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Magie am Hof der Herzöge von Burgund

2016
978-3-8649-6859-4
UVK Verlag 
Dr. Andrea Berlin

Anhand des Magieprozesses im Zaubereifall um den Grafen von Étampes, der sich im 15. Jahrhundert am burgundischen Hof ereignet hatte, wird einerseits das Spektrum magischer Aktivitäten und Netzwerke in der burgundisch-französische Welt beleuchtet. Durch neu erschlossenes Quellenmaterial, das dem Band in einer Edition beigegeben wurde, kann aber auch der inner-familiäre Aufstieg und Fall des Grafen von Étampes am burgundischen Hof nachgezeichnet werden. Die Arbeit beschäftigt sich mit typischen Prozessen im spätmittelalterlichen Kampf um Macht und Einfluss an französischen Fürstenhöfen, zu denen magische Praktiken, aber auch die Instrumentalisierung solcher Vorwürfe innerhalb politischer Prozesse gezählt werden können. Anhand der Forschungen im Fall des Grafen von Étampes (1415-1491) konnte zudem eine Wissenslücke hinsichtlich der Machtsicherungsstrategien Karls des Kühnen geschlossen werden.

Andrea Berlin Magie am Hof der Herzöge von Burgund Spätmittelalterstudien herausgegeben von Gadi Algazi (Tel Aviv) · David J. Collins (Washington) · Christian Hesse (Bern) Nikolas Jaspert (Heidelberg) · Hermann Kamp (Paderborn) Martin Kintzinger (Münster) · Pierre Monnet (Frankfurt a. M. / Paris) Joseph Morsel (Paris) · Eva Schlotheuber (Düsseldorf ) Hans-Joachim Schmid (Fribourg) · Gabriela Signori (Konstanz) Birgit Studt (Freiburg i. Br.) · Simon Teuscher (Zürich) Band 6 Andrea Berlin Magie am Hof der Herzöge von Burgund Aufstieg und Fall des Grafen von Étampes UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München Diese Arbeit wurde von der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum angenommen im Jahre 2012 und unter Verwendung der durch die »Fondation pour la protection du patrimoine culturel, historique et artisanal« freundlicherweise zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 1868-7490 ISBN 978-3-86764-635-2 (Print) ISBN 978-3-86496-858-7 (EPUB) ISBN 978-3-86496-859-4 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer-halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de 5 Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1. Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.1. Quellenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.2. Vorbemerkungen zur Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2. Historische Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.2.1. Zur burgundischen Geschichte im 15. Jahrhundert . . . . . . . . . 23 1.2.2. Der politische Prozess und das Majestätsverbrechen im späten Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.2.3. Der Graf von Étampes (1415 - 1491) und der burgundische Hof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Der Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1. Art und Zusammenstellung des Aktenmaterials . . . . . . . . . . . 43 2.1.1. Das Aktenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1.2. Die Sprache des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.1.3. Datierung der Prozessakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.2. Eine kurze Skizze des Prozessthemas und Datierung der Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.3. Die Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.3.1. Die Einberufung der Untersuchungskommission . . . . . . . . . . . 54 2.3.2. Die Mitglieder der Kommission und ihr Umfeld . . . . . . . . . . . 60 2.3.3. Der Mann im Hintergrund: Karl von Burgund, Graf von Charolais . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.3.4. Die Helfer des Grafen von Étampes: Jean de Bruyère und Charles de Noyers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.3.5. Die Brüsseler Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.4. Strategien und Taktiken - Die Rolle der Kommission und der Aussagenden im Processus contra dominum de Stampis . . 76 2.4.1. Der Ablauf der Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.4.2. Die Überprüfung der Zeugenaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 6 2.4.3. Die Gegenüberstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.4.4. Die Taktiken Jean de Bruyères während der Befragungen . . . . . 80 2.4.5. Die Folter und ihre Rolle im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.4.6. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Vorstellungswelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1. Personen und Praktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.1.1. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.2. Auf der Suche nach Wachsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.2.1. Die Verwendung der Wachsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3.2.2. Aussehen und Material der Formen und Figuren . . . . . . . . . . 108 3.2.3. Die Rolle der Wachsfiguren bei den magischen Praktiken . . . . 110 3.2.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3.3. Der Graf von Étampes - die abwesende Schlüsselfigur . . . . . 121 3.3.1. Der Graf von Étampes im Spiegel der Zeugenaussagen . . . . . . 122 3.3.2. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen. . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Die magischen Praktiken im Spiegel der Zeit . . . . . . . . . . . . 129 4.1. Die magischen Künste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4.2. Magie vor Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.2.1. Der rechtliche Rahmen von Magieprozessen . . . . . . . . . . . . . . 135 4.2.2. Magievorwürfe und Zaubereiprozesse im (französischen) Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.3. Der Processus contra dominum de Stampis: eine erste Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5. Die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5.1. Erste Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5.1.1. Die Reaktion der Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5.1.2. Der Graf von Étampes und König Ludwig XI. . . . . . . . . . . . . 159 5.2. Der Graf von Nevers und Étampes im Spannungsfeld burgundisch-französischer Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 7 5.2.1. Die Ereignisse des Jahres 1463 im Lichte der burgundischen Chronistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5.2.2. Zwistigkeiten und Versöhnungsversuche (1464 - 1468) . . . . . 172 5.3. Der Graf von Nevers und das Vliesordenskapitel von 1468 in Brügge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6. Handlungs- und Kommunikationsstrategien . . . . . . . . . . . 203 6.1. (Versuchte) Anschläge auf den Grafen von Charolais . . . . . . . . . .204 6.2. Die Reaktionen Herzog Philipps des Guten . . . . . . . . . . . . . 209 6.3. Burgundische Handlungs- und Kommunikationsstrategien bei Anschlägen in den 1460er Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6.4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 7. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 8. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 9. Edition des Processus contra dominum de Stampis . . . . . 229 10. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.1. Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.1.1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.1.2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 10.2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Meinen Eltern Barbara und Juan Berlin 9 Danksagung An dieser Stelle möchte ich einige gemeinhin übliche, aber deshalb nicht minder ehrliche Worte des Dankes verlieren. Zuallererst gilt der Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dieter Scheler, dem ich nicht nur die Bereitstellung des außergewöhnlichen Aktenmaterials, das meiner Arbeit zugrunde liegt, und einer ersten Rohtranskription zu verdanken habe. Die gemeinsame Begeisterung für das Thema der vorliegenden Arbeit, die Weitsicht und das Augenmaß, mit der er mir bei deren Abfassung sowohl Freiheit ließ als auch Unterstützung bot, werden mir immer in herzlicher Erinnerung bleiben. Weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Nikolas Jaspert (Heidelberg), der das Koreferat übernommen hat und mit dessen Kolloquium ich anregende Diskussionen verbinde. Letzteres gilt auch für Herrn Prof. Dr. Martin Kintzinger (Münster), der die Entstehung dieser Arbeit mit freundlichem Interesse begleitet hat. Für die Unterstützung bei fachlichen Fragen oder mit weiterführenden Hinweisen gilt mein Dank Herrn apl. Prof. Dr. Klaus Oschema (Heidelberg), Herrn Cyrille Chatellain (Paris), Frau Prof. Dr. Simona Slanicka (Basel/ Bern) und Frau Dr. Sonja Dünnebeil (Wien). Letzterer gilt besonderer Dank, war sie doch nicht nur durch manchen guten Rat hilfreich; ihr verdanke ich auch die kundige Kollationierung meiner Edition und das Korrekturlesen so manchen Kapitels. Dass sie darüber hinaus eine Mentorin und Freundin geworden ist, ist mir eine besondere Freude. Auf institutioneller Seite möchte ich mich besonders bei den Mitarbeitern der besuchten belgischen und französischen Archive und Bibliotheken bedanken. Stellvertretend für viele andere seien hier Herr Ghislain Brunel (Archives nationale de France) und Herr Michel Vangheluwe (Archives départementales du Nord) und dessen Team für die freundliche Aufnahme und Hilfestellungen in ihren Institutionen erwähnt. Für die Erlaubnis der Nutzung des Archivs des Ordens vom Goldenen Vlies danke ich Herrn Alexander Pachta-Reyhofen (Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies). Zu danken gilt es noch vielen anderen: Meiner Familie und meinen Freunden, für die Geduld und Unterstützung der letzten Jahre. Für die Mithilfe bei der Erstellung des endgültigen Manuskriptes durch Korrekturlesen und Prüfen der Zitate danke ich Herrn Markus Kroll, Frau Jocelyne Jakob und nicht zu vergessen Herrn Prof. Dr. Hiram Kümper, dessen unermüdliche Motivation für dieses Projekt mir viel bedeutet. Für die Vorbereitung der Veröffentlichung gilt es auch, einer ganzen Reihe von Menschen meinem Dank auszusprechen. Zunächst möchte ich mich bei der »Fondation pour la protection du patrimoine, cultur, historique et artisanal« für die Druckkostenförderung und zugleich die große Geduld hinsichtlich der Fertigstellung der Arbeit bedanken. Insbesondere gilt mein 10 Dank in diesem Zusammenhang Herrn apl. Prof. Dr. Klaus Oschema (Heidelberg) und dem Gutachter der Arbeit, Jean-Patrice Boudet (Orléans). Für unzählige wertvolle Hinweise und Anregungen sowie die Inspiration für den Untertitel der Arbeit bedanke ich mich sehr herzlich bei Herrn Prof. Dr. Werner Paravicini. Auch den Gutachtern meiner Arbeit innerhalb des Dissertationsverfahrens, Prof. Dr. Nikolas Jaspert (Heidelberg) und Herrn Prof. Dr. Dieter Scheler (Bochum), sowie von Seiten der Herausgeber aus Herrn Prof. Dr. Martin Kintzinger (Münster) und Herrn Prof. Dr. David J. Collins (Georgetown), danke ich für ihre Gutachtertätigkeit und die vielen unterstützenden Hinweise. An dieser Stelle möchte ich auch Frau Prof. Dr. Gabriela Signori als Hauptherausgeberin der Publikationsreihe für Ihre Geduld danken. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Mann, Mathias Vetter, der mich nicht nur mit seiner ausgesprochenen Gründlichkeit bei den verschiedenen Korrekturphasen unterstützt hat, sondern mir genau das Maß an Unterstützung, Ansporn und Verständnis entgegengebracht hat, das es zur Beendigung dieser Arbeit und der Druckfassung gebraucht hat. Bochum, 22.12.2015 Andrea Berlin 11 1. Einleitung Am 8. Mai 1468 wird während der Messe auf dem 19. Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies Johann von Burgund, Graf von Nevers, in einem symbolträchtigen Akt aus dem Ritterorden ausgeschlossen. Ihm wurde vorgeworfen, einige Jahre zuvor mittels magischer Praktiken gegen Herzog Karl den Kühnen, damals noch Graf von Charolais, intrigiert zu haben. Diese Episode hat immer wieder die Verwunderung einzelner Forscher evoziert. So fragte beispielsweise Bernhard Sterchi, ob nicht ein anderer Grund hinter diesen Vorwürfen zu suchen sei und weshalb man bei dem Ausschluss nicht von Verrat sprach, einem Vorwurf, der durchaus auch möglich gewesen wäre und auf den ersten Blick nahe gelegen hätte. 1 Eine Antwort hat Sterchi nicht gefunden und auch andere Autoren gehen nicht über diese Verwunderung hinaus. Die in der Forschung geübte Zurückhaltung im Fall Johanns von Burgund ist fraglos mit dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial zu begründen, lagen doch bisher neben den Erwähnungen der Ereignisse im Aktenmaterial des Ordenskapitels nur einige Verweise in der burgundischen Chronistik vor, die allerdings zum Teil sehr vage ausfallen. 2 Mit dem in dieser Studie näher untersuchten Aktenkonvulut, dem Processus contra dominum de Stampis, 3 liegt nun aber bisher unbekanntes Quellenmaterial vor, das den Vorwürfen gegen Johann von Burgund deutlichere Konturen verleiht. Johann, der zum Zeitpunkt der Ereignisse (1463) noch Graf von Étampes war, wird während eines Prozesses gegen seinen Bediensteten Jean de Bruyère stark belastet, Zaubereien mit Wachsfiguren gegen den französischen König, den damals noch regierenden Herzog Philipp von Burgund und insbesondere auch gegen den Grafen von Charolais, den späteren Herzog Karl den Kühnen, ausgeführt zu haben. Das Aktenmaterial ermöglicht es uns, einen detaillierten Blick auf die Ereignisse zu werfen, die sich über einen Zeitraum zwischen 1461 bis 1463 erstrecken. 1 Sterchi, Der Orden vom goldenen Vlies und die burgundischen Überläufer von 1477, S. 65; Vaughan, Philipp the Good, S. 378; Paravicini, Karl der Kühne, S. 24; Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 21; Mercier, La Vauderie d’Arras, S. 373-374. Weitere Erwähnungen, die nicht mit eingehender Analyse einher gehen müssen, Paravicini, Die zwölf »Magnificences« Karls des Kühnen, S. 328; Gruben, Les chapitres de la Toison d’or, S. 332-335; Vale, War and Chivalry, S. 50-51 oder bereits früher: Plancher, Histoire générale et particulière de Bourgogne IV, S. 312-313. 2 Ausführlich zur Überlieferungssituation vgl. Kap. 1.1.1 und 2.1. Von der Autorin sind zu diesem Prozess bisher folgende Aufsätze erschienen, Berlin, La main protectrice du duc de Bourgogne; Berlin, Family Politics and Magic at the Court of Burgundy. 3 Die latinisierte Schreibweise de Stampis statt d’Étampes ist nicht ungewöhnlich, wie der Blick in die Chronistik zeigt. But, Chronique, S. 257. 12 Hinter dem Prozessgeschehen scheint dabei das weit verzweigte Geflecht unterschiedlicher Personen und Personengruppen im Umfeld des herzoglichen Hofes auf und es eröffnet sich ein breites Panorama magischer Vorstellungswelten im Burgund des 15. Jahrhunderts. Seine besondere Brisanz erhält das Material aber durch die politische Dimension der Ereignisse. Denn obwohl es sich bei dem Prozess um ein reguläres kirchliches Verfahren handelt, lassen die Prozessakten doch deutlich erkennen, wie der Zaubereiprozess durch Karl von Burgund als politisches Instrument genutzt wird. An das Aktenmaterial sollen insbesondere Fragen nach dem Vorgehen Karls und der Untersuchungskommission im Zuge der Aufdeckung der Zaubereivorwürfe gestellt werden. Die Untersuchungen werden daher ein Augenmerk auf den durch die Kommission geleiteten Prozess und das Prozedere der Befragungen richten sowie auf die in dem Prozess geäußerten Vorwürfe gegen den Grafen von Étampes. Das Material lässt dabei eindrückliche Rückschlüsse auf das Verhältnis in der herzoglichen Familie zu. Zu den in den Prozessakten geschilderten magischen Praktiken und Vorstellungswelten soll ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit gesetzt werden. Von besonderem Interesse ist hier das sich in den Akten abzeichnende Beziehungsgeflecht, das die Suche nach magischen Utensilien und die Durchführung der Praktiken ermöglichte. Die Ereignisse sollen zudem in das Umfeld der sich ausbildenden Magieprozesse und der Magievorwürfe im franko-burgundischen Raum eingeordnet werden, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem höfischen Milieu liegen soll, in dem Magievorwürfe oft politische Implikationen hatten. So ist auch die Frage nach den politischen Dimensionen des Processus contra dominum de Stampis und den Konstellationen im Haus Burgund keineswegs voneinander zu trennen. Es wird etwa zu fragen sein, inwieweit die Ereignisse Auswirkungen auf das Verhältnis das Grafen von Étampes zu Herzog Philipp dem Guten und seinem Sohn hatten, aber auch, welchen Stellenwert dieses Verhältnis für die zu dieser Zeit ohnehin schon problematische Beziehung des Grafen von Charolais zu seinem Vater hatte. Die angespannte Situation zwischen dem Herzog von Burgund und seinem einzigen Erben führt für diese Untersuchung zu der Annahme, dass die Reaktionen Karls insbesondere durch seine prekäre Machtsituation und das Verhalten seines Vaters bedingt waren. Ein Fokus soll zudem auf die Frage nach einer konkreten Instrumentalisierung des Prozesses durch den Grafen von Charolais und die damit verbundenen Konsequenzen für den Grafen von Étampes gerichtet sein. Im Mittelpunkt der Arbeit steht folglich die Aufarbeitung des Prozessgeschehens in seinen politischen Konstellationen und seine Kontextualisierung in der burgundischen Hofgesellschaft sowie den magischen Vorstellungswelten seiner Zeit. Nach einem kurzen Literatur- und Quellenüberblick soll zunächst zur besseren Einordnung der Befunde ein resümierender Blick auf die burgundische Geschichte des 15. Jahrhunderts geworfen und ein Überblick über die Forschung zu politischen Prozessen und dem crime de lèse-majeté, dem Majestätsverbrechen, ge- 13 geben werden, bevor - nach einer biographische Skizze zum Grafen von Étampes und seinem Wirken am burgundischen Hof - die Darstellung des Prozesses erfolgt. 1.1. Quellen und Literatur 1.1.1. Quellenlage 1.1.1.1. Der Processus contra dominum de Stampis Im Mittelpunkt dieser Studie steht ein Konvolut von Abschriften aus dem späten 15. Jahrhundert, das man als Ganzes nach einer Notiz auf dem Umschlagblatt als Processus contra dominum de Stampis bezeichnen kann. In diesem frühen Vertreter des Aktenzeitalters werden Schriftstücke verschiedener Provenienz zu dem besagten Gerichtsprozess (hier: kopial) zusammengeführt. 4 Der Forschung war dieses Material bislang gänzlich unbekannt, was eine Konsequenz aus der Überlieferungssituation ist. Ursprünglich dem Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies (AOGV) zugehörig ist es vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem AOGV entliehen und nicht zurückgegeben worden. Ein Konvolut mit Unterlagen von Payer von Thurn, in dem sich die Akte fand, erwarb der Doktorvater der Autorin, Dieter Scheler, in den 1960er Jahren im Wiener Antiquariatshandel. 5 Die Prozessakten wurden im März 2013 wieder an das Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies zurückgegeben, wo sie im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien unter der Signatur HHStA, AOGV, Akten, Karton 5, Dossier: Ausschließung Nevers (Türck’sche Systematik 2. Partie, § 2, 11 C) zu finden sind. Der Processus liegt mit dieser Arbeit erstmals vollständig ediert und kommentiert vor. Zur Erschließung dieses außergewöhnlichen Stücks burgundischer Rechts- und Politikgeschichte waren aber selbstverständlich weitere archivalische und gedruckte Quellenbestände aus den ehemaligen burgundischen Landen, in der Hauptsache also aus Archiven und Bibliotheken des heutigen Frankreichs und Belgiens, heranzuziehen. 1.1.1.2. Herangezogene Archivbestände Zur Erschließung einzelner Aspekte in der Prozesshandschrift, besonders aber zur Analyse des Verhältnisses des Grafen von Étampes zum burgundischen Hof und zu Ludwig XI., konnten die französischen Archive nützliches Material liefern. Statt auf viele einzelne, sei hier einführend besonders auf die Aufsätze von Pierre Cockshaw, Bertrand Schnerb oder Sébastien Hamel verwiesen, die zur Orientie- 4 Zur Typologie vgl. Hochedlinger, Aktenkunde, S. 37-49, zu Aktenabschriften insbes. S. 47ff. 5 Genauere Ausführungen zum Aktenmaterial und der Überlieferungssituation siehe Kap. 2.1. 14 rung in der burgundischen Archivlandschaft zu empfehlen sind und auf zahlreiche weiterführende Literatur hinweisen. Für die deutschsprachige Suche sollen hier beispielhaft Werner Paravicini, Holger Kruse und Sonja Dünnebeil genannt werden. 6 Insbesondere sind hier die Bestände der Archives départementales du Nord in Lille hervorzuheben. Dort steht mit den sogenannten Écroes (escroes), die in der französischen Forschung häufig als états journaliers bezeichnet werden, eine Quellengattung zur Verfügung, die unter anderem auch die Zeit des Grafen von Étampes am burgundischen Hof betrifft. 7 Sie werden von der historischen Forschung vor allem in zwei große Gruppen unterteilt, nämlich die escroes de la despense (de bouche), also die Sachausgaben, und die escroes des gaiges, die Tagegelder oder, wenn man so will, Personalausgaben. Bei den escroes de gaiges muss man allerdings - wie Paravicini bereits anmerkte - in Rechnung stellen, dass diese zwar prinzipiell den gesamten Hofstaat des entsprechenden Tages verzeichnen, dies allerdings nur insofern, als auch Tagegelder bezogen wurden. Personen, die sich auf Dienstreise befanden oder anderweitig Geld von einem jeweils anderen Hof erhielten, tauchen in diesen Listen nicht auf. Auch Unregelmäßigkeiten können vorkommen. 8 Die Bestände nicht nur in Lille, sondern auch an anderen Orten haben zudem unter starken Verlusten gelitten, sodass man nur mit einer lückenhaften Überlieferungssituation arbeiten kann. Für den Grafen von Étampes etwa sind zwar Écroes der 1440er und 1450er Jahre überliefert, aber auch diese sind offenbar nicht vollständig erhalten. 9 Neben den Écroes gibt es noch einen weiteren Quellenbestand in den Archives départementales du Nord, der den Grafen von Étampes direkt betrifft. Unter der Signatur Cumulus wird unter anderem Rechnungs- und Verwaltungsschriftgut für die Picardie aus den 1450er Jahren verwahrt. Diese Bestände sind noch größtenteils unerschlossen. Lediglich Marie Thérèse Caron hat den Bestand stichprobenhaft für ihren Aufsatz über den Grafen von Étampes verwendet. 10 Die Bestände der Archives départementales du Nord konnten schließlich drittens für nähere Untersuchungen das Bistum Cambrai betreffend genutzt werden. Einige der einschlägigen Texte sind allerdings nur in Abschriften des 17. Jahrhunderts erhalten. Die gesichteten Dokumente gaben sowohl Aufschluss über den 6 Cockshaw, Les archives bourguignonnes, les plus riches d’Europe? ; Schnerb, Les archivs des ducs de Bourgogne; Hamel, Quelques pistes pour exploiter efficacement les sources des hôtels princiers de Bourgogne. Diese Aufsätze befinden sich in dem 2013 erschienen Tagungsband des Kolloquiums für Werner Paravicini; im Oktober 2007. Paravicini u.a. (Hrsg.), La cour de Bourgogne et l’Éurope. Le rayonnement et les limites d’un modèle culturel, Osterfildern 2013; Paravicini, ›Ordonnances de l’Hôtel‹ und ›Ecroes des gaiges‹; Dünnebeil, Wo befand sich der Herzog von Burgund? ; Kruse, Hof, Amt und Gagen. 7 Näheres zu dieser Quellengattung bei Kruse, Hof, Amt und Gagen und überaus hilfreich bei Paravicini, ›Ordonnances de l’Hôtel‹ und ›Ecroes des gaiges‹. 8 Vgl. Paravicini, ›Ordonnances de l’Hôtel‹ und ›Ecroes des gaiges‹, S. 246-247. 9 Vgl. bspw. die Bestände ADN B 3412, B 3416, B 3414, B 3419. 10 Caron, Jean, comte d’Étampes, en 1437 - 1438. 15 Bischof von Cambrai, der die Untersuchungskommission des Processus contra dominum de Stampis eingeleitet hatte, als auch über rechtliche Vereinbarungen, die das Bistum mit Herzog Philipp dem Guten getroffen hatte, sowie den Verbleib der Komplizen des Grafen von Étampes, Jean de Bruyère und Charles de Noyers. Die im Zuge der Recherchen aufgesuchten weiteren regionalen Archive konnten hingegen nur vereinzelte Aspekte zum Wirken des Grafen von Étampes beleuchten. Die Archives départementales du Côte d’Or in Dijon erlaubten kleinere Einblicke in die Förderung des Grafen durch Philipp den Guten, die Archives départementales de Nièvre liefern hinsichtlich des Grafen von Étampes insbesondere Informationen zu seiner Tätigkeit als Graf von Nevers seit 1464. Die auch insgesamt vergleichsweise spärliche Überlieferungssituation ist, wie bei so vielen französischen Départementsarchiven, auf einen Brand aus den Revolutionsjahren - in Fall der Archives départementales de Nièvre im Jahre 1793 - zurückzuführen, bei dem besonders die Akten der Rechnungskammern und damit wichtige Zeugnisse der spätmittelalterlichen Verwaltungsgeschichte verloren gegangen sind. 11 Auskünfte über das Wirken des Grafen im Gebiet der Somme-Städte konnte die Bibliothèque municipale d’Amiens geben. Zudem konnten zwei der im Processus benannten Edelleute durch Texte dieses Archivs näher identifiziert werden. Größere Bestände den Grafen von Étampes betreffend finden sich schließlich in den Archives nationales in Paris, hier insbesondere die Bestände AN J und AN K. Sie liefern Informationen zur Rolle Johanns von Burgund während der Guerre du Bien Public, aber auch zu den nach seinem Tode sich entwickelnden Erbstreitigkeiten zwischen Jean d’Albret, Seigneur d’Orval, und dessen Ehefrau Charlotte de Bourgogne gegen Engelbert von Kleve. 12 Zuletzt müssen auch die archivalischen und gedruckten Bestände der Pariser Bibliothèque nationale erwähnt werden, in deren Beständen sich eines der wenigen Dokumente befindet, das direkt mit dem Processus contra dominum de Stampis in Verbindung gebracht werden kann: Es handelt sich dabei um eine Bericht des Seigneur de Mouy, der auf Anweisung König Ludwigs von Guillaume Jouvenel, Seigneur de Treignel und Rat des Königs, sowie von Adam Rolant, Sekretär Ludwigs, aufgezeichnet wird. 13 Aber auch die Beziehung des Grafen von Étampes (später Nevers) zu Ludwig XI. lässt sich anhand der dortigen Dokumente, die zu einem großen Teil freilich nur in Abschriften existieren, gut nachvollziehen. Konsultiert wurden zudem die belgischen Staatsarchive, die Archives générales du Royaume et Archives de la Région de Bruxelles-Capitale sowie die handschriftlichen Bestände der Bibliothèque royale. Außer einigen Hinweisen auf das Umfeld des Grafen von Étampes konnten hier allerdings keine weiterführenden Kenntnisse gewonnen werden, da die mittelalterlichen Bestände des Staatsarchivs 11 Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 1. 12 Zur Sache vgl. Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 25-45. 13 Vgl. Kap. 5.1.2. 16 durch die Bombardierung Brüssels im 17. Jahrhundert stark dezimiert wurden. 14 Dieser Umstand ist insbesondere hinsichtlich der zahlreich im Processus erscheinenden Personen aus Brüssel bedauerlich, die aus diesem Grunde nicht durch zusätzliches Aktenmaterial nachgewiesen werden konnten. Die burgundischen Bestände in Wien wurden zwar gesichtet; jedoch waren durch diese bereits gut erforschten Bestände keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Ereignisse um den Processus contra dominum de Stampis zu erwarten. Das dem Bestand des Wiener Haus-, und Staatsarchivs zugeordnete Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies liefert allerdings auch abseits der in Edition vorliegenden Aufzeichnungen zu den Ordensfesten noch weiteres, den Fall Étampes betreffendes Material. 15 1.1.1.3. Gedruckte Quellen Forschungen über die französische und burgundische Geschichte werden durch mehrere größere Editionen und laufende Editionsprojekte erleichtert, die für diese Arbeit herangezogen werden konnten. Für die Ereignisse um den angeblichen Zaubereianschlag des Grafen von Étampes unmittelbar wichtig sind die Editionen der Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies, die von Sonja Dünnebeil bearbeitet werden und seit 2002 in der Instrumenta-Reihe des Deutschen Historischen Instituts Paris erscheinen. 16 Von Relevanz ist hier insbesondere das zweite Protokollbuch, in dem die Kapitelsitzung in Brügge aus dem Jahre 1468 und damit der Ausschluss des Grafen von Étampes aus dem Orden vom Goldenen Vlies dokumentiert ist. Zu den älteren Editionen gehören diejenigen der Briefbestände französischer und burgundischer Adeliger. Verwendung konnten davon die Lettres de Louis XI. finden, in denen allerdings nur die durch Ludwig geschriebenen, nicht die von ihm empfangenen Briefe ediert sind. 17 Die edierten Briefe Karls des Kühnen verzeichnen hingegen sowohl solche, die er selbst verfasst hat, als auch Briefe, die er empfangen hat. 18 Die Anzahl der Schriftstücke insgesamt ist allerdings geringer als die des französischen Königs. Auch für die Geschichte der burgundischen Niederlande oder das Wirken der Herzöge in diesem Gebiet wurden ausführliche 14 Pergamini, Les archives historiques de la Ville de Bruxelles, S. 133. Eine ausführliche Literaturschau für das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit bietet de Jonge, La Cour à la Ville. 15 Siehe hierzu ausführlich Kap. 4.3. 16 In der Reihe der Instrumenta sind auch einschlägige Einzelstudien erschienen, etwa Catalogue des actes de Charles le Téméraire (1467 - 1477), hrsg. von Stein; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473); Die Hofordnungen der Herzöge von Burgund 1, hrsg. von Kruse und Paravicini und Cockshaw und Paravicini, Prosopographie des secrétaires de la cour de Bourgogne (1384 - 1477). 17 Lettres de Louis XI, Roi de France, hrsg. von Charavay und Vaesen. 18 Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini; zur Sache vgl. auch Paravicini, Der Briefwechsel Karls des Kühnen. 17 Editionen historischer Werke oder kleinere Quellenbestände bereits seit dem 19. Jahrhundert herausgegeben und konnten für diese Arbeit herangezogen werden. 19 Eine zentrale Quelle der geschichtswissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Aufstieg und Fall des burgundischen Herzogtums im 14. und 15. Jahrhundert ist seit jeher die zeitgenössische Chronistik gewesen. Das betrifft durchaus auch französische Blicke auf das Herzogtum, etwa von Froissart oder den Chroniques de France, in erster Linie wird aber die ungewöhnlich reiche Geschichtsschreibung, die im Umfeld der burgundischen Herzöge selbst entstanden ist, herangezogen. 20 Die Erscheinungsformen, Schreibanlässe und auch die Tendenzen der burgundischen Geschichtsschreibung sind ausgesprochen vielfältig; ebenso sind es die Selbstbezeichnungen. Neben den Begriffen mémoires oder chroniques findet sich oft auch der Ausdruck récueil. Trotz dieser unterschiedlichen Bezeichnungen lassen sich aber auch gewisse Parallelen herausarbeiten. 21 Gemeinsam ist allen Werken zunächst die volkssprachige Abfassung; lateinische Historiographie in Prosaform entsteht am burgundischen Hofe nicht mehr. Gemeinsam ist den Chronisten auch die thematische Nähe zum burgundischen Hof, nehmen dessen Herzöge und ihre Taten doch großen Raum in den burgundischen Chroniken ein; ein Umstand, den die Herzöge auch durchaus für sich zu nutzen wussten. So urteilt Jean Devaux: »jamais, jusque-là, aucune maison princière n’avait bénéficié d’une production aussi soutenue qui fût à même de transmettre à la postérité les glorieux faits d’armes accomplis sous son égide.« 22 Die Chronisten bemühten sich nach eigenen Aussagen um eine möglichst neutrale, wahrheitsgetreue Berichterstattung, auch wenn sich bei einigen Autoren zumindest gewisse Sympathien oder Antipathien für die Protagonisten ihrer Erzählungen, wenn nicht 19 Zu nennen sind hier beispielsweise die Veröffentlichungen der Commission royale d’histoire. In dieser Reihe beispielsweise van der Linden, Itinéraires de Philippe le Bon; zudem liegen hier verschiedenen Chroniken, wie die Istoire et Cronique de Flandres, die Chroniques de Brabant u.a. in edierter Form vor. Aber auch kleinere Editionen, wie beispielsweise die Collection des documents inédits concernant l’histoire de la Belgique, herausgegeben von Louis Prosper Gachard, boten nützliche Quellenbestände an. 20 Einen guten Überblick jüngeren Datums bieten Devaux, L’historiographie bourguignonne, S. 83-96 und Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 169-232; ausführliche Einzelbiographien finden sich bei Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts. Ältere, aber durchaus noch wertvolle Gesamtdarstellungen bieten etwa Hommel, Les chroniqueurs bourguignons und Dericum, Das Bild der Städte in der burgundischen Geschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts. Zur größeren literaturhistorischen Einordnung der Chronistik am burgundischen Hof vgl. etwa Doutrepont, La littérature française à la cour des ducs de Bourgogne, Gumbrecht, La littérature historiographique des origines à 1500 oder Zingel, Les princes et l’histoire. 21 Instruktive vergleichende Analysen hat etwa anhand der Vorreden in Lemaire La conception de l’histoire chez les chroniqueurs Bourguignons d’après les prologues de leur œuvres angestellt. Jüngst zur Sache auch Brown-Grant, Narrative Style in Burgundian Chronicle of the Later Middle Ages. 22 Devaux, L’historiographie bourguignonne, S. 85. 18 offene Parteilichkeit erkennen lassen. 23 Die Verpflichtung, nur die tatsächlichen Ereignisse aufschreiben zu wollen, hatte auch Einfluss auf die Belegpraxis der Chronisten. Während im 13. und 14. Jahrhundert Augenzeugenberichte einen hohen Stellenwert zu haben schienen, tauchten im 15. Jahrhundert vermehrt Verweise auf namhafte Werke auf, wie es schon in der antiken Geschichtsschreibung gängige Praxis war. 24 Oft handelte es sich hierbei um Chronisten früherer Jahre. Weiterhin wurden Ereignisse aber auch mit dem Verweis auf - namentlich genannte oder anonyme - Augenzeugen oder mit der Kennzeichnung als eigene Erlebnisse belegt. 25 Zu den burgundischen Chronisten, die in dem genannten Zeitraum gelebt und gewirkt haben, gehören Enguerrand de Monstrelet (ca. 1390 - 1453), Jean le Fèvre de Saint-Remy (ca. 1395/ 96 - 1468), Jean de Wavrin (ca. 1400 - nach 1471), Mathieu d’Escouchy (ca. 1420 - nach 1482), Jacques du Clercq (1420 - 1501), Jean de Haynin (1423 - 1495), Georges Chastelain (um 1405 - 1475), Jean Molinet (1435 - 1507) und Olivier de la Mache (um 1425 - 1502). Eine Einschränkung für ihre Auswertung in der vorliegenden Arbeit ergibt sich aber aus der Lebenszeit und der erzählten Zeit der Chronisten, sodass sich eine Beschränkung auf die Chronisten Jean de Wavrin, Jacques du Clercq und Georges Chastelain ergibt, bei denen die Ereignisse um das Jahr 1463, also die Aufdeckung des Komplotts, oder der Ausschluss des Grafen aus dem Orden vom Goldenen Vlies 1468 erwähnt werden. Für die Darstellung anderer Ereignisse wiederum kann auf die Werke der anderen genannten Autoren zurückgegriffen werden. Von den genannten drei Autoren, die als besonders aussagekräftig für die vorliegende Studie gelten dürfen, ist der indiciaire Georges Chastelain der bekannteste, was sich sowohl in der älteren als auch in der aktuellen Forschung niederschlägt. 26 Er war als Historiograph in den Diensten zunächst Herzog Philipps des Guten, später auch bei Karl dem Kühnen tätig; er hat aber auch - vielleicht kann man sogar sagen: vor allem - als Dichter großen Ruhm erworben. Chastelains Chronique, die nur fragmentarisch überliefert ist, 27 hat nicht nur unter Zeit- 23 Vgl. etwa Schlieben-Lange, Sprachhandlungen, S. 781-782; Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, S. 34-37; Keen, Chivalry, heralds, and history, S. 400-402. 24 Dies mag auch mit der starken Antikenrezeption am und im Umfeld des burgundischen Hofes zusammenhängen; vgl. dazu Ehm-Schnocks, »Tres invaincu Cesar«; Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? . 25 Schlieben-Lange, Sprachhandlungen, S. 761-781. 26 Grundlegend Small, George Chastelain and the Shaping of Valois Burgundy; vgl. ferner Delclos, Le témoignage de George Chastellain; Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 194-205. 27 Die neue Edition Chronique. Les fragments de livre IV, révélés par l’Additional Manuscript 54.146 de la British Library herausgegeben von Jean-Claude Delclos hat die Ausgabe Kervyn von Lettenhove ergänzt. Sie wurde erst möglich durch die Neuauffindung einer 1967 von der British Library erworbenen Handschrift (Add. MS 54156) - vgl. Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie, S. 132 und Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 205. 19 genossen, sondern auch in späteren Generationen interessierte Leser gefunden. Graeme Small hat dies in einem sehr illustrativen Beitrag aufgearbeitet, der den sich wandelnden Interessen an dem Chroniktext nachgeht. 28 Die zeitgenössische Beliebtheit seiner Chronique, die sicher auch aus Chastelains dichterischer Prominenz heraus erklärlich wird, mag noch dadurch verstärkt worden sein, dass er selbst immer wieder die besondere Verantwortung seines Amts betonte. 29 Er stellte bei allem Bemühen um Objektivität doch merklich sich und sein Werk in den politischen Dienst des Herzogs und der Führungseliten. Seine besondere Favorisierung des burgundischen Adels hat sogar die Frage aufgeworfen, ob Chastelain nicht selbst zum Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies geschlagen wurde. 30 Jacques du Clercq und Jean de Wavrin haben erst in den letzten Jahrzehnten wieder verstärkt das Interesse der historiographiegeschichtlichen Forschung auf sich gezogen - ohne freilich, dass dieses Interesse je gänzlich abgebrochen war. Beide sind, wie bereits 1946 Jean Stengers herausgearbeitet hat, in ihren Arbeiten von der Chronik des selbsterklärten Froissart-Fortsetzers Enguerrand de Monstrelet abhängig. 31 Über Jacques du Clercq ist als Person erstaunlich wenig bekannt; alle wesentlichen Details entstammen seinen Mémoires selbst. 32 In der burgundischen Chronistik nimmt der Sohn eines Rats Philipps des Guten aus Lille eine Sonderstellung ein, weil er sein Werk offenbar selbstständig, jedenfalls ohne Referenz an einen fürstlichen Auftraggeber oder Adressaten verfasste - er schreibt à distance, wie Franck Mercier feststellte, 33 was sich nicht nur auf die Darstellung, sondern unter Umständen auch auf den Grad der Informiertheit ausgewirkt haben könnte. Dem steht entgegen, dass du Clercq bei der Abfassung seiner Arbeit durchaus auch auf amtliche Schriftstücke zurückgegriffen hat. 34 Ferner wird ein didaktischer Anspruch und eine Nähe zum Adel deutlich, die ihm möglicherweise seine Leserschaft am burgundischen Hof bescherten. 35 »Er stand also«, folgert Klaus Oschema wohl zu Recht, »der Adels- und Hofkultur seiner Zeit vermutlich näher, als es die wenigen konkreten Details seiner Biographie, die wir kennen, zu zeigen vermögen.« 36 28 Small, Qui a lu la chronique de Georges Chastelain? 29 Vgl. Delclos, »Je doncques, Georges Chastelain«, S. 80-81. mit entsprechenden Nachweisen. 30 Bonenfant, Chastellain fut-il chevalier de la Toison d’or? ; Eine Aufstellung de Smedts belegt, dass dies nicht der Fall war. de Smedtde Smedt, Les chevaliers de l’ordre de la Toison d’or au XV e siècle. 31 Stengers, Sur trois chroniqueurs. Zu Enguerrand vgl. Boucquey, Enguerran de Monstrelet; Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie, S. 38-43; Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 188-191. 32 Barner, Jacques du Clercq und seine Mémoires; Bousmar, Les emprunts de Jacques du Clercq à Jean Chartier. 33 Mercier, À distance du prince. 34 Zingel, Frankreich, Burgund und das Reich im Urteil der burgundischen Historiographie, S. 111. 35 Barner, Jacques du Clercq und seine Mémoires, S. 71-72. 36 Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 216. 20 Gelesen wurde du Clercq jedenfalls am burgundischen Hofe, denn Jean de Wavrin greift bei der Abfassung seines Werkes auf ihn zurück. 37 Aus einer angesehenen flandrischen Familie stammend, aber unehelich geboren nahm dieser seiner Herkunft nach zunächst eine ambivalente Rolle in der burgundischen Hofgesellschaft ein, scheint dann aber eine steile Karriere am Hof gemacht zu haben. 38 Mehrfach war er im Auftrag Philipps des Guten in Frankreich, England und Italien; 39 auch unter Karl dem Kühnen war er beschäftigt. Bedeutsam ist ferner seine große Sammlung von Büchern gewesen, die Antoinette Naber näher untersucht hat. 40 Wavrins Receuil des croniques et anchiennes istories de la Grant Bretaigne, a présent nommé Engleterre wurden und werden verstärkt von der britischen Forschung beachtet; 41 seine besondere persönliche Stellung als Chronist zwischen England und Burgund hat vor einigen Jahren noch Alain Marchandisse beleuchtet. 42 1.1.2. Vorbemerkungen zur Forschungsliteratur Aufgrund der besonderen Überlieferungssituation des Aktenmaterials, das im Mittelpunkt dieser Studie steht, liegt auf der Hand, dass Forschungsliteratur dazu bislang nicht existierte. Der Prozess selbst ist der Forschung zumindest seiner Existenz nach freilich über die Erwähnungen durch burgundische Chronisten bekannt gewesen und wird hier und da auch en passant erwähnt. 43 Dass er nie ausführlicher thematisiert worden ist, liegt an den allzu kurzen Erwähnungen, die sich bei den Chronisten finden lassen. Erst das nun zugängliche Prozessmaterial erlaubt es überhaupt, Licht auf die Sache zu werfen. Bevor das Material aber einer näheren Untersuchung unterzogen wird, gilt es, einen ersten Blick auf die bisher existierenden Grundlagen zu werfen, auf denen diese Arbeit aufbauen kann. Diese Vorbemerkungen sollen allerdings nur die Aufgabe eines allgemeinen Überblicks erfüllen; Detailforschungen werden in den jeweiligen Einzelkapiteln zu diskutieren sein. Insgesamt gesehen hat das rund hundertjährige ›Phänomen Burgund‹ - der bemerkenswerte Aufstieg eines vergleichsweise kleinen Herzogtums innerhalb weniger Generationen zu einem der zentralen Spieler auf dem Feld westeuro- 37 Zingel, Frankreich, Burgund und das Reich im Urteil der burgundischen Historiographie, S. 74-75. 38 Zu seiner Biographie vgl. Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 212-214 mit entsprechenden Nachweisen. 39 Vaughan, Philip the Good, S. 270-273. 40 Naber, Les manuscrits d’un bibliophile bourguignon du XV e siècle; dies., Jean de Wavrin, un bibliophile du quinzième siècle. 41 Einzelnachweise bei Visser-Fuchs, Jean de Wavrin and the English Newsletters und Meyer- Hamme, Geschichtsbewusstsein im Spätmittelalter am Beispiel Jean de Wavrins Geschichte Englands. 42 Marchandisse, Jean de Wavrin. 43 Vgl. Anm. 1. 21 päischer Politik und dessen nicht minder rasches Verschwinden nach dem Tod Karls des Kühnen - die Forschung schon immer fasziniert. Eines der nicht nur in dieser Hinsicht Epoche machenden Werke ist sicherlich Johan Huizingas Herbst des Mittelalters (1919), das aber nicht am Anfang, sondern auf dem Gipfel einer Beschäftigung mit der burgundischen Geschichte während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts steht. 44 Huizinga greift in großem Maße auf die burgundischen Chronisten zurück, um sein Bild eines zutiefst zerrissenen Zeitalters zu zeichnen. Kaum mehr überschaubar ist die Literaturlage der Burgundforschung vor allem in Frankreich und den BeNeLux-Ländern, als den ehemaligen Herrschaftsgebieten der burgundischen Herzöge geworden. 45 Hervorzuheben sind dabei insbesondere die Tätigkeiten des Centre européen d’études bourguignonnes, das durch die von ihm veranstalteten Konferenzen und den daraus hervorgehenden Publikationen große Strahlkraft besitzt. Unverzichtbar und daher für die Geschichte Burgunds, die westeuropäische Geschichte und die Erforschung höfischer Strukturen zu erwähnen, sind zudem die Annales de Bourgogne, die Revue du Nord sowie die Reihe Residenzenforschung. In der Schweiz sind - historisch nicht weiter verwunderlich - vor allem Arbeiten zu den eidgenössischburgundischen Beziehungen, vor allem also zu den Burgunderkriegen, entstanden. 46 Dieses Interesse ist ungebrochen und hat sich noch 2008 in der großen Landesausstellung »Karl der Kühne« niedergeschlagen, die zunächst in Bern, in den Jahren 2009 und 2010 dann auch in Brügge und Wien zu sehen war. 47 Vor allem in den 1990er und 2000er Jahren hat sich auch die deutsche historische Forschung wieder stark für das burgundische Spätmittelalter interessiert, wobei das Deutsche Historische Institut Paris unter der damaligen Leitung von Werner Paravicini sicher als ein zentraler Motor dieser Beschäftigung gelten darf. Auch im Umfeld seines Kieler Lehrstuhls sind eine Reihe von Qualifikationsarbeiten und andere Schriften entstanden; gleiches gilt für den Frankfurter Lehrstuhl von Heribert Müller und den Münsteraner Lehrstuhl von Martin Kintzinger. Aber auch jenseits dieser ›Zentralorte‹ der deutschen Burgundforschung hat man in 44 Eine gute Einordnung bietet Müller, Johan Huizinga (1872 - 1945) und der Herbst des Mittelalters. Zur historiographischen Tradition des 16. bis 20. Jahrhunderts mit speziellem Schwerpunkt auf Karl dem Kühnen vgl. Sieber-Lehmann, Ein burgundischer »Principe«? Burgund als Erinnerungsort behandelt jüngst Kamp, Burgund. 45 Als bibliographische Hilfsmittel stehen die allerdings nicht mehr aktuellen Überblicke Littérature et culture históriques à la cour de Bourgogne, Bibliographie thématique, in, Le Moyen Âge 112 (2006), S. 619-641, ferner die etwas weiter gefasste Bibliographie bourguignonne, in, Annaless de Bourgogne 70, 4 (1998), S. 1-327 sowie die am Centre régional du livre de Bourgogne gepflegte Datenbank (http: / / www.crl-bourgogne.org/ biblio.html; zuletzt zugegriffen am 18.12.2015) zur Verfügung. 46 Vgl. Himmelsbach, Renaissance des Krieges, S. 17, Anm.1. Zuletzt noch Esch, Karl der Kühne und die Burgunderkriege aus der Sicht Berns. 47 Vgl. den im Zuge dessen erschienenen Katalog von, Karl der Kühne (1433 - 1477). Kunst, Krieg und Hofkultur, hrsg. von Marti, Borchert und Keck und den Aufsatzband zur Begleittagung Karl der Kühne von Burgund, hrsg. von Oschema und Schwinges. 22 den letzten Jahrzehnten starkes Interesse am burgundischen Spätmittelalter feststellen können. Besonderes Forschungsinteresse galt in den letzten Jahren zudem wieder der starken Position der niederländischen Städte, die häufig in Opposition zu den Herzögen von Burgund standen und deren Rebellionen nicht selten durch französische Fürsten unterstützt wurden. 48 Dies hat schon 1964 Christa Dericum in ihrer Heidelberger Dissertation interessiert und ist seitdem immer wieder aufgegriffen worden. 49 Der Erforschung dieser und anderer stadtgeschichtlicher Aspekte widmet sich insbesondere die Reihe Urban History, aber auch zahlreiche weitere Sammelbände und Einzelpublikationen stützen dieses Forschungsinteresse. Ungebrochen ist schließlich auch die Motivation der Burgundforschung, sich mit dem Übergang des burgundischen zum habsburgischen Reich zu beschäftigen. 50 Im Mittelpunkt der internationalen Burgundforschung stand und steht aber wohl die Erforschung der burgundischen Hofkultur, 51 die geradezu eine Vorbildfunktion im spätmittelalter-frühneuzeitlichen Europa erfüllt habe. 52 Das betrifft insbesondere Formen der künstlerischen Repräsentation - zumal auch von Politik. 53 Kaum zu trennen von der Prachtentfaltung des burgundischen Hofes sind aber auch dessen politische Verflechtungen, die immer wieder das Interesse der Forschung auf sich gezogen haben: etwa das Verhältnis zum Reich 54 und zu Frankreich, 55 in geringerem Maße auch zu England. 56 Martin Kintzinger 48 Vgl. etwa Arnade, Secular charisma, sacred power; Dumolyn, De Brugse opstand van 1436 - 1438; Haemers, De Gentse opstand (1449 - 1453); te Brake und Klooster, Power and the city in the Netherlandic world; Dumolyn, Privileges and Novelties. In allgemeinerer Perspektive zum Verhältnis Karls des Kühnen zu den Städten Boone, Charles le Téméraire face au monde urbain. 49 Dericum, Das Bild der Städte in der burgundischen Geschichtsschreibung um 15. Jahrhundert. 50 Vgl. statt aller Weiss, Die Habsburger und das burgundische Erbe, mit Nachweis der älteren Literatur sowie Saliger, Zur kulturellen Bedeutung Burgunds für die ehemals habsburgischen Länder, zum Einfluss der burgundischen auf die habsburgische Kunst und Hofkultur. 51 Insbesondere der 2013 erschienene Sammelband »La cour de Bourgogne et l’Europe«, anlässlich einer zu Ehren Werner Paravicinis durchgeführten Tagung aus dem Jahre 2007 bietet eine Fülle an Artikeln zum burgundischen Hof mit oft ausführlichen Forschungsüberblicken. Paravicini, La cour de Bourgogne. Ein solcher findet sich auch bei Tabri, Political culture in the early Northern Renaissance. 52 Paravicini, The Court of the Dukes of Burgundy, der auch die einschlägige ältere Literatur diskutiert. Speziell zum habsburgischen Weiterleben Cauchies, das Burgundisches Vorbild. 53 Wolf, Das Büchererbe der Herzöge von Burgund; Stroo, De celebratie van de macht. 54 Hartmann, Die Deutschen, Deutschland und das Heilige Römische Reich im Urteil der französischen und frankoburgundischen Historiographie; Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie; Ehm, Burgund und das Reich; Heining, Kaiser, Reich und Burgund. 55 Größere Perspektiven nehmen etwa Paravicini, Einen neuen Staat verhindern; Ders., Schlichtheit und Pracht; Thomas, Im Vorfeld von Saarbrücken ein. 56 Vgl. Small, Some aspects of Burgundian attitudes towards the English during the reign of 23 hat versucht, diese Verbindungen in einen umfassenden Kontext europäischer West(ver)bindung(en) einzubetten. 57 In den letzten Jahren schließlich ist in auffälliger Dichte die Rolle der Frauen am burgundischen Hof auf das Tableau der Forschung gerückt. 58 1.2. Historische Hinführung 1.2.1. Zur burgundischen Geschichte im 15. Jahrhundert Der in der Forschung vorherrschende Begriff des burgundischen Staates 59 bezeichnet ein ungewöhnliches politisches Gebilde im ausgehenden Mittelalter. 60 Es entstand im 14. Jahrhundert mit der Vergabe des Herzogtums Burgund durch den französischen König Johann II. (1350 - 1364) an seinen jüngsten Sohn Philipp (1363 - 1404), als eine Seitenlinie des Königshauses Valois. Dieser Herzog wurde später als Philipp der Kühne bekannt. Das zunächst vergleichsweise kleine Herzogtum schaffte es innerhalb weniger Jahrzehnte, zu einem der Zentren des westeuropäischen Machtgeschehens zu werden. Diese Entwicklung vollzog sich durch die schrittweise, aber beständige Ausweitung des burgundischen Besitzes durch Erwerb, Erbe, Heirat und Krieg, die aber durch einen steten Bezug zum französischen Königtum geprägt blieb. Das dadurch entstandene Gebiet, der état bourguignon, umfasste neben dem Herzogtum und der Freigrafschaft Burgund auch Herrschaften im heutigen Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Die Herzöge von Burgund waren dadurch nicht nur von Frankreich, sondern auch Philip the Good mit weiteren Nachweisen und aktueller Contamine, Les cours de France, d’Angleterre et d’Écosse; Mattéoni, Les cours en France, Vale, England; Small, The Scottisch court in the fiftenth century. Der Sammelband Paravicini, La cour de Bourgogne hält auch einschlägige Artikel zu den Höfen Italiens im Spätmittelalter und deren Beziehungen zu Burgund bereit. 57 Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. 58 Die bisherigen Forschungen fasst bündig der Sammelband von Eichberger, Legaré und Husken (Hrsg.), Women at the Burgundian Court zusammen; zu ergänzen bliebe noch Small, For a long century of Burgundy. 59 Hierzu insbes. Schnerb, L’État bourguignon. 60 Die Forschung zur burgundischen Geschichte ist ausgesprochen breit, sodass ein umfassender Überblick in knapper Darstellung an dieser Stelle nicht zu leisten ist. Es sei daher auf einige grundlegende Überblickswerke verwiesen, Plancher, Histoire générale et particulière de Bourgogne (1739 - 1781); Barante, Histoire des ducs de Bourgogne de la maison de Valois; Cartellieri, Am Hof der Herzöge von Burgund; Huizinga, L’État bourguignon, S. 171-193, und S. 11-35; Calmette, Les grands ducs de Bourgogne; Vaughan, Philip the Bold; Ders., John the Fearless; Ders., Philip the Good; Ders., Charles the Bold; Ders., Valois Burgundy; Blockmans und Prevenier, Les Pays-Bas bourguignons; Boehm, Geschichte Burgunds; Kamp, Burgund. Einen ausführlicheren, aber bündigen Überblick über die burgundische Geschichte im 14. und 15. Jahrhundert bietet zudem Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 28-43. 24 vom Reich her lehnsabhängig. Daneben war das Herzogtum, insbesondere während der Zeit des Hundertjährigen Krieges, auch durch Verbindungen zum englischen Königshaus geprägt. 61 Die vorliegende Studie beschäftigt sich speziell mit Ereignissen in den letzten Regierungsjahren Herzog Philipps des Guten (1419 - 1467) zu Zeiten sich verschärfender Konflikte mit seinem Sohn, dem späteren Karl den Kühnen (1467 - 1477). Daher soll im Folgenden in einigen groben Zügen die historische Situation um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in die sich die Fallstudie des Processus contra dominum de Stampis einfügt, umrissen werden. Die Herrschaft Herzog Philipps des Guten begann mit einem Mord, der das Verhältnis zwischen Frankreich und Burgund nachhaltig beeinflussen sollte. In der Spätphase des Hundertjährigen Krieges kam es durch Konflikte zwischen den Burgundern und den Armagnacen auch zu starken innerfranzösischen Auseinandersetzungen. 