae die wichtigsten dinglichen Besitzelemente in allen Registern dieser Zeit, so auch im Neuwerker Verzeichnis. Über den groben Sinn dessen, was mit diesen Wörtern gemeint ist, könnte man sich schnell verständigen, wenn sich ähnlich deutliche Entsprechungen im Mittelniederdeutschen fänden wie die zwischen mansus und hove. Es gibt mehrere Gründe dafür, daß dies nicht so ist. Einmal ist die Bezeichnungsrichtung der Wörter verschieden, die eine zielt auf eine qualifizierte, d. h. von Gebäuden gesäumte oder besetzte Fläche, die andere auf eine unqualifizierte. Diese Bezeichnungsart wird in den mndt. Urkunden, vereinzelt seit dem Ende des 13. Jahrhunderts, häufiger seit 1320, fast durchgehend seit ca. 1370 mit den Wörtern hof(f) und wort(h) weitergeführt. Es besteht aber kein Zweifel, daß auch die area bzw. wort eine ähnlich qualifizierte Fläche ist wie die curia bzw. der hof. Natürlich 19 Ich verweise hier nur auf die Spalten overlant, ‚Morgen‘ (mg), Jugera (jg) in den Tabellen 2, 12, 24, 36, 37, 38, 39. Weitere Belege bieten die Urkunden. 20 GUB 3/ 901/ 1331; 4/ 344/ 1349. 51 ist klar, daß der Unterschied in der Größe dieser Flächen liegt, doch war für die Zeitgenossen die mit dem Größenunterschied gegebene Funktionsdifferenz der wichtigere Sachverhalt. Diese Differenz kam zwar auch schon in der lateinischen Bezeichnungsweise (besonders des 13. Jahrhunderts) zum Ausdruck, gewann aber im Mittelniederdeutschen des 14. Jahrhunderts breitere und plastischere Gestalt. Den Prozeß der Verschiebung und Differenzierung der lat. und mndt. curia- und hof-Termini kann man gut an einer Zusammenstellung derselben im Goslarer Urkundenbestand von 1188 bis 1400 erkennen. Auswahlprinzip ist die unzweideutige Erwähnung von Mehrhufenbetrieben. Entwicklung der Hof-Terminologie der Mehrhufenbetriebe 1188-1400 (GUB) Jahr allodium curtis curia villicatio vorwerk hof meyer-hof tenethof bowhof dinghof sedelhof 1188 × 1243 × 1259 × 1260 × × 1261 × 1263 × 1284 × 1285 × 1287 × 1290 × × × 1295 × 1296 × × 1297 × 1304 × × 1305 × × × 1310 × 1312 × 1313 × 1314 × 1315 × 1317 × 1318 × 1322 × × × 1323 × 1325 × 1326 × 1328 × 1329 × 1330 × 1331 × 1334 × c) 1337 × 1338 × 1339 × 1341 × 1345 × 1347 × 1348 × 1351 a) × (×) 1355 b) × 1356 × 1357 × 52 a) Reg. Dörnten b) Reg. Neuwerk c) c. villicalis Hatte die bis ins zweite Drittel des 14. Jahrhunderts vorherrschende lateinische Bezeichnungsweise nur curia, und allodium (selten curtis und villicatio 21 ) zur Verfügung, so kommt mit dem Mittelniederdeutschen dann eine Reihe von Attributen mit recht verschiedenen Bezeichnungsperspektiven zum Vorschein, die - außer dem nicht häufig, aber früh und kontinuierlich belegten vorwerk - alle den Hof näher charakterisieren. Die Deutung dieser Attribute, das macht die zweite Schwierigkeit aus, ist nicht einfach, vor allem dann, wenn man sie entwicklungsgeschichtlich anlegt 22 . Dies ist hier zunächst nicht wichtig, da um die Jahrhundertmitte, das zeigt die Tabelle, fast alle Bezeichnungen ‚koexistieren‘ 23 . Sachlich betrachtet ergeben die verschiedenen Attribute 24 : - meyger-Hof: die - noch zu bestimmende - Rechtsform einer Nutzungsweise; - teget-(Zehnt-)Hof: die örtlich bevorzugte Stellung als Hebestelle des Zehnten; - bow-(Bau-)Hof: die voll-bäuerliche Qualität des Hofes, seine Ausrichtung auf Ackerbau und -ertrag; - sedel-(Sattel-)Hof: das semantische Feld von sedel/ sadel ist größer; berührt sind: Saal, Halle; Sitz, Bank; Sal-Gut, -Land; säen, Saatzeit; die ersten Elemente ergeben eine bevorzugte Stellung des (großen) Hauses, das dritte frei und direkt genutztes Land, das vierte Getreidebau; - ding-Hof: auch hier ist das Sinnfeld mehrdeutig: ding meint einerseits Gericht, andererseits aber auch Geschäft, Kauf, Miete (ver-dingen, ausbedingen); auch hier also die hervorgehobene Position entweder als Ort der Friedensstiftung oder als Haus, in dem bzw. von dem Sachen und Personen verdungen werden. 21 In GUB 5/ 243/ 1373 wird die alte domstiftische villicatio nun officium genannt. 22 Dies ist besonders bei W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 111ff., 139ff., 188ff. der Fall. Doch berührt das seine sehr aufschlußreichen Belegreihen nicht. 23 Zur Ergänzung seien nur die Glossierungen aus dem Braunschweiger LeRg v.1344ff. erwähnt: Sud 2/ 79, S. 46, Z.12: unam curiam que proprie dicitur en Sedelhof; S. 45, Z.7: curia que theghethof dicitur; S. 51, Z.10f.; curia dicta buhof (dgl. Z.13f.). 24 Zum Folgenden sind die mndt. Wörterbücher v. K. Schiller/ A. Lübben und A. Lübben/ C. Walther benutzt worden. Jahr allodium curtis curia villicatio vorwerk hof meyer-hof tenethof bowhof dinghof sedelhof 1363 × × 1366 × 1373 (officium) 1374 × 1375 × × 1383 × 1384 × 1389 × × × 1390 × 1391 × × 1392 × 1393 × (×) 1395 × × 1400 × 53 Ich halte es nicht für ratsam, diese verschiedenen Dinge zum System zu fügen. Dazu sind sie nicht präzise genug ermittelbar. Doch deutlich ist der Aspekt des Bevorzugten in der Art des Hauses, seiner bäuerlichen Ausstattung und seiner lokalen Funktionen. All dies hat man m. E. mitzudenken, wenn von einer mit mehreren Hufen ausgestatteten curia in der Mitte des 14. Jh. die Rede ist. Das lateinisch-mittelniederdeutsche Sinnfeld der area ist leichter zu rekonstruieren. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts werden immer häufiger areae urkundlich erwähnt, die entweder mit einer oder einer halben Hufe in Verbindung stehen oder zu denen wenige jugera bzw. morghen gehören 25 . Seit der lat.-mndt. Doppelausfertigung einer Neuwerker Urkunde von 1305 26 , Güter in Weddingen betreffend, ist die Sinngleichheit von area und word klar. Der mndt. Wortgebrauch setzt sich in den Urkunden zwar erst im letzten Drittel des Jahrhunderts durch; es gibt aber genügend frühere Belege für diese Gleichung. Seit dem zweiten Drittel aber kommt das Wort kothof bzw. cotwardus o. ä. hinzu. Im Lehnsteil des Registers des St. Michaels-Klosters in Hildesheim von 1333 haben area und cotwardus den gleichen Sinn 27 . Auch im Braunschwelgischen Lehnsregister von 1344ff. ist die Glossierung der area durch kotworde belegt 28 . Da die kote als kleines, niedriges, in die Nähe der Hütte gerücktes Haus verstanden wurde, verfestigt sich im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts der Gebrauch des Wortes kothof zur Bezeichnung des ‚kleinen‘ Hofs (mit Areal), dies besonders dann, wenn im gleichen Zusammenhang ein großer Hof erwähnt wird. Die Erläuterungen zum Sinnfeld der Worte curia/ area bzw. Meyer-, Zehnt-, Bau-, Sedel- und Kothof haben ergeben, daß im Bewußtsein der Zeitgenossen ein deutlicher Unterschied zwischen großen und kleinen Höfen existierte. Nicht die kontinuierliche Differenzierung, sondern die Typisierung von den Polen her war bestimmend 29 . Um diese aus der Terminologie abgeleitete These zu prüfen, muß nun die Verbindung zwischen Hof und Hufe untersucht werden. 25 Die Zahl der jg/ mg variiert zwischen 12 und 4. Zur Ergänzung vgl. W. Küchenthal, a.a.O., S. 67ff. 26 GUB 3/ 103 und 105. 27 Vgl. Tabelle 9. Sie bezieht sich auf den Aktivteil des Registers (UBHHi 4/ 1336. S. 723ff.). Das Wort cotwardus steht jeweils (5×) genau an der Stelle der Beschreibungssyntax, wo sonst die area zu finden ist. In keinem der 5 Fälle ist noch eine area genannt. Im Vergleich zum Register von 1321 bedeutet dies die Benutzung eines neuen Wortes im Rahmen der gleichen Beschreibungsform. Darin sehe ich das Zwingende der Gleichsetzung des Inhalts beider Wörter. 28 Sud 2/ 79, S. 46, Z.12f., S. 52, Z.6f.; S. 49, Z.18 ist von duabus paruis curiis dictis kothove die Rede. Ergänzende Belege bei W. Küchenthal, a.a.O., S. 117ff. 29 Deshalb betrachte ich Gleichungen von curia und ‚Kothof‘, die hier und da begegnen, als die Regel bestätigende Ausnahmen, nicht als Gegenbeweis. 54 3 Der Betrieb als Verbindung von Hof und Hufe Um die dingliche Ausstattung als Grundlage der bäuerlichen Betriebsverhältnisse zu begreifen, kommt alles darauf an, die zwischen den Hufen und den Höfen, den mansi, curiae und areae bestehenden Verbindungen zu bestimmen. Was bietet hierzu das Neuwerker Register? Wie hängen die in ihm erwähnten auf 30 Ortschaften verteilten gut 220 mansi, 31 curiae und 30 areae zusammen? Der erste Abschnitt des ländlichen Registerteils lautet 30 : In Jerstede VII mansos et duas curias ad dictos mansos spectantes, quorum mansorum quatuor solvunt annuatim octo modios siliginis et sex modios avene Goslariensis mensure, reliqui tres mansi solvunt annuatim quinque modios siliginis et tres modios avene mensure Goslariensis. Die beiden Sätze berichten von 7 Hufen, zu denen 2 Höfe gehören. Es sind zwei Betriebseinheiten erkennbar: ein Hof mit 4, einer mit 3 Hufen. Dies zeigt auch die Radizierung der Kornzinse. Durch die gleiche Formulierung curia ad … mansum spectans sind Hufen und Höfe auch in drei weiteren Registerabschnitten in Beziehung gebracht (§§ 10, 13, 25). Daneben gibt es andere syntaktisch klare Hinweise auf die mansus-curia- Verbindung als Mehrhufenbetrieb: curia, de qua bona (i.e. mansi, L.K.) coluntur (§ 2), mansi, qui simul coluntur (§ 10), mansi cum … curiis (§§ 14, 17, 20. 26, 30). Rechnet man die von diesen klaren Zuordnungen erfaßten Hufen und Höfe zusammen, dann ergibt dies schon einen bedeutenden Anteil am Gesamtbestand: 25 der 31 Höfe sind mit 102 der 220 Hufen zu Mehrhufenbetrieben verbunden. Die Division ergibt ein durchschnittliches Verhältnis von 1: 4. Auch die genauere Aufschlüsselung der Verteilung bestätigt diesen Durchschnittswert: von den 25 curiae haben 7 drei bis dreieinhalb, 11 vier bis viereinhalb und 6 fünf bis sechs mansi. Damit hat man einen genaueren Begriff von diesem Neuwerker Mehrhufenbetrieb: es ist die 3-6, hauptsächlich aber die 4-Hufen-Einheit. Wie sind die verbleibenden mansi und curiae einzuordnen? Die Deutung wird jetzt indirekter, muß sich auf Indizien stützen. Diese sind: die Hufenzahl am Ort und die Gruppierung der Hufen, die Rentenform und ihre Radizierung, die Prüfung der urkundlichen Zeugnisse über den Grundbesitz zur Ergänzung der urbarialen Angaben. 1. Die Hufen, neben denen auch eine oder mehrere curiae am Ort verzeichnet sind, ohne daß eine Verbindung formuliert ist, kann man dann, wenn die Rentenform und ihre Radizierung auf einheitliche Veranlagung schließen lassen, zu dem oben ermittelten 3-5 Hufenbetrieb zählen. Das gilt m.E. für 30 GUB 4, S. 388. 55 den Neuwerker Besitz in Kl. Elbe (§ 7: 4 Hufen und 1 Hof ) und Söderhof (§ 9: 5 Hufen und 2 Höfe 31 ). 2. Weiterem Hufenbesitz in Gr. Mahner (§ 15: 4 Hufen), Lobmachtersen (§ 18: 8 Hufen), Gielde (§ 29: 16 Hufen) und Ziesel (§ 24: 10 Hufen) läßt sich über die urkundliche Überlieferung je eine curia zuweisen 32 , ein Hinweis darauf, daß das Register vielfach keine vollständige Beschreibung der Güter enthalten dürfte. 3. Es bleiben die 4-Hufen-Gruppen mit gleicher Rentenveranlagung in Baddeckenstedt (§ 5), Gr. Heere (§ 6), Gronstedt (§ 8), Gr. Sehlde (§ 10, zwei Einheiten) und Watenstedt (§ 19). Sie alle als curia-verbundene Mehrhufenbetriebe zu deuten, geht nur unter zwei Voraussetzungen: Die - in Urbar und Urkunde nicht nachweisbare - Neuwerker curia ist am Ort vorhanden, oder - wahrscheinlicher - sie ist im Besitz eines anderen Grundherren oder Eigentümers. Diese Vermutung wird dadurch nahegelegt, daß auch Neuwerk curiae besitzt, zu denen keine Neuwerker Hufen gehören: in Langelsheim (§ 2). Bei großzügiger Rechnung, d. h. der Berücksichtigung aller unter 1-3 genannten Hufen, würden weitere 64 Hufen und ca. 15 curiae den oben ermittelten Bestand der curia-verbundenen 3-6-Hufenbetriebe noch beträchtlich erweitern. Es wären dann 163 der insgesamt 220 Hufen gleichartig gruppiert. Welche Hufen verbleiben noch? Zunächst sollen die über 28 Hufen in der Stadtmark bzw. im Vorfeld der Stadt eingeordnet werden. Ihnen fehlt die Ertragsangabe, der urbariale Aspekt. Dies ist dann gut verständlich, wenn man diese Einheiten als von villici samt belohntem Gesinde (familia) bewirtschaftete Großbetriebe auffaßt, deren Gesamtbetrag ans Kloster geht. Zu den je 12 Hufen in Olle (§ 32: Ohlhof ) und ante civitatem (§ 34: wohl vor der Landwehr zwischen Kattenberg und Georgenberg) gehört urkundlich eine curia bzw. ein vorwerk 33 . Bezeugt ist weiter die Führung dieser Betriebe durch villici, die Besoldung der familia und die Düngung von der Stadt aus im Register von 1355 und weiteren Urkunden 34 . Die 4 Hufen in Propsteiburg (§ 33) knapp 2 km östlich vom Ohlhof könnten von dort aus mitgenutzt 31 Es müssen nicht beide Höfe sich in die 5 Hufen teilen. Denkbar ist die Verbindung nur eines Hofes mit den 5 Hufen und die Verbindung des zweiten mit Hufen anderer Grundherren/ Eigentümer am Ort. 32 Gr. Mahner: GUB 3/ 23/ 1302; Lobmachtersen: 3/ 439/ 1317; Gielde: 2/ 41/ 1257; Ziesel: 4/ 839/ 1364. 33 GUB 2/ 339/ 1286: curia nostra sita in Alo; in GUB 4/ 605/ 1357 wird dem ghesinde in dat Vorwerk vor dem Rotsendore Geld zuteil. 34 Vgl. den Abschnitt de precio familie (GUB 4, S. 396). In GUB 5/ 680/ 1387 wird Neuwerk erlaubt, einen mit Schlagbaum bewehrten Durchlaß durch die Landwehr beim Kattenberg anzulegen, damit das Land dar buten… twisschen deme Ole und der lantwere leichter gemesset werden kann. 56 worden sein, das muß aber Vermutung bleiben 35 . Zu ergänzen ist, daß Neuwerk noch über ein allodium vor dem Breiten Tor östlich der Stadt, über mindestens 6 Hufen auf dem Bollard (zwischen Gelmkebach und Gelmkegraben innerhalb der östlichen Landwehr) und ein rodelant irgendwo vor den Toren oder im näheren 35 1309 (GUB 3/ 203) werden die 4 Hufen Neuwerk vom Domstift gegen Ewigzins übertragen vel ad pascua vel ad usus lignorum vel agrorum novalium vel quamodolibet aliter suis usibus. Im Register von 1355 ist dieser Ewigzins als Ausgabe geführt (4, S. 394). Auch der mit der Übereignung von 1270 (2/ 160) ausgehandelte Ewigzins, den Neuwerk an Stift Georgenberg für die 12 Hufen ante civitatem jährlich zu zahlen hat, ist 1355 (4, S. 394) registriert. Warten Schlag- Durchlässe an den Straßen mit Sperrvorrichtung Immunitätsbereich der Klöster Geleitplätze Landwehren Waldungen mit Sperrfunktionen Sumpf vorwerc (b.Rosentor) V allodium (b.Breiten Tor) A C curia (Ohlhof) 1 12M ante civitatem 2 12M in Olle 3 4M Propsteiburg 4 6M Bollard Aus : Führer, S.165 (die Landwehren des 15. Jahrhunderts wurden getilgt) Weinberg Wart- B. Tilly- B. Kümmel- B. Riechenberg Steinberg Schafskopf Verlorener B. Königs- B. Rabenkopf Wein- B. KLAUSTOR VITITOR ROSENTOR BREITESTOR Rosenberg Klusberg Petersberg Grauhof Windmühlen- B. Mühlen- B. Ohlhof (zu Neuwerk) Sudmer- B. Hahnen- B. Wein- B. OKER- BRÜCKE Habichts.- B. JERSTEDT HAHNDORF GOSLAR Weinberg Wart- B. Tilly- B. Kümmel- B. Riechenberg Steinberg Schafskopf Verlorener B. Königs- B. Rabenkopf Wein- B. KLAUSTOR VITITOR ROSENTOR BREITESTOR Rosenberg Klusberg Petersberg Grauhof Windmühlen- B. Mühlen- B. Ohlhof (zu Neuwerk) Sudmer- B. Hahnen- B. Wein- B. OKER- BRÜCKE Habichts.- B. JERSTEDT HAHNDORF GOSLAR 4 3 2 1 V A C Karte 6: Neuwerker Großbetriebe im Umfeld Goslars (1355) 57 Umkreis der Stadt verfügt, Güter, deren Ertrag es in der Form des census perpetuus mit den Schenkern oder Verpächtern teilen muß 36 . Die Kartierung (Karte 6) zeigt, wie breit gestreut dieser ‚ackerbürgerliche‘ Besitz ist. Er bildet eine eigene Sektion mit eigener Form: Direktnutzung mit (städtisch rekrutiertem und) entlohntem Personal, teilweise mit Ewigzinsen in Geldform belastet. Über ein Zehntel des Landbesitzes Neuwerks ist also ‚gutswirtschaftlich‘ organisiert; daß dieser Teil an der nahen Peripherie einer - damals großen - Stadt liegt, dürfte kein Zufall sein. Die Bestimmung der betrieblichen Bindung der restlichen 39 Hufen kann nur zu weniger Eindeutigem führen. Auffällig ist an den 5 Hufen in Meierdingerode (§ 21) und den 6 Hufen in Döhrenhausen (§ 31), daß nicht nur der betriebliche Bezug fehlt, sondern auch die Ertragserwartung, der Zins. Die lokale Geschichte dieser Orte trägt wohl zur Deutung bei. Schon 1319, als das Kloster zusätzlich zu seinen bisher dreieinhalb Hufen in Döhrenhausen weitere zwei ankauft, liegen diese in campis ville quondam D. 37 Die Flur ist also schon damals ohne bewohnte Dorfstelle. Das ist bei der Lage im Längstal des Salzgitterschen Höhenzuges durchaus verständlich 38 . Auch um 1355 wird dies noch so gewesen sein, da im Besitzbestätigungsprivileg für S. Georgenberg von 1360 dessen drei Döhrenhausener Hufen in campis D. liegen, während bei allen anderen dieser Hinweis auf die Flur fehlt 39 . Es ist zu vermuten, daß die Döhrenhausener Hufen für Neuwerk keinen sicheren Ackerbau-Ertrag brachten; vielleicht sind sie um 1355 bereits als Weidegrund genutzt worden, und zwar von Dörnten oder Immenrode aus. Ähnliches gilt für die 5 Hufen in Meierdingerode. Dieser hochmittelalterliche Ausbauort ist vermutlich seit 1321/ 22 ortswüst: Von den 1219 gekauften 4 Hufen des St. Blasius-Stifts in Braunschweig kommt einer Rechnungsnotiz zufolge in jenem Jahr nur noch der Zins einer Hufe ein, die vom Bauern J. Knepeke im ca. 3 km nördlich benachbarten Gr. Flöthe genutzt wird 40 . Entweder liegen die Neuwerker Hufen dort brach, oder sie werden von Bauern der Nachbardörfer genutzt, ohne daß dies dem Propst Herrmann bekannt geworden ist. Sind diese Deutungen schon stark von Vermutungen geprägt, so führen die der verbleibenden Hufen ins noch Ungewissere. Verlockend wäre es, die 6 Hufen in Störy, die 11 Hufen in Kl. Sehlde und die 7 Hufen in Ohlendorf dem Typus des 3-6-hufigen curia-Betriebs zuzuweisen, weil sie alle mit den bereits zugeordneten Hufen die Rentenform, den Teilbau, gemein haben. Doch reicht dies? Im 36 Das allodium ist erwähnt im census perpetuus-Abschnitt (4, S. 394), der villicus desselben im Lohn-Abschnitt (S. 396); die Verträge über die Bollard-Hufen: GUB 4/ 225/ 1343, 226/ 1343, der Ewigzins: 4, S. 394; unter dem rodelant (ebd.) kann man vielleicht Teile des zwischen Jerstedt und Astfeld liegenden Indago verstehen, in dem Neuwerk seit 1303 roden ließ. In GUB 3/ 79/ 1304 und 5/ 228/ 1372 ist ein dem Domstift für die Nutzung dieser Güter zu entrichtender Zins belegt. Zur Entwicklungsgeschichte der Goslarer Stadtflur K. Frölich, Zur Vor- und Frühgeschichte von Goslar, in: NdsJb 9, 1932, S. 10f.; z. Bollard/ Bollrich: S. 12f. sowie A. Grundner-Culemann, Flurnamen, S. 25ff., Bollrich: S. 66f. 37 GUB 3/ 484. 38 Zur Ortsgeschichte: F. Zobel, Heimatbuch, S. 176, 178, 181f. 39 GUB 4/ 693. Vgl. auch 4/ 610/ 1357: 5 H. (ohne Hof ) in D. als Burgdorfer Reichslehen. 40 GK, S. 36, Z.10ff., 417 (Gütererwerb). 58 Abschnitt über Kl. Sehlde ist von quinque jugera die Rede, ubi quondam fuit curia sita 41 . Wenn schon dieser wüste Hof genannt wird, dürften andere, die ‚in Betrieb‘ sind, nicht ausgelassen sein. Insofern bliebe nur die Nutzung durch eine curia im Besitz einer anderen Herrschaft. Mit solcher Vermutung allein ist es aber nicht getan. Man kann ebenso auch an kleinere Einheiten denken. Zwei-, Ein- oder Halbhufen-Betriebe, die von areae aus bewirtschaftet werden. Um dieser Vermutung Kontur zu geben, ist eine Deutung aller area-Belege des Registers nötig. Der Tabelle 1 ist zu entnehmen, wie dort die 35 areae verteilt sind 42 : area-Zahl/ Ort 1 2 3 4 5 7 Zahl d. Orte 6 3 1 2 1 1 Eine klar ‚gegenläufige‘ Verteilung: einzelne areae an vielen, viele an einzelnen Orten. Leider ist nirgends eine Verbindung mit den curiae oder mansi aus der Beschreibungssyntax erkennbar. Dieser Mangel muß durch Ergänzungen aus den Urkunden und anderen Registern ausgeglichen werden, soweit das überhaupt möglich ist. 1. Am einfachsten hat man es mit den areae, die als einziger Güterbesitz Neuwerks am Ort registriert sind: je eine in Alt-Wallmoden (§ 12) und Osterode (§ 23). Ob hier Verbindungen zu Gütern anderer Herren bestehen, ist ungewiß. Die areae in Alt-Wallmoden ist eigens verrentet. Ein Hinweis auf Landlosigkeit? 2. In Gr. Sehlde sind drei Mehrhufenbetriebe (6 H + 1 C, 4 H + 1 C, 4 H [+ 1 C? ]) belegt. Dazu kommt eine area mit Hühnerzins. Welche Stellung sie hat, legt ein. urkundlicher Hinweis nahe: Als letzten Teil des beträchtlichen Besitzes am Ort kaufte Neuwerk um 1300 von Ritter Willekin v. Gustedt quatuor mansos in majori Seledhe cum curia et una area adjacente 43 . Ich halte diese area für identisch mit der um 1355 verzeichneten. Damit ist zweierlei deutlich: die area ist landlos, und sie wird als Anhängsel des curia-verbundenen Mehrhufenbetriebes aufgefaßt. Diese Zuordnung ist von großem Interesse für die Deutung vieler weiterer area-Belege. Mindestens 16 areae an 6 Orten ließen sich sicher als kleine Hofstellen einstufen, die als landlose Annexe der Mehrhufenbetriebe fungieren 44 , für weitere 12 an vier Orten wäre 41 GUB 4, S. 389. 42 Abzüglich der Hufen vor der Stadt fehlen areae in 17 Orten, also über die Hälfte der Dörfer mit Neuwerker Besitz. 43 GUB 2/ 593. Weitere Hinweise: 1305 kauft Neuwerk vom Grafen v. Wernigerode in Beuchte 3 Hufen cum curia attinente et II areis (3/ 91). Diese areae sind 1355 noch vorhanden. In 3/ 480/ 1318 kauft Neuwerk 4 Hufen und eine curia in Jerstedt, wobei in der Pertinenzformel areae mitgenannt sind. Leider fehlen sie im Register von 1355. Im Obedienzverzeichnis d. St. Moritzstifts in Hildesheim ist beim Besitz in Barnten die Rede von due aree iuncte curiis villicorum (UBHHi 3/ 1409/ nach 1302). 44 §§ 13 (Dörnten): 4; 14 (Weddingen): 4; 17 (Flachstöckheim): 1; 20 (Gr. Flöthe): 2; 25 (Beuchte): 5. 59 die Zuordnung plausibel 45 . Damit wären 80 % der areae Neuwerks in dieser Stellung. Ein solches Ergebnis, von nur einem Erlauterungsbeleg abhängig, muß weiter gestützt werden, will es nicht weitgehend Hypothese bleiben. Die Frage lautet: Gibt es Belege für curia-verbundene Mehrhufenbetriebe, zu denen landlose areae gehören? 46 Sowohl die Urkunden als auch die Register erlauben ein klares Ja. Aus der Zeit vor 1355 ist hier - neben mancher Urkunde 47 - das Besitzregister von St. Michael in Hildesheim von 1321 besonders interessant. An der Tabelle 6 ist ablesbar, daß 52 der ca. 200 genannten areae ganz eindeutig die hier in Frage stehende Position einnehmen 48 . Dies gilt natürlich auch noch für das Register St. Michaels von 1333 49 . Einzelne Belege für die Verbreitung dieses Besitzbzw. Betriebstypus enthalten auch Lehnsregister vor 1355 50 . Die Belege aus der zweiten Jahrhunderthälfte ergänzen das Bild noch durch die mndt. Terminologie. In den Urkunden ist nun die Rede von ver hove (in Wartjenstedt), enen meygerhof unde twene kothove unde wat darto horet an dorpe, an holte unde an velde 51 , oder von sess hove landes up dem felde L. (Langelsheim), eynen sedelhoff in dem sulven dorpe unde dre koth hove myth alleme rechte unde myth al dem, dat dar to horth… 52 Ebenso die Register, darunter das der Hildesheimer Patrizierfamilie Frese v. 1370 53 . Damit dürfte genügend erwiesen sein, daß mindestens ein beachtlicher Teil der Neuwerker areae als landlose Kothöfe einzustufen sind, die in Verbindung mit mehrhufigen Sedel-, Meierbzw. Bauhöfen stehen. 3. Es bleibt noch die Einordnung der drei areae in Ohlendorf (§ 16) und der einen in Kl. Sehlde (§ 11). An beiden Orten hat Neuwerk zugleich 7 bzw. 11 Hufen, ohne daß eine curia nachweisbar wäre. Dazu kommt noch ein Lehen (beneficium) in Gr. Flöthe cum septimo dimidio manso et octo areas (§ 20). Der Blick auf die anderen Urkunden 54 und Register 55 lehrt, daß man hier ohne Not mindestens einige Hufen als den areae verbundene Einheiten verstehen kann. Diese Kombination ist im so aufschlußreichen Register von 45 §§ 5 (Baddeckenstedt): 1; 15 (Gr. Mahner): 7; 18 (Lobmachtersen): 2; 29 (Gielde): 2. 46 Gehören heißt hier zunächst nur: in der Beschreibungssyntax der Quellen entsprechend aufgeführt zu sein. 47 GUB 3/ 103/ 1303 (lat. Fassung), 105 (mndt. Fassung); 3/ 619/ 1322; 3/ 868/ 1330; 3/ 961/ 1331; 3/ 990/ 1334; 4/ 318/ 1347. 48 Tabelle 6. Gemeint ist die Spalte: M cum C et A. 49 Tabelle 9, Z.2, 7ff., 14, 21, 23 (letzte Spalte). 50 Tabelle 25, Z.3; 29, Z.70. 51 GUB 5/ 6/ 1366. 52 GUB 5/ 268/ 1374; 5/ 275/ 1375: 3 Hufen, 1 Bauhof, l Kothof (Gr. Döhren); 5/ 848/ (1390): 6 Hufen, 1 Sedelhof, mehrere Kothöfe (Gadenstedt). 53 Tabelle 4, Z.17/ 8, 25, 26; 36, Z.4; 37, Z.1. Dazu Sud 2/ 79/ 1344-65, S. 49, 51, 53; Sud 3/ 420/ ca.1369, S. 282, 284; Sud 5/ 36/ ca.1374, S. 47. 54 Z.B. GUB 3/ 347/ 1314, 454/ 1317, 481/ 1318, 577/ 1321, 609/ 1323; 4/ 478/ 1352; 5/ 531/ 1383, 760/ 1389, 926/ 1393. 55 Tabelle 25, Z.1f.; 28, Z.6.9f., 17; 29, Z.31, 75; 30, Z.54; 34, pass.; 36, Z.2f.; 37, Z.3, 15, 21, 32; 38, Z.30, 46; 39, Z.1, 4, 16. 60 St. Michael von 1321 sogar wesentlich häufiger als der landlose Kothof beim Meierhof. In zwei Varianten, einmal neben einem mehrhufigen curia-Betrieb am Ort, und zum anderen allein am Ort, machen diese selbständigen area- Betriebe über 70 % aller area-Belege im Register aus. Auffällig ist dabei, daß die halbe Hufe als der area verbundene Einheit eine beachtliche Rolle spielen muß, da das Zahlen-Verhältnis der mansi zu den areae oft ungerade und oft negativ für die mansi ist 56 . Diese hufenverbundenen area-Betriebe werden im Register recht häufig als mansi litonici cum areis (suis) oder als mansi (censales) cum areis (litonicis) 57 bezeichnet. Ob man auch die wenigen area-verbundenen Hufen Neuwerks in die Kategorie alter, nunmehr ihres Ständebezugs verlustig gegangener Laten-Hufen einordnen kann, ist eher zweifelhaft. Es gibt keinen urkundlichen Hinweis dieser Art in der Erwerbsgeschichte der Neuwerker Güter. Wie dem auch sei, zur Zeit des Urbars und später heißen diese Einheiten word, hof oder kothof in Verbindung mit einigen Morgen, einer halben oder einer hove landes 58 . Am Ende des Jahrhunderts erwirbt Neuwerk von den Plesses in Lobmachtersen twe howe landis und twene kothowe to L. up dem velde und in dem dorpe 59 . Dies ist der mndt. Sprachgebrauch, der der Sache nach schon für die Zeit des Registers gegolten haben dürfte. Damit sind die Neuwerker area-Belege eingeordnet: Die meisten dieser Kothöfe sind zweifellos landlose Annexe großbäuerlicher Betriebe, einige dürften Höfe von Ein-Hufen-Betrieben (und darunter 60 ) sein, nur ganz wenige landlose Höfchen ohne weitere Bindung. Ebenso ist nun auch eine Gesamtbilanz der Betriebsformen der ländlichen Güter Neuwerks um 1355 möglich. Ich meine, vier Formen unterscheiden zu können: - den Gutsbetrieb an der Peripherie der Stadt; - den Bau-/ Sedel-/ Meierhofbetrieb, dem häufig ein oder mehrere landlose Kothöfe zugeordnet sind; - den selbständigen Kothof mit Landbesitz, der zwischen eventuell zwei, sicher aber einer Hufe und einigen Morgen variiert; - endlich den landlosen Kothof ohne anderweitige betriebliche Bindung. Die Verteilung dieser Formen ist nur annäherungsweise festzulegen: Sicher macht der stadtnahe Gutsbetrieb über 10 % der Gesamthufenzahl aus. Das Gros der Hufen, etwa 75 %, gehört zu Meierbetrieben, der - durch wohl wüstliegendes Land reduzierte - Rest zu den selbständigen Kothöfen des dritten Typs. Der vierte ist numerisch ohne Gewicht. Sozial gewendet bedeutet dies: Das Klosterland in den fruchtbaren Fluren der 26 Dörfer ist in der Hand vor allem von Großbauern, die vielfach formell über Kätner verfügen. Viel weniger davon haben die Einbis Zweihufenbauern. 56 Tabelle 6, Spalte M et/ cum A; ebenso Tabelle 9, Z.30ff. 57 UBHHi 4/ 638, S. 344-52 pass.; dieser Sprachgebrauch auch noch 1382: Tabelle 10/ 11. 58 Z.B. GUB 5/ 531/ 1383. 59 GUB 5/ 970/ 1395. 60 Auffällig ist, daß in mg/ jg bemessene Landeinheiten im Register v.1355 fehlen. 61 In Betriebszahlen umgesetzt könnte das dann - annäherungsweise - heißen: ca. 40 großbäuerliche Betriebe mit ca. 30 ihnen verbundenen Kötern; daneben ca. 15-20 1-2 Hufenbauern; zuletzt eine Handvoll landloser und ungebundener Kätner. Schließlich muß noch hinzugefügt werden, daß der Großteil dieser Betriebe im alleinigen Besitz des Klosters, also ‚sachen‘-rechtlich geschlossen ist. Kann dieses Bild für die Dörfer der Region verallgemeinert werden? Die Antwort ist schwierig, weil nur wenige Quellen die Zuordnung der Hufen und Höfe zu Betriebseinheiten in der Geschlossenheit gestatten, wie dies für Neuwerk möglich war. Meist werden ja nur die einzelnen Einheiten inventarisiert, ihr betrieblicher Bezug bleibt aber ungewiß. Curia und area sind eben nur als Ausgangspunkt eines Betriebs, nicht seiner ganzen Form zu verstehen; und hinter der Nennung einer oder mehrerer Hufen kann ein entsprechender Betrieb sich verbergen, muß es aber nicht. Auch der Zinsbezug ist kein zwingender Hinweis auf die betriebliche Stellung. Von diesen Ungewißheiten sind große Teile der folgenden Bemerkungen bestimmt. Ich beginne mit dem Dörntener Register v. 1351f., dessen Güter ganz im Einzugsbereich der Neuwerker liegen. Es hat eine für die Frage nach den Betriebsstrukturen ähnlich günstige Form. Ich zitiere ein Beispiel: Ok hebbe we dre hove landes unde wat darto hort an holte unde an grase, to D. (Dörnten) unde enne koterhof, dar men os af ghift enen himten manes unde teyn honre. Dit lyet os use herre, bisscop Henrik van Hildensum. Hir sit uppe Thileke Teghetmeyeres unde ghift dar af achtehalven schepel rocghen unde sestehalven schepel haveren 61 . Der hier beschriebene Drei-Hufen-Betrieb ist typisch für die Dörntener Landgüter. Ich fasse die in der Tabelle 2 enthaltenen Auskünfte hierzu zusammen: Von den insgesamt 42 ½ Hufen, die eine betriebliche Zuordnung gestatten, sind 33 ½ in 3-6-Hufen-Betriebe gebunden, wobei - genauso wie in Neuwerk - im Mittelwert von 4 Hufen der Schwerpunkt liegt; es sind zusammen 7 große Betriebe. Nur zu einem von ihnen dürften landlose oder -arme Höfe gehören 62 . Die restlichen 9 Hufen sind unter vier 2-Hufen-Betriebe - einer davon hat nur enne halven hof - und einen 1-Hufen-Betrieb aufgeteilt. Endlich kommt noch ein landloser koterhof hinzu, der zu einem 2-Hufen-Betrieb gehören könnte. Diese Ergebnisse ähneln den Verhältnissen der Neuwerker Bauern - die Hauptmasse des Landes in der Hand von Großbauern, einmal auch in der Verbindung mit landlosen Kötern. Die Zahl der mittleren Betriebe ist deutlich höher. Ebenso wie in Neuwerk fehlt mehrfach der Hof, der Eigentum einer ande- 61 GUB 4/ 449, S. 325. Daß der einer 3-Hufen-Einheit angeschlossene Hof als ‚Koterhof‘ bezeichnet wird, ist eine Ausnahmeerscheinung. 62 Der Passus, den ich so deute, lautet (a.a.O., S. 327): Ok hebbe ek sestehalve hove landes unde vier hove unde twene borchwelle unde en holt gans, dat de Haghe het, unde dre dicstede unde wat to deme lande hort an holte unde an grase, der hove is en teghetvri unde en hoveke is ok teghetvri, unde en achtewort in dat Wedegherholt, unde enne hoveke, dar de taverne hadde gewesen. Dit lit al to Groten Were. Dit lyet mek Albrecht unde Cord van Were. Hir sit uppe Heydeke min meyer unde ghift daraf den dredden del, de ghilt by vefteyn schepelen allerleye kornes. 62 ren Herrschaft sein dürfte. Anders steht es nur mit dem Besitzrecht. Mehrere Mehrhufenbetriebe sind aus Lehen verschiedener Herren gebildet 63 . Hieran ist gut die Absicht abzulesen, trotz der rechtlichen Zersplitterung zur ökonomischen Konzentration zu kommen. Da die Dörntens in denselben Dörfern wie Neuwerk begütert sind, können ‚benachbarte‘ Betriebe erste Hinweise auf die lokale Verteilung der Betriebstypen geben: Neben den 5 Neuwerker Meierhöfen mit ihren 20 Hufen und 4 Kötern gibt es in Dörnten nach der Jahrhundertmitte auch drei Dörntener mit 11 Hufen, dazu aber einen 2-Hufenbetrieb. Zu den zwei Neuwerker Meierhöfen in Jerstedt kommt ein Dörntener. Auch das dritte ‚bürgerliche‘ Register, das Fresische von 1370, bietet ein ähnliches Bild 64 . Von den 21 Hufenbzw. Landangaben, aus denen die Betriebsform einsichtig ist, sind 15 3-6-Hufenbetriebe, die hier meist sedelhof heißen 65 . Die anderen Einheiten sind differenzierter beschrieben: als kothof, wort und scapehof. Die ersteren unterscheiden sich nach der Stellung in der Aufzählungsfolge und der Landmenge. Sind beide am Ort vorhanden, wird der Kothof zuerst genannt. Sind sie mit Land verbunden - was seltener der Fall ist -, dann hat der Kothof mehr davon: eine Hufe, 40 Morgen. Leider gibt die Beschreibungssyntax des Registers keine deutliche Zuordnung dieser zwei Typen unterbäuerlicher Betriebe zu den Sedelhöfen preis. Nur in Analogie zu den Verhältnissen Neuwerks und Dörntens ist die Annahme einer solchen plausibel. Doch da nur in einem Fall einer isolierten Hufe am Ort ein Kothof zugeordnet ist, sonst diese kleinen Höfe immer ‚im Schatten‘ der Mehrhufenbetriebe stehen, halte ich die Analogie für berechtigt. Am Fall des Fresischen Registers wird also eine noch stärkere Betonung der großbäuerlichen Sedelhöfe deutlich. Von den 50½ Hufen sind 47½ großbetrieblich gebunden. Neben dem isolierten einhufigen Kothof in Achtum (§ 2) sind nur noch 4 ⁄2 Hufen in Gr. Elbe verzeichnet, die man - in Verbindung gebracht mit den dort ebenfalls registrierten 3 Höfen - als mittelbzw. kleinbäuerlich organisiert einstufen könnte, würden 2⁄2 Hufen davon nicht von einem meyer bewirtschaftet (§ 14) 66 . Da - wie im Dörntener Register - auch hier belegt ist, daß Hufen verschiedener Lehnsherren zu Meier-Betrieben vereint sind 67 , verstärkt sich der Eindruck, daß solche großbäuerlichen Stellen bewußt geschaffen und vermehrt worden sind. 63 Ein 4-Hufen-Betrieb in Dörnten: 3 H. von den v. Burgdorf, 1 H. vom Grafen v. Wohldenberg; der 3 Hufen-Betrieb in Westharingen: 1 ½ H. von den v. Wehre, 1 ½ H. vom Grafen v. Wohldenberg; der 6-Hufen-Betrieb in Mittel- und Westharingen: 3 H. von den v.d. Gowische, 3 H. von den v. Heimburg. 64 Vgl. Tabelle 4, Z.1-26, 29. 65 Zu zwei Mehrhufengruppen muß ein Hof in fremdem Eigentum gehören. 66 Deeters, Frese, S. 12. Dazu gehört wohl auch noch eine Schäferei. Demnach ist es wohl wirklich sehr zweifelhaft, ob diesen halben Hufen zusammen mit den Höfen in Gr. Elbe der Status unabhängiger Bauernwirtschaften zuerkannt werden kann. Der Meier dürfte auf dem Hof eines anderen Eigentümers residieren. 67 Ebd., § 13. 63 Deshalb stellt sich die Frage nach der Geltung solcher Betriebsformen in den Dörfern der Region umso dringlicher. Das einzige Register einer alten Grundherrschaft, das die Beziehungen zwischen Hufen und Höfen nicht nur beiläufig, sondern systematisch zum Ausdruck bringt, ist das schon öfter herangezogene Plenarium des St. Michaelsklosters in Hildesheim von 1321. Nur an wenigen Orten deckt es sich mit Neuwerker Gütern, sonst liegt der Besitz meist an der nördlichen Peripherie des Neuwerker Einzugsbereiches. Zieht man auch nur die Güterbeschreibungen von Orten in der Nähe derjenigen mit Neuwerker Besitz zu Rate, dann ergibt sich schon ein verändertes Bild von der Verteilung der Betriebsformen. Ich wähle einige Beispiele unter den Gesichtspunkten von Kontrast und Vielfalt aus: 1. Seinstedt (2 km sö. von Achim): Vlł mansos cum curia et XV mansos litonicos cum areis et II mansos pheudales; 2. Remlingen (7 km nö. von Achim): III mansos cum curia et IX mansos litonicos cum areis suis et curiam dictam de Immenhoff; 3. Cramme (2 km nö. von Lobmachtersen): II mansos et area litonica; 4. Heerte (zwischen Lobmachtersen und Watenstedt): I mansum cum area et aliis pertinenciis; 5. Gr. Elbe (1,5 km nö. von Kl. Elbe); VIII mansos cum curia et aliis pertinenciis et I mansum et II areas censuales; 6. Lewe (3 km sö. von Gr. Mahner): II mansos cum curia et aliis pertinenciis; 7. Gr. Heere (Urbar Neuwerk § 6): I area; 8. Kl. Heere: I mansum cum aliis attinentiis 68 . Als erster Eindruck dieser Auswahl könnte festgehalten werden: die Mischung zwischen konzentriertem und Streubesitz; und die örtliche Koppelung von curia-verbundenen Mehrhufenbetrieben und area-verbundenen Hufenbetrieben. Dieser Eindruck mag durch den regionalen Gesichtspunkt der Auswahl zustandegekommen sein. Wenn man jedoch den Bestand des ganzen Registers mit Besitzungen in 142 Dörfern Ostfalens untersucht, läßt sich dieser Eindruck ebenso bestätigen wie präzisieren. Man kann der - günstigerweise sehr stereotypen - Beschreibungsweise des Registers 6 Betriebstypen entnehmen: - curia-verbundene mansi (Typ 1), - curia-verbundene mansi plus areae (Typ 2), - area-verbundene mansi am gleichen Ort neben curia-verbundenen mansi (sowohl mit als auch ohne area-Zahl: Typ 3 a,b), - area-verbundene mansi ohne curia am Ort (sowohl mit als auch ohne area- Zahl: Typ 4 a,b), - iugera-verbundene area (Typ 5), - area (Typ 6) 69 . 68 UBHHi 4/ 638, S. 345f., 351. 69 Tabelle 7. 64 Eine Zusammenfassung aller Informationen über diese Typen enthält die folgende Tabelle: Typ 1 Typ 2 Typ 3a Typ 3b Typ 4a Typ 4b Typ 5 Typ 6 Summe Orte 52 18 10 7 20 4 6 5 Mansi 252,5 118 52 66 61 13,5 - - 553 Curiae 76 28 - - - - - - 104 Areae - 52 56 ? 40 ? 6 7 (161) Iugera - - - - - - 97 - 97 Wie lassen sich diese dürren Zahlen in eine sozialgeschichtliche Beschreibung umsetzen? Zwei Drittel aller Hufen werden von großbäuerlichen Betrieben genutzt, ein Drittel von kleinbäuerlichen. Die großbäuerlichen sind in zwei Formen verbreitet. Die weitaus häufigere Form ist der 3-4-Hufenbetrieb als die kleinere Variante; dem nicht so verbreiteten 5-Hufenbetrieb sind durchschnittlich 2 kleine landlose Höfe zugeordnet. Diese Betriebsform ist gut bekannt aus den Registern Neuwerks, von Dörntens und Freses. Es sind die Meierhöfe, die dort vorherrschen. Zur Präzisierung trägt die Auszählung der vielen Belege aus dem Register von 1321 bei: die landlosen areae sind eher den größeren der Meierhöfe zugeordnet. Eine Ergänzung des bisherigen Bildes von der Form und Verteilung der Betriebsgrößen erbringen die Typen 3 und 4. Immerhin ist ein Drittel des Ackerlandes samt seiner Pertinenzen in der Hand von area-Bauern. Legt man die mansusarea-Korrelation der Typen 3a und 4a zugrunde, dann verfügt der ‚durchschnittliche‘ area-Betrieb über 1,2 Hufen. Wie ersichtlich aus der Tabelle 7, ist dies keine realistische Anzahl für den Einzelfall. Aber dieser Durchschnittswert trägt doch zur Präzisierung unserer Vorstellung von den ‚Hufenbauern‘ bei: Die Hufe ist in dieser Zeit durchaus noch eine Größe, die der mittelbäuerlichen Subsistenz zur Grundlage dient. Zum anderen ermutigt dieser Durchschnittswert dazu, in der Nennung einzelner Hufen in anderen Quellen auch den Hinweis auf eine bäuerliche Betriebseinheit zu sehen. Wenn man wagt, eine Gesamtzahl der areae durch die Ergänzung der Typen 3b und 4b analog des mansus-area-Verhältnisses der Typen 3a und 4a (1,2 H : 1 A) zu errechnen, dann ergibt sich eine hypothetische Summe von ca. 220 Hufenbauern, die ein Drittel des Klosterlandes in einem Drittel der Klosterdörfer bebauen. Ihnen stehen 104 Meierbetriebe gegenüber, denen 52 landlose Köter angegliedert sind. Diese sehr grobe ‚Sozialstatistik‘ der Grundherrschaft St. Michaels ist nicht vollständig ohne den Hinweis auf die 13 ‚freien‘ Köter, von denen 6 über durchschnittlich 16 Morgen, nach unseren Ergebnissen über die normale Hufengröße, also eine halbe Hufe, verfügen. Aber es bleibt der Vorbehalt: Der Einzugsbereich der Güter St. Michaels reicht nur ganz punktuell in den Neuwerks hinein, so daß der streng lokale Bezug der Untersuchung fast gleich Null ist. Ausgerechnet in Gr. Heere, wo einzig sowohl 65 Neuwerk wie St. Michael begütert sind, hat letzteres lediglich eine area. Man kann sich nur damit trösten, daß - wie die oben zitierten Beispiele aus den Nachbardörfern Neuwerks bezeugen - dort die Strukturformen der Grundherrschaft von St. Michael klar belegt sind. Wieder in die direkte Nachbarschaft zu den Neuwerker Bauern, wenn auch mit zeitlichem Verzug, führen viele Angaben im Register des Hildesheimer Dompropstes von 1382. Wir brauchen uns hier allein auf die villicacio Barum zu beziehen 70 . Nur die allodia weisen darin klaren betrieblichen Bezug auf. Es sind - das paßt ins bisherige Bild - vier 3-Hufenbetriebe, dazu einer mit 6 Hufen. Je einer von ihnen ist in Lobmachtersen und Ohlendorf, wo - 1355 - Neuwerker Bauern sitzen. Wir konnten sie oben zum Teil als Meier ausmachen, die andern, so vermuteten wir, konnten Hufenbauern sein, besonders die in Ohlendorf. Wenn man darin folgt, daß die Beschreibung im dompröpstlichen Register trotz mancher terminologischer Unterschiede funktional Gleiches treffen will wie die von St. Michael, dann kann man mindestens viele von den gut 110 Zinshufen in den 19 Orten dieses Verwaltungsbereiches für Ein-Hufenbetriebe halten; 31 von ihnen liegen in 6 Dörfern, wo auch Neuwerker Bauern sind: in Lobmachtersen, Ohlendorf, Flachstöckheim, Jerstedt, Langelsheim, Gruonstede. Ergänzungen, die doch vielfach indizienartigen Charakter behalten, weil die sichere Bestimmung der Betriebsform nur selten möglich ist, ließen sich noch in Hülle und Fülle beibringen 71 . Wichtiger sind aber Verzeichnisse, die sich auf einen einzigen Ort beziehen und neben der Hufenzahl (und dem Zins) auch noch die Inhaberschaftsnamen enthalten. Für ein Dorf im Neuwerker Einzugsbereich waren solche nicht zu finden. Dies liegt sicher daran, daß einerseits die lokalen Besitzverhältnisse zu zersplittert sind, als daß ein Herr oder Eigentümer den gesamten Güterbestand eines Dorfes beim Registrieren hätte erfassen müssen und zwar nicht pauschal, sondern im Detail 72 . Andererseits fehlt noch der systematische Zugriff späterer Landesherren auf ihre ‚Untertanen‘, dem man die für die Forschung so wertvollen ‚flächendeckenden‘ Erb- und Kopfsteuerregister der nachmittelalterlichen Zeiten verdankt. Nur 4 Verzeichnisse dieser Art stehen zur Verfügung. Zwei sind dem Blankenburg-Regensteinschen Lehnsregister von ca. 1346 entnommen. Sie beziehen sich auf die heute wüsten Dörfer Üplingen (b. Dardesheim) und Quarmbeck 70 Tabelle 10. Text; UBHHi 6/ 546, S. 389f. 71 Ergänzungen dieser Art - auch lokale - sind möglich in den Registern des Goslarer Domstifts (1309), des Kollegiatstifts St. Blasius (1320, ca.1340): dort sind Hufen und Hufenzinse kombiniert. Diese Verbindung hat wohl höhere Beweiskraft als die reinen Hufen-Aufzählungen, die vorwiegend die Lehnsregister enthalten. Nur die großbäuerlichen Mehrhufenbetriebe sind öfter als solche erkennbar. Besonders auffällig zeigen diese Aussageform die Tabellen 24, 25, 26, 28, 29, 30, 34 (ca.1354: viele Verbindungen von Höfen mit verschiedenen Hufenzahlen! ), 36 (1357/ 66: ähnlich wie Nr. 34); 37 (ca.1360: deutliche Hinweise auf kleinbetriebliche Formen), 38, 39 (1395/ 98: sehr komplexe Hof-Hufe-Beziehungen). 72 ‚Ganze‘ und ‚halbe‘ Dörfer sind mehrfach als Lehnsbesitz belegt (Tabelle 26, Z.21; 27, Z.1, 18, 21; 29, Z.3, 18ff., 65, 79; 38, Z.4, 5, 7). Warum eine detaillierte Beschreibung fehlt, steht dahin. 66 (b. Quedlinburg) 73 . Die anderen beiden sind hzgl. Braunschweigische Register der Vogtei-Einnahmen von ca. 1365 in den Amtsdörfern Bornum (bei Königslutter) und Dettum (nö. der Asse in der Schöppenstedter Börde) 74 . Da quellenkritische Erläuterungen zu diesen Verzeichnissen fehlen, ist schwer zu beurteilen. wie vollständig sie sind. Aber als einzige Zeugnisse gehäufter, standardisierter und zeitgleicher Information über ein Dorf sollten sie berücksichtigt sein. Ihr hier nötiger Gehalt läßt sich wie folgt zusammenfassen: Ort Inhaberzahl Hufen pro Inhaber 7 3 2 1 ½ 5 ⁄ ₄ 1 ¾ ½ ¼ Üplingen 10 - 1 2 1 - 4 - 2 - Quarmbeck 17 - - - - - 2 - 12 3 Bornum 24 - - - 1 - 18 - 5 - Dettum * 51 (1) - 2 1 2 10 6 14 13 * Die 7-Hufen-Einheit ist erschlossen: Am Ende des Verzeichnisses ist die Rede de allodio, in quo habitant Hermannus et Bernhardus fratres: VII talenta, XXVI choros tritici, I chorum siliginis. Da der Zins pro ganzer Hufe durchgängig 1 tal. beträgt, ergibt sich - ohne Berücksichtigung der Kornzinse - eine Hufenzahl von 7 für das allodium. Die Aufteilung der Hufen(teile) pro Inhaber ist, betrachtet man sie zunächst von den Polen her, eine deutlich andere als die der bislang herangezogenen Register. Der 3-7-Hufenbetrieb ist nur je einmal vertreten. Die landarmen Inhaber (Dreiviertel-, Halb-, Viertelhufner) bilden in zwei Fällen klar die Mehrheit am Ort, in einem eine beachtliche Größe. Die 1-2-Hufenbauern haben einen je anderen Anteil am Land im Dorf: in Üplingen 70 %, in Quarmbeck 30 %, in Bornum ca. 90 %, in Dettum 46 %. Natürlich sind diese Prozentsätze bestimmt durch die Betriebstypen, die sich aus den anderen Registern ergaben. Deshalb mag auch eine verschobene Interpretation ihr Recht haben 75 . Mitnehmen kann man aber ohne schwere Skrupel: 1. die Bestätigung dafür, wie wichtig der mittlere Hufen-Bauernbetrieb in den Dörfern der Region doch ist; 2. die Gewißheit, daß die Verteilung der hier ermittelten Betriebstypen von Dorf zu Dorf stark variiert; 3. die These, daß das wirtschaftliche Gefüge der ostfälischen Dörfer dieser Zeit keinen polarisierten Charakter hat, sondern einen numerisch bedeutenden 73 LeRg, Nr.524 und 341; systematisiert in Tabelle 32 und 40. Ein Versuch, durch Zusammenstellung aller Lehnsnotizen zu den Dörfern Bentzingerode, Dingelstedt, Reddeber und Wulferstedt ein ‚Ersatzregister‘ zu erstellen, die quantitative Nutzung gestattet hätten, scheiterte. Die Angaben sind zu uneinheitlich und bilden oft mehrere Verlehnungsschichten, sind also nicht zeitgleich. 74 Sud 3/ 255 u. 256, S. 168ff. Zur Bestimmung: H. Kleinau, GOV 1, S. 150f. Die Texte aufgearbeitet in den Tabellen 5a, b. 75 Ich denke an die Zuordnung der 3/ 4-Hufner zu den Vollhufnern, der Zwei-Hufner zu den Mehrhufenbetrieben. 67 Anteil in der Mitte zwischen landlosem oder -armem Kätnertum und landreichen Meierhöfen aufweist. Damit ist eine Antwort auf die Frage gefunden, ob die Betriebsformen, die die Neuwerker Bauern kennzeichnen, typisch und repräsentativ für die Dörfer und die Region sind, in der sie liegen. Sie sind typisch, der Typ des mittleren Hufenbauern tritt aber stärker hervor. Da er, wenn auch mit lokal schwankendem Anteil, überall verbreitet ist, kann die örtliche Verteilung der Betriebsformen auf den Gütern Neuwerks nicht oder nur teilweise repräsentativ für die Nachbarn der Neuwerker Bauern sein. Weiter läßt sich sagen, daß im patrizisch geprägten Grundbesitz - hierfür kommen neben Neuwerk die Familien v. Dörnten und Frese in Frage - der 3-6-hufige Meierbetrieb, dem landlose Kätner angegliedert sind, die deutlich bevorzugte Betriebsform ist. Auch ließen sich Indizien dafür beibringen, daß diese Betriebe bewußt organisiert worden sind. Vielleicht ist die Vermutung berechtigt, daß sie in Dörfern starker vertreten sind, die im Interessensbereich jener bürgerlichen Gruppen liegen, d. h. möglichst nicht zu weit von der Stadt entfernt. Das mittlere Bauerntum ist demgegenüber stärker in den alten geistlichen Grundherrschaften - hier am Beispiel St. Michael und Domstift in Hildesheim - sowie im adligen und landesherrlichen Lehnsbesitz vertreten - neben den deutlich selteneren Meierbetrieben und (eventuell auch) Kätnern. 4 Vermutungen über Grundriß, Aufriß und Inventar der Höfe Da es gelungen scheint, aus der Hof-Terminologie und der Hof-Hufen-Beziehung die für die ostfälische Landbevölkerung des 14. Jahrhunderts typischen drei Betriebsformen Meierhof, Hufenbauernhof und Kätnerhof zu bestimmen, liegt die Frage nahe, ob die Überlieferung auch Einzelheiten über die Binnenverhältnisse dieser Formen bietet. Da die innere Struktur der Höfe für die herrschaftliche Inventarisierung so gut wie keine Rolle spielte, ist man auf beiläufig, nicht systematisch erwähnte Einzelheiten in den Registern und Urkunden angewiesen. Sie allein würden sich jedoch nicht zum Bilde fügen. Dazu bedarf es der Ergänzung durch die Rechtsquellen, insbesondere das Landrecht des Sachsenspiegels, und die Ergebnisse der Archäologie, der Hausforschung und der Technikgeschichte. 1. Über die Größe der Areale ist fast nichts zu erfahren. Eike bindet richterliche Rechte gegenüber dem freien Mann an ein Minimum an Eigen; es umfaßt ene halve huve unde ene word, dar men enen wagen oppe wenden moge 76 . Dieser anschaulichen Normierung läßt sich nur zweierlei zur Seite stellen. Eine vereinzelte Bemerkung im Neuwerker Register (zu Kl. Sehlde): quinque jugera, ubi quondam fuit curia sita 77 , gibt immerhin Anlaß, daß man sich ein Meierhofgelände hektargroß vorstellen kann. Aus den Grabungen in Hohenrode, einem Ende des 14. 76 SspLaR I 34, § 1; hierzu auch W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 38. 77 GUB 4, S. 389. 68 Jahrhunderts abgegangenen Dörfchen am südöstlichen Harzrand bei Sangerhausen 78 , geht hervor, daß die Grundstücke der 8-10 Höfe des Dorfes, für die etwa je 1,5 mg Fluranteil hat rekonstruiert werden können, sich in die Gesamtfläche von ca. 50 ´ 50 m teilen 79 . Sind mit diesen Hinweisen vielleicht ‚Eckwerte‘ dessen gegeben, was man sich als Meier bzw. Kätnerreite vorstellen sollte? 2. Über die Häuser der Höfe kann man schon etwas mehr sagen, und dieses Wenige dürfte für Zuordnungen zu den drei Betriebstypen taugen. Nach den knapp 20 Details aus dem 14. Jahrhundert, die ich zusammenlesen konnte 80 , heißen die Gebäude domus, casa, kemnata, structura und hus, woninghe, ghemake, ghebeygh, hutte, schune, bachus. Schon diese Aufreihung deutet auf Unterschiede in der Benutzungsweise - und eventuell auf unterschiedliche Benutzer hin. Sieht man sich den Kontext der einzelnen Wörter näher an, dann wird dies noch klarer. Schune, bachus und hutte stehen in Verbindung zum hus bzw. Hof; hus und ghemake werden als verschiedene Gebäudearten aufgezählt. Dazu kommen Hofnamen wie Sten-Hof oder Torn-Hof, die andeuten, daß nicht alle Gebäude von sodanem holtenen buwe, alse men uppe den dorpen to hebbende plecht, und unwerhaftich sind 81 . Natürlich sind die Gebäude, die als Wohnung, Stall und Speicher dienen, in der Regel Holzbauten. Die Grabungen in Hohenrode und Königshagen, dazu auch Einzelposten in den Ausgabenteilen der Rechnungen von St. Blasius bestätigen dies. Allerdings kann man von einer einheitlichen Bauweise nicht sprechen. Es gibt den alten Pfostenbau genauso wie den ‚neuen‘ Ständerbau auf Steinfundament. Die Wände können aus Schichtlehm oder aus Fachwerk und mit Lehmbewurf abgedichtetem Flechtwerk gefertigt sein. Für die Dachbedeckung sind (Holz-)Schindeln, Roggenstroh und Reed nachgewiesen 82 . Der Grundriß des Hauptgebäudes der Höfe folgt einem Grundtyp: es ist ein einschiffiges Firstsäulenhaus - dies im deutlichen Gegensatz zum dreischiffigen niedersächsischen Hallenhaus -, das in seiner Binnengliederung quer aufgeschlossen und von den Traufenseiten aus zugänglich ist. Die schlichteste - und kleins- 78 P. Grimm, Hohenrode, eine mittelalterliche Siedlung im Südharz, Halle 1939, war mir nicht zugänglich. Ich konnte aber zur Information benutzen: K. Baumgarten, Ethnographische Bemerkungen zum Grabungsbefund Hohenrode, in: Ausgrabungen und Funde 16, 1971, S. 49ff.; P. Grimm, Phosphatuntersuchungen in der Wüstung Hohenrode bei Grillenberg, Kr. Sangerhausen, in: a.a.O., S. 43ff.; W. Janssen, Königshagen. Ein archäologisch-historischer Beitrag zur Siedlungsgeschichte des südwestlichen Harzvorlandes, Hildesheim 1965, S. 201ff.; E. Ennen/ W. Janssen, Deutsche Agrargeschichte, S. 149ff.; J. Chapelot/ R. Fossier, Le village et la maison au Moyen Âge, Paris 1980, S. 225ff. 79 J. Chapelot/ R. Fossier, Maison, S. 226. 80 In zeitlicher Reihenfolge: GUB 3/ 482/ 1312-22; 3/ 452/ 1317; 3/ 749/ 1326; 3/ 753/ 1326; 3/ 793/ 1328; UBStött 98/ 1328; GUB 3/ 823/ 1329; LeRg Helmstedt von 1322; Crecelius/ Fiedler, S. 177; GUB 4/ 269/ 1345; 4/ 272/ 1345; 4/ 383/ 1350; 4/ 449/ 1351f.; Sud 2/ 79/ 1356-58, S. 46; GUB 4/ 672/ 1359; D. Hellfaier, Oberg, S. 210, Nr.8/ 1360; Deeters, Frese, S. 11, 13 §§ 6, 17/ 1370; GUB 5/ 593/ 1385; 5/ 810/ 1390. 81 UBStHi 1/ 959/ 1346. 82 W. Janssen, a.a.O., S. 203ff., GK, S. 60, Z.26ff., 83, Z.21; zum Allgemeinen den systematischen Überblick bei J. Chapelot/ R. Fossier, Maison, S. 255ff. 69 te - Ausführung dieses Typus ist ein ein- oder zweiräumiges, mit einer offenen Herdstelle versehenes Wohnhaus, das man für unseren Zusammenhang als kleine Kate bezeichnen kann 83 . Der Ausbau dieser Form ist räumlich als ‚Streckung‘ 84 , funktional als Erweiterung zur ‚maison mixte‘, dem Wohnstallhaus, zu verstehen. Dafür sprechen nicht nur die archäologischen Funde 85 . Auch der Sachsenspiegel enthält manchen Hinweis darauf, daß Mensch und Vieh unter einem Dach vereint waren 86 . Die Trennung des Innenraums durch eine feuerfeste Wand, an die die Feuerstelle gerückt wird, die Schließung derselben zu Herd bzw. Ofen (Kamin! ) und die partielle Unterkellerung sind weitere Elemente dieses Erweiterungsprozesses, der an den Grabungsbefunden am Harzsüdrand ablesbar ist. Aber auch der Ausbau zum Mehrseithof, als Hakenwie Dreiseithof, ist nachgewiesen, besonders für die größeren Gehöfte 87 . Daneben sind noch kleine, freistehende Gebäude gefunden worden, die sich als sowohl eingetiefte wie mehr stöckige Speicher deuten lassen, dazu ein Backofen. Ob die den Mehrseithöfen angegliederten Gebäude als Ställe, Scheunen oder Gesindetrakt zu verstehen sind, mußten die Archäologen offenlassen. Hier kann wieder die schriftliche Überlieferung weiterhelfen. Die Unterscheidung zwischen hus und ghemake könnte auf eine Mehrgliedrigkeit verweisen, deren Aufwandsformen - auch der Steinbau kommt hier ins Spiel - m. E. klar in den Bereich der mehrhufigen Meierbetriebe deuten. Das ist auch an anderen Details zu sehen. In den Rechnungen des St. Blasius-Stifts werden Ausgaben notiert, die den Steinbau für Gebäude auf den stiftischen allodia bezeugen. Dies sind einerseits domus 88 - auch im Neuwerker Register begegnet in Gr. Mahner eine domus lapidea 89 -, andererseits Bergfriede (propugnacula), die zur Bergung von Mensch, Vieh und Vorrat gedient haben werden, weshalb sie auch bisweilen spiker heißen 90 . 83 J. Chapelot/ R. Fossier, Maison, S. 246ff. nennen dieses Haus (bereits mit Zwischenwand versehen) ‚maison élémentaire‘. 84 H.-G. Griep, Das Bauernhaus im ostfälischen Sprachgebiet, Osterode 1965, nennt diesen Haustyp deshalb ‚Streckhof‘. Leider standen Griep die Grabungsberichte noch nicht zur Verfügung, mit Hilfe derer er seine - vorwiegend baugeschichtliche - Untersuchung im späten Mittelalter hätte verankern können. 85 Hierzu J. Chapelot/ R. Fossier, a.a.O., S. 226ff., H. Janssen, a.a.O., S. 205ff., K. Baumgarten, Bemerkungen, pass. 86 Schöne Deutung der Belege bei K. Bischoff, Land und Leute, S. 57f. 87 Dies sind die Häuser I und III in Königshagen sowie Haus 16 in Hohenrode. 88 GK, S. 105, Z.22: 8 s 9 d pro stenbreken ad edificium domus in Schepenstede, wo ein allodium/ villicus des St. Blasius-Stifts ist. Auf der curia der villicatio Adersleben steht 1286 eine lapidea caminata (GUB 2/ 342). 89 GUB 4, S. 390. 90 H. Kleinau weist im Register (GK, S. 535) 16 Orte nach, in denen im 14./ 15. Jh. solche Bergfriede gestanden haben. Bei meiner Durchsicht der Ausgabenteile der Rechnungen ist mir noch ein weiterer Ort aufgekommen, Ahlum. Der Passus gibt auch Auskunft über die Lage des Bergfrieds (GK, S. 111, Z.1): 1 m pro propugnaculo parvi allodii in A. Nach anderen Ausgabennotizen sind diese spiker auch mit Türschwellen aus behauenem Stein versehen und verschließbar: GK, S. 105, Z.18 (Schöppenstedt), S. 117, Z.18f. (Broitzem). Nach H. Kleinau, GOV 2, S. 717 70 Die sichere Bergung der Vorräte hat in dieser Zeit wohl eine so große Bedeutung, daß der spiker sogar aus dem eigentlichen Hofareal an einen anderen Ort verlagert wurde, den Kirchhof. Diese uns heute doch seltsam berührende Tatsache ist - nach den bereits beigebrachten Zeugnissen 91 - in 7 Dörfern nachweisbar; H.A. Lüntzel, H. Wiswe, E. Döll und K. Bischoff führen noch weitere Belege an 92 . Vielleicht läßt sich diese Gewohnheit auch schon im Sachsenspiegel nachweisen 93 . In einer Urkunde Stötterlingenburgs ist sogar die Größe der Grundfläche angegeben: Neben einer halben Hufe und einer curia gibt man spatium in latitudine sex pedum in cimiterio dicte ville (Gevensleben) ad horreum construendum 94 . Ansonsten ist die Rede von einer hutte, einer schunenstede oder 2 schunen… uppe dem kerchove. Auch im Neuwerker Register ist eine domus lapidea in cimiterio in Beuchte aufgeführt 95 . Sicher haben H. Wiswe und K. Bischoff recht, wenn sie als Motiv für die Errichtung solcher kleinen Speicher sowohl die häufig belegte Ummauerung der Friedhöfe wie deren höheren Frieden vermuten. Vielleicht kommt aber noch etwas hinzu: Sollten die Toten keinerlei Bedeutung für diese Form der Bergung von Saat- und Brotkorn haben? 96 Da keine Angaben über den Standort der Speicher vorliegen und man über die räumliche Gliederung der Friedhöfe selber - evtl. Gräber, Epitaphe, Kapellen, Beinhäuser - nichts weiß, ist eine Zuordnung der Speicher zu bestimmten Toten unmöglich 97 . Nur durch weitere Forschung, die in die frühe Neuzeit reichen müßte, ist eine Präzisierung in dieser Richtung zu erhoffen, ohne die kein Deutungsfortschritt erreicht werden kann. Ich versuche zusammenzufassen: Die Details verschiedener Provenienz gestatten es m. E., zwischen kleinen Katen, mehrräumigen Wohnstallhäusern, die eventuell auch zu Mehrseithöfen erweitert sind, und mehrgliedrigen ‚Haufenhöfen‘, die oft über Häuser und Bergfriede in Steinbau verfügen, zu unterscheiden, ohne daß die Überlieferung allzusehr gepreßt ist. Diese Unterscheidung ist in typisierender Absicht getroffen, deckt sich aber einerseits mit der Forschung zum mittelalterlichen Bauernhaus allgemein (maison élémentaire, maison mixte, ferme 98 ) und widerspricht den regionalen Grabungsergebnissen nicht. Endlich steht noch heute ein solcher Bergfried in Wittmar; A. Timm, Wohnturm-Bergfried-Kirchturm. Zur Entwicklungsgeschichte des Turmes am Harz, in: HzZ 8, 1956, S. 66 weist noch auf UB Drübeck 100/ 1400 hin, wo von einem berchfrede vch dem kerkhove in Drübeck die Rede ist. Ansonsten bietet der Artikel nichts Neues. 91 S. o. Anm. 81. 92 H.A. Lüntzel, Lasten, S. 125f.; H. Wiswe, Dorfkirche und Grundherrschaft im südlichen Niedersachsen während des späteren Mittelalters, in: BrJb 6, 1934, S. 85f.; E. Döll, St. Blasius, S. 252; K. Bischoff, Land und Leute, S. 61ff. 93 K. Bischoff, ebd. 94 UBStött 98/ 1328. 95 GUB 4, S. 391. Der Neuwerker Besitz am Ort: 16 H, 3 C, 5 A. 96 Ich denke hierbei an ‚die Toten und die Saat‘ in M. Eliade, Die Religionen und das Heilige, S. 400ff. 97 Zum mittelalterlichen Friedhof vgl. P. Ariès, Geschichte des Todes, München 1980, I.2, S. 43ff. 98 J. Chapelot/ R. Fossier, a.a.O., S. 250f. nennen den Mehrseithof, der sich aus der ‚maison mixte‘ entwickelt hat, ‚ferme‘. 71 läßt sie sich auch mit dem Forschungsstand über die spätere Entwicklung der ostfälischen Streckhöfe vereinbaren 99 . Und: Sie paßt zur hier ermittelten Trias der Betriebsformen. Bleibt noch nachzutragen, daß die Höfe natürlich umzäunt waren. Auch hierzu gibt der Sachsenspiegel so differenziert Auskunft, daß man sich den Kothof eher mit einem einfachen Flechtzaun, den Meierhof eher mit staken oder muren umgeben vorstellt 100 . Was sich sonst noch binnen tunede unde tymber 101 an Gebäuden und Wirtschaftsflächen befand oder befinden konnte (Misthaufen, Brunnen, Gärten; Backhaus, Geflügelwiem, Schweinekoben/ Hamme), kann hier nicht als empirischer Zusammenhang dargelegt werden; man weiß eben nur, daß diese Dinge zum Hof gehören (können). 3. Gleiches gilt weitgehend auch für das instrumentelle und das lebende Inventar der Betriebe. Den Entwicklungsstand der Agrartechnik seit dem Hochmittelalter hat für das Gebiet des Deutschen Reiches jüngst U. Bentzien umfassend dargestellt 102 . Demnach bestimmen folgende Elemente das agrartechnische Niveau Ostfalens: - der ‚altdeutsche‘ Beetpflug „mit asymmetrisch ausgeschmiedeter bzw. asymmetrisch abgenutzter Tüllenschar, rechtsseitigem, festem Streichbrett, Sech und Radvorgestell sowie vierseitigem Gerippe, bestehend aus Sohle, Griessäule, Grindel und (linker) Hauptsterze, die in der Sohle fußt, während die (rechte) Nebensterze nur am Streichbrett befestigt ist“ 103 ; - meist wohl Rinder, aber auch hufeisenbeschlagene, über Sielengeschirr angespannte Pferde als Zugvieh; - die mit Holzzinken versehene Rahmenegge, die gezahnte Sichel für den Getreide-, die Bartsense für den Grasschnitt, der zweiteilige Dreschflegel, der Wagen mit drehbarem Vorderschemel; - die oberwie unterschlächtige Wassermühle (und die Windmühle). Der Quellenbestand, der durchgesehen wurde, bietet zu diesem agrartechnischen ‚System‘ nur wenige bestätigende Einzelheiten. Die Beschreibung des Pfluges geht im wesentlichen auf die Abbildungen in der Dresdener Bilderhandschritt des Sachsenspiegels aus dem 14. Jahrhundert zurück 104 . Dieser Pflug wird in den 99 Hierzu H.-G. Griep, Bauernhaus, S. 42. Trotz seiner These vom typisch ostfälischen Streckhof räumt er ein, daß der Mehrseithof bereits im Mittelalter für die ‚Domänenbauten‘ und ‚Großbauernhöfe‘ typisch gewesen sein dürfte. 100 K. Bischoff, Land und Leute, S. 53f.; G. Buchda, Dorfgemeinde, S. 10f. Umzäunung einer curia: GK, S. 83, Z.17. 101 In einem Anhang zum Goslarer Stadtrecht wird diese Formel so glossiert (StRG B IV, 2, S. 190): Timber dat is ghebu uppe sineme gude, tunete dat sin hove, wingarden, bomgarden, de unune betunet sin; vgl. K. Bischoff, a.a.O., S. 54. 102 Bauernarbeit im Feudalismus. Landwirtschaftliche Arbeitsgeräte und -verfahren in Deutschland von der Mitte des ersten Jahrtausends u.Z. bis um 1800, Berlin 1980, Kap. 2, S. 57-102; vgl. auch E. Ennen/ W. Janssen, Deutsche Agrargeschichte, S. 156ff. 103 A.a.O., S. 67. 104 Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. K. v. Amira, Bd.1 (Facsimile der Handschrift) (1902), ND Osnabrück 1968, Bd.2 (Erläuterungen), Tle 1.2, Leipzig 1925/ 26. 72 Abbildungen - soweit ersichtlich 105 - von Pferden gezogen, ebenso der Wagen 106 . In den schriftlichen Quellen sind schon am Ende des 12. Jahrhunderts - wenigstens einmal - Pferde vor dem Pflug belegt 107 , das Spannen vor den Wagen schon wesentlich öfter 108 . Daß nicht das stabile Kummet, sondern der breite lederne Halsriemen zur Pferdeanspannung diente, bezeugen neben den Sachsenspiegel- Illustrationen auch die St. Blasius-Rechnungen 109 . Die Regel ist sicher eine kontinuierliche Regeneration des Bodens - neben der Brachhaltung und -pflügung - durch Mist und Mergel; die Zeugnisse dafür sind aber spärlich 110 . Die Viehhaltung läßt im allgemeinen wenig züchterisches Interesse erkennen 111 . Die osteologische Untersuchung der ungewöhnlich reichen Knochenfunde auf der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts abgegangenen Siedlung von Kl. Büddenstedt (nö. v. Schöningen) 112 bestätigt dies. Nachgewiesen für diese kleine Siedlung 113 wurden: kleine bis mittelgroße Pferde, kleine Rinder, Ziegen und Schafe, das hochbeinige und schlankwüchsige Hausschwein (‘Terpenschwein‘), mittelgroße Hunde und kleine Hühner. Verglichen mit der Wergeldordnung des Viehs in der 4. Fassung des Sachsenspiegels (ca.1270) 114 fehlt nur wenig: Katze, Ente, Gans, Esel und Maultier. Über die Verteilung des Viehs zwischen den Betrieben kann man nur Vermutungen anstellen, die sich an Lokationsverträge und Zinsformen anschließen. In der Lokation des ‚Knechts‘ Jan von Rössing mit dem Stift Riechenberg über dessen Güter in Ebbingerode und Kentigerode (bei Alt-Wallmoden) von 1345, einem sicher großen Güterkomplex 115 , 105 Es ist bedauerlich, daß man - abgesehen von den auf den Sinn des Einzelbildes abzielenden Erläuterungen K. v. Amiras - noch immer keine erschöpfende Analyse zur agrartechnischen Seite der Bildwelt der Bilderhandschriften zur Verfügung hat. 106 Pferd vor dem Pflug: Bd.1, Tafeln 25, 49, 61, 69, 77, 102, 108; dazu Bd.2/ 1. S. 236f.; Pferd vor dem Wagen: Tafel 66, 37. 