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Geschichte des Zen-Buddhismus

2019
978-3-7720-5514-0
A. Francke Verlag 
Heinrich Dumoulin

"Der Zen-Buddhismus lädt zu einer Begegnung ein, in der die Wirklichkeit ihrem Wesen nach neu ansichtig wird." Heinrich Dumoulin Die "Geschichte des Zen-Buddhismus" ist ein Meilenstein in der Literatur zum Zen-Buddhismus und bis heute ein Standardwerk geblieben. Neben der Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung des Zen-Buddhismus in Indien, China, Korea und Japan führt Dumoulin den Leser auf brillante Weise auch in die Theorie und Praxis des Zen ein. Aufschlussreiche, unterhaltsame und bisweilen amüsante Anekdoten und Legenden machen die Lektüre sowohl für Einsteiger als auch für Kenner zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis. Band 1: Indien, China und Korea Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Dritter Teil: Zen in Korea - Ein Überblick "Dumoulins Darstellung atmet durch und durch geistliche Luft; nur das liebende Auge sieht mit solcher Klarheit und Vornehmheit." Hans Brockard in "Stimmen der Zeit"

ISBN 978-3-7720-8514-7 www.francke.de » Der Zen-Buddhismus lädt zu einer Begegnung ein, in der die Wirklichkeit ihrem Wesen nach neu ansichtig wird. « Heinrich Dumoulin Die » Geschichte des Zen-Buddhismus « ist ein Meilenstein in der Literatur zum Zen-Buddhismus und bis heute ein Standardwerk geblieben. Neben der Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung des Zen- Buddhismus in Indien, China, Korea und Japan führt Dumoulin den Leser auf brillante Weise auch in die Theorie und Praxis des Zen ein. Aufschlussreiche, unterhaltsame und bisweilen amüsante Anekdoten und Legenden machen die Lektüre sowohl für Einsteiger als auch für Kenner zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis. Band 1: Indien, China und Korea Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick »Dumoulins Darstellung atmet durch und durch geistliche Luft; nur das liebende Auge sieht mit solcher Klarheit und Vornehmheit. « Hans Brockard in Stimmen der Zeit Heinrich Dumoulin · Geschichte des Zen-Buddhismus I Geschichte des Zen-Buddhismus Indien, China und Korea Heinrich Dumoulin Band I 38514_Dumoulin_Band_1_Umschlag.indd Alle Seiten 27.09.2019 16: 21: 19 Heinrich Dumoulin Archiv der Sophia University, Tokyo Heinrich Dumoulin Geschichte des Zen-Buddhismus Band I: Indien, China und Korea 2., durchgesehene und erweiterte Auflage Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar Die Satzvorlage zur 2. Auflage wurde zur Verfügung gestellt und unter Berücksichtigung von Korrekturen des Autors bearbeitet und korrigiert von Guido Keller. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Japanischen Provinz der Gesellschaft Jesu. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage 2019 1. Auflage 1985 © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.francke.de eMail: info@francke.de Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach Druck: CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7720-8514-7 (Print) ISBN 978-3-7720-5514-0 (ePDF) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Inhalt Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Curriculum Vitae Heinrich Dumoulin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Sprachliches über die asiatischen Namen und Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . XXIII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien I Shâkyamuni, der Erleuchtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Gestalt Buddhas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die Große Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Die Überlieferung der Erleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Shâkyamuni aus zen-buddhistischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II Das yogische Element im Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Wesenszüge des Yogischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Die Versenkungsübungen im indischen Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . 23 Nirvâ ṇ a, das Endziel des buddhistischen Weges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Yogische Wurzeln des Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III Grundlinien des Mahâyâna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Die Anfänge des Mahâyâna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Das Bodhisattva-Ideal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Buddhologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Zur Geschichte des Mahâyâna-Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Der geistige Ort des Zen-Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Die Sutren der Vollkommenen Weisheit - Prajñâpâramitâ . . . . . . . . . 44 Die runde Lehre der Totalität - Avataṃsaka (Hua-yen) . . . . . . . . . . . . . 49 Die Antwort des Schweigens - Vimalakîrti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Psychologische Bezugspunkte - Laṅkâvatâra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China I Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Das geschichtliche Verständnis des Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Die Rezeption des Buddhismus in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kumârajîva und die Schule vom «Mittleren Weg» . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Seng-chao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Tao-sheng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Meditationsmeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II Die Frühzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Bodhidharma - Geschichte und Legende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Die Gestalt Bodhidharmas in der Zen-Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Der Bodhidharma-Traktat und die frühe Zen-Bewegung . . . . . . . . . . 93 Hui-k ’ o und Seng-ts ’ an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Die Patriarchen des Ostberges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Tao-hsin, der vierte Patriarch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Hung-jen, der fünfte Patriarch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III Die Trennung von Nordschule und Südschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 «Plötzlichkeit des Südens» und «Allmählichkeit des Nordens» . . . . . 116 Die Nordschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Der Anspruch der Südschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Die Ochsenkopf-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV Das Sutra des sechsten Patriarchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Der Tun-huang-Text und seine Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Die Biographie des Hui-neng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Die plötzliche Erleuchtung als Sehen der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Die Mahâyâna-Lehren von Nicht-Geist und Buddha-Natur . . . . . . . . 161 V Die Zen-Bewegung nach Hui-neng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Die Ausgangssituation im «Zen der Patriarchen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Schulen und Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Die zwei Hauptlinien des chinesischen Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 «Sonderbare Worte und außergewöhnliche Taten» . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Das mönchische Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VI Lin-chi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Die Generationslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Aus dem Leben des Lin-chi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Motive der Lehrreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Lin-chi und seine Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 VII Besonderheiten in den «Fünf Häusern» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Die Verfolgung des Buddhismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Die «Fünf Häuser» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Kuei-yang: Erfahrung in Aktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Lin-chi: Vierer- und Dreierformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 VI Inhalt Ts ’ ao-tung: «Die Fünf Stufen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Yün-men: «Die Schranke des einen Wortes» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Fa-yen: Das Ineinssein der Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 VIII Ausreifung während der Sung-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Der Geist der Epoche und das Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Kôan-Übung und Kôan-Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Aspekte der Kôan-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Die zwei Hauptströme des Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IX Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Die «Fünf Berge» und «Zehn Tempel» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Neukonfuzianer und Zen-Buddhisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Zen-Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Synkretistische Tendenzen und Niedergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Anstatt eines Nachwortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick I Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II Das früheste Zen-Dokument in Korea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 III Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Die Zen-Chronik Chodang chip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Die Neun Berge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Kreisfiguren und Geomantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 IV Entwicklungen während der Kory ŏ -Zeit (918 - 1392) . . . . . . . . . . . . . . . 317 Religionspolitik und Regierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Sutrenbuddhismus und Zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Chinul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Koreanische Dharma-Erben der chinesischen Lin-chi-Schule . . . . . . . 333 V Niedergang während der Yi-Dynastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Die erste Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Die zweite Phase: Der Großmeister des Westberges Hyuj ŏ ng . . . . . . 339 Die dritte Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Ausklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Inhalt VII Anhang Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Schriftzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Traditionstafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 VIII Inhalt Vorwort zur zweiten Auflage Im Gespräch zwischen den Religionen, Kulturen und Weltanschauungen nimmt die Erforschung des Buddhismus seit dem neunzehnten Jahrhundert eine hervorragende Stelle ein. Der Autor dieses Werkes, Heinrich Dumoulin (1905 - 1995, seit 1935 in Japan), widmete seine religionswissenschaftlichen Forschungen und seine Lehrtätigkeit als Professor der Philosophie an der Sophia-Universität Tokio (1941 - 1976) der Geschichte und Spiritualität des Zen-Buddhismus. Er vermittelte seine Kenntnisse international, vorwiegend jedoch im deutschen Sprachraum, durch zahlreiche Publikationen und Vorträge in Europa und Asien. Das vorliegende Werk entfaltet die Geschichte des Zen-Buddhismus von seinen Anfängen bis zur Gegenwart nach seinen Hauptströmungen und Repräsentanten. Ausgehend von einer ersten Fassung «Zen. Geschichte und Gestalt» (1959) wuchs das Werk zu einer umfassenden Gesamtschau in «Geschichte des Zen-Buddhismus» (1985 - 1986), die nun in dieser zweiten, durchgesehenen und erweiterten Auflage ihre definitive Gestalt erhielt. Neben verstreuten Änderungen finden sich darin Neufassungen zur Geschichte des Zen in China wie ein neues, für diese Auflage vom Autor vorgesehenes und fertiggestelltes, nun hier erstmals im Original veröffentlichtes Kapitel über den Zen-Buddhismus in Korea, gleichsam dem Knotenpunkt zwischen China und Japan. Damit erfüllt sich die Intention des Autors, eine zusammenhängende Geschichte des Zen-Buddhismus in seinen geistesgeschichtlich grundlegenden Etappen vorzulegen. Darin erschließt das Werk dem Leser die vielgestaltige Welt des Zen in seinen historischen Zusammenhängen und geistesgeschichtlich-religiösen Dimensionen. Im Namen des Autors möchte der Schreiber dieser Zeilen ein Wort des Dankes ausrichten an alle, die in vielfältiger Weise dem Autor zur Seite standen. Dem Schreiber dieser Zeilen war es vergönnt, mehrere Jahrzehnte als Mitglied von Professor Dumoulins «Institut für östliche Religionen» an der Sophia- Universität seinem Wirken nahestehen zu können, ihn mehrmals als stellvertretender Leiter des Instituts während seiner ausgedehnten Studienaufenthalte und Vortragsreisen zu vertreten und in seinen letzten Wochen ausdrücklich mit der Sorge für den schriftlichen Nachlass - damit auch der ergänzten Fassung dieses Werkes - betraut zu werden. Im Sinne des Autors bleibt zu hoffen, dass dieses Werk als Summe langjährigen Umgangs mit östlicher Geistigkeit zur Verständigung zwischen den Kulturen beiträgt und einen Ausblick auf gemeinsame menschliche Möglichkeiten eröffnet. Tokio, im Sommer 2016 Professor Klaus Riesenhuber SJ Rückseite des Beerdigungsbilds von Heinrich Dumoulin Curriculum Vitae Heinrich Dumoulin 31. Mai 1905 geboren in Wevelinghoven 15. September 1924 Eintritt in den Jesuitenorden, Noviziat in s ’ Heerenberg (Holland) 1926 - 1929 Studium der Philosophie am St. Ignatius Kolleg in Valkenburg (Holland) 1929 Dr. phil., St. Ignatius Kolleg in Valkenburg (Holland) 1929 - 1930 Studium der japanischen Sprache, Universität Berlin 1930 - 1934 Studium der Katholischen Theologie am St. Ignatius Kolleg in Valkenburg (Holland) 27. August 1933 Priesterweihe in Valkenburg (Holland) April 1934 - Juli 1935 Studium der Constitutionen der Gesellschaft Jesu, St. Beuno ’ s College (Wales, Großbritannien) 12. Oktober 1935 Ankunft in Japan 1936 - 1939 Studium der Japanischen Religionsgeschichte an der Kaiserlichen Universität Tokio. Seit dieser Zeit Forschungen über östliche Religionsgeschichte mit Schwerpunkt auf der Geschichte des Buddhismus in Ostasien 1940 - 1941 Professor am Priesterseminar Tokio 1946 Dr. phil. Universität Tokio (ehemals Kaiserliche Universität Tokio) 1941 - 1976 Professor an der Sophia-Universität in Tokio, Fakultät für Literatur, Abteilung Philosophie 1949 - 1970 Herausgeber der japanischen Zeitschrift «Seiki» 1950 - 1951 Novizenmeister der Gesellschaft Jesu, Hiroshima 1969 - 1976 Direktor des «Instituts für fernöstliche Religionen» an der Sophia-Universität, Tokio 1975 - 1976 Direktor des «Nanzan Institute for Religion and Culture» an der Nanzan-Universität, Nagoya, Japan 1976 - 1995 Forschungen über Buddhismus und religionswissenschaftliche Publikationen, wohnhaft im SJ Haus an der Sophia-Universität in Tokio 21. Juli 1995 gestorben in Tokio Heinrich Dumoulin, ca. 1990 Nanzan University, Institute for Religion and Culture Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin * I. Bücher und Übersetzungen Kamo Mabuchi. Ein Beitrag zur japanischen Religions- und Geistesgeschichte. Bd. 1: Die Überwindung des Synkretismus (Monumenta Nipponica Monographs 8). Tokio: Sophia University Press 1943. Modernes Denken und Christentum [Japanisch]. Enderle: Tokio 1947. Das Denken des heiligen Augustinus [Japanisch]. Enderle: Tokio 1949. Zwischen Marxismus und Existentialismus [Japanisch]. Yobosho: Tokio 1949. Freude am Leben [Japanisch]. Shakaishisosha: Tokio 1950. Der vollkommene Mensch [Japanisch]. Shakaishisosha: Tokio 1952. Wumen Huikai: Wu-men-Kuan - Der Pass ohne Tor (Monumenta Nipponica Monographs 13). Tokio: Sophia University Press 1953. The development of Chinese Zen after the sixth patriarch in the light of Mumonkan. Aus dem Deutschen übersetzt von Ruth Fuller-Sasaki. New York: Zen Institute of America 1953. Utsukushiki ai no onhaha. Enderure Shoten: Tokio 1957. Zen. Geschichte und Gestalt. Bern: Francke 1959. Östliche Meditation und christliche Mystik. Freiburg i. Br., München: Alber 1966. Buddhismus der Gegenwart (Hrsg.). Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1970. Christlicher Dialog mit Asien (Theologische Fragen heute 14). München: Hueber 1970. Christianity meets Buddhism. Illinois: Open Court 1974. Begegnung zwischen Buddhismus und Christentum. Shunjusha: Tokio 1975. Wumen Huikai: Mumonkan - Die Schranke ohne Tor. Meister Wu-mens Sammlung der 48 Koân. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1975 (erneut Frankfurt a. M.: Angkor Verlag 2010). * Vgl. auch Manatu Watanabe: The Works of Heinrich Dumoulin: A Select Bibliography. In: Japanese Journal of Religious Studies 12 (1985), Nr. 2/ 3: A Tribute to Heinrich Dumoulin, S. 263 - 271. Der Erleuchtungsweg des Zen im Buddhismus. Frankfurt a. M.: Fischer- Taschenbuch-Verlag 1976. Begegnung mit dem Buddhismus: Eine Einführung, Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1978. Zen im 20. Jahrhundert. München: Kösel 1990. Dôgen-Zen - Kleine Schriften aus der Sôtô-Schule, übersetzt von Heinrich Dumoulin und Emil Naberfeld, herausgegeben von Herbert Elbrecht. Zürich, München: Theseus-Verlag 1990. Spiritualität des Buddhismus: Einheit in lebendiger Vielfalt, Mainz: Matthias- Grünewald-Verlag 1995. II. Aufsätze und Artikel (Auswahl) Yoshida Shôin (1830 - 1859). Ein Beitrag zum Verständnis der geistigen Quellen der Meijierneuerung. In: Monumenta Nipponica 1 (1938) Nr. 2, S. 350 - 377. Die Entwicklung der Kokugaku. Dargestellt in ihren Hauptvertretern [mit H. Stolte, W. Schiffer]. In: Monumenta Nipponica 2 (1939) Nr. 1, S. 140 - 164. Kamo Mabuchi: Kokuiko. Gedanken über den Sinn des Landes. In: Monumenta Nipponica 2 (1939) Nr. 1, S. 165 - 192. Sô-gakkô-kei. Kada Azumamaro ’ s Gesuch um die Errichtung einer Kokugaku- Schule. In: Monumenta Nipponica 3 (1940) Nr. 2, S. 590 - 609. Zwei Texte zum Kadô des Kamo Mabuchi. Uta no kokoro no uchi - Niimanabi. In: Monumenta Nipponica 4 (1941) Nr. 1, S. 192 - 206; Nr. 2, S. 566 - 584. Die Entwicklung des chinesischen Ch ’ an nach Hui-neng im Lichte des Wu-menkuan. In: Monumenta Serica 6 (1941) Nr. 1/ 2, S. 40 - 72. Die Erneuerung des Liederweges durch Kamo Mabuchi. In: Monumenta Nipponica 6 (1943) Nr. 1/ 2, S. 110 - 145. Katholisches Menschenbild [Japanisch]. In: Riso Nr. 186 (Zeitschrift) 1948. Bodhidharma und die Anfänge des Ch ’ an-Buddhismus. In: Monumenta Nipponica 7 (1951) Nr. 1/ 2, S. 67 - 83. Die Geschichte der Japanischen Manyoshuforschung von der Heianzeit bis zu den Anfängen der Kokugaku. In: Monumenta Nipponica 8 (1952) Nr. 1/ 2, S. 67 - 98. Kamo Mabuchi und das Manyoshu. In: Monumenta Nipponica 9 (1953) Nr. 1/ 2, S. 34 - 61. XIV Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin Die Metaphysik des Bösen in den Romanen von Bernanos [Japanisch]. In: Sophia 2 (1953) Nr. 2. Himmel und Hölle im Christentum [Japanisch]. In: Diahoron (Zeitschrift) 1954, März. Asien oder Europa? In: Stimmen der Zeit 157 (1955) Nr. 3, S. 180 - 195. Die Erlangung der Erleuchtung im Zen nach C. G. Jung [Japanisch]. In: Sophia 4 (1955). Kamo Mabuchis Erklärung des Norito zum Toshi-goi-no-matsuri. In: Monumenta Nipponica 12 (1956) Nr. 1/ 2, S. 121 - 156; Nr. 3/ 4, S. 269 - 298. Das Merkbuch für die Übung des Zazen des Zen-Meisters Keizan. In: Monumenta Nipponica 13 (1957/ 58) Nr. 3/ 4, S. 329 - 346. Allgemeine Lehren zur Förderung des Zazen von Zen-Meister Dôgen. In: Monumenta Nipponica 14 (1958/ 1959) Nr. 3/ 4, S. 429 - 436. Veröstlichung des Christentums [Japanisch]. In: Seiki 103 (1958). Easternization of Christianity. In: The Japan Missionary Bulletin 13 (1959), S. 34 - 36. Buddha Jayanti in Tokyo. In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 43 (1959), S. 187 - 197. Zen als Erleuchtungswege und Religion. In: Kairos 1 (1959). Das Buch Genjôkôan. Aus dem Shôbôgenzô des Zen-Meisters Dôgen. In: Monumenta Nipponica 15 (1959/ 1960) Nr. 3/ 4, S. 425 - 440. Gedanken zur religiösen Begegnung von Ost und West. In: Stimmen der Zeit 165 (1960) Nr. 4, S. 265 - 274. Buddhistische Meditation und Christentum. In: Geist und Leben 34 (1961) Nr. 1, S. 32 - 45. Die religiöse Metaphysik des japanischen Zen-Meisters Dôgen. In: Saeculum 12 (1961), S. 205 - 236. Die Bedeutung des Kultes im Buddhismus. In: Michael Schmaus und Karl Forster (Hrsg.): Der Kult und der heutige Mensch. München: Hueber 1961, S. 19 - 34. Der religiöse Heilsweg des Zen-Buddhismus und die christliche Spiritualität. In: André Bareau: Buddhism (Studia missionalia). Rom: Päpstliche Universität Gregoriana 1962. Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin XV Methoden und Ziele buddhistischer Meditation: Satipatthâna und Zen. In: Archiv für Religionspsychologie / Archive for the Psychology of Religion 7 (1962) Nr. 1, S. 78 - 85. Buddhismus in Asien. In: Stimmen der Zeit 170 (1962) Nr. 11, S. 321 - 340. Die östliche Eigenart der Zen-Mystik. In: Kairos 4 (1962), S. 29 - 47. Der Buddhismus. In: Fritz Valjavec: Weltgeschichte der Gegenwart. Bd. 2: Die Erscheinungen und Kräfte der Modernen Welt. Bern: Francke 1963, S. 626 - 646. Asienmission und christlicher Universalismus. In: Hochland 56 (1963) Nr. 1, S. 18 - 27. Begegnung mit Asien in Japan: Tradition in der Gegenwart. In: Joseph Roggendorf (Hrsg.): Das moderne Japan: Einführende Aufsätze. Tokio: Sophia University Press 1963, S. 99 - 116. Sôka Gakkai, eine moderne Volksreligion. Ein Besuch im Haupttempel Taisekiji. In: ebd. S. 189 - 200. Die Zen-Erleuchtung in neueren Erlebnisberichten. In: Numen 10 (1963), S. 133 - 152. Technique and Personal Devotion in the Zen Exercise. In: Joseph Roggendorf (Hrsg.): Studies in Japanese Culture. Tradition and Experiment. Tokio: Sophia University Press 1963, S. 17 - 40. Artikel «Zen». In: Deutsches Institut für Wissenschaftliche Pädagogik (Hrsg.): Lexikon der Pädagogik. Bd. 5: Ergänzungsband. Freiburg u. a.: Herder 1964, Sp. 810 - 812. Artikel «Zen». In: Josef Höfer und Karl Rahner (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 2. überarbeitete Aufl., Bd. 10. Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1965, Sp. 1344 - 1345. Welt und Selbst in der östlichen Meditation. In: Helmut Kuhn u. a. (Hrsg.): Interpretation der Welt. Festschrift Romano Guardini. Würzburg: Echter 1965, S. 472 - 496. Die geistige Vorbereitung des Abendlandes für den Dialog mit Asien. In: Stimmen der Zeit 177 (1966) Nr. 4, S. 275 - 288. Buddha-Symbole und Buddha-Kult. In: Rudolf Thomas (Hrsg.): Religion und Religionen. Festschrift für Gustav Mensching. Röhrscheid: Bonn 1967, S. 50 - 63. The Consciousness of Guilt and the Practice of Confession. In: E. E. Urbach u. a. (Hrsg.): Studies in religious philosophy and mysticism. Festschrift Gershom Scholem. Jerusalem: Magnes Press 1967, S. 117 - 129. XVI Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin Der Gottesglaube in der missionarischen Verkündigung. In: Leo Scheffczyk (Hrsg.): Wahrheit und Verkündigung. Festschrift Michael Schmaus. München: Schöningh 1967, S. 377 - 392. Die religiöse Geistigkeit des fernöstlichen Menschen im Gegenüber mit der westlichen Zivilisation. In: Richard Schwarz (Hrsg.): Menschliche Existenz und moderne Welt. Ein internationales Symposion zum Selbstverständnis des heutigen Menschen, Bd. II. Berlin: de Gruyter 1967, S. 340 - 357. Artikel «Östliche Meditation». In: Wilhelm Arnold u. a. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie, Bd. II. Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1971. Theistic Tendencies in Japanese Buddhism. In: J. Bergman: Ex orbe religiosum. Festschrift Geo Widengren, Leiden: Brill 1972, S. 52 - 62. Lebenswerte im Buddhismus: Wo Christen von Buddhisten lernen können. In: Geist und Leben 47 (1974), S. 112 - 126. Fragen an das Christentum aus buddhistischer Sicht. In: Geist und Leben 48 (1975), S. 50 - 62. Saeculum Weltgeschichte. Bd. 7: Werdende Einheit und wachsende Widersprüchlichkeit der politischen Welt. Die Weltreligionen. Selbst- und Wertverständnis nach der Revolution. Geschichte in Gegenwart (Beiträge von Heinrich Dumoulin u. a.). Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1975. Zum Gespräch der Weltreligionen. In: Stimmen der Zeit 193 (1975) Nr. 4, S. 279 - 282. Gibt es Verständnisbrücken zwischen buddhistischer und christlicher Spiritualität? In: Geist und Leben 50 (1977), S. 350 - 364. Antworten des Buddhismus auf Fragen unserer Zeit. In: Hans Waldenfels (Hrsg.): «. . . denn Ich bin bei Euch» (Mt 28,20): Perspektiven im christlichen Missionsbewußtsein heute. Festschrift Josef Glazik und Bernward Willeke. Zürich u. a.: Benziger 1978, S. 411 - 421. Befreiung im Buddhismus: Die frühbuddhistische Lehre in moderner Sicht. In: Concilium 14 (1978) 6/ 7, S. 359 - 363. Sinnfrage und Sinnerfahrungen im Buddhismus. In: Ansgar Paus (Hrsg.): Suche nach Sinn, Suche nach Gott. Salzburger Hochschulwochen 1977. Graz: Styria 1978, S. 269 - 308. Das Buddhismusbild deutscher Philosophen des 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Katholische Theologie, Band 101 (1979), Nr. 3/ 4, S. 386 - 401. Das Problem der Person im Buddhismus. Religiöse und künstlerische Aspekte. In: Saeculum 31 (1980) Nr. 1, S. 78 - 92. Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin XVII Die Öffnung der Kirche zur Welt: eine neue Sichtweise des Buddhismus. In: Glaube im Prozeß: Christsein nach dem 2. Vatikanum. Für Karl Rahner. Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1984, S. 703 - 712. Die Malerei des Zen-Meisters Hakuin als Ausdruck religiöser Erfahrung. In: Elisabeth Gössmann (Hrsg.): Das Gold im Wachs. Festschrift für Thomas Immoos zum 70. Geburtstag. Iudicium-Verlag: München 1988, S. 267 - 302. Early Chinese Zen Reexamined: A Supplement to «Zen Buddhism: A History». In: Japanese Journal of Religious Studies 20 (1993) Nr. 1, S. 31 - 53. III. Festschrift Hans Waldenfels und Thomas Immoos (Hrsg.): Fernöstliche Weisheit und christlicher Glaube. Festgabe für Heinrich Dumoulin SJ zur Vollendung des 80. Lebensjahres. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1985. XVIII Werkverzeichnis Heinrich Dumoulin Vorwort zur ersten Auflage Die erste Anregung, eine Geschichte des Zen-Buddhismus zu schreiben, empfing ich von der amerikanischen Buddhistin Frau Ruth Fuller Sasaki, die meine frühen Studien über die Entwicklung der Zen-Bewegung in China ins Englische übersetzte und durch wertvolle Glossen und Register ergänzte. Frau Ruth Fuller Sasaki ermunterte mich zu weiteren Arbeiten und schlug mir vor, die Geschichte des Zen-Buddhismus im Überblick darzustellen. Nur mit Zögern ging ich an diese Aufgabe heran. Das Buch, das vor fast dreißig Jahren entstand und 1959 unter dem Titel Zen. Geschichte und Gestalt als Band 87 der Sammlung Dalp im Verlag Francke erschien, fand trotz vieler Mängel eine unerwartet gute Aufnahme. Eine englische Übersetzung (Pantheon Verlag New York und Faber and Faber London) wurde in Taschenbuchausgaben an amerikanischen Colleges gerne benutzt. Da die deutsche Ausgabe längst vergriffen war, schlug ich dem Verlag die Veröffentlichung einer neuen überarbeiteten Fassung vor. Der Verlag nahm dieses Anerbieten bereitwillig an und blieb bei seiner Entscheidung, auch als sich herausstellte, dass große Teile, ja mehr als die Hälfte des Buches neu geschrieben werden mussten und der Umfang sich erheblich vergrößerte. Während der fast drei Jahrzehnte seit der ersten Veröffentlichung war eine solche Menge neuer wichtiger Publikationen über den Zen-Buddhismus erschienen, dass einige Erweiterungen und Berichtigungen nicht genügen konnten. Obgleich ich mich bei der Neuschrift auf die Einarbeitung der für die Geschichte des Zen- Buddhismus relevanten Literatur beschränkte, entstand ein neues Werk. Ich konnte viele neue Übersetzungen in europäische Sprachen vergleichend benutzen, insbesondere die Übersetzungen des Sutras des sechsten Patriarchen Huineng von Philip B. Yampolsky und Wing-tsit Chan sowie die Übersetzungen der Reden des Lin-chi (Rinzairoku) von Ruth Fuller Sasaki und Paul Demiéville. Die ausgedehnten Studien von Eduard Conze über die Weisheitssutren und das Standardwerk des holländischen Gelehrten Erik Zürcher über die «buddhistische Eroberung Chinas» ließen die Grundlagen der Zen-Geschichte zwar nicht in neuem Licht erscheinen, aber gestatteten, ihre Wurzeln klarzulegen. Das umfangreiche Nachschlagewerk Zen Dust (Zen-Staub), eine Gemeinschaftsarbeit von Miura Isshû und Ruth Fuller Sasaki, erwies sich als überaus hilfreich. Hinzu kommt die japanische Zen-Forschung, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges Erstaunliches geleistet hat. Epoche machend sind die Werke über die frühe Zen-Geschichte von Yanagida Seizan, der neue Horizonte geöffnet hat. Dem westlichen Zen-Studenten bieten noch viele japanische Bücher über die chinesische Zen-Geschichte, nicht zuletzt zahlreiche kommentierte Übersetzungen ins moderne Japanisch, leichten Zugang zu dem überkommenen geschichtlichen Material. Zu den allgemeinen buddhistischen Fachlexiken gesellte sich ein in modernem Japanisch abgefasstes dreibändiges «Großes Lexikon der Zen-Wissenschaft» (Zengaku Daijiten). Der japanische Beitrag zur geschichtlichen Erforschung des Zen-Buddhismus übertrifft an Umfang und Wert naturgemäß die westlichen Studien und erforderte und ermöglichte diese «Geschichte des Zen-Buddhismus», deren Unzulänglichkeiten sich der Verfasser wohl bewusst ist. Mögen seine Weggefährten und Nachfolger in diesem Studiengebiet die Dunkelheiten der Zen-Geschichte mehr und mehr aufklären und das Gesamtbild bereichern! Es bleibt mir die angenehme Pflicht, allen zu danken, die mir auf meinem Studienweg, insbesondere bei der Erforschung der Geschichte des Zen-Buddhismus, geholfen haben. Die Anfänge meiner Zen-Studien reichen bis in meine Studienzeit an der damals Kaiserlichen Universität Tokyo zurück, als ich mit japanischen Mitstudenten Zen-Texte las. Furuta Shôkin, der zusammen mit einem im Krieg gefallenen Kommilitonen mich in die Kôan-Sammlung Mumonkan einführte, erwarb sich als Kenner der chinesischen und japanischen Zen- Literatur bleibende Verdienste um die Herausgabe der japanischen Schriften seines Lehrers und Freundes D. T. Suzuki. Lange bevor sich der Zen-Boom abzeichnete, empfing ich von ihm die ersten Anstöße zur Erforschung dieses Zweiges der Buddha-Religion. Seit meinen Studienjahren blieb ich mit Nakamura Hajime verbunden, mit dem ich in einem Seminar unter der Leitung unseres verehrten Lehrers Ui Hakuju das Bodhisattvabhûmi im Urtext las. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges konnten wir öfters bei internationalen zwischenreligiösen Unternehmen zusammenarbeiten. Dem weiten Wissen und der großzügigen Toleranz dieses buddhistischen Freundes verdanke ich viel für ein tieferes Verständnis seiner Religion. Es ist hier nicht der Ort, die Namen aller japanischen Buddhisten anzuführen, denen ich wissenschaftlich und menschlich zu Dank verpflichtet bin. Die Neubearbeitung dieser Zen-Geschichte verdankt Wesentliches Professor Yanagida Seizan von der Universität Kyoto, dem weltbesten Kenner der chinesischen Zen-Geschichte. Professor Yanagida schenkte mir viel Zeit, gab mir in langen Gesprächen eine Fülle wertvoller Anregungen, lehrte mich die kritische Benutzung der reichen Zen-Literatur und gewährte mir einen Einblick in seine eigene Forschung. Ich habe versucht, seine persönliche Führung ebenso wie seine bahnbrechenden Werke nach besten Kräften in meine bescheidene Arbeit einzubringen. Ein anderer Rinzai-Meister, Professor Nishimura E ’ shin von der Hanazono-Universität in Kyoto, zeigte mir die Besonderheiten des Rinzai-Zen. Bezüglich der Sôtô-Schule erfuhr ich eine ähnliche Hilfe durch Professor Kawamura Kôdô von der Komazawa-Universität in Tokyo. Professor Yonezawa Hiroshi, ein Graduierter der Sophia-Universität, der heute dem XX Vorwort zur ersten Auflage Lehrkörper der Bunkyô-Universität Tokyo angehört, half mir bei der Sichtung und Beschaffung der neuen japanischen Zen-Literatur. Last not least gilt mein herzlicher Dank dem Altmeister der Kunstgeschichte Ostasiens, Dietrich Seckel, Professor emeritus der Universität Heidelberg, der mir den Freundschaftsdienst der Durchsicht des Abschnittes über Zen-Kunst im letzten Kapitel dieses Bandes erwies und substantielle Verbesserungen vorschlug, die ich gern eingebracht habe. Herr Taka Kampachi, Graduierter des Magister-Kurses und Doktorand der Abteilung für deutsche Literatur der Sophia Universität, erstellte die Schriftzeichenliste und die Traditionstafel, deren fast unvermeidliche Mängel ich mir zur Last zu legen bitte. Fräulein Wada Yuko tippte das ganze Manuskript. Ihnen und dem Institut für fernöstliche Religionen der Sophia Universität, vorab dessen Direktor Professor Thomas Immoos und der Sekretärin Frau Shimozawa Maya, sage ich herzlichen Dank. Tokyo, im Mai 1983 Heinrich Dumoulin Vorwort zur ersten Auflage XXI Sprachliches über die asiatischen Namen und Ausdrücke Dieser Geschichte des Zen-Buddhismus ist die japanische Sprache zugrunde gelegt, einmal weil das Zen von Japan aus und in der japanischen Form im Westen bekannt wurde, ferner weil dieses Buch vorwiegend mit Hilfe der japanischen Zen-Literatur verfasst wurde. Die Zen-Termini sind in ihrer japanischen Form gebraucht, auch bei den Titeln chinesischer Zen-Schriften, Tempelnamen, Schulbezeichnungen usw. steht die japanische Lesart an erster Stelle, doch sind die chinesischen Lesarten in der Schriftzeichenliste, der Traditionstafel und oft auch im Text in Klammern beigefügt. Eigennamen sind stets gemäß der Nation der betreffenden Personen verzeichnet (Chinesen chinesisch, Japaner japanisch), nach asiatischer Sitte zuerst der Familien- oder Sippenname, dann der persönliche Rufname. Zen-Meister werden oft nach dem Tempel oder dem Berg, auf dem ihr Kloster stand, benannt, als zweiter Name wird dann einer ihrer zahlreichen Mönchsnamen hinzugefügt. In der Literatur begnügt man sich nach Angabe des vollen Namens oft mit einem der anderen Namen, der beliebig ausgewählt und durchgehend angewandt wird. In der Schriftzeichenliste sind beide Namen in der in Japan üblichen Anordnung verzeichnet. Das Japanische Für die japanische Sprache wurde das bekannte Hepburn-System mit den Ergänzungen des Kenkyûsha-Lexikons verwendet. Für die Aussprache der japanischen Wörter gilt: Vokale kurz, u und i fast stumm, lange Vokale sind durch Längszeichen kenntlich gemacht: ei = eh (langes e) ie, oe, ue = getrennt: i-e, o-e, u-e sh = ähnlich sch ch = ähnlich tsch j = stimmhaft ts = z, tz s = stimmlos z = stimmhaftes s (Zen nicht mit deutschem Z, sondern mit einem weichen s-Laut ähnlich dem deutschen «Sonne» auszusprechen) Eine Schwierigkeit bei der Einbeziehung japanischer Wörter in die deutsche Sprache ergibt sich daraus, dass das Japanische keine Groß- oder Kleinschrift kennt. In Anpassung an das deutsche Sprachgefühl wurden verhältnismäßig viele japanische Termini mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Eine weitere Schwierigkeit bieten die seit dem Mittelalter gebräuchlichen nigoriten (diakritische Zeichen für die Bezeichnung stimmhafter Anlaute, z. B. g-, z-, d-, bfür k-, s-, t-, h-) oder (maru genannt) pfür h-, b-. Die Anwendung dieser Zeichen ist in vielen Fällen unsicher, es finden sich Verschiedenheiten in bewährten Lexika und bei guten Autoren. Der Verfasser musste sich für eine Lesart entscheiden; es bleibt der Zweifel, welche Lesart in der frühen Zeit üblich war. Bezüglich des Silbenschlusses wurde durchgängig die heute übliche Alliteration (z. B. shimbun, hommu, dempô usw.) benutzt, obgleich linguistisch die Schreibweise shin-bun, hon-mu, den-pô usw. den Vorzug verdient. Das Chinesische Die Transkription folgt dem immer noch in der wissenschaftlichen Welt viel benutzten Wade-Giles-System. Die zahlreichen anderen Umschreibungsweisen zeigen, wie schwierige und verwickelte Probleme die Transkription der chinesischen Sprache einschließt. Bezüglich der Aussprache sei angemerkt, dass der Asteriskus nach einem Konsonant entweder einen stimmhaften, harten Laut (z. B. ch ’ an = tschan) oder einen nachfolgenden Hauch (z. B. T ’ ang) fordert. Die Aussprache des in diesem Buch zentralen Terminus Tao ist vom Wortbild verschieden und kommt etwa der Schreibung dau nahe. Die inhaltlichen Implikationen lassen sich nicht in wenigen Worten sagen. Der ursprüngliche Sinn ist «Weg». In der Weisheitsschule des Lao-tzu bedeutet Tao das letztgültige Prinzip, das Absolute, die Wahrheit. In den Zen-Texten schwingt die taoistische Deutung mit, aber auch der Ursinn «Weg» ist gegenwärtig. Sanskrit und Pâli Die indischen Wörter sind in der üblichen Weise mit diakritischen Zeichen versehen. Die Vokale werden im Allgemeinen wie im Deutschen ausgesprochen. Die diakritischen Zeichen haben eine Bedeutung für die Aussprache der Konsonanten. Das c (= tsch) und das j (= dsch) sind stimmhaft, das h nach Konsonanten ist ein hörbarer Hauchlaut. Das Sanskrit hat drei s-Laute, ein einfaches s, s (zwischen s und sch) und s = sch. Das Sanskrit-Wort dharma (pâli dhamma, chin. fa, jap. hô) bedarf in Anbetracht seiner Wichtigkeit einer kurzen Erklärung. Man unterscheidet drei Bedeutungen: 1) = Pflicht, Gesetz, Lehre, 2) = Ding, Seinsfaktor, 3) = universale Buddha-Wirklichkeit (dharma-kâyâ). Das Wort XXIV Sprachliches über die asiatischen Namen und Ausdrücke ist in die europäischen Sprachen hineingenommen. Die erste und dritte Bedeutung gehen nicht selten ineinander über. Dharma mit dieser Bedeutung wurde in diesem Buch mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben. Die zweite Bedeutung stammt aus der hinayanistischen Philosophie (Abhidharmakośa), findet sich aber auch in Zen-Texten und wurde im Allgemeinen kleingeschrieben. Oft ist, wo von Dharma die Rede ist, die universale, allumfassende Buddha- Wirklichkeit gemeint. Ähnlich wie Dharma gingen andere Sanskrit-Termini ins europäische Sprachgut ein, z. B. Buddha, Karma, Nirvana, Sutra. Den Stifter des Buddhismus Shâkyamuni haben wir stets in der westlichen Form geschrieben. Auch für D. T. Suzuki (Suzuki Daisetsu Teitarô) wurde die im Westen gebräuchliche Schreibweise beibehalten. Eine Bibliographie des Gesamtwerks ist für das Ende des zweiten Bandes vorgesehen. Geographische Bezeichnungen wurden nicht in die Schriftzeichenliste, die Anmerkungen des Anhanges nicht in die Namen- und Sachregister aufgenommen. In der Schriftzeichenliste wurden die chinesischen Schriftzeichen möglichst in ihrer Vollform gedruckt. Bekanntlich erfuhren die Schriftzeichen in China und in Japan während der letzten Jahrzehnte in je verschiedener Weise beträchtliche Verkürzungen. Sprachliches über die asiatischen Namen und Ausdrücke XXV Einleitung Zen (chin. ch ’ an, abgekürzt von ch ’ an-na, Übersetzung des Sanskritterminus dhyâna, pâli jhâna) ist der Name der in China entstandenen Meditationsschule des Mahâyâna-Buddhismus, charakterisiert durch die Übungen der Meditation im Lotossitz (jap. zazen, chin. tscho-ch ’ an) und der Kôan-Aufgabe (chin. kung-an) sowie durch die Erleuchtungserfahrung des Satori. Zen-Schule, Zen-Übung und Zen-Erleuchtung nehmen eine hervorragende Stellung in der Religions- und Geistesgeschichte Asiens ein; sie weckten wegen ihres spirituellen, humanen Wertes zunehmend Beachtung im Westen. Die theoretische und praktische Beschäftigung mit dem Zen-Buddhismus verursachte die Produktion und Verbreitung einer umfangreichen Sekundärliteratur über Zen. Mit der Übersetzung vieler Originalwerke des Zen in europäische Sprachen verband sich eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte des Zen-Buddhismus. Die Geschichte ist eine anspruchsvolle Wissenschaft; beständig im Wandel und Fortschritt begriffen, stellt sie immer neue Forderungen an die Forschung. Die Erforschung des Zen-Buddhismus befindet sich noch in den Anfängen. Doch scheint es, dass eine erste Phase, die allgemeine Kenntnisse vermittelte, Zen- Literatur in Beispielen bekannt machte und Versuche zusammenfassender Darstellung bot, einer zweiten Phase Platz macht, die durch Einarbeitung von mehr Literatur, von religionswissenschaftlichen und philosophischen, tiefer schürfenden Monographien und von umfassenderen Sichtweisen die Kenntnis der Zen-Geschichte um einen Schritt voranfördert. Umrisse und Abgrenzung Dem Historiker bietet das Studium des Zen-Buddhismus einen besonderen Reiz, aber auch nicht geringe Schwierigkeiten wegen der mannigfachen Verknüpfung durcheinander laufender Linien, teils im äußeren Bild - man denke an den weit reichenden zeitlichen und geographischen Bogenschlag - , teils auch in der inneren Verknüpfung facettenreicher religiöser, kultureller, psychologischer Linien. Einige Punkte treten mit großer Deutlichkeit hervor. Erstens und vor allem ist die Zen-Schule ein hervorragender Zweig innerhalb des Buddhismus, nicht eine Randerscheinung, wie man noch zu Anfang dieses Jahrhunderts vielfach meinte, vielmehr von höchster Bedeutung, weil gerade in dieser Schule wesentliche Aspirationen und Tendenzen des Buddhismus ihre Erfüllung fanden. Wie das Zen zutiefst im Buddhistischen verwurzelt ist - ohne Shâkyamuni, den erleuchteten Stifter, ist der Zen-Weg schlechterdings unvorstellbar - , so verdankt der Buddhismus vieles von seinem Besten der Zen-Bewegung. Ohne Zen, so darf man füglich sagen, wäre der Buddhismus nicht das, was er ist. Diese Blüte und Frucht am Baum der Buddha-Religion ist eine der lautersten Ausstrahlungen ihres Wesens. Das Zen übte seine Hauptwirkung in den vom Mahâyâna geprägten Ländern Ostasiens, in China (Vietnam), Korea und Japan aus, aber auch in südlicheren Regionen lassen sich Einflüsse des Zen nachweisen, vor allem in Tibet, dessen buddhistischer Sonderzweig, der Lamaismus, teilweise gemeinsamen Wurzelgrund mit dem Zen besitzt, und sogar in Theravâda- Ländern, wie eben eine Orthodoxie sich nicht vollkommen ohne die Häresie begreifen lässt. Man kann diese Entdeckung leicht im Gespräch mit fortgeschrittenen Theravâda-Mönchen machen; heute kommt sie im Zug der allbuddhistischen Bewegung langsam ins Bewusstsein des gesamten Buddhismus. Ferner ist der universal asiatische Charakter des buddhistischen Zen zu bedenken. Nicht ohne Grund wird im Westen bei der Behandlung der asiatischen Meditationswege das Zen immer wieder neben den Yoga gestellt. Der Wissenschaftler muss hier auf die Differenzierungen hinweisen, aber die innere Verwandtschaft der zwei Wege ist augenfällig. Im Zen-Buddhismus sind überdies Yoga und Taoismus zusammengeflossen. Richtiger, in die vom Yoga geprägte buddhistische Meditation ergoss sich ein breiter Strom aus dem altchinesischen Weg des Tao. Äußere Abhängigkeiten gestatten nicht, eine Verbindungslinie zwischen diesen zwei wahrscheinlich ungefähr gleich alten Wegen Asiens anzunehmen. Umso faszinierender ist das Schauspiel ihrer Verknüpfung im Mahâyâna-Zen. Die Geschichte steht angesichts der Verwandtschaft und der Verschiedenheiten der asiatischen Geisteswege vor schwierigen ungelösten Fragen. Manche inneren Verästelungen sind noch nicht an die Oberfläche getreten. Beziehungen und Gemeinsamkeiten können sich auch in Kontrasten artikulieren. Man kann ein Gemeinsames in allen Wegen Asiens vermuten, doch muss der Historiker sich vor Vereinfachungen hüten. Eine Geschichte des Zen-Buddhismus wird vor allem die in der Buddha- Religion und im asiatischen Denken verankerten Grundpfeiler des Zen-Weges klarzulegen suchen. Dabei muss sie notwendig über den Rahmen der mahayanistischen Zen-Schule hinausgreifen, darf aber keinen Augenblick diese Schule aus dem Auge verlieren. Innerhalb der Zen-Bewegung ragen große, charakteristische Gestalten wie Leuchttürme aus Wogen einer auf- und niedergehenden See und verdeutlichen beispielhaft das Wesen dieses Weges, ja zeigen vielleicht schon Modelle der heutigen pluralistischen Situation. Der Ausschnitt aus dem geistigen Bild Asiens, den die Zen-Bewegung darbietet, ist reich an weltlichkulturellen, besonders an psychologischen Eigentümlichkeiten. Es wäre eine unentschuldbare Versäumnis, diese Elemente nicht herauszuheben. Es kann 2 Einleitung dabei nicht ausbleiben, dass auch Menschliches, Allzumenschliches mit ins Bild kommt. Geschichte handelt vom Menschen, der nicht er selbst wäre, wenn er des Schattens entbehrte. Das Phänomen des Zen ist verwickelt und vielschichtig, es befindet sich mitten im asiatischen Geistesleben und hängt mit vielen Strömungen und Bewegungen zusammen. Die Grenzen des schier unübersehbar weiten Feldes, das sich der geschichtlichen Erforschung des Zen-Buddhismus bietet, können sich leicht verwischen. Überdies gefiel es westlichen Zen-Liebhabern, den Begriff auszudehnen und schließlich das Etikett «Zen» einer ganzen Fülle psychischer Erscheinungen aufzukleben. Sicher ist es wünschenswert, das Zen in weiter Perspektive zu sehen und den Beziehungshorizont nicht vorschnell abzuschneiden. Doch gerade um der richtigen Einfügung in die Geistesgeschichte willen ist eine klare Grenzziehung wünschenswert. Unser Gegenstand ist die Zen-Schule im Mahâyâna-Buddhismus. Was dazu beitragen kann, deren Entstehung, Entwicklung, Differenzierung in Formen, Einflusswirkungen aufzuhellen, ist uns wichtig. Angesichts der Ausdehnung und des Beziehungsreichtums des Zen-Buddhismus kann nicht mehr als eine Umrisszeichnung versucht werden, jedoch sollten sich die Umrisse in klarer Grenzziehung deutlich abheben. Klärung zu einer These D. T. Suzukis D. T. Suzuki, der große Deuter des Zen-Weges, hat in seinen Werken der westlichen Welt das Zen als geschichtslos und metaphysiklos, als eine allen Kategorien entrückte, alles Paradox übersteigende Erfahrung vorgestellt. Er schreibt in seiner Einführung in den Zen-Buddhismus: Das Christentum ist monotheistisch und der Vedânta ist pantheistisch, vom Zen lässt sich dergleichen nicht sagen. Zen ist weder monotheistisch noch pantheistisch, es spottet solcher Bezeichnungen. Daher gibt es auch keinen Gegenstand im Zen, auf den der Geist zu richten wäre. Zen ist eine schwebende Wolke am Himmel, keine Schraube befestigt, kein Strick hält es . . . Zen will unsern Geist frei und unbeschwert sehen, schon der Gedanke an Einheit und Allheit ist ein hemmender Block und ein würgender Fallstrick, der die ursprüngliche Freiheit des Geistes bedroht. 1 Bei seiner Pionierarbeit der Aufklärung des Westens über das Zen hat Suzuki sich standhaft gewehrt, diese besondere Form der Erfahrung in ein philosophisches System einzufügen. Oft betonte er den wesentlichen Unterschied vom Yoga und den yogischen Meditationsarten innerhalb des Buddhismus. Wohl finden sich in seinen Werken viele wichtige Auskünfte über geschichtliche Ereignisse, die an das Wesen des Zen rühren, aber niemals bot er seinen Lesern eine geschichtliche Darstellung des Zen-Buddhismus an. Der bekannte chine- Einleitung 3 sische Historiker und Philosoph Hu Shih warf seinem japanischen Kollegen Suzuki vor, er beachte nicht genügend die geschichtlichen Bedingungen des Zen, und schrieb: Ich wehre mich entschieden gegen diese Ableugnung der Fähigkeit der menschlichen Vernunft, das Zen zu verstehen und zu werten . . . Die Bewegung des Zen ist ein integraler Bestandteil der Geschichte des chinesischen Buddhismus, und die Geschichte des chinesischen Buddhismus ist ein integraler Teil der allgemeinen chinesischen Geistesgeschichte. Zen kann nur in seinem historischen Rahmen richtig verstanden werden, genau so wie jede andere chinesische philosophische Schule in ihrem historischen Rahmen studiert und verstanden werden muss. 2 Die Kontroverse zwischen den zwei bedeutenden asiatischen Gelehrten ist wie die meisten solcher Kontroversen niemals klar entschieden worden. Zweifellos verfügte Suzuki über die überlegene, erfahrungsgesättigte Kenntnis des Zen. Und gerade in den Jahren nach jenem Zusammenstoß hat sich immer stärker die Ansicht durchgesetzt, dass religiöse Erfahrungen, insbesondere Erfahrungen, die höhere, übersinnliche Bereiche berühren, sich metaphysischer Begriffsklärung entziehen und im geschichtlichen Zusammenhang nicht voll erfasst werden können. Das Zen reicht als Erfahrung über Raum und Zeit hinaus, aber obgleich sein Erfahrungscharakter der geschichtlichen Forschung unzugänglich bleibt, hat die Geschichte dennoch eine Aufgabe am Zen zu erfüllen. Die reiche geschichtliche Literatur der zwei letzten Jahrzehnte beweist, dass Suzukis These von der Geschichtslosigkeit des Zen nicht angenommen, oder besser gesagt, dass sie so, wie sie eigentlich gemeint war, verstanden worden ist, nämlich als eine Warnung, mit positiver Wissenschaftlichkeit das Zen im Letzten ergründen zu wollen. Die Geschichte wird in ihre Grenzen verwiesen. Das Gleiche gilt von der Metaphysik. Aber beide Aspekte können bei der Erforschung des Zen-Buddhismus nicht ausgeklammert werden. Bezüglich der Metaphysik genüge vorerst das Wort, das Rudolf Otto der frühesten deutschen Übersetzung von Zen- Texten mitgegeben hat: «. . . Keine Mystik wölbt sich im Blauen, sondern jede steht über einem Grunde, den sie nach Kräften leugnet, und von dem sie dennoch immer erst ihr besonderes und mit anderswo gewachsenen Mystiken niemals identisches Wesen erhält 3 .» Was die geschichtliche Seite betrifft, so lohnt es sich sehr wohl, die Tatsächlichkeiten und Gegebenheiten aufzuzeichnen, von Geschehnissen zu berichten und nach Zusammenhängen zu forschen. Für gewöhnlich bietet besonders vertieftes Eindringen in die Anfänge und Wurzelgründe Aufschluss über das Wesen eines Phänomens. Deshalb verdienen die Ursprünge des Zen große Aufmerksamkeit, nämlich, wie schon erwähnt, der uralte Yoga und die Lehre 4 Einleitung vom Tao, aber auch die buddhistischen Sutren und nicht zuletzt die großen Persönlichkeiten im Zen-Buddhismus. Die Aufhellung der Entwicklungen geschieht durch die Erforschung der Schulen und Richtungen. Die mannigfachen Ausfaltungen des Zen in Kunst und Kultur, die aus seinem Wesen fließen, sind samt und sonders von Milieueinflüssen abhängig und zeitgeschichtlich geprägt. Asiatisches und westliches Verständnis Geschichte sucht zu verstehen, Religions- und Geistesgeschichte möchte das menschliche Sinnen und Tun bis in die Tiefenschichten hinein begreifen. Die Unzulänglichkeiten solchen Bemühens liegen klar zu Tage. Je tiefer die Bereiche liegen, in die der Mensch eintritt, umso mehr muss sein Vorangehen behutsam und von Einsicht gelenkt sein. Die Schwierigkeit, den religiösen Innenraum zu verstehen, akzentuiert die Kluft, die sich zwischen Ost und West, zwischen den Kulturen Asiens und des Abendlandes auftut. Erfreulicherweise konnte dank der verständigen, beharrlichen, von den äußeren Bedingungen der Weltsituation begünstigten Anstrengung der modernen Asienforschung trotzdem eine erhebliche Annäherung zwischen den zwei Hemisphären erzielt werden. Ost und West wissen heute unvergleichlich mehr voneinander als etwa vor einem Jahrhundert. Allerdings brachte die Akzeleration der technischen Einheitszivilisation es mit sich, dass das Augenmerk vieler sich vornehmlich oder sogar ausschließlich auf die Dinge des diesseitigen äußeren Lebensstils richtete. Das Innen bleibt der Menge weiterhin verschlossen, nur wenige, ernste Sucher dringen bis in die Bezirke des geistigen, religiösen Lebens vor. Der Weg zu echtem Tiefenverständnis ist in Anbetracht der fundamentalen Verschiedenheit der östlichen von der westlichen Denkart mühsam, aber nicht ungangbar. Sind wir doch davon überzeugt, dass unter und hinter allen so stark in die Erscheinung tretenden Andersartigkeiten ein gemeinsamer Grund und ein gemeinsamer Horizont liegen, eine Überzeugung, die bedeutsame und erfolgreiche, ja die Welt verändernde Initiativen stimuliert. Der geschichtlichen Forschung kommt in dieser Situation sowohl eine fördernd ermutigende als auch eine mahnend-warnende Funktion zu. Darüber einige Bemerkungen, die das Studium der Zen-Geschichte unmittelbar angehen. Das menschliche Verstehen ist keine bloße Verstandesangelegenheit, sondern eine ganzheitliche, von der Sinnlichkeit mitgetragene Erfahrung, die auf dem Sehen und dem Hören aufruht. Das Sehen bringt die vornehmliche Bedeutung der Kunst für tieferes Verstehen ins Spiel. Hier zeigen sich heute Verständnisbrücken zum fernen Osten, die früheren Generationen in dieser Weise nicht zur Verfügung standen. Durch die technischen Mittel der Reproduktion sowie durch leichte Zugänglichkeit hochwertiger Museen sind in der ganzen Welt Einleitung 5 zahlreiche Kunstwerke irgendwie zum Besitz der breiten Öffentlichkeit geworden. Hinzu kommen, vom modernen Tourismus angeboten, Reisemöglichkeiten, die vielen den unmittelbaren Kontakt mit asiatischer Kunst verschaffen. Diese Öffnung bedeutet zugleich eine Chance und eine Verantwortung. Der erste Eindruck der Fremdheit dieser anderen Welt mag die Freude am Exotischen auslösen. Die Herde der Touristen wird sich mit diesem Eindruck begnügen, sie vermag aus der Begegnung mit der Kultur Asiens keinen größeren Gewinn zu ziehen. Wem jedoch die geistige Welt sich geöffnet hat, wird durch die Fremdheit des sich ihm bietenden Anblickes angespornt, tiefer in die Werte der asiatischen Kunst einzudringen. Die Freude am Kunstgenuss allein kann dann nicht mehr genügen. Aus seelischer Erfahrung geborene echte Kunst fordert den Beschauer zur inneren Teilnahme an der Erfahrung heraus, dass er mitbegreife und verstehe, was im Letzten gemeint ist. Der Zen-Buddhismus, reich an herrlicher Kunst, lädt zu solcher Begegnung ein, zu einer Begegnung, in der die Wirklichkeit ihrem Wesen nach neu ansichtig wird. Wenn es uns gelingt, die Vielfalt bedeutender zen-buddhistischer Kunstwerke in großzügiger Loslösung von der gewohnten westlichen Verständnisweise richtig, d. h. meditativ aneignend anzuschauen, können sie uns viel zu besserem Verstehen des Zen helfen. Der Weg durch die Kunst ist ein angenehmer, dem westlichen Menschen verhältnismäßig leicht zugänglicher Weg. Doch sollte man sich bei der Beschäftigung mit asiatischer, insbesondere mit zen-buddhistischer Kunst nicht beim Vergleichen mit westlicher Kunst aufhalten, sondern immer wieder nach dem im Kunstwerk Ausgesprochenen, nach dem eigentlich Gemeinten fragen. Wir möchten in diesem Buch dazu eine bescheidene Handreichung bieten. Verstehen vermittelt vor allem die Sprache. Daraus erklärt sich das vordringliche Bemühen vieler für den Osten interessierter westlicher Menschen, die Sprache der Weisheit Asiens, d. h. zunächst ganz schlicht die asiatischen Sprachen, in denen die Geistigkeit des Ostens niedergelegt ist, zu erlernen. Nicht wenige Zen-Jünger nehmen die Mühe eines schwierigen Sprachstudiums auf sich, weil sie richtig spüren, dass viel wichtiges, eigentümliches Geistesgut des Zen-Buddhismus ins manchmal bizarr anmutende chinesisch-japanische Sprachgewand gehüllt ist. Und japanische Zen-Meister lehren gern ihre westlichen Schüler wenigstens einige Grundworte, deren Inhalt sie ihnen erklären. So besitzen Zen-Übende nicht selten einen kleinen Wortschatz aus asiatischen Sprachen, ähnlich wie europäische Liebhaber der Antike, die den Zugang zum humanistischen Gymnasium nicht fanden, sich wenigstens bestimmte Kernworte des griechischen Denkens aneignen. Doch wie die in unseren Tagen zu hohem Ansehen gelangte Sprachphilosophie klarlegt, genügen linguistische Kenntnisse allein nicht. Die zwischenmenschliche Kommunikation, die den eigentlichen Sinn der Sprache ausmacht, 6 Einleitung geschieht im Verstehen des Mitgeteilten. Dazu bedarf es der Deutung. Auch bei der Begegnung mit der asiatischen Geisteswelt spielt Hermeneutik eine Rolle. Bloße Wortübersetzung kann nicht genügen, auch nicht ein Glossar, das sinnähnliche Begriffe und Umschreibungen anbietet. Um den Weg zum Verstehen von Neuem und Anderem frei zu bekommen, empfiehlt es sich im Gegenteil, westliche Sprachwendungen vorerst auszuschalten. Das asiatische Geistesgut lässt sich nicht auf den westlichen Nenner bringen, wie jeder, der sich ernstlich um tieferes Verstehen bemühte, erfährt. Die Andersartigkeit verpflichtet zur Umsicht im Gebrauch westlicher Termini. Die Wissenschaft kann freilich auf deren Hilfe nicht völlig verzichten, da ja von ihr die Übermittlung östlicher Geistigkeit in westlicher Sprache erwartet wird, aber sie darf nie vergessen, dass es im sprachlichen Ausdruck verschiedener Kulturen keine «Äquivalente», d. h. keine Wortgebilde von genau «gleichem Wert» gibt. Alle Übersetzungen sind Interpretationen, deren keine den anderen Sprachwert sicher und vollständig wiedergeben kann. Es ist wichtig, das Östliche selbst zum Ausgangspunkt zu nehmen, sich diesem mit möglichster Einfühlung zu nähern und es von allen Seiten her anzuleuchten. Hilfreich sind konkrete Beispiele und Symbole, die den gemeinsamen menschlichen Grund ins Spiel bringen. In dem Maße wie die Annäherung an den fremden Kulturkreis glückt, kann das Gemeinte im Andersartigen verstanden werden. Die Ost-West-Begegnung stellt hohe Anforderungen an das beiderseitige Verständnis. Im konkreten Fall des Zen-Buddhismus lohnt sich die Anstrengung nicht nur wegen der Bedeutung des meditativen Weges dieser buddhistischen Schule, sondern auch wegen der spezifisch zen-buddhistischen Ausdrucksmächtigkeit, bezeugt in der bedeutenden Zen-Literatur Ostasiens, in der sprachliche Vermittlung, unterstützt durch Gesten und Mienen, in großem Stil geschieht. Die Kôan-Sammlungen, eines der seltsamsten Spezimen der Weltliteratur, voller Rätsel und gewollter Zweideutigkeiten, ekstatischer Ausbrüche und paradoxer Verse, zogen die Aufmerksamkeit religiöser Menschen auf sich. In ihnen sowie in eigenen Sammlungen finden sich viele wortgewaltige Sprüche erleuchteter Zen-Meister. Heraus ragen die Gestalten von Hui-neng, Lin-chi, Dôgen und Hakuin. Bei diesen vier Großen der Zen-Geschichte verbindet sich mit der ungewöhnlichen Sprachmächtigkeit, die ähnlich auch in manchen durchschlagenden Worten der Meister der Kôan-Geschichten aufblitzt, eine durchdringende, spekulative Geisteskraft. Die Erschließung der Zen-Literatur ist in vollem Gange. Unvergessen bleiben die Namen der zwei hervorragenden Pioniere D. T. Suzuki und Wilhelm Gundert. Wenn zurzeit noch zumeist die sprachliche Bemühung im Vordergrund steht, so wird eine spätere Phase tiefer in die Sinngehalte eindringen. Drei große asiatische Länder sind mit bedeutenden religiösen und kulturellen Leistungen an der Geschichte des Zen-Buddhismus beteiligt. Dieser Umstand Einleitung 7 erhöht die Schwierigkeit, aber auch das Interesse des Unternehmens. Die geschichtliche Betrachtung muss den Verschiedenheiten zwischen den Kulturen Indiens, Chinas und Japans Rechnung tragen. Das Zen ist chinesisch-japanisch, aber Indien bietet mehr als nur einen Hintergrund. Der gewichtige Beitrag aus dem Yoga und dem frühen Buddhismus verlangt eine auswählende, aber doch genügend eingehende Betrachtung, immer im Hinblick auf die Thematik dieses Buches. 8 Einleitung Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien I Shâkyamuni, der Erleuchtete Die Gestalt Buddhas Der Zen-Buddhismus führt seine Entstehung in gerader Linie auf Shâkyamuni, den Stifter der buddhistischen Religion, zurück. Am Anfang der Geistüberlieferung, deren sich das Zen rühmt, steht die Gestalt Buddhas. Wenn somit die Geschichte des Zen-Buddhismus in einem eigentlichen, wenn auch der Erklärung bedürftigen Sinne mit Shâkyamuni beginnt, so ist damit nichts über die Geschichtlichkeit der Buddha-Persönlichkeit noch auch über die Tatsächlichkeit der zen-buddhistischen Generationslinie, die bis zum Buddha zurückführt, ausgesagt. Die beiden Aussagen stehen in keinem Vergleich zueinander. Ein Zweifel an der geschichtlichen Persönlichkeit Shâkyamunis dürfte heute kaum mehr erhoben werden 1 . Wenn auch der mehrere Jahrhunderte nach Buddhas Eingang ins Nirvâ ṇ a entstandene Pâli-Kanon viel Unsicheres enthält, wenn üppige Legenden den historischen Kern der Buddha-Geschichte überwuchern und wenn uralte Mythen an seiner Gestalt mitprägen, so besitzen wir aus vorchristlichen Jahrhunderten architektonische und künstlerische Zeugnisse von hohem geschichtlichem Wert. Auch gab es schon in der Frühzeit eine ausgebreitete buddhistische Bewegung mit Klöstern und Buddha-Frommen. Die zeitweise, vor allem im 19. Jahrhundert übersteigerte historische Kritik wurde in unseren Tagen auf ein annehmbares Maß zurückgeführt. Wenn sich auch bei der Lage der Quellen Geschichte und Legende im Leben Shâkyamunis nicht reinlich scheiden lassen, so darf doch nach Ansicht der Buddhologen für diejenigen Begebenheiten, die im Pâli-Kanon und in den Sanskritchroniken übereinstimmend berichtet werden, ein geschichtlicher Kern angenommen werden. Vollends sind Hypothesen, die in Buddha einen Sonnenmythos sahen oder aus seinem Wirken die erbauliche Legende von einem heiligen Yogi machten, zurückzuweisen. Anders verhält es sich mit der zu Shâkyamuni hinführenden Geistüberlieferung des Zen-Buddhismus. Hier fehlt die sichtbare geschichtliche Spur. Wenn wir dennoch die Gestalt Shâkyamunis an den Anfang der Geschichte des Zen-Buddhismus stellen, so tragen wir damit dem zen-buddhistischen Selbstverständnis Rechnung. Eine Geschichtsschreibung muss bei aller Kritik das Selbstverständnis einer in der Geschichte bedeutenden Bewegung berücksichtigen. Denn dieses Selbstverständnis gründet in Wesenszügen, die sich in der Bewegung ausgeprägt haben. Unter den Wesenszügen des Zen-Weges steht an hervorragender Stelle die Gestalt Buddhas, die im Gedenken, in der Verehrung und in der Geisteshaltung der zen-buddhistischen Jünger lebt. Es ist eines, aus den Berichten des Pâli-Kanon ein Lebensbild Buddhas zu entwerfen, das seine Gestalt veranschaulicht, es ist ein anderes, Wesenszüge der Buddha-Gestalt ins Licht zu rücken, die in alle Schulen der weit verzweigten Buddha-Religion hineinwirken. Obgleich allgemeiner Natur, so sind diese Wesenszüge doch für alle Bewegungen innerhalb des Buddhismus wichtig. Bestimmte Wesenszüge der Buddha-Gestalt kommen auch in der Zen-Bewegung besonders deutlich zum Tragen. Dies ist deshalb möglich, weil Buddha unter den geistlichen Männern Asiens, unter den Asketen, Heiligen und Weisen eine herausgehobene Stellung einnimmt. Er ist nicht irgendein indischer Eremit oder spiritueller Meister, auch nicht ein mythischer Weiser, der wie Yâjñavalkya seinen Schülern zur Erkenntnis tiefer ewiger Wahrheit verhalf. Sein Leben und Wirken bricht im alten Indien aus der vedischen Überlieferung aus und eröffnet neue Horizonte. Dem indischen Boden entsprossen und fest in ihm verwurzelt, erschien er nicht wie ein Avatar aus himmlischen Höhen, sondern entstammte einer adligen Kriegerfamilie, die der Legende nach über reiche Besitztümer herrschte. Prinz Siddhârta wählte und beschritt den religiösen Weg, seine Heraushebung aus dem Indien seiner Zeit zeichnet sich im religiösen Bereich ab. Nach seiner Erleuchtungserfahrung wurde er mit dem Titel eines Buddhas, d. h. des Erwachten, geehrt. Dieser Titel beinhaltet im Bewusstsein der Anhänger einen religiösen Rang von universaler, nicht an den indischen Mutterboden gebundener Bedeutung. Als Buddha konnte Shâkyamuni in den zwei von einander verschiedenen Kulturkreisen Indiens und Ostasiens - die trotz der gemeinsamen Bezeichnung «Asien», die im Westen erfunden wurde, nicht zusammengerechnet werden dürfen - in gleicher Weise heimisch werden. Indien und Ostasien sind kulturell ebenso voneinander verschieden wie etwa die germanisch-lateinische Kultursphäre Europas und die morgenländische Kultur Kleinasiens, die an die arabische Welt angrenzt. Die Buddha-Gestalt ragt mächtig empor und grüßt freundlich sowohl in Indien und den von der indischen Kultur beeinflussten Ländern Ceylon (Sri Lanka), Burma, Thailand, zeitweise auch Indonesien und bis in die jüngste Vergangenheit Kambodscha und Laos 2 als auch in den Ländern Ostasiens China, Korea und Japan. Die vom chinesischen und japanischen Geist erfüllte Zen-Schule ist wesentlich der Buddha-Gestalt verpflichtet. Der Zen- Jünger sieht im Buddha die Vollendung der Erleuchtung, deren universalen Charakter die Gestalt des Erhabenen symbolisiert. Die Buddha-Gestalt, in Shâkyamuni verkörpert, hat sich von seiner geschichtllichen Person aus zugleich mit der Lehrentwicklung und einer Vielfalt von religiöser Praxis und Spekulation weitläufig entfaltet. Soweit die Formen 12 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien mit dem Zen-Buddhismus zusammenhängen, werden sie uns im weiteren Verlauf ausführlich beschäftigen. Vorerst sei in den Blick gerückt, dass alle Entwicklungen irgendwie im Zusammenhang mit dem geschichtlichen Buddha stehen und deshalb religiöse Ehrfurcht wecken. Die Buddha-Gestalt ist verehrungswürdig. Auch wenn Buddhisten, von ihren Älteren, von Mönchen und Meditationsmeistern belehrt, die pure Menschlichkeit des geschichtlichen Shâkyamuni, des Stifters ihrer Religion betonen, alles Übersinnliche und Überweltliche, das mit seinem Leben verbunden wäre, ins Reich der Mythen und Legenden verbannen, so ändert dies nichts daran, dass sie die Gestalt Buddhas für im höchsten Maße verehrungswürdig ansehen. Buddha, der Mensch war und nichts weiter, ist für seine Jünger eine höchste Gestalt. Auch der Zen- Jünger, der hohe Grade von Erleuchtung erlangte, bewahrt in seinem Herzen jene tiefe Verehrung Shâkyamunis, dessen Erleuchtung, wie er glaubt, alle sonst von Menschen erlebten Erfahrungen unaussprechlich übersteigt. Buddha ist verehrungswürdig schlechthin. Seine Verehrungswürdigkeit, im gesamten Buddhismus anerkannt, hat den Zen-Buddhismus entscheidend und zutiefst geprägt. Die Zen-Buddhisten befinden sich hier in Gemeinschaft mit allen Buddhisten. Bei der Vielgestaltigkeit der Buddha-Religion kann die Frage nach dem Verbindenden, dem Gemeinsamen aufkommen. Ein Wesenszug der Buddha-Gestalt liegt gerade in dem Verbindenden. Dieses Moment ist bei der Beurteilung des Zen-Buddhismus besonders wichtig. Es liegt offensichtlich eine Fehlinterpretation vor, die seit dem Aufkommen der Zen-Bewegung im Westen nicht selten beobachtet werden kann, wenn in religionswissenschaftlichen Büchern und Veranstaltungen zwischen «Buddhismus» und «Zen-Buddhismus» zweigeteilt wird. Eine solche Einteilung kann leicht den Eindruck wecken, als ob zwei Religionen nebeneinander gestellt würden, und ist ebenso unrichtig wie die Aufzählung von Katholizismus und Protestantismus ohne Bezugnahme auf die Gemeinsamkeit in der Person Christi. 3 Wenn die Bezeichnung Buddhismus die Gesamtreligion ausdrückt, so ist der Zen-Buddhismus eine buddhistische Schule. Wenn dann mit Recht nach dem Verbindenden gefragt wird, so bietet sich als Hauptmerkmal - nicht als einziges - die Gestalt Buddhas und zwar die Gestalt des historischen Buddha Shâkyamuni. Die Zen-Schule ist hier in ihre Mitte, ins Herz getroffen. Mehr als aus Textzeugnissen, an denen es bestimmt nicht fehlt, lässt sich aus Aussprüchen und Vorträgen authentischer Zen-Meister, vor allem aber im verstehenden Umgang mit Zen-Jüngern lernen, was die Buddha-Gestalt im Zen-Buddhismus bedeutet. Shâkyamuni, der Erleuchtete 13 Die Große Erfahrung Die enge Beziehung des Zen-Buddhismus zur Gestalt Shâkyamunis liegt offen zu Tage. Für den Zen-Buddhisten ist in der reichen Buddha-Legende allein die Erleuchtung von entscheidender Wichtigkeit. Von den vier großen Ereignissen im Buddha-Leben entsprechen einander seine Geburt und seine erste Verkündigung, seine Erleuchtung und sein Eingang ins Nirvâ ṇ a, doch ist die Erleuchtungserfahrung die Mitte schlechthin. Shâkyamuni ist als der Erleuchtete in die Geschichte eingegangen. Wegen der Mächtigkeit seiner Erfahrung hat er sich selbst, wie die buddhistische Schrift berichtet, als den heiligen, höchsten Buddha verstanden. In allem Buddhismus klingt das wie «Löwengebrüll» mächtige Glaubensbekenntnis seines Jüngers Sariputta fort: «Dieses, Herr, ist mein Glaube an den Heiligen, dass niemals ist gewesen noch wird sein noch ist jetzt ein anderer Asket oder Brahmin größer und weiser, d. h. erleuchteter 4 .» Der Bericht des Erleuchtungsvorganges, den der Pâli-Kanon bietet, kann keinen Anspruch auf geschichtliche Glaubwürdigkeit machen 5 . Umso unzweifelhafter steht die Tatsächlichkeit der Erfahrung fest. Allerdings entspricht die Form der Erzählung nicht zen-buddhistischen Vorstellungen von der Erleuchtung als einem plötzlichen ekstatischen Durchbruch, ähnlich dem gewaltsamen Durchbrechen eines heftigen Sturzbaches durch Felsgestein. Gemäß der vom Yoga inspirierten Überlieferung entwickelte sich die Große Erfahrung Shâkyamunis während der Zeitspanne von drei Nachtwachen. Die Zen-Literatur schenkt den Einzelheiten dieses Berichts wenig Beachtung. Es bieten sich genügend Züge im Lebenslauf Shâkyamunis, die den verwandelnden Charakter seines Erlebnisses dartun. Jedenfalls sehen die Zen-Buddhisten in seiner Erfahrung den Prototyp der «Großen Erleuchtung». In diesem Ereignis ist Buddhas Eingang ins Nirvâ ṇ a gewissermaßen vorweggenommen. Selbstverständlich zollen Zen-Buddhisten der ganzen Buddha-Vita mit allen legendären Zügen pietätvolle Verehrung. Im meditativen Erleben des Prinzen Siddhârta unter einem Apfelrosenbaum, wohl einer echten Versenkung des meditativ hoch begabten Jünglings, erkennt der Zen-Jünger die nicht selten beobachtete erste Vorankündigung der künftigen Großen Erfahrung. Zutiefst berührt ihn die Erzählung vom nächtlichen Verlassen des Elternhauses, von Schloss, Weib und Kind. Der Auszug aus der Heimat in die Heimatlosigkeit ist wie in allem Buddhismus so auch in der Zen-Schule die Vorbedingung für den geistlichen Weg. Die Nutzlosigkeit der Yoga-Kasteiungen, deren sich der Asket Gautama unterzog, bestätigen die zen-buddhistische Auffassung, dass die Erleuchtung sich nicht erzwingen lässt, eine Auffassung, die indes weder ein streng diszipliniertes Leben im Zen-Kloster noch auch Stock und Andonnern nach Art des Rinzai-Zen ausschließt. Die Ereignisse im Buddha-Leben wecken im Zen-Buddhisten eine ähnliche Bewunderung wie jene, von denen die 14 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien anekdotenreichen Biographien der Zen-Meister erzählen; sie veranschaulichen die mannigfachen Zugänge zum Eigentlichen. Einzelzüge der Buddha-Geschichte können die Aufmerksamkeit des Zen- Jüngers nicht von dem zentralen Ereignis der großen Erfahrung ablenken. Die hagere, durch das Reisgericht, die Gabe einer frommen Frau, gestärkte Gestalt des frustrierten Asketen, der sich unter dem Pippala-Baum in Uruvelâ am Ufer des Flusses Neranjarâ niederlässt, fest entschlossen, sich nicht aus dem Lotossitz zu erheben, bevor ihm die Große Erleuchtung zuteil wurde, diese Gestalt unbeweglich im Hocksitz verharrend, dann wie das Meer von starkem Wellengang erschüttert und - nun im Besitz der Erfahrung - in unbewegte Stille versinkend, ist die authentische Gestalt Buddhas. Was Shâkyamuni damals erfuhr, ist nach der festen Überzeugung aller Zen-Buddhisten nichts anderes als die «Erleuchtung aller Buddhas und Patriarchen», die die Zen-Meister bezeugen und von denen das Zen-Schrifttum mit höchster Verehrung spricht 6 . Die Zen- Schule weiß sich in der Überlieferung dieser Großen Erfahrung. Jede echte Erleuchtungserfahrung ist unaussprechlich, mit Worten und Begriffen nicht adäquat greifbar. Diese grundlegende Tatsache muss auch für Buddhas «Große Erfahrung» angenommen werden. Doch ist zu bedenken, dass jede Erfahrung ihre Deutung mit sich bringt, d. h. eine größte Erfahrung eine Deutung vom Ausmaß einer universalen Weltsicht. Der Inhalt der Erleuchtungserfahrung Buddhas ist nach allgemein buddhistischer Auffassung in seiner ersten Lehrverkündigung, der Predigt von Benares niedergelegt. Diese Predigt, in der Autorität des Erleuchteten vorgetragen, umfasst seine in der entscheidenden Stunde teils neu erfasste, teils in neuem Licht und in neuer Klarheit geschaute religiöse Welt- und Lebensanschauung. Die im Pâli-Kanon vorliegende Form verdankt sich zu einem nicht sicher bestimmbaren Teil den Überlieferern und Redaktoren der Botschaft. Das ursprüngliche Buddha-Wort bleibt uns unbekannt; es genügt, dass die Predigt von Benares den Kern der erleuchteten Buddha-Schau enthält. Aus zen-buddhistischer Sicht betrachtet, birgt die Erleuchtungsschau Buddhas die entscheidenden Wahrheiten, die den Zen-Jünger unmittelbar ansprechen. Buddhas Erfahrung erweist sich in seiner Lehrverkündigung als Existenzerfahrung. Der Erhabene sah die Dinge, so wie sie sind, d. h. in ihrer existentiellen Wirklichkeit. Die Leiden (im weiten Sinne gefasst) beeindruckten ihn vor allem; sie gründen im Entstehen und Vergehen, im Werden, gemäß der scholastischen Formulierung in der «Entstehung in Abhängigkeit» (pâli paticca-samuppâda, sanskr. pratîtya-samutpâda). Darin eingeschlossen ist die Vergänglichkeit aller Dinge dieser Welt, ein Aspekt, der dem Zen-Buddhismus besonders wichtig ist. Im Aufschauen zum erleuchteten Buddha kann sich der Zen-Jünger in seiner Überzeugung von der Vergänglichkeit bestärken. Die Existenzlage der Dinge, so wie sie sind, ist in dieser Werdewelt (Saṃsâra) von der Vergänglichkeit bestimmt. Shâkyamuni, der Erleuchtete 15 Der Sucher auf dem Zen-Wege macht sich in kleinen Schritten die große Erfahrung Buddhas vom Leiden und von der Vergänglichkeit zu eigen. Zum Inhaltlichen der Buddha-Erfahrung muss auch der Weg der Befreiung, der Heilspfad, gerechnet werden, den die Predigt von Benares in der «Wahrheit vom Weg» den achtgliedrigen Pfad nennt. Es besteht eine letzte Einheit zwischen dem Zen-Weg und dem urbuddhistischen Heilspfad, der das Dunkel der leidvollen Existenz der Lebewesen durch den Ausblick auf Befreiung erhellt. Die Dinge, so wie sie sind, sind von einem Lichtglanz übergossen. Wenn der Zen- Buddhismus im Ganzen eine optimistische Weltanschauung vertritt, so kommt der Hoffnungsschimmer aus der «Großen Erfahrung» Buddhas, die das glückhafte Gelingen des harten Zen-Weges garantiert. Die Überlieferung der Erleuchtung In der umfangreichen chinesischen Zen-Literatur der Sung-Zeit (960 - 1279) finden sich fünf Chroniken, die die Bedeutung der Erleuchtungserfahrung Shâkyamunis für den Zen-Buddhismus dartun. Diese sogenannten «Fünf Berichte von der Leuchte» (jap. Gotôroku, chin. Wu-teng lu) 7 rücken den für das Zen wesentlichen Überlieferungscharakter der Erleuchtung in helles Licht. Die «Leuchte», die von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben wird, bedeutet die Erleuchtungserfahrung oder, stärker artikuliert, den Geist Shâkyamunis. Die Chroniken bezwecken, die gerade Überlieferungslinie von Shâkyamuni bis zur jeweiligen Gegenwart herauszustellen. Sie kommen nur teilweise als geschichtliche Quellen für die Zen-Bewegung in China in Frage, offenbaren aber mit größter Deutlichkeit das Selbstverständnis der Zen-Schule. Schließlich wird jede spätere Entwicklungsphase oder Abzweigung einer Religion sich bemühen, ihre Verbindung zu den Ursprüngen aufzuweisen. Orthodoxie und Autorität kommen hier ins Spiel. Doch geht es der Zen-Schule um mehr als den bloßen Nachweis der Rechtmäßigkeit ihrer Institution. Das Zen will keine Institution sein, sondern erhebt den Anspruch auf Geistüberlieferung. Was im Zen weiterleben wird, ist nach zen-buddhistischer Auffassung die buddhistische Wahrheitsessenz selbst. Dafür bedarf es freilich, so wird man einwenden, keiner Namen und Generationsfolgen. Und dem wird jeder wahrhaft erleuchtete Zen- Meister zustimmen. Dennoch befindet sich auch das Zen in der Geschichte. So zeigen gerade die Chroniken aus der Sung-Zeit mit all ihren historischen Unzulänglichkeiten einen Wesenszug des Zen-Weges. Die fünf Chroniken sind in der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne von zweihundert Jahren entstanden. Grundlegend ist die früheste Chronik, der «Bericht von der Weitergabe der Leuchte der Periode Ching-te» (jap. Keitoku Dentôroku, chin. Ching-te Ch ’ uan-teng lu), kompiliert vom Zen-Mönch Tao-yüan 16 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien aus der Hôgen-Linie, dem Kaiser Chen-tsung von der nördlichen Sung-Dynastie im Jahre 1004 dargebracht und unter kaiserlichem Patronat veröffentlicht (1011). Die Chronik erzählt, wie der erleuchtete Geist Shâkyamunis durch die Jahrhunderte bis zur Zeit der Abfassung weitergegeben wurde, zuerst von Shâkyamuni an seinen Jünger Kâ ś yapa oder Mahâkâ ś yapa («der große Kâ ś yapa»). Shâkyamuni ist der letzte in einer Reihe von sieben Buddhas, mit Kâ ś yapa beginnt die Folge der 28 indischen Zen-Patriarchen, die mit Bodhidharma, dem ersten chinesischen Zen-Patriarchen, endet. Also ist der erste offizielle Geistträger nach Shâkyamuni der Jünger Kâ ś yapa, über den die Schriften des Pâli-Kanons berichten 8 . Er hatte, wie die Überlieferung erzählt, jung geheiratet, aber der Welt entsagt, ohne seine Frau zu berühren. Bei der ersten Begegnung warf er sich Buddha zu Füßen, erlangte die Aufnahme in die Jüngergemeinde und empfing die Mönchsweihe. Als Zeichen besonderer Güte tauschte Shâkyamuni seinen Mantel mit ihm. In der buddhistischen Schrift wird er «der Erste unter denen, die die strenge Regel beobachten», genannt; er nahm eine führende Stellung im Orden ein. Die zweite der chinesischen Chroniken der Sung-Zeit, der «Bericht von der sich weit ausdehnenden Leuchte der Periode T ’ ien-sheng» (jap. Tenshô Kôtôroku, chin. T ’ ien-sheng Kuang-teng lu) ist das Werk eines eifrigen Laienjüngers aus der Rinzai-Schule. Ohne die vorhergehenden Buddhas zu nennen, beginnt die Chronik mit Shâkyamuni und erzählt das denkwürdige Ereignis, dem die Zen-Schule ihren Ursprung zuschreibt. Einst zeigte der Welterhabene während seiner Predigt auf dem Geierberg den Versammelten eine goldene Lotosblume. Unter allen Anwesenden verstand einzig Kâ ś yapa und lächelte. Gemäß unserer Chronik (Buch 2), die wahrscheinlich die früheste Fassung dieser Episode enthält, sprach darauf «der Welt-Erhabene zur Versammlung: Ich habe das wahre Dharma-Auge, den wunderbaren Geist des Nirvâ ṇ a. Diese vertraue ich dem Mahâkâ ś yapa an.» Charakteristisch für die dritte Chronik, die «Fortsetzung des Berichtes der Leuchte der Periode Chien-chung Ching-kuo» (jap. Kenchû Seikoku Zokutôroku, chin. Chien-chung Ching-kuo Hsü-teng lu), von einem gelehrten Mönch aus der Ummon-Schule namens Fokuo Wie-po im Jahre 1101 abgeschlossen (veröffentlicht 1103), ist das erste Buch dieses Werkes, das schon durch seinen Titel «Die wahre Schule» das Anliegen dieser sowie der anderen Chroniken unterstreicht, die ununterbrochene Weitergabe der echten Erleuchtung zu verbürgen. Die Linie führt von Shâkyamuni über die 28 indischen und 6 chinesischen Zen- Patriarchen bis gegen Ende der T ’ ang-Zeit (618 - 906). Die Einträge sind kurz gehalten; die Episode der Geistübermittlung an Kâ ś yapa wird nicht im Einzelnen geschildert. Für diese Lücke entschädigt die vierte Chronik, die, wie ihr Titel besagt, «Wesentliches der sukzessiven Berichte von der Leuchte der wahren Schule» Shâkyamuni, der Erleuchtete 17 (jap. Shûmon Rentô Eyô, chin. Tsung-men lien-teng hui-yao) bringt. Das Werk stammt von Huiweng Wu-ming, einem Mönch aus der Yôgi-Linie der Rinzai- Schule, und umfasst das gesamte Material von den sieben Buddhas angefangen über die indischen und chinesischen Patriarchen bis zu den Zeitgenossen des Sammlers, dessen Tätigkeit im Jahre 1183 zum Abschluss kam. In dieser Chronik haben die Worte Shâkyamunis an Kâ ś yapa die erweiterte Fassung erhalten, in der sie in der Zen-Schule fortan überliefert wurden. Im ersten Buch der Chronik heißt es: «Der Welt-Erhabene sprach: ‹ Ich habe das wahre Dharma-Auge, den wunderbaren Geist des Nirvâ ṇ a, die formlose wahre Form, das geheimnisvolle Dharma-Tor, das nicht auf Worten und Buchstaben beruht, eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften. Diese vertraue ich dem Mâhâka ś yapa an. › » Die letzte der fünf Chroniken, «Umfassender Bericht von der Leuchte der Periode Chia-t ’ ai» (jap. Katai Futôroku, chin. Chia-t ’ ai P ’ u-teng lu), kompiliert von Lei-an Cheng-shou, einem Mönch der Ummon-Schule (abgeschlossen 1204), handelt mit großer Ausführlichkeit (mit Einschluss von Kurzbiographien weltlicher Zen-Freunde, von Episoden, Versen und Prosastücken) vornehmlich über die Zen-Schule während der Sung-Zeit. Auch dieser Bericht wurde zu den sogenannten «Fünf Chroniken» gezählt, die von der Weitergabe der Leuchte, d. h. der Erleuchtungserfahrung Shâkyamunis handeln. Die grundlegende Episode von der Geistübermittlung Shâkyamunis an den lächelnden Jünger Kâ ś yapa ist spätestens seit der maßgebenden Formulierung in der vierten Chronik Shûmon Rentô Eyô Gemeinbesitz der chinesischen Zen- Bewegung. Die Episode verdankt ihren Sitz im Leben des Zen nicht zuletzt ihrer Gestaltung in ein Kôan (offensichtlich aufgrund der Redaktion der vierten Chronik), das in die populärste und meist gebrauchte Kôan-Sammlung Mumonkan aufgenommen wurde 9 . Meister Wu-men hat in seiner kritischen Bemerkung der Geschichte das Korn Salz beigegeben, wenn er schreibt: Etwas sonderbar. Wenn in der großen Versammlung alle gelacht hätten, wie wäre dann das wahre Dharma-Auge (in der einen Linie) überliefert worden? Wenn aber Kâ ś yapa nicht gelacht hätte, wie wäre das Dharma-Auge (überhaupt) überliefert worden? Wenn einer sagt, das wahre Dharma-Auge kann überliefert werden, so ist dies, wie wenn der Alte mit goldfarbenem Gesicht am Dorftor betrügt. Wenn aber einer sagt, es kann nicht überliefert werden, wie wurde es dann allein dem Kâ ś yapa übermacht? 10 Der zweite in der Reihe der 28 indischen Zen-Patriarchen, Ânanda, der Lieblingsjünger des Meisters, konnte gemäß der Überlieferung erst nach dem Tode Buddhas die Erleuchtung erlangen. Die Weitergabe der Leuchte an Ânanda bildet ebenfalls ein Kôan der Mumonkan-Sammlung 11 . In diesem 18 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Kôan ist auch die Rede von Shâkyamunis Gewand, das dieser bei der Geistübermittlung dem Kâ ś yapa schenkte. Kâ ś yapa sollte, wie die Legende weiß, das Gewand aufbewahren, um es dem nächsten Buddha Maitreya zu übergeben. Deshalb wurde Kâ ś yapas Leib nach seinem Eingang ins Nirvâ ṇ a nicht, wie sonst üblich, verbrannt, sondern befindet sich, mit dem Mantel Buddhas bekleidet, im Inneren des Berges Kukkutapâda, wo er auf das Kommen Maitreyas harrt 12 . Gemäß einer Sanskrit-Chronik übergab der «Meister des Dharma» Kâ ś yapa vor seinem Eingehen ins Nirvâ ṇ a den Dharma an Ânanda und wies dabei diesen schon auf den Nachfolger Ś ânavâsin hin 13 , der als dritter in der Reihe der 28 indischen Zen-Patriarchen fungiert. Auch einige der nachfolgenden Namen (Upagupta, Dhîtika, Vasumitra) finden sich in frühbuddhistischen Listen von Dharma-Meistern 14 . Herausgehoben seien noch die Namen Nâgârjunas und dessen Jüngers Kânadeva (auch Âryadeva), des 14. und des 15. indischen Zen- Patriarchen, die in der geistigen Traditionstafel des Zen-Buddhismus einen großen Platz innehaben. Selbstverständlich kann die Liste der 28 indischen Zen-Patriarchen keinen Anspruch auf geschichtliche Glaubwürdigkeit erheben. Doch ist die ununterbrochene Linie der Geistüberlieferung ein wesentliches Motiv des zen-buddhistischen Selbstverständnisses. Durch die Überlieferung der Erleuchtungserfahrung ist Shâkyamuni irgendwie im Zen-Buddhismus gegenwärtig. Shâkyamuni aus zen-buddhistischer Sicht Die Erleuchtungserfahrung Shâkyamunis, in der Generationsfolge weitergegeben, nimmt einen hervorragenden Platz im Zen-Buddhismus ein. Tausend Jahre oder mehr nach dem Tod des Erhabenen in China entstanden, fand die Zen- Schule die von Yoga durchwobene und einem überreichen Legendenkranz umgebene Buddha-Vita in ihren Konturen verwischt. Das yogische Element tritt in seiner meditativen Dimension sowie in seinen Wunderkräften stark hervor. Der Bodhisattva, der «in besonnener Bewusstheit» in den Mutterleib einging, ruht dort, wie die Legende erzählt, in der Stellung der Yoga-Meditation, nämlich im Lotossitz. So schaut ihn seine Mutter Mâyâ, selbst in einen höheren Bewusstseinszustand entrückt. Seine Meditation unter dem Rosenapfelbaum wurde schon erwähnt. Seine Wunderkräfte machen ihn zum «größten aller Yogin» 15 . Die Legende erzählt von seiner Fähigkeit der Körperdurchdringung und des Gedankenlesens. Er beherrscht die Krankheit durch seine Geisteskraft. Sein Eingang ins Nirvâ ṇ a wird als ein yogisch-meditatives Geschehen geschildert. Das yogische Element findet sich in allem Buddhismus, allerdings in sehr verschiedenen Formen. Im Zen-Buddhismus zählt es zu den möglicherweise Shâkyamuni, der Erleuchtete 19 wenigstens zum Teil auf Shâkyamuni zurückgehenden indischen Wurzeln und wird uns im folgenden Kapitel beschäftigen. In allen Formen der buddhistischen Buddhologie gibt es Verbindungslinien zu Shâkyamuni. Allerdings ist die urbuddhistische Lehre, wenn es sie gibt, von zahlreichen Schulen verschieden interpretiert, nur noch in den Eckpfeilern Gemeingut der buddhistischen Zweigformen. Die chinesischen Zen-Patriarchen sahen ohnehin in theoretischen Lehrgebilden ebenso viele Abweichungen vom echten Geist Shâkyamunis; sie hefteten ihren Blick auf die «Große Erfahrung» des Erleuchteten. Trotzdem müssen wir annehmen, dass durch die Vermittlung der mahayanistischen Systeme wichtige Momente des Gedankengutes Shâkyamunis Eingang in das zen-buddhistische Denken fanden. Im klassischen chinesischen Zen der Blütezeit erscheint die Gestalt Shâkyamunis und seine Erleuchtungserfahrung nicht selten in paradoxe Widersprüche verwickelt. Dafür bieten die Kôan und Spruchsammlungen der chinesischen Zen-Meister manche Proben. Shâkyamuni steht da keineswegs als die große Stiftergestalt im Mittelpunkt religiöser Verehrung. Bekannt ist das Wort aus dem Rinzairoku: «Wenn du den Buddha triffst, so töte ihn! 16 » Meister Wu-men kommentiert ein Kôan des Mumonkan: «Wenn einer Chao-chous Antwort klar erfasst hat, so gibt es für ihn in der Vergangenheit keinen Shâkyamuni, in der Zukunft keinen Maitreya 17 .» Ein andermal bemerkt Wu-men ironisch: «Der alte Shâkya hat eine Dorfkomödie aufgeführt 18 .» Diese Zen-Quellen kennen ein Transzendieren Shâkyamunis, nicht nur seiner menschlichen Person, sondern auch seiner erleuchteten Buddhaschaft. Es gibt etwas, das Buddha übersteigt, im Kôan erfragt: Meister Fa-yen vom Ostberg sprach: «Sogar Shâkya und Maitreya sind seine Sklaven. Wer ist er? » 19 Vielleicht sollte die Frage lauten: Was ist es? Aber die Kommentatoren erklären das Schriftzeichen, das wörtlich «der andere» bedeutet, als «er», betonen jedoch, dass dieser «er» die Dualität übersteigt. Es handelt sich um den metaphysischen Hintergrund des Zen-Buddhismus, nämlich um die unabdingbare Notwendigkeit der Übersteigung der Dualität. Insofern eine Buddha-Gestalt dem im Wege steht, muss der Buddha getötet werden. Diese Wendung im Sprechen über Shâkyamuni steht in keinem Widerspruch zu dem in den drei ersten Abschnitten dieses Kapitels Gesagten. Im Zen ist das Unaussprechliche der Erfahrung das letzte Wort. 20 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien II Das yogische Element im Buddhismus Wesenszüge des Yogischen Es ist kein Zufall, dass eine Abhandlung über den Yoga, auch wenn sie ein Gesamtbild zu geben beabsichtigt, kaum je mit einer Definition beginnt. Keine Wesensbestimmung vermag das weit verzweigte, ausgedehnte, in die Tiefe reichende Phänomen adäquat auszudrücken. Viel spricht dafür, das klassische Yoga-System des Patañjali in die Mitte zu rücken. Dessen Haupttext, das Yoga- Sutra, wird heute gewöhnlich ins 2. Jahrhundert n. Chr. datiert 1 . Die Ursprünge des Yoga reichen in viel frühere, ja in prähistorische Zeit zurück. Mit Sicherheit finden sich Spuren von Yoga schon in den vorarischen Induskulturen von Mohenjo Daro und Harappâ (2500 - 2000 v. Chr.), die erst in diesem Jahrhundert durch Ausgrabungen erschlossen wurden 2 . Yoga kommt in einigen Upanishaden vor. In der Folgezeit durchdringen yogische Elemente alle religiösen Lehren und philosophischen Systeme Indiens. Der Prozess der Durchdringung der verschiedensten, auch einander entgegengesetzten Formen des geistigen Lebens mit Yoga setzt sich bis in unsere Tage hinein fort, wo der integrale Yoga des zeitgenössischen Denkers und Mystikers Aurobindo ebenso wie christlicher Yoga westliche Menschen ansprechen. Bislang empfinden alle auf indischem Boden gewachsenen oder durch Einwanderung diesem verflochtenen Kulturen eine Prägung vom Yoga. Einen Höhepunkt auf dem Weg des Yoga durch die indische Geschichte stellt seine Verbindung mit dem Buddhismus dar, die sich ebenfalls durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart fortsetzt. Dieses Phänomen beansprucht deshalb unsere besondere Aufmerksamkeit, weil yogische Wurzeln in die Meditationsschule des Zen-Buddhismus hineinwirken. Doch bevor wir auf Einzelheiten eingehen, seien einige Wesenszüge des Yoga hervorgehoben, denen für den Gesamtbuddhismus und für den Zen-Buddhismus in gleicher Weise Bedeutung zukommt. Es mag nützlich sein, bei der Erhellung des Yogischen vom Sinn der indischen Wortwurzel yuj mit der Bedeutung «ins Joch spannen», «anschirren», «zusammenbinden», «vereinigen», «zähmen» auszugehen. Die Inder, die mit diesem Wort ihre religiöse Bemühung um Konzentration, Meditation, Askese jeglicher Art bezeichneten, waren von der Notwendigkeit einer anhaltenden, methodischen Anstrengung überzeugt, um mittels der Bezähmung des Selbst und der kosmischen Kräfte zum Ziel der endgültigen Befreiung zu gelangen. Die Anfänge des Yoga verweisen wie die archaischen Techniken des Schamanismus in dunkle Vergangenheit. Aber während die typisch schamanistischen Techniken magische Kräfte aktivieren und ekstatische Zustände bezwecken, strebt der Yoga auf meditativem Wege durch eine methodische, geistig gelenkte Anstrengung die Freiheit des Menschen von den Bindungen seiner irdischen Existenz an. Mögen primitive schamanistische Elemente in manche Arten des Yoga Eingang gefunden haben, so machen doch diese niemals das Wesen der yogischen Bemühung aus. Die nicht selten von Yogins zur Schau gestellten schamanistischen Wunderkräfte bleiben Randerscheinungen. In seinem Standardwerk über den Yoga führt Eliade vier charakteristische schamanistische, aus dem Rahmen der Naturgesetze heraustretende Leistungen an, die er im Yoga wiederfindet 3 . Umso entschiedener betont er dann «den Unterschied zwischen der Technik, welche zur ‹ schamanistischen › Ekstase führt, und der yogischen Meditationsmethode» 4 . Im Yoga bildet die schamanistische Magie kein Konstitutivum. Das Gleiche gilt bezüglich des Buddhismus, in dem ebenfalls magisch-schamanistische Dinge vorkommen 5 . Wie der Zen-Buddhismus sich vom Magischen distanziert, wird später zu verdeutlichen sein. Der Yoga gründet in der Überzeugung von einer Grundeinheit, die Mensch und Kosmos umschließt und den Mikrokosmos Mensch als ein leiblich-geistiges Ganzes begreift, das mit dem Universum und dessen Kräften in Verbindung steht. Die Wechselwirkung zwischen Leiblichem und Geistigem bedingt das komplizierte System der yogischen Techniken und wird in den Grundübungen der Körperhaltungen (âsana), der rhythmischen Atmung (prâṇâyâma), der Konzentration (dhâraṇâ) greifbar. Eine Charakterisierung des Yoga, die einseitig die körperlichen oder ebenso einseitig die psychischen Übungen allein berücksichtigt, müsste einen Wesenszug des Yoga, nämlich die Einheit von Leib und Geist verfehlen. Der Mensch kann nur, wenn er sich mit seiner vollen Leiblichkeit und allen seinen Geisteskräften ganz den yogischen Übungen widmet, das Ziel des Yoga verwirklichen, die Kontrolle über sein Selbst und den Kosmos ausüben und schon während des Erdendaseins ein jîvanmukta, ein im Leben Befreiter, werden. Im Yoga steht unter den geistigen Funktionen die meditative an erster Stelle. Die Vorrangstellung des Meditativen ist umso bemerkenswerter, als sie, wie es scheint, der indischen Geistigkeit eigentümlich ist und sich von Indien her weiten Gebieten Asiens mitgeteilt hat. Während andere Kulturen mit fortschreitender Entwicklung ihrer geistigen Potenzen sich dem spekulativ-theoretischen und philosophischen Denken zuwandten, gaben die Inder der konkreten Übung von Konzentration und Meditation den Vorzug; sie suchten weniger nach Erkenntnis der Umwelt als nach Eindringen in die Tiefen der Psyche. An diesem Punkt scheiden sich in frühester Zeit die Wege der Griechen und der Inder. Im indischen Veda ist das indo-arische Geistesgut «asiatisiert» 6 , nach Eliade vorzüglich das Ergebnis der Einflüsse der vorarischen Ureinwohner. 22 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien «Das Fehlen des Yoga-Komplexes bei den anderen indogermanischen Völkern» 7 wirft helles Licht auf die Einzigartigkeit des indischen Yoga. Das Beschreiten des Weges nach Innen macht einen vorzüglichen Wesenszug des Yogischen aus. Für das Verständnis des Buddhismus und insbesondere der buddhistischen Zen-Schule ist noch ein anderer Wesenszug des Yoga wichtig, nämlich seine Hinrichtung auf endgültiges Heil. Die genaue Bestimmung des angestrebten Endzieles setzt gründliches, vertieftes Studium des mit «Yoga» benannten Problemkomplexes voraus. Einen Teil dieses Komplexes bildet seine Beziehung zum Buddhismus. Der Vergleich zwischen dem yogischen und buddhistischen Endziel wird uns im Zusammenhang der buddhistischen Vorstellungen von Nirvâ ṇ a und Erleuchtung beschäftigen. Als Heilsweg besitzt der Yoga im Kern eine religiöse Relevanz, die allerdings in manchen peripheren Formen verschwindet. Das Endziel wird durch eine befreiende Erfahrung erlangt. Diese Eigentümlichkeit ist dem yogischen Heilsweg mit dem Buddhismus gemeinsam. Die Versenkungsübungen im indischen Buddhismus 8 Wenn es stimmt, dass die «erstmalige Blüte» «des Yoga in die Zeit des Buddha fällt» 9 , kommt den im Pâli-Kanon berichteten yogischen Zügen der Buddha- Legende und der buddhistischen Geschichte ein hoher Grad von Glaubwürdigkeit zu. Buddhismusforscher bemerkten, dass «Yoga ein wesentlicher Bestandteil der ursprünglichen Lehre» des Buddhismus sei 10 , sie nannten diesen «einen Zweig des Yoga» 11 . «Der ganze Buddhismus ist durch und durch nichts als Yoga» 12 , konnte mit Übertreibung behauptet werden. Dies stimmt insofern für die frühbuddhistische Versenkungspraxis, als sich für ihre Techniken ziemlich ausnahmslos Ansatzstellen und Parallelen in der altyogischen Überlieferung aufweisen lassen 13 . Allerdings bleibt die Urgestalt des Buddhismus im Dunkel, auch und gerade bezüglich des yogischen Elementes. Die quellenkritischen Untersuchungen des Pâli-Kanons und der frühen Sanskrittexte gestatten keine völlig sicheren Schlüsse über die Lehre und religiöse Praxis des vorkanonischen Buddhismus. Man geht nicht fehl, wenn man in den vier edlen Wahrheiten und dem achtgliedrigen Pfad den Kern der urbuddhistischen Lehre sieht. Die vier edlen Wahrheiten wurden schon in der frühesten Zeit in der Meditation geübt und erlebt 14 . Die buddhistische Übung unterschied sich von der yogischen dadurch, dass die Buddhisten, getreu dem «mittleren Weg», den sie von ihrem Meister überkommen hatten, gewaltsame Anstrengungen und Körperkasteiungen verwarfen. Die Sutren des Pâli-Kanons bieten eine Fülle von beschreibenden Aufzählungen meditativer Stufen und Zustände. Die buddhistische Forschung hat Das yogische Element im Buddhismus 23 dieses verschlungene, wegen der vielen Wiederholungen und teilweisen Überdeckungen schwer zu überschauende Material gesichtet und geordnet, auch die Parallelen aus dem Yoga namhaft gemacht 15 . Heiler zeichnet, indem er die vier Dhyâna-Stufen in den Mittelpunkt stellt und andere Phänomene entsprechend eingliedert, ein sinnvolles Gesamtbild. Doch bleibt es verlorene Mühe, alle frühbuddhistischen Meditationspraktiken, z. B. die 37 Glieder umfassenden Gruppen, die gemäß dem Mahâparinibbâna-sutta Buddha als Inbegriff seines Erleuchtungsweges kurz vor seinem Tode seinen Jüngern erklärt haben soll, in ein System zu fassen. Wir nennen im Folgenden die wichtigsten, dem Yoga verwandten Aufbauelemente und Schemata. Der achtgliedrige Pfad, das auf die Praxis bezogene Kernstück der ersten Verkündigung Buddhas, bietet den Leitfaden für das buddhistische Leben. Die Bedeutung dieses Stückes geht weit über die Beziehung zur Versenkungspraxis hinaus; yogische Elemente sind in ihm unverkennbar. Man kann den achtgliedrigen Pfad verschieden interpretieren, je nachdem ob man die sieben voraufgehenden Glieder als Vorstufen für die als Endziel erstrebte Versenkung (samâdhi) auffasst, oder aber in den acht Gliedern den abgerundeten Heilsweg erblickt, in dem jedes Glied seine Aufgabe erfüllt und zur Erlangung des Heils beiträgt 16 . Gemäß einer umfassenden Formulierung im Pâli-Kanon führt der Heilsweg von der Beobachtung der sittlichen Gebote (sila) zur Versenkung (samâdhi), in der die wissensklare, erlösende Erkenntnis (paññâ) erlangt wird, die mit der Befreiung (vimutti) untrennbar verbunden ist 17 . Diese in vielen Texten vorkommende, im Mahâparinibbâna-sutta achtmal wiederholte Viererformel bietet den Aufriss der Erlösungslehre des Frühbuddhismus. Die Versenkung ist Mittel, hat aber die zentrale Stellung inne. Die Sittlichkeit ist auf die Versenkung hingerichtet, die von wunderbaren Kräften (iddhi) begleitet ist 18 ; die in der Versenkung erlangte Erkenntnis gipfelt in der Befreiung. Der Sittenkodex des Mönchordens fordert außer der Beobachtung der bekannten fünf Gebote 19 und zahlreicher anderer Vorschriften die ehelose Lebensweise des Brahma-Wandels (brahmacaryâ) 20 . Als Vorbedingungen für die Versenkung werden die Zügelung der Sinne, die Wachheit des Geistes und allseitige Selbstbeherrschung gefordert, alles Dinge, die im Yoga beheimatet sind. Die im Pali-Kanon empfohlene Meditationsweise der vier «Unermesslichen» (appamaññâ), auch die vier Brahma-Wohnungen (brahma-vihâra) oder Erweckungen (bhâvanâ) genannt, steht in enger Beziehung zur Sittlichkeit. Bei dieser Übung lässt der Mönch, wie es heißt, zuerst die sein Herz erfüllende Kraft des Wohlwollens (mettâ), dann die des Mitleids (karuṇâ) und der Mitfreude (muditâ), schließlich die des Gleichmuts (upekhâ) sich «über eine Himmelsgegend erstrecken, ebenso über die zweite, die dritte, die vierte, nach oben, nach unten, in die Quere, nach allen Seiten hin in aller Vollständigkeit, - über die ganze Welt hin 24 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien lässt er die Kraft des Wohlwollens (des Mitleids, der Mitfreude, des Gleichmuts), die seinen Sinn erfüllt . . ., sich erstrecken» 21 . Diese meditative Übung wird auch im Yoga-Sutra erwähnt, wahrscheinlich ist sie Allgemeingut der altindischen Spiritualität. Im Buddhismus steht sie in hohen Ehren, weil sie hervorragend die frühbuddhistische geistliche Haltung ausdrückt 22 . Der yogische Meditationsweg nimmt seinen Ausgangspunkt im Körperlichen. Zwar schreibt Heiler: «Die Versenkung ist eine rein geistige Tätigkeit; der hockenden Körperhaltung kommt nur eine dienende Bedeutung zu 23 .» Doch kennt der Buddhismus keine Meditation oder höhere Geistesversenkung außerhalb des Sitzes (âsana). Die Haltung mit untergeschlagenen Beinen und aufgerecktem Oberkörper ist seit alters in Indien bekannt. Bei der Forschung nach ihrem Ursprung werden wir in die graue Urzeit verwiesen, aus der uns Ausgrabungen in Mohenjo Daro «eine Statue» überliefert haben, «die sehr wahrscheinlich einen Yogin darstellt» 24 . Die Upanishaden sowie frühe buddhistische Sutren erzählen von Asketen und Buddha-Jüngern, die in kühlen Hainen, unter schattigen Bäumen in Meditation saßen und die Einheit mit dem Brahma erfuhren oder die Leidhaftigkeit und Vergänglichkeit aller Erdendinge erkannten und einen Vorgeschmack der Nirvâ ṇ a-Ruhe verkosteten. Ähnlich wie der Sitz gehört die rhythmische Atmung zum altindischen Yoga- Besitz. Während manche Yoga-Praktiken die Atmung als die letzte Lebensbewegung zu verdrängen suchen, macht die in den buddhistischen Sutren gepriesene «treffliche und freudenreiche» Atembeherrschung das Atmen bewusst. «Der Mönch atmet bewusst ein, er atmet bewusst aus. Wenn er lang einatmet, erkennt er: ich atme lang ein; wenn er lang ausatmet, erkennt er: ich atme lang aus. Wenn er kurz einatmet, erkennt er: ich atme kurz ein; wenn er kurz ausatmet, erkennt er: ich atme kurz aus 25 .» Die Buddhisten verwerfen die im Yoga geübte gewaltsame Atemhemmung. Auf der vierten Dhyâna-Stufe wird die Atmung von selbst unwahrnehmbar. Die Stufenfolge der vier Versenkungen (jhâna, sanskr. dhyâna) und vier Unendlichkeitsstätten (arûpa oder âyatana), die an mehreren Stellen des Pâli-Kanons mit einer neunten Stufe der Zerstörung von Bewusstsein und Empfindung (nirodha) zu einer Reihe verbunden sind, bilden das Kernstück der meditativen Übung im indischen Buddhismus 26 . Nach Überwindung der fünf Hindernisse (nivaraṇa) von Begierde, Hass, Trägheit, Angst und Zweifel beginnt der Aufstieg durch die vier Versenkungen. Auf der ersten Stufe, der inneren Sammlung und Abgeschiedenheit von den Begierden, ist noch eine Vorstellung von Objekten da, ein Lustgefühl durchdringt den Übenden. Auf der zweiten Stufe wird die Loslösung von der Außenwelt vollzogen, die Erwägung von Objekten ist verschwunden, aber den Körper durchdringt Freude. Das Freudegefühl macht auf der dritten Stufe dem Gleichmut Platz, die geistige Konzentration wird Das yogische Element im Buddhismus 25 vollkommen. Die höchste, vierte Dhyâna-Stufe ist der weltentrückte Zustand des freudlosen und leidlosen Gleichmuts (upekhâ). Bei der Meditation der Unendlichkeiten durchläuft der Übende nacheinander die Stätten der Raumunendlichkeit, der Bewusstseinsunendlichkeit, des Nichts und die Sphäre jenseits von Bewusstheit und Unbewusstheit. Die sich anschließende «Zerstörung von Bewusstheit und Empfindung» bedeutet nicht die Endbefreiung im Nirvâ ṇ a, sondern einen ekstatischen Zustand. Unter den Meditationsweisen haben die vier Versenkungen den Vorrang. Der Buddha ist gemäß der Tradition von der vierten Dhyâna-Stufe aus ins Nirvâ ṇ a eingegangen. Diese Stufe eröffnet den Zugang zu allen höheren Geistesgaben, die im indischen Buddhismus nach Yoga-Art eine große Rolle spielen. Zu den in der Meditation erworbenen Wunderkräften (iddhi) zählen sowohl außerordentliche Bewusstseinszustände, als auch ungewöhnliche körperliche Fähigkeiten, wie Elevation, Vervielfältigung der Person, Durchdringung, Unsichtbarwerden, Berührung von Sonne und Mond, Hellhören und andere 27 . Wunderbarer Art sind auch die drei Kenntnisse oder Wissen (tevijjâ), die das dritte Glied der umfassenden Viererformel, nämlich die Erkenntnis (paññâ) beinhaltet. Wer von der vierten Dhyâna-Stufe aus die Erkenntnis erlangte, vermag sich seiner früheren Existenzen zu erinnern, er kennt die Schicksale aller Wesen im Kreislauf der Wiedergeburten und besitzt das Wissen vom Leiden und seiner Überwindung. Dieses höchste Wissen, in dem der Ausgangspunkt der Buddha- Lehre auf höherer Ebene vollkommen erfasst wird, bringt den Zustand des Heiligen (arhat) hervor. In diesem Zusammenhang müssen noch zwei Hinführungen zur meditativen Versenkung erwähnt werden, die im Zen-Buddhismus eine Entsprechung haben. Die Betrachtungsgegenstände (kamaṭṭhâna) sind eher eine Anweisung zur psychischen Technik als zur Geistesbesinnung, aber sie versetzen den Übenden in jene ernste Stimmung, die aus der Berührung mit den Grundwahrheiten von der Vergänglichkeit des Lebens (anicca), der Wesenlosigkeit des Daseins (anattâ) und des allgemeinen Leidens (dukkha) entsteht und bei aller buddhistischen Meditation die Vorbedingung für den Erfolg ist 28 . Das Zen kennt keine inhaltlichen Erwägungen, aber es werden vom Anfänger Übungen vorgenommen, die ähnlich der im Sutra empfohlenen Fixierung der Aufmerksamkeit auf die Unreinheiten und Hässlichkeiten des Leibes bezwecken, die Schönheit zu entlarven und die menschliche Hinfälligkeit zum Erlebnis zu bringen. Auch die Zen-Meister sprechen zu ihren Jüngern viel von Tod und Weltentsagung, damit diese - von den schweren Grundwahrheiten durchdrungen - umso leichter die Erleuchtung fassen können. Kaum weniger als die Versammlungsstätte der Bhikkhu ist das Zen-Kloster von Vergänglichkeitsstimmung durchweht. Die Kasi ṇ a-Übung geht ebenfalls der Versenkung vorauf. Bei dieser Übung wird durch Fixierung der Aufmerksamkeit auf einen physischen Gegenstand ein 26 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien äußerster Grad von Konzentration erreicht. Unverwandt starrt der Mönch auf einen Kreis oder eine Scheibe aus Lehm oder Erde oder auf ein Gefäß mit Wasser oder auf ein Feuer oder einen vom Wind bewegten Baumwipfel (kasiṇa der vier Elemente). Oder er fixiert einen farbigen Punkt, oder einen Raum, oder ein Licht. So lange schaut er, bis das «Zeichen» sich seinem Bewusstsein eingeprägt und als Nachbild mit geschlossenen wie mit offenen Augen deutlich wahrgenommen wird. In der Meditation des tantrischen Buddhismus spielt das Ma ṇḍ ala, das sich möglicherweise aus dem Kasi ṇ a entwickelt hat, eine ähnliche Rolle 29 . Auch das Zen kennt die symbolische Darstellung geistiger Wirklichkeiten, die durch Konzentration auf dem Wege über die Sinne angeeignet werden. Im chinesischen Zen begegnen wir bei den Meistern der Igyô-Schule der Übung der «Kreisfiguren», die der Kasi ṇ a-Praxis verwandt ist. Symbolische Darstellungen metaphysischer Wahrheiten sind auch sonst im Zen-Buddhismus häufig. Vielfach dienen die Zeichen nicht nur zur Veranschaulichung der abstrakten Wahrheit, sondern auch als Konzentrationsübung. Bei den zwei zuletzt genannten Versenkungsübungen tritt die Bemühung um Konzentration, um geistige Fixierung besonders stark hervor. Dieses Moment, das im Buddhismus wie im Yoga eine wichtige Rolle spielt, wird im Frühbuddhismus mit dem Pâli-Wort sati (sanskr. smṛti) bezeichnet, das auch Erinnerung» bedeutet, aber im Zusammenhang mit der Meditation vorzüglich «Achtsamkeit», «Aufmerksamkeit», «Gewahren», «Im-Bewusstsein-haben» meint. Das Aufmerken auf die Atmung und auf körperliche Veränderungen ist vordringlich. In der stereotypen Formel, die den Zustand der vierten Dhyâna- Stufe beschreibt, bedeutet sati die im Gleichmut geläuterte «besonnene Bewusstheit». Die «auf den Körper gerichtete Aufmerksamkeit» (kâyagatâ sati) wird besonders zur Abwehr Mâras, d. h. zur Beschwichtigung beunruhigender Einflüsse aus der sinnlichen Sphäre empfohlen. Die Beziehung des Aufmerkens zur geistigen Konzentration ist einleuchtend 30 . Somit kann eine weitläufige Verwandtschaft zwischen dem frühbuddhistischen sati und der wesentlich geistige Konzentration anzielenden Kôan-Übung des Zen-Buddhismus angenommen werden. Der Überblick über die Versenkungsübungen im indischen Buddhismus zeigt, in welchem Ausmaß das yogische Element die frühbuddhistische Meditationstechnik durchsetzt. Bei der Unsicherheit der geschichtlichen Zusammenhänge lassen sich Abhängigkeiten im Einzelnen nur schwer nachweisen. Das Yoga- Sutra, auf das sich die Vergleiche zwischen dem Yoga und den frühbuddhistischen Versenkungsübungen als zuverlässigste Textgrundlage vorzüglich berufen, datiert viele Jahrhunderte später als die Anfänge des Buddhismus. Zur Zeit Shâkyamunis und der Entstehung der buddhistischen Mönchsgemeinde waren im religiösen Leben Indiens Yoga-Techniken schon seit langem verbreitet. Die enge Verbindung zwischen Yoga und Frühbuddhismus wird heute von der Das yogische Element im Buddhismus 27 Buddhismusforschung allgemein anerkannt. Unsere knappe Darstellung im Vorigen möchte dem Verständnis des im Übrigen durchaus verschiedenen Zen-Weges dienen. Ebenso kann ein Blick auf das der yogischen Erfahrung verwandte Nirvâ ṇ a dazu verhelfen, die Beziehung zwischen Erleuchtung und Heil im Zen-Buddhismus in weiter Perspektive zu sehen. Nirvâṇa, das Endziel des buddhistischen Weges 31 Ein yogisches Element ist auch im frühbuddhistischen Nirvâ ṇ a erkennbar. Dem Wortsinn nach etwas Negatives, abgeleitet von va (= wehen, wie der Wind), mit der verneinenden Vorsilbe nir bedeutet es unbewegte Ruhe, wo kein Wind weht, das Feuer erloschen, das Licht ausgeblasen, das Gestirn untergegangen, der Heilige im Tode dahingeschieden ist 32 . «Das Erlöschen der Begier, das Erlöschen des Hasses, das Erlöschen der Verblendung, das, o Freund, wird Nirvâ ṇ a genannt 33 .» «Zerbrochen ist der Leib, erloschen ist das Vorstellen, die Empfindungen alle sind dahingeschwunden, die Gestaltungen haben Ruhe gefunden; das Erkennen ist zur Rüste gegangen 34 .» Der Heilige schwindet gemäß dem berühmten Vergleich Buddhas nach diesem Erdendasein ins Nirvâ ṇ a dahin, wie eine Öllampe in sich zusammensinkt und erlischt, nachdem aller Brennstoff verzehrt ist. Solche Worte und Bilder erwecken die Vorstellung der Leere und des Nichts 35 . Doch sahen die Buddhisten stets im Nirvâ ṇ a ihr letztes Ziel und priesen es als vollendete Seligkeit, höchstes Glück, Friedenshafen und Rettungsinsel 36 . Wie das Endziel des yogischen Weges, im Yoga-Sutra kaivalya genannt, dem Yogin die Befreiung von allen Bindungen bringt, so besagt das unaussprechliche, allen Bereichen des Entstehens und Vergehens entrückte buddhistische Nirvâ ṇ a Entrinnen aus dem Vergänglichen; es ist durch das Erlöschen des Begehrens nach Sinnenlust (kâma-tanhâ), nach Dasein in der Werdewelt (bhava-tanhâ) und nach Selbstvernichtung (vibhava-tanhâ) charakterisiert. Das Nirvâ ṇ a kann ebenso wie der yogische Endzustand nur auf meditativem Weg erreicht werden. Die frühbuddhistische Lehre kennt zwei Arten von Nirvâ ṇ a, nämlich ein Nirvâ ṇ a «in der diesseitigen Ordnung» (diṭṭhe dhamme) und ein Nirvâ ṇ a ohne Restbestand oder Substrat (upâdhi), das Parinirvâ ṇ a (parinibbâna). Indes besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen diesen zwei Nirvâ ṇ a. In jedem Fall ist die völlige Befreiung erreicht, wie die Formel lautet: «Dies ist das Friedvolle, Erhabene, . . . die Vernichtung der sinnlichen Begierde, das Nirvâ ṇ a.» Negativ wird es «Erlöschen», positiv die «Sphäre des Unsterblichen» (amatâ dhâtu) genannt. Die endgültige Befreiung, im Buddhismus und Yoga durch Meditation erlangt, wird in den zwei Denksystemen je anders interpretiert. Im Yoga bringt schon die 28 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Mannigfaltigkeit der Verbindungen mit verschiedenen religiösen und philosophischen Weltanschauungen eine Vielzahl von Deutungen des befreiten Endzustandes mit sich. Auch unterscheidet sich die Erklärung des Endzieles im Yoga-Sutra von der des buddhistischen Nirvâ ṇ a. Der Terminus kaivalya, gewöhnlich mit «Isolierung» 37 , «Isolation» 38 , aber auch mit «Bloßheit» 39 , «Entblößtsein» oder «Für-sich-sein» 40 übersetzt, bedeutet im Sinne der Sâ ṃ khya- Philosophie, auf der das Yoga-Sutra aufruht, die Loslösung des puruṣa 41 (Geist, Mensch, Selbst) von der prakṛti (Natur) als Ergebnis der verinnernden Meditationsbemühung. Doch braucht das Yoga-System Patañjalis trotz der Abhängigkeit vom Sâ ṃ khya im Letzten nicht mit diesem zusammenzufallen 42 . Die kanonischen Schriften des Buddhismus bieten keine Erklärung des Endziels Nirvâ ṇ a. Man hat zwar, so wird berichtet, Buddha öfters gefragt, ob der Vollendete jenseits des Todes noch existiert oder ob er nicht existiert. Buddha hat auf diese Frage ebenso wie auf andere «metaphysische Fragen» nicht geantwortet, wahrscheinlich weil die Lösung solcher Fragen für das eine Notwendige, die Erlangung des Heils, belanglos ist. Man hat ihn deshalb des philosophischen Agnostizismus geziehen 43 . Aber es ist auch möglich, dass Buddha über das Fortleben im Jenseits nichts hat aussagen wollen, weil unsere begriffliche Sprache dazu nicht ausreicht. Über das andere Ufer, die dem Tode entrückte unsterbliche Sphäre, lässt sich mit Menschenworten keine gültige Aussage machen. Wer das Paradox in der buddhistischen Lehre vom Nirvâ ṇ a logisch aufzulösen unternimmt, kommt notwendig entweder zu einer nihilistischen oder permanentistischen Erklärung. Beide wurden von Buddha abgelehnt. Shâkyamuni hat sowohl die materialistisch-nihilistische Ideologie (uccheda-vâda), die keine Befreiung kennt, als auch die metaphysische Substanzlehre (sassatâ-vâda), die unzerstörbare Körper annimmt, verworfen. Wäre sein letztes Wort ein «Mittlerer Weg», wie ihn später die Mahâyâna-Philosophie lehrt? Wir wissen nicht, wie Shâkyamuni das Nirvâ ṇ a verstanden hat. Auch lässt sich beim Stand der Geschichtsquellen keine urbuddhistische Lehre eruieren. Gemäß den Erklärungen der zu Skepsis und Pessimismus neigenden Philosophie der frühbuddhistischen Schulen bedeutet Nirvâ ṇ a vorzüglich oder auch ausschließlich die Befreiung aus dem Kreislauf in der Werdewelt, also den Ausweg aus dieser der Karma-Wirksamkeit unterworfenen Existenz. Doch kennt der Pâli-Kanon durchaus eine höhere, letzte Wirklichkeit, dem begrifflichen Denken unerreichbar, aber angezielt im meditativen Aufschwung. Wir lesen Worte wie: «Es gibt ein Ungeborenes, Ungewordenes, Ungemachtes, Ungestaltetes; gäbe es nicht dieses Ungeborene, Ungewordene, Ungemachte, Ungestaltete, so gäbe es keinen Ausweg für das Geborene, Gewordene, Gemachte, Gestaltete 44 .» Oder: «Der große Ozean ist tief, unermesslich, unergründlich . . . so ist auch der Vollendete, er ist tief, unermesslich, unergründ- Das yogische Element im Buddhismus 29 lich 45 .» Die Verneinungen bedeuten hier die völlige Transzendenz über alles menschliche Denken und Sprechen hinaus. In den folgenden Versen vernehmen wir den gleichen mystischen Klang: Den, der zur Ruhe geht, kein Maß ermisst ihn. Von ihm zu sprechen gibt es keine Worte. Verweht ist, was das Denken könnt erfassen. So ist der Rede jeder Pfad verschlossen. 46 Wenn das Wort «Mystik» im weiten Sinn jede, auch nur unvollkommene, unmittelbare Schau, Erkenntnis, Berührung der transzendenten Wirklichkeit bezeichnet, so ist der buddhistische Heilspfad wie die altindische Tradition der Veden und Upanishaden mit mystischen Zügen durchsetzt. Mystik, so verstanden, findet sich ja in fast allen Religionen der Menschheit, besonders stark ausgeprägt in der vom Yogischen beherrschten indischen Geistigkeit. Im Buddhismus schaffen von früh her die weise Beherrschung der Sinne und aller Begierde, die der zwischen Genuss und Kasteiung hinführende «Mittlere Weg» von seinen Jüngern fordert, sowie die nachhaltigen Bemühungen um Geistessammlung, die Grundlage für höhere Aufstiege. Der Mangel einer entsprechenden Metaphysik wird erst durch die mystisch beschwingten Philosophen des Mahâyâna behoben. Yogische Wurzeln des Zen Es ist bestimmt ein Verdienst D. T. Suzukis, dass er vor seinen westlichen Zuhörern die Besonderheit des Zen-Weges klar herausgestellt hat 47 . Er tat dies besonders durch scharfe Abhebung vom Yoga. Dies hielt er für notwendig, weil die westlichen Menschen, auch Orientalisten und Religionswissenschaftler, nur allzu sehr dazu neigen, alle asiatischen Meditationswege, auch Yoga und Zen, in einen Topf zu werfen. Wenn Suzuki bei der Auseinanderscheidung radikal jede Verwandtschaft zwischen den zwei fernöstlichen Wegen leugnete, so ist eine Korrektur am Platze. Schon die Zugehörigkeit der Zen-Schule zum Buddhismus bringt sie in den Bereich des Yoga, dessen Einflüsse den gesamten Buddhismus durchziehen. Wenn wir im vorigen den indischen Frühbuddhismus in den Vordergrund rückten, so darf das Weiterwirken yogischer Elemente im späteren Mahâyâna- Buddhismus nicht übersehen werden. Streng gesehen, genügt die mahayanistische Herkunft der Zen-Schule für den Nachweis ihrer Nähe zum Yoga. Doch über eine solche eher abstrakte Beweisführung hinaus legt das konkrete Erscheinungsbild des Zen, das eben doch in vielem mit dem des Yoga übereinstimmt, eine Verwandtschaft der zwei Meditationswege nahe. Weil das Bild des Zen-Buddhismus erst im Laufe der Erforschung seines Entstehens durch 30 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien tieferes Eindringen in seine Eigenart mit voller Deutlichkeit sichtbar werden kann, müssen wir uns hier mit wenigen Einzelheiten begnügen. Die im ersten Abschnitt dieses Kapitels genannten Wesenszüge des Yoga, die zweifellos Wesentliches aufzeigen, lassen sich samt und sonders im Zen- Buddhismus wiederfinden: das Bewusstsein einer kosmischen Einheit, die leibseelische Ganzheit des Menschen, der Primat der Meditation, die befreiende Erfahrung. Im Zen nehmen diese Charakteristika besondere Züge an, aber wie beim Yoga befinden wir uns mitten in der fernöstlichen Geistigkeit. Für den westlichen Menschen tritt dies besonders in Äußerlichkeiten zu Tage, von denen er mit Recht auf innere Bezüge schließt. Der im Lotossitz hockende Zen-Jünger gleicht ebenso wie die Gestalt Shâkyamunis unter dem Pippala-Baum der eines Yogin. Wie ein solcher befleißigt er sich der rhythmischen Atmung und konzentriert seinen Geist, nicht unbedingt in allen Zweigen der Zen-Schule auf die gleiche Weise, auf einen Punkt. Sicher, äußere Parallelen besagen keine allseitige, wesentliche Gleichheit. Yoga und Zen sind in wichtigen Punkten voneinander verschieden, nicht erst im Endziel, sondern auch in der hinführenden Methode. Dies wird eindeutig klar, wenn wir in späteren Kapiteln den spezifischen, bis ins Letzte durchgeformten Zen-Weg in den Blick nehmen. Ein Letztes in Bezug auf das Endziel, die befreiende Erfahrung. Wir haben schon oben die Verschiedenheit der Interpretation der letzthinnigen Erfahrung in Yoga und Zen angemerkt. Es bleibt wichtig, dass beide Wege als Endziel eine Erfahrung anstreben. Aufgrund der Erfahrung am Ende ihrer Aufstiege erheben östliche Geisteswege gern einen universalen Anspruch. Wird dieser Anspruch ernst genommen, so sind nicht bloß Yoga und Zen im Grunde identisch, alle echten Erfahrungen, die den Wesenskern des Menschen berühren, wären gleich, sie wären Yoga oder Zen oder was immer, je nach dem Standpunkt. Zweifellos berühren Tiefenerfahrungen den Menschen in seinem Innersten. Dass der Osten in hervorragender Weise die meditativen Erfahrungswege gepflegt hat - leider wurden sie im Westen zeitweise nicht nach ihrem vollen Wert geachtet - , steht ebenfalls außer Zweifel. Aber schließlich kommen Tiefenerfahrungen in beiden Hemisphären und schlechthin überall vor. Es kommt darauf an, sie richtig zu werten und zu deuten. Ungeachtet gemeinsamer Züge artikulieren sie sich verschieden je nach Kulturen und Rassen, nach Zeiten und Zonen. Die geschichtliche Erhellung der Phänomene wird sich vornehmlich um die Entstehungsursachen und Milieuumstände, die besonderen Eigenschaften und Wirkungen bemühen. Der Zen-Forschung zeigen sich, wenn sie einen genauen Blick auf den Yoga-Weg tut, Affinitäten, die nicht bloß von der gemeinsamen Menschennatur herrühren, sondern den Zugriff der Geschichtswissenschaft gestatten. Die Universalität menschlicher Erfahrung ist immer relativ und lässt Raum für je umfassendere und tiefer dringende geschichtliche Erkenntnis. Das yogische Element im Buddhismus 31 III Grundlinien des Mahâyâna Die Anfänge des Mahâyâna Die Zen-Schule ist als die Meditationsschule des Mahâyâna-Buddhismus in China entstanden, und wie die anderen chinesischen Schulen des Buddhismus von der Mahâyâna-Lehre geprägt. Das Mahâyâna, wörtlich das «Große Fahrzeug», ist, wie der Name sagt, durch den Gegensatz zu den anderen buddhistischen Schulen, die früher nicht nur abschätzig von den Anhängern des Mahâyâna, sondern ziemlich allgemein das «Kleine Fahrzeug» (Hînayâna) hießen, charakterisiert. Die komplizierte, geschichtlich nicht sicher greifbare Sektenbildung innerhalb des Frühbuddhismus wurde in dieser, heute nicht mehr akzeptierten Bezeichnung zusammengefasst 1 . Aus der Vielzahl der frühbuddhistischen Schulen ragen zwei Linien hervor, nämlich die der Sarvâstivâdin, die während eines Jahrtausends oder länger eine starke Aktivität in Nordwestindien, über Gandhâra bis nach Afghanistan im Westen und Kashmir im Osten hin entfaltete und bedeutende Literaturwerke hervorbrachte; sie ist seit vielen Jahrhunderten erloschen. Die andere herausragende Linie, die des Theravâda hat ihren Hauptsitz in Sri Lanka, sie ist bis heute in den meisten Ländern Südostasiens verbreitet. Der Theravâda nimmt den Pâli-Kanon für sich in Anspruch. Für seine Lehre kann vor allem der dritte Korb der Schrift, der Abhidharma, als charakteristisch gelten. Den Höhepunkt in der Lehrentwicklung des Theravâda bezeichnet Buddhaghosas Werk Visuddhi-Magga, «das größte und berühmteste Lehrbuch in Pâli» 2 (5. Jh. n. Chr.). Die westliche Buddhismus-Forschung sah lange Zeit im Mahâyâna die spätere Entwicklungsform des Buddhismus. Wahrscheinlich enthält der Pâli-Kanon tatsächlich das älteste überkommene buddhistische Schriftgut, doch gehen die Ansätze zu Mahâyâna-Lehren bis in sehr frühe Vergangenheit, möglicherweise bis in die Zeit der ersten Sektenbildungen zurück. Die Begeisterung westlicher Gelehrter für die, wie man glaubte, unvermischt rationale, sittlich hochstehende Geistigkeit des Pâli-Kanon ließ zeitweise das Mahâyâna als eine Abirrung vom Ursprung, ja als eine Entartung erscheinen. Die Neuheit erweckte den Eindruck eines völligen Umbruches. Der russische Gelehrte Stcherbatsky schildert den Aufbruch des Mahâyâna mit beinahe dramatischer Eindringlichkeit wie folgt: «Wenn wir sehen, wie eine atheistische, die Seele verneinende philosophische Lehre eines Pfades persönlicher Befreiung, der in absoluter Lebensauslöschung und einer einfachen Verehrung des Gedächtnisses des menschlichen Stifters besteht, - wenn wir an die Stelle einer solchen Lehre eine großartige Hochkirche treten sehen, mit einem höchsten Gott, umgeben von einem zahlreichen Pantheon und einer Schar von Heiligen, eine in hohem Maße andachtsvolle, zeremonielle und klerikale Religion mit dem Ideal der allgemeinen Erlösung aller Lebewesen, einer Erlösung durch die Gnade der Buddhas und Bodhisattvas, einer Erlösung nicht durch Vernichtung, sondern in ewigem Leben, so sind wir völlig in der Annahme gerechtfertigt, dass die Religionsgeschichte kaum je einen ähnlichen Bruch zwischen alt und neu innerhalb der Pfähle, die auf gemeinsamen Ursprung vom gleichen Stifter Anspruch erheben, gesehen hat 3 .» In diesen Sätzen ist die Stimmung gut getroffen, die westliche Gelehrte angesichts des Mahâyâna überkam. Der durch Vorurteile getrübte Blick vermochte in so völlig verschieden erscheinenden Gebilden nicht den gleichen Lebensstrom zu entdecken. Nirgendwo indessen lässt sich in der Entwicklungsgeschichte des Buddhismus eine Erschütterung nachweisen, die zu einem radikalen Umbruch geführt hätte. Wir wissen von keiner überragenden Persönlichkeit aus vorchristlicher Zeit, die das Mahâyâna gegründet hätte. Alle zum großen Teil vergeblichen Versuche bei den ersten Konzilsversammlungen, Liberalisierungen, vor allem Erleichterungen der strengen Ordensregel zu erwirken, können als Vorstöße in Richtung der Mahâyâna-Reform angesehen werden 4 . Gleichzeitig zeigen sich früh Ansätze zu Lehrfortschritten. Spuren von Mahâyâna-Lehren tauchen schon im ältesten buddhistischen Schrifttum auf. Heute neigt die Forschung zu der Ansicht, dass der Übergang zum Mahâyâna, wo er erfolgte, allmählich und für die Zeitgenossen kaum merklich vor sich gegangen ist 5 . Manches von dem Neuen in der Mahâyâna-Bewegung stellt sich nicht als völlig originelle Gedankenentwicklung dar. Möglicherweise gelangten auch geistig-religiöse Einströme aus dem Abendland in der Zeitspanne zwischen Alexander und Augustus nach Indien. Als sicher darf betrachtet werden, dass das Mahâyâna im organischen Zusammenhang mit dem Gesamtbuddhismus, d. h. konkret aus den frühbuddhistischen Schulen im Zuge der Spaltungen entstanden ist. Noch auf lange Zeit lebten, wie wir aus den Quellen wissen, Anhänger beider Fahrzeuge friedlich in den Klöstern der gleichen Vinaya-Observanz zusammen. Die ersten deutlich als solche erkennbaren Mahâyâna-Schriften stammen wahrscheinlich aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert 6 . Das Aufkeimen der Mahâyâna-Gedanken führte eine umfassende Wandlung herbei, die fast alle buddhistischen Grundbegriffe berührt. Das Nirvâ ṇ a wird mit der kosmischen Buddha-Schau verbunden und als Erlösungsziel mit der Erlangung der Buddhaschaft gleichgesetzt. Buddha, Nirvâ ṇ a, Erleuchtung drücken die absolute Seite der Wirklichkeit aus, deren Erscheinung die in der Vielfalt des Werdens fließende Welt des Sa ṃ sâra ist, in der die Lebewesen irrend nach Erlösung suchen. Die Tugendlehre der Pâramitâ stellt sich in den Dienst der Grundlinien des Mahâyâna 33 höheren Weisheit, die der Bodhisattva verkörpert. Doch ist das Mahâyâna erst eigentlich in der Stunde geboren, in der das «Große Fahrzeug» in bewusstem Gegensatz zum minder wertvollen «Kleinen Fahrzeug» verkündet wird. Dies geschieht bezeichnenderweise in den Sutren mit Berufung auf die religiöse Autorität. Die Macht des Einflusses, der die Bewegung entfacht, stammt nicht aus der philosophischen Spekulation, sondern aus der Inspiration geistlicher Männer. Die Sutren haben als Ausdruck des neuen religiösen Bewusstseins die Führung inne 7 . Die Zen-Schule lebt in der geistigen Welt des Mahâyâna. Obgleich kontemplativ und dem Klosterleben zugetan, kennt sie nicht die Enge der frühbuddhistischen Ordensregel. Religiös ist sie von den mahayanistischen Grundmotiven her inspiriert, auch wenn in einer letzten Abkehr von allem Greifbaren gelegentlich Mahâyâna-Sutren verspottet oder gar verbrannt werden. Solche scheinbare Frivolität ändert nicht, dass dem Zen das Mahâyâna im tiefsten Kern zu eigen ist. Wir heben einige Wesenszüge heraus, um den geistigen Ort der Zen- Schule besser in den Blick zu bekommen. Das Bodhisattva-Ideal Der Buddhismus besitzt als religiöser Heilsweg für alle Lebewesen das gemäße Fahrzeug (yâna), das aus dieser leidvollen Erdenexistenz zum jenseitigen Ufer trägt 8 . Die erste Erlösungsmöglichkeit bietet das Fahrzeug des Hörers ( ś râvaka). Der Hörer, der die Buddhalehre vernimmt und gläubig befolgt, erlangt in der Versenkung (samâdhi) für sich selbst die erlösende Erkenntnis und wird ein Heiliger (arhat). Alle Buddha-Jünger der Frühzeit haben Shâkyamuni folgend diesen Weg beschritten und sind ins Nirvâ ṇ a eingegangen. Im Pâli-Kanon werden auch selbständige Buddhas (pratyeka-buddha) genannt, die unabhängig von der Buddha-Lehre aus eigener Kraft die vollkommene Buddhaschaft erreichten. Das dritte Fahrzeug des Bodhisattva ist den beiden anderen Fahrzeugen überlegen und allein «groß (mahâ)»; es verbürgt allen Lebewesen die vollkommene Erlösung. Die Mahâyâna-Sutren offenbaren mit höchster Autorität die Vollkommenheit des Fahrzeugs des Bodhisattva. Die Mahâyâna-Lehre entwickelt sich religiös und philosophisch um das Bodhisattva-Ideal als Mittelpunkt. Bodhisattva bedeutet nach dem Sprachsinn ein «Wesen hingerichtet (sakta) auf Erleuchtung» oder einfachhin «Wesen (sattva) der Erleuchtung» 9 . Obwohl mit der vollkommenen Erleuchtung begabt und im Besitz des Allwissens eines Buddhas, verzichtet der Bodhisattva auf die letzte Vollendung des Eingehens in das Nirvâ ṇ a, um den Lebewesen auf dem Erleuchtungsweg zu helfen. Alle Lebewesen tragen ja die Buddha-Natur in sich und können die vollkommene Erleuchtung verwirklichen. Das Bodhisattvatum 34 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien ist mit der anderen mahayanistischen Grundlehre von der Buddha-Natur in allen Lebewesen verknüpft. Der Weg zur Bodhisattva-Erleuchtung, die sogenannte Bodhisattva-Laufbahn (bodhisattva-caryâ), würde dem christlichen Weg der Vollkommenheit entsprechen, wenn der Bodhisattva bloß die Gestalt des vollkommenen Buddha-Jüngers verwirklichte. Doch erfüllt der Bodhisattva im Mahâyâna-Buddhismus eine weiter greifende Funktion. Er hilft den Lebewesen auf dem Erlösungsweg und empfängt eine kultische Verehrung, die der des Buddha kaum nachsteht. In den Bereich des Wunderbaren entrückt, verwischen sich oftmals die Umrisse seiner Erscheinung und verlieren sich im Kosmischen. Voraussetzung für das Bodhisattvatum ist die vollkommene Hingabe an das Buddha-Gesetz. Die Bodhisattva-Laufbahn beginnt mit der Erweckung des Entschlusses (bodhicittotpâda) und der Ablegung des Gelübdes (praṇidhâna), in unermüdlichem Aufstieg alle Vollkommenheiten aller Stufen zu erreichen und bis zur höchsten Erleuchtung emporzusteigen, um allen Lebewesen bei der Erlangung des Heiles behilflich zu sein. Die zehn Bodhisattva-Stufen werden in verschiedenen Mahâyâna-Schriften erklärt 10 . Nach der Beschreibung des Daśabhûmika-Sûtra wird auf den ersten sechs Stufen der Versenkungsgrad des Arhat erlangt, die vier Dhyâna werden gemeistert. Von der siebten Stufe an schreitet der Bodhisattva voran (dûraṃgamâ). Die Besonderheit der mahayanistischen Bodhisattva-Laufbahn erweist sich in der Übung der zehn vollkommenen Tugenden (pâramitâ) 11 . Ursprünglich werden nur sechs genannt. Die fünf ersten, nämlich: Schenken (dâna), Sittlichkeit ( ś ila), Geduld (kṣânti), Tatkraft (vîrya) und Meditation (dhyâna), sind auf die sechste und höchste Vollkommenheit, die Weisheit (prajñâ), als das Ziel und die Endfrucht allen Strebens im Mahâyâna hingeordnet. Später wurden weitere vier vollkommene Tugenden hinzugefügt. Wieder ist das Ziel eine Erkenntnistüchtigkeit, nämlich das Wissen (jñâna). Jñâna bezeichnet das intellektuelle Erkennen, während Prajñâ die intuitive, erleuchtete Einsicht meint 12 . Mit der Übung dieser Vollkommenheiten ist der Bodhisattva auf der siebenten Stufe in den Ozean des Allwissens eingetreten. Er schreitet im Verständnis der Leerheit und Ungeborenheit aller Dinge voran, bis er auf der zehnten Stufe (dharmamegha, «Dharma-Wolke») «alle Formen der Versenkung» erlangt. Auf einem gewaltigen Lotos sitzend, besitzt er die Sammlung, welche «die Kenntnis des Allwissenden» heißt. Das Sutra schildert die großartige Szene seiner Weihe (abhiṣeka), die ihn als vollkommen erleuchteten Buddha manifestiert. Aber vom großen Erbarmen getrieben steigt er, ohne ins Nirvâ ṇ a einzugehen, auf Grund eines Kunstgriffes (upâya) vom Himmel Tu ṣ ita wieder auf diese Erde herab, um die Lebewesen zu retten. Der Begriff des Bodhisattva ist vielfältig und umfassend. Im Theravâda- Buddhismus bezeichnet er die Vorstufe zum vollkommen erleuchteten Buddhatum und wird besonders auf Shâkyamuni während seiner Vorexistenzen und Grundlinien des Mahâyâna 35 seiner asketischen Übung vor Erlangung der großen Erleuchtung unter dem Pippala-Baum angewandt. Dagegen befindet sich der Bodhisattva, wie ihn die voll ausgeformte Mahâyâna-Lehre zeichnet, im Besitz der vollkommenen Erleuchtung (Prajñâpâramitâ, wörtlich «Weisheit, die hinübergegangen ist») 13 . Die Prajñâpâramitâ-Sutren entwickeln ausführlich die Lehre vom Bodhisattva, schon im grundlegenden Sutrentext, dem Prajñâpâramitâ-Sûtra in 8000 ś lokas (Zeilen von je 32 Silben), dessen älteste Stücke bis um 100 v. Chr. datieren 14 . Ohne die vollkommene Erleuchtung sind, wie dieses Sutra ausführt, alle Tugenden und Tüchtigkeiten wertlos. «. . . Mag auch ein Bodhisattva Weltalter zahllos wie die Sandkörner des Gangesflusses hindurch Gaben schenken, Moralvorschriften beobachten, Geduld üben, Tatkraft anwenden, in Meditation verharren, . . . wenn dieser nicht von der Vollkommenheit der Weisheit umfangen und von der Geschicklichkeit in den Kunstgriffen entblößt wäre, so fiele er auf die Stufe eines Hörers ( ś râvaka) oder eines Pratyekabuddhas . . . 15 » Die vollkommene Weisheit wird nicht ohne die völlige Leerheit des Geistes verwirklicht. Der Unerleuchtete hört das Wort von der Leerheit und drückt seine Vorstellung in Zeichen aus. «Der Weg des Bodhisattva ist die Leerheit oder der Wandel im Zeichenlosen» 16 . Die Vollkommenheit der Weisheit ist über alle Begriffe und Worte erhaben. Vor allem sind die Bodhisattvas, die «in einem Gedanken Beruhigung finden» (eka-citta-prasâdam), von allem Haften am Ich befreit. Ihr Geist ist weder vom Begriff des Dharma noch vom Nicht-Begriff befangen. Der Bodhisattva ergreift keinen Begriff, er haftet an nichts. Seine vollkommene Erkenntnis ist leer. Der Inbegriff der höchsten Weisheit ist dies: «Ein Bodhisattva Mahâsattva soll in der Vollkommenheit der Erkenntnis wohnen, indem er in der Leere wohnt 17 .» Doch während der Bodhisattva die Leere aller Dinge durchschaut, verwirklicht er sie nicht, weil er um der Rettung der Lebewesen willen auf das Eingehen ins Nirvâ ṇ a verzichtet. Er hält sich dicht an der «Grenzlinie der Wirklichkeit» (bhûta-koṭi), ohne je einen Schritt in die ewige Ruhe des Nirvâ ṇ a zu tun, noch auch an der unerleuchteten Unrast des Sa ṃ sâra zu haften. Um die Nichtigkeit aller Dinge und die Belanglosigkeit aller Anstrengung des Geistes wissend, ist er doch unermüdlich tätig, um den Lebewesen zu nützen. «Diese Logik des Widerspruchs mag man die Dialektik der Prajñâ heißen» (Suzuki). Es ist nicht von ungefähr, dass Suzuki den größeren Teil des dritten Bandes seiner Essays in Zen Buddhism dem Gedankenkreis von Prajñâ und Bodhisattva widmet 18 . Er weiß sich hier an den Quellen der zen-buddhistischen Erleuchtungslehre. Die Psychologie des Bodhisattva ist ihm eines der größten Geheimnisse im Leben des Geistes. Das Schwebende der Haltung veranschaulicht er durch Vergleiche und Paradoxe, die an die Zen-Literatur erinnern. Der Bodhisattva «hält in der Hand den Spaten, und doch geschieht das Furchen des Erdreichs mit leeren Händen. Er reitet auf Pferderücken, und doch ist da kein 36 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Reiter im Sattel, noch ein Pferd unter ihm. Er überquert die Brücke, aber nicht das Wasser fließt, sondern die Brücke 19 .» Die Verbindung von Erleuchtungswissen (prajñâ) und Erbarmen (karuṇâ) lässt den Bodhisattva beständig nach aller Erkenntnis streben, während er sich um das Heil aller Lebewesen bemüht. Wie er diese Haltung durchsteht, erklärt Suzuki im Paradox: «Es ist wie das Schießen eines Pfeiles nach dem anderen in die Luft durch einen Meister im Bogenschießen: Er vermag alle Pfeile in der Luft zu halten, weil jeder den unmittelbar voraufgehenden trägt. Er tut dies, solange er es wünscht 20 .» Bei dieser Beschreibung des Bodhisattvatums ist die Nähe der Prajñâ zur Zen-Erleuchtung unverkennbar. Das Ideal des Bodhisattva stammt vom indischen Geist, dem Vorstellungen, Verlangen, Wünsche und Gelübde ebenso sehr Wirklichkeiten sind wie die Menschen und ihre Taten. Die schöpferische Phantasie hat diese Gestalt zwischen Buddha und Mensch, weder Mann noch Frau, erzeugt. Der Bodhisattva verkörpert mit dem Erleuchtungswissen das große Erbarmen (mahâkaruṇâ). Die Anziehungskraft der Vorstellung auf das Volk erwies sich als ungeheuer. Die Bodhisattvas wurden im Mahâyâna-Buddhismus die hoch gepriesenen Erlösergottheiten für alle irrenden Menschen. Ihre Barmherzigkeit und Wunderkraft wurden bald höher geschätzt als ihre erleuchtete Weisheit, die doch die Wurzel all ihrer Heilstätigkeit ist. Der Bodhisattva-Begriff erfuhr während der Jahrhunderte eine Erweiterung. Außer den himmlischen Erleuchtungswesen wurden auch große geschichtliche Persönlichkeiten wie Nâgârjuna, Asa ṅ ga und andere als Bodhisattva bezeichnet und verehrt. Schließlich nannte man jeden erleuchteten, heiligen Mann, ob Mönch oder Laie, wegen seiner hohen Erkenntnis und Güte einen Bodhisattva. Doch ist der Unterschied zwischen diesen drei genannten Arten von Bodhisattvas dem religiösen Bewusstsein gegenwärtig geblieben. Die himmlischen Erlösungswesen und die geschichtlichen Persönlichkeiten stehen in der kultischen Verehrung nicht auf der gleichen Stufe. Das Bodhisattva-ldeal hat sehr nachhaltig auf den ganzen Buddhismus eingewirkt und besonders im Zen reiche Früchte gezeitigt. Bis heute spielen die Bodhisattva-Gelübde eine wichtige Rolle im Leben des Zen-Jüngers. Sie werden am Anfang des Weges mit glühendem Herzen erweckt und während langer Jahre der Übung beständig wiederholt: Wie zahllose Lebewesen sind: ich gelobe, alle zu retten. Wie unerschöpflich die Leidenschaften sind: ich gelobe, alle auszulöschen. Wie unermesslich die Dharma sind: ich gelobe, alle zu meistern. Wie unvergleichlich die Buddha-Wahrheit ist: ich gelobe, sie zu erlangen. Im letzten der vier Gelübde ist die Bindung an die höchste Erleuchtung ausgesprochen. Durch seine Erkenntnis, die Allwissen ist, weilt der Bodhisattva Grundlinien des Mahâyâna 37 im absoluten Bereich. Die Zen-Jünger verpflichten sich zur Bodhisattva-Laufbahn, deren Ziel die vollkommene Erleuchtung ist. Während sie diesem Ziel zustreben, schauen sie auf zu den Bodhisattvas. Nicht wenige Bodhisattvas sind im Mahâyâna-Schrifttum genannt, ihre Schicksale sind anschaulich geschildert. Die übersinnliche Welt ist voll von Bodhisattvas und himmlischen Wesen. Dem Zen-Jünger ist zumal der Bodhisattva Mañju ś rî (jap. Monju) vertraut, dessen Statue in jeder Zen-Halle steht. Im japanischen Zen-Buddhismus nehmen zudem die Bodhisattvas Avalokite ś vara (jap. Kannon), K ṣ itigarbha (jap. Jizô) und der noch im Bodhisattva-Zustand verweilende Buddha der Zukunft Maitreya (jap. Miroku) einen bedeutenden Platz ein. Sie empfangen kultische Verehrung, aber wichtiger ist, dass diese konkreten Gestalten das Bodhisattva-ldeal verkörpern. Buddhologie Der Bodhisattva ist die neue, keimkräftige Wurzelidee, die die Bewegung im Mahâyâna vorantreibt. Die Wandlung der Auffassung von Buddha und Buddhatum ist eine weitere grundlegende Neuerung. Die frühe Ausschmückung und Erhöhung der Buddha-Gestalt verdankt ihre Entstehung dem natürlichen Verehrungsbedürfnis der Jünger und Gläubigen; sie wird für die Lehre bedeutsam, sobald sie zur spekulativen Ausgestaltung des absoluten Bereichs Anlass gibt. Die frühesten Ansätze zur mahayanistischen Buddhologie finden sich bei den Mahâsâ ṃ ghikas, einer fortschrittlichen Schule, die sich wahrscheinlich schon beim zweiten buddhistischen Konzil von der konservativen Hauptlinie trennte 21 . Ihre Buddhologie wurzelt in Werken der Sarvâstivâdin 22 . Die Lokottâravâdin, eine Abzweigung von den Mahâsâ ṃ ghikas, bringen den Doketismus dieser Richtung klar zum Ausdruck 23 . Der Buddha ist, wie diese Schule meint, kein gewöhnlicher Mensch, sondern ein überweltliches (lokottara) Wesen, den Gesetzen dieser Welt nicht unterworfen. Ausgehend von der Überweltlichkeit des Buddha entwickelte sich eine metaphysische Buddhologie, in der Buddhas irdische Herkunft, wenn nicht vergessen, so doch zu einer belanglosen Phase in der unendlichen Geschichte des Buddhatums herabgemindert ist. Ursprünglich aus der Schar der irrenden, erlösungsbedürftigen Lebewesen hervorgegangen, hat er so endgültig die Grenzlinie überschritten, dass er zur absoluten Wirklichkeit gehört. Er steht nicht mehr auf der menschlichen Seite. Seinem Wesen nach ist er das Absolute. Dieses ist die gewaltige neue Entdeckung des Mahâyâna, religiös vorbereitet durch die wachsende Neigung zu kultischer Verehrung, philosophisch befördert durch den Einstrom aus der indischen Philosophie. In der mahayanistischen Sicht ist der Buddha allumfassend. Sein Wesen liegt 38 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien jenseits aller begrifflichen Aussagen und ist unaussprechlich geheimnisvoll. Die Gleichsetzung des Endzustands des Nirvâ ṇ a mit dem Buddha ergibt sich folgerichtig aus der mahayanistischen Buddhologie. Aber auch die Welt des Werdens ist vom Geheimnis des Buddha umfasst. Das Erleuchtungsauge schaut die Allwirklichkeit des Buddha, die Einheit von Sa ṃ sâra und Nirvâ ṇ a. Der vollendete Ausdruck der neuen Buddhologie ist die Lehre von den drei Buddha-Leibern, die zu den Zentraldogmen des Mahâyâna zählt 24 . Diese systematische Zusammenfassung der verschiedenen, einander widersprechenden Aspekte einer vielfältigen Buddha-Schau fand erst ziemlich spät die letzte Form in der philosophischen Schule der Yogâcâra. Gewöhnlich werden als die drei Buddha-Leiber genannt: der Leib der Erscheinung (nirmâṇakâya) - spätere Sekten unterscheiden hier zwischen den vollkommenen Erscheinungen des Vollendeten (wie z. B. der des Shâkyamuni) und Teilmanifestationen (wie dem Erscheinen der großen buddhistischen Geisteslehrer); der Leib der Glückseligkeit (saṃbhogakâya): die idealisierte, vollendete Buddhagestalt, die zur Personifizierung anreizt (besonders berühmt und verehrt ist so der Buddha Amitâbha; jap. Amida); und der kosmische Leib (dharmakâya), der nichts anderes ist als die absolute Allwirklichkeit des Buddha. Offenbar finden in dieser Buddha-Schau sehr unterschiedliche Vorstellungen Befriedigung. Die unbegrenzten Erscheinungsmöglichkeiten des Vollendeten, wie sie die Phantasie ersinnt, geben den Stoff für ein Pantheon zahlreicher Buddhas, das doch in der einen Buddha-Natur des dharmakâya seine Einheit besitzt. Das kultische Verehrungsbedürfnis konnte den glückseligen Buddha-Leib in einen unaussprechlichen Glanz von Licht und Schönheit kleiden, mit grenzenloser Weisheit, Macht und Erbarmen ausrüsten und sein Reines Land als die Heimat aller menschlichen Sehnsüchte malen. Die Metaphysik dieser Buddhologie ist kosmotheistisch, die entsprechende Anthropologie mystisch ausgerichtet. Des Menschen tiefstes Anliegen muss das Erlangen der Erleuchtungsschau sein, weil nur der Erleuchtete die vollkommene Buddha-Wirklichkeit erfassen kann. Die Erleuchtung bedeutet für den Menschen zugleich die Verwirklichung seines eigenen tiefsten Wesens, nämlich der in allen Lebewesen angelegten Buddha-Natur. Das Mahâyâna lehrt eine Einheitsschau, die das fundamentale Verlangen des Menschengeistes nach Einheit in hohem Maße zu erfüllen verspricht 25 . Unter den Übungen ragt die Meditation hervor, die allein zur Verwirklichung der Einheitsschau verhilft. Der zur personalen Verehrung hindrängende Kult, der in der Volksfrömmigkeit einen so breiten Raum einnimmt, ist vom Wesen her gesehen zweitrangig. In allen mahayanistischen Schulen kommt das meditative Element mehr oder minder zur Geltung, auch im Amidismus, wo das endlos wiederholte Anrufen des Buddha-Namens eine meditative seelische Verfassung bewirkt 26 . Das esoterische Element tritt im Tantrismus besonders stark hervor, während das Zen die geistige Meditation im Buddhismus zur höchsten Grundlinien des Mahâyâna 39 Entfaltung bringt. Tantrismus und Zen bezwecken auf verschiedene Weise das gleiche, nämlich den Durchbruch zu einer höheren, verborgenen Wahrheit, deren Erkenntnis den Erleuchteten in den absoluten Bereich versetzt, wo alles eins und das Eine der Buddha ist. Zur Geschichte des Mahâyâna-Buddhismus Während eine beträchtliche Anzahl abgeschlossener Werke über Shâkyamuni, den Frühbuddhismus und den Theravâda vorliegen, besitzen wir keine umfassende Gesamtdarstellung des Mahâyâna-Buddhismus. Dafür lassen sich verschiedene Gründe nennen. Einmal schritt, vom vorrangigen Interesse für den Pâli-Kanon überschattet, die Erforschung des Mahâyâna nur langsam voran; zudem erwies sich der Gegenstand als äußerst komplex und schwierig. Das Mahâyâna umschließt weite, verschiedenartige Gebiete von geschichtlich sowie geographisch kaum übersehbarer Ausdehnung, so dass sich das Gesamtfeld nicht leicht adäquat darstellen lässt. In der Tat näherte sich die Forschung dem Mahâyâna auf verschiedenen Wegen. Viele Aspekte wurden angeleuchtet. Das inzwischen angesammelte Material könnte, gesichtet und geordnet, durchaus für ein wenigstens vorläufiges Gesamtwerk genügen. Solange indes dieses nicht vorliegt, empfiehlt sich ein kurzer Hinblick auf die Einzelergebnisse, um den Ort der Zen-Schule innerhalb des Mahâyâna richtiger zu bewerten. Ein Zugang führt von den frühbuddhistischen Schulen her, deren philosophische Elemente das Mahâyâna ankündigen. Wir haben diesen Weg schon in seinen Anfängen berührt. Am Ende stehen die zwei großen mahayanistischen philosophischen Systeme, die auf das gesamte Mahâyâna einen ungeheuren Einfluss ausgeübt haben: die Schule vom «Mittleren Weg» (mâdhyamika) und die «Bewusstseinslehre» (vijñânavâda), auch «Wandel im Yoga» (yogâcâra) genannt. Beide philosophische Schulen sind aufs engste mit dem Mahâyâna-Schrifttum und den später institutionalisierten Sekten verknüpft. In ihrer vollkommenen Form präsentieren sie sich erst ziemlich spät, nachdem die Mahâyâna-Bewegung schon einige Jahrhunderte lang vielerorts gewirkt hatte. Die Schule vom Mittleren Weg muss als grundlegend für das gesamte Mahâyâna angesehen werden. In ihr ist das weit fortgeschrittene, typisch mahayanistische Denken ins System gefasst. Die Impulse dieses Denkens wirken bis heute maßgebend fort. Als Schöpfer des Systems darf der Südinder Nâgârjuna angesprochen werden, der größte Denker des Mahâyâna-Buddhismus, der in die zweite Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts datiert wird. In dieser summarischen Vorstellung der mahayanistischen Philosophie (die Zen-Meister werden uns noch oft mit Nâgârjuna und seinem Denken zusammenführen) seien 40 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien nur wenige Kernpunkte benannt. Die Schule zeigt, wie ihr Name besagt, den mittleren Weg zwischen Sein und Nicht-Sein, zwischen Realismus und Nihilismus. Nachdem alle in dieser Werdewelt existierenden Dinge der «Leere» (śûnyatâ) überführt sind, bleibt nach der Verneinung der Substanzen, Eigenschaften und Wesensmerkmale, der Prädikamente, Definitionen und rationalen Schlüsse die unaussprechliche, letzthinnige Wirklichkeit, die nur durch das Auge der Weisheit (prajñâ) geschaut werden kann. Nâgârjunas Denken ist durch und durch dialektisch. Das Zen ist von seinem Geist geprägt. Die Lehre der Vijñânavâda- oder Yogâcâra-Schule, von Asa ṅ ga und Vasubandhu (4. - 5. Jh. n. Chr.) schriftlich fixiert 27 , kann als Bewusstseinsidealismus bezeichnet werden. In dieser Werdewelt existiert kein Ding (dharma) außerhalb des Bewusstseins. Die psychologische Analyse führt über sieben Bewusstseinsarten zum achten Bewusstsein, einer höheren Stufe, die den Zen-Meistern zur Erklärung des Erleuchtungsvorganges dient. In der Bewusstseinsschatzkammer (âlaya-vijñâna) sind alle Dinge und alle Eindrücke aufgespeichert, sie verbürgt die Einheit der Bewusstseinsprozesse. Diese Schule bedient sich in der religiösen Praxis yogischer Elemente; deshalb der Name «Wandel im Yoga». Ihre Hinneigung zum erkenntnistheoretischen Idealismus hat weithin das Mahâyâna und insbesondere die Zen-Schule beeinflusst. Die Mitte des Mahâyâna bilden die großen Mahâyâna-Sutren; in ihnen kristallisiert sich die neue religiöse Inspiration. Die Sutren, ein Massiv von gewaltigem Umfang, gehen im Inhalt weit auseinander, sind aber samt und sonders vom Geist des Mahayanismus berührt. Das breit gestreute Schrifttum dient vielen religiösen Gemeinschaften. Einzelne Sutren oder Gruppen von Sutren heben bestimmte Motive hervor. Dabei gibt es viele Berührungspunkte und Überschneidungen. Das gleiche Sutra kann zum Anstoß verschiedener religiöser Bewegungen werden. Vielfach schließen sich an die Sutren erklärende Kommentare (śâstra) an. Alle Sutren und Ś astren des Mahâyâna-Buddhismus sind in Sanskrit verfasst, also im indischen Buddhismus entstanden. Ins Chinesische und Tibetische übersetzt, entfalteten sie in Ostasien eine größere Wirksamkeit als im indischen Mutterland. Nicht wenige der Texte sind nur mehr in den Übersetzungen erhalten. Bei manchen Texten ist der indische Ursprung unsicher; vielleicht handelt es sich in einigen Fällen um chinesische Originale, denen zur Erhöhung ihrer Autorität die Entstehung in Indien angedichtet wurde. Das imponierende Gesamtwerk der Mahâyâna-Literatur genießt hohes Ansehen. Die Spannweite der Mahâyâna-Sutren und ihrer Kommentare reicht von den Sutren und Tantras des esoterischen Buddhismus Indiens und der Himalayaländer bis zu den Sutren Amitâbhas vom Reinen Land. Für das ganze Mahâyâna sind die schon erwähnten Prajñâpâramitâ-Sutren grundlegend, da sie nicht nur der Schule vom Mittleren Weg die im Buddha verankerte Autorität verleihen, Grundlinien des Mahâyâna 41 sondern viele mahayanistische Schulen entscheidend beeinflusst haben. Die Vijñânavâda- oder Yogâcâra-Schule besitzt ebenfalls ihre besonderen Schriften, wichtig vor allem die Traktate der Brüder Asa ṅ ga und Vasubandhu 28 . Bedeutende Mahâyâna-Sutren sind in den Gruppen der Avata ṃ saka («Blumengirlande») und Ratnakûta (Kostbarkeit) gesammelt. Das Mahâparinirvâṇa-Sûtra hat eine Entsprechung im Pâli-Kanon. Der Eingang Shâkyamunis ins Nirvâ ṇ a ist für seine Lebensgeschichte bedeutsam, ebenso wichtig ist im Mahâyâna die implizierte Metaphysik. Das Suvarṇaprabhâsa- («Goldglanz»-)Sûtra erfreut sich großer Beliebtheit beim Volk und im Kult. Noch viele Mahâyâna-Sutren wären anzuführen. Das «heilige Buch» par excellence ist im Buddhismus Ostasiens das Saddharmapuṇḍarîka-Sûtra («Lotos vom guten Gesetz»), von einigen Sekten mit Eklat an die erste Stelle gerückt, von allen Buddhisten hoch verehrt. Manche japanische buddhistische Gelehrte haben ihr Lebenswerk vorzüglich dem Studium eines Sutras gewidmet. Ihr Beitrag zur Erforschung des Mahâyâna muss ebenso wie die mühevolle Übersetzungsarbeit westlicher Gelehrter hoch eingeschätzt werden. Von den Sutren her lässt sich das gesamte Mahâyâna in allen seinen Zweigen erschließen, ein Riesenwerk, das nur in der Gemeinschaftsarbeit von Generationen geleistet werden kann. Wir bemerkten schon die besonderen Beziehungen, die zwischen einzelnen Schulen und Sutren obwalten. Wegen der überragenden Bedeutung der Sutren für die mahayanistische Religionsübung verdienen diese Beziehungen Beachtung. Deshalb scheint es gerechtfertigt, dem Bezug des Zen zu einzelnen Mahâyâna-Sutren ein eigenes Kapitel zu widmen. Doch bedenken wir zuvor noch einen anderen leicht beschreitbaren Zugang zum Mahâyâna. Die geschichtliche Untersuchung des Mahâyâna wird bei der Bemühung um eine geordnete Gesamtdarstellung - last not least - auch die Organisierungsprozesse der großen buddhistischen Zweigform in den Blick nehmen. Allerdings lassen sich erst spät Anfänge von Organisation entdecken. Im indischen Buddhismus entwickelten sich die mahayanistischen Tendenzen allmählich zu einer immer stärker anwachsenden Bewegung, jedoch, wie es scheint, ohne Versuch, institutionellen Zusammenhang zu gewinnen. Mit dem Aufblühen des Mahayanismus in China entstand die farbenreiche Palette buddhistischer Mahâyâna-Schulen, die alle nach Japan überpflanzt wurden, wo sie durch den Nichirenismus noch eine Bereicherung erfuhren. Die organisatorische Form, im Anfang äußerst lose, wandelte sich im Lauf der Jahrhunderte. Schon in China führen die Schulen ein getrenntes Dasein, sie kennen einander und pflegen Kontakte, wie gelegentliche Diskussionen über Lehrfragen zeigen. Eine klare organisatorische Form geben sich die Schulen mit ihren Verzweigungen in Japan, allerdings nur langsam. Erst in der Edo-Zeit (1600 - 1868) erreicht die Organisation ihre endgültige Form. Die sechs Sekten der Nara-Zeit (710 - 794), nämlich Kusha, Jôjitsu, Sanron, Hossô, Kegon und Ritsu bestehen 42 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien irgendwie weiter 29 , die einmal übermächtigen zwei Berge der Heian-Zeit (794 - 1175) Hiei und Kôya mit den Schulen von Tendai und Shingon bewahren ihr Ansehen, während die starken Impulse des typisch japanischen Buddhismus der Kamakura-Periode (1185 - 1333), ausgehend von den Amida-Schulen, dem Zen und dem Nichirenismus, das religiöse Leben entscheidend neu formen. Diese mit Ausnahme des Nichirenismus in China entstandenen und in Japan voll ausgeformten Schulen tragen in sich das gesamte Mahâyâna mit all seinen Inhalten und Formen der Religionsübung. Eine Darstellung der Geschichte des Mahâyâna kann von ihnen ausgehen, muss dann allerdings die in diesen Schulen aufgespeicherten Elemente durch alle Entwicklungsphasen hindurch bis zu ihren Wurzeln verfolgen. Die Zen-Schule existiert mitten unter den zahlreichen Mahâyâna-Schulen, sie versteht sich selbst als eine dieser Schulen, mit denen sie beständigen, teilweise intimen Kontakt pflegt. Die herausragende Bedeutung des Zen-Buddhismus in Japan darf nicht dazu führen, den Ort der Zen-Schule innerhalb der weit ausladenden Mahâyâna-Geschichte zu verwischen. Grundlinien des Mahâyâna 43 IV Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus Der geistige Ort des Zen-Buddhismus Die Nachzeichnung der Grundlinien des Mahâyâna, die wir im vorigen Kapitel versuchten, kann zur richtigen Ortung des Zen-Buddhismus, der Meditationsschule im Mahâyâna-Buddhismus, beitragen. Suzuki, der im Übrigen kräftig für die Eigenständigkeit des Zen plädiert, kann nicht umhin, das Zen, «dessen Hauptgedanken sich vom Buddhismus herleiten», als «legitimen Abkömmling des Buddhismus» zu betrachten 1 . Auf dem buddhistischen Mutterboden gewachsen, in einer eigenen Schule mit vielen Verzweigungen organisiert und gepflegt, gehört es, so wie es sich in den Ländern Ostasiens darbietet, zum Mahâyâna-Buddhismus. Doch lässt sich der geistige Ort des Zen-Buddhismus noch klarer verdeutlichen, wenn wir einige der großen Mahâyâna-Sutren, die dem Zen besonders nahe stehen, in den Blick nehmen. In diesen Sutren spricht sich die neue religiöse Inspiration des Mahâyâna aus, zugleich bieten sie der denkerischen Reflexion wichtige Anregung. Die wissenschaftlichen Frühwerke Suzukis enthalten viel aufschlussreiches Material über die Beziehung des Zen- Buddhismus zu Mahâyâna-Sutren 2 . Die westliche Zen-Literatur schenkte dieser Beziehung im Anfang wenig Beachtung. Die Faszination durch die urwüchsigen chinesischen Meister, von denen die Chroniken und Kôan-Sammlungen berichten, lenkte lange Zeit die Aufmerksamkeit von den indischen Sutren ab. Die zwei entscheidenden Formkräfte des Zen-Buddhismus sind die Mahâyâna-Sutren als religiös-metaphysische Wurzeln und der eigentümliche Antrieb aus dem chinesischen Geist. Bei der Bestimmung des geistigen Ortes des Zen- Buddhismus muss beiden Komponenten Rechnung getragen werden. Der Gärungsprozess, der das Zen aufsprudeln lässt, entsteht im Zusammentreffen des Mahâyâna-Buddhismus mit dem chinesischen Ferment. Wir versuchen in diesem Kapitel die Bedeutung einiger Mahâyâna-Sutren für den Zen-Buddhismus aufzuweisen. Die Sutren der Vollkommenen Weisheit - Prajñâpâramitâ Wir sind den Sutren der Vollkommenen Weisheit (Prajñâpâramitâ) schon im vorigen Kapitel begegnet, als wir von den Grundlinien des Mahâyâna handelten. Das Bodhisattva-Ideal, eines der wesentlichen Formelemente des Mahâyâna, gehört zu den Zentralthemen dieser Sutren; die Philosophie vom «Mittleren Weg» (mâdhyamika) gründet in ihnen. Ihr Einflussbereich umfasst ungefähr den gesamten Mahâyâna-Buddhismus, die Zen-Schule ist zutiefst von ihnen geprägt. Die Sutren dieser Gruppe handeln, wie der Name besagt, von der Vollkommenen Weisheit, ja sie sind im Grunde ein einziger Lobpreis der Prajñâ, der Mutter aller Buddhas und Bodhisattvas, von der alle Verdienste herrühren und die die endgültige Befreiung verbürgt. Im Grundtext, dem Sutra in 8000 Linien, wird sie als «allen Lobes würdig», «ausgezeichnet in allen Werken», «unbefleckt und unbefleckbar», «Licht spendend» und «Schutz gewährend», «alle Furcht und Traurigkeit vertreibend», als unzerstörbar und als das Heilmittel gegen Geburt und Tod gepriesen 3 . In den Sutren tritt die Bedeutung der Weisheit für den religiösen Heilsweg deutlich hervor. Sie ist es, die das Rad der Lehre in Bewegung setzt. Die neue Weisheitsschullehre gilt deshalb im Mahâyâna als «zweite Umdrehung des Dharma-Rades» - an Wichtigkeit nur mit der ersten Lehrverkündigung Shâkyamunis vergleichbar. Aber sie setzt Shâkyamunis Botschaft auch insofern fort, als ihr höchster, gültiger Ausdruck im Schweigen besteht. Die all-erkennende, all-durchdringende Weisheit ist tief, unfassbar, unaussprechlich; sie übersteigt alle Begriffe und Worte. Insbesondere durchschaut sie die «Leere» (sanskr. śûnyatâ, adj. śûnya, jap. kû) aller Dinge (dharma). Was immer existiert, ist «leer». Der weite Verständnishorizont dieses Kennwortes, das in den Sutren beständig wiederkehrt, empfiehlt, der Definierung eine Einfühlung vorausgehen zu lassen. Im Herzsutra, dem kürzesten der Texte, ist die Leere auf die fünf Gruppen von Seinselementen (skandha) und die darin befindlichen Dinge bezogen. Das Sutra wird alltäglich im Zen-Tempel rezitiert, aber auch in anderen Mahâyâna- Tempeln. Die Rezitation wird oft mehrmals wiederholt, dreimal, siebenmal, ja noch öfters. Unaufhörlich klingt durch die halbdunkle Tempelhalle sonor und langgezogen: kû-kû-kû: «leer», «leer», «leer». Ähnlich wie dem Hînayâna-Mönch durch die Betrachtung hässlicher Meditationsobjekte (kamaṭṭhâna), wird durch das Wort «leer» der japanischen Frau aus dem Volk die Vergänglichkeit und Nichtigkeit dieser Werdewelt zum Erlebnis gebracht - eine Vorbedingung zum Fortschreiten auf dem religiösen Heilsweg 4 . Der Begriff der Leere ist in den Sutren von der Vollkommenen Weisheit nicht völlig neu. Im Abhidharma steht śûnya für duḥkha («Leiden» im umfassendsten Sinn) 5 , das Erfassen der «Leere» ist eines der «Tore zur Befreiung» 6 . In den Weisheitssutren liegt der Nachdruck auf der Aufweisung der Leere von «Eigennatur» (svabhâva). Ledig jeder Eigennatur, ohne Eigenschaften und Form, sind die Dinge «so wie sie sind», nämlich «leer». Also ist die Leere gleich der Soheit (tathatâ), und, weil leer, sind alle Dinge gleich. Was mit Worten genannt wird, ist leer und gleich. Die Gleichheit (samatâ) umfasst alle materiellen und psychischen Dinge, aber auch die Werdewelt insgesamt in der Gegenüber- Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 45 stellung zum undefinierbaren Nirvâ ṇ a. Durch die Leere sind Nirvâ ṇ a und Sa ṃ sâra als gleich erwiesen. Die Identität von Leere, Soheit und Gleichheit umfasst den Dharma-Bereich (dharma-dhâtu). Wie der Dharma-Bereich ist die Vollkommene Weisheit unerschöpflich und unzerstörbar 7 . Die Weisheitslehre erreicht hier ihren Höhepunkt 8 . Die Vollkommene Weisheit erschließt, für den Zen-Buddhismus besonders wichtig, das Wesen der Erleuchtung. Erleuchtung ist ein anderes Synonym für Leere und Soheit 9 ; sie ist weder Existenz noch Nicht-Existenz, auch kann sie weder beschrieben noch erklärt werden. «Der Pfad ist Erleuchtung, Erleuchtung ist der Pfad 10 .» Die Aussagen über die Vollkommene Weisheit in den frühen Grundtexten der Prajñâpâramitâ-Literatur sind zur Transzendenz hin geöffnet. Doch bleibt die Prajñâ, auch in der Identifikation mit Leere, Soheit, Gleichheit, Dharma-Bereich und Erleuchtung, in einem Schwebezustand. Sie rührt an den absoluten Bereich, ist jedoch kein absolutes Seiendes. «Die Vollkommene Weisheit», so fasst Lamotte einmal treffend zusammen, «ist kein Seiendes der metaphysischen Ordnung, kein subsistierendes Absolutes, an das man sich anhaften könnte, sondern vielmehr eine Geisteslage . . . Die Kategorien von Existenz und Nicht- Existenz transzendierend, jeglicher Eigenschaft bar, kann die Vollkommene Weisheit weder bejaht noch verneint werden: Sie ist das Ausgezeichnete ohne Mangel . . . 11 » Die Botschaft der Weisheitssutren ist vorrangig religiös. Aber die Prajñâpâramitâ-Bewegung, als Gegenströmung gegen frühbuddhistische philosophische Schulen entstanden 12 , musste das philosophische Moment zur Geltung bringen. Überdies war die Atmosphäre der buddhistischen Klöster jener Zeit geradezu mit Philosophie geschwängert. Die philosophische Schule vom «Mittleren Weg» entwickelte sich auf der Grundlage der Prajñâpâramitâ-Sutren und unterscheidet sich ihrem wesentlichen Inhalt nach kaum von diesen. Deshalb sollten die philosophischen Traktate auf dem Hintergrund der Sutren gelesen werden, sie können zu einem schärferen Erfassen der heiligen Schriften verhelfen. Auf jeden Fall ist das Religiöse das Gründende, es kann nur durch Meditation angeeignet werden. Doch befeuert die philosophische Reflexion den religiösen Eifer bis in die Meditation hinein, in der Dialektik und Paradox eine Rolle spielen. Das Werk Nâgârjunas, des Gründers und größten Denkers der Schule vom Mittleren Weg, ist trotz eindringender Forschung noch nicht voll erschlossen. Es bleiben textkritisch ungelöste Probleme bezüglich der Urheberschaft 13 , sichere Texte des Philosophen, vorab die Mûlamadhyamakakârikâ, enthalten rätselhafte Verse und leisten der Hermeneutik Widerstand 14 . Wenn wir von der Übereinstimmung zwischen der Lehre der Weisheitssutren und den Traktaten der Mâdhyamikas ausgehen, stellt sich die Methode der didaktischen Verneinung als 46 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien die eigentümliche philosophische Leistung dar. Nâgârjuna widerlegt durch gegensätzliche Gegenüberstellung alle denkbaren Aussagen, die auf diese vier zurückgeführt werden können: Alle Dinge (dharma) existieren: Bejahung des Seins, Verneinung des Nicht-Seins; Alle Dinge (dharma) existieren nicht: Bejahung des Nicht-Seins, Verneinung des Seins; Alle Dinge (dharma) existieren zugleich und existieren zugleich nicht: Bejahung sowohl als auch Verneinung; Alle Dinge (dharma) existieren nicht und existieren zugleich nicht: Weder Bejahung noch Verneinung. Mit Hilfe der vier Alternativen (catuṣkoṭika: Bejahung, Verneinung, doppelte Bejahung, doppelte Verneinung) widerlegt Nâgârjuna alle festen Standpunkte und beschreitet den mittleren Weg zwischen Sein und Nicht-Sein 15 . Wahrscheinlich gehen auf ihn auch die im Chinesischen zu je zwei gekoppelten acht Verneinungen zurück: Weder Zerstörung noch Erzeugung, weder Annihilation noch Beständigkeit, weder Einheit noch Verschiedenheit, weder Kommen noch Weggehen 16 . Nâgârjunas Methode der «reductio ad absurdum» (prasaṅga) kommt einem universalen Skeptizismus oder Nihilismus nahe 17 . In der Tat ist seine Philosophie so aufgefasst worden 18 . Doch warnen moderne Interpreten durchwegs vor der nihilistischen Auslegung. Wir besitzen keine ganz befriedigende Darstellung der Philosophie Nâgârjunas. Wie Buddha hat er keine Antwort auf letzte metaphysische Fragen gegeben. Die positiven Ausdrücke, die in seinem philosophischen Vokabularium vorkommen, hat er stets nur negativ erklärt. «Soheit» und «Gleichheit» sind identisch mit der «Leere», und die «Wahrheit im höchsten Sinn» (paramârtha-satya), der Gegensatz zur vorläufigen Wahrheit der Erscheinungswelt (saṃvṛti-satya), ist «unaussprechlich, undenkbar . . .» 19 Er hat mit nie wieder erreichter Folgerichtigkeit sein Schweigen über das Wesen der Wirklichkeit durchgehalten. «Dieses wahre Wesen . . . ist nicht ausdrückbar, da das eigentliche Wesen der Dinge nicht anders wie das Nirvâ ṇ a außerhalb des Bereichs der menschlichen Erkenntnis liegt und sich daher auch nicht in Worte fassen lässt 20 .» Vielleicht ist Nâgârjunas Philosophie im Licht der negativen Theologie aufzufassen. Gerade die Einbettung seiner Philosophie in die Lehren der Sutren von der Vollkommenen Weisheit legt diese Auffassung nahe. Wir können bei ihm ähnlich wie bei Plotin eine letzte intuitive Erfahrung vermuten, über die er sich jedoch ungleich dem Neuplatoniker ausgeschwiegen hat 21 . Für unsere Vermutung spricht die Tatsache, dass Nâgârjuna im ganzen Mahâyâna als eine große religiöse Gestalt, ja vielerorts als Bodhisattva, verehrt wird. Nicht nur die Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 47 Zen-Schule, auch der tantrische Zweig des Buddhismus und die Glaubensgemeinschaften des Buddha Amitâbha (jap. Amida) zählen ihn unter ihre Patriarchen. In der Zen-Tradition kommt auch sein dialektisches Erbe zur Geltung, doch beeindruckt vor allem seine religiöse Lebendigkeit. Unter den späten Prajñâpâramitâ-Sutren sind für die Zen-Bewegung das Diamantsutra und das Herzsutra vor allem wichtig. Das Herzsutra nimmt, wie schon gesagt, einen hervorragenden Platz im Kult ein. Die magische Zauberformel, mit der das Sutra schließt, wird von Suzuki als Kôan verstanden 22 . Er erblickt in dem kurzen Sutrentext (in der kürzesten Form 18 Zeilen) eine Hinführung zur Erlangung der Erleuchtung nach Art eines Kôan. Das Diamantsutra verdankt seine Beliebtheit im Zen vornehmlich der in ihm vorherrschenden paradoxen Redeweise. In zahllosen Wiederholungen schärft dieses Sutra mit unvergleichlichem Nachdruck das Paradox des «Nichts» ein: Der Vollendete ist nicht durch die Vollkommenheit der Merkmale zu erblicken. Denn die Vollkommenheit der Merkmale, die durch den Vollendeten verkündet ist, ist die Vollkommenheit der Nicht-Merkmale . . . Was von dem Vollendeten als Verdienstvorrat verkündet wurde, ist vom Vollendeten als Nicht-Verdienstvorrat verkündet worden . . . Buddha-Eigenschaften sind vom Vollendeten als Nicht-Buddha-Eigenschaften verkündet worden . . . Die Vollkommenheit der Erkenntnis nämlich, die vom Erhabenen verkündet wurde, ist durch den Erhabenen als Nicht-Vollkommenheit verkündet worden . . . Denn als höchste Vollkommenheit ist durch den Tathâgata diese Nichtvollkommenheit verkündet worden . . . 