62 Im Zuge dessen waren Annäherungen zwischen Karl VI. (1380 - 1422), dem Dauphin und den Burgundern notwendig geworden. 63 Eines der anvisierten Treffen zwischen dem zweiten Herzog von Burgund, Johann Ohnefurcht (1404 - 1419), und dem Dauphin endete jedoch am 10. September 1419 in Montereau-fault-Yonne mit der Ermordung Johanns Ohnefurcht. 64 Der Mord an seinem Vater führte dazu, dass sich der neue Herzog von Burgund, Philipp der Gute, verstärkt England zuwandte, wenngleich der französisch-burgundische Kontakt nicht vollkommen abriss. Zu einer ernsthaften diplomatischen Annäherung und einem Friedensschluss zwischen Frankreich und dem Haus Burgund kam es im Jahr 1435 mit dem Vertrag von Arras. 65 Dies bedeutete zunächst vor allem das vorläufige Ende der anglo-burgundischen Beziehungen; das burgundisch-französische Verhältnis blieb jedoch trotz des Friedensschlusses angespannt und wurde insbesondere durch den Konflikt Karls VII. (1422 - 1461) mit seinem Sohn Ludwig und der Flucht des Dauphins an den burgundischen Hof 1456 noch verschärft. 66 Philipp gewährte dem jungen Ludwig seine Gastfreundschaft, die dieser bis zum Tode des Vaters 1461 annahm. Bereits zu dieser Zeit soll der Dauphin eine Abneigung gegen Prunk und Gepränge gehegt haben; eine Ab- 61 Vgl. hierzu insbesondere La «France anglaise», Actes du Congrès National des Sociétés Savantes; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire, S. 133-175; Ehm, Burgund und das Reich. Zu den burgundischen Niederlanden sei insbesondere auf Blockmans und Prevenier, Les Pays-Bas bourguignons; Diess. De Bourgondiërs und Stein, Powerbrokers in the late Middle Ages verwiesen. 62 Hierzu grundlegend, Schnerb, Les Armagnacs et les Bourguignons. 63 Einen hervorragenden und anschaulichen Überblick bietet Bove, Le temps de la Guerre du Cent Ans. In einer sehr reduzierten Auswahl sei verwiesen auf, Favier, La Guerre de Cent Ans; Leguai, La Guerre de Cent Ans; Minois, La Guerre de Cent Ans. Zu den Vertragswerken ist immer noch grundlegend Cosenau, Les grands traités de la guerre de Cent Ans. 64 Zu diesem Thema vgl. Vaughan, John the Fearless, S. 263-286; Autrand, Charles VI., S. 574- 575; Schnerb, Les Armagnacs et les Bourguignons, S. 200-204. 65 Dickinson, The Congress of Arras, S. 160-198; Vaughan, Philipp the Good, S. 98-107; Contamine, France et Bourgogne, S. 81-100; Schnerb, L’État bourguignon, S. 184-190. 66 Schnerb, L’État bourguignon, S. 188-196. 25 neigung, die sich in der Nähe der burgundischen Macht- und Prachtentfaltung vergrößert haben mag. 67 Bei der Krönung Ludwigs XI. (1461 - 1483) zum französischen König ist das Haus Valois-Burgund aber als angesehener Gast vertreten. Diese Vorgeschichte mag Philipp den Guten dazu veranlasst haben, auf ein gutes Verhältnis zu Frankreich und auf einen gewissen Einfluss auf dessen neuen Regenten zu hoffen. Seine Erwartungen wurden indes durch das ambitionierte machtpolitische Agieren des Königs enttäuscht. Ludwig XI. versuchte vielmehr seit Beginn seiner Regentschaft, den Einfluss Burgunds einzudämmen. 68 Dieses Vorgehen war aus französischer Sicht nur zu verständlich, zählte Philipp der Gute doch durch die glänzende Entwicklung seines Herzogtums zu den mächtigsten Fürsten in Westeuropa. So hatte sich der Herzog zunächst in einem mehrere Jahre dauernden, durchaus auch kriegerischen Ringen mit seiner Cousine Jacqueline die Grafschaften Hennegau, Holland und Zeeland gesichert. 69 In anderen Fällen verlief der Gebietszuwachs friedlicher. So konnte er die Grafschaft Nemours käuflich erwerben, während das Herzogtum Brabant als Erbschaft an ihn fiel. 70 Hinzu kam der Erwerb des Herzogtums Luxemburg und der kleineren Herrschaften Mâcon und Auxerre. 71 1461 befand sich Philipp zudem in der Position, mehrere Revolten von Städten seiner nördlichen Territorien niedergeschlagen zu haben, unter denen besonders der lange währende Krieg gegen Gent hervorzuheben ist. 72 Die selbstbewusste französische Politik Ludwigs XI. führte zu weiteren Spannungen im burgundisch-französischen Verhältnis, da auch der Graf von Charolais als zukünftiger burgundischer Herzog ihr in Sorge um sein Erbe äußerst kritisch gegenüber stand. Insbesondere der Rückkauf der Somme-Städte im Jahr 1464 verschärfte die Abneigung Karls gegen den französischen König und erhöhte zugleich die Spannungen zwischen Herzog Philipp und seinem Sohn. 73 Die königliche Politik rief allerdings nicht nur in Burgund Ablehnung hervor, sondern führte zu der Formierung einer Opposition französischer Fürsten, der Ligue du Bien Public. Die Unzufriedenheit mündete in die sogenannten Guerre du Bien Public, einen Krieg mehrerer französischer Fürsten gegen Ludwig XI., in dem Karl von Burgund faktisch die Führung gegen den König übernahm. Die berühmte Schlacht von Montlhéry am 16. Juli 1465 brachte aber keine Entschei- 67 Paravicini, Schlichtheit und Pracht; Soumillion, Le procès de Louis de Luxembourg, S. 208. 68 Vaughan, Philipp the Good, S. 355. 69 Vaughan, Philipp the Good, S. 32-51. Zur burgundischen Expansion zusammenfassend auch Schnerb, L’État bourguignon, S. 207-227. 70 Schnerb, L’État bourguignon, S. 213-214; Vaughan, Philipp the Good, S. 29-31 und 51-53. Zur den Erbschaftsstreitigkeiten um Brabant zwischen Karl dem Kühnen und Johann von Burgund vgl. auch Kap. 5.2.2.4. 71 Schnerb, L’État bourguignon, S. 202 und 214-223; Vaughan, Philipp the Good, S. 274-285. 72 Vaughan, Philipp the Good, S. 303-333. Weitere Konflikte, wie die drohende Revolte von Lüttich, zeichneten sich allerdings bereits ab. 73 Vaughan, Philipp the Good, S. 355-357; Dubois, Charles le Téméraire, S. 96-97. Zum Rückkauf der Somme-Städte und den sich daraus ergebenden Konflikten vgl. auch Kap. 5.2.1. 26 dung. Ludwig musste nach Paris flüchten, wo er mehrere Monate von seinen Gegnern belagert wurde. 74 Erst mit dem Vertrag von Conflans im Oktober 1465 konnten die Konflikte für einige Zeit unterdrückt werden. Die Auseinandersetzungen zwischen Karl und Ludwig brachen allerdings nach dem Tod Philipps des Guten wieder aus und führten zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen, die erst mit dem Vertrag von Péronne 1468 beigelegt wurden. 75 Die herausragende Stellung, die die Herzöge von Burgund unter den französischen Fürsten einnahmen, führte nicht nur zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich und den mit dem Königtum verbündeten Fürsten. Es ergaben sich zudem, insbesondere aus dem Bestreben, die burgundische Erbschaftsfolge zu sichern, zahlreiche inner-burgundische Konflikte, auf die an späterer Stelle noch einzugehen sein wird. 76 Diese Konfliktsituationen bilden gleichsam den Rahmen für die vorliegende Studie. Der Graf von Étampes nun war nicht nur als Familienmitglied dem Haus Burgund eng verbunden. Er stand Philipp dem Guten auch bei dessen militärischen Unternehmungen zur Seite. Jedoch wurden dem Grafen seitens des burgundischen Erben Karl schwere Vorwürfe gemacht, ein Komplott gegen ihn geplant zu haben. Diese Vorwürfe reichten dabei bis zu der Anschuldigung, der Graf von Étampes habe ihm, damals noch Graf von Charolais, mittels Wachsfigurenmagie schaden wollen. Der Fall Étampes reiht sich damit in die zahlreichen Prozesse des späten Mittelalters ein, die wegen Verrats, Illoyalität oder eines Anschlagsversuchs auf den König oder einen Fürsten geführt wurden. Unabhängig davon, ob solche Vorwürfe nun gerechtfertigt waren oder nicht, wurden diese Prozesse häufig dazu genutzt, um unliebsame Gegner aus dem Weg zu räumen. 1.2.2. Der politische Prozess und das Majestätsverbrechen im späten Mittelalter Politische Prozesse begegnen dem Historiker in der Regel als besonderes Aufsehen erregende und skandalöse Verfahren, bei denen die hervorgebrachten Vorwürfe oft den eigentlichen, politisch motivierten Hintergrund zu verschleiern scheinen. 77 Für das Frankreich des späten Mittelalters denkt man dabei unweiger- 74 Vaughan, Philipp the Good, S. 374-396; Favier, Louis XI., S. 473-493. Auch die Ereignisse während des Guerre du Bien Public und die Rolle, die der Graf von Étampes dabei gespielt hat, werden in der Studie eingehender beleuchtet (vgl. Kap. 5.2.2.3). 75 Vaughan, Charles the Bold, S. 55-56; Bittmann, Ludwig XI und Karl der Kühne, S. 193-367. 76 Vgl. hierzu Kap. 5.2.2. 77 Grundlegend hierzu die Monographien und Sammelbände, Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France; Battenberg, Herrschaft und Verfahren; Bercé (Hrsg.), Les procès politiques; Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI.. Für die Frühe Neuzeit auch Bercé und Guarini (Hrsg.), Complots et conjurationes dans l’Europe moderne; Coward und Swann (Hrsg.), Conspiracies and conspiracy theory in Early Modern Europe. Der Band »Gewalt und Widerstand in der politischen Kultur des späten Mittelalters (Vorträge und Forschung 80), hrsg. von Martin Kintzinger, Frank Rexroth und Jörg 27 lich an den von Philipp dem Schönen gegen die Templer angestrengten Prozess, der schließlich zur Aufhebung dieses Ritterordens führte. Auch der Prozess gegen Johanna von Orléans, die 1430 festgenommen und in einem kirchlichen Verfahren wegen Vergehen gegen die majesté divine zum Tode verurteilt wurde, wird in der Forschung, aber auch bereits von den Zeitgenossen gemeinhin als politisch motivierter Prozess angesehen. 78 Neben diesen beiden Beispielen können noch zahlreiche weitere Fälle aufgezählt werden. 79 Dabei muss allerdings konstatiert werden, dass der Begriff »politischer Prozess« kein zeitgenössischer gewesen ist, dass es keine justice politique gegeben hat. Auch die Elemente, die einen solchen Prozess prägen, stimmen nicht in allen Fällen überein, obgleich man oft dem Vorwurf des Verrats, des Treuebruchs, der Rebellion, der Zauberei oder des Majestätsverbrechens begegnet. Dementsprechend können die gerichtlichen Formen der Verfolgung dieser Vorwürfe sehr unterschiedlich sein, sodass sich keine festgeschriebenen Regeln beobachten lassen. 80 Allein der Hochverrat gegen den König bekam dabei im Laufe der Zeit die Bedeutung eines regelrechten Sakrilegs. 81 Gemeinsam ist aber fast allen politischen Prozessen, dass sie oftmals in als krisenhaft beschriebenen Perioden in einer Herrschaft zustande kamen. Mit Friedrich Battenberg soll daher der »politische Prozess als dasjenige forensische Verfahren angesehen werden, das Konflikte um Grundlegung, Stabilisierung, Ausweitung und Verteidigung der Herrschaft lösen sollte.« 82 Die Herrschaftssicherung, aber auch die Ausweitung von Macht oder die Eliminierung von potentiellen Gefahren finden sich in zahlreichen als politisch deklarierten Fällen wieder. Insbesondere zu Zeiten des Hundertjährigen Krieges und den sich anschließenden krisenhaften Jahren kam es daher im französischsprachigen Raum zu zahlreichen politischen Prozessen. Diese Prozesse sind dabei als zusätzliche Felder in einem erodierenden machtpolitischen Umfeldes zu begreifen, die sich durch innere Spannungen auf der einen und äußere Gefahren auf der anderen Seite aufbauten. In einigen Fällen konnte daher das Verhalten einzelner Fürsten in kriegerischen Auseinandersetzungen direkt zu Anschuldigungen führen, wie beispielsweise im Falle der Konflikte um das Herzogtum Guyenne. Bis zum Ende des Hundertjährigen Krieges befand es sich noch in englischem Besitz, weswegen der französische König dem englischen König gegenüber den Lehnseid hätte schwören müssen. Karl V. weigerte sich allerdings, dies zu tun. In diesem Zusammenhang musste sich auch der (englische) Herzog von Guyenne Ende 1368/ Rogge, Osterfildern 2015« wurde von der Autorin wahrgenommen, konnte aber nicht mehr in die Arbeit mit aufgenommen werden. 78 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 76-77. 79 Zahlreiche Beispiele geben hier Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France, S. 28-54, aber auch Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté. 80 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 65-66; Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France, S. 5-6. 81 Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France, S. 17. 82 Battenberg, Herrschaft und Verfahren, S. 7. 28 Anfang 1369 vor Karl V. verschiedener Vorwürfe erwehren. In der Bretagne traten die französisch-englischen Konflikte offen zutage, als sich Jean IV., Herzog von Montfort, gegen den französischen König die Unterstützung Eduards III. sicherte und dafür auf französischer Seite der Rebellion und des Verrates angeklagt wurde. 83 Die Register des Parlaments von Paris weisen zudem zahlreiche Prozesse aus, bei denen den Angeklagten - durchaus auch gesammelt - schwere Delikte vorgeworfen wurden. So soll es - folgt man Contamine - im Januar 1383 nach dem Einzug Karls VI. in Paris aufgrund der Aufstandsbewegung der Maillotins zu zahlreichen Festnahmen und auch Sammelexekutionen gekommen sein. Unter den Angeklagten befand sich auch der Advocat des Königs, Jean de Marès, der als einer der Anführer der Revolte verdächtigt und letztlich auch hingerichtet wurde. 84 Einer der bedeutendsten Prozesse unter Ludwig XI. war der gegen den Grafen von Saint-Pol und connétable von Frankreich, Louis de Luxembourg, im Jahr 1475. 85 Dieser gut situierte Graf hatte während des Hundertjährigen Kriegs zunächst die burgundische, dann auch die französische Seite unterstützt, bevor man ihn im Krieg gegen die Stadt Gent wieder auf burgundischer Seite fand. Auch in der Guerre du Bien Public kämpfte er auf burgundischer Seite und erhielt im Gegenzug die Unterstützung des Grafen von Charolais bei seiner Ernennung zum connétable von Frankreich 1465, einem Amt, das ihn wieder näher an den französischen König rückte. 86 Wegen eines Komplottes im Jahr 1475, das er mit Herzog Karl geschmiedet haben soll, fiel Saint-Pol aber in Ungnade bei Ludwig XI. und wurde des crime de lèse-majesté, des Majestätsverbrechens, bezichtigt. Der Prozess gegen ihn endete mit dem Todesurteil. 87 Dass dieser Prozess nicht der einzige war, den der französische König mit Bezug auf den Vorwurf eines Majestätsverbrechens angestrengt hat, zeigen die Beispiele Alençon, Armagnac und Nemours. 88 Dieser Vorwurf war auffallend oft - nicht nur bei Ludwig XI. - Gegenstand von Verfahren, denen die Ausrichtung eines politischen Prozesses zugeschrieben werden kann. Seine Ursprünge wurzeln im römischen Recht, im Konzept des 83 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 70. 84 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 71-73. 85 Zum Fall Saint-Pol vgl. insbesondere Soumillion, Le procès de Louis de Luxembourg; Lallemand, Les procès pour trahison du connétable de Saint-Pol und Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI. Zu den Grafen von Étampes betreffenden Verbindungen zu Saint-Pol vgl. auch Kap 5.1.2. 86 Lallemand, Les procès pour trahison du connétable de Saint-Pol, S. 146-148. Siehe hierzu auch Kap. 5.1.2 und 5.2.2.3. 87 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 30; Lallemand, Les procès pour trahison du connétable de Saint-Pol, S. 151-154; Soumillion, Le procès de Louis de Luxembourg, S. 220-224. Für das Aktenmaterial liegt eine Edition in Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI. vor. 88 Für diese Beispiele vergleiche auch Lallemand, Les procès pour trahison du connétable de Saint-Pol, S. 150-151 und verschiedentlich Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France. 29 crimen maiestatis. Er wurde aber insbesondere durch den Kampf gegen die Häresie als Majestätsverbrechen an Gott in das kanonische Recht aufgenommen, mit dem man auf kirchlicher Seite später auch gegen die Zauberei vorging. Auch das spätmittelalterliche französische Recht bezog sich auf die römische Gesetzgebung hinsichtlich des Hochverrates. Die Vereinnahmung dieser Anklage von der weltlichen Gerichtsbarkeit ließ daher nicht lange auf sich warten, sodass spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Verknüpfung von Verrat und Majestätsverbrechen unbestritten war. 89 Ähnlich wie der Begriff des politischen Prozesses weist der Vorwurf des Majestätsverbrechens - obgleich ein zeitgenössischer Begriff - keine eindeutig abgrenzbaren Elemente auf. Es können Übereinstimmungen zu und Assimilation von einer Reihe anderer Verbrechen festgestellt werden, etwa Verrat, Aufruhr, Rebellion, Mord, Verstöße gegen die Sicherheit, aber auch Zauberei, Häresie oder dem Handeln wider der Natur. Der Vorwurf eines Majestätsverbrechens konnte sowohl bei nur einem dieser Verbrechen als auch im Zusammenschluss mehrerer auftauchen. Es ist daher offensichtlich, wie einfach es für einen König im 14. und 15. Jahrhundert war, aus einer krisenhaften Situation heraus den Vorwurf des Majestätsverbrechens zu erheben. 90 Cuttler grenzt zwar deutlich den Verrat oder Treuebruch eines Untertanen gegenüber seinem Fürsten zu dem Majestätsverbrechen gegenüber dem König ab, 91 doch zeigt sich, dass der Vorwurf gerade auch von den burgundischen Herzögen erhoben wurde. Das prominenteste Beispiel ist hierbei die Ermordung Herzog Johanns Ohnefurcht. Sein Sohn Philipp der Gute erhob angesichts dieses Verbrechens den Vorwurf des Majestätsverbrechens - eine Anschuldigung, die von französischer Seite nicht geteilt wurde. 92 Mercier sieht sogar im Zusammenhang mit den städtischen Unruhen der Jahre 1450 - 1458, die hauptsächlich Gent betrafen, Ansätze von Verschwörungen gegen den Fürsten, die sich als Majestätsverbrechen klassifizieren ließen. 93 Auch unter Karl dem Kühnen lässt sich verschiedentlich die Äußerung dieses Vorwurfs feststellen, 94 was wiederum auf das Selbstverständnis der burgundischen Herzöge des 15. Jahrhunderts als souveräne Herrscher schließen lässt. 95 Der Vorwurf des Majestätsverbrechens diente als eine aus dem römischen Recht entlehnte Rechtsfigure, die als Argument herangezogen werden konnte, aber durchaus nicht immer musste. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass auch die 89 Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France, S. 6-9; Chiffoleau, Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 615; Lowe, The political crime of conspiracy in fifteenthand sixteenth-century rome, S. 186. 90 Chiffoleau, Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 612-613. 91 Cuttler, The law of treason and treason trials in later Medieval France, S. 238. 92 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 47-48. Im Zuge der Untersuchungen dieser Vorwürfe, so befand Philipp, sollte auch die Folter als probates Untersuchungsmittel eingesetzt werden. Santamaria, Crimes, complots et trahison, S. 99. 93 Mercier, La Vauderie d’Arras, S. 179-181. 94 Blockmans, »Crisme de leze magesté«. 95 Das Souveränitätsstreben Karls des Kühnen rief wiederum selbst den Vorwurf des Majestätsverbrechens gegenüber Ludwig XI. hervor. Paravicini, ›Mon souverain Seigneur‹, S. 27-48. 30 burgundischen Herzöge sich dieser Figur bedienten - möglicherweise, aber nicht zwingend, auch, um ihre Stellung gegenüber dem Königtum zu unterstreichen. 96 Andererseits ist - darauf hat Blanchard zurecht hingewiesen - die Idee herrschaftlicher Souveränität um die Mitte des 15. Jahrhunderts noch nicht so ausgeprägt, das mit einer juristisch auch nur einigermaßen zwingenden Argumentation zu rechnen wäre. 97 Die Tendenz von Fürsten im Spätmittelalter, Prozesse zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren, hatte zugleich Einfluss auf die Bedeutung dieser Prozesse. Zum einen wirkten sie sich auf die Ausformung der fürstlichen Souveränität aus, denn ein Angriff auf ebendiese Souveränität hätte Konsequenzen auf der Ebene der öffentlichen Ordnung nach sich ziehen können. 98 Zum anderen wurde die Öffentlichkeit gerade bei Verbrechen gegen hohe Fürsten instrumentalisiert, um vor eben dieser Verfahren zu begründen oder zu rechtfertigen und um die Vergehen des Angeklagten bekannt zu machen, wie dies auch bei einigen Fällen zu zeigen sein wird, die den burgundischen Erben und späteren Herzog Karl den Kühnen betreffen. 99 Die Bedeutung eines politischen Prozesses wuchs dabei proportional zu dem Interesse, das dem Fall in der Öffentlichkeit zukam. Ein Verfahren etwa, das den Vorwurf des Majestätsverbrechens aufgrund der Ausübung von Zauberei gegen den König beinhaltete, konnte sich dabei eines öffentlichen Interesses nicht entziehen, wie die zahlreichen in der Chronistik überlieferten Fälle zeigen. Dazu gehören beispielsweise aus dem Umfeld König Philipps des Schönen (1285 - 1314) die Zaubereivorwürfe gegen Guichard, den Bischof von Troyes, dem der Umgang mit einer Zauberin und die Anwendung von Wachsfigurenmagie und Teufelsanrufung zur Schädigung der Königin nach deren plötzlichem Tod vorgeworfen wurden. 100 Dem Vorwurf des Majestätsverbrechens folgte häufig die Verhängung der Todesstrafe. Der prominente Fall des Herzogs Jean d’Alençon zeigt aber, dass diese durchaus auch in Begnadigungen oder in Haftstrafen umgewandelt werden konnten. Jean d’Alençon sah sich durch den Vertrag von Arras 1435 um seine Ziele und Verdienste gebracht und begab sich in Opposition zu Karl VII. Er wurde mehrfach, sowohl unter Karl VII. als auch Ludwig XI., des Majestätsverbrechens beschuldigt und zum Tode verurteilt. Die Gründe für die harten Strafen lagen in der schwankenden Loyalität des Herzogs. Jean kollaborierte mit den Engländern und wurde 1456 von König Karl VII. eingekerkert. Die Todesurteile gegen ihn wurden aber nicht vollstreckt; unter Ludwig XI. wurde er sogar begnadigt. Gegen diesen paktierte Jean 1467 allerdings wiederum mit den Herzögen von Burgund und der Bretagne, entfernte 96 Müller, Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten, S. 421-461; Stein, Recht und Territorium; Bonenfant, État bourguignon et Lotharingie; Bonenfant, Le projet d’erection des États bourguignons en royaume en 1447. 97 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 61-62. 98 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 41. 99 Vgl. Kap. 6. 100 Zu diesem Fall ausführlich Prevot, La procedure, la norme et l’institution. 31 sich aber aufgrund von Geldzahlungen des Königs von der Ligue du Bien Public. 1473 wurden eine weitere Verschwörung mit dem Herzog der Bretagne und Edward IV. aufgedeckt und er wurde ein weiteres Mal, diesmal von Ludwig XI., zum Tode verurteilt. Erneut wurde Jean d’Alençon begnadigt und seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt, in der er 1476 starb. 101 Bei politisch motivierten Zaubereiprozessen standen dabei die religiösen Vorwürfe nicht selten stellvertretend für die eigentlichen politischen Motive. 102 Für die auch bei den Zeitgenossen als außergewöhnlich eingestuften politischen Prozesse lassen sich einige wiederkehrende - allerdings nicht zu verallgemeinernde - Verfahrenselemente nennen, mit denen die Fürsten versuchten, den Anschuldigungen nachzugehen. Die Beschuldigten wurden in der Regel vor ein Gericht geführt, wo die Anschuldigungen gegen sie untersucht wurden. Hier kamen sowohl geistliche als auch weltliche Gerichte in Frage. Nicht selten wurden spezielle Kommissionen durch den Fürsten eingesetzt, deren Mitglieder Personen juristischer, königlicher oder fürstlicher Einrichtungen sein konnten. Dabei musste es sich nicht ausnahmslos um Kleriker handeln; auch vertrauenswürdige Adelige waren an solchen Kommissionen beteiligt. 103 Der des Verrates an Karl VI. angeklagte königliche Advokat Jean de Marès beispielsweise wurde zunächst von einer königlichen Kommission befragt, bevor er dem Bischof von Paris überstellt wurde, damit dessen Offizial über ihn richte. Aus Sorge vor einem langwierigen Prozess mit womöglich unsicherem Ausgang veranlassten die Herzöge von Berry und von Burgund aber den Vogt von Paris, den beschuldigten Advokaten zurückzuholen und zu exekutieren. 104 Die politischen Prozesse und die Prozesse mit dem Vorwurf des Majestätsverbrechens wurden oft in Form eines Inquisitionsprozesses geführt, bei denen die Folter ein regelmäßig angewendetes Verfahrensmittel war. 105 Diese wurde dabei nicht nur gegen den Angeklagten selbst, sondern auch gegen dessen Diener oder Helfer eingesetzt. Die Vorwürfe bei den politischen Prozessen - Rebellion, Plünderung, Vergewaltigung, Mord, Zauberei oder Majestätsverbrechen - genügten, um die schwersten Strafen aufzuerlegen. Die Verfahren endeten daher häufig mit einem Todesurteil, das allerdings - wie gezeigt - nicht immer vollstreckt wurde. 106 101 Guibert, Jean II., duc d’Alençon, S. 45-46; Ossoba, Jean II. de Valois, S. 92-93. 102 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 69. 103 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 73-74; Chiffoleau, Crime de majesté (2007), S. 622-626. Jacques Chiffoleau betont, dass der Verweis auf die Parteilichkeit der Kommissionsmitglieder sehr nahe liegt, man gerade aber Juristen auch als Ausübende ihrer Profession betrachten sollte. Ders., Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 626. 104 Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse-Majesté, S. 73. 105 Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 4.2.1. 106 Chiffoleau, Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 615, 624-625 und 629; Santamaria, Crimes, complots et trahison, S. 99. Zu den Urteilen bei den zahlreichen von Contamine aufgeführten Fällen vgl. Contamine, »Inobedience«, Rebellion, Trahison, Lèse- Majesté. Auf die Entwicklung des Inquisitionsprozesses als beliebtes Verfahren bei Zaubereipro- 32 Einer der bekanntesten Fälle im Burgund des 15. Jahrhunderts war der des herzoglichen Kammerdieners Jean Coustain, der wegen eines versuchten Giftmordanschlags auf Karl von Burgund hingerichtet wurde. 107 Dieses Komplott ist nur eines von mehreren Anschlägen oder Verschwörungen, die der Graf von Charolais während der Regierungszeit seines Vaters gegen sich vermutete. 108 Auch gegen den Vetter des Herzogs von Burgund, Johann, Graf von Étampes, wurden - wie es in der Chronistik mehrfach angedeutet wird - schwere Vorwürfe kolportiert. Johann soll mithilfe von Wachsfiguren ein Komplott gegen den Grafen von Charolais geplant haben und sei daher in die Ungnade des Hauses Burgund gefallen. Das neue Aktenmaterial des Processus contra dominum de Stampis - die Prozessakten gegen Jean de Bruyère, einen Bediensteten des Grafen von Étampes und sein Mitverschwörer, - ermöglicht es, die Umstände dieser Vorwürfe und ihre Folgen wesentlicher genauer beurteilen zu können, als dies mit den wenigen Erwähnungen in der Chronistik bisher möglich gewesen ist. Für die Forschung können daraus insbesondere für die burgundische Krisenzeit der 1460er Jahre und die Rolle des Grafen von Étampes bei der Zuspitzung dieser Ereignisse tiefergehende Erkenntnisse gewonnen werden. Es ist daher an der Zeit, den Grafen von Étampes etwas näher vorzustellen. 1.2.3. Der Graf von Étampes (1415 - 1491) und der burgundische Hof Der Graf von Étampes wird durch die Prozessakten des Processus contra dominum de Stampis belastet, ein Komplott gegen Karl von Burgund, Graf von Charolais, geplant und ausgeführt zu haben. Dieser Vorwurf deutet auf eine konfliktbehaftete Vergangenheit der beiden Grafen hin, die Johann von Burgund dazu veranlasste, Anschlagspläne gegen den Grafen von Charolais zu schmieden. Unser Augenmerk soll daher insbesondere auf die Position des Grafen von Étampes am burgundischen Hof gelegt werden. Aufgrund der besonderen Überlieferungsgeschichte des Aktenmaterials ist die Forschung speziell für diesen Fall - abgesehen von einigen Erwähnungen in der Chronistik - quasi nicht existent. Zum Grafen von Étampes hingegen existieren bereits einige Untersuchungen, die für diese Studie herangezogen werden konnten. Eine frühe und ausführliche Einordnung des Grafen in die Erbfolge der burgundischen Besitztümer bietet Bernard de Mandrot mit einem Aufsatz über zessen wird an späterer Stelle noch einzugehen sein. 107 Der Fall ist insbesondere in Monographien vielfach besprochen und analysiert worden. Auch im Zusammenhang mit dem Fall des Grafen von Étampes spielt die Episode um Jean Coustain als einer von mehreren politischen Prozessen eine Rolle, weshalb ihm an spätere Stelle noch größere Aufmerksamkeit zuteil wird. Dazu und zur einschlägigen Literatur vgl. Kap. 6.1. 108 Für eine Darstellung und Einordnung dieser Vorwürfe sei auf Kap. 5.2.2.1 und Kap. 6.1 verwiesen. 33 Johann von Burgund, Herzog von Brabant, und seine Nachfolge. 109 Maurice Hurbain hingegen thematisiert in einem Aufsatz die Konsequenzen des Vertrags von Péronne für den Grafen von Étampes/ Nevers. 110 In der Forschung vollständig unbekannt sind die beiden Werke Lucien Cremieux’, der sich in seiner ungedruckten Dissertationsschrift aus dem Jahre 1940 an der Universität Clermont mit »Jean de Clamecy - Comte de Nevers (1415 - 1491)« beschäftigt. Eine zweite, ebenfalls ungedruckte Studie desselben Autors behandelt die Regierungszeit Johanns von Burgund als Graf von Nevers. 111 Beide Arbeiten stützen sich auf größtenteils noch vorhandene Quellen sowie die burgundische Chronistik; sie zeichnen sich allerdings durch einen zum Teil stark positivistischen, zum Teil spekulativen Anteil aus, der eine tiefere analytische Schärfe vermissen lässt. Zudem konzentrierte sich Cremieux an einigen Stellen so ausführlich auf die Schilderungen der politischen Umstände, dass die Rolle Johanns von Burgund blass bleiben musste. Beide Werke sind in den Archives départementales de la Nièvre zu finden. Eine Kopie des ersten Werkes findet sich zudem in der Bibliothèque nationale de France. Einblicke in die Nachfolgeregelungen des Hauses Burgund bietet die Untersuchung von C.A.J. Armstrong, der hinsichtlich des Grafen von Étampes dessen Ringen um die ihm von Philipp dem Guten zugesprochene Grafschaft Auxerre schildert. 112 Wie bereits erwähnt ist die einzig neuere Arbeit über Johann von Burgund der Aufsatz Marié-Thérèse Carons aus dem Jahre 1999. 113 Die Verbindungen des Grafen von Étampes zum burgundischen Hof, dies belegen die Quellen, waren anfangs und noch lange sehr eng. Tatsächlich befand sich der im Oktober 1415 in Clamecy geborene Johann mit seinem älteren Bruder Karl bereits seit dem Jahre 1424 am Hof des Herzogs von Burgund. Ihre Mutter Bonne d’Artois wurde 1415 durch den Tod ihres Mannes Philipp von Burgund, Graf von Nevers - eines Bruders des damaligen Herzogs von Burgund, Johann Ohnefurcht -, in der Schlacht von Azincourt zur Witwe. 114 Einige Jahre später heiratete Philipp der Gute Bonne in zweiter Ehe, sodass ihre Söhne Karl und Johann am herzoglichen Hof erzogen wurden. 115 Der Herzog - einziger 109 Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 1-45. 110 Hurbain, Comment Jean de Clamecy fut des principales victimes du traité de Péronne (1468), S. 3-11. 111 Crémieux, Jean de Clamecy und Crémieux, Le Gouvernement du comté de Nevers. 112 Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 5-139. Nicht aufgenommen wurden die Konsequenzen dieser Übertragungsprobleme nach dem Wechsel des Grafen von Étampes an die Seite des französischen Königs. 113 Vgl. Anm. 10. 114 Einige Forscher vermuten, dass der Todestag des Vaters mit der Geburt seines zweiten Sohnes zusammenfiel; eine Behauptung, die aber nicht mit endgültiger Sicherheit bestätigt werden kann. 115 Die Anwesenheit der Familie wird auch durch die ergänzenden Hofordnungen Philipps des Guten für Bonne d’Artois und ihre Söhne aus dem Jahr 1425 und nach dem Tod der Herzogin durch die Hofordnungen Philipps für Charles und Jean de Nevers von 1426 belegt. Die Hofordnungen der Herzöge von Burgund 1, hrsg. von Kruse und Paravicini, S. 44-45 und 46-47. 34 Sohn Johanns Ohnefurcht, aber Bruder einiger Schwestern - nahm viele seiner Neffen und Nichten schon im Kindesalter am Hof auf. Während die Mädchen in der Regel den Hof durch die Heirat mit einem geeigneten - und für den Herzog diplomatisch nützlichen - Kandidaten wieder verließen, verblieben die Neffen oft im Dienst des Herzogs an dessen Hof. 116 Die beiden Vettern 117 Philipps des Guten kamen mit zehn und neun Jahren an den Hof und blieben dort über den Tod ihrer Mutter im Jahre 1426 118 hinaus. Dort erwarben sie schnell Ansehen, wie sich besonders bei Johann noch zeigen wird. Als seine Verwandten tauchen die beiden Brüder bereits in einem Testament des Herzogs aus dem Jahre 1425 auf. 119 Karl von Nevers trat mit der Übernahme der Grafschaften Nevers und Rethel bald sein Erbe als ältester Sohn Philipps, Graf von Nevers, an und wurde ein Verbündeter König Karls VII., dem er gegen die Engländer in der Normandie half. Zudem soll er vom König eine ansehnliche Pension bekommen haben. Offenbar gab es aber auf französischer Seite erhebliche Differenzen zwischen den Anhängern des königlichen Vaters und denen des Dauphins. Mit der Erhebung Ludwigs XI. zum französischen König findet man Karl von Nevers wieder in der Gefolgschaft des Herzogs von Burgund. Im Jahre 1463 soll er sogar mit dem Grafen von Charolais über die Abtretung der Grafschaft Rethel verhandelt haben, was ihm der neue König zum Vorwurf machte. 120 Johann von Burgund hingegen hielt sich nach dem Tod Bonnes d’Artois sehr oft am Hofe des Herzogs, durchaus aber auch bei der neuen Herzogin Isabella von Portugal und deren Sohn Karl auf. Die Écroes des Fürstenpaares der 1430er bis 1450er Jahre belegen die häufige Anwesenheit Johanns am Hof des Herzogs oder der Herzogin. 121 Der im Jahre 1434 zum Grafen von Étampes erhobene Johann 122 heiratet 1435 in Brüssel durch die Vermählung mit Jacqueline d’Ailly, Dame von Ingelmunster und Tochter des Vidame Raoul d’Amiens, in eine der 116 Sommé, Isabelle de Portugal, S. 70. 117 Diese Bezeichnung entspricht dem tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnis der Fürsten zueinander. In Briefen redet der Graf von Étampes Philipp von Burgund aber i.d.R. mit oncle, also Onkel, an und dieser nennt ihn Neffe. ADC B 2574. Dies entsprach angesichts der Familienkonstellation und dem Altersunterschied sicherlich der gefühlten familiären Verbindung. Der Graf von Étampes und Karl der Kühne bezeichneten sich hingegen gegenseitig als Cousins. Zukünftig soll daher die in den Quellen geläufige Bezeichnung verwendet werden. Die Bezeichnung Cousin zwischen hohen Adeligen auch ohne verwandtschaftliche Beziehung belegt. Paravicini, Soziale Schichtung und soziale Mobilität am Hof der Herzöge von Burgund, S. 379. 118 Ein Schreiben Jeans de Villenove, Prior von Buvrière, La Beuvrière, Diözese von Thérouane, belegt die Veranlassung einer jährlichen Messe für die Seele der Verstorbenen. ADN B 1464 15.510. 119 ADN B 456 15.507. 120 Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 3-5. 121 ADN B 3403, 3404, 3405, 3411, 3412, 3414, 3416, 3418 und 3419. Neben dem Grafen von Étampes ist ist Adolph von Kleve, der die gleichen Einkünfte erhält wie Johann, oft in der Nähe des Herzogs zu finden. Vgl. Sommé, Isabelle de Portugal, S. 73. 122 Monstrelet, Chronique V, S. 87. 35 reichsten Familien der Picardie ein. 123 Dieser ersten Ehe 124 entsprangen zwei Kinder, Elisabeth 125 und Philipp. Der kränkelnde Sohn verstarb allerdings bereits im Jahre 1452. Jacqueline, Gräfin von Étampes, in den Écroes als mademoiselle d’Estampes nachweisbar, wurde eine der bevorzugten Hofdamen Isabellas von Portugal und verbrachte die meiste Zeit an deren Seite. Auch ihre Tochter Elisabeth wuchs am herzoglichen Hof auf. 126 Sie wurde später von Herzog Philipp in eine äußerste vorteilhafte Verbindung mit dem Herzog von Kleve gegeben. 127 Johann von Burgund scheint bei Philipp dem Guten in hohem Ansehen gestanden zu haben. Der Herzog übertrug dem Grafen mehrere Male in seiner Abwesenheit die Regentschaft für Teile seiner Länder 128 oder stellte ihn dem Grafen von Charolais als Berater zur Seite. So empfahl der Herzog seinem Sohn vor seiner Reise zu einem Treffen mit Kaiser Friedrich III. in Regensburg sowohl die Meinung des grand conseil einzuholen als auch diejenigen des Grafen von Étampes, Adolphs von Kleve und Johanns von Coimbra. 129 123 Allria, La noblesse de Picardie aux États de Bourgogne, insbes. S. 295-296. 124 Johann heiratete in zweiter Ehe 1475 Paule de Brosse, Tochter Johanns, Herrn von Saint-Sever und de Boussac, mit Nicole de Blois, Gräfin von Penthièvre. Aus dieser Ehe ging eine Tochter, Charlotte, hervor. 1480 ehelichte er Françoise d’Albret, Tochter Arnaud-Amanieus, Seigneur d’Orval, und Jeannes de La Tour. Caron, Jean de Bourgogne, S. 116; BNF ms. fr. 4792. 125 Bei den Chronisten d’Escouchy und de La Marche wird die Tochter Johanns von Burgund auch Isabel genannt. Dies ist möglicherweise eine Ableitung aus dem Namen »Elizabel«, unter dem sie - wie Mandrot angibt - in den Registern des Parlaments von Paris genannt ist. Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 8. Siehe auch dort Anm. 7. Das Jahr ihrer Geburt ist unklar; vgl. Kruse, Hof, Amt und Gagen, S. 169, Anm. 74. 126 Von vielen Fürstinnen sind die Ausgaben durch das Dokument bekannt, das die Kosten von Isabelle von Portugals Hof für das Jahr 1445 einschätzt. Dort wird auch aufgeführt, dass die Komtesse von Étampes 13 bouches d’hommes et de chevaux hatte. Die Komtesse von Charolais hatte hingegen 46, Isabelle, die Tochter Jacquelines von Étampes, 6 bouches d’hommes et de chevaux. Sommé, Isabelle de Portugal, S. 70-74 und 262-263; Kruse, Hof, Amt und Gagen, S. 59 inkl. Anm. 24 und S. 152. 127 D’Escouchy, Chronique I, S. 401-402. Zum Tod Philipps siehe auch die vergleichende Studie von Sommé, Le cérémoial de la naissance et la mort de l’enfant princier à la cour de Bourgogne au XV e siècle, S. 87-103. In den Chronistik auch bei d’Escouchy, Chronique II, S. 279, S. 289 und La Marche, Mémoires II, S. 335. Die Mémoires des Olivier de la Marche scheinen in diesem Falle ein wenig von der Chronologie abgewichen zu sein. Die Hochzeit wurde nach La Marche und d’Escouchy am 22. April 1455 (nach Ostern) gefeiert; La Marche berichtet aber von diesem Ereignis vor der Darstellung des Fasanenfestes. 128 Eine Praxis, die mitnichten ungewöhnlich war. So übertrug der Herzog die Macht auch an die Herzogin, seinen Sohn selbst oder andere Adelige und Geistliche. Sommé, Les délégations de pouvoir à la duchesse de BourgogneIsabelle de Portugal au milieu de XV e siècle, S. 285-301. 129 Lameere, Le Grand Conseil des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 92-97. Zu den Karl zur Seite gestellten weltlichen Mitgliedern des großen Rats gehörten zu dieser Zeit Jean de Croÿ, Hue de Lannoy, Seigneur de Hautbourdin, Seigneur d’Auxi, der Gouverneur de Lille, Seigneur de Fourmelles, Seigneur de Humieres, Seigneur de Rochefort, Hue de Longueval, Seigneur de Vaulx und Pierre de Goux. Die geistlichen Ratgeber waren Maître François de Gand, Doyen der Kirche Notre-Dame de Courtai, Gautier de La Mandre, Doyen der Kirche Notre-Dame de Bruges, Antoine Haneton, Prevot de Mons, Jean Vincent, Jean l’Orfèvre, Gérard de Pleine, Jean Jaquelin und Jean Boussault. Vgl. Lameere, Le Grand Conseil des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 96. 36 Ausgezeichnet hat sich Graf Johann von Étampes am herzoglichen Hof besonders durch seine militärischen Aktivitäten. Wir finden ihn beispielsweise bereits 1434 bei der Eroberung der Stadt Saint-Valéry, 130 1438 im Kampf Burgunds gegen die Engländer bei Calais, mit Anton, Bastard von Burgund, in Holland 131 oder beim Kampf des Herzogs von Burgund gegen Luxemburg, wo er auch in beratender Funktion beim Herzog erwähnt wird. 132 Besonders aber scheint sich der Graf im Kampf gegen die Genter (1451/ 52) ausgezeichnet zu haben, wie die Chronisten in ihren Werken hervorheben. 133 Während des in diesen Konflikt fallenden Kampfes um Oudenarde wurde der Graf, der die picardischen Kämpfer anführte, laut Olivier de la Marche durch den Bastard von Saint-Pol zum Ritter geschlagen. 134 Bei diesem Chronisten wird Johann von Burgund oft in Kampfsituationen beschrieben, wohingegen Mathieu d’Escouchy den Grafen als einen wohlüberlegten Mann darstellt, der sich in neuen Situationen mit seinen Begleitern berät. Trotzdem scheint auch bei letzterem der militärische Ehrgeiz des Grafen durch. So beschreibt d’Escouchy, dass Johann unzufrieden mit der Vergabe der Vorhut an den Grafen von Saint-Pol gewesen sei. 135 Aus dieser Situation sei eine Abneigung der Fürsten gegeneinander erwachsen, die - wie d’Escouchy an anderer Stelle erwähnt - den Grafen von Étampes in eine Opposition gegen den Grafen von Saint-Pol trieb, die sich auch auf den Herzog von Burgund zu übertragen schien. 136 130 Monstrelet, Chronique V, S. 93-94. 131 Chastelain, Œuvres III, S. 120-121. 132 La Marche, Mémoires II, S. 1-50; Monstrelet, Chronique VI, S. 89-90. 133 La Marche, Mémoires II, S. 204-340; Mathieu d’Escouchy, Chronique I, S. 388-407 u. II, S. 21-30. Chastelain widmet dem Konflikt mit Gent den zweiten Teil seines dritten Buchs; auch bei ihm ist der Graf von Étampes oft in herausgehobener Rolle zu finden. Chastelain, Œuvres II, S. 235-249 und 269-276. Auch in belgischen Chroniken wird der Graf als Teilnehmer des Kriegs gegen Gent erwähnt. Vgl. Liber de Virtutibus de Philippi Burgundiae ducis, S. 103-106; Le livre des trahisons de France envers la maison de Bourgogne, S. 221-223. 134 La Marche, Mémoires II, S. 237: et le conte d’Estampes, qui encoires n’estoit chevalier, requit au bastard de Sainct-Pol, seigneur de Haulbourdin qu’il le fist chevallier; vgl. auch Chastelain, Œuvres II, S. 245. Die Stellen zeigen dass es Jean, Bastard von Saint-Pol, war, der den Grafen von Étampes zum Ritter schlug und nicht der Seigneur de Saveuse, wie Mandrot darstellt. Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 7. 135 Et [le duc] bailla la charge de son avant garde audit comte de Saint-Pol (et à messire Jehan de Croy, bailli de Haynault,) atout certain nombre de combattans; dont ledit compte d’Estamppes ne fut pas bien content. Et sy ordonna icellui duc deux batailles; en la première ordonna estre le comte de Charollois, so filz, et lui en la seconde, et pour l’arrieère garde d’icelles ordonna ledit comte d’Estampes. D’Escouchy, Chronique II, S. 2-3. 136 Der Herzog nahm, ebenso wie der Graf von Étampes, nicht an einem von dem Grafen von Saint-Pol ausgerichteten Fest teil. Die Animositäten des Herzog könnten aber auch von dem Fasanenschwur des Grafen herrühren, bei dem dieser nur auf den König von Frankreich als Anführer des Kreuzzuges schwor und sich damit mit dem Herzog gleichzusetzen suchte. D’Escouchy, Chronique II, S. 240 und S. 165. Vgl. hierzu auch Caron, »Monseigneur le Duc m’a fait l’honneur de moy eslire...«, S. 20-22. 37 Die Wertschätzung, die der Herzog von Burgund für die Fähigkeiten des Grafen empfand, zeigten sich besonders in der Ernennung Johanns zum lieutenant, gouverneur général des pays de par deça en l’absence de mondit seigneur, also zum Statthalter in den burgundischen Niederlanden zwischen Mai 1434 und Mai 1435. 137 Der Herzog zeigte weiterhin sein Vertrauen in Johann, als er nach dem Vertrag von Arras 1435 den Grafen als lieutenant et capitaine général 138 der überaus wichtigen Somme-Städte einsetzte. 139 Bereits im Vorfeld des Vertragsabschlusses wurde der Graf von Étampes vom Herzog zu Treffen mit französischen Gesandten geschickt und befand sich auch im weiteren Verhandlungszeitraum in der Gefolgschaft Philipps. 140 Mit der Benennung als lieutenant et capitaine général des Herzogs in der Picardie oblag dem Grafen damit die Verantwortung über Ländereien, die während des Hundertjährigen Krieges ein stark umkämpftes Gebiet waren, die aber auch direkt an der fragilen Grenze zwischen Frankreich und Burgund lagen und in den folgenden Jahren immer wieder für Konflikte zwischen diesen beiden Parteien sorgten. 141 Auch ein reger schriftlicher Kontakt zwischen Herzog Philipp und Johann über die Belange dieser Ländereien, den Marie-Thérèse Caron konstatiert, 142 schmälert den Eindruck einer vertrauensvollen Überantwortung der Gebiete an den Grafen nicht. Bereits in dem Schreiben des Herzogs an die Stände, in dem er die Einsetzung des Grafen damit begründet, dass er selbst nicht immer in der Region sein könne, diese aber gegen die Engländer verteidigt werden müsse 143 , spricht er dem Grafen von Étampes mit folgenden Worten gegenüber den Ständen sein Vertrauen aus: »Aufgrund der Zuneigung zu jenem selbst, für den Verstand, Diskretion, Umsicht und die hohen und edlen Tugenden, die, wie wir wissen, in der Person unseres Neffen, dem Grafen von Étampes, vereint sind, und durch das volle und ungeschmälerte Vertrauen, das wir in ihn, der ein naher Verwandter unserer Linie und unseres Blutes ist […], haben, hat er eine sehr große und außergewöhnliche Neigung, sich einzusetzen.« 144 137 Bonenfenat und Stengers, Le rôle de Charles le Téméraire dans le gouvernement de l’État bourguignon en 1465 - 1467, S. 14-15. 138 Zu den Begrifflichkeiten vgl. Schnerb, Capitaine, S. 217; Demurger, Lieutenant, S. 833-834. 139 Caron, Jean de Bourgogne, comte d’Étampes, S. 116. 140 La Marche, Mémoires I, S. 205; D’Escouchy, Chronique I, S. 12 und S. 388; Monstrelet, Chronique V, S. 134-183. Zu den Somme-Städten vgl. auch Kap. 5.2.1. 141 Johann von Burgund nahm 1459 sogar seinen Schwiegervater Jean d’Ailly, den Vidame d’Amiens fest, da er argwöhnte, der Vidame wolle die Stadt dem französischen König übergeben. Caron, Jean de Bourgogne, comte d’Étampes, S. 117. 142 Caron, Jean , comte d’Étampes, S. 315. 143 Nach dem Friedensschluss von Arras 1435 zwischen Frankreich und Burgund musst der Herzog damit rechnen, dass die Engländer ihre feindlichen Handlungen gegen die Pikardie richteten. 144 Et en inclinant a icelle mesmement pour les sens, descrecion, prudence et les haultes et nobles vertus que scavons estre en la personne de notredit nepveu, le conte d’Estampes et pour la pleniere et entiere confiance que avons a lui, qui est se prochain de notre sang et lignaige et que scavons certainement avoir tresgrant et singuliere affeccion de soy employer. AN J 520, 39. 38 Auch militärisch waren die Gebiete sowohl dem Herzog als auch dem Grafen eine willkommene Unterstützung. Von den Chronisten besonders hervorgehoben wurden in diesem Zusammenhang die picardischen Bogenschützen, die auch im Kampf gegen Gent eine wichtige Rolle spielten. 145 Im Anschluss an ebendiese Revolte von Gent hielt Herzog Philipp 1454 in Lille das Banquet du vœu de Faisan ab, auf dem der Wille des Herzogs, einen Kreuzzug zu führen, durch den Schwur auf einen Fasan eindrucksvoll bekräftigt wurde. 146 Als Familienmitglied gehörte der Graf von Étampes zu einer Vœuder ersten Personen, die nach dem Herzog und dessen Sohn schwören durften. 147 Bemerkenswert an den Fasanenschwüren ist, dass einige Teilnehmer nicht nur dem Herzog ihre Gefolgschaft schworen, sondern versprachen »dass, wenn es geschieht, dass die Angelegenheiten meines sehr hochverehrten Herrn so sind, dass er nicht auf die genannte heilige Reise gehen kann, und mein sehr hochverehrter Herr, der Herr von Charolais, oder mein sehr hochverehrter Herr, mein Herr der Graf von Étampes dorthin gehen, werde ich ihnen auf vergleichbare Weise auf der genannten heiligen Reise mit meinem Körper und meinem Vermögen dienen.« 148 145 La Marche, Mémoires I, S. 248; II, S. 4 u. II, S. 236. 146 Zum Fasanenfest sind insbesondere die Publikation und Herausgeberschaften von Marie-Thrérèse Caron zu nennen. Vgl. u.a. Caron und Clauzel (Hrsg.), Le banquet du Faisan. Dieser Aufsatzband beleuchtet - in der Regel sehr quellennah die unterschiedlichsten Facetten des Fasanenfestes, so beispielsweise hinsichtlich der burgundischen Politik, den historischen Hintergründen, der Mythologie und künstlerischen Aufnahme des Themas sowie die Einordnung des Festes in die Geschichte des Ordens vom Goldenen Vlies. Das 1995 anlässlich des Kolloquiums »1454: Lille-Arras et le Vœu du Faisan« 21. - 24. 06.1995 von Caron herausgegebene Buch Le Banquet du Vœu du Faisan (17. Février 1454), Fête de cour et prise de conscience europeenne, Lille 1995. bietet neben einer Einleitung auch den Abdruck der beiden ausführlichen Darstellungen des Fasanenfestes duch Mathieu d’Escouchy und Olivier de la Marche. Zuletzt auch Caron, Les Vœux du faisan, noblesse en fête, esprit de croisade und Caron, El banquete de los votos del Faisán. Vgl. auch Müller, Fasanenfest und Orden vom Goldenen Vlies; Doutrepont, Les historiens du ›Banquet des Vœux du faisan‹, S. 654-670; Lafortune-Martel, Fête noble en Bourgogne au XV e siècle; Paviot, L’ordre de la Toison d’or et la croisade, S. 71-74 und Dünnebeil, Innen und Außen. 147 Bei La Marche legt der Graf von Étampes den Schwur als Vierter nach dem Herzog, dem Grafen von Charolais und dem Herrn von Kleve ab. Vgl. La Marche, Mémoires II, S. 325-348, 382- 384. Bei Mathieu d’Escouchy schwört er als Sechster, direkt nach dem Grafen von Charolais. D’Escouchy, Chronique II, S. 167. Sowohl die Anzahl als auch die Personen, die den Schwur sprechen, divergieren bei La Marche und d’Escouchy stark. Mit diesem Fest und den Schwüren beschäftigt sich auch Caron, »Monseigneur le Duc m’a fait l’honneur de moy eslire ...«. Ausführlich zur divergierenden Überlieferungssituation und Anzahl der Fasanenschwüre Cockshaw, Le(s) Vœ(x) du Faisan oder ebenso Ders., Les Vœux du Faisan. Zur Bedeutung von Rangfolgen am mittelalterlichen Hof vgl. Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter. 148 s’il advenoit que les affairez de mon très redoubté seigneur fussent que oudit saint voiage ne peussent aler, et mon très redoubté seigneur monseigneur le comte de Charolois, ou mon très redoubté monseigneur le comte d’Estampes y alassent, pareillement les serviray oudit saint voyage de mon corps et de ma mainchevance; hier am Beispiel des Grafen von Boucamp. D’Escouchy, Chronique II, S. 168. Vgl. auch die Schwüre von Messire Johann von Bos, Seigneur de Honnelzin [Hennequin], Messire Josse von Halwin und Gaules du Fossé, Messire Loys de Gruthuse, Messire Anthoine de Rocheffort. 39 Diese Formulierungen findet man zwar vereinzelt auch bei Schwüren für andere Fürsten, 149 allerdings ist die Nennung des Grafen von Étampes mit Abstand die häufigste in den von Mathieu d’Escouchy aufgeführten Schwüren. Zudem finden sich hier auch Formulierungen, in denen die Herren den Grafen von Étampes erwähnen und ihm ihre Begleitung antragen. 150 Diese Bindung nicht nur an den Herzog oder dessen Sohn, sondern auch an Johann von Burgund, kann zum einen darauf zurückgeführt werden, dass es sich bei den Schwörenden, die den Grafen von Étampes mit einbezogen, vielfach um dessen Bedienstete handelte. 151 Aber auch das Verhalten des Grafen während des Genter Aufstandes, der erst kurz vor dem Fest zu Ende gegangen war, und seine dort präsentierten Fähigkeiten auf und außerhalb des Schlachtfeldes, scheinen den Grafen als fähig ausgezeichnet haben, auch einen Kreuzzug anzuführen. Solcherlei Überlegungen mögen in die Schwüre mit eingeflossen sein. Der Graf von Étampes wurde also neben dem Grafen von Charolais als einer der wahrscheinlichsten Männer angesehen, die den Herzog bei einer möglichen Verhinderung auf dem Kreuzzug ersetzt hätten. Während der Feierlichkeiten legte der Herzog zudem fest, dass in seiner Abwesenheit während des Kreuzzuges sein Sohn Karl die Regentschaft übertragen bekommen sollte. Ihm zur Seite wurde allerdings ein bewährtes Ratsgremium gestellt, zu dem auch der Graf von Étampes gehörte. 152 Die skizzierten Auszeichnungen des Grafen von Étampes durch den Herzog fanden ihren Höhepunkt in der Ernennung zum Ordensritter vom Goldenen Vlies auf dem neunten Kapitel 1456 in Den Haag. Johann von Burgund wurde dort neben mehreren anderen Mitgliedern der Familie zum Ordensritter ernannt. 153 Dieses Ordenskapitel war das erste offizielle nach dem Fasanenfest. Die Ereignisse eines späteren Kapitels in Brügge 1468, auf dem der Graf von Étampes Messire Robert, Seigneur de Miraumont, Messire Jehan, Seigneur de Beauvoir, Messire Charles de Rocheffort, chambellan des Grafen, und Jehan de Sailly, escuier tranchant de mademoiselle d’Estampes, Guillaume de Martigny, escuyer tranchant de comte d’Estampes schwören allerdings nur, dem Herzog oder dem Grafen von Étampes zu folgen; Phelippe de Scoennehoves, échantre des Herzogs von Burgund, schwört, dem Herzog, dem Grafen von Étampes oder Adolf von Kleve zu folgen. D’Escouchy, Chronique II, S. 184-219. Bei Olivier de la Marche findet sich Entsprechendes bei den Schwüren von Monseigneur de Rocheffort [Charles], Jehan du Bois, und bei Messire Chrestien und monseigneur Evrard de Digoine. La Marche, Mémoires II, S. 390-394. 149 Wie für den Herrn von Croÿ bei den Schwüren von Messire Alard de Rabodengues oder Robert, batard de Saveuse. D’Escouchy, Chronique II, S. 197 u. 216 150 Vgl. die Schwüre von Messire Jacques de Drinquain und der Brüder Messire Crestien de Digonnes, Seigneur de Targes, und Erard de Digonnes, Seigneur de Saint-Sonay, Jehan Boudault. D’Escouchy, Chronique II, S. 198-199 u. 209-210. 