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Wessenbergs Herzenskind

2014
978-3-8649-6105-2
UVK Verlag 
Lisa Foege

Ignaz Heinrich von Wessenberg engagierte sich für arme und verwahrloste Kinder, denen er als aufgeklärter katholischer Geistlicher und als Menschenfreund Hilfe und Rettung zukommen lassen wollte. Als Privatmann war er die treibende Kraft bei der Einrichtung einer sozialen Institution in Konstanz, die sich von ihrer Gründung bis heute der Fürsorge für benachteiligte Kinder verschrieben hat. Wessenberg trug Sorge für die theoretisch-pädagogische Grundlage des Mädchenheims, gab Anweisungen zur praktischen Umsetzung und sicherte das Bestehen seines - wie er es nannte - >>Herzenskindes<< durch sein Vermächtnis ab. Lisa Foege beleuchtet die Gründungsideen und die Entwicklungsgeschichte des Wessenbergheims von 1855 bis 1977, stellt das angewandte pädagogische Konzept vor und zeichnet die auf den Heimbetrieb folgende Umstrukturierung zum Sozialzentrum Wessenberg nach.

Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz Hg. von Jürgen Klöckler Band 17 Lisa Foege Wessenbergs Herzenskind Geschichte einer sozialen Fürsorgeinstitution in Konstanz UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München Gedruckt mit freundlicher Unterstützung: Dissertation der Universität Konstanz Tag der mündlichen Prüfung: 21.09.2012 1. Referent: Prof. Dr. Lothar Burchardt 2. Referent: Prof. Dr. Rainer Wirtz Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1619-6554 ISBN 978-3-86764-452-5 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: © Sozialzentrum Wessenberg Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 1.1. Quellen- und Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2. Begriffsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1. Wessenberg als Kirchenmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2. Wessenberg als Privatmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3. Drei Wessenberg-Vermächtnisse in Konstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs. . . . . . . 24 3.1. Armenfürsorge - staatlich und kirchlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2. Wertschätzung der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.3. Wessenbergs soziales und politisches Engagement für Taubstumme und Blinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1. Theoretische Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.2. Zusammenfassung: Drei Säulen der Erziehung bei Wessenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5. Exkurs 1: Soziales Netz in Konstanz im 19.-Jahrhundert . . . 47 5.1. Armenfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.2. Kinderfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 5.3. Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.4. Frauenvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.1. Badischer Rettungsverein für sittlich verwahrloste Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.2. Umsetzung der Pläne in Konstanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 6.3. Heimgründungen in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6.4. Das Rettungshaus in Konstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6 Wessenbergs Herzenskind 7. Wessenbergs Herzenskind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 7.1. Das Wessenbergheim in Konstanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 7.2. Wirkungs- und Entwicklungsgeschichte des Heims . . . . . . . . . . . . . . . 75 7.3. Kontinuitäten im pädagogischen Programm und deren Erfolg . . . . 90 7.4. Vom Mädchenheim zum Sozialzentrum Wessenberg . . . . . . . . . . . . . 97 8. Exkurs 2: Soziales Netz in Konstanz Anfang des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.1. Sozial- und Jugendamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.2. Spitalstiftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 8.3. Kinderbetreuung und Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 8.4. Karitative Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 9. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 9.1. Die Wurzeln Familie und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 9.2. Die Wurzeln Religion und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 9.3. Der Stamm Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 9.4. Der Ast »Verein für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 9.5. Die Blüte Rettungshaus in Konstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 9.6. Die Frucht »Sozialzentrum Wessenberg«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 10. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Wessenberg, Gutachten über Anstalten zur Rettung verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden . . . . . . 133 2. Grundsätzliche Erörterungen Wessenbergs über die Errichtung der Rettungsanstalt. Konstanz, 28. Februar 1846. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Einleitung 7 1. Einleitung »Was sind öffentliche Schulen und Erziehungsanstalten anders als Baumschulen des Staates, aus welchen einst ebensowohl gute und erleuchtete Christen als nützliche und verständige und brauchbare Bürger treten sollen.« 1 In diesem Zitat aus der von Ignaz Heinrich von Wessenberg herausgegebenen und persönlich redigierten »Geistlichen Monatsschrift mit besonderer Rücksicht auf die Konstanzer Diözese« aus dem Jahr 1802 2 finden sich alle Bestandteile, die für sein soziales und pädagogisches Wirken ausschlaggebend sind. Der Staat, die Kirche, religiöser Glaube und philosophische Grundideen bilden das Feld, in dem sich sein soziales Engagement und die damit verbundene pädagogische Betätigung - theoretisch wie praktisch - positioniert. Der anonyme Autor des eingangs zitierten Ausspruchs verwendet das Bild der Baumschule. In ihm sind das Wachsen, die Gemeinschaft und der Gedanke der gelenkten Natürlichkeit enthalten. Hieran anknüpfend erscheint das Bild des Baumes bei der Untersuchung des sozialen und pädagogischen Wirkens Wessenbergs eine passende Metapher. Aus welcher Wurzel zieht der Baum des sozialen Engagements Ignaz Heinrich von Wessenbergs seine Nährstoffe? Was festigt den Stamm und lässt Äste treiben? Welche Gestalt nehmen schließlich die Blätter und Früchte an? Aus welchen geistigen und politischen Strömungen speist sich das Engagement, von dem Wessenberg sagte: »Hehren Trost und freudige Hoffnung gewährte es mir, in einer sonst wenig erfreulichen Zeit so viele Bestrebungen auftauchen zu sehen, um den Uebelständen der Gesellschaft, besonders den moralischen, welche die Hauptquellen auch der materiellen sind, abzuhelfen. Darunter nahmen die Rettungsanstalten für verwahrloste Kinder, deren Menge durch die Unbilden der Zeit immer mehr anwuchs, ganz vorzüglich meine Theilnahme in Anspruch.« 3 8 Wessenbergs Herzenskind Die katholische Aufklärung wurzelt im Pietismus. Sie verstand sich als eine Freiheits- und Vernunftbewegung. Mit ihren von protestantischen Konfessionen und verschiedenen philosophischen Schulen beeinflussten Gedanken versuchte sie, die katholische Kirchenlehre zu beeinflussen. Sie »äußerte sich als gemäßigter, praxisbezogener Reformkatholizismus, der schwärmerische Heiligenverehrung und Wundergläubigkeit bekämpfte und sich für eine stärkere Beteiligung der Laien im Gemeindeleben und für eine menschenfreundliche Moraltheologie einsetzte.« 4 Wessenberg gilt als wichtiger Vertreter der katholischen Aufklärung. Die politischen Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution aber auch die staatskirchliche Politik des Josephinismus 5 kennzeichnen das politische, gesellschaftliche und philosophische »Schwellenphänomen Wessenberg« 6 . Zu diesem sozialhistorischen und geistigen Hintergrund kommen persönliche Prägungen aus der eigenen Familie, die früh den Samen legten, der später als fester - gar unerschütterlicher - Baum den unterschiedlichsten Gegenwinden trotzen sollte. Der Idee Franklin Kopitzsch 7 entsprechend, dass Sozialgeschichte nur durch Fortführung regional- und lokalgeschichtlicher Untersuchungen vorangebracht werden könne, wird das pädagogische Wirken Wessenbergs und sein Eintreten für die Fürsorge sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher dargestellt und damit ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Stadt Konstanz geleistet. Hierzu wird das theoretisch-pädagogische Konzept Wessenbergs in seiner praktischen Anwendung in der Fürsorge, wie es sich in der »Rettungsanstalt für sittlich verwahrloste Mädchen in Konstanz« manifestiert, nachgewiesen und dabei die Organisations- und Wirkungsgeschichte einer Fürsorgeinstitution im sozialen Netz der Stadt Konstanz dokumentiert. Den Wurzeln nachspürend, die zum sozialen Engagement Wessenbergs und schließlich zu der Blüte Rettungshaus und in der Nachfolge zum Sozialzentrum Wessenberg führten, wird auf seine biographischen Stationen eingegangen. Das Programm des »pädagogischen Eklektikers« 8 Wessenberg wird vorgestellt und seine praktische Umsetzung im Wessenbergheim gezeigt. Wessenberg wird dabei als Volksaufklärer 1. Einleitung 9 gesehen, dem es gelungen ist, Samen auszustreuen, der zur Blüte gelangte. 9 Die Entwicklungslinie von der Gründung des »Vereins für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden«, über die ersten Heimgründungen für Jungen, zur eigentlichen Gründung und Einrichtung des Mädchenheims in Konstanz wird nachgezeichnet. Die Geschichte der Institution Wessenbergheim von 1855 bis ins Jahr seiner Auflösung 1977 wird dargestellt und die darauffolgende Umstrukturierung zum Sozialzentrum Wessenberg, einem Bestandteil der Kinder- und Jugendfürsorge der Stadt Konstanz, wird umfassend präsentiert. 1.1. Quellen- und Forschungslage Die wissenschaftliche Forschung zu Ignaz Heinrich von Wessenberg findet in mehreren wissenschaftlichen Teildisziplinen statt. Theologische, literaturwissenschaftliche, historische und pädagogische Forschungsbeiträge haben sich mit seinem Leben, Werk und Nachwirken auseinandergesetzt. Bisher wurde Wessenberg meist durch »Brillen« gesehen und entsprechend wurden die Teilgebiete seines Lebens und Schaffens betrachtet. Er wurde als Kirchenmann, als Literat und als Politiker bewertet. Eine Gesamtschau dieser vielschichtigen Person und ihrer weitgefächerten Tätigkeit steht noch aus. Biographische Beiträge, die einen zwar nicht erschöpfenden, aber in der Summe guten Einblick in das Leben und die Persönlichkeit Wessenbergs geben, liegen vor. Die meist rezipierte Biographie stammt von Josef Beck 10 , der nach eigener Angabe autobiographische, jedoch nicht tradierte Aufzeichnungen Wessenbergs als Grundlage hatte. Über die Bearbeitung der »Unveröffentlichten Manuskripte und Briefe« durch Kurt Aland und Wolfgang Müller 11 können autobiographische Aufzeichnungen und weitere Schriften Wessenbergs zur biographischen Betrachtung hinzugezogen werden. Beinahe jeder Forschungsbeitrag zur Thematik Wessenberg gibt einen kurzen biographischen Überblick. Hervorzuhebende Beiträ- 10 Wessenbergs Herzenskind ge neueren Datums finden sich bei Maria E. Gründig 12 und Tobias Engelsing 13 . Einen interessanten quellenbasierten Versuch unternimmt Werner Bänziger 14 , der - basierend auf Textfragmenten - im autobiographischen Vergleich mit Pestalozzi und Zschokke eine chronologische Biographie Wessenbergs zeichnet. Michael Bangert 15 richtet den Fokus auf die Ästhetik und Spiritualität bei Wessenberg und charakterisiert ihn als Künstler und Bildtheologen 16 . Dabei gibt er einen guten Forschungsüberblick und eine hilfreiche biographische Hinleitung. Die jüngste Arbeit von Manfred Weitlauff 17 anlässlich des 150. Todestages Wessenbergs im Jahr 2010 enthält eine ausführliche Würdigung der Lebensstationen Wessenbergs. Beide stellen den Kirchenmann Wessenberg in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Die vorliegende Arbeit richtet im biographischen Teil den Blick auf für das spätere soziale Engagement relevante Aspekte. Entsprechend finden kirchenpolitische und theologische Lebensstationen weniger Berücksichtigung. Das pädagogische Wirken Wessenbergs wurde in zwei nahezu identischen Arbeiten untersucht. Johann Baptist Müller 1916 18 und Roswitha Hafner 1960 19 geben einen umfassenden Überblick über den »Erziehungstheoretiker«. Beide weisen auf seine Tätigkeit als »pädagogischer Organisator« hin, führen sein praktisches Engagement jedoch nur rudimentär aus. Speziell die Thematik des Eintretens für verwahrloste Kinder und Jugendliche wird nur kurz erwähnt aber nicht in ihrer Bedeutung als Implementierung seines theoretisch-pädagogischen Konzeptes erfasst. Dieses Defizit findet sich in der gesamten Wessenbergforschung: Das soziale Engagement und das Rettungshaus in Konstanz werden lediglich in kurzen Beiträgen, meist nur mit wenigen Sätzen erwähnt. Exemplarisch hierfür findet sich bei Manfred Weitlauff der Verweis auf die Biographie von Josef Beck und ein einziger Satz: »In Konstanz gründete er schließlich 1855 aus eigenen Mitteln eine Rettungsanstalt für verwahrloste Mädchen.« 20 An entsprechenden Stellen in der Wessenbergforschung wird ergänzend auf den Forschungsbeitrag von Prof. Kurt Aland in der Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins von 1948 mit dem Titel »Wessenberg und die Konstanzer Rettungsanstalt. Zugleich ein 1. Einleitung 11 Beitrag zur Geschichte des badischen Erziehungswesens« 21 hingewiesen. Der bisherige Forschungsstand zum Konstanzer Mädchenheim und zur Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung fußt einzig auf diesem Beitrag. Aland gibt einen Überblick über die Gründungszeit und die Entwicklungen hin zur Rettungsanstalt in Konstanz und über entsprechende Einrichtungen im Land Baden. Im Anhang bietet er eine Auswahl an Quellen zu den Leitlinien und Ideen Wessenbergs, den Statuten und Auszüge aus Briefwechseln. Ein weiterer Beitrag zur »von Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung« erschien im Rahmen der Beschäftigung mit der Frauengeschichte der Stadt Konstanz. Zu nennen ist hierbei das Kapitel »Die Rettung sittlich verwahrloster Mädchen. Von Wessenberg’sche Erziehungsanstalt für Mädchen 1855-1920« in der Publikation »Auch das Weib ist berufen …« von Christa Albrecht 22 , der Frauenbeauftragten der Stadt Konstanz. Die Geschichte des Mädchenheims in Konstanz über die Gründungsphase hinaus wurde bisher nicht untersucht. Dieses Desiderat möchte die vorliegende Arbeit beheben und somit die Forschung zu Ignaz Heinrich von Wessenberg um einen weiteren Aspekt ergänzen. Aufgrund der dünnen Forschungslage kommt dem Quellenmaterial eine wesentliche Rolle zu. Als gedruckte Quellen 23 werden im Wesentlichen edierte Beiträge und eigenständige Publikationen Wessenbergs sowie die Jahresberichte der Konstanzer Rettungsanstalt und des »Vereins für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden« herangezogen. Ungedruckte Quellen 24 zur Gründung, Entwicklung und Verwaltung des Mädchenheims konnten im Stadtarchiv Konstanz 25 , im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Staatsarchiv Freiburg im Breisgau eingesehen werden. Im Erzdiözesanarchiv Freiburg im Breisgau und in den Vatikanischen Archiven in Rom finden sich nach Auskunft 26 keine relevanten Materialien, die sich auf die engere Thematik beziehen. Für die Geschichte des Heims im 20. Jahrhundert und für die Nachfolgeinstitution Sozialzentrum Wessenberg ist das vom Sozial- und Jugendamt Konstanz zur Verfügung gestellte Aktenmaterial grundlegend. Eine systematische Archivierung dieses Bestandes steht noch bevor. 12 Wessenbergs Herzenskind Den Blick auf die Leitung des Heims und die dort betreuten Mädchen öffnet das Quellenmaterial, das bisher im Sozialzentrum Wessenberg verwahrt wurde. Die Personenstandslisten des Heims von 1878 bis 1926 und von 1935 bis 1939 sind lückenlos vorhanden, hinzu kommt die Liste des Jahres 1945. Die Bücher und Listen mit den einzelnen Berichten über die betreuten Mädchen enthalten persönliche Daten, wie Name, Geburtsdatum und Geburtsort, zudem Informationen über den familiären Hintergrund, die Gründe der Einlieferung ins Heim, die Dauer des Aufenthaltes und teilweise die weitere Entwicklung der Mädchen (Entlassung in die Familie, Dienstellen, weitere Heimaufenthalte). Eine systematische Archivierung steht auch hier noch aus. Schließlich konnte eine Zeitzeugin als Quelle gewonnen werden. Die Berichte und Angaben dieses ehemaligen Heimkinds wurden nach persönlichem Gespräch entsprechend den schriftlichen Quellen behandelt. Die vorliegende Arbeit basiert in weiten Teilen auf Quellenmaterial mit sensiblen persönlichen Daten und Angaben. Aus Persönlichkeitsschutzgründen werden diese Daten anonymisiert. Bei der Darstellung von persönlichen Schicksalen wird ebenso eine anonymisierte Version verwendet. 1.2. Begriffsverwendung Der weite Zeitrahmen der Arbeit erschwert eine konstante Begriffsverwendung. Sowohl der Sprachgebrauch der jeweiligen Zeit als auch die unterschiedlichen Quellen beeinflussen die Nomination. So besteht beispielsweise kein praktischer oder theoretischer Unterschied zwischen der Verwendung der Begriffe Zögling und Schülerin. Beide Begriffe werden an entsprechender Stelle verwendet, ohne eine Wertung damit zum Ausdruck zu bringen. Ebenso verhält es sich mit den Bezeichnungen Anstalt, Rettungsanstalt, Erziehungsanstalt, Erziehungsheim, Mädchenheim, Heim - sie werden synonym in Abhängigkeit zur historischen Verortung verwendet. Die Verwendung von »sittlich verwahrlost« folgt der Definition von Angelika Schwall-Düren 27 : 1. Einleitung 13 »Als sittlich verwahrlost gelten Mädchen, die durch ungünstige Charakterveranlagung und Familienverhältnisse oder ihre Umgebung sittlich-moralisch gefährdet erscheinen.« 28 Hierbei handelt es sich um eine Begriffsauffassung, die nach heutiger Bewertung das Phänomen »Sittliche Verwahrlosung« treffend beschreibt. Für die Klärung der Begriffe Fürsorge und Fürsorgeerziehung wird auf juristisch-lexikalische Definitionen zurückgegriffen. »Fürsorge ist die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln bei individueller Notlage, die nicht durch Selbsthilfe oder Leistung anderer Unterhaltsverpflichteter behoben werden kann.« 29 Die heutige öffentliche Fürsorge, früher unter den Bezeichnungen Armenwesen oder Armenpflege geführt, beinhaltet den aus den Ideen der Aufklärung stammenden Wohlfahrtsgedanken und ist stark beeinflusst von der christlich-karitativen Armenpflege und den historischen Entwicklungen in der öffentlichen und staatlichen Wohlfahrtspflege. »Die Fürsorgeerziehung ist eine erzieherische Maßnahme der öffentlichen Jugendhilfe: sie tritt als Ersatzerziehung an die Stelle der unzulänglichen häuslichen Erziehung. Ihrem Wesen nach ist sie eine Zwangserziehungsmaßnahme und keine Strafe. […] Verwahrlosung […] liegt vor, wenn der körperliche, geistige oder sittliche Zustand des Minderjährigen erheblich unter den Durchschnitt vergleichbarer Altersgenossen gesunken ist. […] Ein nur schwer erziehbares Kind ist kein verwahrlostes Kind.« 30 Fürsorgeerziehung nach dieser Definition gibt es seit der Aufhebung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991 nicht mehr. Entsprechende Regelungen sind jetzt im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Achtes Buch Sozialgesetzbuch §27 Hilfe zur Erziehung) verankert. 31 14 Wessenbergs Herzenskind 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg Ignaz Heinrich von Wessenberg wurde am 4. November 1774 in Dresden geboren. Sein Vater Johann Philipp Karl Freiherr von Wessenberg-Ampringen (1717 - 1794) war dort am katholischen Fürstenhof als Konferenzminister, Oberhofmeister und Prinzenerzieher (unter anderem von Prinz Clemens Wenzeslaus (1739 - 1812), späterer Kurfürst von Trier und Fürstbischof von Augsburg) tätig. Er entstammt einer schwäbisch-alemannischen, landadligen Familie, deren Stammsitz seit dem 16. Jahrhundert Feldkirch im Breisgau war. Dort wuchs Ignaz Heinrich ab 1777 im Kreise seiner Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern 32 , auf. Seine Mutter Maria Wallburga Gräfin von Thurn-Valsassina (1741 - 1779) starb an den Folgen einer sechsten Geburt. Die Erziehung der Kinder übernahm der Vater mit Unterstützung des geistlichen Lehrers Abbé Rothenflue (gest. 1825) und des Vikars von Feldkirch Ferdinand Geminian Wanker (1758 - 1824). Die väterliche Erziehung war stark von den Idealen der katholischen Aufklärung und des Josephinismus geprägt. Im Familienkreis lebte auch der Großvater, Rupert Florian von Wessenberg (1687 - 1777), welcher als »fast neunzigjähriger Greis, aber frisch an Geist und munteren Wesens.« 33 ebenfalls eine wichtige Bezugsperson für die Kinder war. Als zweitältester Sohn schlug Ignaz Heinrich, entsprechend der Tradition der Reichsritterschaft, schon früh die geistliche Laufbahn ein. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Johann Philipp (1773 - 1858), der später unter Fürst Clemens von Metternich (1773 - 1859) im vorderösterreichischen Staatsdienst tätig sein sollte, und seinem jüngeren Bruder Alois Anton Ludwig (1776 - 1830) durchlief er mehrere Studienstationen. Er besuchte ab 1790 gemeinsam mit seinem Bruder Johann Philipp das St. Salvator-Kolleg in Augsburg. In dem von Ex-Jesuiten - der Orden war 1773 aufgelöst worden - geleiteten Gymnasium war die Lehre von gegenaufklärerischen Gedanken geprägt und entsprach wenig den Ideen der Wessenberg-Brüder, wie sie sie aus der väterlichen Erziehung mitbrachten. 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg 15 Gemeinsam mit Bruder Alois, der zuvor bereits am Gymnasium in Dillingen unterrichtet wurde, wechselte Ignaz Heinrich 1792 an die Hochschule Dillingen, wo Johann Michael Sailer 34 (1751 - 1832) lehrte. Dort stand das Studium der Bibeltheologie und die praktische Ausbildung im Mittelpunkt. In Dillingen vertieften die Brüder Wessenberg auch ihre Kenntnisse der Kant’schen Philosophie. Ignaz Heinrich erhielt in Dillingen seine entscheidende theologischphilosophische Prägung. 35 Johann Philipp Wessenberg wechselte indes bereits im Herbst 1791 an die Universität Freiburg 36 und nahm ein Jurastudium auf. Schließlich führte der Ausbildungsweg von Alois und Ignaz Heinrich 1794 an die Universität Würzburg, wo sie weitere juristische und vor allem kirchenrechtliche Fächer studierten. Hier begegnete Ignaz Heinrich Karl Theodor von Dalberg (1744 - 1817), dem späteren Fürstbischof von Konstanz und Fürstprimas der Reichskirche, der seine weitere Karriere stark prägte. Wiederum zwei Jahre später, im Sommer 1796, zog Ignaz Heinrich mit seinem Bruder Alois nach Wien, die politischen und militärischen Umstände machten diesen Wechsel nötig. 37 Seit Herbst 1794 war die französische Armee im Rahmen der Koalitionskriege nach Franken vorgerückt. In Wien studierte er unter anderem Kirchengeschichte, machte sich mit politischen und diplomatischen Geschäften vertraut, indem er eine Art Praktikum bei einem »Reichsagenten am Reichshofrath« 38 absolvierte 39 und verkehrte in einflussreichen Häusern. 40 Dabei kam ihm die Verwandtschaft zu Clemens von Metternich - einem Vetter - zugute, sie diente gewissermaßen als Türöffner. Als Minister schätze er ihn allerdings nicht und teilte auch nicht dessen politische Ansichten. 41 In Wien fand Ignaz Heinrich den für ihn prägenden Zugang zur Kunstwelt. Er bildete angesichts großer europäischer Werke, die er eingehend studieren konnte und im Austausch mit zeitgenössischen Künstlern, sein Kunstverständnis aus. 42 Aus diesem Impetus entwickelte sich seine Sammelleidenschaft, die ihn zeitlebens begleitete und für die seine Gemäldesammlung eindrücklich Zeugnis ablegt. Ab Herbst 1797 folgten diverse Reisen und Aufenthalte in seiner Heimat Feldkirch im Breisgau, in Konstanz und in Regensburg. 16 Wessenbergs Herzenskind Ignaz Heinrich verfasste erste philosophisch-literarische Schriften. Sein Umzug in den Domherrenhof in Konstanz erfolgte 1798. Im darauffolgenden Jahr erhielt er die Subdiakonatsweihe, die ihn zu einem vollberechtigten Mitglied des Konstanzer Domkapitels machte. 2.1. Wessenberg als Kirchenmann 2.1.1. Kirchliche Ämter Wessenberg wurde 1802 von Fürstbischof Karl Theodor von Dalberg in das Amt des Generalvikars nach Konstanz berufen. Am 20. April trat er offiziell das Amt des Präsidenten der Geistlichen Regierung und des Generalvikars an. 43 Dalberg selbst hielt sich vorwiegend im Erzbistum Regensburg auf, sodass Wessenberg als Generalvikar faktisch Dalbergs juristischer Stellvertreter war. Er war bereits seit 1801 mit der Regelung der kirchlichen Beziehungen zur Schweiz betraut. Diese diplomatische Mission schloss er erfolgreich ab und konnte das kirchliche Eigentum in den schweizerischen Bistumsteilen sichern. Er setzte schrittweise Reformen in den Strukturen der Priesterausbildung und der kirchlichen Amtsführung durch. Ihm lag viel an der strukturierten und einheitlichen Ausbildung der Priester des Bistums Konstanz 44 , für sie legte er neue Maßstäbe fest. Hier zeigt sich seine Leidenschaft als »pädagogischer Organisator« 45 zu wirken. Auf Grundlage des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 waren die meisten geistlichen Besitztümer säkularisiert und den Territorialfürsten zugesprochen worden. Wessenberg setzte sich dafür ein, dass der kirchliche Besitz im Gebiet des Bistums Konstanz, der für die Aufrechterhaltung der Seelsorge und die Ausbildung der Priesterschaft nötig war, erhalten blieb. Des Weiteren förderte er den Gebrauch der deutschen Sprache in der Liturgie und veröffentlichte ein neues Gesangs- und Andachtsbuch. Im September 1812 wurde Wessenberg von Dalberg in Fulda zum Priester geweiht und 1813 von ihm zum Koadjutor mit dem Recht 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg 17 auf Nachfolge ernannt. Nach dem Tod Dalbergs am 10. Februar 1817 wählte das Konstanzer Domkapitel Wessenberg einstimmig zum Verweser des Bistums. Die Badische Regierung bestätigte diese Wahl. Der Heilige Stuhl hingegen wollte sie nicht anerkennen und verweigerte die Ernennung. Hintergrund waren langjährige Unstimmigkeiten zwischen Wessenberg und der Kurie in Rom sowie Streitigkeiten zwischen ihm und dem päpstlichen Nuntius Erzbischof Fabricio Sceberras Testaferrata (1758 - 1843) in Luzern. Wessenberg stand in der Tradition der katholischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Er propagierte die Gedanken des Josephinismus und des Febronianismus, einer theologischen Bewegung, die den Vorrang der Konzilien vor dem Primat des Papstes verteidigte und die bischöfliche Jurisdiktion über die päpstliche Rechtsgewalt setzte. Er vertrat die Idee einer nationalen, von Rom unabhängigen deutschen katholischen Kirche, die von einem Metropoliten geleitet werden sollte. Dafür kämpfte er in Briefen und Aufsätzen, vertrat das Anliegen im Auftrag Dalbergs 1814 auf dem Wiener Kongress und 1817 vor dem Frankfurter Bundestag. Dieses Engagement und weitere Reformen Wessenbergs, die im Bistum Konstanz umgesetzt wurden, wie die Segnung gemischtkonfessioneller Ehen oder die Einschränkung von Wallfahrten und Prozessionen, stießen in ultramontanen Kreisen, die streng päpstlich gesinnt waren und allein den päpstlichen Weisungen Folge leisteten, und in Rom auf Ablehnung. Eine solche Häufung fortschrittlicher Reformpläne war für die römische Kurie vollkommen inakzeptabel. Da es zwischen der Badischen Regierung und dem Vatikan zu keiner Lösung des Problems kam, reiste Wessenberg 1817 nach Rom. Er wollte die Anklagen gegen seine Person vor Papst Pius VII. (1740 - 1823) direkt entkräften, erhielt diese Möglichkeit jedoch nicht und musste unverrichteter Dinge nach Konstanz zurückkehren. Bereits 1821 wurden die Pläne Roms bekannt, das Bistum Konstanz aufzulösen und den Bischofssitz nach Freiburg im Breisgau zu verlegen. Das Domkapitel und die Wahlberechtigten aus den Dekanaten des Bistums Konstanz wählten Wessenberg im selben Jahr zum Erzbischof, doch wurde auch diese Wahl von Rom ebenso wenig anerkannt, wie seine Kandidatur für den Bischofsstuhl von Rot- 18 Wessenbergs Herzenskind tenburg 1822. Am 21. Oktober 1827 wurde schließlich die päpstliche Bulle »provida solersque« 46 aus dem Jahr 1821 vollzogen und die neue Erzdiözese Freiburg eingerichtet. Zum Erzbischof wurde der Philosophieprofessor und Münsterpfarrer von Freiburg, Bernhard Boll (1756 - 1836) ernannt. Mit der Aufhebung des Bistums Konstanz endete die klerikale Karriere Wessenbergs. 2.1.2. Politische Ämter Zwar betonte Wessenberg, dass er »für politische Geschäfte […] wenig Geschmack und Neigung« 47 , habe, dennoch war er viele Jahre politisch aktiv. Seine Mitgliedschaft in der Ständekammer des Badischen Landtags, in die er 1818 als Vertreter des südlich der Oos ansässigen badischen Adels berufen wurde, beschrieb er: »Beim Eintritt in die Ständeversammlung war es mein fester Entschluß: Vor Allem meinem Eide in voller Wahrheit nachzukommen, und mich nie durch irgend ein Privatinteresse leiten, noch von einem Partei- oder Kastengeist befangen oder beherrschen zu lassen. Diesen Entschluß glaube ich auch, so lange und oft ich an den Verhandlungen theilnahm, als deutscher Mann treu erfüllt zu haben. Die veröffentlichten Protokolle und ihre Beilagen enthalten davon die klarsten Zeugnisse.« 48 Bis 1833 blieb er als Deputierter der Ersten Kammer im Badischen Landtag tätig und konzentrierte sich vorwiegend auf Erziehungs-, Bildungs- und Sozialpolitik in gemäßigt liberaler Form. Im Bereich der Handels-, Gewerbe- und Außenwirtschaftspolitik trat er ebenfalls für eine liberale Ausrichtung ein. Er befürwortete beispielsweise die völlige Gewerbefreiheit, verlangte jedoch staatliche Hilfen in Form einer entsprechenden Elementarbildung, um Startgleichheit zu erreichen. 49 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg 19 2.2. Wessenberg als Privatmann Die nächsten 33 Jahre seines Lebens verbrachte Wessenberg als Privatmann in Konstanz. Wenn er sich nicht in seinem Haus am Münsterplatz aufhielt, das aus den Gebäuden des Domherrenhofs »Zum Panthertier« und des benachbarten Domkaplaneihauses (zuvor Dienheim’scher Domherrenhof) bestand, war er auf Reisen durch Europa. In Reisetagebüchern berichtet er davon. 50 Josef Beck berichtet in seiner 1862 erschienenen Biographie über seinen Bekannten und wohl auch Freund Wessenberg von dessen üblichem Tagesablauf. »Bis ins hohe Greisenalter stand er im Sommer und Winter Morgens sechs Uhr auf, und begann, nachdem er die Seele durch Lesung eines Abschnitts Ignaz Heinrich von Wessenberg 20 Wessenbergs Herzenskind der hl. Schrift zum Tageswerk gestärkt, was nie unterlassen ward, zuerst die nöthigen Korrespondenzen zu besorgen und Briefe zu schreiben, darunter fast täglich, wenn auch nur einige Zeilen, an eines der Geschwister, besonders an den ältern Bruder und die geliebte Schwester. Denn das liebevolle und liebesbedürftige Herz des Mannes verlangte durch solchen Verkehr nach jener Befriedigung , die ihm seine vereinsamte Stellung sonst nicht gewähren konnte. - Nach 9 Uhr machte er sich an seine Studien und literarischen Arbeiten, die bis gegen 2 Uhr fortgesetzt wurden. Nach einem einfachen Mittagsmahl - für ihn regelmäßig in einer kräftigen Fleischsuppe, gekochtem Obst mit gebratenem Fleisch, besonders Wildbraten, seinem Lieblingsgericht, einem Glas Bordeaux und einem halben Schoppen alten Seewein bestehend - wurden die Tagesblätter überschaut, und darauf fast bei jeder Witterung ein Gang in’s Freie unternommen. Abends 5 Uhr trank er eine Tasse Kaffee oder Thee, worauf er, wenn keine Besuche da waren, seine Arbeiten wieder aufnahm und bis nach 8 Uhr fortsetzte. In den spätern Stunden ließ er sich gewöhnlich vorlesen, am liebsten aus Reisebeschreibungen; um 10 Uhr war er in der Regel zu Bette.« 51 Mit großem Eifer unterhielt Wessenberg viele regelmäßige Briefwechsel mit Freunden und intellektuellen Größen seiner Zeit. Die große Menge erhaltener Briefe belegt, dass dies seine Hauptbeschäftigung in seiner Zeit als Privatmann war. Neben diesem schriftlichen Austausch konzentrierte er sich auf die Arbeit an seinen literarischen, poetischen und philosophisch-historischen Werken und ging seiner Sammelleidenschaft, aus der seine Gemälde-, Graphik- und Literatursammlung hervorging, nach. 2.3. Drei Wessenberg-Vermächtnisse in Konstanz 2.3.1. Wessenberg-Bibliothek Wessenberg besaß eine universalistisch angelegte Bibliothek, für die er den Grundstein bereits in seiner Studienzeit gelegt hatte, die er durch Ankäufe stetig erweiterte und in der sich inhaltlich sein »aufklärerischer und reformerischer Grundimpuls« 52 zeigte. Nach dem Ausscheiden aus den kirchlichen Ämtern weitete er die Sammlung kontinuierlich aus. Die größte Zahl der Buchankäufe und 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg 21 durch Tausch, Geschenk oder Erbschaft erhaltenen Bände stammt aus dieser Zeit. Die Sammlung diente Wessenberg vornehmlich als wissenschaftliche Gebrauchsbibliothek. In dieser Funktion sah er auch den Fortbestand, den er durch seine testamentarische Verfügung 53 sicherte. Die 12.855 Titel (etwa 25.000 Bände) gingen als Vermächtnis an die Stadt Konstanz über. Sie musste für die Bevölkerung den freien Zugang zur gesamten Bibliothek sicherstellen, einen Katalog in Auftrag geben 54 und einen Bibliothekar zur Pflege und Betreuung der Sammlung anstellen. Für Aufstellungskosten und Katalog wies Wessenberg den hohen Betrag von 4.000 Gulden an.Der Bestand wurde anfangs nicht systematisch erweitert oder gepflegt. Zwar tätigte die Stadt Zukäufe, veräußerte aber auch Bände und versuchte eine Aufgliederung in Volksbibliothek und wissenschaftliche Bibliothek. So wuchs der Bestand bis 1894 nur unwesentlich auf 14.083 Bände an. Begünstigt durch die zeitweise Verwaltung der Sammlung durch das Stadtarchiv Konstanz, wurde die inhaltliche Ausrichtung vermehrt auf Werke mit Regionalbezug gelenkt. Die beiden Weltkriege führten zu keinen wesentlichen Verlusten. Die Wessenberg-Bibliothek konnte 1947 gemeinsam mit der neuen Stadtbibliothek - wenn auch in getrennten Beständen - der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Im Jahr 2000 übergab die Stadt Konstanz die Wessenberg-Bibliothek als Leihgabe an die Universität Konstanz. Im unterzeichneten Leihvertrag wurde insbesondere die Erhaltung der von Wessenberg selbst gesammelten Bestände sowie der Bände bis 1900 festgeschrieben. Diese sind in der Universitätsbibliothek als geschlossener Bestand aufgestellt aber nicht öffentlich zugänglich. 55 Zur Benutzung ist der Bestand über Zettelkataloge vollständig und über elektronische Kataloge weitgehend erschlossen und kann auf Anfrage vor Ort eingesehen werden. 2.3.2. Wessenberg-Gemäldegalerie Für seine Gemälde- und Kupferstichsammlung gab Wessenberg folgende Anweisungen in seinem Testament: Die Gemäldesammlung 56 solle dem Großherzog Friedrich I. zum Kauf angeboten 22 Wessenbergs Herzenskind werden, der dabei zu erwartende Erlös solle dem Rettungshaus in Konstanz zugutekommen. Bereits wenige Tage nach Testamenteröffnung inspizierte der Großherzog die Sammlung in Konstanz und zog ein Sachverständigengutachten 57 des Konstanzer Malers Friedrich Pecht (1814 - 1903) hinzu. Er entschloss sich zum Ankauf und verfügte, dass die Gemäldesammlung zu Volksbildungszwecken in Konstanz verbleiben sollte. Der Schwerpunkt der Sammlung lag auf italienischen Werken des 16. Jahrhunderts, niederländischen Werken des 17. Jahrhunderts und Werken von deutschen Malern, oftmals Zeitgenossen Wessenbergs und lokalen Künstlern. Hinzu kamen viele Kopien nach großen Meistern, vor allem von Raffael. Ein eindeutiges Verzeichnis aller Bilder aus der Hand Wessenbergs ist nicht überliefert. Durch Zukäufe und Stiftungen wurde der Bestand vergrößert. Auch Verkäufe von Werken wurden getätigt, besonders nach dem Ersten Weltkrieg, als beinahe die Hälfte der Sammlung veräußert wurde. In den Jahren 1952 bis 1955 wurde die Gemäldesammlung als »Zähringer Stiftung« in eine öffentliche Stiftung übergeben. Das Haus Baden verkaufte 2009 die Bilder an das Land Baden- Württemberg. Die Wessenberg-Sammlung fand schließlich als Dauerleihgabe der Landesstiftung Baden-Württemberg ihren festen Platz in Konstanz in der seit 1998 bestehenden Städtischen Wessenberg-Galerie. Seine Kupferstichsammlung 58 hinterließ Wessenberg der Stadt Konstanz zu kulturpädagogischen Zwecken. In Kombination mit der Bibliothek sollte sie für die Volksbildung zugänglich sein. Ein vollständiges Verzeichnis dieser Sammlung ist nicht vorhanden, auch keine Wertangabe aus der Feder Wessenbergs. Die Reproduktionsstiche und Graphiken mit dem zentralen Fokus auf Raffael und dessen Rezeption sollten gemeinsam mit der Gemäldesammlung gezeigt werden. 