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Legitimationsstrategien in schwieriger Zeit

2016
978-3-7398-0086-8
UVK Verlag 
Prof. Dr. Franz-Josef Arlinghaus

Durch Kaiser Barbarossa erobert, anschließend trotzdem weitgehend autonome Kommune, schließlich durch innere Parteiungen äußerst zerrissen: Die lombardische Metropole Mailand durchlief im 12. und 13. Jahrhundert eine Zeit dramatischer Veränderungen. Das Buch fragt nach den Folgen dieser Umbrüche für die Legitimationsstrategien der Gerichte dieser Stadt. In der Verknüpfung aus datenbankgestützter, quantitativer Analyse und qualitativer Quelleninterpretation werden vier unterschiedliche Phasen und Formen der Legitimationsstiftung identifiziert. Aufgrund des zunehmenden Fehlens unangefochtener >externer< Legitimationsquellen (Kaiser, Kommune), so die These, stellen die Gerichte Legitimation mehr und mehr selbst her, indem sie die Abarbeitung des Konflikts auf verschiedene, erst während des Verfahrens etablierte >Gremien< (iurisperiti, iudici delegati,) verteilten. Um als >legitimitätsstiftend< fungieren zu können, mussten diese >Gremien< jedoch als weitgehend unabhängig voneinander auftreten. Neben der Partizipation der Parteien an den Beauftragungen spielten die Schrift sowie die Figur des Notars dabei eine entscheidende Rolle. Denn trotz gegebener administrativer und räumlicher Nähe gelang es, gestützt auf Schrift und Notar die Autonomie der einzelnen >Gremien< zu evozieren.

Franz-Josef Arlinghaus Legitimationsstrategien in schwieriger Zeit Meiner Mutter Franz-Josef Arlinghaus Legitimationsstrategien in schwieriger Zeit Die Sentenzen der Mailänder Kommunalgerichte im 12. und 13. Jahrhundert UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München Franz-Josef Arlinghaus ist Professor für mittelalterliche Geschichte in Bielefeld. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die Geschichte der mittelalterlichen Stadt und der Verwendung der Schrift im Mittelalter sowie die Rechtsgeschichte. Bi bl iogr a fisc he I nf or ma ti on der D eu ts ch en N at io na lb ib lio th ek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-86764-699-4 (Print) ISBN 978-3-7398-0085-1 (EPUB) ISBN 978-3-7398-0086-8 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Satz und Layout: Lena Gumpert, Bielefeld Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3 Kurzer historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4 Methodisches Vorgehen: Zur quantitativen Analyse des Quellenbestandes 21 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen . . . . 35 7 Die Selbstbezeichnung der Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7.1 Die Titulaturen der Schreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten . . . . . . . . . . . . . . . . 49 7.3 Amtsträgerbezeichnungen in Protokoll und Kontext der Sentenz . 56 8 Legitimationsstrategien der Gerichte und ihre Beziehung zu den sich wandelnden politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen . . . . . . . . . . 59 8.1 ‚Außenlegitimation‘: Kaiser und Kommune als äußere Stützen des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 8.2 ‚Binnenlegitimation‘: Die fortschreitende Zergliederung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 8.2.1 Die Aufteilung des Konsulats . . . . . . . . . . . . . . . . 66 8.2.2 Das Notariat als zunehmend eigenständiges Element im Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 8.2.3 Zur Funktion der iudices delegati und consiliarii/ iurisperiti . 77 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 95 10 Zur Funktion der Schrift in einem sich selbst legitimierenden Verfahren 101 11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 12 English Preface and Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 13 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5 Inhaltsverzeichnis 14 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 15 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 15.1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 15.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Grafiken- und Tabellenverzeichnis Grafik 1: Durchschnittliche Amtsträgernennung pro Sentenz pro Jahr . . . . 28 Grafik 2: Anzahl der Unterschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Grafik 3: Anzahl der in Protokoll und Kontext genannten Amtsträger . . . . 30 Tabelle 1: Anzahl der Amtsträgernennungen pro Sentenz im Text nach Phasen 34 Tabelle 2: Selbstbezeichnung der Schreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Tabelle 3: Selbstbezeichnung der Unterschreiber . . . . . . . . . . . . . . . 52 Tabelle 4: Selbstbezeichnung der in Protokoll und Kontext genannten Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Beispiele für die Subskriptionen aus den verschiedenen Phasen . . . . . . . 74 6 1 Vorwort Der Text dieses Buches wurde bereits 1998 vollständig fertig gestellt und sollte ursprünglich im Rahmen eines Sammelbandes 1 veröffentlicht werden, dessen Herstellung sich jedoch leider immer wieder verzögert hat. Nach längerer Überlegung sind die Herausgeber des nach wie vor geplanten Bandes, Hagen Keller, Marita Blattmann sowie Jörg W. Busch, und ich übereingekommen, den umfangreichen Text nicht zuletzt aus technischen Gründen aus dem Band auszukoppeln und separat zu publizieren. Einen Text nach so vielen Jahren zu publizieren, ohne die inzwischen erschienene Literatur einzuarbeiten 2 , verlangt nach einer Begründung. Mir scheinen drei Aspekte an dem Text nach wie vor von Interesse zu sein: erstens die methodische Herangehensweise, zweitens die über die Methode erfolgte zeitliche Konturierung des sozialen Wandels im Mailänder Gerichtswesen, und drittens die theoretisch angereicherte Interpretation des Befundes. Insgesamt, so ist zu hoffen, hält die Arbeit die ein oder andere Anregung methodischer Art bereit und unterbreitet hinsichtlich der Interpretation des Mailänder Gerichtswesens einen Vorschlag, der bisher so noch nicht gemacht wurde. 1.) Methode: ‚Digital Humanities‘ und hermeneutische Analyse Über die Möglichkeiten und Grenzen der ‚Digital Humanities‘ wird derzeit intensiv diskutiert. Die vorliegende Untersuchung stellt eine hybride Methode vor: Sie unterzieht die aus gescanntem Material gewonnenen und in einer Datenbank aufbereiteten Informationen in einem ersten Schritt einer quantitativen Analyse. Dabei entfaltete das Aufbereiten der Informationen, das immer wieder tastende Umgruppieren von in den Urkunden auftauchenden Amtsträgerbezeichnungen, sein eigenes heuristisches Potenzial. Wieviel Amtsträger werden in den Urkunden genannt? Gibt es zeitliche Schwankungen, die Muster erkennen lassen und 1 K ELLER / B LATTMANN / B USCH (Hgg.), Formen der Verschriftlichung und Strukturen der Überlieferung in Oberitalien Studien über Gestalt, Funktion und Tradierung von kommunalem Schriftgut des 12. und 13. Jahrhunderts. 2 Die Zusammenfassung der aktuellen Forschung sowie einen Überblick über die neuere Literatur finden sich bei W ICKHAM , Sleepwalking into a New World, S. 1ff und S. 21ff.; K ELLER , Erforschung der italienischen Stadtkomunen; D ARTMANN , Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune. 7 1 Vorwort einer Interpretation zugänglich gemacht werden können? Wann tauchen welche Amtsträgerbezeichnungen erstmalig auf? Wann sind welche besonders häufig oder dominant? Es handelt sich also nicht um eine prosopographische Untersuchung, sondern um eine an den Funktionsträgern orientierte. Ein zentrales Moment bei der Aufbereitung der Daten war, die einzelnen Teile der Urkunde, wie dies die Diplomatik tut, in ihrem Eigenwert und ihrer Bedeutung ernst zu nehmen. Dies mündete in einer differenzierten Betrachtung des Auftauchens der Amtsträgerbezeichnungen in den verschiedenen Urkundenteilen, insbesondere im Protokoll und Kontext der Urkunde sowie in der subscriptio. Dies setzte natürlich ein weiteres Aufbereiten der Daten voraus. Dann jedoch erlaubte die Nutzung der Datenbank ein Durchspielen unterschiedlicher Thesen und Periodisierungen, z. B. das Testen verschiedener zeitlicher Intervalle, in denen Urkunden ein weitgehend gleiches oder ähnliches ‚Personal‘ von Funktionsträgern nennen. Der Vorteil der Datenbanknutzung liegt dabei nicht in der Zeitersparnis. Im Gegenteil kosten Aufbereitung und ‚Durchspielen‘ sehr sehr viel Zeit. Der Vorteil liegt vielmehr darin, dass sich das Material anders präsentiert, man anders darauf zugreift, und es dadurch zu neuen Fragen anregt. Die so entwickelten Thesen - das sei hervorgehoben - benötigen zu ihrer Plausibilisierung jedoch ein Abgleich mit der ‚traditionellen‘ Quellenlektüre und vor allem mit dem historischen Kontext. Die vorgelegte datenbankgestützte Quellenauswertung bedeutet also eine Anreicherung des klassischen hermeneutischen Prozesses, nicht sein Ersatz. 2.) Zeitliche Konturierung des sozialen Wandels im Mailänder Gerichtswesen Die im Material identifizierten Umschwünge in der Struktur des Gerichtswesens ruhen zunächst einmal auf einer quantifizierenden Analyse auf. Die Quantifizierung hat dabei ihre eigene Problematik. Da die Überlieferung keine repräsentative Auswahl der Urkunden bietet und selbst reine Zufälligkeit nicht unterstellt werden kann, sind Rückschlüsse auf eine wie immer geartete Grundgesamtheit an einmal vorhandenen Urkunden nicht zulässig. Die Quantifizierung erlaubt lediglich, Aussagen über die tatsächlich vorhandenen Urkunden, eben über den ausgezählten Bestand, zu machen. Sie trägt aber wesentlich dazu bei, dieses vorhandene Material zu strukturieren und sozusagen ‚Vorschläge‘ - etwa hinsichtlich einer chronologischen Einordnung von Phänomenen - zu diskutieren. Diese Einschränkungen betreffen selbstredend nicht nur eine datenbankgestützte quantitative Auswertung, sondern auch auf eine ‚traditionelle‘ Lektüre des Quellenbestandes zu. Die Schlussfolgerungen sind dann, ähnlich wie beim Arbeiten ohne Datenbank, über die Analyse des historischen Umfeldes zu plausibilisieren. 8 1 Vorwort 3.) Theoretisch angereicherte Interpretation des Befundes, Schriftlichkeit Wie gerichtliche Entscheidungen legitimiert werden können, wird auch für die Gegenwart diskutiert, ohne dass diese Diskussion zu einem Abschluss oder auch nur befriedigenden Ergebnis gekommen wäre. Ein gängiges Argument ist, auf besondere Autorisierung des Gerichtes (durch König und Kaiser oder durch eine demokratisch legimitierte Regierung) zu verweisen. Ein etwas neuerer Vorschlag sieht insbesondere für das Gerichtswesen der Moderne in der Verfahrensweise selbst, in der Art, wie die Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten strukturiert wird, eine zentrale Möglichkeit, gerichtliche Entscheidungen zu legitimieren. Im hochmittelalterlichen Mailand scheinen beide Typen präsent zu sein, allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. Die ‚externe‘ Legitimation - soweit sie sich an den Amtsträgerbezeichnungen ablesen lässt - scheint eher für die erste Zeit des Gerichts prominent, während die ‚interne‘ Legitimation für die spätere Zeit dominant wird. Dies hängt, so wird vermutet, mit den im Lauf der Zeit geringeren Möglichkeiten des Gerichts, auf eine allgemein akzeptierte Autorität zu verweisen, zusammen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, wie diese ‚interne‘ Legitimation in Mailand ausgestaltet wurde. Kern dieses Legitimationsverfahrens war letztlich, über die Implementierung von ausschussartigen Gremien - etwa iurisperiti - während des Verfahrens eine Zergliederung des Entscheidungsprozesses vorzunehmen, so dass das Gericht selbst nicht mehr die ganze Last der Urteilsfindung tragen musste. In diesem Zusammenhang spielt die Schrift eine entscheidende Rolle nicht als Instrument der Rationalisierung, wie oft vermutet, sondern als Instrument der Gestaltung von Kommunikation. Schriftstücke dienen im Verfahren u. a. dazu, die Einsetzung solcher Gremien durchzuführen und ihre Autonomie gegenüber dem einsetzenden Gericht hervorzubringen. Dazu bediente man sich nicht zuletzt spezifischen Personals - der Notare - die durch Verlesen die Beschlüsse, an denen die Streitparteien oft maßgeblich mitgewirkt hatten, in Kraft zu setzen. Das Buch hat also zum Ziel, Ansätze der eHumanities auf einen mittelalterlichen Urkundenbestand anzuwenden und die Interpretation der Befunde im Rückgriff auf soziologische Theorieangebote durchzuführen. Zu hoffen ist, dass es, obwohl bereits vor geraumer Zeit fertig gestellt, dennoch einige Anregungen für die aktuellen Debatten bietet. Die Auswertung der Quellen stützte sich auf umfangreiche Digitalisierungsmaßnahmen, wie sie Ende der 1990er Jahre im Teilprojekt A des Sonderforschungsbereichs „Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit“ unter der Leitung von Hagen Keller durchgeführt wurden, der mir damals dankenswerterweise sehr viel freie Hand gelassen hat. Marita Blattmann, Jörg W. Busch, Thomas Scharff haben als meine direkten Ansprechpartner im Projekt äußerst viel Geduld bewiesen. Nine Miedema hat mir dankenswerterweise das Programmieren 9 1 Vorwort in dBase vermittelt. Claudia Becker, Petra Schulte und Michael Drewniok leisteten durch ihre zahlreichen Anregungen wertvolle Unterstützung, Udo Göllmann, Sabine Rutar und Olaf Zumhagen waren unermüdlich bei der Aufbereitung der Daten. Mein ganz besonderer Dank gilt Lena Gumpert, die 2015 die alten Dateien mit großer Umsicht und viel Können in aktuelle Formate umzuwandeln verstand und mich zusammen mit Moritz Heitmann auf Ungereimtheiten aufmerksam machte. Bielefeld, Januar 2016 Franz-Josef Arlinghaus 10 2 Einleitung Das 12. und vor allem das 13. Jahrhundert können in Norditalien als der Zeitraum gelten, in dem die Rezeption des römischen Rechts einen ersten Höhepunkt erreichte. Nicht nur auf der Ebene der Rechtslehre, sondern auch in der juristischen Praxis - ob es sich um die Gestaltung von Verkaufs- oder Darlehnsurkunden oder um die Ausformung des Gerichtsverfahrens handelte -, lassen sich nun Formeln und Elemente nachweisen, die auf römischrechtliche Wurzeln zurückgeführt werden können. Allerdings hat man, wie nicht anders zu erwarten, mit zeittypischen, mehr oder weniger starken Um- und Überformungen zu rechnen 3 . Generell läßt sich sagen, daß insbesondere vor Gericht zeitgleich mit der Rezeption antiker Rechtsvorstellungen eine stärker auf rationale Beweisführung und diskursivargumentative Erörterung des Sachverhalts gründende Verhandlungsführung in das Verfahren Einzug hielt. Diese Form der Gestaltung des Rechts trifft zusammen mit einer bestimmten mentalen Verfaßtheit der Menschen jener Zeit und jener Region. Mehr und mehr bemühte man sich darum, Handlungen nach Maßgaben zu organisieren, welche heute als ‚zweckrational‘ bezeichnet würden 4 . So zeichnete sich etwa auch die Handelstätigkeit italienischer Kaufleute durch ein hohes Maß an Zielgerichtetheit und Gewinnorientierung aus, deren Basis die ‚vernünftige‘ Kosten-Nutzen- Abwägung bildeten 5 . Insbesondere im fortgesetzten Bemühen um eine effektivere Administration der städtischen Gemeinwesen läßt sich dieses Prinzip erkennen. Man versuchte durch Einführung von z. T. sehr komplexen Mechanismen - von der befristeten Amtsdauer über die Kontrolle der Verwaltung durch Verschriftlichung und öffentliches Ausrufen von Einzelvorgängen bis hin zu fein austarierten, elaborierten Wahlmechanismen zur Benennung der Amtsträger 6 - eine ‚vernünfti- 3 Literatur in Anm. 161 und 162. 4 Zusammenfassend, mit weiterer Literatur, K ELLER , Vorschrift, Mitschrift, Nachschrift, S. 25-42. 5 Vor allem in Verbindung mit den hoch entwickelten Buchführungstechniken ist auf eine besondere Mentalität der italienischen Kaufleute verwiesen worden, M ELIS , Aspetti della vita economica medievale; einen eher eigendynamisch-evolutionären Ansatz vertritt dagegen A RLINGHAUS , Zwischen Notiz und Bilanz, S. 397ff. 6 K ELLER , Vorschrift, Mitschrift, Nachschrift; zu einzelnen Themengebieten vgl. die Aufsätze in dem Sammelband K ELLER / B EHRMANN (Hgg.), Kommunales Schriftgut in Oberitalien; Behrmann, Ad maiorem cautelam; Keller, Wahlformen; ders., ‚Kommune‘; Schulte, „Omnis homo sciat et audiat . . . “. Wie sehr jedoch das Bemühen um strukturiertes Vorgehen - wie es sich aus 11 2 Einleitung ge‘ Ordnung zu errichten, deren Regelungen in Statutenbüchern niedergeschrieben wurden 7 . Kann man die bisher genannten Faktoren als grundlegend für die Ausformung der kommunalen Gesellschaften annehmen, so lassen sich doch - neben diesen und mit diesen verwoben - auch andere Momente nennen, auf die sich spezifische Erscheinungen und Entwicklungen, wie sie in den städtischen Gemeinschaften jener Zeit beobachtbar sind, zurückführen lassen. Speziell für die konkrete Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens in Mailand soll hier untersucht werden, inwieweit sich Verbindungen zwischen den Wandlungen auf politisch-gesellschaftlicher Ebene und den Veränderungen im konkreten Ablauf eines typischen Gerichtsverfahrens herstellen lassen. Um solche Verbindungen herzustellen, wird hier die Frage nach der Legitimation des Gerichts in den Vordergrund gerückt. Ein Gericht mag dann als ‚legitimiert‘ gelten, wenn es von den Prozeßgegnern, aber auch von der Gesellschaft insgesamt, als Entscheidungsinstanz in einem Konfliktfall anerkannt wird - was nicht ausschließt, daß Einzelentscheidungen durchaus kritisiert werden können. Um sich als Institution zu legitimieren, reicht der Verweis auf eine gerechte Urteilsfindung allein jedoch nicht aus. Im konkreten Fall dürfte ‚Gerechtigkeit‘ jeweils sehr ambivalent gesehen werden. Unabhängig von einem möglicherweise als nicht gerecht bewerteten Urteil muß sich das Gericht darum bemühen, kontinuierlich und über den Einzelfall hinaus als legitime Entscheidungsinstanz akzeptiert zu werden. Es kann sich beispielsweise dadurch legitimieren, daß es - und damit ist bereits eine Strategie benannt, die unten noch weiter zu erläutern sein wird - auf andere ‚Institutionen‘ verweist und auf sie Bezug nimmt, die sich innerhalb der Gesellschaft eines allgemeinen Ansehens und einer hohen Wertschätzung erfreuen - im 12. Jahrhundert etwa durch Bezugnahme auf die kaiserliche Zentralgewalt 8 . Auf der Basis dieser Vorüberlegungen ist klar, daß bei der aufgeworfenen Frage das Umfeld, in dem das Gericht agiert, mit auszuleuchten ist, will man noch aufzuzeigende Änderungen im Verfahrensablauf hierauf zurückführen. Von Bedeutung ist dies insofern, als das gesellschaftliche Gefüge, in welches die Gerichte der lombardischen Metropole eingebettet waren, während des 12. und 13. Jahrhunderts starken Veränderungen und Belastungen ausgesetzt war. Es stellt sich die Frage, wie angesichts der zahlreichen Kriege gegen den obersten Gerichtsherrn - Normvorgaben ableiten läßt - und die Praxis auseinanderklaffen, zeigt Blattmann, Bona vicinancie receperunt et non designaverunt. 7 Als eine der ‚Schlüsselquellen‘ für das Verständnis des Schriftgebrauchs in den norditalienischen Kommunen waren die Statutenbücher Gegenstand intensiver Forschungen des Teilprojektes A im SFB 231; K ELLER , Oberitalienische Statuten; DERS ./ B USCH (Hgg.), Statutencodices des 13. Jahrhunderts; K OCH , Die Statutengesetzgebung der Kommune Vercelli; L ÜTKE W ESTHUES , Die Kommunalstatuten; B LATTMANN , Statutenbücher. 8 Dazu ausführlich Kapitel 9 ‚Herstellung von Legitimität im Verfahren‘, S. 95ff. 12 2 Einleitung den Kaiser 9 - und angesichts der zunehmenden Spaltung der Kommune, die ja die Richter für die jeweilige Amtszeit zu bestellen hatte, das Justizwesen in der Gesellschaft und konkret bei Kläger und Beklagtem überhaupt auf Akzeptanz hoffen konnte. Zu fragen ist also, wie ein Gerichtswesen beschaffen sein mußte, welcher Mechanismen es sich zu bedienen hatte, um trotz einer tiefgreifenden Umstrukturierung des gesellschaftlich-politischen Umfeldes weiterhin als legitime Instanz für die Entscheidung von Konflikten gelten zu können. Zunächst wird daher ein kurzer Abriß der historischen Entwicklung zu geben sein, deren entscheidende Momente dann an gegebener Stelle wieder aufzugreifen sind. Ist so der Hintergrund ausgeleuchtet, gilt es, anhand der überlieferten Urteile der Mailänder Kommunalgerichte - der Sentenzen - Veränderungen in der Zusammensetzung des Personals des Zivilgerichts und seinem strukturellen Aufbau aufzuspüren. Hier wird zunächst ein quantitativ-formaler Zugang gewählt, der nach der Anzahl der zu verschiedenen Zeiten im Dokument genannten Amtsträger und nach den Titulaturen, die ihnen beigegeben werden, fragt. Es wird sich zeigen, daß man auf der Basis statistischer Methoden insgesamt fünf verschiedene Intervalle oder Phasen herausarbeiten kann, in denen die Sentenzen jeweils typische Gemeinsamkeiten aufweisen und die sich klar von dem vorausgehenden bzw. folgenden Intervall abgrenzen lassen. Hier ist eine erste, vorläufige Verbindung zwischen den für die einzelnen Phasen charakteristischen Ausformungen des Kommunalgerichts und dem historischen Umfeld herzustellen. Dies muß aber unvollständig bleiben, solange nicht die durch die quantitative Analyse ermittelten Strukturänderungen auch einer qualitativen Untersuchung unterzogen wurden. Es gilt, die gesteigerte Bedeutung der Notare im Verfahren sowie das Auftauchen neuer Funktionsträger wie delegierter Richter und ‚Gutachter‘ zu beleuchten. Vor dem Hintergrund unserer Fragestellung - wie ein Verfahren strukturiert sein muß, um trotz der tiefgreifenden Umbrüche noch als legitim gelten zu können - wird dem genannten ‚Justizpersonal‘ und vor allem der Art und Weise, wie es in das Verfahren eingebunden wird, eine neue, über die enge juristische Aufgabenstellung hinausreichende Funktion zuzuweisen sein. Im Ergebnis können so - dies sei hier vorweggenommen - zwei grundlegende, einander ablösende Strategien für die Legitimation und Akzeptanz der Zivilgerichtsbarkeit in Mailand festgestellt werden, die als Antwort auf eine jeweils spezifische historische Situation verstanden werden können. Zum einen eine ‚externe‘ Legitimation. Diese vertraute stark auf die Akzeptanz der durch Kaiser und Kommune ernannten Amtsträger. Je mehr aber die ernennenden Einrichtungen selbst aufgrund der poli- 9 Es sei an dieser Stelle erlaubt, die Positionen der einzelnen ‚Rechtsinstitute‘ mit recht groben Strichen zu skizzieren, um die Problemstellung deutlich zu machen. Auf die Bedeutung des Kaisers für das kommunale Gerichtsverfahren wird im folgenden genauer einzugehen sein, vgl. insbesondere S. 60ff. und S. 65ff.; dort mit Literatur. 13 2 Einleitung tischen Situation an Autorität verloren, umso mehr entwickelte das Gerichtswesen ‚interne‘ Legitimationsstrategien. Sie bestanden im Kern darin, den Prozessverlauf stärker zu zergliedern, indem man während des Verfahrens, zum Teil mit Zustimmung der Parteien, Gremien ins Leben rief, die Teile des Streits bearbeiteten und dann wieder ins Hauptverfahren zurückspeisten. Diese Umstrukturierung von externer zu interner Legitimation lässt sich durch die quantitative Auswertung der Quellen zeitlich recht gut verorten. Ein wichtiger Aspekt des Gerichtsverfahrens, der im Verlauf des 13. Jahrhunderts immer stärker hervortritt, ist dessen zunehmende Verschriftlichung. Nicht mehr nur das Urteil wird schriftlich fixiert, wie schon im 12. Jahrhundert, nun werden auch die Klage und die Beantwortung der Klage, die Zeugeneinvernahmen, die Beauftragungen von delegierten Richtern und die Rechtsgutachten niedergeschrieben und aufbewahrt. Da hier der Versuch unternommen wird, einige Elemente des Verfahrens anders als nur in einem juristisch-praktischen Sinne zu interpretieren, so erscheint zugleich das Umfeld, in dem die Verschriftlichung einzelner Verfahrensschritte stattfindet, in einem anderen Licht. Es sei daher vor der Zusammenfassung unserer Ergebnisse eine neue Positionsbestimmung für einige der im Prozeß ausgebildeten Schriftstücke versucht. 14 3 Kurzer historischer Überblick Die Wandlungen des Mailänder Zivilgerichtsverfahrens sind zumindest zum Teil als Antwort auf allgemeine Veränderungen des gesellschaftlichen und politischen Lebens der Zeit zu verstehen. Deshalb ist zunächst ein kurzer Aufriß der Ereignisse und strukturellen Rahmenbedingungen, in die das Gericht einzubetten ist, einzugeben. Insbesondere die Entwicklung und Verfaßtheit der kommunalen Gesellschaft Mailands, die - typisch für die norditalienische Städtelandschaft - bereits früh durch Institutionen wie die Volksversammlung oder jährlich wechselnde consules ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln wußte, gilt es kurz zu beleuchten. Lassen sich die Ursprünge dieser Entwicklung zur ‚Kommune‘ nur ungenau fassen 10 , so kann man bereits für die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts die Ausformung von festeren Strukturen beobachten 11 . Die städtische Selbstverwaltung füllte damit nicht zuletzt eine Lücke, die sich aufgrund der weitgehenden Entmachtung des bischöflichen Stadtherrn und der zumeist abwesenden Kaiser aufgetan hatte 12 . So war man mit Konrad III. schnell über eine pauschale finanzielle Entschädigung für die von den Mailändern ausgeübten Regalienrechte einig geworden. Dabei durften sich die führenden Schichten der lombardischen Metropole bei der Verwaltung ihrer Stadt und der zunehmenden Beherrschung des Umlandes 10 Die umfangreiche Literatur zur Herausbildung der Kommune kann hier unmöglich vollständig angegeben werden. Zu Entwicklung und Begrifflichkeit K ELLER , Die soziale und politische Verfassung Mailands; DERS ., Die Entstehung der italienischen Stadtkommunen; DERS ., Der Übergang zur Kommune; DERS ., Gli inizi del comune; D ILCHER , Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune; B ORDONE , La società cittadina nel Regno d’Italia; Z UMHAGEN , Die religiösen Konflikte; sowie J ONES , The Italian City-State, S. 130ff. 11 K ELLER , Gli inizi del comune, S. 48ff.; DERS ., Institutionalisierung; R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 90ff. Konkreter auf die Ämterstruktur geht M ANARESI , Introduzione ein. Einen geschichtlichen Abriß der Ereignisse: B ARNI , Milano verso l’egemonia, S. 239ff. 12 Ein ‚Legitimationsvakuum‘ als eine Ursache für die Ausbildung kommunaler Institutionen nennt K ELLER , Institutionalisierung; zu den Unterschieden zwischen der Herrschaft Barbarossas und der seiner Vorgänger in Italien DERS ., Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 394ff. und 401f.; S CHULZ , „Denn sie lieben die Freiheit so sehr . . . “, S. 197. Schon Friedrich I selbst sieht in einem Brief an Otto von Freising in der langen Abwesenheit der Herrscher in Italien vor seiner Regierungszeit einen Grund für die Machtentfaltung der Städte; Ottonis episcopi Frisingensis, hg. von S CHMALE , S. 82ff. Zum frühen Herrschaftsausbau Mailands im ‚Contado‘ vgl. H AVERKAMP , Das Zentralitätsgefüge Mailands im hohen Mittelalter. 15 3 Historischer Überblick nicht ganz zu Unrecht in Übereinstimmung mit der Zentralgewalt fühlen 13 . Mit Friedrich Barbarossa hatte 1152 ein Mann den Thron bestiegen, der nicht nur stark sensibiliert für jede Einschränkung kaiserlicher Autorität, sondern anders als seine Vorgänger auch gewillt und z. T. in der Lage war, seine Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen 14 . Die Auseinandersetzungen der folgenden Jahrzehnte, in deren Verlauf Mailand 1162 zerstört und die Bevölkerung vertrieben wurde und Barbarossa selbst in der Schlacht von Legnano 1176 nur knapp mit dem Leben davon kam, können hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden 15 . Wichtig für unsere Fragestellung ist die Tatsache, daß die norditalienischen Kommunen, allen voran Mailand, auf die Forderungen des Kaisers mit Unverständnis reagierten, strebten sie doch nichts anderes an, als weiterhin die seit der Zeit Heinrich V. ausgeübten Rechte zu bewahren 16 . Aus ihrer Sicht war Barbarossa mit seinem Pochen auf alte Herrscherrechte, die er, unterstützt von führenden Juristen, auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 aus dem römischen Recht ableitete, der eigentliche Neuerer 17 . Es darf vielleicht als ein schmerzlicher Lernprozeß für die Kommunen betrachtet werden, zu erfahren, daß sich hier kaum überbrückbare Interessengegensätze auftaten, die letztlich auch die Illusion einer Einordnung ihrer administrativen und juristischen Organe in ein übergeordnetes System göttlich legitimierter Herrschaft stark erschüttern sollten 18 . Der 1183 geschlossene Friede von Konstanz - obwohl ganz im Stil eines kaiserlichen Privilegs gehalten -, brachte den Kommunen zwar einerseits größere Freiheiten, verwies sie nun aber andererseits bezüglich der Legitimation ihres Handelns wesentlich stärker auf sich selbst, als dies vor Beginn 13 Dies ist nur die Umkehrung der in der Literatur getroffenen Feststellung, daß aus der Sicht der Kommunen Barbarossa als der eigentliche Neuerer in den Verhältnissen zwischen Kommune und Kaiser galt; vgl. hierzu die Literatur in den folgenden drei Anmerkungen. 14 So schreibt F ASOLI , Barbarossa, S. 171, zu den Forderungen Barbarossas aus der Sicht der Kommunen: sie „behaupteten in aller Aufrichtigkeit, die Treue, die sie ihm [Barbarossa] schuldeten, halten zu wollen, meinten jedoch, dies bedeute nur, ihm jene Rechte und Privilegien zuzubilligen, die die Kaiser in den letzten dreißig Jahren seit Heinrich V. tatsächlich ausgeübt hatten“; dazu auch K ELLER , Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 396ff.; E NGELS , Die Staufer, S. 96ff. 15 Vgl. K ELLER , Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 405ff.; B ARNI , La lotta contro il Barbarossa S. 3ff.; H AVERKAMP , Konstanzer Friede; F ASOLI , Barbarossa, S. 149ff.; S CHULZ , „Denn sie lieben die Freiheit so sehr . . . “, S. 187ff.; zur militärischen Organisation der Mailänder S ETTIA , I milanesi in guerra. 16 H AVERKAMP , Konstanzer Friede, S. 17; F ASOLI , Barbarossa S. 171; K ELLER , Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 400. 17 F ASOLI , Barbarossa, S. 171f.; K ELLER , Institutionalisierung; H AVERKAMP , Konstanzer Friede, S. 18; R ACINE , La paix de Constance, S. 227ff. 18 K ELLER , ‚Kommune‘, S. 582, schreibt, erst seit den Auseinandersetzungen zwischen den Städten und Friedrich I. sei den Zeitgenossen bewußt geworden, daß hier zumindest sich z. T. widersprechende Ordnungsprinzipien aufeinander trafen. 16 3 Historischer Überblick der Auseinandersetzungen der Fall gewesen war 19 . Zwei Jahre später räumt Friedrich I. den Mailändern gar omnia regalia, que imperium habet in archiepiscopatu ein 20 . Die Konflikte zwischen Kommune und Kaiser waren damit jedoch keineswegs beendet. Schon Heinrich VI. galt - nach kurzem Intermezzo - bald wieder als Gegner der lombardischen Stadt 21 . Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Mailand sich in den Thronstreitigkeiten nach Heinrichs Tod auf die Seite des Welfen Otto IV. stellte 22 . Als sich der Staufer Friedrich II. schließlich gegen seinen Konkurrenten durchsetzen konnte, begann nach einer kurzen Annäherung bereits zu Beginn der 1220er Jahre ein neues Kräftemessen zwischen Kaiser und Kommune 23 . Anders als Barbarossa gelang es dem Enkel trotz beachtlicher militärischer Erfolge jedoch nie, die Stadt zu erobern; 1248 mußte Friedrich II. gar den Verlust seiner Kriegskasse hinnehmen, die Verbündete Mailands bei einem Überraschungsangriff auf das Lager des Kaisers rauben konnten 24 . In den Jahrzehnten nach 1250, der Zeit des Interregnums, blieben die norditalienischen Städte von Eingriffen der schwachen Könige weitgehend verschont. Entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der kommunalen Verwaltung hatten seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert die - nicht zuletzt aufgrund des nachlassenden äußeren Drucks aufbrechenden - innerstädtischen Konflikte. Gegen die alte Führungsschicht, die über Jahrzehnte die Geschicke der Stadt bestimmt hatte 25 , organisierte sich in Mailand der ‚popolo‘ in den beiden Parteien der sogenannten ‚Credenza di S. Ambrogio‘ (vornehmlich Handwerker) und der ‚Motta‘ (vornehm- 19 Schon R ACINE , La paix de Constance, S. 248, bemerkt, der Friede von Konstanz habe „préparé l’avènement définitif des Etats-cités“; deutlich auch H AVERKAMP , Konstanzer Friede, S. 42; K EL - LER , Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 412f. Die Schilderung und Bewertung der Ereignisse, die zum Frieden von Konstanz führten, immer noch grundlegend bei F ASOLI , Barbarossa, S. 149ff.; zu möglichen Auswirkungen auf die statutarische Gesetzgebung K ELLER , Kodifizierung, S. 165f. 20 ACM, Nr. 148, auch in: F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 4, S. 195 Nr. 155. 21 Zur nicht immer eindeutigen Politik Heinrichs VI. W OHLFAHRT , Kaiser Heinrich VI. und die oberitalienischen Städte, S. 20ff., und S. 63ff., dessen Bewertung nicht in allen Punkten zuzustimmen ist; C SENDES , Heinrich VI., S. 58ff.; M ENANT , La transformation, S. 115f., gibt eine knappe Zusammenfassung der speziell für Mailand interessierenden Ereignisse. 22 M ENANT , La transformation, S. 115f.; H UCKER , Kaiser Otto IV., S. 187ff, 323ff. 23 A BEGG , Die Politik Mailands, S. 67ff. 24 K ELLER , Mailand zur Zeit des Kampfes gegen Kaiser Friedrich II.; F ASOLI , Federico II e la Lega Lombarda; V OLTMER , Der sogenannte Zweite Lombardenbund; zu den Vorgängen im weiteren Kontext: K ELLER , Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 482ff. 25 Zur Ausformung und Zusammensetzung der städtischen Führungsschicht vgl. K ELLER , Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft, S. 30ff., in italienischer Übersetzung: Signori e vassalli nell’Italia delle città, mit ausführlicher Erörterung der Forschungsdiskussion der letzten Jahre in der ‚Introduzione all’edizione italiana‘, S. XIff. 17 3 Historischer Überblick lich Kaufleute) 26 . Die Auseinandersetzungen zwischen ‚nobiles‘ und ‚popolo‘, die häufig genug bürgerkriegsähnliche Züge annahmen, führten zur Berufung des Podestà, eines aus einer anderen Stadt stammenden Amtsträgers, der als eine Art ‚Unparteiischer‘ an Stelle der Kommunalkonsuln die Geschicke des Gemeinwesens lenkte und ähnlich wie diese jährlich wechselte 27 . Tatsächlich gelang es dem Podestà oft genug, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln - wie etwa 1214, als Ubertus de Vialta bestimmte, alle administrativen Einrichtungen seien je zur Hälfte mit Anhängern der beiden Gruppen zu besetzen 28 . Die Gegensätze waren jedoch zu groß, als daß ein dauerhafter Friede erreicht werden konnte. Nach schweren Auseinandersetzungen wurde 1225 29 erneut ein Friede zwischen den Parteien geschlossen. Kennzeichnend für die Schwäche der Kommune ist, daß es in den 1240er Jahren vornehmlich der päpstliche Legat Gregorius de Montelungo war - und nicht die Bürgerschaft der Stadt -, der die Verteidigung gegen Friedrich II. organisierte und selbst innerkommunale Angelegenheiten regelte 30 . Als Ausdruck innerer Schwäche wird auch die Tatsache zu interpretieren sein, daß nun einzelne Familien mehr und mehr in der Lage waren, eine dominante Stellung in der Stadt aufzubauen. Hatten sich schon in den 1240er Jahren in den Kämpfen gegen Friedrich II. die della Torre, die zur popularen Partei zu rechnen sind, hervorgetan, so gelang es ihnen mehr und mehr, in der Credenza di S. Ambrogio und damit letztlich in der Stadt die dominierenden Persönlichkeiten zu stellen 31 . 1259 wurde Martin della Torre auf fünf Jahre zum ‚Podestà del Popolo‘ gewählt, aber schon sein Bruder Philipp versucht, eine Erblichkeit des Amtes durchzusetzen. Der Sturz der della Torre und ihre Ablösung durch die Visconti 1277 bedeutete lediglich eine gewisse Verzögerung für die sich abzeichnende Entwicklung hin zur 26 Zu den inneren Konflikten und den Folgen für die ‚Verfassung‘ der Kommune in den Jahren zwischen 1186 bis 1216; vgl. M ENANT , La transformation, S. 116ff. 27 Zu den Anfängen des Podestats in Mailand ebd. Zum Phänomen allgemein H ANAUER , Das Berufspodestat im 14. Jahrhundert; W ALEY , Die italienischen Stadtstaaten, S. 165ff.; A RTIFONI , I podestà professionali; eine knappe Zusammenfassung des Phänomens bei A SCHERI , Istituzioni medievali, S. 271ff. 28 ACM, Nr. 383, 30. Dezember 1214. 29 ACM sec. XIII. 1, Nr. 148, 10. Juni 1225. 30 Am 1. Februar 1240 wird Gregorius als apostolice sedis legatus et rector comunis Mediolani bezeichnet; ACM sec. XIII 1, Nr. 383; 1243 beantwortet er - allerdings formal pro se et vice et nomine Romane Ecclesie - gemeinsam mit dem Mailänder Podestà und weiteren sechs Gesandten eine Anfrage der Kommune Vercelli, Nr. 420. Im Januar 1246 beauftragt ihn die Mailänder Ratsversammlung, sich um die durch Kriegseinwirkung zerstörten Felder zu kümmern, Nr. 466 und Nr. 471; vgl. F RANCESCHINI , La vita sociale e politica nel duecento, S. 277ff. 31 Hierzu und zum folgenden S ALZER , S. 114ff. Zum Übergang von der Kommune zur Signorie allgemein vgl. S ESTAN , Die Anfänge der städtischen Signorien; W ALEY , Die italienischen Stadtstaaten, S. 222ff.; J ONES , The Italian City-State, S. 521ff. Zur Einordnung der ‚Volksherrschaft‘ des Popolo in die ‚Verfassungsgeschichte‘ der italienischen Kommunen K ELLER , ‚Kommune‘, S. 599ff. 18 3 Historischer Überblick Signorie, zur oft erblichen, nicht selten durch kaiserliche oder päpstliche Ernennung (‚vicarius‘) abgesicherte Alleinherrschaft eines Einzelnen in der Kommune. Aber auch den Visconti gelang es erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts, sich als Herren der Stadt und des Umlandes fest zu etablieren 32 . Soweit unsere kurze Skizze der Ereignisgeschichte und des ‚Verfassungswandels‘ in der Kommune, dessen Stationen von der kollektiven Herrschaft der consules im 13. Jahrhundert über die Bestellung auswärtiger Podestà und die ‚Einparteienherrschaft‘ des Popolo hin zur Signorie des 14. Jahrhunderts führen und der in seinen Grundzügen als typisch für die norditalienische Städtelandschaft gelten kann. 32 Die Signorien des 13. Jahrhunderts wußten sich zwar schon früh weitgehend die reale Macht in der Stadt zu sichern, sie legitimierten sich aber noch lange über ein kommunales Amt, dem Sonderkonditionen eingeräumt wurden. Versuche, über einen durch Kaiser oder Papst verliehenen Titel die eigene Stellung in der Stadt abzusichern, erfolgten in Mailand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, gelangen aber kontinuierlich erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts; S ESTAN , Die Anfänge der städtischen Signorien, S. 346ff.; zusammenfassend hierzu A SCHERI , Istitutioni medievali, S. 289f. 19 4 Methodisches Vorgehen: Zur quantitativen Analyse des Quellenbestandes Unter Berücksichtigung dieser historischen Entwicklungen soll nun die bereits eingangs formulierte Frage - wie denn der juristische Apparat einer Kommune gestaltet sein mußte, um in diesem sich stark ändernden gesellschaftlichen Umfeld als legitimer und allgemein akzeptierter Entscheidungsträger gelten zu können - angegangen werden. Konnten auf Basis der Literatur die gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit rasch nachgezeichnet werden, so ist nun zu untersuchen, welche Wandlungen sich beim Mailänder Kommunalgericht - hinsichtlich der personellen Zusammensetzung, aber auch hinsichtlich des Verfahrensablaufs - feststellen lassen. Die Basis für eine solche Untersuchung bilden die verschriftlichten Urteile der Mailänder Gerichte, die ‚Sentenzen‘ 33 . Diese Dokumente sind durch die umfangreichen Editionen, wie sie bereits 1919 von Cesare Manaresi begonnen und seit den 1970er Jahren von Maria Franca Baroni und Roberto Perelli Cippo fortgeführt wurden, zugänglich gemacht worden 34 . Unsere Untersuchung beginnt 1140, denn erst in diesem Jahr setzt eine breitere Überlieferung ein 35 , und endet 1276, ein Jahr 33 Die Form des schriftlichen Urteils der Mailänder Kommunalgerichte des 12. und 13. Jahrhunderts ist großen Veränderungen unterworfen und kann an dieser Stelle nur sehr summarisch beschrieben werden. Es läßt sich sagen, daß das Dokument aus folgenden Teilen besteht: nach (1) Datum - ab 1200 mit vorgestellter invocatio - und (2) Ortsangabe folgt (3) die Nennung der Richter bzw. des Richters und der Prozeßgegner. Hierauf beginnt (4) eine mehr oder weniger umfangreiche Schilderung des Streitgegenstandes (diese Schilderung basiert im 13. Jahrhundert vornehmlich auf der eingereichten Klageschrift). Nun kann (5) knapp aufgeführt sein, ob Zeugen vernommen worden sind, ob man einen Ortstermin vereinbart hat oder ‚Gutachter‘ bei der Urteilsfindung mitgewirkt haben etc.; dann wird (6) der Streitfall entschieden (ggf. wird angeordnet, daß das Urteil von den Parteien zu beeiden ist). Anschließend werden (7) die Verfahrenszeugen mit Namen aufgeführt. Nun erfolgt (8) die Unterschrift der Richter und/ oder Notare, die mit dem Verfahren befaßt waren bzw. das Urteil niedergeschrieben haben. Eine Auswahl solcher subscriptiones ist in ‚Beispiele für die Subskriptionen aus den verschiedenen Phasen‘ auf S. 74 aufgeführt. Zwei vollständige Sentenzen sind wiedergegeben im Anhang, S. 135ff. M ANARESI , Introduzione gibt auf S. CVIff. eine ausführliche diplomatische Beschreibung der Mailänder Sentenzen. 34 S. ACM, ACM Sec. XIII 1, ACM Sec. XIII 2.1, ACM Sec. XIII 2.2, ACM Sec. XIII 3. 35 Vor 1140 sind lediglich drei Sentenzen aus den Jahren 1117, ACM, Nr. 1; 1130, Nr. 3 und 1138, Nr. 4 erhalten geblieben. Zeitgleich mit der ansteigenden Überlieferung läßt sich auch „una regolare amministrazione della giustizia a parte dei consoli“ feststellen, K ELLER , Gli inizi del comune, S. 48ff., Zitat S. 53. 21 4 Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse vor Beginn der Visconti-Herrschaft in der Stadt. Für 98 der 136 Jahre 36 des Untersuchungszeitraumes sind insgesamt 252 auswertbare 37 Sentenzen überliefert. Sie wurden von den Editoren aus den verschiedenen Fondi zumeist kirchlicher Gemeinschaften zusammengetragen 38 , so daß ein breites Spektrum unterschiedlicher Gerichtsfälle vorliegt 39 . Für unsere Fragestellung ist es von nachrangiger Bedeutung, wann ein bestimmtes Phänomen - etwa eine neue Amtsbezeichnung - in den Sentenzen erstmalig oder nur sporadisch auftaucht. Dies kann als Hinweis auf einen sich ankündigenden Umschwung dienen, zeigt als isoliertes Ereignis aber vor allem an, daß die zu dem Zeitpunkt vorherrschenden Strukturen andere waren. Statt nach erstmalig auftauchenden Neuerungen zu suchen, steht daher in dieser Untersuchung die Frage im Vordergrund, welche Erscheinungen in den Urteilen der Kommunalgerichte als für einen gewissen Zeitraum dominant und ‚typisch‘ gelten können. Denn nur wenn sich feststellen läßt, daß es für bestimmte Jahre oder Jahrzehnte unseres Beobachtungszeitraums typische Ausprägungen von Sentenzen gibt, die sich von anderen Zeitintervallen unterscheiden, kann man den Versuch unternehmen, Verbindungen zwischen Änderungen auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene und Umgestaltungen des Prozeßverlaufs herzustellen. Geklärt werden muß also, ob sich durch die Analyse der verschriftlichten Urteile signifikante Differenzen zwischen Gerichtsverfahren ergeben, wie sie normalerweise um 1150, 1200 oder 1250 durchgeführt wurden, und wenn ja, ab wann sich die jeweils unterschiedlichen Verfahrensformen als üblich etabliert haben. Aus diesem Ansatz folgt zweierlei: Erstens die Notwendigkeit eines quantitativen Zugriffs, d. h. eines Gegeneinander-Aufrechnens verschiedener Einzelbeobachtungen für gewisse Zeiträume, um so die vorherrschenden von den weniger 36 Größere Lücken in der Überlieferung ergeben sich lediglich für die Zeiträume 1158 bis 1169 und 1243 bis 1246. 37 Die Dokumente sind den in Anm. 34 angegebenen Editionen entnommen. Nicht in die Auswertung einbezogen wurden jene Sentenzen, die nur als Regest greifbar oder unvollständig überliefert sind, sowie ‚Fälschungen‘. Ebenfalls ausgeschlossen wurden die Sentenzen der Kaufmannskonsuln. 38 Die Registrierung von Prozeßschriftstücken durch die Kommune setzt bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein. Allerdings sind die kommunalen Register verlorengegangen; B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 80 und 88f. Zur kommunalen Registerführung in Mailand allgemein B ARONI , Registrazione; L IVA , Notariato e document, S. 74ff. S ASSE T ATEO , Die Zitierung kommunaler Register, S. 285f. Zur Rolle der Notare beim Sammeln von Schriftstücken im Prozeß T ORELLI , Studi e ricerche, part. 2, S. 118ff. Grundlegend zum Problem der Archivierung in den italienischen Stadtkommunen K OCH , Die Archivierung kommunaler Bücher; DIES ., Kommunale Bücher in Italien und die Anfänge ihrer Archivierung. 39 Auf die Probleme von Überlieferung und zunehmender Verschriftlichung geht B EHRMANN , Verschriftlichung als Lernprozeß ein. Zum Überlieferungsproblem kommunaler Dokumente aus der Frühzeit der städtischen Kommune K ELLER , Gli inizi del comune, S. 47ff.; zum Problem allgemein E SCH , Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall. 22 4 Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse bestimmenden Elementen des Verfahrens scheiden zu können. Hierfür nötig ist zweitens die Klassifizierung und Kategorisierung von Ämtern, Amtsträgerbezeichnungen und Sentenzentypen, um überhaupt zu einer Vergleichbarkeit der Zahlen zu gelangen 40 . Die beiden Problemkreise sind miteinander verschränkt und bedürfen der Erläuterung. Die Möglichkeit, einen quantitativen Ansatz zu wählen, um ‚typische‘ Verfahrensstrukturen für bestimmte Zeitintervalle herausarbeiten zu können, eröffnet eine im Projekt A des Sonderforschungsbereichs 231 aufgebaute Datenbank, ‚Amtmail‘ genannt 41 . In dieser Datenbank wurden auf der Basis der aufgeführten Editionen bis zum Jahre 1276 - kurz vor Beginn der Visconti-Herrschaft in Mailand - systematisch Informationen über die in den kommunalen Urkunden genannten Amtsträger wie über die Dokumente selbst aufgenommen. Die personenbezogenen ‚Felder‘ verzeichnen neben Namen und Vornamen auch die ‚Berufsbezeichnungen‘ und Titel, die dem Amtsträger im jeweiligen Dokument beigegeben wurden, sowie die im Verfahrensgang übernommenen Aufgaben. Für die Sentenzen wurde - da nicht selten ein und derselbe Amtsträger in verschiedenen Teilen des Dokumentes mit unterschiedlichen Bezeichnungen auftaucht - auch vermerkt, in welchem Abschnitt der Urkunde er welchen Titel führte. In der Zusammenschau mit den über das Dokument, in dem die Person auftaucht, gespeicherten Daten (Urkundenart, Ausstellungsdatum und -ort etc.), entsteht eine Informationsbasis, mit deren Hilfe man spezifische Aspekte der Quellen gezielt ausleuchten kann. Hierzu mußten aber in weiteren Arbeitsschritten aus der großen Menge der gespeicherten Daten die für unsere Fragestellung relevanten Informationen ausgewählt und weiter bearbeitet werden. So wurden nur jene in den Sentenzen genannten officiales, die unmittelbar mit dem Prozeßgeschehen befaßt waren (Richter, Konsuln, Notare, aber auch delegierte Richter, ‚Gutachter‘ und deren Schreiber) 42 in die vorliegende Auswertung einbezogen 43 . Ausgeschlossen wurden die lediglich im Urkundentext 40 Insofern stellen die im folgenden in Tabellenform zusammengestellten Daten bereits eine Interpretation und Verdichtung des Materials dar. Sie unterscheiden sich damit von den bei Baroni, Il notaio milanese, S. 24f., zu findenden Tabellen, die zwar ebenfalls auf den Mailänder Sentenzen fußen, aber ohne weitere Klassifizierungen und nach Jahrzehnten geordnet das Material vor allem präsentieren wollen. 41 Der Aufbau und die Weiterentwicklung einer komplexen Datenbank ist nur in einem Team möglich, in dem jeder einzelne die konzeptionellen Vorgaben für seinen Aufgabenbereich kritisch prüft und - nach Diskussion - ggf. Vorschläge zur Umgestaltung einbringt und selbständig umsetzt. Ohne das Engagement und die konstruktive Arbeit von Christoph Dartmann, Monika Martin, Sabine Rutar, Frank Schweppenstette und Olaf Zumhagen wäre die hier vorgenommene Auswertung nicht durchführbar gewesen; allen sei hierfür herzlich gedankt. 42 Hierzu zählen auch Amtsträger, die (vielleicht) nur als Subskribenten eine Sentenz unterzeichneten. 43 Die Frage, ob z. B. die Schreiber der Konsularsentenzen der 1250er oder 1260er Jahre, die lediglich auf Anweisung des unterschreibenden Amtsnotars handeln, oder ob die nur als dominus oder 23 4 Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse namentlich erwähnten Konsuln und Assessoren, die zur Zeit der Klageerhebung im Amt waren, den Fall jedoch - etwa aufgrund des Annuitätsprinzips - zur Entscheidung an Nachfolger oder spezielle Beauftragte abgaben 44 . Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden die servitores, die man bei Nichterscheinen einer Partei als Beleg für die ordnungsgemäße Zustellung der Ladung anführte, der hin und wieder erwähnte Podestà, in dessen Amtszeit der Fall entschieden wurde, sowie die Zeugen 45 . Das zweite bereits angesprochene Problemfeld - die Bildung angemessener Kategorien - ist ein weiterer wesentlicher Punkt bei der quantitativen Analyse. Für die konkrete Forschungsarbeit ergibt sich hier ein Dilemma, welches sicherlich in jeder Untersuchung mehr oder weniger stark virulent wird, bei einem mit zahlreichen Einzelerscheinungen operierenden, quantitativen Zugang aber eine besondere Brisanz entwickelt und deshalb hier kurz angesprochen werden muß: Um in einer Urkunde zwei Begriffe als (für das angestrebte Erkenntnisziel) gleichartig oder voneinander unterscheidbar bestimmen zu können, muß man wissen, wie sich diese Begriffe in allen anderen Urkunden zueinander und zudem zu allen übrigen verwandten oder ähnlichen Begriffen verhalten. Dies aber ist wiederum nur möglich, wenn man die Bedeutung des einzelnen Begriffs in einer bestimmten Urkunde kennt. Auch auf der Seite des Erkenntnisinteresses ist man zunächst in diesem Zirkel gefangen: Das übergeordnete Erkenntnisziel ist ja in eine Vielzahl von Teilhypothesen zu übersetzen, die sich zueinander wiederum so verhalten, daß man eine von ihnen im Grunde nur dann formulieren kann, wenn man die Antworten auf alle anderen bereits kennt. So klassisch wie das Problem ist - in der Praxis - auch dessen Lösung: Man geht der Reihe nach vor, erprobt die Bedeutung einzelner Begriffe und Klassifizierungen respektive der Gültigkeit einzelner Hypothesen, benutzt die so gewonmagister titulierten Experten, die in den 1230er Jahren zur Urteilsfindung beigezogen wurden, Amtsträger im engeren Sinne des Wortes sind, war a priori kaum zu beantworten. Im Laufe der Auswertung stellte es sich als sinnvoll heraus, einen weiter gefaßten Amtsträgerbegriff zugrunde zu legen. 44 Die Klagen, die zwischen Oktober und Dezember eingereicht und erst im Folgejahr bearbeitet und entschieden wurden, dürften hiervon stärker betroffen sein als Prozesse, die man in der ersten Jahreshälfte begonnen hat. Eine Aufnahme dieser Amtsträger hätte also eher zu Verzerrungen als zur stärkeren Herausarbeitung von Strukturen geführt; vgl. hierzu die zweite Sentenz im Anhang. Behrmann, Von der Sentenz zur Akte, S. 83, stellt fest, daß einerseits vergleichsweise viele Urteile im letzen Monat des Jahres gefällt wurden, wohl um die Verfahren noch unter dem ‚alten‘ und mit der Sache bereits vertrauten Richter abzuschließen, zugleich aber auch zunehmend Prozesse über den Jahreswechsel hinaus weitergeführt wurden. Aufgenommen wurden sie allerdings, wenn sie sich als Subskribenten nach Ablauf ihrer Amtszeit noch einmal aktiv an der Urkundenerstellung beteiligt haben. Die wenigen Ausnahmen sind in Anm. 116 aufgeführt. 45 Ausgeschlossen wurden auch Notare, die als Schreiber von vorgelegten Urkunden oder älteren Sentenzen genannt sind. 24 4 Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse nenen Erkenntnisse zur Verbesserung der Vorannahmen und beginnt von neuem. Steigt aber die Zahl der untersuchten Einzelphänomene und Teilhypothesen, wie dies bei einer quantitativen Analyse zwangsläufig der Fall ist, kann eine computergestützte Datenbank wertvolle Dienste bei der Durchführung dieses Prozederes leisten. Die hier präsentierten Kategorien sind letztlich das Ergebnis eines wiederholten Abstimmungsprozesses, in dem einerseits eine ständige Neubewertung der mittelalterlichen Termini, aber auch der verschiedenen Prozeßarten, andererseits eine fortdauernde Weiterentwicklung der Teilhypothesen erfolgte. So war es, um nur einige Beispiele zu nennen, eine offene Frage, ob die Sentenzen der iudices delegati, der Delegierten der Justizkonsuln, die ab 1200 im Material zunehmend präsent sind, überhaupt in die Analyse einbezogen werden können oder diese Prozesse einer ‚beigeordneten‘ Institution wesentlich andere Merkmale aufweisen und separat zu untersuchen sind; ob - wenn man diese Verfahren denn einbezieht - der iudex delegatus ähnlich wie der iurisperitus 46 gesondert zu betrachten oder wie die consules und die Assessoren des Podestà als Amtsträger im engeren Sinne zu behandeln sind 47 .Nicht von vornherein zu klären war auch, ob man die Verhandlungen, die vor den consules stattfanden, mit jenen vor den verschiedenen Ämtern gleichsetzen konnte, wie sie ab dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts für ganz bestimmte Fragen, etwa der Steuerbemessung, eingerichtet wurden. Ist es also statthaft, die Verfahren vor jenen, qui constituti sunt . . . super cognitione peccunie et bannorum comunis et super cognitione casarum et terragiorum . . . et super aliis diversis 48 , mit den Prozessen vor den consules iustitiae oder den iudices delegati in einer Kategorie zusammenzufassen? Solche für den Erfolg einer quantitativen Analyse entscheidenden Zuordnungen lassen sich nicht a priori treffen, sie müssen vielmehr durch fortlaufendes Umgruppieren und Vergleichen der Daten herausgearbeitet werden. Um der Gefahr einer zu weiten Entfernung von den Quellen zu begegenen - schließlich erfolgte die Kategoriebildung ja auf der Basis bereits elaborierter Informationen - waren die mit Hilfe der Datenbank gefundenen Zuordnungen zudem immer wieder mit der Edition und der Literatur zu konfrontieren. Nach der so erfolgten Auswahl und Analyse der Rohdaten stellen insgesamt 1.306 Amtsträgernennungen aus 252 Sentenzen die Datenbasis unserer Untersuchung dar. Diese Daten gilt es im Sinne der deskriptiven Statistik - die zunächst einmal nur Aussagen über das vorhandene Material machen will, und nicht über 46 Zu diesen Funktionsträgern, die ähnlich wie die Delegierten erst im Laufe des Verfahrens zum Prozeß hinzugezogen werden, ausführlich S. 79ff. 47 Vgl. hierzu in den Tabellen 3 und 4 Nr. 3.8 und 3.9 bzw. 4.3 bis 4.5. 48 ACM sec. XIII 1, Nr. 108, 20. Dezember 1223; erläuternd zu diesen später als ‚sei della camera‘ bezeichneten Amtsträgern S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 35f. 25 4 Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse eine unbekannte ‚Grundgesamtheit‘ 49 - zu analysieren. Trotz der großen Zahl an verarbeiteten Einzelinformationen ist - wie bei einer ‚qualitativen‘ Herangehensweise auch - generell nicht auszuschließen, daß die Auswertungsergebnisse stark durch den Überlieferungszufall geprägt sein können 50 . Deshalb wurden die auf der Basis quantitativer Analysen beruhenden Einzelresultate einer Reihe von Überprüfungen unterzogen, die z. T. wiederum auf statistischen Methoden fußen, z. T. aber auf in der Geschichtswissenschaft etablierteren Vorgehensweisen beruhen. Dies geschah zum einen durch interne Aufteilung und Gegenüberstellung der aus verschiedenen Urkundenteilen gewonnenen Daten 51 . Des Weiteren konnten mittels Stichproben, durch den direkten Vergleich ähnlicher Fälle, die gefundenen Merkmale bestätigt werden 52 . Schließlich sind drittens die herausgearbeiteten Phänomene mit der weiteren Überlieferung sowohl kommunaler Dokumente als auch normativer Quellen abgeglichen und den in der Literatur zu findenden Beschreibungen von Gerichtsverfahren gegenübergestellt worden 53 . So erfolgte letztlich eine Verknüpfung der Methoden der deskriptiven Statistik mit in der Mediävistik üblichen quellenkritischen Arbeitsweisen, die zusammengenommen die Formulierung allgemeinerer Aussagen gestatten. 49 Zur Unterscheidung zwischen der beschreibenden (deskriptiven) und der schließenden Statistik (der sogenannten ‚Inferenzstatistik‘); B ENNINGHAUS , Einführung in die sozialwissenschaftliche Datenanalyse, S. 4f., mit weiterer Literatur. 50 An dieser Stelle möchte ich Herrn Priv. Doz. Dr. Wilhelm H. Schröder für die Möglichkeit danken, während des Aufbaukurses ‚Statistik für Historiker‘ 1996 am Zentrum für historische Sozialforschung in Köln im Rahmen der kursbegleitenden Abendvorträge die Datenbank und das hier verwendete Material präsentieren zu können. Allen Anwesenden, namentlich den Dozenten Dieter Ohr und Jürgen Sensch, sei für Anregungen und Kritik gedankt. 51 Die zunächst getrennte Untersuchung der verschiedenen Teile der Sentenz - die nachweislich hinsichtlich der untersuchten Phänomene je eine eigenständige Entwicklung durchlaufen - und das anschließende Zusammenführen der Einzelergebnisse stellte eine solche ‚interne Überprüfung‘ dar; vgl. die Erläuterungen zu den Grafiken 2 und 3, S. 29ff. Weiter decken sich etwa die quantitativen Verschiebungen bei der Anzahl der genannten Amtsträger pro Dokument mit den quantitativqualitativ feststellbaren Änderungen bei den ihnen beigegebenen Amtsbezeichnungen; vgl. hierzu Kapitel 5 ‚Das ‚Personal‘ der Sentenz‘, S. 27ff. und Kapitel 7 ‚Die Selbstbezeichnung der Amtsträger‘, S. 43ff. 52 S. unten S. 36ff. 53 Die Möglichkeit, durch „Kombination der Überlieferungsformen“ den Überlieferungszufall zu korrigieren, sieht E SCH , Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall, S. 540. 26 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz In einem ersten Schritt zur Aufspürung von Veränderungen soll zunächst einmal die Anzahl der in den Sentenzen genannten Amtsträger auf einer Zeitachse abgetragen werden. Als direkt am Prozeßgeschehen Beteiligte im oben definierten Sinne werden im Durchschnitt fünf Amtsträger (genauer: 5,18) pro Sentenz namentlich genannt, allerdings mit großen Schwankungen. Die folgenden drei Grafiken stellen dar, wie es sich mit der Verteilung der Anzahl der Amtsträgernennungen über die 136 Jahre des Untersuchungszeitraums einmal insgesamt und dann jeweils differenziert nach Eschatokoll und Kontext der Urkunde verhält. Es wird zu zeigen sein, daß sich bestimmte Jahre zu Perioden oder Phasen zusammenfassen lassen, für die sich zunächst einmal nur quantitativ relevante Unterschiede gegenüber den voraufgehenden bzw. folgenden Intervallen feststellen lassen. Diese einmal gefundene Periodisierung bildet die Basis und den Ausgangspunkt für die weitere Analyse des Materials, in der aufzudecken sein wird, daß sich diese Phasen nicht nur rein quantitativ, sondern auch qualitativ voneinander abgrenzen lassen. In Grafik 1 sind die durchschnittlichen Amtsträgernennungen pro Jahr in allen Teilen der Urkunde zusammen dargestellt 54 . Wie zu sehen ist, streuen die insgesamt 1.306 Nennungen recht ungleichmäßig über den Untersuchungszeitraum. Zunächst einmal fällt auf, daß in den ersten vier oder fünf Jahrzehnten die Variationsbreite bezüglich der Anzahl der genannten Amtsträger wesentlich größer ist als in den der letzten drei Jahrzehnten. Insgesamt zeichnet sich zumindest bis etwa 1250 eine eher rückläufige Tendenz in der Gesamtzahl der erwähnten Amtsträger pro Sentenz ab. Zugleich deuten sich bereits einzelne Intervalle im Material an: So sind in der Zeit zwischen 1176 und 1185 mit durchschnittlich etwa 8 Amtsträgern (genau: 7,84) zweimal soviel namentlich genannten Personen in der Urkunde aufgeführt wie in den Jahren 1211 bis 1247 (die waagerechten Linien deuten es an). Das Bild ist jedoch noch zu diffus, als daß sich eindeutige Grenzen markieren ließen. Erst wenn man die Erwähnung des Gerichtspersonals nach Subskribenten 54 Also: Die Anzahl der Amtsträgernennungen pro Jahr dividiert durch die Anzahl der Sentenzen dieses Jahres. So vorzugehen hat vor allem darstellerische Gründe: Die Zahl der Amtsträger für jede der 252 Sentenzen einzeln auf der x-Achse abzutragen war nur schwer möglich und hätte zudem zu Verzerrungen geführt, da dann jene Jahre, in denen besonders viele Sentenzen überliefert sind, einen übermäßig breiten Raum eingenommen hätten. 27 5 D as ‚Personal‘ der Sentenz Grafik 1: Durchschnittliche Amtsträgernennung pro Sentenz pro Jahr (252 Sentenzen) 28 5 D as ‚Personal‘ der Sentenz Grafik 2: Anzahl der Unterschriften (Anzahl pro Sentenz und Jahr, 637 Subskriptionen [ohne Schreiber] aus 242 Sentenzen, 10 Sentenzen ohne Unterschrift) 29 5 D as ‚Personal‘ der Sentenz Grafik 3: Anzahl der in Protokoll und Kontext genannten Amtsträger (Anzahl pro Sentenz und Jahr, 648 Amtsträger in 252 Sentenzen) 30 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz einerseits (Grafik 2) und im Text genannten Personen andererseits (Grafik 3) aufschlüsselt, gewinnt man für eine Phaseneinteilung die nötige Tiefenschärfe. Als erstes ist bei einem Vergleich von Grafik 2 und 3 bemerkenswert, daß sich die Anzahl des namentlich erwähnten Gerichtspersonals in den beiden Urkundenteilen weder permanent parallel noch dauernd konträr entwickelt: Bis 1185 liegt eine eher gegenläufige Bewegung vor (Subskribentenzahl nimmt zu, Amtsträgerzahl im Text nimmt ab), zwischen 1185 und ca. 1247 kann man einen parallelen Verlauf beobachten (beide rückläufig), ab 1247 ergibt sich mit einer erneuten Zunahme des ‚Personals‘ im Text und einer Abnahme im Eschatokoll wiederum eine klar gegenläufige Tendenz. Man kann also konstatieren, daß die Amtsträgerzahlen in Text und Subscriptio nicht in einem engen Wechselverhältnis stehen, sich also, obwohl sie Teil derselben Urkunde sind, voneinander unabhängig verhalten (was nicht ausschließt, daß beide gleichermaßen dem Einfluß von etwas Drittem ausgesetzt sind). Die Unabhängigkeit beider Elemente voneinander erlaubt es nun, sie gemeinsam als Indikatoren zur gegenseitigen Kontrolle für die Etablierung von Zeitintervallen zu benutzen. Zwar scheint sich bei einem flüchtigen Blick auf Grafik 2 eine Hinzuziehung der aus dem Dokumententext gewonnenen Amtsträgerzahlen zu erübrigen, da sich hier bereits einzelne Intervalle abzeichnen. Betrachtet man jedoch die Zahl der Unterschriften isoliert, wäre etwa die Einrichtung weiterer Phasen für die Jahre 1229 bis 1233 und 1260 bis 1265, ggf. bis 1269, sowie die Verkürzung der Phase 1 bis 1170 (statt bis 1175) durchaus in Erwägung zu ziehen. Für die Zahl der Amtsträgernennung im Kontext sind aber die 1230er und insbesondere die 1260er Jahre völlig unauffällig. Den Scheidepunkt zwischen Phase 1 und 2 auf das Jahr 1170 vorzuverlegen hätte wiederum eine Abschwächung der Mittelwertdifferenz zwischen beiden Intervallen bei den Amtsträgernennungen im Urkundentext zur Folge 55 . Die Kriterien für die Festlegung von Zeitintervallen lassen sich somit in zwei Punkten zusammenfassen: 1.) Einzelne Zeitabschnitte gelten nur dann als ‚Phase‘, wenn sich die für die Intervalle berechneten Mittelwerte zugleich für die Subskribenten und die im Text genannten Amtsträger von den angrenzenden Phasen differenzieren lassen. 2.) Für die Bestimmung der Grenze einer Phase gilt, daß die Mittelwerte eines Intervalls gegenüber den Mittelwerten der angrenzenden Phasen in der Zusam- 55 Bei einer Verkürzung des ersten Intervalls steigt der Mittelwert für die Amtsträgernennungen im Text in der ersten Phase von 4,58 auf 4,72, aber auch für die zweite Phase von 3,16 auf 3,41. Die Mittelwertdifferenz (4,58 - 3,16 = 1,42 zu 4,72 - 3,41 = 1,31) sinkt damit um 0,11 Punkte. Durch den Anstieg des Mittelwertes in Phase 2 ergibt sich jetzt zwar eine größere Differenz zur Phase 3 - dies aber nur für das Personal des Urkundentextes. Für die Subskribenten sinkt der Mittelwert des zweiten Intervalls um 0,23 Punkte - und damit auch die Differenz zwischen den Mittelwerten der Phasen 2 und 3. Man sieht, daß sich aufgrund der gewählten Kriterien die Phaseneinteilung dem Belieben des Bearbeiters entzieht. 31 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz menschau von Subskribenten und im Text genannten Amtsträgern eine möglichst hohe Differenz aufzuweisen haben. Die erste, sehr grobe Differenzierung zwischen Subskribenten und im Urkundentext erwähnten Amtsträgern erlaubt in der Kombination und Zusammenschau eine Einteilung des Materials in fünf Phasen. Die hierfür entwickelten Kriterien sind zunächst rein formaler, ‚rechnerischer‘ Art. So vorzugehen wäre nicht legitim, würde man mit dieser Periodisierung etwa postulieren wollen, es habe genau 1175, 1185, 1210 und 1247 abrupte Änderungen im Zivilprozeßwesen der Stadt Mailand gegeben, die womöglich auf in diesen Jahren beschlossene Statuten o.ä. zurückzuführen wären. Genau dies soll hier nicht behauptet werden. Postuliert wird vielmehr, daß sich die benannten Zeiträume signifikant voneinander unterscheiden, wenn man nach der Beteiligung von Amtsträgern in einem typischen Verfahren einer Phase fragt. Veränderungen, die in einem Intervall vorherrschend werden, deuten sich aber im davorliegenden Zeitraum zumeist bereits an und wirken in dem darauffolgenden nach (dies wird insbesondere bei den Tabellen der Amtsträgerbezeichnungen deutlich werden). Eine scharfe Grenzziehung muß gerade bei der Frage nach strukturellen Veränderungen immer ein - allerdings notwendiges - Konstrukt bleiben. Vor diesem Hintergrund ist auch die Angabe von einzelnen Jahreszahlen für den Beginn und das Ende einer Phase zu verstehen: Als Bruchpunkte im engeren Sinne sind sie nicht zu verstehen; als Orientierungspunkte für die quantitative Untersuchung zu den Selbstbezeichnungen der Amtsträger sind sie aber unverzichtbar. Denn wenn mit diesen Intervallen nicht arithmetische Differenzen, sondern strukturelle Veränderungen, die in der jeweiligen Phase virulent werden, markiert sind, müssen sich diese Phasen auch bei der weiteren Analyse - zunächst bei der Untersuchung der sich wandelnden Amtsträgerbezeichnungen, aber auch bei der weiteren Interpretation - als gültiges zeitliches Ordnungsraster bewähren. Trifft dies zu - und die Diskussion der Tabellen 2 bis 4 wird dies erweisen -, so erfährt unsere Periodisierung nicht nur eine weitere Bestätigung. Sie ist dann auch einer inhaltlichen Interpretation zugänglicher als die bisher vorgenommene Grobrasterung in ‚Subskribenten‘ und ‚Amtsträgernennungen in der Urkunde‘. Bevor aber auf die Tabellen eingegangen werden kann, sind zum einen die gefundenen Phasen kurz zu beschreiben und zum anderen erste Vermutungen über die Ursachen für die numerischen Schwankungen der Amtsträgernennungen in den Urkunden anzustellen. In Grafik 2 sind nur die Subskribenten ohne die Schreiber der Sentenzen aufgeführt. Anschaulicher als in Grafik 3 - wenn auch rein rechnerisch nicht unbedingt klarer - zeichnen sich hier die fünf Phasen ab: Von den 40 Sentenzen der ersten, von 1140 bis 1175 reichenden Phase werden 31 Sentenzen von drei, fünf von vier, drei gar von sechs Amtsträgern und eine von keinem Vertreter der Kommune 32 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz unterschrieben 56 (Durchschnitt: 3,28). Die 19 Urkunden der zweiten Phase (1176 bis 1185) führen ohne Ausnahme fünf Amtsträger als Subskribenten auf; in der dritten, von 1185 bis 1210 reichenden Periode weisen 69 der 77 Sentenzen drei, sieben zwei Firmierungen und eine gar keine Unterschrift auf (Durchschnitt: 2,82). Der Abwärtstrend setzt sich auch in Phase 4 weiter fort. Zwischen 1211 und 1247 sind es typischerweise nur noch zwei Personen, die ihren Namen unter das Urteil eines Mailänder Zivilgerichtes setzen (Durchschnitt: 1,95). Allerdings werden zwölf der 74 Sentenzen von drei officiales, aber schon acht nur noch von einem unterschrieben. Unter vier Urkunden findet sich (neben dem Schreiber) keine weitere Unterschrift eines Amtsträgers mehr unter dem Dokument. Die sich hier andeutende Tendenz verfestigt sich im fünften Intervall (1248-1276). Drei Unterschriften sind jetzt die große Ausnahme: Lediglich unter zwei von 42 Sentenzen findet sich eine solche Anzahl von Subskribenten. Immerhin noch achtmal sind zwei Unterschriften zu finden und wiederum viermal ist außer dem Schreiber kein weiterer Amtsträger unter dem Dokument namentlich genannt. Die große Mehrheit von 28 der 42 Urkunden begnügt sich jedoch mit einer Unterschrift (Durchschnitt: 1,19). Variierte die Zahl der Subskribenten pro Dokument zwischen null und sechs, bewegt sich die Anzahl der im Text namentlich genannten officiales zwischen eins und zwölf (vgl. Tabelle 1). Diese extreme Schwankungsbreite findet sich aber nur in der ersten Phase, die je zwei Sentenzen mit einer bzw. zwölf Amtsträgernennungen aufweist. Unter den 40 Dokumenten des ersten Zeitraums bis 1175 sind zwar jene mit drei Amtsträgernennungen am häufigsten vertreten (elf Nennungen), aber insgesamt sind die Werte zu heterogen, als daß man die Zahl als ‚typisch‘ für dieses Intervall bezeichnen würde. Ähnliches gilt auch für das zweite Intervall. Zwischen den Extremwerten eins und neun sind bei einem Durchschnitt von 3,16 Nennungen fast alle Zahlenwerte vertreten, ohne daß sich ein diesen Zeitraum prägender Wert angeben ließe. Erst in der dritten, von 1186 bis 1210 reichenden Periode ist die namentliche Erwähnung lediglich eines oder zweier Amtsträger (33 bzw. 20 von 77 Sentenzen) als typisch anzusehen. Auch die Bandbreite hat sich wesentlich reduziert: Im Gegensatz zu zwölf (Phase 1) oder neun (Phase 2) Amtsträgernennungen stellen jetzt drei Urkunden mit je sieben Nennungen schon das Maximum dar. Die Möglichkeit, im Material ‚typische‘ Zahlen für die Nennung von Amtsträgern im Urkundentext angeben zu können, setzt sich in den Intervallen 4 und 5 weiter fort und korrespondiert zugleich mit einem Rückgang der Bandbreite. 55 der 74 zwischen 1211 und 1247 geschriebenen Sentenzen erwähnen nur einen Richter, Konsul oder Assessor des Podestà im Text, in nur fünf Sentenzen (statt in 56 Da in der Grafik jede Säule die Amtsträgernennungen im Durchschnitt pro Jahr repräsentiert, liegen die Werte für die Jahre 1145, 1148 und 1153 bei 3,67 bzw. 3,50 Amtsträgern pro Sentenz. Für 1170 ergibt sich der Durchschnittswert von 1,5, da hier die einzige Sentenz des Zeitraums einbezogen wurde, die keine Unterschrift aufweist. 33 5 Das ‚Personal‘ der Sentenz Tabelle 1: Anzahl der Amtsträgernennungen pro Sentenz im Text nach Phasen (252 Urkunden) Nr. Zahl der Amtsträger Phase 1 1140- 1175 Phase 2 1176- 1185 Phase 3 1186- 1210 Phase 4 1221- 1247 Phase 5 1248- 1276 Gesamt 1.1 Durchschnitt 4, 58 3, 16 2, 35 1, 64 2, 43 2, 57 1.2 1 2 5 33 55 4 99 1.3 2 5 6 20 7 21 59 1.4 3 11 2 5 4 12 34 1.5 4 6 2 9 3 5 25 1.6 5 4 1 6 2 - 13 1.7 6 4 - 1 2 - 7 1.8 7 2 1 3 1 - 7 1.9 > 7 6 2 - - - 8 Gesamt 40 19 77 74 42 252 zehn wie in Phase 3) lassen sich mehr als vier Namen finden. Nach 1247 werden in der Regel zwei, häufig auch drei Personen genannt (in 21 bzw. 12 von 42 Urkunden). Damit ist auch schon fast die gesamte Bandbreite der Amtsträgernennungen dieser Phase angegeben: Neben vier mit lediglich einem und fünf Sentenzen mit vier Namen von Amtsträgern sucht man Dokumente mit fünf, sechs oder mehr Nennungen in dieser fünften und letzten Phase vergeblich. Im Vergleich zum ersten Zeitraum ist damit die Bandbreite der Amtsträgernennungen im Text von elf (zwischen eins und zwölf) auf drei (zwischen eins und vier) zurückgegangen. 34 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen Angestrebt ist, über eine quantitative Analyse allgemeine Strukturen des Gerichtsverfahrens der Mailänder Kommune aufzudecken. Sind aber die hier vorgestellten Zahlen wirklich Ausdruck einer strukturellen Umgestaltung des Verfahrens? Beeinflußt nicht noch eine ganze Reihe anderer Faktoren die Anzahl der Amtsträgernennungen - etwa der Wert, um den gestritten wird, oder im 13. Jahrhundert das Amt, das das Urteil fällt? Zunächst zu der Frage, welchen Einfluß der Streitwert auf die Ausgestaltung des Verfahrens hat. Aus Mailand sind diesbezüglich für den fraglichen Zeitraum nur wenige Bestimmungen überliefert. Die normative Regelungen zu den häufig auftauchenden Streitigkeiten inter dominos et colonos, die am 20. September 1170 in publica contione beschlossen und 1216 erneut in den Liber consuetudinum aufgenommen wurden, gehen - obwohl sie zumindest in Ansätzen Verfahrensfragen behandeln - nicht auf die Frage des Streitwertes oder der Anzahl der beizuziehenden Richter ein 57 . In einem Statut des Podestà Gulielmo de Lando aus dem Jahre 1211 heißt es, die Konsuln „de le ville o borghi“ ab einer Entfernung von sechs Meilen könnten bis zu einem Streitwert von 20 Solidi, die in dem bezeichneten Radius agierenden Konsuln aber nur bis zu 10 Solidi selbst entscheiden 58 . D. h. hier wird eine Verbindung zwischen Entfernung und Streitwert, nicht aber zwischen Streitwert und Anzahl der Richter hergestellt. 57 ACM, Nr. 75 (für 1170) und B ESTA / B ARNI (Hgg.), Liber Consuetudinum Mediolani, S. 75, Nr. VI-2 (für 1216). Lediglich beim Gericht der Credenza di S. Ambrogio, der Partei des Popolo, sollen bei Fällen von einem Streitwert über 40 solidi „. . . tutti li consuli de la camera o la magiore parte quali sapessino essere nel broleto doppo il sono de la campana“ das Urteil fällen. Auch hier legt man sich also nicht auf konkrete Zahlen fest. Wird keine Einigkeit erzielt, kann die Entscheidung auf Wunsch der Parteien, den iurisperiti zur Urteilsfindung übergeben werden „. . . e se quelli fussino discordi, con voluntà de le parte, la pronunciasseno a consiglio de iurisperiti“, ACM sec. XIII 1, Nr. 148, 10. Juni 1225. 58 „Item statuì che ciaschuno consule de le ville o borghi a suoi vicini potesse fare la ragione in fine a la summa de vinti soldi e che havesseno facultate de iudicare e condennare per vigore de tal statuto, e le ville distante da la cità per sei milia passi insine a la summa de soldi dece, et erano chiamate le fagie“; das Statut ist nur durch Bernadrino Corio, Historia di Milano, 1503, fol. 60 v , überliefert. Hier zitiert nach ACM, Nr. 352, 1211. 35 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen Für Mailand lassen sich also keine eindeutigen Normvorgaben bezüglich des Streitwertes und der Anzahl der hinzuzuziehenden Konsuln finden. Auch der Versuch, durch eine Analyse der Sentenzen solche Regelungen erschließen zu können 59 , gelang nicht 60 . Eher ist damit zu rechnen, daß bei bestimmten, als wichtig oder besonders problematisch empfundenen Auseinandersetzungen überdurchschnittlich viele Amtsträger hinzugezogen wurden. Beispiele lassen sich finden: Am 4. Mai 1151 entscheidet Arialdus causidicus qui dicitur de Badaglo gemeinsam mit elf weiteren consules, daß in dem Streit zwischen der Paveser Familie Pixainpolte und dem Mailänder Propst von St. Lorenzo, Guifredus, um den Besitz von insgesamt drei mansi die Mailänder und nicht die Paveser Konsuln zur richten haben 61 . Acht Amtsträger und ein Schreiber werden in einer Sentenz vom 4. Juli 1183 namentlich genannt. Das Kloster von Colliate konnte sich hier vor den Mailänder Konsuln mit seinen Zehntrechtsforderungen gegenüber den Einwohnern des gleichnamigen Ortes durchsetzen 62 . Man mag es für angemessen gehalten haben, in den beiden genannten Fällen allein schon aufgrund ihrer Bedeutung bzw. der Wichtigkeit der Prozeßgegner möglichst viele Konsuln hinzuzuziehen. Dies sicherlich nicht deshalb, weil für die juristische Beurteilung der Auseinandersetzung der Sachverstand mehrerer Amtsträger vonnöten gewesen wäre, sondern weil so dem Urteil des Kommunalgerichts größeres Gewicht verliehen werden konnte. Daß die Anzahl der Amtsträgernennungen gerade in der frühen Zeit nicht so sehr festen Regeln folgt 63 , läßt sich etwa bei dem sich über drei Jahre hinziehenden Streit zwischen Axerbus Tesii und dem Kapitel von S. Ambrogio feststellen. In dem Urteil vom 1. Juni 1187 werden genaue Regeln über die Wassernutzung aus dem Fluß Rivofredo aufgestellt, an die sich die Kanoniker offensichtlich nicht hielten. In den beiden Folgejahren zieht Axerbus erneut vor Gericht, um auf die Einhaltung der im ersten Urteil getroffenen Regelungen zu pochen. Während in allen drei Sentenzen die Anzahl der Subskribenten mit drei (plus einem Schreiber) 59 Schon M ANARESI , Introduzione, S. LXXf. kann nur vermuten, daß vielleicht ab einer bestimmten Summe „tutti o quasi tutti“ der Konsuln einem Prozeß beiwohnen mußten, ohne daß er - trotz seiner intimen Kenntnis der Dokumente - eine konkrete Summe oder eine vorgeschriebene Mindestzahl von Konsuln angeben könnte. Zur Stützung seiner Annahme verweist er vielmehr auf Regelungen in Como aus dem Jahre 1281 (S. LXXI, Anm. 1). 60 Siehe dazu ausführlicher bei Anm. 63. 61 ACM, Nr. 24. 62 ACM, Nr. 143. 63 Schon Manaresi, Introduzione, S. LXXI, bemerkt die in dieser Zeit stark schwankenden Amtsträgernennungen in den Sentenzen und glaubt, in wichtigen Fällen seien wohl alle in der Stadt anwesenden Konsuln zugezogen worden - womit auch er implizit keine fest vorgeschriebenen Personenzahlen für ‚wichtige‘ Fälle oberhalb eines bestimmten Streitwertes oder bei besonderer Rechtslage annimmt. 36 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen jeweils gleich bleibt, werden im Urkundentext von 1187 zwei, 1188 fünf und 1189 wiederum zwei Konsuln genannt 64 . Es bleibt festzuhalten, daß zwar einerseits tendenziell - vor allem im 12. Jahrhundert - in ‚bedeutenden‘ Prozessen mehr Amtsträger im verschriftlichten Urteil aufgeführt werden, sich aber andererseits weder aus den überlieferten normativen Quellen noch aus einer Analyse der Sentenzen eindeutige Kriterien für die Hinzuziehung einer bestimmten Zahl von Konsuln finden lassen. Wenn sich dennoch bei der Menge an untersuchten Sentenzen diachrone Differenzen bezüglich der Amtsträgernennungen aufzeigen lassen, so bedeutet dies erstens, daß jenseits von Motiven, die aus der Spezifik des Einzelfalls heraus die Erwähnung einer größeren oder kleineren Zahl von Amtsträgern in der Sentenz geboten scheinen lassen, übergreifende Strukturen faßbar werden, und zweitens, daß sich diese den Einzelprozessen zugrundeliegenden Strukturen mehr aus der Praxis, aus den konkreten Amtsgeschäften des Gerichtspersonals heraus evolutiv ausgeformt haben als daß sie primär aus normativen Setzungen ableitbar wären. Dies soll im folgenden an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden. Aufgrund der quantitativen Analyse wurde festgestellt, daß für bestimmte Zeitintervalle jeweils eine bestimmte Anzahl von Amtsträgernennungen und -verteilungen als vorherrschend gelten kann. Der jahrzehntelange Streit über Ortsherrenrechte zwischen dem Kloster Chiaravalle und den Einwohnern von Bagnolo eröffnet die Möglichkeit eines direkten Vergleichs. In dem umfangreichen Dokument vom 18. März 1255 werden mehrere zuvor bereits von Mailänder Kommunalgerichten in dieser Sache gefällte Urteile ausführlichst zitiert 65 . Zwei der zitierten Sentenzen lassen sich den postulierten Phasen 2 (1176-85) und 4 (1211-47) zuordnen, während das Dokument selbst der Phase 5 (1248-1276) zuzurechnen ist. Das erste Urteil erging bereits im Mai oder Juni 1178 66 , und im Insert werden die für diese Phase üblichen fünf Subskribenten namentlich genannt. Der Urkundentext erwähnt neben Guertius iudex, consul iustitie Mediolani, drei weitere Konsuln, die ihn bei der Urteilsfindung unterstützen. Zwar läßt sich für diese zweite Periode (1176-1185) keine ‚typische‘ Zahl von genannten Amtsträgern in Protokoll und Kontext festmachen 67 ; bei durchschnittlich 3,16 Nennungen ist die Erwähnung von vier Konsuln in dem Zitat aber als eine für diese Zeitspanne nicht un- 64 ACM, Nr. 154, 1. Juni 1187; Nr. 161, 29. August 1188; Nr. 166, 7. Juli 1189. 65 ACM sec. XIII 2.1, Nr. 120. Die nur als inserierte Sentenzen überlieferten Urkunden wurden von der quantitativen Analyse ausgeschlossen, da einerseits bezüglich der Selbstbezeichnungen der erwähnten Amtsträger Unsicherheiten bestanden, andererseits insbesondere für die zitierten Dokumente der späten Zeit nur der Leiter des Verfahrens, nicht aber die üblicherweise hinzugezogenen iurisperiti Erwähnung finden. 66 Ediert ist dieser Teil der Urkunde in ACM, Nr. 117, S. 161f. Zur unsicheren Datierung vgl. ebd., S. 162, Anm. 2. Die Sentenz im Kontext findet sich in ACM sec. XIII 2.1, Nr. 120, S. 144f. 67 Vgl. oben die Diskussion zur Tabelle 1. 37 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen übliche Zahl zu betrachten. Als mehr als 40 Jahre darauf, am 28. Mai 1220, sich die gleichen Parteien erneut vor dem Kommunalgericht treffen, wird neben dem Schreiber und den beiden Subskribenten als Justizkonsul im Text nur Vicecomes de Vicecomitibus angegeben 68 . Zwei Amtsträger als Unterzeichner der Urkunde, ein Konsul als Urteiler - für die vierte, von 1211 bis 1247 reichende Zeitspanne ist dies eine typische Konstellation. Die Sentenz, der diese inserierten Konsuln und Subskribenten entnommen sind, erging am 18. März 1255, also in der fünften Phase. Verhandelt wurde jetzt nicht vor den Justizkonsuln, vielmehr vor dem von ihnen beauftragten delegatus Frasianus Legnatius, der sein Urteil auf den Rat mindestens zweier iurisperiti hin fällt 69 . Mit nur einem Subskribenten - es ist Frasianus selbst - und mindestens zwei namentlich im Text genannten iurisperiti 70 weist auch diese Sentenz das für die Zeit übliche ‚Personal‘ einer Gerichtsurkunde auf. Frasianus ist aber, wie gesagt, kein Justizkonsul, sondern lediglich ein von den Konsuln für das Verfahren ernannter delegatus. Damit kommen wir zum zweiten, oben angesprochenen Problemkreis: Es sind recht verschiedene Ämter und Amtsträger, die zwischen 1140 und 1276 für die Kommune Mailand zivilrechtliche Angelegenheiten regeln 71 . Ist es aber statthaft, insbesondere in einer quantitativen Untersuchung, Sentenzen verschiedener Ämter ohne weitere Differenzierung nebeneinander zu stellen? Von den 252 untersuchten Urteilen ergingen 197 durch die Mailänder Konsuln bzw. Justizkonsuln 72 , 25 von durch sie delegierten Amtsträgern, 19 durch die Assessoren des Podestà 73 und elf von weiteren Ämtern wie etwa dem der sei della camera oder dem ‚officium‘ exactioni mensure terrarum 74 . 68 ACM sec. XIII 2.1, Nr. 120, S. 145f. 69 Namentlich genannt ist lediglich ein iurisperitus, da das Dokument an dieser Stelle beschädigt ist. Dennoch ist klar, daß es mindestens zwei waren: . . . habito consilio dominorum . . . [et] Iacobi de Luirago iurisperitorum . . . ; ACM sec. XIII 2.1, Nr. 120, S. 149. 70 Zu den iurisperiti, die in der fünften Phase von besonderer Bedeutung sind, ausführlich unten S. 79ff. 71 Einen Überblick über die verschiedenen Ämtern der Kommune Mailand geben M ANARESI , Introduzione, S. XXXVIIff., für das 13. Jahrhundert S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 15ff. 72 Zur Differenzierung zwischen Kommunal- und Justizkonsulat vgl. Unterkapitel 8.2.1 ‚Die Aufteilung des Konsulats‘, S. 66ff. 73 Die Ausweitung der Kompetenz der Podestà-Gerichtsbarkeit, zuvor nur für Strafsachen zuständig, ist ein für die norditalienischen Stadtkommunen allgemein beobachtbares Phänomen: E NGEL - MANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 58ff. 74 Beiden ‚Behörden‘ obliegt es vornehmlich, Steuer- und Abgabenlasten festzulegen sowie den kommunalen Besitz zu verwalten; vgl. S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 41 bzw. 96. Die durch sie ergangenen Sentenzen beziehen sich zumeist auf diese Rechtsgegenstände; vgl. für die ‚Sei della camera‘: ACM sec. XIII 1, Nr. 108, 20. Dezember 1223; Nr. 234, 23. Dezember 1229; für das ‚officium exactioni mensure terrarum‘: ACM sec. XIII 2.1, Nr. 152, 1. August 1256; Nr. 157, 2. September 1256. Die ‚Sei della camera‘ waren darüber hinaus für die Archivierung der 38 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen Zwar mutet die Zahl der Sentenzen dieser neuen Ämter bzw. Beauftragten im Vergleich gering an, da sie sich aber ungleichmäßig über den Untersuchungszeitraum verteilen 75 , ist nicht auszuschließen, daß bestimmte Zeiträume von diesen Urkunden maßgeblich geprägt werden. Eine nach Ämtern differenzierte Auswertung ergibt, daß sich bis 1247 zwischen den Sentenzen der Konsuln und ihrer Delegierten und denen der übrigen Ämter bezüglich des eingesetzten ‚Personals‘ große Unterschiede feststellen lassen. Sind die Differenzen bei der Subskribentenzahl noch gering - es finden sich eher ein bis zwei statt der für die Konsularsentenzen üblichen zwei -, so ergeben sich bezüglich der Zahl der in Protokoll und Kontext genannten Amtsträger deutliche Unterschiede: Sowohl die Konsularsentenzen als auch die Sentenzen der von den Konsuln delegierten Richter nennen in der vierten Phase (1211-1247) an dieser Stelle der Urkunde ein bis zwei Personen, während die Urteile des assessor potestatis zumeist drei 76 , die übrigen Ämter in zwei von drei Sentenzen sogar sechs Amtsträger aufführen 77 . Dies gilt aber, wie gesagt, nur für die Zeit bis 1247. Da in der vierten Phase vergleichsweise wenig Sentenzen diesen Typs auftauchen, vermögen sie die oben gefundenen Mittelwerte kaum zu beeinflussen. Betrachtet man die Sentenzen hinsichtlich der Ämter, die sie erstellt haben, so läßt sich zwischen der vierten und fünften Phase ein entscheidender Unterschied feststellen. War ‚Sentenz‘ bis 1247 weitgehend gleichbedeutend mit ‚Sentenz des Mailänder (Justiz-)Konsuls‘, so finden sich unter den 42 zwischen 1248 und 1276 geschriebenen Gerichtsurteilen nur noch zwölf Sentenzen (28,6%), die diesem Amt zuzurechnen sind - kaum mehr als jene acht (19%), die die von den Konsuln oder Assessoren delegierten Richter aufschreiben ließen oder die von anderen, weniger bedeutenden wie dem officium exactioni mensure terrarum (ebenfalls acht) erstellt wurden. Die Urteile des assessor potestatis, im vierten Zeitintervall noch kaum vertreten 78 , sind in der nach 1247 beginnenden fünften Phase mit 14 (33,3%) Sentenzen im Material sogar dominant. Zugleich aber - hierauf wird noch näher einzugehen sein - läßt sich feststellen, daß bezüglich der Anzahl der genannten kommunalen Statutenbücher zuständig; K ELLER / S CHNEIDER , Rechtsgewohnheiten, Satzungsrecht und Kodifikation, S. 167-191, S. 170; B LATTMANN , Statutenbücher. 75 Die erste Sentenz eines delegatus datiert vom April 1200 (ACM, Nr. 228); ein assessor potestatis läßt sich als Urteiler in einem Zivilgerichtsverfahren erstmals im Oktober 1224 nachweisen (ACM sec. XIII 1, Nr. 126). 76 Vgl. die Sentenzen des assessor potestatis der vierten Phase: ACM sec. XIII 1, Nr. 126, 22. Oktober 1224; ACM sec. XIII 1, app. 2, Nr. 169/ 1, 21. September 1226; ACM sec. XIII 1, Nr. 241, 28. März 1231; Nr. 351, 7. Mai 1236 und Nr. 489, 3. Dezember 1247. 77 Vgl. ACM sec. XIII 1, Nr. 108, 20. Dezember 1223; Nr. 234, 23. Dezember 1229 und Nr. 480, 13. Mai 1247. 78 Die fünf Urteile, die in der Phase 4 vom Assessor des Podestà erhalten sind, sind den Jahren 1224, 1226, 1231, 1236 und 1247 zuzuordnen - eine Verteilung, die nicht einmal eine steigende Tendenz erkennen läßt. 39 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen Amtsträger in den Sentenzen der verschiedenen ‚Behörden‘ eine starke Nivellierung stattfand. So werden die Sentenzen der Richter der verschiedenen officia, der delegati und der assessores in diesem Intervall fast ausschließlich von einer Person unterschrieben; und selbst vier der zwölf Urteile der Justizkonsuln weisen nun nur noch einen Subskribenten auf (zum Vergleich: in Phase 4 wurde lediglich eines von 53 Urteilen dieses Amtes von nur einem Amtsträger firmiert). Bedenkt man die großen Differenzen, die sich bezüglich der Anzahl der im Urkundentext genannten Amtsträger hinsichtlich des Amtes, das die Sentenz schreiben ließ, noch in Phase 4 ergaben, springt der Trend zur Vereinheitlichung gerade hier besonders ins Auge: Für drei der vier Ämtertypen liegt der Durchschnitt der namentlich im Text genannten Personen bei 2,5 79 , d. h. es werden üblicherweise zwei oder drei Amtsträger erwähnt. Lediglich die Urteile der delegati kommen zumeist mit zwei (Durchschnitt: 1,88) Amtsträgernennungen aus. Der zunehmenden Differenzierung der Ämter, die in zivilrechtlichen Angelegenheiten für die Kommune tätig werden, stehen also eine zunehmende Homogenisierung der Anzahl der Personen, die in ihren Urteilen genannt werden und - so wird noch zu zeigen sein - letztlich eine Vereinheitlichung der Verfahrensabläufe gegenüber. Mit der Zurückdrängung des Justizkonsulats als des vorherrschend für die Zivilgerichtsbarkeit zuständigen Amtes in der Zeit nach 1247 ist nicht nur ein ‚qualitatives‘ Kennzeichen gefunden, das die vierte von der fünften Phase unterscheidet; zugleich kann hier eine strukturelle Änderung im Verfahrensaufbau des Mailänder Zivilprozesses zeitlich genau eingegrenzt werden. Die Angleichung der Anzahl der Amtsträgernennungen pro Sentenz, die sich trotz der in diesem fünften Intervall beobachteten Vielfalt an kommunalen Ämtern, vor denen Zivilgerichtsverfahren stattfanden, einstellte, verfestigt die bisherige Vermutung, daß die in den einzelnen Zeitabschnitten zu findenden Veränderungen von Faktoren hervorgerufen werden, die von sehr grundlegender Natur sind. Denn selbst substantielle Wandlungen im Zivilgerichtswesen der Kommune können die herausgearbeiteten diachronen Unterschiede - die sich zu Phasen verdichten lassen - nicht verwischen, sondern lassen sie im Gegenteil stärker hervortreten. Auf den letzten Seiten wurde der Frage nachgegangen, ob sich die aufgrund quantitativer Differenzen bei der Anzahl der Amtsträgernennungen gefundenen Zeitintervalle nicht einfach aus der Spezifik der Einzelverfahren erklären lassen. Konkret war zu prüfen, ob nicht vielleicht die Bedeutung eines Prozesses oder die ‚Behörde‘, vor der ein Verfahren stattfand, für die Hinzuziehung von wenigen oder vielen officiales bestimmend war. Es konnte gezeigt werden, daß zwar beiden Faktoren eine gewisse Wirkung auf die Anzahl der genannten Amtsträger im Dokument zuzumessen ist, daß sie aber keine Erklärung für die grundlegenden Un- 79 Die Durchschnittswerte für die Sentenzen des Assessors, der Justizkonsuln und der übrigen Ämter lauten im einzelnen: 2,71; 2,42 bzw. 2,50. 40 6 Faktoren, die die Anzahl der Amtsträgernennungen beeinflussen terschiede bieten, die für die einzelnen Phasen zu beobachten waren. Die gewählte Methode der formal-quantitativen Analyse hat sich damit als tauglich erwiesen, diese Einflußfaktoren als von sekundärer Bedeutung zu erkennen. 41 7 Die Selbstbezeichnung der Amtsträger Die bisherigen Ergebnisse rechtfertigen für die nun folgende Untersuchung der Selbstbezeichnungen der genannten Amtsträger nicht nur eine Zusammenschau des ‚Personals‘ aller Sentenzen, gleich welchen Amtes, sie fordern sie geradezu. Dies bedeutet aber, daß zumindest bis zu einem gewissen Grad ämterübergreifende, von den konkreten Bezeichnungen sich lösende Kategorien gebildet werden müssen 80 . Zwei aus der bisherigen Analyse abgeleitete Grundüberlegungen sollen dabei als Leitlinien dienen: 1.) Wenn man es 1160 noch für nötig hielt, sieben, 1180 gar acht, Amtsträger hinzuzuziehen, um ein Gerichtsverfahren durchzuführen, 1260 jedoch nur noch insgesamt vier aufbot, das ergangene Urteil aber der gleichen Legitimation und der gleichen Chance bedurfte, von den Beteiligten akzeptiert zu werden, so müssen 1260 Mittel und Wege gefunden worden sein, diese ‚Reduktion des Personals‘ um die Hälfte adäquat auszugleichen. 2.) Schon die beobachteten Verschiebungen zwischen der Anzahl der Subskribenten und der im Kontext zu findenden Zahl von officiales weisen deutlich darauf hin, daß es neben einem ‚Personalabbau‘ zugleich zu einem ‚Personalumbau‘ gekommen sein muß. Diese beiden Aspekte gilt es bei der Analyse der in der Sentenz gewählten Amtsträgerbezeichnungen im Blick zu behalten. 7.1 Die Titulaturen der Schreiber Wie der Begriff ‚Selbstbezeichnung‘ bereits deutlich macht, ist nicht danach zu fragen, ob die betreffende Person, die in der Sentenz genannt wird, tatsächlich Konsul, Notar oder Richter ist, sondern unter welchem Titel sie im Dokument auftaucht. Die diesem Vorgehen zugrundeliegende Vermutung, daß eine große Sensibilität für die benutzten Titulaturen, ja selbst für die Plazierung dieser Titulaturen 80 Auch hier ist wieder auf die in Kapitel 4 ‚Methodisches Vorgehen: Zur quantitativen Analyse des Quellenbestandes‘, S. 21ff., beschriebene Verfahrensweise zu verweisen, bei der der Computer wertvolle Dienste leistet. Denn ob eine Klassifizierung Sinn macht, stellt sich erst heraus, wenn man zugleich ihre Verteilung im Material, ihr Verhältnis zu den anderen ‚Klassen‘ und ihre Konsequenzen für die Arbeitshypothese kennt. 43 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger im Dokument vorausgesetzt werden kann, fußt auf Beobachtungen, die Cesare Manaresi bei seinen Untersuchungen zur Kommunalsentenz gemacht hat. Schon er verbindet bestimmte historische Umstände mit der Art der insbesondere im Eschatokoll zu findenden Bezeichnungen 81 . Von den folgenden drei Tabellen, die nacheinander intensiv zu besprechen sind, werden in Tabelle 2 zunächst die Titel der Schreiber, in den Tabellen 3 und 4 die Selbstbezeichnungen der Subskribenten und der im eigentlichen Urkundentext genannten Amtsträger wiedergegeben. Dass die Aufsummierung der einzelnen Prozentangaben nicht immer 100 ergibt, ist der vorgenommenen Aufbzw. Abrundung der Einzelwerte geschuldet. Betrachtet man die erste der drei Tabellen, so muß zuerst festgestellt werden, daß die Bezeichnung iudex und/ oder notarius einen unverzichtbaren Bestandteil der Titulatur des Schreibers einer Sentenz darstellt. Hinzu treten Ergänzungen, die entweder auf den Herrscher (et missus) oder auf den Pfalzgrafen (sacri palatii) als Ernenner des Notars verweisen 82 . Mit der Nennung des Amtes (in der Tabelle officium), für das der Schreiber tätig ist, wird dagegen eine Verbindung zur Kommune hergestellt. Zunächst zu den beiden ‚Kernbezeichnungen‘ iudex und notarius. Bisherige Untersuchungen zu den Schreibern der Kommunalsentenzen betonen insbesondere für das 12. Jahrhundert die Tatsache sehr stark, daß es sich - auch wenn sie sich als iudex titulieren - um Notare handelt, die die Sentenzen schreiben 83 . Hier wird dagegen konsequent nach der (sich zunehmend differenzierenden) Selbstbezeichnung gefragt, da sich hier trotz bzw. gerade wegen der vermeintlichen Beliebigkeit in der Gesamtschau Entwicklungen herauskristallisieren: Bis 1210 ist es in aller Regel eine sich als iudex bezeichnende Person, die die Sentenz schreibt; nur in der vergleichsweise kurzen Phase 2 von 1176 bis 1185 vermag die Eigenbezeichnung notarius zu dominieren. Allerdings handelt es sich jeweils um die gleiche Person, die in diesem Intervall mit dem Notarstitel auftritt: Ugo de Castegnianega, der zwischen 1172 und 1207 für die Kommune als Schreiber tätig ist 84 und wohl 81 Für Mailand vor allem M ANARESI , Introduzione, S. CXIII; P ADOA S CHIOPPA , Aspetti della giustizia Milanese, S. 510ff.; allgemein: F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano. 82 Bereits seit dem 11. Jahrhundert hatten die Pfalzgrafen das Recht, Notare zu ernennen; A MELOTTI / C OSTAMAGNA , Alle origini del notariato italiano, S. 203. Aus dem Verweis auf den Pfalzgrafen oder den Kaiser läßt sich keinerlei Rangfolge der Notare ableiten, P IACITELLI , Notariato a Milano nel XII secolo, S. 972. 83 Vgl. B ARONI , Il notaio Milanese, S. 5-25; D IES ., Registrazione, S. 66; ähnlich L IVA , Notariato e documento notarile, S. 71ff.; anders, aber auch mit einem anderen Frageansatz: F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 112f. 84 Erstmalig ist er am 22. Februar 1172 (ACM, Nr. 80) für die Kommune tätig; zuletzt als Amtsträger genannt wird er am 21. Dezember 1207 (ACM, Nr. 309). 44 7.1 Titulaturen der Schreiber erst ab 1187 den iudex-Titel führen darf 85 (und in der Folge auch konsequent führt), schreibt 14 der 19 zwischen 1176 und 1185 überlieferten Gerichtsurteile. Bei flüchtiger Durchsicht des Materials könnte der Eindruck entstehen, als tausche Ugo bei ‚wichtigen‘ Prozessen mit seinem Kollegen Rogerio Bonafides, der sich alsiudex bezeichnet, die Rollen: So tritt letzterer in den Sentenzen, in denen strittige Ortsrechte eines Klosters verhandelt werden und ganze Einwohnergemeinschaften vor Gericht erscheinen, als Schreiber auf, während Ugo jetzt lediglich subskribiert 86 . Dieser ‚Rollentausch‘ läßt sich jedoch auch in Dokumenten von durchschnittlicher Bedeutung nachweisen, etwa dort, wo zwei Mailänder Bürger einen Prozeß um Wasserrechte oder in Erbschaftsangelegenheiten führen 87 . Aufschlußreich hinsichtlich des Verständnisses der Bedeutung von iudex und notarius in den kommunalen Sentenzen sind auch die von Anselmus gewählten Selbstbezeichnungen. Von den elf von ihm nach 1140 ausgefertigten Urteilen nennt er sich in neun iudex und in zweien notarius ac iudex 88 . Beide Titel gibt sich auch Petrusbellus de Beccaria, der als Schreiber einer Sentenz nur einmal, 1170, belegt ist 89 . Die Schreiber der Sentenzen, so läßt sich feststellen, bevorzugten, so sie die Wahl hatten, die Nennung des iudex-Titels. Für die Sentenz selbst aber scheint es keinerlei Rolle gespielt zu haben, ob sie von einem Richter oder Notar geschrieben wurde. Beide Titel waren bezüglich der Aufgabe, die sie an dieser Stelle des Eschatokolls zu erfüllen hatten, gleichwertig und ließen sich durchaus indifferent gebrauchen 90 . Es ist eines der Kennzeichen der ersten drei Phasen bis 1210, daß eine Festlegung der beiden ‚Kernbezeichnungen‘ notarius und iudex auf spezifische Funkti- 85 Mit dieser Bezeichnung taucht er erstmals in einem Dokument vom 9. November 1187 (ACM, Nr. 155) - auch hier als Schreiber - auf. 86 ACM, Nr. 115; Nr. 121 und Nr. 131. 87 ACM, Nr. 103 und Nr. 107; die Gleichrangigkeit der beiden Personen Ugo und Rogerius postuliert bereits M ANARESI , Introduzione, S. LXXXVI. 88 Ego Anselmus notarius et iudex interfui et hanc sententiam scripsi; ACM, Nr. 7 vom 8. Dezember 1141; ebenso in ACM, Nr. 8, 20. Mai 1142. Ein weiterer Beleg einer solchen ‚Doppeltitulatur‘ des Anselmus findet sich in ACM, Nr. 4 vom 10. November 1138 (nicht in die quantitative Untersuchung einbezogen). In den übrigen von ihm geschriebenen Sentenzen tritt er als iudex auf; vgl. ACM, app. Nr. 1; ACM, Nr. 5; Nr. 13-15 und Nr. 17-20; vgl. auch B ARONI , Il notaio milanese, S. 8f. 89 Ego Petrusbellus de Beccaria sacri palatii notarius et iudex interfui et ex precepto predictorum consulum scripsi; 21. Mai 1170, ACM, Nr. 71. 