151 Ausführlich hierzu auch Caron, »Monseigneur le Duc m’a fait l’honneur de moy eslire ...«. 152 Vgl. Sommé, Isabelle de Portugal, S. 440, S. 420-435. 153 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 116-117. Im Verlauf dieses Kapitels wurden ausschließlich Mitglieder der herzoglich-burgundischen Familie in den Orden aufgenommen. de Smedt, Der Orden vom Goldenen Vlies im Lichte der burgundisch-habsburgischen Politik, S. 124; Paviot, Le recrutement des chevaliers de l’ordre de la Toison d’or (1430 - 1505 ), S. 76. 40 aus dem Orden ausgestoßen wurde, werden zu einem späteren Zeitpunkt noch Gegenstand der Betrachtungen sein. 154 Auch auf finanzieller Ebene kümmerte sich der Herzog von Burgund um seinen Neffen. So erhielt dieser anlässlich seiner Heirat mit Jacqueline d’Ailly am 22. Januar 1436 eine jährliche Rente von 6000 livres, die ein Jahr später durch die Einkünfte der Grafschaft Auxerre ersetzt wurde. Diese Grafschaft, die direkt an die später geerbte Grafschaft Nevers angrenzte, war aber zumindest zu Beginn ein für den Grafen unglücklicher Tausch, da die nötige Einwilligung des französischen Königs für diese Übertragung lange Zeit ausblieb. 155 Zurückgehend auf das Erbe Philipps des Kühnen hielt der Graf von Étampes neben den Rechten an der Grafschaft Étampes auch diejenigen über die Herrschaften von Dourdan und Gié. 156 Im Jahr 1438 wurden ihm aus der Hand des Herzogs Einkünfte der picardischen châtellenies von Péronne, Roye und Montdidier übertragen, die er für sich und seine Erben beanspruchen durfte. Bereits seit 1435 war der Graf von Étampes lieutenant et capitaine général der Picardie. Laut Armstrong erhielt er die Einkünfte der genannten Städte als Ausgleich für die Schwierigkeiten mit der Grafschaft Auxerre und der Einbehaltung der Mitgift Jacquelines d’Ailly. 157 Ähnliche Rechte erhielt er auch auf die Gebiete von Ronssoy in der Picardie und Ingelmunster in Flandern. 158 Im Jahre 1465 musste Johann allerdings diejenigen Ländereien, die er seitens des Herzogs erhalten hatte, zurückgeben. 159 Zu dieser Zeit - seit dem Tod seines Bruders Karl im Jahre 1464 - konnte er sich allerdings bereits Graf von Nevers und Rethel nennen, was ihm namentlich durch die Grafschaft Nevers eine größere Machtbasis verschaffte. 160 Während seiner Zeit am burgundischen Hof war er, wie Marie-Thérèse Caron urteilt, un homme de relations publiques. 161 Bei seinen Reisen, die er sowohl mit 154 Vgl. Kap. 5.3. 155 Diese wurde letztendlich auch durch Ludwig XI. und nicht durch dessen Vater Karl VII. erteilt. ADN B 426, 15.696; AD Nièvre 3 B 1 (1188-1697), Nr. 9. Vgl. auch Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maisonde Valois, S. 98-99. 156 ADN B 817, 15.716 157 Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 99; Monstrelet, Chronique V, S. 87-88. 158 Betrachtet man diese finanziellen Rechte an den châtellnies und der Grafschaft Auxerre mit Blick auf die bereits erwähnten militärischen und administrativen Befugnisse, die Johann bereits 1435 über die Städte der Somme und die châtellnies Péronne, Roye und Montdidier erhalten hatte, und ohne die Übertragungsschwierigkeiten zu hoch zu bewerten, so kann man auch konstatieren, dass der Graf von Étampes auf diese Weise zu einem der größten Nutznießer des Vertrags von Arras 1435 geworden ist. Zu den Bestimmungen des Vertrages vgl. auch Schnerb, L’État bourguignon, S. 186-188. 159 ADN B 780 16.062; B 783 16.664; Die Umstände dieser Maßnahmen sollen in Kap. 5.2.1 näher beleuchtet werden. 160 Zu den finanziellen Angelegenheiten des Grafen von Étampes und Nevers vergleiche neben Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 98-100; auch: Bautier, Les sources de l’histoire économique et sociale de Moyen Âge 1, S. 81, 103 und 476. 161 Caron, Jean, comte d’Étampes, S. 316. Rechnungen des Grafen von Étampes in den Archives 41 als auch ohne sein Gefolge unternahm, kreuzte er häufig die Wege des Herzogs. Seine Frau und seine Tochter, die sich oft bei der Herzogin von Burgund aufhielten, waren wesentlich seltener unterwegs. Die erhaltenen Rechnungen aus den 1430/ 40er Jahren, aber auch die Schilderungen der Chronisten weisen für den Grafen von Étampes zudem zahlreiche Kontakte zu weiteren Adeligen sowohl am herzoglichen Hof als auch außerhalb auf. Herzog Philipp setzte ihn zudem schon früh als Gesandten und Vermittler in Streitfällen ein. So sollte Johann von Burgund beispielsweise 1433 im Streit um die Besetzung des frei gewordenen Bischofsstuhls von Tournai den Konflikt der beiden Kandidaten zugunsten des von Philipp favorisierten Jehan Chevrot lösen. 162 Auch bei der Vauderie d’Arras war Johann von Burgund als herzoglicher Vertreter zumindest temporär involviert. 163 Seine Schenkungen - sowohl an Adelige als auch an Bedienstete und kirchliche Einrichtungen, - seine Aktivitäten und sein Kleidungsstil weisen einen in seinen Möglichkeiten dem herzoglichen Hof entsprechenden Lebensstil des Grafen und seiner Familie aus. 164 Offenbar wusste er diese Haltung auch durch entsprechend prunkvolle Festivitäten zu unterstreichen. So setzte der Graf sich auf dem höfischen Parkett vor dem Fasanenfest mit Feierlichkeiten in Szene, die von Mandrot als »außergewöhnlich prächtig« beschrieben werden und zeigen, dass er sich der oft beschriebenen burgundischen Gepflogenheit der großen Prachtentfaltung anzupassen wusste. 165 Auch seine Frau und seine Tochter sind immer wieder als Gäste herzoglicher Bankette oder Veranstaltungen zu finden. 166 Zudem gab er, in bester Tradition des burgundischen Hofes, eine besonders aufwändige Handschrift des in dieser Zeit sehr beliebten Alexander-Romans von Jean Wauquelin 167 mit mehreren prachtvollen, ganzseitigen Miniaturen in Auftrag, wenngleich man Johann nach heutigem Stand der Forschung nicht zu den bibliophilen Personen des burgundischen Hofes zählen kann. 168 départementales du Nord finden sich unter den Signaturen ADN Cumulus 16.049-16.055, 16.060-16.062. 162 Diese Unterfangen gelang, da dem vom Papst zunächst favorisierten Jean de Harcourt das Erzbistum von Narbonne übertragen wurde. Vgl. Monstrelet, Chronique V, S. 58-62. 163 Vgl. Kap. 2.5.2. 164 Caron, Jean, comte d’Étampes, S. 318-322. Zum burgundischen Kleidungsstil vgl., Beaulieu und Baylé, Le costume en Bourgogne de Phiippe le Hardi à la mort de Charles le Téméraire. Einen Blick auf die Brüsseler Besitztümer des Grafen erlaubt eine Aufstellung aus dem Jahre 1465. Vgl. hierzu Anm. 795. 165 D’Escouchy, Chronique II, S. 120-124. Vgl. auch Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 9. Zur burgundischen Prachtentfaltung vgl. Rondinini, Aspects de la vie des cours de France et de Bourgogne par les dépêches des ambassadeurs milanais, S. 210. 166 Vgl. z.B. D’Escouchy, Chronique II, S. 140 u. S. 236. Zur Rolle von Frauen bei burgundischen Festen vgl. Bousmar, La place des Hommes et des Femmes dans les fêtes de cour bourguignonnes, S. 123-143, für das Fasanenfest insbes. 135-137. 167 Jean Wauquelin war ein besonders bei der Familie Croy oft beschäftigter und protegierter Übersetzer und Verfasser verschiedener Werke. van Buren-Hagopian, Jean Wauquelin de Mons, S. 53-74. 168 BNF ms. fr. 9342. Zu dieser Handschrift, zu der Luxus-Kopie der Handschrift für Philipp den 42 Neben diesen Hinweisen auf das Leben des Grafen im Umfeld des burgundischen Hofes geben die überlieferten Handschriften und die Schilderungen der Chronisten allerdings keinerlei Auskünfte über Unstimmigkeiten zwischen dem Grafen von Étampes und Karl vor 1463. Seitens des Grafen von Étampes wird lediglich ein Konflikt mit dem Grafen von Saint-Pol erwähnt, 169 der auf einen Kampf um Ansehen und Einfluss hindeutet. Hinsichtlich des Verhältnisses Johanns zu dem jungen Erben des Herzogtums selbst lässt sich lediglich ein erwartbares verwandtschaftliches Verhältnis konstatieren. Wir finden beide Männer am Hof des Herzogs oder der Herzogin, Johann übernimmt für den 18 Jahre jüngeren Karl im Auftrag Philipps beratende Tätigkeiten und Olivier de la Marche erwähnt Johann als Begleiter des Grafen von Charolais vor dessen erster jouste. Bei den Turnieren rund um das Fasanenfest wird zudem beschrieben, wie der Graf von Étampes Karl die Lanze für die jouste reichte und beim anschließenden Abendessen an dessen Tisch saß. 170 Neben solchen Hinweisen auf verwandtschaftliche Nähe und Kontakte im Umfeld eines Lebens beider Fürsten am herzoglichen Hof von Burgund sind uns keine konkreten Hinweise auf besondere Konflikte zwischen diesen beiden Personen überliefert. Mögliche Gründe für den versuchten Anschlag auf den Grafen von Charolais müssen daher an anderer Stelle erörtert werden. 171 Zusammenfassend lässt sich von Johann von Burgund aus den Texten das Bild eines in dieser Zeit geschätzten Mitglieds der burgundischen Familie zeichnen, wie besonders die Zuwendungen sowie die wichtigen und ehrenvollen Aufgaben belegen, die der Graf aus der Hand seines Onkels, Philipps des Guten, erhielt. Der Chronist Chastelain urteilt über den Grafen von Étampes, in dieser Periode sei er ein »so hoher und edler Fürst, tatkräftiger Ritter, Kriegsherr [gewesen], der wegen seiner hohen und berühmten Taten in den Orden vom Goldenen Vlies gewählt wurde, wie eine Perle der Ritter unter den anderen«. 172 Guten und allgemein zur Rezeption des Alexanderromans am burgundischen Hof vgl. Blondeau, Un conquérant pour quatre ducs, insbes. S. 34-37 und 326-327. Die Miniaturen sind über http: / / mandragore.bnf.fr (zuletzt zugegriffen am 18.12.2015) konsultierbar. Zum literarischen Interesse des Herzogs von Burgund und verschiedener Vliesordensritter bietet eine gute Zusammenfassung Sterchi, Lob und Tadel (2005), S. 43-63. Vgl. auch van den Bergen- Pantens, Antoine, Grand Bâtard de Bourgogne, S. 198-200; Debae, Une lignée de chevaliers bibliophile, S. 201-205; Blockmans, The Splendour of Burgundy, S. 23 mit weiterführenden Literaturhinweisen. 169 Vgl. Anm. 136 und Kap. 5.1.2. 170 La Marche, Mémoires II, S. 215 u. S. 347, 355; D’Escouchy, Chronique II, S. 128. Zur Bedeutung von Turnieren im burgundischen Raum mit zahlreichen Beispielen vgl. Bousmar, Jousting at the Court of Burgundy, S. 75-84. Ausführlich und detailreich beschreibt Mario Damen das Turnier von 1439 in Brüssel, bei dem auch der Graf von Étampes teilnahm. Damen, The Town, the Duke, his Courtiers, and their Tournament, S. 85-95. 171 Vgl. Kap. 5. 172 Si hault et noble prince, aillant chevalier, chef de guerre, et lequel par ses haulx et renommés faits avoit esté eslu à l’ordre de la Toison d’or, comme une perle des chevaliers entre les autres. Chastelain, Œuvres V, S. 73. 43 2. Der Prozess 2.1. Art und Zusammenstellung des Aktenmaterials 2.1.1. Das Aktenmaterial Beim Aktenmaterial des Processus contra dominum de Stampis handelt es sich um Abschriften eines kirchlichen Prozesses, der in Le Quesnoy in der Diözese Cambrai im Jahre 1463 stattgefunden hat. Es enthält die Befragungen eines Mannes namens Jean de Bruyère durch eine vom Bischof von Cambrai eingesetzte Untersuchungskommission, Abschriften von sieben Zeugenaussagen vor dem Brüsseler Schöffengericht sowie einige die Untersuchungen ergänzende Briefe. Die Prozessakten können dem Bestand des Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies (AOGV) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien und hier dem Aktenbestand, Karton 5 zugeordnet werden; genauer einem Dossier über die Ausschließung Johanns von Nevers während des 19. Ordenskapitels. Die Akten des Processus contra dominum de Stampis wurden aus diesem Konvolut durch Rudolf Payer von Thurn Ende des 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts entliehen. Payer von Thurn, Germanist, Historiker und Archivar, war u.a. als Registratur-Offizial in der Kabinettskanzlei beschäftigt und mit der Ordnung des Archivs betraut. Später war er zudem für die Ordnung des Archivs des Ordens vom Goldenen Vlies zuständig, im Zuge dessen er 1921 zum Wappenkönigstellvertreter und 1924 zum Greffier des Ordens ernannt wurde. Über den Ritterorden existieren wissenschaftliche Arbeiten aus seiner Hand. 173 Der Processus contra dominum des Stampis wurde in einem Teil seines Nachlasses, den Dieter Scheler in den 1960er Jahren in einem Wiener Antiquariat erworben hat, überliefert. Da Rudolf Payer von Thurn 1932 verstarb, ist es wahrscheinlich, dass die Prozessakten bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in dem Dossier »Ausschließung Nevers« des AOGV archiviert waren und vor 1932 durch den Ordensgreffier entnommen wurden. Im Nachlass Payer von Thurns finden sich zahlreiche Aufzeichnungen über den Wiener Orientalisten und Goethe-Forscher Joseph von Hammer-Purgstall, über den er offenbar in seinen letzten Jahren gearbeitet hat. Er selbst beschäftigte sich ebenfalls mit Goethe: So veröffentlichte er einen Bildband über diesen Dichter und eine Abhandlung über die bildlichen Darstellungen bei Faust. Das Interesse Payer von Thurns an dem burgundischen Aktenmaterial entsprang wohl einerseits aus seiner Position als Ordensgreffier, andererseits kann es zusätzlich aus sei- 173 Pichl, Rudolf Payer von Thurn, S. 375-376. Payer von Thurn, Der Orden vom Goldenen Vlies, S. 617-627; Payer von Thurn, Der Orden vom Goldenen Vlies. 44 ner Beschäftigung mit Goethe resultieren, denn er hatte über seine Arbeiten auch Berührung mit der »Bibliotheca, Acta et Scripta Magica«, in der Darstellungen der Faust’schen Magiethematik zu finden waren. 174 Hieraus mag ein allgemeines Interesse an dem Sujet der Magie abzuleiten sein. Ein dritter Anknüpfungspunkt findet sich in dem von Payer von Thurn neu herausgegebenen Bändchen »Hof und Liebesintrigen alter und neuer Zeiten« in dem Geschichten aus sechs Jahrhunderten, überwiegend aus der französischen und englischen Geschichte, gesammelt sind. 175 Das Dossier »Ausschließung Nevers«, dem Payer von Thurn das Aktenmaterial entnommen hat, bündelt Akten, die mit dem Ausschluss des Grafen von Nevers aus dem Orden zu tun haben. Es enthält einen Brief Johanns von Burgund an Herzog Karl den Kühnen vom 15. April 1468, 176 einen zeitgleich verfassten Brief desselben Grafen an die Mitglieder und Amtsträger des Ordens vom Goldenen Vlies, 177 die cédule des Ordens vom 6. Mai 1468, in der der Ausschluss Johanns von Burgund bekannt gegeben wird, 178 sowie die Antwortschreiben Karls 179 und der Ordensritter 180 an Johann vom 16. Mai. Auf die Inhalte dieser Stücke und die diesbezüglichen Ereignisse während des Ordenskapitels wird an späterer Stelle noch einzugehen sein. 181 Die dem Aktenkonvolut entnommenen Prozessakten bestehen aus zwei Heften aus Papier sowie zwei lose beigegebenen Blättern des gleichen Materials. Die beiden Hefte sind in ein gemeinsames Umschlagblatt eingebunden, das die von Emmanuel Türck 182 vergebene Inventarisierungsnummer 2. Partie § 2, 11 C auf- 174 Payer von Thurn, Faust im Bilde von den ersten Anfängen bis zum Erscheinen des Goetheschen Fragments, S. 9-10 und 15. 175 Payer von Thurn, Faust im Bilde von den ersten Anfängen bis zum Erscheinen des Goetheschen Fragments; Ders., Hof- und Liebesintrigen alter und neuer Zeiten; Ders., Orden vom Goldenen Vlies; Ders., Goethe im Bilderbuch. 176 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers), fol. 5 (Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C); ediert in Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 42-43. 177 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers), fol. 4 (Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C); ediert in Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 43-44. 178 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers), fol. 2 und 3 (Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C); Regest in Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 189. 179 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers), fol. 7r -8v (Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C); Regest in Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 191. 180 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers), fol. 6 (Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C); Regest in Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 192. 181 Zur Einordnung des Processus contra dominum de Stampis in die Ereignisse auf dem 19. Ordenskapitel vgl. Kap. 5.3. 182 Zu Emmanuel Türck siehe Laurent, Inventaire des archives de l’ordre de la Toison d’or par E.J. 45 weist, mit der auch die übrigen Schriftstücke des Dossiers »Ausschließung Nevers« versehen sind. Die Hefte messen 30 cm × 22,5 cm. Das erste Heft umfasst fünf, das zweite zehn Doppelblätter. Eine Blatt- oder Seitenzählung ist nicht vorhanden. Das gesamte Konvolut ist ursprünglich in der Mitte längs geknickt gewesen, zudem sind Spuren von Verschnürung und Reste eines roten Siegels an zwei Stellen auf dem Umschlagblatt erkennbar. Auf der äußeren Umschlagseite enthält es den nachgetragenen Vermerk Processus contra dominum de Stampis; detur magistro Martino Steenberch 183 ; xxiij <LL>; 1462. 184 Die Abschriften sind von einer Hand in einer regelmäßigen burgundischen Notula geschrieben, wobei das erste Heft mehr Sorgfalt erkennen lässt als einige Abschnitte des zweiten Heftes. Inhaltlich kann das Aktenmaterial - ohne die erwähnten beigefügten Stücke - in drei Teile gegliedert werden: Das erste Heft (fol. 2r-8r) enthält Abschriften von Protokollen die die Aussagen sieben verschiedener Männer aus Brüssel vor dem dortigen Schöffengericht wiedergeben. Darauf lässt die kopierte Signatur schließen, die als ursprüngliche Verfasser der Vorlage H. de Palude und P. Maersalc 185 nennt. Hier handelte es sich laut Abschrift um Angehörige des loy de la ville de Bruxelles, also des Brüsseler Schöffengerichtes. Die niedergeschriebenen Aussagen werden auf den 19. März 1462 (1463) datiert. Das zweite Heft setzt sich aus zwei verschiedenen Teilen zusammen: Auf folio 11r-26v befinden sich die Abschriften der Protokolle des Verhörs Jean de Bruyères durch die Untersuchungskommission des kirchlichen Gerichtes. Dokumentiert werden die Befragungen einiger der Brüsseler Zeugen und die Befragungen eines Mannes namens Jean de Bruyère durch die vom Bischof von Cambrai eingesetzte Untersuchungskommission. Der Verhörte wurde mithilfe von Gegenüberstellungen, eingehenden Befragungen und unter Anwendung der Folter zu den Zaubereigerüchten gegen den Grafen von Étampes befragt. Im Anhang dieser Prozessprotokolle (fol. 27r-28r) befinden sich die Abschriften verschiedener Briefe. Auf den Blättern der Hefte lassen sich Wasserzeichen nachweisen. Bei einem handelt es sich um ein zweikonturiges P, das mit einem Vierblatt gekrönt ist. Der de Turck, S. 23. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 29, Anm. 142. 183 Martin Steenberch, seit 1461 Greffier des Ordens vom Goldenen Vlies. Zu Steenberch vgl. auch Kap. 5.3. 184 Die Datierung des Umschlagblattes berücksichtigt nicht die Datierung nach dem Osterjahr in Burgund, nach der der Prozess über Ostern 1463 (in Burgund als 1462/ 63) geführt wurde. Ausführlicher zur Datierung vgl. Kap. 2.1.3. 185 Zwar sind sowohl die Familien Maersalc (Maerschalk) (KBR II 2198 und 2164) und (de) Palude (KBR II 1932, fol. 49v.) in Brüssel nachzuweisen, ein konkreter H. De Palude oder P. Maerscal kann aber leider nicht für das 15. Jahrhundert ausgemacht werden. Es kann zwar ein Adrien de Marselaer als Brüsseler Schöffe für das späte 15. Jahrhundert nachgewiesen werden; unklar ist allerdings, ob zu dem genannten P. Maerscal verwandtschaftliche Verhältnisse bestehen. Laurent und Roelandt, Les échevins de Bruxelles (1154 - 1500), S. 77. 46 Schaft des P ist gespalten und die Schaftenden sind verschlungen. 186 Auf anderen Blättern ist ein Ankerwasserzeichen ohne Kreis erkennbar. 187 Zudem gibt es ein drittes Wasserzeichenmotiv, das allerdings durch die enge Beschriftung der Seiten nicht eindeutig zu identifizieren ist. Es wird sich vermutlich um ein Helmmotiv handeln. 188 Die lose beigelegten Blätter haben das Format 29,5 cm × 22,5 cm und 13 cm × 22,5 cm. Den Knickspuren und der Form des kleineren Blattes nach zu deuten hatte letzteres als Umschlag für das größere Blatt fungiert. Das schmalere Blatt lässt den Abdruck eines Siegels erkennen. Seine Außenseite ist mit dem Namen des Adressaten, Martin Steenberch, des Greffiers des Ordens vom Goldenen Vlies, beschriftet, die Innenseite enthält einen Text des Ausstellers Pierre Bogaert, 189 der zu dieser Zeit burgundischer Prokurator an der Kurie war. Es ist auf den 9. September 1463 datiert. Das größere Blatt ist an Karl, Graf von Charolais, adressiert und datiert auf den 8. September [1463]. Beide Schriftstücke sind in einer regelmäßigen burgundischen Notula von einer Hand verfasst worden. Bei dem Schreiben an Karl handelt es sich um ein Konzept eines Breves Pius II., (ab? )geschrieben von Pierre Bogaert, der auch das Begleitschreiben verfasst hat. Auf diese Stücke wird in Kapitel 4.1.1 noch näher einzugehen sein. Bei dem zuvor beschriebenen Aktenkonvolut handelt es sich um notariell beglaubigte Abschriften, die aus einer Hand stammen und - wie die Unterschrift am Ende des Prozesses belegt - von Jean Gros, Sekretär des Herzogs von Burgund und des Grafen von Charolais, verfasst worden sind. 190 Jean Gros fungierte bei den Untersuchungen des kirchlichen, durch den Bischof von Cambrai autorisierten Gerichtes als Protokollant und Notar der Befragungen. Diese ordentlichen Prozessabschriften sind, wie Jean Gros es im Aktenmaterial ausdrückt, »nach der Form und Art des kirchlichen Prozesses im Wesen des heiligen katholischen Glaubens« angefertigt worden. 191 Der Sekretär schrieb 186 http: / / www.piccard-online.de/ struktur.php? anzeigeKlassi=004.002.002.002.014&ord nr=115962 (zuletzt zugegriffen am 18.12.2015); Der Buchstabe p war ein beliebtes burgundisches Wasserzeichen. Siehe Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 32. Der verschlungene Schaft scheint allerdings eine Besonderheit zu sein; ein genaues Pendant konnte nicht nachgewiesen werden. 187 http: / / www.piccard-online.de/ struktur.php? anzeigeKlassi=004.002.002.002.014&ord nr=115962 (zuletzt zugegriffen am 18.12.2015). 188 http: / / www.ksbm.oeaw.ac.at/ _scripts/ php/ loadWmIcons.php? rep=briquet&IDsubtypes=448& lang=fr (zuletzt zugegriffen am 18.12.2015). 189 Es handelt sich dabei um Pierre Bogaert (für den auch die Schreibweisen Bogart oder Bogard bekannt sind), Archidiakon in Cambrai und Valenciennes und procureur des Herzogs am päpstlichen Hof seit mindestens 1459. In diesem Jahr bekam er auch das Amt eines Kanzleischreibers an der Kurie verliehen. Vgl. Catalogue des actes de Charles le Téméraire, hrsg. von Stein, 1211, 1751, 2077, 2271; Sohn, Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431 - 1474), S. 203; Vaughan, Philipp the Good, S. 217. 190 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 28r. 191 Selon la forme et maniere de proceder en l’eglise en matiere de la sainte foy catholique. HHStA, 47 die bereits bestehenden Materialien ab, protokollierte die Befragungen und Gegenüberstellungen der Untersuchungskommission und fertigte Reinschriften von diesen an. Zudem fügte er Erläuterungen und Einleitungen in das Aktenmaterial mit ein. Als Notar nahm Jean Gros damit auch hinsichtlich heutiger Bewertungen der Prozessakten, die in der aktuellen Forschung als stark konstruierte Texte gelten, eine bedeutsame Rolle ein. 192 Jean Gros selbst beschreibt seine Aufgabe am Ende der Prozessabschriften. Er erläutert dort, dass er den Prozess auf Anweisung der Kommissare protokolliert habe, und beschreibt Einzelheiten der Zusammenstellung. 193 Dabei lässt er bei den Prozessakten eine systematische Redaktion erkennen. Er begleitet die Protokolle der Verhöre mit einleitenden Beschreibungen zur Einberufung der Kommission, gefolgt von den Abschriften der Protokolle, und beendet die Zusammenstellung durch die Beifügung der kopierten Briefe. Da Originale nicht überliefert sind, ist es nicht möglich, die Genauigkeit der Abschriften festzustellen. Durch die Sorgfalt, die diese aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ordnungsgemäße schriftliche Prozessaufzeichnungen handelt. Dass es sich bei dem Material um Abschriften handelt, kann zudem an mehreren Indizien festgemacht werden. Zum einen sind die einzelnen Teile durchgehend von einer Hand geschrieben, obwohl die Brüsseler Protokolle offenbar ursprünglich von den Brüsseler Schöffen de Palude und Maerscalc, dokumentiert wurden. Die Verhöre in Le Quesnoy werden durch Jean Gros sowohl eingeleitet als auch beendet; auch die Abschriften der Briefe werden von ihm mit einigen Sätzen eingeordnet. Das Material weist zum anderen verschiedene Schreibfehler auf. So finden sich beispielsweise auf fol. 3v in Zeile 21 Hinweise darauf, dass Jean Gros beim Abschreiben in der Zeile verrutscht ist. Die durchgestrichenen Wörter <maistre gilles> korrespondieren mit den gleichen Wörtern in Zeile 20. Ähnliches findet sich auch auf fol. 6r. 194 Die Protokolle der Verhöre in Le Quesnoy wurden als Reinschriften in das Aktenkonvolut übernommen. Auch hier finden sich mehrfach Streichungen von Wörtern, Buchstaben und Satzanfängen. 195 Eine andere während der Zeit in Le Quesnoy von Jean de Bruyère niedergeschriebene Aussage ist ohne Bruch zum Zeitpunkt des entsprechenden Untersuchungstages in die Akten integriert. 196 Beachtenswert ist zudem, dass Jean Gros die Orthogra- AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v. Eine genauere Einordnung dieses Magieprozesses in die Entwicklung der Magie- und Aberglaubensprozesse des Spätmittelalters erfolgt in Kap. 4. 192 Ammann-Doubliez, Les chasses aux sorciers vues sous un angle politique, S. 12; Brundage, Medieval Canon Law, S. 138-139; Sabean, Property, production and family in Neckarhausen, S. 71-72; Gleixner, »Das Mensch« und »derKerl«, S. 20. 193 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 194 So bspw. <et b> Incontinent et buveroient oder <proste> protestor 195 Vgl. beispielsweise HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r, fol. 12v, 15r. 196 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 48 phie der von ihm abgeschriebenen Texte achtet: So wird die Stadt Brüssel in den Zeugenaussagen durchgehend Bruxelles geschrieben. 197 Bei der Niederschrift der Verhöre in Le Quesnoy hingegen wird die Schreibweise Brucelles verwendet. 198 Auch bei der Schreibweise der Namen kommt es verschiedentlich zu Variationen. Bei der Aussage des Wachsziehers Josse Doegens wird der Brüsseler Apotheker beispielsweise Vranck geschrieben, 199 bei Francks eigenen Aussagen wird die Schreibweise Franque verwendet; 200 in den Abschriften der Schriftstücke Jean de Bruyères findet man zudem die Variation Francq. 201 Die geläufigste Schreibweise ist aber die hier verwendete, nämlich Franck. 202 Diese Beispiele belegen auch, dass über die in Brüssel niedergeschriebenen Teile offenbar einige flämische Schreibweisen in die Akten gelangt sind. Bei den Abschriften der Verhöre Jean de Bruyères fallen noch weitere Begriffe auf, die in ihrer Orthographie variieren können. So erscheint Charles de Noyers sowohl in der normalen, als auch in einer Schreibweise ohne s als Charle. Lui kommt in den Schreibweisen lui, ly und luy vor. 203 An dieser Stelle sollen auch einige Worte über die Benennung des Aktenkonvolutes verloren werden, die etwas irreführend erscheinen mag, stellt man in Rechnung, dass es sich zunächst um Befragungen des Mannes Jean de Bruyère handelt. Da die Untersuchungen in Le Quesnoy - dies sei vorweggenommen - mit sehr schwerwiegenden, die Ehre des Grafen von Étampes betreffenden Ergebnissen endeten, ist es wahrscheinlich, dass die Akten im Vorgriff auf einen möglichen Prozess gegen den Grafen von Étampes so benannt wurden, obgleich eine Befragung seiner Person mit dem Material nicht überliefert wurde. 204 Es scheint sich bei den Befragungen Jean de Bruyères also um intensive Voruntersuchungen für einen späteren Prozess gegen den Grafen von Étampes gehandelt zu haben, die als Beweismaterial fungieren sollten. 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v-22v. 197 Vgl. z.B. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r, 3v oder 4r. 198 Vgl. z.B. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r, 12r oder 14v. 199 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3r. 200 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4vf. Für weitere Schreibweisen siehe auch 5v, 6v und 8r. 201 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r. 202 So beispielsweise HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 5v, 6v, 7 r, 8r; z.T. mit angehängtem e. Diese Schreibweise kommt zudem der heutigen am nächsten, weshalb sie in der Arbeit verwendet werden soll. 203 Für die Schreibweisen ly oder luy vgl. bspw. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v oder 12r. 204 Im Folgenden soll in Anlehnung auf die Bezeichnung des Aktenkonvoluts von einem Prozess oder von den Untersuchungen gesprochen werden, wenn es um die Ereignisse in Le Quesnoy geht. 49 2.1.2. Die Sprache des Prozesses Die Prozessakten sind fast durchgehend auf Französisch verfasst, auch wenn sich einige wenige Teile auf Latein finden. Bei diesen handelt es sich zunächst um eine schriftlich niedergelegte Aussage des Minoritenbruders Jean Mussche. Auch der Brief des Bischofs von Cambrai, mit dem die Untersuchungskommission eingesetzt wurde, sowie die Korrespondenz zwischen Jean de Bruyère und Franck op te Waghe sind in lateinischer Sprache verfasst. Die Brüsseler Schöffen erwähnten bereits bei der Beglaubigung ihrer Protokolle, dass »unter den verschiedenen Schriftstücken eines auf Latein, einige auf Französisch und andere auf Niederländisch waren. Diejenigen, die auf Niederländisch waren, sind ins Französische übersetzt worden.« 205 Hier wird es sich wohl um die Aussage des Formschneiders Jacques de Knibbere handeln, der vor dem Gericht zu Protokoll gab, dass er mit Franck anstelle von Charles de Noyers gesprochen habe, da letzterer kein Niederländisch (thioix) gesprochen habe. 206 Die Praxis, bei in den Niederen Landen geführten Prozessen und Verwaltungsfällen auch das Flämische zu verwenden, war zudem ein durchaus übliches Vorgehen der burgundischen Herzöge, die auf diese Weise einer selbstbewussten flämischen Bevölkerung und den zum Teil fehlenden Französischkenntnissen Rechnung trugen. 207 Nur bei dem Minoritenbruder Jean Mussche finden sich, wie erwähnt, auch Aussagen auf Latein, die in dieser Sprache belassen wurden. Diese Vorgehensweise und die Zusammenstellung des Materials in unterschiedlichen Sprachen begründet der Schreiber Jean Gros mit folgenden Worten: »Dieser vorliegende Prozess wurde in der französischen Sprache und der Volkssprache begonnen, weitergeführt und geschrieben, in der Form, in der die Befragungen gemacht wurden, um sie nach Abschluss des genannten Prozesses ins Lateinische zu setzen und zu übersetzen, in der Art und Weise des Vorgehens der Kirche in Angelegenheiten des heiligen katholischen Glaubens, auf Anweisung der genannten Kommissare zu jenem Zweck, dass diese, die dort anwesend waren und kein Latein verstehen, alles dies verstehen und hören konnten, wonach Meister Jean de Bruyère gefragt wurde und wie er darauf antwortete. Und außerdem, weil der Hauptteil des Prozesses und seines Geständnisses, das er selbst mit seiner eigenen Hand aufgeschrieben hat, in dieser Volkssprache ist.« 208 205 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 8r. 206 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v. 207 Zur Sprachpolitik der burgundischen Herzöge insbesondere in Flandern vgl. Boone, Langue, pouvoirs et dialogue, S. 20-31. 208 Ce present proces a esté commencé, continué et escript en langaige françois et vulgaire en la forme que les interrogatoires estoient faites, pour mettre et translater en latin quant ledit proces prendra fin selon 50 Es ist zunächst davon auszugehen, dass es sich bei den Personen, für die der Prozess in der französischen Sprache abgehalten wurde, um die Befragten handelte. Zwar können beispielsweise für Jean de Bruyère und für den Apotheker Franck durch ihre Korrespondenz Kenntnisse in lateinischer Sprache nachgewiesen werden, anderen Aussagenden kann man jedoch keine diesbezüglichen Fähigkeiten bescheinigen. Die Mitglieder der Kommission waren größtenteils Studierte der Theologie und der Rechtswissenschaften, sodass hier Lateinkenntnisse vorausgesetzt werden können. Bei den Delegierten der Kommission ist nur bei den Herren von Fourmelles und von Contay eine die lateinische Sprache umfassende Bildung nicht gesichert. 209 Die von Jean Gros angekündigte lateinische Übersetzung des Prozesses nach kirchlichem Recht ist uns ebenso wenig überliefert, wie es die Vorlagen für die uns vorliegenden Abschriften sind. Dies ist insbesondere deswegen bedauerlich, weil man dadurch mögliche Änderungen zwischen den einzelnen Entstehungsschritten nicht nachvollziehen kann. Die Sorgfalt, die Jean Gros aber der beglaubigten Abschrift - wie oben gezeigt - angedeihen ließ, lässt darauf schließen, dass der Sekretär seiner notariellen Pflicht mit großer Gewissenhaftigkeit nachgekommen ist und auch eine lateinische Abschrift keine inhaltlichen Änderungen aufgewiesen hätte. Die einleitenden und abschließenden Zusätze des Jean Gros sind zudem für die Einordnung des Processus contra dominum de Stampis sehr aufschlussreich, da sie einige Informationen zur Initiierung des Prozesses bereithalten. 210 2.1.3. Datierung der Prozessakten Der zeitliche Rahmen der Erstellung der Prozessakten lässt sich aus dem Material selbst bestimmen oder eingrenzen, geben doch die Akten durch die Nennung mehrerer Daten einige Hinweise auf ihre Entstehungszeit, was durch die datierten Unterschriften des Jean Gros ergänzt wird. 211 Die in den Abschriften enthaltenen Aussagen aus Brüssel sind original auf den 19. März 1462 datiert. Der erste Befragungstag in Le Quesnoy ist nur kurze Zeit später, nämlich am 31. März zu verzeichnen. Da burgundisches Aktenmaterial in der Regel nach dem Osterjahr datiert ist, kann man - unter Einbeziehung des Ostertages, der 1463 auf den la forme et maniere de proceder en l’Eglise en matiere de la sainte foy catholique par l’ordonnance desdis commissaires a celle fin que ceulx qui la estoient presens non entendans latin poussent entendre et congnoistre tout ce dequoy maistre Jehan de Bruyere estoit interrogué et comment il en respondoit, et en oultre pour cause que la principale partie du proces et de sa confession il a lui mesmes escript de sa propre main en cedit langaige vulgaire. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v. 209 Zu den Mitglieder der Kommission vgl. Kap. 2.3.2. 210 Dies soll in Kap. 2.3.1 Gegenstand der Betrachtung sein. 211 Eine Datierung der Ereignisse der Prozessakten soll im Zusammenhang mit der Zusammenfassung der Vorgänge vorgenommen werden, da sich die Datierung hauptsächlich aus dem Verlauf der Ereignisse ergibt. Mögliche Unklarheiten sollen dadurch vermieden werden. 51 10. April fiel, und durch die im Material verwandten Wendungen »vor Ostern« (avant Pasques) und »nach Ostern« (apres Pasques) - belegen, dass die Befragungen sich über die Ostertage hinzogen, was sich auch durch eine Befragungspause von mehreren Tagen nachvollziehen lässt; 212 das Prozessmaterial ist demnach in das Jahr 1463 einzuordnen. 213 Die Brüsseler Zeugenaussagen sind nicht einzeln datiert, aber es ist davon auszugehen, dass die Befragungen der Zeugen und die Aufnahme der Protokolle während weniger Tagen erfolgten und wohl ebenfalls im Frühjahr des Jahres 1463 - Ende Februar oder Anfang März - stattgefunden haben. Da bei einer der Zeugenaussagen als befragende Person auch ein Mitglied des Hofes des Grafen von Charolais und späterer Delegierter der Untersuchungskommission genannt wird, 214 ist es sehr wahrscheinlich, dass die weitere Verfolgung der Anschuldigungen, also der Prozess in Le Quesnoy, in einer sehr kurzen Zeitspanne angestoßen wurde. Dies belegt weiterhin der Brief des Bischofs von Cambrai, der nach dem Bekanntwerden der Gerüchte um Jean de Bruyère, den Grafen von Étampes und andere Personen anlässlich der Einberufung einer Kommission verfasst wurde und auf den 28. März datiert ist. 215 Die Abschriften der Prozesstage in Le Quesnoy sind sehr genau datiert und nach den Untersuchungstagen geordnet. Die Befragungen in Le Quesnoy erstreckten sich danach vom 31. März bis zum 17. April. In dieser Zeit lagen elf Untersuchungstage. Die Erläuterungen des Jean Gros geben Aufschluss darüber, dass auch nach Beendigung des Prozesses und der Abreise des Grafen von Charolais von Le Quesnoy zu seinem Vater, dem Herzog von Burgund, Kontakte zwischen der Kommission und dem Befragten Jean de Bruyère bestanden. Die Abschrift muss also einige Tage nach dem 17. April vollendet worden sein. Erste Reaktionen auf die Aufdeckung der Anschlagspläne seitens des burgundischen Hofes und der Kurie sind für Juni zu konstatieren, wovon im Falle der Kurie die mit dem Prozess überlieferten Schriftstücke zeugen. Inwieweit diese auch die Reaktion des burgundischen Hofes widerspiegeln, wird an späterer Stelle zu diskutieren sein. 216 Fasst man die Ergebnisse zusammen, so müssen die Abschriften in den letzten Aprilwochen des Jahres 1463 entstanden sein und sich auf Material gestützt ha- 212 Der sechste Untersuchungstag datiert auf den 8. April, fortgesetzt wurden die Befragungen am 12. April. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23r und 23v. 213 Im Folgenden sind Jahreszahlen um den Ostertag bereinigt. Wenn also vom Jahr 1463 geredet wird, bedeutet dies, dass die handschriftliche Nennung, sofern sie vor dem 10. April liegt, 1462 gewesen ist. 214 Es handelt sich dabei um den Erzdiakon von Avallon, Guillaume de Clugny. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v. Siehe auch Kap. 2.3.2. 215 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27r. 216 Siehe Kap. 5.1, insbesondere 5.1.1. 52 ben, das seit Februar, spätestens aber März 1463 gesammelt worden war. Nach diesem Befund wurde der Prozess sehr zügig durchgeführt. 2.2. Eine kurze Skizze des Prozessthemas und Datierung der Ereignisse Die uns zur Verfügung stehenden Materialien - die Aussagen aus Brüssel, die Prozessakten und die unterschiedlichen Briefe sowie die Erwähnungen in der zeitgenössischen Chronistik - lassen ein recht genaues Bild von den Ereignissen der Jahre 1462/ 63 zeichnen. Die Zeugenaussagen geben einen Eindruck davon, wie zwei Personen, Jean de Bruyère und Charles de Noyers, die als Bedienstete des Grafen von Étampes identifiziert werden können, in Brüssel auf der Suche nach Formen für Wachsfiguren und Meistern der Astrologie oder Nigromantie 217 sowie verschiedener magische Künste waren. Die Zeugen stammen alle aus der Brüsseler Bürgerschaft, insbesondere aus dem Brüsseler Handwerk, die im Zuge der Suche nach Wachsfiguren aufgesucht worden waren, darunter ein Goldschmied, ein Formschneider und ein Steinmetz. Eine größere Rolle spielen der Minoritenbruder Jean Mussche und der Apotheker Franck op te Waghe. Die Zeugenaussagen lassen vermuten, dass Jean de Bruyère und Charles de Noyers einen Anschlag mit magischen Mitteln auf Karl von Burgund, Graf von Charolais, geplant hatten. Aufgrund dieser Zeugenaussagen wurde eine Kommission zur Vorbereitung eines kirchlichen Gerichts durch den Bischof von Cambrai einberufen, welche die in den Aussagen beschriebenen Vorkommnisse weiter untersuchen sollte. Die Kommission befragte den festgenommenen Hauptverdächtigen Jean de Bruyère - Charles de Noyers war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefasst worden - und stellte ihn verschiedenen Zeugen aus Brüssel gegenüber. Die Kommissare konnten an den elf Untersuchungstagen von Jean de Bruyère erfahren, dass Charles de Noyers und er im Auftrag des Grafen von Étampes Formen für Wachsfiguren und Meister für magische Praktiken suchen sollten. Die Idee dazu sei durch Charles de Noyers an den Grafen von Étampes herangetragen worden, die Planung und Durchführung soll allerdings durch Johann von Burgund selbst vorgenommen worden sein. Die Kommissare konnten herausfinden, dass der Graf von Étampes die Wachsfiguren dazu verwenden wollte, die Zuneigung von Ludwig XI. und Philipp dem Guten sowie deren Ehefrauen zu erlangen. Gegen Karl, den Grafen von Charolais und burgundischen Erben, sollte hingegen ein Schadenszauber erwirkt werden. Durch die in den Akten überlieferten Briefe erhält man zudem Informationen zur Reaktion des burgundischen Hofes. Die Datierung der Ereignisse, die in den Aussagen offengelegt werden, ist schwieriger als die des Prozesses und des Aktenmaterials. Anhaltspunkte geben 217 Hinsichtlich der Begrifflichkeiten vgl. Kapitel 3.1. 53 uns hier die Aussagen der Brüsseler Zeugen und die Angaben, die durch das Verhör in Le Quesnoy zutage traten, sowie die Briefe, die zwischen Jean de Bruyère und dem Apotheker Franck op te Waghe gewechselt wurden. 218 Durch die Aussagen Jean de Bruyères während der Befragungen in Le Quesnoy erfährt man, dass der erste Kontakt mit seinem Komplizen Charles de Noyers um das Weihnachtsfest 1461 stattgefunden hat. 219 Die auf Charles’ Vorschlag hin beginnende Suche nach Formen und Figuren aus Wachs sowie die Durchführung der damit vorgesehenen Praktiken erstreckte sich über einen längeren Zeitraum, nämlich seit Ende 1461 bis mindestens zum Spätsommer 1462, möglicherweise aber auch noch bis zu Beginn des Jahres 1463. Einige konkrete Daten werden zudem in den Aussagen der Brüsseler Zeugen genannt. Colart Faverreel erwähnt den Besuch des Charles de Noyers bei Josse Doegens an Mariä Lichtmess (2. Februar), während Jean Mussche an diesem Tag mit Jean l’Alleman zusammentraf. Zudem erfahren wir von einem Treffen von Colart Faverreel und Josse Doegens sowie des Apotheker Franck an Aschermittwoch. 220 Die Zeugenaussagen nennen zwar keine Jahreszahl, aber da die Treffen, anlässlich derer die Daten genannt wurden, ebenfalls der Suche nach Zaubereiutensilien und -praktiken dienten, ist es wahrscheinlich, dass es sich um das Jahr 1462 gehandelt hat. Der Zeitpunkt der Durchführung des Rituals ist ebenfalls nicht sicher datierbar. Es findet sich bei den Aussagen Jean de Bruyères allerdings der Hinweis, dass die Verschwörer beim Gießen der Wachsfiguren auf »das Zeichen des Löwen« und »das Zeichen der Jungfrau« gewartet haben. Wenn man annimmt, dass es sich dabei um die monatlichen Tierkreiszeichen handelt, die direkt aufeinander folgen, so müsste sich das Gießen der Figuren im August des Jahres 1462 ereignet haben. Unter dieser Prämisse wäre auch das Treffen der Komplizen Jean und Charles mit den verschiedenen Personen in Brüssel auf das Frühjahr 1462 einzugrenzen, nach der Kontaktaufnahme zwischen Charles und Jean um Weihnachten 1461. Die Korrespondenz Jean de Bruyères und Franck op te Waghes ist auf den 18. Juni bzw. 26. Juni ohne Jahresangabe datiert. Da es sich um Briefe handelt, die vor der Festnahme der beiden Personen gewechselt wurden, dürfte es sich um das Jahr 1462 handeln. Die Briefe liefern unvollständige Nachrichten zur Suche nach Wachsfiguren bzw. deren Formen sowie Nadeln. Sie wurden also während der Vorbereitungen für den magischen Ritus in der Phase der Utensilienbeschaffung geschrieben. Die Aussagen Jean de Bruyères lassen vermuten, dass die auf das Gießen der Figuren folgenden Praktiken in nicht allzu langem Abstand durchgeführt wurden. Demnach kann man davon ausgehen, dass auch 218 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v und 28r. 219 Der genaue Wortlaut gibt uns Anhaltspunkte, um den Beginn der Verschwörung auf das Jahr 1461 zu datieren. Environ le Noel derriere passé vint Charles de Noyers a Brucelles. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21 v. 220 Jour de cendres. 54 das Komplott auf das Jahr 1462 zu datieren ist. Inwieweit es Wiederholungen der Prozeduren gab, ist nicht ersichtlich. Geht man von diesen groben Rahmendaten aus, so ist für die Vorbereitung und Durchführung des magischen Ritus ein Zeitraum von einem knappen Jahr anzunehmen. Von der Entdeckung der Verschwörung bis zum Ende der Befragungen sind hingegen nur wenige Wochen vergangen. Bezieht man die direkten Folgen der Untersuchungen mit ein, so endet die Affäre um den Grafen von Étampes im September 1463. Wie noch zu zeigen sein wird, kann der Fall Étampes aber erst 1468 durch die Ereignisse auf dem Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies in Brügge als beendet betrachtet werden. 221 2.3. Die Akteure 2.3.1. Die Einberufung der Untersuchungskommission Neben den Prozessakten ist der Brief des Bischofs von Cambrai, der an einige Mitglieder der Kommission adressiert und mit dem Prozessmaterial überliefert worden ist, eine weitere wichtige Quelle. 222 Die Herkunft dieser Zeugnisse gilt es bei der Beschreibung und Bewertung der Kommission und ihrer Vorgehensweise zu beachten. Man kann zudem annehmen, dass der Graf von Charolais oder der burgundische Hof die einleitenden Worte Jean Gros’ zu der Einsetzung der Kommission autorisierte. Die Schilderungen Jean Gros’ geben zunächst darüber Auskunft, dass es der Graf von Charolais gewesen sei, der das Verfahren gegen Jean de Bruyère in die Hände der Kirche gelegt habe. Er beschreibt die Ursachen, die den Grafen dazu bewogen haben sollen, wonach Karl von dem Vorhaben Jean de Bruyères und einiger anderer erfahren habe, mittels Wachsfiguren, Beschwörungen, Zauberei und diabolischen Anrufungen in Brüssel Schaden gegen ihn zu erwirken. 223 Woher diese Informationen stammten, wird nicht berichtet. Da diese Angelegenheit nicht nur ihn beträfe, sondern auch den heiligen Glauben, habe er Meister Innocenz de Crécy, Lizentiat des Kirchenrechts und sein aulmosnier, zum Bischof von Cambrai geschickt, da Brüssel in den Zuständigkeitsbereich dieser Diözese falle. 224 Diese Vorgehensweise war im spätmittelalterlichen Brüssel durchaus üblich. Besonders Angelegenheiten bezüglich Magie, Zauberei, Häresie, Moral oder Wuchers 221 Vgl. Kap. 5.3. 222 Für die diesbezüglich folgenden Aussagen vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r; der Brief des Bischofs befindet sich auf fol. 27r. 223 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r 224 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r 55 unterstanden spätestens seit dem 13. Jahrhundert der Gerichtsbarkeit des Bischofs von Cambrai. 225 Diese Diözese, die vom Reich abhängig war, umfasste im 14. und 15. Jahrhundert Teile Flanderns, des Hennegaus und Brabants, darunter auch Brüssel. 226 In der Diözese selbst gab es eindeutig festgelegte Regeln für die Handhabung von Zaubereifällen, die aus einem generellen Konflikt Herzog Philipps des Guten mit den Offiziellen der Diözese um die Zuständigkeiten des geistlichen Gerichtes im Jahre 1448 resultierten. 227 Dabei heißt es in dem Abschnitt, der sich mit Zauberei befasst, das geistliche Gericht und die Offiziellen der justice temporelle sollen bei der Anrufung böser Geister, dem Leugnen der Heiligen Sakramente oder anderen Zaubereien das tun, was diesbezüglich ihre Gewohnheit ist. 228 Die Prozessakten belegen mit der Übermittlung der vor dem Schöffengericht getätigten Aussagen zudem eine Zusammenarbeit des Brüsseler Gerichtes mit der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Cambrai, die offenbar problemlos vor sich ging. Unklar bleibt an dieser Stelle allerdings, wann die Aussagen vor dem Schöffengericht getätigt wurden. Wurden die Aussagen aufgenommen, bevor Karl davon erfuhr, und waren sie damit der Grund für die Gerüchte? Oder ordnete man die Aussagen erst im Auftrag des Grafen aufgrund ebendieses Geredes an? Die Verhöre Jean de Bruyères liefern im Verlauf der Untersuchungen in dieser Frage verschiedene Anhaltspunkte. So berichtete er am dritten Befragungstag, als er gefragt wurde, wem er von den Figuren, mit denen man Zuneigung erzeugen könne, erzählt habe, dass dies Franck und zwei oder drei andere gewesen seien. Die Kommissare forschten daraufhin weiter nach, wer diese Personen gewesen seien und erfuhren, dass Jean mit Meister Thomas, dem Bailli d’Amiens, Philippe de Crèvecœur, 229 und mit 225 Martens, Histoire de Bruxelles, S. 128. Allgemein zur Diözese Cambrai zur Zeit des Hauses Burgund vgl. Moreau, Histoire de l’Église en Belgique 3, Sp. 585-588. Zu Brüssel als eine der wichtigsten Städte Brabants und häufiger Aufenthaltsort des Herzogs vgl. Smolar-Meynart, L’élaboration de son image de capitale en politique et en droit en Moyen Âge, S. 25-46 und neuerdings de Jonge, La Cour à la Ville. Mit einem vergleichenden Ansatz geht Blockmans insbesondere auf Brüssel, Brügge, Gent und Lille zu Zeiten der burgundischen Herzöge im 15. Jahrhundert ein. Blockmans, Court and City. 226 Maillars-Luypaert, Le duc de Bourgogne Philippe le Hardi a-t-il voulu faire assassiner l’évêque de Cambrai Pierre d’Ailly en 1398? , S. 43. 227 AD Nord 3 G 543, 7. Vgl. auch Thelliez, Un compromis pour la jurisdiction spirituelle de Hainaut, S. 375-380; zu Offiziellen als juristisch delegierte Pesonen vgl. Brundage, Medieval canon law, S. 121-122. 228 AD Nord 3 G 543, 7. Zum Bistum von Cambrai und den juristischen Konflikten vgl. auch Lameere, Le Grand Conseil des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, S. 153-154. 229 Die Bailliage d’Amiens war zwischen 1435 bis ca. 1470 in einen burgundischen (bailliage par dela la Somme) und einen königlichen (bailliage par deça la Somme) Teil aufgeteilt. Eine Intervention seitens des Vertreters der burgundischen Seite ist an dieser Stelle allerdings wesentlich wahrscheinlicher, da der Graf von Étampes zu dieser Zeit noch wesentlich stärker mit dem burgundischen Hof verbunden war. Die burgundische Bailliage »dela la Somme« hatte seit Juli/ August 1462 Philippe de Crèvecœur inne, der damit Nachfolger Anthoines de Crèvecœur war. Erst im November 1463 ging diese Bailliage an Jehan de Lannoy über. Maugis, Essai sur les recrutements et les attributions des principaux affices du siège du baillage d’Amiens de 1300 à 1600, S. XXIIII-XXV. Philippe de Crèvecœur war nicht nur bailli d’Amiens, er wuchs am bur- 56 Henry de Chissey 230 gesprochen hatte. 231 Einen Tag später berichtete Jean auf die Frage, wie er inhaftiert wurde, dass er in Brüssel zunächst von der Verhaftung des Meisters Gilles gehört habe, den Jean auf der Suche nach Meistern der Magie kennengelernt hatte. Etwas später sei er dann vom Bailli d’Amiens, Philippe de Crèvecœur, und von Guillaume de Bery, 232 maieur und lieutenant général des Bailli von Amiens sowie Seigneur de Hamel, Metz und de Seleux, befragt worden. Aus welchen Gründen man Meister Gilles festgenommen hatte, wird aus den Aussagen Jeans nicht ersichtlich. Er könnte aufgrund von Gerüchten verhaftet worden sein, weil er den falschen Leuten von seinem Wissen erzählt hatte oder weil in dieser Angelegenheit aktiv nach ihm gesucht wurde. Der Bailli d’Amiens, dies wird im Zuge der Aussagen dieses Tages deutlich, hatte auch Kontakte zu Meister Thomas, der ebenfalls in die Suche nach Formen und Wachsfiguren involviert war. Es besteht somit die Möglichkeit, dass Meister Thomas durch Kontakte mit Philippe de Crèvecœur die Untersuchungen initial ins Rollen brachte. Die Befragung Jean de Bruyères durch Philippe de Crèvecœur und Guillaume de Bery belegt zudem, dass bereits diese beiden picardischen Edelleute von der Suche nach Astrologen und Figuren wussten. 233 Die Konsequenz für Jean de Bruyère aus diesen Gerüchten war, dass der Bailli d’Amiens den Grafen von Étampes darüber informierte und dieser seinen Bediensteten Jean daraufhin an den Hof des Grafen von Charolais schickte. 234 Der Bailli d’Amiens und Guillaume de Bery waren bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit Johann von Burgund in Verbindung zu bringen. Genau diese beiden Personen waren es nämlich, die der Graf von Étampes gemeinsam mit dem Seigneur de Saveuse 1460 nach Arras schickte, damit diese ihn, den herzoglichen Statthalter in der Picardie, bei den Untersuchungen der Vauderie gundischen Hof auf, war Rat Philipps des Guten und kämpfte an der Seite Karls des Kühnen. 1468 wurde er in den Orden vom Goldenen Vlies gewählt. Ossoba, Philippe de Crèvecœur, S. 142-143. 230 Henry de Chissey (Sissey), Edelmann aus der Pikardie, ist gemeinsam mit einem Herrn Erart bereits im Jahre 1459 am Hof des Herrn von Étampes in Amiens nachweisbar. AmA BB 8, fol. 109v-210v. 231 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 232 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19r-19v. Guillaume de Bery, Herr von Hamel, Metz und de Seleux, war Sohn von Mile de Bery. Er bekleidete bereits seit 1442 mehrere hohe Ämter in Amiens (u.a. das Amt des Schöffen, maieur und lieutenant général des Bailli von Amiens) und wurde 1461 zum licencié en lois, conseiller et premier maistre de l’ostel de monseigneur le comte d’Estampes ernannt. Seine Karriere in Amiens ging auch während der burgundischen-französischen Wirren um die Somme-Städte weiter und endete erst mit seinem Tod im Jahre 1471. BmA BB 9, fol. 6v; Ledru, Histoire de la maison de Bery, S. 15-19. 