2.3.3. Wessenberg-Denkmalstiftung Die Wessenberg-Denkmalstiftung geht nicht auf das persönliche Engagement Wessenbergs zurück, sondern wurde kurz nach dessen Tod 1860 gegründet, »um diesem Mann ein bleibendes Denkmal 2. Ignaz Heinrich von Wessenberg 23 zu errichten, ein fruchtbringendes Zeugnis seiner Gesinnung auch der Nachwelt zu erhalten« 59 . In der Denkmalstiftung schlossen sich Konstanzer Bürger zusammen, die mit unterschiedlichen Aktivitäten das Gedenken an die Person Wessenberg bewahren wollten. Sie richteten beispielsweise ein Wessenberg-Gedenkzimmer ein. Im Winter 1864/ 65 organisierte die Denkmalstiftung eine Vorlesungs- Reihe mit dem Ziel »in Wessenberg’schem Geiste für Bildung und Aufklärung zu wirken« 60 . Es wurden Vorträge aus den Themenbereichen Musik, Kunst, Gesellschaft und Politik gehalten. Die Stiftung beteiligte sich weiter an der Finanzierung der weißen Marmorbüste des Bildhauers Hans Bauer, die mit einem Festakt am 29. Juli 1894 im Garten des Wessenbergheims enthüllt wurde. In den 1930er Jahren scheint das Interesse an der Stiftungstätigkeit marginal geworden zu sein. Mangels Interesse an den Veranstaltungen kürzte die Stadt Konstanz ihre Zuschüsse. 61 Schließlich wurde mit Erlass des Badischen Ministerium des Inneren Nr. 18089 vom 18. Oktober 1949 die Denkmalstiftung aufgelöst und ihr Vermögen der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung übertragen. 62 24 Wessenbergs Herzenskind 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs Das Engagement Wessenbergs, das in seinem letzten »sozialpolitischen Lebensprojekt« 63 , der Rettungsanstalt in Konstanz, kumulierte, gilt es vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung der Armenfürsorge zu sehen. Zur Verortung wird das Bild des Baumes wieder aufgegriffen. Über welche Wurzeln zieht der Baum des sozialen Engagements seine Nährstoffe? Was festigt den Stamm und lässt Äste treiben? Welche Gestalt nehmen schließlich die Blätter und Früchte an? 3.1. Armenfürsorge - staatlich und kirchlich An der Praxis der Armenfürsorge, wie sie von Wessenberg angestrebt wurde, ist deutlich das Kirchenbild der katholischen Aufklärung abzulesen. 64 Die katholische Aufklärung orientiert sich am Vorbild des Frühchristentums, der »ecclesia primitiva«, die ihr als Ideal galt. Diese »Rückbindung« 65 an die ursprüngliche Form, in Hinblick auf das Erscheinungsbild von Kirche, Klerus und Gemeinde, wird im Appell an die tätige Nächstenliebe im Armutsdiskurs deutlich. Sie steht in klarer Differenz zur ultramontanen Ausrichtung und deren kirchen- und klerikalorientierten Perspektive. Der Armutsdiskurs des frühen 19. Jahrhunderts zeigt eine gesellschaftsorientierte, pastoraltheologische Perspektive, die eine Verbindung von Staat und Kirche einbezieht, wie sie für die ultramontanen Ideen nicht tragbar war. Weitere Reformelemente der katholischen Aufklärung, die hier sichtbar werden, sind die Bestrebungen zur Reform der Liturgie mit der radikalen Reduzierung der Feiertage, Wallfahrten und bruderschaftlichen Unternehmungen. Die dadurch frei gewordenen Mittel konnten für die Armutsbekämpfung eingesetzt werden. Auch die Klerusreform mit ihrem neuen Priesterideal und der Professionalisierung des Priesterstandes durch eine praxis-orientierte Ausbildung, die den Pfarrer als Ar- 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs 25 menfürsorger und Erzieher des Volkes betont, entspricht Wessenbergs pädagogisch motivierten Ideen zur Armenfürsorge. Da Konstanz unter österreichischer Herrschaft stand, griff die josephinische Reform der Armenfürsorge 66 auch hier. Sie sah die Einrichtung von Armeninstituten vor und strebte eine von der einzigen katholischen Bruderschaft, der sogenannten Nächstenliebebruderschaft 67 , organisierte und kontrollierte offene Privatwohltätigkeit, nach dem Prinzip der Freiwilligkeit, an. 68 Öffentliche und staatliche Mittel sollten nur für diejenigen Gruppen der Armen angewendet werden, die in geschlossenen Anstalten zu versorgen sind, wie Waise, Sieche, Irre und Alte. Alle anderen Bruderschaften und deren unkoordinierte Almosenvergabe wurden verboten. Die Reform Josephs II. geht von einer bipolaren Konstruktion der Armut aus, die eine Klassifizierung beinhaltet. Die würdige Armut unter der die wahren Armen leiden, ist nicht selbstverschuldet, sie ist extern-verursacht. Diese Armen gilt es in die Gesellschaft zu inkludieren. Demgegenüber steht der mutwillige »Bettel« mit dem Kulminationspunkt des Müßiggangs und der Gesetzlosigkeit. Diese unwürdigen Armen sollen aus der Gesellschaft exkludiert werden. Die selbstverschuldete Armut gilt es, durch Prävention zu verhindern. Ziel der josephinischen Armenfürsorge war es, den wahren Armen zu helfen, damit diese nicht dem »Bettel« verfallen und in die unwürdige Armut geraten. In die Motivation für Privatwohltätigkeit fließen Philanthropie und Religion ein. Der philanthropische Ansatz rückt die Menschenliebe, zu welcher der »edeldenkende Menschenfreund« 69 verpflichtet ist, ins Zentrum. Der gläubige Christ ist aufgrund des biblischen Gebots der Nächstenliebe verpflichtet, Almosen zu geben. Der Fokus liegt hierbei auf der diesseitigen Wohltätigkeit der Geber und nimmt Rekurs auf die Liebesgemeinschaft des frühen Christentums. Es sei Pflicht und Ziel des Christenmenschen die Gesellschaft in der er lebt zu verbessern, indem er den wahren Armen die ihnen zustehende Wohltätigkeit entgegen bringt. Die traditionelle, von den christlichen Bruderschaften gepflegte, Tauschbeziehung zwischen Gebern und Armen, beziehungsweise zwischen Gebern und Gott, die auf das Diesseits-Jenseits-Heilsverständnis bezogen ist, gilt nicht mehr als Motivation für die Fürsorge. Die öffentliche 26 Wessenbergs Herzenskind Anerkennung, die dem Wohltätigen widerfährt, sowie Zufriedenheit und Ruhe in seiner direkten Umgebung, ersetzen die jenseitsbezogene Heilsvorsorge als Sinn und Zweck der Privatwohltätigkeit. 70 Die Einführung der Nächstenliebebruderschaft als Mittel der Armenfürsorge wurde im vorderösterreichischen Herrschaftsgebiet über die Instrumente von Zirkularen und Hirtenbriefen vorangetrieben. Sie wurden zeitnah zu den kaiserlichen Erlassen verbreitet, jedoch nur zögerlich umgesetzt. 71 Den »staatlichen Rationalisierungswillen« 72 spürte auch die Organisation der Armenfürsorge in Konstanz. Die Reform der Armenstiftungen sollte ab 1781 in Konstanz und Freiburg exemplarisch erprobt werden. 73 Allerdings wurde die St. Nicolai-Stiftung in Konstanz von dem Bruderschaftsverbot ausgenommen, da sie - als wesentlicher Baustein der städtischen Armenfürsorge - dem Ideal der Nächstenliebebruderschaft entsprach. 74 Für die Einführung der neuen Armeninstitute wurde in Hirtenbriefen geworben. 75 Die Revolutions- und Kriegsjahre zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Verschärfung der wirtschaftlichen Situation - auch der Armenanstalten 76 - verhinderten eine Implementierung dieser neuen Armenfürsorge. Das Projekt der Armeninstitute verlor seine politische und finanzielle Basis. Die limitierten, aber nach dem Tod Joseph II. 1790 wieder erlaubten Bruderschaften mit ihrer Almosenpraxis und der Ausrichtung der »Werke der Barmherzigkeit« 77 auf eine Diesseits-Jenseits-Heilsvorstellung nahmen ihre traditionelle Position in der Armenfürsorge wieder ein. »Die Verquickung von Armenfürsorge mit der allgemeinen aufklärerisch-josephinischen Kirchenpolitik war […] ein wesentlicher Grund des Scheiterns in Vorderösterreich.« 78 Die mittelalterlich geprägte christliche Caritas war in den vorderösterreichischen Städten nach wie vor stark ausgeprägt. Tradierte Formen der Armenunterstützung blieben existent. 79 Die revolutionären Ereignisse des Jahres 1789 80 betrafen die Familie Wessenberg unmittelbar, hatten sie doch zur Folge, dass linksrheinische Gebiete des Familienbesitzes verloren gingen. Der zu dieser Zeit 14-jährige Wessenberg nahm aufmerksam die Gespräche im Familien- und Bekanntenkreis über die »gesellschaftliche 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs 27 Wiedergeburt« 81 wahr. Die Bildung einer öffentlichen Meinung und Gedankenfreiheit waren Ideale, die in Wessenbergs Denken tiefe Spuren hinterließen. Die Begeisterung des jungen Wessenberg für die »Morgenröthe neuer goldener Zeiten« 82 ließ jedoch mit zunehmender Radikalisierung der Revolution nach und schlug in Kritik an der »Jakobinerherrschaft und den Revolutionskriegen« 83 um. Die Grundgedanken der Französischen Revolution, Liberté, Egalité, Fraternité und Solidarité, honorierte er - wenn auch nicht uneingeschränkt - zeitlebens. In Konstanz unternahm Wessenberg bereits zu Beginn seiner Tätigkeit als Bistumsverweser den erneuten Versuch das josephinische Armenfürsorgekonzept in etwas gewandelter Form zu etablieren. Im Umgang mit den katholischen Bruderschaften 84 folgte er im Wesentlichen den Vorstellungen Joseph II., unterstrich deren karitative Ausrichtung, trat jedoch nicht für ein Verbot der Bruderschaftsvielfalt ein. Sein Anliegen war es, diese zu reformieren und zu reglementieren. In einer Ordinariatsverordnung von 1809 wurde diese Reglementierung konkretisiert: Pro Pfarrei solle lediglich eine Bruderschaft, die Nächstenliebebruderschaft, zugelassen sein, etwaige weitere Bruderschaften sollten mit ihr zusammengelegt werden können. Die Bruderschaftsmitglieder erhielten einen von Wessenberg festgelegten Ablass und sollten vorgegebene Festtage gestalten. Am Ostermontag sollte das Fest der christlichen Erziehung und am Pfingstsonntag das Fest des öffentlichen christlichen Unterrichts gefeiert werden. Das Fest der christlichen Wohltätigkeit sollte am ersten Sonntag im Oktober und das Fest der christlichen Feindesliebe am Stephanstag (26. Dezember) gefeiert werden. 85 In dieser Ausgestaltung der Bruderschaftsaktivitäten wird Wessenbergs Verbindung von Fürsorge und Erziehung deutlich. Ziel der Bruderschaftstätigkeit solle die Beförderung thätiger Bruderliebe, wahrer Andacht und reiner Sittlichkeit 86 sein, zudem seien die Mitglieder verpflichtet in karitativer Hinsicht für ihre Nächsten einzutreten. 87 Wessenberg sieht das karitative Aufgabenfeld der Bruderschaften in der Unterstützung von armen Kindern und Kranken mit Lebensmitteln, Kleidung und Medizin, zudem in der Unterstützung von Waisen und Witwen, der Besoldung der Hebammen, der Besse- 28 Wessenbergs Herzenskind rung des Schulwesens, in Krankenbesuchen und in der Unterstützung bestehender öffentlicher Armenfürsorgeanstalten. Auch die Sorge um in der Gemeinde erkrankte Auswärtige falle in das Tätigkeitsfeld der Bruderschaft. Wessenberg gliederte die gottesdienstlichen Bedürfnisse wieder in die Bruderschaftstätigkeit ein. Der josephinische Ansatz des rein Karitativen hatte sich nicht durchgesetzt. Auch das Bemühen Wessenbergs blieb lediglich ein Versuch, dessen Umsetzung an der Verhaftung am traditionellen Brauchtum der Bruderschaften und an einer generellen klerusinternen Kritik an einer Institutionalisierung der Armenfürsorge scheiterte. Wessenberg setzte sich weiter für die Reformierung der Armenfürsorge ein und wurde infolge der Hungerkrise 1816/ 1817, die auch in Konstanz dramatische Mangelversorgung auslöste 88 , aktiv in der Unterstützung einer auf Großherzogin Stephanie (1789 - 1860) zurückgehenden überkonfessionellen philanthropischen Wohlfahrtsorganisation 89 . In seinem Unterstützungsappell an den Diözesanklerus betonte er den Aspekt der Nächstenliebe und griff auf biblische Belegstellen der Apostelgeschichte, die von der urchristlichen Liebes- und Gütergemeinschaft zeugen, zurück. 90 Wessenberg nahm die bipolare Armutstheorie Josephs II. teilweise auf und teilte die Armen in wahrhaft Bedürftige und Müßiggänger ein. Zusammenfassend zeigt sich, dass Wessenberg deutlich für ein Nebeneinander von Nächstenliebebruderschaft nach dem Modell Joseph II. und offener philanthropischer Wohlfahrtsorganisation eintrat. Armenfürsorge sollte weder allein Aufgabe des einen noch des anderen sein. Sie sollte nach seinem Verständnis Kirche und Staat 91 sowie christliche Nächstenliebe und Philanthropie verbinden. »Was hat die Kirche vom Staat zu begehren? - Schutz für ihren Wirkungskreis. Und was der Staat von der Kirche? Daß sie durch ihre Lehren und Anstalten der öffentlichen Wohlfahrt nicht hinderlich, eher förderlich werde.« 92 Ein staatlicher Eingriff in Kirchenangelegenheiten wie im Josephinismus sollte nur dann erlaubt sein, wenn diese Reformen die Ab- 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs 29 sicht haben, die moralischen und religiösen Zustände in der Kirche zu verbessern. 93 3.2. Wertschätzung der Kinder Wessenbergs besonderes Eintreten für hilfsbedürftige Kinder hat seinen Ursprung im neuen Verständnis für Kinder, das sich im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts in der europäischen Gesellschaft durchzusetzen begann. Das zuvor distanzierte, strenge und unsentimentale Verhältnis zu den eigenen Kindern und die damit verbundene geringe Anerkennung als eigenständige und tragende Mitglieder der Familie gingen über in eine Beziehung, die sich über emotionale Zuneigung, Wärme und Wertschätzung definierte. 94 Kinder wurden zu einem »Objekt spontaner Zuwendung, von Vergnügen und Entspannung« 95 . Diese emotionale innerfamiliäre Beziehung lässt sich in der Familie Wessenberg deutlich nachvollziehen. Der liebevolle und fördernde Umgang des Vaters mit seinen Kindern, die menschliche und intellektuelle Bildung 96 ist für diesen neuen Blick auf Kindheit repräsentativ. Die Hinwendung zu den Kindern in den Konzepten der Pädagogen des 18. und 19. Jahrhunderts, die Wessenberg als gedankliche Vorbilder dienten, teilte er. Sie wurzelt in der Orientierung an den neutestamentarischen Berichten über die Liebe Jesus zu den Kindern und einer Vorstellung der Gotteskindschaft aller Christen. 97 Hier verschränken sich die Religiosität Wessenbergs und seine pädagogischen Ideen. Er leitet seine Wertschätzung der Kinder davon ab, dass Jesus als Kind in die Welt gekommen ist und sich als göttlicher Kinderfreund gezeigt hat. 98 Aus dieser theologischen Wurzel wächst seine Erkenntnis und sein Entschluss für hilfsbedürftige Kinder einzustehen. 99 Das Verständnis von Familie als zentralem Ort der christlichen Erziehung findet sich auch in der protestantischen Erweckungsbewegung, deren Vertreter Johann Heinrich Wichern (1808 - 1881) diesen Grundsatz in den von ihm in Hamburg errichteten Kinderheimen, umgesetzt hat. Wenn keine Erziehung in der Familie möglich sei, so solle zumindest eine familienähnliche Situation geschaffen werden. 30 Wessenbergs Herzenskind Dieses Anliegen verfolgt auch Wessenberg in seinem Konzept der Heime für sittlich verwahrloste Kinder. 3.3. Wessenbergs soziales und politisches Engagement für Taubstumme und Blinde Wessenbergs Forderung zur sozialen Verantwortung schloss auch die soziale Randgruppe der Blinden und Taubstummen mit ein. Er stellte, nachdem er bereits 1820 die Pfarreien in Baden aufgefordert hatte, Informationen über alle dortigen Taubstummen an ihn zu leiten, am 31. Juli 1820 in der 1. Kammer der Badischen Ständeversammlung einen ausführlichen Antrag 100 . Er forderte die Errichtung von Anstalten zur Bildung und Erziehung von Taubstummen. Wessenberg sah in Taubstummen die »bedauernswürdigste Menschenklasse«, da sie ohne eigenes Verschulden in einem hilfsbedürftigen Zustand seien. In seiner Motion verdeutlicht er die Dringlichkeit, ihnen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. »Durch die Gebrechen ihrer physischen Natur sehen sie sich des Genusses der höchsten Güter der Menschheit beraubt und nur zu oft auf die niedrigste Stufe in der Schöpfung tief unter das vernunftlose, aber nützliche Haustier hinabgedrückt.« 101 Wessenberg schlug vor eine solche Anstalt in einer kleineren Landstadt anzusiedeln und dort 20 bis 30 Schüler zu betreuen. Die Finanzierung sollte über staatliche Zuschüsse und eine allgemeine Kollekte zur Bildung eines Stiftungsfonds gesichert werden. 102 Der Antrag wurde von der 1. Kammer diskutiert und beschlossen, wobei die Frage nach der Ansiedlung offen gehalten wurde. Auch die 2. Kammer schloss sich dem Antrag an, eine Umsetzung der Pläne erfolgte jedoch noch nicht. Entsprechend dem Vorschlag für eine Taubstummenanstalt forderte Wessenberg 1822 eine Anstalt für Blinde. In Neudingen bei Donaueschingen wurde 1825 im Mariahof 103 eine private Blindenanstalt eröffnet. Für den ersten Zögling übernahm Wessenberg die Unterbringungs- und Schulkosten. Im Jahr 1827 wurde die Anstalt 3. Verortung des sozialen Engagements Wessenbergs 31 zu einer Großherzoglichen Landesanstalt erhoben und nach Bruchsal verlegt. Ab 1837 nahm die Blindenanstalt schließlich ihren Sitz in Freiburg. 104 Nachdem keine Schritte zur Einrichtung der Taubstummenanstalten zu verzeichnen waren, brachte Wessenberg das Anliegen erneut in die 1. Kammer ein. Er fand namhafte Unterstützer in Fürst Karl Egon von Fürstenberg (1796 - 1854) und Prälat Johann Peter Hebel (1760 - 1826), mit dem Resultat, dass beide Kammern sich erneut für die Schaffung einer Anstalt aussprachen. 105 Sie wurde 1826 in Pforzheim eröffnet. In den ersten beiden Jahren war sie verbunden mit einem Arbeitshaus, in dem die 15 Schüler arbeiten mussten. Diese »ungünstige Verflechtung« 106 wurde gelöst und die Schülerzahl stieg in den ersten Jahrzehnten kontinuierlich an. In seinem weiteren politischen und privat-wohltätigen Engagement bedachte Wessenberg die Anstalt in Pforzheim und das Pendant für Blinde in Freiburg wiederholt mit Spenden. In seinem Testament wies er, um den Bestand der Schulen bestmöglich abzusichern, die hohe Summe von 4.000 Gulden für jede der beiden Anstalten an. Die Taubstummenanstalt wurde auf Geheiß des Badischen Großherzogs Friedrich I. 1865 von Pforzheim nach Meersburg verlegt, wo sie im Schloss, das dem badischen Staat gehörte, Räumlichkeiten bezog. Die Meersburger Taubstummenanstalt entwickelte sich zur viert größten in Deutschland und nahm etwa 100 Schüler auf. 107 32 Wessenbergs Herzenskind 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs »Wessenberg denkt, redet und schreibt als Pädagoge, als bemühter Vermittler von Religiosität.« 108 Karl-Heinz Braun bringt mit dieser Feststellung die beiden wesentlichen Komponenten zusammen, die das pädagogische Programm des »nach - denkenden Pädagogen« 109 Wessenberg prägen. Seine Vorstellung von Religiosität und Glaube, das damit verbundene Kirchenbild, die Praxis der religiösen Unterweisung, sowie die wissenschaftlich pädagogischen Überlegungen, bei welchen er sich an Vordenkern und Zeitgenossen orientierte, sind unmittelbar miteinander verknüpft. 110 Wessenberg sah in der Religion das Fundament für die Entwicklung von Sittlichkeit und Intellekt, wobei den Gedanken der Aufklärung folgend auch das religiöse Leben nur mit der Ausbildung der Vernunft möglich sei. Die christliche Religion hielt Wessenberg zwingend für den Ausgangspunkt und das Ziel aller guten Volksbildung. 111 Seine pädagogischen Bemühungen umfassen den Bereich der Volksbildung, die er als Grundlage der Nationenbildung sah 112 und die Klerusbildung. Zudem setzte er sich auch für die Verbesserung der beruflichen Bildung ein. 113 Wessenberg forderte angesichts einer aufgeklärten Gesellschaft eine tätige Verantwortung, um für künftige Generationen einzustehen: »Unserm Zeitalter, das mit den schönen Titeln von Aufklärung und Humanität schon zum voraus so selbstgefällig sich schmückt, geziemt es, daß es den Triumphbogen ausgezeichneter Bildungsanstalten sich baue, damit die Nachwelt ihm die Gültigkeit jener Titel nicht abzusprechen vermöge.« 114 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 33 4.1. Theoretische Pädagogik 4.1.1. Grundsätzliches zur Erziehung »Der Mensch erhält aber seine Kultur, seine Bildung aus der Hand der Erziehung.« 115 Auf diesem Grundsatz baut Wessenberg sein pädagogisches Hauptwerk »Die Elementarbildung« 116 auf. Kultur und Erziehung stehen für ihn in engem Zusammenhang und in Wechselwirkung. Der Zustand der Erziehung diene als Spiegel der Kultur. Wichtig sei dabei allerdings der Bildungsstand des ganzen Volkes, nicht nur von Minderheiten. Dies habe die kulturelle Entwicklung im Altertum gezeigt, als die Unwissenheit des gemeinen Volkes zu einem Zusammenbruch der Kultur geführt habe. »In Egypten, in Griechenland erhellte die Kultur nur die Gipfel der Gesellschaft.« 117 Der Kulturfortschritt vollziehe sich in drei Stufen: der rohe Mensch, der Wilde und schließlich der Kultivierte. »Die Thätigkeit des rohen Menschen, dessen Geisteskräfte ungebildet sind, beschränkt sich auf den engen Kreis der leiblichen Bedürfnisse. Etwas höher steht schon der Wilde, der einem idealen Bild von Ehre, von Auszeichnung , von […] Ruhm nachstrebt.« 118 Als Zeichen für Bildung und somit für Kultur sei schließlich »das Vorherrschen geistiger Tätigkeit über den materiellen Hang zur Trägheit in der Lebensweise und in allen, auch blos körperlichen Verrichtungen und Genüssen« zu sehen. 119 Solche Trägheit, die Gewöhnung an den Status quo und ein »Vollendungsdünkel« 120 , der eine Weiterentwicklung scheinbar nutzlos mache, verhindert den Fortschritt. Eine bedeutende Rolle spiele dabei der Staat, da Bildungsinteressen eng mit dem Staatszweck verbunden seien, innere Gerechtigkeit zu schaffen und damit äußere Macht zu erhalten. Durch sittlichen Verfall, der sich beispielsweise in Korruption ausdrücke, drohe die Störung der politischen Ordnung. 121 Große historische Gegebenheiten wirkten sich auf die Geistesbildung aus 122 , so habe die Herrschaft des Papstes Gregor VII. (1073 - 1085) ermöglicht, dass sich 34 Wessenbergs Herzenskind Bildung und Wissenschaft unter seinem Schutz entfalten konnten. Die Reformation habe dazu geführt, dass ein verbesserter Schulunterricht als Religionspflicht begriffen wurde und die Französische Revolution habe die Bildung einer öffentlichen Meinung und die Gedankenfreiheit möglich gemacht. Auch die Erfindung des Buchdrucks bewertet Wessenberg als wichtiges »Vehikel« 123 im kulturellen Fortschritt. Für das 18. Jahrhundert konstatiert Wessenberg einen kritischen Geist und ein Vertrauen in die Ratio, was zur Folge hatte, dass die Verstandesbildung die Bildungsbemühungen dominierte. Die Grenzen der Glaubens- und Wissensgebiete wurden verschoben und die Autorität des Glaubens nahm in soweit ab, als die des Wissens zunahm. 124 Wessenberg sieht darin die Gefahr »Vielwisserei« 125 mit Weisheit zu verwechseln. Mit der Reformation sei bereits ein »pädagogisches Zeitalter« 126 angebrochen, das im Bibellesen und dem Gebrauch der Muttersprache im Gottesdienst erste Auswirkungen zeigte. Ab etwa 1750 habe die Aufklärung, in Kant’schem Sinne 127 , die Pädagogik endgültig stark gemacht. 128 Die Zielsetzung sieht Wessenberg hier in einer allseitigen harmonischen Bildung. Darunter versteht er die harmonische Entfaltung von Verstand und Gemüt und eine Erziehung zur Sittlichkeit durch Willensbildung. Innerhalb der auf Humanität ausgerichteten Erziehung solle das intellektuelle Element dem sittlichen und das sittliche Element dem religiösen untergeordnet werden. Die christliche Religion sei die Grundlage aller Erziehung, wobei die Urkirche das ideale Vorbild für die Heranbildung zu Rechtschaffenheit und Lebenstüchtigkeit sei. 129 Ausschlaggebend für das eigentliche »pädagogische Zeitalter« ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sei, dass nunmehr kein Zweifel an der Wichtigkeit der Volksbildung bestand. Dies zeigte sich auch darin, dass auf die Bildung von Mädchen ebenso Wert gelegt wurde 130 wie auf eine Bildung, die sich an der künftigen Berufstätigkeit der Kinder orientierte. Wessenberg sah den Grund für die Fortschritte im Handwerk, im Gewerbe sowie in der Landwirtschaft in der verbesserten Volksaufklärung und Bildung. 131 Für Wessenberg liegt die eigentliche Würde des Menschen im Wahrheitssinn 132 . Für die Wahrheit werde jedes Opfer gebracht, daher habe die Unterdrückung der Wahrheit oder ihre Verfolgung 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 35 nur zur Folge, dass sich diese im Endeffekt durchsetzt und sich verfestigt. Der Wahrheitssinn ist also die Grundlage eines festen und edlen Charakters. Der Mensch habe ein Anrecht auf Erziehung, damit sich dieser Wahrheitssinn entfalten kann. Zwar sieht Wessenberg kein uneingeschränktes Menschenrecht auf Erziehung, aber ein allgemeines Recht darauf, zu einem Beruf erzogen zu werden. Jeder Mensch habe das Recht zu wissen, was ihm nützt, um in seinem Streben nach Glückseeligkeit vorwärts zu kommen. 133 Die arme Bevölkerung brauche die Bildung am dringendsten. Somit sei die edelste Art wohltätig zu sein, die Armen für ihren Erwerb zu ertüchtigen und ihnen Mut, Gottvertrauen und Tugend zu vermitteln. 134 Hier kommt Wessenbergs Überzeugung zum Tragen, dass Bildung den Menschen zum Menschen mache und die Erziehung notwendig sei, damit geistige Stärke, für die Veranlagungen existent sind, ausgebildet werden kann. Die Erziehung sei die höchste Kunst, da von ihr alle Verbesserung ausgehe. Die Lehrerausbildung sei dabei zentral, da auch der Erzieher erst einmal erzogen werden müsse. Solange Verwahrlosung existiere, müsse die Erziehung vorangetrieben werden, wobei sittliche und physische Erziehung wichtig sind. Ziel der Erziehung sei die harmonische Entwicklung und Bildung aller edlen Anlagen und Kräfte. Damit meint Wessenberg die Verstandeskraft, die Gefühlskraft und die Willenskraft. Der Mensch besitze eine religiös-sittliche Anlage, auf der allein Bildung aufgebaut werden kann. Gegenstand der Erziehung müsse daher Wahrheit, Schönheit und Tugend sein und kein Mechanismus und Gedächtnisdrill, da dieser die sittlich-religiöse Anlage töte. 135 »Der Verstand soll das Wahre erkennen, das Herz das Schöne lieben, der Wille das Gute üben.« 136 Subsumieren lässt sich dieses Erziehungsideal im auf den römischen Dichter Juvenal zurückgehenden Grundsatz: »Mens sana in corpore sano« oder mit Wessenbergs eigenen Worten: »Eine gesunde Seele in einem gesunden Leibe - dies ist der wesentliche Zweck aller Erziehung.« 137 36 Wessenbergs Herzenskind Zu den Verstandes-, Gefühls- und Willenskräften komme schließlich auch die körperliche Erziehung 138 , die sich auf der einen Seite durch körperlich-sportliche Betätigung ausdrückt und auf der anderen Seite die Erziehung zu Reinlichkeit in Bezug auf den eigenen Körper und seine Umgebung einschließt. In der Schule solle auf Pausen an der frischen Luft geachtet werden und die einzelnen Unterrichtseinheiten sollen ein oder zwei Stunden, je nach Alter der Schüler, nicht überschreiten. Darüber hinaus solle der Körper durch Leibesübungen gestärkt werden. »Dadurch wird zugleich die Geisteskraft geübt, geschärft, gestärkt, zur Ausdauer gewöhnt.« 139 Die Erziehung zu Reinlichkeit solle nicht allein eine positive Auswirkung auf die Verhältnisse in der Schule haben, sondern sich auch auf das Zuhause der Kinder erstrecken. »Wenn die Kinder, in der Schule an Reinlichkeit gewöhnt, dafür Sinn und Geschmack erhalten, wird allmählig auch in den Wohnungen der Landsleute und Handwerker die Unreinlichkeit verschwinden, die auf die Gesundheit und selbst auf das sittliche Leben, seine Zufriedenheit und Heiterkeit störend einwirkt.« 140 Elementar sei jedoch, dass keine einseitige Kräftebildung erfolge. Um der Forderung den ganzen Menschen zu erziehen zu entsprechen, muss dieser in seiner Gänze studiert werden. So sieht Wessenberg die Psychologie als Grundlage der Erziehung, da Erzieher eine profunde Menschenkenntnis benötigen, und klagt an: »Hätte man für psychologische Studien nur die Hälfte von dem getan, was für Spekulation geschehen ist, was ganz anders, wie viel besser stände es nicht um die Pädagogik und Staatswissenschaft, wie weit bedeutender wären die wahren Fortschritte im Erziehungswesen und in den politischen Zuständen.« 141 4.1.2. Maß und Methode der Volksbildung Wessenberg fordert eine standesgemäß verschiedene Volksbildung, die den jeweiligen objektiven Bedürfnissen entspricht. Dabei sollen aber alle Kinder zur wahren Nützlichkeit und Vernunft erzogen 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 37 werden. Jeder solle eine nötige Berufsausbildung erhalten, dabei aber prinzipiell die gleiche geistig-sittliche Bildung erlangen. In Opposition zum rechten Maß der Erziehung, wie es Wessenberg deutet, steht die Erziehung der Jesuiten, deren Ziel eine »Geistesdespotie« 142 sei. Das von ihnen propagierte dogmatische Christentum verhindere das freie Wirken der Vernunft, daher seien sie für eine Erziehungsreform in Deutschland nicht nötig. 143 Die Methode der Erziehung beziehungsweise des Unterrichts ist für Wessenberg besonders wichtig. Allerdings hält er klar fest, dass keine Methode vollkommen, unverbesserlich oder vor Ausartungen sicher sei. Die Methode müsse den Eigenschaften des Lehrers und der Schüler angepasst werden, hierzu habe jeder Lehrer seine eigene Methode zu »erfinden« 144 . Nach dem Grundsatz »Alles prüfen! Das Beste behalten! « 145 »suchte Wessenberg das Gute und Brauchbare aus einem System, an einer Methode und ließ sie nach Erprobung in der Praxis beurteilen, forderte Berichte darüber, um sie weiter für die Praxis zu empfehlen.« 146 Für einige prinzipielle Anforderungen an den Unterricht spricht sich Wessenberg jedoch klar aus. So solle der Unterricht Teil und Mittel der Erziehung sein. Im Unterricht komme es nicht allein auf den Gegenstand an, sondern auf die angewandte Methode. Eine erfolgreiche Erziehung orientiere sich am »Stufengang der Natur« 147 : vom Leichten zum Schweren und vom Sinnlichen zum Geistigen. Der Geist dürfe nicht auf Kosten des Leibes beansprucht werden und umgekehrt ebenso wenig. Diese einseitige Belastung musste Wessenberg an sich selbst diagnostizieren, als er rückblickend auf seine Ausbildungszeit feststellte: »Ich studirte überhaupt mehr als meiner Gesundheit zuträglich war. Dies war ein Fehler.« 148 Wessenberg fordert eine individuelle Behandlung der Schüler, keine Überforderung und ein lustbetontes Lernen. Nützlichkeit solle mit Annehmlichkeit verbunden werden, wobei er aber nicht die Anwendung einer reinen Spiel-Methode meint. Anschaulichkeit sei besonders bei der Entwicklung von Begriffen wichtig. Der sich 38 Wessenbergs Herzenskind an den Bedürfnissen des Lebens und des Berufs orientierende Unterrichtsstoff solle von den praktischen Aspekten beherrscht sein. Das Ziel sei die Bildung der Urteilsfähigkeit. Auch der Gewöhnung komme eine wichtige Funktion zu, denn die Kinder sollen durch Gewöhnung Gutes tun, noch bevor sie dies aus Vernunftgründen tun. Die Angewöhnung sei die Vorstufe zur Überzeugung. 149 Einerseits müsse der Nachahmungstrieb der Kinder berücksichtigt und genutzt und andererseits die Selbständigkeit geweckt werden. Die Kinder sollen das Gefühl für die eigene Kraft entwickeln, das sie im Bewusstsein des persönlichen Fortschritts weiter antreibt. Die Unterrichtsmethode könne auch die Phantasie und das Gedächtnis fördern. »Bilder beschäftigen die Phantasie, prägen sich dadurch dem Gedächtniß leicht ein, und regen den Verstand an, ihrem Sinn nachzuforschen.« 150 Auch poetische Literatur solle moralisch und ästhetisch gewürdigt werden, damit die Kinder später in ihrem Leben selbst darüber zu urteilen in der Lage sein werden. Wahn- und Aberglauben, Torheiten und Laster solle der Lehrer mit Humor und Ironie entgegentreten. 151 Bei all diesen Forderungen müsse die Persönlichkeit des Lehrers berücksichtigt werden. Neben der Methode ist für eine erfolgreiche Erziehung die Autorität des Lehrers maßgeblich. Er solle eine gute Sachkenntnis besitzen, nicht pedantisch sein und ohne Zwang und Bestrafungen vorgehen. Die Aufgabe des Lehrers sei es die eigene Methode mit Liebe zu beseelen. Denn darin sieht Wessenberg den eigentlichen Lebensgeist der Schule. 152 4.1.3. Forderungen Wessenbergs zur Verbesserung des Volksschulwesens In seiner Schrift »Elementarbildung« diagnostiziert Wessenberg fünf Hindernisse der Volksbildung. Dies sei erstens eine falsche Vorstellung von der Wichtigkeit und Notwendigkeit der Volksbildung und ihrer Erfordernisse 153 . Zweitens ein zu niedriger Begriff von Zweck und Leistungen der 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 39 Volksschulen. 154 Zu oft werde die Schule lediglich als »mechanischer Übungsplatz« 155 gesehen und die Meinung sei oftmals verbreitet, dass mit Ende der Schulzeit auch die Erziehung abgeschlossen sei. Als dritten Punkt nennt Wessenberg die mangelnde Mitwirkung der Eltern an der Erziehung. 156 Wenn die Erziehung lediglich in die Hände der Volksschulen gelegt wird und Eltern ihre Kinder nicht in deren geistiger Bildung unterstützen und fördern, kann keine wahre Bildung erreicht werden. Wessenberg nennt es einen »Wahn« 157 , wenn Eltern glauben, dass die Schule die gesamte Erziehung leiste, »ohne dass es des Mitwirkens der häuslichen Erziehung bedürfe.« 158 Das Mitwirken der Eltern an der Erziehung setzt Wessenberg in einen gesamtgesellschaftlichen Bezug: »Der Vernachlässigung der häuslichen Erziehung ist ohne Zweifel auch die sichtbare Abnahme der Achtung der Jugend vor dem Alter großentheils zuzuschreiben. Zunächst von der Verehrung für die Eltern muß diese Achtung ausgehen; die Verehrung für die Eltern aber kann nur die innige, fromme Ehrfurcht vor Gott tief begründen, und die beste Pflanzschule solcher Frömmigkeit ist eben, wie schon gesagt, das Haus der Eltern.« 159 Viertens behindere das Fehlen einer obersten, selbständigen und sachkundigen Schulbehörde 160 und fünftens ein Mangel an Geldmitteln 161 - was wiederum Auswirkung des Hindernisses Nummer eins, der geringen Wertschätzung von Bildung, ist - die Verbesserung der Volksbildung. »Wie manchem Dorfe, das mit Schenken dicht besetzt ist, fehlt es noch an einer guten Schule - an einem Schulhaus - an einem gebildeten, geprüften Lehrer! - Und wir nennen unser Zeitalter das aufgeklärte? « 162 Um eine Qualitätsverbesserung und -sicherung im Volksschulwesen zu erreichen, fordert Wessenberg eine Lehrerausbildung nach klaren Vorgaben (in großen Seminaren mit der Möglichkeit der praktischen Übung, Persönlichkeitsbildung, enges Verhältnis zu Seelsorgern 163 ), die Einrichtung von Seminaren und gesicherte Normen und Kontrollen bei der Klerusbildung (asketische Bildung, praktische Übungen, Verstandes- und Herzensbildung, das Beherr- 40 Wessenbergs Herzenskind schen von Lehre, Liturgie und Beispielen 164 ). 165 Wichtig sei eine enge harmonische Verbindung von häuslicher und öffentlicher Erziehung. Falls die Eltern die Erziehung nicht gewährleisten können oder die sittliche Erziehung der Kinder gefährden, sollen ihnen die Kinder entzogen werden. 166 Konkret forderte Wessenberg als Parlamentarier die Gehaltsaufbesserung der Lehrer, die Einrichtung eines zweiten katholischen Lehrerseminars, die Verbesserung des protestantischen Lehrerseminars, die Gründung einer Schullehrerwitwen- und Waisenkasse und eine neue Volksschulordnung - die 1835 im Badischen Schulgesetz umgesetzt wurde. 167 Politisch setzte Wessenberg sich auch für eine prinzipielle Studierfreiheit ein. Das heißt, dass er für eine Studierfreiheit plädierte, die lediglich aufgrund persönlicher Fähigkeiten (wie Mangel an Talent oder Charakter), nicht aber aufgrund von gesellschaftlicher Herkunft und Klasse beschränkt werden könne. 168 Die Wege zur allgemeinen Fortbildung sieht Wessenberg in der häuslichen Erziehung, gefolgt von der Schulerziehung, welche beide eine Allgemeinbildung vermitteln sollen. »Hier [In der Volksschule] und im Elternhaus soll der Mensch leben lernen.« 169 Nach Ende der elementaren Schullaufbahn solle diese in Sonntagsschulen, Wiederholungsstunden und Arbeitsschulen wiederholt, aufrechterhalten und ausgebaut werden. Bildung sei nie vollendet, sondern müsse stets weiter verbessert werden. 