107 GUB 1/ 343/ 1195. Der Vogt von Riechenberg … pueros canonicorum S. Georgii, cum agros… excolerent, confractis aratris et equis per devia effugatis, verberibus duris officiens semivivos quasi reliquit. Man hat zu beachten, daß dieser Vorgang Äcker vor der Stadt betrifft. Die Werkzeuge und pueri werden aus dem Gutshof St. Georgenbergs vor der Stadt kommen. Eine Übertragung auf den ‚durchschnittlichen‘ Bauernbetrieb verbietet sich damit. Von veltperde, die to vulleme arbeide dogen und tochossen ist in SspLaR III 51 § 1 (4. Fassung v. ca. 1270) die Rede, in: GUB 4/ 419/ 1351 von ackerperden. 1311 erhielt das Zisterzienserkloster Michaelstein für seinen Hof Eningerode gewisse Weiderechte quia predictum monasterium nullam potest tenere curiam sine equis (UBHHa 2, S. 449; zit. bei H. Wiswe, Grangien, S. 109). 108 Urbar St. Liudger v. ca. 1150, Kötzschke, S. 174; Urbar Hamersleben v. Anfang d. 13. Jhs., Zöllner, S. 277, 281; UBSPH 47/ 1274; GUB 3/ 288/ 1312; 5/ 1013/ 1396. Zwei Ochsen vor dem Wagen: SspLaR III 45 § 9. 109 GK, S. 111. Z.1 (helsing) u. Register s. v. 110 GUB 2/ 186/ 1273; 4/ 94/ 1339; 5/ 680/ 1387; vgl; auch O. Teute, Ostfalenland, S. 363f. 111 U. Bentzien, a.a.O., S. 83ff., O. Teute, a.a.O., S. 372 ff. 112 J. Boessneck/ M. Stark, Die Tierknochenfunde der Ausgrabungen 1959 auf der Wüstung Kl. Büddenstedt, Kr. Helmstedt, in: Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 8, 1973, S. 179-213. 113 H. Kleinau, GOV 1, 8.118. 114 SspLaR III 51, § 1; dazu K. Bischoff, a.a.O., S. 57f. 115 GUB 4/ 270; leider wird die Zahl der Hufen nicht genannt. 73 werden perde, koye unde schap als vererbbares Eigen nach Vertragsende erwähnt. Die Verteilung der Viehzinse - dies wird noch näher zu erläutern sein - zeigt, daß zu den großen Höfen, den ‚Sedelhöfen‘ etwa, der Gänse- und ebenso der Schweinezins gehört, das Rauchhuhn jedoch auch der landlose Kothof entrichtet. Sicher sind dies Indizien für einen abgestuften Umfang des betrieblichen Viehbestandes, den man sich solange als am Grundwert der Landmenge orientiert vorstellen muß, wie eine viehwirtschaftliche Spezialisierung sich im Einzelfall oder auch im überbetrieblichen Zusammenhang nicht nachweisen läßt: der landlose Kothof ohne Zugvieh, evtl. mit einer Kuh, mit Schwein, Ziege und Hühnern; der Hufenbetrieb mit einem Ochsenpaar oder schon Pferden, Schafen und dem genannten Vieh; endlich der Meierhof mit der ganzen Palette, für die Eike und seinen Überarbeitern die Wergeldordnung der Haustiere in den Sinn kam - außer den in ihrem Wert nicht normierbaren Ritterpferden. 5 Pertinenzen Will eine mittelalterliche Urkunde über einen Eigentums- oder Nutzungswechsel von ländlichem Grund und Boden vollständig sein, dann ‚muß‘ sie eine Pertinenzformel enthalten. Dies hat seinen ebenso pauschalen, wie genauen Sinn. Der pauschale Aspekt der Pertinenz ist als Hinweis auf den sachlichen Umfang des betreffenden Rechtsgutes zu verstehen, der die Aufführung aller Einzelheiten erübrigt. Den genauen Sinn enthüllt der wirtschaftliche Aspekt: Strikt individuelle Nutzung schieren Landes entspricht nicht dem Wesen bäuerlichen Auskommens in Hof und Dorf. So paradox es klingen mag: Jeder bäuerliche Betrieb kann seine Selbständigkeit ohne überbetriebliche Verflechtungen nicht erhalten, durch die der Zugang und die Verteilung der den Ackerbau ergänzenden dörflichen Nutzungsbereiche geordnet werden. Solche Angewiesenheit äußert sich, positiv gewendet, als Recht auf Anteilnahme an den Bereichen und Formen dieser Ordnung. Mit der Pertinenz werden diese Rechte ausgesprochen. Es geht um die utilitas bzw. nut als tobehoringhe des Landes. Man könnte das, auf den dieses Land nutzenden Betrieb bezogen, dessen gemeinwirtschaftlichen Einschlag nennen. Er erstreckt sich auf alles, was neben dem Äckerland und dem Hof to brukende ist: in dorpe, in velde, in holte, in watere, in wischen unde in weyde 116 . Nie aber wird genauer gesagt, welche nut die in der Pertinenz enthaltenen Worte mit sich bringen. Sie wären wohl auch schwerlich zu beschreiben gewesen, verstanden sich aber eben so im allgemeinen von selbst, wie sie vor Ort differierten. Jeder konnte sich eben in Störy unum echtwardum in silvis, pratis, pascuis ac aliis vorstellen, quorum usus communis in villa S. esse dinoscitur 117 . Jeder in den Dörfern nördlich von Halberstadt wußte, worin das jus pascendi equos, pecora et pecudes und das jus secandi ligna dort bestand 118 , jeder in Schlewecke, 116 GUB 4/ 688/ 1360. 117 UBStHi 1/ 647/ 1313. 118 UBStHa 2/ 37/ 1311. 74 was das Recht auf vischweyde dort erbrachte 119 . Auch der einzige Beleg aus dem Neuwerker Register für die achtwert… spectantes ad mansos (specialiter) in silva 120 gibt nicht preis, wie man sich die Kontingentierung von Bau- und Feuerholz, von Beeren, Laub, Eicheln und Bucheckern in den Weddinger Gehölzen vorzustellen hat. Nur Weistümer könnten da weiterhelfen; sie aber sind erst für spätere Jahrhunderte überliefert 121 . Leider ist es auch nicht möglich, Genaueres über unterschiedliche Anteilsberechtigungen der Meier-, Hufenbauer- und Köterbetriebe zu erfahren. Konflikte über Allmendnutzungen sind spärlich überliefert und spiegeln vor allem die widersprüchlichen Interessenlagen zwischen Grundherren und Bauern, weniger solche zwischen diesen selber wider. Vielleicht ist diese Überlieferungslücke auch als Hinweis darauf zu verstehen, daß derlei Spannungen und Verfehlungen ohne Einschaltung überlokaler Instanzen gelöst und geahndet wurden 122 . Sicher bestanden Unterschiede ‚logischerweise‘ dadurch, daß für jeden Betrieb das, was ihm (nott) vnd behoef war, etwas anderes bedeutete. Dies klingt in dem ältesten Weistum über die achtwordt in Hasserode (sw. Wernigerode; nach 1410) 123 an: It(em) dar wart gefraget, eftme holt finde, dat gehauwen were, wü lange dat me dat hegen schalle, datme recht do vnd neyn vnrecht? It. darvp wart to rechte gefunden: den ackermanne XIIII dage vnd den koter veer wecken denjenien, de darin horen 124 . Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu. War bis weit ins 13. Jahrhundert hinein die Hufe das Objekt, dem die Pertinenzen verbunden waren, so werden durch die Differenzierung, ja Auffächerung der ländlichen Vermögenswerte mit steigendem monetisiertem Güterverkehr auch andere Objekte zum Bezugspunkt von Pertinenzen, die curiae und areae. Es ist hier nicht der Ort, diese - m. E. für die Agrarverfassung recht wichtigen - Vorgänge nachzuzeichnen 125 . In den Urkunden der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist eine Unsicherheit darüber zu spüren, wohin nun eigentlich die Pertinenzformel gehöre, zum Hof oder zur Hufe 126 . Diese Instabilität der Ausdrucksweise macht es, neben den vielen einfach nur pauschalen Floskeln, unmöglich, Belege für eine Staffelung der Anteilsberechtigungen der verschiedenen Bauernbetriebe zu finden. 119 GUB 4/ 318/ 1347. 120 GUB 4, S. 390 (1355). 121 J. Grimm, Weistümer, Bd.3, S. 218-321; Bd.4, S. 648-708; das älteste datierte Stück (‘nach 1410‘) enthält die Holtding-Statuten (de rechtigkeit, de de landtlüde hebben an der achtwordt) von Hasserode, sw. von Wernigerode (4, S. 678ff.). Dazu kommen die verschiedenen Hinweise auf Allmendordnungen in den Erbregistern. 122 Dazu unten Kapitel 3,5. 123 J. Grimm, Bd.4, S. 679. 124 Ebd. 125 Dazu unten Abschnitt III, 3 und 5. 126 Dies zeigt sich m.E. daran, daß die ‚klassische‘ Reihenfolge: Hufe, Hof, Pertinenzformel, sich aufzulösen beginnt. Dabei bleibt die Hufe weiter der wichtigste Bezugspunkt, aber eben nicht der alleinige; ebenso erscheint der Hof in dieser Rolle (GUB 3/ 585/ 1321), oder er wird nachgestellt (5/ 275/ 1375). Am häufigsten aber fehlt nun die Pertinenz - als Formel. An deren Stelle wird eher die Unterscheidung in deme velde und in deme dorpe getroffen. 75 Der Ertrag, den die Quellen des 14. Jahrhunderts zur überbetrieblichen Verflechtung der Höfe in den ostfälischen Dörfern gestatten, ist denkbar mager. Viel mehr als die Notwendigkeit dieser Verflechtung und deren wichtigste Bereiche werden nicht greifbar. Da den Instanzen, die die Urkunden und Register hinterließen, kein Grund vorlag, die Formen der Beteiligung an den Gemeinheitsregelungen der von ihnen beurkundeten oder inventarisierten Güter aufzuschreiben, andere aber fehlten, die Grund dazu gehabt hätten, muß dieser so wichtige Bereich der Ausstattung der Betriebe so gut wie ein blinder Fleck in unserer Zeichnung der Neuwerker Bauern und ihrer Nachbarn bleiben. 77 II Tyns und denst: das Konglomerat der Mehrarbeit Es gibt bislang keine umfassende Untersuchung bäuerlicher Mehrarbeit im spätmittelalterlichen Ostfalen 1 . Dies ist verständlich. Die Eigenarten der Überlieferung treiben die Forschung eher dazu, die Mehrarbeitsformen als Teil des bäuerlichen Besitzrechts oder als herrschaftliches Einkommen zu analysieren, d. h. im Rahmen des Laten-, Häger- und Meierrechts oder als debitum im Urbar und receptus in der Rechnung 2 . Damit wird aber selten der Katalog aller Formen und der gesamte Umfang der Mehrarbeit erfaßt. Es wird dabei die Schwierigkeit umgangen, alle Herrschaftsformen als rententragend ins Untersuchungskalkül einzubeziehen. Wenn die Überlieferung solches gestattet - man denke an das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 -, zeigt sich schnell, wie wichtig dieses Kalkül ist 3 . Neben der Teilung bzw. Schichtung der Rentenformen nach der Herrschaftsart ist die Radizierungspraxis ein weiteres Hindernis. Wie soll man die Unterschiede in der Belastung der verschiedenen bäuerlichen Betriebstypen ermitteln, wenn die Rentenformen nicht in diesen Typen selber, sondern nur in den Elementen verankert sind, aus denen sie bestehen: Kopf, Herd, Hof, Hufe u. a. m.? Und zuletzt: Was sagen schon die - häufig allein als Termini schwer deutbaren - Einzelformen aus über den Charakter des Mehrarbeits-Systems? 4 Die folgenden Untersuchungen bieten nur erste Schritte zur Lösung der angesprochenen Fragen und Schwierigkeiten. Die Gliederung richtet sich nach ihnen: Zuerst sollen die sachlichen Formen der Mehrarbeit erläutert werden, weiter deren Radizierung und rechtliche Grundlagen. Erst dann wird es möglich sein, die Rentenformen nach Zusammensetzung und Höhe zu Rententypen zu ordnen und ihren Bezug zu den Betriebstypen zu diskutieren. Abschließend sollen dann noch Vermutungen über die lokale Verteilung der Typen angestellt werden. Zuvor aber noch der Hinweis auf eine m. E. wichtige Lücke in diesen Zusammenhang. Es fehlt eine Analyse darüber, welchen Sinn die Worte haben, mit denen der Anspruch auf Rente und ihre Überführung ausgedrückt wird. Ich vermute, daß die Sprache der Aneignung nicht indifferent zur reellen Form der Aneignung gebaut ist. Um dies empirisch zu erweisen, bedürfte es der soliden semantischen Analyse von Allerweltswörtern wie recipere, colligere, census, redditus, 1 Am ausführlichsten sind immer noch die alten Darstellungen von C. Gesenius, Meyerrecht (1801/ 3), H. A. Lüntzel, Lasten (1830) und W. Wittich, Grundherrschaft (1896). 2 Als Bestandteil des Besitzrechtes: H. Mauersberg, Beiträge, S. 84ff.; E. Döll, St. Blasius, S. 255ff.; D. Illemann, Besitzrechte, S. 16ff., 33ff.; als Einkommen: H. Hoffmann, Agrarkrise, pass. 3 E. Engel, Lehnbürgertum, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375, in: dies./ B. Zientara, Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, Weimar 1967, S. 31ff. hat den westlichsten Bereich der vom Landbuch erfaßten Regionen untersucht. Sie konnte ermitteln, daß die im Landbuch erhobene ‚Gesamtrente‘ pro Hufe sich nur ganz selten in der Hand eines Herrn befand: „Es kommen bis zu 18 Berechtigte an der Rente eines Bauern vor“ (S. 87). 4 Vgl. die einprägsamen Sätze bei W. Abel, Geschichte, S. 99. 78 ja dare, solvere, debere und ministrare im Kontext der hier untersuchten Quellen 5 . Die Hilfsmittel zum Mittellateinischen, deren man sich hier bedienen könnte, erfassen aber gerade diese Allerweltsworte nicht oder bieten nur zu Pauschales 6 . Mit einem Passus aus einer Neuwerker Urkunde, mittelniederdeutsch abgefaßt, möchte ich andeuten, worum es mir geht. Um 1400 bestimmt Propst Johann über die Verwendung der Einkünfte aus 4 neuerworbenen Hufen in Lobmachtersen alse dat de vorbenomden closterjuncvrowen ut orer samnynghe twe eder tre darto setten schullet, de dar upnemen allet, dat van den veer hoven mit oren tobehoringen vallen mach, alle jarlikes to ewighen tiden, unde dat den juncvrowen io des jares delen na des closters wonheit 7 . Der Vorgang der Aneignung wird hier als das Auffangen bzw. Aufheben von Fallendem oder Gefallenem ausgedrückt; letzteres ist - dem Sinnfeld von mndt. vallen entsprechend - als ‚Entfallen‘ und ‚Zuteilwerden‘ verstehbar. Die Auffassung von Herreneinkommen als (z. B. Todes-, Heirats-)‚Fall‘ und ‚Gefälle‘ ist ebenso geläufig wie der (Herrenbzw. Mann-) ‚Fall‘ in der Lehnsterminologie. Wenn, wie wohl schwer abweisbar, derlei Fallen ein Ende, den Abschluß oder Abbruch eines Verhältnisses oder Vorganges voraussetzt, dann muß dessen Eigenart für die Deutung des ‚Falls‘ selber Bedeutung haben. Der Bauer steht in lebendiger und legitimer Verbindung mit dem, was vom Gesamtertrag seines Tuns zum herrschaftlichen redditus wird, bis zum Zeitpunkt seiner Entrichtung. Dann geht ihm seine Kraft und Freiheit der Verfügung daran ab, es entfällt ihm, stirbt ihm ‚ab‘. Das velle 8 stirbt damit dem neuen Nutzungsberechtigten ‚an‘, der es als Herrenloses ‚aufnimmt‘. Der Wechsel in der Verfügungsmacht über das Mehrprodukt, ein sozialer Vorgang von zentraler Bedeutung für diese Zeit, wird von den Empfängern desselben als ein ‚natürlicher‘ beschrieben, an denen sie nicht beteiligt sind. Im Bilde des ‚Falls‘ ist die Unausweichlichkeit des Vorgangs festgehalten, gewissermaßen physikalisch und biologisch zugleich. Diese Mutmaßungen über die Aneignungsmentalität müßten durch weitere Interpretationsversuche an anderen Formeln und Wortfeldern geprüft werden. Eine andere Art der Prüfung, die Untersuchung der Riten von Zinsentrichtungen, könnte mit den ‚sprechenden‘ Bilderhandschriften des Sachsenspiegels beginnen. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist das ‚Fallen‘, wie hier begriffen, dort greifbar: alle Zahlungen - ob Lehngeld, Lohn, Preis, Buße, Gewette, Zoll, Bürgegeld oder endlich Zins - ‚fallen‘ aus der Hand des Schuldners, werden nicht 5 Die genannten Worte sind aus den benutzten Registern zusammengestellt. 6 F. Blatt, Novum Glossarium (erschienen L-O), hat nur Material zum Sinnfeld von ministrare (1.2 Sp.558ff.). Das Mittellateinische Wörterbuch d. Bayer. Akad. u. Dt. Akad. d. Wiss. ist noch nicht weit genug gediehen (A-B). Im Niermeyer fehlt es an Stichworten überhaupt. Nur Du Cange und A. Blaise (Dictionnaire Latin-Français des auteurs du Moyen Âge, Turnhout 1975) bleiben. Meine Durchsicht der hier wichtigen Stichworte im Du Cange hat für eine semantische Analyse zu wenig erbracht. Von der Etymologie des klassischen Lateins auszugehen, verbot sich hier. 7 GUB 5/ 1175/ 1400; ähnlich 4/ 378/ 1350; 4/ 550/ 1356; 5/ 926/ 139; 5/ 951/ 1394. 8 Mndt. pl. (Gefälle/ Einkünfte) zu val (Fall, Sturz, Verderben, Abnahme an Macht und Ansehen, Rückgang im Wert). 79 vom Gläubiger geholt oder genommen, sondern kommen ihm zu. Dies ist der Dresdener Bilderhandschrift allenthalben zu entnehmen 9 . Die Illustration zur Fortzahlung des Zinses im Falle des Todes beider Parteien (herre und tinsman) möge dies hier belegen 10 . Zinsfortzahlung bei Herrenbzw. Mannfall Natürlich hätte zu solcher Bildanalyse die der Sprache des Sachsenspiegels zu treten 11 . Erst dann, wenn die Bildsymbolik der Übereignung mit deren Sprache übereinstimmte, wäre die Frage erlaubt, ob die Aneignungsmentalität des Schrift- und Bildgutes nur als die von Herren oder auch als Übereignungsdenken von Bauern verstanden werden kann. Im Folgenden soll so konkret wie möglich erläutert werden, was von den Bauern Neuwerks und ihren Nachbarn ‚fällt‘, wovon sie sich zu trennen haben. 9 Bilderhandschrift, Bd.1, Tafeln 13, 15, 19, 31, 32, 39. 44, 45, 50, 55ff., 65f., 76, 81, 88, 90, 102, 124; dazu die Erläuterungen v. Amiras im 2. Bd. 10 SspLaR II, 59 § 2: Stirft de tinsman des herren, sin erve trit an de stat und gilt van‘ me gude, alse jene scolde. Stirft ok de herre, de man gift ok sinen tins, dene he deme herren gelovet hadde, jeneme an den dat gut gedript, unde ne bedarf nemande, de ene gewere, wan sinen pluch. Zur Deutung der Illustration: Bilderhandschrift Bd.2,1, S. 429f. 11 Auch hier ist bei den Detaildeutungen von Amiras anzuknüpfen Der hier vermutete Zusammenhang von ‚Zahlung‘ und ‚Fall‘ scheint ihm jedoch entgangen zu sein. M. E. gehört er aber zu den „der objektiven Rechtssymbolik angehörigen Gesten“ (a.a.O., Bd. 1, S. 28), die A. so überzeugend darstellt. Die Mimik des ‚Ergreifens‘ und ‚Anfassens‘ als Wahrzeichen von Besitz und Erwerb (ebd.) verdient in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit. Nachweis: K. v. Amira, Bilderhandschrift, Tafel 13 80 1 Die sachlichen Formen der Mehrarbeit Die zeitgenössischen Quellen unterscheiden zwischen census und servitium bzw. tyns oder ghulde und denst. Hierin geht die von mir gewählte wissenschaftliche Gliederung auf: Geld-, Produkt- und Arbeitsrente 12 . Zunächst zur Geldrente. Wie aus dem Neuwerker Register ersichtlich, nimmt sie die Form beider Währungen an, die der geprägten Pfennige und die der gewogenen Mark 13 . Doch ist der Pfennigbzw. Schillingzins die eindeutig häufigere Form. Das zeigen auch die Tabellen über die Zinse anderer Grundherrschaften 14 . Insofern kann man von dem Pfennig als dem (Renten-)Geld der Bauern sprechen. Im Untersuchungsgebiet sind besonders die Goslarer und Braunschweiger Pfennige verbreitet. Dies zeigt die Verkartung der - wenigen - Belege aus den Urbaren und Urkunden 15 . Karte 7: Regionale Währungen und Kornmaße im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) 12 Der census deckt als weiterer Begriff oft sowohl die Geldals auch die Produktenrente ab. Zur Option für den Rentenbegriff vgl. W. Rösener, Grundherrschaft, S. 51f. (mit weiterer Literatur). 13 Tabelle 1, Sp. Mansi/ Geld, Curiae/ Geld, Areae/ Zins/ s. 14 Vgl. Tabellen 2-16, 21-23. Die Mark-Währung der Urbare steht in enger Verbindung mit dem Schweinezins: S. Tabelle 1, Sp. Schwein/ Wert u. Geld/ f. 15 Hinweise enthalten: das Neuwerker Register, das Obedienzverzeichnis des Goslarer Domstifts v.1309, das Besitzregister des St. Michaelsklosters v.1321, das Dörntener Register v.1351f. sowie GUB 3/ 182, 822; 4/ 2, 56, 132, 304, 449. Goslar Goslar Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schaden Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Fachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel HARZ HARZ Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schaden Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Fachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel HARZ HARZ HARZ Wald Goslarer Pfennig Hildesheimer Pfennig Braunschweiger Pfennig Braunschweiger Scheffel Goslarer Scheffel Gewässernetz Dorf mit Neuwerker Besitz Gr. Heere 0 1 2 3 4 5 km 81 Dabei fällt auf, wie weit und dicht das Braunschweiger Geld in das Umland Goslars reicht; ob dies auch für die Münzen aus Hildesheim, Halberstadt und Osterwieck gilt, steht mangels Quellen dahin 16 . Die wenigen Belege reichen wohl nicht aus, um klare Aussagen über die bäuerliche Beschaffungsweise des Münzgeldes zu machen. Unsicher bleibt, ob die Verbindung des Herkunftsortes der Münzen mit dem Wohnort des sie Entrichtenden dazu ausreicht, den Geltungsbereich einer Währung - alle Zahlungsformen betreffend - und die Marktorte der Bauern zu bestimmen. Man kann nur vermuten, daß die Goslarschen Pfennige im Umland der Stadt nicht konkurrenzlos ‚zirkulieren‘, vielmehr neben ihnen die Braunschweiger fast gleiches Gewicht haben und weithin im Gebiet der Hildesheimischen Diözese als Zahlungsmittel der Bauern gelten 17 . Auch wenn der schiere Geldzins die vorherrschende Form ist, kann man hier und da noch ahnen, ob er als ursprüngliche Form aufzufassen ist oder durch Kommutation von Diensten bzw. Naturalabgaben entstand. Besonders das Einnahme-, Ausgaben- und Zinsregister des Hildesheimer Domdechanten Johann (1277-86) enthält manchen Hinweis hierzu 18 : Viele Geldquanta sind anstelle verschiedener Produkte (pro), besonders aber von Vieh und Weiterverarbeitetem 19 zu entrichten, andere als abgelöste Frondienste (z.B. ad secandum). Dazu kommen dann wedepenninge bzw. denarii vinales oder solche ad scattum, Namen, die verschiedenen Rechtsgrundlagen der Erhebung entstammen (Weide-, Gerichts-, Landeshoheit). Wie die Kommutation vor sich gehen kann, ist am Schweinezins der Neuwerker Bauern zu sehen 20 : Einmal wird noch der Geld-Wert der - inzwischen nicht mehr gezinsten - Schweine angegeben (tres porci simul valentes alterum dimidium fertonem o. ä. 21 ), ein anderes Mal ist nur noch ein Geldquantum erwähnt, das man aber nach der Stellung in der Beschreibungssyntax, nach der Höhe und der Währung als ehemaligen Schweinezins identifizieren kann 22 . Bei der Mehrzahl der Geldzinse ist die Unterscheidung danach, ob sie der Kommutation oder der Kür entsprangen, nicht (mehr) möglich 23 . 16 Die Lücke ist für Hildesheim besonders empfindlich. Die urbarialen Quellen enthalten leider so gut wie keine Hinweise auf Hildesheimische Münzen im Untersuchungsbereich; für die Gegend um die Stadt, westlich der Innerste, südlich des Hildesheimer Waldes und im östlichen Teil der Hildesheimer Börde ist dies schon klarer. Osterwiecker Pfennige werden ans Goslarer Domstift in Langeln und Berssel entrichtet (GUB 3/ 313/ 1309). 17 Hier wäre zu ermitteln, in welchen Wert-Beziehungen die Goslarer, Braunschweiger und Hildesheimer Pfennige zueinander stehen. Zur Entwicklung der Goslarer Währungen vgl. im Anhang: ‚Währungs- und Münzverhältnisse im Goslarer Raum im 13. und 14. Jahrhundert‘. 18 UBHHi 3/ 484, S. 226-59, bes. 248ff.; vgl. auch GK, S. 45ff. pass. 19 Genannt werden Schaf, Kuh, Pferd; Honig; Schuhe; Malzgetreide; vgl. auch Tabelle 8. 20 Tabelle 1, Sp. Mansi/ Schwein/ Geld. 21 Ebd., Z.5-7, 10. 22 Ebd., Z.9, 11-13. 23 In den Rechnungen von St. Blasius ist zwischen 1347 und 1357/ 8 die ad-hoc-Kommutation der Getreidein Geldzinse (und umgekehrt) häufig: pecunia placitata pro annona o.ä. Auf diese Erscheinung ist zurückzukommen. 82 Nun zu den Naturalabgaben. Es ist schon überraschend, wie wenige Dinge aus der vielgliedrigen Verbundswirtschaft der ostfälischen Bauernbetriebe als census an die Herrschaften bzw. Eigentümer fallen. Es muß System haben, daß man in den Urkunden, Rechnungen, vor allem aber in den urbarialen Registern, der wichtigsten Quellengattung hierfür, so wenig findet. Es kann an der Rentenart selber liegen, wenn über ihre sachliche Form wenig verlautet; so z.B. beim Zehnten, der nicht zum festen Zins geronnen ist, sondern sive in frugibus sive in animalium fetibus seu in aliis quibuscumque rebus decimalibus consistat 24 . Das Gleiche müßte man von Bedemunt, Buteil bzw. Baulebung sagen, hätte man nur die Urkunden und Urbare, denn allein die Rechnungen von St. Blasius enthalten Hinweise über die sachliche Form dieser standeseigenen Leistungen der Litonen 25 . Zunächst wieder der Blick ins Neuwerker Urbar 26 : Gezinst werden hier Getreide (Weizen, Roggen, Hafer), Mohn, Hühner, Eier und (ehemals, vielleicht bald wieder) Schweine. Die anderen Register enthalten nur wenige Ergänzungen, keine prinzipiell anderen Formen oder Kombinationen 27 : manchmal tritt die Gerste an die Stelle des Hafers, manchmal kommen Schaf und Gans, noch seltener Fuder Heu oder Holz hinzu. Das ist alles. Die Früchte, de men to schepel mate verkopen mach 28 , werden in Goslarer modii, chori, modioli, schepel, maldra und hympten erhoben. Die metrologischen Verhältnisse, die diese Worte meinen, sind mir nicht durchsichtig geworden. Die zeitgenössischen Zeugnisse sind so spärlich in ihrem Gehalt, daß selbst die lateinischmittelniederdeutschen Äquivalenzen (chorus = wischpel; modius = schepel; modiolus = hympten) nicht gesichert sind, geschweige denn die Mengenbeziehungen zwischen diesen Gruppen 29 . Auch die Relationen zwischen den regionalen Maßen bleiben dunkel 30 . Allein deren Verbreitung - hier kartographiert - gibt Auskunft: Eine klare Konzentration der Goslarschen Maße im Umland der Stadt 31 . 24 GUB 4/ 183/ 1342. 25 Hierzu H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 239. Der Bedemunt wird in den Rechnungen so gut wie nicht erfaßt. Zu diesen Formen weiter unten. 26 Vgl. Tabelle 1, Sp. Mansi/ Curiae/ Areae. 27 Vgl. Tabelle 2 (Dörnten), 3 (Goslarer Domstift), 4 (Frese) 7/ 8 (St. Michael in Hildesheim), 10/ 11 (Hildesheimer Dompropstei), 12-14 (St. Blasius in Braunschweig). 28 So die Formulierung in der Goslarer Waghaus- und Zollordnung (Ende 14. Jh.), hg. K. Frölich, in: HzZ 1, 1948, S. 65. 29 Hinweise enthalten GUB 2/ 241/ 1277, 3/ 645/ 1323 (danach gibt einen ‚großen‘ Goslarer Scheffel), 4/ 56/ 1338, 4/ 270/ 1345, 5/ 531/ 1383, 5/ 765/ 1389, 5/ 1087/ 1398 (danach machen 8 Hympten 1 Scheffel Roggen giffteges kornes unde Goslerscher mate). Beziehungen zwischen den Maßen, in denen die Kornzinse im Hörigenverzeichnis des Neuwerker Registers verzeichnet sind (GUB 4/ 525, S. 397: corrigiae, modii und modiolum), bleiben unklar. 30 Nur in GUB 5/ 1253/ (1393-1409) ist belegt, daß 1 Goslarer Scheffel Hafer 2 Braunschweigische macht, ebenso 1 Goslarer Scheffel Roggen 13 Braunschweigische Himpten. Aber kann man diese - späte - Notiz verallgemeinern? Zu den Maßverhältnissen in den St. Blasius-Rechnungen vgl. H. Hoffmann, a.a.O., S. 191. Kaum weiterhelfen konnten hier: F. Engel, Tabellen alter Maße, Gewichte und Münzen, in: Methodisches Handbuch, hg. H. Jäger, S. 65ff.; H. Ziegler, Alte Gewichte u. Maße im Lande Braunschweig, in: BrJb. 50, 1969, S. 142ff. 31 Zusammengestellt nach GUB 3/ 198/ 1309, 213/ 1309, 453/ 1317, 645/ 1325; 4/ 56/ 1338, 83 Der wichtigste Produktzins ist das Getreide. Wenn auch oft nur pauschale Angaben erfolgen oder nur zwischen Winter- und Sommergetreide unterschieden wird 32 , machen alle Quellen deutlich, daß es vorwiegend um Roggen und Hafer geht. Der Weizen ist viel seltener vertreten, er steht dann oft neben Hafer und Roggen und stellt meist das kleinere Quantum Winterkorn 33 . Eine Ausnahme bildet das Urbar von St. Blasius von 1320, in dem beide Wintersorten eher gleichanteilig nebeneinander stehen 34 . Im Verhältnis zum Winterkorn hat der Hafer weit weniger Gewicht. Nach den Angaben, die die Register enthalten, zinsen die ostfälischen Bauern jährlich etwa doppelt so viel Winterwie Sommerkorn 35 . Diese Beziehungen sagen natürlich nichts über die Anbauformen und -rhythmen der Bauern, sondern höchstens etwas über die Verwendungsziele der Rentenempfänger aus. Für das Neuwerker Kloster läßt sich vermuten, daß der gezinste Roggen und Hafer auf den Markt kam, da im Abschnitt über die Ausgaben des Propstes im Register von 1355 nur wenig vom Verbrauch dieser Sorten die Rede ist, wohl aber von Geldausgaben zur Beschaffung von Weizen ad albos panes, ad pultes (Mehlsuppe bzw. -brei) u. a. m. ad supplendam prebendam dominarun 36 . Gerste, als Braugetreide in Goslar für die Herstellung der Gose doch wohl recht wichtig, fehlt als Zins in dieser Region völlig; nur in der villicatio Borsum der Hildesheimer Dompropstei nordöstlich von Hildesheim ist sie belegt 37 . Der Mohn rangiert in der Goslarer Zollordnung nach den Getreidesorten und dem molt noch vor den Hülsenfrüchten 38 . Dies gründet sicher darin, daß er im Untersuchungsgebiet als der wichtigste Same gilt, dem Öl entpreßt werden kann; darüber ist man sich in der Fachliteratur einig 39 , in einer Urkunde von 1277 ist von centum talenta olei die Rede, que fiunt de V modiolis papaveris 40 . Der Mohn wird in den Gärten angebaut, daher dürfte es rühren, daß er durchweg vom Hof 270/ 1345, 525/ 1355, S. 388, 390f. (Neuwerker Register); 5/ 531/ 1383, 550/ 1384, 765/ 1389; UBHHi 4/ 1336/ 1333, S. 729. 32 Z.B. UBIls 1/ 187/ 1304. 33 Tabelle 2, Z.3, 9-11, GUB 3/ 213/ 1309, Tabelle 7 pass.; 8, Z.10-17 (m. E. sind hier 2 mdr = 1 md); 10, Z.4, 19, 34. 34 Tabelle 12, Sp. Kornzinse/ Summe; Kornzins ch/ 1 M. Vgl. auch GUB 4/ 270/ 1345. 35 Gut abzulesen an den Tabellen 1, 2, 3, 5b, 7, 8, 10, 12. 36 GUB 4/ 525, S. 396. Es ist auffällig, wie weitgehend die Güterversorgung von Gesinde und Nonnen sowie die Vergütung von Handwerkern durch Bezahlung oder Einkauf geschieht. Leider fehlt im Register ein receptus-Teil, ebenso eine divisio annonae. Beide wären die Grundlage für die nähere Erörterung der Verbrauchsformen einkommender Kornzinse. Nur von der Zuteilung dreier corrigiae siliginis an den Verwalter (bzw. der Meierin, villice) des Vorwerks vor dem Breiten Tor und jemanden (vielleicht einem Wächter) supra valvam ante allodium ist die Rede, und zwar als außergewöhnlicher Ausgabe. 37 Tabelle 11, Sp. moltkorn/ G., selmdr/ G; dazu auch Hinweise im Obedienzregister des Moritzstiftes: UBHHi 3/ 1409/ nach 1302, S. 674 ff.; deutlicher Hinweis auf Gerste als Malzgetreide in UBHHi 4/ 1336/ 1333, S. 729 (unter den Mühlenzinsen: unum maldratum bracei ordeacei). 38 A.a.O., S. 65. 39 Hdwb. d. dt. Aberglaubens VI, 1934/ 5, Sp.450ff.; O. Teute, Ostfalenland, S. 372; U. Bentzien, Bauernarbeit, S. 82. 40 GUB 2/ 241. 84 gezinst wird, nicht von der Hufe wie das Getreide. Der ewige erventins eines Hofes in Hessen (ö. Gr. Fallstein) besteht für die Inhaber darin, dat se scullen unde willen… darvan geven uppe sente Gallen dach eynen himpten manes to eyner bekantnisse, dat de hof von dem clostere (Stötterlingenburg) geyt 41 . In den vielen anderen urbarialen Belegen wird dies nicht so deutlich gesagt 42 . Wie die Gerste als Feldfrucht, so fehlt der Hopfen als Gartenpflanze unter den bäuerlichen Zinsen. Er dürfte eher - besonders im Vorfeld der Städte - auf Sonderarealen (‚Hopfengärten‘) marktorientiert angebaut worden sein 43 . Auch über Zinse von Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse verlautet nichts 44 . Nun zum Vieh. Der Schweinezins ist eine räumlich recht ungleichmäßig vorkommende Abgabe, die zudem häufig zum Geldzins kommutiert erscheint. Davon war schon die Rede. Im Neuwerker Register wird er aktuell nicht erhoben; die Formel heißt: sex mansos… et quondam eciam dabantur de eisdem sex porci simul valentes tres fertones, oder ähnlich 45 . Warum das Kloster auf diese Abgabe - mindestens als Produkt 46 - schon einige Zeit verzichtet oder verzichten muß, wird im Inventar über Klein Sehlde ausgesprochen: von den dortigen 11 mansi, zu denen 5 mg einer wüsten curia gehören, possent eciam dari porci, si status terre se pacifice haberet 47 . Wie man diese Begründung zu deuten hat, ist später zu untersuchen. Wichtig scheint aber, daß das Kloster gewillt ist, den Verzicht auf den Schweinezins nicht zur wonheit oder sede gerinnen zu lassen, denn im Ohlendorfer Inventar wird dem Anspruch auf die tercia pars ein Satz angefügt, der genau die Stelle des Schweinezinses in der üblichen Beschreibungsfolge einnimmt: Potest autem census aucmentari 48 . Er ist als Vorbehaltsklausel zur Wiedererhebung des Schweinezinses zu verstehen, nicht zur Erhöhung des jährlichen Ernteanteils, da an keiner Stelle im Urbar mehr als die tercia pars erhoben wird. Auch in mehreren Hildesheimischen Registern und dem Obedienzverzeichnis des Goslarer Domstifts von 1309 sind Schweinezinse bzw. aus ihnen entstandene Geldzinse überliefert 49 . An allen diesen Belegen ist zu ersehen, daß diese Zinsform eng mit dem Mehrhufenbetrieb verbunden ist - das entspricht genau den Neuwerker 41 UBStött 164/ 1395; zum Mohn als Gartenpflanze (gegenüber dem Feldanbau von Raps) vgl. D. Saalfeld, Bauernwirtschaft, S. 14. 42 Tabelle 1, Sp. Areae/ Zins/ pp; 2, Sp. Höfe/ Zinse/ Mohn; 4, Sp. (Hof ) Zinse/ Mohn. 43 Z.B. GUB 3/ 772/ 1327; weitere Belege: LeRg Regenstein-Blank., Bl. 1a Nr.7, 2b Nr.51, 3a Nr.81; GUB 4/ 735/ 1361; 5/ 740-41/ 1389. 44 Nur in drei Stötterlingenburger Urkunden sind auf Hufen radizierte Wachszinse erwähnt: UB- Stött 86/ 1318, 89/ 1319, 160/ 1391. 45 GUB 4/ 525, S. 388ff. (Störy, Baddeckenstedt, Gr. Heere, Söderhof, Weddingen, Gr. Mahner). Vgl. auch Tabelle 1. 46 Die in Gronstedt und Gr. Sehlde erhobenen Geldzinse in Mark-Währung sind ehemalige Schweinezinse (Tabelle 1, Z.9, 11-13). Ob sie wirklich bezahlt wurden, wo doch für die anderen Orte die ‚Remission‘ bereits in die urbariale Aufzeichnung eingegangen ist, steht dahin. 47 GUB 4/ 525, S. 389. 48 A.a.O., S. 390. 49 Tabelle 3, Z.26; 4, Z.13,25; 8, Z.33f; dazu UBHHi 6/ Nachtrag 6, S. 992; 3/ 1409/ nach 130 §, S. 676f. 85 Verhältnissen. Warum allerdings - im Hildesheimischen - der Terminus unghelt hierfür benutzt wird, war nicht zureichend zu klären, denn es ist ja wohl auszuschließen, daß der übliche Sinn dieses Wortes - (städtische) Akzise - gemeint sein kann. Ob die Zusammensetzung des Wortes, vor allem die verneinende Präposition, etwas über Herkunft und Verbindlichkeit aussagt? Wie der - ohnehin nur in Registern von Hildesheimer Grundherrschaften überlieferte - Schafzins als typische Produktrentenform der (ehemaligen) Litonen-Hufen gelten kann 50 , so tritt der Gänsezins regelmäßig in der Verbindung mit dem des Schweines auf, d. h. ausschließlich als Abgabe von Mehrhufenbetrieben 51 . Überall verbreitet ist sicher die Pflicht zur Entrichtung einiger Hühner und Schock Eier. Das Huhn als wegen seiner Anspruchslosigkeit und Fertilität so wichtiges Geflügel steht zu Haus und Herd offensichtlich in sehr enger Verbindung. Im Halberstädter Lehnsregister wird dies einmal so ausgedrückt: … et a qualibet domo I pullum (datur), qui rochunre dicuntur 52 . Leider läßt sich mit zeitgenössischen Quellen nicht explizit machen, welchen Sinn die Verbindung von ‚Rauch‘ und ‚Huhn‘ im Appropriationsgefüge hat. Der materielle Aspekt - also die Versorgung der Grundherren bzw. Eigentümer mit diesem Geflügel - steht sicher nicht im Vordergrund. Wichtiger dürfte der Wert als Zeichen sein, den das Huhn hier hat. So wie der ‚Rauch‘ sichtbar macht, daß ein von Hof und Haus umschlossener und geborgener Herd als Mittelpunkt eines Bauernhaushalts unterhalten wird, so kann das Huhn als Zins die Rentenpflichtigkeit solchen ‚Lebens‘ am besten ausdrücken, weil es schlicht zu jedem ländlichen Haushalt - ob Kätner oder Meier - gehört, und zwar in der Menge, daß der Zins den Fortbestand nicht gefährdet. Insofern hat es seinen Sinn, wenn in der Forschung das ‚Rauchhuhn‘ allenthalben als Rekognitionszins betrachtet wird 53 . Es ist eben das am meisten verbreitete, immer vielfache, seiner Versorgungsfunktion nach nicht zentrale Haustier immer dort, wo ein Haus ‚raucht‘, und ist deshalb am besten geeignet, die Zugehörigkeit jenes Hauses, Hofes oder seiner Bewohner zu einer Herrschaft auszudrücken 54 . In den urbarialen Quellen werden Hühner und Eier - soweit sie als Zinse überhaupt verzeichnet sind - sowohl von areae und curiae als auch von den Hufen erhoben. Die Radizierung auf letztere kann aber darin gründen, daß der zur Hufe gehörige Hof nicht registriert ist 55 . Besonders in den Hildesheimischen Re- 50 Tabelle 11, Sp. Schaf; gleiches gilt auch für den Schaf-/ Lämmerzins in der Grundherrschaft v. St. Michael (1333): Tabelle 8, Sp. s vel ovis. Im Register selbst heißt es (UBHHi 4/ 1336, S. 726): In G. (Grafelde)… de quolibet manso litonico... in ascensione domini datur ovis cum agnello vel III solidi. 51 S. o. Anm.49; weiter GUB 2/ 419/ 1285-96, S. 424 (Neindorf ). 52 LeRg Halb (1311), S. 469; der Hausbezug wiederholt: S. 446; als rochonre: S. 477; vgl. auch GK, S. 87, Z.31. Dem Dettumer Einkunftsverzeichnis von 1365 ist ein Satz beigefügt: Item IIII agnellos quos villani communiter dare solent et cum hoc pullos fulames (Sud 3/ 256, S. 170, Z.37f.). 53 Vgl. Hdwbuch d. dt. Aberglaubens, Art. ‚Huhn‘ (IV, Sp.448ff.), ‚Rauch‘ (VII, Sp.521ff.); D. Saalfeld, Bauernwirtschaft, S. 160. 54 Die enge Verbindung des Hühnerzinses zu Hof und Haus zeigt auch SspLaR II, 48 § 5. 55 Dies könnte z.B. für die Obedienzverzeichnisse des Goslarer Domstifts gelten; vgl. Tabelle 3, 86 gistern ist die ‚Begrenzung‘ des Hühner/ Eier-Zinses auf die curiae und areae recht deutlich 56 . Nördlich von Goslar begegnet der hofbezogene Hühnerzins ebenso 57 wie auch der hufenradizierte. Besonders im Neuwerker Register sind die pulli et sexagene ovorum regelmäßig innerhalb der mansus-Pflichten aufgeführt 58 . Es sind durchschnittlich 2 Hühner und 1 Schock Eier pro Hufe. Diese Zinse stehen in enger Verbindung sowohl mit dem Schweinezins als auch mit dem Kornertragsdrittel. Da curia-Zinse fast ganz fehlen, die Höfe aber meist - darüber wurde bereits gehandelt - als betrieblicher Bezug der Hufengruppen am Ort anzusehen sind, kann man vermuten, daß die Führung der Rauchhühner im Rentenkatalog der Hufen eher der Inventarisierungsweise zu verdanken ist - also der mit der Hufe als Ausgangspunkt -, als daß sie die Radizierung meint. Dies kann man daran sehen, daß in einigen Fällen die Höhe der geforderten Zinse nicht durch die Hufenzahl teilbar ist 59 . Diese Zuordnung der Hühner- und Eierzinse zu den curiae im Neuwerker Register muß natürlich Vermutung bleiben. Sie paßt aber zu den Erscheinungen in den anderen Registern, und sie läßt sich vielleicht weiter damit stützen, daß - analog zu den Verhältnissen besonders in der Grundherrschaft von St. Michael - neben den curiae im Neuwerker Register ja areae aufgeführt sind, die außer Geld und Mohn Hühner (und Eier) zu entrichten haben 60 ; hier schwankt die Zinshöhe beträchtlich von area zu area 61 . Dies dürfte einerseits in der verschiedenen Größe der areae, andererseits in der Höhe und Art der begleitenden Zinse (Geld, Mohn) gründen. Der erläuternden Aufreihung der Produktrentenformen fehlt noch der Hinweis, daß nur äußerst selten spezielle, örtlichen Ressourcen sich verdankende Naturalabgaben erhoben werden. Nur in den beiden Registern von St. Michael sind mit Land versorgte areae in Ötze erwähnt, die jährlich ein Schock scutellae zinsen; und der Hildesheimische Dompropst bezieht - eventuell von drei Hufen - aus Vöppstedt 25 Himpten Salz 62 . Zwischen der spezialisierten gewerblichen Primärproduktion auf dem Lande und der Herrschaft, so ist zu vermuten, vermittelt längst der Markt. Z.1, 3, 9, 11, 19, 21f., 25, 31, 34, 41; s. auch Tabelle 21 (GUB), Sp. p. 56 Geflügelzinse werden in den Registern v. St. Michael eigentlich nur entweder von curia-verbundenen Mehrhufenbetrieben erhoben (Tabelle 8, Z.33ff.) oder von ‚freien‘ bzw. curia-verbundenen areae (Tabelle 9, pass.). Der Hühneru. Eier-Zins der Everoder Hägerhufen bildet eine Ausnahme (Tabelle 7, Z.10; 8, Z.3). Unter den Hufenzinsen des Hildesheimer Propsteiguts fehlt der Zins (Tabellen 10, 11). Im Fresischen Register ist die Radizierung auf die verschiedenen Höfe ganz deutlich (Tabelle 4, Sp.3-25). 57 Vgl. das Dörntener Register (Tabelle 2, Sp. Höfe/ Zinse/ Huhn). 58 Tabelle 1, Sp. Mansi/ p/ ov sx. 59 Ebd., Z.9, 16, 27. 60 Ebd., Sp. Areae/ Zins/ p/ ov sx. 61 Im Neuwerker Register zwischen 2 und 8 p, in dem von St. Michael zwischen 2 und 6 p; vgl. auch GUB 3/ 213/ 1309, S. 141, 144; H. Hoffmann, Agrarkrise, Urbar St. Blasius (132o), S. 258 (Remlingen), 260 (Lengede); Tabelle 22, Z.11; 32, 522 Sp. p., dto 525/ 526. 62 UBHHi 4/ 638/ 1321, S. 346 u. 1336/ 1333, S. 723; UBHHi 6/ 546/ 1382, S. 390; zur Geschichte Vöppstedts: F. Zobel, Heimatbuch, S. 1f., 14ff. 87 Endlich einige Erwägungen zur Arbeitsrente. ‚Erwägungen‘ deshalb, weil die Quellen des 14. Jahrhunderts so gut wie gar nichts über servicia oder denste sagen, eine sachlich dichte Darstellung also unmöglich ist. Um eine Vorstellung von der Vielfalt tatsächlicher Fronformen zu bekommen, müßte man weit ins frühe 13. oder gar 12. Jahrhundert zurückblicken 63 oder - der andere Weg - alles Erreichbare zwischen 1250 und (mindestens) 1500 sammeln 64 . Beide Wege sind m. E. problematisch. Wählt man die hochmittelalterliche Villikation als Bezugspunkt, dann läuft man Gefahr, ein vergangenes Teilsystem der gesamten Agrarverfassung zu verallgemeinern, und zieht man alle spätmittelalterlichen Spurenelemente zusammen, dann verwischen sich leicht nach Herkunft und Bedeutung recht verschiedene Formen. Da ich hier nicht die Entwicklung der Arbeitsrentenformen zu diskutieren habe - dies würde die Entscheidung für einen der beiden Wege einschließen -, sondern den systematischen Platz der Fronden im Appropriationsgefüge um die Mitte des 14. Jahrhunderts, ist es günstiger, nach ihrer ökonomischen Notwendigkeit und ihren Organisationsbedingungen zu fragen - dies im Hinblick auf die oben erarbeiteten bäuerlichen Betriebstypen und im Vorgriff auf die sie überlagernden Herrschaftsformen. In eine Frage umgesetzt: Welcher Betriebstypus und welche Herrschaftsform braucht welchen Dienst? Zunächst zum ersten Teil der Frage. Auf der Ebene der Produktion kommen natürlich nur die großen Betriebe als ‚Nachfrager‘ von möglicher Fronarbeit in Frage. Warum gibt es so wenige Hinweise auf ihnen zugeordnete servicia? 65 Die einzigen Dokumente, die im 14. Jahrhundert Einzelheiten über den Arbeitsprozeß auf den allodia und Meierhöfen freigeben, sind die Rechnungen von St. Blasius und die kurzen Hinweise Propst Herrmanns im Ausgabenteil des Registers von 1355 66 . Der Neuwerker Verwalter unterscheidet im Abschnitt de precio familie zwischen Ausgaben ad precium et ad messem und weist auf verschiedene Ausgabenbereiche und Empfänger hin; hierbei werden die agricultura, der pastus gregum und die prebenda tam intra quam extra hervorgehoben. In einem Zusatz zum Register aus dem 15. Jahrhundert ist dann direkt von Aufwendungen ad triturandum per hyemen und ad secandum et colligendum ligna die Rede 67 . Diese 63 R. Kötzschke, Urbare, S. CCCLXXXIVff.; O. Teute, Ostfalenland, S. 289ff., bes.308-11; W. Rösener, Strukturformen, S. 131ff. 64 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 242ff. 65 Im auf Goslarer Grundherrschaften bzw. Landeigentum bezüglichen Quellenbestand des 14. Jahrhunderts war nichts zu finden. Die Prüfung der von H. Hoffmann gesammelten Belege des 14. Jhs. erbrachte nur einen eindeutig grundherrlichen (UBHHi 5/ 342/ 1349): die Litonen der Meiereien Bierbergen und Lebenstedt leisten dem Propst des Hildesheimer Moritzstifts jährlich 4 Tage Pflug- oder Holzfuhrdienst, prout ipsi (Konjektur H. Hoffmann, a.a.O., S. 244, Anm.235) hactenus nobis talia facere consweverunt. Die Spuren in den Urbaren und Rechnungen v. St. Blasius, die Hoffmann beibringt, betreffen bereits in Geld kommutierte Leistungen ohne nähere Qualifizierung. Alle anderen Belege handeln von landesherrlichen Ansprüchen bzw. Erhebungen von Diensten; dazu weiter unten. 66 Ohne große Bedenken kann man noch das Register des Hildesheimer Domdechanten von 1277-86 (UBHHi 3/ 484) einbeziehen. 67 GUB 4/ 525, S. 396f. 88 Angaben dürften sich ausschließlich auf die Ausgaben im Klosterbereich und in den großen Betrieben vor dem Rosentor, dem Breiten Tor und dem Ohlhof beziehen, von denen bereits gehandelt wurde. Von Aufwendungen, die den Neuwerker Bau- und Meierhöfen zugekommen wären, wird nämlich nirgends berichtet 68 . Genau dies geschieht aber in den Rechnungen der Domstifte in Braunschweig und Hildesheim. Zieht man alle auf die allodia bzw. villicationes bezogenen Ausgaben systematisch zusammen, dann ergibt sich folgende Reihe von durch precium und consumtus vergüteten Handlungen: Pflügen und Säen (sehr selten 69 ) - Mähen/ Hauen - Sammeln/ Aufbinden - Einfahren - Dreschen und Verkaufen (wesentlich häufiger 70 ) - Teilen und Bewachen des Rentenertrags 71 . Diese ‚Lohn‘-Arbeiten beziehen sich - soweit erkennbar - alle auf Betriebe, die unter der Bedingung des Teilbaus wirtschaften. Sie dürften sich als von der Zentrale vergütete Handlungen - bis auf eine Ausnahme - alle auf die Aneignung und Verwertung des Ertragsanteils beziehen, auf den der Grundherr dem Meier oder villicus gegenüber Anspruch hat. Löhne werden vom Zentrum aus demnach für das ‚Holen‘ der Rente aufgewandt. Beim Teilbau und Zehnt - darauf ist zurückzukommen - bedeutet dies: Präsenz bei allen wichtigen Arbeitsschritten vom Getreideschnitt an. Der Pflichtige entrichtet seinen Anteil vom Felde weg, und alle Arbeiten nach der ‚Teilung‘ hat der Holende wenn nicht zu organisieren, dann aber mindestens zu bezahlen. Lohn als Aufwandform der Holpflicht und der Vermarktung der Rente - so könnte man zusammenfassen. Natürlich läßt sich dieser Befund nicht verallgemeinern. Es gibt viele deutliche Belege für die Bringschuld in Pachtverträgen (locationes); es scheint mir aber, daß diese Bedingung sehr eng an die Form des Geld- und Getreidefixums gebunden ist 72 . Da Hinweise auf die Verbindung von Teilbau mit Bringschuld fehlen, liegt es nahe, den obigen Befund hiermit in Beziehung zu setzen: Teilbau als Rentenform des Betriebes zieht die Holschuld des Empfängers nach sich. 68 Dabei greifen die verzeichneten Ausgaben durchaus über den engen, d. h. städtischen Versorgungsbereich hinaus. Der Propst notiert (ebd.) Aufwendungen to opperpennighe unde des keysers holden et familie ad dedicationem et janitoribus ad castra per annum und beneficia… que largiuntur aliquando ad castra et advocatis principum et servis advocatorum. 69 GK, S. 83, Z.19. 70 UBHHi 3/ 484, S. 237; collector, trituratores, Ausgaben für currus und Verkauf; alle Arbeiten bezogen auf villicationes, die zu Teilbaubedingungen bewirtschaftet werden (a.a.O., S. 255, 227f.). Es sind über 10, darunter Beddingen und Bleckenstedt, 3 km nö. des Neuwerker 4-Hufen- Betriebs in Watenstedt. GK, S. 54, Z.39; 64, 25ff.; 71, 16ff.; 75, 18ff.; 98, 13f; zitiert sei 91, 38f.: pro tercia parte 3 tal. 2 s 3 d tho meyggende, tho bindende, tho derscende, in to varende. 71 GK, S. 91, 37f.; 98, 13f.; 110, 22; 117, 4; 55, 15. 72 Deutlich in GUB 2/ 118, 119 (1266), 221/ 1275, 342/ 1286, 410, 411/ 1290, 578/ 1299 (hier soll der Transport der Rente sub periculo des Goslarer Domstifts, aber nostris laboribus et expensis des Pächters stattfinden); 3/ 198/ 1309; 4/ 2/ 1336, 270/ 1345 (hier kann der Empfänger zwischen 2 Orten - Goslar oder Riechenberg - wählen); schöne Formulierung der Bringschuld auch in BrUB 3/ 462/ 1335 (betrifft den Geld- und Kornzins eines 4-Hufen-Betriebes (mit curia villicalis und kothof) in Gustedt, 2-3 km von den Neuwerker Betrieben in Kl. Elbe und Grunstidde entfernt). 89 Damit wäre ein Grund dafür gefunden, warum bei den weitgehend zu Teilbau verrenteten Neuwerker Betrieben sowohl die Ernte als auch die Transportdienste fehlen. Dies wird eben von der Klosterverwaltung bewerkstelligt. Für den Zehnten ist das direkt belegt: 1357 gestatten die von Burgdorf dem Kloster, dat se scholen unde moghen eren thegeden, den se hebben to Borchtorpe up dem velde, voren eder voren laten up usen hof, den se os itteswanne afghekoft hadden, desse neysten twey jar, de nu anstande sin, unde schullen en den daruppe ligghen laten also langhe, want se en na orer bequemecheit to Goslere voren laten 73 . Daß das voren laten nicht als Frondienst verstanden werden kann, geht daraus hervor, wie genau die Modalitäten - Termin, Ausrüstung, Distanz, Präbende, Schadensersatz - für solche Fuhren schon in den Fronordnungen der hochmittelalterlichen Villikationen fixiert waren 74 . Es ist deshalb nur schwer vorstellbar, daß die Neuwerker Meier die tercia pars und den Zehnten - falls er dem Kloster am Ort zustand - suis laboribus et expensis nach Goslar hätten schaffen müssen und diese gravierende Tatsache nicht im Urbar verzeichnet worden wäre. Was geschieht mit den anderen Zinsen - Geld, Geflügel usf. - der Meier, ebenso aber der anderen Betriebe? Hat man sich den Meier als Rentenkollektor am Ort vorzustellen, weil es im Neuwerker Register einmal heißt: Item tres areas, quarum una solvit quatuor solidos, altera tres solidos, tercia duos solidos Brunswicenses, quos tollit villicus 75 ? Werden sie von ihm nach Goslar gebracht 76 , oder kommt ein nuncius - wie in den Rechnungen von St. Blasius immer wieder belegt 77 - ad villam pro colligendo censu, den der Rentenpflichtige possit honeste recipere et cum, qua decet, reverentia hospitare 78 ? Auch wenn schon Eike den tins allgemein für eine Holschuld hielt 79 , kann man letzte Sicherheit in dieser Sache nicht gewinnen. Doch dürften Argumente genug gefunden sein, die die weitgehende Absenz des Transportdienstes im Rentenkatalog der ostfälischen Bauernwirtschaften im 14. Jahrhundert erklären 80 . Wie nun steht es mit dem Bedarf nach anderen Arbeiten in den Meierbetrieben? Da auch hierfür Belege fehlen, liegt die Annahme nahe, daß die Mehrhufenbetriebe in dieser Zeit ‚autonom‘ wirtschaften, ihren Arbeitsbedarf selbständig 73 GUB 4/ 578. In den Rechnungen von St. Blasius werden gegen Ende des 14. Jhs. Ausgaben ad extorquenum decimam und für die arrestacio decimarum verbucht (GK, S. 110, Z.6; 116, Z.26). 74 Z.B. R. Kötzschke, Urbare, S. 174 (Mitte 12. Jh.); GUB 1/ 301/ (1181), S. 326, 328f. W. Zöllner, Urkunden, S. 277f. (Anfang 13. Jh.); UBSPH S. 265 (Ende 13. Jh.? ). 75 GUB 4, S. 390 (Ohlendorf ). 76 GUB 5/ 243/ 1373: betr. budelinge et beddemunt. 77 Z.B. GK, S. 29, Z.6; 50, Z.30f. (betr. bulevinghe). 78 So in einer locatio des Goslarer Domstifts von 1305 (GUB 3/ 116); vgl. auch den Streit um die Geldrente an vier Hufen in Giersleben zwischen dem Goslarer Domstift und dem rector der dortigen Kapelle, aus dem die Rentenkollektion als Aufgabe des villicus erhellt (GUB 3/ 214, 215/ ca.1309). 79 SspLaR I, 54 § 2: went de man n’is nicht plichtich sinen tins buten sime huse to gevene. Vgl. auch H. Fehr, Grundherrschaft, S. 271. 80 Dies ist auch das Untersuchungsergebnis bei H. Hoffmann, a.a.O., S. 248, besonders die Getreidetransporte betreffend. 90 befriedigen, also zurechtkommen, ohne daß vom Zentrum aus für die Beschaffung von Arbeit gesorgt werden müßte. Auf jeden Fall sind Nachbarbetriebe, die sich in rechtlicher Abhängigkeit zum gleichen Grundherrn befinden wie die Meierei, nicht mehr fronpflichtig gehalten. Nur noch Spuren dieser ehemaligen Bindung sind in den Urbaren von St. Blasius zu finden: seltene und geringfügige Geldzinse pro servicio 81 . Bedeutet diese Autonomie aber Autarkie in der Versorgung mit Arbeit? Allein eine genaue Analyse der Haushaltsstruktur dieser großbäuerlichen Betriebe könnte hier Klarheit schaffen 82 . Ohne dieser Klärung systematisch vorzugreifen, lassen sich aber Indizien dafür anführen, daß solche Autarkie weder dem Grundherrn, noch den Nachbarn und dem Markt gegenüber besteht. Aus den St. Blasius-Rechnungen geht zum einen hervor, daß bisweilen die allodia bzw. villici Geldquanta erhalten, aus deren Verwendung der Kauf von solcher Arbeit nicht ausgeschlossen werden kann, die nicht dem ‚Einholen‘ der tercia pars dient 83 . Die Herrschaftszentrale stellt also - schubweise - Mittel bereit, die auch zur außerbetrieblichen Versorgung mit Arbeit dienen: Geld für Lohn. Daneben ist aber etwas Weiteres von - vermutlich grundlegender - Bedeutung. Im Inventar der villicatio Boßleben (b. Halberstadt) des Bonifatius-Stiftes, das wahrscheinlich in die Zeit um 1300 gehört, heißt es: XI mansi… in campis Bossenleve, solventes LXXX et VIII maldra tritici et LXXVII ordei; area allodii solvens XIIII sol; item VIIII aree ibidem, solventes VIIII sol., de quibus dantur parva servitia… 84 Hier wird eine Verbindung sichtbar, die nicht auf die mansi, sondern auf die areae zielt. Auch im großen Güter- und Ertragsverzeichnis des Goslarer Domstifts vom Ende des 12. Jahrhunderts sind neben dem dominicale, dessen Hufen und den mansi litonum bzw. censuales noch aree genannt, que habent cottidiani servitiales dominicalis 85 . Schon zu Zeiten der - mindestens teilweise - noch intakten Villikation sind also Erscheinungen greifbar, die man als Verschiebung von Diensten von den Litonenhufen zu (landlosen) areae deuten kann, ebenso aber auch als Verselbständigung oder Abschichtung von domanialen Dienern - wohl den dagewarchten des Sachsenspiegels 86 - zu Tagelöhnern, die in Katen nahe der Domäne hausen. Genau diese Koppelung von curia und (landlosen) areae konnte aber im vorigen Kapitel als wichtiger Betriebstyp des 14. Jahrhunderts herausgestellt werden, ohne daß allerdings die Art dieser Beziehung zur Sprache kam. Dies ist hier nun nachzutragen. Wie eng die Bindung ist, das kann man an der Inventarisierungsweise besonders im Plenarium des St. Michaels-Klosters von 1321 sehen 87 . Auch 81 H. Hoffmann, a.a.O., S. 242f. 82 Vgl. hierzu Kapitel II, 3. 83 H. Hoffmann, a.a.O., S. 248. 84 UBSPH S. 264; s. auch Tabelle 16. 85 GUB 1/ 301/ (1181), S. 324 (betr. die Villikation Egeln) u. ö.; vgl. hierzu W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 61 ff., 120 u. ö. 86 SspLaR III, 44 § 3, 45 § 8. 87 Vgl. Tabelle 6, Sp. M. cum C et A. 91 die Tatsache, daß die curia-verbundenen areae häufig ohne Zinspflicht inventarisiert sind 88 , könnte hierfür sprechen. Endlich aber die Urkunden, in denen so häufig der curia-verbundene Mehrhufenbetrieb mit angekoppelten areae bzw. Sedelhof mit Kothof oder -höfen den Eigentümer wechselt. Aus all dem erhellt eine Dichte der Verbindung, der man im 14. Jahrhundert wohl Rechtscharakter zusprechen kann. Es ist aber kein Recht, das von der grundherrschaftlichen Zentrale oder den sonstigen Eigentümern näher qualifiziert werden muß - etwa analog der Fron- und Abgabenordnungen für die Litonenhufen des Hochmittelalters. Warum? Man hat den Eindruck, daß es ökonomische Grunde sind, die es unnötig machen, die Bindung der Kätner an die Meier als Rechtsverhältnis näher zu fassen. Diese Kätner sind - im Gegensatz zu den Vollhufnern - auf gleichwie vergütete Arbeitschancen angewiesen, bieten für die Meierbetriebe ein Reservoir für kontinuierliche und saisonale Arbeitsnachfrage. Man hat hier eine symbiotische Struktur der lokalen dörflichen Wirtschaft vor sich, die des Rechtes für ihre Arbeitsorganisation nicht mehr bedarf. Die ökonomische Unselbständigkeit der Kätner verschränkt sich mit einem großbäuerlichen Betriebstypus, der zur Reproduktion auf außerbetriebliche Arbeitsressourcen angewiesen ist, die er aber vergüten kann. Diese eigenständige zwischenbetriebliche Beziehung vor Ort brauchte vom Grundherrn bzw. Eigentümer nicht mehr reguliert zu werden. Sie geschah ohne dessen Zutun; die dabei ‚ausgetauschten‘ Tätigkeiten und Vergütungen erscheinen deshalb nicht mehr in den grundherrlichen Registern und Rechnungen 89 . Deshalb ist auch keine nähere Diskussion darüber möglich, ob die Arbeit jener den curiae anhängenden Kätner gegen ‚Lohn‘ oder als ‚Fron‘ geschah. Beide Begriffe stehen in Beziehungen zu Institutionen - der Lohn zum Markt, die Fron zur Unfreiheit -, in die die Eigentümlichkeit dieses Nexus zwischen Meier und Kätner nicht voll aufgeht. Im übrigen muß noch hinzugefügt werden, daß viele Mehrhufenbetriebe ohne dieses besitzrechtlich gesicherte Reservoir an Arbeit wirtschaften mußten. Auch die ‚alleinstehenden‘ Meiereien und Kätner sind eine gängige Erscheinung in den ostfälischen Dörfern. Demnach ist der lokale Austausch zwischen ihnen auch ohne jene Rechtsbindung gang und gäbe. Das Fehlen des Frondienstes und die Differenzierung der Betriebe in solche mit Arbeitsbedarf (Meier) und Arbeitsüberschuß (Kätner) bezeugt somit eine beachtliche zwischenbetriebliche Mobilität der lokalen Arbeit. Ob der Bedarf auch zwischendörflich oder regional gedeckt wurde, muß unklar bleiben. Deshalb sollte man auch vorsichtig damit 88 Tabelle 9, Z.2, 7, 9-11, 14 (dagegen aber Z.8. 21, 23), ebenso Tabelle 1, Z.18, 31, 33; 2, Z.15, 16, 19. 89 Nur an zwei Stellen im Obedienzverzeichnis des Moritzstifts in Hildesheim könnte es sich um Wahrnehmungen dieser Art handeln. In der Obedienz von Barnten, deren Zentrum (in Barnten) über 6 kornzinspflichtige Hufen verfügt, sind weiter due aree iuncte curiis villicorum, qui colunt mansos, de quibus dat quilibet villicus II solidos. De curiis autem dant pullos, ova, aucas et porcos, qui sunt obedienciarii (UBHHi 3/ 1409/ (nach 1302), S. 674f.). Das vorwerc in Bierbergen zinst Getreide, Schweine, Hühner, Gänse, Eier. Sunt ibidem due parve aree, unam habet villicus in subsidium minuti census, de reliqua dat ipse II solidos et III pullos (S. 676). 92 sein, diese Formen mit Kategorien zu fassen, die dem modernen Marktmechanismus entstammen: Lohn, Preis u. a. m. Der Versuch, das Fehlen der Frondienste in den ostfälischen Grundherrschaften um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu erklären, mündete in Bestimmungen zur Rentenkollektion und zur innerdörflichen Verteilung von Arbeitsbedarf und -überschuß. Grundherrliche Bindung von bäuerlichen Betrieben bedeutet in dieser Zeit also weitgehende Autonomie bei der Organisation der Arbeit gegenüber den grundherrlichen Zentralen: Diese überlassen die Bauern der ‚Logik‘ ihrer Arbeitsverhältnisse und lassen, was ihnen ‚zukommt‘, eher vor Ort holen bzw. sammeln, als daß die Bauern es zu bringen hätten 90 . Dies gilt nicht nur für die grundherrlichen Rentenformen. Auch der Zehnt - das klang schon an - wurde geholt, und für die vogteiherrlichen Abgaben, soweit diese überhaupt überliefert sind 91 , sowie die (landesherrlichen) Beden dürfte gelten: sie hatten Sachform und wurden geholt. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, besonders jedoch gegen Ende, ein neuer Bedarf nach Fronden artikuliert wird. Es sind die Landesherren, der Bischof von Hildesheim, der Herzog von Braunschweig, der Bischof von Halberstadt und die Grafen von Wernigerode, die beginnen, vom Konzept des ‚allgemeinen‘ Untertanen ausgehend, um ihre Herrschaftszentren herum oder generell um Frondienste zu ‚bitten‘ oder solche zu verlangen. Doch gehört dieser neue landesherrliche Dienst systematisch nicht mehr hierher 92 . 2 Zu Rechtsgrund und Radizierung der Mehrarbeitsformen Es geht nun darum, wie einerseits die bäuerliche Wirtschaft als Bezugspunkt der Aneignung erscheint, d. h. mit welchen ihrer Elemente bestimmte Rentenformen bzw. -ansprüche verbunden sind, und andererseits, welche verschiedenen Rechtsgründe für jene bestehen. Vieles hierzu mußte schon im vorigen Abschnitt berührt werden. Der Darlegungsgang ist schwierig, da zu manchen Punkten keine detaillierteren Kenntnisse erstellbar oder verfügbar, andere wiederum überdeutlich dokumentiert sind. Das Ziel ist wieder ein doppeltes. Die Überlieferung zu Neuwerk soll ausführlich gedeutet werden, die anderen Zeugnisse werden bestätigend, ergänzend und kontrastierend einbezogen, und am Ende soll ein Überblick darüber möglich sein, wie die sachlichen Formen der Rente den Formen der Radizierung und den Aneignungsursachen zugeordnet sind. Es ist schon recht auffällig, daß es vorwiegend Eigentumsverhältnisse sind, die die ländlichen Rentenansprüche des Klosters Neuwerk um die Mitte des 14. 90 Hierfür könnte auch Bedeutung haben, daß in den Urbaren des 14. Jahrhunderts weitgehend die Zinstermine fehlen. Wenn allein der Meier die Zinse vor Ort einsammelt, braucht die Zentrale die Zeitform der Kollektion nicht mehr zu interessieren; also fehlt der Termin im Register. 91 Vgl. weiter unten. 92 Siehe den Ausblick in Teil C. 93 Jahrhunderts begründen; das Lehen spielt demgegenüber - wenn überhaupt - nur eine marginale Rolle 93 . Dies gilt es besonders im Kontrast zu dem ausgedehnten Lehns-Grundbesitz sowohl der Landherren wie auch des Patriziats zu sehen 94 . Als Eigentumsformen sind zu unterscheiden: Grund-Eigen, Zehnt, Vogtei und Leib-Eigen, dazu Patronat bzw. Inkorporation. Die Terminologie des. Registers von 1355 ist auf diese Unterschiede nicht eingestellt. Propst Herrmann bezeichnet, was die Nonnen juste et canonice possident, pauschal als bona oder progenies 95 . Was jenen darauf zukommt, heißt fast unterschiedslos census 96 . All dies kann radiziert sein auf Leute, Hufen, Höfe und Dörfer. Die klar dominierende Revenuquelle ist das Grund-Eigen. Was im Register von 1355 possessio heißt, wird in den Urkunden, d. h. den Dokumenten vorwiegend der Erwerbsgeschichte, proprietas, dominium, egenschafft oder eghen bzw. eghendom genannt, und zwar an Dingen, die man in roweliker were und to ewigen tiden haben wollte 97 . Viel hat man daran gesetzt, die völlig freie Verfügung über die Güter zu haben: so gut wie alles ist gekauft; deutlich ist das Bemühen, die Güter ledich unde los sowohl von jeglicher ansprake, die die dauerhafte Nutzung gefährden konnte, zu erwerben als auch - noch wichtiger - frei von Rentenansprüchen, die in der Vogtei gründeten. Die Erwerbsgeschichte zeugt also von dem Bemühen, alles Grund-Eigen von externen Überlagerungen freizuhalten, es als rein ‚privates‘ Verfügungsverhältnis zu gestalten. Es hat auch den Anschein, als 93 Ich habe keinen Fall von Belehnung und Verlehnung im Neuwerker Urkundenbestand finden können. Hat dies damit zu tun, daß - entsprechend SspLeR 2 § 1 - Neuwerk ein bürgerliches Nonnenkloster ist? Es wäre eben doch noch zu klären, ob Äbtissinnen oder Frauenkonvente direkt oder über Vormunde/ Vögte als passiv lehnsfähig erweisbar sind. Für das - reichsunmittelbare - Kanonissenstift Gandersheim scheint dies zu gelten. Es wird im 11. Jh. mit Grafschaftsrechten belehnt. Doch bezeichnet H. Goetting, Gandersheim, S. 270 diesen Vorgang als „ganz ungewöhnlich“ und vermutet, daß dies „in erster Linie dem Stiftsvogt“ Gandersheims galt. Als Träger aktiven Lehnsrechts tritt Gandersheim allerdings ganz deutlich hervor (a.a.O., S. 286f., dazu W. Petke, Grafen, pass. u. S. 546-561; vgl. auch Tabelle 31). Auch die Augustiner-Chorfrauen von Steterburg haben ca. 1250 ein Aktiv-Lehnsregister angelegt: vgl. Tabelle 24. Die ‚bürgerliche‘ Provenienz Neuwerks zeigt sich wohl auch daran, daß - gewissermaßen anstelle der Verlehnung - die Rechtsform des Pfandes getreten ist. Auf die Verpfändungen im Register habe ich in der Einführung (A 3) hingewiesen. 94 Hierzu bieten die tabellierten Lehnsregister Anschauung genug. Das Verhältnis von Eigen zu Lehen ist besonders deutlich bei der Familie Frese (Tabelle 4). Ähnliches könnte auch am Dörntener Register gezeigt werden. 95 GUB 4, S. 388. 96 A.a.O., S. 390, 397. 97 Die folgenden Bemerkungen fußen auf einer Durchsicht des - gedruckten - Urkundenbestandes Neuwerks im Kontext der Überlieferung im GUB. Auf Einzelnachweise wird verzichtet, obwohl eine präzise Nachzeichnung, wie sich die Eigentumsterminologie vom Ende des 12. bis weit ins 14. Jh. hinein entwickelt hat, in diesem Zusammenhang nützlich wäre. Sie führt - um das nur pauschal anzudeuten - von der proprietas und dem omne jus zu egenschafft (1300) und eghendom (1326); seit 1334 ist dann auch das Kompositum dominium utile et directum belegt. Zu ergänzen wäre eine solche Untersuchung der mndt. Eigentumsterminologie im Neuwerker Kopialbuch (hg. G. Cordes) aus dem beginnenden 15. Jh., das Übertragungen von lateinischen Urkunden seit der Gründung Neuwerks bis 1365 enthält. 