233 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19r. 234 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v. Siehe auch Kap. 3.4.1. 57 d’Arras repräsentierten. 235 Diese Männer, die also bereits aufgrund der Prozesse in Arras Erfahrung mit Zaubereivorwürfen hatten, könnten aufgrund ihrer Vorerfahrungen in diesem Bereich anhand der Gerüchte, die umhergingen, Verdacht geschöpft haben. Da Philippe de Crèvecœur und Guillaume de Bery aus dem engeren Umfeld des Grafen von Étampes stammten, diesem aber dennoch von den Verdächtigungen erzählen, ist davon auszugehen, dass das Komplott, das der Graf von Étampes mit seinen Komplizen Jean de Bruyère und Charles de Noyers geplant hatte, vor seinem Umfeld selbst verborgen werden konnte. Philippe de Crèvecœur wäre zudem ein schlechter Mitwisser gewesen; gehörte er doch zur Gruppe Vertrauter, die Karl bereits in seiner Jugend begleiteten und durch den der Bailli später zum Vliesordensritter ernannt wurde. 236 Durch diese Verbindungen war es dem Grafen von Étampes an dieser Stelle auch nicht mehr möglich, die Angelegenheit zu vertuschen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass man die Vernehmungen in Brüssel nach dem Bekanntwerden der Gerüchte initiierte, findet sich zudem in der Aussage von Jacques de Knibbere. Dieser sei nach seiner Aussage sowohl von den Männern des Brüsseler Gerichtes als auch vom Archidiakon von Avallon, Guillaume de Clugny, einem späteren Mitglied der Kommission, verhört worden. 237 Unklar ist aber auch hier, ob Guillaume de Clugny zufällig in Brüssel war und von den Schöffen hinzu gebeten wurde, oder ob eben bereits die Aussagen vor dem Schöffengericht mit Wissen des Grafen von Charolais getätigt wurden. 238 Das Aktenmaterial lässt in diesem Punkt keine eindeutige Antwort zu. Der Bischof von Cambrai, der ein Halbbruder Philipps des Guten war, hatte nun auf Anweisung des Grafen von Charolais Beauftragungsschreiben zur Einberufung Meister Enguerrand Signards, Doktor der Theologie, und Girard Vurrys, Doktor des Rechts, versandt, die nach den Regeln des Kirchenrechts gegen Jean de Bruyère vorgehen sollten. Im Brief des Bischofs ging dieser zunächst auf die Notwendigkeit ein, die Pfarreien von »schädliche[n] vom Teufel erfundene[n] Wahrsagereien und magische[r] Kunst« 239 zu befreien, genauso wie von allen Männern und Frauen, die solchen Praktiken anhingen. Der Bischof zitierte an dieser Stelle den Apostel, 240 dass bereits ein- oder zweimal verwarnte häretische Menschen zu meiden seien, wohne ihnen doch die Bosheit inne. Er betonte zudem, dass derart verderbte Personen, die die Unterstützung des Teufels suchen, sich dabei von ihrem Schöpfer entfernen und vom Teufel festgehalten würden. Nachdem er mit diesen Worten den Ernst der Angelegenheit unterstrichen hatte, 235 Siehe hierzu Kap. 4.2.2. 236 Ossoba, Philippe de Crèvecœur, S. 142-143. 237 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v. 238 Zur Verbindung des Grafen von Charolais mit Guillaume de Clugny vgl. Kap. 2.3.2. 239 Perniciosam et acabulo inventam sortilegam et magicam artem. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27r. 240 Tit. 3, 10f. 58 erklärte der Bischof, ihm sei durch den Grafen von Charolais der Fall einer Anrufung von Dämonen und Bildmagie bekannt gemacht worden. Diese magischen Praktiken seien unter Vermischung mit den heiligen Sakramenten angewandt worden. Darin verwickelt seien Jean de Bruyère, Meister Egidius 241 , ein Arzt 242 , und Franck, ein Apotheker, gewesen. Ursächlich seien Einflüsterungen des Teufels gewesen; richten sollten sich die »schändlichsten« Taten gegen den Grafen von Charolais. Erwähnenswert ist die rhetorische Erzählstruktur des Briefes. Die Verfehlungen der genannten Personen werden nicht nur geschildert, im Laufe dessen wird die Dringlichkeit der Angelegenheit sogar noch zweimal gesteigert. Wurden die Verfehlungen bereits durch die Einleitung des Briefes als von der Kirche abweichendes Verhalten gebrandmarkt, besteht die erste durch den Bischof angebrachte Steigerung aus dem Hinweis, dass es (nach all den vorher genannten Schrecklichkeiten) unvorstellbar zu sagen sei, dass diese Taten gegen den Grafen von Charolais gerichtet gewesen seien. Was aber noch fürchterlicher sei, sei die Tatsache, dass sie die Taten schon ausgeführt hätten. 243 Von dieser Schilderung leitete der Bischof zu dem Auftrag an die Adressaten Enguerrand Signard und Girard Vurry über. Die beiden Geistlichen sollten sich über die Beschuldigten Jean, Egidius und Franck informieren und von diesen erwähnte Personen überprüfen. Weitere Verdächtige sollten nach dem Urteil der beiden Kommissare eingeladen werden können. Auch für den Fortgang dieser Untersuchungen übertrug der Bischof von Cambrai die Leitung und Amtsgewalt an Enguerrand Signard und Girard Vurry, damit diese in seinem Auftrag angemessen beurteilen, bestrafen und korrigieren mögen. 244 Sie konnten wiederum weitere delegierte Richter zur Unterstützung berufen. Zusammengefasst ordnete der Bischof in diesem Brief also im Auftrag des Grafen von Charolais die Untersuchungen an, die in den Prozessakten beschrieben sind. Jene Einflussnahme Karls, die schon im Brief deutlich zu erkennen ist, wird durch die Auswahl der Kommission noch unterstrichen, wie die Vorstellung der einzelnen Personen an späterer Stelle noch zeigen wird. Das Schreiben selbst betonte durch seinen Aufbau die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit der Angelegenheit, indem zuerst im Allgemeinen magische Praktiken, Anrufungen von Dämonen oder Bildmagie als Devianz von der kirchlichen Lehre dargestellt und als Häresie gekennzeichnet wurden. Im zweiten Schritt wurden genau solche 241 In der französischen Sprache entspricht der Name Egidius dem Namen Gilles. Eine Übereinstimmung dieser Person mit dem Meister Gilles aus den Prozessakten ist anzunehmen. 242 Die Bezeichnung Gilles’ als Arzt, nicht aber Jean de Bruyères steht im Gegensatz zu der Bezeichnung Jean de Bruyères als serviteur et medecin des Grafen von Étampes in dem Schreiben vom 28. Juni 1463, mit dem Ludwig XI. nach der Untersuchungen über die Ereignisse informiert wurde. Vgl. BNF ms. fr. 5040, fol. 180r-181r. 243 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27r. 244 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27r. 59 Vergehen geschildert, die vorher als abweichend benannt wurden und die durch die beschriebenen Steigerungen als deviant versichert wurden. Enguerrand Signard und Girard Vurry, die commissaires juges deleguez en ceste partie, 245 sollen, wie Jean Gros in der Einleitung des Prozesses weiter ausführte, aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen dem Grafen von Charolais empfohlen haben, das Brüsseler Gericht zu kontaktieren, um dort bestimme Berichte 246 oder Zeugen zu erbitten, die in der Angelegenheit Klärung verschaffen könnten. Dies sollte eine Entscheidung zur weiteren Vorgehensweise in der Angelegenheit sicherer machen. Mit diesem Vorgehen einverstanden habe der Graf von Charolais entsprechende Briefe an die Schöffen nach Brüssel geschickt, um die Zeugen nach Le Quesnoy überführen zu lassen. 247 Die in der Sache beauftragten Richter beriefen zudem drei zusätzliche Personen als Mitglieder der Kommission: Die Seigneurs de Fourmelles und de Contay sowie Meister Guillaume de Clugny, den Archidiakon von Avallon. Diese Männer fungierten während der Untersuchungen als delegierte Richter; die Bezeichnung commissaires juges deleguez scheint jedoch ausschließlich Enguerrand Signard und Girard Vurry vorbehalten gewesen zu sein. Während der Befragungen in Le Quesnoy sind nicht an jedem Tag alle Kommissare und Delegierte zugleich anwesend gewesen. Die Zusammensetzung der Kommission wird aber zu Beginn des jeweiligen Befragungstages angegeben. In der Regel führten die beiden Kommissare die Untersuchungen und bestellten zusätzlich die Seigneurs de Fourmelles, de Contay und den Archidiakon von Avallon dazu. 248 Die Konstellationen während der Befragungen konnten aber auch divergieren. So bat Jean de Bruyère nach einigen Befragungstagen dezidiert die Seigneurs de Fourmelles und de Contay um ein Gespräch, bei dem er sich zu weiteren Einzelheiten hatte äußern wollen. Die beiden Seigneurs mussten hierzu die Erlaubnis der beiden Kommissare einholen. 249 Enguerrand Signard und Girard Vurry wurden hier eindeutig als die Vorsitzenden der Untersuchungen benannt. Bei der in dieser Arbeit erfolgenden Einordnung des Aktenmaterials soll allerdings der Einfachheit halber den Begriff »die Kommission« oder »die Kommissare« verwendet werden. Ist die Konstellation der Kommission für die Darstellung der betreffenden Sachverhalte wichtig, so wird diese explizit angegeben. 250 245 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r. 246 Auch an dieser Stelle wird nicht deutlich, ob die Verhöre dadurch erst initiiert werden oder ob schon Protokolle der Verhöre vorlagen. 247 Dieses Schreiben Karls ist nach derzeitigem Forschungsstand leider nicht überliefert. 248 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), 16r. 249 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. 250 Die genaue Konstellation ist zudem immer in den Regesten des jeweiligen Tages verzeichnet (siehe Anhang). 60 Die Untersuchungen fanden in dem zu der Diözese Cambrai gehörenden Ort Le Quesnoy in der Grafschaft Hennegau statt. Bereits zu Beginn der Untersuchungen waren neuerliche Befragungen der aus Brüssel erbetenen Zeugen sowie Gegenüberstellungen mit dem Verdächtigen Jean de Bruyère geplant, um deren Aussagen abzugleichen. Entsprechend dieser von Jean Gros festgehaltenen Informationen befand sich Jean de Bruyère zu diesem Zeitpunkt bereits an Ort und Stelle. 251 Als Lokalität der Untersuchungen ist mit Le Quesnoy ein Ort gewählt worden, der neben der Lage in der Diözese Cambrai einen weiteren, entscheidenden Vorteil aufwies: Karl versuchte seit etwa 1457, sich im Bereich der Grafschaft Hennegau und in Teilen Hollands eine eigene Machtbasis zu schaffen. Zu diesem Zwecke hielt er sich sehr oft auf holländischem Gebiet und als Herr von Le Quesnoy auch oft auf der Burg dieser kleinen befestigten Stadt auf. 252 Es ist daher anzunehmen, dass ebendiese Burg die Räumlichkeiten bot, die man für die Befragung und sichere Verwahrung des Verdächtigen benötigte. 253 2.3.2. Die Mitglieder der Kommission und ihr Umfeld Die Personen, die auf Seiten der Verhörenden mit dem Prozess in Verbindung standen, sind der Bischof von Cambrai, Innocenz de Crecy, Enguerrand Signard, Girard Vurry und die erwähnten Seigneurs de Fourmelles und de Contay sowie Guillaume de Clugny, der Archidiakon von Avallon. Hinzu kommt der burgundische Sekretär Jean Gros, der den Prozess begleitend protokollierte und später die Abschriften verfasste. Wie aus dem Aktenmaterial zu erschließen ist und erläutert wurde, leitete der Bischof von Cambrai, Johann von Burgund, das Untersuchungsverfahren in dem Processus contra dominum de Stampis auf Anweisung des Grafen von Charolais hinein. Dieser aus dem Haus Burgund stammende Bischof wurde im Jahre 1404 als illegitimer Sohn Herzog Johanns Ohnefurcht und Agnes de Croÿ und damit als Halbbruder Herzog Philipps des Guten geboren. Philipp der Gute förderte seinen Halbbruder bei einer kirchlichen Laufbahn, im Laufe derer Johann am 11. Mai 1439 zum Bischof von Cambrai ernannt und am 5. Mai 1440 in Hesdin geweiht wurde. Die Widerstände des Kapitels von Cambrai und die Bedenken Papst Eugens IV. gegenüber dem noch sehr jungen Kandidaten wurden durch das energische Vorgehen Herzog Philipps in dieser Angelegenheit aus der Welt 251 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r. 252 Dictionnaire géographique, historique et politique (1768), Bd. 5, S. 1031-1035; So z.B. 12. - 29. August 1457, 8. - 24. Mai 1459, 3. - 15. Juni 1459; dazu diverse kürzere und längere Aufenthalte 1460, 1461, und 1462; vgl. van der Linden, Itinéraires de Philippe le Bon; Paravicini, Acquérir sa grâce pour les temps advenir, S. 374; Dubois, Charles le Téméraire, S. 91-92; Paravicini, Die Residenzen der Herzöge von Burgund, S. 472; Wellens, Les États Généraux des Pays-Bas des origins à la fin du règne de Philippe le Beau 1464 - 1506, S. 103. Siehe auch Kap. 1.2.3. 253 Zu Festnahme und Überführung(en) Jean de Bruyères vgl. Kap. 3.4.1. 61 geräumt. 254 Johann von Burgund war seinem Bischofsstuhl allerdings kein sehr pflichtschuldiger Amtsinhaber, hielt er sich doch bevorzugt in Brüssel, Antwerpen oder Mechelen auf oder war am burgundischen Hof anwesend. Der Stadt Cambrai selbst stattete er erst zwei Jahre nach seiner Weihe den ersten Besuch ab. Am burgundischen Hof war er jedoch durchaus angesehen. Er erhielt sogar die ehrenvolle Aufgabe, Maria von Burgund zu taufen. 255 Mehr von sich reden machte der Bischof jedoch durch die zahlreichen Kinder, die er nach seinem Tode 1480 hinterließ. 256 Innocenz de Crecy spielte nur eine untergeordnete Rolle im Verlauf des Prozesses. Als Lizentiat en decret, Rat und aulmosnier des Grafen von Charolais wurde er von diesem mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Informationen zu Johann von Burgund, Bischof von Cambrai, geschickt, um eine Untersuchung seitens der Kirche einzuleiten. 257 In das weitere Prozessgeschehen war er nicht mehr eingebunden. Als einer der beiden Empfänger der bischöflichen Briefe war Enguerrand Signard von Beginn an mit den Untersuchungen zu den Vorfällen betraut; er war zudem Vorsitzender der Kommission, die den Verdächtigen Jean de Bruyère verhörte. Als Doktor der Theologie und Dominikaner war er zu diesem Zeitpunkt auch Beichtvater Karls von Burgund und kann damit als einer der engsten Vertrauten des Grafen von Charolais bezeichnet werden. Zudem war er Bischof von Salubrie 258 und Abt von Altimontis in der Diözese Cambrai. Später wurde er mit dem Bistum der Stadt Auxerre betraut. 259 254 Die Besetzung des Bischofsstuhls von Cambrai gilt als eines der Beispiele, an denen man nachzuvollziehen versucht, wie zielgerichtet Herzog Philipp der Gute kirchliche Posten mit Angehörigen seiner familia zu besetzen suchte. So äußerte Papst Eugen IV. in einem an den Herzog gerichteten Brief deutliches Erstaunen ob der Direktheit des Herzogs in der Angelegenheit Cambrai. ADN 3 G 337/ 7532. Siehe auch Thelliez, A propos d’un testament, S. 12-14; zu Philipp dem Guten und Eugen IV. siehe auch Vaughan, Philipp the Good, S. 215-216. 255 Thelliez, A propos d’un testament, S. 5-70; van Kerrebrouck, Les Valois, S. 517-518; de Morembert, Bourgogne (Jean de), évêque de Cambrai, Sp. 1494. 256 Die Kinder des Bischof bedachte dieser in seinen Testamenten, die in den Archives départementales du Nord archiviert sind und die von Thelliez untersucht wurden. Vgl. Thelliez, A propos d’un testament. 257 Für das Amt des aumôniers bei den Herzögen von Burgund vgl. Prevenir, En Marge de l’assistance aux pauvres, S. 97-119. 258 Ostorero, Un prédicateur au cachot, S. 79, Anm. 36. Die Hierarchia Catholica Medii Aevi verzeichnet für Salubrien allerdings »Salubrien (su Solubrien. Vel Selymbrien [Siliwri]) in patriarch Constantinop., tit.« und nennt auch einen Einguerandus Seignart O. Pread., mag. Theol., ab dem 15. Januar 1465 als Träger dieses Titels. Hierarchia Catholica Medii Aevi II (1960), S. 228. Bei Ostorero findet sich ein Hinweis auf einen Enguerrand Signard als Vize-Inquisitor im Fall Guillaume Adeline. Die Anmerkung belegt allerdings, dass sich die Autorin selbst nicht sicher ist, ob es sich um unseren Enguerrand Signard handelt. Ein Mitwirken an einem solchen etwas früheren Fall, bei dem es ebenfalls um magische Praktiken ging, wäre natürlich ein willkommener Hinweis auf die Erfahrungen Enguerrands. Ein weiterer Beleg konnte hierfür aber nicht gefunden werden. 259 Gallia Christiana XII (1970), Sp. 330/ 331; Catalogue des actes de Charles le Téméraire, hrsg. 62 Der zweite vom Bischof von Cambrai angeschriebene Kommissar, Girard Vurry, Doktor beider Rechte, stammte aus der Freigrafschaft Burgund und ist bereits seit 1461 in den Diensten des Grafen von Charolais belegt. Girard Vurry hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Karriere als Mitglied des Parlamentes von Beaune und des Parlamentes von Dôle hinter sich. In dieser Zeit wurde er auch maître de requêtes (Bittschriftenmeister). 260 Nach der Übernahme der Herrschaft durch Karl den Kühnen wurde Girard Vurry von jenem zum Präsidenten des Rates von Luxemburg ernannt. In der Forschung ist er besonders durch eine prominente Stelle in der Chronistik bekannt: Vurry war derjenige von Karls Unterstützern, der 1460 vor Herzog Philipp Karls Argumente gegen die Croÿ vortragen sollte, diese Rede aber durch die Mahnung und Androhung des Herzogs, nur Beweisbares vorzutragen, abbrach, sodass der Graf von Charolais selbst bei seinem Vater seine Vorbehalte gegen die Croÿ vorbringen musste. 261 Während der Guerre du Bien Public erfüllte er die Aufgabe, als Agent Karls die Verbindung mit dem herzoglichen Rat aufrechtzuerhalten. Auch in den 1470er Jahren bis kurz vor seinen Tod 1475 fand man den Geistlichen immer wieder im Rahmen von diplomatischen Missionen und Gesandtschaften für den Herzog von Burgund. 262 Jean de Rosimbos, Seigneur de Fourmelles, 263 ist bereits in den 1430er Jahren am Hof der Herzogin Isabella als écuyant tranchant zu finden. 1456 wechselt er an den ersten eigenständigen Hofstaat des Grafen von Charolais, wo er seine Karriere zum Rat und Kammerherrn des Grafen und späteren Herzogs fortsetzte. 264 Mit ihm in die Kommission berufen wurde auch Guillaume le Jeune. 265 Über seine Ausbildung ist nichts bekannt; aber er wird neben Guillaume de Clugny und Jean Gros als einer der Spezialisten für Finanzen und Recht am Hof Karls genannt. Schon 1456 fand er sich im ersten Hofstaat Karls als dessen Hofmeister. Vor dieser Zeit wird der Seigneur de Contay bereits hinter Jean, Seigneur d’Auxy, dem weltlichen Erzieher des Grafen, in den Écroes der Herzogin genannt. 266 Mit der Berufung von Guillaume de Clugny wurde eine weitere bedeutende Persönlichkeit der Kommission hinzugefügt, deren aus Autun stammende Famivon Stein, S. 624. 260 Kruse, Hof, Amt und Gagen, S. 89. 261 Du Clercq, Mémoires IV. S. 90-92. 262 So gehörte er beispielsweise im Januar 1473 gemeinsam mit Jean de Croÿ-Chimay, Guy de Brimeu, Ferry de Clugny und Montjeu einer Delegation an, die zu Friedensverhandlungen mit Ludwig XI bemächtigt wurden. In seinen letzten Lebensjahren bereitete Girard Vurry noch im Auftrag Karls eine Reise nach Ungarn gemeinsam mit von der Noot und van Ee als Stellvertreter des Grafen bei der Hochzeit Matthias’ Corvinius, König von Ungarn, mit Beatrix von Aragon vor. Ehm, Burgund und das Reich, S. 247-248; Paravicini, Guy de Brimeu, S. 265, Anm. 66; Bartier, Legistes et gens de finances du XV. siècle, S. 416-419. 263 Die Schreibweise Formelles ist ebenso möglich. 264 Kruse, Hof, Amt und Gagen, S. 109, 206, 210. 265 Andere Schreibweisen sind Johannes Juvenis, Le Josne. 266 Kruse, Hof, Amt und Gagen, S. 61, 126-127 und 198; Paravicini, »Acquérir s grâce pour le temps advenir«, S. 379, Piérard, Jean IV, seigneur et ber d’Auxy, S. 103-104. Zur Familie Guillaume le Jeunes vgl. Paravicini, Burgundische Kardinäle, S. 256-264. 63 lie bereits unter Philipp dem Guten mehrere herzogliche Beamte stellte. 267 Der Lizentiat des Rechtes, seit 1454 Archidiakon von Avallon, wurde 1458 als Rat und maître des requêtes an das hôtel des Herzogs von Burgund gerufen und trug den Titel eines Pronotars des Heiligen Stuhls. Möglicherweise im Auftrag des Herzogs war er am Hof des Grafen von Étampes maître des requêtes, was Bartier als seine erste Beschäftigung im Umfeld des burgundischen Hofs angibt. Dort soll er aber »aufgrund seiner Missetaten« 268 vom Hof ausgeschlossen worden sein. Sein Wechsel an den Hof des Grafen von Charolais wurde in der burgundischen Chronistik 1464 als einer der Streitpunkte Karls mit seinem Vater, dem Herzog von Burgund, erwähnt. 269 Auch in Holland, insbesondere in Haarlem und Leiden hat Clugny als Interessenvertreter des Grafen von Charolais eine sehr wichtige Rolle gespielt. 270 1465 wurde er im Auftrag Karls von Burgund nach England geschickt, um dort eine Allianz gegen Frankreich zu schmieden. Durch den Tod der zweiten Ehefrau Karls, Isabellas von Bourbon, während Guillaumes Aufenthaltes in England, kam ihm die Aufgabe zu, erste Möglichkeiten zur Heirat des Grafen mit Marguerite, der Schwester König Edwards IV. von England, zu sondieren. Auch in den weiteren Jahren machte der Geistliche sowohl in der Kirche als auch im Dienste Karls des Kühnen Karriere. Er wurde in den Großen Rat berufen und wurde erster maître des requêtes von Karls hôtel. Seit 1470 war er tresorier (Schatzmeister) des Ordens vom Goldenen Vlies. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Burgund wechselte er in den Dienst Ludwigs XI., an dessen Hof er seine Karriere weiter verfolgen konnte. Dies gipfelte in der Erlangung des Bischofssitzes von Poitiers (1477). 271 Der Schreiber der Prozessakten war Jean III. Gros, secretaire de monseigneur le duc de Bourgougne et de monseigneur de Charrolois. 272 Der Burgunder war Sohn Jeans I. Gros, der clerc juré bzw. Sekretär des Bürgermeisters von Dijon und später procureur derselben Stadt gewesen war. Jean III. Gros begann seine Karriere 1451 als Kleriker bei seinem Bruder, 273 er soll aber auch Sekretär von Guillaume de Clugny gewesen sein, bevor er 1456 als audencier in den Dienst des Grafen 267 Zu erwähnen sind seine Brüder Jean und Ferry de Clugny, von denen insbesondere letzterer bedeutende Aufgaben im burgundischen Staat übertragen bekam. Vgl. Paravicini, Guy de Brimeu, S. 281 u. Anm. 108 und Paravicini, Burgundische Kardinäle, S. 275-281. 268 À cause de ses démérites; vgl. Bartier, Legistes et gens de finances du XV. siècle, S. 165. 269 Vgl. die Ausführungen in Kap. 5.2.2.1. 270 Ward, Guillaume de Clugny, Guillaume de Bische and Jean Gros, S. 75-76. 271 Bartier, Legistes et gens de finances du XV. siècle, S. 41, 49-50, 108; Prevost, Clugny (Guillaume de), Sp. 53-54. 272 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 273 Jean II. Gros, der 1435 - 1436 beim herzoglichen audiencier Thomas Bousseau beschäftigt war und seit 1448 das Amt des audenciers der burgundischen Kanzlei in Dijon inne hatte. Vgl. Cockshaw und Paravicini, Prosopographie des secrétaires de la cour de Bourgogne (1384 - 1477), S. 46-47. 64 von Charolais trat. 274 1468 wurde er Sekretär und Kontrolleur der Finanzen des Herzogs, behielt dabei aber auch das Amt des audienciers bis 1477 bei. Unter Maximilian I. erlangte er das Amt des trésorier im Ordens vom Goldenen Vlies, bis er sich 1483 Ludwig XI. anschloss und höchster Greffier des Parlamentes in der Grafschaft Burgund wurde. 275 Die hier skizzierten geistlichen und weltlichen Mitglieder der Untersuchungskommission für den Fall Jean de Bruyères bzw. Johanns von Burgund verbindet die Tatsache, dass sie aus dem engeren Umfeld des Grafen von Charolais oder des burgundischen Hofs stammten. Alle waren auch in späteren Jahren noch im Dienste des Grafen und späteren Herzogs Karl. Wir finden mit dem Beichtvater Karls, Enguerrand Signard, eine Person, die aufs Engste mit dem Grafen vertraut war, mit Guillaume de Clugny eine Person, dessen Familie bereits durch verschiedene Mitglieder mit dem Hof von Burgund verbunden war, und auch die übrigen Personen nahmen unter Karl dem Kühnen hohe bis herausragende Positionen an dessen Hof ein. Diese bereits in dieser Zeit den späteren Herzog unterstützenden Männer waren es auch, die Karl in den folgenden Jahren im Zuge seiner Machtsicherung halfen. Es fällt zudem auf, dass mit Gilles Carlier ein in der Diözese Cambrai für Zaubereifälle ausgewiesener Experte bei der Zusammensetzung der Untersuchungskommission nicht berücksichtigt wurde. Dies lässt erahnen, dass sich die Interessen Karls in dem Prozessgeschehen widerspiegeln. 276 Indem er aber die Verantwortung für den Prozess in die Hände und die Verantwortung des kirchlichen Gerichtes legte, demonstrierte er seinen Willen, die Verfolgung dieser Angelegenheit den zuständigen Stellen zu überlassen. Insbesondere die juristisch ausgebildeten Personen müssen hier als Vertreter ihrer Profession wahrgenommen werden. Die Ergebnisse des Prozesses, die das weitere Vorgehen gegen den Grafen bestimmen würden, sollten offenbar so belastbar wie möglich sein. 277 Die bewusste Zusammenstellung der Kommission mit Vertrauten des Grafen von Charolais und seine Anwesenheit während der Untersuchungen in Le Quesnoy 278 deuten allerdings auch darauf hin, dass sich Karl bereits zu diesem Zeitpunkt der politischen Dimension der Magievorwürfe bewusst und er gewillt war, das Verfahren zu begleiten. 274 Ward, Guillaume de Clugny, Guillaume de Bische and Jean Gros, S. 78-79; van Rompaey, De Grote Raad van de hertogen van Boergondie, S. 117. Weitere Beziehungen zwischen diesen Familien wurden auch durch die Heirat einer Schwägerin Jean Gros’ mit dem Neffen Guillaume de Clugnys geknüpft. Ward, Guillaume de Clugny, Guillaume de Bische and Jean Gros, S. 79 und dort Anm. 35. 275 Cockshaw und Paravicini, Prosopographie des secrétaires de la cour de Bourgogne (1384 - 1477), S. 47-48. Einen sehr guten Überblick über die verschiedenen Kanzleiämter bietet Cockshaw, Le personnel de la chancellerie de Bourgogne-Flandre sous les ducs de Bourgogne de la maison de Valois. 276 Zu Gilles Carlier ausführlich Kap. 4.2.2. 277 Vgl. hierzu Kap. 4.1. 278 Van der Linden, Itinéraires de Philippe le Bon, S. 452-453. 65 2.3.3. Der Mann im Hintergrund: Karl von Burgund, Graf von Charolais Die Prozessmaterialien und Briefe zeigen, dass der erste Anstoß zu den Untersuchungen durch Gerüchte gegeben wurde und dass Karl der Kühne, damals noch Graf von Charolais, eine Verfolgung dieser Affäre anstrebte, nachdem er von den Anschuldigungen gegen verschiedene Personen gehört hatte. Zwar übergab er die Angelegenheit durchaus folgerichtig dem Bischof von Cambrai, dessen kirchliches Gericht auch für das in der Diözese von Cambrai liegende Brüssel zuständig war und mit dem es seitens des Brüsseler Schöffengerichtes eine lange währende Zusammenarbeit gab, die Interventionen des Grafen sind aber in mehreren Punkten deutlich zu erkennen. Auch die mit der ersten Eruierung betrauten Personen und die Mitglieder der späteren Untersuchungskommission stammten allesamt aus dem engsten Umfeld des Grafen von Charolais. 279 Zusätzlich wurde mit Le Quesnoy ein Ort ausgewählt, der für den Grafen von Charolais eine Machtbasis darstellte und an dem sich der Graf häufig aufhielt, wie van der Linden nachwies. 280 Der Graf war persönlich während der Befragungen Jean de Bruyères in Le Quesnoy anwesend und mindestens einmal ist ein Kontakt zu dem Verhörten auf dessen eigenen Wunsch belegt, der über den archer de corps 281 des Grafen zustande kam. Diese Unterredung fand auf Anraten und in Anwesenheit des Beichtvaters Karls und Kommissars der Untersuchungskommission, Enguerrand Signard, statt. 282 Karls Abreise aus Le Quesnoy zu Philipp dem Guten ist direkt nach der Beendigung der Befragungen in den Prozessakten vermerkt. 283 Wenngleich der Graf von Charolais also die Untersuchungen der Gerüchte um magische Praktiken, die gegen ihn gerichtet waren, an die kirchlichen Instanzen abgab, hatte er während aller Entwicklungsschritte von der Einrichtung der Untersuchungskommission bis zum Prozess selbst die Möglichkeit, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen. Der Graf von Charolais spielte also beim Zustandekommen der Untersuchun- 279 Vgl. dazu Kap. 2.3.2. 280 Karl der Kühne befand sich im Jahre 1463 seit dem 4. oder 5. März in Le Quesnoy, wo er bis zum 20. April verweilte. Er verbrachte dort also auch das Osterfest, das im Jahr 1463 auf den 10. April fiel. van der Linden, Itinéraires de Philippe le Bon, S. 452-453. Die erste Hälfte des Februars verbrachte er in Brüssel, was darauf hindeutet, dass Karl hier bereits die Möglichkeit hatte, auf die Einberufung der Kommission einzuwirken. Zum Kontakt zwischen Jean de Bruyère und Karl dem Kühnen vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23v. 281 Ein archer de corps, also ein Leibbogner, war eine Position in der höfischen Hierarchie. Paravicini, Soziale Schichtung und soziale Mobilität am Hof der Herzöge von Burgund, S. 373. 282 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23v. 283 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v. Vgl. auch Vander Linden, Itinéraires de Philippe le Bon, S. 452- 453. 66 gen eine maßgebliche Rolle, zumal die verdächtigen Handlungen, wie Gerüchte vermuten ließen und durch die Befragungen bestätigt wurde, auch gegen ihn persönlich gerichtet waren. Als hauptsächlich Geschädigter soll daher im Folgenden Karls Zeit als Graf von Charolais in groben Strichen skizziert werden. Da die Affäre um den Grafen von Étampes in die konfliktreiche Zeit der Jahre 1463 bis 1467, dem Jahr des Todes Herzog Philipps, hineinreichte, diese aber in einigen wichtigen Details an späterer Stelle noch eingehender betrachtet wird, soll für diese Jahre auf das dritte Kapitel, die Folgen des Processus contra dominum de Stampis, verwiesen werden. Karl wurde am 10. November 1433 als dritter Sohn Herzog Philipps des Guten und Isabellas von Portugal, der dritten Frau Philipps, in Dijon geboren. 284 Durch den frühen Tod der beiden Brüder noch vor der Geburt Karls erhielt der Sohn von Geburt an gemäß der Tradition den Titel des Grafen von Charolais. Er war damit einziger Erbe des Herzogtums Burgund. Der Tatsache, dass die Geschwister Karls jeweils wenige Monate nach ihrer Geburt verstarben, ist es wohl geschuldet, dass Karl noch am Tag seiner Geburt getauft wurde. Der Cousin Philipps des Guten, Karl von Nevers, war sein Namensgeber und neben Antoine de Croÿ und Jeanne de le Trémouille, Dame von Rochefort, sein Taufpate. 285 Wenige Wochen nach seiner Geburt wurde er bereits in den Orden vom Goldenen 284 Hinsichtlich der Lebens- und Wirkungsgeschichte Karls des Kühnen kann auf eine Vielzahl von Publikationen neueren und älteren Datums zurückgegriffen werden. Während frühere Werke, wie beispielsweise J.F. Kirks dreibändige »History of Charles the Bold, duke of Burgundy« aus dem 19. Jahrhundert, sich noch stark mit der Darstellung Karls in den Chroniken beschäftigen, greifen besonders Forscherinnen und Forscher der letzten Jahrzehnte vermehrt auch auf Verwaltungsschriftgut zurück. Sowohl die burgundischen Überblickswerke als auch die Biographien zu Karl konzentrieren sich jedoch vermehrt auf seine Zeit als burgundischer Herzog. Die immer noch wichtige Studie Richard Vaughans setzt mit dem Erbantritt Karls ein. Informationen über den Grafen von Charolais sind eher aus Vaughans Monographie zu Philipp dem Guten zu ziehen, die allerdings den Blickwinkel des Vaters einnimmt. Vaughan, Charles the Bold; Ders. Philipp the Good. Der Karl-der-Kühne-Biographie von Werner Paravicini ist es zu verdanken, dass in die Betrachtung der Person des burgundischen Erbprinzen auch psychologische Aspekte einfließen. Paravicini, Karl der Kühne. Die Interpretation, dass Karl sowohl durch die enge Bindung zu seiner Mutter beeinflusst war als auch sich in einigen Bereichen in Abgrenzung zu seinem Vater inszenierte, ist mittlerweile unbestritten. Vgl. auch Blockmans und Prevenier, De Bourgondiërs, S. 195; dazu auch Müller, Um 1473, S. 267. Ausführliche Studien zu Kindheit und Jugend Karls und dem Verhältnis zu seiner Mutter verdanken wir insbesondere Monique Sommé, Werner Paravicini und Holger Kruse; zuletzt mit einem summarischen Überblick auch Klaus Oschema. Sommé, La jeunesse de Charles le Téméraire d’Après le comptes de la cour de Bourgogne, S. 731-750; Dies., Isabelle de Portugal; Dies., Une mère et son fils, S. 99-122 und zuletzt Dies., Charles le Téméraire et les femmes, S. 69-79; Paravicini, »Aquérir sa grâce pour le temps advenir«; Kruse, Hof, Amt und Gagen; Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? , S. 55-68. Insbesondere aber in seiner Zeit als letzter Herzog von Burgund ist die Person Karls des Kühnen durch zahlreiche Publikationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln erforscht worden. Oschema und Schwinges, Karl der Kühne von Burgund; Marti, Borchert und Keck, Karl der Kühne (1433-1477). 285 Sommé, Le cérémoial de la naissance et la mort de l’enfant princier à la cour de Bourgogne au XV e siècle, S. 38-40. 67 Vlies aufgenommen. 286 Karl verbrachte seine Kindheit hauptsächlich bei seiner Mutter Isabella von Portugal, mit der er sich zumeist in den burgundischen Niederlanden aufhielt. Als burgundischer Erbe nahm er von Beginn an bei offiziellen Veranstaltungen wie den oftmals prunkvollen und feierlichen Einzügen in die Städte, an Vliesordens-Kapitelfesten oder sonstigen Feierlichkeiten teil, bei denen er als herzoglicher Sohn und Erbe präsentiert wurde. Längere Aufenthalte bei seinem Vater, Herzog Philipp, und Reisen mit diesem sind erst ab ca. 1450 nachzuweisen. 287 Der junge Graf von Charolais erhielt die umfassende Ausbildung eines Prinzen, die ab seinem siebten Lebensjahr in die Hände zweier Angehöriger des burgundischen Hofes gelegt wurde. Der Herzog stellte seinem Sohn Antoine Haneron als Erzieher und Lehrer an die Seite, während der ritterliche Part der Ausbildung Jean d’Auxy anvertraut wurde, einem Mann, der zu dieser Zeit bereits Karriere am burgundischen Hof gemacht hatte und so mit den höfischritterlichen Gepflogenheiten bestens vertraut gewesen war. 288 Er bildete Karl im Bogenschießen, Reiten, Jagen und als Tänzer aus und war bis 1468 sein erster Kammerherr. Der Graf von Charolais galt als Liebhaber antiker Autoren und besaß neben ein wenig Latein auch genügend Sprachkenntnisse in Portugiesisch, Flämisch, Englisch und Italienisch, um sich in kurzen Reden oder Briefen in diesen Sprachen verständlich zu machen; Kenntnisse, die ihm bei seiner späteren Regierungszeit in dem multilingualen Burgund von Nutzen gewesen sein dürften. 289 Einen eigenen Haushalt erhielt Karl erst 1456; bis dahin war er dem Haushalt seiner Mutter angegliedert. Die Untersuchungen der überlieferten Écroes Isabellas und später auch derer Karls selbst belegen eine Kindheit und Jugend, die ganz in das soziale Umfeld des Hofes eingebettet war. Der Herzogsohn hatte demnach insbesondere mit Verwandten und anderen adeligen Angehörigen des Hofes zu tun. Besondere Bezugspersonen waren eine Gruppe junger Adeliger, die sich - im Gegensatz z.B. zu seinen Halbgeschwistern oder Cousins - in seinem Alter befanden. Zu dieser Gruppe gehörten Jean de la Trémouille, Philippe de Croÿ, Guy de Brimeu, Charles de Ternant, Philippe de Crèvecœur und Philippe de Wavrin, die auch in späteren Jahre enge Bindungen zu Karl hatten, wenngleich diese nicht immer konfliktfrei verliefen. 290 Vor der Herauslösung seines eigenes Hofstaates sind besonders die frühen 1450er Jahre in der Entwicklung Karls hervorzuheben, denn hier vollzog sich sein Übertritt in die Welt der Erwachsenen, wobei seine erste Turnierteilnahme und der Ritterschlag anlässlich des Genter Kriegs wichtige Etappen der rite de passage waren. Zudem sind für diese Zeit auch sein eigenstän- 286 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 36-37. 287 Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? , S. 58-59. 288 Pièrard, Jean IV, seigneur et ber d’Auxy, S. 103-104. 289 Sommé, La jeunesse de Charles le Téméraire d’Après le comptes de la cour de Bourgogne, S. 739-740; Paravicini, Karl der Kühne, S. 16-17. Zu dem Theologen Antoine Haneron vgl. auch Stein, Un diplomate bourguignon du XV e siècle, S. 283-348; Paravicini, »Aquérir sa grâce pour le temps advenir« (2003), S. 379. 290 Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? , S. 59. 68 diges Auftreten im Bereich der Frömmigkeit und Almosenpraxis wie auch seine erste Statthalterschaft zu erwähnen. 291 Gleichwohl erlangte der Graf erst spät Eigenständigkeit in politischen Angelegenheiten, 292 denn obgleich er repräsentative Aufgaben übernehmen durfte, hielt ihn Philipp der Gute lange von zu großer Macht fern. Auch die Einsetzung Karls als Generalstatthalter für die Niederen Lande während der Reise des Herzogs zum Reichstag nach Regensburg (1454) brachte keine Entwicklung in dieser Frage. Seit etwa 1457 versuchte der Graf von Charolais daher selbst, seinen Einfluss in den burgundischen Ländern zu vergrößern, was ihm besonders in Holland und der Grafschaft Hennegau gelang. 293 Die aufgrund der Machtfrage aufkommenden Zwistigkeiten zwischen dem Herzog und seinem Sohn können dabei als klassischer Generationenkonflikt beschrieben werden. Dieser entzündete sich unter anderem an der Tatsache, dass Karl einen größeren Einfluss im Herzogtum anstrebte, als der Vater ihm zu seinen Lebzeiten zugestehen wollte. Erst die im Zuge des Guerre du Bien Public und des sich verschlechternden Gesundheitszustandes seines Vaters ausgesprochene Anerkennung des Grafen von Charolais als offiziellem burgundischen Erben durch die Generalstände der Niederen Lande am 27. April 1465 brachten für Karl den lange ersehnten Fortschritt in dieser Angelegenheit. 294 Karl, der unter dem Einfluss seiner Mutter und deren Beratern stand, versuchte schon früh, sich in seinem Verhalten von seinem Vater abzugrenzen. Die starke Identifikation mit seiner Mutter führte mehrfach zu Konflikten zwischen der französischen Partei am burgundischen Hof und Isabellas Partei. Der junge Graf begab sich früh in Opposition zu der Frankreich-freundlichen Politik seines Vaters, mit der dieser seit 1461 Ludwig XI. zunächst gegenübertrat. Dass der König zeitgleich versuchte, den burgundischen Einfluss einzudämmen und den französischen Machtbereich zu vergrößern, stand dem Interesse des selbst nach mehr Macht strebenden Grafen von Charolais gegenüber. Die bereits sichtbaren Unterschiede im Auftreten Ludwigs und Karls, der hier wiederum stark in der burgundischen Tradition stand, vergrößerten sich später während der Regentschaft Herzog Karls weiter. 295 Der im Zuge der Politik des Vaters entwickelte Argwohn des Grafen von Charolais gegen die Mitglieder der französische Partei richtete sich besonders gegen die Familie Croÿ, die seiner Meinung nach einen zu großen Einfluss auf den alternden Herzog hatte. Diese, allen voran Antoine le Croÿ, wurde sowohl in Burgund als auch von Seiten des französischen Königs 291 Dubois, Charles le Téméraire, S. 37-40; Oschema, Das Werden eines zweiten Alexanders? , S. 60. 292 Ausführlich hierzu Bonenfant und Stengers, Le rôle de Charles le Téméraire dans le gouvernement de l’État bourguignon en 1465 - 1467. 293 Vaughan, Philipp the Good, S. 343. 294 Den Generalständen folgten kurz darauf das Hennegau und die brabantischen Städte. Vanderjagt, Practicing nobility in fifteenth-centurs Burgundian courtly culture, S. 1. Zur Guerre du Bien Public siehe auch Kap. 5.2.2.3. 295 Vaughan, Philipp the Good, S. 355; Paravicini, Schlichtheit und Pracht. Zum Verhältnis von Ludwig XI. und Karl dem Kühnen vgl. auch Bittmann, Ludwig XI. und Karl der Kühne. 69 mit Ämtern und Ländereien bedacht und hatte auf Herzog Philipp großen Einfluss, den sie besonders hinsichtlich einer pro-französischen Politik des Herzogs zu nutzen versuchte. 296 Beispielhaft für den sich an dieser Familie entzündenden Konflikt steht der eskalierende Streit zwischen Philipp und Karl anlässlich der Einsetzung eines neuen dritten Kammerherrn für Karl. Da dieser im Einvernehmen mit seiner Mutter Antoine Rolin, einen Sohn des bekannten Kanzlers Nicolas Rolin, bevorzugte, 297 während der Herzog Philippe de Croÿ-Chimay einsetzen wollte, kam es zwischen Vater und Sohn zu einer ernsthaften Auseinandersetzung. 298 Diese verschiedenen Konfliktlinien - die Differenzen Karls mit seinem Vater, mit den Croÿ und der hier darzustellende Konflikt mit Johann von Burgund - treffen in der Guerre du Bien Public zusammen und haben direkten Einfluss auf den Processus contra dominum de Stampis. Sie werden an späterer Stelle noch Gegenstand der Untersuchungen sein. 299 2.3.4. Die Helfer des Grafen von Étampes: Jean de Bruyère und Charles de Noyers Johann von Burgund wurde bei der Austragung seines Konfliktes mit Karl dem Kühnen tatkräftig von zwei Personen unterstützt, die an seinem Hof beschäftigt waren. Hierbei handelt es sich zum einen um Jean de Bruyère, der zugleich als Verhörter die Hauptfigur in der Prozesshandschrift ist, und zum anderen um Charles de Noyers, von dem zwar keine Befragungen überliefert sind, der aber in den Aussagen insbesondere von Jean de Bruyère oft erwähnt wurde. Das Bild, das sich von Jean aus den Akten zeichnen lässt, stützt sich sowohl auf die Aussagen der Brüsseler Zeugen als auch auf von ihm preisgegebene Informationen sowie auf die von ihm an Franck geschriebenen Briefe. Hinzu kommen seine eigenen Aussagen im Untersuchungsprozess. Charles de Noyers befand sich zu der Zeit der Untersuchungen noch nicht in Haft. Nach den Befragungen Jean de Bruyères soll er allerdings gesucht und gefangen genommen worden sein. 300 Von ihm sind daher nur Informationen aus zweiter oder dritter Hand übermittelt. 296 Paravicini, Karl der Kühne, S. 17-24. Zum Aufstieg der Croÿ im burgundischen Dienst vgl. auch Paravicini, Moers, Croy, Burgund, S. 251-254. Dazu auch die Arbeiten von Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel und Sterchi, The importance of reputation in the theorie and practice of Burgundian chivalry, S. 99-115. 297 Zum einflussreichen burgundische Kanzler Rolin vgl. Paravicini, Burgundische Kardinäle, S. 264-269; Tuypens, Nicolaas Rolin kanselier van Filips de Goede; Pridat, Nicolas Rolin; Berthier und Sweeney, Le chancelier Rolin. 298 Paravicini, Karl der Kühne, S. 17-18. 299 Ausführlicher zur Familie Croÿ vgl. auch Kap. 5.2.1. Hinsichtlich der Eskalation der Konflikte vgl. 5.2. 300 Du Clercq, Mémoires III, S. 236-237. Die Prozessakten geben zumindest Auskunft darüber, dass die Wachsfiguren in einer Kiste bei der Frau des Charles de Noyers gefunden wurde. Vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol 27v. Die Gefangennahme Charles’ wird auch bei Plancher erwähnt. 70 Einige Informationen zu den beiden Personen, die durch die Untersuchungsakten belegt werden können, finden sich auch bei dem Chronisten Jacques du Clercq. Jean de Bruyère wird hier als Arzt des Grafen von Étampes bezeichnet und es wird berichtet, dass er von diesem nach Le Quesnoy geschickt worden sei. Diese Profession des Verdächtigen wird auch in dem Brief Karls an Ludwig XI. erwähnt, in dem der Vorgang in ähnlichen Worten wie bei dem Chronisten beschrieben ist. 301 Eigenartig nimmt sich in Verbindung dazu der Brief des Bischofs von Cambrai aus, der von den drei verdächtigen Personen als magister Johannes Bruyere, magister Egidius, medicus, et Franco, apoticarius spricht. Während Franck und Gilles mit einer Berufsbezeichnung versehen wurden, wurde Jean de Bruyère nur als Meister bezeichnet. Im Verlauf der Verhöre gab es jedoch ein weiteres Indiz dafür, dass auch Jean de Bruyère im medizinischen Bereich tätig war. Im Zuge der Befragungen über den Verwendungszweck der von ihm gewünschten Nadeln behauptete Jean an einer Stelle, dass er die Nadeln für chirurgische Zwecke gebraucht habe. 302 Da diese Angaben Jeans auf eigene Praktiken als Arzt hinweisen, kann man davon ausgehen, dass sowohl Gilles als auch Jean diesen Beruf ausgeübt haben. 303 Wie noch zu zeigen sein wird, verfügten sowohl Gilles als auch Jean de Bruyère und Franck über eine Vielzahl an Kontakten zu Personen, die einem wissenschaftlichen bzw. halb-wissenschaftlichen Bereich zugeordnet werden können. Für Jean de Bruyère lässt sich aus dem Aktenmaterial, insbesondere aus den Briefen, heraus erschließen, dass er, wie auch der Apotheker Franck, der lateinischen Sprache mächtig war. Hinsichtlich seiner Profession kann man aber annehmen, dass er eine eher handwerkliche Ausbildung zum Arzt genossen hat. Darauf weisen die Bezeichnung medicus beziehungsweise medcin hin, sowie eine später getätigte Aussage Jeans, er übe cirurgye aus. Zwar waren am burgundischen Fürstenhof studierte Ärzte üblicher, 304 doch man kann anhand dieser Hinweise davon ausgehen, dass tatsächlich Jean de Bruyère gemeint ist, wenn von einem Arzt am Hof des Grafen von Étampes gesprochen wird. Dieser erwähnt auch - unbelegt - eine Verurteilung zum Tod der beiden Verschwörer, die aber an keiner anderen Stelle auftaucht und somit nicht mit letzter Sicherheit angenommen werden kann. Plancher, Histoire générale et particulière de Bourgogne IV, S. 312-313. 301 BNF ms. fr. 5040, fol. 180r. Ausgehend von diesem Dokument ging Jean de Bruyère auch als Arzt des Johann von Étampes in das biographische Wörterbuch der französischen Ärzte im Mittelalter ein. Wickersheimer, Dictionnaire biographique des médecins en France au Moyen Âge I, S. 372-373. Hinsichtlich des Briefes an Ludwig XI. siehe auch Kap. 5.1.2; für den Chronisten vgl. Du Clercq, Mémoires III, S. 236-237. 302 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14r. 303 Bei den französischen Handschriften des Spätmittelalter unterscheidet Annie Saunier drei Gruppen von heilkundlichen Personen: médecin (physicien), barbière/ chirugier und sage-femmes, wobei der Begriff médecin vornehmlich für die studierten Ärzte verwendet wurde. Saunier, »Le pauvre maladie«, S. 123-149. Martin Kintzinger unterscheidet allerdings noch trennschärfer in médecin und physicien. Kintzinger, Phisicien de monseigneur de Bourgoingne. 304 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15r. Kintzinger, Phisicien de monseigneur de Bourgoingne, S. 91-94. 71 Eindeutig belegbar ist aus den Akten heraus, dass Jean de Bruyère in den Jahren 1461 - 1463 am hôtel des Grafen von Étampes beschäftigt war. Dies erfährt man im Zusammenhang mit seiner Aussage zur ersten Begegnung mit Charles de Noyers, der ihn zur Weihnachtszeit in Brüssel aufgesucht habe. 305 In welcher Position er dort tätig war, erwähnte Jean in seiner Aussage nicht. Man kann aber festhalten, dass er zumindest keine Schwierigkeiten hatte, Zugang zu Johann von Burgund zu bekommen. Als er Charles versprach, sich für ihn um ein Gespräch beim Grafen zu bemühen, war es für ihn nach eigener Schilderung nicht schwer, zu seinem Herrn zu gelangen: Jean de Bruyère konnte ihn direkt nach der Messe aufsuchen. 306 In den Aussagen Francks vor der Kommission in Le Quesnoy wurde Jean de Bruyère zudem als concierge des Brüsseler Stadthofes des Grafen von Étampes bezeichnet. 307 Eine weitere Bestätigung für das Ausfüllen einer derart wichtigen Position durch den Verdächtigen ist allerdings weder den Prozessakten noch anderem uns überlieferten Material zu entnehmen. 308 Für den Verhörten ließen sich zudem eindeutige Verbindungen zu den Brüsseler Zeugen Josse Doegens, Franck, dem Apotheker, Bruder Jean Mussche und weiteren Personen nachweisen, von denen ihrerseits wiederum einige die Verbindung Jean de Bruyères zum Grafen von Étampes hätten bestätigen können. Durch die Aussagen Josse Doegens’ ist zudem zu erfahren, dass Jean de Bruyère zwei Künste beherrscht haben soll. Zum einen soll er in der Lage gewesen sein, sehr schöne Perlen nach der Art des Orients herzustellen, zum anderen soll er auch 40 Meilen entfernt gewusst habe, welche Dinge man über eine Person sagt. 309 Zudem scheint sich Jean ferner für das Erlernen weiterer Künste interessiert zu haben. Einige von diesen können dabei auch dem Bereich der Nigromantie zugeordnet werden. 310 Die näheren Umstände der Festnahme und der Überführung des Hauptverdächtigen Jean de Bruyère nach Le Quesnoy lassen sich aus den Befragungen erschließen Demnach kam es zu ersten Verdächtigungen gegen den Bediensteten des Grafen von Étampes, nachdem Meister Gilles in Brüssel verhaftet worden 305 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. 306 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. 307 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15v. Beschäftigungen von Ärzten in weiteren höfischen Positionen waren im 15. Jahrhundert nicht unüblich und das Amt eines concierges konnte ein durchaus einträgliches sein. Kintzinger, Phisicien de monseigneur de Bourgoingne, S. 98-99 und Paravicini, Guy de Brimeu, S. 64. 308 Die sich in den Archives départementales du Nord befindenden ecroes/ état journaliers des Grafen von Étampes weisen weder einen Jean de Bruyère noch einen Charles de Noyers nach. ADN B 3412, B 3416, B 3414, B 3419. 309 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3v. 310 Vgl. Kap. 4.1. 72 war. Die Aussagen des Letzteren scheinen die Untersuchungen gegen Jean de Bruyère eingeleitet zu haben, da Jean durch Johann von Burgund selbst zum Grafen von Charolais geschickt worden sei. 311 Die wichtigsten Informationen über Charles de Noyers erhalten wir durch die Schilderungen Jean de Bruyères von dem ersten Zusammentreffen 312 der Helfer Johanns von Burgund. 313 Ob Charles den Beinamen de Noyers als Kennzeichnung seines Geburts- oder Herkunftsortes verwendetet oder ob er zu der adeligen Familie de Noyers gehörte, die im Burgund ansässig war, wird in den Akten oder anderen bearbeiteten Materialen nicht erwähnt. Deutlich wird durch verschiedene Aussagen aber, dass Charles de Noyers ein ehemaliger Bediensteter des Grafen von Étampes gewesen und vor 24 Jahren als [zweiter] Kammerherr in einer sehr hohen Position gewesen sein soll. 314 Dies deutet darauf hin, dass er adelig gewesen sein muss. Charles muss diese Position demnach zumindest im Jahre 1439 inne gehabt haben. Obgleich in den Archives départementales du Nord einige der täglichen Gagenlisten des Grafen von Étampes aus dieser Zeit überliefert sind, ist ein Charles de Noyers auf diesen leider nicht nachzuweisen. 315 Die Anstellung soll Charles nach eigener Aussage, aber auch - wie Jean berichtet - laut der Erinnerung des Grafen von Étampes, durch einen anderen Bediensteten des Grafen, Berard de l’Or, vermittelt worden sein. Dieser scheint ein Verwandter Charles’ gewesen zu sein, da ein weiteres Mitglied der Familie de l’Or und Bediensteter des Grafen, Charles de l’Or, von Charles de Noyers als Neffe bezeichnet wurde und er mit diesem auch in Kontakt stand. 316 Auf diese Verbindung wird allerdings nicht näher eingegangen, und es finden sich auch keine weiteren Hinweise dazu. 311 Fol. 19r-19v. Diese Aussage Jeans wird ausführlicher in Kap. 3.4.1. behandelt. 312 Jean de Bruyère und Charles de Noyers sollen sich, laut Aussagen des Ersteren, auch über eine Tochter Charles’, die in Savoyen verheiratet sei, kennen. Dass diese Bekanntschaft schon vorher bestand, ist zweifelhaft, da Jean de Bruyère mehrere Male betont, dass er Charles erst am hôtel des Grafen von Étampes kennengelernt habe. Möglicherweise wurde sie aber im Laufe der Zeit vertieft. Diese Verbindung wird allerdings nur kurz während der Gegenüberstellung Francks mit Jean de Bruyère erwähnt und nicht weiter durch Nachfragen vertieft, wohl, weil sie für den Verlauf der Ereignisse keine weitere Rolle gespielt hatte. Vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15v. 313 Die Schilderung des ersten Zusammentreffens wird - in unterschiedlicher Länge - von Jean de Bruyère mehrere Male zu Protokoll gegeben. An den weiteren Befragungstagen werden dann zwar mitunter nicht immer die gleichen Aussagen getroffen, doch ergeben sich keine Widersprüche. Vgl. hierzu HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v, 18r und 21v. 314 In der Aussage, die Jean de Bruyère direkt nach Beendigung der Folter tätigt, bezeichnet er Charles de Noyers als chambellan, einige Tage später et se disoit estre son second chambellan. Vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r und 21v. 315 Zur schwierigen Überlieferungslage der écroes vgl. Kap. 1.1.1.2. Als erster Kammerherr ist in den Dokumenten eindeutig Charles de Rochefort auszumachen. Vgl. auch Doutrepont, La litterature française à la cour de Bourgogne, S. 61. 316 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 73 In einer Aussage Jean de Bruyères erfährt man, dass Charles de Noyers sich im Laufe ihres ersten Gespräches als Alchimist bezeichnet habe, der verschiedene alchimistische Anwendungen kenne. 317 Diese habe er auch Jean beibringen wollen. Charles habe Jean de Bruyère dann erklärt, dass er mithilfe von Figurenzauber die Zwistigkeiten des Grafen von Étampes am burgundischen Hof lösen wolle: Er habe dies zwar zunächst mit seiner andauernden Verbundenheit zum Grafen von Étampes begründet, doch wurden schnell auch eigennützige Motive der Bereicherung deutlich. So vermutete Charles, dass Jean de Bruyère und er selbst eine Belohnung dafür bekommen würden, hülfen sie dem Grafen von Étampes, in die Gnade des Grafen von Charolais zu gelangen und dadurch seine Güter zu vergrößern. 