170 Mittel zur allgemeinen Fortbildung sieht Wessenberg in der Verfassung und der Gesetzgebung, sie dienen als Vorbild für Haushaltung und rechtliche Gesinnung. Auch durch Feste und Unterhaltungen, bei denen sich die Manifestation des Volksgeistes zeige, besonders bei religiösen Festen mit einer zentralen Liturgie, könne das Volk gebildet werden. Ebenso können Künste, Literatur und Vereine als Bildungsträger fungieren. Musik und Gesang sei besonders wertvoll, sowohl in religiöser als auch in patriotischer Hinsicht. Kunst fördere den Schönheitssinn, einem Bestandteil der Allgemeinbildung. Spiel- und Sportplätze für die Jugend unter Aufsicht von sittlich bewährten Jugendleitern seien zu empfehlen, hingegen seien öffentliche Spiele und Vergnügungen für Erwachsene abzulehnen, da diese sittlich gefährdend wirken können. 171 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 41 Zur Förderung der Allgemeinbildung empfiehlt Wessenberg Wanderorganisationen, Gesangsvereine und Schulfördervereine. Hier greift er auf eigene Kindheitserfahrungen zurück. Zur »Lernkultur« 172 im Hause Wessenberg zählten auch Freizeitaktivitäten, die der Vater mit seinen Kindern unternahm. Wessenberg berichtet von Spaziergängen, Wanderungen, Kanufahrten auf dem Rhein, Angeln, Baden, Ausflügen zu Verwandten und Bekannten sowie von »Gartenbau nach Anweisung« 173 . Nicht zuletzt ein bedeutendes Mittel zur Bildungsförderung ist das geschriebene Wort, die Literatur: »Wenn die Schulen der ersten geistigen Bildung der jüngeren Generation bestimmt sind, so ist es der Beruf der Literatur, die geistige Bildung auf dem Punkte, wo die Schule sie verlässt, aufzunehmen, und zur Vollendung zu befördern.« 174 Wessenberg fordert Gemeindebibliotheken, Volkszeitungen, Pressefreiheit, geeignete Jugendschriften und gute Volksbücher. Jeder Haushalt solle Andachtsbücher, ein Evangelienbuch und ein Handbuch mit für jeden Bürger und Christen unentbehrlichen Kenntnissen besitzen. 175 In Volksschulen solle staatsbürgerlicher Unterricht abgehalten werden, damit die jungen Bürger den Geist der Verfassung mit Rechten und Pflichten, die vaterländische Geschichte und das Verständnis für den göttlichen Willen hinter der Staatsform kennenlernen. In patriotischem Gedenken zeige sich die Liebe zum Vaterland. All dies sei im Interesse des Staates, da das Wissen um die Verfassung und die Achtung dieser zum Staatserhalt beitrage. 176 Die Staatsregierung dürfe die Erziehung und den Unterricht daher nicht vernachlässigen und nicht einer Körperschaft zum Monopol überlassen. Die Volkserziehung und die Volksschule seien dann am fruchtbarsten, wenn sie unter Aufsicht der Regierung stünden und von einer entsprechend gebildeten Geistlichkeit geleitet würden. Eine Staatsform, in der Freiheit und Ordnung herrschen solle, brauche eine gute und gründliche Volkserziehung, deren Ausgangspunkt und Ziel die Religion ist. Um Aberglaube und Unglaube, beides Hindernisse von Bildung, zu bekämpfen, müsse deren Haupt- 42 Wessenbergs Herzenskind quelle, die Unwissenheit in der Religion, trocken gelegt werden. Hierzu diene der Religionsunterricht: »Aber man kann sie nicht durch Lehre und Unterricht allein mittheilen; es lässt sich nur, wie zur Philosophie, zu ihr anleiten, und Feder muß sie selbst aus sich durch die ihm inwohnende Kraft entwickeln.« 177 Der Unterricht solle keinesfalls dialektisch aufgebaut werden und dogmatische Spekulationen beinhalten. Für Kinder grundlegend seien kindgerecht bearbeitete Biblische Geschichten, das Neue Testament und Auszüge aus dem Alten Testament. Wichtig sei dabei nicht das mechanische Einüben und Auswendiglernen, sondern, dass das Herz der Kinder angesprochen werde. Religion könne demnach bereits im Elternhaus die wesentliche Prägung finden: »Das Kind herzlich beten lehren kann Niemand so gut als das Beispiel der Mutter.« 178 Neben der Religionslehre sei auch die praktische Ausübung wichtig, diese könne in Hausgottesdiensten mit der Lesung aus dem Neuen Testament, Gebeten und Liedern erfolgen. 179 »Das Wohl der Gesellschaft kann nur gedeihen und bestehen, wenn durch Erziehung und Bildung die patriotisch-politischen, die religiösen, die sittlichen, die ästhetischen und die intellektuellen Elemente gleichmäßig gefördert werden und so harmonisch zusammenwirken können.« 180 Die Voraussetzung für eine erfolgreiche religiös-sittliche Bildung sei daher die Harmonie zwischen Staat und Kirche. Diese Feststellung entspricht der allgemeinen Vorstellung Wessenbergs vom Verhältnis zwischen Staat und Kirche. 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 43 4.1.4. Mädchenbildung Aus sittlichen Gründen hält Wessenberg bei der Erziehung die Trennung zwischen den Geschlechtern für notwendig. Entsprechend solle auch das Lehrpersonal bestellt sein. Die weibliche Bildung sei besonders in Hinblick auf die elementare häusliche Erziehung wichtig. Nur wenn die Mütter und in zweiter Reihe die Dienstmädchen eine Grundbildung erhalten haben, können sie fördernd auf die Kinder wirken. »Wie wenig vermag auch die beste Schule, wenn ihr die Mütter nicht liebreich vor- und mitarbeiten, indem sie die Kinder vor bösen Neigungen und Argwöhnungen bewahren, und ihnen die stets heitere Stimmung der Unschuld einflößen, die für die Lehren der Weisheit und Tugend und für jeden Unterricht ganz besonders empfänglich macht.« 181 Das Primärziel der Bildung der »zärtern Hälfte der Menschheit« 182 sei die Mädchen zu Hausfrauen, Müttern und Ehefrauen zu erziehen. 183 Wessenbergs eigene Prägung durch die Mutter war zwar nicht lang, aber wohl sehr intensiv. Bis zu ihrem Tod 1779 kümmerte sie sich zärtlich um die Kinder. Wessenberg würdigte besonders die reine Tugend, die schöne und sanfte Gesinnung und die aufopfernde Menschenliebe seiner Mutter 184 . Dieses Mutterbild diente ihm als Vorbild für eine erfolgreiche Mädchenbildung. Zu den Ausbildungsgegenständen solle Geschichte, Erziehungswesen, Moral und Philosophie zählen. Besonders in Schulen für Töchter aus höheren Gesellschaftsschichten, müsse man sich aber vor dem »Geist der Vielwisserei« 185 hüten. Der Besuch der Elementarschule und besonders der Lehrinstitute, die von katholischen Lehrfrauen 186 betreut werden, wird von Wessenberg empfohlen. 4.1.5. Wessenberg und Pestalozzi Der bekannteste Pädagoge, der Einfluss auf die Entwicklung von Wessenbergs Erziehungskonzept hatte, war Johann Heinrich Pestalozzi (1746 - 1827). Pestalozzis ganzheitliches Konzept sah eine 44 Wessenbergs Herzenskind Erziehung mit Kopf, Herz und Hand vor, die intellektuelle, sittlich-religiöse und handwerkliche Erziehung. Die geistigen und intellektuellen Kräfte der Kinder (Denken, Vorstellen, Gedächtnis und Wahrnehmung) sollen durch das Erfahren der Realität mit allen Sinnen entwickelt werden. Das Ziel der intellektuellen Bildung sei die Fähigkeit zum sachgerechten Urteil. Unter der Ausbildung der Herzenskräfte oder auch Gefühlskräfte versteht Pestalozzi die Formung der sittlich-religiösen Kräfte wie Glaube, Liebe, Gewissen und soziale Verantwortung. Die Ausbildung der physischen und handwerklichen Kräfte solle der Stärkung der Muskelkraft, der körperlichen Gewandtheit und spezifischen Fähigkeiten dienen. Er sah den Menschen als gutes Wesen an, lediglich die Gesellschaft sei verdorben. Entsprechend sollte die Fremdbestimmung der Kinder reduziert werden. Eine Elementarbildung in frühem Kindesalter, durch Lernen bei der Mutter (Mutterschule, Wohnstubenerziehung) wird in ihrer Wichtigkeit erkannt. In der Schule solle das ganzheitliche Lernen gefördert werden. Der Unterricht diene als Hilfe für die Schüler, sich selbst zu helfen. Dabei war Liebe für Pestalozzi das zentrale Element in der Entwicklung der Kinder. In dieser kurzen Charakteristik zeigt sich die Nähe zu Wessenbergs Erziehungskonzept. Ihm waren die theoretischen Ideen und das Modell der Armenschulen Pestalozzis gut bekannt. Er stand mit Pestalozzi in Briefwechsel und besuchte im November 1801 dessen Erziehungsanstalt in Burgdorf. 187 In der »Elementarbildung« stellt Wessenberg die prägende Bedeutung Pestalozzis für die Entwicklung seiner Gedanken zur Erziehung heraus, lobt dessen Scharfsinn und leuchtendes Vorbild. Im Briefwechsel zwischen Pestalozzi und Wessenberg zeigt sich die gegenseitige Wertschätzung. Pestalozzi würdigte im Besonderen die Toleranz Wessenbergs. 188 Auch im Briefwechsel mit dem Luzerner Stadtpfarrer Thaddäus Müller (1763 - 1826) wird diese Wertschätzung deutlich. Müller berichtet stets über die Entwicklungen in den Schweizer Erziehungsinstituten und übermittelt Wessenberg die neuesten Schriften Pestalozzis. 189 Müller und Wessenberg tauschen sich explizit über die Aufgabe der Klöster hinsichtlich der Volksbildung aus. Müller verfolgte den Gedanken mit den katholischen Kantonen den bildungs- 4. Pädagogisches Programm Wessenbergs 45 mäßigen Anschluss an die reformierten schweizerischen Kantone zu finden. 190 In Wessenbergs regem und freundschaftlichen Briefwechsel mit dem Schriftsteller, Politiker und Pädagogen Heinrich Zschokke 191 (1771 - 1848) tritt die ideelle Nähe zu Pestalozzi ebenfalls deutlich hervor. 192 Wessenberg ermunterte junge Geistliche aus seiner Diözese, die eine besondere Begabung für das Erziehungswesen hatten, die Lehrinstitute Pestalozzis in der Schweiz zu besuchen und sich dort nach Pestalozzis Methode fortzubilden. Mit Pestalozzi teilt Wessenberg die Auffassung, dass die Menschheit durch gesetzgeberische Maßnahmen und durch geeignete Erziehung gebessert werden könne. Er stimmt mit ihm überein, dass der Familie die größte Bedeutung für die Versittlichung der Verhältnisse zukommt. 193 Doch auch weitere Einflüsse finden sich in Wessenbergs pädagogischem Programm. Die Theorie der moralischen Erziehung bei Immanuel Kant (1724 - 1804) wirkt bei Wessenberg nach ebenso wie die Gedanken des Kant-Schülers Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814), der die Erziehung des ganzen Volkes propagierte. Fichte forderte die Erziehung zu Gemeinschaftsbewusstsein und zu eigenem Denken, durch ein planmäßiges Fortschreiten in der Bildungsentwicklung. Eine radikale Reform des Erziehungswesens lehnte Fichte ebenso wie Wessenberg ab. 194 Unbestreitbar ist auch der Einfluss von ästhetischen Gesichtspunkten auf die Pädagogik Wessenbergs, hier finden sich Spuren der »Weimarer Genies« Friedrich Schiller (1759 - 1805), Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) und Johann Gottfried Herder (1744 - 1803). 195 Schließlich fließen auch Motive des Neuhumanismus, wie die Orientierung an antiken Bildungszielen in Wessenbergs Pädagogik ein. Er fordert alte Sprachen zu lehren und betont die harmonische Ganzheitsbildung. »Heut zu Tag soll man die alten Sprachen und Klassiker nicht sowohl dazu lernen, um selbst darin schreiben zu können, als vielmehr um das Werkzeug seiner Muttersprache mit Geschmack und zweckmäßig in Rede und Schrift behandeln zu können.« 196 46 Wessenbergs Herzenskind Auch das Ideal »Mens sana in corpore sano« zeigt diese programmatische Nähe. Allerdings wendet Wessenberg die Neuhumanistischen Ideen in eine katholisch-kirchliche Richtung. 197 4.2. Zusammenfassung: Drei Säulen der Erziehung bei Wessenberg Wie die Ausführungen zum Erziehungskonzept Wessenbergs, das später im Konstanzer Rettungshaus praktische Anwendung fand, gezeigt haben, beruhte es auf drei Säulen: Kopf, Geist und Herz sowie Gesundheit. Die erste Säule der Erziehung, die geschlechtsspezifisch sein soll, ist die Schulbildung. Wessenberg forderte für alle Kinder eine Grund-Schulbildung, die das Ziel haben solle, die Kinder für eine spätere Dienststellung vorzubereiten. Die zweite Säule betrifft Geist und Herz, die mittels religiöser Unterrichtseinheiten und allgemeiner Vermittlung des Glaubens gefördert werden sollen. Die Erziehung solle stets im christlichen Sinn erfolgen. Für Wessenberg stehen Herz und Geist in Verbindung, für die Ausbildung beider sieht er ein familiäres Umfeld am besten geeignet, da die Basis für die Bildung in der häuslichen Erziehung gelegt wird. Wenn kein Familienleben möglich sei, so soll die Erziehung in Heimen in einer möglichst familienähnlichen Atmosphäre stattfinden. Um dies zu erreichen, sollen die Heime nicht zu groß sein. Die dritte Säule von Wessenbergs Konzept ist die Gesundheit. Bei der Erziehung soll diese bestmöglich gefördert und bewahrt werden. Hierzu legt er Wert auf eine ausgewogene und frische Ernährung, körperliche Betätigung und profunde Hygiene, was die Körperpflege aber auch die Haushaltsführung anbelangt. 5. Exkurs 1: Soziales Netz in Konstanz im 19.-Jahrhundert 47 5. Exkurs 1: Soziales Netz in Konstanz im 19.-Jahrhundert Als Wessenberg 1798 seinen Wohnsitz im Domherrenhof in Konstanz nahm, hatte die vorderösterreichische Landstadt gerade einmal 4.000 Einwohner 198 . Zirka 10 Prozent der nach wie vor ständisch geprägten Bevölkerung erhielt eine städtische Armenunterstützung. 199 Das soziale Netz der Stadt bestand aus verschiedenen Institutionen, die sich um arme und notleidende Bürger und Auswärtige, um die Kinder- und Jugendfürsorge sowie um die Förderung und Unterstützung sozialer Randgruppen kümmerten. 5.1. Armenfürsorge Die wichtigste und älteste Fürsorgeinstitution der Stadt war das Heilig-Geist-Spital, das sich seit 1225 als Pfründnerspital der Versorgung und Unterbringung von bedürftigen Bürgern annahm und sich als offene Fürsorgeeinrichtung um Arme, Kranke und Waise kümmerte. 200 Seit dem 13. Jahrhundert bestand eine enge personelle und politische Verflechtung zwischen Spitalverwaltung und Stadtgemeinde. 201 Die bürgerlichen Pfründner, klar getrennt in Herren-, Mittel- und Armenpfründner, mussten sich ihre Unterkunft im Spital entsprechend ihrer Mittel erkaufen. Die offene Armenfürsorge durch Almosenausgabe stand auch den Nicht-Bürgern, beziehungsweise den »unterbürgerlichen Schichten der Stadt« 202 offen. Neben dem Heilig-Geist-Spital kümmerten sich weitere städtische Ämter funktionsspezifisch differenziert 203 um die Armenpflege.Das Raiteamt 204 besorgte die Verwaltung des »Seelhauses« und nahm sich durchreisender Bedürftiger und Pilger an. Das »Seelhaus«, das auf die frühere Elendenherberge in Stadelhofen bei St. Jos und das aus der Pestzeit 1518/ 19 stammende Blatternkrankenhaus zurückging 205 , bot auch eine Unterkunft für Findelkinder und nicht-bürgerliche Waisenkinder. 48 Wessenbergs Herzenskind Das Hofstattamt kümmerte sich nach der Bezeichnung von 1765 um »eingebürgerte Arme« 206 . Ursprünglich war seine Aufgabe die Unterbringung und Pflege nicht sesshafter Aussätziger, die Vorgängeranstalt war das Siechenhaus vor den Stadttoren. Im 18. Jahrhundert wandelte sich das Hofstattamt zu einer Einrichtung der offenen Armenfürsorge für fremde und einheimische Bedürftige. 207 Das Tannenamt besaß ursprünglich eine ähnliche Funktion wie das Hofstattamt, es war ebenfalls ursprünglich ein Leprosenhaus. Seit dem 18. Jahrhundert beschränkte es seine Tätigkeit jedoch auf die Vergabe von Almosen an bedürftige Konstanzer Bürger. Eine Sonderstellung in der Fürsorgelandschaft von Konstanz hatte die St. Nicolai-Stiftung, die Teil der städtischen Fürsorgeverwaltung, aber als korporativer Zusammenschluss freiwilliger Mitglieder der Bruderschaft, kultisch-religiös verwurzelt war. Die Bruderschaftsmitglieder vergaben laut Statuten Almosen an »Kindbetterinnen«, bettlägerige Kranke und Gebrechliche und übernahmen die Kosten für kultisch-religiöse Aufgaben wie Jahrtagsmessen oder Beerdingungsbeteiligungen. 208 Das städtische Fürsorgewesen unterlag kontinuierlichen Anpassungen an die jeweiligen sozialpolitischen Forderungen der Landesregierungen - wie Bettelverbote und Forderungen nach repressiver Armutsbekämpfung. Doch behielt es den ursprünglichen bürgerlichen Stiftungsgedanken und die für das Spital wesentliche Verwaltungsstruktur bei. Eine strukturelle Neuerung bei der Spitalstiftung erfolgte mit dem Erlass des Großherzoglichen Badischen Innenministeriums vom 17. Dezember 1810. Sämtliche milde Stiftungen und Anstalten der Stadt sollten mit der Spitalstiftung vereint werden. Dies betraf das Raite-, Hoftstatt- und Tannenamt ebenso wie die St. Nikolai- Stiftung und das städtische Armeninstitut. 209 Das »Armeninstitut« war 1789 gegründet worden, wurde über einen ehemaligen österreichischen Jesuitenfond finanziert und war dem Raiteamt unterstellt. 210 Die Krankenversorgung der Stadt wurde stationär vom Spital getragen. Für ambulante Behandlungen sorgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei Chirurgen und zwei Ärzte, die ein geringes Grundgehalt von der Stadt bezogen. Von wohlhabenden Bürgern 5. Exkurs 1: Soziales Netz in Konstanz im 19.-Jahrhundert 49 verlangten sie zusätzlich ein Honorar, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können. 211 Weitere Ärzte kamen in den 1830er Jahren dazu, sodass nunmehr acht Ärzte 212 die Gesundheitsversorgung der Stadt trugen. In prekären Notsituationen, wie bei den Hungersnöten 1816/ 17 und 1846/ 47 bildeten sich in Konstanz neben den Spitalstiftungen städtische Hilfsvereine, die unpolitisch Wohltätigkeit betrieben. Wohlhabende und angesehene Bürger schlossen sich in Vereinen zusammen, um den Notleidenden zu helfen. Sie gaben Nahrungsmittel aus, betrieben Suppenküchen, boten Arbeitsgelegenheiten an oder richteten Wohltätigkeitsveranstaltungen aus. Unterstützung fanden die Hilfsvereine beim städtischen Frauenverein und bei der Spitalverwaltung. 213 5.2. Kinderfürsorge Das Spital in Konstanz übernahm, wie bereits angemerkt, auch die Versorgung, Unterbringung und Erziehung von Waisenkindern und Kindern, deren Familien in Not geraten waren. Die Kinder wohnten bei den Armen-Pfründnern und waren diesen rechtlich gleichgestellt. Sie erhielten eine Schulbildung und sollten für eine spätere Berufsausübung vorbereitet werden. Die Jungen gingen auf die öffentlichen Elementarschulen der Stadt, konnten auch eine höhere Bildung anstreben und erlernten meist ein Handwerk. Die Bildung der Mädchen war weniger ausgeprägt, neben Lesen und Schreiben erlernten sie die typischen Hausarbeitsformen für Frauen. 214 Neben Waisen- und Findelkindern wurden auch Kinder aus Konstanzer Familien, die zeitweise große Not litten, im Spital aufgenommen. Bis die akute Notsituation überstanden war, konnten die Kinder in die Fürsorge der Spitalstiftung gegeben werden. 215 50 Wessenbergs Herzenskind 5.3. Schulen Im Jahr 1774 war das Konstanzer Schulwesen 216 von der Landesregierung reformiert worden, wobei das Schulgeld abgeschafft, die Besoldung der Lehrer über städtische Finanzen gesichert und ein neuer Lehrplan 217 , inklusive erforderlicher Weiterbildung des Lehrpersonals, eingeführt wurde. Die Elementarbildung fand in einer neuen deutschen Normalschule mit vier Klassen für Jungen, die die drei Vorgängerschulen ersetzte, statt. Der Elementarunterricht der Mädchen wurde von den Dominikanerinnen des Klosters Zoffingen übernommen. Eine höhere Schulbildung erhielten die Jungen im Gymnasium. Auch wenn die offizielle Aufwertung als landesfürstliches Lyzeum einen Ausbau des Lehrplans bedeutete, blieb auch nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 die höhere Schulbildung in Konstanz in den Händen der nunmehr Ex-Jesuiten. 218 Das Lehrerkollegium wurde nach und nach durch Geistliche anderer Orden und weltliche Professoren ergänzt und ersetzt. 219 Als reichsstädtisches Relikt aus der Reformationszeit hatte sich die Lateinschule in Konstanz noch gegen das Jesuitengymnasium behaupten können, sie wurde jedoch 1774 geschlossen. 220 Bei der höheren Schulbildung für Mädchen von 8 bis 16 Jahren konkurrierten ab 1859 zwei Schulen miteinander. Eine überkonfessionelle Einrichtung und eine katholische »Höhere Töchterschule«. Ein neues Schulgesetz aus dem Jahr 1868 veranlasste die Abschaffung der Konfessionsschulen und führte neue Lehrmittel ein. Mit der Friedrich-Luisen-Schule wurde 1869 eine höhere Mädchenschule am Stephansplatz eingerichtet, die 1876 um weitere zwei untere Klassen erweitert werden konnte. Die sogenannte Höhere Töchterschule existierte ab 1877 als selbständige Lehranstalt in Konstanz. Die Nachfolge dieser Schule trat das heutige Ellenrieder- Gymnasium an. 5. Exkurs 1: Soziales Netz in Konstanz im 19.-Jahrhundert 51 5.4. Frauenvereine Mitte des 19. Jahrhunderts lagen auch in Konstanz das soziale Engagement und die Sorge um sozial Benachteiligte in den Händen der Frauenvereine. Der Frauenverein Konstanz wurde 1859 221 als Zweigverein des im gleichen Jahr konstituierten Badischen Frauenvereins gegründet. In den Anfangsjahren stand die Sorge für Kriegsbetroffene und die Unterstützung armer und kranker Menschen im Mittelpunkt. Besonders wurde auf die Unterstützung derjenigen Bedürftigen geachtet, die nicht durch den Spitalfond Hilfe erhielten. 222 Bereits zuvor gab es einen Frauenverein in Konstanz, der im Jahr 1836 in der Brückengasse 12 eine Kleinkinderbewahranstalt gegründet hatte. 223 Dieser erste Kindergarten der Stadt wurde über Schenkungen und Spenden - unter anderem auch von Wessenberg -, städtische Mittel und die Spitalstiftung finanziert. 224 Hier wurden nach dem »Fröbel’schen Prinzip« 225 zweibis sechsjährige Kinder betreut, »deren Eltern ihrer Gewerbs- oder anderer Verhältnisse halber oft von Haus abwesend sein müssen oder sonst nicht die gehörige Aufsicht und Abwartung besorgen können.« 226 Zur Aufgabe solcher Kleinkinderschule schrieb Wessenberg: »Es ist hier weniger um einen eigentlichen Unterricht, als darum zu thun, an den Kindern das, was ihr Gemüth verletzen, ihre erste Bildung verderben kann, abzuhalten, ihnen Schutz gegen physische und moralische Verderbnisse zu gewähren, sie zu einem geordneten Benehmen zu gewöhnen und ihnen Sinn für Sitte und Reinlichkeit einzuflößen.« 227 Die staatliche Genehmigung der Konstanzer Kleinkinderbewahranstalt erfolgte erst 1861. Im Jahr 1874 folgte der Umzug in die Schottenstraße 6/ 8. Der erste Kindergarten in Petershausen sollte erst im Jahr 1905 in der Markgrafenstraße 8 eröffnet werden. 228 Bereits 1868 war eine Dienstbotenanstalt gegründet worden, in der sich der Dienstbotenverein um die Ausbildung und Vermittlung von weiblichen Dienstboten kümmerte. Auch die Altersversorgung der ehemaligen Dienstmädchen wurde über den Verein gesichert. Ab 1880 übernahmen die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen 52 Wessenbergs Herzenskind Vinzenz von Paul die Leitung und die Versorgungsanstalt wurde 1882 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Dienstbotenanstalt zog 1891 in die Wallgutstraße, das Gebäude wurde als St. Marienhaus bekannt. Unter Leitung des Frauenvereins Konstanz wurde ab 1897 ein Mädchenheim in der Neugasse 27 geführt. Hier fanden Dienstmädchen, die auf Stellensuche waren zeitweise, meist bis zu vier Tage lang, Unterkunft. Aufgrund starker Wohnungsnot wurde das Heim 1919 anderweitig vermietet. Zwei Jahre später konnte in der Hussenstraße, im Gebäude des »Badischen Hofs« wieder ein entsprechendes Heim eröffnet werden, welches bis ins Jahr 1938 Dienstmädchen ohne Wohnsitz beherbergte. 229 Ab 1908 ist der Sozialdienst katholischer Frauen in Konstanz tätig. 230 Die ehrenamtlich engagierten Frauen übernahmen rasch die Hoheit in der Fürsorge für Frauen und Kinder. 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 53 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 231 Wessenberg empfand eine starke Verantwortung für arme und verwahrloste Kinder, denen er als Menschenfreund Hilfe und Rettung zukommen lassen wollte. Hierfür trat er bei der Gründung des »Vereins zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden« ein und realisierte sein Projekt der Rettungsanstalt in Konstanz. 6.1. Badischer Rettungsverein für sittlich verwahrloste Kinder »Unter den vielen segensreichen Anstalten Badens […] fehlen dennoch solche, deren Aufgabe es wäre, arme verwahrloste und verwaiste Kinder von augenscheinlicher Entartung und Verwilderung zu retten, und sie zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft zu bilden. Eine auf Religiosität und Sittlichkeit gebaute Erziehung der Jugend ist die nothwendigste, die sicherste Grundlage für die Wohlfahrt und die Ruhe des Staates; aber soviel auch in früherer und neuerer Zeit für das Schul- und Erziehungswesen geschehen ist, so bleibt es dennoch ein durch die gegenwärtigen Zeitverhältnisse dringend gefordertes Bedürfniß, daß zur Rettung solcher Kinder, welche in Verhältnissen sind, in denen sie ihrem leiblichen, geistigen und sittlichen Verderben entgegengehen, um späterhin dem Staate als Müssiggänger und Bettler, oder wohl gar als Verbrecher, zur Last zu fallen, besondere Erziehungs-Anstalten gegründet werden.« 232 So schildert der Karlsruher »Zentralverein für die Rettung sittlich verwahrloster Kinder« in seinem Gründungsmanifest sein Anliegen. Anlässlich der offiziellen Gründungsveranstaltung am 29. August 1833 rief der Verein zu Menschenfreundlichkeit und christlichem Handeln auf. Darin wurde er maßgeblich von Ignaz Heinrich von Wessenberg unterstützt, der Berater, Mitbegründer und in gewisser Weise geistiger Vater der Initiative war. 54 Wessenbergs Herzenskind Nach der Definition des Zentralvereins galten Kinder als sittlich verwahrlost, die nicht bloß leichtsinnig oder unbesonnen schienen, sondern die, in zumeist böser Absicht, Ungehorsam zeigten oder in schwierigen familiären Umständen lebten. Vorangegangene Besserungs- und Erziehungsversuche durch Eltern, Angehörige oder andere Vormünder waren bereits gescheitert. Eine eigenständige Besserung sei kaum zu erwarten und in manchen Fällen hatten bereits die öffentlichen Behörden eingegriffen. Diese Kinder sollten vor der völligen Verwahrlosung gerettet werden. Sie sollten nicht unter fünf und nicht über 14 Jahre alt sein 233 und mussten die badische Staatsangehörigkeit besitzen. Sie durften nicht an ansteckenden oder unheilbaren Krankheiten leiden und mussten Nachweise über Geburt, Herkunft und Impfstatus erbringen. Für die Aufnahme in ein Rettungshaus musste die Heimatgemeinde ein sogenanntes Armutszeugnis ausstellen, damit die Kostenübernahme geregelt werden konnte. 234 Die Aufnahmevoraussetzungen wurden streng kontrolliert. Für jedes Kind musste ein Erkundigungsformular von der Heimatgemeinde oder dem Heimatpfarrer beantwortet werden, das alle Informationen zur Herkunft und Vorgeschichte beinhaltete. Mit den Vertretern der Kinder, meist dem zuständigen Amt der Heimatgemeinde, wurde ein Verpflegungsvertrag abgeschlossen, in dem die Kosten für die Unterbringung festgesetzt wurden. 235 Das Kernanliegen des Vereins war der Aufruf zu privaten Spenden, um neue Anstalten zu gründen. Dabei konnten potentielle Spender, die vorwiegend bürgerlichen und aristokratischen Gesellschaftsschichten zuzuordnen waren 236 , einmalige Beträge anweisen oder auch den Unterhalt der Heime mit einer jährlichen Geldspende unterstützen. Damit verknüpft war die Hoffnung, dass einer privaten Anschubfinanzierung staatliche Mittel folgen würden. Die Finanzierungsaktion des Zentralvereins lief schleppend an, die Spendenfreudigkeit der Bürger fiel geringer aus als erwartet. In Konstanz verlief der Aufruf zur Finanzierung der Rettungshäuser unter der direkten Federführung von Wessenberg. Er selbst ging mit gutem und großzügigem Beispiel voran und stiftete den einmaligen Betrag von 300 Gulden. Zudem gab er eine Anweisung für einen jährlichen Betrag von 22 Gulden, den er später mehrfach erhöhte. Seine Bemühungen, vor Ort Geldgeber zu finden, waren 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 55 nicht immer von Erfolg gekrönt. Doch konnte er insgesamt 1.068 Gulden an den Zentralverein weiterleiten, was im Landesvergleich eine erhebliche Summe war. Im ersten Jahr des Spendenaufrufs kamen aus dem ganzen Land Baden insgesamt 2.848 Gulden zusammen - ein bei weitem nicht ausreichender Betrag. 237 Es folgten erneute Aufrufe und Denkschriften aus der Feder Wessenbergs. Mit der Denkschrift vom 1. Juli 1834 legte er einen Entwurf für eine Rettungsanstalt vor. Diese Denkschrift 238 ist die konsequente Umsetzung der theoretisch-pädagogischen Überlegungen und Forderungen Wessenbergs. Zentrales Element, auf dem die Notwendigkeit eines Rettungshauses beruht, ist die fehlerhafte oder ganz fehlende häusliche Erziehung. In ihr sieht Wessenberg die Grundlage jeglicher Erziehung und Bildung. Können Familien diese Erziehung nicht leisten, ist es Aufgabe des Staates mittels Fürsorge einzugreifen, um schädliche Entwicklungen bei den Kindern zu verhindern. Für diese Erziehungsfürsorge sieht Wessenberg zwei mögliche Varianten: »[…] entweder werden die Kinder solchen Eltern, deren Rechtschaffenheit erprobt ist, gegen ein Kostgeld zur Erziehung ins Haus gegeben, oder sie werden in eigenen Erziehungs-(Waisen-)häusern aufgenommen.« 239 Die Unterbringung der Kinder bei Pflegeeltern sei besser, da sie dort tatsächlich eine häusliche Erziehung erhalten können. In Ergänzung sollten die noch nicht schulpflichtigen Kinder in Kleinkinderschulen, wenn es solche am Ort gibt, gegeben werden. Allerdings weist er auch darauf hin, dass es schwierig sei, geeignete Familien zu finden. Nicht für alle Kinder hält er diese Unterbringungsvariante für die optimale Lösung. Bei der Unterbringung in öffentlichen Erziehungshäusern sei darauf Wert zu legen, dass die Heime nicht zu groß seien, um einer häuslichen Erziehung so nah wie möglich zu kommen. Das dort verfolgte Ziel sei, genau wie Wessenberg es in seinen theoretischen Überlegungen zur Erziehung ausgearbeitet hat: 56 Wessenbergs Herzenskind »die Kinder durch sittlich-religiöse, intellektuelle und körperliche Bildung in den Stand zu setzen, ihren künftigen Lebensunterhalt auf eine ehrliche Weise zu verdienen, ohne der bürgerlichen Gesellschaft zur Last zu fallen.« 240 Der »zweckmäßige Unterricht« 241 solle in Elementarschulen und anschließend in Real-Schulen oder für Mädchen in Fachschulen stattfinden. Eine ganzheitliche Erziehung müsse die Selbständigkeit fördern, zur häuslichen Arbeit und Gartenarbeit ausbilden und Wert legen auf religiöse Bildung und Reinlichkeit. In seinem Erziehungsentwurf geht Wessenberg soweit ins Detail, dass er vorgibt, wie die Zimmerreinigung und -lüftung zu erfolgen habe und wie oft die Zöglinge ihre Füße zu waschen haben. Letzteres sollte mindestens einmal in der Woche geschehen. Zu fördern sei auch die körperliche Betätigung mit Leibesübungen und Betätigungen an der frischen Luft. 242 Entsprechend seiner theoretischen Erziehungsgedanken wünscht Wessenberg, dass bei der Entlassung aus dem Heim den Kindern eine »Bibel, Gesangbuch, und eine kurze, gedruckte, Geist und Herz ansprechende Anleitung für ihr künftiges Leben mitgegeben« 243 werde. Exakt diese Bücher forderte er für jeden Haushalt, um damit die Bildung auch nach der Schulzeit verfolgen zu können. 244 Für das Personal der Heime legt Wessenberg dieselben Maßstäbe an, wie für Erzieher und Lehrer allgemein. Sie sollen sachlich ausgebildet sein und ihre Persönlichkeit müsse tadellos sein. Eine gute Entlohnung hält er für wichtig. 245 Die Mädchenbildung solle, seiner theoretischen Forderung folgend, wenn möglich in die Hände von »frommen Frauen« 246 gelegt werden. Wessenberg mahnte jedoch an, dass die Rettungsanstalten in Baden erst eingerichtet werden sollten, wenn deren Finanzierung gesichert sei. 247 Dieser Forderung folgend, sollte es auch in Konstanz noch 21 Jahre dauern, bis die ersten Zöglinge das Heim bezogen. Die Denkschrift ist das grundlegende Konzept, das später in der Rettungsanstalt in Konstanz umgesetzt wird. Im Karlsruher Zentralverein wurden neue Wege eingeschlagen, wie die Gründung von Ortsvereinen, in denen sich lokale Mitglieder um regelmäßige Finanzierungshilfen bemühten. Auch Großherzog Leopold von Baden (1790 - 1852) und Großherzogin So- 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 57 phie 248 (1801 - 1865) konnten als Freunde und Förderer des Vereins gewonnen werden. 249 6.2. Umsetzung der Pläne in Konstanz Der Konstanzer Ortsverein bildete sich im Sommer 1834. Zwar noch nicht als rechtskräftiger und konstituierter Verein, aber doch als Zusammenschluss von bekannten Konstanzer Bürgern. Ihm gehörte ab September 1834 neben Wessenberg selbst und dem Bürgermeister Karl Hüetlin (1806 - 1861), einem Vertrauten Wessenbergs, der Kaufmann und Stadtrat Karl Delisle (1801 - 1866) an. Auch der Medizinalrat Dr. Johann Nepomuk Sauter (1766 - 1840), der sich nachdrücklich für Impfungen einsetzte, war Mitglied des Ortsvereins. 250 Nachdem am 13. Juli 1836 251 der »Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden« offiziell anerkannte Statuten 252 erhalten hatte, wurden auf seine Weisung hin auch die Ortsvereine aktiv. Wie zuvor bereits durch den Ortsverein Rheinbischofsheim, nahm auch der Konstanzer Ortsverein zwei Kinder auf und betreute sie entsprechend den Vorgaben des Zentralvereins in Privatfamilien. 253 Damit sollte den Geldgebern ein Zeichen gegeben werden, dass der Verein die Spenden, wenn auch noch nicht in Rettungshäusern, so doch für die soziale Arbeit tatsächlich einsetzte. In Konstanz nahm der Kübler Anton Braun zwei Jungen in die Obhut seiner Familie auf. Anton Braun, der Vorstand des Zunftvereins der Drechsler, Kübler, Schreiner, Uhrmacher, Schiffbauer, Wagner und Zimmerleute war, zeigte mit der Bereitschaft, Pflegekinder aufzunehmen, ein in Konstanz zu dieser Zeit einzigartiges Engagement. Am 16. Januar 1836 übernahm der Verein die Fürsorge für Joseph B., wegen »offenbarer Gefahr sittlichen Verderbens«. Laut Jahresbericht 1838 des Zentralvereins 254 war »sein Betragen bei ihnen [der Pflegefamilie] und in der Volksschule […] bisher der Art, daß es zur Hoffnung auf seine sittliche Rettung berechtigt«. Im darauffolgenden Jahresbericht 255 heißt es, sein Betragen sei tadellos. Mit fünf- 58 Wessenbergs Herzenskind zehn Jahren trat Joseph eine Lehre bei dem Konstanzer Schneidermeister Johann Nepomuk Böhler an. 256 Herrman S. war zwei Jahre älter und stammte ebenfalls aus Konstanz. Der Verein übernahm die Fürsorge für ihn, »wegen seines in jeder Beziehung verwahrlosten Zustandes«. 257 Herrman kam am 11. Februar 1836 in die Obhut der Familie Braun. Über sein Betragen in der Schule und in der Familie wird im genannten Karlsruher Bericht ebenfalls positiv geurteilt. Im Mai 1839 wurde Herrman als »völlig gebessert« 258 aus der Obhut entlassen und begann eine Lehre bei der Schusterfamilie Müller in Konstanz. Seine Lehrzeit endete im Juli 1842, woraufhin er als Schustergeselle tätig war. 259 Ein weiterer Junge, Ludwig B. aus Konstanz, wurde am 23. April 1837 vom Konstanzer Rettungsverein aufgenommen und fand in Langenrain am Überlinger See bei dem örtlichen Lehrer Maier eine Unterkunft. Der Vierzehnjährige sei »dem Gassenbettel und Diebstahl ergeben, ließ sich zu Einladungen für sittenlosen Umgang gebrauchen, und ward selbst lasterhaft« 260 . Auch ihm wurde Besserung attestiert. Jedoch findet sich der Vermerk, dass Ludwig bis 1839 in der Fürsorge des Vereins bleiben solle. Im Mai 1839 wurde er aus der Obhut des Schullehrers entlassen und nahm eine Lehre als Büchsenschmied bei Büchsenmacher Sulger in Langenrain auf. Über seine Entwicklung vermerkt der Zentralverein 1839: »Wenn man auch nicht in vollem Maße die erfreuliche Überzeugung haben kann, dass dieser erst spät der Obsorge des Vereins unterstellte Knabe seiner verderblichen Richtung gänzlich und in dauernder Weise entrissen, so darf man doch mit Beruhigung aussprechen, daß derselbe in vieler Beziehung gebessert seye. Seine Neigung zum Bettel und Diebstahl ist mit Nachdruck bekämpft worden und unterdrückt, von seiner Neigung zur Unzucht ist keine Spur mehr vorhanden; er ist an Sittsamkeit, Fleiß, Ordnungsliebe und Gehorsam durch gutes Beispiel gewöhnt; sein Äußeres ist reinlich, frisch und gesund. Wir dürfen hoffen, dass er nicht rückfällig werde.« 261 Im Jahresbericht von 1840 findet sich allerdings der Hinweis: »allein im vorigen Jahr noch ließ er sich die Entwendung eines Geldbeutels […] zu Schulden kommen, und wurde desfalls mit Gefängnis bestraft.« 262 Noch hofften der Ortsverein und der Zentralverein, dass 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 59 Ludwig sich bessern würde. Diese Hoffnung wurde allerdings enttäuscht. Ludwig wurde 1840 wegen dreifachen Diebstahls in Haft genommen. 6.3. Heimgründungen in Baden Die Unterbringung in Privathäusern war schwierig. Es ließen sich kaum geeignete Pflegefamilien finden. Außerdem verfolgte der Zentralverein nach wie vor das Ziel, die Fürsorgezöglinge in Rettungshäusern unterzubringen. Das erste dieser Rettungshäuser konnte am 3. Dezember 1837 in Durlach 263 bei Karlsruhe eröffnet werden. 