90 Ähnlich P IACITELLI , Notariato a Milano nel XII secolo, S. 972ff., die jedoch die Indifferenz in den Amtsträgerbezeichnungen für alle im Eschatokoll benutzten Titel postuliert und damit überzeichnet. Zu den geringen Unterschieden zwischen den Befugnissen eines notarius und eines iudex im 12. Jahrhundert F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, S. 30ff.; T REDE , Verschriftlichungsprozeß, S. 212ff. 45 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger Tabelle 2: Selbstbezeichnung der Schreiber (Insgesamt 251 Urkunden a ) Nr. Titulator Phase 1 1140- 1175 Phase 2 1176- 1185 Phase 3 1186- 1210 Phase 4 1221- 1247 Phase 5 1248- 1276 Gesamt 2.1 iudex / iudex et missus 77, 5% 3 26, 3% 5 62, 3% 48 - - 33, 5% 84 2.2 iude x e t m issus et officium - - - 1, 4% 1 - 0, 4% 1 2.3 notarius et missus (/ iudex) b 5, 0% 6 - 10, 4% 8 c 15, 1% 11 2, 4% 1 d 8, 8% 22 2.4 notarius sacri palatii (et missus / iudex) e 15, 0% 6 73, 7% 14 27, 3% 21 f 41, 1% 30 g 2, 4% 1 28, 7% 72 2.5 notarius sacri palatii et officium - - - 5, 5% 4 - 1, 6% 4 2.6 notarius et missus et officium - - - 6, 8% 5 - 2, 0% 5 2.7 notarius et officium - - - 16, 4% 12 2, 4% 1 5, 2% 13 2.8 notarius (ohne weitere Zusätze) 2, 5% 1 - - 13, 7% 10 h 92, 9% 39 i 19, 9% 50 Gesamt 40 19 77 73 42 251 a Die ‚copia semplice‘ einer Sentenz aus dem Jahre 1224 (ACM sec XIII 1, Nr. 114) nennt keinen Schreiber. b Lediglich in Phase I schreibt Anselmus zwei Sentenzen als Notar und Richter; vgl. ACM, Nr. 7 (1141) und Nr. 8 (1142). c Darunter ein Notar, der eine sentencia delegata schreibt. d Dieser Notar schreibt eine sentencia delegata. e Fünfmal wird die Bezeichnung notarius sacri palatiidurch die Angabe ac missus domini . . . imperatoris ergänzt, ACM, Nr. 149 (1185); ACM sec. XIII 1, Nr. app.1,4 (1187), ACM, Nr. 153 und ACM, Nr. 154 (beide 1187) und ACM sec. XIII 1, Nr. 336 (1237); einmal der iudex-Titel beigefügt, ACM, Nr. 71 (1170). f Darunter drei, die eine sententia delegata schreiben. g Darunter sechs, die eine sententia delegata schreiben. h Darunter drei, die für delegierte Richter schreiben. Die Eigenbezeichnung des Bonifatius Salarius, ACM sec. XIII 1, Nr. 7 (30. April 1217), wurde trotz des scheinbar deutlichen Hinweises auf ein officium in die Rubrik ‚Notarius ohne weitere Zusätze‘ gruppiert, da es sich um die Sentenz der von den Justizkonsuln delegierten Richter handelt, die kein eigenes Amt darstellen. Bonifatius wir hier mit officium eher den konkreten Schreibauftrag gemeint haben. Ego Bonifatius filius quondam Prevedi Salarii, de parochia Sancte Tegle, ad hoc officium constitutus per suprascriptos dominos Iohannem et Mussonem et parabola suprascriptorum dominorum Iohannis Pasqualis et Ottonis de Orto ad hoc delegatorum, scripsi et interlineavi ut supra. i Darunter sieben, die für delegierte Richter schreiben. 46 7.1 Titulaturen der Schreiber ons- oder Gebrauchszusammenhänge in der Subscriptio nicht stattfindet. Mit dem Jahr 1211 ändert sich dies schlagartig 91 . War zuvor bezüglich des Schreibens einer Sentenz keinerlei Abgrenzung zwischen den beiden Titeln auszumachen, so erfolgt jetzt eine strikte Festlegung: Bis auf eine Ausnahme bezeichnet sich jeder, der das Urteil eines Mailänder Kommunalgerichts schreibt, gleich für welches Amt, von nun an als notarius. Unter den vielen Aufgaben, die das ‚Personal‘ der Kommunalgerichte nach Auskunft der Sentenz auszuführen hat, wie etwa urteilen, beraten, das Urteil schreiben etc., wird nun eine dieser Aufgaben eindeutig mit einer bestimmten Bezeichnung konnotiert. Dies geschieht über die Ausgrenzung des Richtertitels - womit zugleich auch die Funktion der Bezeichnung iudex in der Sentenz präziser als vor 1211 faßbar wird. Die zunehmend eindeutige Verknüpfung von Funktion und Titel, soviel sei vorweggenommen, wird sich auch in den Tabellen 3 und 4 beobachten lassen; eine eingehendere Interpretation soll daher erst in der Zusammenschau der Einzelbeobachtungen erfolgen. Wie weiter aus Tabelle 2 hervorgeht, ist dies aber nicht die einzig bemerkenswerte Änderung bei den Schreibertitulaturen der Mailänder Sentenzen. Betrachtet man die den ‚Kernbezeichnungen‘ iudex/ notarius beigefügten Termini, so verweisen diese in den ersten drei Phasen (bis 1210) ausschließlich auf den König bzw. Kaiser (missus) oder den Pfalzgrafen (sacri palatii) 92 , gelegentlich ergänzt durch die Bemerkung, man handle auf Anweisung der in Protokoll oder Kontext genannten Konsuln 93 . Auch im vierten Intervall (1211-1247) sind die Beifügungen missus und sacri palatii dominant vertreten 94 . Aber diese Verweise scheinen vielen Schreibern nicht mehr zu genügen; vielmehr beginnen sie jetzt damit, sich in den Sentenzen 95 zusätzlich oder gar ausschließlich explizit als kommunale Amtsträger auszuweisen. Rainerius de Raude ist der erste, der nicht nur angibt, Notar und missus des Kaisers zu sein, sondern zugleich auch seine Zugehörigkeit zum 91 Die letzte von einem iudex geschriebene Sentenz datiert vom 9. November 1210 (ACM, Nr. 339); auf die in der Tabelle 2, Nr. 2.2, aufgeführte Bezeichnung wird noch einzugehen sein. 92 In Tabelle 2, Nr. 2.1, 2.3, 2.4, mit lediglich einer Ausnahme (2.8.): Iacobus Carlus bezeichnet sich in der Sentenz vom 20. August 1220 als iudex et missus domini Ottonis imperatoris, ad hoc offitium constitutus . . . (ACM sec. XIII 1, Nr. 67), obwohl er sich sonst mindestens weitere sechs Mal mit dem Titel notarius nachweisen läßt. 93 Die Wendung iussu consulum bzw. iussu suprascriptorum consulum findet sich erstmals in einem Urteil vom 5. Dezember 1173 (ACM, Nr. 90); per amonicionem ipsorum consulumschreibt Anselmus am 21. August 1140 (ACM, Nr. 5) seine Sentenz. 94 Vgl. die Nr. 2.2 bis 2.6 in Tabelle 2, zusammen 51 von 73 Schreiberbezeichnungen (69,9%). 95 B ARONI , Il notaio milanese, S. 9f., findet seit dem Ende des 12. Jahrhunderts vereinzelt Belege, in denen Notare bei ihrer Tätigkeit auf kommunale Ämter verweisen, und bemerkt bereits, daß solche Verweise zwischen 1211 und 1220 dichter werden. Daran läßt sich zeigen, daß der hier gewählte Zugang, der nicht nach dem ersten Auftauchen eines Begriffs, sondern nach seiner massiven Präsenz in einem genau umrissenen Kontext - hier bei den Schreibertitulaturen der Sentenzen - fragt, Wandlungen präziser zu fassen vermag. 47 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger Amt der Justizkonsuln herausstellt 96 . Sein Amtskollege Anselmus Vulpis unterläßt jeden Hinweis auf den Pfalzgrafen oder König und bezeichnet sich nur noch als notarius et scriba consulum 97 . Wie Rainerius fügen im vierten Intervall 12,3% der Skribenten neben dem Verweis auf einen nichtkommunalen Hoheitsträger additiv das Amt hinzu, für das sie schreiben (Tabelle 2, Nr. 2.5 und 2.6); für 16,4% ist die Amtsnennung neben der Bezeichnung notarius schon zum einzigen Zusatz in der Titulatur geworden (Nr. 2.7). Zusammengenommen wird die Zugehörigkeit zu einem kommunalen Amt in 30,1% der Schreibertitulaturen hervorgehoben 98 . Daß die Skribenten der Sentenzen auch vor 1211 kommunale Amtsträger waren, ohne dies im Dokument zu erwähnen, zeigt deutlich die 1213 durchgeführte Befragung des Ugo de Castegnianega zur Imbreviatur einer Sentenz aus dem Jahre 1183. Bevor man 1213 eine Abschrift des 30 Jahre alten Dokuments erstellt, wird Ugo von den Mailänder Justizkonsuln nicht nur darüber befragt, ob er die Imbreviatur von eigener Hand geschrieben habe, sondern auch, ob er 1183 scriba et offitialis consulum iustitie Mediolani pro faciendis sententiis et aliis publicis scripturis war und ob er sie propter offitium geschrieben habe. Nachdem Ugo die Fragen positiv beantwortet hat, wird die Imbreviatur vom Amtsnotar Boniohanes Magiatus ausgefertigt 99 . Noch vor 1200 taucht in einem Vertrag zwischen Mailand und Como die Bezeichnung scriba communis erstmals auf 100 . Wie man sieht, lassen sich sowohl Bezeichnung wie Amt schon vor 1211 nachweisen; die in der Phase 4 im Vergleich sehr häufig belegte Eigenbezeichnung des die Sentenz schreibenden Notars als Amtsträger der Kommune wird man daher nicht primär als Folge einer möglichen Umgestaltung der faktischen Funktion, sondern vielmehr als Ausdruck der Änderung im Selbstverständnis des für dieses Amt Tätigen, letztlich als Änderung im Verständnis des Amtes selbst deuten müssen. Wesentlich radikaler als die Unterschiede zwischen den Phasen 1 bis 3 (1140 bis 1210) und der Phase 4 (1211-1247) stellen sich die Änderungen zwischen dem vierten und fünften Intervall (bis 1276) dar, zumal sie sich in vorhergehenden Zeiträumen kaum ankündigen. Nach 1247 verzichten die Schreiber der Sentenzen in 39 von 42 Dokumenten auf jegliches Attribut und bezeichnen sich schlicht als notarius 101 . Weder werden die zwischen 1211 und 1247 auftauchenden Ti- 96 Ego Rainerius de Raude dictus notarius ac domini Ottonis imperatoris missus ad offitium camere consulum iustitie in suprascripto anno constitutus scripsi; ACM, Nr. 397, 22. Dezember 1215. 97 ACM sec. XIII 3, app. 1, Nr. 2, 17. August 1218. 98 Vgl. Nr. 2.2 und 2.5 bis 2.7 der Tabelle 2. 99 ACM, Nr. 366, S. 486 vom 10. Februar 1213; vgl. hierzu auch T ORELLI , Studi e ricerche, part. 1, S. 70f.; F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 107f. 100 ACM, Nr. 211, Anfang 1198. 101 Zum Vergleich: Von den acht Sentenzen, die in Phase 4 (1211-1247; Tabelle 2, Nr. 2.8) von einer sich lediglich als notarius titulierenden Person geschrieben wurden, stammen zudem drei aus der zweiten Hälfte des Jahres 1247 (ACM sec. XIII 1, Nr. 485; Nr. 489; Nr. 490); den übrigen fünf sind 48 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten tel erwähnt, die Verbindungen mit einer ‚städtischen Behörde‘ hergestellten, noch ist jetzt der in allen früheren Phasen stark vertretene Hinweis auf den Pfalzgrafen von Relevanz. Wenn die Beifügungen zur Titulatur einerseits als Indizien für das Selbstverständnis von Schreiber und Amt gelten können, andererseits - und dies ist kaum losgelöst voneinander zu betrachten - Aufschlüsse über ihre Legitimation bieten, so ist zu fragen, was den Skribenten ermöglichte, in den letzten knapp 30 Jahren des Untersuchungszeitraumes gänzlich auf die komplexen, etwas umständlich wirkenden Titulaturen zu verzichten, obwohl diese auf Kaiser, Pfalzgraf oder Kommune verweisenden Bezeichnungen noch in der vierten Phase von nahezu allen Schreibern genannt wurden. Es scheint, als ob diese Verengung auf den Kerntitel zumindest z. T. dadurch aufgefangen wurde, daß der Schreiber betonte, nur ausführendes Organ einer ihn beauftragenden Amtsperson zu sein. Die überwiegende Mehrheit der 39 sich lediglich als notarius deklarierenden Skribenten gibt an, die Sentenz auf Anweisung des unterschreibenden Notars ausgefertigt zu haben 102 , der - in dieser Phase oft als einziger - als Subskribent das Urteil des Kommunalgerichts firmiert. Man darf daher vermuten, daß es sich bei einer Vielzahl von Schreibern dieser Phase nicht mehr um ‚Amtsträger‘ im engeren Sinne handelte - d. h. um Personen, die direkt von einer kommunalen Institution für ein Amt bestimmt wurden - sondern vielmehr um „coadiutori“ 103 , die erst durch den firmirenden Notar mit dieser Tätigkeit beauftragt wurden 104 . Bevor aber weiter den Verzahnungen zwischen den Schreibern und Unterzeichnern der Sentenz nachgegangen wird, sollen zunächst die Subskriptionen insgesamt in den Blick genommen werden. 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten Die folgende Tabelle gibt die in 637 Subskriptionen aus 242 Sentenzen zu findenden Titulaturen wieder. Die in diesem Teil des Eschatokolls verwendeten Tidie Jahreszahlen 1217, 1221, 1223, 1230 und 1232 zuzuordnen (ACM sec. XIII 1, Nr. 3; Nr. 86, ACM sec. XIII 3, app. 1, Nr. 86; ACM sec. XIII 1, Nr. 238; Nr. 293). Sie verteilen sich damit über die gesamte vierte Periode, ohne daß sich Regelmäßigkeiten erkennen ließen. Als Ausnahme wird man die Sentenz vom 27. Januar 1173 (ACM, Nr. 85), die von Ambrosius notarius qui dicor de Valnexio geschrieben wurde, einstufen können. Zu der Problematik der Phasengrenze, die hier angesichts der drei Nennungen in 1247 aufleuchtet, vgl. S. 31ff. 102 So etwa in der vom 1. August 1256 datierenden Sentenz: Ego Mainfredus de Baradello notarius civitatis Mediolani iussu suprascripti notarii scripsi, ACM sec. XIII 2.1, Nr. 152. Einen anderen Akzent bei der Interpretation der iussio setzt F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 108f. 103 Der Begriff und die Vermutung findet schon bei B ARONI , Il notaio milanese, S. 21, ohne daß sie dies allerdings mit einem konkreten Zeitraum verknüpft würde. 104 Vgl. hierzu ausführlicher S. 106ff. 49 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger tel sind, über den gesamten Zeitraum betrachtet, heterogener als die zuvor analysierten Schreiberbezeichnungen. Insbesondere durch die Einrichtung neuer Ämter - wie das der sei della camera oder das officium inventariorum 105 - stellt sich rasch ein Reichtum an Bezeichnungen ein, der für einen quantitativen Ansatz nach einer Klassifizierung verlangt. Kann man diese neuen Ämter aufgrund der Spezialisiertheit ihrer Aufgabenstellung, also ‚inhaltlich‘, von dem prinzipiell für alle zivilen Streitfälle zuständigen Justizkonsulat scheiden, so ist allen Ämtern einschließlich des Justizkonsulats gemeinsam, daß sie von der und für die Kommune - oft vom Podestà im Zusammenwirken mit der Rats- oder Volksversammlung über ein mehrstufiges System von Wahlmännergremien 106 - eingerichtet werden, so daß man sie unter diesem formalen Gesichtspunkt nicht voneinander differenzieren muß. Der Zusatz officium bei einigen Amtsbezeichnungen der obigen Tabelle faßt diese verschiedenen Termini zusammen (die Notare fügen ihrer Subscriptio zumeist ein allgemeines ad hoc officium constitutus bei, mit dem sie sich auf das in der Sentenz erwähnte Amt beziehen). So lassen sich leicht die auf die Kommune verweisenden Tituli von den sich auf ‚externe‘ Autoritäten beziehenden scheiden. Von den officia im soeben skizzierten Sinne sind aber die sogenannten delegati abzugrenzen. Sind erstere als ‚Ämter‘ im eigentlichen Wortsinne aufzufassen, welche von einer übergeordneten kommunalen Institution eingerichtet wurden und für die man für einen bestimmten Zeitraum kommunale Amtsträger nominierte, so handelt es sich dagegen bei den delegati um Richter, die die Justizkonsuln jeweils im laufenden Verfahren und auf Wunsch der Parteien lediglich für die Bearbeitung dieses einen Falles einsetzten 107 . Daher bezeichnen sich die mit ihnen zusammenarbeitenden Schreiber zumeist als notarius oder notarius sacri palatii, nie jedoch findet sich das Attribut ad hoc officium constitutus 108 . Die den Titel delegatus nen- 105 Zur Einbeziehung der verschiedenen Ämter in die Auswertung vgl. S. 22ff. und S. 38ff.; zu den ‚sei della camera‘ und zum officium inventariorum, S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 35 bzw. S. 38f.; zum officium inventariorum in einem breiteren Kontext, vgl. L ÜTKE W ESTHUES / K OCH , Die kommunale Vermögenssteuer (‚Estimo‘) im 13. Jahrhundert, S. 149-188, S. 159ff. 106 Genaueres läßt sich über die Ernennung von Amtsträgern in Mailand nicht sagen; vgl. M ANARE - SI , Introduzione, S. LXXVIIf. Die ‚sei della camera‘ wurden 1226 vom Podestà eingesetzt, aber wahrscheinlich durch ein komplexes Wahlverfahren zuvor dazu bestimmt: . . . qui constituti sunt a domino Pace de Menervio potestate Mediolani super cognitione peccunie et bannorum comunis et super cognitione casarum et terragiorum et super cognitione ficti seu annue prestationis ipsarum casarum et ipsorum terragiorum et super aliis diversis . . . ; ACM sec. XIII 1, Nr. 108, 20. Dezember 1223; ähnlich Nr. 234, 23. Dezember 1229; zum Wahlverfahren bezüglich dieses Amtes zusammenfassend S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 35; zum Phänomen ‚Wählen in den italienischen Kommunen‘ grundlegend K ELLER , ‚Kommune‘, S. 573-616; DERS ., Wahlformen, S. 345-374. 107 M ANARESI , Introduzione, S. LXXIff., sowie ausführlich in Kapitel 10 ‚Zur Funktion der Schrift in einem sich selbst legitimierenden Verfahren‘, S. 101ff. 108 Vgl. hierzu die Tabelle 2, insbesondere die Anm. b bis d und f bis i. 50 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten nenden Unterschriften sind daher in den Nr. 3.8 und 3.9 der Tabelle gesondert ausgewiesen. Nicht alle Subskribenten fügen ihrem Namen eine Titulatur hinzu (Nr. 3.4) - und sie unterlassen dies, obwohl man ihren Titel in mehr als zwei Dritteln der Fälle auch nicht den übrigen Teilen des Dokuments entnehmen kann. Allerdings handelt es sich bei diesen Subskribenten um keine Unbekannten; immer sind sie wie Ugo de Castegnianega für die Kommune über mehrere Jahre tätig 109 , entstammen wie Girardus (Gaga)pistus bekannten Mailänder Familien 110 und lassen sich in anderen Dokumenten - mit Titel - ohne Schwierigkeiten nachweisen. Insbesondere in der zweiten Phase, wo diese allein den Namen der Amtsträger nennenden Unterschriften mit 20% einen bedeutenden Anteil haben, wird so ein Aspekt faßbar, der sicherlich bei jeder Subscriptio eine Rolle spielt, aber im kommunalen Dokument des ausgehenden 12. Jahrhunderts zunehmend mit den Qualifizierungen durch Ämter und Titel konkurriert: Der Unterschreibende selbst bringt ja als Person, sofern er bekannt ist, mit seinem Ansehen und seine durch die Subskription gegebene Selbsteinbindung in den Rechtsakt ein stützendes, bekräftigendes Element in das Verfahren ein 111 . Steht der Name isoliert, ohne die üblicherweise beigefügten Amtsbezeichnungen, tritt dies in besonderer Weise hervor. Es ist wohl kein Zufall, daß in der Dekade zwischen 1176 und 1185, in der mit durchgängig fünf Unterschriften in der Subscriptio ungewöhnlich viel ‚Personal‘ aufgeboten wird, diese Form der einfachen Firmierung besonders häufig ist. Gerade ein Kennzeichen dieser zweiten Phase ist es ja, möglichst viele Repräsentanten der Kommune in das Verfahren einzubeziehen, auch wenn sie für das Prozeßgeschehen selbst nur noch wenig beitragen mögen. Daß es in diesem Intervall gerade auch um die ‚Person‘ und nicht nur um den ‚Amtsträger‘ zu tun ist, macht die ungewöhnlich hohe Zahl an lediglich den Namen nennenden Subskribenten zwischen 1176 und 1185 deutlich 112 . 109 Ugo findet sich ohne Titel als Subskribent in ACM, Nr. 107, 27. Mai 1177; Nr. 120, 13. November 1179; Nr. 121, 31. Dezember 1179. 110 Giradus unterschreibt insgesamt achtmal mit geringen Variationen als Ego Girardus qui dicor Pistus subscripsi, ohne daß sein Name sonst in der Sentenz (mit Titulatur) genannt würde; ACM, Nr. 90-93 (1174); Nr. 101; Nr. 103 (beide 1176); Nr. 115; Nr. 116; Nr. 119 (alle drei 1178); zur Familie vgl. A NDENNA , Una famiglia milanese, S. 641-686; zu Girardus S OLDI R ONDININI , Gagapesto, Gerardo, S. 279-282; zu Girardus und weiteren wichtigen Mailänder Richtern des 12. Jahrhunderts C LASSEN , Richterstand und Rechtswissenschaft, S. 27-126, S. 46ff. 111 Solche Strategien zur Steigerung der Akzeptanz von Urkunden und zur Einbettung des Dokuments in einen gesellschaftlichen Kontext, wie sie bereits im 11. Jahrhundert in Erscheinung tritt, beleuchtet auch F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano, S. 554ff. 112 Nach M ANARESI , Introduzione, S. XLIV, insbes. Anm. 2, zeichnet nach der Trennung des Justiz- und Kommunalkonsulats einer der consules comunes die Sentenzen der consules iustitiae gegen. Dies allein kann aber die hohe Zahl an Subskribenten in der Zeit zwischen 1176 und 1185 nicht erklären, da die Trennung bereits früher (nach Manaresi bereits 1153, spätestens jedoch Anfang 51 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger Tabelle 3: Selbstbezeichnung der Unterschreiber (637 Unterschriften aus 242 Urkunden a ) Nr. Titulator Phase 1 1140- 1175 Phase 2 1176- 1185 Phase 3 1186- 1210 Phase 4 1221- 1247 Phase 5 1248- 1276 Gesamt 3.1 iudex / iudex et missus 88, 6% 116 36, 8% 35 22, 6% 49 0, 7% 1 b - 31, 6% 201 3.2 iudex et consul / officium - 15, 8% 15 35, 9% 78 59, 0% 85 24,0 12% 29, 8% 190 3.3 consul / officium - 25, 3% 24 28, 1% 61 12, 5% 18 - 16, 2% 103 3.4 Name ohne Titel 6, 9% 9 20, 0% 19 3, 2% 7 - - 5, 5% 35 3.5 notarius sacri palatii 3, 0% 4 2, 1% 2 7, 4% 16 5, 6% 8 c - 4, 7% 30 3.6 notarius et officium - - - 11, 1% 16 d 34, 0% 17 5, 2% 33 3.7 notarius (ohne weitere Zusätze) 1, 5% 2 - - 0, 7% 1 e 28, 0% 14 f 2, 7% 17 3.8 delegatus - - 0, 9% 2 5, 6% 8 8, 0% 4 2, 2% 14 3.9 iudex et delegatus - - 1, 8% 4 4, 9% 7 6, 0% 3 2, 2% 14 Gesamt 131 95 217 144 50 637 ohne Unterschrift 0 1 1 4 4 10 a Ohne Unterschrift: ACM, Nr. 71 (1170); Nr. 286 (1206); ACM sec. XIII 1, Nr. 116 (1224); ACM sec. XIII 1, Nr. app.II, 169/ 1 (1226); ACM sec. XIII 1, Nr. 342 (1235); Nr. 480 (1247); Nr. 495 (1248); ACM sec. XIII 2.2, Nr. 372 (1264); Nr. 623 (1270); Nr. 676 (1273). b Der Richter ist eigentlich ein iudex delegatus der Konsuln. c Zwei unterschreiben so ein Urteil, das von delegierten Richtern erging. d Viermal wird zusätzlich die missus-Bezeichnung angegeben. e Der Notar unterschreibt eine Sentenz der delegierten Richter. f Der der 14 sich so bezeichnenden Notare unterschreiben die Sentenz delegierter Richter. 52 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten Lediglich für Phase 1 läßt sich mit Eindeutigkeit sagen, welchen Terminus die Subskribenten typischerweise benutzen. Mit über 88% ist iudex bzw. iudex et missus fast die einzige Titulatur, die bis 1175 Verwendung findet. Auch im zweiten, von 1176 bis 1185 reichenden Intervall herrscht dieser Titel vor, allerdings jetzt schon häufiger mit einem auf das kommunale Amt verweisenden Zusatz versehen (in dieser Phase ausschließlich consul). Zusammen mit den reinen Amtstitulaturen (ohne iudex-Titel, Tabelle Nr. 3.3) stellen die Verweise auf eine kommunale Amtsträgerschaft mit 41% bereits eine wichtige Komponente in den Betitelungen der zweiten Periode dar. Damit vollzieht sich in den Subskriptionen schon kurz nach 1175 jener Wechsel, der für die Schreiberbezeichnungen erst nach 1211 festgestellt werden konnte. Verfolgt man das Attribut officium und seine Synonyme weiter, so kann man bis 1247 eine kontinuierliche Steigerung des Anteils dieser Beifügung nachzeichnen: In Phase 3 (1186-1210) ist es bereits Bestandteil von zwei Dritteln der Titulaturen (Tabelle 3, Nr. 3.2 und 3.3), in der vierten, bis 1247 reichenden Periode fehlt die Nennung eines kommunalen Amtes in kaum einer Subscriptio (Tabelle 3, Nr. 3.2, 3.3 und 3.6; zusammen 82,6%). Bemerkenswert ist vor allem, daß jetzt auch nahezu alle iudices mit einer solchen Beifügung unterschreiben (vgl. den Wandel zwischen den Phasen 3 und 4 in Nr. 3.1 und 3.2) und zudem nun auch die erstmals in nennenswerter Zahl vertretenen Notare als Subskribenten zwischen 1211 und 1247 auf ein städtisches Amt Bezug nehmen (Nr. 3.6). Diese über sieben Jahrzehnte seit 1176 verfolgbare Entwicklung einer zunächst vermehrten, schließlich üblichen Einbeziehung einer kommunalen Amtsbezeichnung kehrt sich nach 1247 um: Mit lediglich 58% (Nr. 3.2 und 3.6) geht der Anteil dieser Beifügungen um über 24 Prozentpunkte zurück. Dies ist aber nicht der einzige Bruch, der sich zwischen den beiden letzten Phasen des Untersuchungszeitraums vollzieht. Erstmals hat jetzt der Notarstitel den Terminus iudex als dominierenden Titel in diesem Teil des Eschatokolls abgelöst. Mit 62% zu 24% (Nr. 3.5. und 3.6 zu 3.2) läßt sich im Vergleich zum dritten Intervall (17,4% zu 59,7%; Nr. 3.5 bis 3.7 zu 3.1 und 3.2) eindeutig eine Umkehrung der Verhältnisse feststellen. Die Bedeutung, die die Bezeichnung notariusjetzt erlangt, wird zusätzlich dadurch unterstrichen, daß sie nun häufig genug allein, als einzige Titulatur ohne jegliche Beifügung, in der Subscriptio zu finden ist (Nr. 3.7). Hinzu tritt ein weiteres: Die seit 1186 beobachtbare, kontinuierlich abnehmende Anzahl der Subskriptionen erreicht mit nur noch durchschnittlich einer Nennung während des fünften Zeitintervalls ihren Tiefpunkt (vgl. Grafik 3). Während also zwischen 1176 und 1185, in Phase 2, fünf Unterschriften mit den verschiedensten Titulaturen und Beifügungen das Dokument stützen, wird diese Aufgabe nach 1247 in Phase 5 von einer Subsder 1170er Jahre) erfolgte. Die bei Manaresi zu findende Liste nimmt denn auch 1153 ihren Anfang - eine Steigerung der Subskribentenzahl von drei auf fünf ist aber erst ab 1176 durchgängig nachweisbar. 53 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger criptio mit einem Titel ohne weitere Attribute übernommen. Der Wandel bekommt noch schärfere Konturen, bezieht man die Eigenbezeichnung des Schreibers ein (s. Tabelle 2, Nr. 2.8), der sich ja, wie oben erläutert, in dieser Zeit ebenfalls nur notarius nennt. Mehr noch: dieser sich lediglich als notarius bezeichnende Schreiber der Sentenz nennt als Auftraggeber für sein Tun nicht etwa den Konsul oder Assessor, er gibt vielmehr an, er schreibe auf Anweisung des in der Zeile darüber unterschreibenden Notars, iussu suprascripti notarii 113 . Dieses Aufeinanderbezogen-Sein von Skribent und Subskribent bei der Ausfertigung der Sentenz läßt nochmals die Bedeutung des Notariats in diesem Zeitraum deutlich hervortreten. Die oben aufgedeckte, feste Konnotation zwischen dem Skribenten der Urkunde und der Titulatur ‚Notar‘ seit 1211 läßt sich jetzt für die Zeit nach 1247 - mit Einschränkungen - auch für den Subskribenten feststellen 114 . Mit in den Blick zu nehmen ist ferner, daß nun auch unter den Zeugen der Sentenz vermehrt Notare zu finden sind. Erstmals kristallisiert sich in den kommunalen Sentenzen so eine relativ eindeutige Verknüpfung zwischen einem bestimmten Titel und den Tätigkeiten Schreiben, Beglaubigen und Dokumentieren heraus. Die Bezeichnung notarius hat für diese Tätigkeiten, die man vielleicht unter dem Begriff ‚Verschriftlichung‘ im weitesten Sinne zusammenfassen kann, jetzt eine beinah-monopolartige Stellung errungen; sie läßt sich nun in den Dokumenten noch stärker als zuvor als weitgehend eigenständig und in einer von den übrigen Amtsbezeichnungen klar abgrenzbaren Funktion fassen 115 . Diese Abgrenzung kann nicht primär als Ergebnis einer pragmatisch-arbeitsteiligen Aufgabenverteilung in der Administration verstanden werden, denn das Leisten einer Unterschrift von seiten des Richters ist alles andere als aufwändig. So findet sich denn auch Anfang des 13. Jahrhunderts selbst unter jenen Sentenzen, die nach Beendigung der Amtszeit des consul iustitae geschrieben wurden, 113 Hierzu ausführlich S. 103ff. 114 62% (Nr. 3.6 und 3.7) der Firmierenden nennen sich notarius, nur 30% (Nr. 3.2 und 3.9) iudex, wobei den Sentenzen der delegati eine Sonderstellung einzuräumen ist. 115 Die Sentenzen können hier im Vergleich zu den precepta als ‚konservativ‘ betrachtet werden. Seit 1213 haben die Notare die consules und iudices aus der Subscriptio der precepta bereits verdrängt und zeichnen so allein für diesen Teil des Dokuments verantwortlich; vgl. ACM, Nr. 350, 17. Dezember 1211 (mit consules) und Nr. 371, 26. Juni 1213 (erstmals ohne). Hierzu auch Baroni, Il ‚preceptum‘, S. 5-16, S. 13. Auch eine rasche Durchsicht der jetzt dankenswerterweise durch die Edition von Maria Franca Baroni zugänglichen „querimonia“ - ab 1212 einsetzende Registerkopien, in denen festgestellt wird, daß ein Urteil nicht vollstreckt werden konnte und der Verurteilte nun gebannt wird - stützt das hier gezeichnete Bild: Bis Mitte der 1240er Jahre setzen die Schreiber - weitere Unterschriften fehlen generell - bis auf wenige Ausnahmen lediglich ihren Namen unter das wenige Zeilen umfassende Schriftstück. Danach fügen sie recht konsequent den Titel notarius bei, bis sie sich ab 1277 zumeist als notarius ad banna oder notarius camere palatii bezeichnen; vgl. Gli atti di „querimonia“ tra i documenti giudiziari del comune di Milano, sec. XIII, hg. von B ARONI , S. VII und S. 3ff. 54 7.2 Selbstbezeichnung der Subskribenten dessen Unterschrift mit dem Zusatz tunc consul oder tunc temporis consul etc. unter dem verschriftlichten Urteil 116 . Eine klare Trennung von Verfahrensleitung und Verschriftlichung - dies wird unter Punkt 9 zu zeigen sein 117 - ist aber deshalb nicht sinnlos. Vielmehr läßt sie sich in einem Prozeßwesen, das mehr und mehr in einzelne Verfahrensschritte aufgeteilt ist und dessen Einzelelemente sich zunehmend durch schriftliche Beauftragungen legitimieren, gut als zusätzliches, die Legitimation der Beauftragten steigerndes Modul einbauen. Es sei daran erinnert, daß es das Ziel der Arbeit ist, über die konkret verwendeten Titulaturen in der Sentenz die Legitimationsstrukturen des kommunalen Gerichtsurteils nachzuzeichnen, wie sie sich in den Sentenzen ablesen lassen. Bei der herausragenden Stellung, die der Titel notarius mehr und mehr in der Subscriptio einzunehmen beginnt, ist hier jedoch über den selbst gesetzten Rahmen hinauszugehen und etwas stärker der normative Hintergrund auszuleuchten. Obwohl angesichts des oben bereits erwähnten Privilegs aus dem Jahre 1185, in dem der Kaiser den Mailändern omnia regalia, que imperium habet in archiepiscopatu 118 zubilligt, Zweifel aufgekommen sind, ob hierzu nicht auch die Befugnis der Notarsernennung zu rechnen ist, hat die lombardische Metropole - anders als etwa Genua 119 - dieses Recht wohl nie besessen 120 . Sicherlich aber ist es auch der Kommune Mailand 121 wie vielen anderen Städten Norditaliens gelungen, in der einen oder anderen Form auf das Notariat insgesamt wie auf die so wichtige Notarszunft Einfluß zu nehmen 122 . Für Bologna ist gezeigt worden, wie die Autorisation des Notars durch den Kaiser oder Pfalzgrafen mehr und mehr an Bedeutung verliert und statt dessen die Approbation durch die Zunft und die Kommune ein zuneh- 116 Die Beobachtung macht bereits M ANARESI , Introduzione, S. CXIV; vgl. ACM, Nr. 200, 19. November 1197; Nr. 239, 31. Dezember 1201 (keine Sentenz) und Nr. 319, 31. Dezember 1208. 117 Vgl. Kapitel 10 ‚Zur Funktion der Schrift in einem sich selbst legitimierenden Verfahren‘, S. 101ff. 118 ACM, Nr. 148, auch in: F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 4, S. 195, Nr. 155. 119 Zu Genua, das 1220 von Friedrich II. ausdrücklich ein Privileg zur Notarsernennung erhalten hat, vgl. C OSTAMAGNA , Dalla «charta» all’«instrumentum», S. 18ff. 120 L IVA , Notariato e documento notarile, S. 82f., glaubt nicht, daß Mailand die potestas facere notarios besaß. Unentschieden dagegen B ARONI , Il notaio milanese, S. 9f.; dazu P IACITELLI , Notariato a Milano nel XII secolo, S. 975ff., mit weiterer Literatur. 121 Genauere Regelungen sind für Mailand nicht bekannt. Parallelen zu anderen Städten zieht bereits L IVA , Notariato e documento notarile, S. 72. 122 Zum immer wieder thematisierten Verhältnis von Kommune und Notariat vgl. für Mailand: L IVA , Notariato e documento notarile, S. 70ff.; F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano, S. 551; B ARONI , Il notaio milanese, S. 5ff.; allgemein: C OSTAMAGNA , Il notaio a Genova, S. 123ff. S CHWARZ , Das Notariat in Bologna im 13. Jahrhundert, in, S. 49-92, S. 50f.; F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 99ff.; T AMBA , Teoria e pratica della „commissione notarile“ a Bologna, S. 5ff., S. 11ff. mit weiterer Literatur. Einen leichten Zugang zu dem komplexen Thema verschafft T RUSEN , Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats, S. 369- 381. Einen Überblick aus rechtsgeschichtlicher Perspektive gibt W OLF , Das öffentliche Notariat, S. 505-514. 55 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger mend stärkeres Gewicht bekommt 123 . Wichtig für unsere Argumentation ist, daß der Titel notarius im 13. Jahrhundert nicht mehr allein auf die Ernennung durch eine Zentralgewalt verweist, sondern zugleich und vermehrt auch auf eine wie auch immer geartete ‚Zulassung‘, an der die Stadt wie die berufsständische Organisation ihren Anteil haben. Es ist nun interessant zu sehen, daß - trotz der großen Sensibilität für Titulaturen - die Notare zunehmend weniger auf irgendeine Art von Berechtigung oder Ernennung anspielen. Insbesondere nach 1247 weist sich der Schreiber oder Subskribent mit der einfachen Bezeichnung notarius lediglich als Inhaber eines bestimmten Berufes und - da notwendigerweise in einer Zunft organisiert - als Mitglied einer speziellen Gruppe aus; er unterläßt jedoch weitgehend jeden Hinweis auf die Ermächtigung durch einen Pfalzgrafen oder eine Approbation, sei es von seiten der Kommune oder der Standesorganisation. Nach dem Selbstverständnis des Schreibers und nach der Auffassung seiner Zeitgenossen war dies jetzt offenbar ausreichend. 7.3 Amtsträgerbezeichnungen in Protokoll und Kontext der Sentenz Im folgenden gilt es, die 648 im Urkundentext der Sentenz - also unter Ausschluß des Eschatokolls - genannten Amtsbezeichnungen zu untersuchen. Insgesamt lassen sie sich für unsere Fragestellung in nur fünf Kategorien gliedern. Unter der Bezeichnung officium werden ähnlich wie in den vorausgegangenen Tabellen jene Termini zusammengefaßt, die ein fest eingerichtetes kommunales Amt bezeichnen. Davon geschieden werden müssen die delegati, die bereits bei der Analyse der Unterschriften gesondert ausgewiesen wurden, und die iurisperiti, da beide Gruppen jeweils nur für den konkreten Fall und ad hoc von den den Prozeß leitenden Amtsträgern beauftragt werden, am Verfahren mitzuwirken. Damit sind sie keine kommunalen Amtsträger im engeren Sinne. Im Gegensatz zur Subscriptio machte man in Protokoll und Kontext schon zu Beginn des Beobachtungszeitraums durch die Titulatur kenntlich, daß man als Vertreter der Kommune an einem städtischen Gerichtsverfahren mitwirkte. Anders als oben geschehen, ist es bei den vorliegenden Zahlen kaum zu rechtfertigen, für diesen Teil der Urkunde den Terminus iudex noch als ‚Kernbezeichnung‘ zu deklarieren, auch wenn er dem consul und dem assessor potestatis meist vorangestellt wird. Aber auch dieses schon in den ersten beiden Phasen bis 1185 nie isoliert auftretende und zahlenmäßig schwach repräsentierte Element selbst, das als Hin- 123 S CHWARZ , Das Notariat in Bologna im 13. Jahrhundert, S. 79ff. 56 7.3 Amtsträgerbezeichnungen in Protokoll und Kontext Tabelle 4: Selbstbezeichnung der in Protokoll und Kontext genannten Amtsträger (252 Sentenzen) Nr. Titulator Phase 1 1140- 1175 Phase 2 1176- 1185 Phase 3 1186- 1210 Phase 4 1221- 1247 Phase 5 1248- 1276 Gesamt 4.1 officium 71,0% 130 70, 0% 42 76, 2% 138 64, 7% 79 15, 7% 16 62, 5% 405 4.2 iudex et officium 29, 0% 53 30, 0% 18 19, 9% 36 4, 1% 5 18, 6% 19 20, 2% 131 4.3 iudex et delegatus - - 2, 2% 4 0, 8% 1 1, 0% 1 0, 9% 6 4.4 delegatus - - 1, 6% 3 15, 6% 19 7, 8% 8 4, 6% 30 4.5 iurisperitus - - - 14, 7% 18 56, 9% 58 11, 7% 76 Gesamt 183 60 181 122 102 648 weis auf eine königliche- oder kaiserliche Ernennung verstanden werden muß 124 , ist in Phase 3 schon seltener und in Phase 4 (1211 bis 1247) fast gar nicht mehr präsent. Daß dieses Phänomen nicht allein auf die consules (s. iudex et officium, Nr. 4.2) beschränkt ist, zeigt sich für die beiden letztgenannten Intervalle - wenn auch weniger repräsentativ - an der parallelen Entwicklung der iudex et delegatus- Bezeichnungen (Nr. 4.3). Dies bedeutet zugleich, daß zwischen 1211 und 1247 95% der in Protokoll und Kontext Genannten ausschließlich ein direkt oder indirekt mit der Kommune konnotierter Titel beigegeben wird. Aber damit ist lediglich ein Merkmal benannt, mit dem sich die vierte Periode von den voraufgehenden abheben läßt. Die delegati und iurisperiti, jene Funktionsträger, von denen lediglich die erstgenannten bereits in der dritten Phase mit wenigen Nennungen auftreten 125 , stellen jetzt mit 31% (Nr. 4.3 bis 4.5) eine beachtenswerte Gruppe unter den am Prozeßgeschehen Beteiligten dar. Nimmt man den folgenden Zeitraum in den Blick, wird man dies nur für den Auftakt einer Entwicklung halten müssen, die nach 1247 zu voller Blüte treibt. Nun, im fünften und letzten Zeitintervall, sind 65,7% (Nr. 4.3 bis 4.5) des ‚Personals der Sentenz‘ 124 Zumindest in der Subscriptio treten die Richter fast immer zugleich als missi auf; allgemein dazu: F RIED , Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, S. 24ff.; F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, S. 160ff. 125 Die erste aus Mailand überlieferte Sentenz von Richtern, die von kommunalen Amtsträgern delegiert wurden, datiert auf den 20. April 1200 (ACM, Nr. 228). 57 7 Selbstbezeichnung der Amtsträger Funktionsträger, die erst im konkreten Verfahren zur Urteilsfindung bestellt werden. Sie haben damit die Vertreter der Ämter, die direkt von der Kommune mit der Durchführung von Zivilprozessen betraut sind, in den Hintergrund gedrängt. Die massive Hinzuziehung insbesondere der iurisperiti zum Verfahren ist denn auch der Grund, warum in der fünften Phase entgegen der bis 1247 zu verzeichnenden Tendenz keine weitere Ab-, sondern eine Zunahme der in der Sentenz namentlich erwähnten Personen feststellbar ist (vgl. Grafik 3). Für die in Protokoll und Kontext genannten Titulaturen ließ sich eine erstaunliche Homogenität der Bezeichnungen für die ersten drei Phasen feststellen. Nach 1211 und erneut nach 1247 erfolgte dagegen ein starker Wandel in den Amts- und Funktionsträgerbezeichnungen. Insonderheit treten nach der hier gewählten, funktional orientierten Klassifizierung jetzt neue Benennungen hinzu, die im Eschatokoll nicht oder zumindest nicht in dieser Dichte nachweisbar waren. Die consules und assessores als für die Dauer eines Jahres von der Kommune bestellte Amtsträger geraten jetzt gegenüber den durch sie für das Verfahren bestimmten delegati und iurisperiti in eine Minderheitenposition. Daß der Wandel in der Personalstruktur mit starken Änderungen im kommunalen Zivilgerichtsverfahren selbst einhergeht, ist jetzt keine bloße Vermutung mehr. Wenn Veränderungen im Aufbau des Prozesses schon allein in dem soeben untersuchten Teil der Urkunde für das letzte Zeitintervall nach 1247 besonders deutlich hervortreten, wird eine Zusammenschau der bisherigen Einzelbeobachtungen zeigen, daß dies nicht die einzige Phase ist, für die sich grundlegende strukturelle Änderungen im Prozeßwesen der Stadt Mailand feststellen lassen. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß bei der getrennten Untersuchung der in den Sentenzen genannten Amtsträger und der ihnen beigefügten Titulaturen gravierende Differenzen sowohl hinsichtlich der absoluten Zahl der genannten Personen wie auch hinsichtlich der in ihnen zu findenden Amtsträgerbezeichnungen hervortraten. Diese Unterschiede konnten einmal im diachronen Vergleich herausgearbeitet werden und traten zum anderen in der Gegenüberstellung der einzelnen Teile der Urkunde zutage. Damit wird das hohe Maß an Sensibilität deutlich, das der Verwendung von Amts- und Funktionsträgerbezeichnungen in den kommunalen Gerichtsdokumenten zugrunde lag. Zugleich zeigt sich, daß die verschiedenen Komponenten der Sentenz bezüglich der Titulaturen nach jeweils eigenen Regeln funktionierten, die während der 136 Jahre des Untersuchungszeitraums wiederum jeweils eigenen spezifischen Veränderungen unterworfen waren. 58 8 Legitimationsstrategien der Gerichte und ihre Beziehung zu den sich wandelnden politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen Das differenzierte Aufrufen verschiedener Termini erlaubte es dem kommunalen Gericht, unterschiedliche und zudem oft miteinander konkurrierende Institutionen für die Sentenz zu mobilisieren und so letztlich für die Akzeptanz und Legitimierung seiner Urteile dienstbar zu machen. Dabei zeigen die Vielzahl an benutzten Betitelungen und die Variationsbreite des Ein- oder Ausschlusses von Bezeichnungen während bestimmter Phasen und für spezifische Bereiche der Urkunde, daß hierdurch nicht in erster Linie eine in engerem Sinne juristische Legitimation des Urteils angestrebt wurde. Wesentlich ging es vielmehr darum, die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidung und die Anerkennung des Gerichts selbst sowohl durch die vom Urteil unmittelbar Betroffenen wie auch durch das gesellschaftliche Umfeld insgesamt sicherzustellen. Man versuchte, dies einerseits durch eine Rückbindung des Gerichts an weitgehend unumstrittene Institutionen herzustellen, andererseits aber - angesichts des zunehmenden Fehlens solcher Institutionen - ein höheres Maß an Autonomie und Unabhängigkeit zu signalisieren. Ersteres stand vornehmlich in den ersten Phasen im Zentrum des Bemühens, während die Betonung der Autonomie und Unabhängigkeit des Gerichts insbesondere in den letzten Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums hervortrat. Im folgenden wird es nun darum zu tun sein, die gemachten Beobachtungen in den historischen Kontext einzuordnen. Denn wie bereits aus dem knappen Abriß zu Beginn der Arbeit deutlich wurde, war das engere und weitere Umfeld, in dem das kommunale Gericht seiner Arbeit nachgehen mußte, starken Änderungen unterworfen. Zu fragen ist nun, inwieweit sich die aufgezeigten Umgestaltungen in der Sentenz konkret mit den veränderten politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpfen lassen. Unverzichtbare Richtschnur bilden hier die aufgrund der quantitativen Analyse gefundene Periodisierung einerseits und die Interpretation der jeweils dominant hervortretenden Titulaturen andererseits. Dabei wird sich herausstellen - soviel sei vorweggenommen -, daß die Amtsträgerbezeichnungen im Laufe der Zeit immer weniger auf außerhalb des Justizwesens anzusiedelnde Gewalten oder Institutionen verweisen, sondern sich mehr und mehr auf die Binnenstruktur des immer komplexer werdenden Verfahrens selbst bezie- 59 8 Legitimationsstrategien der Gerichte hen. Es ist daher notwendig, diese Struktur selbst in den Blick zu nehmen und zu fragen, welche Bedeutung ihr vor dem Hintergrund eines sich verändernden historischen Umfeldes zukommt. 8.1 ‚Außenlegitimation‘: Kaiser und Kommune als äußere Stützen des Gerichts Es würde wesentlich zu kurz greifen, wollte man die im ersten Intervall von 1140- 1175 zu beobachtende konsequente Verwendung des consul-Begriffs in Protokoll und Kontext und seine ebenso konsequente Vermeidung in der Subscriptio - obwohl an beiden Stellen oft genug die gleichen Namen auftauchen 126 - einseitig mit Blick auf die unterzeichnenden iudices als Rücksichtnahme auf die herrscherliche iurisdictio des Kaisers interpretieren, mit der so einer Anfechtung des Urteils begegnet werden sollte 127 . Der Spielraum war, wie die Gestaltung dieses Teils des Eschatokolls schon in der zweiten, von 1176 bis 1185 reichenden Phase zeigt, wesentlich weiter gesteckt, und eine Erwähnung des Konsulatsamtes als Teil der Unterschrift neben dem iudex-Titel hätte die Gültigkeit des Urteils sicherlich nicht in Frage gestellt. Es scheint vielmehr, daß sich gerade in dem differenzierten Aufrufen verschiedener Amtsträgerbezeichnungen an unterschiedlichen Stellen des Dokuments das Selbstverständnis des Gerichts während dieser ersten Jahre manifestiert: Einerseits zeigt die starke Betonung der kommunalen Betitelungen in dem Teil der Sentenz, in dem der Streitfall geschildert und das Urteil verkündet wird, daß in der Praxis die Kommune die Trägerin des Verfahrens war. Andererseits gelang es, den Gerichtsentscheid über die in der Subscriptio benutzten Titulatu- 126 Allein in 19 Fällen bezeichnet sich jemand in Protokoll oder Kontext a u s s c h l i e ß l i c h als consul, im Eschatokoll der gleichen Sentenz aber als iudex oder iudex ac missus, so schon Stephanus am 8. Dezember 1141, aber auch Azo Ciceranus und Ubertus de Orto (ACM, app. Nr. 1, 13. Mai 1147, letzterer auch noch in ACM, Nr. 21, 3. Juni 1150) und weitere. Das Phänomen taucht letztmalig am 3. Juni 1178 auf (ACM, Nr. 116, Gregorius Caginarcha wird im Text als consul, in der Subscriptio als iudex bezeichnet). Hierzu bereits M ANARESI , Introduzione, S. XXXIV; dazu auch C LASSEN , Richterstand und Rechtswissenschaft, S. 46, Anm. 1.; P ADOA S CHIOPPA , Aspetti della giustizia Milanese, S. 514. Zwar wird in der ersten Phase oft wenigstens einer der im Urkundentext genannten Konsuln auch als iudex angesprochen, dieser ist jedoch in der Regel nur Beisitzer, nicht Leiter des Verfahrens. Ein gänzliches Fehlen des Richtertitels in Protokoll und Kontext läßt sich in ACM, Nr. 11, 25. Juni 1145; Nr. 27, 14. April 1153; Nr. 28, 10 Juni 1153; Nr. 31, 13. Oktober 1154; Nr. 33, 29. Juni 1155; Nr. 92, 12. Juli 1174 und öfter feststellen. Zu dem unterschiedlichen Titelgebrauch in Text und Unterschriftenzeile allgemein vgl. F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano, S. 586, der darauf verweist, daß der iudex-Titel als Hinweis auf eine kaiserliche Ernennung vornehmlich eine korroborative Funktion hat. 127 So interpretiert M ANARESI , Introduzione, S. XXXIV; auch R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 92; anders F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano, S. 586. 60 8.1 ‚Außenlegitimation‘ ren in den übergeordneten juristischen und gesellschaftlichen Kontext einzubinden. Denn so wenig wie sich Mailand aus dem Gesamtgefüge der mittelalterlichen Herrschaft herauslösen und Republik werden wollte 128 , so wenig strebten auch die Gerichte danach, den Kaiser als obersten Gerichtsherrn, vor allem aber als legitmierende Institution, auf die sich zur Stützung der eigenen Stellung verweisen ließ, aus dem Verfahren herauszudrängen oder gar auszuschließen. Damit ist die Sentenz am Beginn der Entwicklung, die hier weiterverfolgt werden soll, das Spiegelbild eines Gerichtswesens, das die beiden Pole ‚Kommune‘ und ‚Kaiser‘ nicht nur zu integrieren wußte, sondern dies auch wollte. Hierfür war ein nur gering ausdifferenziertes System von Titulaturen erforderlich. Sowohl Schreiber (Tabelle 2, Nr. 2.1) wie Unterzeichner (Tabelle 3, Nr. 3.1) nennen sich fast ausschließlich iudex, der Bezug zur Kommune wird in den übrigen Teilen der Urkunde durch den consul-Terminus hergestellt. Eine Verknüpfung bestimmter, enger umrissener Funktionen mit bestimmten Bezeichnungen läßt sich über das soeben Gesagte hinaus nicht herstellen. Die im Vergleich zur Folgezeit sehr homogene und konstante Verteilung der wenigen verschiedenen Titulaturen im ersten Intervall mag als Indiz dafür gelten, daß diese Art der Doppellegitimation als weitgehend ausgewogen und im Gleichgewicht befindlich zu betrachten ist. Diese Art der Komposition von Amtsbezeichnungen in den Mailänder Sentenzen formte sich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus 129 . Um 1140, zu Beginn unserer ersten Phase, hatten sich also bereits die Grundzüge eines kommunalen Verfahrens mit einer entsprechend ausgestalteten Verschriftlichung des Urteils etabliert, ohne daß die Entwicklung damit abgeschlossen gewesen wäre 130 . Es ist dies zugleich die Zeitspanne, in der die Könige und Kaiser in Italien nur wenig Präsenz zeigten und die Mailänder sehr eigenständig ihre kommunalen Angelegenheiten organisieren konnten, ohne dadurch in einen grundsatzlichen Konflikt mit dem Kaiser zu geraten. Mit der Herrschaft Barbarossas trat - wie oben bereits erwähnt - ein grundlegender Wandel ein 131 . Sein Bestreben, dem ‚alten Recht‘ des Kaisers in Italien gerade auch gegen Mailand wieder Geltung zu verschaffen, führte zu jenen bekannten, mehrere Jahrzehnte währenden Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Mailand einmal gänzlich zerstört wurde und der Kaiser beinahe sein Leben eingebüßt hätte. Für unsere Frage sind die politischen und ereignisge- 128 K ELLER , ‚Kommune‘, S. 582. 129 Leider sind aus den 1120er Jahren keine kommunalen Sentenzen überliefert. Die ersten aus den 1130er Jahren überlieferten Urteile weisen aber schon jene soeben vorgestellte Verteilung der Amtsbezeichnungen auf, während die Urkunde aus dem Jahre 1117 noch ganz anders konstruiert ist; vgl. ACM, Nr. 1, 3 und 4; dazu R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 91ff. 130 R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 91ff.; P ADOA S CHIOPPA , Aspetti della giustizia Milanese, S. 516f.; K ELLER , Gli inizi del commune, S. 48ff.; D ERS ., Institutionalisierung. 131 Hierzu die bereits in Kapitel 3 ‚Kurzer historischer Überblick‘, S. 15ff., in den Anm. 10ff. wiedergegebene Literatur. 