94 fehlten diesem Verhältnis jegliche personalrechtlichen Einschläge 98 . Dies würde eine un-‚bedingte‘ sachenrechtliche Verfügungsform über die Güter bedeuten, und man müßte zögern, allein ein solches Verhältnis zum Boden als Grund- ‚Herrschaft‘ zu bezeichnen 99 . Über welche Radizierungen wird das Grund-Eigen in Revenu ‚umgesetzt‘? Es wird nicht überraschen, daß der die Inventarisierungsweise Propst Herrmanns beherrschende mansus der Hauptindex der Appropriation ist: mansi solvunt…, (sunt ibi) mansi…, de quibus datur bzw. de quolibet datur sind die Formeln hierfür. Dort, wo mansi ohne Rentenertrag verzeichnet sind, gibt es keinen Hinweis auf eine ‚verlagerte‘ Radizierung; es dürfte sich einerseits schlicht um Lücken handeln, deren Ursachen unbekannt sind 100 , andererseits dürfte - darauf wurde schon hingewiesen - der Ertrag so unsicher gewesen sein, daß eine urbariell festgelegte Rentenerwartung sich verbot 101 . Es gibt aber - bei näherem Hinsehen - Hinweise darauf, daß die Radizierung auf die Hufe zur Instabilität neigt. Bezieht man die Höhe der Hufenzinse nämlich in den Kalkül ein, dann fällt auf, daß oft nicht (mehr) die Einzelhufe, sondern die - einer curia zugeordnete - Hufengruppe als Index fungieren muß, da die Zinshöhe nicht mehr glatt durch die Hufenzahl teilbar ist 102 . Diese Erscheinung ist auch anderen Registern abzulesen 103 . Sicher kann solche Inkongruenz von Hufenzahl und Zinshöhe in vielen Fällen auf differierende Zinshöhen der einzelnen Hufen zurückgehen. Die Annahme, daß die Zinssumme einen die einzelne Hufe übergreifenden Betriebsbezug ausdrückt, ist also nicht zwingend. Doch kann man an der Zinstypik des zweiten Radizierungsindex im Rahmen der Grund-Eigenbeziehung, der curia, sehen, daß bei mit ihr verbundenen Mehrhufenbetrieben die Radizierung schwankt. Im Neuwerker Register gibt es nur wenige curia-Zinse; diese aber sind als - reduzierte - Geldquanta ehemaliger Schweinezinse aufzufassen, die ansonsten klar auf dem mansus lasten 104 . Dort, wo Hof- und Hufenzinse getrennt aufgeführt sind und die Betriebsstruktur nicht verborgen bleibt, ist deutlich sichtbar, daß es regelhafte Verbindungen bestimm- 98 Dies ist weiter unten zu klären (Leib-Eigen). 99 Um in dieser - m. E. sehr schwierigen - Frage weiterzukommen, empfiehlt sich der Rekurs auf H. Fehrs Aufsatz über die Grundherrschaft im Ssp. von 1909 (ZRG GA 30, bes. S. 271ff.). Fehr erweist das tinsgut im Ssp. als mit fünf Erscheinungen verbunden, die als Zusammenhang den Begriff ‚Grundherrschaft‘ rechtfertigen: 1. eine ‚Herr‘-‚Mann‘-Terminologie, die sprachlich das Herrschaftsverhältnis ausdrückt; 2. das Afterleiheverbot für den tinsman und das Verlehnungsrecht des Herrn; 3. das Pfändungsrecht des Herrn ohne richterliche Intervention; 4. die Gerichtsgenossenschaft der tinslude; 5. autonome ‚hofrechtliche‘ Rechtssetzung, soweit sie nicht gegen Landrecht geht. Ich erkenne an diesem Punkt der Darstellung nicht, für welche dieser Erscheinungen, das zinstragende Grund-Eigen Neuwerks betreffend, ein empirischer Nachweis erbracht werden könnte. 100 Tabelle 1, Z.3, 30, 32, 36. 101 Ebd., Z.28. 102 Den Kornzins betreffend; ebd., Z.2.; Geldzins: Z.24; Hühner-/ Eierzins: Z.9, 16; Eierzins: Z.27. 103 Tabelle 2 (Kornzinse), Z.5/ 6, 9, 11; Tabelle 3 (Korn- und Geldzinse), Z.17, 24, 27, 31, 37, 45; Tabelle 12 (Kornzinse) pass. 104 Tabelle 1, Z.8, 10. Nicht nur die Höhe, sondern auch die Währung spricht für diese Deutung. 95 ter Zinsformen gibt, die man als typischen curia-Zins ansehen kann: dazu gehören Geldquanta, Schweine (oder deren Geldablösung), Gänse, Hühner, Eier und - vereinzelt wohl auch - Mohn. Natürlich sind sie selten als vollständige Verbindung greifbar 105 . Dieser Hofzinstypus ist in den früheren urbarialen Quellen ganz deutlich kennzeichnend für die vorwerke bzw. allodia oder curiae villicales 106 . Von Interesse dabei ist, daß in diesen älteren Registern der Getreidezins - ob fixiert oder als Ertragsanteil - zusammen mit den Hofzinsen genannt wird, obwohl schon klar ist, daß er de mansis zu leisten ist. Im Dörntener Register von 1351f. ist die Beschreibungsweise fast zwielichtig zu nennen: Einmal ist der Hufenbezug des Getreidezinses deutlich, dann wieder eher der Hofbezug 107 . Und im Fresischen Register von 1370 sind die Hufenzinse - es geht hier sicher um Teilbau - überhaupt nicht mitgeteilt, die Hofzinse ‚genügen‘. Ich reihe diese Beobachtungen hier ein, um auch auf der Ebene der Grundzinsradizierung anzuzeigen, daß im 14. Jahrhundert schillernde Verhältnisse herrschen, in denen Altes - ‚pauschale‘ Grundradizierung vorwiegend auf die Hufe (oder den Hof ) - und Neues - ‚differenzierte‘ Radizierung auf Hufe und Hof - nebeneinander stehen. Als dritter Radizierungsindex ist die area anzusehen. Im Neuwerker Register tritt dies klar in Erscheinung 108 . Gegenüber dem curia-Zins fällt das Fehlen der Schweine und Gänse auf, die Mohnabgabe ist eindeutig häufiger zu finden; im übrigen beweist der vergleichende Blick auf die anderen Register die klare Vorherrschaft von Geld- und Hühnerzins 109 . Natürlich ist der area-radizierte Grundeigenzins logisch dann am Platze, wenn weiteres Grundeigen fehlt, dem die area und ‚ihr‘ Zins subsumiert werden könnte. Es zeigt sich aber die Tendenz, auch die mit Land ausgestattete area bzw. den Kothof seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mit distinktem Zins zu führen. Im Fresischen Register heißt es: unde hebbe 40 morghen dar sulves (Drispenstedt) teghetvry, dar hort tho 1 kothof, de plach tho gevende 4 solidos unde 3 honere 110 . Kann man dieser Beschreibung noch keine volle Beweiskraft für jene Tendenz zuerkennen, da der Zins für das Ackerland hier ja fehlt - darauf wurde oben hingewiesen -, so läßt das Dörntensche Register keinen Zweifel mehr zu: Ok hebbe ek ene hove landes to groten W(ehre) unde enen hof, dat het de Godderdeshof; de ghilt twene himten manes unde achte honre… Hir sit uppe Henningk Detmeres unde 105 Vgl. die Höfe-Zins-Spalten der Tabellen 2 und 4; dazu Tabelle 8, Z.33-38. 106 Z.B. UBHHi 6/ Nachtrag 6/ (12.-13. Jh.), S. 989 (Lesse), 992 (Emmerke); UBHHi 3/ 1409/ nach 1302, S. 674f. (Barnten), 676 (Bierbergen), 677 (Betheln). 107 GUB 4, S. 323: … dre hove landes to D(örnten)… unde… ene hove landes to D. Hir sit uppe Thileke unde Koneke Boteken unde ghift daraf…; S. 325: Ok hebbe we dre hove landes… to D(örnten) unde enne koterhof, dar men os af ghift enen himten manes unde teyn honre… Hir sit uppe Thileke Teghetmeyeres unde ghift dar af… 108 Tabelle 1, Sp. Areae/ Zins. 109 Tabelle 2, Sp. Höfe/ Zinse; 4, Sp. Hofzinse; 5a, Z.7; 5b, Z.21f., 25 (hier ist die curia als area aufzufassen); 9 pass.; 13, Sp. A/ s; 14, Z.14f., 24, 30; 23, Z.16, 20; 32 pass. (soweit meine Vermutung richtig ist, daß auch hier curia = area zu verstehen ist). 110 Besitzverzeichnis, hg. W. Deeters, S. 11, § 6; vgl. Tabelle 4, Z.8, 9. 96 ghift daraf twene schepele rocghen 111 . So allein, wie die Zitate den Anschein geben, stehen die ‚bürgerlichen‘ Register in dieser Sache aber nicht da. Auch in den beiden Verzeichnissen des Michaelsklosters in Hildesheim von 1321 und 1333 sind Beschreibungsformen enthalten, die eine ‚getrennte‘ Radizierung von mansi und areae meinen dürften. Im älteren Register ist öfter von mansi cum areis censuales (! ) bzw. cum areis litonicis die Rede 112 ; diese recht klare Unterscheidung zwischen Hufe und Hof - deren betriebliche Einheit mitgedacht bleibt - ist dann im jüngeren, das viel regelmäßiger die Zinse mitführt, wieder ‚zurückgenommen‘ 113 . Immerhin ist also auch am Inventarisierungsverhalten einer älteren geistlichen Grundherrschaft zu sehen, daß im 14. Jahrhundert die herkömmlichen Radizierungsgewohnheiten ins Schwimmen geraten. Der Hof - sei es der Meier- oder der Kothof - gewinnt gegenüber der Hufe an Gewicht. Es hat den Anschein, als würde die Hufe, schon seit längerer Zeit vom Begriff für die mittelbäuerliche Betriebseinheit zum Index für die dörfliche Ackerlandverteilung geschrumpft, langsam auch als leitender Appropriationsindex den Hoftypen weichen, die von den Grund-Eignern immer deutlicher als Rentenobjekte eigenen Zuschnitts betrachtet werden und denen gegenüber das Ackerlandmaß ‚Hufe‘ zur rententragenden ‚Pertinenz‘ derselben absinkt 114 . Natürlich steckt dieser Prozeß erst in den Anfängen - über sein Geburtsstadium dürfte er aber hinaussein. Wie wichtig die Hufe als Rentenindex in der Mitte des 14. Jahrhunderts aber weiterhin ist, läßt sich leicht an den anderen Eigentumstiteln erweisen, die rententragend sind. Sicher ist der Zehnt die Rentenform, der nach dem Grundzins im spätmittelalterlichen Ostfalen die nächstwichtige Bedeutung zukommt. Das Recht auf den Zehnt, ob in der Verfügungsform von Lehen oder Eigen, trägt in dieser Zeit „rein den Charakter einer Abgabeverpflichtung; der eigentliche Herrschafts-Charakter tritt daher bei ihm ganz zurück, und insofern ist der Ausdruck Zehntherrschaft nicht recht zutreffend“ 115 . Daß ihm dennoch seine kirchliche Herkunft anhaftet, läßt sich daran ersehen, daß gegen Zehntverweigerung kirchenrechtlich vorgegangen wird. Bischof Heinrich von Hildesheim mahnt 1340 die Plebanen der Pfarreien in Klein Schladen, Groß Flöthe, Dörnten und Haverlah, einige ihrer parrochiales, die den censum justum et debitum tam in carnibus quam in reliquis dandis de dimidiis decimis verweigern, der der Neuen Hospital in Goslar zusteht, zur Zehntentrichtung anzuhalten, wenn sie nicht exkommuniziert werden wollten 116 . 111 GUB 4, S. 327. 112 Vgl. Tabelle 6, Sp. M et/ cum A. 113 Ein Beispiel, die Litonenhufen in Himmelsthür betreffend: 1321 heißt es: XII mansos cum totidem areis litonicis (UBHHi 4, S. 350), 1333 dann: XII mansi litonici, de quolibet manso datur… (a.a.O., S. 727). 114 Vgl. unten den Ausblick (C). 115 F. Lütge, Agrarverfassung, S. 57. 116 GUB 4/ 119. Sollten die Verweigernden aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen werden, dann sind die Plebanen angewiesen, excommunicatos in vestris ecclesiis singulis diebus dominicis publice nuncietis, donec prefate domui satisfecerint… 97 Wie schon angedeutet, verfügt Neuwerk über Zehntrechte nur als Eigen; sie wurden - besonders zwischen 1231 und 1278 117 - als von regionalen Adelsfamilien resignierte Lehen angekauft. Um 1355 sind es Zehntrechte in immerhin 15 Orten. Die decima-Einträge im Register sind deutlich abgesetzt vom Grund-Eigen und -Zins 118 . Diese Trennung beider Revenuformen gilt auch für die anderen Besitz-, Ertrags- und Lehnsregister, ebenso für viele Urkunden 119 . Radiziert ist der Zehnt meist auf das Dorf, entweder pauschal aufs ganze oder aufgeteilt in Hälften, höchstens in Viertel. Der ganze Dorfzehnt begegnet - wie auch in Neuwerk - am häufigsten, die Viertelung am seltensten 120 . Leider hat man sich in der Forschung bislang nicht gefragt, warum diese sowohl die lokalen Besitzals auch Betriebsverhältnisse übergreifende Radizierungsform für den Zehnten besteht. Vielleicht hat auch die Tatsache, daß es einerseits doch Parzellierungen gibt, die Hufen und Höfe zum Index haben 121 , andererseits vom Zehnten eximierte Betriebe oder Hufen bzw. Höfe 122 , von dieser Eigentümlichkeit abgelenkt. Ich vermute, daß Form und Modus - Ertragszehntel als Holschuld - diese Radizierung verursachen. Noch die Zusätze von 1270 in Eikes Landrecht zur Verzehntung von Getreide und Vieh zeigen die Schwierigkeiten der Einholung von Ertragsanteilen vor Ort 123 : Es bedarf eines Ortskundigen, des tegedere, der den Bauern bei der Ernte zur Verzehntung von Hocken bzw. Garben aufs Feld folgt oder um den Fleischzehnten ins Haus kommt. Eine so komplexe Einholung verträgt parzellierte Eigentumsverhältnisse am Geholten schlecht, Halbierung oder Viertelung dürfte gerade noch durchführbar sein, ohne daß der Überblick über den Vorgang verloren geht 124 . Mit der Kommutation zum fixier- 117 GUB 1/ 509/ 1231 (Langelsheim), 654/ 1237 (Kl. Schladen), 563/ 1238 (Gielde), 564/ 1238 (Mahlum), 565/ 1238 (Jerze), 622/ 1246 (Immenrode); 2/ 8/ 1251 (Mahlum), 38/ 1256 (Kl. Schladen), 50/ 1258 (Langelsheim), 250/ 1278 (Dörnten), 165/ 1271(Achim), 120/ 1266, 146/ 1269 (Burgdorf ), 494/ 1295 (Ringelheim); 3/ 133/ 1306 (Osterode). Zum Zehntbesitz im Register vgl. Karte 1. 118 Entweder steht der Eintrag vor dem der Hufen oder zwischen ihm und den curiae/ areae. 119 Ein schönes Beispiel GUB 3/ 164/ 1307. 120 Diese Verteilung ist besonders deutlich in den Lehnsregistern. Ein Blick in die Z(ehnt)-Spalten der Tabellen 24-38 beweist dies zur Genüge. Zum Zehnten des St. Blasius-Stifts vgl. E. Döll, a.a.O., S. 262. 121 Für Neuwerk: GUB 4/ 525/ 1355, S. 392: Item in O(hlhof ) XII mansos cum decima; viele Belege in den Registern von St. Michael (1321/ 1333), dazu Tabelle 3, Sp. Zehnt/ Hufen; 4, Z.24; 8, Z.34-38; 24, Z.30; 29, Z.84; dazu viele Einzelbelege in den Urkunden. 122 Zehntbefreiungen f. Neuwerk: GUB 3/ 133/ 1306 (Osterode), 5/ 1175/ 1400 (4 H in Lobmachtersen); dazu Tabelle 8, Z.33; UBHHi 4/ 638/ 1321, S. 344, 346, 349ff. (St. Michael, Formel: mansos… cum curia indecimales); endlich Urkunden, z. B. GUB 5/ 187/ 1370, 763/ 1389, 926/ 1393. 123 SspLaR II, 48 § 4-12. 124 Erleichterung bringt natürlich der rigide Entrichtungstermin. Doch läßt sich dies im konkreten Fall - man denke daran, wie unberechenbar die Tage, wan it ve geworpen wert und der Getreideschnitt erfolgt - nicht durchhalten. Dies bringt LaR II, 58 § 2 sehr klar zum Ausdruck. 98 ten Kornbzw. Geldzins - eine in dieser Zeit seltene Erscheinung 125 - entfallen solche Probleme. Ob nun in der Pauschalform dörflicher Radizierung oder als fixierter Hufenzins, der Zehnt ist im 14. Jahrhundert eine bei allen Herren und Eigentümern gleich beliebte Einkunftsform 126 . Um 1355 liegt es sicher schon eineinhalb Jahrhunderte zurück, daß die ursprüngliche Einheit von officium und redditus im Vogteiverhältnis schrittweise aufgelöst wurde. Der Versuch besonders des regionalen Adels, seine gerichtsherrlichen Befugnisse über das Kirchengut zur herrschaftserweiternden Einkunftsquelle auszubauen, ist von Königtum und Landesherrschaft politisch, von Stadtbürgern und auch Bauern ökonomisch abgeschwächt, wenn nicht abgewehrt worden 127 . Im ostfälischen Raum äußert sich dieser Vorgang vor allem in Mengen von Urkunden, die den Besitzwechsel von verdinglichten Vogtei-‚Rechten‘ bezeugen: vor allem Ritter resignieren diese Rechte ihren Lehnsherren und verkaufen sie an Grundherrschaften (Stifte, Klöster), Patrizier, aber auch an Bauern 128 . Die Masse dieser Veräußerungen fällt in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Welchen Sinn hat der ‚Freikauf‘ von der Vogtei? In den ausführlicheren Urkunden wird deutlich gemacht, daß Amt und Einkünfte auseinandertreten. Der Vogt behält die Gerichtsbarkeit nur noch in tribus… articulis…: furto videlicet, pugna et rapina. Dieses Amt aber bleibt ihm judicando solummodo, nullam tamen exactionem faciendo 129 . Für den Kaufpreis also gewinnt der Käufer mindestens Freiheit von der exactio. In anderen Urkunden werden zusätzlich genannt: petitio, precaria, angaria, servicium. Diese Termini stehen für die Offenheit der vogteirechtlichen Appropriation, d. h. für ihre Unberechenbarkeit 130 . Daneben aber existieren längst fixiert verdinglichte Rechte auf die collacio advocacie, die genauso mobilisierbar sind wie jedes andere von Herrschaftsrechten ‚befreite‘ Vermögens- oder Einkommensobjekt dieser Zeit; und diese Rechte sind verschieden radizierbar. Dies mag vorausgeschickt sein, um die Situation um die Mitte des 14. Jahrhunderts besser zu verstehen. Man muß auf alle Fälle davon ausgehen, daß Ostfalens Bauern und ihre Höfe bzw. Hufen sich dadurch unterscheiden, ob sie vogtei- ‚frei‘ oder -‚unterworfen‘ sind. In einer Urkunde von 1340 wird dieser Unterschied, den man wegen der Zersplitterung der Überlieferung nur schwer greifen kann, für Land und Leute des Stifts Riechenberg einmal deutlich gemacht 131 . Die 125 BrUB 2/ 148/ 1253; LeRg Halb, 1311, S. 464. 126 Davon können die Spalten zum Zehnt im Tabellenanhang überzeugen. 127 Hierzu A. Waas, Vogtei und Bede in der deutschen Kaiserzeit, 2. Teil, Berlin 1923, 1. Kap.; H.- W. Klewitz, Studien, S. 21. 128 Ich weise hier nur einige Belege für Vogteierwerb durch Bauern nach: GUB 1/ 483/ 1227; 2/ 441- 442/ 1292-93; 4/ 635/ 1358. 129 GUB 2/ 574/ 1299; ähnlich 2/ 603/ 1300; 3/ 572/ 1321; 4/ 149/ 1341. 130 Sicher stammen die Unwägbarkeiten vogteilicher Abschöpfung aus der nach Rhythmus und Aufwand schlecht präzisierbaren Eigenart ambulierender Friedensstiftung. Gastung und Bede des Vogtes sind dementsprechend ‚unwägbare‘ Größen für die Pflichtigen, die als lästiges jugum empfunden wurden. 131 GUB 4/ 108: Ego Johannes de Rotzinghe, famulus, recognosco publice litteram per presentem, quod in 99 Vogtei-‚Freiheit‘ aber muß für die betreffenden Bauern oder deren Land nicht heißen, daß sie frei vom verdinglichten ius advocacie oder - wie E. Döll sich ausdrückt - frei von einer ‚fixen Grundrente‘ seien, die lediglich noch den Titel der ‚Vogtei‘ trage 132 . ‚Freiheit‘ heißt zunächst nur: ohne Zugriff des Vogtes auf Vogteirente; diese selbst kann aber vom neuen, meist dem Grund-Eigentümer oder -herren, weiter eingezogen werden. Verfügt das Kloster Neuwerk 1355 über Vogteirechte? Unter die progenies pertinentes Novo operi, eine Personenliste, mit der das Register abschließt, werden auch gut zwanzig namentlich Genannte geführt, die tenentur dare triticum omni anno 133 . Sie leben in Hilwerdingherode und Doringherode, zwei später ortswüsten Ausbaudörfern im Steinfeld östlich der Oker 134 , in Goslar und Immenrode 135 . Nur im letztgenannten Ort hat Neuwerk Grund-Eigen. Die urkundliche Überlieferung gestattet, diese auf die Person radizierten Zinse zu deuten; zwischen 1286 und 1315 erwirbt das Kloster Vogteirechte über 129 Hufen in Dörrierode, Wennerode 136 und Immenrode, die in Getreide- und Hühnerzinsen bestehen; im Falle Immenrodes hat man jene familias seu homines… ad ipsos mansos pertinentes auch als voghetlude bezeichnet 137 . Es handelt sich also um Zinse vogteirechtlichen Ursprungs, die - seit wann, ist unbekannt - 1355 allein an den Personen haften, vermutlich seit deren Abwanderung in andere Orte. Neben diesen vogteizinspflichtigen Leuten sind im Register noch zwei Hinweise auf bodenradizierte Vogteirechte zu finden. Neuwerk hat neben 4 Hufen und 7 areae in Gr. Mahner item infra fossatam advocaciam 138 . Aus der Erwerbsurkunde von 1302 geht klar hervor, daß man die Formulierung von 1355 als Ettervogtei zu verstehen hat; nur das Dorf ist gemeint, die gleichzeitig erworbenen Hufen sind frei ab omni onere advocacie 139 . Ob man die lakonische Bemerkung item advocaciam im Register-Abschnitt über Immenrode von 1355 140 genauso claustro sancte Marie virginis in Richenberghe ac in bonis ad curiam ejusdem claustri pertinentibus necnon in bonis, que spectant ad allodium in Hanendorpe, ac in bonis cujusdam curie Ebbingherode et in aliis quibusdam mansis, qui liberi sunt a jure advocatie, et in dicte ecclesie litonibus nullum jus advocatie habeo nec in eis possum michi aliquod usurpare. De aliis vero mansis, que bona advocatie nominantur, et in villicis eorum ultra meam pensionem michi assignatam nichil juris exigere possum nec debeo, pro qua tamen pensione et divina remuneratione ecclesiam et omnes ad eam pertinentes in omnibus defendere debeo et tueri. 132 E. Döll, a.a.O., S. 267ff.. hier S. 271; vgl. auch O. Teute, Ostfalenland, S. 312ff.; G. Taddey, Heiningen, S. 69f.; W. Petke, Grafen, S. 427ff.; H.A. Lüntzel, Lasten, S. 90ff. 133 GUB 4, S. 397f. 134 Zu Doringherode/ Dörrierode: H. Kleinau, GOV 1, S. 157; S. Wilke, Reichsgebiet, S. 22, 59f.; W. Petke, a.a.O., S. 499; ders., a.a.O., S. 512 zu Hilverdingherode. 135 Der Abschnitt über die Personen in Immenrode ist (nach Bode) zeitgleicher Zusatz. 136 GUB 2/ 339/ 1286: advocatiam in Doringeroht supra decem mansos et dimidium pro quadraginta marcis puri argenti, de qua dabantur decem chori tritici et dimidius et triginta duo pulli; 340/ 1286, 381/ 1290. 137 GUB 3/ 737/ 1315; der erste Akt des Erwerbs: 3/ 94/ 1305. 138 GUB 4, S. 390. 139 GUB 3/ 23/ 1302. 140 GUB 4, S. 391. 100 deuten kann, ist zweifelhaft. Sicher ist nur, daß der Großteil der Hufen 1303 vogteifrei angekauft worden ist, zwei Jahre später aber weitere bona… cum advocacia 141 . Drückt die Bemerkung von 1355 nur die Vogtei über jene bona aus, meint sie auch die oben erwähnten vogteizinspflichtigen voghetlude, oder geht der Sinn über beides hinaus? Das muss offen bleiben. Unklar muß auch bleiben, warum im Register das Vogteirecht, das Neuwerk 1323 über die - 1305 gekaufte - duvelswort in Beuchte erworben hat 142 , nicht auftaucht; nur 5 areae sind genannt, Zinse fehlen. Neben den auf Personen, den Hof und den Dorfetterbereich radizierten Vogteirechten begegnen urkundlich nach 1355 dann auch noch - vereinzelt - die hufenbezogenen 143 . Allein also die spärliche Überlieferung Neuwerks erhellt eine Radizierungsvielfalt der Vogteirechte, die man unschwer ebenso für andere Herrschaften nachweisen könnte. Allerdings fällt auf, wie wenig an solchen Rechten in Neuwerker Hand ist. Gerade der Hufenerwerb erfolgte so gut wie stets frei ab omni onere et servicio advocacie oder ane jenergherleye voghedye, denst, bede, pflicht edder beswarnisse 144 . Dies muß man als deutliches Ziel der Erwerbs-Politik der Abtei und ihrer Vormunden verstehen. Dort, wo das Vogteirecht mit erworben war, ist keine Rentenerhebung erkennbar - außer im Falle der personenradizierten Zinse von gut zwanzig voghetluden, auf 4 Orte verteilt. Sollte man annehmen, daß die Vogtei-‚Freiheit‘ zum Erwerbszeitpunkt die (negative) Freiheit vom Zugriff des Vogtes und die (positive) Freiheit Neuwerks zur Einhebung von verdinglichter Vogteirente bedeutet? Ich bezweifle dies, weil die Neuwerker Güter durchweg aus laikaler Hand stammen, also nicht von kirchenvogteilichen Funktionen überlagert waren 145 . Die Vogteifreiheit sollte also nach dem Übergang in kirchliche Hand bewahrt bleiben. Zur schieren Abgabe verdinglichte Vogteirechte sind, dies ist mein Eindruck, vom Neuwerker Kloster also nicht inkorporiert, sondern ausgeschlossen worden. Die Vögte selber und ihre Diener wurden - 1355 ausdrücklich von Propst Herrmann vermerkt - mit beneficia bedacht 146 . Zeugnisse für den Einschluß bietet der ergänzende Blick besonders auf die Register der älteren kirchlichen Grundherrschaften. Für St. Blasius sind einige auf die Hufen radizierte Geldzinse pro advocatia in Ahlum, Gr. Vahlberg und Salzdahlum belegt 147 , in einigen villicaciones der Hildesheimer Dompropstei wer- 141 GUB 3/ 41/ 1303; 94/ 1305; jene bona dürften mit den in 3/ 373/ 1315 genannten 3 Hufen identisch sein. 142 GUB 3/ 121/ 1305, 657/ 1323. 143 GUB 5/ 810/ 1390. 144 GUB 5/ 852/ 1391. 145 Ob in einzelnen Fällen auch mit ‚weltlichen‘ Vogteien zu rechnen ist, die in engster Nachbarschaft entweder zur älteren comitia oder zum jüngeren ‚Amt‘ stehen, muss unklar bleiben. Zur comitia vgl. W. Petke, Grafen, S. 447ff., zum ‚Amt‘ H.-W. Klewitz, Studien, S. 37ff. 146 GUB 4, S. 397: Herrmann verbucht 10 mc für die Präbendensicherung der Konventualinnen, exceptis aliquibus beneficiis, que largiuntur aliquando ad castra et advocatis principum et servis advocatorum. 147 GK, S. 47. 101 den 1382 hufenradizierte Getreidezinse und voghetpennighe … racione advocacie verlangt 148 , und im Statut des Halberstädter Domkapitels über die Einkünfte des Propstes von 1307 werden diesem - neben Hufen und Kornsowie Fleischzehnten - beachtliche Getreidezinse de advocatia oder als voghetcorn zugewiesen, die aufs Dorf radiziert zu sein scheinen 149 . Gerade diese Fixierung der Vogtei ist in den Lehnsregistern die bestimmende 150 , häufig sind aber auch Hufen- und Hofvogteien, ganz selten wird einmal ein Personalbezug mitgedacht 151 . Wenn man also über die Radizierung der Vogtei als adliger Revenu genug erfährt, so bleiben die Register und auch die Urkunden zur sachlichen Form fast stumm. Dies ist verständlich, denn nur dort, wo die Vogteirente zum - meist hufenradizierten - Fixum geronnen ist, wird eine solche Angabe möglich. Nach dem, was zur Geschichte der Vogtei vorausgeschickt wurde, darf man wohl annehmen, daß dieser Sachverhalt um die Mitte des 14. Jahrhunderts weit verbreitet war. Die Quellen bringen ihn aber selten zum Ausdruck 152 . Trotz aller Unklarheiten, die zur Vogtei als Rentenform bleiben, kann man aber nun festhalten, daß sie in allen bekannten Elementen bäuerlicher Wirtschaft verwurzelt sein kann, das Dorf und die Hufe aber klar überwiegen. Die Verteilung der Vogteirente zeigt eine deutliche Bevorzugung durch den Adel, manche Inkorporation bei den älteren Grundherrschaften, bei den stadtbürgerlichen Institutionen jedoch eher die Tendenz, sie zu meiden 153 . Die Neuwerker Güter sind weitgehend frei vom Vogteizins; nur einige Leute entrichten ihn. Gibt es Hinweise auf Abgaben bei Neuwerker Bauern, die im klösterlichen Leib-Eigen gründen? Meine Suche danach war so gut wie vergeblich. Die sonst üblichen Termini, die verschiedene Verfügungsformen über Leute ausdrücken, wie condicio propria, servitus, servus, lito, laten, eghene lude o. ä., findet man in der Neuwerker Überlieferung m.E. nicht. Die Worte familia und ghesinde, jeweils einmal im Register von 1355 und in einer Urkunde von 1357 belegt, sind nicht eindeutig im hier gesuchten Sinne interpretierbar 154 : sie meinen das - nachweislich entlohnte - Personal auf den stadtmärkischen Großbetrieben. Schließt der 148 UBHHi 6/ 546, S. 393ff. (Algermissen, Müllingen, Hasede, Itzum); ins Register von St. Michael von 1333 hat sich - für Dorste - die Bemerkung verirrt: In D. V mansos, de quibus datur pars annone et II marce dantur advocato (UBHHi 4/ 1336, S. 726). UBHHa 3/ 1811. 149 UBHHa 3/ 1811. 150 Vgl. Tabelle 2, Z.4 (Gr. Wehre); 26, Z.24, 33; 27, Z.21; 29, Z.13; 33, Z.6, 7, 8 (Langelsheim, Astfeld, Jerstedt); 35, Z.2 (Burgdorf ); viele Belege auch in den Registern des Bischofs von Halberstadt (1311) und der Grafen von Regenstein-Blankenburg (ca.1347). 151 Im Register der Herren von Oberg (1387) heißt es: To Obergge… viftehalve hove voghedye unde de lude, de darto horet (D. Hellfaier, Oberg, S. 202). 152 LeRg Halb (1311), S. 446; LeRg Reg.-Blank., Bl.17b; GUB 2/ 246/ 1278, 342/ 1286. 153 Auch im Dörntenschen Register trifft man nur auf eine Dorfvogtei (in Wehre) (Tabelle 2, Z.4) (Ich schließe hier den Lehnsbesitz am Goslarer ‚Vogteigeld‘ aus! ). Im Fresischen Register fehlt jeder Hinweis. 154 GUB 4, S. 396 (De precio familie); 4/ 605/ 1357 (… dem ghesinde in dat vorwerk vor dem Rotsendore). 102 Lohn die Eigenschaft auch nicht prinzipiell aus: für unsere Frage geben beide Worte nichts her, da auch der Zins fehlt. Dies trifft zwar auch zu für den ersten Teil der das Register abschließenden Personenliste, doch gibt es hier Gründe für die Vermutung, die dort Genannten für Eigen-Leute zu halten. Welchen Grund konnte Propst Herrman gehabt haben, diesen Teil des Verzeichnisses anzufertigen, als den der Leib-Eigenschaft, da die dort Genannten - es sind über 25 Personen - als der Abtei ‚Zugeborene‘ bezeichnet werden 155 : hec sunt progenies pertinentes Novo operi. Auch wenn der die persönliche Rechtsbeziehung ausdrückende Standesbegriff fehlt, die durch Geburt gegebene Zugehörigkeit ist klar ausgedrückt. Ein weiteres kommt hinzu: die örtliche Verteilung der Genannten. Sie wohnen zwar mehrheitlich in Dörfern, wo Neuwerk begütert ist (Immenrode, Weddingen, Dörnten, Langelsheim, Ziesel), doch einerseits muß man mindestens vermuten, daß die 10 Immenroder Leute sich auf mehr als die vier dort zu Neuwerk gehörenden curiae verteilen, genauso wie die 4 Männer in Dörnten schwerlich ‚ausreichen‘, die 6 curiae und 4 areae Neuwerks am Ort zu bewirtschaften 156 ; andererseits wohnen Leute in Dörfern ohne Neuwerker Grundbesitz (Hahndorf, Bettingerode) und in Goslar. All dies beweist den Personalbezug der Inventarisierung. Warum aber fehlt der Zins? Es ist also schwierig, einen Überblick über die persönlich radizierten Rentenformen wie immer Unfreier im Ostfalen des 14. Jahrhunderts zu gewinnen. Zum einen sind Unterschiede persönlicher Unfreiheit, die Leitbegriffe wie servus und lito suggerieren, nicht konkretisierbar; zum andern ist vieles verdinglicht, was früher noch am Personenstand hing. Insbesondere der jährliche census litonum ist inzwischen fest in der Hufe verankert 157 . Allein die Trias von Kopfzins, Heirats- und Todfall bleibt für die Bestimmung rententrächtiger Unfreiheit übrig. Der jährliche census de capite fehlt in den ostfälischen Quellen dieser Zeit. Sollte man den Hühnerzins, der oben als hofradiziertes Rauchhuhn identifiziert wurde, als ehemaliges ‚Halshuhn‘ auffassen? 158 Auch die herscult, die Litonen im 12. und 13. Jahrhundert kennzeichnet, ist verschwunden 159 . Der Heirats- und der Todfall 160 stehen häufig in enger Verbindung miteinander als die den Litonenstand kennzeichnenden Personenzinse. Trotz dieses rechtlichen Gewichts sind sie in den Quellen nur schlecht faßbar. Dies dürfte daran liegen, daß sie nicht ‚regelmäßig‘, d. h. jährlich einkommen und zur Erhebungs- 155 GUB 4, S. 397; vgl. dazu Tabelle 41, Z.1-26. 156 Das Gleiche gilt für Weddingen: 2 Personen der Liste stehen 6 Höfen gegenüber. 157 Dazu weiter unten. 158 Die Erläuterungen hierzu von H.-D. Illemann, Besitzrechte, S. 62, und D. Saalfeld, Bauernwirtschaft, S. 160, fußen auf frühneuzeitlichen Belegen. 159 UBSBH 3/ 1174, XXIX, S. 266 (12./ 13. Jh.); Urbar Hamersleben, hg. Zöllner, S. 283, Nr.55 (Anfang 13. Jh.); zur Grundherrschaft St. Liudger/ Helmstedt vgl. R. Kötzschke, Urbare, S. CCCLXXXV; das - m. E. letzte - Zeugnis: GUB 2/ 496/ (1255-1295). 160 Hierzu allgemein R. Schröder/ E. Frhr. v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 493. 103 perspektive aller dinglichen Verfügungsformen nicht ‚passen‘. Dementsprechend werden sie eher erwähnt in speziellen Konfliktfällen - z. B. in Standesprozessen, Nachlaßforderungen o. ä. -, in Zuweisungen von herrschaftlichen Revenuen - Pachtverträgen über größere Güterkomplexe, Teilungsverträgen über die Einkünfte zwischen Propst und Kapitel/ Konvent, Pfandverträgen über Burgen und ihren Pertinenzen - oder in Abmachungen über die Folgen von Ausheiraten und ungenossamen Ehen. Der Heiratsfall erscheint unter zwei Bezeichnungen: als beddemunt und als bumede. Den allgemeinen Hilfsmitteln 161 sowie der regionalgeschichtlichen Literatur 162 ist zu entnehmen, daß beide Wörter verschiedene Aspekte herrschaftlicher ‚Pflege‘ der Ehe ausdrücken. Im ersten steckt - als Vormundschaft über das Bett, dem Sinnbild der Ehe - die Subsumtion der betreffenden Ehe als Geschlechtsverbindung unter alle Bedingungen der Leibherrschaft, im zweiten die Stiftung der ehelichen Gütergemeinschaft. Betont der eine Begriff also die Legitimität der copulatio matrimonii, so der andere die von Eikes Grundsatz: Man unde wif ne hebben nen tweit gut to erme live 163 . Da durch die Heirat die Rechtsverhältnisse der Frau weitreichender geändert werden als die des Mannes - Wechsel der Vormundschaft, des Bettes, der güterrechtlichen Stellung 164 -, ist es verständlich, wenn - den spärlichen Quellen zufolge - sie den Heiratsfall entrichtet, und zwar, soweit bekannt, in der Form eines Geldquantums 165 . Es ist wahrscheinlich, daß Bedemunt oder Baumiete für jede Heirat unter Litonen innerhalb einer Herrschaft gefordert werden; und daß für Ausheiraten dann der Zins erhöht wird 166 . Über besondere Beschatzung ungenossamer Ehen - etwa zwischen Litonen und Landsassen - konnte ich nichts finden, die Belege enthalten keine Differenzierungen hierzu 167 . Auch über Entwicklungstendenzen dieser Rentenform läßt sich nichts sagen. Die Nachweise über den Todfall, das Herrschaftsrecht auf mindestens Teile des Mobiliarnachlasses von Leibeigenen 168 , sind nicht ganz so dünn gesät. Die Bezeichnungen variieren stark, zeigen zugleich aber verschiedene Sinnaspekte dieser Institution: während bei lat. exuviae das Angeeignete ohne näheren sachlichen Bezug (außer der Bekleidung) angesprochen ist, drücken mndt. buleninge, bulevinge und budelinge den Rechtsgrund, den Anlaß und den Modus der Zinserhebung aus: die buwe ist Leihegut, das dem Nutznießenden zu Lebzeiten diente, 161 Deutsches Rechtswörterbuch, 1, Sp.1309, 1343; Lübben/ Walther, Mndt. Hdwb., S. 29, 69. 162 H. A. Lüntzel, Lasten, S. 84; W. Wittich, Grundherrschaft, S. 283ff.; D. Saalfeld, Bauernwirtschaft, S. 159; E. Döll, St. Blasius, S. 256f.; D. Illemann, Besitzrechte, S. 62. 163 SspLaR I, 31 § 1. 164 A.a.O., I, 31 § 2; III, 45 § 3 u. ö. 165 Urbar Hamersleben, hg. Zöllner, S. 283, Nr. 55; GUB 2/ 370/ 1288; E. Döll, a.a.O., S. 258 Anm. 65 (1450); vgl. auch G. Franz, Quellen, Nr.92/ 1176, S. 244; Nr.96/ 1186, S. 258. 166 Z.B. UBSBH 3/ 1174; UBHHi 1/ 396/ 1180; GUB 3/ 27/ 1302, 2/ 342-3/ 1286, 578/ 1299; 5/ 243/ 1373; UBHHa 3/ 1811/ 1307, 4/ 3379/ 1420; GK, S. 94, Z.26 (1380). 167 Vgl. Anm.166. 168 Zur Forschungsgeschichte über den Todfall vgl. W. Müller, Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, S. 11ff. 104 ihn aber überlebt; und der Herr hat Anspruch auf einen Teil dieser hinterlassenen buwe 169 . Will man wissen, welche Teile der buwe betroffen sind, wird es schwierig. Erstens weiß man wenig über die sachliche Form des Todfalles, und zweitens ist die Bestimmung seiner Herkunft meist unmöglich. Um mit diesem Problem zu beginnen: Bekanntlich zerfällt auch im bäuerlichen Erbrecht dieser Zeit die Fährnis in verschiedene Sondererbmassen: ervedeel, Heergewäte und Gerade, Musteil, Morgengabe u. v. a. 170 W. Bungenstock, der sich um die Geschichte von Heergewäte und Gerade in Nordwestdeutschland bemüht hat, konnte klarstellen, daß der Todfall in keiner notwendigen und ausschließlichen Verbindung zu bestimmten Nachlaßteilen steht 171 . Was sagen die Quellen unseres Untersuchungsraums? Anläßlich eines Verkaufs von 4 Hufen in Langen-Weddingen stellen Bischof und Kapitel von Halberstadt fest: addicimus quoque, quod, si aliquis litonum camerario pertinentium antedictos mansos reciperet excolendos, camerarius, qui pro tempero fuerit, ab heredibus talis coloni defuncti de segetibus ac fructibus predictorum mansorum partem suam dominicam, que vulgariter budhelinghe dicitur, expetere vel exigere non debebit… 172 . Von einer Beziehung auf Sondererbmassen ist hier wohl nicht die Rede! Anders in einer Vereinbarung Braunschweiger Prälaten über ihre gemeinsamen Rechte an Laten von 1302: dort gehen herwede et radhe nur dann an den Herrn, „wenn ein Late ohne eigene Söhne stirbt oder diese zu anderen Herrschaften gehören“ 173 . Sind rechtmäßige Erben vorhanden, dann besteht der Todfall in Besthaupt bzw. -kleid. Hier zeichnet sich eine Antwort auf unsere beiden Fragen ab: Im ‚Normalfall‘ kommt der Todfall nicht aus geschlechtspezifischen Nachlaßteilen wie Gewäte und Gerade; diese werden den Erben belassen. Er nimmt aber eine geschlechtsspezifische Form an; das beste Stück Vieh ist Mannes-, das beste Kleid Frauen-‚Fall‘. Diese Form erhellt auch aus weiteren Urkunden 174 . Daneben aber ist die Geldform der Baulebung weit verbreitet. Dies zeigen die Rechnungen von St. Blasius in aller Deutlichkeit. Aus den vielen Abschnitten über das receptum bulevinge geht auch hervor, daß die Höhe des Todfalls beträchtlich schwankt, einmal sind es mehrere Mark Silber, dann wieder wenige Schillinge 175 . Konnte man sich durch die Geldform des Zinses der Vermögenssituation im betreffenden Erbfall besser anpassen? Die Tatsache, daß die Baulebung gekürt wird (placitare), 169 Zum Sinnfeld dieser Wörter: Lübben/ Malther, Mndt. Handwörterbuch, S. 69; Deutsches Rechtswörterbuch, 1, Sp.1297f., 1321; ähnliche Deutung bei W. Müller, a.a.O. 170 Vgl. allgemein R. Schröder/ E. Frhr. v. Künßberg, a.a.O., S. 803ff., 821ff.; zum Ssp.: F.-W. Fricke, Das Eherecht des Sachsenspiegels, S. 23ff., 30f., 33-37. 171 W. Bungenstock, Heergewäte und Gerade, S. 20ff., 78ff., hier: S. 99. 172 UBHHa 3/ 1812/ 1308. 173 Zit. bei E. Döll, St. Blasius, S. 256. 174 GUB 5/ 562a/ 1384; GK, S. 78, Z.37 (1359); UBHHi 5/ 805/ 1358: debitum exuvialis, quod vulgariter dicitur bulevinghe, id est equus optimus… vel bovis optimus, ähnlich 4/ 38/ 1310-31; vgl. auch UBHHa 3/ 2533/ 1359; 4/ 2662/ 1364, 2786/ 1370, 3057/ 1391 (Verzichte aufs beste Pferd als Bestandteil der budelinge); vgl. auch die in Anm.162 genannte Literatur. 175 Deutlich in GK, S. 54, Z.19ff. (1348), 67, Z.8ff. (1356), 78, Z.37ff. (1359), 103, Z.9ff. (1394). 105 und zwar als Holschuld bei den Erben, spricht für dieses flexible Verfahren 176 . Auch andere Quellen scheinen die Geldform des Todfalls zu unterstellen 177 . Bedenkt man den Raum- und den Herrschaftsbezug der beigebrachten und auch weiterer Belege 178 , dann wird deutlich, daß der Todfall überall im Ostfälischen erhoben und als normale und lohnende Revenuform geistlicher und adliger Herrschaften angesehen wird. Dies zeigen gerade Prozesse verschiedener Herrschaften um Nachlässe von Stadtbürgern, die jene als ihre eghenen lude reklamieren 179 . Nun erst kann man auf die Frage zurückkommen, warum in dem ersten Teil der von Propst Herrmann erstellten progenies-Liste die Zinse fehlen: da der jährliche Kopfzins als Signum der tobehoringhe im 14. Jahrhundert nicht nachweisbar ist, kann der Sinn dieser Inventarisierung nur in der Absicht bestehen, die Kontrolle über jenen Personenkreis zu haben, von dem Bedemunt und Baulebung zu erwarten sind 180 . Die Abtei - so kann man nun werten - verfügt also auch über auf Personen radizierte Einkünfte, die in der Leibherrschaft gründen. Die Bedeutung dieser Einkunftsform ist aber - verglichen mit anderen geistlichen und laikalen Herrschaften der Region - eine recht geringe. Nur in wenigen Dörfern, wo das Kloster Grund-Eigen hat, sind auch einige seiner Leib-Eigenen ansässig. Es liegt nahe, diese Leute als Inhaber der Neuwerker Güter anzusehen. Ebenso aber dürften einige von ihnen auch auf Gütern anderer Eigentümer oder Herren hausen, sowohl in Dörfern mit Neuwerker Grund-Eigen als auch anderwärts. Abschließend sei die Frage gestellt, ob die Neuwerk inkorporierten Pfarrkirchen 181 in Ziesel, Flachstöckheim sowie Groß und Klein Flöthe 182 auch Rentenansprüche implizieren, die am Bauern oder seinem Betriebe hängen. 176 GK, S. 50, Z.30f.: Item nuncio qui ivit Peyne pro arrestacione bulevenghe in Solde 5 d (1347); S. 64, Z.27 (1356); S. 78, Z.37ff. (neglectum des Buteils mit gestelltem Bürgen). 177 GUB 2/ 342-3/ 1286, 578/ 1299; 5/ 243/ 1373. 178 UBHHi 6/ Nachtrag 6, S. 993 (12./ 13. Jh.); UBHHa 3/ 2566/ 1360, 4/ 2994/ 1386, 3134/ 1398; LeRg Reg.-Blank., Bl. 10a, Nr.278; wichtig scheint auch, daß die budelinge/ bulevinge seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den Pertinenzformeln von Burgverträgen aufgeführt wird: UBHHa 3/ 2566/ 1360 (Schlanstedt), 4/ 2819/ 1372 (Westorf ), 2898/ 1378 u. 3354/ 1418 (Hornburg) u. ö. 179 Ein schönes Beispiel erläutert H. Goetting, Zum Rechtsproblem der entlaufenen Liten, in: BrJb 32, 1951, S. 105ff. vgl. auch GUB 5/ 571 (1384). 180 Daneben kann auch die Kontrolle der Mobilität dieser Eigenleute und ihrer Nachkommenschaft Bedeutung gehabt haben. 181 Vgl. allgemein H. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 397ff., 402ff.; zur Diözese Hildesheim: J. Ahlhaus, Geistlicher Patronat und Inkorporation in der Diözese Hildesheim im Mittelalter, Freiburg 1928, bes. S. 141ff.; zum Verhältnis von Grundherrschaft und Patronat: H. Wiswe, Dorfkirche, S. 78ff. 182 Flachstöckheim: GUB 4/ 525/ 1355, S. 390: … et collacionem beneficii cum quinque mansis (zum Erwerb: 4/ 87/ 1339); Gr. Flöthe: ebd.: … item beneficium ibidem cum septimo dimidio manso et octo areas (zum Erwerb: GUB 3/ 72/ 1304); Kl. Flöthe: GUB 4/ 538/ 1356; Ziesel: 4/ 525/ 1355, S. 391: … et beneficium conferendum cum tribus mansis (zum Erwerb: 2/ 117/ 1266, zum Verbleib: 4/ 839/ 1364); vgl. auch J. Ahlhaus, a.a.O., S. 38f., 159. 106 Die Unterscheidung zwischen der Widem-Rente, dem ius spolii und der collatio bzw. dem redditus aller sakramentalen und liturgischen Handlungen (bes. Oblationen, Stolgebühren) könnte hier vielleicht weiterhelfen. Die Angaben im Register sind zu mager für eine befriedigende Antwort: man weiß aber wenigstens, daß der Widem der Neuwerker Kirchen in jedem Falle aus mindestens einem Mehrhufenbetrieb besteht. Daß das Kloster hieraus Grundrente bezieht, wird leider nicht gesagt. Ich vermute aber, daß dies nicht der Fall ist: nirgends ist von census, debet oder solvit die Rede. Ebensowenig weiß man über eine Erbsteuer am Vermögen der Plebane. Für auf Widem und Pfarrer radizierte Abgaben gibt es also keinen Beleg. Allein der Hinweis von 1355 auf eine sollacio beneficii in Flachstöckheim und das 1356 urkundlich erwähnte Recht Neuwerks auf die collatio… parrochie in Kl. Flöthe gestatten die Vermutung, daß es der Heilsbetrieb der Pfarreien sein könnte, der den Ertrag der Inkorporation abwirft 183 . Da hiervon aber ohnehin nur ganz pauschal die Rede ist, muß offenbleiben, ob der redditus beneficii überhaupt seinem Formcharakter nach zur Rente zu zählen ist 184 . Die Einkünfte sind sicher indirekter Art und dem Umfang nach nicht kalkulierbar. Ein letztes Wort zur Verteilung: Neuwerks 4 inkorporierte Pfarrkirchen können, verglichen mit den anderen Patronatsherren in der Hildesheimischen Diözese 185 als durchschnittlich gelten. Mit diesen provisorischen Bemerkungen sei der gewundene Gang durch die verschiedenen Rechts- und Radizierungsformen der bäuerlichen Abgaben, die das Kloster Neuwerk zu erwarten hatte, abgeschlossen. Eine Form aber, über die die Abtei nicht verfügte, die jedoch für die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn beträchtliche Bedeutung gehabt haben könnte, muß wenigstens noch genannt werden. Es ist die Bede. Sicher hat man hier zwischen verschiedenen Instanzen, die sich der Bede bedienen dürfen, zu unterscheiden. 183 In der Gründungsurkunde der Pfarrei in Kl. Flöthe (GUB 4/ 538) verpflichten sich dessen cives zu einem - wohl jährlichen - census perpetuus an Neuwerk, ne autem prefata ecclesia Novi operis… in proventibus seu fructibus ecclesie majoris Flotede sibi incorporate… detrimentum seu diminutionem aliquam patiatur. Einerseits zeugt dieser ‚Schadensausgleich‘ von akzidentiellen Verpflichtungen der Bauern, mit denen man immer rechnen muß; andererseits stützt er die Vermutung, daß die collatio sich auf den Pfarrbetrieb, nicht den Widem bezieht. Immerhin hatten die Kl. Flöther Bauern ihre Kirche mit 5 Hufen ausgestattet! Auch in den Urkunden über den Patronatserwerb der Goslarer Jacobikirche und -pfarrei ist von ans Kloster gehenden redditus bzw. oblationes die Rede (GUB 3/ 1005/ (1334), 1032/ (1335)). 184 Die Struktur und die Rolle des niederkirchlichen Abgabewesens Ostfalens im späten Mittelalter ist wenig durchsichtig (hierzu H.E. Feine, a.a.O., S. 376ff. sowie J. Ahlhaus, a.a.O., S. 130ff., 159f.), vielleicht besonders deshalb, weil ausführlichere Quellen hierzu nicht begegnen. Mit der schieren Erwähnung von Prokuration, Cathedraticum, Sendbrücken, eigenkirchenrechtlichen Abgaben verschiedener Art und Diözesansteuern ist es eben nicht getan. Der sachliche und zeitliche Zusammenhang dieser Formen wird erst klarer, wenn ihre Erhebung und Verwendung Schriftform annimmt. Dies aber geschieht im Untersuchungsraum wohl nicht vor dem 15. Jahrhundert. 185 J. Ahlhaus, a.a.O., S. 15-88. 107 Zum einen werden von bischöflicher Seite kirchliche Beden erhoben, die die Landbevölkerung über die Archidiakonate bzw. Pfarreien getroffen haben 186 . Wie aber steht es mit Beden weltlicher Art? 187 Sicher dürfte zum einen sein, daß die Neuwerker Güter im Vorfeld der Stadt in den königlichen Steuer- und Bedebereich gehören 188 , eine Last, von der sich die Stadt periodisch freizukaufen vermag; von diesbezüglichen Zahlungen an die Stadt verlautet in den Neuwerker Quellen m. E. nichts. Ebenso sicher ist, daß der Großteil der ländlichen Güter, nämlich alle diejenigen, die vogteifrei angekauft worden sind, auch der vogteilichen Bedepflicht ledig waren. Dies kann man den wenigen Urkunden entnehmen, in denen neben dem jugum advocacie auch vom onus precarie o. ä. die Rede ist 189 . Neben dieser Freiheit von der alten Vogteibede ist aber mit der Last der neuen landesherrlichen Bereichs- und Generalbeden zu rechnen. Die Frühgeschichte der landesherrlichen Bede/ Schätzung/ Steuer im Raum Ostfalen ist sicher auch deshalb noch nicht geschrieben worden 190 , weil die Überlieferung hierzu sehr mager und unübersichtlich ist. Für unsere Belange müssen einige eher beiläufig übergekommene als systematisch zusammengestellte Zeugnisse genügen 191 . Als Pertinenzen von Burgen bzw. Schlössern, den Kristallisationskernen späterer Ämter, begegnen Ortsbzw. Bereichsbeden im 14. Jahrhundert wiederholt: 1341 für Wiedelah, 1381 für Liebenburg, beide Hildesheimer Besitz 192 ; 1349 für Sudburg, Hoheitsgebiet der Grafen von Wernigerode 193 , 1372 für das Braunschweigische 186 In der oben zitierten Stiftungsurkunde der Pfarrei von Kl. Flöthe (GUB 4/ 538/ 1356) - ausgestellt vom Bf. von Hildesheim - ist von dem Falle die Rede, si petitio sedis apostolice, metropolitani nostri seu successorum nostrorum generalis emerserit. Genau dies scheint ein Jahr früher der Fall gewesen zu sein. Einer - möglicherweise unvollständigen - Notiz zufolge (UBStHi 2/ 106) sind de petitione, quae devenit ad curiam Romanam aus den Dörfern Schladen, Beuchte, Burgdorf, Werla, Lewe, Neuenkirchen, Gielde und Ostharingen über 10 mc bei Hartman Roleving, wohl dem bischöflichen Vogt oder Beauftragten in dieser Sache, eingegangen. Zur Sache allgemein: H. E. Feine, a.a.O., S. 378. 187 Zu Ursprung und Frühgeschichte der Bede: A. Waas, Vogtei und Bede, S. 75ff. 188 Die Betonung der Zugehörigkeit aller Besitzungen innerhalb der septa civitatis vel limites territorii Gosslariensis zum onus sturarum seu precariarum in GUB 2/ 475/ 1294. 189 Z.B. GUB 1/ 536/ 1234; 3/ 424/ 1317; 4/ 36/ 1337, 141/ 1341; 5/ 526/ 1383. 190 Zur Entwicklung der Bede im Hochstift Hildesheim: J. Lücke, Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, S. 9ff.; zu Braunschweig-Lüneburg nur der Hinweis bei H. Patze, Territorien, S. 35; zu Halberstadt: W. Schmidt-Ewald, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt (=Abhh. z. Mittl. u. Neuer. Gesch. 60), Berlin/ Leipzig 1916. 191 Dies - ungenügende - Verfahren ist sicher darin begründet, daß die Urkundenbücher von Hildesheim, Halberstadt und der Braunschweig-Lüneburg nicht systematisch ausgewertet wurden. 192 GUB 4/ 413, UBHHi 5/ 27, GUB 5/ 430-31 (dazu H. Klewitz, Studien, S. 39): Beden in Tiedwardingerode bzw. Grauhof und Suderode. 193 GUB 4/ 370. In dieser interessanten Urkunde behält sich der Gf. von Wernigerode für den Fall der Wiederbesiedlung der Sudburger Dorfstelle die Erhebung von herfestbede unde schot von den dortigen Bauern von orem vee unde von al deme, dat or egen were, vor. Ob GUB 5/ 465/ (1381) - Gf. D. von Wernigerode bittet die Bürgermeister und den Rat von Goslar um Hilfe beim Pflügen vor der Harzburg - als Bede zu verstehen ist, sei dahingestellt. 108 Schloß Westorf 194 , besonders aufschlußreich 1378 und 1418 für das Halberstädtische Hornburg, weil unter dessen rechte nut und tobehoringe… mit tintze, mit bede, mit denste, mit luden, mit bulevinghe 195 auch drei Dörfer gehören, in denen Neuwerk mindestens 1355 begütert ist: Ziesel, Osterrode und Rhoden 196 . Es hat den Anschein, als würden um diese Zentren Rentenansprüche konzentriert, anknüpfend wohl auch an die Reste alter Vogteifunktionen, die am Ende des 14. Jahrhunderts immer deutlicher in der oben zitierten umfassenden Art gebündelt und räumlich erweitert werden. Belege dafür, wie etwa die Neuwerker Güter in der Nähe solcher Herrschaftszentren hiervon berührt wurden, waren nicht zu finden. Allerdings ist auffällig, daß es keine größeren Güterkomplexe in unmittelbarer Nähe gerade der Hildesheimer Burgen - Alt Wallmoden, Liebenburg, Vienenburg und Wiedelah - gibt. Haben Prokuratoren, Propst, Äbtissin und Konvent darauf geachtet, daß die Neuwerker Güter in gebührender Entfernung von jenen Punkten lagen, von denen aus die landesherrliche Durchdringung der Region langsam, aber doch auch für Zeitgenossen sichtbar vonstatten ging? Daß Neuwerk selbst zur bischöflichen Subsidienbede herangezogen wurde, erhellt aus einer Urkunde von 1363 197 : sind die 10 mc Silber, die gefordert wurden, von den Bauern auf den Neuwerker Gütern eingehoben worden? Vom Bischof von Halberstadt sind von 1391 ausführlichste Bestimmungen über die Erhebung der ghemeynen landbede erhalten 198 , die ahnen lassen, über welches Instrument flächendeckender Appropriation die Fürsten der Region zu verfügen sich anschickten. Mir ist nur ein Zeugnis darüber bekannt, welches Resultat eine Bedeerhebung um die Mitte des 14. Jahrhunderts zeitigen konnte. Im Lehnsregister der Grafen von Regenstein-Blankenburg von ca. 1346 ist verzeichnet, daß eine precaria, erhoben von 36 Dörfern nordöstlich von Halberstadt, über 70 mc Silber, pro Dorf also durchschnittlich eine halbe Mark erbracht hat 199 . Sicher können die hier beigebrachten Zeugnisse nur ganz grob andeuten, welche Rolle die Bede für die Bauern Neuwerks und ihre Nachbarn um die Mitte des 14. Jahrhunderts gehabt haben könnte; die burgenbezogene Orts- und Bereichsbede wird gering zu veranschlagen sein; mit den sicher unregelmäßig erbetenen Steuern von der sedes episcopi und den landesherrlichen Residenzen aus werden viele Bauern Ostfalens haben rechnen müssen. Die sachliche Form wird meist das Geld gewesen sein 200 , die Radizierung hat man sich wohl variabler vorzustel- 194 UBHHa 4/ 2819. 195 UBHHa 4/ 2898, 3354, in beiden Fällen Verpfändung an den Rat von Braunschweig und die Brüder von Asseburg. 196 Nach GUB 4/ 550/ 1356 hat Neuwerk die Ertragshälfte seiner 2 Hufen in Osterode, nach 4/ 839- 40/ 1356 seine 10 Hufen in Ziesel auf Wiederkauf verkauft. 197 GUB 4/ 793. Zu weiteren Beden dieser Art vgl. J. Lücke, a.a.O., S. 12. 198 UBHHa 4/ 3058-59/ 1391, 3379/ 1420, Kap.43. 199 LeRg Reg.-Blank., Bl.10b, Nr.283. Ob der census, pertinens ad castrum W(esterburg) (a.a.O., Bl.24a, Nr.522ff.) auch als Bereichsbede zu verstehen ist (vgl. Tabelle 32)? 200 Vgl. die in Anm.192, 198, 199 zitierten Belege. 109 Das Rentengefüge und seine soziale Verteilung im Ostfalen des 14. Jahrhunderts Rententragendes Recht (Eigen, Lehen, Pfand usf.) Radizierung der Rentenform sachl. Form A/ P/ G Bedeutung f. Neuwerk Verteilung unter den Herrschaften Zeitform d. Erhebung Person Vieh Hof Hufe Dorf F M C a Grund/ Boden x x X P/ G dominant indifferent/ bürgerl. Bevorzugung d. Hofradizierung jährlich Zehnt x x X P/ G wichtig indifferent jährlich Patronat/ Inkorporation ? unbedeutend indifferent ? Vogtei x x x X X ? / P/ G unbedeutend v. Adel bevorzugt, v. Bürgertum gemieden, v. alten Klöstern u. Stiften erworben jährlich/ ? Leibherrschaft x x P/ G wenig bedeutend verbreitet b. Adel u. alten Klöstern u. Stiften, v. Bürgertum gemieden lebensu. familienzyklisch Bede - kirchliche - landesherrliche Bereichsbede Generalbede x x x x G A G G - - - Bischöfe/ Kurie Burgen/ Ämter Landesherren/ Stände unregelmäßig/ Tendenz zu (mehrmals) jährlich Abkürzungen: F = Frau, M = Mann; C = Curia, a = Area; A = Arbeit, P = Produkt, G = Geld; X = vorwiegend, x = nicht so häufig (im Verhältnis zu X), Verschiebungstendenzen der Radizierung. len: Dorf, Kopf, Hufe, ja auch Vieh und Fahrhabe wird zum Aneignungsindex gemacht 201 . Was läßt sich nun als Ertrag dieses Abschnitts festhalten? Vielleicht kann die beigefügte Übersicht helfen: Drei Punkte verdienen als grundlegend für unsere Untersuchung aus diesem - in vieler Hinsicht ja durchaus unklar gebliebenen - Formenkonglomerat hervorgehoben zu werden: l. Im allgemeinen sind die ostfälischen Bauern im 14. Jahrhundert jahreszyklisch belastet mit dinglich radizierten Produkt- und Geldrenten, die primär im Boden-Eigen und Zehntrecht gründen. Diesen ‚konstanten‘ Rententiteln gegenüber hat die alte Vogteirente eher absinkende, die landesherrliche Bede eher aufsteigende Tendenz; die leibherrschaftliche Abschöpfung würde ich - im Vorblick auf den Landtagsabschied von 1433 - auch als eher wachsend ansehen. Wie Patronat und kirchliche Bede hier einzuordnen sind, muß man offenlassen. 201 Vgl. Anm.193, 198 (dort noch differenziertere Radizierung auf Mobiliargut! ). 110 2. Die Modi der Verrentung sind sehr vielfältig, weisen aber Tendenzen zu weiterer Differenzierung auf: die Verschiebungen im Zehnt- und Vogteirecht vom Dorf zu Hufe und Hof zum einen, der Bedeutungsverlust der Hufe gegenüber den Höfen im Grundzinsrecht zum anderen, die zunehmende ‚Entdeckung‘ der bäuerlichen Fahrhabe im Bereich von Leibherrschaft (Todfall) und landesherrlicher Bede zum letzten. Diese Differenzierung könnte man als ‚Rationalisierung‘ in der Abschöpfungspraxis ansehen; die Rentenberechtigten sehen gewissermaßen die Pflichtigen aus verminderter Distanz, nehmen die Einzelbetriebe und deren Dynamik genauer wahr. Diese Anpassung des Aneignungsverhaltens muß gegenüber der pauschalen Abschöpfung über den Index von Dorf und Hufe vorteilhaft sein; in welcher Hinsicht, bedarf genauer Untersuchung. 3. Die Verteilung der rententragenden Rechte unter den ostfälischen Herrschaftsständen ist einerseits gleichmäßig (Grund-Eigen, Zehnt), andererseits verschieden (Vogtei, Leibherrschaft, Bede). Während die ‚alten‘ Institutionen von Adel und Kirche - zusätzlich zu Grund-Eigen und Zehntrecht - auf Vogtei und Leibherrschaft fußen, die landesherrlichen Interessen aber auf den Ausbau einer neuen Abschöpfungsform gerichtet sind, suchen die stadtbürgerlichen Eigentümer bzw. Lehnsträger sich an die Rentenquellen zu halten, die - von personenrechtlichen Bindungen befreit - der ‚rein‘ ökonomischen Verfügung am besten zugänglich sind: Grund- und Zehnt-Eigen; und sie suchen die Distanz zu herrschaftsintensiven Räumen und Instanzen. Zu diesem Typus zählt das Kloster Neuwerk; und diese Eigenart wird auch prägend für dessen Bauern gewesen sein. Der folgende Abschnitt kann diese vage Vermutung vielleicht anschaulicher machen. 3 Zur Zusammensetzung und Höhe der Zinse Alle bislang ermittelten Tatsachen zur Gesamtstruktur der bäuerlichen Rente im 14. Jahrhundert. Die Armut der sachlichen Formen, die Vielfalt der Radizierung und die Zersplitterung bzw. Schichtung der rententragenden Rechte arbeiten den nun zu untersuchenden Fragen nicht gerade in die Hände. Doch sie sind die notwendige Voraussetzung für die folgenden Beantwortungsversuche. Bescheidenheit in den Erwartungen ist hier dringend geboten: die Lückenhaftigkeit der Quellen, wichtige Rentenformen betreffend - Leibzinse, Vogtei, Bede -, macht es unmöglich, eine genauere Vorstellung von der Gesamtheit in Art und Umfang der Renten zu gewinnen, die auf dem Einzelbetrieb lasten. Auch der Vergleich von Mengen und Werten, der hierzu gehört, kann nur unter größtem Vorbehalt erfolgen, da - wie oben bereits angedeutet - die Wertrelation von Maßen und Münzen ungeklärt ist. Wiederholt werden muß auch an dieser Stelle, daß die Informationen, mit denen nun umgegangen wird, zum größten Teil 111 (urbariale) Sollwerte sind, über deren Verhältnis zur Wirklichkeit nur sehr wenig bekannt ist 202 . Unsere Frage nach dem Gefüge und dem Umfang der Renten läßt sich im Grunde nur für die Rechtsverhältnisse von Grund-Eigen und Grundherrschaft beantworten. Im Vordergrund steht dabei der hufenradizierte Zins. Um den betrieblichen Bezug der Grundzinse im Auge zu behalten, ist es aber wichtig, den auf den Hof radizierten Zins dort einzubeziehen, wo er greifbar wird. Zunächst sei deshalb - in Anknüpfung an bereits Gesagtes - vorausgeschickt, wie sich die Zinse der Hoftypen unterscheiden. Da hierzu aus dem Neuwerker Register nur sehr wenig zu holen ist, ziehe ich die klareren Verhältnisse des Fresischen heran 203 . Sie lassen folgende Gegenüberstellung zu: Zinsform Sedelhof Kothof Geld 10-20 s. 4-5 s. Ungelt* 7-12 l. - Gänse 3-? - Hühner 3-10 4-6 Eier/ Schock 3 ? Mohn/ Himpten ? -2 ? * kommutierter Schweinezins Diese deutliche Differenz in der Zinstypik ließe sich auch an weiteren Quellen zeigen 204 . Doch ist natürlich innerhalb der beiden Typen mit Variationen zu rechnen. Sie betreffen besonders die Höhe des Geldzinses. Hier ist das Register von St. Michael von 1333 aufschlußreich 205 : zwar ist dort die Spannbreite der Zinshöhe beträchtlich (3 obuli-9 solidi), die Häufigkeitsverteilung ergibt aber den deutlichen Mittelwert von 3-4 sol/ area: Zinshöhe/ s bis 1 1 2 3 4 5 6 9 Anzahl 3 3 3 11 7 3 1 1 Zeigt demgegenüber die - auf kleinerer numerischer Grundlage ruhende - Verteilung im Register von St. Blasius von 1340 leicht höhere Werte 206 , so paßt die Verteilung der area-Zinse im Neuwerker Register gut zu denen von St. Michael 207 : Zinshöhe/ s 2 3 4 5 6 8 Anzahl 1 2 4 2 3 1 202 Man denke nur an den ‚Graben‘, der sich für H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 197ff., zwischen den urbarialen Normen und den wirklichen receptus in der Grundherrschaft St. Blasius aufgetan hat. 203 Tabelle 4, Sp. Höfe/ (Hof )Zinse. 204 Besonders gut an den Hildesheimischen Quellen; ich verweise hier nur auf Tabelle 8, Z.33ff. 205 Tabelle 9. 206 Tabelle 13, Sp. A/ s: Zinshöhe/ s 1 3 4 5 6 8 Zahl 2 3 1 5 2 1 207 Tabelle 1, Sp. Areae/ Zins/ s. 112 Trotz aller Variation ist also der Mittelwert von 3-5 solidi für die area bzw. den Kothof deutlich 208 . Die Gründe für die Variation sind empirisch nicht erweisbar, aber evident: die Größe der area und die Rechtssituation zum Zeitpunkt der Kür des Zinses 209 . Leider reicht das Material nicht aus, um ähnliche Ergebnisse für die Geldzinshöhe der curiae/ allodia/ Sedelhöfe zu erzielen. Sicher aber ist der wesentlich höhere Zins 210 . Nun zu den Hufenzinsen. Trotz der Kargheit der Einzelformen trifft man doch auf recht verschiedene Kombinationen derselben. Sie bewegen sich zwischen den Polen des ausschließlichen Geldzinses verschiedener Höhe und dem reinen Kornzins in entweder fixierter oder anteiliger Form. Dazu können die Zinse gehören, die eben als kothof- oder sedelhofradizierte behandelt wurden. Um die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Grundherrschaften bzw. -eigner nicht zu verwischen, sind sie nacheinander durchzugehen. Bei den Neuwerker Bauern steht zweifellos der Teilbau als Hufenzins im Vordergrund: von den 174 Hufen in 22 Dörfern, für die Zinse überliefert sind, leisten 159 in 19 Dörfern jeweils die tercia pars des jährlichen Getreideertrags 211 . Sicher sind Winter- und Sommerfrüchte damit gemeint, unter letztere könnten auch Hülsenfrüchte gefallen sein 212 . Das Ertragsdrittel ist - im Vergleich mit allen mir bekannten Teilbauzeugnissen Ostfalens in dieser Zeit - der normale Anteil. Niedrigere Quoten sind mir nicht begegnet, die Hälfte wird nur in Ausnahmefällen gefordert. Ein sprechender Fall - die 7-Hufen-Villikation des Goslarer Domstifts in Lebenstedt, 5 km westlich vom Neuwerker 4-Hufenbetrieb in Watenstedt - sei zitiert 213 : VII mansi, qui dicuntur aurei propter fertilitatem ipsorum… solvunt… in hunc modum: quilibet mansus dabit dimidietatem trium jugerum et post hec terciam partem omnium seminum suorum tam hyemalis quam estivalis… Zu diesen Ertragsquoten aus dem Ackerbau kommen pro Hufe durchschnittlich 2 Hühner und 1 Schock Eier. Über den in Geld verwandelten - meist nicht mehr erhobenen - Schweinezins wurde oben ausführlich gehandelt. Er gehört 208 Diese Feststellung erlaubt es, die ‚Kothöfe‘ im Dörntener Register, die ja wegen ihrer Verbindung mit mehreren Hufen aufgefallen waren (S. o. Abschnitt B 1, Anm.61), dem curia-Typ zuzuordnen: sie entrichten - genauso wie die Höfe der anderen Mehrhufenbetriebe in diesem Register - 8 sol. (Tabelle 2, Sp. Höfe). 209 Vielleicht läßt sich von diesem Gesichtspunkt aus auch erklären, warum bei so vielen inventarisierten areae der Zins überhaupt fehlt. Ich vermute, daß diese Hofstellen vielfach noch keine zinszeugende Rechtsstellung besitzen, sondern als Annex anderer Güterkomplexe gelten. Dies wurde bereits - von anderer Seite aus - vermutet (s.o. Anm.88 und Text). 210 Die wenigen Belege aus St. Michael (Tabelle 8, Z.33ff.) u. St. Blasius (Tabelle 13, Z.60, 61, 72, 79; 14, Z.4, 5, 13, 23) bestätigen die Werte für die Sedelhöfe im Fresischen Register. 211 Tabelle 1, Sp. Mansi/ Getreide/ TB. 212 Ein Beleg hierfür ist mir allerdings nur aus dem Hildesheimer Obedienzverzeichnis vom 12./ 13. Jh. (UBHHi 6/ Nachtrag 6, S. 992) begegnet; evtl. auch UBHHi 3/ 1903/ 1277-86, S. 228. 213 GUB 1/ 301/ (1309, nach Anm. v. Hg. Bode Zusatz der Hand des Obedienzregisters v.1309 zum Text v.1181), S. 325. Weitere Belege für Halbbau s.o. Anm.212; UBHHi 3/ 1903, S. 255. 113 übrigens nicht überall zum Rentenkatalog, wo der Teilbau gefordert wird 214 . Geldquanta fehlen ansonsten, außer in einem Fall 215 . Neben diesem vorherrschenden Zinstypus gibt es im Register nur noch 15 Hufen in Jerstedt, Achim und Alvessem (n. Beuchte), die wohl 5 Mehrhufenbetrieben zuzuordnen sind, also den gleichen Betriebstypus darstellen wie die teilbauverrenteten, und doch ausschließlich fixierten Kornzins leisten 216 . Der Hufendurchschnitt beträgt etwa 3,3 Scheffel, der Anteil des Winterkorns überwiegt deutlich. Weitere Zinsarten sind nicht genannt. Zusammenfassend läßt sich sagen: Gut 90 % der Neuwerker Hufen sind teilbaupflichtig, wozu die typischen curia-zinse treten; nur knapp 10 % leisten fixierten Kornzins, und diesen ausschließlich. Die beiden Zinstypen sind, soweit ersichtlich, dem gleichen Betriebstypus zuzuordnen - dem curia-verbundenen Mehrhufenbetrieb. Dort, wo die curia fehlt und man vermuten kann, daß es sich um area-verbundene Betriebe handeln könnte 217 , ist der Zins der gleiche. Die Klosterführung hat - mit welchen Methoden und aus welchem Interesse, ist noch zu klären - seinen Bauern also durchweg Korn abverlangt, für Geldzinse bestand wenig oder keinerlei Bedarf. Recht ähnlich sind die Verhältnisse im Dörntener Register von 1351f. 218 : die ca. 35 - weitgehend zu Mehrhufenbetrieben gefügten - Hufen sind ausschließlich zu Korngülte verpflichtet, alles Weitere hängt an den (Kot-)Höfen 219 - allerdings fehlt der Schweinezins. Dritteilbau und fixierte Gülte stehen in ausgewogenerem Verhältnis zueinander (15: 20) als in Neuwerk. Die durchschnittliche Kornmenge pro Hufe ist hier aber deutlich höher als dort: es sind ca. 4,3 Scheffel. Doch gilt auch in diesem Falle, daß Durchschnittsgrößen oft den Zugang zum Verständnis der Einzelheiten verstellen. Sieht man genauer hin, dann zeigt sich eine Variation der Werte zwischen 2,7 und 5 Scheffel - dies hat man sicher mit den Bodenqualitäten zu erklären. Für den Dritteil-Zins ist im Register dreimal ein Detail von größtem Wert belegt. Von den 4 Hufen in Gr. Wehre gibt der Meyer Thileke den dridden del, de ghilt bi sesteyn schepelen, mer oder min 220 . 