264 Anderen Orts ergriffene Initiativen zur Gründung von Rettungshäusern wollte der Zentralverein allerdings nicht verfolgen. Ein Entwurf und entsprechende Planungen des Grenzacher Pfarrers Wilhelm Friedrich Rink (1793 - 1854), ein Heim für verwahrloste Kinder beiderlei Geschlechts im Wasserschloss in Inzlingen bei Lörrach einzurichten, verwarf der Zentralverein beinahe kommentarlos. 265 Auch in Konstanz wurden die Pläne konkretisiert, ein Heim zu betreiben. Der Zentralverein in Karlsruhe forderte die Stadt Konstanz dazu auf, entsprechende Gutachten zu erstellen, wo und mit welchem finanziellen Aufwand ein geeignetes Haus gebaut oder bezogen werden könnte. 266 Die Entscheidung für den Standort Konstanz war sicher in Zusammenhang mit der Person Wessenbergs gefallen, der als geistiger Vater der Initiative zur Rettung der verwahrlosten Kinder gelten kann. Außerdem hatte der Ortsverein die höchste Spendensumme gesammelt. 267 Dennoch schienen die Pläne für eine Anstalt in Konstanz in weite Ferne gerückt zu sein, nachdem das Haus in Durlach die knappen Mittel des Vereins weitgehend erschöpft hatte. Die Errichtung eines zweiten Heims war kaum zu erwarten. In einem ersten Kostenvoranschlag 268 aus Konstanz wurden die Kosten für die Einrichtung und den Unterhalt eines Heims auf 2.600 Gulden beziffert: Ein Betrag, der ohne staatliche Bezuschussung und weitere private Zuwendungen kaum aufzubringen war. Mit diesem An- 60 Wessenbergs Herzenskind liegen wandte sich Wessenberg an die Bezirksämter von Radolfzell, Überlingen und Meersburg sowie an Stockach, Engen und Villingen, an die Erzbischöflichen Dekanate des Seekreises und an den Fürsten Karl Egon II. von Fürstenberg (1796 - 1854) - mit mäßigem Erfolg. 269 Die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung wurde meist an die Bedingung geknüpft, dass die Mittel direkt den hilfsbedürftigen Kindern vor Ort zu Gute kommen und nicht an den Zentralverein nach Karlsruhe fließen sollten. Auch die Suche nach einem geeigneten Gebäude im Seekreis gestaltete sich schwierig und zeitintensiv. Wessenberg persönlich nahm sich des Vorschlags an, ein neues Gebäude auf einem Bauplatz in Konstanz zu errichten und erteilte dem Stadtbaumeister Dr. Anton Bruckmann den Auftrag entsprechende Pläne und einen Kostenvoranschlag auszuarbeiten. 270 Der Zentralverein scheute jedoch die Kosten und den Zeitaufwand und wollte den Plänen, zunächst ein Mädchenheim im ehemaligen Kloster von Neudingen einzurichten, den Vorzug geben. Die Einrichtung könne dann zu einem späteren Zeitpunkt nach Konstanz verlegt werden. 271 Im Frühjahr 1844 wendete sich das Blatt. Eine Stiftung des Fürsten Karl Egon II. von Fürstenberg 272 bescherte dem Zentralverein einen beachtlichen Geldbetrag: Mit 6.000 Gulden 273 sicherte er die Finanzierung der Anstalt in Neudingen 274 , den Mariahof, was die Kasse des Zentralvereins merklich entlastete. Der Mariahof wurde am 23. Oktober 1843 gegründet und war bis zu einem Großbrand 1852 im ehemaligen Zisterzienserkloster in Neudingen (bei Donaueschingen) untergebracht. Nach der Zerstörung des alten Gebäudes zog das Heim nach Hüfingen, in das ehemalige Zucht- und Arbeitshaus. Unter Leitung des Diözesancaritasverbands 275 bezog das Heim 1969 neuerrichtete Gebäude. Die Jugendhilfeeinrichtung Mariahof versteht sich heute »als Stätte heilpädagogischen Wirkens und als Partner der Kinder beim gemeinsamen Erziehungsauftrag mit der Herkunftsfamilie. Dabei stehen wir immer in direktem Bezug mit der öffentlichen Jugendhilfe. In der täglichen Praxis bedeutet das die Anwendung fortschrittlicher pädagogischer und psychologischer Erkenntnisse und Methoden, die alle ein Ziel haben: die Bewältigung individueller Lebenslagen junger Menschen und ihre Wiedereingliederung in die Familie.« 276 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 61 Die Pläne für eine Konstanzer Anstalt konnten 1844 noch immer nicht realisiert werden. Bau- und Finanzierungsgutachten wurden zwischen Konstanz und Karlsruhe hin und her geschickt. Der Austausch und die Zusammenarbeit gestalteten sich schwierig. Sowohl Durlach als auch der Mariahof waren für Jungen konzipiert 277 , somit forderte der Zentralverein von Konstanz eine Anstalt für Mädchen. 278 6.4. Das Rettungshaus in Konstanz Die Konstanzer Aktivitäten nahmen im Mai 1846 Konturen an. Wessenberg stellte bei der Stadt einen Antrag 279 zur Überlassung eines Grundstücks am Stadtrand in der sogenannten Kreuzlinger Vorstadt. In der zweiten Hälfte der 1830er Jahre waren Teile der Stadtmauer und mehrerer Tore abgerissen worden, die nach der Neuregelung der Zollgrenzlinie überflüssig geworden waren. Dadurch entstanden an der Grenze zur Schweiz neue Baugrundstücke. Lageplan (StaatsAFr A96/ 1 Nr. 2767). Ursprünglich sollte die Anstalt auf dem ehemaligen Gelände des städtischen Werkhofs errichtet werden. Der Baugrund dort bot ausreichend Platz für die Gebäude und für kleine Landwirtschaftsflächen sowie für die Viehhaltung. Nach den neuen Planungen für ein 62 Wessenbergs Herzenskind Mädchenheim erschien der Bauplatz jedoch zu groß, das Konzept der Erziehung weiblicher Zöglinge sah andere Aufgaben vor. 280 Die landwirtschaftliche Arbeit stand nicht im Mittelpunkt, vielmehr sollte Haushaltung und Familienpflege vermittelt werden. Durch die Unterstützung des Bürgermeisters Karl Hüetlin, erreichte Wessenberg eine unentgeltliche Überlassung des gewünschten Grundstücks 281 an der Schweizer Grenze, der heutigen Schwedenschanze. Die neuen Baupläne überstiegen jedoch die Finanzmöglichkeiten des Zentralvereins. Wiederum ergriff Wessenberg die Initiative und nutzte seine Reputation in den Kammern des Badischen Landtags. Als ehemaliges Mitglied der 1. Kammer, der er bis 1833 angehört hatte, war er bereits mehrfach für die Förderung des badischen Erziehungswesens tätig geworden. Die Ständeversammlung genehmigte schließlich einen einmaligen Zuschuss von 7.000 Gulden für den Bau einer Rettungsanstalt für Mädchen in Konstanz. 282 Kaum waren die finanziellen Hürden genommen, taten sich die nächsten Probleme auf. Wegen der Umwidmung von einer Jungenin eine Mädchenanstalt, musste auch das Lehr- und Betreuungspersonal entsprechend bestellt werden. 283 Der Wunsch Wessenbergs, in dem er auch vom Zentralverein und der Stadt Konstanz unterstützt wurde, war es, zwei Lehrfrauen des Klosters Zoffingen für die Leitung des Heims zu gewinnen. Doch trotz ministerieller Unterstützung verweigerte die Klosterführung die Freistellung von zwei Nonnen, die sich bereits zur Mitarbeit bereit erklärt hatten. Die Gründe für dieses starre und feindliche Entgegentreten des Klosters Zoffingen liegen in der kirchlichen Vergangenheit Wessenbergs. 284 Nach wie vor schienen ihn stark Rom-orientierte Kreise als eine Gefahr anzusehen und versuchten jegliche Zusammenarbeit mit ihm zu verhindern. Während dieser Schwierigkeiten, Lehrpersonal für das Mädchenheim zu finden, taten sich erneut finanzielle Probleme auf. 285 Die Eröffnung der Anstalt verzögerte sich wiederum und es kamen Zweifel auf, ob das Projekt je realisiert werden könnte. Das Gebäude, eine zweistöckige Villa umgeben von einem weitläufigen Gelände, wurde vertragsgerecht im Herbst 1848 von Baumeister Hermann Gagg, der im Dienst der Spitalstiftung stand, fertig gestellt. 286 Doch fehlten die Mittel für die Einrichtung und 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 63 das Betriebskapital, um einen Heimbetrieb zu tragen. Erneut half Wessenberg mit einer Spende weiter 287 und so konnte unter anderem eine Wasserleitung für den späteren Brunnen gelegt werden. Für die Kosten der Einrichtung und den Unterhalt konnte er jedoch nicht aufkommen. Damit die Immobilie nicht ungenutzt blieb, entschied sich der Ortsverein, die Räumlichkeiten zu vermieten, um so zumindest geringe Einnahmen zu erzielen. Ab April 1849 bewohnte der Buchhalter Friedrich Hünnerkopf mit seiner Familie die untere Etage. Er war laut Mietvertrag für die »Aufsicht über das Anwesen« und die Gebäudereinigung zuständig. Im Gegenzug betrug die monatliche Miete lediglich 2,5 Gulden. 288 Für den örtlichen Hilfsverein, für Wessenberg persönlich und für die zahlreichen Förderer, die regelmäßige und einmalige Spenden für das Projekt gegeben hatten, war der Zustand nicht befriedigend. Dem Konstanzer Ortsverein war es ein Bedürfnis, das Gebäude bald möglichst dem eigentlichen Zweck zuzuführen. Nach mehreren Anträgen, die Wessenberg und der Zentralverein in den Kammern des Landtags gestellt hatten, konnte Anfang 1852 ein Erfolg verbucht werden. Ein staatlicher Zuschuss wurde gewährt, der die Inbetriebnahme des Konstanzer Hauses ermöglichen sollte. 289 Auch die Finanzen des Zentralvereins besserten sich, nachdem er eine namhafte Stiftung (über 17.000 Gulden) aus dem Nachlass des Arztes Dr. Zeller aus Lörrach erhalten hatte. 290 Der Karlsruher Verein war nun in der Lage einen jährlichen Zuschuss von 2.000 Gulden in Aussicht zu stellen. 291 Doch noch immer konnte das Heim nicht in Betrieb genommen werden, da sich nach Ansicht des Konstanzer Ortsvereins mit 2.000 Gulden der Unterhalt nicht bestreiten ließe. Vielmehr rechnete man mit einem jährlichen Bedarf von 4.000 bis 5.000 Gulden. 292 Ein langer und heftig geführter Disput mit dem Zentralverein setzte ein. Wessenberg wollte darin von seiner idealistischen Vorstellung nicht abrücken, und die Karlsruher wollten ihre an der Realität orientierten Vorgaben durchsetzen. 293 6.4.1. Erstes Personal Im Frühjahr 1854 wurden Verträge mit den ersten Lehr- und Aufseherinnen geschlossen. Antonia Pellissier, Witwe und Schwägerin 64 Wessenbergs Herzenskind des Stadtpfarrers Adam Pellissier (1807 - 1889) aus Mannheim, wurde als erste Vorsteherin verpflichtet. 294 Pfarrer Pellissier war tragende Kraft einer »Waisen- und Rettungsanstalt für herumstreunende Mädchen« in Käfertal bei Mannheim, die bereits 1851 gegründet wurde. Der Vorsteherin zur Seite standen Louise Klar aus Freiburg als Lehrerin und Juliana Bergmann aus Zunsweier als Köchin und Wirtschafterin. 295 Die Anstellungen erfolgten auf Vermittlung des Freiburger Domherren Fidelis Haitz (1801 - 1872), einem Vertrauten Wessenbergs. 296 6.4.2. Erste Mädchen im Heim Nun fehlten lediglich die zu betreuenden Zöglinge, doch auch hier verstrich wieder ein knappes Jahr, was überwiegend an den Formalia der Zuweisungspraxis lag. Dies war ein weiterer Konfliktpunkt zwischen Konstanz und Karlsruhe. Wiederholt kündigte der Zentralverein an, die ersten Mädchen zu schicken. Aber erst am 2. März 1855 traf das erste Mädchen im Konstanzer Rettungshaus ein. Die zwölfjährige Anna S. aus Merdingen wurde wegen »starker Verwahrlosung , Neigung zu Lüge und Gleisnerei, Diebstahl und Herumziehen« 297 in Obhut genommen. Ihr Verhalten blieb, laut Berichten der Vorsteherin, anfangs unverändert. Erst nachdem sie wegen erneutem Diebstahl bestraft wurde, soll sie sich »gebessert« haben. Am 22. April 1855 kamen zwei Schwestern aus Häg bei Schönau in die Rettungsanstalt. Den elf- und fünfzehn-jährigen Schwestern wurde »Hang zum Müßiggang , Lügen und Diebstahl« 298 vorgeworfen. Auch sie scheinen anfangs Schwierigkeiten mit dem Leben im Heim gehabt zu haben. Bis Dezember 1856 kamen sieben weitere Mädchen hinzu. 299 Sie waren zwischen acht und vierzehn Jahre alt, kamen aus verschiedenen badischen Gemeinden und wurden aus ähnlichen Gründen, wie die ersten drei Mädchen, in das Konstanzer Rettungshaus eingewiesen. Seit der Gründung des Konstanzer Hilfsvereins für sittlich verwahrloste Kinder im Jahr 1834 waren nunmehr 21 Jahre vergangen, bis der Plan einer Rettungsanstalt in die Realität umgesetzt wurde. Finanzielle, ideelle und nicht zuletzt auch persönliche Schwierig- 6. »Die Rettung vor Entartung und Verwilderung« 65 keiten zwischen dem Zentralverein, mit Sitz in Karlsruhe, auf der einen Seite und dem Konstanzer Ortsverein um Wessenberg auf der anderen, hatten eine schnellere Umsetzung der Pläne unmöglich gemacht. 66 Wessenbergs Herzenskind 7. Wessenbergs Herzenskind 7.1. Das Wessenbergheim in Konstanz 7.1.1. Aufnahme des Heimbetriebs 1855 Das Konstanzer Rettungshaus für sittlich verwahrloste Mädchen hatte nach jahrzehntelangen Planungen im März 1855 seinen Betrieb aufgenommen. Wann die offizielle Eröffnung stattfand, lässt sich nicht eindeutig rekonstruieren. In den Quellen findet sich lediglich die undatierte Ansprache Wessenbergs, die er anlässlich der Eröffnung 300 des Heims gehalten hat. Darin spricht er von dem »Geist der Wohltätigkeit« und wie das herzliche Geben die Spender Gott näher bringen könne. Die Ansprache fasst in kurzer Form Wessenbergs Vorstellung von Armenfürsorge, basierend auf aufgeklärter, christlicher und philanthropischer Nächstenliebe zusammen. Von anwesenden Mädchen ist nicht die Rede, was den Schluss zulässt, dass die Einweihung bereits vor dem Eintreffen der ersten Zöglinge stattgefunden haben könnte. Beim Start des Heimbetriebs betreuten drei Frauen drei Mädchen. Eine häusliche Erziehung, wie sie dem Wunsch Wessenbergs entsprach, war damit tatsächlich möglich. In Konstanz äußerte man aber vehement den Wunsch, weitere Zöglinge aufzunehmen. Doch der Zentralverein folgte einer sehr strengen Linie und wollte nur »wirklich verwahrloste« 301 Mädchen aufnehmen. Die weniger dringlichen Fälle sollten nicht in eine Anstalt verwiesen werden. Die Zahl der Zöglinge in Konstanz stieg nur langsam. In den Planungen für die Anstalt hatte man mit bis zu 30 Mädchen 302 - der nach Wessenbergs Entwurf maximalen Anzahl für solche Rettungshäuser - gerechnet, diese Anzahl blieb in den Anfangsjahren allerdings unerreicht. Nach fünf Jahren Heimbetrieb lebten und lernten nur zwölf Mädchen im Konstanzer Heim. 303 Die Aufnahmepraxis des Zentralvereins entsprach nicht den Vorstellungen Wessenbergs, die er in einem Schreiben im Sommer 1855 ausführte. Danach sollte der »Grad der Verwahrlosung« 304 nicht zu weit fortgeschritten sein. Er schätzte die Chancen, junge Mädchen zu erretten, größer ein, wenn sie frühzeitig aus ihren bisherigen Lebensverhältnissen gelöst würden. Die Anstalten, wie sie vom Rettungsverein beabsich- 7. Wessenbergs Herzenskind 67 tigt seien, sollten Rettungshäuser und keine Zuchthäuser sein. Die Mädchen sollten dem »völligen Verderben noch rechtzeitig entrissen werden« 305 . Im Idealfall sollten die Mädchen nicht über zehn, maximal zwölf Jahre alt sein, da ihre Entwicklung sonst bereits zu weit fortgeschritten sei. Ziel der Erziehung und Ausbildung in der Anstalt sollte, nach Wessenbergs Überzeugung, die spätere Anstellung als Dienstbotin oder Haushaltspersonal sein. Alle dafür nötigen Fähigkeiten könne das Heim vermitteln. 306 Für die Aufnahme im Konstanzer Heim galten die Voraussetzungen, die Wessenberg in seinem Gutachten für den »Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder« 1834 formuliert hatte 307 : Die Mädchen mussten einen Nachweis über die Vollendung des sechsten Lebensjahres, einen Taufschein und ein von der Heimatgemeinde ausgestelltes Armutszeugnis vorweisen. Dazu war ein Nachweis gefordert, dass sie an keinen ansteckenden oder unheilbaren Krankheiten litten und die Blatternimpfung besaßen. Der Ortspfarrer der Heimatgemeinde musste einen Bericht erstellen, in dem er über die Familienverhältnisse, die bisherige Erziehung und Schulbildung und den Charakter des Mädchens urteilte. Schließlich musste jedes Mädchen eine Grundausstattung an Kleidung mitbringen. Diese bestand aus mindestens zwei Hemden, zwei Paar Strümpfen, zwei Paar Schuhen, zwei Taschentüchern und einer vollständigen reinlichen Oberbekleidung. 7.1.1.1. Heimleitung Beim Betreuungs- und Lehrpersonal kam es gleich zu Beginn des Heimbetriebs zu mehrfachem Wechsel. Bereits im Oktober 1855 schied die Lehrerin Louise Klar aus. Ihre Stelle übernahm Anna Wehrle. 308 Im darauffolgenden Jahr schied auch Antonia Pellissier krankheitsbedingt aus. Als Vorsteherin wurde Rosina Obrist und als zweite Lehrerin Anna Massié eingestellt. 309 Mit Rosina Obrist kam eine gewisse Kontinuität in die Heimleitung: Sie leitete die Anstalt zwölf Jahre lang. Ihre Art der Heimführung und ihr Verhalten gegenüber dem Verwaltungsrat bot gegen Ende ihrer Tätigkeitszeit allerdings Anlass zu Kritik. In seinem Bericht über die »Verhältnisse der Rettungsanstalt für sittlich verwahrloste Mädchen katholi- 68 Wessenbergs Herzenskind schen Glaubens in Constanz« berichtet der Großherzogliche Oberamtsmann Stösser 1865 an das Badische Innenministerium: »Frau Obrist ist eine sehr tüchtige Hausfrau und für ihren gegenwärtigen Beruf wohl geeignet, obwohl man auch schon missfällig [vernahm], dass ihre Heftigkeit sich zur Rohheit steigern kann, und dass sie schon von der Wahrheit abgewichen ist. Ihre Fehler sind Herrschsucht und Eigenmächtigkeit; insbesondere während des oben angedeuteten Zwischenberichts [ein Bericht über die Finanzlage des Heims] scheint sie etwas mittellos geworden zu sein und konnte sich dafür in den Gehorsam gegen die Weisungen des Verwaltungsrathes nicht recht hineinfinden. Dadurch verfiel sie allmählich in die Gewohnheit, alle Anordnungen des Verwaltungsrathes vor jedem Besucher der Anstalt einer schonungslosen Kritik zu unterziehen, und ließ sich schließlich beifallen, sich in Eingaben gegen den Verwaltungsrath [zu wenden] und persönlich gegen einzelne Mitglieder desselben grobe Unziemlichkeiten zu verbreiten. Mit Rücksicht auf die im übrigen lobenswerthe Dienstführung schritt man nicht sofort zu der damals angezeigten Entlassung , sondern begnügte sich mit der Androhung und einem strengen Verweis. Seitdem hat sich kein Grund zum weiteren Einschreiten gegeben, doch habe ich schon hie und da bemerken müssen, dass Frau Obrist sich immer noch nicht ganz enthalten kann, Anschuldigungen gegen den Verwaltungsrath auszustossen, was am Ende die Frage ihrer Entlassung abermals in den Vordergrund zu drängen vermochte.« 310 Der Verwaltungsrat reagierte auf die kritischen Äußerungen und führte ab 1868 ein neues Betreuungssystem ein. Die Heimleitung sollte von einem Ehepaar getragen werden, wobei der Mann als Lehrer tätig sein und die Frau die Funktion der Hausmutter erfüllen sollte. Von 1868 bis 1872 standen die Eheleute Stehle der Anstalt vor. Ab 1872 übernahm das Ehepaar Müller die Leitung. Nach dem Tod von Leo Müller am 16. September 1879 blieb seine Frau weiterhin als Heimleiterin in der Schwedenschanze, die Lehraufgaben übernahm der Konstanzer Hauptlehrer Schutz. Schließlich entschied der Verwaltungsrat das ursprüngliche System der ausschließlich weiblichen Betreuung ab 1882 wieder einzuführen. 311 7. Wessenbergs Herzenskind 69 7.1.1.2. Konfession Das Rettungshaus wurde als eine konfessionelle Anstalt eröffnet. 312 Die katholische Ausrichtung schien allein schon durch die Persönlichkeit Wessenbergs festgelegt zu sein. Da es jedoch kein entsprechendes evangelisches Mädchenheim im Großherzogtum Baden gab, kam die Frage auf, wie mit Mädchen, die nicht katholisch waren, umgegangen werden sollte. Zu Lebzeiten Wessenbergs kamen nur katholische Mädchen nach Konstanz. 313 Doch ist anzunehmen, dass seine Menschenfreundlichkeit und seine offene Haltung gegenüber der Ökumene eine Aufnahme protestantischer Mädchen ermöglicht hätte. Erst nach Wessenbergs Tod und nach Gründung der Vermächtnisstiftung wurde das Heim für alle Konfessionen geöffnet. 7.1.1.3. Probleme der ersten Jahre Während der ersten Jahre litt das Heim unter dauerndem Geldmangel. Die Zuschüsse des Zentralvereins kamen nur ratenweise, die Unterhaltskosten der Anstalt konnten kaum gedeckt werden. Es entstanden immer wieder Schulden. In der äußersten Not, als im Mai 1855 der Gerichtsvollzieher vorstellig wurde, musste Wessenberg wieder einmal persönlich seinem »Herzenskind« 314 , wie er das Rettungshaus nannte, aushelfen und die Schulden begleichen. Dies alles trug nicht gerade dazu bei, das Verhältnis zwischen Konstanzer Rettungsverein und Zentralverein zu verbessern. Die prekäre Lage des Heims war Wessenberg nur zu gut bewusst. Zwar konnte er, wie bereits geschehen, mit seiner Persönlichkeit und seinen privaten finanziellen Mitteln immer wieder als Helfer in der Not einspringen, doch stellte sich ihm die Frage, wie sich das Heim nach seinem Tod finanziell absichern lassen würde. Um das Fortbestehen der Anstalt zu sichern, setzte Wessenberg das Heim als Universalerbin ein. 315 70 Wessenbergs Herzenskind 7.1.2. Testament Wessenbergs Der entscheidende Passus in Wessenbergs Testament 316 , das er 1858 überarbeitet hatte, lautet: »J Nachdem mein geliebter Bruder Johann Philipp gegen mein Verhoffen vor mir hingeschieden ist, habe ich mich entschlossen, zu meinem Universalerben zu erklären u einzusetzen die weibliche Rettungsanstalt zu Constanz unter der Bedingung , dass alle meine besondern letzwilligen Anordnungen in Vollzug gesetzt werden sollen.« 317 Mit 86 Jahren starb Wessenberg am 6. August 1860 im Domherrenhof gegenüber dem Münster in Konstanz. Sein Testament wurde am 10. August 1860 in seinen Wohnräumen aufgefunden. 318 Am 15. August erfolgte bereits die Testamentseröffnung für seinen Neffen Philipp von Wessenberg. Die offizielle Testamentseröffnung erfolgte am 15. Oktober 1860. 319 Neben der Rettungsanstalt hatte Wessenberg weitere Personen und Institutionen bedacht. Seine Nichten, die Töchter seiner Schwester Maria Josepha Magdalena (1781 - 1848), erhielten Gemälde und eine Tabakdose. Mit kleineren Geldbeträgen bedachte er seinen Kammerdiener Josef Schnetz und sein Hauspersonal. 320 Der Kleinkinderschule Konstanz vermachte er 500 Gulden 321 , der Volksschule Feldkirch, seiner Heimatgemeinde, kamen 2.000 Gulden zugute. 322 4.000 Gulden 323 gingen sowohl an die Taubstummenanstalt in Pforzheim, als auch an die Blindenanstalt in Freiburg. Seine Bibliothek und Kupferstichsammlung 324 vermachte er der Stadt Konstanz. Die Gemäldesammlung wurde dem badischen Großherzog zum Kauf angeboten. Er sollte 20.000 Gulden zugunsten der Rettungsanstalt bezahlen. Friedrich I. von Baden (1826 - 1907) nahm das Angebot an und verfügte, dass die Bilder zu Volksbildungszwecken in Konstanz bleiben sollten. Die Vollstreckung des Testaments verzögerte sich allerdings, da es zum wiederholten Mal Unstimmigkeiten zwischen dem Konstanzer Hilfsverein und der Zentraldirektion in Karlsruhe gab. Nur 7. Wessenbergs Herzenskind 71 der Zentralverein konnte, als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Erbschaft antreten. Dieses Recht konnte in Einzelfällen an die Hilfsvereine vor Ort abgetreten werden. 325 Doch der Verwaltungsrat in Konstanz versuchte ohne den Zentralverein zu handeln. Nach mehrmonatigen Verhandlungen lenkte Karlsruhe ein und erklärte, der Rettungsverein vor Ort dürfe die Erbschaft direkt antreten. Schließlich erhielt der Verwaltungsrat des Rettungshauses am 25. Juli 1861 von Großherzog Friedrich I. von Baden den geforderten Betrag aus dem Erlös der Gemäldesammlung. 326 Sein »litterärischer Nachlaß« 327 , wie er im Testament genannt ist, ging ebenfalls an die Universalerbin, das Rettungshaus. Er sollte aber der Universität Heidelberg zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden. Bei möglichen Veröffentlichungen sollten die Honorare an die Rettungsanstalt gezahlt werden. 328 Um weitere Kapitalien Wessenbergs, die in Freiburg verwaltet wurden und aus denen bereits Pensionen und sonstige Unterstützungen geleistet wurden, kam es zum Streit. Schließlich wurde 1864 ein weiterer großer Geldbetrag der Rettungsanstalt als Stiftungskapital zugewiesen. So erhielt die Anstalt 45.000 Gulden in Wertpapieren und 917 Gulden in bar. 329 In den 1860er Jahren kümmerte sich der Verwaltungsrat vorwiegend um die Umsetzung des Testaments. Die Anweisungen mussten verfolgt werden und umfassten die Regelungen über Einkünfte aus Tantiemen, Honoraren und Zahlungen von Gehältern. Um die Rechnungsführung der Wessenberg-Vermächtnisstiftung kümmerte sich schließlich ab 1878 die Spitalverwaltung Konstanz. 330 Wessenberg sorgte in seinem Nachlass nicht nur für die finanzielle Absicherung des Heims, sondern machte darüber hinaus auch Vorgaben: Eine inhaltliche, wenn nicht gar ideologische Anweisung zum Betrieb der Rettungsanstalt findet sich im Testament unter der Ziffer VII: »Noch füge ich hier in Bezug auf alle meine Vermächtnisse und Vergabungen an die (die) hiesige weibliche Rettungsanstalt die Anordnung bei, dass die Verwaltung und Verwendung der betreffenden Kapitalien u Zinse dem dahier bestehenden Hülfsverein u. Magistrat zustehen soll, welche dafür zu sorgen, und zu wachen haben, dass die Anstalt niemals unter den Einfluß des Jesuiten- 72 Wessenbergs Herzenskind ordens oder mit diesem in Verbindung stehenden Vereinen gerathe, wogegen dem Hülfsverein u dem Stadtmagistrat die Fürsorge obliegen soll, dass der edle Zweck der Anstalt bestmöglich erreicht werden möge.« 331 Selbst in seinem letzten Willen kommt die strikte Ablehnung des Jesuitenordens in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Diese Gegnerschaft begleitete Wessenberg seit seinen Ausbildungsjahren, als er in Augsburg persönlich mit der dogmatischen, scholastikfokussierten Lehre in Berührung kam. Mit diesem Passus in seinem Testament wollte er sicherstellen, dass auch nach seinem Ableben kein entsprechender Eingriff in sein sozial-pädagogisches Vermächtnis möglich sei. 332 »Alle Erziehungsanstalten brachten sie nach und nach in Rom in ihre Hände« 333 , diesen »ansteckenden Pesthauch« 334 fürchtete er selbst in Konstanz. Wessenberg äußerte in seinem Testament den Wunsch, dass durch sein Vermögen der Heimbetrieb gesichert werden sollte. Er wollte eine kontinuierliche Betreuung von mindestens zwölf Zöglingen garantieren. Falls der Heimbetrieb einmal nicht fortgeführt werden könne, sollte das Stiftungskapital einstweilen unangetastet bleiben und zu späterem Zeitpunkt wieder dem Zweck entsprechend verwendet werden. 335 7.1.3. Gründung der »Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung« 1862 Die Anzahl der Zöglinge stieg nach Wessenbergs Tod allmählich an: Zu Beginn des Jahres 1862 waren es 13 Mädchen, im Januar 1869 bereits 24. Das Haus musste erweitert werden. Die Bauarbeiten hierzu fanden in den Jahren 1867 bis 1869 statt. Nun konnten bis zu 36 Mädchen in der Schwedenschanze leben. Mit der finanziellen Unabhängigkeit durch den Nachlass Wessenbergs begann für die Konstanzer Anstalt ein neuer Abschnitt ihrer Geschichte. Die unzähligen Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten mit dem Zentralverein in Karlsruhe konnten nun gelassener gesehen werden. Die finanzielle Abhängigkeit war beendet, und der Verwaltungsrat konnte eigenständig über die Kosten sowie die inhaltliche Ausrichtung entscheiden. Der Zentralverein 7. Wessenbergs Herzenskind 73 zahlte zwar noch bis 1867 den jährlichen Zuschuss, dann wurde doch auch diese letzte Nabelschnur getrennt. 336 Diese neue Selbständigkeit zeigte sich auch in der Ausarbeitung von Statuten, die die Verwaltung der Anstalt auf eine rechtlich sichere Ebene stellen sollte. Nachdem am 11. Juni 1861 die Errichtung einer Stiftung seitens des Badischen Innenministeriums genehmigt wurde, beauftragte der Verwaltungsrat am 12. Dezember 1861 Jakob Stadler (Bürgermeister von 1861 bis 1866) einen Statuten- Grundrisspläne des Heims, 1872. (StaatsAFr A96/ 1) 74 Wessenbergs Herzenskind entwurf vorzubereiten. Nach mehreren Korrekturen und Weiterentwicklungen konnten die Statuten am 21. Oktober 1862 337 einer Generalversammlung vorgelegt werden. Sie wurden genehmigt und die Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung wurde aus der Taufe gehoben. Sowohl der Zentralverein in Karlsruhe, als auch die Seekreisregierung mussten die Statuten lediglich zu Kenntnis nehmen, ohne diesen jedoch aktiv zugestimmt zu haben. 338 Inhaltlich besagten die Statuten, dass der Konstanzer Hilfsverein ein Bestandteil des Karlsruher Zentralvereins bleiben solle. Als Mitglied konnte aufgenommen werden, wer einen jährlichen Beitrag von mindestens einem Gulden spendete, unabhängig von Geschlecht, Konfession oder gesellschaftlichem Stand. Der Hilfsverein sollte von einem Verwaltungsrat geleitet werden, der sich aus sechs männlichen Vereinsmitgliedern mit ständigem Wohnsitz in Konstanz zusammensetzte und dessen Vorsitz der Bürgermeister von Konstanz innehabe. Der Verwaltungsrat sollte von einer Generalversammlung gewählt werden. Seine Aufgabe war es, das Vermögen der Rettungsanstalt zu verwalten. Der Teil des Vermögens, der aus dem Nachlass Wessenbergs stammte, sollte gemeinschaftlich von Verwaltungsrat und Gemeinderat der Stadt Konstanz verwaltet werden. In den Statuten wurden auch Bestimmungen über die Tätigkeit des Verwaltungsrats und die jährlichen Aufgaben getroffen. Interessant ist Paragraph 18 der Statuten, mit dem bereits eine Perspektive für die Zukunft festgelegt wurde. Dort hieß es: »Sollte der Centralverein für Rettung sittlich-verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden sich auflösen, so bleibt der hiesige Hilfsverein dennoch als selbständiger Verein fortbestehen und nimmt den Namen ›von Wessenberg’sche Stiftung für Rettung sittlich-verwahrloster Kinder in Constanz‹ an.« 339 Es war klug, dies bei der Ausarbeitung der Statuten zu bedenken, denn nach der Auflösung des Zentralvereins, am 2. Juni 1931 mit Wirkung zum 1. April 1932, blieb das Konstanzer Heim bestehen. 340 7. Wessenbergs Herzenskind 75 7.2. Wirkungs- und Entwicklungsgeschichte des Heims Chriemhilde Lederle (l.) und Fanny Eigster (r.) umgeben von den Heimmädchen, vor 1923. 7.2.1. Heimbetrieb Der Heimbetrieb an der Schwedenschanze 341 lief Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts exakt nach den Weisungen, die Wessenberg, der mittlerweile als »edler Stifter« bezeichnet wurde, vorgegeben hatte. Seine theoretischen Überlegungen zur Erziehung und Bildung wurden im Heimbetrieb exakt umgesetzt. Die Zahl der Zöglinge blieb weitgehend konstant, es lebten stets etwa 35 bis 40 Mädchen in der Rettungsanstalt. Betreut wurden sie ab 1882 ausschließlich von weiblichem Personal: von einer Heimleiterin, die von Lehr- und Hauspersonal unterstützt wurde. In der Personenstandsliste vom Januar 1900 342 sind neben den 43 Zöglingen auch die Betreuerinnen verzeichnet. Vorsteherin der Rettungsanstalt war Fanny Eigster, ihr stand als Lehrerin Dora Calvo 76 Wessenbergs Herzenskind zur Seite. Die Gehilfinnen waren Luise Staiger und Anna Marie Küchle. Stefanie Strittmatter war als Köchin beschäftigt. Die Statistik des Jahres 1900 gibt an, dass von den 43 Mädchen 27 katholisch, 15 evangelisch und 1 altkatholisch war. In diesem Jahr gab es sieben Neuzugänge und elf Abgänge. Der Erfolg der abgehenden Mädchen wurde fünf Mal mit gut, vier Mal mit ziemlich gut und zwei Mal mit unbekannt bewertet. 343 Mehrfach kam es vor, dass ehemalige Zöglinge nach ihrer Erziehungszeit eine Dienststelle im Wessenbergheim antraten und dort als Gehilfin, wie beispielsweise Anna Marie Küchle 344 , oder als Köchin tätig waren. Ein bemerkenswerter Fall ist die Heimleiterin Fanny Eigster, die sich in den Unterlagen des Heims in einer anderen Schreibweise als Franziska Aigster findet. Sie war ein ehemaliger Zögling. Am 3. November 1859 in Zizenhausen bei Stockach geboren, trat sie am 30. Juli 1869 in die Anstalt ein und lebte dort bis zum 1. Januar 1876. Im Anschluss blieb sie als Küchenmagd in der Schwedenschanze tätig. Nach dem Tod des bisherigen Lehrers Leo Müller 1879 übernahm Hauptlehrer Schutz den Unterricht. Fanny Eigster stand ihm als Lehrgehilfin zur Seite. Ab 1882 übernahm sie die Funktion der Anstaltslehrerin. Im September 1886 löste sie die bisherige Heimleiterin Müller (gest. 1913) ab. Sie leitete das Heim 30 Jahre lang bis sie 1916 wegen schweren gesundheitlichen Problemen ihr Amt an Chriemhilde Lederle abgab. Fanny Eigster sollte als Pfründnerin der Spitalstiftung ein Zimmer beziehen. Doch auf ausdrücklichen Wunsch von Chriemhilde Lederle, der in einem vertraulichen Schreiben von Großherzogin Luise persönlich unterstützt wurde, blieb sie im Wessenbergheim wohnen. Die beiden Damen teilten sich ein Zimmer. 345 Das Heim blieb der »Vorsteherin a. D.« bis zu ihrem Tod am 4. Februar 1923 ein Zuhause. Am 9. August 1910 richtete das Heim eine Gedenkfeier anlässlich des 50. Todestages Wessenbergs aus. Die derzeitige Lehrerin Chriemhilde Lederle hielt einen Vortrag über den »edlen Stifter«, um ihn den Mädchen in Erinnerung zu rufen und sie zu ermahnen, seiner in Liebe und Dankbarkeit zu gedenken. 7. Wessenbergs Herzenskind 77 Diese Ansprache wurde vom Stadler Verlag Konstanz in Form eines Gedenkblatts 347 veröffentlicht und soll hier in einigen Auszügen wiedergegeben werden. »Liebe Kinder! Heute vor 50 Jahren beschloß nach langer segensreicher Wirksamkeit jener edle Mann seine irdische Laufbahn, dem Ihr es zu verdanken habt, dass Ihr ein zweites Elternhaus, eine neue Heimat gefunden habt in diesem Hause, das nach ihm, seinem edlen Stifter genannt ist, dessen Ehrfurcht erweckendes Bild Ihr stets vor Euren Augen habt - Freiherr Heinrich v. Wessenberg. Verehrung , Liebe und Dankbarkeit vereinigen uns deshalb heute hier, diesen Gedenktag des unvergesslichen Toten würdig zu feiern. - Ihr seid freilich noch zu jung und Eure Fassungsgabe ist noch zu schwach, um ganz verstehen zu können, welch bedeutender Mann der Stifter dieses Eures Heimathauses war, weshalb er verdient, einer der edelsten Männer genannt zu werden, die je gelebt haben, dessen Andenken fortleben wird. […] Prägt Euch das kleine Bild, das vor Euren Augen von dem edlen Stifter dieses Eures zweiten Elternhauses entworfen wurde, tief in Euren Seelen ein; des seligen Wessenberg lauterste Frömmigkeit, fleckenlose Sittenreinheit, seine un- Gruppenbild mit Heimleitung (vor 1923) 346 . 78 Wessenbergs Herzenskind erschütterliche Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe, seine nie ermüdende werktätige Nächstenliebe mögen Euch zeitlebens das nachahmenswerteste Vorbild für Eure ganze Lebensführung sein. […]« 348 In diesen Sätzen kommen die Leitideen des Rettungshauses komprimiert zur Geltung. Nach Wessenbergs Vorbild und nach seinen Weisungen sollen die »geretteten Mädchen« 349 dankbar sein und ein aufrechtes, christliches Leben führen. Mehrfach wird das Heim als neues Elternhaus bezeichnet, was eine deutliche Umsetzung des theoretischen Erziehungskonzepts Wessenbergs bedeutet. Die Familie, beziehungsweise die familienähnliche Struktur in Heimen, galten ihm als Zentrum der christlichen Erziehung. Ob alle Zöglinge dies auch so wahrnahmen, kann nicht beantwortet werden, doch scheinen Zweifel durchaus angebracht. Die Mädchen kamen aus armen Verhältnissen, zerrütteten Familien und die meisten wurden von den Behörden ihrer Heimatgemeinden zur Zwangserziehung eingewiesen. 7.2.1.1. Rechtsgrundlage Die gesetzliche Grundlage zur Zwangserziehung wurde nach der Reichsgründung 1871 durch das Reichsstrafgesetzbuch geschaffen. Im neuen Jugendstrafrecht bestand die Möglichkeit, straffällig gewordene Kinder und Jugendliche der Obhut der Eltern zu entziehen und sie in Besserungsanstalten einzuweisen. In späteren Novellierungen wurde dieses Verfahren weiter konkretisiert. Strafunmündige Kinder unter zwölf Jahren sollten in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt eingewiesen werden können, wenn dies durch die Vormundschaftsbehörde bestimmt wurde. 350 In Baden folgte am 4. Mai 1886 das Gesetz zur Zwangserziehung 351 . Mit ihm wurde die Rechtsgrundlage geschaffen, Kinder aus der Obhut ihrer Eltern zu entfernen, wenn der Verdacht auf Missbrauch oder Verwahrlosung bestand. Eine Straftat musste nicht zwangsläufig vorliegen. Das Gesetz besaß eine Präventivfunktion. Die Altershöchstgrenze der so zu behandelnden Kinder wurde auf 16 Jahre festgelegt. Das Gesetz trat am 1. Januar 1887 in Kraft. Bereits bei den Beratungen im Vorfeld des Gesetzerlasses wurde 7. Wessenbergs Herzenskind 79 bedacht, dass »der badische Staat über keine eigenen Erziehungsanstalten verfügte« und somit »von Anfang an darauf angewiesen [war] auf die Häuser der freien Träger zurückzugreifen.« 352 Insbesondere wurde die Zusammenarbeit mit dem »Verein für verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden« angestrebt. Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Deutschen Reich vom 18. August 1896, das am 1. Januar 1900 in Kraft trat, änderten sich die rechtlichen Bestimmungen erneut. Es beinhaltete ein allumfassendes Sozialdisziplinierungskonzept. 353 Auf Landesebene wurden die rechtlichen Bestimmungen zur Zwangserziehung im badischen Gesetz vom 16. August 1900 fixiert. 