318 Hinter diesen Versprechungen Charles de Noyers’ wird auch die Motivation für Jean de Bruyère gelegen haben, dem für ihn zu diesem Zeitpunkt unbekannten Mann bereitwillig Zugang zum Grafen von Étampes zu verschaffen. Charles soll Jean de Bruyère zudem erzählt haben, dass er die Kunst der Wachsfigurenmagie von einem verwandten Prior erlernt habe und auf diese Weise die Zuneigung zwischen Karl und Johann von Burgund herstellen wolle. 319 Dies deckt sich wiederum mit den Informationen, die man aus den Brüsseler Zeugenaussagen erhält, in denen Charles de Noyers zwar nicht namentlich erwähnt wurde, verschiedene Zeugen jedoch von einem unbekannten, schwarz oder grau gekleideten Mann sprachen. Am ersten Befragungstag in Le Quesnoy wurde allerdings deutlich, dass die Mitglieder der Kommission über weitreichendere Informationen verfügten. Sie fragten den Apotheker Franck, der laut den Zeugenaussagen oft mit dem schwarz gekleideten Mann 320 unterwegs gewesen sein soll, gezielt nach einem Charles de Noyers und seinem Verhältnis zu ihm. Francks Antwort macht deutlich, dass die beiden Männer sowohl in Anwesenheit Jean de Bruyères aufeinander getroffen sind als auch zu zweit bei mehreren Figurenschnitzern und Formschneidern gewesen sind. Hier wurden - neben anderen - wieder die bereits bekannten Zeugen Josse Doegens und Jean (Jacques) de Knibbere 321 genannt. 322 Es ist also davon auszugehen, dass es sich um Charles 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16V; 21v. 317 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 318 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18v. 319 Zu dem Prior und dessen Verbindungen zu Charles de Noyers vgl. ausführlich Kap. 3.3.1.1. 320 Die Vorstellung bzw. Aussage, dass ein mit Magie in Verbindung stehender Mann spezielle schwarze Kleidung getragen haben soll, ist keine singuläre Erscheinung. Vgl. Brocard, Pauvres, S. 244. 321 Obwohl die Vornamen des Figurenschneiders in der Brüsseler Aussage (Jacques) und in der Befragung (Jean) voneinander abweichen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um dieselbe Person handelt. Möglicherweise erinnerte sich der Aussagende Apotheker Franck nicht mehr genau an den Namen des Figurenschneiders und nannte ihn Jean anstelle von Jacques. Da es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein und dieselbe Person handelt, wird im Folgenden einheitlich der Name Jacques verwendet werden. 322 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 74 de Noyers handelt, wenn von dem unbekannten, schwarz gekleideten Mann gesprochen wurde. Bei der Zusammenfassung der Informationen aus den Untersuchungsakten und der Chronistik fallen einige Parallelen zwischen den beiden Männern ins Auge. Beide waren oder sind im Dienste des Grafen von Étampes tätig, sie kommen also nicht als Unbekannte zu ihm. Obgleich Charles de Noyers angegeben haben soll, dass er dem Grafen aus alter Verbundenheit helfen wolle, werden auch finanzielle Motive deutlich, deren Anreize vermutlich auch für Jean de Bruyère den Ausschlag gegeben haben. In den Befragungen stellte Jean de Bruyère Charles de Noyers als Ideengeber und als treibende Kraft dar; die Befragungen der Kommission machten aber auch deutlich, dass Jean durch Gespräche mit und Informationsbeschaffungen für den Grafen von Étampes ebenso Anteil am Fortschreiten der Planungen hatte. 323 Die Voraussetzungen für das Unternehmen waren für den Grafen von Étampes mit diesen Helfern also nicht die schlechtesten. Dadurch, dass sie sich selbst - hier insbesondere Charles de Noyers - angeboten hatten und auch eigene Ziele verfolgten, konnte der Graf davon ausgehen, dass die beiden ein eigenes Interesse hatten, die zu bewältigenden Aufgaben zu Ende zu bringen. Da beide Personen zudem offenbar über eigene Erfahrungen im Bereich mehr oder minder obskurer Künste und über die entsprechenden Kontakte verfügten, waren sie auch für die ganz praktische Durchführung der Zaubereien qualifizierte Personen. Der weitere Verlauf der Ereignisse zeigt aber, dass die Rechnung der beiden Männer nicht aufgegangen ist. Anstelle einer gehobenen Position beim Grafen von Étampes und einer wie auch immer gearteten Belohnung, führten die Untersuchungen des Processus contra dominum de Stampis zur Inhaftierung beider Männer. Zumindest für Charles de Noyer ist zudem nachweisbar, dass er in der Haft verstarb. 324 2.3.5. Die Brüsseler Zeugen Die sieben Brüsseler Männer, von denen uns Aussagen über die Ereignisse überliefert sind, sind alle nur über ihr Erscheinen in den Prozessakten nachzuweisen. Dies liegt an der bereits eingangs beschriebenen Quellenlage für das mittelalterliche Brüssel. Im Umfeld des burgundischen Hofes ist keiner der Männer über die 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v. Franck nennt hier auch einen tailleur mit dem Namen Pieter van Romme, der aber offenbar nicht befragt worden war. 323 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v. 324 Jean de Bruyère ist bis 1470 als Gefangener des Grafen von Charolais nachweisbar. ADN B 2217. In den Jahren 1468 und 1469 sind sowohl Charles de Noyers als auch Jean de Bruyère in den Comptes de l’Argentier Karls nachweisbar. Vgl. bspw. ADN B 371, 2068, 2218. Der Tod Charles de Noyers wird ersichtlich aus ADN B 2139. Über die Inhaftierung schrieb auch Du Clercq, Mémoires III, S. 237. 75 Ereignisse hinaus anzutreffen. Neben dem Namen und der Berufsbezeichnung enthalten die Aussagen der Zeugen zudem einige Angaben zum Wohnort der Personen. Die Zeugen können dabei anhand ihrer Berufe in der Regel der Brüsseler Bürgerschicht und dem gehobenen Handwerk zugeordnet werden. 325 Der erste Zeuge, Colart Faverreel, war Mediziner und wohnte in der Putterie, einem Quartier in Brüssel, in dem möglicherweise die Töpfer wohnten. 326 Als Zweites wurde die Aussage von Josse Doegens aufgenommen, einem Wachszieher. 327 Der Brüsseler Apotheker Franck taucht mit den Beinamen Merita und op te Waghe auf, wobei letzterer geläufiger gewesen zu sein scheint. 328 Die vierte Person, die vor dem Brüsseler Schöffengericht aussagte, war der Minorit Jean Mussche. 329 Es folgten die Aussagen des Steinmetzen Jacques de Knibbere, der bei den Karmelitern wohnte, 330 und die des Formschneiders Jean Pepercoiren, wohnhaft in der Melestrate bei Sankt Nikolaus in Brüssel. 331 Zuletzt wurde auch die Aussage des Goldschmiedes Jean de Lombeke festgehalten. 332 Die Informationen über die aussagenden Personen sind also als eher dürftig zu bezeichnen; dennoch ergeben sie ein klares Bild über die Aktivitäten Jean de Bruyères und Charles de Noyers’ in Brüssel. Die beteiligten Personen, deren Professionen im Luxusgewerbe bzw. Kunsthandwerk sowie im Handwerk lagen oder die zur Geistlichkeit zählten, können dabei alle einer gehobenen sozialen Schicht zugerechnet werden. 333 Die Kontakte mit oder zum Grafen von Étampes beschränkten sich auf wenige Personen. Für Jean de Bruyère und Charles de Noyers sind allerdings zahlreiche direkte Kontakte zu Informanten oder möglichen Auftragnehmern zu verzeichnen. Zudem kristallisieren sich die Personen Jean Mussche und insbesondere Franck op te Waghe als diejenigen Personen heraus, 325 Zum städtischen (Kunst-)Handwerk im burgundischen Einflussbereich grundsätzlich und mit weiterführender Literatur: Blockmans, Splendour of Burgundy, S. 18-19. 326 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r. 327 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3r. 328 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4r. 329 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 5v. 330 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v. 331 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 7r. 332 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 8r. 333 Die Verallgemeinerung von sozialen Stellungen in Städten ist zwar schwierig, da es zwischen den einzelnen Orten durchaus Unterschiede geben konnte. Doch durch die Tätigkeiten in gehobenem Handwerk oder Luxusgewerbe kann eine entsprechend hohe soziale Stellung durchaus angenommen werden. Felser, Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte während des Mittelalters, S. 42-52. 76 die die meisten Kontakte für Jean und Charles herstellten und daher als deren Brüsseler Ansprechpartner ausgemacht werden können. 2.4. Strategien und Taktiken - Die Rolle der Kommission und der Aussagenden im Processus contra dominum de Stampis 2.4.1. Der Ablauf der Befragungen Der Prozess gegen Jean de Bruyère im Jahr 1463 weist einen sehr strukturierten, aufeinander aufbauenden Ablauf auf. Die Kommission, die die Befragungen durchführte, konnte dabei auf verschiedene Dokumente zurückgreifen. Es handelte sich zum einen um die schriftlich vorliegenden Zeugenaussagen, die vor dem Prozess vor dem Schöffengericht in Brüssel abgelegt worden waren. Zum anderen spielte bei den Befragungen auch die Korrespondenz zwischen dem Zeugen Franck und dem Befragten Jean de Bruyère, die der Kommission in Ausschnitten vorlag, eine wichtige Rolle. Sowohl auf die Briefe als auch auf die Zeugenaussagen stützten sich die Kommissare während ihrer Befragungen wiederholt. Die Kommission konnte zu Beginn der Befragungen also auf eine Reihe von Vorinformationen zurückgreifen, die die Untersuchungen erleichterten. Argumentationshilfen erhielten die Männer des kirchlichen Gerichts zudem bereits durch den Brief des Bischofs von Cambrai. 334 Die Kommissare gingen bei den Untersuchungen schrittweise und offenbar sehr überlegt vor. Die Strategien der Kommission, aber auch die Aussagen und Taktiken der Befragten sollen im Folgenden dargestellt werden. 2.4.2. Die Überprüfung der Zeugenaussagen Die Kommissare und die Delegierten befanden sich zu Beginn der Untersuchungen in der für sie komfortablen Lage, dass sie bereits verschiedene schriftliche Aussagen vorliegen hatten und sie die Zeugen aus Brüssel auch nach Le Quesnoy vorladen konnten. Diese Vorladungen erfüllen im Prozessverlauf zwei Funktionen: Zunächst ließen sich die Kommissare von Franck op te Waghe, Josse Doegens, Jean Pepercoiren, Jean de Lombeke und Jean Mussche die in Brüssel abgelegten Aussagen noch einmal bestätigen. 335 Der bei den schriftlichen Aussagen zuerst aufgeführte Zeuge Colart Faverreel und auch der Goldschmied Jacques de Knibbere wurden nicht noch einmal angehört. Möglicherweise erwartete man 334 Vgl. Kap. 2.3.1. 335 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v-14r. 77 von ihnen keine weiteren, die Untersuchungen voranbringenden Informationen. Dies spiegelt sich auch in der inhaltlichen Qualität der von ihnen in Brüssel abgelegten Aussagen wider. Jean Mussche durfte seine Bestätigung in Schriftform darlegen. Gemäß den Untersuchungsakten sagte der Minorit am 31. März aus und gab seine schriftliche Aussage am 2. April ab. Beim Kopieren der Prozessakten wurde die Aussage in dem Aktenmaterial den Brüsseler Aussagen zugeordnet. 336 Die meisten Zeugen aus Brüssel wurden nicht nur danach gefragt, ob sie ihre Aussagen bestätigen wollen und können, auch einige Themen aus den Aussagen standen im Fokus der Nachfragen der Kommissare. Besonderes Interesse galt dabei der Frage nach den Wachsfiguren und den Formen sowie deren Verwendungszweck, Kontakten der Zeugen zu Jean de Bruyère, Charles de Noyers und anderen Personen sowie der Frage nach einem beschworenen Geist. Bei Franck, dem Apotheker, ging es zudem um (Zauber-)Utensilien, die zusätzlich gesucht worden waren, wie eine Ziege und Nadeln, aber auch um die Briefe, die er sich mit Jean de Bruyère geschrieben hatte. Die Befragung Francks wurde in dieser frühen Phase der Untersuchungen vergleichsweise lange geführt und dies in dem offensichtlichen Bestreben, einige zusätzliche Hinweise auf die Geschehnisse zu erhalten. Lediglich bei Josse Doegens scheint man auf weitere Fragen verzichtet zu haben und sich mit der Bestätigung der wahrheitsgemäßen Aussage zufrieden gegeben zu haben, zumal dieser offenbar auch ohne Befragung bereit war, zusätzliche Informationen zu geben. 337 Eine Besonderheit weist die Befragung Jean Pepercoirens auf. Nur ihn fragten die Kommissare, ob er es wagen würde, seine Aussage auch vor Jean de Bruyère zu wiederholen. 338 Warum man nur Jean Pepercoiren nach dem Einverständnis zur Gegenüberstellung fragte, erschließt sich nicht aus dem Aktenmaterial. Möglicherweise erhoffte man sich von ihm zusätzliche Informationen, war aber generell von seiner nur partiellen Beteiligung überzeugt und wollte daher sein Einverständnis abwarten. Bei dem stärker in die Angelegenheit verstrickten Apotheker Franck scheint die Gegenüberstellung dagegen bereits geplant gewesen zu sein, während sie bei Josse Doegens wohl weniger notwendig war. Inhaltlich ging es bei den Aussagen um Ergänzungen zu bereits bekannten Aspekten. Franck offenbarte beispielsweise auf Nachfrage der Kommissare weiterführende Informationen zu den Konstellationen, in denen er mit Charles de Noyers und Jean de Bruyère zusammengetroffen war. Auch auf die Frage, an welchen Orten er mit den beiden auf der Suche nach den Formen und Figuren gewesen war, gab er detaillierte Aussagen. Diese wiederum können einerseits mit den Aussagen der anderen Brüsseler Zeugen verglichen werden, denn er nannte 336 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6r; 14r. 337 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 338 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 78 die Besuche bei Jean Pepercoiren und Jacques de Knibbere, andererseits gab er auch hier zusätzliche Informationen preis, die durch die namentliche Nennung weiterer besuchter Handwerker in Brüssel nachprüfbar schienen. 339 Auch von Josse Doegens und Jean Pepercoiren erfuhren die Kommissare weitere Einzelheiten, die in der Akte beide mit »Und er sagt außer seiner Aussage« bzw. »Item außer seiner Aussage« eingeleitet werden. 340 Diese Ausdrücke weisen auch an anderen Stellen auf zusätzliche Informationen hin. Die Vorkenntnisse der Kommission führten dazu, dass die Kommissare im Umgang sowohl mit den Zeugen aus Brüssel als auch mit Jean de Bruyère oft Suggestivfragen einsetzten. Dies konnten Fragen sein, die bereits von gewissen Voraussetzungen ausgingen, wie die Frage, nach konkreten Informationen oder Dingen, die Jean in einem Brief an Franck erwähnt hatte. 341 Zudem verwendeten sie dabei oft die Umschreibung »ob … gar.« So fragten sie den Apotheker Franck op te Waghe, »ob er gar wisse, dass der genannte Meister Jean Personen machen wollte, wovon er ihm geschrieben hat.« 342 Die offeneren Fragen wie die erstgenannte konnten sowohl knappe als auch ausführliche Antworten hervorrufen, wohingegen die »ob … gar«-Fragen sowohl mit »Ja« als auch mit »Nein« oder einer ausführlichen Antwort erwidert werden konnten. Zu dieser Fragestrategie sind auch die Formulierungen zu zählen, bei denen die Kommissare die Zeugen durch ihre Wortwahl zu Spekulationen aufforderten, wie dies bei Franck, dem Apotheker, festzustellen ist, als die Kommissare ihn fragten, was er selber gedacht hatte, als Jean ihn um die Ziege gebeten habe. 343 Nachdem sich die Kommission der in Brüssel getätigten Aussagen vergewissert und zusätzliche Informationen erhalten hatte, wurde noch am ersten Untersuchungstag Jean de Bruyère vor die Kommission geführt. Auch er wurde zunächst einigen Fragen unterzogen, die sich in Variationen auf die Aussagen der Brüsseler Zeugen vor dem Schöffengericht oder auf die erst kürzlich getätigten Aussagen bezogen. Diese erste Befragung dauerte nur kurz an, da die Kommissare sehr schnell zu der geplanten Konfrontation mit einigen der bereits gefragten Männer übergingen. Die Brüsseler Zeugen, dies lässt sich dem Aktenmaterial entnehmen, waren durchaus gewillt und in der Lage, ihren bereits getätigten Aussagen zusätzliche 339 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v. 340 Et dit oultre sa deposicion, bzw. Item dit oultre sa deposicion. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 341 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14r. 342 s’il scet point que ledit maistre Jehan vouloit faire des personnes, dont il ly avoit ainsi escript. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 343 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15r. Die Frage wurde allerdings während der Gegenüberstellung Francks mit Jean de Bruyère gestellt. 79 Informationen hinzuzufügen. Wie im folgenden Kapitel zu zeigen sein wird, trug aber auch die Fragetaktik der Kommissare ein Übriges dazu bei, vertiefende Antworten zu erhalten. 2.4.3. Die Gegenüberstellungen Die Gegenüberstellungen waren für die Kommission besonders interessant, konnten doch hier die Aussagen zweier Personen und deren Reaktionen direkt verglichen werden. Sie fanden am ersten und zweiten Untersuchungstag statt. Am ersten Tag wurde Jean de Bruyère mit den Zeugen Josse Doegens, Jean Pepercoiren und Jean de Lombeke konfrontiert. Erst am zweiten Tag der Untersuchungen wurde ihm auch Franck op te Waghe gegenübergestellt. Bei der Konfrontation Jean de Bruyères mit Josse Doegens ging es unter anderem um die Aussage des Wachsziehers, wonach Jean de Bruyère ihm gesagt habe, dass er über 40 Meilen weit hören könne, was ein Mann sage. Josse bestätigte noch einmal seine Aussage. Jean de Bruyère hingegen verneinte dies und versuchte zudem, die Aussage Josses in eine andere Richtung zu drehen. Josse blieb jedoch, was seine Aussage angeht, standfest. 344 Auch bei der darauffolgenden Gegenüberstellung Jean de Bruyères mit Jean Pepercoiren fanden sich Diskrepanzen in den Aussagen der beiden Männer. Hier ging es um die Frage, ob Jean de Bruyère während eines Besuchs beim Steinmetz selbst die Beispiel-Wachsfigur getragen hatte oder ob - wie Jean de Bruyère dies behauptete - Franck der Träger gewesen war. Offenbar zielte diese Frage, die ganz zu Beginn der Untersuchungen behandelt wurde, darauf ab, wer in die Suche nach den Wachsfiguren und den zugehörigen Formen wie stark involviert gewesen war. Auch hier versuchte Jean de Bruyère wieder, die Kommission von seiner Version zu überzeugen, während Jean Pepercoiren auf seiner ursprünglichen Aussage bestand. 345 Bezüglich Jean de Lombeke kam es bei der Gegenüberstellung zu ähnlichen Ergebnissen: Dieser erwähnte auf die von Jean de Bruyère verneinte Frage, ob man noch weitere Goldschmiede aufgesucht habe, dass er von einem Goldschmied namens Jean Lievin wisse, der Angebote für das Herstellen von Figuren von Jean de Bruyère bekommen habe. Auf diese Aussage habe Letzterer dann nichts mehr zu antworten gewusst. 346 Dies deutet darauf hin, dass es der Kommission mit Hilfe der Zeugen an verschiedenen Stellen gelang, Jean de Bruyère zu verunsichern und mit den gezielten Fragen unter Druck zu setzen. Bei der Gegenüberstellung Francks mit dem Verdächtigen ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Kommission erfuhr bei der gemeinsamen Befragung, die auch auf Grundlage des Briefwechsels 344 Vgl. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3V; fol. 13r. 345 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13r. 346 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v. 80 zwischen den beiden Männern geführt wurde, dass Franck von Jean de Bruyère erfahren haben wollte, dass man über die Nadel, nach der gesucht werden sollte, Verse oder Psalmen sprechen müsse. Auch hier wollte Jean nichts von diesen Praktiken wissen, während Franck bei seiner Aussage blieb. 347 Bei jeder der skizzierten Gegenüberstellungen zeigt sich also ein eindeutiges Muster, wonach die Zeugen aus Brüssel auch gegenüber Jean de Bruyère an ihren Aussagen festhielten, die sie vor dem Schöffengericht gemacht oder die sie vor der Kommission in Le Quesnoy zu Protokoll gegeben hatten. Dabei legten sie eine starke Selbstsicherheit an den Tag. Auch die gegenteiligen Behauptungen, die Jean de Bruyère bei allen Zeugen hervorbrachte, vermochten die Inhalte der Zeugenaussagen in keinerlei Weise zu ändern. Vielmehr wiesen die Berichte der Brüsseler Zeugen oft noch zusätzliche Details auf, die die vorherigen Aussagen ergänzten. Dies wird die Glaubwürdigkeit der Zeugen erhöht haben, zumal auch die Kommission gewillt schien, ihrer Version Glauben zu schenken. So wird dies auch in den Prozessakten vermerkt, wenn Jean Gros angesichts der Gegenüberstellung Jean de Bruyères mit Josse Doegens kommentierte, dass der Wachszieher frei und ohne zu variieren seine eigene Aussage bekräftigte und Jeans Version der Geschichte als erfunden dargestellt habe. 348 Die Gegenüberstellungen waren geplant, um Jean de Bruyère in Bedrängnis zu bringen. Ein intensiveres Hinterfragen der Aussagen der Brüsseler Zeugen gehörte offenbar nicht zum Plan der Kommission, da das - vermutlich erwünschte - Ergebnis, die Belastung Jean de Bruyère, eingetreten war. 2.4.4. Die Taktiken Jean de Bruyères während der Befragungen Jean de Bruyère selbst verwendete verschiedene Taktiken in den unterschiedlichen Befragungssituationen. Wie im vorangegangenen Kapitel bereits gezeigt, verlegte sich der Verhörte bei den Gegenüberstellungen auf das Leugnen oder versuchte, das Geschehen anders, in der Regel harmloser, darzustellen. Dabei geriet er in die Situation, dass er auf manche Fragen oder Behauptungen der Brüsseler Zeugen keine Antwort mehr zu geben wusste, oder er versuchte, die Flucht nach vorne zu ergreifen. Dies geschah beispielsweise, als die Kommission auf eine Erzählung Jean de Bruyères über eine Nadel einging. Dabei berichtete Jean, dass er mithilfe eines solchen Utensils Menschen an einem Tisch einschläfern könne. 349 Hierauf antwortete Franck der Kommission während der Gegenüberstellung mit Jean de Bruyère auf die Frage, ob man für den Trick mit der Nadel Psalmen oder Verse benötige, dass er glaube, dass dies zutreffe. Anstatt 347 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15r. 348 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol 13r. 349 Ausführlicher zu der Verwendung von Nadeln im Processus contra dominum de Stampis vgl. Kap. 3.1. 81 diese Behauptungen lediglich zu verneinen, wie er dies oft getan hatte, fragte Jean offensiv zurück, welcher Psalm dies gewesen sei. Aber Franck gab darauf zurück, dass Jean dies besser wisse. 350 An anderer Stelle versuchte Jean, sich der Meinung Francks, der von Charles de Noyers’ Plan mit einer Ziege nichts Gutes gedacht haben wolle, anzuschließen, indem er ebenfalls zu Protokoll gab, dass er Charles gegenüber argwöhnisch gewesen sei. Charles habe ihm aber erzählt, dass es um Zaubereien gegangen sei, um Frauen zu täuschen. 351 Hier deutet sich an, dass der Befragte versuchte, den Fokus der Befragungen von sich selbst auf eine andere Person zu lenken. Die angedeuteten Zaubereien gegenüber Frauen mögen ihm an dieser Stelle jedenfalls harmloser erschienen sein, da sie in den Bereich des Liebeszaubers fielen. Bei den immer wieder aufkommenden Fragen nach einem Geist mit brennenden Augen versuchte Jean, zu beteuern, dass er nichts von dem Geist wisse. Er betonte aber, dass Meister Gilles sich darauf verstünde, den Geist hervorzurufen und implizierte dabei zugleich, dass dieser dementsprechend mehr wisse. 352 Ähnliches lässt sich auch bei der bereits geschilderten Gegenüberstellung mit Jean Pepercoiren beobachten, als der Verhörte behauptete, dass nicht er die Wachsfiguren getragen habe, sondern dies Franck gewesen sei. 353 Durchgehend finden wir bei Jean de Bruyère die Taktik, sich selbst als Mitläufer zu stilisieren, indem er immer wieder betonte, dass es eigentlich Charles de Noyers gewesen sei, der bestimmte Dinge in Auftrag gegeben oder von ihnen gewusst habe. Dies zeigt sich insbesondere in den Beschreibungen seiner ersten Bekanntschaft mit Charles de Noyers, bei der Jean diesen als Initiator beschreibt. 354 An den einzelnen Befragungstagen stellte sich entweder durch neuerliche Untersuchungen oder aber auf eigenes Betreiben Jean de Bruyères heraus, dass der Verhörte bei den vorangegangenen Befragungen Informationen zurückgehalten hatte. 355 Wenn in den Prozessakten vermerkt ist, dass Jean auf eigenes Betreiben mit Mitgliedern der Kommission sprechen wollte oder nach einigen Tagen Befragungspause um ein Gespräch mit dem Grafen von Charolais bat und bisher nicht bekannte Informationen offen legte 356 , suggeriert dies, dass er auch während des 350 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15r. 351 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 15r. 352 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 353 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13r. 354 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r-19r. 355 Vgl. bspw. Befragungstag 5., HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v und Befragungstag 6., HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23r. 356 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21V; fol. 23v. 82 Prozessverlaufs seine Taktik an die jeweiligen Befragungssituationen angepasst hatte. Immer dann, wenn es ihm sinnvoll erschien, mehr oder andere Informationen preiszugeben, sucht er das Gespräch. Diese Taktik lässt sich besonders gut bei der Entwicklung der Darstellung von Johann von Burgund beobachten. 357 Wie noch zu zeigen sein wird, konnten während der Befragungen solche Situationen auch durch einen gewissen Druck seitens der Kommission erzeugt worden sein, aber offenbar war dies nicht immer nötig, um eine Variation der Aussagen Jean de Bruyères zu erhalten. Während der Gegenüberstellungen blieb dem Verhörten also in einigen Situationen nur eine defensive Haltung, weil er die Aussagen der Zeugen bestenfalls dementieren konnte. Dennoch versuchte Jean de Bruyère, auch in diesen Situationen eine für ihn positive Darstellung der Ereignisse und Umstände zu finden bzw. die Verantwortung an andere Personen abzugeben. Bei den unterschiedlichen Verhörsituationen finden sich also Taktiken, die als typisch für Aussagen eines Beschuldigten bei einem Prozess gedeutet werden können. Bei Jean können wir ferner die Aussageeigenart der Konstanz einfacher Aussagen feststellen, die sich besonders im wiederholten Beteuern, Dinge nicht zu wissen, ausdrückt. Das Nicht-Erinnern-Wollen aber auch das Ausblenden von Erlebtem, das Reden, ohne wirkliche Neuigkeiten zum Prozessverlauf beizutragen, ausweichende Aussagen oder solche aus Loyalität zählt Kathrin Simon-Muscheid zu einer erweiterten Form von Schweigen vor Gericht. Dieses Schweigen drückt sich eben nicht nur im Nicht-Reden, sondern auch im (für den Prozessverlauf ) nicht-zielführenden Reden aus. 358 Hierzu passen die ausweichenden bzw. für den eigentlichen Gegenstand nicht bedeutsamen Antworten Jean de Bruyères. Solche Antworten erhielten die Kommissare spätestens mit dem Einsatz der Folter am dritten Verhandlungstag, deren Anwendung im folgenden Kapitel dargestellt werden sollte. Dabei soll auch auf mögliche Änderungen in Jean de Bruyères Aussageverhalten eingegangen werden. 2.4.5. Die Folter und ihre Rolle im Prozess Aufgrund von »Abwandlungen und Gegensätzlichkeiten« (variacions et contrarietez) 359 in den Aussagen Jean de Bruyères gegenüber der »Beständigkeit und Beharrung« (constance et perseverance) 360 der Aussagen der Brüsseler Zeugen beschlossen die Kommissare Enguerrand Signard und Girard Vurry sowie die Delegierten, Jean de Bruyère auch unter dem Einsatz von Folter zu befragen. Die Befugnis zur Folter, dies wurde betont, sei den Kommissaren Enguerrand Signard 357 Siehe auch. Kap. 3.4. 358 Simon-Muscheid, Reden und Schweigen vor Gericht, S. 41. 359 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16r. 360 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16r. 83 und Girard Vurry durch den Bischof von Cambrai übertragen worden. In einem Zwischenurteil (sentence interlocutoire ) , wie es in den Akten genannt wird, erklärten sie daher, dass Jean de Bruyère unter Folter befragt werden sollte. 361 Obwohl an dem entsprechenden dritten Befragungstag, dem 4. April, schon vorher feststand, dass man den Befragten unter Folter verhören wollte, wurde er zunächst von den Kommissaren eindringlich ermahnt, die Wahrheit zu sagen; ein Verfahren, das auch bei anderen Fällen gerichtlicher Folter im Vorfeld angewandt wurde. 362 In einer kurzen, einleitenden Befragungsrunde wurden aber anscheinend keine befriedigenden Erkenntnisse offenbart, da die Kommission bereits nach kurzer Zeit beschloss, ihn unter Folter zu befragen. So »wurde er auf die question du chapelet 363 angebracht und gesetzt, welche relativ leicht und ohne Verstümmelung der Glieder funktionierte.« 364 Unter Folter wurde er daraufhin mit sehr vielen kleinteiligen Fragen konfrontiert, deren Thema oft gewechselt wurde. So sprang die Kommission gleich zu Beginn in den Befragungen von den Beschwörungen zur Erlangung von Zuneigung, über die Nachfrage nach Personen, die gekürzten Briefe, die Nadeln und Alchimie bis zu dem Kontakt Jeans mit Charles de Noyers. Auch im weiteren Verlauf blieb die Befragung unstet. Es wurden viele Themen angeschnitten, die oft aber nicht mit zusätzlichen Fragen weitergeführt wurden. Zwar wurden auch bei späteren Befragungen immer wieder verschiedene Aspekte angesprochen, aber die Kommission blieb dann in der Regel für mehrere Fragen bei einem Thema. Diese plötzlichen Wechsel können auf eine gewisse Fragestrategie hin deuten: Möglicherweise versuchten die Kommissare, durch den schnellen Themenwechsel Ungereimtheiten aufzudecken, etwa damit der Verhörte sich durch die Taktik überrumpelt fühlte und nicht bei seinen ursprünglichen Aussagen blieb. Auch scheinen sie den Befragten zum 361 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16r. Die hier verwendeten Begriffe quaestio und tornamentum wurden im 15. Jahrhundert im Rückgriff auf römische Rechtsquellen gleichbedeutend für die Folter verwandt. Lembke, Folter und gerichtliches Geständnis, S. 177. Voye extraordinaire findet sich auch in anderen Zusammenhängen, bei denen es im Herzogtum Burgund um die Folter ging. Santamaria, Crimes, complots et trahisons, S. 99. Lembke, Folter und gerichtliches Geständnis, S. 177-178. 362 So wurde bspw. in Luzern ein des Hochverrats Verdächtiger mit »guten Worten« ermahnt, die Wahrheit zu sagen. Lembke, Folter und gerichtliches Geständnis, S. 191. 363 Es wird nicht deutlich, um was für ein Folterinstrument es sich hier handelt. Bei einem Hexereiprozess des 17. Jahrhunderts wird auch auf ein Folterinstrument namens »Rosenkranz« verwiesen. Dabei handelt es sich vermutlich um eine Art Kopfreifen, der durch Verengung Druck auf den Kopf ausübte. Wilde, Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, S. 51. 364 A esté apliqué et mis a la question du chapelet, laquelle a esté assez legiere et sans quelque mutilacion de membre. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16r. Welches Folterinstrument sich hinter dieser Umschreibung verbirgt, konnte leider nicht eruiert werden. Im frühneuzeitlichen Reich ist ein ›Kränzlein‹ nachzuweisen. vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, s.v. ›Kranz‹ (II), das allerdings aufgesetzt wird. http: / / www.rzuser.uni-heidelberg.de/ ~cd2/ drw/ e/ kr/ anzl/ kranzlein.htm#KRANZLEIN-2.0 (zuletzt zugegriffen am 18.12.2015) 84 Teil bewusst mit Vermutungen ihrerseits konfrontiert zu haben, um neue oder abweichende Informationen zu erhalten. So ließen sie Mutmaßungen über den Charakter der Beschwörungen in ihre Fragen einfließen, spekulierten über den Sinn der verschwundenen Stellen in den Briefen zwischen Jean und Franck oder versuchten, durch präzisere Fragestellungen Genaueres herauszufinden. 365 Jean selbst versuchte zunächst, bei vielen der angeschnittenen Themen möglichst vage zu bleiben, indem er vorgab, nichts zu wissen oder Informationen über größeres Wissen bei anderen Personen zu vermuten. 366 Als die Kommission bei der Frage nach Mitwissern die unbestimmte Antwort Jeans, er habe Franck und zwei oder drei anderen Personen von den Figuren erzählt, nicht gelten ließ und genauer nachfragte, erhielt sie dann auch eine ausführlichere Antwort, in der Jean Namen der Personen preisgab. 367 Ob diese erweiterte Aussage unter konkreter Anwendung der Folterinstrumente entstanden war, ist aus den Akten zwar nicht zu belegen, am Beispiel der Frage nach den Beschwörungen aber lässt sich die Änderung des Aussagegehaltes bei Jean de Bruyère unter der Folter gut nachvollziehen. Die Frage, ob man für das Herstellen der Figuren auch Beschwörungen benötige, ist die erste, die die Kommissare nach der Ankündigung, die Folter beginnen zu lassen, stellten. Dabei fragten sie, auf welche Art oder mit welchen Beschwörungen man die Figuren den gedachten Personen zuordnete und ob ihm Charles de Noyers dazu etwas gesagt habe. Jean antwortete, dass Charles ihm nichts gesagt habe, außer dass ein Prior die Zuneigung zwischen den Personen herstellen wolle. 368 Einige Fragen später kamen die Verhörenden wieder auf das Thema zurück, indem sie fragten, welche Beschwörungen man für die Figuren benötige. Auch hier antwortete Jean erwartungsgemäß, er denke, dass man gar keine Beschwörungen dafür benötige, wisse es aber nicht sicher. 369 Kurz darauf wurde er gefragt, ob die Figuren vor der Abreise Charles de Noyers’ beschworen wurden, woraufhin er erneut Unwissenheit angab. An anderer Stelle wurde Jean gefragt, warum er die Kunst der Zuneigung lernen wolle, erlange man diese doch durch Zauberei und Beschwörungen. Hier kann man schon eine erste Abweichung von den vorangegangenen Aussagen Jean de Bruyères erkennen, wenn er nämlich an dieser Stelle zu Protokoll gab, darüber nichts Schlimmes gehört zu haben. 370 Er bestritt also nicht mehr, wie er es vorher getan hatte, überhaupt 365 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v-18v. 366 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 367 Bei diesen Personen handelt es sich um Meister Thomas, den Bailli d’Amiens und Henry de Chissey. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 368 Zum Prior vgl. Kap. 3.3.1.1. 369 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 370 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17r. 85 etwas Näheres darüber zu wissen, sondern versuchte lediglich, die negativen Implikationen, die die Kommissare mit ihrer Frage aufgeworfen hatten, abzuschwächen. Später bejahte Jean de Bruyère die Frage, ob Charles ihm gesagt habe, dass er die Figuren beschwören würde, und er erwähnte auch wieder den Prior, der die Beschwörungen durchführen müsse. 371 Dies war die letzte Aussage, die Jean de Bruyère unter Folter über die Beschwörungen machte. Aber auch bei seinem anschließenden Bericht über seine ersten Treffen mit Charles de Noyers kam Jean immer wieder auf die Beschwörungen und andere, während der Folter angesprochene Themen zu sprechen. Dabei bestritt er nicht mehr, dass Charles mehrere Male über Beschwörungen und deren Verwendung gesprochen hatte. Mit Fortschreiten der Folter kam es also immer seltener vor, dass Jean de Bruyère ausweichend antwortete oder vorgab, nichts zu wissen. Im Gegenteil wurden die Aussagen detaillierter und ausführlicher, sodass man zu einigen Themen neue Informationen erhielt. Die dazugehörigen Fragen der Kommissare waren während der Folter zudem sehr kleinschrittig, sodass konkretere Antworten herausgefordert wurden. So fragten sie beispielsweise, ob es Charles auf Zuneigung besonders zwischen bestimmte Personen abgesehen hatte, worauf Jean erläuterte, dass es sich um den Grafen von Charolais und den Grafen von Étampes handelte, zwischen denen Zuneigung geschaffen werden sollte. 372 Diese Frage gehört zu mehreren aufeinanderfolgenden, mit denen man offenbar gegen Ende der Folter versuchte, gewisse Sachverhalte konkreter zu fassen. Aus der Folter entlassen wurde Jean de Bruyère erst, als er selbst darum bat. Er versprach im Gegenzug, in der weiteren Befragung die Wahrheit zu sagen. Laut den Prozessakten erteilten die Kommissare daraufhin tatsächlich die Anweisung, Jean von der Folter zu befreiten, und er wurde auf einem Stuhl sitzend weiter befragt. 373 Ob es auch schon vor diesem Zeitpunkt Bitten um eine Entlassung aus der Folter gab, ist nicht überliefert, wohl aber denkbar. In den folgenden Tagen wurden die Befragungen ohne Ausübung der Folter geführt. Zu Beginn der weiteren Untersuchungen standen allerdings zunächst die Bestätigungen der Aussagen des vorangegangenen Tages durch Jean de Bruyère an, die zur Bestätigung vorgelegt wurden. 374 Bei der folgenden Befragung stand Jean de Bruyère ausführlich Rede und Antwort. Etwaige Androhungen von Folter in dieser Phase sind dem Material nicht zu entnehmen. Am 6. April bat Jean offenbar aus eigenem Antrieb um eine Unterredung mit den Seigneurs 371 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17v. 372 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17v. 373 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r. 374 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19r. 86 de Fourmelles und de Contay. 375 Allerdings scheinen auch die neuen Aussagen Jeans immer weitere Fragen bei den Kommissaren und Delegierten aufgeworfen zu haben, die sie zunächst allerdings »durch sanfte Ermahnung« 376 zu eruieren suchten. Dass der Verhörte nach dem Tag der Folter die Seigneurs de Fourmelles und de Contay gesondert um eine Unterredung bat, deutet darauf hin, dass er zu diesen Männern mehr Zutrauen als zu anderen Mitgliedern der Kommission hatte, deren Verhalten im Einzelnen jedoch nicht aus den Akten ersichtlich wird. Die Kommissare nutzten diesen Umstand für sich aus, indem sie diese beiden am darauf folgenden Tag wiederum autorisierten, allein mit dem Verhörten zu sprechen, um sich die Aussagen, die Jean am Vortag in ihrem Beisein gemacht hatte, bestätigen zu lassen und weitere Einzelheiten durch neuerliche Befragungen heraus zu finden. Erst am 15. April wurde Jean de Bruyère, wieder aufgrund von Variationen in seinen Aussagen, in das Zimmer gebracht, in dem die Folter stattgefunden hatte. 377 Der Kommissar Enguerrand Signard und die hinzugezogenen Delegierten, die Seigneurs de Fourmelles und de Contay sowie Guillaume de Clugny, der Archidiakon von Avallon, forderten den Verhörten auf, die Wahrheit über die Wachsfiguren zu gestehen. Den Prozessakten ist zu entnehmen, dass Jean de Bruyère »aus seinem vollen Ermessen und seinem freien Willen ohne ein einziges Mal auf die Folter gebracht zu werden, die Dinge sagte und aussagte, die hierauf erklärt werden.« 378 Die Möglichkeit, wieder unter Folter befragt zu werden, hatte hier offenbar nachhaltig Wirkung gezeigt. Diese Vermutung wird auch dadurch unterstützt, dass er an diesem Tag besonders schwerwiegende Aussagen tätigte, die seine eigenen und die Taten seines Komplizen sowie die des Grafen von Étampes in ein schlechtes Licht rückten. 379 Zwei weitere Stellen der Prozessakten weisen auf den Umstand hin, dass allein die Nähe oder Ferne zu den Örtlichkeiten der Folter Einfluss auf die Psyche des Befragten hatte. 380 Wie bereits gezeigt, wurde zu Beginn des 5. April, dem ersten Befragungstag nach der Folter, erwähnt, dass man Jean de Bruyère in einem Zim- 375 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. 376 Par doulce exhortation. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23r. 377 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), 24r. 378 Dit et deposa de son plain gre et de sa franche volenté sans aucunement estre apliqué a la question les choses cy apres declairees. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 379 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r. Zur Verwicklung des Grafen von Étampes in die magischen Praktiken vgl. Kap. 3.4. 380 Zu diesem Punkt vgl. auch Gonthier, La violence judiciaire à Dijon à la fin du Moyen Âge, S. 26. 87 mer neben seiner Zelle befragte, das weit weg von dem Ort der Befragung lag. 381 Eine ähnliche Beschreibung findet sich auch in der Einleitung der Befragung am 16. April. 382 Die explizite Erwähnung der Entfernung des Befragungsortes von dem Folterort lässt darauf schließen, dass man sehr wohl die räumliche Nähe oder Entfernung zu der Stätte der Folter nutzte, um den Druck auf den Befragten zu regulieren. Diese Beispiele der Befragungen Jeans während und nach der Folter zeigen deutlich, dass die Kommissare die Folter sowohl als unmittelbares Druckinstrument nutzten, sie dies aber auch wirkungsvoll indirekt einzusetzen wussten. Die Folter wurde von der Kommission demnach als ein probates Mittel angewandt, um die Wahrheit zu ergründen. Die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Wahrheitsfindung wurde zwar im 16. Jahrhundert als zunehmend problematisch empfunden. Für das 15. Jahrhundert ist aber zu konstatieren, dass die Folter noch problemlos eingesetzt werden konnte, da man sich darauf berief, die befragte Person zur Ehrlichkeit bekehren zu wollen und dies unter Beachtung juristischer Verfahrensregeln tat. Auch am Parlament von Paris oder bei den politischen Prozessen Ludwigs XI. gegen den Grafen von Saint-Pol (1475) und den Grafen von Nemours (1476/ 77), denen Majestätsverbrechen zur Last gelegt wurde und die beide zum Tode verurteilt wurden, wandte man dieses Verfahren an. 383 Die wesentlichen auch dort zu beobachtenden Charakteristika der procédure extraordinaire - der Verhörte weiß nichts genaues über die Anklagepunkte, der Angeklagte kann keine eigenen Zeugen berufen und die Folter kann angewandt werden - ähneln also in eben diesen Punkten auch den inquisitorischen Befragungen durch die Kommission des Processus contra dominum de Stampis. Auch Philipp der Gute sah bei der Ermordung seines Vaters die Anwendung von Folter als probates Mittel bei der Untersuchung dieses Verbrechens an. 384 Hans Fehr beschreibt die Folter als ein den Gottesurteilen nachfolgendes und somit reinigendes Instrument. 385 Eine hingegen weit verbreitete Regel war im Spätmittelalter, dass die Folter erst dann angewendet werden sollte, wenn nur noch ein Geständnis zum Beweis des Verbrechens fehlte, 386 wobei die Verwertung 381 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19r. 382 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25v. 383 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 30. Auch bei einem dieser Verfahren wurden Vorwürfe der Anwendung der Nigromantie, Zauberei und Magie laut (vgl. S. 34). 384 Santamaria, Crimes, complots et trahisons, S. 99. Zur der Verwendung des Vorwurfs des Majästätsverbrechens durch den Grafen von Charolais auch im Zusammenhang mit dem Processus contra dominum de Stampis, soll an späterer Stelle ausführlicher eingegangen werden. Vgl. Kap. 4.3. 385 Fehr, Gottesurteil und Folter, S. 234-235; Fehr, Zur Erklärung von Folter und Hexenprozeß, S. 581-582. 386 Zagolla, Folter und Hexenprozess, S. 26-27; Lembke, Folter und gerichtliches Geständnis, 88 des auf diese Weise erhaltenen Geständnisses aus juristischer Sicht dessen Überprüfung voraussetzte. Ein solches Verfahren ist auch bei den Befragungen Jean de Bruyères in Le Quesnoy zu beobachten. Für diese Befragungen unter Folter kann man allerdings sicherlich auch der Aussage Lembkes zustimmen, dass »die Wahrheit, die Richter durch Gewalt in Form eines Geständnisse erpressen ließen, ihrer eigenen und den Erwartungen einer bestimmten sozialen Gruppe entsprechen [musste].« 387 Im vorliegenden Falle konstituierte sich die soziale Gruppe um Karl von Burgund, dessen Anhänger und Vertraute die Mitglieder der Befragungskommission stellten und in denen sich die Erwartungen des Hofes des Grafen von Charolais spiegelten. Ausgelöst wurden diese durch die Hinweise in den Zeugenaussagen, die Aussagen Jeans selbst und umgehende Gerüchte. Die Anwendung der Folter als Teil der vormodernen Gerichtsbarkeit, dies belegt dieses Beispiel deutlich, war damit auch ein Ausdruck herrschaftlicher Macht, um Beweise gegen einen politischen Gegner zu sammeln. 2.4.6. Schlussfolgerungen Der Prozessablauf, dies konnte herausgearbeitet werden, wurde von der Kommission sorgfältig aufgebaut. So wurden zunächst einige der Zeugen und der Verdächtige Jean de Bruyère verhört. Danach musste sich Jean wegen zahlreicher Ungereimtheiten zwischen seinen und den Informationen der Brüsseler Zeugen in den Gegenüberstellungen mit einigen der anderen Aussagenden konfrontieren lassen. Bei diesen Befragungen mussten die Kommissare feststellen, dass die Aussagen Jeans und die der Zeugen teils erheblich voneinander abwichen. Dies wiederum führte zu weiteren Befragungstagen, während derer Jean de Bruyère auch unter der Folter verhört wurde. Bei ihm und bei den anderen involvierten Parteien lassen sich in den Untersuchungen verschiedene Aussagetaktiken und Verhörstrategien finden. Die Brüsseler Zeugen wiesen dabei nicht nur große Konstanz in ihren Aussagen auf, sie waren in den nachfolgenden Befragungen zu weiterführenden und detaillierteren Aussagen bereit. Zudem kann man zwischen den Aussagen der unterschiedlichen Zeugen auch mehrere Parallelen und übereinstimmende Verweise finden. Die Ergänzbarkeit ihrer Aussagen lässt somit auf eine hohe Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen schließen. Die Aussagen Jean de Bruyères waren hingegen weit weniger konsistent. Neben den Unstimmigkeiten zwischen seinen Aussagen und denen der Brüsseler Zeugen konnte auch konstatiert werden, dass sich der Gehalt seiner Aussagen im Laufe der Befragungen beträchtlich änderte. Die Strategien Jeans reichten dabei zunächst, wie gezeigt werden konnte, von dem Versuch, Sachverhalte einfach zu leugnen, über den Versuch, die Schuld auf andere Personen zu schieben zu angeblichem mangelnden Erinnerungsvermögen sowie Umdeutungen von Aussagen anderer. Besonders oft war zudem die Taktik zu finden, nur jeweils S. 177-179; Mercier, La torture en procès, S. 176, 178-179. 387 Lembke, Folter und gerichtliches Geständnis, S. 194. 89 kleine Informationen preiszugeben und erst in Bedrängnissituationen zusätzliche Angaben zu machen. Im späteren Verlauf der Untersuchungen kam es bei Jean de Bruyère dann zu wesentlich detaillierteren Darstellungen der magischen Handlungen und der sie begleitenden Ereignisse. 388 Obgleich viele dieser eingehenderen Aussagen unter Folter bzw. deren Androhung entstanden sind, ist diesbezüglich eine hohe Glaubwürdigkeit zu konstatieren. Durch die genaue Ausführung auch von Kleinigkeiten, die schrittweisen Erweiterungen der Aussagen und die Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugen aus Brüssel kann eine gewisse Grundstimmigkeit festgestellt werden. Die bereits vor Prozessbeginn bestehende Vermutung, wonach der Graf von Étampes mit Hilfe Jean de Bruyères und Charles de Noyers’ Figurenzauber ausgeübt hatte, wird durch diese Aussagen also glaubwürdig bestätigt. Um dieses Ergebnis zu erhalten, spielten allerdings auch die beschriebenen Fragestrategien der Kommission eine wichtige Rolle. Sie enthielten unter anderem das sorgfältige neuerliche Befragen der Brüsseler Zeugen und das Sammeln zusätzlicher Informationen sowie Suggestivfragen, die den Kommissaren Aussagen auch zu Gerüchten über die Ereignisse in Brüssel lieferten. Dadurch war es ihnen möglich, Einschätzungen der Zeugen zu der Suche Jean de Bruyères und Charles de Noyers’ nach Formen und Figuren sowie anderen Utensilien und Praktiken zu erhalten. Diese Aussagen konnten wiederum zu verschärften Fragen an Jean de Bruyère führen. Wirksam zur Verunsicherung des Verdächtigen war zudem dessen Konfrontation mit einigen der Brüsseler Zeugen, wenngleich auch die Folter erheblichen Einfluss auf das Aussageverhalten Jean de Bruyères’ gehabt hatte. Speziell am Beispiel der Fragen nach Beschwörungen ist erkennbar, wie sich die Aussagen Jeans nach und nach änderten, was sich auch auf die anderen Fragethemen übertragen lässt. Die Kommission setzte zudem nicht nur auf die tatsächliche Anwendung von Folter; auch das Androhen von Foltermaßnahmen, die bewusste Entfernung vom oder hingegen die räumliche Nähe zum Folterraum nutzte sie, um zusätzliche Informationen von Jean de Bruyère zu erhalten. Sie setzte somit ein vielfältiges Repertoire an Untersuchungstechniken ein, die besonders bei der Befragung des zunächst widerspenstigen Jean de Bruyère notwendig schien. 388 Zu den magischen Praktiken vgl. auch die Ausführungen in Kap. 4. 91 3. Vorstellungswelten Die Aussagen der Brüsseler Zeugen und Jean de Bruyères erlauben einen Blick auf eine Reihe magischer Praktiken dieser Zeit sowie auf Vorstellungen von magischen Anwendungsweisen im städtischen und höfischen Milieu. Die Differenzierung zwischen Magie, gewöhnlichen Tricks und mechanischen Spielereien fällt dabei - wie zu zeigen sein wird - nicht immer leicht. Ein durchgehendes Thema, das während der Verhöre zutage trat, ist die Suche nach Figuren, mit denen man Magie erzeugen wollte. Da die Wachsfigurenmagie ein Schwerpunkt der Befragung gewesen ist, soll diesem Themenkomplex, mit dem nicht nur die Suche nach passenden Utensilien und Praktiken, sondern auch die letztendliche Verwendung der Wachsfiguren gemeint ist, ein eigenes Kapitel gewidmet werden. Zu Beginn sollen aber auch die anderen im Prozess zur Sprache gebrachten magischen Praktiken und dafür kontaktierte Personen skizziert werden, um den Weg zur Entscheidung für die Wachsfigurenmagie aufzuzeigen. 389 Problematisch - nicht nur hinsichtlich der magischen Praktiken - ist die Tatsache, dass viele Informationen nur durch Zeugenaussagen überliefert sind. Die Aussagenden berichten über Dinge, die sie selbst erlebt haben, von denen ihnen berichtet wurde oder die sie sich imaginieren konnten. Die eigene Beteiligung an der Durchführung der Magie wird bei selbst erlebten Beispielen aber in der Regel geleugnet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugen eigene Interpretationen und Vorstellungen in ihre Erinnerungen einfließen ließen. Eine gewisse, bereits vorhandene Vorstellungswelt der Zeugen muss bei der Untersuchung der Aussagen daher mitgedacht werden. 3.1. Personen und Praktiken Bereits in den Brüsseler Zeugenaussagen erfahren wir von der Suche nach einem Meister 390 der Astronomie oder Nigromantie, von der Colart Favreel, Josse Doe- 389 Wenngleich die Darstellungen summarisch erfolgen, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die zusammengetragenen Informationen sowohl aus den Aussagen der Brüsseler Zeugen, den Gegenüberstellungen in Le Quesnoy sowie den Verhören Jean de Bruyères stammen. 390 Wenn in den folgenden Kapiteln von Meistern (maistres) gesprochen wird, so sind nicht die gelehrten, studierten Magister gemeint, bei denen diese Bezeichnung in unterschiedlichen Abstufungen verwendet wird. Vielmehr geht es um Personen des Handwerks, die aufgrund ihrer Fähigkeiten in ihrem Beruf ein gewisses Ansehen erlangt haben bzw. eine hohe Position in der Hierarchie ihres Handwerkes einnehmen. In den überlieferten Untersuchungsakten werden 92 gens, Franck op te Waghe und Jean Mussche berichteten und die Jean de Bruyère in seinen Aussagen bestätigte. Demnach sei ein Meister Gilles nach Paris gesandt worden, um einen Meister der Nigromantie oder Astronomie zu finden. 391 Jean d’Alemaigne 392 , den Meister Gilles aus Paris nach Brüssel gebracht hatte, hatte bei Letzterem in Anwesenheit von Franck, Jean de Bruyère und einem Jean de Bosselaers 393 einen Geist aus einem Topf aufsteigen lassen. Jean d’Alemaigne selbst habe aber in der Gruppe davon gesprochen, dass er mit seinem eigenen Engel sprechen könne. Die Beschreibung des Geistes, die aus den Aussagen Colart Faverreels kolportiert wurde, lässt allerdings eher auf die Vorstellung eines Geistes dämonischen Charakters schließen. 394 Jean de Bruyères berichtete während seiner Befragungen zudem, dass Jean d’Alemaigne Geburtshoroskope (nativitez) verschiedener Leute anfertigen sollte. 395 Offenbar war man aber mit den Fähigkeiten des Meisters nicht zufrieden, sodass Meister Gilles mit Jean d’Alemaigne nach Köln oder Basel reiten sollte, um kundigere Meister zu suchen. In diesem Zusammenhang erwähnte Franck noch ein Gespräch mit einem Meister Thomas, der ihm erklärt habe, dass Gilles ein Schuft sei, weil dieser noch gar nicht nach Köln gegangen sei, sondern hingegen Jean d’Alemaigne zum hôtel der Croÿ gebracht habe. Beides habe das Missfallen Meister Thomas’ erregt. 396 Worin genau einige Mitglieder der Kommission im ersten Sinne der gelehrten, studierten Meister benannt. Aber auch einige Personen in den Zeugenaussagen werden als Meister bezeichnet. Die Verwendung des Begriffes legt hier nahe, dass die Titulierung mit Meister auf weitere Fähigkeiten hinweist. Zwar kann ein Studium oder eine Ausbildung in einem Handwerk für die jeweiligen Personen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, doch lassen einige Indikatoren, wie zu zeigen sein wird, darauf schließen, dass es sich bei den Personen um Meister spezieller, magischer Künste handelte. Vgl. auch Roch, Maître, S. 868-869. 