4 Scheffel Korn werden von einer Hufe dieses Betriebs als durchschnittliches Ertragsdrittel erwartet! Für einen 6-Hufenbetrieb in Mittel-/ Westharingen sind es 3 Scheffel und für einen 5-Hufenbetrieb in Gr. Wehre 2,75 Scheffel pro Hufe. Zieht man daraus den Durchschnitt, dann ergibt dies 3,3 Scheffel pro Hufe 221 . Dieser Wert entspricht dem durchschnittli- 214 Der Schwerpunkt liegt im Ringelheimer Becken. Die Gründe sind mir unklar. Sollte man dort, wo der Zins fehlt, auf mangelnde Sorgfalt in der Erhebung schließen? Dem widerspricht das in Anm.48 Belegte. 215 Die 10 s in Flachstöckheim ließen sich auch ohne Not als kommutierter Schweinezins auffassen. 216 Tabelle 1, Z.1, 2, 29, 34. 217 Dies wurde für Störy, Kl. Sehlde und Ohlendorf nicht ausgeschlossen; s.o. Abschnitt 3.1.3 zu Anm.41. 218 Tabelle 2. 219 Nur in einem Falle (a.a.O., Z.13) sind 3 Schock Eier auf die Hufe radiziert. 220 GUB 4/ 449, S. 324. 221 A.a.O., S. 326, 327. 114 chen fixierten Kornzins der Neuwerker Hufen! Es bleibt keine andere Folgerung als die, daß fixierter und proportionaler Kornzins dieser Region in sehr enger Beziehung zueinander stehen - dies muß noch näher bedacht werden. Mit dem Blick in das Obedienzverzeichnis des Goslarer Domstifts von 1309 wird das Spektrum der Zinstypen deutlich breiter. Von den 92 Hufen, die in unser Untersuchungsgebiet fallen 222 , leisten 35,5 Hufen, also 38,6 %, Korngült: 7,5 von ihnen Halb- oder Dritteilzins (die oben zitierte curia in Lebenstedt), die verbleibenden 28 meist Roggen und Hafer (im Verhältnis von 7: 3) mit durchschnittlich 1,6 Wispel pro Hufe. Sollte der domstiftische largus chorus von 1290, der 2 Malter hat 223 , noch 1309 der gleiche sein, dann ließe sich dieser Wispelwert auf Malter=Scheffelwert verdoppeln 224 ; man erhielte so den - zu den Neuwerker und Dörntener Werten passenden - Durchschnittszins pro Hufe von 3,2 Scheffeln. Die meisten dieser Hufen mit fixiertem Zins waren im Obedienzfragment von 1285/ 96 als Lokationsgüter inventarisiert; die Formel dafür lautete: mansi…, qui solvunt, ut carius locari possunt o. ä. 225 Um 1309 sind daraus Kornzinshufen ‚geworden‘, deren durchschnittliche Höhe der von Dritteilkornzinshufen also gleichen könnte. Numerisch wichtiger ist aber der Geldzinstyp: es sind 52,5 Hufen in 17 Orten, die ausschließlich Geldzins - zusätzlich oft einiger Hühner - leisten, also 57 % der Gesamtzahl. Die Mark-Währung hat nur wenig Gewicht (4,5 Hufen); meist werden Schillinge in Pfennigquanta gefordert. Die Variation in der Höhe ist beträchtlich (2-10 s), doch zeigt die Häufigkeitsverteilung das deutliche Übergewicht der Zinse von 5-8 Schillingen: s/ M 1 2 3,5 4 5 7 8 10 Mzl - 3 3 2 10 15 9 6 Ort 1 1 1 4 3 4 1 Neben den reinen Kornbzw. Geldzinshufen gibt es im Verzeichnis aber auch 4 Hufen (an 3 Orten), deren Gesamtrente aus Korngült und Geldzins besteht 226 . Diese Mischform - hier mit nur 4,4 %1 vertreten - werden wir in den Hildesheimer Grundherrschaften wiederbegegnen. Solide numerische Auskünfte liefern die Urbare von St. Blasius in Braunschweig, das von 1320 viel zum Kornzins, das von 1340 zur Geldrente. Auch in dieser alten Grundherrschaft existieren beide Kornzinsformen nebeneinander. Über den Teilbau - es handelt sich um den Dritteil - berichten die Urbare weniger. Nur im Kornzinsteil über die westlich der Oker liegenden Güter 222 Tabelle 3. 223 GUB 2/ 410-1/ 1290. 224 Noch 1345 (GUB 4/ 270) ist in einer locatio von schepele gudes cornes groter Goslererscher mate die Rede. 225 GUB 2/ 419, S. 422 pass.; die Verbreitung dieser Form ist aus Tabelle 3 Sp.1285/ 96/ MZins - locatio - ersichtlich. 226 Tabelle 3, Z.11, 19, 37 ( Sp.1309). 115 ist die tercia pars segetum für Burgdorf, Nordassel und Ufingen belegt 227 ; sie geht von 5 und 4 Hufen, aber auch von einer einzelnen 228 . Diese ‚Ausnahme‘ sollte davor warnen, den Teilbau in allzu strikter Verbindung mit dem Mehrhufenbetrieb zu denken. Wesentlich ausführlicher wird über die teilbaupflichtigen allodia in den Rechnungen berichtet; es geht dort um Verarbeitungs- und Instandhaltungskosten 229 . Mit Angaben über das fixe Kornzinssoll von 225 Hufen in 40 Orten im Raum zwischen Braunschweig, Schöningen, Homburg und Salzgitter ist das Urbar von 1320 gut für eine Analyse der Häufigkeitsverteilung dieser Zinsform geeignet 230 . Die Werte verteilen sich wie folgt: ch/ 1 M 7 6 5 4 3,5 3 2,5 2 1 Mzahl 3,5 0,5 46,5 76 48,5 16 29,5 4,2 1 Orte 1 1 7 17 3 3 3 2 1 Mit der Umsetzung in ein einfaches Balkendiagramm wird besonders anschaulich, wie stark die Werte zwischen 5 und 2,5ch überwiegen: Kornzinse 1320 in St. Blasius Dies bestätigt durchaus das bislang gewonnene Bild von den Normwerten. Der vergleichende Blick auf die recepta würde zeigen, daß dann das Niveau ganz beträchtlich absinkt. Der 1320 vorherrschende Nennwert von 4 ch/ M steht zur Durchschnittserwartung der von Dörnten im Verhältnis von 100: 80; der beste receptus von St. Blasius erreicht gerade 70 % jenes Normwerts 231 , der realiter anfallende fixierte Kornzins steht also dem durchschnittlichen Dritteilzins näher als seiner eigenen Norm. Auch aus diesen Beziehungen erhellt die enge Verwandtschaft beider Zinsformen. 227 Tabelle 12, Z.44ff. 228 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 264. 229 Vgl. hierzu H. Hoffmann, a.a.O., S. 241f. 230 Tabelle 12, Sp. MZl/ Kornzinse/ Summe/ Kornzins ch/ 1 M. Der chorus/ Wispel gilt hier gleich dem Scheffel/ md (H. Hoffmann, a.a.O., S. 191). 231 Hierzu ausführlich H. Hoffmann, a.a.O., S. 196ff. Rechnet man die von H. anhand geeigneter Orte ermittelten Kornzins-recepta ins Proportionale um (1320=100%), dann erreicht der beste Jahres-receptus (1304) gerade 70 % des urbarialen Solls. 1 2 2,5 3 3,5 4 5 6 7 0,44 2,00 13,10 7,10 21,50 33,70 20,60 0,22 1,50 0 20 40 60 80 Mzl ch/ 1M % 116 Die Verteilung der Geldzinse im Urbar von 1340 läßt sich für 206 ganze Hufen in 71 Orten und für 49 halbe Hufen in 33 Orten untersuchen 232 . Hier zunächst die tabellarische Ordnung: 1. ganze Hufen s+d/ Hufe 3+6 4 5 6 6+6 7 7+3 8 8+8 9 10 12 13 16 20 30 Zahl 7 2 10 13 23 41 16 42 2 5 13 1 10 4 15 2 Orte 1 2 2 9 6 10 2 16 1 3 7 1 2 3 2 1 2. halbe Hufen s+d/ ½ Hufe 1+9 2 3 3+3 3+6 3+7 4 4+6 5 5+6 6 8 10 15 Zahl 1 1 4 2 2 3 12 2 8 1 4 4 1 2 Orte 1 1 3 1 1 1 8 1 4 1 4 2 1 1 Die aus den Gesamthufenzahlen errechenbaren Durchschnittszinse liegen recht hoch: 8,7 s für die ganze, 6,9 s für die halbe Hufe. Die Gliederung in je vier Gruppen, die dem numerischen Augenschein nach zusammengehören, ergibt eine prozentuale Verteilung der Zinshöhen, die zu den domstiftischen Werten besser passt: ganze Hufen halbe Hufen 3,6-5 = 9 % 1,9-2 = 4 % 6-8 = 66,5% 3-4 = 50 % 8,8-12 = 10 % 5-8,6 = 40 % 13-30 = 14,5 % 10-15 = 6 % Man kann gut sehen, wie die Zinshöhe von 6-8 s bei den ganzen Hufen dominiert; zählte man die 5 s leistenden noch hinzu, dann stiege der Anteil auf gut 71 %. Demgegenüber fallen die Zinse ab 8,8 s stark ab; aber sie schrumpfen nicht drastisch zusammen. Man könnte somit von zwei Zinsniveaus sprechen - von einem bis 8 s und einem ab ca. 9 s. Die Verteilung bei der halben Hufe ist deutlich anders: Die beiden wichtigen Gruppen liegen im Niveau enger zusammen, an beiden Rändern ist der starke Abfall deutlich. Zudem wird deutlich, daß die halbe Hufe einen markiert höheren Durchschnittszins aufweist als die ganze. Der aus dem Gesamt errechnete Durchschnittszins für die halbe Hufe (6,9 s) ist eher repräsentativ als der für die ganze Hufe, bei der man vielleicht von zwei ‚Typen‘ sprechen sollte, dem mit 5-8 s und dem mit ca. 9-30 s 233 . Leider läßt sich über das Verhältnis der beiden Rententypen in der Grundherrschaft von St. Blasius nur recht Unsicheres sagen, weil hierzu allein das Urbar von 232 Tabelle 13. Ich habe hier dieses Urbar wegen seiner größeren zeitlichen Nähe zum Neuwerker Register gewählt. Ebenso wäre eine Untersuchung der Geldzinshufen im Urbar von 1320 möglich gewesen. 233 Vielleicht wäre es sogar ratsam, eine dritte Zinsebene von diesem Typ abzusetzen, die Zinse mit 20 und 30 s. Vgl. unten zu den Mark-Zinsen. 117 1320 herangezogen werden kann 234 . Eine Addition aller Geld- und Kornzinshufen im St. Blasius-Urbar von 1320 ergibt: Geldzinshufen Kornzinshufen Summen ö.d.Oker 192 229,5 421,5 w.d.Oker 116,5 27 143,5 Summen 308,5 256,5 565 in Prozenten ausgedrückt: 34 40,6 74,6 20,5 4,9 25,4 54,5 45,5 100 Nach dieser Rechnung, die sicher nur approximative Werte enthält, ist das Verhältnis von Geldzu Kornzinshufen dem in der Grundherrschaft des Goslarer Domstifts erstaunlich ähnlich (57 % : 38 %). Es fehlt hier nur der Mischtyp. Dies kann aber durchaus quellenspezifische Gründe haben 235 . Auf jeden Fall ist ersichtlich, daß gut die Hälfte des Bauernlandes dieser Grundherrschaften geldzinspflichtig ist. Welche Auskünfte bieten die Hildesheimer Quellen? Zunächst soll der Gehalt des Urbarteils aus dem Register von St. Michael (1333) vorgestellt werden 236 . Vorweg aber eine Einschränkung: leider ist das Register primär ein Besitzverzeichnis; deshalb fehlt der Mehrheit der gut 330 erfaßten Hufen jeder urbariale Zusatz. Die Untersuchung der Zinsverhältnisse bezieht also nur auf 158 Hufen, der knappen Hälfte aller. Ob die Ergebnisse auf die andere Hälfte übertragbar sind, muß sich zeigen. Das Bild, das sich aus dem Obedienzregister des Goslarer Dormstifts ergab, bestätigt sich hier in den Grundzügen, aber in den Einzelheiten waltet mehr Vielfalt. Ich stelle alle Formen nach absoluten und proportionalen Zahlen zusammen: 234 Das Urbar von 1340 erfaßt nur die Geldzinsgüter. Auch die Rechnungen kann man hier nicht zurate ziehen, da für die einzelnen Jahrgänge entweder nur die Kornzins- oder die Geldzinseinnahmen erhalten sind. Nach brieflicher Auskunft von H. Hoffmann, dem ich hierfür herzlich danke, ist keine sachliche Erklärung dafür zur Hand. Solange diese fehlt, kann man nur an einen seltsamen Zufall denken. 235 Die Trennung beider Rentenformen hat vielfach zur Folge, daß z. B. der geldzinspflichtige Hof im einen Registerteil, die kornzinspflichtige Hufe aber im anderen erscheint. Hier nur drei Beispiele aus dem Bereich westlich der Oker: 1. in Geitelde (H. Hoffmann, a.a.O., S. 259, 263) wird einerseits ein allodium zu 12 s, andererseits eine 6-Hufeneinheit zu 32 ch geführt; 2. in Lobmachtersen (S. 260, 263) 1 Al zu 6 s, 2 M zu 8 ch; in Ufingen (S. 260, 264) 1 Al zu 20 s (+1 A zu 5 s), dann später 5 M zu Dritteilbau. Wären solche Einnahmen bzw. Forderungen zusammengezogen und auf die Hufe(n) radiziert, dann hätte man den Mischzins vor sich! 236 Tabelle 8. Es ist hier der erste Teil des Registers, ein Aktivlehnsregister, unberücksichtigt (UBHHi 4/ 1336, S. 726ff.). Das Plenarium von 1321 enthält wenige urbarielle Einzelheiten. 118 Zinstypus Mtyp MZahl % 1. Kornzins a. Dritteilbau (curia-Verbindung) b. fixiert (ca. 8 md) c. fixiert (ca. 3 md) d. fixiert (1 md+Holzzins) (zusammen Mlit* Mlit 21 18 21 16 76 13,3 11,4 13,3 10,1 48,1 2. Geldzins a. 5-6 s b. 8-9 s c. 10-14 s d. 16 s (zusammen (Mlit) Mlit (Mlit) Mlit 14 7,5 24 12 57,5 8,7 4,7 15,2 7,6 36,2 3. Mischzins ca. 3 md +10 s Mlit 18 11,4 4. Hägerzins 3 s + p/ ov 6 3,7 Gesamt 158 99,4 * mansi litonici Um mit dem letzten Typ zu beginnen: Die 6 nach Hägerrecht zinsenden Hufen in Everode (sö. Alfeld am Sackwald) sind der einzige explizite Beleg für diese Rechts- und Zinsform, die seit der hochmittelalterlichen Ausbauperiode im an unser Untersuchungsgebiet westlich anschließenden Bergland verbreitet ist 237 . Dieser günstige Rentenstatus ist also ohne Belang für unsere Untersuchung 238 . Der Mischzins ähnelt nach Höhe und Zusammensetzung durchaus den domstiftischen Belegen. Nur ist er im Hildesheimischen weiter verbreitet 239 . Die Staffelung der Geldzinse verrät sowohl eine stärkere Typisierung - es fehlen die Übergänge wie in St. Blasius - als auch das stärkere Gewicht der höheren Zinse: die Typen 2c. und d. stellen knapp zwei Drittel aller Geldzinshufen. Mir scheint eine Zuordnung dieser Gruppen zu den Geldzinshufen höheren Niveaus im Urbar von St. Blasius von 1320 möglich. Innerhalb der Kornzinstypen fällt doch die Bedeutung der Hufen mit kleiner wie sehr großer Korngült auf. Beide Formen passen nicht so recht zu den Wertverteilungen der anderen Quellen. Sie harren der - womöglich ortsgeschichtlichen - Klärung. Am auffälligsten ist zweifellos die dichte Verbindung der meisten Geld- und Kornzinshufen St. Michaels mit dem Attribut litonicus. Mag dies auch teilweise in der Art der Registrierung Gründen - es geht ja vorwiegend um Besitzkategorien -, die unübersehbare Qualifizierung aller dieser Hufen zeigt aber auf die 237 Siehe hierzu F. Engel, Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, Hildesheim 1949 (Verbreitungskarte im Anhang); J. Asch, Grundherrschaft und Freiheit. Entstehung und Entwicklung der Hägergerichte in Südniedersachsen, in: NdsJb 50, 1978, S. 107ff., bes.130ff. zu Everode (mit Kritik an D. Illemann, Besitzrechte, S. 102ff., 108). 238 Ob Zinse vergleichbarer Zusammensetzung und Höhe, die man gut finden kann, im Hägerrecht gründen, halte ich für zweifelhaft. Bekanntlich ist ja auch der Hägervertrag Bf. Dietrichs v. Halberstadt für Kolonisten im Oker-Bode-Bruch (1180-84) Plan geblieben (UBHHa 1/ 308; G. Franz, Quellen, Nr.94, S. 248ff.). 239 Allerdings vorwiegend westlich von Hildesheim und südlich des Hildesheimer Waldes. 119 Herkunft aus den alten Villikationen. Der Rechtsstand der Bebauer ist zu dem des Landes verdinglicht. Auch die vom Litonen-Attribut freien Kornzinshufen - mindestens die teilbaupflichtigcn - sind Nachfahren dieser alten Grundform, nur ihrer anderen Komponente, dem Salland oder dominicale. Da sie die curia-Verbindung kennzeichnet, ist man berechtigt, auch diejenigen Hufengruppen gleicher Einstufung im Register, denen urbariale Einzelheiten fehlen, für die Kornzinsform allgemein oder speziell den Dritteilbau zu reklamieren. Auf diese Weise würde sich der Anteil dieser Zinsform beträchtlich erhöhen, selbst wenn alle nicht curia-bezogenen Hufen ohne Zinsangabe mitberücksichtigt würden. Die Grobverteilung für das Gesamtregister von St. Michael 1333 sähe dann so aus: 1. Teilbaupflichtige Hufen mit curia-Bezug 21 zus. 146* 2. Geld- und kornzinspflichtige Hufen ohne curia-Bezug 125 3. Hufen mit curia-Bezug 125 zus. 191 4. Hufen ohne curia-Bezug 66 *ohne Mischzins 337 Schlüge man alle unter 3. geführten Hufen dem Teilbautypus zu, die unter 4. aber dem Geld- und fixierten Kornzins, dann ergäben sich: 146 teilbaupflichtige Hufen= 43 %, 191 Geld-/ Kornzins-Hufen = 57%. Ob dem Teilbau in der Grundherrschaft von St. Michael ein solches Gewicht zugekommen ist, steht dahin. Sicher aber erhellt die doch größere Bedeutung der Kornzinse allgemein - 48 % in der obigen Tabelle, 52 % nach der Erweiterung 240 - im Vergleich zu St. Blasius (45 %) und SS. Simon/ Judas (38 %). Die Verhältnisse der Hildesheimer Dompropstei im Register von 1382 fügen sich weitgehend dem bislang erstellten Bild, bieten aber wichtige Ergänzungen. Nur zwei der 14 Verwaltungsbereiche sollen hier näher betrachtet werden 241 . In der villicacio Barum - sie umfaßt 128 Hufen in 22 Orten von Bleckenstedt bis Langelsheim - kann man unterscheiden: 1. 18 allodia-verbundene Hufen ohne Zinsangabe, für die aber der Dritteilbau oder der fixierte Kornzins gelten dürfte 242 ; 2. 84 Geldzinshufen, von denen (a) 64 zu 8-10 s (einmal als Mlit bezeichnet), (b) 20 zu 3- 7 s verpflichtet sind 243 ; und 240 Nach - hypothetischer, analog der Prozentsätze der Typen 1 b-d und 2 a-d vorgenommener - Zuweisung der Hälfte der 66 Hufen ohne curia-Bezug im Register. 241 Zusammenstellung der Daten (UBHHi 6/ 546, S. 389f., 396) in Tabelle 10 (Barum) und 11 (Borsum). Das Gesamtregister verdiente eine umfassende Interpretation! 242 Daß die curiabzw. allodia-verbundenen Hufen teilbaupflichtig sind, erhellt aus UBHHi 6/ Nachtrag 6/ ca. 13. Jh., S. 989, 992; 3/ 484/ 1277-84, S. 227f.; 1409/ nach 1302 (Moritzstift), S. 674ff. 243 Die genaue Verteilung: s/ M 3 4 5 6 7 8 9 10 Mzl 4 7 3 4 3 16 1 46 Orte 2 3 3 3 1 3 1 10 120 3. 26 Mischzinshufen (4-5 s, 9-13 mdl). In der villicacio Borsum mit insgesamt 74 Hufen in 6 Dörfern östlich von Hildesheim verteilen sich die Rentenformen deutlich anders: 1. 19 allodia-verbundene Hufen; 2. 6 Geldzinshufen, von denen (a) 1 zu 20 s, (b) 4 zu 12 s und (c) 1 zu 9 s verpflichtet sind; sowie 3. 46 Mischzinshufen verschiedener Größe (allgemein als Mlit bezeichnet), davon (a) 7 große (ca. 7 s, 6,5 md, 6 mdr, Schafzins) (b) 29 mittlere (ca. 6 s, 5 md, 6 mdr, Schafzins) (c) 10 kleine (ca. 5 s, 4 md, 6 mdr, Schafzins). In der vergleichenden Tabellierung treten die Unterschiede besonders klar hervor: Barum Borsum Typ 1 14,1 % Typ 1 25,7 % Typ 2a 2b 50 % 15,6 % = 65,6 % Typ 2a 2b 2c 1,4 % 5,4 % 1,4 % = 8,1 % Typ 3 20,3 % = 20,3 % Typ 3a 3b 3c 9,5 % 39,2 % 13,5 % = 62,2 % Gemeinsam ist beiden villicaciones der vergleichsweise niedrige Anteil der Kornzinshufen, sicher wesentlich verursacht durch den Ausfall der (Litonen-)Hufen mit fixiertem Kornzins, die ja in St. Blasius und St. Michael beachtliche Anteile stellen. Im Binnenvergleich fällt aber die fast gegenläufige Verteilung der Geld- und Mischzinshufen auf: in Barum 66 % zu 8 %, in Dorsum 20% zu 62 %! Erstaunlich ist auch, daß in Borsum die Geldzinshufe niedrigen Niveaus völlig fehlt. Die Analyse der Gründe für diese Unterschiede ist hier nicht möglich - dazu wäre eine genaue Geschichte des Propsteiguts im Rahmen der domstiftischen Grundherrschaft nötig 244 . Mitnehmen kann man aber das Gebot zur Vorsicht gegenüber Verallgemeinerungen, die ohne Rücksicht auf diese Differenzierungen vor Ort gebildet sind. Das Propsteiregister lehrt aber noch Weiteres. Seine Angaben gestatten es, mindestens zwei Gründe für die verschiedenen Zinstypen zu benennen: 244 R. Hoffmann, Hildesheimer Domkapitel, S. 7ff. entspricht nicht mehr heutigen Anforderungen. 121 - einmal die Größenunterschiede der Hufen; dies kommt deutlich bei den Borsumer Mischzinshufen zum Ausdruck, ist aber im ganzen Register verbreitet 245 und betrifft dort auch die Geldzinshufen (gr. Hufe/ 12 s, kl. Hufe 10 s 246 ); - zum anderen die Herkunft von Einzelposten der Mischzinshufen: an mehreren Stellen des Registers sind Scheffel oder Himpten Weizen racione advocacie zu entrichten 247 , und einmal kommen 6 d pro Hufe an voghetpenninghen dazu 248 . Ähnliche Spuren in den grundherrlichen Hufenzins eingegangener Vogteirenten kann man auch anderweitig nachweisen 249 oder vermuten 250 . Den vergleichenden Rundblick sollen nun die urkundlichen Zeugnisse des Goslarer Urkundenbuchs abschließen. Die Zahlenwerte haben natürlich nicht entfernt das Gewicht wie die der Register; auch methodische Bedenken ließen sich hier anmelden. Allein die Ergänzung ist doch nützlich, weil damit noch weitere Institutionen - d.h. die Stifte Riechenberg, Georgenberg und Petersberg, das Kloster Frankenberg - in den Vergleich einbezogen werden; und wenn dann die Werte auch noch wenig abweichen, dann kann man mit dem Vergleichs-‚Erfolg‘ dessen Mängel verschmerzen. Zunächst seien die Daten über die Hufenzinse in den Dörfern aufgeführt. Nur die Urkunden von 1300-1400 sind berücksichtigt 251 : 1. Kornzinshufen ch-sch/ M 1,5 2 3 7 41 (38,6 %) Mzl 1 36 3 1 Orte 1 6 2 1 2. Geldzinshufen 36 (33,9 %) (a) in solidi s/ M 3 5 7 10 12 Mzl 2 5,5 25,5 2 1 Orte 1 6 3 2 1 (b) in ferding f/ M 0,5 1 1,5 2 3 4 8 29 (27,5 %) Mzl 2 8 2 5 8 2 2 Orte 1 3 1 2 2 2 1 106 (100 %) 245 Z.B. UBHHi 6, S. 396: in Borsum habet duos mansos magnos litonicos, quilibet solvit VII solidos et I denarium et VII modios ordei moltkorn et pro selmoldris III modiolos siliginis et III modiolos ordei. Habet ibidem quindecim mansos mediocres et litonicos, quorum quilibet solvit VI solidos minus I denario et V modios ordei moltkorn et pro selmolder sicut mansi magni. Item habet ibidem sex mansos parvos, quilibet solvit V solidos minus IIł denariis et quatuor modios ordei moltkorn dimidio modiolo minus et selmoldere sicut mansi prescripti. 246 A.a.O., S. 391 (Söhlde). 247 A.a.O., S. 393f. (Algermissen), 395 (Gödringen). 248 A.a.O., S. 396 (Hasede). 249 St. Blasius 1320 (H. Hoffmann, a.a.O., S. 259 (Mönchevahlberg, Nortenhof: in beiden Fällen 4 s/ Hufe); 1340 (GK, S. 47; Tabelle 13, Sp. Ganze Hufen/ V: 5 Hufen in Ahlum und Salzdahlum sind betroffen. Die Höhe des Vogteizinses (8 s) entspricht in etwa dem Grundzins; so entsteht eine Gesamthöhe von ca. 15-16 s! ); St. Michael 1333 (UBHHi 4/ 1336, S. 726 (Förste): 5 M de quibus datur pars annone et II marce dantur advocato; UBSPH 30/ 1255. 250 Ich meine, daß ein Teil der fixierten Korngülten der Mischzinshufen auf Vogteikorn zurückgeht - gerade etwa bei mansi litonici von St. Michael. 251 Tabelle 21. 122 Die Durchschnittswerte für die Korngülten (2,2 ch/ M) und für die Schillingzinse (6,8 s/ M) sind repräsentativ für ihre Häufigkeitsverteilung. Die Korngülthöhe liegt deutlich unter den Durchschnittswerten der - wie man nun wohl sagen kann - Region: 3,3 in Neuwerk, 3,3/ 4,3 in Dörnten, 3,2 in SS. Simon/ Judas, 3,9 in St. Blasius -, erreicht aber - besonders in der Grundherrschaft von St. Blasius - verbreitete Werte. Der Schillingszins paßt in den Wertbereich der Niedrigzinse (SS. Simon/ Judas: 5-8 s, St. Blasius: 6-8 s, St. Michael: 5-9 s, Dompropstei Hildesheim: 3-7 s). Wie sind die Mark-Zinse einzustufen? Was sagt der Mittelwert von 2,4 f im Verhältnis zur Verteilung aller Größen? Nur eine Umrechnung in Schillingwerte erlaubt Hypothesen. Legt man das für das 14. Jahrhundert in Goslar durchschnittliche Wertverhältnis 1 mc = ca. 40 s, also 1 f = ca. 10 s zugrunde 252 , dann ergeben sich beträchtliche Unterschiede zu den Durchschnittswerten der Pfennigzinse: nur 2 der 29 Hufen fielen in den Niedrigbereich (5 s/ M), 10 von ihnen in die höhere Stufe (10-15 s). Die 17 verbleibenden müßten einer dritten Stufe zugeordnet werden (20-80 s). Auch der Mittelwert würde hierher gehören. Diese dritte Stufe - für die schon im Register von St. Blasius Belege vermutet wurden 253 - ist nun die Regel in der letzten Geldzinskategorie, den Goslarer Stadtflurhufen. In über 20 der knapp 40 Pachturkunden, die der Rat den Bürgern, aber auch Goslarer Klöstern und Stiftern über Hufen in der Stadtflur (in Sekenol, Jürgenol, Galgenberg, Bollrich und Horst) ausgestellt hat 254 , beträgt der Zins pro Hufe - oft sind es auch Gruppen zu 3-5 Hufen - regelmäßig 1 mc, nach obiger Umrechnung also 40 s 255 . Zinsform, Wertform und Werthöhe lassen sich plausibel machen: dem Rat als Eigentümer und Zinsempfänger wird bares Geld in der Kaufmannswährung lieber gewesen sein als Erträge, die noch hätten verkauft werden müssen. Der - meist patrizische - Pächter hingegen wird die nach Lage und Bearbeitungsbedingungen überdurchschnittlich wertvollen Hufen vor den Toren der Stadt so intensiv genutzt haben können, daß sich die Pacht trotz des vergleichsweise hohen Zinses lohnte. Der lange Rundgang durch die Formen und Ziffern der Hufenzinse sei hier abgeschlossen. Wenn auch in vielen Fällen die Auskünfte und Deutungen nur als Annäherungen verschiedenen Grades an die Realverhältnisse verstanden werden können, so dürfte sich doch ein Gesamteindruck ergeben haben, der Orientierungswert für die Verhältnisse der Neuwerker Bauern hat. Ich fasse die Ergebnisse noch einmal tabellarisch zusammen: 252 Errechnet aus der im Anhang ‚Währungs- und Münzverhältnisse im Goslarer Raum im 13. und 14. Jahrhundert‘ mitgeteilten Tabelle. 253 S. o. Anm.233; vgl. Tabelle 13, Sp. Ganze Hufen/ pro H/ s; Z.10, 54, 55, 69. 254 Zu Lage und Alter dieser Fluren: A. Grundner-Culemann, Flurnamen, S. 66f., 161, 106f., 102f., 83. 255 Von den über 30 Stadtflurlokationen geben 20 deutliche Auskunft zu unserer Frage; in 16 Fällen wird mc/ Hufe vereinbart, einmal bleibt der Zins unter dieser Marge, dreimal übersteigt er sie. 123 Herausgeschält hat sich deutlich die Dreiheit der Zinstypen sowie deren Binnengliederung. Durch die verschiedene Verteilung dieser Typen erhält jede grundbesitzende Institution ihr eigenes Gesicht. Dies sei hier mit einem Teilmengen-Stab diagramm veranschaulicht: Zinstypenverteilung ostfälischer Herrschaften im 14. Jahrhundert Wirft man noch einen Blick auf die räumliche Verteilung der beiden Haupttypen, dann wird man zugeben müssen, daß wenig Grund zu der Annahme einer spezifischen Verbreitung in bestimmten Teilregionen besteht. Vielmehr dürfte gerade die lokale Koexistenz der Typen das Charakteristische sein. Der untersuchte Raum ist rententypisch also eine Einheit (s. Karte 8): 0 20 40 60 80 100 Neuwerk Dürnten SS. Simon u. Judas St. Blasius St. Michael Barum Borsum GUB Mischzins 1-9 s f -16s 20sff. Fixer Kornzins Teilbau } Geldzins Hufenzinse Ostfalens im 14. Jahrhundert Institution Neuwerk Dörnten SS. Simon u. Judas St. Blasius St. Michael Dompropstei Hildesheim Barum Borsum GUB Jahr 1355 1351f. 1309 1320 1340 1333 1382 14. Jh. Hufenzahl 174 35 92 505 206 158 337 128 74 106 Kornzins Teilbau fixiert Summe 91 % 9 % 100 % 43 % 57 % 100 % 8,2 % 30,4 % 38,6 % (1,8 %) (43,7 %) (45,5 %) 13 % 35 % 48 % 43 % 14 % 14 % 26 % 26 % 39,6 % Geldzinse a. solidi 1-9 s 10-16 s 20 s ff. Summe - - 45,7 % 6,5 % - 52,2 % 78,2 % 13,0 % 8,2 % 100,0 % 13,4 % 22,8 % - 36,2 % 29,2 % 36,5 % - 65,5 % 1,4 % 5,4 % 1,4 % 8,1 % 31,1 % 2,5 % - 33,9 % b. ferting 0,5 f 1-1,5 f 2-8 f Summe - - 4,9 % - - - 2,0 % 9,7 % 15,8 % 27,5 % a+b-Summe - - 57,1 % 54,5 % 36,2 % 65,5 % 8,1 % 61,4 % Mischzinse (? *) - 4,3 % ? 11,4 % 20,3 % 62,2 % ? (* incl. kommutierter Schweinzins) 124 Karte 8: Verbreitung von Korn- und Geldzinsen (14. Jh.) Auch die Suche nach der durchschnittlichen Höhe der verschiedenen Zinstypen hat Regelhaftigkeit innerhalb einer bestimmten Variationsbreite erbracht: - Bei den fixierten Kornzinsen ergab sich ein Mittelwert zwischen 2 und 4 ch/ md/ sch pro Hufe; das dürfte auch für den Dritteilbau gelten. - Bei den Geldzinsen stellt sich erstens die höhere Verrentung der halben Hufen heraus; ebenso die der Stadtflurhufen, die generell in der sonst seltenen mc-Währung verrentet sind. Die Staffelung der Schillingzinse, die hier vorgenommen wurde, ist sicher korrigierbar. Was sie bedeutet, ist unsicher. Man kann hierzu nur allgemeine Hinweise auf die Gründe für die Höhenunterschiede geben. Sie alle kamen en passant schon zur Sprache: 1. die Bodenqualität der Hufen (Beleg aus Lebenstedt); 2. die Größe (Belege aus der Hildesheimer Dompropstei, sie ließen sich durch weitere Hildesheimer Quellen vermehren); 3. der Ein- oder Ausschluß der areabzw. curia-Zinse (Belege aus Neuwerk, Dörnten, St. Blasius u. ö.); 4. der Einschluß von Rentenformen anderen Rechtes, besonders der verdinglichten Vogteizinse (Belege aus der Hildesheimer Dompropstei, St. Blasius, SS. Simon/ Judas, eventuell St. Michael); 5. die Kommutation von Produktin Geldzinse (Belege aus dem Hildesheimer Domstift, die placitatio um Korn- oder Geldzinse in St. Blasius 256 ); 256 Hierzu H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 205. Goslar Goslar Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schaden Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Fachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel HARZ HARZ Watenstedt Baddeckenstedt Kl. Elbe Gronstedt Gr. Heere Störy Söderhof Gr.Sehlde Kl. Sehlde Alt- Wallmoden Jerze Langelsheim Jerstedt Jmmenrode Dörnten Döhrenhausen Beuchte Alvessem Kl. Schaden Gielde Gr. Mahner W- Burgdorf Ohlendorf Meierdingerode Fachstöckheim Gr. Flöthe Lobmachtersen Achim Osterode Rhoden Ziesel HARZ HARZ HARZ Wald heutige Ortschaft Gewässernetz Dorf mit Neuwerker Besitz Gr. Heere Geldzinse Kornzinse 0 1 2 3 4 5 km 125 6. die locatio, ut carius posset (SS. Simon/ Judas 1285-96 bzw. 1309); 7. das ius litonicum/ litonum als auf die Hufe radiziertes Zinsrecht (Belege aus St. Michael, der Hildesheimer Dompropstei, leicht vermehrbar aus anderen Quellen, besonders Urkunden). Welche dieser Ursachen für die Höhe der jeweiligen Hufenzinse bestimmend sind, wird sich nur in Einzelfällen genau nachweisen lassen. Bevor nach dem ‚logischen‘ und ‚historischen‘ Sinn des für diese Region typischen Hufenzinsformengefüges und seiner Verteilung unter den Herrschaften gefragt werden kann, ist zu klären, welche Bezüge zwischen Rententyp und bäuerlichem Betriebstyp bestehen. Da ja alle Register Informationen hierzu enthalten, wurde indirekt so viel darüber gesagt, daß jetzt nur eine Zusammenfassung nötig ist. Folgendes steht außer Frage: - Die Hufen des Mehrhufenbetriebs, sei dieser ein Resultat des Zerfalls früherer Villikation oder auf anderem Wege zustandegekommen, stehen in enger, wenn nicht engster Verbindung mit dem reinen Kornzins. Was an anderen Zinsen verlangt wird, hat die Tendenz zur Verlagerung auf die curia. - Die Geldzins- und Mischzinshufen stehen oft in enger Verbindung mit dem Litonen-Attribut. Hierzu geben die Register von St. Michael und der Dompropstei von Hildesheim beste Auskunft, weitere Einzelbelege ließen sich häufen. Diese Hufen sind selten zu Mehrhufenbetrieben integriert, sondern repräsentieren den area-verbundenen 1-2-Hufenbetrieb, dessen Inhaber wir oben als mittleren oder Hufen-Bauern bezeichneten. Sicher aber gehören auch die Hufenteile der Kleinbauern/ Köter hinzu, die - wie am St. Blasius- Urbar von 1340 zu sehen - im Durchschnitt höher verrentet sind als die Vollhufner. Diese Zuordnung ist eine grobe. An den Kornzinshufen des St. Blasius-Urbars von 1320 z. B. ist ersichtlich, wie häufig auch die Einzelhufe kornzinsverrentet sein kann 257 - leider weiß man zu wenig darüber, ob diese Hufen zu Mehrhufenbetrieben herrschaftsfremder Bauern bzw. Höfe gehören oder die gesamte Landausstattung eines mittleren oder kleinen Betriebes bilden. Ebensowenig ist auszuschließen, daß ein beachtlicher Teil der Geldzinshufen, die in den Registern summarisch aufgeführt sind, auch Betriebseinheiten des Mehrhufentyps gebildet haben. Warum nun diese ‚Teilung‘ der Bauernschaft in Geld- und Kornpflichtigkeit? Ohne den Hinweis auf die Interessengebundenheit von Appropriationsformen wird man hier nicht auskommen: Rente ist ja der Ausdruck der ökonomischen Vergesellschaftung der Herren/ Eigentümer mit den Bauern. Man hat zu fragen, welche Rentenform wem mehr oder weniger nützt. Immer wieder ist in der Forschung darauf hingewiesen worden, daß die kontinuierliche Geldentwertung seit dem Hochmittelalter die Bauern begünstigt habe, 257 Vgl. Tabelle 12: Es sind 9,5 kornzinspflichtige Einzelhufen an 9 Orten, 5 Hufenpaare an 5 Orten. Zusammen bilden sie aber nur gut 8 % aller Kornzinshufen des Registers! 126 die zu fixierten Geldzinsen verpflichtet waren 258 . Es hat den Anschein, daß dies auch für die ostfälischen Geldzinser im 14. Jahrhundert zutrifft. Das Wertverhältnis der Goslarer Münzwährung zur Gewichtswährung, der Barrenmark, zeigt - seit der Mitte des 13. Jahrhunderts - einen überdeutlichen Abwärtstrend, der gegen Ende des Jahrhunderts noch verschärft wird durch den Kornschwund der Barrenmark 259 . Wertentwicklung der Goslarer Münzwährung im 14. Jahrhundert Dieser säkulare Abfall hätte nur durch eine entsprechende Anhebung des Zinsniveaus ausgeglichen werden können. Es gibt aber hierfür keine Belege. Dort, wo man die urbarialen Normen gleicher Zinshufen zu verschiedener Zeit miteinander vergleichen kann, zeigt sich eher die Kontinuität der Zinshöhen. Dies gilt für Hufen des Goslarer Domstifts von 1181-1309, des St. Michaelsklosters von 1321-1333 und des St. Blasiusstifts von 1320-1340 260 . Warum ist es nicht zur Anhebung des Grundzinsniveaus der Hufen gekommen? Wurde dieser Wertverfall nicht wahrgenommen? Konflikte, die aus herrschaftlichem Bemühen zur Ausgleichung des Wertverlustes der Zinse entstanden sein könnten, haben keinen nennenswerten Niederschlag in den Quellen gefunden. Es scheint vielmehr so 258 Neuerdings wieder E. Ennen/ W. Janssen, Agrargeschichte, S. 171. 259 Vgl. den Anhang 1: ‚Währungsu. Münzverhältnisse‘; Zusammenstellungen zu Hildesheim, Braunschweig und Halberstadt (bis 1350) mit gleichem Trend bei H. Kindl, Kaufkraft, S. 114, 125. 260 Tabelle 3, konstant: Z.8, 9, 21, 28, bes. 23, 47; Z.38 (leichter Abfall); Z.41 (leichte Erhöhung); Tabellen 7/ 8, Z.3 bzw. 20, 4 bzw. 24 (konstant); Z.4 bzw. 22, 23, 25, 7 und 9 bzw. 10ff., 2 bzw. 17 (Zinsminderung); Tabelle 14 (St. Blasius 1320/ 40): in 19 der 28 vergleichbaren Angaben: Zinsidentität; in 3 Fällen: geringfügige Erhöhung; in 6 Fällen: leichter Abfall. x x x x x x x x x 1290 1300 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1400 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 x tal / 1mc tal / MS ertentwicklung der Goslarer Münzwährung im 14. Jh 127 zu sein, daß die Grundherren bemüht sein mußten, das altverbürgte urbariale Niveau überhaupt zu halten. Hartmut Hoffmanns Beobachtung, daß die recepta der St. Blasius-Rechnungen in keinem der überlieferten Jahrgänge das Niveau der Urbare von 1320 und 1340 erreichten, ist ein klares Zeugnis dafür, daß den Herrschaften dieser Zeit, die nicht über dichte Gerichtsrechte verfügten, wenig Mittel gegen wie immer begründete Zinsverweigerungen zur Verfügung standen (Pfändung und Exkommunikation) 261 . Wie sollte in einer solchen Situation eine Steigerung des Solls durchgesetzt werden? Wenn ich recht sehe, befanden sich die Grundherren ihren Geldzinshufnern gegenüber in einer eher defensiven Position. Die Ursache dafür muß man wohl in der Geltungskraft des Rechtes sehen, zu dem diese Hufen vergeben waren. Dies heißt: wer Hufen iure litonico oder censuali nomine zur Leihe hatte 262 , konnte mit einer unverrückbaren Zinsform und -höhe rechnen. Sie war erstarrt und ans Land gebunden, konstitutiv für dessen Nießnutz. Und sie war damit Bestandteil der Zeitform des Leiherechts. Da die Bezeichnungen ius litonum und hereditarium austauschbar sind in dieser Zeit 263 , ist hier der Fachterminus ‚Erbzinsleihe‘ angebracht. Welche Stabilität diese Rechtsform hat, hängt natürlich maßgeblich davon ab, welches Erbrecht oder welche Vererbungspraxis gilt. Hierzu kann an dieser Stelle 264 nur gesagt werden: Solange keine rigiden Beschränkungen des Erbberechtigtenkreises existieren oder durchgesetzt werden - und dafür fehlt jeder Hinweis in den Quellen -, besteht nur eine sehr geringe Chance, daß das Gut erbenlos ‚freistirbt‘ und seine Zinshöhe und -form verändert werden kann 265 . Je öfter es aber vererbt worden ist, desto fester, d. h. recht-mäßiger wird die an ihm haftende Zinsform sein. Die Verdinglichung ist dann so massiv, daß auch die Trennung vom Erben die Zinsform nicht mehr berühren kann: der census litonicus ist weiter zu entrichten auch von Litonen-Hufen, quos nullus detinet lito 266 . Der Hufenzins ‚übersteht‘ gewissermassen den Bruch, der dadurch entsteht, daß die Hufe ab heredibus liber wird; er übersteht auch den Wechsel der Besitzform 267 . 261 H. Hoffmann, a.a.O., S. 197ff. H. kann hierfür aber erst Zeugnisse aus dem Ende des 14. bzw. dem 15. Jahr.hundert anführen! 262 Beispiele f. ius litonicum: GUB 3/ 34/ 1303; 284/ 1312; f. censuali nomine: 3/ 327/ 1314, 481/ 1318; 4/ 557/ 1356. 263 Beispiele f. ius hereditarium bzw. census hereditarius: GUB 2/ 408/ 1290, 487-496-497/ 1295 (Streit um Erbrechte an bona lytonica), 561/ 1299; 3/ 746/ 1326; ervetins: 3/ 872/ 1331, 4/ 58/ 1338, 5/ 926/ 1393; Litonen als heredes: 2/ 128/ 1267. Zum Erbzinsrecht dieser Region auch H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 237f. (‚Erbpacht‘); E. Döll, St. Blasius, S. 255ff. 264 Zur Praxis der Vererbung vgl. das folgende Kapitel. 265 UBSPH 37/ 1256 bringt den Zusammenhang m. E. gut zum Ausdruck: coloni mansorum (in Pabstorf nö. des Huy) et legitimi successores ipsorum non poterunt removeri a mansis premissis et census ipsorum non poterit ullo modo augeri. 266 UBHHi 3/ 484/ (1277-86), S. 228 (+Bevelte b. Giesen). Deshalb ist auch eines der Hauptargumente W. Wittichs zur Verbreitung des Meierrechts (Grundherrschaft, S. 324), die Entfernung der Litonen von ihren Hufen durch Freilassung, Freikauf und Legung, so leicht zu kritisieren. Vgl. hierzu W. Achilles, Entstehung, S. 149f., 161. 267 GUB 4/ 427/ 1351. 128 Diese Erwägungen mögen genügen, um die Beziehung zwischen der Wertform des Zinses und der Zeitform des Leiheverhältnisses im Erbzinsrecht verständlich zu machen. Die Starrheit und der mähliche Wertverfall der Geldzinse, eventuell auch der Mischzinse 268 , sind somit als den Erbzinsbauern dienliche Aspekte ihrer Rentenpflicht zu verbuchen. Dabei muß unklar bleiben, wie bewußt ihnen dieser günstige Trend war. Mit diesen Zuordnungen ist eine Reihe von Beziehungen entstanden: die 1-2-Hufenbetriebe, Nachfahren der alten Zinsbzw. Litonenhufen, sind zu fixierten Geldzinsen verpflichtet, deren durchs Erbzinsrecht gesicherte Kontinuität den Interessen der Pflichtigen eher dienlich ist als denen der Zinsempfänger 269 . Und die 3-5-hufigen Meier-, Bau-, Sedelhöfe? Läßt sich hier ein vergleichbarer Zusammenhang zwischen Betriebstyp, Rententyp, Leiheform und Interessenverteilung herstellen? Könnte man sich der alten Forschung zur Entwicklung der Wirtschaftsverfassung noch anschließen, dann wäre die Antwort leicht. Was - etwa bei W. Wittich - zu Wesen und Verbreitung des ‚Meierrechts‘ zu lesen ist 270 , ließe sich zur Orientierung benutzen: ehemaliges Sal- und Litonenland, zu durchschnittlich 4 Hufen umfassenden Betrieben umgeordnet, gegen hohen Kornzins (fixiert oder quotiert) als jährliche Bringschuld auf Zeit, meist zu kurzen Fristen (3-9 Jahre) verpachtet, dazu gegenseitig kündbar. Die jüngere landesgeschichtliche Forschung hat solche Orientierung aber unmöglich gemacht. Weder die Herkunft dieser Betriebsformen 271 noch die Zinsform 272 passen zu diesem Bild. Die Quellen - Wittich konnte die meisten noch nicht benutzen - bringen weitere Verunsicherungen. Eine klare Antwort ist beim jetzigen Forschungsstande und der raum-zeitlichen Begrenzung dieser Untersuchung nicht zu erwarten. Wie so oft in der mittelalterlichen Rechtssprache entwickelt sich ein neues Rechtsverhältnis selten unter einheitlichem Terminus. Wer in den Goslarer Quellen seit dem 13. Jahrhundert nach Ausdrücken für Zeitpachtverhältnisse sucht, wird zwar regelmäßig auf das Wort locatio stoßen. Es wird für Verleihungen aller möglichen Nutzungsobjekte gegen die verschiedensten Zinse, ebenso zu den verschiedensten Zeitformen, darunter auch als ‚Ewigzins‘ 273 benutzt. Für die locatio ist also eher die Tatsache eines neu paktierten Nutzungsverhältnisses 268 Diese Vermutung stützt sich nur auf die beiden Register von St. Michael (1321/ 1333). 269 Dieser Satz verliert seine Geltung in dem Moment, in dem die Interessen beider Seiten nicht gleichsetzbar sind. Es geht hier nur um das Mehr oder Weniger der gleichen Sache, des Geldes als Zins oder Einkommen. Alle anderen sozialen Bezüge fallen dabei weg - egal, welche Bedeutung sie haben könnten. 270 A.a.O., S. 327ff.; zur Kritik der Rezeption Wittichs durch F. Lütge in dieser Frage (Agrarverfassung, S. 87f.) vgl. W. Achilles, Entstehung, S. 162ff. 271 W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 51 u. ö. 272 D. Illemann, Besitzrechte, S. 33ff.: Kornzinse in Meierbriefen St. Michaels erst seit dem 15. Jahrhundert; Teilbau fehlt ganz. 273 GUB 3/ 540/ 1320. 129 als dessen besondere Bedingung konstitutiv 274 . Deshalb begegnet auch das Wort pactus in diesem Sinne, und deshalb trifft man immer wieder auf der locatio oder dem locare zugefügte Ergänzungen, die die näheren Umstände des Nutzungsvertrags, dessen ratio, im Auge haben. Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts wird die Sinnverengung des modus locationis zum zeitlich befristeten und kündbaren Nutzungsvertrag immer deutlicher, sodaß es dann - bezogen auf ländliche Verhältnisse - zur Gegenüberstellung von titulus locationis und hereditarium ius kommen kann 275 . Natürlich liegt es nahe, den Ursprung des Zeitpachtvertrags in den ‚Innovationsbereichen‘ der hochmittelalterlichen Wirtschaft zu suchen: dem Landesausbau und der Stadt; und dies ist vielfach getan worden 276 . Die Goslarer Quellen bestätigen dies einerseits: eine knapp 40 Urkunden umfassende Serie von Stadtflur-locationes seit dem auslaufenden 13. Jahrhundert mit einheitlicher Terminologie und einheitlichen Vertragsbedingungen liegt vor 277 - auch Neuwerk hat ja, wie schon ausgeführt, Hufen zu diesen Bedingungen inne. Für den ländlichen Bereich aber scheint es einen anderen Anknüpfungspunkt für die ‚Zeitpacht‘ zu geben. Er kommt in Gegenüberstellungen wie non iure hereditario… sed ratione villicationis oder iure litonico… nomine villicorum zum Ausdruck 278 . Da Hinweise auf Zeitpacht fehlen, die im Rodungsrecht der Häger gründen, dürfte also besonders die alte Villikation für die Entwicklung von ‚Zeitpacht‘ und ‚Meierrecht‘ Bedeutung haben. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Weder ist ein ius villicationis im Zeitpachtsinne belegt, noch ist die Übersetzung von locare als bestaden eindeutig als Rechtsterminus interpretierbar 279 . Die locatio selber wird nirgends in den Urkunden als ‚Meierrecht‘ glossiert, und im ganzen Urkundenbestand konnte ich nur zwei Belege finden, in denen Güter bemeygert werden 280 , und nur einen, wo von einem Leihevertrag in meyers wise die Rede ist 281 . Zu dieser begriffsgeschichtlichen Ernüchterung muß die sozialgeschichtliche addiert werden. Der weitaus größte Teil aller Lokationsverträge ist mit Grafen, Rittern, Klöstern, Bürgern als Pächtern abgeschlossen, die das Pachtgut entweder - in der Rolle als Teilrentenempfänger - nur weiterverpachtet 274 Zu verschiedenen Aspekten des Lokationsbegriffes vgl. jetzt J. J. Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts, S. 136f. 275 GUB 2/ 408/ 1290. 276 Zur ländlichen Zeitpacht vgl. den Überblick bei B. Huppertz, Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, Bonn 1939, S. 93ff.; sowie B.H. Slicher v. Bath, Agrarian History, S. 145ff. 277 Die Serie verdichtet sich um die Jahrhundertwende; die meisten Stücke datieren aus den Jahren 1323-49, dann folgen nur noch sporadische Belege bis 1400. 278 GUB 2/ 561, ähnlich 2/ 370, 3/ 663. 279 GUB 2/ 410-411/ 1290: canonici locaverunt et conmiserunt villicationem wird übersetzt als die herren… (hebbet)… vorwerk unde dat gut bestadet unde bevulen. Im SspLaR I, 54 § 3 und III, 44 § 3 wird bestaden zur Bezeichnung des Austuns von Zinsgut benutzt, doch fehlen die näheren Bestimmungen zur Zeitform dieser Leihe, um die es hier geht. 280 GUB 3/ 849/ 1330, 5/ 6/ 1366. 281 UBStött 168/ 1401. 130 haben werden 282 oder es im Direktbetrieb über Lohnvertrag nutzten 283 . Eindeutig bäuerliche locatio-Partner sind frühestens seit 1308 belegt. Sie bleiben - verglichen mit den Zwischenpächtern höheren Standes - selten, und die Objekte der Verpachtung ‚passen‘ schlecht ins Bild: es sind bis auf eine Ausnahme nur einzelne Hufen 284 . Man muß sich also damit abfinden, daß der Urkundenbestand offensichtlich vorwiegend, oder sogar weitgehend nur den Bereich der Zwischenpacht erfaßt. Locationes mit bäuerlichen Pächtern sind entweder als schriftlicher Bestand kaum überkommen, oder sie müssen weitgehend mündlich vereinbart gewesen sein. Vielleicht gibt eine Urkunde von 1330 preis, daß man mit Mündlichkeit als verbreiteter Praxis rechnen kann 285 . Das Wirken der locatio im Sinne der Zeitpacht ist nämlich in den urbarialen Quellen und Rechnungen durchaus erweisbar. Die klarsten und häufigsten Belege für die locatio enthält das Obedienzverzeichnisfragment des Goslarer Domstifts vom Ende des 13. Jahrhunderts, das man mit dem folgenden Verzeichnis von 1309 vergleichen kann 286 . Im ersten Register stehen ca. ein Viertel der aufgeführten Hufen in Verbindung mit Formulierungen wie: solvunt, ut carius locari possunt, locabimus, ut carius possumus, et tunc (im Todesfalle des Kanonikers, in dessen Öbedienz die betreffenden Hufen sind, L.K.) locari poterunt, ut carius placet. Die räumliche Verteilung der betroffenen Hufen weist voll ins Untersuchungsgebiet. Im Register von 1309 sind von den 42 Hufen, die im älteren zur locatio anstanden, knapp die Hälfte mit fixierten Kornzinsen und je ein Zehntel mit Geldbzw. Mischzinsen geführt 287 . Diesen Informationen zufolge stehen Kornzins und Zeitpacht, ut carius posse, also in bevorzugter Verbindung; andere Zinsformen können aber ebenso Gegenstand der Zeitpacht sein. Der Betriebsbezug der durch locatio gedingten Kornzinse könnte an drei Orten - Baddeckenstedt (3 M), Lengde (3,5 M) und Wehre (12,5 M) 288 - gegeben 282 GUB 3/ 645/ 1323. 283 Dies ist reine Hypothese, abgeleitet aus der Kenntnis solcher Formen im näheren Stadtbereich. 284 GUB 3/ 182/ 1308 (Halchter, verpachtet: 0,5 M+1 A), 440/ 1317 (Neindorf, verpachtet: 1 M), 452/ 1317 (Jerstedt, verpachtet: 4 M+1 Al), 640/ 1323 (Langelsheim, verpachtet: 1 M), 719/ 1325 (Jerstedt, verpachtet: 1 M (allodii), 4/ 2/ 1336 (Neindorf, verpachtet: 1 M; evtl. dieselbe Hufe wie 2/ 440? ), 385/ 1350 (Timmern, verpachtet: 1 Hof, 1 Hufe); dazu UBSPH 16-17/ ca. 1230. 285 GUB 3/ 849: H. Kopman klagt beim Goslarer Rat ein, daß der Propst von Riechenberg 4 Hufen, die H. Kopmans Vater als Pfandgut erworben hatte, ane mine witscap… bemeygerret habe, obwohl die Pfandschulden ihm gegenüber nicht beglichen seien. Vielleicht ist auch GUB 2/ 370/ 1288 hier heranzuziehen, wo behauptet wird (ohne schriftliche Beweismittel! ), eine Litonenhufe sei seit 36 Jahren locando villicis zu Georgenberg gehörig. Beide Spuren führen - zugegeben - nicht deutlich ins mündliche Gebaren. 286 GUB 2/ 419/ (1285-96) und GUB 3/ 211. Die in den Untersuchungsbereich fallenden Orte sind erfaßt in Tabelle 3. 287 Die verbleibenden Hufen fehlen entweder oder stehen ad locationem aus, ohne daß der gerade gültige Zins angegeben würde (Tabelle 3, Z.18). 288 A.a.O., Z.2, 27, 44ff. 131 sein. Für den ‚Großbetrieb‘ in Lebenstedt ist sogar der Übergang vom Geldzins zum Teilbau belegt 289 . Indirekt gestützt wird der großbetriebliche Bezug der Kornzinse dadurch, daß die durch locatio gedingten Mischzinse bei je einer oder zwei Hufen aufgetreten 290 , also ‚mittelbäuerlicher‘ Natur sind. Diese Ergebnisse gehen mit dem überein, was aus den Urbaren und Rechnungen des St. Blasius-Stifts bekannt ist: die allodia, in der deutlichen Mehrzahl kornzinspflichtig 291 , sind Einheiten, die als ab heredibus liberi beschrieben werden, für die man neue villici sucht 292 . Und es ist deutlich, daß Meiereien neu gebildet werden: In Köchingen gibt es 1320 nebeneinander ein dreihufiges antiquum und ein gleich großes novum allodium 293 . Meiereien und Meier sieht man hier in ‚Bewegungen‘, die unter Erbpachtverhältnissen weniger denkbar sind. Daß die Grundherren auch beträchtliche Summen aufgewendet haben, um unter Erbrecht stehende Villikationen ‚frei‘ zu kaufen, bezeugt der Rechenschaftsbericht Abt Heinrichs von St. Michael (vor 1331) 294 : villico de L(afferde) dedi pro resignacione curie XXII marcas; villico et suis heredibus (in Nettlingen? ) pro resignacione XXVI marcas… Leider entbehrt man jeden direkten Hinweises auf Zeitpacht für das Kloster Neuwerk. Oder genügt die Nennung eines villicus im Register (in Ohlendorf ) bereits? Vielleicht enthält die Urkunde von 1356, in der zwei Hornburger Bürgern die beiden Osteroder Hufen Neuwerks lebenszeitlich gegen Stiftung von Jahrgedächtnissen übergeben werden, den Hinweis, wie man mit Hufen verfuhr, die ledich unde los waren: Unde wene ok na disser beyder dode de vrowen in useme closter darto to vormunden setten eder koren, dat scal uses provestes wille sin ane yennegherleye wedersprake 295 . Es ist aber unabweisbar, daß das Kloster in die Betriebsstruktur seines ländlichen Eigentums eingegriffen hat. Dies fördert der Vergleich des Urbars mit den Erwerbsurkunden zutage. Ein Beispiel: 1355 hat das Kloster in Gr. Sehlde 14 Hufen, die in Gruppen zu 6, 4 und 4 bebaut werden. Zur ersten gehören 2 cu- 289 GUB 2/ 301-2/ 1282: locatio mit dem Ritter D. von Gadenstedt zu 106 s, am Ende der Urkunde wird die Wandlung in Dritteilbau angesprochen. Diese ist dann gültig im - ins Register von 1181 eingeschobenen - Urbar von 1309 (GUB 1, S. 325). Es ist unklar, ob eine Person höheren Standes auch nun wieder als Zwischenpächter fungiert. 290 Tabelle 3, Z.19, 37. 291 H. Hoffmann, a.a.O., S. 233f. zählt im Urbar von 1320 6 geldzins- und 14 kornzinspflichtige villici. Ein auf Betriebsbezüge ausgerichteter Vergleich des Geldzinsmit dem Kornzinsteil zeigt jedoch, daß die Geldzinse der villici in der Mehrzahl als Hofzinse aufzufassen sind (betr. Geitelde, Lengede direkt, zu schließen ist auch auf Sonneberg, Ufingen und Köchingen). Im Kornzinsteil sind dann die hufenradizierten Kornzinse genannt. 292 A.a.O., S. 261 (Niedersickte) (1320); 264 (Barnstorf ) 1341; 255 (Beierstedt) (1316); spätere Zeugnisse: S. 234. Novi villici auch in GK, S. 47 (Wendessen, 1340), 56 (+Vensleben, 1348/ 9), 83 (Gevensleben, 1362/ 3), 110 (Ohrum, 1380/ 1). 293 H. Hoffmann, a.a.O., S. 260; vgl. auch GK, S. 28, Z.25f.; 33, Z.15; 37, Z.6f. Diese Unterscheidung geht dann verloren. 294 UBHHi 4/ 1155, S. 619ff., bes. 621. 295 GUB 4/ 550. Der Bezug (darto) ist unsicher; er könnte auch für die Durchführung der Seelenmessen gelten. 132 riae, bei den beiden anderen fehlt eine Angabe, schließlich wird noch eine area genannt 296 . Dieser Besitz wurde zwischen 1299 und 1300 von den Grafen von Wöltingerode, dem Bischof von Hildesheim und der Ritterfamilie von Gustedt erworben 297 . Nur: in den Urkunden sind es Gruppen zu 3, 7 und 4 Hufen; nur eine curia wird genannt, die area von 1355 ebenso, doch hat sie klaren curia- Bezug (et una area adjacente). Es muß also bis 1355 zu einer Umformung dieser Gruppen, der Bildung einer weiteren curia und der Lösung der area von der betreffenden curia gekommen sein. In Weddingen wurden 1265 3, 1304 1, 2 und 0,5 Hufen von verschiedenen Grafen und Rittern erworben; 1355 sind die nunmehr 7 Hufen auf 2 curiae bezogen, daneben gibt es 4 areae 298 . Vergleiche mit ähnlichem Resultat ließen sich noch für Langelsheim, Sörhof, Flachstöckheim, Ziesel und eventuell Dörnten, Kl. Elbe, Beuchte und Alvessem anstellen. Solche bewußten Eingriffe in die Betriebsformen vor Ort sind m. E. ohne die Einschnitte, die durch Zeitpachtverhältnisse entstehen, schwer denkbar. Daß allein diese Rechtsform dazu taugt, soll damit nicht gesagt sein - ebenso können andere Weisen der Kür dies bewirken. Auch die Bauern selber können untereinander in diesem Sinne (mit Einverständnis der Abtei) paktiert haben. Zwangssituationen (Not, Verschuldung) und Verkauf sind als weitere Gründe benennbar. Wie dem auch sei - es bleibt wahrscheinlich, daß auch für die Neuwerker Mehrhufenbetriebe die befristete Leiheform gegolten hat, eine Form, die auch die Veränderung des Rententyps ermöglichte 299 . Nicht nur die Einsetzung des Bauers 300 , sondern auch die Durchsetzbarkeit möglichst günstiger Aneignungsinteressen wird man dem Kloster zuschreiben dürfen. Aber zu welchen Bedingungen? Da eine Zeitpacht-locatio für Neuwerk fehlt, muß man sich an das halten, was die Urkunden anderer Herrschaften der Region über bäuerliche und Zwischenpächter aussagen. Die Verträge mit (möglichen) Bauern enthalten zum Kern der Zeitleihe, der Frist, nur die Vital-Regelung für die Person des Pächters allein oder für dessen nächste Angehörige (Bruder, Frau, Sohn, Tochter) 301 . Befristung auf bestimmte Jahre - hier spielt der für den Getreidebau bestimmende 3-Jahres-Zyklus eine wichtige Rolle - wird erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts greifbar, ob auch bei bäuerlichen Pächtern, ist ungewiß. Manches spricht dafür, daß die Vitallei- 296 GUB 4, S. 389. 297 GUB 2/ 563, 572, 592. 298 GUB 4, S. 390, 2/ 111/ 1265, 3/ 63-65/ 1304. 299 1320 (GUB 3/ 522) erwirbt Neuwerk von K.von dem Dike in Langelsheim eine Hufe samt Hof und Waldanteil omnium ad eundem mansum antiquo vel etiam novo iure pertinentium. Ist mit dieser Formulierung die Befugnis zur Änderung des Rentenstatus im Sinne neuen Rechts gemeint? 300 Von Interesse ist noch eine Einzelheit, die die Besetzung der areae betrifft. 1302 (GUB 3/ 23) erwirbt Neuwerk 6 M sowie die Ettervogtei in Gr. Mahner, dazu kommen 8 areae nobis in eadem villa vacantes cum omni iure. Ist diese Vakanz ein Zufall, oder hat sich die Abtei ausbedungen, diese Kothöfe selbst zu besetzen? Die Frage ist nicht zu entscheiden, weil man über die Leiheverhältnisse bei den areae buchstäblich nichts weiß, eine schmerzliche Lücke für die sozialgeschichtliche Analyse. 301 Vgl. die in Anm.284 genannten Urkunden. 133 he bis weit ins 15. Jahrhundert hinein die Regel bleibt 302 . Zur Pfändung oder zum Bruch des Vertrags mit Entsetzung des Pächters führt aber die Zinsversäumung. Besonders die locationes bis 1330 bzw. 1350 enthalten regelmäßig diese Bedingung. Man hat den Eindruck, daß hierauf vielfach besonderer Wert gelegt wurde, verständlich, wenn man sich den schon oben angedeuteten ‚Graben‘ zwischen debet und receptus sowie das Ausmaß und die Tendenz des neglectum in der Grundherrschaft von St. Blasius vergegenwärtigt 303 . Mindestens ebenso wie um die mittelfristige Disposition über die Zinsform und -höhe ging es also um die Einlösung des jährlichen Zinssolls! Zu dieser Härte paßt, daß Remissionsklauseln, die ghemeyne plaghe des landes betreffend, alse is musheringe, hertreckinghe unde haghel 304 , ausgesprochen selten und nur für Verträge mit Pächtern höheren Standes überliefert sind 305 . Obwohl nach Inhalt und Form seit Beginn des 14. Jahrhunderts ausgebildet, scheinen sie sich erst im 15. Jahrhundert allgemein auszubreiten 306 . Erstaunlich, wie selten über Afterpacht gehandelt wird 307 . Hatten die Pächter hier freie Hand? Dies wäre eine wichtige Tatsache zur Ergänzung unseres Wissens über die Leiheverhältnisse. Überraschend auch, daß so selten das Verbot ergeht, die gepachteten Güter zu teilen 308 . Vielleicht verstand sich das von selbst. Bei Litonenhufen - davon wird noch zu sprechen sein - war dies anders 309 . Unde wanne got wel, dat de laste under os dren stervet, so schal dat vorebenomede got, hôve, hove unde wat darto horet, den herren ledich unde loz sin mid aller nut 302 GUB 5/ 243/ 1373 (Pacht mit einem Braunschweiger Kanoniker über das domstiftische officium - früher villicatio - auf 3 Jahre), UBStött 168/ 1401 (Pacht mit dem Hildesheimer Marschall von Schwicheldt über 1 Hof/ 3 Hufen auf 9 Jahre); die Belege bei D. Illemann, a.a.O., S. 28ff. setzen erst mit dem 15. Jahrhundert ein. Auch W. Wittich, Grundherrschaft, S. 330ff. bietet keine früheren Belege für unseren Untersuchungsraum. Nach H. A. Lüntzel, Lasten, S. 125f. herrschen später im Goslarschen die ‚Verleiberungsgüter‘ vor, d. h. die Vitalleihe mit starker Tendenz zur Vererbung. Auch E. Döll, St. Blasius, S. 261 plädiert für Vitalvermeierung bis ins 15. Jahrhundert. 303 H. Hoffmann, a. a.0., S. 215ff.; vgl. auch Tabelle 18 zu 1338, 1347ff. (N, RN). 304 GUB 4/ 270/ 1345, locatio J. von Rössings mit dem Domstift über Güterkomplexe in +Ebbingerode / +Kentingerode (Wüstungen entweder bei Alt-Wallmoden oder zwischen Immenrode und Hahndorf ). 305 GUB 2/ 118-9/ 1266, 186/ 1273, 221/ 1275, 342-3/ 1286, 409-10/ 1290, 578/ 1299; 3/ 645/ 1323. 306 D. Illemann, Besitzrechte, S. 40f. bringt einige Belege aus dem 14. Jahrhundert, aber er gibt den Stand des Pächters nicht an. Über die Ausbreitung und rechtsgeschichtliche Deutung der Remission vgl. den schönen Aufsatz von K. S. Bader, frost-hagel-mißgewächse. Zur Leistungsbefreiung und Zinsremission aus rechtssprachgeschichtlicher Sicht, in: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, FS f. A. Erler, Aalen 1976. S. 219ff. 307 GUB 3/ 645/ 1323: betr. 13 M in Gr. Wehre, die das Domstift den von der Gowische verpachtet. Dieser Komplex ist in den Registern von 1181, 1285/ 96 und 1304 belegt, in letzteren zur locatio anstehend bzw. zu 14 ch verpachtet (Tabelle 3, Z.44ff.); GUB 3/ 663/ 1323: si ipsa bona alicui colono nomine villicationis locata fuerint. 308 S. o. Anm.305, sowie 3/ 395/ 1316 (betr. Güter in Döhrenhausen, die das Domstift einem Goslarer Bürger verpachtet). Vgl. D. Illemann, a.a.O., S. 32. 309 Hierzu Abschnitt B III 2 und 4 (Ehe und Vererbung). Zwei Belege mit wohl bäuerlichem Bezug, die - typisch - auch die heredes der Pächter einbeziehen: UBHHi 2/ 904/ 1252; 3/ 1198/ 1298. 134 unde beteringhe sunder des ploges del, ef et bemeyghert is, ane unser erven eder yenighes mannes hinder unde ansprake - diese Schlußbestimmung in der Dispositio einer locatio von 1366 310 zeigt, welche Bedingungen bei der Übergabe verpachteten Gutes erfüllt werden müssen: 1. die Erben des Pächters haben sich der Ansprake zu enthalten; 2. das Gut geht mit aller ‚Besserung‘ an den Eigentümer; 3. der Bebauer - mag er der Pächter selber sein oder dessen ‚Meier‘ - erhält den ‚Pflugteil‘ zurück. D. h.: Das Leiheverhältnis ist unwiderruflich beendet. Der Wertzuwachs, den die Liegenschaften während der Leihezeit erfuhren - einmal wird spezifiziert: mit aller beteringhe an buwe uppe dem hove 311 -, bleibt beim Gut, der Pächter wird für dieses Resultat langfristigen Einsatzes von cost unde arbeyde 312 nicht entschädigt. Wohl aber hat der Pächter/ Bauer oder dessen Erbe Anspruch auf die pars aratri: wat we dar van wintersat uppe hebben, dat schal me uns volghen laten ane hinder 313 . Falls der Eigentümer Saatgut bei Beginn der Pacht gestellt hat, ist dieser Anteil nun zurückzugeben 314 . Die Zusammenstellung der wichtigsten Elemente der Zeitleihe - Vitalfrist, Abstiftung bei Zinssäumnis, seltene Remission, Besserung an den Eigentümer, Pflugteil dem Pächter - geht nur bedingt mit dem überein, was gemeinhin als ‚Meierrecht‘ gilt, selbst wenn man die Zinsform und die Herkunftsfrage einmal außer Acht läßt 315 . Für unseren Zweck hat die Untersuchung der Zeitleihe deren enge Beziehung zur Zinsform der fixierten und quotierten Kornrente erbracht - hierzu halfen besonders die Quellen des Goslarer Domstiftes und die von St. Blasius. Ebenso konnte die Geltung dieser Leiheform auch für die dritteilbaupflichtigen Meierhöfe im Neuwerker Eigentum wahrscheinlich gemacht werden. Die Ergebnisse zur Leiheform selber nötigen - zusammen mit der nun klargestellten Verbindung: Mehrhufenbetrieb-Kornzins-Zeitleihe -, die Frage nach dem sozialen Sinn dieser Zuordnungen zu verfolgen. Da die Konzentration dieser Betriebe in bürgerlicher Hand offensichtlich ist, andere stadtsässige Grundherrschaften aber auch nicht auf sie verzichten, muß 310 GUB 5/ 6: betr. den Ritter B.von Linde und seine Frau, die 4 Hufen in Wartjenstedt vom Stift Georgenberg auf Lebenszeit gekauft haben. Daher auch die Vermeierung als Möglichkeit der Nutzung! Vgl. auch GUB 3/ 663/ 1323. 311 GUB 4/ 270/ 1345. 312 So etwa GUB 4/ 778/ 1363; 4/ 270/ 1345. 313 Bestimmungen zu ploghesdel/ pars aratri: UBStött 77/ 1315; GUB 3/ 489/ 1319 (betr. Ohlendorf bei Einbeck, domstiftisches Eigen): excepto mercede aratri, quod vulgariter ploghesdel dicitur, quod cultores agrorum predictorum tunc temporis secundum loci et terre consuetudinem retinebunt; 3/ 663/ 1323, 701/ 1325, 822/ 1329, 4/ 132/ 1341, 318/ 1347, 5/ 6/ 1366, 178/ 1370. Die Ausführungen W. Wittichs (Grundherrschaft, S. 339f.) passen nicht ganz zum hier Ermittelten. 314 GUB 4/ 132/ 1341, 270/ 1345. 315 Alle Standardwerke sind noch weitgehend von W. Wittich abhängig. Sowohl dessen Darstellung (a.a.O., S. 330-55) als auch die ‚regionalen‘ von D. Illemann, a.a.O., S. 25ff. und E. Döll, St. Blasius, S. 261 ziehen die Quellenbelege zu großer Zeiträume zum ‚System‘ zusammen. Ich vermute, daß man zwischen dem hochmittelalterlichen Beginn der Zeitleihe und der frühneuzeitlichen Form des ‚Meierrechts‘ mehrere Entwicklungsphasen unterscheiden muß. Deshalb wäre eine breite Untersuchung dieses Themas dringend nötig. 135 man m. E. den Grund in Verwertungszielen stadtbürgerlichen Charakters suchen. Neben der Selbstversorgung kommt also der Verkauf an die Verbraucher oder die verarbeitenden Gewerbe (Bäcker, Brauerei) innerhalb der ‚eigenen‘ Mauern, die Belieferung der Händler oder selbsttätiger Handel infrage. Vom direkten Verkauf der Teilbauerträge zeugen Einträge des Vizedominus von St. Blasius in den Ausgabenteilen der Rechnungen 316 , von verkaufsorientierter Vorratshaltung innerhalb der Städte Kornhäuser 317 . Der exportorientierte Kornhandel ist nur ganz punktuell greifbar. Er geht in verschiedene Richtungen und beweist Kenntnis von erntebedingten Preisvorteilen 318 . Doch warum überließ man den Bauern den Verkauf des Getreides nicht selber? Ist beweisbar, daß die Mühe des Verkaufs wirklich lohnte? Einerseits spricht für die Vorteilhaftigkeit, daß bei der placitatio über Geldanstelle von Kornzins mit Bauern des St. Blasius-Stifts die ausgehandelte Geldsumme unter dem Marktpreis des Getreides lag 319 . Noch mehr erbringt aber der Vergleich der Geldzinstypen mit dem in Marktpreise umgerechneten durchschnittlichen Getreidezins. Legt man nur die niedrigsten Roggenpreise, die aus Goslar im 14. Jahrhundert bekannt sind, zugrunde (7 s 6 d/ sch) 320 , dann ergibt sich für die den durchschnittlichen Kornzins von ca. 3 sch entrichtende Hufe der Geldwert von 22 s 6 d. Diese Summe liegt über dem Ausgangswert des höchsten der drei Geldzinstypen, die die Untersuchung dieser Zinsform erbracht hatte (1. 1-9 s, 2. 10-16 s, 3. 20 s ff.). Würde man den für 1335 und 1350 belegten städtischen Roggenpreis von 12 s 6 d/ sch zugrundelegen, dann betrüge der Verkaufserlös des durchschnittlichen Kornzinses einer Hufe in diesen Jahren sogar 37 s 6 d! Auch die Umrechnung auf die - wesentlich dichter überlieferten und deshalb zuverlässigeren - Getreidepreise aus den Quellen von St. Blasius würde Geldwerte nie unter 12 s bzw. 15 s ergeben, im Durchschnitt aber auch um 20 s/ sch/ H 321 . Das niedrigste Geldniveau der Kornzinse träfe also nicht mit dem der Geldzinse zusammen, das durchschnittliche überstiege das der Geldzinse beträchtlich. Aus diesen Erwägungen resultiert, daß die Kornzinshufe deutlich stärker belastet ist oder, anders gesagt, eine höhere Verrentungsquote aufweist. Wie ist dies - von bäuerlicher Seite aus - möglich, oder: warum - von herrschaftlicher Seite aus - zu verantworten, ohne daß es zu einer Verelendung der Pflichtigen kommt? Die Antwort ist nur evident, sie ist nicht empirisch beweisbar: Die hohe Belastbarkeit muß in der Betriebsform gründen. An mehreren Stellen dieser Abhandlung konnte wenigstens angedeutet werden, daß die Mehrhufenbetriebe nach dinglicher Ausstattung und Versorgung 316 GK, S. 49, Z.41 (1347); 54, 39f. (1348); 64, 25f. (1356/ 7). 317 GUB 3/ 213/ 1309, 358/ 1315, 988/ 1334; 4/ 107/ 1340; 5/ 92/ 1367; vgl. dazu A. Schmidt, Gewerbe, S. 46f. 318 GUB 4/ 715/ (1350-1370); 5/ 259/ (1373? ), 612/ (1385), 1253/ (1400); vgl. dazu F. Bitter, Handel, S. 117 (Getreide), 102 (Bier). 319 H. Hoffmann, a.a.O., S. 205. 