354 Das Eingreifen der staatlichen Gewalt in die elterliche Fürsorge sollte nur bei einem nachweislich schuldhaften Verhalten der Eltern möglich sein. Bei drohendem »völligem sittlichem Verderben« 355 könne man auf diesen Nachweis verzichten, um der Dringlichkeit der Lage gerecht zu werden. Das politische oder religiöse Verhalten der Eltern dürfe jedoch nie Anlass zum Eingreifen in die elterliche Erziehung sein. 356 Die Altershöchstgrenze für die Zwangserziehung wurde auf das 20. Lebensjahr ausgeweitet. 357 Das Antragsmonopol für die Zwangserziehungsverfahren lag beim jeweilig zuständigen Bezirksamt. 358 Um die gesetzlichen, beziehungsweise behördlichen Entscheidungen durchzusetzen, war die Zusammenarbeit mit den Fürsorgevereinen notwendig. Der »Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden«, wie auch lokale Frauenvereine, nahmen die Funktion des ausführenden Organs der Zwangserziehung ein und können als verlängerter Arm der Behörden gesehen werden. 359 Das Urteil, das über die Erziehungsfähigkeit der Eltern gefällt wurde, lässt sich in den Einzelfällen der Konstanzer Zöglinge nicht nachprüfen 360 . Heutige Maßstäbe sind ungeeignet zur Beurteilung der damaligen Verhältnisse. Dass viele Mädchen durchaus errettet wurden, ist jedoch unumstritten. Neben Diebstahl, Verwahrlosung und mangelnder Aufsicht wird immer wieder unsittliches Verhalten mit Jungen und geschlechtlicher Missbrauch in der Familie als Ursache der Einweisung genannt. Die Mädchen aus diesen dramatischen Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen, ist auch nach heutigem Verständnis als Rettung zu sehen. Bei anderen Vorwürfen, die mit 80 Wessenbergs Herzenskind deklassierenden Begriffen wie Frechheit, Lügen und Eigensinnigkeit umschrieben wurden, ist dies weit weniger der Fall. Weitere von der Heimleitung genannte Gründe für das Eintreten ins Heim erscheinen heute kaum nachvollziehbar, so wird bei einem Mädchen lediglich »wiederholtes Schulschwänzen« als Einweisungsgrund genannt. 361 7.2.2. Machtergreifung der Nationalsozialisten und ihr Einfluss auf die Verwaltung Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 hatte Auswirkungen auf das Rettungshaus. Der Betrieb der Anstalt konnte zwar ununterbrochen aufrechterhalten werden, auch in den Kriegsjahren, doch schlugen sich die neuen politischen Rahmenbedingungen in der Verwaltung nieder und veränderten den Alltag im Heim. Im Rahmen des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« veranlasste das Badische Innenministerium mit Schreiben vom 26. Juni 1933 eine Prüfung der Mitglieder des Verwaltungsrates der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung. 362 Mit Schreiben vom 2. November 1933 bestätigte Oberbürgermeister Albert Herrmann dem Landeskommissär »Der Verwaltungsrat der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung wird in einer im Laufe dieses Monats stattfindenden Sitzung gleichgeschaltet.« 363 Schließlich übersandte Oberbürgermeister Herrmann am 18. Januar 1934 die Liste der Mitglieder des Verwaltungsrates mit dem Vermerk: »Die §§ 2-4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums treffen bei keinem Mitglied zu.« Der Verwaltungsrat setzte sich zusammen aus dem Vorsitzenden Albert Herrmann, Stadtrat und Medizinalrat Dr. Sprauer (ab 11. Mai 1934 ersetzt von Stadtrat Karl Kunzelmann), Stadtrat Franz Schmidt (ab 11. Mai 1934 ersetzt von Stadtrat Josef Jöhle), Weingroßhändler Gangwisch, Fabrikant Alfred Straehl, Frau Pauline Straub, Volksschuldirektor Vetter und Frau Johanna Nast. Seit 1929 war Konrad Kleiner (1877 - 1949), Stadtrat und Mitglied der katholischen Zentrumspartei, Leiter des städtischen Jugendamts, das sich seit 1924 364 um die Jugendfürsorge in Konstanz kümmerte. Unter Kleiners Leitung waren bauliche Erweiterungen und 7. Wessenbergs Herzenskind 81 Modernisierungen im Wessenbergheim durchgeführt worden. Im Zuge der »Säuberungen« in der städtischen Verwaltung, die nach Erlass des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums« vom 7. April 1933 auch die Stadtverwaltung Konstanz betrafen, wurde Kleiner aus seinem Amt entfernt. Am 22. Mai 1933 wurde er in sogenannte Schutzhaft genommen. Als Begründung wurden angeblich drohende Protestversammlungen vor dem Jugendamt genannt. Kleiner wurde fehlerhafte Dienstführung vorgeworfen, die sich an dem Fall Siegmund Alexander zeige. Alexander war ein jüdischer Beamter des Jugendamts, der wegen angeblicher Unterschlagungen entlassen und verhaftet worden war. 365 Durch diese »Säuberung« wollte sich die neue NS-Stadtspitze die direkte Einflussnahme auf die Sozialpolitik der Stadt sichern. Die kommunale Jugendfürsorge, die zuvor meist durch katholische Institutionen organisiert war, sollte in den Händen der NS-Verbände gebündelt werden. Mit Hilfe der NS-Frauenverbände sollte direkt auf die Erziehung der Kinder eingewirkt werden. Die Nachfolge Kleiners trat Ludwig Eberhard (1906 - 1970) an, ein Verwaltungsinspektor aus Karlsruhe mit fachlicher Vorbildung. Unter ihm wurden das Sozial- und das Jugendamt Konstanz zusammengelegt. Eberhard blieb bis zu seinem Tod Direktor des Jugendamts. Die meisten katholischen karitativen Institutionen gerieten unter die Kontrolle der Partei-Verbände. Die NS-Volkswohlfahrt übernahm 1935 die Regie über die städtischen Wohlfahrtseinrichtungen, wie die Kindergärten, Kinderhorte und auch die Volksspeiseanstalt, die sogenannte Volksküche. Somit wurde der kirchliche Einfluss auf die Fürsorge, speziell die Kinder- und Jugendfürsorge, deutlich zurückgedrängt. 366 Das Wessenbergheim blieb jedoch unangetastet. Dies ist nicht besonders überraschend, da das Rettungshaus nach seinem rechtlichen Status keine katholische Einrichtung war. Das Heim, beziehungsweise der Verwaltungsrat, stand bereits unter städtischer Kontrolle. Zudem verhielt sich die Leitung des Heims angepasst, der Austausch von Mitarbeiterinnen schien daher nicht erforderlich. Chriemhilde Lederle, Heimleiterin ab 1916. 82 Wessenbergs Herzenskind 7.2.3. Festnahme Georg Elsers im Garten des Heims Der Garten des Heims wurde am Abend des 8. November 1939 zum Schauplatz einer Festnahme, deren Bedeutung zu dieser Zeit noch nicht abzusehen war. Johann Georg Elser (1903 - 1945) wurde von der patrouillierenden Grenzwache festgenommen. Die Heimmädchen beobachteten die Aktion vor ihren Fenstern. Elser, der für den gescheiterten Anschlag auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller in München verantwortlich war, erfüllte die Mädchen - nach der Aussage eines ehemaligen Heimkinds 367 - noch Jahre später mit Grauen. Der 36-jährige Schreiner aus Hermaringen auf der Ostalb hatte ein Jahr zuvor beschlossen etwas gegen Adolf Hitler zu unternehmen. Er war zu der Überzeugung gelangt, den Führer beseitigen zu müssen, um einen drohenden Krieg zu verhindern. In wochenlanger Arbeit bereitete er den Anschlagsort vor und installierte eine selbstgebaute Zeitzünderbombe. Wie jedes Jahr feierten in München Hitler, seine engsten Vertrauten und die politische Führungsriege der Nationalsozialisten am 8. November den »Marsch auf die Feldherrenhalle« von 1923 als ihren politischen Gründungsmythos. Während der Rede Hitlers sollte die Bombe im Saal des Bürgerbräukellers explodieren. Nachdem er alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte, verließ Elser am Morgen des 8. Novembers München mit Ziel Konstanz. Er kannte sich dort gut aus, da er von 1925 bis 1932 in der Stadt gelebt hatte. Sein Plan sah vor, über die Grenze in die Schweiz zu fliehen. Im Garten des Wessenbergheims wollte er über den 1,5 Meter hohen Zaun springen. Doch er wurde von den Zöllnern Xaver Rieger und Waldemar Zipperer gegen 20.35 Uhr entdeckt und etwa zehn Minuten später festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, wen die Grenzwache im Garten des Mädchenheims aufgegriffen hatte. Die Bombe im Bürgerbräukeller explodierte erst einige Minuten später um 21.20 Uhr. Hitler hatte den Saal 13 Minuten zuvor bereits verlassen. Wegen Nebels konnte er nicht nach Berlin zurückfliegen, sondern musste einen früheren Nachtzug nehmen. In München wurden sechs »Alte Kämpfer« 368 der NSDAP und eine Kellnerin getötet, 63 weitere Personen wurden verletzt. Im Laufe der Nacht wurde in Konstanz klar, um wen es sich bei dem 7. Wessenbergs Herzenskind 83 Festgenommenen handelte. Die Nachrichten aus München und die bei Elser gefundenen Gegenstände (eine Uhrfeder, Schrauben, Zünderteile, eine Beißzange und eine Ansichtskarte des Münchner Bürgerbräukellers) ergänzten sich. Der Gestapo- Verhörapparat lief an, Elser wurde nach München gebracht und gestand schließlich am 13. November 1939 die Tat. Als Motiv gab er an: »Ich habe den Krieg verhindern wollen«. Elser wurde in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert und am 9. April 1945 erschossen. 369 Die Bedeutung und Rolle Georg Elsers als Widerstandskämpfer blieb viele Jahre umstritten und unaufgeklärt - auch in Konstanz. Anlässlich des 70. Jahrestags des Attentats beschloss der Konstanzer Gemeinderat im November 2008 Elser an historischem Ort ein Mahnzeichen zu setzen. Am 8. November 2009 wurde im Garten des ehemaligen Mädchenheims eine Portraitbüste enthüllt. Die Büste des Widerstandskämpfers Elser befindet sich in unmittelbarer Nähe zu der Büste des Stifters Wessenberg 370 - auch wenn beide wohl kaum von einer derartigen öffentlichen Denkmalisierung überzeugt gewesen wären. Das Gedenken an beide Persönlichkeiten läuft an diesem Ort zusammen. So unterschiedlich ihre Taten waren, die Verantwortung beider für ihre Gesellschaft vereint sie. 7.2.4. Heimalltag in der NS-Zeit Ein wesentlicher Wandel im Erziehungskonzept des Wessenbergheims lässt sich nicht feststellen. Wo andernorts ab 1933 die Mädchenerziehung auf die biologische Rolle reduziert wurde 371 , hielt Modell des Elser-Denkmals, Künstler: Markus Daum. 84 Wessenbergs Herzenskind man in Konstanz an dem bewährten Stifterkonzept fest und erzog die Mädchen den drei Säulen Wessenbergs folgend. Aus den Jahresberichten lässt sich ein regimekonformer Ton herauslesen. Am 25. November 1934 berichtet die Heimleiterin Chriemhilde Lederle von der Begeisterung für die neue Regierung, die unter den Mädchen herrsche. »Durch Teilnahme an den verschiedensten Veranstaltungen konnten auch unsere Mädchen ihre frisch-frohe Zugehörigkeit zum nationalsozialistischen Deutschland zeigen. Sie hören regelmäßig mit Begeisterung an unserem neuen Radioapparat die Stunde der jungen Nation und den Schulfunk, waren Zuschauer bei der Grenzlandkundgebung , bei den Umzügen am 1. Mai und am Handwerkertag.« 372 Über die Umstände und das tägliche Leben im Heim während der Kriegsjahre kann der Bericht einer ehemaligen Heimbewohnerin Auskunft geben. 373 Er gibt einen Einblick in das Leben der Heimkinder, der durch schriftliche Quellen nicht zu erfassen ist. Der Alltag der Mädchen im Heim in den Kriegsjahren war geprägt von der Lebensmittelknappheit und der täglichen Aufgabe, alles Lebensnotwendige auf verschiedenste Weise zu organisieren. Mit Bezugskarten erhielten sie rationierte Lebensmittel, diese deckten den wirklichen Bedarf jedoch nicht ab. Durch familiäre Beziehungen der Erzieherin Frieda Messinger war es möglich, frische Lebensmittel oder Brot zu bekommen. Die Mädchen mussten ihren Beitrag leisten und beispielsweise lange Fußmärsche auf sich nehmen, um einen Leiterwagen mit Kartoffeln in Ittendorf bei Meersburg abzuholen. Gemüsegarten des Heims 1929. 7. Wessenbergs Herzenskind 85 Damit mehr Lebensmittel im eigenen Garten angebaut werden konnten, fällten die Mädchen gemeinsam mit den Erzieherinnen einen kleinen Tannenhain. Sparsamkeit und Ideenreichtum waren gefragt. Um die eigene Versorgungslage zu verbessern und zudem den Mädchen den wirtschaftlichen Umgang mit Kleintieren zu lehren, wurden Ziegen gehalten. 374 Das Heim war Mitglied im Konstanzer Ziegenzuchtverein. Der Tagesablauf war streng geregelt: Morgens und abends wurde gebetet. In das Abendgebet wurde stets der »edle Stifter« Wessenberg eingeschlossen. Nach einem Frühstück, bestehend aus Suppe und Brot, wurden Hausarbeiten verrichtet und der Schulunterricht folgte. Dieser fand im Schulzimmer des Gebäudes statt. Die Mädchen hatten dabei spezielle Schulschürzen zu tragen. Für den evangelischen Religionsunterricht kam der Stadtpfarrer in die Schwedenschanze. In den Kriegsjahren war dies Dekan Fritz Mono (1900 - 1977), der seit 1936 Pfarrer an der Lutherkirche war. Durch die Hilfe und Vermittlung Dekan Monos erhielten die Mädchen hin und wieder auch Lebensmittel aus der Schweiz. Die Mädchen wurden für alle häuslichen Aufgaben eingeteilt. Wochenweise war jede für eine andere Aufgabe zuständig. Sie halfen der Köchin in der Küche, reinigten das Gebäude, führten Handarbeitsaufgaben und Ausbesserungen aus, wuschen Wäsche und arbeiteten im Garten. Mitgliedsbuch Ziegenzüchterverein. Ziegen des Wessenbergheims (10.01.1928). 86 Wessenbergs Herzenskind Zeit zum Spielen blieb den Mädchen nicht. Puppen oder andere Spielmöglichkeiten waren im Gebäude nicht zu finden. Nur einmal im Jahr durften sie Kinder sein. In der Advents- und Weihnachtszeit wurde keine Wäsche gemacht, stattdessen holten die Betreuerinnen Spielsachen aus sonst verschlossenen Kisten. Vom Nikolaustag bis zu Dreikönig wurde gespielt, gesungen, gemeinsam Zeit am Adventskranz oder unter dem Weihnachtsbaum verbracht. Doch auch in dieser bei den Mädchen beliebten Zeit galt Pflichtbewusstsein, Gehorsam, Reinlichkeit und Ehrlichkeit. Dies waren die Eckpfeiler des tagtäglichen Heimlebens. 7.2.4.1. Hinweise auf Zwangssterilisation Nur wenige Unterlagen zur Heimführung während der Kriegsjahre sind erhalten. Die Personenstandslisten aus den Jahren 1940 bis 1944 fehlen komplett. Anhand späterer Listen kann man jedoch feststellen, dass es keine besonderen Schwankungen bei der Zahl der Zöglinge gab. Auch die Entlassung der Mädchen in Dienststellen, zu ihren Familien oder in andere Anstalten unterschied sich Küche des Wessenbergheims 1930. 7. Wessenbergs Herzenskind 87 zwischen 1939 und 1945 nicht. Wenn in den Unterlagen vermerkt ist, dass ein Mädchen an eine andere Anstalt verwiesen wurde, empfiehlt sich ein genauer Blick. Oft handelt es sich dabei um christliche Heime in der ursprünglichen Heimat der Mädchen oder um Heime für schwererziehbare Kinder. Mädchen, deren Verhalten in Konstanz nicht verbessert werden konnte oder die besonders verhaltensauffällig waren, wurden meist in das Erziehungsheim nach Bretten überwiesen. Auch in das erzbischöfliche Kinderheim St. Elisabeth in Gurtweil bei Waldshut-Tiengen wurden einige Mädchen weiterverwiesen. 375 Konkrete Hinweise auf eine unmittelbare Teilnahme an einem Euthanasie-Verbrechen finden sich in den vorliegenden Unterlagen nicht. Ein Aktenvermerk, der eine indirekte Verbindung zu einer möglichen Partizipation an der späteren Ermordung Kranker und Behinderter, wie sie ab 1939 unter dem Namen »Aktion T4« systematisch durchgeführt wurde, vermuten, aber nicht nachweisen lässt, stammt aus dem Jahr 1934. Im Jahresbericht der Heimleitung für 1933 findet sich die Angabe, dass zwei Mädchen in Heil- und Pflegeanstalten verwiesen wurden: »(1 Zögling wegen Schwachsinn und körperlicher Hilfsbedürftigkeit nach Mosbach und 1 Zögling wegen Dauererkrankung und Lebensuntüchtigkeit in die Heil- und Pflegeanstalt Weinheim)«. 376 Das weitere Schicksal der beiden Mädchen, deren Namen nicht angegeben werden, lässt sich nicht detailliert rekonstruieren. Die Personenstandslisten geben keinen Aufschluss. Im Berichts-Buch der Heimleitung über die einzelnen Schicksale der Kinder 377 lässt sich der Fall eines Mädchens, das bereits 1933 in die Heil- und Pflegeanstalt Weinheim verlegt worden war, nachweisen. Es findet sich der Vermerk: »Erbgesundheitsgericht Mannheim verlangt u. 14.4.34 die Akten der M. S. - Unfruchtbarmachung«. Im »Verzeichnis der Zöglinge der Rettungsanstalt für Mädchen in Konstanz« 378 für die Jahre 1882 bis 1930 lässt sich ebendieses Mäd- 88 Wessenbergs Herzenskind chen auch nachweisen, mit dem Hinweis einer späteren Heirat. Falls es sich bei diesem Mädchen um jenes handelt, das im Jahresbericht für 1933 genannt wird, lässt sich belegen, dass das Kind zwar nicht ermordet, aber als »erbungesund« bezeichnet wurde und somit im Zuge der Durchführung des »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« 379 vom 14. Juli 1933 vermutlich eine Zwangsterilisation erleiden musste. Auch im Jahresbericht 1936/ 1937 findet sich eine ähnliche Angabe: »in andere geschlossene Anstalten verlegt (weil nicht erbgesund) 2« 380 Die Personenstandslisten für diese Jahre liegen zwar vor, doch lässt sich aus ihnen keine weitere Information ziehen. Auch in den weiteren Quellen des Bestandes des Sozialzentrums Wessenberg findet sich kein weiterführender Hinweis. Im Stadtarchiv Konstanz befindet sich die Akte »Durchführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« 381 . Sie enthält nur spärliche, nicht eindeutige Angaben. Die Anweisungen des Justizministeriums zur Durchführung des Gesetzes und der geforderten Intelligenzprüfung erläutert das Verfahren. Laut Auskunft der Heimleiterin Chriemhilde Lederle betrifft das Gesetz, Stand 1. März 1934, keines der Mädchen im Wessenbergheim. Der Fall der W. H., die für eine Sterilisation vorgemerkt wurde, wird angeführt, doch es gibt keine weiteren Auskünfte. Sie sei nicht als »dringender Fall« eingestuft gewesen, da sie in einer Anstalt untergebracht war. Aufgrund ihrer bevorstehenden Entlassung, solle der Amtsarzt in ihrer Heimatstadt benachrichtigt werden. W. wurde am 13. Mai 1934 zu den Eltern entlassen und heiratete später. 382 Zwei weitere Mädchen wurden zur Zwangssterilisation vorgemerkt. Bei K. K. wurde »minderer Intelligenzgrad« 383 diagnostiziert, sie musste im Februar 1936 eine Zwangssterilisation in der Konstanzer Frauenklinik erleiden. Direkt danach wurde sie in das Zufluchtsheim Karlsruhe-Beiertheim gebracht. Später trat sie eine Dienststelle an. Über das Schicksal der H. B. finden sich keine konkreten Belege. Es wird lediglich berichtet, dass sie am 5. Juni 1936 in das »Mäd- 7. Wessenbergs Herzenskind 89 chengesinnungsheim Friedrichshöhe« in Lörrach-Tüllingen gebracht wurde. 384 Des Weiteren findet sich der »Antrag auf Unfruchtbarmachen« vom 11. September 1934 eines weiteren Mädchens. Hier wird angegeben, das Mädchen R. S. sei noch nicht entwickelt und stamme aus einer »Trinkerfamilie« 385 . Die Mutter habe zwar noch Einspruch gegen die Zwangssterilisation eingelegt, der jedoch als unbegründet zurück gewiesen wurde. Im Oktober 1935 musste R. in der Konstanzer Frauenklinik eine Zwangssterilisation erleiden. Danach wurde sie in die Anstalt Niefernburg gebracht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es mehrere Anträge auf Zwangssterilisation von Mädchen des Wessenbergheims gab. In zwei Fällen ist diese in Konstanz durchgeführt worden und lässt sich belegen. Die dürftige Quellenlage lässt in den anderen Fällen eine genauere Auskunft über die Teilnahme der Heimleitung und des Verwaltungsrats an diesen Verbrechen nicht zu. 7.2.5. Klärung der Verwaltungsorganisation In den Jahren 1935 bis 1942 wurde eine wichtige Reform der Verwaltungszuständigkeit durchgeführt. 386 Es bestand das Problem, dass mit dem Rettungsverein als Träger des Erziehungsheims und der Vermächtnisstiftung als Vermögensverwaltungsorganisation quasi zwei juristische Personen nebeneinander bestanden. Diese organisatorische Vermengung sollte geklärt werden, nicht zuletzt um die Vermögensverhältnisse zu sortieren. Nach ausführlichen Prüfungen seitens der Stadt Konstanz und des Innenministeriums wurde mit Schreiben vom 11. November 1941 festgehalten, dass seit der Auflösung des »Zentralvereins zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden« die Wessenberg’sche Erziehungsanstalt in Konstanz keine Rechtspersönlichkeit besaß. Um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, solle die Erziehungsanstalt mit ihrem Gesamtvermögen in die Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung eingegliedert werden. Die Stiftung müsse das Rettungshaus weiter betreiben. Diese Zusammenlegung wurde am 30. März 1942 vom Innenministerium genehmigt. Seither ist die 90 Wessenbergs Herzenskind Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung Träger und Verwaltungsinstanz des Heims. 7.3. Kontinuitäten im pädagogischen Programm und deren Erfolg Seit fast 100 Jahren wurden nun Mädchen im Wessenbergheim betreut und erzogen. Von den gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen wenig berührt, wurde das Anliegen des Gründers Wessenberg von der Heimleitung und der im Hintergrund stützenden Vermächtnisstiftung befolgt und ausgestaltet. Die Gründe aus denen die Mädchen in das Heim kamen hatten sich im Verlauf dieser ersten 100 Jahre kaum geändert. Sie stammten aus armen, in Not geratenen Familien, wuchsen oft nur bei einem Elternteil auf, mussten auf Kosten der eigenen Schulbildung die Familie wirtschaftlich unterstützen und waren oft Opfer von häuslicher Gewalt. Der Vorwurf der sittlichen Verwahrlosung wurde in den meisten Fällen angeführt, lediglich die Schuldzuweisung änderte sich seit der Gründungszeit. Sah man die sittliche Verwahrlosung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch als von den Mädchen selbst verschuldet, flossen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die familiären und gesellschaftlichen Umstände als Wurzel der Verwahrlosung in die Bewertung ein. Durch die Entfernung aus den Familien und die Erziehung im Heim sollten die Mädchen, ganz nach Wessenbergs Vorgabe, eine häusliche Erziehung erhalten, die sie in ihren Herkunftsfamilien nicht bekommen konnten. Dem pädagogischen Konzept Wessenbergs folgend, erhielten die Mädchen eine elementare Schulbildung, lernten häusliche Arbeiten zu verrichten, wurden in christlichem Religionsunterricht, katholisch und evangelisch, geschult und zu Reinlichkeit und gesundheitlichem Bewusstsein erzogen. Das Erziehungsziel lag darin, die Mädchen für eine Tätigkeit auszubilden, mit der sie ihren künftigen Lebensunterhalt bestreiten können. Konkret nahmen viele Mädchen Stellungen als Dienstmädchen, Haushälterinnen oder Krankenpflegerinnen an. Wichtigstes Ziel war, dass die Mädchen ein sittlich gefestigtes Leben führen 7. Wessenbergs Herzenskind 91 und nicht in die Verhältnisse vor ihrer Heimerziehung zurückfallen sollten. Um die weitere Entwicklung der Mädchen zu verfolgen, wurden Berichte verfasst, Kontakt zu den jungen Frauen gehalten und auch Preise ausgeschrieben, die einen weiteren positiven Lebenswandel honorieren sollten. Aus den Quellen 387 lässt sich herauslesen, dass diese gewünschten Erziehungsziele bei den meisten Mädchen erreicht wurden. Bei einigen Mädchen gibt es allerdings keine weiteren Auskünfte oder gar Hinweise auf einen Rückfall in unerwünschte Verhaltensmuster. Eine quantitative Aussage lässt sich jedoch anhand des vorliegenden Quellenmaterials nicht treffen. Für die ersten 100 Jahre des Heimbetriebs lässt sich das Resümee ziehen, dass das pädagogische und soziale Konzept Wessenbergs exakt umgesetzt worden ist. Die detaillierten Anweisungen des Gründers wurden kontinuierlich befolgt und die Mädchen nach Wessenbergs Willen erzogen und ausgebildet. Heimmädchen, 03.04.1932. Heimmädchen 1930er. 92 Wessenbergs Herzenskind Auf der Fähre 1928. Heimmädchen in Festtagskleidung 1930er. Heimmädchen Lisa E. und Erna S. am 31.03.1935. 7. Wessenbergs Herzenskind 93 Ausflug auf den Moericke-Turm am 01.07.1932. Heimmädchen in Alltagskleidung der 1930er Jahre. 94 Wessenbergs Herzenskind Winterausflug am 01.02.1929. Wessenbergheim 10.03.1932. 7. Wessenbergs Herzenskind 95 Am Strand von Hagnau 29.06.1931. Schlafraum 1930. 96 Wessenbergs Herzenskind Eingangsbereich des Heims 1930. Ess- und Aufenthaltsraum 1930. 7. Wessenbergs Herzenskind 97 7.4. Vom Mädchenheim zum Sozialzentrum Wessenberg 7.4.1. Nachkriegsjahre Am 26. April 1945 rückten die französischen Kampftruppen in Konstanz ein. Das »Dritte Reich« war besiegt. Zwar litt Konstanz nicht unter Kriegsschäden an Gebäuden, doch die Versorgungslage in der Stadt war schlecht. Die restriktive französische Wirtschaftspolitik und der damit einhergehende Mangel an Lebensmitteln, Kleidung und sonstigen Versorgungsgütern ließ die Konstanzer Bevölkerung stark leiden. 388 Im Wessenbergheim, das an der immer noch hermetisch abgeriegelten Grenze zur Schweiz lag, waren die kriegsbedingten Engpässe ebenfalls zu spüren. Erst im Jahr 1948 konnten wieder kleinere Investitionen vorgenommen werden. Beispielsweise stellte die Stadtverwaltung einen Gasherd und neue Waschbecken zur Verfügung. 389 Die Kinder erhielten eine Schuhspende, für die sich die Heimleiterin Frieda Messinger mit einem Schreiben vom 07. Dezember 1948 herzlich bedankte. »Sehr geehrter Herr Direktor Bernhardt! Wie glücklich bin ich über die wertvolle Schuhspende, die Sie in so liebenswürdiger Weise uns zukommen ließen. Das wird eine große Weihnachtsfreude geben, einmal ein Paar eigene neue Schuhe zu besitzen. - Es mutet einem fast selbst wie im Märchen an, solche Kostbarkeit zu besitzen, nachdem man jahrelang in banger Sorge um das Schuhwerk der Kinder lebte. - Im Namen unseres Hauses danke ich Ihnen, sehr geehrter Herr Direktor, für Ihre gütige Fürsorge und verbleibe mit ergebenem Gruß Ihre F. Messinger« 390 Vor dem Hintergrund der »Schuhfrage« 391 , einem der dringlichsten Probleme der Nachkriegszeit in Konstanz, ist diese Spende besonders hoch zu bewerten. 392 Nachdem die Versorgungslage in den Anfangsjahren der Bundesrepublik eine Stabilität erreicht hatte, entspannte sich auch die Situation im Wessenbergheim. Im Jahr 1951 nahmen die Kinder zwar noch täglich an einer Schülerspeisung, die vom städtischen 98 Wessenbergs Herzenskind Fürsorge- und Jugendamt organisiert wurde, teil, doch konnten die Mädchen bereits wieder unbeschwerte Freizeitaktivitäten genießen. »Die Möglichkeit, an einer Cirkusvorstellung teilnehmen zu dürfen, wird bei allen einen Sturm von Freude auslösen.« 393 Dies berichtet die Heimleiterin Frieda Messinger in einem Schreiben vom 10. Juli 1951 an das Fürsorge- und Jugendamt Konstanz. 7.4.2. Wandel in der Jugendfürsorge Die 1950er Jahre standen ganz im Zeichen der Neuordnung: Am 24. Januar 1950 genehmigte das Innenministerium die beantragte Namensänderung von »von Wessenberg’schen Erziehungsanstalt« in »von Wessenberg’sches Erziehungsheim für Mädchen in Konstanz«. 394 Die Verwaltung wurde reformiert, das städtische Jugendamt übernahm die wesentlichen Aufgaben bei der Zuweisung der Mädchen und der allgemeinen Organisation. Ebenso wurden die Beziehungen zum Landesjugendamt und zum Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband neu geregelt. Hierbei ging es hauptsächlich um die beantragten Zuschüsse, Kostenübernahmen und Versicherungen. 395 Der Heimbetrieb lief unter der Leitung von Frieda Messinger, die seit dem 1. April 1935 im Heim tätig war, zunächst ohne größere Änderungen weiter. Doch zeichnete es sich in den 1960er Jahren ab, dass sie mit der Führung des Heims mehr und mehr überfordert war. Zum einen spielte dabei sicherlich ihr fortgeschrittenes Alter eine Rolle, zum anderen aber auch ein Unvermögen auf die Entwicklungen in der Jugendfürsorge zu reagieren. Diese Schwierigkeiten lassen sich anhand einer Aktennotiz und einer darauffolgenden Anweisung des Verwaltungsrats exemplarisch dokumentieren: »Ich habe Kenntnis, dass die Heimleiterin des Wessenberg-Erziehungsheimes jährlich von Herrn E. S. zu seinem Geburtstag , am 21.6. ? ein Geldgeschenk entgegen genommen hat. Als Anerkennung hierfür hat die Heimleiterin Herrn S. jedes Jahr ein Ständchen gegeben. Im letzten Jahr ließ die Heimleiterin, die 7. Wessenbergs Herzenskind 99 sich am Sekt des Herrn S. über 1 Stunde gütlich tat und dabei bis an die Grenze des zumutbaren sich mit Alkohol auflud, die ganzen Kinder über 1 Stunde ohne Unterlass singen, was dem Geburtstagskind S. sehr auf die Nerven ging , dass er mich gebeten hat, zu verhindern, dass in diesem Jahre die Heimleiterin ihm wieder einen Besuch macht. Wir müssen Mittel und Wege finden, der Heimleiterin in irgend einer Form (Terminschwierigkeiten, weil ja die Stadt den 85. Geburtstag offiziell zu begehen gedenkt), … in einem Brief am besten machen. Bitte Rücksprache.« 396 Die offizielle Lösung dieses delikaten Problems findet sich in einem Schreiben an Frau Messinger vom 7. Juni 1967: »Sehr geehrtes Fräulein Messinger! Der Altfliegerpionier, Herr E. S., hat vor kurzem sich anerkennend über Ihre Bemühungen ausgesprochen, ihm jährlich eine Geburtstagsfreude zu bereiten. Aus persönlichen, insbesondere gesundheitlichen Gründen hat er gebeten, in diesem Jahr bei seinem 85. Geburtstag von irgendwelchen Veranstaltungen abzusehen und auch kein Ständchen der Kinder zu arrangieren. Wir geben Ihnen hiervon Kenntnis und bitten, es bei einem kurzen schriftlichen Geburtstagsgruss bewenden zu lassen.« 397 Ab 1969 übernahm die aus Berlin stammende Irmgard Menthe die Leitung des Heims. Sie stand dem Heim bis 1975 vor. Unter ihr wandelte sich das Erziehungsheim »alten Stils« in ein heilpädagogisch ambitioniertes Heim. Im Zuge einer Umstrukturierung wurde die dem Heim zugehörige Landwirtschaft aufgegeben. Nun konnten 28 Mädchen betreut werden. Sie besuchten die öffentlichen Schulen - die Heimschule war 1970 geschlossen worden. 398 Neben der Heimleiterin waren fünf Erzieherinnen und eine Psychologin tätig. Zu dem neuen heilpädagogischen Konzept zählten auch Legasthenie- und Sprachtherapien. Bewegungstherapie und spezielle Gruppenaktivitäten konnten ebenfalls angeboten werden. Die Verbindungen mit dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und der Caritas in Konstanz wurden intensiver. Die städtischen Fürsorgeeinrichtungen arbeiteten nun enger zusammen und wurden einheitlich vom Jugendamt koordiniert. 399 100 Wessenbergs Herzenskind Der gesellschaftliche Wandel in der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren zeigte sich unter anderem in den Diskussionen um den Umgang und die Rechte der Heranwachsenden. Die zunehmende Sensibilisierung für soziale Missstände führte dazu, dass das System der Heimerziehung öffentlich kritisiert wurde. Es galt als repressiv und oftmals menschenverachtend. 400 Die sogenannte Heimkinderproblematik wurde thematisiert und politisiert. Eine Frankfurter Studentenbewegung kümmerte sich beispielsweise um Jugendliche, die aus Heimen geflohen waren. Die Öffentlichkeit sollte von den herrschenden Zuständen in der Fürsorgeerziehung erfahren. Auch das sogenannte Fehlverhalten der Kinder wurde zunehmend als sozialer Missstand interpretiert, dessen Ursache in der Gesellschaft zu finden sei. Eine entsprechende politisch-motivierte Rebellion lässt sich in Konstanz nicht feststellen. Im Wessenbergheim verstießen einige Mädchen gegen die strenge Ordnung, mehr als das aus den vorherigen Jahrzehnten bekannt ist. In Stellungnahmen der Heimleiterin und in Briefen der Nachbarschaft - eine Mischung zwischen Beschwerde und Denunziation - wird davon berichtet. Mal ging es um nächtliche »Ausflüge« einiger Mädchen, mal um junge Männer, die sich vor dem Heim aufhielten und angeblich mit den Mädchen »poussierten«. Besonders die Lage des Heims in einem Wohngebiet und an der Grenze zur Schweiz bot einige Angriffspunkte für Kritik. 401 In den 1970er Jahren veränderte sich auch die direkte Umgebung des Heims: Einen Teil des Grundstücks, das von der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung verwaltet wurde, erhielt die Caritas 1970 auf Grundlage eines Erbpachtvertrags. Dort entstand ein Behindertenzentrum. Mit dem neuen Nachbarn entstanden Kooperationen. Das Schwimmbad und die Turnhalle wurden gemeinsam genutzt. Hierzu gab es jedoch auch kritische Stimmen, die sich auf die gegenseitige Einflussnahme von körperlich und geistig behinderten Kindern und schwererziehbaren Kindern bezogen. 402 Gegen Mitte des Jahrzehnts zeigte sich schließlich, dass das Modell des Mädchenheims nicht mehr zeitgemäß war. Die nach Geschlechtern getrennte Unterbringung in Heimen galt nicht als erstrebenswert. Andere Ansätze zeigten sich vielversprechender für 7. Wessenbergs Herzenskind 101 die positive Entwicklung der Kinder, so die Betreuung in kleineren Gruppen mit familiärem Charakter und speziell die Einbindung der Familie in den Erziehungsprozess. Eine Heimerziehung sollte nur noch für sehr verwahrloste, zum »Streunen« neigende Kinder empfohlen werden. Sie sollten in Kleinstgruppen intensiv betreut werden. Das Wessenbergheim wurde vom Landesjugendamt Baden 1976 hierfür als »völlig ungeeignet« eingestuft. In Konstanz sollte vielmehr eine Ausrichtung auf offene Erziehungshilfe erfolgen. 403 Die Erkenntnisse in der Pädagogik und der Erziehungswissenschaft wiesen den neuen Weg. Die Vorstellung von einer erfolgreichen Erziehungshilfe hatte sich gewandelt. Die Bedeutung der offenen familienorientierten Hilfe hatte der Heimerziehung den Rang abgelaufen. Diese neuen Konzepte der Heilpädagogik und Familienintegration ließen sich mit dem Stifterwillen Wessenbergs, gefährdeten und benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu helfen, klar verbinden. 404 Die Entwicklungen in der Jugendfürsorge hatten dazu geführt, dass das Wessenbergheim deutlich unterbelegt war. Während des Schuljahrs 1976/ 77 lebten nur noch zehn Mädchen an der Schwedenschanze. Im darauffolgenden Sommer sollten es voraussichtlich nur noch sechs Mädchen sein. Wirtschaftlich wie auch konzeptionell war das Heim nicht weiter tragbar. Zum 31. August 1977 wurde nach 122 Jahren der Betrieb des Mädchenheims an der Schwedenschanze eingestellt. 7.4.3. Umstrukturierung, Aktivitäten und Betrieb des Sozialzentrums Nach Auflösung des Mädchenheims sollte das Gebäude an der Schwedenschanze als Sozialzentrum mit offenen familienorientierten Erziehungsangeboten genutzt werden. Dabei galt es den Stifterwillen Wessenbergs aufrecht zu erhalten. Die Tagesbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit problematischem Familienhintergrund oder persönlichen Hemmnissen bildeten das Kernstück des neuen Konzepts 405 . Die Eltern sollten wesentlich in den Prozess der sozialpädagogischen Unterstützung einbezogen werden. 102 Wessenbergs Herzenskind 7.4.3.1. Dreischritt der Entwicklung Die Entwicklung des Sozialzentrums Wessenberg erfolgte dabei in einem Dreischritt. Das Konzept, das die Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt verfolgte, war und ist darauf ausgerichtet, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse zu erkennen und das eigene Angebot danach zu gestalten. Dabei wird nicht erst auf Gesetzesänderungen reagiert, sondern schon in deren Vorfeld an neuen Strukturen gearbeitet. 7.4.3.2. Schritt 1: Vom Heimbetrieb zur Tagesbetreuung Der erste Schritt beinhaltete die Umstrukturierung und den Umbau von einer stationären Einrichtung in eine Institution, die eine familienorientierte Tagesbetreuung anbot. Standort blieb die Schwedenschanze. Eine neue Verwaltungsstruktur, eine neue Satzung und selbstverständlich auch bauliche Veränderungen waren nötig. 406 Von nun an wurden Mädchen und Jungen betreut. Im Jahr 1979 erhielt das Sozialzentrum die Betriebserlaubnis als Kindergarten. 407 Auch Schulkinder wurden betreut und gefördert. Das Angebot umfasste Hausaufgabenhilfe, Nachmittagsbetreuung, Sprachförderung und weitere sozialpädagogische Hilfsmaßnahmen. Die erste, nach heutiger Definition, sozialpädagogische Tagesgruppe wurde offiziell 1982 eingerichtet. Das Thema Migration spielte seit Beginn der 1980er Jahre eine wichtige Rolle im Betrieb des Sozialzentrums. Integration und vor allem Sprachförderung der Kinder waren und sind hierbei die Kernanliegen. 408 Das umfassende familienorientierte Konzept beinhaltete in der Anfangsphase auch eine Adoptionsvermittlungsstelle. Ab 1984 wurde dieses Engagement jedoch nicht weiter verfolgt, sondern anderen Einrichtungen wie dem Haus Nazareth des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) überlassen. 409 7. Wessenbergs Herzenskind 103 7.4.3.3. Schritt 2: Expansion in die Stadtteile Der Erfolg des Sozialzentrums zeigte sich in den 1980er Jahren dadurch, dass die Nachfrage an Betreuungsplätzen immer größer wurde. Ein zweiter Schritt in der Entwicklung des Sozialzentrums wurde nötig: die Ausweitung in andere Stadtteile und somit der Beginn einer stadtteilbezogenen Ausrichtung. 