61 8 Legitimationsstrategien der Gerichte schichtlichen Vorgänge insofern von Interesse, als mit ihnen zugleich Änderungen in dem gesellschaftlichen Umfeld angezeigt werden, in das die Stadt Mailand und im Gefolge auch ihre Gerichte eingebunden waren. Hervorzuheben ist, daß es aus der Sicht der Kommune ‚neue‘ und damit unberechtigte Forderungen waren, mit denen Barbarossa sie konfrontierte 132 . Zwar war das Verhältnis zwischen Mailand und Barbarossas Vorgängern nicht konfliktfrei, dennoch konnte wohl niemand in der lombardischen Metropole ahnen, daß sich aus der Art und Weise, wie die Stadt seit Jahren das Umland dominierte und ihre innerkommunalen Angelegenheiten vorwiegend eigenständig organisierte, ein prinzipeller und fundamentaler Widerspruch zum Herrscher ergeben würde bzw. längst ergeben hatte 133 . Daher die Überraschung, als Barbarossa die angebotenen hohen Summen zurückwies 134 und anders als seine Vorgänger weiterhin auf seine kaiserlichen Rechte pochte. Wenn aber die Kommune zumindest bis in die 1150er Jahre hinein davon ausging, in ihrem Handeln nicht grundsätzlich im Widerspruch zur anerkannten Ordnung und zum Herrscher zu stehen, ist es naheliegend, diesen gesellschaftlichen Faktor von hohem Prestige für die Akzeptanz der Urteile des Kommunalgerichts mit in Anspruch zu nehmen. So gesehen war der Verweis auf eine kaiserliche Ernennung ihrer Richter für die Mailänder Justiz keine Konzession an eine ungeliebte Macht, sondern ein Gewinn für die Legitimität und Durchsetzungskraft ihrer Gerichte. Die radikale Umsetzung der 1158 in Roncaglia formulierten kaiserlichen Ansprüche durch zwei der kompromisslosesten Vertreter des Kaisers in Mailand, das Aufbegehren der Stadt und schließlich ihre Zerstörung 1162 dürften der Kommune die Illusion einer Einvernehmlichkeit oder eines begrenzten Konfliktes genommen haben. Es ist interessant zu sehen, welchen Niederschlag dieser Konflikt in den Sentenzen fand: Zwar verschwand während der Zeit der Auseinandersetzung der Kaisername aus der Subscriptio 135 , aber über lange Zeit hielt man weiterhin an 132 K ELLER , Institutionalisierung. 133 Erst in der Auseinandersetzungen zwischen den Kommunen und der kaiserlichen Gewalt wurde den Zeitgenossen bewußt, daß „die neue kommunale Ordnung und die intensiveren Formen monarchischer Staatsgewalt, welche die Herrscher durchzusetzen versuchten, widerstreitende, wenn auch nicht sich von vornherein ausschließende Prinzipien waren‘, denn die Kommune „. . . wurde nicht gegen eine vom Königtum abgeleitete, hierarchisch geordnete Organisation der Gesellschaft errichtet, sondern trat . . . gewissermaßen substitutiv neben sie, weil eine wirksame Herrschaftsgewalt ausfiel, ohne daß das Verhältnis beider Organisationsformen zunächst eine theoretische Klärung gefunden hätte,“ K ELLER , ‚Kommune‘, S. 582 und 584. 134 Brief Friedrich I. an Otto von Freising, Ottonis episcopi Frisingensis, hg. von S CHMALE , S. 84. 135 Ardericus bezeichnet sich am 19. Oktober 1156 (ACM, Nr. 39) als letzter für lange Zeit alsiudex ac missus domni Frederici imperatoris; erst nach dem Frieden von Konstanz taucht 1184 der Name Friedrich wieder in der Subscriptio eines kommunalen Dokumentes, einer Verkaufsurkunde, auf (ACM, Nr. 146, 24. Dezember 1184); vgl. hierzu M ANARESI , Introduzione, S. CXIV, Anm. 1. In einer Sentenz ist der Kaisername erstmals ein Jahr später belegt: Ugo qui dicor de Castegnianega sacri palatii notarius ac missus domni Frederici imperatoris scripsi; vorangestellt sind (wie in 62 8.1 ‚Außenlegitimation‘ dem auf eine königlich-kaiserliche Ernennung zurückgehenden iudex-Titel fest 136 , ohne ihm zunächst die Konsul-Bezeichnung beizustellen 137 . Letzteres hätte wohl einen zu tiefen Einschnitt in die Legitimationsstruktur bedeutet, als daß man gleich beim ersten Auftreten des Konflikts eine Änderung hätte vornehmen können. Denn eine sofortige, tiefgreifende Umgestaltung der Legitimationsmittel aufgrund einer aktuell geänderten politischen Konstellation hätte die an jedes Gericht gestellte Erwartung, möglichst zeitlos und unabhängig von den konkreten Umständen zu urteilen, enttäuscht 138 . Die Steigerung der Akzeptanz, die mit einem Aufrufen bestimmter Amtsträgerbezeichnungen erreicht werden sollte, wäre durch einen zu schnellen Verzicht auf alte und ein zu rasches Aufgreifen neuer, noch nicht etablierter Titulaturen konterkariert worden. Schon aus dieser Überlegung heraus ist es nicht verwunderlich, daß es erst in der zweiten Phase, fast zwei Jahrzehnte nach Beginn des Konflikts mit Friedrich I., erstmalig in der Subscriptio der Sentenz zu einer Erwähnung der consul-Bezeichnung und damit zugleich zu einer Zurückdrängung des iudex-Titels kam (Tabelle 3, Nr. 3.1 bis 3.3) 139 . Aber es tritt noch etwas zweites hinzu: Man wird hierin zugleich einen Ausdruck wachsenden kommunalen Selbstbewußtseins sehen können, der sich nicht zuletzt auf militärische Erfolge stützen konnte, andererseits aber auch einen Hinweis darauf - und dieser Aspekt ist zu betonen -, daß gerade durch die Erfolge in der Auseinandersetzung mit der Zentralgewalt die Stadt auch für grundsätzliche gesellschaftliche Angelegenheiten mehr und mehr auf sich selbst gestellt war 140 . dieser Phase üblich) die Unterschriften von fünf Amtsträgern, von denen sich einer schlicht als iudex, drei als consul und einer als reipublice consul bezeichnet: Ego Heriprandus qui dicor Iudex reipublice consul subscripsi; ACM, Nr. 149, 23. Dezember 1185. 136 Zu den ‚städtischen Königsrichtern‘ der älteren Zeit F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, S. 20ff. Zur Entwicklung während des 12. Jahrhunderts ebd., S. 160ff.; F RIED , Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, S. 24ff.; für Mailand P ADOA S CHIOPPA , Aspetti della giustizia Milanese, S. 512ff.; M ANARESI , Introduzione, S. CXIII. 137 Vgl. M ANARESI , Introduzione, S. CXIII. 138 Wie wichtig es für die Justiz ist, eben nicht gleich jede Änderung im gesellschaftlich-politischen Umfeld aufzugreifen und in das Gerichtswesen hineinzunehmen, um glaubwürdig zu bleiben, betont L UHMANN , Legitimation durch Verfahren, S. 145ff.; und D ERS ., Das Recht der Gesellschaft, S. 124ff. Vgl. dazu S IMON , Rückerts Frage. Rezension zu Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 36-47 sowie G ÜNTHER , Vom Zeitkern des Rechts, zu: Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 13-35, S. 17ff. 139 Die Bezeichnung consul findet sich erstmals am 7. Juni 1177 (ACM, Nr. 108) - neben zwei sich als iudices bezeichnenden Subskribenten und zwei weiteren, die lediglich ihren Namen nennen - in einer Subscriptio: Ego Johannes causidicus et consul subscripsi. Noch am 27. Mai des gleichen Jahres bezeichnet sich Johannes lediglich als causidicus (ACM Nr. 107). 140 Nach der von Friedrich verlorenen Schlacht von Legnano 1176 mußte er 1177 im Waffenstillstand von Venedig den verbündeten lombardischen Städten zusichern, auf sechs Jahre niemanden, clericum vel laicum, dazu bewegen zu wollen, iurare sibi fidelitatem. Weiter ließ er sich darauf festlegen, daß er nec sententiam dabit nec faciet dari in aliquem predicte societatis [gemeint ist 63 8 Legitimationsstrategien der Gerichte Das Verwiesensein auf sich selbst und die hieraus resultierende Notwendigkeit, innerhalb des städtischen Mikrokosmos eigene Legitimationsmechanismen aufzubauen, weil die durch das Reich bereitgestellten zwangsläufig an Gültigkeit verloren, sollten sich in der Folgezeit weiter verstärken 141 . Denn gravierender noch als der Konflikt mit Friedrich I. hat seine Beilegung dazu beigetragen, die Kommune aus dem Gefüge der gültigen monarchischen Ordnung wenn auch nicht zu lösen, so doch stark heraustreten zu lassen. So hat man den 1183 zwischen Barbarossa und den norditalienischen Städten geschlossenen Frieden von Konstanz nicht von ungefähr als ‚magna carta libertatum‘ der italienischen Kommunen bezeichnet 142 ; zwei Jahre später wurden den Mailändern vom gleichen Kaiser, wie bereits zitiert, omnia egalia, que imperium habet in archiepiscopatu, eingeräumt 143 . Die Kehrseite der hier gewonnenen Spielräume und Freiheiten, dieser mit dem Begriff ‚magna carta‘ angedeuteten neuen ‚Verfassungs‘-Wirklichkeit, war aber, daß dem austarierten, auf den beiden Säulen ‚Kaiser‘ und ‚Kommune‘ basierenden System juristischer und gesellschaftlicher Legitimation nun die Grundlage entzogen war 144 . Die weitere Akzentuierung kommunaler Amtsträgerschaft in der Urkunde erscheint daher als eine wenn auch sich langsam einstellende, so doch fast der lombardische Städtebund] pro fidelitate et servitio sibi non exhibito vel investitura sibi non petita infra predictum tempus treugue; zitiert nach ACM, Nr. 110, 21. Juli 1177. Mag hiermit implizit der Raum für das Agieren der Kommune in ihren eigenen Angelegenheiten erweitert worden sein, so zeigt die Tatsache, daß bereits vor dem Waffenstillstand erstmalig der Konsultitel in einer Subscriptio auftaucht (ACM, Nr. 108, 7. Juni 1177), daß keinesfalls eine Unmittelbarkeit von normativ-ereignisgeschichtlichen Vorgängen und den Veränderungen in den Sentenzen herzustellen ist. 141 Symptomatisch scheint, daß etwa um 1150 eine ‚kommunale Geschichtsschreibung‘ einsetzt, die neben propagandistischen Zügen auch starke Elemente einer ‚Selbstvergewisserung‘ enthält; vgl. B USCH , Die Mailänder Geschichtsschreibung, S. 51ff. 142 “Mit dem Frieden von Konstanz wurde die privilegierte Rechtsstellung der Städte in Oberitalien so stark ausgebreitet, daß sie für die kaiserliche Politik in Reichsitalien normenbildend wirkte. Unter diesem Aspekt kann der Konstanzer Friede durchaus als »magna carta libertatum« der »civitates« in Reichsitalien charakterisiert werden. Diese Wertung ist freilich nur in der Wirkung des Konstanzer Friedens, nicht aber in der Absicht des Lombardenbundes oder des Kaisers begründbar“, H AVERKAMP , Konstanzer Friede, S. 42. Einen Zusammenhang zwischen dem Frieden von Konstanz und der nun breit einsetzenden Statutengesetzgebung vermutet K ELLER , Kodifizierung, S. 166. Verbindungslinien zu einem um 1200 einsetzenden Verwaltungsausbau in Mailand zieht B ARONI , Registrazione, S. 53; DIES ., Il notaio milanese, S. 9. 143 ACM, Nr. 148, 11. Februar 1185, auch in: F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 4, S. 195 Nr. 155.; hierzu auch B ARONI , Il notaio milanese, S. 9f. 144 Interessant ist hier die im Umfeld des Konstanzer Friedens zwischen Barbarossa und den Vertretern der lombardischen Städte geführte Diskussion um die Appellationsgerichtsbarkeit; de iure kann der Kaiser selbst nach seinem Gutdünken Berufungsrichter bestellen, aber de facto wählt er zumeist wichtige Persönlichkeiten der Stadt. In der Praxis finden sich in der Folgezeit gerade in Mailand kaum Spuren von Aktivitäten dieser unmittelbarsten imperialen Gerichtsbarkeit; B ISCARO , Gli appelli ai giudici imperiali, S. 213-248. 64 8.1 ‚Außenlegitimation‘ zwingende Folge dieser politisch-gesellschaftlichen Entwicklung. Ist für die Zeit zwischen 1186 bis 1210 (Phase 3) bereits ein Vordringen der ein städtisches Amt nennenden Titulaturen in Protokoll und Kontext sowie bei der Selbstbezeichnung der Subskribenten feststellbar 145 , so weisen im vierten Zeitintervall (1211-1247) erstmals auch die Schreiber der Sentenzen auf ihre kommunale Amtsträgerschaft hin 146 . Zusammen mit den jetzt auch in allen Unterschriften genannten officium- Bezeichnungen 147 und dem nun fast völligen Fehlen des iudex-Titels in den übrigen Teilen der Urkunde 148 zeigt sich für die Jahre 1211 bis 1247 eine äußerst enge Verknüpfung zwischen der Kommune und ihren Gerichten, wie sie sich weder in den voraufgehenden noch in den folgenden Jahren in dieser Intensität nachweisen läßt. In diesem vierten Intervall war die Stadt nicht nur für die pragmatische Durchführung des Verfahrens zuständig; der kommunalen Gemeinschaft fiel nun auch die Aufgabe zu, die Gerichtsentscheidung und ihre schriftliche Niederlegung fast vollständig allein und weitgehend ohne Rückbindungsmöglichkeit in andere, übergeordnete Kontexte zu autorisieren und zu legitimieren. Von seinem Selbstverständnis her ist das Gerichtsurteil als von der städtischen Gemeinschaft legitimiertes Dokument in diesem Zeitraum am deutlichsten faßbar; hier ist der Terminus ‚kommunale Sentenz‘ am angemessensten. Man würde aber fehlgehen, nähme man an, ein einfaches Auswechseln der Titulaturen habe bereits ausgereicht, das durch den politisch-gesellschaftlichen Wandel verursachte Legitimationsproblem des Gerichts zu lösen. Die Legitimität des Königsrichters konnte sich auf eine lange geschichtliche Tradition und auf die Beauftragung durch einen sich auf Gott berufenden Herrscher stützen 149 . Der Justizkonsul hingegen bezog sich auf eine gerade wenige Jahrzehnte junge (wenn auch z. T. ebenfalls religiös fundierte 150 ) städtische Gemeinschaft, die zudem mit dem Wegfall der äußeren Bedrohung in den Jahrzehnten um 1200 in eine erste, schwere Krise geriet 151 . Ein allein durch die Kommune konstitutiertes Gericht wird in einer mittelalterlichen Gesellschaft ein sowohl durch die städtische Gemeinschaft wie durch den Kaiser gestütztes Verfahren - wie es bis in die 1170er Jahre hinein vorherrschend war - nicht ohne weiteres ersetzt haben können; der Begriff consul, auf sich allein gestellt, war zu schwach, um einen vollwertigen Ersatz für den Ter- 145 Vgl. Tabelle 3, Nr. 3.2 und 3.3 und Tabelle 4, Nr. 4.1. 146 Vgl. Tabelle 2, Nr. 2.2 und 2.5 bis 2.7, insgesamt 30,1%. 147 Vgl. Tabelle 3, Nr. 3.2, 3.3 und 3.6. 148 Vgl. Tabelle 4, Nr. 4.2. 149 Zur Ernennung der iudices durch den Kaiser und vgl. F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, S. 20ff. und S. 160ff.; F RIED , Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, S. 24ff. Für die Verhältnisse in Mailand P ADOA S CHIOPPA , Aspetti della giustizia Milanese, S. 512ff. 150 K ELLER , ‚Kommune‘, S. 585ff. und 614f. 151 Diese Verbindung zieht M ENANT , La transformation, S. 113ff. 65 8 Legitimationsstrategien der Gerichte minus iudex und die mit ihm aufgerufenen gesellschaftlichen Legitimationsstränge darstellen zu können. 8.2 ‚Binnenlegitimation‘: Die fortschreitende Zergliederung des Verfahrens 8.2.1 Die Aufteilung des Konsulats Ist davon auszugehen, daß die alleinige kommunale Legitimation - nicht zuletzt aufgrund der wachsenden Zerrissenheit der städtischen Gemeinschaft selbst - keinen vollständigen Ersatz für die zuvor verwendete Doppellegitimation durch Herrscher und Stadt bieten konnte, ist zu fragen, welche Wege beschritten wurden, um dennoch die Akzeptanz der Gerichte herstellen zu können. Hier wird nun die Verortung des Gerichtswesens innerhalb der städtischen Administration, vor allem aber die Umgestaltung des Zivilprozesses selbst in den Blick zu nehmen sein, denn beide Phänomene verlaufen nicht nur zeitlich parallel zu den Änderungen in der Anzahl der genannten Amtsträger und den verwandten Titulaturen, sie lassen sich auch inhaltlich damit verknüpfen. Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ging man mehr und mehr dazu über, die Verwaltung und insbesondere das Justizwesen so umzuorganisieren, daß immer kleinere Aufgabenbereiche bestimmten Amtsträgern oder Berufsgruppen übertragen wurden 152 . Diese Entwicklung setzt bereits in der Mitte der 1150er ein, als erstmals neben den consules comunis sogenannte consules causarum 153 , später consules iustitiae genannt 154 , erwähnt werden. Allerdings bedeutet das Auftauchen zweier unterschiedlicher Gruppen von Konsuln noch keine strikte Trennung von Aufgabenbereichen 155 - im Gegenteil: Bis ins 13. Jahrhundert hinein wirken auch die consules iustitiae fast gleichrangig als Repräsentanten der Stadt an der Verabschiedung von Statuten mit und nehmen 152 Der Begriff ‚Arbeitsteilung‘ wird hier, obwohl er sich auf den ersten Blick aufzudrängen scheint, bewußt vermieden, da man mit ihm üblicherweise eine gesteigerte Effektivität und Rationalität bei der Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen verbindet. Der Antrieb für die Ausdifferenzierung der Ämterstruktur ist aber gerade nicht, wie noch zu zeigen sein wird, in dem Wunsch nach einer effizienteren Dienstleistung zu sehen. Einen Überblick über die verschiedenen Mailänder Ämter geben M ANARESI , Introduzione, S. XXXVIIff. und S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 15ff. 153 M ANARESI , Introduzione, S. LIIIff.; ihm folgen S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 51, und L IVA , Notariato e documento notarile, S. 71f.; ähnlich R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 97f.; während C LASSEN , Richterstand und Rechtswissenschaft, S. 46, Anm. 1, Manaresis Argumente für eine Trennung der Konsulate bereits in den 1150er Jahren für nicht ausreichend hält. 154 Erstmals taucht die Bezeichnung in einer Urkunde vom 20. September 1170 (ACM, Nr. 75) auf. 155 Schon C LASSEN , Richterstand und Rechtswissenschaft, S. 47 weist auf eine „allmähliche“ Scheidung von Kommunal- und Justizkonsulat hin. 66 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ an interkommunalen Verhandlungen teil 156 . Umgekehrt bestätigt über Jahrzehnte zumindest ein Kommunalkonsul durch seine Unterschrift die von den Justizkonsuln ergangenen Sentenzen 157 . Erst mit dem Jahre 1187 erfolgt eine stärkere Abgrenzung - genauer gesagt: eine Ausgrenzung der Kommunalkonsuln aus der Zivilgerichtsbarkeit, da letztere jetzt auch nicht mehr als Subskribenten unter den schriftlichen Urteilen auftauchen 158 . Als nach einer Übergangsphase die Kommunalkonsuln durch auswärtige Podestà ersetzt werden 159 , die mit ihren assessores nicht nur deren Platz an der Spitze der Administration, sondern auch deren Aufgaben übernehmen, bleibt die Trennung weiter bestehen, und es findet sich weder die Unterschrift des neuen Amtsträgers noch die der ihm beigeordneten Richter unter den Sentenzen der consules iustitiae. Mit der vollständigen Übertragung der Zivilgerichtsbarkeit auf die Justizkonsuln, d. h. mit der Beauftragung einer speziellen Gruppe innerhalb der städtischen Administration, ist aber, so wird man in der Zusammenschau sagen müssen, nur der erste Schritt getan auf dem Weg zu einer immer differenzierteren Gestaltung des Prozeßwesens. Das sogenannte römischrechtliche Verfahren, das in der Ausformung des Prozeßverlaufs weniger auf die Rezeption des römischen Rechts 160 zurückzuführen ist als vielmehr eine aus der mittelalterlichen Verfahrenspraxis entspringende Erscheinung darstellt 161 , erhält diesbezüglich in Mailand gerade in 156 Für die Frühzeit meint B ISCARO , Gli appelli ai giudici imperiali, S. 234, daß „gli uni e gli altri si consideravano parti di un solo tutto, il consolato, riassumente in se la somma dei poteri e la rappresentanza del comune“. Ausführlich hierzu M ANARESI , Introduzione, S. LIIIf. 157 M ANARESI , Introduzione, S. LIIIf. 158 M ANARESI , Introduzione, S. LVIIff. Parallel dazu erfolgt die Teilung des Justizkonsulats in zwei Ämter, die jeweils für bestimmte Regionen der Stadt zuständig waren. Dies ist für die hier verfolgte Argumentationslinie von geringerer Bedeutung. Zwar wird man das Verschwinden der Subskription der Kommunalkonsuln zeitlich mit einer administrativen Umgestaltung im Jahre 1186 oder 1187 in Verbindung bringen können, eine kausale Beziehung ist damit jedoch nicht hergestellt; zur Umgestaltung der Ämter vgl. ebd.; Manaresis Aufteilung folgen S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 51f., und R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 100. 159 Nach einer Übergangszeit von etwa 30 Jahren, in denen sich Podestà und Kommunalkonsuln an der Spitze der städtischen Administration ablösen, betraut man nach 1214 ausschließlich auswärtige Podestà mit der Leitung der Kommune. Zu dieser Übergangszeit M ENANT , La transformation, S. 114ff.; zur allgemeinen Entwicklung: H ANAUER , Das Berufspodestat im 13. Jahrhundert, S. 377-426; A RTIFONI , I podestà professionali. 160 C AGNOLA , Il ritorno all’applicazione, S. 33-49, versucht, anhand des Nachweises von Einredeformeln in den Urkunden die Rezeption des römischen Rechts in der Praxis in Mailand zeitlich zu fassen; kritisch hierzu, sowie mit eigenen Vorschlägen, B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 76, Anm. 32. Einen raschen Überblick über die Rezeptionsgeschichte insgesamt ermöglicht S CHLOSSER , Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, S. 17ff. 161 „Die Aufsplitterung in Termine ist keine Theorie der Prozeßrechtswissenschaft, sondern eine Forderung des Unterrichts und vielerorts vermutlich auch der Praxis“, N ÖRR , Reihenfolgeprinzip, S. 160-170, besonders S. 161; zum Umgang des gelehrten mittelalterlichen Rechts mit den im Cor- 67 8 Legitimationsstrategien der Gerichte den Jahren vor und nach 1200 seine spezifischen Züge 162 . Während im justinianischen Verfahren das Prinzip der Unmittelbarkeit bestimmend war und alle wichtigen Prozeßschritte vor dem Richter stattfanden 163 , gilt es als wesentlich für das Verfahren insbesondere des 13. Jahrhunderts, daß der Prozeß nun in zahlreiche Einzelschritte zergliedert wird 164 , die z. T. in sich geschlossene, nahezu autonome Teilverfahren bilden 165 . Nach dem Einreichen der Klageschrift und dem ersten Einbestellen der Parteien wird nicht selten ein gesonderter Termin für die Absprache weiterer Gerichtstermine festgesetzt 166 . Es folgt die Anberaumung einer Sitzung für die Erwiderung der Klage, dann für den Kalumnieneid, für die Beweisaufnahme, die ihrerseits wieder in verschiedene Teilschritte gegliedert ist . . . Vom ersten Zusammentreffen der Parteien vor dem Gericht bis zum Fällen des Urteils werden nicht selten zehn bis fünfzehn Sitzungen anberaumt, mit steigender Tendenz im Verlauf des 13. Jahrhunderts 167 . pus iuris civilis unvollständig und verstreut zu findenden Elementen des Prozeßwesens DERS ., Ordo Iudiciorum und Ordo Iudiciarius, S. 327-343; zusammenfassend mit weiterer Literatur D ERS ., Die Literatur zum gemeinen Zivilprozeß, S. 383-397. Schon V OLTELINI , Die Südtiroler Notariats- Imbreviaturen, S. CLVI, hebt hervor, daß das römische Verfahren im Gegensatz zum Prozeß des 13. Jahrhunderts „nach der Litiscontestatio keine besondere Gliederung des Verfahrens kannte“. Zum mittelaltlichen Prozeß weiter grundlegend: B ETHMANN -H OLLWEG , Der Civilprozeß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, besonders S. 75ff. Unter besonderer Berücksichtigung des neu ausgestalteten Beweisverfahrens H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 38ff. Zur Verfahrensgliederung des Zivilprozesses der römischen Zeit bemerkt S IMON , Untersuchungen zum Justinianischen Zivilprozeß, S. 33, sie erscheine als „unkontrolliert und deshalb ziellos und unübersichtlich ziehender Strom“; vgl. auch K ASER , Das römische Zivilprozeßrecht, S. 456ff.; zum Verfahren des 9. bis 12. Jahrhunderts vgl. F OWLER -M AGERL , Ordo iudiciorium vel ordo iudiciarius, S. 1-31; auch S AVIOLI , Storia della procedura civile e criminale. 162 B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 74ff. 163 Vgl. S IMON , Untersuchungen zum Justinianischen Zivilprozeß, S. 375f.; K ASER , Das römische Zivilprozeßrecht, S. 9, S. 456ff., zur Zeugeneinvernahme durch den Richter S. 494f. 164 Zusammenfassend: N ÖRR , Reihenfolgeprinzip, S. 160ff. Ausführlich: V OLTELINI , Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, S. CXXXIIff.; D OLEZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 43ff.; auf der Basis der Veroneser Statuten des 13. Jahrhunderts rekonstruiert das Verfahren L ÜTKE W ESTHUES , Die Kommunalstatuten, S. 219ff. Mit weiterführenden Gedanken: V ALLERANI , L’amministrazione, S. 291-316. 165 Es ist ein Ziel dieser Arbeit, das Spezifische an der Zergliederung des Verfahrens, wie sie in der Praxis anhand der Urkunden faßbar wird, aufzuzeigen und es in seiner Funktion für die Stabilisierung des Gerichtswesens zu beleuchten. Für die Übertragung der Zeugeneinvernahme an die Notare vgl. H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 71ff.; D OLEZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 54ff.; V OLTELINI , Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, S. CLXII. 166 Hierzu und zum Folgenden vgl. die in Anm. 161 genannte Literatur. 167 N ÖRR , Reihenfolgeprinzip, S. 162f. 68 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ 8.2.2 Das Notariat als zunehmend eigenständiges Element im Prozeß Viele dieser Elemente wurden auch personell und räumlich vom Hauptprozeß abgetrennt und ausgelagert, d. h. bestimmte Vorgänge oder Teilschritte wurden nicht mehr vor dem Richter, oft nicht einmal in seinem Beisein verhandelt. So übertrug man den zentralen Teil der Beweisaufnahme, die Zeugeneinvernahme, seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts mehr und mehr auf die Notare 168 . Kläger und Beklagter reichten zunächst schriftlich sogenannte positiones ein, Behauptungssätze, die eine knappe Beantwortung mit credo oder non credo zuließen 169 . Nachdem man zunächst die Parteien mit den Behauptungssätzen konfrontiert hatte, bildeten diese positiones, oft noch einmal in sogenannte articuli oder capitula umformuliert, die Grundlage für die vom Notar durchgeführte Einvernahme der Zeugen 170 . Die Notare konnten Amtsträger im engeren Wortsinn, d. h. beim Gericht angestellt sein; oft benannten aber die Parteien je einen ihnen vertrauten notarius. Beide Notare nahmen sich dann gemeinsam - der eine die Fragen stellend, der andere protokollierend - dieses Teils des Prozesses an 171 . Soweit aus den Statuten erkennbar, legte man nicht selten Wert darauf, daß die Einvernahme an einem anderen als am Verhandlungsort selbst stattfand oder, wo das nicht möglich war oder gewünscht wurde, der Richter abwesend zu sein hatte, wenn die Notare dieser Tätigkeit nachgingen. So bestimmte man in Brescia, der Notar - hier scheint es sich um einen Amtsnotar (notarius consulum iustitiae) zu handeln - könne zwar recipere, videre et facere iurare testes, aber nur quandocunque consul non esset ad banchum, in 168 „Immer mehr befestigte sich aber der Brauch [im 13. Jahrhundert], die ganze Beweisaufnahme dem Richter abzunehmen und dem Notar allein zu überlassen . . . , so dass dem Richter nur die Leitung des Verfahrens, die Terminsetzung usw. blieb“, H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 74; T ORELLI , Studi e ricerche, part. 2, S. 139ff.; zur Zeugeneinnahme D OLE - ZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 54ff., zur Einvernahme durch den Notar S. 60f. In einer Urkunde, mit der Friedrich II. einen Pisaner Bürger 1220 zum Notar ernennt, heißt es im Amtseid u. a. Testes autem quos examinabit et scribet, fideliter examinabit et scribet et eorum dicta nemini usque ad publicationem manifestabit, nec falsitatem aliquem in eis mittet, F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 4, Nr. 286, S. 321. Anweisungen, wie man eine Zeugeneinvernahme durchzuführen und zu verschriftlichen hat, finden sich auch in den ‚Handbüchern‘ der Notare; sie nehmen dort breiten Raum ein; vgl. W AHRMUND (Hg.), Die Ars Notariae des Rainerius Perusinus, S. 147ff. rubr. CCXCI, (geschrieben um 1233); auch Rudolphini B ONONIENSIS , Summa totius artis notariae (geschrieben zwischen 1255 und 1273), fol. 344 r ff. Aber auch in ordines iudiciarii - wie etwa dem um 1262 von Aegidius geschriebenen -, die sich stärker an Richter und Advokaten wenden, wird das Verfahren beschrieben, vgl. Aegidius de F USCARARIIS , Ordo iudiciarius, S. 99 und 107. 169 H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 46ff. 170 Ebd. S. 57; D OLEZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 59f., berichtet von verschlossenen „Fragezetteln“, die die Parteien zur Zeugenvernahme einreichen. 171 H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 78. 69 8 Legitimationsstrategien der Gerichte quo deberet residere ad ius redendum 172 . Wenn nicht schon durch die Kompliziertheit und den Umfang der Sache geboten, so machte die personale und räumliche Abtrennung der Zeugeneinvernahme eine Mitschrift der Antworten unumgänglich. Diese Protokolle wurden vom Gerichtsnotar an einem eigens anberaumten Termin vor Gericht verlesen und anschließend ggf. Kopien für die Parteien angefertigt 173 . Nahmen in Mailand die Konsuln noch mindestens bis 1173 die Zeugeneinvernahme selbst vor 174 , so findet 1190 bereits ein spezieller receptor testium reipublice urbis Mediolani Erwähnung, dessen Funktion und Stellung jedoch unklar bleiben 175 . Nur wenig später scheinen erstmals die Aussagen von Zeugen im Prozeß nur noch verlesen worden zu sein 176 . Deutlich beschrieben wird das Verfahren der Zeugeneinvernahme im Mailänder Liber consuetudinum, einer 1216 kompilierten Sammlung von Rechtsgewohnheiten 177 . Wie dem Buch zu entnehmen ist, müssen die allgemeineren positiones in capitula umformuliert und schriftlich dem Prozeßgegner zugänglich gemacht werden, bevor der tabellio die Fragen an die Zeugen stellt. Hier sind es die Parteien, die die Notare für die Einvernahme der testes auswählen, und sie selbst können, wenn sie wollen, bei der Befragung anwesend sein 178 . Nur in wenigen Ausnahmefällen wird ein Notar von Amts wegen 172 Ebd. S. 74. 173 Ebd., S. 79. Rainerius Perusinus gibt in seinem Liber formularius (um 1215) eine Anleitung für die Zeugenbefragung durch den Notar. Aus der von ihm für solche Dokumente vorgeschlagenen Subscriptio geht hervor, daß der Notar sowohl die Zeugen vernimmt (recepi), wie auch sein Vernehmungsprotokoll vor dem Richter im Prozeß verliest: Ego Rainerius auctoritate imperiali notarius hos testes mandato domini Hermanni iudicis communis Bononie recepi, et eorum dicta in publicam scripturam redegi, et coram eo, presente utraque parte legi et publicavi, Rainerius P ERUSINUS , Ars notaria (Liber formularius), S. 46. Auch nach Aegidius de F USCARARIIS , Ordo iudiciarius, S. 108, verliest der Notar die bisher geheimgehaltenen Zeugenaussagen auf Anweisung des Richters: Demum iudex praecipiat notario, quod legat dicta testium. Et notarius statim incipiat in nomine domini testes legere. 174 ACM, Nr. 85, 27. Januar 1173. 175 Die Bezeichnung ist lediglich einmal belegt; M ANARESI , Introduzione, S. XCIf. 176 Quibus et aliis auditis et testibus super hac causa productis perlectis . . . , ACM, Nr. 188, 9. Februar 1195; auch Nr. 260, 21. Oktober 1203, Nr. 317, 12. Dezember 1208. Die 1182 erwähnte Verlesung einer Zeugenaussage scheint ein Sonderfall zu sein; vgl. hierzu B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 84, insbesondere Anm. 87. 177 B ESTA / B ARNI (Hgg.), Liber Consuetudinum Mediolani; zur Bedeutung der Quelle und zu ihrer Einordnung in den sozialen und rechtsgeschichtlichen Kontext K ELLER , Kodifizierung, S. 145ff; sowie DERS ./ S CHNEIDER , Rechtsgewohnheiten, Satzungsrecht und Kodifikation, S. 186ff. 178 Nec ante testium dicta scribantur, nisi prius is, qui producit, capitula, super quibus producturus est, adversae parti in scriptis dederit, ut ille possit, contra quem producuntur, suas interrogationes, si voluerit, in scriptis tabellioni recipienti testes dare. Quibus peractis, ut dictum est, vel ex consensu partium praetermissis, testes, utraque parte praesente, si adesse voluerit, iurant: et per unum illorum tabellionum qui ad recipiendum testes deputati sunt dicta eorum scribuntur, B ESTA / B ARNI (Hgg.), Liber Consuetudinum Mediolani, S. 61, Nr. I-31f. 70 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ mit der Produktion der Zeugen beauftragt 179 . Der Notar Jacobus Cominus soll 1239 auf Anweisung der dominorum qui presunt offitio cartarum fatiendarum de debitis comunis die Aussagen der Zeugen aufnehmen (recipere), die der Konverse Guifredus Berrardus, Syndikus des Klosters Morimondo, produziert 180 . Jacobus befragt die Zeugen u. a. danach, ob der Wald, in dem das Kloster Holz geschlagen und zu einer Brücke verarbeitet hat, tatsächlich dem Kloster gehört, auf wieviel plaustra sie den Einschlag schätzen und welcher Wert dem Holz beizumessen ist. Die Antworten werden als wörtliche Rede der Zeugen wiedergegeben 181 . Vor Gericht liest der Notar auf Anweisung des Verhandlungsleiters die Aussagen vor und macht sie damit erstmals auch den Parteien bekannt 182 . Oft läßt man die Vernehmungsprotokolle, nachdem sie das Gericht zur Kenntnis genommen hat, erneut vom Amtsnotar abschreiben, auf daß sie künftig authentisiert, also in publica forma, vorliegen 183 . Die Notare führten also weitgehend autonom, ohne die Anwesenheit der Justizkonsuln - nicht nur in Mailand -, die Zeugenbefragungen durch, notierten die Antworten und brachten sie wieder in die Hauptverhandlung ein. Sie übernahmen damit, oft ohne selbst Amtsträger zu sein, einen wichtigen, jetzt abgetrennten Bereich des Zivilprozesses in eigener Regie. Erst über die von ihnen angefertigten und im Verfahren verlesenen schriftlichen Protokolle erhielt der das Verfahren leitende Richter Kenntnis vom Inhalt der Zeugeneinvernahme. 179 Da in den von Manaresi und Baroni publizierten ‚Atti del Comune di Milano‘ lediglich solche Dokumente aufgenommen wurden, an denen ein kommunaler Amtsträger beteiligt war, fehlen in ihren Editionen die durch ‚private‘ Notare vorgenommenen Einvernahmen der Zeugen; zu den Auswahlkriterien M ANARESI , Introduzione, S. XIV; B ARONI , Prefazione, in: ACM sec. XIII 1, S. XV-XXI, insbesondere S. XIX. Zur Problematik dieser Auswahl, insbesondere bezüglich der Befragungen der testes, vgl. B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 73. 180 ACM sec. XIII 1, Nr. 382. 181 Interrogatus quomodo scit hic testis quod terre ille de quibus et super quibus talliavit et talliari fecit lignamen satis et de cerro et de quercu et de ulmis et pobiis et salicibus sint predicti monasterii de Morimondo, respondit: «Taliter illud scio quia dicebat tunc quod illa prata et buschi de quibus et super quibus talliabamus et talliari faciebamus predictum lignamen erat monasterii de Morimondo . . . , ACM sec. XIII 1, Nr. 382. 182 Chunradus Serazonus consul Mediolani . . . mandat precipiendo Boldo de Canturio notario, qui ipsos testes productos in causa ab utraque parte recepit, debeat aperiri et partibus legere et exemplare, ACM sec. XIII 1, Nr. 503, 21. Januar 1250. 183 Albericus Pasqualis consul iusticie de Mediolano ex officio sui consulatus precepit michi infradicto Rogerio notario ut infradictos testes productos super infrascriptis capitulis a presbitero Mainfredo preposito ecclesie et canonice Sancti Donati nomine illius ecclesie et ecclesie Sancte Marie de loco Podasco in causa quam habebat cum Guilielmo Calvo et fratre eius et cum Prealono de Prealonis autenticarem et in publicam formam reducerem ad hoc ut dicta eorum et testimonia perpetuo sint valitura; ACM, Nr. 350, 17. Dezember 1211. Die Einvernahme selbst war bereits sechs Monate vorher erfolgt; ähnlich: ACM, Nr. 206, 12. Oktober 1198; ACM sec. XIII 1, Nr. 58, 4. Mai 1220; ACM sec. XIII 1, Nr. 373, 12. September 1238; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 510, 29. November 1267. 71 8 Legitimationsstrategien der Gerichte Mit der Übertragung der Zeugeneinvernahme an die Notare, wie sie in Mailand wohl schon um 1190 erfolgte, ist ein erster wichtiger Teil des Prozesses aus dem zentralen, allein vor einem Richter oder einer Gruppe von Richtern stattfindenden Verfahren ausgelagert und einer besonderen Gruppe zugewiesen worden. Damit ist - neben der oben aufgezeigten zeitlichen Streckung - auch eine erste personale Aufgliederung des Prozeßgeschehens erfolgt. Die wachsende Ausdifferenzierung und die zunehmende Etablierung der Notare als eigenständige Träger im Verfahren bleiben aber nicht allein auf die Beweisaufnahme beschränkt. Ihre zunehmende Bedeutung läßt sich mehr und mehr auch in den Sentenzen selbst ablesen. Es wurde ja in den Erläuterungen zu den Tabellen 2 und 3 bereits darauf hingewiesen, daß ab 1211 die Schreiber der Sentenzen nur noch unter der Bezeichnung notarius firmieren und ab 1247 sich auch die Subskribenten fast ausschließlich so nennen. In der konkreten Gegenüberstellung einiger beispielhaft ausgewählter subscriptiones aus den fünf Phasen soll dies verdeutlicht werden (s. S. 74). Darüber hinaus aber soll die Erläuterung der Beispiele dazu dienen, erste Anhaltspunkte für einen Strategiewechsel bei der Legitimation des kommunalen Gerichtswesens aufzuzeigen, der wegführt von der Abstützung durch ‚äußere Mächte‘ hin zu einer gegenseitigen Stabilisierung der einzelnen Teilelemente im Verfahren. Die nur drei Subskribenten der ersten Phase weisen sehr homogene Titulaturen auf, die zudem alle den Namen des Kaisers anführen, durch den sie ernannt wurden. Fünf Unterzeichner und ein Schreiber werden bei der Ausfertigung der Sentenz aus der zweiten Phase aufgeboten. Was im Vergleich mit Phase 1 wie eine bunt zusammengewürfelte Schar von Subskribenten anmutet, die die verschiedensten Titel anführen, folgt dennoch einem Prinzip: Um die durch die Auseinandersetzung mit Barbarossa bereits ins Wanken geratene Legitimation der Sentenz durch einen spezifischen Schlüssel städtischer und zentralgewaltlicher Elemente, wie er noch in der ersten Phase zu beobachten war, dennoch zu stützen, versuchte man, möglichst viele bedeutende Amtsträger mit verschiedenen Titulaturen in das Verfahren und in das Dokument einzubinden. In gewisser Weise hob man damit sogar die Teilung des Konsulats in ein Kommunal- und ein Justizkonsulat wieder auf, da zumindest einer der Kommunalkonsuln weiterhin die Sentenzen der Justizkonsuln mit unterschrieb 184 . Wie die Unterschrift des Girardus Pistus zeigt, der seinem Namen keinen Titel beigab, wurde die Sentenz nicht durch das Amt allein, sondern auch durch die Person selbst, durch ihre Bekanntheit und ihren Ruf, ge- 184 Folgt man M ANARESI , Introduzione, S. XLIV, Anm. 2, ist es im Jahre 1178 der Kommunalkonsul Girardus Pistus (der dritte Unterzeichner in unserem Beispiel), der die Aufgabe hat, die Sentenzen der Justizkonsuln gegenzuzeichnen. Zum Justiz- und Kommunalkonsulat vgl. S. 66ff. 72 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ stützt. Girardus konnte - offenbar zu Recht 185 - davon ausgehen, daß er selbst und die Tatsache, daß er den iudex-Titel führen konnte 186 , weitestgehend bekannt waren, obwohl sein Name in der Sentenz an keiner anderen Stelle genannt wird 187 . In fast jeder Subscriptio der Sentenzen dieser zweiten Phase ist dieses ‚persönliche‘ Element faßbar; unterschreibt doch fast immer mindestens ein Amtsträger, ohne seinen Titel zu nennen. Die Verminderung der Anzahl der Unterschriften von fünf auf drei im folgenden dritten Intervall (1186-1210) stellt damit mehr als nur eine quantitative Veränderung dar. Denn mit dem Verschwinden der Kommunalkonsuln aus der Subscriptio ist nun eine größere Eigenständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit erreicht worden 188 . Obwohl die Justizkonsuln bis in das 13. Jahrhundert hinein weiterhin bei wichtigen Verträgen mit hinzugezogen werden, so gilt doch umgekehrt, daß das Justizwesen im Vergleich zum vorherigen Zeitraum einen weitgehend autonomen Status erlangt hat und die eigentlich mit der politischen Leitung beauftragten Amtsträger nicht mehr an der Durchführung der Prozesse beteiligt sind 189 . Zugleich - und unabhängig davon - wird immer weniger versucht, über die allein namentliche Nennung - ohne Titulatur - eines Mitgliedes der städtischen Führungsschicht das Urteil zu stützen 190 . Auf die gängige Vorgehensweise, durch die Hinzuziehung von Honoratioren einem Rechtsakt mehr Gewicht zu verleihen 191 , greift man nun seltener zurück. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts verstärkt sich diese Entwicklung: Die Sentenzen werden jetzt von weitgehend unbekannten Amtsträgern geschrieben, die sich wesentlich seltener in anderen kommunalen Urkunden 185 Zwischen 1141 und 1178 taucht der Name Girardus Pistus/ Gagapistus allein in 20 Sentenzen auf; zur Person und Familie vgl. A NDENNA , Una famiglia milanese; S OLDI R ONDININI , Gagapesto, Gerardo. 186 Als causidicus et iudex unterschreibt er bereits am 16. Oktober 1170 (ACM Nr. 76) eine Sentenz; 1178 war er zudem Kommunalkonsul; M ANARESI , Introduzione, S. XLIV, Anm. 2. 187 Wie Girardus nennen 20% der Unterzeichner dieser Phase lediglich ihren Namen, oft nur ihren Vornamen, ohne einen Titel anzugeben und zumeist, ohne daß Name oder Titel an einer anderen Stelle der Urkunde genannt würden, vgl. Tabelle 3, Nr. 3.4. Sie alle sind aber selbst aus der alles andere als reichlichen Überlieferung noch als ‚bekannte‘ und häufig genannte Amtsträger zu identifizieren. 188 Daß diese Trennung zeitlich mit der Aufgliederung des Justizkonsulats selbst in zwei Kammern zusammenfällt, die je für bestimmte Regionen der Stadt zuständig sind, zeigt nur an, daß hier allgemeine Umstrukturierungen vorgenommen werden, kann aber das Fehlen der Kommunalkonsuln in der Sentenz nicht erklären. Zur regionalen Aufteilung vgl. M ANARESI , Introduzione, S. LVIIff.; S ANTORO , Gli offici del comune di Milano, S. 51f.; R OSSETTI , Le istituzioni comunali, S. 100. 189 Vgl. Unterkapitel 8.2.1 ‚Die Aufteilung des Konsulats‘, S. 66ff. 190 Lediglich 3,2% der Subskribenten des dritten Intervalls tauchen ohne Titulatur auf, vgl. Tabelle 3, Nr. 3.3. 191 Solche Strategien beschreibt F ISSORE , Origini e formazioni del documento comunale a Milano, S. 565, für die Mailänder Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts; er spricht in diesem Zusammenhang von „funzioni collettive di credibilità“, ebd., Anm. 45. 73 8 Legitimationsstrategien der Gerichte Beispiele für die Subskriptionen aus den verschiedenen Phasen Phase 1 (1140-1175) Ego Obertus iudex ac missus domni tertii Lotharii imperatoris subscripsi. Ego Stephanardus iudex et missus domni tertii Lotharii imperatoris interfui et subscripsi. Ego Azo iudex et missus domni secundi Chunradi regis hanc sententiam dedi et subscripsi. Ego Anselmus iudex interfui et hanc sententiam scripsi. a Phase 2 (1176-1185) Ego Gregorius iudex laudavi ut supra et subscripsi. Ego Guertius iudex interfui et subscripsi. Ego Girardus Pistus subscripsi. Ego Otobellus Zendadarius consul subscripsi. Ego Ugo qui dicor de Castegnianega sacri palatii notarius subscripsi. Ego Rogerius Bonafides iudex ac missus domni secundi Chunradi regis scripsi. b Phase 3 (1186-1210) Ego Guilielmotus de Aliate consul subscripsi. Ego Ariprandus iudex qui dicor Murigla consul interfui. Ego Rogerius Bonafides iudex subscripsi. Ego Ugo qui dicor de Castegnianega iudex ac missus domni Federici imperatoris scripsi. c Phase 4 (1211-1247) Ego Bardinus Bossius iudex et consul subscripsi. Ego Rainerius de Pirovano iudex et consul subscripsi. Ego Perronus filius Alberti de Ermenulfis civitatis Mediolani, de contrata Sancti Thome, notarius et scriba camere consulum fagiarum porte Ticinensis et Vercelline scripsi. d Phase 5 (1248-1276) Ego Guilielmus Vulpis notarius ad illud officium constitutus tradidi et subscripsi. Ego Iacobinus de Polla notarius, filius Uberti de Polla, civitatis Mediolani porte Nove, contrate Sancti Martini ad Nuxigiam, iussu suprascripti notarii scripsi. e a ACM, Nr. 15, 23. Oktober 1147. b ACM, Nr. 115, 17. Mai 1178. c ACM, Nr. 161, 29. August 1188. d ACM sec. XIII 1, Nr. 222, 21. März 1229. e ACM sec. XIII 2.2, Nr. 465, 2. Dezember 1266. 74 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ nachweisen lassen 192 . Es ist daher nicht verwunderlich, daß sowohl Perronus de Ermenulfis wie Jacobinus de Polla, die Schreiber der Sentenzen der Jahre 1229 und 1266, neben ihren auch noch den Namen ihrer Väter und ihren Wohnort angeben. Sie folgen damit einer Vorschrift, die sicherlich auch dem Zweck diente, bei der wachsenden Zahl von verschiedenen für die Kommune schreibenden Notaren eine eindeutige Identifikation zu ermöglichen 193 . Deutlich wird zudem die geringere Variationsbreite der benutzten Titulaturen, die mit einer wachsenden Eindeutigkeit der Verknüpfungen zwischen Amtsbezeichnung und Aufgabe in der Sentenz einhergeht 194 . Die Ende der 1180er Jahre eintretende Fülle von - wenn auch z. T. erst in späteren Phasen deutlich spürbaren - Änderungen läßt in der Gesamtschau der unterschiedlichen Vorgehensweisen, die für die Legitimierung der Sentenz zum Einsatz kamen, von einem Strategiewechsel sprechen. Während der ersten beiden Phasen (1140-1185) waren es - trotz eigenständigem Justizkonsulat - immer Vertreter der gesamten führenden Amtsträgerschaft, die zur Legitimation des Urteils und der Urkunde herangezogen wurden. War ein Streitfall von besonderer Brisanz - wie bei den oben 195 aufgeführten Sentenzen - oder verloren gewisse, Legitimität garantierende Titel an Gewicht, versuchte man, dies durch eine Beteiligung weiterer hochrangiger Personen und Titulaturen auszugleichen. Letztlich war es hier immer die Gesellschaft als Ganzes mit all ihren in der kommunalen Schwurgemeinschaft und im herrscherlichen Gottesgnadentum wurzelnden Facetten, die über ihre Vertreter dem Gerichtsurteil Akzeptanz und Durchsetzungskraft zu verleihen hatte. In dieser direkten, unmittelbaren Koppelung von Justiz und Gesellschaft, diesem Abstützen des Gerichts durch außergerichtliche Institutionen, besteht nur die Möglichkeit, über Variationen der Zahl und der Gewichtigkeit der hinzugezogenen Amtspersonen auf geänderte Umstände zu reagieren. Damit einher geht auch die Einheit des Gerichtsverfahrens selbst. Denn anders als ein Verfahren, das in vielen, von verschiedenen Amtsträgern durchgeführten Einzelschritten das Endurteil 192 Der überwiegende Teil der Amtsträger des 12. Jahrhunderts taucht in zahlreichen kommunalen Dokumenten und über einen langen Zeitraum auf. Im 13. Jahrhundert geht dies signifikant zurück. So finden sich vor 1211 insgesamt elf Amtsträger mit mehr als 20 Nennungen, nach 1211 - trotz einer wesentlich größeren Dokumentenzahl - nur fünf. Die drei häufigsten, bis 1211 genannten Namen sind Ugo de Castegnianega mit 85, Rogerius Bonafides mit 60 und Bonifatius Curtexius mit 34 Nennungen. Dagegen werden in allen Dokumenten nach 1211 als ‚Spitzenreiter‘ Petrus de Corbata 33mal, Gaudinus de Guarinis 25mal und Guilielmus de Galacius 21mal genannt. 193 Die beiden genannten Notare sind jeweils nur in dieser einen Urkunde als Amtsträger nachweisbar, vgl. hierzu den Index der ACM, sec. XIII 1, S. 932 (Perronus de Hermenulfis) und ACM, sec. XIII 2, Index, S. 104. 194 Zur zunehmend eindeutigeren Verknüpfung von Amtsträgerbezeichnungen und Tätigkeitsbereichen vgl. S. 45ff. und S. 54ff. 195 Vgl. S. 36ff. 75 8 Legitimationsstrategien der Gerichte durch Teilentscheidungen bereits vorbereitet und so leichter vermitteln kann 196 , wird mögliche Akzeptanz im ‚ganzheitlichen‘ Verfahren durch die geballte Autorität der gesamten Gemeinschaft und ihrer zahlreich versammelten Vertreter erzeugt. Letzteres setzt aber voraus, daß das Gemeinwesen über die Autorität und die Autoritäten auch tatsächlich verfügt, mit denen es die Gerichtsentscheidung legitimiert. Ist dies nicht der Fall, wird man eine andere Strategie zur Herstellung von Akzeptanz anwenden müssen. Der erste, aber entscheidende Schritt zu einer Auflösung dieser engen Verknüpfung von gesellschaftlicher und juristischer Autorität wird - und dies ist wichtig - nicht mit der Einrichtung des Justizkonsulats in den 1150er Jahren, sondern erst mit dessen Scheidung vom Kommunalkonsulat nach 1185 durchgeführt. Natürlich ist damit nicht gesagt, in diesem Jahr sei ein völliges Umschalten vom ganzheitlichen auf das teilschrittige Verfahren erfolgt; weiterhin ist - die Titulaturen zeigen es deutlich - die Verbindung zur und die Legitimation über die Gesellschaft und ihre Vertreter von großer Bedeutung. Mehr und mehr aber werden Elemente, die mit der neuen Strategie der Kleinschrittigkeit und Ausdifferenzierung verbunden sind, in das Verfahren eingebaut, bis es schließlich - dies wird noch genauer zu beleuchten sein - in der fünften und letzten Phase zum vorherrschenden Prinzip wird. Worin der Gewinn besteht, den Gerichtsprozeß zu zergliedern, und wieso hierdurch Akzeptanz erzeugt werden kann, soll erst dann erläutert werden, wenn die Veränderungen bis zum Ende des Untersuchungszeitraums gänzlich aufgezeigt sind. Die vierte Phase (1211-1247) konnte nach der Analyse der benutzten Titulaturen als jener Zeitraum beschrieben werden, in dem die Amtsträger vornehmlich auf ihre Tätigkeit im Dienst und im Auftrag der Kommune und weniger auf ihre Ernennung durch den Kaiser rekurrierten. Das Wegfallen dieser im 12. Jahrhundert wichtigen, zweiten Stütze der Legitimation konnte aber, so die Vermutung, nicht allein durch ein stärkeres Hervorheben des kommunalen Elements kompensiert werden. Betrachtet man die neuen Strukturen, die sich im Gerichtsverfahren beobachten lassen, so darf man vermuten, daß durch eine teilweise Abkoppelung der Gerichtsbarkeit von den politisch-gesellschaftlichen Instanzen und damit eine zunehmende Separierung der Justiz sowie durch einen mehrschrittigen Verfahrensablauf die ‚Legitimationslücke‘ weitgehend geschlossen werden konnte. Einerseits gestützt auf vornehmlich durch das kommunale officium legitimierte Amtsträger und andererseits durch relative Unabhängigkeit und komplexe Verfahrensabläufe stabilisiert, konnte die Zivilgerichtsbarkeit ihre Aufgabe auch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts anscheinend erfüllen 197 . 