391 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r-2v, 5r. 392 Die Benenung des Meister variiert in den Aussagen von »einem unbekannten Mann« über Jean l’Alleman oder Jean d’Alemaigne bis zu Jean de Paris. Dass es sich bei Jean de Paris und Jean l’Alleman dennoch um ein und dieselbe Person handelte, ergibt sich aus einer Information, die man in der Aussage Francks findet. Dort erwähnte der Apotheker, dass Gilles über einen Meister der Astronomie aus Deutschland sprach, den er aber über die Vermittlung Jean de Bruyères im Auftrag des Grafen von Étampes aus Paris nach Brüssel holte. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3V, 4r, 5r, 17v. 393 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r-2v. Ob Jean de Bosselaer in irgendeiner Verbindung zu der holländischen Familie van Borselen, deren bekanntere Vertreter Hendrik van Borselen, Sieur de Veere und Frank van Borselen, Graf von Ostrevant und Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, sind, lässt sich durch fehlende weitere Hinweise auf Jean de Bosselaer nicht nachprüfen. Zur Familie van Boselen vgl. Verbij-Schillings, Autour de Frank van Borselen (2005), S. 26; Win, Franck II van Borselen (1994), S. 97-99; van Gent, Henri II van Borselen, S. 101-102. 394 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r. 395 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), 17v. 396 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 5r. 93 dies begründet lag, wurde allerdings nicht erwähnt. Denkbar wäre, dass man die Verbindung der beteiligten Personen zu einem derartigen Meister nicht öffentlich machen wollte, man die Wirkungen dieser Künste oder die Auswirkungen eines Bekanntwerdens fürchtete oder aber, dass der Ärger schlicht daraus herrührte, dass dieser Besuch nicht dem eigentlichen Auftrag entsprach. Eine Verbindung der Croÿ zum Fall Étampes ist daraus nicht abzuleiten, da dies die einzige Stelle in den Prozessakten ist, an der die Familie Croÿ erwähnt wird. 397 Da Franck aussagte, dass man befürchtete, der Graf von Étampes könne darüber verärgert sein, ist davon auszugehen, dass keine Einflussnahme der Croÿ auf den Grafen von Étampes in dieser Sache ausgeübt wurde. Auch eine Partnerschaft der Familie Croÿ mit Johann von Burgund lässt sich nicht ausmachen. Zudem deutet die Tatsache, dass dieses Gerücht auf den weiteren Verlauf des Prozesses oder der Untersuchungen keinen Einfluss hatte, darauf hin, dass keine Verbindung der Familie Croÿ zu den Ereignissen nachzuweisen war. Die Aussagen der befragten Zeugen belegen die unterschiedlichen Grade der Information und die divergierenden Begrifflichkeiten, mit denen die Zeugen dieselben Ereignisse beschreiben. Dies zeigt sich in der unterschiedlichen Benennung der involvierten Personen oder der parallelen Verwendung der Begriffe Nigromantie und Astronomie. Letzteres zeigt aber auch, dass die Unterscheidung zwischen diesen Begriffen noch nicht trennscharf geführt wurde; in einer Zeit, als man bei manchen Künsten noch um Verwissenschaftlichung auf der einen und Verdammung auf der anderen Seite rang. 398 Dass sich die Suche im Umfeld der Universitätsstädte Köln, Paris und Basel abspielte, 399 ist ein weiteres Indiz für die Verortung der Bemühungen um einen solchen Meister in diesem damals in seiner Abgrenzung noch sehr unscharfen Feld. Obgleich Jean de Bruyère, Charles de Noyers und vermutlich auch Meister Gilles durchaus an unterschiedlichen Künsten interessiert waren, 400 weisen die skizzierten Aussagen doch darauf hin, dass dies nicht der eigentliche Grund war, weshalb man nach einem Meister suchte, sondern dass es um einen Topf ging, mit dem ein Geist oder eine Figur hervorgeholt werden sollte. Auch hier findet 397 Zur Bedeutung dieser Familie am burgundischen Hof vgl. Kap. 4.2.1. 398 Vgl. zu diesem Forschungsfeld insbesondere Boudet, Entre science et nigromance und Ostorero, Le diable au sabat. 399 Zu der erst 1460 gegründeten Universität Basel und ihre Einbindung in die Stadt vgl. Bonjour, Die Universität Basel von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, S. 21-38. Für speziell die Artesfakultäten eignet sich Meuthen, Die Artesfakultät der alten Kölner Fakultät, S. 366-393; oder neuerdings allgemein: Hesse, Wissenschaft und Gelehrsamkeit in Köln von der Gründung der Universität bis zum Ausgang des Mittelalters, S. 212-219. Der vergleichende Ansatz des Sammelbandes Bideaux und Fragonard (Hrsg.), Les échanges entre les universités européennes à la Renaissance eignet sich zur näheren Beschäftigung mit dem oben genanten Aspekt; hier insbesondere auch der Aufsatz Farge, Was Paris a Regional or an International University. 400 Wiederum laut Aussage Francks sollen die Männer gemeinsam den Lauf der Planeten und Themen der Astronomie studiert haben. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4r. 94 man in den Aussagen, wie beschrieben, unterschiedliche Bezeichnungen, wenn einerseits von einem Geist (esperit), anderseits von einem Engel (angele) 401 gesprochen wird. Die Begriffe selbst enthalten dabei noch keine Wertigkeit. Geister galten als Mächte, die sowohl positive als auch negative Ereignisse hervorrufen konnten. Auch das Wechseln der Gestalt wurde als üblich angenommen. Engel erschienen schon in der Bibel als himmlische Boten; 402 eine Vorstellung, die sich auch durch das Mittelalter, insbesondere durch die Ausführungen Isidor von Sevillas - hindurch hielt. 403 Seit Dionysius Pseudo-Areopagita ordnete man die Engel in eine himmlische Hierarchie. 404 Als Gegenpart zur Gottesmacht stand der Teufel mit einer ganzen Schar an Dämonen; Wesen, denen man sich fortwährend ausgesetzt fühlte und die man nur durch eigene Anstrengung, also durch ein frommes, gottesfürchtiges Leben bannen konnte. Das Wirken der Geister, so glaubte man, reichte von der Beeinflussung äußerer Umstände bis hin zur direkten Wirkung auf den menschlichen Körper. Von theologischer Seite aus, so formulierte es bereits Augustinus, seien Dämonen als gefallene Engel anzusehen. 405 Der Gestalt aus dem Topf wurden durch die Zeugenaussagen gewisse Fähigkeiten und Eigenschaften zugesprochen. Es wurde gesagt, dass die Gestalt sprechen könne, auch wenn die Stimme seltsam klang; zudem wurden mehrfach die brennenden (ardans) Augen des Geistes erwähnt, nach denen die Kommissare Jean de Bruyère explizit fragten. Dies deutet darauf hin, dass den Kommissaren die Darstellung der Gestalt als Engel nicht glaubhaft erschien. Die Nachfrage lässt vermuten, dass man mitnichten an einen Schutzengel oder an andere harmlose oder positiv konnotierte Wesen dachte, sondern dass man vielmehr vermutete, dass es sich um die Anrufung eines Dämons gehandelt habe. Dass Gilles, wie Franck von Meister Thomas gehört haben möchte, »den genannten Jean d’Alemaigne so kurz hielt, dass niemand mit ihm reden konnte,« 406 verstärkt den Eindruck, dass es die Praktiken, die dieser Meister vermitteln sollte, zu verheimlichen galt, und der Kreis der Kontaktpersonen möglichst klein gehalten werden sollte. So gewichtig das Hervorrufen des Geistes in der Zeugenaussage Meister Colarts noch erschien, so sehr verlor dieser Aspekt der Ereignisse im Verlauf der Befragungen an Bedeutung. Hinsichtlich des Herstellens, Taufens und Beschwörens der Wachsfiguren scheint er keine Rolle mehr gespielt zu haben. Zwar soll, wie 401 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 5v. 402 Mt 1,20; Lk 1,26. 403 Isidor von Sevilla, Etymologie 8, S. 59-71, insbes. S. 59. 404 In neuester Edition: Pseudo-Dionysius Areopagita, Corpus Dionysiacum: De coelesti hierarchia, S. 5-60. 405 Augustinus, Civitas dei XI, 33, S. 1. Vgl. auch Ostorero, Le diable au sabat, S. 242-249; Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, S. 148-159. Vgl. auch Boudet, Les who’s who démonologique de la renaissance et leurs ancêtres médiéveaux. 406 Tenoit ledit maistre Jehan d’Alemaigne si court que nul ne povoit parler a lui. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v. 95 man später erfährt, Belial angerufen worden sein, ein Erscheinen eines Geistes oder Dämons, ausgelöst durch die Beschwörung, ist allerdings nicht bezeugt. Ebenso wenig wird deutlich, ob es bereits bei den in Brüssel zu verortenden Versuchen der Geisterbeschwörung um den Dämon Belial gegangen ist, wodurch eindeutige Verbindungen zu magisch-nigromantischen Praktiken hätten hergestellt werden können. 407 Aus den Zeugenaussagen lässt sich vor allem ablesen, dass das Herbeirufen des Geistes offenbar als Probe oder Beweis für die Fähigkeiten eines Meisters der Nigromantie verstanden wurde, die dieser weitergeben sollte. Entweder aufgrund unbefriedigender Ergebnisse bei der Demonstration der Künste oder in der Hoffnung auf weitreichendere Fähigkeiten wurde aber nach einem besseren Meister geschickt. 408 Anhand der vielen Zeugenaussagen über Jean d’Alemaigne und der dabei zahlreich auftauchenden Personen kann man sehen, dass dieses Ereignis einem großen Personenkreis bekannt gewesen ist. In diesem Netzwerk wurden die Ereignisse diskutiert und kommentiert. Dabei wurden auch Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit Meister Gilles’ bzw. Bedenken gegen sein Handeln geäußert. Dezidierte Befürchtungen wegen des Hervorrufens eines Geistes oder des Charakters dieser Beschwörungen können aber nicht belegt werden. Neben Meister Jean d’Alemaigne begegnet man in den Untersuchungsakten noch weiteren der magischen Praktiken mächtigen Personen und den von ihnen beherrschten Künsten, die von Jean de Bruyère und Charles de Noyers im Zuge ihrer Suche nach magischen Praktiken aufgesucht und entdeckt wurden. Zwar wurden die Künste, die die beiden erlernen wollten, nicht immer klar benannt und nur Andeutungen in den Prozessakten überliefert, etwa wenn Jean vor der Kommission beispielsweise aussagte, dass er Franck geschrieben habe, wenn dieser irgendjemanden finde, der irgendwelche Künste kenne, solle er es ihn wissen lassen. Jean habe die Künste dann erlernen wollen. 409 Aber die Untersuchungsakten geben immer wieder auch näheren Aufschluss über einige der angesprochenen Künste. Sie changieren dabei zwischen kleineren, amüsant anmutenden Tricks und Praktiken, die schwarzmagischen Charakter haben. Auch die gesuchten Utensilien lassen sich nicht immer eindeutig zuordnen, auch wenn die in den Untersuchungsakten belegten Hilfsmittel und Künste deutliche Verweise in das magische und nigromantische Milieu zulassen. Die Suche nach den Personen und Künsten wurde maßgeblich von Jean de Bruyère initiiert, der entsprechende Aufträge schriftlich an Franck weitergegeben hatte. 410 Befragungen Francks und Jean de Bruyères auf Grundlage dieser Briefe 407 Zu Belial als Dämon vgl. Boudet, Les who’s who démonologique de la renaissance et leurs ancêtres médiéveaux, S. 4-5. Vgl. auch Kap. 3.3.3.3. 408 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2v. 409 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v. 410 Vgl. die Kopien der Briefe Jean de Bruyères. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Aus- 96 liefern weitere Hinweise zu den gesuchten Personen und den Künsten, die sie beherrschen sollten. Durch die Briefe Jeans erfährt man so, dass dieser gezielt fragte, ob Franck mit einem Bekannten reden könne, der etwas über das Hervorrufen von Liebe wisse. 411 Es wird aber auch von Späßen geredet, die Franck in Erfahrung gebracht haben soll 412 , und er erhielt den Auftrag, zu kaufen, wenn ihm irgendetwas Erfreuliches begegne. 413 Einen eher unterhaltsamen Trick scheint Jean de Bruyère mit einer Nadel vollführt haben zu wollen. Diese habe Franck über den Kontakt mit einem Begarden besorgen sollen. 414 Indem man die Nadeln unter einen Tisch gehalten habe, habe man alle am Tisch sitzenden Personen einschläfern können. Jean de Bruyère nannte auch eine andere, harmlos anmutende Verwendung der Nadeln, als er behauptete, dass er die Nadeln für seine Chirurgie benötige. 415 Die Beschreibung der Art der Nadel war aber sehr speziell, sollte es doch eine Nadel sein, mit der Frauen Leichentücher zusammen nähen. 416 Nadeln an sich mussten als Utensilien zwar nicht automatisch negativ konnotiert sein; sie galten je nach Zusammenhang als glücks- oder unglückbringend. Durch Jeans Aussage jedoch, die Nadeln sollten für das Nähen von Leichentüchern verwendet worden sein, eröffnete sich ein Assoziationsraum, in dem die Nadeln eindeutig negative Symbolik hatten. Diesen mit Toten in Verbindung gebrachten Utensilien sprach man schon früh eine besondere magische Kraft zu. Diesem Aspekt begegnet man bereits in dem Werk »De maleficiis« von Arnaldus de Villanova (1235 - 1312), der von üblen Zauberhandlungen mithilfe einer Nadel zu berichten weiß. 417 Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens gibt für den Berner Raum zudem einen »merkwürdigen« Gebrauch dieser Nadeln wieder: lege man eine Leichentuchnadel vor dem Essen unter das Tischtuch, so würden die Menschen am Tisch nichts essen, solange sie darunter liege. 418 Hier zeigen sich zu der von Jean de Bruyère dargestellten Verwendung zumindest gewisse Ähnlichkeiten. Beide Beispiele belegen, dass Nadeln schon früh im Verdacht standen, von Hexen oder Zauberern genutzt zu werden. Durch ihre schließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v-28r. 411 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v. 412 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v. 413 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v 414 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v. 415 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C),14r. 416 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C),14r. 417 Arnaldi Villanovani Opera Omnia ... cum annotationibus, Basel 1575, Sp. 1529-1532, hier Sp. 1530, zitiert aus Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, S. 44-47. 418 Mengis, Art. Nadel, Sp. 916-937, insbes. Sp. 920-921 und 924. 97 physische Beschaffenheit wurden sie zudem während magischer Rituale zum Durchstechen von Gegenständen verwendet. 419 Für den oben beschriebenen Trick halten die Prozessakten noch die Information bereit, dass man diesen unter Hinzuziehung eines Psalms oder Verses durchführte. 420 Wortmagie wiederum war oft ein fester Bestandteil magischer Praktiken und bereits in den Zeugenaussagen in Brüssel wurden Bücher als Hilfsmittel für die magischen Praktiken erwähnt. Auch unter den Brüsseler Personen kursierten Bücher, die Jean Mussche u.a. an Jean de Bruyère verliehen hatte und die den Titel Cyromancia, Rachiel und Conjurationes trugen. 421 Mit diesen Büchern - und der Hilfe Gottes, wie der Minorit Jean Mussche betonte - sollte man Personen von Besessenheit heilen können. 422 Jean de Bruyère versuchte hingegen, zu betonen, dass er die Bücher zwar gesehen hatte, aber keine Beschwörungen daraus entnommen habe. 423 Ob die Bücher mit den in den Akten genannten Beschwörungen in direkten Zusammenhang zu bringen sind, ist nicht eindeutig nachweisbar. Die Möglichkeit, dass man sie auch in einem nigromantischen Zusammenhang gebraucht hatte, ist jedenfalls als nicht ganz abwegig zu betrachten. Jean de Bruyère und Charles de Noyers ließen sich mit Hilfe Francks Kontakte zu verschiedenen Meistern erstellen, um magische Praktiken zu erlenen. Eine in speziellen Künsten begabte Person war ein Meister Thierry. Dieser aus Holland oder Zeeland stammende Mann soll in der Lage gewesen sein, Soldaten auf dem Feld erscheinen zu lassen, 424 zudem habe er aber auch Kenntnisse besessen, wie man bei einem trinkenden Mann die Tasse oder den Topf solchermaßen auf dem Gesicht haften lasse, dass die Person nicht mehr sprechen könne. 425 Die Künste Thierrys sollen aber nicht besonders zufriedenstellend gewesen sein. 426 Eine weitere Person, die in den Briefen erwähnt wurde und nach der sowohl Jean als auch Franck befragt wurden, ist ein Begarde. 427 Von diesem hieß es zu- 419 Zur Verwendung von Nadeln im Zusammenhang mit Wachsfiguren beim Fall des Grafen von Étampes vgl. Kap. 3.3.3.2. 420 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14v und 15r. 421 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2v, 4v, 422 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 5v. 423 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol 17r. 424 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 425 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v. 426 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2.Partie § 2, 11 C), fol. 14v. 427 Bei der ersten Erwähnung dieser Person wird von einem begaert gesprochen, als weiteren Schreibweisen finden sich aber auch bogart, bogaert oder bogrardis. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r. 98 nächst, dass Franck ihn wegen Silbers sprechen wollte, wobei nicht deutlich wird, ob es um die Beschaffung oder die Verwendung dessen ging. Jean de Bruyère sagte allerdings auch aus, dass dieser Begarde einmal im Gefängnis des Herrn von Cambrai saß 428 und eine Art kenne, aus diesem Gefängnis zu entfliehen. Diese Kunst habe Jean auch lernen wollen. 429 Womöglich wollte Jean de Bruyère dies vorsorglich erlernen, da er aufgrund seiner Verwicklungen in die Verschwörung gegen den Grafen von Charolais bereits früh Sanktionen befürchtete. Sehr ausführlich sprach Franck bei seiner Befragung in Le Quesnoy über einen Pieter van der Lele, den er in Brüssel gesprochen habe. Dieser habe ihm erzählt, dass er das Wissen um die Quintessenz besitze und Gold trinkbar machen könne. Mit diesen Ingredienzien habe er eine todkranke Äbtissin geheilt. Franck habe Pieter van der Lele gefragt, ob er dies Jean de Bruyère beibringen wolle. Pieter habe keine Bezahlung verlangt, aber er wollte für diese Kunst eine andere von Jean de Bruyère erlernen. 430 Die Fähigkeit, Gold trinkbar zu machen, sprach Jean de Bruyère in seinen Aussagen auch Meister Gilles zu. 431 Die Überzeugung, dass flüssiges Gold helfe, die Gesundheit zu erhalten und das Leben zu verlängern, war im Spätmittelalter und der Frühneuzeit eine verbreitete Vorstellung, wie verschiedene überlieferte Rezepturen beweisen, deren Kataloge an Zutaten durchaus eindrucksvoll ausfallen können. 432 Einen etwas größeren Raum im Prozess nahmen die Befragungen nach der Beschaffung schwarzer Ziegenhörner und der Praktiken, die man mit diesen durchführte, ein. Diese Praktiken kommen in ihrer inhaltlichen Dimension schon sehr nahe an den späteren Figurenzauber heran, insbesondere was die Wirkungsweise und den Verwendungszweck angeht. Franck sollte für Jean de Bruyère und Charles de Noyers die Hörner einer schwarzen Ziege besorgen, wobei laut Aussagen Jean de Bruyères Charles de Noyers derjenige gewesen sein soll, der genaue Kenntnisse über deren Verwendung hatte. 433 Nach Aussagen Jean de Bruyères habe Charles de Noyers von einer alten Frau erlernt, wie man mit Ziegenhörnern Liebe zu einer Frau hervorrufen könne. Von einem Prior hingegen habe er zu- Der Begarde taucht zudem auf fol. 14r, 16v, 17r und 2v auf. Nach Godefroy ist begart oder begard die Bezeichnung für Häretiker des 13. Jahrhunderts; man kann also davon ausgehen, dass auch in diesem Fall ein Begarde gemeint war. Zudem wird bei dieser Person, anders als bei den anderen, kein Vorname genannt, was die Annahme noch bestätigt. Godefroy, Dictionnaire I, S. 612 428 Ein Nachweis dafür in den Archives départementales du Nord und den Archives municipales konnte leider nicht gefunden werden. 429 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14r. 430 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14v. 431 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 432 BNF ms. fr. 19073, 2890, 5680. 433 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11v, 15r. 99 dem erfahren, wie man durch ähnliche Praktiken Hass und Zerstörung zwischen Menschen säen könne. 434 Die zunächst vergleichsweise harmlose Schilderung eines Liebeszaubers bekam dadurch einen ernsteren Charakter, besonders da Jean auf die Nachfrage der Kommission, zwischen welchen Personen Charles Hass säen wollte, antwortete, dass es sich dabei um den König von Frankreich, Herzog Philipp von Burgund, den Grafen von Charolais, sowie den Grafen von Étampes gehandelt habe und der Graf von Étampes von diesen Künsten unterrichtet gewesen sein soll. 435 Jean schilderte zudem die aufwändig anmutende Prozedur zur Beschwörung der Ziegenhörner. Dafür habe man das schon bekannte Horn einer schwarzen Ziege und zusätzlich das Leinen des Bettlakens einer verheirateten Frau benötigt. Aus diesem Leinen habe man eine Kordel mit mehreren Knoten erstellen müssen, die man um die Hörner legte. Derjenige, der Zwietracht oder Hass habe hervorrufen wollen, habe dann die Knoten aufknüpfen und dabei eine Beschwörungsformel sprechen müssen. 436 Die Beschwörung war offenbar darauf ausgelegt, die Liebe bzw. die Zuneigung, die in den Knoten symbolisiert war, bei den intendierten Personen zu lösen. Jean führte zudem aus, dass diese Prozedur, also das Erstellen der Kordel mit den Knoten und die Beschwörung derselben, auf einem Friedhof stattfinden solle. Nach dem Sprechen der Beschwörung solle man dann die Kordel in die Ziegenhörner geben und alles zusammen in einem Grab vergraben. Beim Vergraben der Utensilien habe eine weitere Beschwörung gesprochen werden sollen. 437 Bei dieser Beschwörung auf dem Friedhof symbolisiert die physische Trennung des Toten von den Lebenden die Zerstörung der Liebe zwischen den Personen, für die die Prozedur vorgesehen war. Die Symbolik könnte dabei kaum stärker gewählt sein, steht der Tod doch für eine bis zum Jüngsten Gericht existierende Trennung der Lebenden und der Toten, die unumkehrbar war. Durch den in der Beschwörung verwendeten Vergleich sollte diese Symbolik mit ihrer kraftvollen Bedeutung auf den zu erreichenden Prozess übertragen werden. 438 Die vorgegebene Örtlichkeit, der Friedhof, lässt besonders die zweite Beschwörung als ausgesprochen wirkungsvoll erscheinen, denn sie wurde an ebenjener Ruhestätte der Toten gesagt und die Utensilien wurden in einer Grabstätte vergraben. 439 434 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21r. 435 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21r. 436 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 437 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 438 Zu den Beschwörungen in den Prozessakten und zur Bedeutung der Sprache bei der Durchführung magischer Handlungen vgl. auch Kap. 3.3.3.3. 439 Zum Aber- und Dämonenglauben auf Friedhöfen vgl. Simon-Muscheid, Lebende, Tote und Dämonen, S. 103-118. 100 Die einzelnen scheinbar losen Bedeutungszusammenhänge ergeben hier ein dichtes Bild an Vorstellungen, die eng mit denjenigen über schwarzmagische Praktiken zusammenhängen. Besonders eindeutig zeigt sich dies an den für die Beschwörung maßgeblichen Utensilien, wie den speziellen Betttüchern und den Hörnern einer schwarzen Ziege. Der Zusammenhang zu dem oft als Ziege auftretenden Teufel lässt sich hier ohne Weiteres feststellen, zumal die Ziege auch noch schwarz sein sollte; sowohl Farbals auch Tierwahl lassen also einen klaren Bezug zur teuflisch-dämonischen Welt zu. Die anderen genannten Hilfsmittel verweisen auf den Glauben an sympathetischen Zauber. 440 3.1.1. Zusammenfassung Die in dem Aktenmaterial zusammengetragenen und skizzierten Künste, die benötigten Hilfsmittel und die mit diesen agierenden Personen zeigen die große Vielfalt an magischen Praktiken und hierfür dienenden Kontakten, denen die Suchenden Jean de Bruyère, Charles de Noyers und deren Helfer Franck gegenüberstanden. Sowohl bei den Schilderungen der Ereignisse um Jean d’Alemaigne und den Geist aus dem Topf als auch bei den Abschnitten, die von der Suche nach anderen Meistern handeln, wurde deutlich, dass sich in Brüssel und der Umgebung ein Netzwerk von Personen herausgebildet hatte, die auf unterschiedlichste Art Kontakte zu einem oder mehreren Meistern hatten. Dies ermöglichte einen Wissensaustausch um die Qualität der in Frage kommenden Personen und die Wirksamkeit ihrer Künste, der immer wieder zu neuen Anläufen bei der Suche nach geeigneten magischen Praktiken führte. Es zeigt sich demnach, dass es im Brüssel des 15. Jahrhunderts diverse Möglichkeiten gab, Personen aufzufinden, die entsprechende Fähigkeiten erworben oder sich angeeignet hatten. Auch auf die Übermittlung dieses Wissens erlauben die Untersuchungsakten einen Blick. Die Künste wurden von einer Person an die andere weitergegeben. Am Fall Jean de Bruyères und Pieter van der Leles ist erkennbar, dass dies offenbar bevorzugt im Tausch einer Kunst gegen eine andere geschah. Doch obgleich die Suche nach dem Meister der Nigromantie sehr zielgerichtet vonstatten ging, erscheint die Suche nach weiteren Künsten zunächst wahllos gewesen zu sein, wie es auch in dem brieflichen Auftrag ausgedrückt wurde, als Jean de Bruyère Franck um »irgendwelche Künste« bat. Auch die Auswahl der Künste scheint eher willkürlich und in dem Bedürfnis getroffen worden zu sein, möglichst viele solcher Fertigkeiten zu erlernen. Der Charakter dieser Künste ist daher, wie gezeigt werden konnte, entsprechend unterschiedlich. Dass man sich letztendlich für Wachsfigurenmagie entschieden hat, könnte daran liegen, dass man diese Art der Magie, die - wie noch zu zeigen sein wird - weit verbreitet im Aberglauben der Zeit gewesen ist, als sicherer oder wirkungsvoller angesehen hat. 440 Vgl. insbesondere auch Kap. 4.1. 101 3.2. Auf der Suche nach Wachsfiguren 3.2.1. Die Verwendung der Wachsfiguren Die Suche nach den Wachsfiguren, ihre Beschaffenheit und ihre konkrete Verwendung nahm in den Aussagen und Verhören eine große Rolle ein, waren Wachsfiguren doch dasjenige Utensil, mit dem die eigentlichen Zaubereien durchgeführt werden sollten. Bei den Verhören, die das Brüsseler Schöffengericht geführt hat, wurde immer wieder die Frage nach dem Verwendungszweck der Wachsfiguren gestellt. Dieses Thema nahm auch während der Befragungen in Le Quesnoy großen Raum ein. Die Kommissare stellten während der Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten den befragten Personen immer wieder die Frage, für wen oder wozu die Figuren gemacht worden seien, wobei sie durch die Brüsseler Zeugenaussagen bereits die Informationen vorliegen hatten, dass man die Figuren benötige, um die Zuneigung verschiedener Fürsten und Fürstinnen zugunsten des Grafen von Étampes zu erlangen. 441 Jean de Bruyère selbst erzählte am ersten Untersuchungstag offenbar freiwillig, dass er von Charles de Noyers erfahren habe, dass dieser die Figur einem Prior schicken wollte, damit er seine Kirche damit schmücken könne. Auch auf die konkrete Frage, in wessen Auftrag die Figuren angefertigt wurden, erwiderte Jean, dass Charles sie im Auftrag des Priors gemacht habe. 442 Die Frage nach dem Auftraggeber wurde von dem Verhörten gelegentlich aber auch damit beantwortet, dass er gar nichts wisse. 443 An anderen Stellen antwortete Jean, dass er die Wachsfiguren für Charles de Noyers gebraucht habe, damit dieser sie einem Steinmetz bringe, und einmal sagte er aus, Charles wolle die Figuren in seine Börse tun. 444 In den Brüsseler Zeugenaussagen findet sich für die Verwendungsweise der Wachsfiguren noch eine zusätzliche Erklärung, die Charles de Noyers gegenüber einigen der Brüsseler Zeugen gemacht haben soll. Im Verlaufe der Untersuchungen wird sie keine Rolle mehr spielen, jedoch zeigt sich anhand dieses Beispiels die Variabilität der Verwendung der Wachsfiguren: So wollte Meister Colart von Josse Doegens gehört haben, dass Charles de Noyers Josse gesagt habe, die Figuren würden für ein Bankett verwendet werden, um sie dort tanzen zu lassen. 445 441 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4v. 442 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r-12v; HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17r. 443 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20r. 444 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v. 445 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2v. 102 Josse Doegens selbst bestätigte und präzisierte diese Aussage. Er berichtete, dass Franck und Charles de Noyers wegen der Formen zu ihm gekommen seien. Dabei habe Charles erzählt, dass er die Wachsfiguren auf einem Bankett tanzen lassen wolle, weil er diese Kunst beherrsche. Josse habe sich daher auf dem Bankett, das der Graf von Étampes im Stadthaus des Herrn von Berghe 446 in Brüssel gegeben habe, die tanzenden Figuren ansehen wollen. Tanzende Figuren habe er dort zwar nicht gesehen, er konnte aber berichten, dass er Charles de Noyers in der Nähe des Grafen von Étampes gesehen habe. 447 In den späteren Verhören in Le Quesnoy spielte diese Aussage keine Rolle mehr. Offenbar hatte Charles de Noyers dies nur als Ausrede für den Wachszieher Josse Doegens verwendet. Tanzende Figuren waren im ausgehenden Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine sehr beliebte Art, Gäste auf Festen zu unterhalten. Dabei wurden auf den Festtischen nicht nur Figuren, sondern auch ganze Geschichten oder Landschaften aufgebaut und mittels mechanischer Vorrichtungen scheinbar belebt. Diese Spielereien wurden oft als magisch oder sensationell wahrgenommene Bestandteile von fürstlichen Festen beschrieben. Besonders am burgundischen Hof kann man eine Vorliebe für diese Art der Vergnügungen feststellen. 448 Die erwähnte Verwendung der Figuren in einem solchen Zusammenhang in den Prozessakten verweist auf ebendiesen Kontext und damit auf eine lebendige, in das alltägliche Leben einer Stadt hinein reichende Hofkultur. Die Tatsache, dass Charles dem Wachszieher diesen Verwendungszweck genannt hatte und Josse sich die Figuren sogar auf dem Fest ansehen wollte, deutet darauf hin, dass diese Erklärung für den Mann einleuchtend war und er erst Verdacht geschöpft zu haben scheint, als die Objekte nicht als tanzende Figuren auftauchten. Jean de Bruyère scheint mit diesen Aussagen versucht zu haben, die Auftraggeberschaft für die Wachsfiguren zu verschleiern. Denn erst nach der Befragung unter der Folter erfuhren die Kommissare, dass die Wachsfiguren von Johann von Burgund in Auftrag gegeben wurden. 449 Die Auftraggeberschaft des Grafen von Étampes wird an späterer Stelle noch vertieft. Eine Antwort wurde auf die Frage nach dem Verwendungszweck der Wachsfiguren besonders häufig gegeben: Demnach wollte man die Figuren einsetzen, um Liebe zu erzeugen. Zumeist wurde dabei der Begriff amour 450 gebraucht, es 446 Mit Seigneur de Berghes ist vermutlich Jean de Ghines, Seigneur de Bergen op Zoom, erster Kammerherr des Herzogs von Kleve gemeint. D’Escouchy, Chronique II, S. 181. 447 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3r-3v. 448 Oschema, Liquid Splendour, S. 133-140; Flachenecker, Automaten und lebende Bilder, S. 175. Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 118-119. 449 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), 18v. Zum Einfluss des Grafen von Étampes auf das Unternehmen vgl. Kap. 3.4. 450 Bspw. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13r oder 15v. 103 kamen aber auch Wörter wie grace 451 oder die Umschreibung [être] amé 452 vor. Es soll im Folgenden aber hauptsächlich der Begriff Zuneigung verwendet werden, da dieser den Sachverhalt, jemandem positiv oder wohlwollend zu begegnen, besser trifft als der im modernen Sinne möglicherweise missverständliche Begriff Liebe. 453 Während der ersten beiden Befragungstage wurden sowohl die vorgeladenen Zeugen als auch Jean de Bruyère zu diesem Aspekt befragt. Dabei bestätigten sowohl Josse Doegens als auch Franck, dass Jean de Bruyère ihnen gesagt habe, dass die Figuren benötigt würden, um Zuneigung zu erzeugen. Franck konnte aber zusätzlich berichten, dass Charles de Noyers ihm gegenüber präzisere Angaben gemacht habe, indem er ihm gesagt habe, dass man die Figuren benötige, um Zuneigung zwischen dem Grafen von Étampes und dem Grafen von Charolais herzustellen. 454 Jean de Bruyère selbst bestätigte Francks Aussage und berichtet von den Vorkehrungen, unter denen die Figuren gemacht worden seien. Zu beachten seien etwa die passenden Sternbilder und der Planeteneinfluss gewesen, wenn man zwischen Personen mittels Figuren Zuneigung erzeugen wollte. 455 Diese Informationen soll ihm Meister Jean d’Alemaigne gegeben haben. Jean de Bruyère präzisierte im Laufe der Befragungen den Personenkreis, in dessen Zuneigung erzeugt werden sollte. So habe dies insbesondere das Verhältnis zwischen dem Grafen von Étampes und dem französischen König, dem Herzog von Burgund sowie dem Grafen von Charolais betroffen. Auch bei den Frauen des Königs von Frankreich, des Herzogs von Burgund und des Grafen von Charolais habe man Zuneigung gegenüber Johann von Burgund erzeugen wollen, wozu man die Frauenfiguren benötigt habe. 456 Jean de Bruyère sprach an mehreren Stellen über die Fürstinnen, für die die Frauenform hergestellt wurde. Aber nur an der Stelle, als er berichtete, mit welche Namen die Figuren beschriftet wurden, erwähnte er auch die Namen der Frauen. 457 Es irritiert allerdings, dass diese Namen - Ysabeau, Jehanne et Jehannette - nicht mit den Namen der Fürstinnen übereinstimmen. Zwar hieß die damalige dritte und letzte Frau des Herzogs von Burgund Isabelle, doch auch der Graf von Charolais war mit einer Isabelle, nämlich Isabelle de Bourbon, einer Prinzessin aus dem französischen Königshaus ver- 451 Bspw. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v oder 17v. 452 Bspw. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v oder 18r. 453 Bei dem ebenfalls in den Akten verwendeten Begriff des Hasses (haine) scheint eine solche Problematik nicht gegeben zu sein, weshalb hier der Aktenbegriff verwandt werden kann. 454 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r und 15v. 455 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12v und 13v. 456 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v. 457 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 104 heiratet. Die Gattin des französischen Königs hingegen war Charlotte de Savoie. Auf die spätere Nachfrage der Kommission, für wen die vier Figuren gedacht gewesen seien, die man neben denen des Fürstenpaares Charolais erstellt habe, antwortete Jean, dass diese für den König, dessen Figur mit Loys beschriftet gewesen sei, und den Herzog, dessen Figur mit Philippe beschriftet gewesen sei, gedacht waren. Die Frauenfiguren seien mit den Namen Jehanne und Jehannette beschriftet worden. Jean de Bruyère bestritt aber, zu wissen, wer diese Frauen waren. 458 Ein weiteres Mal wurden die Frauenfiguren nicht erwähnt. Die Nachfrage der Kommissare belegt zwar, dass auch sie über die Namen der Frauen verwundert waren, die Klärung dieser Frage während der Untersuchungen scheint aber für sie nicht vordringlich gewesen zu sein. In Bedrängnis kam Jean de Bruyère bei den anschließenden Fragen der Kommission, weswegen er von Charles de Noyers die Kunst der Liebe (mittels Wachsfiguren) erlernen wollte, mache man diese doch mit Beschwörungen und Zauberei. Jean bestritt an dieser Stelle aber noch, von schlechten Anwendungen mit den Figuren gehört zu haben. 459 Mehr als einmal fragten die Kommissare, auch nachdem sie Jean aus der Folter entlassen hatten, nach den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, mit denen zwischen den vier Fürsten und deren Frauen Zuneigung erzeugt werden könne, für welche Personen genau man die Figuren gemacht habe und ob man die Methode auch für andere Personen anwenden könne. Jean de Bruyère erläuterte die verschiedenen Möglichkeiten und verriet auch, dass man für andere Personen nur deren Namen bräuchte. 460 Die befragenden Männer schienen von diesen Aussagen nicht überzeugt zu sein und eine negative Verwendung der Figuren zu vermuten. So fragten sie gezielt nach, »wie wahrscheinlich es ist, dass man mit zwei Figuren das Königreich Frankreich regieren könne.« 461 Diese Frage erinnert an die Zeit des französischen Königs Karls VI., als dessen Krankheit u.a. dem Einfluss magischer Praktiken zugeschrieben wurde. 462 Aber auch auf diese konkreten Fragen hin beharrte Jean de Bruyère auf der Antwort, dass ihm Charles nur etwas über die Erzeugung von Zuneigung erzählt habe. Von dieser Aussage ging der Befragte in den ersten Befragungstagen auch bei detaillierten Nachfragen nach dem Verwendungszweck nicht ab. 463 458 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25v. 459 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17r. 460 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17v, 19v und 20r. 461 comment il est vray semblement que par deux ymaiges l’on <prest> peust gouverner le royaume de France. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v. 462 Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 4.2.2. 463 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v-20r. 105 Trotz der Beharrlichkeit Jean de Bruyères in dieser Frage scheint die Befürchtung, man könne mit den Wachsfiguren und den dazugehörigen Praktiken auch böse Handlungen vollziehen, die Kommissare von Anfang beschäftigt zu haben, zumal entsprechende Andeutungen bereits in den Brüsseler Zeugenaussagen getätigt worden waren. So berichtete Jean Pepercoiren sowohl vor dem Schöffengericht als auch während der Befragung in Le Quesnoy, dass er die Befürchtung hatte, man könne schlimme Dinge mit den Figuren machen. 464 In den Aussagen verwendete er gemäß der Akten den Begriff Zauberei (sourcerie), er sprach über etwas Schlimmes (mal) und schlimme Sachen (mauvaises choses). Zudem erfuhren die Kommissare durch den Goldschmied Jean Lombeke, dass weder der Formschneider Pepercoiren noch der Goldschmied Jean Lievins für die Männer Formen oder Figuren machen wollten. 465 Diese Zeugenaussagen haben möglicherweise bereits vorhandene Vermutungen genährt, sodass dieses Thema immer wieder in die Befragungen einfloss. Die Beteuerungen Jean de Bruyères, er habe nichts über eine negative Verwendung der Figuren gewusst, wird zudem an später Stelle durch seine Aussagen konterkariert, er selbst habe Charles de Noyers gefragt, ob man mit den Figuren etwas Schlimmes machen könne, und auch der Graf von Étampes soll dies im Vorfeld von Jean de Bruyère habe wissen wollen, bevor er dem Unternehmen zugestimmt habe. 466 Bis zu seinem späteren Sinneswandel, als er über die wahren Absichten mit den Wachsfiguren berichtete, blieb Jean de Bruyère also bei der Aussage, dass er nie gehört habe, dass man etwas Böses mit den Figuren machen könne, und er beharrte auch bei mehrfacher Nachfrage darauf, dass Charles ihm nichts über Beschwörungen der Figuren gesagt habe. 467 Da Jean de Bruyère sowohl bei den Fragen nach der Beschwörung als auch bei dem allgemeinen Prozedere um die Figuren mehrere Male seine eigene Unkenntnis hervorgehoben hatte, dabei aber auf einen Prior als Spezialisten für die Figuren verwies, soll diese Person im Folgenden anhand der Informationen aus den Akten näher betrachtet werden. 3.2.1.1. Der Prior als Spezialist für Wachsfiguren Der Prior, diejenige Person, von der Charles de Noyers tiefere Kenntnisse im Umgang mit Wachsfiguren gehabt haben soll, wurde von Jean de Bruyère als 464 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 7V; HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12v. 465 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12v. 466 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17r, 18v und 19v. Zu der Rolle des Grafen von Étampes bei dem Unternehmen vgl. Kap. 3.4. 467 Für die Fragen nach den Beschwörungen vgl. besonders HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v und 18v. 106 Verwandter Charles’ beschrieben. Er soll ein Priorat in Burgund besessen haben, in dessen Kirche auch die Wachsfiguren zur Ermunterung auch aufgestellt werden sollten. 468 Der Befragte war sich auch sicher, dass Charles de Noyers bei ebendiesem Prior die Künste hatte erlernen wollen, die man für die Wachsfiguren benötige. 469 Dieser Geistliche soll nämlich verschiedene Künste gekannt haben, worunter auch die Kunst gewesen sei, mittels Figuren Zuneigung zu erschaffen. Erlernt habe der Prior diese nach den Informationen Charles de Noyers in Italien. Er habe eine Zeit lang am Hof eines Kardinals in Rom gelebt, dessen Hofmeister ihn aber nicht gut habe leiden können. Dort habe er aber einen Italiener kennen gelernt, der ihm eine Figur gemacht hatte, mit der der Prior erreichen konnte, dass der Hofmeister ihn mochte, was ihm auch die Gnade des Kardinals sicherte. Dadurch habe er eine gute Pfründe erhalten. 470 Diese durch Jean de Bruyère berichtete Strategie des Geistlichen, seine Stellung an der Kardinalskurie zu verbessern, ist auch in der Forschung zu den Karrierechancen Geistlicher in Rom gut belegt. So ist die temporäre Beschäftigung eines Klerikers am Hof eines Kardinals ein durchaus üblicher Karriereschritt. Zudem kann man für das späte Mittelalter einen regen Austausch an kirchlichem bzw. gelehrtem Personal zwischen der Kurie, Kardinalskurien und den Universitäten feststellen, von denen sich insbesondere die Wege der einflussreichen und bedeutsamen Persönlichkeiten nachvollziehen lassen. Die Zugehörigkeit niederer Kleriker zu den Kardinalskurien lässt sich hingegen in der Regel wesentlich schlechter nachweisen. 471 Dem Fehlen eines Namens oder einer Zugehörigkeitsbeschreibung zu einem Orden ist es geschuldet, dass die konkretere Suche nach diesem Prior leider erfolglos bleiben musste. Den Namen des Kardinals, an dessen Kurie der Prior sich aufgehalten hatte, erfährt man hingegen am Ende der Befragungen, als die genauen Umstände der Magieversuche bereits bekannt waren. Jean de Bruyère übergab an zwei Männer des Grafen von Charolais, die in Le Quesnoy vor Ort gewesen waren, einen Zettel mit bisher nicht preisgegebenen Informationen, damit diese sie an den bereits abgereisten Grafen von Charolais weitergaben. An dieser Stelle sprach Jean de Bruyère davon, dass der Prior eine Wachsfigur für Herrn Kardinal d’Ostun gemacht hatte, mit der er 468 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13v. In der Funktion von Votivbildern und anderen Devotionalien waren Wachsbildnisse häufig in Kirchen des Spätmittelalters anzutreffen. Schmidt, Art. Wachs, Sp. 1889-1890. 469 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 14v und 17r. 470 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r. 471 Zum französisch-römischen Austausch und den Studien italienischer Gelehrter in Paris vgl. Classen, Studium und Gesellschaft im Mittelalter, S. 127-169; Budinszky, Die Universität Paris, S. 179-206. Auch die weiteren Erwähnungen des Prior - beispielsweise bei der Benachrichtigung Karls an König Ludwig XI - geben keine weiteren Informationen, die eine Identifikation des Priors ermöglichen würde. Vgl. Kap. 3.3.1.1. 107 seine Freundschaft zu ihm pflegen wollte. 472 Bei diesem Kardinal von Ostun bzw. Autun handelt es sich um Jean Rolin, Sohn des illustren burgundischen Kanzlers Nicolas Rolin und Patenkind Johanns Ohnefurcht. 473 Nach Karrierestationen als Archidiakon von Autun (1430) und Bischof von Chalon-sur-Saône (1431) wurde Jean Rolin im Oktober 1436 zum Bischof von Autun ernannt. Er stand damit einer der wichtigsten Diözesen im Herzogtum Burgund vor. Ebenso wie sein Vater hatte Jean sehr enge Verbindungen zum Hause Burgund, was sich insbesondere in seiner Position als Pronotar und Rat Philipps des Guten ausdrückt. 474 Den Höhepunkt seiner geistlichen Karriere erreichte Jean Rolin im Jahr 1449, als ihm die Kardinalswürde verliehen wurde. In den Jahren 1459 - 1460 ist er in Italien nachzuweisen. Seine Beziehungen zum burgundischen Hof scheinen auch unter Karl dem Kühnen noch gut gewesen zu sein. 1470 wurde er patron des Hôtel de Dieu in Beaune und er begleitete Karl den Kühnen bei dessen Einzug in Dijon 1474. 475 Wenn die Prozessakten also darüber Auskunft geben, dass der Prior und Verwandte Charles’ diese Kunst aus Italien mitgebracht hatte, kann man davon ausgehen, dass er sich - vermutlich in den Jahren 1459 - 1460 - am Hof des Kardinals Rolin aufhielt. Anhand der Beziehungen Charles de Noyers zu dem Prior kann man zudem die enge Verortung der Ereignisse im Umfeld des burgundischen Hofes erkennen. Die Kenntnis von der Wirkungsweise der Wachsfiguren soll über diese Kontakte Charles’ zu ihm und Jean de Bruyère gelangt sein. Vor der Kommission sagte Letzterer aus, die Zuneigung, die mittels der Figuren zwischen den Personen geschaffen würde, habe so stark gewesen sein sollen, dass niemand sie habe trennen können, außer demjenigen, der diese Figuren benutze. Der Prior soll zudem die Art gekannt haben, dies zu tun, ohne den Personen zu schaden. 476 Diese Aussagen Jeans über den Prior passten sich in das Bild der vorherigen Aussagen zu der Verwendung der Wachsfiguren ein. Es wurde davon gesprochen, mittels Figuren Zuneigung zu erzeugen, über die derjenige, der die Figuren verwendete, eine gewisse Macht hatte. Als Ziel wurde auch hier die Erlangung von Gütern angesprochen, was wohl ebenfalls der Antrieb für Jean de Bruyère und Charles de Noyers war, mit dem Grafen von Étampes magische Praktiken auszuüben. Es zeigt sich, dass Charles de Noyers seine Idee, dem Grafen von Étampes bei seinen Problemen am burgundischen und französischen Hof zu helfen, gut und mit wichtigen Kontakten im Hintergrund vorbereitet hatte. Das Verfahren, 472 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v. 473 Joubert, L’artiste et le clerc, S. 106-108. 474 Paravicini, Burgundische Kardinäle, S. 264-269, Cassagnes-Brouquet, Le Cardinal Rolin, S. 170; Berthier und Sweeney, Le Chancelier Rolin, S. 186-187. 475 Paravicini, Burgundische Kardinäle, S. 267. 476 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r. 108 also der Wachsfigurenzauber, wurde hierbei als ein erprobtes Mittel zur Erlangung von Zuneigung dargestellt. 3.2.2. Aussehen und Material der Formen und Figuren Die Figuren, die Jean de Bruyère, Charles de Noyers und der Graf von Étampes verwendet hatten, wurden für das Vorhaben eigens aus Wachs gegossen. Bevor man sich für dieses Verfahren entschieden hatte, versuchten Jean de Bruyère und Charles de Noyers allerdings auf unterschiedliche Weise, die passenden Formen und Figuren zu bekommen. Von diesen Anstrengungen berichteten hauptsächlich die Zeugen aus Brüssel; einige Informationen erhalten wir aber auch durch die Befragungen Jean de Bruyères und Franck op te Waghes, der die beiden in ihren Vorhaben unterstützt hatte. Zunächst ging es Charles de Noyer und Jean de Bruyère darum, eine Form zu erhalten, mit der man Figuren gießen konnte. Meister Colart Faverreel berichtete, dass ihm Franck und Charles de Noyers eine Holzform gezeigt hätten, aus der eine Kinderfigur geschnitzt worden sei. Der Arzt sagte zudem aus, dass er gesehen habe, dass die beiden versucht hätten, mit der Form Wachsfiguren zu gießen. Bei einer anderen Begegnung wollte Meister Colart gesehen haben, dass Charles und Franck eine Holzfigur in Form eines Mannes mit einer Paste aus Fett, Erde und Mehl umschlossen hätten. Diese haben sie dann in einen Trockenofen stellen wollen, um so eine Form zu erhalten. 477 Josse Doegens hingegen habe Jean de Bruyère verschieden große Formen für Wachsfiguren anbieten können. Franck sei, wie Josse berichtete, einige Zeit später mit Charles de Noyers, den er über Jean de Bruyère kennengelernt habe, wiedergekommen und die beiden hätten ihm eine Männerfigur aus Holz gezeigt und ihn gebeten, eine Form aus Wachs davon zu machen. Dies habe er gegen Bezahlung auch getan. Die Ankündigung, für eine Frauenform wiederzukommen, sollen sie aber nicht mehr wahr gemacht haben. 478 Franck führte Charles de Noyer offenbar auch zu weiteren Personen. Einer davon war Jacques de Knibbere, der Figurenschneider, von dem man auch eine genauere Beschreibung der Figuren erhielt. Jacques habe für die beiden Männer zwei Holzfiguren nach dem Vorbild der Wachsfigur gemacht. Als Charles sie habe abholen wollen, sei er aber nicht zufrieden mit der Ausführung gewesen. Er habe Jacques erklärt, dass er Figuren gewollt hätte, die innen hohl seien und unten ein kleines Loch hätten. Jacques habe daher für die Frauen- und Männerfiguren jeweils eine Vorder- und eine Rückenpartie hergestellt, die zusammengefügt hohl waren. Das Gießen der Wachsfiguren mit diesen Formen scheint aber nicht erfolgreich gewesen zu sein, 477 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 2r. 478 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3r. 109 denn die beiden Männer sollen Jacques ein weiteres Mal aufgesucht und sich beschwert haben, dass die Formen nicht funktionierten. 479 Da ihnen der Figurenschneider offenbar nicht mehr weiterhelfen konnte, wurden noch zwei weitere Männer aus Brüssel aufgesucht, der Formschneider Jean Pepercoiren und der Goldschmied Jean de Lombeke. Jean Pepercoiren berichtete von einem Besuch von Bruder Jean Mussche, Franck und Jean de Bruyère, der eine kleine männliche Wachsfigur mitgebracht habe. Jean habe den Formenschneider gefragt, ob er innerhalb von zwei Tagen eine Steinform für eine solche Figur schneiden könne. Zunächst wollte Jean Pepercoiren nachgefragt haben, ob er dabei alle Einzelheiten der Figur beachten solle, was von Jean de Bruyère bestätigt worden sei. Letztendlich habe Jean Pepercoiren aber den Auftrag mit der Begründung abgelehnt, dass man mit solchen Formen und Figuren auch Zauberei machen könne und er Jean de Bruyère gewisser Künste verdächtige. 480 Geeignete Formen erhielten die Männer erst vom Goldschmieds Jean de Lombeke. Er sagte vor dem Schöffengericht aus, dass er den Männern Jean de Bruyère und Franck op te Waghe zwei Formen aus Zinn in Männer- und in Frauengestalt verkauft habe. 481 Das Aussehen der Figuren wurde auch während der Befragungen in Le Quesnoy thematisiert. Jean Pepercoiren berichtete, dass Jean de Bruyère Steinfiguren mit lebensnahem Aussehen gewollte habe. 482 Dieser wiederum berichtete dass es für Charles de Noyers wichtig gewesen sei, Männer- und Frauenfiguren zu bekommen, deren Arme seitlich herunterhängen. Diese Beschreibung wird auch durch die Aussage Jacques de Knibberes bestätigt. Er erwähnte die Figur einer Frau aus Wachs in der Form eines Kindes, etwa einen halben Fuß lang. Die Arme, so beschrieb der Figurenschneider, hätten gerade an der Seite heruntergehangen. 483 Zu Beginn der Aussagen erklärte Jean de Bruyère noch, dass Charles die Figuren für eine Kirche habe machen wollen. Die Kommissare wollten dies nicht glauben und sagten, es gäbe solche Figuren in Kirchen nicht. 484 Erst viel später im Verlaufe der Untersuchungen - am neunten Tag der Befragung (15. April) - gab Jean auf die Nachfragen der Kommissare zu, dass die Figuren mit 479 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v-7r. 480 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 7v. 481 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 8r. 482 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 12r-12v. 483 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 6v. 484 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 13r. 110 den herunterhängenden Armen und Händen gemacht wurden, um Hass zu erzeugen. 485 Die Aussagen und Ergebnisse der Befragungen im Processus contra dominum de Stampis lassen sich sehr gut mit bereits vorhandenen Forschungen zur Verwendung von Figuren bei magischen Praktiken im Mittelalter vergleichen. So werden auch in anderen Fällen Figuren beschrieben, die nach menschlichem Antlitz geformt wurden. Außergewöhnlich ist hier sicherlich, dass die Männer großen Wert auf eine detailreiche Ausgestaltung der Formen und Figuren gelegt haben. Dass dies auch einen Nutzen hatte, beweist die Aussage Jean de Bruyères, da die Figuren mit den herabhängenden Armen zur Erzeugung von Hass genutzt werden sollten. Die Suche nach den perfekten Formen und Figuren zeigt weiterhin, dass dem Material kein größerer Wert zugemessen wurde. Die Figuren selbst sollten zwar offensichtlich aus Wachs und keinem anderen Material sein, aber dies kann daran gelegen haben, dass sich Wachs besonders gut zum Gießen von Gegenständen verwenden ließ und man noch weitere Praktiken, wie Beschriften oder Einstechen, damit realisieren konnte. 486 Bei den Formen ging man offenbar ebenso pragmatisch vor und entschied sich zuletzt, als Versuche mit Holz- und Steinformen fehlschlugen, für eine Gussform aus Zinn. 487 Auch dieser eher variable Einsatz von Material zur Figurenmagie ist bei bereits erforschten Beispielen in diesem Bereich zu erkennen. 488 3.2.3. Die Rolle der Wachsfiguren bei den magischen Praktiken 3.2.3.1. Der Tauf- und Beschwörungsritus Der fünfte, sechste und siebte Befragungstag brachte für die Kommission Klarheit hinsichtlich der mit den Wachsfiguren verbundenen Riten. Initial ging die Preisgabe dieser Informationen auf Jean de Bruyère zurück, der auf eigenen Wunsch - und mit Zustimmung der Vorsitzenden der Kommission, Enguerrand Signard und Girard Vurry -, mit den Herren de Fourmelles und de Contay sprach. Diesen beiden soll er verschiedene Dinge mündlich mitgeteilt und sie später in ihrer Anwesenheit aufgeschrieben haben. 