410 So wurde 1987 eine »Außenstelle« im Gebäude der Fürstenbergschule (heute Regenbogen-Schule, Schule für Körper- und Geistigbehinderte) eingerichtet. Dort kümmerte sich das Sozialzentrum Wessenberg um Schulkinder aus dem Stadtteil Berchengebiet. Eine weitere Gruppe im Stadtteil Petershausen folgte 1991. 411 Durch den Stadtteilbezug der Tagesgruppen wurde der bestehenden Einbindung der Kinder und Jugendlichen in den sozialen Nahraum ihres jeweiligen Stadtteils (Schule, Kirche, Jugendgruppe, Sportvereine, Fasnacht) Rechnung getragen. Die Bedeutung des Wohngebiets als »Heimat« für die Kinder und Jugendlichen sollte dadurch gestärkt werden. Das Sozialzentrum betreute nun an drei unterschiedlichen Standorten in Konstanz Kinder im Vorschulalter ganztags und Schulkinder nachmittags. In Abstimmung mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst des Sozial- und Jugendamts Konstanz (ASD) nahm man nur Kinder aus sozial benachteiligten Familien mit erzieherischen Problemen auf. Im Rahmen der Jugendhilfeplanung der Stadt Konstanz 1994 wurde der Bedarf für eine Sonderschule für Erziehungshilfe deutlich. 412 Bis dahin mussten Kinder mit einem entsprechenden Beschulungsbedarf vollstationär außerhalb von Konstanz untergebracht werden, obwohl bei einem örtlichen Angebot auch eine teilstationäre Tagesgruppenbetreuung ausreichend gewesen wäre. Die Sonderschule sollte als Halbtagsschule betrieben werden, um eine Verzahnung mit dem Angebot der sozialpädagogischen Tagesgruppen zu ermöglichen. Die sogenannte Sonderschule E und das korrespondierende Tagesgruppenangebot bildeten die beiden Teile des ganztägigen und ganzheitlichen Betreuungsrahmens. Als Durchgangsschule wurde der Grundschulbereich (Klasse 1 bis 4) abgedeckt. Die Zusammenarbeit mit den Regelschulen der Stadt war wichtiger Bestandteil des Konzepts. Die Wessenberg’sche Ver- 104 Wessenbergs Herzenskind mächtnisstiftung übernahm die Trägerschaft für diese Sonderschule - genannt Säntisschule. Im September 1997 startete der Schulbetrieb in Räumlichkeiten des Hauses Nazareth in der Säntisstraße. Die Praxiserfahrung zeigte jedoch schnell, dass dieses Konzept keine optimale Lösung war. Die Zuordnung der Schüler der Sonderschule E in die jeweiligen stadtteilbezogenen Tagesgruppen gestaltete sich schwierig. Die Schüler zeigten einen verstärkten Bedarf an persönlicher Betreuung und die Verzahnung von Schulbetrieb und Tagesgruppe konnte nicht optimal realisiert werden. Ein zielgruppenorientiertes, stärker schulbezogenes Tagesgruppenkonzept musste ergänzt werden. Dies wurde dadurch erreicht, dass die Trägerschaft der Sonderschule zum 1. September 1999 von der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung an den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) überging. 413 Für den geforderten Betreuungsbedarf richtete das Haus Nazareth entsprechende Tagesgruppenplätze ein. Um diesen Schritt zu ermöglichen, wurden bei der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung zwölf Tagesgruppenplätze (acht Plätze in der Schwedenschanze, vier Plätze in Petershausen) und im Sozialzentrum Stockacker acht Tagesgruppenplätze abgebaut. 414 Zur Jahrtausendwende wurden an der Schwedenschanze und in den Außenstellen Berchenhaus und Petershausen 51 Kinder in fünf Gruppen betreut. Die Tagesgruppe »Berchen« umfasste eine Gruppe mit zwölf Plätzen für sechsbis zwölfjährige Kinder. Die Tagesgruppe »Petershausen« bestand aus zwei Gruppen mit je zwölf Plätzen, eine für dreibis sechsjährige und eine für sechsbis zwölfjährige Kinder. Im ehemaligen Heim an der Schwedenschanze waren ebenfalls zwei Gruppen à zwölf Plätzen beherbergt, wie in Petershausen auch für dreibis sechs- und sechsbis zwölfjährige Kinder. 415 Im Jahr 2002 wurde die Satzung der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung überarbeitet. Seither lautet der Stiftungszweck: »Die Stiftung hat die Aufgabe, besonders erziehungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen familienunterstützende und familienergänzende Hilfen zu gewähren und sie zu lebenstüchtigen Menschen im christlich-humanistischen Sinne heranzubilden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe wird das ›Sozialzentrum von Wessenberg‹ betrieben. 7. Wessenbergs Herzenskind 105 Die von Wessenbergsche Vermächtnisstiftung stellt für diese Einrichtung die erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung.« Die Stadt Konstanz verfügte im Herbst 2009 über 120 sozialpädagogische Tagesgruppenplätze. Davon befanden sich 48 in der Trägerschaft der Wessenbergstiftung. 416 Die vom Sozialzentrum angebotene Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe soll die Entwicklung des Kindes durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen. Dadurch wird der Verbleib des Kindes in seiner Familie gesichert. Diese Form der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe ist seit Anfang der 1990er Jahre im Sozialgesetzbuch (SGB), Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe, in Paragraph 32 als ein Pflichtangebot der Jugendhilfe festgelegt. 417 Die Tagesgruppe soll als teilstationäre Hilfe im Vorfeld von Problemverfestigungen dazu beitragen, dass Familien gestärkt, Kinder in ihrer Entwicklung ausreichend gefördert und damit eine Unterbringung außerhalb der Familie verhindert werden kann. Die Aufnahme in eine Tagesgruppe, die über den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamts erfolgt, ermöglicht, dass trotz belasteter familiärer Situation das Kind in der Familie bleiben kann. Es wird jedoch ein Minimum tragfähiger Beziehungen, die Gewährleistung der Grundversorgung des Kindes und die Bereitschaft der Eltern zur Kooperation vorausgesetzt. Die Kontinuität und Neutralität der Gruppe mit konstanten Bezugspersonen, klaren und verlässlichen, konsequent praktizierten Strukturen gibt den Kindern Sicherheit und hilft ihnen beim Aufbau von Beziehungen neuer Qualität. Die Gruppe bietet ein Übungsfeld für soziales Verhalten und alternative Konfliktlösung, für Alltagsbewältigung und den Aufbau von Selbstwert und Identität. Darüber hinaus erhält jedes Kind individuelle Einzelhilfen entsprechend seiner Defizite beziehungsweise Probleme. Das geschieht sowohl innerhalb der Gruppe (Heilpädagogik), als auch durch ergänzende therapeutische Angebote (Logopädie, Ergotherapie etc.). Die intensive Zusammenarbeit mit der Schule ist dabei wichtig. Für umfassende Hilfe ist die Arbeit mit den Eltern unerlässlich: Es werden kontinuierlich intensive Einzelgespräche geführt, Hausbesuche gemacht, 106 Wessenbergs Herzenskind die Eltern besuchen die Gruppe ihrer Kinder, ein Elterntraining und Hilfeleistungen in aktuellen Krisen werden angeboten. Bei Aufnahme des Kindes verpflichten sich die Eltern verbindlich, sich auf dieses Angebot einzulassen. 418 Das Sozialzentrum kümmert sich ausschließlich um Kinder mit erheblichen Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten und Defiziten im Sozial- und Leistungsbereich. In den Familien herrscht oft eine materielle und soziale Not. Die Kinder benötigen vielfältige Angebote zur Unterstützung ihrer Kompetenzen im sozialen, emotionalen, kognitiven und motorischen Bereich. Oftmals ist auch eine Förderung im Leistungsbereich und Hilfestellung beim Lernen notwendig. Ganz wesentlich ist dabei immer die enge Zusammenarbeit mit den Eltern und weiteren wichtigen Bezugspersonen der Kinder. 419 Von Herbst 2009 an wurden in fünf Tagesgruppen insgesamt 48 Kinder zwischen zwei und 14 Jahren betreut: eine Gruppe mit zwölf Plätzen für Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren in der Schwedenschanze, zwei Gruppen mit acht beziehungsweise zwölf Plätzen für schulpflichtige Kinder am Georg-Elser-Platz in Petershausen und zwei Gruppen für Schulkinder in der Leipzigerstraße im Stadtteil Berchen-Öhmdwiesen (bestehend aus zwölf Plätzen Regelgruppe und vier Plätzen zeitreduzierter Tagesgruppe). Die Auslastung lag fast durchgängig bei 100 Prozent. 420 7.4.3.4. Schritt 3: Einstieg in die Kleinkinderbetreuung Aufgrund zentraler gesellschaftlicher Veränderungen im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war wiederum eine Umstrukturierung und Anpassung der Angebotsstruktur des Sozialzentrums notwendig. So führte die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg dazu, dass vermehrt die sozialen und freizeitpädagogischen Aspekte in der Schule umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass weniger Tagesgruppenplätze für Schulkinder benötigt werden. Die Bezugsgruppen der Kinder und Jugendlichen finden ihren Schwerpunkt in der Schule. Auf diese Veränderung stellte sich das Sozialzentrum ein und beging den dritten Entwicklungsschritt, nach Auflösung des Mädchenheims. Konkret 7. Wessenbergs Herzenskind 107 bedeutete dies die Schließung einer der Tagesgruppen für Schulkinder an der Schwedenschanze zum 31. Juli 2009. 421 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und damit insbesondere die Schaffung von Betreuungsangeboten für unter dreijährige Kinder ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema. So wurde parallel zu der Schließung der Tagesgruppe für Schulkinder ein Konzept 422 zur Schaffung von Krippenplätzen für unter dreijährige Kinder mit einem besonderen Förderbedarf entwickelt. Dieses Angebot richtet sich an vielfach belastete Familien und Alleinerziehende, die bei der Betreuung, Pflege, Förderung und Erziehung ihrer Kleinkinder besondere Unterstützung benötigen. Bei Kleinkindern mit erhöhten Entwicklungsrisiken soll durch frühzeitige Unterstützung von Kind und Eltern eine positive frühkindliche Entwicklung erreicht werden. Die frühe Förderung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenzen soll dazu führen, dass sich eine sichere Eltern-Kind-Bindung entwickelt. Ab dem vierten Lebensjahr wird ein Wechsel in eine Regeleinrichtung angestrebt. Ende 2009 konnten zwei Kleinkindgruppen für Kinder von vier Monaten bis drei Jahren mit besonderem Förderbedarf eingerichtet werden. Die beiden Gruppen mit jeweils zehn Krippenplätzen sind vollständig belegt. Die Kinder werden über bestimmte Kooperationspartner wie Kinderärzte, das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ), Hebammen, den Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamts, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Regeleinrichtungen, Beratungsstellen, die Sozialpädagogische Familienhilfe und die Familienpflege vermittelt. 423 Dieser dritte Entwicklungsschritt des Sozialzentrums Wessenberg machte erneut bauliche und personelle Veränderungen nötig. Die Umbaukosten an der Schwedenschanze beliefen sich auf 150.000 Euro, die Erstausstattungskosten auf 30.000 Euro. Der Gemeinderat der Stadt Konstanz genehmigte einen städtischen Zuschuss von 52.000 Euro, der Zuschuss des Bundes aus dem Programm »Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013« betrug 40.000 Euro. Somit musste die Wessenbergstiftung einen Eigenanteil von 88.000 Euro tragen. Der Personalbedarf erhöhte sich um 1,2 Fachkräfte. Zwei Erzieherinnen des Sozialzentrums absolvierten einen spezifischen und umfangreichen Fortbildungskurs an der Fach- 108 Wessenbergs Herzenskind schule Hegne. Die laufenden Betriebskosten übernahm die Stadt Konstanz in Form eines monatlichen Pauschalsatzes von 1.300 Euro pro Krippenplatz. 424 7.4.4. Stifterwillen Entspricht das heutige Konzept des Sozialzentrums Wessenberg dem ursprünglichen Stifterwillen? Sucht man nach dem Konzentrat von Wessenbergs Engagement, zeigt sich das Bild des Menschenfreunds, der auf einem christlichen Fundament den benachteiligten Kindern und Jugendlichen Erziehung, Bildung und ein Zuhause geben wollte. Der Verwaltungsrat der Vermächtnisstiftung hat bei all seinen Entscheidungen und bei allen Weiterentwicklungen, die konzeptionell nötig wurden, stets darauf geachtet, dass der Stifterwille berücksichtigt wurde. So kann heute festgestellt werden, dass es sich bei dem Sozialzentrum um eine Einrichtung handelt, die ganz in Wessenberg’scher Tradition steht und sein pädagogisches Konzept immer zeitgemäß weiterentwickelt und umgesetzt hat. Zwar gehört der jährliche Besuch am Grab des »edlen Stifters«, wie er zu Heimzeiten noch Brauch war, nicht mehr zu den Aktivitäten der Tagesgruppen, doch kann man den Geist Wessenbergs - wenn man ihn so nennen darf - an der Schwedenschanze noch intensiv spüren. 8. Exkurs 2: Soziales Netz in Konstanz Anfang des 21. Jahrhunderts 109 8. Exkurs 2: Soziales Netz in Konstanz Anfang des 21. Jahrhunderts Das Oberzentrum Konstanz, das auf den Säulen Handel, Bildung und Tourismus ruht, bietet für die über 80.000 Einwohner 425 ein attraktives Lebensumfeld. Dabei ist ein ausgeprägtes soziales Netz von großer Bedeutung. In Konstanz weist dieses Netz traditionelle und historische Spuren auf, zeitgleich ist es aber auch den zeitgemäßen Bedürfnissen und Herausforderungen verschrieben. Hier kann nur ein selektiver Überblick gegeben werden, der den Rückbezug auf das soziale Netz in Konstanz vor gut 200 Jahren erlaubt. 8.1. Sozial- und Jugendamt Das Sozial- und Jugendamt Konstanz mit seinem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) ist im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge die zentrale Anlaufstelle der Stadt. Der ASD bietet Hilfe zur Erziehung für Eltern und Kinder durch Beratung und Unterstützung bei innerfamiliären Problemen und Erziehungsfragen. »Gemeinsam mit der Familie klärt er den Bedarf von Hilfen zur Erziehung, vermittelt ambulante Hilfen innerhalb der Familie, Tagesgruppen und stationäre Hilfen und begleitet diese. Er unterstützt Eltern bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge bei Trennung, Scheidung oder Umgang. In Krisen- oder Notsituationen bietet er gefährdeten und misshandelten Kindern und Jugendlichen Maßnahmen zu deren Schutz an. Dabei wird gemeinsam mit den Familien nach individuellen und zukunftsorientierten Lösungen gesucht. Außerhalb von Gefährdungssituationen wird die Beratung und Unterstützung auf freiwilliger Basis angeboten. Gespräche werden vertraulich behandelt. Der ASD arbeitet sozialraumorientiert, d.h. er kooperiert mit allen Diensten und Einrichtungen im Stadtteil.« 426 Zu den vom ASD koordinierten Tagesgruppen zählen auch die Betreuungsplätze des Sozialzentrum Wessenberg. Sie sind eng in das städtische Fürsorgenetz eingebunden. 110 Wessenbergs Herzenskind 8.2. Spitalstiftung Die Spitalstiftung Konstanz, eine der traditionsreichsten Institutionen im sozialen Netz der Stadt, hat ihr Tätigkeitsfeld kontinuierlich ausgebaut. »Soziales Denken und frommer Stiftersinn haben in staufischer Zeit eine Institution geschaffen, die noch heute in den Krankenanstalten und in den Altenheimen der Stadt weiterlebt.« 427 Im Kernbereich der Alten- und Krankenpflege kümmern sich heute »rund 220 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und mehr als 100 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen mit persönlichem Engagement und fachlicher Kompetenz um 280 Bewohnerinnen und Bewohner in vier Pflegehäusern, zwölf Gäste in der Tagespflege, 28 betreute Wohnungen und die Kunden unseres Ambulanten Pflegedienstes«. 428 Doch nicht nur in diesen beiden Verantwortungsbereichen ist die Spitalstiftung aktiv. Hier sei auf die finanzielle Stiftungstätigkeit und die Spitalkellerei hingewiesen. Das Beispiel des Sozialzentrums Wessenberg zeigt, dass das Engagement der Spitalstiftung auch die Kinder- und Jugendfürsorge mit einschließt. 8.3. Kinderbetreuung und Schulen Die Kleinkinderbetreuung in Tageseinrichtungen in Konstanz wird von 34 verschiedenen Trägern angeboten. Es stehen 45 Tageseinrichtungen und 19 zusätzliche Spielgruppen zur Verfügung. 429 In Konstanz befinden sich, Stand 2011, sieben Grundschulen, vier Grund- und Haupt-/ Werkrealschulen, eine Realschule, drei Gymnasien, zwei Schulverbünde (Mädchen-Haupt-/ Realschule und Hauptschule, Realschule Gymnasium), eine Förderschule und zwei vorschulische Einrichtungen in städtischer Trägerschaft. Hinzu kommen weitere Bildungseinrichtungen in privater Trägerschaft. 8. Exkurs 2: Soziales Netz in Konstanz Anfang des 21. Jahrhunderts 111 8.4. Karitative Einrichtungen Das bürgerschaftliche Engagement ist in Konstanz stark ausgeprägt. In Sportvereinen, Kultureinrichtungen, Schulen, Umweltverbänden oder auch in der Seniorenhilfe setzen sich Bürger für ihre Mitmenschen ein. Die ehrenamtliche Mitarbeit ist eine wesentliche Säule des sozialen Netzes der Stadt. Wie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielen auch heute noch die Frauenvereine eine große Rolle. Besonderes Augenmerk kommt dabei der Unterstützung und Beratung von Frauen zu, die in Not- und Konfliktsituationen geraten sind. Dieser Hilfsgedanke, der 1899 bereits die Gründungsidee des Sozialdienstes katholischer Frauen war, wird in Konstanz heute vom SkF getragen und ausgestaltet. Ein vielfältiges soziales Angebot, von der Schwangerenberatung bis hin zu sonderpädagogischer Arbeit an Schulen, hilft die Lebensumstände von Konstanzer Mitbürgern zu verbessern. 112 Wessenbergs Herzenskind 9. Zusammenfassung Vor der abschließenden Bewertung des sozialen und pädagogischen Wirken Wessenbergs werden die wesentlichen Erkenntnisse nochmals zusammengeführt. 9.1. Die Wurzeln Familie und Ausbildung Der biographische Hintergrund gibt Hinweise auf das pädagogische und sozial-fürsorgerische Konzept, das Wessenberg in Theorie und Praxis vorgedacht und umgesetzt hat. Der hohe Stellenwert der Familie, der sich im Erziehungskonzept der häuslichen Bildung ausdrückt, prägte den jungen Wessenberg im eigenen Familienkreis. Aufgewachsen in einer emotional gefestigten Umgebung, mit engem, vertrauensvollem Kontakt zu Geschwistern, Mutter, Vater und Großvater, die beide professionelle Erzieher waren, genoss Wessenberg eine liebevolle häusliche und eine hervorragende schulische Bildung. Die häusliche Bildung erhielt er in den frühesten Jahren auf emotionaler und religiöser Ebene durch seine Mutter. Nach deren frühen Tod übernahm diese Aufgabe der Vater. Er ließ seine professionelle pädagogische Erfahrung einfließen und vermittelte religiöse und politische Ideen, zu denen insbesondere die Gedanken der katholischen Aufklärung und des Josephinismus gehörten. Sie prägten das Denken und Handeln der Söhne Wessenberg. Die mit der schulischen Ausbildung Wessenbergs angestrebte höhere Bildung war auf sein späteres Betätigungsfeld ausgerichtet; dies findet sich in seinem späteren Erziehungskonzept wieder. Nach der von Ideen der Aufklärung beeinflussten elementaren Schulbildung im Elternhaus lernte Wessenberg deren Gegenpart in der jesuitischen Scholastik am Gymnasium kennen. Er studierte Bibeltheologie mit praktischer Ausrichtung, Philosophie, Jura, Kirchenrecht und Kirchengeschichte, wurde mit theoretischer und praktischer Diplomatie vertraut gemacht und gewann ein Verständnis für Ästhetik und Kunst. 9. Zusammenfassung 113 Diese Bildung und Ausbildung bereitete ihn für seine kirchliche und politische Laufbahn vor und führte zu seinen Reflektionen über das Erziehungswesen und die Notwendigkeit und Möglichkeit dieses zu verbessern. Als aufgeklärter Kultuspolitiker setzte er sich gemäßigt-liberal für die Verbesserung der Bildung und Erziehung ein und kümmerte sich um soziale Missstände im Land Baden. Dabei beließ er es nicht bei der Eingabe von politischen Motionen und dem Verfassen von Denkschriften, sondern organisierte konkrete Schritte, die er in seinem direkten Umfeld überwachte. Seine Reform der Priesterausbildung im Bistum Konstanz zeugt ebenso davon wie sein Engagement für die Betreuung und Erziehung von Blinden und Taubstummen. Die allgemeine Volksbildung lag ihm am Herzen. Um diese zu stärken, machte er die aus seiner Sammelleidenschaft entsprungene Gemälde- und Kupferstichsammlung und seine umfangreiche Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich. Auch die nach seinem Tod gegründete Wessenberg-Denkmalstiftung verschrieb sich diesem Anliegen und ist Zeugnis für die Bedeutung Wessenbergs für die Volksbildung in Konstanz. Die Biographie Wessenbergs enthält viele Elemente, die direkt Einfluss auf sein pädagogisches Konzept hatten. Die familiäre Prädisposition und der eigene Ausbildungsgang schlugen sich ebenso nieder wie die Ausgestaltung seines Tagesablaufs: Bis ins hohe Alter achtete Wessenberg darauf Geist, Herz und Körper in harmonischem Einklang zu halten. Er folgte seinen Vorstellungen und Prinzipien auch dann, wenn er damit bei Kirche und Staat aneckte. Obrigkeitskonformität lag ihm fern. Er vertrat stets seine eigenen reflektierten Überzeugungen. Diese so vielfältig beeinflusste Ideenwelt setzte er auf höchst persönliche Weise um. Sein persönlicher Leitspruch »recte et fortiter« 430 trifft diese Haltung sehr gut. 114 Wessenbergs Herzenskind 9.2. Die Wurzeln Religion und Politik Auf den persönlichen Prägungen, die sich auf das soziale und pädagogische Wirken Wessenbergs auswirken, wurzeln die religiösen, politischen und philosophischen Ideen, die seinem sozialen Engagement zugrunde liegen. Für Wessenberg als Vertreter der katholischen Aufklärung ist direkte Nächstenliebe ein zentrales Anliegen. Die Fürsorge ökonomisch zu optimieren, zu professionalisieren und eine praktische Umsetzung zu organisieren, sind seine wesentlichen Forderungen. Dabei fließen Ideen der Josephinischen Armenfürsorge ein, die beabsichtigte den wahren Armen zu helfen, damit diese nicht zu unwürdigen Armen werden. Für Wessenberg ist der einzige Weg, diesem unwürdigen Müßiggang vorzubeugen, aktive und rechtzeitige Fürsorge. Dieser Präventionsgedanke findet sich auch in den Fürsorgeaktivitäten Wessenbergs. Durch philanthropische Menschenliebe und christliche Nächstenliebe motiviert, wünscht er sich private Wohltätigkeit, um die gesellschaftlichen Zustände zu verbessern. Der mittelalterliche Gedanke der Vorsorge für das Jenseits spielt bei Wessenbergs Wohlfahrtsvorstellung keine Rolle mehr. Jedem soziale Hilfe zukommen zu lassen, ist die tiefe Überzeugung Wessenbergs. In seinem Denken und Handeln werden die Gedanken der Französischen Revolution, die zuvor diskutierte Ideen in die soziale Wirklichkeit schleuderte, und die politische Aufklärung wirksam. Die Schlagworte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit trafen die Wünsche und Forderungen der sich emanzipierenden Bürgerschaft und prägten die Gedankenwelt der Denker Europas, zu denen auch Wessenberg gezählt werden kann. Weitere Wurzel seines sozialen Engagements für Kinder und Jugendliche ist die Wertschätzung der Familie und der Kinder. Ausgeprägt und gefestigt hat sich diese Liebe zu den Kindern durch die eingehende Beschäftigung mit pädagogischen Schriften und dem Austausch mit Pädagogen wie beispielsweise Pestalozzi und durch das neutestamentliche Vorbild Jesu und dessen liebevollem Umgang mit Kindern. 9. Zusammenfassung 115 9.3. Der Stamm Pädagogik Der Schlüssel für die Verbesserung der sozialen Umstände ist nach Wessenberg die Gewährleistung einer Bildung für alle Kinder. Um dies zu erreichen, müssen Staat, Kirche und private Bemühungen harmonisch miteinander kooperieren. Um der Verantwortung für künftige Generationen gerecht zu werden, sei das Zusammenspiel von Staat und Kirche unabdingbar. Im Bildungsstand einer Gesellschaft zeige sich stets deren Kultur. Diesen zu heben sei im ureigenen Interesse von Staat und Kirche. Die Begriffe Bildung und Erziehung verwendet Wessenberg synonym. Für ihn ist die Religion Ausgangspunkt und Ziel von Bildung. Zweck aller Erziehung sei die Harmonie von Verstand und Gemüt, um eine gesunde Seele in einem gesunden Körper zu gewährleisten. Das Erziehungskonzept Wessenbergs ruht auf drei Säulen. In einem harmonischen Zusammenspiel sollen Kopf, Herz und Geist sowie Gesundheit gefördert werden. Nur in der Verbindung von Wissen, Glaube und physischer Leistungsfähigkeit zeige sich eine vollständige Erziehung. Die Umsetzung seiner theoretischen Vorgaben zur Erziehung solle in einem System von häuslicher und schulischer Bildung geschehen. Erziehung sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Elternhaus und Schule. Sie solle durch Liebe und Vertrauen geprägt sein, nicht durch Zwang und Strafe. Bereits in jungen Jahren sollen Kinder eine häusliche Bildung erhalten. Dabei steht die Vermittlung von religiösen und emotionalen Inhalten und die Stärkung der Persönlichkeit der Kinder im Vertrauen auf Eltern und Glaube im Mittelpunkt. Die häusliche Erziehung solle primär von der Mutter geleistet werden, daher sei eine gute Mädchenbildung wichtig. Sie sei notwendige Voraussetzung, da nur entsprechend gebildete Mütter fördernd auf ihre Kinder einwirken können. Wessenbergs starkes Eintreten für die Bildung der Frau ist demnach pragmatisch motiviert und legt den Fokus auf das Kindswohl, nicht in erster Linie auf das Wohl der Frauen. Dennoch kann in ihm ein Vorkämpfer für die Bildung der Frau gesehen werden. 116 Wessenbergs Herzenskind Zur häuslichen tritt ab dem Alter von etwa fünf Jahren ergänzend die schulische Erziehung. Jungen und Mädchen sollen eine elementare Schulbildung erhalten. Bei der Schulbildung kommt der Lehrerpersönlichkeit und der Methode wesentliche Bedeutung zu. Wessenberg betont deren zentrale Stellung, gibt allerdings kein Patentrezept vor. Jeder Erzieher solle die für sich und seine Schüler fruchtbarste Methode entwickeln. Die Erziehung aller Kinder solle auf deren spätere Berufstätigkeit zielgerichtet sein. Theoretische und praktische Inhalte müssen entsprechend vermittelt werden. Bei ausreichender Begabung empfiehlt Wessenberg den Besuch von weiterführenden Schulen, um eine höhere Bildung zu erlangen. Damit seine Forderungen im Bildungssystem umgesetzt werden können, müssen die herrschenden Rahmenbedingungen verbessert werden. Wessenberg setzt sich dafür in seiner Funktion als Politiker ein. In Denkschriften und Appellen fordert er unermüdlich Reformen bei der Lehrerausbildung, der Ausstattung der Schulen und anderer Institutionen der Volksbildung. 9.4. Der Ast »Verein für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden« Wessenbergs Gedanken und Ideen zur sozialen Fürsorge und zur Pädagogik finden in seinem Engagement für »sittlich verwahrloste Kinder« zusammen. In Karlsruhe wurde 1833 der »Verein zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden« gegründet. Kinder die als verwahrlost galten, durch negatives bis kriminelles Verhalten aufgefallen waren oder aus prekären Familienverhältnissen stammten, sollten mit Hilfe des Vereins eine Erziehung erhalten. Diese sollte in Pflegefamilien oder in Rettungsanstalten stattfinden. Bei der Vereinsgründung war Wessenberg in tragender Rolle tätig. Er verfasste Denkschriften und lieferte das pädagogische Grundkonzept für die angestrebte Erziehung. Seine theoretisch-pädagogischen Überlegungen und seine Ideen zur Verbesserung der Fürsorge flossen direkt in das Programm des Vereins ein. Seine Entwürfe 9. Zusammenfassung 117 wurden exakt umgesetzt und bestimmten die Erziehungspraxis in den Rettungshäusern. Als Teil der Organisationsstruktur des Zentralvereins entstanden lokale Ortsvereine. Der Konstanzer Ortsverein konstituierte sich im Sommer 1834. Über Spendensammlungen sollte die Betreuung von Kindern in Pflegefamilien und die Einrichtung von Rettungshäusern realisiert werden. Das erste Heim entstand in Durlach bei Karlsruhe, das zweite in Neudingen bei Donaueschingen. Beide Heime nahmen nur Jungen auf. Nach jahrelangen finanziellen und inhaltlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Zentralverein und dem Ortsverein in Person von Wessenberg, wurde eine Rettungsanstalt für Mädchen in Konstanz gebaut. Sie wurde im März 1855 in Betrieb genommen. 9.5. Die Blüte Rettungshaus in Konstanz Das Heim war in den ersten Jahren seines Bestehens nicht voll ausgelastet. Der Zentralverein in Karlsruhe wollte nur Mädchen mit einem hohen Grad der Verwahrlosung nach Konstanz schicken. Dies widersprach dem Präventionsgedanken Wessenbergs. Bis zu seinem Tod 1860 konnten nur zwölf Mädchen aufgenommen werden. Wessenberg kümmerte sich inhaltlich und finanziell um sein »Herzenskind«. Er überwachte die Erziehung und setzte nach dem Tod seines Bruders Johann Philipp 1858 in seinem Testament die Rettungsanstalt als Universalerbin ein. Durch Familienvermögen, Einkünfte aus Honoraren seiner literarischen Werke und dem Erlös des Verkaufs seiner Gemäldesammlung wurde das finanzielle Bestehen der Anstalt gesichert. Sein pädagogisches Konzept sicherte er ebenfalls ab. Er verfügte, dass Vorsorge getroffen werde, die Leitung des Heims nie in die Hände des Jesuitenordens zu geben, dessen dogmatische Lehre er ablehnte. Im Jahr 1862 wurde die »Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung« gegründet. Sie kümmerte sich um die Vermögensverwaltung und die Aufrechterhaltung des Heimbetriebs. Mit ihr wurde die Verbindung zur Stadt Konstanz gefestigt. In den Statuten wurde fest- 118 Wessenbergs Herzenskind gelegt, dass der Bürgermeister den Vorsitz des Verwaltungsrats zu übernehmen habe und die Vermögensverwaltung gemeinsam von Verwaltungsrat der Stiftung und Gemeinderat der Stadt getragen werden solle. Diese Regelung ist heute noch in Kraft. Mit Gründung der »Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung« hatte das Konstanzer Heim bereits eine weitgehende wirtschaftliche Selbständigkeit vom »Verein für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden« erlangt. Der Zentralverein stellte 1867 die Zuschusszahlungen ein, behielt jedoch seinen Einfluss auf Belegung und Verwaltung. Als er im Jahr 1932 endgültig aufgelöst wurde, griff der Passus aus den Statuten von 1862, wonach der Konstanzer Ortsverein als »von Wessenberg’sche Stiftung für Rettung sittlich-verwahrloster Kinder in Constanz« selbständig weitergeführt werden solle. Die Zahl der betreuten Mädchen stieg bis 1900 auf bis zu 40 an und blieb künftig stabil. Es wurden Mädchen aller Konfessionen aufgenommen. Die Gründe für deren Einweisung ins Heim, meist eine Zwangserziehungsmaßnahme, änderten sich im Laufe der Jahre kaum. Das angewandte pädagogische Konzept entsprach exakt den Vorgaben Wessenbergs. Das Andenken an den Stifter wurde aufrechterhalten und gepflegt. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und ihre Terrorherrschaft hatten - ausgenommen der angeführten Fälle der Zwangssterilisation - kaum Auswirkungen auf das Rettungshaus in Konstanz. Die geforderte Gleichschaltung des Verwaltungsrats hatte keine Veränderungen zur Folge, das Personal des Heims verblieb ebenso im Amt. Der Eingriff der NS-Wohlfahrtsorganisationen in die städtische Fürsorge betraf das Wessenbergheim nicht. Auch die Neubesetzung der Leitung des städtischen Sozial- und Jugendamts hatte keine Konsequenzen für den Heimbetrieb. Der Heimalltag verlief unauffällig, angepasst und war geprägt von Mangel und schlechter Versorgungslage. Wirtschaftliche Not bestimmte den Heimbetrieb in der Nachkriegszeit noch bis in die 1950er Jahre. Eckpfeiler der Erziehung waren Pflichtbewusstsein, Gehorsam, Reinlichkeit und Ehrlichkeit. Das pädagogische Konzept Wessenbergs wurde kontinuierlich umgesetzt. 9. Zusammenfassung 119 In den 1960er und 1970er Jahren vollzog sich in der Jugendfürsorge ein Wandel, der sich auch in Konstanz niederschlug. Das Erziehungsheim »alten Stils«, das lediglich die Erziehung, Schulausbildung und Vorbereitung auf eine spätere Dienststelle vorsah, wandelte sich in ein heilpädagogisch orientiertes Heim. Die Mädchen erhielten ein breiteres Angebot an Hilfen, die ihre Persönlichkeitsentwicklung stärken sollten. Mitte der 1970er Jahre war allerdings dieses Modell der geschlossenen Heimunterbringung erziehungswissenschaftlich wie auch finanziell nicht mehr tragbar. Das Wessenbergheim stellte 1977 seinen Betrieb ein. 9.6. Die Frucht »Sozialzentrum Wessenberg« Unter Beibehaltung des Stifterwillens wurde das ehemalige Mädchenheim in ein Sozialzentrum mit familienorientierten Erziehungsangeboten umstrukturiert. Für Mädchen und Jungen wird seither eine Tagesbetreuung in kleinen Gruppen angeboten. Die Eltern sollen bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt und gefördert werden. Der Allgemeine Soziale Dienst des Sozial- und Jugendamts Konstanz übernimmt die Koordination dieser Erziehungshilfen. Nach Umbau des Heimgebäudes und Anpassungen der Verwaltung und der Satzung konnten Kindergartenplätze und eine Nachmittagsbetreuung für Schulkinder angeboten werden. In den 1980er Jahren expandierte das Sozialzentrum in weitere Stadtteile. In den Außenstellen kann das pädagogische Konzept des Stadtteilbezugs enger verfolgt und das Betreuungsangebot ausgebaut werden. Vorübergehend übernahm das Sozialzentrum Wessenberg die Trägerschaft einer Sonderschule. Da sich aber Probleme bei der Verzahnung von Schulbetrieb und Tagesgruppen zeigten, gab es diese wieder ab. Ende 2009 wurde das Aufgabenfeld des Sozialzentrums um die Kleinkinderbetreuung erweitert. Die neu eingerichteten Krippenplätze stehen Kindern ab vier Monaten zur Verfügung. 120 Wessenbergs Herzenskind Bei allen Entwicklungsschritten, die das Sozialzentrum Wessenberg durchlief, wurde konsequent darauf geachtet, dass der Stifterwille Berücksichtigung fand. Zwar wird das theoretisch-pädagogische Konzept Wessenbergs nicht mehr direkt umgesetzt aber seine Grundgedanken zur Hilfe für benachteiligte Kinder bilden noch immer den Kern der Aktivitäten des Sozialzentrums. Die »Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung« als Betreiber des Sozialzentrums bietet nach wie vor eine christlich-humanistische Fürsorge für Kinder und Jugendliche durch Hilfe bei Erziehung und Bildung an. Den Kindern soll eine Umgebung geschaffen werden, in der sie ein zweites Zuhause finden können. 10. Schluss 121 10. Schluss Für das soziale und pädagogische Wirken von Ignaz Heinrich von Wessenberg wurde die Metapher des Baumes gewählt. Dieser Baum konnte nur aus den Wurzeln persönliche Erfahrung, religiöser Glaube und politisches Bewusstsein wachsen und gedeihen, zur Blüte gelangen und Früchte tragen. Wessenbergs Eintreten für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche war durch seinen festen Glauben an die Liebe Gottes für alle Geschöpfe motiviert. Er trat für die Verbesserung der Lebensumstände der Kinder in einer ihm charakteristischen ganzheitlichen Weise ein. In theoretischen Schriften setzte er sich mit dem Problem der Armut auseinander. Er entwarf ein Konzept für die Bildungslandschaft seiner Zeit und schlug eine Pädagogik vor, die in ihren Grundzügen bis heute Berechtigung findet. Über ganzheitliche, liebevolle, fordernde und fördernde Erziehung der Kinder als Mittel zur Stärkung ihrer Zukunftschancen will Wessenbergs pädagogischer Ansatz zur Verbesserung der sozialen Umstände der Gesellschaft führen und wird so zu einem sozialpolitischen Programm. Wessenberg war nicht nur theoretischer Vordenker, er setzte seine Ideen in die Praxis um. Sein sozial-pädagogisches Lebenswerk »Rettungshaus«, das Wessenbergheim, konnte nur aufgrund seiner Persönlichkeit so unabhängig, kontinuierlich und erfolgreich bestehen. Er legte das feste Fundament: finanziell und ideell. Die Geschichte der »Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung« kann daher nur im Zusammenhang von biographischen und institutionellen Betrachtungen verstanden werden. Die Exkurse zum sozialen Netz in Konstanz zur Gründungszeit des Heims und zur Gegenwart, die einen selektiven Blick auf die Kinder- und Jugendfürsorge der Stadt Konstanz geben, zeigen, dass die »Wessenberg’sche Vermächtnisstiftung« nicht immer ein Bestandteil der städtischen Sozialfürsorge war. Mitte des 19. Jahrhunderts ist sie nicht im städtischen sozialen Netz zu verorten. Als Dependance des »Vereins zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden« war das Mäd- 122 Wessenbergs Herzenskind chenheim in Konstanz Bestandteil des gesamtbadischen sozialen Netzes. Die Mädchen stammten aus allen Landesteilen. Zwar fanden auch einheimische Mädchen ein neues Zuhause in der Schwedenschanze, doch lag die Organisation nicht in städtischen Händen. Die Umsetzung vor Ort erfolgte allerdings durch Konstanzer Bürger und wurde von der Stadtverwaltung unterstützt. Die Verortung im sozialen Netz des Landes trifft auf die Zeit des Heims bis 1977 zu. Mit der Umstrukturierung der »Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung« zum Sozialzentrum änderte sich dies. Sie wird eine Institution innerhalb des Sozialnetzes der Stadt Konstanz. Das Sozial- und Jugendamt trägt als Koordinationsstelle die Verwaltung der sozialpädagogischen Tagesbetreuung. Das Angebot richtet sich an Konstanzer Familien. Wessenbergs Kernthese, dass die christliche Religion Basis für die Erziehung sei, lässt sich nicht uneingeschränkt auf die heutige pluralistische Gesellschaft übertragen. Die ehemals tragende Rolle der christlichen Religion ist heute relativiert. Das Erziehungskonzept des Sozialzentrums Wessenberg stellt humanistische Ideale in den Mittelpunkt. Die Abweichung vom Konzept des Stifters, dessen Ziel die Erziehung zu Nützlichkeit und Humanität 431 war, besteht jedoch nur scheinbar. Ihm bleibt das Sozialzentrum Wessenberg in moderner Form treu und erfüllt daher weiterhin den Willen des Stifters. Der sowohl bei Wessenbergs theoretischen Überlegungen zum Erziehungssystem, als auch in der praktischen Ausgestaltung in der Heimfürsorge zentrale Gedanke der häuslichen Erziehung wird durch das Konzept der Hilfe zur Erziehung des Sozialzentrums Wessenberg sogar ausgebaut und gestärkt. Die Einbindung der Eltern in die offene Tagespflege, das Angebot von Erziehungskursen und die Unterstützung und Begleitung der Eltern bei der häuslichen Erziehung wäre ganz in Wessenbergs Sinn. Die persönlichen, religiösen und politischen Wurzeln Wessenbergs ließen einen Stamm wachsen, dessen Festigkeit durch ein ganzheitliches, die Würde und Individualität der Kinder achtendes Konzept der Fürsorge und Erziehung gestärkt wurde. 