320 Vgl. Tabelle 42 und Anhang ‚Getreidepreise in Goslar während des 14. Jahrhunderts‘. 321 H. Hoffmann, a.a.O., S. 202ff. (als Jahresdurchschnitte eingearbeitet in Tabelle 42). 136 mit Arbeit eine lokal privilegierte Stellung innehaben. Werden diese günstigen Voraussetzungen entsprechend genutzt 322 , dann wird das Resultat nicht nur ein - durch die Landmenge ohnehin bedingtes - höheres Ertragsvolumen sein, sondern auch ein gehobenes Ertragsniveau. Eine weitere Vermutung: der von den Meierbetrieben genutzte lokale Arbeitsüberschuß wird nicht auf dem gleichen Konsumtionsniveau, auf das die ständigen Haushaltsmitglieder Anspruch hatten, entlohnt worden sein. Auch den ‚Spareffekt‘ nur saisonaler Inanspruchnahme der außerbetrieblichen Arbeit sollte man berücksichtigen. Also: sowohl die bevorzugten Bedingungen der Produktion wie die der Konsumtion erlauben das höhere Abschöpfungsniveau bei den Mehrhufenbetrieben, das sich - im Vergleich mit den geldzinspflichtigen 1-2-Hufenbetrieben - oben abzeichnete. Wir können also festhalten: Die Form und das deutlich höhere Wertniveau der Belastung der Mehrhufenbetriebe, ermöglicht durch deren nach Art und Umfang größere Wirtschaftskraft, ist geprägt vom Vermarktungsinteresse der Eigentümer. Die Leiheform, besonders aber die harten Regelungen bei Zinssäumnis, stimmen zu solcher Ausrichtung. Man wollte die Rente regelmäßig und in bedungener Höhe für den Verkauf zur Verfügung haben, also damit ‚rechnen‘ können. Wie aber ist das Nebeneinander von fixiertem und quotiertem Zins zu verstehen? Da ermittelt werden konnte, daß die fixierte Kornrente dem Durchschnittswert des Dritteilbaus in etwa entspricht, kann es nicht das Niveau sein, das zur Entscheidung für eine der beiden Varianten führt. Die Lösung der Frage ist m. E. nur möglich, wenn man auf Grunderkenntnisse der Forschung über vorindustrielle Agrarkonjunkturen rekurriert. Hier geht es allerdings nicht um die langfristigen Wechsellagen, sondern um das jährliche Auf und Ab von Kornernte und Kornpreis, deren gegenläufige Bewegung darin gründet, daß die Nachfrage nach Getreide, dem Grundnahrungsmittel, unelastisch ist 323 . Der ‚Mechanismus‘, nach dem bei guter Ernte die Preise sinken, bei schlechter aber steigen, hat für alle in ihn Eingespannten eigentümliche Folgen. Hier geht es nur darum, die Beziehung der beiden Zinsformen zur ‚kurzfristigen‘ Konjunktur zu bestimmen. Glücklicherweise ist das mit Hilfe eines konkreten Beispiels möglich. Aus den St. Blasius-Rechnungen ist für den 5-Hufen-Betrieb in Lengede, ca. 8 km nö. von Watenstedt, wo Neuwerk einen teilbaupflichtigen 4,5-Hufen-Betrieb hat, eine Folge von vier Dritteilbau-Jahreserträgen überliefert 324 . Es sind 1347: 9,5 ch, 1357: 19 ch, 1375: 27,5 ch und 1381: 21 ch 325 . Betrachtet man den Ertrag von 322 Hierzu gehört sicher auch die von H. Achilles, Entstehung, S. 151 angeführte Intensivierung und Ausdehnung der Arbeit auf den Meierhöfen. 323 Zum folgenden W. Abel, Strukturen, S. 63ff. und W. Kula, Théorie économique du systeme féodal, S. 43ff. 324 GK, S. 49, Z.12f.; 69, 25; 90, 23f.; 85, 11; zur Besitzgeschichte: S. 416. Das Stift erwarb 1311 ein Vorwerk mit 5 Hufen und einer area, dazu den Zehnt. Eine für Neuwerk typische Einheit also! Zusammenstellung der Ertragsdaten in Tabelle 20. Die Benutzung dieser Angaben hat nur den Zweck, einen systematischen Zusammenhang exemplarisch zu verdeutlichen. Die ‚Realitätsgeltung‘ für den Betrieb in Lengede dieser Jahre steht auf einem anderen Blatt. 325 Für die Erträge von 1347 und 1381 hat der villicus von Lengede Geld entrichtet. 137 1357 als durchschnittlich - dies ist das rechnerische Resultat -, legt man für dieses Jahr ein Aussaat/ Ernte-Verhältnis von 1: 4, also die Aussaatmenge von 14,25 ch, zugrunde und betrachtet man den Dritteilertrag dieses Jahres als Fixzins, dann lassen sich die verschiedenen Wirkungen beider Zinsformen systematisch aufzeigen Die Wirkung von quotiertem und fixiertem Kornzins bei wechselndem Jahresertrag auf den Betrieb und die Rente Jahr 1347 1357 1375 1381 ch % ch % ch % ch % Brutto 28,5 100 57 100 82,5 100 63 100 Aussaat 14,25 50 14,25 25 14,25 17,3 14,25 26 Zehnt 2,85 10 5,7 10 8,25 10 6,3 10 Dritteilbau 9,5 33,3 19 33,3 27,5 33,3 21 33,3 Rest* 1,9 6,7 18,05 31,7 32,5 39,4 21,45 34,1 Fixzins 19 66,7 19 33,3 19 23 19 22,6 Rest* -7,6 -26,7 18,05 31,7 41 49,7 23,45 37,2 * Konsum/ Verkauf In Stabdiagramme übertragen wird die Entwicklungsdifferenz beider Zinsformen mit wechselndem Gesamtertrag vielleicht etwas anschaulicher: Ertragsentwicklung (Teilbau) in Lengede 1347-1381 umgerechnet auf Fixzins (Durchschnittsjahr : 1357) Wie also verändert sich - bei gleichbleibender Aussaatmenge und gleichwertiger Proportionalität des Zehnten - die Einkommenslage für den Herren und den Bauern im Auf und Ab der Ernten? 326 Bei fixiertem Zins verursacht die zuneh- 326 Zum folgenden ist der ergänzende Blick auf Tabelle 42 nötig. ch 70 80 0 10 20 30 40 50 60 1347 1357 1375 1381 Muster Konsum/ Verkauf Kornzins Zehnt Aussaat Dritteilzins Festzins mit mit 138 mend schlechte Ernte (1347 327 ) im bäuerlichen Haushalt einen Versorgungsengpaß, der ohne Rücklagen aus guten Jahren bäuerlicherseits sowie Zinsremission seitens des Herrn leicht zum Zwange führt, vom Saatgut zu konsumieren, was das Niveau des zukünftigen Jahresertrags senkt. Oder es bleibt nur das neglectum, die erste Etappe auf dem Weg in die Verschuldung, wenn der Herr keine Gnade walten läßt, sondern nur stundet. Auch dies belastet das nächste Jahr. Im Falle der reichlichen Ernte hat der Fixzinsbauer wegen des relativ gesunkenen Rentenanteils Korn ‚im Überfluß‘, kann es aber nur zu relativ niedrigem Preis verkaufen. Zugespitzt gesagt: er hat nichts zu verkaufen, wenn es lohnend wäre, und viel, wenn wenig Gewinn winkt. Der fixierte Zins gefährdet den Bauern in schlechten Zeiten extrem und begünstigt ihn in guten wenig. Der Herr kann nur mit der Erwartung relativ gleicher Mengen auf die jährliche Konjunktur reagieren. Im Falle der Not steht er vor der Frage, ob er den Rentenanspruch durchsetzen soll, ob das Recht auf Rente der Gewalt der wirtschaftlichen Not zu weichen hat. Anders beim Teilbauzins. Hier schlagen die Extreme der Ernteschwankung weder auf die bäuerliche Subsistenz noch den Tausch so hart durch. Im schlechten Jahr ist die Gefährdung - bei niedrigem Zins - ungleich niedriger, eventuell ergibt sich eine Verkaufschance wenn auch kleiner Mengen zu hohem Preis. Der Herr hat im guten Jahr einen gestiegenen Anteil zur Disposition, im schlechten einen kleinen sicher, ohne daß Recht gegen Gnade stünde. Man könnte in dieser - der Ernte- und Preiskonjunktur angepaßten - Parallelität, die der Teilbau impliziert, eine Verkaufs-, d. h. marktorientierte Interessensallianz sehen, in der Vorteil und Risiko gleich verteilt sind. Nur: die Art, wie die Preise auf die Schwankungen der Erträge reagieren, begründet Zweifel an der Gleichmäßigkeit dieser Verteilung. Im Falle des größeren Ernteeinbruchs nämlich kommt es zu einer hochgradig disproportionalen Preissteigerung, die denjenigen, der mehr verkaufen kann - und das ist der Rentenempfänger -, enorm bevorteilt. Nicht nur, daß seine Vermarktungsmöglichkeiten nicht so schnell und drängend vom Konsumzwang beschnitten werden wie beim Bauern 328 . Hinzu kommt der Standvorteil für den Verkauf. Hinzu kommt nicht zuletzt die Multiplikation des 327 Die Zuspitzung erreicht hier natürlich etwas Unwirkliches, indem Aussaat und Rentenpflicht den Bruttoertrag deutlich übersteigen. Aber hier geht es ja um den Trend. 328 Legt man die in Tabelle 42 nachgewiesenen Getreidepreise zugrunde, dann käme im Falle einer durchschnittlichen Ernte - bei einem Roggenpreis von ca. 7 s/ ch - : der 10 ch verkaufende Bauer auf 70 s / der 30 ch verkaufende Herr auf 210 s; im Falle der gravierenden Mißernte - mit einem Roggenpreis von 30 s/ ch (für 1323 und 1370 belegt) - käme der 2ch verkaufende Dauer auf 60 s / der 22 ch verkaufende Herr auf 660 s. Die Schrumpfung um den gleichen Anteil führt beim einen zur knappen Erhaltung des Verkaufserlöses im durchschnittlichen Jahr, beim anderen zur Steigerung um über 200 %. Diese Rechnung kann nur darauf hinweisen, daß es um die Frage geht, wie unterschiedlich mit steigender Verknappung die Vermarktungsquote verfällt. Beim Bauernbetrieb muß dieser Verfall rapider sein, weil der Zwang zur Verwendung im Konsum viel früher ‚einsetzt‘. Der ‚Konsum‘ ist der ebenso dunkle wie zentrale Punkt in allen Erörterungen dieser Art. 139 Vorteils, der gegenüber dem einzelnen Bauern besteht, durch die Addierung der - wenn auch gesunkenen - Renten aller zugehörigen Betriebe. Das Bedenken des so belanglos scheinenden Unterschieds zwischen fixiertem und quotiertem Kornzins mit gleichem Durchschnittsniveau führt tief in die Abgrenzungsproblematik zwei verschiedener Aneignungsweisen hinein: zum einen die ‚traditionale‘, die eher das Auf und Ab sowohl der Ernten wie der Preise als gegeben hinnimmt und dort, wo die Ökonomie dem Recht zuwiderläuft, in die Gnade münden muß. Die andere paßt sich aktiv dem der Erntefatalität folgenden sozialökonomischen Mechanismus der Preisbewegung an und beteiligt zudem den Bauern, ohne sich ihm gleichzustellen. Es scheint mir kein Zufall zu sein, daß der fixierte Kornzins viel weiter in den Grundherrschaften der großen alten Domstifte (Hildesheim, Goslar und Braunschweig) verbreitet ist, der quotierte dagegen bei Bürgerfamilien oder bürgerlich dominierten Institutionen wie besonders dem Kloster Neuwerk. Und den quotiert veranlagten Bauernbetrieben wird man eine deutlich kontinuierlichere und konjunkturbewußtere Marktbeziehung zusprechen müssen als denen, die eher nur danach trachten, die erforderlichen - im Wert geringeren - Geldzinsquanta zu erstehen, oder die trotz häufiger Überschüsse das Preisgebaren des Getreidemarktes nicht angemessen nutzen können. Vielleicht könnte man diese verschiedene Tendenz bäuerlicher Marktbeziehung als - eher passive - Marktverknüpftheit und als - eher aktive - Marktorientierung bezeichnen. Über die Analyse von Rentenform und -quote der Betriebstypen wäre damit auch wenigstens die Hypothese von je typischen Marktbeziehungen bzw. -mentalitäten gewonnen. Damit würden die teilbaupflichtigen Großbauern Neuwerks als die marktorientiert wirtschaftenden ein Profil gewinnen, das nur wenige Nachbarn mit ihnen teilen. Deren Mehrheit bliebe den ‚Gesetzen‘ der kurzfristigen Erntekonjunktur weitgehend passiv ausgeliefert: der Gefährdung oder Benachteiligung durch die starren Renten einerseits, die fluktuierenden Preise andererseits. Diese Zuordnungen - das sei noch einmal betont - haben stark hypothetischen Charakter. Aber anders als auf diesem Wege und dem damit verbundenen Abstraktionsgrad kann man sich - bei der gegebenen Quellenlage - dem Problem der ‚Marktverbindung‘ der Bauern dieser Zeit nicht stellen. 4 Zur lokalen Verteilung der Zinse Die folgenden Bemerkungen können nicht viel mehr als Ergänzungen zum bereits gewonnenen Gesamteindruck von den Rentenverhältnissen bieten. Da die räumliche Verteilung der Zinstypen als neutral erschien, kann man mit der Koexistenz der Formen im lokal-dörflichen Rahmen rechnen. Die enge Beziehung von Zinstyp und Betriebstyp, die sich weiter herausstellte, erlaubt es, von der Verteilung der Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe auf die der Rentenverhältnisse zu schließen. Dies aber nur in Bezug auf die Hof- und Hufenzinse, die 140 in Grundherrschaft und -Eigen gründen. Die Radizierung von Zehnt, Vogtei und kirchlicher wie landesherrlicher (Bereichs-)Bede vorwiegend aufs Dorf, die der leibherrlichen Abgaben auf den Teil der betroffenen Dörfler überlagert und teilt gewissermaßen zusätzlich die Bauernschaft: vom ‚Betriebszins‘ her zwar typisiert, aber innerhalb dieses Rahmens dann nach Bodengüteanteil, Landmenge und leiherechtlichen Besonderheiten unterschieden, sind meist alle Bauern pauschal von der unregelmäßigen Bede und vom regelmäßigen Zehnt betroffen, viele oft von der Vogteirente - und dann gibt es diejenigen, die Heirats- und Sterbfall entrichten müssen. Das ist eine Mischung von Pflichtigkeiten, deren trennende und einende Wirkung sehr schwer abschätzbar ist. Dazu kommt noch die Vielzahl der Eigentümer all jener Rententitel, und das heißt, eine Vielfalt nicht nur der Arten, sondern eben auch eine Vielzahl der Mengen. Dies kann bedeuten, daß ein höriger Inhaber eines Vierhufenbetriebs den ‚eigenen‘ Todfall und den Heiratsfall seiner Tochter, den Zehnt, die Vogtei, den Grundzins von je zwei Hufen und dem Hof sowie endlich die Beden sieben verschiedenen Berechtigten zu entrichten hat! Der andere dagegen ist vogteifreier Landsasse und zahlt einheitlichen Grundzins dem, der zugleich sein Zehntherr ist; nur die Bede geht an einen zweiten Herrn. Daß solche Extreme in den ostfälischen Dörfern dieser Zeit an der Tagesordnung gewesen sein müssen, kann man den wenigen ortsgeschichtlichen Arbeiten wenigstens indirekt entnehmen. Sie sind meist vorwiegend besitzgeschichtlich ausgerichtet, begreifen die Rente meist nur als ‚Recht‘, mit dessen Aufführung es dann sein Bewenden hat 329 . Aber allein die Besitzgeschichte, die auch betriebsorientiert angelegt ist, kann ja als Indizienkonglomerat für die Rentenstruktur verstanden werden. So kann man der schönen Monographie H. Wiswes über Remlingen entnehmen, daß im 14. Jahrhundert in diesem - großen - Dorf der Herzog von Braunschweig, drei Stifte, zwei Klöster, eine Bruderschaft, ein Hospital, eine Pfarrkirche aus Braunschweig, Hildesheim und Halberstadt rentenberechtigt sind, dazu noch die von Asseburg und zwei Braunschweiger Bürgerfamilien 330 . Im 6 km östlich gelegenen kleinen Allum (Gesamtflur ca. 12 Hufen) sind es dagegen ‚nur‘ der Herzog, die Bischöfe von Hildesheim und Halberstadt, die von Werle und drei Bürgerfamilien aus Braunschweig 331 . Gerade in adliger Hand sind bisweilen aber ‚ganze Dörfer‘ - ob mit allen Rechten, sei dahingestellt 332 . 329 H. Kleinau, Drei Kapitel aus der Geschichte der Stadt Schöppenstedt, ohne systematische Hinweise zur Sache, außer - wie üblich - zum Zehnten (S. 27f.); A. Achilles, Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Fleckens Lutter am Babenberge, S. 130ff. (nur Besitzgeschichte). Viel wäre möglich mit Kleinaus Zusammenstellungen im GOV unter 4. Besitzverhältnisse. 330 H. Wiswe, Chronik des Dorfes Remlingen, S. 76-107. 331 H. Kleinau, Schöppenstedt, S. 23ff. 332 Ich verweise hier nur auf Einzelheiten in den Tabellen über die Lehnsregister: Tabelle 26, Z.21; 27, Z.1, 18, 21; 29, Z.3, 18ff., 79. Dazu Akkumulationen von Besitz- und Rententiteln: Tabelle 25 (betr. Kl. und Gr. Mahner), 26 (Wallmoden), 29 (Dorstadt), 30 (Salder, Freden), 35 (Burgdorf ), 37 (Oberg, hierzu D. Hellfaier, Oberg). 141 Leider gibt es über ein Dorf, in dem Neuwerk ‚typisch‘ begütert ist, keine ortsgeschichtliche Untersuchung, die man dazu benutzen könnte, die örtliche Verteilung der Renten zu konkretisieren 333 . Dort aber, wo die Urbare Besitz mit verschiedenem Rentenstatus erfassen oder wo mehrere zeitnahe Urbare verschiedener Herrschaften Auskunft über Zinse im selben Dorf geben, ist dies wenigstens im Ansatz möglich. In Nettlingen z.B. besitzt das St. Michaels-Kloster 1333 9 Hufen zu niedrigem, 9 Hufen zu hohem Kornzins, dazu eine - typisch verrentete - curia mit 4 dritteilpflichtigen, aber zehntfreien Hufen 334 . Nachbarn Neuwerker Bauern mit gleichem und anderem Zins sind gut sichtbar in Lobmachtersen: neben den wohl 2 dritteilpflichtigen Vierhufenbetrieben und zwei landlosen, mohnzinsenden Köthöfen Neuwerks sind - zwischen 1355 und 1362 - drei Hufen von St. Blasius bezeugt, eine von ihnen zu 6 s verrentet, die anderen beiden zu fixiertem Kornzins von 8 ch, von denen aber nur 4 entrichtet werden (1357/ 58) 335 ; und 1382 hat der Hildesheimer Dompropst dort ein dreihufiges Allod, wahrscheinlich dritteilpflichtig, und 14 Hufen an Mischzins und 2 (Litonen-)Hufen zu je 10 s 336 . Ähnliche Zusammenstellungen ließen sich noch machen für Gr. Flöthe, Watenstedt, Ohlendorf, Flachstöckheim, +Gronstedt. Zöge man weiteres nicht-urbariales Material hinzu, dann wären die Neuwerker Nachbarn mit gleichen und differenten Zinsen an andere Herrschaften schnell zu ermitteln. Besonders in Gr. Elbe, Langelsheim, Jerstedt und Dörnten würden sich die Berechtigten häufen. Allein in Söderhof, Kl. Sehlde und Kl. Elbe könnte die Suche nach Bauern anderer Herrschaften vergeblich bleiben - doch dies müßte die Ortsgeschichte zeigen. Noch ein Blick auf Dörnten. Neben Neuwerk sind für das 14. Jahrhundert mindestens 6 weitere Berechtigte nachweisbar. Zusammen ergibt dies: den halben Zehnten, die Vogtei über 40 Hufen und 50,5 Hufen, davon 20 zu Teilbau, 17 zu fixiertem Kornzins, 1 zu Mischzins, 1,5 zu Geldzins im mc-Währung. Von den 11 restlichen Hufen fehlt die Zinsform 337 . Trotz dieser Lücke - es ist doch auffällig, wie viele der Hufen kornzinsverrentet sind. Sollte dies mit der Lage Dörntens nur ca. 7 km vor den Mauern Goslars zusammenhängen? Es wäre wohl eine lohnende Aufgabe, die Rentenverhältnisse im näheren Umkreis der ostfälischen Städte mit denen auf dem ‚platten Land‘ zu vergleichen. Ich würde erwarten, daß die Kornzinse, besonders die quotierten, und die Geldzinse mit mc-Währung bei den stadtnahen, die Münz-Geld- und Mischzinse bei den stadtfernen Hufen an 333 Die sonst so nützlichen Angaben bei F. Zobel, Heimatbuch, reichen hierzu nicht aus. 334 Tabelle 8, Z.17, 33, 48. Vgl. auch Tabelle 3 zu Hedeber, Jerstedt, Langelsheim, Lewe, Schlanstedt (1309). Auch am Urbar von St. Blasius von 1320 ließe sich dies gut aufzeigen, würde man die Angaben beider (Korn- und Geldzins-)Teile miteinander kombinieren (gute Ausgangspunkte: Hühnerbruch, Sickte, Ampleben, besonders aber Ahlum und Schöppenstedt! ). 335 GK, S. 57, Z.34, 62, 63; 69, 27; 72, 10; 74, 8; 76, 27; 77, 33; 81, 35. Dazu H. Hoffmann, a.a.O., S. 260 (1320: 2 M zu 8 ch); zur Erwerbsgeschichte GK, S. 417. 336 Tabelle 10, Z.3ff. 337 Zusammengestellt nach Tabelle 1, Z.16; 2, Z.2, 9, 10, 11 (Lehnsherren dieser Hufen von Dörntens sind: Bf. von Hildesheim, Gf. von Wöltingerode, von Burgdorf, von Goddenstedt); 21, Z.22; 33, Z.9; 35, Z.7; 38, Z.33. 142 erster Stelle rangieren; und ich würde erwarten, daß die Vogtei hier dichter, dort aber dünner belegt ist. Die innerdörfliche Verteilung der Rentenformen wäre mitbestimmt vom Bezug zur Stadt 338 . Damit müßte der zunächst gewonnene Eindruck von der räumlichen Neutralität der Renten formen modifiziert werden - dies im Einzelnen zu beweisen bleibt eine zukünftige Aufgabe. 338 Sehr anregend für diesen Zusammenhang: E. Engel, Zu einigen Aspekten spätmittelalterlicher Stadt-Land-Beziehungen vornehmlich im Bereich von Hansestädten, in: JbGF 4, 1980, S. 151ff., bes. 165, 170; sowie R. Kiessling, Stadt-Land-Beziehungen im Spätmittelalter. Überlegungen zur Problemstellung und Methode anhand neuerer Arbeiten vorwiegend zu süddeutschen Beispielen, in: ZbLg 40, 1977, S. 845f., 855ff. 143 III De lude: Formen der Verbundenheit War es im ersten Abschnitt die Aufgabe zu ermitteln, in welchen Beziehungen die dinglichen Elemente bäuerlichen Auskommens zueinander stehen, so ging es im zweiten um die Klärung der Bezüge zur ‚äußeren Welt‘ von Herrschaften und Märkten anhand der Mehrarbeit. Nun ist zu deuten, was die Quellen über die Verbindlichkeiten zwischen den (agri-)cultores, buren, villani oder undersaten 1 selber hergeben. Dies ist so wenig, daß man mit Kernbegriffen zur Analyse von alltäglichen Sozialformen - etwa ‚Haushalt‘ und ‚Familie‘ - nicht explizit arbeiten kann. Das bedeutet zugleich den Verzicht auf sozialwissenschaftliche Methoden, die jeder ‚historischen Familienforschung‘ vertraut sind 2 . Untersuchungen dieses Standards sind erst mit Quellen möglich, die die frühe Neuzeit bietet. Man kann sich an deren Ergebnissen wohl orientieren, aber weder sie noch die in ihnen angewandten Methoden übertragen 3 . Da man auf Vorarbeiten auf diesem Felde ansonsten verzichten muß, kommt alles auf die Deutung der kargen Quellen an: einige Personallisten über eghene lude, Urbare, die die Zinspflichtigkeit an Personennamen gekettet haben, einige Urkunden, die Erbstreitereien bzw. innerdörfliche Konflikte regeln oder über Entwicklungen berichten, sowie die unersetzbaren St. Blasius-Rechnungen. Ohne Rückgriff auf normative Quellen wie Eikes Land- und das Goslarer Stadtrecht ist hier nicht auszukommen. Ergänzend endlich werden die Sinnfelder einiger Wörter beachtet. Zunächst sind die Grundlagen sozialer Verbundenheit zu ermitteln; dann wird der Eheschluß als Ausgangspunkt für eine - leider recht allgemeine - Skizze wichtiger Rahmungen und Ziele des bäuerlichen Hofalltags genommen. Die St. Blasius-Rechnungen erlauben exemplarische Veranschaulichungen zum Zins- und Erbverhalten durch die Jahre. Abschließend können nur noch wenige Hinweise zur dörflichen Integration folgen. 1 Daneben begegnen noch die Bezeichnungen coloni, rustici, homines, cives sowie tobehoringe. Zum civis vgl. K. Schwarz, Bäuerliche cives in Brandenburg und benachbarten Territorien. Zur Terminologie verfassungs- und siedlungsgeschichtlicher Quellen Nord- und Mitteldeutschlands, in: BlldtLg 99, 1963, S. 103ff., bes. 110-7 (z. Region). 2 Ich verweise hier nur auf M. Mitterauer/ R. Sieder (hg.), Historische Familienforschung, Frankfurt 1982; sowie P. Laslett/ R. Wall (hg.), Household and Family in Past Time, Cambridge 1974 und J. Goody/ J. Thirsk/ E.P. Thompson (hg.), Family and Inheritance. Rural Society in Western Europe, 1200-1800, Cambridge. 3 Dies gilt insbesondere für den höchst anregenden Aufsatz von L.K. Berkner, Inheritance, land tenure and peasant family structure: a German regional comparison, in: Family and Inheritance, S. 71-95. B. untersucht die Beziehungen von Kern- und Stammfamilie zum bäuerlichen Haushaltszyklus vergleichend für die südniedersächsischen Gebiete Calenberg (Anerbenrecht) und Göttingen (Realteilung). Grundlage ist die Kopfsteuerbeschreibung von 1689. 144 Bei all dem, dies sei vorausgeschickt, wird nur sehr wenig von den Neuwerker Bauern berichtet werden können; es ist eher ein Abschnitt über deren Nachbarn, oder man entbehrt überhaupt jeden Namens- und Ortsbezuges. 1 Grundlagen Zu untersuchen ist zuerst die Form, in der namentlich erfasste Landleute von den sie Inventarisierenden wahrgenommen werden. Man darf diese Perspektive nicht unbedenklich mit der Art gleichsetzen, wie jene sich selber ‚inventarisieren‘ würden. Herrschaftliche Wahrnehmungsweise zu analysieren bedeutet, daß man vor allem Auskünfte erwarten kann, die im Zusammenhang mit Pflege und Appropriation stehen. Es geht um die Frage: wer ist pflichtig, oder: wer ist hörig? Die Frage kommt von ‚oben‘ und von ‚außen‘. Was innerhalb der bäuerlichen Lebensgemeinschaften stattfindet, wird nur insoweit ‚gesehen‘, wie es mit diesen Fragen zu tun hat. Es sind drei Listen, die genügend Auskünfte darüber enthalten, wie die personalen Bindungen der Bauern gesehen werden: die Neuwerker progenies-Liste am Ende des Urbars von 1355 4 , eine Aufzählung derjenigen, die geeygent (sin) der manschop vnde herschop van heymborch 5 , und das Urbar von St. Blasius von 1340 6 . Die Neuwerker Liste kann als Ausgangspunkt dienen. Es sind zwar nur 50 Namen, vielfach ohne Nach- oder Ortsbezugsnamen, selten mit Verwandtschaftsgraden und ‚Angehörigen‘ 7 . Aber man kann schon deutlich Prinzipien der Bezeichnungsweise erkennen: 1. Es werden fast nur Männer aufgezählt: - sie tragen fast alle Personennamen; - die Mehrheit von ihnen trägt Nachnamen; - einige haben ‚Familie‘; sie werden cum uxore et pueris geführt; - einige sind Brüder, entweder pauschal so bezeichnet, oder namentlich aufgezählt. 2. Die aufgeführten Frauen sind in der deutlichen Minderzahl: - in der Mehrzahl der Fälle sind sie namenlos erfaßt (uxor oder soror); - sie stehen, ob mit oder ohne Namen, nie ohne Personalbezug: entweder ein Mann bzw. eine Frau hat sie bei sich (cum uxore, cum sorore, soror sua), oder sie sind uxor eines nicht erfaßten, d. h. verstorbenen oder freien Mannes. 3. Die Kinder (pueri) sind nach Zahl, Name und Geschlecht unspezifizierter Anhang (cum… (omnibus) pueris). 4 GUB 4, S. 397f. 5 Sud 2/ 484, S. 260f. 6 GK, S. 45-48. 7 Tabelle 41. 145 Trotz dieser so schmalen Datenbasis: die hier ermittelten Prinzipien sind typisch. Die beiden anderen Inventare bestätigen das und bieten zugleich nötige Ergänzungen. In der Liste der Heimburger Hörigen 8 - nun mittelniederdeutsch - die gleiche Grundstruktur: - auch hier die namens- und geschlechtslosen kinder bzw. kindeken, - auch hier die meist beim namentlich genannten Mann namenlos geführte husfrouwe (z.B.: hans tymmerman mit syner husvrouwen vn kinderen), sei derselbe nun aufgezählter Höriger oder nicht 9 , - endlich die fast immer mit Vor-, selten ohne Zunamen erfaßten Männer. Ergänzen kann man: 1. Wenn Männer als deszendente oder laterale Verwandte von Männern bezeichnet werden, besteht die Tendenz, daß sie ihre Namen verlieren; sie sind ‚nur noch‘ vor- oder nachnamensloser Sohn oder Bruder eines namentlich Genannten 10 . 2. Eine (verwitwete) Frau mit Kindern wird vor den Geschwistern ihres Mannes geführt 11 . Das Urbar von St. Blasius von 1340 hat den höchsten Informationswert, weil es zusätzlich zu seinen über 200 Personenbezeichnungen meist auch noch den Hufenbezug liefert 12 . Ich stelle die Verteilung der Männer- und Frauenbezeichnungen tabellarisch vor: Männer Frauen Hufenbezug: mit ohne zus. Hufenbezug: mit ohne zus. Formen Formen 1. Name + Nn 107 13 120 1. Frauenname 3 - 3 2. Name 40 11 51 2. Mn + Frauenname 1 - 1 3. juvenis 1 - 1 3. Frauenname + Nn 8 1 9 4. Männersöhne 2 3 5 4. Witwe ohne N 2 - 2 5. Brüder 3 2 5 5. Witwe mit Mn 13 - 13 6. Schwestermann 1 - 1 6. Witwe mit -sche 5 - 5 7. mater 1 - 1 8. filia einer Frau 1 - 1 Summe 183 36 % (183+36 = 219 =100%) 84 16 (N = Name, Mn = Männername, Nn = Nachname) Wieder wird deutlich, wie die Männer als Namensträger dominieren. Man kann noch weiter gehen: als Nachnamenseigner kommen allein sie infrage. Wenn 8 Die Liste besteht aus 44 Informationseinheiten. Sie enthält sowohl Ministeriale und Bürger wie Bauern. Da die Inventarisierungsweise durchgehend die gleiche ist, kann man den Sozialbezug hier übergehen. 9 Nur dreimal wird eine namentlich genannte Frau ohne Mannesbezug geführt. Zweimal ist ein Nachname genannt, der der des Mannes sein dürfte; alle drei Frauen haben Kinder. 10 Z.B.: Olrikes sone des meygers mit der husvrowen vnde kinderen; Hinr(ich) van Attenstidde. Albrecht sin broder. 11 So verstehe ich die Passage: Berken husvrouwe vnde kindere. Hartwich Bereken broder vnde suster. 12 Den Zinsbezug lasse ich hier außer acht. 146 Frauen überhaupt Nachnamen tragen, dann die ihrer - verstorbenen - Männer 13 . Immer klarer stellt sich damit heraus, daß die Frau erst dann aus Nachordnung und Anonymität heraustritt, wenn sie Witwe wird. Im Urbar gibt es mehrere Formen dieses ‚Erscheinens‘: als vidua (also noch namenlos), vidua Nicolai (mit dem Vornamen des Mannes), vidua Druden (mit dem Nachnamen des Mannes), vidua Ludolfi Brules (mit dessen Vor- und Nachnamen) und endlich als die Bumensche, die Sneysesche usf. Alle diese Formen des Mannesbezuges lassen sich enger definieren: es ist der Gattenbezug, der die Frau zur Namensträgerin macht. Die Bedeutung der Witwenschaft für die Erscheinungsweise der Frau in den Quellen erhellt auch aus dem Anteil der Witwen an der Summe aller Namensnennungen von Frauen im Urbar: es sind gut 80 %. Und selbst in der Gesamtsumme (Männer und Frauen) nehmen sich die Witwen als Inhaberinnen von Hufen noch als beachtlicher Faktor aus: es sind gut 13 %. Selbständig und ‚namhaft‘ in sozial relevantem Ausmaß wird die Frau also durch den Tod des Gatten. In der Form der Namhaftigkeit aber kommt dessen ‚Nachleben‘ zum Ausdruck, die Stellvertretungsrolle der Witwe. Noch zugespitzter läßt sich die Bezeichnungsweise auf -sche auslegen. Diese Wortbildung ist als Substantivierung eines attributiven Adjektivs zu verstehen. Deutlicher kann in der Sprache das ‚Abgeleitete‘ einer sozialen Position wohl kaum ausgesprochen werden. Man sollte aber eher die Tatsache betonen, daß die Frau diese Position überhaupt einnehmen kann. Denkbar wäre ja ebenso, daß Vormunde entweder aus ihrer Verwandtschaft oder der ihres Mannes in diese Stellung einrückten, Vormunde übrigens der Frau selber oder ihrer Kinder. Nichts dergleichen; die Witwe - so wie hier erkennbar - ist dem Gatten so eng verbunden, daß alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen demgegenüber zurücktreten. So nimmt jedenfalls die Herrschaft die Beziehung der Frau zu Land und Zins wahr. Da nun schon mehrfach Verwandtschaftsbeziehungen zur Sprache kamen, ist deren Bedeutung gründlicher zu erläutern. Die drei Inventare geben - ohne große Abweichungen - das folgende Verwandtschafts- und Verschwägerungsfeld preis: Am Auffälligsten ist wohl die Kargheit des Feldes. Vom Ego aus sind es drei Generationen, die eigene, eine auf- und eine absteigende. An der Armut der lateralen Wahrnehmung wird noch deutlicher, wie wenig es hier um das Mögliche geht: es fehlen schon sämtliche Verwandte zweiten Grades in der eigenen, der 13 Ich deute auch die Belege in der Tabelle über die Frauenbezeichnungen in diesem Sinne (Z.3). Ich zitiere einige von diesen Belegen: Ghesa Widdekindi (GK, S. 46, Twelken), Berta Crighers (ebd., Schöppenstedt), Hanna Heydekonis (S. 47, Berklingen). Man sieht, daß die Nachnamen hier als Genitiv aufgefaßt werden müssen. mater swager soror frater ego uxor/ vidua pueri bzw. filius u. filia 147 Eltern- und der Kindergeneration! Das Nötige ist: die eigene Ehe, (die Ehe(n) der) Geschwister, die Ehe der Eltern. Dazu die eigenen Kinder. Das Feld scheint zusammengesetzt aus Paarungen, in die Verwandte ersten Grades eingebunden sind. Der Schwestergatte ist ‚wichtiger‘ als der Vetter! Zieht man die Verteilung der Bezeichnungen in Rechnung, dann verengt sich das Feld noch beträchtlich. Mutter und Schwager sind überhaupt nur je einmal belegt 14 . Ehefrau und Schwester fehlen im Urbar, also dort, wo es um zinspflichtige Landverbindung geht, ganz. Auch die Brüder sind recht selten. An dieser Schrumpfung ist ersichtlich, daß im Zentrum der Sichtweise das ‚Ego‘, der verheiratete Mann, steht - ersetzbar durch die Witwe solange, bis der verheiratete Mann der nächsten Generation diese Stelle einnimmt. Damit dürfte verständlich werden, warum der pater in diesem System fehlt. Aus der Sichtweise der Herren gibt es einfach den verheirateten Mann nicht, der von Hufeninhaberschaft und Zinspflichtigkeit entbunden wäre - etwa den Altenteiler, den sein Erbe mit sich führt. Wenn der pater diese Stellung lebenslang innehat, dann muß das aber nicht heißen, daß er dies allein tut. Ein näherer Blick auf die Inhaberschaftsverhältnisse im Urbar von 1340 belehrt darüber, daß die Zinse von gut 12 % der Hufen je von mehreren Inhabern zusammen entrichtet werden. Leider ist nur selten die Beziehung dieser Personen zueinander zu erkennen. Dort, wo das möglich ist, ergeben sich Nuancierungen: einmal werden zwei Männer gleichen Nachnamens aufgeführt 15 , dann zwei namentlich genannte Brüder 16 , ein namentlich Genannter et fratres sui 17 , schließlich eine vidua… et filii sui 18 . All dies verweist darauf, daß hier kein System von Hufenverbindung und Zinspflicht vorliegt, in dem ein ‚Patriarch‘ alle ‚Rechte und Pflichten‘ unter sich subsumiert. Vielmehr scheint es vielfältig abgestufte Berechtigungen zu geben, bei denen nicht nur das Geschlecht und der Stand (ledig, verheiratet), sondern auch das Alter (zwischen und innerhalb der Generationen) eine unübersehbare Rolle spielt 19 . Nun läßt sich zusammenfassen, was anhand der Namen selber, der Eponymik, der Aufzählungsweise, des Verwandtschaftsfeldes und des Hufenbezuges den drei Registern zu entnehmen war. Die Prinzipien, nach denen engste Verbundenheit unter den Bauern geformt ist, sind Geschlecht, Alter (Generation) und Stand. Oder anders gesagt: Virilität, Anteriorität und Matrimonialität erwirken Formen geordneter und flexibler Ungleichheit, in denen 14 GK, S. 47 (Wendessen): Ghertrudis Widdekindi et swagerus suus de ½ manso 3 s et 3 d lini. Nimmt hier der Schwager Vormundschaft wahr? Oder ist er Witwer? Ebd. (Ahlum): Hermannus Derseman et mater sua de 1 manso… 15 GK, S. 47 (Ührde): Luderus et Johannes Rivestal de ½ manso 4 ½ s. 16 Ebd. (Berklingen): Heydeko et Henricus fratres de 1 ½ manso 12 s. 17 Ebd. (Wendessen, Salzdahlum). 18 GK, S. 48 (Bruchmachtersen). 19 Die verschiedenen Formen, wie Brüder erwähnt werden (namenloser und pauschaler Anhang, namentlich genannter Anhang, namentlich genannte Mitinhaber), zeigen eventuell Alters- und Berechtigungsstufen an. Nach SspLaR I, 42 wären das: to sinen jaren (bis 12), to sinen dagen (bis 21), na sinen dagen (ab 60). Dazu käme der ledige oder eheliche Stand. 148 - der Mann vor der Frau, der Bruder vor der Schwester, der Gatte vor der Gattin, der Sohn vor der Tochter, - der Vater vor dem Sohn, die Mutter vor der Tochter, der ältere Bruder vor dem jüngeren, - der verheiratete Mann/ Bruder vor dem ledigen, die Witwe vor dem ledigen Mannesbruder, die verheiratete Schwester vor der ledigen, das eheliche vor dem unehelichen Kind rangiert. So sieht es die Herrschaft. Man spürt ganz deutlich, daß es darauf ankommt, die ‚Mitte‘ eines Systems herauszustellen, in der alle drei Prinzipien positiv korreliert sind: den ältesten Ehemann. Er ist das ‚Ego‘ des Systems, das von den hier untersuchten Quellen wahrgenommen wird. Genauso kennzeichnend aber ist, daß er ein alter ego hat, die Gattin, die im ‚Stadium‘ der Witwenschaft - Hufenbezug und Zinspflicht betreffend - seine Stelle einnimmt. In diesem strukturbestimmenden Vorgang kommt die soziale Bedeutung des Matrimonialitätsprinzips gegenüber Virilität und Anteriorität zur Geltung. Es scheint mir eine sozialgeschichtlich kaum unterschätzbare Tatsache zu sein, daß die erborenen Privilegien von Alter und - besonders - Geschlecht durch die rangbildende Kraft der in der Witwe fortlebenden Ehe ‚gebrochen‘ werden. Inwieweit diese Tatsache allein konstitutiv für die herrschaftliche Wahrnehmungsweise ist, welchen Einfluß sie auf die bäuerlichen Verhältnisse hat, ob sie diesen sogar entspricht: all dies kann hier nicht beantwortet werden. 2 Initiation zur Ehe De wile de man ane wif nicht wesen ne wel oder ne mach, so mut he wol echt wif nemen, als sin eme dru wif dot… oder mer. To der selven wis nimt dat wif man und gewint echte kindere bi deme lesten alse bi deme ersten, unde beerft se mit erme rechte unde mit erme gude 20 . Im Zentrum dieser Wesensbestimmungen Eikes steht die Qualität ‚echt‘: ehelich. Leider gibt es in den hier untersuchten Quellen nur einseitige Zeugnisse über die Initiation zur Ehe. Heiraten wird nicht als umfassender Vorgang sichtbar. Weder über die vorbereitenden Handlungen (Werbung, Ehevertrag, Verlöbnis) noch über die Teile des Heiratsritus selber ist etwas zu erfahren 21 . Die schmerzlichste Lücke hierbei: über die Rolle der Kirche verlautet nichts. Aber vielleicht ist das selbst bezeichnend? 22 Die wenigen Zeugnisse beziehen sich auf die langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber dem gude und den erven, die der Eheschluß mit sich bringt. Es wird also eine Verbindung des Rechtsaktes der Heirat mit den oben zitierten Folge- 20 SspLaR II, 23. 21 Siehe dazu die schönen Einzelheiten, die H. Wiswe, Remlingen, S. 16ff. zusammengestellt hat (17./ 18. Jh.); vgl. auch R. Andree, Braunschweigische Volkskunde, S. 295ff. (bes. 19. Jh.). 22 Hierzu systematisch I. Schwarz, Die Bedeutung der Sippe für die Öffentlichkeit der Eheschließung im 15. und 16. Jahrhundert (insbesonders nach norddeutschen Quellen), Tübingen 1959, S. 12ff., 18ff. 149 prinzipien von Eike hergestellt 23 . Als die solche Verbindlichkeit zwischen den Gatten herstellenden Teilakte der Heirat sind die Trauung und die copulatio matrimonii zu verstehen. Erst mit vollzogenem Beilager - von Eike auch als Vorgang bezeichnet, in dem die Frau in des mannes bedde trit - wird die Frau zur notinne des Mannes 24 . Ob sie schon mit der Trauung oder erst mit der copula carnalis von der Munt des Vaters in die des Mannes übergeht, ist umstritten 25 . Jedenfalls wird die mit der Heirat verbundene Eigentumsübertragung, die Morgengabe, nach dem ersten Beilager vorgenommen. So heißt es in einer Urkunde von 1358 26 : Et cum surrexissent de lecto prime noctis sui matrimonii, vocatis ad hoc pluribus testibus, donavit… sue uxori omnia bona sua presencia et futura in donacionem propter nupcias. Die Verbindlichkeit durch Augenzeugen herzustellen, belegt auch ein Zusatz zum Goslarer Stadtrecht. Die Witwe soll bei der Erbteilung ihre Morgengabe nehmen, wu de gegheven heft des morghens, do he erst bi er gheleghen hadde unde se to dische ghinghen vor den luden 27 . Und auch den Heiratsfall, die beddemunt, entrichtet die Litonin, wen se byslept 28 . Was ließ sich zum Eheschluß in Erfahrung bringen? Er stiftet eine Geschlechts- Einheit, die zugleich Nutzungs-Gemeine von Gütern verschiedener Rechtsbindung ist. Sie eint man unde wip zu genoten, deren einer die Munt gibt, deren andere sie nimmt. Autorität und Reziprozität sind aufs Allerengste integriert. Dieses Paar gewint legitime Kinder, die erben werden, sollten sie zu ‚ihren Tagen‘ kommen. 3 Arbeyde: Reproduktion und Produktion … Et genuit ex ea unam filiam 29 . So schließt die Narratio in einer Urkunde über einen komplizierten Erbkonflikt an den Bericht über die Heirat an. Allzuleicht wird von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte vergessen, was arbeyde für die Bäuerin im Ehealltag bedeutet. Eike sagt dies in einem sehr aufschlußreichen Zusammenhang: nu vernemet umme en wif, de kint dreget na eres mannes dode unde sek barhaft wiset to der bigraft oder to dem drittegesten: wert dat kind levendich geboren, unde hevet de vrowe des getuch an vir mannen, de it gehort hebben, unde 23 Zu den rechtlichen Voraussetzungen des Eheschlusses bei Eike vgl. F.-W. Fricke, Eherecht, S. 2ff. 24 SspLaR III, 45 § 3. 25 Mit guten Argumenten für das Beilager: K.A. Eckhardt, Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, in: ZRG GA 47, 1927, S. 174-97; sonst R. Schröder/ E. Frhr. v. Künßberg, Rechtsgeschichte, S. 803ff. 26 Ein Einbecker Bürger dringt auf Bestätigung einer ihm über seine vorverstorbene Tochter zugefallenen Hufe: GUB 4/ 652. Mir scheint gerechtfertigt, hier auch Zeugnisse bürgerlicher Herkunft heranzuziehen, da sie meiner Kenntnis nach von landrechtlichen und grundherrlichen Verhältnissen nicht prinzipiell abweichen. 27 StRG B IV 2, S. 190. 28 Latenordnung von ca. 1450, zit. bei E. Döll, S. Blasius, S. 258, Anm. 65. 29 S. o. Anm.26. 150 an twen wiven, de er hulpen to erme arbeide, dat kint behalt des vader erve 30 . Bald nach dem Eheschluß beginnt eine Lebenszeit der Frau, deren Mühe nicht nur in der dramatischen arbeide der Geburten besteht 31 , sondern genauso im epischen Wechsel von Schwangerschaft, Stillzeit und Erwartung der nächsten Schwangerschaft - bis zur Menopause. Über diesen langen Lebensabschnitt der Bäuerin als Gebärfähige und Mutter ist aus den hier berücksichtigten Quellen nichts zu erfahren. Aber auch raum-zeitlich breiter orientiertes Suchen führt nur zu mageren Ergebnissen 32 . Genausowenig weiß man über Kindheit und Jugend. Eike handelt nur über die Legitimität von Kindern, über die Rolle der Altersstufen für die Rechtsfähigkeit sowie über Vormundschaft und Züchtigungsrecht bei Kindesdelikten 33 . Nur ganz beiläufig verlautet in einer Latenordnung von St. Blasius (um 1450), in der die Zugehörigkeit von Kindern aus ungenossamen Ehen geregelt wird, daß jene sich in knechte und megede teilen 34 . Ich wage nicht, diese Spuren zusammenzufügen. Muß man sich also hinsichtlich der ‚Reproduktion‘ der Bauernfamilien schon weitestgehend zur Lücke bekennen, so ist über die ‚Produktion‘ empirisch nur wenig mehr ermittelbar. Die alltäglichen Verrichtungen im Jahreslauf sind in der Wahrnehmungsform der Quellen immer vorausgesetzt, nie erläutert. Das Interesse ist nur darauf gerichtet, die Bedingungen für kontinuierliches Haushalten zu schaffen oder - meist - zu erhalten und sich des Teils am Resultat zu versichern, auf den man Anspruch hat. Damit gibt es hier keine Möglichkeit, dieses Tun als gefügten, sich wiederholenden Prozeß zu konstruieren. Es bleiben m. E. nur zwei Ersatzmöglichkeiten, diese zentrale Lücke zu überbrücken: den sozialen Rahmen alltäglichen Haushaltens zu skizzieren und dessen Gesamtfunktion zu formulieren. An sehr verschiedenen Orten der Überlieferung leuchtet bisweilen eine binäre Gesamtorientierung auf: eine Geschlechtsbindung von Handlungen und Dingen, die man nicht zur Vorstellung einer ‚geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung‘ verkürzen kann 35 . Es ist eine umfassende Form der Lebensorientierung und -gestaltung, deren Bedeutung wohl schwer überschätzbar ist 36 . 30 SspLaR I, 33. 31 Bei Eike - siehe das den vorigen Abschnitt einleitende Zitat aus LaR II, 23 - gewint die Frau Kinder. Gewinnen hat mndt. noch ganz deutlich den Sinn von Anstrengung und Mühe (‚sich Abringen‘) in sich, auf den es hier ankommt. 32 Auch S. Shahar, Die Frau im Mittelalter, Königstein/ Ts. 1981, S. 198ff. (‚Die Bäuerin als Mutter‘) kann sich auf nicht viel mehr berufen als das, was aus dem durch E. Le Roy Laduries Montaillou-Studie (s. u., Anm. 79) berühmt gewordenen Inquisitionsregister von J. Fournier (1318-25) herauslesbar ist. Zur Rolle von Geburtenkontrolle und Abtreibung: S. 116ff. 33 SspLaR I, 36, 37, 42; II, 65. 34 Zit. bei E. Döll, a.a.O., S. 258, Anm. 65. 35 Vgl. den schönen - an französischem ethnologischem Material orientierten - Überblick von M. Segalen, Mari et femme dans la société paysanne, Paris 1980. 36 Hierzu ist gerade die grundsätzliche Skizze von Ivan Illich (Gender, New York 1982) erschienen (bes. Kap. IV-VI). Ich verdanke ihr Auf-Regungen, die den hier gemeinten Zusammenhang 151 Schon im oben zitierten Passus bei Eike zur Zeugenschaft bei der Geburt eines legitimen Kindes (nach dem Tode des Vaters) wird die ‚Schwelle‘ sichtbar, die die im Alltag vereinten Geschlechter trennt. Die Frauen sind zeugnisberechtigt, weil sie der Gebärenden bei ihrer arbeide halfen, die Männer, weil sie dies alles hörten. Die Trennung der Geschlechter in Augen- und Ohrenzeugen bei einem so rechtserheblichen Vorgang, der Geburt eines Erben, drückt Grundsätzliches aus. Die Männer akzeptieren es, vom wichtigsten Beweismittel, dem Augenschein, ausgeschlossen zu sein, um die weibliche ‚Domäne‘ von Geburtsraum und Gebärmühe nicht zu verletzen. Auch auf anderen Wirklichkeitsebenen kommt Geschlechtsspezifik durch: Wenn vom Eigenmann das Besthaupt, von der Frau das Bestkleid entrichtet werden muß, dann erkennt der Herr eine besondere Dingverbindung der Geschlechter an - oder er betont sie in der Besteuerung des Erbgangs sogar besonders. Ebenso tun dies die Erben selbst. Bestimmte Dinge des Erbgutes des oder der Verstorbenen können nur innerhalb des jeweiligen Geschlechtes vererbt werden: das ‚(Heer-)Gewäte‘ des Mannes geht allein an den nächsten ‚Schwert‘-Magen, die ‚(Niftel-)Gerade‘ allein an die nächste ‚Spindel‘-Mage 37 . Vervollständigt man die hier ausgesprochenen Dingverbindungen der Geschlechter aus den Quellen, dann ergibt sich folgendes Bild 38 : Mann Frau Waffe/ Messer Spindel/ Schere Reitpferd Geflügel Zugvieh Hausrat Pflug Textilien Wagen Schmuck Diese Zuordnungen lassen auch - und darauf soll es hier ankommen - Rückschlüsse auf eine geschlechtstypische Verteilung der wichtigsten bäuerlichen Tätigkeitsarten zu. In Verbindung auch mit anderen Quellen - z.B. Gewohnheitsrechten, Frondienstordnungen, Monatsbildern, Gerichtsprotokollen, literarischen Zeugnissen - ist diese Verteilung vorwiegend mithilfe folgender Gegensatzpaare begriffen worden: weit übergreifen. 37 Vgl. W. Bungenstock, Heergewäte und Gerade, pass. Etymologisch geht ersteres auf den Sinn von ‚Kriegsausrüstung‘, letztere auf ‚Brautschmuck‘ zurück. 38 Ich habe sie zusammengelesen aus: UBSPH 6/ 1156 (Zugvieh- und Wagenverbindung des Mannes); SspLaR III, 76 § 3; II, 58 § 2, 59 § 2 (Pflugverbindung des Mannes); die Formel under dem ploghe hebben begegnet - in Verbindung mit einem männlichen Inhaber - in Urkunden aus der 2. Hälfte des 14. Jhs. (z.B. GUB 5/ 275/ 1375, 677/ 1387); StRG 1 I § 17, 20, S. 33f. (Zusammensetzung von Gewäte und Gerade); B IV 2, S. 190f. (Zusammensetzung der Gerade, sehr schön ausführlich! ). Weiteres natürlich bei W. Bungenstock, a.a.O., bes. S. 36ff. (dort wichtige Hinweise zur Bedeutungsentwicklung, die jedoch in spätere Zeit fallen). 152 Mann Frau öffentlich/ dörflich privat/ häuslich außen innen schwer leicht Auch die Zuordnungen, die die ostfälischen Quellen erlauben, legen dies nahe: Der Mann als Vormund vertritt alle ‚öffentlichen‘ Belange (besonders in Rechtskonflikten, bei gemeinschaftsverbindlichen Erfordernissen) und schützt Haus und Hof. Er verrichtet die schweren Arbeiten in Feld und Flur, sorgt für die ‚Außenwirtschaft‘ des Betriebs, die Frau hingegen vor allem für die - körperlich leichtere - ‚Binnenwirtschaft‘ 39 . In neueren Untersuchungen, die solcher rigiden Zuordnungsweise eher kritisch gegenüberstehen, ist die viel stärkere Verflechtung beider Geschlechter im breiten Fächer bäuerlichen Tuns herausgearbeitet worden 40 . Mehr Beachtung fand auch die Frage, welche Verbindlichkeit der Geschlechtsspezifik bestimmter Handlungen herrschte und wovon diese beeinflußt wurde. Daß sowohl die Betriebsgröße und die Rentenform 41 als auch die langfristige Konjunktur 42 hier unübersehbar wirkten, ist auch hier nicht ohne Belang - doch lassen sich empirische Nachweise aus den ostfälischen Quellen nicht erbringen. Die Frage etwa, ob die geschlechtstypische Verteilung der Tätigkeiten im großbäuerlichen Mehrhufenbetrieb rigide und auch - man denke ans lohngängige Gesinde - hierarchisiert ausgeformt war, im land-, also auch pfluglosen Kätnerhaushalt aber offener gehalten werden mußte, sie läßt sich hier nur stellen, nicht beantworten. Abschließen möchte ich diese Bemerkungen mit dem spekulativen Versuch, die oben mitgeteilte Geschlechtstypik der Dingbindung von der Eigenart der in ihnen enthaltenen Handlungen her zu begründen. Zunächst zum Mann. Ihn kennzeichnet eine Nähe zu jenen Tieren, denen deutlich Werkzeugfunktion zukommt. Der Umgang mit dem Zugvieh und das Reiten erfordert die Fähigkeit, die Eigenheiten des Tieres dem eigenen Willen und definierten Zwecken dienstbar zu machen; das bedeutet geschickte Anwendung von Zwang und Überlegenheit, nicht allein Körperkraft. Der den anderen genannten Werkzeugen - Schwert, Messer, Pflug (und Axt) - gemeinsame Sinn scheint mir das Schneiden zu sein. Das Schneiden, ob als Pflügen, Schlachten oder Holzfällen und -hacken, sehe ich als eine Form ‚produktiven Zerstörens‘, 39 J. Barchewitz, Beiträge zur Wirtschaftstätigkeit der Frau, Breslau 1937; für Niedersachsen: W. Bomann, Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im alten Niedersachsen, 4. Aufl. 1941, S. 31ff. 40 R. H. Hilton, Peasantry, S. 95ff. (‚Women in the Village‘), bes. 101ff.; C. Middleton, The Sexual Division of Labour in Feudal England, in: New Left Review 113-4, 1979, S. 153f.; S. Shahar, Frau, S. 205ff. 41 C. Middleton, a.a.O. geht diese Fragen am englischen Material (1100-1450) systematisch durch. 42 R.H. Hilton, a.a.O., S. 108 meint, die Frauen auf dem Lande hätten von den Folgen der Bevölkerungsschrumpfung seit 1350 profitiert. 153 die eine deutlich initiierende und aktive Zurichtung der Natur für künftige Gebrauchszwecke darstellt. Demgegenüber nimmt sich die Verbindung der Frau zum Vieh eher als Pflege von dessen reproduktiven Fähigkeiten aus 43 . Die Verarbeitung von Rohfasern (oder Haaren) zu Kleidung, die Zurichtung der Viktualien zur Mahlzeit lassen sich als nur wenig sichtbare, Feuer und Wasser nutzende ‚Verwandlungen‘ sehen, die voraufgegangene Mühen abschließen, die Dinge definitiv brauchbar machen. Ich spitze diese Spekulation nun zu: Der Mann schneidet dem ‚Leib‘ der Natur das ab, was die Frau dann dem menschlichen ‚Leib‘ anverwandelt, als Kleidung und Speise. Was er ab-‚tötet‘, macht sie dem Leben dienstbar. Diese Gegenläufigkeit des Verhaltens ist Lebensbedingung bäuerlichen Hausens. Mann und Frau sind komplementär verschränkt, ohne solche Verschränkung gibt es kein Auskommen. Natürlich sind diese Abstraktionen bar jeden empirischen Realitätsbezugs im Sinne von raum-zeitlich adäquaten Nachweisen. Ebensowenig schöpfen sie die Deutungsmöglichkeiten der ermittelten Dingbindungen aus, sind schon deshalb einseitig. Gerade die Tatsache, daß sie nicht auf den bäuerlichen Haushalt als Ort ihrer konkreten Auswirkungen beziehbar sind, mindert ihren Wert. Als Orientierung dafür aber, in welchem Wert- und Handlungsrahmen Familie, Haushalt und Verwandtschaft verschiedene konkrete Form annehmen, sind sie m.E. sehr nützlich. Nun zum zweiten ‚Ersatzthema‘, mit dem die Lücke über die Formen und Rhythmen des Wirtschaftens überbrückt werden soll. Die Art, wie in den niederdeutschen Quellen 44 die Beziehung der Menschen zu Hof und Hufe ausgedrückt wird, scheint aufschlußreich für die Bestimmung der Grundfunktionen bäuerlichen Tuns zu sein. Wieder hat man es mit der Sprache zu tun, in der Herren Bauern wahrnehmen. Es ist nun erstaunlich, daß diese Sprache für den einheitlichen Zweck, die Beziehung des Bauern zu Hufe und Hof auszudrücken, keine einheitliche Ausdrucksweise zur Verfügung hat. Die Verben, die - meinen Beobachtungen zufolge - benutzt werden, entbehren meist der Qualität, diese Beziehung nach causa, forma und modus systematisch auszudrücken. Am erstaunlichsten ist, daß der Rechtsgrund der Bindung ausgesprochen selten verbalisiert wird. Daß ich nur zwei - späte - Belege dafür finden konnte, daß ein Bauer mit einem Gute bemeygert wurde 45 , spricht ebenso dafür wie die Tatsache, daß kein dem locare der Zeitpachtverträge entsprechendes mndt. Verb 43 Leider ist aus den ostfälischen Quellen die enge Verbindung der Frau zum Schwein und zur Milchkuh nicht erweisbar. An diesen Verbindungen ließe sich diese Pflege, die sich den natürlichen Vorgängen beim Tier eher anpaßt, viel deutlicher herausarbeiten. 44 Im Prinzip gilt dies auch für die lateinischen. Für eine gleichwertige Berücksichtigung fehlt es aber an Hilfsmitteln - dies mußte ich ja schon beim Versuch feststellen, der Aneignungssprache semantische Klärungen abzugewinnen. S. o. die Einleitung zu B II. 45 S. o. Abschnitt B II 3, Anm. 280. 154 (etwa bestaden) verbreitet (worden) ist. Und auch für das Erbzinsrecht konnte ich kein dieses Verhältnis ausdrückendes Verb ausmachen 46 . Demgegenüber neigt die Bezeichnungsweise deutlich dazu, der Beziehungsform den Vorzug zu geben. Es sind vor allem die Verben hebben, sitten, wonen, buwen, werken, bruken und vruchtigen. Die mithilfe der Wörterbücher ermittelbaren Sinnfelder dieser Wörter 47 weisen Eigenheiten, ebenso aber auch Verschränkungen auf. Es ist auffällig, daß die ersten drei Verben in den Quellen in engerer Verbindung zum Hof stehen: unde 1 kothof, den heft Lons 48 , unde enen hof, dar de meyer uppe sit 49 , ein hof, in dem dorpe to H(ary? ), dar Heneke Mundeke nu uppe wonet 50 . Die Sinnfelder aller Verben weisen den Aspekt der Dauer und der Verfestigung dieser Dauer zur ‚Gewohnheit‘ und ‚Sitte‘ aus. Es scheint mir kein Zufall zu sein, daß dieser Gesichtspunkt gerade in der Beziehung des Bauern zum Hof hervorgehoben wird, auf dem er ‚haust‘, der Ort, der ihn und die Seinen birgt, wo alle weilen. Zuständlichkeit, Gewohnheit, Festigkeit; dies könnten die Eigenschaften sein, die die eigentümliche Beziehung der Bauern zu Hof und Haus ausmachen. Ganz anders die Sinnrichtungen der zweiten Verbgruppe. In ihnen wird gerade die aktive Beziehung zum Boden ausgesprochen. Am häufigsten findet man Wendungen mit dem Verb buwen 51 ; bruken ist schon deutlich seltener 52 , vruchtigen nur wenige Male belegt 53 , und vom werken spricht allein Eike 54 . Die Qualität der aktiven Beziehungen läßt sich für die meisten dieser Verben sowohl dem allgemeinen Sinnfeld wie dem Kontext der hier beigebrachten Belege nach noch präzisieren: sie meint den Acker, insbesondere das Pflügen. Ebenso kommt das in Kombinationen wie buwen bzw. vruchtigen und under dem ploghe hebben zum Ausdruck wie in Eikes Satz: Des mannes sat, de he mit sineme pluge werket, de is verdenet alse de egede dar over geit 55 . Durch die Vielfalt der benutzten Verben schimmert, so scheint es, doch eine einheitliche Wahrnehmung durch: sie meint die Verbindung von stetigem ‚Hausen‘ und tätigem ‚Bauen‘. 46 Es begegnen nur Komposita wie to ervetinse haben/ besitzen o.ä. 47 Es wurden hierzu nur die mndt. Wörterbücher von Schiller/ Lübben, Lübben/ Walther und Lasch/ Borchling benutzt, ohne weitere Suche nach semantischen Spezialuntersuchungen. Dies wäre ein unabdingbar nächster Schritt zur Präzisierung. 48 Deeters, Quellen (Fresisches Verzeichnis v. 1370), § 17, S. 13; weiter §§ 4, 5, 24, S. 10, 11, 13. 49 GUB 4 (Register v. Dörnten v. 1351f.), S. 323ff., dazu GUB 4/ 348/ 1349, 5/ 1175/ 1400. 50 GUB 3/ 585/ (1321). 51 GUB 4/ 132/ 1341, 272/ 1345, 449/ 1351f. (Register v. Dörnten), S. 324, 326; 824/ 1364; 5/ 550/ 1384. 52 GUB 3/ 188/ 1308, 4/ 94/ 1339, 5/ 526/ 1383; dazu 4/ 672/ 1359 (betrifft einen Brunnen), 5/ 237/ 1373 (holtblek). 53 GUB 4/ 544/ 1356, 5/ 275/ 1375. Vgl. auch 4/ 522-3/ 1355. 54 SspLaR II, 58 § 2. 55 Ebd.; dazu auch die Formulierung in GUB 4/ 273/ 1342: alse se (= 2,5 Hufen, L.K.) nu rede beseyet unde mit deme ploghe begrepen sint. 155 Doch wie dies stattfindet, welchen Charakter es für die Bauern hat, wird, in verallgemeinerter Form, nirgends ausgedrückt. Nur wieder Eike scheint willens und fähig, dies doch zu tun, wenn er verschiedene sachliche Formen der ländlichen buwe als arbeide(n) bezeichnet 56 . In den trockenen Urkunden wird über diesen Grundzug allen Versorgungshandelns auf dem Lande, über den sich zeitgenössische Ethik und heutige Begriffsgeschichte so einig sind 57 , nur in verblüffend engem Zusammenhang gehandelt. Meist sind es Lokationsverträge, in denen ausgehandelt ist, mit wessen cost unde arbeyde das Vertragsobjekt zu beteren ist bzw. wer im Schadensfalle jene Lasten zu tragen hat 58 . In der Lokation Johanns von Rössing mit dem Stift Riechenberg über einen Güterkomplex nahe Alt-Wallmoden von 1345 verspricht der ritterliche Pächter, dat ek dat buwen unde beteren schal unde wille mit mines sulves cost unde arbeyde; für Schäden, die durch Mäusefraß, fouragierende Krieger oder Hagel entstehen, will man anteilig aufkommen, und bei Vertragsende geht alles mit aller beteringhe an buwe uppe dem hove unde mit alle der sat uppe dem velde ans Stift zurück 59 . In der Mühe, die hier - vertraglich genau geregelt - walten soll, steckt Kalkül, Abwägung und Ertragsvor- und nachteil. Es ist nicht die allgemeine arbeyde, die das bäuerliche Leben umfassend charakterisiert, es geht nicht darum, wodurch ländliches Auskommen gezeichnet ist. Hier geht es um die spes maioris utilitatis! Im gleichen Jahr kaufen Thile Roleves und sein Sohn vom Domstift einen Dreihufenbetrieb in Harlingerode zu lebenslanger Nutzung und versprechen, dieses Gut zu verdighen und beteren mit eren pennighen 60 . Der Modus, mit dem das Ziel angestrebt wird, könnte hier bereits als ‚Investition‘ aufgefaßt werden 61 . Es gibt noch weitere Erscheinungen, die auf gewinnorientiertes Ertragskalkül schließen lassen, in der die ‚Leistungen‘ von Natur, Mensch und Markt nach Sach- und Zeitwert kontrollierbar gemacht werden (sollen). In der Fixierung der Remissionsursachen wird eine deutliche Grenze zwischen fatum und Leistung, zwischen Unglück und Schuld gezogen 62 . Wer, wie die von Dörntens, in jährlichen Durchschnittserträgen der ländlichen Güter denkt, abstrahiert gewissermaßen von der Zeitform der Ernteschwankungen. Die Produktivität der Natur wird für berechenbar gehalten 63 . Der nächste Schritt ist die monetäre Valuierung des 56 Z.B. III, 76 § 3 (pflügen); II, 58 § 3 (Bestellung der verschiedenen Gärten); vgl. weiter II, 46 § 1f. Sicher wären noch weitere Belege zu finden. 57 Hierzu grundlegend W. Conze, ‚Arbeit‘ in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.1, Stuttgart 1972, S. 154ff., hier S. 160ff. 58 Der m. E. frühste Beleg: GUB 2/ 186/ 1273 (betrifft die melioratio des Bodens durch Mergeln); weiter 2/ 301/ 1282, 408/ 1290 (immer mit der Formel: cum suis laboribus et expensis). In GUB 2/ 578/ 1299 dann die Teilung in Risiko und Aufwand beim Zinstransfer nach Goslar. 59 GUB 4/ 270; ähnlich auch 778/ 1363. 60 GUB 4/ 272. 61 In GUB 5/ 515/ 1383 stößt das Kloster Lamspringe Güter in Lobmachtersen ab, weil sich wegen der zu großen Entfernung der Güter ‚Mühe und Kosten‘ nicht lohnen. 62 Hierzu K.S. Bader, frost-hagel-mißgewächse, S. 234. 63 Die Belege im Dörntener Register GUB 4, S. 324 u.ö.; vgl. auch GUB 5/ 544/ 1384. UBHHa 4/ 2678/ 1365. 156 Landbesitzes - sie ist deutlich in dem Dörntener und Fresischen Register belegt 64 . Mögen gerade diese Haltungen für den Bauern selber eher nur indirekt von Bedeutung sein, in der vertraglich festgelegten Pflicht zur schriftlichen Rechnungslegung würden sie auf die ‚Betriebsführung‘ schon beträchtlich durchschlagen 65 . Da dafür aber die Belege fehlen, ist dies ungewiß. Was hat die Frage, welche Bindungsweisen zwischen Bauer, Hof und Hufe in der Quellensprache zum Ausdruck kommen, erbracht? Sicher scheint, daß es für die Vielfalt bäuerlichen Tuns kein umfassendes, verallgemeinertes Verb (oder Substantiv) gibt. Diese Vielfalt wird unter keine forma generalis subsumiert, doch lassen sich die Bereiche des hofbezogenen Hausens und des ackerbezogenen Werkens unterscheiden. Daß ihr Grundzug in Mühe, Not und Plage besteht, wird nicht ausgedrückt - außer vielleicht bei Eike. Arbeyde ist in diesen ‚amoralischen‘ Quellen nur dort sichtbar, wo die Mühe nicht mehr als Los des Lebens zu tragen ist, sondern als Aufwand zu bestimmtem Zweck entweder zu scaden oder zu vromen gereicht: partikularer Kalkül zum Erwerbszweck. Vielleicht führt es nicht zu weit ins Spekulative, wenn man die Breite der Formensprache eher der Welt von bäuerlichem Auskommen und altherrschaftlichem Einkommen zuordnet, den Partikularismus von Vertragsmodi eher der Welt patrizischer Gewinnerfahrungen. 4 Zinsen und (Ver)erben im Lauf der Zeit Konnten bislang nur statische Aspekte zur Form von bäuerlicher Vergemeinschaftung und Subsistenzhandeln erläutert werden, so bieten die St. Blasius- Rechnungen nun die Möglichkeit, exemplarische, wenn auch thematisch sehr begrenzte Anschauung zum Fortbestand der Bauernwirtschaften im 14. Jahrhundert zu vermitteln. Dies ist dadurch möglich, daß in den einzelnen Rechnungen die Vor- und Zunamen der Zinspflichtigen, öfter auch ihr Verwandtschaftsgrad, ihr Stand vermerkt sind. Diese Informationen kann man mit dem entrichteten (bzw. versäumten oder nachentrichteten) Zins kombinieren, und in bestimmten Jahren kommt dann noch die Information hinzu, auf welche Landmenge (Hufenzahl) sich diese Leistungen beziehen. Beginnen wir mit einem dem Neuwerker Besitz benachbarten Betrieb in Lobmachtersen. Es ist eine Hufe, deren Inhaber und Zinse man von 1315 bis 1398 verfolgen kann 66 : 64 Die Formel im Dörntener Register - meist nach Aufführung eines Besitzkomplexes -: Dit rekene we vor… mark (GUB 4, S. 324ff.); zum Fresischen Register vgl. Tabelle 4, Z.37ff. (Pfandwert der Hufen). 65 GUB 5/ 243/ 1373. In diesem Lokationsvertrag des Domstifts über sein officium Semmenstedt ist der Pächter ein Braunschweiger Domherr, der zum schriftlichen Nachweis der jährlichen Einnahmen verpflichtet ist. Über Ähnliches bei Meiern selber war nichts zu finden. 66 Zusammengestellt aus GK, S. 28, Z.15f.; 33, 12; H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 260; GK, S. 36, 41; 57, 43; 62, 23; 69, 27; 72, 10; 74, 8; 76, 27; 77, 33; 81, 35; 94, 14; 96, 21; 86, 32; 102, 6f.; 108, 33f.; 115, 1f. 157 Jahr Inhaber Zinse/ s U R RN N 1315 filius Hermanni 6 1316 filius Hermanni 6 1320 - 6 1321 - 5 1355 Arnt 6 1356 Arnoldus 6 1359 Arnd 6 1362 Arnd 6 1380 Hermen Arndes 5 5 1381 - - 6 1394 filius Herm. Arndes 3 2 1397 Hermen Arndes 3 2 1398 Sander Arndes 3 2 Sicher greifbar ist: - eine Zinsentwicklung (auf der Grundlage einer erbzinsrechtlichen Stellung), die bis 1362 kontinuierlich der urbarialen Norm entspricht, zu Beginn der achtziger Jahre dramatisch verfällt, um in den Neunzigern auf deutlich niedrigerem Niveau und mit der Tendenz zur Verschuldung zu verbleiben; - eine Inhaberschaftsentwicklung, die zwischen 1355 und 1398 drei männliche Zinspflichtige zeigt, die man ohne Not als einem ‚Geschlecht‘ zugehörig bezeichnen kann: Arnd zinst 7, Hermen Arndes 17, sein Sohn 4 Jahre. Von Interesse ist, daß Hermen 1394 als Zinspflichtiger ‚aussetzt‘ und sein Sohn an seine Stelle tritt. Wenn Zinspflichtigkeit Inhaberschaft infolge Erbgangs bedeutet, dann belegt diese Einzelheit ein variables Erbrecht, in dem die devolutio bzw. cessio ante neben der post mortem die Praxis ist und rückgängig gemacht werden kann. - Auffällig ist weiter, das keine Frau als zinspflichtig erscheint. Wagt man es noch, den filius Hermanni von 1315/ 16 als ‚Vorfahren‘ der Arnds anzusehen 67 , dann ergibt sich eine Kontinuität der Zinspflichtigkeit/ Inhaberschaft von gut 80 Jahren in einer ‚Linie‘ durch (mindestens) vier Generationen, in (ausschließlich? ) männlicher Erbfolge mit variablen Vererbungsformen - aber ohne Teilung des Erbes, der Hufe. Dieses ‚Geschlecht‘ der ‚Arnds‘ kommt bis zu Beginn der sechziger Jahre - der Stabilität der Zinshöhe nach - zurecht; anfangs der achtziger dann der große Einbruch, von dem man sich wohl nicht mehr ganz erholt. Aber: das ‚Geschlecht‘ hat immerhin die Pestumzüge von 1350. 1357, 1365/ 6, 1375/ 6 und 1383/ 4 ‚überstanden‘ 68 . Das zweite Beispiel führt nach Kl. Biewende, 5 km nö. Achim, wo Neuwerk begütert ist. Ich stelle nur die Daten seit 1355 zusammen, da die Zeit davor keine Zuordnung erlaubt 69 : 67 Allein der Vorname erlaubt dies. Andere Quellenhinweise fehlen zu dieser Hufe (GK, S. 417). 68 H. Hoffmann, a.a.O., S. 207-13. 69 GK, S. 57, 28; 62, 1; 63, 37; 77, 19; 80, 16; 81, 21; 89, 29f.; 93, 5; 94, 7; 95, 34; 85, 6f.; 99, 13; 101, 21; 103, 11; 108, 6; 114, 18. 