489 In der, von Jean Gros kopierten, Nieder- 485 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24v. 486 Diese Beobachtungen decken sich mit der magiegeschichtlichen Forschung, die zwar konstatieren kann, dass Wachs das am häufigsten verwendete Material ist, man aber immer wieder auch Experimente mit anderen Stoffen nachweisen kann. Harmening, Superstitio, S. 94-95. 487 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 8r. 488 Verschiedene Belege für Bleifiguren oder eine Kombination von Wachs- und Bleifiguren nennt Hansen, so bspw. bei der Vauderie in Lyon, wo von ymaginem plumbeam vel ceream die Rede ist. Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der hexenverfolgung, S. 193. 489 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 111 schrift berichtete Jean einige Details hinsichtlich der Suche nach gutem Wachs, Figuren und Formen. Dabei erwähnte er auch, ohne einen Namen zu nennen, dass Charles und er einen Mann gefunden hätten, der ihnen nach Anweisung Charles’ Formen für Figuren angefertigt habe, die nackt waren und die Arme herunterhängen hatten. Charles habe die Formen dem Grafen von Étampes gezeigt und ihm gesagt, dass er sie aufbewahre, bis das Zeichen gekommen sei, um die Figuren zu gießen. 490 Jean de Bruyère berichtete weiter, dass Charles de Noyers ihn und den Grafen von Étampes darüber informiert habe, dass man auf die Zeichen des Löwen und der Jungfrau, also die Sternzeichen, warten musste, um die männlichen und die weiblichen Figuren zu gießen. Diese Prozedere soll später in Brügge stattgefunden haben. Die drei Personen sollen sich dort zunächst für die männlichen Figuren alleine in der Kammer des Grafen versammelt haben, wo Charles Jean de Bruyère die Anweisung gegeben habe, Wasser zu bringen, Feuer zu machen und in einer Eisenkelle das Wachs für die Figuren zu schmelzen. Charles habe das Wachs in der Kelle daraufhin zum Grafen von Étampes und den drei männlichen Formen gebracht. Beim Gießen der Figuren habe man an die Personen denken sollen, für die die Figur gedacht war. Als die drei Figuren gegossen waren, soll Charles zu seinem Herrn gesagt haben, dass man die Figuren markieren müsse, um sie auseinanderzuhalten. Dies sei durch Beschriftung mit einem Stück Papier erfolgt. Die eingeschlagenen und verpackten Figuren habe Charles dann in seine und Jean de Bruyères Unterkunft mitgenommen. 491 Am nächsten Tag habe sich die Prozedur für die Frauenfiguren unter dem Zeichen der Jungfrau wiederholt. Alle Figuren sollen nach Aussagen Jean de Bruyères mittels einer Nadel durch den Grafen von Étampes beschriftet worden sein. Die sechs Figuren seien anschließend wieder von Charles verpackt worden. 492 Die langwierige Suche nach Formen für Wachsfiguren ist also gemäß der Beschreibung Jeans zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen, hatte man doch passende Formen zum Gießen von Figuren erworben. Durch die von Jean de Bruyère schriftlich niedergelegte Beschreibung der Prozedur wird deutlich, dass hierzu offenbar eine bestimmte astrologische Konstellation notwendig war. Von dieser hatte man sich einen Einfluss auf das Gelingen erhofft. Dies zeigt, dass das Beschaffen von astrologischem Wissen in engem Zusammenhang mit der Herstellung der Wachsfiguren stand. 493 Die Verbindung der Wachsfiguren mit den für sie bestimmten Personen wurde dabei schon während des Gießvorgangs ini- 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. Zur Wachsfigurenmagie vgl. auch Kap. 4.1. 490 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r. 491 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r-22v. 492 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22v. 493 Vgl. auch HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4r. 112 tiiert, indem man währenddessen intensiv an die Person dachte, als deren Abbild die Figur gegossen wurde; Vorgänge, die auf Praktiken sympathetischer Magie hindeuten. Die nachträglichen Beschriftungen scheinen daher nur zur Vermeidung von Verwechslungen angebracht worden zu sein. In der gleichen Niederschrift beschrieb Jean zudem den eigentlichen Taufritus, mit dem die Wachsfiguren bedacht wurden. Dieser soll in Lille stattgefunden haben, wohin die drei Verschwörer nach dem Gießen der Figuren gereist seien. Der Graf von Étampes logierte hier im Gasthof zum »Goldenen Löwen«, 494 wo die drei Männer einen Raum für sich alleine hatten. Charles soll Jean dort dazu angehalten haben, Wasser in ein Bassin zu gießen. Dieses Wasser hatten die Männer zuvor während ihrer Reise von Brügge nach Lille besorgt, wie Jean beschrieb: der Graf von Étampes und Charles seien nach dem Essen in Menen in der Nähe der Stadt Bogenschießen gewesen. Dies habe bei einer Mühle stattgefunden, nahe der Charles Wasser in einen irdenen Topf gefüllt und diesen in seine Unterkunft gebracht habe. Dort habe er nach einer ebenfalls irdenen Flasche verlangt, in die er das Wasser füllte und durch seinen Diener nach Lille bringen ließ. 495 Die Ausführlichkeit, mit der Jean de Bruyère die Beschaffung dieses Wassers beschrieben hat, zeigt die Bedeutung auf, die ihm während des Ritus als Taufwasser für die sechs Wachsfiguren zukam. Bei dem Ritus selbst soll Charles dazu die Figuren nacheinander dem Grafen von Étampes gegeben haben. Charles soll Johann einen Spruch dazu gesagt haben und er habe den Grafen mit der ganzen Hand Wasser aus dem Bassin gegen die Figuren werfen lassen. 496 Nach der Beendigung des Ritus soll Charles de Noyers die Figuren wieder eingeschlagen und verpackt und sie in seine und Jeans Unterkunft gebracht haben. An späterer Stelle berichtete Jean de Bruyère Näheres über die Beschwörungsformeln bei der Taufe, was in Anwesenheit des Grafen von Charolais und Enguerrands Signards geschah. Nun nämlich führte Jean de Bruyère aus, dass er gesehen habe, dass der Graf von Étampes während der Beschwörungen einen Zettel gehalten habe, auf dem die Wörter für diese Taufe geschrieben waren. Nach einigem Zögern gab Jean de Bruyère die Beschwörungen auf dem Zettel mit folgenden Worten wieder: »Ich beschwöre dich, Belial, Fürst der Liebe, durch den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, dass du mich von solchen so geliebt machst, wie die Mutter oder Frau das Kind liebt und auch wie dieses Wasser die Mühle gedreht hat. Und so sei Liebe zwischen jenem und mir. Es sei, es sei.« 497 494 Zu Gasthöfen als Logierplätzen von Fürsten siehe Paravicini, Die Residenzen der Herzöge von Burgund, S. 474 dort insbes. Anm. 210. 495 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22v. 496 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22v. 497 Conjuro te Belyal, princeps amoris, per Patrem, Filium et Spiritum sanctum, ut facias me diligere 113 Diese Aussagen führten in den folgenden Tagen zu neuerlichen Befragungen Jeans, die durch Enguerrand Signard und die Seigneurs de Fourmelles und de Contay geführt wurden. Bei diesen Befragungen drehte es sich zunächst um die Verwendung des Ziegenhorns und der Nadeln im Zusammenhang mit den Wachsfiguren; der Verhörte wurde aber auch neuerlich zu dem Taufritus befragt. Die Kommissionsmitglieder hakten besonders bei den Beschwörungen und nach dem in der Beschwörung genannten Dämon nach. Zudem war von Interesse, was der Graf von Étampes diesem versprochen oder gegeben haben soll. Jean erklärte auf diese Frage, dass der Graf nach dem Ritus das Taufwasser mit der Hand aus dem Bassin geschöpft, dieses im Zimmer verteilt und dabei die Worte »Belial, gehe in Frieden« gesprochen habe. 498 Auch an den letzten beiden Befragungstagen förderten die Kommissare auf ihr hartnäckiges Nachfragen noch weitere Einzelheiten zu den Beschwörungen zutage. So überreichte Jean am 16. April einen Zettel mit einer etwas erweiterten Beschwörungsformel. 499 Die beiden Beschwörungen wichen nur in kleinen Ergänzungen voneinander ab; der Inhalt wurde davon nicht berührt. 500 Die Aussagen Jean de Bruyères schildern in vielen Einzelheiten die Herstellung und Verwendung der Wachsfiguren. Dabei lassen die Ausführungen den Eindruck entstehen, dass Charles de Noyers den Grafen von Étampes in allen Belangen unterwiesen und angeleitet hat. Dies scheint für den Ritus und speziell für die Beschwörungen gegolten zu haben, die der Graf sprechen sollte. Ob Jean de Bruyère tatsächlich nur Handlanger bei der Prozedur war, wie seine Schilderung glauben macht, oder ob er selbst auch eine aktivere Rolle gespielt hat, ist den Schilderungen nicht zu entnehmen. Denkbar ist, dass Jean de Bruyère seine eigene Rolle bewusst heruntergespielt und dem nicht anwesenden Charles de Noyers die Verantwortung zugeschoben hat. Hinsichtlich der einzelnen Schritte zur Herstellung und Verwendung der Figuren lassen die Aussagedetails zumindest darauf schließen, dass das Vorgehen sehr sorgfältig geplant wurde. Offenbar rechnete man auch mit einem längeren Zeitraum, um die entsprechenden Utensilien zu beschaffen. Auch die astrologischen Kenntnisse, die uns bereits bei der Suche nach magisch begabten Personen und Praktiken begegnet sind, tauchen hier bei der durchdachten Herstellung der Wachsfiguren wieder auf. Die Beschwörung vel amari atali sicut mater vel mulier diligit filium et eciam sicut ista aqua fecit circuire rotam molendini. Et sic fiat amor inter ipsum et me. Fiat, fiat. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24v. 498 Et apres le baptesme fait, print a la main de l’eaue du bassin sur lequel lesdites ymaiges avoient esté baptisez et la getta enmy la chambre en disant »Belyal vade in pace«. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r-25v. 499 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v. 500 Die Beschwörungen, die in Verbindung mit der Taufe und den dazugehörigen Handlungen als Akt der Zauberei identifiziert werden können, sollen später noch gemeinsam mit anderen bereits erwähnten Formeln näher untersucht werden. Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 3.3.3.3. 114 Belials belegt zudem eindeutig, dass die praktizierten Handlungen der drei Männer nigromantischen Charakter hatten. Die Erwähnung Jeans, dass die drei Männer ihre Handlungen bei verschlossener Tür vollzogen haben, deutet darauf hin, dass man sich des devianten Charakters dieser Handlungen bewusst gewesen war und Wert darauf legte, dass niemand sonst davon erfuhr. 3.2.3.2. Die Verwendung der Nadeln Die Suche nach speziellen Nadeln und deren Verwendungsweise wurde insbesondere mit Verweis auf die Briefe zwischen Jean de Bruyère und Franck op te Waghe mehrfach von der Kommission thematisiert. Wie gezeigt werden konnte, erläuterte Jean de Bruyère bereits zwei vermeintliche Verwendungszwecke der Nadeln, mit deren Suche er Franck in Brüssel beauftragt hatte. Zunächst gab er an, diese Nadeln für chirurgische Zwecke zu benötigen; durch die Aussagen anderer Zeugen änderte er aber seine Aussage ab und beschrieb der Kommission einen Trick, mittels der Nadeln Leute an einem Tisch einzuschläfern. Während der von ihm selbst gewünschten und eigenhändig niedergeschriebenen Aussage vor den Seigneurs de Fourmelles und de Contay scheint sich Jean aber auch hinsichtlich der Nadeln zu weitergehenden Aussagen entschlossen zu haben. Jean de Bruyère erklärte gegenüber der Kommission, dass er nach dem Gießen der Frauenfiguren gesehen habe, wie Charles de Noyers dem Grafen von Étampes eine Nadel gegeben habe, um auf die Frauen- und Männerfiguren zu schreiben. Er bestritt aber, dass es seine Nadel gewesen sei, sondern behauptete, es sei diejenige Charles de Noyers gewesen, die dieser bei einem Händler in Brügge gekauft habe. Charles soll ihm auch gesagt haben, dass er die Nadeln gekauft habe, um auf die Figuren zu schreiben. 501 Auf konkrete Nachfragen der Kommissare zu den Namen oder Zeichen, die man auf die Figuren gemacht habe, bestritt Jean, etwas Genaues zu wissen; er vermutete aber, dass es sich um die Namen der Figuren gehandelt habe. Zudem habe Charles ja die Nadeln zur Beschriftung zum Grafen von Étampes gebracht und sie danach wieder mitgenommen. 502 Bei einer späteren Befragung sagte Jean aus, dass er Charles eine Nadel gebracht habe, mit der man Leichentücher zusammennäht. 503 Ob man aber mit seiner oder mit der Nadel Charles’ auf die Figuren geschrieben habe, wisse er nicht. Seine eigene Nadel habe er in Montdidier bei einer Frau aus Paris gekauft; woher Charles seine hatte, wusste er allerdings nicht. Damit widersprach sich Jean allerdings zu der früheren Aussage, bei der er angab, dass Charles seine Nadel in Brügge gekauft habe. Es ist aber auch nicht ganz unwahrscheinlich, dass nur eine Nadel zur Verfügung stand 501 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23r. 502 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23r. 503 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24v. 115 und Jean de Bruyère lediglich sein Zutun zur Beschaffung des Zauberutensils verschleiern wollte. Nachdem die Herkunft und der Charakter der Nadeln in den Aussagen geklärt waren, ging es um die Verwendung der Nadel, da die Kommission, insbesondere nachdem sie herausgefunden hatte, dass man mit den Figuren Hass erzeugen, konnte offenbar mutmaßte, dass man diese nicht nur zum Beschriften der Figuren verwandt hatte. Jean gab zu, dass man mit Stichen auf die Figuren Krankheiten an den gleichen Stellen der Körpers der Person, für die die Figur gedacht war, hervorrufen lassen konnte. 504 Auf die Figur des Grafen von Charolais habe der Graf von Étampes zwei Stiche in die Mitte der Brust gesetzt. Die Auswirkung der Stiche - Schmerzen an ebenjener Stelle - habe sofort eintreten sollen. 505 Als die Mitglieder der Kommission nun auch in Erfahrung bringen wollten, ob es in der Macht desjenigen, der die Stiche auf die Figuren macht, lag, die Personen zu töten oder sie erkranken zu lassen, bestätigte Jean de Bruyère dies. 506 Auf die Figur der Gräfin von Charolais, des Herzogs von Burgund oder des Königs von Frankreich habe man aber keine Stiche gesetzt. 507 Bevor die Kommission die Befragungen des vorletzten Tages der Untersuchungen beendete, legte Meister Enguerrand Signard Jean de Bruyère nahe, ihnen auch die Beschwörungen mitzuteilen, die man über die Figur des Grafen von Charolais während der Stiche gesprochen habe. So geschah es am 17. April, als Jean de Bruyère dem Seigneur de Contay und dem Archidiakon von Avallon einen Zettel mit den Worten der Beschwörung übergab und bestätigte, dass der Graf von Étampes folgende Worte über die Figuren gesprochen habe: »Ich steche dich, Abbild oder Figur, die Karl genannt wird, weil wie dies in dich gestochen wurde, so sei es in seinem Körper und er sei ebenso verletzt und es sei.« 508 504 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r. 505 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 506 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r. 507 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v und fol. 27r. 508 Poncto te ymago sive figura ymaginis facta nomine Karoli quod sicut hec ponctura fit in te, ita fiat in corpore suo et lezus sit pariter et fiat. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 116 3.2.3.3. Die Beschwörungen Es ist bereits angeklungen, dass die Prozesshandschrift an mehreren Stellen Auskunft über Formeln gibt, die Jean de Bruyère und Charles de Noyers entweder auf ihrer Suche nach magischen Instrumenten und Techniken gelernt haben oder die bei dem Wachsfigurenzauber zur Anwendung gekommen sein sollen. 509 Die während der Handlungen gesprochenen Worte hatten dabei unterschiedlichen Charakter. So berichtete Jean de Bruyère, dass man Psalmen oder Verse bei dem Trick, Menschen mit Nadeln einzuschläfern, habe sprechen sollen, während Jean Mussche hinsichtlich des Buchs Conjurationes beteuerte, dass dieses für Exorzismus gedacht sei. Die bereits beschriebenen Formeln beim Ziegenhorn-Zauber und die Formeln beim Herstellen und Behandeln der Wachsfiguren sind hingegen zauberischer, zum Teil auch dämonischer Art. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der Formeln ist allerdings nicht immer trennscharf zu ziehen, wie die unterschiedlichen Kategorisierungsversuche zeigen. 510 Für die Beschwörungen des Processus contra dominum de Stampis soll eine Kategorisierung Irmgard Hepps angewandt werden. Hepp unterteilt die Formeln von ihren Objekten her. Objekte des Gebetes sind dabei gute Mächte, Objekte von Beschwörungen böse Mächte, das Objekt des Segens ist der Mensch. Dabei lässt sie nicht außer Acht, dass die Grenzen bei dieser Unterscheidung durchaus fließend sein können. 511 Die aufgezählten Möglichkeiten einer Kategorisierung stehen exemplarisch für andere, ähnliche Versuche; die Vielfältigkeit und Wandelbarkeit des Materials lassen jedoch bei dem Versuch der Einordnung immer wieder Abweichungen entstehen, sodass es letztlich auf den Blickpunkt der Untersuchungen ankommt, ob und mit welchem Schema sinnvollerweise gearbeitet werden kann. Zunächst ist allerdings zu konstatieren, dass das Aktenmaterial auch Hinweise auf Formeln bereithält, die nicht eindeutig oder keiner der beschriebenen Kategorien zuzuordnen sind. Der Trick mit dem Einschläfern mittels einer Nadel etwa, über die man einen Psalm oder Vers spricht, passt in keine der Heppschen 509 Grundlegend hierzu immer noch Kieckhefer, Forbidden rites, dessen systematisierender Ansatz sich besonders dem Vergleich öffnet. 510 Folgt man der Aufteilung Ingrid Schröder in zum einen Heilssegen, die bei Krankheiten und Verletzungen angewandt werden, zum zweiten Schutzsegen zur Abwendung drohender Gefahren und zuletzt Beschwörungen zauberischer Art, zu denen sie Glücksbeschwörungen, Schadenszauber, Bannsprüche, Lösungsformeln, Teufels- und Dämonenbeschwörungen zählt, wäre eine Zuteilung von Sprüchen in eine der Kategorien möglich. Schröder: Die Funktionen magischer Sprachhandlungen, S. 161. Die Kategorie der Beschwörungen zauberischer Art erfasst allerdings einen sehr großen Bereich möglicher Formeln, sodass die Schwierigkeiten der genauen Unterscheidung eher unterstrichen statt beseitigt werden. Verena Holzmann andererseits klassifiziert generell diejenigen Formeln, die unchristlicher Natur sind, als Zaubersprüche und damit als Anwendungen magischer Handlungen. Sind die Formeln christlicher Natur, so klassifiziert sie sie als Segen. Holzmann, »Ich beswer dich wurm und wyrmin ...«, S. 28-29. 511 Hepp, Beschwörung, Segen, Gebet, S. 136-140. 117 Kategorien. Zwar deutet der Psalm auf eine christliche Formel hin, die nach der Definition Segen sein können, da die Objekte Menschen sind. Allerdings ist das Ziel, das Einschläfern von Menschen, weder als Handlung in einem christlichen Sinne zu verstehen noch eindeutig einem dämonischen Hintergrund zuzurechnen. Das Wissen um diese Anwendung einer Nadel kann einerseits als Amüsement und Zeitvertreib verstanden werden, es kann aber auch zu verbrecherischen Zielen, beispielsweise zum Diebstahl, eingesetzt werden. Die neutrale Klassifizierung als Trick schließt beide Möglichkeiten mit ein. Auch die Exorzismus- Formeln, wie sie in dem Buch Conjurationes vorkommen sollen, sind in der Regel reinigende Gebetsformeln, die im christlich-mythischen Bereich angewandt werden. 512 Ob in diesem Buch allerdings nur Sprüche dieses Charakters beschrieben waren, ist nicht nachzuweisen. Die Kombination mit weiteren Büchern in Jean Mussches Besitz, die man für divinatorische Praktiken verwendet hat (Cyromancia, Rachiel), und die Tatsache, dass viele nigromantische Werke in Kombination mit jenen für religiöse Riten und Praktiken zu finden sind, 513 lässt die Vermutung aufkommen, dass auch das erste Buch Formeln unterschiedlichen Charakters bereithielt. Die lateinischen Formeln, die bei den Riten um die Wachsfiguren verwendet wurden, können also durchaus aus solchen Büchern stammen. Wurden Beschwörungen in der Volkssprache bei nigromantischen Praktiken von jeher als zentrale Bestandteile des Ritus angesehen, so sollte die Verwendung der lateinischen Sprache bei der Durchführung magischer Praktiken zudem Nähe zur kirchlichen Welt herstellen. Man versuchte damit, an die besondere Wirkkraft der klerikalen Praxis mit ihren Anbetungen anzuknüpfen. 514 Das Aktenmaterial des Processus belegt dabei auch die spätestens seit dem 14. Jahrhundert zu beobachtende Tendenz, Prophezeiungen, aber auch Formeln zur Geisterbeschwörung oder für andere verbotene magische Handlungen zu sammeln. 515 Die Sprüche, die man von Jean de Bruyère während der Befragungen in Erfahrung gebracht hatte, sollen nun dem Versuch einer Kategorisierung unterzogen werden. Ausgegangen werden soll dabei von der Annahme, dass es sich bei den Formeln um Bestandteile nigromantischer Praxis handelt, um Beschwörungen böser Mächte. Grundlegend für die Möglichkeit solcher Handlungen war der spätmittelalterliche Dämonen- und Sympathieglaube. Der Glaube an Dämonen schaffte die notwendige Voraussetzung der Existenz eines bösen Wesens, das durch den Akt der magischen Handlung angerufen werden konnte. Im Sympathieglauben hingegen wurzelten »die magischen Gesetze der Ähnlichkeit (similia similibus), des Gegensatzes (contraria contrariis) und der Berührung sowie Gesetze der Stellvertretung (pars pro toto).« 516 Das Herstellen von Assoziationen oder Ähnlichkeiten in Formeln entsprach daher dem magischen Gesetz der Analogie. Die 512 Angenendt, Geschichte der Religiösität im Mittelalter, S. 389-391. 513 Ostorero, Le diable au sabat, S. 245-246. 514 Kieckhefer, Forbidden rites, S. 127-128; Maxwell-Stuart, Wizards, S. 22-24. 515 Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 181-184; Minois, Geschichte der Zukunft, S. 343-347. 516 Hampp, Beschwörung, Segen, Gebet, S. 14. 118 Formel selbst ist ein unabdingbarer Bestandteil der hier untersuchten magischen Praktiken, die während des performativen Aktes die notwendigen physischen Handlungen des magischen Rituals unterstützt. 517 Der Sprechakt stellt dabei die Verbindung zwischen den sprachlichen Ausdrücken und den Gegenständen dar. Während die Analogie bei magischen Akten der Übertragung dient, setzt das Ritual die Veränderung gleichsam ins Werk. 518 Ausführender des Aktes ist dabei der Magier, der durch das Personalpronomen Ich in den Formeln benannt wird. Nach Ingrid Schröder wies dieses Ich sowohl auf den realen Ausführenden der Handlungen hin als auch - auf einer mythischen Ebene - auf den Magier, dem übersinnliche Kräfte zugesprochen werden. 519 Der meist formelhafte Aufbau der Beschwörungen zeigt neben dem ausführenden Individuum zudem deutlich die Anweisung auf, die gegeben werden soll, sowie den Adressaten, also den Geist, Dämon oder Teufel. 520 Sowohl in der ersten Formel, die sich um das Ziegenhorn drehte, als auch bei der Wachspuppenmagie finden wir ein solches Ich; man kann daher auf einen ausführenden Magier schließen. Bei dem Hornzauber ist diese Person auch der Ausführende der Ver- oder Entknotungen der Kordel und des Vergrabens der Zauberutensilien. 521 Die Beschwörung, die während des Vergrabens gesprochen wurde, kam ohne die Nennung einer Ich-Person aus. Bei der Taufe der Wachsfiguren, die von den Worten »Ich taufe dich ...« 522 begleitet wurde, trat die ausführende Person in dem Spruch in Erscheinung, ebenso wie bei dem das Stechen begleitenden Spruch oder bei der Anrufung des Dämonen oder Geistes. 523 Die gedachte Kraftentfaltung bei Formeln sollte sich dabei in der Nennung des Namens desjenigen Wesens deutlich machen, dessen Macht man zur Realisierung der Handlung zu benötigen glaubte. Bei christlichen Sprüchen stehen an dieser Stelle Gott, Jesus, die Dreifaltigkeit, Maria oder Heilige. Die Anrufung des dämonischen Geistes Belial verweist bei unserem Beschwörungsritus allerdings, wie bereits erwähnt, auf den nigromantischen Charakter. Belial wurde in der höllischen Hierarchie dabei oftmals als führender Fürst bezeichnet und nahm daher eine sehr machtvolle Position unter den Dämonen ein. 524 Die im 517 Rituale sollen in diesem Zusammenhang als Handlungen angesehen werden, die in einem bestimmten Glaubens- oder Religionssystem stehen und zugleich einer Institutionalisierung unterliegen. Vgl. auch Werlen, Ritual und Sprache, S. S. 21-86 und 374. 518 Schröder, Motiviertheit und Referentialität, S. 187-188. 519 Schröder, Motiviertheit und Referentialität, S. 189-190. 520 Ähnliche Beispiele zu den von Jean de Bruyère vorgetragenen finden sich auch in zahlreichen anderen überlieferten Dokumenten magischer Praxis, wie sie beispielsweise bei Kieckhefer aufgeführt sind. Kieckhefer, Forbidden rites, S. 127-142. 521 Ainsi que je desnoué ces noux que jay fais pour amour de tel, ainsi se deffacé et separé l’amour d’un tel et d’un tel, ou d’un tel et d’une telle. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 522 Je te baptise tel. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r; Hampp, Beschwörungen, Segen, gebet, S. 120. 523 Poncto te ymago. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 524 Belial kann zwar in der mittelalterlichen Vorstellungswelt auch als Teufelsgestalt fungieren; häu- 119 Zusammenhang mit den Wachsfiguren auftretenden Sprüche können mit Hepp demnach auch eindeutig als Beschwörungen und nigromantische Praktiken klassifiziert werden. Die Taufe der Figuren auf bestimmte Namen und die Namensgebung bei der Behandlung der Figuren mit den Nadeln, weisen - neben dem Sympathiezauber - auf eine weitere Funktion hin. Gemeint ist hier die Machtausübung über das benannte Wesen oder die benannte Person durch Zwang. Denn verstand man »zwanghafte Bemächtigung« als »eigentlich magisches Wesen des Zauberspruches«, so muss die »Anrufung durch den Namen« als Kern dieser Praktiken gelten. 525 Auch dies trifft auf die unterschiedlichen Beschwörungen der Wachsfiguren zu; war es doch das Ziel des Grafen von Étampes, Macht und Einfluss über die beschworenen Personen zu gewinnen, was von der Manipulation des Willens bis zu körperlicher Beeinträchtigung reichte. Diese Funktion eines Zauberspruches findet sich auch in den erwähnten Formeln um die Knoten wieder, da hier ebenfalls Macht über Personen durch die Nennung der Namen erlangt werden sollte. 526 Neben den Anrufungen ist auch die Berufung ein nachgerade klassisches Element von Gebet, Segen und zauberischen Beschwörungen. Stereotype Formeln weisen meist die Berufung auf Vater, Sohn und Heiligen Geist oder auf andere Personen, die sich im Referenzsystem des christlich-transzendenten Raumes befinden, auf. Eine Berufung auf den Teufel ist im Gegensatz zu ebendieser stereotypen Formulierung sehr selten. 527 Die eigentlich nigromantischen Wachsfigurenbeschwörungen enthalten also mit ihrer Berufung auf die Dreifaltigkeit (per patrem et filium et spiritum sanctum) auch Elemente von Formeln, die eindeutig dem christlichen Referenzraum zuzuordnen sind und neben der dämonischen Anrufung stehen. Weiterhin finden wir in den Horn-Beschwörungen und denjenigen der Wachsfiguren eine Vielzahl an Vergleichen und assoziativen Begriffen; es sind also eindeutig Elemente magischer Rituale mit Bezug auf den Sympathieglauben zu finden. Während der Beschwörung beim Stechen der Figuren sollte durch die Anrufung der Figur und die Verbindung der Wachspuppe mit dem Namen Karl die Verbindung zwischen dem Objekt und der Person hergestellt werden. Bei der Beschwörung Belials wurde eine Reihe von Vergleichen aufgeführt, die zeigen sollten, wie stark die zu beschwörende Liebe sein sollte. Die Beschwörungsformeln für die Wachsfiguren vergleichen diese Liebe mit derjenigen einer Mutter zu ihrem Kind und der zwischen einer Kuh und ihrem Kalb; also mit Bindungen, die von Natur aus durch den Prozess der Schwangerschaft und Geburt sehr stark sind. Ein weiteres Bild, das die Beschwörung aufnimmt, ist das des Mühlrads. Die erzeugte Liebe sollte genauso perfekt sein wie das durch figer tritt er aber in dämonischer Konnotation auf. Kieckhefer, Forbidden rites, S. 155-156. 525 Hepp, Beschwörungen, Segen, Gebet, S. 24-25. 526 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 527 Schröder, Motiviertheit und Referentialität, S. 196; Kieckhefer, Forbidden rites, S. 134-135. 120 Wasser in Bewegung gehaltene Rad. In dieser Beschreibung steckt eine doppelte Symbolik. Durch das Bild des Rads wird einerseits ein geschlossener Kreis, also ein perfekt stimmiges Objekt suggeriert, durch die Beschreibung eines Mühlrades kommt die Symbolik eines nicht endenden Kreislaufes hinzu. Die von Jean de Bruyère preisgegebenen Beschwörungen passen also sehr gut zu den von ihm gestandenen Verwendungszwecken der Wachsfiguren. Das Sprecher-Ich war zugleich die handelnde Person, die auch die zusätzlich für den magischen Prozess notwendigen Schritte vornahm. Da es sich in unserem Falle nun so darstellt, dass der Graf von Étampes die ausführende Person sein musste, damit der angestrebte Zauber auch für ihn funktionierte, musste er in der mythisch-zauberischen Dimension das Magier-Ich verkörpern. Der Graf war es also, der dadurch die angenommene magische Handlungsebene mit der Realität verknüpfen und so die intendierten Auswirkungen hervorrufen sollte und wollte. Auch wenn Johann von Burgund, wie gezeigt worden ist, die Vorgehensweise erst durch Charles de Noyers erlernen musste, so hat er - gemäß der Aussagen Jean de Bruyères - doch die Rolle eines Mannes übernommen, der Dämonenbeschwörung und Sympathiezauber an den Wachsfiguren ausgeübt hatte. 3.2.4. Zusammenfassung Die ausführliche Beschreibung der Rolle der Wachsfiguren durch Jean de Bruyère gibt einen detaillierten Einblick in die Verwendung von Figurenzauber im späten Mittelalter. Die beiden Männer wurden von ihrem Auftraggeber offenbar zu höchster Genauigkeit angewiesen. So nimmt die Suche nach passendem Material sowohl für die Figuren als auch für die Formen viel Zeit ein. Dabei kam es weniger auf das Material selbst als auf dessen gute Verwendbarkeit an. Die Figuren sollten sehr genau modelliert werden, nach speziellen Vorlagen und -gaben, die deshalb von Bedeutung waren, weil man mit speziell gefertigten Figuren auch Hass hervorrufen können sollte. Auch die folgenden Schritte und verwendeten Materialien sind in einer ihr eigenen Logik aufgeladen: Das Wasser, mit dem die Figuren getauft wurden, wurde - passend zu dem Beschwörungsspruch - bei einer Mühle entnommen; die Figuren wurden unter einer bestimmten Planetenkonstellation gegossen; die Wirksamkeit der Figuren sollte sich erhöhen, wenn der Ausführende der Beschwörungen auch die Figuren goss und beschriftete; beim Taufen der Figuren wurden die Namen der Personen, als deren Abbild die Figuren gedacht waren, gemurmelt. Zudem wurde für das Beschriften und das Einstechen der Figuren ein symbolisch hoch aufgeladener Gegenstand, eine Leichentuchnadel, gewählt. Auch bei der Befragung zu den Wachsfiguren kann man einen qualitativen Anstieg des Aussagegehaltes konstatieren. Zugleich zeigte sich, dass es enge Verbindungen zwischen der Suche nach einem fähigen Meister, der Aneignung von astrologischen Fähigkeiten, der Suche nach den Wachsfiguren und deren letztendlicher Verwendung gab. Der Einsatz der Wachsfiguren war 121 gemäß den Aussagen Jean de Bruyères für schwarzmagische Praktiken intendiert. Dies wird durch die Beschreibungen des Herstellungs-, Tauf- und Beschwörungsritus belegt und durch die protokollierten Beschwörungsformeln bestätigt. Die vorher getätigten Aussagen zeigen allerdings auch, dass Wachsfiguren für gänzlich unmagische Zwecke, beispielsweise als Figuren in Kirchenräumen oder als Tischschmuck, verwendet werden konnten. 528 Zu magischen Utensilien wurden sie erst durch entsprechende Riten oder Beigaben, wobei offenbar der Charakter des Ziels variabel war. 529 Durch die detaillierte Darstellung in den Prozessakten wird nicht nur die Existenz des Aberglaubens der Wachsfigurenmagie auf städtischer und höfischer Ebene belegt, es konnten zudem die unterschiedlichen Vorstellungen, die über diese Figuren in der mittelalterlichen Gesellschaft kursierten, sowie die genaue Vorgehensweise bei einem konkreten Fall von Figurenzauber aufgezeigt werden. Verdächtigt wurden beim Fall des Processus contra dominum de Stampis nicht nur der Befragte Jean de Bruyère und sein Komplize Charles de Noyers, sondern besonders deren Auftraggeber, Johann von Burgund, Graf von Étampes. Für diesen konnte anhand der Beschwörungen und der Riten, die im Zusammenhang mit den Wachsfiguren vollzogen wurden, bereits gezeigt werden, dass er selbst einerseits als Auftraggeber, andererseits aber auch als ausführende Person im Gefüge der drei Verschwörer anzusehen ist. Wie viel Einfluss der Graf von Étampes auf das Komplott in seinem Verlauf hatte und welchen Stellenwert die Behandlung dieses Themas bei der Befragung Jean de Bruyères in Le Quesnoy einnahm, darauf soll im folgenden Kapitel noch ausführlicher eingegangen werden. 3.3. Der Graf von Étampes - die abwesende Schlüsselfigur Ein zentrales Thema nicht nur des Prozesses gegen Jean de Bruyère, sondern auch dieser Arbeit ist die Frage nach dem Einfluss des Grafen von Étampes auf die Suche nach und bei der Ausführung von magischen Praktiken. Es konnte in Kapitel 3.3.3 bereits gezeigt werden, dass der Graf von Étampes eine maßgebliche Rolle in der Verschwörung gespielt hat. Informationen über seinen Part erhalten wir allerdings ausschließlich aus den Berichten Dritter, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten stark voneinander abwichen. Gerade in den Aussagen Jean de Bruyères kann man hinsichtlich des Anteils des Grafen an dem Komplott eine qualitative und quantitative Steigerung feststellen. An seinen Schilderungen lässt sich zudem 528 Schmidt, Art. Wachs, Sp. 1889-1890; Harmening, Superstitio, S. 223. 529 In Kapitel 4.2.2. sollen verschiedene Beispiele zur Verwendung von Wachsfiguren zu magischen Zwecken an europäischen Höfen des Spätmittelalters gezeigt werden. 122 besonders gut die Taktik Jean de Bruyères beobachten, die Affäre möglichst lange klein zu halten und den Grafen von Étampes nicht zu stark zu belasten. 3.3.1. Der Graf von Étampes im Spiegel der Zeugenaussagen Die Brüsseler Zeugenaussagen geben schon einige eindeutige Hinweise auf die Auftraggeberschaft des Grafen von Étampes. Den Aussagen Josse Doegens’ und Franck op te Waghes können die meisten Informationen entnommen werden. Durch sie erfahren wir, dass man schon in Brüssel gewahr war, dass Charles de Noyers im hôtel des Grafen von Étampes wohnte und von dort aus operierte. Charles habe zudem die Information gestreut, man wolle die Figuren während eines Bankettes des Grafen von Étampes tanzen lassen. 530 Neben den engen Verbindungen Charles de Noyers zum Grafen bestätigte Josse zudem, dass Meister Gilles bei seiner Suche nach einem Meister der Nigromantie oder Astronomie durch den Grafen von Étampes gesandt worden sei. 531 Die Ergebnisse der Suche nach einem passenden Meister seien zudem von Jean de Bruyère und Charles de Noyers mit Johann von Burgund besprochen worden. Franck sagte zudem aus, dass er von Jean de Bruyère erfahren habe, dass die Wachsfiguren gemacht werden sollten, um für Zuneigung zum Grafen von Étampes zu sorgen. 532 Bereits in den Brüsseler Zeugenaussagen finden sich also grundsätzliche Indizien für eine Verwicklung des Grafen von Étampes in die Wachsfigurenaffäre, zumal sowohl Jean de Bruyère als auch Charles de Noyers Bedienstete des Grafen von Étampes waren. Mit diesen Anhaltspunkten konnte die Kommission bei den Befragungen Jean de Bruyères nach und nach die gesamte Rolle des Grafen eruieren. Zwar kamen die Kommissare erst spät auf den Grafen von Étampes zu sprechen. Dies deutet aber darauf hin, dass man von der Verwicklung Johanns von Burgund in die Suche nach Wachsfiguren und nach Meistern der Astronomie und Nigromantie von Beginn an überzeugt gewesen war und die Befragungen der Zeugen und Jean de Bruyères vor allem der sorgfältigen Überprüfung von Einzelheiten sowie der Erlangung eines Geständnisses seitens des Hauptverdächtigen dienten. Zudem konnten der Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen überprüft und eigene Vermutungen über die Ereignisse angestellt werden, wobei die Kommissare selten direkt nach dem Grafen von Étampes fragten. Wie nun kam es zu der Durchführung magischer Praktiken seitens eines prominenten Mitglieds des burgundischen Hofes? Auf diese Frage geben die Schilderungen Jean de Bruyères über sein erstes Zusammentreffen mit Charles de No- 530 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3v. 531 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 3v. 532 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 4r. 123 yers Auskunft, von dem man am vierten und fünften Befragungstag erfährt. 533 In diesen Aussagen stellte Jean den ersten Kontakt dergestalt dar, dass Charles de Noyers ihn zu Weihnachten des Jahres 1461 im hôtel des Grafen von Étampes aufgesucht hatte, um ihn um die Möglichkeit eines Gespräches mit dem Grafen zu bitten. 534 Jean habe dabei erfahren, dass Charles ein ehemaliger Diener des Grafen von Étampes gewesen sei, der diesem seine Dienste mit Wachsfiguren habe anbieten wollen. Als Grund habe Charles angegeben, er habe gehört, dass das Verhältnis zwischen dem Grafen von Étampes und dem Grafen von Charolais zerrüttet sei. 535 Er deutete zudem an, dass er zwischen Johann von Burgund und König Ludwig XI. dergestalt Zuneigung erwirken könne, dass der König den Grafen von Étampes zum connétable von Frankreich ernenne. 536 Nach eigener Aussage habe sich Jean de Bruyère von Charles de Noyers überzeugen lassen und ihm versprochen, mit dem Grafen von Étampes zu reden. Johann von Burgund soll sich bei dieser Gelegenheit daran erinnert haben, dass Charles sein zweiter Kammerherr gewesen sei. Jean habe Charles daraufhin ausrichten können, dass der Graf einem Gespräch zugestimmt habe. 537 Zwar erfahren wir durch Jean de Bruyère, dass der Graf zunächst kein großes Interesse gezeigt habe 538 und dies damit begründet habe, dass »er ihm sagte, dass er viele Male getäuscht und betrogen wurde, in vielen Fällen und durch viele Meister.« 539 Erst durch Jean de Bruyère, der den Grafen überredet habe, sei dieser von dem Unternehmen überzeugt worden. Der Aussagende legte dar, von den Fähigkeiten Charles de Noyers überzeugt gewesen zu sein; 540 er wollte die Kommission aber auch wissen lassen, dass der Graf von Étampes und er selbst von den Schwüren, die Charles hinsichtlich der 533 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r-18v und 21v-22v. 534 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 16v. 535 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18r. 536 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18v. Das Amt des connétable war besonders im Spätmittelalter mit militärischen Befugnissen verbunden und der Inhaber erhielt für bestimmte Bereiche Machtbefugnisse bei der Abwesenheit des Königs. Schnerb, Art. Connétable, S. 330-331. Hinsichtlich der Hoffnungen des Grafen von Étampes auf dieses Amt vgl. auch Kap. 5.1.2. 537 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v. 538 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v. Vgl. auch HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20v. 539 Et lui dit que beaucop de fois il avoit esté trompé et abusé en plusieurs cas et de plusieurs maistres. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 18v. 540 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20v. 124 Kunstfertigkeit des Priors und der Kunst, die Figuren zu machen, gegeben habe, getäuscht worden seien. 541 Die Befragungen Jean de Bruyères zu den ersten Begegnungen mit Charles de Noyers ergeben also, dass das Vorhaben nicht von Seiten eines zunächst skeptischen Grafen von Étampes initiiert, sondern vielmehr von einem Mann außerhalb des Hofes angeregt wurde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Äußerung, Johann sei bereits in vielen anderen Fällen und von anderen Meistern getäuscht worden. Diese unpräzise Aussage lässt es nicht zu, auf konkrete Umstände des vom Grafen Angedeuteten zu schließen. Die Wortwahl (plusieurs cas, plusieurs maistres) lässt aber besonders durch die Benennung der ihn täuschenden Personen als maistres auf ähnliche Hintergründe wie die durch den Prozess aufgedeckte Verschwörung denken. Einer abschließenden Beurteilung entzieht sich diese Aussage allerdings, berücksichtigt man, dass der Graf von Étampes hier nur durch die Aussage Jean de Bruyères greifbar ist und es für diese Anspielungen keine weiteren Hinweise gibt, denen man nachgehen könnte. Aus den Prozessakten wird zudem deutlich, dass im Folgenden die Planungen und die Suche nach Utensilien, Formen und (Wachs-)Figuren vom hôtel des Grafen von Étampes ausgegangen waren. So befanden sich Jean de Bruyère und Charles de Noyers dort, wenn sie mit dem Grafen am gleichen Ort weilten, der Graf gab Jean de Bruyère auch den Auftrag, mit Charles de Noyers Utensilien für die magischen Praktiken zu organisieren und schickte seine Bediensteten bei Misserfolgen mit weiteren Aufträgen auf die Suche. 542 Dies belegt auch, dass die einzelnen Schritte des Unternehmens immer wieder mit dem Grafen abgestimmt wurden. Die Kommission fragte zu diesem Zwecke mehrfach nach, ob Jean oder Charles dem Grafen die Männer- und Frauenfiguren gezeigt hätten und wie dieser darauf reagiert sei. Jean de Bruyère konnte hier bestätigen, dass es immer wieder Unterredungen hinsichtlich dieser Themen mit dem Grafen von Étampes gegeben hatte. 543 Im Zusammenhang mit der Frage nach den männlichen und weiblichen Wachsfiguren und deren Verwendungszweck erregte besonders eine Aussage Jeans des Interesse der Kommission: So sagte er an einer Stelle aus, dass nicht nur Zuneigung zwischen dem Grafen von Étampes und dem Grafen von Charolais hergestellt werden sollte, sondern dass es auch darum gegangen sei, Zuneigung zwischen dem Grafen von Étampes und der Dame von Charolais zu erwirken. Die Kommissare fragten an dieser Stelle genauer nach der Art der gewünschten Zuneigung zwischen Johann von Burgund und der Dame von Charolais, aber Jean de Bruyère scheint zu diesem Thema nichts weiter gewusst 541 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20v. 542 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r. 543 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20r. 125 zu haben. 544 Die Tatsache, dass man sechs Wachsfiguren, drei männliche für den König von Frankreich, den Herzog von Burgund und den Grafen von Charolais sowie drei weibliche Figuren für deren Ehefrauen benötigt hatte, war zu diesem Zeitpunkt natürlich längst bekannt; das Interesse lag offenbar vor allem an den Verbindungen Johanns von Burgund zu Karls Ehefrau. Die Auftraggeberschaft des Grafen von Étampes erschließt sich zudem aus den Briefen, die Jean de Bruyère mit Franck op te Waghe gewechselt hatte. Jean de Bruyère sprach in seinen Briefen von »unserem Herrn und Meister« (dominus ac magister noster), in dessen Auftrag er handelte und dessen Wünsche er weiter gab. 545 Der Graf wurde zwar nicht namentlich in den Briefen genannt, doch die Tatsache, dass Jean, der Bedienstete Johanns von Burgund, von seinem Herrn und Meister sprach, lässt diesen Schluss naheliegend scheinen. Zu einem sehr späten Zeitpunkt antwortet Jean de Bruyère dann auch auf die konkrete Frage der Kommission auf wessen Anordnung er gehandelt habe, dass dies auf Anweisung des Herrn von Étampes und auf Bitten Charles de Noyers’ geschehen sei. 546 Detailliert berichtete Jean de Bruyère zudem von den Reisewegen, die Charles de Noyers, der Graf von Étampes und er zum Teil gemeinsam, zum Teil getrennt auf der Suche nach Wachsfiguren genommen hatten und die sie u.a. über Roye, Brüssel, Gent, Tournai, Menen und Brügge führten. 547 Brügge war nun auch der Ort, an dem die Verschwörer das Gießen der Wachsfiguren vorgenommen hatten, 548 das im Zimmer des Grafen von Étampes durchgeführt wurde. 549 Für den Taufritus wechselten sie wiederum den Ort und begaben sich nach Lille, nicht ohne vorher gemeinsam das zur Taufe benötigte Mühlwasser zu besorgen. Wie gezeigt werden konnte, nahm Johann von Burgund aktiv an der Herstellung und Taufe der Figuren, den dazugehörigen Riten und letztendlich dem Durchführen der Beschwörungen teil. Er war im Besitz der niedergeschriebenen Beschwörungsformeln 550 und war derjenige, der die Nadel gegen die Wachsfiguren geführt hatte. 551 Durch seine Rolle bei diesen Handlungen und Riten soll der 544 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 20r. 545 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 27v. 546 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24v. 547 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 21v; 22v. 548 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r-22v. Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Herstellung und Taufe der Wachsfiguren ist in Kap. 3.3. zu finden. 549 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22r. 550 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 23v. 551 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 22v. 126 Grafen von Étampes in die Lage versetzt worden sein, Einfluss auf den König von Frankreich, den Herzog von Burgund und den Grafen von Charolais auszuüben. Aus den Aussagen Jean de Bruyère ging zudem eindeutig hervor, dass Johann von Burgund auch die Macht inne gehabt haben soll, Personen durch Stiche in die Wachsfiguren erkranken zu lassen, sie lange leiden zu lassen oder sogar ihren Tod herbei zu führen. Nur derjenige, der die Stiche setzte, solle zudem in der Lage gewesen sein, die Leiden wieder zu beenden. Diese Prozedur soll - wie bereits dargestellt - die Figur des Grafen von Charolais betroffen haben. 552 Erwähnenswert ist zuletzt auch die Rolle des Grafen von Étampes vor Beginn des Prozesses gegen seinen Bediensteten Jean de Bruyère. Gefragt nach Einzelheiten zum Ablauf seiner Inhaftierung berichtet Letzterer der Kommission, wie er nach der Festnahme Meister Gilles’ durch den Bailli d’Amiens, Philippe de Crèvecœur, und Guillaume de Bery verhört und aufgrund seiner Aussagen zum Grafen von Étampes befohlen wurde, um mit diesem über die Figuren zu sprechen. Der Graf habe Jean zur Rede gestellt und ihm gesagt, dass er in Kenntnis gesetzt worden sei, dass es wegen der genannten Figuren seltsame Gerüchte gebe. 553 Jean de Bruyère habe in dieser Situation bestätigt, dass er nichts Böses über die Figuren wisse. Sein Herr sandte ihn in Begleitung des Bailli d’Amiens zum Grafen von Charolais, offenbar in der Hoffnung, Jean könne ihn in dieser Angelegenheit entlasten. Zugleich warnte Johann seinen Bediensteten vor einer Bestrafung, wobei nicht deutlich wird, in welchem Falle genau er Jean de Bruyère bestrafen wollte. 554 Dass Philippe de Crèvecœur und Guillaume de Bery zunächst versucht hatten, die Angelegenheit mit dem Grafen von Étampes selbst zu klären, zeugt von ihrer Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Machenschaften Johanns von Étampes. Der Bericht des Bailli d’Amiens zwang Johann von Burgund allerdings, in die Offensive zu gehen und seinen Bediensteten, Jean de Bruyère, dem Grafen von Charolais für Verhöre zur Verfügung zu stellen. Die von ihm bei dieser Gelegenheit zur Schau gestellte Unwissenheit, die sich durch spätere Aussagen Jeans widerlegen lässt, mag darauf zurückzuführen sein, dass der Graf von Étampes in Anwesenheit weiterer Personen, die enge Verbindungen zu Karl von Burgund hatten, versuchen wollte, seinen eigenen Anteil an den Ereignissen zu verschleiern. Zudem konnte Jean de Bruyère auf dieser Weise als Verantwortlicher dargestellt werden. 552 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 25r. 553 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19r-21r.. 554 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 19v. 127 3.3.2. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Nach ersten Indizien, die der Untersuchungskommission über den Grafen von Étampes durch die Brüsseler Zeugenaussagen vorlagen, verdichtete sich mit den Befragungen in Le Quesnoy das Bild des Grafen von Étampes von einem anfänglich zweifelnden, später aber das Unternehmen aktiv vorantreibenden Mannes. Dies impliziert zugleich, dass Johann geneigt war, den Schwüren und Überredungen zu glauben, weil er sich einen Erfolg erhoffte. Das hôtel Johanns von Burgund war Ausgangspunkt und Weisungszentrum für die Umtriebe Jean de Bruyères und Charles de Noyers’; der Graf war im Vorfeld beteiligt, indem er den Auftrag zu verschiedenen Aktionen gab, diese vorantrieb, Informationen über das Voranschreiten des Planes erhielt und bei der Beschaffung eines der Utensilien selbst anwesend war. Viel schwerer wirkte aber, dass er unter Anleitung von Charles de Noyers sowohl das Gießen als auch das Taufen, Beschwören und Durchstechen der Wachsfiguren ausgeführt hatte. Charles de Noyers erscheint in den Schilderungen Jean de Bruyères als treibendes Movens, der seine Kenntnisse und Kontakte dem Grafen zur Verfügung stellte. Seine eigene Motivation wird in der Erlangung einer lukrativen Position beim Grafen von Étampes gegolten haben. Ähnliche Beweggründe wird auch Jean de Bruyère gehabt haben, sich einerseits überhaupt auf die Unternehmungen einzulassen, anderseits aber auch die Rolle des Grafen von Étampes während der Befragungen möglichst lange klein zu halten. Gegen Ende der Befragungen gab Jean de Bruyère dann auch zu, dass er nur deshalb so lange damit gewartet habe, die Wahrheit zu sagen, da er die Ehre des Grafen habe schützen wollen. 555 Ob dies der einzige Grund war und ob er auch die von Johann von Burgund in Aussicht gestellte Strafe gefürchtet hatte, sei dahingestellt. Insgesamt kann man feststellen, dass der Graf von Étampes durch die Aussagen seines Bediensteten eindeutig belastet wurde, nigromantische Magie betrieben zu haben. Die Tatsache, dass er zu dem Unternehmen angestiftet wurde, dürfte bei der Schwere der Vorwürfe kaum weiter ins Gewicht gefallen sein. Das umfassende Geständnis, dass Jean de Bruyère vor der Kommission abgelegt hatte, belastete aber auch ihn selbst sowie Charles de Noyers und zeugt mit seinem Detailreichtum von einem ausgeklügelten, sorgfältig geplanten Komplott gegen den Grafen von Charolais und der geplanten Beeinflussung der beiden anderen Fürsten. 555 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26r. 129 4. Die magischen Praktiken im Spiegel der Zeit 4.1. Die magischen Künste Magische Tricks, Ziegenhörner, Nadeln, Wachsfiguren - die Untersuchungsakten offenbaren Künste der unterschiedlichsten magischen Bereiche. Sie verdeutlichen zugleich auch beispielhaft, wie schwierig die Abgrenzung zwischen den einzelnen Disziplinen ist. Dies verdeutlicht ein Blick auf einige Entwicklungslinien mittelalterlicher Magievorstellungen, auf Begrifflichkeiten und stark verbreitete Praktiken oder Vorstellungen, die sich so oder ähnlich auch in den Prozessakten finden lassen. Die Vorstellungen von Magie wurden im Mittelalter aus unterschiedlichen Quellen gespeist und aus diesen heraus weiterentwickelt. Die gelehrte Konzeption von Magie war maßgeblich beeinflusst durch die Etymologien Isidors von Sevilla (7. Jh.). Er unterschied dabei bereits verschiedene Arten und Unterarten der Magie. So führt er in diesem Zusammenhang unter anderem Divination, Haruspikation, Geomantie, Hydromantie, Pyromantie, Astrologie und Nigromantie an. Eine funktionierende Magie war nach Isidor zwangsläufig durch dämonische Hilfe zu erreichen. 556 Der Gelehrte ist zu einer der Hauptquellen im Mittelalter geworden, auf den immer wieder Bezug genommen wurde, so auch in späteren Jahrhunderten, als Gelehrte und Autoren seine Einteilungen übernahmen oder modifizierten. Auch der Einfluss arabisch-lateinischer Quellen auf die gelehrte Vorstellung von Magie und ihren verschiedenen Ausprägungen ist nicht zu unterschätzen, wie Graziella Federici Vescovini jüngst noch einmal bekräftigt hat. 557 Als eine weitere einflussreiche Bezugsquelle ist Thomas von Aquin zu nennen. Die Theorien zum Umgang mit Magie entwickelten sich zwar auch nach Thomas weiter, doch waren seine Ansichten sehr lange wichtige Grundlagen. Der Aquineser unterstützte zwar die Theorie eines formellen Pakts mit dem Teufel nicht, er nahm aber an, dass die Möglichkeit eines sexuellen Kontaktes mit dem Teufel zustande kommen konnte. Zudem vertrat er die Theorie der Existenz von Himmelsritten, von Metamorphosen und auch von der Möglichkeit, Naturkatastrophen zu beschwören. Im 14. Jahrhundert entwickelte Oldradus da Ponte, Professor des kanonischen Rechts an der Universität von Bologna, eigene Theorien bezüglich der Zauberei, die ihrerseits einen großen Einfluss auf die Prak- 556 Isidor von Sevilla, Etymologie 8 und 9; Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe au Moyen Âge, S. 18. Für den gelehrten Diskurs insbesondere auch im Hinblick auf Nigromantie vgl. Collins, Necromancers and Saints from Simon Magus to Albertus Magnus, S. 219-234. 