23 Die Negationen des Diamantsutras stehen wie die des Zen im Dienst der intuitiven Erkenntnis. Wilhelm Gundert verdeutlicht dies, vom Zen ausgehend, wenn er schreibt: «Diese Art der Negation, die im Gegenteil höchste Bejahung bedeutet, . . . gehört schon zum Stil der Sutren von der Vollkommenheit der Erkenntnis, Prajñâpâramitâ, besonders auch zu dem des ‹ diamantdurchschneidenden › Sutras, Vajracchedikâ 24 .» Die Weisheitssutren führen - das ist ihr Stil und Sinn - zu der religiösen Erfahrung hin, in der sowohl die Leerheit aller Dinge durchschaut als auch die Soheit erfasst wird, beides zugleich und in einem, wie das Weichen der Finsternis und das erleuchtende Licht. Wie die Leerheit unaussprechbar und unermesslich, ohne Wachsen und Abnehmen ist, so nimmt die Soheit, «diese unübertreffliche, vollkommene Erleuchtung», nicht zu oder ab 25 . Leere, Soheit und Vollkommene Weisheit stehen in einer Linie, sind über den Wandel der Veränderung hinausgehoben und reichen in den transzendenten Bereich. Die Zen-Schule betrachtet sich - nicht mit Unrecht - als legitimen Erben der tiefgründigen Lehren von der Vollkommenen Weisheit. Hui-neng, der sechste chinesische Zen-Patriarch, wurde durch einen Vers des Diamantsutras zur 48 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien großen Erleuchtung erweckt. Er las: «Lass deinen Geist sich erheben, ohne dass er haftet! 26 » Das Diamantsutra blieb die bevorzugte Schrift des Patriarchen. Ein Kôan der Mumonkan-Sammlung erzählt, wie Te-shan Hsüan-chien, ein «Sucher des Tao», mit dem dickleibigen Kommentar zum Diamantsutra nach Südchina reiste. Unterwegs bat er eine alte Frau um eine Erfrischung. Die Frau brachte ihn auf den rechten Weg, als sie ihn fragte: «Im Sutra steht geschrieben: ‹ Vergangener Geist ist unfasslich, gegenwärtiger Geist ist unfasslich, zukünftiger Geist ist unfasslich. › Trefflicher, welchen Geist willst du erfrischen? Auf diese Frage hin war Te-shan sprachlos.» Noch in der gleichen Nacht erlangte er bei Meister Lung-t ’ an die Große Erfahrung. Und am folgenden Morgen verbrannte er den Kommentar. Was brauchte er noch eine Schrift? «Mag einer auch alle dunklen Lehren ergründen, es ist wie ein Härlein in den weiten Raum gestreut. Mag einer auch den Angelpunkt der Welt begreifen, es ist wie ein Wassertröpflein ins Meer gegossen 27 .» Die lebendige Erleuchtungserfahrung übertrifft alle Sutrenweisheit. Im geistigen Klima des Zen konnten sich Negation und Paradox virtuos entfalten. Die Erleuchtung erfasst die Dinge «so wie sie sind», nämlich in ihrer Soheit. Die Zen-Meister leisteten Hervorragendes in der «Handhabung der Prajñâ» (D. T. Suzuki) 28 . Die runde Lehre der Totalität - Avata ṃ saka (Hua-yen) Den Avata ṃ saka-Sutren und der auf diesen beruhenden chinesischen Hua-yen- (jap. Kegon-)Schule verdankt das Zen seine besondere Färbung. Die Gruppe dieser Mahâyâna-Sutren, wahrscheinlich während der ersten nachchristlichen Jahrhunderte in Südindien entstanden, ist uns vornehmlich durch die chinesischen Übersetzungen der Avata ṃ saka-Sutren in 60 Büchern, in 80 Büchern und in 40 Büchern bekannt. Der erste Text (60 Bücher), von Buddhabhadra und anderen übersetzt (zwischen 418 und 420), enthält eine Anzahl von im Sanskrit nur teilweise erhaltenen, ursprünglich unabhängigen Sutrentexten, die zusammengefasst die Schriftgrundlage der Hua-yen-Schule ausmachen 29 . Das zweite längere Sutra (80 Bücher), ins Chinesische von Ś ik ṣ ânanda übersetzt (695 - 699), bringt Erweiterungen und Zusätze 30 . Die chinesische Übersetzung des dritten dieser Sutras (auch Gaṇḍavyûha-Sûtra) stammt von dem Buddha-Mönch Prajñâ. Das Sutra ist von den zwei genannten Sutren unabhängig, verarbeitet aber den gleichen Stoff; es ist im Sanskritoriginal erhalten 31 . Eine deutsche Übersetzung gibt es von Torakazu Doi, herausgegeben von Doitsuban Kegonkyô Kankôkai (Neuauflage im Angkor Verlag). Das Sanskritwort Avataṃsaka bedeutet Girlande oder Kranz, das Wort gaṇḍavyûha-gaṇḍa (chin. hua) gleich Blume, vyûha (chin. yen) gleich Schmuck - entspricht dem Namen der chinesischen Schule. Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 49 Die Avata ṃ saka-Sutren setzen die zwei philosophischen Hauptschulen des Mahâyâna, nämlich die Schule vom «Mittleren Weg» und die Yogâcâra-Schule voraus. Die Metaphysik der «Leere» (śûnyatâ) und die Lehre vom «Nur- Bewusstsein» (vijñaptimâtra) ist in die Sutren integriert. Doch besitzen die Avata ṃ saka-Sutren ihre eigene besondere Botschaft, die das Zen zutiefst beeindruckt hat. Während die Weisheitssutren und das Gedankengut der Bewusstseinslehre im indischen Sprachraum zu philosophischen Schulbildungen führten, entspricht den Avata ṃ saka-Sutren keine indische Mahâyâna- Schule. Erst geraume Zeit nach der Übersetzung des grundlegenden Sutrentextes blühte in China die Hua-yen-Schule auf. Die Patriarchen dieser Schule sind schon Zeitgenossen der frühen Zen-Bewegung in China. Die Hua-yen-Schule nimmt im Mahâyâna-Buddhismus einen hervorragenden Platz ein. Shâkyamuni hielt gemäß der Überlieferung die im Sutra aufgezeichnete Lehrrede während der drei ersten Wochen nach Erlangung der Großen Erleuchtung. Weil die Fassungskraft seiner Hörer nicht ausreichte, seine tiefen Gedanken aufzunehmen, ging er danach zu einer leichter verständlichen Lehrweise über. Die Anhänger der Hua-yen-Schule bezeichnen ihre Lehre im Vergleich zu anderen buddhistischen Lehren als die «runde», d. h. die vollkommene Lehre; sie rühmen das Sutra als «den König der Sutren». Suzuki hebt die enge Beziehung zum Zen-Buddhismus hervor. Für ihn ist das Zen «die praktische Vollendung des buddhistischen Gedankens in China und die Avata ṃ saka-Philosophie ihr theoretischer Höhepunkt». Beide verhalten sich so zueinander, dass die «Philosophie des Zen Kegon ist und die Lehre des Kegon ihre Früchte im Zen-Leben trägt» 32 . Die Avata ṃ saka-Sutren bieten in ihren symbolträchtigen Bildern und tiefsinnigen Vergleichen die Bausteine, aus denen sich auf dem Grund der Prajñâ- Erkenntnisse von der Leere und Gleichheit der weite, reich geschmückte Bau des Mahâyâna in seiner vollendeten Form erhebt. Die Grundidee ist die Einheit in der Vielheit: Alles in Einem, Eines in Allem. Das All ist zu einem einzigen Ganzen verschmolzen. In der Totalität der Wirklichkeit gibt es keine Abtrennungen. Der japanische Religionshistoriker Masaharu Anesaki hat diese Weltsicht «Kosmotheismus» genannt, denn der Kosmos ist heilig, «eine einzige wunderbare Perle» 33 , die Allwirklichkeit des Buddha. Die universale Buddhaschaft der Wirklichkeit ist die religiöse Botschaft der Avata ṃ saka-Sutren. Diese Sutren enthalten Vergleiche von großer Eindruckskraft, die zum Allgemeinbesitz im Mahâyâna wurden, z. B. vom Wassertropfen, in dem das Weltmeer ist, und vom Sandkorn, das das Universum birgt. Wir lesen: «In jedem Staubkorn dieser Welten sind zahllose Welten und Buddhas, von der Spitze eines jeden Haares des Buddha-Leibes werden die unbeschreiblichen Reinen Gefilde offenbart . . . Die unbeschreiblichen Reinen Gefilde sammeln sich alle in einer Haarspitze . . .» 34 Das Sutra bemüht sich um die Beschreibung der schlechter- 50 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien dings unbeschreiblichen Unendlichkeit der Buddha-Welt, es bedient sich dabei astronomisch anmutender Zahlen. Die Wirklichkeit ist unaussprechlich, unbegreiflich, unvorstellbar, unbeschreiblich. Diese immer wiederkehrenden Worte meinen nicht bloß die Unendlichkeit in Raum und Zeit, sondern auch die Unaussprechlichkeit der Buddha-Erkenntnis und der Realisierung im Samâdhi. Auch die Avata ṃ saka-Sutren bieten in anderer Art als die Prajñâpâramitâ-Sutren eine «negative Theologie», geboren aus dem Reichtum der Buddha-Wirklichkeit. Ein wichtiges Thema dieser Sutren ist die Beziehung und gegenseitige Durchdringung aller Bereiche der Wirklichkeit. Berühmt ist die Veranschaulichung des Ineinander der Dinge im Raum, die der dritte Hua-yen-Patriarch Fatsang (643 - 712) der chinesischen Kaiserin Wu vorgeführt haben soll 35 . Er ließ eine Halle des Kaiserpalastes an allen Seiten, auch an Decke und Boden, mit Spiegeln ausstatten. In die Mitte stellte er neben eine brennende Fackel ein Buddha-Bild. Die Kaiserin schaute das leuchtende Buddha-Bild nicht bloß einmal in allen Spiegeln ringsum, sondern zugleich die Spiegelungen der zahllosen Spiegel und wiederum die Spiegelungen der Spiegelungen, ein unendliches Schauspiel. Sie begriff, hoch erfreut und geistig erschüttert, den Sinn der Symbolsprache. Doch Fa-tsang erklärte ihr, das Spiegelgleichnis stelle zwar die unbegrenzte Durchdringung aller Dinge im Raum dar, es gäbe jedoch keine analoge Ausdrucksweise für die gegenseitige Durchdringung aller Zeitmomente und erst gar nicht für das Zugleich-Sein und Ineins-Sein von Raum und Zeit. Ein anderes Beispiel ist die Analogie von Indras Netz, aus kostbaren Perlen geknüpft, das über Indras Palast hängt. Alle Perlen hängen zusammen. In jeder Perle spiegeln sich die anderen. Wenn man eine Perle greift, greift man alle, wenn man eine Perle schaut, schaut man alle 36 . Eindrucksvolle Bilder veranschaulichen so die gegenseitige Durchdringung aller Dinge. Und zwar betrifft diese Beziehung nicht nur alle Erscheinungen in der Werdewelt (saṃsâra), sondern in Anbetracht der Gleichheit von Sa ṃ sâra und Nirvâ ṇ a die gesamte Wirklichkeit. Die Allwirklichkeit Buddhas ist im Avataṃsaka-Sûtra unter dem Bild eines Turmes geschildert, den Maitreya, der Buddha der Zukunft, dem jungen Pilger Sudhana zeigt 37 . Der Turm versinnbildet den All-Buddha Vairocana, den Dharma-Bereich (dharma-dhâtu), und den kosmischen Buddha-Leib (dharmakâya). Sudhana darf unter der Führung Maitreyas in den Turm eintreten. Im Turm sind «die Dinge so angeordnet, dass sie ebenso wenig voneinander getrennt sind als sie ineinander zerfließen. Vielmehr ist jedes Ding, ohne seine Individualität zu verlieren, in jedem anderen Ding widergespiegelt. Es ist nicht nur in einigen Teilen, sondern überall im Turm, so dass ein allgemeines gegenseitiges Widerstrahlen der Bilder besteht 38 .» Die Einheit in der Totalität Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 51 belässt den Dingen der Erscheinungswelt ihre Besonderheit, ohne ihnen Eigennatur zuzuerkennen. Der Dharma-Bereich ist nur der unmittelbaren Erfahrung zugänglich. Wer in den Buddha-Turm eintritt, hat die vollkommene Erleuchtung erlangt. Die Schau, die sich im Turm darbietet, lässt, wie die Sutra-Erzählung von der Pilgerfahrt Sudhanas offenbart, den gläubigen Hörer in ehrfürchtigem Erschauern der Allwirklichkeit und der unbegrenzten Machtfülle des Buddhas innewerden. Die Grenzen von Raum und Zeit sind weggeschmolzen. Der Erleuchtete besitzt in jedem Staubkorn das All, in dem Nu die Ewigkeit. In der bildenden Kunst hat das großartige Bauwerk des Borobodur auf Java die Buddha-Welt den Avata ṃ saka- Sutren ebenbürtig dargestellt. Die chinesische Hua-yen-Schule hat den kühnen Symbolismus der Avata ṃ saka-Sutren in philosophische Begriffe gefasst. Tu-shun (557 - 640), der erste Patriarch, ragt durch seine schöpferische Geisteskraft hervor. Sein «Traktat über die Meditation des Dharma-Bereiches» bedeutet den Höhepunkt der spekulativen Metaphysik der Schule 39 . Der dritte Patriarch Fa-tsang gilt als zweiter Begründer. Unter ihm breitete sich die Schule aus und erlangte weithin hohes Ansehen. In der Generationslinie folgt als fünfter Patriarch Tsung-mi (780 - 841), eine der bedeutendsten Gestalten im chinesischen Buddhismus. Im Zen-Stammbaum erscheint er als Haupt einer blühenden Zen-Schule seiner Zeit 40 . Dem Erleuchtungsweg ergeben, hielt er die Kegon-Lehre für den höchsten Ausdruck der Buddha-Wahrheit, wie seine zahlreichen Schriften, besonders der als Einführung ins buddhistische Denken beliebte, bis heute in den Tempeln viel studierte «Traktat vom Ursprung des Menschen», dartun. Fa-yen, der Begründer eines der «Fünf Häuser» im chinesischen Zen, betonte das Grundprinzip der Kegon-Metaphysik, die Gleichheit in der Verschiedenheit und die Verschiedenheit in der Gleichheit. Während der Sung-Zeit führte die innere Verwandtschaft mit dem Kegon zu einer völligen Assimilierung durch die chinesischen Zen-Meister. Die Vorliebe für die Avata ṃ saka-Sutren und die Kegon-Metaphysik besteht in Japan bis heute unvermindert fort. Die eigentümliche Naturbetrachtung der japanischen Zen-Jünger zieht ihre Nahrung aus der kosmotheistischen Weltanschauung, wie sie die Avata ṃ saka- Sutren großartig darstellen. Die religiös verwurzelte Überzeugung von der Einheit des Alls lässt in der Verschmelzung mit der Natur nach einer tiefsten Erfüllung des eigenen Wesens suchen. Das Leben im Zen-Tempel ist eingetaucht in die Natur. Die im Wechsel der Jahreszeiten hinfließenden Naturerscheinungen bestimmen den Rhythmus der seelischen Ereignisse. Mit liebender Andacht schaut der übende Novize den Falken, der über dem Berggipfel kreist, an dessen Abhang der Zen-Tempel hängt. Alle Lebewesen und jedes kleinste Ding sind bedeutungsvoll, da jedes Kleinste das ganze Geheimnis birgt. Die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Kosmos zittert in aller vom Zen geprägten Kunst und 52 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien durchdringt die ganze alte japanische Kultur. Von dieser religiösen Verbundenheit her muss der japanische Natursinn geschaut werden. Freilich rühren auch seine Mängel und Grenzen letztlich von dem schwer vermeidbaren Absinken in resignativen Naturalismus her. Noch eine andere Verbindungslinie zwischen dem japanischen Zen und den Avata ṃ saka-Sutren kann hier verdeutlicht werden. In die Sutren ist, wie schon gesagt, die Sicht der idealistischen Yogâcâra-Philosophie integriert. Buddha ist Geist. Die Erscheinungswelt besitzt keine Eigennatur. Alle Wirklichkeit der Dinge kommt vom Geist. Das Zen konnte im Leben seiner Jünger einen hohen Grad von Vergeistigung erzielen, die sich der japanischen Kunst und Kultur mitgeteilt hat. Die Zen-Maler bilden nie die stofflichen Dinge in ihrer Stofflichkeit ab, ihre hingehauchten Tuschzeichnungen offenbaren den geistigen Grund, ohne doch die Gegenständlichkeit zu verflüchtigen. Die Dinge werden aufgelichtet und lassen ihr Wesen durchscheinen, das Geist ist. Denn die wahre Wirklichkeit ist Geist, und das Geistige ist verkörpert. Der Ostasiate übersteigt in einer geistigen Wesensschau der Dinge «Gegenständlichkeit und Abstraktion, für uns einander ausschließende Gegensätze oder doch Spannungspole». «So bleibt selbst ein in seinem ganzen inhaltlichen Bestande dermaßen der empirischen Phänomenwelt und Gegenstandsgebundenheit enthobenes Bild trotzdem randvoll von konkretester Realität 41 .» Die Antwort des Schweigens - Vimalakîrti Geist und Lehre des Mahâyâna fanden einen ansprechenden Ausdruck im Sutra Vimalakîrti, das in die Zeit Shâkyamunis zurückführt. Die Zentralgestalt des Sutra ist der fromme Haushalter Vimalakîrti, der ohne Mönchsweihe als Laie zur höchsten Erleuchtung gelangte und stets wie ein Bodhisattva handelte. Ob sich, wie das Sutra erzählt, unter den Jüngern Shâkyamunis in Vai ś âli Vimalakîrti oder sein Prototyp befand, wissen wir nicht. Der Name bedeutet «Makelloser Ruhm». Das Sutra malt das Idealbild des Laien-Bodhisattvas und ist geeignet, durch die lebensvolle Schilderung der Vorzüge des Bodhisattva-Weges vor dem des Hörers ( ś râvaka) dem Laienbuddhismus Auftrieb zu geben. Spätestens im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden, gehört das Vimalakîrti-Sûtra, mit seinem vollen Titel Vimalakîrti-nirdeśa-Sûtra, wörtlich «Sutra der Lehre Vimalakîrtis», zu den frühen Mahâyâna-Sutren 42 . Die Grundtexte des Prajñâpâramitâ waren zu seiner Entstehungszeit, so dürfen wir annehmen, bekannt. Das Vimalakîrti-Sûtra macht sich die Kernaussage der Weisheitssutren von der Leere zu eigen und gehört zu den frühen Überlieferungsquellen der Philosophie vom «Mittleren Weg». Der Geist ist nicht idealistisch nach Art der Yogacârâ- Lehre, sondern als «Nicht-Geist» verstanden 43 . Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 53 In China wurde das Vimalakîrti-Sûtra zusammen mit anderen Mahâyâna- Sutren aufgenommen und wie kaum ein anderes Sutra oft ins Chinesische übersetzt. Heraus ragen die Übersetzungen von Kumârajîva (350 - 409) und Hsüan-tsang (600[602] - 664) 44 . Die Übersetzung des Letzteren stellt die am höchsten entwickelte Stufe dar. Doch wurde das Sutra in der chinesischen Form, die ihm Kumârajîva gab, in Ostasien rezipiert. In Japan fand es seinen berühmtesten Deuter in dem japanischen Prinzregenten Shôtoku Taishi (574 - 622). Das Sutra wurde auch mehrmals ins Tibetanische sowie in verschiedene zentralasiatische Sprachen übersetzt. Der kurze Text ist im Westen durch drei oder vier englische, eine französische und eine deutsche Übersetzung bekannt 45 . Das Vimalakîrti-Sûtra steht in China in der geistigen Traditionslinie, die von den Prajñâpâramitâ-Sutren zur Zen-Bewegung hinführt. Es bevorzugt paradoxe und negative Redeweise. Einige Aussagen über Meditation und erleuchtete Weisheit deuten in die Richtung des Zen. Das dritte Kapitel zeichnet eine Situation, in der die charakteristische Lehre des Sutras klar hervortritt. Buddha beabsichtigt, einen seiner Jünger zu Vimalakîrti zu entsenden, nachdem dieser zuvor 500 vornehme Jünglinge zum Meister gesandt hat. Er selbst liegt krank in seinem Haus. Seine Krankheit ist ein «Kunstgriff» (upâya), der viele Besucher in sein Haus zieht, denen er die Lehre verkündigt. Nun soll sich ein Jünger nach dem Befinden des verdienten Laien erkundigen. Aber alle Jünger entschuldigen sich; alle haben mit Vimalakîrti eine Erfahrung gemacht, als er sie der Unzulänglichkeit ihres Verständnisses der Lehre überführte. Von der śûnya-Erkenntnis motiviert, erklärte Vimalakîrti den Jüngern einzeln - und das ist der Inhalt dieses Kapitels - , worin die richtige Meditation, die richtige Predigt- und Lehrweise, das richtige Almosenbetteln und Empfangen, die richtige Reue-Übung und der richtige Verdienstgewinn besteht. Die Begegnung mit Ś ariputra, im Sutra als Erste berichtet, ist für uns die wichtigste. Vimalakîrti erklärt die richtige Meditationsweise. Ś ariputra erzählt: Als ich einst im Wald unter einem Baum in Meditation saß, kam Vimalakîrti und sprach zu mir: Sitzen ist nicht unbedingt Meditieren. Den Leib in den drei Welten (der Begierde, der Form, der Formlosigkeit) nicht offenbaren, das ist Meditation. Nicht aufstehen aus der Versenkung, in der die geistigen Funktionen erloschen sind, aber dennoch würdiges Verhalten zeigen, das ist Meditation. Den Weg der Lehre nicht aufgeben, aber dennoch die gewöhnlichen weltlichen Geschäfte tun, das ist Meditation. Den Geist weder innen noch außen wohnen lassen, das ist Meditation. Sich über alle möglichen irrigen Ansichten nicht beunruhigen, sondern die 37 Hilfsmittel zur Erleuchtung üben, das ist Meditation. Trübungen nicht abschneiden, aber dennoch ins Nirvâ ṇ a eingehen, das ist Meditation. Wer so in Meditation sitzt, empfängt das Siegel Buddhas. 46 54 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Das Sutra erzählt weiter, dass Ś ariputra sprachlos verblieb und auf die Rede nicht zu antworten vermochte. Im angeführten Text ist die Mahâyâna-Meditation der des Pâli-Kanons gegenübergestellt 47 . Einige Wesenszüge der neuen, vielleicht aber auch ursprünglichen buddhistischen Meditationsweise sind, vom Zen her gesehen, besonders interessant. Das ruhige Sitzen allein genügt nicht. In der dynamischen, gegenstandslosen Mahâyâna-Meditation verbindet sich Würde und Aktivität im Alltag mit tiefster Versenkung. Der Geist übersteigt Innen und Außen. Im Hinweis auf die 37 Glieder des Erleuchtungsweges zeigt sich das Sutra traditionsverbunden. Das Zen räumt hier radikal auf. Am auffallendsten ist die Bemerkung am Schluss der Rede über das Nicht-Abschneiden der Trübungen. Die Übersetzungen stimmen hier nicht überein 48 . Gemäß der eindeutig klaren Wiedergabe Kumârajîvas bedarf es keiner Reinigung des Geistes von Trübungen, um zur Erleuchtung zu gelangen. Dies ist genau der Standpunkt des sechsten chinesischen Zen-Patriarchen Hui-neng und seiner Jünger. Innerhalb der chinesischen Zen-Bewegung hat es diesbezüglich verschiedene Auffassungen gegeben. Wir werden darüber später handeln. In Vimalakîrtis Rede von der richtigen Meditation sind wir dem meditativen Erleuchtungsweg des Zen ganz nahe. Auf dem Höhepunkt des Vimalakîrti-Sûtra erscheint unverwechselbares Zen. Mañju ś rî, der Bodhisattva der Weisheit, fragt die Versammlung der Bodhisattvas, was das bedeutet, wenn ein Bodhisattva in den Dharma der Nicht-Zweiheit eingeht. Zweiunddreißig Bodhisattvas bemühen sich - der Vorgang ist im 9. Kapitel geschildert - , eine Antwort auf die Frage zu geben, indem jeder die Überwindung eines der Gegensatzpaare, wie Entstehen und Vergehen, Subjekt und Objekt, Reinheit und Unreinheit, Sa ṃ sâra und Nirvâ ṇ a usw. im Zustand der Nicht-Zweiheit aufzeigt. Dann stellen die Bodhisattvas die gleiche Frage dem Mañju ś rî. Dieser antwortet: Wie ich denke, lässt sich bezüglich aller Dinge nichts sagen, nichts erklären, nichts zeigen, nichts wissen. Getrennt von allen Fragen und Antworten - so ist das Eintreten des Bodhisattvas in den Dharma der Nicht-Zweiheit. 49 Nun fordert Mañju ś rî den Vimalakîrti auf, seine Ansicht zu sagen. «Da schwieg Vimalakîrti und sagte kein Wort.» Darob lobt ihn der Bodhisattva der Weisheit: «Ausgezeichnet, ausgezeichnet. Ohne Zeichen und ohne Worte, so ist das Eintreten in den Dharma der Nicht-Zweiheit 50 .» So weigern sich auch die Zen-Meister, die Erleuchtung, diesen Zustand der Nicht-Zweiheit, in Worten und Zeichen auszudrücken. Die alle Gegensätze transzendierende, in der Erleuchtung erfahrene Alleinheit der Wirklichkeit ist unaussprechlich. Das Sutra spricht in einem späteren Kapitel von einem «reinen Buddha-Land», in dem Bodhisattvas «durch Einsamkeit, Nicht-Sagen, Nicht- Erklären, Nicht-Zeigen, Nicht-Wissen, Nicht-Tun und Nicht-Schaffen Buddha- Dienste leisten» 51 . Das Paradox der Bodhisattva-Existenz, durch die Negationen Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 55 bezeichnet, schwebt dem Zen-Jünger richtungsweisend auf dem Erleuchtungsweg vor. Wie das Sutra vom Bodhisattva sagt, ist «die Stille sein Haus» 52 . Aus dem Nicht-Tun des Schweigens fließt seine reine Tätigkeit. Das Vimalakîrti- Sûtra ist wie der Zen-Weg von der Prajñâ-Weisheit durchwoben, echtes Mahâyâna und deshalb dem Zen nahe. Psychologische Bezugspunkte - La ṅ kâvatâra Im chinesischen Geschichtswerk «Fortsetzung der Biographien berühmter Buddha-Mönche» ist berichtet, dass Bodhidharma, der Begründer des Zen in China, seinem Jünger ein Exemplar der chinesischen Übersetzung des Laṅkâvatâra-Sûtra in vier Büchern mit den Worten überreichte: «Wie ich bemerkt habe, gibt es in China kein anderes Sutra. Wenn du diesem Sutra folgst, kannst du bestimmt die Welt retten 53 .» Vermutlich handelt es sich um die Übersetzung Gu ṇ abhadras (394 - 468) in vier Büchern, datiert 443. Diese Episode ist wie die gesamte Bodhidharma-Überlieferung geschichtlich unsicher, doch dürfen wir annehmen, dass in der Frühzeit eine enge Beziehung zwischen Zen- Jüngern und dem Laṅkâvatâra-Sûtra bestanden hat. Seit dem sechsten Patriarchen Hui-neng, mit dem die südchinesische Zen-Linie beginnt, nahm das von diesem am höchsten geschätzte Diamantsutra den bevorzugten Platz ein. Das Laṅkâvatâra-Sûtra blieb ein wichtiger Schrifttext in der nordchinesischen Zen- Schule. D. T. Suzuki, wohl vorzüglich durch die enge Beziehung dieses Sutras zum Zen motiviert, hat sich sehr intensiv mit der Erforschung des schwierigen Mahâyâna-Textes befasst. Er übersetzte das Sanskritoriginal ins Englische und verfasste einen umfangreichen Band «Studien über das La ṅ kâvatâra-Sûtra». Wie Suzuki im Vorwort zur Übersetzung sagt, enthält das Sutra «viele schwierige und dunkle Stellen», die er nicht alle zur eigenen Befriedigung auflösen konnte 54 . Nach seiner Ansicht handelt es sich bei dem Sutra um «eine Gedächtnisstütze, in die ein Mahâyâna-Meister alle wichtigen Lehren, die in seinen Tagen von Mahâyâna-Anhängern vertreten wurden, hineinlegte», ohne den Versuch zu machen, diese zu ordnen . . . Änderungen und Zusätze späterer Herausgeber verliehen «dem Text ein noch ungeordneteres Aussehen» 55 . In der Tat enthält das Laṅkâvatâra-Sûtra Lehren verschiedener Richtungen, was dafür spricht, dass zur Zeit seiner Entstehung noch keine vollständige Scheidung zwischen den philosophischen Schulen innerhalb des Buddhismus vollzogen war. Das Sutra wird heute - ohne sichere Beweisgründe - meistens ins zweite oder dritte nachchristliche Jahrhundert datiert, als Entstehungsort gilt Südindien 56 . Im Material überwiegt Gedankengut, das von der idealistischen Yogacâra-Schule ins System gefasst wurde. Wie diese Schule zeichnet sich das 56 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Sutra durch psychologisches Interesse aus. Wir nennen im Folgenden einige Bezugspunkte und Aspekte, deren Verwandtschaft mit dem Zen deutlich hervortritt. Das Laṅkâvatâra-Sûtra, «einer der neun Haupttexte des Mahâyâna in Nepal, hat auch in China und Japan eine wichtige Stellung in der Philosophie des Mahâyâna-Buddhismus inne» 57 . Das besondere Interesse für den psychologischen Aspekt des Erleuchtungsvorganges zeigt sich in der Bevorzugung von Ausdrücken und Wortverbindungen, die die psychische Haltung und Wandlung im Subjekt beschreiben 58 . Das Sutra hat seinen Kern in der Lehre vom «Speicherbewusstsein» (âlaya-vijñâna), aus dem die sieben anderen Bewusstsein hervorgehen, die zusammen das gesamte psychische Leben des Menschen in der Werdewelt erklären. Identisch mit dem Speicherbewusstsein ist der überindividuelle «Mutterschoß des Vollendeten» (tathâgata-garbha), in dem die Samen (bîja) aller Dinge aufbewahrt liegen. Wenn diese Samen aus einem letztlich nicht erklärten Grund in Bewegung geraten, regt das wie ein feiner Duft wirkende (vâsanâ) unbewusste Gedächtnis aller Tätigkeiten, das im Speicherbewusstsein seinen Ort hat, die psychischen Prozesse an. Die narkotische Wirkung dieses verführerischen «Duftes» treibt die Lebewesen in Unwissenheit und Gier durch die Bereiche der Wiedergeburten. Der Lauf der Erscheinungen kommt zum Stillstand durch eine Kehre (parâvṛtti) an der Wurzel des Bewusstseins, die Befreiung und nicht Zerstörung ist. Die Kehre, ein Kernbegriff des Sutras, kann als die psychologische Bezeichnung für den Erleuchtungsmoment angesehen werden 59 . Der Geist durchbricht die Vielfalt der Erscheinungen und durchschaut die Leere aller Dinge, erfasst das Sosein (tathatâ) und berührt das Ungeborene (anutpâda). Die Kraft, die dieses bewirkt, ist im Laṅkâvatâra-Sûtra das «edle Bewusstsein» (âryavijñâna), ein psychologisches Vermögen, das die Funktion der Prajñâ der Weisheitssutren übernimmt. Doch unterscheidet sich die Lehre des Laṅkâvatâra-Sûtra trotz der verschiedenen Terminologie der Sache nach kaum von der des «Mittleren Weges». Der metaphysische Bezug ist bei aller Bevorzugung der psychologischen Sicht durchaus vorhanden. Das gleiche Speicherbewusstsein beinhaltet einen absoluten und einen evolutiven Aspekt. Zahlreiche Ausdrücke für die letzte Wirklichkeit gehen über die psychologische Phänomenbeschreibung hinaus 60 . Wenn Zen-Meister ihren Schülern den Erleuchtungsvorgang psychologisch zu erklären suchen, greifen sie gewöhnlich auf die Lehre von den acht Bewusstsein zurück und betonen, dass die entscheidende Wandlung im achten, nämlich dem Âlaya-Bewusstsein vor sich geht. Vieles spricht für die Gleichsetzung der Zen-Erleuchtung mit der Kehre (parâvṛtti). Allerdings ist nicht sicher, ob das Laṅkâvatâra-Sûtra den Weg der plötzlichen oder der allmählichen, gradweisen Erleuchtung vertritt. Wahrscheinlich finden sich beide Auffassungen in dem vielfältig zusammengesetzten Werk 61 . Im Sutra richtet der Bodhisattva Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 57 Mahâmati an den Buddha die Frage: «Geht die Reinigung, die der Buddha bewirkt, augenblicklich oder gradweise vor sich? » Leider ist der Text der Antwort nicht in Ordnung. Die chinesischen Übersetzungen gehen auseinander, das Sanskritoriginal scheint an dieser Stelle verderbt. Nach Suzuki lautet die Antwort des Sutra: Bald augenblicklich, bald gradweise. Doch erfährt der Mensch in jedem Falle die innere Wandlung plötzlich. Suzuki schreibt: «Der Prozess der Reinigung durch den Buddha geht manchmal allmählich und manchmal plötzlich vonstatten. Aber der Begriff der Wende oder Um-Kehr (parâvṛtti) führt zu der Vorstellung, dass der Prozess eher abrupt als allmählich ist, während in unserer Lebenserfahrung, was der Psychologe Bekehrung nennt, auf beide Weise, allmählich oder jäh geschieht. Psychologisch ist die Umkehr ein Phänomen, das plötzlich im Bewusstsein stattfindet. Wie wenn jemand in einer bestimmten Richtung wanderte und seine Schritte auf einmal umgewandt werden, so schaut er jetzt nach Norden anstatt nach Süden. Diese Blickwendung ist eine Revolution, eine Umkehr. Er ist sich der Änderung stark bewusst 62 .» Das Laṅkâvatâra-Sûtra deutet die «höchste Erkenntnis» (pariniṣpanna), die alle Dualität übersteigt, auch als «Selbstverwirklichung» (svasiddhânta) 63 . Diese Sichtweise des Sutras ist dem Zen-Buddhismus geläufig. Wenn das Zen von der Erleuchtung als vom «Schauen der eigenen Natur» oder «des ursprünglichen Antlitzes vor der Geburt» spricht, so versteht es diese offenbar als eine Selbsterfahrung. Im chinesischen Buddhismus ergibt sich diese Interpretation aus der Identifikation der Selbstnatur mit der Buddha-Natur oder dem kosmischen Buddha-Leib. Die Mahâyâna-Sutren stimmen in der Annahme überein, dass die höchste Wahrheit nicht ohne innere Erfahrung erfasst werden kann, und betonen mehr oder minder stark den überrationalen Charakter des befreienden Erlebnisses. Darüber hinaus gibt es im Laṅkâvatâra-Sûtra Irrationalität, die merkwürdig verwandte Züge im Zen-Buddhismus hat. Im zweiten Kapitel des Sutras bittet der Bodhisattva Mahâmati den Buddha um Licht über 108 Fragen. Die Fragen stellen eine seltsame Mischung von religiösem Ernst und beinahe widersinnigen Belanglosigkeiten dar. Buddha antwortet mit 108 verneinenden Aussagen, die nur in losem Zusammenhang mit den gestellten Fragen stehen. Da es sich, wie zu Beginn der Szene gesagt ist, vom Buddha her gesehen, um «Unterweisung in der Selbstverwirklichung» handelt, haben Fragen und Antworten vielleicht eine ähnliche Funktion wie die Kôan der Zen-Übung, nämlich das Unvermögen des Verstandes zu entlarven und zur Erfahrung hinzuführen 64 . Mit dem Erfahrungscharakter der höchsten Erkenntnis verbindet sich jene Unaussprechlichkeit, die vom Überstieg über das rationale Denken herrührt. Doch Überrationalität besagt nicht notwendig Irrationalität. Das Laṅkâvatâra-Sûtra treibt die Abkehr von der Sprache ins Irrationale hinein vor, wenn es von Buddha-Ländern berichtet, in denen die Buddha-Wahrheit anstatt durch Wortlehre durch 58 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Anstarren, Zusammenziehen der Gesichtsmuskeln, Heben der Augenbrauen, Runzeln oder Lächeln, Ausspeien, Augenzwinkern und ähnliche Zeichen übermittelt wird 65 . Das Zen hat bekanntlich eine bunte Fülle solcher merkwürdig konkreter Ausdrucksweisen erfunden. Wir lesen von Zen-Meistern, die eine Grimasse schnitten oder den Finger hoben oder einen Schrei ausstießen, um im Jünger die Erleuchtung auszulösen. Sie befanden sich dabei in der Gefolgschaft Buddhas, der bei einer Predigt auf dem Geierberge einst eine Blume emporhob und der versammelten Schar zeigte. Meister Wu-men besingt dieses Begebnis, mit dem die Weitergabe der höchsten Wahrheit «außerhalb der Schriftzeichen und Worte» begonnen haben soll, in den Versen: Als er die Blume emporhob, Erschien der Schwanz. Kâ ś yapa verzog sein Gesicht im Lächeln, Menschen und Himmel wussten nicht, was tun. 66 Dieses Begebnis, mit dem gemäß der Zen-Überlieferung die Weitergabe der höchsten Wahrheit «außerhalb der Schriftzeichen und Worte» den Anfang nahm, spielt sich im tiefsten Schweigen ab. Stumme Gesten vertreten die Worte. Im Zen-Buddhismus finden sich viele Beispiele für die heute neu bedachte «Körpersprache». Die Wortlosigkeit dieser Sprache unterscheidet sich, wie wir schon anmerkten, wesentlich von der Unaussprechlichkeit der Erfahrung, die die Mystiker bezeugen. Wenn Mystiker mit starkem Nachdruck die Unzulänglichkeit des menschlichen Wortes beklagen, so leugnen sie doch nicht die innere Beziehung, die zwischen Wort und Wirklichkeit obwaltet. Dagegen kann es scheinen, als ob nach mahayanistischer Auffassung die Sprache grundsätzlich im Bereich des vorläufigen Unterscheidens verbleibt und dem Irrtum verfallen sei. Suzuki schreibt: «Die Beziehung zwischen Worten und Sinn oder zwischen Silben (akṣara) und Wirklichkeit (tattvam oder tathâtvam) oder zwischen Lehre (de ś anâ) und Wahrheit (siddhânta) ist gleich der zwischen dem Finger und dem Mond 67 .» In dieser Interpretation des Laṅkâvatâra-Sûtra bleibt die Beziehung eine äußerliche. Ähnlich wenn Meister Wu-men sagt: «Dies ist, wie wenn einer mit dem Stock nach dem Mond schlägt oder den Schuh kratzt, weil ihn der Fuß juckt 68 .» Vergleiche darf man nicht pressen. Unbestritten gehören Wort und Sprache zu den Grundwerten des menschlichen Daseins. Überzeugt, dass keine religiöse Erfahrung ohne religiöse Lehre besteht, bemühten wir uns um die geistige Ortung der Zen-Bewegung und stießen auf die Mahâyâna-Sutren. Obgleich die Zen-Schule in China einige Jahrhunderte später als jene Sutren entstand, so ist das Zen doch seinem geistigen Gehalt nach tief in diesen verwurzelt. Dieser Umstand ist für das richtige Verständnis des Zen von Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 59 vorrangiger Wichtigkeit. Besonders wenn die Deutung der Zen-Erleuchtung zur Frage steht, kommen die gründenden Mahâyâna-Ideen zum Tragen. Wir konnten nur einen Ausschnitt aus der reichen Mahâyâna-Literatur anleuchten, einige Sutren, deren Einfluss auf das Zen geschichtlich feststeht und deutlich hervortritt. Allerdings ist es ein charakteristischer Ausschnitt, repräsentativ für das gigantische Gesamtwerk. Diese gegen Ende der vorchristlichen Zeit und während der ersten nachchristlichen Jahrhunderte in Indien entstandenen Sutren zeugen von einer starken religiösen Bewegung, die an Bedeutung der vom Stifter in Gang gesetzten ersten Umdrehung des Dharma- Rades kaum nachsteht. Die geschichtliche Forschung konnte bislang nur wenig von den Anfängen des Mahâyâna in Indien sichtbar machen. Die Mahâyâna- Sutren, diese oft schwierigen, verschlüsselten, phantasiereichen und zugleich spekulativen Texte bekunden eine große Phase der Religionsgeschichte. Von den Sutren her breitete sich das Mahâyâna nach allen Richtungen hin aus. Auch die Deutung der Texte und der in ihnen vorgelegten geistigen Inhalte gehen weit auseinander. In diesem Kapitel lag uns daran, aus den Mahâyâna-Sutren Licht für das Verständnis des Zen zu gewinnen. Aber auch umgekehrt bietet die eigentümliche Form, die das Geistesgut der Sutren im Zen angenommen hat, wichtige Aufschlüsse über deren Sinnrichtung. Diese ist in vielen Fällen nicht eindeutig klar, ja oft zeigen sich verschiedene Deutungsmöglichkeiten. Das Verständnis, das die Sutren in der Zen-Schule fanden, verdient bestimmt höchste Aufmerksamkeit. Wussten sich doch die Zen-Jünger vom gleichen Geist erfasst, der die Mahâyâna-Sutren inspiriert. 60 Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China I Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus Das geschichtliche Verständnis des Zen Die Wurzeln des Zen-Weges reichen nach Indien, in China entstand die Zen- Schule. Für das geschichtliche Verständnis ist die allseitige Durchleuchtung der Situiertheit des Zen-Weges von maßgebender Wichtigkeit. Man kann fragen, ob ein Erleuchtungsweg geschichtlichem Verstehen zugänglich ist. Unleugbar liegt die Erleuchtungserfahrung jenseits der sprachlich fassbaren Vernunftkategorien. Dieser Umstand kann jedoch nicht von der sorgfältigen Prüfung der geschichtlichen Bedingtheiten des Gesamtphänomens des Zen dispensieren. Wir erwähnten in der Einleitung schon die Kontroverse zwischen D. T. Suzuki und seinem chinesischen Partner Hu Shih bezüglich des geschichtlichen Charakters der chinesischen Zen-Bewegung 1 . Im Verlauf der Auseinandersetzung leugnete Suzuki emphatisch jeden geschichtlichen Zugang zum Zen. Zen sei reine Erfahrung und nichts weiter. Wenn sich der japanische Gelehrte dennoch wissenschaftlich intensiv mit dem Zen-Buddhismus befasste und in seinen Werken ausgiebig Sprüche und Anekdoten der frühen, chinesischen Zen- Meister zitiert, so versetzt er den Leser in ein bestimmtes geistiges Milieu, und es kann für das Verständnis des Zen nicht gleichgültig sein, diese Chinesen aus der T ’ ang- und Sung-Zeit, die Helden jener Geschichten, in ihrer Erziehung, Bildung und Weltanschauung, ihrem volkstümlichen Brauchtum und religiösen Väterglauben kennen zu lernen. Für all dieses sind wir an die Geschichte verwiesen. Das geschichtliche Verständnis des Zen ist insbesondere durch zwei Umstände erschwert. Einmal tritt das Zen erst nach einer längeren Zeitspanne der chinesischen Buddhismusgeschichte in Erscheinung. Während der etwa vier bis fünf ersten Jahrhunderte nahm die Buddha-Religion mannigfache Formkräfte in sich auf, die die Gesamtentwicklung des Buddhismus und seiner Schulen in China prägten. Der Einfluss aus diesen Jahrhunderten ist, oft verborgen und unterschwellig, in der Zen-Bewegung gegenwärtig. Hinzu kommt, dass die seit alters hoch geschätzten Zen-Chroniken in ihren Berichten über die Anfänge und die frühe Entwicklung des Zen in China keinen Anspruch auf volle Glaubwürdigkeit erheben können. Diese ohne eine geschichtliche Absicht geschriebenen Literaturwerke sind aus dem Geist des Zen geboren und trachten diesen Geist weiterzugeben. Die Vergangenheit ist verklärt und gemäß dem Idealbild der Verfasser aus späterer Zeit zurechtgerückt. Das auf den Chroniken basierende Geschichtsbild bedarf der Berichtigung und Ergänzung. Wir schenken unsere Aufmerksamkeit zuerst der Frühgeschichte des Buddhismus in China und nehmen jene geistigen Quellgründe des Zen-Weges, die sich in den ersten Jahrhunderten andeuten, und einige Gestalten, die als Wegbereiter und Vorläufer der Zen-Bewegung angesehen werden können, in den Blick. Die Rezeption des Buddhismus in China Die Überpflanzung des Buddhismus aus dem indischen Mutterboden in den chinesischen Kulturkreis zählt zu den spannendsten Ereignissen der Religionsgeschichte. Es gelang damals die Einführung einer höheren Religion mit Schriftkanon, Lehre, Moral und Kult in ein altes Kulturland. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert begann der buddhistische Einstrom, wuchs rasch an und zeitigte im vierten Jahrhundert eine Blüteperiode des chinesischen Buddhismus. Das gigantische Werk der Übersetzung des vielhundertbändigen buddhistischen Kanons aus dem Pâli und Sanskrit in die chinesische Sprache mit ihren Schriftzeichen bezeugt den ungeheuren Fleiß jener Buddha-Mönche, aber auch ihre Einfühlungsgabe für das fremde Volkstum. Wenn der rasche Erfolg zunächst einer gewissen Überlegenheit des Buddhismus als Religion über die von Magie und Aber-glauben überwucherten Populärreligionen des Landes zuzuschreiben ist, so lässt sich seine nachhaltige Wirkung in allen Volksschichten und vor allem seine Durchdringung der chinesischen Kultur nur aus einer Verwandtschaft des urtümlichen chinesischen Denkens mit dem Buddhismus erklären. Die Beziehung vom chinesischen zum indischen Buddhismus ist verschieden beurteilt worden. Im Gegensatz zu europäischen Gelehrten, die von der Indologie herkommend dem chinesischen Buddhismus nur wenig Originalität zuerkannten, fanden gebildete Chinesen der frühen Jahrhunderte im Buddhismus so sehr ihr Eigenes, dass dieser ihnen ebenso wie Taoismus und Konfuzianismus als Ausdruck der chinesischen Religiosität galt 2 . Der Vorgang der Überpflanzung der weit verzweigten Buddha-Religion von China lässt sich beim Stand der Quellen nicht in allen Einzelheiten aufweisen. Doch bietet die Erforschung der «buddhistischen Eroberung Chinas» eine Fülle von wertvollen Aufschlüssen, die unsere besondere Fragestellung angehen 3 . Wir heben jene Linien heraus, die auf die Zen-Schule hinlaufen. Im Buddhismus hat immer und überall die Meditation eine hervorragende Rolle gespielt. Die ersten Buddha-Mönche, die aus indischen Randgebieten oder aus Zentralasien nach China kamen, brachten mit heiligen Bildern und Büchern die buddhistische Meditationsübung ins Land. Mit dem Parther An Shih-kao, 64 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China dessen Ankunft in China gewöhnlich in das Jahr 148 n. Chr. datiert wird 4 , beginnt nachweislich der Meditationstrend im chinesischen Buddhismus. An Shih-kao, «der erste bedeutende buddhistische Übersetzer in China, den wir kennen» 5 , lehrte die bekannten Meditationsweisen aus dem Pâli-Kanon, die sich alsbald mit taoistischen Techniken vermischten. Unter den zahlreichen Übersetzungen, die ihm zugeschrieben werden 6 , überwiegen Texte über Meditation (dhyâna) und Versenkung (samâdhi). Das von An Shih-kao ins Chinesische übersetzte «Sutra über Versenkung durch Atemregelung» 7 erklärt die uralte yogische, seit früh im Buddhismus beheimatete Übung der Atemkontrolle durch Zählung des Ein- und Ausatmens (ânâpânasmṛti). Sie ist eine Grundübung der Zen-Meditation. Noch in unseren Tagen wird der Anfänger im Zen, meistens von einem Gehilfen des Meisters, angewiesen, hinzuhocken und mit dem Zählen des Atmens (jap. sûsokkan) seine Übung zu beginnen. Auch der Taoismus lehrt Meditation und empfiehlt die Atembeherrschung als ein Mittel geistiger Konzentration und zur Erlangung eines langen Lebens. Die buddhistischen Meditationstexte, die die Versenkungsstufen auf dem Wege zur Sammlung und befreienden Erkenntnis ausführlich beschreiben, schenkten eine Bereicherung. Wir wissen nicht, mit wie viel Eifer die frühen chinesischen Buddhisten die indischen Anweisungen befolgt haben. Jedenfalls schätzten sie die buddhistische Meditation hoch. Sie schrieben das Sanskritwort «dhyâna» in Wiedergabe des Lautes mit dem chinesisch «ch ’ an» (archaisch: dian), japanisch «zen» gelesenen Schriftzeichen, das ein zeremonielles Verzichten und Loslassen ausdrückt 8 . Und zwar hieß die im Pâli-Kanon gelehrte Meditation «das Zen des Kleinen Fahrzeugs», die im Mahâyâna-Kanon gelehrte Meditation «das Zen des Großen Fahrzeugs». Man wandte anfänglich die gleichen Methoden an, aber je nach dem Lehrstandpunkt wurde das in der Versenkung Begriffene hinayanistisch oder mahayanistisch aufgefasst. Der Lehrgehalt prägt den Erleuchtungsweg und die auf ihm erlangte Erfahrung. Die Dhyâna-Linie sollte in China nicht mehr abbrechen. Die meisten Übersetzungen buddhistischer Texte der späten Han-Zeit (25 - 220) beziehen sich auf Meditation und Versenkung. K ’ ang Seng-hui, in Sogdien gebürtig und einer der bedeutendsten Buddha-Mönche in China (Ankunft 247) während der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, führte die Dhyâna-Schule fort und schrieb einen Kommentar zu dem von An Shih-kao übersetzten Meditationssutra 9 . Meditation findet sich bei vielen berühmten Buddha-Mönchen jener Zeit. Nicht wenige zogen sich in die Bergeinsamkeit zurück. Buddhistische Einsiedler hüteten in den Shan-Bergen die Geheimnisse des yogischen Weges 10 . Die buddhistischen Pioniere in China übersetzten sowohl Hînayânaals auch Mahâyâna-Schriften. Beide Formen des Buddhismus existierten - wie in Indien so auch in China - lange Zeit nebeneinander. Die chinesischen Übersetzungen Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 65 der ersten Mahâyâna-Texte datieren in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Dabei kam die Verwandtschaft des Buddhismus mit der altchinesischen Weltanschauung zum Tragen. Hinneigung zum negativen Weg, Wissen um Gleichheit und Harmonie, ein starkes Gefühl für die Alleinheit der Wirklichkeit, diese Grundzüge der chinesischen Weisheit kennzeichnen auch den Mahâyâna-Buddhismus. Die Verwendung taoistischer Termini bei der Wiedergabe buddhistischer Lehrbegriffe erleichterte nicht nur die harte Übersetzungsarbeit, sondern brachte auch die buddhistischen Schriften dem chinesischen Volksempfinden nahe. Allerdings gibt es nirgendwo zwischen Sprachen und Denkweisen bis ins letzte gehende Übereinstimmungen. Die Übersetzungsweise mit Hilfe altchinesischer Termini brachte es mit sich, dass wichtige buddhistische Lehren von den ersten Generationen chinesischer Buddhisten nicht richtig verstanden wurden. Trotzdem erwies sich die von den Übersetzern gebotene Verständnishilfe im Ganzen als wirksam und folgenreich. Als Verständnisbrücke zum Buddhismus diente in China vor allem die Weisheitslehre des Lao-tzu und Chuang-tzu, in der europäischen Literatur durchgängig als philosophischer Taoismus von der taoistischen Volksreligion unterschieden. Während des dritten Jahrhunderts entwickelte sich die geistige Bewegung des «Dunklen Wissens» (chin. hsüan-hsüeh, jap. gengaku), die wegen der in ihr vorwiegenden taoistischen Ingrendienzen gern als Neo-Taoismus bezeichnet wird 11 . Doch handelt es sich nicht um ein von Anhängern der taoistischen Weisheitslehre ins Leben gerufenes Revival, sondern um eine Strömung bei den «literati», die vom «Buch der Wandlungen» (I-ching) und dem «Buch vom Tao und Te» (Tao-te-ching) ausgehend mit Hilfe des Chuangtzu-Kommentars des Hsiang Hsiu ontologisch-metaphysische Probleme durchforscht. Diese Geistesströmung vermittelte dem Buddhismus viel chinesische Terminologie, da sie über Sein (chin. yu, jap. u), Nicht-Sein (chin. wu, jap. mu) und das fundamentale Nicht-Sein (chin. pen-wu, jap. hommu), über Substanz (chin. t ’ i, jap. tai) und Funktion (chin. yung, jap. yô) spekulierte und das «Große Eine» (chin. t ’ ai-i, jap. taikyoku) und die Polarität von Yin und Yang (jap. in-yô) neu interpretierte. Der Buddhismus spürte eine Nähe zu eigenen Formulierungen, etwa zur Leere, dem Nichts oder Nirvâ ṇ a, sowie zu Spekulationen über die Beziehung zwischen dem Absoluten und dem Phänomenalen. Besonders sagte den Buddhisten die Leugnung der Zweiheit von «Sein» und «Nicht-Sein» und die Betonung der Unaussprechlichkeit der Wirklichkeit zu. Das Mahâyâna verdankt den Vorrang vor dem Hînayâna im chinesischen Buddhismus vorzüglich der Weisheitslehre der Prajñâpâramitâutren, deren Ähnlichkeit mit eigenem Geistesgut die Chinesen tief beeindruckte. Der Buddha-Mönch Lok ṣ ema, ein Indoskythe, zwischen 168 und 188 in China angekommen, übersetzte Teile des Aṣṭasâhasrikâ-Sûtra (in 8000 Linien), des Grundtextes der Prajñâpâramitâ-Literatur, erstmalig ins Chinesische 12 . Ungefähr 66 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China hundert Jahre später fand das Sutra in 25.000 Linien (Pañcavimśati-sâhasrikâ- Prajñâpâramitâ-Sûtra) aus Khotan, einem Hauptzentrum des Mahâyâna-Buddhismus in Zentralasien, den Weg nach China. Die mahayanistische Weisheitslehre wurde vor allem durch dieses Sutra in China bekannt 13 . Die chinesischen Übersetzungen dieser zwei Prajñâpâramitâ-Texte blieben die maßgebenden Quellen, auch nachdem Dharmarak ṣ a, ebenfalls ein Indoskythe und «der größte buddhistische Übersetzer vor Kumârajîva» 14 , eine zweite Übersetzung des Sutras in 25.000 Linien erstellte. Dharmarak ṣ a stammte aus Tun-huang, er wirkte während der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Ch ’ ang-an und unterhielt Beziehungen zu den buddhistischen Kreisen von Lo-yang. In den drei genannten Städten blühte die hsüan-hsüeh-Bewegung. Bei den gebildeten Chinesen herrschte vom Ende des 3. Jahrhunderts an die mahayanistische Weisheitslehre vor; aus dieser Zeit sind viele Namen von Experten der Prajñâpâramitâ-Sutren bekannt. Eine chinesische Schule dieser Lehrrichtung ist mit dem Namen des Chih Mintu verknüpft, durch den die Philosophie der Weisheitssutren großen Einfluss in China gewann. Er verstand den Zentralbegriff der «Leere» nicht ontologischmetaphysisch, sondern bezog ihn auf den von bewusstem Denken entleerten Geist des Weisen 15 . Auch die Schullehre des Chih Tun (auch Tao-lin) (314 - 366), die dem Hînayâna nahe kommt, gibt keine genügende Erklärung der Weisheitssutren; sie wurde später von Seng-chao, dem «ersten chinesischen Mâdhyamika-Spezialisten», scharf kritisiert 16 . Die erste Periode des chinesischen Buddhismus schließt mit den beiden bedeutenden chinesischen Buddha-Mönchen Tao-an (312 - 385) und Hui-yüan (334 - 416), die die im Vorigen herausgehobenen Wesenszüge der chinesischen Buddhismus-Rezeption exemplarisch verkörpern. In beider Lebenslauf finden sich Spuren von Hînayâna, doch beide sind eindeutige Vertreter des chinesischen Mahâyâna-Buddhismus. Tao-an 17 lebte in jungen Jahren in Nordchina, wo er den berühmten, auch in der Esoterik bewanderten Fo-t ’ u-teng zum Lehrer hatte. Seine Aktivität erreichte ihren Höhepunkt während seines Aufenthaltes in Hsiang-yang (349 - 365), als sich eine große Schar von Jüngern, wohl an die 400 bis 500, um ihn sammelten und unter seiner strengen Zucht in einer disziplinierten Mönchsgemeinschaft zusammenlebten. Tao-an kannte die altbuddhistische Meditationsweise; mit seinen Jüngern praktizierte er auch die Riten der Verehrung von Buddhas. Selbst im Besitz klassischer chinesischer Bildung, verwarf er die synkretistische Methode des ko-i (jap. kakugi), nämlich die Vermischung von weltlicher Literatur mit buddhistischen Schriften. Doch gestattete er seinem Jünger Hui-yüan die Benutzung taoistischer Begriffe zur Erklärung der buddhistischen Lehre 18 . Er kommentierte das Prajñâpâramitâ- Sûtra in 25.000 Linien. Das fundamentale Nicht-Sein (chin. pen-wu, jap. hommu) erklärt er als «die Natur aller Erscheinungen und das der phänomenalen Wahrheit grundliegende Absolute» 19 . Charakteristisch für die Zeit der Rezeption Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 67 und des Überganges ist seine uneingeschränkte Annahme der mahayanistischen Weisheitslehre, obgleich ihm deren philosophische Systematisierung in der Mâdyamika-Schule fremd blieb. Durch Hui-yüan, den hervorragenden Jünger Tao-ans, der als Mönch ein Edelmann blieb, wurde der heilige, von Sagen umwobene Berg Lu am Jangtse- Strom zum gefeierten Mittelpunkt der frühbuddhistischen Bewegung in China. Sein Standpunkt unterscheidet sich kaum von dem seines Meisters. Die Zeitumstände machten ihn zu einem tapferen Verteidiger der Buddha-Religion 20 . Ein glühender Verehrer des Buddha Amitâbha (jap. Amida), liebte er bildliche Darstellung und Veranschaulichung in der Meditation. Wegen der Gründung der «Gesellschaft vom weißen Lotos» gilt er als Urheber der Schulen vom Reinen Land 21 . Im Kreis seiner Jünger pflegte man eifrig Meditation, um in Visionen und Ekstasen einen Schimmer der Herrlichkeit Amitâbhas und der überirdischen Buddha-Länder zu erhaschen. Hui-yüan suchte darüber hinaus in der Meditation die Einheit mit dem Ursprung, dem Absoluten, ob dieses nun Natur oder Weltseele oder Buddha heißt. «Die Meditation kann ohne Einsicht keine volle Befriedigung schenken. Die Einsicht kann ohne Meditation die Tiefen nicht widerstrahlen 22 .» Buddhistische und taoistische Elemente sind in Hui-yüans Meditation vermischt. Die Tiefen der Wirklichkeit heißen im Taoismus das Ur- Nichts, sie werden von der die Leere aller Dinge durchschauenden Prajñâ- Weisheit erfasst. Viele philosophische Mystiker des chinesischen Buddhismus pflegen, wie Hui-yüan, auf allen Stufen ihres Aufstiegs das gläubige Anrufen des Buddha-Namens (jap. Nembutsu), ohne einen Gegensatz zwischen der metaphysischen Versenkung in die absolute Leere und der bildhaften, beglückenden Schau Amitâbhas zu empfinden. Die Anpassung der buddhistischen Lehre an das chinesische Denken bzw. die Integration chinesischer Denkschemata in die buddhistische Religion schritt während der Periode der Rezeption beständig voran. Buddhistische Begriffe wie prajñâ (Weisheit), tathatâ (Soheit), bodhi (Erleuchtung) wurden sinisiert, während der Mahayanismus das typisch chinesische wu-wei (wörtlich «nicht handeln») aufnahm. Die letzte Wurzel für das auffallende Phänomen der inneren Verwandtschaft zwischen den buddhistischen und taoistischen Grundideen liegt in dem naturalistischen Welt- und Lebensgefühl, das sowohl die Mahâyâna-Sutren als auch Lao-tzu, Chuang-tzu und andere chinesische Denker inspiriert. Die naturalistischen Keime des Mahâyâna-Buddhismus fanden im geistigen Klima Chinas günstigere Entfaltungsbedingungen als im indischen Mutterland. Hemmte die Inder ihr quälendes Erlösungsstreben, so fühlten sich die Chinesen, die nach nichts so sehr verlangten, als der Natur das Geheimnis des Lebens abzulauschen, der naturzugewandten Form des Buddhismus nahe. In der chinesischen Buddhismusrezeption spielt, wie die wenigen Angaben im Vorigen deutlich zeigen, der Taoismus eine entscheidende Rolle. Wenn in der 68 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Folge der taoistische Einstrom innerhalb des Buddhismus am stärksten in der Zen-Schule zur Geltung kam, so haben dafür die engen Beziehungen zwischen den beiden Religionen während der buddhistischen Frühgeschichte in China die Grundlagen geschaffen. Legenden, in denen die Einführung der Buddha- Religion ins Reich der Mitte mit der Symbolfigur des Lao-tzu zusammengebracht wird 23 , nehmen eine untergeordnete Stellung ein. Wichtiger sind die Verbindungsfäden, die vom Ende der Han-Zeit an zwischen der anwachsenden buddhistischen Bewegung und den taoistischen Geistesströmungen laufen. Meditation in vielen Formen durchzieht damals die religiöse Praxis aller Schichten. Von tiefstem Einfluss sind die geistigen Bande, die den Buddhismus der Mahâyâna-Sutren mit der taoistischen Weisheitslehre verknüpfen. Das «taoistische Kleid» 24 blieb dem Buddhismus nicht äußerlich, sondern bewirkte innere Wandlungen. Aus der Begegnung mit dem urchinesischen Geisteserbe entsprang ein Quell, der sich in die dem Lehrgehalt nach differenzierten, jedoch innerlich eng miteinander zusammenhängenden Schulen des chinesischen Buddhismus ergoss, um in der Zen-Bewegung zum mächtigen Strom anzuschwellen. Die Entstehung der Zen-Schule ist nicht etwa durch das mehr oder minder zufällige Zusammenkommen buddhistischer und taoistischer Elemente zu erklären, vielmehr erfolgte während der T ’ ang-Zeit eine neue Bewusstwerdung der dem chinesischen Buddhismus eigentümlichen schöpferischen Kräfte, als deren Ergebnis die unvergleichliche Entfaltung der mahayanistischen Meditationsschule des Zen angesehen werden kann. Kumârajîva und die Schule vom «Mittleren Weg» Kumârajîva (344 - 409/ 413) markiert den Höhepunkt der buddhistischen Übersetzungsaktivität in China und leitet zu den Schulen des chinesischen Buddhismus über 25 . In Kuchâ gebürtig, trat er in Kaschmir in den buddhistischen Orden ein und lernte die Lehre der Sarvâstivâdin; nach dreijährigem Aufenthalt kam er nach Kashgar, wo er indische Literatur in sich aufnahm und mit der Mahâyâna-Form des Buddhismus bekannt wurde. Er kehrte schon bald in seine Heimat Kuchâ zurück und konzentrierte sich fast 20 Jahre lang auf das Studium der Mahâyâna-Sutren. Nun wünschte man in Nordchina die Anwesenheit des gelehrten Mannes, aber kriegerische Wirren hielten ihn noch 17 Jahre im nordwestlichen Grenzgebiet zurück. Nach seiner Ankunft in Ch ’ ang-an (401) entfaltete er eine glänzende Wirksamkeit. In dem von ihm eingerichteten und geleiteten groß angelegten Übersetzungsinstitut wurden während der kurzen Zeitspanne von nur acht Jahren viele buddhistische Werke aus Hînayâna und Mahâyâna ins Chinesische übertragen 26 . Unter den Mahâyâna-Sutren ragt das Lotossutra hervor. Doch stellt die Übersetzung des dem Nâgârjuna zugeschrie- Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 69 benen Kommentars zum Mahâprajñâpâramitâ-Sûtra in hundert Büchern die größte wissenschaftliche Leistung des genialen Mannes dar 27 . Mit dieser und anderen Übersetzungen von Texten der Prajñâpâramitâ-Literatur verband sich sein unermüdlicher Einsatz für die Lehre vom «Mittleren Weg». Überzeugter Mahayanist und kundiger Interpret der Philosophie des Nâgârjuna, verhalf er durch sein kraftvolles, klares Auftreten dem Mahâyâna in China zum endgültigen Sieg. Sein Briefwechsel mit Hui-yüan, dem er auf Fragen über die Mahâyâna-Lehre, besonders die Lehre vom dharmakâya antwortete, zeigt die damals noch herrschende Unsicherheit selbst bei führenden chinesischen Buddhisten bezüglich der Mahâyâna-Doktrin 28 . Ein anderer bedeutender Lehrer, Buddhabhadra (359 - 429), in Charakter und Neigung grundverschieden von Kumârajîva, genoss bei den chinesischen Zeitgenossen wegen seiner Wunderkräfte hohes Ansehen 29 . Ein ausgezeichneter Meditationsmeister, liebte er die Stille und hielt sich vom Hofleben fern. Nach seiner Ankunft in China weilte er zunächst bei Kumârajîva in Ch ’ ang-an, wich aber bald zum Süden aus, wo ihm Hui-yüan auf dem Lu-shan gern Gastfreundschaft gewährte. Buddhabhadra gehörte nach Herkunft und Erziehung dem Hînayâna an. Doch waren es, wie es scheint, weniger Lehrgegensätze, die ihn aus Ch ’ ang-an vertrieben, als vielmehr Feindseligkeiten in der Klostergemeinschaft sowie der freie Lebensstil Kumârajîvas 30 . Buddhabhadra folgte in der Meditationsmethode dem Dharmatrâtadhyâna-Sûtra, das in hinayanistischer Weise Atemregelung, Betrachtung der Unreinheiten, Versenkung in die vier Unendlichkeiten, Fixierung auf die fünf Elemente (skandha), sechs Sinnesorgane (indrîya) und zwölf Ursachenverknüpfungen lehrt 31 . Während seines Aufenthaltes auf dem Lu-shan übersetzte er dieses Sutra ins Chinesische und hielt darüber Vorlesungen. Der Unterschied zwischen Hînayâna und Mahâyâna war seinen Schülern so wenig deutlich, dass er in einem Brief aus jenen Tagen ein «Lehrer der Mahâyâna-Meditation» genannt werden konnte 32 . Das von ihm übersetzte Sutra wurde irrigerweise für mahayanistisch angesehen. Diese Verwechslung zeigt die Unsicherheit der Übergangszeit. Vom Lu-shan wandte sich Buddhabhadra zur südlichen Hauptstadt Chienk ’ ang, wo er als Meditationsmeister und Lehrer, aber auch als Übersetzer eine fruchtbare Wirksamkeit entfaltete. Große Verdienste erwarb er sich um den chinesischen Buddhismus durch die Übertragung des Buddhâvataṃsaka-mahâvaipulya-Sûtra in 60 Büchern 33 . Seine Übersetzung dieses grundlegenden Textes der Kegon-Schule gestattet es, Buddhabhadra zwischen Hînayâna und Mahâyâna anzusiedeln. Er starb in Chien-k ’ ang 429. Sein Schüler Hsüan-kao (gest. 444) stand im Streit um die Plötzlichkeit der Erleuchtung gegen die Neuerung des Tao-sheng. Die fortschrittliche Bewegung kam aus dem Jüngerkreis des Kumârajîva, aber auch in der Linie des Buddhabhadra gibt es in einer späteren 70 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Generation Vertreter der Mahâyâna-Meditation 34 . Diese kommen nahe an die Zeit heran, die für das Auftreten des Bodhidharma in China angegeben wird. Hatten die Sutren von der Vollkommenen Weisheit schon im zweiten Jahrhundert in China Eingang gefunden, so eröffnete die Übersetzung der Lehrtraktate (sanskr. śâstra, chin. lun, jap. ron) durch Kumârajîva den Weg zum philosophischen Verständnis der Lehre vom «Mittleren Weg». Kumârajîva war kein schöpferischer Denker, aber mehr als ein vortrefflicher Übersetzer. Er «liebte das Mahâyâna und wünschte es auszubreiten», sagt von ihm die alte chinesische Biographie 35 . Durch intensives Studium hatte er sich die Grundlehren des Mâdhyamika angeeignet und propagierte diese philosophische Interpretation des Buddhismus bei seinen zahlreichen Mitarbeitern und Hörern, ohne indes eine «Schule» im eigentlichen Sinn zu begründen. Dennoch «beginnt die Geschichte der Schule der drei Traktate in China mit der Ankunft des berühmten Kumârajîva von Kuchâ» 36 . Alle drei Traktate, nämlich das Mâdhyamika-śâstra (jap. chûron) und das Dvâdaśa-nikâya-śâstra (jap. jûnimonron) des Nâgârjuna sowie das Śata-śâstra (jap. Hyakuron) des Âryadeva wurden von ihm ins Chinesische übertragen. Einige seiner Schüler waren ausgezeichnete Kenner der Mâdhyamika-Philosophie. Heraus ragen aus der mit 500 angegebenen Schülerzahl Seng-chao und Tao-sheng. Beide sind für das Hintergrundverständnis des Zen in China wichtig. Die Generationslinie der «Schule der drei Traktate» (chin. san-lun-tsung, jap. sanronshû) beginnt möglicherweise mit Tao-sheng, wahrscheinlich verdankt sie «ihre wahre Grundlegung dem Werk des Seng-lang» 37 (gest. nach 528). Die Abfolge bleibt in den Quellen undeutlich. Während des sechsten Jahrhunderts sind Seng-langs Jünger Seng-ch ’ üan und dessen Jünger Fa-lang (507 - 581) die bedeutendsten Vertreter der Schule; sie hoben die mahayanistische Philosophie der Leere deutlich von der nihilistischen Hînayâna-Doktrin des Satyasiddhiśâstra (jap. jôjitsuron) ab. Chi-tsang (549 - 623), der zahlreiche Kommentarwerke zu Mâdhyamika-Schriften verfasste, brachte die Entwicklung der Schule der drei Traktate zu einem ersten Abschluss 38 . Die von dieser Schule vermittelte Wirkung in die Breite beförderte das Verständnis des Mahâyâna im Sinne der Philosophie vom Mittleren Weg. Obgleich nicht der Gründer, kann Kumârajîva doch als der geistige Vater der Schule der drei Traktate angesehen werden 39 . Seng-chao Die Hochblüte des Buddhismus in China um die Wende zum 5. Jahrhundert hat keinen glänzenderen Vertreter hervorgebracht als Seng-chao (384 - 414), den früh verstorbenen, genialen Jünger des Kumârajîva, der aus armer Familie stammend in die Schule des berühmten Meisters eintrat, den buddhistischen Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 71 Heilspfad umfing, die metaphysischen Spekulationen des Mittleren Weges meisterte und die ihm von jung auf vertraute Weisheit des Chuang-tzu, Laotzu und der Neutaoisten mit der Buddha-Lehre des Großen Fahrzeuges zu verbinden wusste. Gemäß dem Abschnitt über ihn in den «Biographien berühmter Mönche» vermochte die chinesische Weisheit ihn nicht voll zu befriedigen 40 . Nach der Lektüre des Tao-te-ching rief er aus: «Es ist bestimmt schön, aber der Bereich, wo unser Geist ruhen kann und weltliche Schmerzen überwunden sind, ist noch nicht gefunden.» Die Biographie erzählt weiter, wie er voller Freude und Bewunderung das Vimalakîrti-Sûtra in der alten Übersetzung (vor Kumârajîva) las und sich mit den Worten «Jetzt weiß ich, wohin ich gehöre» zum Eintritt in den buddhistischen Orden entschloss. Er suchte Kumârajîva in der nordwestlichen chinesischen Stadt Ku-tsang auf und folgte ihm nach Ch ’ ang-an, um beim Übersetzungswerk zu helfen. Die Biographie hebt hervor, dass er sich besonders um die persönliche Belehrung durch den Meister bemühte und so zu jenem vertieften Verständnis gelangte, das seine Schriften bezeugen. Unter den vier Essays der Sammlung Chao-lun (Traktate des Chao), die vom Herausgeber mit einer Einleitung versehen wurde, ist das nach der Übersetzung des Pañcavim-śatikâ-Prajñâpâramitâ-Sûtra (403/ 4) zuerst abgefasste «Prajñâ ist Nichtwissen» am wichtigsten 41 . In der Sammlung kommt es an dritter Stelle, die zwei ersten Traktate handeln über «Nicht-Veränderung der Dinge» und «Leere des Nicht-Wirklichen»; das vierte Essay über die «Namenlosigkeit des Nirvâṇa» ist nur teilweise Seng-chaos Werk. An den Traktat über Prajñâ schließt sich eine Korrespondenz mit Liu I-min, einem Laienjünger auf dem Lu-shan, an. Die Schrift war durch Tao-sheng dorthin überbracht worden (408) und hatte bei der Gemeinde höchste Bewunderung erweckt. Hui-yüan, der führende chinesische Buddhist jener Tage, war begeistert. «Ganz einzigartig», rief er aus 42 . Die Einzigartigkeit des Werkes dürfte darin liegen, dass es Seng-chao als erstem Chinesen gelungen war, die Quintessenz der Mâdhyamika-Philosophie in einer echt chinesischen Form auszudrücken. Dahin weisen auch die anerkennenden Worte, die Kumârajîva zu seinem Jünger gesprochen haben soll: «Mein Verständnis steht deinem nicht nach, aber deine Wortfassung ist überlegen 43 .» Damit sind wohl weniger die stilistischen Vorzüge des Werkes gemeint, als vielmehr die Inkarnierung des Mâdhyamika in China 44 . Seng-chao gelang in seinem Traktat «Prajñâ ist Nichtwissen» in früher Jugend ein Meisterwerk philosophischer Mystik. Das Essay, eine Interpretation der Philosophie vom Mittleren Weg durch einen Chinesen, erweist das chinesische Verständnis mahayanistischer Grundlehren, das sich im chinesischen Buddhismus, besonders im chinesischen Ch ’ an (jap. Zen), aber auch in der vom Zen inspirierten japanischen Philosophie unserer Tage wiederfindet. Wie Seng-chao sie versteht, ist Prajñâ die Weisheit des Weisen, heilige Weisheit, bezogen auf die absolute Wahrheit (paramârtha-satya), die nicht Gegenstand des gewöhnlichen 72 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Erkennens sein kann; sie ist «Nicht-Wissen» bezüglich aller Dinge (dharma), die aufgrund der Ursachenverknüpfung entstehen und vergehen. Als «erleuchtende Kraft des Nichtwissens» leuchtet sie die wahre, ungegenständliche Wirklichkeit an, die keine Eigenschaften besitzt 45 . Wie die Weisheitssutren liebt Seng-chao die Negation und die Paradoxe: Die vollkommene Weisheit erkennt und erkennt nicht, ist Geist und Nicht-Geist, Existenz und Nicht-Existenz, Welt und Nicht-Welt. Die wahre Wirklichkeit ist unaussprechlich, die vollkommene Weisheit transzendiert Worte und Begriffe. «Deshalb ist der Weise gleich einer leeren Höhlung. Er hegt kein Wissen, er wohnt in der Welt des Handelns und des Nutzens, aber er hält sich an den Bereich des Nicht-Handelns (wu-wei). Er bleibt innerhalb des Nennbaren, aber lebt in dem offenen Land, das die Worte übersteigt. Er ist schweigend und allein, leer und offen, weil seine Seinslage nicht in Worte gekleidet werden kann. Mehr kann von ihm nicht gesagt werden 46 .» Die Weisheitslehre hat im chinesischen Gewand nichts von ihrer dialektischen Schärfe eingebüßt, aber an Bildkraft gewonnen. Seng-chao zeigt, wie die Weisheit einem Spiegel gleich die zehntausend Dinge widerstrahlt. Das Bild des Spiegels ist den Mahâyâna-Sutren vertraut. Doch Seng-chao mochte sich eher an ein Wort des Chuang-tzu erinnert haben: «Der vollkommene Mensch gebraucht seinen Geist wie einen Spiegel 47 .» Der Vergleich des Menschengeistes mit einem Spiegel kam beim Wettstreit um die Nachfolge des fünften Patriarchen im chinesischen Zen zum Zuge und wurde ein beliebtes Motiv in der Zen-Literatur. Hui-neng hat noch ein anderes Wort, das Seng-chao bei Chuang-tzu fand, in das Zen eingebracht. Chuang-tzu nennt unter den im Tao aufgelösten Gegensätzen auch den von «richtig und falsch». In seinem Kommentar zum Vimalakîrti-Sûtra fordert Seng-chao, offenbar von Chuang-tzu beeinflusst, für den «buddhistischen Weg der universalen Gleichheit» die Überwindung dieser Unterscheidung 48 . Die buddhistische Erleuchtung kennt wie das Tao keine Gegensätze, ein Motiv, das seit Hui-neng im Zen zur Geltung gebracht wird. Ein chinesischer Kaiser der Ch ’ ing-Dynastie nennt Seng-chao einen «Patriarchen der Meditationsschule» 49 . Zwar trifft dieses Wort nicht im strikten Sinne zu, aber seine Neigung für den meditativen Weg ist unverkennbar. Er strebte nach der höchsten Wahrheit, die nicht in den Worten der Textbücher zu finden ist, sondern hinter den Worten liegt und erfahren werden muss. «Das Unerforschliche wird in einer intuitiven Erfahrung gefunden, die Einsicht in den Mittleren Weg öffnet 50 .» Wir wissen nicht, wie weit er selbst vor seinem frühen Tod auf diesem Weg voranschreiten konnte. In seinem Kommentar beschreibt er das Samâdhi des Dharmakâya. Der Mahâyâna-Meditation gibt er den Vorzug vor der hinayanistischen Versenkungspraxis. Die Zurechtweisung, die Ś ariputra im Vimalakîrti-Sûtra wegen seiner hinayanistischen Meditationsweise erfährt, ist, wie er meint, «in hohem Maße wohltuend» 51 . Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 73 Die Verwandtschaft des Seng-chao mit dem Zen beruht auf seiner Ausrichtung auf das unmittelbare erfahrungsgemäße Erfassen der absoluten Wahrheit. Unter den Kommentatoren seiner Werke finden sich zwei chinesische Zen- Meister, Hui-teng (vor 839) aus der Ochsenkopf-Schule und Te-ch ’ ing (1546 - 1623), bekannt unter dem Bergnamen Han-shan 52 . Te-ch ’ ing las in den Schriften des Seng-chao paradoxe Sätze, die wie Kôan das Erleuchtungserlebnis in ihm anregten. Was er erlebte, schrieb er im echten Zen-Stil nieder: «Der Wirbelsturm, der Berge entwurzelt, ist still. Die stürzenden Ströme fließen nicht. Die Heißluft, die im Frühling von der Oberfläche eines Sees aufsteigt, ist regungslos. Sonne und Mond, in ihren Achsen rollend, drehen sich nicht um . . .» 53 Er schildert dann die Erregung, die ihn beim Lesen der Druckfahnen einer neuen Ausgabe der Werke Seng-chaos erfasste: «Meine Freude kannte keine Grenzen. Ich sprang auf und warf mich vor dem Buddha-Bild nieder, aber - wie wunderbar! - mein Körper blieb bewegungslos. Ich hob den Vorhang und ging nach draußen, um herumzuschauen. Ein Windstoß schüttelte die Bäume im Vorgarten, und fallende Blätter wirbelten in der Luft. Aber in meiner Sicht bewegte sich kein einziges Blatt, und ich wusste, dass der ‹ Wirbelsturm, der Berge entwurzelt › , ewig still ist 54 .» Dieser Erlebnisbericht zeigt die Wirkung, die Seng-chaos Schriften auf spätere Generationen ausübten, die von der Zen- Bewegung erfasst waren. Seng-chao ist den klassischen chinesischen Zen-Meistern wohl bekannt, sie zitieren aus seinem Werk. Das 31. Beispiel der Kôan-Sammlung Hekiganroku (chin. Pi-yen lu) beginnt: «Setzt man das Bewusstsein in Bewegung, so erscheinen Formen. Nimmt man sie wahr, so bildet sich Eis.» Diese Worte aus den Essays Seng-chaos zielen, wie Gundert interpretiert, «auf den Ruhepunkt, welcher vor aller Bewegung des Geistes liegt, den Punkt, an dem noch keine Unterscheidung, kein Ja und Nein aufgetreten ist» 55 . Der Gesprächspartner des berühmten Zen- Meisters Huai-jang (677 - 744) zitiert im 40. Beispiel des Hekiganroku ein Wort aus Seng-chaos Traktat von der «Namenlosigkeit des Nirvâ ṇ a» über die Alleinheit von Himmel, Erde und Mensch 56 . Bei der Lektüre des gleichen Traktates hatte Zen-Meister Shih-t ’ ou (700 - 790) eine starke Erfahrung. Er las die Stelle: «Wer die Welt der Dinge so versteht, dass er in diesen allen stets sich selber sieht, der allein dürfte wohl ein Heiliger sein.» «Da durchfuhr es ihn», so schildert Gundert das Erleben, «dass er auf den Tisch schlug und sagte: Der Heilige besitzt kein eigenes Selbst, weil alles eigenes Selbst ist; wer will da noch von Ich und Du, von eigenem Selbst und einem Anderen reden! 57 » Der Zen- Meister Ho-shan Wu-yin (891 - 960) beginnt eine Unterweisung, wie folgt: «Wer übend lernt, den nennen wir Hörer. Wer ausgelernt hat, den nennen wir Nachbarn. Wer über diese zwei hinausgelangt ist, den betrachten wir als einen, der in der Wahrheit darüber hinaus ist 58 .» Diese Sätze aus dem «Traktat vom kostbaren Schatz» (chin. Pao-tsang lun, jap. Hôzôron), der fälschlich dem Seng- 74 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China chao zugeschrieben wurde 59 , bezeichnen eine Stufenfolge auf dem Wege zur Wahrheit. In der Kôan-Sammlung Mumonkan (chin. Wu-men kuan) wird Sengchao nicht namentlich zitiert, aber japanische Ausleger entdecken in einem Kôan eine Anspielung an den «Traktat vom kostbaren Schatz» 60 . Seng-chao nimmt für den Erleuchtungsweg allmähliches Fortschreiten an mit Berufung auf das Sutra-Wort: «Drei Pfeile treffen die Scheibe, drei Tiere durchqueren den Fluss. Das Treffen und Durchqueren ist gleich, aber die Pfeile dringen mehr oder weniger tief ein, die Tiere tauchen wegen ihrer verschiedenen Stärke ungleich tief ins Wasser unter 61 .» Aber nicht nur auf dem Weg, sondern auch im Erfassen der Wahrheit gibt es Unterschiede und stufenweises Fortschreiten. Wenn schon die Erkenntnis aller weltlichen Dinge unmöglich ist, «wie viel weniger vermag einer die Unendlichkeit des leeren Raumes zu begreifen und den Schleier vom ‹ Geheimnis der Geheimnisse › zu lüften? » 62 Seng-chaos Einfluss im chinesischen Buddhismus kann nicht leicht überschätzt werden. Sein Geist hat im chinesischen Zen deutliche Spuren hinterlassen, vor allem seine Schilderung und Lobpreisung der Prajñâ, der namenlosen, unaussprechlichen, lauteren Weisheit, die «obgleich leer, unablässig scheint und, obgleich scheinend, leer bleibt» 63 ; sie ist im Bereich des Absoluten beheimatet. Die Betonung des Kosmischen kommt zum großen Teil aus dem chinesischen Erbe. Doch muss Seng-chao als gläubiger Buddhist angesehen werden. In seinem Werk hat die Synthese von buddhistischer Religion und chinesischer Weltanschauung einen überzeugenden Ausdruck gefunden. Tao-sheng Tao-sheng (ca. 360 - 434), ebenfalls aus dem Jüngerkreis des Kumârajîva, ist wegen seiner Lehre von der Plötzlichkeit der Erleuchtung «der tatsächliche Begründer des Zen» genannt worden 64 . Eine Einschränkung dieser Behauptung liegt vor, wenn «die Entstehung der Zen-Schule ideologisch bis auf Tao-sheng zurückverfolgt» wird 65 . Wie immer man modifizieren und nuancieren mag, sicher ist Tao-sheng für das geistesgeschichtliche Verständnis des Zen von großer Wichtigkeit. Auch Tao-sheng gehört zu jener Frühgeneration chinesischer Buddhisten, die das Buddha-Gesetz mit dem chinesischen Denken verbanden und in den heimischen Boden einpflanzten. Von Kindheit an im Tempelkloster erzogen - sein erster Lehrer war der Mönch Fa-t ’ ai (gest. 378) - , umfängt er mit gläubigem Herzen die Buddha-Lehre, aber seine Weltanschauung ist vom Chinesischen, vorab von Lao-tzu und Chuang-tzu her geprägt. Im Kreis der Freunde wahrte er sich die Selbständigkeit eines freien, starken Geistes. Er besuchte die beiden Hauptzentren des damaligen chinesischen Buddhismus, den Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 75 Berg Lu südlich des Jangtse und die nördliche Hauptstadt Ch ’ ang-an. Bei seiner Ankunft auf dem Lu-shan (397) traf er dort den Hînayâna-Gelehrten Sa ṇ ghadeva aus der Sarvâstivâda-Schule und studierte mit diesem den Abhidharma dieser Schule. Den Glauben des Hui-yüan und seiner Freunde an das westliche Paradies des Amitâbha teilte er nicht. Er misstraute Worten und Bildvorstellungen. Man muss das Fischnetz vergessen, wenn der Fisch gefangen ist 66 . Dieses Wort des Chuang-tzu wandte er auf den buddhistischen Weg an. Der Fisch, die Wirklichkeit, ist der Buddha, der sich in keinem Menschenwort endgültig fangen lässt. Doch schätzte und verehrte Tao-sheng die Sutren, «in denen jegliches seine Bedeutung hat». «Der Buddha lügt nicht.» Er hat nicht gelogen, als «er die Schriften an seiner statt als Arznei hinterließ» 67 . Ein kurzer Aufenthalt in Ch ’ ang-an (405/ 6 - 408) genügte, um ihn zu einem der vier Hauptjünger des Kumârajîva zu machen 68 . Er nahm während dieser Jahre an der Übersetzungsarbeit teil und lernte - so dürfen wir annehmen - unter der kundigen Leitung des gelehrten Mâdhyamika-Meisters die Philosophie des śûnyavâda kennen. Sein rascher Aufbruch und seine Rückkehr zum Lu-shan (408) und von dort nach Chien-k ’ ang (409) scheint durch die unangenehme Atmosphäre in der Mönchsgemeinde der Hauptstadt verursacht zu sein. Was er in Ch ’ ang-an gewonnen hatte, wirkte sich im rastlosen Schaffen seiner Altersjahre aus. In seiner literarischen Tätigkeit nehmen die Kommentare zu Mahâyâna-Sutren den breiteren Raum ein 69 . Berühmt sind seine beiden Traktate über die «Nichtverdienstlichkeit der guten Werke» und die «Plötzlichkeit der Erleuchtung». Tao-shengs Traktat über die plötzliche Erleuchtung ist nicht erhalten. Wir kennen den Inhalt nur aus der Schrift Pien-tsung lun («Diskussion charakteristischer Lehren») des buddhistischen Hofmannes und Dichters Hsieh Ling-yün (385 - 433), der freundschaftlichen Verkehr mit den Mönchen unterhielt 70 . Die Schrift entstand in der südlichen Hauptstadt Chien-k ’ ang unter den Augen des Tao-sheng und fand dessen Billigung. Trotzdem bestehen begründete Zweifel, ob seine Gedanken genau wiedergegeben sind 71 . Hsieh Ling-yün kontrastiert die Auffassung seines Freundes einerseits mit der Lehre Buddhas, gemäß der die Erleuchtung am Ende eines langen, schwierigen Stufenweges erlangt wird, und andererseits mit einem Wort Kung-tzus über seinen Jünger Yen-hui, das er neutaoistisch missversteht. Diesen Autoritäten gegenüber wird der Freund als «Buddhist mit einer neuen Lehre» eingeführt, die wahr, endgültig und der Doktrin Buddhas ebenso wie der Weisheit Kung-tzus überlegen sein soll 72 . Was ist diese «neue Lehre»? Oder zuerst, in welchem Sinn kann die Plötzlichkeit der Erleuchtung als neue Lehre angesehen werden? Eine Klärung des Begriffs ist umso wünschenswerter, als der Ausdruck in der Folgezeit recht verschieden und oft undeutlich angewandt wird. Der Buddhismus ist von seinen Anfängen an ein Weg der Erleuchtung. Im gemeinen Menschenverstand heißt 76 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Erleuchtung - und so sind auch die frühen buddhistischen Schriften zu verstehen - eine rasche, dem Menschengeist irgendwie plötzlich aufleuchtende neue Erkenntnis oder Schau, die sich dem inneren Auge zeigt und ins Bewusstsein aufgenommen wird. Der buddhistische Kanon erzählt viel von Erleuchtungen. Wie Shâkyamuni unter dem Pippala-Baum, so erfuhren seine Jünger - wie die Gesänge der Mönche und Nonnen bezeugen - in mannigfacher Weise Erleuchtungen. Die Mahâyâna-Sutren bieten eine Erleuchtungslehre, die dem Erfahrungscharakter der Wahrheitsfindung Rechnung trägt. Die plötzliche Erleuchtung ist dem indischen Buddhismus keineswegs fremd, mag auch ein Korn Wahrheit in der Ansicht des Hsieh Ling-yün stecken, die Chinesen bevorzugten wegen ihrer Neigung zu intuitiver Erkenntnis die plötzliche Erleuchtungsschau, während die stärkere wissenschaftliche Begabung die Inder den allmählichen Weg beschreiten ließ 73 . Richtig ist, dass der Weg zur letzten Verwirklichung, zur Erleuchtung und zum Nirvâ ṇ a im Kanon des indischen Buddhismus zu einem stufenweise aufsteigenden Pfad geformt wurde. Methode und System, Schema und Analyse verdrängten im abhidharmischen Hînayâna-Buddhismus den frei waltenden Geist. Dennoch wurde die Einmaligkeit der Erfahrung, die in der Natur der Erleuchtung liegt, kaum je ausdrücklich geleugnet. Die Stufen beziehen sich im buddhistischen Schrifttum zumeist auf den Weg, nicht auf das Ziel der Erkenntnis, auf den Erlösungsprozess, nicht auf die Befreiung selbst. Die Erlangung des Zieles, der eine Augenblick der Ankunft nach Überwindung des Weges, ist plötzlich. Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen dem objektiven und subjektiven Aspekt der Zielerfassung. Ziel des Erlösungsweges ist das Absolute, das notwendig als eine einfache Wirklichkeit und ein unteilbares Ganzes begriffen wird. Vom Objekt her gesehen sind gradweise Stufen des Erfassens unmöglich. Doch ein Mehr oder Weniger im subjektiven Erkennen ist keineswegs ausgeschlossen. Tao-shengs Lehre von der plötzlichen Erleuchtung betrifft die Zielerfassung nach der objektiven wie nach der subjektiven Seite. Der absolute Seinsgrund ist seiner Natur nach einfach, unteilbar, leer und kann nur in toto begriffen werden. Allmähliche Erleuchtung ist metaphysisch ein Unding. Aber auch die subjektive Erfassung der Wahrheit geschieht in einem einzigen, unteilbaren Akt. «Die Frucht fällt ab, wenn sie reif ist.» «Der Holzhauer hält ein, wenn nur mehr leerer Raum übrig bleibt.» «Wenn der Berg erklommen ist, erscheint auf einmal ganz die Landschaft des Zieles 74 .» Diese Blickänderung bewirkt eine geistige Wandlung. Das Auge der Weisheit öffnet sich zum letzten endgültigen Erkennen. Alle Bemühung auf dem Wege ist wie ein Stehen vor der Wand, der Durchbruch erfolgt plötzlich, es gibt kein Mehr oder Weniger der Durchdringung. Die Vergleiche dienen dazu, den radikalen Unterschied zwischen Weg und Ziel deutlich zu machen. Die Zielerfassung liegt jenseits der auf dem Wege gültigen Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 77 Kategorien. Im Lotossutra wird die Erleuchtung in vier Schritte aufgeteilt. Taosheng verwirft diese Auffassung. In mahayanistischer Sicht muss es heißen, «dass diese vier Schritte vom Gläubigen in einem einzigen Akt der Erleuchtung vollzogen werden» 75 . Der Buddhaspross muss in jedem Lebewesen wachsen bis zu jenem entscheidenden Augenblick, in dem gleichsam die Zeit endet und die neue Seinsweise beginnt 76 . Tao-shengs Lehre von der plötzlichen Erleuchtung erregte bei seinen Zeitgenossen heftigen Widerspruch. Diese Diskussion dauerte nach dem Tode Tao-shengs fort. Um sie zu verstehen, ist es gut, Tao-shengs geistige Situierung innerhalb des chinesischen Buddhismus ins Auge zu fassen. Wichtig ist seine wiederholte Begegnung mit der vom Nibbâna-sutta des Pâli-Kanons verschiedenen Mahâyâna-Version des Nirvâṇa-Sûtra, nämlich dem Mahâparinirvâṇa-Sûtra 77 . Wahrscheinlich hörte er schon während seines Aufenthaltes in Ch ’ ang-an von diesem damals in China noch kaum bekannten großen Mahâyâna-Text und den darin enthaltenen Lehren von der universalen Buddha-Natur aller Lebewesen und der allgemeinen Heilsmöglichkeit. Bei den buddhistischen Lehrern seiner Zeit herrschte über diese Punkte Unsicherheit. Tao-sheng erregte nicht geringes Aufsehen mit der Behauptung, auch die icchantika, d. i. sinnlichen Begierden ergebene Menschen, könnten das Heil erlangen 78 . Und er ließ von dieser Auffassung nicht ab, auch als eine unvollständige Übersetzung des mahayanistischen Nirvâṇa-Sûtra, die den icchantika keine Buddha-Natur zusprach, bekannt wurde 79 . In der ungenügenden Übersetzung konnte er nicht das volle Mahâyâna erkennen. Die Wellen schlugen hoch. Tao-sheng polemisierte heftig und musste die Hauptstadt verlassen (428/ 9). Auf dem Berg Lu erreichte ihn die Nachricht, dass eine zweite, vollständige Übersetzung des Sutras (angefertigt von Dharmak ṣ ema zwischen 414 und 421, in Chien-k ’ ang angelangt 430) seine Auffassung bestätigte 80 . Nun wurde er mit Lob überhäuft. Aber wichtiger als die ehrenvolle Wiederherstellung seines Ansehens ist die Integration der Zentrallehre des Nirvâṇa-Sûtra von der universalen Buddha- Natur ins chinesische Mahâyâna. Die Lehre von der Buddha-Natur steht in einem Kontrast zum Negativismus der Philosophie vom Mittleren Weg 81 . Mit ihr meldet sich ein Positivum im religiösen Denken des Mahâyâna an. Denn die Buddha-Natur wird als identisch mit dem «Wahren Selbst» und dem Dharmakâya angesehen. Alle Lebewesen besitzen sie und können die Buddhaschaft erlangen. Die Buddha-Natur ist lauter und freudvoll, ja wenn sie das von den Chinesen immer unterschwellig ersehnte «unsterbliche Selbst» vertritt, mag man sie füglich mit dem Âtman des Vedânta vergleichen 82 . Allerdings kommt der letzten Wirklichkeit nach buddhistischer Auffassung keine Substantialität zu; auch besitzt sie weder Form noch Eigenschaften. Tao-sheng sah, wie es scheint, keinen Widerspruch zwischen der Vorstellung von der Buddha-Natur des Nirvâṇa-Sûtra und der Philosophie der 78 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Leere des Mâdhyamika, die er in der Schule des Kumârajîva in sich aufgenommen hatte. Beide Anschauungen wurden im chinesischen Mahâyâna- Buddhismus weitergegeben; im klassischen Ch ’ an sind sie völlig amalgamiert. Die Vorstellung von der Buddha-Natur oder der Selbstnatur findet sich in der Zen-Bewegung bei so herausragenden Meistern wie Hui-neng und Dôgen. Taosheng hat sie bezeichnenderweise mit der Lehre von der plötzlichen Erleuchtung verbunden. Die Buddha-Natur wird in plötzlicher Erleuchtung realisiert. Die Nähe zum Zen ist offensichtlich. Dennoch konnte eine Verbindungslinie zwischen Tao-sheng und den Anfängen des chinesischen Zen bisher nicht aufgewiesen werden. Wegen seiner Beziehungen zum Mahâparinirvâṇa-Sûtra kann Tao-sheng als der geistige Vater der chinesischen Nirvâ ṇ a-Schule bezeichnet werden, die sich jedoch erst nach seinem Tode als Schule organisierte und nach kurzem Bestehen von der mächtigen T ’ ien-t ’ ai-Schule absorbiert wurde. Eine eigentliche Schule der plötzlichen Erleuchtung hat es im China jener Tage nicht gegeben. Die Linie, die von Tao-sheng ausgeht, erlischt schon früh mit dem Tode seiner zwei Jünger Tao-yu und Fa-yüan (gest. 489) 83 . Beide setzten sich für die Lehre ihres Meisters ein. Während der ersten Zeitspanne war der Hauptgegner der Lehre von der Plötzlichkeit Hui-kuan (gest. 443, spätestens 447), ein Jünger Kumârajîvas. Sein Traktat von der gradweisen Erleuchtung kennt fünf Perioden und sieben Stufen in der Lehrverkündigung Buddhas 84 . Wir hören später von einer Disputation am Hof des Kaisers Hsiao-wen (460) zwischen Tao-shengs Jünger Tao-yu und Fa-yao, einem Vertreter des Weges der allmählichen Erleuchtung 85 . Die Auseinandersetzung zog sich fast durch das ganze fünfte Jahrhundert hindurch. Liebenthal weist die Argumentation des chinesischen Historikers T ’ ang zurück, der an einem «schwachen Faden» aus dem Kreis der Verfechter der plötzlichen Erleuchtung im fünften Jahrhundert zu den Anfängen des Zen-Buddhismus hinführen zu können meint, und stellt fest: «Es besteht keine historische Verbindung zwischen Tao-sheng und Ch ’ an- Buddhismus 86 .» Dieses Ergebnis seiner Forschung bekräftigt er durch die Angabe wesentlicher Merkmale der chinesischen Zen-Schule, die bei Tao-sheng nicht vorkommen 87 . Die Frühgeschichte des chinesischen Buddhismus gibt wichtige Aufschlüsse über die Entstehungsbedingungen des Zen. Ein breiter Strom von indischer Mystik einschließlich alter Yoga-Überlieferungen kam mit dem Buddha-Gesetz ins Land der Mitte. Hînayâna und Mahâyâna wurden unterschiedslos und begierig aufgenommen. Die Einschmelzung der mahayanistischen Metaphysik in die chinesische Weltanschauung führte zu einer so vollkommenen Einheit, dass die Grenze zwischen dem Ursprünglichen und der Beeinflussung nicht deutlich aufgezeigt werden kann. Auf die Periode der großen indischen Lehrer und Übersetzer folgte eine Generation chinesischer Jünger, die eigenständige Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 79 Denker waren und auch in der Meditation Bedeutendes leisteten. Aus der Schule des Kumârajîva gingen hervorragende Männer hervor, Seng-chao, der den stärksten Einfluss auf die Zen-Bewegung ausübte, und Tao-sheng, über den der japanische Buddhologe Ui urteilt: «Seine Lehre war einigermaßen zen-artig, sein Einfluss sehr groß 88 .» Meditationsmeister Die Geschichtsquellen berichten von Meditationsmeistern, die mehr in Nordchina als im Süden wirkten. Yogische Krafterweise und magische Praktiken nahmen einen großen Platz ein. Die Szene ist noch wenig erforscht. 89 Als Zugänge zu Bodhidharma verdienen, wie neue Studien zeigen, die Meditationsmeister Seng-ch ’ ou (480 - 560) 90 und T ’ an-chien (542 - 607) 91 Beachtung. Sengch ’ ou erhielt eine längere Biographie in der «Fortsetzung der Biographien berühmter Mönche» (chin. Hsü Kao-sen chuan, jap. Zoku-Kôsôden) 92 . Auch Namen seiner Lehrer und Jünger sind bekannt. Nach anfänglichen Misserfolgen fand er die ihm gemäße Meditationsweise, erreichte einen hohen Grad von geistiger Konzentration und Losschälung von weltlichen Dingen. Er verweilte eine Zeitlang im Kloster Shôrinji (chin. Shao-lin ssu) und verfasste das Buch Shikanhô (chin. Chih kuan fa) mit zwei Kapiteln über die Konzentrationsweise bei der Meditation. Dort lernte er auch vom indischen Meister Buddha das zenartige Wort: «Das höchste Prinzip ist unaussprechlich, der Geist der Weisen ist unbehindert.» 93 Die Meditationsanweisungen Seng-ch ’ ous enthalten Hînayâna- und Mahâyâna-Elemente. Der Meister bekannte sich zum Mahâyâna. Zwei seiner Manuskripte handeln von der «Methode der Beruhigung des Geistes» und von der «Geistigen Übung des Mahâyâna». Er empfiehlt den Lotossitz für die körperliche und innere Kontrolle der geistigen Konzentration. Den erstrebten Bewusstseinszustand der Meditation beschreibt er wie folgt: «Wenn der Geist und alle Objekte verschwinden, werden Konzentration und Friede spontan erlangt.» 94 Der Satz bezeichnet die gegenstandslose Meditation, von den Zen- Meistern später durch den Ausdruck «ohne Gedanken, ohne Vorstellungen» (jap. munen musô) charakterisiert. In einem Manuskript beschreibt er den in der Meditation erlangten «Nicht- Geist» (jap. mushin): Alle äußeren Bedingungen besitzen keine eigenen unveränderlichen Formen. Richtig und falsch, werden und entwerden kommen allein vom Geist. Wenn einer Nicht-Geist erreichen kann, ist er von Dingen (dharma) nicht behindert. Wer wird, wenn sein Geist nicht denkt, richtig und falsch unterscheiden? Wenn alles richtig und falsch verneint 80 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China ist, sind alle Formen der Dinge für immer friedvoll, weil die Dinge und die zehntausend Trübungen alle gleich dem Prinzip der Soheit sind. 95 Yung-ming (904 - 975) aus dem Fa-yen-Haus der Zen-Schule des Südens zitiert diesen Abschnitt in seinem bekannten synkretistischen Sammelwerk Shûkyôroku (chin. Tsung-ching lu). Seng-ch ’ ou war in Zenkreisen kein Unbekannter. Spätere Zen-Mönche lesen bei ihm den Vergleich, mit dem sie mit Vorliebe die Unmittelbarkeit der Erfahrung veranschaulichen: «Es ist wie Trinken. Nur wer trinkt, weiß, wie kalt oder warm das Wasser ist.» 96 Seine Empfehlung der Meditation im Hocksitz und die Andeutung der ungegenständlichen Meditation bringen ihn in die Nähe des Zen. Weil er allmählichen, gradweisen Fortschritt der religiösen Übung lehrte, kritisierten ihn die Zenanhänger der plötzlichen Erleuchtung. Tao-hsüan vergleicht in seiner Biographie des Seng-ch ’ ou diesen mit seinem Zeitgenossen Bodhidharma, nicht zu dessen Gunsten. 97 In der chinesischen Gesellschaft genoss Seng-ch ’ ou wegen seiner Beziehungen zum Herrscher und seiner Tempelgründungen höheres Ansehen als der Wandermönch Bodhidharma aus fernem Land, den Tao-hsüan zum Vertreter einer «Schule der Leere» macht, eine undeutliche Bezeichnung, die wahrscheinlich eine Beziehung zu den Weisheitssutren meint. Seng-ch ’ ou und Bodhidharma gehören beide der blühenden Meditationsbewegung im China des sechsten Jahrhunderts an. Der hervorragende Meditationsmeister T ’ an-chien, der kurz nach Bodhidharma lebte, verdient in diesem Zusammenhang weniger wegen seiner Nähe zur Zen-Meditation als wegen seiner Bedeutung im Geistesleben seiner Zeit und den sich daraus ergebenden Verbindungsfäden zur Zen-Schule Beachtung. 98 Er verstand es, wichtige Elemente chinesischer Geistigkeit in seine Meditationspraxis zu integrieren. Vor allem ist der ihm von jung an vertraute Taoismus zu nennen. Der taoistische Einschlag im Zen wurde bei seiner frühesten Rezeption im Westen bemerkt und manchmal den buddhistischen Wurzeln vorgezogen. Die Verfechter dieser Ansicht können bei T ’ an-ch ’ ien Hilfe suchen. Doch war T ’ an-ch ’ ien, der große Kenner und Liebhaber des Lao-tzu und des Chuang-tzu, im Kern Buddhist. Wissenschaftlicher Forschung zugeneigt, studierte er eifrig die Mahâyâna-Sutren und eignete sich gute Kenntnis der dem Zen nahestehenden Avata ṃ saka- und La ṇ kâvatâra-Sutren sowie des «Traktates vom Erwachen des Glaubens im Mahâyâna» (chin. Ta-cheng ch ’ i-hsin-lun, jap. Daijôkishinron) an. Den Traktat Mahâyânasa ṃ graha des Asa ṅ ga, eine Summe der Yogâcâra-Philosophie, machte er zum Mittelpunkt einer Schule. Dass T ’ anch ’ ien nicht die Anerkennung fand, die seiner wissenschaftlichen Leistung gebührt, schreibt Whalen W. Lai der Zurückhaltung seiner buddhistischen Zeitgenossen gegenüber der taoistischen Komponente seines Werkes zu und zitiert zur Begründung die Sätze des japanischen Buddhologen Kamata Shigeo: Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 81 «In der frühen Zen-Tradition bestand eine beständige Bemühung, Zen von Laotzu und Chuang-tzu zu trennen, ein Bewusstsein, dass der (buddhistische) Dharma einzigartig und eine gegen die Begrenzungen des Taoismus gerichtete Geisteshaltung ist.» 99 T ’ an-ch ’ ien hinterließ ein Essay «Gegensätze beenden», in dem er die Anschauungen der taoistischen Philosophie mit dem Buddhismus zu versöhnen sucht. Er benutzt dabei Paradoxe aus den Schriften des Chuang-tzu. Haben wir hier so etwas wie ein Vorspiel der an Paradoxen reichen Sprache des klassischen chinesischen Ch ’ an? Wir konnten bei der Erwägung der Vorbereitungen der Zen-Bewegung im chinesischen Buddhismus zeitlich und ideologisch bis ins Quellgebiet vorstoßen. Dies mag für das Dunkel entschädigen, in das die Legende das Aufspringen des Stromes eingehüllt hat. 82 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China II Die Frühzeit Bodhidharma - Geschichte und Legende Gläubigen und Gelehrten liegt die Erforschung der Ursprünge am Herzen, doch sind nicht selten die Anfänge einer religiösen Bewegung in Dunkel gehüllt. Legendendichtung verwischt die Gestalt des Stifters, seine mutmaßliche Lehre wird aus den Bindungen an die Vergangenheit herausgelöst, auf dass ihre einzigartige Neuheit heller hervorleuchte. Beide Tendenzen bemächtigten sich der Gestalt des Bodhidharma und der Meditationsschule des Zen. Ausdruck fanden sie in der berühmten vierzeiligen Strophe, die Bodhidharma zugeschrieben wird, jedoch erst viel später, zur Blütezeit des Zen in der Tang-Periode, verfasst wurde. Eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften, unabhängig von Wort und Schriftzeichen: Unmittelbar des Menschen Herz zeigen - die (eigene) Natur schauen und Buddha werden. 1 Spätere Geschlechter erblickten in diesen Versen das Wesen des Zen, das sich ihnen in der Gestalt des Bodhidharma verkörperte. In der Zen-Literatur wird die Frage nach dem Sinn des Kommens Bodhidharmas vom Westen zur Frage nach dem Sinn des Zen schlechthin, ähnlich wie die Frage nach dem Buddha die Frage nach der letzten Wirklichkeit bedeutet. Bodhidharma steht im Bewusstsein seiner Gläubigen unmittelbar neben Buddha. Die Strophe enthält zwei Kernaussagen, die als Grundtendenzen die Bodhidharma-Legende motivieren. Die zwei ersten Zeilen sprechen von der Geistüberlieferung. Sie ist das kostbarste Gut im Buddhismus, das Eigentliche, worauf es Buddha ankam - sein Erleuchtungswissen, das er den Menschen mitzuteilen wünscht. Innerhalb des Buddhismus ist die Geistüberlieferung - das ist die Grundüberzeugung aller Zen-Gläubigen - der Zen-Schule besonders anvertraut. Die erste Geistübertragung Shâkyamunis an seinen Jünger Kâ ś yapa begründete das Patriarchat der Zen-Schule. Bodhidharma überbrachte mit dem Patriarchat «das Siegel des Buddha-Geistes» vom Mutterland Indien ins Reich der Mitte. In den Generationslisten fungiert er als 28. indischer Patriarch und als erster Patriarch des Zen in China 2 . Die Erzählung vom Patriarchat und den Insignien der Patriarchenwürde, nämlich Gewand und Almosenschale, bildet einen wichtigen Teil der Bodhidharma-Legende, als Legende deutlich erkenntlich, weil nicht nur alles geschichtliche Beweismaterial fehlt, sondern zudem die innere Motivierung offen zu Tage liegt. Motiv der Legendendichtung ist ferner die Behauptung der Neuheit des durch Bodhidharma eröffneten Meditationsweges. Der Legende liegt daran, den neuen Anfang möglichst spektakulär herauszustellen. Ohne Stammbaum in China erscheint der Patriarch in nie dagewesener Einzigartigkeit, die seine Person, aber auch den ihm eigenen Meditationsstil betrifft. Die zwei letzten Zeilen der Strophe können freilich Lesern der buddhistischen Mahâyâna-Literatur nicht so gar neu klingen 3 . Aufgrund der geschichtlich glaubwürdigen Quellen lässt sich keine unbedingte Neuheit für Bodhidharma in Anspruch nehmen. Von dem Neuen, das in der Zen-Bewegung tatsächlich aufbrach - wir wissen nicht genau, wann - wird später zu handeln sein. In der Bodhidharma-Literatur äußerte sich der Drang, Neuartiges und Ungewohntes zu erzählen, als eine legendenbildende Tendenz. Da Legende in ihrer reinen Form zur Dichtung gehört, kommt bei ihrer Ausformung außer religiösen Tendenzen die schöpferische künstlerische Phantasie zum Zuge. Die Bodhidharma-Legende ist überaus reich. Unmöglich, sie in allen Einzelheiten darzustellen. 4 Da wird erzählt, um einige der wichtigeren Züge zu nennen, Bodhidharma, aus südindischem Brahmanengeschlecht oder gar aus königlichem Geblüt entsprossen, sei nach langen, mühevollen Reisen in Südchina an Land gegangen. Bei einer Begegnung habe er Kaiser Wu (502 - 550), dem Begründer der Liang- Dynastie im Südreich, die Nutzlosigkeit der Errichtung von Buddha-Tempeln und der Sutrenrezitation ins Gesicht gesagt, danach habe er auf einem Schilfrohr den wasserreichen Jangtse-Strom überquert, neun Jahre in einem Tempelkloster vor einer Wand gehockt, so dass ihm beide Beine abfaulten, das Siegel des Geistes aber, nämlich das Patriarchat des Zen, seinem Jünger Hui-k ’ o übertragen. Die Chroniken berichten von hartem Widerstand, auf den seine Verkündigung einer neuen Erleuchtungslehre stieß. Sechsmal habe er Giftanschläge seiner Feinde durch Wunderkraft zunichte gemacht, dreimal die Einladung des Kaisers Hsiaoming an den Hof des Nordreiches abgeschlagen. Dichtung aus späterer Zeit ist auch die Erzählung, der Beamte Sung Yün sei auf seiner Rückreise nach China dem Bodhidharma an dessen Todestage in Mittelasien begegnet. Der Patriarch habe eine Sandale in der Hand getragen, die andere sei beim Öffnen des Grabes gefunden worden. Andere Überlieferungen wissen von einer Heimkehr des Patriarchen nach Indien oder auch von einer Überfahrt nach Japan. In vielen Einzelzügen der Legende spricht das allgemein menschliche Bedürfnis der Jünger, möglichst viel Ehrenvolles auf das Haupt des toten Meisters zu häufen. Ist es möglich, mit Sicherheit einen geschichtlichen Kern der Bodhidharma- Legende zu erkennen? Drei glaubwürdige Texte aus früher Zeit bieten sich an, 84 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China die allerdings dem Inhalt nach voneinander verschieden sind und keinesfalls genügen, den geschichtlichen Lebenslauf des Patriarchen zu bestimmen. Der früheste Text ist eine kurze Notiz des Zeitgenossen Yang Hsüan-chih in einer Schrift über die 45 Tempelklöster von Lo-yang (ca. 547), auf die Paul Pelliot vor mehr als fünfzig Jahren die Aufmerksamkeit lenkte 5 . Yang Hsüan-chih traf im Tempelkloster Yung-ning-ssu (jap. Ei ’ neiji) auf einen Mönch aus westlichen Gebieten, Bodhidharma, der die Schönheit des Tempels pries, 150 Jahre alt zu sein behauptete und eifrig den Buddha verehrte. Die Stelle lautet: Damals war da der Ś ramana Bodhidharma aus den westlichen Ländern, ursprünglich ein Mann aus Persien (? ). Er kam von rauem Lande her und weilte im Lande der Mitte. Da er sah, wie die Goldscheibe in der Sonne glitzerte und das Licht die Außenseite der Wolken beschien, wie die kostbare Glocke den Wind in sich barg und der Klang bis jenseits der Himmel schallte, sang er ein Preislied: Wahrhaft, dies ist wunderbar. Er sagte von sich, er sei 150 Jahre alt, habe alle Länder durchwandert, an allen Orten sei er gewesen. Aber diesem Tempel komme an Schönheit nichts in Jambu-dvîpa gleich, er überschreite der Dinge Maß, bisher gebe es nichts dergleichen. Täglich rief er mit gefalteten Händen gläubig den Buddha-Namen an. 6 Diese eher beiläufige Bemerkung passt schlecht zum legendären Bild des erleuchteten, mit Wunderkräften ausgestatteten Gründers der Zen-Bewegung. Der weitgereiste Mönch Bodhidharma tritt nicht als Haupt einer neuen Meditationsschule auf. Keine wunderbaren Taten aus seinem Leben werden erzählt, es ist nicht die Rede von einem Patriarchat, dem die Weitergabe des Geistsiegels obliegt. Es bleibt unsicher, ob dieser Wandermönch mit dem ersten chinesischen Zen-Patriarchen identisch ist. 7 Doch darf nicht übersehen werden, dass die Schrift des Yang Hsüan-chih keine geschichtlichen Zwecke verfolgt. Es handelt sich um eine Notiz am Rande. Dies ist anders bei dem großen Geschichtswerk des Tao-hsüan (gest. 667), einer Fortsetzung der Sammlung von «Biographien berühmter Mönche» (jap. Zoku-kôsôden, chin. Hsü Kao-seng chuan), die in 30 Bänden zahlreiche Lebensbeschreibungen von Anfang des sechsten Jahrhunderts an bis zum Jahre 645 umfasst und hohen Quellenwert besitzt. Das Werk bietet im 16. Buch die erste Biographie Bodhidharmas, einen kurz gefassten Bericht über seine Persönlichkeit, seine Lehre und seinen Lebenslauf. Der biographische Teil lautet wie folgt: Bodhidharma, aus südindischem Brahmanengeschlecht, von wunderbarer Weisheit und durchdringender Klarheit, verstand gründlich alles, was er hörte. Da er sein Vorhaben auf die Mahâyâna-Lehre setzte, beruhigte er den Geist in stiller Versenkung. Auch die kleinen Dinge verstand er und meisterte wichtige Angelegenheiten. Das Samâdhi vertiefte er. Er beklagte diesen abgelegenen Winkel und führte mit Hilfe des Dharma. Zuerst langte er während der Sung-Zeit in Nan-yüeh an. Dann wandte er sich nach Norden und kam ins Reich der Wei. Wo immer er sich aufhielt, lehrte er die Dhyâna Die Frühzeit 85 (Zen)-Lehre. Damals lehrte er im ganzen Lande weit und breit mit Erfolg. Aber es erhob sich bei denen, die seine Erleuchtungslehre hörten, auch viel Tadel. Es waren da Tao-yü und Hui-k ’ o. Obwohl diese beiden Ś ramana noch jung an Jahren waren, richtete sich ihr scharfes Wollen auf hohe und tiefe Dinge. Als sie zuerst den Dharma-Meister trafen, begriffen sie gleich, wohin sein Weg führte. Dann dienten sie ihm vertraut, vier oder fünf Jahre hindurch bedienten und befragten sie ihn. Von ihrer Treue gerührt, lehrte er sie den wahren Dharma. Bodhidharma erschloss mit dieser Lehre das Land der Wei. Männer, die die Wahrheit erkannten, folgten ihm und erlangten die Erleuchtung. Seine Worte sind in Büchern aufgezeichnet und in der Welt verbreitet. Er sagte, er sei mehr als 150 Jahre alt. Herumwandern und Lehren machte er sich zur Aufgabe. Niemand weiß, wo er starb. 8 Zur Zeit der Abfassung dieser Biographie waren mehr als hundert Jahre seit dem Tode Bodhidharmas verflossen. Der Bericht stammt also aus zweiter Hand. Aus welchen Quellen konnte Tao-hsüan schöpfen? Sehr wahrscheinlich kannte er die oben angeführte Bemerkung des Yang Hsüan-chih, der er die Nachricht von dem hohen Alter Bodhidharmas entnehmen konnte 9 . Vielleicht lagen ihm auch noch andere inzwischen verloren gegangene uns unbekannte Nachrichten vor. Als sein Hauptgewährsmann darf der unmittelbare Jünger Bodhidharmas T ’ an-lin angesehen werden, in dessen Vorrede zu der dem Bodhidharma zugeschriebenen Schrift über die «Zwei Eingänge und vier Praktiken», wie es scheint, ein altes Stück überkommen ist. Denn die gleiche biographische Notiz findet sich auch in der in Tun-huang aufgefundenen zwischen 713 und 741 entstandenen «Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister» (jap. Ryôgashijiki, chin. Leng-ch ’ ieh shih-tzu chi) des Ching-chüeh (638 - 760) 10 . Diese Schrift spiegelt die Lage vor den entscheidenden Entwicklungen wider, die zur endgültigen Trennung zwischen der Nordschule und der Südschule des chinesischen Ch ’ an führte. Ebenfalls aus der T ’ ang-Zeit stammt die fast gleiche Textgestalt der Vorrede des T ’ an-lin, die D. T. Suzuki unter Tun-huang-Manuskripten in der Nationalbibliothek von Peking fand und mit ähnlichem Material veröffentlichte 11 . Suzuki sieht in der Vorrede des T ’ an-lin die älteste Geschichtsquelle für die Biographie Bodhidharmas, die auch dem Tao-hsüan vorgelegen habe. Die wörtliche Übereinstimmung der verschiedenen uns bekannten, vermutlich voneinander unabhängigen Überlieferungen macht diese Annahme wahrscheinlich, wenn auch die Möglichkeit späterer Änderungen und Hinzufügungen bestehen bleibt 12 . Über T ’ an-lins Leben und Persönlichkeit haben wir nur wenige Nachrichten. Seine Zugehörigkeit zum Jüngerkreis Bodhidharmas ist in der «Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister» einigermaßen glaubwürdig bezeugt. Tao-hsüan erwähnt die Vorrede nicht, aber der von ihm in der Biographie des Hui-k ’ o genannte Linfa shih dürfte mit T ’ an-lin identisch sein. Von ihm sagt Tao-hsüan, er sei ein Mitschüler des Hui-k ’ o unter dem Zen-Meister Bodhidharma gewesen, habe in 86 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Yeh-tu mit großem Erfolg Vorlesungen über das Śrîmâlâdevîsimhanâda-Sûtra gehalten, für das er auch einen Kommentar verfasste. Während der Buddhistenverfolgung im Nordreich (574) habe er mit Hui-k ’ o zusammen Buddha-Bilder und Sutren in Sicherheit gebracht. Wahrscheinlich ist er identisch mit jenem T ’ an-lin, der um diese Zeit als Mitarbeiter an der Übersetzung zahlreicher buddhistischer Werke aus dem Sanskrit genannt wird 13 . In späteren Jahren hat sich der gelehrte Mönch nicht mehr viel um die Kontemplation bemüht. Als ihm von Räubern ein Arm abgehauen wurde - deshalb hieß er später auch der «Lin ohne Arm» - , jammerte und bettelte er bei seinem alten Gefährten Hui-k ’ o, der das gleiche Missgeschick mit dem unbezwinglichen Gleichmut eines wahrhaft Erleuchteten ertrug. Die Vorrede des T ’ an-lin ist im Ganzen länger und ausführlicher als der Bericht des Tao-hsüan. Die nachstehende Übersetzung folgt der Textform in der Chronik der La ṅ kâ-Schule. Der Lehrer des Dharma aus Südindien in den westlichen Ländern, der dritte Sohn eines großen Brahmanenkönigs, von wunderbarer Weisheit und durchdringender Klarheit, verstand gründlich alles, was er hörte. Weil er sein Vorhaben auf den Mahâyâna-Weg setzte, gab er das weiße Laienkleid auf und legte schwarze Mönchsgewandung an, pflegte Heiligkeit und beruhigte den Geist in stiller Versenkung. Er verstand sich wohl auf weltliche Dinge, war im Innern und Äußeren klar, seine Tugend übertraf der Welt Beispiele. Er beklagte den Verfall der rechtgläubigen Lehre in den abgelegenen Winkeln. Schließlich überquerte er weithin Berge und Meer, um in China in (dem Lande der) Wei (die Lehre) zu verbreiten. Beschauliche, geistige Leute bekehrten ihr Herz, während sich unter der Menge, die unerleuchteten Ansichten huldigte, Tadel erhob. Damals waren da nur Tao-yü und Hui-k ’ o. Obwohl diese beiden Ś ramana noch jung an Jahren waren, richtete sich ihr Wollen auf hohe und tiefe Dinge. Da sie glücklich den Meister des Dharma trafen, dienten sie ihm mehrere Jahre lang. Ehrfürchtig stellten sie Fragen, um zur Erleuchtung zu gelangen, und sie befolgten gut den Willen des Meisters. Von ihrer Treue gerührt, lehrte der Meister des Dharma sie den wahren Weg . . . Diese vier Werke machen die vertraute Lehre des Zen-Meisters (Bodhi-)Dharma aus. Das Übrige, nämlich die Worte und Taten des Meisters, hat der Jünger T ’ an-lin aufgezeichnet und in einem Band gesammelt, der den Titel ‹ Lehre des (Bodhi-) Dharma › trägt. Auch Meister Bodhi hat für die Menge derer, die in Meditation hocken, die Hauptstücke des Laṅkâvatâra-Sûtra erklärt, in einem Bande mit 12 oder 13 Blättern, der ebenfalls den Titel ‹ Lehre des (Bodhi-)Dharma › trägt. Diese beiden Hauptwerke sind von abgerundeter klarer Stilform, sie sind überall im Reiche verbreitet. Beweisen die drei angeführten Texte die geschichtliche Existenz Bodhidharmas? Nicht unbedingt, doch sprechen gute Gründe für die Zuverlässigkeit der Zeugnisse. Japanische Forscher der Zen-Geschichte haben m. W. niemals die Die Frühzeit 87 Historizität Bodhidharmas geleugnet 14 . Yanagida misst dem Zeugnis des Jüngers T ’ an-lin starke Beweiskraft zu, aber er findet zugleich «in der Biographie Bodhidharmas viele Rätsel» und hält es für unmöglich, bei der jetzigen Quellenlage «eine sichere Lebensbeschreibung abzufassen» 15 . Nach seiner Ansicht steht am Anfang der chinesischen Zen-Bewegung kein Gründer, der allein entscheidend das Werk geschaffen hat 16 . Ähnlich urteilt Ruth Fuller Sasaki, wenn sie schreibt: «Wir wissen heute klar, dass das chinesische Ch ’ an nicht mit der Person eines einzelnen indischen Lehrers begann und dass seine Wurzeln tief im einheimischen chinesischen Gedankengut liegen 17 .» Es seien einige Bemerkungen zu den angeführten Berichten gestattet. In der Beschreibung der Tempel von Lo-yang wird Bodhidharma als Perser bezeichnet. Bei der Unsicherheit der geographischen Termini in den Schriften jener Zeit fällt diese Angabe nicht so stark ins Gewicht 18 . Tao-hsüan und T ’ an-lin sprechen von der indischen Herkunft Bodhidharmas. Allerdings ist die Erzählung vom «dritten Sohn eines großen Brahmanenkönigs» bei T ’ an-lin als spätere Zutat anzusehen. Ob Tao-hsüan, wenn er von der Abstammung aus «südindischem Brahmanengeschlecht» schreibt, adlige Herkunft meint oder ob ihm Indien schlechthin als Brahmanenland gilt, bleibt unsicher. Die zwei Hauptquellen stimmen nicht in der Angabe des Ortes überein, wo Bodhidharma zuerst chinesischen Boden betreten haben soll. Yanagida gibt T ’ an-lin den Vorzug und macht gewichtige Gründe dafür geltend, dass er auf dem Landweg von Nordwesten her ins Land der Mitte kam 19 . Seine Tätigkeit hätte sich dann auf Nordchina beschränkt und Bemerkungen über sein Lehren in Nord und Süd wären der Legende zuzuweisen, die die Wirkmächtigkeit seiner ausgedehnten Tätigkeit ins Licht rücken möchte. Schließlich muss der letzte Abschnitt in der Vorrede T ’ an-lins über den Einsatz Bodhidharmas für das Laṅkâvatâra-Sûtra als spätere Hinzufügung angesehen werden. Wir werden auf die Beziehung Bodhidharmas zum Laṅkâvatâra-Sûtra später zu sprechen kommen. Nach diesen Bemerkungen lässt sich der Inhalt der drei geschichtlich wichtigen Texte in wenigen Worten zusammenfassen: Unter vielen Dhyâna- Meistern, die in jenen Tagen chinesisches Land durchzogen, befand sich einer mit Namen Bodhidharma, der Meditation beflissen und ein frommer Tempelbesucher, der den Dharma lehrte und auf Widerstand stieß. Über den Inhalt seiner Lehre und über seine Meditationsweise schweigen die frühen Berichte; auch sagen sie nicht, warum sein Lehren Tadel hervorrief. Wir kennen keine geschichtlich sicheren Ereignisse aus seinem Leben, noch wissen wir Ort und Zeit seines Todes. Als Todesdatum wird gewöhnlich das Jahr 532 angegeben 20 . Die Überlieferung spricht einmütig von seiner langen Lebensdauer. 88 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die Gestalt Bodhidharmas in der Zen-Geschichte Die Bedeutung Bodhidharmas für die Zen-Schule kann nicht durch die quellenmäßig belegten, dünnen historischen Angaben seiner Existenz erklärt werden. Sind wir überhaupt berechtigt, Bodhidharma an den Anfang der chinesischen Zen-Geschichte zu stellen? Oder ist er lediglich eine «legendäre Person» 21 , die nicht besonders berücksichtigt werden muss? Kann die Zen-Geschichte ebenso gut auch ohne Bodhidharma auskommen? Zweifellos müssen die erregenden Begebnisse des Bodhidharma-Lebens als unhistorisch und legendär bezeichnet werden. Und doch kommt diesen eine konstitutive Bedeutung für die Zen- Bewegung zu; in ihnen haben sich wesentliche Elemente des Zen, von denen wir annehmen müssen, dass sie zur Zeit seiner Entstehung real existierten, zur Legende verdichtet. Wir nannten als zwei Hauptmotive der Legendenbildung die Geistüberlieferung im Patriarchat und die Verkörperung der besonderen Meditationsweise in Bodhidharma. Beide Momente, untrennbar miteinander verknüpft, fließen in den wichtigsten legendären Erzählungen zusammen. Yanagida nennt Bodhidharma eine «Idealfigur» 22 . In der Tat symbolisiert er in unerreichbarer, idealer Weise das Wesen des Zen-Weges. An seiner Gestalt können Zen-Anhänger den «inneren Gehalt» dieses Erleuchtungsweges ablesen 23 . Die Bodhidharma-Legende hat sich zugleich mit dem Zen-Weg entfaltet. Die Chroniken der frühen Epoche lassen verschiedene Motive anklingen. Es gibt manche Abweichungen in Einzelheiten. Ausschmückungen sammeln sich um den Kern. Nach dem Sturm während des 8. Jahrhunderts, der Spaltungen und Trennung zurückließ, erreichte die Legende in der Südschule ihre standardisierte, endgültige Form, in der sie zusammen mit der Zen-Bewegung weite Ausbreitung in Ostasien fand. Episoden und Aussprüche markieren die Gestalt des Patriarchen so, dass sie in die Hochblüte des chinesischen Zen während der Tang- und Sung-Zeit hineinpasst 24 . Beim ersten Zusammentreffen Bodhidharmas mit dem Kaiser Wu aus der südlichen Liang-Dynastie entspann sich - so erzählt die Legende - folgendes Gespräch: Der Kaiser fragte: «Welches Verdienst habe ich dadurch erworben, dass ich seit meiner Thronbesteigung zahllose Tempel errichten, Sutren abschreiben und Mönche weihen ließ? » Der Meister sprach: «Gar kein Verdienst.» Der Kaiser sprach: «Weshalb gar kein Verdienst? » Der Meister sprach: «All dies sind nur unreine Verdienstgründe, welche die kleine Frucht der Wiedergeburt als Mensch oder im Himmel zeitigen. Sie folgen wie Schatten der Gestalt, aber sie haben keine Wirklichkeit.» Der Kaiser sprach: «Welcher Art ist denn wahres Verdienst? » Die Frühzeit 89 Er antwortete: «Es ist reines Wissen, wunderbar und vollkommen. Sein Wesen ist Leere. Solches Verdienst kann man nicht durch weltliche Mittel erlangen.» Darauf fragte der Kaiser: «Welches ist das erste Prinzip der heiligen Wahrheit? » Der Meister sprach: «Offene Weite, nichts von heilig.» Der Kaiser sprach: «Wer ist es, der mir entgegnet? » Der Meister sprach: «Ich weiß es nicht.» 25 Das Gespräch ist im Kôan-Stil gehalten, endet jedoch nicht wie Kôan-Beispiele damit, dass der Fragende, ein Jünger oder Mönch, zur Erfahrung kommt. Die Chronik bemerkt ausdrücklich, der Kaiser habe die Erleuchtung nicht erlangt. Das Wechselspiel von Frage und Antwort ist vom Geist der Weisheitssutren inspiriert. Negation und Paradox herrschen vor. Der Prajñâ ist Verdienst gleich Nicht-Verdienst, reines Wissen ist leer (śûnya). Die Unterschiede in der Werdewelt sind weggewischt. Das Gespräch ist als erstes Beispiel in die Kôan- Sammlung Hekiganroku aufgenommen. Offenheit, unbegrenzte Weite, Nicht- Dualität - diese Motive des Kôan sind im Gesang des Hsüeh-tou ins Kosmische aufgelöst. Die letzten zwei Verse lauten: Rein geht der Wind ums Erdenrund, wo fände er ein Ende? 26 Die Bodhidharma-Legende hat ihren Höhepunkt im Bericht von der Erleuchtungserfahrung des Hui-k ’ o. Das Meister-Jünger-Verhältnis ist im Geschichtswerk des Tao-hsüan bezeugt. Die Chroniken erzählen in legendärer Form die dramatische Szene der Annahme Hui-k ’ os in die Jüngerschaft 27 . Bodhidharma weilte im Tempelkloster Shao-lin-ssu (jap. Shôrinji). Fest entschlossen, das Tao, die höchste Erleuchtung, um jeden Preis zu erlangen, bedrängte Hui-k ’ o ihn Tag und Nacht mit seinen Bitten, aber Bodhidharma schenkte ihm keine Beachtung. Nun ist der entscheidende Tag gekommen, der 9. Dezember - die Chroniken wissen das Datum. Eine eisige Winternacht, der Sturm tobt, in der Luft wirbelt Schnee. Der Meister zeigt Erbarmen und fragt den Mann, der unbeweglich in der Kälte dasteht, nach seinem Begehr. Es bedarf noch einer letzten, äußersten Anstrengung, so lässt er ihn wissen. Da schneidet Hui-k ’ o mit scharfem Messer seinen linken Arm bis zum Ellbogen ab und bringt ihn dar. Nun nimmt Bodhidharma ihn als Jünger an und gibt ihm, dem Dharma- Erben, einen neuen Namen, mit dem er als zweiter chinesischer Patriarch in die Zen-Geschichte eingegangen ist. Die Szene, erregend und von zwingender Kraft, verblieb nicht in den Chroniken, sondern wurde, in der Zen-Halle geübt, zum Kôan. Das Mumonkan erzählt die Quintessenz mit schlichten Worten: Bodhidharma hockte wider die Wand gewandt. Der zweite Patriarch stand da im Schnee, er schnitt seinen Arm ab und sprach: «Der Geist des Jüngers ist noch unruhig. Ich bitte dich, Meister, befriede ihn! » Bodhidharma sprach: «So bringe deinen Geist her, ich will ihn dir befrieden.» 90 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Der Patriarch sprach: «Ich habe nach jenem Geist gesucht, aber ich kann ihn gar nicht finden.» Bodhidharma sprach: «Ich habe schon für dich den Geist völlig befriedet.» 28 Die Legende ist im Kôan stilisiert und auf den Kern zusammengezogen. In der Befriedigung des Geistes (jap. auch daianjin = «der große Geistesfriede») wird die Befreiung, das Endziel des buddhistischen Heilspfades erreicht. Bodhidharma und Hui-k ’ o, im innersten Einverständnis miteinander, sind Vorbild der Geistübertragung. In der zen-buddhistischen Kunst nimmt die Gestalt Bodhidharmas einen ähnlich einmaligen Platz ein wie die Shâkyamunis in der Gesamtkunst des Buddhismus. Der «zahnlose Alte» mit den großen, weit offenen Augen, ein Typus, der sich unbegrenzt abwandeln und immer schärfer herausarbeiten ließ, verkörpert das Zen in seiner ganzen Weite und Tiefe, in seiner Meditationsübung und Erleuchtung. Diese Gestalt ist der Geschichte entrückt. Die Historizität der überlieferten Anekdoten spielt kaum mehr eine Rolle. Der Kristallisationspunkt aller Bodhidharma-Episoden liegt in der legendären Geschichte von der Geistbefriedigung des Jüngers Hui-k ’ o. Diese Szene inspirierte zen-buddhistische Künstler zu schöpferischen Höchstleistungen. Hier fließen die Motive der Legende gleichsam in eins zusammen: Bodhidharma in unbeweglicher, neunjähriger Wandbetrachtung - sich umschauend auf den das Armopfer darbringenden Jünger blickend, einem Bodhisattva gleich erleuchtete Weisheit und tiefes Erbarmen ausstrahlend. Versuche, wenigstens Teile der Episode für die geschichtliche Realität zu retten, konnten keine befriedigenden Ergebnisse erzielen 29 . In dieser Episode ist Bodhidharma Symbolgestalt, Idealfigur par excellence. Die Zen-Bewegung des 8. Jahrhunderts fand in ihm ihre Inspiration, als in einem «Wald von Meistern und Jüngern» das Bodhidharma-Zen seine Hochblüte erlebte. Wann der in Bodhidharma verkörperte neue Meditationsstil zuerst in der Geschichte glaubwürdig verwirklicht wurde, wissen wir nicht. Zum Mindesten geben die bis heute bekannten Quellen darüber keine sichere Auskunft. Vielleicht schon in der Zeit der frühen Patriarchen, nicht lange nach Bodhidharma. Wir möchten diese im Halbdunkel liegende Periode vorsichtig bezüglich der neuen Meditationsweise befragen. Von der Zen-Überlieferung werden Bodhidharma sechs Traktate zugeschrieben, die in später Zeit, wahrscheinlich erst in Japan zu Beginn der Tokugawa- Periode (1603 - 1868) zu einem Buch zusammengefügt wurden 30 . Heraus ragt der von T ’ an-lin mit einer Vorrede versehene Text von den zwei Eingängen (und vier Werken), der lange Zeit als einzige echte Schrift Bodhidharmas angesehen wurde 31 . Diese Annahme hat sich als unberechtigt erwiesen. Inhaltlich stimmt der Text mit der gängigen Mahâyâna-Lehre überein, nach Form und Aufbau Die Frühzeit 91 unterscheidet er sich kaum von Abschnitten im Vajrasamâdhi-Sûtra und im Laṅkâvatâra-Sûtra. Das einzige neue Wort, das möglicherweise eine Besonderheit ausdrückt, lautet Pi-kuan (jap. hekikan), wörtlich «Wandschau» oder «Wand anschauen». Tao-hsüan spricht in seinem Geschichtswerk, von der «mahayanistischen Wandschau» und bezeichnet damit den Meditationsstil, den er, wahrscheinlich aus eigener Anschauung bei Dhyâna-Meistern seiner Zeit, vorzüglich im Kreis des Hui-k ’ o, wahrnahm. Wenn dies stimmt, so hätten wir einen Nachweis für eine besondere, neue Meditationsweise schon für das 7. Jahrhundert und dürften unsere Vermutung auf noch frühere Zeit richten. Denn die Meditationsweise, «mahayanistische Wandschau» genannt, passt haargenau nur auf den «Wandstarrenden Brahmanen», wie gemäß der Überlieferung Bodhidharma im Volksmund hieß 32 . Die Legende weiß von einem letzten Gespräch, zu dem die Jünger mit Bodhidharma vor seinem Lebensende versammelt waren: Neun Jahre waren vergangen, und er (Bodhidharma) wünschte schon, westwärts nach Indien zurückzukehren. Da rief er seine Jünger und sprach: «Schon ist die Zeit gekommen. Warum sagt nicht ein jeder von euch, was er erlangt hat? » Da erwiderte der Jünger Tao-fu: «Wie ich es sehe, haftet (die Wahrheit) weder an Worten und Schriftzeichen, noch ist sie getrennt von Worten und Schriftzeichen. Doch wirkt sie als Weg.» Der Meister sprach: «Du hast meine Haut erlangt.» Eine Nonne Tsung-chih sprach: «Wie ich jetzt begriffen habe, ist (die Wahrheit) gleich dem glückfrohen Schauen des Buddha-Landes des Ak ṣ obya: einmal geschaut und kein zweites Mal wieder.» Der Meister sprach: «Du hast mein Fleisch erlangt.» Tao-yü sprach: «Die vier großen Elemente sind ursprünglich leer; die fünf Skandha haben kein Sein. Wie ich glaube, kann kein Dharma erfasst werden.» Der Meister sprach: «Du hast meine Knochen erlangt.» Zuletzt war da Hui-k ’ o. Er verneigte sich ehrfürchtig und stand still. Der Meister sprach: «Du hast mein Mark erlangt.» 33 Auch dieses Gespräch wird im Zen als Kôan geübt; es könnte dem erwähnten Gespräch im Vimalakîrti-Sûtra nachgebildet sein. Die Grundeinsichten der Mahâyâna-Philosophie bezüglich der Leere (śûnyatâ) und des Überstiegs über Worte und Schrift sind anerkannt, die höchste Wahrheit wird im Schweigen erfasst. Die Begebenheit bekräftigt den Vorrang Hui-k ’ os, des Nachfolgers im Patriarchat, vor den übrigen Jüngern. Im Anschluss an dieses Gespräch erfolgte der Überlieferung gemäß die Übertragung der Patriarchatswürde und der Insignien 34 . Hui-k ’ o wird der Auftrag zuteil, den vom Buddha zuerst dem Kâ ś yapa anvertrauten wahren Dharma der Erleuchtung unverfälscht zu bewah- 92 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China ren und weiterzugeben. Dann folgt in der Chronik die berühmte Strophe, in der Bodhidharma die künftige Geschichte des Zen in China weissagt: Ich kam ursprünglich in dieses Land, um den Dharma zu überliefern Und von Irrung zu befreien. Eine Blume öffnet fünf Blütenblätter. Von selbst reift die Frucht. 35 Bodhidharmas Prophezeiung, zur Zeit ihrer Niederschrift bereits in Erfüllung gegangen, bestätigt den Erfolg seiner Mission und bringt seine Legende zum Abschluss. Ohne die Bodhidharma-Legende kann die Zen-Geschichte schlechterdings nicht verstanden werden. Der Bodhidharma-Traktat und die frühe Zen-Bewegung Wir besitzen keine echte Bodhidharma-Schrift. Doch wurden drei der lange Zeit dem Bodhidharma zugeschriebenen sechs Traktate bei den Tun-huang-Manuskripten gefunden, nämlich «Verse über das Herzsutra» (jap. shingyôju, chin. hsin-ching sung) und die Texte «Zwei Eingänge» (jap. nishu ’ nyû, chin. erh-chungju) und «Dharma-Tor der Beruhigung des Geistes» (jap. anjin hômon, chin. anhsin fa-men), die wahrscheinlich ursprünglich eine zusammenhängende Schrift bildeten. 36 Die Tun-huang-Manuskripte enthalten außer dem «Traktat von den Zwei Eingängen», der ältesten Schicht, weiteres Material aus früher Zeit. Der Traktat, der über die zwei Eingänge durch ri (chin. li) und gyô (chin. hsing) und über die vier Praktiken (jap. shigyô, chin. ssu-hsing) handelt, wurde «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» (jap. Ni ’ nyûshigyôron, chin. Erh-ju ssu-hsing lun) überschrieben, ist vom Jünger T ’ an-lin (506 - 574) verfasst worden und für die frühe Zen-Bewegung um die Wende des 7. Jahrhunderts aufschlussreich. 37 Der Ausdruck pi-kuan ist in der Zen-Geschichte verschieden interpretiert worden. 38 Ernste Zen-Jünger verwarfen die volkstümliche Auffassung vom Anschauen einer materiellen Wand. Zen-Meister späterer Jahrhunderte sahen in dem Wort die erleuchtete Geisteshaltung, hart wie Stein. T ’ an-lins Deutung im «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» verdient vorrangige Beachtung: «Eingehen ins Prinzip» (jap. ri, chin. li) ist gleich Beruhigung des Geistes, Beruhigung des Geistes ist pi-kuan. 39 Diese Deutung verbindet zwei Aussagen. Zuerst ist vom Eingehen in das Prinzip die Rede. Das Prinzip ist einer der zwei Eingänge zur Erleuchtung, der andere Eingang ist die Praxis. Das Prinzip - li - , ein Kernbegriff der chinesischen Philosophie, drückt, in den Buddhismus hineingenommen, das Wesen oder den Grund der Wirklichkeit aus. Tao-sheng, der sich in der Frühphase des Übersetzungswerkes Kumârajîvas um die angemessene Einfügung der indischen Mahâyâna-Begriffe ins Chinesische Die Frühzeit 93 bemühte, verbindet li mit buddhistischen Ausdrücken für die letzte Wirklichkeit. 40 Der Erleuchtete gelangt in den wesentlichen Bereich, in dem der Geist befriedet ist. Die zwei Eingänge durch das Prinzip und durch die Praktiken sind untrennbar miteinander verknüpft. In den vier Praktiken, der «neuen Übung» des Bodhidharma-Zen, ist die erleuchtete Wandschau in den Alltag hineingenommen; sie setzen die allgemein buddhistische, aus Indien überkommene satipatthâna-Meditation (sanskr. smrtyupasthâna), jap. shinenjo) voraus. Seng-ch ’ ou und andere Meditationsmeister jener Zeit benutzten die altindische Übung, die Bodhidharma in den vier Praktiken auf Mahâyâna-Ebene erhob. Yanagida betont ihre Neuheit. In seinem für den buddhistischen Leser bestimmten, leicht verständlichen Bodhidharma-Buch erläutert er die Praktiken im Kontext der buddhistischen Lehre. 41 In der ersten Übung überwindet der Übende karmisch bedingte, aus früheren Existenzen herrührende Hassgefühle und andere Leidenschaften, in der zweiten folgt er den Umständen (sanskr. pratyaya, jap. en), in der dritten verlangt er nach nichts, weil alle Dinge leer (sanskr. śûnya, jap. kû) sind, in der vierten befindet er sich in Harmonie mit dem Dharma. Der Buddhist kann sich den so seinem Verständnis nahe gebrachten vier Praktiken, die von den Anfangsgründen bis zur Höhe der Erleuchtung reichen, leicht widmen. Der Eingang ins Prinzip geschieht plötzlich, während der Eingang in die praktische Übung gradweise voranschreitet, aber auch sie befindet sich wegen der wesentlichen Verknüpfung der zwei Eingänge im Bereich der Erleuchtung. Die Beruhigung des Geistes, das zweite Element der Definition der Wandschau (pi-kuan), erinnert an die Erleuchtungsgeschichte des Hui-k ’ o, der gemäß der Überlieferung den in Meditation hockenden Bodhidharma bat, seinen Geist zu beruhigen. Dieser wandte sich dem Jünger zu und sprach: «So bring den Geist! Ich will ihn befrieden.» Hui-k ’ o suchte vergebens nach seinem Geist. Da sprach Bodhidharma: «Dein Geist ist befriedet.» Dieses früheste in der Zen-Geschichte tradierte Wechselgespräch hat, wie Yanagida meint, einen neuen Klang. 42 «Huik ’ o hatte Bodhidharma um eine Methode gebeten, den Geist zu befrieden, nicht um das Wesensprinzip. (. . .) Bodhidharma befriedete Hui-k ’ os Geist. Wie? Mit welchem Mittel? Nicht mit einer momentanen Besänftigung, sondern indem er ganz ursprünglich und bis auf den Grund streng den Geist des Partners zur Schau stellte. Auch befriedet, ist da kein befriedeter Geist; auch gesucht, wird da kein Geist gefunden. Der Geist ist unfasslich . . .» 43 In diesem ersten Kôan ist das Wesen und die Ausformung des Zen vorgebildet. Yanagida legt Wert darauf, dass Bodhidharmas Antwort in ihrem Vollsinn richtig verstanden wird. Der Patriarch weist keinen Weg zur Befreiung des Geistes, sondern sagt: «Dein Geist ist befriedet.» Der Geist ist hier und jetzt befriedet, er ist der ursprüngliche, lautere Geist, das wahre Selbst und die Buddha-Natur. 44 94 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China So ausgelegt, ist die Meditationsweise Bodhidharmas die Umsetzung der Mahâyâna-Lehre der Weisheitssutren (Prajñâpâramitâ), des Vimalakîrti-Sûtra und des Traktates des Seng-chao in die Praxis. 45 Diese Traditionslinie führt zum klassischen chinesischen Zen der Schulen des Ma-tsu und des Shih-t ’ ou. Die Daten der in Tun-huang aufgefundenen Manuskripte lassen sich im Einzelnen nicht bestimmen. Der wichtige «Traktat von den Zwei Eingängen» war Taohsüan bei der Niederschrift seiner Bodhidharma-Biographie bekannt. Er schreibt am Ende der Biographie: «Seine (Bodhidharmas) Worte sind in Büchern aufgezeichnet und in der Welt verbreitet.» Dieser Satz steht nicht im Widerspruch zur Grundauffassung des Zen, die jede Schriftautorität leugnet, sondern harmonisiert mit der im Zen ebenfalls geläufigen Konzeption, gemäß der die Schriften Niederschlag mündlicher Überweisung sind. In diesem Sinn erklärt T ’ an-lin den Eingang durch das Prinzip mit den Worten «auf Grund der Lehre das Wesentliche erfassen» 46 . Mit der Lehre ist, wie Yanagida verdeutlicht, die Lehre der Sutren gemeint. Alle Sutren sind gleich Fingern, die auf den Mond zeigen. Weil dem seinem Meister restlos ergebenen Jünger Bodhidharmas Worte gleich Buddha-Worten sind, wird Bodhidharma zum Finger. Der Erleuchtete muss wie die Sutren so auch den Finger vergessen. 47 In der Schriftrolle des Traktates Bodhidharmas folgen auf den Text über die «Zwei Eingänge» zwei Briefe ohne Angabe der Namen des Empfängers und des Senders. Die Urheberschaft der Briefe ist unsicher. Yanagida argumentiert mit plausiblen, jedoch nicht zwingenden Gründen für die Verfasserschaft des T ’ anlin, dem er auch den Anhang I des Bodhidharma-Traktates zuschreibt. 48 Dieser Anhang bringt die Hauptmotive des Mahâyâna, anfangend mit der Leere (śûnyatâ) und endend mit den vollkommenen Tugenden (pâramitâ). Der im Anhang genannte Dharma-Meister Tripitaka ist Bodhidharma. 49 Der Text gibt sich als Botschaft des Bodhidharma, dem die gleiche Ehre wie dem Buddha gebührt. Anhang II bietet frühe Zeugnisse der für das Zen typischen Literaturgattung des Wechselgesprächs (jap. mondô), aus der sich das Kôan entwickelt hat. Als Gesprächspartner tauchen viele unbekannte Zen-Jünger auf, deren Namen sich bislang nicht verifizieren ließen. Wahrscheinlich handelt es sich um Jünger der zweiten und dritten Generation nach Bodhidharma, die während der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts das Zen in China prägten. Es ragt ein Zen-Meister Yuan heraus, der in nicht weniger als 13 Wechselgesprächen auftritt, eine neue kräftige Sprache spricht und 300 Jahre vor Ma-tsu und Lin-chi «das System der buddhistischen Lehre selbst leugnet» 50 . Yuan nimmt Shen-huis Kritik an der Nordschule voraus. Nach Ansicht dieses Jüngers entspricht der von den Zeitgenossen angegriffene Stil Bodhidharmas der wahren Lehre Buddhas. Der kurze Anhang III, ein Manuskript späteren Datums, bringt ebenfalls Die Frühzeit 95 Wechselgespräche von Partnern, die zum Teil als Jünger des vierten und fünften Patriarchen bekannt sind. 51 Wenn es möglich ist, in der frühen Zen-Bewegung nach Bodhidharma zwei Linien zu erkennen, so führt die eine Linie von der Wandschau (pi-kuan) bis zu den Wechselgesprächen (mondô) der Spruchsammlungen (goroku), den Vorläufern der für die Südschule charakteristischen Kôan. Eine andere Linie knüpft an die enge Beziehung des frühen Zen zum Laṅkâvatâra-Sûtra an und geht von der Mitteilung Tao-hsüans in der Biographie des Hui-k ’ o aus, gemäß der Bodhidharma dem Hui-k ’ o die vier Bände des Sutras mit den Worten überreicht habe: «Ich habe bemerkt, dass es in diesem Land China nur dieses Sutra gibt. Wenn du dich auf dieses Sutra stützest, kannst du die Welt retten.» 52 Tao-hsüan misst in seinem Geschichtswerk dem Laṅkâvatâra-Sûtra große Bedeutung für die Meditationsbewegung im China seiner Zeit bei. Allerdings bilden die von ihm in der Biographie des Fa-ch ’ ung (587 - 665? ) aufgelisteten La ṇ kâ-Meister eine vom Kreis der Bodhidharma-Jünger verschiedene Linie. Im «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» spielt das Laṅkâvatâra-Sûtra keine Rolle. Dieser Traktat beruht, wie Yanagida feststellt, «nicht in besonderer Weise auf dem La ṅ kâ-Sutra» 53 . Aber «die Beziehung Hui-k ’ os zur Lehre des La ṅ kâ-Sutras ist sicher» 54 , wie auch Passagen in den Anhängen II und III des Bodhidharma- Traktates bezeugen. Die dem Laṅkâvatâra-Sûtra verpflichtete Tendenz in der Bodhidharma- Überlieferung führt zur Nordschule hin. Die zwei ältesten Chroniken der chinesischen Zen-Geschichte Ryôgashijiki (chin. Leng-chia shi-tzu chi), verfasst von Ching-chüeh (683 - ca. 760), und Dembôhôki (chin. Ch ’ uan-fa pao-chi), kompiliert von Tu-fei, beide unabhängig voneinander während der ersten Regierungsjahre des Kaisers Hsüan-tsung (713 - 755) in der Nordschule entstanden, bezeugen deren enge Beziehung zum La ṅ kâ-Sutra. 55 Das Ryôgashijiki nimmt seinen Namen vom La ṅ kâ-Sutra und stellt Gu ṇ abadhra (394 - 468), den Übersetzer des Sutras ins Chinesische, als Lehrer des Bodhidharma an die Spitze der Überlieferungslinie des Zen in China. Gegenüber dem «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» nehmen die beiden Chroniken eine verschiedene Stellung ein. Das Dembôhôki verwirft diesen Traktat als unecht 56 , während das Ryôgashijiki ihn mit Ergänzungen versieht und in den Text aufnimmt. Das Bewusstsein von einer eigenen Überlieferungslinie des Bodhidharma-Zen, das im Traktat des Bodhidharma noch nicht nachweisbar ist, entwickelte sich während des 7. Jahrhunderts und dürfte vor dem Tod des vierten Patriarchen Tao-hsin (580 - 651) auf dem Ostberg Gestalt gewonnen haben. 57 Das früheste Zeugnis bietet das Epitaph für Fa-ju (638 - 689), einen herausragenden Jünger des fünften Patriarchen Hung-jen (601 - 674). Der Verfasser des Epitaphs ist nicht 96 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China bekannt, die Liste umfasst sechs Namen, auf Bodhidharma und Hui-k ’ o folgen Seng-ts ’ an, Tao-hsin, Hung-jen und Fa-ju. Das Dembôhôki übernimmt diese Liste und fügt als siebten Namen den des Shen-hsiu (605? - 706) hinzu. In einem Epitaph für Shen-hsiu nimmt sein Name den Platz des Fa-ju ein. Das Ryôgashijiki lässt Fa-ju aus und endet nach Shen-hsiu mit dem Namen seines Jüngers P ’ u-chi (651 - 739). Diese Zeugnisse aus der Nordschule sprechen für die wegen der Lücke im Geschichtswerk des Tao-hsüan in Zweifel gezogene Nachfolge des dritten Patriarchen Seng-ts ’ an ( - 606), ohne indes Sicherheit zu bieten. Die Auskünfte der Tun-huang-Funde erlauben eine annähernde, freilich nicht völlig befriedigende Vorstellung von den Entwicklungen nach Bodhidharma. Der Bodhidharma-Traktat bietet bei aller Kürze wichtige Ansätze zu verschiedenen Akzentuierungen bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts, die während des 8. Jahrhunderts klar hervortreten und zur sattsam bekannten Explosion führen. Die Jahrzehnte der Tätigkeit der Zen-Patriarchen des Ostberges, die der Inkubationszeit angehören, lassen unterschiedliche und gegensätzliche Positionen deutlich erkennen. Hui-k ’ o und Seng-ts ’ an Die Geschichtsquellen geben über die Zen-Bewegung auch nach Bodhidharma zunächst nur spärliche Auskünfte. Die Hauptquelle bleibt das Geschichtswerk des Tao-hsüan, der als Zeitgenosse persönliche Beziehungen zum Jüngerkreis Hui-k ’ os pflegen konnte. Selbst zur Vinaya-Schule gehörig, interessierte er sich während der letzten Jahrzehnte seines Lebens stark für die, wie es scheint, damals aufstrebende Meditationsbewegung. Viele Ergänzungen und Nachträge in seinem Geschichtswerk geben wichtige Aufschlüsse über diese Zeit 58 . Mit Hui-k ’ o befinden wir uns zweifellos auf historischem Grund. Seine Biographie folgt im Geschichtswerk Tao-hsüans unmittelbar auf die Biographie Bodhidharmas und ist bezeichnenderweise ungefähr dreimal so lang 59 . Trotzdem schmilzt das Leben Hui-k ’ os nach Abzug der legendären Zutaten auf wenige einigermaßen sicher bekannte Tatsachen zusammen. Seine Lebensdaten sind von 484 bis 590 oder wahrscheinlicher von 487 bis 593, je nachdem die Lebensjahre bei Bodhidharma auf neun Jahre (so die Legende) oder gemäß der Biographie des Tao-hsüan auf sechs Jahre angenommen werden. Bei seiner Begegnung mit Bodhidharma stand Hui-k ’ o im reifen Mannesalter von etwa vierzig Jahren und besaß eine weite Bildung. In seiner Jugend hatte er die taoistische Weisheitslehre studiert; die chinesischen Klassiker und das buddhistische Schrifttum waren ihm vertraut. Nach Bodhidharmas Tod führte er ein mühevolles Wanderleben. Tao-hsüan erzählt von Feindseligkeit und Verfolgung, die er in Yeh-tu, der Hauptstadt der Osthälfte nach der Teilung des Wei-Reiches Die Frühzeit 97 (534), durch die Intrigen eines Dhyâna-Meisters Tao-heng erfuhr. Während der allgemeinen Buddhismusverfolgung im Nordreich (574) floh auch Hui-k ’ o und verbarg sich in den Bergen nahe dem Jangtse-Fluss. Doch dauerte der Sturm nicht lange. Bald konnte er wieder in die Hauptstadt zurückkehren, wo er noch ein Jahrzehnt lebte und hochbetagt starb 60 . Wir haben einen wichtigen Punkt der Bodhidharma-Überlieferung bislang ausgespart, nämlich die Übergabe des Laṅkâvatâra-Sûtra durch Bodhidharma an Hui-k ’ o. Tao-hsüan berichtet in der Biographie des Hui-k ’ o von der Übergabe des Laṅkâvatâra-Sûtra durch Bodhidharma an Hui-k ’ o. Diese Episode kann in Anbetracht des Zeitabstandes zwischen dem Vorgang und der schriftlichen Fixierung keinen Anspruch auf geschichtliche Sicherheit erheben. Hinzu kommt, dass das Geschichtswerk des Tao-hsüan, durch spätere Zusätze angereichert, nicht aus einem Guss ist. Der chinesische Gelehrte Hu Shih konnte in der umfangreichen Biographie Hui-k ’ os Widersprüche feststellen 61 . Yanagida, der maßgebende japanische Forscher der frühen Zen-Geschichte, unterscheidet zwischen dem Grundstock der Biographie und späteren Hinzufügungen. Die zweite Hälfte ist nach seiner Ansicht während der letzten Lebensjahre Taohsüans entstanden 62 . In diesem Teil sind die Namen von sieben Jüngern Hui-k ’ os angeführt, die sich der Meditation widmeten und das von Bodhidharma überkommene Laṅkâvatâra-Sûtra als geistliches Vermächtnis hüteten. Yanagida nennt sie «La ṅ kâ-Meister» oder «Meister des Laṅkâvatâra-Sûtra in der Linie Bodhidharmas» 63 . In dieser Benennung sind wichtige Kräfte der buddhistischen Meditationsbewegung jener Tage zusammengebracht. Wie verhalten sie sich zueinander? Ist es richtig, von einer «La ṅ kâ» oder «Laṅkâvatâra-Sûtra»-Schule zu sprechen? Kann die Linie Bodhidharmas schon in der Frühzeit «Zen-Schule» genannt werden? In Tao-hsüans Geschichtswerk heißen alle der Meditation beflissenen buddhistischen Mönche «Dhyâna-Meister» (chin. Ch ’ an-shih, jap. Zenji) 64 , ohne Unterschied nach Herkunft und Richtung, Bodhidharma, Hui-k ’ o und deren Jünger ebenso wie Mönche aus anderen Traditionslinien. Tao-hsüan handelt in seinem Werk oft von Dhyâna-Meistern, ohne Schulen namhaft zu machen. Offenbar misst er im Buddhismus der Epoche der Meditationsrichtung große Bedeutung bei. Die Beziehung zwischen Zen-Bewegung und Laṅkâvatâra-Sûtra tritt bei Taohsüan besonders deutlich hervor in der Biographie des Fa-ch ’ ung (587 - 665? ), eines Vorkämpfers der La ṅ kâvatâra-Richtung, der zum Jüngerkreis des Hui-k ’ o enge Verbindungen unterhielt 65 . Tao-hsüan kannte ihn wahrscheinlich persönlich, ebenso wie Hui-man, einen Jünger Hui-k ’ os in der dritten Generation. Hui-man und sein Meister Seng-na ragen in der Bodhidharma-Linie durch ihren Eifer für das Laṅkâvatâra-Sûtra heraus. Tao-hsüan schildert in Fa-ch ’ ungs Biographie dessen aktiven Einsatz für das Laṅkâvatâra-Sûtra, das «Vergessen 98 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China von Worten und Gedanken» fordert und «das Unerreichbare zu erreichen» lehrt, nämlich die «rechte Einsicht der Wahrheit» 66 . Hui-k ’ o verstand, so hebt die Biographie hervor, als Erster die Quintessenz des Laṅkâvatâra-Sûtra. Bei seiner Lehrtätigkeit stieß er auf Widerstand. Die Anhänger gelehrter Sutrenweisheit, deren es damals viele gab, lehnten sein vom Zen-Geist inspiriertes Verständnis des Mahâyâna ab. Die Meditationsbewegung jener Zeit, die Tao-hsüan im Anschluss an den Jüngerkreis Hui-k ’ os in seinem Geschichtswerk veranschaulicht, war vom Geist des Laṅkâvatâra-Sûtra geprägt. Das Interesse konzentrierte sich auf den im Sutra aufscheinenden Weg der intuitiven Einsicht und Selbsterleuchtung. Ein Passus in der Biographie des Hui-k ’ o, den Suzuki heraushebt und in freier Übersetzung wiedergibt, wiederholt Kernaussagen der idealistischen Alleins-Lehre des Sutras. Der Abschnitt schließt mit den Sätzen: . . . Der wahre verborgene Grund ist schließlich die Nicht-Verschiedenheit. Die ursprüngliche Irrung nimmt einen Ziegel für einen Edelstein. Wenn sich das Auge der Selbsterleuchtung auftut, ist es die wahre Perle. Unwissen und Erkenntnis sind gleich und nicht verschieden. Alle Dharma sind so, wie sie sind . . . Der Leib, den ich schaue, und der Buddha sind nicht verschieden. Weshalb sollten wir nach Nirvâ ṇ a streben? 67 Über den Meditationsstil, der im Jüngerkreis des Hui-k ’ o und bei den Meistern des Laṅkâvatâra-Sûtra herrschte, lässt sich keine ganz sichere Aussage machen. Tao-hsüan sieht das Besondere der Bodhidharma-Meditation in dem einen Wort Pi-kuan («Wandschau») ausgedrückt. Die Pi-kuan-Meditation, von den indischen Dhyâna-Stufen ebenso wie von der «stillhaltenden Schau» (sanskr. śamatha-vipaśyanâ, jap. shikan) der Tendai-Schule verschieden, verdient höchstes Lob. «Die Verdienste der mahayanistischen Wandschau sind am allerhöchsten» 68 , so versichert Tao-hsüan im Hinblick auf das Wirken Bodhidharmas. Doch verdeutlicht er nicht, worin die Besonderheit des Meditationsstils Bodhidharmas genau besteht. Noch weniger vermag er die Entwicklung dieses Stils bei den «La ṅ kâvatâra-Meistern aus der Bodhidharma-Linie» aufzuzeigen. Yanagida beschreibt die starke Aktivität der «neuen Richtung», die sich zur Zeit des Lebensabends Tao-hsüans entfaltete. In ihr ist, so meint er, «das Bewusstsein der Patriarchenlinie noch nicht zur Oberfläche gelangt» 69 . Ausführlicher schreibt er an anderer Stelle: «Selbstverständlich können wir den Inhalt des Dhyâna (ch ’ an, zen) Bodhidharmas nicht deutlich wissen. Der Text von den zwei Eingängen und vier Werken, der als seine einzige echte Lehre angesehen wird, ist äußerst einfach. Es ist beinahe unmöglich, genau zu klären, welche praktische Besonderheit seine Meditation im Vergleich zu der berühmter Dhyâna-Meister jener Zeit aufweist und wie sie mit der später das ‹ höchste Mahâyâna-Zen › genannten plötzlichen Erleuchtung zusammenhängt 70 .» Die Fermentation, die Die Frühzeit 99 wir in den späten Zusätzen des Geschichtswerkes Tao-hsüans spüren, kam erst in der Folgezeit zum Durchbruch. Nach dem Tode des Tao-hsüan wird die neue Richtung immer deutlicher erkennbar 71 . Wir können nunmehr die oben formulierten Fragen dahin beantworten, dass es in der Frühzeit wahrscheinlich weder eine La ṅ kâ-Schule noch eine Schule des Bodhidharma-Zen im eigentlichen Sinne gegeben hat 72 . Die Meditationsbewegung, die sich im Geschichtswerk des Tao-hsüan abzeichnet, kann nur im weiten Sinn Zen-Bewegung genannt werden; sie ist der Mutterboden, aus dem während des 8. Jahrhunderts scharf umrissene Zen-Schulen hervorgewachsen sind. Seng-ts ’ an (gest. 606), der Dritte in der Nachfolgelinie des chinesischen Zen, hat im Geschichtswerk des Tao-hsüan keine eigene Biographie, doch ist sein Name in der Biographie des Fa-ch ’ ung unmittelbar nach dem Namen Hui-k ’ os ohne weiteren Zusatz genannt 73 . Es folgen die Namen von anderen Jüngern. Da wir außer dieser Notiz keine sichere Nachricht über Seng-ts ’ an besitzen, bleibt sein Lebenslauf im Dunkel. Nach Angabe später Chroniken diente er sechs Jahre bei Hui-k ’ o und erlangte von diesem das Dharma-Siegel. Seine erste Begegnung mit dem Meister ist durch ein kôan-artiges Gespräch ausgezeichnet, selbstverständlich ein spätes Zuwerk. Seine Grabinschrift vergleicht ihn wegen seiner großen Losschälung von der Welt mit dem Bodhisattva Vimalakîrti. Besonders gerühmt werden seine Freundlichkeit, Großherzigkeit und Milde. Die Berichte über seine Lebensschicksale gehen im Einzelnen auseinander. Während der Buddhistenverfolgung (574) floh er, wie es heißt, mit Hui-k ’ o in die Berge, trennte sich aber von diesem, als er in die Hauptstadt Yeh-tu ging. Nach ziemlich sicherer Angabe starb er im Jahre 606 74 . Seng-ts ’ an tritt im Geschichtswerk des Tao-hsüan weniger als die anderen Jünger Hui-k ’ os hervor. Man darf ihn zu den Anhängern des Laṅkâvatâra-Sûtra zählen. In der Biographie Fa-ch ’ ungs ist nach Aufzählung von acht Namen (einschließlich dem des Seng-ts ’ an) bemerkt, dass alle über den tiefen Gehalt des Laṅkâvatâra-Sûtra sprachen, aber keine diesbezüglichen Schriften verfassten 75 . Gemäß dem «Bericht vom Schatz der Dharma-Überlieferung», einer Chronik der chinesischen Nordschule des Zen, überreichte Hui-k ’ o gegen Ende seines Lebens seinem Jünger Seng-ts ’ an das Laṅkâvatâra-Sûtra mit den Worten: «Den Dharma, den ich selbst überkommen habe, gebe ich jetzt an dich weiter. Du sollst ihn künftig weit und breit den Menschen erklären 76 .» Von der Überlieferung wird Seng-ts ’ an das Gedicht «Meißelschrift des gläubigen Geistes» zugeschrieben, das er, wenn nicht aufgezeichnet, so doch vor seinen Jüngern gesprochen haben soll 77 . Die Nachricht ist äußerst unsicher. Die Dichtung stammt wahrscheinlich aus der T ’ ang-Zeit, sie ist einer der stärksten Texte des chinesischen Zen, ein Hymnus an das Tao, in dem sich der chinesische Geist mit buddhistischer Religiosität zur Verehrung des Unerforschlichen vermählt. In der Lyrik der Verse ist die taoistische Färbung deutlich. Die 100 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China metaphysischen Ideen von der Leerheit und letzten übergegensätzlichen Einheit der Wirklichkeit sind seit den Weisheitssutren Gemeingut des Mahâyâna. Die Sprache der Dichtung ist edel und stark. Die erste, oft zitierte Strophe lautet: Der höchste WEG ist gar nicht schwer, nur abhold wählerischer Wahl. Doch wo man weder hasst noch liebt, ist Klarheit offen, wolkenlos. 78 Der Hymnus schließt mit dem Preis der Alleinheit. Da gibt es kein du und kein ich, keine Zeit und keinen Raum, kein klein und kein groß. Die stahlharten Schlussverse des metaphysischen Gedichts atmen beherrschte, unterkühlte Begeisterung: Im Dharma-Reich der wahren Soheit Ist kein Anderer und kein Ich. Plötzlich mit kurzem Wort Sag ’ nur: nicht zwei. Nicht zwei, alles ist gleich: Darin ist alles beschlossen. Die Weisen von den zehn Weltgegenden, Alle gehen ein in diese Wahrheit. Die Wahrheit kennt kein schneller und kein weiter, Ein Augenblick - zehntausend Jahre. Sein und Nicht-Sein: Offen liegt es in den zehntausend Weltgegenden. Das Kleinste ist gleich dem Großen, Keine Grenze außen. Das Größte ist gleich dem Kleinen, Keine Grenze erschaubar. Die Patriarchen des Ostberges Am Anfang der chinesischen Zen-Geschichte stehen in den Zen-Chroniken die fünf «Patriarchen» Bodhidharma, Hui-k ’ o, Seng-ts ’ an, Tao-hsin und Hung-jen. Alle Chroniken, sowohl die Chroniken der Nordschule als auch der Südschule des chinesischen Zen, stimmen in den fünf Namen überein, um sich dann im Streit um den «sechsten Patriarchen» voneinander zu trennen. Das in den Chroniken manifestierte Geschichtsverständnis sieht in der ununterbrochenen Geistüberlieferung die Grundlage des Zen-Buddhismus. Allerdings bürgt die Literaturgattung der Zen-Chroniken nicht für geschichtliche Sicherheit. In den Chroniken behauptet sich der orthodoxe Glaube an die eine, ungebrochene Überlieferungslinie; außerdem machen sich je nach Richtung und Entstehungs- Die Frühzeit 101 ort verschiedene Tendenzen geltend, hagiographische Ausschmückungen dienen der Erbauung des Lesers. Da die Chroniken erst von Beginn des 8. Jahrhunderts an einsetzen, kommt ihnen ohnehin für die erste Phase der Zen- Geschichte weniger Bedeutung zu. Wir stützten uns im Vorigen vorwiegend auf das Werk des Tao-hsüan, der Buddhist, aber kein Zen-Anhänger ist. Seine «Fortsetzung der Biographien berühmter Mönche» handelt von der Gesamtgeschichte des chinesischen Buddhismus und reicht bis in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts. Leider erfährt Tao-hsüans Werk erst zu Beginn der Sung-Periode (960 - 1127) eine Fortführung. Bei der Überbrückung der dazwischen liegenden Zeitspanne von etwa 320 Jahren sind wir auf die geschichtlich unzuverlässigen Chroniken angewiesen 79 . Dieser Quellenlage ist es zuzuschreiben, dass die Generationsfolge der fünf ersten chinesischen Zen-Patriarchen nicht mit Sicherheit feststeht. Wohl finden sich bei Tao-hsüan alle fünf Namen, und zwar die Namen der drei ersten sowie des vierten und fünften Patriarchen im Zusammenhang des Meister-Jünger- Verhältnisses. Aber es fehlt eine Mitteilung über die Verbindung zwischen dem dritten Patriarchen Seng-ts ’ an und dem vierten Patriarchen Tao-hsin. Erst in den Zen-Chroniken findet sich die Generationslinie der fünf ersten chinesischen Zen-Patriarchen im Meister-Jünger-Verhältnis. Dieser wichtige Punkt der Frühgeschichte des Zen bleibt somit geschichtlich unsicher 80 . Tao-hsin, der vierte Patriarch Tao-hsin (580 - 651), den die Chroniken als den vierten Patriarchen nennen, wird als starke Persönlichkeit geschildert. In seiner Biographie mischen sich sichere und unsichere Angaben. Zehn Jahre lebte er im Tempelkloster Ta-lin-ssu auf dem Lu-shan, um endgültig zum Shuan-feng-Berg überzusiedeln 81 , wo er gemäß der kurzen Biographie, die Tao-hsüan ihm widmet, während dreißig langer Jahre eine fruchtbare Tätigkeit entfaltete und mehr als 500 Schüler, darunter bedeutende Männer, um sich scharte 82 . Zu seinen Jüngern zählt auch Hungjen, gemäß den Zen-Chroniken der fünfte Patriarch 83 . Damals setzte, so scheint es, eine Wandlung im Lebensstil der Zen-Jünger ein, die viel zur Einwurzelung des Zen in die chinesische Gesellschaft beigetragen hat 84 . An die Stelle vielen Umherwanderns trat ein Gemeinschaftsleben mit festem Wohnsitz. Zen-Historiker sehen darin die Anfänge jener Entwicklung, die während der T ’ ang- und Sung-Zeit zu einem geregelten Gemeinschaftsleben in Tempelklöstern führte. Das Zusammenwohnen so vieler Menschen musste Veränderungen in der Lebensführung mit sich bringen. Die spontanen Almosen der Gläubigen konnten zum Unterhalt der Mönche nicht genügen, auch Bettelreisen in die Umgegend halfen wenig, öffentliche Gelder standen nicht 102 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China zur Verfügung. So blieb nichts anderes übrig, als von der eigenen Hände Arbeit zu leben. Ob in dieser frühen Zeit schon Arbeitsteilung herrschte, wie sie später mancherorts stattfand, dass nämlich ein Teil der Mönche sich der Meditationsübung widmete, während andere die Ämter versahen und den Haus- und Feldarbeiten oblagen, oder aber alle Übungen und Dienste von allen gleichmäßig geleistet wurden, lässt sich aus den Quellen nicht ermitteln. Jedenfalls war bei der neuen Lebensweise die Bewahrung der inneren Haltung, des Geistes des Zen, in den Geschäften des Alltags entscheidend wichtig. Nicht nur das Hocken in der Meditationshalle und die Sutrenrezitation am Morgen und Abend, auch die täglichen Arbeiten erweisen den Zen-Geist. «Wirken, Wohnen, Hocken, Ruhen» - so drücken es vier chinesische Schriftzeichen prägnant aus - sind in gleicher Weise Zen. Diese Entwicklung nimmt spätere Formen des Lebens in den Zen-Klöstern voraus. Der vierte Patriarch erscheint als entfernter Vorläufer jener Meister, die eine Ausstrahlung des Zen-Weges in die Kultur hinein ermöglichten, oder auch als ein Geistesverwandter Dôgens. Doch lässt sich, wie der japanische Zen- Historiker Ui, selbst aus der Schule Dôgens und solcher Interpretation zugeneigt, feststellt, «fast kein sicheres Material darbieten» 85 . Was den Meditationsstil angeht, kann Tao-hsin als erster Vertreter der nach dem Wohnsitz ihres Hauptrepräsentanten Hung-jen «Dharma-Tor des Ostberges» genannten Phase des chinesischen Zen-Buddhismus angesehen werden. Tao-hsin war auf dem Lu-shan mit Kennern der Prajñâpâramitâ-Sutren und Anhängern des Amida-Buddhismus in Berührung gekommen. Diese Kontakte haben in der Biographie, die die Chronik der Laṅkâvatâra-Meister ihm widmet, einen Niederschlag hinterlassen 86 . Die Chronik lässt ihn aus der Prajñâpâramitâ- Literatur und aus einem Sutra der Schule vom Reinen Land zitieren. Das Wort vom «Samâdhi der einen Übung» (ichigyô sammai), das sich schon in einem Prajñâpâramitâ-Sûtra findet, drückt, wie Yanagida meint, geradezu den Kern des Zen-Stiles des Tao-hsin aus 87 . Ähnlich wird diesem von der Chronik die Lehre von der Identität zwischen Geist und Buddha (jap. sokushin sokubutsu) in den Mund gelegt. Die gegensätzlichen Momente der Plötzlichkeit der Erleuchtung und der allmählich fortschreitenden geistigen Schulung, die in den Sutren anklingen, kündigen irgendwie schon die bevorstehende Trennung zwischen der Nordschule und der Südschule des chinesischen Zen an. Die Hauptpunkte sind in einem Text zusammengefasst, der als die «Fünf Tore des Tao-hsin» bekannt und in der Chronik der Laṅkâvatâra-Meister überliefert ist. Der Passus lautet: Man wisse: Buddha ist der Geist. Außer dem Geist gibt es keinen Buddha. Dies bedeutet, kurz gesagt, die folgenden fünf Arten: Erstens, man wisse: Der Grund des Geistes ist ursprünglich rein, gleich wie Buddha. Die Frühzeit 103 Zweitens, man wisse: Die Bewegung des Geistes bringt den Schatz des Dharma hervor. Alle Bewegung ist ursprünglich Ruhe, alle Trübungen sind gleich (dem Grund des Geistes). Drittens: Der Geist ist immer ununterbrochen erwacht, der erwachte Geist ist stets gegenwärtig, der Dharma des erwachten Geistes hat keine Einzelform. Viertens, man schaue: Der Körper ist immer leer und ruhig, innen und außen eins (durchscheinend) und gleich, der Körper und die Dharma-Welt sind ineinander und ungehindert. Fünftens: die Einheit bewahren ohne Bewegung (Veränderung) - wenn Bewegung und Ruhe zusammen wohnen, kann jeder klar die Buddha-Natur sehen und ins Tor des Samâdhi eintreten. 88 Der Text handelt vom Erleuchtungsweg, wie ihn die Mahâyâna-Sutren verstehen; dem metaphysischen Gehalt nach ist er den Prajñâpâramitâ-Sutren und der Yogâcâra-Schule verpflichtet. Die Besonderheit des Zen-Stiles Bodhidharmas wird kaum sichtbar. Nordschule und Südschule konnten die «Fünf Tore des Tao-hsin» in gleicher Weise für sich in Anspruch nehmen, indem die Anhänger eines allmählich fortschreitenden Realisierungsprozesses sich auf die metaphysische Aussage des Textes stützten, während die Vorkämpfer der plötzlichen Erleuchtung in der souverän waltenden Prajñâ die unerwartet jäh hereinbrechende Erfahrung gewährleistet sahen. Die Zen-Chroniken nennen zwei Schriften des vierten Patriarchen Tao-hsin, nämlich eine nicht erhaltene Schrift über die Bodhisattva-Gebote und den Traktat «Hauptmittel der Beruhigung des Geistes zum Eintritt in den Weg» (jap. Nyûdô anjin yô hôben hômon, chin. Ju-tao an-hsin yao fang-pien fa-men), der in die Chronik Ryôgashijiki aufgenommen ist. 89 In dieser wichtigen Abhandlung lassen sich die zwei Tendenzen, die im Bodhidharma-Traktat anklingen, wiederfinden. Schon der Titel ist aufschlussreich und könnte eine Nähe der Bodhidharma- Tradition anzeigen. Der Bodhidharma-Traktat handelt von den «Zwei Eingängen» (jap. ni nyû, chin. erh ju). Das zweite Schriftzeichen mit der Bedeutung «Eingang», «eintreten» findet sich auch in der Überschrift des Tao-hsin-Textes. In beiden Fällen ist der Eintritt in den Zen-Weg gemeint. Tao-hsin spricht in seinem Text mehrmals vom «Eintreten», nämlich am Ende des zentralen Abschnittes über die fünf Dharma-Tore: «Trete in das Tor der Meditation ein», und bei der Erklärung der Meditationspraxis: «Erlange den Eingang in die ungeschaffene rechte Wahrheit» oder «Trete in das wahre Prinzip des Ungeborenen ein». 90 Das Prinzip, li, muss, wie Tao-hsin an anderer Stelle sagt, mit der Praxis (chin. hsing, jap. gyô) übereinstimmen, eine Aussage, die, wie Chappell in einer Anmerkung schreibt, «die Gedanken von Bodhidharma widerspiegelt». 91 Den Höhepunkt des Abschnittes von den fünf Dharma-Toren markiert der Ausdruck shuichi fui (chin. shou-i pu-i), der - ursprünglich taoistisch - von den chinesischen Meditationsmeistern in den Buddhismus hineingenommen wurde. 104 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die englische Übersetzung «Maintaining the One without Wavering» bringt den taoistischen Ursprung klar zum Ausdruck. 92 «Das Eine» des Lao-tzu, ein zentraler Terminus in der chinesischen Geistesgeschichte, erinnerte die Mahâyâna-Buddhisten an ihre Grundkonzeption der Wirklichkeit, die in den Weisheitssutren gründet. Tao-hsin zitiert diese Sutren und viele andere Mahâyâna-Schriften. Er hatte in jungen Jahren die Weltsicht der Leere (śûnyatâ) im Tempelkloster Ta-lin in sich aufgenommen, das von Chih-k ’ ai (533 - 610), einem Anhänger der Sanron- (chin. San-lun-)Schule und Jünger des Tendai- Patriarchen Chih-i (538 - 597), gegründet wurde. 93 Es ist nicht sicher, ob Taohsin dem Chih-k ’ ai persönlich begegnet ist, aber das Kloster war zweifellos von dessen Geist, dem Geist des Mâdhyamika, durchweht. In seinem Traktat spricht Tao-hsin immer wieder vom «reinen und leeren Geist», den der Übende bewahren und pflegen muss. Die Nähe Tao-hsins zum Tendai reicht bis in seine Lernjahre im Kloster Talin zurück. Im Tendai ist die theoretische Lehre, in der Axiome der Weisheitssutren einen wichtigen Platz einnehmen, wesentlich mit der Meditationspraxis verknüpft, die den Vorrang innehat. Diese Verbindung von Lehre und Praxis war Tao-hsins Ideal. Der von ihm gewiesene Weg ruht auf Lehrprinzipien auf, aber das Ziel kann nur in intensiver praktischer Übung erreicht werden. Eine Grundlage ist das «Samâdhi der einen Übung» (jap. ichiyô sammai, chin. i-hsing san-mei), das, wie er sagt, «bedeutet, dass der Geist, der den Buddha wahrnimmt, Buddha ist». Und: «Die Wahrnehmung (oder das Bewusstsein) auf die Letzte Wirklichkeit fixieren, heißt i-hsing san-mei.» 94 Das Samâdhi der einen Übung, im Englischen auch genannt «Samâdhi des Einen» (Yampolsky) oder «Beruhigung, in der man realisiert, dass alle Dinge (dharma) gleich sind» (Wing-tsit Chan) 95 , ist eines der vier Samâdhi, von denen Chih-i in seinem grundlegenden Werk Makashikan (chin. Mo-ho chih-kuan) als Vorstufen der vollkommenen Erleuchtung handelt. 96 Tao-hsin kennt den zentralen Ausdruck der Tendai-Meditation shikan (chin. chih-kuan), aber er kann diesen auch dem ihm bekannten «Traktat von der Erweckung des Glaubens im Mahâyâna» (sanskr. Mahâyânaśrâddhotpâda-śâstra, jap. Daijôkishinron, chin. Ta-cheng ch ’ i-hsin lun) verdanken. 97 Wie dem auch sei, die enge Beziehung Tao-hsins zum Tendai tritt in seinem Traktat deutlich hervor. Der starke Einfluss des Tendai beruht auf der umfassenden Weite der Aufnahme fast aller wichtigen Elemente des Mahâyâna, das zur Zeit des Gründers Chih-i nicht bloß in der ganzen Breite der indischen Überlieferung in China Eingang gefunden, sondern durch die Interpretation des chinesischen Denkens bedeutende Bereicherungen erfahren hatte. Die Tendai-Meditation kennt plötzliche Realisierung und gradweisen Aufstieg zur Erleuchtung. 98 Taohsin hat ebenfalls beide Wege. In seinem Traktat findet sich das früheste schriftliche Zeugnis für die Plötzlichkeit der Erleuchtungserfahrung. Ein Die Frühzeit 105 bemerkenswerter Passus, der ausdrücklich dem Tao-hsin in den Mund gelegt wird, lautet wie folgt: Weder durch Meditieren des Buddha, noch durch Ergreifen des Geistes, noch durch Sehen des Geistes, noch durch Analysieren des Geistes, noch durch Reflexion oder Unterscheidung oder durch Auflösung der Verwirrung, sondern durch völlige Identifizierung mit dem natürlichen Rhythmus der Dinge, ohne etwas zum Gehen oder Bleiben zu zwingen, sondern schließlich in der einen einzigen Reinheit verweilend, wird der Geist leuchtend und rein. 99 Die beiden wichtigen Ausdrücke der Passage lauten im Original shin rinnen (chin. chih-ren-yün) und ji (japanisch gelesen mizukara oder onozukara, chin. tzu). Yanagida erklärt den Ausdruck rinnen paraphrasierend: «sich dem Lauf vom Himmel und Erde überlassen». Er verweist auf Lao-tzu und Chuang-tzu, bei denen sich diese Verbindung der Schriftzeichen findet. 100 Taoistisch ist auch das folgende «mizukara» (wörtlich: «von selbst»). Wenig später heißt es im Text, dass das Dharma-Auge der wahrhaft Erleuchteten sich spontan öffnet. 101 Und das fünfte Dharmator schließt mit der Feststellung: Die Übenden «treten ohne Säumen in das Tor der Meditation ein». 102 Yanagida übersetzt «schnell», entsprechend der Bedeutung des Schriftzeichens. 103 Bemerkenswert ist, dass die Passagen, die auf Plötzlichkeit der Erleuchtung hindeuten, mit Ausführungen über die śûnyatâ-Lehre zusammengehen. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen dieser und der plötzlichen Erleuchtung. Im Vergleich zur vielfältigen, engen Beziehung Tao-hsins zum Gründer des Tendai Chih-i und zu dessen Schriften ist seine Zugehörigkeit zur Bodhidharma-Tradition in den Quellen nur schwach bezeugt. Wir bedachten das gleiche Schriftzeichen für nyû («Eingang») in den Titeln der Texte Bodhidharmas und Tao-hsins. Auch die zweite Schriftzeichenverbindung im Titel des Tao-hsin anjin (chin. an-hsin) findet sich im Bodhidharma-Traktat an hervorragender Stelle. Tao-hsin rühmt in seinem Text die unerschöpfliche Fülle der Befriedung des Geistes (anjin). 104 Wenn er Tan-lins Identifikation des rätselhaften pi-kuan, der höchsten Mahâyâna-Kontemplation, mit an-hsin kannte, lässt sich hier ein weiterer verbindender Faden zeigen. Wenig zuverlässig ist die Verbindung, die das Dembôhôki, das dem Bodhidharma-Traktat keine Geltung zuerkennt, zum Gründer des chinesischen Zen herstellt, wenn es die Traditionslinie von Bodhidharma und Hui-k ’ o über Seng-ts ’ an zu Tao-hsin führt und diesem in einer biographischen Skizze Seng-ts ’ an als einen seiner Lehrer zuweist. 105 Die Zen-Geschichte steht hier vor noch nicht aufgeklärten Verstrickungen. Ähnliches lässt sich über die Bedeutung des Laṅkâvatâra-Sûtra in der Frühzeit des chinesischen Zen sagen. Dieses Sutra, von dem das Ryôgashijiki seinen Namen nimmt, wird in dem Tao-hsin zugeschriebenen Teil der Chronik nur einmal in den ersten Zeilen als «grundlegend für das Erste Prinzip» genannt. 106 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Wenn die Ausführungen über den gradweisen Aufstieg zur Erleuchtung in Taohsins Text einen breiten Raum einnehmen, so ist dies dem Einfluss des Tendai zuzuschreiben. Am anschaulichsten ist der Passus, der den berühmten Vergleich des allmählichen Anstiegs mit dem Bogenschießen enthält: Wie wenn jemand, der Bogenschießen erlernt, zuerst mit großer Freiheit schießt, aber dann das Ochsenauge fast schon trifft. Zuerst trifft er etwas Großes, dann etwas Schmales, dann ein Haar und dann spaltet er das Haar in zwei Teile und trifft ein Hundertstel eines Haares. Der letzte Pfeil trifft das Ende des vorhergehenden Pfeiles. Eine Folge von Pfeilen lassen den Pfeil nicht zu Boden fallen. So ist es, wenn jemand den Weg übt. Von Augenblick zu Augenblick wohnt er im Geist. Von Gedanke zu Gedanke übt er beständig korrektes Aufmerken ohne Unterbrechung in der Gegenwart. 106 Der Vergleich der Übung mit dem Bogenschießen hat in Ostasien eine Geschichte. Yanagida zitiert einschlägige Passagen aus der Prajñâpâramitâ- Literatur und verweist auf Tendai-Schriften. 107 Die Metapher dient zur Veranschaulichung der schrittweise voranschreitenden Übung. Tao-hsin empfiehlt solche Übung zur Beruhigung des Geistes. Er sagt: Wenn du einen ruhigen Geist erlangst und dein Geist nicht in objektivierten Phänomenen haftet, wird er allmählich still und fest und beseitigt Schritt für Schritt die mancherlei Trübungen. Deshalb verursachst du schließlich keine Trübungen mehr, und man kann sagen, dass du frei bist. 108 Die Schriftzeichenverbindung, die Chappell einmal mit «allmählich» und dann «Schritt für Schritt» übersetzt (jap. zuibun, chin. sui-fen), wird im modernen Japanisch zu shidai ni. Shen-hui kritisiert die zu Beginn dieses Abschnittes genannte Beruhigung des Geistes (jap. jûshin, chin. chu-hsin), in der er einen Ausdruck der von ihm der Nordschule zugeschriebenen, heftig bekämpften Lehre von der gradweisen Erleuchtung sieht. 109 Die sich über eine längere Zeit erstreckende Übung ist ein empfehlenswertes «geschicktes Mittel» («expedient», sanskr. upâya, jap. hôben, chin. fang-pien). Expedients sind dem Tao-hsin wichtig, da, wie es im Text heißt, «das Gehen des Weges geschickter Mittel bedarf». 110 Die expedients sind nach Tao-hsins Ansicht nützliche Mittel, die zur Erleuchtung führen können. Die Südschule des Huineng vertritt den radikaleren Standpunkt, dass die bei der Praxis benutzten expedients Funktion der Erleuchtung sind. Ein geschicktes Mittel ist auch die Rezitation des Buddha-Namens (jap. nembutsu, chin. nien-fo), die durch Tao-hsin Eingang in das Zen gefunden hat. Der vierte Patriarch lebte auf dem Ostberg nahe bei dem in der buddhistischen Geschichte durch den dort blühenden Kult des Buddha Amithâba (jap. Amida) berühmten Lu-shan, von dem sich in jenen Tagen die Praxis des Nembutsu ausbreitete. 111 Tao-hsin zitiert Sutren des Amida-Buddhismus und nennt das Die Frühzeit 107 «Reine Land», in das die Gläubigen dieses Buddha hinübergeboren zu werden hoffen; aber das Nembutsu ist bei ihm nicht mit Amida-Verehrung verknüpft. Er zitiert zur Verdeutlichung des Wesens dieser Praxis das Daibongyô 112 : « ‹ Kein Gegenstand des Gedankens › bedeutet: an Buddha denken.» Nach dieser Definition wäre das Nembutsu eine Art ungegenständlicher Meditation. In Tao-hsins Text leitet das Nembutsu zur Mahâyâna-Lehre von der Identität von Geist und Buddha hin. Der Text beantwortet die Frage nach der Bedeutung von Meditation ohne Gegenstand (jap. mushonen, chin. wu-suo-nien): Es bedeutet, dass der Geist, ‹ der an Buddha denkt › als ohne Gegenstand denkend bezeichnet wird. Außer dem Geist ist kein Buddha. Außer dem Buddha ist kein Geist. An Buddha denken ist identisch mit an Geist denken. Den Geist suchen bedeutet den Buddha suchen. 113 Tao-hsin hat das Nembutsu wahrscheinlich bei seinem Aufenthalt im Ta-lin- Kloster kennengelernt und in seine Meditationspraxis aufgenommen. 