10. Schluss 123 Aus diesem Stamm wuchs der Ast des Engagements für die notleidenden Kinder im Land Baden, in dem Wessenberg seine theoretischen Überzeugungen umsetzen konnte. An diesem Ast erblühte das Projekt der Rettungsanstalt in Konstanz, das Herzenskind Wessenbergs. Dank seiner Für- und Vorsorge konnte das Heim 122 Jahre lang bestehen. Die Blüte welkte, ging aber nicht ein. Sie brachte eine Frucht hervor, das Sozialzentrum Wessenberg. In neuer Form verwirklicht es den Willen des Stifters. In dieser Kontinuität beweist sich die Wirksamkeit und Zukunftsfähigkeit des sozial-pädagogischen Wirken Wessenbergs. Quellenverzeichnis 125 Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). Aktennr. 469.17, Heft 2 (1973-1977). Aktennr. 469.17a, Heft 1 (1976-1979). Aktennr. 417.91a, Heft 1 (1977-1981). Aktennr. 417.91a, Heft 2 (1982-1986). Aktennr. 417.91a, Heft 3 (1987-1991). Aktennr. 417.91a, Heft 6 (1998-2001). Aktennr. 417.91a, Heft 7 (2002-2004). Dokumente des Sozial- und Jugendamts Konstanz Sitzungsvorlage für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 22.06.1999. Sitzungsvorlage für das Gremium Jugendhilfeausschuss am 10.03.2009, JHA 2009-132. Bestand Sozialzentrum Wessenberg Ältestes Verzeichnis von Zöglingen der Wessenberganstalt 1862/ 83. Personenstandslisten 1878, 1879, 1880-1890, 1892-1926, 1935-1939, 1945. Verzeichnisse und Berichte über Zöglinge des Heims (3 Bücher). Generallandesarchiv Karlsruhe GLA 60 Nr. 2040. GLA 60 Nr. 2041. GLA 60 Nr. 2057. GLA 231 Nr. 4575. Staatsarchiv Freiburg StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5116. StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5175. StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5120. StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5117. StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5115. StaatsA Freiburg F 30/ 1 Nr. 142. 126 Wessenbergs Herzenskind Stadtarchiv Konstanz Neuerer Bestand, Verwaltungsakten SII Zusammenstellung »Wessenberg’sches Erziehungsheim« umfasst Themenfelder Rechnungen, Verwaltungsakten, Jahresberichte, Personalfragen, Personenakten der Mädchen, Finanzangelegenheiten, Unterrichtsangelegenheiten, Bausachen, Ausstattung, Versicherungen, Vereinsberichte etc. von der Gründungsphase bis etwa 1968. Explizit genannte Quellen StAK SII 5434. StAK SII 5441. StAK SII 5898. StAK SII 5929. StAK SII 20676. StAK SII 20923. StAK SII 20946. Zeitzeugen-Interview mit Frau M. B. am 29.03.2010, fixiert in einem Gedächtnisprotokoll. Eintrag zu M. B. im Berichtsbuch der Heimleitung, Bestand Sozialzentrum Wessenberg. Personenakte M. B. Stadtarchiv Konstanz: StAK SII 20676. Gedruckte Quellen Aland, Kurt / Müller Wolfgang (Hg.), Wessenberg, Ignaz Heinrich von, Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe, Freiburg im Breisgau. Band 1,1 Autobiographische Aufzeichnungen, 1968. Band 2 Die Briefe Johann Philipps von Wessenberg an seinen Bruder, 1987. Band 3 Kleine Schriften, 1979. Band 4 Reisetagebücher, 1970. Der Briefwechsel 1806-1848 zwischen Ignaz Heinrich von Wessenberg und Heinrich Zschokke, bearbeitet von Rudolf Herzog und Othmar Pfyl, Basel, 1990. Gedenk-Blatt an die am 9. August 1910 in der von Wessenberg’schen Erziehungsanstalt stattgefundene Erinnerungsfeier an den 50. Todestag des Gründers der Anstalt I. H. von Wessenberg, Konstanz, 1910. Geschäftsbericht des Sozial- und Jugendamts Konstanz, 2008. Jahresberichte des Vereins zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden (1837-1855). http: / / babel.hathitrust.org/ cgi/ pt? id=mdp.39015070875946 (aufgerufen am: 04.07.2013). Quellenverzeichnis 127 Erster Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Grossherzogthum Baden, Karlsruhe, 1838. Zweiter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden, Karlsruhe, 1839. Dritter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden, Karlsruhe, 1840. Fünfter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths über die Thätigkeit des Vereins zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden. Für den Zeitraum vom 1. Juli 1841 bis 31. 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Ein besonderer Dank geht an Herrn Dr. Tobias Engelsing, der mir die »gefallenen Mädchen in Konstanz« ans Herz gelegt und die Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Jugendamt Konstanz, in Person von Herrn Jürgen Treude und Herrn Günther Wagner, und der Spitalstiftung Konstanz, in Person von Verwaltungsleiter Herrn Reiner Weichler, seiner Nachfolgerin im Amte Frau Ingeborg Rath und Herrn Andreas Voß, vermittelt hat. Frau Gabriele Kaiser-Gnant und Frau Gabriele Treiber-Nägele vom Sozialzentrum Wessenberg möchte ich für den Zugang zur Schwedenschanze 10 und zu den dort aufgespürten Fotos, Büchern und Listen und das mir entgegengebrachte Vertrauen danken. Die Recherche wurde mir durch die engagierten Mitarbeiter der aufgesuchten Archive in Konstanz, Karlsruhe und Freiburg erleichtert, vielen Dank dafür. Mein besonderer Dank geht an Herrn Stadtarchivar PD Dr. Jürgen Klöckler, der mein Projekt maßgeblich unterstützt und gefördert hat. Ohne die Beratung und Betreuung von Herrn Prof. Dr. Lothar Burchardt und Herrn Prof. Dr. Rainer Wirtz, die mir Freiraum und doch vertrauensvolle Stütze gaben, hätte diese Arbeit nicht entstehen können. Ich danke meinen beiden Betreuern herzlich dafür. Besonders danke ich meinen Freunden, meiner Familie und speziell meinen Eltern Gabriele und Johannes Foege, die mich immer wieder ermuntert und gestärkt haben. Durch ihr Vertrauen und ihre Liebe wurde mir diese Arbeit ermöglicht. Herzlichen Dank! Anhang 133 Anhang 1. Wessenberg, Gutachten über Anstalten zur Rettung verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden (Zitiert nach Aland, Wessenberg-Studien II, S. 519-525.) Nichts ist tauglicher, für die Bildung des Menschen einen guten, tüchtigen Grund zu legen, als eine zweckmäßige häusliche Erziehung. Diese ist, wie jede Einrichtung, welche der Urheber aller Dinge in der Natur angeordnet hat, den Eigenschaften und der Bestimmung des Menschen am angemessensten. Indem sie seinen Anlagen von der frühesten Kindheit an eine naturgemäße Entfaltung verschafft, und sie vor Missleitung und Abwegen behütet, knüpft sie zugleich in dem schönen Verhältniß zwischen Kind und Eltern das reinste und innigste Band gesellschaftlicher Tugenden. Es gibt aber eine sehr bedeutende Zahl von Kindern, und sie nimmt täglich mehr zu, die ein bedauernswürdiges Loos der Wohlthat einer guten häuslichen Erziehung beraubt. Für solche tritt billig die Gesamtheit oder der Staat, nach dem Gesetze, das ihm die Sorge für das Gesammtwohl und die mögliche Abwendung von Verderbniß und Unsicherheit durch Fortpflanzung des Lasters, des Müßigganges und der Bettelei zur Obliegenheit macht, durch Fürsorgen ins Mittel, wodurch den Kindern, denen die Wohlthat einer guten Erziehung im elterlichen Hause versagt ist, dieser Abgang, so gut es sich thun lässt, ersetzt werden soll. Einige Denkmäler bezeugen die ganz außerordentliche Fürsorge, welche in dieser Beziehung von den Besten der römischen Kaiser, einem Trojan, Antonin, Mark Aurel, Alexander Severus und von Privaten, die ihr Beispiel dazu ermunterte, getroffen worden sind * , und beschämend für den jetzigen Zustand christlicher Länder ist es, dass nach glaubwürdigen Nachrichten unter den Kindern, welche diese Fürsorge genossen, nur sehr wenige sich befanden, die außer der Ehe erzeugt waren ** . Bei uns ist dermalen das Verhältniß gerade umgekehrt, und dieser traurigen Thatsache ist die stärkste Einwendung entnommen worden, die man jetzt gegen die Errichtung eigener Anstalten für verwahrloste und hülflose Kinder erhebt. Man macht nämlich die Frage geltend: Ob nicht dadurch * Die Belege finden sich in Beckmanns Beiträgen zur Gesch. d. Erfindungen, Bd. V, S. 396-405. ** Beckmann, a. a. O. S. 400-401. 134 Wessenbergs Herzenskind die Ausschweifungen der Unzucht und die Vermehrung der unehelichen Kinder neue Ermunterung und Förderung bekommen würden? - Diese Einwendung wird zwar schon durch die Erwägung sehr entkräftet, dass ein vorhandenes Uebel dadurch weder aufgehoben noch vermindert wird, wenn ein neues dazu gefügt und den verderblichen Folgen der Zunahme von unehelichen Kindern in Hinsicht auf die Verwahrlosung ihrer Erziehung nicht gesteuert wird. Indessen ist es nicht zu verkennen, dass die Moralität von der Weisheit der Regierung in dem nämlichen Augenblicke, wo sie sich mit Anstalten für die Erziehung verwahrloster Kinder beschäftigt, auch gesetzliche Maßregeln verlange, wodurch dem jetzt zu wenig gezügelten Hange zu Ausschweifungen der Unzucht begegnet werde. Aus übelverstandener Milde ist die Gesetzgebung von dem einen Aeußersten, zu großer Schärfe und Bestrafung solcher Vergehen, auf das andere Aeußerste, beinahe völlige Straflosigkeit derselben, übergegangen; während sie die Gefahr des Kindermordes zu wehren suchte, hat sie die schändlichsten, strafbarsten Verführer der Strafe und selbst den Verpflichtungen entzogen, welche die Vaterschaft schon nach Rechtsverhältnissen des Naturzustandes mit sich bringt. Hierin ist es durchaus notwendig, dass die Gesetzgebung mittelst einiger weisen, umsichtigeren Vorschriften einlenke, sofern nicht das Uebel, anstatt gehemmt zu werden, zu einem immer furchtbareren Unmaß fortschreiten soll. Für den Zweck jener Erziehungsfürsorge zeigen sich nun zwei Wege: entweder werden die Kinder solchen Eltern, deren Rechtschaffenheit erprobt ist, gegen ein Kostgeld zur Erziehung ins Haus gegeben, oder sie werden in eigenen Erziehungs-(Waisen-)häusern aufgenommen. In der Regel gebührt der ersteren Art von Fürsorge der Vorzug, nicht nur, weil sie die minder kostspielige ist, sondern vorzüglich, weil sie den Abgang der Erziehung im Elternhause durch eine andere häusliche Erziehung ersetzt. Für Kinder, bevor sie das fünfte Jahr erreicht haben, sind schon in physischer Hinsicht größere öffentliche Anstalten weit weniger als Privathäuser geeignet. Die Schwierigkeit ist nur, taugliche Eltern auszumitteln, die sich bewegen lassen, verlassene Kinder zur häuslichen Erziehung zu übernehmen. Unmöglich ist jedoch diese Einrichtung, wenigstens für einen Theil der fraglichen Kinder, keineswegs, sobald die Magistratspersonen und die Seelsorger sich die Sache gemeinschaftlich recht angelegen sein lassen. Das Kostgeld muß auf eine billige Art ein für alle- Anhang 135 mal festgesetzt seyn, und zwar nach den verschiedenen Altersstufen der Kinder. Alle Jahre wäre in jedem Amtsbezirke das Verzeichniß der verwahrlosten Kinder, mit Bezeichnung des Geburtsortes, ihres Alters und des Grades ihrer Vermögenslosigkeit bekannt zu machen, mit der Aufforderung an wackere Eltern, sich aus christlicher Erbarmung der Erziehung solcher Kinder anzunehmen, und an die Seelsorger, die geeigneten Eltern, die sich dazu erbietig zeigen, in Vorschlag zu bringen. Die betreffenden Eltern hätten sodann die Uebernahme gegen die festgesetzten Bedingungen, durch die Unterzeichnung eines gedruckten Formulars, ohne dass damit eine Auslage verbunden wäre, zu beurkunden. Alle solchen Formulare wären bei dem betreffenden Bezirksamte, wohin sie von den Pfarrämtern einzusenden sind, aufzubewahren. Den Seelsorgern wäre zur Pflicht zu machen, gemeinsam mit dem Waisenpfleger der Gemeinde, über die Verpflegung, den Unterricht und das Verhalten der Kinder, die auf solche Art einzelnen Haushaltungen zur Erziehung anvertraut worden sind, eine besonders wachsame Aufsicht zu führen, den etwa wahrgenommenen Gebrechen abzuhelfen, oder den Behörden davon die Anzeige zu machen, damit das Nöthige vorgekehrt werde. Würden, wie bereits in mehreren Ländern mit gutem Erfolge geschehen ist, in den Gemeinden Kleinkinderschulen eingerichtet, wo diejenigen Kinder, die noch nicht zur Elementarschule reif sind, unter der Aufsicht einer wackeren Person vor dem Bösen bewahrt werden, und allmählich den Sinn fürs Gute und Göttliche in ihnen geweckt wird, so könnten auch die kleinen Waisenkinder hier einen großen Theil des Tages zubringen, wodurch ihre Last für diejenigen Eltern, die sie in Pflege übernehmen, beträchtlich erleichtert würde. Wenn aber gleich diese Fürsorge mit erleuchtetem und thätigem Eifer betrieben wird, so wird sie sich doch schwerlich auf alle verwahrlosten Kinder erstrecken können, nicht nur weil die Zahl der letzteren ungemein angewachsen ist, sondern auch, weil bei manchen Kindern dieser Art besondere Umstände sich einfinden, die ihre Unterbringung in einzelnen Familien oder ihrem Verbleiben daselbst bis zur Zeit der Schulentlassung unbesiegbare Hindernisse entgegenstellen. Manchmal lässt sich bei der Unterbringung in Privathäusern dem schlechten Einflusse der Eltern oder Verwandten nicht gehörig begegnen; auch könnte für die Fortbildung solcher Kinder, wenn sie der Volkschule schon entlassen sind, in einzelnen Haushaltungen wenig geschehen, außer etwa in Städten, wo Gewerbsschulen sich befinden. 136 Wessenbergs Herzenskind Um daher zu verhindern, dass Armuth und Elend und die Laster in ihrem Gefolge nicht regelmäßig von Geschlecht zu Geschlecht sich fortpflanzen, sind öffentliche Erziehungshäuser für arme verwahrloste Kinder nothwendig. In jeder Beziehung ist es angemessen, dass für die Kinder jeden Geschlechts abgesonderte Anstalten errichtet werden. Große ausgedehnte Anstalten haben zwar den Vortheil der Kostenersparung. In kleineren dagegen kann die Erziehung der häuslichen näher gebracht, ihr Zweck leichter erreicht, und den Ausartungen eher begegnet werden. Institute von dreißig Zöglingen scheinen das Maßverhältniß zu haben, dessen Ueberschreitung nicht ohne wichtige Bedenken ist. In jedem Regierungskreise dürften zwei solcher Erziehungshäuser erforderlich seyn; das eine für Knaben, das andere für Mädchen. Der Hauptzweck aller dieser Anstalten muß seyn: Die Kinder durch sittlich-religiöse, intellektuelle und körperliche Bildung in den Stand zu setzen, ihren künftigen Lebensunterhalt auf eine ehrliche Weise zu verdienen, ohne der bürgerlichen Gesellschaft zur Last zu fallen. Das Hauptaugenmerk muß demnach auf den zweckmäßigen Unterricht der Kinder gerichtet seyn, sie mögen einzelnen Haushaltungen anvertraut, oder in die Erziehungshäuser aufgenommen werden. Im ersteren Falle ist mit Wachsamkeit darauf zu sehen, dass die Kinder, sobald sie das gehörige Alter erreicht haben, zum regelmäßigen Schulbesuche angehalten, und nicht davon durch Eigennutz der Pflegeeltern, die sie zu häuslichen oder Feldarbeiten benutzen möchten, verhindert werden. Im anderen Falle ist eine eigene Fürsorge wegen des Unterrichts, theils im Hause selbst, theils durch Benutzung der Ortsschulen, zu treffen. Die Aufnahme der Kinder in das Erziehungshaus sollte nicht vor dem fünften Jahre Statt finden, bis wohin ihre Pflege und Erziehung besser in Privathaushaltungen fürgesorgt werden kann. Alle Pfarrämter hätten jährlich durch das Bezirksamt an die Kreisregierung ein Verzeichniß der Kinder einzureichen, die 1)-wirklich vermögens- und hülflos sind, 2)-das fünfte Jahr vollenden, 3)-einer guten häuslichen Erziehung entbehren, und 4)-in keiner einzelnen Haushaltung zur Erziehung untergebracht werden können, übrigens 5)-über ihre Blatterimpfung sich gehörig ausweisen können, und 6)-mit keiner unheilbaren oder ansteckenden Krankheit behaftet sind. Anhang 137 Diesen Verzeichnissen, denen die Tauf-, Impf- und Gesundheitszeugnisse beizulegen sind, hat das Pfarramt solche Bemerkungen beizufügen, woraus die Gründe entnommen werden können, warum diese oder jene Kinder vorzugsweise und zuerst in die Anstalt einzuberufen seyen. Jedem Kinde gibt die Anstalt bei seinem Eintritt eine einfache gleichförmige Kleidung, von Tuch für den Winter, von leichterem Zeug für den Sommer; ferner ein halbes Dutzend Hemden, eben so viel Paar Strümpfe und zwei Paar Schuhe. Alle Kleidungsstücke wären, reingehalten, in einem eigenen Gemache, in numerierten und mit den Namen der Kinder bezeichneten Fächern aufzubewahren. Die Kinder wären zur Schonung ihrer Kleidungsstücke und zur immerwährenden Sorge für ihre Reinlichkeit anzuhalten. Für den Elementar-Unterricht hätten die Kinder die Ortsschule zu besuchen, und ständen in Hinsicht des Schulbesuchs und der Schulentlassung unter den durch das Schulgesetz bestimmten Behörden. Sie müssten aber auch in der Anstalt selbst Unterricht in einer oder der anderen Handarbeit erhalten. Das Strumpfstricken, Korbflechten, auch das Strohhutgeflecht scheinen für Knaben, Woll- und Hanf- oder Flachsspinnen, Stricken und Nähen für die Mädchen die angemessensten Arbeiten. Der Erlös ihrer Arbeiten würde der Anstalt zu gut kommen, welche den rohen Arbeitsstoff anschaffen müsste. Ueberdies ist es den etwas erwachsenen Zöglingen sehr heilsam, wenn sie bei verschiedenen häuslichen Arbeiten nach dem Maß ihrer Kräfte zu Hülfe gezogen werden. Auch sind die Zöglinge frühzeitig anzuhalten und zu gewöhnen, dass sie in Allem, was sie bedürfen, sich so viel als möglich durch eigenen Handanlegung behelfen, und so wenig als möglich fremder Hülfe bedürfen. Ferner sollten die Kinder in der Anstalt einen eigenen Unterricht im Gesang bekommen, und zwar vorzüglich in religiöser Richtung, so, dass sie in der Pfarrkirche des Ortes zum Kirchengesang behülflich seyn müssten. Überhaupt hätten sie den Gottesdienst mit den anderen Ortsschulkindern in der Pfarrkirche zu besuchen, insbesondere den dortigen Katechesen beizuwohnen. Sie wären jedesmal von einem ihrer Vorsteher dahin zu begleiten. - Wegen der Hausandacht am Morgen und Abend und vor und nach dem Essen ist eine eigene Vorschrift zu geben. In den letzten zwei Jahren ihres Aufenthaltes in der Anstalt, die nach ihrer Entlassung aus der Elementarschule folgen, sollten die Knaben einen ihrem künftigen Gewerbsberufe angemessenen Real-Unterricht erhalten. Diesen hätte der Vorstand oder Lehrer der Anstalt zu geben. 138 Wessenbergs Herzenskind Zu wünschen ist, dass mit jeder Anstalt ein etwas geräumiger Garten verbunden werde, wo das ihr nöthige Gemüse erzielt werden könnte. Für die Knabenanstalten könnte es überdies von großem Nutzen seyn, wenn ihnen eine Strecke Ackerfeld und Wiesen zugeschieden würde, welche die Familie des Vorstehers und Lehrers mit Beihülfe der Kinder anbauen würde. Diese zu Hofwyl, an der Linth und bei andern Waisen- Anstalten im Waatland in der Schweiz von Hrn. v. Fellenberg mit dem besten Erfolge in Ausführung gebrachte Einrichtung könnte unserm Lande das ein vorzüglich ackerbautreibendes ist, tüchtige Ackerknechte verschaffen * . Eine genaue Tagesordnung müsste die Zeit für das Aufstehen und Schlafengehen, für den Unterricht, für die Arbeiten und für die Unterhaltungen festsetzen. Wesentlich ist, dass die Kinder nie müßig, nie unbeschäftigt bleiben, und dass ihnen Liebe zur Arbeit eingeflößt werde. Die Arbeitsliebe ist besonders für arme Menschen eine köstliche Gabe, nicht nur um sie vor Elend zu bewahren, sondern auch um ihnen das Gefühl ihrer Zurücksetzung zu mildern. Deshalb ist auch Alles anzuwenden, um sie stets zu einer gleichen heitern Stimmung anzugewöhnen. Diese wird durch Einschränkungen und Einfalt der Bedürfnisse, Lernen und Arbeiten, religiösen Sinn, Geschmack an einfachen Naturfreuden auch durch Gesang am besten unterhalten. Soweit es die Witterung immer zulässt, ist tägliche Bewegung in freier Luft den Kindern nothwendig. Abhärtung ist für sie eine wahre Wohlthat. Einige gymnastische Leibesübungen können ihnen gleichfalls für ihre künftige Bestimmung zuträglich seyn, die eine gewisse Stärke, Rüstigkeit, Behendigkeit und Geschicklichkeit des Körpers wesentlich erfordert. Reinlichkeit sollte ihnen zur andern Natur gemacht werden. Leib und Seele werden dabei gewinnen, und die Angewöhnung an Reinlichkeit bringt besonders der zum Dienen bestimmten Klasse große Vortheile. So oft die Kinder außer den Gemächern sind, müssen diese einige Zeit durch Oeffnung der Fenster ausgelüftet werden. In jedem Saale sind ein Paar Ventilatoren anzubringen. Alle Wochen zweimal sind alle Gemächer auszukehren, und im Winter mit Wacholder auszuräuchern. Im Frühling und Herbst sind die Fußböden rein zu waschen. Alle fünf Wochen sind die * Man sehe den Bericht über die Armen-Erziehungsanstalt in Hofwyl, von Raugger, Tübingen 1815. Auch zu Kornthal im Württembergischen besteht eine ähnliche Einrichtung. S. Schmidlein Orts- und Bezirks-Erziehungshäuser für verwahrloste Kinder im Königreich Württemberg. Stuttgart 1828. S.-31. Anhang 139 Betten frisch zu überziehen, und zur Sommerszeit einige Mal an die Sonne zu legen und auszuklopfen. Der Speisesaal ist einige Male am Tage zu reinigen und zu lüften. Jedes Kind bekommt einen Kamm, und muß sich nach dem Aufstehen kämmen, auch Gesicht und Hände waschen. Ihre Schuhe müssen sie täglich selbst reinigen. Wo Gelegenheit vorhanden ist, sind im Sommer mehrermale Bäder im fließenden Wasser zu veranstalten. Jedenfalls müssen wöchentlich einmal die Füße gewaschen werden. Die fraglichen Kinder müssen vorzüglich zu einer regelmäßigen Ordnung angewöhnt, und alles können ihnen zwei Regeln nicht genug eingeschärft werden: 1) Nie zu lügen, und 2) Alles, was ihnen obliegt, aufs Beste und Genaueste zu verrichten. Denn Lügenhaftigkeit und Nachlässigkeit sind zwei Untugenden, welche die verwahrlosten Kinder in schlechter Umgebung am meisten sich anzueignen pflegen. - Bei der Entlassung gebe man den Zöglingen eine Bibel, ein Gesangbuch und eine kurze, gedruckte, Geist und Herz ansprechende Anleitung für ihr künftiges Leben mit; ferner ein Schreiben des Vereins an das betreffende Pfarramt, wodurch sie seiner besonderen Aufsicht empfohlen werden, damit dasselbe gemeinsam mit dem Meister oder der Hausherrschaft, bei welchem sie in Lehre oder Dienst treten, sie zum fleißigen Besuch der Sonntagsschule und des christlichen Unterrichts anhalte. Was das Personal zur Besorgung der Anstalt betrifft, so ist dasselbe aus vielen Gründen auf so wenige Individuen, als es immer ur möglich ist, zu beschränken: Erstens, zur Kostensparung; zweitens, zur Vermeidung von Irrungen und Störungen; drittens, damit keines sich auf das andere verlasse; viertens, damit die Wachsamkeit und Thätigkeit nie erschlaffe. Jede Anstalt bedarf 1) eines Vorstehers oder einer Vorsteherin, die Alles beaufsichtigen, anordnen und leiten, die Rechnung der Anstalt führen, und die überdies zum Lehren im Gesang, in den Arbeiten, und bei den Knaben in dem Realunterricht fähig seyn müssen; 2) eines Lehrgehülfen oder einer Lehrgehülfin; 3) einer Person, die die Küche und Wäsche besorgt; und 4) zweier tüchtigen Hausmägde. Von der guten Auswahl aller dieser Personen hängt das Gedeihen der Anstalt vorzüglich ab. Es ist mithin die größte Sorgfalt darauf zu wenden, und auch nöthig, eine genügende Belohnung mit ihrem Dienste zu verbinden. Die Mädchenanstalten in katholischen Bezirken könnten wohl am besten einigen Mitgliedern der Lehrfrauen-Institute, deren das Großherzogthum in Konstanz, Villingen, Freiburg, Altbreisach, Rastatt, Offen- 140 Wessenbergs Herzenskind burg, Baden und Lichtenthal besitzt, anvertraut werden. Fromme Frauen, für die Erziehung der Volksjugend gebildet, eignen sich vorzüglich für ein Geschäft, das einen hohen Grad ausharrender Liebe, Geduld, Zärtlichkeit und ins Kleine gehender Sorgfalt verlangt. Die Kinder wären in der Regel bis zum vollendeten vierzehnten Jahre in der Anstalt zu behalten. Mit vollendetem zwölften Jahre, wenn sie aus der Elementarschule entlassen sind, gehen sie in die Klasse des Real- Unterrichts, die Mädchen in die Fortbildungsschule über. Die Knaben werden bei ihrer Entlassung aus der Anstalt, nach Umständen, entweder bei einem Handwerker zur Lehre, oder bei einem Bauer oder Landwirth zum Dienen untergebracht. Für die Unterbringung der Mädchen in einem angemessenen Dienst ist gleichfalls vor ihrer Entlassung zu sorgen. Für die Ermittlung der zweckdienlichen Handwerksmeister, Landbauer und Dienstherrn, denen die Zöglinge zugewiesen werden, haben die Seelsorger und Ortsmagistrate jährlich gemeinsam angemessene Vorkehrungen zu treffen. Ueberdies wären die Seelsorger mit einer besonderen Aufsicht über die Jünglinge und Mädchen, die auf solche Art zu Lehrmeistern oder in Dienste kommen, zu beauftragen. Ein gesundes und hinreichend geräumiges Gebäude ist erstes, nothwendigstes Bedürfniß jeder Anstalt. Außer der Wohnung der Vorsteher und Hausbedienten bedarf es einer wohleingerichteten Küche mit einem Sparherde, einer Speisekammer, einer Kleiderkammer, einer Waschstube, eines luftigen Speisesaals, eines oder zweier Schlafsäle, eines Waschzimmers, eines Saals, wo die Kinder sich gewöhnlich aufhalten und arbeiten, und eines Unterrichtssaals. Die Errichtung neuer Gebäude wäre allerdings mit sehr hohen Kosten verbunden. Es befinden sich aber dermalen noch im Großherzogthume mehrere ansehnliche, leer stehende Gebäude, über welche die Regierung verfügen kann. Sie könnten vielleicht für den Seekreis ein Theil des vormaligen Seminargebäudes zu Meersburg und ein Theil des St. Georgenklosters zu Villingen, für den Ober-Rheinkreis ein leerstehendes Gebäude zu Heitersheim, für andere Kreise vielleicht die leeren Gebäude zu Ottersweier, Schuttern, Schwarzach, Allerheiligen, Gengenbach, Ettenheimmünster ausersehen werden. Seine Königl. Hoheit der Großherzog wären als milder Vater der Unglücklichen und Hülflosen um Anweisung solcher angemessenen Gebäude ehrerbietigst zu bitten. Anhang 141 Was nun die Mittel zur Bestreitung der Kosten für die in Antrag gebrachten Anstalten betrifft, so wäre es wohl am angemessensten, in jedem Regierungskreise einen allgemeinen Fond für die Versorgung verwahrloster, armer Kinder zu errichten. Das Einkommen eines jeden solchen Fonds würde bestehen: 1)-in dem Zins der für den Kreis bestimmten, als Kapital angelegten Stiftungsbeiträge; 2)-in den Beisteuern der Gemeinden aus Gemeindemitteln; und 3)- in den Beisteuern der Amtskassen, welche beide bisher schon für den Unterhalt der hülfsbedürftigen Waisen verwendet wurden; 4)-in den milden Beiträgen, welche jährlich von einzelnen Gutthätern zu diesem Zweck entrichtet werden; 5)- in dem Ergebniß einer jährlichen in allen Kirchen zu veranstaltenden Kirchenkollekte; 6)-in Beiträgen von Stiftungen, sofern solche sich vorfinden, deren Zweck und Bestimmung die Leistung solcher Beiträge mit sich bringt, oder doch gestatten. Vorerst wäre genau zu erheben und auszumitteln, welche Beiträge, nach bisherigem Herkommen, sowohl die Gemeinden als die Amtskassen für jedes Kind zu entrichten hatten. Sodann wäre von jedem Kreisvereine zuverlässige Erkundigung einzuziehen, welche Beiträge von einzelnen Stiftungen für den Zweck zu erwarten wären. Gewiß wird sowohl die Großherzogliche Regierung als die erzbischöfliche Behörde (in Ansehung des katholischen Landestheiles) die Ausmittlung solcher Beiträge zu fördern sich bereitwillig zeigen. Mitunter dürfte wohl auch ein Theil der Unterstützungen, welche den Eltern der in Frage stehenden Kinder von Stiftungen oder aus Gemeindemitteln zufließen, für die Versorgung der Kinder in Anspruch genommen werden. Die sämtlichen Einkünfte des Fonds würden verwendet: 1) auf die Verpflegung der - einzelnen Haushaltungen abvertrauten - Kindern, 2) auf den Unterhalt der Erziehungshäuser, 3) für die Lehrgelder, welche für arme Jungen, seyen sie nun in einzelnen Haushaltungen oder in den öffentlichen Anstalten erzogen worden, zu bezahlen sind. 142 Wessenbergs Herzenskind Rathsam erscheint es vordersamst, die Errichtung eigener Waisenhäuser auzusetzen, bis man sich ganz darüber ins Klare gesetzt hat: 1)- wie weit man es zu Erreichung der wohlthätigen Absicht, welche der Verein im Auge hat, durch Unterbringung der betreffenden Kinder in geeigneten Haushaltungen bringen könne, und 2)-wie weit die Mittel, die zu der wohlthätigen Absicht aufzubringen und disponibel zu machen sind, ausreichen, um den Zweck auf die eine oder andere, oder auf beide Weisen vollständig zu erreichen. In dem Hauptorte jedes Regierungskreises sollte ein Kreisverein gebildet werden, dessen Mitglieder wöchentlich einmal zusammen treten müssten, um auf ähnliche Weise, wie die gesetzlich bestehenden Stiftungsräthe, die ganze Angelegenheit zu leiten, wobei es sich von selbst versteht, dass diese leitende Obsorge ganz unentgeltlich, und ohne Anspruch auf Entschädigung übernommen und geleistet werden müsste. Jeder Kreisverein erwählt aus seinen im Umfange des Kreises zerstreuten Hülfsmitgliedern Aufseher und Aufseherinnen, in Bezug auf die Erziehungsanstalten.« 2. Grundsätzliche Erörterungen Wessenbergs über die Errichtung der Rettungsanstalt. Konstanz, 28. Februar 1846. (Zitiert nach Aland, Wessenberg-Studien II, S. 540-542) An die Wohllöbliche Direktion des Centralvereins für Rettungsanstalten verwahrloster Kinder. Durch die gefällige Eröffnung der Centralvereins-Direktion vom 23ten Dez. v. J. ist zum wahren Vergnügen des hiesigen Lokalvereins die Aussicht, daß dahier eine Rettungs-Anstalt für verwahrloste Kinder zu Stande kommen werde, der Verwirklichung um Vieles näher gebracht. Weil jedoch der Centralverein mit besonderem Interesse den Wunsch dargelegt hat, daß die dahier zu errichtende Anstalt ausschließlich verwahrlosten Kindern des weiblichen Geschlechts gewidmet werde, damit auch dieser Theil der Verwahrlosten ein angemessenes Bildungsasyl erhalte, so haben die Gedanken derjenigen, die sich an der Errichtung der Anstalt dahier vorzüglich betheiligen, eine neue Richtung nehmen müs- Anhang 143 sen, indem der Zweck einer weiblichen Rettungsanstalt ganz eigene Vorrichtungen und Rücksichten in Anspruch nimmt. I. Die wichtigste Schwierigkeit bei der Verwirklichung einer solchen Anstalt besteht darin, daß ihre Besorgung mit der Voraussicht eines wahren und nachhaltigen Erfolgs nur weiblichen Individuen anvertraut werden kann, und daß es allerdings keine leichte Aufgabe ist, nicht nur für jetzt ein hiefür recht geeignetes weibliches Personal zu erhalten, sondern sich auch die Sicherheit zu verschaffen, solches in der Folge immer wieder auf würdige und entsprechende Weise ersetzen zu können. Dies ist aber vor allem nothwendig, indem es sich hier von einer Anstalt handelt, die eine stete Fortdauer haben soll. Der Unterzeichnete kennt in dieser Beziehung kein zweckmäßigeres Mittel, als daß die neue Anstalt mit dem dahier bestehenden Institut der Lehrfrauen in so fern in Verbindung gesetzt werde, daß dasselbe jetzt u. in Zukunft zwei Frauen abzugeben hätte, welche zusammen, die eine vorzüglich als Lehrerin, die andere vorzüglich mit der Hauswirtschaft und Hausordnung beauftragt, die ganze Anstalt mit Hülfe einer tüchtigen Magd versehen würden. Nach eingezogener genauer Erkundigung befindet sich dahier eine Lehrfrau, die hiefür ganz geeignet wäre, und auf Befragen, ob sie willig wäre, sich einer so schwierigen Aufgabe zu unterziehen, hat sie sich vorläufig mit schriftlicher Darlegung der Erfordernisse zu ihrer befriedigenden Lösung bejahend erklärt. Auch ist Hoffnung, daß noch eine andere unter den hiesigen Lehrfrauen bestimmt werden könnte, sich für die Anstalt vorzubereiten. Wenn der Wohllöbliche Centralverein mit dieser Ansicht einverstanden ist, so wird der Unterzeichnete mit dem kathol. Oberkirchenrath zu Carlsruhe sich ins Einvernehmen setzen, damit derselbe dem hiesigen Lehrfraueninstitut den angelegentlichen Wunsch nach Realisirung des obengedachten Plans einer Verbindung der Rettungsanstalt mit ihm (was das Personal betrifft) ausspreche. Alle diese Vorbereitungen werden eine ziemliche Zeit erfordern. Bevor man aber damit im Wesentlichen ins Reine gekommen ist, wäre nach dem Dafürhalten des Unterzeichneten die wirkliche Vornahme eines Bau’s des Rettungshauses zu voreilig. Denn bei der dermaligen Beschränktheit der Mittel des Vereins haben wir doppelten Grund uns vor der Gefahr zu hüten, auf einen kostspieligen Bau die vorhandenen Mittel zu verwenden, ehe wir wegen der Ausführung durch ein tüchtiges Personal versichert sind. 144 Wessenbergs Herzenskind II. Auch der Bau und dessen Einrichtung, sowie die Auswahl des durch die Zöglinge zu bearbeitenden Bodens erfordern bei einer weiblichen Rettungsanstalt andere Rücksichten als bei einer männlichen. Was nun das Rettungshaus selbst betrifft, so haben wir uns vergebens Mühe gegeben, ein angemessenes Gebäude mit anstoßendem Boden für Garten u. Feldbau in der Nähe der Stadt ausfindig zu machen. Man wird sich daher zu einem Neubau entschließen müssen und wir ließen daher einen Bauplan von dem hiesigen Baumeister Gagg entwerfen. Diesen theilen wir anliegend dem Centralverein nebst dem damit verbundenen Kostenüberschlag mit. Der Entwurf ist auf 30 Zöglinge gerechnet. Unmaßgeblich dürfte es aber zweckmäßig seyn, die Zahl vorerst auf 20 zu beschränken. Sonach würde eine Abtheilung des Schlafsaals im zweiten Geschoß, die mit h bezeichnet ist, zu Gemächern für eine der Frauen oder auch für Kranke verwendet werden können. Der Plan ist auf möglichste Ersparung der Kosten berechnet. Und dennoch beläuft sich der Kosten nach dem Ueberschlag auf 10.441 Gulden. Wir wünschen, daß der Bauplan und der Kostenüberschlag von Sachverständigen genau und sorgfältig geprüft und uns ihre Ausstellungen und gutächterlichen Bemerkungen mitgetheilt werden möchten. Vorläufig begnügt man sich hier mit der Andeutung, daß vielleicht an den Posten des Ueberschlags D. 9. Nr 89. (Reparation der Bauwerkzeuge und U. 2. Steinhauerarbeit) ferner S. 19. Nro. 14. (Lamperien) dann S. 23. (Glaserarbeit) eine bedeutende Verminderung der Ansätze zu erzielen wäre. - Jedenfalls wird der Baukosten die bis jetzt zur Verwendung bestimmte Summe von sieben Tausend Gulden, um dreitausend übersteigen. Dazu kommt noch der Kosten a.) für die Mobiliareinrichtung, dessen Betrag nicht wohl auf weniger als zwölfhundert Gulden wird angeschlagen werden können; ferner b.) für die Umzäunung des Gartenplatzes mit Planken oder einem hölzernen Gitter. Es fragt sich nun: ob und bis wann der Verein aus seinen Mitteln den Ueberschuß des Kostenaufwands über die 7000 Gulden zu leisten im Stande sein werde? Auf Contrahirung von Schulden zu diesem Behuf möchte der Unterzeichnete keineswegs antragen, indem die Zahlung von Kapitalraten und Zinsen den Verein für die Bestreitung der jährlichen Unterhaltskosten in Verlegenheit bringen könnte. Jedenfalls wird es nothwendig sein, wenn einmal über den Bau und die innere Einrichtung desselben ein Beschluß gefaßt ist, sich von dem ihn übernehmenden Baumeister eine obrigkeitlich bestätigte Versicherung ausstellen zu lassen, daß er den Bau ganz Anhang 145 nach dem genehmigten Plan und verabredete Summe innerhalb fünfviertel Jahren herstellen werde, ohne auf irgend eine weitere Nachforderung berechtigt zu seyn, oder einen Anspruch machen zu können. III. Was den Bodenplatz sowohl für das Wohnhaus als für die Bearbeitung durch die Zöglinge betrifft, so muß diesseits von dem früheren auf eine Anstalt für Knaben berechneten Antrag auf Erwerbung des hiesigen städt. Werkhofplatzes abgegangen werden. Für eine weibliche Anstalt wäre jener Platz zu geräumig, zumal es nicht rathsam scheint, die Unterhaltung von Kühen und Schweinen mit dieser in Verbindung bringen; man erachtet diesseits, daß ein schön und gesund gelegener Platz gleich vor dem Kreuzlingerthor (zwischen dem dortigen Thurm u. einem andern Thurm am Eingang der Straße nach Emmishofen) vorzüglich geeignet wäre. Er liegt außer der Zollinie und gehört der Stadt. Der Unterzeichnete gedenkt, ehe der Bau vorgenommen wird, ein dringendes Ansinnen an den Stadtmagistrat zu stellen, daß dieser Platz zum Behuf der Errichtung der Rettungsanstalt unentgeltlich, blos mit dem Vorbehalt des Rückfalls für den Fall, daß die Anstalt wieder eingehen würde, überlassen werde, indem es sich als höchstbillig darstellt, daß die Stadt, welcher die Rettungsanstalt zugedacht, welcher sie zum Vortheil und zur Ehre gereichen wird, dafür auch ein Opfer bringe. Ob aber der Unterzeichnete mit diesem Antrag, so sehr er in der Billigkeit begründet ist, durchsetzen werde, ist noch ungewiß. IV. Endlich sey es uns noch vergönnt, hier den Wunsch auszudrücken, es möchte an die hohe Regierung und die Landstände der motivirte Antrag gestellt werden, daß auf die Staatskasse ein erhöhter jährlicher Beitrag von wenigstens 3000 Gulden für die Rettungsanstalten übernommen werden möchte, um den Verein in Stand zu setzen, seine Leistungen zu diesem Zweck mit den an ihn von allen Seiten gemachten Ansprüchen und dem Bedürfniß der verschiedenen Landesgegenden in Uebereinstimmung zu bringen. Konstanz den 28.ten Februar. 