196 Dazu ausführlich Kapitel 9 ‚Herstellung von Legitimität im Verfahren‘, S. 95ff. 197 Auf die - trotz der großen gesellschaftlichen Krise um 1200 - gut funktionierende Administration weist bereits M ENANT , La transformation, S. 142ff., hin. 76 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ 8.2.3 Zur Funktion der iudices delegati und consiliarii/ iurisperiti Eingangs ist bereits aufgezeigt worden, daß sich die Parteikämpfe in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch durch die Einrichtung des Podestà als auswärtigen ‚Schiedsmann‘ nicht unterdrücken ließen, sondern im Gegenteil immer schärfere Formen annahmen. Als neutraler, auswärtiger Amtsträger bestellt, sah sich der Podestà im Alltag doch gezwungen, der stärkeren Partei nachzugeben, was seine Stellung untergraben mußte 198 . Immer weniger ließen sich durch diese Institution die tiefgreifenden Gegensätze der beiden Lager, deren Organisationen sich mehr und mehr als ‚Staaten im Staate‘ gebärdeten 199 , überbrücken. Schon 1218 und noch einmal 1221 hatte der Popolo Beschlüsse, die nur in seinen eigenen Reihen gefällt worden waren, zu für die gesamte Kommune gültigen Statuten erklärt und damit einen Bürgerkrieg ausgelöst 200 . Immer wieder drohte die kommunale Gemeinschaft, deren Selbstverständnis wesentlich auf der Vorstellung eines einträchtigen, auf Konsens gründenden Schwurverbandes gründete 201 und die noch im 12. Jahrhundert als geschlossenes Ganzes auftrat, auseinanderzubrechen. Es ist klar, daß eine so tiefgreifende und langandauernde Krise des gesellschaftlich-politischen Umfeldes, auf das ja in den Amtstitulaturen immer wieder rekurriert wurde, nicht ohne Wirkung auf die Zivilgerichtsbarkeit bleiben konnte 202 . Gesellschaftliche Größen, deren Mobilisierung im Prozeß diesem Akzeptanz hätten verleihen können, standen zunehmend weniger bereit. Mehr und mehr verlor ‚die Kommune‘ als allgemein akzeptierter Referenzpunkt für gesellschaftliches Handeln - wie zuvor ‚der Kaiser‘ - an Gewicht und Duchsetzungskraft. Als Ausweg blieb nur, die Legitimität über das bisher betriebene Maß hinaus verstärkt im Verfahren selbst herzustellen. In diesem Zusammenhang ist neben der oben beleuchteten Rolle der Notare die Funktion zu analysieren, die die delegierten Richter und die sogenannten consiliarii oder iurisperiti im Zivilgerichtsprozeß des 13. Jahrhunderts ausübten. Zu fragen ist insbesondere, ob die von der Forschung postulierte, pragmatisch-juristische Aufgabenzuweisung an diese Personengruppen in ihrer Ausschließlichkeit einer Überprüfung standhält oder ob ihr Auftauchen im Prozeß in der Gesamtschau nicht vornehmlich anderen Ursachen zugeschrieben werden muß. 198 M ENANT , La transformation, S. 139. 199 Diese Charakterisierung der Parteien als „l’Etats dans l’Etat“ ebd., S. 131. 200 Zum frühen Mailänder Satzungrecht K ELLER / S CHNEIDER , Rechtsgewohnheiten, Satzungsrecht und Kodifikation, S. 184. 201 K ELLER , Institutionalisierung; die Schwureinung als Grundlage für die Entwicklung der Stadtstatuten erläutert B LATTMANN , Statutenbücher, Kapitel 5. 202 Einen starken Zusammenhang zwischen „struttura politica della città organizzata a comune“ und dem „funzionamento della giustizia pubblica“ postuliert auch V ALLERANI , L’amministrazione, S. 292 bei seiner Untersuchung zum Prozeßwesen in Bologna in den vier Jahrzehnten um 1300. 77 8 Legitimationsstrategien der Gerichte Schon im Jahre 1200 tauchen in Mailand erstmals Sentenzen auf, die nicht mehr von den Justizkonsuln selbst, sondern von sogenannten iudices delegati erstellt wurden 203 . Diese ‚Delegierten‘ wurden von den consules iustitiae, später auch von den assessores, jeweils nur für ein bestimmtes Verfahren als Richter bestellt 204 und mußten oft innerhalb einer genannten Frist - einmal sind sechs Tage, ein anderes Mal vier Monate genannt 205 - eine Entscheidung treffen. Obwohl ein solches Delegieren von Richtern für ein Verfahren auf Wunsch der Parteien geschah 206 , handelte es sich hier um ein kommunales Gerichtsverfahren und nicht um ein Schiedsgerichtsverfahren, da es sich nicht allein, nicht einmal in erster Linie, auf die freie Übereinkunft der Parteien, sondern auf eine städtische Institution stützte. Es ist deshalb als Teil der kommunalen Gerichtsbarkeit zu betrachten 207 . Über die Beauftragung selbst wurde eine sogenannte carta delegationis ausgestellt, in der neben dem Konsul, der die Beauftragung vornahm, sowohl die Parteien wie auch 203 Zu den delegierten Richtern in Mailand E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 328ff., der sie von den delegierten Richtern, wie sie im kirchlichen Bereich auftauchen, unterscheidet. Gewisse Parallelen scheinen dennoch bestanden zu haben, ohne daß damit die Funktion des Instituts auf kommunaler Ebene schon geklärt wäre. Zu den delegierten Richtern der Kirche P LÖCHL , Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 2, S. 83f.; H ERDE , Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im dreizehnten Jahrhundert, S. 125 und 217f.; D ERS ., Audientia litterarum contradictarum, Bd. 1, S. 181ff. und 191ff. 204 Dies hält etwa Rolandinus in seiner im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts geschriebenen Ars notariaefür den entscheidenden Unterschied zwischen dem ordentlichen und dem delegierten Richter: Ordinariam autem iurisditionem dant Imperator sive Princeps. Dominus Papa, & etiam populi civitatum his quibus committunt cognitionem universalem omnium causarum quae sunt in provincia, vel in civitate, & tales sunt praesides provinciae, & potestates civitatum & episcopi. Delegatam autem iurisditione habet ille cui aliqua causa a Principe, vel ab aliquo ordinario comittitur cognoscens; Rodulphini B ONONIENSIS , Summa totius artis notariae, fol. 276 rv . 205 Vgl. die drei unten in Anm. 302 zitierten cartae delegationis. 206 In den meisten cartae delegationis wird durch Wendungen wie in concordia partium oder voluntate partium der Parteiwille erwähnt; vgl. die Zitate in den Anm. 208 und 302. 207 P ERTILE , Storia del diritto italiano, S. 169ff. F REY , Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, S. 13f., weist darauf hin, daß das „Schiedsgericht . . . beiden Parteien nicht kraft eigenen, immanenten Rechts entgegen [tritt] wie das Gericht. Letzteres stützt sich bei seinem Spruch auf die Autorität einer von den Parteien (wenigstens theoretisch immer) unabhängigen Organisation, die allgemeine Staatsorganisation. Das Schiedsgericht dagegen begründet seine Autorität auf das ad hoc gebildete Einverständnis der Parteien.“ Er verweist deshalb gegen Pertile weiter darauf, daß hinter den (oft statutarisch abgesicherten) ‚Schiedsgerichten‘ ebenso wie hinter den Kommunalgerichten „staatlicher Zwang‘ steht („Macht steht hinter beiden“, S. 25), und bezieht die Urteile der delegierten Richter aus Mailand - obwohl er die von Manaresi publizierten ‚Atti del Comune di Milano‘ kennt und benutzt - nicht mit in seine Erörterungen ein (vgl. ebd., S. 97, Anm. 4, sowie zur Terminologie S. 103f., bei der der Begriff ‚delegatus‘ fehlt). Schon F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, § 585, besonders S. 317, zählt die „Delegation für den Einzelfall“ nicht zu den Schiedsgerichten. E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 328ff., hebt die Verbreitung und besondere Ausprägung des Delegationsverfahrens in Mailand und der weiteren Umgebung sowie seine strukturelle Nähe zum consilium hervor. 78 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ die Delegierten namentlich genannt wurden. Zudem wies man darauf hin, daß eine Appellation gegen das Urteil ausgeschlossen war 208 . Die delegati nahmen bei ihren Urteilen stets auf diese schriftliche Vollmacht und den sie autorisierenden Konsul sowie später auf den Schreiber der carta delegationis Bezug 209 . Ihre Sentenzen wurden zumeist von ihnen selbst und/ oder von einem Notar unterschrieben 210 . Geschrieben wurden sie immer von einem Notar, der aber kein Amtsnotar in engerem Sinne, sondern ein durch sie beauftragter notarius war 211 . Mit vierzehn bzw. acht Dokumenten halten die Sentenzen der von den Konsuln für ein Verfahren bestellten Richter einen Anteil von je 19% an den aus den beiden letzten Zeitintervallen überlieferten Dokumenten. Es sind dies aber nicht die einzigen Funktionsträger, die von den eigentlich für das Gerichtswesen Zuständigen jeweils für ein bestimmtes Verfahren beauftragt werden. Ab Mitte der 1220er Jahre tauchen unter verschiedenen Bezeichnungen ‚Rechtskundige‘ auf, die der Konsul oder Assessor zur Urteilsfindung hinzuzieht. Finden sich auch schon sporadische Hinweise auf die Beiziehung von solchen nicht eigentlich als Amtsträger zu bezeichnenden Personen in früheren Urkunden 212 , so werden sie namentlich erstmals in einer Sentenz vom 21. September 1226 aufgeführt 213 . In den nur sieben Urkunden, die bis 1248 solche Personen mit Namen nennen - datieren zwei auf das Jahr 1247 214 -, werden ihnen unterschiedliche Bezeichnungen wie consci- 208 Dominus Ubertus de Raude consul Mediolani delegavit causam que vertitur inter Bocaxium de Orto actorem ex una parte, et ex altera parte monasterium de Cleravalle in dominos Guidotum iudicem de Merrate et Ottonem de Orto precipiendo eis per sacramentum ut eam causam hinc ad menses quatuor difinant, sine remedio appellationis volontate partium . . . , ACM, Nr. 401, 16. Dezember 1216. Ardricus Curtus consul Mediolani delegavit causam, quam vertitur inter A.A. actorem ex una parte et R.R. ex altera, in Guilielmo Colderario et Ardrico Cagalanza, precipiendo eis per sacramentum et in banno ad suam voluntatem ut difinant dictam causam hinc ad dies VI proximos, et hoc in concordia partium sine remedio apellationis alioquin dicta causa revertat coram dicto consule in pristino statu, ACM sec. XIII 1, Nr. 445, [7.] September [1244]. 209 Zitate solcher cartae sind unten in Anm. 302 wiedergegeben; dort auch ausführlich zum Delegationsverfahren. 210 M ANARESI , Introduzione, S. CXX. 211 Ebd. 212 Der erste Beleg für eine Beratung mit als Amtsträgern bestellten Personen stammt aus dem Jahre 1192 . . . tunc his et aliis auditis et visa ab ipso Alberto et sotiis eius ipsa discordia, habito quoque conscilio cuiusdam magistri qui huiusmodi rei periciam habet, prefatus Albertus censuit . . . , ACM, Nr. 175. 213 ACM sec. XIII 1, app. 2, Nr. 169/ 1. 214 Mit Datum vom 13. Mai (ACM sec. XIII 1, Nr. 480) und 3. Dezember 1247 (Nr. 489). 79 8 Legitimationsstrategien der Gerichte liator 215 , legumperitus 216 oder iurisperitus 217 beigegeben. Erst nach 1247 bürgert sich der letztgenannte Begriff - von wenigen Ausnahmen abgesehen - als gängige Benennung ein. Die Bedeutung und Stellung der consiliarii oder iurisperiti, die seit dem 13. Jahrhundert insbesondere in den italienischen Stadtkommunen zum Prozeßgeschehen hinzugezogen wurden 218 , ist in der Literatur intensiv diskutiert worden. Da sie dem Richter bei der Beurteilung des Falles oft die Entscheidung vorgaben und damit im Verfahren eine den Schöffen im 10. und 11. Jahrhundert vergleichbare Stellung einzunehmen schienen, wollte man hierin zunächst ein Element des germanischen Rechts im römischen Verfahren erkennen 219 . Vor allem die Einsicht, daß das Urteil des Richters zwar häufig der Stellungnahme der consiliarii folgte, er aber - anders als im germanischen Recht - zumindest vom Standpunkt des gelehrten Rechts volle Unabhängigkeit gegenüber seinen ‚Beratern‘ genoß, führte dazu, dieses Element des Verfahrens nun ausschließlich im römischen Recht zu verorten 220 . Heute gelten beide Ansichten als nicht haltbar, und man geht, ähnlich wie beim Verfahrensablauf insgesamt, davon aus - dies ist für unsere Interpretation des Phänomens nicht unwichtig -, daß es sich bei dem consilium um eine weitgehend im Mittelalter selbst ausgeformte Einrichtung handelt 221 . Unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen über die Verortung der consiliarii in bestimmten Rechtstraditionen sieht man ihre Funktion im Prozeß vor allem darin, als Beauftragte des Richters in schwierigen Rechtsfragen ein Gutachten zu erstellen, ihn also in Fachfragen zu beraten 222 . Ein solches Bild entsteht vor allem dann, 215 So in den Urteilen vom 7. Mai 1236 (ACM sec. XIII 1, Nr. 351) und vom 20. Dezember 1231 (Nr. 253). In der Sentenz vom 21. September 1226 (ACM sec. XIII 1, app. 2, Nr. 169/ 1) wird ihnen der Titel dominus beigegeben. 216 Mit Datum vom 12. Januar 1235 (ACM sec. XIII 1, Nr. 322). 217 Neben den in Anm. 214 genannten Sentenzen des Jahres 1247 erstmals in einem Urteil vom 28. März 1231 (ACM sec. XIII 1, Nr. 241). 218 Am ausführlichsten hierzu immer noch E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 243ff.; sowie R OSSI , Consilium sapientis iudiciale. 219 K ANTOROWICZ , Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1, S. 118, hält die Konsilien für „eine merkwürdige Umbildung der germanischen Teilung der Prozeßfunktion in Richter und Urteiler“; V OLTELINI , Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen,S. CLXVIIIf., glaubt, zwei unterschiedliche consilia erkennen zu können, die je einer der beiden Rechtstraditionen folgen. 220 C HECCHINI , I „consiliarii“ nella storia della proceduta, besonders S. 15ff., versucht darüber hinaus sogar, eine historische Kontinuität zwischen antiken ‚Räten‘ und mittelalterlichen consiliarii nachzuweisen; E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 250; sehr vorsichtig F ICKER , Forschungen zur Rechtsgeschichte Italiens, Bd. 3, S. 322f. 221 R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 48ff., betont den Einfluß mittelalterlicher Vorstellungen auf das consilium; auch N ÖRR , Institutional Foundations, S. 324-338. 222 Vgl. die in den folgenden Anmerkungen zitierte Literatur. Stellvertretend zitiert sei N ÖRR , Institutional Foundations, S. 328. Er sieht im consiliarius vor allem „an important mediator between scientific jurisprudence and Italien legal practice“. 80 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ wenn man vornehmlich die Schriften mittelalterlicher Rechtsgelehrter nach der Funktion eines consilium befragt 223 ; es ist andererseits geprägt durch die Untersuchung der Gutachten der großen Juristen insbesondere des 14. Jahrhunderts 224 . Die Beiziehung der iurisperiti und consiliarii allein aus dem Mangel an Sachkompetenz der Richter herleiten zu wollen, kann aber m. E. den massiven Rückgriff auf diese Einrichtung in der Praxis des 13. Jahrhundert nicht befriedigend erklären; hierauf wird nach einer genauen Analyse des Verfahrens einzugehen sein. Um die Bedeutung der iurisperiti für das Geschehen im Zivilprozeß, insbesondere in Mailand 225 , zu erfassen, bedarf es einer Analyse der Praxis, wie sie in den Sentenzen aufscheint. Mit der Vereindeutigung der Begrifflichkeit und vor allem mit der namentlichen Erwähnung der ‚Gutachter‘ in den Urkunden nach 1247 läßt sich nicht nur ihre Funktion besser fassen, vor ihnen scheinen zugleich immer mehr und wichtigere Prozeßschritte verhandelt und so zumindest z. T. dem eigentlich für das Verfahren bestellten Richter entzogen zu werden. So heißt es in einer Sentenz vom 11. April 1256, die drei iurisperiti hätten alle zuvor genannten ‚Rechte‘ (iura) der Parteien gesehen und untersucht 226 . Über die Tätigkeit von Guidotus de Merate und Petrus Zuchalonga, die etwa zur gleichen Zeit zu einem Verfahren hinzugezogen werden, erfahren wir Genaueres: . . . viderunt testes ab utraque parte productos et instrumenta et iura et sententias uniusque partis et allegationes factas 223 Die Verpflichtung des Richters, sich bei fehlender Kenntnis sachkundig zu machen bzw. Rat einzuholen, wird von vielen Rechtsgelehrten betont, liegt aber ganz im Ermessen des Richters selbst; einen Überblick gibt E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 246ff. und 272f. 224 So in dem Band von B AUMGÄRTNER , Consilia im späten Mittelalter. Zu Recht werden hier - wie schon der Titel sagt - die consilia als Quellengattung nicht nur nach ihrem Rechts-, sondern nach ihrem sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Informationsgehalt befragt; zu diesem Aspekt grundlegend DIES ., Stadtgeschichte und Consilia im italienischen Spätmittelalter, mit weiterer Literatur. Die Analyse ‚bedeutender Fälle‘ des 14. und 15. Jahrhunderts kontrastiert aber mit den ‚Alltagsgutachten‘ des 13. Jahrhunderts, wie sie von C HIANTINI , Dal mondo della prassi, vorgestellt werden. Die Durchsicht der von der gleichen Autorin publizierten Konsilien - mehr als 100 an der Zahl - zeigt, daß hier nur selten juristische Fragen ventiliert oder auch nur eine Begründung für die getroffene Entscheidung gegeben wurde; DIES ., Il consilium sapientis, S. 7ff. Die Wertschätzung, die den Konsilien des Bartolus bereits im 14. und 15. Jahrhundert widerfuhr - nicht zuletzt, da aus ihnen jetzt die rationes decidendi auch für andere Fälle geschöpft werden konnten und weil sie als ‚Parteigutachten‘ tatsächlich vor Gericht diskutiert wurden -, beschreibt A SCHERI , The Formation of the Consilia. Zur weiteren Entwicklung der Konsilien mit Rückblenden auf das Mittelalter: D ERS ., Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen, S. 1195ff. Aufgrund der geringen Zahl der aus dem 12. und frühen 13. Jahrhundert überlieferten consilia ist ihre Bedeutung für die Rechtspraxis schwer einzuschätzen. Es scheint aber, als ob es bei den ‚Gutachten‘ des Bassiano und Azzo tatsächlich um die Lösung spezifischer, schwieriger Rechtsprobleme ging, diese also ebenfalls von den Alltags-Konsilien des 13. Jahrhunderts zu unterscheiden sind; vgl. B ELLONI , Questiones e consilia. 225 Schon E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 328ff., hebt die im Vergleich zu den übrigen Kommunen besondere Stellung der consiliarii in Mailand und Umgebung hervor. 226 . . . qui diligenter predicta omnia iura viderunt et examinaverunt, ACM sec. XIII 2.1, Nr. 139. 81 8 Legitimationsstrategien der Gerichte per advocatos ipsarum partium dilligenter audiverunt . . . 227 . Beschreibungen dieser Art zeigen, daß den iurisperiti nicht nur ‚Akteneinsicht‘ gewährt wird, sondern daß sie darüber hinaus auch mündliche Vorträge der Parteivertreter hören 228 . Sie zeigen weiter - wie schon an der Verwendung der dritten Person Plural ablesbar -, daß die ‚Rechtskundigen‘ dies unabhängig und ohne Beisein des eigentlich für das Verfahren zuständigen Amtsträgers tun, an die sich die Klageschrift der Parteien richtete 229 . In einer 1258 vor den Assessor des Podestà Raimondus Aginonus gebrachten Erbschaftsauseinandersetzung wird dies besonders deutlich. Getrennt voneinander scheinen sowohl Raimondus als auch die beiden iurisperiti die Beweise geprüft und die Parteien gehört zu haben, bevor das Urteil gesprochen wurde: Nos predictus assessor, visis et auditis rationibus et allegacionibus utriusque partis et habito conscilio dominorum Obizonis de Bevulco et Leonardi Perdepeti iurisperitorum coram quibus disputata fuit et examinata questio per sapientes utriusque partis, et qui viderunt diligenter testes et iura productos et producta ab ipsis partibus . . . 230 . Hier scheint ihre Hauptaufgabe darin bestanden zu haben, sich aufgrund der Einlassungen der sapientes beider Parteien eine Meinung zu bilden - auch dies unabhängig und getrennt vom assessor. Als eigenständiges Element des Verfahrens, dessen Aufgabe weit über die einer juristischen Beratung hinausging, stellt sich das Mailänder consilium nicht zuletzt in den beiden aus dem hier betrachteten Zeitraum überlieferten Schreiben dar, durch die die ‚Rechtskundigen‘ mit ihrer Funktion betraut wurden. Wird einmal lediglich davon gesprochen, daß der Justizkonsul Guilizonus Cominus dem iurisperitus Petrus de Castana die Anhörung in einem Fall übertrug 231 , so bestimmte der Assessor Albertus de Rivalta zwei iurisperiti de collegiodazu, in dem ihm übertragenen Fall tatsächlich zu entscheiden: causa(sic! ) . . . debeant definire 232 . Nicht hervor geht aus diesen Schreiben, daß die Amtsträger - ähnlich wie 227 ACM sec. XIII 2.1, Nr. 152, 1. August 1256. 228 Auch in San Gimignano scheinen die Advokaten hin und wieder ihre Argumente mündlich dem iurisperitus vorgetragen zu haben; C HIANTINI , Il consilium sapientis, S. xlif.; dazu auch R OS - SI , Consilium sapientis iudiciale, S. 78ff.; V OLTELINI , Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, S. CLXVIII. D URANTIS , Speculum iudicale, no. 1ff., gibt Ende des 13. Jahrhunderts eine Beschreibung des Verfahrens, womit er eine Praxis darstellt, die er selbst bekämpft. 229 Es ist Bennus de Gonzadinis, iudex presidens exactioni mensure terrarum, an den sich die Klage der oben zitierten Sentenz richtet; ACM sec. XIII 2.1, Nr. 152, 1. August 1256. 230 ACM sec. XIII 2.1, Nr. 216, 14. Juni 1258. 231 Dominus Guilizonus Cominus consul iustitie Mediolani, camere civitatis, comisit audientiam cause que vertebatur inter A.A. ex una parte et R.R. ex altera in dominum Petrum de Castana iurisperitum, 4. August 1273, ACM sec. XIII 2.2, Nr. 671. 232 Dominus Albertus de Rivalta iudex et assessor potestatis . . . comissit dominis Alcherio de Vicomercatoa et Proino de Rippa iurisperitorum de collegio causam que vertitur inter A.A. ex una parte, et R.R. ex altera . . . , que causa (sic! ) predicti iudices debeant defenire precepto dicti iudicis 82 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ bei der Beauftragung der delegati - die iurisperiti auf Wunsch der Parteien hinzuzogen, die auch bei der Auswahl dieser ‚Berater‘ mitwirkten 233 . Einmal durch das Zusammenwirken von Richter und Parteien beauftragt, scheinen die iurisperiti in ihrem weiteren Tun einen großen Handlungsspielraum zu haben. So zieht der im Verfahren zum iurisperitus bestellte Galvaneus Stefanardus nach eigenem Gutdünken einen weiteren ‚Rechtskundigen‘, Dalfinus de Marnate, hinzu, was ausdrücklich in der Sentenz vom 2. Oktober 1265 erwähnt wird: Girardo Medico consule Mediolani, habito conscilio domini Galvanei Stefanardi iurisperiti, qui asociavit dominum Dalfinum de Marnate iurisperitum, qui viderunt ipsam peticionem et litis contestationem . . . 234 . Ähnlich wie Galvaneus nehmen in weiteren sechs Fällen ‚Gutachter‘ unabhängig vom Amtsträger und von den Prozeßgegnern weitere Ernennungen eines Kollegen vor, so daß hier alles andere als eine Ausnahme vorliegt 235 . Läßt sich schon hieran die Eigenständigkeit der iurisperiti gegenüber den sie beauftragenden Richtern ablesen, so zeigt die zunehmende Übernahme wichtiger Verfahrenselemente ihre starke Stellung im Prozeß an. Oben ist bereits deutlich geworden, daß die ‚Gutachter‘ nicht nur aufgrund der Aktenlage entschieden, sondern auch die Parteien bzw. deren Vertreter anhörten. In einigen Verfahren sind also, so kann man den Sentenzen entnehmen, sowohl die vorgelegten Schriftstücke als auch die Einlassungen der Kläger und Beklagten einmal vor dem Amtsträsecundum iuris ordinem et ratio postulat et requirit, ACM sec. XIII 2.2, Nr. 730, 29. August 1276. Die Ernennungschreiben, die cartae commissiones, von iurisperiti im Verfahren sind zu trennen von den cartae delegationis, in denen auch sich als iurisperiti bezeichnende delegati ein Verfahren übertragen bekommen, wie dies oben bereits geschildert wurde; vgl. die carta delegationis ACM sec. XIII 2.2, Nr. 492 vom 2. April 1267 und die zugehörige Sentenz vom gleichen Tag (Nr. 493). 233 Erstmals am 3. Juni 1283 (ACM sec. XIII 3, Nr. 273) wird in der commissio an einen iurisperitus die Wendung ‚de voluntate partium‘ aufgenommen. Daß die Parteien an der Bestellung der ‚Gutachter‘ auch vor diesem Datum beteiligt waren, läßt sich zwei Sentenzen entnehmen. Einmal haben sie ihre Hinzuziehung beantragt: Nos predictus dominus Inmerius milles et coleteralis ipsius potestatis, habito consilio dominorum Dalfini de Marnate et Gionselmi de Gionselmis iurisperitorum ellectorum per predictum militem de voluntate suprascriptarum partium. . . , ACM sec. XIII 2.2, Nr. 706, 16. Juni 1275. Im zweiten Fall wurden sie gar von ihnen ausgewählt: ad hoc per predictas partes concorditer ellectorum et per ipsos delegatos [gemeint sind delegierte Richter] confirmatorum, ACM sec. XIII 2.1, Nr. 20, 16. Mai 1251. Bereits 1225 müssen die Konsuln der Credenza di S. Ambrogio, der Partei des Popolo, in bestimmten Gerichtsverfahren auf Wunsch der Parteien iurisperiti beiziehen; ACM sec. XIII 1, 10. Juni 1225. Eine Beauftragung (commissio) von consiliarii auf Parteiantrag und ein Mitspracherecht bei ihrer Auswahl ist in Norditalien üblich; über die verschiedenen Modi der Parteieinwirkung informiert E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 275ff. 234 ACM sec. XIII 2.2, Nr. 406. 235 Ähnlich ACM sec. XIII 2.1, Nr. 157, 2. September 1256; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 555, 20. März 1269; Nr. 560, 10. Mai 1269; Nr. 580, 2. September 1269; Nr. 656, 23. März 1273; Nr. 689, 7. August 1274. 83 8 Legitimationsstrategien der Gerichte ger und ein zweites Mal vor dem iurisperitus verhandelt worden 236 . Liest man die Dokumente genauer, wird deutlich, daß oft genug eine Gewichtsverschiebung zugunsten der ‚Gutachter‘ einsetzte: Nicht mehr vornehmlich der Amtsträger, sondern der iurisperitus trug - zumindest in einigen Prozessen - die Hauptlast des Verfahrens. Die Aufgaben, die die iuriperiti Leonardus Vicecomitis und Rainerius de Comitibus in einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Wasserrechte am Fluß Restocanus erledigten, werden in der Sentenz besonders ausführlich geschildert. Von der Einsichtnahme sämtlicher prozeßrelevanter Schriftstücke über das Verlesen der Zeugenaussagen durch einen Notar 237 und einem Ortstermin bis zur Anhörung der Parteivorträge rollte das ganze Verfahren vor ihnen ab. Mag die ausführliche Schilderung auch noch z. T. darauf zurückzuführen sein, daß die ‚Gutachter‘ sich vor Ort ein Bild der Sachlage machen mußten, so ist doch auffällig, daß dagegen über die Tätigkeit des Amtsträgers Albertus lediglich gesagt wird, er habe sich mit Leonardus und Rainerius beraten (habito conscilio) und das Urteil verkündet (dictus iudex pronunciavit) 238 . Die knappe Schilderung des Verfahrens, das 1268 vor dem Justizkonsul Miranus de Marnate anhängig war, zeigt deutlich, daß auch in weniger komplizierten Prozessen eine Verschiebung des Gewichts zugunsten der ‚Gutachter‘ zu beobachten ist. Zwar hatte Miranus als Konsul das Urteil qua Amt zu verkünden, der Fall selbst war aber de facto allein vom iurisperitus entschieden worden 239 . Der Beitrag, den der Amtsträger Bennus de Gozadinis zur 236 Neben den bereits zitierten Sentenz wird dies aus einem Urteil vom 12. Juli 1252 besonders deutlich: Quibus et aliis hinc inde propositis, visis et auditis rationibus et allegationibus utriusque partis dilligenter inspectis, et habito conscilio domini Guilielmi Serazoni iurisperiti, coram quo per advocatos utriusque partis causa diligenter disputata fuit et exhaminata, predictus dominus Iacobus delegatus talem in scriptis sententiam promulgavit . . . ; ACM sec. XIII 2.1, Nr. 67. 237 In der Sentenz wird nur am Rande mitgeteilt, die unterlegene Partei habe neben den Kosten für einen Lokaltermin auch die Aufwendungen für den Notar (15 s.) zu übernehmen, qui legit testes sapientibus et qui scripsit conscilium; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 646, 19. Mai 1272; ähnlich Nr. 580, 2. September 1269. Die Zeugenprotokolle wurden damit in gleicher Weise sowohl in der Verhandlung vor dem ‚ordentlichen‘ Richter wie vor dem iurisperitus präsentiert. 238 Nos dominus Albertus de Ruzollo iudex et assessor potestatis Mediolani ad malleficia constitutus, habito conscilio domini (sic! ) Leonardi Vicecomitis et Rainerii de Comitibus iurisperitorum, qui viderunt dictam accusam et responsiones factas super predicta accusa per predictos Beltramum et Robertum et Franciscum et testes productos per predictum Cistonum super predicta accusa et testes productos per predictos accusatos ad defensionem eorum, et instrumentum unum . . . et qui accesserunt ad predictum flumen et viderunt occulata fide predictum fossatum de novo factum per predictos de Ossenago et mollandinum illorum de Ossenago . . . et omnia ea que expedibant fieri et videri circa predicta, qui viderunt plura alia acta et instrumenta predicta per predictos de Ossenago, et qui viderunt et audiverunt omnia ea que volunt ostendi et allegari per predictas partes et per advocatos earum coram eis, dicimus et pronunciamus . . . Dictus iudex pronunciavit ut supra, ACM sec. XIII 2.2, Nr. 646, 19. Mai 1272. 239 Super eo quod queritur coram domino Mirano de Marnate consule iustitie Mediolani inter A.A. ex una parte et R.R. ex altera utrum dictus R.R. teneatur et debeat respondere an teneat et posideat 84 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ Entscheidung des vor ihm anhängigen Verfahrens leistete, scheint nach Auskunft der Sentenz ebenfalls auf die Einholung des consilium und die Verkündung des Urteils beschränkt gewesen zu sein; die Untersuchung und Beurteilung unternahm auch hier allein der ‚Gutachter‘ 240 . Ähnlich gering scheint sich auch der Richter und Assessor des Podestà Albertus de Ripalta im Verfahren engagiert zu haben. Dennoch - oder gerade deshalb - wird ausdrücklich betont, das Urteil sei durch ihn von seinem Amtssitz aus ergangen (sedens pro tribunali pronuntiavit) 241 . Diese Konstruktion - Aufzählung der umfangreichen Tätigkeiten der iurisperiti, Hervorhebung der Pronuntiation des Urteils durch den Amtsträger - ist mit leichten Varianten typisch für die Mailänder Sentenz der Jahre nach 1247 242 . Auffällig ist zudem, daß in keinem der Mailänder Urteile ein Dissens zwischen Amtsträger und ‚Gutachter‘ aufscheint; immer folgten die Richter den iurisperiti. Wenn auch das gelehrte Recht keine generelle Befolgungspflicht des Richters bezüglich der consilia vorsah 243 - allerdings war es den Parteien möglich, dies zu vereinbaren 244 -, so sind zahlreiche Statuten zumindest ambivalent zu interpretieren, einige wenige sahen gar ausdrücklich eine Befolgung vor 245 . Wie auch Beispiele aus San illas terras et sedimina seu illas res de quibus queritur et in libello continetur an non, consilium domini Iacobini de Sorexina iurisperiti, qui diligenter vidit et audivit et intelexit alegationes utriusque partis, talle est, videlicet quod dicit et consulit quod dictus R.R. teneatur et debeat respondere an teneat et poxideat illas terras et illa sedimina seu illas res de quibus queritur et in libello continentur vel non. . . . D ominus Mir anus de Marnate consul Mediolani pr onontiavit ut supr a . . . ; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 543, 30. Oktober 1268. 240 Nos predictus dominus Bennus, habito conscilio domini Iacobi Grasselli iurisperhiti, qui habuit conscilium cum domino Ubertino de Niguarda iurisperhito, coram quibus per advocatos partium predicta questio disputata fuit et qui viderunt conscilia comunis Mediolani et instrumenta ipsius hospitalis et iura utriusque partis et testes productos in hac causa, damus sacramentum . . . ACM sec. XIII 2.1, Nr. 157, 2. September 1256. 241 Nos predictus dominus Albertus de Ripalta, iudex et assessor potestatis Mediolani ut supra, habito consilio domini Tebaldi de Porta Romana iurisperiti, qui vidit quoddam repertorium in quo continetur . . . , et qui vidit et audivit iura et allegationes utriusque partis, et qui super predictis habuit diligentem deliberationem, dicimus et pronuntiamus et per sententiam declaramus . . . Predictus iudex [Albertus de Ripalta] sedens pro tribunali pronuntiavit ut supra . . . ACM sec. XIII 2.2, Nr. 740, 19. Dezember 1276. 242 Ähnlich ACM sec. XIII 2.1, Nr. 216, 14. Juni 1258; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 359, 8. März 1264; Nr. 406, 2. Oktober 1265; Nr. 465, 2. Dezember 1266; Nr. 555, 20. März 1269; Nr. 560, 10. Mai 1269 und weitere. 243 E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 309ff. 244 Ebd. 245 Et qudo super hiis super quibus semel est habitum consilium, . . . ipso consilio habito semel et dato iudici vel offitiali, teneatur quicumque iudex et offitialis ipsum consilium legere vel legi facere et secundum formam ipsius consilii iudicare et pronuntiare, ea die vel sequenti proxima iuridica, qua sibi datum fuerit ipsum consilium . . . Lo statuto di Bergamo del 1331, hg. von S TORTI S TORCHI , col. III, cap. II, S. 91f. Die Bestimmung galt jedoch nicht für den vicarius und seine Richter. Zur Einordung der Bestimmung, die wohl aus einer älteren Statutenredaktion des Jah- 85 8 Legitimationsstrategien der Gerichte Gimignano zeigen 246 , scheinen sich die Gerichte in der Praxis in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durchgängig den Urteilen der iurisperiti angeschlossen zu haben. Die iurisperiti bildeten damit ein Element des Zivilprozesses, welches sich erst im Verfahren konstituierte. Ihnen konnte flexibel entweder der Prozeß allein in Aktenform vorgelegt werden, oder aber man ließ das Verfahren mit Vorträgen der Parteivertreter erneut vor ihnen ablaufen. Die iurisperiti selbst hatten wiederum die Möglichkeit, eigenständig weitere ‚Rechtskundige‘ hinzuzuziehen. De facto waren sie es, die das Urteil fällten; das Ergebnis ihrer Tätigkeit mußte allerdings immer noch durch den sie Beauftragenden qua Amt verkündet werden. Sieht man vom letzten Punkt ab - und dieser Punkt ist sicherlich juristisch von Relevanz, jedoch nicht für die hier versuchte Argumentation -, unterscheidet sie kaum etwas von den delegati. Denn für ‚Gutachter‘ wie ‚Delegierte‘ gilt: a) beide werden vom Amtsträger beauftragt, und zwar immer oder z. T. mit Zustimmung der Parteien; b) die Beauftragung erfolgt während des laufenden Verfahrens; c) sie ist nur für dieses eine Verfahren gültig; d) beide können weitere iurisperiti hinzuziehen; e) vor ihnen wird (nochmals) z. T. das gesamte Verfahren aufgerollt; f) ihr Urteil ist entweder definitiv (so bei den Sentenzen der delegati) oder zumindest bestimmend für den Ausgang des Verfahrens. Ein Fall aus den 1260er Jahren zeigt, wie flexibel man mit der Übertragung der Entscheidung entweder an einen iurisperitus oder an einen delegatus umgehen konnte. Mapheus Inzigardus/ Inzignardus, Richter und assessor potestatis, bestimmte 1266 in der Streitsache zwischen dem Kapitel des Klosters S. Ambrogio und Beltramus Mironus Lanterius de Valle zum iurisperitus 247 . Lanterius setzte res 1296 übernommen wurde, B LATTMANN , Statutenbücher, Kapitel 8. Frau Blattmann danke ich für den freundlichen Hinweis. Weitere Statuten aus anderen Städten, die eine Befolgung des consiliums durch den Richter - z. T. auch im Strafprozeß - vorsehen, sowie eine - meist negative - Einschätzung dieser Bestimmungen durch die zeitgenössische Rechtslehre bei E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 315f. und P ERTILE , Storia del diritto italiano, S. 217. 246 So lauten etwa die Notizen der Amtsträger auf den von C HIANTINI , Dall mondo della prassi, S. 47, untersuchten consilia: Unde Ego Straccia iudex et assessor Comunis Sancti Geminiani sic pronunptio ut super apparet in dicto consilio in curia Comunis pro tribunali sedens, testes . . . Weitere Randnotizen in DIES ., Il consilium sapientis, S. xlivf. und S. 7 passim. 247 Die Streitsache war vermutlich bereits seit Mai 1266 vor dem Kommunalgericht anhängig, vgl. ACM sec. XIII 2.2, Nr. 452 und Nr. 453. Lanterius wurde erstmals am 1. September des gleichen Jahres in der Sache aktiv: Dominus Lanterius de Valle iurisperitus, cui comissa est audientia huius cause a domino Mapheo Inzigardo iudice et assessore potestatis Mediolani, statuit terminum probandi datum reo ad VIII dies proximos de causa quam habet capitulum canonice Sancti Ambrosii Mediolani, pro quo fuit Arnoldus de Lacessa sindicus illius canonice et capituli, actor, cum Beltramo Mirono porte Ticinensis . . . , ACM sec XIII 2.2, Nr. 461. 86 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ in der Folge eigenständig mehrere Verhandlungstermine an 248 . Als am 2. April 1267 die Sache entscheidungsreif war, ging der Fall jedoch nicht - wie üblich - zur Urteilsverkündung zurück an den assessor potestatis. Vielmehr wurden Lanterius und dem bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht mit dem Verfahren befaßten Rugerius de Leuco eine carta delegationis ausgestellt. Lanterius wurde so - nachdem er bereits mehrere Monate als iurisperitus den Fall bearbeitet hatte - in der gleichen Sache zum iudex delegatus ernannt. Noch am selben Tag, an dem man die carta delegationis ausgestellt hatte, verkündete er zusammen mit Rugerius in diesem zum Delegationsverfahren gewandelten Fall das Urteil und unterschrieb die Sentenz 249 . Wie bereits aus Tabelle 4 hervorgeht, sind in der fünften Phase nach 1247 bereits 65% aller für die Mailander Zivilgerichte Tätigen entweder delegati oder iurisperiti 250 , lassen sich also zu jener Gruppe von ‚ad-hoc-Amtsträgern‘ zusammenfassen, die erst während des Prozesses bestimmt werden. Das Bild verschärft sich, wenn man sieht, daß von den 42 Prozessen dieser Jahre lediglich ein einziger nicht unter Beteiligung der iurisperiti und/ oder delegati durchgeführt wird 251 - und dies gilt unabhängig davon, ob die juristische Auseinandersetzung vor einem Justizkonsul, einem Assessor des Podestà oder einem der anderen Ämter ausgetragen wird; ihre Hinzuziehung ist auch unabhängig davon, ob der Amtsträger iudex oder gar legum doctor ist 252 . Die Kette von Ernennungen und Nominie- 248 ACM sec. XIII 2.2, Nr. 471; Nr. 473; Nr. 477; Nr. 487; Nr. 488; Nr. 489. Alle Terminsetzungen datieren aus dem ersten Viertel des Jahres 1267. 249 ACM sec. XIII 2.2, Nr. 492 (carta delegationis) und Nr. 493 (Sentenz) vom 2. April 1267. Im Text der Sentenz bezeichnet man Lanterius sowohl als iurisperitus wie als delegatus: Super eo quod olim vertebatur coram domino Mapheo Inzigniardo iudice et assessore potestatis Mediolani et nunc vertitur coram dominis Rugerio de Leuco et Lanterio de Valle iurisperitis delegatis a domino Guilielmo de Guidottis iudice et assessore potestatis Mediolani, ut constat per cartam unam delegationis hodie traditam. . . Beide geben sich in der Subscriptio jedoch lediglich den Titel delegatus. 250 In den letzten beiden Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts scheint es keine delegierten Richter mehr in Mailand gegeben zu haben: weder ein Gerichtsurteil noch eine carta delegationis ließen sich - nach kursorischer Durchsicht - in der Edition nachweisen. Statt dessen findet sich neben mindestens 17 commissiones, also Beauftragungen an iursiperiti, in jeder Sentenz der Hinweis auf die Beteiligung eines ‚Gutachters‘. Statt entweder einen delegierten Richter oder einen iurisperitus zu beauftragen, scheint man sich langfristig für den letzten Weg entschieden zu haben - m.E. ein weiterer Beleg für die prinzipielle Ähnlichkeit des Verfahrens. Commissiones: ACM sec. XIII 3, Nr. 119, 23. Februar 1280; Nr. 172, 18. Oktober 1281; Nr. 273, 3. Juni 1283; Nr. 290, 5. August 1283 passim. Sentenzen: ACM sec. XIII 3, Nr. 20, post 14. Juni 1277; Nr. 53, 17. Dezember 1277; Nr. 87, 14. März 1279; Nr. 101, 23. Juni 1279; Nr. 126, 2. April 1280 passim. 251 Die Sentenz vom 6. Juli 1248 (ACM sec. XIII 1, Nr. 492), eine der ersten des fünften Intervalls, wird direkt vom Assessor des Podestà entschieden, ohne daß er einen iurisperitus hinzuzieht. 252 Doradus de Camozia legum doctor, zugleich iudex presidens offitio inventariorum novorum per comune Mediolani zieht trotz seiner Ausbildung den iurisperitus Burrus de Nicholais hinzu; 87 8 Legitimationsstrategien der Gerichte rungen während des Prozesses besteht dabei oft genug aus mehr als nur den beiden Gliedern Amtsträger-Beauftragter. Wie bereits erwähnt, bestellten ja die vom Amtsträger beauftragten delegati 253 häufig genug selbst iurisperiti, so daß hier bereits drei einzelne ‚Kettenglieder‘ (Amtsträger-Beauftragter1-Beauftragter2) zu verzeichnen sind. Eine solche Dreigliedrigkeit beschränkte sich nicht nur auf Prozesse, die vor den delegierten Richtern geführt wurden. Nach 1247 sind acht Fälle belegt, in denen der in einem ‚ordentlichen‘ Verfahren beauftragte iurisperitus selbst einen weiteren Berater hinzuzieht - jetzt offenbar, ohne zuvor mit dem Richter oder den Parteien Rücksprache zu nehmen 254 . Wenn also ein Mailänder Bürger nach 1247 eine Klage bei dem dafür zuständigen Amt einreichte, so übertrug der Konsul oder Assessor - nachdem er sich selbst mehr oder weniger intensiv mit der Angelegenheit befaßt hatte - auf jeden Fall den Prozeß einem oder zwei von ihm eigens dafür Beauftragten. Diese untersuchten den Fall, zogen eventuell weitere Personen zu, und gaben ein Urteil ab, das sie entweder selbst verkündeten und niederschreiben ließen oder aber an den Amtsträger zurücklieferten, der dann - ohne Beisein der iurisperiti - die Sentenz von seinem Amtssitz aus bekanntgab. Nachdem die qualitativen Veränderungen im Verfahren dargestellt wurden, ist nun zu untersuchen, welche Gründe zu dieser exzessiven Hinzuziehung von ‚Gutachtern‘ geführt haben mögen. Allgemein werden zwei Ursachen genannt: 1. daß durch ihre Hilfe die mangelnde Rechtskenntnis der Amtsträger ausgeglichen wer- ACM sec. XIII 2.2, Nr. 506, 21. Oktober 1267. Umgekehrt bezeichnet sich lediglich ein einziges Mal ein ‚Gutachter‘ als doctor legum; vgl. ACM sec. XIII 2.2, Nr. 555, 20. März 1269. 253 Drei von acht der nach 1247 durch delegati ergangenen Urteile werden unter der Beteiligung von iurisperiti gefällt; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 20, 18. März 1251; Nr. 67, 15. Juli 1252; Nr. 120, 18. März 1255. 254 Ein extremes und etwas ungewöhnliches Beispiel stellt die Sentenz vom 2. Oktober 1265 (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 406) dar. Der Konsul Johannes de Muzano, dem die Entscheidung über den strittigen Besitz einer Landparzelle vom Konsul Gerardus Medicus übertragen wurde (1. Beauftragung), bestimmt Galvaneus Stefanardus zum iurisperitus (2. Beauftragung), der wiederum Dalfinus de Marnate hinzuzieht (3. Beauftragung) . . . nos dominus Iohannes de Muzano consul Mediolani, cui comisse sunt audientia cause a domino Girardo Medico consule Mediolani, habito conscilio domini Galvanei Stefanardi iurisperiti, qui asociavit dominum Dalfinum de Marnate iurisperitum, qui viderunt ipsam peticionem et litis contestationem et instrumenta consignationis terrarum. Dalfinus ist damit ‚Beauftragter dritten Grades‘, wenn man so will. Ungewöhnlich hier vor allem die erste Beauftragung (ein Konsul [Gerardus] beauftragt einen anderen Konsul [Johannes]), obwohl Gerardus im gleichen Jahr das Konsulamt innehatte und die Sentenz sogar mit unterschreibt. Üblich sind dagegen die Beauftragungen 2 und 3, wie aus einem Urteil vom 7. August 1274 deutlich wird: Nos predictus dominus Roffinus Anrochus, consul iustitie Mediolani ut supra, habito consilio domini Mainfredi Menclotii iurisperiti, qui sibi adsumpsit in socium dominum Petrum de Castana iurisperitum, qui viderunt tenorem dicti libelli et litis contestationem. . . ACM sec. XIII 2.2, Nr. 689; ähnlich Nr. 157, 2. September 1256; Nr. 555, 20. März 1269; Nr. 560, 10. Mai 1269; Nr. 580, 2. September 1269; Nr. 656, 23. März 1273 und Nr. 676, 7. September 1273. 88 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ den sollte, und 2. durch ihre Hinzuziehung das Verfahren vor einem ‚unvoreingenommenen‘ Richter stattfinden konnte 255 . Beide Punkte kamen sicherlich bei der Beauftragung von iurisperiti und delegati in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße zum Tragen. Die Frage ist aber, ob man gestützt auf diese Motive das oben aufgezeigte Vorgehen im Prozeß tatsächlich in seinem ganzen Ausmaß erklären kann. Das erste Argument zerfällt dabei in zwei Teilaspekte, von denen dem zweiten mehr Gewicht beizumessen sein wird: Einerseits wird gesagt, der Richter habe gerade in der frühen Zeit noch nicht genügend Kenntnisse in den Fragen des römischen Rechts besessen, so daß es ihm darum zu tun war, sich durch Rückfragen bei erfahreneren Kollegen abzusichern 256 . Andererseits heißt es, der iudex der familia potestatis hätte sich als Ortsfremder in Unkenntnis der Statuten der Stadt jeweils ansässiger Richter bedient 257 , um diesen Mangel auszugleichen. Wie oben bereits gezeigt, ziehen in Mailand sowohl die auswärtigen Assessoren des Podestà als auch die einheimischen Justizkonsuln ab 1247 immer mindestens einen iurisperitus hinzu und/ oder delegieren den Prozeß an beauftragte Richter. Will man dies auf die beiden genannten Argumente zurückführen, heißt das in der Konsequenz, daß man sich in Mailand aus sehr unterschiedlichen juristischen Motiven in fast jedem Verfahren einen ‚Gutachter‘ aus dem gleichen collegium bestellte. Zugleich wird damit unterstellt, daß der auswärtige Richter sich trotz seiner postulierten besseren Kenntnis des gemeinen Rechts immer dem Urteil des im lokalen Statutenrecht bewanderten iurisperitus anschloß, oft ohne selbst maßgeblich den Fall geprüft zu haben. Mag dies noch juristisch zu rechtfertigen sein, da den lokalen Statuten Vorrang vor römischrechtlichen Regelungen einzuräumen war, so ist letztlich unverständlich, warum sich die ortsansässigen Richter in fast jedem Verfahren mittels ‚Gutachter‘ über die entsprechenden Textstellen des römischen Rechts hätten informieren sollen, um dann ebenfalls immer deren Urteil zu folgen. Daß es sich bei den iurisperiti kaum um Spezialisten des einen oder des anderen Rechts gehandelt haben dürfte, zeigt auch die Tatsache, daß fast alle ‚Gutachter‘, 255 Vgl. hierzu die in den folgenden Anmerkungen genannte Literatur. Eine knappe Zusammenfassung der Argumente: W EIMAR , Consilium 2 (‚Rechtsgutachten‘), Sp. 161. Auf einen dritten Aspekt, den Weimar nennt - den Einsatz des Konsiliums als Schutz des Richters vor einem möglicherweise drohenden Syndikatsprozeß -, muß hier nicht eingegangen werden, da dies für die Verfahren des 13. Jahrhunderts keine Rolle gespielt hat, vgl. E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 405ff. 256 E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 247 und 272. 257 E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 254; W IEACKER , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 82f.; A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, 195ff; C HIANTINI , Il consilium sapientis, S. xxxii, meldet zwar erste Zweifel an, ob die „giudici podestarili“ in San Gimignano sich tatsächlich aufgrund mangelnder Kenntnis ein consilium sapientis erbeten, vermutet aber, hier lägen wohl lokale Besonderheiten vor. 89 8 Legitimationsstrategien der Gerichte die nach 1247 häufiger genannt werden, sowohl für die nicht aus Mailand stammenden Richter als auch für die consules iustitiae tätig wurden 258 . Sind hier schon Zweifel angebracht, ob wirklich die spezifische Rechtskenntnis der ‚Berater‘ der primäre Grund für ihr Einschalten in das Verfahren darstellte, so zeigen die statutarischen Bestimmungen aus Verona und Padua, die ausdrücklich auch Laien in das Kollegium integriert wissen wollten, aus dem sich die iurisperiti rekrutierten, daß es ihnen nicht vornehmlich um Fachkenntnis zu tun war 259 . Da ja in Mailand bei fast jedem Verfahren auch vor den Justizkonsuln ‚Berater‘ zugezogen wurden, unterstellt man implizit - so man in den iurisperiti vornehmlich Rechtsexperten sehen will -, daß allen Justizkonsuln in fast jedem Fall der nötige juristische Sachverstand zur Beurteilung gefehlt habe. Es bedeutet ferner, daß Richter und Parteien bei der Auswahl der delegati und iurisperiti wenig Geschick an den Tag gelegt haben. Denn wie oben gezeigt wurde, sahen sich diese häufig genug erneut veranlaßt, weitere ‚Rechtskundige‘ hinzuzuziehen, was das Verfahren unnötig verteuerte und komplizierte. Zu fragen bliebe vor allem, warum nicht, wenn schon generell mindestens ein iurisperitus hinzugezogen wurde, ähnlich wie im 12. Jahrhundert üblich, gleich mehrere Richter, deren Rechtskenntnis nachgewiesen war, als Urteiler ernannt und eingesetzt wurden. Kann man einen Mangel an juristischer Fachkenntnis als Erklärung für die generelle Beiziehung von ‚Gutachtern‘ ausschließen, so ist nun auf das zweite Argument einzugehen. Die iurisperiti nicht von vornherein fest zu installieren, sondern sie erst unter Mitwirkung der Parteien zu beauftragen, eröffnete für Kläger und 258 Der überwiegende Teil der iurisperiti taucht in dieser Funktion nach 1247 nur ein oder zweimal auf; fünf Personen werden dreimal, eine viermal genannt. Von diesen sechs häufiger genannten ‚Gutachtern‘ werden fünf sowohl in den Sentenzen der auswärtigen Richter als auch in denen der einheimischen genannt: So Dalfinus de Marnate in einer Konsularssentenz von 1265 und zwei Sentenzen der Assessoren von 1269 und 1275 (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 406; Nr. 580 und Nr. 706); Burrus de Nicholais taucht 1254 und 1269 in zwei Konsularssentenzen (ACM sec. XIII 3, app. 2, Nr. 1; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 575) sowie 1267 und 1270 in Sentenzen anderer Ämter auf (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 506, officium inventariorum; Nr. 611, Sentenz des Assessors). Die übrigen seien summarisch aufgezählt, ohne die jeweiligen Ämter mit zu nennen: Ubertus de Niguarda (ACM sec. XIII 2.1, Nr. 139; Nr. 157 und Nr. 280); Iacobus de Osiis (ACM sec. XIII 2.1, Nr. 139; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 576 und Nr. 733); Galvanius Stephanardus (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 406; Nr. 436 und Nr. 565). Einzige Ausnahme: Lanterius de Valle, der nur in den Sentenzen des assessor potestatis erwähnt wird (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 555 und Nr. 580), einmal jedoch eigenständig als delegierter Richter des Assessors auftritt (ACM sec. XIII 2.2, Nr. 493). 