114 Bei ihm ruht es auf den Grundprinzipien der Weisheitssutren auf. Die Chronik Dembôhôki bezeugt Nembutsu-Praxis für seine Nachfolger Hung-jen und Shen-hsiu. Tao-hsins Zen gründet in der Kernlehre des Mahâyâna, der Lehre des Mâdhyamika von der Leere (śûnyatâ) aller Dinge (dharma), die der Erleuchtete durchschaut, wenn er das Wesen der Wirklichkeit erfasst. Der vierte Patriarch begnügt sich nicht damit, diese Lehre seinen Jüngern zu vermitteln, sondern gibt zudem verblüffend konkrete Anweisungen, wie das Ziel erreicht werden kann. Sein Text enthält die früheste Version eines Manuals der Zen-Meditation, wie es später während der Sungzeit der chinesische Meister Tsung-tse und während der Kamakura-Zeit Dôgen in Japan erstellte. 115 Tao-hsins Anleitung bietet, wie der japanische Historiker des Buddhismus Sekiguchi sagt, «das erste Beispiel einer Meditationsbeschreibung im Zen». 116 In Tao-hsins Text finden sich zwei praktische Meditationsanleitungen. In einem ersten Abschnitt empfiehlt er, Körper und Geist, die fünf Daseinsfaktoren (skandha), die vier Elemente, die sechs Sinnesorgane, die drei Gifte und alle Dinge anzuschauen, um zu erfassen, dass alles leer ist, ohne Entstehen und Vergehen, gleich und ohne Zweiheit. 117 Konkreter noch ist eine zweite Anleitung, die im Wortlaut wiedergegeben sei: Wenn du zuerst beginnst, die Sitzmeditation (jap. zazen, chin. tso-ch ’ an) zu üben, so gehe und sitze an einem Ort! Zuerst sitze aufrecht und korrekt! Weite deine Kleidung und löse deinen Gürtel! Lockere deinen Körper und deine Glieder! Reibe dich sieben oder acht Mal! Vertreibe völlig die Luft aus deinem Leib! Durch das natürliche Fließen wirst du die wahre Natur erlangen, klar und leer, ruhig und lauter. Wenn Leib und Geist in Harmonie sind, kann der Geist in Frieden sein. Dann ist der verborgene und 108 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China geheimnisvolle innere Atem klar und kühl. Langsam, langsam sammle deinen Geist und dein geistlicher Weg wird klar und scharf. 118 Der so Übende realisiert, dass die Natur des Geistes gleich der Buddha-Natur und gleich dem ursprünglichen Geist ist. Tao-hsin geht es, auch wenn er praktische Anweisungen gibt, um mehr als bloße Technik. Deshalb betont er, indem er sich die die Negation liebende Sprache der Prajñâpâramitâ-Literatur zu eigen macht: «Die Basis unserer Methode ist keine Methode.» 119 Tao-hsin mahnt zu eifriger Übung: «Ohne Unterbrechung bei Tag und Nacht; ob gehend, stehend, sitzend oder liegend, übe immer diese Meditation.» 120 «Bemühe dich sehr, bemühe dich sehr! » «Verweile stets in Meditation! » 121 Solche Mahnungen kehren immer wieder. Der Jünger soll sich mit allen Kräften der Übung widmen. Der Text schildert eine Atmosphäre intensiver Disziplin, wie sie von vielen Zen-Meistern in ihren Tempelklöstern geübt wurde. Man hat in dieser Hinsicht den japanischen Zen-Meister Dôgen mit den Altmeistern des Ostberges verglichen. Hung-jen, der fünfte Patriarch Tao-hsin sammelte, wie die Chroniken berichten, eine ansehnliche Hörerschar um sich, aber nur wenige Namen seiner Jünger sind überliefert. 122 Nach seinem Tod fiel der Mantel auf seinen Hauptjünger Hung-jen (601 - 674), der seit den ersten Tagen bei ihm auf dem Shuan-feng-Berg (624) weilte. Was als unbedeutende Übungsstätte begann und sich zur Klostergemeinschaft entwickelte, wurde im Laufe der Jahre zu einem weit ausstrahlenden Zentrum des chinesischen Buddhismus. Es ist kaum möglich, die Anteile der zwei Patriarchen an dieser Leistung voneinander zu trennen. Hung-jen ist die stärkere Persönlichkeit. Über ihn haben wir mehr geschichtliche Nachrichten und beredtere Zeugnisse. 123 Er ist vollkommen in die Fußstapfen seines Meisters eingetreten und hat das Werk zur vollen Blüte gebracht. Die reichen Früchte wurden in der folgenden Generation seiner «Zehn Großen Jünger» greifbar. Die biographischen Nachrichten über Hung-jen finden sich zur Hauptsache in den zwei Chroniken Dembôhôki und Ryôgashijiki. Legendäre Züge schmücken seine Kindheit bei der Mutter aus, der er mit kindlicher Ehrfurcht diente. Mit sieben oder mit zwölf Jahren ging er in die Hauslosigkeit. Als sein Lehrer wird nur Tao-hsin genannt, bei dem er wahrscheinlich schon während dessen Aufenthalt in Chi-chou im Ta-lin-Kloster weilte. Als Patriarch siedelte er mit seiner Gemeinde zum östlichen Gipfel des Gebirges über. Die Quellen nennen seine und Tao-hsins Schule die «Schule oder Lehre des Ostberges». Die Verknüpfung der zwei Patriarchen Tao-hsin und Hung-jen zeigt sich bei der Auswertung der ihnen zugeschriebenen überkommenen Schriften. Tao- Die Frühzeit 109 hsins Text, in die Chronik Ryôgashijiki aufgenommen, ist nur in einem Exemplar erhalten und lässt sich nicht genau datieren. Die Schrift Hung-jens, von seinen Jüngern niedergeschrieben, entbehrt ebenfalls der Datierung, sie ist in neun Handschriften überkommen. McRae hat aufgrund dieses Materials eine sorgfältige neue Edition erarbeitet, die er in seinem Buch veröffentlichte. Aus seiner Beschreibung der Handschriften, ihrer Publikation und ihrer Titel ergibt sich in kurzer Zusammenfassung folgendes Bild: Hung-jens Schrift wurde in Korea 1570 unter dem Titel «Traktat des höchsten Fahrzeugs» (jap. Saijôjôron, chin. Tsui-shang shen-lu) veröffentlicht, mehrmals wiedergedruckt (in Japan erstmalig gedruckt 716) und in eine Anthologie aufgenommen. Der erste in Tun-huang entdeckte Text wurde in Peking veröffentlicht (1931), von D. T. Suzuki dort eingesehen (1934) und von ihm in Facsimile in Japan gedruckt (1935). Der Text erschien in Peking unter dem Titel «Traktat über das Eine Fahrzeug, das den eigenen Geist manifestiert» (jap. Ichijô Kenjishinron, chin. I-sheng hsien tzu hsin lun). Ein anderer Tun-huang-Text gelangte in die Bibliothek der Ryûkoku-Universität in Kyoto. Suzuki entdeckte drei weitere Tun-huang-Manuskripte in England (S2669, S3558, S4064) und veröffentlichte die ihm bekannten Texte (ohne Berücksichtigung des Ryûkoku-Manuskripts) in Zen Shisôshi Kenkyû Daini (1951). 124 Die übrigen Manuskripte wurden von Yanagida entdeckt. Der Text wurde in die Taishô-Ausgabe aufgenommen (No. 2011, Bd. 48). Der Titel ist durchgängig «Traktat von den Wesenszügen der Bildung des Geistes» (jap. Shushin Yôron, chin. Hsiu-hsin yao lun). 125 Aufgrund des Handschriftenbefundes und anderer Anzeichen kommt McRae zu der Ansicht, Hung-jens Schrift sei die frühere. Er schlägt als Datum ihrer Abfassung das Ende des 7. Jahrhunderts vor, während er die Entstehung der Schrift des Tao-hsin in die ersten Jahre des folgenden Jahrhunderts verweist. Die Datierung beider Schriften ist unsicher. Die zahlreichen aufgefundenen Manuskripte der Schrift Hung-jens zeugen von ihrer Verbreitung und Beliebtheit im China jener Tage. Während vieler Jahrhunderte galt das Shushin yôron als die maßgebende Schrift der Ostberglehre. So sprachen gute Gründe für die von McRae vertretene Ansicht. Fest steht, dass Ähnlichkeiten zwischen beiden Schriften nicht nur bezüglich der inhaltlichen Grundzüge, sondern auch in der Darstellungsweise und nicht selten im Wortlaut bestehen. 126 Das Kennwort des Traktates shushin (chin. shou-hsin) erinnert in der wörtlichen Bedeutung «den Geist bewahren» an die altbuddhistische Meditationspraxis der Achtsamkeit; bei Hung-jen ist es im Mahâyâna-Kontext im Sinne der Zentrallehre der Identität von Geist und Buddha zu verstehen. Der Wahre Geist ist gleich der Selbstnatur, der Dharma-Natur, der Buddha-Natur. Wie die «Dharma-Sonne» scheint der ursprüngliche Geist, licht und lauter. Er «bringt keine falschen Gedanken hervor und löscht die Illusion persönlichen Besitzes 110 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China aus.» 127 Es kommt darauf an, die Sonne vollkommen scheinen zu lassen. Dies geschieht durch «Bewahren der Achtsamkeit des Geistes». 128 Die Verwandtschaft des Kernwortes shushin (shou-hsin) mit Tao-hsins shuichi (shou-i) ist offensichtlich. Die Frage der Abhängigkeit wird je nach der Beurteilung der Entstehungsdaten der Texte verschieden beantwortet. Der unvergleichliche Wert der Achtsamkeit kommt in einer Passage des Traktates Hungjens zum Tragen, in der drei Wesensmerkmale oder Früchte dieser Bemühung aufgeführt sind: Die Bewahrung der Achtsamkeit des Geistes ist die Grundlage für Nirvâ ṇ a, das wesentliche Eingangstor in den Weg, das Grundprinzip des ganzen buddhistischen Kanons. 129 Die drei folgenden erklärenden Abschnitte erweisen die Achtsamkeit als den Kern des Weges. Die Metaphern von Sonne und Spiegel, die zusammengehören und das Gleiche aussagen, spielen in Hung-jens Traktat eine wichtige Rolle. Beide Metaphern besagen, dass der ursprünglich lautere Geist, der unbehindert leuchtenden Sonne und dem unbefleckten Spiegel vergleichbar, während des Daseins der Lebewesen in der Werdewelt (samsâra) von Unwissenheit, Begierden und Täuschungen verdeckt und beschmutzt wird. Den Traktat Hung-jens eröffnet nach einigen kurzen Bemerkungen eine Passage mit der Sonne- Wolke-Metapher, die an das Zitat aus einer nicht verifizierbaren buddhistischen Schrift anknüpft, in dem die Buddha-Natur in den Lebewesen mit der Sonne verglichen wird. Sie ist «wesentlich hell, vollkommen und ganz». 130 Hung-jen bezieht den Vergleich auf den Geist, der ja mit der Buddha-Natur identisch ist, und schreibt: Das Sonnenlicht wird nicht zerstört, sondern nur durch Wolken und Nebel abgelenkt. Der reine Geist, den alle Lebewesen besitzen, ist auch so, bedeckt von lagernden Wolken unterscheidenden Denkens, falscher Gedanken und Anschauungen. Wenn einer nur imstande ist, Achtsamkeit des Geistes zu bewahren und keine falschen Gedanken hervorzubringen, manifestiert sich natürlicherweise die Dharma-Sonne des Nirvâ ṇ a. Deshalb ist bekannt, dass der Geist ursprünglich rein ist. 131 Die letzte Zeile trifft den Kern der Metapher. Wie die Sonne ist auch der Geist «ursprünglich rein». In einem anderen Abschnitt des Traktates ist die Metapher von Sonne und Wolken mit der des Spiegels verbunden. Weil der Geist - wie die Sonne von Wolken - von Trübungen bedeckt ist, bedarf es der Übung, die «durch Bewahrung der Achtsamkeit des wahren Geistes die Zweifel falscher Gedanken verschwinden und die Sonne der Weisheit erscheinen lässt». Dieser Vorgang kann, wie es anschließend heißt, «gemäß der Metapher des Wischens eines Die Frühzeit 111 Spiegels» verstanden werden. «Wenn der Staub verschwunden ist, erscheint die Natur.» 132 Die Spiegel-Metapher, seit Lao-tzu klassisch in der chinesischen Literatur, klingt auch in Tao-hsins Text an. Der Übende kommt nach langer, intensiver Meditation, so heißt es, zu der Einsicht, dass sein «eigener Körper gleich dem im Wasser widergespiegeltem Mond oder gleich einem Bild im Spiegel ist.» 133 Beide Metaphern erfreuen sich in der Zen-Literatur durch Jahrhunderte großer Beliebtheit. Die Shen-hsiu und Hui-neng im Plattform-Sutra zugeschriebenen Erleuchtungsverse veranschaulichen die verschiedene Bewertung und Auslegung der Spiegel-Metapher im Streit zwischen Südschule und Nordschule während des 8. Jahrhunderts. In Hung-jens Traktat betreffen die Metaphern nicht die asketische Übung, sondern sind auf die Aufmerksamkeit auf den ursprünglich lauteren Geist bezogen. Dies gilt auch für die aufschlussreichen Passagen in den Abschnitten über Gu ṇ abhadra und Hui-k ’ o im Ryôgashijiki, in denen das ominöse Wort vom Abwischen des Spiegels vorkommt. Es heißt da: «Es ist wie beim Wischen eines Bronzespiegels. Wenn der Staub völlig von der Oberfläche des Spiegels verschwunden ist, ist der Spiegel natürlicherweise hell und rein.» 134 McRae stellt erläuternd fest: «Die Helligkeit des Spiegels und die Existenz von Staub an seiner Oberfläche befinden sich auf grundverschiedenen Ebenen der Wirklichkeit. Der Spiegel ist vom Staub nicht wirklich affiziert.» 135 Hung-jens Traktat kann ebenso wie die frühe Chronik Ryôgashijiki als repräsentativ für den Standpunkt der Nordschule angesehen werden. Wie Tao-hsin mahnt Hung-jen seine Jünger zu eifriger Übung und gibt konkrete Anweisungen für die Zen-Meditation. Dem Anfänger empfiehlt er eine Methode, für die er sich auf eines der Amida-Sutren beruft: Sitze richtig mit aufrechtem Körper, mit geschlossenen Augen und Mund! Blick mit dem Geist geradeaus, dir in angemessenem Abstand eine Sonne vorstellend! Bewahre das Bild beständig und ohne Ablassen! Ordne deinen Atem, so dass er nicht abwechselnd rau und fein tönt, weil dies einen krank machen kann! 136 Diese im Amida-Buddhismus beliebte Methode visueller Konzentration hat im Zen-Buddhismus keinen dauernden Platz gefunden. Hung-jen warnt vor Irrwegen, vor «sinnenhafter Wahrnehmung» und «gehemmtem Atmen», vor Illusionen und vor allem, was «zur Aktivierung unterscheidenden Denkens führt, das ein befleckter Geisteszustand ist». 137 Dagegen hilft eine Meditationsweise, die milde und natürlich den Geist beruhigt: Sieh ruhig und aufmerksam auf dein eigenes Bewusstsein, damit du erkennen kannst, dass es immer in Bewegung ist wie fließendes Wasser oder eine glitzernde Luftspiegelung! Nachdem du dieses Bewusstsein wahrgenommen hast, fahre fort, es sacht 112 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China und einfach anzuschauen, ohne ein Innen oder Außen von dir! Tu dies ruhig und aufmerksam, bis sich seine Schwankungen in friedvolle Festigkeit auflösen! Dieses fließende Bewusstsein wird wie ein Windstoß verschwinden. 138 Diese Anweisung zeigt den hohen Grad der Verfeinerung des psychologischen Verständnisses der Zen-Meditation früherer Zeit. Doch fordert Hung-jen trotz seines milden Charakters von seinen Jüngern den Einsatz aller Kräfte. Immer wieder mahnt er: «Strenge dich an! Strenge dich an! » 139 Die Spannung zwischen der Überzeugung von der ursprünglichen Lauterkeit des Geistes und der Forderung höchster Anstrengung bei der Übung kann wie ein Widerspruch erscheinen. Die Erfahrung dieser Grundspannung ist der Ausgangspunkt des geistlichen Wegs des großen japanischen Zen-Meisters Dôgen, den die Frage quälte: Warum peinvolles Üben, wenn alle Lebewesen die Buddha-Natur besitzen? Für diese Frage gibt es keine theoretische Antwort. Die Antwort lautet: Üben. Hung-jens Traktat bekundet diese Einsicht. Außer dem Shushin yôron, der wichtigsten Quelle für Hung-jens Zen-Lehre, unterrichtet über den fünften Patriarchen eine längere Eintragung in der Chronik Ryôgashijiki, deren Verfasser Ching-chüeh als Jünger des Hsün-tse aus Hung-jens engstem Jüngerkreis ein gewichtiger Zeuge für das Zen des Ostberges ist. Sein Bericht stützt sich auf den nicht erhaltenen Traktat seines Lehrers, Ryôgajinbôshi, den er zitiert. Das Shushin yôron nennt er nicht. Eine Rechtfertigung bieten vielleicht die Eingangszeilen der Eintragung, in denen er die Frage beantwortet, warum Hung-jen den Hauptstädten die Bergeinsamkeit vorgezogen habe. Er erwidert, auf Bergeshöhen und in Taltiefen komme der Geist gleichsam von selbst (onozukara) zur Ruhe. Wie Bäume Blüten und Früchte hervorbringen, habe Hung-jen Zazen übend die Erleuchtungsblüten geöffnet. «Großmeister Hung-jen hat still und lauter Zazen geübt, er hat keine Schrift verfasst, sondern mit Worten tiefgründige Prinzipien gelehrt und diese mit Schweigen den Menschen vermittelt. Die da jetzt sagen, Hung-jen habe in seinem Buch die Methode des Zazen gelehrt, befinden sich im Irrtum.» 140 Ching-chüehs Eintragung ist in vielfacher Hinsicht interessant. Er hebt die Bedeutung seines Lehrers Hsün-tse hervor, den der Patriarch vor seinem Tod mit der Erbauung des Mausoleums betraut und den er zusammen mit Shen-hsiu mit der Verbreitung des Laṅkâvatâra-Sûtra beauftragt habe. 141 In die Erzählung vom Hinscheiden des Hung-jen ist die klassische Stelle über die zehn großen Jünger aufgenommen, die namentlich aufgeführt sind. 142 Nach seinem Tod wurde er durch ein Porträt und durch Verse berühmter Künstler geehrt. Im Ryôgashijiki folgt ein letzter Abschnitt von hohem Interesse. Zu seinen Lebzeiten lehrte der Großmeister auch durch eine besondere Art von Fragen, auf deren Ähnlichkeit mit den Kôan D. T. Suzuki aufmerksam gemacht hat. Man hat Die Frühzeit 113 sie als «auf Dinge zeigen und nach der Bedeutung fragen» (jap. shiji mongi, chin. chih-shih wen-i) beschrieben. Zwei Beispiele seien angeführt: «Das ist ein einziges kleines Haus voll von Kehricht und Unkraut und Schmutz. Was ist es? » «Wenn du allen Kehricht und Unkraut und Schmutz auskehrst und es säuberst, so dass kein Ding drinnen ist, was ist es dann? » 143 Das Ryôgashijiki schreibt auch Gu ṇ abhadra, Bodhidharma und Shen-hsiu solche Fragen zu. Gu ṇ abhadras Fragen folgen auf ein Zitat aus dem Laṅkâvatâra-Sûtra. Yanagida erinnert in seinen kommentierenden Anmerkungen an den Passus dieses Sutras mit den 108 Fragen des Bodhisattva Mahâtmati. 144 D. T. Suzuki sah in den shiji mongi die ersten Anfänge des Kôan. Yanagida bemerkt dazu, dass das Ryôgashijiki nur Fragen von Meistern ohne Antworten der Jünger anführt, während im Bodhisattva-Traktat Jünger Fragen stellen, die vom Meister beantwortet werden. 145 Beide Beispiele von kôan-artigen Fragen sind bemerkenswert, wenn auch vollwertige Kôan erst in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts nachweisbar sind. Mit Hung-jen kommt die Frühzeit des chinesischen Zen-Buddhismus zum Abschluss 146 . Als deren wichtigstes Ergebnis kann das Hinausschreiten über die indische Dhyâna-Meditation angesehen werden. Meister und Jünger bemühen sich um die Realisierung der Buddha-Wirklichkeit in einer Erleuchtungserfahrung. Die Sutren erfreuen sich unverändert hoher Verehrung, werden eifrig gelesen, studiert und im kultischen Dienst rezitiert, aber ihre Aneignung erhofft man mehr von der Meditation als von der klärenden Forschung. Texte aus dieser Zeit zeigen eine an den kanonischen Schriften geschulte, geordnete Gedankenführung. Paradoxe Wendungen sind verhältnismäßig selten, von methodischen Kunstmitteln wie Kôan, Anbrüllen, Stockschlägen, Grimassen ist nicht die Rede. Die Zen-Gemeinde, die sich um die beiden erleuchteten «Patriarchen» Tao-hsin und Hung-jen sammelte, war unter dem Namen «das Dharma-Tor des Ostberges» oder «das reine Tor des Ostberges» bekannt und erregte Bewunderung. Während der 60 Jahre klösterlicher Gemeinschaft geschah eine Ausweitung ins gesellschaftliche Leben. Das Zen erwies sich in wachsendem Maße als formende Kraft der Lebensgestaltung und Kultur. Die geistigen Elemente, die sich während der Frühzeit im chinesischen Zen- Buddhismus zusammenfanden, deuten in ihrer Verschiedenartigkeit schon auf die Auseinanderentwicklung hin, die während der folgenden zwei oder drei Generationen stattfand. Noch fehlen Anzeichen akuter Spaltung, wie sie in der Konfrontation von Südschule und Nordschule aufgrund der Dichotomie von «plötzlich» und «allmächlich» im folgenden Jahrhundert virulent wird. Keime für eine bevorstehende Auseinandersetzung sind schon früh erkennbar. Wie 114 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China dramatisch sich die Geschehnisse gestalten würden, war in keiner Weise vorauszusehen. Die undurchsichtige Lage der Geschichtsquellen erschwert außerordentlich die Entwirrung des schier unlösbaren Knäuels heilloser Verwicklungen persönlicher sowie ideeller Art. Die Periode der Aufspaltung in die Nordschule und in die Südschule ist die dunkelste in der Geschichte des chinesischen Zen-Buddhismus. Die Frühzeit 115 III Die Trennung von Nordschule und Südschule «Plötzlichkeit des Südens» und «Allmählichkeit des Nordens» Die Erforschung der Frühzeit des chinesischen Zen-Buddhismus lässt mit Sicherheit die Geschichtlichkeit des Gründers Bodhidharma erkennen, doch bleibt dessen schöpferische Leistung im Dunkel. Der Hauptgeschichtsquelle für diese Zeit, dem Werk des Tao-hsüan, verdanken wir überdies wichtige Mitteilungen über die drei ersten Patriarchen in ihrer Aufeinanderfolge. Auch hebt sich früh schon eine Besonderheit des Meditationsstils der Bodhidharma-Linie ab. Um die Patriarchen Tao-hsin und Hung-jen, die - zwar nicht unbedingt sicher in gerader Linie - die Bodhidharma-Tradition fortführen, entsteht die Zen-Bewegung des Ostberges, die in die chinesische Gesellschaft hinein ausstrahlte. Doch all dies ist gleichsam nur ein Vorspiel des eigentlichen chinesischen Zen. Die faszinierenden Vorkommnisse und dramatischen Ereignisse beim Auseinanderbrechen in zwei Richtungen waren bis vor kurzem fast nur im Lichte der siegreichen Südschule bekannt. Erst in jüngster Zeit wurde die Glaubwürdigkeit der Chroniken der Südschule, die einen zusammenhängenden, sinnträchtigen, wenn auch nicht völlig widerspruchsfreien Bericht bieten, durch die Auffindungen der Tun-huang-Manuskripte in Frage gestellt, in denen auch die andere Seite zu Wort kommt. Die Unstimmigkeiten, die dabei zu Tage kamen, beschäftigen die geschichtliche Forschung. Das Endergebnis der harten Auseinandersetzungen hat die halb legendäre traditionelle Zen-Geschichte in die Formel der vier chinesischen Schriftzeichen gefasst: Nan-ton Hoku-zen (wörtlich: Plötzlichkeit des Südens - Allmählichkeit des Nordens). Diese Formel nimmt nicht, wie es scheinen kann, in erster Linie eine geographische Scheidung vor, sondern drückt, ähnlich wie die Bezeichnungen von Mahâyâna («Großes Fahrzeug») und Hînayâna («Kleines Fahrzeug»), eine Wertung aus. Die plötzliche Erleuchtung ist nach dem Urteil der später herrschenden Zen-Bewegung der allmählichen Erfahrung unvergleichlich überlegen, sie allein ist eigentliches Zen, so sehr, dass die Plötzlichkeit der Erfahrung als Prüfstein der Echtheit angesehen wird. Dennoch legten spätere Generationen von Zen-Jüngern auf das Geschichtliche, nämlich auf die gradlinige Herkunft ihres Weges vom Gründer Bodhidharma großes Gewicht. Deshalb dichteten sie in den maßgebenden fünf Zen-Chroniken der Sung- Zeit die lückenlose Traditionsgeschichte ihrer Schule zusammen, die, wie sie glauben, den unübertrefflichen Höhepunkt nicht nur der buddhistischen Meditation, sondern des Buddha-Pfades schlechthin erreicht hat. Die Durchleuchtung der heute zugänglichen Geschichtsquellen ergibt ein differenzierteres Bild. Die Nordschule des chinesischen Zen erweist sich keineswegs als ein so unbedeutendes Phänomen, wie die legendäre Geschichte von der Erleuchtungsstrophe des Burschen Lu, des späteren sechsten Patriarchen, vermuten lassen kann. Sie erfreute sich vielmehr nach dem angeblichen Zeitpunkt der Episode noch viele Jahrzehnte lang hohen Ansehens, und es ist nicht einmal sicher, ob ihr Niedergang in erster Linie dem heute anschaulich bekannten Streitgespräch, das der Vorfechter der Südschule Shen-hui (670 - 762) veranstaltete 1 , zuzuschreiben ist oder eher einem langsamen Absterben gleicht. Jedenfalls ist es für das Verständnis der Geschichte des Zen-Buddhismus in China unabdingbar, Entstehung und Blüte der zen-buddhistischen Nordschule vor Anfang der entscheidenden Auseinandersetzungen zu erwägen. Die Nordschule Vom Ostberg zur Nordschule Die Nordschule des Zen ist keine klar umrissene, institutionell greifbare Formation im chinesischen Buddhismus. Die Bezeichnung wurde im Gegensatz zur Südschule geprägt, als Shen-hui, ein Jünger Hung-jens in der dritten Generation, den Angriff auf dessen Nachfolger Shen-hsiu (606 - 706) und seine Gefolgschaft eröffnete. Ihr haftet die pejorative Bedeutung einer «Nebenlinie des Bodhidharma-Zen» oder gar einer «Häresie» an. Anhänger der so genannten Nordschule bedienten sich dieses Namens nicht als Selbstbezeichnung. 2 Unter diesen Umständen ist es schwierig, den Anfang und die ersten Vertreter der Nordschule genau zu bestimmen. Yanagida sieht im Ostberg die historische Stätte des Aufbruches einer neuen Bewegung im chinesischen Buddhismus. Nach seiner Ansicht machen «die vom Dharma-Tor des Ostberges rasch nach Ch ’ ang-an und Lo-yang aufgebrochenen Jünger insgesamt die Nordschule» aus. 3 Die Zen-Methode der Nordschule ist eine Fortentwicklung der Zen-Methode des Ostberges. «Das Shushin yôron wird zur Grundlage des Zen der Nordschule.» 4 Hung-jen hatte auf dem Ostberg eine zahlreiche Jüngerschar um sich versammelt, unter denen zehn große Jünger hervorragen. 5 Es ist unwahrscheinlich, dass die vielen Jünger nach dem Hinscheiden des Meisters einträchtig zusammenhielten. In den überkommenen Quellen zeichnen sich Unterschiede und Gruppierungen ab, die sich im Einzelnen nicht feststellen lassen. Als Pionier der Nordschule gilt Fa-ju (638 - 689), über den die frühesten schriftlichen Dokumente aus jener Zeit berichten. Zwei Texte, beide ziemlich gleichzeitig kurz nach Die Trennung von Nordschule und Südschule 117 dem Tode des Fa-ju verfasst, nämlich das Epitaph eines anonymen Verfassers und der ebenfalls anonyme Text über «Wirken und Verhalten des Zen-Meisters Fa-ju» (jap. Hônyo Zenji Gyôjô, chin. Fa-ju Ch ’ an-shih hsing-chuan), stimmen inhaltlich weitgehend überein, so dass eine gegenseitige Abhängigkeit zu bestehen scheint, jedoch die Frage der Priorität nicht beantwortet werden kann. 6 Beide Texte enthalten die Generationslinie, die die Zen-Patriarchen des Ostberges mit Bodhidharma verbindet, und betonen überdies die unmittelbare Geistüberlieferung außerhalb der Schriften, wobei sie sich auf ein Zitat aus der Vorrede des Hui-yüan (334 - 416) zum Meditationssutra des Dharmatrâta (jap. Datsumatarazengyô, chin. Ta-mo-to-lo ch ’ an ching, T. No. 618) berufen, die die Geistüberlieferung vom Buddha über Ânanda bis Dharmatrâta und Buddhasena bezeugt und als eine Andeutung der Zen-Lehre von der «Weitergabe der Leuchte» verstanden werden kann. 7 Bemerkenswert ist, dass diese frühe Generationslinie in einer Schrift der Nordschule den Namen des Lieblingsjüngers Ânanda enthält, während die Generationsfolgen der Südschule späteren Datums im Kontext der legendären Geschichte vom Lächeln Buddhas Kâ ś yapa nennen. Auf den zwei frühen Texten über Fa-ju fußt der biographische Abschnitt der Chronik Dembôhôki, der dem Pionier der Nordschule hohes Lob spendet. 8 Als sein erster Lehrer wird Hui-ming genannt, der Jünger des wegen seiner asketischen Härte berühmten Fa-min (679 - 745) aus der Mâdhyamika-Schule, der gemäß einer Nachricht seinen Schüler an Hung-jen verwies, bei dem er 16 Jahre bis zum Tod des Meisters verweilte. Auf dem Ostberg empfing Fa-ju das Siegel der Dharma-Nachfolge, kann also als ein legitimer Erbe des fünften Patriarchen angesehen werden. Der Text Hônyo Zenji Gyôjô vermerkt, dass er die Erleuchtung im «plötzlichen Eingang in das Eine Fahrzeug» erlangte. 9 Das «plötzlich» (jap. ton, chin. tun) charakterisiert hier die Erfahrung des Meisters der Nordschule. Als er nach dem Tod des Kaisers Kao-tsung (683) einen hohen Verwaltungsposten in der Hauptstadt annehmen sollte, entwich Fa-ju in die Einsamkeit des Berges Sung. Während der drei letzten Jahre seines Lebens widmete er sich mit vollem Einsatz ungestört der Verbreitung der Lehre und der Praxis des Zen. Im durch den Aufenthalt Bodhidharmas und Hui-k ’ os berühmten Kloster Shôrinji sammelte er zahlreiche Jünger um sich, denen er vor seinem Tod empfahl, sich Shen-hsiu anzuschließen. Die wenigen erhaltenen Quellen zeichnen Fa-ju als eine bedeutende Gestalt im frühen chinesischen Zen. Yanagida nennt ihn den «ersten Pionier» und «tatsächlichen Begründer der Nordschule des Zen». Doch für ein bleibendes Gedächtnis war die Zeit seines Wirkens zu kurz bemessen. Ein Grund dafür, dass spätere Chroniken seinen Namen nicht erwähnen, mag darin liegen, dass Shen- 118 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China hui beim Angriff auf die vermeintlich abweichende Linie seine Aufmerksamkeit auf Shen-hsiu und dessen Jünger konzentrierte. Die Nordschule kam recht eigentlich zum Zuge, als Jünger des Hung-jen an den Kaiserhof berufen wurden und dieser Einladung folgten. Das Erscheinen der herausragenden Meister Lao-an und Shen-hsiu in der Hauptstadt (ca. 700 und 701) erregte Aufsehen. Beide wurden von der Kaiserin Wu mit Ehren empfangen und vom ganzen Hof, aber auch vom Volk, nicht zuletzt wegen ihres hohen Alters, hoch geschätzt. Lao-ans Geburtsdatum ist unsicher, doch lebte er wahrscheinlich ein volles Jahrhundert. 10 Seine Wunderkräfte erhöhten den Zauber seiner Erscheinung. Auch sind charakteristische Zen-Worte von ihm überliefert, z. B.: «Wenn du einen Nagel in einen Spiegel schlägst, klingt eine Stimme. Erklingt auch eine Stimme, bevor du schlägst? » Lao-an wirkte vor und nach seinem Aufenthalt in den Hauptstädten im Tempelkloster Gyokusenji (chin. Yü-ch ’ üan ssu). Die Namen mehrerer seiner Jünger sind überkommen, darunter Tao-shun, der ebenfalls zum Kaiserhof geladen wurde (707 oder 708) 11 , und Chih-t ’ a (auch Hui-t ’ a), ein beredter Anwalt plötzlicher Erleuchtung. Shen-hsiu, der anerkannte Führer der Zen-Jünger in den Hauptstädten, wurde mit Auszeichnungen überhäuft. Der Zeitpunkt seines Wirkens war überaus günstig. Nach einem von Intrigen und Gewalttaten befleckten Aufstieg regierte die Kaiserin Wu (690 - 705), die den Buddhismus nach Kräften förderte, bedeutende Buddhisten aller Schulen an ihren Hof zog, buddhistische Schriften wie das Avataṃsaka-Sûtra, das Laṅkâvatâra-Sûtra, das Vimalakîrti-Sûtra, das Daijôkishinron (chin. Ta-cheng ch ’ i-hsin lu) u. a. neu übersetzen ließ und reichlich materielle Güter spendete. Die Stunde brachte dem Bodhidharma-Zen, dessen Anhänger in großer Zahl eilig vom Ostberg in die Hauptstädte Chang-an und Lo-yang zogen, einen entscheidenden Aufschwung, den Yanagida so charakterisiert: «Die Zen-Schule, die im chinesischen Buddhismus als ungewöhnliche Neuerung begonnen hatte, gewann eine Position als Buddhismus der neuen Epoche.» 12 Shen-hsiu Leben und Wirken des Shen-hsiu haben ihren Höhepunkt in seiner Berufung zum Kaiserhof und seiner Lehrtätigkeit in den Hauptstädten Lo-yang und Ch ’ ang-an. Die biographischen Quellen, vorab das Epitaph des berühmten Literaten Chang Yueh 13 , wahrscheinlich etwa drei Jahre nach seinem Tod verfasst, sowie auf diesem fußend die Berichte der Chroniken Dembôhôki und Ryôgashijiki schildern anschaulich den feierlichen Einzug in kaiserlicher Sänfte in die östliche Hauptstadt Lo-yang, die außergewöhnliche Verehrung durch die Kaiserin Wu (Prosternation mit den Boden berührender Stirn), durch die hohen Adligen und den ganzen Hofstaat, sowie die Teilnahme des Volkes. Die Trennung von Nordschule und Südschule 119 Wahrscheinlich war diese Ehrung weniger religiös als politisch gemeint, als Anerkennung der Unterstützung durch den Buddhismus bei der so genannten Chou-Revolution, durch die Kaiserin Wu zur höchsten Macht aufstieg. 14 Shen-hsius Lebenslauf enthält, soweit mit Sicherheit feststeht, wenig Besonderes. 15 Im Kindesalter von 13 Jahren half er durch Bitten und Betteln Armen und Kranken. Auf Wanderungen zu Tempelstätten begegnete er einem wohlmeinenden Freund (kalyâna mitra), der ihm zum Eintritt in den Mönchsstand riet. Im Tempel Tengûji (chin. T ’ ien-kung ssu) in Lo-yang empfing er die Mönchsweihe (625). Es folgt die erste Lücke, die wohl durch Reisen und Klosteraufenthalte auszufüllen ist, die seine viel gerühmte Bildung erweiterten. Er stand schon im Mannesalter, als er vom blühenden Meditationsbuddhismus auf dem Ostberg vernahm, sich sogleich aufmachte und von Hung-jen in die Jüngerschar aufgenommen wurde (651 oder 656). Mit großem Eifer meditiert er bei Tag und Nacht und meistert den Weg so vollkommen, dass nach sechs Jahren, wie das Epitaph schreibt, «der Dharma des Ostberges ganz bei Shen-hsiu ist». 16 Als Dharma-Erbe verlässt er unter Tränen die geliebte Stätte. Wieder bleibt eine Lücke von etwa 15 Jahren. 17 Zwischen 676 und 679 findet sich sein Name im Mönchsregister des Klosters Gyokusenji unweit Lo-yang, wo er in feierlicher Zeremonie auf Wunsch geachteter Mönche eine Weihe empfängt. In diesem Kloster verbrachte er die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts. Um ihn sammelten sich zahlreiche Jünger, und viel Volk strömte zu seinen Lehrvorträgen. 18 Seine Einsiedelei vom «Tor der Befreiung» beim Tempel Gyokusenji, in der sich der Meister zumeist aufhielt, wurde zum Zentrum der Zen-Schule. Über seinen geistlichen, inneren Fortschritt geben die Quellen wenig Aufschluss. Sein asketischer Weg wird als Weg allmählicher Übung beschrieben, seine Erleuchtungserfahrung entzieht sich unserem Wissen. 19 Das Epitaph fasst den Inhalt seiner Lehrtätigkeit so zusammen: Nach Beruhigung der Gedanken und Vorstellungen des Geistes und angestrengter Konzentration «gibt es keinen Unterschied mehr von ‹ profan › und ‹ heilig › , kein ‹ vorher › und ‹ nachher › in der asketischen Bemühung. Beim Eintreten ins Samâdhi verschwinden alle Objekte, bei Erlangung der Weisheit ist alles gleich.» 20 Das Epitaph fügt hinzu, dass er das Laṅkâvatâra-Sûtra verehrte und es auch seinen Jüngern empfahl. Eine Beziehung zum Laṅkâvatâra-Sûtra bestätigt der Name der für ihn errichteten, später zum Tempel erhobenen Einsiedelei «Tor der Befreiung», ein Ausdruck, der im Laṅkâvatâra-Sûtra vorkommt. Die Chronik der La ṅ kâ-Meister enthält ferner die mahnenden Worte Hung-jens kurz vor seinem Tode, an Hsüan-tse gerichtet, mit denen er diesem und Shen-hsiu die Sorge für die Verbreitung des Laṅkâvatâra-Sûtra anvertraut. 21 Die Angabe ist unrichtig. Shen-hsiu war beim Tode Hung-jens nicht zugegen. In seiner Lehrtätigkeit kamen viele Mahâyâna-Sutren zur Geltung. Eine nicht unbedingt 120 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China glaubwürdige Episode in einem Zwiegespräch mit der Kaiserin Wu lässt ihn den Weisheitssutren den Vorzug geben: Die Kaiserin fragt: «Die Lehre, die du überlieferst - welcher Schule ist sie? » Antwort: «Die Lehre des Ostberges von Chi-chou habe ich empfangen und überliefert.» Frage: «Auf welchen Sutren beruht sie? » Antwort: «Auf der Lehre vom Samâdhi der einen Übung (ichigyô sanmai) des Monjûsetsuhannya-Sûtra.» Kaiserin Wu: «Bezüglich des Weges der Übung geht sie nicht über das Dharma-Tor des Ostberges hinaus.» 22 Die Chronik betont ihrer Richtung entsprechend, dass diese Überlieferung nicht auf Schrift und Worten beruht, sondern mündliche Überlieferung ist. Dennoch kann die Lehre der Nordschule, deren berühmtester Protagonist Shen-hsiu ist, nicht ohne eindringliches Studium der überkommenen Schriften verstanden werden. Diese Schriften sind zahlreich und von solchem Umfang, dass sie in dem hier zur Verfügung stehenden Raum nicht adäquat gewürdigt werden können. Hervorgehoben seien zwei Erkenntnisse, die sich mit Klarheit aus dem Studium dieser Schriften, das in Amerika fachkundig in Angriff genommen worden ist, ergeben. Zum Ersten erweist sich die Nordschule, die, nach der Rezeption des Zen im Westen, lange Zeit im Schatten gestanden hat, als vom Bodhidharma-Geist inspirierter bedeutender Zweig des chinesischen Zen-Buddhismus. Zum anderen werden Akzentuierungen deutlich, die sich in heftigen Auseinandersetzungen artikulieren konnten, aber erst in ihrer Gesamtheit das vollständige Bild des Zen-Buddhismus ausmachen. Auf Shen-hsiu gehen mehrere Schriften oder Schriftkomplexe zurück. Die engste Verbindung zu ihm kann das Kanjinron (chin. Kuan-hsin lun) beanspruchen, das, mit dem Bodhidharma zugeschriebenen Hasôron (chin. P ’ o-hsiang lun) identisch, in vielen Manuskripten erhalten ist. 23 Die Schrift wurde von Shen-hsiu wahrscheinlich während seines Aufenthaltes im Kloster Gyokusenji vor Berufung in die Hauptstadt verfasst, vielleicht angeregt durch die Schrift des Gründers der Tendai-Schule Chih-i gleichen Titels. Shen-hsius Schrift beruht auf der Lehre seines Meisters Hung-jen, mit dessen Darlegungen im Shushin yôron sie weitgehend übereinstimmt. Schon der Titel mit dem Motiv des «Schauens des Geistes» erinnert an die Kernaussage der Patriarchen des Ostberges, das «Bewahren des Einen» des Tao-hsin und das «Bewahren des Geistes» Hung-jens. Der Geist ist die zentrale Wirklichkeit im Mahâyâna- Buddhismus, gleich der Buddha-Natur und dem Buddha-Geist, gleich der Dharma-Natur und der Soheit. Shen-hsius Sicht wurzelt in der Mahâyâna- Lehre, die er als den Zen-Weg interpretiert. Für seine Aussagen beruft er sich auf die Sutren. Im Kanjinron zitiert er Sutren verschiedener Richtungen: das Die Trennung von Nordschule und Südschule 121 frühbuddhistische Badehaus-Sutra (jap. Onshitsukyô, chin. Wen-shih ching), das Mahâparinirvâṇa-Sûtra, das vom Geist der Weisheitslehre (Prajñâpâramitâ) inspirierte Vimalakîrti-Sûtra und das Daśabhûmika-Sûtra, das zum Yogâcâra gerechnet wird. Weitere Mahâyâna-Schriften kommen in dem auf Shen-hsiu zurückgehenden Schrifttum zu Wort. Die Praxis tritt gegenüber der Lehre so sehr zurück, dass Shen-hsiu als ein früher Vorläufer des Tsung-mi angesehen werden konnte, der als wichtiges Erlebnis seiner Forschung die These von der Einheit von Lehre und Meditation (jap. kyôzen itchi, chin. chiao-ch ’ an i-chih) vertrat. 24 Der Eklektizismus Shen-hsius gestattet nicht, ihn einer der Lehrtraditionen des Mahâyâna zuzuweisen. Die wichtigsten Bezugspunkte seines Denkens liegen im Tendai und Kegon. Das Leitmotiv Shen-hsius klingt voll und stark in den Eingangssätzen seines in Frage-Antwort-Stil abgefassten Traktates Kanjinron. Auf die erste Frage, worauf es beim Suchen nach Erleuchtung ankomme, antwortet er mit dem Titel seiner Schrift: Den Geist sehen oder beschauen umfasst alle Praktiken der Zen- Übung. - Die Bitte der zweiten Frage um mehr Belehrung veranlasst eine längere Ausführung, die die zentrale Wichtigkeit des Geistes herausstellt: Von den zehntausend Dingen (dharma) ist der Geist der Grund. Alle die mannigfachen Dinge sind nur das Produkt des Geistes. Wenn einer den Geist begreifen kann, sind alle die zehntausend Praktiken erfüllt. 25 Die grundlegende Bedeutung des Geistes für alle existierende Wirklichkeit zeigt der Vergleich mit einem Baum, dessen Zweige, Blüten und Früchte von der Wurzel abhängen. Zwei Arten von Funktionen (jap. kiyô, chin. ch ’ i-yung) des Geistes müssen unterschieden werden, nämlich die Funktionen des «Reinen Geistes» (jap. jôshin, chin. ching-hsin) und die des «befleckten Geistes» (jap. senshin, chin. jan-hsin). Der Reine Geist ist der Geist der unbefleckten Soheit (jap. muro shinnyo, chin. wu-lo chen-ju). Der befleckte Geist ist der Geist makeliger Unwissenheit. (. . .) Einer, der selbst zur Soheit erleuchtet ist, ist unberührt von Befleckungen und wird ein Weiser genannt. Solch einer kann schließlich Leiden mit Abstand transzendieren und die Freude des Nirvâna realisieren. Einer, der gemäß dem befleckten Geist handelt, ist dessen Anhänglichkeiten und Verdunkelungen unterworfen und wird ein gewöhnlicher Mensch genannt. Ein solcher sinkt hilflos in die drei Bereiche und ist mancherlei Arten von Leiden unterworfen. Weshalb ist dies so? Weil der befleckte Geist das Wesen der Soheit blockiert. 26 Die Unterscheidung von reinem und beflecktem Geist entspricht dem zweifachen Aspekt der Soheit in dem für den chinesischen Buddhismus repräsentativen «Traktat von der Erweckung des Glaubens im Mahâyâna», dessen Einfluss auf Shen-hsiu unverkennbar ist. 27 122 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Im Kanjinron nehmen die Metaphern und symbolischen Interpretationen einen unverhältnismäßig breiten Raum ein. 28 Außer den Gruppen der sechs Sinnesorgane, der drei Gifte und sechs Tugenden symbolisieren in Shen-hsius Deutung religiöse Werke wie Tempelbau, Guss von Skulpturen und Malen von Buddha-Bildern, Weihrauchbrennen und Blumenopfer, ja auch die Anrufung des Buddha-Namens - das schon auf dem Ostberg eifrig praktizierte Nembutsu - , geistige Vollzüge auf dem Erleuchtungsweg. Sogar die im Badehaus-Sutra genannten Utensilien werden zu Symbolen. Shen-hsiu übernimmt diese Technik vom Tendai und benutzt sie zur Interpretation im Zen-Stil. 29 Am Schluss des Traktates nimmt Shen-hsiu die eingangs formulierte These auf, dass allein das Beschauen des Geistes zum Ziel der vollkommenen Erleuchtung führt. Er betont: «Der Geist ist der Torweg zur Transzendenz, die Furt zur Befreiung.» 30 Und wenige Zeilen später: «Wenn du den Geist sammelst und dein Inneres erleuchtest, wirst du, beständig scheinend, mit der erleuchteten Kontemplation die drei Gifte ausschließen. (. . .) Du wirst vom unerleuchteten Zustand zum Zustand der Weisen hinüberschreiten. (. . .) Erleuchtung geschieht in einem Augenblick.» 31 Wenn im Traktat Passagen vorkommen, die einen gradweisen Prozess der Erleuchtungserfahrung annehmen, so findet sich doch im Schlusssatz das Schriftzeichen, das Plötzlichkeit bezeichnet. 32 Die Datierung einer Gruppe von Tun-huang-Texten, die von fünf geschickten Mitteln (sanskr. upâya, jap. hôben, chin. fang-pien) handeln, ist unsicher. 33 Wahrscheinlich entstanden die frühesten dieser Texte im Jüngerkreis des Shen-hsiu und geben Auskunft über dessen Lehre. 34 Wenn es verwundert, dass die frühbuddhistische upâya-Vorstellung in die Zen-Lehre hineingenommen wurde, so ist zu bedenken, dass der Begriff im Mahâyâna einen neuen Sinngehalt gewann. Das upâya im Zen ist nicht mehr ein bloßes vorläufiges Hilfsmittel oder ein Kunstgriff, sondern ist, da Mittel und Ziel in einem zusammenfallen, gleich der Erleuchtung, befindet sich also im Bereich des Endgültigen, Unbedingten, Absoluten, wie es der Titel des wichtigsten der Texte «Tor der ungeborenen upâya des Mahâyâna» verdeutlicht. 35 Das Ungeborene ist, dem Kreislauf der Wiedergeburten im Sa ṃ sâra entzogen, unzerstörbar. Die Realisierung des ersten upâya, einer umfassenden Erklärung des Wesens der Buddhaschaft, geschieht durch Überschreiten ins Transzendente. Das upâya ist auf den «Traktat vom Erwachen des Glaubens im Mahâyâna» bezogen und bedeutet, dass das Wesen des Geistes Gedanken übersteigt. Das Charakteristikum des Überstiegs der Gedanken kommt dem Bereich des Raumes gleich, der alles durchdringt. Das eine Charakteristikum des dharma-dhâtu (= Dharma-Bereich) ist der universal gleiche Dharma-Leib des Tathâgata (= des So-Gegangenen, des Vollendeten). In Bezug auf den Dharma-Leib wird ursprüngliche Erleuchtung verkündet. 36 Die Trennung von Nordschule und Südschule 123 Die upâya-Schriften übernehmen diese zentrale Aussage. Der Traktat vertritt reine Mahâyâna-Lehre. Der Geist ist die letzte Wirklichkeit, wie im obigen Zitat angezeigt, identisch mit dem Dharma-Leib Buddhas, im Traktat mit Vorliebe als «Soheit» (sanskr. tathatâ, jap. shinnyo, chin. chen-ju) bezeichnet, und lässt keinen Raum für Dualität. Dennoch können wichtige Ausdrücke, die die upâya- Schriften benutzen, missverstanden werden. Der Traktat nennt die Erleuchtung «kaku» (chin. chüeh) und unterscheidet zwischen der im Zitat genannten «ursprünglichen Erleuchtung» (jap. honjaku, chin. pen-chüeh) und der «anfangenden» oder «zeitlichen» Erleuchtung (jap. shikaku, chin. shih-chüeh). Der fortschreitende Prozess, der nach dem Entschluss zur vollkommenen Erleuchtung in Gang kommt, geschieht durch «Trennung vom Denken» (jap. rinen, chin. ki-nien). Dieser Prozess kann wegen der Mehrdeutigkeit des Terminus rinen Anlass zu dualistischer Vorstellung geben. Eine aufschlussreiche Studie untersucht fünf mögliche Bedeutungen von rinen. 37 Gemäß einer Bedeutung wären Gedanken und Vorstellungen, getrennt vom Geist, mit diesem nicht identisch. Der Terminus rinen kommt, wie der Verfasser schreibt, in den Schriften der Nordschule oft vor und kann im Kontext verschieden gedeutet werden. Nicht selten ist auch die dualistische Deutung möglich. Eine solche Sicht, so besagen die Schlusssätze des Essays, «würde Shen-huis Kritik rechtfertigen», die nicht notwendig «eine vorsätzliche Missdeutung sein müsse». 38 Gegen die dualistische Interpretation spricht die Zielrichtung der Zen-Lehre des Shen-hsiu. Die upâya-Schriften fordern vom Übenden die Beobachtung der Gebote des Vinaya und das Sitzen in Meditation und empfehlen die Anrufung des Buddha-Namens, ein meditativ verstandenes Nembutsu. 39 Doch dies sind vorbereitende Schritte. Die Reinigung von allen Trübungen geschieht «in einem Augenblick». 40 Die Erleuchtung besteht im «Sehen des Geistes», dessen «universale Gleichheit» allein wirklich ist. Gefragt, was er, die Reinheit sehend, sieht, antwortet der Erleuchtete: «Ich sehe kein Ding.» 41 Die Erleuchtungsschau ist ungegenständlich. Das «Sehen der Reinheit» kann ebenso wie das rinen verschieden ausgelegt werden, Shen-huis Angriff richtet sich gegen Sichtweisen, die er für dualistisch hält. Die Reinheit steht, wie er meint, ebenso wie trübende Gedanken und Vorstellungen objektiviert dem Geist gegenüber. Diesem Angriffspunkt gegen die Nordschule hat Tsung-mi, Shen-huis Nachfolger im Patriarchat der Kataku- (chin. Hotse-)Schule, beträchtliches Ansehen verschafft, nicht nur bei den chinesischen Zen-Meistern 42 , sondern auch bei modernen japanischen Gelehrten, die wie D. T. Suzuki über eine intime Kenntnis der Tun-huang-Manuskripte verfügen. 43 Sie interpretieren die Zen-Praxis der Nordschule im Sinne der legendären Strophe im Plattform-Sutra, die den Geist mit einem Spiegel vergleicht, der beständig poliert werden muss. Die klassische Spiegel-Metapher kann auch anders gedeutet werden. McRae erklärt im abschließenden Abschnitt 124 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China seines Buches den ursprünglichen Sinn der Spiegel-Metapher und der Verse des Plattform-Sutras, indem er sich auf eine Passage des Kanjinron des Shen-hsiu beruft: Ferner, Leuchten ewiger Helligkeit sind nichts anderes als der wahrhaft erleuchtete Geist. Wenn die Weisheit hell und deutlich ist, wird sie einer Leuchte verglichen. (. . .) Die Mehrung moralischer Disziplin ist gleich der Zugabe von Öl. Hell und durchdringend sein ist für die Weisheit gleich der Flamme der Leuchte. Wenn beständig eine solche Leuchte wahrer Erleuchtung brennt, wird die Erleuchtung alle Dunkelheit von Unwissen und Torheit zerstören. 44 In diesem Text ist nicht von beständigem Abwischen von Staub die Rede, die moralische Vorbereitung und das Sitzen sind wie das Öl «hinzuzufügen». Der Spiegel ist das Symbol des aus sich selbst leuchtenden Geistes, der alles erhellt und alles durchdringt. Ein upâya-Text enthält dieses Frage-Antwort-Spiel: Wenn du siehst, welches Ding siehst du? Sehend, sehend, kein Ding ist gesehen. Wer sieht? Der erleuchtete Geist sieht. 45 Es gibt da keine Unterscheidung von Subjekt und Objekt. Der Geist ist «Reinheit». «In Reinheit ist nicht ein einziges Ding.» 46 Die Nordschule nach Shen-hsiu Das prunkvolle Begräbnis des hundertjährigen Shen-hsiu markiert den Höhepunkt der ihn als Gründer verehrenden Nordschule. Die nach Herrschaft strebende Kaiserin Wei, wie Kaiserin Wu dem Buddhismus ergeben, ließ bei dieser Gelegenheit die Buddha-Religion im vollen Pomp höfischer Pracht glänzen. 47 Die folgenden Jahre politischer Unruhe kamen mit dem Regierungsantritt des Kaisers Hsüan-tsung (reg. 713 - 755) zu Ende. Der junge Kaiser, der die misslichen Zustände im Reich der überwuchernden Macht der buddhistischen Klöster zuschrieb, ergriff repressive Maßnahmen. Eine Anzahl einschränkender Edikte traf alle buddhistischen Schulen. Der Kaiser bekannte sich zwar zum altchinesischen Prinzip der Gleichstellung der drei großen Religionen Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus, wandte aber seine Gunst zunehmend dem Taoismus zu, dessen lebensverlängernde Praktiken er hochschätzte. Die Geschichte der Nordschule nach Shen-hsiu muss auf diesem politischen Hintergrund gesehen werden. Mittelpunkt der Nordschule blieben nach Shen-hsius Tod im Tengûji in Loyang die Hauptstädte und deren Umgebung, vorzüglich die Klöster auf dem Berg Sung. Dort lebten nach dem Tod Shen-hsius die beiden Hauptjünger P ’ u-chi (651 - 739) und I-fu (658 - 736), bis Letzterer seinen Wohnsitz in der westlichen Die Trennung von Nordschule und Südschule 125 Hauptstadt Ch ’ ang-an nahm, während P ’ u-chi in der Bergeinsamkeit unweit der östlichen Hauptstadt Lo-yang blieb. I-fu pflegte die Beziehungen zum Kaiserhof. 48 In jungen Jahren hatte er seine Absicht, bei Fa-ju Zen-Meditation zu üben, wegen des vorzeitigen Todes dieses Meisters aufgeben müssen und sich in die Jüngerschaft des Shen-hsiu begeben. Er übte bei diesem während eines Jahrzehnts im Kloster Gyokusenji, begleitete den Meister zum Kaiserhof nach Loyang (701) und blieb bis zum Tode bei ihm. In der neuen Phase wurde er der wichtigste Repräsentant der Nordschule im Gebiet von Ch ’ ang-an. Zuerst wohnte er auf dem Berg Chung-nan, später siedelte er in das Tempelkloster der Hauptstadt Jionji (chin. Tz ’ u-en ssu) über (722). Drei Jahre später reiste er, einer Einladung des Kaisers folgend, mit diesem nach Lo-yang, wo er zwei Jahre lang zusammen mit P ’ u-chi im Kloster Fukusenji (chin. Fu-hsien ssu) lebte (725 - 727). Seinen Lebensabend verbrachte er in Ch ’ ang-an. Kaiser Hsüan-tsung verlieh ihm posthum den Titel eines Meisters des «Großen Wissens» (jap. Daichi, chin. Ta-chih). Höchster kaiserlicher Gunst erfreute sich der junge Buddha-Mönch I-hsing (685 - 727), der als zeitweiliger Schüler des P ’ u-chi zur Nordschule des Zen gerechnet wird, jedoch, weit über diese Schule hinaus berühmt, als einer der hervorragendsten Buddhisten seiner Zeit gilt. Außer ihm haben nur zwei andere Buddha-Mönche, nämlich der große Indienpilger und Übersetzer Hsüan-tsang (602 - 664) und Shen-hsiu eine Biographie in den offiziellen Annalen der T ’ ang- Dynastie. Der Werdegang des religiös suchenden, genial begabten I-hsing führte vom meditativen Zen über die Regelstrenge des Vinaya und das vielen Tendenzen offene Tendai zur Esoterik, die damals durch den Inder Ś ubhakarasimha (637 - 735) nach Ch ’ ang-an gebracht wurde (716). I-hsing wurde der Schüler des Ankömmlings und trug maßgebend zur Anerkennung, Verbreitung und Anpassung ans chinesische Denken des neuen Zweiges der Buddha-Religion bei. Seine Neigung zum Taoismus, die er mit vielen Zeitgenossen und nicht wenigen Mönchen der Nordschule, z. B. I-fu, teilte, machten ihn für die esoterische Lehre und deren Riten empfänglich. Er verfasste einen Kommentar zum Mahâvairocana-Sûtra, das Ś ubhakarasimha mit chinesischer Hilfe in die Landessprache übersetzte. Mehr als seine buddhistische Bildung und Aktivität verhalfen ihm zur Gunst und Freundschaft des Kaisers seine ungewöhnlichen astronomischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse. Mit 34 Jahren zum Hof berufen, wurde er ein hochgeschätzter Ratgeber in wichtigen Angelegenheiten des Reiches. Der Kaiser verlieh ihm, einer Nachricht zufolge, den Titel eines «Himmlischen Meisters». Im chinesischen Tantrismus rangiert er als sechster Patriarch. Die Gestalt des I-hsing zeigt ein Panorama, das durch das Treiben der mächtigen Hofbeamten ergänzt wird, die in wechselndem Spiel einmal als Beschützer, ein andermal als Widersacher der buddhistischen Mönche auf- 126 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China treten. 49 Die Nordschule des Zen war wie mit dem politischen Zeitgeschehen so auch mit dem geistig-kulturellen Klima jener Tage eng verknüpft. Eine so attraktive Persönlichkeit wie I-hsing musste seine Mitmönche beeindrucken und beeinflussen. Von Ching-hsien (660 - 723), einem Jünger des Shen-hsiu, wissen wir, dass er Ś ubhakarasimha um Belehrung über die tantrische Meditation bat. 50 Die Unterredungen gaben Anlass zu einer Schrift, die die Annäherung zwischen Zen und Esoterik bekundet. Die Kontakte dauerten an, I-hsing und auch I-fu wurden Schüler des indischen Tantra-Meisters Vajrabodhi, als dieser Ch ’ ang-an besuchte. P ’ u-chi, das Haupt der Nordschule nach Shen-hsius Tod, wird in den Quellen als imposante Erscheinung geschildert, in sich gekehrt, unnahbar, von hoher Bildung und weitreichendem Einfluss. «Die Vornehmen der Epoche und die Leute des Volkes stritten um die Ehre, ihn zu begrüßen, aber er wahrte immer eine strenge, schweigsame Miene und zeigte gegenüber seinen Besuchern selten eine freundliche Haltung. Umso größer war sein Ansehen.» 51 Geehrt von allen verbrachte er seine letzten Lebensjahre in den zwei Hauptstädten. Das von dem ihm befreundeten Literaten Li-yung verfasste Epitaph spendet ihm überschwängliches Lob, aber durch Li-yung, eine schillernde Figur, gerät er in zweifelhafte Gesellschaft. 52 P ’ u-chis Gestalt bietet wegen seines vornehmen Lebensstils und seiner Nähe zum politischen Zeitgeschehen Schwachstellen, die nach seinem Tode zur Auswirkung kamen. Die Biographie P ’ u-chis erzählt vom Eintritt des von Meditation und Studium angezogenen heilsbegierigen Jünglings in den Mönchsstand. Er studierte das Lotossutra, die Yogâcâra-Schriften und das Daijôkishinron. Unter der Leitung des bedeutenden Vinaya-Meisters Hung-ching (634 - 712) vertiefte er sich in die Mönchsregel. Wie I-fu schloss er sich, weil sein Wunsch, bei Fa-ju die Zen- Meditation zu erlernen, wegen des Todes des Meisters unerfüllt blieb, dem Jüngerkreis des Shen-hsiu an und übte so erfolgreich, dass dieser ihm nach fünf Jahren die zwei Sutren Vi ś esacintibrahma-pariprcchâ und Laṅkâvatâra übergab, in denen er das Wesen des Zen finden könne. Nach weiteren zwei Jahren verließ er im Besitz des Erleuchtungszertifikates Shen-hsius Kloster Gyokusenji und begab sich zum Sung-Berg, wo zwischen 701 und 705 sein Name im Mönchsregister des Klosters Sûgakuji (chin. Sung-yüeh ssu) erscheint. Im Jahre 725 siedelte P ’ u-chi in die Hauptstadt Lo-yang über, wo er zuerst im Keiaiji (chin. Ching-ai ssu), später im Kôtôji (chin. Hsing-t ’ ang ssu) wohnte. Hier entfaltete er eine erfolgreiche Tätigkeit bei der vornehmen Oberschicht der Gesellschaft. Im Kloster vertrauten sich viele Jünger seiner Führung an. 53 Vom eigenen Übungsweg her lag ihm die Mönchsregel am Herzen, durch ihn erhielt der altbuddhistische Vinaya einen festen Platz in der Nordschule. 54 Er übermittelte seinen Jüngern die grundlegenden Mahâyâna-Lehren und machte sie Die Trennung von Nordschule und Südschule 127 mit den Sutren, insbesondere mit dem La ṅ kâ-Sutra und dem Daijôkishinron, vertraut. In der Meditation führte P ’ u-chi den Stil der Meister des Ostberges und des Shen-hsiu weiter, wie sein Epitaph bezeugt: Indem man den Geist auf einen einzigen Ort konzentriert, hört man auf, an die zehntausend Bedingungen zu denken. Man mag Durchdringung in einem Augenblick erlangen, oder man mag in einer Zeitspanne von Monaten oder Jahren zur Realisierung kommen. In jedem Fall erleuchtet man das Wesen der Buddhaschaft. 55 Wie seine Vorgänger kennt P ’ u-chi sowohl plötzliche als auch gradweise Erleuchtung. Der Niedergang der Nordschule wurde in einer während langer Zeit vorherrschenden Sicht mit den Angriffen des Shen-hui bei der «Großen Dharma- Versammlung» im Kloster Daiunji in Hua-t ’ ai (732) verknüpft, ja diese Angriffe wurden als Hauptursache angesehen. Neuere Forschung ist aufgrund der Quellen zu anderen Ergebnissen gekommen. Dass die Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai nicht den von Shen-hui erhofften durchschlagenden Erfolg brachte, den Berichte aus seiner Schule vermuten lassen, ist eine wichtige Erkenntnis, die das genaue Studium der Tun-huang-Texte vermittelt. Die Schriften der Nordschule berichten nicht über das Ereignis. Auch ist keine Stellungnahme der damals noch lebenden zwei Hauptjünger Shen-hsius P ’ u-chi und I-fu zu den Angriffen des Shen-hui überkommen. Im Erscheinungsbild der Nordschule zeigen sich in den unmittelbar auf die Versammlung folgenden Jahren keine empfindlichen Einbußen. Über die «Große Dharma-Versammlung» handelt ausführlich das folgende Kapitel. Was die Nordschule angeht, ist bezüglich der zwei Hauptangriffspunkte des Shen-hui, nämlich die rechtmäßige Generationsfolge und die Plötzlichkeit der Erleuchtung, keine fehlerhafte Abirrung nachweisbar. Diese zwei Streitpunkte beleuchten indes die Situation des Zen bei Abschluss der frühen Phase. Ein Interesse für Genealogie findet sich im ganzen chinesischen Buddhismus, jedoch in keiner Schule so ausgeprägt und wesenswichtig wie im Zen, wo es um die unmittelbare Geistüberlieferung des Stifters Ś hâkyamuni geht. Die frühesten Auflistungen im Epitaph für Fa-ju und in der Chronik Dembôhôki wurden erwähnt, beide gehören der Nordschule an, der kein Mangel an Sinn für Überlieferung vorgeworfen werden kann. Allerdings kennt die Schule nicht den Anspruch auf Überlieferung in einer Linie, der von Shen-hui in die Diskussion eingeführt wurde. Vielleicht gab es sogar so etwas wie eine «horizontale Sukzession» nach Hung-jens Tod von Shen-hsiu zu Lao-an und zu Hsüantse. 56 Der Patriarchentitel kommt in den Listen der Frühzeit nicht vor. 128 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Shen-hui erhob in der großen Dharma-Versammlung den Anspruch auf die Würde des sechsten Patriarchen für Hui-neng (638 - 713), der seit fast zwanzig Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilte. Es ging ihm wahrscheinlich mehr um den siebten Patriarchen, dessen Titel er für sich selbst reklamierte. Sein Angriff richtete sich direkt gegen P ’ u-chi, der in der Hauptstadt Lo-yang ein unvergleichlich hohes Ansehen genoss und den Ruf Shen-huis weit übertraf. Der Streit wurde auf der großen Dharma-Versammlung nicht entschieden und schwelte lange Zeit weiter. Im Enderfolg ist Hui-neng als «Sechster Patriarch» in die Zen-Geschichte eingegangen. Die Geistüberlieferung von Meister zu Jünger wurde zum Zentraldogma des Zen. Die Einfachheit des Slogans «Plötzlichkeit des Südens - Allmählichkeit des Nordens», der den zweiten Angriffspunkt Shen-huis gegen die Nordschule ausdrückt, kann leicht über die Komplexität des Problems hinwegtäuschen. Ob die befreiende Erfahrung plötzlich oder allmählich erlangt wird, und was Plötzlichkeit und Allmählichkeit für die Erfahrung und für die Übung bedeuten, war im chinesischen Buddhismus im 4. und 5. Jahrhundert schon Gegenstand heftiger Kontroverse, die niemals völlig erloschen ist und in der Zen-Schule vital wichtig wurde, auch nach dem Zusammenprall zwischen Süd- und Nordschule weiterschwelte, während der Sungzeit im Streit zwischen Kôan-Zen und Zen der schweigenden Erleuchtung aufflammte und bis heute fortdauert. Bei der Diskussion im Zen-Buddhismus müssen verschiedene Momente auseinandergehalten werden. Es handelt sich nicht nur um die Erleuchtung, sondern auch um die Übung vor und nach der Erleuchtung. Dass der Erleuchtungserfahrung eine Plötzlichkeit eignet, ist unumstritten. Shen-huis Angriff betrifft vornehmlich die Übungspraxis, er lehnt schrittweise Übung vor der Erleuchtung, wie sie das Abwischen des Spiegels in der legendären Erleuchtungsstrophe des Shen-hsiu im Plattform-Sutra veranschaulicht, ab, weil sie mit der Mahâyâna-Metaphysik nicht vereinbar ist. Wenn der Staub, der Vorstellungen und Leidenschaften symbolisiert, beständig vom Geist-Spiegel abgewischt werden muss, so wird den Trübungen eine Realität zuerkannt, die sie nicht besitzen, da sie wie alle dharma der Erscheinungswelt «leer» (śûnya) sind. Der ursprünglich reine Geist erwacht spontan in der Erleuchtung, ohne dass es vorhergehender Übung bedarf. Shen-hui verwirft ebenfalls als unvereinbar mit der Mahâyâna-Metaphysik die Rede vom «Sehen des Geistes» und der «Reinheit», weil sie Geist und Reinheit zu Objekten macht und also eine Dualität in die Wirklichkeit einführt. Das Mahâyâna kennt keine Subjekt-Objekt-Dualität. Der ursprüngliche Geist ist reine Subjektivität. Die Nordschule wahrt in ihrer Erklärung die Mahâyâna- Grundlehre von der Nicht-Dualität. Die Zweideutigkeit der von der Nordschule hoch geschätzten, von Shen-hui jedoch heftig angegriffenen upâya-Texte erschwert nicht wenig die Beurteilung Die Trennung von Nordschule und Südschule 129 der Kontroverse zwischen Südschule und Nordschule. Im Titel des wichtigen Traktates The Gate of the (Five) Unborn Upâya, der dem Shen-hsiu zugeschrieben wird, werden die upâya im Sinne der Mahâyâna-Metaphysik «ungeboren» genannt. Diese Qualifikation kann sich auf eine Passage des Vimalakîrti-Sûtra berufen, in der die upâya als durch Weisheit (prajñâ) erworben bezeichnet werden. 57 Andererseits bedeutet die Anwendung von Mitteln dem Wortsinn gemäß eine Vermittlung. Vermittelte Erleuchtung geschieht nicht unmittelbar und spontan, also auch nicht plötzlich. 58 Shen-hui argumentiert scharf gegen den Gebrauch von Mitteln, weil diese plötzliches Erwachen ausschließen. Die Zweideutigkeit der Mittel, angedeutet im Vimalakîrti-Sûtra, bestätigen späte Schriften der Nordschule, die für die Plötzlichkeit der Erleuchtung einstehen, aber zugleich den upâya einen wichtigen Platz einräumen. So heißt es z. B. im Shinshûron (chin. Chen-tsung lun, T. 85, 1278 c): Der Welterhabene sprach nicht ein einziges Wort und erklärte nicht eine einzige Methode. Wie ein guter Arzt erklärt, welche Arzneien eine spezifische Krankheit heilen können, aber diese Arzneien nicht nennt, wenn keine Krankheit da ist. 59 Shen-hui besteht darauf, dass keine Arzneien nötig sind, wenn der ursprünglich reine Geist vollkommen gesund ist. Doch empfiehlt der Protagonist der Plötzlichkeit «Mittel», die zu einem ersten Erwachen verhelfen, wenn plötzliche Erleuchtung unmöglich ist. 60 In der Tat empfehlen auch klassische Zen-Meister den Gebrauch von geschickten Mitteln auf dem Erleuchtungsweg. 61 Die Spannung plötzlich - allmählich wurzelt in der Menschennatur und wird überall in je verschiedener Form wahrgenommen. Es scheint schwierig, wenn nicht unmöglich, bezüglich der Lehre eine deutliche Trennungslinie zwischen den Zen-Schulen zu ziehen. Der unleugbare Unterschied zwischen Nordschule und Südschule lag vornehmlich im sozio-politischen Bereich. 62 Die in der Zen-Geschichte gängigen Schlagworte «Plötzlichkeit des Südens - Allmählichkeit des Nordens» verdanken ihrer rhetorischen Kraft ihre durch die Jahrhunderte andauernde Wirksamkeit. 63 Für den Niedergang der Nordschule sind der sozio-politische und rhetorischpolemische Faktor zumindest ebenso wichtig wie der Streit um die Lehre. Der Generalangriff Shen-huis bei der großen Dharma-Versammlung von Hui-t ’ ai, der die Generationsfolge und Lehrpunkte thematisierte, vernichtete die zu diesem Zeitpunkt blühende Nordschule keineswegs. P ’ u-chi und I-fu standen am Kaiserhof in hohem Ansehen, vor ihnen hatten die Meister aus der Gründergeneration Shen-hsiu, Lao-an und Hsüan-tse feste Bande mit Regierungskreisen geknüpft. Shen-hui wünschte, die Stellung der Nordschulmeister am Kaiserhof einzunehmen und überdies als siebter chinesischer Zen-Patriarch anerkannt zu werden, eine Würde, die P ’ u-chi ihm nicht bloß zu seinen Lebzeiten, sondern auch nach seinem Tod in den ihm gewidmeten Epitaphen streitig machte. 64 130 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Shen-hui verstärkte seine Angriffe nach P ’ u-chis Tod (739) und setzte sie bis zu seinem eigenen Tod unvermindert fort. Während der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts änderte sich die Situation des Zen in China zu Ungunsten der Nordschule. Die engen Beziehungen zum Kaiserhof begründeten nicht mehr einen erhöhten Einfluss, sondern wirkten sich eher abträglich aus. Der politischen Wirren überdrüssig, bevorzugte das Volk mehr und mehr das raue ländliche Klima. Die in höfischer Atmosphäre zur Hochblüte gelangte Nordschule hatte zwar bei der Verbreitung des Zen in den Provinzen mitgewirkt, doch kamen nun neue Schulen zum Zuge. Im facettenreichen Bild des Zen ist die Nordschule nicht mehr wie zu Beginn des Jahrhunderts die Hauptströmung. Unter den vielen Namen von Meistern aus der Nordschule, die für die Zeitspanne von 150 Jahren nach dem Tod des P ’ u-chi bis zum Erlöschen der Schule bekannt sind, verbirgt sich keine herausragende charismatische Persönlichkeit. 65 Die schöpferische Kraft der Nordschule ist erlahmt. Wichtige, wenn auch nicht einzige Ursachen des Niederganges sind der in Abhängigkeit vom Kaiserhof herausgebildete volksfremde Stil und ein Mangel an großen Meistern während der Spätjahre. 66 Die Chroniken Rekidai Hôbôki (chin. Li-tai fa-pao chi) und Hôrinden (chin. Paolin chuan) sowie die Schriften Tsung-mis geben Auskunft über die Entwicklung des chinesischen Zen während des Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, dass Shenhui, der so viel Unruhe stiftete, im Gesamtbild wenig Platz einnimmt. Seine Schule «eröffnete», wie Faure zutreffend bemerkt, «die folgende Epoche, wurde indes nicht ihr Hauptstrom». 67 Die zwei Schulen von Szechuan und vom Ochsenkopf hatten eine kurze Blütezeit und beeinflussten die Entwicklung. Beide Schulen vertreten die Plötzlichkeit der Erfahrung. 68 Das Plattform-Sutra des sechsten Patriarchen wurde die Magna Charta des klassischen chinesischen Zen; Hui-neng, der sechste Patriarch, wurde aus geschichtlichem Dunkel zur idealen Zen-Persönlichkeit emporstilisiert, die Schule des Ma-tsu Tao-i wurde der Quellgrund der neuen Epoche, des «Goldenen Zeitalters des Zen». Die chinesische Chronik der Sungzeit hat die Szene, die sich damals in den ländlichen Gegenden von Kiangsi und Hunan darbot, für die Nachwelt gültig festgehalten: Westlich vom Fluss ist Ma-tsu der Meister, südlich vom See ist Shih-t ’ ou der Meister. Zwischen ihnen strömt beständig Volk hin und her. Wer diese großen Meister nicht gesehen hat, gilt als Unwissender. 69 Die großen Gestalten des Ma-tsu und Shih-t ’ ou, des Pai-chang und Huang-po, des Chao-chou und Lin-chi, des Lung-t ’ an und Te-shan, die in den Chroniken und Kôan-Sammlungen auftreten, haben Suzuki Daisetsu und seine westlichen Hörer fasziniert. Dieses Zen gewann einen bleibenden Platz in der Geistesgeschichte der Menschheit. Die Trennung von Nordschule und Südschule 131 Rückblickend erkennen wir mit großer Klarheit die Bedeutung der Nordschule des chinesischen Zen; sie war nicht etwa bloß eine abweichende Linie, sondern stellte während einiger Jahrzehnte den Hauptstrom der chinesischen Zen-Bewegung dar 70 . Schauen wir nochmals auf Shen-hsiu und bedenken die für ihn verfasste Grabinschrift des berühmten Ch ’ ang Yüeh. Für den fernöstlichen Menschen bedeutet hohes Alter den Erweis ungewöhnlicher Weisheit. Shen-hsiu durfte die Jahrhundertgrenze überschreiten. Seine Grabinschrift kann viele seltene Verdienste und Auszeichnungen aufzählen, die ihm zuteilwurden. Selbstverständlich preist sie sein weites, tiefgründiges Wissen und seine umfassende Kenntnis des Mahâyâna-Schrifttums; sie erwähnt auch seine besondere Verehrung für das Laṅkâvatâra-Sûtra 71 . Shen-hsiu war - darüber lässt der Verfasser der Inschrift keinen Zweifel - ein hoch erleuchteter Meister, der «den Gedankenstrom abgeschnitten, den Vorstellungen Einhalt geboten und mit ganzer Kraft seinen Geist konzentriert» hatte. Er vermochte «in den Bereich vorzudringen, in dem der Unterschied zwischen ‹ heilig und profan › nicht mehr besteht» 72 . Die Zen-Bewegung weckte zur Zeit der Blüte der Nordschule über den buddhistischen Bereich hinaus weites Echo. Im Volk galten nicht wenige Zen- Meister für mit Wunderkräften ausgestattete heilige Männer 73 . Aber das Zen fand auch Beachtung in der literarischen Welt. Dichter wie Wang Wei (700 - 761) und Tu Fu (712 - 770) verspürten den Zauber der Stille und priesen die Zen- Meditation. Die Dichter machten, wie es scheint, keinen Unterschied zwischen Nordschule und Südschule. Sie verstanden den unvergleichlichen Wert des in der Meditation zur Erleuchtung gelangten lauteren Geistes. Das Zen wurde zu «einem besonderen Element der Tang-Dichtung» 74 . Indem wir der Entstehung und Entwicklung der Nordschule des chinesischen Zen nachgingen, konnten wir den Hintergrund der entscheidenden Wendung zeichnen, die sich während des 8. Jahrhunderts ereignete. Viele sehen in dieser Wende die eigentliche Geburt des Zen in China. Der Anspruch der Südschule Die Nordschule und die Südschule des chinesischen Zen-Buddhismus sind durch ihre gegenseitige Beziehung zueinander definiert. Die Südschule ist ebenso wenig wie die Nordschule geographisch festgelegt. Wenn wir von den geschichtlichen Ereignissen ausgehen, treten beide Schulen in dem Augenblick auf den Plan, als Shen-hui, ein Jünger des Hui-neng, als Erster die Fahne der Südschule hisst. Er formulierte den Anspruch seiner Linie gegenüber der Linie des Shen-hsiu und führte die Südschule als solche in die Geschichte des chinesischen Zen-Buddhismus ein. Und zwar tat dies der Trommelschläger 132 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China der plötzlichen Erleuchtung mit allem Eklat bei der «Großen Dharma-Versammlung» (daihôe) am 15. Januar 732 im Tempelkloster Daiunji (chin. Ta-yünssu) in Hua-t ’ ai (Provinz Hunan) 75 . Es mag seltsam anmuten, dass unser Bericht von der Trennung der zwei chinesischen Zen-Schulen den Patriarchen der einen Schule Hui-neng, um den es doch am meisten ging und der eigentlich die Hauptpersönlichkeit sein sollte, überspringt und den Jünger Shen-hui zum Mittelpunkt hat. Der vorzügliche Grund für diese Merkwürdigkeit ist wiederum die besondere Lage der Geschichtsquellen des Zen-Buddhismus. Hui-nengs Gestalt wird tatsächlich erst durch seinen Jünger Shen-hui und dessen Kreis geschichtlich greifbar. Dann allerdings eröffnet der sechste Patriarch in seiner Gesamterscheinung mit Legende, Botschaft und Wirkung die neue, schöpferische Zentralphase der chinesischen Zen-Geschichte. Shen-hui stand im 62. oder 63. Lebensjahr, als er zum Generalangriff gegen die Nordschule blies. Über seinen früheren Lebenslauf wissen wir wenig 76 . Auch er las gemäß der Überlieferung in jungen Jahren die chinesischen Klassiker und die Werke des Lao-tzu und Chuang-tzu. Mit P ’ u-chi, I-fu und anderen Jüngeren übte er kurze Zeit beim Patriarchen der Nordschule Shen-hsiu Meditation (699 - 701). Als dieser in die Hauptstadt berufen wurde, wanderte Shen-hui nach Süden zur Klostergemeinschaft des Hui-neng in Ts ’ ao-ch ’ i. Dort verblieb er einige Jahre, bis er zu einer längeren Pilgerfahrt aufbrach, von der er gerade noch rechtzeitig zurückkehrte, um von Hui-neng vor dessen Tod (713) das Dharma- Siegel zu empfangen 77 . 720 nahm er, einem kaiserlichen Dekret folgend, seinen Wohnsitz im Tempelkloster Ryûkôji in Nan-yang, nicht weit südlich von der Hauptstadt Lo-yang. Um diese Zeit kam es bei gelegentlichen Besuchen in der Hauptstadt zu ersten Zusammenstößen mit Shen-hsius Jüngern P ’ u-chi und I-fu, die am Hof und in breiten Kreisen der Stadtgesellschaft hohes Ansehen genossen. Den Tun-huang-Manuskripten verdanken wir den frühesten, glaubwürdigen Bericht über die «Große Dharma-Versammlung» von Hua-t ’ ai. 78 Shen-hui hatte die Versammlung - offen für alle - kühn und furchtlos einberufen, sie sollte zwischen Richtig und Falsch der zwei Zen-Schulen unterscheiden. Die Nordschule vertrat der sonst unbekannte Dharma-Meister Ch ’ ung-yuan. Zur bestimmten Stunde bestieg Shen-hui den Löwensitz. In seiner Rede sprach er von der Überlieferung der Zen-Schule in China, wie Bodhidharma, der Königssohn aus Südindien, das Zen des Tathâgata ins Land der Mitte brachte, wie er dem Kaiser Wu die Verdienstlosigkeit des Errichtens von Tempeln und des Anfertigens von Buddha-Bildern und des Abschreibens von Sutren ins Gesicht sagte, wie er im Tempelkloster Shôrinji dem Hui-k ’ o Dharma-Siegel und Gewand vermachte, die in ununterbrochener Linie auf Hung-jen kamen, der sie dem Jünger Hui-neng weitergab. Also ist Hui-neng, so lautet der Schluss, als Die Trennung von Nordschule und Südschule 133 sechster Nachfolger Bodhidharmas der rechtmäßige Patriarch. Das Gewand im Besitz der Südschule verbürgt als sicheres Beweisstück die Nachfolgeschaft. Shen-huis Eröffnungsrede bringt wichtige Angriffspunkte gegen die Nordschule zusammen. Zuerst: Bodhidharma überbrachte die besondere Meditationsweise des Tathâgata-Zen, d. h. der Geistüberlieferung Buddhas; sein Weg gründet nicht in Sutrenlehre. Ferner, der erste chinesische Zen-Patriarch buhlte nicht um Hofgunst; er verachtete fromme Leistungen. Und der entscheidende Punkt: seine Linie führt zu Hui-neng, dem Meister der Südschule. Das Gewand garantiert die ununterbrochene Überlieferungsfolge. Diese schlüssige Argumentation wurde in ihrer Vollständigkeit erstmalig von Shen-hui vorgebracht 79 . In der Sicht der Südschule besagt die Generationslinie Bodhidharmas nicht eine bloße Nachfolgeschaft aufgrund eines Meister-Jünger-Verhältnisses, sondern begründet die Patriarchenwürde, die den Buddha-Geist verbürgt, weitergegeben in einer Linie und symbolisiert durch die von Geschlecht zu Geschlecht tradierten Insignien. Shen-huis Beweisführung und Schlussfolgerung mussten den Vertreter der Nordschule in nicht geringes Erstaunen versetzen, zumindest, als er sie zum ersten Mal aus dem Munde des Vorkämpfers der Südschule vernahm 80 . Wenn diese stimmten, war seine Schule nur eine Seitenlinie des Bodhidharma-Zen. Verwundert fragt Ch ’ ung-yuan, weshalb es in einer Generation nur einen Nachfolger geben könne, und ob der Dharma auf dem Gewand beruhe 81 . Shenhui hat die Antwort bereit. Der Dharma ist nicht im Gewand, so erklärt er in breiter Rede, aber der Glaube an die Dharma-Überlieferung ist an den Glauben an die Weitergabe des Gewandes geknüpft. Und er beruft sich auf die Geschichte vom goldgewirkten Gewand, das Shâkyamuni seinem Jünger Mahâkâ ś yapa gab. Der Vergleich ist weit hergeholt und nicht beweiskräftig 82 . Vom Gewand ist in den Reden Shen-huis noch wiederholt die Rede. Ein Fragment schließt mit der Versicherung: «Das Gewand ist der Beweis für den Dharma, und der Dharma ist die Lehre (bestätigt durch den Besitz) des Gewandes. Gewand und Dharma werden, das eine durch das andere, überliefert. Es gibt keine andere Weitergabe. Ohne Gewand kann der Dharma nicht ausgebreitet werden, und ohne den Dharma kann das Gewand nicht erlangt werden.» Dieser Weg erleuchteter Erkenntnis führt zum Eingehen in den kosmischen Buddha-Leib (dharmakâya) und zur wahren Befreiung 83 . Die Vorwürfe, die Shen-hui auf der Großen Dharma-Versammlung gegen die Nordrichtung erhob, lassen sich auf zwei Gruppen zurückführen: einmal Abweichung von der Überlieferungslinie und Usurpation des Patriarchats, zweitens eine irrige Auffassung von Erleuchtung und Übung. In der Eröffnungsrede kommt vornehmlich der erste Vorwurf zur Sprache. Ch ’ ung-yuan, der Zen- Jünger aus dem Norden, stellte, so ist berichtet, eine weitere Frage, die den Gegensatz bezüglich des Erleuchtungsweges selbst betrifft. «Kommen die Zen- 134 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Meister Hui-neng und Shen-hsiu nicht ursprünglich aus der gleichen Schule? Da sie doch Mitschüler sind, wäre ihr Zen-Stil nicht der gleiche? 84 » «Keineswegs», lautet Shen-huis entschiedene Antwort. Ihre Wege sind verschieden, Hui-neng lehrt den Weg der Plötzlichkeit, Shen-hsiu der Allmählichkeit. Shen-hsius Meditationsweise erstrebt lediglich Konzentration und Beruhigung des Geistes. Indem er die Außeneindrücke in sich sammelt, sucht der Geist, nach innen gewandt, die Erleuchtung. Dieser «törichte» Standpunkt steht, so betont Shenhui, im Widerspruch zur Mahâyâna-Tradition, die im Vimalakîrti-Sûtra einen authentischen Ausdruck fand 85 . Die wahre Erleuchtung ist kein gradweise voranschreitender Prozess der Verinnerung, sondern ein plötzlicher Durchbruch aufgrund des Nicht-Geistes. «Unsere Großmeister haben alle mit einem Griff (tantô choku ’ nyû) die Erleuchtung erfasst, ohne von Graden und Allmählichkeit zu sprechen 86 .» Diesen Standpunkt hat Shen-hui bei der Großversammlung kraftvoll vertreten. Es geht hier um den letzten tiefsten Unterschied zwischen den zwei Schulen. Die nur bruchstückhaft erhaltenen Reden Shen-huis gestatten keine vollständige Rekonstruktion der Vorgänge bei der «Großen Dharma-Versammlung» in Hua-t ’ ai. Nachrichten über deren Ausgang und unmittelbare Wirkungen fehlen. Der Kampf gegen die Nordschule blieb Shen-huis Anliegen auch nach seiner Übersiedlung zum Katakuji (chin. Ho-tse-ssu), dem Hauptquartier seiner Schule in Lo-yang (745) 87 . Ein unentwegter Kämpfer, versetzte er, besonders in seinen monatlichen Lehrvorträgen, dem Gegner Schlag auf Schlag. Die durch den Tod P ’ u-chis (739) und I-fus (736), der zwei mächtigen Hauptjünger Shenhsius, ohnehin geschwächte Nordschule vermochte den unablässigen Angriffen nur wenig Widerstand entgegenzusetzen. Hinzu kommt, dass Shen-hui und seine Jünger nicht ängstlich in der Auswahl der Kampfmittel waren. Sie warfen den Anhängern der Nordschule Intrigen wie Raubanschläge auf das Patriarchengewand und Änderung der Grabinschrift Shen-hsius vor 88 . Shen-hui lastete P ’ u-chi besonders an, dass er als «siebtes Blatt» das Patriarchat beansprucht habe und für sich einen Grabstein auf dem Berge Sung errichten ließ 89 . Überdies treffe ihn die Schuld daran, dass in der Schrift Dembôhôki der Name des Hui-neng ausgelassen wurde 90 . Diese und andere massive Vorwürfe zeugen von einer überhitzten, vergifteten Atmosphäre; sie sind teilweise unberechtigt, teilweise bedürfen sie der Differenzierung. In diesem Zusammenhang soll der strittigste Punkt der unerfreulichen Auseinandersetzung, nämlich die Frage der richtigen Generationslinie des Bodhidharma-Zen, nochmals in den Blick genommen werden. Shen-hui baute dieses Zentrum seiner Angriffsfront aufs sorgfältigste aus, indem er, wie wir schon sahen, zwei wenigstens in der Pointierung neue Momente in die Diskussion einbrachte. Er besteht darauf, dass die wahre, ununterbrochene Linie in jeder Generation nur einen Träger haben kann, so wie es in einem Reich nur Die Trennung von Nordschule und Südschule 135 einen König und in einem Weltalter nur einen Buddha geben kann. Ferner muss die richtige Generationsfolge als unabdingbares Beweismittel das Gewand Bodhidharmas besitzen. Nach siegreicher Beendung des Kampfes veröffentlichte er im Katakuji in der Hauptstadt Lo-yang eine von ihm selbst angefertigte, für authentisch erklärte Patriarchenliste mit 13 Namen, nämlich mit den Namen von acht indischen und sechs chinesischen Zen-Patriarchen. Den Angelpunkt bildet Bodhidharma, der achte indische und erste chinesische Zen-Patriarch 91 . Die Leistung musste Shen-hui zutiefst befriedigen, nicht bloß, weil er den Standpunkt seiner Schule durchzusetzen vermochte, sondern weil diese «Feststellung von Wahr und Falsch bezüglich der zwei Schulen des Zen-Buddhismus» das Wesen der Geistüberlieferung Buddhas sicherte. Harte Schicksalsschläge ereilten Shen-hui an seinem Lebensabend. Verleumdet und angeklagt, fiel er in Ungnade bei Hof und musste die Hauptstadt Lo-yang verlassen (753). Mehrmals wechselte er seinen Wohnsitz. Indes dauerte die Verbannung nicht lange. Notzeiten, durch politische Wirren verursacht, ließen nach dem tapferen, einflussreichen Mann ausschauen. In die Hauptstadt zurückgerufen (756), leistete er den Regierenden wichtige Dienste und wurde mit Gunstbezeugungen überhäuft. Es mutet wie eine Ironie an, dass der unerbittliche Kritiker jener Meister der Nordschule, die unbekümmert Ehrentitel annahmen und so den wahren Geist Bodhidharmas verrieten, sich im hohen Alter in der Gunst der Mächtigen sonnte. Alles in allem war Shen-hui ein seltener Mann, von ungewöhnlicher Energie und geistiger Spannkraft bis zuletzt 92 . Welche Beweggründe trieben ihn? Wie ist sein Vorgehen zu beurteilen? Der japanische Buddhologe Ui, selbst sozusagen zur Südschule des Zen- Buddhismus gehörig - wenn nach so vielen Jahrhunderten eine solche Zugehörigkeit noch ausgesagt werden kann - , erkennt bei Shen-hui «Punkte, die moralischen Tadel und den Vorwurf der Enge verdienen» 93 . Dennoch ist Shenhui nicht rundweg zu verurteilen. Die Anfertigung einer Patriarchenliste lag im Klima des zeitgenössischen chinesischen Buddhismus nahe. Die Idee der Überlieferung des Dharma ist Gemeingut aller buddhistischen Schulen. Der Meister vom Katakuji war von der alleinigen Richtigkeit des Erleuchtungsweges der Südschule überzeugt. Im Verfolg seiner Ziele kannte er keine Rücksichten. Deshalb ist er der Maßlosigkeit geziehen worden. Doch wichtiger als wertende Beurteilung ist die Bemühung um annäherndes geschichtliches Verstehen. Es bleiben Dunkelheiten, weil die gesamte Berichterstattung über die Trennung der zwei Schulen von der Südschule stammt und keine Stellungnahme der Gegenseite vorliegt. 136 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die Ochsenkopf-Schule Die Ochsenkopf-Schule, benannt nach dem Berg Ochsenkopf (chin. nien-t ’ ou, jap. gozu, im Süden von Nanking) ist als eine zum Bodhidharma-Zen gehörige Meditationsschule mit eigenem Traditionsbewusstsein zuerst um die Mitte des 8. Jahrhunderts nachweisbar 94 . Ihr Ausbau datiert in die Zeit nach Beendigung der politischen Wirren (756 - 763), die Shen-hui an seinem Lebensabend in die Hauptstadt brachten. Die Schule entfaltete eine kurze, intensive Wirksamkeit im Süden. Die Grabinschrift des chinesischen Literaten Li Hua ( - 766? ) für den berühmten Tendai-Meister Hsüan-lang (673 - 754) ist eines der frühesten Dokumente, das über die Generationslinie der Ochsenkopf-Schule Auskunft gibt. Allerdings kann diese späte Geschichtsquelle keinen Anspruch auf Sicherheit erheben. Die Grabinschrift gibt einen Überblick über die Geschichte des Bodhidharma-Zen, beginnend mit der Geistüberlieferung Buddhas an seinen Jünger Mahâkâ ś yapa. Nach 29 Generationen, die nicht namentlich bezeichnet sind, überbrachte Bodhidharma das Zen ins Reich der Mitte. Die bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Grabinschrift liegt darin, dass sie nicht die auf Bodhidharma folgenden Generationen aufzählt, sondern berichtet, wie sich das Zen in drei Schulen teilte, die bis heute, d. h. bis zum Tag der Niederschrift des Epitaphs, bestehen. Diese drei Schulen sind die Nordschule, vertreten durch Shen-hsiu und I-fu, die Südschule des Hui-neng, der fälschlich als Dharma-Erbe des Seng-ts ’ an bezeichnet wird, und die Ochsenkopf-Schule, von der es heißt: «Weiterhin gelangte (der Dharma) in vier Generationen zum Zen-Meister Taohsin, von Tao-hsin wurde er dem Zen-Meister Fa-jung übermittelt, der auf dem Ochsenkopfberge wohnte. Jetzt ist der Zen-Meister Ching-shan sein Erbe 95 .» Dieser Text, die früheste schriftliche Bezeugung der Ochsenkopf-Schule, bezeichnet mit Fa-jung (594 - 657) und Ching-shan (714 - 792) den Anfang und das derzeitige Ziel der Gozu-Linie. Um die Mitte des 8. Jahrhunderts lagen die Generationen in ihrer Abfolge fest, vielleicht geschah die Fixierung schon etwas früher durch Chih-wei (646 - 722), den fünften in der Reihe 96 . Die Schule bedurfte einer Generationsfolge, um sich wie alle anderen Schulen des chinesischen Buddhismus ihrer Tradition rühmen zu können. Deshalb stellte sie, wahrscheinlich im Protest gegen die zu Anfang des Jahrhunderts übermächtige Nordschule, eine eigene Genealogie auf. Die Sechserreihe entsprach genau dem Zeitgeschmack. Ein Einfluss von der Südschule her, sowohl im Sinne der Nachahmung als der Gegenüberstellung, kann ebenfalls angenommen werden. Die Ochsenkopf-Schule zählte im Unterschied zu Shen-huis acht indischen Zen- Patriarchen 29 indische Glieder der Geistüberlieferung, wahrscheinlich unter dem Einfluss der befreundeten Tendai-Schule, die 24 indische Traditionsträger kennt 97 . Die Trennung von Nordschule und Südschule 137 Die Grabinschrift macht Fa-jung (594 - 657) zum Begründer der Ochsenkopf- Schule. Alle Chroniken der Südschule stimmen mit dieser Angabe überein. Fajung hat eine Biographie bei Tao-hsüan, in der allerdings keine Beziehung zum Bodhidharma-Zen erwähnt ist 98 . Seine Jüngerschaft beim vierten Zen-Patriarchen Tao-hsin ist geschichtlich unglaubwürdig. Die von Li Hua verfasste Grabinschrift ist eines der frühesten, wenn nicht das früheste Zeugnis für diese Angabe. Die Ochsenkopf-Schule lässt sich nicht, wie es die späteren Zen- Schriften tun, als erste Seitenlinie nach Tao-hsin in die Zen-Geschichte einfügen. Auch dem zweiten Nachfolger in der Gozu-Linie Chih-yen widmet Tao-hsüan eine Biographie, aber wiederum berichtet er nicht von einer Beziehung zum Bodhidharma-Zen. Der dritte Name Hui-fang ist sonst unbekannt. Aber die Beziehung Fa-chihs (635 - 702), des vierten Überlieferungsträgers der Ochsenkopf-Schule, zum Bodhidharma-Zen ist sicher bezeugt 99 . Er weilte beim fünften chinesischen Zen-Patriarchen Hung-jen auf dem Ostberg. Ein Verehrer des Buddha Amitâbha, übte er mit Eifer die Namenanrufung (jap. nembutsu), übrigens keine Ausnahme in der vielköpfigen Jüngergemeinde Hung-jens 100 . Chih-wei, schon oben genannt, stand im Jüngerverhältnis zu Fa-chih. Auch er soll sich zeitweise bei Meister Hung-jen aufgehalten haben. Zur Zeit des Zusammenlebens von Fa-chih und Chih-wei auf dem Ochsenkopf blühte die neue Schule auf. Der Berg wurde zum Zentrum einer Zen-Bewegung, die unter Chih-weis beiden Jüngern Hui-chung (683 - 769) und Hsüan-su den Höhepunkt erreichte. Jünger und Nachfolger des Letzteren war der in der Grabinschrift genannte Ching-shan (714 - 792). Die Schule kam, wie es scheint, schon in der folgenden achten Generation zum Erlöschen 101 . Die Bedeutung der Ochsenkopf-Schule für die Zen-Geschichte liegt vornehmlich in dem bislang wenig beachteten Beitrag, den sie zur endgültigen Gestalt des chinesischen Zen geleistet hat, die sich in der dritten Generation nach Hui-neng darstellt. Wir handeln darüber im folgenden Kapitel. Die Ochsenkopf- Schule distanziert sich von den zwei entgegengesetzten Hauptrichtungen der Nordschule und der Südschule und vertritt einen dritten Standpunkt. Indem sie sich im Unterschied von der Nordschule, die sich bei der Meditation auf die Lehre der Mahâyâna-Sutren in ihrer vollen Breite stützt, und im Unterschied von der Südschule, die für den Erleuchtungsweg keiner Sutren bedarf, eng an die Weisheit vom Mittleren Weg anschließt, gelingt ihr in begrenztem Maß eine Eigenständigkeit. Fa-jung, den die Schule als ihren Gründer verehrt, stand der chinesischen Schule von den drei Traktaten (jap. sanronshû, chin. san-lun-tsung) nahe und ließ sich überdies von der Doktrin der mächtigen Tendai-Schule beeinflussen. Er stimmt mit der Südschule überein, wenn er die Realisierung im «Zusammen von Versenkungsmeditation (sanskr. samâdhi, jap. jô) und Erleuchtungsweisheit (sanskr. prajñâ, jap. e)» sieht 102 . Shen-hui und dessen Anhänger 138 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China verwarfen die von ihm akzeptierte Tendai-Lehre des universalen Buddha- Werdens aller Wirklichkeit, nicht nur der Lebewesen. Im China des 8. Jahrhunderts gab es noch außer der Ochsenkopf-Schule Zen- Anhänger, die weder zur einen noch zur anderen der zwei Hauptrichtungen gehörten 103 . In jenen frühen Tagen beschränkten sich die Organisationsformen auf unverbindliches Zusammenleben in Tempelklöstern. Viele der Meditation beflissene Sucher des Weges durchwanderten das Land. Das harte Aufeinanderprallen, das Shen-huis Angriffe auf die Jünger Shen-hsius heraufbeschwor, ist eine Ausnahmeerscheinung und eben deshalb bemerkenswert. Diese Trennung in zwei feindliche Lager aufgrund einer das Wesen berührenden, unterschiedlichen Auffassung von Übung und Erleuchtung ist - geistesgeschichtlich gesehen - eminent wichtig, wie noch der Nachhall der Auseinandersetzung im sogenannten Konzil von Lhasa zu Ende des 8. Jahrhunderts anzeigt 104 . Wir kommen darauf im nächsten Kapitel zurück. Das 8. Jahrhundert war im China der T ’ ang - dies sei nochmals hervorgehoben - eine in sozialer und politischer Hinsicht bewegte Periode. Nach dem Umbruch während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts 105 offenbart das chinesische Zen seine neue Gestalt. Diese wird sich uns im übernächsten Kapitel zeigen. Vorerst bleiben wir im gleichen Zeitabschnitt, treten also gewissermaßen auf der Stelle, schwer verzeihlich in einer geschichtlichen Darstellung. Die Quellenlage zwingt zu dieser Art des Vorgehens. Nach gründlicher Durchleuchtung der Ereignisse bei der Trennung von Nordschule und Südschule suchen wir die in geschichtlichem Halbdunkel liegenden Gründe zu erkennen, weshalb die nachfolgenden Geschlechter der chinesischen Zen-Bewegung der von Legenden umwobenen Gestalt des sechsten Patriarchen Hui-neng eine so überragende Größe und maßgebende Autorität beigemessen haben. Die Trennung von Nordschule und Südschule 139 IV Das Sutra des sechsten Patriarchen Der Titel dieses Kapitels, nur zögernd gewählt, zeigt einen komplexen Inhalt geschichtlicher Realität an. Im Folgenden handelt es sich weniger darum, ein Buch nach seiner Entstehung und seinem Inhalt zu beschreiben, als vielmehr mit Hilfe eines Buches, über dessen Entstehung sich Genaues nicht mit Sicherheit sagen lässt und dessen Inhalt auf weit zurückliegender Vergangenheit aufruht, die neue Bewegung im Zen in den Blick zu bekommen, die während des 8. Jahrhunderts in China Gestalt gewann. Geschichtlich gesehen, steht keine einzelne schöpferische Persönlichkeit am Anfang des Aufbruches. Die Geschichtsbeschreibung des Zen leitet die neue Epoche mit dem Namen des sechsten Patriarchen Hui-neng (638 - 713) ein. An der Historizität seiner Person ist nicht zu zweifeln, aber was die Geschichtsquellen bei prüfender Durchsicht hergeben, ist kaum mehr als das Durchschnittsleben eines Zen-Meisters, wie es deren viele gibt. Die mit seinem Namen verbundene Leistung, nämlich Umbruch und Neubeginn im chinesischen Zen, ist nicht das Verdienst eines Einzelnen, sondern das Ergebnis eines jahrzehntelangen, vielfältigen Prozesses. Dass Hui-nengs Name die Gesamtleistung repräsentiert, ist wohl an erster Stelle - wenn auch nicht, wie der chinesische Gelehrte Hu Shih meinte, ausschließlich - dem im vorigen Kapitel beschriebenen aggressiven Vorgehen des Jüngers Shen-hui zuzuschreiben. Doch folgt daraus keineswegs, dass Hui-nengs Name in der Zen-Geschichte durch den Shen-huis ersetzt werden kann. Eine solche Sicht passt nicht zu dem, was wir über Shen-hui und sein Werk wissen. In der Zen-Bewegung sind außer den Beeinflussungen durch Shen-hui und seine Schule andere wichtige Einströme deutlich erkennbar. Manche Wirkungen, die zunächst von Shen-hui herrühren, lassen sich über diesen hinaus auf fernere Quellgründe zurückführen. Die Zen- Bewegung jener Tage hat Hui-neng als Symbolfigur für das, was ihr als Ideal vorschwebte, auf den Schild erhoben. Das wirkmächtige Ganze, das die Gestalt des sechsten Patriarchen verkörpert, gilt in der Folge als das vollkommene Zen schlechthin und wird von den Anhängern der Schule «Zen der Patriarchen» (jap. Soshizen) genannt. Diese endgültige Form des Zen fand einen eindrucksvollen und adäquaten Ausdruck im «Sutra des sechsten Patriarchen», in dem wie in einer Mitte die wesentlichen Motive der Zen-Bewegung jener Epoche zusammenlaufen. Auf die Vorrangstellung dieser Schrift deutet das Wort «Sutra» im Titel hin, das für gewöhnlich Werken, die Buddhas Wort unmittelbar überliefern, vorbehalten ist. Das Sutra des sechsten Patriarchen nimmt eine Schlüsselstellung im Schrifttum der Zen-Schule ein. Seitdem eine frühe Fassung durch die Ausgrabungen in Tunhuang zugänglich gemacht wurde, brachte das Studium des bemerkenswerten Textes wertvolle Erkenntnisse über die verwickelten Zusammenhänge beim Beginn der neuen Phase der Zen-Geschichte ein, doch bleiben ungelöste und beim heutigen Forschungsstand unlösbare Probleme. Der Tun-huang-Text und seine Quellen Das Sutra des sechsten Patriarchen trägt in der Tun-huang-Version den feierlichen Doppeltitel: Das Höchste Mahâyâna-Sutra der Vollkommenen Weisheit über die Lehre der Plötzlichkeit der Südschule - Das Sutra der Dharma-Predigt des sechsten Patriarchen, des Großmeisters Hui-neng, gesprochen vom Hochsitz im Tempelkloster von Ta-fan (jap. Daibonji) in Shao-chou (jap. Nanshûtongyô saijô Daijô Makahannya-haramitsukyô: Rokuso Enô Daishi Shôshû Daibonji ni oite sehô suru no dankyô, chin. Nan-tsung tun-chiao tsui-shang ta-ch ’ eng mo-ho-po-jo po-lo-mi ching: Liu-tsu Hui-neng ta-shih yü Shao-chou Tafan-ssu shih-fa t ’ an-ching) 1 . Das in einer Höhle von Tun-huang (Provinz Kansu) aufgefundene Manuskript wurde leicht verbessert unter dem Titel «Das in Tunhuang ausgegrabene Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen» (jap. Tonkô shutsudo Rokuso Dankyô) von D. T. Suzuki und Rohan Kôda herausgegeben 2 . Die Herausgeber teilten den verhältnismäßig kurzen, ursprünglich nicht unterteilten Band in 57 Abschnitte auf, eine Einteilung, die von den meisten Übersetzern und Erklärern beibehalten wurde 3 . Dem Inhalt nach besteht das Werk aus zwei ungleichen Hauptteilen, nämlich dem Lehrvortrag Hui-nengs mit Einschluss seiner Selbstbiographie (Nr. 2 - 11, 12 - 31, 34 - 37) und den übrigen Stücken verschiedenen Inhaltes. Bei der Forschung nach den Quellen des Sutras und bei der inhaltlichen Durchleuchtung seiner Botschaft ist vor allem der erste Hauptteil wichtig. Die Tun-huang-Version bietet die früheste bekannte Textgestalt des Sutras des sechsten Patriarchen, jedoch nicht die älteste Fassung überhaupt. Das aufgefundene Manuskript ist eine ziemlich fehlerhafte Kopie, nach Ansicht von Experten zwischen 830 und 860 angefertigt 4 . Zugrunde liegt eine um 820, vielleicht auch schon früher abgeschlossene Version, die Yanagida aufgrund der Beziehungen des Textes zu anderen bekannten Zen-Schriften auf zwischen 781 und 801 datiert 5 . Voraus liegen nach der begründeten Ansicht vieler Zen- Historiker frühere Fassungen des Sutras. Als Urheber der Tun-huang-Version ist in der Überschrift sowie im ersten Abschnitt des Textes der Jünger Fa-hai genannt, den der Distriktgouverneur von Shao-chou Wei Ch ’ ü mit der Niederschrift des großen Lehrvortrages Hui-nengs Das Sutra des sechsten Patriarchen 141 beauftragte (Nr. 1). Gegen Ende des Sutras (Nr. 55) wird nochmals das Faktum der Niederschrift der Lehrrede durch Fa-hai bestätigt und von der Weitergabe des Sutras zuerst an Tao-ts ’ an und dann an dessen Jünger Wu-chen berichtet, der noch heute (d. h. zur Zeit der Verbreitung des Textes) diesen Dharma überliefere 6 . Fa-hai ist im Sutra als einer der zehn Jünger des Hui-neng (Nr. 45) und als der Hauptmönch der Gemeinde (Nr. 55) bezeugt. Der letzte Abschnitt bringt einiges biographisches Material bei, das sich wahrscheinlich auf ihn bezieht 7 . Doch sind alle Abschnitte, in denen Fa-hai vorkommt, spätere Hinzufügungen, im Kernteil des Sutras ist der Jüngername nicht genannt. Auch in keiner anderen frühen Zen-Schrift ist er erwähnt, sodass eine Fragwürdigkeit bezüglich seiner Identität und Mitwirkung am Tun-huang-Text besteht 8 . Somit entfällt die nahe liegende Annahme, der Jünger Fa-hai habe bald nach dem Tode seines Meisters, schon um 714, dessen Lehrrede aufgezeichnet. Auf dieser leichten Lösung baut der japanische Buddhologe Ui seine These von der Entstehung des Sutras im Jüngerkreis Hui-nengs auf. Offensichtliche Hinzufügungen beeinträchtigen, wie er meint, die Authentizität der Kernsubstanz der Lehrrede nicht; auch hält er den Text in der erhaltenen Form für um 820 vollendet. Dem entgegen steht die Auffassung des chinesischen Gelehrten Hu Shih, gemäß der das Sutra voll und ganz im Jüngerkreis des Shen-hui entstand 9 . Für seine Ansicht sprechen die zahlreichen Übereinstimmungen von Aussagen des Sutras mit Stücken aus Shen-huis Werken. Hinzu kommt die Undeutlichkeit der Umrisse des angeblichen Kompilators Fa-hai. Trotzdem lassen sich weder die Existenz eines Jüngers Fa-hai noch auch Aufzeichnungen durch Jüngers Hand ausschließen. So stehen die zwei Standpunkte einander wie unvereinbare Gegensätze, ja wie zwingende Alternativen gegenüber. Yampolsky erörtert die Argumente von beiden Seiten und bemerkt: «Das Problem der Authentizität des frühen Textes kann nicht gelöst werden 10 .» Yanagida bricht in seinen Studien zur Frühgeschichte der Zen-Schule die Alternative auf, indem er das Problem des «Frühtextes des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen» (Kohon Rokuso Dankyô) neu durchleuchtet. Gelingt es ihm, den Knoten zu entwirren, hat er das Problem gelöst? Zweifellos bringt er neue Gesichtspunkte ein, deckt bislang unbemerkte Zusammenhänge auf und entwirft ein überraschendes Gesamtbild. Wir können nicht auf alle Einzelheiten eingehen, sondern nur die Hauptpunkte mitteilen. Yanagida erleichtert dies, da er in seinem Werk die Schritte seines Vorangehens reflektiert und seine Ergebnisse immer wieder zusammenfasst. Die Tun-huang-Version, ein jahrhundertelang unbekannter, in verderbtem Zustand aufgefundener, aus vielen ungleichen Teilen zusammengesetzter Text, stellt den Historiker vor eine faszinierende Aufgabe. Es ist anzunehmen, dass es frühere Textgestalten gegeben hat, zumal seit alters Nachrichten über wiederholte Veränderungen des Textes im Umlauf sind 11 . Allerdings lässt sich über die 142 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Form des Frühtextes nichts Sicheres ausmachen, wenn nicht noch einmal glückliche Funde alte Manuskripte zu Tage fördern. Was den Inhalt betrifft, so steht der erhebliche Beitrag Shen-huis und seiner Schule außer Frage. Doch enthält das Sutra auch Stücke, die möglicherweise aus anderen Quellen herrühren, vorab die wichtigen Abschnitte über die «Formlosen Gebote der Drei Zufluchten» (Nr. 20 - 26) 12 . Die Annahme der Gebote, in feierlichem Ritus vollzogen, ist eine Hauptzeremonie in allem Buddhismus. Im chinesischen Buddhismus scheint sie während der T ’ ang-Zeit in hohem Ansehen gestanden zu haben. Shen-hui versteht in seinen Reden die Gebote im üblichen ethischreligiösen Sinn, während die «Formlosen Gebote» des Sutras des sechsten Patriarchen die metaphysische Sicht der Weisheitslehre der Prajñâpâramitâ- Sutren bekunden 13 . Wie ist dieser Unterschied zu erklären? An diesem Punkt setzt die Untersuchung Yanagidas ein. Die neugestalteten formlosen Gebote, dieses Kernstück der Lehre Hui-nengs, findet sich nicht bei Shen-hui, sie waren ihm offenbar zur Zeit der Abfassung seiner Reden nicht bekannt 14 . Von woher fanden sie Eingang in das Hochsitzsutra? Die damals aufblühende Ochsenkopf-Schule pflegte intensiv die Weisheitslehre der Mâdhyamika-Philosophie. Auf diesen Umstand gründet sich die Vermutung, die Yanagida in Form einer Frage vorbringt: «. . . Kann der Widerspruch zwischen den Reden Shen-huis und dem Tun-huang-Hochsitzsutra aufgelöst werden, wenn man das Gedankengut der formlosen Gebote, die die älteste Schicht des Tun-huang-Hochsitzsutras ausmachen, für ein Gebilde des von Süd- und Nordschule verschiedenen dritten Stromes der Ochsenkopf-Schule ansieht? 15 » In dieser Richtung weiterforschend stellt Yanagida die Hypothese - er nennt seinen Gedankengang selbst so - auf, dass ein Frühtext nach Art des Hochsitzsutras innerhalb der Ochsenkopf-Schule entstanden sei, mit dem sich in der Folge Stücke aus den Reden Shen-huis verbanden. Er mutmaßt, ob nicht möglicherweise durch «gegenseitige Verwertung zwischen Ochsenkopf-Schule und der Linie des Shen-hui die heute vorliegende Tun-huang-Version des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen als Lehrrede des Hui-neng von der Südschule gestaltet» wurde 16 . Yanagida findet eine Bestätigung seiner Annahme bei der Bemühung um die Aufhellung der geschichtlich undeutlichen Existenz des angeblichen Kompilators der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras Fa-hai. Historisch unsicher ist auch der in den Reden Shen-huis überlieferte Bericht eines Gesprächs, das kurz vor dem Tod Hui-nengs zwischen dem Meister und einem Jünger namens Fa-hai stattgefunden haben soll 17 . Der Jünger fragte über die Nachfolge, konkret, an wen das Gewand weitergegeben werden solle. Der Meister verweigerte die Antwort und wies den Jünger zurecht, fügte aber das prophetische Wort hinzu, 40 Jahre nach seinem Tod werde jemand die Schule aufrichten. Diese Episode ist auch im Hochsitzsutra erzählt, nur wird die Zeitspanne auf 20 Jahre angege- Das Sutra des sechsten Patriarchen 143 ben 18 . Diese Angabe passt zum Datum der großen Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai. Bei der Berechnung aufgrund von 40 Jahren ergibt sich ein Datum nahe bei den Veränderungen im Lebenslauf des Shen-hui, die seinen triumphalen Lebensabend einleiten. Um diese Zeit dürfte im Jüngerkreis Shen-huis die Tunhuang-Version des Hochsitzsutras ihre Form gewonnen haben. Die in Shen-huis Reden erzählte Episode vom Gespräch des Fa-hai mit Huineng an dessen Lebensende bietet keine wesentliche Verstärkung für die Existenz des Kompilators Fa-hai 19 . Beide Zitationen wurden fast zur gleichen Zeit, nämlich am Lebensabend Shen-huis oder kurz nach seinem Tode niedergeschrieben und fixieren historisch unsichere Überlieferungen aus zurückliegender Zeit. Doch lebte und wirkte damals in der Ochsenkopf-Schule Fa-hai, ein Jünger des Hsüan-su (668 - 752) 20 . Es ist kaum anzunehmen, dass dieser Fahai den Hui-neng persönlich gekannt hat, aber Shen-hui und seine Jünger pflegten, so dürfen wir mutmaßen 21 , Umgang mit ihm. Vielleicht ist er der Fahai, der in der Hui-neng-Biographie der Reden Shen-huis genannt wird 22 . Ob sein Name auf diesem Weg Eingang ins Überlieferungsgut der Südschule und schließlich ins Hochsitzsutra gefunden hat? Yanagida hält dies für möglich, ja in Anbetracht der «gegenseitigen Beeinflussungen zwischen der Ochsenkopfschule und der Südschule des Shen-hui» 23 für wahrscheinlich. Es könnte wohl sein, dass so «ein Hochsitzsutra der Ochsenkopf-Schule zum Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen geändert wurde» 24 . Namenänderungen, Verwechslungen, Zusammenlegungen verschiedener Personen, Auseinandertrennung einer Person und ähnliches kommen in den Schriften jener Zeit nicht selten vor. Yanagida fasst die Entstehungsgeschichte des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen in den folgenden sechs Hauptpunkten zusammen 25 : Erstens: Die älteste Schicht entstand in der Ochsenkopf-Schule, sie umfasst die Abschnitte über die formlosen Gebote (Nr. 20 - 26) und das Samâdhi der Prajñâ (Nr. 27 - 30) sowie den Abschnitt über die sieben Buddhas und 28 (oder 29) indischen Patriarchen; als Redaktor kann Fa-hai, der Jünger des Hsüan-su, angesehen werden. Zweitens: Änderungen, insbesondere die Betonung von Selbstnatur und Geistnatur, führten in die Nähe der unorthodoxen Theorie von einem unveränderlichen Absoluten und weckten Kritik. Drittens: Während der letzten Lebensjahre Shen-huis (gest. 762) oder nach seinem Tod wird eine Biographie des Hui-neng verfasst, die (in kritischer Abwehr gegen die Ochsenkopf-Schule) Fa-hai und Wei Ch ’ ü 26 zu Jüngern Hui-nengs macht. Viertens: In der Südschule Hui-nengs wird der Frühtext aus der Ochsenkopf- Schule abgeändert; eine Selbstbiographie Hui-nengs und Berichte über seine zehn großen Jünger kommen hinzu. 144 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Fünftens: Vor 779 zu datieren ist die Abfassung der Schrift Rekidai Hôbôki (chin. Li-tai fa-pao chii); diese Schrift kannte eine ältere Fassung des Hochsitzsutras (sei es aus der Ochsenkopf-Schule oder eine andere? ). Sechstens: Das Erscheinen der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen liegt zwischen dem Erscheinen der für die Ausformung der Hui-neng-Biographie wichtigen Schrift Sôkei Daishi Betsuden (781) und der Schrift Hôrinden (chin. Pao-lin chuan, 801). Einige Bemerkungen können der Verdeutlichung dieser Zusammenstellung dienen. Die Patriarchenliste der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras (Nr. 51) ist nicht nur von der Generationsfolge der 13 Patriarchen bei Shen-hui verschieden, sondern beruht auf einer anderen Grundlage, nämlich auf der Patriarchenliste der Ochsenkopf-Schule, die im Epitaph des Li Hua für den Tendai-Meister Hsüan-lang erhalten ist. Die Liste ist mit den 29 Namen zuerst im Rekidai Hôbôki aufgeführt. Durch die Tun-huang-Version des Hochsitzsutras wird die Zahl endgültig auf 28 festgelegt. Seitdem gehören die sieben Buddhas und 28 indischen Patriarchen zum sicheren Bestand der Zen-Überlieferung 27 . In den zwei ersten Punkten seiner Zusammenfassung berührt Yanagida wichtige, einigermaßen problematische Themen der Zen-Lehre, die wir für die Erörterung des Lehrgehaltes des Sutras aussparen. Kein Zweifel besteht darüber, dass die Abschnitte im Tun-huang-Hochsitzsutra, die den Lebenslauf Hui-nengs und seine Jünger betreffen, aus dem Jüngerkreis des Shen-hui herrühren. Das gleiche gilt für alle Polemik gegen die Nordschule. Das Gesamtbild, das Yanagida von der Entstehung der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen inmitten der Zen-Bewegung des 8. Jahrhunderts zeichnet, bietet eine beachtliche Alternative gegenüber den eingangs erwähnten früheren Erklärungsversuchen. Man mag an einzelnen Forschungsergebnissen zweifeln, ja sogar die maßgebende Rolle der Ochsenkopf-Schule nicht für voll erwiesen ansehen 28 . Das umfangreiche Material, das Yanagida ausbreitet und auf dem seine Thesen aufruhen, schließt einfache Lösungen aus. Vor allem beeindrucken in der neuen Sicht die Ausdehnung und das weitmaschige Beziehungsnetz der chinesischen Zen-Bewegung des 8. Jahrhunderts. Vielfache Kontakte lassen durch den Austausch von Überlieferungen und Meinungen in Abgrenzung, Auseinandersetzung und teilweiser Ablehnung ebenso wie in Übernahme, Angleichung und Harmonisierung das «Zen der Patriarchen» entstehen, dessen endgültige Form das Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen in der Tun-huang-Version repräsentiert 29 . Die Zen-Bewegung ist keineswegs auf die zwei feindlichen Schulen von Nord und Süd beschränkt. Wir sahen die Ochsenkopf-Schule bedeutsam im Vordergrund der Entwicklung. Die von Yanagida in seiner Zusammenfassung genannten, mit der Tun-huang- Das Sutra des sechsten Patriarchen 145 Version des Hochsitzsutras verwandten Zen-Schriften weisen überdies auf mehrere andere Schulen oder Linien im Zen der Epoche hin. Die von Saichô (767 - 822) nach Japan überbrachte, in Vereinfachung des ursprünglichen Titels Sôkei Daishi Betsuden genannte Schrift stammt aus dem Kreis des Hsing-t ’ ao (oder Lin-t ’ ao), eines Jüngers Hui-nengs, der gemäß der Überlieferung das Grab seines Meisters im Tempelkloster Hôrinji bewachte 30 . Die Schrift übte maßgebenden Einfluss auf die Gestaltung der Legende des sechsten Patriarchen aus. Die Schrift Rekidai Hôbôki entstammt einer weiteren zeitgenössischen Zen- Schule, der Szechuan-Schule, die sich von Chih-hsien (609 - 702), einem der zehn Jünger des fünften Patriarchen Hung-jen, ableitet 31 . Die Berichte über Chihhsien und über die Übertragung der Nachfolge an Ch ’ u-chi ( - 732) sind geschichtlich unsicher. Bei Wu-hsiang (684 - 762), dem dritten in der Reihe, der Herkunft nach aus Korea, soll Hui-nengs großer Enkeljünger Ma-tsu (709 - 788) eine Zeitlang gelebt und geübt haben 32 . Nach dem Wohnsitz seines Nachfolgers Wu-chu (714 - 774), dem Tempelkloster Hotôji (chin. Pao-t ’ ang-ssu) in der Provinz Szechuan, wird die Linie auch die Hotô- (chin. Pao-t ’ ang-)Schule genannt. Sie rühmt sich des Besitzes des Patriarchengewandes, das einer völlig unglaubwürdigen Nachricht zufolge dem Gründer Chih-hsien nach einem Aufenthalt am Hof von der Kaiserin Wu zur Aufbewahrung mitgegeben wurde 33 . Wu-chu zog eine große Schülerzahl an. Er verfocht mit äußerster Radikalität die Plötzlichkeit der Erleuchtungserfahrung und verwarf Riten und Askese bis an die Grenze des Antinomismus. Die Schule, mit vier Vertretern in der Zen- Geschichte bekannt, vertritt nachdrücklich den Standpunkt der Südschule Huinengs einschließlich der scharfen Ablehnung der Nordschule. Zur Zeit der Enstehung des Rekidai Hôbôki (kurz vor der Abfassung der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras) hat sich die Vorrangstellung des sechsten Patriarchen Huineng im chinesischen Zen-Buddhismus durchgesetzt. Zu seiner Gestalt schauen Meister und Jünger vieler Schulen verehrend auf. Eine umfassende Übereinstimmung kam zum Tragen. Wie das Sutra des sechsten Patriarchen nicht das Werk eines einzigen Autors ist, so steht die Lehre des Sutras nicht nur für eine Richtung oder Schule, sondern für alles «Zen der Patriarchen» 34 . Den Abschluss der Zen-Schriften des 8. Jahrhunderts bildet das Hôrinden (chin. Pao-lin chuan), das - an der Schwelle zum 9. Jahrhundert abgefasst - die Ergebnisse authentisch zusammenfasst. Die neue Epoche hat begonnen. Sie steht unter dem Zeichen des sechsten Patriarchen. Das Zen weiß sich dem Ideal der plötzlichen Erleuchtung verpflichtet, es gründet in der Mahâyâna-Metaphysik, verstanden in der Perspektive der Weisheitssutren (Prajñâpâramitâ). Diese Elemente des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen bedürfen der Erwägung. 146 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die Biographie des Hui-neng Zum Hochsitz emporgestiegen, begann Hui-neng seine große Lehrrede im Tempelkloster Ta-fan (jap. Daibonji) 35 mit einer Vorstellung seiner Person. Dieser erste Teil seiner Ausführungen, gewöhnlich «Autobiographie» (Nr. 2 - 11) genannt, bietet nicht seinen vollen Lebenslauf, sondern lediglich den Kern der Legende des sechsten Patriarchen, die während des 8. Jahrhunderts Gestalt gewann. Nach dem über Entstehung und Quellen der Tun-huang-Version des Hochsitzsutras Gesagten bedarf es keiner Versicherung, dass Hui-nengs Rede keinen Anspruch auf geschichtliche Zuverlässigkeit machen kann. Was wissen wir historisch sicher über die Person und das Leben Hui-nengs? Quellenmäßig nur den Namen. In der Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister ist sein Name unter den zehn Jüngern des fünften Patriarchen Hung-jen aufgeführt. Aus den Ereignissen des 8. Jahrhunderts können wir auf die Bedeutung seiner Person zurückschließen. Dieser Jünger Hui-neng genoss Ansehen bei seinen Zeitgenossen. Anknüpfend an seinen Namen entwickelten sich Lebensbeschreibung und Legende. Die überlieferten Nachrichten stimmen nicht überein, ja widersprechen manchmal einander. Wenn es sich um schlichte Fakten, um Zeit- oder Ortsangaben oder auch um Geschehnisse handelt, ist die eine Mitteilung ebenso glaubwürdig wie die andere, völlig sicher ist keine. Das älteste, leider nicht sichere Quellenmaterial für die Biographie des Huineng bietet eine Inschrift an einer Gedenkpagode des Tempelklosters Fa-hsing (jap. Hôsshôji), datiert aus dem Jahr 676 36 . Das Werk Enô Kenkyû («Studien über Hui-neng») führt die Inschrift als erste Quelle auf und bemerkt: «Die Inschrift an der Pagode der Beerdigung des Haares erinnert an die Begegnung des Hui-neng mit Yin-tsung im Tempelkloster Fa-hsing und an die Zeremonie der Mönchstonsur Hui-nengs. Fa-ts ’ ai, ein Mönch des Klosters, beging am Geburtstag Buddhas die Beerdigung und errichtete die Pagode; man darf sagen, dass der Quellenwert überaus hoch ist 37 .» Die Inschrift ist nicht erhalten, doch findet sich der Text in der Sammlung historischer Quellen aus der T ’ ang-Zeit 38 . Yanagida hat ihn neu ediert und hält ihn für «im Ganzen glaubwürdig», meint indes, dass «bezüglich des Quellenwertes dieser Inschrift manche Fragen offen bleiben» 39 . Eine Schwierigkeit liegt darin, dass die Inschrift in frühen Schriften nicht erwähnt wird, auch nicht im Geschichtswerk Sô Kôsôden, das sich gerne auf solche Inschriften stützt 40 . Der Text berichtet von der Errichtung der Weihebühne des Tempels durch Gu ṇ abhadra sowie von einer Prophezeiung aus dem Jahr 502, dass nach 160 Jahren hier jemand den Dharma vor großen Volksmengen verkünden werde. Dann ist die Begebenheit der Mönchsordination Huinengs durch Yin-tsung erzählt. Eine siebenstöckige, achtseitige Pagode wurde am Ort, an dem das Haar beigesetzt wurde, errichtet. Die Inschrift trägt das Datum und den Namen des sonst unbekannten Tempelvorstehers Fa-ts ’ ai; sie ist Das Sutra des sechsten Patriarchen 147 das einzige Quellenmaterial, das, wenn echt, bis in die Lebenszeit Hui-nengs zurückreicht. Alle weiteren Quellen stammen aus viel späterer Zeit, überdies aus der Südschule. Das heißt, in ihnen ist die Idealisierung Hui-nengs als des sechsten Patriarchen deutlich erkennbar. Die Legende wächst beständig an, ohne dass eine Kontrolle von außen möglich ist. In zeitlich großem Abstand folgt nach der Pagodeninschrift als zweites Quellenzeugnis ein auf Veranlassung Shen-huis verfasstes Epitaph des chinesischen Literaten Wang Wei für Hui-neng 41 . Diese Inschrift ist undatiert, aber sicher nach der großen Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai (732), wahrscheinlich während der letzten Lebensjahre Wang Weis (gest. 761) abgefasst. Inhaltlich beruht sie auf biographischen Angaben Shen-huis und seiner Jünger. Wang Wei kennt den Familiennamen des «Zen-Meisters von Ts ’ ao-ch ’ i» Lu, jedoch nicht den Ort seiner Geburt. Lu lebte auf dem Lande, bevor er noch jung den Zen-Meister Hung-jen vom Ostberg aufsuchte. Beeindruckt von den hervorragenden Fähigkeiten seines Schülers übergab ihm der Meister das Gewand. Danach verließ Lu alsbald den Ostberg, um - diese Nachricht ist Eigengut des Epitaphs - 16 Jahre lang unter Kaufleuten und Arbeitern verborgen zuzubringen. Das folgende Ereignis, seine Begegnung mit dem Dharma-Meister Yin-tsung, einem Lehrer des Nirvâṇa-Sûtra, dürfte biographischen Wert haben. Von diesem Meister empfing er die Mönchsordination. Dann entfaltete er eine intensive Lehrtätigkeit, bei der er den Weg der Plötzlichkeit und der Negation im Sinne der Weisheitssutren betonte. Eine Einladung der Kaiserin Wu an den Hof schlug er aus 42 . Seinen Jüngern sagte er seinen bevorstehenden Tod voraus. Wunderzeichen begleiteten seinen Hingang. Sein Grab befindet sich in Ts ’ ao-ch ’ i. Zu der Altersangabe im Text stimmt nicht die, wie es scheint, später hinzugefügte Bemerkung, Shen-hui habe bei der Begegnung mit Hui-neng in seinen mittleren Jahren gestanden. Der Text schließt mit einigen Versen ab. Die legendären Züge im Epitaph des Wang Wei sind unverkennbar. Die Geschichte von der Weitergabe des Gewandes, des Zeichens der Patriarchenwürde, ist eine Erfindung Shen-huis. Die dem Hui-neng im Epitaph zugeschriebenen hervorragenden Eigenschaften werden in der Folge ausgebaut, die biographischen Lücken werden ergänzt. In der Liste des Materials zur Biographie Hui-nengs folgen vier Eintragungen, die Schriften aus dem 8. Jahrhundert nennen 43 . Zuerst aufgeführt sind die Reden Shen-huis mit einer Kurzbiographie des sechsten Patriarchen, vielleicht eine Hinzufügung zum Text 44 . Zweifellos haben Shen-huis Reden die gesamte Überlieferung der Südschule stärkstens beeinflusst. Die Chronik des Rekidai Hôbôki, die folgende Materialquelle, übernimmt ihre Nachrichten zum großen Teil aus den Reden Shen-huis. Die wichtigsten frühen Quellen zur Biographie Hui-nengs sind die Schrift Sôkei Daishi Betsuden («Besondere Überlieferung des Großmeisters von 148 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Ts ’ ao-ch ’ i») und die Autobiographie des Tun-huang-Textes des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen. Diese zwei Quellen, keine eigentlichen Chroniken der «Weitergabe der Leuchte», stimmen im Kern überein und ergänzen einander; sie enthalten das wichtigste Material für viele folgende Versionen der Hui-neng- Geschichte. Vom Biographischen her gesehen, verdient die «Besondere Überlieferung» den Vorzug. Nach der Ansicht Yanagidas «zeigt sie am frischesten das Image Hui-nengs als des Gründers des Zen der Patriarchen und spiegelt den neuen Buddhismus nach dem Aufruhr des An Lu-shan wider» 45 . Die Autobiographie des Hochsitzsutras schildert mit einmaliger Wucht das dramatische Geschehen der Überlieferung der Patriarchenwürde an Hui-neng. Die Nachrichten über Herkunft und früheste Jugend Hui-nengs sind in allen Quellen spärlich und voneinander verschieden. Die Autobiographie geht sogleich in knappen Sätzen auf die Hauptsache los. «Mein Vater», so erzählt Hui-neng, «war ursprünglich Beamter in Fa-yang. Er wurde von seinem Posten entlassen, nach Ling-nan verbannt und lebte als Bürger in Hsin-chou. Ich war noch ein Kind, als mein Vater starb. Meine alte Mutter und ich, ein Waisenkind, zogen nach Nan-hai. Wir litten bittere Armut, ich verkaufte Brennholz auf dem Markt» (Nr. 2). Dies ist die Ausgangssituation im Sutra. Die Autobiographie erzählt im gleichen Abschnitt, wie der Bursche Lu beim Verkauf seiner Ware zufällig einen Kunden Verse des Diamantsutras lesen hört, dabei zur Erleuchtung erwacht und sich auf den Weg zum Sitz des fünften Patriarchen Hung-jen auf dem Ostberg macht. Die Lebensbeschreibung der «Besonderen Überlieferung», im Jüngerkreis des Hsing-t ’ ao, des Wächters am Grab Hui-nengs in Ts ’ ao-ch ’ i, entstanden, macht das Tempelkloster Hôrinji (chin. Pao-lin ssu) zum Zentrum des Berichtes. Die Schrift erzählt zunächst von der Gründung des Tempelklosters, erwähnt die Prophezeitung des Chih-yao, gemäß der an dieser Stätte der Dharma 170 Jahre später einen unerhörten Aufschwung nehmen werde, und rühmt die Gunsterweise, die dem Tempel vom Hof zuteilwurden. Aus der Kindheit und Jugendzeit Hui-nengs weiß die Schrift nur, dass der Knabe, in Hsin-chou gebürtig und mit Familiennamen Lu, im Alter von drei Jahren beide Eltern verlor. Der Ort wechselt wieder nach Ts ’ ao ’ -ch ’ i. Dort begegnet Hui-neng - er ist inzwischen 30 Jahre alt - einem Dorfbewohner Liu Chih-lüeh, der ihn bei seiner Verwandten, einer buddhistischen Nonne, einführt. Diese ist eifrige Verehrerin des Nirvâṇa-Sûtra. Hui-neng lauscht ihrer Sutrenrezitation. Als die Nonne ihn auffordert, selbst das Sutra zu lesen, gesteht er, des Lesens unkundig zu sein. «Wenn du schon die Schriftzeichen nicht kennst, wie kannst du ihren Sinn verstehen? », fragt die Nonne. Darauf die Antwort: «Das Wesen der Buddha- Natur hat nichts mit der Kenntnis der Schriftzeichen zu tun; was ist daran sonderbar, wenn einer die Schriftzeichen nicht kennt? 46 » Das Sutra des sechsten Patriarchen 149 Von der Weisheit des jungen Mannes beeindruckt, veranlassen ihn die Leute der Gegend, die Hauslosigkeit (shukke) 47 zu wählen und im Tempelkloster Hôrinji Wohnung zu nehmen. Nach drei Jahren asketischer Übung im Tempel hört Hui-neng von einem Dhyâna-Meister Yüan. Er sucht diesen in seiner Fehlshöhle auf und lernt bei ihm die Meditation im Hocksitz (zazen) 48 . Ein anderer Dhyâna-Meister namens Hui-chi empfiehlt ihm, den Meister Hung-jen vom Ostberg aufzusuchen, der den Zen-Weg lehre. Die «Besondere Überlieferung» erzählt hier den Besuch Hui-nengs bei Hung-jen mit Angabe der wichtigsten Einzelzüge bis zur Übertragung der Patriarchenwürde, symbolisiert durch Gewand und Almosenschale. Der Bericht ist eher nüchtern, doch wird in dichterischer Ausschmückung erzählt, der junge Hui-neng habe sich einen schweren Stein um die Hüften gebunden, weil sein leichter Körper beim Reisstampfen nicht genug Gewicht gehabt habe. Die Geschichte endet mit dem Abschied von Hung-jen und der Verfolgung durch Hui-ming 49 . Die Geschehnisse beim Besuch Hui-nengs auf dem Ostberg und bei der Übertragung der Patriarchenwürde machen die Mitte der Autobiographie des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen aus. Hui-neng bricht, nur mit wenigen Worten seinen Zuhörern bekannt gemacht, alsogleich zur wichtigsten Fahrt seines Lebens auf. Sein Alter wird im Tun-huang-Text nicht genannt. Gemäß den Reden Shen-huis und der Schrift Rekidai Hôbôki war er 24 Jahre alt. Diese Angabe wurde von den späteren Chroniken durchwegs übernommen 50 . Verse des Diamantsutras, die er wie zufällig vernahm, setzten ihn in Bewegung. Beim ersten Zusammentreffen mit dem fünften Patriarchen entspinnt sich ein Gespräch über die Buddha-Natur, das Zentralthema des Nirvâṇa-Sûtra. Beide Sutren sind im Entwicklungsgang des sechsten Patriarchen wichtig. Hung-jen fragt seinen Besucher zuerst nach Herkommen und Verlangen, um ihm gerade heraus zu erklären, ein Barbar aus dem Süden könne nicht Buddha werden. Darauf der ungebildete Bursche Lu: «Mögen Menschen aus dem Süden und dem Norden verschieden sein, in der Buddha-Natur gibt es kein Süden und Norden» (Nr. 3). Hung-jen durchschaut die ungewöhnliche Geisteskraft des Ankömmlings aus dem Süden. Doch enthält er sich jeder Bemerkung und trägt ihm auf, mit den anderen Jüngern zu arbeiten. Ein Laienjünger lässt ihn Reis stampfen. «Ich tat dies mehr als acht Monate lang», erinnert sich Hui-neng vor seinen Zuhörern. Eines Tages ruft Hung-jen seine Jünger zusammen und befiehlt ihnen, eine Versstrophe zu dichten, die den Grad ihres Erleuchtungswissens anzeigen soll: «Ich werde eure Verse lesen. Wenn einer da ist, der zum Großen Sinn erwacht ist, werde ich ihm Gewand und Dharma geben und ihn zum sechsten Patriarchen machen» (Nr. 4). Die Jünger kehren zu ihren Wohnräumen zurück, sie fühlen sich überfordert und kommen überein, die Mühe dem Hauptmönch Shen-hsiu zu überlassen. Dieser besaß zwar viel gelehrte Sutrenwissenschaft, war aber weit 150 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China von der Erleuchtung entfernt. Deshalb stürzt ihn des Meisters Befehl in tiefe Besorgnis. Schließlich bringt er eine Versstrophe zustande, die er um Mitternacht an die mittlere Wand des Südflurs schreibt: Der Leib ist der Baum der Erleuchtung (bodhi), Der Geist gleicht einem klaren Spiegel. Müh ’ dich, ihn allezeit abzuwischen! Laß kein Staubkorn sich darauf ansetzen! (Nr. 6) Am folgenden Morgen erblickt Meister Hung-jen als Erster die Versstrophe. Er ruft alle Jünger zusammen und brennt Weihrauch vor den Versen. Die Jünger sind voller Bewunderung und glauben schon die Nachfolgefrage entschieden. Der Meister nimmt Shen-hsiu beiseite. Als er seine Vermutung bezüglich der Verfasserschaft bestätigt findet, sagt er ihm: «Diese Verse zeigen, dass du die volle Einsicht noch nicht erlangt hast. Du bist bis vor das Tor gelangt, konntest jedoch noch nicht eintreten.» Übung, wie diese Verse sie zeigen, mag dem gemeinen Mann nützen, die vollkommene Erleuchtung kann sie nicht bringen. «Du musst durch das Tor eintreten und deine ursprüngliche Selbstnatur schauen» (Nr. 7). Er entlässt Shen-hsiu, er solle es weiter versuchen. Aber mehrere Tage verstreichen, und der Hauptmönch der Tempelgemeinde bringt keine Erleuchtungsstrophe zustande. Zufällig hört Hui-neng, der in der Scheune Reis stampft, einen Tempeljungen im Vorbeigehen die Verse hinsagen. Er begreift sofort, dass die logisch widerspruchslosen Verse, die sich durch Erklärung der zwei Allegorien leicht auflösen lassen, nicht die Erleuchtung ausdrücken. Das Sutra dramatisiert hier das angebliche Analphabetentum des künftigen sechsten Patriarchen, der sich zum Südflur hinführen lässt, vor den Schriftzeichen seine Verehrung darbringt und bittet, ihm die Verse vorzulesen. Im Nu formt sein erleuchteter Geist eine neue Strophe, die wirklich von Erleuchtung zeugt. Er bittet, seine Verse an die Wand des Westflurs anzuschreiben. Der Tun-huang-Text gibt zwei leicht verschiedene Versionen. Am treffendsten ist diese Überlieferungsform: Es gibt ursprünglich keinen Baum der Erleuchtung, Noch einen Ständer mit einem klaren Spiegel. Von Anfang an existiert nicht ein einziges Ding. Wo kann sich ein Staubkorn ansetzen? 51 Die Bewunderung der Jünger über die Verse des Analphabeten kennt keine Grenzen. Aber der Meister hält mit dem Lob zurück: «Auch dies ist noch nicht die vollkommene Erleuchtung» (Nr. 8). Doch ruft Hung-jen in der Nacht den Hui-neng zu sich und übergibt ihm den Dharma der plötzlichen Erleuchtung und das Gewand mit den Worten: «Ich mache dich zum sechsten Patriarchen. Das Gewand ist das Zeugnis und soll von Geschlecht zu Geschlecht weiterge- Das Sutra des sechsten Patriarchen 151 geben werden. Der Dharma wird von Geist zu Geist überliefert» (Nr. 9). Hungjen heißt ihn eilends nach Süden aufbrechen und begleitet ihn bis zur Station Chiu-chiang (Provinz Kiangsi). Die autobiographischen Mitteilungen schließen mit einem letzten Abschnitt über die Verfolgung durch Hui-ming. Diese Episode kommt in der Zen-Literatur in verschiedenen Varianten vor. Gemäß dem Tunhuang-Text des Hochsitzsutras geschah die Verfolgung in feindlicher Absicht, Hui-ming wird als roh und gewalttätig gezeichnet, erlangt indes die Erleuchtung, als Hui-neng ihm auf dem Gipfel des Ta-yü-Berges den Dharma erklärt (Nr. 11). Gemäß der «Besonderen Überlieferung» weigerte sich Hung-jen, den Jüngern weiterhin Lehrvorträge zu halten, weil der Buddha-Dharma nicht mehr da sei, er sei auf dem Weg nach Süden. Drei Tage vor seinem Tod wiederholt er diese Erklärung und sagt seinen baldigen Hingang voraus. Bei seinem Tod geschehen, wie die Schrift anmerkt, Wunderzeichen. Der Jünger Hui-ming bricht nun auf und trifft Hui-neng auf dem Ta-yü-Gipfel. Von feindlicher Absicht ist keine Rede. Vielmehr bittet er den sechsten Patriarchen, der ihm ohne Zögern Gewand und Almosenschale gibt, um Belehrung, für die er dankt. Dann mahnt er zu rascher Weiterreise, weil Verfolger dem Hui-neng nachstellen. Er selbst wendet sich zum Lu-shan, wo er nach dreijähriger Übung in einem Tempelkloster die Erleuchtung erlangt 52 . Die biographischen Angaben für die nächsten Jahre stimmen nicht überein. Hui-neng lebte - wie lange, ist unsicher - einige Jahre zurückgezogen in Südchina. Chang Wei spricht von 16 Jahren, die «Besondere Überlieferung» von 5 Jahren. Das nächste wichtige Ereignis ist die Begegnung mit Yin-tsung (627 - 713), einem Vinaya-Meister und Verehrer des Nirvâṇa-Sûtra im Tempelkloster Chih-chih (jap. Seishiji). Hui-neng hört seinen Lehrvortrag über das Sutra an. Einen Disput der Jünger, die darüber streiten, was sich bewegt, ob die Tempelfahne oder der Wind, löst er durch die Belehrung, dass der Geist sich bewegt 53 . Am Abend nimmt Yin-tsung ihn mit in sein Zimmer. Über den Dharma Hung-jens befragt, gibt Hui-neng die Auskunft, dass er der Dharma- Erbe ist und zeigt zum Beweis das Gewand vor. Yin-tsung erweist ihm tiefe Verehrung. Nun erklärt ihm Hui-neng das Schauen der Geistnatur und die Transzendenz der Buddha-Natur über alle Dualität. «Die Buddha-Natur ist der Dharma der Nicht-Zweiheit», mit diesen Worten schließt das denkwürdige Zwiegespräch. Zutiefst bewegt bittet Yin-tsung den sechsten Patriarchen, sein Lehrer zu sein. Die Legende hat in diesem Bericht, so meint Yanagida, die geschichtliche Situation auf den Kopf gestellt 54 . Nach den Quellen war Yin-tsung ein hoch berühmter Meister, angesehen bei Hof und eine anerkannte Autorität für das Ritualwesen, In der «Besonderen Überlieferung» erscheint der «Asket Lu» - er befindet sich noch im Laienstand - als der Größere. «Wie glücklich ist Yin-tsung! Obgleich ein ‹ gewöhnlicher Mensch › (jap. bonbu, sanskr. pṛthagjana) findet sich 152 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China unverhofft unter seinen Hörern ein Bodhisattva des kosmischen Buddha-Leibes. Das Nirvâṇa-Sûtra, das Yin-tsung den Versammelten erklärt, ist wie Ziegel und Kieselstein; was ihm auf seine Bitte in der vergangenen Nacht der Asket Lu im Zimmer darlegte, ist wie Gold und Edelsteine 55 .» Solche Passagen sind Höhepunkte der Legendendichtung. Die «Besondere Überlieferung» berichtet in einem kurzen Satz, dass Yintsung die Tonsur Hui-nengs vornahm, danach etwas ausführlicher über seine Mönchsordination unter Mitwirkung hoher geistlicher Würdenträger im Tempelkloster Hosshôji (676). Mit Aufnahme der Predigttätigkeit beginnt ein neuer, der letzte Abschnitt im Leben des Patriarchen. Yin-tsung und mehr als 3000 Mönche und Laien begleiteten ihn auf seinen Wunsch hin ins Tempelkloster Hôrinji zurück. Dort sammelte sich eine zahlreiche Gemeinde um den Meister. Sein Leben - so können wir es uns vorstellen - ist während der ihm noch beschiedenen drei oder vier Jahrzehnte mit Lehrvorträgen und Führung der Jünger ausgefüllt. Eine bemerkenswerte Unterbrechung bildet eine Einladung zum Kaiserhof, die der sechste Patriarch selbstverständlich ausschlägt. Er wird dann durch Geschenke und die Verleihung eines neuen Namens für sein Tempelkloster geehrt 56 . Einladungen zum Kaiserhof und Gespräche mit kaiserlichen Abgesandten veranschaulichen in den Biographien der frühen Zen-Meister die zwiespältige Haltung zur politischen Macht: einerseits Zurückhaltung und Ablehnung als Erweis der Losschälung von irdischem Glanz, andererseits Auszeichnungen, die den erleuchteten Meister unerwünscht ins Rampenlicht stellen. Der Tun-huang-Text des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen enthält außer der Autobiographie auch im Schlussteil noch einige biographische Mitteilungen. Es wird gesagt, dass Hui-neng nach Beendigung der großen Lehrrede nach Ts ’ ao-ch ’ i zurückkehrte (Nr. 37). Dort hat er Gespräche mit mehreren Zen-Mönchen, die in seine Jüngerschaft eintreten, nämlich mit Chihch ’ eng, der von Shen-hsiu gesandt, um den sechsten Patriarchen auszuforschen, bei Hui-nengs Worten die Erleuchtung erfährt (Nr. 40, 41), mit Fa-ta, dessen Kenntnis des Lotossutras durch Hui-nengs Belehrung zu erleuchteter Weisheit überhöht wird (Nr. 42), mit Chih-ch ’ ang, den der Patriarch das über die drei buddhistischen Fahrzeuge hinausliegende «Höchste Fahrzeug» lehrt (Nr. 43), schließlich mit Shen-hui, dessen Aufnahme in den Jüngerkreis durch ein kôanartiges Gespräch eingeleitet wird (Nr. 44). Shen-hui blieb von diesem Zeitpunkt an - das Datum ist nicht angegeben - bis zum Tod des Meisters bei Hui-neng. Das Sutra führt die Namen der zehn Jünger Hui-nengs auf, außer den genannten die Namen Fa-hai, Chih-t ’ ung, Chih-ch ’ e, Chih-tao, Fa-chen und Fa-ju 57 . Die Zehnzahl ahmt die «zehn großen Jünger» des fünften Patriarchen Hung-jen Das Sutra des sechsten Patriarchen 153 nach. Die einzige in der Zen-Geschichte profilierte Persönlichkeit unter diesen Jüngern ist Shen-hui. Vor seinem Tod regelt Hui-neng, dass von nun an die Überlieferung des Dharma durch die Weitergabe von Abschriften des Hochsitzsutras erfolgen soll (Nr. 47). Er spricht dann bewegende Abschiedsworte: «Kommt nahe heran! », so fordert er die Jünger auf, «Ich wünsche im achten Monat die Welt zu verlassen. Wenn ihr Zweifel habt, so fragt rasch, damit ich eure Zweifel löse! Ich will alle eure Trübungen ausräumen und euch Frieden bereiten. Nach meinem Weggang wird niemand mehr da sein, euch zu lehren.» Zutiefst gerührt weinen alle Jünger, nur Shen-hui bleibt unerschüttert. An ihn wendet sich Hui-neng: «Shen-hui, junger Mönch, du hast (den Zustand) erfasst, wo gut und nicht-gut gleich sind, du bist nicht durch Tadel und Lob bewegt. Ihr anderen habt es noch nicht erfasst. Ihr weint voller Trauer, weil ihr nicht wisst, wohin ich gehe. Wenn ihr wüsstet, wohin ich gehe, würdet ihr nicht so traurig weinen. Der Grund der Natur ist ungeboren und unzerstört, kommt nicht und geht nicht. Setzt euch alle! Ich will euch eine Strophe geben, die Strophe über wahr und falsch, über Bewegung und Ruhe.» Die Jünger bitten um diese Verse. Hui-neng erfüllt ihre Bitte und spricht einen langen Hymnus (Nr. 48). Danach rezitiert er die Erleuchtungsstrophen der sechs ersten chinesischen Zen- Patriarchen, beginnend mit der berühmten Strophe Bodhidharmas: Ursprünglich kam ich ins Land T ’ ang, Um die Lehre zu übermitteln und irrende Lebewesen zu retten. Eine Blume öffnet fünf Blätter. Die Frucht wird von selbst reifen. (Nr. 49) Auf die Frage nach der Generationslinie der Geistüberlieferung nennt Hui-neng nach den sieben Buddhas der Vergangenheit die Namen der 28 indischen Zen-Patriarchen und seiner fünf chinesischen Vorgänger; er ist somit der 40. Geistträger. Es folgen nochmals zwei Versgruppen, die mit den berühmten Worten beginnen: Im Zustand der Trübung ist ein Buddha ein Lebewesen, Erleuchtet ist ein Lebewesen ein Buddha. (Nr. 52) Seine letzten Worte lauten: «Lebt wohl! Jetzt scheide ich von euch. Wenn ich gegangen bin, weint nicht nach Art der Welt, empfangt keine Beileidbezeugungen, kein Geld, keine Seidenstücke, tragt keine Trauerkleidung! Solches entspricht nicht dem rechten Dharma, noch passt es für meine Jünger. Seid genau so, wie als ich da war! Sitzt aufrecht (in Meditation) für eine Weile, ohne Bewegung und ohne Stille, ohne Geburt und ohne Zerstörung, ohne Kommen und ohne Gehen, ohne (Urteilen über) richtig und falsch, ohne Bleiben und ohne Weggehen, nur still und ruhig - dies ist der Große Weg. Nach meinem Weggang 154 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China übt nur gemäß dem Dharma, so wie in den Tagen, als ich mit euch war! Auch wenn ich noch in der Welt wäre, so würde mein Bleiben euch nichts nützen, wenn ihr von der Lehre abweicht.» Wunderzeichen begleiteten den Hingang des sechsten Patriarchen. Gemäß der «Besonderen Überlieferung» starb Hui-neng in seinem zu einem Tempel umgewandelten Elternhaus in Hsin-chou, wohin er sich ein Jahr vor seinem Tode begeben hatte. Sein Leib wurde nach seinem Hinscheiden nach Ts ’ ao-ch ’ i überführt und in einer eigens errichteten Pagode beigesetzt 58 . Die Darstellung von Hui-nengs Tod im Hochsitzsutra veranschaulicht die ungewöhnliche Verehrung und Zuneigung seiner Jünger. Diese Seiten des Hochsitzsutras erinnern an die ergreifende Schilderung des Eingangs Buddhas ins Nirvâ ṇ a im Pâli-Kanon. Die Zen-Bewegung hat in der Hui-neng-Biographie - diese Beobachtung drängt sich auf - das gültige Bild des idealen Zen-Meisters geschaffen. Wenn die Bodhidharma-Legende in ein Märchenland hineinführt, so bleibt die Geschichte vom sechsten Patriarchen im chinesischen Boden verwurzelt. Alle Einzelzüge, ob geschichtlich oder idealisiert, sind wirksam in ein Gesamtbild zusammengefügt. Da ist zuerst der kräftige Bursche vom Land, der mit seiner die Humanität seines Volkes bekundenden Kindesehrfurcht die alte Mutter besorgt - der Analphabet, von keinem Schriftenwissen berührt - , ein lauteres Naturkind und zugleich «Sucher des Tao», des Weges, den das heilige Buddha-Wort der Sutren, vorab des Diamantsutras und des Nirvâṇa-Sûtra, auf die Erleuchtungsspur bringt. Der strahlende Gipfel in diesem Lebenslauf ist die Offenbarung der höchsten Weisheit in den vier Zeilen der Erleuchtungsstrophe, die in der Zen-Geschichte nicht ihresgleichen haben. Diesem «Bodhisattva» gebührt als würdige Krone das Patriarchat der Geistüberlieferung. Die Zen- Bewegung hat die Gestalt Hui-nengs zum Zen-Meister par excellence hochstilisiert. Seine Lehre wird zum Quell der weit verzweigten Ströme der Zen- Schule. Wir suchten die Bausteine der legendären Biographie des sechsten Patriarchen vorzüglich in Quellen aus dem 8. Jahrhundert, der Umbruchzeit in der chinesischen Zen-Geschichte. Die älteste erhaltene Fassung des Hochsitzsutras im Tun-huang-Text 59 lieferte den Grundstock, den Stücke aus der für das Leben des Patriarchen ergiebigen «Besonderen Überlieferung des Großmeisters von Ts ’ aoch ’ i» ergänzten. Die ebenfalls inhaltlich noch dem 8. Jahrhundert angehörige Schrift Hôrinden (chin. Pao-lin chuan), die viel frühes Material zusammenfasst, ist leider nicht vollständig erhalten; die Teile mit der Biographie Hui-nengs fehlen 60 . Tsung-mis (780 - 841) Werke bieten weiteres geschichtlich wertvolles Material für die frühe Zen-Geschichte 61 . Erwähnung verdient ferner das in Korea verbreitete Sodôshû (chin. Tsu-t ’ ang chi), kompiliert von den chinesischen Mönchen Ching und Yün (952) 62 . Die «Biographien berühmter Mönche, kompiliert während der Sung-Zeit» (Sô Kôsôden) enthalten einen Lebensabriss Das Sutra des sechsten Patriarchen 155 des Patriarchen 63 . Das Keitoku Dentôroku (1004), die repräsentative Chronik der Sung-Zeit, hat das Material der Hui-neng-Biographie zu einer späteren Geschlechtern als authentisch geltenden Gesamtdarstellung zusammengefügt. Der überragende Einfluss Hui-nengs ist durch die klassische Zen-Literatur gesichert. Die Gestalt des sechsten Patriarchen verkörpert das Zen. Die plötzliche Erleuchtung als Sehen der Natur Wie die Biographie Hui-nengs dem Shen-hui und dessen Jüngern viel verdankt, so findet sich sein Erleuchtungsweg zum großen Teil in den Reden Shen-huis. Aber ebenso wie in der Biographie des sechsten Patriarchen kommen auch in den Lehrstücken des Hochsitzsutras verschiedene Quellen zu Wort. Hui-nengs große Tempelrede ist kein vollkommenes Ganzes aus einem Guss. Sie lässt sich nicht auseinandernehmen und aufgrund analytischer Untersuchung nach Inhalt und Quellgründen neu zusammenfügen. Der eigentliche Lehrgehalt ist nicht originell, vielmehr sind ungefähr alle Teile in der umfangreichen Mahâyâna-Literatur auffindbar. Im Tun-huang-Text des Hochsitzsutras, der im Jüngerkreis Shen-huis die letzte Redaktion empfing, ist die Stellung gegen Shen-hsiu und die Nordschule, oder genau gesagt, gegen das, was als Lehre der Nordschule angesehen wurde, stark akzentuiert. Nach den Ergebnissen der neueren Geschichtsforschung war die Nordschule keineswegs ein so einheitliches Gebilde, wie Shen-huis Kampfansage und seine Argumente vermuten lassen. Plötzliche Erfahrung aufgrund der Weisheitslehre gab es auch bei Meistern und Jüngern, die zur Nordschule gerechnet werden 64 . Weil unser Wissen über diesen Zweig der Zen-Bewegung fast ausschließlich auf Nachrichten der Südschule beruht, ist Vorsicht und Differenzierung im Urteil geboten. Das Hochsitzsutra berichtet nicht über die Große Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai, aber setzt diese voraus und begründet die Ablehnung des Standpunktes der Nordschule. Das Thema ist gegen Ende des Sutras nach Abschluss der Tempelrede sloganartig so formuliert: Die Leute sagen: Im Süden (Hui-)neng, im Norden (Shen-)hsiu; sie kennen die grundlegenden Gründe nicht . . . Der Dharma ist einer, aber Leute sind von Süden und Norden. Deshalb wurden die Schulen von Süd und Nord errichtet. Was heißt «allmählich» und «plötzlich»? Der Dharma ist der gleiche, aber beim Sehen gibt es «langsam» und «schnell». Langsam gesehen, ist es (die Lehre der) Allmählichkeit, schnell gesehen, ist es (die Lehre der) Plötzlichkeit. Im Dharma gibt es weder «allmählich» noch «plötzlich», aber die Menschen sind von scharfem oder stumpfem Geist; deshalb die Namen «plötzlich» und «allmählich». (Nr. 39) Derselbe Gedanke klingt schon zu Beginn der Tempelrede an, wo gesagt wird, dass Plötzlichkeit und Allmählichkeit nicht im Dharma gründen, sondern durch 156 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China die geistige Schärfe oder Stumpfheit der Menschen entstehen. Daraus ergibt sich die verschiedene Situation der Menschen im Hinblick auf die befreiende Erleuchtung. In Irrung verstrickte Menschen bedienen sich der gradweisen Methode, während Erleuchtete gemäß der plötzlichen Lehre üben. Diese letzte Aussage bereitet Auslegern insofern eine Schwierigkeit, als Erleuchtete, so möchte es scheinen, keiner Übung bedürfen. Doch gibt es im Zen auch die Übung des Erleuchteten oder aufgrund der Erleuchtung. In diesem Abschnitt ist ein Werturteil bezüglich der zwei Methoden ausgesprochen. Erst in der Erleuchtung, so schließt der Text ab, gibt es keinen Unterschied mehr (Nr. 16). In einem anderen Abschnitt des Hochsitzsutras, in dem die verschiedenen Grade der menschlichen Geistesfähigkeiten zur Sprache kommen, wird betont, dass auch Menschen von «kleiner Wurzel», d. h. von geringem Talent, die Prajñâ-Weisheit besitzen und sich dem Wesen nach nicht von Menschen großer Weisheit unterscheiden. Der Grund für ihre bedauernswerte Lage liegt in der Behinderung, die sie durch irrige Anschauungen und tiefwurzelnde Leidenschaften erfahren. «Es ist, wie wenn große Wolken die Sonne verdecken. Wenn nicht ein Wind diese wegbläst, kann die Sonne nicht in Erscheinung treten» (Nr. 29). Wie kann diesen Menschen das Glück der Erleuchtung widerfahren? Das Sutra antwortet: In der Prajñâ-Weisheit gibt es kein ‹ groß › und ‹ klein › . Weil alle Lebewesen in sich Trübungen des Geistes haben, suchen sie die Buddhaschaft durch äußere Übungen zu erlangen; sie sind noch nicht zu ihrer eigenen Natur erwacht, es sind Menschen von kleiner Fähigkeit. Aber wenn sie die Lehre der Plötzlichkeit hören und ihre Hoffnung nicht auf äußere Übungen setzen, sondern nur in ihrem eigenen Geist richtige Ansichten bezüglich der eigenen ursprünglichen Natur hegen, werden diese Lebewesen voller Trübungen und Befleckungen mit einem Mal erwachen. Es ist, wie wenn das große Meer, das alle Ströme aufnimmt, kleine Wasser und große Wasser in eins sammelt. Dies ist das Sehen der (eigenen) Natur. (Nr. 29) Dieser Text bietet die Kernpunkte des Weges der plötzlichen Erfahrung im Gegensatz zur Lehre der Allmählichkeit. Grundlage und Mitte bildet die Weisheit (Prajñâ), die weder groß noch klein und in allen Lebewesen eine und dieselbe ist. Es ist gut, vor der Aufzeigung abweichender Meinungen und verschiedener Artikulierungen die allem Mahâyâna wesentliche Grundanschauung zu beachten, die zwar in den Sutren und Shastren auf verschiedene Weise ausgedrückt wird, aber stets die gleiche ist. Die Wirklichkeit, mag sie «Natur», «Eigennatur», «Ursprüngliche Natur», «Geistnatur», «Buddha-Natur», «Buddha-Geist», «Dharma-Natur» oder auch «Soheit», «Tao» oder «Leere» und «Nichts» genannt werden, ist eine und gleich, sie ist Weisheit und Licht. Um zur endgültigen Befreiung zu gelangen, müssen die Lebewesen diese alleinige Wirklichkeit realisieren. Anfang und Ende des Weges fallen zusammen. Über Das Sutra des sechsten Patriarchen 157 die gründende Wahrheit dürfte zwischen allen Schulen des Mahâyâna-Buddhismus eine letzte umgreifende Übereinstimmung bestehen, so etwas wie die Annahme von «prima principia», die nicht in Frage gestellt werden. Zur mahayanistischen Grundanschauung gehört auch die Annahme der Lehre von der ursprünglichen Reinheit und Gleichheit der Natur sowie, damit verbunden, von der Identität von Nirvâ ṇ a und Sa ṃ sâra. Aufgrund der Unterscheidung zwischen dem noumenalen und dem phänomenalen Aspekt der Wirklichkeit bauen die philosophischen Mahâyâna-Schulen verschiedene, im Wesenskern gleiche, aber gedanklich differenzierte Systeme auf. In der Zen- Bewegung kommt die mahayanistische Grundsicht in der religiösen Praxis, nämlich im konkreten Weg von Übung und Erfahrung zum Tragen. Alles Zen ist Mahâyâna. Auch die Nordschule des chinesischen Zen stellt keine der mahayanistischen Grundlehren in Frage. Bei der Auseinandersetzung zwischen Südschule und Nordschule geht es um die Meditationspraxis, die auf der Lehre aufruht und diese interpretiert. Der wichtigste Streitpunkt betrifft die Auffassung und Bewertung der Irrungen und Trübungen. Alle Lebewesen in der Werdewelt des Sa ṃ sâra sind in Irrungen und Trübungen verstrickt, doch kommt den Trübungen keine Realität zu. Auch bezüglich dieser grundsätzlichen Tatsache stimmen alle Zen-Jünger, ob zur Nordschule oder zur Südschule gehörig, überein. Die Trübungen sind schwer fasslich, in Worten kaum ausdrückbar. Deshalb sprechen Buddhisten aller Richtungen von den Trübungen mit Vorliebe in Metaphern. Wir begegneten im Vorigen schon zwei metaphorischen Redeweisen, die je einer der beiden gegensätzlichen Schulen entstammen. In seiner Erleuchtungsstrophe spricht Shen-hsiu, das Haupt der Nordschule, von Staubkörnern, die den reinen Spiegel trüben. Im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen ist von großen Wolken die Rede, die allein die Sonne vertreiben kann. In beiden Fällen handelt es sich um Metaphern; der Wirklichkeitscharakter der Trübungen steht nicht zur Frage. In mahayanistischer Sicht sind die Trübungen wie alle Phänomene der Werdewelt leer. Und doch sind sie für den Meditierenden eine wichtige Sache. Wie soll er sich gegenüber diesen Störungsfaktoren verhalten, wie soll er sie anschauen? Bei der Beantwortung dieser Frage gehen Nordschule und Südschule auseinander. In Shen-hsius Metapher kommt die der Nordschule eigentümliche Haltung klar zum Ausdruck. Der Spiegel, nämlich der Geist, muss gewischt werden, denn immer aufs Neue setzen sich die Staubkörner trübender Irrungen an. Das unaufhörliche Wischen des Geistspiegels ist die Aufgabe der Meditation. In der Meditation vollzieht sich ein fortschreitender Reinigungsprozess, bis zum Erlangen der Erleuchtungserfahrung. Was der so Übende tut, wird im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen in deutlicher Anspielung an die falsche Meditationsweise der Nordschule «Sehen des Geistes» (jap. kanshin) und «Sehen der Reinheit» (jap. kanjô) genannt (Nr. 14). Der Meditierende konzentriert sich 158 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China auf seinen Geist wie auf einen Gegenstand, um die Reinheit wahrzunehmen. Der Text verwendet an dieser Stelle ein chinesisches Schriftzeichen, das aus den Bestandteilen «Auge» und «Hand» zusammengesetzt ist. Das Auge sieht, die Hand wischt. Das Schriftzeichen bedeutet gegenständliches Sehen 65 . Die Metapher von Wolken und Sonne kommt im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen zweimal vor (Nr. 27 und Nr. 20). Die eine Stelle wurde oben zitiert, die andere führt den Vergleich ausführlicher aus und lautet: So liegen alle dharma in der eigenen Natur. Die Eigennatur ist immer rein, Sonne und Mond sind immer klar. Nur wenn Wolken sie bedecken, ist oben Klarheit, unten Dunkel, und Sonne, Mond und Sterne können nicht klar gesehen werden. Aber wenn plötzlich der Wind der Weisheit bläst und Wolken und Nebel vertreibt, erscheinen auf einmal alle Formen des Alls. Die Reinheit der Natur der Menschen ist gleich dem blauen Himmel; Weisheit ist gleich der Sonne, Wissen gleich dem Mond. Wissen und Weisheit sind immer klar, aber wenn Menschen äußerlich an Gegenständen haften, bedecken irrige Gedanken wie ziehende Wolken die Eigennatur, so dass sie nicht klar sein kann. (Nr. 20) Die Metapher der fliegenden Wolken veranschaulicht die Vorläufigkeit der Trübungen, sie haben keinen Bestand vor der Weisheit. Wie die Sonne die Wolken verjagt, so bläst die Weisheit die Trübungen hinweg. Wann? Die Erleuchtung blitzt auf, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, die Schale platzt, wenn die Frucht zur Reife gelangt. Warum? Auch diese Frage hat keine logische Antwort. Die Erleuchtungserfahrung ist von der Meditationsübung unabhängig. Zwischen Meditation und Erleuchtung besteht kein Kausalnexus. Die meditative Bemühung ist weder die Ursache noch die Vorbedingung für die Realisierung. Zur Weisheit erwacht, sieht der Geist die Natur (jap. kenshô), die Eigennatur (jap. jishô), die gleich der Buddha-Natur (jap. busshô) ist. Wenn der Meditation nicht die Reinigung des Geistes von Trübungen obliegt, welche Aufgabe ist ihr dann eigen? Oder hat sie überhaupt keine besondere Aufgabe, geht sie keinem Ziel nach? Genau dies ist der Standpunkt der Südschule. Die Meditation geschieht zwecklos in völliger Freiheit. Nur vor einem muss der Meditierende sich hüten, vor jeglichem Haften. Denn Trübungen entstehen, wie der oben zitierte Text sagt, wenn Menschen äußerlich an Gegenständen haften. Das Hochsitzsutra mahnt: «Das Tao muss frei zirkulieren, weshalb es hindern? Wenn der Geist nicht an Dingen haftet, bewegt sich das Tao frei; wenn der Geist an Dingen haftet, ist er gebunden» (Nr. 14). Dieses Meditationsverständnis zieht die Konsequenzen aus der mahayanistischen Grundanschauung von der durchgängigen Gleichheit der Wirklichkeit. Wie Sa ṃ sâra und Nirvâ ṇ a, so sind Trübungen und Erleuchtung gleich. Die Meditation ist von der Weisheit nicht verschieden. Das Hochsitzsutra veranschaulicht dies am Beispiel von Lampe und Licht und bedient sich dabei der Das Sutra des sechsten Patriarchen 159 chinesischen Termini von Substanz und Funktion. «Die Lampe ist die Substanz des Lichtes; das Licht ist die Funktion der Lampe.» Die Begriffe sind ihrer philosophischen Relevanz entkleidet. Meditation und Weisheit sind nicht zwei, sondern ungeschieden und untrennbar eines. Identisch mit der Weisheit, genießt die Meditation die Freiheit und Spontaneität des Tao, des chinesischen Äquivalents der buddhistischen Prajñâ. Die mit der Weisheit identische Meditation steht in scharfem Kontrast zur Meditationspraxis, die Shen-hui der Nordschule zuschreibt und als bloß äußere Übung heftig kritisiert. Wenn er in seinen Reden jene angreift, die im Hocksitz meditierend ihren Geist konzentrieren, um die Reinheit anzuschauen, so deshalb weil sie auf diese Weise nicht zur ursprünglichen Natur durchdringen können 66 . Hat nicht Vimalakîrti, wie das Sutra erzählt, den Ś âriputra wegen seines Sitzens in Meditation im Wald getadelt? 67 Der Tadel trifft alle, «die die Leute lehren zu sitzen, den Geist zu sehen, die Reinheit zu sehen, ohne Bewegung und ohne Aktion» (Nr. 14). Das Hochsitzsutra warnt an vielen Stellen vor falschem Üben, vor allem vor Haften an Reinheit oder an Leere: «Wenn einer mit leerem Geist in Meditation sitzt, kann er leicht an indifferenter Leere haften» (Nr. 24). 68 Und im folgenden Abschnitt: «Die Selbstnatur ist groß und umfasst alle Dinge (dharma) . . . Irrende Menschen rezitieren mit dem Mund, wissende Menschen üben mit dem Geist. Es gibt irrende Menschen, die ihren Geist leer machen und nicht denken; sie nennen dies groß. Das ist falsch. Die Fähigkeit des Geistes ist groß, aber ohne Übung ist sie klein» (Nr. 25). Im Einklang mit den mahayanistischen Grundlehren von der mit der Meditation identischen Prajñâ und dem Nicht-Geist betont das Hochsitzsutra die geistige Dimension der Übung. Dass in der Südschule ein Klima intensiver Übung herrschte, kann nicht bezweifelt werden. In der folgenden Generation zeigt sich die Zen-Aktion in vollem Schwung. Die traditionelle Übung der Meditation im Hocksitz stand in Ehren. Dies bezeugt die unveränderte Hochachtung für den legendären Stifter Bodhidharma, dessen neunjährige Wandmeditation zur Grundlage des Zen-Mythos gehört. Hui-neng selbst ist gemäß der Überlieferung im Hocksitz meditierend ins Nirvâ ṇ a eingegangen 69 . Der Erleuchtungsweg der Lehre der Plötzlichkeit ist im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen nicht dem Phänomen nach beschrieben, aber die wesentlichen Hauptpunkte bezüglich der Übung und Erleuchtung sind klar herausgehoben. Das Sitzen in Meditation ist als äußere Übung vorläufig und letztlich belanglos; das Eigentliche ist das Nichthaften des Geistes, die ungegenständliche Meditation, die an keinem Etwas festhält. Der Geist bedarf keiner allmählichen Reinigung, da seine ursprüngliche Reinheit im Sa ṃ sâra unbefleckt bleibt. Die Erfahrung geschieht im plötzlichen Erwachen zur Weisheit. Meditation und Weisheit sind identisch. Unbehindert von den Trübungen des Sa ṃ sâra leuchtet 160 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China die Weisheit. Der Erleuchtete versteht ihr Licht als seine eigene ursprüngliche Natur. In Hui-nengs Zen der Patriarchen fließen wichtige Hauptströme des Mahâyâna zusammen. Die Mahâyâna-Lehren von Nicht-Geist und Buddha-Natur Der plötzliche Erleuchtungsweg des chinesischen Zen ist in die Lehre der Mahâyâna-Sutren eingebettet; er gründet in den Sutren und ist deren reife Frucht. In allen Schulen des chinesischen Buddhismus las man die Mahâyâna- Sutren im breiten Spektrum und bemühte sich um die geistige Aneignung. Überall klingt in den Sutren die gleiche religiöse Botschaft von der Buddhaschaft, Unterschiede zwischen den einzelnen Lehrverkündigungen treten bei der philosophischen Erklärung zu Tage. Zwischen den Schulen und auch innerhalb der gleichen Schule werden die Schriften nicht selten verschieden verstanden und erklärt. Davon macht auch die kräftig vorandrängende Zen-Bewegung keine Ausnahme. Diese Erwägung kann hilfreich sein, weil gerade bei der unsicheren Quellenlage der Zen-Geschichte Interpretationen und Akzentuierungen nicht immer deutlich unterscheidbar sind. In der Südschule des chinesischen Zen waren von früh her nachweislich viele Mahâyâna-Schriften bekannt. Im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen sowie in den Schriften Shen-huis und seiner Jünger ragen zwei Mittelpunkte des Mahâyâna-Denkens heraus, einmal die Weisheitslehre der Prajñâpâramitâ- Sutren, ferner die Zentrallehre des Nirvâṇa-Sûtra von der Buddha-Natur. Gemäß der Überlieferung spielen diese zwei Gipfel des Mahâyâna im Lebenslauf Hui-nengs eine entscheidende Rolle. Der sechste Patriarch erzählt gleich zu Anfang seiner großen Tempelrede, wie zufällig gehörte Worte des Diamantsutras (aus der Gruppe der Weisheitssutren) ihn auf den Erleuchtungsweg brachten. Die für Hui-nengs Biographie wichtige «Besondere Überlieferung» gibt dem Nirvâṇa-Sûtra den ersten Platz im Lebenslauf des Patriarchen. Beide Sutren bezeichnen gleichsam die zwei Pole seiner inneren Entwicklung und der von ihm verkündeten Lehre der Plötzlichkeit. Die in ihnen enthaltene Quintessenz des Mahâyâna ist im neuen Erleuchtungsweg des Zen der Patriarchen zu einer auf Erfahrung beruhenden Einheit verbunden. Seit der Zeit Hui-nengs nimmt das Diamantsutra, das die Weisheitslehre in prägnanter Kürze eindrucksvoll verkündet, im chinesischen Zen-Buddhismus einen hervorragenden Platz ein. Die Weisheit, die die Leere durchschaut, nämlich die Leere der Erscheinungswelt, des empirischen Ichs, aller Eigenschaften und Formen, und die im Übersteigen von Worten und Begriffen zum Nichts dringt, ist die Mitte der Wirklichkeit. Weisheit (prajñâ) und Leere (śûnyatâ) sind aufeinander bezogen und besagen in positiver und negativer Das Sutra des sechsten Patriarchen 161 Form die gleiche Wirklichkeit. Die Prajñâ-Intuition der Leere ist ein Sehen, aber dieses Sehen ist ein Nicht-Sehen. Die Zen-Meister sprechen vom «Nicht-Geist» (jap. mushin, chin. wu-hsin) oder im gleichen Sinn vom «Nicht-Gedanken» (jap. munen, chin. wu-nien) 70 . Ein Abschnitt des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen entfaltet die Negativität folgendermaßen: «In meiner Lehre», so spricht der Patriarch, «haben von alters her alle den Nicht- Gedanken (munen) zur Hauptlehre, die Nicht-Form (musô) zur Substanz und das Nichtbleiben (mujû) zur Grundlage genommen. Nicht-Form bedeutet, von Form, auch wenn in der Form, getrennt sein; Nicht-Gedanke bedeutet, auch im Denken nicht denken; Nicht-bleiben ist die ursprüngliche Natur des Menschen.» (Nr. 17) Die drei Negationen sind Ausdruck der «Leere». Im Zen-Buddhismus wird das munen am stärksten betont. Nicht-Gedanke oder Nichtdenken kann als ein Kernwort der Lehre der Plötzlichkeit angesehen werden. Zunächst besagt es das Nicht-Haften des Geistes. Der Geist, der an nichts festhält, ist frei und rein. Huineng erklärt die beiden Bestandteile des Ausdrucks mu-nen, wie folgt: Das «Nicht» (mu) besagt «die Trennung von aller Dualität», der «Gedanke» (nen) bedeutet «die ursprüngliche Natur der wahren Wirklichkeit denken». Solches Denken ist Denken der Selbstnatur. Im Vimalakîrti-Sûtra heißt es: «Während es (das Denken) äußerlich alle Formen der verschiedenen Dinge (dharma) wohl unterscheidet, steht es innerlich fest im Ersten Prinzip» (Nr. 17). Shen-hui erklärt den «Nicht-Gedanken» oder «Nicht-Geist» in seinen Reden im Sinne der śûnya-Lehre der Weisheitssutren. Munen existiert und existiert nicht, ist unaussprechlich 71 , unfassbar und zugleich das Unfassbare, ohne Bleiben, die Meditation (dhyâna) des Vollendeten (Tathâgata) 72 . Man muss Äußeres und Inneres, Sein und Nicht-Sein aufgeben, um zur endgültigen Gleichheit zu gelangen und im Sehen der Eigennatur die ursprüngliche Natur, nämlich die Buddha-Natur, zu erreichen 73 . Das Sehen des Nicht-Gedankens ist gleich der «Höchsten Wahrheit» (paramârtha-satya) des «Mittleren Weges» (madhyamâ pratipad) 74 und die Schau aller Wirklichkeit. Die Verwandtschaft zwischen der «Leere» (śûnyatâ) der Weisheitssutren und dem «Nicht-Gedanken» (munen) der Zen-Meister erweist sich sowohl in der Negativität des Ausdrucks als auch in der Vorliebe für Gegensätze und Paradoxe. Die philosophische Ausdeutung der «Leere» in der Schule vom «Mittleren Weg» enthält das Moment der Relativität. Kleinheit gibt es, so führen die Kommentare aus, nur aufgrund von Länge, Dunkel nur aufgrund von Helle, Beständigkeit nur aufgrund von Unbeständigkeit 75 . Die Mitte wird durch die Grenzen und Gegensätze ausgedrückt. Shen-hui bedient sich in seinen Reden der Methode der relativen Gegensätze, im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen handelt ein 162 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Abschnitt über 36 Gegensätze (Nr. 46). Das Spiel mit Paradoxen erreichte in der Zen-Praxis nach Hui-neng rasch einen hohen Grad von Vollendung. Nach diesen Erklärungen ist klar, dass das munen (Nicht-Gedanke oder Nicht- Denken) der Zen Meister nicht in erster Linie psychologisch zu verstehen ist. Nicht das Ausschalten des rationalen Denkens und der Vorstellungen noch auch das Hervorbringen eines passiven Zustandes der Psyche ist gemeint. Ein solches Verständnis würde in die Nähe der Staub wischenden Meditation der Nordschule führen. Der klassische Vergleich des Spiegels, der auf Chuang-tzu zurückgeht, wird in Shen-huis Reden ausdrücklich dahin erklärt, dass der Spiegel der Weisheit unablässig scheint, unabhängig davon, ob sich vor ihm Gegenstände befinden oder nicht 76 . Der Nicht-Gedanke wird weder von äußeren Trübungen noch von psychischen Veränderungen beeinflusst. Man darf ihn nicht mit dem Unbewussten der modernen Psychologie gleichsetzen 77 . Die Identifizierungen des Nicht-Gedankens mit dem Sehen der Eigennatur, mit dem Durchdringen aller Dinge (dharma) und der Erlangung der Buddha-Natur machen klar, dass munen in den absoluten Bereich hineinreicht und Befreiung schenkt. Der soteriologische Aspekt klingt im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen deutlich an: Den ursprünglichen Geist wissen ist Befreiung; Befreiung erlangen ist das Samâdhi der Weisheit (prajñâ samâdhi, jap. hannya sammai). Das Samâdhi der Weisheit erfassen ist munen. Was bedeutet munen? Wer den Nicht-Gedanken (munen) erfasst hat, sieht alle Dinge (dharma), aber haftet an keinem Ding . . . Das Samâdhi der Weisheit ist frei sein und Befreiung erlangt haben; dies wird die Praxis des Nicht-Gedankens genannt. Wer den Dharma des Nicht-Gedankens erfasst hat, sieht den Bereich aller Buddhas. Wer den Dharma der Plötzlichkeit des Nicht-Gedankens erfasst hat, wird den Rang Buddhas erreichen. (Nr. 31) Zahlreiche Ausdrücke im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen sprechen von der «Natur». Außer von der Natur schlechthin, wie im Kernwort vom «Sehen der Natur» (kenshô), ist die Rede von der «Eigennatur» oder «Selbstnatur» (jishô), der «ursprünglichen Natur» (honshô), der «Weisheitsnatur» (chieshô), der «Dharma-Natur» (hosshô) und der «Buddha-Natur» (busshô). Der plötzliche Erleuchtungsweg Hui-nengs fügt sich, indem er die Lehre von der Buddha- Natur integriert, allseitig in das Mahâyâna-Denken ein. Die Lehre von der Buddha-Natur aller Lebewesen ist die Zentralbotschaft des wichtigen Nirvâṇa- Sûtra, dem Hui-neng gemäß der «Besonderen Überlieferung» als erster Mahâyâna-Schrift begegnet sein soll. Das Hochsitzsutra spricht diesen Vorzug dem Diamantsutra zu, aber berichtet im autobiographischen Teil von einem Wechselgespräch zwischen dem fünften Patriarchen Hung-jen und dem Burschen Lu, in dem ziemlich unvermittelt das Wort «Buddha-Natur» fällt (Nr. 3). Das Sutra des sechsten Patriarchen 163 Das Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen entwickelt die Lehre von der Buddha-Natur nicht ausführlich, wohl aber Shen-hui, der in seinen Reden im Anschluss an das Nirvâṇa-Sûtra ausführt, dass die Buddha-Natur ungeboren und unzerstörbar ist. Er zitiert das Wort aus dem Sutra: «Weil sie (die Buddha-Natur) weder sinnlich wahrnehmbar noch übersinnlich, weder lang noch kurz, weder hoch noch niedrig, weder hervorgebracht noch der Zerstörung anheimfallend ist, kann man sie beständig nennen 78 .» Diese Aussage und andere ähnliche des Sutras sind verschieden ausgelegt worden. Die Südschule des chinesischen Zen erkennt der Buddha-Natur wie der Selbstnatur Realität, aber keine Substantialität zu. Bezüglich der Selbst-Natur sagt das Hochsitzsutra: «Auch wenn die Selbstnatur Gedanken entstehen lässt und obgleich Sehen, Hören, Wahrnehmen, Erkennen vorkommen, so wird sie dennoch von den mannigfachen Dingen der Umgebung nicht befleckt und ist immer frei» (Nr. 17). Ebenso wenig wie die mit dem Nicht-Gedanken (munen) identische Selbstnatur kann die Buddha-Natur als eine von den Erscheinungen verschiedene Grundsubstanz angesehen werden. Diesen Punkt stellt ein in der Zen-Chronik Keitoku Dentôroku überliefertes Lehrgespräch des Landesmeisters Hui-chung klar heraus 79 . Die Chronik erzählt, wie der Landesmeister Hui-chung einen Zen-Gast aus dem Süden darüber befragt, in welcher Lehre dort die Jünger unterwiesen werden. Darauf erklärt der Gast, die im Süden verbreitete Lehre unterscheide zwischen der unzerstörbaren Natur und dem der Vergänglichkeit unterworfenen Leib. «Der Leib», so führt er aus, «der geboren wird und vergeht, ist gleich einem Drachen, der das Knochengerüst wechselt, gleich einer Schlange, die die Haut abwirft, gleich einem Mann, der sein Haus verlässt. Der Leib ist veränderlich, die Natur ist unveränderlich». Als er dies hört, erschrickt der Landesmeister. Ist dies nicht die Ansicht des Häretikers Ś re ṇ ika (jap. Sennigedô)? Dieser «Häretiker» oder «Abwegige» spielt in der buddhistischen Literatur eine bestimmte Rolle 80 . Er vertritt die Lehre von einer unzerstörbaren Natur, die wie eine Seelensubstanz im Leib existiert. Diese in der indischen Philosophie beheimatete Anschauung unterscheidet zwischen Leib und Geist, Erscheinungswelt und Natur oder Substanz, schließlich, buddhistisch gesagt, zwischen Sa ṃ sâra und Nirvâ ṇ a. Der Landesmeister erzählt, er sei auf seinen Wanderungen durchs Land öfters Vertretern dieser irrigen, der authentischen Lehre des Hochsitzsutras widersprechenden Meinung begegnet, und er klagt darüber, dass durch Veränderungen und Hinzufügungen die echte Lehre des Sutras des sechsten Patriarchen verloren gegangen sei. Seine Kritik richtet sich offenbar gegen ein falsches, mit der Sicht der Weisheitssutren unvereinbares Verständnis der Buddha-Natur. Wir wissen nicht, von wem die Veränderungen und Hinzufügungen des Hochsitzsutratextes herrühren, von denen der Landesmeister spricht 81 . Jahrhunderte später beruft sich ein koreanischer Zen-Meister für seine Ansicht, dass 164 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China der Leib geboren wird und vergeht, der Geist aber keine Geburt und keine Zerstörung kennt, auf das Hochsitzsutra, vielleicht auf diese spätere Hinzufügung im Text: «Die Eigennatur der Soheit erweckt Gedanken; Auge, Ohr, Nase und Zunge denken nicht. Die Natur der Soheit hat die Fähigkeit, Gedanken zu erwecken; ohne Soheit schwinden Auge, Ohr, Farbe und Stimme allsogleich dahin 82 .» Die gleiche Auffassung von der Buddha-Natur trägt gemäß der Zen-Chronik Keitoku Dentôroku der Zen-Meister Chih-tao, der zehn Jahre seines Lebens dem Studium des Nirvâṇa-Sûtra widmete, dem sechsten Patriarchen Hui-neng vor: «Alle Lebewesen», so formuliert er seine Lehrmeinung, «besitzen zwei Leiber, einen materiellen Leib (sanskr. rûpa-kâya, jap. shikishin) und einen Dharma-Leib (sanskr. dharma-kâya, jap. hosshin). Der materielle Leib ist vergänglich, er wird geboren und stirbt; der Dharma-Leib ist unveränderlich, ohne Erkennen und Wahrnehmen.» Yanagida gibt den Schluss des Zitats in seiner Übersetzung ins moderne Japanisch sinngemäß wieder: «Der Dharma-Leib . . . transzendiert Erkennen und Wahrnehmen 83 .» Chih-tao beruft sich für seine Ansicht auf das Nirvâṇa-Sûtra. Doch der sechste Patriarch packt ihn hart an, weil er, ein Buddha- Sohn, die Falschlehre der Häretiker vorbringt und meint, es «existiere außerhalb des materiellen Leibes noch besonders ein Dharma-Leib» und nach einem Nirvâ ṇ a außerhalb des Sa ṃ sâra verlangt. Die Südschule des chinesischen Zen, die der sechste Patriarch repräsentiert, integriert die Lehre von der Buddha-Natur, aber beharrt strikt auf der Identität der Wirklichkeit. Die Buddha-Natur ist nicht so etwas wie ein substantieller beständiger Wesenskern, der im Kreislauf der Wiedergeburten andauert. Die Zen-Bewegung schließt alle Deutungen der Buddha-Natur, die eine Dualität in die Wirklichkeit hineinbringen, aus. Die Transzendenz der Wirklichkeit empfängt durch die Buddha-Natur einen Schimmer verklärenden Glanzes. Die Buddha-Natur transzendiert wie die mit ihr identische Prajñâ alle Gegensätze, auch den Gegensatz von Gut und Böse. Dem sechsten Patriarchen wird das Wort: «Denk nicht an Gut und Böse! » in den Mund gelegt 84 . Damit ist kein Amoralismus gemeint. Es handelt sich um das Transzendieren jeglicher Dualität. Alles Gegensatzdenken muss überwunden werden. Die Zen-Schule macht bezüglich der allgemein akzeptierten mahayanistischen Ethik keine Ausnahme. Yanagida sieht in den mahnenden Versen des Hochsitzsutras Wer ernsthaft den Weg übt, Sehe nicht auf die Fehler der Welt! Wenn du auf das Falsche der Welt siehst, Wirst du selbst, der du falsch bist, Fehler tun. (Nr. 36) einen Anklang an die schlichte ethische Unterweisung im Dhammapada: Das Sutra des sechsten Patriarchen 165 Nicht andrer Fehler, andrer Pein, Nicht ihr Getan und Nichtgetan: Blick dir ins eigne Herz hinein, Sieh dein Getan und Nichtgetan! 