158 Jahr Inhaber Zinse/ s Zinse/ ch R RN N R N 1355 Fricke Hunen 5 1356 Hune 3 1359 Hune 6 1362 Hune 6 6 1375 Fricke Hune 5 3 1380 Fricke Hunen - 6 6 1381 Fricke Hune - 6 1394 Fricke Hune 6 2 1397 relicta Hermen Hunen 6 1398 (vacat) - Diese Tabelle enthält eine recht andere Familien-‚Geschichte‘. Fricke (Friedrich) Hune(n) zinst 39 Jahre, von 1355-1394 70 , für eine Erbzinshufe - belegt für 1320 71 und 1397/ 8 -: er scheint keinen guten ‚Start‘ gehabt zu haben, denn 1355/ 6 muß er unter dem urbarialen Soll von 6 s bleiben. Drei Jahre später hat er sich gefangen, aber schon 1361 muß er um Stundung des gesamten Zinses gebeten haben, den er dann im folgenden Jahr aber voll begleichen kann. Ihm scheint es dann weiterhin ‚gut‘ gegangen zu sein; 1375 hat er offensichtlich die zwei Kornzinshufen zugepachtet, die am Ort zu St. Blasius gehören 72 , kann aber dem urbarialen Soll von 8 ch nicht entsprechen, sondern muß 3 ch stunden lassen. Hat er dann diese Hufen wieder aufgegeben? Es muß unklar bleiben, weil die Kornzinsrechnung von 1375 die letzte im 14. Jahrhundert überlieferte ist. Zu Beginn der achtziger Jahre kommt dann ein gleicher Einbruch wie der bei den ‚Arnds‘ in Lobmachtersen, 1394 der Neubeginn mit Hermann. Da Friedrich gerade verstorben ist, muß der Erbgang post mortem erfolgt sein. Hermann übernimmt seines Vaters Zinsschulden. Drei Jahre später ist seine Frau bereits Witwe, leistet vollen Zins. Doch im nächsten Jahr liegt die Hufe unbebaut, sie ist herrenlos, ertraglos 73 . Ist die - wohl noch junge - Witwe auch verstorben? Oder hat sie sich erneut verheiratet, aber einem Manne, der ‚ihre‘ Hufe - aus welchen Gründen immer - nicht brauchen konnte? Wir wissen es nicht 74 . Sichtbar wird am Fall der ‚Hune(n)s‘ das Auf und Ab innerhalb eines langen Leihezyklus, ein klarer Erbgang post mortem, ein abruptes Ende der jahrzehntelangen Verbindung zwischen Hufe und Familie durch frühen Tod des Erben und 70 Er muß 1394 gestorben sein, weil in diesem Jahr 11 s als Todfall (exuvia) unter seinem Namen entrichtet sind (GK, S. 103, 11). Daraus geht auch hervor, daß er Litone war. 71 H. Hoffmann, a.a.O., S. 259. 72 Diese Hufen sind aufgeführt im Urbar von 1320 (H. Hoffmann, a.a.O., S. 263). Sie zinsen - der Norm nach - 8 ch Weizen. Die sie betreffenden Kornzinse sind in den Rechnungen für 1301-3, 1311, 1330 (es zahlt ein villicus) und 1358 belegt (GK, S. 19, 21; 20, 3; 22, 8; 24, 33; 39, 29; 73, 42). 73 Zu einer Hufe in Ölper wird 1375/ 6 einmal gesagt: van der doden hove nichil (GK, S. 90, 6). 74 Nur die Untersuchung der Rechnungen aus dem 15. Jahrhundert könnte hier weiterhelfen. 159 ‚Aufgaben‘ der jungen Witwe, der vielleicht die Kinder fehlten, für die ‚durchzuhalten‘ die Pflicht bestanden hätte. Würde man die Informationen über Inhaberschafts- und Zinsentwicklung der eineinhalb Erbzinshufen in Drütte - wenige km w. von Watenstedt, dem nördlichen Neuwerker Außenposten - zwischen 1315 und 1398 zusammenstellen, dann würde ersichtlich, daß hier keine Geschichte örtlicher Bauern- ‚Geschlechter‘ möglich ist 75 : ein Johannes de Getlede zinst zwischen 1315 und 1338; ab 1355 ist es Ermengardis Reymers, sie erscheint 1359 und 1362 als vidua; und von 1394-98 zinst dann auf viel niedrigerem Niveau ein Hans Wichman 76 . Zwei deutliche Brüche sind erkennbar. Der erste zwischen den späten dreißiger Jahren und 1355: hat hier der erste Pestumzug von 1350 gewirkt? Immerhin sitzt die ‚Reymersche‘ 7 Jahre auf den eineinhalb Hufen, ohne daß eine Wiederverheiratung erfolgt. Sind erbberechtigte Kinder da, die die Witwe hochzubringen versucht, ohne einen Interimswirt zu finden? Anfang der achtziger Jahre scheint das Land ‚tot‘ zu liegen: totum restat, totum est neglectum 77 . In den neunziger Jahren scheint ein neuer Versuch gemacht zu werden, jene Hufen erneut zu vruchtigen - dies unter Bedingungen erniedrigten Zinses. In den drei bislang untersuchten Fällen ging es nur um einzelne Hufen und ihre Inhaber. Schon hier zeigten sich wechselvolle Geschicke und variable Verhältnisse. Manches konnte nur erschlossen werden, vieles blieb unklar. Die Interpretation wird aber noch wesentlich schwieriger, wenn es um viele Hufen geht. Der Fall der Entwicklung in Bruchmachtersen (1300-1398) mag dies verdeutlichen 78 . Eine Grundinformation zu diesem komplizierten Fall vorweg: In Bruchmachtersen hat St. Blasius 2 Kornzins- und 6 ½ Geldzinshufen, jene sollen der Norm nach jährlich 8 ch bzw. md entrichten, diese 31 bzw. 35 s. Eine wichtige Einschränkung: Die Inhaberschaftsverhältnisse beider Hufengruppen entwickeln sich mindestens bis 1358 zwar eng aufeinander bezogen, doch ist leider nur die Geschichte der Geldzinshufengruppe verfolgbar. 1315 entrichtet eine vidua Henrici 35 s - von sechseinhalb Hufen, wie aus den Urbaren von 1320 und 1340 ersichtlich. 1398 sind es 4 Männer und eine Frau, die sehr verschiedene Anteile von insgesamt sechseinhalb Hufen innehaben und dafür entsprechend zinsen, zusammen genau 35 s. Man kann also davon ausgehen, daß im Lauf jener 84 Jahre keine grundsätzliche Änderung in der Hufenzahl und kein definitiver Verfall der Zinssumme stattfand. Versucht man nun zu verfolgen, wer in den überlieferten Rechnungsjahren - es sind insgesamt 16 75 GK, S. 28, 9; H. Hoffmann, a.a.O., S. 259; GK, S. 36, 35; 43, 11; 47, 44; 57, 40; 62, 18; 77, 31; 81, 32; 97, 2; 86, 41; 102, 21; 109, 9; 115, 19. 76 Der Normwert besteht in 12 s; er wird bis 1362 fast immer erfüllt. H. Wichmann leistet in den drei belegten Jahren je nur 6 s, ohne daß ersichtlich wäre, daß er die gestundeten Restsummen später erlegt. 77 H. Hoffmann, a.a.O., S. 215f. vermutet - zu Recht -, daß diese Formeln in den Rechnungen oft als ‚Wüstliegen‘ aufzufassen sind. 78 Ich beziehe mich im folgenden auf die in Tabelle 17 zusammengestellten Informationen. Leider fehlen urkundliche Zeugnisse zur Erwerbsgeschichte. 160 - jene Hufen innehat und dafür zinst, dann schärft erst langes Einprägen und Vergleichen den Blick dafür, daß hinter dem Gewirr von Namen ein Prinzip von Inhaberschaftsberechtigungen waltet, das keine ‚echtgeborene‘ Person vom Hufenerbe ausschließt, selbst im Falle ungewöhnlicher lateraler Expansion innerhalb einer oder mehrerer Generationen. Mit einigen zusätzlichen Informationen wäre vielleicht eine Geschichte darüber möglich, wie ein ‚Clan‘ - ein schwer zu definierendes Konglomerat verwandter und verschwägerter Paare und Personen 79 - versucht, seine Position im Laufe eines Jahrhunderts zu halten. Es wäre die Geschichte des ‚Schuster‘-Clans, denn dieser Zuname (sutor/ schower(ch)te) ist die Konstante im Wirrwar der Namen. Diejenigen, die ihn tragen, sind deutlich in gehobener Stellung. Nun zu den Einzelheiten: Von 1315 bis 1338 zinst eine vidua pauschal für alle Hufen. Sie ist die Witwe eines Henricus, der vielleicht mit jenem Hinricus identisch ist, der von 1300-1311 als Inhaber der 2 Kornzinshufen am Ort geführt wird. Sie ist zugleich die Witwe Schuster (1338). 1340 zinst sie nun zusammen mit ihren Söhnen: Diese müssen zu ihren Jahren gekommen und Mitinhaber geworden sein. Eine lange Phase (über zwanzig Jahre! ) alleiniger ‚Führung‘ eines Güterkomplexes von sechseinhalb Hufen ist zu Ende. Worin diese Dauer gründet, kann man aber vermuten: die Kinder müssen noch zu jung gewesen sein. Es erstaunt aber am meisten, daß diese Frau die Zinspflichtigkeit so lange auf sich konzentriert halten konnte, denn gewiß ist, daß die buwe der Hufen nur mithilfe außerfamilialer Kräfte möglich war. Hier erkennt man einmal deutlich, wie ‚familienzyklische‘ Gegebenheiten - in diesem Falle frühe und kinderreiche Witwenschaft - Arbeitschancen für jene Kätner eröffnen, über die man ja sonst so gut wie nichts hört. Während dieser Jahre hat die Witwe Schuster offensichtlich mit Niemandem ‚geteilt‘, sondern nur ‚dienen‘ lassen. Zwischen 1340 und 1355 muß sie gestorben sein, denn 1356 ist die Situation völlig verändert: die Zinspflichtigkeit ist ‚aufgeplatzt‘ in 4 Personen. Zwei von ihnen sind als Schuster-Söhne kenntlich, Hermann und Tile. Hermann scheint der älteste zu sein: er wird zuerst geführt und zahlt weitaus am meisten (17 s 6 d 80 ), gefolgt von seinem Bruder (9 s 6 d). Heneke Renten zahlt noch weniger: 4 s 6 d, und Stelter et Faber mußte 5 s stunden lassen. Die letztgenannten dürften eingeheiratete Ehemänner von Hermanns und Tiles Schwestern sein, die ungenannt bleiben. Man erkennt eine Staffelung der Zinse, die den eingangs dargelegten Beziehungsgrundlagen entspricht: vier Geschwister, die schusterschen ‚Brusterben‘ 81 , teilen sich nach Alter und Geschlecht ungleich ins Gesamterbe des Lan- 79 Dieses Wort versucht J. Heers (Le clan familial au Moyen Âge, Paris 1974) dafür brauchbar zu machen, nach welchem Prinzip Macht und Reichtum in der mittelalterlichen Stadtgesellschaft verteilt werden. Für den ländlichen Bereich gibt es keine vergleichbare Untersuchung, doch ist die Geschichte der Familie Clergue aufschlußreich, die E. Le Roy Ladurie (Montaillou, village occitan de 1294 à 1324, Paris 1975, S. 88ff.) erzählt. 80 Ich ziehe hier den receptus des sutor und das neglectum des Hermen sutor zusammen (Tabelle 17, Z.14, 17). 81 Dazu R. Schröder/ E. Frhr. v. Künßberg, Rechtsgeschichte, S. 822. 161 des. Haben die vier Ehepaare jeweils einen eigenen Haushalt? Und wenn: was heißt dies? Aufteilung eines Hauses, separates Haus auf der gleichen Hofreite, oder eigene area? 82 Diese 4 Ehepaare lassen sich nun weiter verfolgen: - Hermann ist - mit gleichem Zins - bis 1362 nachweisbar. Vielleicht hat er auch zeitweilig eine der Kornzinshufen übernommen (1358). Vor 1380 muß er gestorben sein: seine Witwe läßt in diesem Jahr den ganzen Zins stunden. 1394 ist sein Sohn Hermann mit einem Zins von 8 s für eineinhalb Hufen nachweisbar. Drei Jahre später ist sein Schwiegersohn, Bernt (van) Brostidde, dazugekommen. Diese Zuordnung dürfte plausibel sein, weil jener Bernt genau den Zins entrichtet, der, dem seines Schwagers Hermann addiert, die Summe ergibt, zu der die relicta Hermanni Schowerten verpflichtet war. Und nun kann man endlich rückschließen, wieviel Land nach dem Tode der ‚ersten‘ Witwe Schuster (vor 1356) an ihren ältesten Sohn gefallen war: dreieinhalb der sechseinhalb Hufen, denn dessen Sohn und Schwiegersohn ‚halten‘ 1397/ 8 je 7 / 4 83 . - Tile sutor ist nur noch 1359 belegt - mit stark reduziertem Zins. Seine Spur verliert sich dann. Scheint dieser Zweig der Schusters zu verdorren? - Etwas anders der Fortgang Heyneke Rentens. Bis 1362 ist er mit etwa gleichem Zins vertreten. Bis 1380 muß dann ein doppelter ‚Bruch‘ geschehen sein, denn in diesem Jahr gibt eine relicta junioris Renden immer noch den gleichen Zins. Eine Deutung: In diesen 18 Jahren hat der Sohn Heynekes, eventuell gleichen Namens, seinen Vater beerbt, ist aber bald darauf gestorben. Seine Frau Grete bringt nun als Witwe mit ihrer Hufe zu 6 s jährlich ihr(e) Kind(er) hoch - so zu schließen aus den Angaben zu 1397/ 8. - Stelter et Faber, der Stellmacher und Schmied im Schuster-Clan, der 1356 5 s stunden läßt, verschwindet dann - doch 1380, 24 Jahre nach seiner Erwähnung, zinst ein Tyle Kleynsmed etwa 3 s für eine halbe Hufe, wie sich 1397/ 8 herausstellt. Diese Angaben sind für nähere Filiationen zu dürr, doch scheint es - den Zunamen und ähnlichen Zinsen nach zu schließen - hier einen erbfamilialen Zusammenhang irgendwelcher Art zu geben. Damit wäre der Geschichte der Schusters bis 1398 ausreichend nachgespürt - wenn nicht noch Hermanus Drope wäre, der für eineinhalb Hufen 8 s 6 d zu zinsen hat (1397/ 8). Sollte er doch ein Nachkomme des Tile Schuster von 82 In UBStött 198/ 1432 werden, zu 2 Hufen gehörig, unterschieden: 1 hof het olde Las, 1 hof de junge. Vielleicht läßt sich auch manches ‚ungerade‘ Verhältnis zwischen Hufe und Hof, manche einer curia angeschlossene area als Abschichtungserscheinung deuten, die durch laterale Expansion verursacht ist. Ob es sich auch um ‚Altenteiler‘ handelt, scheint mir zweifelhaft, aber Abschichtungen von ‚Nachgeborenen‘ sind gut vorstellbar. W. Ribbe, Zur rechtlichen, wirtschaftlichen und ethnischen Stellung der Kossäten, in: Germania Slavica II, 1980, S. 28f. denkt Ähnliches, die Kossäten in Mitteldeutschland betreffend. 83 Zugegebenermaßen hat diese Konstruktion einen ‚Schönheitsfehler‘: Herrmann und Bernt haben genauso viel Land inne. Sollte die Tochter gleich viel geerbt haben? Zur Erklärung bietet sich an: sie ist erstes Kind - die Anteriorität hätte dann hier die Virilität ‚gebrochen‘. 162 1356 sein? Die Vermutung liegt nahe, trotz der abweichenden Zinshöhe (1356 8 s 1,5 d; 1397/ 8 8 s 6 d). Mag diese mit Vermutungen beladene Rekonstruktion nur partiell plausibel sein, so zeigt sie doch, wie zäh die Erbzinsbauern um den Erhalt der Verbindung zwischen dem Land als Erbgut und ihrer ‚eigenen‘ Abstammungs-‚Linie‘ ringen, ohne ihrem Grundsatz, daß kein legitimer Erbe von dieser Verbindung ausgeschlossen werden darf, untreu zu werden. Was von herrschaftlicher Seite als ‚Erbzinsrecht‘ akzeptiert wird, können die Bauern - bleiben nur die Landmenge und der daran haftende Zins konstant - zur Konzentration ebenso nutzen, wie sie zur Verteilung gezwungen sind, wenn ihre eigene Fertilität dies gebietet. Die Geschichte der Schusters in Bruchmachtersen zeigt diese beiden Extremlagen: 1340 steht eine Witwe für die 35 s ‚ihrer‘ sechseinhalb Hufen gerade, 16 Jahre später tun dies ihre beiden Söhne und die Männer ihrer zwei Töchter, und noch eine Generation später sind es sogar 5 Verantwortliche, alle (? ) direkte Nachfahren der zweiten Generation. Die Herrschaft scheint diese Praxis der ‚innerverwandtschaftlichen‘ Verteilung von Land und Zinspflicht wenig zu scheren, sie interessierte allein der Zins selbst. Oder: War sie schlicht machtlos gegen die Auswirkungen dieses Rechts in der Praxis? Als Grundsätze solcher Vererbungsweise des Landes können gelten: erstens die Möglichkeit, zwischen der cessio post bzw. ante mortem zu wählen - obwohl erstere die Regel zu sein scheint; zweitens die Verpflichtung zur - nach Geschlecht und Alter gestuften - Berücksichtigung aller Erbberechtigten, soweit diese dies wollen (leider fehlen Quellen über ‚Abfindungen‘); drittens die deutliche Bevorzugung der ‚Brusterben‘, also der deszendenten Verwandten vor den aszendenten, den ‚Schoßerben‘ 84 ; viertens eine starke Stellung der Witwe in dem Moment, wo der Mann diese früh mit unmündigen Kindern zurückläßt. Man könnte versuchen, die Vielfalt der Familien-‚Geschichten‘ noch an manchem anderen Fall aufzuzeigen: zwei Urkunden über 8 Litonenhufen und ihre Inhaber in Twelken 85 ; eine aus Stötterlingenburg über die tweiunge zwischen Witwe und Sohn - also die Schaffung einer Leibzucht 86 ; zwei Gerichtsurkunden darüber, wie Frauen ihre Erbansprüche durchzusetzen versuchen 87 . Volle Gestalt nähme die ‚Praxis des Erbzinsrechts‘ als lebendiges System erbbäuerlicher Reproduktion aber erst an, wenn man den Gesamtbestand der Erbzinshufen und ihrer Inhaber in den St. Blasius-Rechnungen systematisch erschlösse. Nur durch intensives Studium möglichst vieler Fälle gerade mit vielen Hufen am Ort würde man mehr sehen können als hier geboten und vermutet wurde 88 . 84 Der einzige mir bekannte Fall: GUB 4/ 652 (s.o. Anm.26). 85 BrUB 2/ 888/ 1320, 4/ 338 (nach 1320). Allein 5 verschiedene Varianten zum Verhältnis von Hufenzahl, Verwandtschaft (linea consanguinitatis) und Fertilität ließen sich hier zeigen! 86 UBStött 174/ 1404, leider nur in Regest wiedergegeben. 87 GUB 2/ 487/ 1295; 3/ 796/ 1328. 88 Die Informationsgestrüppe von Gr. und Kl. Flöthe, Nord- und Ost-Heerte sowie Söhlde ließen sich nicht erhellen. Hier kann nur mehr Zeit und Erfahrung weiterhelfen. Dazu wäre eine Ausweitung in die - ja viel dichter - überlieferten Rechnungen des 15. Jahrhunderts notwendig. 163 Konnte man doch - besonders am Beispiel der Schusters - am Verteilungsgebaren spüren, welche Intensität der Bodenbindung aller ‚Familien‘-Mitglieder bei den Erbzinsbauern vorhanden ist, so hat man einen anderen Eindruck von den Zeitpächtern der korn- bzw. mischzinspflichtigen allodia. In den Rechnungseinträgen zu dem 4-Hufen-Betrieb von St. Blasius in Watenstedt 89 - gewissermaßen einem Parallelbetrieb zu dem Neuwerks am Orte! -, dem 5-hufigen Vorwerk in Lengede 90 und den zwei allodia (3 bzw. 7 Hufen) in Köchingen 91 ist deutlich eine andere Haltung erkennbar. Sie ist gewissermaßen ‚sachlicher‘. Es geht um das Allod und seinen Ertrag, weniger darum, wer die Person ist, die ihn erwirtschaftet. Sehr oft ist anstelle des Pächternamens nur dessen Funktion vermerkt: z. B. villicus de allodio pro porcis I tal. 92 Wenn Namen auftauchen, dann fehlen meist Zunamen. So ist es natürlich schwer herauszubekommen, ob es Fälle von mit dem Verpächter vereinbartem ‚Erbgang‘ gibt. Allerdings ist die Fortführung der ‚Geschäfte‘ durch die Witwe je einmal in Lengede (1340: villicus, 1347/ 8; villica) und in Köchingen (1347/ 8) bezeugt. Die bei weitem längste Pachtdauer ist die eines Litonen Elrik/ Eyler in Lengede: sie währt von (mindestens) 1355 bis 1394 93 , also 39 Jahre. Alle anderen Fristen sind - soweit die kargen Quellen hier verläßlich Auskunft geben - deutlich bis wesentlich kürzer: 25, 18, 7 und weniger Jahre. Nur in einem Fall scheint sicher, daß - nach langer Unterbrechung - ein Namensgleicher als Meier erscheint! in Köchingen zinst ein Reynerus Merseman von 1301-3; ihm ‚folgt‘ von 1355-62 ein Merschman 94 . Es sind also kaum ‚lineare‘ Zusammenhange der Inhaber der allodia greifbar. Höchstens auf ‚zwei Leiber‘ scheinen die Pachtverträge abgeschlossen worden zu sein: auf Mann und Frau. An keiner Stelle sind Verwandtschaftstermini benutzt. Dies ist auch nicht nötig, da es immer nur einen Verantwortlichen für die 89 Die Informationen beziehen sich nur auf die Zeit bis 1358: GK, S. 18, 8; 19, 27; 21, 2; 22, 11f.; 24, 35; H. Hoffmann, a.a.O., S. 263; GK, S. 39, 36; 69, 20; 74, 1; zur Erwerbsgeschichte: S. 422. 90 Betrifft die Zeit von 1315-1398, obwohl die letzte Kornzinsrechnung von 1375 ist. Alles spätere bezieht sich auf den hofbezogenen kommutierten Schweinezins: GK, S. 28, 25; H. Hoffmann, a.a.O., S. 260; GK, S. 37, 6; 45, 26; 48, 12f.; 49, 12f., 36; 52, 28f.; 58, 8; 59, 38; 60, 21; 60, 34; 62, 33; 64, 15; 69, 25, 41; 80, 1f.; 81, 42; 84, 27; 90, 23f.; 93, 30; 94, 17; 97, 2; 85, 11; 86, 4; 102, 25f., 103, 9; 105, 23; 109, 13; 115, 23. Erwerb: S. 416. 91 Betrifft die Zeit von 1301-1398. Zur Begründung s. die vorige Anm. Die Informationen: GK, S. 19, 15; 20, 32; 21, 40f.; 28, 25f.; 33, 15; 34, 10f.; H. Hoffmann, a.a.O., S. 260; GK, S. 37, 6; 43, 19; 45, 27; 48, 13f.; 49, 27; 52, 17; 53, 21; 54, 9f.; 58, 9; 60, 34; 62, 34; 64, 15f.; 69, 38; 71, 20; 74, 16, 44f.; 77, 40; 80, 3; 81, 42; 84, 39f.; 90, 4, 22; 94, 18; 97, 5; 85, 9; 86, 40; 99, 22ff.; 102, 26f.; 104, 18f.; 109. 13f.; 110, 28; 115, 24f. Erwerb: S. 416. 92 Für Watenstedt: 1311/ 30; Lengede: 1315-48; Köchingen: 1315-21. Diese ‚Anonymität‘ läßt seit der Mitte des Jahrhunderts nach. 93 Eylers Tod bezeugt die exuvia-Gebühr von 3 mc in diesem Jahr. Ihm folgt ein nicht namentlich genannter villicus. 94 Ein Verwandtschaftszusammenhang könnte vielleicht auch zwischen dem zwischen 1338-56 erwähnten Johannes (Neder-)Meyer und einem 1380/ 1 bezeugten Hans Meyer in Köchingen bestehen. 164 Betriebsführung und Zinsentrichtung gibt. Hinter dieser Einförmigkeit scheint das strikte Teilungsverbot von Hof und Hufen der Meiereien zu wirken, auf das man in den Lokationen wiederholt stößt 95 . Nur in einem Fall - in Köchingen zwischen 1355 und 1362 - scheint es zu einer Aufspaltung der dortigen zwei allodia in drei gekommen zu sein. Warum in diesen Jahren drei Zinspflichtige - laterale Verbindungen werden nicht deutlich - nebeneinander erscheinen, ist nicht klar, könnte aber wirtschaftliche Gründe haben, auf die ‚von oben‘ reagiert wurde 96 . Wie dem auch sei - die Inhaberschaftsverhältnisse auf den 3 allodia von St. Blasius, die hier untersucht wurden, deuten auf weniger enge Bindungen des Bauern zum Boden sowie der älteren zur jüngeren Generation hin. Wer unter Bedingungen von ständiger Kontrolle der Herrschaft 97 , Verfügungsverbot über das Land und Zeitpacht lebt, muß das langfristige Ziel seines Wirtschaftshandelns eher auf Mobilien - am besten aufs Geld - richten, um seine Kinder mit Erbgut angemessen versorgen zu können angemessen für einen neuen ‚Beginn‘ an anderem Ort, auf ‚fremdem‘ Boden. Größere Bereitschaft zur Mobilität dürfte also auch die Mentalität dieser Zeitpächter prägen. Natürlich sind dies Folgerungen, die den Typus des Zeitpachtbauern besonders scharf hervortreten lassen sollen - im bewußten Gegensatz zum ortsfesten, zäh die Bodenbindung haltenden Erbzinser. Diese - aus ohnehin nur einem Bruchteil der Rechnungen - herausgearbeitete ‚Polarität‘ der Bindung ist durch andere Quellenzeugnisse sicher leicht relativierbar. Einerseits bezeugen die verschiedenen Inventare, die auch die Zunamen von Inhabern enthalten, von einer beachtlichen Mobilität der ländlichen Bevölkerung überhaupt. Sie findet ebenso zwischen den Dörfern statt wie von den Dörfern in die Städte. Im - möglicherweise alle Hufner erfassenden - herzoglichen Verzeichnis von Dettum (ca. 1365), einem Dorf nördlich der Asse, in dem die Kleinbauern dominieren 98 , findet man, den Herkunftsbezeichnungen der Zunamen nach, Bauern aus 5 Dörfern der näheren Umgebung - Evessen, Denkte, Kissenbrück, Sickte und Weferlingen -, aber auch aus ferneren Orten wie Gustedt und Nauen 99 . Wie immer begründeter zwischendörflicher ‚Austausch‘ oder regi- 95 GUB 2/ 118,119/ 1266 (betrifft eine ganze domstiftische villicatio); 3/ 395/ 1316 (bona in Döhrenhausen); UBHHi 2/ 904/ 1252 (2 M in Bleckenstedt); 3/ 1198/ 1298 (1 M in Woltorf ). Vgl. auch W. Küchenthal, Bauernhöfe, S. 38. Dieser Punkt ist noch zu wenig erhellt. Gerade im Hinblick auf die spätere Entwicklung, die bekanntlich zur de facto-, noch später zur de iure- Erblichkeit im ‚Meierrecht‘ führt, wären noch breitere und genauere Nachforschungen nötig. 96 Ich habe aber den Eindruck, daß diese Teilung mit dem langfristigen Niedergang der allodia zusammenhängt. Sowohl die Geldals auch die Kornzinserträge, also auch die des Zehnten, schrumpfen im Laufe des Jahrhunderts beträchtlich. Vgl. Tabelle 18 Z.11; 19, Z.4, 20 Sp. ‚Köchingen‘. 97 Dies ist an den vielen Bemerkungen über herrschaftliche Aufwendungen (Löhne, Verkaufskosten, Vorschüsse u.a.m.) erkennbar, besonders in Lengede und Köchingen, wo St. Blasius noch über Zehntrechte verfügte. Zu diesen Fragen allgemein: H. Hoffmann, a.a.O., S. 241ff. 98 Vgl. Tabelle 5a nach Sud 3/ 256. 99 Viele Hinweise auch in Tabelle 32 und 34. 165 onale ‚Zirkulation‘ eines Anteils der Bevölkerung muß man wohl voraussetzen. Dazu kommt die Anziehungskraft der Städte. Aus den Goslarer Neubürgerlisten von ca. 1300-1350 100 , die die Namen von insgesamt 376 Zuzüglern enthalten, von denen 173 Herkunftsnamen belegt sind, geht klar hervor, daß die meisten Neubürger aus dem näheren ländlichen Umfeld der Stadt stammen. Wie man die Mobilität also nicht allein für die unter Zeitpachtbedingungen lebenden Bauern voraussetzen kann, so gelten enge Bodenbindungen nicht nur für die Erbzinser. Dies zeigen die Inhaberschaftsverhältnisse im Dörntener Register, dessen meiste Güter ja als kornzinspflichtige Mehrhufenbetriebe identifiziert werden konnten. 5 Meierhöfe haben je einen männlichen Inhaber, einen haben zwei Brüder zusammen inne, einen ein Mann mit seinem Schwager, 2 eine Witwe mit ihrem Sohn, einen eine Witwe allein 101 . Diese Vielfalt erinnert doch sehr an die Verhältnisse der Erbzinser in den St. Blasius-Rechnungen! Ein weiteres Indiz für ortsverbundene ‚Bodenständigkeit‘ kommt hinzu: es gibt offensichtliche Belege dafür, daß mehrere Meierhöfe im gleichen Dorf in der Hand eng Verwandter sind. Ob dies für die Brüder Thileke und Heydeke in Gr. Wehre gilt, ist nicht ganz sicher 102 . Klar aber dürfte es für die Teghetmeyers sein. Es ist schon ein glücklicher Zufall, daß an dieser Stelle Einzelheiten aus dem Dörntener Register mit solchen aus dem Neuwerker kombinierbar werden: 1351 hat ein Thileke Teghetmeyeres in Dörnten einen 3-Hufen-Betrieb von den Dörntens 103 . Im Neuwerker Hörigenverzeichnis (1355) werden Thidericus, Thidericus, Conradus, Heneke fratres Teghetmeyere genannt 104 , von denen man ohne Not annehmen kann, daß sie mindestens einen curia-verbundenen Mehrhufenbetrieb am Ort innehaben. Immerhin verfügt Neuwerk in Dörnten über 5 bzw. 6 curiae und 20 Hufen! Und eghene lude sind als Inhaber von Meiereien auch in den St. Blasius-Rechnungen belegt. Wenn plausibel ist, daß zwischen den Teghetmeyeres beider Quellen ein (enger) Zusammenhang besteht, dann muß man schließen, daß es Bestrebungen der Inhaber von Mehrhufenbetrieben gibt, ihre materielle Vorzugsposition im Dorf nicht nur zu festigen, sondern auch auszuweiten. Im Ansatz - mehr nicht - wäre also die Bildung oder Existenz einer innerdörflichen ‚Aristokratie‘, eines ‚führenden‘ Clans zu erkennen. Weitere Zeugnisse könnten solche Vorrangstellung auch für benachbarte Dörfer erweisen. Nach dem Neuwerker Verzeichnis ist ein weiterer Olricus Teghetmeyer in Hahndorf, dem südöstlichen Nachbarort Dörntens, ansässig 105 . Gehört 100 GUB 4/ 404. Hierzu auch C. Borchers, Villa, S. 90ff. Da der jährliche Zuzug nur im letzten Jahrzehnt der Gesamtzeit erkennbar ist, muß man auf eine chronologische Aufschlüsselung verzichten. 101 Zusammengestellt aus GUB 4, S. 323-7. 102 Im Register gibt es zwei Beschreibungen von Gütern in Gr. Wehre (a.a.O., S. 323f., 327), von denen nicht ganz klar ist, ob sie nur verschiedene Fassungen aus verschiedenen Jahren sind. Letzteres liegt nahe. Aber selbst dann müssen Thileke, der erstgenannte, und Heydeke, min meyer, aus der Sicht der Dörntens nebeneinander gewirkt haben. 103 A.a.O., S. 325. 104 A.a.O., S. 397. 105 Tabelle 41, Z.15. 166 er zum ‚Dörntener‘ Clan? Nach einer Urkunde von 1352 hat ein Bartolt Boteken in Jerstedt einen 3-Hufen-Betrieb inne 106 . Ist er mit (den Brüdern) Thileke und Koneke Boteken verwandt, die 1351 als Inhaber eines 4-Hufen-Betriebs im nordöstlichen Nachbardorf Dörnten nachweisbar sind 107 ? Im Neuwerker Hörigenverzeichnis gibt es 7 Personen mit dem Zunamen Botel(s), sie verteilen sich auf die Dörfer Immenrode, Weddingen (beide direkt benachbart) und Langelsheim, drei Dörfer ‚weiter‘ nach Westen 108 . In allen drei Dörfern ist Neuwerk mit curiaverbundenen Mehrhufenbetrieben vertreten 109 . Verbietet sich die Annahme, daß diese Botels mindestens einen Teil dieser Betriebe führen? Wenn man dies für naheliegend hält, dann kann man die Folgerung nicht mehr vermeiden, daß die Klosterführung ihre - benachbart liegenden - Betriebe bewußt an Eigenleute vermeiert hat, die durch Verwandtschaft verbunden waren. Ein Widerspruch hat sich aufgetan zwischen den eher von Mißtrauen geprägten Verhältnissen auf den allodia der Domherren von St. Blasius, wo Zeitpacht und Kontrolle den villici zusetzen, und einer auf bäuerliches Clan- ‚Bewußtsein‘ setzenden Vermeierungspraxis der Goslarer grundbesitzenden Patrizier (von Dörnten, Neuwerk), die der Bildung binnen- und zwischendörflicher Bauern-‚Aristokratien‘ günstig zu sein scheint. Solange aber nichts darüber zu erfahren ist, wie die Patrizier über jene Meier verfügen - nach Pachtrecht und Produktionskontrolle -, läßt sich der soziale Sinn dieses Widerspruchs nicht genügend aufschlüsseln. Die Analyse der vielfältigen Beziehungen zwischen dem Zinsen und Erben als Prozeß, die doch recht konkret in die Verhaltenslogik der Erbzinsbauern führte, provozierte gewissermaßen Ergänzungen, die ein zunehmend komplexes Bild von den langfristigen Bindungen der Bauern untereinander und zum Boden entstehen ließen: - Die Erbzinsbauern sind demnach nicht nur am beharrlichen Streben nach Kontinuität jener Bindungen durch alle ‚Wechselfälle‘ ihrer Familiengeschichte hindurch zu erkennen, sondern auch sie lösen sich vom Boden und voneinander - ob aus Zwang oder Vorteilsstreben, wäre nur im Einzelfall mit günstiger Überlieferung zu prüfen. - Die Situation der Inhaber von Mehrhufenbetrieben zu Zeitpacht erscheint zwielichtig: auf der einen Seite im eher mißtrauischen Griff der Verpächter, der dem Aufbau langfristiger Bodenbindung und sozialer Kontinuität hinderlich ist, auf der anderen im ‚Pakt‘ mit Verpächtern, die die Bildung von - langfristiger? - örtlicher, ja zwischendörflicher Vorrangstellung und deren Erhaltung zu fördern scheinen 110 . 106 GUB 4/ 451. 107 A.a.O., S. 323. 108 Tabelle 41, Z.2, 3, 12, 21, 22; 15, 20. 109 Tabelle 1, Z.3, 18, 39. 110 Ob dieser Widerspruch alt-herrschaftliche und patrizische Attitüden spiegelt - so ist es hier ja angedeutet -, ist nur durch weitere Forschung prüfbar, die insbesondere die St. Blasius-Rechnungen systematisch zu berücksichtigen hätte. Vielleicht sind dort auch Beispiele für die Hal- 167 Über die Spuren solchen ‚Paktierens‘ konnte nach langem Umweg über die Bauern von St. Blasius zurückgekehrt werden zu denen Neuwerks. Sollten diese Spuren ausreichen, ihnen auch im Hinblick auf die Kontinuität der Bodenbindung und auf ihre soziale Stellung sowie Mobilität ‚eigenes‘ Profil zuerkennen zu können? Man muß skeptisch bleiben - die Spuren sind zu dürftig. Abschließend ist noch auf eine Lücke hinzuweisen, ein Hinweis, der eigentlich in jeden Abschnitt hätte gehören müssen: die Inhaber der landlosen areae, die Kätner, sind nicht greifbar geworden. Es scheint zu ihrer Existenz zu gehören, im Schatten zu stehen. Das gilt - natürlich - auch für die Formen von lokaler Integration und Gemeinschaftshandeln, nach denen nun noch gesucht werden soll. 5 Buren und burscap: Aspekte des lokalen Gemeinschaftshandelns Wer sich allgemein über die ostfälische Dorfgemeinde informieren möchte, erhält durch die Studien von B. Schwineköper und G. Buchda solide Auskunft 111 . Günstig ist auch die Forschungssituation zu den Landgerichten 112 . Sind diese Kenntnisse vereinbar mit den spärlichen Zeugnissen, die hier zu diesem großen Thema zusammengesucht werden konnten und mit den Folgerungen, die die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung nahelegen? Begonnen werden muß mit dem Hinweis, wie wenig zu erfahren ist über die ‚gewerbliche Produktion auf dem Lande‘ 113 - Erscheinungen, die im lokalen Zusammenhang als ‚dörfliche Arbeitsteilung‘ bezeichnet werden können. Sicher sind die Quellen hierzu so nichtssagend, weil jene meist rein bäuerlichen Versorgungszwecken dienten und nur in ganz bestimmten Fällen rententrächtig waren. Vielleicht ist es sinnvoll, hier zwischen dem fürs Dorf Nötigen und dem Besonderen zu unterscheiden. Nötig waren wohl Müller, Schmied und Hirte. Nur über die Mühlen hört man ab und zu etwas. In den Besitz- und Lehnsregistern werden sie meist kommentarlos erfaßt 114 . In Urbaren kommen Zinse hinzu. Sie variieren zwischen ca. 10 s und 1 mc 115 : man könnte diese Mühlenrente tung zu finden, die hier vorläufig als ‚Paktieren‘ bezeichnet sind. 111 B. Schwineköper, Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen und in den benachbarten Markengebieten, in: VuF 8, 1964, S. 121ff.; G. Buchda, Die Dorfgemeinde im Sachsenspiegel, in: a.a.O., S. 7ff.; ältere Darstellungen bei W. Wittich. Grundherrschaft, S. 348ff.; O. Teute, Ostfalenland, S. 343ff., bes. 353f.; spätere Entwicklungen diskutiert H. Harnisch, Gemeinde und Gemeindefinanzen im Spätfeudalismus. Problemstellungen und Untersuchungen zur Stellung der Landgemeinde, in: Jb f. Regionalgeschichte 8, 1981, S. 132ff. 112 Gemeint ist hier das Goding. Dazu besonders G. Landwehr, Die althannoverschen Landgerichte, Hildesheim 1964, S. 144ff.; zum Goding im Landrecht des Sachsenspiegels G. Droege, Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, Bonn 1969, S. 44ff.; den älteren Forschungsstand findet man bei E. Meister, Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, Berlin/ Stuttgart/ Leipzig 1912, S. 148ff., 201ff. 113 Wichtige Hinweise hierzu bei E. Ennen/ W. Janssen, Agrargeschichte, S. 159f. 114 Vgl. die betreffenden Spalten im Tabellenanhang. 115 Eine Neuwerker Mühle bei Immenrode (GUB 4, S. 391/ 1355): molendinum solvens tres fertones 168 dem mittleren bzw. hohen Niveau des Hufen-Geldzinses gleichstellen. Über die Rechtsstellung informiert - wie so oft - Eike. Die Mühle genießt Sonderfrieden. Ihre Schädigung wird - spiegelnd - hart bestraft, und zur Nutzungsordnung führt er sprichwörtlich aus: De ok erst to der molen kumt, de scal erst malen 116 . Die Betriebstechnik - meist werden es Wassermühlen gewesen sein, von den vielen Bächen der Gegend und angestauten Teichen gespeist - bleibt dunkel 117 . Zur Betriebsweise geben nur zwei ‚Mühlenordnungen‘ Hildesheims gröbste Auskunft 118 . Sie beziehen sich besonders auf die Ehrlichkeit der in der Mühle arbeitenden knechte und auf die ihnen zukommenden Quoten. Über den Mühlenbann, d. h. die sachliche und räumliche Verbindlichkeit ihrer Benutzung durch die Bauern, erfährt man nichts. Von herrschaftlicher Seite wird jedenfalls kein Nachdruck hierauf gelegt. Welche Verbreitung die Mühlen endlich im Untersuchungsraum hatten, ob jedes Dorf seinen Müller hatte, war nicht befriedigend zu erhellen 119 . Auf Schmiede und Hirten stößt man nur zufällig 120 . Diese knappen Hinweise kann man nicht systematisch deuten. Für den Dorfhirten sei auf das verwiesen, was Buchda dem Sachsenspiegel entnehmen konnte. Man muß zwischen dem - entlohnten - Gemeindehirten und eigenständigen Hirten, besonders Schäfern, von Großbauern unterscheiden. Besondere Lagen und Ressourcen von Dörfern bedingen Eigenheiten, auf die hier nur am Rande hingewiesen werden kann: die bekannten Sülzereien in Gitter/ Vöppstedt/ Kniestedt 121 , die Herstellung von Töpferware in Ötze 122 und Bengerode 123 . Vergessen werden sollten auch nicht die Krüge. Nur enne hoveke dar de taverne hadde gewesen, ist für Gr. Wehre im Dörntener Register belegt 124 . Glaubt man aber mit dem immer in Einzelheiten sehr kenntnisreichen H. Wiswe daran, daß kopenpennige als eine von den Krügern zu entrichtende ‚Biersteuer‘ aufzufassen sind 125 , dann wären in den Goslar wie ein Kranz umgebenden Dörfern et pullos; die kleine Serie von Mühlenzinsen im Register von St. Michael von 1333 (UBHHi 4/ 1336, S. 726-30) zeigt die Variationsbreite. 116 SspLaR II, 66 § 1, 13 § 4, 59 § 4. 117 Die Möglichkeiten werden in dem liebevollen Werk von W. Kleeberg, Niedersächsische Mühlengeschichte, ND Hannover 1978. S. 27 erläutert. 118 UBStHi 1/ 835/ 1331, 877/ 1334. Die im GUB enthaltenen Mühlen-locationes beziehen sich auf städtische Mühlen. 119 Einen guten Ausgangspunkt zu einer Statistik dieser Art bieten die Zusammenstellungen bei W. Kleeberg, a.a.O., S. 363ff. 120 Schmied: LeRg Reg.-Blank. (1346), Bl. 10a, Nr. 278 (in Hessen, dort auch ein Schuster); Schäfer: GUB 5/ 6/ 1366 (mit einer Hufe ausgestattet); Tabelle 4: Schäfereien, die zu Sedelhofbetrieben gehören. Sie gehören wohl zu dem im Text angedeuteten zweiten Typ. 121 Tabelle 25, Z.4, 8; Sud 6/ 61, S. 56; vgl. hierzu ausführlich F. Zobel, Heimatbuch, S. 19ff., 14ff. 122 UBHHi 4/ 638, S. 346/ 1321. 123 E. Ennen/ W. Janssen, Agrargeschichte, S. 159. Auf Glaserei und Köhlerei in Königshagen weist W. Janssen, Königshagen, S. 152ff. hin. 124 GUB 4, S. 327. 125 E. Wiswe, Remlingen, S. 179f. 169 Jerstedt, Weddingen und Langelsheim, alle an wichtigen ‚einfallenden‘ Straßen, solche Krüge für 1354 indirekt erwiesen 126 . Auf Handwerker eher kleinstädtischen Zuschnitts verweisen in dem hier berücksichtigten Quellenbestand allein die Zunamen von Zinsbauern im St. Blasius-Urbar von 1340, dessen Rechnungen sowie im Aktivteil des Heimburger Lehnsregisters 127 : Bäcker, Weber, Schneider, Schuster, Schrader, Krämer u. a. Eine nähere Zuordnung zum dörflichen Leben verbietet sich aber. Es läßt sich also nur - und zwar kaum bezogen auf den Einzelfall - Weniges zusammentragen darüber, welchen gewerblichen Einschlag die Dörfer dieser Region gehabt haben dürften. Vielleicht ist aber doch die aus breiteren Zusammenhängen stammende Vermutung berechtigt, daß einige dieser Tätigkeitsfelder stärker von der ‚Dorfarmut‘ besetzt sind. Nun zum Thema der Dorfgemeinde. Hätte man Eikes Spiegel nicht, dann wäre nicht viel mehr als die ‚Außenhaut‘ der dörflichen Organisation sichtbar: burmester, allein oder mit ihrer burscap, die in den Zeugenlisten von Gerichtsurkunden begegnen. In drei solcher Urkunden vom Ende des 14. Jahrhunderts werden diese Repräsentanten von immerhin 13 Dörfern unseres Untersuchungsgebiets genannt 128 . Sie fungieren in den Godingen (hier: Buchladen, bei Goslar, Liebenburg), wo Grundstücksübertragungen, Auflassungen, Einweisungen, Erbstreitigkeiten, ebenso aber auch peinliche Fälle und Rügedelikte verhandelt werden 129 , als Rechts- und Urteilsfinder, die den umstehenden dingnoten Recht und Urteil zur Zustimmung vorschlagen 130 . Mit diesen Zeugnissen ist klar, daß im Untersuchungsgebiet die Gemeindeform mit dem burmester an der Spitze herrscht. Diesem Typus hat die Forschung relativ starke genossenschaftliche Kraft zugeschrieben - nach Ursprung wie Fortleben 131 . Läßt sich solche Einschätzung - über Eikes Bestimmungen hinaus - mithilfe der Quellen konkretisieren? Gerade das, was Eike über die genossenschaftliche Bestellung des Bauermeisters und seine gerichtlichen Befugnisse nach ‚innen‘, als Dorfrichter, sagt, läßt sich nicht ergänzen, weil über diese Handlungen nichts verlautet 132 . Schwieriger wird alles noch dadurch, daß in den Quellen über das gemeinschaftliche binnendörfliche Handeln der burmester bzw. magistri civium nichts erscheint. In diesen Quellen - es sind fast nur Urkunden über Konflikte der villani, cives oder buren mit ortsberechtigten Grundherren - ist also nichts über jene Befug- 126 GUB 4/ 506. Diese Steuer geht an den Bf. von Hildesheim. 127 GK, S. 45-48; Tabelle 34. 128 GUB 5/ 858/ 1391: Baumeister von Burgdorf, Schladen, Gielde, Neuenkirchen; UBHHi 6/ 1086/ 1395: Othfresen, Dörnten (2 Bauermeister), Kl. und Gr. Döhren, Heissum, Lewe; GUB 5/ 982/ 1395: Wolfshagen, Langelsheim, Astfeld. 129 Hierzu G. Landwehr, Landgerichte, S. 176-80. 130 A.a.O., S. 171ff. 131 B. Schwineköper, Dorfgemeinde, S. 143f. 132 Nur über Meierdinge hört man. Aber diese sind grundherrliche Partikulargerichte, die eben nur Teile der Dorfbevölkerung betreffen (Laten/ Litonen) und nur auf die Grundherrschaft begrenzte Kompetenzen gehabt haben können: alle mit Rente und Stand verbundenen Dinge. Vgl. hierzu D. Illemann, Besitzrechte, Teil III. 170 nisse zu lokalem ‚Regiment‘ zu erfahren, die sich auf Satzung, Gericht und Polizei beziehen 133 . Die 10 Urkunden, die mir zur Verfügung stehen 134 , zeugen von einer Praxis des Gemeinschaftshandelns, die communiter geschieht. Höchstens die erfecsen, jene - wohl durch ‚Eigen‘ bevorrechteten - Dörfler 135 ragen bisweilen mit höheren Befugnissen heraus. Worauf bezieht sich dieses Handeln? Schon im ersten Abschnitt konnte anhand von Hufenstruktur und Pertinenz gezeigt werden, wie eng aufeinander bezogen die Bauernbetriebe dieser Zeit wirtschaften mußten. Doch wird in den Urkunden nichts über die Koordination der Ackerarbeiten und die Stoppelweide in den velden, die Entscheidungen über die Rotation in den Gewannen greifbar. Nichts also über alles, was man gemeinhin ‚Flurzwang‘ und ‚Dreifelderwirtschaft‘ nennt. Darüber war wohl nicht mit den Grundherren am Ort zu rechten. Wohl aber über die Nutzung von mene und marke: jenes Wort meint eher die Weidegründe, dieses eher die Holzungen. Das Gemeinschaftshandeln bezieht sich einerseits auf die pflegliche Nutzung, die ‚Hege‘. Zum zweiten wird über die genauen Grenzen jener Flächen entschieden, drittens über den besseren Zugang zu ihnen - endlich über die Kontingentierung, jowelkeme na orer achte unde to erer nut. All dies bezieht sich auf die Kontinuität gerechten Gebrauchs von bestehenden Allmendflächen. Für besonders bedeutsam halte ich, daß auch gemeinsam in die bestehenden Verhältnisse eingegriffen wurde. Von den Jerstedter cives wird 1311 berichtet, daß sie quasdam terrulas ad usum pecorum dudum habitas ad agriculturam propter sui ubertatem redegissent et quosdam alios agros minus fertiles in compensationem dictarum terrularum ad eundem usum communiter reliquissent 136 . Zwei Ziele sind hier deutlich: man will den Bestand an gutem Ackerboden vergrößern, ohne den an Weidegrund zu verringern. Ein klares Beispiel für das gemeinsame Bemühen zur besseren Nutzung der lokalen Ressourcen ohne Gefährdung der Grundstruktur. Ackerbau und Viehzucht standen, so scheint es, um diese Zeit in einem präzise abgewogenen Verhältnis, dessen selbst geringfügige Verschiebung man nicht wollte. Jeder stand für die Aufrechterhaltung dieser Balance ein. Jeder? Leider ist zur Frage, wer von der Gesamtbauernschaft berechtigt oder faktisch an diesen die ‚Dorf-Ökonomie‘ betreffenden Regelungen teilnahm, zu wenig bekannt: die Vorrangstellung der Erfexen und das Zusammenwirken der buren. Doch wer zu diesen gehörte, oder wer von ihnen ausgeschlossen war - wieder ist an die landlosen Kätner zu denken - bleibt dunkel. 133 G. Buchda, Dorfgemeinde, S. 21f. 134 GUB 2/ 506/ 1296 (Weddingen); 3/ 81/ 1304 (Jerstedt? ); 3/ 245/ 1311 (Astfeld); 3/ 259/ 1311 (Langelsheim); 3/ 264/ 1311 (Jerstedt); UBStHa 2/ 37/ 1311 (Quenstedt, Kl. Quenstedt, Wehrstedt, Nieder-Runstedt, nö. Halberstadt); GUB 3/ 551/ 1321 (Astfeld); 3/ 714/ 1325 (Kirch-Nauen, Bodenstein); 4/ 158/ 1341 (Jerstedt/ Riechenberg); UBStött 193/ 1424 (Bühne). 135 Zum Sinn dieses Terminus: Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 3, Sp.59f. (m. Lit.), siehe auch K. Ch. Schiller/ A. Lübben, Mndt. Wb. 1, S. 740. 136 GUB 3/ 264. 171 Die Wahrnehmung von Rechts- und Friedenspflichten nach außen und die Regelung der Allmendnutzung innerhalb der Flur, beide hier verfolgbaren Handlungsweisen bezeugen die Kompetenz und Vitalität der dörflichen communitas. Abschließen möchte ich mit zwei Beispielen dafür, daß auch für die dörfliche Versorgung mit Heilsgütern die Dorfgemeinde einstand 137 , im ‚Guten‘ wie im ‚Bösen‘. Ein Jahr nach der Erstellung des Neuwerker Registers baten die cives von Kl. Flöthe den Bischof von Hildesheim um die Erhebung ihrer neuerrichteten ecclesia, die bis dato Filialkirche der alten Pfarrkirche in Gr. Flöthe war, zur ecclesia parrochialis… ea de causa, ut ipsi proprium habentes plebanum sacramenta ecclesiastica commodius possent recipere divinisque ministeriis liberius interesse 138 . Ihrem Wunsch wurde entsprochen: sie hatten aber immerhin ‚ihre‘ Kirche mit 5 Hufen ausstatten und sich zu einer dauernden Zahlung von 1 mc jährlich an die alte Pfarrkirche verpflichten müssen, für ein kleines Ausbaudorf 139 ein beträchtlicher Aufwand, um zu einem ‚eigenen‘ Pfarrer zu kommen, der ihre cura animarum besorgte. Um diese Zeit mußten die parochiani von Mahlum, ein Dorf w. Bockenem, schon über zwanzig Jahre ohne cura animarum und ius parrochiale am Ort auskommen. Dieser Nachteil war eine Strafe, die sie sich 1331 verdient hatten. In einer Urkunde wird berichtet, quod… in ecclesia Maldem sacerdos in sacrae missae actione a quodam perditionis filio instigatione dyabolica fuerit interfectus, ipsique parochiani in eadem ecclesia pro audiendo divino officio congregati malefactorem hujusmodi nec prohibuerint nec post perpetratum scelus ipsum curaverint detineri 140 . Den Grund für dieses skandalöse Gewährenlassen von Mord und Flucht sieht der Bischof in einer Verschwörung - societas occulta - jener Bauern. Warum aber diese? Es liegt die Vermutung nahe, daß sie gegen jenen sacerdos gerichtet war, der, wie frühere Urkunden erweisen, von den Kanonikern in St. Georgenberg bestellt werden konnte, ohne daß der zuständige Archidiakon irgendwelche Mitwirkungs- oder Aufsichtsrechte gehabt hätte 141 . Jener dort zelebrierende, sicher aber sonst meist abwesende Kanoniker oder dessen Vikar wird für die Mahlumer Bauern eben nicht der clericus ydoneus gewesen sein, den sie als den ‚ihre‘ kultischen Belange kontinuierlich wahrnehmenden Pleban ansehen konnten. Seit diesem Vorfall kollektiver Verweigerung findet keine solatio der Parrochianen in ihrem Dorfe statt 142 . 137 B. Schwineköper, a.a.O., S. 145 zum engen Verhältnis von Dorfgemeinde und Pfarrei. 138 GUB 4/ 538/ 1356. 139 F. Zobel, Heimatbuch, S. 124ff. 140 GUB 3/ 886/ 1331. 141 GUB 3/ 172-3/ 1307; zur Vorgeschichte auch GUB 2/ 322-324/ 1285. 142 Erst in den 60er Jahren ist wieder eine Kapelle in Mahlum belegt: GUB 4/ 692/ 1360, 857/ 1365. 173 C Resultat und Ausblick: malus status terrae? Es war mein Ziel, die ländlichen Verhältnisse in der Gegend nördlich von Goslar etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts möglichst genau darzustellen. Im Zentrum dieses Bemühens stand die Deutung der Überlieferung des Klosters Neuwerk, insbesondere die des Urbars von 1355. Doch wurde diese monographische Orientierung durch Einbezug möglichst vieler Register, einer Auswahl aus dem erreichbaren Urkundenbestand und den St. Blasius-Rechnungen sowie normativer Quellen bewußt ergänzt, um ein umfassendes Bild entstehen zu lassen: nicht allein die Neuwerker Bauern waren im Blickfeld, sondern auch ihre lokalen und regionalen Nachbarn. Die Aufgabe wurde als Querschnittsuntersuchung verstanden. Um ihre Ergebnisse für längsschnittorientierte Fragen zu diskutieren, ist es sinnvoll, sie gerafft zu skizzieren. Ohne den einführenden Hinweis auf vier grundlegende Ausgangstatsachen war nicht auszukommen: eine politisch und ökonomisch konsolidierte Stadt, die ihren Einfluß auf das umgebende Land weitsichtig auszubauen sucht; die patrizische Herkunft und Orientierung der Eigner des Bodens, auf dem die Neuwerker Bauern leben; deren deutlich gute Ausstattung durch die Natur nach Bodenqualität, Wasser- und Waldnutzungsgegebenheiten 1 ; und endlich eine Struktur des ‚Landes‘, die durch eine enorme Parzellierung der Eigentumsverhältnisse und eine diffuse Schichtung der Herrschaftsrechte gekennzeichnet ist. Zwei Schritte waren nötig, um die für die ganze Untersuchung grundlegende Kategorie zu gewinnen, die des bäuerlichen Betriebs. Zuerst war der Inhalt der Hufe zu bestimmen: sie ist eine vielgliedrige Ackerlandeinheit (20-30 mg), deren Anteile in etwa proportional über die Flureinheiten verteilt sind, die dem Umlaufrhythmus der Dreifelderwirtschaft unterliegen. Danach mußte der Sinn der Termini curia, area und hof samt ihrer Attribute ermittelt werden. Es ergab sich eine typische Gliederung in den örtlich in vieler Hinsicht bevorrechteten vollbäuerlichen Meier-, Sedelbzw. Bauhof und den kleinen Kothof. Danach konnte die Struktur der Betriebe als Verbindung von Hufe(n) und Hoftypen grundgelegt werden. Die Untersuchung des Neuwerker Registers ergab vier Betriebstypen mit spezifischer Verteilung: 1. drei mehrhufige Gutsbetriebe im Vorfeld Goslars; 2. ca. vierzig 3-5-hufige Meierhöfe (mit ca. 30 angeschlossenen landlosen Kothöfen), die ca. 75 % des Hufenlandes ausmachen; 3. etwa bis zu zwanzig mit zwischen je zwei und einer halben Hufe ausgestattete Kothö- 1 Sehr deutlich wird dies im Vergleich zu den Lebensbedingungen etwa nördlich der Lößgrenze. Hierzu U. Oberbeck-Jacobs, Die Entwicklung der Kulturlandschaft nördlich und südlich der Lößgrenze im Räume um Braunschweig, in; Jb. d. Geogr. Gesellschaft Hannover, 1957. 174 fe - ich nenne sie im folgenden ‚Hufenbauern‘ -, die ca. 15 % der Neuwerker Hufen haben; 4. endlich eine Handvoll landloser und ungebundener Kätner. Es könnten also etwa 70 Betriebe gewesen sein, über die das Kloster gebot. Deutlich liegt das Gewicht auf den mehrhufigen Meiereien. Den gleichen Eindruck vermittelten die anderen ‚bürgerlichen‘ Register (Dörnten 1351f., Frese 1370). Die Analyse des Plenariums des St. Michaelsklosters (1321) ergab wichtige Ergänzungen: der Anteil der ‚Hufenbauern‘ ist hier beträchtlich größer: ca. 100 Meierbetrieben stehen ca. 170 Hufenbauern gegenüber. Ähnlich dürfte es auch in einer anderen ‚alten‘ Grundherrschaft gewesen sein, dem Propsteigut des Hildesheimer Domstifts (1382). Hinweise auf die innerdörfliche Verteilung dieser drei Betriebstypen konnten vier Dorfregistern entnommen werden: in jedem Dorf variiert sie beträchtlich. Ob es Gebiete spezieller innerdörflicher Vorherrschaft bestimmter Typen gibt, mußte noch unklar bleiben. Es wurde im ganzen aber ersichtlich, daß patrizische Grundeigner den Meierbetrieb bevorzugen, Grundherren alten Zuschnitts neben den Meiereien über viele Hufenbauern verfügen. Für maßgebliche Themen der weiteren Untersuchung blieb nun die Orientierung darauf wichtig, ob Zuordnungen zu diesen Betriebsformen, also betriebstypische Differenzierungen möglich wären. Die wenigen Hinweise zur Ausrüstung der Höfe, die Urkunden, Grabungsergebnisse, Hausforschung und Technikgeschichte liefern konnten, erlauben betriebstypische Zuordnungen: der Meierbetrieb wird eher von einem - auch mit Steinbauten versehenen - Mehrseit- oder Haufenhof, der Hufenbetrieb von einem geräumigen Wohnstallhaus aus geführt worden sein; der landlose Kätner wird in einräumiger Hütte gehaust haben. Da Vieh- und Werkzeuginventare fehlen, kann man nur vermuten, daß die Meierhöfe sicher über Pferde sowie die ganze weitere Palette des komplexen Viehbestands, Pflüge, Eggen, Wagen usf. verfügten, beim Hufner eher das Ochsenpaar bestimmte und alles andere weniger umfänglich war, der Kätner aber mit Hand-Werkzeug und Kleinvieh auskommen mußte. Leider ließ die Untersuchung der Pertinenzen keine betriebstypische Zuordnung zu. Sie sind zu allgemein formuliert und beginnen in dieser Zeit, ihre Bindung an die Hufe zugunsten des Hofs zu lösen - so meine These, die noch näher zu prüfen wäre. Die Analyse der Rentenverhältnisse mußte mit der der sachlichen Formen begonnen werden, da ohne einen Überblick hierüber sich keine angemessene Orientierung über alle anderen Dimensionen dieses Sachkomplexes ergeben konnte. Überraschend ist die Armut der Formen. Im Grunde gibt es nur Geld- und Kornzinse. Die wenigen anderen Naturalien haben eher Bedeutung als Hofzinse (Schwein und Gans für den Meier-, Hühner- und eventuell Mohnzins für den Kothof ). Am auffälligsten ist das Fehlen der Frondienste. Weder Transportfronden zu den Herrschaftszentren (Bringschuld) noch ‚domaniale‘ Dienste auf den Meiereien waren in nennenswertem Ausmaß nachweisbar. Diese Lücke bezeugt 175 ganz deutlich die ‚Freiheit‘ sowohl der - ehemals in Villikationen gebundenen - Hufner als auch der Kätner von herrschaftlichen Eingriffen in ihr Arbeitsleben. Die Bindung vieler Kothöfe an die größeren Meiereien aber zeigt umgekehrt eine ‚laterale‘ Symbiose zwischen arbeitsnachfragenden Groß- und arbeitsüberschüssigen Kleinbetrieben. Eine Regulierung solchen Austauschs scheint ganz ohne diese Bindungen - gewissermaßen ausschließlich über die lokale oder zwischendörfliche ‚Zirkulation‘ von ‚Knechten‘ und ‚Mägden‘ - nicht möglich gewesen zu sein. Deshalb wäre die begriffliche Fassung dieser ‚Arbeit‘ sowohl als Fron wie als Lohn problematisch 2 . Die größten Probleme ergaben sich bei der Analyse der Beziehungen zwischen den Formen der Radizierung und der rententragenden Rechte 3 : Im Vordergrund stehen die meist hufen-, seltener hofradizierten Grundzinse, dann folgen die vor allem dorf-, aber auch hufen- und hofradizierten Zehnten. Beide Formen sind vom Herrschaftstyp her indifferent, d. h. jede Herrschaft verfügt über Renten dieser Typen. Doch im Vergleich mit anderen Revenuformen werden Zehnt und Grundzins - letzterer mit der Tendenz zur Hofradizierung - von bürgerlichen Eignern klar bevorzugt, nicht zuletzt wohl deshalb, weil an ihnen keine Herrschaftsrechte bzw. -pflichten (mehr) haften. Dies gilt auch für Neuwerk. Leibherrschaftlich, vogteilich und aus dem Bederecht abgeleitete Einkünfte sind eher die Domäne der anderen Herrschaften. Dennoch gibt es eine nicht unbedeutende Anzahl Höriger Neuwerks. Die Vogtei, alte Domäne des Adels, ist vielfach von den betreffenden alten kirchlichen Grundherrschaften abgelöst bzw. inkorporiert worden, nun verdinglicht zur reinen Revenu. Das Bürgertum meidet sie - wenn einmal erworben, scheint sie ‚gehalten‘ zu werden, wie im Falle Neuwerks. Die Bede, ausschließlich in der Hand des regionalen Fürstentums bzw. seiner Diener, weist die variabelsten Radizierungsformen auf. Welche wirtschaftliches Gewicht sie in der Mitte des 14. Jahrhunderts für die Bauern hatte, muß unklar bleiben. Sicher aber ist sie die Revenuform der Zukunft. Ob endlich Patronat und Inkorporation mit gewichtigen Rentenpflichten verbunden sind, konnte nicht geklärt werden; es wurde nur deutlich, daß jede Herrschaft über sie verfügt. Es ergab sich also ein Konglomerat von Rentenformen, dessen Bedeutung als Ganzes für die verschiedenen bäuerlichen Betriebe nicht ermittelbar war, außer - indirekt - über die Meidung, Bevorzugung oder gar Monopolisierung durch verschiedene Herrschaftsträger bzw. Eigentümer. Bauern in Bürgerhand - so kann man daraus schließen - sind diesen eher grundzins- und zehntpflichtig. Inwieweit andere Rentenformen in anderem Besitz dazukamen, bleibt ungewiß. 2 An dieser Stelle kann der Hinweis nicht fehlen, daß diese eigentümliche laterale Bindungsform als ‚Herrschaft‘ von Bauern über Bauern zu verstehen ist, die gewissermaßen ‚zwischen‘ alter Herrschaftsbindung und neuen Marktzwängen angesiedelt ist. Hierzu allgemein anregend D. Scheler, Grundherrschaft. Zur Geschichte eines Forschungskonzepts. in: Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung, Stuttgart 1981, S. 152. 3 Hier ist nicht der Gang der Darstellung in Abschnitt B II 2 nachzuzeichnen, es reicht der Bezug auf die zusammenfassende Graphik (im Text S. 109). 176 Bei der Untersuchung der Zusammensetzung und Höhe der Hufenzinse konnte der Gesichtspunkt betriebstypischer Zuordnung wieder besser verfolgt werden. Die vergleichende Analyse der urbarialen Quellen von sechs Grundherrschaften bzw. -eignern (1309-1382) erbrachte einerseits klare Differenzierungen innerhalb der Zinskategorien: fixierter und dritteiliger Kornzins, Pfennig- und Mark-Zinse auf je drei Ebenen (1-9 s, 10-16 s, 20 s ff.; 0,5 f, 1-1,5 f, 2-8 f ) und Mischzinse aus Geld und Korn. Andererseits konnten typische Verteilungen dieser Formen in den verschiedenen Herrschaften festgestellt werden. Zwar verfügen alle über die Kornzinshufen, doch haben die bürgerlichen Eigner sich maßgeblich auf sie konzentriert, an Geldzinshufnern waren sie nicht interessiert. Die Bauernschaft der ‚alten‘ Grundherrschaften setzt sich je unterschiedlich aus Korn-, Pfennig- und Mischzinsbauern zusammen. Beachtlich aber ist meist der Anteil der Pfennigzinshufner. Markzinshufen konzentrieren sich in Stadtnähe und haben ein deutlich höheres Niveau. Die Untersuchung der Zinsformen machte eine klare betriebliche Zuordnung der Zinstypen möglich: Meierbetriebe zinsen vorwiegend Korn, Hufenbauern - ob alte Litonen oder Zensualen - vorwiegend Münzgeld. Warum die Höhe der Zinse im Einzelnen schwankt, darüber waren nur Vermutungen möglich: Größe- und Bodengüte der Hufen, Ein- oder Ausschluß von Hofzinsen und Rentenformen anderen Rechtsgrundes, ‚individuelle‘ Kommutation und endlich: das Besitzrecht: Erbzinsrecht und Zeitpacht. Danauf folgend war nach dem Sinn der beiden Verbindungen Hufenbauer- Geldzins-Erbrecht und Meier-Kornzins-Zeitpacht zu fragen. Für die erste wurde vermutet, daß - zeitlich zum Teil weit zurückliegende - Fixierung des Zinses als Kern dieser ‚soliden‘ Rechtsform anzusehen ist. Ihre langfristige Wirkung war wegen der kontinuierlichen Geldentwertung für die Zinser günstig. Die Grundherren scheinen dieser Entwicklung gegenüber eher hilflos gewesen zu sein. Sie bemühen sich mehr um die Haltung des urbarial fixierten Niveaus als um den Ausgleich des Wertverlustes durch Erhöhung der Zinse. Die Rechtsgrundlagen der kornzinspflichtigen Mehrhufenbetriebe waren nur umrißhaft zu erkennen: eher lange Zeitpachtfristen (‚Vitalleihe‘ auf ein, zwei Leiber), aber harte Ahndung von Zinssäumnis und Vermeidung der Remissionspflicht. Aber warum die Produktzinsform? Die Möglichkeit, die Getreidezinse über Marktpreise in Geldquanta umzurechnen, belehrte darüber, daß der Verkauf der Kornzinse durch die Empfänger lohnte: der Geldertrag liegt deutlich über den Niveaus der Geldzinshufen. Man muß also von einer höheren Rentenquote der Kornzinshufen sprechen. Als ökonomische Ratio des Kornzinses erwies sich der Verkaufsvorteil des Empfängers. Doch wie konnten die kornzinspflichtigen Mehrhufenbetriebe die deutlich höhere Zinsbelastung tragen? Die Antwort, so konnte nur vermutet werden, muß in einer ‚rationelleren‘ Betriebsweise der Meiereien gesucht werden: die bessere dingliche Ausstattung und eine ‚billigere‘ Versorgung mit Arbeit garantierten ein höheres Ertragsniveau. 177 Abschließend war noch nach dem Sinn der Differenz zwischen den dem Niveau nach gleichen fixierten und quotierten Kornzinsen zu suchen. Ich meine ihn darin gefunden zu haben, daß der fixierte Zins konjunktur-‚indifferent‘, der quotierte konjunktur-‚angepaßt‘ wirkt. Der fixierte Kornzins unterstellt eine den Gesetzen ertragsabhängiger Preisbewegungen gegenüber gleichgültige Haltung, zwingt den Rentenempfänger besonders im Falle der schlechten Ernte zu ‚unökonomischen‘ Maßnahmen, begünstigt aber den Rentenpflichtigen in beiden Extremlagen - besonders guter und schlechter Ernte - wenig. Die Quotierung des Zinses dagegen bietet beiden Seiten Vorteile durch die Ausnutzung der Preisbewegung ‚analog‘ zum Ertrag. Aber: Im Falle der Mißernte hat der Empfänger mehr vom überproportionalen Preisauftrieb, weil er mehr verkaufen kann: ein konjunkturorientierter ‚Pakt‘ zwischen beiden Seiten, wenn auch ein ungleicher. Es schien mir kein Zufall zu sein, daß gerade die fixierten Kornzinse eher auf den Meiereien der alten Grundherrschaften verbreitet sind, die quotierten aber bei den Meiern in Bürgerhand, d.h. auch denen Neuwerks. Ist es aber berechtigt, dieses Gebaren als aktive ‚marktorientierte‘ Mentalität der eher passiven starren ‚Marktverbundenheit‘ der Hufenbauern gegenüberzustellen? Die Bemerkungen zur lokalen Verteilung der Zinse konnten nur ergänzende Vermutungen enthalten. Die Schichtung der verschiedenen Rentenformen wird die Nachbarn genauso geschieden haben wie deren Typik und Niveau, nicht nur ihre dingliche Ausstattung! Vermutet wurde nun, was - den Ergebnissen über die Betriebsformen nach - bislang nicht gewagt werden konnte: eine Verdichtung der Meierhöfe in den stadtnahen Dörfern, die numerische ‚Hegemonie‘ der Hufenbauern auf dem stadtferneren Lande. Die karge Quellenlage ließ nur eine recht allgemeine Untersuchung der Beziehungen zwischen den Bauern selber zu. Als die Grundlagen der - vielleicht auf den Hof-Betrieb oder das Haus beziehbaren - ungleichen und gestuften Bindungen erwiesen sich die Prinzipien der Virilität, der Anteriorität und der Matrimonialität. Den Kern bäuerlicher Lebenszellen bildet das ehelich verbundene Paar. Der Gatte als ego und die Witwe als alter ego bestimmen - mindestens der Sichtweise der Herrschaft nach - das Verwandtschaftsfeld: es wird als ‚System‘ von Paaren von Verwandten allein ersten Grades eingegrenzt. Die Ehe nun ist als eine durch Autorität und Reziprozität bestimmte Geschlechtseinheit und Gütergemeinschaft zu verstehen, die - über das tägliche Auskommen hinaus - in legitime Erben mündet. Über beide Aspekte - Alltag und Erbgebaren - konnten nur recht ungleiche Aussagen möglich sein, die Quellenlage war zu unterschiedlich. So gut wie nichts war über Mutterschaft, Kindschaft und Jugend zu erfahren. Auch dem ‚Arbeits‘-Alltag konnte ich mich nur sehr spekulativ nähern: zum einen durch den Versuch, den Rahmen bäuerlichen Tuns als binäre und zugleich komplementäre Einheit von geschlechtseigenen Handlungsweisen abzustecken, und zum anderen durch die Deutung der Formen, wie die Beziehung der Bauern zu Hof und Hufe verbalisiert wird. Es ergab sich eine Bezeichnungsvielfalt den 178 Formen nach, die man aber doch als Einheit von eher passivem ‚Hausen‘ und eher aktivem ‚Bauen‘ begreifen kann. Die generelle Bezeichnung solchen Tuns als arbeyde war - außer von Eike - nicht zu finden. ‚Mühe‘ erscheint dagegen gerade mit partikularem Sinn in den Quellen dann, wenn Vor- und Nachteile von Aufwand und Kosten vertraglich ausgehandelt werden. Ich habe diese Haltung als eine patrizische ‚Mentalität‘ identifiziert, die der bäuerlichen und alt-herrschaftlichen Bewertung des produktiven Tuns als mühevollem Los gegenübersteht. Die Analyse des Zins- und Erbverhaltens anhand ausgewählten Materials aus den St. Blasius-Rechnungen brachte eine Vielfalt konkreter Ausformungen zutage, die aber bei den Erbzinshufnern vom Bemühen um die Kontinuität der Verbindung von Land und ‚Generationenfolge‘ geprägt ist, dies durch alle Wechselfälle der Familiengeschichte hindurch. Zu dieser Vererbungs-Strategie steht die relative Lockerheit der Bindung zwischen Land und Bauer bei den Zeitpächtern der allodia im Kontrast. Doch die deutlichen Zeugnisse für eine allgemeine Mobilität der Landbevölkerung und die ‚Bodenständigkeit‘, ja ‚Clanbildung‘ der Meier gerade auf bürgerlichem Grundeigen führte zu der Vermutung, daß die Orientierung beider Gruppen auf kontinuierliche Bodenbindung ebenso wie deren Mobilität verschiedene Gründe gehabt haben könnte: die verschiedenen Wirkungen ‚interner‘ demographischer Prozesse (einfache und geteilte Erbfolge versus Ausheirat und Abwanderung in die Stadt) bei den einen, die mißtrauische Kontrolle durch traditionelle Herrschaftsträger oder die Pacht als gewinnorientierter ‚Pakt‘ mit dem patrizischen Eigentümer bei den anderen. Zu zwischenbetrieblichen Verflechtungen und innerdörflicher Integration war endlich nur Spurenhaftes zu verweisen. wenige, kaum lokal konkretisierbare Hinweise auf die normale ‚Arbeitsteilung‘ (Müller, Hirte) und ressourcenbzw. verkehrsbedingte Besonderheiten. Die Dorfgemeinde wurde einerseits von außen über ihre godingpflichtigen burmester und dingnoten greifbar, nach innen als ein bevorrechtete Erfexen und buren einender Verband, der die Wald- und Weidenutzung regelt, gegen Ansprüche von außen verteidigt und - unter Wahrung der Balance zwischen Acker- und Weideland - verändert. Endlich wurden die Dörfler - punktuell - auch als Gemeinschaft sichtbar, die nach angemessenem Vollzug des Kultus strebt: in eigener Kirche durch einen guten Plebanen. Wie wäre nun die Projektion dieser Ergebnisse in die Zeitläufte zu denken? Ich möchte zunächst einige Verbindungen zu den Zeitformen der kurzfristigen und der säkularen Konjunktur ziehen, um dann Fragen nach dem langfristigen Wandel der Agrarverfassung anzuschließen. Der Zustand der Bauernschaft um die Mitte des 14. Jahrhunderts steht sicher im Zusammenhang mit sehr verschiedenen Erscheinungen, deren Einschätzung als prima causa im Rahmen der Diskussion um die Kausalzusammenhänge beim ‚Weg in die Krise‘ kontrovers ist. 179 Sicher ist zum einen, daß auch im hier untersuchten Raum der Prozeß des Landesausbaus auch des Altsiedellandes, um das es hier geht, vor der Jahrhundertmitte im Großen längst zu Ende ist 4 , auch wenn einzelne Wald- und Niederungsrodungen im Vorfeld Goslars 5 und auf dem Lande 6 bis in die 30er Jahre verfolgbar sind. Auslaufende Rodung und einsetzende Wüstung, das ist ja allgemein bekannt, greifen zeitlich ineinander 7 . Die ersten urkundlichen Zeugnisse über Wüstungen, die nicht ins Vorfeld Goslars gehören, entdeckt man gegen Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrhunderts. Sie sind aber sehr spärlich 8 und weisen fast nur die Verödung des Dorfes, nicht die der Fluren aus. Bei dieser Lage kann man von einer ‚Verkehrung‘ des Trends in der Siedlungsbewegung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wohl kaum sprechen, eher von ‚Stillstand‘ und Umschichtung 9 . Bestätigen kann man, daß die katastrophale Mißernte von 1316 nicht nur bei den Hufnern von St. Blasius ihre Spuren hinterließ 10 , sondern auch bei denen Neuwerks 11 . Weitere klare Zeugnisse, die auf eine Zuspitzung der demographischen und ökonomischen Situation auf dem Lande vor 1350 schließen lassen könnten, sind mir nicht aufgefallen. Nur zwei Verzeichnisse über Schäden (1330- 47, ca. 1344), die von dem Wohldenberger Vogt und den Rössings Goslarer Bürgern in Lochtum, Lengde, Hahndorf, Weddingen, Gitter und Bredelem zugefügt wurden 12 , kann man als Vorboten zunehmender ‚Unsicherheit‘ der Zeitläufte 4 Vgl. die Überblicke bei K. Mittelhäusser. Ländliche und städtische Siedlung, in: H. Patze (hg.), Geschichte, S. 316-27, 328ff.; W. Bornstedt, Siedlungen, S. 25ff. 5 Hierzu K. Frölich, Zur Vor- und Frühgeschichte von Goslar, in: NdsJb 1932, S. 10ff. Auch Neuwerk war an diesen Vorgängen - es ging um Waldanteile an der Flurgrenze Jerstedts - beteiligt, nicht ohne Widerstand der villani, wie eine Serie von Urkunden zeigt: GUB 3/ 50, 71, 79, 264, 270, 380, 400, 402, 416 (1302-17); 5/ 228/ 1372. Weiter, Astfeld betreffend: GUB 2/ 261, 262, 379, 397, 839 (1311-30); Harlingerode: 3/ 188/ 1308. 