259 In Verona sind in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts neben den in der Stadt wohnenden Richtern 40 durch Wahl im consilium generale bestimmte Laien Mitglied des Kollegiums, aus dem sich die consiliarii rekrutieren; L ÜTKE W ESTHUES , Die Kommunalstatuten, S. 229. Die Statuten von Padua bestimmten 1258, daß ein Laie mit in das Kollegium zu wählen sei; E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 271. Anders dagegen M EYER -H OLZ , Collegia Iudicum, S. 124ff., allerdings charakteristischerweise ausschließlich mit Beispielen aus dem 14. Jahrhundert (Ausnahme: die Statuten von Modena von 1267, ebd., S. 127). 90 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ Beklagten die Möglichkeit, auf deren Auswahl Einfluß zu nehmen. Dies geschah entweder, indem die Parteien dem amtierenden Richter eine Liste ihrer confidentes, aus denen er dann die ‚Rechtskundigen‘ bestimmte, oder eine Negativliste der suspecti übergaben, die er von seiner Wahl auszuschließen hatte 260 . Vor allem die erste Variante macht deutlich, daß es nicht darum ging, einen möglichst ‚objektiven‘, d. h. keiner Partei nahestehenden oder gar einen unbekannten ‚Gutachter‘ zu benennen. War schon hier eine Einflußnahme nicht nur möglich, sondern geradezu gefordert, so kann auch für die Auslagerung der Verhandlung vor dem iurisperitus - anders etwa als dies für die Wahlverfahren beobachtet worden ist 261 - nicht das Motiv eine Rolle gespielt haben, ein Urteil zu erhalten, das möglichst ohne Ansehen der Person zustande kam. Denn gerade in Mailand war, wie oben aufgezeigt, die disputatio der Parteien vor dem iurisperitus nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern durchaus üblich. Man hat daher zu Recht darauf verwiesen, daß dieses assoziative Element, welches hier im Verfahren Platz greift, als ein wesentlicher Aspekt der „Institution“ 262 iurisperitus betrachtet werden muß 263 . Dabei wurde die hier zum Tragen kommende Mischung aus Momenten, die große Ähnlichkeiten mit einem Schiedsgerichtsverfahren aufweisen 264 , und solchen, die einem öffentlichen Prozeß vor einem bestellten Amtsrichter entnommen sind, z. T. auf das historische Umfeld zurückgeführt, welches bei dem Fehlen einer vollständig ausgebildeten öffentlichen Gewalt derartige Partizipationen der Betroffenen förderte 265 . Durch diese Interpretation des ‚Gutachter‘-Phänomens ist erstmals der engere Rahmen einer Einordnung in eine rein juristische Entwicklung, wie sie in der bisherigen Literatur fast ausschließlich zu finden war, dezidiert überschritten worden. Wenn auch mit der Hervorhebung der Parteienpartizipation ein wichtiges Charak- 260 Regelungen dieser Art finden sich sowohl in den Statuten wie auch in den Artes Notarie des Rainerius und Rolandinus. Zusammenstellungen bei R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 146ff.; E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 299ff. Für das Strafverfahren scheint die Angabe von suspecti anstelle von confidentes dominiert zu haben; K ANTOROWICZ , Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1, S. 118. 261 K ELLER , Wahlformen, S. 373f.; DERS ., ‚Kommune‘, S. 609ff. 262 Zum consilium sapientis als Rechts-‚Institution‘ der Kommunen vgl. A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, S. 195f. Zur Diskussion über den Begriff und den Wert von ‚Institution‘ in geschichtlicher Perspektive vgl. ebd., S. 9ff., sowie mit weiterer Literatur M ELVILLE , Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema. 263 A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, S. 201ff. 264 Sich auf Ascheri beziehend schreibt Vallerani: „Arbitrato e processo, per certi versi sicuramente concorrenziali, si avvalgono di strumenti procedurali molto simili, e trovano comunque un punto di contatto importantissimo nell’istituto del consilium sapientis, dove il parere del consultor, eletto dalle parti ma delegato dal giudice, decide la soluzione del processo“, V ALLERANI , Il sistema giudiziario del comune di Perugia, S. IX. 265 A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, S. 201ff. 91 8 Legitimationsstrategien der Gerichte teristikum des ordo iudiciarius benannt worden ist, so wird man dies bei näherem Hinsehen nicht als den eigentlichen Kern dieser Art der Verfahrensgestaltung annehmen können. Denn zunächst einmal ist festzuhalten, daß auch der ‚Amtsrichter‘ - wenngleich unter Schwierigkeiten - bei Verdacht der Befangenheit abgelehnt werden kannte 266 , also eine Partizipation bezüglich der Bestellung des Richters durchaus gegeben war. Zwar ist es etwas anderes, einen einmal eingesetzten Richter abzulehnen, als bei der Bestellung eines neuen mitwirken zu können. Mit dem Argument der Partizipation ist jedoch nur schwer erklärlich, wieso selbst im Delegationsverfahren, bei dem sich die Parteien ja bereits auf einen oder zwei Richter geeinigt, d. h. ein Maximum an Partizipation erreicht haben, dennoch nicht selten weitere iurisperiti, ebenfalls unter Mitwirkung der Parteien, beauftragt werden 267 . Andererseits zieht der einvernehmlich von einem ordentlichen Gericht bestellte iurisperitus häufig genug nach eigenem Gutdünken einen weiteren Kollegen hinzu (sibi asumpsit), ohne daß jetzt der Richter oder die Parteien hierauf Einfluß genommen hätten 268 . Unverständlich muß auch bleiben, weshalb der Anteil der Delegationsverfahren, bei denen die Parteien ja in stärkerem Maße als bei der Konstruktion über ‚Gutachter‘ gestaltend mitwirken können 269 , nicht weiter ansteigt, sondern zunächst mit 19% in den Phasen 4 und 5 konstant bleibt. In den 1280er und 90er Jahren scheint diese Verfahrensart von den Prozessen mit ‚Gutachter‘- Beteiligung sogar gänzlich verdrängt worden zu sein 270 . Ein Blick auf andere Städte zeigt zudem, daß zwar überall im Verlauf des 13. Jahrhunderts eine vermehrte Hinzuziehung von consiliarii zu beobachten ist, aber dies keineswegs immer mit einer Partizipation der Prozeßgegner verknüpft wurde. 266 Mindestens bis zur ersten Sachäußerung des Beklagten, die gewöhnlich mit der litis contestatio erfolgte, konnte der Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden. Dies ist ein Grund dafür, warum zwischen der ersten Vorladung und der litis contestatio eine vergleichsweise lange Frist von bis zu 20 Tagen gesetzt wurde; neben der in Anm. 161 genannten Literatur explizit hierzu D OLEZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 49f. Die Hürden für eine Ablehnung waren nach „der übereinstimmenden gemeinrechtlichen Lehre“ nicht sehr hoch: sie mußte nicht begründet werden, vielmehr genügte es, die ‚Ernstlichkeit‘ beispielsweise durch Kalumnieneid, deutlich zu machen; das Zitat und weitere Ausführungen hierzu bei E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 64f. 267 Nach 1247 läßt sich in drei von acht Fällen ein solches Vorgehen beobachten; vgl. Anm. 253; daß gerade in diesen Prozessen auch die Erklärung vermeintlich mangelnder (lokaler) Rechtskenntnisse nicht greift, ist oben bereits diskutiert worden. 268 Vgl. oben S. 88ff. 269 Anders als bei der Benennung der consiliarii bestätigte in der Regel der ‚ordentliche‘ Richter die ihm von den Parteien genannten Namen, ohne daß - wie bei den Konsilien üblich - der delegierte Richter eigenständig einen weiteren Kollegen ohne Beteiligung der Parteien zuzog. Das Urteil wurde zudem von den so ausgewählten delegierten Richtern auch verkündet, ohne an den ‚ordentlichen Richter‘ zurückverwiesen zu werden; vgl. dazu allgemein E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 328ff. 270 Jetzt werden in jeder Sentenz iurisperiti erwähnt, dagegen lassen sich Sentenzen delegierter Richter oder cartae delegationes nicht mehr finden; hierzu bereits S. 88ff. 92 8.2 ‚Binnenlegitimation‘ In Bologna, wo man ebenfalls ‚Gutachter‘ im Prozeß hinzuzog, wurden diese über einen längeren Zeitraum allein vom iudex benannt bei gleichzeitigem Verbot an die Parteien, Listen von suspecti einzureichen 271 . Weder Richter noch Parteien konnten 1298 in Verona auf die Benennung der ‚Rechtskundigen‘ Einfluß nehmen: Auf gleich großen Zetteln (brevia equalia), die die Richter in busuli bei sich führten, waren die Namen der consiliarii vermerkt, die von den Parteien durch Verlosung ermittelt wurden 272 . Zur selben Zeit übergab man in Siena die für die Einholung eines auswärtigen consilium im Syndikatsprozeß erforderlichen Schriftstücke einem ‚religioso huomo‘, wie die ins Volgare übertragenen Statuten sagen, und dieser wählte dann in einem Ort außerhalb der Sieneser Jurisdiktion nach seinem Gutdünken den sapiens oder die sapientes aus 273 . Hieran wird deutlich, daß die Einbeziehung der Parteien bei der Bestimmung der ‚Gutachter‘ aufgrund der dadurch gewonnenen größeren Einbindung in das Verfahren sicherlich anderen Auswahlmechanismen überlegen war und deshalb breit eingesetzt wurde, daß aber in dieser Einbeziehung selbst nicht der Antrieb für eine Beauftragung der iurisperiti gesehen werden kann. Sucht man nach einem gemeinsamen Charakteristikum, das für alle Beauftragungen gelten kann - ob nun ‚Experten‘ des römischen oder lokalen Rechts oder gar Laien hinzugezogen werden, ob das consilium eine disputatio der Parteien einschließt oder nur auf ‚Aktenbasis‘ durchgeführt wird oder ob man die iurisperiti durch Los, durch Benennung allein von seiten des Richters oder unter Beteiligung der Gerichtsgegner bestimmt -, so kristallisiert sich als gemeinsamer Kern immer die personelle wie zeitliche Abtrennung des consilium von der sie beauftragenden Instanz heraus. Nie findet die ‚Beratung‘ des das Urteil sprechenden Richters in der Form statt, daß der iurisperitus persönlich zum iudex kommt und mit ihm den Fall erörtert. Immer wird ein gesonderter Termin an einem anderen Ort, zumindest aber ohne Anwesenheit des Beauftragenden anberaumt. Dies ist 271 R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 149. Zwar glaubt Rossi, daß in der Praxis bei der großen Zahl von Fällen, bei denen ‚Rechtskundige‘ zugezogen wurden, der Richter sicherlich die Wünsche der Parteien berücksichtigt haben wird (ebd., S. 148, Anm. 96), aber dennoch ist damit zugleich festgestellt, daß die Parteienpartizipation für die Ausbildung der Gutachterpraxis ein wichtiges, aber nicht das entscheidende Moment darstellte. 272 Ausführliche Schilderung bei L ÜTKE W ESTHUES , Die Kommunalstatuten, S. 230; das Zufalls- Element wurde in Ansätzen bereits 1276 in das Veroneser Verfahren eingeführt; R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 148, Anm. 96. In den norditalienischen Kommunen werden solche Losverfahren, oft in Kombination mit anderen Formen des Erwählens und Ernennens, häufig angewandt; vgl. K ELLER , Wahlformen, S. 345ff.; DERS ., ‚Kommune‘, S. 589ff; B LATTMANN , Wahlen und Schrifteinsatz in Bergamo im 13. Jahrhundert, S. 127-265. 273 Il Statuto del Comune di Siena [1296], zitiert nach R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 148, Anm. 96. Daß Humiliaten oder Angehörigen von Bettelorden eine ‚Mittlerfunktion‘ zugewiesen wurde, läßt sich auch in anderen Kontexten der kommunalen Administration, etwa bei den verschachtelten Wahlverfahren, beobachten; vgl. K ELLER , ‚Kommune‘, S. 593f. und 602f. 93 8 Legitimationsstrategien der Gerichte umso interessanter, als durchaus sowohl im gelehrten Recht wie in der Praxis die direkte Erörterung des Falles zwischen Amtsrichter und Gutachter als eine Möglichkeit der Entscheidungsfindung vorgesehen ist bzw. vorgekommt. Diese in Abgrenzung zum consilium als colloquium bezeichneten Beratungen zwischen iudex und iurisperitus sind vor allem im 12. und noch zu Beginn des 13. Jahrhunderts zu finden, werden aber gerade im weiteren Verlauf des Jahrhunderts von den abgetrennten, eigenständigen consilia verdrängt 274 . Gerade dieser Vergleich ähnlicher Rechtsinstitute, die zu bestimmten Zeiten im Verfahren dominieren, zeigt deutlich an, was als das wesentliche Element der consilia zu betrachten ist. Ist mit diesen Charakteristika aber das Wesentliche der ‚Gutachterpraxis‘ herausgearbeitet, so gelingt es nun nicht nur - wie oben bereits geschehen -, die kommunale Delegationsgerichtsbarkeit als eine Variante dieser Verfahrensweise zu deklarieren, sondern zugleich auch die Übertragung wichtiger Teile des Beweisverfahrens an eine personell und zeitlich abgetrennte Instanz, wie sie das Notariat darstellt, als ein weiteres, nach ähnlichen Regeln konstruiertes Subsystem des Prozesses zu erkennen. Denn auch bei der Befragung der Zeugen durch ebenfalls z. T. von den Parteien, z. T. durch andere Modi bestimmte Notare kristallisiert sich als grundlegendes Charakteristikum die Auslagerung eines Teils der Verhandlung und die Übertragung seiner Abwicklung an ein eigenständiges Gremium heraus 275 . 274 Der Unterschied zwischen dem den Richter mündlich beratenden ‚Gutachter‘ der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und dem eigenständigen consilium, das in wenigen Erwähnungen zu Beginn des 13. Jahrhunderts nachweisbar ist, beschreibt R OSSI , Consilium sapientis iudiciale, S. 69ff., insbesondere S. 74f., kontrastiert das consilium aber nur ungenau mit dem Institut des Kolloquiums. Hierzu erhellender E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 249f. und S. 261f., der einschlägigen Äußerungen der Rechtsgelehrten des 13. Jahrhunderts sowie die statutarischen Bestimmungen, die das colloquium nie ausschließen, aber auch selten erwähnen, zusammenfaßt. Vor diesem Hintergrund wird der ‚Rat‚, den die Justizkonsuln bei den seit 1192 erwähnten sapientes einholten, ohne daß deren Namen oder ihre Tätigkeit näher bezeichnet würden, in den ersten zwei Jahrzehnten nach 1200 vermutlich in Form eines Kolloquiums, d. h. in gemeinsamer mündlicher Beratung von consules und sapientes, stattgefunden haben; zur ersten Erwähnung in Mailand vgl. S. 79ff. 275 Zur Funktion der Notare im Beweisverfahren vgl. S. 68ff. 94 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren Damit stellt sich der Mailänder Zivilprozeß nach 1247 im Gegensatz zum Verfahren vor 1200, genauer 1186, als ein verschachteltes System von weitgehend eigenständigen, ineinandergreifenden Teilelementen dar, von denen der überwiegende Teil jeweils eigens im konkreten Prozeß zu mobilisieren war. In den sechs Jahrzehnten zwischen 1186 und 1247 sind zwar erste Erwähnungen von Auslagerungen von Prozeßschritten und Ernennungen im Verfahren zu finden, konsequent und in quasi-institutionalisierter Form treten sie jedoch erst in der letzten Phase des Untersuchungszeitraums in Erscheinung. Ist dies einmal als wesentliches Merkmal des Verfahrens nach 1247 herausgearbeitet, stellt sich die Frage nach Funktion und Wirkung dieser Art der Prozeßgestaltung. Rechtssoziologische Untersuchungen haben darauf aufmerksam gemacht, daß eine Zergliederung und Ausdifferenzierung von Prozeßabläufen, d. h. eine Verteilung der Lasten auf autonome Einzelelemente, zu einer gesteigerten Anerkennung und letztlich zur Stabilisierung des Gerichtswesens beitragen kann 276 . Jedes Urteil, so die Ausgangsüberlegung, ist immer für mindestens eine Partei mit einer Niederlage verbunden, die nicht unbedingt rational nachvollziehbar gemacht werden kann, aber doch so aufzubereiten ist, daß dem Unterlegenen eine Akzeptanz der für ihn negativen Entscheidung ermöglicht wird. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung, beispielsweise über die Eigentumsrechte an einem Grundstück, ist für den Kläger nicht per se einsichtig, warum seine wohlbegründeten Einlassungen nicht zu dem als sicher geglaubten Erfolg geführt haben und statt seiner der Prozeßgegner die Wiese zugesprochen bekam. Warum sollte er also seinen Zaun einreißen und dem Nachbarn Zugang gewähren? Sicherlich besteht für die Justiz die Möglichkeit der Anordnung von Gewaltmaßnahmen; ein permanenter Rückgriff auf Zwang kann aber nicht im Interesse des Gerichts sein und würde seinen Bestand längerfristig eher gefährden als sichern. Ein Prozeß, der in sich zergliedert und auf eine Vielzahl von weitgehend unabhängigen Teilverfahren aufgespalten wird, eröffnet die Möglichkeit, ein eventuell negatives Urteil 276 Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf L UHMANN , Legitimation durch Verfahren, insbesondere S. 55ff. Allgemeiner zur inneren Ausgestaltung von Verwaltung in einzelnen Organisationseinheiten als Folge einer nicht gefestigten ‚Umwelt‘, d. h. der Gesellschaft insgesamt, DERS ., Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 76ff.; ferner zur Weiterentwicklung des ‚Umweltbegriffs‘ in der Systemtheorie ebd. S. 400ff. 95 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren vorzubereiten und den Widerstand dagegen kleinzuarbeiten. Unserem Kläger wird vielleicht schon bei der Vorlage seiner Dokumente klargemacht, daß sie die Grenzen der Wiese nur ungenau angeben und ihn nicht eindeutig genug als Eigentümer ausweisen. Er kann jetzt immer noch auf den nächsten Termin und die von ihm dort präsentierten Zeugen hoffen, hat aber damit zugleich - zumindest implizit - bereits eine Teilniederlage in Kauf genommen. Sind auch die Aussagen der Zeugen ungenau und werden nicht zu seinen Gunsten bewertet, hat er - ohne daß er deshalb schon die Hoffnung auf einen Sieg aufgeben muß - bereits eine weitere Teilentscheidung akzeptiert. Denn hinter die in einem Termin festgestellten ‚Tatsachen‘ zurückzufallen, ist nicht nur aus verfahrenstechnischen Gründen äußerst schwer. Eines der beiden wesentlichen Elemente, die für die Herstellung von Teilentscheidungen und Teilniederlagen und damit für die Vorbereitung der Akzeptanz des endgültigen Urteils nötig sind, ist, diese Niederlagen zeitlich auseinanderzuziehen. Findet alles konzentriert und an einem Ort statt, kann ein Abarbeiten unmöglich erfolgen, und die unterlegene Partei sieht sich sofort mit der endgültigen Entscheidung des Richters konfrontiert. Ähnlich wie die terminliche Zergliederung trägt als zweites wesentliches Element auch eine personale Aufteilung des Verfahrens zur Akzeptanz des Urteils bei. Sind für einzelne Komponenten der Verhandlung bestimmte, klar voneinander scheidbare Amtsträger zuständig, so wird sich die durch eine Teilentscheidung verursachte Frustration gegen jene Person und jenes Amt richten, das sie durchgeführt hat, ohne daß die anderen Ämter dadurch schon in Anspruch genommen würden. Für alle am Prozeßverlauf beteiligten Amtsträger bedeutet so eine ‚soziale Ausdifferenzierung‘ 277 eine spürbare Entlastung in dem Bemühen, für sich selbst und die durch sie getroffenen Entscheidungen Akzeptanz zu finden und möglichen Widerstand schon im Vorfeld zu zersplittern. Wenn etwa in der durch den Notar erfolgten Zeugeneinvernahme die Aussicht des Klägers, das oben erwähnte Grundstück zugesprochen zu bekommen, geschmälert wird, so kann sich der Richter im weiteren Verfahren dennoch darauf stützen, ohne daß ihm die aus der Sicht des Klägers ‚ungerechte‘ Einvernahme noch - und das ist wichtig - seine Bezugnahme auf dieses Verhör in dem Maße negativ angelastet würde, als wäre es vom Richter selbst durchgeführt worden 278 . 277 Der Terminus bei L UHMANN , Legitimation durch Verfahren, insbesondere S. 55ff. 278 Nach L UHMANN , Legitimation durch Verfahren, S. 69ff., hat ein Subsystem (ein eigenständiges Element der Verwaltung, hier etwa die Notare oder iurisperiti) den Vorteil, in einer wesentlich weniger komplexen Umwelt als das Gesamtsystem agieren zu müssen, da das Gesamtsystem (das Gericht) schon Reduktionen vornimmt. Umgekehrt gilt Ähnliches, denn komplexe Sachverhalte werden im Subsystem verarbeitet und in reduzierter Form an das Gesamtsystem zurückgegeben. Grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Verwaltungen und ‚Umwelt‘ vgl. DERS ., Funktionen und Folgen formaler Organisation, S. 23ff. und S. 400ff. Eine gute Einführung in Luhmanns Begrifflichkeit bieten B ARALDI / C ORSI / E SPOSI , GLU. 96 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren So gesehen stellt die Etablierung der iurisperiti eine extreme Form dieser Art der Akzeptanzherstellung dar, denn hier wird ja nicht nur eine Teilentscheidung, sondern das Endurteil auf zwei eigenständige Teilsysteme gestützt, wobei der ‚Gutachter‘ die eigentliche Entscheidung fällt und schriftlich an den Richter weitergibt, die Parteien das Urteil aber erst durch den Mund des Amtsrichters mitgeteilt bekommen. Es ist interessant zu sehen, wie man bei diesem sehr jungen ‚Verwaltungsakt‘ das Öffnen des ‚Gutachtens‘ und das Verkünden der Entscheidung durchführt. Rechtsrelevante und zeremonielle Elemente werden hier so miteinander verwoben, daß damit zugleich die die Legitimation fördernde Struktur des Verfahrens betont und unterstrichen wird. In San Gimignano wird in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das vom consiliarius eigenhändig geschriebene und versiegelte Urteil per Boten an den Richter geschickt. Aber erst in der Verhandlung und im Beisein der Parteien bricht der iudex feierlich das Siegel, entfaltet das Schriftstück und verliest auf seiner Richterbank sitzend das Urteil. Daß die Brechung des Siegels erst in der Verhandlung selbst erfolgt, hat der Notar durch eine Randnotiz auf dem eingereichten Schriftstück zu bescheinigen 279 . Trotz des Risikos, ggf. ein Urteil öffentlich zu verlesen, daß aufgrund von Mißverständnissen in der schriftlichen Kommunikation unklar bleibt und Richter wie Parteien ‚ratlos‘ zurückläßt 280 , wird die geschilderte Praxis zumindest während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beibehalten. Durch diese Art des Vorgehens, d. h. durch die ostentative Zurschaustellung der Tatsache, daß auch der Richter erst im Moment des Verlesung vom consilium Kenntnis erhält, gelingt es dem Amtsträger, noch im Zuge der Aneignung und Inkraftsetzung des Verlesenen zugleich eine Distanz zum Inhalt des Geschriebenen aufzubauen, denn er kann ja mit dem Vorgelesenen nur insofern identifiziert werden, als er ihm nicht widerspricht und zustimmt, die Entscheidung selbst aber wurde nicht vom Vorlesenden, sondern von einem gar nicht anwesenden, eigenständigen Gremium getroffen. Hier wird deutlich, wie durch ein Explizitmachen der Ausdifferenzierung des Verfahrens eine Entlastung 279 Für San Gimignano C HIANTINI , Dal mondo della prassi, S. 47f.; DIES ., Il consilium sapientis, S. xliv und S. 7 passim. Daß es sich in anderen Städten ähnlich abgespielt haben muß, kann man einer Stelle bei D URANTIS , Speculum iudicale, no. 11, entnehmen: Porro auditis partium disputationibus et actis causae examinatis et consiliarii deliberatione praehabita diligenti, consilium in scriptis redactum, ne judici relinquatur via malignandi, et secrete offerant, prout eis visum et aequum videbitur, qualiter iudex debeat condemnare vel absolvere. Sowohl in Mailand wie in San Gimignano wird betont, der ‚Amtsrichter‘ habe pro tribunali sedente, also am rechten Orte und in der rechten ‚Amtshaltung‘, die Sentenz verkündet; für Mailand vgl. oben in Anm. 241, für San Gimignano C HIANTINI , Dal mondo della prassi, S. 47. Zur Verlesung der consilia im Strafprozeß der Zeit K ANTOROWICZ , Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1, S. 120. 280 Der iudex Curradus sieht sich gezwungen, sich nach bereits verlesenem Urteil erneut mit der Bitte um Klarstellung an den iurisperitus Gerius zu wenden. Auch dies geschieht wieder in schriftlicher Form, ohne daß das Gespräch gesucht worden wäre; C HIANTINI , Il consilium sapientis, S. xxviif. und das Dok. Nr. 87, S. 70f. 97 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren des Gerichts erfolgt und es so für Proteste und Widerstände eine geringere Angriffsfläche bot. So gesehen ist es nicht verwunderlich, daß mit den Protokollen der Zeugenverhöre ähnlich umgegangen wurde. Auch sie hielt man zunächst geheim, nicht selten auch vor den Richtern, bis sie an einem gesonderten Termin durch Verlesen allen Prozeßbeteiligten bekannt gemacht wurden 281 . Daß hier zugleich ein besonderer Aspekt der Verschriftlichung von Teilen des Verfahrens aufscheint, wird weiter unten zu diskutieren sein. Durch das Kleinarbeiten des Urteils und der damit verbundenen Enttäuschung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß die richterliche Entscheidung ohne weiteren Widerstand akzeptiert wird. Damit ist natürlich zugleich die Position des Gerichtes selbst gefestigt, aber in einem engeren Sinne legitimiert ist es auf diese Weise noch nicht. Hier tritt nun ein weiterer Aspekt hinzu: Mit dem ersten Treffen vor dem Richter, der Beantwortung der Klageschrift, dem Antrag auf Zeugeneinvernahme, der Hinnahme des Ergebnisses und dem erneuten Antrag auf Vorladung weiterer Zeugen, dem Präsentieren von Dokumenten, schließlich der Beauftragung von iurisperiti etc. tragen die Prozeßgegener nicht nur eine Teilentscheidung in der Sache mit, zugleich erfolgt mit der Teilnahme an jedem neuen Schritt implizit auch eine Anerkennung des Verfahrens selbst. Denn es wird dem Unterlegenen schwer fallen, vor sich selbst und vor anderen glaubhaft zu machen, daß das Gericht für ihn keine legitime Entscheidungsinstanz darstellt, wenn er sich zugleich über Monate aktiv im Prozeß engagiert und womöglich noch selbst an der Auswahl der Notare und ‚Gutachter‘ partizipiert hat. „Durch ihre Teilnahme am Verfahren werden alle Beteiligten veranlaßt, den dekorativen Rahmen und die Ernsthaftigkeit des Geschehens, die Verteilung der Rollen und Entscheidungskompetenzen, die Prämissen der gesuchten Entscheidungen, ja das ganze Recht, soweit es nicht im Streit ist, mit darzustellen“ 282 , so daß am Ende des Prozesses beide Parteien „die Normen in ihrer Geltung und die Entscheidenden in ihrem Amte bestätigt“ haben 283 . 281 H IMSTEDT , Die neuen Rechtsgedanken im Zeugenbeweis, S. 79ff.; D OLEZALEK , Das Imbreviaturbuch, S. 59f. Nach den Statuti di Bologna dall’anno 1245 all’anno 1267, hg. von F RATI , Lib. 1, Rub. XLVIII, S. 231, aus dem Jahre 1253 müssen die Amtsträger auch gegenüber ihren Kollegen Stillschweigen über alle ‚secreta iudicii‘ bewahren: Sententias quas ego daturus sum vel alliquis offitialis comunis vel alia secreta iuditii(sic! ), scilicet sententias atestationes et conscilia secreta tenebo donec fuerint publicata, vel nisi essent finita et nulli manifestabo nisi potestati vel suo iudici aut consciliariis aut notariis qui scribunt conscilia atestationes et sententias aut omnibus illis qui interessent consciliis non fraudulenter neque potestati vel eius judici manifestabo nisi pro conscilio habendo ab eis et ipsi teneantur secretum habere. Schon 1250 findet sich in den Statuten der gleichen Stadt die Verpflichtung der Gerichtsdiener (yscarii), Zeugenaussagen geheim zu halten: dicta testium secreta tenebo, donec fuerint publicata, in quibus potestas teneatur circa meum officium; ebd., lib. 1 rub. XXIII, S. 180. 282 L UHMANN , Legitimation durch Verfahren, S. 116. 283 Ebd., S. 117. 98 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren Die Ausformung von personell und zeitlich unabhängigen Gremien, die jeweils einzelne Schritte des Prozeßgangs in eigener Regie bearbeiteten, dürfte also für das Gerichtswesen selbst einen stabilisierenden Effekt gehabt haben. Die zunehmend fehlende ‚Außenlegitimation‘ durch externe, allgemein akzeptierte Autoritäten konnte so zumindest z. T. aufgefangen werden. Damit ist aber nur ein Teil dessen aufgezeigt, was sukzessive und nach 1247 dominant an strukturellen Gegebenheiten in das Verfahren hineinverlagert wurde. Wurden im 12. Jahrhundert noch alle Funktionsträger des Verfahrens durch die Kommune für einen bestimmten Zeitraum bestellt und konnten sich so - was sie ja in ihren Titulaturen im Urkundentext taten - auf diese Kommune als legitimierendes Organ beziehen, so gilt dies weder für die die Zeugenvernahme durchführenden Notare noch für die delegati oder iurisperiti. Neben der Tatsache, daß die drei Genannten jeweils einer bestimmten Gruppe bzw. Zunft angehören - aber damit hat man erst die notwendige, noch nicht die hinreichende Bedingung erfaßt - basiert ihre Berechtigung, am Verfahren entscheidend mitzuwirken, nicht auf einer (zeitlich befristeten) Bestellung etwa durch den Rat, sondern einzig auf einer Beauftragung im ablaufenden Prozeß selbst. Sie ist zudem auf diesen einen Prozeß begrenzt. Wenn es per se als wesentliches Moment einer wachsenden Ausdifferenzierung gelten kann, daß sich hierdurch das Bezogen-Sein des Systems auf sich selbst erhöht, so erfährt diese Selbstreferentialität erst durch die Herstellung nötiger Teilsysteme im Zuge des Verfahrens eine nochmalige Steigerung, die in der geschilderten historischen Situation äußerst dienlich ist. Denn der nur noch indirekt herleitbare Bezug und die Vermitteltheit, mit der das maßgebliche Gerichtspersonal auf die Kommune zurückgeführt werden kann, stellt in Zeiten, in denen diese zentrale Institution selbst kaum noch lebensfähig ist, sowohl für das Gericht wie für die Kommune eine Entlastung dar. Auf diese Weise gelingt es dem Gericht einerseits, sich durch den Aufbau eigener Legitimationsstränge gegen die Auswirkungen der kommunalen Krise, die ja auch eine Legitimationskrise ist, abzuschotten. Andererseits muß nun die städtische Gemeinschaft weniger direktes Engagement zur Abstützung und Rechtfertigung der Gerichte aufbringen 284 . Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, beträgt der Anteil der im Text der kommunalen Sentenz faßbaren Personen, die an der Durchführung der Gerichtsverfahren der letzten Phase nach 1247 beteiligt sind und sich als städtische Amtsträger bezeichnen können, nur noch etwas 284 Über die Funktionsweisen solcher Auslagerungen mag ein Beispiel aus der Gegenwart erhellend sein: Sparempfehlungen, die ein durch eine Verwaltung beauftragtes, externes Beratungsunternehmen abgibt und die von der Behörde tatsächlich umgesetzt werden, sind nicht nur deshalb wesentlich schwieriger angreifbar, weil mit der externen Unternehmung Sachverstand und Neutralität in das Gutachten Einzug hielte. Kritik an den Sparbeschlüsse muß sich jetzt fast immer gegen beide Teilsysteme zugleich richten, die durch wechselseitiges Verweisen aufeinander immer die Möglichkeit haben, solche Angriffe abzuschwächen. 99 9 Herstellung von Legitimität im Verfahren mehr als ein Drittel 285 . Angesichts der Tatsache, daß die mit wichtigen Teilen des Beweisverfahrens betrauten Notare, die ja auch erst im Verfahren benannt werden, in dieser Rechnung nicht enthalten sind, da sie im verschriftlichten Urteil nicht erwähnt werden, und angesichts der Tatsache, daß sich auch die Schreiber der Sentenzen nicht mehr als Amtsträger definieren 286 , wird man hier insgesamt einen Rückzug der Kommune aus dem Zivilgerichtsverfahren konstatieren müssen. Denn die städtische Gemeinschaft ist über ihr Personal und ihre Organe an den meisten und den wesentlichen Elementen des Prozesses nicht mehr (bei den Sentenzen der delegati) oder nur noch sehr vermittelt beteiligt. Wenn die Sentenzen der Jahre 1211 bis 1247 mehr als in jeder anderen Phase als ‚kommunale Sentenzen‘ bezeichnet werden konnten, so wird man sie jetzt, nach dem Rückzug der Kommune als legitimatorische Instanz und einer Verlagerung der Herleitung von Akzeptanz und Legitimität in das Verfahren selbst am ehesten als Sentenzen charakterisieren können, die vornehmlich durch eine spezifische Art der Prozeßstruktur, bestehend aus aufeinander verweisenden Teilverfahren, getragen werden. 285 Vgl. Tabelle 4 die Nr. 4.1 und 4.2 (zusammen 34,3%); die übrigen zwei Drittel stellen die iurisperiti und delegati. 286 Vgl. Tabelle 2, Nr. 2.8; hierzu im folgenden ausführlicher. 100 10 Zur Funktion der Schrift in einem sich selbst legitimierenden Verfahren Bisher wurde versucht, die Entwicklung und Umgestaltung des Mailänder Zivilgerichtsverfahrens nachzuzeichnen und den strukturellen Veränderungen bestimmte Funktionen zuzuweisen. Nun soll es darum gehen, die wachsende Bedeutung des Mediums ‚Schrift‘ 287 in den Blick zu nehmen, dessen Gebrauch wesentlich mit dieser Umgestaltung verknüpft ist 288 . Schon mit der ersten Zergliederung des Verfahrens, wie sie für Mailand seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert feststellbar ist, gewinnt zugleich die Verschriftlichung nicht nur des Urteils, sondern auch der einzelnen Verfahrensschritte wie Klageschrift, Terminsetzung, Zeugenvernahme etc. an Bedeutung 289 . Da in der abschließenden Sentenz oft regestenartig die wichtigen Inhalte der einzelnen Teile der Verhandlung festgehalten werden, läßt sich die Bedeutung dieses Mediums, die etwa beim Austausch von Informationen zwischen Kläger und Beklagtem und zwischen den Parteien und dem Gericht erkennbar wird, erfassen. Im folgenden soll jedoch ein sehr eingeschränkter Rahmen des Schriftgebrauchs beleuchtet werden: Es geht um die Funktion, die dem Medium ‚Schrift‘ bei der Verknüpfung der einzelnen Gremien des Verfahrens - also der 287 Mit dem Thema ‚Verschriftlichung‘ wird hier ein grundlegendes Problem der Konstituierung der kommunalen Gemeinschaft berührt, denn die Institutionalisierung der Kommune ist „hinsichtlich ihrer praktischen und theoretischen Begründung eingebunden in den Übergang von einer in Mündlichkeit und kollektivem Gedächtnis gründenden Rechtskultur zu einem auf explizite, schriftliche Normenordnung gegründeten Rechtssystem“; K ELLER , Institutionalisierung; DERS ., Vorschrift, Mitschrift, Nachschrift; DERS ., Die Veränderung gesellschaftlichen Handelns. Auf die Chancen und Grenzen der Nutzung von Schrift in kommunalen Gemeinschaften weist die Arbeit von B LATTMANN , Statutenbücher, S. 13ff., eindrücklich hin (hier auch die weitere Literatur). Einen Überblick über die Forschungdiskurs zur ‚Schriftlichkeit‘, an dem sich fast alle Kulturwissenschaften beiteiligt haben, geben G ÜNTHER / L UDWIG (Hgg.): Schrift und Schriftlichkeit / Writing and its Use, 1. Halbband. 288 Ähnlich wie die Ausformung des Verfahrens insgesamt stellt auch die Verschriftlichung der Teilverfahren eine Entwicklung dar, die so in justinianischer Zeit nicht zu finden ist; vgl. etwa die Darstellung der Zeugeneinvernahme im Prozeß der nachklassischen Zeit bei K ASER , Das römische Zivilprozeßrecht, S. 494f. Allgemein zum wachsenden Schrifteinsatz im mittelalterlichen Prozeß N ÖRR , Reihenfolgeprinzip, S. 168f.; DERS ., Von der Textrationalität zur Zweckrationalität; B EHR - MANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 74ff. 289 B EHRMANN , Von der Sentenz zur Akte, S. 78ff.; L ÜTKE W ESTHUES , Die Kommunalstatuten, S. 219ff. 101 10 Funktion der Schrift Verknüpfung von Konsul bzw. Assessor mit dem die Zeugen vernehmenden Notar, mit dem delegatus und mit dem iurisperitus - in einem teilschrittigen Prozeßablauf zuzuweisen ist. Es ist klar, daß mit wachsender Ausdifferenzierung und mit der zunehmenden Einrichtung von unabhängigen Teilsystemen der Kommunikationsbedarf stark anstieg. Es gibt bei der schriftlichen Kommunikation im so konstruierten Verfahren allerdings einen gravierenden Unterschied etwa im Vergleich zum Informationsaustausch durch Briefe oder Notizen, die eine notwendige Brücke über Raum und Zeit schlagen, weil Absender und Empfänger aufgrund äußerer Umstände nicht am gleichen Ort sein können oder Informationen vor dem Vergessen bewahrt werden sollen. Wenn die Aufgliederung des Gerichtswesens in personell, zeitlich und räumlich getrennte Teilverfahren nicht primär aus praktischen oder juristischen Gründen durchgeführt wurde, wenn sich, wie oben geschildert, das separat stattfindende consilium gegen die gemeinsame mündliche Beratung im colloquim durchsetzte, weil erst damit die beschriebene stabilisierende Wirkung zu erzielen war, dann kam dem Medium Schrift in diesem Kontext erst in zweiter Linie die Funktion zu, Kommunikation zu ermöglichen, die anders nicht herstellbar gewesen wäre. Es ging in erster Linie vielmehr darum, die Eigenständigkeit der Einzelgremien, die Separierung der verschiedenen Verfahrenselemente, konsequent durchzuführen und nach außen sichtbar hervortreten zu lassen. Selbst schwierige Sachverhalte konnten im Rückgriff auf die Schrift ausgetauscht werden, ohne daß die hergestellte Abtrennung von iudex, iurisperitus und dem die Zeugen einvernehmenden Notar durch eine persönliche Anwesenheit der Funktionsträger, wie dies bei einem direkten Kontakt im Gespräch (colloquium) unerläßlich ist, wieder aufgehoben werden mußte 290 . Die komplexe Konstruktion aus Distanzierung und Bestätigung, wie sie 290 Es sei darauf verwiesen, daß ja der ‚Gutachter‘ zumeist - zumindest im 13. Jahrhundert - um eine Entscheidung des ganzen Falles gebeten wurde; nur selten trat der ordentliche Richter mit einer spezifischen (juristischen) Frage an den ‚Experten‘ heran. Die consiliariiwiederum antworteten fast ausschließlich, indem sie den Prozeßgegenstand insgesamt kurz in ihrem consilium schilderten und ihre Entscheidung niederschrieben - zumeist ohne eine ausführliche Begründung beizufügen. Zwar ist nicht ganz auszuschließen, daß ausführlichere Begründungen in Form von ‚Anlagen‘ den Konsilien mitgegeben wurden, dennoch ist ein (schriftgestützter) Fachdiskurs zwischen Juristen, zumindest in der alltäglichen Praxis des 13. Jahrhunderts, nur in Ansätzen erkennbar; vgl. C HI - ANTINI , Il consilium sapientis, S. xxxiif. (Darstellung der Fälle, wo ein solcher Diskurs stattfand), S. xliiff. (zu den Anhängen), 7ff. (Texte von ca. 100 Konsilien aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Mitteilung Livia Fasolas an Annalisa Belloni. Fasola bemerkt, daß im 13. Jahrhundert die in der Lombardei für eine Partei erstellten Konsilien - im Gegensatz zu den im Verfahren für den Richter gegebenen ‚Gutachten‘ - sehr wohl zahlreiche Hinweise auf das Corpus iuris civilis enthalten. Es mag sein, daß, wie Belloni bemerkt, dies auch mit der besseren Bezahlung der Parteikonsilien zusammenhängt. Dennoch werden hier prinzipielle Unterschiede im Stellenwert der verschiedenen Gutachtentypen für die juristische Erörterung des Sachverhalts deutlich; vgl. B ELLONI , Questiones e consilia, S. 31. 102 10 Funktion der Schrift durch das Verlesen des Konsiliums erzeugt werden konnte - das oben wiedergegebene Beispiel aus San Gimignano machte es deutlich 291 -, wäre in einer Urteilsverkündung, an der ‚Gutachter‘ und Richter gemeinsam teilnahmen, nur schwerlich in dieser expliziten Form herstellbar gewesen. Denn die Gegenwart der ‚Gutachter‘ bei der Pronuntiation der Sentenz hätte die beschriebenen Vorteile einer personellen und zeitlichen Trennung von consilium und Urteilsverkündung zumindest stark geschmälert. Gleiches gilt für die Zeugenprotokolle. Oben ist bereits auf die Parallelen im Umgang mit den Protokollen und den consilia im Verfahren sowie auf die Vorteile einer strikten Abtrennung der Zeugeneinvernahme hingewiesen worden 292 . Auch hier erlaubt es die Verschriftlichung der separat durchgeführten Befragung, die Eigenständigkeit dieses Verfahrensteils zu betonen. Die vorrangige Bedeutung der zwischen den hier aufgeführten Teilgremien ausgetauschten Schriftstücke ist also nicht darin zu sehen, einen sonst nicht möglichen Informationsaustausch zu gewährleisten. Dies wäre auch auf anderem Wege und wahrscheinlich effektiver durchführbar gewesen (etwa durch das direkte Fachgespräch in Form eines consiliums; durch direkte Befragung der Zeugen durch den Richter oder den ‚Gutachter‚, der ja die Aussage bewerten muß etc. 293 ). Wichtiger war vielmehr, die einmal eingerichtete Ausdifferenzierung durch eine spezifische Art des Schriftgebrauchs konsequent auszugestalten und wenn möglich für alle Beteiligten sichtbar zu machen. So wird auch die Art und Weise der ‚Veröffenlichung‘ der Konsilien verständlich, denn es ist ja in gewissem Sinne paradox, daß der ordentliche Richter das Urteil eines ‚Gutachters‘ verkünden und in Kraft setzten soll, daß er selbst nicht einmal kennt und auf daß er keinerlei Einfluß mehr nehmen kann. Damit ist aber erst ein neuer Aspekt der Schriftnutzung aufgezeigt, wie er sich aus dem geänderten Kontext (dem teilschrittigen Verfahren und seiner legitimitätssteigernden Struktur), in den das Medium eingebettet ist, ergibt. Der Funktion ‚Betonung von Distanz und Eigenständigkeit der verschiedenen Gremien‘ durch das Medium Schrift innerhalb eines Gerichtssystems, das sich wesentlich auf Ausdifferenzierung und Beauftragung stützt, können noch zwei weitere hinzugefügt werden, wenn es gelingt, Schrift und Schreiber selbst als eigenständiges Gremium im Verfahren zu definieren. Werden Notar und Schriftstück als unabhängiges Teilelement des Prozesses kenntlich gemachen, kann man sie auch als zusätzliches, 291 S. hierzu S. 97ff. 292 S. hierzu S. 94f. 293 Man könnte einwenden, daß hier beabsichtigt war, durch Abtrennung der Zeugenbefragung eine Beeinflussung des iudex durch die Person des Zeugen und seiner möglicherweise gut in Szene gesetzten Aussagen auszuschließen. Dem steht einerseits entgegen, daß der Richter die Glaubwürdigkeit der Aussage u. a. auch am Erscheinungsbild und am Auftreten des Zeugens zu messen hatte. Zum zweiten wird ihm hier die Möglichkeit der Nachfrage zumindest erschwert, was einer ‚rationalen‘ Würdigung der Aussage eher im Wege gestanden hätte. 103 10 Funktion der Schrift separates Organ bspw. in der Kette der Beauftragungen mobilisieren. Auch hier ist der Effekt zunächst einmal eine - ja angestrebte - Steigerung von Distanz und Unabhängigkeit. Wie zu zeigen sein wird, reicht die erzielte Wirkung aber über das bisher beschriebene Deutlichmachen der Unabhängigkeit der Einzelelemente hinaus. Hierzu ist noch einmal kurz auf die Subscriptio der Sentenzen einzugehen, die nach dem bisher Gesagten in einem etwas anderen Licht erscheint. Es ist bereits festgestellt worden, daß in den Sentenzen nach 1211 und noch einmal verstärkt nach 1247 die Verbindung zwischen Verschriftlichung bzw. Schriftstück und den Notaren ein Ausmaß und eine Dichte erreicht, die allein aus pragmatisch-juristischen Erwägungen heraus nicht herleitbar ist (Stichwort: Fehlen der iudex-Unterschrift oder auch nur eines Verweises auf den iudex). Lassen sich, wie oben bereits festgestellt, im 12. Jahrhundert noch ganz undifferenziert Richter und Notare in der Subscriptio sowohl als Unterzeichnende wie Schreibende nachweisen, so verdrängt die Bezeichnung notarius die iudex-Titulatur nach 1211 für den Schreiber vollständig, nach 1247 zudem für die Subskribenten überwiegend aus diesem Teil der Urkunde (vgl. die Tabellen 2 und 3). Zugleich ist festzustellen, daß insbesondere bei den Schreibern eine zunehmende Einengung der Titulatur auf den Begriff notarius ohne weitere Verweise auf Ämter oder Ernennungen erfolgt. Schaut man sich die oben wiedergegebenen Subskriptionen aus den fünf verschiedenen Phasen an 294 , wird erklärlich, warum dies so ist: Während die Schreiber der Phasen 1 bis 3 (bis 1210) den iudex-Titel führen und der Notar des vierten Intervalls (1211 bis 1247) seine kommunale Amtsträgerschaft betont, bezieht sich Iacobinus de Polla in der Sentenz aus der fünften Phase auf die Beauftragung durch den Subskribenten Guilielmus Vulpis, der wie er ebenfalls ein Notar ist. Guilielmus agiert bei der Bestellung des Iacobinus sicherlich als Amtsnotar (er ist ja ad illud officium constitutus); dennoch stellt diese Konstruktion der Beauftragung des Schreibers durch den Unterschreibenden, die sich jetzt mit Variationen in fast allen Sentenzen der letzten Phase finden läßt, eine neue Qualität dar, die sich in zwei Richtungen interpretieren läßt: a) Zum einen werden hier strukturelle Parallelen zur Ernennung der notarii zur Zeugenvernahme, der delegati und iurisperiti, im Verfahren deutlich. Wie schon bei der Beauftragung dieser Funktionsträger, so tritt auch hier die Ernennung im Verfahren als Charakteristikum hervor 295 . Der hohe Grad an Verschachtelung und die zunehmende Mittelbarkeit der Beauftragung läßt sich insbesondere bei den Sentenzen der delegati deutlich fassen. So gibt der Notar Benacortus in dem Dokument vom 24. März 1267 an, er unterschreibe auf Anweisung des delegier- 294 S. hierzu S. 72ff. 295 Schon B ARONI , Il notaio milanese, S. 21, vermutet, daß es sich bei den Schreibern der Sentenzen vielleicht um „coadiutori“ handelte, die nicht selbst Amtsträger in engerem Sinne waren. 104 10 Funktion der Schrift ten Richters Galvanius; der schreibende Notar Johannes wiederum bezieht sich bei seiner Tätigkeit auf den Subskribenten Benacortus 296 . Das Phänomen ist als strukturelle Eigenheit oben bereits eingehend beschrieben worden und stützt erneut die These von der nun vornehmlich autochthon, d. h. durch nur geringen Verweis auf ‚externe’ Gremien hergestellten Sentenz. b) Zum zweiten kann schon aus der Möglichkeit, daß der Notar selbst die Beauftragung der schriftlichen Abfassung des Urteils vornehmen kann, eine im Vergleich zur vorhergehenden Phase größere Eigenständigkeit des Notariats abgelesen werden. Die Niederschrift des Urteils ist nun ein Bereich, für den die Kommune und der das Verfahren leitende Amtsträger nur noch sehr vermittelt zuständig ist. Der Aspekt der Eigenständigkeit, der mit einer präzisen Abgrenzung der Aufgabenbereiche von iudex und notarius einhergeht (und damit bereits 1211 einsetzt), wird zudem besonders in jenen Urkunden deutlich, in denen ein expliziter Verweis des Notars auf eine Beauftragung oder ein Amt unterbleibt. So hält es der Schreiber Martinus 1269 für ausreichend, seinem Namen schlicht die Bezeichnung notarius hinzuzufügen, ohne ein Amt oder die möglicherweise ergangene Anweisung der beiden unterschreibenden Konsuln zu erwähnen 297 . Ähnlich glaubt auch Jacobus in einer Sentenz der delegati, auf weitere Ergänzungen zu seinem Notarstitel verzichten zu können 298 . Weitere Beispiele ließen sich nennen 299 . Diese Art der Eigenständigkeit des Notariats, die hier dokumentiert ist, geht weit über die auf der Basis von Spezialkenntnissen gegründete Autonomie einer Berufsgruppe hinaus und wird charakteristischerweise im Verlauf des 14. Jahrhunderts in der Verwaltung stark zurückgefahren 300 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß nach 1211 der Notar in der Sentenz erstmals als eigenständiges Element klar faßbar wird und daß nach 1247 - ebenfalls auf die Sentenz bezogen - die Verschriftlichung des Urteils nun vom Notariat in 296 Ego Benacortus filius quondam Iohannis Pagniani civitatis Mediolani de contrata Verzarii notarius interfui et iussu illius domini Galvanei [Delegierter] rogatus subscripsi. Ego Iacobus filius Iohannis de Artolio civitatis Mediolani porte Horientalis iussu suprascripti notarii scripsi; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 491. Anders interpretiert F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 108f., der gestützt auf Material des 12. und frühen 13. Jahrhunderts die iussio-Formel als Ausdruck der Kontrolle der Kommune über das Notariat interpretiert. Diese Interpretation läßt sich für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der sich ja mit dieser Formel der schreibende Notar auf den unterschreibenden Notar bezieht, nicht aufrechterhalten. 297 Ego Martinus de Montorfano notarius scripsi; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 575, 6. Juni 1269. 298 Ego Iacobus notarius, filius item Iacobi de Gardano, contrate Sancti Petri intus Vineam Mediolani, tradidi et scripsi; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 493, 2. April 1267. 299 ACM sec. XIII 1, Nr. 485, 27. Juni 1247; Nr. 490, 9. Dezember 1247; Nr. 492, 6. Juli 1248; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 379, 16. Dezember 1264 und weitere Dokumente. 300 Vgl. hierzu S. 120ff. 105 10 Funktion der Schrift nahezu alleiniger Regie durchgeführt wurde 301 . Der weitgehende Rückzug des Verhandlungsleiters aus diesem Teil der Urkunde und dessen Zuweisung an eine separate, klar benennbare Berufsgruppe machten die Verschriftlichung und die Firmierung des schriftlichen Urteils zunehmend zu einem eigenständigen Element des Verfahrens. An den Sentenzen ist ablesbar, ab wann dies geschieht und welcher Grad an Eigenständigkeit im Rahmen der Verschriftlichung des Gerichtsurteils erlangt wird. Vor diesem Hintergund soll nun die Rolle von Notar und Schrift bei der Beauftragung der delegierten Richter untersucht werden. Insbesondere ist hier von Interesse, wie auf die Delegation, über die immer ein Schriftstück - die carta delegationis - ausgestellt wurde, in der Sentenz der delegierten Richter referiert wird. Die carta delegationis enthält eine ganze Reihe von Elementen, die für eine Delegation des Verfahrens relevant sind: Genannt werden 1. die Ermächtigung durch den Amtsträger, 2. das Einverständnis bzw. der Wunsch der Parteien nach Delegation und 3. der Ausschluß der Appellation 302 . In den Sentenzen, die die 301 Schon F ISSORE , Alle origini del documento comunale, S. 103f., stellt fest, daß die Ausbildung des Notariats in Mailand (und Asti) nicht mit dem Entstehen der Kommune, sondern mit der Ausformung der Podestà-Regierung zusammenfällt. Es ist interessant zu sehen, daß gerade zu einer Zeit, in der der Podestà an Bedeutung zu verlieren beginnt, dem Notar zumindest in den Sentenzen eine nochmals gesteigerte Bedeutung zukommt. Wenn sich andererseits feststellen läßt, daß die Kommune zunehmend mehr Einfluß auf die Notarszunft und auf die Zulassung von Notaren zu nehmen versucht, widerspricht dies der Eigenständigkeit des Notars, wie sie uns im Dokument entgegentritt, in keinster Weise; zur Einflußnahme der Kommune auf das Notariat vgl. T AMBA , Teoria e pratica della „commissione notarile“ a Bologna, S. 11ff., mit weiterer Literatur. Hier auch der Hinweis, daß dieser Berufsgruppe gleichzeitig mehr und mehr Ämter in der Stadt anvertraut werden (ebd., S. 28ff.). 