85 Im Passus des Hochsitzsutras über die Reue (jap. sange Nr. 22) lässt sich ebenfalls eine moralische Konnotation erkennen 86 . Gemäß dem Nirvâṇa-Sûtra eignet die Buddha-Natur allen Lebewesen, jedoch nicht den leblosen Dingen. Doch schon früh haben Ausleger, wie sie meinten, im Sinne der Botschaft des Sutras, die Buddha-Natur auf die gesamte Wirklichkeit ausgedehnt. Die Kontroverse über die Universalität der Buddha-Natur nimmt einen breiten Raum im chinesischen Buddhismus ein. Auch bei den Anhängern der Zen-Schulen rief sie die beiden gegensätzlichen Ansichten auf den Plan. Shen-hui vertritt gegenüber dem Meister Yüan aus der Ochsenkopf-Schule den eher konservativen Standpunkt: «Die Buddha-Natur ist allen Lebewesen gegenwärtig, nicht aber in den leblosen Dingen.» Die leblosen Dinge, so begründet er die Einschränkung, haben keinen Anteil am Dharma-Leib und an der Prajñâ 87 . In der Zen-Bewegung nach Hui-neng setzte sich die Annahme der uneingeschränkten Universalität der Buddha-Natur durch 88 . Nicht wenige Zen-Meister bevorzugen den Ausdruck «Buddha-Natur» zur Bezeichnung der letzten Wirklichkeit und bringen ihn auch bei der konkreten Hinführung zur Erleuchtung ins Spiel. Eine frühe Kostprobe des nach Art des späteren Kôan dialektischen Umganges mit der Buddha-Natur bietet das Gespräch, das sich bei der ersten Begegnung des sechsten Patriarchen Huineng mit dem - so die überlieferte Aufgabe - dreizehnjährigen Shen-hui entspann. Die Episode, deutlich eine späte Erfindung im Jüngerkreis Shen-huis, ist zuerst in der «Besonderen Überlieferung» mitgeteilt 89 . Hui-neng richtete gemäß dem Bericht das Wort an seine Hörerschar, unter der sich Shen-hui befand. Er öffnet das Tor des Dharma und spricht: «Ich habe einen Dharma, der weder Namen noch Schriftzeichen, weder Auge noch Ohr, weder Leib noch Absicht, weder Worte noch Zeichen, weder Kopf noch Schwanz, weder Innen noch Außen noch auch Mittleres hat, er geht nicht und kommt nicht, er ist weder blau noch gelb noch rot noch weiß noch schwarz, er ist nicht und ist nicht nichts, er ist weder Ursache noch Frucht. Dann fragt er die Menge: «Was ist dieser? » Niemand vermag ihm zu antworten. Doch da ist der dreizehnjährige Novize aus dem Tempelkloster Katakuji, er sagt: «Dieser ist der Urgrund Buddhas.» «Wie ist dieser der Urgrund? », fragt der Meister, und erhält unverzüglich die Antwort: «Der Urgrund ist die ursprüngliche Natur aller Buddhas.» «Ich habe doch erklärt, dass er (der Dharma) keinen Namen und keine Schriftzeichen hat, wie nennst du ihn Buddha-Natur? » 166 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China «Die Buddha-Natur hat weder Namen noch Schriftzeichen. Weil der Meister gefragt hat, entstanden Namen und Schriftzeichen. Doch auch wenn genannt, ist sie ohne Namen und Schriftzeichen.» Der Meister schlägt den Novizen und entlässt die Hörerschar 90 . Es folgt ein zweiter Akt, der zu nächtlicher Stunde spielt. Das Modell für die Nachtstunde lieferte wohl die Einsetzung Hui-nengs in die Nachfolge des Patriarchats durch Hung-jen. Diesem Vorbild folgend ruft Hui-neng den Knaben Shen-hui bei Nacht zu sich, um ihn zu fragen, ob die Buddha-Natur Schläge empfangen habe. Nicht die Buddha-Natur, aber er habe den Schmerz gespürt. Shen-hui erlangt, so schließt der Bericht, beim Hören der Worte des Meisters Samâdhi 91 . Die Episode findet sich der Hauptsache nach auch im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen (Nr. 44). Shen-hui kommt von Nan-yang; über sein Lebensalter wird nichts gesagt. Das Gespräch ist verkürzt. Hui-neng schlägt ihn und fragt, ob es ihn schmerzt. «Es schmerzt und schmerzt nicht», ist die Antwort. Das Kernwort des Gesprächs lautet «Selbstnatur», nicht wie in der «Besonderen Überlieferung» «Buddha-Natur» oder im Verlauf des Gesprächs «Geistnatur». Diese Ausdrücke sind gleichwertig. Die Lehre von der Buddha-Natur ist, wie schon gesagt, gänzlich in den plötzlichen Erleuchtungsweg Hui-nengs hineinintegriert. So entsprach es den Bedürfnissen und Wünschen der zeitgenössischen Zen-Jünger. Für die Geschichte des chinesischen Zen sehr aufschlussreich ist Yanagidas Bemerkung: «Wie viel Originalität auch der Lehre Hui-nengs von der Selbstnatur zukommen mag, ohne die Lehre von der Buddha-Natur in Südchina und die Grundlage im Lehrgefüge des Nirvâṇa-Sûtra konnte sie nicht entstehen 92 .» Auch in der Lehre der Plötzlichkeit vermutet er die Fernwirkung des Tao-sheng. Wie dem auch sei, das Zusammenfließen und die beinahe nahtlose Vereinigung wichtiger Lehrströme des chinesischen Buddhismus in der Südschule des Zen ist unverkennbar. Das komplexe Gefüge des Mahâyâna, die genuine Form des chinesischen Buddhismus, hat überdies die altchinesische Weisheit des Tao in sich aufgenommen. Wenn das Tao fehlte, könnten noch so viele Ausdrücke, mit denen Mahâyâna-Buddhisten die letzte Wirklichkeit nennen, das Herz des Chinesen nicht treffen. Die Nähe des Mahâyâna-Buddhismus zum Taoismus schildert eindrucksvoll ein Gespräch in den Reden Shen-huis. Gefragt, wie es sei, dass die buddhistischen Mönche am Hof nur von der Kausalität, nicht aber von der Spontaneität sprechen, während die taoistischen Mönche nur die Spontaneität, nicht aber die Kausalität zu kennen scheinen, erwidert Shen-hui: «Das Spontane ist für die Buddhisten die Grundnatur der Dinge.» Und er zitiert für die Taoisten das berühmte Kapitel aus dem Tao-te-ching, in dem der Ursprung aller Dinge aus dem unaussprechlichen Tao dargetan ist. Dazu bemerkt Gernet treffend: «Man Das Sutra des sechsten Patriarchen 167 könnte nicht besser sagen, dass die Taoisten sich selbst unbewusst Buddhisten und die Buddhisten ihre nahen Verwandten sind 93 .» Der Umbruch und die Neugeburt des chinesischen Zen im 8. Jahrhundert ist sowohl bezüglich der damaligen Ereignisse und Vorgänge als auch der ideengeschichtlichen Hintergründe und Ergebnisse ein vielverschlungenes Geschehen. Es handelt sich nicht nur um die eine Persönlichkeit des sechsten Patriarchen Hui-neng und das mit seinem Namen verknüpfte literarische Werk des Hochsitzsutras, so wichtig Persönlichkeit und Schrift auch sein mögen. Unmöglich, alle Geschehnisse auseinanderzulegen, alle Einflüsse aufzuweisen, alle Fäden aus der Verschlingung zu lösen. Rätsel und Ungereimtheiten bleiben. Auch gehen die verschiedenen Phasen des Prozesses ineinander über. Doch steht am Ende ein deutliches Ergebnis, dessen Konturen und Wirkungen die nachfolgende Zen-Geschichte in China sowie in den umgebenden Ländern, vorab in Japan bestimmen. Diese Geschichte schaut auf Hui-neng, den sechsten Patriarchen, als Gründer und geistigen Vater. Und das nach ihm benannte Hochsitzsutra markiert eine Mitte. Wenn die Überlieferung des Dharma oder des Siegels des Patriarchen von nun ab nicht mehr durch die Weitergabe der Insignien von Gewand und Almosenschale, sondern gemäß der ausdrücklichen Anweisung des Sutras (Nr. 38) durch die Annahme des Sutrentextes geschehen soll, so bedeutet dies mehr als einen bloß symbolischen Gestus. In diesem Sutra sind Geist und Form des Zen-Weges für künftige Geschlechter niedergelegt. Und auch der Nord-Süd-Konflikt, einmal durch die siegreiche Überlegenheit der Südschule beigelegt, wird in anderen Formen wieder aufspringen. Denn bei diesem Konflikt geht es um einen in der Menschennatur angelegten Gegensatz von dauernder geistesgeschichtlicher Bedeutung. 168 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China V Die Zen-Bewegung nach Hui-neng Die Ausgangssituation im «Zen der Patriarchen» Der Streit zwischen Südschule und Nordschule, der während der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zum Austrag kam, ließ keine bleibenden Wunden im chinesischen Zen zurück. Die Wogen, die bei der Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai hoch schlugen, glätteten sich noch zu Lebzeiten des großen Kämpfers Shen-hui, während die Unruhen der Revolte des An Lu-shan (755 - 763) eine neue gesellschaftliche Situation im T ’ ang-Reich heraufführten. Mit Shen-huis Tod (762) kamen die streitbaren Auseinandersetzungen zum Ende. Andere Zen- Schulen traten kraftvoll hervor. Ein «neuer Buddhismus» schien auf. Yanagida sieht die neue Bewegung durch eine Auflockerung der überkommenen klassischen Strukturen, Loslösung von den Metropolen, geographische Ausbreitung über das ganze Land, Durchdringung aller Volksschichten und, allgemein gesagt, durch eine Inkulturation großen Stiles gekennzeichnet 1 . Die buddhistischen Schulen entwickelten engere Beziehungen zueinander, veranschaulicht in der Verknüpfung der vier wichtigen Ströme des chinesischen Buddhismus, nämlich des exoterischen Lehrsystems (Tendai), der Esoterik (Geheimriten), der Meditation (Zen) und der Disziplin (Ritsu), die Saichô (767 - 822), der Gründer des japanischen Tendai-Buddhismus, nach Japan überbrachte. Um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert werden im chinesischen Zen- Buddhismus die Konturen der im Umbruch erlangten Ergebnisse deutlich erkennbar. Die Integrationskraft der Gestalt des sechsten Patriarchen Huineng hat sich als endgültig erfolgreich erwiesen. «Wenn man Zen sagt, so beruht alles auf Sôkei (Ts ’ ao-ch ’ i)», schreibt Liu Tsung-yüan (773 - 819) in einem Epitaph für den sechsten Patriarchen (815), den er mit seinem posthumen Titel des «Zen- Meisters vom Großen Spiegel» (jap. Daikan Zenji, chin. Ta-chien Ch ’ an-shih) ehrt 2 . Alle Zen-Anhänger haben sich um Hui-nengs Banner geschart. Wiederum kann Saichô als Beispiel angeführt werden. Dieser geistig hervorragende Buddha-Mönch, der bei seinem kurzen China-Aufenthalt (804/ 5) so ziemlich alle wichtigen buddhistischen Strömungen im Reich der Mitte kennenzulernen wusste, studierte Meditation in der Nordschule des Zen, aber anerkannte und verehrte den sechsten Patriarchen Hui-neng, dessen Lebensbeschreibung, die «Besondere Überlieferung des Großmeisters Sôkei» (Sôkei Daishi Betsuden) er mit vielen kostbaren Schriften nach Japan brachte. Bei einem Besuch auf dem Gozu-Berg hatte er überdies persönlichen Kontakt mit dem Zen der Südschule 3 . Um diese Zeit sind die Zen-Jünger, die zum sechsten Patriarchen Hui-neng aufschauen und seinen Weg der Plötzlichkeit praktizieren, über das ganze Land verbreitet. Ihre Bewegung, «Zen der Patriarchen» (jap. Soshizen, chin. Tsu-shih ch ’ an) genannt, leitet sich ihrem Ursprung nach vom Gründer des chinesischen Zen Bodhidharma ab. Die Benennung «Zen der Patriarchen» ist späten Datums, die dem Zen wesentliche Geistüberlieferung führt zu Bodhidharma und letztlich zum Buddha Shâkyamuni. Den Namen würzt der Kontrast zum «Zen des Vollendeten (Tathâgata)», prägnant formuliert in der Antwort des Zen-Meisters Yang-shan (807 - 883) an seinen jüngeren Gefährten Hsiang-yen Chih-hsien: «Du hast wohl das Zen des Vollendeten erfasst, aber das Zen der Patriarchen hast du im Traum noch nicht gesehen 4 .» Dieses späte Wort erhebt das Zen der Patriarchen himmelhoch über das Zen des Vollendeten; die wertende Gegenüberstellung weist auf die von Shen-hui inszenierte Auseinandersetzung zwischen Südschule und Nordschule zurück. Shen-hui nannte als Erster den Erleuchtungsweg Bodhidharmas «Zen des Vollendeten» (Nyoraizen). Die Bezeichnung knüpft an das Kapitel über die vier «Versenkungen» (dhyâna) im Laṅkâvatâra-Sûtra an, in dem die höchste Versenkung, nämlich die «Stufe der Buddhaschaft», «Versenkung des Vollendeten» heißt 5 . Shen-hui erklärte, wie die Vorrede des Jüngers Tu-ku Pei berichtet, bei der Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai, der dritte Sohn eines indischen Königs - Bodhidharma - habe im Samâdhi das Zen des Vollendeten erreicht 6 ; zweifellos meint er die im Laṅkâvatâra-Sûtra genannte vierte und höchste Versenkungsstufe. Die Einstufung des Erleuchtungsweges Bodhidharmas als «Zen des Vollendeten» ist in Shen-huis Angriff gegen die Nordschule eingebaut. Hatte Bodhidharma tatsächlich im Anschluss an das Laṅkâvatâra-Sûtra Sutrenweisheit gepflegt, erreichte diese Tendenz - so kam es ihm vor - in der Nordschule ein unerträgliches Ausmaß und führte zur Verfälschung des echten Zen-Weges. Shen-hui ging nicht so weit, dem «Zen des Vollendeten» kontrastierend das «Zen der Patriarchen» gegenüberzustellen. Vielmehr würdigt er das «Zen des Vollendeten» positiv, wenn er schreibt: «Sein und Nicht-Sein beide lassen, auch den Mittleren Weg vergessen, dies ist Nicht-Denken (munen). Nicht-Denken ist der eine Gedanke, der eine Gedanke ist das Allwissen, das Allwissen ist die tiefste Vollkommene Weisheit (Prajñâpâramitâ), die tiefste Vollkommene Weisheit ist das Zen des Vollendeten (Nyoraizen) 7 .» Shen-hui artikuliert nicht den Gegensatz «Zen der Patriarchen» gegen «Zen des Vollendeten»; ihm liegt daran, in der Gestalt des sechsten Patriarchen Hui-neng eine dem Gründer Bodhidharma gleichwertige Idealfigur aufzuweisen. Der Terminus «Zen der Patriarchen» kann sich nicht wie das «Zen des Vollendeten» auf Sutrentradition berufen, sondern leitet sich offenbar vom Bild des Patriarchen (Soshi) ab. Doch kommt das Wort «Patriarch» im Zusammen- 170 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China hang mit der Weitergabe der Leuchte erst verhältnismäßig spät vor. Yanagida findet die früheste Belegstelle in der Schrift Hônyo Zenji Gyôjô, die nicht lange nach dem Tod des Zen-Meisters Fa-ju (638 - 689) in der Nordschule entstand 8 . Man legte, wie es scheint, in der Nordschule besonderen Wert auf die Generationsfolge der Geistüberlieferung, zählte die Geistträger von eins bis sechs oder sieben und verehrte den Patriarchen als «Dharma-Schatz». Das Schriftzeichen für «Patriarch» kommt auch in Verbindung mit dem für «Buddha» vor 9 . Es erhöht Buddhas Würde, dass er zu seinen zahlreichen Ehrentiteln den Charakter eines «Patriarchen» besitzt. Der spektakuläre Streit um das sechste Glied in der Generationsfolge Bodhidharmas musste die Bedeutung der Patriarchenwürde in überhelles Licht rücken. Nach dem Sieg der Südschule bei der Großen Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai gilt Hui-neng als der Patriarch par excellence, er ist als der «sechste Patriarch» in die Zen-Geschichte eingegangen. Wenn um die Wende zum 9. Jahrhundert alles chinesische Zen sich auf Hui-neng bezieht, so heißt die alle Schulen vereinigende Bewegung das «Zen der Patriarchen». In der Schrift Hôrinden, die den Schlussstein der vorhergehenden und den Anbruch der neuen Epoche bezeichnet, ist das Idealbild des Patriarchen im Kapitel über Bodhidharma gezeichnet: Auch wenn man Böses sieht, nicht hassen, wenn man Gutes sieht, sich nicht freuen, Torheit lassen und Klugheit nicht nachjagen, Wirrung lassen und Erleuchtung nicht begehren, allsogleich den Großen Weg erreichen und Unterscheidung übersteigen, durch den Buddha-Geist Befreiung erlangen, am Unterschied von heilig und profan nicht haften - diesen überlegenen Menschen nenne ich Patriarchen. 10 Die Schriften jener Zeit nennen Bodhidharma «Patriarchen» oder auch «ersten Patriarchen», aber es konnte nicht ausbleiben, dass die legendäre Gestalt des Gründers vor dem in vielen Jüngern weiterwirkenden sechsten Patriarchen zurücktrat. Spätere Generationen drückten diese vorrangige Werthaftigkeit Hui-nengs durch den Kontrast zwischen dem «Zen der Patriarchen» und dem «Zen des Vollendeten» aus 11 . Ein Blick auf die differenzierte Bedeutung des Begriffs «Südschule» kann zum vollen Verständnis des «Zen der Patriarchen» hilfreich sein. Das Wort weckt zuerst die Erinnerung an Shen-huis Kampf gegen die Abweichler, die er Anhänger der «Nordschule» nennt. Wir sahen, dass jene Meister, die damals in Nordchina, vorzüglich im Umkreis der Hauptstädte Lo-yang und Chang-an wirkten, sich nicht als besondere Schule verstanden, schon gar nicht als Vertreter einer «Nordschule» im Gegensatz zu einer «Südschule». Shen-hui prägte den Begriff «Nordschule» aufgrund der geographischen Gegebenheit, dass jene Abweichler - konkret meint er Shen-hsiu und besonders dessen Jünger P ’ u-chi - in Nordchina lebten, während Hui-neng sich im Süden des Landes aufhielt. Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 171 Shen-hui verwendet die Bezeichnung «Südschule» in zweifachem Sinn: Einmal im Kampf gegen die «feindliche» Linie im Norden, ferner, mit einer völlig anderen Klangfarbe, zur Kennzeichnung des Meditationsweges Bodhidharmas. Er beklagt, dass dieses echte Zen von den Zeitgenossen nicht mehr verstanden wird. Dem «Einen Tor der Südschule Bodhidharmas» misst er absolute Gültigkeit zu 12 . Diese Perspektive des Begriffes «Südschule» ist schon vor der Auseinandersetzung zwischen der Lehre der Plötzlichkeit des Südens und der Allmählichkeit des Nordens bekannt. Der Kompilator der «Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister» Ching-chüeh (638 bis ca. 760) zitiert im Vorwort seines Kommentars zum Herzsutra aus der Gruppe der Prajñâpâramitâ-Sutren ein Wort des Li Chih-fei, gemäß dem Gu ṇ abhadra die dem Bodhidharma übermittelte La ṅ kâ-Überlieferung «Südschule» geheißen habe. Der Kommentar trägt das Datum 727, also fünf Jahre vor der Dharma-Versammlung von Hua-t ’ ai. Li Chih-feis Zitat lässt sich nicht verifizieren, ist aber sicher früheren Ursprungs 13 . Bemerkenswert ist die enge Beziehung zwischen La ṅ kâ-Tradition und Weisheitssutren, die in Ching-chüehs Vorwort zum Ausdruck kommt. Seine einseitige Vorliebe galt dem Laṅkâvatâra-Sûtra, und Shen-hui mag durch ihn und seinen Kreis dazu veranlasst worden sein, die Meditation Bodhidharmas mit dem auf dem Laṅkâvatâra-Sûtra beruhenden «Zen des Vollendeten» zu identifizieren 14 . Diese Sicht Shen-huis entbehrt der geschichtlichen Grundlage. Unverkennbar rücken die Lehren einiger Mahâyâna-Sutren im Zen-Buddhismus zusammen. Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass das Laṅkâvatâra-Sûtra mit der Einsicht der Weisheitssutren gelesen werden kann, bietet der dem Zen- Kreis verbundene prominente La ṅ kâvatâra-Meister Fa-ch ’ ung (587 - 665? ), der nicht am Buchstaben des Sutras hing, sondern den Geist zu erfassen wusste. Fa-ch ’ ung besaß die Gabe der Hermeneutik. Wie Tao-hsüan in seiner Biographie erzählt, zitierte er «allsogleich ein passendes Wort des Sutras, ohne den Wortsinn zu erklären, und führte, der Zeit und den Umständen entsprechend, den Partner in angemessener Weise, weil der Kern bei vielen verschiedenen Ausdrücken immer einer ist.» Schülern, die bloß nach dem Wortsinn suchten, sagte er: «Der wahre Wortsinn ist die Vernunft 15 .» Fa-ch ’ ung war durch persönliche Beziehungen gemeinsamer Jüngerschaft mit der blühenden «Schule der drei Traktate» (jap. sanronshû, chin. san-lun tsung) verbunden. Manche Vertreter dieser Schule, ausgezeichnete Kenner der Weisheitssutren, standen der Meditationsbewegung des Zen nahe. Es gab «eine Art von Verwandtschaftsverhältnis» zwischen der «Schau der Leere der Weisheitssutren» und der «Tradition des Laṅkâvatâra-Sûtra» 16 . Die zeitgenössischen Zen- Meister ließen sich von diesem Gedankenstrom inspirieren. Fa-ch ’ ung repräsentiert die «Einheitsschau von lebensfrischem La ṅ kâ, Sanron und Zen» 17 . Auch die Schule von den drei Traktaten wurde nicht selten «Südschule» genannt. Dieser Bezeichnung eignet nicht immer die gleiche Bedeutung 18 . Wie die Lehre 172 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China von der «Vollkommenen Weisheit» (Prajñâpâramitâ) den Kern des Mahâyâna- Denkens darstellt, so steht das Wort «Südschule» für den maßgebenden mahayanistischen Erleuchtungsweg. Shen-hui griff diesen Bedeutungsinhalt auf und verband damit die Bedeutung der «Lehre der Plötzlichkeit» im Gegensatz zur «Lehre der Allmählichkeit», die er der «Nordschule» zuschrieb. Hui-neng wurde zur Integrationsfigur, sein Kreis zum Zentrum der Südschule, die nicht mehr bloß geographisch oder als eine von zwei Richtungen verstanden wurde, sondern während der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts als «Zen der Patriarchen» die Führung erlangte. Die Zen-Meister der T ’ ang-Zeit zeigen das «Zen der Patriarchen» auf dem Höhepunkt der Entfaltung, nicht als besondere Schule, sondern als Ausdruck der authentischen Zen-Bewegung des sechsten Patriarchen. Die Motive aus den Mahâyâna-Sutren bleiben gegenwärtig, aber der Meditationsstil ist nicht von Sutrenlehre beherrscht, beruht nicht auf Schriften und Buchstaben, sondern einzig auf der Geistüberlieferung. Mit dem Tao vertraut, strahlen die Meister Enthusiasmus aus. Wo das «Nicht-Denken» (munen) in Negation und Paradox zur Erleuchtung durchbricht, wirkt das «Zen des Patriarchen». Schulen und Strömungen Tsung-mi (780 - 841), einer der bedeutendsten Buddhisten seiner Zeit, nennt in einem Bericht über die Zen-Strömungen zu Beginn des 9. Jahrhunderts sieben Schulen, freilich von sehr verschiedenem Gewicht, die in ihrer Vielzahl den unausgeglichenen, zerrissenen Zustand der Zen-Bewegung während des 8. Jahrhunderts bewusst machen 19 . Einige Anmerkungen zu den sieben Schulen können zur Klärung der Situation beitragen und den Einstieg ins Thema dieses Abschnittes erleichtern. Wir ändern die Reihenfolge, beginnen jedoch wie Tsung-mi mit der Nordschule des Shen-hsiu und P ’ u-chi. Diese Schule bestand, so entnehmen wir der Nachricht, trotz aller Anfeindungen bis ins 9. Jahrhundert hinein; die achte Generation ist mit dem Namen des Meisters Hung-cheng vertreten. Auch aus der Ochsenkopf-Schule sind Namen bis zur achten Generation bekannt. Tsung-mi nennt ferner zwei Schulen, abgeleitet von Chih-hsien mit Ch ’ u-chi und Wu-hsiang und von Hui-an mit den Dharma- Erben Chen Ch ’ u-chang und Wu-chu. Diese zwei Schulen überschneiden sich, da Wu-chu nach anderer Angabe in der Nachfolgelinie des Wu-hsiang steht 20 . Über die Schule eines Hsüan-shih fehlen alle weiteren Nachrichten. Die Kataku-Schule, zu der Tsung-mi sich selbst rechnet, verdient mehr Beachtung. Da sie sich von Shen-hui, dem Vorkämpfer für die Sache des sechsten Patriarchen herleitet, könnte man erwarten, ihr sei in der Folgezeit die Führung zugefallen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Unter Shen-huis unmittelbaren Jüngern Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 173 gibt es keinen großen Namen. Sogar Tsung-mis Zugehörigkeit zur Linie Shenhuis ist unsicher, obgleich der gelehrte Mann als fünfter Patriarch der Kegon- Schule gilt 21 . Sein Standpunkt weicht vom lauteren Zen der Patriarchen ab. Zwar lehnt er Shen-hsius Lehre der Allmählichkeit ab, doch ist er in seinem Meditationsstil nicht vom Nicht-Denken (munen) des Hui-neng geprägt. Sein Ideal ist die Verbindung von «rund» (jap. en, chin. yüan) und «plötzlich» (jap. ton, chin. tun) aufgrund der Totalitätsmetaphysik des Kegon und des plötzlichen Erleuchtungsweges des Zen der Südschule. Mit Tsung-mi bricht die Kataku- Schule im chinesischen Zen ab, sie kann nicht ohne Einschränkung zur Südschule gerechnet werden. Tsung-mi nennt in seiner Aufzählung auch die Schule des Hui-neng-Jüngers Nan-yüeh Huai-jang (677 - 744), deren Führer in der dritten Generation der große Ma-tsu Tao-i (709 - 788) ist. Neben ihn stellt die Zen-Literatur Shih-t ’ ou Hsi-chien (700 - 790), dessen Lehrer Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu (660 - 740) ebenfalls als Jünger Hui-nengs gilt; Tsung-mi erwähnt ihn nicht in seinem Bericht. Die zwei vermittelnden Namen des Nan-yüeh Huai-jang und des Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu bleiben in der Zen-Geschichte konturlos; sie dienen offenbar hauptsächlich dazu, die Verbindung zum sechsten Patriarchen herzustellen. In dem Bild, das Tsung-mi von der Zen-Bewegung zu Beginn des 9. Jahrhunderts zeichnet, treten die Jünger des sechsten Patriarchen, die das Hochsitzsutra, die Reden Shen-huis und die späte Chronik Keitoku Dentôroku aufzählen, stark zurück. Außer Shen-hui ist nur Nan-yüeh Huai-jang als der Meister des Ma-tsu genannt. Hinzu kommt Ching-yüan Hsing-ssu, der Lehrer Shih-t ’ ous, des zweiten Linienhauptes der dritten Generation. Die Zen-Überlieferung kennt «Fünf große Meister der Schule» (jap. Godaishûshô) Hui-nengs, die drei genannten Namen sowie Nan-yang Hui-chung ( - 775) und Yung-chia Hsüan-chüeh (665 - 713). Nan-yang Hui-chung, zur Unterscheidung von anderen Meistern gleichen Namens gern «Landesmeister Chung» geheißen, ist geschichtlich gut bezeugt 22 . Von stiller Gemütsart, wandte er sich in jungen Jahren dem Meditationsweg des Zen zu, übte unter der Leitung Hui-nengs und erlangte die große Erfahrung. Danach zog er sich für etwa vierzig Jahre in die Bergeinsamkeit zurück. Später lebte er in Nan-yang. Von Kaiser Su-tsung in die Hauptstadt berufen (761), verbrachte er die letzten Jahre seines nicht genau datierbaren langen Lebens in der Nähe des Hofes, wo er gelegentlich Lehrvorträge hielt. Vom nachfolgenden Kaiser Tai-tsung wurde ihm der Ehrentitel eines «Landesmeisters zweier Kaiser» verliehen. Landesmeister Chung nimmt in der Zen-Literatur den ihm gebührenden Platz ein. Chroniken und Kôan-Sammlungen berichten Rühmliches aus seinem Leben. Heraus ragt die Episode von der «nahtlosen Pagode», die das 18. Beispiel des Hekiganroku ausmacht 23 . Kaiser Tai-tsung (das Beispiel verwechselt ihn mit 174 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Su-tsung, stellt aber in der kommentierenden Bemerkung den Irrtum richtig) fragt den greisen Meister, der ihm vielleicht seinen letzten Besuch abstattet, was nach hundert Jahren sein werde. Hui-chung geht auf die Frage ein: «Baue dem alten Mönch eine nahtlose Pagode! » Realistisch bittet der Kaiser um den Konstruktionsplan. Darauf schweigt der Mönch und fragt schließlich: «Hast du verstanden? » Der Kaiser versteht nicht. Sein Denken bleibt auf niedriger Ebene. Nun sagt ihm der Landesmeister, sein Jünger Tan-yüan werde ihm den Plan mitteilen. Der zweite Akt bringt das Gespräch des Kaisers mit dem Jünger Tan-yüan, der den Sinn der nahtlosen Pagode in vier Versen erklärt: Von Hsiang steht sie im Süden, von Tang reicht sie nach Nord, Ist lauteres Gold darin und füllt das Reich von Ort zu Ort. Unter schattenlosem Baum ein Schiff, nimmt alle mit. Im Glassaal oben wissen sie von Meistern nicht ein Wort. 24 Die nahtlose Pagode - gewöhnlich ist eine Pagode, den Kosmos versinnbildend, aus Schichten aufgebaut - ist voller Geheimnisse. Hsiang bezeichnet geographisch den Süden, Tang den Norden von Hunan. Wie kann die Pagode noch südlicher und noch nördlicher liegen? Räumlich liegt sie überall und nirgends. Kostbar ist sie wie lauteres Gold - so kostbar wie die Buddha-Wirklichkeit. Und das Schiff unter dem schattenlosen Baum deutet wohl auf das «Große Fahrzeug» (Mahâyâna) hin. Aber in der Pagode findet sich nichts Besonderes, kein Meister im Glassaal 25 . Die kosmische Dimension des tiefsinnigen Gleichnisses ist unverkennbar. Man mag an Maitreyas Turm aus dem Kegon-Sutra denken. Der Gesang bringt das Geheimnis zum hellen Leuchten: Pagode ohne Naht - aber schwer zu sehen! Den blauen Drachen duldet ’ s nicht in klaren Wassers Grund. Sie steigt in fernste Höhen, sie wächst ins weiteste Rund, Sie gibt sich den Menschen schon immer zu sehen, und noch zu jeder Stund. 26 Die Gestalt des Landesmeisters ist in der Zen-Überlieferung untrennbar mit der Vision der nahtlosen Pagode verknüpft. Der letzte der fünf großen Meister aus der Schule des sechsten Patriarchen Yung-chia Hsüan-chüeh ist vorzüglich durch den ihm zugeschriebenen poetischen Text Shôdôka, deutsch «Gesang vom Erleben der Wahrheit», nämlich des Tao, bekannt 27 . Die Entstehung ist völlig unsicher, aber späteren Datums. Als Titel kommt auch die Variante «Lied von der Buddha-Natur des höchsten Fahrzeuges» (jap. Saijôjô busshô-ka) vor 28 . Der Gesang enthält die Grundgedanken des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen, gleich in der ersten Strophe die Gleichsetzung von Trübungen und Buddha-Natur. Die berühmte Zeile aus der Erleuchtungsstrophe Hui-nengs: «Von Anfang an existiert nicht ein einziges Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 175 Ding» kommt zweimal vor. Die Realisierung des Tao durch die Weisheit (prajñâ) geschieht plötzlich. Der metaphysische Hintergrund der Weisheitssutren scheint in der Dichtung deutlich durch. Die zwei Hauptlinien des chinesischen Zen Im Mittelpunkt der neuen Zen-Bewegung stehen Ma-tsu und Shih-t ’ ou, zwei Meister aus der dritten Generation. Die Zen-Chroniken schildern den Aufbruch mit bewegenden Worten: «Westlich vom Fluss ist der ‹ Große Einsame › (Ma-tsu) der Meister, südlich vom See ist ‹ Steinkopf › (Shih-t ’ ou) der Meister. Das Volk strömt in Scharen dorthin. Wer die zwei großen Meister nicht sah, ist ein Unwissender 29 .» Der Schwerpunkt der Zen-Bewegung verlagerte sich während der späten T ’ ang-Zeit von den Städten zu den Landbezirken. Die zwei Hauptlinien des chinesischen Zen-Buddhismus leiten sich von Matsu und Shih-t ’ ou ab. Wenn auch das eigentliche chinesische Zen nicht erst, wie gesagt worden ist, an diesem Punkt beginnt, so tritt doch in der Tat das bis heute überlieferte Zen seit der dritten Generation nach Hui-neng erstmalig deutlich in die Erscheinung und hat seinen Ursprung in jener Bewegung um die zwei großen Meister in den Provinzen, von Kiangsi («westlich vom Fluss») und Hunan («südlich vom See»), um die sich einmal die Scharen drängten. Diese Zen- Bewegung ist geschichtlich greifbar. Das heißt nicht, dass sich in die Chroniken, Spruchsammlungen und Kôan-Geschichten nicht zu aller Zeit viele legendäre Züge eingemischt hätten. Die gebotene Sichtung bleibt der Einzelforschung überlassen, deren Ergebnisse das Gesamtbild der Zen-Geschichte noch vielfältig ergänzen und vielleicht auch verändern werden. Ma-tsu ist der einzige chinesische Zen-Meister nach Hui-neng, der den Titel «Patriarch» (chin. tsu, jap. so) im Namen trägt. Er ist der Patriarch aus dem Hause «Ma» (mit dem Wortsinn «Pferd»). Sein Erscheinen ist durch eine Prophezeiung angekündigt, die auf seinen Namen anspielt 30 . In einer umfassenden Voraussage des 27. indischen Zen-Patriarchen Prajñâtâra an seinen Nachfolger Bodhidharma, den 28. indischen und zugleich ersten chinesischen Patriarchen, sind Ma-tsu und sein Lehrer Huai-jang genannt. In dem Ma-tsu gewidmeten Vers ist die Rede von einem jungen Pferd, das die Welt unter seine Füße stampft. Ma-tsu wird auch eine Erleuchtungsstrophe zugeschrieben. Ein Epitaph, verfasst von Ch ’ üan Te-yü (759 - 818), rühmt seine Verdienste. In der Zen-Literatur ist seine Gestalt von Legenden umwoben, aber geschichtlich genügend deutlich. Doch bleiben Schwierigkeiten bezüglich seiner Biographie. Die zwei frühesten Biographien Ma-tsus finden sich in der Zen-Chronik Sodôshû 31 und der Sammlung «Biographien berühmter Mönche, kompiliert während der Sung-Zeit» (Sô Kôsôden) 32 , beides Schriften aus der zweiten Hälfte des 176 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China 10. Jahrhunderts. Der zeitliche Abstand von Ma-tsu ist zu groß, als dass die Kompilatoren dieser Werke aus eigener, wenn auch indirekter Kenntnis schöpfen konnten. Dem Sodôshû haften überdies die den chinesischen Zen- Chroniken eigenen Mängel des Geschichtsbewusstseins an. Die Sung-Sammlung der Biographien berühmter Mönche hat viel Material aus einer langen Zeitspanne (667 - 987) zusammengetragen. Der Bericht über Ma-tsu beginnt: Der Mönch Tao-i aus der Familie Ma stammt aus Han-chou . . . Von jung an verabscheute er den Erdenstaub, entsagte allem Haften und aller Anhänglichkeit und verlangte nach der Freizügigkeit des Herumwanderns. Von dem Meister T ’ ang im Bezirk Tzu empfing er die Tonsur, von dem Vinaya-Meister Yüan im Bezirk Yü die Mönchsgebote . . . 33 Diese biographischen Nachrichten des Geschichtswerkes der Sung-Zeit haben Gewicht. Über den genannten Vinaya-Meister fehlen Auskünfte. Den Meister T ’ ang identifiziert Yanagida als Ch ’ u-chi (gest. 732 oder 734) aus der Familie T ’ ang, den Dharma-Erben des Chih-hsien, des Begründers der nach dem Namen der Provinz Szechuan genannten Schule, in der die Chronik Rekidai Hôbôki entstand 34 . Dieser Nachricht zufolge tat Ma-tsu die ersten Schritte seines Mönchlebens unter der Leitung des Ch ’ u-chi und konnte bei diesem den Nachfolger Wu-hsiang (mit Familiennamen Kim, aus Korea) kennen lernen. Zusammen mit einem dritten Mönch dienten beide dem Meister Ch ’ u-chi während seiner letzten Lebensjahre. Ma-tsu widmete sich der Meditationsübung unter der Führung des Wu-hsiang. So erklärt sich, dass Tsung-mi ihn als einen Jünger Wu-hsiangs bezeichnet 35 . Doch trat er nicht in die Nachfolge dieses Meisters ein. Das oben erwähnte Epitaph für Ma-tsu weiß vom Beginn seines Mönchslebens im Bezirk Tzu, nennt jedoch nicht den Meister Ch ’ u-chi 36 . Die Generationslinie der Szechuan-Schule läuft, wie das Rekidai Hôbôki klar darlegt, von Chih-hsien über Ch ’ u-chi und Wu-hsiang zu Wu-chu, der indes nicht bei Wu-hsiang geübt hat 37 . Ma-tsu steht in der Nachfolgeschaft des Nan-yüeh Huaijang, durch den er unmittelbar mit Hui-neng verknüpft ist. Tsung-mi erzählt von einem frühen Aufenthalt bei Wu-hsiang. Später sei Ma-tsu bei seinen Wanderungen zu Nan-yüeh Huai-jang gelangt und von diesem Liebhaber der Einsamkeit um seines glühenden Eifers willen als Jünger angenommen worden. Das Epitaph, die frühen Biographien und die gesamte spätere Zen-Literatur bestätigen die Generationslinie, die vom sechsten Patriarchen Hui-neng über Nan-yüeh Huai-jang zu Ma-tsu Tao-i führt. Ma-tsu ist die beherrschende Gestalt der frühen Zen-Bewegung, Schauplatz seines Wirkens ist die Provinz Kiangsi. Jünger strömten ihm in Scharen zu. Oft wechselte er den Aufenthaltsort. Mit ihm beginnt die Hauptlinie des chinesischen Zen, aus der die mächtige Rinzai-Schule hervorging. Als Erster hat er das Andonnern (chin. ho, jap. katsu) angewandt, das später durch Lin-chi (jap. Rinzai) Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 177 berühmt wurde. Das Paradoxe ist bei ihm mit Grobheit vermischt. Seinen Jünger Pai-chang packte er nach einem doppelsinnigen Zwiegespräch plötzlich an der Nase und drehte diese so heftig, dass jener vor Schmerz laut aufschrie - und die Erleuchtung erlangte. Die Chronik beschreibt seine derb-kernige Gestalt folgendermaßen: «Sein Äußeres war merkwürdig. Er schritt einher wie ein Ochs und schaute herum wie ein Tiger. Wenn er die Zunge ausstreckte, reichte sie bis über die Nase hinauf. Den Fußsohlen waren zwei Kreiszeichen eingeprägt 38 .» Im Gegensatz zum passiven Meditationsstil der Nordschule vertritt Ma-tsu den dynamischen Zen-Weg des sechsten Patriarchen, nachdem sein Lehrer Nanyüeh Huai-jang ihn von der Nutzlosigkeit des bloßen Hinhockens überzeugt hatte. Die Chronik berichtet: Er (Ma-tsu) weilte im Tempelkloster Dembôin und saß beständig in Meditation. Der Meister wusste um seine hervorragende Fähigkeit für den Dharma, kam zu ihm und fragte: «Trefflicher, mit welcher Absicht übst du Zazen? » Tao-i antwortete: «Ich möchte ein Buddha werden.» Da nahm der Meister einen Ziegel und begann ihn an einem Stein vor der Hütte zu reiben. Tao-i sagte: «Was tut der Meister da? » Der Meister sprach: «Ich reibe (diesen Ziegel), um einen Spiegel zu machen.» Tao-i sprach: «Wie kannst du einen Spiegel machen, indem du einen Ziegel reibst? » Der Meister sprach: «Wie kannst du ein Buddha werden, indem du Zazen übst? » 39 Der Sinn des Gespräches ist klar. Der Geist ist ursprünglich rein. Die Staub wischende Übung ist so nutzlos wie das Reiben eines Ziegels. Der ursprünglich lautere Geist ist eins mit dem Buddha. Diese Überzeugung macht den Kern der Lehre des Ma-tsu aus. In der Schrift Sodôshû sind ihm Worte in den Mund gelegt, die auf Bodhidharma und das Laṅkâvatâra-Sûtra Bezug nehmen: Jeder von euch glaube, dass sein Geist Buddha ist. Dieser Geist ist nichts anderes als Buddha. Einst kam der Großmeister Bodhidharma von Indien, übermittelte diesen höchsten Dharma des Einen Geistes und öffnete den Zugang zur Erleuchtung. Oft zitierte er Worte des Laṅkâvatâra-Sûtra und berief sich auf den Geist der Lebewesen . . . 40 Die späte Chronik formuliert die Kernlehre des Ma-tsu wie folgt: Außer dem Geist gibt es keinen Buddha mehr, außer dem Buddha gibt es keinen Geist. Ergreife nicht Gutes, verwirf nicht Böses! Wenn du dich auf keines von beiden, weder auf Reinheit noch auf Beflecktheit stützest, begreifst du die Leere der Natur der Sünde. In jedem Augenblick ist sie unfassbar, weil sie keine Eigennatur hat. Deshalb sind die 178 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China drei Welten nur Geist. Das Weltall und alle Dinge tragen das Siegel des Einen Dharma. 41 Ma-tsus Lehre von der Identität des Geistes mit Buddha und von der Transzendenz der Geist-Buddha-Wirklichkeit wird bei der Übung konkret greifbar. In zwei Beispielen der Kôan-Sammlung Mumonkan antwortet er auf die gleiche Frage: «Was ist der Buddha? » einmal: «Der Geist ist der Buddha» (Nr. 30) und beim zweiten Mal: «Weder Geist noch Buddha» (Nr. 33). Die erste Antwort verdeutlicht die Geistigkeit der Buddha-Wirklichkeit, könnte indes in der bejahenden Form als philosophischer Satz missverstanden werden. Deshalb bedarf sie der Ergänzung durch die negative Aussage: «Weder Geist noch Buddha», um den Überstieg zur übergegensätzlichen Wahrheit zu sichern. In den Kôan des Mumonkan spricht Ma-tsu die dialektische Sprache der Weisheitssutren, aber er schätzt, wie das oben angeführte Zitat zeigt, auch das Laṅkâvatâra-Sûtra 42 . Die Nur-Bewusstseinslehre klingt ebenfalls in den Zitaten an 43 . So spiegelt die facettenreiche Sprache Ma-tsus die Metaphysik der Mahâyâna-Sutren vielfältig wider. Der Jünger Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan (748 - 834) lässt in einem Lehrvortrag die taoistische Färbung der Gedankenwelt seines Meisters Ma-tsu aufscheinen, wenn er im Anschluss an die Kôan-Worte von Geist und Buddha ausführt: Während der Weltzeit (kalpa) der Leere gibt es keine Namen. Seit Buddhas Erscheinen in der Welt gibt es Namen. Man erfasst auf Grund der äußeren Merkmale (der Dinge) . . . Im Großen Tao ist alles ohne heilig und profan. Was einen Namen hat, unterliegt der Begrenzung. Deshalb sprach der Alte von Kiangsi (Ma-tsu): Dieses ist nicht Geist, dieses ist nicht Buddha, dieses ist kein Ding. 44 Ma-tsu ist einer der größten der Zen-Meister der T ’ ang-Zeit. Als er zum Sterben kam, besuchte ihn der Vorsteher des Klosters, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er gab ihm den Bescheid: «Buddha mit dem Sonnengesicht - Buddha mit dem Mondgesicht.» Rätselworte, die - als Kôan ins Hekiganroku aufgenommen - bis heute geübt werden 45 . Im siebten Hauptteil eines Buddha- Namen-Sutras, das bei der Beicht- oder Reuefeier rezitiert wird, so belehrt Gundert über die Herkunft der Worte, heißt es: Danach sah ich einen Buddha mit dem Namen Mondgesicht. Die Lebensdauer dieses Buddhas mit dem Mondgesicht beträgt nur einen Tag und eine Nacht. An dem Verehrungswürdigen mit dem Mondgesicht vorbei sah ich wieder einen Buddha; der trägt den Namen Sonnengesicht. Die Lebensdauer dieses Buddhas mit dem Sonnengesicht beträgt volle eintausendachthundert Jahre. 46 Ob kurz oder lang, die Lebensdauer Buddhas ist unmessbar. Die Zeitangaben des Sutras mögen auf die buddhistische Urerfahrung von der radikalen Unbeständigkeit der Werdewelt abheben und zugleich einen Schimmer des Buddha- Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 179 Lichtes der «anderen Küste» aufscheinen lassen. Alles Erklären ist dem Zen- Geist fern. Das Kôan hat seine Tiefe aus der Unaussprechlichkeit der Wahrheit und seine menschliche Wärme von der Gestalt des greisen Großmeisters Ma, der mit diesem Wort sein Sterbelied singt. Er weiß - so versteht er seine Erleuchtungserfahrung - , dass dieser Geist mit den Trübungen Buddha ist. Shi-t ’ ou Hsi-chien (700 - 790), von dem die zweite Hauptlinie des chinesischen Zen der T ’ ang-Zeit ausgeht, steht durch seinen wenig bekannten Lehrer Ch ’ ingyüan Hsing-ssu in der unmittelbaren Nachfolge Hui-nengs. Frühe Biographien über ihn finden sich in der Zen-Schrift Sodôshû 47 und in den Biographien berühmter Mönche, kompiliert während der Sung-Zeit (Sô-Kôsôden) 48 . Mit scharfer Intelligenz und ruhiger Selbstsicherheit des Charakters begabt, neigte er von früher Jugend an zum geistlichen Weg. Als sein Geburtsort wird Kao-yao in Tanchou angegeben, unweit von Ts ’ ao-ch ’ i, dem Sitz des sechsten Patriarchen, dem er noch als Knabe seinen Besuch abgestattet haben soll. Die Legende lässt ihn beim Tod Hui-nengs (713) anwesend sein. Im Mannesalter empfing er die Mönchsweihe im Tempelkloster Rafuzan (chin. Lo-fu-shan, Provinz Kwantung, 728). Wenig später suchte er den Zen-Meister Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu auf, der in der Provinz Kiangsi einen Jüngerkreis auf dem Weg der plötzlichen Erleuchtung führte. «Ich habe viel gehörntes Vieh, aber ein Einhorn genügt», soll der Meister gesagt haben, der scharfsichtig die besondere Begabung seines neuen Jüngers erkannte. Bei Ch ’ ing-yüan erlangte Shih-t ’ ou Erleuchtung und Dharma-Siegel als Dritter in der Generationslinie Hui-nengs. Im Besitz der Erfahrung nahm er seinen Wohnsitz in der Provinz Hunan (742). Er baute sich, so meldet die Überlieferung, eine Hütte auf einem breiten flachen Stein; daher hieß er im Volksmund «Steinkopf» (chin. shih-t ’ ou, jap. sekitô); mit diesem Namen ist er in die Zen-Geschichte eingegangen. Einsam meditierend und eine wachsende Schar von Jüngern belehrend, lebte er 23 Jahre lang in der Zurückgezogenheit der Berghütte, bis er sich auf die Bitten seiner Jünger nach Liang-tuan in T ’ an-chou (Provinz Hunan) begab, wo mit ihm ein neues Zentrum der Zen-Bewegung entstand (764). Sein Ruhm strahlte weithin und zog viele Jünger an. Unsicheren Nachrichten zufolge kehrte er nochmals zu seinen geliebten Bergen zurück, wo er hoch betagt sein Leben beschloss. Die Chronik Keitoku Dentôroku erzählt von einem Lehrvortrag Shih-t ’ ous vor seinen Jüngern in der Halle, bei dem sich der Meister auf die Autorität der Buddhas der Vorzeit beruft, die den Dharma überliefert haben. Die Quintessenz lautet: «Der Geist ist gleich dem Buddha. Geist, Buddha, Lebewesen, Weisheit und Trübungen sind nur dem Namen nach verschieden, aber im Wesen eins . . . Die Natur kennt weder Aufhören noch Beständigkeit, weder Befleckung noch Reinheit, sie ist still und ganz; profan und heilig sind gleich . . .» An diese Unterweisung schließt sich ein Gespräch an. Der Jünger Tao-wu fragt den Meister: 180 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Wer hat die wesentliche Absicht von Ts ’ ao-ch ’ i (d. h. die Lehre des Hui-neng) erlangt? » Darauf der Meister: «Der den Buddha-Dharma versteht, hat sie erlangt.» Darauf: «Hat der Meister sie erlangt oder nicht? » Der Meister: «Ich verstehe den Buddha-Dharma nicht.» Ein anderer Mönch fragt: «Wie verhält es sich mit der Befreiung? » Darauf der Meister: «Wer bindet dich? » Und: «Wie ist es mit dem Reinen Land? » Der Meister: «Wer befleckt dich? » Und: «Wie ist es mit Nirvâ ṇ a? » Der Meister: «Wer steckt dich ins Sa ṃ sâra (= Werdewelt)? » 49 Im letzten Buch des Keitoku Dentôroku sind zwei Shih-t ’ ou zugeschriebene Lehrgedichte aufbewahrt, das Sandôkai (chin. Ts ’ an-t ’ ung-ch ’ i), «Zum Preise der Gleichheit» 50 , und das Sôanka (chin. Ts ’ ao-an-ko) «Lied aus der Grashütte» 51 . Das leicht taoistisch gefärbte Sandôkai regte das dialektische Denken späterer Meister an. Das Schema der «Fünf Stufen» der Sôtô-Schule wurzelt vielleicht im Denk- und Sprachspiel des Shih-t ’ ou 52 . In der Zen-Literatur werden Ma-tsu und Shih-t ’ ou gern nebeneinander gestellt, schon deshalb, weil die zwei Hauptlinien des chinesischen Zen von diesen Meistern ausgingen. Beide erlangten einen gleich hohen Grad von Berühmtheit, obgleich sie nach Begabung und Temperament voneinander recht verschieden waren. Ma-tsu erfreute sich wegen seiner spontanen, kernigen Art großer Popularität, während Shih-t ’ ou dem Typ nach mehr der schweigende, scharfe Denker gewesen zu sein scheint. Der ununterbrochene Zustrom von Jüngern zu den von diesen Meistern eröffneten Zentren ließ das Zen des sechsten Patriarchen zur bedeutendsten Bewegung innerhalb des chinesischen Buddhismus des Mittelalters werden. «Sonderbare Worte und außergewöhnliche Taten» Diesen Ausdruck 53 verwendet die Zen-Chronik zuerst für den Zen-Stil Ma-tsus, er charakterisiert treffend die Zen-Meister der späten T ’ ang-Zeit, als die erleuchteten Jünger der Generationslinien des Ma-tsu und des Shih-t ’ ou in China ihre Tätigkeit entfalteten. Damals blühten jene originalen Meister, die im Überschwang des Geistes das Unaussprechliche ihrer Erfahrung in stets neuen Einfällen und paradoxen Wendungen aussprachen. Die Ursprünglichkeit ihrer Aussage steht in erregendem Kontrast zur Eintönigkeit des immer gleichen Inhaltes. Diese kraftstrotzenden, lebenssprühenden Männer werfen alle Methode von sich, um sich frei vom Geistessturm führen zu lassen. Mit erstaunlicher Sprachmächtigkeit begabt, bereichern sie den religiösen Wortschatz durch Wortprägungen, die der Vernunft spotten und der Übersetzung widerstehen. Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 181 Das reiche, überschäumende Geschehen dieser Tage ist in dem Ausdruck «Zeitalter der Aktivität des Zen» (Zenki no jidai) festgehalten, der die hohe Begabung, Tüchtigkeit und Qualität der Meister hervorhebt, während er zugleich die vorwärts drängende Dynamik der Bewegung ins Licht stellt. In der Tat erreicht das Zen in jenen Tagen eine weder vorher noch nachher je erreichte Höhe. Es ist das «goldene Zeitalter», während dessen sich der Geistesstrom, von Ma-tsu und Shih-t ’ ou ausgehend, über das chinesische Land ergießt 54 . Die Schilderung kann nur Einzelpunkte anleuchten. Doch dies genügt, weil gerade diese Zeitspanne insbesondere infolge der Vorliebe D. T. Suzukis für die in den Kôan-Beispielen bevorzugten eindrucksvollen Gestalten der T ’ ang- Periode im Westen gut bekannt ist. Im Folgenden seien einige herausragende Meister mit ihren Worten und Taten vorgestellt. Wir greifen auf Ma-tsus Jünger Nan-ch ’ üan zurück, um in seiner Schule dem genialen Chao-chou Ts ’ ung-shen (778 - 897) zu begegnen, der alle seine Zeitgenossen an spontaner, schöpferischer Erfindungskraft übertraf 55 . Seinem Auftreten verdankt die Begebenheit «Nan-ch ’ üan tötet die Katze» die groteske Note: Als einst die Mönche von der Osthalle des Klosters mit denen von der Westhalle um eine Katze stritten, hielt Meister Nan-ch ’ üan die Katze hoch und sprach: «Ihr Versammelten alle, wenn einer es (= das Zen-Wort) sagen kann, werde ich sie retten; wenn keiner es sagen kann, werde ich sie töten.» Keiner der Versammelten vermochte zu antworten. So tötete Nan-ch ’ üan sie. Am Abend kam Chao-chou von draußen heim. Nan-ch ’ üan erzählte ihm das Vorkommnis. Da zog Chao-chou seine Strohsandalen aus, legte sie auf seinen Kopf und ging hinaus. Nan-ch ’ üan sprach: «Wenn du da gewesen wärest, hätte ich die Katze retten können.» 56 Im Schrifttum des Zen sind viele paradoxe Aussprüche und seltsame Taten des Chao-chou überliefert. Oft ist das Unzusammenhängende auf die Spitze getrieben. «Ein Mönch fragte den Chao-chou: ‹ Wenn der ganze Leib zerbricht und zergeht, da ist ein Ding - beständig geistig; wie ist es damit? › Der Meister sprach: ‹ Heute morgen erhebt sich wieder der Wind. › » 57 Oder: «Ein Mönch fragte: ‹ Die zehntausend Dharma kehren zum Einen zurück. Wohin kehrt das Eine zurück? › Der Meister sprach: ‹ Als ich in Ch ’ ing-chou weilte, verfertigte ich ein Gewand, das sieben Pfund wog. › » 58 Durch solche Antworten auf metaphysische Fragen wird die Unzulänglichkeit aller Worte gegenüber der Wirklichkeit dargetan. In manchen Worten liegt echter Tiefsinn: «Ein Mönch fragte: ‹ Wenn ein Armer kommt, was soll man ihm geben? › Der Meister sprach: ‹ Nicht das Geringste fehlt ihm. › » 59 Ähnlich die Antwort auf die Bitte eines Mönchs um 182 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Belehrung über die Erleuchtung: «Geh ’ und wasch deine Ess-Schale! 60 » Die Erleuchtung kann in den Dingen des alltäglichen Lebens gefunden werden. Eine konkrete Antwort empfängt auch die Frage: «Was ist es mit Chao-chou? » (Chaochou ist der Name der Kreisstadt unweit von Peking, in der der Meister seinen Alterssitz hatte, nach dem er genannt wurde; daher die Zweideutigkeit der Frage.) Die Antwort lautet: «Osttor, Westtor, Südtor, Nordtor.» Damit ist die kleine Stadt, so wie sie ist, bezeichnet, offen nach allen Seiten. Von dieser Art muss die Antwort sein, die das Wesen des Meisters treffen soll 61 . Wenn der chinesische Buddhismus insgesamt von der Begegnung mit dem Taoismus geprägt ist, so erreicht die gegenseitige Durchdringung einen Höhepunkt in der Zen-Bewegung der T ’ ang-Zeit. Das Bewusstsein der in den Kämpfen und Auseinandersetzungen während des 8. Jahrhunderts neu erlangten Freiheit lässt die Zen-Jünger, überzeugt vom überragenden Wert der plötzlichen Erfahrung, zu der im taoistischen Erbe eingebetteten angeborenen Natürlichkeit finden. Chao-chou verkörpert in seiner unnachahmlichen Spontaneität diesen Wesenszug. In der Mumonkan-Sammlung ist ein schlichtes Kôan überliefert, dessen hohe Bedeutsamkeit leicht übersehen werden kann 62 . Chao-chou fragt seinen Meister Nan-ch ’ üan über den Weg - das Tao. Der Meister sagt ihm: «Der alltägliche Geist ist der Weg.» Voll jugendlichen Eifers fragt der Jünger weiter, was er tun muss, um den Weg zu erlangen, ob er «sich zu ihm hinwenden muss oder nicht». Er empfängt die Belehrung: «Wer sich eigens zu ihm hinwendet, wendet sich von ihm ab.» Und nun die letzte Frage: «Wie kann man, wenn man sich nicht zu ihm hinwendet, wissen, ob es der Weg ist? » Darauf erklärt Nanch ’ üan das letzte Wesen des Weges und des Zen: «Der Weg gehört nicht zu Wissen und Nicht-Wissen. Wissen ist Täuschung. Nichtwissen ist nichtig. Wenn einer wirklich den absichtslosen Weg erlangt, so ist er weit und offen wie die Große Leere. Wie kann man darüber disputieren? » «Bei diesen Worten», so schließt das Beispiel, «erfuhr Chao-chou eine plötzliche Erleuchtung.» Dieses Kôan ist überschrieben: «Der alltägliche Geist ist der Weg.» Über den Sinn des «Weges», des Tao, besteht kein Zweifel; er ist gleich Buddha und Buddha-Natur - das Höchste. Das Wort «Geist» spielt im Zen-Buddhismus eine wichtige Rolle und kann eine Verständnisschwierigkeit verursachen. Das chinesische Schriftzeichen (jap. gelesen shin, chin. hsin) kann als Übersetzung des Sanskrit-Terminus citta stehen. Ein wichtiger Begriff in der philosophischen Literatur des Buddhismus, lässt dieser Terminus je nach dem System, in dem er vorkommt, verschiedene Deutungen zu. Das chinesische Schriftzeichen wird dann in Anlehnung an die buddhistisch-idealistische Bewusstseinsphilosophie wohl auch mit «Bewusstsein» übersetzt. Der Einfluss der Mahâyâna-Sutren kann im klassischen Zen nicht übersehen werden; dieser Einfluss ist im Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 183 Hintergrund und im Untergrund immer da. Doch fühlen sich die Zen-Meister im Besitz der Geistmitteilung, die sich auf keine Schriften und Buchstaben stützt, nicht der Sutrenweisheit verpflichtet. In dieser Situation findet das Gespräch zwischen Chao-chou und Nan-ch ’ üan über das Tao statt. Die Zen-Meister interessieren sich nicht für philosophische Theorien, das Tao ist kein abstraktes Absolutes, es ist «alltäglich», der im Alltagsleben wirkende Geist. «Ist nicht alles, was man jeden Tag vom Morgen bis zum Abend tut, so wie es ist, Weg? », erklärt ein japanischer Zen-Meister 63 . Das Tao ist «absichtslos», transzendiert Wissen und Nicht-Wissen, es ist «weit und offen wie die Große Leere». Buddhistische Erleuchtung und taoistische Weisheit sind in eins gebracht. Im Kôan über die Buddha-Natur des Hundes drückt Chao-chou die buddhistische Erleuchtung durch das übergegensätzliche «Mu» aus 64 , die gleiche Lehre künden im zweiten Beispiel des Hekiganroku die Verse: Der höchste WEG ist gar nicht schwer, Nur abhold wählerischer Wahl. 65 Die Tradition hat Chao-chous Erleuchtungslehre ins Wort von der «Nicht- Zweiheit des Großen Tao» (funi daidô) gefasst. Wie die Buddha-Natur ist die Nicht-Zweiheit des Tao unaussprechlich. Eine andere charakteristische Gestalt unter den Zen-Meistern der T ’ ang-Zeit ist Te-shan Hsüan-chien (782 - 865) aus der Traditionslinie des Shih-t ’ ou Hsichien. Er stammte aus Nordchina, und war in der buddhistischen Wissenschaft, vor allem in der Lehre von der Vollkommenen Weisheit (Prajñâpâramitâ) sehr bewandert. Die Kunde vom blühenden Zen-Leben im Süden erregte in ihm quälende Zweifel. War es nicht eine sträfliche Anmaßung, unmittelbar die eigene Natur schauen und, ohne sich auf Sutren zu stützen, die Buddhaschaft erlangen zu wollen? In feindseliger Stimmung machte er sich auf den Weg nach Süden, um die leichtsinnigen Neuerungen zu bekämpfen. Unterwegs traf er eine alte Frau, die seinem Vertrauen auf die Sutrenweisheit den ersten Stoß versetzte und ihn an den Meister Lung-t ’ an wies. Bei diesem öffnete sich ihm das Auge der Erleuchtung in dem Augenblick, als der Meister das Kerzenlicht ausblies und es finstere Nacht um ihn wurde. Am folgenden Tag verbrannte Te-shan den Kommentar zum Diamantsutra, den er in einem Kasten mit sich trug 66 . Um Teshan scharten sich später zahlreiche Schüler. Bei der Führung seiner Jünger benutzte er gern den Stock. Nie bestieg er den erhöhten Sitz der Meditationshalle ohne den kurzen Stab, den er in der Luft schwang, während er rief: «Gleich, ob einer erklären kann oder nicht, in jedem Fall empfängt er dreißig Schläge 67 .» Stock und Andonnern, zuerst von Ma-tsu angewandt, spielen bei Te-shan und anderen Zen-Meistern der T ’ ang-Zeit eine große Rolle. Die Stockschläge sind als Ansporn und praktische Hilfsmittel oder Kunstgriffe (sanskr. upâya, jap. hôben) gemeint, sie wurden später von allen Zen-Schulen in die Übung aufgenommen. 184 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Te-shan erfreute sich großer Beliebtheit und zog einen zahlreichen Jüngerkreis an. Die Kernpunkte des Zen-Weges fasste er in eindringliche Worte. «Er sprach zur Versammlung: ‹ Wenn nichts mehr in euch ist, so sucht nicht weiter! Was durch unnützes Suchen erlangt wird, ist kein Gewinn. Wenn ihr im Geist ohne Ding und Nicht-Geist seid, so seid ihr ledig und geistig, leer und wunderbar 68 .» Das Ideal des Erleuchteten zeichnet er wie folgt: «Er fürchtet nicht Geburt und Tod (d. i. Sa ṃ sâra), er braucht weder Nirvâ ṇ a zu erlangen noch Erleuchtung zu erweisen. Er ist nur ein gewöhnlicher Mensch ohne irgendetwas sonst 69 .» Das Thema der Identifizierung des gewöhnlichen Geistes mit dem Tao ist hier variiert und öffnet einen Zugang zu dem beliebten Motiv des Findens der Erleuchtung in den Dingen des Alltags. Unter Te-shans Jüngern ragen Yen-t ’ ou Ch ’ üan-huo (828 - 887) und Hsüehfeng I-ts ’ un (822 - 908) hervor, die mit ihrem Meister zusammen in einem reizvollen Kôan-Beispiel auftreten. Die Jünger machen sich über ihren alten Meister lustig, aber dieser hat, wie sich zeigte, «das letzte Wort», das Tiefste und Innerste, verstanden 70 . Gegen Ende der T ’ ang-Periode bildete sich ein weit ausstrahlendes Zen-Zentrum um Hsüeh-feng. In die folgende Epoche hinein reicht sein Jünger Ch ’ ang-ch ’ ing Hui-leng (854 - 932), der als Meister zu hohem Ansehen gelangte. Zwei und ein halbes Jahr ließ ihn sein strenger Meister die Meditation im Hocksitz üben. Nach einem starken Erlebnis schaute er «klar das Eis im Feuer» 71 . Harte asketische Übung war den Zen-Meistern nach Hui-neng keineswegs fremd. Von Hsüeh-feng geht die Generationslinie weiter zu den Ummon- und Hôgen-Schulen, die beide zu den «Fünf Häusern» gehören. Das Sonderbare und Außergewöhnliche im Sprechen und Tun ist im Gewaltakt des strengen Chü-chih zum äußersten gebracht. Dieser Meister hatte von seinem Lehrer T ’ ien-lung den sogenannten «Ein-Finger-Zen» überkommen. Anstatt aller Belehrung hob er nur schweigend einen Finger und führte so zur Erleuchtung. Nun geschah es, dass ein Jünger ihn nachahmte. Von Auswärtigen befragt, hob er wie sein Meister den Finger. Als Chü-chih davon erfuhr, schnitt er ihm mit einer Klinge den Finger ab. Laut aufschreiend vor Schmerz lief der Jünger davon. Chü-chih rief ihm nach. Der Knabe schaute um und sah den Meister, der wieder den Finger hob. Da erwachte er zur Erleuchtung und begriff, dass bloßes Nachmachen nicht genügt 72 . Die Erfahrung muss im Inneren aufbrechen. Das mönchische Leben Leben bedarf der Form und schafft sich die ihm gemäße, wenn es echt ist. Zur Blütezeit des Zen während der T ’ ang-Periode entstand die Klosterregel des Paichang (720 - 814), die das Gemeinschaftsleben der Zen-Mönche ordnet. Die Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 185 Bedürfnislosigkeit des indischen Bettelasketen, dem «ein Gewand und eine Almosenschale, unter einem Baum und auf einem Stein» zur Lebensfristung genügt, ließ sich auf chinesischem Boden bei rauerem Klima und anderen Landessitten nicht durchführen 73 . Deshalb hatte schon in der Frühzeit Tao-hsin für das Zusammenleben von 500 Jüngern Bestimmungen getroffen, die körperliche Arbeit zur Beschaffung des täglichen Brotes vorsahen. Hui-neng, der Ankömmling aus dem Süden, musste beim fünften Patriarchen Hung-jen acht Monate lang Holz spalten und die Reismühle treten. Er war nicht der Einzige im Kloster, der sich durch Arbeit um das allgemeine Wohl bemühte. Reispflanzen, Ackerbestellen, Bambusschneiden werden mit anderen Arbeiten in den Chroniken erwähnt. Man gab das Betteln nicht auf, weil es an die Besitzlosigkeit erinnert, die zu den geistigen Grundlagen des buddhistischen Mönchtums gehört. Man verzichtete sogar auf das gemeinschaftliche Eigentum von Landgütern, um jeglicher Erwerbsgier vorzubeugen 74 . Pai-chang hat als Erster den Zen-Mönchen eine feste Regel gegeben und dadurch das Zen von den anderen buddhistischen Schulen unabhängig gemacht. Bis zur Zeit des Pai-chang lebten die Zen-Mönche meist in den Klöstern der chinesischen mahayanistischen Vinaya-Schule (jap. Risshû). Oft war einer größeren Zahl von ihnen ein besonderer Teil des Klosters bestimmt, aber ihre Lebensweise war durch die Regeln jener Schule geordnet. Pai-chang hat aus dem Hînayâna-Vinaya und dem Mahâyâna-Vinaya eine neue, für das Zen passende Regel geschaffen, in der etwas von dem einfachen strengen Geist der alten buddhistischen Mönchsgemeinde (saṅgha) lebendig ist. Die buddhistischen Grundgebote, genauer die fünf Verbote (nicht töten, nicht stehlen, nicht Unkeusches tun, nicht lügen, keine berauschenden Getränke trinken) sind ebenso wie die zusätzlichen Verbote, die Luxus der Lebensführung ausschließen, in die «Reine Regel Pai-changs» (jap. Hyakujô Shingi, chin. Pai-chang ch ’ ing-kuei) aufgenommen. Die ursprüngliche Fassung ist nicht erhalten, eine spätere umfangreiche, wahrscheinlich stark erweiterte Redaktion aus der Yüan-Zeit handelt ausführlich über Ämter und Zeremoniell im Zen-Kloster 75 . Darin finden sich auch Gebetsformeln, die vom esoterischen Buddhismus herrühren. Ob dieser Einfluss schon zur Zeit des Pai-chang vorhanden war, lässt sich bei der späten Redaktion des erhaltenen Textes nicht nachweisen. Eine große Anzahl der im Zen üblichen Fachausdrücke für Kultgebäude und Geräte sowie für die Rangstufen sind erstmalig in den Regeln Pai-changs aufgezeichnet. Die neue Regel wurde in dem von Pai-chang errichteten Tempelkloster Daichijushô-zenji (chin. Ta-chih shou-sheng ch ’ an-ssu) geübt. In die Klosteranlage war eine von der Buddha-Halle unabhängige, besondere Mönchshalle (jap. sôdô) eingefügt 76 . Diese Neuerung ermöglichte das viel gepriesene «Leben auf einer Strohmatte» des Zen-Mönches 77 . Zur Zeit der asketischen Übung schlafen die Mönche auf der gleichen Strohmatte, auf der sie im Hocksitz sitzend meditieren 186 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China und nach bestimmtem Ritus die Mahlzeit einnehmen. Die von Pai-chang bestimmte Lebensform wurde ebenso wie die bauliche Anlage seines Tempels zum Modell späterer Zen-Kloster. Seine Verdienste um das klösterliche Gemeinschaftsleben der Zen-Jünger erbrachten ihm den Ehrentitel eines «Patriarchen, der den Wald (= die Jüngergemeinde) schuf». Den unvergleichlichen Wert der Arbeit im Rahmen des Zen-Lebens hat niemand klarer erkannt und überzeugender dargelebt als Meister Pai-chang. Was seine Regel vor allem auszeichnet, ist der Platz, den sie der körperlichen Arbeit im Mönchsleben zuweist. Unvergessen ist Pai-changs prägnante Formulierung: «Ein Tag ohne Arbeit - ein Tag ohne Essen.» Nichts lag dem Meister mehr am Herzen, als dass seine Mönche arbeiteten, und er gab selbst das beste Beispiel. Als man ihm in seinem hohen Alter das Gerät zur Gartenarbeit wegnahm, um ihn zur Schonung seiner geschwächten Körperkräfte zu zwingen, weigerte er sich, seinem eigenen Grundsatz getreu, Speise zu sich zu nehmen, bis man ihn wieder arbeiten ließ. In der Klostersatzung ist das Tagewerk der Mönche vom frühen Morgen bis zum späten Abend im Einzelnen festgelegt. Meditationsübung, kultischer Dienst und Handarbeit wechseln ab. Wer heute ein japanisches Zen-Kloster besucht, wird von der Ordnung, Reinlichkeit und religiösen Zucht beeindruckt. Die chinesische Regel ist in Japan nicht ganz eingeführt worden, auch wurden im Laufe der Jahrhunderte Änderungen vorgenommen. Doch geht das meiste, was wir heute sehen, auf die Gesetzgebung Pai-changs zurück. Übrigens zeichnen die Geschichtsquellen von seiner Persönlichkeit ein sympathisches Bild. Er wird als einfach und schlicht in den Worten, mild und freundlich im Umgang, arbeitsam und energisch geschildert. Äußere Arbeit und organisatorische Leistungen können leicht zur Erschlaffung des inneren Geistes und zur Vernachlässigung der Meditation führen. Neue Bindungen an die Welt können den Fortschritt auf dem Erleuchtungsweg hemmen. Pai-chang sah diese Gefahren und suchte vorzubeugen. Die innere Freiheit des Erleuchteten von aller Bindung, das Thema des zweiten Beispiels des Mumonkan, in dem Pai-chang die Hauptrolle spielt 78 , war der Lieblingsgegenstand seiner Belehrung. «An nichts haften, nichts begehren», prägte er als Grundsatz seinen Jüngern ein. «Wenn du gut und nicht-gut, weltliches Leben und Weltentsagung sowie alle Dinge (dharma) vergisst und nicht an sie denkst, und wenn du Leib und Geist lässest, dann ist vollkommene Freiheit. Wenn der Geist wie Holz oder Stein ist, gibt es kein Unterscheiden 79 .» Pai-chang hat mit der Zen-Regel den Geist seines Meisters Ma-tsu, der ihn in harter Schule erzog, späteren Geschlechtern weitergegeben. Durch die Ordnung, die er dem mönchischen Leben gab, bewahrte er die Anhänger der Meditation vor dem Ruin, der einer Geistesfreiheit droht, die sich der Zügellosigkeit und dem Nichtstun hingibt. Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 187 In den Zen-Chroniken und Kôan-Sammlungen werden noch viele Namen von Meistern der frühen Zeit genannt. Die überlieferten kôan-artigen Zwiegespräche veranschaulichen die Eigenart jener Geistesmänner, von denen manche bei der Darstellung des weiteren geschichtlichen Ablaufes zu nennen sein werden. Eine interessante Gestalt aus dem Kreis des Ma-tsu - sie sei zum Abschluss dieses Kapitels kurz vorgestellt - ist Ta-chu Hui-hai, dessen Traktat über die plötzliche Erleuchtung zu den bedeutendsten Literaturwerken des chinesischen Zen-Buddhismus rechnet. Nach kurzem Verweilen beim großen Ma-tsu war Ta-chu Hui-hai in seine Heimat nach Yüeh-chou zurückgekehrt, um seinem ersten Lehrer im hohen Alter beizustehen. Dort vollendete er sein Manuskript über die plötzliche Erleuchtung und sandte es durch einen Jünger dem Ma-tsu, der nach dem Lesen der Abhandlung erstaunt ausgerufen haben soll: «In Yüeh-chou ist eine große Perle (chin. ta-chu), deren vollkommen heller Glanz ungehindert überall hindringt 80 .» Hui-hai blieb fortan der Name «Tachu» («Große Perle»). Der Traktat wurde durch Miao-hsieh (o. Jg.) ediert und im Jahre 1374 erstmalig veröffentlicht. Die lichtvolle Darstellung wurzelt tief im Mahâyâna-Denken, viele Stellen aus buddhistischen Schriften sind zitiert. Durch dieses Werk erwarb Ta-chu Hui-hai sich einen bleibenden Platz in der Geschichte des Zen-Buddhismus. Die chinesische Zen-Bewegung während der T ’ ang-Zeit zählt zu den bemerkenswertesten Phänomenen der Religionsgeschichte. In der Mischung von Buddhistischem und Taoistischem entstehen köstliche Sonderbarkeiten. Zen- Jünger verbrennen Sutren und Buddha-Bilder, lachen dem Fragesteller ins Gesicht, brüllen ihn plötzlich an und gefallen sich in tausend Tollheiten. Mögen sie sich auch wie Hanswurste gebärden und nichts besitzen, so fühlen sie sich doch wie die wahren Könige in der freien Mächtigkeit ihres Erleuchtungserlebens. Furcht kennen sie nicht, weil sie nach nichts begehren und nichts zu verlieren haben. Die Anpassung der indischen Buddha-Lehre an die chinesische Art ist vollkommen vollzogen, die indische Metaphysik mit dem chinesischen Denken verschmolzen und sprachlich angeeignet. Täglich geschehen verwunderliche Dinge in den Zen-Klöstern, aber die Bewegung bleibt durchaus in den Grenzen der buddhistischen Religion. Die ikonoklastische Gebärde mag auf den ersten Blick befremden, aber mit dem Verbrennen von Buddha-Bildern und Sutren ist kein Angriff auf den Heiligen aus dem Shâkya-Geschlecht und seine Lehre gemeint. Das Wort Ikonoklasmus trifft hier nicht die Sache. Es handelt sich nicht um ein zielstrebiges fanatisches Vorgehen gegen Bilder und Schriften, eher um ein leichtes Spiel, das vom Erlebnis herrührt und eine unvorstellbare Freiheit symbolisch ausdrückt. Wenn der Rausch der Begeisterung verschäumt ist, finden sich die Zen-Mönche zur Sutrenrezitation vor dem Buddha-Bild ein. Wo ein großer Meister führt, kann er der unbedingten Folgsamkeit seiner Jünger sicher sein, auch wenn er sie hart anpackt. Meister und Jünger sprechen und 188 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China handeln wie religiöse Menschen, sie sind Pilger des Absoluten, die nach dem Höchsten und Letzten suchen. Die Gestalt Lin-chis, mit der sich das folgende Kapitel befasst, kann als der Höhepunkt der chinesischen Zen-Bewegung angesehen werden. Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 189 VI Lin-chi Die Generationslinie In der Zen-Bewegung nach Hui-neng ragen Ma-tsu, Pai-chang, Huang-po ( - 850) und Lin-chi ( - 866) heraus. Die vier Männer stehen im unmittelbaren Meister- Jünger-Verhältnis zueinander und stellen in starker Konzentration das «Zen der Patriarchen» dar, die Überlieferung des Buddha-Geistes außerhalb der Schriften, den Weg der plötzlichen Erleuchtung des Schauens der eigenen Natur und des Buddhawerdens. In der Zen-Literatur werden die vier Generationen von Ma-tsu über Pai-chang und Huang-po zu Lin-chi gern zusammen genannt. In diesen Meistern erreichte das von Bodhidharma nach China überbrachte Zen, das im sechsten Patriarchen Hui-neng die endgültige Form fand, Hochblüte und Abschluss zugleich 1 . Die entscheidenden Vorgänge der Zen-Bewegung fallen, wie schon bemerkt wurde, mit einschneidenden politisch-sozialen Veränderungen zusammen. Von der Mitte des 8. Jahrhunderts an entstand ein «Neuer Buddhismus», charakterisiert durch die nunmehr vollständige Sinisierung der aus Indien eingeführten Buddha-Religion. Diese Entwicklung durchdringt die gesamte Zen-Bewegung nach Hui-neng und ist in der Generationslinie, die zu Lin-chi hinführt, besonders deutlich erkennbar. Im Zen-Schrifttum sind die vier Generationen durch «Spruchsammlungen» (jap. goroku) vertreten, eine Literaturgattung, in der das typisch Chinesische des «Zen der Patriarchen» stark hervortritt. Das indische Gedankengut ist in diesen, aus Episoden, Reden und Sprüchen zusammengesetzten Texten in die chinesische Umgangssprache eingeschmolzen. Wohl bleibt die paradoxe Dialektik der Weisheitssutren spürbar, aber die Wirklichkeit wird nicht im Denken, sondern in handfestem körperlichen Zugriff realisiert. Die Spruchsammlungen der Meister Ma-tsu, Pai-chang, Huang-po und Lin-chi wurden in einem Werk «Sammlung von Vier Häusern» (jap. Shike goroku, chin. Ssu-chia yü-lu), auch «Sammlung von Vier Häusern des Ma-tsu» (jap. Baso shike roku, chin. Ma-tsu ssu-chia lu) zusammengefasst 2 , ein Beweis für die enge Einheit der vier Glieder der Generationslinie. Pai-chang entdeckte die goldene Regel, die als Erfahrungsweisheit im Zen überliefert ist: «Wer an Einsicht seinem Meister ebenbürtig ist, der ist an Lebenskräften dieses Meisters um die Hälfte ärmer. Wer an Erkenntnis seinen Meister übertrifft, der erst ist tüchtig, das Überkomme weiterzugeben 3 .» Das Zen bekennt sich zu dem den Menschen verpflichtenden Gesetz des Fortschrittes. Freilich konnte auch das Zen dieser Forderung nicht in allen Entwicklungsphasen voll genügen. Es gibt in der Zen-Geschichte Aufstiege und Niedergänge. Aber die vier ansteigenden Generationen, die das große Jahrhundert der chinesischen Zen-Bewegung umspannen, sind ein hervorragendes Beispiel für das, was die Geistmitteilung im Zen bedeutet und was sie leisten kann. Die vier Generationen sind nicht nur äußerlich durch die Meister-Jünger- Beziehung, sondern auch durch innere Geistesverwandtschaft miteinander verknüpft. Ma-tsu fand dafür den Ausdruck, als er als Erster den Donnerruf «ho» ausstieß, den die folgenden Generationen aufnahmen. Pai-chang erzählt von diesem Ereignis seinem Jünger Huang-po, nämlich wie ihn die gewaltige Entladung des Meisters in jener Stunde so traf, dass er bis ins Tiefste erschüttert drei Tage lang taub blieb 4 . Huang-po gab den mächtigen Ansporn an Lin-chi weiter, in dessen Schule das Andonnern - die Japaner lesen das chinesische Schriftzeichen «katsu» - bis heute weiterschallt. Ob «ho» oder «katsu», der Ruf symbolisiert den Generationenanstieg zu Lin-chi und seiner Schule. Diese Schule des «Zen der Patriarchen» nennt sich selbst die «Zen-Schule». Alle vier Meister bezeichnen mit diesem Namen den Meditationsweg der plötzlichen Erleuchtung und sind überzeugt, die durch das Kommen Bodhidharmas ins Reich der Mitte gelangte Überlieferung des Buddha-Geistes zu besitzen. Für den Großmeister Ma sind Wort und Geist Buddhas das Wesentliche. Sein Dharma-Erbe Pai-chang sichert das Fortbestehen dieser kostbaren Überlieferung durch die Ordnung des religiösen Gemeinschaftslebens. Seiner Führung verdankt Huang-po die tiefe Einsicht, mit der er seinen Jünger Lin-chi zu führen vermag. Mit Lin-chi erreicht das chinesische Zen den unübertroffenen Höhepunkt. Aus dem Leben des Lin-chi Über Leben und Wirken Lin-chis berichten zahlreiche biographische Sammlungen der Zen-Literatur 5 . Das dünne Bändchen der «Spruchsammlung» oder «Reden» des Zen-Meisters Lin-chi Hui-chao von Chenchou (jap. Chinjû Rinzai Eshô Zenji goroku, chin. Chen-chou Lin-chi Hui-chao Ch ’ an-shih yü-lu) gehört zu den klassischen Werken des Zen-Buddhismus, ja der religiösen Weltliteratur. Die früheste Veröffentlichung ist nicht erhalten, auch ist das Datum unbekannt. Eine spätere veränderte Ausgabe besorgte der Zen-Mönch Yüan-chüeh Tsungyen; sie enthält eine Vorrede des Hofmannes Ma Fang, datiert 1120. Um diese Zeit dürfte die Neuausgabe entstanden sein, in deren Form das Werk in die buddhistische Literatur eingegangen ist. In dieser Ausgabe ist im Titel als Kompilator der Jünger San-sheng Hui-jan genannt, der sonst im Leben des Lin-chi 191 Meisters wenig hervortritt. Es ist nicht sicher, dass dieser Jünger Reden des Linchi aufgezeichnet hat. Die Umstände der ersten Niederschrift sind nicht bekannt 6 . Eine frühe Textgestalt vermittelt die Zen-Chronik Tenshô Kôtôroku (kompiliert 1036), eine der fünf maßgebenden Chroniken der Sung-Zeit, die das Rinzairoku im vollen Umfang übernommen hat. Der Text von 1120 unterscheidet sich von der frühen Fassung durch acht Hinzufügungen und einer völlig verschiedenen Anordnung, die dem Werk einen anderen Charakter gibt 7 . Ist die frühe Fassung biographisch orientiert, so gleicht das Werk in der veränderten Form Spruchsammlungen der Sung-Periode. Die Rinzai-Schule stand zur Zeit der Redaktion in hoher Blüte. Die Änderungen sind vom Selbstgefühl jener Epoche inspiriert. Das Werk, wie es vorliegt, besteht aus drei Teilen von ungleicher Länge: zuerst der umfangreiche Hauptteil der «Reden» und «Aussprüche» (jap. goroku). Dieser erste Teil beginnt mit einer Rede Lin-chis vom Hochsitz der Dharma-Halle in Anwesenheit des Distriktgouverneurs Wang. Es folgen Abschnitte in Form von Frage und Antwort (jap. Mondô), dann wieder längere Reden. Der zweite Teil enthält «Kritische Unterscheidungen» (jap. kamben), (mit Ausnahme der Abschnitte 1 und 23) Fragen und Antworten in Suche nach dem Echten. Der dritte Teil handelt von den Pilgerreisen (jap. anroku), er beginnt mit dem Erleuchtungsbericht und schließt mit einer «Gedenkinschrift» (tôki) oder «Kurzbiographie» (ryakuden) ab, eine späte Hinzufügung des Tsung-yen. Die ersten Zeilen der Gedenkinschrift bieten einige grundlegende, geschichtlich gesicherte Fakten des Lebenslaufes. Der Text beginnt folgendermaßen: Der Mönchsname des Meisters war I-hsüan. Er stammte aus Nan-hua in der Provinz Ts ’ ao. Sein Familienname war Hsing. Als Kind war er ungewöhnlich begabt, und als er heranwuchs, zeichnete er sich durch Kindesliebe aus. Nach Empfang der Tonsur und der Gebote besuchte er Lehrvorträge. Er studierte die Mönchsregel (Vinaya) und widmete sich weiten Forschungen der Sutren und Shastren. Plötzlich klagte er: Dies ist Medizin für die Rettung der Welt, nicht aber die besondere Überlieferung außerhalb der Lehre. Er wechselte sein Gewand und machte sich auf Wanderschaft. (Bericht der Pilgerreisen, Nr. 22) 8 Diese Sätze, ganz im Stil der Mönchsleben gehalten, rühmen mit stereotypen Worten die Begabung und Tugend des Knaben. Selbstverständlich tritt er in den geistlichen Stand ein. Was dieses «Gehen in die Heimatlosigkeit» bedeutet, wird ihm später aufleuchten. In seinen Reden spricht er wiederholt von der «wahren Heimatlosigkeit» des buddhistischen Mönches, die durch radikalen Verzicht und die Aufgabe allen Haftens erreicht wird. Im Bewusstsein des jungen Mannes kam der Entschluss zum mönchischen Leben erst beim Aufbruch zum Beschreiten des Erleuchtungsweges zum vollen Tragen. Seinen Zuhörern erklärt er die Phasen seines Fortschrittes: 192 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China «In frühen Jahren widmete ich mich dem Vinaya und forschte in den Sutren und Shastren. Als ich später erkannte, dass diese Heilmittel der Rettung der Welt dienen und offen dargelegte Lehren sind, verwarf ich sie, suchte den Weg und übte Zen. Danach begegnete ich großen Lehrern, mein Auge für den Weg klärte sich, und ich verstand die alten Meister im Reich und vermochte Wahres und Falsches zu unterscheiden. Dies konnte ich nicht im Augenblick, als ich von meiner Mutter geboren wurde; erst nach gründlicher Untersuchung und harter Übung begriff ich es eines Morgens selbst.» (Reden, Nr. 18) Lin-chis große Lehrer im Zen sind die zwei Meister Huang-po und Ta-yü. Yanagida datiert seine erste Begegnung mit Huang-po zwischen 836 und 841, in einem Alter von etwa 26 Jahren 9 . Lin-chis Geburtsdatum ist unsicher; es schwankt zwischen 810 und 815. Wenn er der Zeitsitte gemäß mit etwa 20 Jahren in den Mönchsstand eintrat, ergibt sich ungefähr die Annahme Yanagidas. Huang-po Hsi-yün lebte damals im Tempelkloster Daianji (chin. Ta-an-ssu) in Hung-chou, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Später baute ihm der hohe Beamte P ’ ei Hsiu (797 - 870), sein glühender Bewunderer und eifriger Schüler, ein Tempelkloster im Westen der Provinz Hung-chou, das, Huang-po-Berg genannt, den bekanntesten Namen des Meisters hergab 10 . In dieses Tempelkloster verlegt die Tradition das Ereignis der großen Erleuchtung Lin-chis. Unweit des Klosters lebte Ta-yü in einer Einsiedelei. Die Geschichte von Lin-chis Erleuchtung ist in zwei Versionen überliefert. Der dramatischere und von der Tradition sanktionierte Bericht findet sich im Rinzairoku. 11 Das Sodôshû bietet eine abweichende Darstellung. Gemäß den Reden des Lin-chi spielte sich das Geschehen in drei Phasen mit wechselndem Schauplatz (in der Übersetzung angemerkt) ab. Der Bericht sei unverkürzt wiedergegeben: (1) Während Lin-chi sich in der Versammlung des Huang-po befand, war sein Benehmen aufrichtig und einfach. Der Hauptmönch lobte ihn und sagte: «Obgleich jung, ist er von den anderen verschieden.» Und er fragte: «Bist du schon lange hier? » Lin-chi antwortete: «Drei Jahre.» «Hast du den Meister schon um Belehrung gefragt? » «Nein, ich habe noch nicht um Belehrung gefragt. Ich weiß nicht, was ich fragen soll», antwortete Lin-chi. Der Hauptmönch sagte: «Weshalb gehst du nicht und fragst den Vorsteher des Tempels, was das Hauptprinzip des Buddha-Dharma ist? » Also ging Lin-chi und fragte. Noch bevor er die Frage beendet hatte, schlug Huang-po ihn. Lin-chi kam zurück. «Wie ist es mit dem Fragen gegangen? », erkundigte sich der Hauptmönch. «Bevor ich meine Frage beendet hatte, schlug mich der Vorsteher. Ich verstehe nicht», sagte Lin-chi. Der Hauptmönch sagte: «Geh ’ nur und frage noch einmal! » Lin-chi 193 Lin-chi ging noch einmal und fragte. Huang-po schlug ihn wiederum. In gleicher Weise fragte er ein drittes Mal und wurde zum dritten Mal geschlagen. Lin-chi kam zum Hauptmönch und sagte: «Du hast mich so freundlich den Vorsteher fragen lassen. Dreimal habe ich die Frage ausgesprochen, dreimal wurde ich geschlagen. Ich bedaure, dass ich wegen karmischer Verstrickung seine tiefe Absicht nicht fassen kann. Ich will nun für eine Weile von hier weggehen.» Der Hauptmönch sagte: «Wenn du weggehst, sollst du dich vom Vorsteher verabschieden.» Lin-chi verbeugte sich und ging. Der Hauptmönch ging zuvor zu Huang-po und sagte: «Jener junge Mann, der fragen kam, ist überaus geeignet für den Dharma. Wenn er kommt, um sich zu verabschieden, so behandle ihn in entsprechender Weise! Er wird durch Übung später ein großer Baum werden und allen Menschen kühlen Schatten spenden.» Lin-chi kam, um sich zu verabschieden. Huang-po sagte: «Du musst nicht anderswo hingehen, sondern zu Ta-yü am Fluss Kao-an; er wird dir sicherlich erklären.» (2) Lin-chi gelangte zu Ta-yü. Ta-yü fragte ihn: «Von woher kommst du? » Lin-chi antwortete: «Ich komme vom Ort des Huang-po.» Ta-yü sagte: «Was hatte Huang-po zu sagen? » Lin-chi antwortete: «Ich fragte ihn dreimal nach dem großen Prinzip des Buddha- Dharma und wurde dreimal geschlagen. Ich weiß nicht, ob es mein Fehler war oder nicht.» Ta-yü sagte: «Huang-po ist solch eine Großmutter, er hat sich um deinetwillen die größte Mühe gegeben, und du kommst hierher und fragst, ob du einen Fehler begangen hast oder nicht.» Lin-chi erfuhr bei diesen Worten die große Erleuchtung: «Huang-pos Buddha- Dharma ist überhaupt nicht viel wert», schrie er. Ta-yü packte ihn und sagte: «Du kleiner Teufel, der noch das Bett nässt! Gerade hast du gefragt, ob du einen Fehler begangen hast oder nicht, und jetzt sagst du: Huangpos Buddha-Dharma ist nicht viel wert. Was hast du gesehen? Sprich rasch! Sprich rasch! » Lin-chi stieß Ta-yü dreimal mit der Faust in die Rippen. Ta-yü sagte, während er ihn losließ: «Dein Lehrer ist Huang-po. Ich habe damit nichts zu tun.» (3) Lin-chi verließ Ta-yü und kehrte zu Huang-po zurück. Als Huang-po ihn kommen sah, bemerkte er: «Gehen und kommen, kommen und gehen, wann wird es enden? » Lin-chi sagte: «(Das kommt davon,) weil du wie eine Großmutter freundlich bist.» Er erwies ihm die übliche Höflichkeit und blieb wartend stehen. Huang-po fragte: «Von woher kommst du? » Lin-chi antwortete: «Gestern hast du mich freundlich an Ta-yü gewiesen und für eine Unterredung zu ihm geschickt.» Huang-po sagte: «Was hatte Ta-yü zu sagen? » 194 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Lin-chi berichtete nun, was geschehen war, worauf Huang-po sagte: «Wie sehr ich wünsche, dass jener Kerl käme. Ich möchte ihm schmerzlich Schläge verabreichen.» Darauf Lin-chi: «Warum sagen, du möchtest! Hab ’ es gleich jetzt! » Und er schlug ihn mit der flachen Hand. Und Huang-po: «Dieser verrückte Kerl kommt hierher und zupft des Tigers Barthaar.» Lin-chi schrie «ho». Huang-po sagte: «Wärter, bring diesen verrückten Kerl zur Mönchshalle! » Lin-chis Große Erfahrung, mit Einzelzügen ausgeschmückt und zur Kôan- Übung stilisiert, gehört zu den berühmtesten Erleuchtungsfällen der Zen- Geschichte. Während der ersten Phase wächst Lin-chis Zweifel bei der wiederholten Frustrierung zur angstvollen Verzweiflung. Kein Ausweg zeigt sich mehr. Was immer er tut, er wird geschlagen. Allerdings kann keine Worterklärung die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit lösen. Er empfängt vom Zen-Meister die gemäße Antwort, in immer tiefere Nacht wird er hineingestoßen. Am zweiten Ort kommt die Lösung überraschend schnell. Bei einer ziemlich belanglosen Bemerkung Ta-yüs erwacht Lin-chi zur Großen Erfahrung. Diese Erfahrung unterzieht sein Meister Huang-po - dritte Phase - nach Art der Zen- Praxis einer Prüfung. Dabei kommt die volle Wucht des Erlebnisses zum Durchbruch. Lin-chi schlägt und brüllt. In der Folge wird er diesen Stil mit seinen Jüngern meisterlich praktizieren. Ein im Rinzairoku angefügtes Gespräch zwischen den zwei Zen-Meistern Kuei-shan (771 - 853) und Yang-shan (807 - 883) hebt den Umstand hervor, dass bei der Erleuchtung Lin-chis zwei Meister in Tätigkeit traten. Die Schlussbemerkung lautet: Später fragte Kuei-shan, der diese Geschichte dem Yang-shan mitteilte: «Hat Lin-chi in jenem Augenblick Kraft von Ta-yü oder von Huang-po erlangt? » Yang-shan erwiderte: «Man begreift, dass er nicht bloß den Kopf des Tigers bestiegen, sondern auch des Tigers Schwanz gepackt hat.» 12 Diese Bemerkung besagt, dass Lin-chi sich Geist und Lehre beider Meister anzueignen vermochte. Hier fällt Licht auf die auffallend rasche Art, mit der Tayü, nachdem er von dem bei ihm zur Erleuchtung gelangten Lin-chi einige Rippenstöße empfangen hatte, diesen von sich wegschickt: «Dein Lehrer ist Huang-po. Ich habe damit nichts zu tun.» Ômori Sôgen, ein berühmter zeitgenössischer japanischer Zen-Meister, lobt Ta-yü, weil er den erleuchteten Jünger nicht für sich beanspruchte, sondern seinem ersten Meister zurückgab. Solch ichloses Handeln zieme sich für den Zen-Meister 13 . Jedenfalls ist und bleibt Lin-chi der Jünger des Huang-po und steht als Dharma-Erbe in der Generationslinie dieses Meisters. Die Bindung zwischen Huang-po und Lin-chi Lin-chi 195 ist ein unverzichtbares Moment des Geschichtsverständnisses späterer Geschlechter der Rinzai-Schule. Dies verdeutlicht auch die andere, weniger dramatische Version des Erleuchtungsberichtes Lin-chis, die im Sodôshû überliefert ist 14 . Gemäß dieser Schrift besuchte Lin-chi, einer eher allgemein gehaltenen Anregung des Huang-po folgend, Ta-yü in seiner Klause. Während einer Nacht manifestiert er dem Meister seine profunde Sutrenweisheit, um am folgenden Morgen von diesem mit Schlägen weggetrieben zu werden. Huang-po lässt sich die Geschichte erzählen und ermuntert Lin-chi, es noch einmal zu versuchen. «Eben hast du dich nicht geschämt. Weshalb kommst du wieder? » Ta-yü greift aufs Neue zum Stock. Bei einem starken Schlag hat Lin-chi eine Erfahrung, aber der Meister bemerkt nichts von der geistigen Veränderung des Jüngers, er wirft ihn abermals zum Tor hinaus. Lin-chi erzählt Huang-po von den Schlägen und vom Glück seines Erlebnisses. Beim dritten Mal - zehn Tage später - entwindet er dem Tayü, der gleich losschlagen will, den Stock und versetzt ihm Schläge. Hocherfreut erkennt dieser nun den Erleuchtungszustand des Jüngers an. Welcher der zwei Berichte geschichtlich den Vorzug verdient, lässt sich nicht ausmachen. Die Tradition der Rinzai-Schule pflegt die Überlieferung des Rinzairoku. Das Sodôshû erzählt, anschließend an den Erleuchtungsvorgang, von einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt Lin-chis bei Ta-yü bis zu dessen Tod. Der Passus schließt mit den Worten: (Lin-chi) I-hsüan verbreitete die Lehre im Bezirk von Chen-chou, er übernahm den Dharma des Huang-po; immer lobte er Ta-yü. Bezüglich der Lehrmethode benutzte er Andonnern und Stockschläge. 15 In den «Reden des Lin-chi» schließen sich an den ausführlichen Erleuchtungsbericht im dritten Teil Abschnitte an, deren Schauplatz sich teils bei Huang-po, teils bei anderen Zen-Meistern befindet, mit denen Lin-chi Gespräche führt. Wegen des Mangels einer chronologischen Anordnung lassen sich keine biographischen Rückschlüsse ziehen. Der «Bericht der Pilgerreisen» endet mit einem letzten Gespräch Lin-chis vor seinem Tod mit dem Jünger San-sheng (Nr. 21). Die Nachricht des Sodôshû über den zehnjährigen Aufenthalt Lin-chis bei Ta-yü verdient Beachtung. Yanagida möchte die Quellen so miteinander verbinden, dass er den Aufenthalt bei Ta-yü annimmt, zugleich aber die «Wahrscheinlichkeit» häufiger Besuche bei Huang-po berücksichtigt 16 . Während der Buddhismusverfolgung durch Kaiser Wu-tsung (845) konnte Lin-chi in der Klause Tayüs sicheren Unterschlupf finden. Das Todesjahr Ta-yüs ist nicht bekannt. Wahrscheinlich starb er bald nach der Verfolgung. Lin-chi hielt sich nach seinem Tod vielleicht noch einige Jahre bei Huang-po auf. Yanagida schlägt für Lin-chis endgültigen Aufbruch das Datum 849/ 850 vor 17 . Der Abschied ist in der Zen- Chronik Keitoku Dentôroku bewegend geschildert. «Künftig wirst du die Zunge 196 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China eines jeden in der Welt abschneiden», dieses Wort soll ihm der Meister ermutigend mit auf den Weg gegeben haben 18 . Fast zehn Jahre waren seit dem Erleuchtungserlebnis verstrichen. Lin-chi stand in voller Manneskraft. Das Leben eines Zen-Meisters wird von den Biographen gern in drei Abschnitte eingeteilt: zuerst eine Zeit der Übung bis zur großen Erfahrung einschließlich, vielleicht noch kurze Nachübung, dann eine Wanderreise durchs Land mit Besuchen buddhistischer Zentren und berühmter Zen-Meister, schließlich die Jahre der eigenen Lehrtätigkeit, die vor allem der Führung von Jüngern auf dem Erleuchtungsweg gewidmet sind. Von Lin-chis Reisen durchs chinesische Land und seinen Besuchen erleuchteter Meister wissen wir durch die Zen-Quellen. Doch lässt sich das Itinerarium seiner Wanderungen nicht genau feststellen. Gemäß der Chronik Keitoku Dentôroku wallfahrte er zuerst zum Gedenkturm des Bodhidharma in Hunan. Schließlich ließ er sich in Chen-Chou, der Hauptstadt des Bezirks des gleichen Namens in der Provinz Hopeh in Nordchina nieder. Damit beginnt der dritte Abschnitt im Lebenslauf des Lin-chi. Er ist nun Vorsteher eines kleinen, um Ufer des Flusses Hu-t ’ o gelegenen Tempelklosters Rinzai-in (chin. Lin-chi-yüan), d. h. des «Tempels, der die Furt überschaut». Mit dem Namen dieses Tempels ging der Mönch I-hsüan in die Geschichte des Buddhismus ein. Das bescheidene Kloster, nicht zu vergleichen mit den üppigen Tempelanwesen der Hauptstädte Ch ’ ang-an und Lo-yang, die während der ersten Hälfte der T ’ ang-Periode Mittelpunkte von Zen-Aktivitäten waren, oder mit den sogenannten «Fünf Bergen und zehn Tempeln» der Sung-Zeit, von denen zu berichten sein wird, war der Schauplatz der kurz bemessenen Lehrtätigkeit Lin-chis. Die Zahl der Jünger war begrenzt. In den zen-buddhistischen Sammelwerken ist nirgendwo von einem «Jüngerwald» die Rede. Wandermönche oder fromme Pilger auf der Wallfahrt zum nahen Heiligtum des Bodhisattva Mañju ś rî auf dem Wu-t ’ ai-Berg mögen die Zahl der Zuhörer seiner Reden verstärkt haben. Hinzu kamen vielleicht einige Einwohner der Stadt oder Beamte der Bezirksverwaltung. Dass dieser kleine Tempel dennoch ein wichtiges Zentrum der zeitgenössischen Zen-Bewegung war, bezeugen die Namen von nicht wenigen berühmten Zen-Meistern, die Lin-chi während der etwa zehn Jahre seines Wirkens ihren Besuch abstatteten, darunter der geniale Zen-Meister Chao-chou Ts ’ ung-shen (778 - 897) 19 . Lin-chi besuchte schon früher den hervorragenden Meister Te-shan Hsüan-chien 20 . Die «Biographien berühmter Meister, kompiliert während der Sung-Zeit», stellen Lin-chi und Te-shan nebeneinander, obgleich beide verschiedenen Generationslinien angehören 21 . Ins Klosteranwesen des Rinzai-in kam Lin-chi auf Einladung eines «Mannes von Chao», den Yanagida mit dem Gouverneur Wang des Bezirkes Chen-chou identifiziert 22 . Drei Vertreter der Familie Wang, die nacheinander die Gegend von Ch ’ eng-te-fu, zu der Chen-chou gehörte, verwalteten, sind bekannt. Der Lin-chi 197 Förderer und Freund Lin-chis ist wahrscheinlich der dritte mit Namen Wang Shao-i (gest. im Todesjahr des Lin-chi 866). Die «Reden des Lin-chi» berichten im ersten Abschnitt, wie der Meister in Gegenwart des Gouverneurs Wang den Hochsitz in der Dharma-Halle bestieg. Die Beziehungen zwischen beiden waren, wie es scheint, sehr eng. Dieser Umstand ist für das Verständnis der Persönlichkeit Lin-chis wichtig. Während der zweiten Hälfte der T ’ ang-Periode nahmen die Verwalter der nördlichen Provinzen ein hohes Maß von Unabhängigkeit für sich in Anspruch. Lin-chis Tätigkeit entfaltete sich in einer Atmosphäre ungehemmter Freiheit 23 . Dem Ankömmling erwies sich im Rinzai-in ein Zen-Mönch P ’ u-hua behilflich. Dieser Mann sollte Lin-chi gemäß einer Vorhersage des Yang-shan im Rinzai-in Beistand leisten. «Du wirst später nach Norden ziehen», sagte Yangshan, «und einen Platz zum Bleiben finden . . . Dort wird jemand sein, der dir hilft, verehrter Bruder. Er wird einen Kopf, aber keinen Schwanz, einen Anfang, aber kein Ende haben» (Bericht der Pilgerreisen, Nr. 8). Die Gedenkinschrift sieht in dem hilfreichen exzentrischen Mönch P ’ u-hua, der sich für verrückt ausgab, unter die Leute mischte und eines Tages spurlos verschwand (Bericht der Pilgerreisen, Nr. 22), die Vorhersage des Yang-shan erfüllt 24 . Die «Reden des Lin-chi» erwähnen nur wenige seiner Jünger. Am Ende der Gedenkinschrift ist der Name des Dharma-Erben Hsing-hua Ts ’ un-chiang (830 - 888) genannt. Dieser kam im Jahre 861 zu Lin-chi, erlangte die Erleuchtung, kehrte nach einer ausgedehnten Pilgerreise zum Meister zurück und diente diesem bis zu seinem Tod 25 . Gemäß dem Rinzairoku sprach Lin-chi seine letzten Worte zum Jünger San-sheng Hui-jan, dem angeblichen Kompilator der Schrift; sein letztes Wort, im rauen Stil des Zen-Meisters, ist: «dieser blinde Esel» (Bericht der Pilgerreisen, Nr. 21). Am Ende der Gedenkschrift findet sich der Name eines sonst unbekannten Jüngers Yen-chao Pao-shou. Ebenfalls wenig bekannt sind zwei weitere Jünger, deren Namen in den «Kritischen Unterscheidungen» (kamben) vorkommen, nämlich Ta-chüeh (er wird als Jünger des Lin-chi oder des Huangpo angeführt) und Ting Shang-tso (Ting vom obersten Sitz) 26 . Der Jünger Lo-p ’ u (834 - 898), der in vielen Episoden der «Reden des Lin-chi» auftritt, ging zum Süden und wechselte zur Generationslinie des Ch ’ ing-yüan (Shih-t ’ ou) über 27 . Die frühe Schrift Sodôshû nennt außer Ts ’ un-chiang und Pao-shou den Namen eines Jüngers Kuan-hsi Chih-hsien (gest. 895), der während der Spätjahre Linchis in seine Jüngerschaft eintrat 28 . Die langen Namenlisten von Jüngern des Linchi in den Zen-Chroniken der Sung-Zeit können keinen Anspruch auf geschichtliche Zuverlässigkeit geltend machen, offensichtlich sollen sie die Bedeutung Lin-chis und seiner inzwischen zu hoher Blüte gelangten Schule hervorheben. Über die letzten Lebensjahre und den Tod Lin-chis sind nur spärliche Nachrichten überkommen. Die Biographien schweigen sich aus. Nur die im 198 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Rinzairoku mitgeteilte Gedenkschrift, eine späte Quelle, berichtet von seinem Aufbruch nach Süden und seinem Ende im Bezirk Ta-ming. Die Einzelheiten sind undeutlich, aber der Kern stimmt. Eine in den Dokumenten der T ’ ang-Zeit erhaltene Grabinschrift des Literaten Kung-ch ’ eng I (o. J.) für Lin-chis Nachfolger Hsing-hua Ts ’ un-chiang erzählt, diesen Jünger habe auf einer Wanderreise in Südchina plötzlich die Kunde erreicht, sein Meister befinde sich, der Einladung des Herrn Chiang - nämlich des Bezirkskommandeurs Chiang Shen von Ho-chungfu - folgend, auf dem Weg nach P ’ u-chou 29 . Sogleich brach Ts ’ un-chiang auf und traf den Meister noch vor P ’ u-chou. Doch befand sich der Kommandeur Chiang Shen, wahrscheinlich im Zuge einer neuen Ernennung, nicht mehr am Ort. Deshalb reisten Lin-chi, Ts ’ un-chiang und andere Begleiter, ohne längeren Aufenthalt zu nehmen, weiter. Unterwegs fand sie der Bote des Gouverneurs von Wei-chou mit Namen Ho Hung-ching, der sie zum Wohnsitz seines Herrn einlud. Lin-chi verbrachte die letzten Monate seines Lebens in einem Tempel von Wei-chou, hoch geehrt, von vielen Besuchern umgeben und von seinem Jünger Ts ’ un-chiang mit sorgender Aufwartung betreut 30 . Die Gedenkinschrift berichtet sein Hinscheiden mit dem Satz: Plötzlich eines Tages richtete der Meister, obgleich nicht krank, seine Kleider, saß aufrecht, und nach Beendigung seines Gesprächs mit San-sheng verschied er ruhig; es war am 18. Februar 867. Unmittelbar vor der Gedenkinschrift (Bericht der Pilgerreisen, Nr. 22) ist im Bericht der Pilgerreisen des Rinzairoku das letzte Gespräch mit San-sheng aufgezeichnet (Nr. 21). Sonst wird es in den Quellenschriften nirgendwo erwähnt, es muss als unglaubwürdig angesehen werden. Die beiden frühen Zen-Chroniken Sodôshû und Keitoku Dentôroku geben als Todestag den 27. Mai 866 an. Dieses Datum verdient den Vorzug 31 . Gemäß der Gedenkinschrift wurde sein Leib in einer Pagode beigesetzt. Dagegen weiß das Epitaph für Ts ’ un-chiang, dass dieser die Riten der Totenverbrennung für den Meister vollständig vollziehen konnte 32 . Durch kaiserliches Dekret empfing Lin-chi den posthumen Titel eines «Zen-Meisters von leuchtender Weisheit» (jap. Eshô Zenji, chin. Huichao Ch ’ an-shih). Lin-chis Lebenslauf beginnt und endet in Nordchina. In den Nordprovinzen, die seit dem Aufstand des An Lu-shan (755 - 762) bis zum Ende der T ’ ang-Epoche und darüber hinaus nicht zur vollen Befriedung gelangten, musste er während seiner Kindheit und Jugend, ebenso wie während seiner Mannesjahre und der Herbstzeit seines Lebens, viele Härten und Entbehrungen durchstehen. Unruhen im Innern und ständige Bedrohung durch die Barbaren jenseits der Nordgrenze nährten bei den Bewohnern jener Breiten Widerstandskräfte und einen freiheitlichen Geist. In diesem rauen Klima erstarkte die Persönlichkeit des Lin-chi. Kein äußerer Glanz umstrahlt sein Leben. Auch die sonst den Zen-Meistern oft Lin-chi 199 geschenkte Verklärung des hohen Alters blieb ihm versagt. Beim Tod war er etwa 55 Jahre alt. Erst spätere Geschlechter haben seine Größe ins volle Licht gerückt. Dabei hatten sie vorzüglich zwei Hilfen. Die Generationslinie des Lin-chi, dessen Nachfolger Hsing-hua Ts ’ un-chiang, Nan-yüan Hui-yung (gest. 930), Feng-hsüeh Yen-chao (896 - 973), Shou-shan Sheng-nien (926 - 993) bis zu Fen-yang Shan-chao (947 - 1024) im Norden mit Schwierigkeiten kämpfend den Geist ihres Meisters bewahrten und seine Überlieferung weitergaben, kam erst in der siebten Generation durch Shihshuang Ch ’ u-yüan (986 - 1039) nach Süden, um sich in der blühenden Provinz von Hunan auszubreiten und in raschem Aufschwung bald alle anderen Zen- Schulen zu überflügeln. Die während der Sung-Zeit mächtig angewachsene Rinzai-Schule verehrt Lin-chi als ihren Gründer und Patriarchen und umgab seine Gestalt mit allem nur denkbaren Glanz. Wir mögen die übereifrige Idealisierung und Mythologisierung der Person des rauen Mannes, der die Verborgenheit liebte, bedauern, und ihn in seiner kernigen Echtheit zu sehen wünschen. Als Gründer lebt Lin-chi in seiner Schule bis heute fort; fast alle Kenntnis über ihn verdanken wir seinen Jüngern. Ohne die Rinzai-Schule ist auch die zentral wichtige Schrift des Rinzairoku nicht denkbar. Obgleich der Text in der Schule geglättet und irgendwie verändert wurde, so liegen doch der auf uns gekommenen authentischen Ausgabe aus der Sung-Zeit die von unmittelbaren Jüngern aufgezeichneten Reden und Gespräche des Meisters zugrunde, und es bleibt in der polierten Form viel Echtes und Ursprüngliches erkennbar 33 . Der starke Impuls, der von dieser Schrift ausgehend ununterbrochen die Zen-Bewegung trifft, ist in unseren Tagen wieder deutlich spürbar. Im Folgenden besprechen wir einige wichtige Motive der «Reden des Lin-chi». Motive der Lehrreden Der erste Hauptteil des Rinzairoku umfasst 22 Reden, die Lin-chi während seiner etwa zehnjährigen Lehrtätigkeit im Rinzai-in hauptsächlich für seine Jünger gehalten hat. In ihnen antwortet der Meister, oft in längerer Rede, auf Fragen seiner Jünger über den Zen-Weg. Der Grundstock der Reden beruht auf Aufzeichnungen der Jünger. Trotz erheblicher, späterer Veränderungen und Hinzufügungen bleibt der Zungenschlag des Meisters deutlich vernehmbar. Wie meistens in solchen Fällen lässt sich heute kaum mehr mit einiger Sicherheit zwischen dem Ursprünglichen und Hinzugekommenen unterscheiden. Manche Sätze und einige Passagen weisen sich durch ihre polierte, abgerundete Stilform als Niederschriften der Sung-Zeit aus. 200 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China In der Literaturgattung der «Reden» oder «Spruchsammlungen» (jap. goroku), zu der das Rinzairoku gehört, meldet sich im 9. und 10. Jahrhundert eine neue Bewegung zu Wort, die in Abwendung von den erstarrten Formen des Klassizismus vor Volkstümlichem, ja vor Vulgärem nicht zurückscheut 34 . Diese literarische Bewegung bedient sich der Umgangssprache und vermag bislang unberührte Saiten der Volksseele zum Klingen zu bringen. Das Rinzairoku ist, wenn auch in seiner heute vorliegenden Redaktion nicht die früheste, so doch zweifellos die bedeutendste, mächtigste Schrift dieser Art von Zen-Literatur. Die Sprache ist eigenwillig, reich an krassen, der Übertragung in westliche Sprachen widerstehenden Ausdrücken. Erst in jüngster Zeit vermittelten einige Übersetzungen von vorzüglicher Qualität den Inhalt, ohne indes den ungewöhnlichen Stil des Meisters, wie er bald herzlich vertraut, bald grob scheltend mit seinen Jüngern umging, adäquat wiedergeben zu können. Selbstverständlich stellen die Reden Lin-chis kein logisch gebautes Denksystem dar. Obgleich mit großer denkerischer Kraft begabt und ein Liebhaber dialektischer Aussagen, bringt Lin-chi seine Gedankengänge im Gespräch mit seinen Jüngern niemals zum zwingenden Abschluss. Was er sagt, bleibt stets Andeutung und Fragment. «Das Ganze im Fragment», dieses Charakteristikum auch der chinesisch-japanischen goroku-Literatur kommt bei ihm besonders stark zum Zuge. Die Grundmotive seiner Reden lassen sich, soweit sie von philosophisch-metaphysischem Belang sind, auf die Mahâyâna-Sutren zurückführen; sein Denken ist vom Mahâyâna-Geist durchtränkt. Seine Ausdrucksform ist ungewöhnlich, originell, manchmal schockierend, aber geeignet, einen neuen Aspekt der Wirklichkeit zur Anschauung zu bringen. Oft häufen sich die Motive in einem Abschnitt, sie dringen gleichsam auf die Jünger ein und bewegen diese zuinnerst. Wir müssen uns vorstellen, wie der Meister mit weit geöffneten, scharfen Augen - so hat ihn die Kunst dargestellt - seine Zuhörer anschaut und keinen Moment aus seinem Blick loslässt. Die Frage nach dem Menschen. - Das Grundmotiv der Reden Lin-chis ist der Mensch. Man hat von einem «Humanismus» des Lin-chi 35 oder einer fernöstlichen Version des Humanismus 36 gesprochen. Soviel ist sicher: Lin-chi geht es immer und vor allem um den Menschen, um diesen konkreten Menschen. Aber wenn man den Begriff des Humanismus nach Asien transponieren und auf Lin-chis Denken anwenden will, muss man die Besonderheit, ja Einzigartigkeit seines Sprechens vom Menschen beachten. Er redet beinahe beständig vom Menschen. Eine Synopsis der von ihm benutzten chinesischen Schriftzeichen zeigt, dass im Gesamttext von 1.336 Zeichen das Schriftbild «Mensch» 196 mal vorkommt; es wird an Häufigkeit, wenn man einige inhaltlich belanglose Zeichen nicht berücksichtigt, nur von zwei Schriftzeichen, die die Negation ausdrücken, übertroffen 37 . Aber es handelt sich hier nicht bloß um ein Lin-chi 201 statistisches Faktum. Dem Wort «Mensch» eignet in Lin-chis Reden eine ungeheure Gewichtigkeit, die in voller Klarheit hervortritt, wenn man Linchis Sprechen vom Menschen von dem seines geistigen Milieus abzuheben versucht. Der Mensch erscheint in der chinesischen Geistigkeit als eine Mitte, er ist einer der drei «Grundkräfte». Bekannt ist die zentrale Bedeutung der Ethik und des Sozialdenkens in den Werken der chinesischen Klassiker. Ein früher Niederschlag dieser Eigentümlichkeit findet sich in der dialogischen Sprachform (z. B. der Gespräche des Kung-tzu), die vielleicht als entfernter Vorläufer des zenbuddhistischen goroku-Stils angesprochen werden kann. Zur Zeit des Aufblühens der Zen-Bewegung wandte sich eine Strömung im Konfuzianismus, bekannt mit den Namen der berühmten Literaten Han Yü (768 - 824) und Li Ao (gest. ca. 844), neu und lebendig dem Menschen zu. Während Han Yü sich bei der Erforschung der Natur intensiv mit den Problemen des Humanen befasste, suchte Li Ao das klassische Idealbild des Menschen neu zu entdecken und auszuformen. Beide Literaten kamen trotz ihrer fundamentalen Gegnerschaft gegen den Buddhismus diesem an manchen Punkten, nicht zuletzt bei der Bemühung um den Weg, das Tao, und um das Leben gemäß dem Weg, nahe. Der Einfluss der neu orientierten konfuzianischen Richtung auf den zeitgenössischen Buddhismus ist unverkennbar, doch führt kein unmittelbarer Brückenschlag zu Lin-chi und zur Schule des Ma-tsu. Dass der Buddhismus von seinen Ursprüngen her dem Menschen zugewandt ist, muss hier ebenfalls bedacht werden. Die Grunderfahrung Shâkyamunis, in der die Buddha-Religion wurzelt, ist eine menschliche Existenzerfahrung, sie wirkt in allem Buddhismus weiter. Über die Mahâyâna-Sutren führt der Weg zum chinesischen Zen-Buddhismus. Die anthropologische Komponente nimmt in den verschiedenen Richtungen je andere Formen an. Im Buddhismus ist während der zweiten Hälfte der T ’ ang-Zeit Tsung-mi (780 - 841) repräsentativ für die zeitgemäße Hinwendung zum Menschen. Sein «Traktat vom Ursprung des Menschen» (jap. Genninron, chin. Yüan-jen lun), das buddhistische Gegenstück oder auch die Zurückweisung der Schriften des Konfuzianers Han Yü, die das Schriftzeichen «Ursprung» in ihrem Titel haben (entstanden um 820), wird bis heute in Japan gern als Einführung in die Mahâyâna-Lehre benutzt 38 . Im ersten Kapitel seiner Schrift entlarvt Tsung-mi die fremden, falschen Anschauungen des Konfuzianismus und Taoismus. Er unterscheidet dann innerhalb des Buddhismus vier unvollkommene Lehren, um in der Kegon- (chin. Hua-yen-) Schule das Höchste Fahrzeug aufzuweisen. Noch unter dem «Kleinen Fahrzeug» (jap. Shôjô) steht in seiner fünfgliedrigen Stufenordnung eine Lehre vom Geborenwerden als Mensch oder Himmelswesen (deva) aufgrund von Karma (Nindengyô). Im Mahâyâna kritisiert er zwei Anfangsstadien, nämlich die idealistische Bewusstseinslehre des Vijñânavâda (jap. hossô) und Nâgârjunas 202 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Philosophie vom «Mittleren Weg» (jap. hasô, wörtlich «Zerstören der dharmalakṣana»). Die Schule vom «Nur-Bewusstsein» (sanskr. vijñaptimâtra, jap. yuishiki) wird vielfach als eine Vorstufe des Mahâyâna angesehen. In der Philosophie Nâgârjunas beachtet Tsung-mi vorzüglich den negativen Aspekt der Aufweisung der Leere aller Dinge (dharma). Erst in der Einheitsschau des Kegon erscheint das Mahâyâna in vollkommener Gestalt. Tsung-mis «Traktat vom Ursprung des Menschen» handelt, wie der Titel besagt, vom Menschen und seinem Ursprung. Trotzdem kommt der spezifisch anthropologische Aspekt kaum zum Zuge. Das Menschsein wird über die allgemein buddhistische Kategorie der Lebewesen hinaus nicht artikuliert. Des Menschen Ursprung und - man darf sagen - sein Ziel ist die Buddha- Natur oder der Buddha-Geist. Tsung-mi erwähnt im Traktat vom Ursprung des Menschen den Zen-Weg nicht namentlich. In seiner Schrift Zengen-shozenshû-tojo (chin. Ch ’ an-yüan chuch ’ üan-chi tu-hsü) unterscheidet er drei Schulen des Zen, nämlich zuunterst die Nordschule des Shen-hsiu, dann innerhalb der Südschule die Linie des Ma-tsu, durch Huang-po und Lin-chi vertreten, und die auf Shen-hui zurückgehende Kataku-Schule, zu der er sich selbst rechnet 39 . Die zwei letztgenannten Zen- Schulen vertreten nach Tsung-mi eine verschiedene Auffassung vom Menschen und seiner Tätigkeit. Gemäß der in den Sutren verwurzelten traditionellen Auffassung Tsung-mis beruht die menschliche Tätigkeit auf einer abstrakt verstandenen Natur. Er kritisiert bei der Ma-tsu-Schule den Mangel einer solchen Grundlage. Bezeichnenderweise wendet er die gleichen Argumente, mit denen er den Taoismus bekämpft, gegen Ma-tsu und seine Jünger 40 . Zweifellos hat er einen Punkt richtig gesehen, dennoch ist seine Kritik im Grunde verfehlt. Die Frage nach dem Menschen bedeutet bei Lin-chi nicht die Frage nach der Menschennatur. Er leugnet die metaphysischen Anschauungen der Mahâyâna- Sutren nicht, aber philosophische Abstraktionen sind ihm verhasst. Es geht ihm einzig um den konkreten Menschen. Sein «wahrer Mensch» lebt leibhaftig hier und jetzt, nicht verschieden von Patriarchen und vom Buddha. Die Mahâyâna- Lehre, insbesondere die Kegon-Lehre, ist ins Konkrete übersetzt. «Der wahre Mensch ohne Rang». - Lin-chi sucht den «wahren Menschen» nicht bei den Buddhas und Patriarchen der Vergangenheit, er sucht ihn auch nicht in der Zukunft als zu verwirklichendes Ideal, sondern findet ihn hier und jetzt, in den Jüngern, die vor ihm sitzen und auf seine Predigt hören. Zu ihnen spricht er: Wer jetzt den Buddha-Dharma lernen will, muss nach der wahren Einsicht suchen. Wer die wahre Einsicht erlangt hat, wird nicht mehr von Leben und Tod befleckt, er bewegt sich im Gehen und Bleiben frei. Auch wenn er Ausgezeichnetes nicht sucht, so kommt zu ihm doch Ausgezeichnetes von selbst. Lin-chi 203 Jünger des Weges! Alle erlauchten Alten besaßen Mittel für die Rettung der Menschen. Wie ich es euch zeige, sollt ihr euch nicht von anderen verwirren lassen. Wenn ihr handeln wollt, handelt! Zögert nicht! Lernende bringen heutzutage nichts zustande. Wo liegt ihre Krankheit? Die Krankheit liegt darin, dass sie sich selbst nicht vertrauen. Wenn ihr nicht an euch selbst glaubt, so taumelt ihr allen Umständen folgend hin und her, von tausend Dingen im Kreis gedreht, und könnt nicht zur Freiheit gelangen. Wenn ihr den von Augenblick zu Augenblick rastlos kreisenden Geist zur Ruhe bringen könnt, seid ihr vom Patriarchen-Buddha nicht verschieden. Wünscht ihr den Patriarchen-Buddha zu kennen? Das seid ihr, die ihr vor mir sitzt und meiner Predigt zuhört. Weil Lernende nicht glauben können, rennen sie hin und her und suchen draußen. Selbst wenn sie das Gesuchte erlangen, so sind alles bloß geschriebene Vorzüglichkeiten, sie können niemals den Geist des lebenden Patriarchen fassen. Täuscht euch nicht, werte Zen-Männer! Wenn ihr ihm jetzt nicht begegnet, werdet ihr während Zehntausenden von Kalpas und Tausenden von Wiedergeburten in den drei Welten 41 , von angenehmem Milieu gefesselt, im Schoß von Eseln und Kühen wiedergeboren werden. Jünger des Weges! Wie ich es ansehe, sind wir nicht verschieden von Shâkya. Was fehlt uns heute für unsere vielfältigen Tätigkeiten? Das sechsstrahlige wunderbare Licht hört niemals auf 42 . Wer es so anschauen kann, ist für sein ganzes Leben ein Mensch ohne Beschwer (buji no hito) 43 . (Reden, Nr. 10) Dieser längere Abschnitt einer der großen Reden Lin-chis bekundet in klaren Worten die Kernaussage seiner Lehre und zeigt zugleich deutlich den Duktus seiner Sprache, er unterrichtet auch über einige wichtige Einzelheiten und lässt weitere Gedankengänge anklingen. In der Mitte steht das Wort vom Patriarchen-Buddha 44 . Lin-chi sagt es den Jüngern ins Gesicht: Ihr seid Patriarchen- Buddhas. Das Wort schockiert, sie horchen auf, und auch der Leser des Rinzairoku mag erstaunend fragen, was dieses Wort bedeuten soll. Es handelt sich nicht um die Verkündigung einer neuen Wahrheit. Die Aussage drückt in ungewöhnlicher, bislang nicht gehörter Form die Grundlehre des Mahâyâna aus. Wenn alle Lebewesen oder - in radikaler Sicht - das gesamte Universum Buddha-Natur (Lin-chi bevorzugt die konkrete Aussageform: Buddha oder Patriarchen-Buddha) ist 45 , dann auch die Jünger, die in der Halle hinsitzen und dem Lehrvortrag ihres Meisters lauschen. So wie sie sind, sind sie «Patriarchen- Buddhas», «lebendige Patriarchen» 46 . Ihnen fehlt nichts. «Was könnte fehlen für ihre vielfältige Tätigkeit? » Dieser schlichte Satz kommt in Lin-chis Reden, verschieden gewendet, immer wieder vor und besagt die große Wahrheit von der universalen Buddha-Natur, die jeglichen Mangel ausschließt. Den Jüngern tut nur eines not: Sie müssen an sich selbst glauben. Dann werden sie das rastlose Umherrennen aufgeben, vor dem Lin-chi warnt. Sie sollen nicht zögern. Diese Mahnung bekräftigt der Meister nicht selten mit seiner «Körpersprache», nämlich mit Stockschlägen und gewaltigem Schrei. Das Aufschrecken aus 204 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China zögerndem Zweifel ist eine, nicht die einzige Funktion, der zwei Gewaltmittel Lin-chis. In dem angeführten Text ist nicht die Rede von erleuchtetem Wissen und Wunderkräften. Die Jünger, zu denen Lin-chi spricht, besitzen nichts dergleichen. Sie sind «gewöhnliche Menschen». Dies ist ein Zentralthema der Reden Lin-chis an seine Jünger. Er steht in der Traditionsfolge Ma-tsus, gemäß dem der gewöhnliche Geist der Weg ist, und zeichnet den «wahren Menschen» als einen, der den Umständen entsprechend sein früheres Karma zu tilgen weiß und sich kleidet, wie es so kommt. Wenn er gehen will, geht er, wenn er sitzen will, sitzt er. Er hegt nicht einen einzigen Gedanken, nach der Buddha-Frucht zu verlangen. Weshalb ist dies so? Einer der Alten sagt: «Für jemanden, der Karma hervorbringend nach Buddhaschaft strebt, wird Buddha ein großes Vorzeichen von Geburt und Tod.» Werte Mönche! Die Zeit ist kostbar. Aber ihr wollt, indem ihr wie die Meereswogen euch beständig bewegt, Meditation lernen, den Weg lernen, Namen wissen, Phrasen wissen, Buddha suchen, Patriarchen suchen, den guten Freund suchen und spekulieren. Täuscht euch nicht, Sucher des Weges! Ihr habt einen Vater und eine Mutter. Was sucht ihr mehr? Sucht das Licht auf euch selbst zurückzuwenden! Einer der Alten sagt: «Yajñadatta verlor seinen Kopf. Als sein suchender Geist zur Ruhe kam, war er ohne Beschwer (jap. buji) 47 .» Werte Mönche! Seid gewöhnliche Menschen! Macht keine Umstände! . . .» (Reden, Nr. 10) Der «gewöhnliche Mensch» ist der «wahre Mensch», der in allen Lebenslagen, welches immer die äußeren und inneren Umstände sein mögen, schlicht, einfach, natürlich bleibt, nichts aus sich macht, nicht nach Außerordentlichem verlangt, sondern «ohne Beschwer» im Jetzt lebt. In einem berühmten Passus, den viele für den Höhepunkt seiner Reden halten, hat Lin-chi diesen «wahren», «gewöhnlichen» Menschen gezeichnet. Der Meister saß auf dem Hochsitz in der Halle und sprach: Auf einem Haufen von rotem Fleisch ist ein wahrer Mensch ohne Rang; er geht beständig durch die Pforten eures Antlitzes aus und ein. Die dies noch nicht bezeugt haben - seht, seht! (Reden, Nr. 3) 48 An diese Ansprache schließt sich eine kôan-artige Szene an. Ein Mönch fragt weiter über den wahren Menschen. Lin-chi steigt vom Hochsitz herab, packt den Frager und sagt: «Sprich, sprich! » Der Mönch zögert. Da schiebt ihn der Meister beiseite: «Der wahre Mensch ohne Rang - was für eine Art von Kotspatel ist er! 49 » Und er geht in seine Wohnräume zurück. Der Ausdruck «Wahrer Mensch» (chin. chen-jen, jap. shinnin) ist taoistischen Ursprungs. Der wahre Mensch ist in keiner Weise etwas Besonderes. Er hat Lin-chi 205 keinen Rang - im alten China war jeder mit seinem Rang in die Gesellschaft eingeordnet. Ein Mensch ohne Rang war eine Randfigur 50 . Er ist mit den Sinnesorganen ausgestattet - sie sind die Pforten seines Antlitzes. Und er ist, dieser wahre Mensch von Fleisch und Blut ist - Buddha. In diesem Text ist die Botschaft des Mahâyâna, ins Anthropologische gewendet, mit aller Klarheit ausgesprochen. Die Redeweise ist prägnant, schockierend, originell. Lin-chi beleuchtet den «wahren Menschen ohne Rang» von allen Seiten her und verdeutlicht mit dieser unverwechselbaren Redefigur die Eigentümlichkeit seines Zen-Weges. Charakterisierung des «Wahren Menschen». - Der wahre Mensch ist am deutlichsten negativ charakterisiert. Er ist nicht nur «ohne Rang», sondern auch «ohne Eigenschaften» 51 , von nichts abhängig und ohne Kleid, unbeschreiblich und undefinierbar. Lin-chi sagt von ihm: Er ist ohne Form, ohne Merkmal, ohne Wurzel, ohne Stamm, ohne Wohnplatz, doch ihr sollt wissen, er ist Fisch-munter und quicklebendig (kappatsu patsuji) 52 , der Ort seiner Tätigkeit inmitten aller möglichen Umstände ist Nicht-Ort. Deshalb ist er umso ferner, je mehr man ihn sucht; desto weiter weicht er zurück, je mehr man nach ihm verlangt. Das ist, was Geheimnis genannt wird. (Reden, Nr. 14) Dieser Abschnitt ist einer Rede entnommen, die den Weisheitssutren verpflichtet die Leere aller Dinge zu durchschauen und an nichts zu haften mahnt. «Der Mann des Weges, der die Predigt hört und von nichts abhängt, ist die Mutter aller Buddhas. Buddhas werden vom Nicht-Abhängen geboren.» «Wer haftet und abhängt, verfällt dem Kausalnexus und entrinnt nicht dem Kreislauf der Wiedergeburten in den drei Bereichen.» (Reden, Nr. 14) Solche Sätze zeigen die buddhistische Wurzel der Negativität Lin-chis. Doch ist in dem Text auch die chinesische Prägung seines Denkens deutlich erkennbar. Seine Rede bleibt nicht in den Grenzen des Mahayanismus. Der wahre Mensch, charakterisiert durch das Fehlen von Merkmalen, ist quicklebendig und voller Dynamik. Yanagida misst dem genuin chinesischen Ausdruck kappatsu patsuji große Bedeutung bei 53 . Er findet ihn bei den neukonfuzianischen Gelehrten Ch ’ eng (Sung-Zeit), die in dem durch das Schriftzeichen angedeuteten Vergleich vom Fisch die naturhafte Lebendigkeit des Menschen veranschaulicht sehen. In einer Rede fragt Lin-chi die Jünger: «Wisst ihr, wer das ist, der da jetzt herumläuft und sucht? », um selbst die Antwort zu geben: «Er ist Fisch-munter und quicklebendig, ohne Wurzeln und Stamm» (Reden, Nr. 18), d. h. nichts hält ihn fest und hindert ihn. Dieses Sprachgebilde malt im Wortklang den konkreten, freien Menschen. Der mit der Natur vibrierende freie Mensch steht in schroffem Gegensatz zu dem in der Nordschule des chinesischen Zen verfochtenen Ideal des Menschen 206 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China bewegungsloser Reinheit. Lin-chi lehnt wie Shen-hui und ungefähr mit dessen Worten diese Meditationsrichtung ab. Scharf wendet er sich gegen jene verblendeten Mönche, die, nachdem sie sich reichlich vollgegessen haben, zur Meditation hinhocken und Kontemplation üben. Sie halten den Gedankenfluss an und lassen keinen Gedanken aufsteigen. Sie hassen Lärm und suchen Stille. Das ist eine häretische Art. Ein Patriarch sagt: «Den Geist anhalten und die Stille anschauen, den Geist sich erheben lassen, um die Außendinge anzuschauen, den Geist zügeln, um ihn innen zu klären, den Geist fixieren, um in Versenkung einzutreten - alle solche Praktiken sind künstliche Bemühungen.» (Reden, Nr. 17) Der wahrhaft freie Mensch haftet weder an Bewegung noch an Bewegungslosigkeit, die beide dem Bereich der Wiedergeburten angehören und ohne Selbstnatur sind. «Der unabhängige Jünger des Weges benutzt Bewegung und Nicht-Bewegung» (Reden, Nr. 18). In einsamer Freiheit übersteigt er die drei Bereiche und die zehntausend Dinge (dharma) der Werdewelt. Lin-chi erklärt: Jünger des Weges! Der wahre Buddha hat keine Gestalt, der wahre Dharma hat keine Form. Ihr macht euch aus bloßen Einbildungen Modelle und Formen. Wenn ihr auch beim Suchen etwas erlangen könnt, so ist das alles nur wie das Gespenst eines wilden Fuchses, ganz sicher nicht der wahre Buddha. Das sind nur häretische Ansichten. Der wahre Lerner des Weges haftet nicht an Buddha, nicht an Bodhisattvas oder Arhats (Heiligen), er haftet an nichts, was in den drei Bereichen für ausgezeichnet gilt. Fern von all diesem, allein und ungebunden, haftet er an keinem Ding. Auch wenn Himmel und Erde zusammenstürzten, ich würde nicht zweifeln; auch wenn vor mir alle Buddhas der zehn Richtungen erschienen, ich hätte keinen Gedanken der Freude; auch wenn mir die drei Höllenwege plötzlich sichtbar würden, ich fürchtete keinen Augenblick. Warum ist dies so? Wie ich es sehe, sind alle Dinge (dharma) leere Formen; sie existieren nur aufgrund von Veränderung; ohne Veränderung existiert nichts. «Die drei Bereiche sind nur Geist, die zehntausend Dinge sind nur Bewusstsein.» . . . 54 Nur ihr, Jünger des Weges, die ihr vor meinen Augen jetzt den Dharma hört, geht ins Feuer hinein, ohne gebrannt zu werden, geht ins Wasser hinein, ohne zu ertrinken . . . Und warum? Weil da kein Ding ist, das ihr verabscheut. «Wenn ihr das Heilige liebt und das Profane hasst, Werdet ihr immer im Meer der Wiedergeburten auf- und niedersinken. Die Trübungen entstehen aufgrund des Bewusstseins, Wenn ihr Nicht-Geist seid, wie können sie euch binden? Müht euch nicht um Unterscheiden und Erkennen von Merkmalen, Ihr werdet von selbst in einem Augenblick den Weg erlangen.» 55 Wenn ihr, bewegt wie Meereswogen (hahaji), zu lernen sucht, so werdet ihr nach drei asaṃkhyeya-Kalpas schließlich zum Kreis der Wiedergeburten zurückkehren. Nicht so, besser sitzt ohne Beschwer (buji) mit gekreuzten Beinen auf der Ecke eures Meditationssitzes im Kloster! (Reden, Nr. 18) Lin-chi 207 Der nur wenig gekürzte Text enthält Mahâyâna-Lehren, aber auch taoistisches Gut in Anlehnung an Worte des Chuang-tzu 56 . Die Rede veranschaulicht in starken Bildern die Freiheit des konkreten Menschen in Identität mit Buddha. Mag die Welt, selbstverständlich die Werdewelt des Sa ṃ sâra, in Trümmer fallen, eingeschlossen Buddhas, Bodhisattvas, Arhats, insofern diese in die Werdewelt einbezogen werden, der Jünger des Weges, dieser wahrhaft freie Mensch geht durch Feuer und Wasser, haftet an nichts, transzendiert jegliches Unterscheiden. Er ist wie der Patriarchen-Buddha 57 vom «wahren Buddha» und «wahren Dharma» nicht verschieden. Auch in diesem Fragment bietet Lin-chi das Ganze. Die Freiheit des wahren Menschen klingt als Grundmotiv durch den Passus. Zwei Inhalte seien herausgehoben. Zu beachten ist, dass Lin-chi in der völlig freien, unabhängigen Geisteshaltung der vor ihm sitzenden und ihm zuhörenden Jünger den Erleuchtungszustand beschreibt, obgleich er das Wort «Erleuchtung» nicht nennt. Er nennt es deshalb nicht, weil er es für seine Unterweisung nicht braucht. Vielleicht wurde es auch schon in seiner frühen Zeit zu viel benutzt, ja überstrapaziert und missbraucht. Überdies mochte er die abstrakten Termini nicht, mit denen die Erleuchtungserfahrung gewöhnlich bezeichnet wurde. So findet sich z. B. der bis heute übliche Ausdurck kenshô (= Sehen der Eigennatur) bei ihm nicht 58 . Doch ist der gezeichnete Geisteszustand der völlig unabhängigen Freiheit, in dem es kein Unterscheiden gibt, eindeutig gleich dem, den Zen- Meister die Erleuchtungserfahrung nennen. Ferner sind in dem zitierten Passus der wahre Buddha und der wahre Dharma klar von allen Phänomenen der Werdewelt abgehoben. «Der wahre Buddha», so kommentiert Demiéville, «muss als . . . ein Absolutes aufgefasst werden, das sich jeder empirischen Bestimmung entzieht 59 .» Dagegen gehören die Buddhas, Bodhisattvas, Arhats des an symbolischen Vorstellungen reichen buddhistischen Schrifttums der Werdewelt an; sie sind wie alle Erscheinungen «leer» und ohne Eigennatur. Lin-chi kritisiert die Auffassung derer, die aus Buddha ein wunderbares, mit besonderen Merkmalen ausgestattetes Wesen machen, das in einem überweltlichen, aber empirisch greifbaren Glückszustand die Früchte der asketischen Übung früherer Geburten genießt 60 . Solche Vorstellungen sind Illusionen und dem Zen-Weg abträglich, sie müssen ausgeräumt werden. Lin-chi fordert mit letzter Radikalität die Zerstörung aller Hindernisse, die sich dem Zen-Jünger entgegenstellen. So erklären sich seine viel zitierten, nicht selten missverstandenen Worte: Jünger des Weges! Wenn ihr die Sicht gemäß dem Dharma zu erlangen wünscht, dürft ihr keine trüben Anschauungen anderer annehmen. Was immer es ist, dem ihr außen oder innen begegnet, tötet es alsogleich! Wenn ihr einem Buddha begegnet, tötet den Buddha! Wenn ihr einem Patriarchen begegnet, tötet den Patriarchen! Wenn ihr einem Arhat begegnet, tötet den Arhat! Wenn ihr Vater und Mutter begegnet, tötet Vater und 208 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Mutter! Wenn ihr Verwandten begegnet, tötet die Verwandten! Nur so erreicht ihr Befreiung; wenn ihr an nichts haftet, erlangt ihr Ausweg und Freiheit! (Reden, Nr. 18) Diese blasphemisch klingenden Sätze riefen zu allen Zeiten Gegner auf den Plan. Chinesische wie japanische Konfuzianer reagierten heftig auf den groben Verstoß gegen die Kindesliebe 61 . Die beabsichtigte Provokation kann gesundes menschliches Empfinden verletzen und Zweifel an der sittlichen und religiösen Integrität des Urhebers hervorrufen. Diktion und Metapher wirken anstößig, auch wenn der Inhalt, wie oben vorwegnehmend gezeigt wurde, im Rahmen der buddhistischen Lehre bleibt. Lin-chi provoziert, um aufzurütteln. Getötet werden Phantome aus der Werdewelt. Vater und Mutter sowie Verwandte sind auf diese Ebene gerückt. Die Aussage hat metaphorischen Charakter. In einem ebenfalls blasphemisch anmutenden anderen Text des Rinzairoku sagt Linchi den Mönchen, sie könnten Befreiung nur erlangen, wenn sie die fünf großen Sünden begingen: «Den Vater töten, die Mutter erschlagen, das Blut eines Buddhas vergießen, die Eintracht der Mönchsgemeinde zerstören, Sutren und Buddha-Bilder verbrennen.» In Anlehnung an analoge Interpretationen im buddhistischen Kanon erklärt er symbolisch den Vater als die Unwissenheit, die Mutter als die Begierde usw. Kurzum, die großen Sünden erscheinen unter dem Aspekt der Befreiung 62 . Lin-chi geht bis an die Grenze, um «die völlig freie Dynamik des nackten Menschen» 63 sicherzustellen. Um diese Freiheit zu besitzen, müssen die Jünger an sich selbst glauben, jeden Zweifel zurückweisen, wahrhaft große, entschlossene Männer sein, sich immer und überall zu «Herren der Situation» machen 64 : Wenn ihr euch in jeglicher Situation zu Herren macht, ist der Ort, wo immer ihr steht, wahr. Welche Umstände auch kommen mögen, sie können euch nicht wegbringen. Sogar die zurückgebliebenen Einflüsse bösen Karmas oder die fünf großen Sünden werden von selbst zum großen Meer der Befreiung. 65 (Reden, Nr. 12) Dieser Text bietet nicht ein zufällig hingeworfenes Wort, sondern den Kern einer Erfahrung. Der wahre Mensch ist frei in allen Lebenslagen, er spielt gleichsam mit Ereignissen und Umgebung. Lin-chi hat den Vergleich von Kleidern, die der Mensch beliebig an- und ablegen kann. Da ist das Kleid «Reinheit», das Kleid «Nicht-Geburt», das Kleid «Bodhi», das Kleid «Nirvâ ṇ a», das Kleid «Patriarchen», das Kleid «Buddha». Werte Mönche, Worte, Namen, Schriftzeichen, Phrasen, all diese sind nur Veränderungen des Kleides . . . Auch Gedanken sind bloß Kleider . . . Besser ist, ohne Beschwer (wu-shih, buji) zu sein! (Reden, Nr. 18) Der wahre freie Mensch ist unabhängig von den wechselnden Kleidern, zu denen auch «heilige» Dinge zählen. Der wahre Mensch übersteigt die Unterscheidung «heilig - profan». In diesen Zusammenhang gehören die bekannten dialekti- Lin-chi 209 schen Schemata der Übung. Lin-chi kann als der geistige Urheber der im Rinzairoku entstandenen Schemata angesehen werden. Allerdings wurden diese erst in seiner Schule zu der vollendeten Form gebracht, in der sie überliefert sind. Ähnliche Modelle finden sich auch in anderen der «Fünf Häuser». Darüber im folgenden Kapitel. «Jünger des Tao». - In den «Reden des Lin-chi» werden die Jünger vom Meister mit verschiedenen Namen angeredet. Er nennt sie «Lernende» oder «Studenten» (jap. gakusha, gakudônin), «Tugendsame» oder «von großer Tugend» (jap. daitoku), «Männer des Weges» (jap. dônin), am häufigsten dôryû (chin. tao-liu), dies bedeutet etwa «solche, die dem Weg folgen», «dem Weg anhangen» oder «den Weg erlernen». Die Übersetzer in fremde Sprachen, auch ins Japanische, haben offensichtlich Mühe, für die verschiedenen Jüngeranreden jeweils das passende Wort zu finden 66 . Vielleicht haben die Ausdrücke in der Tat nicht so viel Gewicht, zweifellos meinen sie jene übenden, suchenden, lernenden Menschen, die vom Meister Belehrung empfangen. Lin-chi hegte - so dürfen wir annehmen - besondere Vorliebe für den Namen dôryû, wie die Häufigkeit seines Vorkommens und mehr noch das Gewicht des Ausdruckes an manchen Stellen anzeigt. Übersetzt als «Jünger des Tao», birgt das Wort Tiefsinn. Das Tao, das Ungenannte, das die Mutter von allem ist, im Weisheitsbuch des Lao-tzu gerühmt, ist eine Mitte des chinesischen Denkens, dem Lin-chi nicht fremd, zumal in der Beziehung zu der ihm vertrauten Philosophie des Chuang-tzu. Die Berufung auf seine Anrede kann den religiösen Charakter des Zen-Weges Lin-chis bezeugen. Doch geht es nicht um eine Beweisführung, sondern eher um Einfühlung. Lin-chis Umgang mit seinen Jüngern, diese einzigartige Meister-Jünger-Beziehung, zeigt eine wichtige Dimension seines Zen-Weges an. Lin-chi spart keine Mühe, seine Schüler, die «Jünger des Tao», in der ihnen gemäßen Weise wirksam voranzuführen. Seine harte, zupackende Art, sein grobes Schelten, sein aufschreckendes Andonnern, die scharfen Schläge, die er zuweilen, im richtigen Augenblick, versetzt, gehören in das klassische Bild vom chinesischen Zen-Meister. Zugleich stellt seine Rede hohe Anforderungen an die geistige Bemühung seiner Hörer, sie erfordert sorgfältiges Nachsinnen. Er lebte mit seinen Jüngern das Leben des buddhistischen Klosters, im strengen Geist des Vinaya, wahrscheinlich gemäß den von Pai-chang zugeschnittenen Regeln. In seinen Reden hebt Lin-chi den Mönchscharakter des zen-buddhistischen Weges hervor. Die Jünger sollen wahre Mönche sein. Das japanische Wort lautet shukke, wörtlich «solche, die das Haus verlassen haben», die, wie es im Pâli- Kanon heißt, aus dem Haus in die Hauslosigkeit gegangen sind 67 . Lin-chi gibt dem Wort seine eigene Interpretation, ohne die ursprüngliche Bedeutung herabzumindern. Er beklagt, dass es unter den derzeitigen Studenten 210 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China wenige echte Mönche gibt, die das Haus wirklich verlassen haben und zu wahrer Einsicht gelangten. Studenten von heute wissen gar nichts vom Dharma. Sie sind wie Schafe, die alles, was sie mit ihren Nasen berühren, ins Maul nehmen. Sie unterscheiden nicht zwischen Sklave und Dienstherr, zwischen Gast und Gastgeber. Solche sind mit krummen Motiven in den Weg eingetreten, sie treten sogleich ein, wo es laut zugeht. Man kann sie nicht wahre Hausverzichter (shukke) nennen, sie sind vielmehr profane Haushalter. Wer ein Hausverzichter ist, muss die gewöhnliche, wahre Einsicht erlangt haben und zwischen Buddha und Mâra, zwischen wahr und falsch, zwischen profan und heilig zu unterscheiden wissen. Nur wenn er diese Unterscheidungsfähigkeit besitzt, kann er ein wahrer Hausverzichter genannt werden. Wenn er Mâra nicht von Buddha zu unterscheiden vermag, hat er nur ein Haus verlassen und ist in ein anderes Haus eingetreten. Solche tituliert man Karma hervorbringende Lebewesen, wahre Hausverzichter (shukke) kann man sie nicht nennen. (Reden, Nr. 12) Der Hausverzicht bedeutet, wie Lin-chi unmissverständlich klarmacht, nicht den Tausch eines Hauses mit einem anderen, nicht das Aufgeben der häuslichen Familie mit ihren Annehmlichkeiten, um ein anderes, nun «Hausverzicht» (shukke) genanntes Haus zu beziehen und es sich in ihm wohl gehen zu lassen. Es gibt solche Mönche. Lin-chi vergleicht sie mit Schafen, die an allem herumschnuppern, was ihnen unter die Nase kommt, sie sind unverständig und voller Begierden, wie Weltlinge, die das Haus nicht verlassen haben. Das Unterscheiden, das Lin-chi vom echten Jünger fordert, bedeutet kein dualistisches Urteilen, sondern Einsicht in die Dinge, so wie sie sind. Diese Einsicht hilft dem Übenden, sich von allem Haften loszulösen und auf dem Weg der Befreiung voranzuschreiten. Lin-chi zeichnet den Erleuchtungsweg nicht im Einzelnen, aber er betont, dass der entscheidende Durchbruch plötzlich, in einem Augenblick geschieht. Dafür verweist er auch auf seine eigene Erfahrung, die er in seinen Reden mehrmals erwähnt, aber nicht ausführlich schildert. Einer seiner kurzen Berichte endet mit dem Wort: «Eines Morgens begriff ich selbst» (Reden, Nr. 18). Lin-chi distanziert sich von anderen Arten buddhistischer Meditation, die einen allmählichen Fortschritt annehmen und den Prozess rational zu erklären suchen. Gemäß den Anschauungen der Zen-Schule ist es nicht so. Alles ist augenblicklich, jetzt, da ist keine Zeit. Alles, was ich lehre, ist vorläufig, eine Medizin entsprechend der Krankheit; da ist nichts Wirkliches. Wer es so zu sehen vermag, ist ein wahrer Hausverzichter (shukke), er mag täglich zehn Millionen Goldmünzen verbrauchen. 68 (Reden, Nr. 13) «Die Realisierung wird im Augenblick erlangt» (Reden, Nr. 13). Lin-chi steht auf dem Standpunkt der plötzlichen Erleuchtung. Aber er beschreibt die Erfahrung Lin-chi 211 nicht, auch versucht er nirgendwo, sie dem Wesen nach zu erklären. Er hält seine Abneigung gegen alles Theoretisieren konsequent durch. Die Erleuchtung ist, wie Lin-chi sie versteht, in der Tätigkeit des wahren, gewöhnlichen Menschen, der die Erleuchtung darlebt. So sagt er zu seinen Jüngern: Es gibt Studenten, die Mañju ś rî auf dem Wu-t ’ ai-Berg suchen 69 . Das ist schon falsch. Kein Mañju ś rî ist auf dem Wu-t ’ ai-Berg. Wünscht ihr Mañju ś rî zu kennen? Eure Tätigkeit vor meinen Augen, von Anfang zu Ende ohne Veränderung, überall frei von Zweifel - sie ist der lebendige Mañju ś rî. (Reden, Nr. 15) Einer der wichtigsten Texte im Rinzairoku ist der Abschnitt über drei Kategorien von Studenten. Doch Lin-chi lässt es nicht bei der Beschreibung der drei Klassen bewenden, sondern fügt am Ende noch eine vierte Kategorie hinzu, die vielleicht am eindrucksvollsten seine Vorstellung von jener ganzheitlichen, grenzenlosen Tätigkeit des Erleuchteten im Nu des Augenblickes veranschaulicht, die keine Spur hinterlässt, aber einen Höhepunkt markiert. Wenn solche von außerordentlicher Einsicht kämen, so würde ich, der Bergmönch 70 , mit meinem ganzen Körper handeln 71 und sie in keine Kategorie einordnen. Werte Mönche! Wenn ein Student diesen Punkt erreicht hat, so soll er alle Kraft anstrengen, undurchdringlich jedem Wind, rascher als der Funke des Feuersteins und der Blitzstrahl. Wenn der Student in diesem Augenblick mit dem Auge zwinkert, ist es vorbei. Wenn er den Geist tätig sein lässt, weicht er ab, im Augenblick, wo er nachsinnt, verfehlt er das Ziel. Aber für den, der begreift, sind es die hier vor seinen Augen Tätigen. (Reden, Nr. 18) Erleuchtung ist im hier und jetzt tätigen Jünger gegenwärtig, neu in jedem Augenblick, ganz und ungehindert. Die Jünger können immer und überall in alle Bereiche eintreten. Dies Wort «eintreten» gehört, wie Yanagida ausführt, zu den charakteristischen Ausdrücken, die Lin-chi in verschiedenem Zusammenhang benutzt, sowohl für das Eintreten in die Erleuchtung, den Weg, die Einsicht, als auch für das Eintreten in die Welt der Verschiedenheit 72 . Jünger des Weges, in einem Augenblick tretet ihr in die Lotoswelt ein, in das Land des Vairocana, das Land der Befreiung, das Land der übersinnlichen Fähigkeiten, das Land der Reinheit und in den Dharma-Bereich. Ihr tretet ein in das Reine und Befleckte, das Profane und Heilige, den Bereich der Hungergeister und der Tiere. Doch wie fern und weit ihr suchen mögt, nirgendwo seht ihr weder Geburt noch Tod, sondern nur leere Namen. (Reden, Nr. 18) Das gleiche Motiv findet sich in leichter Abwandlung nochmals, eingeleitet durch die rhetorische Frage: «Was fehlt an eurer gegenwärtigen antwortenden Aktivität? » (Reden, Nr. 16) 73 . Die Tätigkeit antwortet auf beständig neu entstehende und neu begegnende Dinge. Damit der Jünger den Umständen ent- 212 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China sprechend antworten kann, bedarf er der Einsicht, die ihm nicht angeboren ist. An diesem Punkt stellt sich die Frage der Übung 74 . Gemäß der Anthropologie des Lin-chi besitzt der Mensch das «Auge des Weges» (dôgen), mit dem er das Wahre und Falsche zu unterscheiden vermag. Doch ist dieses Auge mannigfachen Trübungen ausgesetzt, die der Mensch vielfach selbst verursacht. Lin-chi weiß dies aus seiner eigenen Erfahrung. In einer autobiographischen Bemerkung erzählt er, wie er in jungen Jahren «mit brennendem Magen und unruhigem Geist herumlief und nach dem Weg fragte» (Reden, Nr. 22). Die Begegnung mit großen Lehrern brachte ihm viel Hilfe. Doch blieben ihm «gründliche Untersuchung und harte Übung» (Reden, Nr. 18) nicht erspart. Sein Auge des Weges klärte sich (dôgen bummyô), so dass er das Wahre und Falsche zu unterscheiden vermochte. «Ich konnte dies nicht in dem Augenblick, als ich von meiner Mutter geboren wurde» (ebd.). Diese Erfahrung wurde für seine Lehre wichtig. Immer wieder ruft er seinen Jüngern die Tatsache in Erinnerung, dass sie bloß gewöhnliche, von der Mutter geborene Menschen sind, sie können nur durch Übung die Einsicht erlangen. Der Mensch besitzt als kostbarstes Gut das Auge des Weges, aber es bedarf der Übung zur Ausräumung der Hindernisse, die die klare Sicht hemmen. Unrast, Zweifel und Haften behindern die freie Tätigkeit des Auges des Weges. Deshalb mahnt Lin-chi seine Jünger: Werte Mönche! Braucht euren Geist nicht falsch! Das große Meer behält keine Leichen. Wenn ihr nur daran denkt, mit eurer Last beladen durch die Welt zu rennen, so schafft ihr selbst Störungen eurer Sicht und behindert euren Geist. Wenn keine Wolken die Sonne verdecken, ist der Himmel heiter und von Licht überflutet. Wenn kein Fleck im Auge ist, sind keine Blumenphantome in der Luft. (Reden, Nr. 22) Die Übung ist die eigenste Aufgabe der Jünger, der sie sich mit dem Bewusstsein ihrer Verantwortung hingeben sollen. Lin-chi warnt davor, sich auf äußere Autoritäten zu verlassen. Die Jünger sollen auch Worte alter, berühmter Mönche nicht blindlings befolgen. Auf keinen Fall dürfen sie ihre «zwei Augen betrügen» 75 . Der Meister weckt ihren Geist der Kritik. Er preist die großen Pioniere des Zen-Weges, die neue Sichten eröffnet haben. Auf sie wendet er den Spruch an: «Ein Brüllen des Löwen spaltet den Schädel des Schakals 76 .» Man mag an das mächtige Löwengebrüll des Erwachten aus dem Shâkyamuni- Geschlecht denken. Lin-chis Jünger sind zur Übung angehalten. Die Übung ist unabdingbar, bezüglich der inneren Haltung der Loslösung von allen Bindungen ist sie streng, aber im Übrigen leicht, einfach und natürlich. Lin-chi lehnte die Hockmeditation der Nordschule ausdrücklich ab. Dies heißt nicht, dass er und seine Jünger ähnlich wie der sechste Patriarch und dessen Kreis nicht Meditation im Hocksitz praktiziert haben. Diese war schlechthin Gemeingut der zen-buddhistischen Lin-chi 213 Wegsucher. Doch Lin-chi macht sie nicht zur Methode, er lässt keine Mittel- Zweck-Beziehung zwischen Meditation und Erfahrung gelten. Noch weniger kann Sutrenstudium zur Erleuchtung führen. Obgleich selbst im buddhistischen Schrifttum bewandert, äußert er betonte Abneigung gegen Gelehrsamkeit. Werte Mönche! Irrt euch nicht! Mir liegt nicht daran, ob ihr die Sutren und Shastren versteht, ob ihr Könige oder Minister seid, ob ihr beredt wie Wasserfälle, ob ihr klug und weise seid. Ich wünsche nur, dass ihr wahre Einsicht habt. Jünger des Weges! Auch wenn ihr hundert Bände von Sutren und Shastren erklären könnt, seid ihr nicht so viel wert wie ein Lehrer «ohne Beschwer» (buji). Wenn ihr sie erklären könnt, verachtet ihr andere. Kämpfende Asuras sowie Unwissenheit bezüglich des Ichs wirken Karma, das in eine Hölle bringt. (Reden, Nr. 22) 77 Zum Beweis führt Lin-chi die Geschichte eines Mönches an, der die zwölfteilige Lehre verstand und doch lebendig in eine Hölle fiel. Gegen Schriftgelehrsamkeit sowie gegen alle beengende Methodik hilft ein freiheitlicher, unbekümmerter Lebensstil, wie Lin-chi ihn empfiehlt. Er bedient sich dabei gern taoistischer Redeweisen. Die oben angeführte Warnung vor Schriftstudium kommt zu dem Schluss: «Besser ist es, ‹ ohne Beschwer › sein und nichts tun.» Dann folgen die Verse: Wenn Hunger kommt, esse ich meinen Reis, Wenn Schlaf kommt, schließe ich die Augen. Der Tor lacht über mich, Der Weise versteht. 78 Die beiden letzten Verse finden sich schon in einer früheren Rede, in der Lin-chi einschärft, dass der Buddha-Dharma keine besondere Anstrengung kennt und es genügt, «gewöhnlich» und «ohne Beschwer» zu sein. «Der wahre Mensch ohne Rang» macht den «gewöhnlichen Geist» zum Weg, er ist ein «Jünger des Tao». Lin-chi und seine Schule Die Gestalt des Lin-chi ist von seiner Schule untrennbar. Schon deshalb, weil die Persönlichkeit dieses Zen-Meisters nur in der Schule, die sich von ihm ableitet, greifbar ist. Die in das Rinzairoku gefassten Reden und Episoden aus seinem Leben sind alle durch Generationen von Jüngern hindurchgegangen, bevor sie in der endgültigen Form des Literaturwerkes überliefert wurden. Die Rinzai- Schule versteht sich als Erbe des Meisters, der ihr das Siegel seiner Persönlichkeit aufgeprägt hat. Wie keine andere Schule weiß dieser Hauptstrom des chinesischen Zen-Buddhismus sich dem Gründer verpflichtet. 214 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die herausragende Bedeutung Lin-chis in der Zen-Geschichte versteht sich zu einem Teil aus der Stellung seiner Schule innerhalb des chinesischen Buddhismus während der Sung-Zeit. Die ersten Generationen nach Lin-chi führten in Nordchina und der Gegend am Gelben Fluss ein eher bescheidenes Dasein. In frühen literarischen Zeugnissen aus dem 10. Jahrhundert bis zu der grundlegenden Zen-Chronik Keitoku Dentôroku (1004) ragt die Rinzai-Schule kaum aus dem üppigen «Zen-Wald» hervor. Dies ändert sich während der kurzen Zeitspanne vor dem Erscheinen der Chronik Tenshô Kôtôroku (chin. Tien-sheng kuang-teng lu, 1036) 79 . Diese Chronik bietet das entscheidende Zeugnis für Linchi und seine Schule. Alle Reden und kôan-artigen Worte des Meisters sind im vollen Umfang hineingenommen. Der Kompilator Li Tsun-hsü (gest. 1038), ein Laienjünger der Rinzai-Schule, erweist sich in seinem Werk als glühender Verehrer Lin-chis. Vermählt mit einer Prinzessin kaiserlichen Geblütes aus der nördlichen Sung-Dynastie und ein Mann von hohem Rang, stellte er sein politisches und gesellschaftliches Ansehen unverkürzt in den Dienst der Rinzai- Schule. Seiner Bemühung, die in der Chronik Tenshô Kôtôroku ihren Niederschlag fand, ist, wie es scheint, der rasche Aufschwung des Rinzai-Zen in jenen Tagen zuzuschreiben. Von der Schule fiel ein Glanz auf ihren Begründer zurück, der während der nächstfolgenden Jahrhunderte in China beständig zunehmen sollte. Die Phasen der Geschichte der Rinzai-Schule geben darüber deutlich Aufschluss. Und doch verdankt Lin-chi seine herausragende Position in der chinesischen Zen-Geschichte nicht in erster Linie der auf ihn zurückgehenden Schule. Alles spricht dafür, dass er selbst eine ungewöhnliche Persönlichkeit von großem Format gewesen ist. Das Rinzairoku, obgleich ein literarisches Meisterwerk, ist nicht zuerst Dichtung. Wenn Lin-chi mit sicherem Griff das Zen tief in die chinesische Erde eingepflanzt hat und seine Jünger gewöhnliche Menschen sein ließ, so erscheint seine eigene Gestalt von einer unheimlichen Konkretheit und Vitalität, hier und jetzt. Die Zen-Bewegung der T ’ ang-Zeit ist reich an großen Meistergestalten, deren viele weit über das Durchschnittsmaß hinausragen. Nichts liegt uns ferner, als sie vergleichen und einstufen zu wollen. Dennoch kann bei Lin-chi eine überragende Größe anerkannt werden. In seiner Gestalt verbinden sich viele Qualitäten, die Zen-Meister auszeichnen. Die einmalige Geschichte seines Erleuchtungserlebens und zahllose paradoxe, geistsprühende Worte aus seinem Mund sind in der Zen-Literatur aufbewahrt. Vor allem beeindrucken die packende Unmittelbarkeit, mit der er zu seinen Jüngern spricht, sein strenges, unerbittliches Fordern, das keine Zugeständnisse an menschliche Schwachheit kennt, und seine menschliche Wärme im Umgang. Die außergewöhnliche Denkkraft dieses Zen-Meisters, der «eine Art von chinesischem Sokrates» 80 war, zeigt sich in seinen Reden, die das Weltbild des Kegon (chin. Hua-yen) und der Weisheitssutren (sanskr. Prajñâpâramitâ) mit wagender Lin-chi 215 Kühnheit in die Vulgärsprache übersetzen und daraus unerschrocken Folgerungen für den Alltag ziehen. Bei all dem ist Lin-chi ein religiöser Mensch. Seine verblüffenden, ungeistlichen, ja grotesken Ausdrücke, die einem Mönch und Abt wenig anstehen, verleugnen dennoch nicht den zutiefst religiösen Charakter seiner Botschaft. Im strengen Stil des Vinaya erzogen, ist er ein Hausloser, der die geistige Freiheit erreicht hat und mit seiner ganzen Person, auch mit dem Körper, die Wahrheit demonstrieren kann, von der er bis ins Letzte durchdrungen ist. Nach einem Wort des hervorragenden Sinologen und Humanisten Paul Demiéville verkörpert er «einen chinesischen Humanismus, den Humanismus eines chinesischen Buddhisten, vielleicht mehr chinesisch als buddhistisch» 81 , einen Buddhismus, der Transzendenz kennt. Es gibt dieses Namenlose, das kein Auge sehen, kein Ohr vernehmen kann, um dessentwillen dem Menschen nichts fehlt. Religiös wurzelt Lin-chi im buddhistischen Mutterboden. «Sein Gedanke (pensée) bleibt religiös, soteriologisch, auf das Heil des Menschen gerichtet, auf seine ‹ Befreiung › , wie die Buddhisten sagen 82 .» Wenn Lin-chi zu den genialen religiösen Geistern der Menschheit zählt, so wundert es nicht, dass seine Schule hinter ihm zurückbleiben musste. Der chinesische Zen-Buddhismus erreichte in Lin-chi und den ihm verwandten Meistern der T ’ ang-Zeit seinen Höhepunkt. In der Folge bleiben die Hauptwerte erhalten, aber Rationalisierung, Systematisierung, Methodisierung, das Überwiegen des Organisatorischen und Institutionellen lassen die Hochflut abebben. Der Geistessturm verrauscht. 216 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China VII Besonderheiten in den «Fünf Häusern» Die Verfolgung des Buddhismus Die zwei vorausgehenden Kapitel über die Zen-Bewegung nach Hui-neng und über Lin-chi brachten uns bis tief in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts hinein. Das geschichtlich einschneidende Ereignis dieses Jahrhunderts, die große Verfolgung des Buddhismus durch Kaiser Wu-tsung (841 - 846) 1 , liegt einige Jahrzehnte früher, ist indes für die Geschichte des Zen-Buddhismus weniger wichtig. Wir zeichnen das Ereignis dennoch hier ein, nicht so sehr, weil es zum Rahmen der geschichtlichen Entwicklung der Zen-Bewegung hinzugehört, als vielmehr zur Verdeutlichung der Eigenart des Zen innerhalb des chinesischen Buddhismus. Unter allen buddhistischen Schulen jener Epoche konnte gemäß dem Urteil der Historiker einzig das Zen den Verfolgungssturm ohne größeren Schaden überdauern. Dieser Umstand wirft ein helles Licht auf die besondere Vitalität der Zen-Bewegung im China der T ’ ang. Die Buddhistenverfolgung unter Kaiser Wu-tsung gilt wegen ihres Ausmaßes und wegen ihrer Heftigkeit als die «große Verfolgung» 2 . Begrenzte Unterdrückungsmaßnahmen gab es schon in früheren Jahrhunderten. Die allgemeine Verfolgung während der T ’ ang-Zeit wurde durch den erbitterten Hass des Kaisers ausgelöst, der, ein fanatischer Taoist, den Buddhismus in seinem Lande auszurotten wünschte. Selbstverständlich spielten tiefer wurzelnde Feindseligkeiten gegen die Buddha-Religion eine Rolle. Trotz jahrhundertelanger Bemühung um Anpassung an chinesisches Denken und an chinesische Sitte galt der Buddhismus noch zur Zeit seiner Hochblüte um die Mitte der T ’ ang-Periode bei vielen Chinesen, besonders bei den konfuzianischen Intellektuellen, die den größeren Teil der mächtigen Beamtenschaft stellten, als eine fremde, ausländische Religion 3 . Vor allem erregte das aus Indien überbrachte, in den chinesischen Buddha-Klöstern praktizierte zölibatäre Mönchtum Anstoß. Die Buddhisten stellten sich damit, so schien es, gegen das chinesische Familiensystem und vernachlässigten die Kindesehrfurcht, das oberste Gebot der konfuzianischen Ethik. Hinzu kamen unliebsame Begleiterscheinungen der klösterlichen Institutionen, insbesondere deren Befreiung von der Steuerverpflichtung und von sozialen Dienstleistungen. Was nutzen tiefsinnige, spekulative Lehrsysteme, mochten sie den chinesischen Geist noch so stark faszinieren, wenn das Sozialleben im Lande Schaden litt! Der wirtschaftliche Faktor spielte bei der heraufziehenden Verfolgung, wie deren Verlauf deutlich zeigt, eine maßgebende Rolle 4 . Gerade an diesem Punkt wies die Sinisierung des Buddhismus empfindliche Lücken auf, in die glücklicherweise die Zen-Bewegung einsprang. Zen- Mönche kultivierten Ackerland und leisteten produktive Arbeit, und dies, wenn die Nachrichten über das mönchische Leben auf dem Ostberg stimmen, schon durch lange Zeit hindurch. Die Verfolgung des Buddhismus, durch allgemeine Ursachen religiös-kultureller und sozial-wirtschaftlicher Art seit langem untergründig vorbereitet, kam unter Kaiser Wu-tsung zum Ausbruch. Der Kaiser zeigte anfänglich den buddhistischen Würdenträgern seine Ungunst dadurch, dass er ihnen taoistische Geistliche vorzog. Die ersten deutlich feindseligen Maßnahmen im Jahr 842 bezweckten vornehmlich die Säkularisierung von Mönchen und Nonnen sowie die Beschlagnahme buddhistischen Eigentums. Irreguläre Klosterinsassen wurden gezwungen, ihre Klöster zu verlassen und ins Weltleben zurückzukehren. Die Irregularität konnte verschiedene Gründe haben: Flucht aus dem Militärdienst, Gesetzesübertretungen vor Eintritt ins Klosterleben, Übung verbotener Magie, aber auch einfachhin mangelnde Beobachtung der buddhistischen Klosterregeln. Privatvermögen, das der Armutsverpflichtung nicht entsprach, wurde konfisziert. Auch wurden die Klosterbewohner in ihrer Bewegungsfreiheit beschnitten. Solche Eingriffe veranlassten nicht wenige Mönche und Nonnen zur freiwilligen Rückkehr in ihre Familien. Die feindselige Motivation der Verordnungen liegt offen zu Tage. Doch hatte es solche auch früher schon gegeben, ohne dass dadurch die buddhistische Religion ernstlich in Gefahr geraten war. Viele der Maßnahmen während der ersten Phase der Verfolgung konnten eine gewisse Berechtigung für sich beanspruchen. Im Herbst des Jahres 844 tritt die Verfolgung des chinesischen Buddhismus in eine zweite Phase ein. Schlag auf Schlag ergehen Erlasse, die auf die Vernichtung der buddhistischen Religion als einer klösterlichen Institution hinzielen. Alle kleineren Tempelklöster im ganzen Land werden bedingungslos aufgehoben, ihre Insassen (mit Ausnahme der Alten, die in offiziellen Regierungsklöstern Unterkunft finden) ins Laienleben zurückgeschickt. Die Säuberungsaktion trifft besonders die jungen Mönche und Nonnen (zuerst unter 40 Jahren, dann bis unter 50 Jahren), sie sind auch in den amtlichen Klöstern nicht mehr zugelassen, werden laisiert und zu Steuerzahlern gemacht. Buddhistische Gedächtnissäulen, heilige Schriften und Bilder werden vielerorts zerstört. Man beginnt mit den Aktionen in der Hauptstadt Ch ’ ang-an, führt sie in anderen großen Städten durch, grundsätzlich betreffen die Anordnungen das ganze Land. Wie viel im Einzelnen erreicht wurde, lässt sich nicht sicher feststellen. Ein offizielles Dokument aus dem achten Monat des Jahres 845 berichtet: Im ganzen Reich wurden mehr als 4600 Klöster zerstört; mehr als 260.500 Mönche und Nonnen ins Laienleben zurückgeführt und der doppelten Steuer unterworfen, 218 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China mehr als 40.000 Tempel und Schreine vernichtet, mehrere zehn Millionen ch ’ ing fruchtbaren Landes und schöner Felder konfisziert, 150.000 Sklaven übernommen und zur doppelten Steuerzahlung verpflichtet . . . 5 Das Dokument schließt mit der Bemerkung, dass diese Maßnahmen den Anfang der Reformen darstellen. Doch sollte der Sturm nicht lange wüten. Im dritten Monat des folgenden Jahres 846 starb Kaiser Wu-tsung, sein Nachfolger verfügte sofort Abänderungen und Milderungen. Die kurze Dauer erklärt teilweise, warum der Schlag die Zen-Buddhisten nur leicht berührte. Die harten Maßnahmen trafen am empfindlichsten die Hauptstädte und die Nordprovinzen. Die vornehmlich im Süden und auf dem Land verbreitete Zen-Schule befand sich in einiger Entfernung vom Katastrophenherd. Zudem fristeten die Zen-Klöster bei bedeutender religiöser Mächtigkeit äußerlich ein eher bescheidenes Dasein. Die Zen-Meister der T ’ ang-Zeit hielten sich vom Hof fern, sie entfalteten keine Aufsehen erregende wissenschaftliche oder publizistische Tätigkeit. So ließen sich kleinere Schäden leicht verwinden. Die Verfolgung des Buddhismus während der T ’ ang-Zeit markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des chinesischen Buddhismus. Die Verfolgung dauerte in voller Schärfe nur rund ein Jahr. Wie konnte während einer so kurzen Zeitspanne die weit ausladende buddhistische Institution so tiefe Wunden empfangen, dass sie für immer gelähmt blieb? Mussten die vielen Tempel und Klöster, die sich anerkanntermaßen großer Beliebtheit beim Volk erfreuten, nicht bald nach dem Sturm aus eigener Kraft zu neuem Leben erstehen? Oder war dieser Buddhismus trotz des schönen Scheins, trotz der üppigen Bauten, der hoch entwickelten Lehrsysteme und des beeindruckenden Rituals innerlich angeschlagen und in seinen besten Kräften verbraucht? Handelte es sich nicht bloß um geringe Schäden, die in einigen Klosteranwesen bemerkbar wurden? Reichte die Schwächung und Aushöhlung bis ins Mark? Diese Vermutung verstärkt sich beim Anschauen der Zen-Bewegung, die zu gleicher Zeit in ländlichem Milieu freizügige Aktivität und frische Vitalität im Überschwang entfaltete 6 . Unter rauer Schale verbirgt sich der lebenskräftige innere Kern. Die Verfolgung während der T ’ ang-Zeit bildet zusammen mit der unruhigen Periode der Fünf Dynastien (907 - 960) den Hintergrund für das glanzvolle Aufgehen der Zen-Bewegung während der Sung-Epoche, jener Blütezeit der chinesischen Geisteskultur, zu deren Bereicherung der Zen-Buddhismus in vielfältiger Weise beigetragen hat. Die «Fünf Häuser» Während der zweiten Hälfte der T ’ ang-Zeit und der Periode der Fünf Dynastien bildeten sich innerhalb der Zen-Bewegung Familientraditionen, die mit dem Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 219 Namen der «Fünf Häuser» in die Zen-Geschichte eingegangen sind. Die Bezeichnung findet sich zuerst zur Zeit des Fa-yen Wen-i (885 - 958), der in seinem Traktat Shûmon Jikkiron (chin. Tsung-men shih-kuei lun) vier der Häuser erwähnt. Er schreibt: Wenn Ts ’ ao-tung (jap. Sôtô) klopft, kommt allsogleich Antwort, Lin-chi (jap. Rinzai) ist wie Atmen in gegenseitigem Einanderrufen, Yün-men (jap. Ummon) ist die Begegnung von Kasten und Deckel, die Schärfe, welche die Strömung durchschneidet, ist Kuei-yangs (jap. Igyôs) Einheit von Hell und Dunkel, von Quadrat und Kreis: Alle sind Echo der Stimme aus dem Tal und passen haargenau zusammen wie das Falten der Finger einer Schranke. 7 Die vier Häuser sind in dieser Aufzählung nicht nach ihren Eigenarten beschrieben, aber einige Charakteristika sind angedeutet. Fügt man das Haus des Fa-yen hinzu, so ist die Reihe der «Fünf Häuser» vollzählig 8 . Die Fixierung eines Zeitabschnittes für die «Fünf Häuser» stößt auf unüberwindbare Schwierigkeiten. Die Stammväter mehrerer Häuser gehören mit ihrem Leben und Wirken noch ganz zur Zen-Bewegung der T ’ ang-Zeit, dem Quellgrund des Zen in China. Ihre Traditionslinien wurden von späteren Chronisten in die Reihe der Häuser aufgenommen. Zu Beginn der Sung-Zeit (das Haus von Kuei-yang vielleicht schon früher) kommen drei Häuser zum Erlöschen. Nur die Traditionslinien von Lin-chi und Ts ’ ao-tung entfalten als rivalisierende Schulen eine starke Wirksamkeit während der Sung-Zeit. Diese Verlängerung der «Fünf Häuser» kommt in dem gebräuchlichen Ausdruck «Fünf Häuser und Sieben Schulen» zum Ausdruck. Denn mit den «Sieben Schulen» sind außer den «Fünf Häusern» die zwei Linien von Yang-ch ’ i (jap. Yôgi) und Huang-lung (jap. Ôryô) gemeint, in die sich die Schule Lin-chis zu Beginn der Sung-Zeit spaltete. Die «Fünf Häuser» verbinden, zeitlich gesehen, die Zen-Meister der T ’ ang-Zeit mit der Zen-Bewegung der Sung-Periode. Alle Zen-Chroniken der Sung-Zeit bieten viel Material für die Geschichte der «Fünf Häuser». Am wichtigsten ist unter diesem Aspekt die Schrift Ninden gammoku (chin. Jen-t ’ ien yen-mu), kompiliert von Hui-yen Chih-chao, einem Mönch aus der Schule des Lin-chi, die sich ganz auf die Geschichte der «Fünf Häuser» konzentriert 9 . Die Schrift stellt das Haus des Lin-chi an die Spitze und widmet ihm zwei der sechs Bände des Inhaltes. Dann folgen die Häuser von Yünmen, Ts ’ ao-tung, Kuei-yang und Fa-yen. Die Reihenfolge der Häuser wird in der Zen-Literatur recht verschieden angegeben. Für die im Folgenden gewählte Anordnung spricht, dass das Haus Kuei-yang zeitlich am frühesten liegt und wie das Haus Lin-chi zur Linie des Ma-tsu gehört, während die Häuser von Ts ’ aotung, Yün-men und Fa-yen sich von Shih-t ’ ou, dem anderen Hauptenkeljünger Hui-nengs, ableiten. Das Haus Fa-yen ist das späteste und wohl auch am wenigsten bedeutende der «Fünf Häuser». 220 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Es ist wichtig festzuhalten, dass es sich bei den «Häusern» nicht um verschiedene Schulen oder Richtungen handelt, sondern um Familientraditionen und Stilarten, die sich wie von selbst im Kreis der Meister ergaben und in einem Jüngerkreis bevorzugt wurden. Die zwei Häuser in der Linie des Ma-tsu sind vom Stil dieses großen Meisters geprägt, treffend ausgedrückt im Wort: «Große Potenz - Große Aktion» (jap. daiki-daiyû, chin. ta-chi ta-yung). Eine große Potenz bricht notwendig in plötzlichen, grotesken, aber immer bedeutungsvollen großen Aktionen durch. So entsprangen im Haus Kuei-yang verschiedene typische Ausdrucksweisen, von einfachen Kôan-Episoden bis zu leicht durchsichtiger Symbolik. Erheblich reicher sind die Ausdrucksmöglichkeiten im Haus Lin-chi, in dem auch dialektische Formeln benutzt werden. Dem Haus Ts ’ ao-tung wird Exaktheit und Sorgfalt in allem Tun nachgerühmt. In diesem Haus wurde die wichtige Formel von den «Fünf Rängen» ausgeformt. Die im oben zitierten Text genannte Metapher von Kasten und Deckel trifft die typische Stilart des Hauses Yün-men. In der Methode des Hauses Fa-yen ist psychologische Anpassung mit der Kegon-Weltsicht verbunden. Die folgende Darstellung will einige Besonderheiten der Zen-Übung in den «Fünf Häusern» hervorheben, ohne - dies sei nochmals betont - den inneren Zusammenhang der Zen-Bewegung nach Hui-neng durch eine differenzierte Schau zu verwischen. Kuei-yang: Erfahrung in Aktion Das Leben im Zen-Kloster steht im Zeichen der Erfahrung, des plötzlichen, unmittelbaren Innewerdens der Wirklichkeit. Erfahrung kann sich in tausend Ausdrucksweisen kundtun. Die große Fähigkeit manifestiert sich überzeugend, durchschlagend, nicht selten schockierend, zuweilen auch tiefsinnig. Das Haus Kuei-yang verfügt über eine ansehnliche Breite im Ausdruck. Sein Zen-Stil zieht Aktion und Schweigen allen Worten vor. Das Haus Kuei-yang verdankt seinen Namen den zwei Bergen Kuei (Provinz Hunan) und Yang (Provinz Kiangsi), den Klostersitzen der beiden Gründer, die in herzlichem Meister-Jünger-Verhältnis zueinander standen. Kuei-shan Lingyu (771 - 853) wurde von seinem Meister Pai-chang zur Leitung des neugegründeten Klosters Ta-kuei in dem Augenblick ausersehen, als er auf die Frage des Meisters an die Jünger, vor die er einen Wasserkrug hingestellt hatte: «Nennt diesen nicht Wasserkrug, wie nennt ihr ihn dann? », den Krug mit dem Fuß umstieß und hinausging. In schweigender Aktion offenbarte er seinen Erleuchtungszustand 10 . Unter den Jüngern des Kuei-shan ragen Yang-shan Hui-chi (807 - 883) und Hsiang-yen Chih-hsien (o. J.) hervor, beide dem Meister innig verbunden und einander brüderlich zugetan. Die Chroniken rühmen den familiären Stil im Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 221 Hause Kuei-yang. Dieser besondere Zug wird in der Erleuchtungsgeschichte des Hsiang-yen greifbar, die aus mehreren Gründen zu den berühmtesten der Zen- Geschichte zählt. Dem Hsiang-yen war von Meister Kuei-shan die Frage nach seinem ursprünglichen Sein vor seiner Geburt aufgegeben. Er vermochte keine Antwort zu finden und bat den Meister inständig um Belehrung, nur um zu hören, er müsse die Aufgabe selbst lösen. Vergeblich suchte er in den Schriften. Schließlich verbrannte er alle Bücher und zog sich in die Einsamkeit zurück, innerlich beständig mit der Frage beschäftigt. Da hörte er eines Tages beim Jäten das Aufschlagen eines Steinblocks auf Bambus. Das plötzliche Geräusch ließ ihn zur Erleuchtung erwachen 11 . Hsiang-yen kehrte, wie die Chronik erzählt, zu seiner Hütte zurück, wusch sich, brachte Weihrauch dar und verneigte sich in Richtung der Wohnung seines Meisters Kuei-shan. Dann dichtete er die Erleuchtungsstrophe: Ein Schlag, und all mein Wissen ist vergessen. Kein Flickwerk mehr von Zucht und Besserung. Es wiegt und schwingt sich auf dem Pfad der Alten. Kein Rückfall in verzagtes Treiben mehr. Ich trete nirgends in die Spur von andern. In Stimme nicht noch Äußerem liegt die Hoheit. Die je den Sinn, den Weg erreichten, Sie alle nennen ’ s allerhöchstes Regen. (Übersetzung von Wilhelm Gundert) 12 Diese Verse finden sich in der Spruchsammlung des Kuei-shan zusammen mit zwei anderen Strophen, die Hsiang-yen aus dem gleichen Anlass verfasste 13 . Weil sein Mitjünger und Bruder im Dharma Yang-shan die erste Strophe für unbefriedigend erklärte - sie bezeuge kein unmittelbar eigenes Erleben, sondern ahme den Stil der alten Meister nach - , dichtete Hsiang-yen diese Verse: Meine Armut im vergangenen Jahr ist noch nicht Armut. Dieses Jahres Armut ist wirklich Armut. In der Armut des vergangenen Jahres ist noch Raum für eine Bohrahle. Dieses Jahres Armut ist ohne Ahle. Ob das Wort «Armut» ihn an den philosophischen Terminus «Leere» der Weisheitssutren erinnerte, Yang-shan soll bei dieser Gelegenheit das berühmte Wort gesprochen haben: «Du magst das Zen des Vollendeten (Tathâgata) erfasst haben, das Zen der Patriarchen hast du noch nicht im Traum gesehen.» Nun sprudelt es aus Hsiang-yen heraus: Dies ist meine eine Chance. Mit zwinkerndem Auge sehe ich dich. Wenn du es nicht verstehst, So nenne dich nicht einen Mönch! 222 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die drei Strophen zeigen, wie der chinesische Autor Chang Chung-yuan richtig sieht, verschiedene Stufen der inneren Realisierung an 14 . In der ersten Strophe stellt sich das Erleben in vollendeter Kunstform dar, die zweite Strophe zeigt Spuren von Denkarbeit. Das Augenzwinkern in der dritten Strophe als Anzeichen des inneren Zustandes ist echtes Zen. Yang-shan meldet voller Freude dem Meister Kuei-shan, Bruder Hsiang-yen habe das Zen der Patriarchen erfasst. Der Zen-Stil im Haus Kuei-yang ist von Aktion und Schweigen geprägt, beide mit einander verbunden, so wenn Yang-shan beim ersten Zusammentreffen, vom Meister gefragt, wer er denn sei, die Halle schweigend von Westen nach Osten durchschreitet und stehen bleibt 15 . Die Bewegung von Westen nach Osten symbolisiert den Übergang vom Körpervermögen oder der Potenz zur Funktion oder Aktion 16 . Oder Yang-shan erwidert auf die Frage, woher er komme: «Von den Feldern.» Als Kuei-shan nun wissen will, wie viele Leute sich auf den Feldern befinden, stößt Yang-shan seine Hacke in den Boden und steht da. Kuei-shan fährt in der Unterhaltung fort: «Heute schneiden viele Leute auf dem Südberg Gras.» Yang-shan nimmt seine Hacke und geht weg 17 . Aktion und Schweigen verbinden sich als Ausdruck der Erfahrung. Kuei-shan nennt diese wohl vertraute und von ihm geschätzte Art seines Jüngers Yang-shan ein «Schwertspiel» 18 . Die Beziehung zwischen Substanz (Potenz) und Funktion veranschaulicht das folgende bemerkenswerte Gespräch zwischen Meister und Jünger während der Tee-Ernte 19 . Kuei-shan sagt zu Yang-shan: «Den ganzen Tag lang habe ich deine Stimme gehört, während wir Teeblätter sammelten, aber ich habe deine Gestalt (dein Selbst) nicht gesehen. Zeige sie mir! » Yang-shan schüttelt den Teebaum. Darauf der Meister: «Du hast die Funktion realisiert, aber nicht die Substanz.» Als Yang-shan nach der Realisierung des Meisters fragt, schweigt dieser lange Zeit. Daraufhin sagt Yang-shan zum Meister: «Du hast zwar die Substanz realisiert, aber nicht die Funktion.» Gemeint ist in diesem Gespräch die Einheit von Potenz und Aktion, Körpersubstanz und Funktion. Kuei-shan und Yang-shan zeigen exemplarisch das, was im Zen die Übung des Erleuchteten genannt wird. Beide haben den Durchbruch vollzogen, die Erfahrung erlangt und leben in Berührung mit dem absoluten Bereich. Schweigend und sprechend bezeugen sie während des gewöhnlichen Tagesablaufes von Arbeit und klösterlichem Tun immerfort den Erleuchtungszustand. Wie Kuei-shan und Yang-shan zählt auch Hsiang-yen zu den hervorragenden Meistern seiner Zeit. Auch über ihn sind viele Geschichten überkommen, am berühmtesten sein Wort vom «Mann auf dem Baum», der, während seine Zähne sich am Ast klammern, Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Kommens Bodhidharmas von Westen geben soll. Dieses Bildwort veranschaulicht in Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 223 unerhörter Schärfe eine Ausweglosigkeit der menschlichen Existenz und wurde als Übungsaufgabe in die Kôan-Sammlung Mumonkan aufgenommen 20 . Das Haus Kuei-yang besitzt einen großen Reichtum wertvoller Überlieferungen. Eine Besonderheit ist der Gebrauch der «vollkommenen Merkmale» (jap. ensô, chin. yüan-hsiang) oder konkret der «Kreisfiguren». Der Kreis ist eine der ewigen Formen, von Menschen vieler Kulturen zu allen Zeiten als Symbol der erstrebten und bewunderten Wesensvollkommenheit angesehen. Im Zen- Buddhismus wandte, wie es scheint, zuerst der Landesmeister Nan-yang Huichung, ein Jünger des Hui-neng, diese Symbolik an. Die Zen-Chronik Keitoku Dentôroku erzählt von einem Jünger, der nach seiner Pilgerreise zu Meister Nanyang Hui-chung zurückkehrte, vor diesem eine Kreisfigur auf den Boden zeichnete, sich verbeugte und wartend da stand. «Der Meister sprach: ‹ Verlangst du Buddha zu werden oder nicht? › (Der Jünger) sagte: ‹ Ich vermag meine Augen nicht zu reiben. › Der Meister sagte: ‹ Ich bin dir nicht gleich. › Der Jünger antwortete nicht 21 .» In diesem Wechselgespräch zeigen Meister und Jünger große Bescheidenheit, der Jünger, indem er sein von Illusion getrübtes Auge nicht klären kann, der Meister, da er seinem Jünger nachzustehen behauptet. Das Zeichen der Kreisfigur bildet die Mitte der Begebenheit. Im Abschnitt über Kuei-shan berichtet die Chronik eine ähnliche Episode. Ein Mönch, der den Meister Kuei-shan besuchte, nennt seinen Namen «Mondscheibe». «Da zeichnet der Meister mit der Hand einen Kreis in die Luft und fragt: ‹ Bist du dem gleich? › Der Mönch stammelt verwirrt: ‹ Wie kannst du so sagen? Viele (verständige) Menschen werden dir nicht zustimmen. › Darauf der Meister: ‹ Nur so kann ich es sagen. Was sagst du? › Der Mönch fragt: ‹ Siehst du noch die Mondscheibe? › Der Meister antwortet: ‹ Du magst so sagen, aber viele (verständige) Menschen werden dir nicht zustimmen 22 .» Kreisfigur und Mondscheibe versinnbildlichen die vollkommene Erleuchtung, das ursprüngliche Antlitz vor der Geburt oder den kosmischen Buddha- Leib. Der Jünger weiß sich vom Begreifen solcher Vollkommenheit weit entfernt. Ob aus dem gleichem Grunde, Zen-Meister zeichnen den Kreis, das beliebteste und allgemeinste aller Zen-Symbole, dessen Form sie mit unvergleichlicher Kunstfertigkeit hinwerfen, stets so, dass der wuchtige Pinselstrich nicht genau in den Ausgangspunkt zurückführt. Deutet dies an, dass bei jeder Darstellung notwendig Raum für Unvollkommenheit bleibt? Gemäß den Berichten der Chroniken scheint vor allem Yang-shan die Symbolik der Kreisfiguren gepflegt zu haben. Die Schrift Ninden gammoku berichtet, Tan-yüan Ying-chen, der Dharma-Erbe des Landesmeisters Nan-yang Hui-chung habe dem Yang-shan die Methode der 97 Kreisfiguren überliefert. Aufgrund dieser Methode habe Yang-shan die Erleuchtung erlangt. Es folgt eine ausführliche Erklärung der Kreisfiguren mit Angabe der Schriftzeichen und Strichschraffierungen, die, in das Rund der Kreise eingetragen, den Figuren ihre 224 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China spezifische Bedeutung geben 23 . Die Chronik Keitoku Dentôroku erzählt im Abschnitt über Yang-shan: «Während der Meister mit geschlossenen Augen da saß, kam leise ein Mönch und stand neben ihm. Der Meister öffnete die Augen und zeichnete auf dem Boden eine Kreisfigur. In das Rund schrieb er das Schriftzeichen für Wasser. Er schaute zum Mönch hin. Der Mönch sprach kein Wort 24 .» Der Meister spezifiziert die Kreisfigur durch Einschreibung eines der vier Elemente. In der Chronik folgt wenige Zeilen später, nicht unbedingt im Zusammenhang mit dem soeben erzählten Begebnis, ein Paragraph über die in China beliebte und hoch geschätzte Wahrsagung: «Der Meister fragte einen Mönch, was er verstehe. Der Mönch antwortete: ‹ Ich verstehe mich auf Wahrsagung. › Der Meister hob seinen Wedel und fragte: ‹ Zu welchem der 64 Hexagramme gehört dieser? › Der Mönch vermochte nicht zu antworten. Der Meister sprach statt seiner: ‹ Es war die große Potenz des Donners und Himmels, jetzt ist es in die Zerstörung von Erde und Feuer verwandelt. › 25 » Yang-shan bezieht sich hier auf das «Buch der Wandlungen» und bedient sich seiner Vorstellungen. Die Kreissymbolik findet sich vielgestaltig im ganzen Mahâyâna-Buddhismus. Von Abhängigkeiten lässt sich hier kaum sprechen. Dem Zen-Buddhismus ist Symbolik nicht fremd. Symbole können zum Anlass für Erleuchtungserfahrungen werden. Die Praxis der Kreisfiguren entwickelte sich vornehmlich in der Kegon-Schule 26 . In welcher Weise Yang-shan und seine Jünger die Kreisfiguren benutzt und im Einzelnen ausgedeutet haben, lässt sich nicht mit geschichtlicher Sicherheit feststellen. In einer späten Phase maß man ihnen in Zen-Kreisen viel Bedeutung bei, so dass sich innerhalb der Zen-Bewegung Widerspruch erhob. Selbst als «vorläufiges Hilfsmittel» (sanskr. upâya-kauśalya, jap. hôben), so warnte man, seien die Kreisfiguren schädlich, weil sie die wahre Natur der Wirklichkeit, nämlich die Leere und Formlosigkeit aller Dinge, verdunkeln. Die Kreissymbole wurden nicht als eine legitime methodische Hinführung zur Zen-Erleuchtung anerkannt. Das Haus Kuei-yang stellt sich in den frühen Quellen durchaus als echtes Zen dar. Der Gründer Kuei-shan zeichnet das Ideal des Erleuchteten in einer den Meistern der späten T ’ ang-Zeit, vorab dem Lin-chi, vertrauten, taoistisch gefärbten Weise: «Wie Herbstwasser klar und still, lauter und ungetrübt, ohne Handeln (chin. wu-wei, jap. mui), ruhig und tief, ohne Hemmung - ein solcher wird ein Mann des Tao oder ein Mann ohne Beschwer (chin. wu-shih, jap. buji) genannt 27 .» Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 225 Lin-chi: Vierer- und Dreierformeln Wenn eine Periode der «Fünf Häuser» sich innerhalb der chinesischen Zen- Geschichte nicht genau abgrenzen lässt, so bietet die Einordnung des entsprechenden Abschnittes der Schule Lin-chis eine besondere Schwierigkeit. Der Gründer Lin-chi ragt aus der Zen-Bewegung der T ’ ang-Zeit heraus; während der Sung-Periode führte der Aufschwung des Rinzai-Zen in Südchina eine neue Phase herbei. Dazwischen liegen mehrere Generationen im Dunkel. Die Nachfolger Lin-chis von der dritten bis zur sechsten Generation lebten in Nordchina das Zen im Geist ihres Gründers dar, ohne besonderen Glanz auszustrahlen. Die Stilart des überragenden Hauptes dieser Familie, Andonnern und Stockschläge, markieren das Haus äußerlich. In dem Lin-chi gewidmeten Kapitel wurde versucht, etwas vom Wesen seines Zen-Weges aufgrund der klassischen Schrift Rinzairoku aufzuzeigen, die vom Geist Lin-chis durchweht ist, jedoch erst spät ihre endgültige Form erhielt. Die im Text verstreuten dialektischen und didaktischen Formeln erfuhren wahrscheinlich während des 10. und 11. Jahrhunderts im Hause Lin-chi eine Redaktion. Feng-hsüeh Yen-chao (896 - 973) und Fen-yang Shan-chao (947 - 1024) haben sich, wie es scheint, eingehend mit diesen Texten beschäftigt. Vielleicht sind auch manche der Texte erst später entstanden. Die Vierer- und Dreierformeln machen zweifellos eine Besonderheit des Hauses Lin-chi aus. Die wichtigste dialektische Formel im Haus Lin-chi, genannt «die vier Alternativen» (jap. shiryôken, chin. ssu-liao-chien), hat vier Haltungen in Bezug auf Subjekt und Objekt zum Inhalt. Lin-chi soll sie bei einer Abendkonferenz den Versammelten vorgelegt haben. Sie lautet: Einmal den Menschen (das Subjekt) wegnehmen, ohne die Umwelt (das Objekt) wegzunehmen. Einmal die Umwelt wegnehmen, ohne den Menschen wegzunehmen. Einmal Mensch und Umwelt, beide, wegnehmen. Einmal Mensch und Umwelt, beide, nicht wegnehmen. 28 Die vier Alternativen oder Haltungen in Bezug auf Subjekt und Objekt bezeichnen einen Aufstieg in der Wirklichkeitserfassung. Das Wort lehnt sich der Form nach an das bekannte viergliedrige Aussageschema über Sein - Nicht-Sein - weder Sein noch Nicht-Sein - zugleich Sein und Nicht-Sein (sanskr. catuṣkoṭika, jap. shiku fumbetsu, chin. ssu-chü fen-pieh) in der indischbuddhistischen Logik an. Inhaltlich entsprechen die vier Alternativen den vier Wirklichkeitsstufen (sanskr. dharma-dhâtu, jap. hokkai) der Kegon-Lehre 29 . Auf der ersten und zweiten Stufe wird die Täuschung zunächst vom Subjekt und dann vom Objekt her, nämlich an der erkennenden Subjektivität und an der Objektswelt überwunden 30 . Die dritte Stufe verneint beide, Subjekt und Objekt, 226 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China aber die Unterschiedlichkeit bleibt bestehen. Dieser verneinenden Haltung entspricht der Bewusstseinszustand äußerster Konzentration. Erst auf der vierten Stufe, auf der Subjekt und Objekt übergegensätzlich bejaht werden, hört die Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt auf. Die Wirklichkeit wird in ihrer letzten Einheit erfasst. In dem Aussageschema sind die Philosophie vom Mittleren Weg (Mâdhyamika) und die Metaphysik der Kegon-Lehre miteinander verbunden. Lin-chi veranschaulicht, von einem Mönch gefragt, jede der vier Aussagen durch eine konkrete Metapher. Das Bild zur ersten Aussage ist: «Die Frühlingssonne lässt über die Erde einen Brokatteppich sprießen. Eines Kindes Haare hängen herab wie Seidenfäden.» Natur breitet sich aus. Die weißen Haare des Kindes deuten ein Paradox an. Anders die zweite Metapher: «Des Herrschers Befehle werden überall im Reich beobachtet. Der General verlegt den Schlachtenstaub bis jenseits der Grenze 31 .» Lin-chi konnte solches an seinem Wohnort unweit der Grenze existentiell erfahren haben. Die dritte Konkretisierung lautet: «Nichts Neues von Ping und Feng. Isoliert von allem.» Ping und Feng sind die Namen entfernt gelegener Bezirke. Die Versenkung auf der dritten Stufe ist gänzliche Abgeschiedenheit. Schließlich die krönende Vorstellung: «Der Herrscher besteigt den Thron im Juwelenpalast. Auf dem Land singen alte Leute.» Auf der höchsten Bewusstseinsstufe zeigt sich vollkommene, umfassende Realität. Die Metapher erinnert an das zehnte der berühmten Ochsenbilder, wo der Erleuchtete - Gaben austeilend - auf dem Marktplatz steht, mitten in der vollen Wirklichkeit des Lebens. Durch die Hinzufügung der veranschaulichenden Vergleiche empfangen die vier Aussagen der dialektischen Formel eine Konkretisierung, wie sie dem Zen-Stil entspricht. Die Formel dient nicht nur zur Belehrung, sondern kann auch bei der Übung verwandt werden; sie kann ähnlich wie ein Kôan den Geist des Suchens befeuern. Eine andere Viererformel im Rinzairoku hat vier Gespräche oder Situationen zwischen Gast und Hausherrn oder Schüler und Lehrer zum Inhalt 32 . Es handelt sich um eine Belehrung über die rechte Gesprächsform 33 . Lin-chi war die methodische Didaktik beim gegenseitigen Umgehen miteinander im Gespräch wichtig. In den Einleitungssätzen spricht er von den mannigfachen, oft merkwürdigen Situationen, die während der Übung vorkommen können: Jünger des Weges, in der Sicht der Zen-Schule besteht eine Ordnung bezüglich Leben und Tod 34 . Die Lernenden müssen dies sehr sorgfältig beachten. Wenn Hausherr und Gast einander begegnen, so geht das Gespräch hin und her. Einmal mögen sie den Umständen entsprechend eine Gestalt manifestieren; oder sie agieren mit dem ganzen Körper 35 ; oder sie greifen zu einem Trick und zeigen Freude oder Ärger, oder sie zeigen den halben Körper 36 , oder schließlich sie reiten (wie der Bodhisattva Mañju ś rî) auf einem Löwen oder (wie der Bodhisattva Samantabhadra) auf einem Elefantenkönig. Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 227 Es folgen vier Gespräche, die die Überlegenheit des Lernenden (1) oder des Lehrers (2), die Gleichheit der zwei die Situation meisternden Partner (3) oder eine schülerhaft verwirrte Lage auf beiden Seiten (4) zeigen. Der Text lautet: (1) Wenn da ein echter Lernender ist, gibt er den Donnerruf und hält ein Lackbrett mit Leim hin. Der Lehrer unterscheidet nicht, dass dies ein äußerer Umstand 37 ist, und macht alles Mögliche damit. Der Lernende wiederholt den Donnerruf. Der Lehrer lässt nicht ab; es ist eine unheilbare Krankheit. Dies nennt man: «Der Gast durchschaut den Hausherrn.» (2) Oder der Lehrer bietet gar keinen Gegenstand dar. Den Fragen des Lernenden folgend, entwindet er diesem den Gegenstand. Der Lernende, beraubt, leistet auf Leben und Tod Widerstand und lässt nicht nach. Dies nennt man: «Der Hausherr durchschaut den Gast.» (3) Oder der Lernende kommt in einem Stand der Reinheit vor den Lehrer. Der Lehrer vermag zu unterscheiden, dass dies nur ein äußerer Umstand ist, er packt es und wirft es in die Grube 38 . Der Lernende spricht: «Wahrlich, ein ausgezeichneter Meister! » Der Lehrer hingegen sagt: «Pfui! Du kennst nicht Gutes und Böses.» Der Lernende verbeugt sich. Dies nennt man: «Der Hausherr durchschaut den Hausherrn.» (4) Oder der Lernende kommt in einem Holzkragen und in Ketten gefesselt vor den Lehrer. Der Lehrer fügt noch mehr Holzkragen und Fesseln hinzu 39 . Der Lernende ist hocherfreut. Der eine vermag den anderen nicht zu unterscheiden 40 . Dies nennt man: «Der Gast durchschaut den Gast.» Lin-chi beschließt diese Rede mit der Mahnung: Werte Mönche, alle diese Beispiele, die der Bergmönch hier angeführt hat, sollen helfen, Mâra zu durchschauen, Irrtümer herauszufinden und Falsch und Richtig der Lehre zu verstehen. Die Formel von Gast und Hausherr, in der Rinzai-Schule hochgeschätzt, veranschaulicht die Lehrmethode, die zur Zeit der Redaktion der «Reden des Lin-chi» vorherrschte und während aller Folgezeit geübt wurde. Allerdings lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Formel in der oben wiedergegebenen Gestalt auf Lin-chi selbst zurückgeht. Demiéville meint, die Gesprächsalternativen «schmeckten ein wenig nach der Scholastik der Sung-Zeit» 41 . Eine andere ähnliche, im Aussagestil kompliziertere Formel über Gast und Hausherrn ist nach Ansicht Yanagidas eine spätere Hinzufügung 42 . Die Schrift Ninden gammoku legt im ersten Buch, das von Lin-chi handelt, dem Meister eine Formel über das vierfache Früher und Später von Licht und Tätigkeit (jap. shishôyû) in den Mund, die sich im Rinzairoku nicht findet. Einmal 228 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China ist das Licht früher, die Tätigkeit später, dann sind Licht und Tätigkeit einmal gleichzeitig, einmal nicht gleichzeitig 43 . Auch Lin-chis «vier Arten von Andonnern» (jap. shikatsu), im Rinzairoku bei den «Kritischen Unterscheidungen» (Nr. 20) aufgeführt, sind wahrscheinlich eine Hinzufügung aus späterer Zeit 44 . Das berühmte Wort lautet: Einmal ist der Donnerruf gleich dem kostbaren Schwert des Diamantkönigs (Vajrâja). Einmal ist der Donnerruf gleich einem goldhaarigen Löwen, der am Boden kauert. Einmal ist der Donnerruf gleich einer Stange mit Kräutern. Einmal dient der Donnerruf nicht als Donnerruf. Man kann in den vier Arten Charakteristika der Erleuchtung erkennen. Das Schwert durchschneidet alle Trübungen. Der am Boden kauernde Löwe packt seine Beute plötzlich aus dem Hinterhalt. Wie durch die an der Stange befestigten Kräuter die Fische erforscht und angezogen werden, so testet der Meister durch den Donnerruf seine Schüler 45 . Paradox und die transzendierende Wirkung werden im vierten Donnerruf manifest. Die viel diskutierte Dreierformel Lin-chis, bekannt als die «drei Aussagen» (jap. sanku) ist im Text des Rinzairoku mit den zwei weiteren Dreierformeln der «drei Geheimnisse» (jap. sangen) und der «drei Wesensprinzipien» (jap. sanyô) überliefert, die nicht erklärt werden (Reden, Nr. 9). Der Meister begnügt sich damit, nach Verkündigung der «drei Aussagen» hinzuzufügen: «Jede Aussage muss die Tore der drei Geheimnisse und das Tor eines jeden Geheimnisses muss die drei Wesensprinzipien enthalten.» Wie die «drei Aussagen» textlich vorliegen, lassen sie sich nicht sicher erklären. Schon die Übersetzungen ins Englische, Französische, Japanische weisen wichtige Verschiedenheiten auf. Ruth Fuller Sasaki bemerkt mit Recht: «Diese ist eine der rätselhaftesten Reden Lin-chis . . . Die genaue Bedeutung der ‹ drei Aussagen › ist nicht klar.» Und sie berichtet über die Interpretationsversuche: «Die ‹ drei Aussagen › , die ‹ drei Geheimnisse und die ‹ drei Wesensprinzipien › wurden verschieden gedeutet, als Buddha, Dharma und Tao (der Weg), als die drei Buddha-Leiber - Dharmakâya, Saṃbhogakâya, Nirmâṇakâya, oder als die drei Prinzipien in der chinesischen buddhistischen Philosophie - li ‹ Prinzip › , chih ‹ Weisheit › und yung ‹ Funktion › 46 .» Yanagida hält den «Inhalt selbst der drei Geheimnisse und der drei Wesensprinzipien für nicht so klar» und verweist für die zahlreichen Erklärungsversuche auf die spätere Zen-Literatur 47 . Demiéville findet die «drei Aussagen» «reichlich mysteriös» 48 . Es würde sich ein falsches Bild ergeben, wollte man die Formeln im Hause Lin-chi isoliert betrachten und in die Mitte rücken. Lin-chi, zutiefst von der Mahâyâna-Metaphysik durchdrungen und mit scharfer Denkkraft begabt, liebte dialektische Aussagen, doch richtete sich sein Bemühen auf konkrete Realisierung und Erfahrung. Die Formeln helfen der Übung. Man kann in ihnen einen Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 229 Übergang zwischen den spontanen Ausbrüchen der Zen-Meister der T ’ ang-Zeit und der hochstilisierten Kôan-Methode der Sung-Periode sehen. Beim Stand der Geschichtsquellen lassen sich die einzelnen Entwicklungsmomente nicht aufweisen. Das Haus Lin-chi leistete nach seinem Aufstieg zur mächtigsten Zen- Schule einen bedeutenden Beitrag zur geistigen Hochblüte während der Sung- Zeit, jener letzten vom Buddhismus entscheidend mitgeprägten Glanzepoche chinesischer Kultur. Ts ’ ao-tung: «Die Fünf Stufen» Der Name des Hauses Ts ’ ao-tung (jap. Sôtô) ist aus den Schriftzeichen der beiden Gründer Tung-shan Liang-chieh (807 - 869) und Ts ’ ao-shan Pen-chi (840 - 901) zusammengezogen, die nach den Bergen benannt wurden, auf denen ihre Klöster standen 49 . Wann der Name für dieses Haus zuerst aufkam, ist nicht sicher, wahrscheinlich nicht lange nach dem Tode des Ts ’ ao-shan. Das Haus hatte Fortbestand und entwickelte sich wie das Haus des Lin-chi zu einer bedeutenden Schule oder Sekte des chinesischen Zen-Buddhismus. Tung-shan zählte keine zehn Jahre, als er das Elternhaus verließ und sein bewegtes Mönchsleben in einem Landtempel begann. Beim Studium der buddhistischen Grundlehren zeigte er eine so erstaunliche geistige Wachheit, dass sein Lehrer ihn zum erfahrenen Meister Ling-mo (747 - 818), einem der zahlreichen Jünger des Ma-tsu, sandte. Mit 20 Jahren empfing er die Mönchsweihe, danach lernte er kurze Zeit unter den zwei berühmten Meistern Nanch ’ üan P ’ u-yüan (748 - 835) und Kuei-shan Ling-yu (771 - 853), bis er endgültig in die Jüngerschaft des Yün-yen T ’ an-sheng (780 - 841) eintrat, dessen Linie er weiterführte. Meister Yün-yen lehrte ihn die Predigt der leblosen Dinge verstehen, womit im Zen nicht jene Wunderkraft des buddhistischen Heiligen gemeint ist, der mit den Augen hören und mit den Ohren sehen kann, sondern die Erkenntnis der unterschiedslosen Gleichheit der leblosen und lebenden Wesen in der Einheit der Buddhaschaft. Viele Wechselgespräche, die zwischen ihm und seinem Meister stattfanden, sind im Schrifttum des Zen aufbewahrt. Tung-shan bereiste nach Abschluss seiner Lehrjahre die Zen-Klöster Südchinas und lernte zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten des zeitgenössischen Zen kennen. Der Austausch mit Zen-Meistern aus verschiedenen Überlieferungslinien schenkte ihm eine weite Kenntnis der Besonderheiten in Lehre und Methode, die sich damals entwickelten. Sein wechselvolles Wanderleben kam zu einem Ende, als er mit 52 Jahren im Kloster auf dem Tung-shan seinen Wohnsitz aufschlug, um sich ganz der Führung seiner Jünger zu widmen, unter denen Ts ’ ao-shan und Yün-chü Tao-ying (gest. 902) hervorragen. 230 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Tung-shan ist ein typischer Vertreter des südchinesischen Zen. Südlich des Jangtse-Stromes geboren (in der Provinz Chekiang), verbrachte er sein ganzes Leben in Südchina. Anders als Lin-chi, der große Sohn des rauen Nordens, ist er vom milderen Klima Südchinas geprägt. Literarisch begabt, vermittelte er seine Lehre gern in poetischer Form. Diese Vorliebe teilte er mit seinem Meister Yünyen, der ihn, als er von ihm Abschied nahm, fragte: «Wann wirst du hierher zurückkehren? » «Wenn der Ehrwürdige Meister eine Wohnung hat, will ich kommen.» Darauf Yün-yen: «Wenn du einmal gegangen bist, wird es schwierig sein, nochmals einander zu begegnen.» «Es wird schwierig sein, einander nicht zu begegnen», erwiderte Tung-shan. Dann fragte Tung-shan den Meister: «Wenn jemand hundert Jahre nach dem Tode des Meisters mich fragte: Kannst du ein Porträt des Meisters malen? , was soll ich ihm antworten? » «Sage ihm nur: Dies ist so! » antwortete Yün-yen. Tung-shan schwieg eine Weile. Dann sagte Yün-yen: «Beim Untersuchen dieser Wahrheit musst du sehr sorgfältig sein! » Tung-shan hegte noch Zweifel. Später beim Überschreiten eines Flusses begriff er, als er seinen Schatten im Wasser erblickte, völlig den Sinn (der Worte des Yün-yen) und verfasste diese Verse: «Suche es nicht anderswo! Wenn du suchst, entfernst du dich nur mehr. Jetzt, da ich ganz allein gehe, Begegne ich ihm überall. Es ist jetzt genau, was ich bin, Aber ich bin nicht es. So muss man verstehen, Dann ist man eins mit dem wahren So.» 50 Diese Verse drücken die Mahâyâna-Sicht von der Alleinheit und Gleichheit der Wirklichkeit und des Selbst in der dem Tung-shan geläufigen poetischen Form aus. Tung-shan hat auch die Formel von den «Fünf Stufen» (jap. goi, chin. wu-wei) in Versen proklamiert 51 . Die Formel soll ihm wie eine Geheimlehre von seinem Meister Yün-yen anvertraut worden sein 52 . Unter den Jüngern des Tung-shan übernahm Ts ’ ao-shan die Sorge um das Erbe der kostbaren Formel, die er ausbaute und vollendete. Nach Charakter und Neigung grundverschieden von seinem Mitjünger Yun-chü, hatte Ts ’ ao-shan, seit früher Jugend mit dem Konfuzianismus vertraut, Geschmack an der Wissenschaft und oblag auch nach seinem Eintritt ins buddhistische Mönchsleben, den er mit Gutheißen seiner Eltern im Alter von 18 Jahren vollzog, gelehrten Studien. Seine Lehrzeit bei Tung-shan dauerte nicht lange (wahrscheinlich von etwa 865 bis 868). Zwei Zwiegespräche zwischen ihm und seinem Meister, eines bei der Ankunft und eines beim Abschied, sind überliefert. Herumgewandert ist er wenig. In den beiden Klöstern auf dem Ts ’ ao-shan und dem Ho-yü-shan, in denen er während 35 Jahren in ruhiger Beschaulichkeit verweilte, übte er seinen scharfen Geist Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 231 durch die Versenkung in die «Fünf Stufen». Die Chronik zählt 19 Namen seiner Jünger auf. Doch erlosch seine Linie schon in der vierten Generation. Yün-chü, der andere Hauptjünger des Tung-shan, kümmerte sich wenig oder gar nicht um die Dialektik der «Fünf Stufen». Sein Bemühen galt der reinen Erfahrung, die er in einem hochstehenden sittlichen Leben verkörperte. Bevor er sich dem Zen widmete, hatte er die Mönchszucht des Vinaya erlernt. Zu Tungshan kam er zwei Jahre früher als sein Mitschüler Ts ’ ao-shan, blieb aber länger bei dem Meister und empfing von ihm, wie zahlreiche überlieferte Zwiegespräche bezeugen, eine sorgfältige Führung. Unter den Jüngern des Tung-shan genoss er das höchste Ansehen. Die vielen ausgezeichneten Männer, die später aus seiner Schule hervorgingen, erweisen ihn als einen der einflussreichsten und bedeutendsten Meister jener Tage. Die Ts ’ ao-tung-Schule wurde durch seine Jünger und Geisteserben in China fortgeführt und in seiner Überlieferungslinie nach Japan verpflanzt. Die «Fünf Stufen» im Hause Ts ’ ao-tung sind die wichtigste dialektische Formel des chinesischen Zen-Buddhismus. Der japanische Zen-Meister Hakuin fand in ihr «das Hauptprinzip des Buddhismus und den wesentlichen Weg der Zen-Übung» 53 . Im Unterschied zu verschiedenen «Fünf Stufen» ontologischpsychologischer Analyse in der buddhistischen Philosophie, etwa im Abhidharmakośa oder in der Vijñaptimâtra-Lehre, drücken alle fünf Stufen das Gleiche, angeschaut unter verschiedenen Aspekten, aus, nämlich die Einheit des Absoluten oder universal Gleichen und des Relativen oder phänomenal Mannigfaltigen. Die Formel der «Fünf Stufen» ist aus der Mahâyâna-Metaphysik erwachsen, aber chinesisch gestaltet, sie kann mit ihrem deutlichen Anklang an das «Buch der Wandlungen» (I-ching) als ein Ausdruck der chinesischen Philosophie angesprochen werden. Die Grundbegriffe finden sich zuerst bei Tung-shan, der auf der Grundlage der Dialektik des Shih-t ’ ou und anderer Zen- Meister der T ’ ang-Zeit weiterbaute. Ts ’ ao-shan hat die Kernpunkte im Geiste seines Meisters aufgefasst und die endgültige Formulierung gegeben. Die fünfgliedrige Formel fand ihren klassischen Ausdruck in fünf Strophen, die auf Tung-shan und Ts ’ ao-shan zurückgehen 54 . Die erste Linie jeder Strophe gibt in drei Schriftzeichen den Titel oder wesentlichen Gehalt der Stufe an und stammt von Tung-shan, der sie vielleicht in dieser Fassung von seinem Meister Yüng-yen mündlich empfing. Die folgenden drei Linien erläutern in dichterischen Metaphern den Sinn der Stufe; der Jünger Ts ’ ao-shan gilt aufgrund neuerer Forschung als Verfasser dieser Zeilen. Weil jede Strophe die gleiche Erleuchtungsschau in anderer Perspektive ausdrückt, spricht man passend auch von «Fünf Standorten» 55 . Die zwei Kernbegriffe der Fünferformel, japanisch shô und hen, bedeuten wörtlich das Gerade und das Gekrümmte, sie stehen für das Absolute, Eine, Gleiche, Allgemeine, Numenale in der Spannung zum Relativen, Vielfältigen, 232 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Verschiedenen, Mannigfaltigen, Phänomenalen. Dem entsprechen in der chinesischen Philosophie die beiden Begriffe li (das absolute Prinzip) und shih (die Erscheinung), auch das Dunkle und das Helle genannt und bildlich durch einen schwarzen Vollkreis ( ● ) und einen weißen Kreis ( ○ ) dargestellt. Tung-shan erklärt das Gerade: «Es ist ein Ding: Oben ruht auf ihm der Himmel, unten trägt es die Erde. Es ist schwarz wie Lack, ständig in Bewegung und Tätigkeit 56 .» Das Gerade ist die Grundlage von Himmel und Erde und allem Sein. Doch ist das Absolute dynamisch, in ständiger Bewegung. Der erkennende Geist kann es nicht vergegenständlichen und als Gegenstand erfassen. Es ist in buddhistischer Terminologie die wahre Leere, ohne Zweiheit, von der die Metaphysik der Vollkommenen Weisheit (Prajñâpâramitâ) handelt. Das Absolute ist in den Erscheinungen, im Gekrümmten oder Hellen. Absolutes und Phänomenales sind nicht voneinander getrennt, sie sind identisch und eins. Das Absolute ist das Absolute im Hinblick auf das Relative, und das Relative ist in Bezug auf das Absolute. Deshalb wird das Relativ-Phänomenale auch das «wunderbare Sein» (jap. myôu) genannt, weil es von der «wahren Leere» (jap. shinkû) untrennbar ist. Der Ausdruck «das wunderbare Sein der wahren Leere» oder «die wahre Leere im wunderbaren Sein» enthält die Quintessenz der erleuchteten Wirklichkeitsschau. Die folgende Übersetzung der fünf Strophen kann nur eine annähernde Vorstellung des Inhaltes der tiefsinnigen Verse vermitteln: 1. Das Gekrümmte im Geraden (jap. shôchûhen): Bei der dritten oder ersten Nachtzeit, bevor der Mond leuchtet - Kein Wunder, dass Begegnende einander nicht erkennen! Verborgen sitzt noch ein Kummer vergangener Tage. 2. Das Gerade im Gekrümmten (jap. henchûshô): Das Morgenrot schwindet. Eine Greisin schaut in den alten Spiegel. Deutlich sieht sie ihr Gesicht, es ist nicht anderswo. Lass ab, den Kopf zu verwirren und den Schatten zu erkennen! 3. Mitten aus dem Geraden kommend (jap. shôchûrai): Mitten im Nichts ist ein Pfad, der aus dem Staub herausführt. Ohne die Majestät des Gegenwärtigen zu verletzen, Macht er dich den Beredten von einst übertreffen, der jede Zunge schlug. 4. Mitten in das Gekrümmte anlangend (jap. henchûshi): Wenn zwei Klingen die Spitzen kreuzen, braucht es kein Ausweichen. Ein guter Fechter ist wie Lotos im Feuer. Es ist, als habe er in sich einen Geist, der an den Himmel stößt. Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 233 5. Einheit erreicht (jap. kenchûtô): Weder dem Sein noch dem Nicht-sein verfallen, wer vermag diesen Einklang? Die Menschen wünschen alle nur, dem gewöhnlichen Lauf zu entrinnen. Schließlich kehrt er zurück und sitzt am Ende in den Kohlen. In der umfangreichen Literatur, die sich um die Deutung der Formel von den «Fünf Stufen» bemüht, treten zwei Sichtweisen hervor, nämlich das Erfassen des philosophischen Gehaltes der Formel und die Beschäftigung mit deren psychologischen und literarischen Inhalten. Nachdem Hakuin das von ihm in die endgültige Form gebrachte System der Kôan mit dem Text von den «Fünf Stufen» abgeschlossen hat, gilt diese dialektische Formel als Krönung der Kôan- Literatur 57 . In Anbetracht der engen geschichtlichen Verknüpfung des chinesischen Zen- Buddhismus der «Fünf Stufen» mit der Weltanschauung der Kegon-Schule empfiehlt es sich, von den Lehraussagen dieser Schule her den geistigen Gehalt der Fünferformel des Hauses Ts ’ ao-tung anzugehen 58 . Einen unmittelbaren Ansatzpunkt bietet die dem Kegon-Patriarchen Ch ’ eng-kuan (737 - 838) zugeschriebene Lehre von den vier Dharma-Bereichen (jap. shi hokkai), deren Zentralbegriffe shih (Erscheinung) und li (Prinzip) den Schlüsselworten von hen (das Gekrümmte) und shô (das Gerade) entsprechen. Die Grundthese von der gegenseitigen Durchdringung aller Dinge im Ganzen der Wirklichkeit ist in beiden Aussagen die gleiche; in der Kegon-Lehre wird sie philosophisch begriffen, während sich die Zen-Jünger um die Realisierung in der Übung bemühen. Die These darf nicht statisch verstanden werden. Die Formeln suchen durch Hervorhebung verschiedener Aspekte des beständig fließenden Prozesses der Wirklichkeit ansichtig zu werden. Das Schema der Kegon-Philosophie beginnt mit dem Bereich des shih (jap. ji hokkai), in dem alle Dinge (dharma) aufgrund der Kausalität des Dharma- Bereiches (jap. hokkai engi) in gegenseitiger Abhängigkeit existieren; im zweiten Bereich, dem des li (jap. ri hokkai) ist das Prinzip oder das Absolute die Realität aller Dinge. Beim Vergleich der vier Dharma-Bereiche mit den «Fünf Stufen» entsprechen die beiden ersten Stufen zusammen dem ersten Dharma-Bereich des shih 59 . Das Gerade (Absolute) und das Gekrümmte (Relative), in ihrer Identität erkannt, werden auf den zwei ersten Stufen der Zen-Formel unter zwei Aspekten angeschaut: Einmal wird die Vielheit in der Gleichheit gesehen, alle mannigfaltigen Dinge und Ereignisse sind ihrem Wesen nach gleich, formlos, leer. Die Leere ist durch kein subjektives Element getrübt. Schon auf dieser ersten Stufe ist echte Erleuchtungsschau vorhanden. Doch ist es für die Zen-Übung wesentlich, voranzuschreiten. Der zweite Aspekt der «Fünf Stufen» sieht in jedem einzelnen Ding das Ganze, nämlich die Mannig- 234 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China faltigkeit der Dinge durchdrungen vom Wesensprinzip. Der japanische Buddhologe Katô Totsudô zeigt sowohl den Unterschied als auch den Zusammenhang zwischen den beiden Stufen an, wenn er schreibt: «Während auf dem ersten Standort die ganze Mannigfaltigkeit der Dinge von der Gesetzesnatur des wahren So-seins-wie-es-ist umschlossen erschien, ist hier nun das Gesetz des So-seins-wie-es-ist in jedem Einzeldinge der Erscheinungen wirksam zu sehen. Zeigt die erste Stufe die Erscheinungen von ihrem wahren Wesen her, so ist die zweite von der Erscheinung her ihr wahres Wesen 60 .» Die Gegenpoligkeit der zwei Stufen kommt in der bildlich-symbolischen Darstellung klar zum Ausdruck. Im Symbol der ersten Stufe ist die obere Hälfte des Kreises schwarz, die untere weiß ◓ , im Symbol der zweiten Stufe umgekehrt die obere Hälfte weiß, die untere schwarz ◒ . Dem zweiten Bereich des Kegon-Schemas, dem Bereich des li, entspricht die dritte der «Fünf Stufen»: «Mitten aus dem Geraden kommend». Das Relative ist nicht genannt. Das Absolute steht da in nackter Absolutheit. Doch ist die Potentialität des Absoluten zum Relativen hin durch das Schriftzeichen für «Mitte» oder «in» angedeutet. Das Absolute ist mit aller Entfaltungsmöglichkeit geladen, gleich dem Samenkorn, bevor der erste Keim sprießt. Titel und Verse dieser Stufe lassen verschiedene Auslegungen zu 61 . Wenn die Übergegensätzlichkeit des Absoluten in die Mitte gerückt wird, so sind auf dieser Ebene alle Gegensätze aufgehoben. «Das Feuer und das Eis stehen nebeneinander in ihrer gemeinsamen Absolutheit, die Blumen des Frühlings blühen auch im Herbst, . . . die Kuh . . . aus Schlamm gemacht . . . kann muhen, . . . das Pferd aus Holz wiehert . . . 62 » Doch behält auch in dieser Sicht das Absolute eine potentielle Bezogenheit auf das Relative. Bei der Deutung der dritten Stufe kann indes auch dem dynamischen Moment, in dem Schriftzeichen rai (= Kommen, Herauskommen) angedeutet, ein entscheidendes Gewicht gegeben werden. Das Absolute befindet sich am Wendepunkt zum Heraustreten in die Welt der Erscheinungen. «Das Kommen zur Gleichheit ist kein endgültiger Zustand; dieses ‹ Gelangen zur Gleichheit › erfordert ein gleichzeitiges ‹ Heraustreten › aus ihr, wobei ein dynamischer Zirkel der Bewegung zwischen dem Ankommen zur Gleichheit und dem Heraustreten entstehen soll 63 .» Entsprechend der Artikulierung der Deutung kann der Titel der dritten Stufe verschieden wiedergegeben werden. Die Übersetzung «Mitten aus dem Geraden kommend» lässt das dynamische Moment hervortreten. Die Wiedergabe «Gleichheit in der Mitte» 64 betont die Übergegensätzlichkeit des Absoluten. Wie immer gedeutet, das radikal Absolute der dritten Stufe ist untrennbar mit Potentialität verknüpft. Im bildlichen Zeichen ist ein schwarzer Vollkreis (des Absoluten) von einem weißen Kreis (der Potentialität) umgeben ◉ . Bezüglich der vierten Stufe bietet die Textüberlieferung für den Titel zwei Varianten an, die beide einen guten Sinn ergeben. Wir übersetzten die Textform Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 235 henchûshi: «Mitten in das Gekrümmte anlangend». Der Titel lautet in der anderen Version: «Ankunft in Kreuzung» oder «Anlangen in gegenseitiger Integration» 65 (jap. kenchûshi). Diese Version, gemäß der Gleichheit und Verschiedenheit zusammen anlangen, hat den Vorzug, genau dem dritten Dharma- Bereich des Kegon-Schema, nämlich dem Bereich des «ungehemmten Ineinander von li und shih» (jap. riji muge hokkai) zu entsprechen. Die andere Variante rückt die Mannigfaltigkeit der zehntausend Dinge in die Mitte. Dem Mahâyâna-Denken ist es eigen, in der Welt des Mannigfaltigen alle Grenzen abzuschreiten. Wiederum habe der Japaner Katô Totsudô das Wort, der in Gunderts formschöner Übertragung sagt: «Hier also gilt es, die bunte Mannigfaltigkeit des Lebens mit ihren tausend Gegensätzen so zu nehmen, wie sie ist, jeweils dem gegebenen Anlass folgen, die Dinge je nach ihrem inneren Trieb und nach Gelegenheit anfassen, zugestehen und nicht verwehren, dass jedes Ding, jede Erscheinung ihren eigenen Sinn und Zweck hat, der sich von meinem eigenen unterscheidet 66 .» Das Absolute kommt im Titel der vierten Stufe nicht vor, ist aber durchaus da. Das Relative kann ebenso wenig ohne das Absolute sein, wie das Absolute ohne eine Potentialität zum Relativen hin sein kann. Beim Anschauen der Phänomene, Bedingungsverknüpfungen, Kräfte in ihrer relativen Eigenform, wird die Absolutheit durch die reine Relativität offenbar. Tung-shan vergleicht die Situation mit zwei Fechtern, die mit nackten Schwertern kämpfen, ohne dass einer den anderen zum Weichen bringen kann, oder auch mit dem Lotos, der mitten im Feuer unversehrt bleibt. Bei der bildlichen Darstellung findet sich das Relative als Mitte im Absoluten ( ○ ). In der Textform des Titels «Mitten in das Gekrümmte anlangend» tritt die gegensätzliche Entsprechung der dritten und vierten der «Fünf Stufen» deutlich hervor. Die Titel der zwei Stufen beachten jeweils nur einen Pol, das Absolute oder das Relative, der andere Pol ist jedoch mitgesetzt. So kommt die Symmetrie der Formel zur vollen Geltung 67 . Das mittlere Schriftzeichen «chû» ist in den Titeln aller fünf Stufen gleich, es bezeichnet, schlicht mit «in» übersetzt, in den zwei ersten Stufen die gegenseitige Durchdringung des Relativen und Absoluten. Bei den zwei folgenden Stufen empfiehlt sich die sprachlich passende Übersetzung «Mitte». Beide Pole deuten, je einzeln als «Mitte» gefasst, über sich hinaus zum Übergegensätzlichen hin. Die fünfte Stufe, die Krönung der Formel, bedeutet die Alleinheit ungehemmter Durchdringung in übergegensätzlicher Freiheit. Sie entspricht den zwei höchsten Dharma-Bereichen des Kegon-Schema, nämlich dem Bereich der gegenseitigen Durchdringung von li und shih (jap. riji muge hokkai), von dem schon die Rede war, und dem vierten Dharma-Bereich der ungehemmten gegenseitigen Durchdringung aller Phänomene (jap. jiji muge hokkai). Die im Zen lebendige Weltsicht der Kegon-Lehre erscheint hier verwirklicht. Denn «dieses harmonische Spiel zwischen Einzeldingen sowie zwischen jedem Einzel- 236 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China ding und der Universalität schafft ein leuchtendes Universum» (Chang Chungyuan) 68 . Die Verse zur fünften Stufe zeichnen die «Rückkehr in Verschmelzung» 69 . «Weder dem Sein noch dem Nicht-Sein verfallen», kehrt «er», nämlich der Erleuchtete, «zurück» und «sitzt am Ende in den Kohlen.» Die bildliche Darstellung der fünften Stufe ist der schwarze Vollkreis ● . Die Grundformel von den «Fünf Stufen» erfuhr im Haus Ts ’ ao-tung Abwandlungen, die indes den dialektischen Charakter der Formel nicht beeinträchtigen. Immer bleibt die Dialektik zwischen den zwei Polen, nämlich zwischen li und shih. Verdu behandelt in seiner englischen Studie die wichtigen Konkretisierungen in den drei Formeln von «Fünf Stufen von Verdienst» (chin. Kung-hsün wu-wie, jap. Kôkun goi no ju), «Fünf Stufen in Bezug auf den Herrn und Vasallen» (chin. Chün-ch ’ en wu-wei, jap. Kunshin goi), von der «Geheimen Bedeutung der Fünf Stufen» (chin. Wu-wei chih-chüeh, jap. Goi shiketsu) verbunden mit der Formel von der «Manifestation des Geheimnisses der Fünf Stufen» (chin. Wuwei hsien-chüeh, jap. Goi kenketsu) 70 . Die Formel von den fünf Verdienststufen, dem Altmeister Tung-shan selbst zugeschrieben, bringt insofern einen neuen Aspekt, als sie im Unterschied zur noetischen Ausrichtung des Grundschemas eine moralische, asketische Entwicklung thematisiert. Allerdings bleibt unsicher, ob die volle Erleuchtungserkenntnis schon auf den Anfangsstufen oder erst auf der fünften Stufe der Vollendung vorhanden ist. Der Formel von «Fünf Stufen in Bezug auf den Herrn und Vasallen» schickt Ts ’ ao-shan eine längere erläuternde Bemerkung voraus. Herr und Vasall, Symbole des «Geraden» und «Gekrümmten», stehen für den absoluten li-Aspekt und den phänomentalen shih-Aspekt der Wirklichkeit. Die dritte Stufe der Formel zeigt «den Herrn allein», die vierte Stufe «den Vasallen allein». Obgleich der Ausdruck nicht vorkommt, so weist doch die Gegensätzlichkeit der dritten und vierten Stufe in die Richtung der Textform henchûshi der Grundformel. Die vierte Stufe wurde von späteren Kommentatoren verschieden ausgelegt. Die dritte Formel ist in ihrem dialektischen Aufbau einfacher. Die Zwischenstufen, nämlich die dritte und vierte Stufe, sind mit keiner Potentialität geladen, sondern bedeuten schlicht Gleichheit und Verschiedenheit. Alle Fünferformeln der Stufen oder Stände führen zum gleichen Ziel, der vollkommenen Einheit in völliger gegenseitiger Durchdringung. «Das ist», wie Verdu abschließt, «die Huayen(= Kegon)-Welt des li-shih wu-ai (jap. riji muge), in der die ‹ Form › gleich der ‹ Leere › ist, da die ‹ Leere › die ‹ Form › ist. ‹ Wort › und ‹ Nicht-Wort › sind nur die unterschiedenen Geist-Aspekte einer in sich selbst vollkommenen Identität 71 .» Die chinesische Vorliebe für Formeln und Zahlenschemata, verbunden mit Diagrammen, ist keineswegs auf die Zen-Schule oder den Buddhismus beschränkt, sondern weist bis in uralte Vergangenheit zurück. Die Grundelemente der Symbole für die «Fünf Stufen», das Helle und Dunkle in Form von Kreisen (das Helle als Zeichen der phänomenalen Welt, das Dunkel der numenalen Welt), Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 237 finden sich bei Gelehrten der Kegon-Schule 72 . Die authentische Wurzel der Diagramme liegt indes im «Buch der Wandlungen», das von vielen Generationen durchforscht und in mannigfacher Weise angewandt wurde. Im Falle der «Fünf Stufen» hat, wie es scheint, Ts ’ ao-shan, der die poetischen Verse schrieb, auch die Diagramme gezeichnet. Diese Zeichen haben in der Zen-Geschichte insofern eine nicht geringe Bedeutung, als sie das Bedürfnis nach äußeren Zeichen, nach Bildhaftigkeit anzeigen, das in China während der Sung-Zeit zum Tragen kam und in Japan zu hochwertigem Kunstschaffen führte. Die «Fünf Stufen» fanden über den Kreis des Hauses Ts ’ ao-tung hinaus Beachtung. Der bedeutende Rinzai-Meister Fen-yang Shan-chao (947 - 1024) benutzte als Erster im Hause Lin-chi die «Fünf Stufen» des Ts ’ ao-tung-Hauses. Seine erläuternden Verse zur Formel finden sich in der Kôan-Sammlung, die den zweiten Band seines dreibändigen Werkes Fun ’ yôroku ausmacht, das von seinem Jünger Shih-shuang Ch ’ u-yüan (986 - 1039) herausgegeben wurde 73 . Dieser Band stellt die erste wichtige Kôan-Sammlung in der chinesischen Zen-Literatur dar. Über Ts ’ ao-shans Jünger ist wenig bekannt. Seine Linie erlosch in der vierten oder fünften Generation. Yün-chü Tao-ying und seine unmittelbaren Nachfolger, die das Haus Ts ’ ao-tung weiterführten, zeigten wenig Interesse für die «Fünf Stufen». Erst im 12. Jahrhundert wendeten Anhänger der inzwischen erstarkten Schule ihre Aufmerksamkeit der wichtigen Fünferformel zu 74 . Eine Kommentarliteratur von ungleichem Wert entstand 75 . Die «Fünf Stufen» wurden zum Allgemeingut im Zen. Yün-men: «Die Schranke des einen Wortes» Die zwei Häuser von Yün-men und Fa-yen gehören wie das Haus Ts ’ ao-tung der Hauptlinie des Shih-t ’ ou an; die Trennung geht indes bis auf die erste Generation nach Shih-t ’ ou zurück. Während das Haus Ts ’ ao-tung vom Jünger Yüeh-shan Wei-yen abstammt, führt eine zweite Linie über T ’ ien-huang Tao-wu (748 - 807), Lung-t ’ an Ch ’ ung-hsin und Te-shan Hsüan-chien (782 - 865) zum berühmten Meister Hsüeh-feng I-ts ’ un (822 - 908), dem die zwei Häuser von Yün-men und Fa-yen verpflichtet sind. Hsüeh-feng ist eine überragende Gestalt im Zen gegen Ende der T ’ ang-Zeit. Durch den gemeinsamen Ursprung von Hsüeh-feng her miteinander verbunden, sind beide Häuser repräsentativ für die Zen-Bewegung während der Fünf Dynastien (907 - 960) und leiten zur folgenden Epoche des Sung-Reiches über. Während der Norden sich zur Zeit der Fünf Dynastien, von vielen Kriegswirren heimgesucht, in bedrängter Lage befand, herrschte in Südchina zumeist Frieden und Ordnung. Manche der nun politisch selbständigen Provinzen gaben sich wie Königtümer und erfreuten sich ihres Wohlstandes sowie nicht selten auch einer hohen Geisteskultur. Aus dieser 238 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Situation zogen die zwei Häuser von Yün-men und Fa-yen Nutzen; im Übrigen entwickelten sie bei weitgehenden Gemeinsamkeiten charakteristische Besonderheiten. Yün-men Wen-yen (864 - 949) ist die herausragende Persönlichkeit in der Zen-Bewegung seiner Zeit 76 . Er nimmt einen wichtigen Platz in der Zen- Literatur ein. Viele Geschichten der Zen-Chroniken und Kôan-Sammlungen (allein 18 Beispiele des Hekiganroku und 5 Beispiele des Mumonkan) handeln von ihm. Gebürtig in Chia-hsing (im Südwesten von Shanghsi), trat er in jungen Jahren in den geistlichen Stand, studierte und beobachtete die buddhistische Mönchsregel (Vinaya), machte sich jedoch bald, vom Verlangen nach höherer Weisheit getrieben, auf die Reise. Er erlangte die Erleuchtung bei Ch ’ en Tsun-su, einem exzentrischen Jünger des Huang-po, der in Mu-chou in äußerster Strenge das Zen lebte. Dreimal bat Yün-men diesen Meister um Aufschluss über die höchste Wahrheit. Beim dritten Mal warf ihn Mu-chou (so genannt nach seinem Aufenthaltsort) zur Tür hinaus, die er so plötzlich und heftig schloss, dass Yünmens Bein eingeklemmt wurde und brach. Bei dem scharfen Schmerz erwachte Yün-men zur Erleuchtung. Mu-chou wies ihn an Hsüeh-feng, den bedeutendsten Zen-Meister jener Tage 77 . Bei ihm weilte Yün-men mehrere Jahre und wurde sein Dharma-Erbe. Dann zog er als Wandermönch durchs Land, besuchte bedeutende Zen-Männer und kam schließlich ganz im Süden nach Shao-shou (Provinz Kwantung), wo nach dem Fall der T ’ ang-Dynastie ein Statthalter aus der Familie Liu die Macht ergriffen hatte. Die mächtigen Liu protegierten Yünmen auf jede Weise. Auf Geheiß des Fürsten wurde er nach dem Tode des Abtes Ju-min Vorsteher des Tempelkloster Reijuin (chin. Ling-shu-yüan). Später baute ihm ein Herrscher aus dem Hause Liu den Tempel Kôtaizen ’ in (chin. Kuang-t ’ ai ch ’ an-yüan) auf der Berghöhe Yün-men. Der geographische Name des Berges wurde auf das Kloster und den Gründerabt ausgedehnt. Dieser ging als Meister Yün-men in die Zen-Geschichte ein. Das Herrschaftsgebiet der Liu in Südchina, nämlich das Königtum von Nan-han, erreichte eine beträchtliche kulturelle Hochblüte. In diesem Milieu entfaltete sich das Haus Yün-men, dem das chinesische Zen künstlerische Spitzenleistungen verdankt. Im Kloster auf dem Yün-men-Berg sammelte der Meister zahlreiche Jünger um sich, die er auf dem Erleuchtungsweg führte. Hatte er selbst die Große Erfahrung teuer erkaufen müssen, so ersparte er seinen Jüngern nicht die Mühe 78 . Er verabreichte Stockhiebe und erschreckte durch Andonnern. Seine Eigenart sind die kurzen, schlagenden Antworten, die er seinen Jüngern gab. Diese Originalität ist als die «Schranke des einen Wortes» bekannt. Viele Beispiele dieser Art von Antwort sind in der Zen-Literatur, besonders in der Spruchsammlung des Yün-men (jap. Ummonroku) 79 und in der Schrift Ninden gammoku aufgezeichnet. Ein Fragespiel beginnt: «Was ist Zen? » - «Dieses.» Darauf fragt der Mönch weiter: «Was ist der Weg? » Der Meister antwortet: Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 239 «Erfassen.» 80 Oder: «Was ist das Schwert des Yün-men? » - «Patriarch.» 81 Ein anderes Mal fragt ein Mönch nach dem Schwert, das ein gegen seine Schneide geblasenes Haar durchschneidet (jap. suimôken) 82 . «Gebein», ist die Antwort. Die folgenden drei Beispiele sind dem Ninden gammoku entnommen: «Was ist das Auge des Echten Dharma? » - «Überall.» Oder: «Wer den Vater tötet und die Mutter tötet, bekennt vor dem Buddha. Wer aber den Buddha tötet und den Patriarchen tötet, wo soll er bekennen? » - «Offenbar.» Oder: «Was ist der Sinn des Kommens des Patriarchen von Westen»? » - «Meister.» Die Antworten bestehen nicht notwendig alle aus nur einem Schriftzeichen, manchmal sind es auch zwei oder drei oder mehr Worte, aber stets ist die Antwort äußerst prägnant und treffend. Auch wiederholen sich die gleichen Fragen und empfangen verschiedene Antworten. Zwei Antworten rücken durch ihren Kontrast die Bandbreite und zugleich den Wesenskern der Kurzantworten des Yün-men ins helle Licht. In einem Kôan des Mumonkan antwortet Yün-men auf die Frage: «Was ist der Buddha? » - «Ein aufgetrockneter Kotspatel.» 83 In der Spruchsammlung des Meisters fragt ein Mönch: «Was ist der lautere Dharma-Leib? » - «Ein Blumenbeet von Pfingstrosen», erwidert der Meister 84 . Hier spricht der ästhetische Sinn Yün-mens, dem die Lauterkeit des Kosmos im Schönen strahlt. Doch macht der echte Zen- Meister keinen Unterschied zwischen «rein» und «unrein». Wenn es um die Buddha-Natur der Wirklichkeit geht, findet Yün-men Ausdrücke, die denen des Lin-chi an Konkretheit nicht nachstehen. Yün-mens Kurzantworten helfen der Übung, spornen zum Durchbruch an und können eine Realisierung herbeiführen. Seine schlagfertigen Einsilber, aber auch seine durch mehrere Glieder fortgesetzten Wechselgespräche und von ihm hervorgerufenen Episoden werden als Kôan geübt. Yün-men fand den klassischen Ausdruck für das ewige Jetzt der die Zeit transzendierenden Erleuchtung. Das sechste Beispiel des Hekiganroku lautet in der Verdeutschung Gunderts: Yün-men richtete bei der Unterweisung folgende Worte an seine Hörer: Nach den letzten fünfzehn Tagen frage ich euch nicht. Zu den nächsten fünfzehn Tagen kommt mir mit einem Sätzchen daher und redet. An Stelle der Gefragten sagte er dann selbst: Tag um Tag ist guter Tag. 85 Das Beispiel wurde immer wieder und in verschiedener Weise gedeutet. Während die Weisheit des Kernwortes offen zu Tage liegt und jeden Menschen, nicht nur den Zen-Jünger, unmittelbar anspricht, ist die vorhergehende Einhüllung geheimnisvoll. Das Geheimnis der Zeit ist angesprochen. Der japanische Zen-Meister Yasutani Hakuun gab folgende Erklärung 86 : Die Fünfzehn Tage vorher bedeuten die Zeit der Übung vom ersten Erwecken des Verlangens nach der Erleuchtung bis zu deren Erfassen in der Erfahrung. Das Jetzt der Erleuchtung ist vollkommen wie der Vollmond in der Mitte des Monatszyklus. 240 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Wie der Mond allmählich abnimmt und es dunkel wird, so schwindet während der fünfzehn Tage nach der Erfahrung das Bewusstsein von der eigenen Erleuchtung, das wie eine letzte Schlacke noch dem Geiste anhaftet. Nun ist die Erleuchtung gleich dem Alltag, der Alltag gleich der Erleuchtung. Schon hat es keinen Sinn mehr, ein Vorher oder Nachher zu unterscheiden. Die Wirklichkeit ist ein einziges Jetzt. Dieses Heute ist jeder Tag: «Tag um Tag ist guter Tag.» Der gute Tag ist nichts Besonderes. Oder «wäre an dem grauen Alltag überhaupt, der nie etwas Besonderes mit sich bringt, etwas Besonderes? Und dies Besondere wäre wiederum alltäglich? » So schreibt Gundert 87 . Dieses Beispiel birgt eine kostbare Perle. Unter den Jüngern Yün-mens ragt Tung-shan Shou-ch ’ u ( - 900) hervor, der wie sein Meister den Stil der «Schranke des einen Wortes» pflegte. Er unterschied zwischen «toten Worten» der rationalen Rede und «lebendigen Worten», die nicht der Vernunft verhaftet sind 88 . Seine berühmteste Kurzantwort ist in einem Beispiel der Kôan-Sammlung Mumonkan (Nr. 18) festgehalten. Einem Mönch sagte er auf die Frage: «Was ist der Buddha? »: «Drei Pfund Hanf.» Das Ereignis seiner Erleuchtung bildet ebenfalls den Gegenstand eines Kôan. Das Mumonkan erzählt die Begebenheit wie folgt: Tung-shan kam einst zu Yün-men. Yün-men fragte ihn: «Von woher kommst du? » Tung-shan antwortete: «Von Ch ’ a-tu.» Yün-men sprach: «Wo warst du während des Sommers? » Tung-shan antwortete: «Im Kloster Pao-tz ’ u in (der Provinz) Hunan.» Yün-men sprach: «Wann bist du von dort weggegangen? » Tung-shan antwortete: «Am 25. August.» Yün-men sprach: «Ich will dir dreimal zwanzig Stockschläge verabreichen.» Am folgenden Tag kam Tung-shan wieder, grüßte und fragte: «Gestern erhielt ich vom Meister dreimal zwanzig Stockschläge verabreicht. Ich weiß nicht, worin ich gefehlt habe.» Da sprach Yün-men: «Du Reissack! Wozu läufst du in Kiangsi und Hunan umher? » Da erfuhr Tung-shan die große Erleuchtung. Ob dem Tung-shan die Stockschläge tatsächlich verabreicht wurden, ist im Wortlaut des Textes nicht ganz klar. Die Kommentatoren sind darüber uneins, aber der Verfasser der Sammlung Wu-men Hui-k ’ ai (1183 - 1260) kritisiert Yünmens mildes Verhalten gegenüber Tung-shan und macht seine angebliche Schwäche für den Verfall des Hauses Yün-men verantwortlich 89 . Das Haus Yün-men hat einen beachtlichen Beitrag zur chinesischen Kultur geleistet. Sein Begründer Yün-men wurde «der beredtste der Ch ’ an-Meister» genannt 90 . Paradoxerweise fürchtete dieser Meister die Worte, doch stand er dank seiner Erfahrung «unverletzt inmitten der Flammen» 91 . Er strahlte jenes «Licht» aus, von dem er sagt, dass «jeder Mensch es in sich hat: wenn aber einer Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 241 es zu sehen sucht, ist alles Finsternis» 92 . In diesem allgegenwärtigen, dynamisch wirkenden inneren Licht lag das Geheimnis der Sprachmächtigkeit Yün-mens. Während der frühen Phase der Sung-Zeit blühte das Haus Yün-men und entfaltete zusammen mit der Rinzai-Schule einen beträchtlichen Einfluss in der Oberschicht der chinesischen Gesellschaft. Den Höhepunkt dieser Entwicklung markiert Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien (980 - 1052), der Dichter der hundert Gesänge des Hekiganroku 93 . Schon sein Meister Chih-men Kuang-tsu ( - 1031), Yün-mens Nachfolger in der dritten Generation, schrieb Poesie. Und auch der schon erwähnte Rinzai-Meister Fenyang suchte die erleuchtete Weisheit in Versen auszudrücken. Diese Vorgänger überragt weit Hsüeh-tou, der sich als Meister großer Beliebtheit erfreute und viele Schüler um sich scharte. Unter seinen Schriften findet sich eine Sammlung von 250 Gedichten 94 . Die höchste Vollendung erreichte er in den Gesängen, die er zu von ihm ausgewählten Beispielen (meistens aus der Chronik Keitoku Dentôroku, eine gute Anzahl auch aus der Spruchsammlung des Yün-men) schrieb. Er bemühte sich, den Wesenskern der Worte und Taten der Meister in dichterische Form zu gießen. So schuf er den Grundstock zum Hekiganroku, nach dem Wort eines chinesischen Zen-Jüngers «die vornehmste Schrift der Lehre unseres Glaubens» 95 . Die Zen-Literatur besitzt in dieser Kôan-Sammlung den Gipfel ihrer dichterischen Leistung. Hsüeh-tou trug durch sein Wirken zu einer Wiederbelebung des Hauses Yün-men bei, das zu jener Zeit im Absinken war 96 . Das Haus hat als selbständige Schule nicht überdauert, sondern wurde während der Sung-Zeit von der mächtigen Rinzai-Schule absorbiert. Fa-yen: Das Ineinssein der Merkmale Das Haus Fa-yen trat als Letztes der «Fünf Häuser» auf den Plan, sein Bestehen war von kurzer Dauer. Der Name Fa-yen ist der posthume Titel des Gründers, der diesem nach seinem Tod von seinem fürstlichen Freund und Gönner Li Ching (916 - 961), einem Gebietsherrn in Südchina, verliehen wurde. Fa-yen Wen-i (885 - 958), der Gründer des letzten der «Fünf Häuser», wirkte vornehmlich im heutigen Nanking, einem politisch und kulturell wichtigen Zentrum des Südens. Im Tempelkloster Seiryôji (chin. Ch ’ in-liang-ssu) sammelten sich zahlreiche Schüler um den in den chinesischen Klassikern und der buddhistischen Literatur gleich bewanderten, hochgelehrten Meister. Gern vertrauten sie sich seiner milden, sicheren Führung an. Seine psychologische Einsicht und kluge Anpassung werden gerühmt. Doch kam trotz der hohen wissenschaftlichen Bildung Fa-yens der Zen-Stil voll zur Geltung. Wenn er seine Schüler nicht mit dem Stock traktierte oder grob anfuhr, so zeichneten sich seine Antworten durch ungewöhnliche Treffsicher- 242 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China heit aus. Seine Lieblingsmethode der Wiederholung des gleichen Wortes oder Satzes ohne Erklärung zeugt von echtem Zen-Geist. Was mit dieser Methode gemeint ist, zeigt das folgende, im Keitoku Dentôroku berichtete Gespräch. Fa-yen fragte, so erzählt die Chronik, einmal seinen Begleiter Shao Hsiu, was das Wort der Alten bedeute: «Ein geringer Unterschied verursacht eine Trennung wie zwischen Himmel und Erde.» Shao Hsiu erwiderte: «Ein geringer Unterschied verursacht eine Trennung wie zwischen Himmel und Erde.» Darauf der Meister: «Wie kann diese Erklärung befriedigen? » Nun fragt Shao Hsiu den Meister nach der seinigen. Der Meister erwidert: «Ein geringer Unterschied verursacht eine Trennung wie zwischen Himmel und Erde 97 .» Viele ähnliche Beispiele sind überliefert, außerdem eine große Zahl treffender Antworten im Zen-Stil, wie z. B.: «Was sollte man während der zwölf Stunden des Tages und der Nacht tun? » - «Jeder Schritt soll auf diese Frage treten 98 .» Der so im Kreis seiner Jünger antwortende und lehrende Meister steht in der besten Zen-Tradition. Die Weltsicht der Kegon- (chin. Hua-yen-)Lehre steht im Haus Fa-yen noch ausdrücklicher als in anderen Zen-Linien im Mittelpunkt. Der Meister beschäftigte sich intensiv mit dem Kegon-Schrifttum und ließ auch seine Schüler die Werke der Patriarchen Tu-shun (557 - 640) und Fa-tsang (643 - 712) lesen. Fa-yen begriff das Ineinssein der sechs Merkmale des Seienden, nämlich Ganzheit und Unterscheidung, Gleichheit und Verschiedenheit, Werden und Vergehen. Die Merkmale, in einem Kreis dargestellt, zeigen die Aspekte der weder gleichen noch verschiedenen Wirklichkeit. Fa-yen gibt die folgende Erklärung: «Die Bedeutung der sechs Merkmale des Kegon ist, dass es innerhalb der Gleichheit Verschiedenheit gibt. Denn dass Verschiedenheit von Gleichheit verschieden ist, ist keineswegs die Absicht aller Buddhas. Die Absicht aller Buddhas ist Ganzheit und Unterscheidung. Wie kann es Gleichheit und Verschiedenheit geben? Wenn der männliche Leib und der weibliche Leib ins Samâdhi eintreten, so bleibt keine Beziehung zu männlichem und weiblichem Leib. Wenn keine Beziehung bleibt, so kommt, was mit Namen bezeichnet wird, zu Ende. Wenn die zehntausend Dinge völlig licht sind, so ist da weder Wesen (li, jap. ri) noch Erscheinung (shih, jap. ji) 99 .» Diese All-Einslehre wird im Anschauen der Kreisfigur, in der die sechs Merkmale eingezeichnet sind, zur Erfahrung gebracht. Die Grundsicht des Kegon von «Verschiedenheit in Gleichheit» und «Gleichheit in Verschiedenheit» wird dem Zen gemäß in einer Episode aus dem Leben Fa-yens thematisch, die ein berühmtes Kôan der Sammlung Mumonkan ausmacht. Das Beispiel erzählt folgenden Vorgang: Der große Fa-yen von Ch ’ ing-liang ging einst vor dem Mittagsmahl zu den versammelten Mönchen. Fa-yen zeigte mit der Hand auf den Bambusvorhang. Da gingen zwei Mönche hinaus und rollten den Bambusvorhang auf. Fa-yen sprach: «Der eine hat es erfasst, der andere hat es verfehlt.» Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 243 Dazu bemerkt Wu-men, der Meister habe danebengetappt. Diese Bemerkung soll zu tieferem Eindringen in das Kôan antreiben. Wenn an der Oberfläche des Geschehens «Verschiedenheit in Gleichheit» sichtbar wird, so ist die Kehrseite «Gleichheit in Verschiedenheit» mitgesetzt. Alles kommt darauf an, die Dualität zu übersteigen 100 . Fa-yen bewahrt die Art der Zen-Meister der T ’ ang-Zeit. Er liebt das paradoxe Wort und führt zur plötzlichen Erleuchtung. Dabei ist seine geistige Verbindung zum Traditionsgut unverkennbar. Ein Blick auf seine Schule zeigt deutliche Ansätze zu späteren Entwicklungen im chinesischen Zen-Buddhismus. Fa-yens Dharma-Erbe T ’ ien-t ’ ai Te-shao (891 - 971) führte das Haus nicht gradlinig in der Zen-Richtung weiter. Nachdem er Erleuchtung und Nachfolge erlangt hatte, wandte er sich der Wissenschaft der Tendai-Schule zu, die infolge der Wirren während der Periode der Fünf Dynastien stark an Bedeutung verloren hatte. Er erfreute sich der Gunst seines Fürsten und wurde mit dem Amt eines Landeslehrers im südlichen Königtum Wu-yüeh betreut, einem Ausgangspunkt und wichtigen Zentrum der Kultur der Sung-Periode 101 . T ’ ien-t ’ ai Teshaos beide Jünger Yung-ming Yen-shou (904 - 975) und Tao-yüan (o. J.) wurden in je verschiedener Weise für den weiteren Fortgang der Zen-Geschichte wichtig. Yung-ming leitete eine Entwicklung ein, die sich erst viel später voll durchsetzte und bleibende Frucht brachte 102 . Seiner Zeit voraus, bemühte sich dieser «berühmte und begeisterte Synkretist» 103 in seiner umfangreichen Schrift Shûkyôroku (chin. Tsung-ching lu) um eine umfassenden Synthese der buddhistischen Lehre. Er rezitierte das Lotossutra und verband die Anrufung des Namens des Buddha Amitâbha, das sogenannte Nembutsu (chin. nien-fo), mit der Zen- Übung. Er gilt als der erste Patriarch der Lehre vom Reinen Land während der Sung-Zeit. Der weitherzige, gelehrte Yung-ming kann als Pionier der Bewegung für die Vereinigung von Zen und Nembutsu angesehen werden, die später im chinesischen Buddhismus die Oberhand gewann 104 . Dagegen ist Tao-yüans Werk zu einem Eckstein in der genuinen chinesischen Zen-Geschichte geworden. Die von ihm kompilierte Chronik Keitoku Dentôroku bringt Aufbau und Ausbau des Zen in China zu einem gewissen Abschluss, indem sie umfassend über alle Zen-Meister und ihre Bestrebungen berichtet. Zugleich legt sie den Grund für das aufkommende sogenannte Kôan-Zen, dem sie reichliches Material zur Verfügung stellt. Die meisten Kôan-Beispiele der Sammlungen sind zu einem großen Teil direkt oder indirekt dieser Chronik entnommen. Über Tao-yüans Wirksamkeit ist wenig bekannt. Das Haus Fa-yen, in dem die Periode der «Fünf Häuser» durch Fa-yens Schrift Shûmon Jikkiron zum Selbstbewusstsein kam, hat sich in seinem Begründer so überzeugend artikuliert, dass der führende Neokonfuzianer Chu Hsi, sonst kein Freund des Buddhismus, für Fa-yen uneingeschränkte Hochschätzung bekundete 105 . 244 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die Wurzeln der «Fünf Häuser» des chinesischen Zen reichen bis in den Aufbruch während der zweiten Hälfte der T ’ ang-Zeit zurück. Damals wirkten die größten, originellen chinesischen Zen-Meister, in deren Generationslinien die «Fünf Häuser» zur Ausformung kamen. Ohne dass sich eine wesentliche Veränderung ereignete, zeigen sich in den Häusern Besonderheiten und Unterschiedlichkeiten, die den weiteren Fortgang der Zen-Geschichte beeinflussen. Die «Fünf Häuser» bilden eine Brücke zur zweiten Hochblüte des chinesischen Zen während der Sung-Periode. Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 245 VIII Ausreifung während der Sung-Zeit Der Geist der Epoche und das Zen Die Sung-Zeit zählt zu den kulturell starken Epochen der chinesischen Geschichte. Nachdem das Land sich verhältnismäßig rasch von den Wirren der Zwischenperiode der Fünf Dynastien (907 - 960) erholt hatte, führte der Begründer der Sung-Dynastie Chao K ’ uang-yin, vom General zum Kaiser aufgestiegen, das von ihm eroberte und geeinte Reich binnen kurzer Frist zu einer neuen Blüte. Dabei musste er einige Gebietsverluste in Kauf nehmen. Politisch wurde die Machtentfaltung der T ’ ang-Zeit nicht mehr erreicht. Hatten die T ’ ang-Kaiser Gesandtschaften aus fernen Ländern empfangen und sich von diesen beschenken lassen, so musste das China der Sung dem militärisch starken, aktiven Kitan-Reich der Liao Tribut zahlen. Die Periode zerfällt in zwei Teile, zuerst die Regierungszeit der Norddynastie der Sung (960 - 1126), dann die der Süddynastie (1127 - 1279), während derer der Bruder des im Norden gefangenen Kaisers und dessen Nachfolger in Südchina die Herrschaft führten. Der Verlust der Nordprovinzen schadete dem kulturellen Hochstand wenig. Bei dem wirtschaftlichen Wohlergehen und der geistigen Wiedergeburt ließ sich die Einbuße an politischer Macht leichter verschmerzen. Die chinesische Zivilisation erreichte während der Sung-Zeit einen Hochstand, wie ihn ähnlich nur das klassische Altertum gekannt hatte. Mit Recht spricht man von einer «Renaissance», weil die Rückkehr zu den Klassikern den allgemeinen Kulturfortschritt beflügelte. Die weltlichen Wissenschaften blühten, eine umfassende Forschung vermittelte eine Fülle von Wissen, das die schönen Künste verklärten. Die vorherrschende Geistesströmung der Zeit, in der westlichen Wissenschaft «Neo-Konfuzianismus» genannt, stellt insofern eine «Renaissance» dar, als sie an die Klassiker anknüpft und in ihrem naturalistisch und rationalistisch ausgerichteten Bemühen den Weg in die Neuzeit öffnet. Die große Zeit des Buddhismus, dessen viele Schulen mit ihren metaphysischen Spekulationen, ihrem elaborierten Kult und ihrer Mystik während eines halben Jahrtausends weite Schichten des chinesischen Volkes für sich eingenommen hatten, ist endgültig vorbei. Die Neukonfuzianer der Sung-Zeit lassen sich wohl von der Mahâyâna-Metaphysik anregen und nehmen deren gedankliche Elemente in ihre Systeme hinein, aber sie verwerfen den Buddhismus, mag dieser auch dem chinesischen Denken eine tiefe Spur eingeprägt haben. Nach der großen Verfolgung durch Kaiser Wu-tsung (845) blieb der Buddhismus in China nur in zwei Strömen lebendig, nämlich in der Meditationsschule des Zen und in der vorwiegend populären Schule vom Reinen Land. Von den Zen-Klöstern, denen in der neuen Epoche die Vertretung des Buddhismus auf hohem Niveau zufiel, gingen sowohl nach der geistig-denkerischen Seite als auch für das künstlerische Schaffen starke Impulse aus, die zur Entfaltung der Sung-Kultur beitrugen. Zugleich gewann das Zen in der Berührung mit der Zeitatmosphäre jener Tage seine endgültige Gestalt. Die Zen-Schule existierte vor Beginn der Sung-Zeit in den «Fünf Häusern». Die zwei Häuser von Kuei-yang und Fa-yen kamen in der neuen Epoche nicht mehr zum Zuge. Die Meister der Yün-men-Linie entfalteten während der ersten Hälfte der Sung-Zeit eine bedeutende Tätigkeit. Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien und Ch ’ i-sung gehören zu den angesehenen Meistern ihrer Zeit 1 . Der Fortbestand des Hauses Ts ’ ao-tung, das nach einem Hochstand während der T ’ ang-Zeit zeitweise stark zurückging, schien zu Beginn der Sung-Zeit zweifelhaft, aber dieses Haus erstarkte im Verlauf der Periode. Das Haus Lin-chi hat die Führung im Zen der Sung-Zeit. Dieses Haus, nämlich die Rinzai-Schule, die in Japan weiter wirkte, trat mit Fen-yang Shan-chao (947 - 1024) in die Sung-Periode ein. Auf Fen-yang folgt Shih-shuang Ch ’ u-yüan (986 - 1039), dessen Jünger Yang-ch ’ i Fang-hui (992 - 1049) und Huang-lung Huinan (1002 - 1069) die zwei Linien begründeten, die seit der Sung-Zeit die Rinzai- Schule ausmachen. Die Konzentration der Zen-Bewegung auf drei oder zwei Schulen hatte keine Abnahme der Gesamtgefolgschaft zur Folge, vielmehr wuchs die Zahl der Zen- Mönche, als die Rinzai-Schule in raschem Aufschwung das Land mit ihren Tempelklöstern bedeckte. Dem Wirken in die Breite entsprach nicht überall die Tiefe und Echtheit des religiösen Erlebens. Das schnelle äußere Wachstum hatte einen inneren Rückgang zur Folge und führte schließlich die Existenzkrise herauf, aus der die Methodisierung des Erleuchtungsweges in der Kôan-Übung den Ausweg öffnete. Die seelische Verflachung kam zugleich mit der äußeren Pracht. Bodhidharma und die großen Meister der T ’ ang-Zeit hatten die Residenz gemieden und glänzende kaiserliche Angebote beharrlich ausgeschlagen. Während der Sung-Zeit unterhielten die Zen-Klöster gute Beziehungen zum Hof, mischten sich in politische Dinge ein und wurden zu Brennpunkten des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Während die Zahl der Zen-Jünger wuchs, musste notwendig die Qualität absinken. Die Gefahr der Masse drohte umso verhängnisvoller, als das Zen weder Lehre noch bis dahin systematische Übung kannte, sondern wesentlich Geist und Erfahrung weitergibt. Eine andere Gefahr kam vom Intellektualismus her, der stärker denn je hervortrat und aus der allem Buddhismus eigenen synkretistischen Tendenz Ausreifung während der Sung-Zeit 247 heraus auf eine Verschmelzung des Zen mit anderen buddhistischen Strömungen abzielte. Auch viele der großen Meister der T ’ ang-Zeit kannten sich in den Sutren und Shastren gut aus, aber sie fanden das alleinige Heil im befreienden Erlebnis und schärften ihren Jüngern die Überlegenheit der Erleuchtung über alles Sutrenwissen ein. In der Sung-Zeit kam es mancherorts zur Vereinigung von Sutrenlehre und Zen-Erleuchtung. Solange es sich nur um das dem Zen verwandte Avataṃsaka-Sûtra handelte, wurde die Gefahr des Abgleitens nicht so stark empfunden, steht doch dieses Sutra dem Zen besonders nahe und bietet den Schlüssel zu seiner Weltanschauung. Dagegen waren die Bestrebungen einer Annäherung an die fein unterscheidende, theoretisierende Tendai- (chin. T ’ ien-t ’ ai-)Lehre vom Standpunkt des Zen aus unannehmbar 2 . In der Auseinandersetzung mit Tendai verschärfte sich der Gegensatz des Zen zum Sutrenbuddhismus zeitweise bis zur Verwerfung aller heiligen Schriften. Die Verbindungsfäden zwischen Zen und Amida-Buddhismus können bei der Grundverschiedenheit der beiderseitigen Strukturen besonders auffallen und auf den ersten Blick befremden. Auch hier offenbart sich die völlige Einbettung des Zen in das buddhistische Traditionsgut, das in der Erleuchtungsschau wohl überschritten, aber nicht geleugnet wird. Wenn in China das geschriebene Wort immer in hohem Ansehen stand, so ist die Sung-Zeit besonders durch eine reiche, hochwertige Literatur ausgezeichnet. Der Zen-Buddhismus konnte sich diesem Einfluss nicht entziehen. Während der Sung-Periode entstand jene Fülle bedeutender Schriften, die die zenistische Weltsicht authentisch dartun. Das Paradox des Mystikers wiederholt sich hier im Ausmaß der Gemeinschaft. Wie der Mystiker, durchdrungen von der Unaussprechlichkeit seiner Erfahrung, sich dennoch gedrängt fühlt, diese unablässig neu auszudrücken, so brachte die Zen-Schule, ungeachtet ihrer zeitweiligen ikonoklastischen Tendenzen, in China das reichste bodenständige buddhistische Schrifttum hervor. Die genuine Zen-Literatur besteht vornehmlich aus Chroniken, die der Bewahrung der Tradition dienen, Spruchsammlungen der Meister und Kôan-Sammlungen, in denen Worte und Taten der Alten zu Beispielen verdichtet sind. Zen-Anhänger haben zuweilen auch buddhistische Sutren und klassische Werke kommentiert. Die eigentlichen Zen-Schriften betonen unentwegt die Unzulänglichkeit der menschlichen Worte, aber verraten zugleich die Lust ihrer Urheber am Literarischen. Viele dieser Werke belehren und ermuntern nicht bloß, sondern fesseln auch durch ihre Formschönheit. Die Sung- Periode ist in ihrer späten Phase eine Zeit der Dekadenz. Anzeichen des Niederganges zeigen sich auch in der Zen-Bewegung. Wir begegnen keiner einzigen großen schöpferischen Persönlichkeit mehr, wie sie im Zen-Wald der T ’ ang-Zeit häufig waren. Das Stichwort der Sung-Periode ist Methodisierung und Systematisierung, ein geschichtlich wichtiger Vorgang, den zumal die Bemühung um die Kôan-Übung sichtbar macht. 248 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Kôan-Übung und Kôan-Sammlungen Die Ausformung der Kôan-Übung geschah während der Sung-Zeit, doch liegen die Wurzeln weiter zurück in der Vergangenheit. Die «paradoxen Worte und merkwürdigen Taten» der Zen-Meister der T ’ ang-Zeit, aufgezeichnet in den Zen-Chroniken und Spruchsammlungen der Sung-Zeit, bieten den Stoff fast aller klassischen Kôan-Beispiele. Die geschichtlich unzuverlässigen, späten Quellen mögen das kôan-artige der verblüffenden Antworten der Meister und der sonderbaren Situationen, die sich im Zen-Kloster ergaben, mit literarischer Freiheit verstärkt und diese Worte und Episoden zu dem gemacht haben, was sie nun sind, nämlich Kôan-Beispiele und spezifische Hilfsmittel auf dem Erleuchtungsweg. Dem Wortsinn nach bedeutet die Schriftzeichenverbindung Kôan «öffentlicher Aushang» oder «öffentliche Bekanntmachung» und somit eine Herausforderung und Einladung, das Bekanntgemachte zur Kenntnis zu nehmen, zu erwägen und zu beantworten. Doch bringt der besondere Charakter der «Bekanntmachung» es mit sich, dass der Hörer oder Leser sich vor ein Rätsel gestellt sieht. Er ist verwundert; je mehr er sich um die Antwort bemüht, je unruhiger er nach einer Lösung sucht, desto größer wird seine Verwirrung. Wesentlich für das Kôan ist, dass es rational unlöslich ist und in den Bereich des Arationalen verweist. Das Kôan zwingt, die Bahn des rationalen Denkens zu verlassen und über die gewöhnliche Bewusstseinslage herauszuschreiten, um zu einer neuen, unbekannten Dimension durchzustoßen. Diese Funktion ist allen Kôan gemeinsam, wie sehr sie im Übrigen inhaltlich und der literarischen Form nach verschieden sein mögen. Wenn wir nach dieser kurzen, einführenden Beschreibung vorerst bei der geschichtlichen Darstellung bleiben, so findet sich eine eigentliche Kôan-Übung zuerst bei dem Rinzai-Meister Nan-yüan Hui-yung (gest. 930), der seine Jünger mit Worten früherer Meister konfrontierte und so zur plötzlichen Erleuchtung weckte. Um diese Zeit oder etwas später begann man, die umlaufenden Anekdoten über jene erfindungsreichen, hoch verehrten Meister der Frühzeit, die ihre Jünger mit einem Wort, mit einem Schlag, mit einer bizarren Geste aufweckten, zu sammeln und zu sichten, mit erklärenden Bemerkungen zu versehen und durch Verse zum Klingen zu bringen. Die früheste Kôan-Sammlung findet sich in den Schriften des Fen-yang Shanchao, der viel vom Geist des Gründers seiner Schule Lin-chi lebendig zu machen vermochte. Die Chroniken schildern ihn als eine bedeutende, weit ausstrahlende Persönlichkeit. Viele Jünger vertrauten sich seiner Führung an, so der Dharma- Erbe Shih-shuang Ch ’ u-yüan, der beim Meister durch eine harte Schule gehen musste 3 . Die von Shih-shuang in drei Büchern gesammelten, als Fun ’ yôroku (chin. Fen-yang lu) bekannten Schriften des Fen-yang 4 bezeugen seine hingebende Ausreifung während der Sung-Zeit 249 Jüngerschaft in der Nachfolge seines großen Vorbildes Lin-chi. In den Schriften Fen-yangs klingen Motive des Rinzairoku, insbesondere Paradox und Dialektik, weiter. Während das erste der drei Bücher Lehrvorträge und Ermunterungen zur Übung, das dritte Buch vornehmlich religiöse Gedichte und Verse enthält, bringt das zweite Buch drei Serien von je hundert Kôan, am wichtigsten die erste von hundert Beispielen der Alten (jap. juko), bereichert durch Erklärungen und Verse Fen-yangs. In diesen Beispielen kommen Bodhidharma, der sechste Patriarch und viele bekannte Zen-Meister der T ’ ang-Zeit zum Zuge. Die zweite Reihe mit hundert vom Meister selbst geformten Kôan-Fragen, kitsumon (chin. chieh-wen) genannt, erweisen die schöpferische Begabung des Meisters. Bei den letzten hundert Beispielen gibt Fen-yang seine eigene besondere Antwort (jap. betsugo) zu Vorlagen aus früherer Zeit 5 . Dass wir gleich am Anfang der Entwicklung der Kôan-Übung auf eine so große Zahl von Beispielen stoßen, darf nicht verwundern. Gibt doch die Zen-Tradition die Gesamtzahl der Kôan-Beispiele auf 1700 an. Ebenso wenig ist es ungewöhnlich, dass Meister Fen-yang selbst zahlreiche Kôan-Aufgaben erdachte. Zen-Meister erfinden bis auf den heutigen Tag beständig neue Kôan, die ihnen wie von selbst kommen, eine Frucht ihrer persönlichen Erfahrung und ihres Umganges mit den Jüngern. Unter Fen-yangs Nachfolger Shih-shuang gelangte die Rinzai-Schule zu äußerem Glanz. Der Meister genoss hohes Ansehen am Kaiserhof. Zu seinen Lebzeiten erschien das durch den Hofmann Li Tsun-hsü kompilierte Tenshô Kôtôroku (1036), das den Grund für die Hochblüte des Rinzai-Zen im Sung-Reich legte 6 . Die Schrift zählt zu den fünf maßgebenden Zen-Chroniken der Sung-Zeit und ist reich an Kôan-Material. Shih-shuangs beide Jünger Yang-ch ’ i und Huang-lung bewahrten in ihren Linien unverfälscht den Stil Lin-chis. Huang-lung, der einen dichten «Wald» von Jüngern um sich scharte, zeichnete sich durch scharfsinniges Paradox aus, wie seine berühmten «drei Schranken» (jap. sankan) zeigen. Dieses Frage- und Antwortspiel wurde als Kôan in die Zen- Literatur aufgenommen. Frage: «Alle Menschen haben ihren Geburtsort auf Grund der Ursachenverknüpfung. Wo ist dein Geburtsort? » Antwort: «Am frühen Morgen aß ich weiße Reisgrütze, jetzt fühle ich wieder Hunger.» Frage: «Warum gleichen meine Hände Buddhas Händen? » Antwort: «Im Mondschein die Laute (biwa) spielen.» Frage: «Warum gleichen meine Füße den Füßen eines Esels? » Antwort: «Wenn der weiße Reiher im Schnee steht, ist seine Farbe nicht die gleiche.» 7 In der Nachfolge Huang-lungs stehen bedeutende Meister wie Hui-t ’ ang Tsuhsin (1025 - 1100) und Tou-shuai Ts ’ ung-yüeh (1044 - 1091) 8 , aber dieser Zweig erlosch in China vor Ende der Sung-Periode. Der japanische Buddha-Mönch Eisai (1141 - 1215) brachte die Traditionslinie Huang-lungs nach Japan. 250 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China In der Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai-Schule kam das Zen in China zur höchsten Entfaltung. Yang-ch ’ i zog durch gütige Milde an, über ihn sind zahlreiche Anekdoten überliefert. Sein Enkeljünger Wu-tsu Fa-yen (1024? - 1104) 9 ragt heraus. Unter ihm und seinen direkten Nachfolgern erreichte die Kôan- Bewegung der Sung-Zeit ihren Höhepunkt. Wu-tsu Fa-yen verdankt seinen ersten Namen Wu-tsu (wörtlich «der fünfte Patriarch»), der nicht selten zur Verwechslung Anlass gab, dem Umstand, dass er über dreißig Jahre auf dem berühmten «Ostberg» im Gebirge der Gelben Pflaume lebte, der nach dem Tod des fünften Patriarchen Hung-jen auch «Berg des fünften Patriarchen» genannt wurde. Er entfaltete eine bedeutende Tätigkeit im echten Zen-Stil. Die in die Sammlung Mumonkan aufgenommenen vier Beispiele von ihm haben ihren besonderen Geschmack. Einmal bringt Wu-tsu den Übenden in die nach beiden Seiten abgeriegelte Kôan-Situation, indem er fragt: «Wenn du auf dem Weg einem Meister des Weges begegnest, darfst du ihm nicht mit Worten und auch nicht mit Schweigen erwidern. Sag ’ an: Wie willst du ihm dann erwidern? » (Nr. 35) Oder: «Sogar Shâkya und Maitreya sind seine Sklaven. Wer ist er? » (Nr. 45) Die Antwort könnte sein: «Der wahre Mensch ohne Rang». Auch diesen köstlichen Einfall lässt er seine Jünger üben: «Geht da eine Wasserbüffelkuh am Fenstergitter vorbei. Kopf, Hörner und vier Füße, alles geht vorbei. Warum kann nicht auch der Schwanz vorbeigehen? » (Nr. 38) Eine an eine volkstümliche Legende anknüpfende Frage kann den Übenden zu metaphysischem Nachdenken verleiten: «Als Ch ’ ien-nüs Seele getrennt war, welches war da die wirkliche Ch ’ ien-nü? » (Nr. 35) Bei Wu-tsu Fa-yen sind wir mitten in der Welt der Kôan. Sein Hauptjünger Yüan-wu K ’ o-ch ’ in (1063 - 1135) ist eine zentrale Gestalt des Kôan-Zen der Sung-Zeit 10 . Einer konfuzianischen Familie entstammend, las der wissensdurstige, mit einem phänomenalen Gedächtnis begabte Knabe im heimatlichen Buddha-Tempel auch buddhistische Schriften und entschloss sich früh zum Eintritt in den Mönchsstand. Nach langen Pilgerfahrten fand er in Wu-tsu Fa-yen seinen Meister, dem er sich freilich erst nach dem Scheitern eines ersten Versuchs voll anvertraute, nachdem eine vom Meister andeutend vorhergesagte schwere Erkrankung sein stolzes Selbstvertrauen gebrochen hatte. Unter Wu-tsus Führung erlangte er eine ungewöhnlich starke, nachhaltige Erfahrung. Nach kurzem Tempeldienst kehrte er in seine Heimat Szechuan zurück, um seiner alten, kranken Mutter nahe zu sein. Später treffen wir ihn im Tempelkloster Reisen-in (chin. Ling-ch ’ üan-yüan), wo er in Lehrvorträgen die Beispiele der Alten erklärte, die den Kern der berühmten Hekiganroku-Sammlung ausmachen. Er zog viele Schüler an und gewann die Gunst des regierenden Kaisers, des kunstliebenden, politisch schwachen Herrschers Hui-tsung (reg. 1101 - 1125) aus der Norddynastie der Sung, der ihm das Purpurgewand und den Titel eines «Zen-Meister der Buddha-Frucht» (jap. Bukka Zenji, chin. Fo-kuo Ausreifung während der Sung-Zeit 251 Ch ’ an-shih) verlieh. Beim Zusammenbruch des Nordreiches wich er nach Süden aus, wo er für eine Zeit zusammen mit seinem Jünger und Dharma-Erben Ta-hui Tsung-kao (1089 - 1163) im Kloster Shinnyoin (chin. Chen-ju-yüan) lebte. Dort besuchte ihn der junge Hung-chih Cheng-chüeh (1091 - 1157) aus der Sôtô- Schule, um ihm seine Verehrung zu erweisen und von ihm zu lernen. Möglicherweise traf der Gast bei dieser Gelegenheit auch Ta-hui, mit dem er später in eine so heftige Kontroverse verwickelt wurde. Yüan-wu stand auch bei Kaiser Kao-tsung (reg. 1127 - 1162) von der Süddynastie der Sung in hohen Ehren und empfing von diesem den Titel eines «Zen- Meisters der vollen Erleuchtung» (jap. Engo Zenji, chin. Yüan-wu Ch ’ an-shih), mit dem er in die Geschichte eingegangen ist. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er, umgeben von seinen Jüngern, in einem Tempelkloster seiner Heimat Szechuan. Als er sich zu sterben anschickte, schrieb er auf Bitten seiner Jünger diese Verse nieder: Mir sank das Wirken in die Nacht. Kein schönes Lied wird euch vermacht. Die Stunde ruft; da muss ich mit. So lebet wohl! Gebt auf euch acht! 11 Yüan-wu K ’ o-ch ’ in eignet zwar nicht die schöpferische Originalität der großen Zen-Meister der T ’ ang-Zeit, doch hat sich seine ungewöhnliche Begabung in seinem Werk, der von ihm mitverfassten und vollendeten Kôan-Sammlung Hekiganroku 12 bezeugt. Er erkannte die Qualität der Beispiele und Gesänge des Hsüeh-tou aus dem befreundeten Haus Yün-men und nahm sie zur Grundlage. Mit diesen Beispielen beschäftigte er sich so intensiv und drang so tief in sie ein, dass durch seine Bemühung das bedeutendste Kôan-Werk der Zen-Bewegung entstand. Die Sammlung umfasst hundert Beispiele. Von Hsüeh-tou stammen jeweils die zwei Grundtexte: das Beispiel, nämlich Episode oder Wort des Erleuchtungsfalles, und der Gesang. Yüan-wu fügte in diese Texte Zwischenbemerkungen ein und schrieb zu jedem Text eine Erklärung. Überdies stellte er vielen Beispielen ein hinweisendes Einführungswort voraus. Demnach besteht ein Kôan-Beispiel der Hekiganroku-Sammlung aus sieben Teilen: Hinweis, Beispiel, Zwischenbemerkungen, Erklärung des Beispiels, Gesang, Zwischenbemerkungen, Erklärung des Gesanges. Hsüeh-tou erweist sich in den Gesängen als begnadeter Dichter. Die scharfen, oft bitter ironischen, immer ins Schwarze treffenden Zwischenbemerkungen Yüan-wus lassen aufhorchen. In den Erklärungen verdeutlicht er, was er für das Wesentliche des Beispiels hält. Die hundert Beispiele sind vortrefflich ausgewählt; sie bieten in ihrer Mannigfaltigkeit des Inhalts und Ausdrucks die Quintessenz des Zen. Eine systematische Anordnung ist nicht bezweckt, sie könnte das freie Geisteswehen gefährden. An den Anfang sind einige reprä- 252 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China sentative Stücke gestellt: Bodhidharmas Begegnung mit Kaiser Wu gipfelnd in Hsüeh-tous Gesang: «Heilige Wahrheit - Offene Weite! » (Nr. 1), Chao-chous Bemerkungen zum Eingangsvers des Shinjinmei: «Der höchste Weg ist gar nicht schwer, nur abhold wählerischer Wahl» (Nr. 2), das dritte Beispiel über den großen Meister der T ’ ang-Zeit Ma-tsu. Wer die «Niederschrift von der Smaragdenen Felswand» in der dargebotenen Folge liest und sich von Gunderts Geist und Phantasie anregenden Kommentaren führen lässt, kann in dieses hervorragende Werk der religiösen Weltliteratur einen wenn nicht leichten, so doch sicheren Eingang gewinnen. Das Geschick, das dem Hekiganroku in China widerfuhr, ist nicht ganz durchsichtig. Noch zu Lebzeiten des Yüan-wu K ’ o-ch ’ in veröffentlicht (1128) und mit großem Beifall aufgenommen, fiel es dem fanatischen Eifer des Nachfolgers Ta-hui Tsung-kao zum Opfer. Ta-hui ließ alle Exemplare der Schrift, deren er habhaft werden konnte, verbrennen und die Druckstöcke zerstören. Das Werk blieb dem Gebrauch entzogen, bis fast 200 Jahre später der Laie Chang Ming-yüan die noch vorhandenen Exemplare sammelte und eine Neuausgabe veranstaltete (1317). Ta-huis Motivation bleibt dunkel. Wahrscheinlich meinte er - so vermuten Miura und Sasaki - , das Werk enthülle zu viel und schade deshalb den Zen-Übenden 13 . Auch Gundert möchte «niedrige Beweggründe» ausschließen. Er macht das stürmische und ungezügelte Temperament Ta-huis haftbar. Zudem liege «der Widerspruch gegen schriftliche Überlieferung . . . im Wesen des Zen selbst begründet» 14 . Vielleicht hat gerade die «Schönheit des Ausdrucks» das Flammenschicksal des herrlichen Werkes befördert 15 . Der schwer begreifliche Vorgang unterstreicht die unleugbare Tatsache, dass nach der Auffassung des Zen keine noch so tiefsinnige und formvollendete Schrift die eigene Übung und Erfahrung ersetzen kann. Nach der Wiederveröffentlichung der Hekiganroku-Sammlung befasste sich eine ausgedehnte Kommentar-Literatur in China und Japan mit der Erklärung des Textes. Über die Kôan-Übung in der Sôtô-Schule wissen wir weniger Bescheid. Die dialektische Formel der «Fünf Stufen» (jap. goi) wurde in die Kôan-Methode aufgenommen und immer wieder viel benutzt. Die Linie des Ts ’ ao-shan Pen-chi, in der diese Formel zum vollen Ausdruck gelangte, kam allerdings früh zum Erlöschen. Die Sôtô-Schule wurde von Tung-shans Jünger Yün-chü Tao-ying (gest. 902) weitergeführt, dem gemäß der Überlieferung die «Fünf Stufen» vom Meister nicht anvertraut wurden. Yün-chü ist nach dem Berg benannt, auf dem das Kloster stand, in dem er mehr als 30 Jahre lang, von einer großen Schülerschar umgeben, bedeutend wirkte. Bei seiner Führung spielten die Erleuchtungsfälle eine Rolle. Es ist nichts darüber bekannt, dass seine frühen Nachfolger in der Sôtô-Schule irgendwie eine Gegenposition gegen die Kôan- Übung bezogen. Die zwei Sôtô-Meister T ’ ou-tzu I-ching (1032 - 1083) und Tan- Ausreifung während der Sung-Zeit 253 hsia Tzu-ch ’ un (gest. 1119) kompilierten jeder eine Kôan-Sammlung von hundert Beispielen 16 . Die Sôtô-Schule tritt während der Sung-Zeit mit Hung-chih Cheng-chüeh (1091 - 1157) ins Rampenlicht. Der Besuch Hung-chihs bei Yüan-wu, von dem wir berichteten, spricht dafür, dass er zumindest in jungen Jahren der Kôan- Übung der Rinzai-Schule nicht ablehnend gegenüber stand. Er war ein anerkannter Meister von Ruf, dem viele Schüler folgten. Wegen seiner Verdienste um die Wiederherstellung der religiösen Disziplin, die in den Wirren des vorhergehenden Jahrhunderts gelitten hatte, heißt er «der Patriarch der Erneuerung vom T ’ ien-t ’ ung-Berg»; er lebte auf diesem Berg 30 Jahre lang 17 . Deshalb kommt er in den Quellen auch als T ’ ien-t ’ ung Cheng-chüeh vor. Seine hohen literarischen Fähigkeiten bezeugen seine zwei Sammlungen von je hundert Beispielen der Alten mit begleitenden Gesängen Juko Hyakusoku (chin. Sung-ku pai-tse) und Nenko Hyakusoku (chin. Nien-ku pai-tse), die sich in seiner Schule großer Beliebtheit erfreuten 18 . In seinem Verständnis der Zen-Übung ging er einen anderen Weg als sein Zeitgenosse aus der Rinzai-Schule Ta-hui Tsung-kao, der ihn zu einer heftigen Kontroverse herausforderte. Offen bleibt die Frage, ob seine Auffassung sich nicht nur von der dieses Protagonisten seiner Schule, sondern auch von der der großen Meister der T ’ ang-Zeit wesentlich unterscheidet. Die zweite große Kôan-Sammlung aus der Sung-Zeit, abgekürzt Shôyôroku (chin. Ts ’ ung-jung lu), ist einige Jahrzehnte nach dem Hekiganroku unter dem Einfluss dieses großen Vorbildes entstanden 19 . Auf der ersten Schicht, den hundert Beispielen und Gesängen der Sammlung Juko Hyakusoku des Hung-chih Cheng-chüeh, baute der Sôtô-Meister Wan-sung Hsing-hsiu (1166 - 1246), kein direkter Nachfolger Hung-chihs, aber aus der Yün-chu-Linie, weiter. Er erklärte die Texte Hung-chihs in Lehrvorträgen vor seinen Schülern im kleinen Tempelkloster Shôyô-an, der «Klause der Gelassenheit». Zwischen die Worte der Beispiele und Gesänge fügte er Zwischenbemerkungen ein, sodass jedes Kôan aus fünf Teilen besteht. Fünf Beispiele sind aus Sutren entnommen. Der größere Teil der Sammlung bringt Beispiele von den Meistern der T ’ ang-Zeit und der «Fünf Häuser». Die gleichen Namen und manchmal auch die gleichen Episoden und Worte, die sich in anderen Kôan-Sammlungen finden, kehren wieder. Nicht selten ist die Zen-Chronik Keitoku Dentôroku die Quelle. Das ziemlich umfangreiche Werk erschien zuerst 1224, also fast ein Jahrhundert nach dem Hekiganroku. Die Beispiele des Shôyôroku gehören zum Kôan-Programm des Zen. Das Mumonkan, die Sammlung der «48 Erleuchtungsfälle der Buddhas und Patriarchen», ist das reifste Kôan-Werk aus der Endphase der Sung-Zeit 20 . Die Sammlung hat einen selbständigen Eigencharakter, verschieden von den anderen Schriften dieser Gattung. Das literarische Element tritt stark zurück. Die Beispiele bieten ohne schmückendes Beiwerk in knappen Sätzen das Wesent- 254 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China liche, eben das, was sie zu Kôan macht. Jedes Beispiel besteht außer der Überschrift aus nur drei Teilen, dem Text des Beispiels, einer kritischen Bemerkung Meister Wu-mens und dem Gesang, der kein Poem ist, sondern ein paar lose zusammengefügte Verse. Thematisch kommen die Hauptinhalte der Kôan zur Sprache. Unter den 48 Beispielen befinden sich verhältnismäßig viele berühmte Episoden, Wechselgespräche und Aussprüche aus der Zen- Geschichte. Die Sammlung ist das Werk eines einzigen Verfassers, des Meisters Wu-men Hui-k ’ ai (1183 - 1260) aus der Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai-Schule, eines Nachfolgers des Wu-tsu Fa-yen, der indes nicht der Linie der auf diesen folgenden berühmten Meister Yüan-wu K ’ o-ch ’ in und Ta-hui Tsung-kao, sondern einer geschichtlich weniger bekannten Abzweigung angehört, die nur mit dem Namen des Yüeh-an Shan-kuo in der Mumonkan-Sammlung vertreten ist (Nr. 8) 21 . Dessen Auge freilich gleicht, so bemerkt Meister Wu-men, einem Meteor, seine Aktivität ist wie ein Blitz. Wu-men Hui-k ’ ai, der Dharma-Erbe des Yüeh-lin Shih-kuan (1143 - 1217), stellt im 13. Jahrhundert noch einmal das chinesische Zen des Lin-chi in seiner vollen Kraft dar. Seine Übung ist vom Kôan geformt. Die Intensität seiner Erleuchtung drücken die Verse aus, die er nach Erlangung der Erfahrung dichtete: Aus blauem Himmel im hellen Sonnenschein ein Donnerschlag! Alle Lebewesen auf der Erde öffnen weit die Augen. Alle Dinge im All neigen in gleicher Weise das Haupt. Der Sumeru hüpft auf und tanzt san-t ’ ai. 22 Sein Werk ist der unmittelbare Niederschlag seiner Erfahrung. Er selbst hat die enge Verbindung der Sammlung mit seinem persönlichen Leben in der Vorrede bezeugt: Im Sommer des ersten Jahres Shao-ting weilte ich als Abt im Kloster Lung-hsiang in Tung-chia. Auf ihren Wunsch lehrte ich meine Schüler, indem ich die Kôan der Alten wie Ziegel zum Anpochen ans Tor benutzte, und führte die Lernenden gemäß ihrer Fähigkeit. Während ich Aufzeichnungen niederschrieb, entstand ohne meine Absicht die Sammlung, ohne geordnete Reihenfolge. Im Ganzen sind es 48 Beispiele, ich nenne sie «Mumonkan», «die Schranke ohne Tor». In seinem Nachwort beruft Wu-men Hui-k ’ ai sich für das Wort vom «Nicht- Tor», das er der Sammlung zum Titel gab, auf den Zen-Meister Hsüan-sha Shihpei (835 - 908), den Jünger des berühmten Hsüeh-feng I-ts ’ un am Ende der T ’ ang- Zeit. «Kennt ihr nicht», so schreibt er, «das Wort des Hsüan-sha: ‹ Das Nicht-Tor ist das Tor der Befreiung, Absichtslosigkeit ist die Absicht derer, die den Weg meistern › ? 23 » Befreiung und Absichtslosigkeit, diese zwei Kennworte charakterisieren die religiöse Bemühung der Zen-Meister im Umgang mit der Ausreifung während der Sung-Zeit 255 Mumonkan-Sammlung. Sie zeigen dem absichtslos, spontan übenden Jünger das in die Freiheit führende Nicht-Tor. Hui-k ’ ai stand im besten Mannesalter, als das Mumonkan zum ersten Mal gedruckt wurde (1229). Seine Biographie berichtet noch von Aufenthalten in verschiedenen Tempelklöstern. Vom regierenden Kaiser aus der südlichen Sung-Dynastie wurde er mit Gunsterweisen überhäuft und mit dem Ehrentitel eines «Zen-Meisters vom Buddha-Auge» ausgezeichnet. Die Mumonkan-Sammlung, ein Meisterwerk der Prägnanz, hatte ungewöhnlichen Erfolg und fand auch im Westen viel Beachtung 24 , sie gilt zusammen mit dem Hekiganroku als repräsentativ für das Zen-Kôan 25 . Die zwei berühmten Sammlungen sind freilich recht verschieden. Die ausgiebige japanische Kommentarliteratur erleichtert die Übersetzung und hilft viel zur Erklärung schwieriger Ausdrücke und volkstümlicher Wendungen aus der chinesischen Umgangssprache. Dem Ursprung entsprechend liegen die sprachlichen Wurzeln in China; dem Sinologen von Fach bietet sich eine besondere Chance, insofern er sein Studiengebiet nicht auf die chinesischen Klassiker beschränkt 26 . Japanische Zen-Meister benutzen die Kôan-Beispiele in freier Weise gemäß ihrem eigenen Zen-Verständnis 27 . So wurde der kurze Text wie kaum ein anderer der Zen- Literatur von vielen Seiten her angegangen und erschlossen, ein Ansporn für die Wissenschaft, die von der Erforschung der umfangreichen, sauber edierten Zen- Schriften, die zum größeren Teil während der Sung-Zeit ihre letzte Form empfingen, einen reichen Erkenntniszuwachs erhoffen darf. Aspekte der Kôan-Methode Bei der Beurteilung der Kôan-Übung muss festgehalten werden, dass sie eine Methode der Hinführung zur Erleuchtung, nicht aber diese selbst ist. Der japanische buddhistische Gelehrte Ui unterscheidet in einem bemerkenswerten Überblick über die Entwicklung des Zen zwischen «Lehre» und «Hilfsmitteln» auf dem Erleuchtungswege, wobei er mit Lehre das Gedankengut der Sutren, mit Hilfsmitteln aber die paradoxen Worte und Handlungen, Stockschläge und Anbrüllen sowie die Kôan-Methode meint 28 . Beide Elemente erkennt er schon in den Anfängen des Zen, und zwar: vor Ma-tsu und den großen Meistern der T ’ ang-Zeit mehr Lehre und weniger Hilfsmittel, später dagegen umgekehrt weniger Lehre und mehr Hilfsmittel. Doch wäre es nach Ui falsch, das Zen jeweils nach dem Verständnis von Lehre und Hilfsmitteln zu beurteilen, da beide als Hinführung nur relativen Wert besitzen. Von den Anhängern der Zen- Schulen werden oft die Hilfsmittel überschätzt, weil sie eine Besonderheit des Zen darstellen. Dies führt leicht zur Abwertung der allgemeinen buddhistischen Lehre. Schließlich weist Ui darauf hin, dass beide Elemente sich keineswegs ausschließen, sondern gegenseitig bedingen. Auch die Hilfsmittel fußen auf der 256 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China buddhistischen Doktrin und setzen diese voraus, während viele Lehrsätze nach Art von Kôan geübt werden. Der Kôan-Übung kommt eine hervorragende Rolle auf dem Zen-Wege zu, sie ist nicht eine Übung unter anderen, sondern nimmt den Platz gleich neben der «Meditation im Hocksitz» (jap. zazen) ein. Nicht wenige Zen-Meister in alter und neuer Zeit halten es für geradezu unmöglich, ganz ohne sie zu einer tieferen Realisation zu gelangen. Wie dem auch sei, die Kôan-Methode ist mit dem Wesen des Zen-Weges verknüpft, sie erhielt ihre Form während der Sung-Zeit, nicht schon zur Zeit der Hochblüte der T ’ ang-Meister, sondern als sich bereits Zeichen der Erschlaffung und des Niederganges zeigten. Hatten die Altmeister spontan aus eigener origineller Einsicht die Erleuchtung ergriffen, so war nun für das Zen die geeignete, wirksame Methode gefunden, durch die jeder mit ziemlich großer Sicherheit die Erfahrung erlangen kann. Sehr aufschlussreich ist das Urteil D. T. Suzukis: «Das aristokratische Zen wurde in ein demokratisches, systematisiertes und in gewissem Grade mechanisiertes Zen verwandelt. Dies bedeutete zweifellos in gleichem Maße eine Verschlechterung, aber ohne diese Neuerung möchte das Zen wohl lange Zeit früher ausgestorben sein. Nach meiner Ansicht war es die Technik der Kôan-Übung, die Zen als ein einzigartiges Erbe fernöstlicher Kultur rettete 29 .» Auf die Frage, was ein Kôan sei, wird der so Gefragte meistens eine Anzahl von Kôan-Beispielen erzählen. Wir haben im Vorigen viele Kôan verschiedener Art, Erleuchtungsfälle, Wechselgespräche, merkwürdige Begebnisse, paradoxe Aussprüche von Zen-Meistern sowie dialektische Formeln mitgeteilt und auf deren kôan-artigen Charakter hingewiesen. Die Kôan haben eine Funktion als Mittel auf dem Erleuchtungsweg; sie sind nicht das Letzte, sie maßen sich nicht an, das Unaussprechliche zu sagen. Wie Meister Wu-men in seiner Vorrede zum Mumonkan sagt, sind sie wie «Ziegel zum Anpochen ans Tor» 30 . Der funktionale Charakter des Kôan schließt eine Definition nicht aus, aber das Entscheidende ist die Funktion, die in verschiedener Weise zum Tragen kommen kann. Der Vorgang entwickelt sich ungefähr so: Dem Übenden gibt der Meister ein Kôan, er soll sich damit beschäftigen, die Lösung suchen und dem Meister mitteilen. Nun richtet der Übende seine ganze Aufmerksamkeit auf das Kôan. Die Konzentration nimmt zu, für gewöhnlich versucht er dem Kôan zuerst intellektuell beizukommen. Doch dies erweist sich als unmöglich. Ein Kôan lässt sich nicht rational lösen. Ja, die Kôan sind wie ein einziger Spott auf die menschliche Ratio. Konzentration und Irrationalität, diese zwei Momente bringen die für die Übung charakteristische psychische Situation hervor. Die Angst steigert sich infolge der immer noch mit Denken verbundenen Konzentrationsbemühung ins Unerträgliche. Das ganze bewusste Seelenleben ist von dem einen Gedanken ausgefüllt. Die Anstrengung des Suchens ist, wie wenn jemand gegen einen Todfeind ankämpfte, oder wie wenn einer auf allen Seiten Ausreifung während der Sung-Zeit 257 von rasenden Flammen umgeben wäre 31 . Solches Anrennen gegen die sperrenden Mauern der menschlichen Vernunft muss notwendig Misstrauen gegen alles verstandesmäßige Erkennen hervorrufen. Der bohrende Zweifel zugleich mit dem vergeblichen Suchen nach einem Ausweg und dem glühenden Verlangen nach Befreiung schafft einen Zustand äußerster Bewusstseinsspannung auf die Befreiung hin. Mag dieser Zustand nun Tage, Wochen oder auch Jahre dauern, schließlich muss die Spannung aufspringen. Das psychische Geschehen ist mit dem Vorgang beim Abschuss des Pfeils von der gestrafften Bogensehne vergleichbar. Eugen Herrigel hat in seinem weltberühmten Buch «Zen in der Kunst des Bogenschießens» die Sache psychologisch treffend beschrieben: «Wenn ich den Bogen gespannt habe», so schildert er dem Meister seine Schwierigkeit, «kommt der Augenblick, in dem ich fühle: Wenn der Schuss nicht sofort fällt, kann ich die Spannung nicht mehr aushalten. Und was geschieht nun unversehens? Einzig und allein dies, dass mich Atemnot überfällt. Ich muss also selbst den Schuss lösen, gehe es wie es wolle, weil ich nicht länger warten kann.» Darauf erwiderte ihm der Meister: «. . . Der rechte Schuss im rechten Augenblick bleibt aus, weil Sie nicht von sich selbst loskommen. Sie spannen sich nicht auf die Erfüllung hin, sondern warten auf Ihr Versagen. Solange dem so ist, bleibt Ihnen keine andere Wahl, als ein von Ihnen unabhängiges Geschehen selbst hervorzurufen, und solange Sie es hervorrufen, öffnet sich Ihre Hand nicht in der rechten Weise - wie die Hand eines Kindes; sie platzt nicht auf wie die Schale einer reifen Frucht.» 32 Wie beim Bogenschießen kommt bei der Kôan-Übung alles auf die rechte Geisteshaltung an. Nur wenn der Geist in der Spannung gelockert ist, frei von Absicht und frei vom Ich, ganz an die Aufgabe hingegeben, kann er sich gleichsam wie von selbst öffnen. Suzuki hat in seinem Frühwerk den psychologischen Vorgang nach dem Gesetz von Akkumulation, Saturation und Explosion erklärt 33 . Mag die zu Grunde liegende psychologische Vorstellung teilweise überholt sein, so trägt sie doch zur Verdeutlichung bei und lässt eine gewisse Gefährlichkeit des Unternehmens durchscheinen. Schon Akkumulation und Saturation in Höchstspannung können schaden. Wie erst, wenn die Explosion unzeitig losgeht und mehr dem Platzen einer Bombe als der Schale einer reifen Frucht gleicht. In Vergangenheit und Gegenwart gibt es Beispiele extremer Kôan-Übung mit ungutem Ausgang. Nicht umsonst warnen die Zen-Meister. Die Unterdrückung der Vernunft kann das psychische Leben aus dem Gleichgewicht bringen. Durch die Würde der menschlichen Person sind der Kôan-Übung ebenso wie den psychiatrischen Heilverfahren Schranken gesetzt. Zwischen beiden besteht eine Ähnlichkeit. Wenn der Zen-Übende beim «Einzelgang» (jap. dokusan) dem Meister über den Fortgang seiner Übung Bericht erstattet, können 258 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Situationen vorkommen, die denen im psychotherapeutischen Raum aufs Haar gleichen: Der Übende oder Patient stößt abgerissene, ungereimte Worte aus und äußert andere spontane Reaktionen 34 . Die Struktur des Kôan gab C. G. Jung Anlass, die «große Befreiung» im Zen als Erlösung des Unbewussten zu deuten 35 . Durch die ungeheure psychische Anstrengung um das unlösbare Problem des Kôan erzwungen, wird die Erleuchtung als Durchbruch einer neuen Wirklichkeit erlebt, in der es keine Grenzen mehr zwischen bewusstem und unbewusstem Seelenleben gibt, sondern das Unbewusste wie das Bewusste in deutlicher Helle zutage liegt. Der Zen- Jünger erfährt die Ganzheit der menschlichen Natur in ihrer ursprünglichen Einheit vor aller Scheidung und Trennung. Diese Deutung Jungs kann zum Verständnis der psychologischen Struktur der Kôan-Übung beitragen. Die Kôan-Methode des Zen erregte bei ihrem Bekanntwerden im Westen besonders wegen ihrer psychologischen Implikationen starkes Interesse. Die psychologischen Beobachtungen können sich auf reichliche Belege aus der Zen- Geschichte der T ’ ang- und Sung-Zeit stützen. Wie weit die frühen Zen-Meister die psychologischen Wirkungen ihres Führungsstils im Einzelnen kannten und bezweckten, lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Diesen Meistern ging es darum, ihre Jünger zu einer echten Erfahrung zu bringen, die in jedem Fall einen Durchbruch durch die gewöhnliche Bewusstseinslage besagt. Sie fanden ihre Jünger im Umgang mit der sie umgebenden Welt der vielen Dinge befangen, einem naiven Realismus huldigend und überzeugt, dass das erkennende Subjekt die Gegenstände ringsum wahrnimmt und weiß. Der Anstoß durch das Kôan kann den Übenden aus dieser Bewusstseinslage aufwecken, ihn in plötzlichem Erwachen aus der Welt der Vielheit zur Einheit gelangen lassen. Die Kôan- Beispiele gründen ihrem Wesen nach in der mahayanistischen Einheitsschau der Wirklichkeit. Der Zusammenhang zwischen den Kôan-Beispielen und der Mahâyâna-Lehre ist von Anfang an deutlich vorhanden, bei der späteren Systematisierung der Beispiele nach Kategorien in der Schule des japanischen Zen-Meisters Hakuin wird sie konsequent herausgearbeitet und von allen Seiten beleuchtet. In diesem Sinn schreibt Ruth Fuller Sasaki: «Das Kôan ist kein Scherzrätsel, das mit behendem Witz gelöst werden muss, auch keine psychiatrische Erfindung, um das schlecht integrierte Ich eines Studenten in eine Stabilität hineinzuschocken. Noch ist es eine paradoxe Aussage, es sei denn für die, die es nur von außen her ansehen. Wenn das Kôan gelöst ist, so erweist es sich als eine einfache und klare Aussage, von dem Bewusstseinszustand aus gemacht, zu dessen Erweckung es geholfen hat.» 36 Der hier gemeinte Bewusstseinszustand erfasst die Einheit der Wirklichkeit, verstanden im Sinne der Mahâyâna-Lehre. Der Übung obliegt die Ausräumung jeglicher Dualität. Alle Kôan stehen im Dienst dieser Zielsetzung. Ebenso wichtig Ausreifung während der Sung-Zeit 259 wie die psychologische Strukturierung ist der metaphysisch-religiöse Ort des Kôan im Zen-Buddhismus. Während der frühen Phase der Zen-Geschichte kann noch nicht von einer methodischen Kôan-Übung gesprochen werden. Die vorliegenden Berichte aus der Sung-Zeit zeigen Ansätze, ja schon ausgeformte Schemata der Stilisierung. Entsprechend der Eigenart der Meister lassen sich bestimmte Akzentuierungen erkennen. Eine häufige Praxis ist die Herausstellung eines Kennwortes, auf das der Übende vorzüglich sein Augenmerk richtet. Das Kôan wird gleichsam in ein Wort verdichtet, das der Übende, wo er geht und steht, immer mit sich trägt und in seinem Bewusstsein hin und her bewegt. Das klassische Beispiel dafür ist das «Nicht» (jap. mu, chin. wu) des ersten Beispiels des Mumonkan, das das gegenständliche Denken in der Richtung auf die Einheit hin überschreitet. Im Zen-Buddhismus spielen die Wechselgespräche zwischen Meistern und Jüngern, die auf das Bestehen einer engen Meister-Jünger-Beziehung hinweisen, eine wichtige Rolle. Diese Beziehung begegnet überall in der Geisteskultur Asiens. In Indien ist es der spirituelle Führer, der guru, im alten China der Lehrer der Weisheit, aber auch der praktischen Lebensführung, der den bestimmenden Einfluss ausübt. Alles deutet darauf hin, dass im Zen-Buddhismus das Meister- Jünger-Verhältnis von Anfang an gepflegt wurde. Bei der Methodisierung der Kôan-Übung während der Sung-Zeit tritt dieser Zug deutlich in Erscheinung. Die Institutionalisierung des Gesprächs mit dem Meister in dem mit einem Zeremoniell umgebenen, während der Übungsperiode täglich oder auch mehrmals am Tage stattfindenden «Einzelgang», im Rinzai-Zen sanzen, dann auch dokusan genannt, gehört seit der Zeit Hakuins und seiner Jünger zur Kôan- Praxis 37 . Der Einzelgang, bei dem der Übende über seine fördernden und hindernden Erlebnisse Rechenschaft gibt, ist eine Schutzmaßregel gegen gefährliche Abirrungen. Martin Buber ließ sich besonders vom Meister-Jünger-Verhältnis im Zen- Buddhismus beeindrucken. Unter den Kôan-Aufgaben schenkte er solchen seine Beachtung, die eine Episode zwischen Meister und Jünger erzählen. Der Tiefsinn, den er in ihnen wahrnahm, schien ihm den Vergleich zu den «legendären Anekdoten» im Chassidismus zu gestatten 38 . Doch bleibt die Ähnlichkeit äußerlich. Bei den Kôan liegt der Schwerpunkt auf Konzentration, Irrationalität und Nicht-Zweiheit, während die jüdischen Rabbi ihre Schüler auf ein anderes, verborgenes Du aufmerksam machen. Die Literaturgattung ist in beiden Fällen verschieden, die Zielsetzung ist völlig anders 39 . Die Kôan-Methode des Zen-Buddhismus bleibt ein einzigartiges Phänomen in der Religionsgeschichte, für das bislang keine Parallele aufgezeigt werden konnte. In China erfunden, sind die Kôan in ihrer konkreten Lebensnähe ein echtes Zeugnis des chinesischen Geistes. Wenn das Zen die chinesischste Ausprägung des Buddhismus ist, so ist das Kôan das Chinesischste im Zen. 260 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Selbstverständlich ist ein verschiedenes Verständnis der Kôan-Methode möglich, ebenso wie die Kôan verschiedene Deutungen zulassen. Den Beweis liefern die Zen-Männer der Sung-Zeit, deren Leben um das Kôan kreiste, während sie über deren richtigen Gebrauch heftig miteinander stritten. Die zwei Hauptströme des Zen Um die Mitte der Sung-Zeit ragen zwei Gestalten in der chinesischen Zen- Bewegung heraus, nämlich Yüan-wus Dharma-Erbe Ta-hui Tsung-kao (1089 - 1163) 40 , der energische Verfechter des unverfälschten Kôan in der Rinzai-Schule, und Hung-chih Cheng-chüeh (1091 - 1157) 41 , der dem Erleuchtungsweg der Sôtô-Schule die Richtung wies. Diese zwei Männer standen in freundschaftlicher Beziehung zueinander, waren aber bezüglich der Zen-Übung durchaus verschiedener Meinung. Hung-chih, ein angesehener, dichterisch begabter Meister, hinterließ ein bedeutendes literarisches Werk. Er liebte die Meditation im Hocksitz und gab sich eifrigst dieser Übung hin. Die von ihm kompilierten Kôan-Sammlungen beweisen, dass er auch das Kôan kannte und schätzte 42 , aber in Wort und Schrift vertrat er eine Zen-Übung, in der das Kôan kaum vorkommt. Vielen gefiel seine Art, und er gewann zahlreichen Anhang. Dies erweckte unwillige Gegnerschaft. Ta-hui warnte vor dem «Irrweg». Die von ihm geprägte Bezeichnung «Zen der schweigenden Erleuchtung» (jap. Mokushô-zen, chin. mo-chao ch ’ an) hatte in seinem Mund einen verächtlichen Klang, da er als Jünger Lin-chis das schweigende Stillsitzen verwarf. Hung-chih nahm Stellung zu dem Angriff. In einer kurzen, lichtvollen Schrift von 288 Schriftzeichen, überschrieben «Siegel der schweigenden Erleuchtung» (jap. Mokushômei, chin. mo-chao ming) 43 , legt er den wahren Sinn seines Zen- Weges dar. Nach seiner Ansicht drückt die schweigende Erleuchtung die echte Überlieferung der Buddhas und Patriarchen aus. «Wer im Schweigen die Worte vergisst, vor dem leuchtet klar die Wirklichkeit auf 44 .» Gleich zu Anfang seines Kurztraktates finden sich in diesem Satz die zwei Schriftzeichen für «Schweigen» und «Erleuchtung». Schweigen ist die Stille auf dem Grunde des erleuchteten Geistes, dessen naturhafte Tätigkeit des Leuchtens sich im Schweigen offenbart. Die Wirklichkeit leuchtet vor dem schweigend Hinsitzenden auf, ohne dass er die Dinge zu Objekten seiner Verstandestätigkeit macht. Die Erleuchtung ist gleich der Spiegeltätigkeit der leuchtend scheinenden geistigen Buddha- Natur. «Wer zur schweigenden Erleuchtung gelangt ist, gehört zum Haus unserer Tradition, die schweigende Erleuchtung reicht empor zum Gipfel, sie dringt hinab bis auf den Grund 45 .» Gegen diese Sicht des Zen wendet sich Ta-hui mit aller Entschiedenheit. Er schreibt: Ausreifung während der Sung-Zeit 261 In jüngster Zeit gibt es im Zen-Wald eine Art von falschem Zen (jap. jazen). Indem man die Krankheit für das Heilmittel hält, leugnet man die Erleuchtungserfahrung (jap. shôgo). Diese Leute meinen, Erleuchtungserfahrung sei ein künstlicher Überbau zum Anlocken und machen sie zu etwas Zweitrangigem, wie Zweige und Blätter. Weil sie selbst die Erfahrung nicht haben, glauben sie nicht, dass andere sie haben. Hartnäckig meinen sie, ein Zustand leerer Stille und dumpfer Unbewusstheit sei der ursprüngliche, absolute Bereich. Wenn sie nur täglich zweimal ihren Reis essen und ohne zu denken in Meditation sitzen, so nennen sie dies völlige Ruhe. 46 Ta-hui kritisiert in diesem berühmten Passus, der deutlich gegen das «Zen der schweigenden Erleuchtung» Hung-chihs gerichtet ist, vor allem die Passivität dieser nach seiner Überzeugung völlig falschen Übungsweise. Der Übende soll nicht wie «kalte Asche und ein verdorrter Baum» in Leblosigkeit erstarren, die Leere der Zen-Meditation darf keine tote, bloße Leere sein. Solche Vorwürfe wehrt Hung-chih nach Kräften ab. In der aufflammenden heftigen Kontroverse nennt er die einseitige Praxis Ta-huis tadelnd «Zen des Sehens auf das Kôan» (jap. Kanna-zen, chin. k ’ ang-hua ch ’ an) 47 . Die beiden Bezeichnungen «Zen der schweigenden Erleuchtung» und «Zen des Sehens auf das Kôan», jeweils von der Gegenseite erfunden, gingen in die Geschichte ein; sie zeigen den Kontrast der zwei Richtungen treffend an. Den Kernpunkt der Auseinandersetzung bildet das Kôan. Für Ta-hui ist die Kôan-Übung der sicherste und von allen Zen-Jüngern ausnahmslos zu beschreitende Weg zur Erlangung der Erfahrung. Er mahnt seine Jünger zur unablässigen, eifrigen Kôan-Übung. Beständig beschäftige dich mit deinem Kôan, jeden Augenblick deines Lebens! Wenn ein Gedanke kommt, suche ihn nicht bewusst zu unterdrücken, suche nur erneut das Kôan vor deinem Geist zu haben! Beim Gehen oder Sitzen lass deine Aufmerksamkeit ununterbrochen darauf gerichtet sein! Wenn du gar keinen Geschmack mehr daran zu finden beginnst, naht der letzte Augenblick, lass es nur nicht deinem Griff entwischen! Wenn plötzlich etwas in deinem Geist aufblitzt, wird sein Licht das ganze Universum erhellen. Du wirst das geistige Land der Erleuchteten sehen, voll offenbart in der Spitze eines einzigen Haares, und das große Dharma-Rad, sich drehend in einem einzigen Staubkorn. 48 Kein anderer chinesischer Zen-Meister hat das Kôan mit seinen Implikationen besser verstanden und eindringlicher empfohlen als Ta-hui. Seine Zen-Lehre kreist um das Kôan. Dieses lässt den Zweifel durchbrechen. Ta-hui schreibt: Die in der Brust aufwallenden tausend und zehntausend Zweifel sind nur ein Zweifel, sie brechen allsogleich auf, wenn sich im Kôan der Zweifel löst. Solange das Kôan nicht gelöst ist, muss man sich bis zum Äußersten mit dem Kôan befassen. Wenn du vom Kôan ablässt und einen anderen Zweifel über ein Schriftwort oder über eine Sutrenlehre oder über ein Kôan der Alten erweckst oder einen Zweifel über weltliche Angelegenheiten aufkommen lässt, so heißt all dieses sich dem bösen Geist verbinden. 262 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Du darfst nicht leicht einer selbst gefundenen Kôan-Lösung zustimmen, noch darfst du darüber nachdenkend unterscheiden. Hafte mit deiner Absicht nur dort, wohin das unterscheidende Denken nicht gelangen kann! Sieh ’ , dass dein Geist nirgendwohin zu entrinnen vermag, wie eine alte Maus, die ins Horn eines Ochsen hineingeraten ist! 49 Die Erleuchtung empfängt Maß und Wert vom Zweifel. Ta-hui schreibt: Viele Lernende unserer Tage bezweifeln sich selbst nicht, sondern bezweifeln die anderen. Deshalb heißt es: «Unter dem großen Zweifel existiert notwendig die große Erleuchtung.» 50 Beim Kôan kommt es nicht auf literarische Schönheit, auch nicht auf geistreiches Paradox an. Es hat seine scharfe Spitze im Zweifel, der sich dem Geist des Übenden einbohrt und diesen zur Erleuchtung bringt. Ta-hui bevorzugte das Kôan vom «Nicht», das nach seiner Ansicht wie kein anderes den Zweifel züchtet. In einem langen Antwortschreiben warnt er vor bewusstem Verlangen nach Erleuchtung und drängt auf die Ausräumung von Vorstellungen und unterscheidendem Denken, um dann ausdrücklich das Kôan vom «Nicht» zu empfehlen. Er zitiert das Beispiel im Wortlaut: Ein Mönch fragte den Chao-chou: «Hat auch ein Hund die Buddha-Natur? » Chao-chou antwortete: «Nicht» (jap. mu, chin. wu). Und Ta-hui erklärt: Dieses eine Schriftzeichen ist der Stock, der viel falsches Vorstellen und Denken von Grund auf zerschlägt. Dem darfst du nicht ein Urteil über Sein und Nicht-Sein hinzufügen, auch kein Begründen, keine bewusste Absicht, kein rationales Denken, keine Körpergesten wie Hochziehen der Augenbrauen und Zwinkern mit den Augen; bloße Worte sind fehl am Platze, ebenso darfst du es nicht in nichtiger Leere wegwerfen, noch in den mannigfachen Regungen des Geistes anerkennen, noch auch in den Schriften nach seinem Quellort suchen. Du musst nur ernstlich während der zwölf Stunden beim Gehen, Weilen, Sitzen, Liegen beständig dieses (Kôan) erwecken, dich diesem beständig zuwenden. «Hat ein Hund die Buddha-Natur? Es heißt: Nicht.» Ohne dich vom Alltagsleben zu trennen, versuch ’ es und sieh ’ auf das Kôan! 51 Ta-hui konnte sich für die intensive Übung des Kôan vom Nicht auf Wu-tsu Fayen, den Lehrer seines Meisters Yüan-wu K ’ o-ch ’ in, berufen. Auf diesen Pionier der harten, echten Kôan-Praxis griff Ta-hui zurück, nachdem er das Hekiganroku, das Werk seines eigenen Meisters, den Flammen übergeben hatte, wahrscheinlich weil es durch seine Formschönheit viele Jünger vom schmerzlichen Weg des Ringens mit dem Kôan weglockte, den er für den einzig richtigen hielt 52 . Das Kôan vom absoluten «Nicht» der Buddha-Natur, das Sein und Nicht-Sein transzendiert, verdankt seine Auszeichnung innerhalb der Zen-Geschichte nicht zuletzt dem Umstand, dass Wu-men Hui-k ’ ai dieses Beispiel unter dem Titel Ausreifung während der Sung-Zeit 263 «Der Hund des Chao-chou» an den Anfang des Mumonkan stellte. Wie Vorrede und Nachwort der Sammlung beweisen, lag Meister Wu-men der Überstieg durch die Negation besonders am Herzen. Das erste Kôan «Der Hund des Chaochou» ist eines der wenigen Beispiele, denen er eine längere Bemerkung beigab. Er bringt in seiner Kommentierung seine Auffassung vom Kôan eindringlichst zur Kenntnis. Das Wesen des Kôan liegt in der Erregung des Zweifels. Das eine Schriftzeichen «Mu» ist, so führt er aus, «die Schranke ohne Tor der Zen- Schule». «Möchtest du nicht diese Schranke durchschreiten? » Wenn ja, dann erwecke mit den 360 Knochen und Gelenken und mit den 84.000 Poren aus Leibeskräften diesen Zweifel und versenke dich in das eine Wort «Mu»! Trage es mit dir bei Tag und Nacht! Verstehe es nicht als leeres Nichts oder als Nichts in Bezug auf Sein! Es ist, wie wenn jemand einen glühenden Eisenball verschluckt hat, er möchte ihn ausspeien, kann ihn aber nicht ausspeien . . . Doch wie soll man es (= das «Mu» des Kôan) bei sich tragen? Gib dich nur mit Anstrengung aller Kraft diesem «Mu» hin! Wenn du nicht ablässt, wird es sein, wie wenn eine Dharma-Leuchte angezündet wird. 53 Ta-huis Lehre vom Zweifel als Wesenselement des Kôan blieb über das Ende der Sung-Periode hinaus im chinesischen Zen maßgebend. Kao-feng Yüan-miao (1238 - 1295), ein angesehener Meister aus der Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai- Schule, dessen Wirken bis in die Yüan-Zeit (1260 - 1368) hineinreicht, beschreibt in einem viel beachteten Text über «Drei Wesenseigenschaften des Zen» das Gefühl des großen Zweifels 54 . Die drei Wesenseigenschaften sind die «große Wurzel des Glaubens» (jap. daishinkon), die «große Entschiedenheit der Absicht» (jap. daifunshi) und das «Gefühl des großen Zweifels» (jap. daigijô), das er am Beispiel eines Kriminellen erläutert, der angstvoll zweifelt, ob sein scheußliches Verbrechen entdeckt wird oder nicht. Alle drei Wesenseigenschaften sind unerlässlich für den Erfolg der Zen-Übung. Während der Sung-Zeit nahm die Rinzai-Schule die beherrschende Stellung im chinesischen Zen ein; gegen Ende der Epoche hatte sie alle anderen Häuser und Abzweigungen mit Ausnahme der Sôtô-Schule absorbiert. In der Sôtô- Schule wirkte der Einfluss Hung-chihs und seiner Richtung weiter. Die Historiker des Zen-Buddhismus richten das Hauptaugenmerk auf den Gegensatz zwischen Hung-chihs «Zen der schweigenden Erleuchtung» und Ta-huis «Zen des Sehens auf das Kôan». Die Kontroverse kann leicht als eine Weiterrührung der Auseinandersetzung zwischen Nordschule und Südschule im chinesischen Zen angesehen werden. In der Tat erinnern manche Passagen in Ta-huis Schmähreden gegen das dämmerige Stillsitzen der Jünger der schweigenden Erleuchtung an Shen-huis Ausfälle gegen den «Quietismus» der Nordschule. Einer solchen Sicht, gemäß der ein einziger langer Trennungsschnitt die gesamte Zen-Geschichte von der Frühzeit nach Bodhidharma an bis heute in 264 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China zwei Richtungen auseinanderspalten würde, stehen schwerwiegende Bedenken entgegen. Die Situation ist nuancierter. Zuerst muss beachtet werden, dass Lehre und Übungsweise der Nordschule wegen der einseitigen Quellenlage unsicher bleiben. Unsere Kenntnis des Wirkens der Zen-Schulen während der Sung-Zeit ist unvergleichlich deutlicher und vollständiger. Hung-chis Richtung befindet sich innerhalb des Hauses Ts ’ aotung, dessen Begründer Tung-shan, Ts ’ ao-shan und Yün-chü die Sôtô-Schule tragen. Diese Meister stehen in einer Reihe mit den großen Meistern der T ’ ang- Zeit. Ihrem Selbstverständnis nach gehört die Sôtô-Schule zur Südschule des chinesischen Zen und schaut wie alle Zen-Anhänger zum sechsten Patriarchen Hui-neng auf. Hung-chihs «Zen der schweigenden Erleuchtung» befindet sich inmitten der Zen-Tradition. Unzweifelhaft bestehen bezüglich der konkreten Zen-Übung zwischen der Rinzai-Schule und der Sôtô-Schule Unterschiede, die in der Kontroverse zwischen Hung-chih und Ta-hui hervortraten und in der Folgezeit immer wieder genannt werden. Die Rinzai-Anhänger tadeln an der Sôtô-Schule die Neigung zur Passivität. Das ausschließliche Hinhocken in Meditation, so sagen sie, lässt den Geist im Nichtstun erschlaffen und führt zu dämmrigem Dösen. Dies mag vorkommen, erwidern die Sôtô-Leute, aber muss dies so sein? Authentische Sôtô-Lehrer fordern waches Meditieren und lehren gegenstandslose Meditation. Auch wird in der Sôtô-Schule Kôan geübt, allerdings nicht in der dynamischen Weise der Rinzai-Schule. Die Meditationsweise im Sôtô ist ruhiger, schließt aber Erleuchtungserfahrungen nicht aus. Der zweite Vorwurf, den schon Ta-hui gegen Hung-chih und seine Richtung erhob, betrifft das Erfahrungserlebnis im Zen (jap. satori). Die Rinzai-Schule ist auf die plötzliche, den Menschen im Grund umkehrende Erfahrung ausgerichtet; diese wird am schnellsten und sichersten durch die vom Zweifel angestachelte äußerste Anspannung der Kôan-Übung erlangt. Die Sôtô-Schule vernachlässigt beides, Kôan und Satori. Diese Kritik der Rinzai-Anhänger bedarf der Modifizierung. Auch Sôtô kennt die plötzliche Erfahrung, für die die Kôan-Übung hilfreich sein kann. Nicht wenige Sôtô-Meister erfuhren starke, erschütternde Erlebnisse. Doch werden Satori-Erfahrung und Kôan-Übung in der Sôtô-Schule anders verstanden. Die Grundübung ist das Zazen. Zudem kennt Sôtô eine stille Tiefenerfahrung, die im Alltag weiterwirkt und für nicht weniger wertvoll als das plötzliche Satori-Erlebnis gehalten wird. Exemplarisch für den Weg der Sôtô- Schule ist der japanische Zen-Meister Dôgen, der persönlich die große Erleuchtung erfuhr, im Zazen die Buddha-Gestalt erblickte und diese Erfahrung im Alltag zu leben lehrte. Weit entfernt von quietistischer Passivität, strebte er in beständig transzendierendem Negieren nach einer immer vollkommeneren Realisierung des absoluten Bereiches. Ausreifung während der Sung-Zeit 265 Die zwei Richtungen des «Zen der schweigenden Erleuchtung» (Mokushô-zen) und des «Zen des Sehens auf das Kôan» (Kanna-zen) wurden trotz ihrer Unterschiede und Gegensätze von ihren Vertretern als echte Formen des Zen-Buddhismus betrachtet. Die zeitgenössischen Quellen bezeugen freundliche, menschliche Beziehungen zwischen Hung-chih und Ta-hui. Als Hung-chih im Tempelkloster des T ’ ien-t ’ ung-Berges, das durch sein rastloses Bemühen zu einem wichtigen Zentrum buddhistischen Mönchtums erstarkt war, starb, eilte Ta-hui unverzüglich zur Begräbnisfeier des verdienten Partners herbei, der bestimmt nicht gezaudert hätte, ihm den gleichen Dienst zu erweisen. In den beiden durch Hung-chih und Ta-hui repräsentierten Richtungen stellen sich die zwei Hauptströme der Zen-Bewegung dar, die von China nach Japan überpflanzt wurden. Ein Brückenschlag führt von Ta-hui, Hui-k ’ ai, Kaofeng zur japanischen Rinzai-Schule, in der ein halbes Jahrtausend später Hakuin (1685 - 1768), von der Lehre vom großen Zweifel und der großen Erleuchtung ergriffen, der Kôan-Übung die endgültige Form gab. Der andere Brückenschlag führt von Hung-chih zu Dôgen (1200 - 1253), der bei seinem Meister T ’ ien-t ’ ung Ju-ching (1163 - 1228) zur großen Erfahrung erwachte, während er in eifrigem Studium die Grundlagen für seinen hochwertigen Zen-Weg legte. Ansätze zur Pluralität finden sich innerhalb der Zen-Bewegung irgendwie zu jeder Zeit, manchmal in charakterlichen Eigenschaften führender Männer begründet, öfters auch durch Gruppentendenzen und Umwelteinflüsse gefördert. Ein erstaunlicher Reichtum nuancierter Übungsweisen und Erfahrungen entwickelte sich während der Jahrhunderte. Die Entwicklung geht weiter, ist in unseren Tagen besonders produktiv und in ihren Folgen unabsehbar. Markant ragen in der Geschichte des Zen-Buddhismus Rinzai-Zen und Sôtô-Zen heraus, verkörpert in den zwei großen Gestalten von Lin-chi und Dôgen. Viele Fortentwicklungen und Neugestaltungen nähern sich mehr oder weniger einer dieser zwei wichtigsten Ausprägungen des Zen. Der Unterschied bestand in der Wurzel schon früh in China, im japanischen Zen-Buddhismus ist er greifbarer und farbiger. 266 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China IX Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft Die «Fünf Berge» und «Zehn Tempel» Der Zen-Buddhismus erreichte in China während der Perioden der nördlichen und südlichen Dynastien Sung (960 - 1126 und 1127 - 1279) seine höchste kulturelle Entfaltung. Die Zen-Klöster breiteten sich über das Land aus, beherbergten zahlreiche Mönche und zogen Gäste an. Das religiöse Streben war, wie wir sahen, vor allem durch den Ausbau der Kôan-Übung charakterisiert. Die Klöster erfreuten sich wegen ihres religiösen Einflusses im Volk und wegen ihrer kulturellen Bedeutung der Gunst des Hofes und der regierenden Oberschicht. Der chinesische Buddhismus unterhielt schon in seinen frühen Phasen Beziehungen zu Hofkreisen. Von der Zeit der Sechs Dynastien (265 - 580) an über die kurze Periode Sui (581 - 618) bis zur Mitte der T ’ ang-Zeit (618 - 907) entfalteten die Schulen von Tendai, Sanron, Kegon, aber auch der esoterische Buddhismus und die Amitâbha-Frömmigkeit unter Schutz und Kontrolle der politischen Macht großzügige Wirksamkeiten, die durch die Unruhen der Rebellion des An Lu-shan geschwächt und fast ein Jahrhundert später durch die große Verfolgung des Buddhismus (845) zerstört wurden. In der frühen Zen- Geschichte ist nur gelegentlich, z. B. im Zusammenhang mit dem Streit zwischen der Südschule und der Nordschule, von Verbindungen einzelner Zen-Mönche und ihrer Klöster zum Hofe die Rede. Das Zen der Patriarchen kam ohne solche Hilfe aus, die ruhmreichen Meister der zweiten Hälfte der T ’ ang-Zeit vermochten aus eigener Kraft eine echte Zen-Bewegung ins Leben zu rufen. Mit Beginn der Sung-Zeit änderte sich die Situation der Zen-Bewegung. Bei der zunehmenden Zahl der Klöster und Mönche bedeutete die Gunst des Hofes eine erwünschte Hilfe 1 . Schon während der Periode der nördlichen Sung- Dynastie verschafften organisatorische Regelungen einigen Tempelklöstern in der Residenz und in wichtigen Städten eine bevorzugte Stellung. Um die Zentren gruppierten sich Landtempel. Beim Zusammenbruch der nördlichen Sung- Dynastie verlegten Ta-hui und sein Meister Yüan-wu ihren Wohnsitz aus Klöstern in Nordchina in den Süden. Um diese Zeit hält Ta-hui, die führende Persönlichkeit im Zen-Buddhismus während der Periode der südlichen Sung- Dynastie, eine mächtige Position am Kaiserhof. Damals erlangte das Zen durch eine in der Geschichte des Buddhismus einmalige Anordnung, nämlich durch die gesetzlich verfügte Einrichtung der sogenannten «Fünf Berge» und «Zehn Tempel» (jap. gozan jissetsu), eine privilegierte Stellung, die um den Preis staatlicher Kontrolle ein hohes Maß von Sicherheit schenkte 2 . Yanagida zitiert einen Mönch aus der Ming-Zeit, der die Entwicklung folgendermaßen schildert: Für solche, die Zen zu lernen wünschten, gab es in der Frühphase, zur Zeit der Dynastien Sui und T ’ ang, keine besonders bestimmten Übungsstätten; sie liehen zum Wohnen einen Teil eines Vinaya-Klosters. Während der Periode der nördlichen Sung- Dynastie entstanden recht üppige Bauten von Zen-Klöstern, aber um diese Zeit gab es noch keine Rangstufungen, nur die Klöster der Hauptstädte waren an die Spitze gestellt. Während der Periode der südlichen Sung-Dynastie wurde in Südchina das System der fünf Berge und zehn Tempel eingerichtet und die Rangordnung bestimmt. 3 Die ausgezeichneten Tempelanwesen, denen kleinere Klöster angegliedert waren, gehören alle der Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai-Schule an. Die Klassifizierung und Rangbestimmung der Tempel gewährte manche Vorteile, zeitigte indes besonders in Anbetracht der großen Zahl der Mönche auch unerfreuliche Folgen. Die starke Institutionalisierung musste dem Zen-Geist schaden. Wie die Sung-Periode als ganze eine Zeit des Verfalls ist, so ging es auch, was die Qualität angeht, mit der Zen-Bewegung bergab. Doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die kulturelle Leistung der Sung-Zeit zu den höchsten in der chinesischen Geschichte rechnet. Zu dieser Leistung hat das Zen im Austausch mit den Zeitströmungen beigetragen. Neukonfuzianer und Zen-Buddhisten Das in der Religionsgeschichte herausragende, faszinierende Ereignis der Rezeption des Buddhismus in China wurde, wie wir sahen, durch eine erstaunliche Konvergenz der chinesischen Geistigkeit mit der aus Indien eingeführten neuen Religion erleichtert, wenn nicht gar überhaupt erst möglich. Bei der Begegnung der zwei uralten, in ihrer Ausrichtung grundverschiedenen Traditionen half eine verborgene Verwandtschaft zu verhältnismäßig rascher Aufnahme des buddhistischen Gedankengutes in den geistigen Kosmos der Chinesen. Nicht alle buddhistischen Elemente konnten in gleicher Weise einverleibt werden. Es stellte sich heraus, dass die Mahâyâna-Form des Buddhismus dem chinesischen Denken und Fühlen erheblich näher kommt als das komplizierte, viel verzweigte «Kleine Fahrzeug» (Hînayâna). Der jahrhundertelange Einpflanzungsprozess brachte für die buddhistische Religion naturgemäß tiefreichende Veränderungen mit sich. Die ersten Generationen der Buddha-gläubigen Landeskinder bewerkstelligten die fortschreitende Sinisierung des Buddhismus, die in den großen chinesischen Schulen des Mahâyâna zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert zur Vollendung kam. Für eine begrenzte Zeitspanne hatte der Buddhismus die Führung im chinesischen 268 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Geistesleben inne. Dieser Glanz erlosch vor Ende der T ’ ang-Zeit. Während der Sung-Periode ereignete sich eine zweite wichtige Begegnung zwischen der chinesischen Tradition und dem Buddhismus. Bot bei der ersten Aufnahme buddhistischer Vorstellungen und Werte von chinesischer Seite vorzüglich die Weisheitslehre des Lao-tzu eine Eingangsmöglichkeit, so ist das einheimische Geistesgut während der Sung-Zeit durch die neukonfuzianische Philosophie repräsentiert. Es mag verwundern, dass eine fruchtbare Begegnung zwischen zwei so völlig andersartigen Geistesrichtungen wie Konfuzianismus und Buddhismus zustande kam. Diese beiden Geistesströme gehören, so scheint es, zwei verschiedenen Welten an. Der fundamentale Gegensatz wurde von China- Forschern wahrgenommen und oft geschildert 4 . Wenn dennoch während der Sung-Zeit echte Begegnung, die ohne ein positives Moment unmöglich ist, stattfand, so lässt sich der bemerkenswerte Vorgang nur erklären, wenn zwei grundlegende Veränderungen bedacht werden, die im Verlauf der Jahrhunderte eine neue Situation zwischen Konfuzianismus und Buddhismus in China heraufführten. Der Buddhismus fand, wie schon gesagt, während der Anfangsphase seiner Einpflanzung im Reich der Mitte vornehmlich bei den Jüngern des Tao Verständnis und Sympathie. Die Konfuzianer standen der ausländischen Religion durchweg ablehnend, wenn nicht sogar feindselig gegenüber, sie waren davon überzeugt, dass die fremde Religion nicht zum chinesischen Wesen passt. Doch kann der Buddhismus der Sung-Zeit eine in China fremde Religion genannt werden? Hatte die jahrhundertelange Sinisierung nicht einen neu geprägten, chinesischen Buddhismus hervorgebracht? Die Zen-Schulen des Mahâyâna stellen, wie wir im Vorigen öfters vermerkt und verdeutlicht haben, die am gründlichsten sinisierte Form des Buddhismus dar. Die geistige Verwurzelung in den großen Mahâyâna-Sutren förderte nicht wenig den chinesischen Charakter des Zen, das engstens mit der Metaphysik der typisch chinesischen Kegon- (chin. Hua-yen-)Schule verknüpft ist. Im Kegon erreichte die Sinisierung der Mahâyâna-Doktrin den Höhepunkt. Die Zen-Buddhisten, mit denen die Neukonfuzianer in Berührung kamen, waren in ihrem Denken und Fühlen echte Chinesen, vom Geist der Kegon-Philosophie durchtränkte chinesische Buddhisten, sehr verschieden von den Buddha-Jüngern des Pâli- Kanon. Die zweite Veränderung, die Beachtung verdient, betrifft das geistige Klima Chinas. Wie der Buddhismus im Reich der Mitte einen Wandlungsprozess erfuhr, so zeigten sich im traditionsbewussten chinesischen Denken neue Bedürfnisse, die zum Teil vom buddhistischen Einstrom hervorgerufen oder zumindest gefördert wurden. Diese nicht mit Unrecht metaphysisch genannten Bedürfnisse hatte der Konfuzianismus bislang in keiner Weise berücksichtigt. Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 269 Von der triumphalen Entfaltung des Mahâyâna-Denkens angeregt, gewann die Neigung zur Metaphysik innerhalb des Konfuzianismus an Boden. Konfuzianer der T ’ ang-Zeit, insbesondere Han Yü (768 - 824) und Li Ao (gest. 844) gelten als Vorläufer des Neukonfuzianismus 5 . Beide sind entsprechend ihrer konfuzianischen Bindung Gegner des Buddhismus, aber Han Yü lobt buddhistische Freunde und gibt unter den Klassikern dem Meng-tzu wegen seiner mystischen Tendenz den Vorzug. Li Ao befasst sich ernsthaft mit anthropologischen Fragen und kommt bei der philosophischen Erklärung des Verhältnisses zwischen der Natur des Menschen und seinen Gefühlen zu Einsichten, die «eine unverkennbare buddhistische Färbung» verraten. Im Abschnitt über diesen Philosophen weist Fung Yu-lan nachdrücklich auf den buddhistischen Einfluss hin 6 . Wenn Li Ao klagt, dass seine Zeitgenossen im Gelehrtenstand «alle in den Taoismus oder Buddhismus eintauchen», so liegt der Grund dafür in den metaphysischen Fragestellungen dieser Lehren. Die vitalen metaphysischen Fragen, zu denen auch die mit «brennendem Interesse» gestellte Frage nach der Erlangung der Buddhaschaft gehört, können nach der Überzeugung Li Aos und seiner Schule vom Konfuzianismus befriedigend beantwortet werden. Fung Yu-lan interpretiert dieses Bestreben pointiert, wenn er schreibt: «Ihr (der Neukonfuzianer) Ziel war es, die Menschen dahin zu führen, einer konfuzianischen Übungsweise zu folgen, die aus ihnen ‹ konfuzianische Buddhas › machen würde 7 .» Die metaphysische Ausrichtung des Neukonfuzianismus während der Sung- Periode ist ohne buddhistischen Einfluss ebenso undenkbar wie der Erleuchtungsweg des Zen ohne den metaphysischen Grund der Mahâyâna-Sutren. Wenn die Vorläufer der neukonfuzianischen Philosophie durch die zeitgenössischen Mahâyâna-Systeme buddhistisch beeinflusst wurden, so ist während der Sung-Periode auf buddhistischer Seite die Zen-Bewegung der maßgebende Partner. Die bedeutenden neukonfuzianischen Philosophen der Sung-Zeit hatten alle während ihres Lebens irgendwann mehr oder minder starke Beziehungen zu Zen-Buddhisten. Die besondere Richtung, die während der Sung-Zeit bei den Konfuzianern hoch kam, heißt im Westen «Neukonfuzianismus», in der chinesischen Tradition wird sie «Schule des Studiums des Tao» genannt 8 . Während die westliche Bezeichnung den Zusammenhang mit Meister Kung und dem altchinesischen Konfuzianismus hervorhebt, kennzeichnet der traditionelle Name die Einbettung in den Gesamtstrom der chinesischen Geistesbewegung durch die Jahrhunderte. Die Anstöße aus Taoismus und Buddhismus leisteten wesentliche Beiträge. «Der Neukonfuzianismus begann durch die Verbindung von Konfuzianismus und Buddhismus» 9 , schreibt Fung Yu-lan. Die Beziehung der neuen Geistesströmung zum Buddhismus steht außer Frage, auch lassen sich viele 270 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Einzelfäden aufweisen, die die Philosophen mit Zen-Buddhisten und deren Ideen verbinden. Wir wenden uns den Männern zu, die als die «fünf Philosophen» der Sung- Zeit bekannt sind: Chou Tun-yi (1017 - 1073), Chang Tsai (1020 - 1077), Ch ’ eng Hao (1032 - 1085), Ch ’ eng Yi (1033 - 1108), Chu Hsi (1130 - 1200) 10 . Die Reihe beginnt mit Chou Tun-yi, der als Gründer der neuen konfuzianischen Philosophie der Sung-Zeit bezeichnet worden ist 11 . Seine Philosophie nimmt ihren Ausgangspunkt im uralten «Buch der Wandlungen», sein Diagramm vom «Letzten Unbedingten» beruht auf taoistischen Vorlagen 12 . Der buddhistische Einfluss ist bei ihm deutlich erkennbar. Seinen metaphysischen Geschmack konnte er im Umgang mit Zen-Buddhisten nähren. Fünf Namen von Zen- Meistern, mit denen er Bekanntschaft pflegte, werden genannt 13 . Er war «ein großer Bewunderer des Buddhismus» 14 . Der jüngere Ch ’ eng nennt ihn einen «armen Zen-Gast» 15 . Seine ungewöhnliche Naturliebe bezeugt eine Anekdote, die erzählt, er habe sich geweigert, das Gras vor seinem Fenster schneiden zu lassen, weil er sich allem Lebendigen verwandt fühlte 16 . Chang Tsai, ein Verwandter der Brüder Ch ’ eng, studierte, wie seine Biographen berichten, mehrere Jahre lang Buddhismus und Taoismus. Wir dürfen annehmen, dass er auch Zen-Buddhisten kennen lernte, wenn sich auch kein Beleg dafür findet. Seine bewegte Klage «über die unheimliche Anziehungskraft der buddhistischen Theorien» lässt auf konkrete Erfahrungen in der Umgebung schließen 17 . Die akute Gefahr kam wohl von der ringsum blühenden Zen- Bewegung. Chang Tsai bekämpfte heftig die buddhistische Lehre, die er in einem pessimistisch-nihilistischen Sinn verstand. «Die von Nirvâ ṇ a sprechen», schreibt er mit Bezug auf die Buddhisten, «meinen damit ein Herausgehen (aus dem Universum), das zu keiner Rückkehr führt 18 .» Er wehrt sich gegen eine solche Zerstörung des Willens zum Leben, getreu der konfuzianischen Devise, der er sich verpflichtet weiß: «Im Leben werde ich unentwegt dienen, und wenn der Tod kommt, bin ich im Frieden 19 .» Sein harter Stand gegen den Buddhismus dürfte einen Einfluss auf die Brüder Ch ’ eng ausgeübt haben. Der ältere Ch ’ eng Hao, mit seinem posthumen Titel Ming-tao 20 , kam während seiner Studienjahre zur wahrscheinlich größten Annäherung an den Zen- Buddhismus, die von einem Neukonfuzianer erreicht wurde. Von seinem Vater wurde er im Alter von 15 oder 16 Jahren zusammen mit seinem jüngeren Bruder in die Schule des Chou Tun-yi gegeben und empfing von dem bedeutenden Gelehrten einen tiefen Eindruck, der ihn für sein Leben prägte, aber seiner Aufnahmefähigkeit für das Zen keinen Abbruch tat. Von religiöser Natur und mit intuitiven Kräften begabt, fand er bei den Jüngern des Zen-Weges vieles, was ihn anzog. Berührungen mit dem Zen wurden sowohl nach der wissenschaftlichen als mehr noch nach der menschlichen Seite hin für sein Leben wichtig. Wir Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 271 wissen dokumentarisch sicher, dass er ungefähr zehn Jahre lang Buddhismus und Taoismus studierte. Zum Studienobjekt gehörten die Mahâyâna-Sutren, namentlich erwähnt sind das Avataṃsaka- (Kegon-)Sûtra und das Nirvâṇa- (Nehan-)Sûtra. Das Zen hatte ebenfalls einen Platz in seinem Studium. Leider wissen wir nicht die Namen seiner Lehrer. Vermutungen bieten sich an, denn in jenen Tagen fehlte es zumal im Zen-Buddhismus nicht an tüchtigen Männern. Einige Schüler Ch ’ eng Haos wandten sich später dem Zen-Buddhismus zu. Erwähnung verdienen Berührungen Ch ’ eng Haos mit dem Zen von persönlicher Art. Beim Tod seiner Mutter wohnte er einer Trauerzeremonie für die Verstorbene in einem Zen-Tempel bei und empfing einen nachhaltigen Eindruck von dem würdigen Ernst der religiösen Zen-Haltung. Öfters besuchte er Zen- Tempel, und es ist anzunehmen, obgleich nicht mit Sicherheit bezeugt, dass er auch an Meditationsübungen teilnahm. Ein großes Gespräch über das Tao, das die zwei Brüder Ch ’ eng zusammen mit ihrem Onkel Chang Tsai mehrere Tage lang in einem Tempelkloster führten, bestärkte die Teilnehmer im Festhalten an ihren konfuzianischen Lehren 21 . Im philosophischen Werk, das unter dem Namen der zwei Brüder Ch ’ eng geht, «hält es schwer, die Lehrunterschiede der beiden klar herauszustellen» 22 . «Sie stimmten wesentlich in ihren Philosophien überein», besonders bezüglich des Prinzips li. «Es war die eigene Idee der Brüder Ch ’ eng, das Prinzip zum Zentralpunkt ihrer Philosophien zu machen 23 .» «Der Weise bringt sich in Übereinstimmung mit dem Prinzip» 24 , dieses Wort Ch ’ eng Haos trifft genau die Überzeugung seines jüngeren Bruders. Dennoch darf man annehmen, dass es Unterschiede zwischen den beiden Brüdern gab, wenn auch von untergeordneter Bedeutung. Wing-tsit Chan bemerkt eine verschiedene Akzentuierung bezüglich des Prinzips. Während Ch ’ eng Yi hervorhob, dass das eine Prinzip sich in vielfacher Weise manifestiere, betonte Ch ’ eng Hao «stärker die Idee des Hervorbringens und Wiederhervorbringens als Hauptmerkmal des Universums . . . Er sah den Geist des Lebens in allen Dingen 25 .» In diesem Zusammenhang verdeutlicht Wing-tsit Chan die Nähe Ch ’ eng Haos zum Buddhismus: «Wie die Buddhisten betonte er (Ch ’ eng Hao) fast ausschließlich den Geist. Für ihn waren ‹ Prinzip und Geist eines › 26 .» Nach der Ansicht des Ch ’ eng Hao muss jede Gegenüberstellung von Innerem und Äußerem vergessen werden. Diese Methode, die alle Zweiheit überwindet, tendierte, so meint Wing-tsit Chan, zum Quietismus. Man könne darüber streiten, ob dieser Einfluss von Chou Tun-yi oder von den Zen-Buddhisten herrühre. Dann fährt er fort: «Doch dürfen wir nicht vergessen, dass er (Ch ’ eng Hao) Chou Tun-yis Lehre von der Ruhe für unausgeglichen hielt und durch die vom Ernst ersetzte. Zudem ist für ihn das Universum ein großer Strom des Hervorbringens. Was immer an Quietismus sich in ihm findet, ist nicht buddhistische Leere und Schweigen, sondern ein vitaler, wenn auch milder 272 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China und ruhiger Prozess 27 .» Diese Sätze sind aufschlussreich im Lichte der heftigen, wiederholten Auseinandersetzungen über quietistische oder dynamische Meditationsweise innerhalb des Zen-Buddhismus, über die wir im Vorigen mehrmals berichtet haben. Die buddhistische Färbung der Auffassung vom Universum als einem einzigen Werdestrom ist unübersehbar. Für die Zen-Buddhisten der Rinzai-Schule, die mutmaßlichen Gesprächspartner des Ch ’ eng Hao, ist die «Leere» identisch mit dem vitalen und dynamischen Werdestrom der Wirklichkeit. Auf Ch ’ eng Hao geht, wie Fung Yu-lan dartut, im Neukonfuzianismus die sogenannte «Schule des Studiums des Geistes» zurück, deren eigentlicher Begründer Lu Chiu-yüan (1139 - 1193) seine philosophischen Ansichten in der Auseinandersetzung mit Chu Hsi entwickelte 28 . Ch ’ eng Hao bereitete dieser Schule, die auch die idealistische genannt wird, durch seine Hinneigung zur intuitiven Erkenntnis den Weg. Dagegen hat die von Chu Hsi ausgeformte, rational oder rationalistisch genannte Schule ihren Vorläufer im jüngeren Ch ’ eng Yi, der wie der gesamte Neukonfuzianismus insofern vom Buddhismus beeinflusst ist, als er auf letzte, metaphysische Wahrheit abzielte. Von seinem Bruder in Charakter und Denkstil grundverschieden, verfolgte er, getreu den konfuzianischen Grundsätzen, ein ethisches Ideal. Um logische Klarheit bemüht, liebte er exakte Analyse. Seinen Schülern war er ein fordernder, Respekt einflößender Lehrer, musste aber zu seinem Schmerz erfahren, «dass so gut wie alle seine Schüler wenigstens zeitweise dem Zauber der fremden Lehre verfielen» 29 . In jungen Jahren hatte Ch ’ eng Yi bei seinem ersten Lehrer Chou Tun-yi und wahrscheinlich auch zusammen mit seinem älteren Bruder bei Buddhisten und Taoisten eine gute Kenntnis der verschiedenen Lehransichten erworben. In seinen Schriften bekämpft er Buddhismus und Taoismus. Wohl vermag er im Buddhismus einen Wert zu erkennen, aber sein Urteil ist letztlich negativ, wenn er schreibt: «Zwar kann man nicht sagen, die Lehren des Buddhismus entbehrten der Weisheit, denn sie sind weit in den Bereich des Hohen und Tiefen eingedrungen. Doch verfallen sie bei endgültiger Analyse in ein Schema von selbstsüchtigem Egozentrismus. Warum sage ich so? Wo im Universum Leben ist, gibt es Tod, wo Freude ist, gibt es Schmerz. Aber wo immer Buddhismus ist, müssen wir auf Unlogisches gefasst sein. In seinem Sprechen vom Entrinnen von Leben und Tod und vom Erlangen des Aufhörens des Leidens kehrt er sich schließlich zum Egozentrismus 30 .» Ch ’ eng Yi pflegte, wenn wir den Nachrichten aus buddhistischen Quellen Glauben schenken dürfen, in seinen Spätjahren schriftlichen und persönlichen Umgang mit Zen-Buddhisten, besonders mit dem berühmten Meister Hui-t ’ ang Tsu-hsin (1025 - 1100) aus der Huang-lung-Linie der Rinzai-Schule und dessen Dharma-Erben Ling-yüan (gest. 1117) 31 . Unter diesen Meistern soll er sich auch Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 273 der Zen-Übung gewidmet haben. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass er Meditation in dem von der Haltung des zazen (chin. tso-ch ’ an) etwas verschiedenen seiza-Sitz (chin. ching-tso) praktiziert habe. Wir finden diese Meditationsart auch bei anderen Neukonfuzianern, nicht zuletzt bei Chu Hsi 32 . Einige Jahrzehnte liegen zwischen dem Tod des jüngeren Ch ’ eng und der Wirksamkeit des Vollenders der neukonfuzianischen Philosophie Chu Hsi. Die Zeitspanne wird überbrückt durch Jünger der Brüder Ch ’ eng, bekannt als «Schule der Ch ’ eng». Von den zahlreichen Schülern des Ch ’ eng Yi werden vier besonders genannt, drei dieser Hauptjünger befassten sich nach einer Angabe Chu Hsis ausdrücklich mit dem Studium des Zen-Buddhismus 33 . Diese drei wichtigen Vertreter der Ch ’ eng-Schule, nämlich Hsieh Liang-tso (1050 - 1103), Yang Shih (1053 - 1135) und Yu Tso (1053 - 1123) leisteten keinen besonderen Beitrag zur Fortentwicklung der neukonfuzianischen Philosophie, aber lassen die Art der Beziehungen zwischen Neukonfuzianismus und Zen-Buddhismus in jenen Tagen deutlich erkennen. Hsieh Liang-tso lernte bei beiden Brüdern Ch ’ eng, der ältere Ch ’ eng mahnte ihn zur Meditation. Mit den Zen-Meistern, die schon Ch ’ eng Yi kannte, besonders mit Hui-t ’ ang Tsu-hsin, kam er tief ins Gespräch. Yang Shih, ein Mann von starkem, zuverlässigem Charakter, verdiente das Lob des Chu Hsi 34 . Er unterhielt enge Beziehungen zu dem Zen-Meister Tung-lin Ch ’ ang-tsung (1025 - 1091), mit dem er gerne über die beiden ihm am Herzen liegenden Themen Natur und Geist sprach. Er schätzte die Lehre des Meng-tzu vom ursprünglichen Gutsein der menschlichen Natur, eine Überzeugung, in der Neukonfuzianer und Zen-Buddhisten durchwegs übereinstimmten. Yu Tso verdankte seine philosophische Schulung vorwiegend dem jüngeren Ch ’ eng. Dem Studium des Zen-Buddhismus oblag er in den Spätjahren seines Lebens. Einer Nachricht zufolge verkehrte er mit dem Zen-Meister K ’ ai-fu Tao-ning (1053 - 1113), einem Jünger des berühmten Wu-tsu Fa-yen aus der Yang-ch ’ i- Linie. Die Ch ’ eng-Schule schuf durch ihre Vorliebe für Meditation und ihre Pflege menschlicher Kontakte ein Klima der Annäherung zwischen den zwei führenden geistigen Bewegungen der Epoche. Diese Neukonfuzianer suchten in einer Kehre nach Innen Natur und Geist zu erfassen, lasen buddhistische Schriften und fanden im Umgang mit Zen-Meistern eine Bereicherung. Doch vertraten sie durchaus die philosophischen Konzeptionen des Neukonfuzianismus, wie sie die zwei Brüder Ch ’ eng klar gelegt hatten, und übten Kritik am Buddhismus 35 . Mit Chu Hsi kam die Philosophie der Sung-Periode zu ihrer Vollendung. Ein systematischer Denker und hervorragender Kenner der Klassiker, nahm er die Anregungen der vier von ihm anerkannten authentischen konfuzianischen Philosophen des 11. Jahrhunderts auf und schuf auf dieser Grundlage die jahrhundertelang maßgebende konfuzianische Lehre, die als Norm bei den 274 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China offiziellen staatlichen Examina diente 36 . Er ist «ein zweiter Konfuzius» genannt worden 37 , weil er das geistige Erbe Chinas sich nicht nur voll aneignete, sondern in Fortführung der schöpferischen Impulse der frühen Phase des Neukonfuzianismus zur gültigen Synthese brachte. Geistig wurzelt er in der Ch ’ eng-Schule; die vom Buddhismus, speziell vom Zen-Buddhismus geschwängerte Atmosphäre der Sung-Zeit ist auch in seinem Werdegang spürbar. Während seiner Kindheit schon soll Chu Hsi einem Zen-Meister - und zwar einer so zentralen Persönlichkeit wie Yüan-wu K ’ o-ch ’ in - begegnet sein, der ihn in der chinesischen Lehre unterwiesen habe 38 . Die Nachricht ist wenig glaubwürdig. Doch wissen wir, dass Chu Hsi in jungen Jahren eifrig Buddhismus studierte, buddhistische Schriften las und sich eine gut fundierte Kenntnis der Mahâyâna-Lehren erwarb. Wahrscheinlich wirkten bei diesem Studium während einer Zeit von ungefähr zehn Jahren dem Buddhismus geneigte Lehrer 39 , eigene Lektüre und der Umgang mit Zen-Buddhisten zusammen. Unter den Zen-Buddhisten ist Ta-huis Dharma-Erbe K ’ ai-hsi Tao-ch ’ ien wichtig. Chu Hsis Beziehung zu diesem Meister ist gut bezeugt 40 . Ob er auch den berühmteren Tahui Tsung-kao persönlich gekannt hat, ist unsicher 41 . Jedenfalls konnte er durch den Jünger den Zen-Stil Ta-huis kennen lernen. Möglicherweise praktizierte er unter Tao-ch ’ iens Führung die Zen-Meditation und erlangte dabei eine Erfahrung 42 . Eine scharfe Wende in der geistigen Entwicklung Chu Hsis brachte sein Eintritt in die Schule des Li T ’ ung (auch Li Yen-p ’ ing, 1088 - 1158) 43 , eines Studiengefährten seines damals schon verstorbenen Vaters. Li T ’ ung, durch seinen Lehrer Lo Ts ’ ung-yen (1072 - 1135) mit dem Vertreter der Ch ’ eng-Schule Yang Shih (1053 - 1135) verknüpft, war durch und durch Konfuzianer und bewirkte bei seinem ihm von Herzen ergebenen Schüler Chu Hsi die Abwendung vom Buddhistischen und rückhaltlose Hinkehr zum Konfuzianismus. In Li T ’ ungs wissenschaftlichem und persönlichem Stil finden sich Elemente, die man «zen-artig» nennen mag. Er meditierte eifrig im seiza-Sitz und bemühte sich um die Läuterung seines Geistes. Diese Haltung gab er seinem Schüler Chu Hsi mit auf den Weg. Die Neigung des großen Philosophen zur Meditation ist bekannt, und «zen-artige» Verhaltensweisen blieben in seinem Leben auch in späteren Jahren, während er mit scharfem Geist mächtig Buddhismus und Zen-Buddhismus bekämpfte. Chu Hsi liebte zeit seines Lebens die Stille der Meditation und eine der mönchischen ähnliche, einfache Lebensweise 44 . Chu Hsi hat in seinem wissenschaftlichen Lebenswerk den Buddhismus unentwegt und wirksam bekämpft. Er kannte die Buddha-Religion, wie wir sahen, nicht bloß aus Büchern, sondern auch aus persönlichen Kontakten, vor allem mit Zen-Buddhisten aus dem Kreis des Ta-hui. Dass er eine persönliche Feindseligkeit gegenüber Buddhisten hegte, ist nicht anzunehmen. Wir wissen, dass er von den großen Zen-Meistern der T ’ ang-Zeit, z. B. von Lin-chi, mit Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 275 Hochachtung sprach. Bezeichnend ist sein Resümee des Verlaufs der Geschichte des Buddhismus in China: Der Buddhismus wurde eingeführt während der Regierung des Kaisers Ming aus der Han-Dynastie, Prinz Ying von Ch ’ u widmete sich ihm, aber sein Verständnis war mangelhaft. Während der Zeit von Chin und (im Süden) Sung verbreiteten sich die buddhistischen Lehren weit und breit. Die sich für die neue Religion interessierten, bedienten sich anfangs vertrauter Begriffe des Lao-tzu und Chuang-tzu. Als Bodhidharma zwischen 516 und 534 nach China kam, verschwanden, wie es scheint, die anderen Schulen. Seine Lehrmethode bestand in Konzentration auf den Geist ohne Gebrauch von Lehrbüchern. Während dieser Periode wurde Konfuzianismus nie studiert, er war vergessen. Die Oberflächlichkeit der Schule des Lao-tzu bot Bodhidharma eine große Chance für die Verbreitung seiner Lehre. Er sprach so klug, dass niemand mit ihm wetteifern konnte. Die Intelligenz war von ihm fasziniert. Ich habe viele Porträts von Patriarchen der Zen-Schule gesehen, die wirklich den Eindruck außerordentlicher Persönlichkeiten machen. 45 Aus der kurzen Bemerkung geht hervor, dass sich der Buddhismus für Chu Hsi vorzüglich in der Zen-Schule Bodhidharmas darstellte. Die großen Mahâyâna- Systeme von Tendai, Shingon, dem Reinen Land usw. erwähnt er nicht, obgleich er die entsprechenden Sutren kannte. Der Buddhismus begegnete ihm vornehmlich in der Rinzai-Schule Ta-huis 46 , die sich nach seiner Ansicht wie die Lehre Bodhidharmas auf den Geist konzentriert. An diesem Punkt setzt seine Kritik am Buddhismus ein. Die Buddhisten, so argumentiert Chu Hsi, kennen den Geist nur als Bewusstsein. Indem sie diesen Geist mit der Natur identifizieren, berauben sie diese des Wirklichkeitscharakters: Die Buddhisten schleifen und reiben diesen Geist bis auf seine feinste Essenz ab, als ob er ein Stück von etwas wäre. Nachdem sie eine Schicht der Haut abgeschält haben, schälen sie eine andere ab, bis sie so weit abgeschält haben, dass sie nicht mehr länger schälen können. Nachdem sie so weggemahlen und die innerste Essenz des Geistes erreicht haben, halten sie diese für die Natur . . . 47 Die buddhistische Lehre von der Identität von Natur und Geist, verstanden im Sinne der Theorie des «Nur-Bewusstseins», widerspricht Chu Hsis Grundauffassung von der Realität des einen Prinzips (li) in Universum und Menschennatur. «Für Chu Hsi ist der Geist die Funktion der menschlichen Natur, und die menschliche Natur ist identisch mit dem Prinzip 48 .» Das Prinzip ist konkrete Wirklichkeit. Philosophieren heißt für Chu Hsi «die Dinge erforschen» (chin. ko wu, jap. kakubutsu) 49 , nicht «den Geist ergründen» oder die Leere ausloten. Sein Realismus passt mit der buddhistischen Metaphysik der «Leere» nicht zusammen. Zwar ist die Welt des Prinzips, wie er sie sieht, «lauter, leer und weit», 276 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China «ohne bestimmten Raum und ohne Form und Körper», und er meint sogar, «die Buddhisten möchten eine gewisse Berechtigung für ihre Lehre von der ‹ Leere › haben» 50 , aber in seinem philosophischen System ist für die buddhistische Vorstellung kein Platz. Er stellt die zwei Standpunkte einander gegenüber: Jene (die Buddhisten) sind der Meinung, der Geist sei «leer» und ohne Prinzip. Diese (die Konfuzianer) sind der Ansicht, dass wenn auch der Geist selbst «leer» sein mag, alle die zehntausend verschiedenen Prinzipien in sich vollständig sind 51 . Das Li existiert als das geistige Prinzip verbunden mit dem materiellen Äther (ch ’ i) in jedem Ding; im Menschen ist es seine Natur. Es ist nicht auf den Kosmos beschränkt, sondern das Prinzip der formlosen metaphysischen Welt, es ist Vernunft und umfasst die ethischen Kräfte. Hier möchten wir ein Wort über Chu Hsis konfuzianischen Zeitgenossen, den Philosophen Lu Chiu-yüan (auch Lu Hsiang-shan, 1139 - 1193) einfügen 52 . Chu Hsi stellt ihn wegen seiner philosophischen Aussagen unmittelbar neben das Zen und bekämpft ihn ebenso hart wie den Zen-Buddhismus. Lu Chiu-yüan kam nicht durch direkte oder indirekte Zen-Beeinflussung, sondern durch sein ureigenes Erleben in eine ungewöhnlich große Nähe zur zenistischen Weltsicht. Der hoch begabte Knabe erwachte, wenn wir den biographischen Angaben Glauben schenken, schon als Kind von 3, 4 oder 5 Jahren zum Nachdenken über wesentliche Fragen der Wirklichkeit. Mit 8 Jahren las er die Gespräche des Konfuzius (chin. lun-yü, jap. rongo). Im Alter von 13 Jahren erfasste er in einer Art von Einheitsschau die Identität des Selbst mit den Dingen, der geistigen Natur des Menschen mit dem Universum 53 . Seinem Charakter entsprechend lehnte er die Denkweise des Ch ’ eng Yi ab, während er sich zum älteren Ch ’ eng hingezogen fühlte. Er gilt als Fortführer der Tendenz, die sich im Denken des Ch ’ eng Hao ankündigt, während Chu Hsi die Linie des Ch ’ eng Yi zur Vollendung brachte. Sein Philosophieren wurde während der Ming-Zeit (1368 - 1644) von Wang Yang-ming (auch Wang Shou-jen, 1472 - 1529) aufgenommen. Die beiden kontrastierenden Richtungen sind als Ch ’ eng-Chu-Schule und Lu-Wang-Schule bekannt 54 . In der Mitte des Denkens des Lu Chiu-yüan steht der Geist. Für ihn handelt es sich nicht darum, die Dinge zu erforschen, sondern den Geist zu lernen. Der Geist, einer und gleich im Menschen und im Universum, ist identisch mit dem Tao. 55 Während Chu Hsi in seinem philosophischen System die Wirklichkeit durch säuberlich unterschiedene Begriffe wie Prinzip (li), Materie (Äther) (ch ’ i), Natur (hsing), Geist (hsin) erklärt, fällt bei Lu Chiu-yüan alles im einen Geist zusammen. Solche Denkart ist, wie Chu Hsi meint, konfus. Echte Philosophie kann es nach seiner Überzeugung ohne «Prinzip» und begriffliche Verschiedenheit nicht geben. In einem bemerkenswerten Text kritisiert er seinen Zeitgenossen und dessen wichtigsten Jünger Yang Chien (1140 - 1226) zusam- Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 277 men mit Buddhisten und Zen-Buddhisten weniger durch philosophische Argumente als durch eine treffende Charakterisierung der gänzlich anderen Geisteshaltung. Er schreibt: Lu Chiu-yüan lehrt seine Schüler, sich der Meditation zu widmen, um den Geist bei sich zu bewahren. Keine Bemühung wie Lesen, Diskutieren, Forschen ist erfordert. Lus Weg ist eher einfach und direkt, deshalb fühlt sich die jüngere Generation von ihm angezogen . . . Der Geist besteht nach Lu aus Empfindungsvermögen, Empfänglichkeit und Bewusstsein . . . Wenn Geist in seiner Natur nur in Empfindlichkeit, Empfänglichkeit und Bewusstsein besteht, kann seine Funktion nicht von dem, was die Tiere zu tun vermögen, unterschieden werden . . . Dies wird von Shun «der Geist des Menschen», aber nicht «der Geist des Tao» genannt. Lu vermischt die zwei und begeht den gleichen Irrtum wie Kao-tzu (ein Philosoph, der mit Meng-tzu diskutierte), der behauptete, die Natur sei im Menschen geboren. Der Irrtum ist auch ähnlich dem der Buddhisten, die meinen, jedes Lebewesen habe teil an der Buddha-Natur, oder dem der Zen-Jünger, die glauben, Wassertragen und Holzhauen seien Teil der Meditation. Diese Verwirrung führt bei Yang Chien zur Vermischung des Geistes mit der menschlichen Natur, des Physischen mit dem Metaphysischen. Yang Chien nimmt an, dass Himmel (t ’ ien), Weg (tao) und Kraft (Tugend, te) zwar verschiedene Namen, aber die gleiche Sache seien. Dieses Vermischen oder Verwirren zeigt, dass die Schule des Lu das Erforschen der Dinge oder das Suchen nach Erkenntnis vernachlässigt. Mit anderen Worten, sie hält eine Waage ohne Gewichtzeichen oder einen Maßstab ohne Größeneinteilung. 56 Trotz der Verschiedenheit ihrer Ansichten pflegten die zwei Philosophen freundlichen Umgang miteinander. Nach einer Zusammenkunft im Tempel vom Gänse-See (1175) schrieb Lu Chiu-yüan diese Verse: Ein Kind lernt andere lieben, während es heranwächst. Der Geist wird von weisen Männern weitergegeben. Wo solch eine Grundlage ist, kann man darauf ein Haus bauen. Viel Forschen in Kommentaren führt auf den Dornenpfad. Viel Merken auf Einzelfragen und Spitzfindigkeiten lässt sich selbst verlieren . . . 57 Und: Leichtes und einfaches Werk ist am Ende dauerhaft und groß. Schwieriges und kompliziertes Tun ist am Ende zwecklos und ohne Ergebnis. 58 Chu Hsi konnte diese Verse nicht voll akzeptieren. Eine Welt liegt zwischen den beiden Männern. Das unbeschwerte Lebensgefühl des Lu Chiu-yüan ist taoistisch gefärbt und kommt dem der Zen-Jünger nahe. Oft wurde er von Konfuzianern wegen seiner Hinneigung zum Zen getadelt, ja sogar ein konfuzianisch getarnter Zen-Jünger genannt. Was hat es mit dieser Kritik auf sich? 278 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Grundlegend ist in der Philosophie des Lu Chiu-yüan seine Lehre vom Geist. Wenn Geist und Universum eines sind, wenn der Geist dem Tao gleicht und des Menschen Natur sein ursprünglicher Geist ist, so entspricht dieser Standpunkt haargenau den Aussagen der Zen-Meister, die freilich anstatt vom Tao öfters vom Buddha und von der Buddha-Natur sprechen. Das Tao ist im Zen gleich dem Buddha. Die Beeinflussung des Lu Chiu-yüan durch den Buddhismus, insbesondere den Zen-Buddhismus, liegt offen zu Tage. Doch bezieht sich Lu bezüglich des «ursprünglichen Geistes» ausdrücklich auf Meng-tzu, den er mit besonderer Vorliebe, häufiger noch als Konfuzius, zitiert. Seinem Jünger Yang Chien erklärte er auf seine Frage nach dem ursprünglichen Geist: «Dieser erkennende Geist ist dein ursprünglicher Geist.» 59 Der wesentliche Unterschied dieser Aussage vom Standpunkt des Zen-Buddhismus ist unverkennbar. Lu Chiu-yüan schätzte die intuitive innere Erfahrung. Er «befürwortete die einfache, leichte und direkte Methode der Wiedererlangung der eigenen ursprünglichen Natur» 60 . Dem entgegen steht ein Wort Chu Hsis: «Die Erkenntnis des Tao kann nicht durch plötzliche Bekehrung erlangt werden, sie wächst Schritt für Schritt vom Elementaren zum Tiefen und vom Nahen zum Entfernten 61 .» Wahrscheinlich sollte dieses Wort auch Chu Hsis Gegenpart Lu Chiuyüan treffen. Doch ist nicht sicher, dass dieser sich die Zen-Lehre von der plötzlichen Erleuchtung zu eigen machte. Er verkehrte zwar mit Zen-Buddhisten, aber wir wissen nur den Namen eines einzigen Zen-Meisters, nämlich des Fo-chao Te-kuang (1121 - 1203), eines Jüngers Ta-huis, mit dem er im vorgerückten Alter von etwa 50 Jahren kurze Zeit Umgang pflegte. Vielleicht hat dieser ihn in die Zen-Übung eingeführt 62 . Bei keinem anderen neukonfuzianischen Philosophen der Sung-Zeit findet sich eine ähnlich starke Annäherung in Lehrgehalten an den Zen-Buddhismus wie bei Lu Chiu-yüan. Zeitumstände und charakterliche Veranlagung haben ihn, wie es scheint, in diese Richtung geführt. Dennoch steht er fest in der konfuzianischen Tradition, so wie sie unter dem Einfluss metaphysischer Motive aus dem Buddhismus in jener Epoche neu gelebt wurde. Bei allem Buddhistischen und Zen-artigen, das sich bei ihm findet, ist er im Grunde doch durch und durch Konfuzianer 63 . Dies zeigt sich ganz deutlich in seiner heftigen Kritik an der buddhistischen Ethik. Wir bringen die Kernsätze eines langen Abschnittes aus seinen Werken, den Wing-tsit Chan anführt: Ich gebrauche diese zwei Worte, Rechtschaffenheit und Gewinn, um zwischen Konfuzianern und Buddhisten zu unterscheiden. Ich gebrauche auch die Termini «Gemeinsinn» und «Selbstsucht», diese meinen tatsächlich Rechtschaffenheit und Gewinn. Die Konfuzianer halten den Menschen, der in der Welt lebt, für intelligenter und edler als die zehntausend Dinge . . . Dieses ist die Grundlage, auf der konfuzianische Lehren beruhen. Deshalb nennen wir sie rechtschaffen und auf das Öffentliche bedacht. Demgegenüber halten Buddhisten den Menschen, der in der Welt lebt, für das Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 279 Glied einer Kette von Geburt und Tod, ein Rad der Wiedergeburten und Bedrängnisse, die von den Leidenschaften herrühren . . . Dies ist der Grund, auf dem die buddhistische Lehre gegründet ist. Deshalb nennen wir sie gewinnsuchend und selbstsüchtig. Wegen der Rechtschaffenheit und des Gemeinsinnes bemühen wir Konfuzianer uns darum, die Welt in Ordnung zu bringen; wegen des Verlangens nach Gewinn und der Selbstsucht ziehen sich die Buddhisten von der Welt zurück . . . Nun sind die, die dem Buddhismus folgen, Menschen. Wie können sie, da sie Menschen sind, Menschlichkeit und Rechtschaffenheit von sich werfen? Obgleich sie auf die Familie verzichten, wünschen sie doch die vier Freundlichkeiten (der Eltern, Lehrer, des Königs und der Wohltäter) zu entgelten. So bewahren sie im täglichen Leben diesen Grundsatz, der im menschlichen Geist verwurzelt ist und nicht verwischt werden kann. Doch ihre Lehren entstanden nicht, um ihn zu bewahren . . . Die Buddhisten bemitleiden Menschen, weil sie dem Rad der Wiedergeburten nicht entronnen sind, sondern sich in der Kette von Geburt und Tod fortbewegen, schwimmend und sinkend im Meer von Leben und Tod. Schwimmen und sinken konfuzianische Weise und Würdige nur in jenem Meer von Leben und Tod? Unsere Weisen und Würdigen sind frei von dem, was die Buddhisten bemitleiden . . . Vom Ursprung der Lehren her gesehen, ist die Unterscheidung zwischen Konfuzianern und Buddhisten als zwischen Rechtschaffenheit und Gemeinsinn auf der einen Seite und Selbstsucht und Gewinn auf der anderen Seite vollkommen klar, beide sind miteinander absolut unvereinbar. 64 Das Grundmotiv dieses Textes klingt durch alle konfuzianische Buddhismuskritik. Die Buddhisten, so lautet der immer wiederholte Vorwurf, nehmen eine falsche, schädliche Haltung zu dieser Welt ein. Ihre weltflüchtige Ethik kenne die sozialen Tugenden nicht und zerstöre das menschliche Gemeinschaftsleben. Dieser Übelstand wurzele in den buddhistischen Lehren, vorab in der die buddhistische Volksreligiosität beherrschenden Vorstellung vom Kreislauf der Wiedergeburten. Lu Chiu-yüan befindet sich hier im vollen Einverständnis mit Chu Hsi und der gesamten neukonfuzianischen Bewegung seiner Zeit. Übrigens haben die japanischen Konfuzianer während der Edo-Zeit (1603 - 1868) den Buddhismus mit den gleichen Argumenten bekämpft 65 . Die Begegnung der Zen-Buddhisten mit den Neukonfuzianern während der Sung-Zeit ist mehr als eine Episode, in ihr zeichnet sich die Schlussphase der lebendigen Zen-Bewegung in China ab. Die Neukonfuzianer pflegten vielfachen Umgang mit Zen-Buddhisten, sie empfanden das geistige Fluidum der vom Zen- Buddhismus geschaffenen Atmosphäre als anregend und wohltuend, aber ließen keinen wesentlichen Einfluss in den Kern ihrer Weltanschauung eindringen. Ihr energischer Einsatz für das metaphysische Denken ist Anstößen vom Buddhismus her verpflichtet, aber sie benutzten die so geweckte Energie für den Aufbau eines neuen, den Zeitbedürfnissen entsprechenden konfuzianischen Systems, das in China jahrhundertelang die Führung inne hatte. Der Buddhismus konnte sich gegen den neu etablierten Konfuzianismus nicht mehr durchsetzen, 280 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China sondern sank zur Populärreligion herab. Bei der Begegnung mit dem Konfuzianismus kamen die hohe Geistigkeit sowie die lebendige Meditationserfahrung des Zen-Buddhismus stark zur Geltung, doch zeitigten die freundlichen Beziehungen zwischen Zen-Buddhisten und Neukonfuzianern in China keine dauerhaften positiven Ergebnisse; Fortführungen der Kontakte auf japanischen Boden brachten größere Erfolge. Zen-Kunst Die Zen-Kunst hat sich erst in Japan in ihrer vollen Breite entfaltet, aber viele der während der Muromachi-Zeit (1336 - 1573) blühenden zen-buddhistischen Kunstzweige haben chinesische Wurzeln. Die in frühester Zeit von den Chinesen erfundenen Schriftzeichen boten das Material für eine hoch entwickelte Schriftkunst, die die Zen-Mönche mit großer Sorgfalt pflegten und kraft der in der Meditation erlangten geistigen Konzentration zu hoher Vollkommenheit emporbildeten. Die Kalligraphie ist eine der ursprünglichsten chinesischen Künste, sie zeitigte auch in Japan hervorragende Leistungen. Während der Sung-Periode erreichte die Tuschmalerei in China einen in der Kunstgeschichte vermerkten Gipfel, dem japanische Nachfolger nachgestrebt, den sie aber nicht übertroffen haben 66 . Das Tuschbild verdankt ebenso wenig wie die Landschaftsmalerei seine Entstehung dem Zen-Buddhismus. Als die Zen- Buddhisten während der Sung-Zeit Eingang in die höheren Schichten der chinesischen Gesellschaft erlangten, am Hof verkehrten und mit bedeutenden Künstlern der Epoche Umgang pflegten, empfahl sich den Zen-Malern das Tuschbild sowohl durch seine technische Qualität als auch durch eine innere Verwandtschaft des künstlerischen Ausdruckes. Dietrich Seckel hat die wesentliche Beziehung zwischen Zen und Tuschmalerei in zwei Merkworte gefasst, das zen-buddhistische Tuschbild ist «Dokument geistlicher Tradition» und «Zeugnis gewonnener Schau und Einsicht» 67 . Die Zen-Maler konnten die Tradition, der sie ihre die phänomenale Welt durchdringende und diese übersteigende Erfahrung verdankten, mit Pinsel und Tusche zur Anschauung bringen, sie taten es in zahllosen Bildern, die Einzelszenen aus der Zen-Geschichte, anekdotenhafte Vorgänge und anspornende Beispiele erzählen, eindringlicher noch, indem sie große Gestalten, Patriarchen und Meister ihrer Schule in lebensnahen Porträts darstellten, wozu sie ihre persönliche Erfahrung befähigte. Aus ihrer Erfahrung wussten sie um die Kostbarkeit und Tiefe ihrer Tradition. Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 281 Nicht alle Tuschbilder der Sung-Zeit sind zen-buddhistisch, noch auch stammen alle zen-buddhistischen Tuschbilder von Zen-Mönchen. Wir rechnen zur zen-buddhistischen Tuschmalerei außer den Werken der Zen-Mönche auch Bilder, deren Urheber dem Zen nahestanden und sich vom Zen-Geist inspirieren ließen. Thomas Hoover nennt drei deutlich unterschiedene Themen der chinesischen Zen-Malerei: 1) die «Zen-in-Aktion-Bilder» (jap. zen-kiga), die Parabeln, Situationen, Augenblicke aus der Zen-Geschichte wiedergeben, 2) Porträtmalerei und 3) Landschaftsdarstellungen 68 . Eines der ältesten bekannten zen-buddhistischen Tuschbilder gehört zu der ersten Gruppe 69 . Es zeigt den zweiten Zen-Patriarchen Hui-k ’ o nicht als Porträt in verehrungswürdiger Haltung, sondern «wie er den Geist in Ordnung bringt», also einen typischen Vorgang aus dem Zen-Leben. Der Künstler namens Shih K ’ o wirkte gegen Ende der Periode der Fünf Dynastien oder zu Anfang der Sung- Zeit. Er lehnte, wie sein Biograph erzählt, eine ihm angebotene Stellung an der offiziellen Malerakademie ab, weil er ein freies, ungebundenes Leben vorzog. Man darf schließen, dass er nicht nur ein Zen-Thema zum Gegenstand seines Bildes wählte, sondern auch vom Zen-Geist beseelt war. Liang K ’ ai (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts), ein Mitglied der offiziellen Malerakademie, gehörte dem Zen-Kreis an. Er und der Zen-Mönch Mu-ch ’ i (gegen Ende der Epoche) gelten als die hervorragendsten Zen-Maler der Sung- Periode. Seine Werke wurden besonders in Japan hoch geschätzt. Das Tuschbild «Shâkyamunis Rückkehr aus den Bergen», eine der frühesten Darstellungen dieses beliebten Themas, ausgezeichnet durch «die überragende Meisterschaft seiner Komposition, in der es keine schwache Stelle gibt, deren durchgehende Asymmetrie in einem verborgenen, um die Achse der Gestalt kreisenden Gleichgewicht ruht» 70 , kann zu den «Zen-in-Aktion-Bildern» gerechnet werden. Denn der erleuchtete Buddha, dessen Gewand von einem starken Windzug bewegt wird, steht am Rand eines Felsens, in innerer Sammlung still vor sich schauend, gleichsam in entschlossener Bereitschaft zu dem Werk, zu dem er aufbricht. Sehr verschieden, von leisem Humor durchzogen, ist ein anderes Vorgangsbild des Liang K ’ ai: «Der sechste Patriarch hackt Bambus», das diesen bei der Alltagsarbeit zeigt und zur Nachahmung anspornt 71 . Der vorbildliche Charakter tritt bei den meist heiteren Aktionsbildern öfters hervor. Chih-weng, wahrscheinlich ein Mönch und Jünger des Zen-Meisters Yen-ch ’ i Huang-wen (gest. 1263), zeigt den sechsten Patriarchen ebenfalls in Aktion, nämlich wie er, noch ein Laienbursche, zum Holzhacken ausgeht 72 . Ein anderes Tuschbild des gleichen Malers stellt den «Augenblick der Erleuchtung» dar 73 . Der Glückliche, der da - das Wort des vor ihm sitzenden Meisters hörend - zur Erfahrung erwacht, ist gemäß der Überlieferung ein Laie. Wichtige Vorgänge der Zen-Geschichte schildern Tuschbilder wie «Bodhidharma auf dem Schilfblatt» (beim Überschreiten des Jangtse-Flusses) von Li Yao-fu 74 , «Der sechste Patriarch 282 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China eine Schriftrolle zerreißend» von Liang K ’ ai 75 oder «Tan-hsia verbrennt ein hölzernes Buddhabild» von Indara 76 . Ein kräftiger Humor erfreut in vielen Bildern der dem Zen verbundenen lustigen Vagabunden Han-shan und Shih-te (jap. Kanzan und Jittoku), die während der T ’ ang-Zeit lebten und deren Bilder, von China überbracht, sich in Japan höchster Beliebtheit erfreuten 77 . Zur gleichen Menschenart gehört der Bettelmönch Pu-tai (jap. Hotei), dessen dickleibige Figur Freundlichkeit ausstrahlt 78 . Das Zen kennt stillvergnügte Narrheit und laut schallendes Gelächter. In China blühte dieser Wesenszug dank der taoistischen Anregung auf. Die Ochsenbilder sind in China während der Sung-Zeit entstanden, sie stellen in einer großartigen Parabel die Phasen des Erleuchtungsweges, also des Zen- Vorganges par excellence dar. Vier Bildzyklen sind bekannt. Am innerlich reichsten ist die zehnbildrige Reihe des Zen-Meisters Kuo-an Shih-yuan (jap. Kakuan Shion, um 1150), die in der Kopie des berühmten japanischen Zen- Malers Shûbun (gest. ca. 1460) auf uns gekommen ist 79 . Die Bilder veranschaulichen die Quintessenz des Zen-Weges. Der Ochs und der Hirte, am Anfang der Geschichte zwei, wachsen in die Einheit zusammen; der Ochs bedeutet das eigentliche, tiefe Selbst, während der Hirte für den Menschen schlechthin steht. Die Geschichte entwickelt sich, gemäß den Bildern, wie folgt: Der Hirte hat den Ochsen verloren und steht allein auf weiter Flur (1. Bild), aber kann der Mensch sein Selbst verlieren? Er sucht und erblickt die Spuren des Ochsen (2. Bild), es gibt eine Vermittlung, eine Hilfe, bei der auch religiöse Dinge wie Sutren und Tempelklöster eine Rolle spielen können. Den Spuren nachgehend, findet er den Ochsen (3. Bild), aber noch ist es nur ein fernes, intellektuelles Wissen oder intuitives Fühlen um den Ochsen, er zähmt das Tier mit heißem Bemühen (4. Bild) und weidet es mit sorgfältiger Wachsamkeit (5. Bild). Diese zwei Stufen beinhalten die Übung in der Zen-Halle, die harte, peinvolle Übung bis zum Erfassen der Erleuchtung und die unabdingbare Übung des Erleuchteten. Der Übende erlangt volle Sicherheit, schon schwingt sich der Hirte auf den Rücken des Ochsen und kehrt, die Flöte spielend, triumphierend heim (6. Bild), die Freude des Hirten und der erhobene Kopf des schon nicht mehr nach Gras gierenden Tieres zeigen die erlangte volle Freiheit an. Beide sind nun eins, der Hirte in seiner Freiheit bedarf nicht mehr des «Ochsen», er vergisst ihn - wie nach dem berühmten Wort Chuang-tzus Falle und Netz unnütz werden, wenn der Hase und der Fisch gefangen sind. So ist der Hirte allein, ohne den Ochsen (7. Bild). Nun verschwinden beide, Ochs und Hirte, im gründenden und umfassenden Nichts des Kreisrunds (8. Bild). Wenn der Hirte wieder erscheint, sind alle Dinge um ihn so, wie sie sind (9. Bild) - der Alltag des Erleuchteten. Und der Hirte kommt herein in die Stadt und auf den Markt und beschenkt alle ringsum (10. Bild). Der Erleuchtete lebt mit allen seinen Mitmenschen und wie alle seine Mitmenschen, aber die Güte, die er ausstrahlt, rührt von seiner Erleuchtung her. 80 Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 283 Verschieden verstanden ist die Symbolik in einer anderen Reihe von Ochsenbildern, die zuerst aus fünf Bildern des Zen-Meisters Ch ’ ing-chü (jap. Seikyo) bestand und durch den Meister Tzu-te (jap. Jitoku, 12. Jh.) in sechs Bildern abgerundet wurde. Der japanische Zen-Meister Shibayama Zenkei hat unlängst diese Bildreihe westlichen Zen-Liebhabern zugänglich gemacht 81 . Der Farbwechsel des Ochsen von Schwarz zu Weiß macht den Kern der Symbolik aus. «Der Ochs ist», nach der Deutung, die Shibayama vorlegt, « ‹ der vollkommen reine und weiße Ochse › , der ewige ‹ Geist-Ochse › , der niemals schwarz gefleckt war oder sich in die Wildnis verirren konnte 82 .» Durch Unwissenheit, Trübungen und Täuschungen geriet er in den beklagenswerten Zustand, den die schwarze Hautfarbe anzeigt. Das Weißwerden seiner Haut im Verlauf der Zähmung bedeutet das Erwachen zum wahren Selbst oder zur ursprünglichen Geistnatur. Dabei helfen «das Halfter des Vertrauens», durch das der Ochse angejocht wird, und die «Rute der Sehnsucht», deren Schläge ihn antreiben. Die Bilder sind jeweils von einem Kreis umgeben, der die Geistigkeit des Prozesses bedeutet. Die Geschichte spielt sich so ab: Erstes Bild: Erwachen des Vertrauens - Zum ersten Mal Belehrung des kundigen Meisters erweckt Vertrauen. Ein Funke Vertrauen, einmal erwacht, öffnet für immer den Weg. Ein weißer Fleck erscheint am Kopfe des Ochsen. Zweites Bild: Das erste Auftreten - Schon erwachtes Vertrauen läutert sich jede Minute. Kommt plötzlich Einsicht, Freude erhebt sich im Geist. Von Oben beginnend, ist völlig weiß jetzt der Kopf. Drittes Bild: Noch fehlt die echte Verwirklichung. - Eine Innenschau, die schon gewonnen, läutert sich Stufe für Stufe. Die Weisheit ist strahlend und klar, doch fehlt die Verwirklichung noch. Schon weiß ist die Hälfte des Körpers. Viertes Bild: Wahrer Geist - Keine Täuschungen mehr, allein nur der Eine Wahrhafte Geist: Rein, heiter und unbefleckt; der ganze Körper ist vollkommen weiß. Fünftes Bild: Beide vergessen - Mann und Dharma, beide vergessen, Knabe und Ochse im Schlaf. Jenseits der Formen unendliche Leere, die Große Befreiung genannt, das Leben der Buddhas und Patriarchen. 284 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Sechstes Bild: Freies Spiel - Versiegt ist die Quelle des Lebens, vom Tode steht er auf; jede Gestalt nimmt er an, der Lage entsprechend, spielerisch frei, wo immer er ist. Verwandelt seine Persönlichkeit, doch nicht verändert sein Tun. 83 In der zweiten Serie sind einige neue Motive unverkennbar. Besonders sticht die Farbsymbolik hervor. Das leere Kreisrund ist beiden Bildreihen gemeinsam. Das sechste Bild «Freies Spiel» greift offensichtlich das letzte Bild der Reihe des Kuoan auf. Der Weg endet in der Freiheit des Erleuchteten. Die Parabel vom Ochsen und dem Hirten ist repräsentativ für die blühende Zen-Bewegung der Sung- Periode, sie wurde zuerst in China und dann in Japan mit geringen unterschiedlichen Nuancen immer wieder gemalt. Die zweite Gruppe der zen-buddhistischen Bilder der Sung-Zeit, die Porträtmalerei, spricht für die ernste religiöse Haltung der Zen-Jünger jener Epoche 84 . Künstlerisch wertvolle Porträts gibt es auch in anderen buddhistischen Schulen Chinas, doch fand die Bildnismalerei im Zen-Buddhismus die weiteste Verbreitung und erreichte einen Höhepunkt in der Epoche der südlichen Sung- Dynastie (1126 - 1279) und der Yüan-Dynastie (1280 - 1368). Wie die Chroniken und Generationstafeln bekunden die Porträts der Patriarchen und Meister das Geschichtsbewusstsein der voll entwickelten Zen-Schule. Ganz ausdrücklich bezeugen dies die sogenannten «Bildnisse in Generationsfolge» (jap. ressozô), Zyklen von aufeinanderfolgenden Patriarchen oder Meistern, die in ein Bild oder eine Bildreihe zusammengefügt sind. Besonders gern malte man die sechs ersten chinesischen Zen-Patriarchen 85 . Die Reihe wurde wohl auch über Huineng und Lin-chi hinaus bis in die Sung-Periode fortgeführt. Die Ehrung gilt den Patriarchen und Meistern als Trägern einer geschichtlichen Überlieferung, nämlich der von Buchstaben und Schrift unabhängigen Geistüberlieferung, die das Wesen des Zen ausmacht. Die Bilder veranschaulichen die Berichte der Chroniken und markieren eine Phase oder einen Moment der Geschichte. Die geschichtliche Vergangenheit gewann so Bedeutung für den gegenwärtigen Augenblick. Im Anschauen der Bilder konnte der Zen-Jünger sich in einem großen Zusammenhang der Geschlechter fühlen. Für den einzelnen Zen-Anhänger wird die geschichtliche Überlieferung jeweils in seinem Verhältnis zum Meister konkret. Das Meister-Jünger-Verhältnis spielt demgemäß ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Entwicklung des zen-buddhistischen Porträts 86 . Viele Porträts tragen eine eigenhändige Aufschrift des Meisters (jap. jisan), die wie ein Siegel (jap. inka) die erleuchtete Reife des Jüngers bestätigt. Der Meister konnte sich in seinem Bildnis dem Jünger gewissermaßen schenken und ihm nahe bleiben. Offenbar kommt hier die personale Dimension des Porträts zum Zuge, die schon in der geschichtlichen Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 285 Motivierung anklang. Denn Geschichte wird von Personen getragen, die handeln, Eindrücke hervorrufen, Einflüsse ausüben. Die Zen-Maler bemühten sich, die hoch verehrten Patriarchen und Meister sowohl um ihrer geschichtlichen Bedeutsamkeit willen als auch in dankbarer Anerkennung des Guten, das sie von diesen empfangen hatten, möglichst anschaulich in ihrer persönlichen, wenn auch idealisierten, Eigenart darzustellen. Durch die zen-buddhistische Bildnismalerei traten «im weiten Bereich des Zen die historische Persönlichkeit und die Person überhaupt in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns» 87 . Unter den vielen Bildnissen von Zen-Meistern der südlichen Sung- und Yüan-Perioden, die teils von chinesischen, teils von japanischen Zen-Malern herrühren, ragen heraus die Porträts des Hsü-t ’ ang Chih-yü (1185 - 1269), des Wu-chun Shih-fan (1177 - 1249) und des Chung-feng Ming-pen (1263 - 1323) 88 , alle drei Meister aus der gleichen Abzweigung, die von dem weniger bekannten Jünger des Yüan-wu K ’ o-ch ’ in namens Hu-ch ’ iu Shao-lung (1077 - 1136) herrührt und nach dem Vertreter der dritten Generation Mi-an Hsien-chieh (1118 - 1186) Mian-Linie genannt wird. Diese Linie entfaltete während des 13. und 14. Jahrhunderts in China eine beträchtliche Aktivität. Männer wie die genannten drei Meister bewährten sich als Pfeiler beim Brückenschlag zum japanischen Inselland. Hsü-t ’ ang, «eine der markantesten Persönlichkeiten des chinesischen Ch ’ an im 13. Jahrhundert» 89 , ist durch mehrere ausgezeichnete Porträts bekannt, die sich heute in den beiden Tempelklöstern Myôshinji und Daitokuji in Kyoto befinden 90 . Er bestimmte zu seinem offiziellen Nachfolger seinen japanischen Jünger Nampo Jômyô (besser bekannt mit seinem Ehrentitel Daiô Kokushi, 1235 - 1309), zuletzt tätig als Abt des Tempelklosters Kenchôji in Kamakura. Eine Sammlung der Reden des Hsü-t ’ ang mit dem Titel Kidô Oshô goroku (chin. Hsü-t ’ ang ho-shang yü-lu) enthält Kôan-Material, das bis heute bei der Zen-Übung der Rinzai-Schule benutzt wird 91 . Der zeitgenössische Meister Wu-chun Shih-fan hat durch seinen japanischen Jünger Enni Ben ’ en (1202 - 1280), eine der bedeutendsten Gründergestalten während der Kamakura-Zeit (1185 - 1333), ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Überpflanzung des Zen nach Japan geleistet. Er ist ein Jünger des P ’ o-an Tsuhsien (1136 - 1211), der die Mian-Abzweigung der Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai- Schule zu einem großen Teil trägt. Wu-chuns frühestes Bildnis (datiert 1238), von einem Anonymus mit Tusche und Farbe auf Seide gemalt und heute im Tempelkloster Tôfukuji von Kyoto aufbewahrt, ist als «das beste . . . und vielleicht das schönste chinesische Porträt» bezeichnet worden 92 . Dieses und noch ein anderes frühes Bildnis des Wu-chun ist in vielen Kopien verbreitet. Mit Chung-feng Ming-pen reichen wir in die Yüan-Zeit hinein, während derer die Zen-Malerei weiter blühte und der Kulturaustausch mit den Hofkreisen und der Gebildetenschicht fortbestand 93 . Chung-feng war mit berühmten Zeitgenossen, z. B. dem Dichter Feng Tzu-chen (1257 - 1327) und dem Maler 286 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Chao Meng-fu (1254 - 1322) eng befreundet. Von exzentrischem Charakter, führte er ein freizügiges, unkonventionelles Leben. Seine Bilder zeigen eine füllige Gestalt in lässiger Haltung 94 . In seinem Jüngerkreis hatte er tüchtige japanische Schüler, die bei der Einwurzelung des Zen in ihrer Heimat kräftig mitwirkten. Der so wichtige Prozess der Überpflanzung nach Japan wird später darzustellen sein. Die Kunstgeschichte findet eine Verwandtschaft zwischen den zen-buddhistischen Porträts der Patriarchen und Meister mit den im Zen beliebten Bildern der Arhat (chin. lohan, jap. rakan), jener frühbuddhistischen Heiligen, die in einem strengen Mönchsleben das Ziel erreichten 95 . Wenn diese Verwandtschaft besteht, so gründet sie darin, dass die Zen-Buddhisten in den Heiligen die menschlichen Züge herauskehrten und in ihnen wie in ihren Meistern die religiöse Persönlichkeit ehrten. Die Arhat, wie Seckel erklärt, «gleichsam die Urbilder des Zen-Jüngers», wurden zu «Lieblingsgestalten der Zen-Kunst»; «sie verkörpern ja das Streben innerlich ganz befreiter und geistesmächtiger Menschen, unmittelbar aus dem Hiesigen, dem Sa ṃ sâra-Kreislauf in die Weltüberlegenheit, ins Nirvâ ṇ a zu gelangen» 96 . Wir haben Arhat-Bilder schon aus der T ’ ang-Zeit, in größerer Zahl aus der Sung-Periode. Man malte die Heiligen gern in Gruppen von 16, 18 oder gar 500 Gestalten. Auch dieser Typus wurde nach Japan überbracht. Der Arhat, der das Bild des homo religiosus darstellt 97 , erweist den religiösen Ernst des diesem Vorbild nachstrebenden Zen-Jüngers. Durch die Landschaftsbilder, die dritte Gruppe der Zen-Malerei, hatten die Zen-Buddhisten der Sung-Periode die engsten Beziehungen zum Kunstschaffen ihrer Zeit. Die Landschaftsmalerei nahm seit der T ’ ang-Zeit in China feste Formen an und blühte im Sung-Reich. Die charakteristischen Züge dieser Kunstform wurden oft und genau dargestellt, die technische Meisterschaft ist anerkannt. Unter der Führung der akademischen Kreise kam es während der Sung-Zeit zur Festlegung von Regeln für die Landschaftsdarstellung 98 . Das Zen gewann während der südlichen Sung-Dynastie entscheidenden Einfluss in den akademischen Künstlerkreisen, die sich gern von seinem Geist inspirieren ließen, ganz besonders die zwei führenden Künstler Ma Yüan (1190 - 1224) und Hsia Kuei (ca. 1180 - 1230), deren Werke in Japan zur Zen-Malerei gerechnet wurden. Die monochrome Tuschmalerei erreichte in China ihren endgültigen Höhepunkt durch den Zen-Mönch Mu-ch ’ i (ca. 1210 - ca. 1288), dessen beste Gemälde sich heute in Japan befinden. Seine Kaki-Früchte, «ein Bild . . . voll von einem ungeheuren, alles sagenden Schweigen», sind nach der Ansicht Seckels «vielleicht das reinste und radikalste Zen-Bild, das es gibt» 99 . Die Zen-Kunst hat in der Malerei sowohl in China als auch in Japan ihr Höchstes geleistet. Zen-Klöster wurden nicht zuletzt durch ihre Malermönche zu Mittelpunkten des geistigen Lebens. Das zen-buddhistische Tuschbild weist auf Transzendenz hin. Was die einfachen, zuweilen hauchdünnen, zuweilen auch Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 287 in dichter Überlagerung Mehrdimensionalität suggerierenden Striche und Tuschtönungen meinen, durchstößt das vordergründig Wahrnehmbare. Die Tuschbilder werden zu «Chiffren der Transzendenz» 100 . Die konkreten Dinge erlangen eine Transparenz auf zeitlose Gegenwart und absolute Wirklichkeit. Die Zen-Bilder bringen, so schreibt Seckel, den Beschauer «an eine Grenze, über die hinaus sie nichts mehr aussprechen. Aber eben das Sichtbar- und Bewusstmachen dieser - ontologisch fundierten - Grenze des Phänomenalen überhaupt und damit die Andeutung ihrer Überschreitbarkeit ist vielleicht die wesentliche Leistung des Bildes . . . Hier wird bis hart an eine letzte Grenze gegangen, um das Grenzenlose, Übergegensätzliche ahnbar zu machen 101 .» «Bei allem dinghaften Greifen des Wirklichen in persönlich-eigenartiger Aussageform zielt die Tuschmalerei doch über das Persönliche wie das Wirkliche hinaus in die Sphäre der Transzendenz . . .» 102 Synkretistische Tendenzen und Niedergang Die Zen-Bewegung, in ihren Anfängen schwer greifbar, begann, wie immer die Vorgänge sich im Einzelnen abgespielt haben mögen, als eine unansehnliche, verborgene Gruppe inmitten zahlreicher, zum Teil recht bedeutender buddhistischer Schulen. Nach Hui-neng fand sie ihre spezifische Form, sie erlebte ihre erste Hochblüte. Bald schon tauchten Besonderheiten auf. Die Sung-Periode kann als eine zweite Blütezeit bezeichnet werden, doch werden während dieser Epoche Anzeichen des Niederganges sichtbar. Allerdings braucht die Öffnung nach außen und zur Welt nicht unbedingt als Verfallserscheinung angesprochen zu werden. Die wachsende Offenheit für fremdes Geistesgut von verschiedener Herkunft konnte einem gesunden geistigen Bedürfnis dienen. Es ist gut, die Sachverhalte und Entwicklungen möglichst vorurteilslos ins Auge zu fassen. Worum es geht, manifestiert in der Zen-Geschichte zum ersten Mal mit voller Klarheit die große Gestalt des Kuei-feng Tsung-mi (780 - 841) 103 , der noch während der T ’ ang-Zeit in seiner Person nicht nur die Verbindung zwischen einer Zen-Linie und der Kegon-Schule verkörperte, sondern tiefer gesehen, die Aufnahmebereitschaft gelehrter Zen-Männer für schriftgebundenes Wissen dartut. Tsung-mi studierte in jungen Jahren gründlich die chinesische Philosophie, besonders den Konfuzianismus. Mit 27 Jahren begegnete er einem Zen-Mönch aus der Kataku-Schule 104 , schnell entschlossen trat der ernstlich nach Wahrheit Suchende in diese Schule ein und ließ sich von einem Vinaya- Meister die Mönchsweihe geben. Doch kam ihm die entscheidende Erfahrung nicht während der Zen-Meditation, sondern beim zufälligen Hören eines Sutra- Textes. Eine Stelle aus dem Engakukyô (chin. Yüan-chüeh ching, sanskr. Pûrṇabuddha-Sûtra) 105 erregte ihn zutiefst und trieb ihm Tränen in die Augen. Sein 288 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China schmerzliches Suchen, gewiss ein Suchen seiner ganzen Persönlichkeit, aber doch ganz wesentlich ein intellektuelles Suchen, war befriedigt. Sein Geist öffnete sich durch das Schriftwort. Er selbst schreibt: «Dieser Text ist literarisch reich und weit in seiner Bedeutung, wahr und ohne Beimischung von Eleganz zeigt er die Substanz, unvergleichlich in vollkommener Erleuchtung» (jap. engaku) 106 . Sein Lebensweg zeigt, dass es ihm um weite und tiefe Kenntnis ging, nicht um Erfahrung, wie sie das Zen vermittelt. Das Sutrenstudium führte ihn zur umfassenden Kegon-Lehre. Nach einem Briefwechsel mit dem vierten Kegon-Patriarchen Ch ’ eng-kuan (737 - 838), einer zentralen Persönlichkeit des chinesischen Buddhismus jener Tage, wurde er dessen Schüler und später Nachfolger im Patriarchat. Sein Forschungsfeld dehnte sich über fast alle Hauptzweige des Buddhismus aus. Er schrieb Kommentare zum Diamantsutra aus der Prajñâpâramitâ-Literatur und zu einem grundlegenden Text der «Nur- Bewusstseinslehre» 107 , ein großes Kommentarwerk zum Sutra von der Vollkommenen Erleuchtung 108 , ferner Schriften über das Vinaya und die Ullambana- Riten sowie eine Erklärung des von ihm besonders hoch geschätzten Traktates über die Erweckung des Glaubens im Mahâyâna (jap. Daijôkishinron, sanskr. Mahâyâna-śraddhotpâda-śâstra, chin. Ta-cheng Ch ’ i-hsin lun) 109 . Sein literarisches Werk bezeugt seinen grundsätzlichen Standpunkt der Einheit von Zen und Sutrenlehre. Der Erleuchtungsweg des Zen bedarf nach seiner Ansicht der metaphysischen Grundlegung durch die Schrift. Diese Ansicht ist allerdings mit der Geistüberlieferung des Zen, die von Shâkyamuni über Bodhidharma und Hui-neng zu den Zen-Meistern der T ’ ang-Zeit läuft, unvereinbar. Kein Wunder, dass «Tsung-mi von dem Augenblick an, als er sich von der Zen-Übung entfernte und sich wissenschaftlichen Untersuchungen und vergleichenden Studien zuwandte, zum Zielpunkt der Kritik» 110 wurde. Obgleich er zu der bald nach seinem Tod erloschenen Kataku-Schule rechnet, kann er nicht als Zen-Meister angesehen werden. Er repräsentiert vielmehr das chinesische Mahâyâna, das seinen denkerischen Gipfel im Kegon hat. Zwar hat er keinen nennenswerten Beitrag zur Kegon-Philosophie geleistet. Er war kein schöpferischer Geist, sondern ein Mann des sicheren, breiten Wissens, dabei tolerant und gütig, immer auf Harmonisierung und Synthese bedacht. Mit Recht berufen sich die synkretistischen Bestrebungen des chinesischen Buddhismus der Folgezeit auf Tsung-mi, der innerhalb des Buddhismus ausgleichend wirkte und auch gegenüber anderen Weltanschauungen wie Konfuzianismus und Taoismus eine freundliche Haltung einnahm. Tsung-mis Beurteilung der Zen-Schulen muss von seinem Standpunkt her verstanden werden. Die zahlreichen verschiedenen Tendenzen und Linien in der Zen-Welt sind ihm im Grunde gleich wichtig. Sein großes Werk über die Ursprünge des Zen 111 gibt nützliche Auskünfte. Tsung-mi betont die Ent- Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 289 sprechungen der Zen-Schulen mit den Sutren und Shastren. Der vollkommene Buddhismus findet sich nach seiner Überzeugung im allumfassenden Kegon, das als fünfte und letzte Lehrstufe, wie er in seiner kurzen interessanten Schrift Genninron (chin. Yüan-jen lun) schreibt, alle «unvollkommene Lehre auf den wahren Grund zurückführt» 112 . Die Geisteserben Tsung-mis während der Sung-Zeit blieben weit hinter diesem großen Repräsentanten der synkretistisch harmonisierenden Richtung zurück. Im Haus Fa-yen pflegte der Nachfolger des Gründers mit Namen T ’ ient ’ ai Te-shao (891 - 972) Beziehungen zum Tendai-Buddhismus. Er wirkte vom T ’ ien-t ’ ai-Berg aus, dem Zentrum der einst mächtigen Tendai-Schule, für die Verbreitung der Zen-Schule, zu der er gehörte, aber zugleich auch für die Wiederbelebung des Tendai 113 . Seine zwei Schüler schlugen verschiedene Richtungen ein. Während Tao-yüan (o. J.), der Kompilator des Keitoku Dentôroku, der berühmtesten aller Zen-Chroniken, der Tradition der Altmeister treu blieb und zu den Hauptredaktoren der orthodoxen Zen-Geschichte zählt, wurde der andere Schüler Yung-ming Yen-shou (904 - 975) maßgebend für die synkretistischen Bestrebungen im Zen-Buddhismus der Sung-Zeit. Er befürwortete, wie Yanagida bemerkt 114 , in der Nachfolge Tsung-mis die Verbindung von Zen und Sutrenlehre. Das Wort von der Einheit von Lehre und Zen (jap. kyôzen itchi) fand Echo und wurde zu einem Schlagwort der Epoche. Yung-ming kompilierte das hundertbändige Werk Shûkyôroku (chin. Tsung-ching lu), das die synkretistische Lehre systematisch darstellt 115 . Nicht wenige Zen-Meister der Sung-Zeit suchten ihre intellektuellen Bedürfnisse durch das Studium der Mahâyâna- Sutren, vorab der zwei Schulen von Kegon und Tendai, zu befriedigen. Yung-mings Synkretismus ging noch einen Schritt weiter. Er propagierte auch die religiöse Praxis der Anrufung des Namens des Buddhas Amitâbha, das sogenannte Nembutsu (chin. nien-fo). Es war dies freilich keine völlige Neuheit. Schon drei Jünger des fünften Patriarchen Hung-jen, nämlich Fa-chih (635 - 705) und sein Schüler Chih-wei (635 - 722) - beide sind der vierte und fünfte Patriarch der Ochsenkopf- (jap. gozu, chin. niu-t ’ ou) Schule - sowie der Jünger Chih-shen (609 - 702) praktizierten neben der Zen-Meditation die Namenanrufung. Die Ochsenkopf-Schule kam bald zum Erlöschen. Während der T ’ ang-Zeit hören wir nicht weiter von Verbindung der Zen-Übung mit dem Nembutsu 116 . Während der Sung-Zeit fand das Nembutsu gegen den mehr oder minder starken Widerstand oder auch mit der Hilfe der Zen-Meister in wachsendem Maß Eingang in die Zen-Klöster. Der Vermischungsprozess dauerte während der Yüan-Zeit (1260 - 1368) an und kam zur Zeit der Ming-Dynastie (1368 - 1644) zum Abschluss. Die Vereinigung von Zen-Übung und Nembutsu wurde zur allgemeinen Praxis. Bei der Beurteilung dieser Entwicklung darf die innere Verwandtschaft zwischen den beiden Wegen nicht übersehen werden. 290 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Die meditative Namenanrufung kommt in der psychologischen Wirkung der Zen-Meditation nahe 117 . Ch ’ i-sung (1007 - 1072) aus dem Haus Yün-men brachte eine andere Seite der zwischenreligiösen Beeinflussung zum Tragen. Wir berichteten vom Umgang der Zen-Buddhisten mit den neukonfuzianischen Philosophen. Zur gleichen Zeit lässt sich während der Sung-Zeit umgekehrt ein konfuzianischer Einfluss in der Zen-Bewegung feststellen. Ch ’ i-sung, vornehmlich bekannt durch sein Werk über die «Überlieferung des Dharma in der Wahren Schule» (jap. Dembô-Shôjûki, chin. Ch ’ uan-fa cheng-tsung chi) 118 , widmete sich auch eifrig dem Studium des Konfuzianismus und verfasste eine Schrift über die «Lehre der Mitte» (chin. Chung-yung), eines der vier klassischen konfuzianischen Bücher 119 . Nicht wenige chinesische Zen-Meister jener Tage interessierten sich positiv für die konfuzianische Geistigkeit; in Japan vollends wurde später die konfuzianische Ethik weitgehend in den Zen-Buddhismus integriert. In China konnten sich die synkretistischen Bestrebungen von der Sung-Zeit an erfolgreich durchsetzen. Im Zen-Buddhismus absorbierte die Yang-ch ’ i-Linie der Rinzai-Schule alle anderen Schulen und Linien, zuletzt während der Ming- Zeit auch die Sôtô-SchuIe. In den Zen-Klöstern wurde neben der Zen- Meditation die Namenanrufung praktiziert. Während der Ming-Zeit kam es zur völligen Verschmelzung aller Schulen und Formen des chinesischen Buddhismus. Nicht nur die intellektuell ausgerichteten Schulen von Kegon und Tendai, auch die Vinaya-Schule ging in die Allgemeinform ein, die vorwiegend Zen und Nembutsu beinhaltete. Bekannte Zen-Meister wirkten aktiv bei der Harmonisierung mit. Besonders hervor tat sich der angesehene Buddha-Mönch Lien-chi Chih-hung (1535 - 1615), der, von einem Zen-Meister in den Mönchsstand aufgenommen, die Doppelübung von Zen und Nembutsu propagierte 120 . Der hoch gebildete Mönch hinterließ viele Schriften. Auch Han-shan Te-ch ’ ing (1546 - 1623), der bedeutendste Zen-Meister gegen Ende der Ming-Zeit, verband die Zen-Übung mit der Verehrung des Buddhas Amitâbha, der ihm einmal während der Namenanrufung erschien 121 . Die synkretistische Vermischung, die alle Schulen und Formen des chinesischen Buddhismus betraf, muss auf dem Hintergrund der harmonisierenden Tendenz in der Religionsgeschichte Chinas gesehen werden. Die Idee der «Einheit der drei Lehren» (sankyô itchi), nämlich der drei großen Religionsströme des Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus, existiert in China «seit alters her» 122 . Man malte die drei Heiligen Konfuzius, Lao-tzu und Shâkyamuni auf einem Hängebild. Gedanken wie die der Einheit der drei Religionen «erfreuten sich seit Mitte der T ’ ang-Zeit bei vielen Zen-Anhängern besonderer Beliebtheit». 123 Aus dieser Zeit stammt auch das Wort Tsung-mis: «Konfuzius, Lao-tzu und Shâkya-Buddha waren vollkommene Weise 124 .» Sein Blick ging Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 291 über den Buddhismus hinaus und erfasste die zwei anderen großen Religionen Chinas 125 . Spätestens in der Ming-Zeit kommt die Geschichte der Zen-Schule als der besonderen Geistüberlieferung Bodhidharmas außerhalb der Sutren in China zum Abschluss. Zwar gab es nach der Sung-Zeit noch vortreffliche Zen-Meister, die ihre Jünger auf dem bewährten Erleuchtungsweg des Zen voranführten. Einige Namen wurden im Vorigen erwähnt. Doch bleibt die Tatsache des Niederganges. Große schöpferische Gestalten fehlen. Die Zen-Bewegung stagnierte. Die Gründe, die die Historiker für den Niedergang des gesamten Buddhismus in China anführen, teils politischer teils gesellschaftlicher Art, treffen zum großen Teil auch für die Zen-Schule zu 126 . In der buddhistischen Populärreligion der späteren Zeit, die hauptsächlich vom volkstümlichen Amida-Kult getragen wurde, konnte sich das seiner Natur nach elitäre Zen, das zu den Zeiten der Hochblüte die Oberschichten der chinesischen Gesellschaft mächtig angezogen hatte, nur mit Verzicht auf wichtige Elemente behaupten. Dass das Zen dennoch als lebendige Bewegung innerhalb des Buddhismus erhalten blieb, verdankt es der rechtzeitigen Überpflanzung ins nicht-chinesische Ausland. Yanagida schließt seinen Überblick über die «Geschichte der Zen- Schule in China» mit einem kurzen Abschnitt, der von dem «nach Übersee flüchtenden Zen» handelt 127 . Allerdings ist von den drei Ländern, von denen er spricht, nur Japan durch Wasser vom chinesischen Festland getrennt. Korea und Vietnam befinden sich mit China auf dem asiatischen Kontinent. In diesen beiden angrenzenden Ländern kam mit anderen Formen des Buddhismus, vorzüglich während der Sung-Zeit, das Zen zum Zuge und hatte einigen Erfolg. Unvergleichlich ausgedehnter und nachhaltiger war die Wirkung der Zen- Bewegung in Japan, wo das Zen eine der Geschichte in China nicht nachstehende zweite große Geschichte erlebt hat und von wo aus es in unseren Tagen eine weltweite Wirkung ausübt. Die Wirkungsgeschichte der Zen-Schulen in Japan bedarf einer neu ansetzenden, gründlichen Behandlung. 292 Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Anstatt eines Nachwortes Japanische Historiker berichten bei der Behandlung der folgenden Epoche mit Bewunderung von den Buddha-Mönchen, die «nach dem Dharma verlangten und ins Reich der Sung reisten» (jap. guhô nyûsô). In dem Doppelwort vom Verlangen nach dem Dharma und der Reise ins Sung-Land ist die Verknüpfung der zwei großen ostasiatischen Länder China und Japan durch die Buddha- Religion treffend ausgedrückt. Unser Blick wird zuerst nach Japan gelenkt. Japanische buddhistische Mönche brachen nach China auf, um im riesigen Nachbarland den echten Buddha-Weg zu finden. Keine Unbilden der gefährlichen Seefahrt konnten sie zurückschrecken. Eine Chinareise war während des Mittelalters ein kühnes Unternehmen, das viel Mut und Ausdauer erforderte. Wir wissen nicht, wie viele Schiffe in den plötzlich hereinbrechenden Taifunen untergingen, wie viele buddhistische Chinapilger den Tod in den Wellen fanden. Das Tagebuch des Tendai-Mönches Ennin erzählt eindrucksvoll von Todesgefahren und überstandener Seenot. Eine starke religiöse Motivation trieb jene Buddha-Mönche, die ihr Augenmerk einzig auf den Dharma richteten. Der Dharma zählt zusammen mit dem Stifter Buddha und der Gemeinde (sanskr. saṅgha, jap. sô - das Übersetzungswort bedeutet «Mönch») zu den drei Kleinodien (sanskr. triratna, jap. sambô) und macht den Inbegriff der Buddha- Religion aus. Der Dharma ist nicht bloß Lehre, sondern auch Weisheit und Weg, erleuchtetes Wissen. Wenn die japanischen Buddha-Mönche im China der Sung den Dharma suchten, so meinten sie offensichtlich den Weg des Zen, der damals im Reich der Mitte in Blüte stand und den Buddhismus repräsentierte. Weil sie den echten Dharma in dem Weg erkannten, den die Zen-Meister mit ihren Jüngern in strengen Klostergemeinden übten und lebten, wagten sie die Reise aus ihrer Inselheimat zum Festland, um für den Zen-Buddhismus den Brückenschlag in ihr Land zu ermöglichen. Der Dharma im Sung-Reich, nämlich der Zen-Weg Chinas, sollte zum Angelpunkt für die historische Wendung der Zen-Bewegung nach Japan hin werden. Guhô nyûsô - diese vier chinesischen Schriftzeichen mit der Bedeutung «Verlangen nach dem Dharma - Eintritt ins Sung-Land» bezeichnen nicht nur ein wichtiges Ereignis der Zen-Geschichte, sondern beleuchten darüber hinaus wesentliche Bezüge des zen-buddhistischen Erleuchtungsweges. Durch jene japanischen Buddha-Mönche, die vom Verlangen nach dem Dharma getrieben ins Sung-Land reisten, leitet das Wort nach China hinüber, zum Geburtsland des Zen-Buddhismus, in dem das Zen religiös-geistig seine unübertroffene Hochblüte erreichte. Dies führt uns zu einigen Gedanken, die vielleicht dazu geeignet sind, diesen Band abzuschließen. Wir greifen nochmals auf den Ausgangspunkt unserer Erwägungen zurück. Das chinesische Zen veranlasste als Ort des Dharma, nicht als Träger von Kultur und Kunst oder als Vermittler einer besonderen Meditationsweise den Aufbruch der japanischen Mönche ins Reich der Mitte, eine Reise, die für diese religiösen Männer so etwas wie eine Pilgerfahrt zu den Quellen bedeutete. Es ist gut, in diesem Licht die Geschichte des chinesischen Zen-Buddhismus anzuschauen. Diese überaus reiche, verwirrend mannigfaltige Geschichte lebt aus dem Bewusstsein, den echten Dharma durch die Jahrhunderte zu tragen. Im Besitz des Dharma sind die chinesischen Zen-Buddhisten unmittelbare Nachfolger des Stifters Shâkyamuni, der gemäß der Tradition seinen Geist seinem Jünger Kâ ś yapa, dem ersten indischen Zen-Patriarchen anvertraut hat. Im zen-buddhistischen Selbstverständnis sind die indischen und chinesischen Zen-Patriarchen sowie die auf diese folgenden Zen-Meister Erben des Dharma. Auch die von ihren Meistern anerkannten Jünger, die in gültiger Traditionslinie stehend die Erleuchtung erfassten, werden in der Zen-Literatur Dharma-Erben genannt. Weiter ist zu bedenken, dass die Einpflanzung in den chinesischen Boden eine der frühen indischen Form nicht nachstehende typisch chinesische Form des Buddhismus hervorbrachte, die sich in allen chinesischen Schulen zeigt, besonders deutlich in der Zen-Bewegung, der die Einpassung in die chinesische Art hervorragend gut gelungen ist. Die Besonderheit des chinesischen Buddhismus kam einerseits durch den Einstrom aus altem chinesischen Geistesgut, zumal aus der taoistischen Weisheit zustande, während anderseits die aus Indien eingeführte Mahâyâna-Lehre die Führung inne hatte. Die spezifische Religiosität des Mahâyâna, die sich eindrucksvoll in den Mahâyâna-Sutren ausspricht, kennt Transzendenz und Soteriologie. Diese zwei religiösen Wesenszüge treten in der Zen-Bewegung vor allem an ihren Höhepunkten klar hervor, z. B. im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen, bei den schöpferischen Meistern der T ’ ang- Periode, in der herausragenden Gestalt des Lin-chi. Diese Marksteine der chinesischen Zen-Geschichte sind zu innerst mit den großen Mahâyâna-Sutren verknüpft, deren religiöse Botschaft sie chinesisch ausdrücken. Die Transzendenz ist in allem Buddhismus vorzüglich durch die Negation bezeichnet. Dies gilt vom indischen Frühbuddhismus ebenso wie vom Buddhismus Ostasiens, vom Grundstock der Mahâyâna-Sutren in gleicher Weise wie vom Zen-Weg. Doch ist die Negation im spekulativen Denken Indiens anders als im chinesischen Zen-Buddhismus artikuliert. Das «Mu» (chin. wu), das aus den Zen-Hallen Ostasiens tönt, mag wie ein Widerhall des «neti-neti» des Weisen der Upanishaden Yâjñavalkya und der Leere (śûnyatâ) der Philosophie vom «Mittleren Weg» klingen, es ist ganz und gar der konkrete Ausdruck des Übenden, der die radikale Entleerung seiner psychischen Fähigkeiten vom Ich anzielt. Zweifellos steht diese Übung in der Tradition des negativen Weges, der Übende dringt gleichsam tiefer und tiefer ins Nichts ein, bis das Nichts ihn 294 Anstatt eines Nachwortes umgreift und ihm alle Wirklichkeit zum Nichts wird. Die Zen-Erfahrung kann gleich der höchsten Wahrheit (paramârtha) des Mâdhyamika nur negativ umschrieben werden. Erleuchtungsverse und kôan-artige Wechselgespräche des Zen kommen sprachlich oft den Formulierungen der Philosophie Nâgârjunas vom «Mittleren Weg» nahe, ja stimmen vielfach mit diesen überein. Deshalb lässt sich, was bei der Beurteilung der Mâdhyamika-Philosophie zugunsten der Annahme von Transzendenz spricht, auch im Falle der Zen- Erfahrung geltend machen. Der Zen-Jünger ist in seiner Übung und seinem Lebensstil auf Transzendenz ausgerichtet; in seinem Erleben kommt die Transzendenz stark zur Erfahrung, stärker als in den Denkoperationen der mahayanistischen Philosophie, die freilich, wenn sie echt ist, niemals völlig der Erfahrung entbehrt. Als Sucher des Absoluten pilgern die Zen-Jünger auf dem Heilspfad. Eine Variante des oben zitierten Wortes lautet gudô «Verlangen nach dem Weg» anstatt guhô «Verlangen nach dem Dharma». Der Weg, nach dem Buddhisten verlangen, ist eindeutig der Heilspfad Buddhas, der zur endgültigen Befreiung führt. Die chinesischen Zen-Buddhisten, von ihren Meistern mit Vorliebe «Sucher des Weges» (dôryû) genannt, wissen sich dem Buddha-Pfad verpflichtet. Das zen-buddhistische Klosterleben, in China seit der T ’ ang-Zeit entwickelt, verbindet mönchische Disziplin mit innerer Freiheit. Der Zen-Stil gewann wegen seiner freiheitlichen Gebärde in besonderer Weise die Sympathie westlicher Menschen. Wenn diese allerdings manchmal die Freiheit des Zen mit Extravaganz oder Willkür oder gar Zügellosigkeit verwechselten, so verkannten sie gründlich den Ernst des Zen-Weges. Das Anliegen des echten Zen-Jüngers ist ein reli-giöses. Er wünscht unter der strengen Führung des Meisters die dem Menschen gemäße wesentliche Freiheit zu leben, so wie sie die buddhistische Heilslehre versteht. Die besondere Artikulation, die die Soteriologie im chinesischen Zen-Buddhismus erfährt, trägt nun freilich nicht wenig zur Liebenswürdigkeit des zenbuddhistischen Lebensstils bei. P ’ ang Yün, ein buddhistischer Laie und Anhänger des Zen während der T ’ ang-Zeit, hat diesen Stil exemplarisch dargelebt 1 . Über seine Kindheit und Jugendjahre ist wenig bekannt. Obgleich gut gebildet, trat er nicht wie sein Vater in die in China hoch angesehene Beamtenlaufbahn ein, aber er blieb Laie und heiratete, er hatte zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, seinen reli-giösen und poetischen Neigungen nachzugehen. Er pflegte Umgang mit vielen Zen-Meistern. Bei Shih-t ’ ou und Ma-tsu, den zwei Leuchten jener Tage, übte er und erlangte einige Erfahrungen, bei Ma-tsu sogar die Große Erfahrung, die ihn prägte. Er dichtete die Erleuchtungsverse: Anstatt eines Nachwortes 295 Leute der zehn Richtungen bilden die eine gleiche Versammlung. Jeder einzelne lernt wu-wei. Dies ist der Ort, Buddha zu erwählen. Mit leerem Geist habe ich das Examen bestanden - ich kehre zurück. So eminente Kenner des Zen wie Ruth Fuller Sasaki, Yoshitaka Iriya und Dana R. Fraser, die als Übersetzer der englischen Ausgabe der Spruchsammlung des Laien P ’ ang zeichnen, kommentieren die Verse. Bemerkenswert ist ihre Erklärung von wu-wei im zweiten Vers. «Wu-wei bedeutet», so meinen sie, «im Buddhismus ‹ das Unbedingte › , im Taoismus ‹ Nicht-Tun › , die Handlung ohne Anstrengung und Absicht, die aus der Übereinstimmung mit dem Tao fließt. Beide Bedeutungen sind wahrscheinlich beabsichtigt 2 .» P ’ ang hätte demnach an das Unbedingte, an den absoluten Bereich gerührt. P ’ ang wird in der Zen-Literatur als ein anderer Vimalakîrti gerühmt, d. h. als ein Haushalter, der bis zu den höchsten Stufen der Weisheit emporgestiegen ist. Er lehnte es, wie berichtet wird, ab, sein weißes Laiengewand mit der schwarzen Mönchsrobe zu vertauschen. Doch war seine Losschälung von den Erdendingen vollkommen. Während seiner späteren Lebensjahre wanderte er, nachdem er sein Haus weggegeben und sein Hab und Gut mit einem Schiff in den Fluss versenkt hatte, mit seiner Tochter Ling-chao, der er herzlichst zugetan war, durchs Land und besuchte vorzugsweise Tempelklöster. Die Tochter verdiente durch Bambusflechten den frugalen Lebensunterhalt für beide. P ’ ang hinterließ an die 300 Gedichte, die nur zum Teil erhalten sind. Außerdem bezeugen seine vielen Wechselgespräche mit Zen-Anhängern den hohen Grad seiner Erleuchtung. Die Chronik berichtet bewegend von seinem Hinscheiden: Der Laie P ’ ang kam zum Sterben. Er sprach zu Ling-chao und sagte: «Sieh ’ , wie hoch die Sonne steht und melde mir, wenn es Mittag ist! » Ling-chao meldete rasch: «Die Sonne hat schon den Zenit erreicht, und es ist da eine Verfinsterung.» Während der Laie zur Tür ging, um hinauszuschauen, setzte sich Ling-chao in den Sessel ihres Vaters, legte ehrfürchtig ihre Handflächen gegeneinander und verschied. Der Laie lächelte und sagte: «Meine Tochter ist mir zuvorgekommen.» Er schob seinen Hingang um sieben Tage auf. 3 Die Chronik erzählt weiter von seinen letzten Worten: «Alles ist wie Schatten und Echo», ferner von seiner Bitte, seine Asche nach der Verbrennung über Flüsse und Seen auszustreuen und schließlich, dass Mönche und Laien um ihn trauerten und sprachen: «Der Zen-Anhänger und Laie P ’ ang war in der Tat ein Vimalakîrti.» 296 Anstatt eines Nachwortes Männer wie der Laie P ’ ang lassen sich in keine Kategorie einordnen, sie sind Eigengut der Zen-Bewegung. Wir begegnen ähnlichen Gestalten auch im japanischen Zen-Buddhismus. Das Eingangswort von den Zen-Jüngern, die nach dem Dharma verlangend ins Reich der Sung fuhren, verbindet die japanischen mit den chinesischen Zen- Schulen. Die Verklammerung zwischen den Kulturen und Religionen der zwei Hauptländer, an vielen Stellen spürbar, ist im Falle des Zen-Buddhismus unauflöslich. Das chinesische Zen enthält alle Motive, die auf japanischem Boden zur Entwicklung kamen und, bis heute erhalten, in Japan greifbar sind, während nur mehr geschichtlich interessante Dokumente und Überreste vom chinesischen Ch ’ an zeugen. Und doch muss das chinesische Zen als der wichtigere Teil angesprochen werden. Der japanische Zen-Buddhismus kann die Klammer, die ihn an China fesselt, nicht lösen, weil er seinem Wesen nach auf der chinesischen Grundlage beruht. Die chinesischen Einflüsse wirken im japanischen Zen heute kaum weniger stark als während der Frühzeit, als der Zen-Buddhismus von China her nach Japan herübergebracht wurde und die Einpflanzung in den japanischen Boden geschah. Anstatt eines Nachwortes 297 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Die Geschichte des Zen-Buddhismus in Korea bietet nicht nur eine wichtige Ergänzung zur Geschichte der in unserem Jahrhundert zu globaler Beachtung gekommenen Mahâyâna-Meditationsschule Ostasiens, sondern lässt im Kontext der Entwicklung des koreanischen Buddhismus charakteristische Konturen hervortreten. Obgleich die in China gewachsene Zen-Bewegung sich der Unabhängigkeit von aller geschriebenen Sutrendoktrin rühmt, sind die großen Mahâyâna-Sutren ihr deutlich erkennbarer Hintergrund. Eine intensive wissenschaftliche Erforschung des chinesischen Zen geschah in unseren Tagen mit beständigem Rückgriff auf die Sutren. Im Falle des koreanischen Zen-Buddhismus bedarf es keiner Untersuchungen, um den Nachweis der engen Verbindung mit der Sutrenlehre zu erbringen. Von der ersten Stunde an zeigte sich die innige Verschmelzung mit dem in den Schriften niedergelegten Lehrgut des Mahâyâna. Dieser Umstand hat indes die Echtheit und Radikalität des koreanischen Zen keineswegs beeinträchtigt. Der Einblick in die Geschichte des Zen-Buddhismus in Korea ermöglicht wesentliche Erkenntnisse über mögliche Stilarten des Zen-Buddhismus. Eine Erleichterung erfährt unsere Bemühung durch die Erschließung Koreas auf allen Gebieten seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Hand in Hand mit dem politischen und wirtschaftlichen Aufschwung des freien Korea ging eine geistige Neubelebung, an der auch die Religion und insbesondere der Buddhismus teilhat. Dankenswert ist die Pionierarbeit des amerikanischen Gelehrten Robert E. Buswell Jr., der in Büchern und Aufsätzen dem westlichen Leser Zugänge zum koreanischen Buddhismus, vor allem zum Zen-Buddhismus, öffnet. 1 Hinzu kommt eine umfangreiche Literatur in koreanischer und japanischer Sprache. Wir beschränken uns im Folgenden auf die Hauptlinien. I Die Anfänge Beim Eintritt in die Geschichte war die Halbinsel Korea politisch in die drei Königreiche Kogur ǒ , Paekche und Silla aufgeteilt. In jedes der drei Reiche wurde der Buddhismus eingeführt, zuerst in Kogur ǒ (372), wenig später in Paekche (384), zuletzt in Silla (529). Aus China kamen die dort wirkenden Schulen beider Fahrzeuge Mâdhyamika, Sarvâstivâda, Satyasiddhi, Nirvâ ṇ a sowie Anfänge des T ’ ien-t ’ ai (jap. Tendai) und vermischten sich mit den autochthonen Kulten des Landes, über die sie rasch eine dominierende Stellung erlangten. Die Einführung des Zen (kor. S ǒ n) um die Mitte des 7. Jahrhunderts wird dem koreanischen Mönch P ŏ mnang zugeschrieben. Seine Biographie ist unsicher. Die Überlieferung erzählt von seiner Reise nach China, wo er unter dem vierten Patriarchen Tao-hsin (580 - 751) auf dem Ostberg Zen studierte und übte. Sein Dharma-Erbe Shinhaeng (704 - 779) reiste ebenfalls nach China und studierte dort bei dem koreanischen Mönch Chigong (703 - 773), einem Jünger des Meisters der Nordschule des Zen P ’ u-chi (651 - 739). Noch vor der klassischen Zeit des chinesischen Zen kam das Zen des Ostberges und der Nordschule nach Korea. Die Mitte des 7. Jahrhunderts, die Übergangszeit von der Periode der drei Königreiche zu der des Vereinigten Silla-Reiches (668 - 935), ein Höhepunkt der Geschichte des koreanischen Buddhismus, weist die Richtung für die Zukunft. Außer den genannten Schulen hatten die Yogâcâra-Philosophie sowie der esoterische Buddhismus und die Schule vom Reinen Land Eingang gefunden. Heraus ragten die Gestalten des Gründers der koreanischen Kegon-Schule Ŭ isang (625 - 702) und des Gründers der auf Korea beschränkten, wenig bekannten Schule von der Dharma-Natur W ŏ nhyo (617 - 686), die zusammen zwei Chinareisen unternahmen, von denen die erste frustrierte, die zweite Ŭ isang ans Ziel brachte, während W ŏ nhyo, unterwegs von einer Erleuchtungserfahrung heimgesucht, von der Weiterreise Abstand nahm. Ŭ isang ist als Protagonist der Kegon- (kor. Hwa ŏ m-)Weltanschauung von erstrangiger Bedeutung. Hat doch die Kegon-Philosophie in der Synthese des koreanischen Buddhismus bezüglich der Lehre die Führung inne, während das Zen in der Praxis den Weg wies. Ŭ isang studierte in China beim zweiten Kegon- Patriarchen Chih-yen (602 - 668). Fa-tsang (625 - 702), der Dharma-Erbe und dritte Patriarch, der das Kegon zur ersten systematischen Abrundung brachte, war sein Studiengefährte. Nach neunjährigem Studienaufenthalt (661 - 670) kehrte er nach Korea zurück, wurde Abt des Pus ŏ k-Klosters, des Zentrums des koreanischen Kegon-Buddhismus, und entfaltete eine weit ausladende Tätigkeit. Dreitausend Studenten sollen sich seiner Führung anvertraut haben. Auch war er literarisch tätig und korrespondierte mit Fa-tsang, der sein Wissen schätzte, das in allem koreanischen Buddhismus, nicht zuletzt auch im Zen, weiterwirkt. Eine unmittelbare Beziehung zum Zen hat W ŏ nhyo, «der originellste Denker» 1 des koreanischen Buddhismus. Eine Eintragung im vierten Buch der «Biographien hervorragender Mönche der Sung-Zeit» des Tsan-ning (919 - 1001) erzählt von seinem bewegten Leben, seiner Heirat mit einer verwitweten Prinzessin aus dem Königshaus, seinen magischen Kräften und mannigfachen Aktivitäten. Viele legendäre Bezüge sind seiner Lebensbeschreibung eingefügt. Bewundernswert ist seine das weite Feld buddhistischer Lehre umfassende Gelehrsamkeit. Er verfasste 86 Bücher, von denen 22 erhalten sind. Am wichtigsten sind seine Kommentare zum Kegon-Sutra und zum Traktat von der Erweckung des Glaubens im Mahâyâna (jap. Daijôkishinron, chin. Ta-cheng ch ’ i hsin lu). Die Harmonisierung der zu seiner Zeit gängigen Mahâyâna-Lehren war ihm ein Herzensanliegen. Dabei ließ er sich vom universalen Kegon-Geist leiten, unter dessen Führung die Sinisierung des aus Indien stammenden Buddhismus im Reich der Mitte in eine neue Epoche eingetreten war. Seine Forschung fand Beifall und Anerkennung auch in China, bemerkenswert ist sein Einfluss auf den dritten Kegon-Patriarchen Fa-tsang. Seine Beziehung zum Zen ist indirekter Art und beruht auf der Abfassung eines Kommentars des Vajrasamâdhi-Sûtra, das Passagen enthält, die als erstes schriftliches Zeugnis des Zen in Korea angesehen werden müssen. 2 302 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick II Das früheste Zen-Dokument in Korea 1 Der Titel Vajrasamâdhi-Sûtra findet sich zuerst in einem Katalog buddhistischer Schriften des Tao-an (312 - 385) aus dem Jahr 374. Ein Sutra dieses Namens existierte also in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Nordchina. Über den Inhalt und die Verbreitung des Sutras ist nichts bekannt. Ein späterer Katalog des Seng-yu (445 - 518) enthält viele Titel aus dem Katalog des Tao-an, aber nicht das Vajrasamâdhi-Sûtra. Andere Kataloge lassen die Frage offen, ob das Sutra zu den erhaltenen oder den verloren gegangenen Schriften zählt. Der während der Regierungszeit der Kaiserin Wu (690 - 705) kompilierte, umfassende Katalog aller buddhistischen Schriften (695) listet das Sutra beim nicht erhaltenen Schriftgut. Dies trifft mit Sicherheit für das von Tao-an erwähnte Sutra zu. Doch verfasste der sechs Jahre vor Abfassung des großen Katalogs gestorbene W ŏ nhyo einen bedeutenden Kommentar zum Vajrasamâdhi-Sûtra (kor. Kumgang sammaekyong, chin. Chin-kang san-mei ching, jap. Kongôsammaikyô, T. 273). Das Sutra zählt zu den zahlreichen chinesischen apokryphen Sutren, die von einem Anonymus kompiliert und von unsicherem Entstehungsdatum sind. Diese Unsicherheit erfährt eine erhebliche Einschränkung, wenn in Anbetracht eines Zitates aus der Übersetzung des Herzsutras des Hsüan-tsang das Jahr 649 als frühester und das Todesjahr des Verfassers des Kommentars W ŏ nhyo (689) als spätester Entstehungstermin feststeht. In der Tat spielt das Sutra im Lebenswerk des großen koreanischen Gelehrten W ŏ nhyo eine bedeutende Rolle, die eine weitere Präzisierung der Entstehung des Sutras ermöglicht. Für die Biographie des W ŏ nhyo stehen vornehmlich zwei Quellen zur Verfügung, einmal die schon erwähnte Eintragung im Geschichtswerk des Tsan-ning, ferner hagio-graphische Angaben des Iry ŏ n (1206 - 1289) in der von diesem kompilierten Sammlung Samguk yusa aus der Kory ŏ -Periode. 2 Tsan-ning erzählt die Legende von der Auffindung des Vajrasamâdhi-Sûtra im Stil der mythisch-verbrämten, Mirakel liebenden mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Die Erzählung erinnert an Nâgârjunas Auffindung der Weisheitssutren in einer Schlangenhöhle. Geschichten vom wunderbaren Wiedererscheinen kostbarer Schriften sind ein beliebter Topos in der Hagiographie Ostasiens. Bemerkenswert ist, dass der chinesische Verfasser des buddhistischen Geschichtswerkes in allen Einzelzügen der Legende, von der Aussendung eines Boten durch den König von Silla bis zum Auftrag editorischer Arbeit des Mönchs Taean und der Abfassung eines Kommentars durch den großen Gelehrten W ŏ nhyo ausschließlich Koreaner auftreten lässt. Die enge Beziehung des Sutras zu Korea muss ihm bekannt gewesen sein. 3 Der koreanischen Biographie des Iry ŏ n, dem Buswell «Besorgnis für chronologische Treue» bescheinigt 4 , verdanken wir die Kenntnis der Abfolge der Hauptereignisse des Lebens des W ŏ nhyo. Nach dem zweiten vergeblichen Versuch, chinesischen Boden zu betreten, folgt die fruchtbare Zeitspanne schriftstellerischer Arbeit (662 - 676), die in der Abfassung des Kommentars zum Kegon-Sutra gipfelt. Danach zog W ŏ nhyo «tanzend und singend» als Wanderprediger durchs Land und verkündete einem heilsbegierigen Volk den Dharma (677 - 684). Noch einmal wandte er sich ernster Wissenschaft zu und verfasste an seinem Lebensabend den Kommentar zum Vajrasamâdhi-Sûtra (kor. Kŭmgang sammae gyŏngron, T. 1730). Buswell zieht aus den kurz skizzierten Angaben Schlüsse für die Herkunft, Datierung und den Verfasser des Vajrasamâdhi-Sûtra, für die er nicht den gleichen Sicherheitsgrad beansprucht. Er fühlt sich ganz sicher bezüglich der Herkunft und Datierung des Textes. «Das Vajrasamâdhi-Sûtra wurde offenbar in Korea, wahrscheinlich zwischen 668 und 685, verfasst, wahrscheinlicher um die Zeit des Letzteren der zwei Daten. Die Datierung wird unterstützt durch die Tatsache, dass das Vajrasamâdhi-Sûtra von W ŏ nhyo in keinem seiner anderen Werke zitiert ist, obgleich seine Sutrenkommentare ausgiebig aus dem vollen Bereich der Texte zitieren, die er in früheren Schriften befragt hat.» 5 Den Verfasser vermag Buswell nur mit Wahrscheinlichkeit namhaft zu machen. Nach seiner Ansicht war er ein Koreaner, der sich in China die Kenntnis der Zen- Bewegung auf dem Ostberge angeeignet hatte. W ŏ nhyo kommt für die Verfasserschaft nicht in Frage, weil er, wie sein Kommentar verrät, Bodhidharma und dessen besonderen Erleuchtungsweg nicht kannte und ihm überdies die Erfahrung eines China-Aufenthaltes fehlte. Taean, der im Übrigen im Dunkel bleibt, wird in den Quellen ausdrücklich die editorische Arbeit der Wiederherstellung des Textes zugeschrieben. Buswell entscheidet sich für P ŏ mnang, der gemäß der Überlieferung beim vierten Patriarchen auf dem Ostberg in China studierte und das Zen nach Korea überpflanzt hat. Allerdings bleibt diese Annahme, die sich auf keine positive Quellenangabe stützen kann, eine Hypothese. Der Kommentar des W ŏ nhyo, mehrere Jahre vor der Kenntnis des Sutras in der erhaltenen Form verfasst, gibt die erste sichere Kunde des Textes, dessen herausragende Bedeutung für den koreanischen Zen-Buddhismus die sorgfältige Untersuchung seiner Entstehungsgeschichte rechtfertigt. 6 Buddhistische Gelehrte bemerkten früh schon die Beziehung einiger Passagen des Vajrasamâdhi-Sûtra zu dem Bodhidharma zugeschriebenen «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» und der Kernlehre der Patriarchen des Ostberges zum Bewahren des Einen oder des Geistes. In Anbetracht der dem Sutra gezollten hohen Verehrung hielten sie die Abhängigkeit der Zen-Texte 304 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick vom Sutra für erwiesen. Dies änderte sich, als moderne Textkritik aufgrund linguistischer Beobachtungen Zweifel an der Entstehung des Sutras in Indien anmeldete. Der japanische Gelehrte Mizuno Kôgen argumentierte vorsichtig, aber einleuchtend für die Priorität des Bodhidharma-Traktates. Er stellt die Passagen aus dem 5. Kapitel des Vajrasamâdhi-Sûtra neben zwei Kolonnen der wichtigsten Versionen des Bodhidharma-Traktates. 7 Der Vergleich der Textgestalten zeigt, dass die verschiedenen Versionen den gleichen Text überliefern. Mizuno fasst den Inhalt in drei Aussagen zusammen: 1. Alle Lebewesen haben die eine wahre Natur, die von Trübungen bedeckte Buddha-Natur. 2. Tiefer Glaube an die Buddha-Natur bewirkt Befreiung von Trübungen und Erlangung der Schau der wahren Natur, ohne Unterscheidung von Selbst und anderem, von profan und heilig. 3. Man verweilt unerschütterlich in Einheit mit dem Prinzip, ruhig, ohne Unterscheidung, im Nicht-Tun (wu-wei). 8 In einem kurzen Abschnitt über den Eingang durch Praxis nimmt das Vajrasamâdhi-Sûtra die abschließenden Worte des «Einganges durch das Prinzip» auf und insistiert, dass der Geist ruhig und ohne jegliches Haften sein muss. Das Sutra erwähnt nicht die vier Praktiken des Bodhidharma-Traktates. Der Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken enthält nach alter Überlieferung die Quintessenz der Lehre des ersten chinesischen Zen-Patriarchen Bodhidharma. Der chinesische Charakter des Textes tritt von der ersten Zeile an stark hervor. Den Eingang gewährt li, das kosmische Prinzip in der ältesten klassischen chinesischen Literatur, das das Weltall trägt und durchdringt. Die chinesischen Mahâyâna-Buddhisten erkannten in ihm den Dharma; die Harmonie mit dem li wird bei ihnen zur Harmonie mit dem Dharma und verbürgt das Eingehen ins Nirvâ ṇ a. «Buddhaschaft wird erlangt durch Gleichförmigkeit mit dem li», schreibt Tao-sheng. Und: «Der Geist (des Buddha) ist absorbiert im Gleichen, im li, das keine spätere Nicht-Absorbierung zulässt.» 9 Das li ist eines, ist Leere und Buddha. 10 Das kühne Wort ist gestattet: «Wir sind alle Buddhas, alle im Nirvâ ṇ a.» 11 Der Eintritt durch das Prinzip (li) bewirkt das Erwachen, der Erwachte kehrt zum Ursprung zurück. Diese grundchinesische Vorstellung hat in der buddhistischen Soteriologie ihre Parallele. Der chinesische Geschmack durchzieht den Text vom Eintreten durch das Prinzip und findet seinen Höhepunkt im Wort von der «Wandbeschauung» (chin. pi-kuan), das im Vajrasamâdhi-Sûtra durch den gewöhnlichen Ausdruck «Beschauung» (chin. chiao-kuan) ersetzt ist. 12 Suzuki hält die Änderung für schlechthin unverzeihlich. Die Wandbeschauung (pi-kuan) ist für ihn das Charakteristikum der Bodhidharma-Meditation. Wenn dieser Terminus fehlt, Das früheste Zen-Dokument in Korea 305 ist «der Mittelpunkt des ganzen Abschnittes vom Eintreten durch das Prinzip verfehlt». Der Text wird, so meint er, «begrifflich und weckt nicht mehr die besondere Aufmerksamkeit des Lesers.» 13 Nicht weniger Beachtung verdient eine andere Abweichung des Sutratextes. Während im Bodhidharma-Traktat ausschließlich von der Natur oder der wahren Natur die Rede ist, führt das Sutra an dieser Stelle den Begriff der Buddha-Natur ein, die «weder existiert noch nicht existiert, weder Selbst noch andere, weder profan noch heilig ist». Dies ist die früheste Erwähnung der Buddha-Natur in einem Text, der sich mit Zen befasst. Die Botschaft von der Buddha-Natur aller Lebewesen ist die Kernlehre des Mahâyâna-Nirvâṇa-Sûtra, der gläubig verehrten letzten Verkündigung des scheidenden Buddha. 14 Vervollständigt durch die Tathâgatagarbha-Theorie, gemäß der den Lebewesen der Buddha-Keim eignet, der in der vollkommenen Buddhaschaft zur Reife gelangt, wurde die Lehre in den Zen-Weg durch das Laṅkâvatâra-Sûtra eingebracht, das gemäß der Überlieferung Bodhidharma vor allen Sutren hochschätzte. Die für den gesamten Zen-Buddhismus wichtige Verwurzelung in den Mahâyâna-Sutren prägt das koreanische S ŏ n. Den Auftakt der geschichtlichen Verflechtung von Sutrenlehre und Zen-Meditation in Korea gibt das Vajrasamâdhi-Sûtra, das nach Inhalt und Tendenz zu den Tathâgatagarbha-Texten zählt. Ein Abschnitt im gleichen fünften Kapitel des Vajrasamâdhi-Sûtra erinnert an Kernaussagen des vierten und fünften chinesischen Zen-Patriarchen. Das Sutra mahnt, «das Eine zu bewahren», um in die Tathâgata-Versenkung einzugehen. Mizuno hat vergleichend neben den Text die dem Tao-hsin und dem Hung-jen zugeschriebenen Aussagen gedruckt. 15 Das Sutra hat übereinstimmend Taohsins Wort vom «Bewahren des Einen», nicht aber das Wort des Hung-jen vom «Bewahren des Geistes». Beide Worte sind in späteren Schriften aufbewahrt, das Wort Tao-hsins in einem dem vierten Patriarchen zugeschriebenen längeren, eingeschobenen Text der Chronik der La ṅ kâ-Meister, das Wort des Hung-jen in der im Jüngerkreis des fünften Patriarchen entstandenen Schrift Shushin yôron (auch Saijôjôron). Die Datierung beider Schriften, auch ihre gegenseitige Priorität, ist unsicher. 16 Beide Schriften sind indes späteren Datums als das Vajrasamâdhi- Sûtra, als dessen Quelle demnach eine nicht erhaltene frühe Schrift oder mündliche Überlieferung anzusehen ist. Tao-hsins «Bewahren des Einen» nimmt uraltes taoistisches Erbe auf. Wenn Buddhisten das Eine im Sinne des «Einen wahren Geistes», den sie mit dem kosmischen Dharma-Leib und der Buddha-Natur identifizieren, verstanden, konnte aus dem Wort vom «Bewahren des Einen» leicht die Formel vom «Bewahren des Geistes» entwickelt werden. Beide Worte drücken die Kernlehre der Zen-Patriarchen des Ostberges aus. Das Wort «Bewahren des Einen» im Vajrasamâdhi-Sûtra bezeugt die Beziehung des Sutras zum chinesischen Zen des Ostberges. 306 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick III Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches Die Geschichte des Zen-Buddhismus beginnt in Korea um die Mitte des 7. Jahrhunderts. Die Quellen sind für die Frühzeit wenig ergiebig. Die Stifter des chinesischen Ch ’ an (Zen), Bodhidharma und die Patriarchen, rivalisierende Schulen und ihre Häupter sowie bedeutende Meister fanden einen Platz in den allgemeinen buddhistischen Geschichtswerken Chinas. Außerdem überliefern Grabinschriften, Chroniken und Spruchsammlungen eine Fülle aufschlussreicher Nachrichten. Grabinschriften stehen auch in Korea zur Verfügung. Vielleicht wird sich auch noch in den Spruchsammlungen (jap. goroku) ähnliches Material finden. Großes Interesse weckte in unseren Tagen eine frühe chinesische Zen-Chronik, die offenbar eine enge Beziehung zum koreanischen Buddhismus besitzt und einige Kenntnis über die «Bewegung der Neun Berge» vermittelt. Die Zen-Chronik Chodang chip Wie die Tun-huang-Manuskripte kam der Text des Chodang chip (jap. Sodôshû, chin. Tsu-t ’ ang chi), nachdem er jahrhundertelang unbemerkt mit anderen Schriften in einem Anhang der koreanischen Kollektion des buddhistischen Kanons im Tempelkloster Haein Sa gelegen hatte, in unserem Jahrhundert ans Licht. Der japanische buddhistische Gelehrte Ono Gemmyô (1884 - 1939), ein Mitherausgeber der japanischen Tripitaka Taishô Daizôkyô, der sich für die vorgegebene koreanische Leistung interessierte, entdeckte die gut erhaltene zwanzigbändige Chronik (1902), deren Vorwort Auskunft über Entstehung und Absicht der Schrift gibt. 1 Der Verfasser des Vorwortes, Wen-teng, Dharma-Erbe in der dritten Generation des berühmten Hsüeh-feng I-ts ’ un (jap. Seppô Gison, 822 - 908), einer zentralen Figur des chinesischen Zen der T ’ ang-Zeit, nennt als Kompilatoren zwei sonst unbekannte Mönche Ching und Yün, seine Jünger, die er bei der Arbeit leitete und ermunterte. Diese beiden «Edlen des Zen» (jap. Zentoku) haben, wie das Vorwort bemerkt, das «Wesentliche des Dharma» (jap. hôyô) aus alten und neuen Gegenden in einem Band zusammengetragen. 2 Das im Text angegebene Entstehungsdatum 952 platziert die Schrift in einem Abstand von je etwa fünfzig Jahren zwischen die Chroniken Pa-lin chuan (jap. Hôrinden, 801) und Ching-te ch ’ uan-teng lu (jap. Keitoku Dentôroku, 1001 oder 1011). Zeitlich frühere Chroniken der Nordschule vertreten einseitig den Standpunkt dieser Schule. Da bisher wichtige Teile der Chronik Hôrinden nicht aufgefunden wurden, erweist sich das Chodang chip als die älteste vollständig erhaltene Chronik der gesamten Zen-Bewegung der Frühzeit. Obgleich im angesehenen Zen-Zentrum Chao-ch ’ ing yüan (jap. Shôkeiin) im Bezirk Fukien entstanden, hat das Chodang chip in China nicht die ihm gebührende Beachtung gefunden. Das Geschichtsbild der frühen chinesischen Zen-Bewegung wurde jahrhundertelang durch die Chronik Keitoku Dentôroku bestimmt, die erste von fünf Zen-Chroniken der Sung-Zeit, die inhaltlich keine Abhängigkeit vom Chodang chip zeigt, ja nicht einmal den Titel dieser Chronik kennt. Die räumliche Entfernung zwischen den Entstehungsorten beider Chroniken kann die Unkenntnis kaum erklären. Das Keitoku Dentôroku ist im Norden, das Chodang chip im Süden des chinesischen Riesenreiches entstanden. In China ist das Chodang chip kaum zur Kenntnis genommen worden. Nur drei Belege für seine Existenz während des Jahrhunderts nach seiner Kompilation konnten bisher entdeckt werden. 3 Im 12. Jahrhundert wird die Schrift in China nicht erwähnt. Die Chronik war ursprünglich in einem Band zusammengefasst. Bei der Drucklegung im koreanischen Kanon wurde die Schrift in zwanzig Bücher aufgeteilt. Das überkommene Exemplar trägt das Datum 1245, es enthält die Biographien von insgesamt 259 Zen-Patriarchen und Zen-Meistern, erläutert durch Episoden und ausgeschmückt mit Versen, die teilweise Meister Wenteng, dem literarisch gebildeten Mentor des Werkes, zu verdanken sind. Die Eintragungen der Chronik bereichern wesentlich unsere Kenntnis der Zen- Bewegung. Yanagida sieht die neue, frische Sichtweise der Chronik durch den Abschnitt über Lin-chi bestätigt. 4 Paul Demiéville markiert den Wert der Sammlung der Patriarchenhalle durch die Übersetzung der Abschnitte über die zwei genialen Meister Huang-po und Lin-chi. 5 Wir wissen nicht, wann und wie die Chronik Chodang chip nach Korea gelangt ist. Eine erste Drucklegung des buddhistischen Kanons in Korea während des 11. Jahrhunderts wurde beim Mongoleneinfall vollständig zerstört (1231). Die Machthaber der Kory ŏ -Dynastie hielten an der Verwirklichung des großen Projektes fest. Ein Grund, das Chodang chip in die Neuauflage aufzunehmen, waren wohl die Abschnitte über die Silla-Mönche, die das Zen aus China nach Korea überbrachten. Auch mag der Name des Wen-teng für die Qualität der Publikation gebürgt haben. Freilich fehlen Angaben über die Kompilatoren Ching und Yün. Möglicherweise waren sie Koreaner, doch misst Yanagida dieser Vermutung keine Beweiskraft zu. 6 Die Chronik Chodang chip erregte nach ihrer Entdeckung zu Beginn dieses Jahrhunderts starkes Interesse. Erstrangige buddhistische Forscher wie der chinesische Historiker Hu Shih und die japanischen Gelehrten Nukariya Kaiten, 308 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Ui Hakuju, Tokiwa Daijô befassten sich mit dem Text. Am intensivsten widmete sich dem Fund aus Korea Yanagida Seizan, der von seinen Bemühungen oftmals erzählt hat. Der Text wurde zuerst teilweise, dann vollständig in photostatischem Druck zugänglich gemacht. Eine von Yanagida edierte Ausgabe erschien in Kyoto im Jahre 1972. 7 Die Abschnitte über die koreanischen Mönche wurden von dem koreanischen Zen-Meister Kyung-po Seo, dem Abt des berühmten Tempels Pulguk Sa in Kyongju, ins Englische übersetzt und erläutert. 8 «Die epochale Bedeutung des Chodang chip», so Yanagida, «liegt darin, dass es den Besuch der Silla-Mönche im T ’ ang-Reich überliefert und die Anfänge des Zen der Silla-Zeit, das in den Neun Bergen der Zen-Schule zur Vollendung kam, erhellt.» 9 Die Neun Berge Die Bewegung der Neun Berge, die erste Hochblüte des Zen in Korea, spiegelt das goldene Zeitalter des Zen im China der T ’ ang-Dynastie während des 8. und 9. Jahrhunderts. 10 Voraus ging die Pioniertat des P ŏ mnang, der als erster koreanischer Mönch um die Mitte des 7. Jahrhunderts beim vierten chinesischen Patriarchen Tao-hsin (580 - 651) mit Erfolg die Zen-Meditation übte und das Zen des Ostberges aus China nach Korea überbrachte. Freilich fand die neue Meditationsweise in Korea eine eher zurückhaltende Aufnahme. Zwar konnte P ŏ mnang seinen Jünger Sinhaeng (704 - 781) den Zen-Weg lehren und das Dharmasiegel an ihn weitergeben. Doch zog er sich bald in die Bergeinsamkeit zurück. 11 Sein Jünger Sinhaeng pilgerte nach China und widmete sich bei einem koreanischen Jünger des P ’ u-chi (651 - 739), einem Meister der Nordschule, dem Studium und der Übung des Zen. Das von ihm weitergegebene Zen dürfte der Meditationsweise des Ostberges in der Ausformung der Nordschule entsprochen haben. Nur die Namen seiner Nachfolger in der dritten und vierten Generation Chunb ŏ m und Hye ŭ n sind bekannt. Erst durch den Meister der fünften Generation Chis ŏ n Toh ŏ n (824 - 882) gelangt P ŏ mnangs Linie zu Ansehen. 12 Das von Toh ŏ n auf dem Huiyang-Berg gegründete Kloster (879) wurde zum Mittelpunkt der nach dem Berg genannten Linie, die zu den Neun Bergen zählt. Chronologisch steht P ŏ mnang am Anfang der Geschichte der koreanischen Zen-Mönche, seine Linie wurde mit dem Namen seines Nachfolgers Chis ŏ n Toh ŏ n in die Liste der Neun Berge eingefügt. Als erster Zen-Patriarch von Korea wird im koreanischen Buddhismus To ŭ i (gest. 825) verehrt 13 , der den authentischen Zen-Stil der Schule des Ma-tsu Tao-i (709 - 788) in seinem Lande einpflanzte. To ŭ i drang während seines langen Chinaaufenthaltes (784 - 821) tief in die Geheimnisse des Zen ein und erlangte bei Hsi-t ’ ang Chih-tsang, einem Jünger des großen Ma-tsu, das Siegel der Erleuchtung. Er besuchte auch das Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches 309 blühende Kloster des Pai-chang (720 - 814), dem das Zen seine gültige Mönchsregel verdankt. Bei seiner Rückkehr nach Korea stieß er auf den Widerstand des vorherrschenden Sutrenbuddhismus. Den Dharma gab er seinem Jünger Y ŏ mg ŏ weiter, dessen Jünger Pojo Ch ’ ej ŭ ng den Haupttempel Porim Sa auf dem Kaji- Berg errichtete (859), nach dem die Schule benannt wird. Die Chronik Chodang chip hat die Gestalt des To ŭ i legendär ausgeschmückt. Träume und Lichtvisionen gingen seiner Geburt voraus. Die Frucht reifte während neununddreißig Monaten im Mutterleib, ein beliebter Topos chinesischer Hagiographie, der auch bei Lao-tzu vorkommt. Zen-Geist atmen die Worte, die gemäß der Chronik Meister Hsi-t ’ ang beim Kommen des jungen Mönchs aus Korea gesprochen haben soll. «Ich habe gleichsam unter Steinen einen Edelstein aufgepickt, eine Perle in einem Schellfisch. Wem sollte ich Zen überliefern, wenn nicht einem solchen? » 14 Pai-chang sah beim Anblick des To ŭ i den Überlieferungsstrom des Zen ins Ostland fließen. Meister To ŭ i soll sich bei der Führung der Jünger auch der Körpersprache des Zen bedient haben. Er lehrte ungegenständliche Meditation «ohne Gedanken, ohne Üben» (jap. munen, mushu). Hongjik 15 , der Gründer der Schule vom Silsang-Berg, übte mit seinem Zeitgenossen To ŭ i bei dem chinesischen Meister Hsi-t ’ ang Chih-tsang das radikale Zen des Ma-tsu 16 . Er verweilte sechzehn Jahre in China. Nach seiner Rückkehr (826) entfaltete er eine reiche Tätigkeit, lehrte das Volk, sammelte Jünger um sich und gründete das erste Zen-Kloster in Korea: Silsang Sa (828). Die Chronik Chodang chip hat über ihn nur eine kurze Eintragung, wahrscheinlich weil sein Lebenslauf aus anderen Quellen gut bekannt war. Eine Grabinschrift für Chis ŏ n Toh ŏ n rühmt seinen Zen-Geist: «Er übte ohne eine Spur von Übung, er erlangte Erleuchtung ohne eine Spur von Erleuchtung. Er saß in Meditation still wie ein großer Berg. Wenn er sich bewegte, war es, wie wenn Echos von allen Bergen brausten.» 17 Sein Hauptjünger Such ’ ŏ l (816 - 882) führte das Werk des Meisters erfolgreich weiter. Seine Biographie vermerkt, dass er durch umfassende Studien eine gute Kenntnis der Sutren, insbesondere der Kegon-Sutren, erworben hatte. Er soll intensiv über das Verhältnis des Zen zum Sutrenbuddhismus nachgedacht haben. Zum Jüngerkreis des Hsi-t ’ ang Chih-tsang gehört ebenfalls der koreanische Mönch Hyech ’ ŏ l (785 - 861) 18 , der Gründer der Schule vom Tongni San, der vor seinem Aufbruch nach China Kegon studiert und die Mönchsordination empfangen hatte. Während seines Aufenthaltes im Reich der Mitte (814 - 839) erlangte er Erleuchtung und Dharmasiegel. Nach dem Tod seines Meisters Chihtsang soll er den gesamten Schriftkanon gelesen haben. Nach seiner Rückkehr nach Korea wirkte er vom Tempelkloster Taesan aus für die Ausbreitung der Lehre, gelangte rasch zu Berühmtheit und wurde vom Hof mit administrativen 310 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Aufgaben betraut. Seine Grabinschrift überliefert markante Zen-Worte, die er an seine Jünger gerichtet haben soll, und endet mit dem Spruch: Geist des Nicht-Geistes ist wahrer Geist, Weisheit der Nicht-Weisheit ist wahre Weisheit. 19 Unter seinen Jüngern ragt Tos ŏ n (821 - 898) hervor, durch den das Zen eine Beziehung zur Geomantik hat. Darüber später. 20 Hy ŏ nuk (787 - 869), der Gründer der Schule vom Bongnim San, ein Sprössling aus vornehmer Familie, hat eine längere Biographie im Chodang chip. 21 Die Chronik berichtet nach einigen hagiographischen Einzelheiten aus der Kindheit von seinem Eintritt in den Mönchstand, seiner Ordination (808) und seinem China-Aufenthalt (824 - 837), wo er sich unter der Führung eines Dharma-Erben des Ma-tsu der Zen-Übung widmete. Den Höhepunkt erreicht sein Lebenslauf in den Beziehungen zum Hof der Silla-Dynastien. Vier Könige vertrauten sich seiner geistlichen Führung an. Oft wurde er in die Paläste der Großen zur Sutrenrezitation und Predigt eingeladen. Bis ins hohe Alter genoss der verehrte Meister die Gunsterweisungen seiner Getreuen. Sein Jünger Chingy ŏ ng Simh ŭ i (855 - 923) liebte ein zurückgezogenes Leben, zog indes viele Jünger an und gründete das Kloster Bongnim Sa (897), das Zentrum der aufblühenden Schule. Heraus ragt in der Blütezeit der Neun Berge Muy ŏ m (801 - 888), der Begründer der Schule vom Songju San. 22 Zahlreiche Episoden und Zwiegespräche sind überliefert, die seine hohe Erleuchtung und vollkommene Tugend bekunden. Mit zwölf Jahren in den Mönchstand eingetreten, studierte er zuerst bei einem Mönch der koreanischen Schule der Dharma-Natur. Zum weiteren Studium begab er sich nach China (821). Dort begegnete er in einem Tempel der Hauptstadt Lo-yang dem Zen-Meister Ju-man, einem Dharma- Erben des Ma-tsu. Er fragte, wie die Chronik erzählt, den Meister nach dem Wesen des Dharma-Siegels Ma-tsus. Der Meister zeigte sich hocherfreut über die Frage des nach Erleuchtung strebenden jungen Koreaners: «Wenn in künftigen Tagen das Zen in China einen Niedergang erleiden sollte, können wir es im Ostland suchen.» 23 Ma-ku Pao-ch ’ e, einen anderen Jünger aus der Ma-tsu-Schule, hatte ein prophetisches Wort seines Meisters auf die Ankunft seines koreanischen Jüngers vorbereitet: «Das Zen geht jetzt den Weg zum Ostland.» 24 Muy ŏ m übte mit ganzer Hingabe bei Pao-ch ’ e und erlangte die Erleuchtung. Nach dem Tod des Meisters blieb er noch eine Weile in China, wo er ob seiner ungewöhnlichen Tugend «der große Bodhisattva des Ostlandes» genannt wurde. 25 Muy ŏ ms Zen-Stil, benannt nach dem Paradox des Lehrens durch den «Zustand der Zungenlosigkeit», geht auf den Meister Yang-shan Hui-chi (807 - 883) aus dem Haus Igyô zurück, dem das Wort zugeschrieben wird: «Keine Zunge in zwei Mündern, das ist die Quintessenz unserer Schule.» Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches 311 Muy ŏ m erklärt dieses Wort: «Weil in der rechten Zen-Überlieferung der (Schüler) nicht nach dem Dharma sucht, (gibt) der Meister (ihm nichts). Dies ist der Zustand der Zungenlosigkeit. Doch wenn der, der den Dharma sucht, spricht, so braucht er vorläufige Worte. Dies ist der Zustand mit der Zunge.» 26 Die unmittelbare Mitteilung von Geist zu Geist bedarf keiner Worte. Worte sind nicht das Eigentliche, sondern vorläufige Kunstmittel (upâya). In der Geschichte des Zen-Buddhismus gibt es viele Beispiele von Lehren ohne Zunge, von Predigen ohne Worte. Nicht nur predigte Shâkyamuni gemäß der Überlieferung 45 Jahre lang, ohne die Zunge zu bewegen, auch Berge und Täler, Bäume und Gräser, Ströme und Bäche verkünden immerfort wortlos die Buddha-Botschaft. Muy ŏ ms Wirken in Korea wurde vom Königshaus stark gefördert, er selbst wurde mit Ehren überhäuft. Eine große Zahl von Jüngern erlernte bei ihm die Zen-Meditation. Vier Hauptjünger werden namentlich gerühmt. Seinen Zen-Stil des Lehrens ohne Zunge erklärte er in einer Schrift. Das Tempelkloster Songju Sa (847) wurde zum Zentrum der Schule vom Songju-Berg. P ŏ mil (810 - 889), von Glück verheißenden Zeichen bei der Geburt für eine große geistliche Laufbahn bestimmt, ging mit dem Segen der Eltern in jungen Jahren in die Hauslosigkeit und empfing mit zwanzig Jahren die Mönchsordination. 27 Ein Jahr später reiste er zusammen mit einem königlichen Prinzen nach China (831). Seiner Aufnahme in die Jüngerschaft des chinesischen Meisters Yen-kuan Ch ’ i-an (750? - 842), eines der vielen Dharma-Erben des Ma-tsu, ging ein kôanartiges Wechselgespräch voraus, das die Chronik Chodang chip mitteilt. Auf die Frage, woher er komme, erwidert P ŏ mil: «Ich komme vom Ostland.» Darauf der Meister: «Bist du über See oder über Land gekommen? » «Ich habe den Fuß nicht auf See oder Land gesetzt.» «Wie konntest du denn kommen? » «Die Sonne und der Mond wandern nach Osten und nach Westen. Was kann hindern? » «Du bist in der Tat ein Bodhisattva des Ostlandes.» 28 Der Meister erkannte den Wert des Ankömmlings und spendete ihm höchstes Lob. Die Chronik erzählt weiter, dass der Jünger den Meister über das Wesen des Buddha-Werdens befragte. Der Weg, chinesisch das Tao, im Buddhismus Ausdruck für die Buddhaschaft, so erklärt der Meister, wird nicht durch Üben und Studieren erlangt. «Der alltägliche Geist ist der Weg.» 29 P ŏ mil erlangte beim Vernehmen dieser Worte große Erleuchtung. Noch sechs Jahre blieb er bei Yen-kuan und diente dem Meister. P ŏ mil besuchte in China auch den Meister Yüeh-shan Wei-yen (745 - 828), einen Jünger des Shih-t ’ ou Hsi-chien (700 - 790), des Begründers der zweiten Traditionslinie des chinesischen Zen nach Hui-neng, aus der die Sôtô-Schule 312 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick hervorging. Die Chronik berichtet über ein Wechselgespräch des P ŏ mil mit diesem Meister. In seine Heimat zurückgekehrt (846), wurde er ins Tempelkloster Kulsan Sa berufen, das zum Hauptsitz der Schule vom Salgu-Berg wurde. Ununterbrochen weilte er vierzig Jahre im Kulsan Sa, schulte hervorragende Jünger und wirkte mit großem Eifer für die Ausbreitung des authentischen Matsu-Zen. Einladungen an den königlichen Hof schlug er aus. Hochgeehrt starb er. Seine Jünger wirkten im Geist des Meisters, unter ihrer Ägide wurde die Schule vom Salgu San zur größten der Neun Berge. Toyun (797 - 868) 30 , der Gründer der Schule vom Saja San, dessen Geburt gemäß der legendären Erzählung der Chronik Chodang chip ein Lichtstrahl der Mutter ankündigte, steht im Glanz seines Meisters Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan (748 - 835), eines der Großen im chinesischen Zen-Wald der T ’ ang-Zeit, über den viele Anekdoten im Umlauf sind, darunter die berühmte Geschichte: «Nanch ’ üan tötet die Katze». 31 Wie viel Toyun vom originellen Geist seines Meisters in sich aufzunehmen vermochte, wissen wir nicht. Sicher hat er während seiner Studienjahre bei ihm genuines Zen gelernt. Vielleicht kam er auch mit der tief verankerten Kenntnis des Mahâyâna in Berührung, die Nan-ch ’ üan sich vor seinem Eintritt in den Jüngerkreis des Ma-tsu erworben hatte, als er in jungen Jahren Vinaya-Texte studierte, Vorlesungen über das Laṅkâvatâra- und das Avataṃsaka-Sûtra hörte und sich mit der Lehre der von den Weisheitssutren geprägten Schule der drei Traktate (jap. sanron) befasste. Es würde dies zum ausgeprägten Interesse der koreanischen Buddha-Mönche für die Grundlagen des Mahâyâna-Buddhismus passen. Toyuns Wirken fand in Korea nach seiner Rückkehr aus China (847) viel Beachtung. Ein König ließ sich von ihm in die buddhistische Gemeinde aufnehmen. Er gründete das Tempelkloster H ŭ ngny ŏ ng Sa auf dem Saja- Berg (850), den Hauptsitz seiner Schule, die seine Jünger nach dem Tod weiterführten. Die Schule vom Sumi-Berg, die späteste der Schulen der Neun Berge, die durch ihren Gründer I ŏ m (869 - 936) bis nahe an die Kory ŏ -Epoche heranreicht, gehört als Einzige nicht der Ma-tsu-Linie des Zen an. 32 I ŏ m empfing das Dharma-Siegel von Yün-chü Tao-ying (gest. 902), einem Meister des Hauses Sôtô (chin. Ts ’ ao-tung) und Dharma-Erben des Tung-shan Liang-chieh, auf den diese Traditionslinie zurückgeht. Gemäß der Überlieferung hat Tung-shan einem anderen Jünger die hoch geschätzte Geheimlehre von den «Fünf Stufen» (jap. goi, chin. wu-wei) vermacht. 33 I ŏ m empfing demnach von seinem Meister das Sôtô-Zen, jedoch nicht das Schema der «Fünf Stufen». Nach längerem Chinaaufenthalt (895 - 911) kehrte er nach Korea zurück und wohnte in mehreren Tempelklöstern, bevor er den Hauptsitz Kwangjo Sa auf dem Berg Sumi gründete (931). Er nahm die Zuflucht zu den drei Kleinodien von dem Gründer der folgenden Dynastie Kory ŏ entgegen. Die Namen von vier seiner Jünger sind Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches 313 überkommen. Außerdem werden noch mehrere koreanische Mönche genannt, die wie er bei Yün-chü Tao-ying das Sôtô-Zen studierten. Kreisfiguren und Geomantik Die Neun Berge bilden den Kern der Zen-Bewegung der zweiten Hälfte der Epoche des vereinigten Silla-Reiches. Mit Ausnahme der zuletzt genannten Gruppe der Sumi San-Schule vertraten die Mönche, die im Kontext der Neun Berge genannt werden, das chinesische Zen der Patriarchen der Ma-tsu-Schule. Der Chronik Chodang chip liegt offensichtlich daran, die enge Verbindung des koreanischen Zen-Buddhismus mit dem chinesischen Ch ’ an der T ’ ang-Zeit darzutun. Koreanische Zen-Mönche hegten ebenso wie ihre japanischen Brüder das heiße Verlangen, sich den Buddha-Weg in der vollkommenen Form des großen Nachbarlandes anzueignen. Hier ist der prominente koreanische Zen- Meister Musang (chin. Wu-hsiang, 684 - 762) aus der Traditionslinie der chinesischen Szechuan-Schule zu nennen, bei dem der große Ma-tsu eine Weile als Schüler verbracht haben soll. 34 Die Verbindung der Neun Berge mit Ma-tsu veranschaulicht die für das Verständnis des koreanischen Zen-Buddhismus wichtige, durchgängige Kommunikation mit China. Die Mönche der Neun Berge, die bei Ma-tsus Dharma-Erben studierten, haben einen frühen Ahn in ihrem Landsmann Musang. Die Chronik Chodang chip beschreibt im letzten Kapitel (Buch 20) die Praxis der Kreisfiguren, eine Methode auf dem Erleuchtungsweg, die der koreanische Mönch Sunji bei dem chinesischen Meister Yang-shan Hui-chi (807 - 883), einem Dharma-Erben des Kuei-shan Ling-yu (771 - 853) lernte. 35 Diese zwei Meister sind die Gründer des nach ihnen benannten Hauses Kuei-yang, das als Besonderheit die Übung der «vollkommenen Merkmale» oder Kreisfiguren pflegte. 36 Die biographischen Angaben der Chronik über Sunji sind karg. Wir kennen seine Lebensdaten nicht. Aus vornehmem Haus stammend, zeigte er schon als Knabe seine Neigung zum Studium der buddhistischen Schriften. Herangewachsen erlange er von seinen Eltern die Einwilligung zum Eintritt in den Mönchstand. In China entbot ihm Meister Yang-shan ein herzliches Willkommen und nahm ihn in seine Jüngerschaft auf (858). Die Chronik vergleicht das Meister-Jünger-Verhältnis mit dem berühmten chinesischen Vorbild des Kung-tzu und seines Jüngers Yen-hui. Sunji überbrachte die Praxis der Kreisfiguren nach Korea und verbreitete sie von dem ihm geschenkten Tempelkloster Yong ŏ m aus, das später in S ŏ un umbenannt wurde. Das Chodang chip bietet die früheste ausführliche Darstellung der Anwendung von Kreisfiguren, über die auch chinesische Zen-Chroniken der Sung-Zeit berichten. Sunji erklärt drei Schemata. Das erste Schema umfasst «Vier Paare 314 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick und acht Formen». Die Grundform des Kreises wird in acht verschiedenen Kombinationen abgewandelt. In der Vollmondgestalt ist sie die Form der Wahrheit, des Buddha und des Geistes, das Symbol der Buddha-Natur. Das Schriftzeichen «Ochs», in der zweiten Form innerhalb des Kreises bedeutet die Erlangung der Buddhaschaft. Diese Form bildet mit dem Kreis als Vollmond das erste Paar. Das zweite Paar zeigt einmal drei Ochsen unter dem Kreis und ein andermal einen weißen Ochsen innerhalb des Kreises. Die drei Ochsen bedeuten die drei Fahrzeuge, gemäß dem Lotossutra ungenügend zur Erlangung der Buddhaschaft. Der weiße Ochs gleicht dem Einen Fahrzeug, das zur glückhaften Vollendung trägt. Die folgenden zwei Paare mit je zwei Formen symbolisieren verschiedene Beziehungen zur endgültigen Realisation. Im zweiten Schema der «Zwei Paare und vier Formen» ist das Schriftzeichen «Mensch» in den Kreis eingefügt. Das Schriftzeichen Ochs erscheint einmal über dem Kreis und ein andermal unter dem Kreis. Die Erlangung der Erleuchtung ist an menschliche Haltungen in der Übung geknüpft. In der letzten Figur des dritten Schemas der «Fünf Formen» steht das Schriftzeichen «Land» oder «Erde» im leeren Kreis. Dies ist die Form des geheimen Siegels und der Manifestation des Transzendenten in der Welt. Der Überblick über Sunjis Kreisfiguren verdeutlicht deren symbolischen Charakter und erklärt ihre Verwendung für den Zen-Weg. Die radikale Ablehnung jeglicher Verbalisierung ließ nach anderen Arten der Kommunikation ausschauen. Im Haus Kuei-yang kamen spontane Handlungen und symbolische Zeichen in Gebrauch, die Sunji sich aneignete. Er erwarb sich durch seine Geschicklichkeit in der Erfindung neuer Formen und ihrer Anwendung hohes Ansehen. Allerdings blieb die Methode in Zen-Kreisen umstritten. Radikale Meister verwarfen alle positiven Ausdrucksweisen und erkannten die Kreisfiguren auch als «künstliche Mittel» (upâya) nicht an. Die Kontroverse verhinderte nicht die Ausbreitung der Kreisfiguren, die zumal im esoterischen Buddhismus Anklang fanden. Ein fremdes Element hat hier in den Zen- Buddhismus Eingang gefunden. Die Praxis der Geomantik 37 , die sich gegen Ende der Periode des vereinigten Silla-Reiches und während der folgenden Epoche Kory ŏ in Korea großer Beliebtheit erfreute, ist durch den Namen des Tos ŏ n (827 - 898) mit der Zen-Bewegung der Neun Berge verknüpft. 38 Tos ŏ ns Berühmtheit als Experte der Geomantik verdankt sich mehr seinem Ruf im Volk als nachweislichen Verdiensten. Seine Gestalt ist, wie ein japanischer Historiker sagt, «von einem mystischen Schleier umhüllt» 39 . Da er chinesischen Boden nicht betreten hat, ist die im Reich der Mitte beheimatete Geomantik nicht durch ihn erstmals nach Korea gelangt. Seine Biographie bringt nur die für ein Mönchsleben üblichen Nachrichten vom Eintritt in den Mönchstand und von der Mönchsordination, vom Aufenthalt in Tempelklöstern, von der Jüngerschaft bei Hyech ’ ŏ l, in dessen Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches 315 Nachfolge er steht, schließlich von erfolgreichem Wirken im Kreis einer großen Jüngerschar. Die Legende bemächtigte sich seiner in ungewöhnlichem Ausmaß. Sie schreibt ihm die Prophezeiung von einer bald erscheinenden Herrschergestalt zu, als deren Erfüllung der Regierungsantritt des Begründers der Kory ŏ - Dynastie Wang K ŏ n (auch T ’ aejo, reg. 918 - 943) angesehen wird. Die Legende entbehrt samt ihrer Ausschmückungen geschichtlicher Sicherheit. Auch ist eine frühe Begegnung Tos ŏ ns mit dem Gründer der Kory ŏ -Dynastie nicht nachweisbar. Die Praxis der Kreisfiguren und das Auswuchern der Geomantik sind Anzeichen des Niederganges, der während der letzten Jahrzehnte der Silla- Epoche einsetzte. Politische Wirren suchten das Land heim und beeinträchtigten die Buddha-Religion. Die Bewegung der Neun Berge hatte ihren Höhepunkt überschritten. Mannigfache Vermischungen drangen in die Zen-Übung ein und bereiteten die tiefreichenden Veränderungen vor, die während der folgenden Epoche zu einer Neugestaltung des Zen-Buddhismus in Korea führten. 316 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick IV Entwicklungen während der Kory ŏ -Zeit (918 - 1392) Die Epoche des vereinigten Silla-Reiches (668 - 935) ist die nie wieder erreichte Glanzzeit des koreanischen Buddhismus. Die politischen Unruhen, die während des letzten Jahrhunderts der Epoche das Land heimsuchten und schließlich zum Sturz der Dynastie führten, ließen die Buddha-Religion nicht unverschont. Vom Zeitgeist und von inneren Schwierigkeiten verursachte Anzeichen von Müdigkeit und Niedergang sind unübersehbar. Die Änderungen unter dem neuen Regime brachten zunächst keinen Schaden. Der erste Herrscher der Kory ŏ - Dynastie, Wang K ŏ n, versprach dem Buddhismus seinen Schutz gemäß seiner Überzeugung: «Alle großen Unternehmungen unseres Königreiches hängen von der beschützenden Macht aller Buddhas ab.» 1 Während der Epoche kam es zu entscheidenden Entwicklungen, die dem koreanischen Buddhismus seine bleibende Gestalt verliehen. Religionspolitik und Regierungsmaßnahmen Wie der Gründer, so zeigten auch die nachfolgenden Herrscher der Kory ŏ - Dynastie dem Buddhismus ihre Gunst. Dem Staatskörper fest eingefügt, wurde der Buddhismus zur National- oder Staatsreligion. Auf die Förderung der Buddha-Religion ausgerichtete politische Maßnahmen brachten erhebliche materielle Vorteile. Die buddhistischen Klöster wurden von der Steuerpflicht, die Mönche vom Wehrdienst befreit. So wurden die Klöster reich, die Zahl der Mönche stieg an. Doch wie die Geschichte lehrt, sind Reichtum und Wohlstand dem Geist einer religiösen Gemeinschaft nicht zuträglich. Der koreanische Buddhismus erfreute sich vieler Privilegien, aber erlitt schwere Einbußen an innerer Kraft. Den immer deutlicher in Erscheinung tretenden Missständen suchte die Regierung durch ein Examenssystem für die Mönche Abhilfe zu schaffen. 2 Durch die obligatorischen Prüfungen wurden die Mönche zu anhaltendem Studium der Lehre gezwungen. Die Examina waren für die Schulen des Sutren-Buddhismus und für die Zen-Mönche getrennt. Diesen konnte wegen ihrer ausschließlichen Hingabe an die Übung intensives Studium billigerweise nicht zugemutet werden. Doch ließ die totale Vereinnahmung durch den Staat keine Ausnahme zu. Das System der Mönchsexamina schuf eine hierarchische Ordnung von Rangstufen, die zwei obersten Stufen waren die des königlichen Lehrers und die des nationalen Lehrers. Die staatliche Kontrolle musste dazu beitragen, die Vitalität und schöpferische Kraft des Buddhismus weiter zu schädigen. Die Namen vieler Buddha-Mönche aus der ersten Hälfte der Kory ŏ -Zeit sind bekannt. Im Zen-Buddhismus konnten die Schulen der Neun Berge ihr Wirken fortsetzen. Ob und in welchem Grade die Jünger der folgenden Generationen echten Zen-Geist bewahrten, bleibt eine offene Frage, deren Beantwortung weiterer Forschung bedarf. Zuwachs kam dem koreanischen Zen-Buddhismus durch sechsunddreißig Mönche, die aus China eine der damals gängigen Zen-Linien einführten. Zur Zeit der Anfänge der Kory ŏ -Dynastie herrschten im Reich der Mitte fünf Dynastien (907 - 960), die auf die Hochblüte der T ’ ang-Zeit folgten. Im Zen- Buddhismus ist dies die Zeit der «Fünf Häuser». Das Haupt des Hauses Fa-yen (jap. Hôgen) in der dritten Generation Yung-ming Yen-shou (904 - 975), offen für Einflüsse von außen und in der Zen-Geschichte durch sein umfassendes synkretistisches Werk Shûkyôroku (chin. Tsung-ching lu) bekannt, zog viele Jünger an, so auch die sechsunddreißig jungen Koreaner, die bei ihm Zen übten und unter seiner Führung die Erleuchtung erlangten. Über Leben und Wirken des Jis ŏ n, eines dieser Mönche, sind Nachrichten überkommen. 3 Mit acht Jahren trat er in den Mönchstand ein, besuchte nach Lehrjahren in mehreren koreanischen Klöstern China, übte dort unter Yung-ming Yenshou Zen und studierte nach Erlangung der Erleuchtung auch die Tendai- Lehre. Er kehrte nach längerem Chinaaufenthalt (956 - 970) in sein Land zurück und entfaltete eine bedeutende Tätigkeit, die vom königlichen Hof geschätzt und mit Aufträgen und Ehrenbezeugungen honoriert wurde. Er starb im hohen Alter von 89 Jahren (1018). Die Gruppe der sechsunddreißig Mönche ist ein Beispiel für Zen-Aktivitäten außerhalb der Neun Berge während der Kory ŏ -Zeit. Durch Gunsterweisungen und strikte Kontrolle hielten die Könige der Kory ŏ - Zeit den Buddhismus fest im Griff. Die Religionspolitik der Epoche zielte den Zusammenschluss und die Vereinheitlichung der buddhistischen Schulen an. Die Könige, selbst eifrige Buddhisten, pflegten mit buddhistischen Mönchen, insbesondere mit Zen-Meistern, freundlichen Umgang. Ein Beispiel dafür ist der Laie Isahy ŏ n (1061 - 1125), der bei der Lektüre der Spruchsammlung (jap. goroku) des berühmten und beliebten chinesischen Zen-Meisters Hsüeh-feng I-ts ’ un (822 - 908) die Erleuchtung erlangt und eine Beamtenlaufbahn aufgegeben hatte, um sich ganz dem religiösen Leben zu widmen. 4 Er verband eine ausgedehnte Kenntnis der Sutrenlehre mit der Zen-Praxis. Zu seinen Vorträgen sammelte er Gelehrte um sich und betätigte sich auch literarisch. Der König schenkte dem anerkannten Zen-Meister Vertrauen und überhäufte ihn mit Auszeichnungen. Die Verknüpfung von Sutrengelehrsamkeit und Zen-Praxis ist symptomatisch für die Zeitsituation. Eine Wende wurde deutlich, als ein königlicher Prinz die 318 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Mönchrobe nahm und im Buddhismus eine führende Stellung erreichte. Bevor wir über die bedeutenden Leistungen des Ŭ ich ’ ŏ n berichten, ist es hilfreich, die komplexe Lage des koreanischen Buddhismus in den Blick zu nehmen. Sutrenbuddhismus und Zen Das Zen stieß bei seiner Einpflanzung in Korea um die Mitte des 7. Jahrhunderts auf fünf blühende, aus China gekommene buddhistische Schulen, die im Lande festen Fuß gefasst hatten, nämlich die Schulen des Vinaya, des Nirvâṇa-Sûtra, der Avata ṃ saka- (Kegon-)Sutren, der Nur-Bewusstseinsphilosophie (Vijñânavâda oder Yogâcâra) und der Korea eigentümlichen Schule der Dharma-Natur. 5 Den Sutrenbuddhismus dieser Schulen vertraten so bedeutende Mönche wie die schon genannten Ŭ isang und W ŏ nhyo, die Gründer der koreanischen Kegon- Schule und der Schule der Dharma-Natur, sowie W ŏ nch ’ uk (613 - 696), der hervorragende Yogâcâra-Gelehrte, der von jung an in China studierte, umfassende Studien des Mahâyâna betrieb, in den Hauptstädten Chang-an und Loyang, mit reichen Sprachkenntnissen begabt, an Übersetzungsarbeiten des buddhistischen Kanons teilnahm, mit Hsüeh-tsang, dem berühmten Indienpilger und Übersetzer, Umgang pflegte und sein Leben im Reich der Mitte beschloss, während seine Jünger die Bewusstseinslehre in der P ŏ psang- (chin. Fa-hsiang, jap. Hossô) Schule zur Blüte brachten. 6 In diesem «goldenen Zeitalter» des koreanischen Sutrenbuddhismus hatte das neu angekommene Zen große Mühe, den ihm angemessenen Platz zu finden. Der starke Widerstand in den Städten trieb die Zen-Mönche in die Berge, wo sie an neun Orten Klöster erbauten und zu weit reichendem Einfluss auf das religiöse Leben im Lande gelangten. Der Antagonismus zwischen Sutrenbuddhismus (koreanisch Kyo) und Zen (kor. S ŏ n) zieht sich von frühen Anfängen an durch viele Jahrhunderte. Zugleich wirkte eine starke Tendenz zu Harmonisierung und Vereinheitlichung. P ŏ mnang, der erste Überbringer des Zen aus China, vermochte sich nicht gegen die überstarken Schulen des Sutrenbuddhismus durchzusetzen. To ŭ i (gest. 825), als Gründer der Kaji San-Schule im Zen der Neun Berge als Patriarch anerkannt, stellt die Geistüberlieferung außerhalb der Schriften gegen die überkommenen Lehren. In einem Streitgespräch mit einem Vertreter der Kegon-Schule beruft er sich auf einen chinesischen Zen-Meister der T ’ ang- Zeit, der den gesamten Schriftkanon im Zeigen der Faust dartat. «Die Schule der (Zen-)Patriarchen offenbart», wie To ŭ i erklärt, «die Natur des Weges. Deshalb gibt es außer den fünf scholastischen Lehren eine besondere Überlieferung des Dharmas des Geistsiegels der Patriarchen.» 7 Das Geistsiegel wird nicht durch Sutrenrezitation erlangt, sondern in unmittelbarer Erfahrung realisiert. Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 319 Buswell führt als Zeugnis für den Kampf des Zen gegen den Sutrenbuddhismus eine längere Passage aus einer Schrift des Gründers der Songju San-Schule Muy ŏ m (799 - 888) an, dessen Aussage vom «Lehren ohne Zunge» uns schon bekannt ist. «Die Zungenlosigkeit ist der Bereich des Zen», dies ist die Quintessenz des in Frage-und-Antwort-Form gehaltenen Stückes, in dem die paradoxe Aussageweise der Weisheitssutren zum Zuge kommt. Überlieferung ist Nicht-Überlieferung und dennoch Überlieferung. Der Passus schließt mit den Worten: «Der Bereich der Patriarchen ist ursprünglich frei von Befreiung oder Bindung. Dort trägt man nicht einmal ein Haar eines Fadens. Also ist er weit verschieden vom Buddha-Bereich.» 8 Der Bereich der Buddhas und der Bereich der Patriarchen sind einander gegenübergestellt, der Gegensatz zwischen Kyo und S ŏ n ist artikuliert. «Die scholastischen Lehren sind die vorläufigen Erklärungen der Wahrheit, Zen ist Wahrheit selbst.» 9 Versuche der Überbrückung der zwei gegensätzlichen Strömungen blieben jahrhundertelang vergeblich. Eine Wende, nicht die endgültige Lösung, brachte der königliche Prinz und Buddha-Mönch Ŭ ich ’ ŏ n (1055 - 1101), eine bedeutende Figur im koreanischen Buddhismus. 10 Als vierter Sohn des Königs Munjong (reg. 1046 - 1083) geboren, trat er noch als Kind in ein Kegon-Kloster ein, empfing die Mönchsschulung und brach im Alter von 31 Jahren nach China auf (1085), wo er berühmte Meister der verschiedenen Schulen besuchte, zum Grab des Gründers der Tendai- (chin. T ’ ien-t ’ ai) Schule wallfahrte und sich in einem feierlichen Gelöbnis für dessen Schule entschied. 11 Kegon und Tendai waren damals die bedeutendsten und einflussreichsten Systeme des chinesischen Buddhismus. Was Ŭ ich ’ ŏ n das Tendai bevorzugen ließ, war die in dieser Schule gelebte Verbindung von Lehre und Meditation. Der Kegonmönch wechselte über zum Tendai in der Hoffnung, in einer erweiterten, innerlich lebendigen Tendai- Schule den zerstrittenen koreanischen Buddhismus zur Einheit zusammenführen zu können. Nach Korea zurückgekehrt, widmete er sich mit aller Kraft dieser Aufgabe. Der Tendai-Buddhismus war in Korea nicht unbekannt. In der Frühzeit (6. - 7. Jahrhundert) hatten koreanische Mönche in China Tendai studiert, ohne indes die Schule in ihr Vaterland zu überpflanzen. 12 Auch das Lotossutra, die Hauptschrift der Tendai-Schule, genoss Verehrung. Ŭ ich ’ ŏ n blieb vorbehalten, in Korea eine blühende Tendai- (kor. Ch ’ ŏnt ’ ae) Schule zu gründen. Dies gelang ihm mit der Unterstützung des Königshofes. Er erbaute das Kloster Kukch ’ ŏ ng und machte es zum Zentrum der neuen Gemeinschaft, die bald zahlreiche Mönche aus verschiedenen Lagern anzog. Das Kennwort «Lehre und Meditation zusammen üben» (kor. kyogwan kyômsu) gefiel auch tüchtigen Mönchen der Zen- Schulen der Neun Berge. Ŭ ich ’ ŏ n konnte seine Anhänger davon überzeugen, dass die Zen-Meditation ursprünglich in der Sutrenlehre gründet. Gemäß der Überlieferung empfahl Bodhidharma seinem Jünger Hui-k ’ o das Laṅkâvatâra- 320 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Sûtra und Hui-neng, der chinesische sechste Patriarch, kam durch das Diamantsutra zur Erleuchtung. Ŭ ich ’ ŏ n hielt die Missachtung der Sutren für einen Irrweg. «Die Zen-Praxis muss auf der Erklärung der Schriften beruhen und deren Sinn realisieren.» 13 Der Antagonismus von Kyo und S ŏ n in Korea muss um jeden Preis überwunden werden. Sein vorzeitiger Tod verhinderte, dass der von ihm tatkräftig in die Wege geleitete Zusammenschluss aller Schulen in einem vereinheitlichten Sa ṅ gha zustande kam. Die von ihm gegründete Ch ’ ŏ nt ’ ae- Schule vermehrte nur die Zahl der rivalisierenden buddhistischen Schulen Koreas. Nach dem Tode Ŭ ich ’ ŏ ns verhärtete sich der Standpunkt der Zen-Schulen. Die Mönche der Neun-Berge-Klöster suchten einen Zusammenschluss unter dem Namen Chogye. Hier liegen nach der Ansicht koreanischer Buddhismusforscher die Anfänge der Chogye-Schule, die durch Chinul zum Hauptstrom des koreanischen S ŏ n wurde. 14 Der Name Chogye (chin. Ts ’ ao-hsi, jap. Sôkei) ist vom Klostersitz des sechsten chinesischen Zen-Patriarchen Hui-neng in betontem Gegensatz zur Ch ’ ŏ nt ’ ae- (chin. T ’ ien-t ’ ai, jap. Tendai) Schule genommen, die ihren Namen vom Sitz des Tendai-Gründers Chih-i hat. Beide Schulen wurden, wie die Examensregulierung beweist, zum S ŏ n gerechnet. In beiden Schulen mehrten sich in der Folgezeit die Missstände. Ŭ ich ’ ŏ ns Bemühungen um innere Erneuerung und organisatorische Neuordnung hatten den Verfall nicht aufhalten können. Die Organisation des S ŏ n blieb auf lange Zeit hin ungewiss. Chinul brachte die notwendige, heiß ersehnte Erneuerung und gilt als Gründer der bis heute in Korea blühenden Zen-Tradition. Chinul Chinul (1158 - 1210) ist die bedeutendste Persönlichkeit im koreanischen Zen- Buddhismus. 15 Sein besonderes Verdienst ist die Realisierung der Einheit von umfassendem Wissen und tiefer Einsicht in die religiöse Mahâyâna-Lehre einerseits und von in ausdauernder Meditation erlangter höchster Erleuchtung andererseits. Diese von ihm gelehrte und gelebte Einheit befähigte ihn, den quälenden Antagonismus zwischen den traditionellen Mahâyâna-Schulen und dem Zen des «Nur-Sitzens» zu überwinden. Zugleich bedeutete die Realisierung der Einheit von Wissen und Erfahrung, von Theorie und Praxis eine Wende in der geschichtlichen Situation des koreanischen Buddhismus. Die auf den Neun Bergen angesiedelte neue Meditationsschule blieb im Rahmen der chinesischen Tradition. Chinul gab dem Zen die eigenartige koreanische Prägung, die die Entwicklungen in der Folgezeit bestimmte und bis heute wirksam geblieben ist. Die Leistung Chinuls verdient in unseren Tagen besondere Beachtung, weil die von ihm repräsentierte Eigenart des koreanischen Zen, nämlich die theoretische Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 321 Grundlegung der Praxis, die beide Pole integriert, bei der Ausbreitung der Zen- Meditation im Westen eine unübersehbare Rolle spielt. Chinuls Leben und Wirken fällt in eine unruhige Zeit. Das 12. Jahrhundert ist von politischen Wirren heimgesucht, in die auch buddhistische Mönche verwickelt waren. Erste Angriffe gegen die Regierung (1126 und 1135) konnten niedergeschlagen werden, aber die Lage verschärfte sich während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. König Ŭ ijong (reg. 1146 - 1170) wurde abgesetzt, während der Regierungszeit seines jüngeren Bruders My ŏ ngjong (reg. 1170 - 1197) hatten Militärs die Macht in der Hand. Die Verweltlichung der Klöster, gegen die schon im vorhergehenden Jahrhundert der starke König Munjong (reg. 1046 - 1083) und der Prinz und Mönch Ŭ ich ’ ŏ n erfolgreich eingeschritten waren, nahm nun überhand. Das Streben nach Macht und die Geldgier der Mönche beschleunigten den Verfall der Klosterzucht. Rufe nach Reform blieben vergeblich. Auch Chinul erhob, wie seine Schriften zeigen, seine Stimme. Doch ist er nicht als Reformator des Sa ṅ gha in die Geschichte eingegangen. Sein Wirken berührte tiefere Schichten. Kindheit und erste Mönchsjahre Die Hauptquelle für Chinuls Biographie ist die in eine Stele eingemeißelte Inschrift des berühmten Literaten Kim Kun-su, verfasst auf Befehl des Königs H ŭ ijong (reg. 1204 - 1211) im Jahr nach dem Tode des Meisters. Die Stele wurde im Sus ŏ n Sa, dem Sitz Chinuls während seiner letzten Lebensjahre, aufbewahrt, aber beim kriegerischen Einfall der Japaner Ende des 16. Jahrhunderts stark beschädigt. Eine Abschrift des im Ganzen zuverlässigen Textes ist erhalten. 16 Eine Unklarheit besteht für den ersten Lebensabschnitt des Chinul. Die Inschrift erzählt von der vornehmen Geburt des kränkelnden Knaben, der von seinen frommen Eltern dem Buddha versprochen und nach seiner Genesung als Kind von sieben oder acht Jahren einem Kloster übergeben wurde, wo er sogleich die Tonsur empfing und durch Annahme der Gebote in den Mönchstand eintrat. Moderne Historiker bezweifeln die Geschichtlichkeit dieses in den Biographien berühmter Mönche oft wiederkehrenden Topos, zumal diese Angabe der späteren Nachricht der Inschrift von Chinuls Mönchsordination im Alter von 16 Jahren widerspricht. 17 Sicher trat Chinul jung in den Mönchsstand ein, und zwar in der Sagul San-Schule, einem der Neun Berge des Zen- Buddhismus. Im Kloster empfing er den Mönchsnamen Chinul, später nennt er sich gern Moguja (= Rinderhirt). Sein Lehrer im Kloster war der Meister Chonghwi. Doch war dessen Einfluss auf den jungen Mönch gering. Die Inschrift hat den für das Verständnis seines Lebensweges wichtigen Satz: «Er hatte keinen beständigen Lehrer.» 322 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Wir hören von keinem Ereignis während der ersten Jahre im stillen Landkloster. Sicher gehörte die tägliche Meditation zum Tagesablauf des jungen Mönches. Zudem studierte er eifrig in Vorbereitung auf das vorgeschriebene Mönchsexamen, das für Anhänger des Zen im Tempel Poje in der Hauptstadt stattfand. Chinul bestand die Prüfung, eine Routine, die den Aufstieg zu höheren Ämtern im Orden ermöglichte (1182); doch er suchte keine ehrgeizige Karriere, die so viele Zeitgenossen lockte. In der Hauptstadt traf er Gleichgesinnte, die wie er Ruhm und Gewinn geringachteten und die strenge Mönchszucht des Sa ṅ gha in ihrer ursprünglichen Reinheit wiederherzustellen wünschten. Mit einer Gruppe von etwa zehn Mönchen plante er in ungestörter Bergeinsamkeit ganz dem religiösen Ideal zu leben. Dazu verpflichteten diese sich, wie in Chinuls frühester Schrift, einer Ermutigung zur Praxis, überliefert ist, durch ein feierliches Gelöbnis, dessen Kernsätze lauten: Wir wollen eine Gemeinschaft zum Zweck beständiger Übung von samâdhi (Versenkung) und prajñâ (Weisheit) bilden. Durch Verehrung des Buddha, Rezitation der Sutren und durch gemeinsame Arbeit wollen wir die uns aufgegebenen Pflichten erfüllen und in allen Lagen die Selbstnatur nähren. Wir geloben, ein Leben frei von Verwicklungen zu führen und den höheren Strebungen vollendeter und wahrer Menschen zu folgen. 18 In diesem Text ist die Rede von der Gründung einer Gesellschaft für samâdhi und prajñâ. Der Plan ließ sich vorerst nicht verwirklichen. In seiner früheren Schrift erzählt Chinul, dass «wegen nicht vorhergesehener Probleme bezüglich der Wahl eines geeigneten Ortes» die Gruppe «in alle Himmelsrichtungen zerstreut» wurde. 19 Gesellschaften zur Pflege bestimmter Richtungen innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft erfreuten sich seit alter Zeit im chinesischen Buddhismus großer Beliebtheit und blühten zumal während der Sung-Zeit der südlichen Sung-Dynastie (1127 - 1279), also zur Zeit des Chinul. 20 Trotz des vorläufigen Scheiterns hielt dieser an dem Vorhaben fest, das in seinem späteren Leben eine wichtige Rolle spielen sollte. Der Text des Gelöbnisses ist auch deshalb bedeutsam, weil er so etwas wie das Lebensprogramm Chinuls enthält. Die prononcierte Verbindung intensiver Meditationsübung mit Buddha-Verehrung und Sutrenrezitation bekundet das Bestreben der Harmonisierung gegensätzlicher Schulen des Buddhismus. Für Chinul war nach dem Scheitern des Planes einer Gesellschaft kein Bleiben mehr in der Hauptstadt, in der Verweltlichung und Ränke, wie in Hofkreisen so auch im Sa ṅ gha, herrschten. Unverzüglich machte er sich auf den Weg und rastete erst, als er Unterkunft im Ch ’ ŏ ngw ŏ n Sa, einem entlegenen Kloster im Südwesten der Halbinsel, fand. Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 323 Wegstrecken Chinul weilte drei Jahre lang im Kloster Ch ’ ŏ ngw ŏ n Sa (1182 - 1185). Während er meditierte und die heiligen Schriften studierte, widerfuhr ihm ein erstes Erwachen. Eines Tages stieß er beim Lesen im Plattform-Sutra auf eine Passage, die ihn zutiefst berührte. Er las: «Die Selbstnatur lässt Gedanken entstehen. Doch auch wenn (die sechs Organe) sehen, hören, wahrnehmen und erkennen, wird die Selbstnatur von den zehntausend Spiegelungen nicht befleckt. Die wahre Natur ist immer frei.» 21 Erstaunt und von Freude überwältigt stand er auf, ging in der Halle umher, während er über die Passage nachdachte und die Worte rezitierte. Die Erfahrung wurde zur Grundlage seines weiteren Weges. Er hatte in einem lichten Augenblick das Wesen der wahren Natur berührt, des grundlegenden Prinzips aller Erscheinungen, deren Vielfalt die Geistnatur nicht beflecken kann. Denn die wahre Natur ist immer frei. Die Erfahrung schenkte ihm ein erstes Begreifen der Identität der (Selbst-)Natur mit dem Buddha, wie die Formel für das Erleuchtungsziel im Plattform-Sutra lautet: «Die (Selbst-)Natur sehen und Buddha werden» (jap. kenshô jôbutsu). Sein Entschluss, den Buddha-Pfad mit dem Einsatz seines ganzen Selbst bis zum Ende zu beschreiten, wurde durch die Erfahrung bestärkt. Mehr noch als zuvor verlangt er nach einem Leben in Abgeschiedenheit, fern von weltlichem Trubel, in Abkehr von Ruhm und Gewinn. Das mönchische Ideal behält zeit seines Lebens für ihn seine motivierende Kraft. Die folgende Wegstrecke führte Chinul zum Tempelkloster Pomun beim Berge Haga im Südosten der Halbinsel. Dort weilte er wieder drei Jahre (1185 - 1188). Er suchte die Bestätigung der im ersten Erwachen erfassten Kernlehre des Zen von der Identität des Geistes mit dem Buddha in den Sutren. Dabei motivierte ihn sowohl seine Hochschätzung des Buddha-Wortes der Schriften als auch die Hoffnung, die Lösung für den schädlichen Zwiespalt zwischen Sutrenlehre (Kyo) und Geisterfahrung (Sŏn) zu finden. Sein Studium konzentrierte sich auf das Kegon-Sutra, zu dessen Verständnis ihm der chinesische Kommentar des wenig bekannten Li T ’ ung-hsüan (635 - 730), eines Zeitgenossen des Fa-tsang (643 - 702) half. Chinul hat in seinen letzten Lebensjahren diesen Kommentar in einer Schrift zusammengefasst, die in diesem Jahrhundert in der Bibliothek von Kanazawa (Kanazawa Bunko) in Japan aufgefunden worden ist. 22 In der Vorrede beschreibt er den Prozess seiner fortschreitenden Einsicht, die wie ein zweites Erwachen tief in ihn eindrang. Ausgangspunkt ist die in seiner ersten Erfahrung lichtvoll aufgestrahlte Erkenntnis des Wesens des mit dem Buddha identischen Geistes. Die Mahnung eines Kegon-Lehrers, seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf den Geist zu fixieren, sondern auch die ungehinderte Durchdringung aller Erscheinungen, 324 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick die im Sutra eindringlich beschrieben ist, zu erwägen, beachtet er nicht, bis er nach Monaten schmerzlichen Suchens im Sutra auf die Metapher vom Staubkorn, das in sich tausende Bände von Sutren enthält, stößt. Er sagt weiter: «So ist die Weisheit des Tathâgata, vollständig in allen Lebewesen. Gewöhnliche törichte Menschen achten nicht darauf und erkennen dies nicht.» Diese Worte ergreifen ihn. «Ich legte», so schreibt er, «(ehrfürchtig) den Sutra-Band auf den Kopf und begann unwillkürlich zu weinen.» Die Erfahrung vertieft sich beim Lesen der Erklärung des Li T ’ ung-hsüan. Er kommt zu dem Vers: «Wenn Weisheit lauter und ihre Widerspiegelung klar ist, schmelzen Großes und Kleines ineinander wie im Bereich von Indras Netz.» Und er fährt fort: «Daraufhin legte ich den Band beiseite, atmete einen langen Seufzer und sprach: Was der Welt-Erhabene mit seinem Mund gesprochen hat, sind die Lehren. Was die Patriarchen mit ihrem Geist weitergegeben haben, ist Zen. Der Mund des Buddha und der Geist der Patriarchen können gewiss einander nicht widersprechen.» 23 Was Chinul in diesem Text schildert, ist nicht die Zen-Erleuchtung (jap. satori), aber eine Tiefenerfahrung von bleibender Wirkung. Der Widerstreit zwischen Sutrenlehre und Zen-Meditation hatte seinen Stachel verloren. Die Erkenntnis der fundamentalen Einheit beider sollte im Wirken Chinuls voll zum Tragen kommen. Durch das Studium der Schriften des Tsung-mi (780 - 841), des großen chinesischen Patriarchen von Kegon und Zen, der er sich zeit seines Lebens intensiv widmete, erfasste er die umfassende Mahâyâna-Philosophie. Die realisierende Erfahrung beim Lesen des Sutrenkommentars des Li T ’ ung-hsüan und sein tiefes Eindringen in die synkretistische Lehre des Tsung-mi sind wichtige Bausteine des eigenständigen koreanischen S ŏ n, das Chinul durch sein Leben und Wirken in die Geschichte des Zen-Buddhismus einbrachte. Die nächste Station des Lebensweges Chinuls ist das Tempelkloster K ŏ jo auf dem Berg Kong (1188 - 1197). Zur Änderung seines Wohnsitzes bewog ihn die dringende Einladung des Zen-Mönches T ŭ kchae, eines Gefährten beim gescheiterten Versuch der Gründung einer Gesellschaft für samâdhi und prajñâ in der Hauptstadt. Der Zeitpunkt der Verwirklichung des kühnen Vorhabens schien nun gekommen. Chinul «erinnerte sich», wie er in seiner frühen Schrift der Ermunterung zur Zen-Praxis schreibt, «der früheren Abmachung», und er machte sich mit seinem Jünger Hang auf den Weg. Er erzählt dann von den Schwierigkeiten beim ersten Anlauf: «Wir luden jene, die das gleiche Gelöbnis abgelegt hatten, ein, mit uns zusammenzukommen. Einige waren gestorben, andere krank, und wieder andere suchten Ruhm und Gewinn und konnten sich nicht anschließen. Schließlich gründeten wir mit der übrig gebliebenen Gruppe von drei oder vier Mönchen die Dharma-Gesellschaft zur Erfüllung unseres Gelöbnisses.» 24 Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 325 Doch sollte aus dem bescheidenen Anfang rasch ein großer Erfolg werden. Chinul richtet eine allgemeine Einladung an alle ernsten Sucher des Weges: «Demütig hoffe ich», so schreibt er gegen Ende seiner Frühschrift, «dass solche von hohem moralischen Niveau, mögen sie dem S ŏ n oder den Lehrschulen, dem Konfuzianismus oder Taoismus angehören, diese staubige Welt verlassen, sich hoch über alle Dinge erheben und sich ernstlich dem Pfad innerer Übung widmen, der diesem Ziel entspricht.» Die Schrift, die in dieser Einladung gipfelt, zeichnet er: «Ehrfürchtig ganz geschrieben von Molgusa, der auf dem Berg Kong in Abgeschiedenheit lebt.» 25 Chinuls Appell tat seine Wirkung. Sein Ruf verbreitete sich im Lande. Beständig wuchs die Zahl derer, die sich seiner Führung anvertrauten. Auch der Tendai-Mönch Yose (1163 - 1240) weilte einige Jahre bei Chinul und wurde sein «Freund im Dharma», später kam er als Meister seiner Schule zu hohem Ansehen. Chinul vermittelte aus seiner Erfahrung eine geistige Führung und spornte zu eifriger Praxis an. Eine Veränderung wurde notwendig, als der kleine Landtempel der stark angewachsenen Zahl der Übenden nicht mehr genügend Raum bot. Chinul sandte seinen Jünger Suu aus, der eine passende Stätte fand. Die halb verfallenen Gebäude des Klosters Kilsang am Berge Songgwang, in prächtiger Landschaft gelegen, ließen sich zu einem Anwesen wiederherstellen, das den Wünschen und Bedürfnissen Chinuls und seiner Gemeinde entsprach. Als der Stand der Arbeiten an den Klosterbauten eine baldige Nutzung versprach, machte Chinul mit seiner Gemeinde sich dorthin auf, unterbrach indes beim Berge Chiri die Reise, um im stillen Ort Sangmuju-am, nahe dem Gipfel, einige Zeit ungestörter Kontemplation zu verbringen. Der Aufenthalt an diesem einsamen Ort dauerte drei Jahre (1197 - 1200). Chinuls Verlangen nach der vollkommen befreienden Erfahrung hatte sich bis zum Äußersten gesteigert, der Durchbruch gelang. Die biographische Inschrift der Stele erzählt von Chinuls Aufenthalt in Sangmuju-am. Wunderbare Zeichen kündigten das Ereignis an, über das die Inschrift Chinul selbst berichten lässt: Seit mehr als zehn Jahren, seit meinen Tagen im Kloster Pomun, habe ich niemals Zeit vergeudet, sondern mich sorgfältiger Übung gewidmet, doch die gedanklichen Trübungen wichen nicht. Es war, als ob meine Brust durch etwas blockiert wäre oder als ob ich mit einem Feind zusammen wohnte. Doch als ich am Berge Chiri weilte, fand ich eine Passage der Spruchsammlung des Zen-Meisters Ta-hui, die lautet: ‹ Zen besteht nicht in Ruhe noch in Lärm, nicht in Verwicklung in tägliche Geschäfte, noch gibt es sich mit Gedanken und Unterscheidungen ab. Dennoch sollst du vor allem Zen studieren, ohne Rücksicht auf Ruhe oder Lärm, ohne Verwicklung in tägliche Geschäfte oder in Gedanken und Unterscheidungen. Wenn dein Auge sich plötzlich öffnet, wirst du realisieren, dass dies (Zen) etwas ist, das in deinem eigenen Haus 326 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick existiert. › Nichts blockierte mehr meine Brust, und ich wohnte niemals mehr mit einem Feind zusammen. Von da an fühlte ich mich wohl. 26 Den Anstoß zu Chinuls Erfahrung gab seine Begegnung mit der Spruchsammlung (jap. goroku) des chinesischen Zen-Meisters Ta-hui Tsung-kao (1089 - 1163), des berühmten Protagonisten des sogenannten Kanna- (kor. hwadu, chin. huat ’ ou) Zen. Wir wissen nicht, wie diese Schrift in Chinuls Hände gelangte. Er ist der erste, der die von Ta-hui propagierte Kôan-Methode, die alles unterscheidende Denken ausräumt, in Korea einführte und zur Anwendung brachte. Das Hindernis, das seine innere Freiheit blockierte, der Feind, den er in seiner Nähe spürte, ist «die Krankheit des intellektuellen Verstehens», die er bei Shen-hui (670 - 762) feststellt. Dieser ist nach Chinuls Ansicht nicht «der echte Erbe des sechsten Patriarchen», sondern «ein Zen-Meister intellektuellen Verstehens». 27 Zu der von Shen-hui gegründeten Ho-tse- (jap. Kataku-)Schule gehört als vierter Nachfolger Tsung-mi, der Chinul so maßgebend beeinflusst hat. Mit Hilfe der hwadu-Praxis, die er von Ta-hui lernte, konnte er nun die Krankheit des rationalen Denkens überwinden und die endgültige Befreiung erlangen. Als reifer Zen-Meister verlässt er Sangmuju-am, die letzte Zwischenstation auf seinem Weg. Letzte Lebensjahre Bei der Ankunft Chinuls und seiner Gefährten (1200) waren die Bauarbeiten am Songgwang-Berg im vollen Gang. Der armselige Tempel wurde zu einem ansehnlichen Klosteranwesen mit Hallen, Wohnstätten und Lagerhäusern ausgebaut. Alle halfen mit, und die Arbeiten kamen im Jahre der Thronbesteigung des Königs H ŭ ijong (reg. 1205 - 1211), eines Freundes und Beschützers, zum Abschluss. Die Einweihung des Klosters wurde mit großer Feierlichkeit begangen. Das Kloster wurde vom König in Sus ŏ n Sa («Tempel der Zen- Übung»), der Berg in Chogye umbenannt. Chogye (chin. Ts ’ ao-hs ’ i) ist der Name des Wohnsitzes des sechsten Patriarchen Hui-neng, Chogye-Schule war schon vor Chinul der Name für die vereinigten Schulen der Neun Berge des S ŏ n. Chinul hat keine neue Schule gegründet, er gehörte seit seinem Eintritt ins Kloster der Chogye genannten Zen-Schule an. 28 Chinul entfaltete im Sus ŏ n Sa während des letzten Jahrzehnts seines Lebens eine fruchtbare Wirksamkeit. Viele Jünger und angesehene Männer sammelten sich um ihn. Die Inschrift der Stele berichtet: «Die zahlreiche und prächtige Gemeinschaft schloss Leute ein, die Ruhm und Rang aufgegeben und Frau und Kinder hinter sich gelassen hatten . . . Darunter waren auch Glieder der königlichen Familie, Aristokraten, Literaten und einfaches Volk . . .» Unter den Jüngern ragte Hyesim (1178 - 1234) heraus, den der Meister besonders schätzte, zu seinem Mitarbeiter machte und zum Dharmeerben erkor. Einige Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 327 Begegnungen und Wortwechsel zwischen Chinul und Hyesim von echter Zen- Art sind überliefert. 29 Der Jünger machte sich auch um die literarische Hinterlassenschaft des Meisters verdient. Durch seine schriftstellerische Arbeit verstärkte Chinul sein Wirken und sicherte ihm Dauer. Diese Tätigkeit ist durchweg auf den letzten Lebensabschnitt konzentriert. Chinul hatte vorher nur die Schrift «Ermunterung zur Praxis» (1190) verfasst, von der schon die Rede war. Anlässlich der Einweihung des Klosters schrieb er «Ermahnungen für Anfänger» (1205), Anweisungen für das Mönchsleben, ein Regelbüchlein, das in alle buddhistischen Klöster Koreas Eingang fand. Die gleichzeitige Praxis von samâdhi und prajñâ, den zwei grundlegenden Faktoren der plötzlichen Erleuchtung und gradweisen Übung, erklärt er in den «Geheimnisse(n) der Übung des Geistes» (1203 - 1205). Ein kurzer Text erläutert die Namenanrufung (kor. yŏmbul, chin. nien-fo, jap. nembutsu), die Praxis der Schule vom Reinen Land. Am wichtigsten sind Chinuls Traktate, die sich im Anschluss an die Kommentare des Li T ’ ung-hsüan und des Tsung-mi mit dem Kegon-Sutra befassen. Seine Vorrede zur Zusammenfassung des Kommentars des Li T ’ ung-hsüan wurde im Vorigen zitiert. Die Gedanken des chinesischen Kommentarwerkes verbindet Chinul in seiner posthumen, durch Hyesim publizierten Schrift über «Das vollständige und plötzliche Erlangen der Buddhaschaft» mit eigenen, aus Erfahrung gewonnenen Einsichten. Sein Opus magnum sind die umfangreichen «Exzerpte der Dharma-Sammlung und der besondere praktische Bericht mit persönlichen Noten», eine erklärende gründliche Verarbeitung des großen Kommentars des Kegon-Sutras des Tsung-mi. Das Werk erläutert die synkretistischen Tendenzen seiner Gedanken und zeigt die Konvergenz der Zen- Lehre mit der scholastischen Doktrin.» 30 Die von Ta-hui übernommene Kôan- Methode verteidigt und rechtfertigt Chinuls Traktat über «Lösung von Zweifeln bezüglich des Kanna(-Zen)». Als literarisches «Meisterwerk» wird von Nukariya Kaiten und anderen Sachverständigen seine «Direkte Erklärung des wahren Geistes» gerühmt. 31 Der «wahre Geist» ist der «Nicht-Geist», der sich in der ungegenständlichen Meditation zeigt. In der kurzen, gut lesbaren Schrift spricht Chinul mit ansprechender Direktheit. Buswell hat die angeführten Schriften (mit Ausnahme der Zusammenfassung des Kommentars des Li T ’ ung-hsüan) ins Englische übersetzt, ausgiebig erläutert und so das Werk eines bedeutenden Zen- Meisters der Geistesgeschichte erschlossen. Nach Abschluss seines schriftstellerischen Corpus war Chinul nur mehr eine kurze Lebensfrist beschieden. Vielleicht trägt die übergroße Anstrengung, die er sich in den letzten Lebensjahren auf der Höhe seines Wirkens zumutete, eine Mitschuld an seinem frühen, von Jüngern und Freunden schmerzlich empfundenen Hinscheiden. Der König ließ eindrucksvolle Trauerfeierlichkeiten veranstalten und die schon ein Jahr nach seinem Tode vollendete, geschichtlich 328 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick wertvolle Grabinschrift der Stele verfassen. Chinul hat dem koreanischen Zen- Buddhismus ein bedeutendes Erbe hinterlassen. Chinuls Zen Es empfiehlt sich, zusammenfassend einen Blick auf Chinuls Verständnis und Praxis des Zen zu werfen, weil das von ihm begründete eigenständige Zen durch die Jahrhunderte den koreanischen Zen-Buddhismus beeinflusst und geprägt hat. Die drei Haupterfahrungen auf seinem Lebensweg strömen zu einer bemerkenswerten Kombination zusammen, die verschiedene Elemente in sich vereinigt. Zuvor sei betont, dass Chinul nach Werdegang und Wirkung sowie nach seinem Selbstverständnis durchaus der Zen-Bewegung angehört, obgleich er nicht unter einem anerkannten Zen-Meister studierte, nicht im Meister-Jünger- Verhältnis den Dharma erbte, keine Reise nach China, dem Mutterland des Zen, unternahm, keine Erleuchtungsstrophe hinterließ noch innerhalb der Zen- Tradition eine Schule gründete. Er ist, so könnte man sagen, ein Autodidakt und Selfmademan. Durch intensives Studium der Schriften konnte er sich die wesentlichen Erkenntnisse aneignen. Symptomatisch ist die Tatsache, dass bei jeder der drei wegweisenden Erfahrungen die Lesung einer Zen-Schrift das Erlebnis auslöste. Bei der ersten Erfahrung las er im Plattform-Sutra, der Magna Charta des klassischen Zen, und erfasste im plötzlichen Erwachen die Identität von Geist und Buddha. In dieser Erfahrung gründet das in Korea verbreitete Zen der Neun Berge; sie weckte in der Blütezeit großen Eifer, später wurde sie zur Routine. Für Chinul bedeutete seine erste Erfahrung einen Markstein auf seinem Weg und einen Ansporn zu gesteigerter Anstrengung. Wahrscheinlich hat er seine erste Erfahrung im Sinne der auf Shen-hui zurückgehenden Ho-tse- (jap. Kataku-) Schule interpretiert 32 , die das plötzliche Erwachen mit gradweiser Kultivierung verbindet, das Erwachen zur Buddha-Natur prajñâ (= dynamische Weisheit) und die Kultivierung samâdhi (Versenkung in Ruhe) nennt. Samâdhi und prajñâ sind untrennbar und eins in der Buddha-Natur oder dem Geistgrund, der Quelle der Erleuchtung. Bei der Kultivierung kommt es darauf an, die rechte Balance von Ruhe und Dynamik zu bewahren. Zum Einstieg in den Erleuchtungsweg fordert Chinul bei der Führung seiner Schüler die plötzliche Erfahrung des «Sehens der Natur und Buddha-Werdens» (jap. kenshô jôbutsu). Er kann sich für diese unabdingbare Forderung auf authentische Zen-Meister berufen, vorab auf Ma-tsu und Shen-hui und deren Schulen. Bei beiden findet er indes einen gravierenden Mangel. Ma-tsus Hungchou-Schule kennt keine gradweise Kultivierung, Shen-hui haftet eine mit vollkommenem Zen unvereinbare Begrifflichkeit an. Dieser Meister war, wie Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 329 Chinul schreibt, «für sein intellektuelles Wissen und seine begriffliche Interpretation bekannt.» 33 Chinuls erste Erfahrung genügt nicht, aber sie liefert einen unverzichtbar bleibenden Beitrag zu seinem Zen. Seine zweite Erfahrung ist eng verknüpft mit seinem lebenslangen intensiven Studium der Kegonlehre. Er hatte bei seinem plötzlichen ersten Erwachen die Einheit von Geist und Buddha erfasst, die im Kegon in der Lehre von der Dharma-Natur (sanskr. dharma-dhâtu) thematisiert ist. Die Dharma-Natur drückt wie viele andere Mahâyâna-Termini (z. B. Buddha-Natur, Buddha-Geist, Geistnatur) die Allwirklichkeit des kosmischen Buddha aus. Die Entdeckung der Identität von Geist und Buddha-Natur hatte Chinul entzückt. Doch wusste er aufgrund seines Studiums und spürte im Alltag, dass beständige Übung erforderlich ist, damit die Erfahrung die ganze Existenz, Denken, Fühlen und Handeln durchdringt. Chinuls zweite Erfahrung beim Lesen des Sutrenkommentars des Li T ’ unghsüan schenkte ihm die Erkenntnis der Übereinstimmung der Sutrenlehre mit dem Zen sowie eine Bestätigung des Grundprinzips bei der Führung auf dem Zen-Weg: «Plötzliches Erwachen und gradweise Kultivierung». Zudem sah er in Lis Interpretation des Sutras eine Nähe zur Praxis. Li T ’ ung-hsüan erklärt die Entstehung aller dharma (Dinge) durch unmittelbares Hervorgehen aus der ursprünglich reinen Natur. 34 Diese Sicht ist Fa-tsang, dem Systematiker der Kegonlehre, nicht unbekannt, aber dieser bevorzugt die urbuddhistische Lehre von der Entstehung in Abhängigkeit. 35 Die Erklärung der Entstehung der Phänomene aus der Natur, die alle dharma, reine und trübe, enthält, erleichtert das Erfassen der gesamten Wirklichkeit im plötzlichen Erwachen. Tsung-mi, der fünfte Kegon-Patriarch, vertritt als Haupt der Ho-tse- (jap. Kataku-)Schule des Zen-Buddhismus diese Lehre. Sein vorzügliches Bemühen ist, dem Zen die erwünschte und, wie er meint, unabdingbare Untermauerung durch die Sutrenlehre zu verschaffen. Chinul stützt sich bei seiner Führung auf dem Zen-Weg vor allem auf die Autorität des Tsung-mi. Dies gilt besonders bezüglich des Leitprinzips des «Plötzlichen Erwachens und der gradweisen Kultivierung». Das Prinzip findet sich schon in der Ho-tse-Schule des Shen-hui, der Chinul, dem Tsung-mi folgend, den bevorzugten Platz unter den chinesischen Zen-Schulen zuspricht. Wie Tsung-mi hält Chinul die nachfolgende Kultivierung für ebenso unentbehrlich wie das erste plötzliche Erwachen. Im Bericht des Kegon-Sutras über die Erleuchtung Shâkyamunis, dem Grundstein der Buddha-Religion, sind beide untrennbar miteinander verknüpft. 36 Der Buddha realisierte, dass alle Lebewesen ursprünglich die Buddhaschaft besitzen, jedoch des edlen Pfades bedürfen, um für immer von hindernden Trübungen frei zu sein. Shen-hui weist die Notwendigkeit nachfolgender Übung am Beispiel des Kindes auf, das vom ersten Augenblick seines Lebens an «plötzlich» alle Glieder und Fähigkeiten völlig 330 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick besitzt, jedoch diese durch langdauernde Benutzung zur Entfaltung bringen muss. 37 Nach Chinuls Überzeugung sind «plötzliches Erwachen und gradweise Kultivierung wie die zwei Räder eines Wagens». 38 Durch Übung nach der Erleuchtung werden nicht nur restliche Trübungen ausgeräumt und böse Karmawurzeln zerstört, sondern auch positive Kräfte entwickelt, die zur Vollendung führen. Chinul kennt außer der anfänglichen Erleuchtung, die den Eingang zum Bodhisattva-Pfad öffnet, eine letzte vollkommene Realisierung. Beide sind inhaltlich nicht voneinander verschieden, aber zwischen ihnen liegt ein Reifeprozess, den die tiefsinnige Lehre vom Tathâgatagarbha (= Embryo des Vollendeten) veranschaulicht. Die Wertschätzung der Sutrenlehre, die zweite Komponente in Chinuls Zen, scheint mit der programmatischen, dem Bodhidharma zugeschriebenen Strophe von der «besonderen Überlieferung außerhalb der Schriften, unabhängig von Wort und Schriftzeichen», nicht vereinbar zu sein. Dennoch teilt Chinul sie mit vielen chinesischen und japanischen Zen-Meistern. Maßgebend ist ihm das Wort Tsung-mis: «Sutren sind die Worte des Buddha, Zen ist der Geist des Buddha. Der Geist und der Mund des Buddha widersprechen einander nicht.» 39 Nach Chinuls Überzeugung darf im Zen die echte Wortlehre Buddhas nicht fehlen; in seinem Zen-Weg nimmt sie einen bedeutenden Platz ein. Chinul erfuhr die endgültige Befreiung des Geistes bei der Begegnung mit der während der Sung-Zeit in China durch Ta-hui voll ausgebildeten Methode des hwadu. Die Inschrift der Stele berichtet keine Einzelheiten über sein Erlebnis. Wir haben keine Schilderung vom verzweifelten Ringen mit einem Kôan und einem überwältigenden plötzlichen Durchbruch. Wir erfahren durch die Inschrift nur, dass Chinul die Kôan-Methode in seine Zen-Praxis aufnahm und als gültigen Pfad zur Erleuchtung lehrte. In seiner Schrift «Lösung von Zweifeln bezüglich des hwadu» und im Schlussabschnitt seines Hauptwerkes beschreibt er mithilfe vieler Zitate aus der einschlägigen Zen-Literatur, insbesondere des Ta-hui, die Methode und hebt als Frucht die für seinen persönlichen Weg wichtige Ausräumung aller Begrifflichkeit hervor, wenn er feststellt: Das hwadu «räumt die Mängel begrifflichen Verstehens aus». 40 Die Radikalität der Kôan-Übung vergleicht Chinul mit der Wirkung von Feuer. Ihn inspiriert das erste Beispiel der Kôan-Sammlung des Mumonkan vom «Nicht» (mu) der Buddha-Natur des Hundes, wenn er schreibt: «Das Kôan mu ist gleich einer Feuermasse. Wenn du ihm nahst, brennt es dein Gesicht. Da ist kein Punkt, an dem sich begriffliches Verstehen der Buddha-Natur ansetzen kann. Deshalb heißt es: ‹ Dieses mu ist die Waffe, die falsches Erkennen und falsches Verstehen zerstört. › 41 Die Rätselworte der Kôan transzendieren nicht bloß Worte und Gedanken, wie dies auch Aussagen der Sutren tun, sondern entbehren jeglichen intellektuellen Interesses, sind «geschmacklos» und haben Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 331 eben deshalb eine eigenartig radikale Wirkung. Mit der Geschmacklosigkeit paart sich der Zweifel, der eigentliche Stimulus der Übung. Die durch die hwadu-Methode erlangte Erfahrung übertrifft die zwei vorhergegangenen Realisierungen. Der anfänglichen Erfahrung, die den Eintritt in den Erleuchtungspfad ermöglicht, haftet, wie wir sahen, Begrifflichkeit an. Die Überlegenheit des hwadu über die Praxis beständiger gradweiser Kultivierung verdeutlicht Chinul durch die Unterscheidung zwischen «totem Wort» und «lebendigem «Wort». Alle Worterklärungen, auch solche von Zen-Lehrern, mögen sie auch der Wirklichkeit näher sein als die Sutrenlehren der Schulen, sind nicht völlig frei von rationalem Denken und deshalb «tote Worte». Nur die hwadu sind «lebendige Worte», weil allein sie wegen ihrer «Geschmacklosigkeit» begrifflichem Denken keinen Zugriff gestatten. «Die das (lebendige) Wort erforscht und den Zweifel durchbrochen haben, vermochten den Einen Geist zu realisieren.» 42 Chinul beschließt die Klarstellungen seines Traktates über hwadu mit der Mahnung: «Demütig hoffe ich, dass solche, die die Welt durch Meditation zu transzendieren beabsichtigen, sorgfältig das lebendige Wort erforschen und rasch die Erleuchtung realisieren. Was für ein Glück dies wäre! Was für ein Glück dies wäre! » 43 In der hwadu-Methode kommt, wie Chinul meint, die «besondere Überlieferung außerhalb der Schriften» in ihrer Einzigartigkeit zur höchsten Wirksamkeit. Bei ihrer Anwendung bedarf es von Seiten des Übenden einer überlegenen Fähigkeit. Solche von geringerer oder nur gewöhnlicher Fähigkeit können, wenn sie sich ohne angemessene Vorbereitung dieser Methode bedienen, leicht einer Täuschung zum Opfer fallen. Vorsicht ist geboten. Chinul nennt zwei mögliche Wege, durch das Kurzverfahren zum Ziel zu gelangen. 44 Der direkte Weg erfordert nach seiner Ansicht eine Superkapazität, die nur wenigen eignet. Die zweite Möglichkeit ist der Weg, den er selbst gegangen ist. Man beginnt mit einer anfänglichen Erfahrung und dem Entschluss zum Eintritt in den Erleuchtungspfad, vertieft sich lange Zeit in das Buddha-Wort der Sutren und vervollkommnet die Kultivierung in beständiger Übung. Auf der höchsten Stufe sind die vollkommene Kultivierung und die durch hwadu-Übung erlangte vollkommene plötzliche Erleuchtung miteinander verbunden. Chinul nennt den Höhepunkt des Erleuchtungsweges, der alle Zugänge einschließt und übertrifft, «das Tor der Vereinigung des Nicht-Geistes mit dem Tao». 45 In diesem Bereich, nur Übenden von höchster geistiger Kapazität zugänglich, ist die Erleuchtung aller intellektuellen Behinderung bar, keine Kluft besteht zwischen Erkennen und Handeln. Es ist der Bereich vollkommener Freiheit. Chinul hat sein Verständnis und seine Erfahrung des Zen in der ganzen Breite während seiner letzten Lebensjahre einer vielköpfigen Jüngerschar mitgeteilt und in seinen Schriften für die Nachwelt aufgezeichnet. Sein Hauptjünger und Dharma-Erbe Hyesim (1178 - 1234), vom Meister selbst als Nachfolger bestellt, 332 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick übernahm das kostbare Vermächtnis. 46 Unter seiner Ägide wurde das Tempelkloster Sus ŏ n Sa zum Zentrum des koreanischen Zen-Buddhismus. Er pflegte die hwadu-Praxis und verfasste die erste koreanische Kôan-Sammlung (1226), in der er 1225 Beispiele aus der Überlieferung, angefangen vom Stifter Shâkyamuni über die indischen und chinesischen Patriarchen bis zu späteren Meistern, seinen Zeitgenossen zur Übung vorlegte. 47 Jedem Beispiel fügte er eigene Verse oder solche von Zen-Meistern hinzu. In einer erweiterten Edition (1244 und 1248) wurde durch Hinzufügung neuer Beispiele die Zahl der Kôan auf 1472 gebracht. Auch sind zwei Gedichtsammlungen des Hyesim überkommen. 48 Koreanische Dharma-Erben der chinesischen Lin-chi-Schule Chinuls Tradition blieb in der Folgezeit im Sus ŏ n Sa lebendig. Hyesim, sein erster Nachfolger im Vorsteheramt des Tempelklosters, ein gelehrter Geistesmann, der in jungen Jahren erworbenes Wissen des Konfuzianismus und profunde Kenntnis der Mahâyâna-Lehren mit hoher Erleuchtung paarte, gab die Richtung für die Nachfolger an, eine Reihe von sechzehn mit Namen bekannten Meistern, die wie Chinul mit dem Titel eines Landesmeisters geehrt wurden und sich die vorzüglichen Anliegen ihres Gründerabtes, nämlich die Verbindung von Buddha-Wort und Buddha-Geist, konkret von Sutrenlehren und Zen, sowie die Förderung der als äußerst wirksam erfahrenen Kôan- Methode zu eigen machten. 49 Heraus ragen der in einem Epitaph gerühmte vierte Nachfolger Honwon (1191 - 1271) und der fünfte Nachfolger Ch ’ ŏ ny ŏ ng (1215 - 1286) sowie dessen Zeitgenosse Iry ŏ n (1206 - 1289), ein Zen-Meister aus der Schule des Kaji-Berges und bedeutender Historiker, der mit seinem Werk über den Buddhismus während der Drei Königreiche eine wichtige Geschichtsquelle geschaffen hat. Er verfasste auch die erste Sammlung von Biographien berühmter koreanischer Buddha-Mönche. Die letzte Phase der Kory ŏ -Dynastie ist eine Zeit des Niederganges. Mongoleneinfälle beunruhigten das Land und zwangen während einiger Jahrzehnte der Herrschaft (1231 - 1256) die Regierung zur Flucht. Die Zen-Klöster konnten in abgeschiedener ländlicher Umgebung die Zeit der politischen Wirren ohne größeren Schaden überstehen. Mit China hatte sich trotz oder wegen der Mongoleninvasionen ein lebhafter Verkehr entwickelt. China-Besuche von Zen- Mönchen ließen Beziehungen zu der damals in China dominierenden Lin-chi- (jap. Rinzai-) Schule entstehen, das für die Endzeit der Kory ŏ -Herrschaft wichtigste Ereignis der koreanischen Zen-Geschichte. Wir haben Nachrichten über drei koreanische Zen-Mönche, die in China unter einem Lin-chi-Meister Zen studierten, die Erleuchtung erlangten und diese Zen-Schule nach Korea überbrachten. Am wichtigsten ist T ’ aego Pou Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 333 (1301 - 1382) 50 , der von manchen als Gründer der Chogye-Schule angesehen wird. Diese Ansicht wird bis heute von Anhängern des Lin-chi-Zen vertreten, kann aber, wie wir noch sehen werden, nicht akzeptiert werden. T ’ aego war jung in den Mönchstand eingetreten, hatte Klöster besucht, bei der Übung des Kôan Mu eine Erleuchtung erlangt und in seinem Heimatland schon eine bedeutende Tätigkeit entfaltet, indem er sich um die Verbindung von Sutrenlehre und Zen bemühte, als er im Mannesalter nach China aufbrach (1346). Dort studierte er unter dem Lin-chi-Meister Shih-wu Ch ’ ing-kung und erlangte Dharma-Siegel und Kesa (rituelles Bekleidungsstück); auch wurde er vor seiner Rückkehr nach Korea zum Kaiserhof berufen und vom Herrscher geehrt. In Korea wirkte er für das Lin-chi-Zen, gewann zahlreiche Jünger und erhielt den Ehrentitel «Landesmeister». Nach seinem Tode verfasste einer seiner Jünger seine Biographie. Eine überkommene Generationslinie der Nachfolger in seiner Linie ist wahrscheinlich unrichtig. 51 Die dem Mönchstand angehörigen koreanischen Chinafahrer kannten einander oder waren befreundet. Dem T ’ aego folgten Gy ŏ nkin (1298 - 1374) und Huig ŏ n (1320 - 1376). 52 Beide hatten in China erste Kontakte mit einem indischen Buddha-Mönch, chinesisch T ’ ai-k ’ ung (gest. 1363) genannt. Gy ŏ nkin wandte sich dann an T ’ aegos Meister Shih-wu Ch ’ ing-kung (1351) und verweilte bei diesem kurze Zeit, während derer er sich die wesentlichen Gehalte der Linchi-Schule aneignete. Nach seiner raschen Rückkehr nach Korea, die vielleicht durch sein vorgerücktes Alter (56 Jahre) bedingt war, zog er sich in die Bergeinsamkeit zurück. Er hinterließ mehrere Schriften. Für die Verbreitung des Lin-chi-Zen in Korea ist er von geringer Bedeutung. Unter den koreanischen Vertretern der Lin-chi-Schule verfügt Huig ŏ n über die intensivste Chinaerfahrung. Er hatte im Alter von 20 Jahren, erschüttert durch den Tod eines Freundes, der Welt entsagt und war nach einigen Aufenthalten in Klöstern und einem anfänglichen Erwachen nach China gereist (1348), wo er sich zunächst drei Jahre der Führung des erwähnten indischen Mönches anvertraute, eines wegen seiner magischen Wunderkräfte und weiten Reisen durch viele Länder Asiens berühmten Mannes, der sich zum Zen bekannte. 53 Das genuine Lin-chi-Zen, einschließlich der während der Sung- Zeit ausgeformten Kôan-Praxis, lernte er bei P ’ ing-shan Ch ’ u-lin, einem Meister der Schule in der 18. Generation. Durch ihn steht er als sein Dharma-Erbe in der geraden Linie der Geistüberlieferung. Während seines zehnjährigen Aufenthaltes im Reich der Mitte (1348 - 1358) besuchte er berühmte Klöster und Meister, auch wirkte er lehrend im Auftrag des Hofes für die Verbreitung und Vertiefung des Zen-Buddhismus. Nach Korea zurückgekehrt, wurde ihm ein wichtiges Zentrum als Wirkungsstätte anvertraut. Zahlreiche vorzügliche junge Männer gingen aus seiner Schule hervor. 334 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Der japanische buddhistische Gelehrte und Experte für die Geschichte des Buddhismus in Korea Eda Shunjû erhebt die Frage, warum nicht Huig ŏ n, sondern T ’ aego als Hauptprotagonist der koreanischen Lin-chi-Schule in die Geschichte eingegangen ist. 54 Beide verfügen als legitime Dharma-Erben chinesischer Lin-chi-Meister über eine sichere Stellung in der Überlieferungsreihe. Für Huig ŏ n spricht die größere Zahl seiner Jünger, unter denen ein Nachfolger hervorragte, sowie seine besseren Charaktereigenschaften. Beide waren bereit zu Zugeständnissen an den Lehrbuddhismus, vom Standpunkt des jegliche Vermischung verabscheuenden authentischen Lin-chi-Zen ein gravierender Mangel, auch wenn sie sich nicht vorbehaltlosem Synkretismus verschrieben. Eda brandmarkt T ’ aegos magische Verrichtungen und weltliche Machenschaften, die ihm bei Hof Ansehen verschafften, und gibt Huig ŏ n deutlich den Vorzug. 55 Doch begünstigten die Umstände T ’ aego, der als Erster nach China gereist war und als Erster in Korea Lin-chi-Zen verbreitete. Das Verdienst der Einführung der neuen, als frisch empfundenen Form des Buddhismus wurde ihm zugeschrieben. Sein hohes Alter, in Ostasien sehr geschätzt, stärkte seine Stellung als führende Persönlichkeit des Lin-chi-Zen in Korea. 56 Doch kam es nicht zur Gründung einer eigentlichen Lin-chi-Schule. Die Anhänger des neuen Zen-Stils verstärkten die hwadu-Praxis der Chogye-Schule, der sie sich einordneten, so dass am Ende der Kory ŏ -Zeit die zwei S ŏ n-Schulen von Chogye und Ch ’ ŏ nt ’ ae sowie eine Sutrenschule (kor. kyo) existierten. Die geistige Atmosphäre war auf den Umbruch durch den wachsenden Einfluss der neokonfuzianischen Philosophie vorbereitet, die in der folgenden Epoche die dominierende Weltanschauung der Koreaner wurde. Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 335 V Niedergang während der Yi-Dynastie Die erste Phase Die Geschichte des Buddhismus während der Yi-Dynastie lässt sich unter Rücksicht der rechtlichen Stellung der Buddha-Religion im koreanischen Staat in zwei Abschnitte einteilen. 1 Während der ersten Phase (1392 - 1494) behält der Buddhismus seinen gesetzlich gesicherten Platz im öffentlichen Leben, trotz mancher Anfeindungen und Gegenbewegungen, die schon gegen Ende der Kory ŏ -Zeit einsetzten und die durch Privilegien und Gunsterweise geschützte Vorrangstellung des Buddhismus beeinträchtigten. Die neue Epoche der Yi- Dynastie brachte keinen plötzlichen Umbruch, aber die Situation änderte sich, zuerst langsam, jedoch fortdauernd zugunsten des Buddhismus. Wechselnde Religionspolitik Der erste König T ’ aejo (reg. 1392 - 1398), ein frommer Buddhist, unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu Mönchen und Klöstern, musste aber unter dem Druck der Zeitumstände und neokonfuzianischer Einflüsse erste einschränkende Maßnahmen gegen den Buddhismus treffen. 2 Er hob die Steuerfreiheit buddhistischer Klöster auf, untersagte neue Tempelbauten und unterwarf die Mönche einer Zulassungsprüfung. 3 Die Maßnahmen wurden von Buddhisten als schmerzlich empfunden, rührten indes nicht an die enge Beziehung der Religion zum Staat, der sich, wie der König bei vielen Gelegenheiten betonte, unter dem Schutz Buddhas geborgen wusste. Das Volk akzeptierte die Maßnahmen als Heilmittel gegen offensichtliche Missstände im Buddhismus. Der Gründer der Yi-Dynastie T ’ aejo verzichtete nach kurzer Regierungszeit auf den Thron. Sein Nachfolger Ch ŏ ngjong (reg. 1399 - 1400) war dem Buddhismus wohl gesinnt. Der folgende König T ’ aejong (reg. 1401 - 1418) ergriff härtere Maßnahmen gegen den Buddhismus. 4 Er schränkte weiter die Zahl der Klöster ein, konfiszierte Klosterländereien, verfügte die Rückkehr von Mönchen in den Laienstand und verschärfte die Zulassungsprüfungen zum Mönchstand. Er beabsichtigte eine Reform des Buddhismus, als deren erste Schritte er die Abschaffung der Ränge eines königlichen Lehrers und eines Landesmeisters sowie die Herabsetzung des sozialen Standes der Mönche verordnete. Doch kam es nicht zu einer völligen organisatorischen Neuordnung. Der vierte König Sejong (reg. 1419 - 1450), eine mächtige Herrschergestalt, hat während seiner langen Regierungszeit die Epoche der Yi-Dynastie maßgebend geprägt. 5 Er erhob die konfuzianische Lehre zur Staatsreligion. Korea wurde nach chinesischem Vorbild zum konfuzianischen Staat. Zu Beginn seiner Regierungszeit erließ er ein Religionsedikt (1424), das die Reinigung des Palastes von allem Buddhistischen verordnete. Buddhistische Zeremonien, Rituale zur Abwehr von Naturkatastrophen und Sutrenrezitationen wurden vom Königssitz verbannt. Einschneidender war die Neuordnung der buddhistischen Schulen, die auf zwei, nämlich die Schule des Zen und die Schule der Sutrenlehre (kyo), reduziert wurden, die beide künftig je ein Zentrum hatten. Die Mönche wurden aus der Hauptstadt verbannt. Im Lande wurde ein System von Haupttempeln mit zugehörigen Zweigtempeln eingerichtet. Die Ausübung der buddhistischen Religion blieb gestattet, war jedoch staatlicher Kontrolle unterstellt. Die genannten, den Buddhismus betreffenden einschränkenden Regeln, kamen während der ersten Hälfte der Regierungszeit des Sejong zum Zuge; sie wurden in der Folgezeit nicht geändert, aber eine merkliche Wandlung in der Haltung des Königs gegenüber der Buddha-Religion, die ihren Grund, wie es scheint, zumindest teilweise in persönlichen Beziehungen zu frommen Buddhisten hatte, führte zu erheblichen Milderungen. Der König gestattete Bauarbeiten an buddhistischen Tempeln und übersah die Wiedereinführung buddhistischer Riten im Palast. Die Mönche aller Klöster versammelten sich zur Zeit einer Dürre in einem Haupttempel zu gemeinsamem Ritus und Gebet zur Erlangung von Regen (1435). Der König erkannte den Schutz der Buddha- Religion für den Staat an, er war zum «Verehrer Buddhas» 6 oder gar zum «Buddha verehrenden Landeskönig» 7 geworden. Seine Totenfeier fand nach buddhistischem Ritus statt. Sein Nachfolger Munjong regierte nur zwei Jahre (1450 - 1452). Wir wissen nicht, ob er seinem Wohlwollen gegenüber dem Buddhismus oder seiner neukonfuzianischen Weltsicht gefolgt wäre. 8 Der auf ihn folgende Tanjong (reg. 1452 - 1455) war bei seiner Thronbesteigung mit 17 Jahren zu jung, um Beurteilung zu gestatten. König Sejo (reg. 1456 - 1468), ein devoter Buddhist, erwies seine Gunst der Buddha-Religion durch zahlreiche Wohltaten. 9 Freigebig unterstützte er Tempel und Klöster, stellte zu deren Instandhaltung Arbeitskräfte zur Verfügung, schenkte Glocken und Kunstschmuck. Überdies lag ihm der buddhistische Beitrag zur koreanischen Geisteskultur am Herzen. Er förderte die wissenschaftliche und literarische Tätigkeit der Mönche. Auf seine Veranlassung wurden Mahâyâna-Sutren in die Landessprache übersetzt, dazu erschienen Kommentarwerke. Eine Biographie des Shâkyamuni regte musisch begabte Mönche zu Lobeshymnen auf den Stifter an. König Sejo hat wegen seiner mannigfachen Initiativen einen Platz in der koreanischen Literaturgeschichte. Niedergang während der Yi-Dynastie 337 Der Buddhismus hatte sich unter der Ägide des Königs Sejo von früheren Eingriffen fast völlig erholt. Junges Volk strömte in großer Zahl in die Klöster der Mönche und Nonnen. Historiker sprechen von einigen Zehntausend. 10 Ein großer Umschwung kam, als nach dem Tode Sejos und einer kurzen Zwischenzeit der Regierung des Yejong (reg. 1468/ 69) der König S ŏ ngjong (reg. 1470 - 1494) den Thron bestieg. Überzeugter Konfuzianer, umgab er sich mit konfuzianischen Freunden und Ratgebern. Ins Vergessen geratene, frühere einschränkende Regelungen kamen wieder zur Geltung, buddhistische Volksbräuche wurden abgeschafft. Der König hob dreiundzwanzig Nonnenklöster auf (1475) und verbot die Ordinierung von Mönchen (1493). Der Buddhismus blieb nur mehr als gesetzlich geregeltes System im Staat bestehen, die Auflösung des letzten Bandes zwischen Religion und Staat blieb dem Nachfolger überlassen, mit dem die folgende Phase beginnt. Berühmte Zen-Mönche Die Namen vieler Zen-Meister aus der ersten Phase der Yi-Dynastie sind überkommen. Heraus ragt während der Zeit des Epochenwechsels Muhan Sach ŏ (1327 - 1405), den T ’ aejo, der erste Herrscher der Yi-Dynastie, zur Würde eines «Lehrers des Königs» erhob, ein Titel, der ihm als letztem Träger verliehen wurde. 11 Über seinen Lebenslauf, seinen Eintritt in den Mönchstand und sein Studium bei hervorragenden Meistern unterrichtet ein Epitaph. Während seines dreijährigen Chinaaufenthaltes (1353 - 1356) hatte er enge Kontakte mit seinem Landsmann Huig ŏ n, dem prominenten koreanischen Lin-chi-Meister, über den wir im Vorigen berichtet haben. Zwischen beiden bestand eine Art Meister- Jünger-Verhältnis, von dem ein Wechselgespräch von erleuchteter Tiefe zeugt. Huig ŏ n übergab seinem jungen Freund und Dharma-Erben als Zeichen des geistigen Einverständnisses Gewand und Bettelschale. 12 In der Halle eines chinesischen Tempels zeigt ein Triptychon in der Mitte Huig ŏ n, zu seiner Rechten Muhan Sach ŏ und zur Linken den aus Indien stammenden Mönch, der viele Länder Asiens und auch Korea bereiste. 13 Nach seiner Rückkehr kam Sach ŏ in Korea zu hohen Ehren. Mit König T ’ aejo pflegte er vertrauten Umgang und unterstützte wirksam dessen Initiativen zugunsten des Buddhismus. Den Entschluss zum Eintritt in den Mönchstand des ersten unter Sach ŏ s Jüngern Gih ŏ (1376 - 1433) motivierte die bittere Erfahrung der Vergänglichkeit beim frühen Tod eines Freundes. 14 Gih ŏ studierte unter seinem Meister erfolgreich das Lin-chi-Zen und erlangte die befreiende Erleuchtung. Sein Wirken fällt in die Anfänge der neuen Epoche, als ein angeschlagener, aber noch mächtiger Buddhismus sich gegen den vom Zeitgeist begünstigten Konfuzianismus nach Kräften wehrte. Der begabte und einflussreiche Meister besaß das Vertrauen des Königs Sejong und übernahm auf dessen Geheiß die Leitung eines 338 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick buddhistischen Tempels (1421). Die Religionspolitik ließ ihm in dieser Übergangszeit zwischen Mittelalter und Neuzeit genügenden Freiraum, seine Religion gegen konfuzianische Angriffe zu verteidigen. Dazu befähigte ihn sein gründliches Studium der konfuzianischen Lehre vor seinem Eintritt in den Mönchstand. In Wort und Schrift argumentierte er wirksam für den Buddhismus. Er zeichnete sich auch durch dichterische Begabung aus und zählt zu den bedeutenden koreanischen Literaten. 15 Die Zahl der tüchtigen Meister, die eine Jüngerschar um sich sammelten und zumeist den Stil des Lin-chi-Zen, angereichert durch die Kôan-Methode, lehrten und übten, nahm während der ersten Phase der Yi-Dynastie zu. Aus dem Rahmen fällt die ungewöhnliche Erscheinung des vielseitig hoch begabten S ŏ lsam (1435 - 1493), dessen umfassendes Wissen jung schon Aufmerksamkeit erregte und vom König Sejong zur Kenntnis genommen wurde. 16 Nach dem Tod des Königs Tanjong trat S ŏ lsam in den Mönchstand ein, lebte in verschiedenen Klöstern und zog durch seine Gelehrsamkeit zahlreiche Schüler an. Der talentierte Mönch fiel durch sein sonderbares Benehmen auf. Im Alter von 47 Jahren legte er das Mönchsgewand ab und heiratete, kehrte aber bald schon ins asketische Leben zurück. Seine Beziehungen zum Konfuzianismus, zu dem er wie manche buddhistische Mönche seiner Zeit eine Hinneigung zeigte, wurde von Historikern stark beachtet. Takahashi, der dem exzentrischen Mönch viele Seiten widmet, unterstreicht als Endergebnis seine Zugehörigkeit zum Zen, die eine Erleuchtungserfahrung in späten Jahren besiegelte. Eine seiner hinterlassenen Schriften handelt über das in der Ts ’ ao-tung- (jap. Sôtô-) Schule beheimatete Schema der «Fünf Stufen» (chin. wu-wei, jap. goi) des Tung-shan Liang-chieh (807 - 869). Die zweite Phase: Der Großmeister des Westberges Hyujŏng Der Großmeister des Westberges (S ŏ san Taesa) Hyuj ŏ ng (1520 - 1604) ist die zentrale Gestalt des Buddhismus der Yi-Dynastie. Er ist nicht nur ein hervorragender Zen-Meister, der viele Jünger um sich scharte und zur Erleuchtung führte. Seine Bemühungen brachten die Zusammenführung des Sutren- und Meditationsbuddhismus zum Abschluss und festigten die bis heute gültige Gestalt des koreanischen Buddhismus. In einer schwierigen Zeit wies seine markante Persönlichkeit die Richtung für die Zukunft. Der politische Hintergrund Das 16. Jahrhundert, in dem Hyuj ŏ ng lebte und wirkte, gehört zur zweiten Phase der Geschichte des Buddhismus während der Yi-Dynastie, die ihm keine öffentlich-rechtliche Stellung zuerkannte. Takahashi Toru teilt diese Phase in Niedergang während der Yi-Dynastie 339 zwei Abschnitte ein. 17 Während des ersten bis zum Ende der Regierungszeit des Königs Injo (1623 - 1649) können buddhistische Mönche und Klöster zeitweise eine mehr oder weniger freie Tätigkeit entfalten, danach sind nur mehr Niedergang und Stagnation zu verzeichnen. Die zweite Phase beginnt mit Y ŏ nsang-gung (reg. 1494 - 1506), einem brutalen Despoten, der viel Unheil anrichtete. Konfuzianische Einrichtungen erlitten ebenso wie buddhistische schweren Schaden. Er verbannte die Verwaltungen der beiden Zweige von Kyo und S ŏ n aus der Hauptstadt. Der Buddhismus verlor seine Stellung im Rechtsgefüge. Viele Mönche kehrten ins Laienleben zurück. Die antibuddhistische Religionspolitik änderte sich nicht unter den folgenden Königen Chungjong (reg. 1506 - 544) und Injong (1544 - 1545). Die Lage blieb für den Buddhismus düster und hoffnungslos. Wichtig für Leben und Wirken des Hyuj ŏ ng sind die zwei folgenden Regenten My ŏ ngj ŏ ng (1545 - 1567) und S ŏ njo (1567 - 1608). 18 Für den beim Regierungsantritt unmündigen My ŏ ngj ŏ ng ergriff die Königmutter Munj ŏ ng, eine devote und tatkräftige Buddhistin, der die Wiederherstellung ihrer Religion am Herzen lag, die Zügel. Sie schenkte ihr Vertrauen dem begabten Mönch Pou, den sie wie einen lebendigen Buddha verehrte. 19 Pou erwirkte die Wiederaufnahme der Mönchsexamina der beiden Zweige von Kyo und S ŏ n, die eine nicht geringe Zahl junger tüchtiger Mönche den buddhistischen Klöstern zuführte. Doch konnte er trotzt seines Strebens nach Harmonisierung den konfuzianischen Widerstand gegen den Buddhismus nicht brechen. Seine politische Tätigkeit endete zur Zeit innerer Unruhen gegen Ende der Ära My ŏ ngj ŏ ng mit der Verbannung auf die Insel Cheju, wo ihn die Leute aus dem Volk ermordeten. Hyuj ŏ ng unterhielt Beziehungen zu Pou. Hyuj ŏ ngs bedeutendes Wirken für den Buddhismus fällt zum größeren Teil in die lange Regierungszeit des Königs S ŏ njo, der sein Vertrauen Konfuzianern schenkte, aber den Buddhismus nicht unterdrückte. Seine Maßnahmen gegen unliebsame Buddhisten hielten sich in Grenzen. Das Hauptereignis während seiner Regierungszeit war der Einfall des japanischen Militärregenten Toyotomo Hideyoshi (1592 - 1598). Bei dieser Gelegenheit appellierte er an die Unterstützung der buddhistischen Mönche zur Landesverteidigung. Eine führende Rolle spielte bei der Hilfsaktion Hyuj ŏ ng. Darüber ist im folgenden Abschnitt zu berichten. Leben und Wirken des Hyujŏng Für die Biographie des Hyuj ŏ ng steht uns, wie Takahashi Toru feststellt, im Unterschied zu den sonst meist kargen Angaben der koreanischen Geschichte des Buddhismus viel Material zur Verfügung. 20 Autographisches, Schriften der Jünger, mehrere Epitaphe sowie Chroniken und Sammelwerke erzählen von 340 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick dem großen Mann, der vom «Berg des wunderbaren Duftes» im Westen den ehrenvollen Namen des Großmeisters des Westberges empfing. In der Provinz geboren, spielte der Knabe mit den Dorfkindern Tempelbauen. Seine hohe Begabung und große Tugend, insbesondere seine Kindesehrfurcht, verschafften ihm einen guten Ruf. Im Alter von neun Jahren verlor er den Vater, von zehn Jahren die Mutter. Mit zwölf Jahren wurde das elternlose Kind in die Hauptstadt gebracht, um drei Jahre lang zu studieren. Danach beginnt eine Zeitspanne wechselnder Aufenthalte in Klöstern und Einsiedeleien, während der er keinen Tag die Übung vernachlässigt. In einer Nacht erfährt er das Wunderbare, verschieden von Wort und Schrift. 21 Im Alter von 21 Jahren in den Mönchstand eingetreten, begegnet er prominenten Meistern. Von Ils ŏ n (1488 - 1568) empfängt er die Gebote. Er übt unter der Leitung des Puyong Y ŏ nggwan (1485 - 1571) und erlangt das Geistsiegel. Als Dharma-Erbe steht er in der Traditionslinie des Y ŏ nggwan, die vielfach als Fortführung der koreanischen Lin-chi-Schule des T ’ aego Pou angesehen worden ist. Doch lässt sich die Linie von Y ŏ nggwan nur durch zwei voraufgehende Generationen mit Sicherheit verfolgen. Die Generationslinie des Hyuj ŏ ng bleibt unsicher. 22 Die Biographie erzählt, wie Hyuj ŏ ng nach der Erleuchtung durchs Land wandert, für längere oder kurze Zeit in Klöstern und Einsiedeleien verweilt und «wie im Traum» das reife Alter von dreißig Jahren erreicht. Inzwischen ist die Wiederherstellung des Sa ṇ gha unter König My ŏ ngj ŏ ng im vollen Gang. Hyuj ŏ ng wird vom Herrscher ins Richteramt für die Examina des Sutrenbuddhismus (Kyo) und wenig später des Meditationsbuddhismus (S ŏ n) berufen. Die Stellung im öffentlichen Leben verschafft ihm Ansehen, doch ihn zieht es in die Einsamkeit. So legt er nach wenigen Jahren die Ämter nieder und sucht ein stilles Bergkloster auf, wo er als Lehrer Sutren erklärt (Kyo) und als Meister Jünger zur Erleuchtung führt (S ŏ n). Die Harmonisierung von Kyo und S ŏ n liegt ihm vor allem am Herzen. Im 22. Regierungsjahr des Königs S ŏ njo erregt ein Aufstand, an dem auch buddhistische Mönche beteiligt sind, den Zorn des Königs und bringt Hyuj ŏ ng, der von Feinden der Unterstützung der Rebellen beschuldigt wird, für kurze Zeit ins Gefängnis. Der falsche Verdacht wird rasch aufgeklärt und Hyuj ŏ ng auf Anordnung des Königs freigelassen. Nun breitet sich sein Ruhm im ganzen Land aus. Er ist, so die Quellen, «die Bewunderung einer Generation». 23 Den Höhepunkt erreicht Hyuj ŏ ngs Ruf wenig später, als zur Zeit des kriegerischen Einfalls Hideyoshis (1592) der König in äußerster Not seine Hilfe sucht. In einem Aufruf an alle buddhistischen Mönche Koreas mobilisiert Hyuj ŏ ng eintausendfünfhundert Mann. Die buddhistischen Mönche - im Ganzen fünftausend Krieger - bewähren sich im Kampf. Der dankbare König Niedergang während der Yi-Dynastie 341 spart nicht an Gunsterweisen für den greisen Meister, dessen Lebensende nahe bevorsteht. Während seiner Wanderungen durch viele Klöster hatte eine große Zahl von Verehrern ihm zugehört und sich seiner Führung anvertraut. Es ist wohl kaum eine Übertreibung, wenn seine Biographie von eintausend Jüngern im weiten Sinn spricht. Der engere Kreis zählte siebzig hervorragende Jünger, die nach seinem Tod seinen ansehnlichen literarischen Nachlass sammelten und in vier Linien sein Werk fortsetzten. Hyujŏngs Bedeutung für den koreanischen Buddhismus Hyuj ŏ ng «markiert eine Epoche». «Nach dem Meister muss man den koreanischen Buddhismus Schule des Westberg(-Meister)s nennen.» «Die Mehrzahl der koreanischen Mönche gaben die Dharma-Linie des Meisters weiter, sie eroberte den Sa ṇ gha des ganzen Landes und ist bis heute gelangt.» 24 So urteilt der Historiker. Die Eigenart des koreanischen Buddhismus, die sich schon bei Chinul deutlich zeigt, hat Hyuj ŏ ng gefestigt, sie wurde durch ihn zum Merkmal der Buddha-Religion Koreas. Die Auseinandersetzung zwischen den zwei Hauptrichtungen der Sutrenlehre (Kyo) und der Meditation (S ŏ n) war zur Zeit des Hyuj ŏ ng noch in vollem Gang. Die drei Hauptwerke des Meisters Sŏn ’ ga kugam (Spiegel des Zen-Hauses), Sŏn ’ gyo sok (Erklärung zu S ŏ n und Kyo), Sŏn ’ gyo kyol (Schlüssel zu S ŏ n und Kyo) befassen sich eingehend mit dem Konflikt. S ŏ n und Kyo stehen in keinem Gegensatz, sind nicht zwei voneinander unabhängige verschiedene Dinge, Kyo ist das Buddha-Wort, S ŏ n ist der Buddha-Geist, beide sind innig miteinander verbunden. Wenn diese Erkenntnis den Sa ṇ gha beherrscht, kommt der Konflikt zwischen Kyo und S ŏ n zur Lösung. «Die miteinander verbundene Übung von Kyo und S ŏ n, die Zazen und Erleuchtungsschau zur letztgültigen großen Angelegenheit macht, wird zum Eigenbesitz der einen Schule Koreas.» 25 Das Endergebnis und das besondere Merkmal des koreanischen Buddhismus sind hier deutlich benannt: Umfassende Übung, die Wort und Meditation, Sutrenkenntnis und Erleuchtungsweg mit Erfahrung einbezieht, unzweifelhafter Primat des Zen. Hyuj ŏ ng zieht aus dieser Sicht die Folgerungen für die Führung der Jünger und für deren Verhalten beim Fortschreiten auf dem Wege. Die Jünger bedürfen zur Motivation der Übung und zur beharrlichen Ausdauer der Vorgabe der Sutrenkenntnis. Wenn sie aufrichtig suchen, werden sie während ihres Studiums gewahren, dass Sutrenkenntnis allein nicht genügt. Die Worte, wenn sie denn Buddha-Worte sind, weisen über sich hinaus. Der Jünger muss sich der Zen- Meditation zuwenden, nur im Schweigen kann er in der Erleuchtungserfahrung den Buddha-Geist erfassen. Hyuj ŏ ng mahnt wiederholt und eindringlich, diese 342 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick Verbindung von Kyo und S ŏ n einzuhalten, die, wie er meint, für die meisten Jünger, für alle von mittlerer oder geringerer Begabung, unabdingbar ist. Nur für ganz wenige von hoher Begabung lässt er die Ausnahme gelten, von Anfang an ohne Sutrenkenntnis sogleich schweigende, gegenstandlose Meditation zu üben. Hyuj ŏ ng selbst und auch sein Meister Y ŏ nggwan sind auf dem gewöhnlichen Weg der Verbindung von S ŏ n und Kyo zur Erleuchung gelangt. 26 Wir wissen, dass Y ŏ nggwan, Hyuj ŏ ngs Meister, der mit siebzehn Jahren in den Mönchstand eintrat, zuerst die Sutren studierte und bei diesem Studium erkannte, dass der Kern, das Eigentliche des Buddhismus nicht in den Schriften zu finden ist. Er wandte sich der Zen-Übung zu und wurde zum Zen-Meister. Ähnlich hatte Hyuj ŏ ng die Mahâyâna-Sutren, vorab die Avata ṃ saka- (jap. Kegon-)Sutren, aber auch die Weisheitssutren, das Lotos- und das Vimalakîrti-Sûtra sowie anderes Schriftgut studiert, was ihn zum Richteramt für Kyo-Mönche qualifizierte, bevor er unter Y ŏ nggwans Führung die Erleuchtung erlangte und dessen Dharma-Erbe wurde. Die Unterscheidung zwischen Sutrenbuddhismus und Zen-Meditation ist nach Hyuj ŏ ngs Auffassung seicht und oberflächlich; beide bezeichnen Anfang und Ende des einen Weges. Die Sutrenkenntnis bereitet vor, die Zen-Meditation führt zum Endziel. Hyuj ŏ ng tadelt die Zen-Anhänger, die den Wert der Sutren nicht anerkennen, der wahre Buddha-Dharma kann aber nur durch das Tor des Zen erreicht werden. Diese Sicht wurde schon vor Hyuj ŏ ng vertreten, durch den Großmeister des Westberges gelangte sie zur Herrschaft und schließlich zur allgemeinen Anerkennung im koreanischen Buddhismus. Hyuj ŏ ngs Zen ist das der Südschule des chinesischen Zen-Buddhismus, bereichert durch die Kôan- (kor. hwadu) Methode. Takahashi findet bei Hyuj ŏ ng mit Abweichungen den Zenstil der Lin-chi- (jap. Rinzai-)Schule und reiht ihn in diese Schule ein, wenn er schreibt: «Deshalb ist der Meister, der die rechte Linie des Lin-chi weitergab, der Dharma-Erbe des T ’ aego. 27 » Doch steht die Traditionslinie vor Hyuj ŏ ng, wie auch Takahashi zugeben muss, 28 nicht fest. Hier steht die Frage an, wer als der Gründer des koreanischen Zen-Buddhismus angesehen werden muss, T ’ aego oder Chinul. 29 Das Problem lässt sich mangels sicherer geschichtlicher Quellen nicht aufgrund von Traditionslinien entscheiden, sondern ist «ein religiöses Problem mit direktem Bezug auf das Selbstverständnis des Chogye-Ordens» 30 . Keel führt gewichtige Argumente an, die Chinul als «Gründer der koreanischen Zen-Tradition» (so der Titel seines Buches) erweisen. 31 Chinul hat Hyuj ŏ ngs Denken und religiöse Praxis maßgebend beeinflusst. Der Meister vom Westberg hat nicht nur die bis zur Verschmelzung gehende Verbindung von Kyo und S ŏ n, sondern auch wie Chinul die Namenanrufung (jap. Nembutsu) in seine Übung hineingenommen. Er steht in der geistigen Nachfolge des Chinul, der sich vornehmlich an Tsung-mi, dem Patriarchen der zwei Schulen von Hua-yen und Ch ’ an, orientiert. Tiefgehende Niedergang während der Yi-Dynastie 343 Einflüsse des Lin-chi und seiner Schule sind unverkennbar. Doch verdankt der koreanische Zen-Buddhismus mehr noch dem Tsung-mi. Die Klarstellung dieser Beziehungen ist eine wichtige Aufgabe der koreanischen Buddhismus-Forschung. Jünger und Zeitgenossen Von Hyuj ŏ ngs Hauptjüngern gingen vier Linien aus, die während längerer Zeit den Zen-Buddhismus der Yi-Dynastie repräsentieren. 32 Yuny ŏ ng (1544 - 1610, auch Großlehrer Samy ŏ ng) übertrifft, was die Verdienste um das Staatswohl angeht, noch seinen Meister Hyuj ŏ ng, unter dessen Leitung er Zen übte und den Dharma erlangte (1575). Rebellen leistete er Widerstand und führte im Kampf gegen Hideyoshi drei Armeen. Später wurde er für Friedensverhandlungen nach Japan entsandt. 33 Sein Jünger Ŏ nsan (1571 - 1645) und dessen Jünger My ŏ s ŏ n (1593 - 1661) führten die Linie weiter. Am bedeutendsten ist die Linie des P ’ ŏ nyang Ŏ ngi (1581 - 1644). Dieser Jünger des Hyuj ŏ ng rechnet wie seine Meister mit den verschiedenen Begabungen der Übenden. Durch die Integration von Sutrenstudium und Namenanrufung können alle, wenn sie sich der Zen-Übung widmen, Erleuchtung und Buddhaschaft erlangen. Durch diese Linie kam das Zen des Großmeisters des Westberges zur höchsten Blüte. Die Namen vieler angesehener Gelehrter und berühmter Mönche, die aus dieser Schule hervorgingen, sind bekannt. Heraus ragen während des 18. Jahrhunderts W ŏ ltan S ŏ lche (1632 - 1704), W ŏ lch ŏ Toan (1638 - 1715), Inak Ŭ ij ŏ m (1746 - 1796). Die genealogische Karte gibt Namen bis ins 19. Jahrhundert. 34 Namen, Biographie und Verdienste der als Gründer von zwei Linien bekannten prominenten Jünger Ten ŏ n (1562 - 1649) und Ils ŏ n (1533 - 1608) sind überliefert. Ten ŏ n entfaltete eine bedeutende Tätigkeit und hatte zahlreiche Jünger. Seine Linie wirkte erfolgreich bis zur dritten Generation, zersplitterte dann in viele Zweiglinien, von denen einige fortdauerten, die aber keine nennenswerten Leistungen hervorbrachten. 