6 Flöthe: GUB 3/ 29, 31 (1302); Bodenstein: 3/ 346, 869 (1314-31); Jerze: 3/ 442/ 1317. 7 Alle Orientierungsversuche über diese komplizierten Vorgänge können jetzt an die Untersuchung von D. Grigg, Population growth and agrarian change. An historical perspective, Cambridge 1980, anknüpfen. 8 GUB 2/ 340/ 1286, 513/ 1296 betrifft Wostewenderode bei Vienenburg; nur der Ort liegt wüst; die nächste Nachricht GUB 3/ 410a/ 1317: ortswüstes Bungenstede (? ); 3/ 484/ 1319: ortswüstes Dorndehusen; 3/ 630/ 1322: ortswüstes Stockem bei Vienenburg; 3/ 614/ 1322: wüste Hufen in Weddingen; 4/ 370, 382-3/ 1349: ortswüstes Sudburg ö. von Goslar. 9 Dieser Eindruck wäre noch genauer zu prüfen. Ich glaube, daß die Streitigkeiten zwischen Grundherren und villani, von denen oben (3.3.5.) berichtet wurde, vom siedlungsgeschichtlichen ‚Patt‘ der Jahrzehnte nach der Jahrhundertwende zeugen. Eine einleuchtende Darstellung dieser Situation bei R. Sablonier, Adel im Wandel, Göttingen 1979, S. 228ff. 10 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 205f. 11 GUB 3/ 416/ 16.2.1317: Der Neuwerker Propst vermacht bestimmte Getreidequanta den Ämtern der Abtei ad supplendum defectus officiorum suorum. Es scheint also zu einem Versorgungsengpaß gekommen zu sein, den man m. E. ohne Not in Verbindung mit der Mißernte bringen kann. Damit wäre auch die Region nö. Goslar indirekt dem Verbreitungsgebiet dieser Katastrophe zugeordnet. 12 GUB 4/ 250, 312a. Es handelt sich um Vieh- und Kornraub in den Dörfern; von Zerstörungen ist nicht die Rede. 180 verstehen - auch im Braunschweigischen gibt es Belege für die abschreckende Wirkung von ‚Fehde, Brand und Raub‘ 13 . Um zusammenzufassen: Zwar gibt es vereinzelte Hinweise auf jene Vorgänge, die man gemeinhin als Faktoren der ‚Krise‘ ansieht - sie aber zum Eindruck einer ‚kleinen‘ Krise vor der Pandemie zusammenzufügen, verbietet sich beim jetzigen Stande der Forschung 14 . Wie ist nun die Situation nach 1350 - vom Wirken der Beulenpest in Goslar und seinem Umland weiß man ja nichts Direktes. Es gibt m. E. doch Hinweise, wenn auch spärliche, auf eine Verschlechterung der Situation auf dem Lande in den Registern der Familie v. Dörnten und Neuwerks. Von der verwaisten Taverne in Gr. Wehre war schon die Rede 15 . Wichtiger ist aber, daß je drei Hufen in West- und Mittelharingen zusammen vom Bauer Werneke Oldenborg bewirtschaftet werden 16 . Beide Dörfer sind später Ortswüstungen geworden 17 . Ist zu dieser Zeit schon die Entleerung einer der Dorfstellen im Gange? Aus dem Neuwerker Register - dies wurde schon unter anderen Gesichtspunkten behandelt -, geht hervor, daß 1. über die Hufengruppen in Meierdingerode (5) und Döhrenhausen (6) keine Hofbindung und keine Ertragserwartung angegeben ist, 2. in Kl. Sehlde eine curia wüst liegt und 3. der in Geld kommutierte Schweinezins so gut wie nirgends mehr entrichtet wird, das Kloster ihn aber wieder erwartet, si status terre se pacifice haberet 18 . Sicher sind dies nur kümmerliche Zeugnisse für eine Verschlechterung des status terrae! Sieht man sie aber im Lichte der so deutlichen Vermehrung der vacat und neglectum-BeIege in den St. Blasius-Rechnungen 19 , dann lassen sie sich doch als Indizien für eine ähnliche Entwicklung in unserem engeren Untersuchungsbereich in Anspruch nehmen. Für die Frage aber, wie dieser Prozeß sich nördlich von Goslar fortsetzt, gibt es nur ungenügende Antworten. In den späteren Registern mehren sich die Beispiele für wüste Höfe und Hufen bzw. das Versiegen der Zinse 20 . Wie der Wüstungs- 13 H. Hoffmann, a.a.O., S. 264 (Urkunde von 1341), dazu S. 234. 14 Auch die in H. Hoffmanns Untersuchung erwähnten Einzelheiten - unbebautes Land 1320 (S. 198, 258, 262), neglectum-Belege 1330: Getreide (S. 181), Geld: 1338 (172f.), ein vacat- Beleg 1340 (198), die in Anm. 13 zitierte Urkunde, die Fehde zwischen dem Herzog v. Braunschweig und dem Erzbf. von Magdeburg (179) - fügen sich nicht zur Einheit einer manifesten Krise; sie alle haben eher ‚Vorboten‘-Charakter. 15 Abschnitt B 3.3. Anm. 124. 16 GUB 4, S. 326. 17 F. Zobel. Heimatbuch, S. 37, 282f. 18 S. o. im Text S. 36, 45, 58. 19 Vgl. die klaren Zusammenstellungen bei H. Hoffmann, a.a.O., S. 180f. (Kornzinsgüter), 182ff. (Geldzinsgüter). Auch meine Tabellierung der Ertragsentwicklung der ausgewählten Nachbardörfer Neuwerks bezeugt dies: Tabelle 18, Z.12-17. 20 Im Fresischen Register von 1370 liegen Höfe in Gr. Elbe und Emmerke wüst (§ 14, S. 12; § 37, S. 16) oder sind - der Formulierung nach (plach to ghevende) - zur Zinsentrichtung ‚momentan‘ nicht fähig (§§ 6, 10, 17 in Drispenstedt, Kl. Giesen und Einum). Im Hildesheimer Propsteigutsurbar von 1382 findet man vacat-Belege für Hufen und Mühlen (UBHHi 6/ 546, S. 390, 392, 394, 397f.). Einmal ist von einer villa deserta (Stockem w. Sorsum) die Rede (S. 398). 181 prozeß im einzelnen jedoch zu denken ist, darüber gibt es nur unzureichende, weil zu allgemeine Kenntnisse 21 . Man weiß manches über Ortswüstungen, gerade aber alle die Flurentwicklung betreffenden Fragen sind wenig gelöst. Hier können nur Studien weiterhelfen, die weit ins 15., wenn nicht gar 16. Jahrhundert führen 22 . Ähnliches gilt auch für die Frage nach der Entwicklung des Fehdewesens. Zwar findet man deutliche Anzeichen für eine Vermehrung feindseliger Handlungen 23 , doch sind die Folgen für die Bauern unklar: wird ‚nur‘ geraubt, d.h. überlagert die akzidentelle Beute die geregelt angeeignete Rente, oder wird auch - und in welchem Ausmaß - zerstört? Zuletzt: Auch alle Hinweise auf Einkommenskrisen der Grundherrschaften 24 sagen über den Prozeß der Verschlechterung, der Erholung und Ruinierung der ländlichen Lebensverhältnisse wenig aus, vor allem dann nicht, wenn sie nur in Form einer punktuellen Klage über einen Notzustand überliefert sind, dem abgeholfen werden soll 25 . Die Hinweise, die ich hier zur Verbindung von kurzfristiger und säkularer Konjunktur und status terrae geben konnte, sind dürftig. Ich glaube nicht, daß das Studium der ostfälischen Quellen allein des 14. Jahrhunderts genügend Aufschluß über den Zusammenhang zwischen den ‚kurzen‘ Krisen wie Mißernten und Seuchen und den säkularen ‚Trends‘ geben kann. Nur eine mehrere Jahrhun- 21 Vgl. K. Mittelhäusser, Siedlung, S. 335ff.; W. Achilles, Agrargeschichte, S. 136ff.; für das Untersuchungsgebiet: F. Zobel, Heimatbuch, pass. (veraltet wegen seiner einseitigen Vertretung der ‚Konzentrationstheorie‘); zur Orientierung immer noch sehr nützlich - neben Abel - K. Frölich, Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, in: ZRG GA 64, 1944, S. 277ff.; aus archäologischer Sicht nun unverzichtbar die Studien von W. Janssen (s. Lit.-Verz.). Mein Versuch, aus den Quellen und der regionalen Literatur (Zobel, Evers, Petke, Hellfaier, Jacobs, Wilke, Grundner-Culemann, Kleinau/ GOV) ein Wüstungsverzeichnis zu erstellen, ist in die Karte 1 eingegangen. Zur Datierung, d. h. der zeitlichen ‚Schichtung‘ der Einzelphänomene, fehlen bislang die Grundlagen. 22 Eine gute Möglichkeit sehe ich im Studium der St. Blasius-Rechnungen, besonders von Orten, an denen das Stift reich begütert war. 23 S. o. Anm.12; weiter GUB 4/ 806/ (1363). 807 (1361-4); zu Schaden kommen Güter in Astfeld, Langelsheim und Jerstedt; unter den Schädigern sind buren dreier westlich gelegener Dörfer (Ackenhausen, Altgandersheim, Gremsheim); 5/ 71a/ vor 1367 (betroffen: Othfresen); von Interesse dürften auch die Verwahrungsbriefe Fehde Führender gegenüber dem Hildesheimer Rat sein. An ihnen ist erkennbar, wie schwierig die Abgrenzung der Schadenshandlungen am Feindesgut von den Gütern ist, auf deren Besitzer die Fehde sich nicht bezieht. In UBStHi 2/ 1002/ ca. 1397, 1205/ ca. 1380-1400 und 1220/ ca. 1400 sind viele der Dörfer im (nördlichen) Salzgau genannt, in denen Neuwerk begütert ist! 24 Hierzu nur: K. Mehrmann, Die Agrarkrise im 14. Jahrhundert, in: ZHV 31, 1898, S. 9ff. (betr. Das halberstädter Domkapitel); G. Taddey, Heiningen, S. 71; deutliche Anzeichen für eine Verschlechterung der Lage im Stift Riechenberg: GUB 5/ 120/ 1368, 242/ 1373, 545/ 1384; D. Illemann, Besitzrechte, S. 3 (f. St. Michael in Hildesheim). 25 In UBSPH 136/ 1373 wird eine Neuregelung der Aufgaben und Versorgung des Stiftsdiakons und Subdiakons nötig, weil die redditus der diese Aufgaben bislang wahrnehmenden Lektoren propter malum statum terrae in tantum peiorati sunt, quod de ipsis dicti lectores sustentari nullatenus possunt. 182 derte durchlaufende Untersuchung birgt Chancen, hierzu genügend Fakten zu schaffen und plausible Begründungen ihrer Zusammenhänge zu liefern. Für Fragen nach dem langfristigen Wandel der Agrarverfassung konnten mit diesen Studien aber wohl doch die Voraussetzungen verbessert werden. Ausgehend von den gewonnenen Ergebnissen und Hypothesen kann man das Vorharzland im 14. Jahrhundert für eine Zeit mit relativer stabiler Agrarstruktur halten. Die Frage nach deren Entstehung müßte m. E. weit ins 13., wenn nicht 12. Jahrhundert zurückführen: Urkunden und Urbare stehen zur Genüge bereit, um hier voranzukommen. Insbesondere die Untersuchung der Rentenentwicklung wäre vielversprechend - Verschwinden der Frondienste, Kommutation der Produktzinse, Genesis der Kornrente; ebenso die der ‚Trennung‘ von Hufe und Hof - ‚Schrumpfung‘ der ersteren zum Landmaß, Differenzierung der letzteren nach Größe und Rentenform. Hinzukommen sollte die ‚Verwandlung‘ des Litonenstandes zu Erbzinshufnern, die Entstehung der Kätner und der Aufstieg der Zeitpächter, endlich die Formierung der Bauern zur Gemeinde. Der Blick in die folgenden Jahrhunderte hätte m. E. auf drei Formen der Modifikation der hier beschriebenen Struktur besonders zu achten: erstens auf die weitere ökonomische Differenzierung auf verschiedenen Wegen der landwirtschaftlichen und gewerblichen Spezialisierung 26 , zweitens auf den landesherrlichen Zugriff über Beden, die Einflußnahme auf die Gerichte, die ‚Bauernschutzpolitik‘ und die Landesverteidigung, und nicht zuletzt auf die Transformation und Verallgemeinerung des Meierrechts sowie die Genesis der Anerbensitte. 26 Vgl. hierzu zusammenfassend E. Pitz, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands im Mittelalter, Wiesbaden 1979, S. 143f. 183 D Anhänge 1 Währungs- und Münzverhältnisse im Goslarer Raum im 13. und 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2 Getreidepreise in Goslar im 14. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3 Verzeichnis der unter http: / / www.uvk.de/ isbn/ 9783867644303 einsehbaren Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4 Abkürzungen in den Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5 Kartenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Abkürzungen von Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 184 1 Währungs- und Münzverhältnisse im Goslarer Raum im 13. und 14. Jahrhundert Es ist aus mehreren Gründen nützlich, sich einen groben Überblick über die Entwicklung der Zahlungsmittel im Goslarer Raum zu verschaffen: - Zum einen wird ein Gutteil der bäuerlichen Renten in Geldquanta verlangt. - Zum anderen gibt es wenigstens ein paar Hinweise auf den Geldausdruck wichtiger Tauschgüter, besonders Getreidepreise, die ohne eine Klärung dieser Frage nicht recht beurteilt, d. h. in die Interpretation einbezogen werden können. Die Auskünfte bei H. Kindl 1 und W. Jesse 2 benutzend, dazu einige weitere Urkundenbelege heranziehend, habe ich folgende Wertrelationen der beiden Währungssysteme, dem zu Pfennigen ausgemünzten Pfund/ talentum und der - am Gewicht der Kölner Mark stabil orientierten - Barrenmark/ marca puri argenti ermitteln können. Quelle Jahr tal/ 1 mc sol/ 1 mc d/ 1 mc lot/ 1 mc tal/ MS * GUB 1/ 301 1174-95 0,83 24 288 16 0,833 GUB 1/ 531 1233 0,80 25 300 15 0,750 GUB 2/ 419 1285-95 0,75 26,5 318 15 0,702 GUB 2/ 470 1300 0,71 28 336 15 0,665 GUB 3/ 605 1322 0,62 32 384 15 0,582 GUB 4/ 110 1340 0,52 38,5 462 15 0,487 GUB 4/ 168 1340/ 42 0,50 40 480 15 0,469 GUB 3/ 1036 1335/ 50 0,40 50 600 15 0,375 GUB 5/ 370 1379 0,36 56 672 15 0,337 GUB 5/ 921 1393 0,36 56 672 12 0,270 GUB 5/ 1201 1400 0,36 56 672 11 0,247 * MS meint die 16-lötige Barrenmark. Auf die marca nigra bzw. usualis, eine Parallelbarrenwährung minderer Lötigkeit von ca. 1250-1350, kann ich hier nicht eingehen (dazu ausführlich H. Kindl, Kaufkraft, S. 72ff.). Zweierlei ist dieser Zusammenstellung klar abzulesen: Einerseits bleibt das Korn des Barrensilbers seit dem zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts bis ca. 1360, also über 120 Jahre lang erhalten; erst im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts sinkt die Lötigkeit der Mark schubweise beträchtlich ab. Parallel aber verfällt die Wertrelation des Münzgeldes zum Gewichtsgeld: der Pfennig verliert - allein im Jahrhundert der Wertstabilität der Barrenmark - über die Hälfte seines Wertes 3 . Seit 1360 kommt dann noch der Korn-Schwund der Barrenwährung hinzu. 1 H. Kindl, Kaufkraft, S. 59ff., 125 (Tabelle zu Goslar), 114 (Tabelle zu Hildesheim). 2 W. Jesse, Goslars Münzgeschichte, S. 55ff. 3 Zieht man noch die von H. Kindl, Kaufkraft, S. 85 angeführte Tatsache in Rechnung, daß der Goslarer Pfennig aus der marca nigra ausgemünzt wurde, dann kann man bis zu deren Verschwinden (ca. 1360) mit noch größeren Wertverlusten der Goslarer (und Braunschweiger) 185 2 Getreidepreise in Goslar im 14. Jahrhundert Die Quellenlage ist schlecht. Für das ganze Jahrhundert habe ich nur fünf Belege ausfindig machen können. Durch Kombination mit der von H. Hoffmann aus der Chronistik, einer Kornpreistafel 1 und vor allem der Vizedominatsrechnungen des St. Blasius-Stifts in Braunschweig zusammengestellten Kornpreistafel 2 lassen sich diese Belege aber wohl doch deuten: Quelle Jahr 1/ 1 sch = in s umgerechnet R W H R W H GUB 3/ 342* 1314 4 6 - 7/ 8 10+6d/ 12 - GUB 3/ 1036 1335/ 50** 4 6 - 12+6d 18+9d - GUB 4/ 491 1353 4 - - 12+6d - - GUB 5/ 1087 1398 5 - - 17+6d - - GUB 5/ 1253 (1400) 7,5 - 8 26+3d - 28 * H. Kindl, Kaufkraft, S. 126 Anm.3. hat - m.E. richtig - die in dieser Notiz niedergelegte Wertrelation zwischen s und mc als Schreibfehler identifiziert. Dies hindert nicht, den ersten Teil über die Kornpreise und Brotgewichte zu benutzen. **Da diese Bestimmung ins Goslarer Stadtrecht übernommen wurde (StRG, V § 23/ 4), und W. Ebel, Stadtrecht, S. 20ff. die Zusammenstellung der Urfassung des Stadtrechtes um 1330 ansetzt, die zweite Redaktion aber in die Nähe des Jahres 1351 setzt, ist die ‚Reichweite‘ dieses Belegs ins 14.Jh. hinein schwer zu bestimmen. Die ersten beiden Belege sind Brotgewichtstaxen auf der Grundlage wohl des durchschnittlichen Weizenbzw. Roggenpreises. Dies geht aus dem Vergleich mit der Brotgewichtsordnung der Braunschweiger Bäckerinnung von 1303(-1330) 3 hervor: Hier wird das Gewicht der preisstabilen Brotsorten (Viertelpfennigbrot, Wecke, Semmel) proportional zum Scheffelpreis des Brotgetreides bestimmt. Dieser Preis bewegt sich zwischen 6-20 sol/ 1 Sch. Roggen und 8-20 sol/ 1 Sch. Weizen. Der Mittelwert dieses - in 9 verschiedene Positionen aufgefächerten - Preisspektrums beträgt 12 sol. Bei durchschnittlichem Roggenpreis von 12 sol soll das Braunschweiger Brot, von dem je vier zusammen 1 d kosten, eineinhalb Mark wiegen. Die Goslarer Bestimmungen sind auf das ‚Pfennigbrot‘ abgestellt: Es soll sechs Mark, das Vierfache des Braunschweiger Brots also, wiegen, Swenne men koft den scepel rocghen umme eynen lodighen verding. Die Umrechnung auf Pfennigwährung ergibt für 1314 8 sol, für 1335 (1350-50? ) 12 sol+6 d für den Scheffel Roggen. Dieser Preis steht den Mittelwerten aus Braunschweig nahe. Pfennige rechnen, als dies in der Tabelle (dort bezogen auf die 16-lötige Barrenmark) zum Ausdruck kommt. Wie schwierig das Problem der Münzverschlechterung im konkreten Einzelfall zu lösen ist, hat B. Schwarz, Pfennigstreit, S. 36ff. am Hildesheimer uplop von 1343 aufgezeigt. 1 Unvollständig benutzt, zu Gramm Silber je 100 Kilogramm R umgerechnet, in zehnjährige Jahresdurchschnitte verarbeitet bei W. Abel, Agrarkrisen, S. 308 (Tabelle), 301 (Erläuterungen); zur Kritik der Umrechnungsmethoden U. Dirlmeier, Untersuchungen, S. 28ff. 2 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 202-4. Die Angaben bei O. Teute, Ostfalenland, S. 383f. sind unbrauchbar. 3 BrUB 2/ 508, S. 262f. 186 Diese Zuordnung stimmt natürlich nur, wenn die beiden Scheffel sich in etwa nach Inhalt bzw. Gewicht gleichen. Hierfür konnte ich bislang keine Nachweise, dafür oder dagegen, finden 4 . Es muß also dahingestellt bleiben, ob die Brotgewichtstaxe von 1314/ 1335 vom ‚Normal‘-Preis des jährlichen Brotgetreides ausgeht. Die Angaben zeugen aber deutlich vom Willen des Goslarer Rats, den ‚Real‘-Preis (über ihren Ausdruck in Gewichtsgeld gleicher Lötigkeit) stabil zu halten. Dies gilt auf jeden Fall für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der Beleg von 1353 ist auch nicht als aktueller Preis zu verbuchen: die Pfändung von 4 Mark Hufenzins wird vom Rat mit teyn schepele kornghulde gudes rogghen gesichert, bezeugt also Normdenken. Ähnlich steht es mit dem Beleg von 1398: der Rat hat eine Kornrente verkauft, deren Auszahlung aber auch so erfolgen kann, daß vor jowelken schepel weghen… viff lot Goslerscher weringhe gegeben werden können. Das Normdenken ist geblieben, der ‚Realpreis‘ aber gestiegen. Wenig später - oder früher, das ist nicht zu entscheiden 5 - ist eine Preisangabe überliefert, die gerade für deren Aktualität spricht: Ein Goslarer Ratsherr informiert seine Göttinger Amtsgenossen über den aktuellen Roggen- und Haferpreis in Goslar, damit jene entscheiden können, ob es sich lohnen würde, Getreide in Münden und Kassel zu verkaufen, wo dat körn to male dure sy. Dieser Preis ist recht hoch. Die vorsichtige Anfrage des Goslarer Ratsherrn kann auch bedeuten, daß auch in Goslar gerade Teuerung herrscht. Aber gerade in solchen Zeiten ist die Preisbewegung besonders geeignet, Kaufleuten Vorteile zu verschaffen. Die kurzen Angaben zu den einzelnen Belegen kann ich nun zusammenfassend bewerten: 1. Natürlich ist auch das Goslarsche Umland von aktuellen Getreidepreisschwankungen betroffen, die den regionalen Jahresertrag widerspiegeln 6 . Hiervon teilt die karge Überlieferung direkt jedoch nichts mit. Man muß dazu die Nachbarregionen ansehen. Besonders Stadt und Land Braunschweig bieten Einblicke, die sich aber - so scheint es - auf die erste Jahrhunderthälfte beschränken 7 . 2. Die wenigen Angaben zeugen von einem binnenstädtischen Bemühen um langfristige Preisstabilität. Sie drückt sich auch im Währungsbezug aus: dem 4 Ich konsultierte umsonst: F. Engel, Tabellen, in: H. Jäger (hg.), Methodisches Handbuch, S. 68ff.; E. Döll, S. Blasius, S. 358; H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 191; die Register im GUB, GK. Der Beleg GUB 5/ 1253/ (1393-1409) ist wohl nicht zu verallgemeinern. 5 Bode/ Hölscher, die Hrsg. von GUB 5, vermuten die Abfassung zwischen 1393 und 1409. 6 GUB 3/ 198 (1309) bringt schön zum Ausdruck, wie wichtig das jährliche Schwanken der Getreidepreise für die auf Korngült angewiesenen Schulden sein kann. Der Gf. v. Schladen, dem Kl. Neuwerk zu Schadensersatz verpflichtet, bestimmt, quod villici nostri in B. (Beuchte) annonam de octo mansis nostris ibidem, scilicet quindecim modios Goslarienses in eadem civitate annis singulis dicte ecclesie preposito presentabunt, et quantum annona in die beati Galli solverit, tantum defalcabit de prefata pecunie summa (d.h. 10 mc), quosque tota fuerit persoluta, et quicquid tunc superfuerit, nostris usibus relinquetur. Vgl. ebenso die von D. Hellfaier, Oberg, S. 219, Nr.22 (1359) edierte Urkunde. 7 H. Hoffmann, Agrarkrise, S. 202-7. 187 Gewichtsgeld. Diese Währungsform aber ist als regionales ‚Groß‘-Geld das Zahlungsmittel für jene, die auch die Geschäfte größeren Wertvolumens machen. Der soziale Bezug dieser Geldform ist ‚bürgerlich‘, wenn nicht gar ‚patrizisch‘. Nur durch den eingehenden Vergleich des Kornpreis-‚Verhaltens‘ beider Währungen ließe sich ermitteln, ob die deutlichen Wertverluste, von denen das Münzgeld im 14. Jahrhundert betroffen ist, auch negativ auf diejenigen durchschlagen, die das Getreide bauen, zinsen und gegen Pfenniggeld verkaufen, diejenigen, die es weiterverarbeiten, und diejenigen, die ohne Brot nicht leben können. 188 3 Verzeichnis der unter http: / / www.uvk.de/ isbn/ 9783867644303 einsehbaren Tabellen 1 Ländliche Güter und Einkünfte des Klosters Neuwerk v. 1355 2 Ländliche Güter und Einkünfte im Lehen- und Güterverzeichnis der v. Dörnten v. 1351f. 3 Mansus-Zahlen und Mansus-Zinse des Goslarer Domstifts v. 1181, 1285/ 96 und 1309 4 Ländliche Güter und Einkünfte der Familie Frese v. 1370 5 Einkünfte des Herzogs Magnus v. Braunschweig v. ca. 1365 in Dettum (a) und Bornum (b) 6 Mansus-Curia-Area-Beziehungen im Güterverzeichnis des St. Michael- Klosters in Hildesheim v. 1321 7 Hufenzinse des St. Michael-Klosters in Hildesheim um 1321 8 Mansus- und Curia-Zinse des St. Michael-Klosters in Hildesheim v. 1333 9 Area-Zinse des St. Michael-Klosters in Hildesheim 1333 10 Die Villicatio Barum der Hildesheimer Dompropstei v. 1382 11 Die Villicatio Borsum der Hildesheimer Dompropstei v. 1382 12 Kornzinse der Hufen des Kollegiatstiftes St. Blasius in Braunschweig v. 1320 13 Güter und Geldzinse der Hufen des Kollegiatstifts St. Blasius in Braunschweig v. ca. 1340 14 Geldzinse der Hufen des Kollegiatstiftes St. Blasius in Braunschweig westlich der Oker v. 1320 und ca. 1340 15 Die villicatio Twelken (nö. Schöppenstedt) des St. Bonifatius-Stifts (Ende 13. Jh.? ) 16 Die villicatio Bossleben (n. Halberstadt) des St. Bonifatius-Stifts (Ende 13. h.? ) 17 Hufen, Hufeninhaber und Hufenzinse des Kollegiatstiftes St. Blasius in Bruchmachtersen v. 1300-1398 18 Geldzinse in 11 Dörfern des Kollegiatstifts St. Blasius in Braunschweig v. 1315-1398 19 Kornzinse in 4 Dörfern des Kollegiatstiftes St. Blasius in Braunschweig v. 1300-1375 20 Teilbau-/ Zehnterträge in 2 Dörfern des Kollegiatstifts St. Blasius in Nord- und Ost-Heerte v. 1330-1381 21 Hufenzinse Ende 12. Jh.-1394 im Goslarer Urkundenbuch 22 Hufenzinse des Stiftes St. Pauli/ Halberstadt 1136-1391 23 Hufenzinse des Klosters Stötterlingenburg 1236-1401 24 Aktiv-Lehnregister des Klosters Steterburg (ca. 1250) 189 25 Aktiv-Lehnregister der Edelherren Luthard und Burchard v. Meinersen (ca. 1274) (regionaler Auszug) 26 Lehnregister Dietrichs v. Wallmoden v. 1286 27 Lehen des Grafen Heinrich v. Schladen im Halberstädter Lehnregister v. 1311 28 Braunschweiger Lehen Hermanns v. Brunsrode und seiner Brüder (1318) 29 Passiv-Lehnregister der Herren v. Dorstadt (ca. 1318) 30 Passiv-Lehnregister der v. Saldern (1325) 31 Gandersheimer Lehen der Grafen von Wohldenberg, mit denen Goslarer Bürger belehnt sind (vor 1332) 32 Hof- und Hufenzinse von 7 Dörfern, die zur Westerburg gehören, im Lehnregister der Grafen von Blankenburg-Regenstein (ca. 1346) 33 Regenstein-Blankenburgische Lehen Hermanns von der Gowische (ca. 1346) 34 Aktiv-Lehnsregister der v. Heimburg (ca. 1354) 35 Reichslehen der von Burgdorf (v. 1357) 36 Halberstädtische Lehen Burchards v. Asseburg und seines Bruders (v. 1357/ 66) 37 Passiv-Lehnsregister Aschwins v. Meienberg (ca. 1360) 38 Lehen der Herren von Oberg (v. 1387) 39 v. Saldersche Lehnsbriefe des Bischofs v. Hildesheim und des Herzogs v. Braunschweig über heimgefallene Lehen der v.d. Gowische (1395/ 1398) 40 Hufenzinse in Quarmbeck (b. Quedlinburg) (ca. 1346) 41 Neuwerker Hörigenverzeichnisse (1355f.) [42 Roggenpreise 1314-1400 in Goslar und St. Blasius] 190 4 Abkürzungen in den Tabellen A area al allodium au auca Br Brache Br Braunschweig C curia cens censualis ch chorus cw cotwardus D Dienst d denarius dec decimalis f ferto Fln Flurname G Gerste Go Goslar Gr Größe/ groß H Hufe H Hafer Hi Hildesheim hy Himten jg jugerum kl klein l lot lit litonicus M mansus mc marca md modius mdl modiolus mdr maldrum mg morghen N Name N Neglectum o obulus ov ova p pullus pc porcus Pf Pfund pl plaustrum pp papaver R Roggen R Receptus RN Receptus neglecti s solidus sch schepel SS Sommersaat sx sexagena t talentum TB Teilbau U Urbar V Vogtei vf vogteifrei W Weizen WS Wintersaat x unbestimmte Anzahl Z Zeile ZE Zehnt Zl Zahl 191 5 Kartenverzeichnis 1 Hufenbesitz und Zehntrechte Neuwerks im Westharzvorland (1355) . . . . 36 2 Lokale und regionale Gemengelage der Güter geistlicher Institutionen (Urbare) im Untersuchungsgebiet (14. Jh.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3 Lokale und regionale Gemengelage adliger Güter (Lehnregister) im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4 Verteilung von 4 Hufen in der Sudburger Flur (ca. 1350). . . . . . . . . . . . 47 5 Feldnamen der Oldendorfer Flur (1570) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6 Neuwerker Großbetriebe im Umfeld Golars (1355) . . . . . . . . . . . . . . . . 56 7 Regionale Währungen und Kornmaße im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) . . . 80 8 Korn- und Geldzinse im Untersuchungsgebiet (14. Jh.) . . . . . . . . . . . . 124 192 6 Bibliographie Abkürzungen von Quellen und Literatur A.E.S.C. Annales. Économies. Sociétés. Civilisations BGSG Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar BlldtLg Blätter für deutsche Landesgeschichte BrJb Braunschweiger Jahrbuch BrUB Urkundenbuch der Stadt Braunschweig DA Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters Frese Fresisches Besitzverzeichnis, in: Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte, hg. W. Deeters. GG Geschichte und Gesellschaft GK Die Vizedominatsrechnungen des Domstifts St. Blasii, hg. H. Götting/ H. Kleinau GOV Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, hg. H. Kleinau GUB Urkundenbuch der Stadt Goslar HGbll Hansische Geschichtsblätter HRG Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte HZ Historische Zeitschrift HzZ Harzzeitschrift Jb Jahrbuch JbGF Jahrbuch für die Geschichte des Feudalismus JNS Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik LMA Le Moyen Âge NdsJb Niedersachsisches Jahrbuch für Landesgeschichte P&P Past and Present PSN Peasant Studies Newsletters Riedel Codex Diplomaticus Brandenburgensis, hg. A.F. Riedel SOWI Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium SspLaR Sachsenspiegel, Landrecht SspLeR Sachsenspiegel, Lehnrecht StRG Das Stadtrecht von Goslar, hg. W. Ebel. Sud Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, hg. H. Sudendorf. UBAss Asseburger Urkundenbuch UBHHa Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt UBHHi Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim UBIls Urkundenbuch des Klosters Ilsenburg UBSa Urkundenbuch der Familie von Saldern UBSPH Urkundenbuch der Collegiatstifter S. Bonifacii und S. Pauli in Halberstadt 193 UBStHi Urkundenbuch der Stadt Hildesheim UBStött Die Urkunden des Klosters Stötterlingenburg VuF Vorträge und Forschungen ZAA Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie ZbLg Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins ZHV Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde ZHVN Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen ZRG GA Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte - Germanistische Abteilung ZRG KA Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte - Kanonistische Abteilung Quellen Die für häufig zitierte Arbeiten benutzten Kurztitel sind unterstrichen Goslarer Bergrechtsquellen des früheren Mittelalters, insbesondere das Bergrecht des Rammelsberges aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, hg. v. Karl Frölich, Gießen 1953. Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Karl v. 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Fritze, Rolf Sprandel), heute in ihrer damaligen Fassung 1 zu veröffentlichen, verdanke ich der Initiative meiner Freunde Alain Guerreau (CNRS) und Joseph Morsel (Panthéon-Sorbonne/ LAMOP) sowie dessen bravouröser technischen Hilfe, dazu der Begutachtung und Korrekturen durch Simon Teuscher (Zürich) und Julien Demade (CNRS/ LAMOP), der Zustimmung des Herausgeberkreises der Spätmittelalterstudien, insbesondere Gabriela Signoris (Konstanz), sie in ihre Reihe aufzunehmen, sowie der fachkundigen Kooperation mit Uta C. Preimesser von der UVK Verlagsgesellschaft. Eine Kette von Ermutigungen, an die ich mich immer noch nicht recht gewöhnen kann - umso größer meine Dankbarkeit für diese Beachtung eines Manuskripts, das bislang nur im regionalgeschichtlichen Fachkreis Beachtung fand - so im Aufriss der niedersächsischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Carl-Heinz Hauptmeyer (1997). Neugierig und aufgeregt bin ich nun der Bitte nachgekommen, nach dreißig Jahren Forschungsabstinenz vom eigentlichen Thema 2 das damalige Vorhaben mit heutigen Forschungsperspektiven zur ländlichen Sozialgeschichte des späteren Mittelalters zu konfrontieren. Wie also wäre das seitdem Geleistete aufzunehmen, und worum könnte es künftig gehen, wenn … ? 1 Der Text besteht im ungekürzten damaligen Wortlaut. Leicht redigiert, d. h. seiner damaligen Itinerarrhetorik entkleidet habe ich nur den einführenden Abschnitt über die Lage der Neuwerker Güter in der Wirtschafts- und Herrschaftslandschaft im Dreieck Goslar-Hildesheim- Braunschweig (westliches Harzvorland), wo ich der Beschreibung im Register von 1355 folge. Außerdem habe ich die Einzelkarten über die Besitzungen der geistlichen Institutionen und die des regionalen Adels zu zwei Karten zusammengelegt (Karten 7 und 8). An dieser Stelle danke ich R.W. Wildgrube herzlich für seine digitalen Reinzeichnungen meiner damaligen Kartierungsversuche und J. Morsel und J. Demade für unverzichtbare Korrekturen und Ideen. 2 Eine dem dortigen Veröffentlichungszweck angepasste englische Fassung des Teils C - ohne Aktualisierungen und Ergänzungen - erschien unter dem Titel: Links within the Village: Evidence from Fourteenth-Century Eastfalia, in: Sweeney 1995, S. 138-162. 206 1 Ausgangspunkt, Verschiebung der Forschungsaufgabe und Resultate Zuvor skizziere ich jedoch noch kurz meinen Ausgangspunkt, mein methodisches Vorgehen und die wichtigsten sachlichen Resultate der Untersuchung. Mein Vorhaben stand damals, Ende der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre, im Zeichen erster Zweifel an der so erfolgreichen Botschaft vom Krisencharakter des Spätmittelalters, insbesondere der Agrarkrisenlehre von Wilhelm Abel. Seine suggestive Kombinatorik von Preisbewegungsdiagrammen, Bevölkerungszahlen, Siedlungskarten und anekdotisch-illustrativen Erzählungen hatte Prüfbewegungen zurück zur regionalen Dokumentation angestoßen. Diese machten nun sowohl die räumlich und zeitlich verallgemeinerte Reichweite dieses Bildes als auch die Wirkungszusammenhänge seiner Komponenten fraglich. Ich brauche all das hier nicht zu wiederholen, weil die Demontagen, Zurechtrückungen, Umgewichtungen und Differenzierungen ja weitergegangen sind und ein Ende kaum zu erwarten ist (Achilles 1998). Im größeren Zusammenhang des Mittelalterbildes haben inzwischen die Zweifel am Krisencharakter des Spätmittelalters, besonders aber am Wirkungsmechanismus der Agrarkrise dazu geführt, dass die Krisen-Porträts der 1970-80er Jahre peu à peu aus den Gesamtdarstellungen verschwunden sind oder ganz neu überdacht und gewichtet werden (Rösener 1992, Schubert 1992, Contamine 1997, Dirlmeier 2003, Dodds 2008). Wie dem auch sei, meine Ausgangsfrage nach ‚Ostfalens Weg in die Krise‘ - so ein programmatischer Vortrag in der Frühphase der Arbeit (1980) - verlor mit der zunehmenden Kenntnis der Dokumente über die ländlichen Verhältnisse nördlich von Goslar an Kontur und Dringlichkeit. Das Thema wandelte sich unter der Hand grundlegend. Es schrumpfte gewissermaßen zum Projekt einer möglichst alle einschlägigen Zeugnisse einbeziehenden Beschreibung der materiellen Ausstattungen, der Betriebsformen, der Rentenkonglomerate und der sozialen Grundbeziehungen der Leute im nordwestlichen Harzvorland. Ein Schritt zurück also zu den nachweislichen Voraussetzungen für alles Fragen nach möglichen Wandlungen im ländlichen Sozialgefüge! Die Basis bildeten nun die Dokumente primär einer herrschaftlichen Einrichtung in Goslar, des dortigen Nonnenklosters Neuwerk, insbesondere dessen Güter-, Einkünfte- und Ausgabenregister samt Haushaltungsnotizen von 1355. Dies aber unter ergänzender und vergleichender Einbeziehung der Dokumente möglichst vieler geistlicher und weltlicher Aristokraten sowie städtischer Patrizier, deren Güter und Rechte im dörflichen bzw. mikroregionalen Gemenge mit denen Neuwerks lagen - Urkunden, Besitzlisten und Urbare, Lehnregister, Rechnungen, Normschriftgut, siedlungsarchäologische Spuren und bauhistorische Überreste. Damit wurde eine Detailfülle und -dichte angestrebt, die, über den Zwischenschritt möglichst konsequenter Tabellierung, in verschiedenen Feldern und auf verschiedenen Ebenen, die Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen gestattete - ein methodisch durch- 207 sichtiger Garant von eben numerisch gesicherten Befunden und Beziehungen, und damit auch von Bedeutungszusammenhängen. Und zwar eben im nicht nur lokalen, sondern auch regionalen Zusammenhang! Angestrebt war eine Durchbrechung des in der Forschung vorherrschenden einzelherrschaftlichen Darstellungszuschnitts - die Neuwerker Bauern im Verbund mit ihren Nachbarn im selben Dorf, aber auch mit den Bewohnern angrenzender bzw. erreichbarer Dörfer, sowie im Gewirr parzellierter, sich überlagernder und konkurrierender Besitz-, Renten- und Kontrollrechte verschiedener Herren am Ort und im näheren Siedlungsumkreis. Die Hauptschwäche dieser Methode einer zentralisierenden Kontraktion sachlicher Details war und ist natürlich die Fiktion ihrer Gleichzeitigkeit, oder besser: ihrer Gleichartigkeit und Gleichrangigkeit trotz chronologischer und räumlicher Streuung - und das in einem so zerklüfteten und bewegten Jahrhundert wie dem vierzehnten! Sie konnte nur solange hingenommen sein, wie Strukturwandlungen die beobachteten Details nicht in andere Zusammenhänge verwiesen. Das anzunehmen aber fand ich damals keinen Grund. Es sollte um einen Strukturzustand mittlerer Dauer gehen, um einen Querschnitt mit der gewissermaßen magnetischen Mittelposition der Neuwerker Bauern zur Zeit des Registers (1355), kurz nach dem ersten Pestumzug, von dem lokal treffende Nachrichten aber fehlten. Die Devise war also - zurück zur genauen Beschreibung von lokalen, lebensweltlich nötigen Gegebenheiten und Zusammenhängen. Soweit meine modifizierte Absicht und mein Verfahren. Nun zum Resultat: Da der Text von 1983 eine detaillierte Zusammenfassung bietet, kann hier Folgendes genügen. Was in der damaligen Herrschaftssprache einmal zum status terrae zusammengefasst wurde, ist nur fragmentarisch und in sehr verschiedener Dichte greifbar. Aber in bezeichnender Abstufung! Drei Beschreibungsbereiche habe ich anhand der Dokumentation unterscheiden können. 1. Über die dingliche Ausstattung der Neuwerker lude und ihrer Nachbarn, aufgelistet in den Urbaren und Lehnregistern, sind groß-, mittel- und unterbäuerliche Profile ersichtlich - insgesamt eine Dreiheit der dörflichen Besitz- und Betriebsverteilung von Häusern, Höfen und Hufen. Sie sind typisch, zugleich aber variabel kombiniert. Ein weiteres Grundindiz: eine spezifische sozialräumliche Verteilung in Stadt-Umland, im gewässernahen Altdörferland und in waldnahen Ausbausiedlungen. Die Bereiche und Kompetenzen gemeinschaftlicher Nutzungen, die Pertinenzen, sind dagegen nur sehr blass erfasst - offensichtlich weder rentennoch regulierungsrelevant für die Herrschaft, insofern auch nicht verschriftungswürdig. 2. Im zweiten Beschreibungsfeld, den tyns-Formen - explizit fehlen ja die denste - finden sich deutlich weniger feste Fakten und sichere Funktionen. Immerhin bieten die Litaneien der urbarialen Sollformeln Klarheit über die sachliche Fächerung und Anteiligkeit der Zinse (Getreide, Münze, Schweine, Hühner), und auch ihre Radizierung auf Hufe, Hof oder Dorf, selten auch 208 auf die Leute selbst wird durchsichtig. Das einzelbetriebliche census-Konglomerat - Hufen- und Hof-Zinse, Zehnten, ab und an Vogtei- und Leibrechte, Patronat, Steuer, u. a. - wird zwar nirgends im Ganzen beschrieben, weil in diesem Altsiedelland keine Herrschaft alle Ansprüche pro Betrieb innehat und noch eine übergeordnete Instanz fehlt, die das Renten- und Verfügungsganze im Auge hat (Territorialfürsten). Diese Parzellierung, Kombination und Schichtung der Rentenansprüche der diversen Herrschaften spiegelt das viel zu wenig beachtete Prinzip, dass jede einzelbetriebliche Zinsgesamtheit mehrherrenschaftlich zusammengesetzt ist. Die census-Arten und -Mengen lassen einerseits betriebstypische Tradition nur ahnen (Geldzinshufen, ‚alte‘ Litonen auf dem Land), andererseits betriebstypische Raison aber klar erkennen - Preisbewegungen der Nahmärkte, das Auf und Ab der Jahreserträge, die Sequenzen der Anbauzyklen stehen hinter den teilbaupflichtigen Mehrhufenhöfen (in Stadtnähe), denen lohngängige Kätner zuarbeiten. Leitzinsfigurationen haben also einen eigenen Herrschaftsbzw. Wirtschaftssinn. Zu ausformuliertem, betiteltem Recht mit breiter Geltung (Meier-Recht) haben sich diese Formen aber noch nicht ausgebildet. 3. Um den lateralen Verbindlichkeiten unter den Leuten, ihrer sozialen Integration auf die Spur zu kommen, waren neben den Registern zusätzliche Zeugnisse nützlich (und auch nötig) - Leiheurkunden, Leutelisten, Landrechtsdetails, sowie erste Einkünfterechnungen. Aber selbst diese Daten-Decke war aber immer noch so dünn und löcherig, dass über pauschale Grundvorstellungen kaum hinauszukommen war. Hier ihre Stichworte: Mannes- und Altersvorrang in der Inhaberschaft, Ehevorrang im Betrieb vor der ohnehin engen Verwandtschaft, geschlechtsdifferente Gütergemeinschaft im Haushalt, mühevolles Hausen im Dorf und Bauen in der Flur, ein weit verbreitetes Streben nach dauerhaftem Vererben von Hof und Land neben stadtnahen, befristeten (und marktorientierten) Bewirtschaftungsarrangements auf der Basis lohngängiger Mobilität von innerdörflichen Habenichtsen. Im Blick aufs Dorf als sozialem Ensemble bleibt die Allmende als Handlungsfeld undurchdringlich vernebelt. Von einer innerdörflichen ‚beruflichen‘ Teilung sind nur Spuren geblieben (Teich, Mühle, Taverne), nichts zur Montanwirtschaft (trotz Salzbetrieb bei Gitter und Erzverarbeitung am Harzrand). Das Nebeneinander der Gerichte - villikaler Meierding, gräflicher Goding - wird nur punktuell sichtbar, ebenso die Mitwirkung in ihnen (dingnoten, burmester). Gleiches gilt für das weite Feld der parochialen Pflichten, Rechte und Bedürfnisse. Es fehlt die detaillierte Überlieferung zur Ortskirche als sozialem Brennpunkt samt seinen Agenten. Die Bilanz zur Kommunikation: Die lude dieser Gegend melden sich in dieser Zeit noch nicht so zu Wort, dass ihre Herren Konflikte und Kompromisse für verschriftungsrelevant halten. Eine eigene Schriftstimme haben die Dörfler ohnehin noch nicht. Reichen - sozusagen ‚unterhalb‘ der nachweislich mindestens städtischen Geltung des Sachsenspiegels damals - mündliche Verständigung und Gewohnheitsorien- 209 tierung weiter aus? Wäre da ein bescheidenerer Titel wie Auf der Suche nach den Neuwerker Bauern und ihren Nachbarn nicht angemessener gewesen? Soweit die Rekapitulation der Resultate. Nun zur Situation heute. Ich möchte mit allgemeinen Hinweisen und Räsonnements zur deutschen und europäischen Agrarforschung beginnen (B), mit Bemerkungen zum Text von 1983 fortfahren (C) und dann meinen Perspektivfächer aufmachen (D). 210 2 Die aktuelle Lage der agrargeschichtlichen Forschung 2.1 In Deutschland Die deutsche mediävistische Agrarforschung, gleich ob vorwiegend sozial oder wirtschaftlich ausgerichtet, ob lokal oder regional zugeschnitten, ist seit Jahren in lamentablem Zustand, wirkt regelrecht zurückgeblieben im expandierenden Spektrum der mediävistischen Gesamtproduktion (Borgolte 1993, Fryde 2002). Daran hat auch der Arbeitskreis für Agrargeschichte (1994ff. 3 ) nicht viel ändern können. Immer wieder stößt man in Fachgesprächen auf Ratlosigkeit über die Ursachen der Stagnation. Julien Demade (CNRS/ Panthéon-Sorbonne) hat sich vor wenigen Jahren - eher für den europäischen Fachleserkreis - die Mühe gemacht, ihre langfristigen Ursachen kritisch freizulegen (2007). Er sieht sie in einer auf das Gelehrtenquartett W. Abel, F. Lütge, G. Franz und O. Brunner zurückgehenden Grundorientierung, die das ländliche Wirtschafts- und das dörfliche Sozialgeschehen vorwiegend aus der Herren-Sicht thematisiert hat - egal, ob eine einzelne, eine territoriale oder kirchliche bzw. fürstliche Herrschaft bzw. Verfassung, Staat oder auch Gemeinde im Visier war. Diese bis heute weiterlebende Einstellung, die primär das herreneigene Verschriftungs- und Bewahrungsinteresse rekonstruiert und repräsentiert, hat Um-Fokussierungen der Forschung auf die Überlebensverhältnisse und Verhaltensformen der dominierten Landleute selbst verschattet, erschwert und entwertet, besonders aber die methodische Phantasie bei der Spurensuche und Zeugnisanalyse nicht herausgefordert und befördert. So Demades auf die deutsche Spätmittelalterforschung begrenzter Erklärungsversuch. Demade hat aber zugleich deutschsprachige Leistungen in drei Bereichen kompiliert und diskutiert, die, kritisch gegenüber den Leitkategorien des Mainstreams, verschiedene Forschungswege hin zur ländlichen Lebenspraxis, zur dörflichen Innenperspektive geebnet haben: die sog. ökonomische Krise, die Struktur und Wandlungen der Agrargesellschaft, die Herrschaftspraxis. Sie seien hier auch deshalb kurz, d. h. auch ohne Autorennennungen, rekapituliert, weil es charakteristisch für die hiesige Lage ist, dass bedauerlich wenig über die Vergleichbarkeit der partikularen Resultate nachgedacht und diskutiert wird. Die ökonomischen Forschungen haben das Konstrukt und die Datenbasis besonders der Abelschen Krisenlehre im faktischen Detail ebenso wie im Wirkungszusammenhang außer Kraft gesetzt - und zwar in den Feldern der Getreidepreisbewegungen, des Verfalls der Renteneinkommen, der Wüstungsvorgänge, der Lohn-Preis-Schere, der agrikolen Erträge, der innovativen Intensivierung bzw. Extensivierung der ländlichen Betriebe und Arbeitsbereiche, der 3 2012 aufgegangen in der Gesellschaft für Agrargeschichte. 211 so wichtigen siedlungsräumlichen Verdichtungen (Stadtnähe bzw. -ferne) und der naturräumlich-ökologischen Besonderheiten. Durch diese Arbeiten ist eine konzeptuelle Verschiebung von der Krise zu verschiedenen Wandlungen möglich geworden. Doch stehe weitgehend noch aus, was Ernst Schubert (1992) in seiner detaillierten Abel-Kritik als noch unbestandenen Härtetest anmahnte, die Untersuchung kleiner Räume. Es komme, so Demade, hier besonders darauf an, zweierlei methodisch deutlich zu unterscheiden: den mikrohistorischen Blick auf die lokale Integration von Siedlungsform und Sozialsystem, und den makrohistorischen auf die Integration der regionalen Arbeitsteilung und den ökonomischen Austauschprozessen durch städtischen Handel und Markt. Im Bereich der Strukturen und Wandlungen der ländlichen Formationen (rural society) diskutiert Demade Erträge neuerer Arbeiten in vier Feldern. Fragen zur sozialen Differenzierung haben solche nach der ständischen Homogenität abgelöst, die während der Debatten über große Klassenkonflikte - besonders ihre Motive, ihre Beteiligungs- und Führungsformen - um die Bauernaufstände herum im Vordergrund standen. Roger Sabloniers Sozialtableau über die Landleute in der Innerschweiz im 14. Jahrhundert ist hier vorbildlich (Sablonier 1990). Zur langfristigen materiellen Reproduktion, der Vererbung bzw. Erwerbung von Land innerhalb und außerhalb der Familie bzw. Haushalte, gibt es einige vielversprechende Hinweise, die überraschend hohe Mobilität bezeugen, doch hat die traditionelle normative Sichtweise auf die Erb-Rechte noch das Übergewicht (hierzu J. Morsel in Feller 2005). Spärliche Ergebnisse zu Haushalt und Familie gestatten die Hypothese, dass auch für Mitteleuropa das europäische Heiratsmuster galt - Paarökonomie, späte Heirat, hohe Ledigenanteile, Zirkulation der Jungen, Gesinde (dazu allgemein Mitterauer 1990, 2003). Neuerliche Forschungen über die sozialen Beziehungen, die das aufkommende ländliche Prozess-Schriftgut nutzen, zeigen, wie konfliktreich und streitbar der inner- und zwischendörfliche Alltag gewesen ist - bis hin zu Fehden - und wie wichtig hier die Rolle der Gemeinden war, deren Führungsgruppen es oblag, den Ortsfrieden, d. h. die Balance zwischen kommunaler Parität und ökonomischer Stratifikation zu halten - ein ganz anderer Funktionsaspekt der Gemeinde als der des Gegenparts zur Herrschaft. Auch im Verständnis der Herrschaftspraxis haben sich wichtige Änderungen ergeben dadurch, dass nun - durch minutiöse Vergleiche zwischen Urbaren und Rechnungen - genauer auf die Differenzen zwischen dominialen Ansprüchen und bäuerlichen Einlösungen geachtet wird. Es ergeben sich da vielfältige Szenen des Feilschens und Gezerres über Zeitpunkte, Mengen und Formen der Abgaben und Dienste, der Ihrer Stundung oder Erlassung, über Gütertransfers, Maßgeltung und Münzgebrauch. Was lokale Macht ist, verbleibt nicht im Strukturbild, sondern wird als Bewegung von Beziehungen sichtbar, deren Kräfteverhältnisse sich ändern. Hiermit verbunden ist das wachsende Interesse an der Form, Funktion und Modifikation der Schriftstücke bei diesen Vorgängen; die ‚Verwaltungsquellen‘ entpuppen sich als komplexe Repräsentanten einer Kommunikation unter Ungleichen. 212 2.2 Im europäischen Zusammenhang Es lohnt sich, diese Bilanz um die aktuelle europäische Forschungslage zu erweitern, belehrt sie doch über die immensen Fortschritte während der vergangenen 30 Jahre. Zugleich lassen sich jüngste Forschungsleistungen aus dem deutschen Sprachraum dazustellen. Schon die ‚Ausbau‘-Zeiten vom 12. zum früheren 14. Jahrhundert bieten nun ein Bild eklatanter Vielfalt, Mehrdeutigkeit und Gegenläufigkeit. Dies gilt nicht nur für die großräumigen Unterschiede von Altsiedel- und Kolonialgebieten zwischen Guadalquivir und Weichsel, sondern eben auch im regionalen und lokalen Agrargefüge. Neben den Landrodungen und Dorfgründungen hat man überraschend viele Orts- und Flurwüstungen gefunden, neben den ohnehin oft sehr zögerlichen Dekompositionen der Villikationen markante Gutsbetriebe (nicht nur Grangien und Manors! ), neben den autonomen ländlichen Durchschnittsbetrieben wachsende Anzahlen von landarmen Häuslern/ Kätnern, neben Befreiungen, Freikäufen, Freiheitsgarantien für Einzelne oder Kollektive ebenso regionale und lokale Verknechtungen und Erniedrigungen, neben fixierten einzelbetrieblichen Jahreszinsen neue flexible ortsherrliche Real- und Personalabgaben. All das spricht gegen gleiche bzw. einheitliche Vorgänge allerorten. Der Ausbauwandel hat nicht nur viele Gesichter, sondern zeigt sich auch in widersprüchlichen Trends (Contamine 1997, Kuchenbuch 2003). Wichtige Elemente dieses neuen Gesamtbildes möchte ich im Folgenden aufgreifen. Typisch für die neuen Maßstäbe sind die internationalen, regional vergleichenden agrargeschichtlichen Forschungsprojekte, die man insbesondere der Initiative von Monique Bourin (Panthéon-Sorbonne) in Zusammenarbeit mit Pascual Martínez Sopena, Chris Wickham, Sandro Carocci, Paul Freedman und vielen anderen verdankt (1998ff.): - Verständigungsbereitschaft in den europäischen Leitsprachen, - sorgfältige vorbereitende Diskussionen im kleineren Kreis über Theorieansätze und Forschungsstände mit dem Ziel der Ausarbeitung von verbindlichen Fragenkatalogen für alle Beteiligten, - Zuschnitt der regionalen und lokalen Fallstudien-Vorträge und ihrer schriftlichen Ausarbeitungen auf die spezifische Dokumentation (mit ihrer Idiomatik und Semantik, belegt mit exemplarischen Einzeldokumenten), - ausführliche länderspezifische historiographische Analysen, - besondere Einführungen zu den einzelnen Sachfeldern (bzw. Sektionen), - weiterführende Schlusserwägungen, die im regionalen Abgleich das Gemeinsame suchen, aber offen bleiben für die Varianten, Kontraste und Sonderwege, - Abstracts in mehreren Sprachen. Dies alles zeigen große Ergebnispublikationen über den Güterbzw. Bodentransfer, über die Abgaben und Dienste aus herrschaftlicher und bäuerlicher Sicht und über neue Servilitätsformen. Weitere Projekte gleichen Zuschnitts sind noch 213 nicht abgeschlossen bzw. erst teilweise veröffentlicht. Sie betreffen die Ausbildung von Einwohnerschaften bzw. Gemeinden und die sozioökonomischen Wirkungszusammenhänge des Jahrhunderts von 1250-1350. Allein eine grobe Aufzählung der präsentierten und verglichenen Gegenden in diesen Arbeiten zeigt, was hier Kooperation über europäische Phänomene im hohen und späten Mittelalter heißt - Großregionen, Kleinräume, Einzelherrschaften, Dörfer in Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, England, Dänemark, Polen, Ungarn, Böhmen, der Schweiz und der ‚deutschen Lande‘ sind mit Fallstudien vertreten. 4 Viele KollegInnen sind, jeweils als KennerInnen einer Region, kontinuierlich an mehreren Projekten beteiligt. 5 Auch wenn die einzelnen Themen breit gefächert sind, so ist doch das Interesse für die Landbzw. Dorfleute bestimmend, auf das es auch mir ankommt. Allen Beteiligten geht es gewissermaßen um die ‚Umdrehung‘ der seigneurialen Logik der Überlieferung. Gerade diese Ausrichtung (peasant centered approach; Chris Dyer) hat zu verschiedenen Einsichten für weitere agrarsoziale Forschungen zum späteren Mittelalter geführt, die ich beherzigenswert finde und, durchaus subjektiv, vorstellen will. Zunächst allgemeine Erfahrungen. Vergleichbare Vielfalt. Nur im Vergleichen von konkreten raumzeitlichen Einheiten verschiedensten Zuschnitts - ob Dorf, Siedlungsgruppe, naturräumliche Einheit, Land-Stadt-Ensemble, ob Archidiakonat oder Diözese, ob Burgbezirk, Marktbereich oder fürstliches Territorium - kann das Verhältnis zwischen Typischem zu Besonderem ermittelt und durchsichtig gemacht werden. Beide Vergleichstypen, der kontrastierende und der anähnelnde, garantieren, dass dann auch der größere Maßstab, die Eigenart des mittelalterlichen Okzidents im Blick bleibt. Immer ist doppelt zu fragen. Was ist lokal bzw. regional eigenständig, und warum? Die enorme Vielfalt der Einzelfälle, seien sie ökologisch vorgegeben (Berg oder Tal, Moor oder Heide, Löss oder Sand) oder siedlungsgenetisch entstanden (Altsiedelbzw. Kolonisationsgebiet) ist stets der Ausgangspunkt - doch bleiben die okzidentalen Muster das Ziel. Was also ist generalisierbar, was großräumig und langfristig gültig am Fall? Man will sich nicht mehr mit einem landesgeschichtlichen Historismus begnügen, für den im Rankeschen Sinne jedes Dorf unmittelbar zu Gott ist, aber auch ebensowenig mit abstrakten Struktur- und Verlaufs-Theorien, denen präzise raumzeitliche Züge fehlen. Soziolinguistische Aufmerksamkeit. Die Suche nach der ‚Stimme‘ der Dominierten im dominialen Schriftgut hat die lexikalische und semantische Aufmerksamkeit geschärft. Dies in zwei Richtungen. Stets wird gefragt, in welcher natio- 4 Hier ist auf das in den 1990er Jahren niederländisch initiierte und geleitete, international vergleichende CORN-Projekt hinzuweisen, das auf die nordseeischen Anrainerregionen und deren langfristige Wandlungen vom späteren Mittelalter bis in die Moderne ausgerichtet ist. Seine bisherigen Publikationen zum hiesigen Zweck zu sichten und zu integrieren, würde einen eigenen Arbeitsgang nötig machen. 5 Ihnen kann man noch weitere großräumig vergleichende hinzufügen, z. B. die Gegenüberstellung von nord- und zentraleuropäischen Berggesellschaften (z. B. Iversen 2007); vgl. dazu Berthe (2001) zur Bergregion der Pyrenäen. 214 nalen Diktion, unter welchen Leitbegriffen man sich bewegt, woher sie kommen und wie sie sich von der der Forschungsnachbarn unterscheiden. Zum anderen wird das Vokabular der Dokumente, seine Ordnung und Varianz daraufhin untersucht, wie viel an damaliger kommunikativer Komplexität und Ambiguität ihm innewohnt. So entpuppen sich die Zeugnisse als Foren sowohl von Abgrenzungen zwischen verschiedenen beteiligten Herren als auch von Verhandlungen zwischen Herr(en) und Untergebenen - speziell aber deren Unterhändlern. Was im Zeugnis meist als Konsens aller formuliert ist, geht auf ein zähes Hin und Her zurück, bleibt aber aufgehoben in der Herren-Promulgation als letztem Wort. Die Herrschaftssprache ist als arretierter Wortlaut, als erstarrter Spiegel sozialer Handlungsflüsse und Kompromisse entdeckt. Die Landleute waren nicht stumm, sondern haben mitgeredet. Auf diese ‚Echos‘ in den Schriftstücken kommt es an. Nur wenige typische Fragen hierzu. Warum wird gerade so hart über die Heirats- und Erbsteuern geurteilt und gerechtet? Was etwa hat hier zur Bezeichnung bestimmter Landleute als Eigenleute geführt, dort aber nicht, trotz ähnlicher Lebensverhältnisse? Warum werden Zinse erlöst bzw. gegeben, nicht bezahlt? Was bedeutet es, wenn eine mit Münzgeld vergütete Tätigkeit als servitium bezeichnet wird? Warum wird die Vererbung eines Hufenbetriebs oder eines Landstückes hier als geld-taxierter Verkauf bezeichnet, dort als pauschale Schenkung? Differenzierung und Rolle der lokalen Machtbeziehungen. Heide Wunder hat schon 1986 treffend von der Herrschaft mit Bauern im späteren Mittelalter gesprochen (Wunder 1986). Der soziale Spielraum im Herrschaftsverhältnis wird im Zuge der Gemeindeformationen nicht für alle Dominierten gleich verfügbar und nutzbar. Die Herren privilegieren und verhandeln mit lokalen Führungsgruppen. Diese Zwischenfiguren (intermédiaires), meist die Begütertsten im Dorf, regulieren die internen Belange - Deliktverfolgung, Streitschlichtung, Allmendeaufgaben, Landtransfers, Ehe und Erbe, pfarrkirchliche Rechte und Pflichten, Darlehensgeschäfte. Und sie lassen - im herrschaftlichen oder gemeindlichen Auftrag - die betreffenden Regeln bzw. Gewohnheiten und Verhandlungen bzw. Beschlüsse aufzeichnen. Über diese generellen Einsichten hinaus soll es nun um Arbeitsergebnisse über die einzelnen Themenkomplexe gehen - wieder beschränkt auf die Landleute- Thematik und ergänzt um eigene Anschlussgedanken und -fragen (Kuchenbuch 2003). Landtransfers - Marché de la terre (Feller 2005) Was unter dem Stichwort des von Angebot, Nachfrage, Anonymität und Preis bestimmten Boden-Markts begann, verschob sich deutlich zur offeneren Vorstellung verschiedener Transaktionen von Gütern - ‚inter vivos transfer of free or unfree land for money or money’s worth‘ (Phillipp Schofield; Schofield 1992). Ganze Betriebe oder einzelne Landstücke werden vererbt innerhalb von Generationen und Verwandten, rekombiniert unter Nachbarn, vertragsförmig verkauft an übergeordnete bzw. auswärtige Nominaleigentümer gegen zinspflichtige Nut- 215 zung (Leihe) oder zur Schuldentilgung, konzediert und besteuert von überörtlichen Herren. Wie viel man über diese Transfers / Handwechsel weiß, hängt an zwei Formen ihrer Verschriftung: an ihrer notariellen Einzelaufzeichnung und Bewahrung (im westmediterranen Bogen) oder an der listenförmigen Protokollierung der Handwechselgebühren (in England, Deutschland). Im Rahmen dieser Vorgaben können folgende Variablenkontraste jedem Akt sein konkretes Profil geben: Geht es um Eigengut oder um (wie immer konditioniertes bzw. belastetes) Leihegut? Welchen sozialen Status und welche Motive haben Verkäufer und Käufer? Wie groß ist der Kreis der Beteiligten? Wie weit mischen sich Herren ein? Welche Rolle spielen die Valuationen und ihr Münzausdruck (Preis)? Hiervon geleitet wurden bereits Hypothesen erarbeitet, deren Tragweite künftig zu prüfen ist. In welchem Verhältnis stehen Notzu Gewinnverkäufen? Dominieren die Vererbungstransaktionen ganzer Betriebe bei Vollbauern, die (Ver-)Käufe von kleinen Einzelgrundstücken bei Kätnern? Hat eine rigide Herrenkontrolle der Aktionen nur knebelnde Wirkung? Die sozialen Regeln der Boden-‚Mobilität‘ sind, so scheint es, ein erfolgversprechender Schlüssel, um von der alten normativen Optik stabiler Inhaberschaft und geltender Erbrechte loszukommen und den lokalen Dingverkehr als vielförmiges und bewegliches Handlungsfeld zu begreifen. 6 Belastung - Prélèvement (Bourin 2004, 2007) Das Projekt über die Abgaben und Dienste im Blick auf die sie leistenden Bauern - ich nenne sie im Folgenden Belastung - kann gerade der deutschen Forschung weittragende Einsichten bieten. An vorderer Stelle sollte eine konzeptuelle stehen. Betont wird, dass die traditionelle Spaltung der Herrschaft in eine ökonomische und eine politische Grundform - ob nun Franzosen von der ökonomischen seigneurie foncière und der politischen seigneurie banale sprechen oder Deutsche von der Grund- und der Gerichtsherrschaft 7 - wenig hilfreich ist, um die in diesen Jahrhunderten deutlich zunehmende Differenzierung der Herrschaftsformen und die wachsende Vielfalt der Belastungen adäquat zu fassen (Wickham). Nur ein Blickwechsel von den Herren zu den Dominierten - statt top down also bottom up -, befreit gewissermaßen vom Partikularismus der Begründungsweisen der rivalisierenden Herren und ihrer Schreiber, hilft, die einzelherrlichen Ansprüche, die das administrative Schriftgut spiegelt, als Bruchteile einer Gesamtbelastung zu verstehen. Denn für die Zinsbzw. Dienstpflichtigen ist es nicht primär wichtig, in welchem Teil ihrer mobilen oder immobilen Habe, welchem Mitglied ihres Haushaltes, welchem 6 Hierzu bereits die Manor-Studie von McIntosh 1986 sowie neuerlich Markus Cerman (2007, 2008) zu den Landtransfers in Mittelosteuropa seit dem Spätmittelalter, sowie jetzt die nordeuropäisch vergleichende Studie von Martin Dribe, Mats Olson und Patrick Svensson (Dribe 2011). 7 An dieser Stelle ist die gesamte Partikularterminologie feudaler Herrschaftsformen - eine kaum überschaubare Vielfalt typisierender bzw. spezifizierender Attribute - mitzudenken. Jedes ‚Recht‘ kann da seinen Herrschafts-Namen haben. 