302 Es seien wieder drei Zitate aus den Phasen drei, vier und fünf angeführt: 20. Juli 1202, ACM, Nr. 247: Dominus Arnaldus de Bumbellis consul iustitie Mediolani ex offitio sui consulatus delegavit de consensu partium Mirano Muricule et Baldiciono Stampe causam que vertitur inter Arnaldum Alberium actorem ex una parte et ex altera Albertinum de Campo et Mar . . . Qui delegati ipsam causam iustitia mediante efectui mancipare procurent. Actum in brolietto Mediolani. . . . Ego Petrus qui dicor Rabbus notarius domini Henrici imperatoris interfui et rogatus scripsi. 16. Dezember 1216, ACM, Nr. 401: Dominus Ubertus de Raude consul Mediolani delegavit causam que vertitur inter Bocaxium de Orto actorem ex una parte, et ex altera parte monasterium de Cleravalle in dominos Guidotum iudicem de Merrate et Ottonem de Orto precipiendo eis per sacramentum ut eam causam hinc ad menses quatuor difinant, sine remedio appellationis volontate (sic! ) partium, salvo iure hostiali et servitoribus. Actum in palatio consulum iustitie Mediolani . . . Ego Iohannes filius Alberti de Marnate de vicinia de Conpido notarius sacri pallatii interfui et scripsi. 1. Juni 1269, ACM sec. XIII 2.2, Nr. 570: Dominus Honricus Sappa iudex et assessor potestatis Mediolani dellegavit omnes causas et questiones vertentes inter Guizardum de Aroxio et Zanebellum de Monte . . . ex una parte et Iacobum qui dicitur Murigia . . . ex altera parte vel que inter eas partes verti possent in dominum Albertum de la Turre iurisperitum; et hoc de voluntate partium 106 10 Funktion der Schrift delegierten Richter niederschreiben lassen, wird wiederum gleich zu Beginn vermerkt, woraus die Delegierten ihre Berechtigung ableiten, in diesem Fall ein Urteil zu sprechen. Ein Hinweis auf Zustimmung der Kläger und Beklagten zu diesem Verfahren findet sich hier nicht mehr 303 . Stattdessen wird entweder nur auf den ermächtigenden Richter oder auf den Richter und den Notar, der die Delegation in seinem Auftrag geschrieben hat, sowie auf die carta delegationis selbst verwiesen. Es ist aufschlußreich, daß zu einer Zeit, da noch keine eindeutige Aufgabentrennung zwischen iudex und notarius im Prozeßwesen der Kommune nachweisbar ist, der Schreiber der carta delegationis in den Sentenzen der delegati nicht erwähnt wurde. In den ersten fünf überlieferten Urteilen aus der Zeit zwischen April 1200 und Januar 1212, die durch Beauftragte ergingen, verwies man lediglich auf die Konsuln als delegierende Instanz (delegati ab N. N. consulibus Mediolani) 304 , obwohl auch zu dieser Zeit von Notaren ausgefertigte cartaeals Ernennungsschreiben üblich waren 305 . Dagegen nennen die übrigen 20 Sentenzen der Delegierten, die für die Jahre 1211 bis 1276 erhalten geblieben sind, bis auf drei Ausnahmen aus den Jahren 1217, 1219 und 1230 306 neben dem Konsul auch den Notar, der die carta delegationis schrieb, sowie das autorisierende Schriftstück selbst 307 . Dabei ibi presentium, renunciantium omni iure appellationis; et item omnes questiones et causas que vertuntur vel possent verti inter homines loci de Bogonzio et comune illius loci ex una parte et homines de Villa et comune illius loci ex alia.Actum in pallatio novo comunis Mediolani . . . Ego Zanebellus Verdellinus de Vaprio notarius scripsi. 303 Die einzige Ausnahme bildet das Dokument vom 18. März 1255 (ACM sec. XIII 2.1, Nr. 120): Tandem, cum hec et alia inde allegarentur, placuit utrique parti dellegare seu dellegari facere per consules iustitie Mediolani predictam causam in dominum Frasianum Legnatium, et ita dominus Nazarius Serugonus consul iustitie Mediolani de voluntate partium dellegavit predictam causam in ipsum Frasianum, ut constat per publicum instrumentum dellegationis traditum et scriptum per Raimondum Seleneam notarium . . . 304 So wird charakteristischerweise in der Sentenz vom 14. Oktober 1202 (ACM, Nr. 250) auf die in Anm. 302 wiedergegebene carta delegationis mit keinem Wort verwiesen und statt dessen lediglich der delegierende Amtsträger genannt: Sententiam protulit Miranus Murigla in concordia Baldicioni Stampe, ambo iudices delegati ab Arnaldo de Bumbellis consule Mediolani, de lite que vertebatur inter. . . ; ebenso, allerdings ohne die Nennung des Konsulnamens: ACM, Nr. 228, 20. April 1200; Nr. 286, 2. März 1206; Nr. 295, 25. April 1207; Nr. 353, 1. Januar 1212. 305 So die carta vom 20. Juli 1202 (ACM, Nr. 247), die vom Notar Petrus Rabbus geschrieben wurde. In der Sentenz vom 2. März 1206 (ACM, Nr. 286) wird auf eine carta atestata verwiesen, in der die Beauftragung festgehalten sei, ohne daß der Schreiber erwähnt wird. Es ist dies das einzige Beispiel aus der Zeit vor 1212, das zumindest das legitimierende Schriftstück in der Sentenz der Delegierten aufführt. 306 ACM sec. XIII 1, Nr. 11, 15. Mai 1217; Nr. 37, 8. März 1219 sowie ACM sec. XIII 1, app. 1, Nr. 235/ 1, 19. März 1230. 307 Nach dem 1. Januar 1212 und vor Dezember 1215 sind keine Sentenzen delegierter Richter überliefert; das Dokument vom 14. Dezember 1215 (ACM, Nr. 396) weist wie alle folgenden sowohl auf die carta wie auf den notarius hin: Super lite e controversia que vertebatur sub Albertono Saporito et Guidone de Puteobonello a consulibus Mediolani dellegatis, ut apparebat per quod- 107 10 Funktion der Schrift nahmen die letzten beiden Elemente einen zunehmend breiteren Raum ein: Durch Nennung des Datums der carta, durch die Erwähnung des Notarsnamens und die Spezifizierung seiner Tätigkeit wurde auf Notar und Schriftstück in der Sentenz der delegierten Richter wesentlich ausführlicher referiert als auf den Konsul oder Assessor, der zwar im juristischen Sinne der eigentliche Beauftragende war, dessen Name aber oft genug nicht einmal mehr genannt wurde 308 . In einer Sentenz - sie datiert auf das Jahr 1267 - wird gar ausschließlich auf den Notar und seine carta verwiesen, ohne daß auch nur der Bezeichnung eines delegierenden Amtes oder der Name des Amtsträgers Erwähnung fand 309 . Bei unveränderter carta delegationis, in der weiterhin der Richter die dominante - und im juristischen Sinne ja auch entscheidende - Rolle spielte 310 , wurden im verschriftlichten Urteil des Delegationsgerichts als legitimierendes Element mehr und mehr der Notar und das Delegationsschreiben selbst herausgestellt 311 . Die Betonung von carta und notarius in der Sentenz korrespondiert dabei in auffälliger Weise mit den Vorgängen, wie sie sich während des Prozeßgeschehens abgespielt haben müssen. Auch in der mündlichen Verhandlung, bei Beginn des Delegationsverfahrens, wahrscheinlicher noch bei der Urteilsverkündung, war es der Notar, der das von seinem Kollegen verfaßte Delegationsschreiben in Augenschein nahm und dessen Inhalt allen Anwesenden durch Vorlesen - cartam . . . visam et lectam manifeste - kundtat 312 . dam publicum instrumentum factum milleximo ducenteximo quartodecimo, die . . . et scriptum per . . . [Name fehlt aufgrund schadhafter Urkunde]notarium; weitere Belege ACM sec. XIII 1, Nr. 7, 30. April 1217; Nr. 51, 19. November 1219; Nr. 72, 5. März 1221; Nr. 116, 16. Juni 1224; Nr. 322, 12. Januar 1235; Nr. 329, 15. Mai 1235; Nr. 339, 13. Dezember 1235; Nr. 485, 27. Juni 1247; Nr. 495, 22. Juli 1248; ACM sec. XIII 2.1, Nr. 20, 16. Mai 1251; Nr. 67, 15. Juli 1252; Nr. 120, 18. März 1255; Nr. 257, 22. Januar 1260; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 491, 24. März 1267; Nr. 493, 2. April 1267 und Nr. 665, 11. Juli 1273. 308 Sententiam protulit Paviolus Cagniolus dellegatus a consulibus Mediolani, de qua dellegestione extat instrumentum unum factum per Baldum de Valle notarium milleximo ducenteximo trigeximo quinto, die veneris quartodecimo die mensis decembris, de lite que vertebatur inter . . . ; ACM sec. XIII 1, Nr. 342, 14. Dezember 1235. 309 Nos dominus Gualvanius Stephanardus dellegatus ad hanc causam, ut constat per cartam unam factam MCCLXIIII, die lune quarto die mensis augusti per Iohannem Vidriolum notarium, visa illa petitione et litis contestatione . . . ; ACM sec. XIII 2.2, Nr. 491, 24. März 1267. 310 Vgl. die ausführlichen Zitate dreier cartae aus verschiedenen Zeiträumen in Anm. 302. 311 Für solcherart Verschiebungen scheiden ‚pragmatische‘ Erklärungsversuche - etwa der, man habe über Notarsname und Datum ggf. den Eintrag der delegatio im Imbreviaturbuch schneller finden können, als Erklärungsmöglichkeit aus, denn die carta delegationis lag ja bei Prozeßbeginn ausgefertigt vor. Außerdem ist so nicht erklärlich, warum ein Fehlen dieser Angaben für die Fälle vor 1212 kein Problem bedeutete. Juristische Gründe standen einem solchen Vorgehen, wie bereits dargelegt, sogar eher entgegen, denn aus der Sentenz ist nicht einmal mehr der Name des ‚Amtsrichters‘ zu erfahren, der die Delegation vorgenommen hat. 312 Cum questio agitaretur coram Iacobo Anrocco a consulibus Mediolani delegato, ut per cartam illius delegationis a Guilielmo filio quondam Ambrosii Colderarii notario confectam. . . , a me Olderico Cumino notario visam et lectam manifeste constabat, inter . . . 5. März 1221, ACM sec. XIII 1, 108 10 Funktion der Schrift Bei der Ausformung des Delegationsverfahrens, bei der Thematisierung der Legitimation des iudex delegatus während des Prozeßgeschehens wie im verschriftlichten Urteil, installierte man den Notar und das Schriftstück 313 als Mittler zwischen Delegant und Delegiertem, schaltete sie quasi als Relais zwischen. Aus der Perspektive desjenigen, der am Delegationsverfahren teilnahm und später die ausgefertigte Sentenz in Händen hielt, war das Eigengewicht des Notariats bei der Beauftragung, d. h. letztlich bei der Legitimation des Gerichts, in dieser Sache zu entscheiden, deutlich wahrnehmbar. Um aber den notarius und seine carta als Relaisstation tatsächlich in das Delegationsverfahren in dieser Weise einbauen zu können, war Voraussetzung, daß beide bereits deutlich vom iudex oder consul geschieden worden waren, daß man sie als etwas Eigenes, Unabhängiges begreifen konnte. War die Unterscheidung erst einmal getroffen - sie mußte sich, wie gezeigt wurde, allmählich herausbilden und gewann erst nach 1211 die nötigen Konturen -, ließ sie sich gerade in einem Gerichtswesen, dessen Gremien während des Verfahrens durch Beauftragung bestellt wurden, als stützende Komponente gut einbauen. Wenn - wie von den oben skizzierten rechtssoziologischen Theorien postuliert - die Herstellung von Legitimität durch Ausdifferenzierung wesentlich auf der relativen Unabhängigkeit der einzelnen Teilsysteme voneinander basiert, so stellt dies für ein Gericht, daß diese Ausdifferenzierung über den Weg der Delegation herstellt - und nicht auf a priori eingerichtete Institutionen verweisen kann 314 -, ein Problem dar. Denn wie kann man trotz Beauftragung die Nr. 72. Die zugehörige carta delegationis vom 1. März 1221, ACM sec. XIII 1, Nr. 71, entspricht der Form nach den in Anm. 302 zitierten cartae. Auf eine lectio der carta delegationis durch den Notar weist auch die Sentenz vom 30. April 1217, ACM sec. XIII 1, Nr. 7, hin: Nos Iohannes Pasqualis et Otto de Orto ab ipso domino potestate sive a domino Terzo iudice et assessore eius delegati, ut in quodam continetur instrumento facto milleximo ducenteximo . . . , per Iacobum filium quondam Bonikarii notarium et a me infrascripto Bonifatio Salario viso et lecto . . . 313 Dabei gilt es zu beachten, daß geschriebenen Texten allgemein die Tendenz innewohnt, ‚für sich selbst zu stehen‘, sich also von ihrem Autor abzulösen und als etwas Eigenes begriffen werden. „Schriftstücke, geschriebene Texte, erwecken den Anschein, als existierten sie aus eigener Kraft. Der Leser des Textes setzt sich mit dem Text, bestenfalls mittelbar mit dem Schreiber auseinander“, G ÜNTHER , Schriftliche Sprache, S. 12. Günther geht es um Textaneignung durch stilles Lesen. In unserem Fall liegen die Dinge komplizierter, da ja der Text durch das Vorlesen wieder an eine Person - die allerdings nicht für den Inhalt verantwortlich ist - rückgebunden wird. Daher kann man auch nicht den Versuch machen, Notar und carta in ihrer Mittlerfunktion voneinander zu trennen. Den positiven Eigenwert, den schriftlich Fixiertes quasi ‚aus sich selbst heraus‘ annehmen kann, verdeutlicht auch folgendes Zitat: „Man kann einen Text nicht unmittelbar zur Verantwortung ziehen. Nach totaler und vernichtender Kritik bleibt er doch stets der alte. Dies ist ein Grund dafür, daß der Ausdruck ‚es steht geschrieben‘ gewöhnlich wie ‚es ist wahr‘ verstanden wird“, O NG , Oralität und Literalität, S. 81. 314 Denkbar wäre ja, durch die Kommune von vornherein eine ‚begutachtende Institution‘ einrichten zu lassen, der alle Fälle - ohne spezifische Beauftragung - hätten vorgelegt werden müssen. Aus einem solchen Vorgehen hätten sich zwar keinerlei Probleme hinsichtlich der Darstellung der 109 10 Funktion der Schrift Unabhängigkeit der beauftragten Instanz signalisieren? Stärker noch als durch den inszenierten Austausch eines Schriftstücks zwischen iudex und consiliarius läßt sich dies durch die Einbeziehung des Notars und der carta erreichen - und zwar auf zweifache Weise: a) Einerseits stellt die Betonung von Delegationsschreiben und Schreiber die Hervorhebung einer ‚Instanz‘ dar, die sich in bedeutungsvoller Weise zwischen das ordentliche Gericht und das Delegationsgericht schob. Es ist bezeichnend, daß nirgends die Anwesenheit der delegierten Richter bei ihrer Bestellung durch den Amtsträger erwähnt wurde, noch der Justizkonsul oder Assessor zumindest bei Eröffnung des Verfahrens vor den delegati zugegen war. Statt dessen überließ man die Verlesung der Beauftragung dem Notar, wodurch die Mittelbarkeit der Delegation und die relative Unabhängigkeit des iudex delegatus unterstrichen wurde. b) Andererseits konnten beide Elemente, da eigenständig, neben dem Richter als zweite Stütze für die Legitimation des delegierten Gerichts mobilisiert werden. Denn sie galten als vom Amtsrichter scheidbare ‚Institutionen‚, wirkten aber gleichwohl bei der Delegation aktiv mit. Deutlich wird auch, warum eine Differenzierung zwischen Notar und Schriftstück in diesem Kontext nicht möglich ist. Der carta wurde zwar ein eigener Raum - als Verweis im schriftlichen Urteil und beim Verlesen im Prozeßgang - zugestanden, so daß sie von einer möglichen mündlichen Ernennung - etwa durch Boten - unterscheidbar wird, aber ihre Verwendung war h i e r (anders als beim consilium) immer eng mit dem Notariat verwoben 315 . Neben den beiden soeben genannten Punkten sind es im Rückgriff auf die Schriftnutzung bei den consilia drei neue Funktionen, die man dem Gebrauch der Schrift im Kontext der hier untersuchten Elemente des Zivilverfahrens zuweisen muß: Erstens diente Schrift dazu, eine gewünschte (nicht per se notwendige! ) zeitliche, räumliche und personelle Trennung zwischen den Gremien zu etablieren und wo möglich sinnfällig vor Augen zu führen. Zweitens diente Schrift in Verbindung mit dem Notariat dazu, als eigenständiges institutionelles Element, als zusätzliche Schaltstelle, zwischen Beauftragem und Delegiertem zu treten und so eine größere Mittelbarkeit und Distanz herzustellen. Eigenständigkeit beider ‚Institutionen‘ voneinander ergeben, aber man wäre so schwerlich in der Lage gewesen, die offenbar nötige Distanz zur ‚Kommune‘ selbst aufbauen zu können; hier bieten ‚Beauftragungen‘ einen geeigneten Weg. Zu diesem Argument vgl. bereits ausführlich S. 98ff. 315 Vgl. auch die Erläuterung in Anm. 313. 110 10 Funktion der Schrift Drittens fiel Schrift und Schreiber die Aufgabe zu, bei der Delegation als unabhängiges Gremium neben dem Amtsträger der Beauftragung zusätzliches Gewicht zu verleihen. 111 11 Zusammenfassung Das 12. und 13. Jahrhundert stellten für die norditalienischen Stadtkommunen eine Zeit tiefgreifender Veränderungen auf nahezu allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens dar. Diese Umbrüche gingen einher mit einer Verunsicherung der Institutionen und Organe, die sich in der städtischen Gesellschaft bisher vermeintlich fest etabliert hatten. Wie, so war eingangs gefragt worden, reagierte der sensible Bereich der Justiz auf die allgemeinen Veränderungen des gesellschaftlichen und politischen Umfeldes? Wie war es dem Gericht möglich, für seine Urteile Akzeptanz herzustellen und sich selbst als Entscheidungsinstanz zu legitimieren angesichts der Tatsache, daß die beiden Institutionen - Kaiser und Kommune -, auf die es sich bei seinem Handeln über Jahrzehnte berufen hatte, zunehmend mehr miteinander in Streit lagen und schließlich große Mühe hatten, auch nur für sich selbst Akzeptanz zu finden? Hierauf mußte das Justizwesen zwangsläufig reagieren, die Frage war nur, wie und mit welcher Geschwindigkeit. Durch die Analyse der recht kontinuierlich überlieferten Sentenzen der Mailänder Kommunalgerichte sollte hierauf eine Antwort gefunden werden. Angesichts der Problemstellung war es in dieser Untersuchung darum zu tun, aus den verschriftlichten Urteilen möglichst typische Elemente des Gerichtswesens für bestimmte Zeitabschnitte herauszupräparieren. Es ging also nicht darum, wann erstmalig dieses oder jenes Phänomen in den Sentenzen faßbar wurde, sondern wann es breit und durchgängig zur Anwendung kam. Dies machte einen quantitativen Zugang erforderlich, der sich nur gestützt auf die Datenbank Mailänder Amtsträger (‚Amtmail‘) realisieren ließ. Das zunächst rein formale Auszählen der Verteilung von Amtsträgernennungen in verschiedenen Segmenten der Urkunde brachte als erstes Ergebnis, daß sich Urkundentext und Subscriptio, obwohl Teile des gleichen Rechtsaktes und des gleichen Dokuments, weitgehend unabhängig voneinander verhalten: Eine hohe Zahl an im Text genannten Amtsträgern konnte sowohl mit einer niedrigen als auch mit einer hohen Anzahl an Subskribenten einhergehen und umgekehrt. Diese Beobachtung erlaubte, über zunächst rein formale Kriterien eine Periodisierung des Materials vorzunehmen, die einerseits die Grundlage für die weitere Auswertung der Sentenzen bildete und sich zugleich in dieser Auswertung als zutreffend und interpretierbar bewähren mußte. Über die Untersuchung der in den verschiedenen Urkundenteilen zu findenden Titulaturen gelang eine Bestätigung der fünf verschiedenen Phasen, die sich bereits durch das 113 11 Zusammenfassung Auszählen des ‚Personals der Sentenz‘ herauskristallisiert hatten. Trotz dieser Bestätigung hieße es, die angewandte Methode überzustrapazieren, wollte man in den vorgeschlagenen Perioden Entwicklungsphasen sehen, die sich auf das Jahr genau gegeneinander abgrenzen lassen. Dies war weder intendiert noch für eine Interpretation erforderlich, denn bei dem postulierten Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und Umgestaltungen in der Legitimationsstruktur des Gerichtswesens wird man a) von einer mehr oder weniger starken zeitlichen Verzögerung bezüglich eines Ursache-Wirkungszusammenhangs ausgehen müssen. Veränderungen im politisch-sozialen Bereich schlagen sich nur sehr selten sofort und unmittelbar auf den Umgang mit Recht nieder 316 . Und b) wird man von komplexen Änderungen in der Legitimationsstruktur eines Gerichtswesens nicht erwarten können, daß sie abrupt und plötzlich einsetzen. So gesehen ist es erstaunlich, wie deutlich sich Unterschiede zwischen den Intervallen abzeichnen. Die Jahre von 1140 bis 1175 stellen, wenn auch nicht hinsichtlich der Anzahl der erwähnten Amtsträger - hier schwanken die Zahlen ganz erheblich -, so doch hinsichtlich der benutzten Titulaturen die homogenste Zeitspanne der hier betrachteten 136 Jahre dar. Das Gericht bediente sich während der ersten 35 Jahre in einem austarierten Verhältnis der beiden Autoritäten ‚Kommune‘ und ‚Kaiser‘, die es über das Aufrufen der Bezeichnungen consul im Urkundentext und iudex in der Subscriptio für die eigene Legitimation dienstbar zu machen wußte. In den zehn Jahren nach 1175 - der zweiten Phase - finden die bereits seit Mitte der 1150er Jahre zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen Herrscher und Stadt ihren ersten gravierenden Niederschlag in den Gerichtsurkunden. Gerade in der Subscriptio, in der zuvor über die Bezeichnung ‚iudex‘ ausschließlich auf den Kaiser Bezug genommen wurde, fächern sich, zusammen mit einer gesteigerten Zahl an Subskribenten, auch die von diesen benutzten Titulaturen auf. Die neu in der Subscriptio zu findenden Bezeichnungen verweisen jetzt einerseits - erstmals in diesem Teil der Sentenz - auf ein kommunales Amt, andererseits gewinnt über die bloße Namensnennung das persönliche Ansehen des Firmierenden vorübergehend an Bedeutung. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung, die durch den Frieden von Konstanz und durch weitgehende Anerkennung der kommunalen Gemeinschaft von seiten der Zentralgewalt, aber schon bald wieder von erneuten Auseinandersetzungen geprägt ist, stehen die folgenden Intervalle drei (1186-1210) und vier (1211-1247) im Zeichen einer weiter wachsenden, dann schließlich dominanten Verwendung kommunal fundierter Titulaturen. Von den beiden Institutionen, auf die sich die Gerichte zur Legitimation ihrer selbst und zur Steigerung der Akzeptanz ihrer Entscheidungen noch im dritten Viertel des 316 Zum Phänomen der ‚Zeitversetztheit‘ des Rechts L UHMANN , Das Recht der Gesellschaft, S. 124ff.; G ÜNTHER , Vom Zeitkern des Rechts, zu: Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 17ff. 114 11 Zusammenfassung 12. Jahrhunderts stützen, kann jetzt nur noch auf die Kommune Bezug genommen werden. Allerdings stellte diese alleinige Bezugnahme auf die städtische Gemeinschaft von vornherein keinen vollständigen Ersatz für die austarierte Doppellegitimation dar, wie sie uns noch bis in die 1170er Jahre hinein in den Sentenzen begegnet. Der Verlust der Möglichkeit, den sich auf sein Gottesgnadentum berufenden Herrscher in die Legitimation des Gerichts einzubinden, mußte eine Lücke reißen, die durch die Kommune nicht vollständig geschlossen werden konnte. Dies um so weniger, als auch die städtische Gesellschaft aufgrund der Gegensätze zwischen Popolo und Nobiles selbst in eine ‚Identitätskrise‘ geriet. Das Gericht war angesichts der nur noch eingeschränkt vorhandenen Möglichkeit, sich durch Berufung auf ‚externe‘ Autoritäten zu legitimieren, mehr und mehr darauf angewiesen, eine andere Strategie für die Herstellung von Akzeptanz zu entwickeln. Die Aufgliederung des Verfahrens in mehrere, möglichst autonome Teilverfahren und die Beauftragung von Funktionsträgern, die für die Durchführung dieser Teilverfahren verantwortlich waren, erst im Prozeßverlauf selbst stellte solch eine alternative Strategie dar. Erste Ansätze einer Ausdifferenzierung lassen sich bereits in den späten 1180er Jahren, zu Beginn unserer dritten Phase, erkennen: Die zunehmende Abtrennung von Kommunal- und Justizkonsulat - wenn auch nie strikt durchgeführt - bedeutet eine Entlastung sowohl für die ‚politische‘ Führung der Stadt wie für das Gerichtswesen 317 ; erstmals gibt es Hinweise auf eine Ausgliederung des Zeugenverhörs aus dem Verfahren 318 ; die Beratung über den Fall erfolgt jetzt nicht mehr nur unter den Konsuln, die dem Prozeß vorsitzen, zumindest sporadisch werden zusätzlich magistri erwähnt, die konsultierend zugezogen werden. Mit der im Jahre 1200 erstmals belegten Delegation eines Verfahrens von den Justizkonsuln an sogenannte iudices delegati 319 ist bereits vor Beginn des 13. Jahrhunderts eine Anzahl von eigenständigen Elementen des Prozeßwesens nachweisbar, die für sich in Anspruch nehmen können, ihre Befugnis für das Agieren im konkreten Verfahren vorrangig aus einer Beauftragung im Prozeß selbst herzuleiten. Daß sie Mitglieder einer Zunft oder eines Kollegiums waren, daß die Kommune auf diese Verbände Einfluß nahm und Zugang zu diesen Organisationen nicht zuletzt über fachliche Qualifikation geregelt wurde, sei damit nicht bestritten. Die konkrete Legitimation für ihre oft zentrale Stellung im laufenden Prozeß bezogen die Notare der Zeugeneinvernahme, die iudices delegati und die iurisperiti aber nur mittelbar aus ihrer Mitgliedschaft in bestimmten Korporationen. In erster Linie basierte sie auf einer Ernennung im Verfahren selbst. 317 S. Unterkapitel 8.2.1 ‚Die Aufteilung des Konsulats‘, S. 66ff. 318 S. Unterkapitel 8.2.2 ‚Das Notariat als zunehmend eigenständiges Element im Prozeß‘, S. 69ff. 319 S. Unterkapitel 8.2.3 ‚Zur Funktion der iudices delegati und consiliarii/ iurisperiti‘, S. 77ff. 115 11 Zusammenfassung Kann man schon in der Zergliederung des Prozeßablaufs einen Versuch sehen, Akzeptanz im Verfahren selbst herzustellen, da die Beteiligten mit jedem Verfahrensschritt, an dem sie teilnahmen, zugleich implizit die Legitimität des Geschehens bestätigten 320 , so stellte die Benennung der einzelnen Gremien, die diese Prozeßschritte durchzuführen hatten, erst im Laufe des Verfahrens und oft unter Einbeziehung der Beteiligten eine nochmalige Steigerung dieser Art der Akzeptanzherstellung dar. Es ist kein Zufall, daß in den späten 1240er Jahren, als auch der Rückgriff auf die Kommune als Möglichkeit einer ‚Außenlegitimation‘ des Gerichts nur noch sehr eingeschränkt bestand, die alternative Strategie der ‚Binnenlegitimation‘ in einem aus heutiger Sicht extremen Maße angewandt wurde. Die wachsende Bedeutung der iurisperiti für das Urteil, die generelle Hinzuziehung von Beauftragten, seien es nun delegierte Richter oder ‚Gutachter‘, und die nicht selten zu findenden ‚Beauftragungsketten‘ - Konsul beauftragt Delegierten, Delegierter beauftragt iurisperitus - zeigten an, wie sehr man jetzt auf die Herstellung von Akzeptanz im Verlauf des Verfahrens selbst setzte. Auch wenn immerhin noch 80% der Urteile durch einen durch die Kommune direkt eingesetzten ‚Amtsrichter‘ verkündet wurden - rund 20% der Sentenzen entschieden und verlautbarten die iudices delegati -, kann man nach der Analyse der Verfahrensabläufe den weitgehenden Rückzug einer direkten Beteiligung der Kommune am Prozeßgeschehen konstatieren. Dies macht Sinn in einer Zeit, in der eine zu starke Bezugnahme auf eine nicht mehr unumstrittene Institution keine Ent-, sondern eher eine Belastung für das Gerichtswesen bedeutet hätte. Ein rascher Vergleich der Phasen 2 (1176-1185) und 5 (1248-1276) soll die beiden unterschiedlichen Legitimationsstrategien, deren sich das Gericht zu verschiedenen Zeiten bediente - einerseits die Bezugnahme auf ‚externe‘ Autoritäten, andererseits die Legitimation im Verfahren durch Ausdifferenzierung des Prozesses - noch einmal verdeutlichen. Der zunehmenden Infragestellung des bipolaren Referenzsystems der Sentenz (Urkundentext = kommunale, Subscriptio = kaiserliche Titulatur) - ausgelöst durch den Dauerkonflikt der beiden Institutionen und durch das zunehmende Schwinden kaiserlicher Autorität in Mailand - versuchte man zunächst auf ‚traditionelle‘ Weise zu begegnen: Man bemühte sich, durch Mobilisierung einer größeren Zahl von Amtsträgern, durch eine Ausfächerung der Titulaturen und nicht zuletzt durch die Betonung, daß herausragende Persönlichkeiten der Stadt mit ihrem Namen hinter dem Verfahren standen, dem Gericht und seinem Urteil weiterhin Gültigkeit zu verschaffen; der Prozeß selbst aber blieb zunächst noch weitgehend ein einheitliches Ganzes, ohne weitere zeitliche oder personelle Zergliederung. So vorzugehen war nicht neu, denn auch in besonders wichtigen Prozessen versuchte man ja, durch die Einbeziehung weiterer Amtsträgerpersönlichkeiten die Legitimität und Durchsetzungskraft des Kommunalgerichts zu stei- 320 S. Kapitel 9 ‚Herstellung von Legitimität im Verfahren‘, S. 95ff. 116 11 Zusammenfassung gern. In dieser Phase jedoch wurde das Vorgehen zum generellen Prinzip und erklärt sich nicht aus der Spezifik des einzelnen Falles, sondern aus der Schwäche der externen Bezugsgrößen. Denn der Weg der ‚Außenlegitimation‘ und die Möglichkeit, allein durch vermehrtes Hinzuziehen von Vertretern ‚externer‘ Institutionen ohne Zergliederung des Verfahrens Legitimität herzustellen, stehen nur offen, wenn diese Institutionen selbst über ausreichende Akzeptanz verfügen. Insofern scheint es symptomatisch, daß in der Subscriptio jetzt nicht nur erstmals kommunale Ämtertitulaturen in Erscheinung traten, sondern vermehrt Personen lediglich mit ihrem Namen firmierten, obwohl sie Amtsträger waren. In der zweiten Phase wird die Strategie der Außenlegitimation quantitativ - durch Nennung vieler Personen und Titel - wie qualitativ - durch Bezugnahme auf unterschiedliche externe Größen - in einer fast extrem zu nennenden Art und Weise ausgereizt; zugleich werden hier die Grenzen aufgezeigt, eine solche Legitimationsstrategie beizubehalten, wenn jede einzelne Bezugsgröße selbst nur wenig Legitimationspotential in den Prozeß einbringen kann. Ganz anders stellt sich das Prozeßgeschehen dar, das nach 1247 in Mailand üblich wurde. Wichtige Verfahrensteile wurden jetzt von zwei oder drei sich voneinander abgrenzenden administrativen Einheiten bearbeitet. Für die Zeugeneinvernahme waren die Notare zuständig, de facto oblag die Entscheidung des Falles den iurisperiti, während für die Entgegennahme der Klage und die Verkündung der Entscheidung weiterhin - zumindest in der Mehrzahl der Verfahren - der Assessor des Podestà oder der Konsul zuständig war. Hier eröffnete das Prozedere - in seiner Zergliederung, insbesondere aber durch die Tatsache, daß es immer wieder andere, mit unterschiedlichen Funktionsträgern besetzte Gremien waren, die Teilentscheidungen herbeiführten - die Möglichkeit, Akzeptanz und Legitimität quasi in kleinen Schritten im Fortgang des Verfahrens selbst herzustellen. Durch die Zergliederung verminderte sich zugleich für die Einzelkomponenten des Prozesses der Bedarf an Legitimität erheblich; durch ein Aufeinander-Bezug-Nehmen der autonomen Teilsysteme gelang darüber hinaus ein gegenseitiges Abstützen der Einzelelemente. Bezieht man zudem bei der Beauftragung der Gremien die Parteien mit ein - und hier ist es von nachrangiger Bedeutung, ob diese Einbeziehung über das Einreichen von Listen gewünschter oder auf keinen Fall gewünschter Kandidaten geschah oder lediglich durch Losen erfolgte -, so steigerte man damit zusätzlich den Aspekt der ‚Anerkennung durch Teilnahme‘, der sich bei jeder Partizipation an Verfahrensabläufen einstellt. Die Zergliederung des Prozesses und die Abgrenzung von Zuständigkeiten sind bis in die Ausfertigung der Sentenz hinein faßbar. War noch im 12. Jahrhundert keine eindeutige Verknüpfung zwischen der Selbstbezeichnung des Amtsträgers und der Tätigkeit des Schreibens und Unterschreibens möglich, so hatte der notarius in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundets alle anderen Amtsträger - einschließ- 117 11 Zusammenfassung lich des Verfahrensleiters - weitgehend aus der Subscriptio verdrängt. Mehr noch: der firmierende Notar konnte jetzt eigenständig einen Kollegen oder Angestellten beauftragen, das Urteil des Kommunalgerichts zu schreiben. Ablesen läßt sich an dieser Art der Subscriptio, wie der Bereich der Verschriftlichung selbst als eigenständiges Element des Verfahrens aufgefaßt wurde, das nun in die Obhut einer bestimmten Gruppe von Funktionsträgern gelegt wurde. Hat man Schrift und Notariat so weit autonomisiert, kann man sie als eigenständiges Modul insbesondere im Zuge von Beauftragungen und Delegationen als Relaisstation zwischenschalten. Denn ein Gericht, das nicht nur auf eine Zergliederung des Verfahrens setzt, sondern zudem die einzelnen Gremien erst im Prozeßverlauf bildet und beauftragt, hat ja das Problem, durch die und mittels der Ernennung die Legitimität der Teilelemente herstellen zu müssen. Hier kann es nur von Vorteil sein, wenn im Verfahren vor den iudices delegati nicht nur auf die Beauftragung durch den Assessor oder Konsul Bezug genommen werden kann, sondern zusätzlich die Möglichkeit besteht, auf den als separates Element betrachteten Notar und die ausgefertigte carta delegationis verweisen zu können. Damit ließen sich im Delegationsverfahren zwei Institutionen angeben, die jeweils ‚selbständig‘ an der Beauftragung mitwirken. Will die Strategie, durch Zergliederung des Verfahrens im Prozeß Akzeptanz und Legitimation zu erzeugen, ihre volle Wirkmächtigkeit entfalten, muß sie trotz des Ineinandergreifens der einzelnen Verfahrensmodule auf die ein oder andere Weise deren Autonomie und Unabhängigkeit voneinander gewährleisten und nach außen sichtbar machen. In Institutionen, in denen Teilelemente erst ad hoc durch Beauftragung gebildet werden, besteht die besondere Gefahr, daß die angestrebte Autonomie der erst durch die ‚Oberbehörde‘kreierten Gremien nicht deutlich genug hervortritt. Durch Zwischenschalten von Notar und Schrift zwischen beauftragender und delegierter Instanz, durch eine Ernennung nicht direkt aus dem Munde des Assessors oder Konsuls, sondern durch den die carta delegationis verlesenden notarius, erfolgt die Beauftragung de facto nur noch mittelbar, über ein zweites Gremium. Mit einer solchen Verschaltung kann der skizzierten Gefahr des Nicht-Wahrnehmens der Unabhängigkeit von Teilelementen begegnet werden; sie setzt aber voraus, daß das Notariat selbst als eigene Institution aufgefaßt wird. Diese institutionellen Aspekte, in denen Notariat und Schrift zu eng miteinander verwoben sind, als daß hier weitere Differenzierungen hätten vorgenommen werden können, sind zu scheiden von einer grundlegenderen Verortung der Schrift als Austauschmittel zwischen den einzelnen Verfahrensgremien. Wenn die Zergliederung des Prozeßgangs - zumindest in den hier näher beleuchteten Segmenten - primär dem Zweck dient, im Verfahren selbst Legitimation herzustellen, und wenn es dafür erforderlich ist, die verschiedenen Teilelemente in ihrer Unabhängigkeit voneinander allen am Prozeß Beteiligten deutlich vor Augen zu führen, 118 11 Zusammenfassung dann vollzieht sich die Verschriftlichung bestimmter Verfahrensabläufe in einem ganz speziellen Kontext, in dem der Schrift auch eine andere Funktion zuzumessen ist. In diesem Kontext kommt der Schrift eben nicht primär die Bedeutung zu, Informationen auszutauschen; dieser Informationsaustausch wäre ja - etwa wenn das Zeugenverhör nicht vom Notar, sondern vom Richter durchgeführt worden wäre oder wenn, wie lange Zeit üblich, eine Zuziehung von sapientes zum Verfahren in Form des colloquium erfolgt wäre, also in direkter mündlicher Beratung, statt in der Form des abgetrennten consilium - weiterhin auch mündlich möglich gewesen. Der Austausch von Protokollen und Konsilien per Boten zwischen den verschiedenen Institutionen diente hier dazu, die gewollte Distanz zwischen den Gremien aufrechtzuerhalten und jeden direkten Kontakt, bspw. zwischen iurisperitus und iudex, nach Möglichkeit zu verhindern. So, durch diese Art der Kommunikation, war prinzipiell eine sehr weitgehende Abgetrenntheit der einzelnen Verfahrensteile möglich - trotz der mannigfachen inhaltlichen und organisatorisch-juristischen Verflechtungen. Nur so konnte die Autonomie der Gremien, die für eine Entfaltung der Möglichkeit, durch den Verfahrensgang Legitimität herzustellen, von entscheidender Bedeutung war, wirkungsvoll etabliert und zugleich nach außen sichtbar gemacht werden. Wie aber das Vorgehen der Richter in San Gimignano zeigte 321 , war über eine geschickte Verwendung der Elementen ‚Geheimhaltung‘ und ‚Öffentlichkeit‘ in Kombination mit dem Verschriftlichen und Verlesen von Konsilien und Urteilen nicht nur ein Entweder - Oder, also eine vollständige Trennung oder der direkte Kontakt, möglich. Vielmehr eröffnete sich hier ein weites Feld sehr differenzierter, abgestufter Vorgehensweisen von durchaus gewollt zeremoniellem Charakter, die eine sehr feine Ausformung und Zurschaustellung der Beziehungen zwischen den Institutionen erlaubten. Die Umgestaltung des Mailänder Zivilgerichtsverfahrens von einem einheitlichen Prozeß hin zu einem ausdifferenzierten System von Einzelgremien diente, so die These, vornehmlich dazu, die nicht mehr herstellbaren ‚Außenlegitimationen‘ des Gerichts durch allgemein akzeptierte Institutionen abzufangen und durch eine ‚Binnenlegitimation‘, die mit einer Ausformung möglichst eigenständiger Teilelemente verbunden war, zu ersetzen. Die erste Etablierung von weitgehend autonomen Segmenten am Ende der 1180er Jahre und die schon extrem zu nennende Form der Zergliederung und Beauftragung im Verfahren ab den späten 1240er Jahren wurden als Antwort verstanden auf die nur noch sehr eingeschränkt vorhandene Möglichkeit der Gerichte, Kaiser und Kommune als Referenzpunkte ihres Handelns anzugeben - wobei allerdings von einer Zeitversetztheit der Phänomene ‚Infragestellen der Institution‘ und ‚Ausbildung einer Binnenlegitimation‘ auszugehen ist. Bestehen Zusammenhänge zwischen einem starken respektive schwa- 321 S. hierzu S.97ff. 119 11 Zusammenfassung chen gesellschaftlich-institutionellen Umfeld des Gerichts und einer schwachen respektive starken Binnengliederung des Verfahrens, müßten sich ähnliche Prozeßstrukturen - je nach Zustand des Umfeldes - auch zu anderen Zeiten und in anderen Regionen finden lassen. Hierüber kann nur eine weitere, vergleichende Analyse der Praxis des Gerichtswesens Aufschluß geben, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Zumindest einige in der Literatur zu findenden Hinweise seien aber genannt. So vermerkt schon Engelmann, daß die ‚Gutachterpraxis‘, also die Hinzuziehung von iurisperiti, im 13. Jahrhundert in den norditalienischen Kommunen besonders intensive Verbreitung fand, während das zentral organisierte Süditalien mit seinen ‚beamteten‘ Richtern dieses Rechtsinstitut kaum kannte 322 . Auch im Bereich der kirchlichen Gerichtsbarkeit fand es wenig Verbreitung 323 . Unserer These scheint allerdings zu widersprechen, daß gerade das 14. und 15. Jahrhundert als die Blüte des Konsilienwesens in Italien gilt, obwohl man ja zumindest für die Lombardei angesichts nicht nur der Durchsetzung, sondern auch der festen Etablierung der Visconti spätestens zum Ende des 14. Jahrhunderts einen Rückgang erwarten müßte. Jedoch weist Ascheri darauf hin, daß die consiliarii zusehends weniger in Zusammenwirken mit dem ‚Amtsrichter‘ das Urteil fällen, sondern das Konsilium statt dessen zu einem Rechtsgutachten im eigentlichen Sinne wird, das Kläger oder Beklagter direkt in Auftrag geben, um es als Argumentationsbasis vor Gericht benutzen zu können 324 . Gerade weil hier - anders als in den Konsilien des 13. Jahrhunderts, die zumeist nur das Urteil enthalten - juristische Argumente zusammengestellt sind, werden Gutachten führender Juristen aufbewahrt, abgeschrieben und schließlich sogar gedruckt 325 . Damit wären die consilia aber nicht mehr ein eigenständiger Teil eines ausdifferenzierten Verfahrens, sondern vornehmlich Rechtshilfe der Parteien. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die sich wandelnde Bedeutung des Notars als einmal mehr, einmal weniger selbständiges Element in der Urkunde. Hier wurde gezeigt, daß in den kommunalen Sentenzen bis 1211 den Notaren keine selbständige Funktion zugewiesen wurde und der Titel notarius in der 322 „Von Bedeutung wurden gerichtliche Gutachten Rechtsgelehrter nur in den Gebieten der Podestà- Verfassung . . . Keine Bedeutung gewannen sie . . . in den Königreichen Neapel und Sizilien.“ Hier wurde das Urteil weiter in gemeinschaftlicher Beratung beschlossen; E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 243. Engelmann versucht dies mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten der in Norditalien verbreiteten auswärtigen Richter im Umgang mit dem lokalen Recht zu erklären; zu diesen Argumenten ausführlich oben bei S. 89. 323 E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, S. 243. 324 A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, S. 206ff. D ERS ., Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen, S. 1199ff.; hier auch der Hinweis, daß die Konsilien weiter Bestandteil der statutarischen Gesetzgebung bleiben. 325 A SCHERI , The Formation of the Consilia, besonders S. 196f. 120 11 Zusammenfassung Subscriptio nicht scharf vom iudex-Titel zu trennen war, während sich nach 1247 sowohl der Unterzeichner wie auch der Schreiber als Notar bezeichneten, oft ohne auf den Pfalzgrafen, den Kaiser oder die Kommune zu verweisen. Auf die Möglichkeit der Beauftragung des Skribenten durch den Subskribenten (beides Notare) in dieser Zeit wurde schon verwiesen. Die Signorie in Mailand griff über einen erstaunlich langen Zeitraum weiter auf das kommunale Urkundenformular zurück - und dies, obwohl bspw. Otto Visconti als Bischof über eine eigene Kanzlei verfügte, in der ein ganz anderes Urkundenformular - eben der Typ der Kanzleiurkunde - vorherrschte und etwa die Verwendung des Siegels üblich war 326 . Gerade zu Beginn der Herrschaft des Signore hätte ja eine - vielleicht erst einmal nur zusätzliche - Plazierung des Siegels unter einer Sentenz einen großen propagandistischen Wert gehabt. Tatsächlich findet sich das Siegel des Signore aber erstmals 1335 neben der Unterschrift eines Notars, der sich jetzt oft nicht mehr notarius, sondern cancellarius nannte, bis schließlich ab 1340 die Notarsunterschrift gänzlich verschwand und allein das Siegel dem Rechtsakt Legitimität verlieh 327 . Erst zu einer Zeit also, da die Visconti bereits mehrfach zu Reichsvikaren ernannt worden waren und sich der Signore in der Stadt weitgehender Akzeptanz erfreute 328 , konnte man auf ihn als legitimierende Stütze von Urkunde und Rechtsakt Bezug nehmen. Wäre es allein um die rechtliche Absicherung im Sinne der publica fides gegangen, hätte man das Siegel des Reichsvikars sicherlich schon eher unter die kommunalen Schriftstücke setzen können 329 . Gegen Ende des 14. Jahrhunderts sind in der Kanzlei des Stadtherrn kaum noch Notare, sondern nur noch sogenannte pronotarii beschäftigt, die erst einen Teil ihrer Ausbildung abgeschlossen haben 326 B ARONI , La formazione della cancelleria viscontea, S. 104ff. Auch die Kommune Mailand verfügte über ein Siegel, das vor allem im Briefverkehr mit anderen Kommunen benutzt wurde. Es scheint symptomatisch, daß es nie zu einer Verwendung dieses Symbols der kommunalen Gemeinschaft unter einer Sentenz - nicht einmal in ergänzender Funktion - gekommen ist; M ANARESI , Introduzione, S. XCIX. Anders die Verhältnisse in Genua; hierzu C OSTAMAGNA , Il notaio a Genova, S. 146ff. 327 B ARONI , La formazione della cancelleria viscontea, S. 107f. 328 Schon 1294 ernennt Adolf von Nassau Matteo Visconti zum Reichsvikar; Heinrich VII. wiederholt diese Ernennung 1311. Als ihm der kaiserliche Titel 1313 vom Papst streitig gemacht wird, läßt er sich charakteristischerweise durch die Ratsversammlung der Kommune zum Signore und Rektor Mailands wählen. Den Vikarstitel muß er 1317 auf weiters Drängen des Papstes zurückgeben. Azzo Visconti kann sich ab 1329 Reichsvikar nennen; hierzu S ALZER , Über die Anfänge der Signorie, S. 119f.; zu den Ereignissen von 1313: C OGNASSO , Le basi giuridiche della signoria di Matteo Visconti in Milano. 329 Schon L IVA , Notariato e documento notarile, S. 193, weist darauf hin, daß der Signore mit seinem Siegel die Beglaubigung der kommunalen Dokumente durch einen Notar eigentlich überflüssig macht. Um so mehr bliebe zu fragen, wieso dennoch über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren weiter auf den Notar zurückgegriffen wurde, obwohl sowohl finanzielle wie propagandistische Argumente dem entgegen stehen. 121 11 Zusammenfassung und somit - im Gegensatz zum eigenständigen Notar in der Administration des 13. Jahrhunderts - jetzt mehr den Typus des angestellten Schreibers verkörpern 330 . Aufgrund einer Analyse der Mailänder Gerichtsurkunden des 12. und 13. Jahrhunderts konnte in der vorliegenden Untersuchung eine Verbindung zwischen den allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen, die die Kommunalgerichte in eine Legitimationskrise stürzten, und der Ausbildung bestimmter Verfahrenselemente im Prozeß hergestellt werden. Ein Vergleich mit Entwicklungen über den gewählten Zeitraum und die gewählte Region hinaus mußte notwendigerweise kursorisch bleiben; weitere Untersuchungen insbesondere zur Prozeßpraxis wären hier wünschenswert. Insgesamt aber deuten sich die aufgezeigten Entwicklungslinien, d. h. die wachsende Ausdifferenzierung der Verfahrensabläufe bei geringer Möglichkeit der ‚Außenlegitimation‘ und ein Zurückfahren der Autonomie einzelner Gremien innerhalb des Prozeßgangs, sobald man wieder auf akzeptierte ‚externe‘ Institutionen verweisen kann, auch in einen weiteren Horizont als Reaktionen des Gerichtswesens auf das gesellschaftliche Umfeld an. 330 L IVA , Notariato e documento notarile, S. 194f. 122 12 English Preface and Summary Preface The text of this volume was completed already in 1998 and was originally meant to be published in the context of a compilation 331 whose production, however, was unfortunately postponed several times. After longer considerations the editors of the still intended volume, Hagen Keller, Marita Blattmann as well as Jörg W. Busch, and me have agreed on taking the voluminous text out of the volume, not at last for technical reasons, and on publishing it separately. The publication of a text after so many years without considering the meanwhile published literature 332 requires an explanation. In my opinion, three aspects of the text are still interesting: firstly, the applied method, secondly, as a result of the method, the chronological contouring of societal change in the context of the Milan judiciary, and thirdly the theoretically enriched interpretation of the findings. On the whole, I hope, still this work might be methodically stimulating in one way or the other and make a suggestion concerning the interpretation of the Milan judiciary which has as yet not been presented. 1.) Method: ‘Digital humanities’ and hermeneutic analysis Currently there happens an intensive debate on the prospects and limits of ‘digital humanities’. The here presented study applies a hybrid method: by a first step, it makes the information gained from scanned material and processed by help of a database subject to a quantitative analysis. This way the processing of information, this again and again tentative regrouping of information, unfolds its own heuristic potential. How many office bearers are mentioned by the document? Are their temporal fluctuations allowing for the identification and interpretation of patterns? When do which titles of office bearers appear for the first time? Which of them are particularly frequent and predominant at what time? Thus this is no prosopographic study but a study oriented at function bearers. 331 K ELLER / B LATTMANN / B USCH (Edits.) Formen der Verschriftlichung und Strukturen der Überlieferung. 332 An overview of current research as well as of the more recent literature is found in W ICKHAM , Sleepwalking into a New World, pp. 1ff. and pp. 21ff.; K ELLER , Erforschung der italienischen Stadtkomunen; D ARTMANN , Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune. 123 12 English Preface and Summary Taking the individual parts of the document seriously concerning their intrinsic value and meaning, as diplomatics do, was a crucial aspect of the processing of the data. This resulted in a differentiated consideration of the appearance of the titles of office bearers in the various parts of the document, in particular in the initial protocol, (intitulatio etc.), text (narration etc.) of the document as well as in the eschatocol (subscriptio etc.). Of course this required a further processing of the data. Then, however, the use of the database allowed for the assessing of different theses and periodisations, e. g. for testing different chronological intervals in which documents give mostly the same or a similar ‘staff’ of function bearers. The advantage offered by making use of the database was not the saving of time. On the contrary, processing and ‘assessing’ are very much time-consuming. Rather, the advantage is in the material looking different, allowing for a different kind of access, thus stimulating new questions. However, to make the thus developed theses plausible - this may be emphasized - there must be a comparison with the ‘traditional’ reading of the sources and most of all to the historical context. Thus the here presented database-supported evaluation of sources is meant as an enrichment of the classical hermeneutic process, not as a replacement. 