35 Ils ŏ n ist als tüchtiger Zen-Meister in die Geschichte eingegangen, seine Linie erlosch indes früh. Puhyu S ŏ nsu (1543 - 1605), der Begründer der zweiten Hauptschule des Zen- Buddhismus während der Yi-Dynastie 36 , gehörte wie Hyuj ŏ ng zur Jüngerschaft des Y ŏ nggwan und teilte mit seinem Dharma-Bruder den Zen-Stil und die Ausrichtung auf die Einheit von Kyo und S ŏ n. An Geisteskraft ist er dem Großmeister des Westberges nicht ebenbürtig, doch sammelte er eine zahlreiche Jüngerschaft um sich. Von den sieben Linien, die von ihm ausgingen, ist die des Py ŏ gam Kaks ŏ ng (1575 - 1660), eines der prominentesten Buddhisten seiner Zeit, am bedeutendsten. Kaks ŏ ng zeichnete sich durch militärische Leistungen 344 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick im Dienst des Königs aus und pflegte freundschaftlichen Umgang mit vielen Großen seiner Zeit. Durch ihn gelangte die Schule zu nationaler Bedeutung. Hervor ragt sein Nachfolger in der dritten Generation S ŏ ngch ’ ong (1631 - 1700), der sich ebenfalls um das Volkswohl verdient machte. Er ließ im Bereich des Klosters Songgwang die Gedächtnisstele des Chinul, die diesen in der Inschrift den «großen Heiligen des Ostlandes» (Korea) nennt 37 , wiederherstellen. Auf einer Säule wird das Kloster Songgwang als «größter Ort des Tao im Ostland» gerühmt. 38 S ŏ ngch ’ ong hat sich durch seine Werke und Sammeltätigkeit Verdienste um die buddhistische Literatur seines Landes erworben. Die Linie des Kaks ŏ ng reicht bis nahe an das Ende der Epoche. Die dritte Phase Auch während der letzten Phase der Yi-Dynastie, die gemäß der Einteilung des japanischen Historikers von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende der Epoche reicht, hat der Buddhismus, während der Konfuzianismus im öffentlichen Leben dominierte, fortgedauert. Könige und die Oberschicht sind von der Lehre des Kung-tzu geprägt, der Buddhismus ist rechtlich schutzlos. Dennoch wechselt die Situation je nach Neigung und Gutdünken des regierenden Königs. Zeiten harter Verfügungen, die die unterdrückenden Maßnahmen früherer Regenten einschärfen, werden abgelöst von Zeiten größerer Duldsamkeit. Buddhistische Gebetsriten für Verstorbene waren so allgemein verbreitet und erfreuten sich solcher Beliebtheit beim Volk, dass König Ch ŏ ngjo (1777 - 1800) die Beobachtung eines Verbotes nicht durchsetzen konnte. 39 Dieser König bekundete in vielfacher Weise seine Buddha-Verehrung. Drei Jahre lang vollzog er mit seiner Gemahlin buddhistische Gebetsriten zur Erlangung eines männlichen Erben. Als ihm ein Sohn geboren wurde, erwies er seine Dankbarkeit durch reiche Schenkungen und die Errichtung einer Gedenktafel im buddhistischen Tempelbereich. 40 Wie das facettenreiche Geschichtsbild zeigt, war der Buddhismus während der letzten Phase der Yi-Dynastie nie eigentlich in seiner Existenz gefährdet. Im ganzen Land mit Ausnahme der Hauptstadt gab es Mönche und Klöster. Die Schulen des Hyuj ŏ ng und des Puhyu S ŏ nsu, von denen wir im Vorigen berichteten, blieben während beinahe der ganzen Zeitspanne aktiv. Allerdings fehlen bedeutende schöpferische Persönlichkeiten, das religiöse Leben stagnierte. Mönche und Nonnen rekrutierten sich fast nur noch aus den niederen Bevölkerungsschichten, während der Regierungszeiten der beiden letzten Könige der Yi-Dynastie Kojong (1864 - 1907) und Sungjong (1907 - 1910) degenerierte die Ordenszucht, so dass Mönche und Klöster ihr Ansehen beim Volk verloren. 41 Politisch geriet Korea mehr und mehr in Abhängigkeit Niedergang während der Yi-Dynastie 345 von den großen Nachbarländern. Japan übernahm nach den Siegen über China (1894/ 5) und Russland (1904/ 5) das Protektorat über Korea (1905). Dies verschaffte dem Buddhismus im Lande zunächst einige Erleichterungen. Die Verbannung der Mönche und Nonnen aus der Hauptstadt wurde aufgehoben. Bei allem Niedergang verblieb ein Rest, der die Wiedergeburt eines eigenständigen koreanischen Buddhismus gestattete. Ausklang Unser geschichtlicher Überblick über den Zen-Buddhismus in Korea schließt mit dem Ende der Yi-Dynastie (1910). Die folgenden Jahrzehnte der japanischen Kolonialherrschaft (1910 - 1945) und des koreanischen Krieges (1950 - 1953), der mit der Teilung Koreas endete, bleiben außer unserer Sicht. Im freien Südkorea brachten die letzten Jahrzehnte ein Revival, in dem als Ergebnis einer «Reinigungsbewegung», anknüpfend an die Tradition vieler Jahrhunderte, der eigenständige koreanische Buddhismus wieder-um Gestalt gewann. 42 Die charakteristischen Züge seien zum Abschluss dieses Überblicks nochmals herausgestellt. Im Buddhismus, der in der Mahâyâna-Form von China her nach Korea kam, wurde die Meditationsschule des Zen (kor. S ŏ n) zum Hauptstrom, der im Laufe der Jahrhunderte alle buddhistischen Schulen aufnahm. Der koreanische Zen- Buddhismus gründet in der Südschule des chinesischen Zen, der Schule der Plötzlichkeit der Ma-tsu und Lin-chi, vervollständigt durch die im China der Sung-Zeit entwickelte Methode des Kôan (kor. hwadu). Das Zen überliefert den Buddha-Geist von Geschlecht zu Geschlecht, birgt die Quintessenz des Buddhismus und führt in der Erleuchtung zur Realisierung der Buddha-Natur. Die Lehren der Mahâyâna-Sutren sind als unabdingbare Voraussetzung und einsichtige Erklärung auf die Zen-Erleuchtung hingeordnet. Der Zen-Weg integriert die Sutrenlehre und umfasst in lebendiger Symbiose das Buddha- Wort der Lehrschulen, die zu passenden Mitteln (sanskr. upâya) relativiert werden. Die positive Rolle des Mittels wird auch der Namenanrufung (jap. nembutsu) zuerkannt. Der koreanische Buddhismus zeichnet sich durch große Weite aus, sein Herzstück ist das Zen. Er steht allen Übenden offen und trägt den verschiedenen Begabungen und Neigungen Rechnung. Wie in keinem anderen Land Ostasiens konnte sich in Korea die Tradition der Mönchsgemeinde (Sa ṅ gha) in ihrer Mahâyâna-Form behaupten. Der Buddhismus hatte jahrhundertelang seine Mitte in großen Klöstern der Mönche und Nonnen, die sich mit ganzer Hingabe dem Buddha-Weg widmeten, eifrig das Studium der heiligen Schrift pflegten und in der Meditation ihre ganze Kraft 346 Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick einsetzten. Das mönchische Leben blieb bis heute in Korea ein Charakteristikum der Buddha-Religion. 43 Der koreanische Zen-Buddhismus bietet eine besondere Variante in der Zen- Geschichte, deren Eigenständigkeit im Vergleich mit anderen Ausformungen des Zen-Weges in Ostasien in Erscheinung tritt. Bei der Rezeption des Zen im Westen kam die Pluralität seiner Form in den Blick. Der koreanische Zen- Buddhismus ist exemplarisch für deren geschichtlichen Hintergrund. Der Buddhismus-Forschung obliegt die Aufgabe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Wegen und Formen des Zen aufzuweisen und zu durchleuchten. Der Eintritt des koreanischen Zen-Buddhismus ins Blickfeld ist unmittelbar wichtig für den heute unabdingbaren zwischenreligiösen Dialog. Die neue lebendige Stimme der altehrwürdigen koreanischen Tradition kann zur Erhellung vieler Fragen, insbesondere hinsichtlich der Beziehung von Lehre und Erfahrung, von rationaler Erkenntnis und intuitiver Schau im religiösen Kontext beitragen. Niedergang während der Yi-Dynastie 347 Anmerkungen Einleitung 1 Die große Befreiung (1. Aufl. Leipzig 1939), S. 55 f. 2 In einem Aufsatz Ch ’ an (Zen)Buddhism in China, Its History and Method, zusammen mit der Entgegnung von D. T. Suzuki in der Zeitschrift Philosophy East and West, Bd. III, No. 1 (April 1953), gekürzt in der Aufsatzsammlung von D. T. Suzuki, Studies in Zen (London 1955). Hu Shih schließt seine Kritik an ein Zitat aus Suzukis Living by Zen an. Er entwickelt in dem Aufsatz nochmals seine Ansichten über die Zen-Geschichte in China, die er zuerst in der umfangreichen Studie Development of Zen Buddhism in China dargelegt hat (in SPSR, Bd. 15,4, 1932). Zusammenfassung und Auszüge aus dem Aufsatz Hu Shihs in Studies in Zen, S. 129 - 135, danach die Antwort Suzukis S. 135 - 164. Living by Zen erschien zuerst 1950, eine neue Ausgabe besorgte C. Humphreys 1972 (London). 3 S. Ôhasama/ A. Faust, Zen, der lebendige Buddhismus in Japan (1. Aufl. Gotha 1925), S. IX. Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien I Shâkyamuni, der Erleuchtete 1 Shâkyamuni, dem Wortsinn nach der Weise (muni) aus dem Geschlecht der Shâkya, ist der Buddha, der Erwachte; als Prinz im Elternhaus heißt er Siddhârta, Gotama (Pâli) oder Gautama (Sanskrit) ist sein Asketenname. Die Tradition bezeugt übereinstimmend seine Lebensdauer von 80 Jahren. Sein Todesjahr ist unsicher. Gewöhnlich wird die Datierung von 560 - 480 oder 563 - 483 angenommen. Japanische Gelehrte haben Gründe für ein späteres Datum vorgebracht. Über das Datum Buddhas siehe E. Lamotte, Histoire du Bouddhisme Indien (Neudruck, Bibliothèque du Muséon, Bd. 43, Louvain 1967), S. 13 ff. M. Winternitz berichtet in Geschichte der indischen Literatur, Bd. 2, 2. Hälfte, S. 2 und 357 ff. über die Kontroverse bezüglich des Todesjahres Buddhas. H. Bechert referiert mit viel Sachkenntnis über das Problem. Er kommt zu dem Urteil: «Es spricht vieles dafür, dass die Chronologie des Buddhismus erst zur Zeit des A ś oka oder später . . . rekonstruiert wurde, und dass der Tod des Buddha . . . in die erste Hälfte des 4. Jh. anzusetzen ist.» In Buddhismus (TRE Bd. 7, S. 320 f.). 2 Vietnam kann hier nicht näher betrachtet werden. 3 Eine andere Sicht hat beispielsweise der Theravada-Mönch Bhante Dhammika, der in den verschiedenen Schulen des Buddhismus solche Unterschiede ausmacht, dass er empfiehlt, sie als verschiedene Religionen anzusehen. 4 Mahâparinibbâna Sutta, Kap. 1. 5 H. Oldenberg (Buddha - Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde, Stuttgart 1959, S. 119) meint, dass nach dem Charakter der Quellen «die Rechnung der historischen Kritik unmöglich in ein reines und rundes Resultat, in ein klares Ja oder Nein auslauten kann». Vgl. E. J. Thomas ’ Bemerkung über die geschichtliche Unsicherheit des Pâli-Kanons in The Life of Buddha as Legend and History (London 1927), S. XXIV. 6 Die Formel von der «Erleuchtung aller Buddhas und Patriarchen» findet sich oft im Werk des traditionsverbundenen japanischen Zen-Meisters Dôgen. Das Wort lebt bis heute in der Zen- Halle. 7 Keitoku Dentôroku (chin. Ching-te Ch ’ uan-teng lu, 1004) T. No. 2076, Bd. 51, Tenshô Kôtôroku (chin. T ’ ien-sheng Kuang-teng lu, 1036), Z. II, VIII 4 - 5. Kenchû Seikoku Zokutôroku (chin. Chienchung Ching-kuo Hsü teng-lu, 1101), Z. II, IX 1 - 2, Shûmon Rentô Eyô (chin. Tsung-men Lien-teng hui-yao, 1182), Z. II, IX 3 - 5, Katai Futôroku (chin. Chia-t ’ ai P ’ u-teng lu, 1204), Z. II, X 1 - 2. Die Chroniken stellen die Traditionslinie heraus, Keitoku Dentôroku und Rentô Eyô beginnen mit den sieben Buddhas vor Shâkyamuni, Katai Futôroku beginnt erst mit Bodhidharma. Vgl. über die fünf Chroniken Zen Dust, S. 348 - 352, 412 f. 8 Lamotte berichtet aufgrund des Quellenmaterials ausführlich über Kâ ś yapa (auch Mahâkâ ś yapa), der eine führende Rolle im Mönchsorden spielte. Es heißt von ihm, dass er «der erste unter denen, die die strenge Regel beobachten» war. Siehe a. a. O., S. 19, 24, 71, 101, 137, Zitat S. 19. Über die Nachfolge Buddhas siehe S. 226 ff., Sukzessionslisten S. 773. 9 Beispiel Nr. 6. Die Episode ist wahrscheinlich zuerst erwähnt in der Chronik Tenshô Kôtôroku. Siehe Zen Dust, S. 151 f. 10 Die Schriftzeichen des Kennwortes dieses Kôan, das den Ursprung der Zen-Überlieferung erzählt, bilden die Namen zweier japanischer Zen-Tempel, nämlich des in Erinnerung an den berühmten Meister Kanzan (1277 - 1360) errichteten Shôgenji (Ibuka) sowie des Rinzai- Tempels des Myôshinji (Kyoto). Siehe Zen Dust, S. 326. 11 Beispiel Nr. 22. 12 Siehe Lamotte, a. a. O., S. 227, 230. 13 Ebd., S. 226 f. 14 Ebd., S. 773, vgl. S. 149 f., 190 ff., 203 f., 206 f., 226 - 232. 15 Das Wort findet sich in einem in tibetischer Sprache erhaltenen Sanskrittext, zitiert bei H. Beckh, Buddha und seine Lehre (Stuttgart 1958), S. 120. 16 Rinzai Eshô Goroku (Lin-chi Hui-chao yülu), in einem Buch, T. No. 1985, Bd. 47, wahrscheinlich kompiliert vom Jünger Hui-jan; indes bestehen Zweifel bezüglich des Kompilators und des Datums der ersten Publikation. Siehe Zen Dust, S. 346 f. 17 Beispiel Nr. 37. 18 Beispiel Nr. 42. 19 Beispiel Nr. 45. Das Motiv vom Transzendieren Shâkyamunis findet sich noch in den Kôan Nr. 37, 42 und 43 der Sammlung Mumonkan. Vgl. die Erklärungen in meiner Übersetzung (Mainz 1975), S. 133 f., 148 ff., 154, 157 f. II Das yogische Element im Buddhismus 1 Lange Zeit galt unbeanstandet der Grammatiker Patañjali (2. Jh. v. Chr.) als Verfasser. Als Redaktor und Mitverfasser muss ein Patañjali angesehen werden, der wahrscheinlich im 2. - 4. Jh. n. Chr. gelebt hat, als schon der Mahâyâna-Buddhismus in Blüte stand. So J. W. Hauer, Der Yoga. Ein indischer Weg zum Selbst (Stuttgart 1958), S. 228, vgl. S. 223 ff., vgl. das Kapitel über die Anfänge des Yoga in der vedischen Zeit, S. 19 - 95. Auch M. Eliade hält «die von Patañjali dargestellten Askese- und Meditationstechniken» für «erheblich alt» (Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit, Zürich 1960, S. 17). 2 Über Ausgrabungen, Kultur und Religion in Harappâ und Mohenjo-Daro siehe M. Eliade, a. a. O., S. 361 - 366. 3 Initiation mit symbolischem Zerstückeln, Sterben und Auferstehen, Himmelsreisen und magischem Flug, Meisterschaft über das Feuer, Fähigkeit, Tiergestalt anzunehmen und sich unsichtbar zu machen. Siehe a. a. O., S. 328. 4 Ebd., S. 335. 5 Yogische Wunderkräfte werden auch Buddha zugeschrieben, darunter das schamanistische «Seilwunder» (rope-trick), das augenblickliche Emporwachsenlassen eines Mango-Baumes (mango-trick) und die Erzeugung innerer Hitze, siehe ebd., S. 329 f., 338 ff. 6 Ebd., S. 368. 7 Ebd., S. 369. 350 Anmerkungen zu Seiten 17 - 23 8 Immer noch wichtig F. Heiler, Die buddhistische Versenkung (1. Aufl. München 1918), ferner die Kapitel in den Darstellungen des Yoga von M. Eliade (Kap. V, S. 171 - 208) und J. W. Hauer (3. Kap., 1. Teil, S. 165 - 181), D. Schlingloff, Die Religion des Buddhismus I u. II (Sammlung Göschen Bd. 174 u. 770, Berlin 1962, 1963), weitere Literatur im Folgenden. Die in Klammern angegebenen Termini dieses Abschnittes sind, wenn nicht anders bemerkt, in der Pâli-Sprache. 9 Hauer, a. a. O., S. 13, vgl. S. 227. 10 Einen Beweis dafür sieht E. J. Thomas darin, dass übermenschliche Fähigkeiten, im Yoga vibhûti genannt, in der altbuddhistischen Beichtformel (pâtimokkha) aufgeführt werden. The History of Buddhist Thought (London 1933), S. 17. 11 L. de la Vallée-Poussin, Nirvâṇa (Paris 1925), S. 11. 12 Beckh, a. a. O., S. 138. F. Wunderli, Schritte nach innen (Freiburg 1975), nennt die buddhistische Versenkung «eine Geburt des Yoga», S. 123. 13 Für den Nachweis im Einzelnen s. Heiler, a. a. O., S. 44 - 47. Hauer hält «die beiden Wege, Yoga und Buddhismus» für «die verschiedene Auswirkung einer und derselben Bewegung» (a. a. O., S. 39). Heiler spricht von der «religiösen Psychotechnik» des Yoga (a. a. O., S. 44). Ähnlich wertet L. de la Vallée-Poussin den «vorwiegend psychischen und hypnotischen Yoga» ab (a. a. O., S. 12). Über Buddhismus und Yoga vgl. auch A. B. Keith, Buddhist Philosophy in India and Ceylon (Oxford 1923), S. 143 ff. 14 Thomas, a. a. O., S. 42 f. Vgl. das ganze Kapitel, S. 42 - 57. 15 Vgl. die angeführte Literatur, bes. Heiler, Beckh, Schlinghoff, Thomas, Keith. Die umfassendste Darstellung dieses Meditationsweges bietet das Visuddhi-Magga des Buddhaghosa (aus dem Pâli übersetzt von Nyanatiloka, 2. Aufl. Konstanz 1952), 5. Jh. n. Chr. 16 Siehe die Darlegungen von Beckh über den «vornehmen achtgliedrigen Pfad» (a. a. O., S. 144 - 147). Beckh vertritt die Ansicht, dass «die sieben ersten Glieder des ‹ achtfachen Pfades › nur Hilfsmittel (parikkhârâ) und Vorstufen des achten Gliedes, der geistigen Versenkung oder Meditation (samâdhi), sind» (S. 145). Dagegen bietet der achtgliedrige Pfad nach der Ansicht des japanischen Buddhologen H. Ui dem Buddhisten eine rein asketische Anweisung der Lebensführung, ohne Hinrichtung auf eine übersinnliche Erfahrung. Vgl. Uis «Geschichte der indischen Philosophie» (Indotetsugakushi), (Große Ausgabe, 3. Aufl. Tokyo 1935), S. 99 f. 17 Heiler, a. a. O., S. 5. Beckh sieht in der Viererformel den Einteilungsgesichtspunkt des Dîghanikâya und «die ganze buddhistische Norm in nuce enthalten» (a. a. O., S. 146 f.). Siehe Lamotte über die drei ersten Glieder der Formel (a. a. O., S. 45 ff.). 18 Über die Verknüpfung der iddhi, die zu den «Höheren Geisteskräften» (abhiññâ) gehören, mit der Meditation siehe Eliade (a. a. O., S. l86 ff.). Vgl. die Abschnitte bei Heiler (a. a. O., S. 31 - 35) und Beckh (a. a. O., S. 187 - 192). 19 Zu den Geboten des Nicht-Tötens, Nicht-Stehlens, Nicht-Unkeusches-Tuns, Nicht-Lügens ist das der Enthaltsamkeit von berauschenden Getränken hinzugefügt. Die Gebote oder Verbote gelten ursprünglich, entsprechend ausgelegt, auch für den buddhistischen Laien (upâsaka). 20 Der Brahma-Wandel wird auch in den Upanishaden und im Yoga-Sutra als der Meditation dienlich empfohlen. Über den Sinn des Wortes siehe Thomas, a. a. O., S. 44. Die Bedeutung der sexuellen Enthaltsamkeit für die Meditation ist den Zen-Meistern bis heute bewusst, wenn auch nicht in der Klarheit, mit der Eliade dieses Motiv zur Geltung bringt, wenn er schreibt: «Der Yoga legt ein besonderes Gewicht auf jene ‹ verborgenen Kräfte der Zeugungsfähigkeit › , deren Ausgeben die kostbare Energie verschwendet, die Kraft des Gehirns schwächt und die Konzentration erschwert, deren Bemeisterung und ‹ Zügelung › hingegen den kontemplativen Aufstieg erleichtert» (a. a. O., S. 58). 21 Die vier Unermesslichen, oft zusammen mit den anderen Meditationsübungen (Versenkungen und Unendlichkeitsstätten) angeführt und als deren Vorstufe betrachtet, werden besser, wie Anmerkungen zu Seiten 23 - 25 351 Heiler tut, als «selbständige und gleichwertige parallele Versenkungsskala» (a. a. O., S. 81) angesehen; sie kommen auch im Yoga-Sutra vor. Beckh fasst die Unermesslichen als die dem ersten Gebot des Nicht-Tötens entsprechende Gesinnung und betont den Erweis des Mitleidens (a. a. O., S. 153 f.). 22 Schlingloff sieht in den Unermesslichen «die meditative Grundlage» der buddhistischen Lebenshaltung und beschließt sein Werk mit der Darstellung ihrer Entfaltung (a. a. O., S. 92 - 99). Auch Hauer hebt ihre besondere Wichtigkeit hervor. Die vier Unermesslichen müssen, wie er darlegt, «innerster Besitz des Sinnenden» werden und «eine Durchklärung, Wesenswandlung und Wesenserfüllung mit innerstem Gehalt» bewirken (a. a. O., S. 347). Lamotte meint, sie seien wie ein «hors-d ’ oeuvre» im buddhistischen Heilsweg (a. a. O., S. 48). W. L. King (Buddhism and Christianity. Some Bridges of Understanding, London 1963, S. 175 ff.) und H. de Lubac (Aspects du Bouddhisme, Paris 1951, 1. Kap.) würdigen diese buddhistische Meditationsübung im Vergleich mit der christlichen Nächstenliebe. Vgl. zu dieser Thematik H. Dumoulin, Begegnung mit dem Buddhismus. Eine Einführung, HB Nr. 642 (Freiburg 1978), S. 82 - 85, 108. 23 A. a. O., S. 9. 24 A. a. O., S. 363. 25 Zitiert bei Heiler, a. a. O., S. 9. Die Atembeherrschung (prâṇâyâma) ist im Yoga weitläufig ausgebildet. Doch auch der Buddhismus legt großen Wert auf die Atembeherrschung. Der Übende soll, so heißt es im Pâli-Kanon, «die einzelnen Atemzüge mit seinem Bewusstsein begleiten». Siehe Beckh, a. a. O., S. 164 f. Über den Sinn von Sitz und Atmung im Zusammenhang des Yoga siehe Eliade, a. a. O., S. 61 - 67. Eliade sieht in diesen Praktiken eine «Weigerung», durch die der Übende die gewöhnliche, profane menschliche Verfassung aufhebt oder überschreitet. 26 Die Darstellung der Versenkungsstufen und Unendlichkeitsstätten macht den Kern der Heilerschen Studie aus (a. a. O., S. 9 - 28). Vgl. das Kapitel über die Hindernisse im ersten Buch des Abidhamma-Pitaka Dhammasaṅgaṇi, übersetzt von C. A. F. Rhys Davids, in A Buddhist Manual of Psychological Ethics (London 1900, ind. Neudruck New Delhi 1975), S. 310 - 315. 27 Die wunderbaren, magischen Kräfte (sanskr. siddhi) spielen eine hervorragende Rolle im Yoga. Über die Bedeutung der magischen Kräfte und Macht im Yoga siehe Eliade, a. a. O., S. 94 - 100; bezüglich der Parallelität von Buddhismus und Yoga vgl. Hauer, a. a. O., S. 170. 28 Die Betrachtungsgegenstände beschreibt das Satipaṭṭhâna-Sutta, eine Liste von 40 kamaṭṭhâna findet sich im Visuddhi-Magga. Siehe Heiler, a. a. O., S. 13 ff. 29 Siehe H. von Glasenapp, Buddhistische Mysterien (Stuttgart 1940), S. 107 f. 30 Der grundlegende Text im Pâli-Kanon ist das Satipaṭṭhâna-Sutta, ins Deutsche übersetzt, eingeleitet und erläutert von Nyanaponika, Konstanz 1950. Ferner zwei Aufsätze von L. Schmithausen in ZMR, Jg. 57 (1973), S. 161 - 186, u. Jg. 60 (1976), S. 241 - 266. Die sati- Meditation wird im Theravâda-Buddhismus unserer Tage eifrig gepflegt. Eine Abzweigung ist die moderne burmesische Meditationsmethode. Darüber siehe den «Exkurs über die neue burmesische Meditationsmethode im Vergleich mit dem Zen-Weg» in H. Dumoulin, Östliche Meditation und christliche Mystik (Freiburg-München 1966), S. 209 - 216. 31 Die Literatur in westlichen Sprachen über Nirvâ ṇ a ist immens. Viele Angaben und interessante Zusammenhänge bietet die Studie von G. R. Welbon, The Buddhist Nirvana and Its Western Interpreters (Chicago 1968). 32 Über Wortgeschichte und Wortsinn von Nirvâṇa vgl. Thomas, a. a. O., S. 121 f. Vallée-Poussin, a. a. O., S. 54. Welbon untersucht alle Beziehungen des Wortes. 33 Zitiert bei H. Oldenberg, a. a. O., S. 437 f. (Saṃyutta Nikâya), vgl. Ańguttara Nikâya 3,55; 4,34. 34 Udâna VIII, 9. 352 Anmerkungen zu Seiten 25 - 28 35 Die nihilistische Deutung des Nirvâ ṇ a, die zeitweise im Westen vorherrschte, hat heute nur noch wenige Anhänger. Nachdrücklich betont H. Nakamura den positiven Charakter des Nirvâ ṇ a. Er schreibt: «Im Gegensatz zur im Westen herrschenden Auffassung von Nirvâ ṇ a verwarf der Buddhismus ausdrücklich das Verlangen nach Auslöschen im Sinne von Annihilation oder Nicht-Existenz (vibhava-tanhâ) . . . Nirvâ ṇ a ist nur dem Wortbild nach ein Negativum.» (Die Grundlehren des Buddhismus. Ihre Wurzeln in Geschichte und Tradition, in: Buddhismus der Gegenwart [hrsg. von H. Dumoulin, Freiburg 1970], S. 27). 36 Nakamura hat aus dem Pâli-Kanon eine lange Reihe symbolhafter Ausdrücke zusammengestellt, die das beseligende Glück des «Idealzustandes» veranschaulichen (a. a. O., S. 26 f.). Schon Oldenberg führt am Schluss seiner nuancierten Ausführungen über Nirvâ ṇ a das Schriftwort an: «Der von Güte durchdrungen ist, der Mönch, der an Buddhas Lehre hält, er wende sich zum Lande des Friedens, wo die Vergänglichkeit Ruhe findet, zur Seligkeit.» (Sutta- Nipâta 1093, 1094, Dhammapada 23, 203, 225, 368) a. a. O., S. 300. 37 Eliade, a. a. O., S. 102, vgl. S. 24. 38 Beckh, a. a. O., S. 143. 39 Hauer, a. a. O., S. 108, vgl. S. 338. 40 Wunderli, a. a. O., S. 140. 41 «Ganz . . . ist der puruṣa nicht zu beschreiben», siehe Eliade, a. a. O., S. 24 f. 42 Hauer sieht die Ursache der Unterschiede «in der unmittelbaren Tiefenerfahrung des Yoga gegenüber der Spekulation des Sâ ṃ khya» (a. a. O., S. 284). 43 Siehe den Abschnitt vom Schweigen Buddhas über metaphysische Probleme bei Nakamura, a. a. O., S. 10. E. Conze hebt den pragmatischen Charakter des Buddhismus als eines Heilsweges hervor, siehe Der Buddhismus. Wesen und Entwicklung (Stuttgart 1953), S. 13 ff., vgl. S. 35 f.; über den Zusammenhang mit Transzendenz s. Dumoulin, Begegnung mit dem Buddhismus, S. 56 ff. 44 Udâna VIII, 3. 45 Saṃyutta Nikâya IV, S. 374 ff. 46 Sutta Nipâta, S. 1074 ff. Die viel zitierten Worte Buddhas, die wir im Text (zu den Anmerkungen 44 - 46) anführten, finden sich bei H. Oldenberg im Zusammenhang mit der Behandlung der «Frage nach dem letzten Ziel». Der ausgewogene Abschnitt (a. a. O., S. 291 - 300) ist immer noch sehr lesenswert, auch die Bemerkung in einer Anmerkung: «Der altbuddhistische Glaube will für sich betrachtet und aus sich verstanden werden» (S. 440). 47 Scharf pointiert in Die große Befreiung: «Zen ist nicht dasselbe wie Dhyâna» (S. 43), «Zen ist nicht ein Dhyâna-System» (S. 134), «Dhyâna entspricht nach der Auffassung des Zen nicht der wahren Übung des Zen» (S. 54). III Grundlinien des Mahâyâna 1 Wegen der abschätzigen Konnotation vermeidet die moderne Buddhismusforschung nach Möglichkeit die Bezeichnung «Hînayâna». Fast alle neueren Darstellungen über den Buddhismus unterscheiden zwischen dem Urbuddhismus Shâkyamunis und der späteren Entwicklung in den Fahrzeugen und Schulen. C. Regamey behandelt nacheinander den vorkanonischen Buddhismus, das Kleine Fahrzeug und das Große Fahrzeug. Siehe Der Buddhismus Indiens, in: Christus und die Religionen der Erde III (Freiburg 1951). Conze fügt seiner Gesamtdarstellung des Buddhismus eine aufschlussreiche Zeittafel über «Die Hauptdaten der buddhistischen Geschichte» bei (a. a. O., S. 204). Darin erscheint als erste Eintragung in der Spalte Hînayâna das Jahr 246 v. Chr. Ui gibt in der kleinen Ausgabe seiner Geschichte der indischen Philosophie die folgende Zeiteinteilung: 1) Urbuddhismus bis 30 Jahre nach Buddhas Eingehen ins Nirvâ ṇ a, 2) Frühbuddhismus bis 270 v. Chr. (Krönung des A ś oka), Anmerkungen zu Seiten 28 - 32 353 3) Sektenbuddhismus von 270 bis etwa 100 v. Chr., 4) 100 v. Chr. bis 100 n. Chr. Hînayâna und Mahâyâna. Die gesamte Zeitspanne gehört der frühen Entwicklung des Buddhismus an. In: Indotetsugakushi, Tokyo 1936, S. 188 ff. 2 A. Bareau, Der indische Buddhismus, in: Die Religionen Indiens III (Stuttgart 1964), S. 82. Über die Sektenentwicklung im frühen Buddhismus siehe Thomas, a. a. O., S. 37 ff., ferner seinen Appendix II über die 18 Schulen, S. 288 - 292, sowie M. Walleser, Die Sekten des alten Buddhismus (Heidelberg 1927), und A. Bareau, Les sectes Bouddhiques du Petit Véhicule (Saigon 1955). Das Werk des Vasumitra aus der Sautrântika-Schule über die 18 Sekten ist übersetzt von J. Masuda in AM II, 1925. 3 Th. Stcherbatsky, The Conception of Buddhist Nirvâna (Leningrad 1927), S. 36. Dagegen bemerkt O. Rosenberg, «dass es keinen Unterschied in der Grundanschauung gibt . . . Der Unterschied besteht nicht in der Theorie, sondern in der Praxis der Erlösung, in welcher das Mahâyâna eine größere Zahl von Wegen zulässt, die zum selben Ziel hinführen» (Die Probleme der buddhistischen Philosophie [Heidelberg 1924], S. 226). Zweifellos gibt es eine Übereinstimmung zwischen Hînayâna und Mahâyâna in der Grundanschauung, aber ebenso lassen sich tiefreichende Unterschiede in Theorie und Praxis nicht übersehen. Stcherbatskys Urteil ist verfehlt, wenn er sagt: «Man muss zugeben, daß das Mahâyâna eine wirklich neue Religion ist, so radikal vom frühen Buddhismus verschieden, daß es mit späteren brahmanischen Religionen ebenso viel Berührung hat wie mit seinem eigenen Vorgänger» (a. a. O., S. 36). 4 Vgl. Bareau, a. a. O., S. 21 ff., 69 - 72, ferner Bareaus Monographie «Les premiers conciles bouddhiques» in AMG, Bd. 60 (1955). 5 So schreibt J. Filliozat: «Der unmerkliche Übergang von den alten Ideen zu denen des Mahâyâna konnte sich dank einer fortschreitenden natürlichen Entwicklung der neuen Spekulationen in den alten Schulen selbst vollziehen.» Der Buddhismus, in: Manuel des Études Indiennes II (Hanoi 1953), S. 564. 6 Z. B. Teile der Prajñâ-pârâmitâ-Sutren, darüber im Folgenden mehr. 7 Treffend bemerkt D. T. Suzuki: «Es ist zu bedenken, daß die geistliche Vitalität des Buddhismus in den Sutras und nicht in den so genannten Shastras, den philosophischen Traktaten, liegt, wie dies von religiöser Literatur zu erwarten ist. Wer immer die Kompilatoren der Mahâyâna-Sutren waren, diese (die Sutren) sind ein echter Ausdruck der tiefsten menschlichen Erfahrungen, in diesem Fall geprägt vom indischen Geist.» Einführung zu Suzuki, Mahâyâna Buddhism (London 1948), XXX. Wir werden dieses Urteil im Laufe unserer Studien bestätigt finden. 8 Die Mahâyâna-Lehre nennt die drei Fahrzeuge: des Hörers (śrâvaka), des Erwachten für sich allein (pratyekabuddha), des Erleuchtungswesens (bodhisattva). 9 Vgl. Thomas, a. a. O., S. 167. 10 Am vollsten im Daśabhûmika-Sûtra aus der Gruppe der Avata ṃ saka-Sutren. Ein Abschnitt des gleichen Titels im Mahâvastu erklärt vom Theravâda-Standpunkt aus die zehn Stufen (bhûmi) der Bodhisattva-Laufbahn. Die zwei Schriftzeichen des Titels der chinesischen Übersetzung des Mahâvastu bedeuten im Wortsinn «die große Tat» oder «das große Ereignis», nämlich der Erleuchtung Shâkyamunis. Vgl. über die Bodhisattva-Lehre das umfangreiche japanische Werk, Daijô Bosatsudô no Kenkyû (Studien über den Bodhisattsa-Weg des Mahâyâna), hrsg. von Y. Nishi (1. Aufl. Kyoto 1968): Meine Zusammenfassung der Bodhisattva-Stufen folgt der Beschreibung des Daśabhûmika-Sûtra, bei Thomas, a. a. O., S. 205 - 210. Filliozat bringt die gleichen Stufen nach dem Mahâyâna-sûtrâlaṃkâra, a. a. O., S. 571 f. 11 Verschieden von den im Mahâyâna genannten zehn vollkommenen Tugenden ist eine Liste von zehn vollkommenen Tugenden im Pâli-Kanon, siehe Filliozat, a. a. O., S. 555. 354 Anmerkungen zu Seiten 32 - 35 12 Siehe B. L. Suzuki, a. a. O., S. 60; vgl. W. E. Soothill - L. Hodous, A Dictionary of Chinese Buddhist Terms (London 1937), S. 51 b. Die chinesischen Schriftzeichen der Übertragung der zwei Sanskrittermini deuten in dieser Richtung. 13 E. Conze übersetzt «Wisdom which has gone beyond», siehe Buddhist Wisdom Books, The Diamond Sutra. The Heart Sutra (Übersetzung des Diamantsutras und des Herzsutras, London 3. Aufl. 1970), S. 52. 14 Über dieses Sutra (Aṣṭasâhasrikâ Prajñâpâramitâ-Sûtra) siehe E. Conze, The Prajñâpâramitâ Literature (The Hague 1960), S. 51 - 57. 15 Aṣṭasâhasrikâ Prajñâpâramitâ-Sûtra, Buch der Soheit, nach der Übersetzung von M. Walleser, Prajñâpâramitâ, Die Vollkommenheit der Erkenntnis (Göttingen 1914), S. 99. 16 Ebd., S. 98. 17 Aṣṭasâhasrikâ Prajñâpâramitâ-Sûtra, zitiert bei D. T. Suzuki, Studies in the Lankâvatâra Sûtra (London 1930), S. 95, vgl. M. Walleser, a. a. O., S. 56. 18 Siehe die Essays II-VI, S. 55 - 288, auch zum Vorigen, Zitat S. 279. 19 Nach der freien Übersetzung von Suzuki in Essays III, S. 282. 20 Ebd., S. 268. 21 Siehe Thomas, a. a. O., S. 31 ff. In der Buddhismusforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Übergang zum Mahâyâna vorzüglich in der Sekte der Mahâsâ ṃ ghika vollzogen wurde. Bareau findet in dieser Schule «eine ontologische Lehre, die . . . der Lehre des Mahâyâna sehr nahe steht . . .» (a. a. O., S. 93). Er glaubt bei der Gruppe der Mahâsâ ṃ ghika «die Quellen der . . . wesentlichen Grundelemente der Lehre des Mahâyâna» (S. 108) feststellen zu können. 22 Siehe Bareau, a. a. O., S. 120 f. 23 Thomas macht auf den Unterschied der buddhistischen Denkweise von der der abendländischen Gnostik aufmerksam. Nach der Vorstellung des gnostischen Doketismus «nahm das wesentlich Göttliche die bloße Erscheinung des Menschlichen an. Der indische Gedanke begriff niemals einen fundamentalen Unterschied zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen.» Thomas appliziert diese Einsicht auf den Buddhismus. Siehe a. a. O., S. 203. 24 Fast alle Darstellungen des Mahâyâna-Buddhismus erklären die Lehre von den drei Leibern (trikâya) Buddhas, z. B. Bareau, a. a. O., S. 150 f. R. Habito zeigt in einer japanischen Studie Busshinron no Tenkai («Über die Entwicklung der Lehre von den Buddha-Leibern») in Shûkyô Kenkyû (Religionswissenschaftliche Studien) die geschichtliche Entwicklung auf, die zur Identifizierung Buddhas mit dem Dharma führt. Shâkyamuni erfuhr den Dharma und besitzt, so glaubten seine Jünger in wachsendem Maß, den Dharma als Leib. In der Auffassung der Mahâsâ ṃ ghikas tritt infolge der doketischen Neigung dieser Schule das Dharma-Moment in der Gestalt Buddhas stark hervor. In den Mahâyâna-Schulen kristallisierte sich über eine Zwischenstufe, die zwei Buddha-Leiber annahm, die endgültige Form der Lehre von den drei Buddha-Leibern heraus (Bd. 52, 1978, No. 2, S. 1 - 21). 25 Deshalb bezeichneten die Anhänger des Mahâyâna ihre Lehre im Vergleich zur «seichten» Hînayâna-Lehre als «tief». Siehe Ui, Geschichte der indischen Philosophie (Große Ausgabe), S. 160. 26 Vgl. die Studie von Suzuki über «Kôan-Übung und Nembutsu» (Anrufen des Namens) in Essays in Zen Buddhism II, S. 115 - 165, ferner H. Dumoulin, Östliche Meditation und christliche Mystik, S. 204 - 208. 27 Die Datierung der Brüder Asa ṅ ga und Vasubandhu ist nicht sicher. Wenn Asa ṅ ga Maitreyanâtha zum Lehrer hatte und also dieser der eigentliche Begründer ist, so muss das 4. Jahrh. als Entstehungszeit der Schule angesehen werden. S. A. Bareau, a. a. O., S. 125. Über die Entstehung des Idealismus der Yogâcâra-Schule s. L. Schmithausen, Spirituelle Praxis und philosophische Theorie im Buddhismus, in ZMR, Jg. 57, S. 161 - 186. Anmerkungen zu Seiten 35 - 41 355 28 Über das Schrifttum der Yogâcâra-Schule vgl. Bareau, a. a. O., S. 139 ff. 29 Die Aufzählung der «Sechs Sekten der Narazeit» ist so in die Geschichte eingegangen. Die drei zuerst genannten waren immer nur «Schulen» im engen Sinn, d. h. Organe zum Studium bestimmter Traktate. Vgl. W. Gundert, Japanische Religionsgeschichte (Tokyo-Stuttgart 1935), S. 41 - 52, vgl. S. 35 f., 38 ff. IV Die Mahâyâna-Sutren und der Zen-Buddhismus 1 Die große Befreiung, S. 49. 2 Besonders die Essays in Zen Buddhism, fast der ganze dritte Band, aber auch die zwei ersten Bände, sowie das dritte Kapitel in Manual of Zen Buddhism (Kyoto 1935). Während seiner ersten Schaffensperiode erschloss er das Laṅkâvatâra-Sûtra der Buddhismuskunde, s. unten. 3 Aṣṭasâhariskâ VII 170 - 171, bei E. Conze, Selected Sayings from the Perfection of Wisdom (London 1968), Nr. 34. Conze hat in seinen Büchern die Prajñâpârâmitâ-Literatur erschlossen. Grundlegend ist seine Studie The Prajñâpâramitâ-Literature, in der er alle Texte beschreibt, ihre Entstehung und gegenseitigen Beziehungen untersucht, die Übersetzungen ins Chinesische, Tibetanische, andere asiatische und in westliche Sprachen angibt. Er hat das große Prajñâpâramitâ-Sûtra sowie das Aṣṭasâhariskâ-Sûtra ins Englische übersetzt, ferner die kurzen Texte (The Short Prajñâpâramitâ Texts, London 1974), das Diamantsutra und das Herzsutra, außerdem eine Anthologie Selected Sayings from the Perfection of Wisdom. Mehrere Essays seines Buches Thirty Years of Buddhist Studies (London & Colchester 1967) befassen sich mit der Vollkommenheit der Weisheit (S. 123 - 209), ebenso Teile von Buddhist Thought in India (London 1962). Wir haben im Deutschen die Übersetzung von Teilen des Aṣṭasâhariskâ und des ganzen Diamantsutra in M. Walleser, Prajñâpâramitâ, Die Vollkommenheit der Erkenntnis. Vgl. auch die Studie von T. Matsumoto, Die Prajñâpâramitâ-Literatur (Stuttgart 1932). 4 Ich konnte öfters der Rezitation des Herzsutras im buddhistischen Tempel beiwohnen. Das kû erfüllt die Halle und durchbohrt Mark und Bein der Andächtigen. H. Waldenfels hat mit Recht den religiösen Aspekt der «Leere» hervorgehoben. Siehe Absolutes Nichts (Freiburg 1976), S. 29 ff., 33. 5 Siehe Conze, Thirty Years of Buddhist Studies, S. 161. 6 Ebd., S. 128. 7 Ebd., S. 133. 8 Vgl. T. R. V. Murti, The Central Philosophy of Buddhism, A Study of the Mâdhyamika System (3. Aufl. London 1970), S. 86, 219 f. Dazu die beiden Stellen aus dem Aṣṭasâhariskâ bei Conze, Selected Sayings Nr. 79. 80. 9 Selected Sayings Nr. 116. 10 Ebd., Nr. 119. 11 Le Traité de la Grande Vertu de Sagesse de Nâgârjuna, Bd. 2 (Bibliothèque du Muséon Nr. 18, Louvain 1949), in der Zusammenfassung des Inhaltes von Kap. XVII, S. 17. 12 T. Matsumoto nennt die Lehre der Sarvâstivâdins. Nach seiner Ansicht «ist das Prinzip der Prajñâpâramitâ-Doktrin mit dem Wesenskern des Buddhismus identisch, und so wurde dessen Wiederbelebung . . . zugleich eine Wiederbelebung des Buddhismus selbst» (a. a. O., S. 27). Vgl. F. J. Streng, Emptiness. A Study in Religious Meaning (Nashville New York 1967) S. 33. 13 Siehe Murti, a. a. O., S. 88 - 91, Streng, a. a. O., S. 28 f. Umstritten bleibt die Urheberschaft des Großen Traktats der Vollkommenheit der Weisheit (MahâPrajñâpâramitâ-śâstra), darüber kritisch M. Saigusa, Studien zum MahâPrajñâpâramitâ (upadeśa) śâstra (Tokyo 1969), S. 3 - 8. 14 K. K. Inada meint, die Strophen Nâgârjunas seien wegen der Versform «bündig und abstrakt» und spricht von «geheimen Schichten». Einführung zur Übersetzung der Mûlamadhyamakakârikâ (Tokyo 1970), S. 4 f. 356 Anmerkungen zu Seiten 42 - 46 15 «Die Beweisführung, die alle möglichen Alternativen zerstört und keine eigene These beweist», offenbart ihren radikal negativen Charakter (Conze, Buddhist Thought in India, S. 241). Über die vier Alternativen und das Nirvâ ṇ a siehe E. Frauwallner, Die Philosophie des Buddhismus, Bd. 2 (Berlin 1969) S. 194 f. 16 Die acht Verneinungen (jap. happu) sind in den chinesischen Schriftzeichen prägnant formuliert, siehe J. Takakusu, The Essentials of Buddhist Philosophy (Honolulu 1947), S. 103, vgl. den ganzen Abschnitt S. 100 - 107. 17 «Nâgârjuna und seine Tradition wurden von Zeitgenossen als nihilistisch (nâstika) kritisiert, aber diese Kritik traf nicht zu . . .» So Inada, der darauf hinweist, der indische Gelehrte H. Narain habe versucht zu beweisen, dass die Theorie der «Leere» (śûnyavâda) «absoluter Nihilismus» sei (a. a. O., S. 31). J. W. de Jong weist die nihilistische Interpretation Stcherbatskys, dessen Übersetzung des Terminus śûnya durch den ausgesprochen westlichen Begriff von «relativ» er für eine «Verzerrung (distortion) des buddhistischen Gedankens» hält, zurück, siehe den Essay «The Problem of the Absolute in the Mâdhyamaka School», jetzt im Sammelband Buddhist Studies von J. W. de Jong (hrsg. von G. Schopen, Berkeley 1979), S. 53 - 58, Zitat S. 57. 18 Conze vergleicht die denkerische Anstrengung der «Leere» mit einer «Leiter, die zum Unendlichen auslangt», «ein Trachten verkörpert» und als eine «Methode» dient, «die zum Eindringen in die wahre Wirklichkeit führt» (a. a. O., S. 243). Als «Mitte» bedeutet die «Leere» nicht nur ein «zwischen», sondern zugleich ein «über-hinaus». 19 Siehe Murti, a. a. O., S. 244, Murti bemerkt in Abwehr gegen die nihilistische Interpretation der Philosophie vom «Mittleren Weg»: «Nâgârjuna betont nachdrücklichst, daß es ohne Annahme von paramârtha keine Befreiung aus der Werdewelt geben kann» (S. 235). Auch J. W. de Jong betont «den mystischen und soteriologischen Charakter der Philosophie der Mâdhyamikas». Er schreibt: «Auf philosophischer Ebene enthalten sie sich jeder Meinung, aber mystische Erfahrung führt sie zum Absoluten auf dem Weg der Befreiung» (a. a. O., S. 58). 20 E. Frauwallner, a. a. O., S. 184, vgl. den ganzen Abschnitt über Nâgârjuna (mit Textstücken) S. 170 - 217. 21 Murti deutet dies an, wenn er schreibt: «Paramârtha . . . wird vom Weisen in einer sehr intimen Weise erfahren» (a. a. O., S. 245). 22 Essays III, S. 202. 23 Nach Walleser, a. a. O., S. 142, 144, 147 f. 24 Bi-yän-lu I, S. 368. 25 Walleser, a. a. O., S. 112. 26 Freie Wiedergabe Suzukis mit Berücksichtigung der chinesischen Übersetzung, Essays III, S. 91. 27 Beispiel Nr. 28, deutsche Übersetzung S. 109, vgl. das ganze Beispiel. 28 Suzuki führt mehrere Beispiele an, die zeigen, wie die Zen-Meister die Prajñâ handhabten (Essays III, S. 250 - 255). 29 T. No. 278, Bd. 9, Nj. Nr. 87. Für eine kurz gefasste, detaillierte Beschreibung der Avata ṃ saka- Literatur siehe Zen Dust, S. 337 - 341. 30 T. No. 279, Bd. 10, Nj. Nr. 88. 31 T. No. 293, Bd. 10, Nj. Nr. 89. Zum Folgenden vgl. die wichtigen Studien von Suzuki über die Avata ṃ saka-Sutren in Essays III, S. 21 - 214. Ferner G. C. C. Chang, The Buddhist Teaching of Totality. The Philosophy of Hwa Yen, University Park and London 1971. 32 D. T. Suzuki in der Einführung zu B. L. Suzuki, S. XXXIV. 33 Ikka myôju, die Überschrift eines der 95 Bücher des Shôbôgenzô des japanischen Zen-Meisters Dôgen. Englische Übersetzung von N. Waddell und M. Abe in EB Bd. IV (1971), S. 108 - 118. 34 Nach der Übersetzung aus dem Chinesischen bei Chang, S. 5. Anmerkungen zu Seiten 47 - 50 357 35 Chang schildert die Szene, a. a. O., S. 22 ff. 36 Suzuki, a. a. O., S. XXXIIf. 37 Suzuki schildert die Pilgerfahrt des Sudhana zu Maitreyas Turm im Kapitel über die Wohnung des Bodhisattva in Essays III, S. 87 - 136. 38 Nach der freien Übersetzung von Suzuki, Essays III, S. 122. 39 Englische Übersetzung bei Chang, S. 207 - 223. 40 In der Traditionslinie des Ho-tse Shen-hui, eines Jüngers Hui-nengs. 41 D. Seckel, Interpretation eines Zen-Bildes, in NOAG (1955), Nr. 77, S. 47. 42 E. Lamotte datiert das Sutra spätestens ins 2. Jh. n. Chr. Ein Sanskrittext ist nicht erhalten. Die älteste chinesische Übersetzung setzt den Grundtext der Prajñâpâramitâ-Lehre voraus. Siehe Lamotte, L ’ Enseignement de Vimalakîrti (Bibliothèque du Muséon Nr. 51, Louvain 1962) S. 66 - 77. 43 Siehe Lamotte, a. a. O., S. 56 - 60. 44 Über die chinesischen Übersetzung siehe Zen Dust, S. 423 f. 45 Eine englische Übersetzung von H. Idumi erschien in EB (1922 - 1928), Lu K ’ uan Yü (C. Luk) legt seiner englischen Übersetzung die chinesische Kumârajîvas zugrunde (Berkeley and London 1972), während R. A. F. Thurman durchwegs der tibetischen Ausgabe folgt (University Park and London 1976). Das Standardwerk ist die ausgiebig erklärte und gründlich eingeleitete französische Übersetzung von Lamotte in: Bibliothèque du Muséon Nr. 51 (Louvain 1962). In deutscher Sprache liegt eine Übersetzung von J. Fischer und T. Yokota vor (Tokyo 1944). 46 Die Übersetzung folgt der von H. Nakamura besorgten japanischen Ausgabe, die auf der chinesischen Übersetzung Kumârajîvas beruht, in Butten (Buddhistische Texte) II in: Sekai Kotenbungaku Zenshû Bd. 7 (Tokyo 1965), S. 12. Die 37 Hilfsmittel zur Erleuchtung, schon im 1. Kapitel des Sutras erwähnt, erklären ausführlich Fischer-Yokota, S. 143, Anm. 130. 47 Lamotte nennt in der Anmerkung die Charakteristika der Meditationsweise Ś ariputras, nämlich «sieste, repos, retraite, solitude, à l ’ écart de tous les bruits du monde» (a. a. O., S. 142). 48 Lamotte gibt drei Übersetzungen. Der tibetische Text stimmt im Wesentlichen mit Kumârajîva überein. Die abweichende Übersetzung Hsüan-tsangs ist nach der Ansicht Lamottes von scholastischen Theorien beeinflusst. Siehe a. a. O., S. 144 (Text und Anmerkungen). 49 Japanische Ausgabe, S. 43. 50 Ebd. 51 Kap. 11, japanische Ausgabe S. 49. 52 Kap. 8, japanische Ausgabe S. 38. Der Abschnitt beginnt mit den Worten: «Die vollkommene Erkenntnis ist die Mutter des Bodhisattva; er hat das ‹ Geschick in den Mitteln › (upâya) zum Vater.» 53 Vgl. den Abschnitt über das La ṅ kâvatâra-Sutra und Bodhidharma in Suzuki, Studies in the Lankâvatâra-Sutra, S. 44 - 51. Das chinesische Geschichtswerk des Tao-hsüan (596 - 667) in T. No. 2060, Bd. 50. 54 Übersetzung aus dem Sanskrit, The Lankavatara Sutra. A Mahâyâna Text (1. Druck London 1932), Vorwort S. V. 55 Ebd., S. XIII. 56 Siehe Zen Dust, S. 372. Suzuki handelt ausführlich über die drei chinesischen Übersetzungen (von Gu ṇ abhadra in 4 Büchern 443, von Bodhiruci in 10 Büchern ca. 513 und von Ś ik ṣ ânanda u. a. in 7 Büchern ca. 700 - 704) und die tibetische Übersetzung in Studies in the Lankavatara- Sutra, S. 3 - 15. Er vergleicht diese Übersetzungen miteinander und mit dem von ihm übersetzten Sanskrittext (ebd.). 57 Ebd. 358 Anmerkungen zu Seiten 51 - 57 58 Suzuki studiert besonders die Sanskritverbindungen mit gocara, lakṣana, gati, gatigama, adhigama, die den Aspekt der Erfahrung in der Erleuchtung betonen (a. a. O., S. 421 ff.). 59 A. a. O., S. 97 f., 119, 247 f., 417. 60 Vgl. auch zum Vorigen Suzuki, a. a. O., S. 106, sowie die Abschnitte 6 - 10, S. 114 - 142. 61 S. Zen Dust, S. 190 f. 62 A. a. O., S. 207. 63 Suzuki hebt diesen Aspekt stark hervor, siehe a. a. O., S. 98 ff., 159 ff., 418 f., 457, vgl. Einführung in die Übersetzung, S. XXXIII. 64 Die 108 Fragen und 108 negativen Aussagen in der Übersetzung Suzukis Kap. 2, Nr. 2 und 3, S. 23 - 33. Das Wort von der «Unterweisung in Selbstverwirklichung» S. 23. 65 Siehe Suzuki, Studies in the Lankavatara-Sutra, S. 107. 66 Mumonkan, Beispiel Nr. 6, deutsche Übersetzung S. 53. 67 A. a. O., S. 109. 68 Mumonkan, Vorrede Meister Wu-mens, a. a. O., S. 35. Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China I Vorbereitungen im chinesischen Buddhismus 1 Der Anstoß, den Hu Shih zur Erforschung der geschichtlichen Entwicklung des Zen gab, ist dankenswert. Allerdings haben sich seine Aufstellungen in vielen Fällen als unzutreffend erwiesen. Der unbeabsichtigte Beitrag Suzukis zum geschichtlichen Verständnis des Zen ist ungleich wichtiger. 2 Vgl. den Aufsatz von W. Liebenthal, Was ist chinesischer Buddhismus? in: AS (1952), S. 116 - 129. 3 E. Zürcher behandelt in seinem Standardwerk The Buddhist Conquest of China (verb. Aufl. Leiden 1972, 2 Bde.) die ersten vier Jahrhunderte n. Chr., ferner siehe K. Ch ’ en, Buddhism in China, A Historical Survey (Princeton N. J. 1964), Abk. Ch ’ en Buddhism in China, für unsere Fragestellung vgl. R. H. Robinson, Early Mâdhyamika in India and China (Madison and London 1967). 4 Ch ’ en Buddhism in China, S. 43, Zürcher, a. a. O., S. 33. 5 Ebd. 6 Siehe die Liste im Katalog Nj., Appendix II, Nr. 4, vgl. Zürcher, a. a. O., S. 33, Ch ’ en Buddhism in China, S. 49 f. 7 T. No. 602 Bd. 15, chinesischer Titel Ta-an-pan-shou-i-ching (jap. Daiampanshuikyô), siehe Ch ’ en, ebd. S. 47, Zürcher, a. a. O., S. 53. 8 Der japanische Buddhologe H. Ui glaubt, dass die Wiedergabe des Sanskritwortes dhyâna durch zwei chinesische Schriftzeichen späteren Datums ist. Ähnliche Beispiele zeigen, dass in der frühen Zeit gerne der Endvokal bei der Schreibung weggelassen wurde. Demnach sei ch ’ an nicht, wie meistens angenommen wird, eine Abkürzung von ch ’ an-na, sondern na eine philologisch nicht gerechtfertigte spätere Hinzufügung; siehe die Vorrede zur Kleinen Ausgabe von Indotetsugakushi (Geschichte der indischen Philosophie). 9 Siehe Zürcher, a. a. O., S. 53. 10 Ebd., S. 140 f., 145 f. 11 Siehe auch zum Folgenden Zürcher, a. a. O., S. 85 ff. und öfters; Liebenthal spricht vom Neutaoismus, z. B. in seinem Aufsatz über Chinese Buddhism during the 4th and 5th Century, in: MN Bd. 11 (1955/ 6), S. 44 - 83. 12 Über Lok ṣ ema und sein Übersetzungswerk vgl. Zürcher, a. a. O., S. 35. Anmerkungen zu Seiten 57 - 66 359 13 Über die wichtige Rolle dieses Sutras in der Ausformung des buddhistischen Gedankens in China siehe Zürcher, a. a. O., S. 63. 14 Ebd., S. 65. 15 Ebd., S. 102. 16 Ebd., S. 124. 17 Ch ’ en berichtet über Leben und Werk des Tao-an, in Buddhism in China, S. 94 - 103; siehe Zürcher, a. a. O., S. 184 - 204. 18 Siehe Zürcher, a. a. O., S. 184 ff., 230. 19 Ebd., S. 192. 20 Über Leben und Werk des Hui-yüan siehe Zürcher, a. a. O., S. 204 - 239, über den Widerstand gegen die religionsfeindliche Politik des Huan Hsüan siehe S. 231 ff., vgl. Ch ’ en Buddhism in China S. 103 - 112. 21 Über die Bezeichnung «Lotosgesellschaft» siehe Ch ’ en, ebd., S. 107. 22 Zitiert von W. Liebenthal, Shih Hui-yüan ’ s Buddhism as set forth in his writings, in: JAOS Bd. 70 (1950), S. 243 - 259, Zitat S. 249. 23 Zürcher widmet das letzte Kapitel seines Werkes der Frühgeschichte des buddhistischtaoistischen Konfliktes. Er berichtet über die Schicksale der Legende, Lao-tzu sei enttäuscht über das Unverständnis seiner Landsleute nach Indien gegangen, um dort den Buddhismus zu predigen. Die Legende von der «Bekehrung der Barbaren» weckte Polemik von beiden Seiten. Die Taoisten hielten den Buddhismus für eine depravierte Form der chinesischen Weltanschauung, während die Buddhisten den Taoismus als einen buddhistischen «Kunstgriff» (sanskr. upâya) interpretierten (a. a. O., S. 289 - 320). Über die taoistische Legende «Lao-tzu bekehrt die Barbaren» und die buddhistische Gegenlegende siehe auch W. Eichhorn, Die Religionen Chinas (Stuttgart 1973), S. l91 f. 24 Siehe Zürcher, a. a. O., S. 18. 25 Über Kumârajîva siehe Biographie in Kôsôden (T. No. 2059, Bd. 50, S. 330 a - 333 a, ferner Ch ’ en Buddhism in China, S. 81 ff., R. H. Robinson, S. 71 - 95, ausführliche Analyse der Übersetzungsmethode). Liebenthal erklärt die unterschiedliche Angabe des Todesjahres von Kumârajîva (409 oder 413) durch die begründete Annahme, er habe im Jahre 409 einen Schlaganfall erlitten und sei vier Jahre später gestorben. Er beruft sich auf die Studie von Z. Tsukamoto The Dates of Kumârajîva and Seng-chao Reexamined, translated from the Japanese by L. Hurvitz, in: Silver Jubilee Volume of the Zinbun Kagaku Kenkyusyo (Kyoto 1954), S. 568 - 584. Während Tsukamoto die Erklärung offen lässt, zieht Liebenthal die Schlussfolgerung, siehe Chao Lun. The Treatises of Seng-chao, S. 5. 26 Siehe die Liste im Katalog. Nj. Appendix II, Nr. 59; vgl. R. Robinson, a. a. O., S. 73 - 77. A. Wright zollt dem Werk des Übersetzungsteams Anerkennung: «Die Qualität und Quantität der Übersetzungen, die von diesen Männern in der Zeitspanne von acht Jahren geleistet wurden, ist wahrhaft erstaunlich» (Buddhism in Chinese History, Stanford u. London 1971, S. 63). 27 T. No. 1509, Bd. 25. Vollendet 405 n. Chr. Vgl. E. Conze, The Prajñâpâramitâ Literature, S. 41 f., 93 f. Zürcher bemerkt, dass die Chinesen in diesem Werke, «der umfassendsten Darstellung der Mâdhyamika-Lehre», «zum ersten Mal eine ausführliche Behandlung der Natur des dharmakâya und der damit verbundenen Buddhologie» fanden (a. a. O., S. 225). 28 Die 18 Briefe Hui-yüans an Kumârajîva (zwischen ca. 405 und 409) sind mit dessen Antworten in der Schrift Ta-sheng ta i-chang (jap. Daijôdaigishô, T. No. 1856, Bd. 45) gesammelt. Vgl. Zürcher, a. a. O., S. 226 - 229. 29 Siehe H. Ui, Shina Buhkyôshi (Geschichte des chinesischen Buddhismus), Tokyo 1936, S. 29, ferner K. Sakaino, Shina Bukkyô Seishi (Ausführliche Geschichte des chinesischen Buddhismus), Tokyo 1935, S. 502 ff. Vgl. die Liste der von Buddhabhadra übersetzten Werke des 360 Anmerkungen zu Seiten 67 - 70 Kanons in Nj. Appendix II, Nr. 42. Gemäß der Biographie in Kôsôden (T. No. 2059, Bd. 50, S. 334 b - 335 c, Zitat S. 334 c) war Buddhabhadra ein Jünger des «großen Dhyâna-Meisters Buddhasena» (vgl. die französische Übersetzung von Robert Shih, S. 91, Anm. 36). 30 Buddhabhadras Aufenthalt in Ch ’ ang-an fällt in die Jahre 406 - 411; siehe die Zeittafel in Liebenthal, a. a. O., S. XII. Ch ’ en gibt für die Ankunft Buddhabhadras das Jahr 408 an (S. 107 f.). Seine Biographie berichtet von herzlichem Einvernehmen zwischen Kumârajîva und Buddhabhadra, dann von einer Auseinandersetzung mit Schülern Kumârajîvas, nach der Buddhabhadra Ch ’ ang-an mit 40 Schülern verlassen habe (siehe franz. Übersetzung S. 92 - 95). Vgl. Ch ’ en, S. 107, 109. 31 Nj. Nr. 1341. 32 In der Antwort des Seng-chao an Liu I-min bei Liebenthal, a. a. O., S. 90. 33 Die chinesische Hua-yen-Schule fußt auf dieser Übersetzung. Siehe Zen Dust, S. 338 f. 34 Vgl. B. Matsumoto, Daruma no kenkyû (Studien über Bodhidharma, Tokyo 1942), S. 237. Matsumoto handelt im zweiten Teil seines (nicht ganz zuverlässigen) Buches ausführlich über die Meditation in China vor Bodhidharma. 35 Kôsôden T. Bd. 50, S. 332 c, gekürzte engl. Übersetzung dieser Biographie bei Liebenthal, a. a. O., S. 3 f., franz. Übersetzung von R. Shih (Bibliothèque du Muséon Nr. 54, Louvain 1968), S. 60 - 81; der Band enthält die drei ersten Bücher des Kôsôden. 36 So urteilt J. Takakusu, The Essentials of Buddhist Philosophy (Honolulu 1947), S. 99. 37 Ebd. Liebenthal hat Takakusu missverstanden, wenn er ihn als Zeugen der «japanischen Tradition» anführt, gemäß der Seng-chao der Gründer der «Schule der drei Traktate» gewesen sei. Er beruft sich auf die Tabelle der buddhistischen Schulen im Buche Takakusus (S. 14), doch dieser erklärt die historische Entwicklung der Schule im Einzelnen (S. 98 - 100). Robinson handelt ausführlich über die komplizierten Zusammenhänge der Genealogie, a. a. O., S. 162 - 173. 38 Siehe Ch ’ en Buddhism in China, S. 132 ff. 39 Der Einfluss der «Schule der drei Traktate» war größer, als Liebenthal (a. a. O., S. 23) anzunehmen scheint. Die drei Traktate zusammen mit dem vierten prägten weitgehend die philosophische Weltsicht im chinesischen Mahâyâna-Buddhismus. Die Schule kam bis nach Japan und zählt zu den sechs buddhistischen Schulen der Nara-Zeit (710 - 794). 40 Biographie in Kôsôden T. Bd. 50, S. 365 a - 366 a, engl. Üb. bei Liebenthal, a. a. O., S. 6 f., in Fung Yu-lan, Chinese Philosophy II (Abk.), S. 259 f. Die Datierung durch Tsukamoto (siehe den oben genannten Artikel, Anm. 26) wurde allgemein akzeptiert. Eine ausführliche Zeittafel über das Leben Seng-chaos findet sich bei Liebenthal, S. XLf. Die Biographie hebt die Bedeutung des Vimalakîrti-Sûtras für die Bekehrung des Seng-chao hervor. Über den Einfluss dieses Sutras im chinesischen Buddhismus siehe P. Demiéville, Vimalakîrti en Chine, Appendix II zu E. Lamotte, L ’ Enseignement de Vimalakîrti (Vimalakîrtinirdeśa) (Louvain 1962), S. 438 - 455, bes. S. 440 ff., auch in Demiéville, Choix d ’ Etudes Bouddhiques (Leiden 1973), S. 347 - 364. 41 T. No. 1858, Bd. 45. Die Liste der erhaltenen Schriften Seng-chaos umfasst bei Robinson 14 Titel (a. a. O., S. 125). Liebenthal zitiert für die Bedeutung Seng-chaos als Schriftsteller das Wort eines der literati der Mingzeit: «Unter den chinesischen (buddhistischen) Autoren sind nur Seng-chao, Nan-yüeh (Tao-i) und T ’ ien-t ’ ai (Chih-i) erstklassig» (a. a. O., S. VII). Liebenthals in zweiter Ausgabe vorliegende Monographie Chao Lun dürfte als das maßgebende Werk in europäischer Sprache über Seng-chao anzusprechen sein. Vergleichbar ist das von Z. Tsukamoto herausgegebene und mitverfasste japanische Werk Jôron Kenkyû (Kyoto 1955), das außer einer verbesserten Textedition eine japanische Übersetzung und sieben Aufsätze von Tsukamoto und sechs Mitarbeitern seines Instituts enthält. 42 Erzählt in der Biographie in Kôsôden T. Bd. 50, S. 366 a. 43 Ebd. Anmerkungen zu Seiten 70 - 72 361 44 Liebenthal meint, das Mâdhyamika habe in China eine tiefgehende Veränderung erfahren. Er schreibt: «Seng-chao verstand niemals vollständig, was der Mittlere Pfad . . . dem Nâgârjuna bedeutete» (a. a. O., S. 23 f.). Zwischen der indischen und chinesischen Weltsicht sah er «eine Mauer von Missverstehen» (S. 21), weil «die chinesischen Buddhisten alle Taoisten waren, wenn immer sie Philosophie schrieben» (S. XII). Dagegen urteilt Robinson: «Die Erkenntnislehre, Ontologie und Sprachtheorie im Chao Lun sind durch und durch Mâdhyamika» (a. a. O., S. 159). Demiéville hebt lobend das philosophische Verständnis hervor, das Seng-chao in seinem Kommentar zum Vimalakîrti-Sutra - er war ebenso wie Tao-sheng an der Übersetzung durch Kumârajîva (406) beteiligt - zeigt, wenn er schreibt: «Wie der Kommentator Seng-chao gut gesehen hat, ist der Begriff des Undenkbaren in der Mitte des Sutras. Alle Dualität ist für illusorisch erklärt, aller logische Widerspruch ist weggelassen, das Dritte ist nicht ausgeschlossen, die Kategorien des normalen Denkens sind transzendiert, alle Diskursivität ist nichtig. Der Weg der Befreiung verläuft mit den Leidenschaften. Das Erwachen ist die Wiedergeburt selbst. Die Gegensätze versöhnen sich. Die Wahrheit ist ‹ undenkbar › und kommt aus dem Schweigen» (a. a. O., S. 440). - Es ist hier nicht der Ort, der Frage nach der Beziehung zwischen indischem und chinesischem Denken nachzugehen. Liebenthal hat in seinen Schriften immer wieder das letztlich chinesische Wesen des chinesischen Buddhismus hervorgehoben. Das von ihm beigebrachte Material verdient Berücksichtigung. Doch ist es wohl möglich, dass auch der chinesische Buddhismus ungeachtet seiner Andersartigkeit das Wesen des Buddhismus verkörpert. 45 Vgl. Chinese Philosophy II, S. 266 ff. 46 Ebd., S. 268. 47 Kap. 7 in Chinese Philosophy II, S. 269. 48 Ebd. 49 Yung-cheng in seiner Spruchsammlung Yü-hsüan yü-lu (1733), bei Liebenthal, a. a. O., S. VII. 50 Bei Liebenthal, a. a. O., S. 117. 51 Kommentar zum Vimalakîrti-Sûtra, zitiert bei Robinson, a. a. O., S. 139. 52 Über den Kommentar des Te-ch ’ ing siehe Liebenthal, a. a. O., S. 14 f. 53 Bei Liebenthal, a. a. O., S. 40. 54 Ebd., S. 40 f. 55 Siehe Bi-yän-lu I, S. 507. T. Katô bemerkt in seinem Kommentar zum Hekiganroku, die Worte des Kôan fänden sich in den Traktaten des Dharma-Meisters Seng-chao und erfreuten sich in der Zen-Schule der späteren Zeit großer Beliebtheit (Hekiganroku Daikôza, Bd. 5, S. 275 f.). 56 Vgl. Bi-yän-lu II, S. 143, Katô (Bd. 6, S. 274 f., 279 ff.) handelt im Anschluss an das Kôan ausführlich über die Alleinslehre des Mahâyâna-Buddhismus. 57 Ebd., S. 154 f. 58 Hekinganroku Kôan Nr. 44, Bi-yän-lu II, S. 219, 233. Wie Katô bemerkt, stammt das Zitat aus dem «Traktat vom kostbaren Schatz» (vgl. a. a. O., Bd. 7, S. 9). Diesem Traktat sind auch die zwei ersten Sätze des Kôan Nr. 62 entnommen, siehe Bi-yän-lu III, S. 89, 91. 59 Liebenthal vermutet, der Traktat sei von einem «Buddho-Taoisten» des 5. Jahrhunderts verfasst (a. a. O., S. 10), Miura und Sasaki halten ein späteres Datum für wahrscheinlich (Zen Dust, S. 282). 60 Nr. 24, vgl. H. Dumoulin, Mumonkan. Die Schranke ohne Tor, S. 99 ff. Katô verweist bei der Erklärung dieses Kôan auf den «Traktat vom kostbaren Schatz», den er Seng-chao zuschreibt, und handelt ausgiebig über die Dialektik von Sprechen und Schweigen (a. a. O., Bd. 14, S. 194 ff.). Liebenthal sieht «in dieser Erklärung nur wieder die Tendenz der japanischen Kommentatoren, alle schwierigen Stellen mit Hilfe buddhistischer Literatur zu interpretieren, was durchaus nicht notwendig ist.» Siehe Wu-men kuan. Zutritt nur durch die Wand (Heidelberg 1977), S. 88 f. Liebenthal bemerkt an anderer Stelle: «Te-ch ’ ing . . . war ein Ch ’ an-Buddhist. Er 362 Anmerkungen zu Seiten 72 - 75 schätzte die Paradoxe in den Traktaten des Seng-chao wegen ihrer Verwandtschaft zu den Problemen, die die Ch ’ an-Meister ihren Schülern zu lösen aufgaben. In der Tat, Anspielungen an Seng-chao sind in der Ch ’ an-Literatur gewöhnlich. Sein Einfluss auf diese letzte Form des Buddhismus ist unleugbar.» (Chao Lun, S. 41). 61 Bei Liebenthal, a. a. O., S. 122. 62 Ebd., S. 123. 63 Ebd., S. 73. 64 Liebenthal fasst so die Ausführungen des Hu Shih über Tao-sheng zusammen, in: A Biography of Chu Tao-sheng, in MN Bd. 11 (1955/ 6), S. 310. Er bezieht sich auf die Studie von Hu Shih, Development of Zen Buddhism in China, in der Hu Shih Tao-sheng als Gründer des chinesischen Zenismus bezeichnet. Nach Hu Shihs Ansicht war Tao-sheng «ein revolutionärer Denker», . . . der unter dem «nihilistischen Einfluss von Lao-tse und Chuang-tse» «seine destruktive Kritik» zur Geltung brachte. «Der chinesische Zenismus», so formuliert er, «entstand nicht aus indischem Yoga oder Dhyâna, sondern als Revolte dagegen» (SPSR Bd. 15, S. 483 f.). - Liebenthals Studien über Tao-sheng erschienen in MN (in vier Artikeln Bd. 11, 1 (1955), S. 44 - 83; Bd. 11, 3 (1955), S. 284 - 316; Bd. 12, 1 - 2 (1956), S. 65 - 103; Bd. 12, 3 - 4 (1956), S. 241 - 268). Das ganze Manuskript trug den Titel: «Tao-sheng und seine Zeit». Er spendet der Forschung Hu Shihs über die Entstehungsgeschichte des chinesischen Ch ’ an Beifall (a. a. O., S. 310), nimmt aber nicht an, dass die Zen-Schule durch Tao-sheng gegründet ist. 65 Chinese Philosophy II, S. 388. Über Tao-sheng siehe auch Ch ’ en Buddhism in China S. 112 - 120. 66 Chinese Philosophy II, S. 270, vgl. Liebenthal, The World Conception of Chu Tao-sheng, in MN Bd. 12 (1956), S. 97. 67 Bei Liebenthal, ebd., S. 266, vgl. S. 98. 68 Außer Tao-sheng und Seng-chao werden Hui-jui (378 - 444? ) und Hui-kuan (gest. 443, spätestens 447) zu den Hauptjüngern gezählt. 69 Siehe die Liste seiner Schriften bei Liebenthal, Biographie, in MN Bd. 11, S. 312 - 316. 70 Über Hsieh Ling-yün siehe die lange Fußnote bei Liebenthal, ebd., S. 301 f. 71 Siehe Liebenthal, ebd., S. 302. 72 Vgl. Übersetzung des Abschnittes Chinese Philosophy II, S. 275. 73 Ebd., S. 276 f. 74 Die drei Vergleiche finden sich in der Übersetzung von Texten zur Weltanschauung Taoshengs bei Liebenthal, in MN Bd. 12, S. 256 f., vgl. S. 80. 75 Bei Liebenthal, ebd., S. 88. 76 Tao-sheng betont den radikalen Unterschied zwischen Weg und Ziel. Die Erleuchtung liegt «jenseits des Bereiches des Seins». Siehe Chinese Philosophy II, S. 278, vgl. Liebenthal, ebd., S. 86 ff. 77 Vom Sanskrittext dieses Sutras sind nur Fragmente erhalten. Die früheste chinesische Übersetzung von Dharmarak ṣ a (in 2 Büchern) entstand in Ch ’ ang-an zwischen 265 und 313; sie ist, wie es scheint, Tao-sheng nicht bekannt geworden. Die vollständige Übersetzung in 40 Büchern, der sogenannte «nördliche Text», wurde von Dharmak ṣ ema (? ) zwischen 414 und 421 in der nordwestlichen Hauptstadt Ku-tsang erstellt. Aufgrund dieses Textes wurde später von Hui-yen u. a. eine verbesserte Version erarbeitet, die 453 zum Abschluss kam und als der «südliche Text» bekannt ist. Siehe Zen Dust, S. 376 f. 78 Liebenthal definiert die icchantika als «Wesen, die nicht wachsen und Vollendung im Nirvâ ṇ a erreichen können, weil die Wurzel des Guten (kuśala-mûla) zerstört ist». In einer Fußnote handelt er über die unsichere Ethymologie des Wortes. Siehe MN Bd. 12, S. 95. Nach der Erklärung von Miura und Sasaki sind icchantika «völlig sinnlicher Lust ergebene und deshalb für immer von der Erlangung des Nirvâ ṇ a ausgeschlossene Personen» (Zen Dust, S. 376). Sie werden manchmal auch Häretikern oder schlicht Nicht-Buddhisten gleichgestellt. Anmerkungen zu Seiten 75 - 78 363 79 Diese Übersetzung (in 6 Büchern) (nicht erwähnt in Zen Dust) wurde von Fa-hsien mit Hilfe von Buddhabhadra 417 bis 418 hergestellt; sie löste bei ihrer Ankunft in der Hauptstadt den sogenannten icchantika-Streit aus. Siehe Liebenthal, MN Bd. 11, S. 304. 80 Der entscheidende Abschnitt über die universale Buddha-Natur findet sich im 23. Buch des Sutras. 81 Vgl. Ch ’ en Buddhism in China, S. 114. 82 Liebenthal schreibt: «Im Nirvâ ṇ a-Sutra ist der Endzustand als das selige, reine Leben einer immer dauernden Person (âtman) beschrieben» (ebd., S. 307). Ch ’ en zitiert aus dem 2. Buch des Nirvâ ṇ a-Sutras nach der Übersetzung des Dharmak ṣ ema: «Was ohne Selbst ist, ist Leben und Tod; aber das Selbst ist der Tathâgata. Endlich ist der Hörer (śrâvaka) und Pratyekabuddha, aber beständig ist der Dharmakâya des Vollendeten. Schmerz ist der Weg der Ungläubigen, aber freudvoll ist Nirvâ ṇ a. Unrein sind zusammengesetzte Dinge, aber rein ist der wahre Dharma, den Buddhas und Bodhisattvas besitzen.» (a. a. O., S. 114 f.). 83 Siehe Liebenthal, ebd., S. 310 f. 84 Man kann in diesem Traktat einen frühen Versuch der Methode der kritisch unterscheidenden Lehrstufung (jap. kyôhan) sehen, die im späteren Mahâyâna-Buddhismus eine wichtige Rolle spielt. 85 Siehe Liebenthal in Anm. 110, S. 310 f. 86 Ebd., S. 312. Die Argumentation findet sich in dem von Liebenthal hoch geschätzten zweibändigen Werk «Die Geschichte des chinesischen Buddhismus vor der Tangperiode» des T ’ ang Yung-t ’ ung (Shanghai 1938). 87 Im Bild Tao-shengs fehlen, wie Liebenthal hervorhebt, «wesentliche Züge, charakteristisch für den Ch ’ an-Buddhismus, vor allem die Akzentuierung des Geistes und seines ursprünglich ruhigen Zustandes sowie der Wiederherstellung seiner Ruhe durch yogische Praxis, ferner das Nicht-Haften, Nicht-Denken, Nicht-Beabsichtigen» (MN Bd. 12, S. 102). Wenn Liebenthal weiter betont, die Ontologie des Zen gründe in der Lehre vom Mittleren Weg (ebd.), so ist zu bedenken, dass auch Tao-sheng die Philosophie der Leere vertrat. «Ihm sind», wie Ch ’ en bemerkt, «die letzte Wirklichkeit oder die Leere (śûnyatâ) der Prajñâ und die Buddha-Natur des Nirvâ ṇ a-Sutras das gleiche» (S. 117). Sein Traktat von der «Nichtverdienstlichkeit guter Werke» ist vom Geist der Prajñâ geprägt. Wichtig für die Beurteilung Tao-shengs ist der Umstand, dass er, obgleich der Meditation nicht fremd, nicht als Dhyâna-Meister fungiert hat. 88 Siehe H. Ui, Shina Bukkyôshi (Geschichte des chinesischen Buddhismus, Tokyo 1936), S. 59 f. 89 Vgl. über die frühe Phase der buddhistischen Meditation in China die einleitenden Seiten des Beitrages von Whalen W. Lai, «T ’ an-ch ’ ien and the Early Ch ’ an Tradition: Translation and Analysis of The Essay ‹ Wang-shi-fai-lun › », in: Whalen Lai und Lewis R. Lancaster (eds.), Early Ch ’ an in China and Tibet, Berkeley Buddhist Studies Series, 1983. 90 Siehe den Beitrag von Jan Yün-hua: «Seng-ch ’ ou ’ s Method of Dhyâna», in: Early Ch ’ an in China and Tibet, S. 51 - 63. 91 Siehe Whalen W. Lai: T ’ an-ch ’ ien . . ., S. 65 - 87. 92 In T. No. 2060, p. 596 b. 93 Zitiert von Jan Yüan-hua, a. a. O., S. 56. Die Angaben über Seng-ch ’ ou folgen dem Beitrag von Jan Yüan-hua. Dieser nennt als seine Quellen die Biographie in Tao-shüans (596 - 661) Hsü Kao-seng chuan und fünf uneditierte Manuskripte in der Sammlung Paul Pelliot Paris, die er beschreibt. Das Zitat ist aus Ms. 1. 94 Ebd., S. 59. Zitat Ms. 2. 95 Ebd., S. 60, Zitat Ms. 2. 96 Ebd., S. 61, Zitat Ms. 2. 97 Yanagida Seizan zitiert und erklärt den Passus aus dem Zoku-Kôsôden im Abschnitt Nr. 15 «Bodhidharma und Seng-ch ’ ou» (S. 311 - 317) seiner Studie Goroku no Rekishi (Geschichte der 364 Anmerkungen zu Seiten 78 - 81 goroku) in Tôhô Gakuhô Nr. 57 (März 1985), S. 211 - 663. Siehe auch ders., Daruma (eine kurze Darstellung in der Serie «Man ’ s intellectual heritage»), Bde. 16, Kodansha, Tokyo 1981, S. 137 f., ferner B. Faure, Le Traité de Bodhidharma, traduit et commenté. Editions Le Mail 1986, S. 15, 18. 98 Siehe auch zum Folgenden Whalen W. Lai, a. a. O. 99 Zitiert von Whalen W. Lai, a. a. O., S. 73. II Die Frühzeit 1 Die Verse finden sich als feste Formel zuerst in der Schrift Sotei Jion (chin. Tsu-t ’ ing shih-yüan, 1108), siehe Zen Dust, S. 228 ff.; vgl. Essays I, S. 163. 2 Vgl. die einschlägigen Zen-Chroniken. 3 Miura und Sasaki finden den Ausdruck «Die eigene Natur schauen und Buddha werden» zuerst in einem chinesischen Kommentar zum Nirvâ ṇ a-Sutra, siehe Zen Dust, S. 229. 4 Die Legende ist Gemeingut der Zen-Chroniken. Doch finden sich nicht alle Einzelheiten in allen Chroniken. Geschichtliche Umstände spielen bei der Abfassung der verschiedenen Redaktionen eine Rolle. 5 In Notes sur quelques Artistes des Six Dynasties et des T ’ ang (TP XXII, 1923, S. 223 ff.). Pelliot fand die beiläufige Bemerkung in der ziemlich umfangreichen Schrift Lo-yang Ch ’ ih-lan-chi (ca. 547), T. No. 2092 (Bd. 51, S. 999 - 1022), S. 1000 b. Vgl. die Literaturangaben in meiner frühen Studie Bodhidharma und die Anfänge des Ch ’ an-Buddhismus (MN Bd. VII, 1951). 6 Zitiert in MN Bd. VII, S. 69. 7 Siehe Goroku no Rekishi, S. 290. 8 T. No. 2060, Bd. 50, S. 551 b,c. Erwähnt ist die frühe Sung-Periode (420 - 479). 9 Die Nachricht, dass Bodhidharma sich selbst das hohe Alter von 150 Jahren zugeschrieben habe, findet sich außer im Geschichtswerk des Tao-hsüan und der Schrift Lo-yang Ch ’ ih-lanchi auch in der in Tun-huang aufgefundenen Schrift Rekidai Hôbôki (chin. Li-tai fa-pao-chi) T. No. 2075, Bd. 51, S. 181 a. 10 T. No. 2837, Bd. 85, S. 1285 a,b. Der Text findet sich mit kleinen Abweichungen im Geschichtswerk des Tao-hsüan, T. Bd. 50, S. 551 c. Die späte Chronik Keitoku Dentôroku hat den Text unter dem Titel «Bodhidharmas kurzer Traktat über die vier Werke zum Eintreten in den Weg des Mahâyâna» (T. Bd. 51, S. 458 b,c). 11 In den als Privatdrucke erschienenen Bänden Kôkan Shôshitsuissho oyobi Kaiketsu und Furoku: Daruma no Zempô to Shisô oyobi sono ta (Osaka 1938). Der Text über die zwei Eingänge findet sich auch im Shôshitsu Rokumon (T. No. 2009). 12 Sowohl Ui (Zenshûshi Kenkyû Bd. I, S. 2 ff.) als auch Suzuki (Furoku, Anm. 11, S. 4 ff.) zeigen durch Paralleldruck Abweichungen und Übereinstimmungen zwischen dem Bericht des Taohsüan und der Vorrede des T ’ an-lin gemäß deren verschiedenen Textüberlieferungen an. 13 Hayashi Taiun befasst sich in einem Aufsatz Bodhidharma-den no Kenkyû in SK (Bd. IX, 1932, S. 444 - 458) eingehend mit der Vorrede des T ’ an-lin und sucht dessen Persönlichkeit zu identifizieren. Nach seiner Ansicht ist der Kenner des Śrîmâlâdevîsimhanâda-Sûtra und Mitarbeiter vieler Übersetzungen aus jener Zeit und der Jünger Bodhidharmas die gleiche Persönlichkeit. Siehe im gleichen Sinne auch Ui, Zenshûshi I, S. 61 f. 14 Auch Hu Shih nicht. Siehe seine Studie «Development of Zen Buddhism in China» (in SPSR Bd. XV, 1932, Heft 4, S. 475 - 505), über Bodhidharma, S. 486 f. 15 Chûgoku Zenshûshi, S. 12. 16 Siehe ebd., S. 8 ff. 17 In einem Vorwort zur (nicht veröffentlichten) englischen Übersetzung der Studie «Bodhidharma und die Anfänge des Ch ’ an-Buddhismus» (Anm. 260). Anmerkungen zu Seiten 81 - 88 365 18 Ui setzt sich mit der Frage der Abstammung Bodhidharmas aus Persien ausführlich auseinander, Zenshûshi I, S. 7 f. 19 Chûgoku Zenshûshi, S. 11 f., vgl. Shoki Zenshûshisho no Kenkyû (Abk. Shoki). 20 Die durch Kaiser Wu-ti verfasste Grabinschrift Bodhidharmas gibt als Todesdatum das Jahr 536 an. Aber aus der Biographie des Hui-k ’ o im Geschichtswerk des Tao-hsüan ergibt sich, dass sein Hinscheiden vor der Periode T ’ ien-ping (534 - 537) stattfand. Vgl. Bodhidharma und die Anfänge des Ch ’ an-Buddhismus, S. 82. 21 Liebenthal listet ihn in seiner Übersetzung des Mumonkan (Wu-men kuan. Zutritt nur durch die Wand) unter «Legendäre Personen», S. 142. 22 Chûgoku Zenshûshi, S. 11. Die Legenden sind nach seiner Ansicht «Ausdruck der Zen-Ideen ihrer Entstehungszeit». Ähnlich urteilt K. Hirata: «In den Berichten über Bodhidharma haben spätere Geschlechter im Bild Bodhidharmas das Zen-Ideal dargestellt» (im japanischen Kommentarwerk «Mumonkan» Tokyo 1969, S. 148). 23 Ruth Fuller Sasaki ebd. Yanagida weist darauf hin, dass Bodhidharmas Kommen zum Westen das Wesen des Zen bedeutet und deshalb auch «geschichtlich . . . grenzenlos erforscht werden muss» (Chûgoku Zenshûshi, S. 12). 24 Die Bodhidharma-Legende findet sich in den Chroniken der Nordschule und Südschule des Zen-Buddhismus sowie in den wichtigsten Kôan-Sammlungen. 25 Keitoku Dentôroku Bd. 3, T. No. 2076, Bd. 51, S. 219 a. 26 Beispiel Nr. 1 der Sammlung Hekiganroku, Übersetzung von W. Gundert, Bi-yän-lu I, S. 44. 27 Am ausführlichsten ist die Schilderung der Episode im Keitoku Dentôroku, der die folgende Zusammenfassung folgt. 28 Beispiel Nr. 41, deutsche Übersetzung S. 145. 29 So wehrt Ui sich dagegen, dass heutige Gelehrte a priori im Namen des gesunden Menschenverstandes die Überlieferung vom Armopfer des Hui-k ’ o abweisen. Diese Gelehrten könnten sich offensichtlich nicht vorstellen, mit welchem Ernst damals Jünger nach dem Dharma verlangten (Zenshûshi I, S. 37 f.). Auch Yanagida plädiert für die Möglichkeit des Ereignisses (Chûgoku Zenshûshi, S. 16). 30 Shôshitsu Rokumon (oder Shôshitsu Rokumonshû), die sechs Tore Bodhidharmas. Shôshitsu (chin. Shao-shih), der Name des Gipfels des Berges Sung, steht für Bodhidharma. Siehe die ausführliche Beschreibung der Sammlung in Zen Dust, S. 398 f. 31 Eine englische Übersetzung des Traktates von den zwei Eingängen nach dem Text im Keitoku Dentôroku von D. T. Suzuki findet sich in Essays I, S. 166 - 170. 32 Tao-hsüan begriff, wie Yanagida meint, die Besonderheit der «Wandschau» Bodhidharmas im Vergleich zu anderen mahayanistischen Meditationsweisen. Siehe Shoki, S. 14 f. Yanagida spricht in diesem Zusammenhang von «neuen Aktivitäten der Zen-Anhänger». 33 Keitoku Dentôroku Bd. 3, T. Bd. 51, S. 219 b,c. 34 Das Keitoku Dentôroku erwähnt nur die Übergabe des Gewandes, die Schrift Dembô Shôjûki (chin. Chuan-fa cheng-tsung-chi) nennt beide Insignien, nämlich Gewand und Almosenschale (T. No. 2078, Bd. 51, S. 743 a). 35 Keitoku Dentôroku, ebd. 36 Yanagida vermutet, dass es sich um einen Text handelt, siehe Goroku no Rekishi, S. 278. Den Text fand zuerst D. T. Suzuki in der Nationalbibliothek von Peking (Nr. 99), er nannte ihn The Long Scroll on the Treatise of the Two Entrances (1934). Wenig später (1936) entdeckte er den gleichen Text im British Museum of London in der Sammlung Stein (Nr. 2715). Der Tunhuang-Text ist älter als die Wiedergabe in Tao-hsüans Geschichtswerk (T. Bd. 50, 551 c), so Yanagida ebd., S. 300, vgl. S. 279. Diesen Text bietet Yanagida unter dem Titel Daruma no Goroku in gut kommentierter Ausgabe und Übersetzung ins moderne Japanisch in Zen no Shoki I der Serie Zen no Goroku, Tokyo 1965. John R. McRae hat in seinem Buch The Northern 366 Anmerkungen zu Seiten 88 - 93 School and the Formation of Early Ch ’ an Buddhism (Honolulu 1986) eine englische Übersetzung des Traktates und der angefügten Briefe (S. 102 - 106), er verweist auf die kommentierte englische Übersetzung von John Alexander Jorgensen, The Earliest Texts of Ch ’ an Buddhism: The Long Scroll (M. A. Dissertation, Australian National University 1979). B. Faure hat den Text ins Französische übersetzt: Le Traité de Bodhidharma. 37 Siehe Goroku no Rekishi, S. 307, ferner S. 293, 601 f., Daruma, S. 100, 105. 38 Siehe Goroku no Rekishi, S. 302 f., Daruma, S. 140, 142, vgl. McRae, S. 112 - 115, ferner Faure, S. 28 - 32. 39 Das später als der Bodhidharma-Traktat verfasste apokryphe Sutra Vajrasamâdhi-Sûtra T. No. 273 (jap. Kongôsammaikyô, chin. Chin-kang san-mei ching) liest anstatt pi-kuan (jap. hekigan) chiao-kuan (jap. kakkan). Siehe Gotoku no Rekishi, S. 303. Der Ausdruck chiao-kuan kommt auch im Vimalakirti-Sûtra vor, siehe Daruma, S. 146. 40 Siehe Young-ho Kim, Tao-sheng ’ s Commentary on the Lotus Sutra, New York 1990, S. 33. 41 Siehe Daruma, S. 147 - 155. Yanagida zeigt den Unterschied von der frühbuddhistischen Lehre und betont die Neuheit. Siehe auch Goroku no Rekishi, S. 305 ff. 42 Siehe Daruma no Goroku, S. 9 ff. Der Traktat des Bodhidharma ist die älteste Quelle für das Wechselgespräch, siehe Daruma, S. 107. 43 Yanagida, Daruma, S. 107 f. 44 Ebd., S. 108 f. 45 Vgl. die Einleitung zu Daruma no Goroku, S. 13 f. 46 Text in Daruma no Goroku, S. 31, japanisch gelesen: oshie ni yorite shû wo satoru (S. 33). 47 Siehe: Daruma, S. 143. 48 Siehe Goroku no Rekishi, S. 308, 310 f. D. T. Suzuki teilt den Tun-huang-Text des Bodhidharma-Traktates in drei Teile von insgesamt 101 Nummern. Teil I (Nr. 1 - 11) umfasst außer dem «Traktat von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken» zwei Briefe, Teil II den Anhang I (jap. zatsuron) von Nr. 12 - 67, Teil III den Anhang II von Nr. 68 - 101. Yanagida hat diesen Tunhuang-Text in Daruma no Goroku herausgegeben und übersetzt. Außerdem gibt es noch später entdeckte Texte geringeren Umfangs (Anhang III), die B. Faure in Le Traité de Bodhidharma ebenfalls übersetzt hat. Er nennt die Anhänge Mélanges (siehe S. 36 f.). 49 Siehe Goroku no Rekishi, S. 271, 325; vgl. Le Traité de Bodhidharma, S. 79. 50 Goroku no Rekishi, S. 325, vgl. den ganzen Abschnitt über Yuan, S. 323 - 330. 51 Siehe Goroku no Rekishi, S. 344 ff., vgl. den Abschnitt über die «Mélanges» in Le Traité de Bodhidharma, S. 53 - 63. 52 T. No. 2060, vol. 50,552 b, englische Übersetzung in Isshû Miura/ Ruth Fuller Sasaki, Zen Dust, New York 1966, S. 373. - B. Faure spricht von verschiedenen Strömungen (divers courants) in seiner Einleitung zum Bodhidharma-Traktat (S. 48 f.), David W. Chappell von «two strands of Bodhidharma influence» in seinem Essay «The Teachings of the Fourth Ch ’ an Patriarch Taoshin» in Early Ch ’ an in China and Tibet, S. 92. 53 Goroku no Rekishi, S. 285. 54 Ebd., S. 285 f. 55 Für das Ryôgashijiki (T. No. 2837) wird als Datum der Entstehung das Jahr 716 (Yanagida und Hu Shih) oder das Jahr 720 (Yin-shun) angegeben (siehe Chappell in: Early Ch ’ an in China and Tibet, S. 94) für das Dembôhôki (T. No. 2838) die Datierung ca. 713 (Yampolsky, Early Ch ’ an, S. 6). Yanagida nennt in Daruma no Goroku das Dembôhôki «die älteste Geschichtschronik des Bodhidharma-Zen» (S. 8), in Goroku no Rekishi das Ryôgashijiki «das erste Geschichtsbuch der Zen-Schule» (S. 284). Vgl. die Bemerkung Yanagidas, das Verhältnis von früher oder später der beiden Chroniken sei nicht klar (ebd., S. 319). Anmerkungen zu Seiten 93 - 96 367 56 Der Bodhidharma-Traktat sei «replete with errors», es handle sich um «presumably partial, provisional teachings», siehe die Übersetzung des Dembôhôki von McRae in The Northern School, Appendix, S. 257, 259. 57 Vgl. auch zum Folgenden den Abschnitt «Early Ch ’ an Lineage» in: The Teachings of the Fourth Ch ’ an Patriarch Tao-hsin in Early Ch ’ an, S. 93 ff., ferner McRae, a. a. O., S. 79 - 85. 58 Tao-sheng vollendete sein Geschichtswerk im Jahr 645, er starb 667. Ein Anhang von zehn Bänden, verfasst während dieser Zeitspanne, ist in sein Werk Zoku Kôsôden (chin. Hsü kao-sengchuan, Fortsetzung der Biographien berühmter Mönche) integriert oder in das spätere Werk Sô Kôsôden (chin. Sung Kao-seng-chuan, Biographien berühmter Mönche kompiliert während der Sung-Zeit) aufgenommen. T. No. 2061. Siehe Shoki, S. 7. 59 T. Bd. 50, S. 5510, 552 a-c. 60 Vgl. Zen Dust, S. 240 - 243, darin zwei Abschnitte aus dem Keitoku Dentôroku Bd. 3 in englischer Übersetzung. 61 Vgl. in der japanischen Zusammenfassung der Forschung des Hu Shih über den chinesischen Zen-Buddhismus: Shina Zengaku no Hensen (Wandlungen in der chinesischen Zen-Wissenschaft, Tokyo 1936), S. 76. 62 Shoki, S. 21. 63 Ebd., S. 21 ff., 26. 64 «Zu dieser Zeit waren buddhistische Mönche, die Meditation lehrten, als Meditationsmeister (zenji) bekannt; solche, die studierten und die Schriften erklärten, wurden Dharma-Meister (hôshi) genannt. Später war der Titel ‹ Zenji › mit der Bedeutung ‹ Zen-Meister › auf hervorragende Mönche der Zen-Schule beschränkt», so Miura und Sasaki, Zen Dust, S. 243. 65 Siehe Shoki, S. 15, 22 ff., 28, ferner Chûgoku Zenshûshi, S. 18 ff. Die Biographie des Fa-ch ’ ung siehe T. Bd. 50, S. 666. Vgl. auch Hu Shih, SPSR, S. 488 f. 66 T. Bd. 50, S. 666 b. 67 Englisch in Essays I, S. 180 f. 68 T. Bd. 50, S. 596 c. 69 Shoki, S. 15. 70 Ebd., S. 14. 71 Vgl. über die Entwicklung während der letzten Lebensjahre des Tao-hsüan die Ausführungen von Yanagida, Shoki, S. 15. 72 Ui nimmt nicht an, dass «die Linie Bodhidharmas gleich der Linie der La ṅ kâ-Schule sei», obgleich eine solche bestanden habe (Zenshûshi I, S. 25). Ähnlich Yanagida, Chûgoku Zenshûshi, S. 16 ff., vgl. Shoki, S. 14 f. Doch lässt sich von einer zu eigenem Selbstbewusstsein gelangten La ṅ kâvatâra-Schule zur Zeit Hui-k ’ os und seiner Jünger noch nicht sprechen; die Schule tritt erst später deutlich hervor. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung Suzukis: «Das Studium des La ṅ kâvatâra-Sûtra als besonders dem Zen verwandt dauerte fort bis zur Zeit von Fa-ch ’ ung und Tao-hsüan, die Zeitgenossen waren, und dies ist ungefähr die Zeit des Hung-jen. Wenn wir von dieser historischen Tatsache ausgehen, so erkennen wir, dass das intellektuelle Studium und die praktische Übung miteinander zusammengingen und es noch keine der klaren Unterscheidungen gab, die sich später entwickelten, indem das Zen nach Hui-neng, dem sechsten Patriarchen, sich vom vorhergehenden unterscheidet.» Studies in the Lankavatara Sutra, S. 54. 73 T. Band 50, S. 666 b. 74 Eine Grabinschrift für Seng-ts ’ an verfasste Fang Kuan (697 - 763) im Auftrag Shen-huis kurz vor dessen Tod (762), vielleicht um für die fehlende Biographie bei Tao-hsüan einen Ersatz zu schaffen. Die Unsicherheit bezüglich des Grabes des dritten Patriarchen löste in Zen-Kreisen Beunruhigung aus. In der späten Schrift Hôrinden (chin. Pao-lin chuan) findet sich ein Bericht darüber, wie der chinesische Beamte Li Ch ’ ang das Grab des Seng-ts ’ an an einem Ort in Shu- 368 Anmerkungen zu Seiten 96 - 100 chou (745 oder 746) fand (siehe Yampolsky, The Platform Sutra, S. 50 f.). Unter Berücksichtigung der Inschrift des Fang Kuan verfasste Tu-ku Chi ein Epitaph für Seng-ts ’ an, das eine nicht erhaltene Grabinschrift des Hsüeh Tao-heng aus der Sui-Zeit benutzt. Er stand offenbar unter dem Einfluss von Anhängern der Nordschule, da er Shen-hsiu und P ’ u-chi über Huineng stellt, eine späte Äußerung der Feindseligkeit. Zum Vorigen siehe Shoki, S. 324 f. Vgl. die Tabelle der divergierenden Grabinschriften der sechs chinesischen Zen-Patriarchen, S. 324. Zur traditionellen Biographie Seng-ts ’ ans siehe Ui, Zenshûshi I, S. 63 ff. 75 T. Bd. 50, S. 666 b. 76 Dembôhôki (chin. Chuan-fa pao-chi), T. No. 2838, Bd. 85, ca. 713, eine Chronik der Nordschule, siehe Shoki, S. 47 ff., das Wort von der Überreichung des La ṅ kâvatâra-Sutras zitiert S. 53. Yanagida ediert im Quellenanhang seines Buches den Text des Dembôhôki, Zitat S. 565. 77 Shinjinmei (chin. Hsin-hsin-ming) T. No. 2010, der Text besteht aus 624 chinesischen Schriftzeichen. Englische Übersetzung von Suzuki in Essays I, S. 182 - 187, freie deutsche Übertragung bei Ôhasama/ Faust, S. 64 - 71. Die früheste Nachricht über die Entstehung des Gesanges findet sich in der Spruchsammlung des Pai-chang (720 - 814); siehe Shoki, S. 72. 78 Übersetzung von Gundert, Bi-yän-lu I, S. 63. 79 Yanagida spricht wiederholt von der Unzuverlässigkeit der Zen-Chroniken, doch schließt diese, wie er meint, nicht allen Geschichtswert aus. Er schreibt die folgenden nuancierten Sätze: «Die Schriften von der Überlieferungsgeschichte (tôshi, wörtlich «Geschichte von der Weitergabe der Leuchte») enthalten nicht bloße geschichtliche Fakten, sondern sind Ausdruck der religiösen, gläubigen Tradition. Wenn wir sie so fabriziert nennen, so sind sie doch geschichtlich geboren. Wenn einer alle überlieferten Episoden Machwerk nennen will, so beinhalten sie doch den notwendigen Grund ihrer Mache. Deshalb muss man sagen, daß hier umgekehrt bis zu historischer Faktizität mit episodenhafter Bedeutung berichtet ist. Wer solche Episoden als unhistorisch verneint und einfachhin wegwischt, ist nicht qualifiziert für die Lektüre der Überlieferungsgeschichten . . .» (Shoki, S. 17 f.). Aus dieser Quellenlage folgt die Notwendigkeit der sorgfältigen Prüfung aller einzelnen Zen-Chroniken auf ihre geschichtliche Relevanz (Shoki, S. 19 f.). 80 Die Verbindungslinie zwischen Seng-ts ’ an und Tao-hsin findet sich erst später, zuerst bei Hung-jens Jünger Fa-ju (638 - 689); Hung-jen ist bei Tao-hsüan einer der zahlreichen Jünger des Tao-hsin, vgl. Shoki, S. 22, 25, 33 ff. 81 Berggipfel in der heutigen Provinz Hupei (der Name deutet auf zwei Gipfel hin). Der östliche Gipfel P ’ ing-jung, auf den Hung-jen seinen Wohnsitz verlegte, auch Berg der Gelben Pflaume (chin. Huang-mei-shan, jap. Ôbaizan) genannt, ist in der Zen-Geschichte als «Ostberg» oder «Berg des fünften Patriarchen» berühmt. Vgl. Chûgoku Zenshûshi, S. 22, Ui, Zenshûshi I, S. 82 f., Zen Dust, S. 162, 168, 186. 82 T. Bd. 50, S. 606 b, spätere Schichten wie das Rekidai Hôbôki geben höhere Zahlen an; siehe Shoki, S. 35. Die Biographie bei Tao-hsüan (Bd. 50, S. 606) zählt zu den hinzugefügten Teilen des Geschichtswerkes (siehe Shoki, S. 63); eine etwas verschiedene Biographie findet sich in der Schrift Dembôhôki (siehe Anm. 310, vgl. Shoki, S. 54). 83 Mit der ununterbrochenen Generationslinie der Jünger Bodhidharmas entfällt die Grundlage für den Patriarchentitel. 84 Darüber ausführlich Zenshûshi I, S. 84 ff., 87 ff., vgl. Shoki, S. 9. 85 Zenshûshi I, S. 85. 86 T. Bd. 85, S. 1387. 87 Chûgoku Zenshûshi, S. 24. Yanagida folgt in seiner Darstellung der Chronik der La ṅ kâvatâra- Meister. Dieser Schrift aus dem Anfang des 8. Jahrhunderts kommt trotz ihrer Einseitigkeit doch ein relativer Geschichtswert für die Frühzeit des chinesischen Zen-Buddhismus zu, anders als den Zen-Chroniken aus der Sung-Zeit. Anmerkungen zu Seiten 100 - 103 369 88 T. Bd. 85, S. 1288 a. Ich folge der Wiedergabe in modernem Japanisch bei Yanagida, die an einigen Stellen die Bedeutung der chinesischen Schriftzeichen verdeutlicht. So schreibt Yanagida für das Schriftzeichen tai die Verbindung hontai, für yô oder yû das japanisch ugoki gelesene Schriftzeichen, so dass die im klassischen Chinesisch gebräuchliche Kontrastierung von tai und yô als Substanz und Funktion, die für einen zen-buddhistischen Text nicht passen kann, entfällt (siehe ebd.). 89 T. No. 2837 vol. 85, 1286 c - 1289 b, englische Übersetzung von David W. Chappell in: The Teachings of the Fourth Ch ’ an Patriarch, S. 107 - 129. Das Ryôgashijiki wurde von Yanagida ediert, ins moderne Japanisch übersetzt und kommentiert in Shoki no Zenshi I, Zen no Goroku 2 (Tokyo 1971), der Tao-hsin zugeschriebene Text S. 186 - 268. Nach Yanagidas Ansicht beruht der Text auf «von Tao-hsin selbst Gesprochenem» (S. 180). Dies schließt Überlieferung und Niederschrift im Jüngerkreis nicht aus. Das Datum ist unsicher. 90 Englische Übersetzung Chappell, S. 114, 118. 91 Anm. 32, S. 124. Text S. 112. 92 McRae S. 138 und passim, Chappell übersetzt «Unified mindfullness without deviation», S. 99. Shou-i (jap. shuichi), wörtlich «guard the One» (das Eine bewahren), findet sich bei Lao-tzu und Chuang-tzu sowie auch in älteren buddhistischen Texten (Chappell, S. 99 f., McRae, S. 138 ff., dazu Anm. 125, S. 322). Dass Tao-hsin Lao-tzu und Chuang-tzu kritisiert (siehe englische Übersetzung S. 120, vgl. Chappell, S. 100), steht in keinem Widerspruch zum starken Einfluss des Taoismus auf das chinesische Zen. Yanagida handelt über den geschichtlichen Hintergrund des Ausdruckes in einer längeren Anm. S. 234 f. 93 Biographische Angaben über Tao-hsin finden sich im Geschichtswerk des Tao-hsüan (T. vol. 50 605 b, englische Übersetzung bei McRae S. 31 f.) und in der Chronik Dembôhôki, ediert und kommentiert in Shoki no Zenshi I, Zen no Goroku 2, S. 327 - 435, englische Übersetzung McRae, S. 255 - 269, Biographie des Tao-hsin S. 261 ff. McRae vergleicht beide Biographien und stellt die Übereinstimmungen und Abweichungen fest. Das Dembôhôki lässt den Aufenthalt im Talin-Kloster aus, beide Biographien berichten den Eintritt ins Kloster mit sieben Jahren und einen Aufenthalt in einem Kloster auf dem Berg Chi-chou. Vom Ta-lin-Kloster siedelte Taohsin 624 zum Ostberg über. 94 Englische Übersetzung Chappell S. 107. 95 Vgl. Chappell, S. 121, Anm. 3. 96 Siehe B. Faure, La volonté d ’ orthodoxie dans le bouddhisme chinois, o. J., S. 76. Faure handelt über «Ch ’ an et T ’ ien-t ’ ai», S. 75 - 79. 97 Ebd., vgl. über den Traktat vor der Erweckung des Glaubens (T. No. 1666) und Faure, Ch ’ an, a. a. O., S. 59 ff. 98 Faure nennt das Makashikan (T. No. 1911) für plötzliche Erleuchtung, das Shushishikan Zazenhôyô (auch Shôshikan, chin. Hsiao-chih-kuan, T. No. 1915) für gradweise Erleuchtung, ebd., S. 76. 99 Chappell S. 110. 100 Siehe Yanagidas Kommentar, S. 210. 101 Englische Übersetzung Chappell, S. 110, 113. 102 Ebd., S. 114. 103 A. a. O., S. 229. 104 Englische Übersetzung Chappell, S. 109. 105 Siehe englische Übersetzung von McRae, Genealogie S. 257, Seng-ts ’ an Lehrer des Tao-hsin, S. 262. 106 Ein längeres Zitat aus dem Monjusetsu-hannya-Sûtra (T. No. 232) veranschaulicht die fortschreitende asketische Übung. Der Vergleich mit den aufeinanderfolgend in die Luft geschossenen Pfeilen findet sich in den Tendai-Texten. 370 Anmerkungen zu Seiten 104 - 107 107 Die Metapher findet sich schon bei Lieh-tzu. Siehe Yanagida, Kommentar, S. 246 f. 108 Englische Übersetzung Chappell, S. 118. 109 Siehe Yanagida a. a. O., S. 254. Das Daijôkishinron lehrt ebenfalls gradweise Erleuchtung, Zitate siehe ebd. 110 Englische Übersetzung Chappell, S. 119. Yanagida bemerkt in einer Anmerkung, dass das Zazen des Körpers ein expedient means (hôben) für das Zazen des Geistes ist (ebd., S. 259). Wie das Samâdhi der einen Übung befindet es sich im Bereich der Nicht-Unterscheidung und des Unbegreiflichen (vgl. englische Übersetzung Chappell, S. 107). Gemäß dem Dembôhôki unterwies Bodhidharma seinen Jünger Hui-k ’ o heimlich mit Hilfe von expedient means, die sich nicht mit Worten sagen lassen. Siehe Yanagida S. 355 f., englische Übersetzung McRae, S. 259. 111 Vgl. Faure, Orthodoxie, S. 79 ff. 112 Auch Makahannyakyô (T. No. 1509), Zitat siehe Yanagida, S. 196. 113 Englische Übersetzung Chappell S. 108, siehe auch S. 114: «You should know that the Buddha is identical to your mind.» 114 Im Ta-lin-Kloster traf er Shan-fu (gestorben 660), der bei Hui-chao (546 - 622), einem Jünger des Chih-i, die amidistische Meditation studiert hatte, siehe Faure, a. a. O., S. 75. 115 Vgl. Carl Bielefeldt, Dôgen ’ s Manuals of Zen Meditation, Berkeley, Los Angeles 1988, S. 83 ff. 116 Sekiguchi Shindai, Tendai shikan no kenkyû (Tokyo 1969), S. 346, zitiert in Bielefeldt, S. 86. 117 Vgl. englische Übersetzung Chappell, S. 112, 117. 118 Englische Übersetzung Chappell, S. 119. 119 Ebd., S. 120. 120 Ebd., S. 118. 121 Ebd., S. 119 und S. 113. 122 Als Jünger des Tao-hsin werden genannt: Fa-hsien (577 - 633), der vom Tendai herkam, Shanfu (gestorben 660), ein Student des Mâdhyamika und (vielleicht) Hsuan-shuang (gestorben 652), erwähnt im Dembôhôki. 123 McRae gibt eine Liste von Gründen für die vorrangige Bedeutung des Hung-jen, a. a. O., S. 40 f. 124 Diese Edition findet sich auch in Suzuki Daisetsu Zenshû, vol. 2, S. 303 - 309. 125 Siehe McRae, Anm. 36 (S. 309 - 312), den edierten Text am Ende des Buches S. 1 - 16 (jap. Nummerierung), Übersetzung S. 121 - 132. Es gibt eine frühere englische Übersetzung von W. Pachow in University of Ceylon Review, 21, no. 1 (1963), S. 47 - 62, reprinted in his Chinese Buddhism: Aspects of Interaction and Reinterpretation (Lanham, Md.: University Press of America, 1980), S. 35 - 54. 126 Siehe die Darlegung der von ihm selbst «tentative» genannten Interpretation in McRae, S. 119, 120. 127 Vgl. McRae, S. 123. In der zugehörigen Anm. bemerkt McRae, dass diese Formel neun Mal im Text vorkommt (Anm. 60, S. 315). 128 Siehe McRae, S. 136. 129 Übersetzung McRae, S. 124. 130 Übersetzung McRae, S. 121, über das Zitat siehe McRae, Anm. 42 (S. 313 f.). Dieses ist das früheste Beispiel für die Metapher in der Zen-Literatur. 131 Übersetzung McRae, S. 122. 132 Übersetzung McRae, S. 125. 133 Übersetzung Chappell, S. 118. Vgl. Yanagida, Zen no Goroku 2, S. 249, 252. 134 Text im Abschnitt über Gu ṇ abhadra, Zen no Goroku 2, 112, Übersetzung McRae S. 134. Text im Abschnitt über Hui-k ’ o, Zen no Goroku 2, S. 146 f. Yanagida bemerkt in der Anmerkung zum Zitat aus dem Abschnitt über Gu ṇ abhadra, der Gebrauch der Metapher beruhe auf dem Anmerkungen zu Seiten 107 - 112 371 Laṅkâvatâra-Sûtra, in dem vom plötzlichen Erscheinen der Eigennatur die Rede ist. Siehe ebd., S. 116. 135 Ebd., S. 135. 136 Übersetzung McRae, S. 127. 137 Zitate McRae, S. 128, 130. 138 Übersetzung McRae, S. 128, 130. 139 Neun Mal in dem kurzen Traktat. 140 Zen no Goroku, S. 268 f. Das Ryôgashijiki betont öfters die Unaussprechlichkeit der Erfahrung. Yanagida schreibt: «Bemerkenswert ist, dass, obgleich Hsün-tse Hung-jens Schrift über den Zen-Weg als apokryph ansah, sein Jünger Ching-chüeh den Text Shushin Yôron zwar nicht nennt, aber aus dem Buch zitiert.» (S. 272) Das Ryôgashijiki erwähnt ebenso wie das Dembôhôki die auch in späteren Chroniken hervorgehobene körperliche Arbeit Hung-jens. 141 Siehe Zen no Goroku 2, S. 273. 142 Ebd. Dies ist im Übrigen die einzige Erwähnung des Hui-neng in einer Schrift der Nordschule. 143 Übersetzung McRae, S. 92. 144 Zen no Goroku 2, S. 125. 145 Goroku no Rekishi, S. 352 f., vgl. Zen no Goroku 2, S. 125. 146 Nicht alle Wegsucher, die sich um die zwei Meister auf dem Ostberg sammelten, dürften ausschließlich reines Zen geübt haben. Wir wissen von Jüngern des Hung-jen, die sich der Anrufung des Namens des Buddhas Amitâbha (jap. Amida) widmeten. Vgl. Zen Dust, S. 175. Über Hung-jen findet sich keine Biographie bei Tao-hsüan, wohl aber im Geschichtswerk Sô Kôsôden, T. Bd. 50, S. 754 a, b. III Die Trennung von Nordschule und Südschule 1 Die Datierung für Shen-hui 668 - 760, die dem chinesischen Geschichtswerk Sô Kôsôden folgt, wurde in der angegebenen Weise berichtigt. Siehe Shoki, S. 34 f. 2 Die einzige Ausnahme ist das Daijôhokushûron (chin. Ta-chieng pei-pien lun), siehe Goroku no Rekishi (Anm. 9), S. 356. 3 Zen no Goroku 2, S. 15. 4 Goroku no Rekishi, S. 356. 5 Die Zahl «zehn» ist, wie Yanagida schreibt, nicht unbedingt geschichtlich, sondern wohl der Zehnzahl der Jünger des Ś hâkyamuni nachgebildet. Auch Hui-neng hatte gemäß dem Plattform-Sutra zehn Jünger. Vgl. Zen no Goroku 2, S. 15 und passim. 6 Yanagida hat den Text editiert und kommentiert im Anhang seiner «Studien über die Schriften zur Frühgeschichte der Zen-Schule» Shoki Zenshûshisho no Kenkyû (Kyoto 1967), S. 487 - 496, siehe über Fa-ju ebd., S. 35 - 46, ferner McRae, S. 43 f. Über das Epitaph für Fa-ju siehe oben, Text zu Anm. 34, McRae, S. 85 f. 7 Vgl. McRae, S. 80 ff., Yanagida, Shoki, S. 37 ff. 8 Englische Übersetzung von McRae (Anm. 33), Abschnitt über Fa-ju, S. 264 f. 9 Siehe den von Yanagida edierten Text (Anm. 96), S. 487. 10 Über «Lao-an und seine Jünger» siehe McRae, S. 56 - 59. Das Geburtsdatum wird in den Chroniken verschieden angegeben, oft findet sich die Datierung 584 - 709. 11 Siehe McRae, S. 39. Nach dem Tod des Shen-hsiu (706) wurden Hung-jens Jünger Fa-hsien (643 - 720) und Hsüan-tse (s. o.) zum Hof eingeladen. Siehe McRae, S. 59 f. 12 Zen no Goroku, S. 17. 13 Das Epitaph, die zuverlässigste Quelle, ist von Yanagida ediert und kommentiert in Shoki, S. 497 - 516. McRae nennt außerdem ein Memoriale für den Thron, eine anonyme Inschrift, Eintragungen in spätere Schriften u. a., siehe S. 45 f. 372 Anmerkungen zu Seiten 112 - 119 14 Yanagida schreibt: «Der Grundstein der so genannten Nordschule war sicher eine Frucht der Wu-Chou-Revolution» (Shoki, S. 45). 15 Vgl. zum Folgenden McRae S. 46 - 56, Faure, Orthodoxie, S. 25 - 33. Das Geburtsdatum ist unbekannt. Alle Quellen stimmen in der Angabe überein, dass Shen-hsiu ein Alter von über 100 Jahren erreicht hat. 16 Shoki, S. 498. 17 Das Dembôhôki berichtet von einer Verbannung des Shen-hsiu, während derer er in Laienkleidung im Kloster Tenkoji (chin. T ’ ien-chü ssu) gelebt habe. Yanagida bemerkt, diese Nachricht sei unklar (akiraka de nai), Zen no Goroku 2, S. 401 f. 18 Gemäß dem Dembôhôki begann Shen-hsiu seine Lehrtätigkeit nach dem Tode des Fa-ju (689), Zen no Goroku 2, S. 401 f. 19 Zen no Goroku 2, Text S. 396. 20 Shoki, S. 499. 21 Siehe Zen no Goroku 2, S. 273. 22 Ryôgashijiki, Zen no Goroku 2, S. 298. Das Monjûsetsuhannya-Sûtra gehört zur Literatur der Weisheitssutren. 23 Über die Textüberlieferung in 7 Tun-huang-Manuskripten siehe McRae, Anm. 159 (S. 325). Der Text wurde ediert von D. T. Suzuki im vergleichenden Druck von 5 Manuskripten, siehe Suzuki Daisetsu Zenshû, Bd. 29 (Neue Ausgabe, 2. Aufl., Tokayo 1983), S. 144 - 197. Über die Ermittlung der Verfasserschaft des Shen-hsiu und die Identifizierung der Schrift mit dem Hasôron des Bodhidharma siehe Yanagida, Goroku no Rekishi, S. 263 ff., 269. 24 Vgl. Faure, a. a. O., S. 67. 25 Übersetzung McRae, S. 207. Vgl. Faure, S. 60. 26 Ebd., S. 208. 27 Vgl. Faure, S. 60. 28 Mehr als die Hälfte des Textes, der aus 16 Fragen und Antworten besteht. Siehe besonders die ausführlichen Beantwortungen der Fragen 12 und 13 in Suzuki Daisetsu Zenshû Bd. 29, S. 167 - 188. 29 Über die Methode, genannt «contemplative analysis» (kontemplative Analyse, jap. kanjinshaku, chin. kuan-hsin shih) handelt ausführlich McRae, S. 198 - 207. 30 Übersetzung McRae, S. 201. Das letzte Wort, gelesen jap. gedatsu (chin. chieh-t ’ o), bezeichnet im Buddhismus die endgültige Befreiung, nämlich nirvâṇa. 31 Übersetzung McRae, ebd. 32 Suzuki Daisetsu Zenshû Bd. 29, S. 194. 33 Über die sieben in Tun-huang aufgefundenen Manuskripte berichtet McRae in n. 161 (p. 327 - 330); Editionen in Ui Hakuji, Zenshûshi Kenkyû I (1939), S. 447 - 518, und in Suzuki Daisetsu Zenshô Bd. 3, S. 153 - 235. McRae folgt in seiner Übersetzung ausgewählter Teile (S. 171 - 196) der Edition Suzukis. Den ebenfalls in Tun-huang aufgefundenen verwandten Text des «Traktates über die vollkommene Erleuchtung» (jap. Enmyôron, chin. Yuan-ming lun) hat McRae erstmalig ediert (S. 18 - 44, chin. Ziffern) und übersetzt (S. 149 - 171). 34 Yanagida nennt als Schriften des Shen-hsiu Kanjinron und Daijômushôhôbenmon (chin. Tach ’ eng wu-sheng fa-pien men, T. No. 2834, siehe Shoki, S. 256), «ein Summarium des Zen der Nordschule» (Goroku no Rekishi, S. 266). Suzuki bemerkt in der Einführung zu seiner Edition, dass die upâya-Texte nach Shen-hsiu entstanden sind (Zenshû 3, S. 141). McRae zitiert die Ansicht des japanischen Gelehrten Takeda Tadashi, die upâya-Texte «existierten in ihrer Grundform zu Lebzeiten des Shen-hsiu; Änderungen und Hinzufügungen geschahen während zwanzig Jahren nach seinem Tod» (S. 330). Der Traktat der vollkommenen Erleuchtung ist, wie er meint, «wahrscheinlich von einer oder mehreren Vorlesungen des Shen-hsiu oder einer anderen prominenten Figur der Nordschule genommen» (S. 149). Anmerkungen zu Seiten 120 - 123 373 35 Daijômushôhôbenmon. 36 Übersetzung McRae S. 175, Zitat aus dem Daijôkishinron (sanskr. Mahâyâna-śraddhotpâdaśâstra), T. No. 1666. Das erste upâya umfasst dem Gehalt nach die vier folgenden. Diese lauten: 1) «Öffnen der Tore der Weisheit und Geistesschärfe», 2) «Manifestieren des unbegreiflichen Dharma», 3) «Erhellung der wahren Natur der dharmas», 4) «Der natürliche unbehinderte Weg der Befreiung». Die entsprechenden Sutren sind das Lotossutra, das Vimalakîrti-Sûtra, das Viśecacinti-brahma-śâstra, das Avataṃsaka-Sûtra. Siehe McRae S. 219, vgl. Faure, S. 61. 37 Robert B. Zeuschner, The Concept of li-nien in the Northern Line of Ch ’ an Buddhism, in: Early Chan in China and Tibet, S. 131 - 148. 38 Ebd., S. 145 f. 39 Text in Suzuki Daisetsu Zenshû Bd. 3, S. 168, Übersetzung McRae, S. 172. 40 Ebd. Der Text hat hier den klassischen Ausdruck tongo (chin. tun-wu). 41 Suzuki S. 169, McRae S. 173. 42 Über die Kritik an Shen-hsius Lehre im upâya-Traktat von Meistern der Südschule (Ma-tsu, Lin-chi, Pai-chang) siehe Yanagida, Goroku no Rekishi, S. 266 - 269. 43 Vgl. Suzukis Einleitung zu den upâya-Texten. Er folgt in seiner Kritik dem Tsung-mi (Zenshû Bd. 3, S. 141 - 148), der Shen-hsiu und der Nordschule die Leugnung der Identität von Erleuchtung und Trübungen vorwirft. 44 Übersetzung McRae, S. 235. 45 Übersetzung McRae, S. 238. 46 Text Suzuki Daisetsu Zenshû Bd. 3, S. 190, Übersetzung McRae, S. 173 f. 47 Die Kaiser Chung-tsung (reg. 705 - 710) und Jui-tsung (reg. 710 - 712) kämpften während der unruhigen Jahre von 705 - 712 gegen die Machtansprüche der Kaiserin Wei, ohne die Regierungsgewalt voll ausüben zu können. 48 Nach dem Tode des Shen-hsiu hatten Lao-an und Hsüan-tse einflussreiche Stellungen am Hofe inne. Dass P ’ u-chi kurz nach Shen-hsius Tod eine ihm angebotene Stellung am Hof abgelehnt hat, ist eine unsichere Nachricht. Siehe McRae S. 67 und 295 n. 173. Kaiser Hsüantsung nahm eine distanzierte Haltung zu den zwei Hauptjüngern P ’ u-chi und I-fu ein. Siehe Faure, S. 91. Zur Biographie des I-fu vgl. den Abschnitt in McRae, S. 64 f. 49 Faure beschreibt die politische Szene, den ehrgeizigen Utilitarismus von hohen Beamten, die ins Geschick der Nordschule eingriffen. Siehe S. 91 ff. 50 Vgl. zum Folgenden den Abschnitt über Tantrismus bei Faure, S. 101, 105. 51 Zitiert aus den «Alten Annalen der T ’ ang» (945) von Faure, S. 129. 52 Siehe Faure, S. 93, 122 n. 36. 53 Die in den Quellen angegebenen Jüngerzahlen sind nicht zuverlässig, aber man darf annehmen, dass «P ’ u-chi während der drei Jahrzehnte seiner Lehrtätigkeit eine außerordentlich große Zahl von Jüngern unterwiesen hat». McRae, S. 67. 54 Siehe den Aufsatz von Shiina Kôyû: Hokushû-zen ni okeru kairitsu no mondai, in Shukyô Kenkyû 11 (March 1969), S. 135 - 159. 55 Zitiert von McRae, S. 324, n. 153. 56 Siehe McRae, S. 60. 57 Siehe Zitat in Bernard Faure, The Rhetoric of Immediacy. A Cultural Critique of Chan/ Zen Buddhism, Princeton, New Jersey 1991, S. 63. 58 Faure unterscheidet drei Bedeutungsordnungen im Terminus «plötzlich»: schnell, absolut, unmittelbar. Siehe The Rhetoric of Immediacy, S. 33; ders., Orthodoxie, S. 170 - 176. 59 Der vollständige Titel lautet Daijô Kaishin Kenshô Tongo Shinshûron (chin. Ta-ch ’ eng k ’ ai-hsin hsien-hsing tun-wu chen-tsung lun), T. No. 2835, Text in Suzuki Daisetsu Zenshû Bd. 3, S. 321. Vgl. Faure, Orthodoxie, S. 175. Exemplarisch für die Verbindung von plötzlicher Erleuchtung und Anwendung der upâya ist der Traktat Tongo Daijô shôriketsu (chin. Tun-wu ta-ch ’ eng cheng- 374 Anmerkungen zu Seiten 123 - 130 li chüeh) des chinesischen Anhängers der Nordschule Mo-ho-yen, der beim Konzil von Lhasa den Standpunkt der Plötzlichkeit vertrat. Darüber siehe ausführlich Luis O. Gomez, The Direct and the Gradual Approaches of Zen Master Mahâyâna: Fragments of the Teachings of Mo-ho-yen, in: Robert M. Gimello and Peter N. Gregory (eds.), Studies in Ch ’ an and Hua-yen, Honolulu 1983, S. 69 - 167, besonders S. 89 - 103. Gomez zeigt, dass Mo-ho-yen, der «die Position einer radikalen plötzlichen Erleuchtung» (S. 89) vertritt, «den Vertretern der Allmählichkeit größere Konzessionen gemacht hat» (S. 100). Vgl. im gleichen Band den Beitrag von Jeffrey Broughton, Early Ch ’ an Schools in Tibet, S. 1 - 68. 60 Siehe Faure, Orthodoxie, S. 175, vgl. The Rhetoric of Immediacy, S. 36. 61 Z. B. Lin-chi, siehe Faure, The Rhetoric of Immediacy, S. 36. 62 Für radikale Ablehnung aller Mittel ist bekannt Wu-chu (714 - 774) und seine Schule (genannt Szechwan- oder Pao-t ’ ang-Schule), von Tsung-mi beschrieben in der Schrift Zengen shosenshû tojo (chin. Ch ’ an-yuan chu-ch ’ üan tu-hsü) (Text in Zen no Goroku Bd. 9, ediert von Kamata Shigeo, Tokyo 1971), längeres Zitat bei J. Broughton, S. 38 - 40. 63 Faure spricht von der «rhetorical emphasis on sudden», ebd., S. 39 f. 64 McRae übersetzt Abschnitte aus zwei Epitaphen, siehe S. 65. 65 Die Namen von mindestens 125 Meistern der Nordschule nach Shen-hsiu sind überkommen; die Schule war zahlenmäßig am stärksten während der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Siehe McRae, S. 70. 66 McRae misst in seiner Untersuchung der Ursachen des Niederganges der Nordschule der Beziehung zum Kaiserhof viel Bedeutung bei, siehe S. 242 f. Auf S. 245 erklärt er außerdem: «Eine unausweichliche Folge war ein Schimmer von Scholastizismus.» 67 Orthodoxie, S. 116. 68 In der Nordschule handelt von der Plötzlichkeit der Erleuchtung Lao-ans Jünger Chih-ta (auch Hui-ta). Siehe B. Faure, Le maître de dhyâna Chih-ta et le ‹ subitisme › de l ’ ecole du Nord, in: Cahiers d ’ Extrême Asie 1986, 2, S. 123 - 131. Vgl. McRae, S. 58. 69 Übersetzung nach Ruth Fuller Sasaki, siehe H. Dumoulin, Ruth Fuller Sasaki, The Development of Chinese Zen after the Sixth Patriarch, New York 1954, S. 6, 46. 70 Im Rahmen der Gesamtgeschichte gesehen, erreichte die Bodhidharma-Linie, wie Yanagida in seinen Darstellungen wiederholt betont, durch den «repräsentativen Großmeister» Shen-hsiu den höchsten Grad an Berühmtheit. 71 Yanagida hält es für möglich, dass die Bemerkung über Shen-hsius Verehrung des La ṅ kâvatâra-Sutras unter dem Einfluss des Hsüan-tse in das Epitaph Eingang gefunden hat. Siehe Shoki, 95. Gegen die Behauptung des überstarken Einflusses des Sutras spricht nach seiner Ansicht auch der Umstand, dass dieses weder in der Biographie des Tao-hsin bei Taohsüan noch in der Schrift Shûshinyôron (siehe Anm. 324) zitiert ist. Siehe Shoki, S. 93. Chingchüeh, der Verfasser der Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister, schrieb auch einen Kommentar zum Herzsutra aus der Gruppe der Prajñâpâramitâ-Sutren. Vielleicht wandte er sich, so meint Yanagida, in späteren Jahren stärker den Ideen der Weisheitsschule zu, siehe Shoki, S. 92 f. 72 Im Anhang bei Yanagida, Shoki, S. 499. 73 Besonders bei den Verehrern des Laṅkâvatâra-Sûtra blühte ein schwärmerischer Wunderglaube. Aber auch Tao-hsüan liebt Wundergeschichten. Wunderbares gibt es schon in der Geschichte der Frühzeit des chinesischen Zen-Buddhismus (z. B. in der Biographie des Taohsin). Das Schriftzeichen im Titel des «Meisters der großen Durchdringung» Shen-hsius findet sich im Terminus jinzû, der chinesisch-japanischen Übersetzung des Pâli-Wortes iddhi, das magische Wunderkräfte bedeutet. 74 Chûgoku Zenshûshi, S. 37. Yanagida widmet einen längeren Abschnitt den beiden Dichtern aus der T ’ ang-Zeit Wang-Wei (700 - 761) und Tu Fu (712 - 770), S. 34 - 37, siehe auch Shoki, S. 96 f. Anmerkungen zu Seiten 130 - 132 375 75 So datiert Yanagida; J. Gernet gibt als Datum den 23. Februar 734 an (Entretiens du Maître de Dhyâna Chen-houei du Ho-tsö, Hanoi 1949, S. 82). 76 Siehe zum Folgenden J. Gernet, Biographie du Maître de Dhyâna Chen-houei de Ho-tsö (JA Bd. 249, 1951, S. 29 - 60), eine kurze Biographie Shen-huis in Zen Dust, S. 192 ff., vgl. das ausführliche Kapitel bei Ui, über «Aufstieg und Niedergang der Kataku-Schule», Zenshûshi I, S. 195 - 268. 77 Gemäß Gernet, der im Ganzen der offiziellen Biographie Shen-huis im Sô Kôsôden (chin. Sung Kao-seng-chuan, T. Bd. 50, S. 756 f.) folgt, währte der Aufenthalt Shen-huis bei Hui-neng von 708 - 713 (a. a. O., S. 38). Doch spricht manches für einen etwas längeren Aufenthalt Shen-huis bei Hui-neng. 78 In der Vorrede des Jüngers Tu-ku P ’ ei zum «Traktat der Feststellung des Wahren und Falschen durch die Südschule des Bodhidharma» (jap. Bodaidaruma nanshû tei zehi ron). Der Text wurde durch Hu Shih aufgefunden und ediert, in Gernets französischer Übersetzung der Reden Shenhuis, die der Edition Hu Shihs folgt, Buch II (Kiuan II). Die Reden bestehen aus vier Büchern. Das Buch III bezieht sich, wie Hu Shih meint, ebenfalls auf die «Große Dharma-Versammlung» von Hua-t ’ ai. Vgl. die englische Übersetzung von W. Liebenthal, The Sermon of Shen-hui (AM, Neue Serie, Bd. 3, 1952, S. 132 - 155). Für eine Beschreibung der Manuskripte, Editionen und Übersetzungen der Tun-huang-Texte siehe Zen Dust, S. 392 - 395. Yanagida teilt den Text der Vorrede mit (Shoki, S. 105). Er nennt den Text, der auch unter dem Namen Tonga Saijôjôron bekannt ist und die Angriffspunkte gegen die Nordschule zusammenfasst, «eine Art Unabhängigkeitserklärung der Südschule» (ebd., S. 103). Wir geben im Folgenden die wichtigsten Punkte der Eröffnungsrede Shen-huis wieder. 79 Siehe Shoki, S. 106. Yanagida stellt in seinen beiden Werken die Beweisführung Shen-huis ausführlich dar. Shen-hui ist als der alleinige «Erfinder» der Geschichte von den Insignien der Patriarchenwürde (insbesondere des Gewandes) angesehen worden, doch lässt sich Beeinflussung durch Zeitgenossen oder Legende nicht ausschließen. 80 Shen-hui hatte schon früher den Anspruch der Südschule geltend gemacht und mit dem Vertreter der Nordschule Ch ’ ung-yuan disputiert. Siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 39. Gernet bemerkt, Ch ’ ung-yuan habe von 731 bis 734 (Gernet datiert die «Große Dharma-Versammlung» auf 734) jedes Jahr Lehrgespräche mit Shen-hui geführt. Siehe Entretiens du Maître Dhyâna Chen-houei, S. 43, Anm. 1. 81 Das Wechselgespräch zitiert in Shoki, S. 106 ff. 82 Siehe Shoki, S. 108. Kâ ś yapa fungiert als Erster unter den «Meistern des Dharma». Auch berichtet die Legende, dass er, mit dem Gewand Shâkyamunis bekleidet, ins Nirvâ ṇ a einging. Dieses Gewand soll er bei der Ankunft des Buddhas der Zukunft Maitreya diesem weitergeben. Siehe E. Lamotte, L ’ Histoire du Buddhisme Indien, S. 227. 83 Buch IV (Kiuan IV), bei Gernet, a. a. O., S. 110. 84 Ch ’ ung-yuan brachte dieses Argument schon bei der Diskussion im Ryûkôji vor, siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 39. 85 Shen-hui nimmt auf die im ersten Teil zitierte berühmte Stelle im Vimalakîrti-Sutra Bezug. Yanagida führt die etwas verderbte Stelle des Tun-huang-Manuskriptes an, siehe S. 108 f. 86 Zitiert ebd., S. 109. 87 Siehe Shoki, S. 148, vgl. Chûgoku Zenshûshi, S. 40. Shen-huis Zorn galt vor allem P ’ u-chi, dessen Ansehen auch nach dem Angriff Shen-huis in Hua-t ’ ai ungeschwächt fortbestand, wie seine Berufung an den Hof von Lo-yang beweist. Seine Biographie im Sô Kôsôden (T. Bd. 50, S. 760 c - 761 b), die die Grabinschrift des Li Yung benutzt, hebt P ’ u-chis vorrangige Bedeutung hervor. 88 Siehe Shoki, S. 110 f., ein misslungener Anschlag auf das Gewand ist im 3. Buch (Kiuan III) der «Entretiens» anschaulich geschildert (siehe Gernet, a. a. O., S. 95 f.). 376 Anmerkungen zu Seiten 133 - 135 89 Siehe Shoki, S. 111, vgl. Gernet, a. a. O., S. 94 f. 90 Siehe Yanagida, ebd. Shen-hui wendet sich besonders gegen die Schrift Dembôhôki, deren Abfassung er fälschlich dem P ’ u-chi zuschreibt. Wenn diese Schrift den Hui-neng nicht erwähnt, so kann man annehmen, dass dieser in Nordchina, wo die Schrift entstanden ist, wenig bekannt war. 91 Die Theorie der Generationsfolge von 13 indischen und chinesischen Patriarchen findet sich schon im «Traktat der Feststellung des Wahren und Falschen», siehe Shoki, S. 123 f., vgl. Gernet, Buch III (Kiuan III), a. a. O., S. 97 f. Die Namen der indischen Patriarchen sind bei Shen-hui die gleichen wie im Zengyô, nur steht Bodhidharma an der Stelle des Dharmatrâta. Wir sahen schon am Beispiel des Dembôhôki, dass seit dem 8. Jahrhundert im chinesischen Zen das Interesse für die Generationslinie stark hervortritt. 92 Gernet nennt ihn einen «Mann von überdurchschnittlicher moralischer und physischer Kraft» (Biographie S. 41). Tsung-mi (780 - 841) rühmt den Mut, mit dem er einen so mächtigen Gegner wie P ’ u-chi angriff und erzählt von wiederholten Anschlägen auf sein Leben. 93 Zenshûshi I, S. 227. 94 Yanagida handelt über die Ochsenkopf-Schule in Shoki, S. 126 - 135, Chûgoku Zenshûshi, S. 45 ff. (mit Angabe der Namen der sechs Generationen); vgl. das Kapitel bei Ui, Zenshûshi I, S. 91 - 134, Zen Dust, S. 175. 95 Zitiert in Shoki, S. 136 f. 96 Siehe ebd., S. 130. 97 Li Hua erwähnt die 29 Generationen indischer Zen-Patriarchen im Epitaph für den Tendai- Meister Hsüan-lang. Die Wichtigkeit, die in diesem Epitaph dem Bodhidharma-Zen beigemessen wird, spricht für die vielfach bezeugten engen Beziehungen zwischen Tendai und Zen im 8. Jahrhundert. Chih-hua hatte viele Freunde im zeitgenössischen Buddhismus, auch in der Ochsenkopf-Schule. Vgl. dazu Shoki, S. 132 ff., 136 ff. 98 Fa-jungs Biographie sowie die seines Jüngers Chih-yen finden sich unter den Nachträgen im Geschichtswerk des Tao-hsüan. Yanagida hält eine Beziehung zum Bodhidharma-Zen für unsicher, ebd., S. 128. 99 Gemäß Yanagida ist beim gegenwärtigen Stand der Forschung «geschichtlich am sichersten, daß der vierte Nachfolger Fa-chih den Dharma des Hung-jen auf dem Ostberg empfangen hat». Siehe Shoki, S. 127, 134. Gemäß der Biographie des Fa-chih im Sô Kôsôden kam Fa-chih mit 13 Jahren (nach anderen Berichten mit 30 Jahren) zu Hung-jen, wurde dessen Schüler und zählte zu den «zehn großen Jüngern» des fünften Patriarchen. Bei einem abermaligen Besuch des Ostberges wurde er von Hung-jen zu seinem Nachfolger bestimmt (T. Bd. 50, S. 757 c). Diese Version wurde von anderen Chroniken (z. B. dem Keitoku Dentôroku) übernommen. Dagegen ist der Name des Fa-chih im Ryôga Butsujin Hôshi (ca. 708) nicht unter den zehn großen Jüngern des Hung-jen genannt. Vgl. Shoki, S. 128 f. 100 «Lehren und Praktiken der Amitâbha-Schule . . . drangen in alle anderen chinesischen buddhistischen Sekten ein», nicht zuletzt auch in die Zen-Schule. Siehe Zen Dust, S. 174 ff. Die mehr als 500 Jünger des Hung-jen waren, wie Yanagida meint, «nicht alle notwendig Zen- Mönche» (Shoki, S. 131). 101 Gemäß Miura und Sasaki dauerte die Schule «einige acht oder neun Generationen» (S. 148), der letzte angegebene Name ist aus der 7. Generation (siehe Tafel S. 488). 102 Zitiert in Shoki, S. 138 f. 103 Beispiele in Chûgoku Zenshûshi, S. 45 ff. 104 Ein Anhänger der Nordschule des Zen-Buddhismus, der indes die plötzliche Erleuchtung verfocht, kam gegen Ende des 8. Jahrhunderts bis nach Lhasa und disputierte dort mit indischen Buddha-Mönchen, die den entgegengesetzten Standpunkt vertraten. Paul Demiéville hat die Akten dieses sogenannten «Konzils von Lhasa» aus dem Chinesischen übersetzt Anmerkungen zu Seiten 135 - 139 377 und kommentiert: Le Concile de Lhasa. Une controverse sur le quiétisme entre Bouddhistes de l ’ Inde et de la Chine au VIIIème siècle de l ’ ère Chrétienne (Paris 1952). 105 Das markante politische Ereignis jener Tage ist der Aufstand des An Lu-shan, der den herrschenden Kaiser Hsüan-tsung aus der Hauptstadt Lo-yang vertrieb (756), bis die Ordnung durch militärischen Einsatz wiederhergestellt wurde. IV Das Sutra des sechsten Patriarchen 1 T. No. 2007. Das 1907 aufgefundene Manuskript ist jetzt No. 5475 in der Sammlung Stein (British Museum, London). 2 Tokyo 1934. Eine weitere Edition von H. Ui in Zenshûshi Kenkyû (Studien zur Zen- Geschichte), Bd. II, S. 117 - 171, vollständige englische Übersetzungen von Wing-tsit Chan (New York 1963) und P. B. Yampolsky (Abk. Yampolsky). 3 Die Zitate im Folgenden geben die Nummern nach dieser Einteilung an, der auch Wing-tsit Chan und Yampolsky folgen. 4 Siehe Yampolsky, S. 89 f. 5 Nämlich zwischen den Entstehungsdaten der Zen-Schriften Sôkei Daishi Betsuden (781) und Hôrinden (801), siehe Shoki, S. 254. 6 Über Wu-chen fehlen sichere Angaben; siehe Yampolsky, S. 90 f. 7 Zumindest scheint der Sammler der Zen-Chromk Keitoku Dentôroku die Angaben in Nr. 57 auf Fa-hai bezogen zu haben. Siehe Yampolsky, S. 64. 8 Siehe Shoki, S. 188 ff. Die Datierung der Hui-neng-Biographie in den Reden Shen-huis ist unsicher. Yanagida vermutet, dass der im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen und in der späten Vorrede zu diesem Sutra genannte Jünger Fa-hai mit einem Fa-hai aus der Gozu-Schule (Jünger des Hsüan-su, 668 - 752) identisch ist. Dieser Fa-hai hat eine Biographie in den «Biographien berühmter Mönche, kompiliert während der Sungzeit» T. No. 2061 (Bd. 50, S. 738 c, 739 a). - Die Hui-nengs Jünger Fa-hai zugeschriebene «Kurze Vorrede» setzt, wie Yanagida nachweist, spätere Zen-Schriften voraus, sie findet sich zuerst im Yüan-Text des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen (siehe Shoki, S. 205, 209). Der Yüan-Text existiert in zwei Ausgaben. Die Edition des Te-i (1290) bringt Fa-hais Vorrede nach einem Vorwort des Te-i unmittelbar vor dem Text, die durch Tsung-pao besorgte Ausgabe (1291) (T. No. 2008, Bd. 48) beginnt mit einem Vorwort des Te-i, nach dem Text folgen sechs Epiloge, der erste ist die Vorrede Fa-hais. Yanagida handelt ausführlich über die «sogenannte ‹ Kurze Vorrede › » (Shoki, S. 205 - 209). Die Vorrede wurde ins Englische übersetzt von Lu K ’ uan Yü (Charles Luk) in Ch ’ an and Zen Teaching, 3. Serie (London 1962), S. 15 - 18 (das Buch bringt eine vollständige Übersetzung des Yüan-Textes des Hochsitzsutras, S. 15 - 102) und von Yampolsky (S. 60 - 63) nach dem Text in der Sammlung von Dokumenten der T ’ angzeit (Ch ’ üan T ’ ang wen, Taipei 1961). Auch Yampolsky hält sie für «von äußerst später Entstehung» (S. 63). 9 Aufsatz über das Quellenmaterial zur frühen Zen-Geschichte in der japanischen Veröffentlichung Bukkyô to Bunka (Buddhismus und Kultur), Kyoto 1960, S. 15 - 23. Hu Shih hat seine Ansicht später modifiziert, siehe Shoki, S. 134, Anm. 1. 10 Yampolsky, S. 97. 11 Yanagida handelt in 4 Abschnitten des dritten Kapitels über «Kohon ‹ Rokuso Dankyô › » (Alte Fassung des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen), Shoki, S. 148 - 212. Ein Argument für eine frühere Fassung des Sutras liefert ein in der Zen-Chronik Keitoku Dentôroku überliefertes Wort des Landesmeisters Nan-yang Hui-chung. Darüber im letzten Abschnitt dieses Kapitels. Ein weiterer dunkler Hinweis findet sich im Epitaph für E-hu Ta-i verfasst von Wei Ch ’ u-hou (773 - 828). Siehe Yampolsky, S. 98. 378 Anmerkungen zu Seiten 139 - 142 12 Yanagida stellt die Frage nach der Herkunft dieser vom frühen Shen-hui verschiedenen Stücke. Siehe Shoki, S. 151 ff. 13 Shen-hui lehrte während seiner Frühzeit in Nan-yang eine Ethik im Stil der traditionellen Sutrenlehre: Alles Böse meiden, alles Gute tun, die eigene Absicht reinigen. Siehe Shoki, S. 149 f., über die «Formlosen Gebote» des Hochsitzsutras ebd., S. 256. 14 Siehe Shoki, S. 154 ff. 15 Ebd., S. 154. 16 Ebd., S. 183 f. 17 In der hinzugefügten Hui-neng-Biographie. Das Gespräch ist spätere Erfindung, wie die Frage bezüglich des Gewandes beweist. Vgl. Shoki, S. 190. 18 Nr. 49. In den Zen-Schriften Sôkei Daishi Betsuden (Abschnitt Nr. 36) und Keitoku Dentôroku (Bd. 5, Biographie des Hui-neng) ist die Zeitdauer von 70 Jahren angegeben. 19 Die Zen-Chronik Keitoku Dentôroku führt Fa-hai unter den 13 Jüngern Hui-nengs (das Hochsitzsutra nennt zehn Jünger, Nr. 45) auf, fügt aber den Angaben des Hochsitzsutras wenig hinzu. Siehe Shoki, S. 195 f. Tsung-mi (780 - 841) nennt in seiner Schrift Zemmon Shishi Shôshûzu (chin. Ch ’ an-men shih-tzu ch ’ eng-hsi-t ’ u) einen Jünger Shen-huis mit Namen Fa-hai. Siehe Shoki, S. 202. 20 Die Lebensdaten des Fa-hai aus der Ochsenkopf-Schule sind nicht bekannt. Doch können wir aus den Daten eines anderen bekannten Jüngers des Hsüan-su namens Fan-chin, auch Taochin (714 - 792), mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Zeit Fa-hais schließen. Yanagida meint, es sei nicht anzunehmen, dass er Hui-neng besucht habe, aber wahrscheinlich war er Shen-hui oder zumindest dessen Jüngern bekannt. Siehe ebd. 21 Über die Beziehungen zwischen den buddhistischen Schulen und Meistern in Südchina vgl. Shoki, S. 195 - 209. 22 Zuerst als Hypothese formuliert, dann begründet von Yanagida, Shoki, S. 183, 189 ff. 23 Ebd., S. 191. 24 Ebd., S. 204. So das Ergebnis der von Yanagida aufgrund hypothetischer Vermutung unternommenen Forschung. 25 Siehe zum Folgenden Shoki, S. 253 f. 26 Gemäß der Zen-Chronik Rekidai Hôbôki verfasste Wei Ch ’ ü eine Inschrift für den sechsten Patriarchen, die später ausgelöscht wurde. Das Hochsitzsutra erwähnt die Errichtung eines Gedenksteins für Hui-neng durch den Gouverneur des Bezirks Shao-chou Wei Ch ’ ü (Nr. 54). Siehe Yampolsky, S. 182. 27 Über die verschiedenen Formen der Patriarchenliste und deren Entwicklung handelt Yampolsky ausführlich, siehe bes. die Tabellen S. 8 f., 102. 28 Yanagida betont selbst wiederholt den hypothetischen Charakter seiner Ergebnisse. Sein Gesamtbild veranschaulicht überzeugend die netzartige Verknüpfung der buddhistischen Schulen während der bewegten Zeit des Umbruches. 29 Im folgenden vierten Kapitel seiner Darstellung handelt Yanagida über «das Fortschreiten der Weitergabe der Leuchte im Zen der Patriarchen». 30 Das Buch ist in China nicht mehr vorhanden. Sô Kôsôden und Keitoku Dentôroku geben den Verfassernamen Ling-t ’ ao an. Der verkürzte Titel findet sich in der japanischen Edition von 1762. Siehe Yampolsky, S. 70. Neu ediert ist die Schrift in dem anspruchsvollen Werk Enô Kenkyû (mit dem Untertitel «Grundlagenstudien zu Biographie und Quellen Hui-nengs», 657 S. plus 24 S. Indices und engl. Inhaltsverzeichnis), herausgegeben von der Vereinigung für die Erforschung der Zen-Geschichte der Komazawa-Universität Tokyo 1978, mit Einführung und Kommentar versehen. Die Schrift ist in 50 Abschnitte eingeteilt. Die Zitate im Folgenden sind nach diesem Text übersetzt und nummeriert (Abk. Enô Kenkyû). Die früh entstandene Anmerkungen zu Seiten 143 - 146 379 Schrift kann ebensowenig wie die anderen Quellen zur Biographie Hui-nengs Anspruch auf Geschichtlichkeit machen. 31 Über die Entstehung des Rekidai Hôbôki und die Schule des Chih-hsien handelt Yanagida in vier Abschnitten, siehe Shoki, S. 278 - 334. Das Rekidai Hôbôki entstand wahrscheinlich nicht lange nach dem Tod des Wu-chu (714 - 774), des vierten in der Reihe nach Chih-hsien, über den die zweite Hälfte der Schrift handelt. Die Chronik wurde von Yanagida herausgegeben, ins moderne Japanisch übersetzt und kommentiert in: Shiki no Zenshi II, Zen no Goroku 3 (Tokyo 1976), siehe auch seinen Essay: The Li-tai fa-pao and the Ch ’ an Doctrine of Sudden Awakening, in: Early Ch ’ an in China and Tibet, S. 13 - 49. 32 Shoki, S. 283. 33 Shoki, S. 281, 285. Yampolsky handelt über die Schule des Chih-hsien und erzählt die Geschichte vom Gewand (S. 41 - 45). 34 Man kann dieses auch «Südschule» im weiten Sinne nennen. 35 Das Tempelkloster konnte nicht festgestellt werden. Über die Versuche der Identifizierung siehe Yampolsky, S. 93. 36 Kôkôji Eihatsu Tôki (chin. Kuang-hsiao ssu i-fa t ’ a-chi). 37 Enô Kenkyû, S. 95. 38 Ch ’ üan Tang wen, Kap. 912, XIX, 11996. 39 Shoki, S. 212, vgl. S. 206. Edition im Anhang S. 535 - 538. Yanagida bemerkt, dass eine neue Pagode am gleichen Ort 1636 errichtet wurde. Über Fa-ts ’ ai ist sonst nichts bekannt. 40 Dieser Umstand lässt Yampolsky am Quellenwert der Inschrift zweifeln. Er meint, sie sei «von später Entstehungszeit und nicht von genügender geschichtlicher Gültigkeit, um als Quelle für Hui-nengs Biographie benutzt zu werden». Siehe S. 65. 41 Ediert und annotiert von Yanagida in Shoki, S. 539 - 558. Yampolsky berichtet ausführlich über die Inschrift, siehe S. 66 ff. 42 Die in der genannten frühen Inschrift am Tempelkloster Hôshôji erwähnte Einladung der Kaiserin Wu oder des Kaisers Chung-tsung sollen Shen-hsiu und Hui-an veranlasst haben. Yampolsky zeigt die Unglaubwürdigkeit dieser Nachricht. Siehe S. 65, vgl. S. 31. 43 Das Werk Enô Kenkyû beginnt die Erforschung der Biographie Hui-nengs mit einer Liste von 18 grundlegenden Texten und deren Untersuchung, S. 84 - 93. 44 Über die «Reden Shen-huis» (chin. Shen-hui yü-lu, jap. Jinne Goroku) gibt es einige Literatur. Zuerst sind die Übersetzungen von Gernet ins Französische und von Liebenthal ins Englische zu nennen. Nach Yanagida, der sich auf Hu Shih bezieht, ist der älteste in Tun-huang aufgefundene Text das Manuskript No. 6557 der Sammlung Stein (im British Museum, London), es folgt das Manuskript No. 3047 der Sammlung Pelliot (in der Bibliothèque Nationale, Paris), an dritter Stelle ein von M. Ishii photokopiertes Manuskript mit Hinzufügungen (die Generationsliste der Patriarchen und eine Biographie Hui-nengs). Das Manuskript P. 3047 wurde durch Hu Shih kritisch ediert (1930), der Ishii-Text durch Suzuki und Kôda (1934). Über die Editionen und Literatur zu den Reden Shen-huis berichten Miura und Sasaki in Zen Dust, S. 392ff, Yampolsky datiert nach eindringlicher Untersuchung die Schriften Shen-huis zwischen 732 und 756, was jedoch spätere Änderungen und Verbesserungen durch Shen-huis Jünger nicht ausschließt. Eine erhaltene Abschrift des Ishii-Textes trägt das Datum 791. Siehe Yampolsky, S. 67 f. (Anm. 24). Yanagida hält die Hui-neng- Biographie in den Reden Shen-huis für «das älteste Material zur Biographie Hui-nengs». Siehe auch Shoki, S. 185 - 188. 45 Shoki, S. 248. 46 Nr. 12, Enô Kenkyû, S. 31. 47 Der chinesisch-japanische Ausdruck übersetzt den Terminus aus dem frühbuddhistischen Schrifttum; er ist bis heute in Japan gebräuchlich. 380 Anmerkungen zu Seiten 146 - 150 48 Die Ausdrücke zazen und in gleicher Bedeutung zenjô bedeuten im frühen Schrifttum Meditation im weiten Sinn. 49 Nr. 12, S. 26 f. Die Episode von der Verfolgung durch Ming erzählt auch das 23. Beispiel der Kôan-Sammlung Mumonkan. 50 Vgl. die ausführliche Zeittafel in Enô Kenkyû, S. 631 - 646; darin die Lebensdaten Hui-nengs mit Angabe der betreffenden Schriften. 51 Die Strophe findet sich so in allen späteren Texten des Hochsitzsutras des sechsten Patriarchen. Zu nennen sind vorab zwei Texte aus der Sung-Zeit, nämlich der Kôshôji-Text, so genannt nach dem Fundort, dem Tempelkloster Kôshôji in Kyoto (veröffentlicht von Suzuki und Kôda unter dem Titel Kôshôji-bon Rokuso Dankyô), und der Daijôji-Text, aufgefunden im Tempelkloster Daijôji in Kaga (veröffentlicht durch die Komazawa-Universität Tokyo), ferner der in späterer Zeit maßgebende Yüan-Text. Nur der Tun-huang-Text bringt die Strophe in anderer Form, mit zwei Versionen: «Es gibt ursprünglich keinen Baum der Erleuchtung, Noch einen Ständer mit klarem Spiegel. Buddha-Natur ist immer lauter und rein, Wo ist da Raum für Staub? » Und leicht verschieden: «Der Geist ist der Baum der Erleuchtung. Der Leib ist der Ständer des klaren Spiegels. Der klare Spiegel ist ursprünglich lauter und rein Wo wird er von Staub befleckt? » Der Unterschied der dritten Verszeile springt in die Augen. In den Strophen des Tun-huang- Textes fehlt das «Nicht», die im Zen entscheidend wichtige Negation. Yanagida macht auf die Ähnlichkeit der zweiten Version der Strophe im Tun-huang-Text mit den Versen Shen-hsius aufmerksam und hält die Änderung der dritten Zeile in die radikal negative Aussage für bedeutsam. Siehe Shoki, S. 262. Suzuki übersetzt die Zeile: «Von Anbeginn existiert nichts», «sie ist», wie er glaubt, «eine in das Lager Shen-hsius geworfene Bombe» (Zen - Lehre vom Nicht-Bewusstsein, München-Planegg 1957, S. 21). 52 Nr. 23, Enô Kenkyû, S. 36 f. Gemäß dem Tun-huang-Text des Hochsitzsutras war Hui-ming ein Mann von rauem und heftigem Temperament, der Hui-neng zuerst bedrohte, aber als dieser ihm den Dharma überlieferte, die Erleuchtung erlangte. Auch im Beispiel 22 der Kôan- Sammlung Mumonkan erfährt der Mönch Ming beim Gespräch mit dem sechsten Patriarchen die Erleuchtung. In den Reden des Shen-hui ist die legendäre Geschichte von der Verfolgung des Hui-ming erzählt. Die Biographie eines anderen Hui-ming findet sich im Sô Kôsôden (T. Bd. 50, S. 756 b). Yanagida vermutet, dass Akteure der frühen Legende manchmal den Namen späterer, Shen-hui bekannter Personen tragen, gleichsam wie «Schatten» in die Vergangenheit zurückgeworfen sind. Siehe Shoki, S. 191, 198 ff. 53 Nr. 25, Enô Kenkyû, S. 38. Diese Episode bietet das Beispiel für Kôan 29 des Mumonkan. 54 Vgl. zum Folgenden Shoki, S. 225 ff. 55 Nr. 26, Enô Kenkyû, S. 40. 56 Yanagida nennt die häufigen Namensänderungen der Tempelklöster eine «Spezialität» der «Besonderen Überlieferung». Das Tempelkloster Hôrinji wurde zuerst in Chûkôji (chin. Chung-yü ssu), dann durch kaiserlichen Erlass in Hôsenji (chin. Fa-ch ’ üan ssu) umbenannt, Huinengs altes Wohnhaus in Hsin-chou wurde zu einem Tempel mit Namen Kokuonji (chin. Kuoen ssu) gestaltet. Siehe Nr. 32 und 33, Enô Kenkyû, S. 48. Darüber ausführlich Shoki, S. 232 ff. 57 Nr. 45. Die Liste beginnt mit Fa-hai (über ihn siehe oben) und endet mit Shen-hui. Die acht Namen dazwischen sind biographisch unbekannt. Siehe Yampolsky, S. 170, 163, 165, 168. 58 Nr. 38 ff., Enô Kenkyû, S. 50 ff. Anmerkungen zu Seiten 150 - 155 381 59 Bei der Übersetzung des verderbten Textes nahmen Yampolsky und Chang auch spätere Textgestalten, besonders den Kôshôji-Text zu Hilfe. 60 Die Schrift (datiert 801) stellt, wie Yanagida im letzten Kapitel seines Werkes über die Frühgeschichte des Zen-Buddhismus in China darstellt, «die Vollendung des Zen der Patriarchen» dar (Shoki, S. 351 - 418). Von einem unbekannten Mönch namens Chih-chü kompiliert, sammelt das Hôrinden viel Material und «gewann allgemeine Anerkennung» als «die offizielle Version des Ch ’ an». So Yampolsky, der den Inhalt der zehn Bücher, von denen sieben (nämlich 1 - 6, 8) erhalten sind, beschreibt (S. 47 - 51). Die Schrift fixiert endgültig die Linie der 7 Buddhas und 28 indischen Patriarchen. Hui-nengs Biographie befindet sich im bisher nicht aufgefundenen letzten Buch. Ein Manuskript von Buch 6 wurde in einem japanischen Tempelkloster durch D. Tokiwa verifiziert (siehe seine Studie in Shina Bukkyôshi no Kenkyû Bd. II, Tokyo 1943, S. 203 - 326). Yanagida veranstaltete eine mimeographische Edition der aufgefundenen Teile des Hôrinden. 61 Er ist der fünfte Nachfolger Shen-huis in der Kataku-Schule des Zen. Von seinen zahlreichen Werken ist für die Zen-Geschichte wichtig außer dem genannten Zemmon Shishi Shôshûzu die Schrift Zengen Shosen Shûtojo (chin. Ch ’ an-yüan chu-ch ’ üan-chi tu-hsü, T. No. 2015, Bd. 48); beide Schriften wurden von Ui japanisch mit Kommentar ediert. 62 Koreanisch: Chodang chip. Die Schrift kam nach Vollendung der Kompilation nach Korea; in China wurde sie nicht gedruckt; sie enthält wichtiges Material zur Zen-Geschichte, das die chinesischen Chroniken nicht aufbewahrten. Siehe Zen Dust, S. 352 f. 63 T. No. 2061, Bd. 50, S. 754 b - 755 c. 64 Fa-ju. Hu Shih betrachtet das chinesische Zen von Bodhidharma bis Shen-hsiu und P ’ u-ch ’ i als einheitliche La ṅ kâvatâra-Schule. 65 Siehe Suzuki, Zen - Lehre vom Nicht-Bewusstsein, S. 24. 66 Siehe J. Gernet, Entretiens du Maître de Dhyâna Chen-houei Kuan I, 23, S. 45 f. 67 Vgl. die ausdrückliche Bezugnahme auf die berühmte Stelle aus dem Vimalakîrti-Sutra im Tun-huang-Text des Hochsitzsutras Nr. 17. 68 Vor Haften an der Reinheit warnt das Sutra z. B. im Abschnitt Nr. 18. 69 Nr. 38, Enô Kenkyû, S. 50. 70 Für Suzuki sind die beiden Ausdrücke gleichbedeutend, siehe a. a. O., S. 28. Der englische Titel seines Buches lautet The Zen Doctrine of No-Mind, im Deutschen nicht ganz zutreffend übersetzt mit «Nicht-Bewusstsein». Auch Gernet hält die Ausdrücke munen für äquivalent, ausgenommen wenn mushin die Sanskritworte acitta oder acittaka wiedergibt. Er übersetzt munen mit «absence de pensée». Siehe a. a. O., I, 5, S. 12, bes. Anm. 5. Vgl. den Abschnitt über «No-Mind: The Response to Mu» in T. P. Kasulis, Zen Action/ Zen Person, Hawaii 1981, S. 43 - 48. 71 Gernet, a. a. O., I, 12, S. 31, vgl. S. 48 Anm. 2. 72 Gernet, a. a. O., I, 29, S. 55. 73 Vgl. Gernet, ebd. 74 Gernet, a. a. O., I, 20, S. 43. 75 Gernet, a. a. O., I, 7, S. 23 f. Er verweist auf einen Passus im MahâPrajñâpâramitâ-śâstra (franz. Übersetzung von E. Lamotte Bd. II, S. 727 f.) sowie auf das taoistische Denken (mit Berufung auf Granet, La Pensée Chinoise, S. 526 f.) 76 Gernet, a. a. O., I, 12, S. 32, Anm. 4 über die Bedeutung des Spiegelmotivs bei den taoistischen Philosophen mit weiterer Literatur zum Thema. 77 Suzuki betont: «Hui-nengs Unbewusstes unterscheidet sich . . . grundlegend vom Unbewussten des Psychologen. Es hat einen metaphysischen Sinn.» a. a. O., S. 58, vgl. S. 54 ff. 78 Gernet, a. a. O., I, 6, S. 20. 79 Buch 28, T. Bd. 51, S. 437 c, vgl. Shoki, S. 161 ff. 382 Anmerkungen zu Seiten 155 - 164 80 Der chinesisch-japanische Ausdruck bedeutet wörtlich «außerhalb des Weges», er bezeichnet die Lehre eines Nicht-Buddhisten. Dôgen setzt sich im Buch von der Buddha-Natur (Busshô) des Shôbôgenzô mit der Ansicht des Sennigedô auseinander. 81 Nach Yanagidas Ansicht könnte Chih-tao, ein Jünger Hui-nengs, Veränderungen im Hochsitzsutra des sechsten Patriarchen vorgenommen haben. Siehe Shoki, S. 165. 82 Zitiert ebd., S. 163. 83 Keitoku Dentôroku Buch 5, T. Bd. 51, S. 239 b; Shoki, S. 164 f. 84 Er soll so zu Hui-ming gesprochen haben, als er ihm den Dharma erklärte. Das Wort findet sich nicht im Tun-huang-Text, wohl aber in späteren Versionen des Hochsitzsutras. Im 23. Kôan des Mumonkan steht es im Titel und an hervorragender Stelle im Beispiel, siehe deutsche Übersetzung, S. 95 f. 85 Deutsche Übersetzung von Karl Eugen Neumann, siehe Yanagida, a. a. O., S. 272 ff. 86 Vgl. meinen Aufsatz über Reue und Reueriten in der Festschrift Gershom Scholem, Jerusalem 1967, S. 117 - 128, dort weitere Literatur, bes. S. Dutt, Early Buddhist Monachism (indische Ausgabe, Bombay 1960) und M. W. de Visser, Ancient Buddhism in Japan I (Leiden 1935). 87 Gernet, a. a. O., I, 38, S. 66, Aussage im Gespräch mit dem Gozu-Meister Yüan, mit Berufung auf das Nirvâ ṇ a-Sutra, vgl. Shoki, S. 167 ff. 88 Die letzte Entfaltung bei Dôgen im Buch von der Buddha-Natur. 89 Auch Tsung-mi erzählt den Besuch des 13-jährigen Shen-hui bei Hui-neng. Siehe Gernet, Biographie du Maître Chen-houei de Ho-tsö, S. 34 - 38. 90 Nr. 29, Enô Kenkyû, S. 42 f. 91 Der Tun-huang-Text des Hochsitzsutras erzählt die erste Begegnung und das Gespräch Shenhuis mit Hui-neng, Nr. 44. Shen-huis Alter ist nicht angegeben. Er hat keine Erleuchtungserfahrung, sondern bleibt nach dem Gespräch als Jünger im Dienst Hui-nengs bis zu dessen Tod. 92 Shoki, S. 166 f. 93 In der Biographie Shen-huis Anm. 4 zu S. 32. Das Zitat aus den Reden Shen-huis siehe Gernet, Entretiens, I, 48, S. 72. V Die Zen-Bewegung nach Hui-neng 1 Vgl. auch zum Folgenden Shoki, S. 215 f. 2 Zitiert in Shoki, S. 216, das Epitaph siehe Ch ’ üan Tang wen, Kap. 587, XII, 7535. 3 Shoki, S. 216, 218. 4 In der Spruchsammlung des Kuei-shan Ling-yu T. No. 1989, Bd. 47, S. 580 b,c. Über das «Zen der Patriarchen» (Soshizen) s. den 1. Abschnitt des Kap. 4 der Studien über die Schriften der Frühgeschichte des Zen von Yanagida, S. 213 - 218. Der Terminus Tathâgata-dhyâna (jap. Nyoraizen) ist offenbar aus dem Laṅkâvatâra-Sûtra übernommen. Doch hält Yanagida die Ansicht, Bodhidharmas Zen beruhe geschichtlich auf dem Nyoraizen des Laṅkâvatâra-Sûtra, für einen Fehlschluss (S. 317, Anm. 1). Shen-hui vertrat, wie es scheint, als Erster die Auffassung, Bodhidharmas Meditation sei gleich dem Tathâgata-dhyâna des Laṅkâvatâra- Sûtra gewesen, und machte Bodhidharma zum Patriarchen des Nyoraizen, das er indessen im Sinne der Lehre von der Vollkommen Weisheit erklärte. 5 Shoki, S. 106, vgl. S. 103 ff., ferner S. 452; siehe auch Chûgoku Zenshûshi, S. 46. 6 Gernet, Entretiens du Maître de Dhyâna Chen-houei du Ho-tso (Kiuan II, 160), S. 82 f., auch Shoki, S. 104. 7 Zitiert in Shoki, S. 451; vgl. Gernet, a. a. O. (Kiuan I, 29), S. 55 f. 8 Siehe Shoki, S. 214. 9 Ebd., S. 490. Anmerkungen zu Seiten 164 - 171 383 10 Zitiert ebd., S. 215. 11 Der Spruch ist exemplarisch und wird in der späten Zen-Literatur öfters angeführt, z. B. auch in Keitoku Dentôroku, T. Bd. 51, S. 283 b. 12 Shoki, S. 110, vgl. den Abschnitt über die Südschule (Nanshû to wa nani ka) im 3. Kap., S. 117 - 126. 13 Ebd., S. 117 ff. 14 So meint Yanagida. Über Ching-chüeh und die Chronik der La ṅ kâvatâra-Meister siehe 2. T., III im Abschnitt über die Nordschule. 15 T. Bd. 50, S. 666 b, vgl. dazu Shoki, S. 118 f. 16 Ebd., S. 120. 17 Ebd., S. 122. 18 Über die Beziehung zwischen «Südschule» und Weisheitslehre siehe Shoki, S. 119 - 125. 19 In der Schrift Engakukyô Daishoshô (chin. Yüan-chüeh ching ta-shu ch ’ ao, Z. I, 14,3, 277 b - 280 a), zusammengefasst von Yampolsky, S. 46 f. 20 Yampolsky nennt die Schule des Chih-hsien die «Schule von Szechuan» nach dem Namen der Provinz im Süden. Über diese Schule handelt ausführlich das Rekidai Hôbôki (s. 2. T., IV). 21 Yanagida gibt eine mögliche Generationslinie des Tsung-mi an, die nicht auf den Shen-hui aus der Kataku-Schule, sondern einen anderen Buddha-Mönch gleichen Namens zurückgeht. Tsung-mi selbst habe seine Herkunft von dem berühmten Jünger Hui-nengs abgeleitet, siehe Shoki, S. 336. Über die Verbindung von Zen und Kegon in Tsung-mis Lehre siehe S. 426 ff., vgl. S. 456. 22 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 266 ff. Frühe Biographien in Sô Kôsôden (T. Bd. 50, S. 762 b - 763 b und Sodôshû, vgl. 2. T., IV). 23 Ein anderes Kôan bezüglich des Landesmeisters in Mumonkan Nr. 17. 24 Deutsche Übersetzung des Beispiels in Bi-yän-lu I, S. 319 - 340, Zitat S. 319. 25 Vgl. die ausführliche, tiefschürfende Erklärung des Beispiels durch Gundert. 26 Bi-yän-lu I, S. 326. 27 T. No. 2014, ferner im letzten Buch des Keitoku Dentôroku, T. Bd. 51, S. 460 a - 461 b, freie deutsche Übersetzung bei Ôhasama/ Faust, S. 71 - 91 (mit Anmerkungen), englische Übersetzung von Suzuki (in: Manual of Zen Buddhism, Kyoto 1935 S. 106 - 121), kommentierte wissenschaftliche englische Übersetzung mit Einleitung von Walter Liebenthal in MS, Bd. VI (1941), S. 1 - 39, engl. Übersetzung mit Kommentar von Charles Luk (Lu K ’ uan Yü), Chan und Zen Teaching, 3 Serie, S. 103 - 145. 28 Shoki, S. 466. Die Bezeichnung «Höchstes Fahrzeug» (saijôjô), die das Zen für sich in Anspruch nimmt, bedeutet das Übersteigen der Unterscheidung von «großem» und «kleinem» Fahrzeug (Yanagida, ebd.). 29 Sô Kôsôden, T. Bd. 50, S. 764 a (in der Biographie des Shih-t ’ ou), der Passus findet sich auch im Keitoku Dentôroku (Bd. 6) und öfters. 30 Die umfassende Prophezeiung enthält eine Anzahl bedeutender Namen der frühen Zen- Geschichte, darunter auch die Namen von Ma-tsu und (als 13. und letzten) den des Shih-t ’ ou. In: Sodôshû, zitiert in Shoki, S. 356 ff., englische Übersetzung bei J. C. H. Wu, The Golden Age of Zen (Taipei 1967), S. 91. 31 In der mimeographischen Ausgabe (Kyoto o. J.) Bd. IV, S. 33 - 44, kompiliert 952. 32 T. Bd. 50, S. 766 a-c. Das Sô Kôsôden, kompiliert von Tsan-ning (919 - 1001), ist eine wichtige Geschichtsquelle, enthält Biographien von 532 buddhistischen Mönchen, 125 mehr sind namentlich erwähnt. 33 T. Bd. 50, S. 766 a. Die deutsche Übersetzung folgt der japanischen Wiedergabe von Yanagida (Shoki, S. 336). 34 Ebd., S. 337. 384 Anmerkungen zu Seiten 171 - 177 35 Engakukyô Daishôshô, siehe Shoki, S. 338; auch in einer Liste des Keitoku Dentôroku sind Wuhsiang und Ma-tsu zusammen aufgeführt, s. ebd. 36 Ebd., S. 337. Das Epitaph des Ch ’ üan Te-yü findet sich in Ch ’ üan Tang-wen, Kap. 501 (XI, 6466 - 67). 37 Tsung-mi hat eine unterschiedliche Generationsfolge; die Angaben von Rekidai Hôbôki verdienen nach Yanagida den Vorzug (Shoki, S. 283 f.). 38 Keitoku Dentôroku (Bd. 6), T. Bd. 51, S. 245 c. 39 Keitoku Dentôroku (Bd. 5), T. Bd. 51, S. 240 c. 40 Zitiert in Shoki, S. 410. 41 Keitoku Dentôroku (Bd. 6), T. Bd. 51, S. 246 a. 42 Ma-tsu machte, indem er sich auf das Laṅkâvatâra-Sûtra stützte, «den Geist des Buddha- Wortes zur Lehre und das Nicht-Tor zum Tor des Dharma». Er bediente sich des Sutras auf eine völlig neue Weise. Siehe Shoki, S. 408, 410. 43 Siehe oben die Sätze über die Identität der drei Welten mit dem Geist und des Universums mit dem Einen Dharma. Dagegen berührt das berühmte Kôan 73 des Hekiganroku, in dem ein Mönch den Großmeister Ma bittet, «unabhängig von den vier Aussagen und hundert Verneinungen» das Wesen der Erleuchtung zu zeigen, die Philosophie vom Mittleren Weg. Ma-tsu gibt eine echte Kôan-Antwort: «Ts ’ angs Kopf ist weiß, Hais Kopf ist schwarz.» Das Wort vom «Weiß» und «Schwarz» der Köpfe der zwei Mönche blieb eine Perle der Zen- Literatur. 44 Spruchsammlung des Zen-Meisters Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan, im Sammelwerk Kosonshuku Goroku (chin. Ku-tsun-su yü-lu) (kompiliert von Chüeh-hsin während der Sung-Zeit). Siehe The Development of Chinese Zen, S. 56 f. 45 Beispiel Nr. 3. Wie Gundert annimmt, fällt das Gespräch, von dem das Beispiel berichtet, in die letztenTage des Lebens des Großmeisters Ma. Siehe Bi-yän-lu I, S. 95. 46 Ebd., S. 97. Vgl. die Ausführungen Gunderts zum Verständnis des Beispiels und des Gesangs, S. 95 - 101. 47 Bd. I, S. 147 - 155. 48 T. Bd. 50, S. 763 c - 764 a. Eine Kurzbiographie des Shih-t ’ ou siehe in Zen Dust, S. 300 ff. 49 Keitoku Dentôroku (Bd. 14), T. Bd. 51, S. 309 b. Siehe englische Übersetzung in Zen Dust, S. 301 f. 50 Keitoku Dentôroku (Bd. 30), T. Bd. 51, S. 459 b. 51 Ebd., S. 461 c. 52 Siehe Zen Dust, S. 302. Über die «Fünf Stufen» s. 2. T., VII. Die zwei Lehrgedichte dokumentieren die Vorliebe des Shih-t ’ ou für die Bergeinsamkeit. Er nennt Buddha in der Schrift Sandôkai den «Großen Einsiedler» (daisen). In dieser Linie entstanden zwei weitere Dichtwerke, nämlich Rakudôka («Lied von der Freude des Weges»), verfasst von Tao-wu Yüanchih (769 - 835), einem Jünger von Shih-t ’ ous Dharma-Erben Yüeh-shan Wei-yen (751 - 834). Das Wort Rakudôka wird auch für die Gattung dieser Art von Zen-Dichtung gebraucht. Im gleichen Kreis wurden die Verse des Hôkyô Zammai (Lied vom Samâdhi des Juwelenspiels) ausgeformt und weitergegeben. Diese Verse sind mit dem Namen des Yün-yen T ’ an-sheng (780 - 841), eines anderen Jüngers des Yüeh-shan, verknüpft, von dem die Linie zu den Begründern der Sôtô- (chin. Ts ’ ao-tung-)Schule (s. Kap. VII) weiterführt. Siehe Chûgoku Zenshûshi S. 60 f. Die Männer der Shih-t ’ ou-Linie zeigen eine Hinneigung zu Einsiedlertum und Bergeinsamkeit. Yanagida sieht darin ein Charakteristikum dieser Linie im Vergleich zu der des Ma-tsu, in der sich die kommunitäre Lebensweise (Pai-chang! ) entwickelte, vgl. Shoki, S. 480 f., ferner Chûgoku Zenshûshi, S. 60 f. 53 Kigen kikô, siehe The Development of Chinese Zen, S. 10, 52. 54 Ruth F. Sasaki übersetzte den deutschen Untertitel «Die Hochblüte des Ch ’ an während der T ’ angzeit» mit «The Golden Age of Zen during the T ’ ang Era» (The Development of Chinese Zen, Anmerkungen zu Seiten 177 - 182 385 S. 3). Die treffende Bezeichnung wurde aufgegriffen. Über die weit verzweigten Generationslinien der Meister jener Tage geben Tabellen Aufschluss. Vgl. auch den geschichtlichen Teil meiner Einführung zur deutschen Übersetzung des Mumonkan S. 12 ff. 55 Die Spruchsammlung des Chao-chou (jap. Jôshû Shinsai Zenji Goroku, auch Jôshû roku) in 2 Bänden (Entstehungsdatum unbekannt) ist in das Sammelwerk Kosonshuku goroku aufgenommen. Eine kurze Biographie geht dem Text voraus. Vgl. Zen Dust, S. 344. 56 Mumonkan, Beispiel Nr. 14. 57 Spruchsammlung des Chao-chou, siehe The Development of Chinese Zen, S. 12, 59. 58 Ebd., S. 12, 60. 59 Ebd., S. 12, 61. 60 Mumonkan, Beispiel Nr. 7. 61 Hekiganroku, Beispiel Nr. 9. Über das Beispiel, überschrieben «Die vier Tore von Chao-chou», siehe Bi-yän-lu I, S. 199 - 209. 62 Beispiel Nr. 19, deutsche Übersetzung S. 84 - 86. 63 Im Kommentar zum Mumonkan Zen-no Shinzui-Mumonkan, S. 145, zitiert in der deutschen Übersetzung, S. 85. 64 Mumonkan, Beispiel Nr. 1. 65 Übersetzung von Gundert, Bi-yän-lu I, S. 61. 66 Mumonkan, Beispiel Nr. 28. 67 Gotô Egen (Bd. 7), siehe The Development of Chinese Zen, S. 8, 47. 68 Rentô Eyô (Bd. 20), siehe ebd., S. 8 f., 48. 69 Ebd., S. 9, 49. 70 Mumonkan, Beispiel Nr. 13. 71 Biographie in Zen Dust, S. 291 - 294, Zitat S. 293. 72 Mumonkan, Beispiel Nr. 3. 73 Siehe den Aufsatz von H. Nakamura Zen ni okeru seisan to kinrô no mondai (Die Frage von Produktion und Arbeit im Zen) in ZB (1955, I, 2, S. 27 - 35; 3, S. 7 - 15). 74 Nakamura sieht eine Ironie in der Tatsache, dass gerade die chinesischen Zen-Mönche, die die Losschälung in allen Dingen am weitesten vorantrieben, ein produktives, gesellschaftsförderndes Gemeinschaftsleben der Arbeit entwickelten. Er schätzt den religiösen Wert der menschlichen Arbeit und löst die moralische Frage, die das frühbuddhistische Verbot solcher Landarbeit impliziert, im Sinne der Zen-Praxis. Vgl. bes. 2, S. 33 ff. 75 T. No. 2025, Bd. 48. Über Pai-changs Schriften siehe die Einleitung zur Übersetzung Records of the Life of Ch ’ an Master Pai-chang Huai-hai (EB, Bd. VIII, No. 1, Mai 1975, S. 42 - 73) von Yi T ’ ao-t ’ ien. Die frühe Fassung der Regeln Pai-changs ist in der Grabinschrift des Ch ’ en Hsü für Pai-chang erwähnt (s. S. 42 f.). In Keitoku Dentôroku (Bd. 6) ist eine Bemerkung Pai-changs überliefert, in der er sagt, er habe bei der Abfassung seiner Regeln keine Erneuerung des traditionellen Mahâyâna- oder Hînayâna-Vinaya beabsichtigt, noch auch etwas völlig Neues schaffen wollen, vielmehr den überkommenen Geist anzupassen gesucht. Siehe in T. Bd. 51, S. 251 a, zitiert in Chûgoku Zenshûshi, S. 59 f. 76 Vielleicht hat schon Hui-chung (683 - 769), der sechste Nachfolger in der Gozu-Schule, eine Dharma-Halle gebaut, die jedoch kaum der Mönchshalle oder Meditationshalle im Zen völlig entsprochen haben dürfte. Siehe Shoki, S. 480 ff. und zugehörige Anmerkungen. - Die Mönchshalle hatte einen tugendhaften, älteren Mönch (jap. chôrô) zum Vorsteher, den die Jünger wie einen «lebenden Buddha» achteten. Siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 60. 77 Siehe dazu D. T. Suzuki, The Training of the Zen Buddhist Monk (Kyoto 1934), ferner jüngst E. Nishimura (mit Zeichnungen von G. Sato), Unsui - A Diary of Zen Monastic Life (Honolulu 1973). 386 Anmerkungen zu Seiten 182 - 186 78 Es geht in dem Beispiel um die Frage, ob ein Erleuchteter von großer Übung noch durch (das Gesetz von) Ursache und Wirkung gebunden ist. Ein Mönch hatte einem Übenden auf diese Frage geantwortet, ein solcher sei nicht gebunden, und war darob der Strafe verfallen, fünfhundertmal im Fuchsleib geboren zu werden. Pai-chang antwortet dem Mönch, der, obgleich im Fuchsleib existierend, in der Gestalt eines Greises der Versammlung der Mönche beiwohnt: Man kann (das Gesetz von) Ursache und Wirkung nicht verdunkeln. Bei diesem Wort erfährt der Greis die große Erleuchtung und wird aus dem Dasein im Fuchsleib befreit. Beide Antworten, «Nicht gebunden» - «Nicht verdunkeln», treffen, so die Erklärungen der Zen-Meister, je eine Seite der Wirklichkeit. Der wahrhaft Erleuchtete, obgleich durch das Karma-Gesetz nicht gebunden, lebt in dieser Werdewelt frei gemäß dem Karma-Gesetz. Vgl. die erklärenden Bemerkungen in der deutschen Übersetzung, S. 40 - 44. 79 Keitoku Dentôroku (Bd. 6) T. Bd. 51, S. 250 a. Die wichtigste erhaltene Sammlung von Reden des Pai-chang, Hyakujô Kôroku findet sich im 3. Buch der «Sammlung von Vier Häusern» (s. 2. T., VI). Yi T ’ ao-t ’ ien gibt eine Liste von Sammlungen, die Material über Pai-chang enthalten (a. a. O., S. 44 f.). Er hat ausgewählte Texte ins Englische übersetzt. Pai-chang erscheint darin als «religiöses Genie» (S. 46), mit Hsi-t ’ ang Chih-ts ’ ang und Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan, «zwei anderen fortgeschrittenen Jüngern», zählt er zum Kern des Jüngerkreises des Ma-tsu (S. 47). Yi T ’ aot ’ ien übersetzt auch einen Text, gemäß dem Pai-chang Ma-tsus Dharma-Erbe wurde, wie die Tradition der Zen-Schule überliefert. Dies widerspricht nicht der tesson-Beziehung, von der die erste Anmerkung des folgenden Kapitels handelt. Yi T ’ ao-t ’ ien bringt viele beeindruckende Texte, die Pai-chang als markante Persönlichkeit ausweisen. 80 Zitiert in Zen Dust, S. 414. Über den Traktat vom «Eintreten in das Tao durch plötzliche Erleuchtung» (vollständiger Titel jap. Tonga Nyûdô Yômonron, chin. Tun-wu ju-tao yao-men lun), S. 413 ff. Dort auch biographische Angaben über Ta-chu Hui-hai und Beschreibung des Werkes. Englische Übersetzung von J. Blofeld, The Zen Teaching of Hui Hai on Sudden Illumination (London 1962). VI Lin-chi 1 Die besondere Bedeutung der vier Generationen tritt in der chinesischen Zen-Geschichte deutlich hervor. Yanagida beschreibt sie in Shoki, S. 430 - 432, und hebt hervor, dass diese vier ihren Standpunkt in den Spruchsammlungen (goroku) «Zen-Schule» nennen (S. 456). Die vier Generationen stehen im unmittelbaren Meister-Jünger-Verhältnis zueinander, wenn auch der Träger der Linie nicht immer der Hauptjünger des vorhergehenden Meisters ist. Diese auch sonst in der Zen-Überlieferung vorkommende Geschlechterfolge wird mit dem chinesischjapanischen Wort tesson (gemäß dem Lexikon Haga Kanwa Shin Daijiten, 120. Aufl. 1934, S. 651 kyôdai no unda otoko no ko, oi no ko, also ungefähr gleich Neffe) bezeichnet. So führt Hui-nengs Schule nicht sein Hauptjünger Shen-hui, sondern mit einem Sprung über Hui-nengs ziemlich unbekannten Jünger Nan-yüeh Huai-jan dessen Jünger Ma-tsu weiter. In ähnlicher Weise wird nicht Ma-tsus Hauptjünger Hsi-t ’ ang Chih-ts ’ ang (735 - 814, drei seiner Jünger waren Koreaner), sondern Pai-chang der folgende Dharma-Erbe. Von diesem geht die Linie wiederum unter Auslassung von Kuei-shan (771 - 835) zum Nebenjünger oder «Neffen» Huang-po und nun direkt zu Lin-chi. Über tesson handelt Yanagida ausführlich in Shinzoku Chôshi no Keifu (Neue Fortsetzung über die Geschlechterfolge der Weitergabe der Leuchte) in Zengaku Kenkyû (Studies in Zen Buddhism), No. 95 (Nov. 1978), S. 1 - 39. 2 Das Entstehungsdatum und der Name des Kompilators sind nicht bekannt. Beschreibung der sechsbändigen Schrift in Zen Dust, S. 406 f. 3 Gundert, Bi yän-lu I, S. 224. Gemäß dem Keitoku Dentôroku (T. Bd. 51, S. 249 c) sprach Paichang diese Worte, als er den Dharma dem Huang-po weitergab. Im Rinzairoku ist der Gedanke Anmerkungen zu Seiten 187 - 190 387 Kuei-shan, dem Hauptjünger des Pai-chang, in den Mund gelegt. Siehe Bericht der Pilgerreisen, Nr. 9. 4 Siehe Gundert, ebd. Das chinesische Schriftzeichen bedeutet anbrüllen, schreien usw. Wie die Chinesen diesen «unübersetzbaren Rufschrei» (Zen Dust, S. 83) artikuliert haben, wissen wir nicht. Das Schriftzeichen wird japanisch «Katsu» gelesen, dementsprechend der Schrei, einsilbig ausgesprochen, «katt» oder «khât». 5 Yanagida führt in seiner englischen Biographie des Lin-chi eingangs die folgenden Werke an: Sodôshû, Keitoku Dentôroku, Sô Kôsôden, Tenshô Kôtôroku, Denbô-Shôjûki und Gotô Egen, s. The Life of Lin-chi I-hsüan, in EB New Series Bd. 5, No. l (Mai 1972), S. 70. 6 Über die Entstehung des Textes des Rinzairoku handelt Yanagida in der Einleitung seiner kommentierten Ausgabe des Rinzairoku (Sammlung Butten Kôza), 1. Aufl. Tokyo 1972 (er brachte den Text schon vorher kommentiert heraus in Kunchû Rinzairoku Kyoto 1961). Beide Ausgaben beruhen auf der Textgestalt von 1120. Yanagida hält die Existenz eines früheren Textes für sicher. Die Einleitung befasst sich mit den wichtigsten textkritischen Fragen, S. 9 - 29. Textausgabe (mit Angabe der Varianten) siehe T. No. 1985, Bd. 47. 7 Über die Unterschiede in der Anordnung und die Hinzufügungen im endgültigen Rinzairoku im Vergleich zum Text im Tenshô Kôtôroku siehe Rinzairoku, S. 15 ff. Der Kompilator des endgültigen Textes von 1120 Yüan-chüeh Tsung-yen aus der Ummon-Schule ist repräsentativ für den Stil der Sung-Zeit. Auf seine Tätigkeit dürfte die heutige Form, die das Rinzairoku zu einer typischen «Spruchsammlung» (goroku) der Sung-Zeit macht, zurückzuführen sein. 8 Angaben (auch der folgenden Zitate aus dem Rinzairoku) nach der englischen Ausgabe von Ruth Fuller Sasaki: The Recorded Sayings of Ch ’ an Master Lin-chi Hui-chao of Chen Prefecture (Abk. Record), Kyoto 1975. Die Nummerierung der Abschnitte ist etwas verschieden in der englischen Übersetzung von Irmgard Schloegl, The Zen Teaching of Rinzai, Berkeley 1976. Beide Übersetzungen beruhen auf den Arbeiten am Rinzairoku im Kreis um Ruth Fuller Sasaki. Die ebenso zuverlässige französische Übersetzung von Paul Demiéville, Entretiens de Lin-tsi (Abk. Entretiens) (Paris 1972) zeichnet sich durch gute Kommentierung aus. Eine Übersetzung ins Deutsche steht noch aus. Meine deutschen Übersetzungen im Folgenden berücksichtigen die englische, französische und besonders verschiedene japanische Übersetzungen. (Nummern in Klammern folgen Record.) 9 In der englischen Biographie, S. 74. Ta-yü ist im Keitoku Dentôroku als ein Jünger des Chihch ’ ang, eines Jüngers des Ma-tsu angegeben. Huang-po, in seiner Bedeutung dem Pai-chang vergleichbar, steht in der ersten Linie der frühen Zen-Meister. Über seinen Zen-Stil unterrichtet eine Sammlung seiner Reden, bekannt als Enryôroku (chin. Wan-ling lu), kompiliert von seinen Jüngern, in einem Band (Ausgabe aus der Sung-Zeit in 3 Bänden). Die endgültige Ausgabe bildet das 5. Buch der «Sammlung von Vier Häusern». Über die Sammlung der Reden des Huang-po berichten Miura und Sasaki, Zen Dust, S. 362 f., englische Übersetzung in J. Blofeld, The Zen Teaching of Huang Po (London 1958). 10 Siehe englische Biographie, S. 74. 11 Zu Beginn des dritten Teiles «Bericht der Pilgerreisen», Nr. 1. Die Erleuchtungsgeschichte ist im Keitoku Dentôroku und im Tenshô Kôtôroku ziemlich gleich erzählt, aber an den Anfang des Berichtes über Lin-chi gestellt. Der Bericht ist jeweils in der dritten Person gehalten. Jünger oder Zeitgenossen erzählen über Lin-chi, so die stilistische Form des 2. und 3. Teils des Rinzairoku. 12 Kuei-shan (771 - 853) und Yang-shan (807 - 883), aus der Linie des Ma-tsu, sind als Begründer der Igyô-Schule bekannt. Im Zusammenhang des Rinzairoku bezeugen die zwei berühmten Zeitgenossen die Überlieferung des Dharma in der Linie der Huang-po und Ma-tsu an Lin-chi, der also zur Südschule gehört. Der Bezeugung dieses Umstandes kommt deshalb Bedeutung zu, weil die Rinzai-Schule infolge des langjährigen Aufenthaltes des Meisters und seiner Jünger 388 Anmerkungen zu Seiten 191 - 195 in Nordchina im Süden des Landes, dem Zentralgebiet des Zen, in Vergessenheit geraten sein konnte. Vgl. dazu Rinzairoku, S. 237. 13 Rinzairoku Kôwa, Tokyo 1980, S. 310. Die Ausgabe gibt den chinesischen Text, eine japanische Übersetzung und eine erklärende Unterweisung zu jedem Abschnitt. 14 Yanagida teilt die japanische Übersetzung der ganzen Stelle mit in seiner kommentierten Ausgabe des Rinzairoku, S. 238 f., eine Zusammenfassung in der englischen Biographie, S. 76. 15 In Rinzairoku, S. 239. 16 Siehe englische Biographie, S. 77. 17 Ebda., in Rinzairoku, S. 300: «bald nach Ende der Verfolgung». 18 Vgl. englische Biographie, S. 78. 19 Die Begegnung ist berichtet im 2. Teil des Rinzairoku, Kritische Unterscheidungen Nr. 17. Das Gespräch entwickelt sich ganz nach Kôan-Art: «Chao-chou besuchte, während er auf Pilgerreise war, den Meister. Der Meister wusch sich gerade die Füße. Chao-chou fragte ihn: ‹ Was bedeutet des Patriarchen Kommen vom Westen? › Der Meister sagte: ‹ Ich wasche gerade meine Füße. › Chao-chou trat näher und tat, als ob er höre. Der Meister sagte: ‹ Ich werde jetzt eine zweite Schüssel schmutzigen Wassers ausgießen. › Chao-chou entfernte sich.» Die Frage nach der Bedeutung des Kommens Bodhidharmas vom Westen ist eine beliebte Kôan- Frage, vgl. die Beispiele 5 und 37 der Sammlung Mumonkan. 20 Siehe Yanagida, englische Biographie, S. 85. 21 Zitiert bei Yanagida, ebd. Yanagida weist auf eine Predigt des Te-shan hin, die Reden des Linchi aufs Haar gleicht. Im Rinzairoku ist erzählt, wie Lin-chi seinen Jünger Lo-p ’ u zu Te-shan sandte, um diesen auszuforschen. Siehe Kritische Unterscheidungen, Nr. 11. 22 Siehe englische Biographie, S. 79 ff. 23 Vgl. die Ausführungen Yanagidas über den zeitgeschichtlichen Hintergrund Lin-chis in Rinzairoku, S. 285 ff. 24 P ’ u-hua tritt in den «Kritischen Untersuchungen» öfters auf, siehe Nr. 3, 4, 5, 6. In den Anmerkungen der englischen Übersetzung von Ruth Fuller Sasaki ist P ’ u-hua als ein Jünger des P ’ an-shan Pao-chi aus dem Jüngerkreis des Ma-tsu verifiziert. Er erregte Aufsehen durch sein exzentrisches Wesen und wurde als Patriarch einer P ’ u-hua-Schule geehrt. Siehe Record S. 82 (Anm. 177). 25 Siehe Yanagida, englische Biographie, S. 88 ff. Yanagida stützt sich für die Angaben über Hsinghua Ts ’ un-chiang auf die geschichtlich zuverlässige Grabinschrift für diesen, verfasst von Kung-ch ’ eng I. 26 Nr. 16 und Nr. 18. Über Ta-chüeh ist weiter nichts bekannt (Record, S. 84, Anm. 193); Ting vom obersten Sitz zählt zu Lin-chis Jüngern (ebd., Anm. 196). Das Gespräch zwischen Ting Shangtso und Lin-chi bildet das Beispiel Nr. 32 der Kôan-Sammlung Hekiganroku. 27 Siehe Yanagida, englische Biographie, S. 86. Er kommt vor im Rinzairoku, Kritische Untersuchungen Nr. 10, 11, 14. 28 Siehe Yanagida, englische Biographie, S. 87. 29 Darüber ausführlich bei Yanagida, englische Biographie, S. 88 f. 30 Yanagida zeigt, dass die widersprüchlich scheinenden Angaben der Grabinschrift für Hsinghua Ts ’ un-chiang und der Gedenkschrift nicht unvereinbar sind. Siehe englische Biographie, S. 88 - 93. 31 Siehe Yanagida, englische Biographie, S. 93. 32 Ebd. 33 Der Text des Rinzairoku ist, wie Yanagida bemerkt, in der Ausgabe des Yüan-chüeh Tsung-yen (1120) geglättet und im Stil der Sung-Zeit formalisiert, ganz gegen den Geschmack des Autors Lin-chi (Rinzairoku, S. 15). Trotzdem bleibt Tsung-yen das Verdienst, «als Erster den Text des Anmerkungen zu Seiten 195 - 200 389 Rinzairoku festgelegt zu haben». «Ohne intensive Untersuchung seiner Arbeit ist es unmöglich, das Studium Lin-chis und des Rinzairoku voranzubringen.» (S. 25). 34 Über die Form der goroku und Versuche der Übersetzung ins Japanische siehe Rinzairoku, S. 10 ff., über die Bedeutung der goroku innerhalb der chinesischen und buddhistischen Literatur ausführlich S. 310 - 313. «Goroku sind», so definiert Yanagida, «fragmentarische Berichte besonderer Gespräche real existierender Menschen.» Die Gesprächsform entspricht dem chinesischen Volkscharakter und findet sich schon in der klassischen chinesischen Literatur. Das Gesprächsthema in den goroku ist zufällig, vom Augenblick bestimmt, doch kommt es zu einem Sprechen mit dem konkreten Gegenüber. Die Einzigartigkeit der goroku des Zen liegt darin, dass sie das vielgestaltete Leben in den Zen-Klöstern widerspiegeln. In der Umgangssprache verfasst, setzen sie beim Leser keine besondere Bildung voraus und konnten deshalb über den Tempelraum und die Mönchsgesellschaft hinaus breite Volksschichten erreichen. - Japanische Gelehrte bemühten sich um die philologische Erforschung der chinesischen Umgangssprache jener Zeit. Besonders zu nennen sind die Arbeiten von Iriya Yoshitaka. - Demiéville erklärt die sprachliche Eigentümlichkeit dieser Texte daraus, dass hier lebendiges Wort in die Schriftform gebracht wurde, «eine wichtige Tatsache für die Literaturgeschichte: die schriftliche Wiedergabe der chinesischen Umgangssprache, so verschieden von der Schriftsprache wie die romanischen Sprachen vom mittelalterlichen Latein oder gesprochenes Indisch vom Sanskrit. Daher kommen auch die aggressiven Vulgärformen, diese hoch idiomatischen Wendungen, so auffällig bei Lin-chi, . . . die unglücklicherweise unserem ungenügenden Verständnis der gesprochenen Sprache der T ’ ang-Zeit oft entgehen . . .» (Vorwort zur franz. Übersetzung, Entretiens, S. 10). 35 Entretiens, S. 18. Vgl. den Artikel Les Entretiens de Lin-tsi, in Demiéville, Choix d ’ Etudes Bouddhiques (1929 - 1970), Leiden 1973, S. 436 - 455, Erstdruck in Hermès, Bd. 7, Paris 1970. 36 Nach Yanagida ein Humanismus, gemäß dem «der absolute, unbedingte Wert des Menschen, nicht eines besonders ausgewählten Menschen, eines mit hervorragenden Fähigkeiten begabten Übermenschen, sondern vielmehr des allgemeinen, gewöhnlichen, durchschnittlichen Menschen den Daseinssinn aller lebendigen Menschen ausmacht». Diesen «fernöstlichen Typus» des Humanismus des gewöhnlichen Menschen stellt Lin-chi dar. Siehe Rinzairoku, S. 284 f. 37 Siehe ebd., S. 314 f. 38 Im Katalog Nj. Nr. 1594, T. No. 1886, Bd. 45. Über Entstehung und Datum (nicht sicher! ) siehe Rinzairoku, S. 291 ff. Professor Ui Hakuju hielt eine Vortragsreihe über diesen Text vor einem geschlossenen Hörerkreis im Zen-Tempel Kichijôji, Tokyo 1937/ 8, dem ich zusammen mit zwei japanischen Mitstudenten beiwohnen konnte. Wir verfertigten eine deutsche Übersetzung, die als Quellenbeitrag in MN Bd. 1, Nr. 1 (1938), gedruckt wurde. Die Übersetzung ist fehlerhaft und ungenügend. Trotzdem bleibt die Bedeutung dieses Textes als einführende Information über die Lehrverschiedenheiten des Mahâyâna-Buddhismus kenntlich. Tsungmis Gelehrsamkeit sticht von der konkreten Lebendigkeit Linchis stark ab. 39 T. Nr. 2015. Tsung-mi führt bei seinen Unterscheidungen außer der Nordschule und der Südschule des Zen auch öfters die Gozu-Schule an. Über die Unterschiede innerhalb der Südschule siehe Rinzairoku, S. 296. 40 Ebd., S. 299. 41 Die Bereiche der Begierde (kâma-dhâtu), der Formen (rûpa-dhâtu) und der Formlosigkeit (arûpa-dhatu), in der die Lebewesen im Sa ṃ sâra wiedergeboren werden. 42 Nämlich das geistige Licht, das von den sechs Sinnesorganen ausstrahlt. 43 Chin. wu-shih. Der Ausdruck ist verwandt mit dem berühmten wu-wei («nicht tun», «nicht handeln») der taoistischen Lebensweisheit. Demiéville übersetzt «un homme sans affaires» (Entretiens, S. 56), Sasaki «a man who has nothing to do his whole life long» (Record, S. 8). 390 Anmerkungen zu Seiten 201 - 204 44 Sobutsu. Der Ausdruck kann auch «Buddhas und Patriarchen» meinen, hat aber bei Lin-chi, wie es scheint, die Bedeutung «Patriarchen-Buddha», nämlich eines lebendigen Buddhas oder lebendigen Patriarchen. Der «wahre Mensch» ist «Buddha», ist «Patriarch». 45 Lin-chi geht in der Konkretheit einen Schritt über Dôgen hinaus, der im «Buch von der Buddha-Natur» darlegt, dass die Lebewesen nicht nur Buddha-Natur besitzen, sondern Buddha-Natur sind, indem er anstatt von «Buddha-Natur» vom Patriarchen-Buddha spricht. 46 Kasso, wörtlich «lebendige Patriarchen». Vgl. Rinzairoku, S. 323 f. 47 Yajñadatta gefiel es, wie ein apokryphes Sutra erzählt, sein schönes Gesicht im Spiegel anzuschauen. Als dieses plötzlich verschwand, suchte er nach seinem Kopf. Das Sutra erklärt, das Spiegelbild sei ein Produkt seiner falschen Einbildungskraft gewesen. Unser wahres Gesicht ist das «wunderbare Erwachen». Siehe Demiéville, Entretiens, S. 66 f. Anspielungen an diese Geschichte finden sich noch mehrmals im Rinzairoku. 48 Die Bezeichnung «wahrer Mensch» (jap. shinnin, chin. chen-jen) ist taoistischen Ursprungs; der wahre Mensch ist «ohne Rang», weil er keine Position in der hierarchisch gestuften chinesischen Gesellschaft einnimmt. D. T. Suzuki misst dem Wort Lin-chis vom «wahren Menschen ohne Rang» große Bedeutung bei, siehe z. B. seinen Beitrag in Fromm, Suzuki, de Martino, Zen-Buddhismus und Psychoanalyse (München 1963), S. 47 f., auch Rinzai no kihon shisô, Tokyo 1949, in den japanischen gesammelten Werken Bd. 3, Tokyo 1968. Suzuki spricht in diesem Zusammenhang vom «wahren Ich» als «einer Art metaphysischen Ichs im Gegensatz zum psychologischen oder ethischen Ich». Toshihiko Izutsu geht der philosophischen Implikation in seinem Buch «Philosophie des Zen-Buddhismus» (Reinbek bei Hamburg 1979) nach, siehe das erste Kapitel «Der wahre Mensch ohne Rang. Das Problem der Feldwahrnehmung im Zen», S. 11 - 57. Ferner handelt T. P. Kasulis über das Wort Lin-chis in einem Abschnitt, überschrieben «The True Person of no Status» (a. a. O., S. 51 f.). Er übersetzt shinnin mit «True Person» und bemerkt in der Anmerkung, seine Übersetzung sei mit leichten Änderungen dem oben zitierten Essay Suzukis in Zen Buddhism and Psychoanalysis entnommen. Suzuki übersetzt «The true man of no rank», in seiner Erklärung spricht Suzuki von Rinzais Sicht «of the Man or Person or Self» (S. 32). Kasulis erklärt den ihm eigenen Begriff «Zen person», untrennbar verbunden mit «Zen action», am Ende seines Buches (S. 153 f.). 49 Vgl. das 21. Beispiel der Kôan-Sammlung Mumonkan. Das Wort «Kotspatel» ist dem Yün-men in den Mund gelegt (siehe meine deutsche Übersetzung, S. 90). Liebenthal weist in seiner Übersetzung auf das Rinzairoku hin (S. 82 f.). Da Lin-chi fast ein Jahrhundert vor Yün-men lebte, wurde der Ausdruck wahrscheinlich zuerst von ihm angewandt. Doch bleibt die Priorität unsicher, weil der Text des heutigen Rinzairoku erst 1120 erschien, von einem Jünger aus der Ummon-Schule redigiert. 50 Vgl. Entretiens, S. 32. 51 Demiéville verweist auf den berühmten Roman des mit Lao-tzu gut bekannten österreichischen Dichters Robert Musil Der Mann ohne Eigenschaften, ebd. 52 Das zentrale Schriftzeichen des Ausdruckes, jap. hatsu, kommt im Chinesischen in drei Formen vor, bei denen der Schlüssel (das heißt die linke Seite) «Hand» oder «Wasser» oder «Fisch» ist (siehe Rinzairoku, S. 331). Demiéville übersetzt «wie der Fisch, der im Wasser springt» (comme le poisson qui saute dans l ’ eau), Entretiens, S. 82, Sasaki schlicht «brisk and lively» (Record, S. 15). 53 Siehe Rinzairoku, S. 331 f. Er verweist auf den Gebrauch des Ausdrucks bei den Neukonfuzianern der Sung-Zeit. Im Text Shushi Gorui («Wortarten des Chu-hsi») kommen die zwei Brüder Ch ’ eng sowie der Ausdruck kappatsu patsuchi mehrmals vor. 54 Der letzte Satz ist ein bekanntes Axiom der Vijñânavâda-Schule. Demiéville bemerkt: «Welch ein Bekenntnis ‹ idealistischen › Glaubens nach Art der Schule des Vijñaptimâtra! Diese Formel wurde von den Meistern am Ende der T ’ ang-Zeit oft zitiert» (Entretiens, S. 111). In der Anmerkungen zu Seiten 204 - 207 391 philosophischen Sicht der Zen-Meister ist eine erkenntnisidealistische Tendenz unverkennbar. Vgl. Ma-tsu über die Identität von Geist und Buddha (sokushin sokubutsu), siehe 2. T., V. 55 Verse aus den «Mahâyâna-Lobhymnen» des Pao-chih Ho-shang (418 - 514), vgl. Record, Anm. 67, 80, 115. 56 Demiéville weist in dem angeführten Text Abhängigkeiten von Chuang-tzu auf, siehe Entretiens, S. 111, vgl. den Abschnitt über Lin-chi und Chuang-tzu in Rinzairoku, S. 308 f. 57 Siehe das oben angeführte Zitat aus Reden, Nr. 10, vgl. Reden, Nr. 19. 58 Siehe Yanagida, Rinzairoku, S. 319, vgl. S. 331. 59 Entretiens, S. 106. 60 Z. B. in Reden, Nr. 18. 61 Über die Reaktion in China vgl. Entretiens, S. 118. Noch während der Edo-Zeit warfen die japanischen Konfuzianer den Buddhisten Mangel an Kindesliebe vor. 62 Reden, Nr. 22, vgl. den Kommentar von Demiéville, Entretiens, S. 157 ff. Der Text des Rinzairoku spielt wahrscheinlich auf eine Passage im Vimalakîrti-Sûtra an. Mehr noch beeinflusste den Lin-chi der frühe Vorkämpfer der Prajñâpâramitâ-Sutren in China Sengchao. Die paradoxe Wendung der Texte von den fünf großen Sünden sowie vom Töten Buddhas und der Patriarchen dürfte vom Paradox der Philosophie vom «Mittleren Weg» inspiriert sein. 63 Rinzairoku, S. 332. Die «Nacktheit» (hadaka), nämlich die völlige Unbeschwertheit, Unabhängigkeit, Losgelöstheit, hält Yanagida für ein «Charakteristikum des Rinzai-Zen», das «der Buddhismus des freien Menschen», «die völlig nackte Religion» ist (S. 301). 64 Reden, Nr. 16. 65 Auch in diesem Passus klingt ein Ausdruck des Seng-chao an, siehe Entretiens, S. 73. 66 Sasaki übersetzt dôryû mit «Followers of the Way» (passim), Demiéville mit «adeptes» (passim). Das Wort ryû bedeutet wörtlich «Strömung», im Sinne von «Schule» oder «Anhänger einer Geistesströmung», es kommt in der altchinesischen Literatur für verschiedene Schulen, auch für die taoistische, vor. Siehe Demiéville, Entretiens, S. 57. Der in Lin-chis Reden häufige Ausdruck daitoku (bei Sasaki «Virtuous monks», bei Demiéville «Venerables») stammt aus dem indischen Buddhismus und entspricht dem Sanskritwort bhadanta (= große Tugend), siehe Demiéville, ebd., S. 57 f. Im Deutschen kann die Anrede passend mit «Werte Mönche» oder stärker «Tugendhafte Mönche» übersetzt werden. 67 Sanskr. pṛthagjana. 68 Eine gebräuchliche Redewendung zur Zeit Lin-chis. Siehe Entretiens, S. 78. 