1846. Im Namen des Lokalvereins. I H Frhr v Wessenberg 146 Wessenbergs Herzenskind Anmerkungen 1 Zitat nach Metzler, Wilfried, Über Wessenbergs Pädagogik, in: Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen der Alt-Katholischen Kirchengemeinde Konstanz 1873-1973, Konstanz, 1973, S. 40/ 41. 2 Wessenberg v., Ignaz Heinrich (Hg.), Geistliche Monatsschrift mit besonderer Rücksicht auf die Konstanzer Diözese, Meersburg, 1802 II., S. 628. 3 Aland, Kurt / Müller Wolfgang (Hg.), Wessenberg, Ignaz Heinrich von, Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe, Freiburg im Breisgau, Band 1,1 Autobiographische Aufzeichnungen, 1968, S. 91. 4 Engelsing, Tobias, »Einer der Todfeinde der Religion«. Reformwerk, Scheitern und soziales Wirken des letzten Konstanzer Generalvikars Ignaz Heinrich von Wessenberg, in: Stark, Barbara (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg. 1774 - 1860, Kirchenfürst und Kunstfreund, Konstanz, 2010, S. 10. 5 Die aufgeklärte absolutistische Politik des römisch-deutschen Kaisers Joseph II. (1741 - 1790) griff lenkend in die Organisationsfragen der Kirche und des religiösen Lebens ein. 6 Bangert, Michael, Bild und Glaube. Ästhetik und Spiritualität bei Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774 - 1869), Stuttgart, 2009, S. 382. 7 »Die Sozialgeschichte der deutschen Aufklärung kann nur durch systematische Fortführung der regional- und lokalgeschichtlichen Untersuchungen vorangebracht werden.« Kopitzsch, Franklin (Hg.), Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland. 12 Aufsätze, München, 1976, S. 95. 8 Graf, Ferdinand Albert, Die Praxis der Volksbildung bei Ignaz Heinrich von Wessenberg, Freiburg, 1968, S. 5. 9 Bänziger, Werner, »Es ist freilich schwer, sein eigenes Bild mit Treue zu malen…« Die Autobiographien von Pestalozzi, Zschokke und Wessenberg, Aarau, 1996, S. 188. 10 Beck, Josef, Freiherr I. Heinrich v. Wessenberg. Sein Leben und Wirken. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der neueren Zeit. Auf der Grundlage handschriftlicher Aufzeichnungen Wessenbergs, Freiburg, 1862. 11 Aland, Kurt / Müller Wolfgang (Hg.), Wessenberg, Ignaz Heinrich von, Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe, Freiburg im Breisgau; Band 1,1 Autobiographische Aufzeichnungen, 1968; Band 2 Die Briefe Johann Philipps von Wessenberg an seinen Bruder, 1987; Band 3 Kleine Schriften, 1979; Band 4 Reisetagebücher, 1970 (folgend: Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band). 12 Gründig, Maria E., »Zur sittlichen Besserung und Veredelung des Volkes«. Zur Modernisierung katholischer Mentalitäts- und Frömmigkeitsstile im frühen 19. Jahrhundert am Beispiel des Bistums Konstanz unter Ignaz H. von Wessenberg, Tübingen, 1997. 13 Engelsing, Tobias, »Einer der Todfeinde der Religion«. Reformwerk, Scheitern und soziales Wirken des letzten Konstanzer Generalvikars Ignaz Heinrich von Wessenberg, in: Stark, Barbara (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg. 1774 - 1860, Kirchenfürst und Kunstfreund, Konstanz, 2010, S. 9-19. 14 Bänziger, Werner, »Es ist freilich schwer, sein eigenes Bild mit Treue zu malen…« Die Autobiographien von Pestalozzi, Zschokke und Wessenberg, Aarau, 1996. 15 Bangert, Michael, Bild und Glaube. Ästhetik und Spiritualität bei Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774 - 1869), Stuttgart, 2009. 16 Bangert, S. 383. 17 Weitlauff, Manfred, Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774 - 1860), Domkapitular von Konstanz und Augsburg, Generalvikar des Bistums Konstanz. Kirchlicher Reformer und Kirchenpolitiker zwischen Säkularisation und Neuorganisation der Kirche Deutschlands. Mit Anmerkungen 147 einem Quellen- und Dokumentationsanhang. Zum 150. Todestag, in: Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, Jahrbuch 44. Jahrgang I., Augsburg, 2010, S. 1-335. 18 Müller, Johann Baptist, Ignaz Heinrich von Wessenberg, ein christlicher Pädagog. Ein Beitrag zur Geschichte der Pädagogik im 19. Jahrhundert, Paderborn, 1916. 19 Hafner, Roswitha, Das Erziehungsdenken Wessenbergs, Weingarten, 1960. 20 Weitlauff, S. 146. 21 Aland, Kurt, Wessenberg-Studien II. Wessenberg und die Konstanzer Rettungsanstalt. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des badischen Erziehungswesens, in: Badisches General- Landesarchiv (Hg.), Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Bd. 96, Karlsruhe, 1948, S. 450-567. 22 Albrecht, Christa (Hg.), Auch das Weib ist berufen…, Konstanz, 1997. 23 Siehe Quellenverzeichnis. 24 Siehe Quellenverzeichnis. 25 Erschlossen im Bestand: Neuerer Bestand, Verwaltungsakten SII. Zusammenstellung »Wessenberg’sches Erziehungsheim«. 26 Schriftliche Auskunft Erzbischöflicher Archivdirektor Dr. Christoph Schmider Freiburg vom 15.09.2010 und mündliche Auskunft Prof. Dr. Karl-Heinz Braun im Rahmen der Tagung »Wie kommen Gott und Welt zusammen? Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg zum 150. Todestag«, ausgerichtet von der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg, am 22./ 23.10.2010 in Konstanz. 27 Schwall-Düren, Angelika, Kinder- und Jugendfürsorge im Großherzogtum Baden in der Epoche der Industrialisierung. Entwicklung und Zielsetzung der staatlichen, kommunalen und verbandlichen Fürsorge 1850 - 1914, Freiburg/ München, 1980. 28 Ebd., S. 82. 29 Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, Band 9, Mannheim/ Wien/ Zürich, 1973, S. 564. 30 Münchener Rechts-Lexikon, Band 1 A-F, München, 1987, S. 1390. 31 SGB VIII, 4. Abschnitt, §27 (1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. (http: / / www.gesetze-iminternet.de/ sgb_8/ index.html aufgerufen am 15.06.2013). 32 Ältere Schwester Maria Josepha Magdalena Felicie (genannt Josephine) geb. 1781 (evtl. auch 1771), jüngere Schwester Maria Walburga geb. 1787. Die Angaben zu den Geburts- und Sterbedaten der Schwestern sind nicht eindeutig. Hier die Angaben aus der Biographie von Alois Wessenberg, verfasst von Ignaz Heinrich Wessenberg, in: Aland, Kurt / Müller Wolfgang (Hg.), Wessenberg, Ignaz Heinrich von, Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe, Freiburg im Breisgau, Band 1,1 Autobiographische Aufzeichnungen, 1968, S. 176. Nach Weitlauff, S. 18, sei Maria Walburga (1771 - 1801? ) die ältere und Maria Josepha Magdalena (1779 - 1848) die jüngere Schwester. Bänziger, S. 133 gibt für Maria Josepha die Lebensdaten (1781 - 1848) und für Maria Walburga (1778 - 1801? ) an, verweist aber ebenfalls auf die bestehenden Unklarheiten. 33 Beck, S. 10. 34 Johann Michael Sailer, Moralphilosoph und Pastoraltheologe, vereinigte rationalistischwissenschaftliche und pietistische Strömungen in seiner Theologie und sah in der Bibel die alleinige Anleitung zur religiösen Praxis. Vgl. hierzu: Engelsing, »Einer der Todfeinde der Religion«, S. 11. 35 Bangert, S. 23. 36 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 1,1, S. 178. 37 Bangert, S. 25. 38 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band I/ 1, S. 119. 148 Wessenbergs Herzenskind 39 Bangert, S. 26. 40 Vgl. Braun, Karl-Heinz, Wessenberg, Ignaz Heinrich von (1774 - 1860), in: Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder, 1785/ 1803 bis 1945, Berlin, 1983, S. 809. 41 Bangert, S. 26. 42 Ebd. 43 Weitlauff, S. 42. 44 Nach Beck, S. 94ff. und Engelsing, »Einer der Todfeinde der Religion«, S. 13 lebten 1,5 Millionen Katholiken in über 1.200 Pfarreien und 900 Kaplaneien, die Geistlichkeit bestand aus 4.491 Personen (2.365 Weltgeistliche in der Seelsorge oder im Lehrdienst, 1.220 Mönche, 906 Mendikanten (Angehörige eines Bettelordens)), hinzu kamen 2.117 Nonnen. 45 Hierzu Müller, S. 137. 46 Im Wortlaut: »Nach einvernommenem Rathe einiger Unserer ehrwürdigen Brüder, Cardinäle der heiligen Römischen Kirche, unterdrücken, zernichten und vertilgen Wir daher mit sicherer Erkenntniß und reifer Überlegung und Kraft der Fülle der apostolischen Gewalt den Titel, den Namen, die Natur, das Wesen und den ganzen gegenwärtigen Bestand der erledigten sowohl bischöflichen Kirche zu Constanz, als der zu keiner Diöcese gehörigen Probstei zum heiligen Vitus in Ellwangen, sammt ihren Capiteln, in der Absicht, um frei zu der unten zu benennenden neuen Errichtung von Kirchen und Umschreibung der Diöcesen vorschreiten zu können. […] Mit gleicher Erkenntniß, Überlegung und Gewalt, zur Ehre des allmächtigen Gottes, zur Erhöhung des wahren Glaubens und zur Beförderung der catholischen Religion, errichten und bestimmen Wir für alle Zeit Freiburg, die Hauptstadt im Breisgau, welche sich durch eine hohe Schule und andere Stiftungen auszeichnet, und von mehr als 9000 Bürgern bewohnt wird, zur erzbischöflichen Stadt, und den sehr berühmten Tempel unter dem Titel der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria zur erzbischöflichen Kirche und Pfarrkirche […]. (http: / / recht.drs.de/ fileadmin/ Rechtsdoku/ 1/ 1/ provida_solersque.pdf aufgerufen am 15.06.2013). 47 Zitat nach Beck, S. 79. 48 Zitat nach Beck, S. 338/ 339. 49 Zur wirtschaftspolitischen Einordnung Wessenbergs siehe: Merk, Gerhard, Wessenbergs ökonomische und soziale Auffassungen, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Band 88, Freiburg, 1968, Miszellen S. 463-474. 50 Siehe: Oettinger, Klaus (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg, So versank die alte Herrlichkeit. Reisebilder und Gedichte, Konstanz, 1988. 51 Beck, S. 479/ 480. 52 Ortlepp, Helge, Wessenberg-Bibliothek, in: Kehr, Wolfgang (Hg.), Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Band 8, Baden-Württemberg I-S, Hildesheim/ Zürich/ New York, 1994, S. 108. 53 Siehe Kapitel 7.1.2. 54 Katalog aus dem Jahr 1862 von F.A. Kreuz: http: / / babel.hathitrust.org/ cgi/ pt? id=nnc1. cu55873545 (aufgerufen am 15.06.2013). 55 http: / / www.ub.uni-konstanz.de/ region/ wessenberg-bibliothek/ kurze-geschichte-derwessenberg-bibliothek.html (aufgerufen am 15.06.2013). 56 Hierzu: Stark, Barbara, Lehrreich, Erbauend und Unterhaltend. Ignaz Heinrich von Wessenbergs Gemäldesammlung. Ihre Struktur und Geschichte, in: Stark, Barbara (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg. 1774 - 1860, Kirchenfürst und Kunstfreund, Konstanz, 2010, S. 21ff. 57 Aland, Kurt, Wessenbergstudien, in: Badisches General-Landesarchiv (Hg.), Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Bd. 95, Karlsruhe, 1943, S. 560. Anmerkungen 149 58 Hierzu: Bringmann, Michael, Zur »Kupferstichsammlung« des Freiherrn von Wessenberg, in: Stark, Barbara (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg. 1774 - 1860, Kirchenfürst und Kunstfreund, Konstanz, 2010, S. 97ff. 59 Generallandesarchiv Karlsruhe, GLA 60 Nr. 2040. 60 Staatsarchiv Freiburg, StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5116. 61 Staatsarchiv Freiburg, StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5115. 62 Staatsarchiv Freiburg, StaatsA Freiburg F 30/ 1 Nr. 142. 63 Engelsing, »Einer der Todfeinde der Religion«, S. 18. 64 Schneider, Bernhardt, Christliche Verbrüderung und tätige Nächstenliebe - Armenfürsorge und Bruderschaften im Horizont der katholischen Aufklärung, in: Krimm, Konrad / Mussgnug Dorothee / Strohm Theodor (Hgg.), Armut und Fürsorge in der Frühen Neuzeit, Oberrheinische Studien Band 29, Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e. V. (Hgg.), Ostfildern, 2011, S. 255. 65 Ebd. 66 Hierzu Klein, Alexander, Armenfürsorge und Bettelbekämpfung in Vorderösterreich 1753- 1806. Unter besonderer Berücksichtigung der Städte Freiburg und Konstanz, Freiburg/ München, 1994, S. 193 ff. 67 Klein, S. 198 ff. 68 Klein, S. 196. 69 Schneider, S. 244. 70 Ebd. 71 Ausnahme Rottenburg, siehe hierzu Klein, S. 201. 72 Klein, S. 234. 73 Klein, S. 193. 74 Klein, S. 198. 75 Schneider, S. 249. 76 Klein, S. 251. 77 Dies ist nach Schneider der ursprüngliche Stiftungszweck von Bruderschaften. Schneider, S. 245. 78 Schneider, S. 251. 79 Klein, S. 321. 80 Zu Wessenberg und der Französischen Revolution: Moser, Arnulf, Wessenberg, Abbé Grégoire und die Französische Revolution, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Band 111 (3. Folge, 43. Band), Freiburg, 1991, S. 229-248. 81 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band I/ 1, S. 19. 82 Ebd. 83 Moser, Wessenberg, Abbé Grégoire und die Französische Revolution, S. 231. 84 Vgl. Gröber, Konrad, Heinrich Ignaz Freiherr von Wessenberg, in: Freiburger Diözesan- Archiv, NF 28, Band 55, Beiträge zur Gründungsgeschichte der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Freiburg, 1927, S. 419 ff. 85 Gröber, S. 420. 86 Zitat nach Schneider, S. 253. 87 Schneider, S. 253. 88 In Konstanz gründete sich ein Verein zur Versorgung der Notleidenden unter Vorsitz des Medizinalrats Dr. Nepomuk Sauter. Die Hilfsgesellschaft gab Suppe an Hungernde aus. Hierzu siehe: Zang, Gert, Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Restauration, Revolution, liberale Ära 1806 bis 1870, Geschichte der Stadt Konstanz Band 4.1, Konstanz, 1994, S.28. 89 Schneider, S. 254. 90 Vgl. Müller, S. 162. 150 Wessenbergs Herzenskind 91 Wessenbergs Staatsbegriff: Der Staat ist ein christlicher Staat, der auf den geistigen und kulturellen Fundamenten des Christentums steht und sich gemäß dieser Wurzeln zwangsläufig kirchenfreundlich verhält. (Definition nach: Gründig, S. 62). 92 Wessenberg, Ignaz Heinrich, Die großen Kirchenversammlungen des 15ten und 16ten Jahrhunderts in Beziehung auf Kirchenverbesserung geschichtlich und kritisch dargestellt mit einleitender Übersicht der frühern Kirchengeschichte, Band 1, Konstanz, 1840, S. 180. 93 Kabus, Karl, Ignaz Heinrich von Wessenbergs geistige Gestalt im Lichte seines Kirchenbegriffs. Eine Studie zur Aufklärung im katholischen Deutschland, Köln, 1963. 94 Bangert, S. 143 ff. 95 Ebd., S. 144. 96 Ebd., S. 18. 97 Zum Ideal der Gotteskindschaft: Ebd., S. 142 ff. 98 Ebd., S. 162. 99 Ebd., S. 165. 100 Verhandlungen der Zweiten Kammer, 28. August 1820, Beilage Nr. 95, 8. Heft, Karlsruhe 1820, S. 110-112; Abdruck bei: Moser, Arnulf, Die badischen Taubstummenanstalten und ihr Niedergang im Dritten Reich, in: Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg (Hg.), Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 156. Band (NF 117. Band), Stuttgart, 2008, S.427/ 428. 101 Zitiert nach: Moser, Taubstummenanstalten, S. 405. 102 Ebd., S. 405/ 406. 103 Ab 1843 Jungenheim des »Vereins für sittlich verwahrloste Kinder im Großherzogtum Baden«. 104 Graf, S. 120. 105 Moser, Taubstummenanstalten, S. 407. 106 Ebd. 107 Zur weiteren Entwicklung der badischen Taubstummenanstalten siehe: Moser, Taubstummenanstalten, S. 409 ff. 108 Braun, Karl-Heinz, »Die Lebensgeister der Kirche, Glaube und Liebe, bedürfen, um stets ungeschwächt und ungestört zu wirken, der beständigen Erneuerung.« Zum Kirchenbild Ignaz Heinrich von Wessenbergs, in: Decot, Rolf (Hg.), Kontinuität und Innovation um 1803. Säkularisation als Transformationsprozess. Kirche. Theologie. Kultur. Staat, Mainz, 2005, S. 25. 109 Braun, Karl-Heinz, »Ganz diesem Beruf zu leben… mein volles Kraftmaß zu widmen…« Ignaz Heinrich von Wessenberg (1775 - 1860), in: Keck, Fridolin (Hg), Glauben gestalten, Glaubensgestalten: mit Robert Zollitsch auf dem Weg; zum 70. Geburtstag des Erzbischofs von Freiburg und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburg, 2008, S. 227. 110 Zu Wessenberg als Bildungsreformer siehe: Bänziger, Kapitel 4.3.2. 111 Metzler, Wilfried, Über Wessenbergs Pädagogik, in: Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen der Alt-Katholischen Kirchengemeinde Konstanz 1873-1973, Konstanz, 1973, S. 34. 112 Metzler, S. 37. 113 Vgl. Moser, Arnulf, Ignaz Heinrich von Wessenberg und die Berufsbildung, in: Freiburger- Diözesan-Archiv, Band 98 (3. Folge, 30. Band), 1978, S. 540-554. 114 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 538. 115 Wessenberg, Ignaz Heinrich, Die Elementarbildung des Volkes in ihrer fortschreitenden Ausdehnung und Entwicklung, Konstanz, 1835, S. 1. (folgend: Elementarbildung). 116 Wessenberg untersucht ab Kapitel 9 die Erziehung bei verschiedenen Völkern der Erde zu verschiedenen Epochen der Geschichte. 117 Elementarbildung, S. 15. Anmerkungen 151 118 Wessenberg, Ignaz Heinrich, Betrachtungen über die wichtigsten Gegenstände im Bildungsgange der Menschheit, Aarau, 1836, S. 175. 119 Ebd. , S. 175 120 Ebd., S. 179. 121 Hafner, S. 12. 122 Müller, S. 61/ 62. 123 Elementarbildung, S. 21. 124 Hafner, S. 13. 125 Elementarbildung, S. 20. 126 Ebd., S. 23. 127 »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.« Kants Definition von Aufklärung, in: Berlinische Monatsschrift, 1784, 2, S. 481-494. 128 Elementarbildung, S. 23/ 24. 129 Müller, S. 183. 130 Elementarbildung, S. 26. 131 Ebd., S. 21. 132 Müller, S. 73. 133 Hafner, S. 17. 134 Ebd. 135 Ebd., S. 16. 136 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 538. 137 Ebd., S. 538. 138 Elementarbildung, S. 42. 139 Ebd. 140 Ebd. 141 Zitat nach Müller, S. 71. 142 Zitat nach Müller, S. 75. 143 Ebd. 144 Elementarbildung, S. 31. 145 Graf, S. 5. 146 Ebd., S. 4. 147 Müller, S. 77. 148 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte Band I/ 1, S. 24. 149 Elementarbildung, S. 205, auf Aristoteles allgemein Bezug nehmend. 150 Ebd., S. 33. 151 Hafner, S. 20. 152 Ebd. 153 Elementarbildung, S. 46 ff. 154 Ebd., S. 51. 155 Ebd. 156 Ebd., S. 52. 157 Ebd., S. 51. 158 Ebd., S. 52. 159 Ebd., S. 55. 160 Elementarbildung, S. 55. 161 Ebd., S. 56. 152 Wessenbergs Herzenskind 162 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 542. 163 Hafner, S. 43 164 Ebd., S. 43/ 44. 165 Müller, S. 173 ff. 166 Hafner, S. 35. 167 Müller, S. 179. 168 Ebd., S. 180/ 181. 169 Elementarbildung, S. 12. 170 Ebd., S. 71. 171 Hafner, S. 23. 172 Bangert, S. 19/ 20. 173 Müller, S. 9. 174 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 537. 175 Ebd., S. 542. 176 Hafner, S. 24/ 25. 177 Elementarbildung, S. 40. 178 Ebd., S. 41. 179 Hafner, S. 26/ 27. 180 Hafner, S. 22. 181 Elementarbildung, S. 27. 182 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 544. 183 Müller, S. 139/ 140. 184 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band I/ 1, S. 176. 185 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 545. 186 Hierzu: Über die katholischen Institute der Lehrfrauen für die weibliche Jugend im Großherzogtum (Baden), in: Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 605 ff. 187 Graf, S. 47. 188 Metzler, S. 32. 189 Bänziger, S. 177. 190 Ebd., S. 127. 191 Zur Chakterisierung Zschokkes siehe: Bänziger, S. 122/ 123. 192 Vgl. Der Briefwechsel 1806-1848 zwischen Ignaz Heinrich von Wessenberg und Heinrich Zschokke, bearbeitet von Rudolf Herzog und Othmar Pfyl, Basel, 1990, S. 369. 193 Hafner, S. 48. 194 Müller, S. 185. 195 Ebd., S. 185 und Hafner, S. 48. 196 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band 3, S. 553. 197 Müller, S. 185. 198 Als Konstanz 1806 badisch wurde hatte die Stadt 4.419 Einwohner (mit Bürgerrecht). 199 Im Jahr 1799. Vgl. Klein, S. 249. 200 Zur Spitalstiftung: Fromm, Norbert / Kuthe, Michael / Rügert, Walter, »… entflammt vom Feuer der Nächstenliebe«, 775 Jahre Spitalstiftung Konstanz, Konstanz, 2000. 201 Maurer, Helmut, Konstanz im Mittelalter I. Von den Anfängen bis zum Konzil, Geschichte der Stadt Konstanz Band 1, Konstanz, 1996, S. 126 ff. 202 Klein, S. 137. 203 Ebd., S. 139. 204 »Raitinen«, die Brotalmosenausgabe wurde bereits 1262 erwähnt. Hierzu: Maurer, Band 1, S. 129. 205 Burkhardt, Martin / Dobras, Wolfgang / Zimmermann, Wolfgang, Konstanz in der frühen Neuzeit. Reformation. Verlust der Reichsfreiheit. Österreichische Zeit, Geschichte der Stadt Konstanz Band 3, Konstanz, 1991, S. 100. Anmerkungen 153 206 Klein, S. 139. 207 Ebd., S. 140. 208 Klein, S. 141. 209 Fromm, S. 16. 210 Klein, S. 241. 211 Zang, Gert, Konstanz in der Großherzoglichen Zeit. Restauration, Revolution, liberale Ära 1806 bis 1870, Geschichte der Stadt Konstanz Band 4.1, Konstanz, 1994, S. 17. 212 Ebd.,S. 72. 213 Ebd., S. 151/ 152. 214 Fromm, S. 57. 215 Zang, Band 4.1., S. 18. 216 Burkhardt / Dobras / Zimmermann, Band 3, S. 365 ff. 217 »Normallehrart« für Jungen umfasste theoretisch Christentum, Buchstabieren, Lesen, Rechnen, Schön- und Rechtschreiben, Erdbeschreibung, Briefstil, deutsche Sprachlehre, Zeichnen, lateinische Anfangsgründe, Naturwissenschaften, vaterländische Geschichte, Geometrie, Planimetrie und Baukunst. Vgl. Burkhardt / Dobras / Zimmermann, Band 3, S. 365. 218 Burkhardt / Dobras / Zimmermann, Band 3, S. 362. 219 Ebd., S. 367. 220 Ebd. 221 Bereits 1849 gab es eine Gründung des »Frauen- und Jungfrauenvereins« in Konstanz. Der Verein konzentrierte sich auf die patriotische Unterstützung der Soldaten und wollte die Rolle der Frau in der Öffentlichkeit stärken. Siehe Zang, Band 4.1., S. 184. 222 Zentralkomitee des Badischen Frauenvereins (Hg.), Geschichte des Badischen Frauenvereins. Zweite umgearbeitete und stark vermehrte Ausgabe, zugleich Festschrift zur Feier der goldenen Hochzeit Ihrer königlichen Hoheiten des Großherzogs Friedrich und der Großherzogin Luise am 20. September 1906, Karlsruhe, 1906, S. 467-471. 223 Gleichenstein v., Elisabeth (Hg.), Familienbande. Konstanzer Familiengeschichte(n) aus vier Jahrhunderten, Konstanzer Museumsjournal, Konstanz, 2005, S. 113. 224 Dieser Kindergartenschulfond wurde 1955 nach Aufhebung der Kindergarten-Schulstiftung in das Vermögen der Wessenberg’schen Vermächtnisstiftung überführt. (Städtisches Sozial- und Jugendamt Konstanz Aktennr. 469.17a, Heft 1 (1976-1979)). 225 Friedrich Fröbel (1782 - 1852), Pädagoge, Pionier der Kindergarten-Erziehung, Ideen: freie Entwicklung der Kinder, spielerische Bildung, Förderung der Unabhängigkeit der Frau. 226 Zitat nach Zang, Band 4.1, S. 85. 227 Elementarbildung, S. 28. 228 Hierzu: Albrecht, Auch das Weib ist berufen. 229 Ebd. 230 Hierzu: Moser, Arnulf, 1908-2008. Frauen bewegen Konstanz. 100 Jahre Sozialdienst Katholischer Frauen e.V. Konstanz, Konstanz, 2008. 231 Gründungsmanifest des Vereins zur Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogtum Baden, zitiert nach Aland, Wessenberg-Studien II, S. 457. 232 Ebd. 233 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 458. 234 Ebd., S. 521/ 522. 235 Beispiele für diese Verträge: StAK SII 5929. 236 Schwall-Düren, S. 83. 237 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 459. 238 Gutachten Wessenbergs im Wortlaut siehe Anhang Nr. 1. 239 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 520. 240 Ebd., S. 521. 154 Wessenbergs Herzenskind 241 Ebd. 242 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 523. 243 Ebd. 244 Vgl. Kapitel 4.1.3. 245 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 524. 246 Ebd. 247 Ebd., S. 525. 248 Großherzogin Sophie gründete 1831 den Badischen Frauenverein. 249 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 462/ 463. 250 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 464. 251 Ebd., S. 467. 252 Abdruck der Statuten von 1836 siehe Aland, Wessenberg-Studien II, S. 527-532. 253 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 468. 254 Erster Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Grossherzogthum Baden, Karlsruhe, 1838, S. 13/ 14. 255 Zweiter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden, Karlsruhe, 1839, S. 26. 256 Fünfter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths über die Thätigkeit des Vereins zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden. Für den Zeitraum vom 1. Juli 1841 bis 31. December 1842, Karlsruhe, 1843, S. 66. 257 Zweiter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths, S. 26. 258 Ebd. 259 Fünfter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths, S. 67. 260 Erster Jahres-Bericht des Verwaltungsraths, S. 14. 261 Zweiter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths, S. 26/ 27. 262 Dritter Jahres-Bericht des Verwaltungsraths für den Verein zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden, Karlsruhe, 1840, S. 30. 263 Hier sollten Jungen mit evangelischer Konfession aufgenommen werden. Das Heim wurde vom Zentralverein 1904 nach Weingarten verlegt und wurde nach dem Ersten Weltkrieg an das Land Baden verkauft, welches die Betreuung an den Landesverein Innere Mission abgab. Hierzu: GLA 231 Nr. 4575. 264 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 470/ 471. 265 Ebd., S. 472. 266 Ebd., S. 471. 267 Ebd., S. 474. 268 Ebd., S. 475. 269 Ebd., S. 476. 270 Ebd., S. 481. 271 Ebd., S. 484. 272 Siebenter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths über die Thätigkeit des Vereins zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden. Für das Jahr 1844, Karlsruhe, 1845, S. 4. 273 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 485. 274 Das Rettungshaus in Hüfingen/ Neudingen nahm seit 1843 Jungen katholischer Konfession auf und wurde ab 1856 vom Caritasverband der Erzdiözese Freiburg betreut. Hierzu: GLA 231 Nr. 4575. 275 Seit 1920, Angabe laut Homepage www.mariahof.de (aufgerufen am 04.07.2013). 276 www.mariahof.de (aufgerufen am 04.07.2013) 277 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 486. 278 Das Schreiben Wessenbergs zu den Folgen dieser Umwidmung an den Zentralverein im Wortlaut siehe Anhang, Nr. 2. Anmerkungen 155 279 Antrag vom 19. Mai 1846, siehe: Aland, Wessenberg-Studien II, S. 544/ 545. 280 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 487. 281 Die Geländegröße betrug 1ha 6 ar 28 qm. StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5175. 282 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 489/ 490. 283 Ebd., S. 490. 284 Ebd., S. 492. 285 Ebd., S. 493. 286 Ebd. 287 Ebd., S. 494. 288 Ebd., S. 494. 289 Ebd., S. 496. 290 Zwölfter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths über die Thätigkeit des Vereins zu Rettung sittlich verwahrloster Kinder im Großherzogthum Baden, Karlsruhe, 1857, Vorwort. 291 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 498. 292 Ebd., S. 499. 293 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 506. 294 Ebd., S. 502. 295 Ebd. 296 Ebd., S. 501. 297 Zwölfter Rechenschafts-Bericht des Verwaltungsraths, S. 67. 298 Ebd. 299 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 510. 300 Im Jahresbericht des Verwaltungsrats der von Wessenbergschen Erziehungsanstalt in Konstanz für das Jahr 1915 wird das Eröffnungsdatum 02. März 1853 genannt. GLA 60 Nr. 2041. 301 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 509. 302 Ebd., S. 510. 303 StAK SII 5898. 304 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 509. 305 Ebd. 306 Ebd., S. 510. 307 Ebd., S. 521/ 522. 308 Ebd., S. 502. 309 Ebd., S. 504. 310 GLA 60 Nr. 2041. 311 Ebd. 312 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 511. 313 Ebd., S. 512. 314 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 515. 315 Ebd. 316 Zum Testament Wessenbergs siehe: Aland, Kurt, Wessenbergstudien, in: Badisches General-Landesarchiv (Hg.), Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Bd. 95, Karlsruhe, 1943, S. 550-620. 317 Aland, Wessenbergstudien, S. 600. 318 Ebd., S. 554. 319 Ebd., S. 559. 320 Ebd., S. 596. 321 Ebd., S. 589. 322 Ebd., S. 594. 323 Ebd. 324 Ebd., S. 599. 156 Wessenbergs Herzenskind 325 Ebd., S. 560/ 561. 326 Ebd., S. 562. 327 Ebd., S. 597. 328 Ebd., S. 564. 329 Ebd., S. 567. 330 Ebd., S. 574. 331 Ebd., S. 598. 332 Zu Wessenbergs und den Jesuiten siehe: Aland, Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe, Band 3 Kleine Schriften, 1979, S. 393 ff, sowie Band I/ 1 S. 84/ 85; klar zusammengefasst auch bei: Bänziger, S. 172/ 173. 333 Wessenberg, Unveröffentlichte Manuskripte, Band I/ 1, S. 84. 334 Ebd. 335 Aland, Wessenbergstudien, S. 620. 336 Aland, Wessenberg-Studien II, S. 516. 337 Ebd., S. 560-562. 338 Ebd., S. 517. 339 Ebd., S. 562. 340 Ebd., S. 518. 341 Die Recherche zum Heimbetrieb beruht weitgehend auf dem Quellenmaterial Bestand Sozialzentrum Wessenberg und den Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz. 342 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 343 StAK SII 5434. 344 Anna Maria Küchle war von 1886 bis 1894 in der Heimerziehung, trat anschließend eine Dienststelle in Meersburg an und kehrte dann wieder als Haushaltungs- und Arbeitslehrerin ins Wessenbergheim zurück. 345 StAK SII 5441. 346 Die ältere Dame in Schwarz in der ersten Reihe ist Fanny Eigster (gest. 1923). 347 Gedenk-Blatt an die am 9. August 1910 in der von Wessenberg’schen Erziehungsanstalt stattgefundene Erinnerungsfeier an den 50. Todestag des Gründers der Anstalt I. H. von Wessenberg, Konstanz, 1910. 348 Gedenk-Blatt, S. 3-6. 349 Ebd. 350 Vgl. Schwall-Düren, S. 193ff. 351 Eigentlich »Gesetz, betr. die staatliche Fürsorge für die Erziehung verwahrloster jugendlicher Personen«. Der Begriff des Zwangs sollte damit vermieden werden, da dieser mit einem negativen Image verbunden sei. Vgl. dazu Schwall-Düren, S. 200/ 201. 352 Schwall-Düren, S. 195. 353 Hierzu: Peukert, Detlef J. K. / Münchmeier, Richard K., Historische Entwicklungsstrukturen und Grundprobleme der Deutschen Jugendhilfe, in: Sachverständigenkommission 8. Jugendbericht (Hg.), Jugendhilfe - Historischer Rückblick und neuere Entwicklungen. Materialien zum 8. Jugendbericht (Bd. 1), München, 1990, S. 1-51. 354 Schwall-Düren, S. 279. 355 Ebd., S. 280. 356 Ebd., S. 279. 357 Ebd., S. 281. 358 Ebd. 359 Schwall-Düren, S. 284. 360 Als Quelle dient hier der Bericht, der von der Heimleitung über die einzelnen Mädchen verfasst wurde (Quelle: Buch Sozialzentrum). Eine objektive Vergleichsquelle ist nicht vorhanden. 361 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. Anmerkungen 157 362 StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5120. 363 Ebd. 364 Bereits 1900 empfahl der Deutsche Verein für Armenpflege und Wohltätigkeit die Kinder- und Jugendfürsorge in die Hände der Gemeinden zu geben. Es wurde empfohlen die Aktivitäten der öffentlichen Jugendfürsorge in einem städtischen Amt zu vereinen. Siehe hierzu Schwall-Düren, S. 260. Das erste städtische Jugendamt in Baden wurde am 01.07.1913 in Mannheim eingerichtet (Schwall-Düren, S. 271). 365 Hierzu: Burchardt, Lothar / Schott, Dieter / Trapp, Werner, Konstanz im 20. Jahrhundert. Die Jahre 1914 bis 1945, Geschichte der Stadt Konstanz Band 5, Konstanz, 1990, S. 246. 366 Ebd., S. 311. 367 Zeitzeugen-Interview am 29.03.2010. 368 Parteieintritt in die NSDAP vor 1929/ 30. 369 Hierzu: Engelsing, Tobias, Sommer `39. Alltagsleben am Anfang der Katastrophe. Georg Elser, Konstanz und das deutsch-schweizerische Grenzgebiet zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, Konstanz, 2009, S. 30-57. 370 Vgl. Kapitel 2.3.3. 371 Hierzu: Historisches Museum Frankfurt a. Main (Hg.), Katalog. Frauenalltag und Frauenbewegung 1890-1980, Frankfurt/ Main, 1981. 372 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 373 Zeitzeugen-Interview am 29.03.2010. 374 StAK SII 20946. 375 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 376 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 377 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 378 Ebd. 379 Zur Thematik »Zwangssterilisation« siehe: Bock, Gisela, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien zur Rassenpolitik u. Frauenpolitik, Oplanden, 1986. 380 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 381 StAK SII 20923. 382 Eintrag W. H. Berichtsbuch der Heimleitung, Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 383 Eintrag K. K. Berichtsbuch der Heimleitung, Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 384 Eintrag H. B. Berichtsbuch der Heimleitung, Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 385 Eintrag R. S. Berichtsbuch der Heimleitung, Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 386 Hierzu StaatsA Freiburg A 96/ 1 Nr. 5117. 387 Bestand Sozialzentrum Wessenberg. 388 Vgl. Reich, Hanna Sophia, Studien zum Alltag in Konstanz 1945-1949. Wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Landeslehrerprüfung für das Lehramt an Gymnasien, Konstanz, 2003, S. 29. 389 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz, Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 390 Ebd. 391 Reich, S. 36. 392 Burchardt, Lothar, Konstanz zwischen Kriegsende und Universitätsgründung, Geschichte der Stadt Konstanz Band 6, Konstanz, 1996, S. 90/ 91. 393 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 394 StaatsA Freiburg F 30/ 1 Nr. 142. 395 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 396 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 397 Ebd. 398 Ebd. 399 Ebd. 158 Wessenbergs Herzenskind 400 Lützke, Annette, Öffentliche Erziehung und Heimerziehung für Mädchen 1945 bis 1975 - Bilder »sittlich verwahrloster« Mädchen und junger Frauen, Essen, 2002, S. 3. 401 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 1 (1928-1972). 402 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz: Aktennr. 469.17, Heft 2 (1973-1977). 403 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz, Aktennr. 469.17a, Heft 1 (1976-1979). 404 Ebd. 405 Ebd. 406 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz, Aktennr. 417.91a, Heft 1 (1977-1981). 407 Ebd. 408 Ebd. 409 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz, Aktennr. 417.91a, Heft 2 (1982-1986). 410 Akten des Sozial- und Jugendamts Konstanz, Aktennr. 417.91a, Heft 3 (1987-1991). 411 Ebd. 412 Hierzu: Sitzungsvorlage für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 22.06.1999, Seite 5 (1.2. Begründung des Konzeptes Sonderschule E). 413 Hierzu siehe: Sitzungsvorlage für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 22.06.99. 414 Ebd. 415 Ebd. 416 Geschäftsbericht des Sozial- und Jugendamts Konstanz 2008. 417 Ebd. 418 Ebd. 419 Ebd. 420 Schriftliche Auskunft Günther Wagner, Sozial- und Jugendamt Konstanz, 29.06.2010. 421 Sitzungsvorlage für das Gremium Jugendhilfeausschuss am 10.03.2009, JHA 2009-132. 422 Ebd. 423 Ebd. 424 Ebd. 425 Im Jahr 2011 hatten 80.100 Menschen ihren Hauptwohnsitz in Konstanz. Quelle: Stadt Konstanz, Hauptamt - Statistik und Steuerungsunterstützung (Eigene Bevölkerungsfortschreibung - Bestandstabelle). 426 Sozial- und Jugendamt Konstanz, Kindsein in Konstanz. Wegweiser für Eltern, Konstanz, 2011, S. 11. 427 Maurer, Band 1, S. 129. 428 http: / / www.spitalstiftung-konstanz.de/ stiftung/ index.html (aufgerufen 04.07.2013). 429 Sozial- und Jugendamt Konstanz, Kindsein in Konstanz. Wegweiser für Eltern, Konstanz, 2011, S. 23. 430 »Aufrecht und Gefestigt«. Weitere Übersetzungsmöglichkeiten: recte (adv.): gerade, recht, richtig, moralisch vollkommen, mit Recht, wohl, gut, sicher, gefahrlos, günstig. fortiter (adv.): 1. stark, kräftig, fest, rüstig, dauerhaft, 2. mutig, tapfer, energisch, kühn, forsch, tüchtig, 3. gewaltsam. 431 Elementarbildung, S. 4. Bildnachweis S. 19 u. 83 Städtische Museen Konstanz S. 61 u. 73 Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg S. 75/ 77/ 81/ 84/ 85/ 86/ 91/ 93/ 94/ 95/ 96 Sozialzentrum Wessenberg