216 Seelsorgeakt, welchem Geburtsmakel, welcher Missetat, welchem Heiligenfest, welcher fürstlichen Geldnot eine Forderung begründet ist. Anders formuliert: Nur die Grundannahme, dass Abgaben bzw. Dienste eines Bauernbetriebs ebenso de foco wie de domo, de agro wie de prato, de manso wie de curia, de parochia wie de villa, de omnibus wie de homine bzw. persona, de capite wie de corpore, de matrimonio wie de sepultura, de missa wie de crimine, de molino wie de mercato usf. begründet sein können, erst diese Sicht erschließt der Forschung die Belastung der Landleute als ein System, dessen Offenheit, Undurchsichtigkeit und Kombinatorik die konkrete Aneignungspraxis im Einzelfall und im regionalen Ensemble ausmacht. Die Untersuchungen zeigen weiter, dass die Handbuch-Lehren vom Formwechsel der Belastung - Korrosion bzw. Ablösung der Frondienste durch Realabgaben und Münzquanta - im regionalen Maßstab wenig tragfähig sind. Es leben agrarische, gewerbliche und administrative Dienste nicht nur fort bzw. werden neu etabliert (Grangien) oder in Lohndienste transformiert, sondern es kommen auch anders begründete hinzu: Burg-, Geleit-, Gastungs-, Wehr-, Transport- und Strafdienste. Und gerade diese neuen Dienste sind es, die mit dem gewachsenen Autonomiebewusstsein der Bauern kollidieren, d. h. als skandalöse Verknechtungsversuche aufgefasst werden. Die Gegenläufigkeit von alten und neuen Servitien macht verständlich, wie wichtig nun ideologische Dispute über Freiheit oder Knechtschaft werden können, seien sie römischbzw. naturrechtlich oder biblisch begründet. Seitdem sind die servitus-Dispute in allen sozialen Feldern nicht mehr aus der Welt zu schaffen. In Zeiten selbstverständlicher Frondiensthegemonie war dies undenkbar. Natürlich hat die längst bekannte Tatsache weiter Bestand, dass die Realzinspflichtigkeit der Landleute von einem wachsenden Spielraum für eigenes Wirtschaftshandeln zeugt und ein deutliches Zeichen der wachsenden Ertragskraft ihres Acker- und Gartenbaus, ihrer Viehhaltung, ihrer Gewerbearbeiten und ihrer kommunitären Aktivitäten im Jahreslauf ist. Aber wie stabil ist diese Vorteilslage? Die Untersuchungen zeigen sehr schön, wie genau hier die herrschaftlichen Bemühungen ansetzen, um zusätzliche Einkommen zu generieren. Sechs Felder lassen sich hier ausmachen. A. Überall wird versucht, die Erträge des Getreide- und Weinbaus durch betriebliche Umorganisation (Großbetriebe mit Lohndiensten) bzw. durch zeitlich getaktete Abmachungen mit Risikoteilung (Teilpacht) mit den Bauern zu steigern (Last 1983, Irsigler 1983, Reinicke 1988, FLARAN 1988, Spieß 1989, Volk 1998). B. Der Zehnt, längst abgekoppelt vom diözesanen Versorgungsprinzip und zum infeudierten (und pauschal monetisierbaren) Rententitel geworden, mausert sich, besonders nach der Ausprägung der Pfarreien, zum oft dominanten Abgabekonglomerat für die Siedlungen insgesamt. Dies hat Roland Viader in seinem neuerlichen Problemüberblick (2010) hervorgehoben, zugleich aber dargelegt, welche komplizierten Verfahren jeweils für die Verzehntung 217 der Ernten nötig waren. Dieter Scheler hat ergänzt (1989, 1993; dazu auch Clausen in Meier 1999), wie wichtig deshalb die festzinsliche Verpachtung der Zehnten für die Herrschaft war, um diese Komplexionen zu umgehen. C. Die Erträge der örtlichen Rechtssprechung werden gesteigert, oft in feste, regelhafte Zinsform überführt und in den Böden verankert (Vogtei-Zinse). D. Dass Analoges - im Rahmen der nun immer wichtiger werdenden Pfarrei - mit der cura animarum geschieht, lässt sich bislang nur punktuell erweisen, weil die schriftliche Kontrolle des Pfarrlebens sich erst später entwickelt. Aber es scheint sicher, dass hier noch eine bedeutende und vielförmige Ab- Gaben- oder besser: Opfer-Welt freigelegt werden kann, deren Anteil am und deren Rang im Belastungs-System kaum überschätzbar ist. E. Als weitere schwerwiegende Eingriffe in ihre Existenzsicherung gelten den Dörflern alle Gebühren, die ihre Weiterverarbeitungseinrichtungen (Mühlen, Kelter), ihre Landtransfers, ihre Testier- und Erbgewohnheiten sowie ihr Heiratsverhalten ‚verteuern‘, gerade dann, wenn sie, wie etwa in Gegenden Englands, zu Schwerpunkten der Aneignung ausgebaut werden. F. Deutlich ist schließlich die allmähliche Überlagerung der alten Zinse durch zuerst okkasionell, später dann regelhaft, bis zu mehrmals im Jahr erhobene Steuern (exactio, taillia, Bede, Kirchenpfennig u. a.). Ihre Existenz spricht für den frühen Erfolg zentralherrschaftlicher Offensiven gegen regionale Lehnsherren und Belehnte. Hier sei die Auflistung der ‚Ergänzungs‘bzw. ‚Überlagerungs‘-Zinse abgebrochen. Es ist genug für den Grundeindruck von einer wachsenden und sich diversifizierenden Gesamtbelastung beisammen. Festzuhalten bleibt, dass die regionalen Unterschiede und Ungleichzeitigkeiten enorm sind. Jeder Fall stellt ein anderes Konglomerat dar, zeigt eine andere Verteilung, verweist auf andere Wandlungstrends. Alle Untersuchungen handeln von der wachsenden Bedeutung der sog. Geld- Abgaben. Sie müssen es, zu deutlich bestimmen sie das Appropriationswesen mit. Aber Vorsicht! Auch hier gilt die Handbuch-Formel, dass im Untersuchungszeitraum die Geldzinse vielfach an die Stelle der Frondienste oder Realzinse getreten seien, nur sehr bedingt. Das Phänomen ist ein umfassenderes, denn es geht um vier verschiedene, eng verknüpfte Aufgaben des ‚Geldes‘ im Abgabesystem - um die örtlichen Valuierungen von Diensten, von zu zinsenden Realien, von Grundstücken und ganzen Wirtschaftseinheiten in Rechengeldern, um die Ersetzung der Abgabe von Realzinsen durch Quanta gültiger Münzen (Kommutation; dazu Feller 2009), um den Einfluss der Güterpreise an nahen Marktorten und ihrer Bewegungen auf den Verkauf bäuerlicher Überschüsse, und um den Preis des Geldes selbst für die Gewährung von Darlehen oder die Tilgung von Schulden. Das Feld dieses Geld-Gebrauchs ist kaum im Ganzen erschlossen. Aber man weiß von der Allgegenwart der publiken Valuierungen im engen Wechselspiel mit den partikularen Maßen, von den Möglichkeiten und der Häufigkeit von Zins-Kommutationen, von der Verbreitung und den Risiken der Zinsschuldung, von den 218 Chancen der Übervorteilung der arbeitenden Unterpächter durch marktkundige, profitorientierte Zwischenpächter. Berechtigt großen Raum im Projekt nimmt die Frage ein, ob den Dokumenten dieser Zeit Indizien für eine Mitsprache der Dominierten zu entnehmen sind, ob sie als ‚Fenster‘ zu ihren eigenen Auffassungen dienen könnten. Sie gilt ja, mit ihren Massen von Chartes de Franchises, von Fueros, aber auch, bislang kaum vergleichend beachtet, von Lokations- und Kolonisationsurkunden, Handfesten und frühen Weistümern als große Zeit der lokal zugeschnittenen Freiheitskonzessionen. Aber in wessen Interesse? Das war die Frage. Die skrupulösen Untersuchungen führten zu einer doch ernüchterten Sicht. Auch wenn man in diesen Dokumenten, besonders ihren Präambeln, die Beteiligung der Gemeinden und die Festschreibung ihrer Belange erkennen kann oder formuliert findet, so bleibt doch offen, wie viel die Mitwirkung von sachkundigen Unterhändlern, die Zustimmung ‚Aller‘ (consensus) und die Bekräftigung durch ausgewählte Zeugen darüber sagen, was die Leute-Seite wollte. Die gigantische Offensive der Verschriftung lokaler Privilegien im Okzident dient, so die Hypothese, vorwiegend der Sicherung von Herrenpositionen durch die Formulierung von Betroffenenpflichten, und was als deren rechtmäßige Gewohnheit oder neue Freiheit festgehalten ist, dient nach unten, intern, eher den Notabeln der Gemeinde als Jedermann dort. Der Zustimmungstenor dieser Schriftstücke ist defensiv - es geht um Verhandlungsfrieden, ums Vermeiden von rigiden Herrenverfügungen. Dass diese Einstellung aber vielfach aufging, lässt sich deshalb vermuten, weil es kaum Spuren von harten Konflikten und bleibendem Dissens gibt. Und wie steht es mit den anderen Zeugnisarten? Im urbarialen Schriftgut wird reine Herrensprache geschrieben, ob im stark formelhaften Latein, in den nun aufkommenden Regionalidiomen oder gemischt; nur Spuren von mündlichen Auskunftspflichten bestimmter Leute samt Vereidigung sind geläufig (Kuchenbuch 2012). Im zunehmend sich verbreiternden Feld der lokalen Customs, Coutumes, Weistümer, Offnungen, Kundschaften, Handfesten usf. entwickeln sich neue Beziehungen zwischen mündlichen und schriftlichen Wissens- und Verhaltenstraditionen, die - langfristig - der Herrenseite in die Hände spielen (Teuscher 2007). Eine wichtige Frage bleibt. Welche Bedeutung haben die Wechsel vom Latein zu den vernakulären Sprachen (und vice versa) für die Verständigung und Aufzeichnung? Servitus-Formen - Forms of Servitude (Bourin 2000, Freedman 2005) Auch die Ergebnisse der zwei internationalen, auf den mediterranen und den nördlichen Okzident verteilten Konferenzen über langfristige Wandlungen der servitus bzw. der persönlichen Unfreiheit, wie die gebräuchlichste moderne Wortverbindung lautet, laufen in ihrem Hauptergebnis auf Distanz zu der gängigen Lehre über die schrittweise Emanzipation von diversen Gebundenheitsformen hin zur modernen grundrechtlichen Freiheit und Gleichheit aller Staatsbürger hinaus. Das dort ausgebreitete Wissen enthält auch für die hier betrachteten Zeiträume mehrere Botschaften und gestattet neue Hypothesen. 219 Zuerst 8 : Die geläufigen Leitbegriffe jeder nationalen Fachsprache behindern die Verständigung. Jede nationale Fraktion bewegt sich terminologisch im Fahrwasser eigener mittelalterlicher bzw. frühmoderner Bezeichnungstraditionen. Man denke nur an England - bondage, neifty, villeinage, serfdom - und an Deutschland - Unfreiheit, Knechtschaft, Hörigkeit, Eigenschaft, Leibeigenschaft, Untertänigkeit. Man denke an den Riesenkomplex der 2. Leibeigenschaft in Mittelosteuropa (hierzu jetzt Cerman 2012). Alle Ausdrücke haben ihre eigene Sinngeschichte, ihre Unschärfen, und sie konkurrieren miteinander. Wie sich da international über Dachbegriffe verständigen? Bietet die Servitus, das einzige, das lange mittelalterliche Jahrtausend konstant durchziehende Wort nicht einen Ausweg, gerade deshalb, weil sein Sinnraum und seine Gebrauchweise alles andere als stabil bleibt? Dieser Testgang steht noch aus. Zweitens: Wichtiger ist der Vergleich von einzelnen Servitus-Merkmalen, von Merkmalskoppelungen mit dem Gewicht bestimmter Merkmale. Entscheidend ist nicht, ob in einem konkreten Fall Leitwörter wie servitus, eygenscap o. ä. für das jeweilige Merkmals-Konglomerat benutzt sind oder nicht. Es gibt Belege genug für servage sans noms. Wohin aber kann der Vergleich führen? Man steht vor ständig variierenden Merkmalskonglomeraten. Ist z. B. für einen Einzelfall, eine Gruppe oder eine Region neben dem Geburtsmakel und der Heiratsbeschränkung vor allem die Bodenbindung bzw. das Abzugsverbot konstitutiv? Ist es - in einem anderen Fall - vor allem der Kopfzins in Form eines Huhns, dazu Erbsteuer und Burgdienst? Diese willkürlich gewählten Kombinationen, jede Untersuchung bezeugt Ähnliches, sollen nur zeigen, dass Merkmalslisten, -kombinationen und -ordnungen, so gerecht sie dem Einzelfall werden können, für Fragen nach dem systemischen Sinn dieser oder jener servitus-Variante wenig weiterhelfen. Zu breit ist der Spielraum der rivalisierenden Herrenfraktionen, dieses oder jenes Merkmal durchzusetzen und zu prämieren. Jede noch so verdienstvolle Umschau von Merkmalskonglomeraten in den Fallstudien verstärkt nur die Gewissheit, dass die okzidentale servitus kein Durchschnittsprofil hat. Muss man sich demnach mit dieser anarchisch anmutenden Fülle, Regelferne und Fluktuation abfinden? Oder wirken hinter den Titulierungs- und Begründungsrangeleien nicht doch Prinzipien, die man für eine servitus-Morpho-Logik in Anspruch nehmen könnte? Ich plädiere dafür, das Knechtschaftsmerkmal analytisch ernster nehmen, das in der Forschung stets, nahezu automatisch, mit dem Attribut persönlich ausgedrückt wird. 9 Schiebt man dieses Deckwort beiseite, dann kommen die beiden Grundelemente der kirchlichen Menschenlehre (Hominologie) zum Vorschein - corpus und anima. Die servitus wird in dieser Zeit zunehmend als Abhängigkeit des servilen Körpers vom Herrn ausgedrückt. Die viel benutzte Wortverbindung homo de corpore (später homme des corps bzw. 8 Zum Folgenden auch Kuchenbuch 2013, ein Hypothesenbündel im Anschluß an Bourin und Freedman. 9 Wie anachronistisch der Gebrauch von Person bzw. persönlich in diesem Zusammenhang ist, wäre eine eigene Untersuchung wert. 220 Leib-Eigener) spricht dafür - im früheren Mittelalter galt ein anderer Gesamt- Index, das dem Vieh nahe caput. Diese körperanthropologische Perspektive erlaubt nun zwei gewichtige Ausweitungen des servitus-Phänomens. Zum einen: Welche Rolle spielt die Knechtschaft der anima des homo christianus in diesem Zusammenhang? Gehören nicht auch die kirchlichen Integrationsrituale und Gehorsamsakte - Taufe, Credo, Dekalog, Sonntagsarbeitsverbot, Messebesuch, Abendmahl, Trauung, Beichte, Fastenbuße bzw. Almosengebot usf. - in das servitus-Gefüge? Könnte die Annahme einer solchen Doppel-Servilität - weltliche Körper- und kirchliche Seelenbindung - zweierlei leisten, nämlich sowohl die Dualität der homo-Konstruktion selbst als auch die grundlegende Dualität der ihr entsprechenden laikalen und klerikalen dominium-Formen besser verständlich zu machen als bisher? Zum anderen: Es gibt Indizien genug dafür, dass Seele und Leib nicht im Ganzen, sondern in ihren Teilen als Servilisierungs-Instrumente bzw. als Stigmata von Inferiorität und Schuld dienen (können) - die Hände und die Füße, der Rücken und das Gesäß, der Bauch und das Geschlecht, das Gehör und das Gesicht, die Haut und das Haar, und auch das Herz und der Verstand. Die These: Könnte eine Ausdrucksart unterhalb der Leitwörter wirken, und zwar als ein komplexes Bindungs- und Lösungsinstrumentarium, das den regellos erscheinenden Variationsspielraum der Servitus-Elemente und die Fülle der Servitus-Profile besser erklärt - als konsequente Ausformungen eines leibseelisch verankerten und beweglichen Systems, aber eines hinter bzw. unter den Titulaturen. Diese äußerst knappen Andeutungen einer Organologie der servitus müssen hier genügen (Kuchenbuch 2013). Drittens: Neben Leitbegriffs- und Kategorisierungsproblemen haben die Studien gezeigt, wie ungleich sich die Regionalprofile der Servilität herausbilden, sich dann gleichsam stumm reproduzieren oder dramatisch verschärfen, oder abmildern. Es geht um das relative Nebeneinander bzw. die Gleichzeitigkeit von Befreiungen und Verknechtungen. Servitus ist ja kein fester Zustand - man sollte deshalb eben besser von steter Servilisierung und Deservilisierung sprechen - Bindungen und Lösungen, Verschärfungen und Lockerungen finden ständig statt, können ineinander übergehen. Im überörtlichen Zusammenhang gibt es strukturelle Bedingungen für die eine oder die andere Tendenz bzw. Dynamik - Eroberung bzw. Kolonisation, Territorialisierungskonflikte, Stadtnähe versus Stadtferne, dichte Dorfsiedlung versus Einzelgehöfte -, ebenso aber auch Ereignisse und ihre Folgen - Missernten, Hungernöte, Kriegverwüstungen, Auferlegungen neuer Lasten (Keitel 2000; Scott 2010) - und auch Diskurse unter Juristen, Theologen, Predigern, die jeweils andere Antworten auf andere Erfahrungen und Konflikte zum Ausdruck bringen (Flasch 2005; Blickle 2003). Schließlich: Was haben die Landleute überhaupt mit all dem zu tun? Wie nah kommt die Servilitäts-Sprache der dominialen Schriftstücke den betroffenen Leuten? Auch hierzu sind wichtige Erfahrungswerte zusammengekommen. Einerseits gibt es Indizien dafür, dass sich das Diskurs-‚Klima‘ zur servitus-Frage großräumig und zeitlich unterscheiden und verändern kann - Zeiten heftiger 221 Debatten auf vielen sozialen Ebenen, Regionen dauerhafter relativer Ruhe. Zum anderen: Es gibt genug Aufzeichnungen von Konstellationen, die direkt involvierte Untertanen betreffen, Nahverhältnisse sichtbar machen, die ungleiche Verständigung bzw. die Manipulation klarlegen: wenn eine Herrschaft Freilassungen bzw. Freikäufe oder Zinsschulden einzelner seiner servi , hommes de corps oder gotshuslüte in Kontrollbücher eintragen lässt, wenn eine Herrschaft auswärts weilende Leute als ihre Eigenen oder Fremde im Eigengebiet ‚jagt‘, d. h. aufspürt und sie in ihre Eigenschaft zwingt (und dies dokumentiert), wenn eine souzeräne Herreninstanz Beschwerden und Klagen von Leutegruppen über Repressionen einer ihr infeudierten Herrschaft aufzeichnen lässt. In diesem Feld von Klagen und Beschwerden, von Bitten und Gnaden, von Drohung, Bann und Strafe gilt der Vorbehalt, dass die Sprache, die dies alles festhält, die Ausdrucksweise der Herrenseite begünstigt und keine Gewähr dafür bietet, dass sie die der Leute direkt ‚abbildet‘ (Algazi 1996, 1999). Einwohnergemeinschaft/ Gemeinde - Communauté d’habitants (Morsel 2009 10 ) Auch im von Joseph Morsel initiierten Projekt zur Erforschung der Ausbildung von Einwohnergemeinschaften vom 11.-14. Jahrhundert ist zwar im Ansatz der Spagat zwischen regionaler und okzidentaler Perspektive beibehalten, aber zu einer epochal umfassenden Hypothese zugespitzt. Den Grundanstoß dazu hat Alain Guerreau mit seinen einflussreichen Studien zur polarisierten Raumwahrnehmung (und Raumbeschreibung) im Mittelalter gegeben (Guerreau 1996/ 1997). Morsels Ausgangspunkt: Die Differenzen zwischen neueren Auffassungen über den Charakter der sozialen Umwälzungen, die jeweils auf soziale Verdichtungen hinauslaufen - Incastellamento, Encellulement, Inecclesiamento in der romanischen, Verdorfung / Verburgung / Verstädterung, Gemeindebildung / Kommunalisierung, Parochialisierung in der deutschsprachigen Forschung. 11 Mit der Konzeption der Einwohnergemeinschaft werden diese Verdichtungen nun als Phänomene einer umfassenden Verräumlichung des Sozialen verstanden, die die hominialen Sozialintegrationen 12 des früheren Mittelalters abschwächen, ablösen, umformen. Damit verbunden ist eine Adaption von Forschungen, die - geleitet von der modernen Konzeption einer abstrakten Bipolarität von Herrschaft und Genossenschaft - die konstitutive Rolle des Ortsbezugs von Gemeinschaftsformen (coniuratio, einung usf.) wie der Gemeinde, der Zunft, der Bruderschaft usf. 10 Bisherige Programmtexte und Tagungsakten (bes. Historiographie) sind zugänglich unter http: / / lamop.univ.paris1.fr/ spip.php? article471. Die Arbeit wird derzeit fortgesetzt in einem Kreis französischer Mediävisten mit regionalgeschichtlicher Ausrichtung und komparativem Interesse am LAMOP/ Sorbonne (Leitung: J. Morsel). Neuester Stand verfügbar unter http: / / www.espacestemps.net. 11 Eine Zuordnung von Protagonisten zu diesen Schulen/ Feldern erspare ich mir hier. Souverän: Spiess 1995. 12 Hominiale Integration wird hier als Ersatz-Syntagma für mir anachronistisch erscheinende ‚personale‘ Beziehungsformen (alle servitialen Abhängigkeiten, Klientel, Verwandtschaft, Patenschaft, Freundschaft, Feindschaft) benutzt. 222 übersehen haben. Teilweise noch in dieser Traditionslinie stehen neueste deutsche Forschungen (Schmitt in Rösener 2003, Andermann 2012). Wo überall sich die neuen Artikulationen von Erfahrungen neuartiger Verörtlichung zeigen, kann ich hier nur andeuten: in Titulaturen und Namensgebungen nach dem Geburtsbzw. Lebensort (Dorf, Burg, Stadt, Land, Reich) in allen sozialen Klassen, in schriftlichen und bildlichen Darstellungen von diesseitigen Orten und Wegen und von fiktiven Gefilden in Dichtung und Ekklesiologie, in archäologischen Spuren von Dorfsiedlungen und Fluren, Kirchen mit Kirchhöfen, Burgen usf. Auch ist hier nicht abzuwägen, ob das in dieser Zeit zunehmende Vokabular des Wohnens - in/ habitare/ habitatores, bewonen/ einwoner - eine angemessene Basis für die Bildung des mediävistischen Begriffs der Einwohnergemeinschaft darstellt, oder nicht. Ein Nominalismus der Quellenwort-Anknüpfung liegt dem Projekt sicher fern. Für die ländlichen Siedlungen, um die es hier geht, lässt sich, nach den ersten Fallstudien, bereits ein vorläufiger Hypothesenzusammenhang formulieren: Nimmt man die Frage nach einer umfassenden Spatialisierung ernst, dann kann es nur um die Einheit zweier topomorpher Fixierungen der Leute gehen, um die Dorfgemeinde als Wirtschaftsgefüge und um die Pfarrgemeinde als Erlösungsgebilde (Kuchenbuch / Morsel 2008b; Société 2007; Irsigler 2012). Das Dorf als umgrenzte Zweiheit von Höfeareal, wo gehaust, und Flur (Gemarkung und Gemeine), wo gebaut wird, fixiert seine Einwohner auf das Ensemble der dortigen materiellen Ressourcen, gibt ihnen einen Dorf-Namen, produziert ein Bewusstsein von einer sozialen Ganzheit und Identität, die nach innen organisiert und nach außen repräsentiert wird (universitas, communitas). Doch kann man bei dieser Grundcharakterisierung nicht stehen bleiben (Kroeschell 2003: Realbzw. Dinggenossenschaft). Zur boden-ständigen Zweiheit gehört zum einen, dass die Einwohner deren einzelne Elemente - die Häuser, Höfe, Gärten, Äcker, Wiesen - um ihres Überlebens willen nach eigenen Regeln und Rängen rekombinieren können und müssen, anders gesagt: unter sich zirkulieren lassen. Zum anderen suchen ihre Herren diese Bewegungen um ihrer Einkommens- und Gehorsams-Ansprüche willen zu kontrollieren, aber nicht nur den Einwohnern, sondern vor allem ihren Mitherren gegenüber (Demade/ Morsel in Freedman 2005; Schmitt bzw. Hirbodian 2003, 2012). Letztere definiert gewissermaßen die Herrenqualität der jeweiligen Verortung. Im Ganzen gesehen spielen also innerhalb des Dorfraums drei Bewegungen zusammen, die der Güter, die der Einwohner und die der Herren; ihre Integration stiftet die Arbeit. 13 Dazu weiter unten mehr. Neuere Forschungen zu den Pfarreien haben nicht nur die späte, etwa parallel zur Verdorfung verlaufende Ausbildung zum geschlossenen kirchlichen Pfarreiennetz erwiesen (Iogna-Prat 2005, Konstanzer Arbeitskreis 2009 14 ). Sie haben 13 Im Vokabular der modernen politischen Ökonomie ausgedrückt: die lokale Produktion als spezifische Verbindung der Produktionsmittel, der Produzenten und der Aneigner des Surplus. 14 Das hochinteressante Protokoll der Vorträge, Diskussionen und konzeptionellen Rahmungen 223 auch gezeigt, wie oft eine Pfarrei nicht mit der dörflichen Siedlung übereinstimmt, sondern mehrere übergreift oder - wie in den Städten, aber nicht nur dort - nur Teile der dortigen Einwohner erfasst (Viertel). Immer wieder zeigt sich, wie vage flächenräumige Abgrenzungen der Pfarreien ausgedrückt sind. Worin besteht dann aber ihre besondere Örtlichkeit? Die Hypothese: Es geht um ein ganz anderes Prinzip der Verräumlichung. Pfarreien sind wesentlich keine Gelände mit linearen Grenzen (Territorien 15 ), sondern lokale Verbände der Lebenden und der Toten, bezogen auf Kirchen, die mit den wichtigsten Instrumenten der Seelsorge ausgestattet sind - Reliquien, Altar, Taufbecken, Messe, Beichtstuhl, Kirchhof -, mittels derer der exklusiv bestallte Ortsgeistliche jeden dort getauften Gläubigen als leibseelisches Einzelwesen mit allen Heilsgütern versorgt. Besonders hier hat die neuere deutsche Pfarrforschung angesetzt (Fuhrmann 1995, Scheler 1998, Freitag 1998, Bünz in Andermann 2012). Im Einwohnerschaftsprojekt werden die Pfarrkirchen in doppeltem Sinne verstanden: als dem Himmel verbundene Heilsverteilungsplätze und als Konvergenzpunkte seelsorgerischer Anziehung für die Parochialen (Polarisierung). Gevatterschaften und diverse Bruderschaften bilden ein wichtiges Ferment dabei. Die Bewegungen, mittels derer die Gläubigen sich von ihrem Kirchort entfernen - Prozessionen in Flur und Diözese, Nah- und Fernpilgerschaften -, widersprechen diesem magnetischen Bindungslokalismus der Einzelseelen nicht, sondern integrieren sie als um die Ortsreliquien und den Patron gescharte Gemeinde in die weiteren Kreise des orbis christianus. In der Habitare-Hypothese erscheinen also Dorf und Pfarrei nicht als notwendig deckungsgleiche bzw. sich schlicht addierende, sondern als sich ergänzende Eigenformen der Verräumlichung en miniature - die flächenzirkuläre Fixierung des Kollektivs der ‚hausenden‘ Leute auf ihr dörfliches Bodenensemble und die vektorielle Polarisierung aller getauften Einzelnen auf die Kirche sowie auf ihren Diener. Zu jedem Teilsystem gehören Bewegungsformen, die es ergänzen und verfestigen (dazu auch Harrison 1996). Soziale Primärbeziehungen Hier lassen sich gut neue Forschungen zum Komplex der Primärbeziehungen anschließen: zu Verwandtschaft und Ehe, Haushalt und Familie. Leider fehlt in dem von David Sabean und Simon Teuscher initiierten internationalen Großprojekt, das sich seit Jahren den langfristigen Wandlungen der Verwandtschaftsformen und -funktionen in Europa seit dem Mittelalter widmet (Sabean 2007), bislang ein Schwerpunkt über die dörflichen Verhältnisse im Spätmittelalter. So entbehren meine Anmerkungen der dort souverän entwickelten Konzeption. Etabliert ist seit etwa zwei Jahrzehnten die Hypothese von der kognatischen Offenheit und Flexibilität des erborenen Verwandtseins für mittelalterliche Ver- (E.Bünz) lässt eine gewichtige Veröffentlichung (Vorträge und Forschungen) erwarten. 15 Diese verbreitete Vorstellung basiert i. W. auf der Annahme, dass der Orts-Zehnt als territoriale Aneignungsform sich auf die dortige Pfarrkirche bezöge. Die ganze Frage der Territorialität der Pfarrei ist umstritten und offen. 224 gesellschaftungen, verglichen mit der kirchlich normierten monogamen Geschlechtsverbindung, mit ihren kernfamilialen Erweiterungen im Rahmen diverser Haushaltsformen sowie mit der Rolle rituell hergestellten Verwandtseins (Patenschaft) und paktierter Solidaritäten (Nachbarschaft, Freundschaft u. a.). 16 Michael Mitterauer hat angesichts dieser Grundspannung zwischen ‚schwacher‘ Verwandtschaft und ‚starkem‘ Ehehaushalt vorgeschlagen, konzeptuell zwischen der Verwandtschafts- und der Haushaltsfamilie in Alteuropa zu unterscheiden (2003), woran sich seitdem fallbezogene Forschungen kritisch reiben. Parallel sind neue Hypothesen über die Struktur- und Verlaufsformen in Umlauf, die die typologische Statik des Mitterauerschen Ansatzes zu überwinden trachten. In Joseph Morsels Hypothese von einer radikalen Schwächung der Verwandtschaftsbeziehungen (déparentalisation: Morsel 2007) im Zuge der im vorigen Paragraphen skizzierten lokalen Verräumlichung treten Ehe und Haushalt, Patenschaft und Bruderschaft als Fermente der Lokalvergemeinschaftung gewissermaßen an die Stelle des erborenen Verwandtseins. Im oben genannten Sabeanschen Projekt plädieren Mediävisten wie Simon Teuscher und Karl-Heinz Spieß für langfristige Stärkungen agnatischer Verwandtschaftselemente in den Sozialmilieus der städtischen und territorialherrschaftlichen Aristokratien seit dem 15. Jahrhundert (Sabean 2007). Hinter diesen Beobachtungen steht die viel weiter gehende Vermutung, dass man sich die Praxis der Primärbeziehungen viel weniger normativ reguliert vorstellen sollte - Verwandtschaft als eine soziale Bindungsform neben anderen - und eine mit historisch sich wandelndem Gewicht. In diesen praxeologischen und historisierenden Sog sind auch die mediävistischen Vorstellungen von den Haushalts- und Familienstrukturen geraten. Nach den strukturfunktionalistischen Errungenschaften und Debatten über Haushalt und Familie, über das konjugale Paar, die Kernfamilie und die Haushaltzyklen der 70er und 80er Jahre (Wall 1983, Smith 1984, Herlihy 1985, Hanawalt 1986) sind die Fronten sichtbar aufgeweicht, die zwischen den Haushaltstypen-Lehren und den Regionalsystemen bestanden. Man ist sich der Zuordnung der Erscheinungen zu Durchschnitts-Größen und -Zusammensetzungen nicht mehr so sicher, weiß wesentlich mehr über die Wechselspiele zwischen Heiratsstrategien und Landtransfers, über Heiratsalter und generatives Verhalten, über Gender- Strukturen, über Migrationen und Gesindezirkulation, über gegenläufige Auswirkungen derselben Beziehungen auf große und kleine Haushalte. Eine auf vor allem spätmittelalterliche Familien konzentrierte Reichenau-Tagung (Spieß 2009) bestärkte allgemein darin, sowohl die Zusammengehörigkeit als auch das Zusammenleben beweglicher und offener zu sehen - viel mehr Ordnungsalternativen und Mehrsinnigkeit, aber auch Anpassungszwang und Mobilität waren bei Hofe, im Kloster, im Patrizierhaus im Spiel. Als die einzige unumgehbare Sozialfiguration erwies sich die Ehe, oder besser: der Mann mit Weib und Kind 16 Dieser Grobkonsensus hat mehrspurige und widersprüchliche Vorgeschichten, die sich kaum in wenigen Worten nachzeichnen lassen. Sicher scheint allein, dass sie von Jack Goody provoziert worden sind (hierzu Jussen in Spiess 2009). 225 (und Kegel). Der Verdeutlichung dieser sozialen Schlüsselposition, so mein Eindruck, sollte die nähere Forschungszukunft gehören: sowohl formkundlich (Smith 1995) als auch im Zusammenspiel zwischen normativ-frommer Imagination und ausstattungsbewusstem Verhandlungsverhalten untereinander und gegenüber den Herrschaften (Signori 2011; Deutsch 2005). Als Beobachter der Vorträge und ihrer Fragestunden beschlich mich der massive Zweifel, ob überhaupt noch berechtigter Weise von Familien geredet werden könne, oder ob hier nicht eine noch ungeklärte Moderne regiere (Kuchenbuch in Spieß 2009). Und die spätmittelalterlichen Dörfler? Über sie war auch auf der Reichenau kaum Neues zu sagen. Was Werner Rösener über anerbenrechtlich organisierte Großbauern versus realteilige Kleinbauern in Südwestdeutschland andeuten konnte (Rösener in Spieß 2009), machte sich gegenüber den Ergebnissen der englischen Manor-Studien, die aus opulenten Serien von Court Rolls erarbeitet sind, mager und statisch aus. Neueren schweizerischen und fränkischen Regional- und Lokalstudien ist schon ermutigend mehr zu entnehmen (Zangger 1991, Othenin-Girard 1994, Rödel 1994, Bünz 2009). Es ist hier nicht der Platz, den langen Prozess der Einwanderung der household and family-Forschung der Cambridge Group um Peter Laslett ins Mittelalter nachzuzeichnen. Richard Smith (Cambridge) und Zvi Razi (Tel Aviv) stehen für diesen Weg, dessen Etappen, Erträge und Debatten hierzulande viel zu wenig beachtet sind. Ich lasse die regionaldemographischen Probleme der Zeiten vor und nach dem Pesteinbruch hier sträflich beiseite und verweise nur noch auf die intensiven Genderforschungen (Bennett 1987) und auf die von sich widersprechenden Lokalbefunden bestimmte Diskussion über die Bedeutung der Verwandten im Verhältnis zu den Eheleuten, zum Haus(halt) und zu den Nachbarn (Razi 1993, Razi 1996). Arbeit Es scheint nicht sonderlich verwunderlich, dass gerade zur Geschichte der ländlichen Arbeiten im Spätmittelalter auffallend wenig geforscht wurde und wird. Wer - im Rahmen der langwierigen Transformationen vom Brauchwerk zum Tauschwert (Kuchenbuch / Sokoll 1990/ 2012) - nach dem Unterhaltshandeln in den Jahrhunderten vor und nach der Pest sucht, stößt auf spezifische Hindernisse (Arnoux 2012). Die Forschung kann sich nicht an detaillierte Frondienstordnungen von Villikationen wie im früheren Mittelalter oder von Gutswirtschaften wie in der Frühneuzeit halten und dann von ihnen vorsichtig auf die innerbetrieblichen Landwerke schließen. Besondere Ausführungspflichten in beurkundeten Pachtverträgen bieten keinen adäquaten Ersatz. Wo die jährliche Dienstbelastung zur Zinsform geronnen ist, fällt das bäuerliche Werken als Vorgang schlicht aus der administrativen Kontrolle. Was, wie oben angedeutet, an Diensten hinzukommt, trifft nicht ins Herz der Betriebe. Der schriftliche Lohnarbeitsvertrag hat das Land noch nicht erreicht. Aber dort, wo Übergänge vom Fronzum Lohndienst dokumentiert sind - das gilt etwa für englische manors oder Zisterzienser-Grangien -, lassen sich Umrisse eines vielfältigen und 226 mobilen Getriebes von lokal zirkulierenden jugendlichen Knechten und Mägden, Wanderungen von Saisonarbeitern (bes. zu Erntezeiten), Landhandwerkern und Gelegenheitsaktivitäten gegen Kost, Logis und Handlohn andeuten (Vanja 1990, Rippmann 1990, Zangger 1991, Fox 1996). Weiteres zeigen marktstädtische Zollerhebungen, denen man entnehmen kann, wie wichtig und gleichzeitig unsicher die Lohndienstchancen in der Stadt für viele Unterhalt suchende Landleute beiderlei Geschlechts waren (Goldberg 1992). Diese Spuren verdeutlichen Vielerlei: die sozialen Gräben in den Dörfern zwischen Vollbauern und Häuslern, das Gesindesystem (life cycle servants), die Mobilitätszwänge für die Habenichtse, die innerdörfliche Berufsdifferenzierung (Rippmann 1990, Othenin-Girard 1994, Volk 1998, Scott 2012), das stete Kommen und Gehen um Lohn und Brot zwischen Dorf, Stadt und Herrschaft. So rar und karg die Schriftdokumente zum ländlichen Mühen und Können sind, so opulent sind - und das wird viel zu oft übersehen - die Bilddokumente und die baulichen und artisanalen Relikte. Was Perrine Mane in jahrzehntelanger Arbeit aus der biblischen Bildtradition, den Kalenderilluminationen, den agronomischen Schriften, Enzyklopädien, Rechtstraktaten, Rechnungen und Erzählungen an spätmittelalterlichem Bildgut zum Ackerbau und zur Viehzucht gesammelt, geordnet und gedeutet hat, bildet ein imponierendes Korpus zum geräteverbundenen agrikolen Handeln der Männer und auch Frauen in ihren spezifischen Milieus (Mane 2006) - zum männlichen Feldbau etwa die Figurensequenzen zum Pflügen, Säen, Eggen, Düngen, Jäten, Ernten, Einfahren, Dreschen, Lagern. Natürlich lässt sich dieses entsituierte und typisierende Bildwissen nicht allein mimetisch verstehen, wohl aber als Wissens- und Wertereservoir von repräsentativen Inbildern (zur Ergänzung: Jaritz, Camille, Williams, Henisch in Sweeney 1995). Aber selbst diese erweisen sich bei genauerem Hinsehen als angebunden an regionale Bildtraditionen, die in Realitätserfahrungen gründen (Both, Haupt in Fansa 1995). Zusätzliche Stütze finden solche Beweisgänge auch in der Anbindung an archäologische Zeugnisse (Bergmann in Fansa 1995, Küntzel 2008) und in der Geräte- und Hausforschung der Museen. In neueren Bauernhaus-Biographien kann sich dann eindrucksvoll zusammenfügen, was in anderen Zeugnisarten unverbunden nebeneinander herläuft (Bedal 1997). Gesamtlage 1250-1350 - Conjoncture de 1300 Das Projekt der LAMOP-Gruppe über die sozioökonomischen Zusammenhänge im Jahrhundert vor dem schwarzen Tod, der pandemischen Unification microbienne (Le Roy Ladurie) ist zwar noch nicht abgeschlossen. Im vorliegenden Zwischenbericht über den mediterranen Ost-West-Bogen (Byzanz, Westbalkan, Italien, Südfrankreich, Spanien, Portugal) (Bourin 2011) sind die neuen regionalen Forschungsergebnisse im vergleichenden Blick auf das wesentlich besser erforschte England präsentiert und gewichtet (Campbell 1991, Campbell in Sweeney 1995). Wenige Stichworte müssen hier ausreichen, damit meine Berichtsoptik - die ländlichen Sozialverhältnisse - nicht verschwimmt. 227 Die naturräumlich-ökologischen Lebenskonditionen, die geomorphologische Vielfalt in der Méditerrannée lassen, verglichen mit England, deutlich weniger Verallgemeinerungen zu. Der Großraum löst sich beim näheren Hinsehen in ein Mosaik von Mikroregionen auf, die sich in ihren Abstufungen ständig verzahnen. Die Einzelprofile ‚gleichen‘ sich gerade in ihrer Disparität, in ihrem Nuancenreichtum. Am Wichtigsten: Die Klimaverschlechterung 1315-1317 mit ihren Missernten, die die Verhältnisse im Norden durchgehend traf, schlug im Süden kaum durch. Doch zeichnen sich, besonders in bergigen Gegenden mit härterem Klima, armen Böden und rabiater Herrschaft, schon lange vor 1347 Wanderungen in benachbarte Gegenden mit besseren Lebensbedingungen ab; trotz dortiger hoher Siedlungsdichte werden diese Zuwanderungen aber kompensiert. So kann man nur punktuelle Siedlungsschrumpfungen (Wüstungen) verbuchen. Nicht verallgemeinerbar sind auch Verschuldungen der Kleinbauern - wie etwa in der Toscana. Die Steigerung des Rentenbzw. Steuerdrucks (pression fiscale), regional sehr unterschiedlich, treibt die Landleute nicht ins Dauerelend. Auffällig sind im Gesamtraum Kontraste zwischen Altsiedelgebieten mit eher ärmlichen Überlebensniveaus und Wachstums- und Prosperitätszonen in Kolonisationsgebieten ‚nebenan‘. Es scheint, so die Gesamtbilanz, noch zu keiner allgemeinen Regression des ländlichen Lebensniveaus - etwa aufgrund erschöpfter Ressourcen - gekommen zu sein. Wichtiger sind zunehmende Unwägbarkeiten einer Kommerzialisierung, die - England ähnlich - die gewerbliche Differenzierung und den sie realisierenden Güterverkehr anheizt, diesen neuen gesellschaftlichen Arbeitsteilungen aber noch keine Stabilität verleiht. Die Ausschläge und Sequenzen von Gewinn und Verlust bleiben extrem unregelmäßig. Die Wirkung des Kredits in allen zeitversetzten Gewerbe-, Handels- und Herrschaftsaktivitäten ist unüberschaubar ambivalent. Da alles an den kleinräumigen Erntezyklen hängt, können sich die Land-Stadt-Spannungen im Falle von Missernten dramatisch verstärken. Die folgenden Preissteigerungen und Spekulationen sind noch nicht durch gefestigte kommunale Vorratshaltung und Brotpreispolitik regulierbar. Die daraus folgenden innerstädtischen Spannungen weiten sich aber nicht auf das Umland aus. Soweit das Indizientableau. Insgesamt wird dem südlichen Okzident dieses Jahrhunderts keine pessimistische Lage attestiert, aber auch kein ruhiger Geschehensfluss. Ein paradoxes Zugleich von innovatorischen und zerstörerischen Spannungen ist zeittypisch. Aber last but not least: man vergesse die Kriege nicht … Englische Agrarräume im europäischen Vergleich 1350-1450 (Dodds/ Britnell 2008) Ben Dodds und Richard Britnell bieten mit einer Zwischenbilanz eine sehr nützliche Orientierung. Das Buch ist kein Sammelsurium, sondern eine solide Mischung aus Generalberichten, europäischen Abgleichungen und direkt aus den Dokumenten erarbeiteten regionalen Fallstudien (Durham, Aberdeen, Spennymoor, Winchester, Salisbury), die stets eingeordnet sind in die leitende Problemstellung. Sie lautet: Im Jahrhundert nach dem Auftauchen der Pest teilen alle Ge- 228 genden Europas a common experience, trotz der großen regionalen Unterschiede in der Betroffenheit und der Erholung von den Krisen. Als diese gemeinsamen Erfahrungen werden benannt: die Verminderung der Leute, die Schrumpfung der Siedlungen, fallende Renten, Umordnungen der ländlichen Grundtätigkeiten (Wechsel der Getreidesorten, Umstellung auf Schaf- oder Rinderzucht), gewerbliche Spezialisierungen (bes. in Stadtnähe). Aber diese Vorgänge gründen nicht allein in tödlichen Krankheiten, Kriegen, Klimaeinbrüchen bzw. Witterungsverläufen. Hinzu kommt die lokale Ökologie: die Eignung der Böden, Besonderheiten der Vegetation, der Gewässer, Mineralien - Ausstattungen, die, wenn von den Leuten technisch bedachter und im Blick auf Märkte intensiver genutzt, örtliche und regionale Produktionsprofile ausprägen und anpassungsfähig machen. Dies aber im Rahmen der jeweiligen Siedlungsstruktur, und darüber hinaus eingefügt in die Zonierung der Austauschformen (commercialisation) - Stadt-Hinterland-Symbiosen, regionale Spezialisierungen (Getreide, Bier, Fleisch, Käse, Fisch, Wolle, Geschirr, Pech usf.) mit entsprechendem Absatz (trading areas), schließlich auch überraschende Anbindungen an den kontinentalen Fernhandel. Überall kommt es dementsprechend zu anderen ‚Lösungen‘ derselben Nöte und Probleme, und jeder Fall macht erneut klar, dass die Beobachtung regionaler Varianten komplexere Ursache-Wirkung-Muster freizulegen hilft, und damit zugleich die Klärung langfristiger Vorgänge fördert. 17 Alle diese Erwägungen münden konsequent in ein Bündel von Dimensionen, die zusammen ein Konzept spätmittelalterlicher europäischer Regionalität bilden: Landschaft und Boden, agrarische Institutionen (Feldsysteme, Betriebsarten), Umland-Stadt-Beziehungen, agrarische Spezialisierungen und standortgebundene Gewerbe, Städtenetzdichte, politische Gliederungen des Landes, Herrschaftszentren (vgl. für Westfalen: Freitag 2009, für die Pyrenäen: Cursente 2005). Schließlich kann dann natürlich auch nicht fehlen, dass die so ertragreiche englische agrarhistorische Forschung auf einer detailreichen schriftlichen Überlieferung fußt, die nicht nur Einzelphänomene, nicht nur Strukturmomente zu studieren erlaubt, sondern demographische und sozioökonomische Verläufe, das distributive, produktive und kommerzielle Auf und Ab, die latenten Widersprüche und die offenen Konflikte, die Verschiebungen und Umbildungen im lokalen und regionalen Gefüge im Maßstab von Jahren und Jahrzehnten. B. Dodds und R. Britnell nennen hier die aus den verschiedensten Rolls herausgefilterten Serien von Zehnten, Preisen und Löhnen, von Daten zur Siedlungs- und Haushaltsstruktur, dazu Zollabrechnungen, Zeugnisse zum Münzumfang und -umlauf. Sie zusammen ermöglichen ein neues, viel differenzierteres Bild vom Anschlussjahrhundert, legen zugleich den Finger auf schmerzhafte Wunden - besonders die Preise! - und deuten an, wie viel nicht nur im eigenen Land, sondern auch im europäischen Zusammenhang zu tun bleibt. 17 Zur Ergänzung: Bisgaard 2009. 229 Ein solitärer Versuch einer regionalen Monographie verdient noch abschließende Erwähnung, gerade weil er nur sporadisch Beachtung gefunden hat. Ich meine Richard C. Hoffmanns monumentale Darstellung der mittelschlesischen Agrarlandschaft um Wroclaw vom 13. bis zum 16. Jahrhundert (Hoffmann 1989). Der kanadische Kollege erweist sich als ein überaus intimer Kenner aller Überlieferungsprobleme dieser Region zwischen Böhmen und Polen, benutzt alle erdenklichen Methoden, um - flächendeckend - zu statistisch abgesicherten Ergebnissen zu kommen, und weiß eine Geschichte zu erzählen, die sich ganz anders anhört als die der oben behandelten Regionen im Süden und Westen. An der mittleren Oder ist das lange 14. Jahrhundert (ca. 1300ca. 1425) eine Zeit von deutschrechtlichem Landesausbau, agrarischer Prosperität und sozialer Balance zwischen der Zentralherrschaft, dem Adel und den dörflichen Kommunen mit den sie repräsentierenden Schulzen. Nach ersten ökologischen und ökonomischen Warnzeichen sind es dann erst die Kriegsverheerungen der hussitischen und polnischen Eindringlinge und die Raubzüge sich befehdender Adelsgruppen, die das Land entleeren, seine Bewohner in eine dauerhafte Notlage stürzen, wozu auch harte Geldkrisen beitragen. Was dann mittelfristig folgt, ist eine tiefgreifende soziale Umwandlung, die die Erbherren ins lokale Regiment setzt und die Dörfler in deren Eigenschaft bindet. Es ist nur schade, dass Hoffmann die große einflussreiche Regionalstudie von Guy Bois über die östliche Normandie (14.-16. Jh.) von 1976 nicht kannte, die schon mir für die Neuwerk-Studie so nützliche Orientierung geboten hatte. Die Beobachtungen von Bois über die Rolle von kriegerischer Verheerung und steuerlicher Auspressung von Land und Leuten hätten ihm eine ausgezeichnete Vergleichsfolie bieten können. 18 So viel über den aktuellen Forschungsstand in meiner Sicht. Dieses doch opulente Tableau soll nun für das Folgende als Hintergrund präsent bleiben. 18 Hierzu meine Diskussion der Grundgedanken von Bois: Kuchenbuch 1980. 230 3 Der Text von 1983 und der heutige Stand der agrarhistorischen Forschung über Ostfalen Nach einigem Suchen 19 bin ich mir doch recht sicher, dass es bis heute keine Arbeit gibt, die die meinige in Anlage und Ergebnis ersetzt bzw. obsolet macht. Trotzdem sollte es selbstverständlich sein, hier kurz zusammenzustellen, in welchen Bereichen es zu Ergänzungen bzw. Neuerungen gekommen ist und wo und in welche Richtung die ostfälische Agrarforschung zum 14. Jahrhundert zugelegt hat. Neuere Darstellungen der Stadtgeschichte Goslars und monographische Überblicke zur Geschichte Neuwerks haben dessen Landbesitz und Bauern nicht berührt (Römer-Johansen 1984, Hauptmeyer 2001, Graf 2008, 2012). Dasselbe gilt für das Register von 1355. 20 Christoph Bartels hat wenigstens darauf hingewiesen, wie deutlich es die Position der Abtei in der Montanwirtschaft der Stadt Goslar spiegelt (Bartels 2001). In ihrer innovativen Untersuchung der fünf Pfarreien der Stadt greift Sabine Graf leider nicht aufs Umland aus (Graf 1998). Eine schmerzhafte Lücke besteht hier fort. Aber Söhnke Thalmanns Darstellung der Ablassüberlieferung und Ablasspraxis in der Hildesheimer Diözese (bis 1400), die bis zu selbständigen Ablaßanbietungen in Archidiakonatsorten, ländlichen Pfarrkirchen und Kapellen hinabreicht - auch solchen in Neuwerker Besitz -, regt zu neuen Fragen zum Verhältnis zwischen Kirche und Glaubensmilieu an (Thalmann 2010). Carl-Hans Hauptmeyer hat, wie oben erwähnt, in einer beeindruckenden Gesamtdarstellung der mittelalterlichen Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niedersachsens die Ergebnisse meiner Arbeit dort vielerorts, d. h. dezentralisiert eingearbeitet (Hauptmeyer 1997). Sein Auftrag musste im Vergleich so großräumig angelegt sein, dass der Agrarlandschaft und -gesellschaft zwischen Innerste und Oker kein eigener Platz zukommen konnte. Benachbarte Verhältnisse (Calenberger Land) hatte er, gleichzeitig zu meiner Arbeit, aber im Längsschnitt ausgeführt, eine noch heute in Vielem anregende Studie über die langfristigen Wirkungszusammenhänge vom 13.-17. Jahrhundert (Hauptmeyer 1984). Leider liegen auch die einschlägigen agrargeschichtlichen Beiträge der neuen Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweiger Landes im Mittelalter (Märtl 2008), die die 19 An dieser Stelle ist Ulrich Schwarz (Wolfenbüttel), Christoph Bartels (Bochum) und Evamaria Engel (Berlin) herzlich für wichtige Hinweise zu danken! 20 Eine eigene Aufgabe bestünde darin, das Neuwerker Register als eigenartiges Schriftstück einer schriftkulturellen Detailanalyse zu unterziehen, und zwar im Rahmen einer städtischen Verschriftungsoffensive am Beginn schwieriger Zeiten, für den die etwa zeitgleichen Aufzeichnungen sowohl des Stadtals auch des Bergrechts zählen. Die Komposition des Stücks markiert sicher noch die Zeit vor dem Aufkommen schriftlicher Einahmen- und Ausgabenkontrollen. Es verbleibt in der Fixierung des ländlichen, städtischen, gewerblichen und münzgeldlichen Besitzstandes, der Ertragserwartungen und der Ausgabenanforderungen. Zur Ausdifferenzierung des Verwaltungsschriftguts in dieser Zeit vgl. die Pilotstudie von T. Hildbrand (1996). 231 (nord-)östlichen Dörfer einbeziehen, in denen Neuwerk begütert war, quer zu meiner Darstellung, chronologisch und geographisch. Im Überblick von Walter Achilles zur Landwirtschaft hat das Spätmittelalter keinen eigenen Platz (Achilles 2008). Auch Wolfgang Meibeyers dichtem Bericht über Struktur und Wandel der ländlichen Siedlungen fehlt die kleinräumige und zeitliche Trennschärfe 21 ; seine Orts-Auswahl betrifft keine Neuwerker Besitzungen. Kirstin Casemirs Ortsnamenbuch des Landkreises Wolfenbüttel (2003) kann mit seinen erschöpfend erfassten Bezeichnungsbelegen der betreffenden Orte zu deren Geschichte naturgemäß nur wenig bieten. Arbeiten zum Fortwirken und zu verschiedenen Umgestaltungen der Villikationen in einzelnen Herrschaften oder regionalen Herrschaftsgruppierungen (12. bis früheres 14. Jh.) verdeutlichen vor allem, wie anders die Neuwerker Bauern und ihre direkten und fernen Nachbarn längst leben (Last 1983; Peters 2008; Pischke 2008; Meibeyer 2008; Lohse 2011). Natürlich sind die kritischen Editionen von regionalen Urkundenbeständen gut vorangekommen. Ich verbuche hier nur die Fortsetzung des Urkundenbuchs der Stadt Braunschweig (1350ff.: Dolle 1994-2008), die beiden Urkundenbände der Zisterzienserabtei Walkenried (Dolle 2002/ 2008), den Band über das Augustinerchorfrauenstift Dorstadt (Ohainski 2011) und der Stadt Bockenem (Dittrich 2000). Auffällige Fortschritte vermeldet die Lehnregister-Forschung. Die Besitzlisten der regionalen Aristokraten und Patrizier boten in meiner Untersuchung ja wichtige Zusatzdetails zur Gliederung der ländlichen Vermögensobjekte und zu ihrer inner- und zwischendörflichen Verteilung. 22 Sie trugen damit zum Bild vom zerklüfteten und instabilen Besitzgefüge in den Dörfern bei, halfen also, die These von der vielförmigen und mehrdimensionalen Abhängigkeitsstruktur der Dörfler zu belegen. Dieser damalige Ergänzungsbefund ließe sich ausgehend von den neueren Lehnregister-Editionen und -Kommentaren merklich bereichern. Die grundsoliden Editionen und Kommentare zu braunschweigischen Lehnregistern von Ulrich Schwarz bilden die Basis (Schwarz 1985, 1997, 2011). Dazu kommen die Arbeiten von Flentje (1982: braunschweigisches Lehnregister v. 1318), Fenske/ Schwarz (1990: Lehnregister der Grafen von Regenstein v. 1212/ 37) sowie Przybilla (2007: Grafen v. Meinersen). Eine ganz neue Erfassungsqualität der Besitzverteilung und Einkommenstitel repräsentiert das Fragment einer systematischen Auflistung aller Inhaber von Gütern und deren Zinsen sowie von Zehnten braunschweigischer Dörfer von ca. 1400, das Ulrich Schwarz neuerlich zugänglich gemacht hat (Schwarz 2009) - dieser wohl auf landesherrliche Initiative zurückgehende Katasterentwurf zeigt erstmalig in aller Breite, wie groß die Besitz- und Zinsaufgliederung in nahezu jedem Dorf war - die Ähnlichkeit mit den Verhältnissen im nordöstlich angrenzenden Landbuch der Mark Brandenburg (1375) ist auffallend. 21 Klarer ist die Abwägung der 6 gängigen Wüstungsursachen im Leipziger Land von Uwe Schirmer (2008). 22 In der Karte 3 ist dies, bezogen auf Register von neun Adelsgruppen, grob veranschaulicht. 232 Auch über die landesherrlichen Steuern, deren Ausmaß und Wirkung in meiner Untersuchung so unklar bleiben musste, liegen jetzt Arbeiten vor, die einerseits das noch Okkasionelle der Erhebung und der schriftlichen Kontrolle von Finanzhilfen durch übergeordnete Herren bestätigen (Gresky 1984), zum anderen den langsamen Prozess regelhafter territorialfürstlicher Schatzung aller Bereichsuntertanen verdeutlichen - allerdings erst für die folgenden Zeiten nach 1400 (Vogeler 2003/ 4, Schwarz 2009, Dolle 2011). Schließlich haben jüngste Wüstungsgrabungen im Umland von Quedlinburg hochinteressante Ergebnisse geliefert, die das, worauf ich mich vor dreißig Jahren berufen konnte, weit in den Schatten stellen (Küntzel 2008). Allein für einen der 4 Grabungsorte, die Wüstung Marsleben, harren knapp etwa 65.000 mittelalterliche Funde der alltagsgeschichtlichen Interpretation! Unter den Befunden zeigen die Hausreste (40 Steinkeller, 30 Steinhäuser) überraschend geringe Differenzen zu den Stadthäusern der Gegend. Wie einheitlich also hat man sich die Gestalt der immobilen Habe im Siedlungsraum vorzustellen, wie weit glichen sich die Behausungen im Dorf und Stadt? Aber noch erstaunlicher sind neue, aus der Kombination von urkundlichem und kirchenadministrativem Schriftgut mit Grabungsergebnissen gewonnene Hypothesen über die Wüstungsprozesse rund um Halberstadt. Nicht im Zuge der initiativen Stadtbildung sind sie entstanden, sondern „erst die Emanzipation der Stadtgemeinde im 14./ 15. Jahrhundert, im Verbund mit den Territorialisierungsprozessen, einem Bevölkerungsrückgang und dem Fehdeunwesen führte zur Umsiedlung der Dorfbewohner in die Stadt“ (Küntzel S. 71). 233 4 Worum es (mir) künftig gehen würde, wenn … - Forschungs-Maximen Nach diesen Erkundungen der Lage will ich zuerst aufzählen, was es im Falle künftiger Arbeit im Sinne eines umfassenden peasant approach wenn nicht radikal zu vermeiden, so doch mindestens hartnäckiger abzuschwächen gälte, als es mir 1983 gelungen ist: eine ‚räumliche‘ Fokussierung auf (nur) eine Herrschaft und die Annahme eines Herrschafts-Raumes; ein ‚zeitliches‘ Abheben auf Querschnitt und Typologie, das sich ja des Zusammenziehens chronologisch verstreuter Daten bedienen müsste; sowie ein ‚sachliches‘ sich Begnügen mit weltlichen Herrschafts- und Überlebenszusammenhängen auf der Basis allein schriftlicher Dokumente. Was folgt - positiv gewendet - daraus? Ich würde mich von fünf Maximen leiten lassen. Ich würde den räumlichen Maßstab der Untersuchung vergrößern (1), das Zeitfenster der Untersuchung erweitern (2), eine Totalisierung der lebensweltlichen Zusammenhänge durch sachliche Ergänzungen betreiben, wozu auch erkannte Gelände- und entdeckte Bodenspuren, ergrabene Plätze und Funde, erhaltene Artefakte, Bauten und Bildwerke gehören (3), die schriftlichen Zeugnisgruppen semantisch aufschlüsseln und vergleichen (4) und schließlich im Auge haben, welche statistischen Prozeduren erfolgversprechend sein könnten, wenn einzelne oder Serien gleichartiger Dokumente eine hierzu genügende Anzahl von gleichartigen Details enthalten (5). Das alles, um Antworten auf Fragen nach dem Wie und Warum der Beziehungen und Handlungen der Leute in den Dörfern zu finden. Zur ersten Maxime. Statt der Maßstabsvergrößerung könnte man auch das Bild der Lupe bzw. des Mikroskops wählen. Es würde mir um die Vielfalt im Kleinen und deren Bestimmtheit durch Allgemeines gehen. Wilhelm Berges nannte das die Suche nach der Welt im Tropfen (mundus in gutta). Es sollten also Dörfer sein. Einzelne? Das könnte möglich sein, aber unter zwei Bedingungen: Das Dorf müsste insgesamt in einer herrschaftlichen Hand sein, so dass möglichst alle Güter, Rechte, Leute am Ort von der schriftlichen Kontrolle durch dieselbe Herrschaft erfasst wären, und man müsste über eine reiche, zeitlich gestreckte und sachlich mehrgliedrige Dokumentation verfügen. Zeugen dafür sind nordschweizerische Arbeiten, die von R. Sablonier und H.-J. Gilomen angeregt wurden. P. Erni ist in seiner Monographie über Basadingen auf der Basis einer Folge von Urbaren in Kombination mit Urkunden und Karten schon recht weit gekommen, musste sich aber - fürs späte Mittelalter - auf die Entwicklung der Güterstruktur beschränken und aus ihr seine sozialstrukturellen und demographischen Schlüsse ziehen (2000). D. Rippmann (1990), G. Zangger (1991) und M. Othenin-Girard (1994) konnten in ihren aus herrschaftlichem Großbesitz ausgewählten Einzeldorfstudien - Häsingen, Ferrach, Zeglingen - schon deutlicher auf die sozialen Verhältnisse Bezug nehmen. Julien Demade hat mit seinen 234 bisher vorliegenden Detailstudien über das Dorf Simonshofen (nö. Nürnberg), ausschließlich in der Hand des Nürnberger Hospitals, mit detaillierten Rentenlisten, Rechnungsserien, Gütertransferdokumenten u. a. eine bisher nicht erreichte strukturelle und prozessuale Dichte der Güter- und Rentenverhältnisse eines Dorfes skizzieren können (Demade 2006/ 2009), die, wenn auch erst ab dem 15. Jahrhundert, an englische lokale Wissensniveaus heranreichen. Dazu ist noch mehr zu erwarten. Aber alle diese Ortsstudien zeigen selbst, dass ihre Objekte im Grunde nicht isoliert studierbar sind. Hinzu kommen stets die Beziehungen zu Nachbardörfern, zu den Herrschaftszentren, zu den ländlichen bzw. städtischen Verkaufs- und Einkaufs-Märkten, zu den kirchlichen Institutionen. Als speziell aufschlussreich füge ich hier Küntzels Bericht über eine Dorfgruppe um Quedlinburg (Küntzel 2008) und die örtlich verdichteten Untersuchungen in den Arbeiten von D. Rippmann (1990) und M. Othenin-Girard (1994) bei, die schon in regionale Verhältnisse (um Basel und in der Herrschaft Farnsberg) münden. Ähnliches gilt für die Pfarrorte im Dekanat Vechta (Freitag 1998). Diese Erweiterungen sind kein Nachteil, auch deshalb nicht, weil sich mit ihnen die komparativen Chancen und damit die Einzelprofilierungen vergrößern. Zudem bieten sie in all den Fällen herrschaftlicher Zersplitterung im Dorf weiterführende Vergleichsmöglichkeiten. Verglichen mit den Dorfstudien, die aus dem so anderen England und aus der Ferne der späten Frühneuzeit leuchten - Rainer Becks Unterfinning und David Sabeans Neckarhausen etwa -, mag dies alles noch nicht sehr viel sein, ermutigend ist es - aus meiner Sicht - allemal. Hinzugefügt sollte jedoch noch sein, dass diese Maßstabsvergrößerung, verglichen mit anderen Untersuchungszuschnitten, natürlich keinen höheren historischen Wahrheitsanspruch stellt, sondern allein den peasant approach befördern soll. Zur zweiten. Eine Beschränkung dieser Dorfstudienperspektive im Ostfälischen und räumlich darüber hinaus auf das 14. Jahrhundert hätte keine Chance. Alle guten historischen Ortverzeichnisse zeigen das, ebenso die heimatgeschichtlichen Dorfporträts. Ob sie eine haben könnten, hängt entscheidend von der Öffnung ins 15. bis 17. Jahrhundert ab, weil sich die administrative Verschriftungspraxis erst dann über ihre traditionellen normativen Grundformen hinaus zur Vielfalt operativer Aufzeichnungen entfaltet. Den causae scribendi und rescribendi in den Feldern der materiellen Habe, des Leutebesitzes, der Steuer-, Zehnt-, Renten-, Zoll- und Darlehenserträge, der Friedenswahrung und der Seelsorge entsprießen zunehmend Aufzeichnungsformen, die sachlich detaillierter, räumlich näher und zeitlich öfter an die Leute in den Dörfern heranführen. Eine Aufzählung solcher ‚neuen‘ Gattungen wäre problematisch, längst nicht alle sind überhaupt für die skizzierte dorfgeschichtliche Strategie in Anspruch genommen. Methodisch ausgesprochen wichtig dürften Zeugnisreihen sein, die die einzelherrschaftliche Zersplitterung vor Ort kompensieren können - Schriftgut zur Besteuerung und zur örtlichen Geschäfts- und Gerichtstätigkeit. Vielversprechend in diesem Feld wären auch die Zeugnisformen und -mengen, die aus der cura animarum vor Ort erwachsen. Im Abschlussbericht, den Enno Bünz auf der 235 erwähnten Reichenau-Tagung gegeben hat, und der ihm folgenden Diskussion habe ich etwa 20 pfarreigeschichtlich relevante Zeugnisarten erwähnt gefunden, die auch für Lokalstudien geeignet sein könnten (Konstanzer Arbeitskreis 2009). Ohne sachliche Erweiterungen - drittens -, das zeichnete sich ja oben längst ab, ließe sich der angestrebte peasant approach nicht einlösen. Was oben über den Forschungsstand zum Gütertransfer, zu den Abgaben und Diensten, den Servitus-Formen, der Einwohnerschaft (Gemeinde und Pfarrei), zu Verwandtschaft, Haushalt und Ehe, zum Brauchwerk-Komplex und schließlich zu den konjunkturellen Fragen berichtet und diskutiert wurde, hätte als leitender Hintergrund zu fungieren, natürlich nicht als Abarbeitungs-‚Muss‘. Denn das, was die Überlieferungen bieten können, wie sie aufbereitet und für was sie herhalten könnten, kann ja unmöglich vorentschieden werden. Dennoch würde ich mich nicht vorschnell einem pauschalen ‚Veto der Quellen‘ (R. Koselleck) beugen, sondern eher versuchen, die Inhaltsräume und Erschließungsgrenzen der verfügbaren Zeugnisgruppen auszureizen. Große Hoffnungen würde ich in genaues Abgucken und Nachmachen dessen setzen, was meine VorgängerInnen schon hinbekommen haben. Bei möglichen Dorfstudien sollte ich keinesfalls die dinglichen lokalen Monumente bzw. Hinterlassenschaften, d. h. alle von der Flur- und Siedlungsforschung, der Archäologie, den Volkskunde- und Freilichtmuseen, der Haus- und Kirchenbauforschung, der Gerätekunde und von der ethnographischen Bildforschung bewahrten oder erstellten Objekte außer Acht lassen. Der Indizienwert der Gelände, Gebäude, Geräte und Gebilde 23 für die Eigenart der lokalen Sachkultur und Tradition, des Arbeitsstils, der Wohnverhältnisse usf. ist enorm. Schriftzeugnisse verstummen regelrecht vor der Sinnstruktur solcher ‚Sachen‘. Ich würde viel daran setzen, von hier aus das skriptozentrische Gebaren der Historie zu relativieren, im Zusammenhang damit auch jeden naiv ergänzenden bzw. illustrierenden Gebrauch von ‚alten‘ Karten, Bildwerken und ergrabenen Objekten. Ihnen allen gebührt die gleiche methodisch-kritische Aufmerksamkeit wie den Schriftzeugnissen. Viertens würde der wachsende Fächer relevanten Schriftguts mich vor die Aufgabe stellen, dem eigenartigen Sinnraum der verschiedenen Zeugnisgattungen linguistisch nachzuspüren. Der substantive und verbale Wortschatz, dessen Verteilung und Bedeutungsordnung und auch die Phraseologie bis hin zum standardisierten Satzbau im Schriftguttyp wären Prüfsteine dafür, wie verschieden über die Leute geschrieben wird, welchen Stellenwert die semantische Struktur etwa von Einkommensrechnungen im Vergleich zu der von Diözesanstatuten, Pachtverträgen, Allmendweisungen, Leibeigenenlisten, Jahrzeitstiftungen, Eheberedungen, Testamenten oder Seelbüchern für das Bild von den lokalen Verhältnissen hat. Ich würde die verschiedenen sprachlichen Kodierungen als unverzichtbare Indizien ansehen dafür, wie schwer es die Schriftführenden hatten und 23 Ich beziehe mich hier auf den aus der vergleichenden religiösen Volkskunde erarbeiteten Gebilde-Begriff von Lenz Kriss-Rettenbeck (1980). 236 welche schrifttechnischen Mittel ihnen halfen, mit den Verhältnissen im Dorf zurechtzukommen - aber eben auch dafür, welche Möglichkeiten die Betroffenen zur Wahrung ihres Wissens, zur Berücksichtigung ihrer Anliegen bzw. zur Mitgestaltung von Beschlüssen hatten und welche nicht. Der Streit um Frage und Antwort, um wichtige Worte und um deren rechten Sinn, der ‚Tanz um die Schrift‘ (Hildbrand in Meier 1999) zieht sich wie ein roter Faden durch das dörflich relevante Schriftgut. Und ich würde auch damit rechnen, dass die Sinnräume der verschiedenen Schriftguttypen sich so widersprechen oder so weit auseinander driften, dass ich ohne eine Einheitsvorstellung vom Objekt auskommen müsste. Alain Guerreau hat sich zum Anwalt für die diese linguistische Erweiterung unseres Forschungsinstrumentariums gemacht (Guerreau 2001). Auch meine fünfte Maxime bewegt sich im Fahrwasser der methodischen Innovationsstrategie Guerreaus. Denn es würde mir schließlich um die resolute Weiterentwicklung meiner zaghaften Versuche von 1983 gehen, sachlich und sprachlich gleichartige Details numerisch zu gruppieren und diese Gruppierungen nach Sinn, Rang und Zeitfolge aufzuschlüsseln und zu gewichten - meine ‚Häufigkeitsverteilung‘. Auch die Mediävistik steht unmittelbar vor einer technischen Revolution, die den traditionellen hermeneutischen Methodenkanon radikal verändern wird. Sie gründet in der öffentlichen Digitalisierung, aber auch der persönlichen Digitalisierbarkeit der schriftlichen und sachkulturellen Zeugnismassen in Archiven, Museen und Bibliotheken, die zu einer bedachten und fantasiereichen Nutzung numerischer Aufschlüsselungsoperationen und statistischer Verarbeitungsinstrumente zwingt, die über open access im Internet direkt verfügbar und hantierbar sind. Ob ich meine Hoffnung, an das interne Tun und Lassen der Dörfler im langen Spätmittelalter heranzukommen, in territorialfürstliche Erbregister, einzelherrschaftliche Einkommensrechnungen, städtische Preisnotierungen und Ausgabenrechnungen 24 , kommunale Gerichts- und Geschäftsprotokolle 25 oder parochiale Seelbücher setzen kann, stets werden mich ungewohnte Fragen der Korpusbildung und der sprachlichen und numerischen Formalisierung, wird mich die Suche nach geeigneten statistischen Instrumenten begleiten, und daraus werden Diskussionen über neue Wege der Forschung mit gleichgesinnten, aber verschieden erfahrenen KollegInnen entstehen. Im Grunde sind sie längst im Gange - ob in Cambridge, Zürich, Frankfurt, Paris, Besancon, Wien oder Berlin -, und es gibt erste operativ ausgerichtete Handreichungen, die speziell auf die besonderen Überlieferungsprobleme und Erschließungsfragen eingestellt sind, mit denen ArchivarInnen und HistorikerInnen im Umgang mit den sich rasant entfaltenden statistischen Methoden zu kämpfen haben (Guerreau 2001). 24 Vorbildlich ist, was Julien Demade mit verschiedenen statistischen Methoden aus den Nürnberger Getreidepreisen ‚herausholt‘ (Demade 2009). 25 Eine ertragreiche kleinräumliche Studie bietet - im präzisen Anschluss an die internationale Forschung - Stefanová 2009. 237 Was wäre mir wichtig, wenn … Die fünf Maximen kommen abstrakt, selbstsicher, ja großspurig daher. Ich bleibe aber bei dieser Groß-Spurigkeit 26 , solange ich mich (noch) nicht im unwegsamen Gelände der Zeugnisforschung bewege, wo dann natürlich alles Kleine gilt, alles Umständliche bestimmend ist. Ich halte also alle obigen Vorklärungen, Ausmessungen und Vorsätze für eine wesentliche Dimension einer reflexiven Mediävistik, für die ich mich einsetze. Sollte mich nun doch noch der Hafer stechen - eine schöne Fiktion! -, in die Archive, Museen (und Depots), die Bibliotheken und Dorfkirchen mit obigem Ziel zu gehen, dann begännen Abenteuer, die zu bestehen eine ganz andere Sache wäre. Denn es wäre noch gar nicht ausgemacht, von welchem Zeitpunkt ich am besten ausginge - z. B. von der Mitte des geplanten Untersuchungszeitraums (jedenfalls nicht vom ‚Anfang‘ oder ‚Ende‘) -, welche Zeugnisgattung die leitende Erschließungsrolle übernehmen könnte -, welches Dorf bzw. welche Dorfgruppe die differenzierteste Gesamtüberlieferung böte - ob solche mit Neuwerker Gütern und Rechten wie Dörnten nahe Goslar oder eine Dorfgruppe die Innerste abwärts um Sehlde, Heere, Badeckenstadt, oder Dörfer wie Einum im Umland bzw. Einflussbereich Hildesheims, von Braunschweig wie Stöckheim oder Cremlingen oder sogar von Stendal in der angrenzenden Altmark, wo ich meine späte Kindheit zubrachte. 27 Doch wäre es überhaupt sinnvoll, das allein zu entscheiden? Die obigen Hinweise auf die so erfolgreiche internationale Kooperationspraxis haben gerade gezeigt, wie wesentlich es wäre, solche Forschung weder allein zu beginnen noch allein durchzuführen. 28 Anstiftende Hilfen und begleitende Diskussionen und Korrespondenzen blieben notwendig, und zwar möglichst im Rahmen einer Gruppe, die über ähnliche Fragen arbeitet. Oder anders gewendet: Wie wäre es, wenn alles hier Aufgeschriebene als Einladung an eine Gruppe Jüngerer gelten könnte, in der ich dann als Gast nach Kräften mittäte? 26 In der Sache großspurig ist mein Bauern-Essay in der Enzyklopädie des Mittelalters (Kuchenbuch 2008a). 27 Das o. g. Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 böte dazu einen ungewöhnlich detaillierten Ausgangpunkt; hinzu kämen die Rechnungen des Klosters Diesdorf; und das Basiswissen und den Forschungsstand zur Altmark in der Frühneuzeit hätte man mit der monumentalen Regionalmonographie von Lieselott Enders (2008) zur Verfügung. 28 Gänzlich verbietet sich die wagemutige und eindrucksvolle Lösung, die John Hatcher (2008) mit seiner zugleich realhistorisch peniblen und fiktional gekonnten Darstellung des manors Walsham (Suffolk) im Jahrfünft des schwarzen Todes (1345-1350) gefunden hat. 238 5 Literatur Reihenangaben sind weggelassen Achilles 1998: Achilles, Walter, Grundsatzfragen zur Darstellung von Agrarkonjunkturen und -krisen nach der Methode Wilhelm Abels, in: VSWG 85, S.307-351. Achilles 2008: Achilles, Walter, Die Landwirtschaft, in: Märtl / Kaufhold / Leuschner (Hg.), Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 2, Hildesheim, S.139-314. 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