69 Lin-chis Kloster lag am Wallfahrtsweg, der zum Heiligtum des Bodhisattvas der Weisheit Manju ś rî auf dem Wu-t ’ ai-Berg führte. Dieser Umstand brachte viele Besucher ins Kloster. 70 Lin-chi spricht in seinen Reden von sich selbst oft als dem «Bergmönch». Die Übersetzungen lassen dieses Wort gewöhnlich unbeachtet. Die Einfügung würde den Duktus der Rede hemmen. Im hier wiedergegebenen Text erhöht die Eigenbezeichnung den Reiz. 71 Die ganzheitliche Demonstration mit allen physischen und psychischen Kräften einschließlich Andonnern und Stockschlägen zeigt einen Höhepunkt an. Lin-chi wendet solche Demonstration an, wenn Worte nicht ausreichen. 72 Yanagida spricht vom «Eintreten» in zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten, Rinzairoku, S. 384 - 387. Die wahre Einsicht, die bei Lin-chi weniger das Ereignis der Erleuchtungserfahrung als vielmehr den erleuchteten Geisteszustand bezeichnet, lässt in alle Wirklichkeit «eintreten» und durchschaut die Leere. Siehe ebd., S. 388. 73 Sasaki übersetzt treffend: «What is lacking in your present responsive activity! » (S. 18), Demiéville übersetzt «activité actuelle» (S. 89). Yanagida erklärt, dass der Mensch den Umständen folgend, indem er antwortend handelt, seine Fülle wird, vgl. Rinzairoku, S. 305. 392 Anmerkungen zu Seiten 207 - 212 74 Vgl. zum Folgenden Yanagidas Kommentierung des Ausdruckes dôgen bummyô («Klärung des Auges des Weges»), ebd., S. 338 - 341. 75 Reden, Nr. 17. 76 Ebd. 77 Die englische Übersetzung hat «warring asuras and men ’ s egoistical avidyâ» (S. 37). Die Welt der asura (Dämonen, Titanen) ist eine der sechs Existenzformen im Kreislauf der Wiedergeburten. 78 Verse aus dem Rakudôka («Lied der Freude über den Weg») von einem Jünger des P ’ u-chi (Nordschule), nicht zu verwechseln mit dem Rakudôka. Siehe Record, S. 81 (Anm. 161) und S. 73 (Anm. 76). 79 Die Rinzai-Schule wurde durch den sechsten Träger der Linie Fen-yang Shan-chao (947 - 1024) nach Südchina gebracht. Darüber im folgenden Kapitel. Über die Chronik Tenshô Kôtôroku vgl. Zen Dust, S. 412. 80 Demiéville, Vorwort zur franz. Übersetzung, S. 18; er wertet Lin-chi als «einen der stärksten Köpfe des chinesischen Buddhismus, ja sogar Chinas im ganzen im Bereich des religiösen Gedankens» («une des plus fortes têtes du bouddhisme chinois, et même de la Chine tout court dans le domaine de la pensée religieuse»), siehe Entretiens, S. 436, Anm. 36. 81 Entretiens, S. 455. 82 Ebd., S. 450. VII Besonderheiten in den «Fünf Häusern» 1 Darüber vgl. Ch ’ en Buddhism in China, S. 226 - 233. Reischauer berichtet, wie der bedeutende japanische buddhistische Mönch Ennin (793 - 864) während seiner Chinareise die Verfolgung des Buddhismus erlebte. Siehe Die Reisen des Mönches Ennin. Neun Jahre im China des neunten Jahrhunderts (Stuttgart 1963), bes. das Kapitel «Die Verfolgung des Buddhismus», S. 216 - 267. 2 Reischauer, S. 216. Er nennt vier Verfolgungen und macht anhand der offiziellen Berichte Angaben über die Zerstörungen der großen Verfolgung, siehe S. 223 ff. 3 Repräsentativ ist die Denkschrift des berühmten Literaten Han Yü aus dem Jahre 819, die allerdings keinen direkten Erfolg hatte. Reischauer gibt das Dokument vollständig, siehe a. a. O., S. 221 ff., die wichtigsten Stellen bei Ch ’ en Buddhism in China, S. 225 f. 4 Reischauer hebt in seiner Darstellung den wirtschaftlichen Faktor besonders hervor. 5 Vgl. Reischauer, a. a. O., S. 225. In dem Dokument ist das Ergebnis der Verfolgung in futurischer Form berichtet. 6 Yanagida kontrastiert die Klagen Ennins mit einer kurzen Nachricht in der Zen-Chronik Sodôshû, siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 66 f. 7 Zitiert in Chûgoku Zenshûshi, S. 84. Wir geben im Folgenden die Namen der Häuser in chinesischer Sprache, weil die Linien als «Häuser» nur in China vorkommen. 8 Die «Fünf Häuser» sind deutlich genannt in der Schrift Dembô Shôjûki (chin. Ch ’ uan-fa chengtsung chi) des Ch ’ i-sung, veröffentlicht 1064 (T. No. 2078). Biographien der Meister der «Fünf Häuser» finden sich im Keitoku Dentôroku und anderen Zen-Chroniken. 9 T. No. 2006, kompiliert von Hui-yen Chih-chao, Datum des Vorwortes 1188, in 6 Büchern, vgl. Zen Dust, S. 365. Ausführlich berichtet über die «Fünf Häuser» die letzte der fünf großen Zen-Chroniken Gotô Egen (chin. Wu-teng hui-yüan), 20 Bücher, zuerst veröffentlicht 1253. Eine Schrift Goke Shôjûsan (chin. Wu-chia cheng-tsung tsan) zum «Preis der «Fünf Häuser» der Wahren Schule», kompiliert von Hsi-sou Shao-t ’ an (vollendet 1254), enthält 62 Biographien von Meistern der «Fünf Häuser». Ausschließlich über die «Fünf Häuser» handelt die Schrift Goke Goroku (chin. Wu-chia yü-lu), veröffentlicht um 1632. In Japan entstand das Werk des Tôrei Enji (1721 - 1792) Goke Sanshôyôromon über die Grundprinzipien der «Fünf Häuser». Genaue Angaben über diese Literatur in Zen Dust, S. 429 f., 426, 427 f., 359 f. In englischer Anmerkungen zu Seiten 213 - 220 393 Sprache handeln über die «Fünf Häuser» Lu K ’ uan Yü (Charles Luk) in Ch ’ an und Zen Teaching, Second Series (London 1961), und Chang Chung-yuan, Original Teachings of Ch ’ an Buddhism (New York 1969). Beide Bücher bringen viel Material aus den chinesischen Zen-Chroniken. 10 Die Episode findet sich im Mumonkan als Beispiel Nr. 40. Kuei-shan befand sich zur Zeit des Vorganges offensichtlich im Besitz der Erleuchtung. Vgl. deutsche Übersetzung S. 141 ff. 11 Die Erleuchtungsgeschichte des Hsing-yen, übersetzt aus dem 11. Buch des Keitoku Dentôroku, siehe bei Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 219 - 223. Die Auslösung der Erfahrung durch ein unerwartetes Geräusch kommt öfters in Erleuchtungsberichten vor. 12 Bi-yän-lu II, S. 308. 13 Kuei-shans Spruchsammlung siehe in T. No. 1989, die drei Strophen in Bd. 47, S. 580 b,c. Die erste und zweite Strophe finden sich auch im Keitoku Dentôroku, siehe Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 220 und 215. 14 Siehe a. a. O., S. 189 f. 15 Keitoku Dentôroku, T. Bd. 51, S. 284 a. 16 So Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 67, Anm. 2. 17 Bei Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 71. Die Chronik erzählt viele Beispiele von schweigender Aktion, die die Erleuchtung bedeutet, besonders oft kommt das schweigende Heben des Wedels vor. 18 Siehe Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 196 ff. 19 Auch diese Episode ist im 11. Buch des Keitoku Dentôroku erzählt, vgl. die Erklärungen von Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 188, und Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 62. 20 Mumonkan Nr. 5. 21 Buch 6, T. Bd. 51, S. 246 b. 22 Buch 9, T. Bd. 51, S. 265 b. Bei der Übersetzung dieses Textes sind verschiedene Nuancen möglich. Vgl. Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 205 f., Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 65. Lu K ’ uan Yü sieht in Kreis und Mondscheibe das Symbol des kosmischen Buddha-Leibes (dharmakâya), siehe Anm. 1 zu S. 65. 23 T. Bd. 48, S. 321 c - 322 b. 24 Buch 11, T. Bd. 51, S. 283 b. 25 Ebda. 26 Vgl. den Artikel über die Kreisfiguren «Ensô» in Mochizuki Bukkyô Daijiten, S. 306 f. Die Praxis wurde später viel im esoterischen Buddhismus (mikkyô) verwandt. 27 Spruchsammlung des Kuei-shan Ling-yu, T. No. 1989, Bd. 47, S. 577 b,c. 28 Reden Nr. 10 (nach der englischen Übersetzung von Ruth Fuller Sasaki). 29 Vgl. den Artikel Shihokkai in Mochizuki Bukkyô Daijiten, S. 1993 f. 30 Siehe die Kommentierung der Formel durch Demiéville in seiner französischen Übersetzung (Entretiens, S. 52 ff.). 31 Der chinesische Text ist undeutlich. Ich folge der Übersetzung von Ruth Fuller Sasaki (Record, S. 6). Demiéville versteht den Satz anders (S. 51). Die japanischen Übersetzer zaudern in der Deutung. 32 Die Metapher von Gast und Hausherrn findet sich mehrmals im Rinzairoku, zuerst in Reden Nr. 4. Nach Ruth Fuller Sasaki ist sie ein «teaching device» (Record, Anm. 27, S. 68). 33 Die Formel (Reden Nr. 18) geht gewöhnlich unter der Überschrift «Die vier Situationen von Gast und Herr». Demiéville spricht von «les quatre cas de la consultation entre le visiteur et l ’ hôte» (Entretiens, S. 112, vgl. S. 126). Im Text wechselt die Bezeichnung der Partner über zu «Lernende» oder «Schüler» (jap. gakunin) und «Lehrer», diese werden «zenchishiki» (sanskr. kalyâṇa-mitra) genannt, in der altbuddhistischen Literatur die Bezeichnung für den guten oder zum Guten hinführenden Freund. Im Zen-Buddhismus ist dieser für den Jünger sein Meister. Die gewählte Übersetzung «Lehrer» hebt den didaktischen Charakter der Begegnung hervor. 394 Anmerkungen zu Seiten 221 - 227 34 Demiéville verweist auf ein Wort des Kung-tzu, das die Ordnung im Gespräch lobt. Siehe Entretiens, S. 127. 35 Demiéville führt zwei mögliche Erklärungen an: nach der ersten handelt es sich um den Einsatz der ganzen Person, nach der zweiten um körperliche Aktionen wie Schläge aller Art, plötzliches Herabsteigen vom Sitz u. a. (Entretiens, S. 127). 36 Nach Ruth Fuller Sasaki zeigt ein Zen-Meister seinen Körper halb, «wenn er durch dunkle Worte und Gesten eine tiefe Wahrheit nur zum Teil so offenbart, dass er sie verhüllt, außer vor einem, der mit einem wahrhaft verstehenden Auge begabt ist», Record, Anm. 117 (S. 77). 37 Jap. kyô, ein Objekt, das keine Realität besitzt. Der Lehrer geht dem Schüler buchstäblich auf den Leim. 38 Gundert übersetzt: «. . . packt jenen an und will ihn in die Grube stoßen» (Bi-yän-lu II, S. 111). Der Text ist unbestimmt, unsere Übersetzung nimmt (wie Ruth Fuller Sasaki, S. 27, und Demiéville, S. 128) an, dass es sich nicht um eine Person, sondern um ein «es» handelt, das gepackt und in die Grube geworfen wird. 39 Nach der Übersetzung von Akizuki Ryûmin sind es «Handschellen und Fußfesseln», Rinzairoku, S. 112. (Übersetzung und Kommentar in der Sammlung «Zen no Goroku» Bd. 10, Tokyo 1967). 40 Dieser Satz wird von den Übersetzern verschieden verstanden und gedeutet. Unsere Übersetzung schließt sich dem Verständnis nach an Gundert (ebd.) an. 41 Entretiens, S. 127. 42 Nr. 18 (Record, S. 23, Entretiens, S. 112). Demiéville bezieht sich auf die Ansicht Yanagidas (S. 113). 43 T. Bd. 48, S. 304 b. 44 Demiéville bezieht sich auch für diese Annahme auf Yanagida (Entretiens, S. 196). 45 So erklärt Ruth Fuller Sasaki den etwas schwierigen Vergleich, Record, Anm. 200 (S. 84). 46 Siehe die Anm. 37 und 41 (S. 69 f.) zur englischen Übersetzung (Record). 47 Siehe Rinzairoku, S. 67. 48 Entretiens, S. 44. Die Formeln wurden «Gegenstand einer unendlichen Exegese». Demiéville setzt sich mit einigen Interpretationen auseinander, siehe S. 45. 49 Eine zweite mögliche Erklärung leitet das erste Schriftzeichen ts ’ ao vom Namen des Wohnsitzes des sechsten Patriarchen Ts ’ ao-ch ’ i ab. Durch das Schriftzeichen würde dann die Herkunft der Schule vom sechsten Patriarchen Hui-neng ausgewiesen. Siehe Zen Dust, S. 166. Vgl. auch die ausführliche Eintragung über Tung-shan Liang-chieh, ebd., S. 296 - 299. 50 Keitoku Dentôroku Buch 15, T. Bd. 51, S. 321 c. Englische Übersetzungen dieses berühmten Textes bei Chang Chung-yüan, a. a. O., S. 59 f., Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 131 f., Zen Dust, S. 306 f. Yanagida bringt den Text in der Version der Spruchsammlung des Tung-shan (T. No. 1986, Bd. 47, S. 508 a, b), siehe Rinzairoku, S. 78. - Das Spiegelbild im Wasser ist ein «Er», insofern es das Selbst anzeigt, ein «es», insofern es ein objektives Ding draußen ist, das einen Anstoß gibt. 51 Siehe den poetischen Text Hôkyô Zammai (chin. Pao-ching san-mei) am Ende der Spruchsammlung des Tung-shan (chin. Tung-sham Liang-chieh Ch ’ an-shih yü-lu, jap. Tôzan Ryôkai Zenji Goroku) T. Bd. 47, No. 1986, S. 515 a,b. Die Verse der «Fünf Stufen» finden sich in der Spruchsammlung des Tung-shan (T. Bd. 47, S. 525 c), in der Spruchsammlung des Jüngers Ts ’ ao-shan (chin. Fu-chou Ts ’ ao-shan Pen-chi Ch ’ an-shih yü-lu, jap. Bushû Sôzan Honjaku Zenji Goroku), T. Bd. 47, No. 1987, S. 532 c - 533 a), ferner in Ninden Gammoku (chin. Jen-t ’ ien yen-mu) T. Bd. 48, No. 2006, S. 314 c, dort auch das längere Gedicht Hôkyô Zammai (T. Bd. 48, S. 321 a, b). 52 Dieser hat sie vielleicht von seinem Meister Yüeh-shan Wei-yen empfangen, der ein direkter Jünger des Shih-t ’ ou war. Anmerkungen zu Seiten 227 - 231 395 53 Der japanische Rinzai-Meister Hakuin erkannte die überragende Bedeutung der «Fünf Stufen». Siehe die englische Übersetzung seines Kommentars in Zen Dust, S. 63 - 67, Zitat S. 66. Die Studie von A. Verdu über Dialektik im Mahâyâna-Denken (Dialectical Aspects in Buddhist Thought. Studies in Sino-Japanese Mahâyâna Idealism, Kansas 1974) gipfelt in einer eindringenden Untersuchung der «Fünf Stufen» der Sôtô-Schule (S. 115 - 187). Die Dialektik der «Fünf Stufen» ist, wie Verdu verdeutlicht, von der Metaphysik der Mahâyâna-Schulen und von der Kegon-Philosophie her zu verstehen. Er weist auf den strukturellen Parallelismus zwischen den Fünferschemata im Kegon und den «Fünf Stufen» hin. Das Besondere der «Fünf Stufen» sieht er darin, dass «diese einen Versuch darstellen, explizit die fünf perspektivischen Momente, die für den erleuchteten Geist implizit identisch sind, zu visualisieren. In diesem Sinne sollten sie nicht nur einen rein gedanklichen dialektischen Prozess verkörpern, sondern einen allumfassenden und universalen, der in sich den für die strikt originalen Quellen des chinesischen Denkens, nämlich den Taoismus und Neukonfuzianismus, charakteristischen Pan-Kosmismus und Universalismus absorbiert» (S. 117 f.). Aus dieser Sicht ergibt sich die vordringliche Bedeutung des dialektischen Momentes für die Zen-Realisation, wie Verdu in seiner Studie zeigt. 54 Die fünf Strophen werden in ihrer überlieferten Form gewöhnlich Tung-shans Jünger Ts ’ aoshan Pen-chi zugeschrieben (siehe Zen Dust, S. 309 f.). Einer Überlieferung gemäß hat schon Tung-shan das Gedicht von seinem Meister Yün-yen empfangen; es wird auch als Werk des Tung-shan oder dessen Meisters Yüeh-shan bezeichnet. Siehe die Anmerkung 303 zum Text der Schrift Ninden Gammoku in der Sammlung Kokuyaku Issaikyô (Reihe Shoshûbu, Bd. 6, Tokyo 1937), S. 365. So rückt der Text ganz nahe an Shih-tou heran. Weder Yün-yen noch Yüeh-shan haben Geschriebenes hinterlassen, wie Miura und Sasaki bemerken (Zen Dust, S. 307). 55 So Gundert, Bi-yän-lu II, S. 193, ferner S. 206 ff. Miura und Sasaki sprechen von den «Five Ranks», Zen Dust, S. 309 und passim, Chang Chung-yuan von den «Five Relations between Particularity and Universality» (Fünf Beziehungen zwischen Partikularität und Universalität), a. a. O., S. 46. Verdu allgemein von den «Five Degrees Dialectic of the Sôtô-Zen School» (Dialektik der Fünf Grade der Sôtô-Zen Schule), a. a. O., S. 115. Die deutschen Übersetzer der Strukturanalyse des Textes von S. Hisamatsu mit dem Titel: Die Fünf Stände von Zen-Meister Tosan Ryokai (Pfullingen 1980) schreiben «Fünf Stände». 56 Spruchsammlung des Tung-shan, zitiert in The Development of Chinese Zen, S. 26, 74. 57 Der literarische Aspekt hat eine lange geschichtliche Entwicklung. Exemplarisch ist die freie dichterische Übersetzung Gunderts, Bi-yän-lu II, S. 206 ff. Um die literarische Form bemühen sich auch Ryosuke Ohashi und Hans Brockard, die Herausgeber der deutschen Übersetzung des Werkes Hisamatsus über die «Fünf Stände», sie übersetzen die Kernbegriffe der fünf Strophen: «Im Aufrechten die Neige», «In der Neige das Aufrechte», «Aus dem Aufrechten herauskommen», «Zum Zusammenhalt kommen», «In den Zusammenhalt heimkommen». Siehe a. a. O., S. 9 f. 58 Vgl. den zusammenfassenden Essay «Interfusion of Universality and Particularity» von Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 41 - 57. 59 Vgl. die Tafel bei Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 53. 60 Zitiert in Bi-yän-lu II, S. 208 f. 61 Vgl. die Erklärungen Verdus zum dritten Vers im Anhang über die «Fünf Stufen» (S. 279 - 294) zu seinem Buch Abstraktion und Intuition als Wege zur Wahrheit in Yoga und Zen (München 1965), S. 286 ff. 62 Verdu, a. a. O., S. 287. 63 Ebd., S. 288, Anm. 1. 396 Anmerkungen zu Seiten 232 - 235 64 Ebd., S. 287. Verdu gibt im späteren englischen Buch dem dynamischen Moment den Vorzug und übersetzt: «Coming from the midst of equality» (Von der Mitte der Gleichheit kommend), a. a. O., S. 124. Ôhasama/ Faust geben den Titel wieder: «Heraustreten aus Gleichheit», S. 125. 65 Übersetzungen von Ôhasama/ Faust S. 125, und Zen Dust, S. 312. Die Spruchsammlung des Tung-shan hat den Ausdruck kenchûshi, die des Ts ’ ao-shan liest henchûshi. Geschichtlich lässt sich über die Entstehungsursache der Verschiedenheit nichts ausmachen. Verdu folgt in seinem deutschen Buch der Textform henchûshi und übersetzt: «Gelangen zur Mitte des Gekrümmten», im englischen Buch übersetzt er den Ausdruck kenchûshi als «Moving to the midst of both (equality and diversity)» (Sich bewegend in die Mitte von beiden - Gleichheit und Verschiedenheit, a. a. O., S. 125). Er erörtert die Unterschiedlichkeit der zwei Textformen und meint: «Selbstverständlich sprechen objektive Gründe für beide Deutungen» (a. a. O., S. 126). Gundert übersetzt henchûshi: «Bis mitten ins Einseitige hineingegangen» (Bi-yän-lu II, S. 210). Wir kommen auf den Unterschied der Textformen zurück, wenn wir andere Fünferformeln aus der Sôtô-Schule betrachten. 66 Ebd. 67 Gundert hebt hervor, dass die vierte Stufe «in diametralem Gegensatz» zur dritten steht (Biyän-lu II, S. 210). Miura und Sasaki preisen «die totale Einschließlichkeit, vollkommene Symmetrie und unvergleichliche Schönheit» der Formel (Zen Dust, S. 63). 68 A. a. O., S. 42. 69 Ôhasama/ Faust, a. a. O., S. 125. 70 Siehe die chinesischen Texte der Formel von «Fünf Stufen von Verdienst» in T. Bd. 47, S. 525 c, vgl. S. 516 a, der Formel von «Fünf Stufen inbezug auf den Herrn und den Vasallen» Bd. 47, S. 527 a, der Formel von der «Geheimen Bedeutung der Fünf Stufen» Bd. 47, S. 533 b,c, der Formel von der «Manifestation des Geheimnisses der Fünf Stufen» Bd. 47, S. 531 b, vgl. Verdu, a. a. O., S. 140 - 177, 182 - 187. Die dialektischen Formeln werden bis heute als Kôan geübt. Dabei sind die Übenden sich wohl kaum der hochgradigen Dialektik des Inhaltes bewusst. Sie lernen im Umgang mit den Formeln alle Gegensätzlichkeit aufzulösen und erfahren ihre eigene transzendierende Wesensnatur. 71 A. a. O., S. 177. 72 Vgl. Nakamura, Ways of Thinking of Eastern Peoples (verb. Auflage Honolulu 1964), S. 182 ff. Nakamura handelt von symbolischen Darstellungen verschiedener buddhistischer Schulen und spricht besonders vom Zen-Buddhismus und den «Fünf Stufen». Die buddhistischen Diagramme beeinflussten ebenso wie das Buch der Wandlungen (I-ching) den Neukonfuzianismus der Sung-Zeit. Verdu veranschaulicht die Dialektik des Mahâyâna und der «Fünf Stufen» zumal in seinem englischen Buch durch viele Diagramme und Zeichnungen. 73 T. No. 1992, Bd. 47, siehe Zen Dust, S. 355 f. 74 Verdu zieht Erklärungen der zwei Sôtô-Meister Chi-yin Hui-hung (12. Jh.) und Yung-chüeh Yüan-hsien (1578 - 1657) bei seiner Analyse der «Fünf Stufen» heran. In einem Abschnitt behandelt er die Interpretation der «Fünf Stufen» von Chi-yin aufgrund des Hôkyô zammai und den Versuch der Widerlegung durch Yüan-hsien (a. a. O., S. 130 - 139). 75 Hakuin kritisiert die «Pervertierung der Fünf Stufen» durch «Häufung der Verwirrungen»: Siehe Zen Dust, S. 64. 76 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 160 f. 77 In Hsüeh-feng I-tsun (822 - 908) haben das Haus Yün-men und das Haus Fa-yen den gemeinsamen Ausgangspunkt. Chang Chung-yuan gibt die Übersetzung seiner Biographie aus der Chronik Keitoku Dentôroku Buch 16, a. a. O., S. 275 - 282. 78 Der von ihm benutzte Ausruf kan ist dem Schriftzeichen nach von dem sonst üblichen (chin. ho, jap. katsu) verschieden und bedeutet «Schranke». Anmerkungen zu Seiten 235 - 239 397 79 Der volle Titel der Spruchsammlung des Yün-men ist Ummon Kyôshin Zenji Kôroku (chin. Yünmen k ’ uang-chen ch ’ an-shih kuang-lu), auch Ummon Oshô Kôroku, abgekürzt Ummonroku (chin. Yün-men lu), in 3 Büchern, zuerst veröffentlicht 1076, T. No. 1988. 80 Ummonroku, T. Bd. 47, S. 546 c. 81 T. Bd. 47, S. 546 a. 82 Ebd. Die folgenden drei Beispiele aus dem 2. Buch des Ninden gammoku siehe T. Bd. 48, S. 312 c. 83 Nr. 21. Das Wort findet sich auch im Rinzairoku. 84 T. Bd. 47, S. 552 c. 85 Siehe Bi-yän-lu I, S. 147. 86 In einem Vortrag. Vielleicht konnte er sich für seine Deutung auf frühere Autoren beziehen. 87 Bi-yän-lu I, S. 161. 88 Siehe Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 271. 89 Mumonkan Nr. 15, vgl. die Erklärung des Kôan in der deutschen Übersetzung, S. 73 ff. 90 Wu, The Golden Age of Zen, S. 213. 91 Siehe Wu, a. a. O., S. 214. 92 Hekiganroku, Beispiel Nr. 86, dazu siehe Zengaku Daijiten I, S. 78. 93 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 159 f., Gundert über Gestalt und Werk des Hsüeh-tou in Bi-yänlu I, S. 11 - 14. 94 Jap. Soeishû. 95 Zitiert in Bi-yän-lu I, S. 9. 96 Siehe Zen Dust, S. 159 f. Im Haus Yün-men ist der bedeutende Ch ’ i-sung (1007 - 1072) der Verfasser der Schrift Dembô Shôjûki (chin. Ch ’ uan-fa cheng-tsung chi), veröffentlicht 1064 (T. No. 2078, Bd. 51), in der die Zen-Schule als die «Wahre Schule» dargetan wird, die den Dharma Bodhidharmas überliefert. Ch ’ i-sung schrieb auch eine Erklärung zum konfuzianischen Werk Chung-yung (Lehre von der Mitte), siehe T. No. 2115, Bd. 52. 97 T. Bd. 51, S. 399 b, englische Übersetzung bei Lu K ’ uan Yü, a. a. O., S. 224. Chan Chung-yuan übersetzt den Passus leicht verschieden, siehe a. a. O., S. 246. Berühmt ist das wiederholende Wortspiel über «Zeigen» und «Mond», das in der Fassung des Keitoku Dentôroku lautet: «Ein Mönch fragte den Meister: ‹ Ich frage dich nicht über Zeigen; was ist der Mond? › Ein anderer Mönch fragte: ‹ Ich frage dich nicht über den Mond; was bedeutet Zeigen? › Der Meister erwiderte: ‹ Mond. › Der Mönch fuhr fort: ‹ Ich fragte über Zeigen; warum sprichst du vom Mond? › Der Meister erwiderte: ‹ Weil du über Zeigen fragtest. › » T. Bd. 51, S. 398 c. Der Abschnitt des Keitoku Dentôroku, den Lu K ’ uan Yü und Chang Chung-yuan übersetzen, hat auch die oben erwähnten biographischen Angaben über Fa-yen. 98 T. Bd. 51, S. 399 a. 99 Ninden gammoku Buch 4, T. Bd. 48, S. 324 a. 100 Nr. 26. Siehe die Erklärung Wu-mens und den Gesang sowie die Anmerkungen der deutschen Übersetzungen (S. 104 f.). Ch ’ an Chung-yuan schreibt mit Bezug auf dieses Kôan treffend, dass in der Sicht des Zen Gegensätze natürliche Gegebenheiten sind, die es zu transzendieren gilt, um zur Nichtzweiheit zu gelangen (a. a. O., S. 233). 101 Vgl. Yanagida, Rinzairoku, S. 89 f. 102 Über Yung-ming siehe Chang Chung-yuan, a. a. O., S. 250 - 253 (engl. Übersetzung des Abschnittes über Yung-ming im Keitoku Dentôroku Buch 26); siehe auch Wu, a. a. O., S. 240 f. 103 Siehe Zen Dust, S. 175. Wu glaubt, der Synkretismus habe den Niedergang des Hauses Fa-yen beschleunigt (a. a. O., S. 241). 104 Vgl. Ch ’ en Buddhism in China, S. 404 f. 105 Siehe die durch Zitate belegten Ausführungen bei Wu, a. a. O., S. 242 - 245. 398 Anmerkungen zu Seiten 239 - 244 VIII Ausreifung während der Sung-Zeit 1 Über Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien siehe oben Kap. VII, zu Anm. 734; über Ch ’ i-sung siehe im letzten Abschnitt dieses Kapitels. 2 Diese Tendenz findet sich besonders bei Vertretern des Hauses Fa-yen, siehe oben Kap. VII, zu Anm. 741, ferner den letzten Abschnitt dieses Kapitels. 3 Kurzbiographie des Shih-shuang Ch ’ u-yuan in Zen Dust, S. 212 f. 4 T. No. 1992, Bd. 47, Kurzbiographie über Fen-yang Shan-chao (947 - 024) in Zen Dust, S. 158 f. 5 Vgl. die Beschreibung der Kôan-Sammlung in Zen Dust, S. 335 f. 6 Vgl. oben 2. T., VI, Abschnitt über «Lin-chi und seine Schule», ferner Zen Dust, S. 412. 7 Ninden Gammoku, Bd. 2. Der Kompilator der sechsbändigen Schrift ist Hui-yen Chih-chao aus der Yang-ch ’ i-Linie, siehe Zen Dust, S. 365. 8 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 265 f., vgl. das 47. Beispiel des Mumonkan: «Tou-shuais drei Schranken». 9 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 283 ff., vgl. meine Einführung zur deutschen Übersetzung des Mumonkan, S. 17. 10 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 161 ff. 11 Deutsche Übersetzung von Gundert, Bi-yän-lu I, S. 20. 12 T. No. 2003, Bd. 48. Der volle Titel lautet Bukka Engo Zenji Hekiganroku (chin. Fo-kuo Yüan-wu Ch ’ an-shih Pi-yen lu), 10 Bde., deutsche Übersetzung von W. Gundert, 3 Bde. (unvollendet, 68 der 100 Beispiele mit Erläuterungen), 10 Beispiele in: Zen - Der lebendige Buddhismus in Japan von S. Ôhasama und A. Faust, englische Übersetzung von Th. und J. C. Cleary, 3 Bde., Boulder & London 1977, von K. Sekida in: Two Zen Classics (kommentiert), Tokyo - New York 1977. 13 Zen Dust, S. 357. 14 Bi-yän-lu I, S. 24. Suzuki meint, Yüan-wu habe das Hekiganroku verbrannt, weil «er sah, dass es für das wahre Verstehen des Zen nicht half. Während es nicht ganz klar ist, was er tatsächlich tat, hörte offenbar die Verbreitung des Buches auf.» In Essays II, S. 218. 15 So Cleary in der Einführung zu Bd. I, S. XXII. 16 Siehe Zen Dust, S. 171 f. 17 Kurzbiographie des Hung-chih Cheng-chüeh in Zen Dust, S. 170 f. Vgl. Zengaku Daijiten I, S. 532. 18 Die zwei Sammlungen sind aufgenommen in die umfassende Sammlung des Hung-chih (Wanshi Zenji Kôroku, chin. Hung-chih Ch ’ an-shih kuang-lu) in 9 Bänden, kompiliert von den Jüngern des Hung-chih, sie finden sich in Bd. 2 und Bd. 3 des Werkes, T. No. 2001, Bd. 48. Vgl. Zen Dust, S. 171 f. 19 T. No. 2004, Bd. 48 (6 Bde.), über die Sammlung vgl. Zen Dust, S. 425 f. 20 T. No. 2005, Bd. 48. Deutsche Übersetzungen von W. Liebenthal (mit Einleitung und Anmerkungen), Heidelberg 1977, Zenkei Shibayama (mit Vorträgen - teishô - des Meisters, aus dem Englischen), München 1976, H. Dumoulin (mit Erläuterungen) Mainz 1976, 17 Beispiele in: Zen - Der lebendige Buddhismus in Japan (s. oben Anm. 757), englische Übersetzungen von Zenkei Shibayama (New York 1974), Kôun Yamada (Los Angeles 1979), K. Sekida Two Zen Classics (s. oben Anm. 757), R. H. Blyth (Tokyo 1966), N. Senzaki und Paul Reps, in: Zen Flesh, Zen Bones (Rutland-Tokyo 1957), deutsche Übersetzung von P. Reps in: Ohne Worte - ohne Schweigen (Bern-München-Wien 1976), S. 109 - 161. Sôhaku Ogata, in: Zen for the West (London 1959), S. 79 - 134. Kurzbiographie des Wu-men Hui-k ’ ai in Zen-Dust, S. 203 ff. Vgl. auch die geschichtliche Einführung zu meiner deutschen Übersetzung, S. 12 - 32, sowie die Liste japanischer Kommentare mit Schriftzeichen (S. 171), die heute um einige Nummern zu vermehren ist. 21 Siehe meine deutsche Übersetzung S. 57 f., vgl. S. 17. Anmerkungen zu Seiten 247 - 255 399 22 San-t ’ ai, ein chinesischer Volkstanz. Die Verse sind in der späten Zen-Chronik Gotô Gentô (chin. Wu-teng yen-t ’ ung) überliefert. Über diese Chronik siehe Zen Dust, S. 430 - 432. 23 Meister Wu-men protestiert durch den Ausdruck mumon («Nicht-Tor»), wie Liebenthal in seiner Einleitung zur Übersetzung der Kôan-Sammlung zeigt, gegen «Tore zu samâdhi», «Arten der Leere» oder «Medizinen», über die im chinesischen Buddhismus während der T ’ ang-Zeit und später diskutiert wurde. Keine Tore, sondern paradoxerweise das «Nicht-Tor» führt zur Befreiung. Siehe Liebenthal, a. a. O., S. 20 f. 24 Dies beweist die ungewöhnlich große Zahl von Übersetzungen in westliche Sprachen. Jüngst erschien in Japan das von Ban Tetsugyû verfasste Werk Gendai Mumonkan (etwa: «Mumonkan modern»). Der bekannte zeitgenössische Zen-Meister versucht in seinem umfangreichen Buch (699 Seiten) in leichtem Japanisch die Modernität der Kôan-Sammlung darzutun (Tokyo 1980). 25 Schon Ôhasama/ Faust und Suzuki (Essays II) stellen die beiden Sammlungen nebeneinander. 26 Die Übersetzung Liebenthals, des zünftigen Sinologen, der nur chinesische Quellen benutzt, zeichnet sich durch den chinesischen Bodengeruch aus. 27 Dafür bieten sich viele Beispiele in den Werken von Zenkei Shibayama, Kôun Yamada, Tetsugyû Ban u. a. 28 Siehe Zenshûshi III, S. 308 - 320. 29 Essays II, S. 66. Der erste Essay dieses Bandes erschien in deutscher Übersetzung von Fritz Kraus unter dem Titel «Der Weg zur Erleuchtung», Baden-Baden 1957, siehe S. 105. 30 Deutsche Übersetzung, S. 35. 31 Bei Suzuki, Essays II, S. 49 f. 32 S. 38 f. (1. Aufl., Konstanz 1948). 33 In der Frühphase Suzukis wiegt das psychologische Interesse vor. Charakteristisch dafür ist sein Essay über die Kôan-Übung in Essays II. 34 Dynamische Situationen kommen in den Erleuchtungsgeschichten der frühen Zen-Meister vor, z. B. der des Lin-chi. Über den «Einzelgang» haben wir nur Berichte aus späterer Zeit. 35 Siehe das Geleitwort zu Suzuki, Die große Befreiung. Einführung in den Zen-Buddhismus (l. Aufl., Leipzig 1939). 36 Im Vorwort zu zwei Essays über Geschichte und Studium des Kôan im Rinzai-Zen, S. XIf. Die Essays sind in das umfassende Werk Zen Dust aufgenommen. Das Buch erschien unter dem Titel The Zen Kôan von Isshû Miura (Verfasser des zweiten Essays über die Übung des Kôan in der Rinzai-Schule) und Ruth Fuller Sasaki (Verfasserin des ersten Essays über die Geschichte des Kôan in der Rinzai-Schule). Das Vorwort ist in Zen Dust abgeändert, der zitierte Passus ausgelassen. Der Passus ist, wenn er schon das Problem des Kôan nicht vollständig löst, bemerkenswert. 37 Zen Dust, S. 28 ff., vgl. S. 15. 38 Schriften zum Chassidismus, Werke Bd. III (München 1963), S. 993 ff., ferner S. 883 - 894. 39 Vgl. die Auseinandersetzung von Gershom Scholem mit Martin Buber, siehe besonders Scholem Judaica (Frankfurt 1963), S. 205 f. 40 Kurzbiographie in Zen Dust, S. 163 ff. 41 Siehe oben Anm. 762 und 763. 42 Über die von ihm kompilierten zwei Kôan-Sammlungen siehe oben Anm. 764 und zugehöriger Text. 43 T. Bd. 48, S. 100 a, b. Der Text ist fast ganz abgedruckt in Mochizuki Bukkyô Daijiten V, S. 4870. Auch Nukariya Kaiten bringt den Text des Mokushômei, in seinem Abschnitt über Hung-chih, siehe Nukariya, Zengaku Shisôshi (Ideengeschichte des Zen) (Tokyo 1923) Bd. II, S. 355 - 362. 44 Mokushômei. - Das Zazen der Sôtô-Schule ist, wie Nara Yasuaki ausführt, im Unterschied zum indischen Dhyâna gegenstandslos und zeitlos. «Das Selbst ist als Sosein jetzt und hier da. Die 400 Anmerkungen zu Seiten 255 - 261 Übung, die in dieser Weise das wirklich Sich-dem-Sosein-Überlassen zur Mitte macht, nannte man in China ‹ Zen der schweigenden Erleuchtung (mokushô-zen) › .» Dôgens Zazen ist, so meint Nara, vom Zen der schweigenden Erleuchtung des Hung-chih Ch ’ eng-chüeh her zu verstehen. In: Zenshû (Schulen des Zen), Abschnitt über die Lehre der Sôtô-Schule, S. 55. (6. Bd. einer Sammlung über japanischen Buddhismus Nihon Bukkyô Kiso Kôza, Tokyo 1979.) 45 Ebd. 46 Aus der Spruchsammlung des Ta-hui Daie Goroku (chin. Ta-hui yü-lu), T. No. 1998, Bd. 47, S. 901 c. Eine Beschreibung der 30-bändigen Sammlung in Zen Dust, S. 409 f. Yanagida hat die japanische Übersetzung der berühmten Passage in Chûgoku Zenshûshi, S. 99 f., siehe auch die freie englische Übersetzung von Suzuki in Essays II, S. 10. 47 In der Zusammensetzung kanna bedeutet kan sehen, na ist gleich wa und steht für watô, eine andere Bezeichnung für kôan, siehe The Development of Chinese Zen, S. 40. 48 Zitiert in Essays II, S. 78, vgl. S. 290. 49 Spruchsammlung, T. Bd. 47, S. 930 a, japanische Übersetzung von Yanagida, in Chûgoku Zenshûshi, S. 99, englisch von Suzuki in Essays II, S. 289 f. 50 Ebd., T. Bd. 47, S. 886 a, Chûgoku Zenshûshi, S. 100, Essays II, S. 77 f. 51 T. Bd. 47, S. 921 c, Chûgoku Zenshûshi, S. 101 f. 52 Yanagida zitiert einen Passus aus der Spruchsammlung des Wu-tsu (jap. Goso Hôen Goroku, chin. Wu-tsu Fa-yen yü-lu, T. No. 1995, Bd. 47), in dem der Meister zu seinen Jüngern folgendermaßen spricht: «Wie übt ihr eigentlich gewöhnlich das Kôan? Ich glaube, es genügt, immer nur ernsthaft mu zu wiederholen. Wenn ihr euch dieses eine Schriftzeichen aneignet, kann euch keiner in der Welt etwas anhaben. Ob unter euch einer ist, der es sich aneignen kann? Wenn ein solcher da ist, möge er hervortreten und antworten! Ich verlange von euch weder, dass ihr ‹ ja › (Sein) noch dass ihr ‹ nein › (Nicht-Sein) sagt. Noch verlange ich, dass ihr ‹ Weder Sein noch Nicht-Sein › sagt. Was antwortet ihr nun? » In Chûgoku Zenshûshi, S. 102 (T. Bd. 47, S. 665 b). 53 Deutsche Übersetzung S. 38. 54 Siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 103 f. Englische Übersetzung in Zen Dust, S. 246 f. Der im Zen beliebte Ausdruck «Ball des Zweifels» (jap. gidan, chin. i-t ’ uan) findet sich schon in den Erleuchtungsversen des Lo-han Kuei-ch ’ en (867 - 928), dessen Jünger Fa-yen Wen-i das Haus Fa-yen begründet hat. Im Augenblick der Erleuchtung erfuhr Lo-han Kuei-ch ’ en: «Mein Ball des Zweifels, in Furcht zerstoben, fiel mit einem Krach zu Boden.» (In Zen Dust, S. 247.) IX Entfaltungen in Kultur und Gesellschaft 1 Vgl. Ch ’ en Buddhism in China, S. 403, Yanagida, Chûgoku Zenshûshi, S. 95. 2 Die fünf Berge oder Klöster haben in Indien ein Vorbild in fünf Klosterstätten, die mit dem Buddha Shâkyamuni verknüpft sind. Listen der fünf Berge und zehn Tempel (mit geographischen Angaben) in Mochizuki Bukkyô Daijiten, II, S. 1182 f., und Zengaku Daijiten I, S. 340, vgl. über die fünf Berge Soothill-Hodous, A Dictionary of Chinese Buddhist Terms (London 1937), S. 117. Auch Yanagida gibt die Namen der fünf Berge und zehn Tempel an. Nach seiner Ansicht erreichte das staatliche Kontrollsystem während der Yüan-Zeit (1260 - 1368) den Höhepunkt (Chûgoku Zenshûshi, S. 96 f.). Mochizuki gibt als zweite Lesart Gozan jusatsu. 3 Sung-lien (1310 - 1381), Chûgoku Zenshûshi, S. 97. 4 So schreibt z. B. Olaf Graf in seinem Werk: Tao und Jen. Sein und Sollen im sungchinesischen Monismus (Wiesbaden 1970): «Wenn ein Volk der diesseitigen Weltwirklichkeit verhaftet ist und daher zu Anschauungen und zu einer Lebenshaltung, einem geistigen Habitus wie denen der Sunyavadins oder Madhamikavadins von Natur aus keinen Zugang besitzt, dann ist es das Anmerkungen zu Seiten 261 - 269 401 chinesische im Allgemeinen und das Konfuzianertum im Besonderen» (S. 227). Er beruft sich auf Max Wallesers Urteil, «eine inkongruentere Begegnung zweier geistiger Welten sei schwerlich zu denken wie jene zwischen Indien und China» (S. 227). Bei der Begegnung zwischen Sungkonfuzianertum und Buddhismus, auf buddhistischer Seite vornehmlich vom Zen-Buddhismus getragen, empfinden, wie Graf meint, einerseits die Neukonfuzianer «entschiedende Anregungen», doch war ihre Reaktion «im Endeffekt . . . mehr negativ abwehrend» (S. 228). 5 Nach Fung Yu-lan kann Han Yü «als erster wirklicher Protagonist des späteren Neukonfuzianismus angesehen werden», siehe Chinese Philosophy II, S. 408 f., vgl. die Abschnitte über Han Yü und Li Ao, S. 408 - 413, 413 - 422. C. Burton nennt Li Ao einen «Vorläufer des Neukonfuziansimus» (in: The Philosophers of China, New York 1962, S. 185). 6 Chinese Philosophy II, S. 423 f., 414. 7 Ebd., S. 419, vgl. den ganzen Abschnitt. 8 Ebd., S. 407. 9 Siehe ebd., S. 424. 10 Ein sechster Name wäre Shao Yung (1011 - 1077), über den z. B. Fung Yu-lan ausführlich handelt (S. 451 - 476). Über die neukonfuzianische Philosophie der Sung-Zeit berichten alle einschlägigen Werke der chinesischen Philosophiegeschichte. Außer dem Standardwerk des Fung Yu-lan sind besonders wichtig die zwei Bände von Carsun Chang The Development of Neo-Confucian Thought (New Haven 1963) und die Studien des Wing-tsit Chan (zusammengefasst in: A Source Book of Chinese Philosophy, Princeton-London 1963), des «besten lebenden Kenners der Sung-Philosophie und ihrer Literatur-Bibliographie» (Graf, a. a. O., S. 358). Ferner verdient das oben zitierte Werk von Olaf Graf über Tao und Jen Beachtung. Viele Werke in japanischer Sprache handeln über die neukonfuzianische Philosophie und über deren Verhältnis zum Buddhismus. Japanische Autoren neigen, wie Wing-tsit Chan bemerkt, dazu, die Ähnlichkeiten zwischen Neukonfuzianismus und Buddhismus überzubetonen (a. a. O., S. 577). Für unsere Themastellung ist ein unlängst erschienenes Buch von Kusumoto Fumio mit dem Titel Sôdai Jugaku no Zen-shisô Kenkyû (Studien über Zen-Ideen im Konfuzianismus der Sung-Zeit) (Abk. Sôdai Jugaku) anregend. Kusumoto beleuchtet die Situation von der zen-buddhistischen Seite her und benutzt vielfach (nicht ganz zuverlässige) buddhistische Quellen. 11 Die Wertschätzung Chou Tun-i ’ s als Begründers einer neuen Philosophie in der Sung-Zeit, die Carsun Chang vertreten hat (a. a. O., Bd. I, S. 140 f., 158), ist nach der Ansicht Grafs «zu hoch gegriffen» (a. a. O., S. 6). Ebenso urteilt Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 461. Vgl. Burton, a. a. O., S. 186. 12 Carsun Chang unterstützt die Meinung, dass das Diagramm zuerst von der taoistischen Schule gezeichnet wurde, siehe a. a. O., S. 141 f., vom taoistischen Ursprung des Diagramms spricht auch Fung Yu-lan, Chinese Philosophy II, S. 438 ff. 13 Siehe Sôdai Jugaku, S. 76 - 97. 14 Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 462. 15 Ebd. (chin. ch ’ iung-ch ’ an-k ’ o, jap. kyûzenkaku). 16 Ebd. Fung Yu-lan übernimmt die Anekdote aus J. P. Bruce, Chu Hsi and His Masters (London 1923), Chinese Philosophy II, S. 435. 17 Siehe Graf, a. a. O., S. 212. Graf zitiert aus dem Abschnitt des Chang Tsai «Über die Unterscheidung der Irrlehren» den erstaunlichen Satz: «Wer die buddhistische Lehre gründlich erforschen wollte, um das Falsche darin zurückzuweisen, der würde bestimmt schon ein Anhänger Buddhas werden, noch bevor er mit dem erschöpfenden Studium dieser Lehre ans Ziel gekommen wäre.» (ebd.) 18 Zitiert bei Fung Yu-lan in Chinese Philosophy II, S. 497. 402 Anmerkungen zu Seiten 270 - 271 19 In der Westinschrift des Chang Tsai, zitiert ebd., S. 496. 20 Vgl. zum Folgenden das ausführliche Kapitel von Kusumoto über den Lebenslauf und die Beziehungen zum Zen des Ch ’ eng Ming-tao, Sôdai Jugaku, S. 132 - 150. Die Darstellung Kusumotos wurde unter kritischer Berücksichtigung seiner Quellen auf die Kernangaben zusammengefasst. Es folgt bei Kusumoto eine noch ausführlichere Darlegung über die «Gedanken des Ming-tao und das Zen», die stark vom Standpunkt des Verfassers gefärbt ist (S. 150 - 195). 21 Das Gespräch dauerte mehrere Tage und fand, wie Kusumoto vermutet, in einem Zen-Kloster statt. Siehe Sôdai Jugaku, S. 140 f. 22 Graf, a. a. O., S. 8. Graf betont, dass die Brüder «geistig ein Herz und eine Seele waren» (S. 9). Das wichtige Werk Erh-Ch ’ eng Yi-shu (Nachlass der zwei Ch ’ eng) geht unter gemeinsamer Urheberschaft und enthält Stücke beider Brüder. 23 Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 518 f., S. 521. 24 Zitiert in Chinese Philosophy II, S. 509. 25 Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 521. 26 A. a. O., S. 522. 27 Ebd. 28 Siehe Chinese Philosophy II, S. 500. Fung Yu-lan stellt der «Schule des Studiums des Geistes» Hsin Hsüeh (jap. shingaku) Chu Hsis «Schule des Studiums des Prinzips» Li Hsüeh (jap. rigaku) gegenüber. Er führt also auf die zwei Ch ’ eng zwei verschiedene Schulen zurück. «Fungs Neigung, die Lehrverschiedenheiten zwischen den Brüdern Ch ’ eng zu übertreiben, führt», so meint Carsun Chang, «zu erheblicher Missinterpretation» (a. a. O., S. 193). Graf nimmt keine Verschiedenheit der philosophischen Standpunkte, wohl aber «charakterliche Unterschiede» der Brüder an, siehe a. a. O., S. 8. Die Kontroverse ist für uns insofern von Bedeutung, als Fung die größere Nähe des äteren Ch ’ eng zum Buddhismus deutlicher hervortreten lässt. 29 Graf, a. a. O., S. 212. Kusumoto berichtet von Jüngern der beiden Brüder Ch ’ eng, die sich wenigstens zeitweise dem Zen zuwandten (Sôdai Jugaku, S. 146 f., S. 216 f.). 30 Zitiert in Chinese Philosophy II, S. 509. 31 Kusumoto handelt ausführlich über Ch ’ eng Yis Beziehungen zu Zen-Meistern, siehe Sôdai Jugaku, S. 204 - 221. 32 Über Ch ’ eng Yis eifriges Meditieren im seiza-Sitz siehe Sôdai Jugaku, S. 216. Vgl. The Development of Chinese Zen, S. 34, Anm. 71. Über «die wichtige Rolle des seiza in der neukonfuzianischen Tradition» (S. 303) siehe den Aufsatz von J. Gernet «Techniques de Recueillement, Religion et Philosophie: À propos du jingzuo (seiza) Neo-Confucéen» in Bulletin de l ’ École Francaise d ’ Extrême-Orient 69 (1981), S. 289 - 305. Die Neukonfuzianer verwarfen den Buddhismus, auch den Zen-Buddhismus, doch ändert dies nichts an der «zentralen Rolle», die «die Praktiken der Sammlung im Neukonfuzianismus ebenso wie im Buddhismus spielen» (S. 298). Das seiza ist, wie Gernet meint, «in seinem Prinzip die Konzentrationsübung, der sich die Mönche am häufigsten widmen» (S. 292). Wir haben hier eine «für den Neukonfuzianismus typische Verbindung von Anleihe und Verwerfung» (ebd.), vgl. S. 298. 33 S. die drei Namen bei Carsun Chang (a. a. O., S. 236) und Kusumoto (S. 286). Chang gibt als vierten den Namen des Lu Ta-lin an, Kusumoto hat noch zwei andere Namen. Vgl. auch zum Folgenden das Kapitel Kusumotos über die Schule der Ch ’ eng (S. 286 - 312). 34 Zitiert in Sôdai Jugaku, S. 301. 35 Übertritte zum Zen-Buddhismus kamen vor, die drei genannten Hauptjünger der Schule Ch ’ eng standen treu zu den konfuzianischen Grundsätzen ihrer Lehrer. 36 Er fixierte die orthodoxe Überlieferungslinie des Konfuzianismus und bestimmte die «vier Bücher», siehe Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 589. Anmerkungen zu Seiten 271 - 275 403 37 Carsun Chang, a. a. O., S. 245. Die Erforscher der chinesischen Philosophiegeschichte rühmen übereinstimmend die überragenden Qualitäten des Chu Hsi. 38 Kusumoto stützt sich für diese Angabe auf buddhistische Quellen, siehe Sôdai Jugaku, S. 333. 39 Kusumoto nennt drei, nämlich Hu Chi-hsi (1086 - 1162), Liu Pai-shui (1091 - 1149) und Liu P ’ ing-shan (1101 - 1147) (Sôdai Jugaku, S. 334 ff.). Über Chu Hsis Studium des Buddhismus vgl. Graf, a. a. O., S. 212. Auch Hackmann spricht von Chu Hsis Studium des Buddhismus und des Taoismus, bei dem ihn die zwei dem Vater befreundeten Gelehrten Hu Chi-hsi und Liu P ’ ingshan geführt hätten. «Besonders der zweitgenannte . . . meinte in den buddhistischen Philosophemen eine willkommene Ergänzung zur konfuzianischen Lehre zu finden.» Siehe Heinrich Hackmann, Chinesische Philosophie, München 1927, S. 324 f. 40 Siehe Zitate aus Chu Hsis Werken in Sôdai Jugaku, S. 340 f. Auch Araki Kengo hält diese Beziehung für sicher, siehe Bukkyô to Jukyô, Kyoto 1976, S. 194. 41 Eine Unterredung zwischen Ta-hui und Chu-Hsi, von der die Vorrede der Spruchsammlung des Ta-hui berichtet, ist nach Ansicht Arakis legendär, siehe a. a. O., S. 194 f. 42 So meint Kusumoto, Sôdai Jugaku, S. 336. 43 Die Zeitangaben stimmen bezüglich des Studiums Chu-Hsis unter Li T ’ ung nicht überein. Nach Wing-tsit Chan begann das Studium 1160 (a. a. O., S. 588). Carsun Chang erklärt, Chu Hsi habe unter Li T ’ ung zehn Jahre lang bis zu dessen Tod im Jahre 1163 studiert (a. a. O., S. 247). Auch Hackmann gibt als Todesdatum für Li T ’ ung das Jahr 1163 an. Nach ihm könnte das Studium schon bald nach 1151 begonnen haben (a. a. O., S. 325). 44 Kusumoto findet im Lebensgang Chu Hsis fünf Phasen. Die Gegnerschaft gegen den Buddhismus war am ausgesprochensten während seines Mannesalters (zwischen 24 und 42/ 43 Jahren). In den Spätjahren lässt sich vielleicht hinter der Ablehnung des Buddhismus ein aufmerksames Bedenken buddhistischer, insbesondere zen-buddhistische Dinge wahrnehmen. Kusumoto bemüht sich in einem längeren Teil seines Kapitels über Chu Hsi, der die Beziehungen des Philosophen zum Zen behandelt (S. 332 - 362), alle freundlichen Kontakte mit Zen-Buddhisten im Leben Chu Hsis herauszustellen, spricht besonders über die Spätjahre (S. 349 - 356) und am Schluss nochmals zusammenfassend über die fünf Phasen (S. 356 - 362). Gernet zitiert eine Beschreibung Chu Hsis der Meditation im Hocksitz und erwähnt eine Schrift, in der der Philosoph praktische Anweisungen für die Übung gibt (a. a. O., S. 292 f.). Zugleich warnte Chu-Hsi davor, das neukonfuzianische seiza mit dem zen-buddhistischen zazen zu verwechseln und dem nach seiner Ansicht quietistischen Buddhismus zu verfallen (ebd., S. 294). 45 Zitiert bei Carsun Chang, a. a. O., S. 276 f. 46 Für Chu Hsis scharfe Kritik an Ta-hui siehe Araki, a. a. O., S. 194 ff., vgl. S. 288. 47 Zitiert in Chinese Philosophy II, S. 569 f. Vgl. Carsun Chang, a. a. O., S. 277 f. 48 Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 572 f. 49 Siehe Chinese Philosophy II, S. 529. 50 Ebd., S. 568. 51 Ebd. 52 Alle Werke über die Geschichte der chinesischen Philosophie handeln über Lu Chiu-yüan, Chinese Philosophy II, S. 572 - 579. Carsun Chang hat ein Kapitel über die Kontroverse zwischen Chu Hsi und Lu Chiu-yüan (a. a. O., S. 285 - 307), ebenfalls Julia Ching in der Einführung ihres Buches To acquire Wisdom. The Way of Wang Yang-ming, New York und London 1976, S. 12 - 19. Kusumoto handelt in seinem Kapitel über Lu Chiu-yüan (S. 399 - 458) ausführlich über dessen Beziehungen zum Zen-Buddhismus. 53 Olaf Graf schreibt: «Dass sich der erst dreizehnjährige Lu Hsiang-shan schon mit der Frage der Realität der Außenwelt befasste und zu einer Lösung kam, die Immanuel Kant rund 600 Jahre später aus anderer Problemstellung heraus gestellt hat und streng zu begründen suchte, ist 404 Anmerkungen zu Seiten 275 - 277 wohl einmalig in der Geschichte der Philosophie . . .» (a. a. O., S. 344). Es handelt sich bei dem intuitiv begabten Lu Chiu-yüan eben nicht um die rationale Lösung eines philosophischen Problems, sondern um eine geistige Schau. 54 Siehe Chinese Philosophy II, S. 500. 55 Fung Yu-lan zitiert Lu Chiu-yüan: «Das Universum ist mein Geist, und mein Geist ist das Universum», und: «Das Universum hat sich niemals vom Menschen abgegrenzt und getrennt, aber es ist der Mensch, der sich vom Universum abgrenzt und trennt» (S. 587 und 575). 56 Zitiert bei Carsun Chang, a. a. O., S. 296 f. 57 Ebd., S. 297 f., vgl. den Aufsatz The Goose Lake Monastery Debate (1175) von Julia Ching in: Journal of Chinese Philosophy I (1974), S. 161 - 178. 58 In Chinese Philosophy II, S. 579. 59 Bei Carsun Chang, a. a. O., S. 287. Wing-tsit Chan betont den Unterschied der philosophischen Aussage des Lu Chiu-yüan von den spontanen Erfahrungen der Zen-Meister: «Seine Lehre vom Geist», so schreibt er, «hat nichts vom tiefen Geheimnis des Zen. Er betonte Denken, Zweifel und Urteil, das ist jedoch weit vom Schrei des Zen . . .» (a. a. O., S. 577). 60 Ebd., S. 573. 61 Bei Carsun Chang, a. a. O., S. 301. 62 So vermutet Kusumoto, Sôdai Jugaku, S. 401 f., 423. 63 Siehe Carsun Chang, a. a. O., S. 301 ff., vgl. Wing-tsit Chan, a. a. O., S. 577. 64 A. a. O., S. 575 f. 65 Z. B. Ogiû Sorai und Dazai Shundai, vgl. vom Verf. Kamo Mabuchi. Ein Beitrag zur japanischen Religions- und Geistesgeschichte, Tokyo 1943, S. 158 f. 66 Vgl. zum Folgenden die grundlegenden Werke von D. Seckel, Buddhistische Kunst Ostasiens, Stuttgart 1957, und Kunst des Buddhismus, Baden-Baden 1963, ferner K. Brasch, Zenga (Zen- Malerei), Tokyo 1961, Y. Awakawa, Die Malerei des Zen-Buddhismus, Wien u. München 1970, O. Kümmel, Die Kunst Ostasiens, Berlin 1921, T. Hoover, Die Kultur des Zen, Düsseldorf-Köln 1978. 67 Buddhistische Kunst Ostasiens, S. 228. Dieses Werk enthält ein eindringliches Kapitel über die Kunst des Zen-Buddhismus. Seckel sieht die zwei Höhepunkte der Zen-Malerei in der chinesischen Sung-Malerei und der japanischen Malerei der Muromachi-Zeit. 68 A. a. O., S. 127 f. 69 Siehe Awakawa, a. a. O., Abb. 1,2; über den Maler Shih K ’ o siehe S. 178. 70 Seckel hat dem Bild eine eigene Studie gewidmet: «Shâkyamunis Rückkehr aus den Bergen. Zur Deutung des Gemäldes von Liang K ’ ai» in AS Bd. XVIII/ XIX (Bern 1965), S. 35 - 72, Zitat S. 37. 71 Bei Awakawa, a. a. O., Abb. 6. 72 Ebd., Abb. 15, über den Maler Chih-weng siehe S. 173. 73 Ebd., Abb. 14. «Als dieser (Laie) den Meister bat, ihn das innerste Geheimnis des Zen zu lehren, erhielt er die Antwort: ‹ Die Wolken sind am Himmel, das Wasser ist in der Flasche › - und augenblicklich erkannte er die Wahrheit.» 74 Ebd., Abb. 17. Die Aufschrift (jap. san) des Bildes stammt von dem berühmten Zen-Mönch Ishan I-ning (1247 - 1317) und sagt: «Unter den Füßen ist Tiefe und Klarheit» (S. 176). 75 Abb. in Essays II, nach S. 218. 76 Ebd., Abb. II nach S. 252, über den Maler (chin. Yin-t ’ o-lo, seine Herkunft aus Indien oder Zentralasien ist unsicher), dessen Wirken schon in die Yüan-Zeit fällt (Mitte des 14. Jahrhunderts), siehe Awakawa, a. a. O., S. 180. 77 Han-shan war ein Dichter und wird gern mit Schreibrolle dargestellt, seinem Freund Shih-te, der in der Klosterküche half, wird ein Besen beigegeben. Siehe Seckel, a. a. O., S. 238, Abb. 145; andere Darstellungen bei Awakawa Abb. 21, 95 und 96. Anmerkungen zu Seiten 277 - 283 405 78 Auch Pu-tai war eine geschichtliche Persönlichkeit, siehe Seckel, ebd., S. 238 f., Abb. 144, Awakawa Abb. 22 und 97. 79 Die Ochsenbilder wurden im Westen zuerst von Suzuki vorgestellt in Essays I, S. 349 - 366 (mit Abbildungen, für die Publikation vorbereitet durch den Zen-Abt Seki Seisetsu vom Tenryûji- Kloster in Kyoto). Suzuki bringt die gleichen Bilder in ihrer ursprünglichen Fassung in: Manual of Zen Buddhism (Kyoto 1935), S. 150 - 161 (Erste Reihe). In Deutschland wurden diese Ochsenbilder besonders bekannt durch das Buch: Der Ochs und sein Hirte. Eine altchinesische Zen-Geschichte, erläutert von Meister Daizohkutsu R. Ohtsu mit japanischen Bildern aus dem 15. Jahrhundert, übersetzt von Kôichi Tsujimura und Hartmut Buchner (Pfullingen 1958). Dieser Bildzyklus findet sich auch in dem Übersetzungsband von Zen-Texten «Ohne Worte - ohne Schweigen», hrsg. von Paul Reps (S. 163 - 187), den zuerst N. Senzaki und P. Reps unter dem Titel Zen Flesh, Zen Bones in englischer Sprache veröffentlichten. (Bei den Ochsenbildern handelt es sich eigentlich um Wasserbüffel; das Schriftzeichen würde besser durch Rind übersetzt, aber die Bilder sind im Westen nun einmal als Ochsenbilder bekannt.) 80 Übernommen aus meinem Taschenbuch: Der Erleuchtungsweg des Zen im Buddhismus (Frankfurt 1976), S. 176 f. 81 In: Zen in Gleichnis und Bild (Bern - München - Wien 1974), Bilder und Erläuterungen S. 126 - 171. Suzuki bringt in Manual of Zen Buddhism einen Zyklus von zehn Bildern (S. 162 - 171, Zweite Reihe) nach einer chinesischen Edition mit Vorwort aus dem Jahr 1585, der auf die Bildreihe von Ch ’ ing-chü und Tzu-te zurückgeht und mit dem Kreisrund endet. Vier der Bilder finden sich in dem Sechsbilder-Zyklus bei Shibayama. Dieser gibt eine kurze Biographie des Tzu-te (S. 135 f.) und erwähnt «Zehn Bilder des Weißen Ochsen» von einem unbekannten Autor (S. 126). 82 A. a. O., S. 128. 83 Die Verse zu den sechs Bildern siehe bei Shibayama S. 138, 144, 150, 156, 162, 168. 84 Zum Folgenden siehe die ausgezeichnete Studie von H. Brinker: Die zen-buddhistische Bildnismalerei in China und Japan von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Eine Untersuchung zur Ikonographie, Typen- und Entwicklungsgeschichte (Wiesbaden 1973), vgl. den Abschnitt über «Die zen-buddhistische Porträtkunst» in meinem Aufsatz «Das Problem der Person im Buddhismus - Religiöse und künstlerische Aspekte» in S Bd. 31 (1980), S. 85 - 89. Hoover sagt von der zen-buddhistischen Porträtmalerei: «Man muss sie zu den schönsten Porträtbildern der Welt zählen» (a. a. O., S. 127). 85 Siehe Brinker, a. a. O., S. 65 ff., 101 ff. 86 Seckel schreibt: «Ganz besonders gepflegt wurde das Arhat-, Patriarchen- und Priesterbildnis bei der Ch ’ an(Zen-)Schule, da ihr die starke religiöse Persönlichkeit, die Begegnung von Meister und Schüler und die Überlieferung von ‹ Geist zu Geist › wichtig war . . .» In: Kunst des Buddhismus, S. 252, vgl. Buddhistische Kunst Ostasiens, S. 239. 87 Brinker, a. a. O., S. 18. 88 Brinker hebt im vierten Teil seiner Studie die Porträts der chinesischen Meister Wu-chun Shih fan (S. 160 - 163) und Chung-feng Ming-pen (S. 163 - 166) besonders hervor. Er erklärt mehrere hervorragende Bildnisse des Hsü-t ’ ang Chih-yü (Abb. 46 und 47, vgl. Abb. 26 und 27). 89 Brinker, a. a. O., S. 117. 90 Bei Brinker, a. a. O., Abb. 46 (im Myôshinji) und Abb. 47 (im Daitokuji). Kurzbiographie des Hsü-t ’ ang in Zen Dust, S. 206 f. 91 T. No. 2000, Bd. 47, Beschreibung der zehnbändigen Sammlung in Zen Dust, S. 361 f. 92 Zitat bei Brinker, a. a. O., S. 160. Siehe ebd. eine Kurzbiographie des Wu-chun Shih-fan. Brinker erklärt ausführlich das hervorragende Porträt des Meisters (Abb. 99) und einige Kopien (Abb. 100 - 103), a. a. O., S. 160 - 163. 406 Anmerkungen zu Seiten 283 - 286 93 Biographische Angaben über Chung-feng Ming-pen bei Brinker, a. a. O., S. 163 f. Ruth Fuller Sasaki zitiert eine bemerkenswerte Erklärung der Sinnbedeutung des Wortes kôan aus den Reden des Chung-feng. Wie öffentliche Gerichtsfälle, so führt dieser aus, gesetzmäßige Rechtsprechung ermöglichen, so «stellen die Kôan-Beispiele nicht die private Meinung eines einzelnen dar, sondern das höchste Prinzip . . . Dieses stimmt mit der geistlichen Quelle überein, entspricht der geheimnisvollen Bedeutung, zerstört Geburt und Tod und transzendiert die Trübungen: es kann nicht durch Logik verstanden, nicht in Worten überliefert, nicht in einer Schrift erklärt, nicht von der Vernunft gemessen werden . . . Die ehrwürdigen Zen-Meister sind gleichsam die Hauptbeamten der öffentlichen Gerichtshöfe der Mönchsgemeinden, und ihre Spruchsammlungen sind die Berichte der Fälle, die stark diskutiert wurden . . . Das Wort kung (jap. kô) bedeutet, dass die Kôan privatem Verstehen Halt gebieten, das Wort an bedeutet, daß sie garantiert mit den Buddhas und Patriarchen übereinstimmen . . .» Der Text endet mit einem Lobpreis des Kôan als «einer Weisheitsfackel, die das Dunkel von Fühlen und Unterscheiden erhellt». Das ausführliche Zitat aus den Reden des Chung-feng (chin. Chung-feng Ho-shang Kuang-lu, jap. Chûhô Oshô Kôroku) findet sich zuerst in dem Essay «Die Geschichte des Kôan im Rinzai-Zen», dann in Zen Dust, S. 4 - 7. 94 Bei Brinker, a. a. O., Abb. 104 - 106. 95 Die Tradition des Arhat-Bildes ist älter als die Zen-Schule, in ihr wirken nach der Ansicht Seckels auch taoistische Elemente, siehe Buddhistische Kunst Ostasiens, S. 237, ferner Kunst des Buddhismus, S. 245 ff., Brinker, a. a. O., S. 61, Brasch, a. a. O., S. 14 f. Dieser Kategorie verwandt ist das für die Zen-Kunst so wichtige Bodhidharma-Motiv. 96 Seckel, Buddhistische Kunst Ostasiens, S. 237. 97 Seckel schreibt: «Die Darstellungsweise . . . geht unmittelbar auf den persönlichen geistigen Wesenskern los und gibt tief eindringende Bilder des innerlich befreiten, geistesmächtigen, häufig ins Numinos-Groteske gesteigerten homo religiosus» (a. a. O., S. 237). Vgl. Kunst des Buddhismus, S. 246. 98 Hoover, a. a. O., S. 132. 99 Seckel, Buddhistische Kunst Ostasiens, S. 253 f. Vgl. die ausführliche Interpretation des Bildes von Seckel in seiner Einführung in die Kunst Ostasiens (München 1960, S. 345 ff.). 100 Ebd., S. 246. 101 Ebd., S. 248 f. 102 Ebd., S. 251. 103 Siehe auch zum Folgenden den Aufsatz «Tsung-mi. His Analysis of Ch ’ an Buddhism» von Jan Yün-hua, in TP, Bd. LVIII, S. 1 - 54, vgl. auch den 2. Teil der Studie von A. Verdu, Dialectical Aspects in Buddhist Thought. Studies in Sino-Japanese Mahâyâna Idealism (Kansas 1974), S. 77 - 113. 104 Tao-yüan. Über die Generationslinie des Tsung-mi herrscht keine völlige Klarheit. Yün-hua weist die in dieser Anmerkung erwähnte, von Yanagida für möglich erachtete abweichende Generationslinie entschieden zurück, siehe den Exkurs in seinem Aufsatz (Anm. 3, S. 9 und 10). 105 T. No. 842, Bd. 17. Es ist nicht sicher, ob dem chinesischen Text ein Sanskrittext zugrunde liegt. Das im chinesischen Buddhismus wichtige Sutra wurde durch Tsung-mi in die Kegon- Lehre einbezogen. Siehe Yün-hua, a. a. O., S. 8. Im Index zur Ausgabe Taishô Daizôkyô mit dem Titel Répertoire du Canon Bouddhique Sino-Japonais (Fascicule Annexe du Hôbôgirin, Paris- Tokyo 1978), kompiliert von Paul Demiéville, Hubert Durt, Anna Seidel, ist das Sutra als ein «Apocryphe» bezeichnet (S. 78). 106 Zitiert bei Yün-hua, a. a. O., S. 9. Dort die chinesischen Schriftzeichen, die bei der deutschen Übersetzung berücksichtigt wurden. Die zwei letzten Schriftzeichen finden sich im Titel des Sutras, das in dem Wort gepriesen wird. Anmerkungen zu Seiten 286 - 289 407 107 Trimśíkâ Vijñaptimâtra Kârikâ; Tsung-mis Kommentar zu diesem Werk ist nicht erhalten, siehe Yün-hua, a. a. O., S. 13. 108 In 12 Büchern. 109 T. No. 1666, Bd. 32, englische Übersetzung von D. T. Suzuki (Chicago 1900) und S. Hakeda (New York und London 1967). 110 So Yün-hua am Schluss seiner Studie, a. a. O., S. 36. 111 Zengen-shozenshû Tojo (chin. Ch ’ an-yüan chu-ch ’ üan-chi tu-hsü), T. No. 2015, Bd. 48, japanische Übersetzung von Ui Hakuju (Tokyo 1943). Ausführliche Analysen der Formeln und Termini dieses Werkes siehe bei Verdu, a. a. O., S. 79 - 103. Das Werk bedarf nach der geschichtlichen Seite kritischer Sichtung. 112 Verdu analysiert auch das Genninron (a. a. O., S. 103 - 106), vgl. auch die Anm. 103 und 106 (S. 113). 113 Siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 89. 114 Ebd. Yanagida, hebt die Beziehung zu Tsung-mi hervor. 115 T. No. 2016, Bd. 48, Nj. Nr. 1489. Nanjio übersetzt den Titel Records as the mirror of the (Dhyâna) school (Chroniken als der Spiegel der Schule). 116 Über die Namenanrufung (jap. nembutsu, chin. nien-fo) in der «Schule vom Reinen Land» (sanskr. sukhâvatî, chin. ching-t ’ u, jap. jôdo) und deren Aufnahme im Zen-Buddhismus, siehe Zen Dust, S. 172 - 176. 117 D. T. Suzuki hat dies öfters herausgestellt, z. B. im zweiten Teil seines Essays über die Kôan- Übung, deutsch in: Der Weg zur Erleuchtung, S. 167 - 227. 118 T. No. 2078, Bd. 51. Im Titel (deutsch: «Bericht der Überlieferung des Dharma in der Wahren Schule») wird die Zen-Schule zum ersten Mal als die «Wahre Schule» bezeichnet. Später wurde dieser Name als Titel, wahrscheinlich durch den Kaiser Kao-tsung der südlichen Sung- Dynastie, der Rinzai-Schule verliehen. Siehe Zen Dust, S. 427. 119 Siehe Chinese Philosophy II, S. 424. 120 Gemäß der Biographie in Mochizuki Bukkyô Daijiten III (S. 2455 f.) trat Lien-chi Chih-hung (jap. gelesen Renchi Shukô) unter einem Zen-Meister ins Mönchsleben ein, übte eifrig Nembutsu, verbreitete die Doppelübung, bestehend aus Zen-Meditation und Namenanrufung, wobei er die Lehre vom Reinen Land stark akzentuierte, und verfasste viele Schriften. Im großen Zen-Lexikon ist er ebenfalls als Vertreter der Verbindung von Zen und Amidismus (jap. Zenjô itchi) genannt, er kannte auch den Konfuzianismus und wirkte für die Verbreitung des Zen (Zengaku Daijiten I, S. 503). Ch ’ en liest den Namen Chu-hung mit den gleichen Daten, er gibt aber nicht die chinesischen Schriftzeichen. Nach ihm verfasste er das Werk Tzu-chih lu (jap. Jichiroku), das auch die japanischen Quellen ihm zuschreiben. Ch ’ eng nennt ihn einmal einen «buddhistischen Mönch» (Buddhism in China, S. 437), dann einen der «hervorragenden Kleriker» (one of the outstanding clerics) während der Ming-Dynastie (S. 443). An beiden Stellen berichtet er von seiner starken Aktivität (S. 437 f., 443 - 447). Gemäß der exakt gearbeiteten «Geschichte des Zen» (History of Zen, Pennsylvania 1979) von Y. H. Ku war Lien-chi Chihhung «ein großer Freund» des Han-shan Te-ch ’ ing. Da Letzterer Zen-Meister war, dürfen wir wohl auch Chih-hung dem Zen-Buddhismus zurechnen. Siehe Y. H. Ku, a. a. O., S. 87. 121 Ein Kommentar des Diamantsutras und eine aufrichtige Rede des Zen-Meisters Han-shan über das Herzsutra (A straight Talk on the Heart Sutra) wurden von Lu K ’ uan Yü (Charles Luk) ins Englische übersetzt, in: Ch ’ an and Zen Teaching, First Series (London 1960), 3. Teil (S. 146 - 206), 4. Teil (S. 207 - 220). Vgl. Ch ’ eng Buddhism in China, S. 446 f. Ku, a. a. O., S. 87. 122 Furuku yori, so Mochizuki im Artikel sankyôzu («Zeichnung der drei Lehren») in Bukkyô Daijiten II, S. 1479. 123 Ebd. 124 Zitiert bei Yün-hua, a. a. O., S. 22. 408 Anmerkungen zu Seiten 289 - 291 125 Tsung-mi besaß nicht nur eine profunde Kenntnis der nicht-buddhistischen Religionen Chinas, sondern fühlte sich auch zu deren Erforschung hingezogen. «Ich interessiere mich aus natürlicher Neigung für vergleichende Studien», bekannte er von sich selbst. (Zitiert bei Yünhua, a. a. O., S. 35). So bezog er den Konfuzianismus und Taoismus in die synthetische Schau der Religionen ein, die er in seinem «Traktat vom Ursprung des Menschen» (Genninron) vorlegt. Zwar kennen die konfuzianische und taoistische Lehre, wie er meint, den Ursprung des Menschen nicht, doch widmet er ihnen den ersten Abschnitt seiner Ausführungen, bevor er sich den fünf Lehrstufen innerhalb des Buddhismus zuwendet. Tsung-mi reflektiert, wie Verdu meint, in den fünf Lehrstufen die buddhistische Ideengeschichte «mittels des wohl bekannten dialektischen Überganges von Negation zur Negation der Negation» (a. a. O., S. 103). Tsung-mi erweist sich als ein ökumenischer und dialektischer Denker. 126 Ch ’ en deckt im letzten Teil seines Werkes, das vom Niedergang des Buddhismus handelt, zuerst die Verweltlichung und sittliche Dekadenz innerhalb der Mönchsreligion auf. Abhängigkeit von der Regierung führte zum Verkauf von Mönchszertifikaten und Titeln. Die kritische Haltung der führenden neukonfuzianischen Philosophie, vor allem die heftigen Angriffe des größten Denkers der Epoche, Chu Hsi, brachte dem Buddhismus schwere Verluste. Hinzu kamen die inneren Zersetzungserscheinungen, vornehmlich bedingt durch die synkretistischen Tendenzen, von deren Wirkungen innerhalb der Zen-Schule wir im Vorigen gehandelt haben. (Siehe Ch ’ en Buddhism in China, Kap. XIV, S. 389 - 408.) Yanagida hebt besonders die widrigen politischen Umstände unter den Dynastien Yüan (1280 - 1368), Ming (1368 - 1644) und Ch ’ ing (1644 - 1912) hervor, siehe Chûgoku Zenshûshi, S. 104 f. Zu den Abirrungen des Zen-Buddhismus, die aus China nach Japan überbracht wurden, rechnen außer synkretistischen Tendenzen auch Übertretungen der buddhistischen Gebote und der Mönchsregel. 127 A. a. O., S. 104 ff. Anstatt eines Nachwortes 1 Eine Spruchsammlung P ’ angs (chin. P ’ ang chü-shih yü-lu, jap. Hô Koji Goroku) wurde wahrscheinlich kurz nach seinem Tod (August 808) durch seinen Freund Yü Ti, den Gouverneur von Hsiang-yang, der dem Zen nahe stand, kompiliert. P ’ ang hielt sich gegen Ende seines Lebens in der Nähe von Hsiang-yang auf. Der früheste erhaltene Text (in 3 Büchern) stammt aus der Ming-Zeit. Der Holztafeldruck ist datiert 1637, er enthält nicht alle 300 Gedichte, die P ’ ang verfasst haben soll. Ungefähr gleich der Ming-Edition sind drei japanische Ausgaben (Holztafeldruck 1652, 1668 und ca. 1692). Der Text findet sich in der Kollektion Dainihon Zokuzôkyô (Z. II, 25, 1, S. 28 - 41). Die englische Übersetzung einer Auswahl aus dem Text bietet das Buch A Man of Zen. The Recorded Sayings of Layman P ’ ang. A ninth Century Zen Classic. Aus dem Chinesischen übersetzt von Ruth Fuller Sasaki, Yoshitaka Iriya, Dana R. Fraser, New York und Tokyo, 3. Druck 1976. Die Einführung des Buches (S. 11 - 36) berichtet über das Leben des P ’ ang sowie über Entstehung und Edierung der Spruchsammlung. 2 A Man of Zen, S. 27. 3 Siehe ebd., S. 75, zum Folgenden S. 76. Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick 1 Buswell, Robert E. Jr., transl. with an introduction, The Korean Approach to Zen. The Collected Works of Chinul, Honolulu 1983 (zitiert: Buswell Chinul); ders. The Formation of Ch ’ an Ideology in China and Korea. The Vajrasamâdhi-Sûtra, a Buddhist Apokryphon, Princeton, New Jersey 1989 Anmerkungen zu Seiten 292 - 299 409 (zitiert: VSS); ders. The Zen Monastic Experience, Buddhist Practice in Contempory Korea, Princeton, New Jersey 1992. I Die Anfänge 1 Kamata Shigeo, Chôsen Bukkyôshi (Geschichte des Buddhismus in Korea), Tokyo 1987, S. 74. 2 Buswell handelt ausführlich über W ŏ nhyo in den zwei in Anm. 1 zuerst genannten Werken. Eine Zusammenfassung gibt Hee-Sung Keel in seinem Überblick über die Geschichte des Buddhismus in Korea in der Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, 69. Jg. Heft 2 (1985), S. 130 - 139, hier S. 133 f. Schon Nukariya Kaiten, dessen umfassendes Werk Chôsen Zenkyôshi (Geschichte der Zen-Lehre in Korea) in Tokyo 1930 erschienen ist, erkannte die Übereinstimmung des Abschnittes über den Eingang durch das Prinzip (li) mit dem Bodhidharma-Traktat und schreibt, dass das Sutra «eine große Beziehung zum Aufblühen des Zen-Weges» in Korea hat (S. 48 f.). II Das früheste Zen-Dokument in Korea 1 Vgl. zu diesem Abschnitt die vorzügliche Einführung von Buswell zur Übersetzung VSS S. 3 - 181. 2 Vgl. die Ausführungen über beide Quellen in VSS, S. 41 - 73. 3 Walter Liebenthal hat die Legende aus dem Geschichtswerk des Tan-ning übersetzt, siehe seinen Artikel: Notes on the Vajrasamâdhi, in: T ’ oung Pao, Bd. 44 (1956), S. 347 - 386, hier S. 357 f. Buswell unterstreicht die Beziehung aller Einzelheiten der Legende zu Korea, VSS, S. 44 ff. 4 VSS, S. 64, 69. 5 VSS, S. 71 f. 6 Buswell handelt ausführlich über die Urheberschaft des Sutras (VSS, S. 123 - 181), über das Problem bezüglich des Autors S. 170 - 177. 7 Der wichtigste Aufsatz von Mizuno Kôgen: Bodaidaruma no Ninyûshigyô-setsu to Kongôzammaikyô (Bodhidharmas Lehre von den Zwei Eingängen und Vier Praktiken und das Vajrasamâdhisûtra), mit dem sich auch Liebenthal auseinandersetzt, erschien 1955 in der Aufsatzsammlung der Komazawa-Universität (Kiyô), Bd. 13, S. 33 - 57, siehe die vergleichende Tabelle S. 51, 52, vgl. die Tabelle in VSS, S. 131. 8 A. a. O., S. 56. 9 Zitiert von Walter Liebenthal in: The World Conception of Chu Tao-sheng, in Monumenta Nipponica, Bd. 12 (1956/ 57), S. 65 - 101, 24 - 268, hier S. 241. 10 Vgl. ebd., S. 66. 11 Ebd., S. 83. 12 Vgl. über pi-kuan das Kapitel über Bodhidharma. 13 Suzuki Daisetsu Zensho (Gesammelte Werke), Bd. 2 (Tokyo 1968), S. 70. 14 Das Mahâpârinirvâṇasûtra (erhalten in Sanskritfragmenten und zwei chinesischen Übersetzungen, T. 374, 375) gehört zu den späten Mahâyâna-Sutren, siehe Nakamura Hajime, Indian Buddhism. A Survey with Biographical Notes, Delhi 1980, S. 212. 15 A. a. O., S. 56. 16 Siehe den Abschnitt über Hung-jen. Vgl. John R. McRae, The Northern School and the Formation of Early Ch ’ an Buddhism, Honolulu 1986. Buswell hält die dem Tao-hsin zugeschriebene Praxis des «Bewahrens des Einen» für früher als Hung-jens «Bewahren des Geistes», VSS S. 144 n. 53. 410 Anmerkungen zu Seiten 302 - 306 III Die Zen-Bewegung während der Epoche des Vereinigten Silla-Reiches 1 Siehe die Angaben über das Chodang chip in Isshû Miura/ Ruth Fuller Sasaki, Zen Dust, New York 1966 (fortan zitiert: Zen Dust), S. 352 f., ferner Yanagida Seizen, Sodôshû Gedai, Bukkyôshigaku Rombunshû, Kyoto 1988, darin eine umfangreiche Liste (54 Titel) der Literatur zur Chronik seit der Entdeckung, S. 94 - 96. 2 Siehe die Übersetzung des Vorwortes von Paul Demiéville in seinem Aufsatz Le recueil de la salle des patriarches, in: T ’ oung Pao, Bd. 56 (1970), S. 262 - 286, hier S. 268 f. 3 Siehe Yanagida, Sodôshu Gedai, S. 105 - 109. 4 Ebd., S. 83. 5 A. a. O. (Anm. 21), S. 271 - 286. 6 Siehe Sodôshû Gedai, S. 116 f. 7 Beim Verlag Chûbun Shuppansha (fortan zitiert: Chodan chip). Yanagida hat seine Auswahl in japanischer Übersetzung mit umfangreichem Kommentar herausgebracht in der Sammlung Daijô Butten, Bd. 13 (Tokyo Chûô Kôronsha 1990). Auch hat er sich in vielen Aufsätzen mit der Chronik befasst. 8 Kyung-Bo Seo, A Study of Korean Zen Buddhism approached through the Chodang chip, Temple University Philadelphia 1973. 9 Yanagida, Sodôshu Gedai, S. 116. 10 Siehe zum Folgenden die japanischen Geschichtswerke über den Buddhismus in Korea von Kamata Shigeo (Anm. 2) und Nukariya Kaiten (Anm. 3). Hilfreich ist die tabellarische Übersicht in Buswell Chinul, S. 10 - 11. Seo (Anm. 27) übersetzt und kommentiert die Biographien von sieben Gründern. 11 P ŏ mnang hat keine Biographie im Chodang chip. Über ihn und die Schule vom Huiyang-Berg siehe Kamata, S. 107 f., Buswell Chinul S. 9. 12 Über Chis ŏ n Toh ŏ n handelt ausführlich Nukariya, S. 120 ff. 13 Siehe die biographischen Angaben über To ŭ i bei Kamata (S. 108 f.), die Ausführungen (mit Quellenangaben) von Nukariya (S. 85 - 90) und Kap. 2 von Seo, S. 86 - 106. 14 Chodang chip, S. 318 a. 15 Buswell gibt den Namen Hongch ’ ok (mit anderen Schriftzeichen), siehe Buswell Chinul S. 10. Chodang chip schreibt Hongjik. Die Chronik hat für die beiden Gründer Hongjik und Hyech ’ ŏ l nur kurze Notizen (S. 318 a), die anderen fünf Gründer aus der Schule des Ma-tsu haben mit Episoden angereicherte Biographien. 16 Vgl. die biographischen Angaben über Hongjik in Kamata (S. 108 f.) und im Kommentar bei Seo (S. 122 - 136). 17 Zitiert von Seo, S. 123 f. 18 Biografische Angaben bei Kamata (S. 109 f.), Nukariya (S. 92 f.) und Kommentar von Seo (S. 108 - 120). 19 Zitiert von Seo, S. 113. 20 Siehe Nukariya, S. 120 - 123. 21 Vgl. auch die biographischen Angaben von Kamata (S. 110 f.) und Nukariya (S. 111). 22 Biographische Angaben bei Kamata (S. 11) und Nukariya (S. 95 ff.). 23 Chodang chip, S. 322 a. Korea wird in buddhistischen Schriften oft das Ostland genannt. 24 Chodang chip, S. 322 b. 25 Siehe Nukariya, S. 95. 26 Chodang chip, S. 322 b, 323 a. 27 Biographische Angaben bei Kamata (S. 111 f.) und Nukariya (S. 98 f.) 28 Chodang chip, S. 319 b, 320 a. Anmerkungen zu Seiten 307 - 312 411 29 Ebd. S. 320 a. Über Meister Yen-kuan handelt auch das 91. Beispiel der Kôan-Sammlung Hekiganroku. 30 Biografische Angaben bei Kamata (S. 112 f.), bei Nukariya (S. 100 f.), Übersetzung des Abschnittes des Chodang chip mit Kommentar bei Seo (S. 184 - 194). 31 Beispiel 14 der Kôan-Sammlung Mumonkan (chin. Wu-men-kuan). Das Mumonkan hat vier, die Sammlung Hekiganroku sechs Kôan über Nan-ch ’ üan. 32 Biographische Angaben bei Kamata (S. 113). Nukariya handelt über I ŏ m und seine Jünger (S. 124 f.). 33 Vgl. Zen Dust, S. 166 f. 34 Die Nachricht, dass Ma-tsu zuerst Ch ’ an unter Musang studierte, geht auf Tsung-mi zurück. Siehe Peter N. Gregory, Tsung-mi and the Sinification of Buddhism (Princeton New Jersey 1993), S. 247, über Herkunft und Leben des Wu-hsiang S. 38 ff., über die Generationslinie (Tabelle) S. 49, über die Beziehung zu Wu-chu S. 248. Bezüglich der Generationslinie der Szechuan- Schule besteht eine Unsicherheit. Vgl. über Wu-hsiang (Musang) diesen Band. 35 Chodang chip, S. 370 b - 374 b. Seo widmet Sunji und seinen Lehren Teil III seines Buches (S. 206 - 312). 36 Vgl. über das Haus Kuei-yang diesen Band. 37 Vgl. den Abschnitt über Geomantik in dem Artikel «Korean Religions» in ER Bd. 8, S. 367 - 376. Die Geomantik, in Korea «die Theorie von Wind und Wasser» (p ’ ungsu) genannt, wurde gegen Ende der Epoche des vereinigten Silla-Reiches von China nach Korea eingeführt. 38 Nukariya handelt über Tos ŏ n ausführlich (S. 119 - 123), über seine Beziehung zu T ’ aejo S. 119 f., seine Biographie S. 120 f., irrige Angaben über ihn S. 121 f., den «Aberglauben von Wind und Wasser» S. 122 f. 39 Kamata, a. a. O., S. 126. IV Entwicklungen während der Koryŏ-Zeit (918 - 1392) 1 Zitiert in Buswell Chinul, S. 17. 2 Über das Examenssystem siehe Hee-Sung Keel, Chinul - The Founder of Korean Son Tradition (Berkeley Buddhist Studies Series 1984), S. 2, fortan zitiert: Keel Chinul. 3 Über die Einführung der Hôgen-Schule in Korea und über Jis ŏ n siehe Kamata, S. 185 f., Nukariya, S. 142 f. 4 Siehe Kamata, S. 186 f., Nukariya, S. 164 ff. 5 Über die fünf Schulen siehe Buswell Chinul, S. 6 f., Tafel S. 8. 6 Siehe den Abschnitt über W ŏ nch ’ uk in Kamata, a. a. O., S. 84 - 89. 7 Zitiert in Buswell Chinul, S. 12 f. 8 Zitiert in Buswell Chinul, S. 13 f. 9 Buswell, ebd., S. 14. 10 Siehe Buswell Chinul, S. 14 - 17, Kamata, a. a. O., S. 173 - 177. 11 Den Text des Gelöbnisses siehe in Keel Chinul S. 3 f. 12 Siehe Kamata, S. 171 ff. 13 Zitiert in Buswell Chinul, S. 17. 14 Siehe Keel Chinul, S. 5. 15 Das Standardwerk ist Buswell, The Korean Approach to Zen. The Complete Works of Chinul (Anm. 1), ferner Keel, Chinul - The Founder of the Korean Sŏn Tradition (Anm. 60), vgl. die japanischen Historiker Kamata Shigeo (Anm. 2), S. 187 - 189, Nukariya Kaiten (Anm. 3), S. 181 - 194. 16 Über die Inschrift und ihr Schicksal siehe Keel Chinul, S. 8 f. 412 Anmerkungen zu Seiten 312 - 322 17 Siehe Keel Chinul, S. 13 f., Buswell Chinul, S. 20 und Anm. 103 (S. 82). Keel betont den Wert der persönlichen Entscheidung beim Eintritt in den Mönchstand. 18 Englische Übersetzung in Buswell Chinul, S. 98, vgl. Keel Chinul, S. 16. 19 Traktat zur Ermutigung zur Praxis, engl. Übers., Buswell Chinul, S. 125. 20 Vgl. Buswell Chinul, S. 21, bes. Anm. 107 (S. 83). 21 Inschrift der Stele, zitiert in Buswell Chinul, S. 23, die Passage aus dem Sutra siehe engl. Übers. von Philip B. Yampolsky, The Platform Sutra of the Sixth Patriarch (New York, London 1978), S. 139, chin. Text S. 7. 22 Über den lange Zeit verschollenen Text siehe Buswell Chinul, S. 84, Anm. 115, über Li T ’ unghsüan ebd., S. 52 f., vgl. engl. Übers. ebd., S. 201 f. 23 Buswell zitiert den ganzen längeren Abschnitt, den ich zusammenfasse; die Zitate siehe Buswell Chinul, S. 24 f. 24 Traktat zur Ermutigung zur Praxis, engl. Übers. Buswell Chinul, S. 125. 25 Engl. Übers. Buswell Chinul, S. 125 f. 26 Zitiert in Buswell Chinul, S. 28, und in Keel Chinul, S. 38, mithilfe der zwei verschiedenen Übersetzungen erstellt und stilistisch geglättet. 27 Siehe Keel Chinul, S. 39. 28 Siehe Keel Chinul, S. 41 f. Das Kloster, der Hauptsitz der Chogye-Schule, heißt später Songgwang Sa. 29 Siehe Buswell Chinul, S. 30 ff. 30 Buswell in Buswell Chinul, S. 263. 31 Nukariya, S. 183. 32 Keel hält das Plattform-Sutra für «a complete fabrication of Shen-hui», siehe Keel Chinul, S. 26, Yanagida urteilt differenzierter über die Entstehung der Schrift, aber eine starke Einflussnahme von Shen-hui und seiner Schule ist unbestreitbar. Chinul handelt im Anschluss an Tsung-mi ausführlich über die chinesischen Zen-Schulen, siehe Buswell Chinul, S. 39 - 49. 33 Engl. Übers. in Buswell Chinul, S. 263, vgl. ebd. S. 334 f. und Anm. 264 (S. 372). 34 Siehe Buswell Chinul, S. 53 f., 206, 215. Keel Chinul, S. 108 f. 35 Vgl. Peter N. Gregory, Tsung-mi and the Sinification of Buddhism, S. 162 - 165, 187 - 192. 36 Siehe Gregory, S. 166. 37 Gregory, S. 193. 38 Engl. Übers. in Buswell Chinul, S. 149. 39 Zitiert in Keel Chinul, S. 60 f. 40 Chinul, engl. Übers. in Buswell Chinul, S. 241. 41 Chinul, engl. Übers. in Buswell Chinul, S. 239. Chinul zitiert viele Kôan, siehe Index von Buswell Chinul, S. 452. 42 Chinul, zitiert in Buswell Chinul, S. 252, vgl. Keel Chinul, S. 152 ff. D. T. Suzuki schreibt über die Unterscheidung in Essays in Zen Buddhism II (London 1933), S. 105. 43 Chinul, engl. Übers. in Buswell Chinul, S. 253. 44 Siehe Keel Chinul, S. 155 f. 45 Siehe Keel Chinul, S. 156 ff., Buswell Chinul, S. 69. 46 Über Hyesim siehe Buswell Chinul, S. 30 ff., 34, ferner Nukariya, S. 207 - 220. 47 Siehe Buswell Chinul, S. 69, Anm. 239 (S. 94 f.). 48 Siehe Nukariya, S. 214 ff. 49 Siehe Buswell Chinul, S. 34 f., dort eine Liste der sechzehn Landesmeister. 50 Siehe Kamata, S. 192 f., Nukariya, S. 258 - 261. 51 Siehe Eda Shunyû Toshio, Chôsen Bukkyôshi no Kenkyû, Tokyo 1977, S. 214 - 220, eine Karte der Nachfolger des T ’ aego, S. 215, detaillierte Kritik. Anmerkungen zu Seiten 322 - 334 413 52 Über Gy ŏ nkin siehe Kamata, S. 193 f. Eda, S. 213, Eda handelt auch über Gy ŏ nkins Spruchsammlung (S. 242 - 247) und Biographie (S. 247 - 255); über Huig ŏ n siehe Kamata, S. 194 ff., Eda, S. 213. 53 Kamata hat einen längeren Abschnitt über ihn, siehe S. 195. 54 Siehe Eda, S. 214 ff. 55 Siehe die Anmerkung 10 in Eda, S. 222. 56 Buswell stellt fest: «T ’ aego Pou . . . brachte die orthodoxe chinesiche Lin-chi-Linie nach Korea», Buswell Chinul, S. 69. V Niedergang während der Yi-Dynastie 1 Siehe Takahashi Tôru, Richô Bukkyô (Buddhismus der Yi-Dynastie), S. 26. 2 Siehe Kamata, S. 202. Vgl. Takahashi, S. 56 f. 3 Siehe Hee-Sung Keel in ZMR (Anm. 3), S. 137, ders. Word and Wordlessness: The Spirit of Korean Buddhism, in: The Buddhist Heritage (Hg. Tadensz Skompski, Tring U. K.: The Institute of Buddhist Studies 1989), S. 183. 4 Siehe Kamata, S. 203 f. 5 Kamata, S. 204 f., Takahashi, S. 115 - 163. 6 Kamata, S. 205. 7 Takahashi, S. 119. 8 So Takahashi, S. 163. 9 Siehe Kamata, S. 205 f., Takahashi, S. 163 ff. 10 Takahashi, S. 181. 11 Siehe Kamata, S. 214 f., Nukariya, S. 306 f., Takahashi, S. 71 - 82. 12 Siehe Nukariya, S. 306. 13 Siehe Kamata, S. 195. 14 Siehe Kamata, S. 214 f., Nukariya, S. 321 - 329, Takahashi, S. 83 - 94. 15 Nukariya bemerkt seine Beeinflussung durch Lao-tzu, auch führt er eine Anzahl seiner Gedichte an, S. 323 f., 326; Takahashi rühmt sein «dichterisches Talent», S. 86. 16 Siehe Kamata, S. 216, Takahashi, S. 189 - 214. 17 Siehe S. 27. 18 Über My ŏ ngj ŏ ng siehe Kamata, S. 208. 19 Über Pou siehe Kamata, S. 208 f., 218, ausführlich Nukariya, S. 359 - 367. 20 Takahashi, S. 365, ausführliche Biographie S. 364 - 382. 21 Ebd., S. 368. 22 Y ŏ nggwans Meister war Py ŏ ksong Chi ŏ m, dessen Meister Py ŏ kkye Ch ŏ ngsim, siehe Keel Chinul (S. 167). Nukariya Kaiten (S. 374) und Kamata Shigeo (S. 229) führen die Traditionslinie auf T ’ aego zurück. 23 Takahashi, S. 373. 24 Takahashi, S. 388 f., vgl. zum Folgenden Takahashi, S. 388 - 401, und Hee-Sung Keel, Word and Wordlessness. The Spirit of Korean Buddhism (Anm. 118), S. 184 - 191. 25 Takahashi, S. 389. 26 Siehe Takahashi, S. 391 f., Kamata, S. 217. 27 Takahashi, S. 395. 28 Ebd., S. 415. 29 Keel gibt für beide Ansichten Namen koreanischer Gelehrter an (siehe Keel Chinul, S. 167, Anm. 13 und 14). Auch Takahashi weist in seinem gründlichen Werk mehrmals darauf hin, dass Hyuj ŏ ng und das auf ihn folgende S ŏ n der Yi-Dynastie in Chinul gründet (z. B. S. 390, 460). 414 Anmerkungen zu Seiten 334 - 343 30 Keel Chinul, S. 168. 31 Ebd., S. 170 - 178. 32 Siehe Kumata, S. 220 - 223, Nukariya, S. 381 - 396, Takanashi, S. 418 - 492, Takahashi nennt auch die Jünger der folgenden Generationen. 33 Siehe Kamata, S. 223. 34 Siehe die Karte der Generationslinien bei Kamata, S. 221, über die Mönche S. 225 f., vgl. Takahashi, S. 454 - 470, S. 593 - 674. 35 Siehe Takahashi, S. 484 36 Siehe Kamata, S. 223 f., Nukariya, S. 408 ff., Takahashi, S. 684 - 733. 37 Keel Chinul, S. 174. 38 Ebd. Songgwang Sa (auch Sunson Sa) ist das Tempelkloster, in dem Chinul während seiner letzten Lebensjahre wohnte. 39 Siehe Kamata, S. 212. 40 Ebd. 41 Während der letzten Jahrzehnte der Yi-Dynastie mehren sich die Verstöße gegen die Vorschrift des Zölibates, viele koreanischen Mönche waren um die Jahrhundertwende verheiratet. Buswell bemerkt, dass der Ruf nach einem verheirateten Klerus nicht von der japanischen Kolonialmacht ausging, sondern zuerst von koreanischen buddhistischen Intellektuellen erhoben wurde. Er beschreibt die Argumente gegen den Zölibat der Mönche des berühmten koreanischen buddhistischen Dichters Han Yongun (1879 - 1944). Während der Kolonialzeit unter japanischer Herrschaft gewannen die verheirateten Mönche die Oberhand. Das Schisma zwischen verheirateten und zölibatären Mönchen blieb im freien Korea, doch entschied sich der Hauptstrom für das zölibatäre Mönchtum. Siehe Robert E. Buswell, Jr., The Zen Monastic Experience (Anm. 1), S. 25 - 30. 42 Vgl. Buswell, a. a. O., S. 30 ff. 43 Das Schisma zwischen zölibatären und verheirateten Mönchen führte dazu, dass zwei getrennte Gemeinschaften oder Orden, beide dem Zen verpflichtet, eingerichtet wurden, der Chogye-Orden für die zölibatären Mönche, der T ’ aego-Orden für die verheirateten Mönche (1962). Vom Obersten Gerichtshof wurden fast alle großen Klöster dem Chogye- Orden zugesprochen, der die Tradition des Chinul und des Hyuj ŏ ng fortführt. Der T ’ aego- Orden hat seinen Namen von dem Mönch T ’ aego Pou (1301 - 1382), er ging der meisten seiner großen Klöster verlustig und befindet sich im Abnehmen. Die 25 Hauptklöster des Chogye- Ordens - Buswell nennt die Namen, darunter Songgwang Sa und Haein Sa - haben Räume für Zen-Meditation, Sutrenstudium, Vinaya-Studium und Namenanrufung. Siehe Buswell, a. a. O., S. 32 - 36. Anmerkungen zu Seiten 343 - 347 415 Anhang Abkürzungen AM Asia Major AMG Annales du museé Guimet, Paris AS Asiatische Studien, Bern Bi-yän-lu I-III W. Gundert: Bi-yän-lu, Meister Yüan-Wus Niederschrift von der Smaragdenen Felswand, 3 Bde., München 1964, 1967, 1973 Ch ’ en Buddhism in China Buddhism in China. A Historical Survey by Kenneth K. S. Ch ’ en, Princeton, N. J., 1964 Chinese Philosophy II Fung Yu-lan: A History of Chinese Philosophy, Bd. II, Princeton, N. J., 1953 Chûgoku Zenshûshi Geschichte der Zen-Schule in China, Beitrag von Yanagida Seizan, in: Zen no Rekishi (Geschichte des Zen), Bd. 3 einer Sammlung über Zen, hrsg. von D. T. Suzuki und K. Nishitani, Tokyo 1974, S. 7 - 108 EB The Eastern Buddhist, Kyoto Enô Kenkyû Enô Kenkyû. Enô no Denki to Shiryô ni kansuru kisoteki Kenkyû (Studien zu Hui-neng: Grundlegende Studien über Leben und Quellen des Hui-neng), hrsg. von Komazawa-Daigaku Zenshûshi-Kenkyûkai (Forschungsverein für Geschichte der Zen-Schule der Komazawa-Universität), Tokyo 1978 Entretiens Entretiens de Lin-tsi, übersetzt und kommentiert von Paul Demiéville, Paris (Fayard) 1972 Essays I-III D. T. Suzuki: Essays in Zen Buddhism, 3 Bde., London 1927 - 1934 JA Journal Asiatique, Paris JAOS Journal of the American Oriental Society Kôsôden Biographien berühmter Mönche, kompiliert von Hui- Chiao (497 - 554). T. No. 2059, Bd. 50, Nj. Nr. 1490, 14 Bde. MN Monumenta Nipponica, Tokyo Mochizuki Bukkyô Daijiten Großes Lexikon des Buddhismus, hrsg. von Mochizuki Shinkô, Tokyo, 2. Aufl. 1932 - 1936, 9 Bde. MS Monumenta Serica, Sankt Augustin; gegr. Peking 1934 Nj A Catalogue of the Chinese Translation of the Buddhist Canon of the Bud-dhists in China and Japan, kompiliert von Nanjô Bunyû, Oxford 1883, Neudruck Tokyo 1929 NOAG Nachrichten der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, Tokyo 1926 Record The Recorded Sayings of Ch ’ an Master Lin-chi Huichao of Chen Prefecture, übersetzt aus dem Chinesischen von Ruth Fuller Sasaki, Kyoto 1975 Rinzairoku Reden des Lin-chi, hrsg., eingeleitet und kommentiert von Yanagida Seizan (in der Sammlung Butten Kôza), Tokyo 1972 S Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte, Freiburg i. Br. und München Shoki Yanagida Seizan: Shoki Zenshûshisho no Kenkyû (Studien über die Schriften zur Frühgeschichte der Zen- Schule), Kyoto 1967 SK Shûkyô Kenkyû (Religionswissenschaftliche Studien), Tokyo Sôdai Jugaku Kusumoto Fumio: Sôdai Jugaku to Zen-shisô Kenkyû (Studien über Zen-Ideen im Konfuzianismus der Sung- Zeit), Nagoya 1980 Sô-Kôsôden Biographien berühmter Mönche, kompiliert während der Sung-Zeit. T. No. 2061, Bd. 50, 30 Bde. SPSR The Social and Political Science Review T. Taishô Shinshû Daizôkyô (Taishô Tripitaka in Chinesisch, hrsg. von J. Takakusu, K. Watanabe, G. Ono u. a.), Tokyo 1922 - 1933, 85 Bde. The Development of Chinese Zen The Development of Chinese Zen after the Sixth Patriarch in the Light of Mumonkan von H. Dumoulin, übersetzt mit zusätzlichen Anmerkungen und Anhängen von Ruth Fuller Sasaki, New York 1953 TP T ’ oung Pao. International Journal of Chinese Studies, Leiden TRE Theologische Realenzyklopädie, Berlin Yampolsky The Platform Sutra of the Sixth Patriarch. The Text of the Tun-Huang Manuscript with Translation, Intro- 420 Anhang duction, and Notes by Philip B. Yampolsky, New York und London 1967 Z. Dainihon Zokuzôkyô, Kyoto 1905 - 1912, 75 Bde. Zen Dust Isshû Miura, Ruth Fuller Sasaki: Zen Dust - The History of the Koan and Koan Study in Rinzai (Lin-Chi) Zen, New York 1966 Zengaku Daijiten Großes Lexikon der Zen-Wissenschaft, hrsg. von der Komazawa-Universität, Tokyo 1978, 3 Bde. Zengaku Jiten Lexikon der Zen-Schule von Jimbô Nyoten und Inoue Jisaku, Kyoto 1944 Zenshûshi I-III Ui Hakuju: Zenshûshi Kenkyû (Studien zur Geschichte der Zen-Schule), 3 Bde., Tokyo 1939, 1941, 1943 ZMR Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, Münster Zoku Kôsôden Fortsetzung der Biographien berühmter Mönche, kompiliert von Tao-hsüan (596 - 667) T. No. 2060, Bd. 50, Nj. Nr. 1493, 3 Bde. ZB Zen Bunka (Zen-Kultur), Kyoto Abkürzungen 421 Zeittafel Chinesische Dynastien Han 206 v. Chr. - 220 Westliche (frühere) Han 206 v. Chr. - 8 Östliche (spätere) Han 25 - 220 Drei Reiche 220 - 265 (Norden = Wei, Südwesten = Shu, Südosten = Wu) Chin 265 - 420 Westliche Chin 265 - 317 Östliche Chin 317 - 420 Zeit staatlicher Zerrissenheit (Nan-pei-ch ’ ao) 420 - 581 Sui 581 - 618 T ’ ang 618 - 907 (Rebellion des An Lu-shan) 755 - 763 (Große Verfolgung des Buddhismus) 841 - 846 Fünf Dynastien 907 - 960 Sung 960 - 1279 Nördliche Sung 960 - 1127 Südliche Sung 1127 - 1279 Yüan 1279 - 1368 Ming 1368 - 1644 Ch ’ ing (Mandschu) 1644 - 1911 Schriftzeichen Amida 阿彌陀 anjin hômon 安心法門 An Lu-shan 安錄山 anroku (hsing-lu) 行錄 Anseikô s. An Shih-kao An Shih-kao (Anseikô) 安正高 Banshô Gyôshû s. Wan-sung Hsing-hsiu Baso shike roku (Ma-tsu ssu-chia lu) 馬祖四家錄 Benshûron (Pien-tsung lun) 辯宗論 betsugo (pieh-yü) 別語 biwa 琵琶 bodai (p ’ u-t ’ i) = bodhi 菩提 Bodaidaruma (P ’ u-t ’ i-ta-mo) = Bodhidharma 菩提達磨 Bodaidaruma nanshû tei zehi ron 菩提達摩南宗定是非論 bonbu (p ṛ thagjana) 凡夫 buji (wu-shih) 無事 buji no hito 無事 の 人 Bukka Engo Zenji Hekiganroku (Fo-kuo Yüan-wu Ch ’ an-shih Pi-yen lu) 佛果圜悟禪師碧巖錄 Bukka Zenji s. Fo-kuo Ch ’ an-shih Bushû Sôzan Hanjaku Zenji goroku (Fuchou Ts ’ ao-shan Pen-chi Ch ’ an shih yü-lu) 撫州曹山本寂禪師語錄 Busshinron no tenkai 佛身論 の 展開 busshô 佛性 Butsudabaddara = Buddhabhadra 佛陀跋陀羅 Butten 佛典 Butten Kôza 佛典講座 Ch ’ an s. Zen Ch ’ ang-ch ’ ing Hui-leng (Chôkei Eryô) 長慶慧稜 Chang Ming-yüan 張明遠 Chang Tsai 張載 Ch ’ ang Yüeh 張說 Ch ’ an-men shih-tzu ch ’ eng-his-t ’ u s. Zemmon Shishi Shôshûzu ch ’ an-na s. zenna Ch ’ an-shih s. Zenji Ch ’ an-yüan chu-ch ’ üan-chi tu-hsü s. Zengen-shozenshû-tojo Chao-chou Ts ’ ung-shen (Jôshû Jûshin) 趙州從諗 Chao K ’ uang-yin 趙匡胤 Chao-lun (Jôron) 肇論 Chao Meng-fu 趙孟頫 Chen-chou Lin-chi Hui-chao Ch ’ an-shih yü-lu s. Chinjû Rinzai Eshô Zenji goroku Chen Ch ’ u-chang 陳楚璋 Ch ’ eng Hao 程顥 Ch ’ eng-kuan (Chôkan) 澄觀 Ch ’ eng Yi 程頤 chen-jen s. shinnin Chen-ju-yüan s. Shinnyoin Chen-tsung 眞宗 Ch ’ en Tsun-su 陳尊宿 chi (chih) 智 ch ’ i s. ki Chiang Shen 蔣伸 Chia-t ’ ai P ’ u-teng lu s. Katai Futôroku chieh-wen s. kitsumon Chien-chung Ching-kuo Hsü-teng lu s. Kenchû Seikoku Zokutôroku Chien-nü 倩女 chieshô 智慧性 Chigi s. Chih-i Chigon s. Chih-hua chih s. chi Chih-ch ’ ang (Chijô) 智常 Chih-ch ’ e (Shitetsu) 志徹 Chih-ch ’ eng (Shisei) 志誠 Chih-chih-ssu s. Seishiji Chih-hsien (Chisen) 智詵 Chih-hua (Chigon) 智巖 Chih-i (Chigi) 智顗 Chih-k ’ ai 智鍇 Chih-men Kuang-tsu (Chimon Kôso) 智門光祚 Chih Min-tu 支愍度 Chih-t ’ a 智達 ( 慧達 ) Chih-tao (Shidô) 志道 Chih Tun (Shiton) 支遁 Chih-t ’ ung (Shitsû) 志通 Chih-wei (Chii) 智威 Chih-weng (Jikiô) 直翁 Chih-yao (Chiyaku) 智藥 Chii s. Chih-wei Chijô s. Chih-ch ’ ang Chimon Kôso s. Chih-men Kuang-tsu Ching 靜 Ch ’ ing 清 Ch ’ ing-chü (Seikyo) 清居 Ching-chüeh (Jôkaku) 淨覺 Ching-hsien 景賢 Ching-shan (Kinzan) 徑山 Ching-te Ch ’ uan-teng lu s. Keitoku Dentôroku ching-tso s. seiza Ching-t ’ u s. Jôdo Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu (Seigen Gyôshi) 青原行思 Chinjû Rinzai Eshô Zenji goroku (Chenchou Lin-chi Hui-chao Ch ’ an-shih yülu) 鎭州臨慧濟照禪師語錄 Ch ’ in-liang-ssu s. Seiryôji Chisen s. Chih-hsien Ch ’ i-sung (Kaisû) 契嵩 Chi-tsang (Kichizô) 吉藏 ch ’ iung-ch ’ an-k ’ o s. kyûzenkaku Chiyaku s. Chih-yao Chi-yin Hui-hung (Jakuon Ekô) 寂音慧 洪 Chodang chip s. Sodôshû Chôkan s. Ch ’ eng-kuan Chôkei Eryô s. Ch ’ ang-ch ’ ing Hui-leng Chou Tun-yi 周敦頤 Chuan-fa cheng-tsung-chi s. Dembô Shôjûki Chuan-fa pao-chi s. Dembôhôki Chuang-tzu 莊子 Ch ’ üan T ’ ang wen 全唐文 Ch ’ üan Te-yü 權德興 Ch ’ u-chi 處寂 Chü-chih (Gutei) 俱胝 Chûhô Myôhon s. Chung-feng Ming-pen Chu Hsi 朱熹 Chûkôji (Chung-yü-ssu) 中興寺 Chün-ch ’ en wu-wei s. Kunshin goi Chung-feng Ming-pen (Chûhô Myôhon) 中峯明本 Chung-tsung 中宗 Ch ’ ung-yuan 崇遠 Chung-yung s. Chûyô Chung-yü-ssu s. Chûkôji Chûron 中論 Chûyô (Chung-yung) 中庸 Daiampanshuikyô (Tan-an-pan-shou-iching) 大安般守意經 Daianji (Ta-an-ssu) 大安寺 daianjin 大安心 Daiba 提婆 Daibonji (Ta-fan-ssu) 大梵寺 Daichi (Ta-chih) 大智 Daichijushô-zenji (Ta-chih shou-sheng ch ’ an-ssu) 大智壽聖禪寺 Daie Sôkô s. Ta-hui Tsung-kao daifunshi 大憤志 daigijô 大疑情 Daigu s. Ta-yü daihôe 大法會 Daijô Bosatsudô no Kenkyû 大乘菩薩道 の 研究 Daijôdaigishô (Ta-sheng ta i-chang) 大乘大義章 Daijôhokushoron (Ta-cheng pei-tsung lun) 大乗北宗論 Daijô Kishinron (Ta-ch ’ eng Ch ’ i-hsin lun) 大乘起信論 Daijômushôhôbenmon (Ta-cheng wusheng fa-pien lun men) 大乗無生方便門 Daikan Zenji s. Ta-chien Ch ’ an-shih 426 Anhang daiki daiyû (ta-chi ta-yung) 大機大用 Daiô Kokushi 大應國師 Dairinji (Ta-lin-ssu) 大林寺 daisen 大仙 daishinkon 大信根 daishu (ta-chu) 大珠 daitoku 大德 Daitokuji 大德寺 Daitsû Zenji 大通禪師 Daiunji (Ta-yün-ssu) 大雲寺 Datsumatarazengyô (Ta-mo-to-lo ch ’ an ching) 達摩多羅禅経 Dazai Shundai 太宰春臺 Dembôhôki (Chuan-fa pao-chi) 傳法寶紀 Dembôin (Ch ’ uan-fa-yüan) 傳法院 Dembô Shôjûki (Chuan-fa cheng-tsungchi) 傳法正宗記 dô (tao) 道 Dôfuku s. Tao-fu dôgen 道眼 Dôgen s. Tao-yüan dôgen bummyô 道眼分明 Dôgen Kigen 道元希玄 Dôgo Enchi s. Tao-wu Yüan-chih Dôiku s. Tao-yü Dôitsu s. Tao-i Dôkin s. Tao-chin dokusan 獨參 dônin 道人 Dôrin s. Tao-lin dôryû 道流 Dôsen s. Tao-hsüan Dôshin s. Tao-hsin Dôshô s. Tao-sheng Dôtokukyô (Tao-te-ching) 道德經 e 慧 E ’ chû s. Hui-chung Edo 江戸 Eikaku Genken s. Yung-chüeh, Yüanhsien Ei ’ neiji (Yung-ning-ssu) 永寧寺 Eisai s. Myôan Eisai E ’ ka s. Hui-k ’ o E ’ kan s. Hui-kuan Ekikyô (I-ching) 易經 E ’ man s. Hui-man E ’ myô s. Hui-ming en (yüan) 圓 Engakkyô s. Engakukyô engaku 圓覺 Engakukyô (Yüan-chüeh ching) 圓覺經 Engakukyô Daishoshô (Yüan-chüeh ching ta-shu ch ’ ao) 圓覺經大疏鈔 Engaku Sôen s. Yüan-chüeh Tsung-yen engi 縁起 Engo Kokugon s. Yüan-wu K ’ o-ch ’ in Enkei Kômon s. Yen-ch ’ i Huang-wen Enni Ben ’ en 圓爾辯圓 Ennin 圓仁 E ’ nô s. Hui-neng Enmyôron (Yuan-ming lun) 圓明論 Enryôroku (Wan-ling lu) 宛陵錄 ensô (yüan-hsiang) 圓相 erh-chung-ju s. nishu ’ nyû E ’ shô Zenji s. Hui-chao Ch ’ an-shih Fa-chen 法珍 Fa-chih (Hôji) 法持 Fa-chin (Hôkin) 法欽 Fa-ch ’ üan-ssu s. Hôsenji Fa-ch ’ ung (Hôchû) 法沖 Fa-hai 法海 Fa-hsien 法顕 Fa-hsing-ssu s. Hosshôji Fa-ju (Hô ’ nyo) 法如 Fa-jung (Hôyû) 法融 Fa-lang (Hôrô) 法朗 Fa-min 法敏 Fang Kuan 房琯 Fa-ta (Hôtatsu) 法達 Fa-t ’ ai 法汰 Fa-ts ’ ai 法才 Fa-tsang (Hôzô) 法藏 Fa-yen Wen-i (Hôgen Bun ’ eki) 法眼文益 Schriftzeichen 427 Fa-yüan 法瑗 Feng-hsüeh Yen-chao (Fûketsu Enshô) 風穴延沼 Feng Tzu-chen 馮子振 Fen-yang Shan-chao (Fun ’ yô Zenshô) 汾陽善昭 Fo-chao Te-kuang (Busshô Tokkô) 佛照德光 Fo-kuo Ch ’ an-shih (Bukka Zenji) 佛果禪師 Fokuo Wei-po 佛國惟白 Fo-kuo Yüan-wu Ch ’ an-shih Pi-yen lu. s. Bukka Engo Zenji Hekiganroku Fo-t ’ u-teng 佛圖澄 Fu-chou Ts ’ ao-shan Pen-chi Ch ’ an-shih yü-lu s. Bushû Sôzan Honjaku Zenji goroku Fûketsu Enshô s. Feng-hsüeh Yen-chao Fukusenji (Fu-hsien ssu) 福先寺 funi daidô 不二大道 Fun ’ yôroku (Fen-yang lu) 汾陽錄 Fun ’ yô Zenshô s. Fen-yang Shan-chao Furoku: Daruma no Zempô to Shisô oyobi sono ta 附錄 、 達磨 の 禪法 と 思想及其他 furuku yori 古 くより fuzoku 付囑 gakudônin 學道人 gakunin 學人 gakusha 學者 Gantô Zenkatsu s. Yen-t ’ ou Ch ’ üan-huo Gatsurin Shikan s. Yüeh-lin Shih-kuan gedatsu (chieh-t ’ o) 解脱 gengaku (hsüan-hsüeh) 玄學 Genjô s. Hsüan-tsang Genninron (Yüan-jen lun) 原人論 Gensha Shibi s. Hsüan-sha Shih-pei gidan 疑團 Godaishûshô 五大宗匠 goi (wu-wei) 五位 Goi kenketsu (Wu-wei hsien-chüeh) 五位顯訣 Goi shiketsu (Wu-wei chih-chüeh) 五位旨訣 Goke goroku (Wu-chia yü-lu) 五家語錄 Goke sanshôyôromon 五家參詳要路門 Goke shôjûsan (Wu-chia cheng-tsung tsan) 五家正宗贊 Goshin s. Wu-chen Goso Hôen s. Wu-tsu Fa-yen Goso Hôen goroku (Wu-tsu Fa-yen yülu) 五祖法演語錄 Gotô egen (Wu-teng hui-yüan) 五燈會元 Gotô gentô (Wu-teng yen-t ’ ung) 五燈嚴統 Gotôroku (Wu-teng lu) 五燈錄 gozan jissetsu (jûsatsu) 五山十刹 gozu (nien-t ’ ou) 牛頭 gudô 求道 guhô nyûsô 求法入宋 Gu ṇ abhadra 求那跋陀羅 Gunin s. Hung-jen Gutei s. Chü-chih gyô (hsing) 行 Gyokusenji (Yü-ch ’ üan ssu) 玉泉寺 Gyosen goroku (Yü-hsüan yü-lu) 御選語錄 hadaka no hito 裸 の 人 hahaji 波波地 Hakuin Ekaku 白隱慧鶴 Han 漢 Hang-chou T ’ ien-lung (Kôshû Tenryû) 杭州天龍 hannya sammai 般若三昧 Han-shan (Kanzan) 寒山 Han-shan Te-ch ’ ing 憨山德清 Han Yü 韓愈 happu 八不 hasô 破相 Hasôron (P ’ o-hsiang lun) 破相論 Heian 平安 Hekiganroku (Pi-yen lu) 碧巖錄 hekikan (pi-kuan) 壁觀 hen 偏 henchûshi 偏中至 428 Anhang henchûshô 偏中正 Hiei 比叡 ho s. katsu Hoan Sosen s. P ’ o-an Tsu-hsien hôben 方便 Hôchû s. Fa-ch ’ ung Hôgen Bun ’ eki s. Fa-yen Wen-i Ho Hung-ching 何弘敬 Hôji s. Fa-chih Hôkin s. Fa-chin hokkai 法界 hokkai engi 法界緣起 Hô Koji goroku (P ’ ang chü-shih yü-lu) 龐居士語錄 Hokushû 北宗 Hôkyô zammai (Pao-ching san-mei) 寶鏡三昧 hommu (pen-wu) 本無 hongaku (pen-chüeh) 本覚 honshô 本性 hontai 本體 Hô ’ nyo s. Fa-ju Hô ’ nyo Zenji gyôjô 法如禪師行狀 Hôrinden (Pao-lin chuan) 寶林傳 Hôrinji 寶林寺 Hôrô s. Fa-lang Hôsenji (Fa-ch ’ üan-ssu) 法泉寺 Ho-shan Wu-yin (Kessan Muin) 禾山無殷 hosshin 法身 hosshô 法性 Hosshôji (Fa-hsing-ssu) 法性寺 hossô 法相 Hôtatsu s. Fa-ta Hotei s. Pu-t ’ ai Hotôha 保唐派 Hotôji (Pao-t ’ ang-ssu) 保唐寺 Ho-tse Shen-hui (Kataku Jinne) 荷澤神會 Ho-tse-ssu s. Katakuji Hôyû s. Fa-jung Hôzô s. Fa-tsang Hôzôron (Pao-tsang lun) 寶藏論 Hsiang Hsiu 向秀 Hsiang-yen Chih-hsien (Kyôgen Chikan) 香嚴智閑 Hsieh Liang-tso 謝良佐 Hsieh Ling-yün 謝靈運 hsin s. shin hsing s. shô Hsing-hua T ’ sun-chiang s. Kôke Zonshô hsing-lu s. anroku Hsing-t ’ ao 行韜 Hsin-hsin-ming s. Shinjinmei hsin hsüeh s. shingaku Hsi-sou Shao-t ’ an (Kisô Shôdon) 希叟紹曇 Hsi-t ’ ang Chih-ts ’ ang 西堂智藏 Hsiu-hsin-yao lun s. Shûshinyôron Hsuan-shuang 玄爽 Hsuan-tsung 玄宗 hsüan-hsüeh, s. gengaku Hsüan-kao 玄高 Hsüan-lang 玄朗 Hsüan-sha Shih-pei (Gensha Shibi) 玄沙師備 Hsüan-shih 宣什 Hsüan-su 玄素 Hsüan-tsang (Genjô) 玄奘 Hsüan-tse 玄賾 Hsüeh-feng I-ts ’ un (Seppô Gison) 雪峯義存 Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien (Setchô Jûken) 雪竇重顯 Hsü kao-seng-chuan s. Zoku Kôsôden Hsü-t ’ ang Chih-yü (Kidô Chigu) 虛堂智愚 Hsü-t ’ ang ho-shang yü-lu s. Kidô Oshô goroku Huang-lung Hui-nan (Ôryô E ’ nan) 黃龍慧南 Huang-mei-shan (Ôbaizan) 黄梅山 Huang-po Hsi-yüan (Ôbaku Kiun) 黄檗希運 Huan Hsüan 桓玄 Hua-t ’ ai 滑臺 Hua-yen s. Kegon Hu Chi-hsi 胡藉溪 Schriftzeichen 429 Hu-ch ’ iu Shao-lung (Kukyû Jôryû) 虎丘紹隆 Hui-an 慧安 Hui-chao 慧超 Hui-chao Ch ’ an-shih (E ’ shô Zenji) 慧照禪師 Hui-chi 惠紀 Hui-chung (E ’ chû) 慧忠 Hui-jui 慧叡 Hui-k ’ o (E ’ ka) 慧可 Hui-kuan (E ’ kan) 慧觀 Hui-man (E ’ man) 慧滿 Hui-ming (E ’ myô) 惠明 Hui-neng (E ’ nô) 慧能 Hui-t ’ ang Tsu-hsin (Maidô Soshin) 晦堂祖心 Hui-yen 慧嚴 Hui-yen Chih-chao (Maigan Chishô) 晦巖智昭 Hui-yuan 慧遠 Hung-ching 弘景 Hung-cheng (Kôsei) 宏正 Hung-chih Ch ’ an-shih kuang-lu s. Wanshi Zenji kôroku Hung-chih Cheng-chüeh (Wanshi Shôgaku) 宏智正覺 Hung-jen (Kônin, Gunin) 弘忍 Hu Shih 胡適 Hyakujô E ’ kai s. Pai-chang Huai-hai Hyakujô Shingi (Pai-chang ch ’ ing-kuei) 百丈清規 hyakuron 百論 ichigyô sanmai (i-hsing san-mai) 一行三昧 Ichijôkenjishinron (I-cheng hsien tzu-hsih lun) 一乗顕自心論 I-ching s. Ekikyô I-fu 義福 Igyô s. Kuei-yang Igyôshû 潙仰宗 I-hsing 一行 ikka myôju 一顆明珠 in (yin) 陰 Indara s. Yin-t ’ o-lo inka 印可 Isan Reiyû s. Kuei-shan Ling-yu I-shan I-ning (Issan Ichinei) 一山 一寧 ishin denshin 以心傳心 Issan Ichinei s. I-shan I-ning Jakuon Ekô s. Chi-yin Hui-hung jazen 邪禪 Jen-t ’ ien yen-mu s. Ninden gammoku ji (shih) 事 ji (tzu) 自 Jichiroku (Tzu-chih lu) 自知錄 Jikiô s. Chih-weng Jinne goroku (Shen-hui yü-lu) 神會語錄 Jinshû s. Shen-hsiu jinzû 神通 Jionji (Tz ’ u-en ssu) 慈恩寺 jisan 自贊 jishô 自性 Jitoku s. Tzu-te Jittoku s. Shih-te Jizô (Ksitigarbha) 地藏 jô 定 Jôdo (Ching-t ’ u) 淨土 Jôjitsu 成實 Jôjitsuron 成實論 Jôjôza s. Ting Shang-tso Jôkaku s. Ching-chüeh Jôron s. Chao-lun jôshin (ching-hsin) 浄心 Jôshû Jûshin s. Chao-chou Ts ’ ung-shen Jôshû Shinsai Zenji goroku 趙州眞際神師語錄 Jui-tsung 睿宗 juko (sung-ku) 頌古 Juko Hyakusoku (Sung-ku pai-tse) 頌古百則 Ju-min (Nyobin) 如敏 Jûnimonron 十二門論 jûshin (chu-hsin) 住心 Kaifuku Dônei s. K ’ ai-fu Tao-ning 430 Anhang K ’ ai-fu Tao-ning (Kaifuku Dônei) 開福道寧 Kaisû s. Ch ’ i-sung Kakuan Shion s. Kuo-an Shih-yuan kakubutsu (ko wu) 格物 kakugi (ko-i) 格義 Kamakura 鎌倉 kamben 勘辨 kan 關 K ’ ang-hua ch ’ an s. Kanna-zen K ’ ang Seng-hui 康僧會 Kanjinshaku (kuan-hsin shih) 観斟釋 kanjô 看淨 Kanna-zen (K ’ ang-hua ch ’ an) 看話禪 Kannon (Avalokite ś vara) 觀音 kanshin 看心 Kanshinron (Kuan-hsin lun) 觀心論 Kanzan s. Han-shan Kao-feng Yüan-miao (Kôhô Gemmyô) 高峰原妙 Kao-seng-chuan s. Kôsôden Kao-tsung 高宗 kappatsu patsuji 活撥撥地 、 活潑潑 地 、 活鱍鱍地 kasso 活祖 Katai Futôroku (Chia-t ’ ai P ’ u-teng lu) 嘉泰普燈錄 Katakuji (Ho-tse-ssu) 荷澤寺 Kataku Jinne s. Ho-tse Shen-hui Katakushû 荷澤宗 katsu (ho) 喝 Kegon (Hua-yen) 華嚴 Keiaiji (Ching-ai ssu) 敬愛時 Keihô Shûmitsu s. Kuei-feng Tsung-mi Keitoku Dentôroku (Ching-te Ch ’ uanteng lu) 景德傳燈錄 Kenchôji 健長寺 Kenchû Seikoku Zokutôroku (Chienchung Ching-kuo Hsü-teng lu) 建中靖國續燈錄 kenchûshi 兼中至 kenchûtô 兼中到 kenshô 見性 Kessan Muin s. Ho-shan Wu-yin ki (ch ’ i) 氣 Kichijôji 吉祥寺 Kichizô s. Chi-tsang Kidô Chigu s. Hsü-t ’ ang Chih-yü Kidô Oshô goroku (Hsü-t ’ ang ho-shang yü-lu) 虛堂和尚語錄 kigen kikô 奇言畸行 Kinzan s. Ching-shan Kisô Shôdon s. Hsi-sou Shao-t ’ an kitsumon (chieh-wen) 詰問 kiyô (ch ’ i-yung) 起用 kôan (kung-an) 公案 Kôhô Gemmyô s. Kao-feng Yüan-miao Kohon Rokuso Dankyô 古本六祖壇經 ko-i s. kakugi Kôkan Shôshitsu Issho oyobi Kaisetsu 校刊少室逸書及解説 Kôke Zonshô (Hsing-hua T ’ sun-chiang) 興化存奬 Kôkôji Eihatsu Tôki (Kuang-hsiao-ssu i-fa t ’ a-chi) 光孝寺痤髪塔記 Kôkun goi (Kung-hsün wu-wei) 功勳五位 Kokuonji (Kuo-en-ssu) 國恩寺 Kônin s. Hung-jen Kôsei s. Hung-cheng Kôshôji 興聖寺 Kôshôji-bon Rokuso Dankyô 興聖寺本六祖壇經 Kôshû Tenryû s. Hang-chou T ’ ien-lung Kôsôden (Kao-seng-chuan) 高僧傳 Kosonshuku goroku (Ku-tsun-su yülu) 古尊宿語錄 Kôtaizen ’ in (Kuang-t ’ ai ch ’ an-yüan) 光泰禪院 Kôtôji (Hsing-t ’ ang ssu) 興唐寺 ko wu s. kakubutsu Kôya 高野 kû 空 Kuang-hsiao-ssu i-fa t ’ a-chi s. Kôkôji Eihatsu Tôki Kuang-t ’ ai ch ’ an-yüan s. Kôtaizen ’ in Kuan-hsi Chih-hsien 灌溪志閑 Kuan-hsin lun s. Kanshinron Schriftzeichen 431 Kuei-feng Tsung-mi (Keihô Shûmitsu) 圭峯宗密 Kuei-shan Ling-yu (Isan Reiyû) 潙山靈祐 Kuei-yang (Igyô) 潙仰 Kukyû Jôryû s. Hu-ch ’ iu Shao-lung Kum ā raj ī va 鳩摩羅什 s. Rajû Kunchû Rinzairoku 訓註臨済錄 kung-an s. kôan Kung-ch ’ eng I 公乘億 Kung-hsün wu-wei s. Kôkun goi Kunshin goi (Chün-ch ’ en wu-wei) 君臣五位 Kuo-an Shih-yuan (Kakuan Shion) 廓庵師遠 Kuo-en-ssu s. Kokuonji Kusha 俱舎 Ku-tsang 姑藏 Ku-tsun-su yü-lu s. Kosonshuku goroku kyô 境 kyôdai no unda otoko no ko 兄弟 の 生 ん だ 男 の 子 (oi no ko 甥 の 子) Kyôgen Chikan s. Hsiang-yen Chih-hsien kyôhan 教判 Kyôzan Ejaku s. Yang-shan Hui-chi kyôzen itchi (chiao-ch ’ an i-chih) 教禅一致 kyûzenkaku (ch ’ iung-ch ’ an-k ’ o) 窮禪客 Lao-an (auch Hui-an) 老安 ( 慧安 ) Lao-tzu 老子 li s. ri Liang Kai (Ryôkai) 梁楷 Li Ao 李翱 Li Chih-fei 李知非 Lieh-tzu 列子 Lien-chi Chih-hung (Renchi Shukô) 蓮池袾宏 li hsüeh s. rigaku Li Hua 李華 Lin-chi Hui-chao yü-lu s. Rinzai Eshô goroku Lin-chi I-hsüan (Rinzai Gigen) 臨濟義玄 Lin-chi-yüan s. Rinzaiin Ling-chao 靈昭 Ling-ch ’ üan-yüan s. Reisen ’ in Ling-mo 靈默 Ling-shu-yüan s. Reijuin Ling-yüan 靈源 Li-tai fa-pao-chi s. Rekidai Hôbôki Li Tsun-hsü 李遵勗 Li Tung 李侗 s. Li Yen-p ’ ing Liu (Ryû) 劉 Liu Chih-lüeh 劉至略 Liu I-min 劉遺民 Liu Pai-shui 劉白水 Liu P ’ ing-shan 劉屏山 Liu Tsung-yüan 柳宗元 Li Yao-fu 李堯夫 Li Yen-p ’ ing 李延平 s. Li Tung Li Yung 李巡 Lo-fu-shan s. Rafuzan Lohan s. Rakan Lo-han Kuei-ch ’ en (Rakan Keichin) 羅漢桂琛 Lo-p ’ u Yüan-an (Rakuho Gen ’ an) 樂普元安 Lo Ts ’ ung-yen 羅從彥 Lo-yang Ch ’ ih-lan-chi s. Rakuyô garanki Lu 廬 Lu Chiu-yüan 陸九淵 lüeh-chuan s. ryakuden Lu Hsiang-shan 陸象山 s. Lu Chiu-yüan lun s. ron Lung-hsing-ssu s. Ryûkôji Lung-t ’ an 龍潭 Lun-yü s. Rongo Lu Ta-lin 呂大臨 Ma Fang 馬防 Maidô Soshin s. Hui-t ’ ang Tsu-hsin Maigan Chishô s. Hui-yen Chih-chao makyô 魔境 Makashikan (Mo-ho chih-kuan) 摩訶止観 432 Anhang Ma-tsu ssu-chia lu s. Baso shike roku Ma-tsu Tao-i 馬祖道一 Meng-tzu 孟子 Mi-an Hsien-chieh (Mittan Kanketsu) 密菴咸傑 Miao-hsieh (Myôkyô) 妙叶 Mikkyô 密教 Ming 明 Ming (Myô) 明 Ming-tao 明道 Miroku (Maitreya) 彌勒 Mittan Kanketsu s. Mi-an Hsien-chieh Mo-chao ch ’ an s. Mokushô-zen Mo-chao ming s. Mokushômei Mokkei s. Mu-ch ’ i Mokushômei (Mo-chao ming) 默照銘 Mokushô-zen (Mo-chao ch ’ an) 默照禪 mondô 問答 Monju (Manju ś r ī ) 文殊 môsô 妄想 mu (wu) 無 Mu-ch ’ i (Mokkei) 牧谿 muge 無礙 mui (wu-wei) 無爲 mujû 無住 Mujû s. Wu-chu Mumon Ekai s. Wu-men Hui-k ’ ai Mumonkan (Wu-men kuan) 無門關 munen (wu-nien) 無念 Muromachi 室町 muro shinnyo (wu-lou chen-ju) 無漏真如 mushin (wu-hsin) 無心 musô 無相 Myô s. Ming Myôan Eisai 明菴榮西 Myôkyô s. Miao-hsieh Myôshinji 妙心寺 myôu 妙有 N ā g ā rjuna s. Ryûju Nampo Jômyô 南浦紹明 Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan (Nansen Fugen) 南泉普願 Nangaku Ejô s. Nan-yüeh Huai-jang Nan ’ in Egyô s. Nan-yüan Hui-yung Nansen Fugen s. Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan Nanshûtongyô saijô Daijô Makahannyaharamitsukyô: Rokuso Enô Daishi Shôshû Daibonji ni oite sehô suru no dankyô (Nan-tsung tun-chiao tsui-shang ta-ch ’ eng mo-ho-po-jo polo-mi ching: Liu-tsu Hui-neng ta-shin yü Shao-chou Ta-fan-ssu shih-fa t ’ anching) 南宗頓教最上大乘摩訶般若 波羅蜜經 , 六祖惠能大師於韶州大 梵寺施法壇經 Nan-ton Hoku-zen 南頓北漸 Nan-tsung tun-chiao tsui-shang ta-ch ’ eng mo-ho-po-jo po-lo-mi ching: Liu-tsu Hui-neng ta-shin yü Shao-chou Tafan-ssu shih-fa t ’ an-ching s. Nanshûtongyô saijô Daijô Makahannyaharamitsukyô: Rokuso Enô Daishi Shôshû Daibonji ni oite sehô suru no dankyô Nan-yang Hui-chung 南陽慧忠 Nan-yüan Hui-yung (Nan ’ in Egyô) 南院慧顒 Nan-yüeh Huai-jang (Nangaku Ejô) 南嶽懐譲 Nara 奈良 Nehan (Nirva ṇ a) 涅槃 nembutsu (nien-fo) 念佛 Nenko Hyakusoku (Nien-ku pai-tse) 拈古百則 Nichiren 日蓮 nien-fo s. nembutsu Nien-ku pai-tse s. Nenko Hyakusoku nien-t ’ ou s. gozu Ninden gammoku (Jen-t ’ ien yen-mu) 人天眼目 Nindengyô 人天教 Ni ’ nyûshigyôron (erh-ju ssu-hsing lun) 二入四行論 nishu ’ nyû (erh-chung-ju) 二種入 Nyobin s. Ju-min Nyoraizen 如來禪 Schriftzeichen 433 Nyudô anjin yô hôben hômon (Ju-tao anhsin yao fang-pen fa-men) 入道安心 要方便方門 Ôbaizan s. Huang-mei-shan Ôbaku Kiun s. Huang-po Hsi-yüan Ogyû Sorai 荻生徂徠 Ômori Sôgen 大森曹玄 Onshitsukyô (Wen-shih ching) 温室経 Ôryô E ’ nan s. Huang-lung Hui-nan Pai-chang ch ’ ing-kuei s. Hyakujô Shingi Pai-chang Huai-hai (Hyakujô E ’ kai) 百丈懷海 P ’ ang chü-shih yü-lu s. Hô Koji goroku P ’ ang Yün 龐蘊 Pao-chih Ho-shang 寶誌和尚 Pao-ching san-mei s. Hôkyô zammai Pao-lin chuan s. Hôrinden Pao-shou Yen-chao 保壽延沼 Pao-t ’ ang-ssu s. Hotôji Pao-tsang lun s. Hôzôron pen-wu s. hommu pieh-yü s. betsugo Pien-tsung lun s. Benshûron pi-kuan s. hekikan Pi-yen lu s. Hekiganroku P ’ o-an Tsu-hsien (Hoan Sosen) 破庵祖先 P ’ u-chi 普寂 P ’ u-hua 普化 Pu-tai (Hotei) 布袋 p ’ u-t ’ i s. bodai P ’ u-t ’ i-ta-mo s. Bodaidaruma Rafuzan (Lo-fu-shan) 羅浮山 Rajû (Kum ā raj ī va) 羅什 Rakan (Lohan) 羅漢 Rakan Keichin s. Lo-han Kuei-ch ’ en Rakudôka 樂道歌 Rakuho Gen ’ an s. Lo-p ’ u Yüan-an Rakuyô garanki (Lo-yang Ch ’ ih-lanchi) 洛陽伽藍記 Reijuin (Ling-shu-yüan) 靈樹院 Reisen ’ in (Ling-ch ’ üan-yüan) 靈泉院 Rekidai Hôbôki (Li-tai fa-pao-chi) 歴代法寶記 Renchi Shukô s. Lien-chi Chih-hung resso-zô 列祖像 ri (li) 理 rigaku (li hsüeh) 理學 ri hokkai 理法界 riji muge (li-shih wu-ai) hokkai 理事無礙法界 rinen (li-nien) 惟念 Rinzai Eshô goroku (Lin-chi Hui-chao yülu) 臨濟慧照語錄 Rinzai Gigen s. Lin-chi I-hsüan Rinzaiin (Lin-chi-yüan) 臨濟院 Rinzairoku 臨濟錄 Risshû 律宗 Ritsu 律 ron (lun) 論 Rongo (Lun-yü) 論語 ryakuden (lüeh-chuan) 略傳 Ryôga Butsujin hôshi 楞伽佛人法志 Ryôga Shijiki (Leng-ch ’ ieh shih-tzu chi) 楞伽師資記 Ryôkai s. Liang Kai Ryû s. Liu Ryûju (N ā g ā rjuna) 龍樹 Ryûkôji (Lung-hsing-ssu) 龍興寺 Saichô 最澄 Saijôjô busshô-ka 最上乘佛性歌 Saiiôjôron (Tsui-shang-ch ’ en lun) 最上乘論 sambô 三寶 san 贊 (讚) Sandôkai (Ts ’ an-t ’ ung-chi) 參同契 sange 懴悔 sangen 三玄 sankan 三關 sanku 三句 sankyô itc ḣ i 三教一致 sankyôzu 三教圖 San-lun tsung s. Sanronshû Sannei s. Tsan-ning 434 Anhang Sanron 三論 Sanronshû (San-lun tsung) 三論宗 San-sheng Hui-jan (Sanshô E ’ nen) 三聖慧然 Sanshô E ’ nen s. San-sheng Hui-jan san-t ’ ai 三臺 sanyô 三要 sanzen 參禪 satori 悟 り Seigen Gyôshi s. Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu Seikyo s. Ch ’ ing-chü Seiryôji (Ch ’ ing-liang-ssu) 清涼寺 Seishiji (Chih-chih-ssu) 制旨寺 seiza (ching-tso) 靜座 Sekisô Soen s. Shih-shuang Ch ’ u-yüan Sekitô Kisen s. Shih-t ’ ou Seng-chao 僧肇 Seng-ch ’ ou 僧稠 Seng-ch ’ üan 僧詮 Seng-fu 僧副 Seng-lan 僧朗 Seng-na 僧那 Seng-ts ’ an 僧璨 Senni gedô 先尼外道 senshin (jan-hsin) 染心 Seppô Gison s. Hsüeh-feng I-ts ’ un Setchô Jûken s. Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien Shan-fu 著伏 Shao Hsiu 紹修 Shao-lin-ssu s. Shôrinji Shao Yung 邵雍 Shen-hsiu (Jinshû) 神秀 Shen-hui s. Ho-tse Shen-hui Shen-hui yü-lu s. Jinne goroku Shidô s. Chih-tao shih s. ji Shih-shuang Ch ’ u-yüan (Sekisô Soen) 石霜楚圓 Shih-te (Jittoku) 拾得 Shih-t ’ ou Hsi-ch ’ ien (Sekitô Kisen) 石頭希遷 shiji mongi (chih-shih wen-i) 指事問義 shikaku (shih-chüeh) 始覚 shikan 止觀 shikanhô (chih-luan fa) 止観法 shikatsu (ssu-ho) 四喝 Shike goroku (Ssu-chia yü-lu) 四家語錄 shikishin 色身 shiku fumbetsu (ssu-chü fen-pieh) 四句分別 shin (hsin) 心 shinenjo (szu-nien-ch ’ u) 四念處 shingaku (hsin hsüeh) 心學 Shingon 眞言 shingyôju (hsin-ching sung) 心経頌 Shinjinmei (Hsin-hsin-ming) 信心銘 shinkû 眞空 shinnin (chen-jen) 眞人 shin ninnen (chih ren-yün) 直任運 Shinnyoin (Chen-ju-yüan) 眞如院 Shinshûron (Chen-tsung lun) 真宗論 Shinzoku Chôshi no keifu 新続灯史 の 系譜 shiryôken (ssu-liao-chien) 四料簡 Shisei s. Chih-ch ’ eng shishôyû 四照用 Shitetsu s. Chih-ch ’ e Shiton s. Chih Tun Shitsû s. Chih-t ’ ung shô (hsing) 性 shô 正 shôchûhen 正中偏 shôchûrai 正中來 Shôdôka 證道歌 shôgo 證悟 shôjô 小乘 Shôrinji (Shao-lin-ssu) 少林寺 Shôshitsu Rokumon 小室六門 Shôtoku Taishi 聖徳太子 Shou-shan Sheng-nien (Shuzan Shônen) 首山省念 Shôyôan 從容庵 Shôyôroku (Ts ’ ung-jung lu) 從容錄 Shuan-feng-shan (Sôhôzan) 雙峰山 Shûbun 周文 Shûhô s. Tsung-po shuichifui (shou-i pu-i) 守一不移 Schriftzeichen 435 shukke 出家 Shûkyôroku (Tsung-ching lu) 宗鏡録 Shûmon Jikkiron 宗門十規論 Shûmon Rentô Eyô (Tsung-men lien-teng hui-yao) 宗門聯燈會要 Shushi gorui 朱子語類 shushin (shou-hsin) 守心 Shûshinyôron (Hsiu-hsin-yao lun) 修心要論 Shuzan Shônen s. Shou-shan Sheng-nien Sôanka (Ts ’ ao-an-ko) 草庵歌 sobutsu 祖佛 sôdô 僧堂 Sodôshû (Chodang chip, Tsu-t ’ ang chi) 祖堂集 Soeishû 祖英集 Sôkei s. Ts ’ ao-ch ’ i Sôkei Daishi Betsuden 曹溪大師別傳 Sô Kôsôden (Sung Kao-seng-chuan) 宋高僧傳 sokushin sokubutsu 卽心卽佛 Soshizen (Tsu-shih ch ’ an) 祖師禪 Sotei Jion (Tsu-t ’ ing shih-yüan) 祖庭事苑 Sôtô (Ts ’ ao-tung) 曹洞 Sôzan Honjaku s. Ts ’ ao-shan Pen-chi Ssu-chia yü-lu s. Shike goroku ssu-chü fen-pieh s. shiku fumbetsu ssu-ho s. shikatsu ssu-liao-chien s. shiryôken Sûgakuji (Sung-chüeh ssu) 崇岳寺 Sui 隋 suimôken 吹毛劍 Sung 宋 Sung Kao-seng-chuan s. Sô Kôsôden sung-ku s. juko Sung-ku pai-tse s. Juko Hyakusoku Sung Yün 宋雲 sûsokkan 數息觀 Su-tsung 肅宗 Suzuki, Daisetsu Teitarô 鈴木大拙貞太郎 Ta-an-ssu s. Daianji Ta-ch ’ eng Ch ’ i-hsin lun s. Daijô Kishinron t ’ a-chi s. tôki Ta-chien Ch ’ an-shih (Daikan Zenji) 大鑑禪師 Ta-chih shou-sheng ch ’ an-ssu s. Daichijushô-zenji ta-chi ta-yung s. daiki daiyû ta-chu s. daishu Ta-chüeh 大覺 Ta-chu Hui-hai 大珠慧海 Ta-fan-ssu s. Daibonji Ta-hui Tsung-kao (Daie Sôkô) 大慧宗杲 tai (t ’ i) 體 t ’ ai-i s. taikyoku taikyoku (t ’ ai-i) 太極 Tai-tsung 代宗 Ta-kuei 大潙 Ta-lin-ssu s. Dairinji Ta-mo-to-lo ch ’ an-ching s. Datsumatara Zengyô Tan-an-pan-shou-i-ching s. Daiampanshuikyô T ’ an-chien 曇遷 T ’ ang 唐 Tangen Ôshin s. Tan-yüan Ying-chen T ’ an-lin 曇林 tantô choku ’ nyû 單刀直入 Tan-yüan Ying-chen (Tangen Ôshin) 耽源應眞 tao s. dô Tao-an 道安 Tao-chin (Dôkin) 道欽 Tao-fu (Dôfuku) 道副 Tao-hsin (Dôshin) 道信 Tao-hsüan (Dôsen) 道宣 Tao-i (Dôitsu) 道一 Tao-lin (Dôrin) 道林 Tao-sheng (Dôshô) 道生 Tao-shun 道俊 Tao-te-ching s. Dôtokukyô Tao-ts ’ an 道澯 436 Anhang Tao-wu Yüan-chih (Dôgo Enchi) 道悟圓智 Tao-yu 道猷 Tao-yü (Dôiku) 道育 Tao-yüan (Dôgen) 道原 Ta-sheng ta i-chang s. Daijôdaigishô Ta-yü (Daigu) 大愚 Ta-yün-ssu s. Daiunji te s. toku Te-ch ’ ing (Tokusei) 德清 Te-i (Tokui) 德異 teishô 提唱 ten (t ’ ien) 天 Tendai 天台 Tendai Tokushô s. T ’ ien-t ’ ai Te-shao Tendô Nyojô s. T ’ ien-t ’ ung Ju-ching Tengûji (T ’ ien-kung ssu) 天宮寺 Tenkoji (T ’ ien-chü ssu) 天居寺 Tennô Dôgo s. T ’ ien-huang Tao-wu Tenryûji 天龍寺 Tenshô Kôtôroku (T ’ ien-sheng Kuangteng lu) 天聖廣燈錄 Te-shan Hsüan-chien (Tokusan Senkan) 德山宣鑑 tesson 姪孫 t ’ i s. tai t ’ ien s. ten T ’ ien-huang Tao-wu (Tennô Dôgo) 天皇道悟 T ’ ien-sheng Kuang-teng lu s. Tenshô Kôtôroku T ’ ien-t ’ ai Chih-i 天台智顗 T ’ ien-t ’ ai Te-shao (Tendai Tokushô) 天台德韶 T ’ ien-t ’ ung Cheng-chüeh 天童正覺 T ’ ien-t ’ ung Ju-ching (Tendô Nyojô) 天童如淨 Ting Shang-tso (Jôjôza) 定上座 Tôfukuji 東福寺 tôki (t ’ a-chi) 塔記 toku (te) 德 Tokui s. Te-i Tokusan Senkan s. Te-shan Hsüan-chien Tokusei s. Te-ch ’ ing ton (tun) 頓 Tongo Nyûdô Yômonron (Tun-wu ju-tao yao-men lun) 頓悟入道要門論 Tongo Saijôjôron 頓悟最上乘論 Tonkô shutsudo Rokuso Dankyô 敦煌出土六祖壇經 Tôrei Enji 東嶺圓慈 Tôrin Jôsô s. Tung-lin Ch ’ ang-tsung tôshi 燈史 Tosotsu Jûetsu s. Tou-shuai Ts ’ ung-yüeh Tou-shuai Ts ’ ung-yüeh (Tosotsu Jûetsu) 兜率從悅 Tôzan Ryôkai s. Tung-shan Liang-chieh Tôzan Ryôkai Zenji goroku (Tung-shan Liang-chieh Ch ’ an-shih yü-lu) 洞山良价禪師語錄 Tôzan Shusho s. Tung-shan Shou-ch ’ u Tsan-ning (Sannei) 贊寧 Ts ’ an-t ’ ung-chi s. Sandôkai Ts ’ ao-an-ko s. Sôanka Ts ’ ao-ch ’ i (Sôkei) 曹溪 Ts ’ ao-shan Pen-chi (Sôzan Honjaku) 曹山本寂 Ts ’ ao-tung s. Sôtô tso-ch ’ an s. zazen Tsui-shang-ch ’ en lun s. Saijôjôron Tsung-chih 總持 Tsung-ching lu s. Shûkyôroku Ts ’ ung-jung lu s. Shôyôroku Tsung-men lien-teng hui-yao s. Shûmon Rentô Eyô Tsung-mi s. Kuei-feng Tsung-mi Tsung-po (Shûhô) 宗寶 Tsung-tse 宗賾 Tsu-shih ch ’ an s. Soshizen Tsu-t ’ ang chi s. Sodôshû Tsu-t ’ ing shih-yüan s. Sotei Jion Tu Fei 杜朏 Tu Fu 杜甫 tun s. ton Tung-lin Ch ’ ang-tsung (Tôrin Jôsô) 東林常總 Tung-shan Liang-chieh (Tôzan Ryôkai) 洞山良价 Schriftzeichen 437 Tung-shan Liang-chieh Ch ’ an-shih yülu s. Tôzan Ryôkai Zenji goroku Tung-shan Shou-ch ’ u (Tôzan Shusho) 洞山守初 Tun-huang 敦煌 Tun-wu ju-tao yao-men lun s. Tongo Nyûdô Yômonron Tu-shun 杜順 Tzu-chih lu s. Jichiroku Tzu-te (Jitoku) 自得 u (yu) 有 Ui Hakuju 宇井伯壽 Ummon Bun ’ en s. Yün-men Wen-yen Ummon Kyôshin Zenji kôroku (Yün-men K ’ uang-chen Ch ’ an-shih kuang-lu) 雲門匡眞禪師廣錄 Ummon Oshô kôroku (Yün-men hoshang kuang-lu) 雲門和尚廣錄 Ummonroku (Yün-men lu) 雲門錄 Ungan Donjô s. Yün-yen T ’ an-sheng Ungo Dôyô s. Yün-chü Tao-ying Wang Shao-i 王紹懿 Wang Shou-jen 王守仁 Wang Wei 王維 Wang Yang-ming 王陽明 Wan-ling lu s. Enryôroku Wanshi Shôgaku s. Hung-chih Chengchüeh Wanshi Zenji kôroku, (Hung-chih Ch ’ anshih kuang-lu) 宏智禪師廣錄 Wan-sung Hsing-hsiu (Banshô Gyôshû) 萬松行秀 watô 話頭 Wei Ch ’ u 韋璩 Wu 武 wu s. mu Wu-chen (Goshin) 悟眞 Wu-chia cheng-tsung tsan s. Goke shôjûsan Wu-chia yü-lu s. Goke goroku Wu-chu (Mujû) 無住 Wu-chun Shih-fan (Bujun Shihan) 無準師範 Wu-hsiang 無相 wu-hsin s. mushin Wu-men Hui-k ’ ai (Mumon Ekai) 無門慧開 Wu-men kuan s. Mumonkan wu-nien s. munen wu-shih s. buji Wu-teng hui-yüan s. Gotô egen Wu-teng lu s. Gotôroku Wu-teng yen-t ’ ung s. Gotô gentô Wu-tsu Fa-yen (Goso Hôen) 五祖法演 Wu-tsu Fa-yen yü-lu s. Goso Hôen goroku Wu-tsung 武宗 wu-wei s. mui wu-wei s. goi Wu-wei chih-chüeh s. Goi shiketsu Wu-wei hsien-chüeh s. Goi kenketsu Yakusan Igen s. Yüeh-shan Wei-yen Yanagida Seizan 柳田聖山 yang s. yô Yang Chien 楊簡 Yang-ch ’ i Fang-hui (Yôgi Hôe) 楊岐方會 Yang Hsüan-chih 楊衒之 Yang-shan Hui-chi (Kyôzan Ejaku) 仰山慧寂 Yang Shih 楊時 Yen-ch ’ i Huang-wen (Enkei Kômon) 偃谿黄聞 Yen Hui 顔回 Yen-t ’ ou Ch ’ üan-huo (Gantô Zenkatsu) 巖頭全豁 yin s. in Yin-t ’ o-lo (Indara) 因陀羅 Yin-tsung 印宗 yô (yang) 陽 yô (yung) 用 Yôgi Hôe s. Yang-ch ’ i Fang-hui Yôka Genkaku s. Yung-chia Hsüanchüeh 438 Anhang Yômyô Enju s. Yung-ming Yen-shou yu s. u yüan s. en Yüan 元 Yüan 遠 Yüan-chüeh ching s. Engakukyô Yüan-chüeh ching ta-shu ch ’ ao s. Engakukyô Daishoshô Yüan-chüeh Tsung-yen (Engaku Sôen) 圓覺宗演 yüan-hsiang s. ensô Yüan-jen-lun s. Genninron Yüan-wu K ’ o-ch ’ in (Engo Kokugon) 圜悟克勤 Yü-ch ’ uan-ssu s. Gyokusenji Yüeh-lin Shih-kuan (Gatsurin Shikan) 月林師觀 Yüeh-shan Wei-yen (Yakusan Igen) 藥山惟儼 Yü-hsüan yü-lu s. Gyosen goroku yuishiki 唯識 Yün 筠 Yün-chü Tao-ying (Ungo Dôyô) 雲居道膺 yung s. yô Yung-cheng 雍正 Yung-chia Hsüan-chüeh (Yôka Genkaku) 永嘉玄覺 Yung-chüeh Yüan-hsien (Eikaku Genken) 永覺元賢 Yung-ming Yen-shou (Yômyô Enju) 永明延壽 Yung-ning-ssu s. Ei ’ neiji Yün-men ho-shang kuang-lu s. Ummon Oshô kôroku Yün-men K ’ uang-chen Ch ’ an-shih kuanglu s. Ummon Kyôshin Zenji kôroku Yün-men lu s. Ummonroku Yün-men Wen-yen (Ummon Bun ’ en) 雲門文偃 Yün-yen T ’ an-sheng (Ungan Donjô) 雲巖曇晟 Yü Ti 干頔 Yu Tso 游定 zazen (tso-ch ’ an) 坐禪 zazengi 坐禪儀 Zemmon Shishi Shôshûzu (Ch ’ an-men shih-tzu ch ’ eng-hsi-t ’ u) 禪門師資承襲圖 Zen (Ch ’ an) 禪 zenchishiki 善知識 Zengen-shozenshû-tojo (Ch ’ an-yüan chuch ’ üan-chi tu-hsü) 禪源諸詮集都序 Zengyô 禪經 Zenji (Ch ’ an-shih) 禪師 zenjô 禪定 Zenjô itchi 禪淨一致 zenkiga 禪機書 Zenki no jidai 禪機 の 時代 zenna (ch ’ an-na) 禪那 Zen-no-shinzui-Mumonkan 禪 の 心髄 、 無門關 Zoku Kôsôden (Hsü kao-seng-chuan) 續高僧傳 zuibun (sui-fen) 随分 Schriftzeichen 439 Traditionstafeln Tafel I Von Bodhidharma bis zu Hui-neng und seinen Jüngern Bodhidharma gest. 532 Hui-k’o (Eka) 487-593 Seng-ts’an (Sôsan) gest. 606 Tao-hsin (Dôshin) 580-651 Fa-jung (Hôyû) 594-657 (Siehe Tafel II A. Ochsenkopfschule) Hung-jen (Gunin) 601-674 Shen-hsiu (Jinshû) 605? -706 (Siehe Tafel II B. Nordschule) Hui-neng (E’nô) 638-713 (Südschule) Chih-hsien (Chisen) 609-702 (Siehe Tafel II C. Szechwan-Schule) Ch’ing-yüan Hsing-ssu (Seigen Gyôshi) 660-740 Nan-yüeh Huai-jang (Nangaku Ejô) 677-744 Nan-yang Hui-chung (Nan’yô Echû) 675-775 Ho-tse Shen-hui (Kataku Jinne) 670-762 (Siehe Kataku (Ho-tse)-Schule) Yung-chia Hsüan-chüeh (Yôka Genkaku) 665-713 (Erste Hauptlinie der T’ang-Zeit) (Zweite Hauptlinie der T’ang-Zeit) Tan-yüan Ying-chen (Tangen Ôshin) Tafel II Nebenlinien der Frühzeit A. Ochsenkopfschule C. Szechwan-Schule Fa-jung (Hôyû) 594-657 Chih-hsien (Chisen) 609-702 Chih-yen (Chigan) 600-677 Ch’u-chi (Shojaku) 648-734 Hui-fang (Ehô) 629-695 Wu-hsiang (Musô) 684-762 Fa-chih (Hôji) 635-702 Wu-chu (Mujû) 714-774 Chih-wei (Chii) 646-722 Hui-chung (Echû) 683-769 Hsüan-su (Genso) Ching-shan Tao-ch’in (Kinzan Dôkin) 714-792 B. Nordschule Shen-hsiu (Jinshû) 605? -706 P’u-chi (Fujaku) 651-739 I-fu (Gifuku) 658-736 Tao-hsüan (Dôsen) 702-760 Nan-yüeh Ming-tsan (Nangaku Myôsan) Hung-cheng (Kôsei) 442 Anhang Tafel III Die Hauptlinien der T’ang-Zeit A. Erste Hauptlinie Ch’ing-yüan Hsing-ssu (Seigen Gyôshi) 660-740 Shih-t’ou Hsi-ch’ien (Sekitô-Kisen) 700-790 Yüeh-shan Wei-yen (Yakusan Igen) 745-828 T’ien-huang Tao-wu (Tennô Dôgo) 748-807 Lung-t’an Ch’ung-hsin (Ryôtan Sûshin) Tao-wu Yüan-chih (Dôgo Enchi) 769-835 Yün-yen T’an-sheng (Ungan Donjô) 780-841 Te-shan Hsüan-chien (Tokusan Senkan) 782-865 Shih-shuang Ch’ing-chu (Sekisô Keisho) 807-888 Tung-shan Liang-chieh (Tôzan Ryôkai) 807-869 (Siehe Tafel IV C.) Yen-t’ou Ch’üan-huo (Gantô Zenkatsu) 828-887 Hsüeh-feng I-ts’un (Seppô Gison) 822-908 Chang-cho Hsiu-ts’ai (Chôsetsu Shûsai) Jui-yen Shih-yen (Zuigan Shigen) (Siehe Tafel IV D.) C. Kataku (Ho-tse)-Schule (Nebenlinie) Ho-tse Shen-hui (Kataku Jinne) 670-762 2 Generationen Wu-t’ai Wu-ming (Godai Mumyô) 722-793 Sui-chou Tao-yüan (Suishû Dôen) Kuei-feng Tsung-mi (Keihô Shûmitsu) 780-841 Traditionstafeln 443 B. Zweite Hauptlinie Nan-yüeh Huai-jang (Nangaku Ejô) 677-744 Ma-tsu Tao-i (Baso Dôitsu) 709-788 Pai-chang Huai-hai (Hyakujô Ekai) 720-814 Nan-ch’üan P’u-yüan (Nansen Fugan) 748-835 Ta-mei Fa-ch’ang (Daibai Hôjô) 752-839 Kuei-shan Ling-yu (Isan Reiyû) 771-853 Huang-po Hsi-yüan (Ôbaku Kiun) gest. 850 Ch’ang-sha Ching-ts’en (Chôsha Keijin) gest. 868 Chao-chou Ts’ung-shen (Jôshû Jûshin) 778-897 Hang-chou T’ien-lung (Kôshû Tenryû) Hsiang-yen Chih-hsien (Kyôgen Chikan) gest. 898 Yang-shan Hui-chi (Kyôzan Ejaku) 807-883 Lin-chi I-hsüan (Rinzai Gigen) gest. 866 Chü-chih (Gutei) (Siehe Tafel IV A.) (Siehe Tafel IV B.) 444 Anhang Tafel IV Die «Fünf Häuser» A. Das Igyô (Kuei-yang)-Haus Kuei-shan Ling-yu (Isan Reiyû) 771-853 Yang-shan Hui-chi (Kyôzan Ejaku) 807-883 Hsiang-yen Chih-hsien (Kyôgen Chikan) gest. 898 Pa-chiao Hui-ch’ing (Bashô Esei) Nan-t’a Kuang-jun (Nantô Kôyû) 850-938 Hsing-yang Ch’ing-jang (Kôyô Shinjô) B. Das Rinzai (Lin-chi)-Haus Lin-chi I-hsüan (Rinzai Gigen) gest. 866 Hsing-hua Ts’ung-chiang (Kôke Zonshô) 830-888 Nan-yüan Hui-yung (Nan’in Egyô) gest. 930 Feng-hsüeh Yen-chao (Fuketsu Enshô) 896-973 Shou-shan Sheng-nien (Shuzan Shônen) 926-993 Fen-yang Shan-chao (Fun’yô Zenshô) 942-1024 Shih-shuang Ch’u-yüan (Sekisô Soen) 986-1039 Yang-ch’i Fang-hui (Yôgi Hôe) 992-1049 (Siehe Tafel V A 1-3) Huang-lung Hui-nan (Ôryô E’nan) 1002-1069 (Siehe Tafel V B) Traditionstafeln 445 C. Das Sôtô (Ts’ao-tung)-Haus Tung-shan Liang-chieh (Tôzan Ryôkai) 807-869 Yüeh-chou Ch’ien-feng (Esshû Kempô) Ts’ao-shan Pen-chi (Sôzan Honjaku) 840-901 Yün-chü Tao-ying (Ungo Dôyô) gest. 902 (6 Generationen) Tan-hsia Tzu-ch’un (Tanka Shijun) gest. 1119 D. Die Häuser Ummon (Yün-men) und Hôgen (Fa-yen) Hsüeh-feng I-ts’un (Seppô Gison) 822-908 Yün-men Wen-yen (Ummon Bun’en) 864-949 Te-shan Yüan-mi (Tokusan Emmitsu) Hsiang-lin Ch’eng-yüan (Kyôrin Chôon) Tung-shan Shou-chu (Tôsan Shusho) 10. Jh. (2 Generationen) Chih-men Kuang-tsu (Chimon Kôso) gest. 1031 Ch’i-sung (Kaisû) 1007-1072 (5 Generationen) Yung-ming Yen-shou (Yômyô Enju) 904-975 Lei-an Cheng-shou (Raian Shôju) 1146-1208 Hsüan-sha Shih-pei (Gensha Shibi) 835-908 Lo-han Kuei-ch’en (Rakan Keijin) 867-928 Fa-yen Wen-i (Hôgen Bun’eki) 885-958 Hsüeh-tou Ch’ung-hsien (Setchô Jûken) 980-1052 (Dichter der Gesänge des Hekiganroku) T’ien-t’ai Te-shao (Tendai Tokushô) 891-972 446 Anhang Tafel V Die Rinzai (Lin-chi)-Schule während der Sung-Zeit A. Die Yôgi (Yang-ch’i)-Linie Yang-ch’i Fang-hui (Yôgi Hôe) 992-1049 Pai-yün Shou-tuan (Hakuun Shutan) 1025-1072 Wu-tsu Fa-yen (Goso Hôen) 1024? -1104 K’ai-fu Tao-ning (Kaifuku Dônei) Yüan-wu K’o-ch’in (Engo Kokugon) 1063-1135 (Verfasser des Hekiganroku) (Siehe Tafel V A 1) (Siehe Tafel V A 2) A. 1 Die Mumon (Wu-men)-Linie K’ai-fu Tao-ning (Kaifuku Dônei) Yüeh-an Shan-kuo (Gettan Zenka) Lao-an Tsu-teng (Rônô Sotô) Yüeh-lin Shih-kuan (Gatsurin Shikan) 1143-1217 Wu-men Hui-k’ai (Mumon Ekai) 1183-1260 (Verfasser des Mumonkan) Shinchi Kakushin (Überbringer des Mumonkan nach Japan) Traditionstafeln 447 A.2 Die Engo (Yüan-wu)-Linie Yüan-wu K’o-ch’in (Engo Kokugon) 1063-1135 Hu-kuo Ching-yüan (Gokoku Keigen) Hu-ch’iu Shao-lung (Kukyû Jôryû) 1077-1136 Ta-hui Tsung-kao (Daie Sôkô) 1089-1163 Huo-an Shih-t’i (Wakuan Shitai) 1108-1179 Ying-an T’an-hua (Ôan Donge) 1103-1163 (Siehe Tafel V A 3) Mi-an Hsien-chieh (Mittan Kanketsu) 1118-1186 Sung-yüan Ch’ung-yüeh (Shôgen Sûgaku) 1139-1209 P’o-an Tsu-hsien (Hoan Sosen) 1136-1211 Wu-ming Hui-hsing (Mumyô Eshô) Yün-an P’u-yen (Un’an Fugan) 1156-1226 Wu-chun Shih-fan (Bushun Shihan) 1177-1249 Lan-hsi Tao-lung (Rankei Dôryû) 1213-1278 (Daikaku Zenji) Hsü-t’ang Chih-yü (Kidô Chigu) 1185-1269 Wu-hsüeh Tsu-yüan (Mugaku Sogen) 1226-1286 Hsüeh-yen Tsu-ch’in (Setsugan Sokin) Nampo Jômyô 1235-1309 (Daiô Kokushi) Enni Ben’en 1201-1280 (Shôichi Kokushi) Kao-feng Yüan-miao (Kôhô Gemmyô) 1238-1295 Chung-feng Ming-pen (Chûhô Myôhon) 1263-1323 448 Anhang A.3 Die Daie (Ta-hui)-Linie Ta-hui Tsung-kao (Daie Sôkô) 1089-1163 Fo-chao Te-kuang (Busshô Tokkô) 1121-1203 Ching-shan Ju-yen (Kinzan Nyoen) gest. 1225 Po-chien Chü-chien (Hokkan 1164-1246 Kokan) Hui-yen Chih-chao (Maigan Chishô) Wu-ch’u Ta-kuan (Busso Daikan) 1201-1268 Yüan-sou Hsing-tuan (Gensô Gyôtan) 1254-1341 B. Die Ôryô (Huang-lung)-Linie Huang-lung Hui-nan (Ôryô E’nan) 1002-1069 Hui-t’ang Ssu-hsin (Maidô Soshin) 1025-1100 Yün-kai Shou-chih (Ungai Shichi) 1025-1115 Pao-feng K’o-wen (Hôbô Kokumon) 1025-1102 Ssu-hsin Wu-hsin (Shishin Goshin) 1044-1115 Tou-shuai Ts’ung-yüeh (Tosotsu Jûetsu) 1044-1091 Eisai 1141-1215 (Erster Überbringer der Rinzai-Schule nach Japan) Traditionstafeln 449 Tafel VI Die Sôtô (Ts’ao-tung)-Linie während der Sung-Zeit Tan-hsia Tzu-ch’un (Tanka Shijun) gest. 1119 Hung-chih Cheng-chüeh (Wanshi Shôgaku) 1091-1157 Chen-hsieh Ch’ing-liao (Shingetsu Shôryô) (2 Generationen) T’ien-t’ung Ju-ching (Tendô Nyojô) 1163-1228 Dôgen 1200-1253 (Überbringer des Sôtô-Zen nach Japan) 450 Anhang Namenregister Alexander 33 Amida 39, 48, 68, 76, 107, 138, 244, 290 - 291 Amitâbha, siehe Amida An Lu-shan 149, 169, 199, 267 An Shih-kao 64 - 65 Ânanda 18 - 19, 118 Anesaki 50 Âryadeva 71 Asa ṅ ga 37, 41 - 42, 81 Augustus 33 Aurobindo 21 Bodhidharma 17, 56, 71, 80 - 81, 83 - 86, 88 - 101, 104, 106, 114, 116 - 119, 121, 133 - 138, 154 - 155, 160, 170 - 172, 176, 178, 190 - 191, 197, 223, 247, 250, 253, 264, 276, 282, 289, 292, 304 - 307, 320, 331 Buber, Martin 260 Buddhabhadra 49, 70 Buddhasena 118 Buswell, Robert E. Jr. 299, 304, 320, 328 Chang Chung-yuan 223, 237 Chang Ming-yüan 253 Chang Tsai 271 - 272 Chang Wei 152 Chang Yueh 119, 132 Ch ’ ang-ch ’ ing Hui-leng 185 Chao K ’ uang-yin 246 Chao Meng-fu 287 Chao-chou Ts ’ ung-shen 131, 182 - 184, 197, 263 - 264 Chen Ch ’ u-chang 173 Ch ’ en Tsun-su 239 Ch ’ eng Hao 206, 271 - 274, 277 Ch ’ eng Yi 206, 271 - 274, 277 Ch ’ eng-kuan 234, 289 Ch ’ eng-te-fu 197 Chiang Shen 199 Chi-chou 121 Chigong 301 Chih Min-tu 67 Chih Tun (auch Tao-lin) 67 Chih-ch ’ e 153 Chih-ch ’ eng 153 Chih-hsien 146, 170, 173, 177 Chih-i 105 - 106, 121, 321 Chih-men Kuang-tsu 242 Chih-shen 290 Chih-t ’ a (auch Hui-t ’ a) 119 Chih-tao 153, 165 Chih-t ’ ung 153 Chih-wei 137 - 138, 290 Chih-weng 282 Chih-yao 149 Chih-yen 138, 301 Ching 307 - 308 Ch ’ ing-chü 284 Ching-chüeh 86, 96, 113, 172 Ching-hsien 127 Ching-shan 137 Chingy ŏ ng Simh ŭ i 311 Ch ’ ing-yüan Hsing-ssu 174, 180, 198 Chinul 321 - 333, 342 - 343, 345 Chis ŏ n Toh ŏ n 309 - 310 Ch ’ i-sung 247, 291 Chi-tsang 71 Chonghwi 322 Ch ŏ ngjo 345 Ch ŏ ngjong 336 Ch ’ ŏ ny ŏ ng 333 Chou Tun-yi 271 - 273 Chu Hsi 244, 271, 273 - 278, 280 Ch ’ üan Te-yü 176 Chuang-tzu 66, 68, 72 - 73, 75, 82, 106, 133, 163, 208, 210, 276 Ch ’ u-chi 146, 173, 177 Chü-chih 185 Chunb ŏ m 309 Chung (Landesmeister), siehe Nan-yang Hui-chung Chung-feng Ming-pen 286 Chungjong 340 Ch ’ ung-yuan 133 - 134 Daiô Kokushi, siehe Nampo Jômyô Demiéville, Paul XIX, 208, 216, 228 - 229, 308 Dharmak ṣ ema 78 Dharmarak ṣ a 67 Dharmatrâta 118 Dôgen 7, 79, 103, 108 - 109, 113, 265 - 266 Eda Shunjû 335 Eisai 250 Eliade, Mircea 22 Enni Ben ’ en 286 Ennin 293 Fa-chen 153 Fa-chih 138, 290 Fa-ch ’ ung 172 Fa-hai 141 - 144, 153 Fa-ju 96, 117 - 118, 127 - 128, 153, 171 Fa-jung 137 - 138 Fa-lang 71 Fa-ta 153 Fa-t ’ ai 75 Fa-ts ’ ai 147 Fa-tsang 51 - 52, 243, 301, 324, 330 Faure, Bernard 131 Fa-yao 79 Fa-yen Wen-i 20, 52, 220, 242 - 244 Fa-yüan 79 Feng Tzu-chen 286 Feng-hsüeh Yen-chao 200, 226 Fen-yang Shan-chao 200, 226, 238, 242, 247, 249 - 250 Fo-chao Te-kuang 279 Fokuo Wei-po 17 Fo-t ’ u-teng 67 Fraser, Dana R. 296 Fuller Sasaki, Ruth XIX, 88, 229, 253, 259, 296 Fung Yu-lan 270, 273 Gautama 14 Gernet, Jacques 167 Gih ŏ 338 Gu ṇ abhadra 96, 112, 114, 147, 172 Gundert, Wilhelm 7, 48, 74, 179, 222, 240 - 241, 253 Gy ŏ nkin 334 Hakuin 7, 232, 234, 259 - 260, 266 Han Yü 202, 270 Hang 325 Han-shan 283 Han-shan Te-ch ’ ing 74, 291 Heiler, Friedrich 24 - 25 Herrigel, Eugen 258 Hideyoshi Toyotomo 340 - 341, 344 Ho Hung-ching 199 Hongjik 310 Honwon 333 Hoover, Thomas 282 Ho-shan Wu-yin 74 Hotei, siehe Pu-tai Ho-yü-shan 231 Hsia Kuei 287 Hsiang Hsiu 66 Hsiang-yen Chih-hsien 221 Hsiao-ming 84 Hsiao-wen 79 Hsieh Liang-tso 274 Hsieh Ling-yün 76 - 77 Hsing-hua Ts ’ un-chiang 198 - 200 Hsing-t ’ ao (auch Lin-t ’ ao) 146, 149 Hsi-t ’ ang Chih-tsang 309 - 310 Hsüan-kao 70 Hsüan-lang 137, 145 Hsüan-sha Shih-pei 255 Hsüan-shih 173 Hsüan-su 138, 144 Hsüan-tsang 54, 126, 303 Hsüan-tse 120, 128, 130 452 Anhang Hsüan-tsung 96, 125 - 126 Hsüeh-feng I-ts ’ un 185, 238 - 239, 255, 307, 318 Hsüeh-tou Ch ’ ung-hsien 90, 242, 247, 252 Hsüeh-tsang 319 Hsün-tse 113 Hsü-t ’ ang Chih-yü 286 Hu Shih 4, 63, 98, 140, 142, 308 Huai-jang 74, 176 Huang-lung Hui-nan 247, 250 Huang-po Hsi-yün 131, 190 - 191, 193, 195 - 196, 203, 308 Hu-ch ’ iu Shao-lung 286 Hui-chi 150 Hui-chung 138, 164 Hui-fang 138 Huig ŏ n 334 - 335, 338 H ŭ ijong 322, 327 Hui-k ’ ai 266 Hui-k ’ o 84, 86 - 87, 90 - 92, 96 - 101, 106, 112, 118, 133, 282, 320 Hui-kuan 79 Hui-man 98 Hui-ming 118, 150, 152 Hui-neng XIX, 7, 48, 55 - 56, 73, 79, 107, 112, 129, 131 - 135, 137 - 156, 160 - 163, 165 - 171, 173 - 177, 181, 185 - 186, 190, 217, 220 - 221, 224, 265, 285, 288 - 289, 312, 321 Hui-t ’ ang Tsu-hsin 250, 273 - 274 Hui-teng 74 Hui-tsung 251 Huiweng Wu-ming 18 Hui-yen Chih-chao 220 Hui-yüan 67 - 68, 70, 72, 76, 118 Hung-cheng 173 Hung-chih Cheng-chüeh 252, 254, 261 - 262, 264 - 266 Hung-ching 127 Hung-chou 193 Hung-jen 96 - 97, 101 - 103, 108 - 114, 116 - 121, 128, 138, 146 - 153, 163, 167, 186, 251, 290, 306 Hyech ’ ŏ l 310, 315 Hyesim 327 - 328, 332 - 333 Hye ŭ n 309 Hy ŏ nuk 311 Hyuj ŏ ng 339 - 345 I-fu 125 - 128, 130, 133, 135, 137 I-hsing 126 I-hsüan 192, 196 - 197 Ils ŏ n 341, 344 Inak Ŭ ij ŏ m 344 Indara 283 Injo 340 Injong 340 I ŏ m 313 Iry ŏ n 303 - 304, 333 Isahy ŏ n 318 Jis ŏ n 318 Jitoku, siehe Tzu-te Ju-man 311 Ju-min 239 Jung, C. G. 259 K ’ ai-fu Tao-ning 274 K ’ ai-hsi Tao-ch ’ ien 275 Kakuan Shion, siehe Kuo-an Shih-yuan Kânadeva (auch Âryadeva) 19 K ’ ang Seng-hui 65 Kao-feng Yüan-miao 264, 266 Kao-tsung 118, 252 Kâ ś yapa (auch Mahâkâ ś yapa) 17 - 19, 59, 83, 92, 118, 134, 137, 294 Katô Totsudô 235 - 236 Keel Hee-Sung 343 Kim Kun-su 322 Kôda Rohan 141 Kojong 345 Konfuzius 275, 277, 279, 291 K ṣ itigarbha 38 Kuan-hsi Chih-hsien 198 Kuei-feng Tsung-mi 288 Kuei-shan Ling-yu 195, 221 - 225, 230, 314 Namenregister 453 Kumârajîva 54, 67, 69 - 72, 75 - 76, 79 - 80, 93 Kung-ch ’ eng I 199 Kung-tzu 202, 314, 345 Kuo-an Shih-yuan 283 Kyung-po Seo 309 Lamotte, Etienne 46 Lao-an 119, 128, 130 Lao-tzu XXIV, 66, 68 - 69, 72, 75, 82, 105 - 106, 112, 133, 210, 269, 276, 291, 310 Lei-an Cheng-shou 18 Li Ao 202, 270 Li Chih-fei 172 Li Ching 242 Li Hua 137 - 138, 145 Li Tsun-hsü 215, 250 Li T ’ ung (auch Li Yen-p ’ ing) 275 Li T ’ ung-hsüan 324 - 325, 328, 330 Li Yao-fu 282 Liang K ’ ai 282 - 283 Liebenthal, Walter 79 Lien-chi Chih-hung 291 Lin-chi XIX, 7, 95, 131, 177, 190 - 191, 193 - 217, 220, 225 - 231, 240, 249, 255, 266, 275, 285, 294, 308 Lin-fa shih 86 Ling-chao 296 Ling-yüan 273 Liu 239 Liu Chih-lüeh 149 Liu I-min 72 Liu Tsung-yüan 169 Li-yung 127 Lo Ts ’ ung-yen 275 Lok ṣ ema 66 Lo-p ’ u 198 Lu 117, 148 - 150, 152, 163 Lu Chiu-yüan 273, 277 - 280 Lung-t ’ an Ch ’ ung-hsin 49, 131, 184, 238 Ma Fang 191 Ma Yüan 287 Mahâkâ ś yapa, siehe Kâ ś yapa Mahâmati 58 Maitreya 19 - 20, 38, 51, 251 Ma-ku Pao-ch ’ e 311 Mañju ś rî 38, 55, 197, 212, 227 Ma-tsu Tao-i 95, 131, 146, 174, 176 - 182, 184, 187 - 188, 190 - 191, 202 - 203, 205, 220, 230, 253, 256, 295, 309 - 312, 329 Mâyâ 19 Meng-tzu 270, 274, 278 - 279 Mi-an Hsien-chieh 286 Miao-hsieh 188 Ming 276 Ming-tao, siehe Ch ’ eng Hao Miura, Isshû 253 Mizuno Kôgen 305 - 306 Moguja, Molgusa, siehe Chinul Mu-ch ’ i 282, 287 Muhan Sach ŏ 338 Munjong 320, 322, 337 Musang, siehe Wu-hsiang Muy ŏ m 311 - 312, 320 My ŏ ngjong 322, 340 - 341 My ŏ s ŏ n 344 Nâgârjuna 19, 37, 40, 46 - 47, 69, 71, 303 Nampo Jômyô (auch Daiô Kokushi) 286 Nan-ch ’ üan P ’ u-yüan 179, 182, 230, 313 Nan-yang Hui-chung (auch Landesmeister Chung) 174, 224 Nan-yüan Hui-yung 200, 249 Nan-yüeh Huai-jang 174, 177 - 178 Nishimura E ’ shin XX Nukariya Kaiten 308, 328 Ômori Sôgen 195 Ono Gemmyô 307 Ŏ nsan 344 Otto, Rudolf 4 Pai-chang 131, 178, 185 - 187, 190 - 191, 210, 221, 310 P ’ ang Yün 295 Patañjali 21, 29 454 Anhang P ’ ei Hsiu 193 Pelliot, Paul 85 P ’ ing-shan Ch ’ u-lin 334 Plotin 47 P ’ o-an Tsu-hsien 286 Pojo Ch ’ ej ŭ ng 310 P ŏ mil 312 P ŏ mnang 301, 304, 309, 319 P ’ ŏ nyang Ŏ ngi 344 Pou 340 Prajñâ 49 Prajñâtâra 176 P ’ u-chi 97, 125 - 131, 133, 135, 171, 173, 301, 309 P ’ u-hua 198 Puhyu S ŏ nsu 344 - 345 Pu-tai 283 Puyong Y ŏ nggwan 341, 343 - 344 Py ŏ gam Kaks ŏ ng 344 Saichô 146, 169 Samantabhadra 227 San-sheng Hui-jan 191, 198 Ś ariputra 54 - 55, 73 Sariputta 14 Seckel, Dietrich XXI, 281, 287 - 288 Seikyo, siehe Ch ’ ing-chü Sejo 337 - 338 Sejong 337 - 339 Seng-chao 67, 71 - 75, 80, 95 Seng-ch ’ ou 94 Seng-ch ’ üan 71 Seng-lang 71 Seng-na 98 Seng-ts ’ an 97, 100 - 102, 106, 137 Seng-yu 303 Seppô Gison, siehe Hsüeh-feng I-ts ’ un Shâkya 20, 188, 204, 251, 291 Shâkyamuni XXV, 1, 11 - 17, 20, 27, 29, 34 - 35, 39 - 40, 42, 50, 53, 77, 128, 134, 170, 213, 282, 289, 291, 294, 330, 333, 337 Shao Hsiu 243 Shen-hsiu 97, 108, 112 - 114, 117 - 130, 132 - 133, 135, 137, 150 - 151, 153, 156, 158, 171, 173, 203 Shen-hui 95, 107, 117, 119, 124, 128 - 138, 140, 142 - 145, 148, 153 - 154, 156, 160, 162, 164, 166 - 167, 169 - 174, 203, 207, 327, 329 - 330 Shibayama Zenkei 284 Shih K ’ o 282 Shih-shuang Ch ’ u-yüan 200, 238, 247, 249 - 250 Shih-te 283 Shih-t ’ ou Hsi-chien 74, 95, 131, 174, 176, 180 - 182, 184, 198, 220, 232, 238, 295, 312 Shih-wu Ch ’ ing-kung 334 Shinhaeng 301 Shôtoku Taishi 54 Shou-shan Sheng-nien 200 Shûbun 283 Ś ik ṣ ânanda 49 Sinhaeng 309 Sokrates 215 S ŏ lsam 339 S ŏ ngch ’ ong 345 S ŏ ngjong 338 S ŏ njo 340 - 341 Stcherbatsky, Theodor 32 Ś ubhakarasimha 126 - 127 Such ’ ŏ l 310 Sudhana 51 Sungjong 345 Sunji 314 - 315 Su-tsung 174 - 175 Suu 326 Suzuki Daisetsu Teitarô XX, XXV, 3 - 4, 7, 30, 36, 44, 48 - 50, 56, 58 - 59, 63, 86, 99, 110, 113 - 114, 124, 131, 141, 182, 257 - 258, 305 Ta-chu Hui-hai 188 Ta-chüeh 198 Taean 303 - 304 T ’ aego Pou 333 - 335, 341, 343 Namenregister 455 T ’ aejo 336, 338 T ’ aejong 336 Ta-hui Tsung-kao 252 - 255, 261 - 267, 275 - 276, 326 - 327, 331 T ’ ai-k ’ ung 334 Tai-tsung 174 Takahashi Toru 339 - 340, 343 T ’ an-ch ’ ien 82 T ’ ang 79, 177 Tan-hsia Tzu-ch ’ un 254 Tanjong 337, 339 T ’ an-lin 86 - 88, 91, 93, 95 Tan-yüan Ying-chen 175, 224 Tao-an 67 - 68, 303 Tao-fu 92 Tao-heng 98 Tao-hsin 96 - 97, 101 - 110, 112, 114, 116, 121, 137 - 138, 186, 301, 306, 309 Tao-hsüan 81, 85 - 88, 90, 92, 95 - 100, 102, 116, 138, 172 Tao-sheng 70 - 72, 75 - 80, 93, 167, 305 Tao-shun 119 Tao-ts ’ an 142 Tao-wu 180 Tao-yu 79, 86 - 87, 92 Tao-yüan 16, 244, 290 Te-ch ’ ing (auch Han-shan) 74 Ten ŏ n 344 Te-shan Hsüan-chien 49, 131, 184 - 185, 197, 238 T ’ ien-huang Tao-wu 238 T ’ ien-lung 185 T ’ ien-t ’ ai Te-shao 244, 290 T ’ ien-t ’ ung Cheng-chüeh 254 T ’ ien-t ’ ung Ju-ching 266 Ting Shang-tso 198 Tokiwa Daijô 309 Tos ŏ n 311, 315 To ŭ i 309 - 310, 319 Tou-shuai Ts ’ ung-yüeh 250 T ’ ou-tzu I-ching 253 Toyun 313 Tsan-ning 302 - 303 Ts ’ ao-shan Pen-chi 230 - 232, 237 - 238, 253, 265 Ts ’ ao-tung 220 Tsung-chih 92 Tsung-mi 52, 122, 124, 131, 173 - 174, 177, 202 - 203, 288 - 290, 325, 327 - 328, 330 - 331, 343 Tsung-tse 108 Tsung-yen 192 Tu Fu 132 Tu-fei 96 T ŭ kchae 325 Tu-ku Pei 170 Tung-lin Ch ’ ang-tsung 274 Tung-shan Liang-chieh 230 - 233, 265, 313, 339 Tung-shan Shou-ch ’ u 241 Tun-huang 86, 110, 116, 123, 307 Tu-shun 52, 243 Tzu-te 284 Ui Hakuju XX, 80, 103, 136, 142, 256, 309 Ŭ ich ’ ŏ n 319 - 322 Ŭ ijong 322 Ŭ isang 301, 319 Upagupta 19 Vairocana 51, 212 Vajrabodhi 127 Vasubandhu 41 - 42 Vasumitra 19 Verdu, Alfonso 237 Vimalakîrti 53 - 55, 100, 160, 296 Wang K ŏ n (auch T ’ aejo) 316 - 317 Wang Shao-i 198 Wang Wei 132, 148 Wang Yang-ming (auch Wang Shoujen) 277 Wan-sung Hsing-hsiu 254 Wei 125 Wei Ch ’ ü 141, 144 Wen-teng 307 - 308 Wing-tsit Chan XIX, 272, 279 456 Anhang W ŏ lch ŏ Toan 344 W ŏ ltan S ŏ lche 344 W ŏ nch ’ uk 319 W ŏ nhyo 301 - 304, 319 Wu 51, 84, 89, 119, 121, 125, 133, 148, 253, 303 Wu-chen 142 Wu-chu 146, 173, 177 Wu-chun Shih-fan 286 Wu-hsiang 146, 173, 177, 314 Wu-men Hui-k ’ ai 18, 20, 59, 241, 244, 255, 257, 263 Wu-tsu Fa-yen 251, 255, 263, 274 Wu-tsung 196, 217 - 219, 247 Wu-yüeh 244 Yajñadatta 205 Yâjñavalkya 12, 294 Yampolsky, Philip XIX, 142 Yanagida Seizan XIX - XX, 88 - 89, 94 - 95, 98 - 99, 103, 106 - 107, 110, 114, 117 - 119, 141 - 145, 147, 152, 165, 169, 171, 177, 193, 196 - 197, 206, 212, 229, 268, 290, 292, 308 - 309 Yang Chien 277 - 279 Yang Hsüan-chih 85 - 86 Yang Shih 274 - 275 Yang-ch ’ i Fang-hui 247, 250 - 251 Yang-shan Hui-chi 170, 195, 198, 221 - 225, 311, 314 Yasutani Hakuun 240 Yejong 338 Yen-chao Pao-shou 198 Yen-ch ’ i Huang-wen 282 Yen-hui 76, 314 Yen-kuan Ch ’ i-an 312 Yen-t ’ ou Ch ’ üan-huo 185 Yin-tsung 147 - 148, 152 - 153 Y ŏ mg ŏ 310 Y ŏ nsang-gung 340 Yose 326 Yu Tso 274 Yuan 95, 150, 166, 177 Yüan-chüeh Tsung-yen 191 Yüan-wu K ’ o-ch ’ in 251 - 255, 261, 263, 267, 275, 286 Yüeh-an Shan-kuo 255 Yüeh-lin Shih-kuan 255 Yüeh-shan Wei-yen 238, 312 Yün 307 - 308 Yün-chü Tao-ying 230, 232, 238, 253, 265, 313 - 314 Yung-chia Hsüan-chüeh 174 - 175 Yung-ming Yen-shou 81, 244, 290, 318 Yün-men Wen-yen 239 - 242 Yün-yen T ’ an-sheng 230 Yuny ŏ ng (auch Großlehrer Samy ŏ ng) 344 Namenregister 457 Sachregister Abhidharma 32, 45, 76 Abhidharmakośa XXV, 232 abhiṣeka (Weihe) 35 Absolutes, absolut 33, 38 - 40, 46, 66 - 68, 75, 77, 123, 144, 184, 189, 208, 232 - 236, 280, 295 Achtsamkeit 111 Afghanistan 32 Agnostizismus 29 akṣara (Silben) 59 Ak ṣ obya 92 âlaya-vijñâna (Speicherbewusstsein) 41, 57 amatâ dhâtu (Sphäre des Unsterblichen) 28 Amida-Schule 43, 103, 107, 112, 248, 292 Amida-Sûtra 112 Amidismus 39 Amoralismus 165 ânâpânasmṛti (ausatmen) 65 anattâ (Wesenlosigkeit des Daseins) 26 anicca (Vergänglichkeit des Lebens) 26 anroku (Pilgerreisen) 192 Anthropologie 39, 213 anutpâda (Ungeborenes) 57 appamaññâ (Unermessliche) 24 arhat 26, 34 - 35, 207 - 208, 287 arûpa (Unendlichkeitsstätten) 25 âryavijñâna (edles Bewusstsein) 57 âsana (Körperhaltung) 22, 25 Asien 12, 201 Aṣṭasâhasrikâ-Sûtra 66 Asura 214 Âtman 78 Atmung (prânâyâma) 22, 25, 27, 31 Aufmerksamkeit 112 Avataṃsaka-Sûtra 42, 49 - 53, 119, 248, 272, 313, 343 Badehaus-Sutra 122 - 123 Baso shike roku 190 Befreiung 16, 21, 28 - 29, 32, 45, 57, 77, 91, 134, 157, 163, 171, 181, 209, 211 - 212, 216 - 217, 255, 258 - 259, 284, 295, 305, 320, 327, 331 Begierde 25, 28, 30, 54, 209 Benares 15 - 16 betsugo 250 Bewusstsein 12, 25, 27, 31, 37, 41, 50, 57, 74, 77, 83, 99, 112, 183, 192, 203, 207, 213, 241, 260, 276, 278, 294 Bewusstseinslehre 50, 179, 202, 289 - siehe auch Vijñânavâda Bewusstseinszustand 19, 227, 259 bhâvanâ (Erweckungen) 24 bhava-tanhâ (Dasein) 28 Bhikkhu 26 bhûta-koṭi (Grenzlinie der Wirklichkeit) 36 bîja (Samen) 57 biwa (Laute) 250 bodhi (Erleuchtung) 68, 151 bodhicittotpâda (Erweckung des Entschlusses) 35 Bodhisattva 19, 34 - 38, 47, 53, 55, 57 - 58, 91, 153, 155, 197, 227, 312, 331 - Erleuchtung 35 - Gelübde 37 - Ideal 37, 44 - Laufbahn (bodhisattva-caryâ) 35 - Stufen 35 bonbu, siehe Mensch, gewöhnlicher Bongnim Sa 311 Bongnim San 311 Borobodur 52 Brahma 25 - Wandel (brahmacaryâ) 24 - Wohnungen (brahma-vihâra) 24 Buddha XX, XXV, 2, 12, 15, 17, 19 - 20, 23 - 24, 26, 29, 33 - 35, 37 - 39, 41, 47 - 54, 56, 58, 63 - 64, 69, 79 - 80, 83 - 85, 92, 95, 99, 103, 105, 108, 110, 117 - 118, 133, 136, 138 - 139, 153 - 154, 169 - 171, 175, 178 - 181, 183, 186, 188, 190 - 191, 193 - 194, 202 - 209, 211, 214, 217, 224, 229, 240 - 241, 244, 250 - 251, 265, 268 - 269, 275, 278 - 279, 282, 291, 293, 295 - 296, 312, 322 - 323, 325, 329 - 330, 336 - 337, 340, 345 - 346 - Auge 256 - Bild 51, 74, 87, 188, 209 - Dharma 152 - Erfahrung 16 - Geist 121, 134, 157, 171, 190, 203, 342 - Geschichte 15 - Gesetz 75 - Gestalt 12, 20 - Land 55, 92 - Legende 14, 23 - Lehre 72 - Leib 39, 58, 134, 224, 229, siehe auch dharma-kâya - Mönch 64 - 67 - Name 39, 85, 124 - Natur 34, 39, 58, 78 - 79, 94, 104, 109 - 111, 113, 121, 149 - 150, 152, 157, 159, 161 - 167, 175, 183 - 184, 203 - 204, 240, 261, 263, 278 - 279, 305 - 306, 315, 329 - 331, 346 - Persönlichkeit 11 - pratyeka-buddha 34, 36 - Religion 13, 64, 68 - Turm 52 - Vita 19 - Wirklichkeit XXIV, 114 - Wort 155, 333, 342 Buddhâvataṃsaka-mahâvaipulya-Sûtra 70 Buddhologie 20, 38 - 39 buji (ohne Beschwer) 204 - 205, 207, 209, 214, 225 Bukka Zenji 251 Burma 12 busshô (Buddha-Natur) 159, 163 catuṣkoṭika (vier Alternativen) 47, 226 Ch ’ ang-an 67, 69 - 70, 72, 76, 78, 117, 119, 126, 171, 197, 218, 319 Ch ’ an-shih, siehe Dhyâna-Meister Chao-ch ’ ing yüan 308 Chao-lun 72 Chassidismus 260 Ch ’ a-tu 241 Chekiang 231 Ch ’ eng-Chu-Schule 277 Ch ’ eng-Schule 274 - 275 chen-jen, siehe Mensch, wahrer ch ’ i (Materie) 277 Chia-hsing 239 chiao-kuan (Beschauung) 305 Chi-chou 109 chieh-wen, siehe kitsumon chieshô (Weisheitsnatur) 163 chih 229 China XIX, XXV, 1 - 2, 12, 16, 19, 32, 42, 50, 54, 56 - 57, 59, 63 - 66, 68 - 72, 78 - 79, 83 - 84, 87, 93, 96, 117, 131 - 133, 139 - 140, 168 - 169, 181, 190, 206, 215, 217 - 218, 220, 225, 232, 238, 244, 246 - 248, 250 - 251, 253, 256, 260, 266 - 269, 276, 280 - 281, 283, 285 - 287, 291 - 293, 295, 297, 299, 301 - 304, 308 - 314, 318 - 320, 329, 331, 333 - 335, 346 Ch ’ ing-Dynastie 73 Ching-shan 138 Ching-te ch ’ uan-teng lu, siehe Keitoku Dentôroku ching-tso, siehe seiza Chinjû Rinzai Eshô Zenji goroku, siehe Rinzairoku Chin-kang san-mei ching, siehe Vajrasamâdhi-Sûtra Chiri-Berg 326 Chodang chip 307 - 308, 310 - 314 Chogye-Berg 327 Chogye-Schule 321, 327, 334 - 335 Ch ’ ŏ ngw ŏ n Sa 323 - 324 Ch ’ ŏnt ’ ae, siehe Tendai Chou-Revolution 120 460 Anhang Christentum 3 Ch ’ uan-fa cheng-tsung chi, siehe Dembô- Shôjûki Chün-ch ’ en wu-wei, siehe Kunshin goi Chung-nan-Berg 126 Chung-yung (Lehre der Mitte) 291 citta 36, 183 Daianji 193 daianjin (großer Geistesfriede) 91 Daibonji 141, 147 Daichijushô-zenji 186 daifunshi 264 daigijô 264 Daijôkishinron 81, 105, 119, 127 - 128, 289, 302 Daikan Zenji 169 daiki-daiyû (Große Potenz - Große Aktion) 221 daishinkon 264 daitoku (Tugendsame) 210 Daitokuji 286 Daiunji 128, 133 dâna (schenken) 35 das Große Eine 66 Daśabhûmika-Sûtra 35, 122 Dembôhôki 96, 106, 108 - 109, 118 - 119, 128, 135 Dembôin 178 Dembô-Shôjûki 291 deva (Himmelswesen) 202 Dhammapada 165 Dharma XXV, 36 - 37, 55, 85, 87 - 88, 90, 92 - 93, 99 - 101, 104, 120, 122, 129, 133 - 134, 136 - 137, 141 - 142, 147, 149 - 152, 154, 156, 163, 166, 168, 171, 173, 177 - 182, 191 - 196, 198, 203, 207 - 208, 211 - 212, 214, 222, 224, 229, 236, 239 - 240, 244, 249, 252, 255, 261, 264, 273, 275, 284, 291, 293 - 295, 297, 301, 304 - 307, 310 - 312, 319, 325 - 326, 329 - 330, 332, 334 - 335, 338, 342 - 344 - Auge 17 - 18, 106 - Bereich, siehe dharma-dhâtu - lakṣana 203 - Leib, siehe dharma-kâya - Meister 19, 86 - Nachfolge 118 - Natur 121, 157, 163 - Rad 45, 60, 262 - Siegel 133, 180, 309 - 311, 313, 334 - Tor 93, 103 - 104, 114, 121 - Überlieferung 134 - Versammlung 128 - 130, 133 - 135, 144, 148, 156, 169 - 172 - Wolke 35 dharma-dhâtu 46, 51 - 52, 123, 226, 234, 236 dharmakâya 39, 70, 124, 165, 229, 240 dharma-kâya (Buddha-Leib) 51 dharma-kâya (Dharma-Leib) 165 Dharmatrâtadhyâna-Sûtra 70 dhyâna, siehe Meditation Dhyâna-Meister 88, 92, 98 - 99, 150 Dhyâna-Schule 65 Diagramm 237, 271 Dialektik 36, 41, 46, 166, 179, 190, 201, 221, 226, 232, 237, 250 Diamantsutra 48 - 49, 56, 161, 163, 184, 289, 321 diṭṭhe-dhamme (Form des Nirvâ ṇ a) 28 dôgen (bummyô) (Auge des Weges) 213 Doketismus 38 dokusan (Einzelgang) 258, 260 dônin (Männer des Weges) 210 dôryû (die dem Weg folgen) 210, 295 Dualität 129 dukkha (Leiden) 26, 45 dûraṃgamâ (voranschreiten) 35 Durchbruch 14, 40, 77, 100, 135, 195, 211, 223, 240, 259, 326, 331 Dvâdaśa-nikâya-śâstra 71 Dynamik, dynamisch 182, 206, 209, 233, 235, 242, 329 e (Erleuchtungsweisheit) 138 Edo-Zeit 42, 280 Sachregister 461 Eigennatur (svabhâva) 45, 52 - 53, 157, 159, 162 - 163, 165, 178, 208 Ei ’ neiji 85 Eklektizismus 122 Ekstase 22 en (rund) 174 engaku (Erleuchtung) 289 Engakukyô 288 Engo Zenji 252 Enô Kenkyû 147 ensô (vollkommene Merkmale) 224 Erfahrung 3 - 5, 14 - 15, 20, 23, 28, 31, 47 - 49, 52, 54, 58 - 59, 63, 65, 73 - 74, 77, 90, 104, 116, 131, 156 - 158, 160 - 161, 174, 180 - 181, 183, 185, 195 - 197, 209, 211, 213 - 214, 221, 223, 229, 232, 239 - 241, 243, 247 - 248, 250 - 251, 253, 255, 257, 259, 262, 265 - 266, 275, 279, 281 - 282, 288 - 289, 295, 304, 319, 321, 324 - 330, 332, 338, 342, 347 Erleuchtung 1, 12 - 18, 23, 26, 28, 33 - 37, 39, 46, 48 - 50, 52 - 55, 57 - 60, 73, 77, 86 - 87, 90 - 92, 94, 123 - 125, 129, 132, 134 - 135, 139, 149, 151 - 153, 157, 159 - 160, 166, 171, 173, 178, 183 - 185, 193 - 195, 198, 208, 212, 214, 222, 224 - 225, 229, 239 - 241, 244, 248, 252, 255 - 257, 259, 261 - 266, 282 - 283, 289, 294, 296, 309 - 312, 315, 318, 321, 325, 329 - 333, 338 - 339, 341, 343 - 344, 346 - allmähliche, gradweise 57, 77, 79, 107, 123, 128 - plötzliche 70, 75 - 79, 81, 99, 103 - 106, 116, 119, 123, 128 - 130, 133, 146, 151, 180, 183, 188, 190 - 191, 211, 244, 249, 279, 328, 332 Erleuchtungspfad 332 Erleuchtungsstrophe 117, 151, 155, 158, 175 - 176, 222, 329 Erleuchtungsvorgang 57, 196 Erlösung 33 - 34, 259 Erscheinungswelt (saṃvṛti-satya) 47, 52 - 53, 161, 164 Erwachen 130, 330 Eshô Zenji 199 Esoterik 126, 169 Esoterismus 67 Ethik 217 Fa-hsiang, siehe P ŏ psang-Schule Fa-yang 149 Fa-yen (Haus) 220 - 221, 238, 242 - 244, 247, 290, 318 Fen-yang lu, siehe Fun ’ yôroku Fo-kuo Ch ’ an-shih, siehe Bukka Zenji frei 3, 77, 107, 159, 162 - 164, 181, 203, 209, 212, 258, 280, 285, 320, 323 - 324, 330, 332 Freiheit 3, 22, 159 - 160, 183, 187 - 188, 198, 204, 207 - 209, 216, 236, 256, 283, 285, 295, 327, 332 Fukusenji 126 Fünf Berge 267 Fünf Dynastien 219, 238, 244, 246, 282 Fünf Häuser 52, 210, 220, 226, 242, 244 - 245, 254, 318 Fünf Stufen 181, 231 - 232, 234 - 238, 253, 313, 339 funi daidô 184 Funktion 5, 35, 57 - 58, 66, 160, 205, 223, 229, 249, 257, 276, 278 Fun ’ yôroku 238, 249 gakusha, gakudônin (Lernende) 210 Gandhâra 32 Geist 3, 12, 16 - 18, 20, 22, 31, 36 - 37, 41, 44, 49, 53 - 55, 57, 60, 63, 67, 72 - 73, 75, 77, 80, 85, 87, 90 - 91, 94, 99, 103 - 108, 110 - 113, 122 - 123, 125, 128 - 130, 132, 135 - 136, 151 - 152, 156 - 160, 162 - 165, 168, 172, 178 - 180, 183, 185 - 187, 191, 195, 199 - 201, 204 - 205, 207, 210, 212 - 214, 217, 227, 231, 233, 237, 243, 247, 253, 258, 262 - 263, 265, 268 - 269, 272, 274 - 280, 282, 284, 287, 289, 294, 296, 302, 304 - 306, 310 - 313, 317 - 318, 324, 328 - 333, 346 Geistüberlieferung 129 462 Anhang gengaku (Dunkles Wissen) 66 Genninron 202, 290 Geomantik 315 - 316 Geschichte 1, 4 - 5, 11, 16, 23, 63, 87, 89, 91, 93, 98, 133, 138, 141, 161, 176, 219, 238, 246, 264, 266, 268, 285 - 286, 294, 347 Gewand 19, 83, 133 - 134, 136, 143, 148, 150 - 152, 168, 182, 186, 192, 251, 282, 338 Gleichheit (samatâ) 31, 45 - 47, 50 - 52, 66, 73, 158 - 159, 162, 181, 228, 230 - 231, 234 - 237, 243 - 244 Godaishûshô 174 goi, siehe Fünf Stufen Goi kenketsu 237 Goi shiketsu 237 goroku (Spruchsammlungen) 96, 190 - 192, 201 - 202, 307, 318, 327 Gotôroku 16 gozan jissetsu, siehe Zehn Tempel gozu, siehe Ochsenkopf-Schule gudô 295 Gyokusenji 119 - 121, 126 - 127 Haein Sa 307 Haften am Ich 36 Haga-Berg 324 hahaji (Meereswogen) 207 Han-chou 177 Han-Dynastie 276 hannya sammai 163 Han-Zeit 65, 69 Harappâ 21 hasô 203 Hasôron 121 Heian-Zeit 43 Heil 23, 28, 37, 78, 216, 248 Hekiganroku 74, 90, 174, 179, 184, 239 - 240, 242, 251 - 254, 256, 263 hekikan (Wandschau) 92 hen (das Gekrümmte) 232, 234 henchûshi (mitten im Gekrümmten) 233, 236 - 237 henchûshô (das Gerade im Gekrümmten) 233 Herzsutra 45, 48, 93, 172, 303 Hiei 43 Hînayâna 32, 45, 65 - 67, 69 - 71, 76 - 77, 79 - 80, 116, 186, 268 ho (andonnern) 14, 177, 184, 191, 195 - 196, 210, 226, 229, 239 hôben, siehe upâya hokkai, siehe dharma-dhâtu hommu, siehe Nicht-Sein, fundamentales honshô (ursprüngliche Natur) 163 Hônyo Zenji Gyôjô 118, 171 Hopeh 197 Hôrinden 131, 145 - 146, 155, 171, 307 - 308 Hôrinji 146, 149 - 150, 153 hosshô (Dharma-Natur) 163 Hosshôji 153 Hossô 42 hossô (Bewusstseinslehre) 202, 319 Hotôji 146 Ho-tse-Schule 327, 329 - 330 Hôzôron (Traktat vom kostbaren Schatz) 74 Hsiang-yang 67 hsin (Geist) 277 Hsin-chou 149, 155 hsing (Natur) 277 Hsü-t ’ ang ho-shang yü-lu 286 Huang-lung-Linie 220 Hua-t ’ ai 128, 133, 135, 144, 148, 156, 169 - 172 Hua-yen, siehe Kegon Hui-an 173 Hui-chao Ch ’ an-shih, siehe Eshô Zenji Hui-t ’ ai 130 Huiyang-Berg 309 Humanismus 201, 216 Hunan 131, 133, 175 - 176, 180, 197, 200, 221, 241 Hung-chou-Schule 329 Hung-jen 133 H ŭ ngny ŏ ng Sa 313 Sachregister 463 Hu-t ’ o 197 hwadu 331 - 332, 335 Hwa ŏ m, siehe Kegon Hyakujô Shingi 186 Hyakuron, siehe Śata-śâstra icchantika (sinnliche Begierde) 78 I-ching (Buch der Wandlungen) 66, 232 iddhi (Wunderkräfte) 24, 26 Idealismus 41 Igyô (Haus) 311 Indien 8, 12, 22, 25, 33, 41, 60, 63, 65, 83 - 84, 88, 92, 178, 190, 217, 260, 268, 294, 302, 305, 338 Indonesien 12 indrîya (sechs Sinnesorgane) 70 inka (Siegel) 285 Jangtse 68, 76, 84, 98, 231, 282 Japan XXV, 2, 12, 42 - 43, 52, 54, 57, 84, 91, 110, 146, 168 - 169, 187, 202, 232, 238, 247, 250, 253, 266, 281 - 283, 285 - 287, 291 - 293, 297, 324, 344, 346 Java 52 jazen 262 Jen-t ’ ien yen-mu, siehe Ninden gammoku ji (hokkai) (Erscheinung), siehe shih Jionji 126 jisan 285 jishô (Eigennatur, Selbstnatur) 159, 163 jñâna (intellektuelles Erkennen) 35 jô (Versenkungsmeditation) 138 Jôjitsu 42 juko 250 Juko Hyakusoku 254 Jünger des Weges 204, 207 - 208, 212, 214, 227 kaivalya (Isolation, Bloßheit) 28 - 29 Kaji San-Schule 319 Kaji-Berg 310, 333 kakubutsu (die Dinge erforschen) 276 kakugi (Methode des ko-i) 67 Kalligraphie 281 Kamakura 286 Kamakura-Zeit 43, 108, 286 kâma-tanhâ (Begehren nach Sinnenlust) 28 kamaṭṭhâna (Meditationsobjekt) 26, 45 kamben (kritische Unterscheidungen) 192, 198 Kambodscha 12 Kanazawa 324 k ’ ang-hua ch ’ an, siehe Kanna-zen Kanjinron 121 - 123, 125 kanjô (Sehen der Reinheit) 158 Kanna-zen 262, 266, 327 - 328 kanshin (Sehen des Geistes) 158 Kao-an 194 Kao-yao 180 kappatsu patsuji 206 Karma XXV, 29, 94, 202, 205, 211, 214 karuṇâ (Erbarmen, Mitleid) 24, 37 Kashgar 69 Kashmir 32 Kasiṇa 27 Katai Futôroku 18 Katakuji 135 - 136, 166 Kataku-Schule 124, 173, 203, 288 - 289 katsu, siehe ho Kausalität 167, 234 Kausalnexus 159, 206 Kegon 42, 50, 52, 122, 203, 215, 221, 225 - 226, 234 - 237, 243, 267, 269, 272, 289 - 291, 301 - 302, 310, 319 - 320, 324 - 325, 330 - Schule 49, 52, 70, 174, 202, 234, 238, 288, 343 Kegon-Sutra 175, 304, 324, 328, 330, 343 Keiaiji 127 Keitoku Dentôroku 16, 174, 181, 196 - 197, 199, 225, 243 - 244, 254, 307 - 308 Kenchôji 286 Kenchû Seikoku Zokutôroku 17 kenchûshi 236 kenchûtô (Einheit erreicht) 234 Khotan 67 464 Anhang Kiangsi 131, 152, 176 - 177, 179 - 180, 221, 241 Kidô Oshô goroku 286 Kilsang 326 Kitan-Reich 246 kitsumon (Kôan-Fragen) 250 ko wu, siehe kakubutsu Kôan XX, 1, 7, 18, 20, 27, 44, 48 - 49, 58, 74, 90 - 92, 94 - 96, 113 - 114, 129, 131, 166, 174, 176, 179 - 180, 182 - 183, 185, 188, 195, 221, 224, 227, 230, 234, 238 - 244, 247 - 267, 286, 327 - 328, 331, 333 - 334, 339, 343, 346 K ŏ jo 325 Kôkun goi no ju 237 Konfuzianismus 64, 125, 202, 217, 231, 246, 269 - 271, 275 - 277, 279 - 280, 288 - 289, 291, 326, 333, 337 - 340, 345 Kong-Berg 325 - 326 Kongôsammaikyô, siehe Vajrasamâdhi- Sûtra Konzentration 21 - 22, 25, 27, 65, 135, 190, 227, 247, 257, 260, 276, 281 Korea 2, 12, 110, 146, 155, 177, 292, 299, 301 - 302, 304, 306 - 310, 312 - 316, 319 - 321, 327, 329, 333 - 335, 337 - 338, 341, 345 - 346 Körpersprache 59, 204, 310 Kory ŏ -Dynastie 308, 313, 316 - 318, 333 Kory ŏ -Zeit 303, 313, 315, 318, 335 - 336 Kosmos 22, 50, 52, 175, 240, 268, 277 Kosmotheismus 39, 50, 52 Kôtôji 127 Kôya 43 Kreisfigur 27, 224 - 225, 243, 314 - 316 Kreislauf der Wiedergeburten 26, 165, 206, 280 kṣânti (Geduld) 35 Kuchâ 69, 71 Kuei-yang (Haus) 220 - 225, 247, 314 - 315 Kukch ’ ŏ ng 320 Kukkutapâda 19 Kulsan Sa 313 Kult 39, 42, 48, 64, 246, 292 Kultur 5 - 6, 12, 53, 64, 103, 114, 230, 241, 244, 247, 257, 294 Kŭmgang sammae gyŏngron, siehe Vajrasamâdhi-Sûtra Kumgang sammae-kyong, siehe Vajrasamâdhi-Sûtra Kung-hsün wu-wie, siehe Kôkun goi no ju Kunshin goi 237 Kunst XXI, 5 - 6, 52 - 53, 91, 201, 258, 281, 287, 294 Kusha 42 Ku-tsang 72 Kwangjo Sa 313 Kwantung 180, 239 Kyo (Sutrenbuddhismus) 319 - 321, 324, 340 - 344 Kyongju 309 Kyoto 110, 286, 309 kyôzen itchi 290 Lamaismus 2 La ṅ kâ-Sutra 128 Laṅkâvatâra-Sûtra 56 - 59, 87 - 88, 92, 96, 98 - 100, 106, 113 - 114, 119 - 120, 127, 132, 170, 172, 178 - 179, 306, 313, 321 Laos 12 Leere, leer 28, 36, 41, 45 - 48, 50, 53 - 54, 57, 66 - 68, 71 - 73, 75, 77, 79, 90, 92, 94 - 95, 104 - 106, 108, 129, 157 - 158, 160 - 162, 172, 178 - 179, 183 - 185, 203, 206, 208, 222, 225, 233 - 234, 237, 262 - 263, 272, 276 - 277, 284, 294, 305 Leere, wahre 233 Leuchte 125 Lhasa 139 li (Prinzip) 93, 104, 229, 233 - 237, 243, 272, 276 - 277, 305 Liang-Dynastie 84, 89 Liang-tuan 180 Liao 246 Lin-chi (Haus) 220 - 221, 226, 229, 238, 247 Lin-chi-Schule 334 - 335, 339, 341, 343 Ling-nan 149 Sachregister 465 li-shih wu-ai 237 Li-tai fa-pao chii 145 lokottara (überweltliches Wesen) 38 Lotos 35, 42, 68, 233, 236 Lotossitz 1, 15, 19, 31, 80, 108, 113, 150, 178, 257, 265, 274, 342 Lotossutra 78, 127, 244, 315, 320, 343 Lotoswelt 212 Lo-yang 67, 85, 88, 117, 119 - 120, 125, 127, 129, 133, 135 - 136, 171, 197, 311, 319 Lu 68, 76, 78 Lu-shan 70, 72, 76, 102 - 103, 107, 152 Lu-Wang-Schule 277 madhyamâ pratipad 162 Mâdhyamika (Mittlerer Weg) 29, 40, 45, 71 - 72, 79, 105, 108, 143, 227, 295, 301 Mâdhyamika-śâstra 71 Mâdhyamika-Schule 46, 118 Magie 22, 64, 218 Mahâparinibbâna-sutta 24 Mahâparinirvâṇa-Sûtra 42, 78 - 79, 122 Mahâprajñâpâramitâ-Sûtra 70 Mahâsattva 36 Mahâvairocana-Sûtra 126 Mahâyâna 1 - 3, 29 - 30, 32 - 45, 47, 50, 53 - 60, 65 - 71, 73, 76 - 80, 84 - 85, 87, 91 - 95, 99, 101, 104 - 106, 108, 110, 116, 120 - 124, 127, 129 - 130, 132, 135, 138, 141, 146, 156 - 158, 161, 163, 167, 172 - 173, 175, 179, 183, 186, 188, 201 - 204, 206, 208, 225, 229, 231 - 232, 236, 246, 259, 268 - 270, 272, 275 - 276, 289 - 290, 294, 299, 302, 305, 313, 319, 321, 325, 330, 333, 337, 343, 346 - Sutra 42, 44, 49, 299 Mahâyâna-Nirvâṇa-Sûtra 306 Mahâyâna-śraddhotpâda-śâstra, siehe Daijôkishinron Ma ṇḍ ala 27 Mâra 27, 211, 228 Ma-tsu ssu-chia lu, siehe Baso shike roku Ma-tsu-Schule 313 - 314 Meditation 1 - 2, 19, 21 - 23, 25 - 28, 31, 36, 39, 46, 52, 54 - 55, 64 - 65, 68 - 71, 73, 80, 87 - 88, 94, 98 - 99, 104 - 105, 108 - 109, 112 - 114, 117, 122, 124, 127, 132 - 133, 138 - 139, 150, 154, 158 - 160, 162 - 163, 169, 172, 178, 185, 187, 205, 207, 211, 213, 257, 261 - 262, 265, 274 - 275, 278, 281, 288, 290 - 291, 305 - 306, 309 - 310, 312, 320 - 321, 323, 325, 328, 332, 342 - 343, 346 Meditationsbewegung 96 Meditationssutra 65 Meditationsweise 24, 54 - 55, 67, 73, 88 - 89, 91 - 92, 134 - 135, 158, 265, 273, 294, 309 Mensch - gewöhnlicher 38, 152, 185 - ohne Beschwer (buji no hito) 204 - wahrer 203, 205 Metaphysik 4, 30, 39, 42, 50, 52, 67, 77, 79, 146, 179, 188, 227, 229, 232 - 233, 246, 260, 269 - 270, 276 Methode 31, 46 - 47, 77, 157, 162, 181, 214, 221, 224, 230, 243, 256 - 257, 259 - 260, 272, 279, 314 - 315, 327 - 328, 331 - 333, 339, 343, 346 Methodisierung 216, 247 - 248, 260 mettâ (Wohlwollen) 24 Mian-Linie 286 Ming-Dynastie 290 Ming-Zeit 268, 277, 291 - 292 mo-chao ch ’ an, siehe Mokushô-zen mo-chao ming, siehe Mokushômei Mohenjo Daro 21, 25 Mokushômei 261 Mokushô-zen 261, 266 Mönchsgemeinde, siehe Sa ṅ gha Mönchsregel 192, 239, 310 Mönchsweihe 120 Mönchtum 217 mondô (Wechselgespräch) 95 - 96, 192 Monjûsetsuhannya-Sûtra 121 mu (Nicht) 66, 260, 263 - 264, 331, 334 Mu-chou 239 466 Anhang muditâ (Mitfreude) 24 mui, siehe wu-wei Mûlamadhyamakakârikâ 46 Mumonkan XX, 18, 20, 49, 75, 90, 179, 183, 187, 224, 239 - 241, 243, 251, 254 - 257, 260, 264, 331 munen (Nicht-Gedanken) 162 - 164, 170, 173 - 174, 310 Muromachi-Zeit 281 mushin (Nicht-Geist) 162 Myôshinji 286 myôu (wunderbares Sein) 233 Mystik 4, 30, 72, 246 Mystizismus 79 Namenanrufung 328 Nan-hai 149 Nan-han 239 Nanking 137, 242 Nan-ton Hoku-zen (Plötzlichkeit des Südens - Allmählichkeit des Nordens) 116 Nan-yang 133, 167 Nan-yüeh 85 Nara-Zeit 42 Natur 164 Naturalismus 53 Negation 48 - 49, 73, 90, 148, 173, 201, 264, 294 Negativismus 78 nembutsu (Anrufung des Buddha- Namens) 68, 107 - 108, 123 - 124, 244, 290 - 291, 328, 343, 346 Nenko Hyakusoku 254 Nepal 57 neti 294 Neukonfuzianismus 273 - 274, 280, 335 - 337 Neutaoisten 72 Nibbâna-sutta 78 Nichirenismus 42 Nicht-Geist 53, 73, 160, 162, 185, 328 Nichthaften 160 Nicht-Ort 206 Nichts 26, 28, 48, 66, 68, 157, 161, 233, 264, 283, 294, 327 Nicht-Sein 41, 47, 66 Nicht-Sein, fundamentales 66 - 67 Nicht-Wort 237 Nicht-Zweiheit 55, 152, 184, 260 nien-fo, siehe nembutsu Nien-ku pai-tse, siehe Nenko Hyakusoku Nihilismus 41, 47 Ninden gammoku 220, 224, 228, 239 Nindengyô (Lehre von Menschen und Göttern) 202 Nirmâṇakâya 229 nirodha (Empfindung) 25 Nirvâ ṇ a 11, 14, 17 - 19, 23, 25 - 26, 28 - 29, 33 - 36, 39, 42, 46 - 47, 51, 54 - 55, 66, 72, 74, 77, 79, 99, 111, 155, 158 - 160, 164, 181, 185, 209, 271, 287, 301, 305 Nirvâṇa-Sûtra 78, 148 - 150, 152 - 153, 161, 163 - 167, 272, 319 niu-t ’ ou (Ochsenkopf) 290 Nordschule 86, 95 - 96, 100 - 101, 103 - 104, 107, 112, 114 - 115, 117 - 119, 121, 124 - 139, 143, 145 - 146, 156, 158, 160, 163, 169 - 171, 173, 178, 203, 206, 213, 264 - 265, 267, 301, 308 - 309 Nyoraizen (Zen des Vollendeten) 170 Ochsenbilder 227, 283 Ochsenkopf-Berg 137, 169 Ochsenkopf-Schule 74, 131, 137 - 139, 143 - 145, 166, 173, 290 Ôryô, siehe Huang-lung-Linie Ostasien 303, 335 Ostberg 110, 113 - 114, 117 - 121, 123, 128, 301, 304, 306, 309 Pâli-Kanon 11 - 12, 14 - 15, 23 - 24, 29, 32, 34, 40, 42, 65, 155, 210, 269 Pa-lin chuan, siehe Hôrinden Pañcavim-śatikâ-Prajñâpâramitâ-Sûtra 72 Pañcavimśati-sâhasrikâ-Prajñâpâramitâ- Sûtra 67 Sachregister 467 Paradox 3, 29, 37, 46, 48 - 49, 55, 82, 90, 173, 227, 229, 248, 250, 263, 311 paramârtha-satya (höchste Wahrheit) 47, 72, 162, 295 pâramitâ (vollkommene Tugenden) 35, 95 parâvṛtti (Kehre) 57 parinibbâna (Form des Nirvâ ṇ a) 28 pariniṣpanna (höchste Erkenntnis) 58 Passivität 262, 265 Peking 86, 110, 183 pen-wu, siehe Nicht-Sein, fundamentales Persien 85 Person 20, 26, 140, 144, 147, 200, 216, 258, 286, 288 Persönlichkeit 33, 102, 140, 168, 187, 198 - 199, 214 - 215, 239, 248, 267, 275, 285 - 287, 289, 321, 335, 339 Pessimismus 29 Phänomen, phänomenal 21, 58, 68, 107, 117, 160, 232 - 233, 260, 330 pi-kuan (Wandschau) 92 - 94, 96, 99, 106, 305 Pippala-Baum 15, 31, 36, 77 Plattform-Sutra 112, 124, 129, 131, 324, 329 Pluralität 266, 347 Poje 323 P ŏ mil 312 Pomun 324, 326 P ŏ psang-Schule 319 Porim Sa 310 Porträt 231, 282, 285 - 286 Potentialität 235 - 237 Prajñâ 35 - 36, 45 - 46, 49 - 50, 56 - 57, 68, 72, 75, 90, 104, 144, 157, 160, 162, 165 - 166 prajñâ (Weisheit) 35, 37, 41, 68, 130, 138, 161, 163, 176, 323, 325, 328 - 329 prajñâpâramitâ (vollkommene Weisheit) 36, 44, 107, 122, 170, 173, 184, 233, 289 Prajñâpâramitâ-Sûtra 36, 41, 46, 48, 51, 54, 66 - 67, 103 - 104, 143, 161, 172, 215 prakṛti (Natur) 29 praṇidhâna (Gelübde) 35 Psychologie, psychologisch 36, 57, 113, 163, 221, 258 - 259 P ’ u-chou 199 Pulguk Sa 309 Pûrṇa-buddha-Sûtra, siehe Engakukyô puruṣa (Geist, Selbst) 29 Pus ŏ k-Kloster 301 Quietismus 264, 272 Rafuzan 180 Ratnakûta-Sûtra 42 Reijuin 239 Reines Land 39 Rekidai Hôbôki 131, 145 - 146, 148, 150, 177 Relativität, relativ 31, 162, 232 - 233, 235 - 236 Reue 54, 166 ri (hokkai), siehe li riji muge (hokkai) 236 - 237 Rinzai 196, 214, 220, 226, 238, 242, 260, 266 - Meister 249 - Schule 14, 17 - 18, 177, 200, 215, 228, 242, 247, 250 - 251, 254 - 255, 261, 264 - 266, 268, 273, 276, 286, 291, 333, 343 Rinzai-in 197 - 198, 200 Rinzairoku XIX, 20, 192 - 193, 195 - 196, 198 - 201, 204, 209 - 210, 212, 214 - 215, 226 - 229, 250 Ritsu 42, 169 ron (Lehrtraktate) 71 ryakuden (Kurzbiographie) 192 Ryôgajinbôshi 113 Ryôgashijiki 86, 96 - 97, 104, 106, 109 - 110, 112 - 114, 119 Saddharmapuṇḍarîka-Sûtra 42 Saijôjô busshô-ka 175 Saijôjôron, siehe Shushin yôron Saja San 313 468 Anhang Saja-Berg 313 sakta 34 Salgu-Berg 313 samâdhi, siehe Versenkung samatâ, siehe Gleichheit śamatha-vipaśyanâ (stillhaltende Schau) 99 Saṃbhogakâya 229 sambô (drei Kleinodien), siehe triratna Samguk yusa 303 Sâ ṃ khya 29 Saṃsâra (Werdewelt) 15, 28 - 29, 33, 36, 39, 41, 45 - 46, 51, 55, 57, 111, 123, 158 - 160, 164 - 165, 179, 181, 185, 207 - 209, 287 saṃvṛti-satya, siehe Erscheinungswelt Sandôkai 181 sangen (drei Geheimnisse) 229 Sa ṅ gha 27, 67, 76, 186, 209, 293, 321 - 323, 346 Sangmuju-am 326 sankan (drei Schranken) 250 sanku (drei Aussagen) 229 sankyô itchi 291 Sanron 42, 71, 105, 138, 172, 267, 313 san-t ’ ai 255 sanyô (drei Wesensprinzipien) 229 sanzen, siehe dokusan Sarvâstivâdin 32, 38, 69, 301 Śata-śâstra 71 sati (Erinnerung) 27 sattva 34 Satyasiddhi 301 Satyasiddhi-śâstra 71 Schamanismus 21 Schweigen 45, 47, 59, 92, 221, 223, 251, 261, 272, 287, 342 Sechs Dynastien 267 Sein 66 Seiryôji 242 Seishiji 152 seiza 274 - 275 Selbst 74, 78, 94, 204, 223, 231, 277, 283 - 284, 305 - 306, 324 Selbstbezähmung 21 Selbsterfahrung 58 Selbstkontrolle 22 Selbstnatur 58, 79, 144, 151, 160, 162 - 164, 167, 207, 323 - 324 Selbstverwirklichung (svasiddhânta) 58 Shao-chou 141 Shao-shou 239 shih (Erscheinung) 233 - 234, 236 - 237, 243 shi-hokkai (Dharma-Bereiche) 234 shikan, siehe śamatha-vipaśyanâ shikatsu (vier Arten von Andonnern) 229 Shike goroku, siehe Baso shike roku shiku fumbetsu, siehe catuṣkoṭika shin 183 Shingon-Schule 43, 276 Shinjinmei 253 shinkû, siehe Leere, wahre shinnin, siehe Mensch, wahrer Shinnyoin 252 Shinshûron 130 shiryôken (die vier Alternativen) 226 shô (das Gerade) 232, 234 Shôdôka 175 shôgo (Erleuchtungserfahrung) 262 Shôkeiin, siehe Chao-ch ’ ing yüan Shôrinji 90, 118, 133 Shôyô-an 254 Shôyôroku 254 Shuan-feng-Berg 102, 109 shukke (Hausverzicht) 150, 210 - 211 Shûkyôroku 81, 244, 290, 318 Shûmon Jikkiron 220, 244 Shûmon Rentô Eyô 18 Shushin yôron 110, 117, 121, 306 siddhânta (Wahrheit) 59 śila (Sittlichkeit) 24, 35 Silla-Reich 317 Silla-Zeit 309 Silsang Sa 310 Silsang-Berg 310 skandha (fünf Elemente) 45, 70, 108 Sô Kôsôden 147, 155, 176 Sachregister 469 Sôanka 181 sôdô (Mönchshalle) 186 Sodôshû 155, 176, 178, 180, 193, 196, 198 - 199 - siehe auch Chodang chip Soheit (tathatâ) 45 - 49, 57, 68, 101, 121 - 122, 124, 157, 165 Sôkei Daishi Betsuden 145 - 146, 148, 169 sokushin sokubutsu (Identität zwischen Geist und Buddha) 103 S ŏ n (Zen) 306, 319 - 321, 324 - 325, 340 - 344, 346 Sŏn ’ ga kugam 342 Songgwang-Berg (auch Chogye-Berg) 326 - 327 Songju Sa 312 Songju San-Schule 311, 320 Sŏn ’ gyo kyol 342 Sŏn ’ gyo sok 342 Soshi (Patriarch) 170 Soshizen (Zen der Patriarchen) 140, 170 Soteriologie 294 - 295, 305 Sôtô (Haus), siehe Ts ’ ao-tung (Haus) Sôtô-Schule XX, 181, 252 - 254, 261, 264 - 265, 312 S ŏ un, siehe Yong ŏ m Sprache 6, 29, 58 - 59 śrâvaka (Weg des Hörers) 34, 36, 53 Ś re ṇ ika 164 Sri Lanka 12, 32 Śrîmâlâdevîsimhanâda-Sûtra 87 Ssu-chia yü-lu, siehe Baso shike roku ssu-chü fen-pieh, siehe catuṣkoṭika ssu-liao-chien, siehe shiryôken Substantialität, Substanz 41, 66, 78, 160, 162, 164, 223, 289 Südschule 86, 89, 96, 101, 103 - 104, 107, 112, 114 - 118, 130, 132, 134, 136 - 139, 141, 143 - 144, 146, 148, 156, 158 - 161, 164 - 165, 167 - 174, 203, 264 - 265, 267, 343, 346 Sûgakuji 127 suimôken 240 Sui-Zeit 267 - 268 Sumeru 255 Sumi San-Schule 314 Sumi-Berg 313 Sung-Berg 118, 125, 127, 135 Sung-ku pai-tse, siehe Juko Hyakusoku Sung-Zeit 16 - 18, 52, 63, 85, 89, 102, 108, 116, 129, 131, 155, 177, 180, 192, 197 - 198, 200, 206, 215, 220, 228, 230, 238, 242, 244, 246 - 251, 254, 256 - 257, 259 - 261, 264 - 265, 267 - 271, 275 - 276, 279 - 283, 285 - 287, 290 - 292, 302, 308, 314, 323, 331, 334, 346 śûnya, śûnyatâ, siehe Leere, leer śûnyavâda 76 sûsokkan (Zählen des Atems) 65 Sus ŏ n Sa 322, 327, 333 Sutra XXV, 26, 45, 48 - 50, 53 - 55, 95 - 96, 114, 121, 128, 254, 292, 303 - 306, 310, 319, 324 - 325, 330, 332, 343 Sutra des sechsten Patriarchen 140 - 141, 146 Sutrenlehre 325, 331 - 333 Sutrenrezitation 84, 103, 149, 188, 311, 319, 323 Sutrenschule 335 Sutrenwissen 248 Suvarṇaprabhâsa- (Goldglanz-)Sûtra 42 svabhâva, siehe Eigennatur Symbol 224, 235, 315 Symbolik 221, 224 - 225, 284 Synkretismus, synkretistisch 67, 81, 244, 247, 290, 335 Szechuan 146, 177, 251 - 252, 314 Szechuan-Schule 131, 177 Ta-cheng ch ’ i hsin lu, siehe Daijôkishinron ta-chi ta-yung, siehe daiki-daiyû Ta-chien Ch ’ an-shih 169 Ta-chih shou-sheng ch ’ an-ssu, siehe Daichijushô-zenji Taesan 310 tai, siehe Substantialität, Substanz t ’ ai-i, siehe das Große Eine taikyoku, siehe das Große Eine 470 Anhang Taishô Daizôkyô 307 Ta-kuei 221 Ta-lin 105, 108 - 109 Ta-ming 199 T ’ ang 126, 139, 154, 169, 217, 239, 257, 309 T ’ ang-Zeit 17, 63, 69, 86, 100, 102, 143, 147, 173, 176, 179 - 185, 188, 197 - 199, 202, 215 - 217, 219 - 220, 225 - 226, 230, 232, 238, 244 - 250, 252 - 256, 259, 265, 267 - 270, 275, 283, 287 - 291, 294 - 295, 307, 309, 313 - 314, 319 Tantrismus 39, 126 Tao, Taoismus 2, 5, 49, 73, 90, 100, 104, 125 - 126, 155, 157, 159 - 160, 167, 173, 175, 179, 183 - 185, 202, 210, 218, 225, 229, 270, 272, 277 - 279, 291, 296, 312, 326, 332, 345 - Jünger des 210, 214, 269 tao-liu, siehe dôryû Tao-te-ching 66, 72, 167 Tathâgata (Vollendeter) 48, 123, 133 - 134, 162, 170, 222, 306, 325 Tathâgatagarbha 57, 306, 331 tathatâ, siehe Soheit tattvam, tathâtvam (Wirklichkeit) 59 Tendai 105, 107, 122 - 123, 126, 137 - 138, 145, 169, 248, 267, 276, 290 - 291, 293, 301, 318, 320 - 321, 326, 335 - Schule 43, 99, 121, 244 Tengûji 120, 125 Tenshô Kôtôroku 17, 192, 215, 250 tevijjâ (drei Kenntnisse) 26 Thailand 12 Theravâda 2, 32, 35, 40 t ’ i, siehe Substantialität, Substanz Tibet 2 Tien-sheng kuang-teng lu, siehe Tenshô Kôtôroku T ’ ien-t ’ ai, siehe Tendai T ’ ien-t ’ ung-Berg 254, 266 Tôfukuji 286 tôki (Gedenkinschrift) 192 ton (plötzlich) 174 Tongni San 310 Tonkô shutsudo Rokuso Dankyô 141 Totalität 50 - 51 Transzendenz 30, 46, 123, 152, 165, 179, 216, 287, 294, 331 - 332 triratna (drei Kleinodien) 293 Trübungen 54 - 55, 104, 154, 157 - 160, 163, 175, 180, 207, 213, 229, 284, 305, 326, 330 Ts ’ ao-ch ’ i 133, 148 - 149, 153, 155 Ts ’ ao-hsi 321 Ts ’ ao-tung (Haus) 220 - 221, 230, 232, 234, 237 - 238, 247, 265, 313 Ts ’ ao-tung-Schule 232, 339 tso-ch ’ an, siehe Lotossitz Tsung-ching lu, siehe Shûkyôroku Ts ’ ung-jung lu, siehe Shôyôroku Tsung-men shih-kuei lun, siehe Shûmon Jikkiron Tsu-shih ch ’ an, siehe Soshizen Tsu-t ’ ang chi, siehe Chodang chip tun, siehe ton Tun-huang 67, 86, 93, 95, 110, 128, 133, 141 - 143, 145 - 147, 149 - 153, 155 - 156 Tun-huang-Hochsitzsûtra 143 Tuschmalerei 281 - 282, 287 - 288 Tu ṣ ita (Himmel) 35 u, siehe Sein Überrationalität 58 Übung des Erleuchteten 157, 223, 283 Ullambana 289 Ummonroku 239 Ummon-Schule 17 - 18 Unbewusstes, unbewusst 26, 163, 259, 262 upâdhi (Substrat) 28 Upanishaden 21, 25, 30, 294 upâya (Kunstgriff) 35, 54, 107, 123 - 125, 129 - 130, 184, 312, 315, 346 upâya-kauśalya (vorläufiges Hilfsmittel) 225 upekhâ (Gleichmut) 24, 26 Sachregister 471 Vajrasamâdhi-Sûtra 92, 302 - 306 Veda 22 Vedânta 3, 78 Versenkung (samâdhi) 14, 24 - 26, 34 - 35, 51, 54 - 55, 65, 68, 70, 73, 85, 87, 105, 120 - 121, 138, 163, 170, 207, 227, 232, 306, 323, 325, 328 - 329 vibhava-tanhâ (Selbstvernichtung) 28 Vietnam 2, 292 Vijñânavâda (Bewusstseinslehre) 40 - 41, 202, 319 Vijñaptimâtra (Nur-Bewusstsein) 50, 203 Vimalakîrti-nirdeśa-Sûtra, siehe Vimalakîrti-Sûtra Vimalakîrti-Sûtra 53 - 56, 72 - 73, 92, 95, 119, 122, 130, 135, 162, 343 vimutti (Befreiung) 24 Vinaya 33, 124, 126 - 127, 192 - 193, 210, 216, 232, 239, 268, 289, 313 - Meister 127, 152, 177 - Schule 97, 186, 291, 319 vîrya (Tatkraft) 35 Viśesacintibrahma-pariprcchâ-Sûtra 127 Visuddhi-Magga 32 Wahrsagung 225 Wei 85 - 87, 97 Wei-chou 199 Weisheitssutra 105, 121, 303, 343 Werdewelt, siehe Saṃsâra Westberg 342 - 344 wu, siehe mu wu-hsin, siehe mushin Wu-men kuan, siehe Mumonkan Wunderkräfte 19, 22, 70, 119, 334 wu-nien, siehe munen (Nicht-Gedanken) wu-shih, siehe buji Wu-t ’ ai-Berg 197, 212 Wu-teng lu, siehe Gotôroku wu-wei, siehe Fünf Stufen Wu-wei chih-chüeh, siehe Goi shiketsu Wu-wei hsien-chüeh, siehe Goi kenketsu wu-wei (nicht handeln) 68, 73, 225, 296, 305 yâna (Fahrzeug) 34 Yang-ch ’ i-Linie 18, 220, 251, 255, 264, 268, 274, 286, 291 Yeh-tu 87, 97, 100 Yi-Dynastie 336 - 339, 344 - 346 Yin und Yang 66 yô, siehe Funktion Yoga 2 - 4, 8, 14, 19, 21 - 28, 30 - 31, 41, 79 Yogâcâra (Wandel im Yoga) 40, 81, 122, 127, 301, 319 Yogâcâra-Schule 39, 41 - 42, 50, 53, 104 Yoga-Sutra 21, 25, 27 - 29 Yôgi-Linie, siehe Yang-ch ’ i-Linie yŏmbul, siehe nembutsu Yong ŏ m 314 yu, siehe Sein yüan, siehe en Yüan-chüeh ching, siehe Engakukyô Yüan-Dynastie 285 yüan-hsiang, siehe ensô Yüan-jen lun, siehe Genninron Yüan-wu Ch ’ an-shih, siehe Engo Zenji Yüan-Zeit 186, 264, 286, 290 Yüeh-chou 188 yung, siehe Funktion 229 Yün-men (Haus) 220 - 221, 238, 241, 252, 291 Yün-men-Berg 239 Yün-men-Linie 247 zazen, siehe Lotossitz Zehn Tempel 267 Zeit 78, 101, 211, 240 Zengen-shozenshû-tojo 203 Zenji, siehe Dhyâna-Meister Zenki no jidai 182 zen-kiga 282 Zentralasien 64, 67 Zweifel 25, 31, 111, 132, 154, 183 - 184, 195, 205, 209, 212 - 213, 231, 258, 262 - 266, 305, 331 - 332 472 Anhang ISBN 978-3-7720-8514-7 www.francke.de » Der Zen-Buddhismus lädt zu einer Begegnung ein, in der die Wirklichkeit ihrem Wesen nach neu ansichtig wird. « Heinrich Dumoulin Die » Geschichte des Zen-Buddhismus « ist ein Meilenstein in der Literatur zum Zen-Buddhismus und bis heute ein Standardwerk geblieben. Neben der Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung des Zen- Buddhismus in Indien, China, Korea und Japan führt Dumoulin den Leser auf brillante Weise auch in die Theorie und Praxis des Zen ein. Aufschlussreiche, unterhaltsame und bisweilen amüsante Anekdoten und Legenden machen die Lektüre sowohl für Einsteiger als auch für Kenner zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis. Band 1: Indien, China und Korea Erster Teil: Anfänge und Wurzeln in Indien Zweiter Teil: Entstehung und Blüte in China Dritter Teil: Zen-Buddhismus in Korea - Ein Überblick »Dumoulins Darstellung atmet durch und durch geistliche Luft; nur das liebende Auge sieht mit solcher Klarheit und Vornehmheit. « Hans Brockard in Stimmen der Zeit Heinrich Dumoulin · Geschichte des Zen-Buddhismus I Geschichte des Zen-Buddhismus Indien, China und Korea Heinrich Dumoulin Band I 38514_Dumoulin_Band_1_Umschlag.indd Alle Seiten 27.09.2019 16: 21: 19