2.) Chronological contouring of societal change in the context of the Milan judiciary The radical breaks of the structure of the judiciary as they are identified in the material are at first based on a quantifying analysis. In this context, quantification is confronted with problems of its own. As the tradition does not provide any representative selection of documents and we may not even assume that charters have survived by pure chance, it is not possible to conclude from existing documents on any totality of charters that once might have been written in 12 th / 13 th century Milan. Quantification allows only for making statements on surviving documents. However, it essentially contributes to structuring the existing material and to discussing, in a way, ‘suggestions’ - such as concerning a chronological classification of phenomena. Of course these reservations do not only concern any database-supported quantitative evaluation but also any ‘traditional’ reading of the stock of sources. Then, similar to working without a database, conclusions must be made plausible by way of analysing the historical context. 3.) Theoretically enriched interpretation of the findings, literacy Also concerning present times there are debates on how court decisions may be legitimated, without these debates having produced any concluding or at least satisfactory result. Pointing out to the court having been specially authorised (by King or Emperor or by a democratically legitimated government) is a frequent argument. A somewhat more recent suggestion particularly concerning the judiciary 124 12 English Preface and Summary of the modern age identifies the way of the proceeding itself, the way in which the communication among the parties, judges, notaries and iurisperitii is structured, as an essential possibility of legitimating court decisions. In Milan in the High Middle Ages it seems as if both types can be identified, however at different times. ‘External’ legitimation - as far as it can be read from the titles of office bearers - seems to be predominant rather during the early stages of the court, whereas ‘internal’ legitimation becomes predominant in later times. The assumption is that this is due to the, in the course of time deteriorating, possibilities of the court to refer to a generally accepted authority. Important in this context is the question of how this ‘internal’ legitimation was organised in Milan. After all, the central idea of this kind of legitimation was that, by way of implementing committee-like authorities - such as the iurisperiti - the decision-making process could be split up in the course of the trial, so that no longer the court itself had to bear the entire burden of reaching a verdict. In this context writing plays a crucial role, not as a means of rationalisation, as it is often assumed, but as a means of organising communication. In the context of the trial, documents serve a. o. for realising the implementation of such authorities and for creating their autonomy from the court responsible for their implementation. For this purpose one made use not at last of specific staff - the notaries - who put the verdicts, to which the parties had often considerably contributed, into force by reading them aloud. Thus, it is the intention of the book to apply approaches of e-humanities to a collection of medieval documents and to interpret the findings by reaching back to sociological theories. The hope is that, although it was completed quite some time ago, still it may contribute some ideas to current historical research. The evaluation of the sources was based on extensive digitalisation, as at the end of the 1990s it was carried out in the context of sub-project A of the Collaborative Research Centre 231 ”Agents, Fields and Forms of Pragmatic Literacy in the Middle Ages“, headed by Hagen Keller, to whom I am very much obliged for giving me plenty of scope then. Marita Blattmann, Jörg W. Busch and Thomas Scharff as my immediate contact partners showed extreme patience. I am thankful to Nine Miedema who told me how to program in dBase. Claudia Becker, Petra Schulte and Michael Drewniok lent valuable support by their many ideas, Udo Göllmann, Sabine Rutar and Olaf Zumhagen relentlessly processed the data. Very special thanks to Lena Gumpert who in 2015 knew how to very carefully and skilfully convert the old files into current formats and who also, together with Moritz Heitmann, drew my attention to some inconsistencies of the text. Franz-Josef Arlinghaus, in January, 2016 125 12 English Preface and Summary Summary For the urban communities of Northern Italy the 12 th and 13 th centuries were a period of radical change in almost all spheres of social life. These radical changes came along with uncertainty among institutions and authorities which up to then had allegedly been firmly established. How, as was the initial question, did the sensitive field of justice react to the general change of the societal and political environment? How was it possible for courts to establish acceptance of their judgements and to legitimate themselves as a decision-making authority, given the fact that the two institutions - Emperor and municipality - they had referred to over the decades were increasingly quarrelling with each other and finally found it very difficult to establish acceptance for themselves? Inevitably the judiciary had to react to this, the question was only how to react and how soon. The analysis of the somewhat continuously preserved judgements of the Milan municipal courts may be supposed to provide an answer to this. Given the problem, the here presented study was meant to work out, if possible, typical elements of the judiciary in certain periods of time. Thus it was not about the question of when for the first time this or that phenomenon can be grasped by the judgements but when it was applied widely and frequently. This required a qualitative approach which could only be realized by basing it on a database on Milan office bearers, called ‘Amtmail’. This initially purely formal counting of the distribution of appointments of office bearers in the various segments of the document produced, as a first result, the fact that the text of the document and its subscriptio are mostly independent of each other, although they were part of one and the same legal act and the same document: A high number of those office bearers as being mentioned in the text could come along with a low or a high number of subscribers and vice versa. This observation, according to at first purely formal criteria, allowed for a periodization of the material which on the one hand served as a basis for the further interpretation of the judgements while at the same time having to prove its worth, in the course of this interpretation, as being correct and interpretable. By way of the analysis of the titles found in the various parts of the document it was possible to confirm the five different phases which had become obvious already in the course of counting the ‘staff of the judgement’. Despite this confirmation, the applied method would be overstrained if one interpreted the suggested periods as development phases which could be delimited from each other for each year exactly. This was neither the intention nor necessary for an interpretation, for concerning the postulated connection between social changes and reorganisations of the legitimation structure of the judiciary one will have to assume a) a more or less strong postponement when it comes to a cause-effect connection. Only rarely changes in the political-social realm have immediate effect on the way of dealing 126 12 English Preface and Summary with justice 333 . And b), we may not expect complex changes of the legitimation structure to start abruptly and suddenly. In this sense, it is astonishing how clear the differences between the intervals are. The years between 1140 and 1175 are the most homogeneous period of time of the 136 years under consideration here, if not concerning the number of mentioned office bearers - there the figures vary considerably - but definitely concerning the titles. During the first 35 years the court referred to the two authorities of ‘municipality’ and ‘Emperor’ in quite a balanced way, and it knew how to make use of them for establishing its own legitimacy by using the terms consul in the text of the document and iudex in the subscriptio. In the ten years after 1175 - the second period - the quarrels between ruler and city, which had been increasing since the mid-1150s, gravely manifest themselves in the court files. Precisely in the subscriptio, where previously the term ‘iudex’ had exclusively referred to the Emperor, coming along with a growing number of subscribers also the references become more various. Now the newly found names in the subscriptio refer to a municipal office - for the first time in this part of the charter - on the one hand, on the other hand by just giving his name the personal reputation of the subscriber gains temporary significance. Against the background of the political development, which is characterised by the Peace of Constance and the Emperor recognizing the municipal community, however soon by renewed quarrels again, the following intervals No. 3 (1186-1210) and No. 4 (1211-1247) are under the sign of the further increasing and then finally predominant use of municipalitybased titles. Of the two institutions on which, still in the third quarter of the 12 th century, the courts were leaning for their own legitimation and for increasing the acceptance of their judgements, now it is only the municipality they can refer to. However, right from the beginning this exclusive reference to the urban community is no complete replacement of the balanced double legitimation we encounter in the charters still in the 1170s. Inevitably the loss of the possibility of including the Emperor - and with it to god given law -, into the legitimation of the court tore gaps which could not be completely filled by the municipality. Even less so as also the urban society itself experienced an ‘identity crisis’, due to the contradictions between popolo and nobiles. Given the now only limited possibility of basing its legitimacy on ‘external’ authorities, the court was increasingly dependent on developing a different strategy of creating acceptance. The structuring of the trial into several, if possible autonomous sub-cases and the commissioning of function bearers responsible for carrying out these sub-cases, nominated only in the course of the trial itself was such an alternative strategy. First approaches at 333 On the phenomenon of law being ‘staggered’ see L UHMANN , Das Recht der Gesellschaft, pp. 124ff.; G ÜNTHER , Vom Zeitkern des Rechts, zu: Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, pp. 17ff. 127 12 English Preface and Summary a split up of the trial can be identified already in the late 1180s, at the beginning of our third phase: The increasing separation of consules comunis and concules iustitiae - although it was never strictly executed - relieves the burden both of the ‘political’ leadership of the city and the judiciary 334 ; for the first time there are indications that the interrogation of witnesses was separated from the trial as such 335 now the discussions of the court are no longer exclusively moderated by the consuls presiding the court, at least sporadically magistri are mentioned who act as consultors. By the delegation of a trial from the concules iustitiae to so called iudices delegati 336 for which there is evidence for the first time from the year 1200, a number of autonomous sub-elements of the trial can be proven already before the beginning of the 13 th century, which may claim that their legitimation to act in the context of a given trial is predominantly based on being charged with such a task through/ within the trial itself. This is not meant to deny that those charged with a task during a trial were members of a guild or council and that the municipality exerted influence on these associations and that access to these organisations was not at last based on professional qualification. The notaries in charge of interrogating witnesses, the iudices delegati and the iurisperiti, however, based their often crucial position in a given trial only indirectly on their membership of certain corporations. First of all, it was based on being appointed during the trial as such. If we may consider already the structuring of the course of at trial an attempt to create acceptance by way of the trial itself, as by each step of the procedure the parties were participating in, at the same time they implicitly confirmed the legitimacy of what was happening 337 the appointment of the individual ‘institutions’ in charge of these steps, often only in the course of the proceedings and often while including the parties, asking them for consent, is another increase of this way of creating acceptance. It is no coincidence that in the late 1240s, when even reaching back to the municipality as a possibility to create acceptance ‘from the outside’ was only a very limited option, the alternative strategy of ‘legitimacy from the inside’ was applied to a degree which, from today´s point of view, looks extreme. The growing significance of the iurisperiti for the judgement, the general bringing in of commissaries, may they be delegated judges or ‘experts’, and the not seldom found ‘chains of commissioning’ - the consul commissions the delegate, the delegate commissions the iurisperitus - indicate how much now one counted on the creation of acceptance in the course of the trial as such. Even if still 80% of the judgements were announced by a ‘judge’ who was immediately appointed by the municipality - about 20% of the judgements were decided and announced 334 See chapter ‘Die Aufteilung des Konsulats’, pp. 66ff.. 335 See chapter ‘Das Notariat als zunehmend eigenständiges Element im Prozeß’, pp. 69ff. 336 See chapter ‘Zur Funktion der iudices delegati und consiliarii/ iurisperiti’, pp. 77ff. 337 See chapter ‘Herstellung von Legitimität im Verfahren’, pp. 95ff. 128 12 English Preface and Summary by the iudices delegati - an analysis of the proceedings produces the result that we may state that the municipality was ever less directly involved into the proceedings. This makes sense at a time when leaning too much on an institution which was no longer uncontested would not have meant a relief but a growing burden for the judiciary. A quick comparison of Periods 2 (1176-1185) and 5 (1248-1276) may be supposed to once again make obvious that at different times the court made use of different legitimation strategies - on the one hand by leaning on ‘external’ authorities, on the other hand the creation of acceptance by way of further differentiating the proceedings. At first one tried to react to the fact that the bipolar reference system of the judgement (text of the document = municipal reference, subscriptio = Imperial reference) was increasingly put into question - due to the constant conflict between the two institutions and the ongoing decline of Imperial authority in Milan - in a ‘traditional’ way: By way of mobilising more office bearers, by way of differentiating the titles, and not at last by emphasizing that outstanding personalities of the city that backed the trial one tried to maintain the validity of the court and its judgements; the trial itself, however, was at first maintained as one entity, without any further chronological or personal differentiation. Such a way of proceeding was nothing new, for also in the context of particularly important trials one tried, by including further office bearers, to increase the legitimacy and power of the municipal court. However, in this period such a way of proceeding became a general principle, and this cannot be explained by the specifics of each individual case but by the weakness of the external references. For, ‘legitimacy’ from the ‘outside’ as well as the possibility of creating legitimacy by the increased commissioning of representatives of ‘external’ institutions alone, without further differentiating the proceedings, are only possible if these institutions themselves meet sufficient acceptance. In so far it looks symptomatic that in the subscriptio not only the titles of municipal offices appear for the first time but that increasingly people give only their names although they are office bearers. In the second period the strategy of legitimation from the outside is both quantitatively - by giving many personal names and titles - and qualitatively - by referring to a variety of external entities - exhausted to a degree which may almost be called extreme; at the same time here the limits of such a kind of legitimation strategy become obvious if each individual reference itself may contribute only a limited degree of legitimacy to the trial. The proceedings which became common in Milan after 1247 are quite different. Now important parts of the proceedings were dealt with by two or three separate administrative units. The notaries were in charge of interrogating witnesses, the iurisperiti were in charge of de facto deciding the case, whereas still the assessor of the Podestà or the Consul was in charge of hearing claims and announcing the 129 12 English Preface and Summary decision - at least in the majority of the cases. Here the way of proceeding - due to its differentiation, however also due to the fact that again and again it was other committees consisting of different function bearers which made partial decisions - provided a possibility to create legitimacy, so to speak, step by step, in the course of the proceedings themselves. As a result of this differentiation, at the same time there was a considerably less necessity of legitimacy of each committee; furthermore, due to the autonomous sub-systems referring to each other, one succeeded with the individual elements supporting each other. If furthermore the parties are included into the commissioning of the committees - and in this context it is only of minor significance if this inclusion happened by way of handing in lists of desired and definitely undesired candidates or if it happened simply by drawing lots - this way the aspect of ‘recognition by way of participation’, which is the result of any kind of participation in proceedings, was additionally increased. The differentiation and split-up of the process and the delimitation of competences can be grasped as far as to writing down the judgements. If still in the 12 th century there was no possibility to connect the title of the respective office bearer to the act of writing and signing, in the second half of the 13 th century the notarius had mostly replaced all other office bearers - including those being officially in charge of the proceedings - when it came to the subscriptio. Even more: Now the signing notary had the right to autonomously commission a colleague or employee with writing down the judgement of the municipal court. From this kind of subscription we can read how the field of literacy itself was understood to be an independent element of the proceedings which was now the task of a certain group of function bearers. If once writing and notaryship are made autonomous to such a degree, they can be interposed as an independent module and a relay station, in particular in case of commissionings and delegations. For a court which does not only count on differentiating the proceedings but furthermore establishes and commissions each individual committee only in the course of the trial faces the problem of establishing the legitimacy of the individual elements by way of appointment. Here it can only be advantageous if, in the course of the trial presided by the iudices delegati, one may not only refer to being commissioned by the assessor of the consul but if there is the additional possibility to refer to the notary who is considered a separate element and to the provided carta delegationis. Thus, in the context of the delegation procedure two institutions could be referred to, each of which was ‘independently’ contributing to the commissioning. If the strategy of creating acceptance and legitimacy by way of differentiating the proceedings is supposed to be fully successful, despite the interlocking of each module of the proceedings the autonomy and independence of each module must be guaranteed and made visible to the outside in one way or the other. In the case of institutions where individual elements are established only ad hoc, by way 130 12 English Preface and Summary of commissioning, there is the particular danger that the intended autonomy of these committees, which have been established only by the ‘superior institution’, is not sufficiently made clear. By interposing the notary and the document between the commissioning and the delegated entity, by appointments made not immediately by the assessor or consul but by the notarius who publicly reads the carta delegationis, actually the commissioning happens only indirectly, by way of a second ‘authority’. By way of such an interposing one prevents the above sketched danger that the independence of partial elements is not perceived; however it prerequisites that the notaryship itself is considered an institution of its own. These institutional aspects, with notaryship and writing being too closely interwoven for any further differentiation, must be distinguished from more fundamentally identifying writing as a means of exchange between the individual sub-entities of the proceedings. If the differentiation of the proceedings - at least concerning the here discussed segments - serves primarily the purpose of creating legitimacy in the context of the proceedings as such, and if this requires that the independence of different sub-elements is clearly made obvious to the parties, then the textualisation of certain procedures happens within quite a particular context where also another function must be attributed to writing. In this context, writing has indeed not primarily the function of exchanging information; as after all such an exchange of information - such as if it is not the notary but the judge who interrogates the witnesses or, as it had been common for a long time, sapientes are consulted in the form of a colloquium, that is in the form of immediate oral deliberation instead of a separated consilium - would still have been possible orally. Here, the exchange of records and deliberations by messenger between the various institutions served for maintaining the distance between the different entities and for, if possible, preventing any immediate contact, such as between iurisperitus and iudex. Thus, by this way of communicating, basically a very far reaching separation of the individual stages of the proceedings was possible - despite the many topical and organisational-legal links. Only this it was possible to effectively establish the autonomy of the authorities, which was of crucial significance for unfolding the possibility to create legitimacy for the proceedings, while at the same time making this autonomy visible towards the outside. However, as it becomes obvious by the way in which the judges of San Gimignano proceeded 338 , the skilful use of the elements of ‘secrecy’ and ‘public nature’ in combination with literacy and reading aloud of deliberations and judgements did not only allow for an either or, i. e. complete separation or immediate contact. Rather, it provided a complex framework of differentiated, tiered ways of proceeding of an actually intended ceremonial nature, allowing for a very refined structure and presentation of the relations between the institutions. 338 On this see pp. 97ff. 131 12 English Preface and Summary The restructuring of the civil court proceedings in Milan from a consistent trial to a differentiated system of individual committees served, as is the thesis, predominantly for dealing with the no longer possible ‘legitimation from the outside’ of the court and for replacing it by a kind of ‘legitimation from the inside’ coming along with the development of sub-elements which were supposed to be as independent as ever possible. The first establishment of mostly autonomous segments at the end of the 1180s and the degree of differentiation and commissioning in the context of the proceedings, which must indeed be called extreme, from the late 1240s on were understood as an answer to the fact that the courts could only in a very limited way refer to Emperor and municipality as the points of reference of their actions - in the context of which, however, we must assume that the phenomena of ‘putting the institution into question’ and ‘development of legitimation from the inside’ happened with a time lag. If there are connections between a strong and respectively a weak social-institutional environment of the court and a weak and respectively strong interior differentiation of the proceedings, similar structures - each according to the situation of the environment - would have to be identified also at other times and in other regions. This can only be decided after a further, comparative, analysis of the practices of the judiciary which is not possible here. However, at least some indications to be found in literature shall be mentioned. Already Engelmann states that in the 13 th century the ‘practice of consulting experts’, that is the consultation of iurisperiti, was particularly widespread in the municipalities of Northern Italy, whereas centrally organised Southern Italy, where the judges had a ‘civil servant status’, hardly knew this legal institution 339 . Also in the field of ecclesiastical jurisdiction it was not much common 340 . However, what seems to contradict our thesis is the fact that precisely the 14 th and 15 th centuries are considered the peak of counselling in Italy, although at least for Lombardy, given the fact that by the end of the 14 th century at the latest the Viscontis had not only pushed through but had become firmly established, we might expect a decline. However, Ascheri points out to the fact that increasingly more seldom the consiliarii brought in their judgements in cooperation with the ‘magistrate’ but that instead the deliberation becomes a legal opinion in the proper sense, immediately commissioned by the claimant or the defendant to use it for their arguing at 339 ”Von Bedeutung wurden gerichtliche Gutachten Rechtsgelehrter nur in den Gebieten der Podestà- Verfassung ... Keine Bedeutung gewannen sie ... in den Königreichen Neapel und Sizilien.“ There the judgement continued to be decided in the course of joint deliberations; E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, p. 243. Engelmann tries to explain this by the difficulties the foreign judges, who were quite common in Northern Italy, were facing when applying the local law; on these arguments see in detail above p. 89. 340 E NGELMANN , Wiedergeburt der Rechtskultur, p. 243. 132 12 English Preface and Summary court 341 . Precisely because here - in contrast to the deliberations of the 13 th century which in most cases only give the judgement - legal arguments are presented, the opinions of leading jurists are kept, copied and finally even printed 342 . Thus, however, the consilia were no longer an independent element of differentiated proceedings but predominantly legal advice for the parties. Telling in this context is the changing status of the notary as a sometimes more and sometimes less independent element in the document. It has been shown that the municipal judgements up to 1211 did not attribute any independent function to the notaries and that the title notarius in the subscriptio could not be clearly distinguished from the title of iudex, whereas after 1247 both the signatory and the scribe called themselves a notary, often without referring to the count palatine, the Emperor or the municipality. We have already pointed out to the possibility of the scribe being commissioned by the subscriber (both of them being notaries) in those days. For a surprisingly long period of time the Signoria in Milan continued to reach back to the municipal document form - and this although Otto Visconti as the Bishop had his own chancery where a completely different document form - indeed the type of the chancery document - was predominant and e. g. the use of the seal was common 343 . Precisely at the beginning of the rule of the Signoria the placing of a seal under a judgement - perhaps only as an addition for a start - would have been of great propagandist value. As a matter of fact, however, the seal of the Signoria is found for the first time in 1335 and next to the signature of a notary who now often called himself cancellarius instead of notarius, until finally from 1340 on the signature of the notary disappeared completely and only the seal provided the legal act with legitimacy 344 . Thus, only at a time when the Visconti had already repeatedly been appointed Imperial Vicars and the Signore was widely accepted in the city 345 one was able to refer to him as the legitimating 341 A SCHERI , Diritto comune, processo e istituzioni, pp. 206ff. ID ., Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen, pp. 1199ff.; there we find also the hint that the consilia continue to be part of statutory law-making. 342 A SCHERI , The Formation of the Consilia, in part. pp. 196f. 343 B ARONI , La formazione della cancelleria viscontea, pp. 104ff. Also the municipality of Milan had its own seal which was most of all used for the correspondence with other municipalities. It seems to be symptomatic that this symbol of the municipal community was never used in connection with signing a sentence - not even as a completion; M ANARESI , Introduzione, p. XCIX. The situation was different in Genoa; on this see C OSTAMAGNA , Il notaio a Genova, pp. 146ff. 344 B ARONI , La formazione della cancelleria viscontea, pp. 107f. 345 As early as in 1294 Adolf von Nassau appoints Matteo Visconti Imperial Vicar; Henry VII. repeats this appointment in 1311. When in 1313 he is denied the Imperial title by the Pope, tellingly he has himself elected the Signore and Rector of Milan by the municipal council. In 1317, due to ongoing pressure by the Pope, he must give back the title of Vicar. From 1329 on Azzo Visconti may call himself Imperial Vicar; on this see S ALZER , Über die Anfänge der Signorie, pp. 119f.; on the events of 1313: C OGNASSO , Le basi giuridiche della signoria di Matteo Visconti in Milano. 133 12 English Preface and Summary pillar of document and legal act. Had it only been about providing a legal basis in the sense of publica fides, certainly one would have earlier been able to place the seal of the Imperial Vicar under the municipal documents 346 . By the end of the 14 th century the chancery of the lord of the city employed hardly any notary but only so called pronotarii who had only partly completed their training and thus - in contrast to the independent notary of the administration of the 13 th century - rather represented the type of the employed scribe 347 . Based on an analysis of the Milan court documents of the 12 th and 13 th centuries, the here presented study was able to establish a connection between societal change in general, which resulted in a legitimation crisis of the municipal courts, and the development of certain elements of the proceedings of the trial. Necessarily a comparison with developments beyond the chosen period of time and region was only cursory; here further analyses in particular of the trial practice would be a desideratum. On the whole, however, the lines of development pointed out to, i e. the growing differentiation of the proceedings in connection with a reduced possibility of ‘legitimacy from the outside’ and a reduction of the autonomy of individual authorities in the context of the proceedings as soon as one is able again to refer to accepted ‘external’ institutions, are indications of a reaction by the judiciary to the societal environment also under a wider horizon. 346 Already L IVA , Notariato e documento notarile, p. 193, points out to the fact that the Signore with his seal actually makes the confirmation of the municipal documents by a notary unnecessary. Even more there is the question why still, over a period of more than 50 years, one continued to reach back to the notary although both financial and propagandist arguments could be brought forward against this. 347 L IVA , Notariato e documento notarile, pp. 194f. 134 13 Anhang Zwei Sentenzen aus der ersten und der letzen Phase des hier untersuchten Zeitraumes; es handelt sich in beiden Fällen um Dokumente, die noch im Original überliefert sind. ACM Nr. 27, 14. April 1153 Eine ‚durchschnittliche‘ Sentenz aus der ersten Phase. Azo Ciceranus entscheidet zusammen mit drei weiteren Konsuln (oben im Text genannt) im Streitfall zwischen einigen ‚milites Mediolani‘, den Herren von Ardenno, und dem Kloster San Abbondio in Como bezüglich der Ortsherrnrechte, die indirekt über Rolando Murada ausgeübt werden. Azo und Marchisius werden ‚oben‘ als Konsul bezeichnet, unterschreiben aber ‚unten‘ als iudex et missus domni secundi Chunradi regis bzw. schlicht als iudex. Insgesamt sind sechs verschiedene Amtsträger in der Sentenz genannt. (S M) Die martis qui est quartusdecimus dies aprilis, in consulatu Mediolani. Breve de sententia quam dedit Azo qui dicitur Ciceranus consul Mediolani in concordia Heriprandi Iudicis, Roberti Pingilucchi atque Markisii Calcanioli, consulum similiter, de discordia que erat inter milites Mediolani qui tenent Ardennum per eorum missos Refutatum Cagalentum, Guilielmum Monetarium consules, Guasconem de Mairola, Arzemondum de Sexto, Porrinum de Porris, Montenarium Monetarium atque Maldotum Pedestorti, et ex altera parte domnum Adam venerabilem abbatem monasterii Sancti Abundii. Lis enim talis erat. Dicebant ipsi milites quod Rolandus qui dicitur de Murada de loco Talamona debebat per eos se distringere propter districtum plebis de Ardenno quod ipsi milites ad se pertinere allegabant, asserentes ipsum Rolandum habitatorem esse de ipso loco Talamona qui est de plepe de Ardenno; et quod ipse locus Talamona sit de plepe Ardenni, et quod ipse Rolandus sepenumero per eos districtus sit ipsi milites quam plures induxerunt testes. E contra ipse abas respondebat districtum ipsius Rolandi ad ipsos milites nullo modo pertinere, imo pro tertia portione ad prefatum monasterium Sancti Abundii spectare affirmabat, asserens universi loci Talamone districtum pro tertia portione ipsius monasterii esse, reliquis duabus partibus ad monasterium Sancti Dionisii et Landulfum Grassum atque Cadagios de Insula pertinentibus dicebat insuper locum ipsum de Talamona 135 13 Anhang non esse de plebe de Ardenno, set curtem esse; et quod ipse locus sit curtis et quod tertia pars ipsius curtis cum districto ceterisque honoribus ad ipsum Sancti Abundii monasterium pertineret, et quod ipse Rolandus per abates ipsius monasterii sepenumero districtus sit, multis testibus et instrumentis publicis ipse abas ostendebat, privilegium etiam domni Henrici imperatoris producebat quo continebatur quod prefatus imperator tertiam partem ipsius curtis eidem monasterio donaverat. Addiciebant insuper ipsi milites quod domnus Cono, abas ipsius monasterii, de ipsius Rolandi districto finem fecerat in manibus suorum consortum de Insula cum quibus de ipso districto sub consulibus de Insula in causa fuisse dicebant; unde similiter testes produxerunt. Quod predictus abas omnino negabat. His et aliis hinc inde visis et auditis, et predicto Rolando coram ipsis consulibus profitente ipsius monasterii Sancti Abundii districtabilem esse et non ipsorum militum, et hinc inde omnibus omissis testibus, laudavit ipse Azo, si ipse abbas per suum advocatum iuraverit quod predictus Rolandus pro tertia portione per ipsum abatem Sancti Abundii debet se distringere iure et usu ipsius loci, ut de cetero ipse Rolandus per ipsum abatem Sancti Abundii pro tertia portione se distringat. Et prefatum monasterium ab ipsorum militum petitione de districto ipsius Rolandi sit de cetero absolutum. Cumque ipse abbas per suum advocatum paratus esset ut supra iurare, remiserunt ipsi milites ei iusiurandum. Et sic finita est causa. Anno dominice incarnationis milleximo centeximo quinquageximo tertio, prefato die, indicione prima. Interfuerunt Benno de Curte, Amizo de Landriano, Azo de Axago, Peregrinus de Rode, Codemallius de Pusterla, Oldo de Petrasancta, Otto de la Sala, Passagius, Guifredottus Capellus, Guibertus Medicus, Monachus Gambarus, Trankerius Baxabelleta, Bordella, Guilielmus Cassina, Bernardus Russca; de servitoribus Anselmus de Picino, Bombellus, Iohannes Arpadore, Iohannes Guitonus, atque Siniforte et alii plures. (S M) Ego Azo iudex et missus domni secundi Chunradi regis hanc sententiam dedi et subscripsi. (S M) Ego Arialdus causidicus subscripsi. (S M) Ego Marchisius iudex subscripsi. (S M) Ego Dominicus iudex ac missus domni regis interfui et hanc sententiam scripsi. 136 13 Anhang ACM sec. XIII, 2.2, Nr. 689, 7. August 1274 Der Konsul Ruffino zieht im Rechtsstreit zwischen dem Kloster Chiaravalle und den Brüdern Rolando, Miro und Tessari den iurisperitius Mainfredus Menclotius bei, der wiederum Petrus de Castana als weiteren ‚Gutachter‘ benennt. Im Text der Sentenz sind - bei Ausschluß des Martino Tinctoribus olim consule iustitie 348 - drei Amtsträger genannt. Anders als in dem Verfahren von 1153 sitzen sie jedoch nicht gemeinsam zu Gericht, sondern beraten getrennt voneinander über den Fall. Typisch auch, daß ausschließlich Notare für das Unterschreiben und Schreiben der Sentenz verantwortlich sind. (S T) In nomine Domini. Super questione que olim vertebatur coram domino Martino de Tinctoribus olim consule iustitie Mediolani et nunc vertitur coram domino Roffino Anrocho nunc consule Mediolani inter Simonem de Grego sindicum monasterii Caravalensis, nomine ipsius monasterii, ex una parte et Rollandum et Mirum et Azelum fratres qui dicuntur Tessari de burgo Lactarella ex altera; et in qua quidem questione libellus porrectus fuerat in hunc modum, cuius tenor talis est: «Ego Simon de Grego sindicus monasterii Caravalensis nomine ipsius monasterii peto quatenus Rollandus et Mirus et Azellus fratres qui dicuntur Tesseri de burgo Lactarella in predicto nomine permittant et restituant petiam unam terre sive campi iacentem in territorio loci de Metono, ubi dicitur ad Sarexetum de Semeda, cui est a mane suprascripti monasteri et in parte Petri Nechi, a meridie Sancti Celsi, a sero suprascripti Petri et in parte de Amiconis, a monte Sancti Zeni de Decimo, et est pertice decem; et hoc cum omnibus fructibus et expensis et damnis preteritis et futuris suo tempore determinandis; que terra fuit Ambroxi de Inzineriis conversi illius monasterii et modo pertinet dicto monasterio, et hoc quia predicta facere debent et tenentur de iure, salvo iure melliorandi». Nos predictus dominus Roffinus Anrochus, consul iustitie Mediolani ut supra, habito consilio domini Mainfredi Menclotii iurisperiti, qui sibi adsumpsit in socium dominum Petrum de Castana iurisperitum, qui viderunt tenorem dicti libelli et litis contestationem factam super ipso libello per predictum Rollandum pro se et dictis Miro et Azello fratribus suis, quorum procurator est, factam millesimo ducentesimo septuagesimo tertio, die lune vigesimo quarto die iulli per Guilielmum de Vedano notarium; que contestatio facta fuit cum Simone de Grego sindico dicti monasterii, et qui viderunt cartam procurationis sicuti dictus Rollandus est procurator dictorum Miri et Azelli fratrum suorum, et qui viderunt testes in hac causa productos et quam plura instrumenta et iura et acta et actitata ab utraque parte coram producta et ostensa, et qui audiverunt et diligenter intellecxerunt allegationes utriusque partis, damus sacramentum predicto Symoni sindico dicti monasterii vel alteri ydonee persone ut iuret ad sancta Dei evangelia 348 Vgl. hierzu die in Anm. 44 gegebene Erläuterung. 137 13 Anhang corporaliter tacta, de consensu et volluntate capituli ipsius monasterii et maxime de consensu et volluntate predicti fratris Ambroxi, quod in veritate dicta tota petia terre fuit quondam Nuvireci patris predicti fratris Ambroxi conversi et quod tempore introitus facti per ipsum fratrem Ambroxium in dicto monasterio predicta tota petia terre erat illius fratris Ambroxi et ad eum pertinebat et spectabat. Quo sacramento prestito, condempnamus predictum Rollandum qui litem fuit contestatus suo nomine et nomine dictorum Miri et Azelli fratrum suorum et per eum ipsos Mirum et Azellum ut hinc ad dies quindecim proximos dimittant et restituant eidem Simoni nomine dicti monasterii et per cum ipsi monasterio predictam petiam terre sive campi, salvo et reservato ipsi capitulo sive monasterio omni iure quod eis competit in fructibus illius petie terre et in expensis in hac causa factis. Predictus Symonus procurator dicti monasterii Claravalensis dixit et exstimavit antequam sententia lata foret valere predictam terram libras decem tertiolorum. Millesimo ducentesimo septuagesimo quarto, die martis septimo die augusti, indictione secunda, dominus Ruffinus Anrochus consul Mediolani pronuntiavit ut in sententia continetur. Interfuerunt ibi testes Guillielmus de Caza de Onzago et Dalfinus de Mezana et Zermanus filius Alberti de Mezana, omnes civitatis Mediolani. (S T) Ego Albertus Moronus notarius ad sententias suprascriptarum fagiarum porte Vercelline et Ticinensis subscripsi. (S T) Ego Paganus de Figino notarius civitatis Mediolani porte Cumane iussu suprascripti notarii scripsi. 138 14 Abkürzungen ACM Gli atti del Comune di Milano fino all’anno MCCXVI, hg. von Cesare Manaresi, Milano 1919. ACM sec. XIII 1 Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 1, 1217- 1250, hg. von Maria Franca Baroni, Milano 1976. ACM sec. XIII 2.1 Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 2.1, 1251- 1262, hg. von Maria Franca Baroni - Roberto Perelli Cippo, Alessandria 1982. ACM sec. XIII 2.2 Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 2.2, 1262- 1276, hg. von Maria Franca Baroni - Roberto Perelli Cippo, Alessandria 1987. ACM sec. XIII 3 Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 3, hg. von Maria Franca Baroni, Alessandria 1992. 139 15 Quellen- und Literaturverzeichnis 15.1 Quellen B ONONIENSIS , Rodulphini, Summa totius artis notariae, Venedig 1546, ND 1977. Die Ars Notariae des Rainerius Perusinus, hg. von Ludwig W AHRMUND (Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses im Mittelalter, 3 Bd., 3. Heft) ND Aalen 1962. F USCARARIIS , Aegidius de, Ordo iudiciarius, hg. von Ludwig W AHRMUND (Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses im Mittelalter, 3. Bd., 1. Heft) ND Aalen 1962. Gli atti del Comune di Milano fino all’anno MCCXVI, hg. von Cesare M ANARESI , Milano 1919. Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 1, 1217-1250, hg. von Maria Franca B ARONI , Milano 1976. Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 2.1, 1251-1262, hg. von Maria Franca B A - RONI / Roberto Perelli C IPPO , Alessandria 1982. Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 2.2, 1262-1276, hg. von Maria Franca B A - RONI / Roberto Perelli C IPPO , Alessandria 1987. Gli atti del Comune di Milano nel secolo XIII, 3, hg. von Maria Franca B ARONI , Alessandria 1992. Gli atti di “querimonia” tra i documenti giudiziari del comune di Milano, sec. XIII, hg. von Maria Franca B ARONI , Alexandria 1997. Liber Consuetudinum Mediolani anni MCCXVI. Nuova edizione interamente rifatta, hg. von Enrico B ESTA / Gian Luigi B ARNI , Milano 1949. Lo statuto di Bergamo del 1331, hg. von Claudia S TORTI S TORCHI (Fonti storico-giuridiche, Statuti 1) Milano 1986. Ottonis episcopi Frisingensis et Rahewini Gesta Frederici seu rectius Chronica, hg. von Franz-Josef S CHMALE (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt ³1986. P ERUSINUS , Rainerius: Ars notaria (Liber formularius) hg. von Augusti G AUDENZI , Bologna 1892. 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Bewegung in ihre Geschichte bringen ihre Bewohner, die in Mittelalter und Früher Neuzeit so häufig umgezogen sind wie wir heute. Häuser, in denen über Jahrzehnte hinweg dieselben Personen wohnten, waren selten. Band 2 Christof Rolker, Gabriela Signori (Hg.) Konkurrierende Zugehörigkeit(en) Praktiken der Namengebung im europäischen Vergleich 2010, 220 Seiten, 2 farb. Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-285-9 Das Buch widmet sich den vielfältigen Namenspraktiken im spätmittelalterlichen Europa. Männer und Frauen, Christen und Juden, Ratsherren, Handwerker und Bauern hatten jeweils ihre eigenen Arten und Weisen, mit Namen umzugehen - weit kreativer, als es ihnen die ältere Forschung zugestehen wollte. Band 3 Ludolf Kuchenbuch Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert 2013, 246 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-430-3 Ludolf Kuchenbuch untersucht die dingliche Ausstattung, die herrschaftlichen Belastungen sowie die sozialen Grundbeziehungen der Dörfler im Raum nördlich von Goslar und zwischen Hildesheim und Braunschweig. So entsteht ein sozialstrukturelles Querschnitts-Porträt für einige Landstriche Ostfalens, das zugleich einen kritischen Baustein für die Erarbeitung eines differenzierteren neuen Bildes vom krisengeschüttelten 14. Jahrhundert bildet. Herausgegeben von Gadi Algazi (Tel Aviv) · David Collins (Washington) · Christian Hesse (Bern) · Nikolas Jaspert (Heidelberg) · Hermann Kamp (Paderborn) · Martin Kintziger (Münster) · Pierre Monnet (Frankfurt a.M. / Paris) · Joseph Morsel (Paris) · Eva Schlotheuber (Düsseldorf) · Hans-Joachim Schmidt (Fribourg) · Gabriela Signori (Konstanz) · Birgit Studt (Freiburg i.Br.) · Simon Teuscher (Zürich) : Weiterlesen Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Band 4 Gabriela Signori (Hg.) Prekäre Ökonomien Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit 2014, 270 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-521-8 Schulden waren in der vormodernen Lebenswelt genauso allgegenwärtig wie in unserer modernen. Viele lebten auf Pump. Die kulturellen Praktiken mit bald integrativen, bald desintegrativen Tendenzen, die sich in Face-to-Face-Gesellschaften um die Kreditvergabe ausbildeten, sind auf jeden Fall vielfältiger als auf Anhieb zu vermuten. Ihnen gilt die Aufmerksamkeit dieses Bandes. Band 5 Gabriela Signori Schuldenwirtschaft Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel 2015, 186 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-588-1 Gabriela Signori hat umfangreiches bislang unerschlossenes Archivmaterial durchforstet, um zu zeigen, wie die Schulden-/ Kreditwirtschaft in der spätmittelalterlichen Gesellschaft funktionierte. Am Beispiel vier privater Schuld- und Geschäftsbücher von Basel belegt sie, wie bedeutend solche Klein- und Kleinstkredite im städtischen Sozial- und Wirtschaftsgefüge waren. Band 6 Andrea Berlin Magie am Hof der Herzöge von Burgund Aufstieg und Fall des Grafen von Étampes 2016, 300 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-635-2 Der Band beschäftigt sich mit typischen Prozessen im spätmittelalterlichen Kampf um Macht und Einfluss an französischen Fürstenhöfen, zu denen magische Praktiken, aber auch die Instrumentalisierung solcher Vorwürfe innerhalb politischer Prozesse gezählt werden können. Anhand der Forschungen im Fall des Grafen von Étampes konnte zudem eine Wissenslücke hinsichtlich der Machtsicherungsstrategien Karls des Kühnen geschlossen werden. Spätmittelalterstudien : Weiterlesen Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. www.uvk.de Amelie Rösinger, Gabriela Signori (Hg.) Die Figur des Augenzeugen Geschichte und Wahrheit im fächer- und epochenübergreifenden Vergleich 2014, 180 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-515-7 Historiker, Literatur- und Medienwissenschaftler beschäftigten sich mit der »Figur des Augenzeugen«. Die Zeitspanne reicht von der antiken Geschichtsschreibung bis zu den massenmedialen Aufbereitungen des Zeitzeugen an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Nur im Vergleich der Epochen und Disziplinen lassen sich die unterschiedlichen Ansprüche herausarbeiten, was die Wahrheit Gesehenem und die Wahrheit von Geschichte ist. Benjamin Kram In corpore iuris omnia inveniuntur? Gesetz und Heilsgeschichte im somnium-Traktat des Johannes von Legnano (um 1320-1383) 2014, 196 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-534-8 Der Bologneser Kanonist Johannes von Legnano verfasst um 1372 seine einflussreiche Traumerzählung. Darin verbindet er auf einzigartige Weise wissenschaftstheoretische, politische, theologische und literarische Motive zu einer dichten Programmatik. Neben den kultursowie wissenschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen des somnium-Traktates werden insbesondere seine Kompilationstechniken detailliert untersucht.