557 Federici Vescovini, Le Moyen Age magique. 130 tiken der Inquisition hatten. 558 Oldradus vertrat dabei auch die Meinung, dass Formen einfacher Magie wie ein Liebeszauber, z.B. mittels Wachsfiguren, keine Häresie darstellten, sondern vielmehr als Aberglaube bezeichnet werden sollten. Auch die Fakultät der Universität Paris beschäftigte sich im Jahr 1398 unter der Kanzlerschaft Jean Gersons in 28 Thesen mit der Thematik. Dabei bestätigte sie die Existenz magischer Praktiken, verdammte dabei aber auch aufs Schärfste die Vermischung christlicher Riten mit diesen. 559 Zudem betonte das Gremium, das die Thesen verfasste, dass die zu magischen Zwecken verwendeten Utensilien oder Praktiken nicht aus sich selbst heraus wirksam seien. Ihren schädlichen Charakter erführen sie durch einen Pakt mit dem Teufel, der sich aber keinesfalls durch magische Zeremonien beherrschen lasse, sondern sich vielmehr am bösen Spiel mit den Menschen erfreue. Maes sieht in den 28 Thesen der Sorbonner Theologen eine wichtige Stütze der Inquisition hinsichtlich deren Aufgabe, Zaubereien zu unterdrücken. 560 Die Beschäftigung mit Vorstellungen von magischen Praktiken, Zauberei, Astrologie und Weissagungen blieb aber nicht auf die kleine Schicht gelehrter Menschen im europäischen Mittelalter beschränkt. Im Gegenteil fand sie sich in allen gesellschaftlichen Schichten. 561 Insbesondere für die Volksmagie genannte Form der magischen Praktiken, die von den unteren Gesellschaftsschichten ausgeführt wurde, wird auf deren Verwurzelung in der - wie Rainer Decker sie bezeichnet - »Heidnischen Magie« verwiesen, 562 wenngleich sich die an heidnischer Kultur ausgerichteten Vorstellungen wiederum auch in anderen Gesellschaftsschichten wiederfanden. Schwierigkeiten bereiten allerdings die unterschiedlichen Formen mittelalterlicher Magie, die eine klare Grenzziehung zwischen Magie und Wissenschaft auf der einen und Magie und Religion auf der anderen Seite problematisch machen. Zwar lassen sich theoretisch - wie von Federici Vescovini angeführt - die kultischen Praktiken, auf denen insbesondere die Ähnlichkeit zwischen Magie bzw. Aberglaube und Religion beruht, durch expliziten Verweis auf die unterschiedlichen Ziele der Praktiken und der sie durchführenden Personen oder Gemeinschaften auseinanderhalten, 563 aber gerade die Ähnlichkeiten in der kultischen Ausübung führten in der Alltagswelt zu einer Annäherung des 558 Zu Oldradus siehe auch Peters, The magician, the witch, and the law, S. 133-134. 559 Siehe hierzu ausführlicher Federici Vescovini, Le Moyen Âge magique, S. 179-180. 560 Maes, La position des universités europénnes devant le problème de la sorcellerie du XIVe au XVIIe siècles, S. 35-37; Minois, Geschichte der Zukunft, S. 336. 561 Veenstra, Magic and divination at the courts of Burgundy and France, S. 21-22; Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 20-21. 562 Decker, Die Päpste und die Hexen, S. 11-15. 563 Federici Vescovini, Le Moyen Âge magique, S. 24-27 Die Verbindungen zwischen Magie und Wissenschaft aber auch Magie und Theologie beschreibt Federici Vescovini sehr fundiert und quellennah; allerdings wäre eine stärkere Einbeziehung insbesondere deutschsprachiger Forschungsliteratur zum Teil wünschenswert gewesen. 131 religiösen an den abergläubisch-magischen Bereich. Hinzu kam oftmals der Bedeutungswandel der Begriffe. 564 So wurde die für diese Arbeit besonders wichtige Kunst der Nigromantie beispielsweise noch von Isidor von Sevilla zu Beginn des 7. Jahrhunderts zum einen als die Fähigkeit, Tote anzurufen und sie zu befragen, klassifiziert; andererseits gehört bei ihm auch das Anrufen von Dämonen zum Können der Nigromanten. Er stuft zudem astrale Magie als von Dämonen beeinflusst ein. 565 In der arabisch-lateinischen Tradition des 9. bis 12. Jahrhunderts wird die Nigromantie hingegen auch als wissenschaftliche Magie angesehen, als diejenige, die sich mit der Wissenschaft der Sterne auseinandersetzt. Sie hatte daher einen engen Bezug zur Astrologie, wenngleich auch hier ihre Verbindung zu Beschwörungen oder zur Beeinflussung astraler Mächte erwähnt wurde. 566 In späteren Texten, so bei dem im 14. Jh. hingerichteten Francesco Stabilio, erscheint die Nigromantie als machtvolle, wiederum von astralen und dämonischen Elementen bestimmte Magie. In den Quellen jener Zeit findet man etwa die Begriffe nigromancien, invocateur des démons oder sorcier nebeneinander, 567 so wie sich auch in unseren Prozessakten die Suche nach einem Meister der Nigromantie findet. Die Verfahrensweisen, die Beschwörungen und die Anrufung Belials, aber auch die Intentionen der Verschwörer um Johann von Burgund verweisen deutlich auf den nigromantischen Charakter der gesuchten Meister und der Praktiken, denn folgt man Kieckhefer, so waren die Ziele von Nigromanten davon bestimmt, Einfluss auf den Geist und den Willen einer Person zu erhalten, Liebe oder Hass hervorzurufen oder auch zu töten. 568 Allen Begrifflichkeiten in zeitgenössischen Quellen zur Benennung der unterschiedlichen Künste gemein ist, dass ihre Zuweisung zu speziellen magischen Praktiken nicht immer eindeutig ist. Man findet hier im Allgemeinen - zumeist in gelehrten Schriften - sowohl den Begriff Magie als auch die Begriffe Verwünschung, Verzauberung, Zauberei oder Hexerei, um nur die Häufigsten zu nennen. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen zeigen sich in allen europäischen Sprachräumen. Welche Arten von Magie sie kennzeichnen, wird daraus nicht immer ersichtlich. 569 Dem Feld der Schadensmagie, der arts prohibés, das für diese Arbeit 564 Vgl. auch Kap. 3.3.3.3. 565 Boudet, Entre science et nigromance, S. 302; Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe au Moyen Âge, S. 29. 566 Federici Vescovini, Le Moyen Age magique, S. 45-48. 567 Franscesco Stabilo schrieb und kommentierte unter dem Namen Cecco d’Ascoli. Federici Vescovini, Le Moyen Age magique, S. 281-286 ; Boudet, La genèse médiévale de la chasse aux sorcières, S. 38. 568 Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe au Moyen Âge, S. 29. Im Bezug auf die Ereignisse von 1461 - 1463 siehe ausführlich Kap. 4. 569 Eine sehr differenzierte Aufzählung verschiedener Magieformen findet sich bei Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe au Moyen Âge, S. 17-44. In der Forschung werden solche Abgrenzungen wegen des ambivalenten Charakters der Magie aber auch kritisch gesehen. Vgl. Boudet, La genèse médiévale de la chasse aux sorcières, S. 36-37. 132 insbesondere von Interesse ist, ordnet Boudet für den französischen Sprachbereich die Begriffe mauvais und supersitieux, aber auch sors oder sortilège zu. Ferner sind die Worte invocation, conjuration oder envoûtement in diesem Begriffsfeld zu finden. 570 Viele der hier genannten Ausdrücke sind folgerichtig auch in den Prozessakten enthalten. 571 Blickt man auf die einfachste Form magischer Praktik, die reine Wortmagie 572 , die auch bei Schadenszauberei angewendet wurde, so wird man der engen Verwandtschaft zwischen religiösen Riten und magischen Praktiken gewahr, auch wenn sich durchaus einige formale Charakteristika unterscheiden lassen. So haben Gebete die Form von Bitten und richten sich an Gott, Christus, Maria oder die Heiligen. Segenssprüche werden als Wunsch geäußert und oft zu kranken Personen gesprochen, Beschwörungen oder Exorzismen werden hingegen als Befehl vorgetragen und wenden sich oft direkt an die Krankheit oder deren Verursacher. Doch die Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Arten der Formeln lassen sich nicht übersehen. 573 Die Ähnlichkeiten zwischen magischen Anrufungen und christlichen Formeln oder Gebeten konnten zum Teil so weit gehen, dass man Zauberer mit Priestern verglich. 574 Man findet zudem viele Beispiele, bei denen Priester selbst in die Ausübung magischer Praktiken verwickelt sind. Dies konnte den Eindruck verstärken, dass zwischen Beschwörungen und Gebeten oder Heilssprüchen eine enge Verbindung besteht. 575 Auch im Bereich der Naturmagie, so im Zusammenhang mit bei Krankheiten genutzten Heilungszaubern, die oftmals Pflanzenwirkstoffe in Verbindung mit bestimmten Formeln zur Anwendung brachten, sind Ähnlichkeiten zu Krankengebeten zu konstatieren. 576 Der Einsatz sowohl christlicher Riten als auch magischer Praktiken lässt sich besonders im Paris des 14. Jahrhunderts im Umfeld des kranken Karls VI. beobachten. So befürchteten einige Höflinge und Pariser Kleriker, Magier könnten versuchen, dem kranken König Karl VI. zu schaden. Daher wurden öffentliche Gebete und Prozessionen mit geweihten Hostien organisiert, die den Zaubern der Magier entgegengesetzt werden sollten. Zugleich gab es aber auch Anstrengungen, den König nicht nur mittels Medizin, sondern auch durch Magie zu heilen. 577 Hier zeigt sich deutlich, dass man sich des Unterschiedes zwischen ausgewiesen guten und schädlichen Praktiken bewusst war und versuchte, diese entsprechend einzusetzen. 570 Boudet, La genèse médiévale de la chasse aux sorcières, S. 37-38. 571 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol 5v, 11r, 12r, 12v, 15r, 17r, 27r. 572 Zu den Beschwörungen vgl. Kap. 3.3.3.3. 573 Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 84. 574 Harmening, Superstitio, S. 222-224. 575 Für Beispiele schwarzmagisch praktizierender Priester vgl. bspw. Maxwell-Stuart, Wizards, S. 13-15 und 22. 576 Vgl. Harmening, Zauberinnen und Hexen, S. 78. Ein Krankengebet findet sich bspw. im Jakobusbrief 5,14-16. 577 Veenstra, Magic and divination at the courts of Burgundy and France, S. 65; Kintzinger, Phisicien de monseigneur de Bourgoingne, S. 109-110. Vgl. auch Kap. 4.2.2. 133 Gerade anhand der Akten des Processus contra dominum de Stampis kann man erkennen, dass astrologische Interessen oder Kenntnisse in allen Schichten anzutreffen waren. Sie zeigen jedoch auch, wie schnell solch wissenschaftlich anmutenden Künste in Verbindung mit schwarzmagischen Praktiken gebracht werden konnten, wie dies bei der Person des Jean d’Alemaigne aus den Prozessakten zu sehen ist, der zwar einerseits als ein Meister der Astronomie, 578 der Geburtshoroskope herstellen konnte, vorgestellt wurde, bei dem aber auch deutlich wird, dass er sich mit dem Beschwören von Geistern im Bereich der dämonischen Magie bewegte. Die bedeutsamste der in den Akten beschriebenen magischen Praktiken war die der Wachsfigurenmagie. Der (Wachs-)Figurenzauber, auch Bildmagie genannt, zählte zu der sogenannten sympathetischen Magie. 579 Die Figuren repräsentierten die Person, die durch die magischen Praktiken entweder im positiven oder im negativen Sinne berührt werden sollte. Um eine eindeutige Zuweisung der Figur zu der intendierten Person zu erreichen, wurden die Figuren oft beschriftet oder mit dinglichen Stücken versehen, die dieser Person gehörten. Besonders häufig wurde dabei körpereigenes Material der Personen verwendet, wie beispielsweise Haare oder Nägel. Aber auch Stoffe, symbolische Attribute oder lediglich das Benennen der Wachsfiguren konnten den Bildzauber unterstützen. Neben Wachsfigurenzauberei waren aber auch magische Handlungen mit Tier- oder Pflanzenteilen bekannt und beliebt, wie sie auch in den Prozessakten am Beispiel des Ziegenhornzaubers vorkommen. 580 Eine Vermischung dieser Praktiken war dabei durchaus möglich. Wachsfigurenzauber ging in der Regel mit einem der häufigsten und angeblich wirkmächtigsten Zauber, der Wortmagie, einher, bei der Sprüche und Beschwörungen gesprochen wurden und deren Charakter sowohl positiv als auch negativ konnotiert sein konnte. 581 Zudem wird diese Magie oft in Verbindung mit Berichten über Liebes- oder Schadenszauber erwähnt. Dass solcherlei Figuren auch in vorchristlicher Zeit bereits als magische Hilfsmittel verwendet wurden, hat Lynn Thorndike in ihrem mehrbändigen Werk »A history of magic and experimental science« dargestellt. Die magischen Handlungen, die wir in der christlich-mittelalterlichen Zeit beobachten können, kommen in gleicher oder ähnlicher Form beispielsweise bereits bei den Ägyptern oder Syrern vor. Aber auch in christlicher Zeit sind Wachspuppenmagie und Berichte darüber - oft 578 Die Verwendung der Bezeichnungen Astrologie und Astronomie war fließend, was auch dadurch begünstigt wurde, dass die Astrologie im Zusammenhang mit der Astronomie gelehrt wurde. Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 136. 579 Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 187-188. 580 Brévant, Between medicine, magic and religion, S. 2-5. 581 Auch diese Form der Magie kann man weit in die vorchristliche Zeit hinein zurückverfolgen. Hierzu Thorndike, A history of magic and experimental science I, S. 10. Beispiele magischer Praktiken finden sich in allen Monographien und Aufsätzen, die sich mit diesem oder verwandten Themen befassen. Vgl. bspw. Labouvie, Zauberei und Hexenwerk; Dienst, Lebensbewältigung durch Magie, S. 80-116; Kieckhefer, Magic at Innsbruck, S. 11-29; Franz, Die Messe im deutschen Mittelalter. 134 Warnungen - häufig nachzuweisen. In der Forschung haben dies für den französischsprachigen Raum des Spätmittelalters insbesondere Veenstra, Harmening und Hansen in zahlreichen Beispielen bestätigt. 582 So führt Dieter Harmening hier den Franzosen Peter von Blois an, Bruder Wilhelms von Blois und Geistlicher aus dem 12. Jahrhundert. Peter von Blois beschäftigte sich in seinen Werken unter anderem mit magischen Vorstellungen und dem Wesen des Teufels. Dieser verheiße den Menschen manipulatives Wissen und Künste, zu denen Peter von Blois auch das Fertigen von Wachs- oder Lehmpuppen zählte. 583 Für das Jahr 1323 ist eine Verhandlung wegen der Anfertigung zauberischer Figuren gegen die Kleriker Petrus Spaneri und Petrus Engelbert nachgewiesen. 584 Doch auch für das 15. Jahrhundert lassen sich einige Belege finden. So spricht Johannes Vincentii, Autor des Liber adversus magicas artes von Wachsbildern oder Wurzeln der Mandragora, die mit Taufriten und Nadeln für magische Praktiken verwendet werden. 585 Ebenso weit verbreitet waren diese Praktiken in der städtischen Gesellschaft, wie verschiedene Beispiele aus dem Parlament von Paris beweisen. 586 William von Auvergne äußerte zwar bereits im 14. Jahrhundert seine Skepsis gegenüber der Verwendung von Wachsfiguren oder anderen Arten von Homunkuli zur Zauberei, doch die zahlreichen Nachweise über ihre Verwendung lassen darauf schließen, dass die Zeitgenossen seine Meinung nicht teilten. 587 Eine weitere Parallele zu den in den Prozessakten erfassten Berichten ist die oft belegte Verwendung von Taufriten in Verbindung mit Wachspuppenmagie. Man taufte die Wachsfiguren, um ihnen Namen zu geben oder um dem Zauber weitere Macht zu verleihen. Auch Taufwasser war mit gegensätzlichen Konnotationen behaftet. So finden wir in einer lateinischen Handschrift des 16. Jahrhunderts die Vorstellung, dass Taufwasser die Reinheit und Heiligkeit stärken würde, und auch, dass mit diesem Wasser Dämonen vertrieben werden könnten. 588 Bereits im 13. Jahrhundert klang aber auch die Möglichkeit schwarzmagischer Verwendung an, als die Synode von Trier 1227 festlegte, dass Taufwasser, Chrisam und Öl gut ver- 582 Vgl. bspw. Thorndike, A history of magic and experimental science I, S. 10, 19, 560; Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France; Harmening, Superstitio; Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter 583 Harmening, Superstitio, S. 94-95. 584 Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, S. 447. Die Akten sprechen allerdings von Bleifiguren; bei Benennung des Deliktes als Wachsfigurenzauber ist Hansen hier eine kleine Ungenauigkeit unterlaufen. 585 Hansen, Quellen und Untersuchungen des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, S. 231. 586 So soll zum Beispiel eine Frau namens Macette gegen einen Mann namens Hennequin Zauberei mit einem auswendig gelernten Spruch, Wachs-Öl-Figuren und der Anrufung von Luzifer angewandt haben. Über die Wachsfiguren habe sie im Zuge der Zaubereien kreuzförmige Striche gemacht und Paternoster sowie Ave Maria gebetet. Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 78-79. 587 Thorndike, A history of magic and experimental science I, S. 264, 818 und 835. 588 HAB Wolfenbüttel, Wolf. Cod. 16.3 Aug. 4, fol. 153’. 135 schlossen bleiben sollten. Man wollte diese Substanzen dadurch vor magischem Missbrauch schützen. 589 Wie das Aktenmaterial des Processus contra dominum de Stampis allerdings zeigt, scheint es nicht notwendig gewesen zu sein, geweihtes Wasser aus einer Kirche zu entwenden. In diesem Falle soll eigens entnommenes Mühlwasser ausreichend gewesen sein. Neben christlich-magischen Praktiken spiegelt sich auch das Interesse des späten Mittelalters an der Alchimie sich in den Prozessakten durch Pieter van der Lele und die Heilung der Äbtissin wider. Auch dies deutet, ebenso wie die Verwendung von tierischen und personenbezogenen Utensilien und hier insbesondere der Wachsfiguren, auf Sympathiezauber hin. Die Aussagen der Brüsseler Zeugen und Jean de Bruyères breiten daher einen ganzen Mikrokosmos magischer Praktiken im Umfeld des burgundischen Hofes aus. Unter anderem wird ersichtlich, dass eine Unterscheidung in Laien- und Gelehrtenmagie oder in Volksmagie und das Interesse Adeliger nicht sinnvoll zu treffen ist. Die Suche nach magischen Praktiken und Meistern verschiedener Künste erstreckte sich auf gelehrte Magister und einfache Bürger, auf geistliche und weltliche Personen. Die Prozessakten geben ebenso Einblick in die Weitergabe von Wissen, dessen Vermittlung und Austausch man im städtischen Milieu, aber auch standesübergreifend zwischen Bürgern, Geistlichen und Adeligen nachzeichnen kann. Durch die Kontakte Jean de Bruyères und Charles de Noyers’ nicht nur nach Brüssel und Paris sondern, auch in die Städte Köln und Basel, erhält man zudem einen Einblick in das grenzüberschreitende Ausmaß dieses Wissensaustausches. 4.2. Magie vor Gericht 4.2.1. Der rechtliche Rahmen von Magieprozessen Der Processus contra dominum de Stampis ist eines von vielen Beispielen des französischen Spätmittelalters, mit dem sich belegen lässt, dass Magievorwürfe juristisch verfolgt und geahndet wurden. Die Form der Verfolgung solcher Vorwürfe konnte aber sehr unterschiedlich ausfallen. Aus dem Aktenmaterial des Processus contra dominum de Stampis heraus wird deutlich, dass es sich hier um einen Zaubereiprozess handelt. Die Ähnlichkeiten der Vorwürfe zu denen früherer Häresieprozesse und die inhaltliche und zeitliche Nähe zu den Hexenverfolgungen, die im 15. Jahrhundert erstmals vermehrt auftreten, machen es nötig, diese Prozessformen in ihrer Entwicklung zu betrachten und zu dem untersuchten Material in Verbindung zu setzen. Prozesse und Anschuldigungen gegen Gruppen oder Einzelpersonen wegen magischer Praktiken, insbesondere wegen Schadenszaubern, sind in allen Phasen des Mittelalters nachweisbar. Daher soll im Folgenden die Entwicklung der gerichtlichen Verfolgung dieser Delikte von den Häresie- 589 Harmening, Superstitio, S. 222. 136 prozessen bis zur Herausbildung ihrer Verfolgung durch die Inquisition und die Gerichte als Träger herrschaftlicher Macht dargestellt werden. 590 Die ausgreifenden Hexenverfolgungen, durch die die kirchliche Inquisition zu besonderer Bekanntheit gekommen ist, traten als Phänomen erst im Spätmittelalter und dann insbesondere in der Frühen Neuzeit auf. Zuvor fand eine Entwicklung statt, die schrittweise von der Verfolgung von Häretikern bis zur Verfolgung von Hexerei führte. Zaubereiprozesse wurden jedoch während des ganzen Mittelalters geführt und auch durch die Herausbildung der Hexereiprozesse nicht vollständig verdrängt. 591 Die Entwicklung auf juristischer Ebene stellt besonders ausführlich Kathrin Utz Tremp dar. Sie beschreibt, wie sich aus der Verfolgung häretischer Gruppen zunächst eine Diabolisierung der Häresie entwickelte. So verfolgten bereits die Inquisitoren Konrad von Marburg und Robert le Bougre angebliche Teufelsanbeter, die Luziferianer. Die Vorstellung von Teufelsanbetern wurde oft auch auf andere häretische Gruppen wie die Waldenser übertragen. Später versuchte man allerdings, Teufelsanbeter und Häretiker strikter zu trennen. Diese Unterscheidung war besonders deshalb wichtig, da Sektenmitglieder, die in Verdacht standen, mit dem Teufel im Bunde zu sein, härter bestraft wurden als Häretiker, von denen man Derartiges nicht vermutete. Diese wurden erst dann mit dem Feuertod bestraft, wenn sie als rückfällige Häretiker verurteilt worden waren, wohingegen Teufelsanbeter ein solches Urteil schon bei ihrer ersten Anklage treffen konnte. 592 Eine langsame Angleichung der Magiean die Häresieprozesse kann man zum Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts mit dem Anwachsen magischer Praktiken und gelehrter Magie feststellen. Diese war dann als häretisch anzusehen, wenn mit den magischen Praktiken die Anrufung von Dämonen verbunden war. Besonders anhand von Inquisitorenhandbüchern, wie denen des Bernhard Gui oder des Nikolaus Eymerich, lässt sich diese Vermischung ablesen. 593 Dabei war die Jagd auf Zauberer vor allem ein juristisches Phänomen, wie Robert Muchembled insbesondere mit Hinweis auf das Interesse der Gerichte an der Verfolgung von Hexen und Zauberern konstatiert. 594 Von diesen Institutionen sind uns folgerichtig auch in Form von Prozessakten die meisten Zeugnisse über Zaubereidelikte überliefert, zumal der Inquisitionsprozess das Schriftlichkeitsprinzip in den Prozess einführte. 595 Derartiges Aktenmaterial, wie es auch in unserem Falle vorliegt, verlangt nach einer Erforschung, die immer auch den Herstellungsprozess und die sich in dem 590 Dabei muss die Kommission des kirchlichen Gerichts auch als Trägerin herrschaftlicher Macht angesehen werden, die mit Ulrike Gleixner als Träger herrschaftlicher Macht und »wesentlichen Ort[e] einer gesellschaftlichen Wahrheitsproduktion« identifiziert werden. Gleixner, Geschlechterdifferenzen und die Faktizität des Fiktionalen, S. 65 591 Tschacher, Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/ 38, S. 293; die Entwicklung im Einzelnen zeichnet Harmening, Zauberinnen und Hexen, S. 68-90, nach. 592 Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 383-388. 593 Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 406-422. 594 Muchembled, Le roi et la sorcière, S. 58. 595 Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe du Moyen Âge à nos jours, S. 41. 137 Material widerspiegelnde Perspektive berücksichtigt. Dabei gilt es nicht nur, die Möglichkeiten einer politischen Instrumentalisierung von Prozessmaterialien im Blick zu behalten, sondern es geht auch um das behutsame Beurteilen der im Aktenmaterial festgehaltenen Aussagen. 596 Bei aller Berücksichtigung der Problematik der Textgattung der Prozessakten darf man aber nicht außer Acht lassen, dass diese Dokumente und ihr Herstellungsprozess bestimmten Formen und Regeln unterworfen waren, die zumindest einer vorsätzlichen manipulatorischen Absicht, gleich von welcher Seite, entgegenstanden. Die vermehrt bei den Hexenverfolgungen angewandte Form des Inquisitionsprozesses, die auch zuvor bei Prozessen um Magie eingesetzt wurde, ist keine plötzliche, neue Erscheinung gewesen, sondern vielmehr ein Prozessverfahren, dass sich spätestens seit dem 13. Jahrhundert herauszuschälen begann. 597 Die zuvor bereits existenten Verfahren verschwanden dabei nicht vollkommen, sondern wurden ebenfalls weiter angewandt. 598 Der Ursprung der Inquisition als ein geistliches Gerichtsverfahren wird in der Regel im Sendgericht gesehen. Dieses vom Bischof oder dessen Stellvertreter ausgeführte Verfahren richtete sich zunächst zwar gegen Verfehlungen im Klerus, bald nach seiner Einrichtung allerdings wurde auch über Laien geurteilt. 599 Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Häresie war die 1206 von Innozenz III. erlassene Dekretale Qualiter et quando. Die darin festgeschriebenen neuen Regeln für Prozesse gegen fehlgeleitete Geistliche sollten schädliche Auswüchse unter Geistlichen schneller unterbinden, als dies mit bisherigen Verfahren möglich war. 600 Nicht der Wahrheitsgehalt einer Information sollte nun überprüft werden, sondern der Umstand einer begangenen Tat. Ein Gerücht, eine fama, über eine Niedertracht konnte aber immer noch Auslöser für die Untersuchungen sein. Da ein Reinigungseid nicht mehr, wie vorher beim Infamationsprozess, als ausreichend angesehen wurde, wurde die inquisitio zur Ermittlung eines Beweises eingeführt. Diese Regelungen erhielten durch Innozenz’ Dekretale Inquisitionis negotium noch eine zusätzliche Präzisierung. Daneben konnten unter anderem Namen und Aussagen von Zeugen dem Angeklag- 596 Zu diesem Thema grundlegend Zemon Davies, Fiction in the archives, einführend S. 3-5. 597 Zur Entwicklung des Inquisitionsprozesses und seinen rechtshistorischen Wurzeln vgl. Trusen, Der Inquisitionsprozess, S. 168-230; Segl, Zur Einführung, S. 14-15; Decker, Die Päpste und die Hexen, S. 18-22. 598 Zu nennen wäre hier beispielsweise der sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich angewandte Akkusationsprozess, bei dem der Prozess durch eine klagende Partei in Gang gesetzt wurde und der Kläger gegenüber dem Beklagten und dem Gericht die Beweislast trug. Konnte der Beweis für die angeklagte Tat nicht erbracht werden, so wurde der Ankläger mit Ausweisung, Staupenschlag oder anderen Ehrenstrafen bestraft; gelegentlich konnte auch eine Geldstrafe auferlegt werden. Trusen, Der Inquisitionsprozess, S. 173-174. Wollte man gegen Verfehlungen Geistlicher vorgehen, wurde noch zu Zeiten Innozenz’ III. Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts im Rahmen der persönlichen und delegierten Gerichtsbarkeit des Papstes der Infamationsprozess praktiziert. Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 387. 599 Trusen, Der Inquisitionsprozess, S. 173-174. 600 Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 387-388. 138 ten mitgeteilt werden, der darauf reagieren durfte. Zudem konnten päpstliche Legaten bestimmt werden, die ex officio die Untersuchung gegen einen Kleriker anstrengen konnten. 601 Der sich langsam in der geistlichen Gerichtsbarkeit entwickelnde Inquisitionsprozess wurde im 13. Jahrhundert auch in der weltlichen Gerichtsbarkeit übernommen. Die Vorteile lagen besonders seitens der Kläger auf der Hand, da diese nicht mehr die Beweislast trugen. Die ex officio-Regelung verminderte zudem den zwingenden Bedarf eines Klägers. Gleichwohl hatten besonders die Zeugen und Denunzianten bei Inquisitionsverfahren nicht unbedingt den besten Ruf; durften doch bei dieser Prozessform auch Personen aussagen, die bei anderen Prozessen aufgrund ihres schlechten Leumundes oder ihres rechtlichen Standes nicht dazu berechtigt waren. 602 Unter Papst Gregor IX. (1227 - 1241) entwickelte sich das Verfahren des Inquisitionsprozesses vollends von einem ursprünglich innerkirchlichen Disziplinarverfahren zu einem Instrument im Kampf gegen die Ketzerei. In seiner Amtszeit konnte ein Richter mit einem Mandat mit besonderen Vollmachten ausgestattet werden. Diese Mandatsträger, die bald Inquisitoren genannt wurden, sollten Ketzerei aufspüren, den Prozess gegen Ketzer führen und die Verurteilung und Verhängung des Strafmaßes übernehmen. Die Inquisitoren arbeiteten dabei zumeist mit der jeweiligen lokalen weltlichen Gerichtsbarkeit zusammen. Da sie für ihr Vorgehen nicht die Zustimmung des zuständigen Bischofs benötigten, kam es zwischen diesen und den Inquisitoren nicht selten zu Spannungen. 603 Die Folter, als ein aus dem römischen Recht stammendes Verfahrensinstrument, wurde nicht nur beim Inquisitions-, sondern bspw. auch beim Akkusationsprozess angewandt, da hier eindeutige Beweise für eine Verurteilung vonnöten waren. Als Mittel zur Wahrheitsfindung war sie kein ungewöhnliches Element. Gemeinhin musste sie allerdings durch einen Richter angeordnet werden, und oft wurde ein Zeuge für die Anschuldigungen verlangt. 604 Zwar wurde bei Inquisitionsprozessen oft die Folter angewandt, doch war diese kein unabdingbares Merkmal dieser Prozessart. 605 Die Entwicklung differenzierter Gerichtsverfahren wie des Inquisitionsverfahrens im 12. und 13. Jahrhundert ist also besonders auf das Aufkommen und die Verbreitung häretischer Lehren zurückzuführen. So auch in Frankreich, wo man bemüht war, den sich im 12. Jahrhundert verbreitenden südfranzösischen Katharismus einzudämmen. 606 Die dort eingesetzten Inquisitionstribunale unter Leitung der ersten mit der Ketzerbekämpfung delegierten päpstlichen Richter hatten großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Ketzer- und später Hexenprozesse, da Verfahrensweisen und Verhörtechniken durch Prozessakten, 601 Trusen, Von den Anfängen des Inquisitionsprozesses, S. 43-46. 602 Duverger, L’inquisition en Belgique, S. 16-17. 603 Trusen, Von den Anfängen des Inquisitionsprozesses, S. 48-54, 56, 61-68. 604 Lesne-Ferret und Otis-Cour, La torture dans le Midi de la France au Moyen Age, S. 426-427. 605 Trusen, Von den Anfängen des Inquisitionsprozesses, S. 51-55. 606 Kolmer, ».. ad terrorem multorem«, S. 78-80. 139 Handbücher oder Formulare weitergegeben wurden. 607 Die Ambivalenz divinatorischer Praktiken zeigte sich in diesem Zusammenhang auch durch die kirchenrechtliche Festlegung Papst Alexanders IV., die den Inquisitoren zwar vorschrieb, sich mit Hellseherei und Wahrsagerei (divinationibus et sortilegiis) zu beschäftigen, dies allerdings nur, wenn sie häretischer Natur waren. 608 Zu den Vergehen, die man den Häretikern vorwarf, gehörten nicht nur ein fehlgeleiteter Glauben und das Nicht-Anerkennen der Kirche, oft wurden den Verdächtigen auch magische Praktiken vorgeworfen, die sich inhaltlich nur graduell von denjenigen Vorwürfen unterschieden, wegen derer man vermeintliche Zauberer oder später Hexen verfolgte. So war es für die im 14. Jahrhundert vermehrt verfolgten Zaubereidelikte nur folgerichtig, dass auch für diese Vergehen die gleichen Prozessverfahren wie für die Häresie angewandt wurden. Rechtlich stützte man sich dabei auf die römischen Wurzeln von Magie- und Zaubereiprozessen. 609 Trotz der sich herausbildenden Inquisitionsprozesse wurden die Zauberei- und Hexenfälle des späten Mittelalters jedoch sowohl vor geistlichen als auch vor weltlichen Gerichten geführt; die magischen Praktiken wurden also, ähnlich wie die Häresie, nicht mehr vorrangig durch die Kirche verfolgt. 610 Bei diesen weltlichen Gerichten handelte es sich meist um städtische Gerichte, da sich die Städte vermehrt bemühten, abergläubische und magische Praktiken zu ahnden. Auch die ersten Prozesse größerer Ordnung finden sich zunächst bei weltlichen, in der Regel städtischen Gerichten. Die Inquisitoren, insbesondere reisende Vertreter, arbeiteten mit den lokalen Gerichten bei der Verfolgung der Zauberei zusammen. 611 In Paris kann man bereits im 13. Jahrhundert auf geistlicher Seite einen »Inquisiteur de la foi« nachweisen. Das Parlament von Paris setzte sich ebenfalls mit Zauberei auseinander. Spektakuläre Fälle gab es auch schon im 14. Jahrhundert, als beispielsweise vier Frauen auf Anweisung des Vogts von Paris 1390/ 91 verbrannt wurden. Aus den Pariser Prozessakten ist weiterhin ersichtlich, dass zahlreiche Zaubereidelikte zusammen mit anderen Vergehen vergleichsweise unauffällig vor Gericht verhandelt wurden. 612 Nicht jeder Fall aufgedeckter Magie erhielt also die Aufmerksamkeit eines Inquisitionsprozesses. 607 Kolmer, »… ad terrorem multorem«, S. 90-97; Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 388; Ostorero, Le diable au sabat, S. 238-242. Einige Beispiele hierzu, die auch auf Wachsfigurenmagie und die Beschwörung von Dämonen eingehen, finden sich in Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung, S. 47-53. 608 Decker, Die Päpste und die Hexen, S. 20. 609 Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 397-398. 610 Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 404-405. 611 Kieckhefer, Magie et sorcellerie en Europe au Moyen Âge, S. 40. 612 Durch die Aufzeichnungen dieser Institution wissen wir, dass der Prozentsatz der Zaubereifälle am weltlichen Gericht in Paris bei etwa 1 % lag. Erst seit den 1460er Jahren stieg die Prozentzahl langsam auf 6 % und später bis auf 8 %. Gauvard, Paris, le Parlement et la sorcellerie au milieu de XV e siècle, S. 88-91. 140 4.2.2. Magievorwürfe und Zaubereiprozesse im (französischen) Spätmittelalter Wenngleich die juristische Verfolgung von magische Delikten in der Geschichtswissenschaft sehr gut aufgearbeitet ist, bedeutet von Zaubereiprozessen des späten Mittelalters zu sprechen immer noch, von einem Phänomen zu sprechen, das weit weniger systematisch untersucht wurde als das der Häresie- und Hexenprozesse. In der Forschung werden diese Prozesse zumeist eher gemeinsam behandelt, da die magischen Delikte und die Vorstellungen von Magie, die uns in den Zaubereibzw. Hexenprozessen zum Ende des Spätmittelalters und in der beginnenden Neuzeit begegnen, sehr stark ähnelten. Dies gilt auch für die unterschiedlichen Regionen Westeuropas, da der Austausch des magischen Wissens nicht vor Sprachgrenzen haltmachte. 613 Magievorwürfe und -verurteilung kamen in den jeweiligen Landesherrschaften zwar in unterschiedlicher Konzentration vor; der Umgang mit diesem Problem gestaltete sich aber ähnlich. Dabei ging es nicht unbedingt um große Zaubereien; oft reichten auch kleinere Verwünschungen und Praktiken, um einen Prozess herbeizuführen, die aber nicht zwingend zu drastischen Strafen führen mussten. 614 Die im Spätmittelalter belegten Zaubereifälle zeigen, dass man die magischen Praktiken keinem bestimmten Personenkreis zuordnen kann. 615 Dennoch kann 613 Zumindest im Bereich der Magieforschung werden die divergierenden Seiten von Zaubereien, Wissenschaft und christlichem (Aber-)Glauben betrachtet. Hervorzuheben sind hier insbesondere Boudet, Entre science et nigromance und Ostorero, Le diable au sabat. Die Ausbreitung der Vorwürfe ist darüber hinaus durch die einheitliche Verwendung der lateinischen Sprache in den Inquisitionshandbüchern zu erklären. Ostorero, Le diable au sabat, S. 238-242. Eine gute Übersicht über die regionale Verbreitung bietet der Band Magie et Sorcellerie en Europe, der sich dem Untersuchungsgegenstand in den verschiedenen Ländern bzw. Länderkomplexen widmet. Dabei werden auch Entwicklungslinien bis in die Neuzeit aufgezeigt, die die bleibende Aktualität des Themas unterstreichen. Muchembled, Magie et sorcellerie en Europe du Moyen Age. Muchembled sieht gerade von Hexenprozessen besonders Gebiete des deutschen Reiches betroffen, wohingegen Frankreich, die Schweiz und die flandrischen Gebiete nur zu kleineren Teilen stärker betroffen waren. Muchembled, Terres de Contrastes France, Pays-Bas, Provinces- Unies, S. 99. 614 Im frühen 15. Jahrhundert konnten Zaubereifälle beispielsweise im Herzogtum Geldern auch mit Geldstrafen vergolten werden. Blécourt und Waardt, Das Vordringen der Zaubereiverfolgungen in die Niederlande, S. 184-185. 615 Die Verortung magischer Praktiken zu bestimmten Personenkreisen ist bei der Betrachtung von Zaubereifällen nicht zielführend. Frühere Einschätzungen der Zauberei als reines Frauenphänomen konnten mittlerweile widerlegt werden, auch wenn in einigen Regionen mehr Frauen angeklagt wurden als Männer. Schulte, Hexenmeister, S. 80-86 mit einem Verweis auf entsprechende Untersuchungen im europäischen Vergleich S. 86 und Anm. 167. Auch ist eine Trennung zwischen so genannten Eliten- und Volkskulturen hinsichtlich magischer Praktiken und abergläubischen Verhaltens für das späte Mittelalter eher irreführend, ebenso wie eine Unterscheidung zwischen Gelehrten und Laien als Ausführende; waren es doch sehr oft auch Geistliche, die der Zauberei verdächtigt oder derer überführt wurden. Nach Richard Kieckhefer wurden sogar in der Mehrzahl Kleriker und Mönche nigromantischer, also dämonischer 141 man bei der Magie am Hof besondere Ausprägungen feststellen, gingen Zauberei und magische Praktiken - sei es nun an fürstlichen oder geistlichen Höfen - doch oft mit einem Kampf um Macht einher. Eine zunächst oftmals als eher harmlose Spielart der Magie eingestufte Kunst, die an den Höfen auf großes Interesse stieß, war die Astrologie. Das Interesse der höfischen Gesellschaft an der Untersuchung des Verlaufes der Gestirne und ihres Einflusses auf das menschliche Leben kann anhand verschiedener Beispiele belegt werden. Für Ludwig XI. ist bekannt, dass dieser immer ein bis zwei dauerhaft oder temporär beschäftigte Astrologen an seinem Hof hatte, aber auch bei Karl VII. oder am burgundischen Hof sind Astrologen nachzuweisen. 616 Daher gelten Paravicini Astronomie und Astrologie als »eminent höfische Wissenschaften«, deren ausübende Personen Kieckhefer neben den Magiern auch in dem größeren Umfeld des Hofstaates als Mitglieder der Gruppe der Ratgeber und Diener identifiziert hat. 617 Man kann auch hier von einer fließende Vermischung als ambivalent angesehener Wissenschaften, abergläubischer Praktiken und als dämonisch angesehener Magie konstatieren, denn den Astrologen wurden nicht selten auch magische Fertigkeiten nachgesagt. 618 Die Beschäftigung mit den Gestirnen entsprang unter Gelehrten dabei oft einem wissenschaftlichen Interesse, das besonders in der höfischen Welt präsent war. Die Beliebtheit des Themas zog Traktate und Lehrbücher nach sich, die sich den einzelnen Gebieten mit wissenschaftlichem Interesse und Gründlichkeit näherten. 619 Auch in der Bibliothek Herzog Philipps des Guten befanden sich astronomische Werke, die durch Erbe oder Neuerwerb in seinen Besitz gelangt waren. 620 Von Interesse waren Horoskope zum einen, um mögliche Vorhersagen, Praktiken verdächtigt, wenngleich auch Liebeszauber sehr oft vorgekommen sein sollen. Er geht aber auch auf den vielfältig verwandten Begriff des Klerikers und die damit einhergehende Unschärfe ein. Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 177-179. 616 Boudet, Les astrolouges, insbes. S. 10-15; Armand und Martens, Le rôle de Jean de Vesale, S. 46-47 u. 54. 617 Paravicini, Formen, Funktionen, Inhalte von Erziehung und Wissen bei Hofe, hier S. 17; Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 113. Die Beschäftigung mit Astrologie war dabei nicht zwingend anrüchig. Auch angesehene Personen haben sich mit diesem Themenfeld auseinandergesetzt. Vgl. bspw. Soldi Rondini, Aspects de la vie des cours de France et de Bourgogne par les dépêches des ambassadeurs milanais, S. 199. 618 Boudet, Les astrolouges et le pouvoir sous le règne de Louis XI., S. 19. 619 Boudet, Entre science et nigromance, S. 303-316. Beispielhaft soll hier auch auf den Traité d’astrologie judiciaire (zusammen u.a. mit den Livres des passions astrologiques) aus dem 15. Jahrhundert im Besitz der Bibliothèque Nationale de France verwiesen werden, der sich durch sehr ausführliche Beschreibungen sowohl zur Herstellung von Nativitäten als auch zu astrologischen Phänomen auszeichnet, wobei die Kunst der Nativität als eine auf astrologischen Kenntnissen beruhende Anwendung angesehen werden kann. BNF ms. fr. 1355. 620 Doutrepont, La littérature française à la cour des ducs de Bourgogne, S. 296-298. Bei den neu erworbenen astronomischen Werken handelt es sich um das Liber intruductoribus Astronomie, super Alcassibus und das Buch Regards des XII cignes. Auch in der Bibliothek Philipps des Kühnen und Johanns Ohnefurchts befanden sich astronomische, chiromantische und medizinische Werke, die weitervererbt wurden. Ders., La littérature française à la cour des ducs de Bourgogne, S. 273 u. 281-282. 142 beispielsweise hinsichtlich von Kriegen oder Katastrophen, treffen zu können. Da solche Ereignisse auch für eine breitere Öffentlichkeit interessant waren, nahmen die Chronisten derartige, aus Horoskopen gewonnene Vorhersagen gerne in ihre Berichte mit auf. 621 Man glaubte zudem, durch Horoskope, astrologische Berechnungen oder andere magisch-divinatorische Praktiken Einfluss auf eine Person oder zumindest Erkenntnisse über sie gewinnen zu können. Christine Reinle führt diesen Aspekt nicht zuletzt auf die Strategien der Höflinge zurück, sich in den höfischen Hierarchien ihren Platz zu erhalten oder diesen zu verbessern; 622 eine Analyse, die in Teilen auch auf den Fall des Grafen von Étampes zutrifft. Durch magische Praktiken versuchte man, sich die Gunst des Fürsten zu sichern oder seine Position am Hofe gegenüber Rivalen abzusichern. So stark das Interesse der höfischen Gesellschaft selbst an astrologischen und wahrsagerischen Praktiken gewesen ist, so stark bewahrte man ihnen gegenüber auch einen gewissen Argwohn; nutzte man diese Mittel doch nicht nur, um den Zeitpunkt für wichtige Handlungen zu optimieren oder einen Blick in die Zukunft zu gewinnen, sondern auch dazu, ein Charakterbild seines Feindes zu zeichnen. 623 Die Beschäftigung mit der Astrologie barg auch die Befürchtung, man könne solche Praktiken gegen Fürsten verwenden, Macht über sie ausüben oder durch das Streuen gezielter Gerüchte - etwa über den Charakter oder die Zukunft einer Person - Unruhe schaffen. Dies erklärt auch die heftige Reaktion, die der Graf von Charolais auf der Ständeversammlung 1464 zeigte, als er von solchen, ihn betreffenden divinatorischen Praktiken erfuhr. Der Propst von Watten 624 soll ein Geburtshoroskop, von ihm angefertigt haben, wie der Graf gegenüber den Vertretern der Stände anklagend hervorbrachte. 625 Da die Anschuldigung ohne weitere Erläuterungen von dem Chronisten übernommen wurde, ist davon auszugehen, dass man des negativen Potenzials solcher Praktiken gewahr war. Auch im Rahmen politisch motivierter Komplotte des späten Mittelalters lassen sich zahlreiche Giftattentats- oder Zaubereivorwürfe ausmachen. 626 Eine besonders häufig aufkommende Anschuldigung war auch an den Höfen die des (Wachs-)Figurenzaubers. Nicht selten trafen solche Verdächtigungen enge Vertraute der Fürsten, oft aber weibliche Personen mit Einfluss im höfischen Umfeld. Auch Aufsteiger im Dienste der Fürsten, die sich aus niederen Verhältnissen hochgearbeitet hatten, waren von solchen Verdächtigungen betroffen. Derartige Anschuldigungen entstanden meist durch Gerüchte, besonders, wenn es sich um Vergiftungsfälle oder mögliche Bildmagie handelte. Die starke Akzeptanz dieser Gerüchte lässt auf den hohen Grad an Aberglauben im höfischen Umfeld schlie- 621 Du Clercq, Mémoires IV, S. 113. 622 Reinle, Geheimwissenschaften und Politik, S. 323-325. 623 Reinle, Geheimwissenschaften und Politik, S. 323-325; 333-334. 624 Watten, gelegen im Département du Nord. 625 Wavrin, Recueil V, S. 424-425. Vgl. auch Kap. 5.2.2.1. 626 Einführend auch hier Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 113-118, speziell für den französischen Raum auch besonders Collard, Veneficiis vel maleficiis, S. 9-57. 143 ßen. Für den französischen Hof des Spätmittelalters und die Kurie in Avignon sind zahlreiche Gift- und Zaubereivorwürfe bekannt. 627 So musste sich im 14. Jahrhunderts Papst Johannes XXII. (1316 - 1334) mit dem Thema Magie befassen, da sich besonders in England und Frankreich eine Vielzahl an Nachrichten von magisch unterstützten Verbrechen zu häufen schienen. Auch gegen den Papst selbst soll es eine Verschwörung gegeben haben, im Verlauf derer man sich des Giftes, der Bildmagie und anderer Zaubereien bedient habe; von derartigen Praktiken sollen aber auch Kardinäle betroffen gewesen sein. 628 Die Feststellung, dass der französische Hof des Spätmittelalters ein Hort der Zauberei, gerade auch der Wachsfigurenmagie, gewesen ist, findet sich bereits bei Johann Huizinga. 629 Auch die zeitgenössischen Chronisten bemerkten den Einsatz von Gift und Zauberei in sämtlichen Schichten und auf beide Geschlechter gleichermaßen verteilt. 630 Die Chronik des Mönchs von Saint-Denis (Michel Pintoin), aber auch andere Chroniken des späten Mittelalters, sind eine dankbare Quelle für Beispiele aus dem französischen Umfeld. Besonders der Übergang des Königtums von den Kapetingern auf die Valois ließ derartige Gerüchte ansteigen, wenngleich bereits am Hof des französischen Königs Philipps des Schönen Zaubereivorwürfe ruchbar wurden. 631 Die Entwicklung der Zaubereikomplotte oder 627 Wenngleich auch an anderen Höfen, wie z.B. dem engischen solche Vorwürfe nachweisbar sind. Jones, Political Uses of Sorcery in Medieval Europe; Materials for a history of the reign of Henry VII., S. 251-253. 628 Decker, Die Päpste und die Hexen, S. 29-33; Kieckhefer, Magie im Mittelalter, S. 114. Zu Papst Johann II. vgl. insbesondre auch Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung, S. 2-7 und S. 11-12. 629 Der neben entsprechenden Fällen gegen Karl VI. von Frankreich auch die Klagen des Grafen von Charolais über gegen ihn verübte Zauberei erwähnt. Huizinga, Herbst des Mittelalters, S. 352-354. 630 Kintzinger, Maleficium et veneficium, S. 75. Die beiden bekanntesten Fälle dieser Zeit, die in Verbindung mit magischen Praktiken, Zauberei oder gar dem Teufel gebracht wurden, sind sicherlich die Prozesse gegen Jeanne d’Arc und gegen Gilles de Rais. Jeanne d’Arc wurde zwar immer wieder magischer Praktiken oder der Verbindung mit dem Teufel verdächtigt, doch ist ihre Geschichte in ein so komplexes historisches Feld verknüpft, ist ihr Prozess, der sowohl ein politischer als auch ein Glaubensprozess war, so vielfältig für sich, dass ein Vergleich mit dem Fall Étampes an dieser Stelle unpassend scheint. Einführend vgl. Krummeich, Jeanne d’Arc. Auch der Fall des Gilles de Rais ist mit dem mehrfachen Mord so extraordinär, dass ein Vergleich mit den Vorwürfen der Teufelsbündnisschaft in seinem Fall nicht zielführend wäre. Mit einem Abdruck des Prozesses vgl. Bataille, Le procès de Gilles de Rais. 631 So wurde Guichard, Bischof von Troyes und Familiare der französischen Königin Jeanne und deren Mutter, nach dem plötzlichen Tod der Königin angeblich durch einen Eremiten beschuldigt, dass er des Nachts und als Bauer verkleidet mit einer bekannten Zauberin mysteriöse Dinge getan habe, genau zu der Zeit, als die Königin krank geworden war. Der Prozess gegen den Bischof ist ausführlich bei Langlois beschrieben und weist einige Parallelen zu unserem Fall auf. Langlois, Histoire de France 3, 2, S. 207-216. Bei Langlois finden sich zudem noch weitere Beispiele für Wachsfiurenzauber oder andere (versuchte) Anschläge. Vgl. bspw. Bd. 3,2, S. 217 oder S. 220. Philipp der Schöne hatte zudem maßgeblich Anteil an der Auflösung des Templerordens 1320, denen u.a. Ketzerei, Sodomie und Götzenkult nachgesagt wurden. Der französische König war zudem der Hauptprofiteur der Entmachtung des Ritterordens. Demur- 144 -vorwürfe am burgundischen Hof ist dabei eng mit der am französischen Hof verknüpft, regierte doch seit 1363 in Burgund mit Philipp dem Kühnen ein Herzog aus der Linie Valois. Aber auch andere Fürstentümer wie beispielsweise das Herzogtum Orléans hatten ihren Anteil an Verdächtigungen; 632 die Verwicklung der Höfe und ihrer Protagonisten in die verschiedenen Magievorfälle verbietet daher eine Reduzierung ausschließlich auf den burgundischen Hof. Ausführlich hat sich mit dieser Thematik Jan R. Veenstra befasst, der eine Fülle an Beispielen für Zaubereivorwürfe, -gerüchte und -prozesse zusammengetragen hat. Auch viele der von diesem Autor geschilderten Fälle haben mit Wachsfigurenmagie zu tun. Ein Beispiel dafür ist der Fall Géraud d’Armagnacs, der um 1400 drei Wachsfiguren bei Magiern in Mailand bestellt hatte. Mit Hilfe dieser Figuren und von Komplizen wollte er seinen Cousin, Bernard d’Armagnac, loswerden. Als das Unternehmen entdeckt wurde, setzte Bernard Géraud in einer Festung fest, wo dieser kurze Zeit später verstarb. 633 Motive für zahlreiche Zaubereivorwürfe boten aber insbesondere die Kämpfe zwischen den Herzögen von Burgund und Orléans um Macht und Einfluss am französischen Hof im Zuge der Erkrankung König Karls VI.. So wurde Herzog Ludwig von Orléans vorgeworfen, er habe verschiedene Personen mit Utensilien ausgestattet, damit sie Magie für ihn betrieben und Dämonen anriefen. Eine der Personen, ein Mönch, soll auch andere Zaubereien für den Herzog ausgeführt haben. Die Gerüchte über den Zweck der Zaubereien reichten von Liebeszaubern bis zu dem Versuch, den französischen König zu töten. Die Gestes des ducs de Bourgogne sollen dabei den Erzieher Karls VI. und Ludwigs, Philippe de Mézières, als treibende Kraft hinter den Zaubereien gesehen haben. 634 Im Jahr 1393 spielte wiederum Ludwig von Orléans eine unrühmliche Rolle auf dem Bal des Ardents, als er versehentlich einige verkleidete Edelmänner in Flammen setzte, unter denen sich auch der König befand. Dieser Vorfall gab den Verdächtigungen und Gerüchten nur noch weitere Kraft. 635 Das Gerede über den Herzog von Orléans soll seitens des burgundischen Hofes gestreut worden sein, namentlich von Jean Petit, dem bekannten Juristen und Theologen der Universität Paris. In seiner Apologie des Tyrannenmordes ging er an prominenter Stelle auf angebliche schwarzmagische Praktiken des Herzogs von Orléans ein, was die Verbreitung der Gerüchte begünstigte. 636 Aus machtpolitischer Sicht kam dies dem Herzog von Burgund sehr entgegen, denn er stritt zu dieser Zeit mit Ludwig von Orléans um den Einfluss auf den französischen König, der durch eine phasenweise auftretende Krankheit ger, Die Templer, S. 241-262. 632 Garinet, Histoire de la magie, S. 60. 633 Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 84. 634 Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 59-61. 635 Lalou, Le bal des ardents et la folie du roi, S. 70-71. 636 Am 8. März 1408 rechtfertigte Jean Petit den 1407 durch Johann Ohnefurcht initiierten Mord am Herzog von Orléans. Vgl. ausführlich zu diesem Fall Guenée, Un meurtre, une societé; Autrand, Charles VI., S. 364-366; Vaughan, John the Fearless, S. 70-72. 145 nicht dauerhaft regierungsfähig war. Diese plötzliche und unter spektakulären Umständen ausgebrochene Krankheit - der sich von Verrat bedrohte König tötete bei einem Zug gegen den Herzog der Bretagne mehrere seiner Diener - war Anlass für unterschiedliche Spekulationen um Magie- und Vergiftungsvorwürfe, von denen nicht nur Ludwig von Orléans, sondern auch Valentina Visconti, seine Gattin, betroffen war. Getragen wurden die Gerüchte offensichtlich durch die burgundische Partei. Hinzu kam, dass Valentina Visconti aus der Lombardei stammte, einer Gegend, in der man traditionell viele Giftmischer vermutete. Die Verdächtigungen führten letztlich dazu, dass sie 1396 ins Exil ging. 637 Besonders an diesem Beispiel kann man erkennen, dass der burgundische Hof offenbar gezielt Gerüchte streute, um seine Feinde in Misskredit zu bringen. Bei den Rivalitäten zwischen Burgund und Orléans spielte in einigen Fällen auch Wachsfigurenmagie eine Rolle. So wurden diese Praktiken beispielsweise einem physicien im Dienste Karls VI., Jean de Bar, vorgeworfen, der enge Verbindungen zum burgundischen Hof hatte .638 Die Vorwürfe des Figurenzaubers waren also am burgundischen Hof im Jahr 1463 keinesfalls neu. Die sich häufenden Magievorfälle und -vorwürfe am Hof der französischen Fürsten führten 1398 sogar zu einer Stellungnahme seitens der Universität in Paris. Deren theologische Fakultät verabschiedete eine determinatio und eine conclusio, die sich mit Magie- und Wahrsagereifällen beschäftigten. Die dort beschrieben Fälle wurden durch diese Schriftstücke freilich auch mit theologischen, nicht nur juristischen Argumenten bekämpft. 639 Im Zusammenhang mit der Krankheit Karls VI. kam es aber nicht nur gegen hochgestellte Persönlichkeiten zu Vergiftungsvorwürfen; oft wurden verschiedene Personen, die um die Gesundheit des Königs bemüht waren, verdächtigt. Die Anwendungen schienen allgemein bekannt gewesen zu sein, wenngleich nicht alle Menschen zu dieser Zeit gleich stark von der Wirksamkeit der Praktiken überzeugt waren. Der sogenannte Mönch von Saint-Denis, Verfasser der Chronique du Religieux de Saint-Denis, ließ laut Veenstra mehr als einmal deutlich werden, dass er von den magischen Praktiken, die zur Heilung des Königs angewandt wurden, nicht überzeugt war. Unter den Zauberern, die den König heilen wollten, soll es wiederum Verbindungslinien nach Burgund gegeben haben. So haben zwei Zauberer, Poinson und Briquet, ihre Praktiken in der Umgebung von Dijon in Burgund ausgeführt. Zudem ist die Verbindung nach Burgund durch 637 Collas, Valentine de Milan, S. 215-216; Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 81-85. 638 Für den Fall des Jean de Bar vgl. ausführlich Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 67-69. Das Transkript des überlieferten Geständnisse Jean de Bars ist bei Veenstra im Anhang zu finden (S. 343-355); zusätzlich liefert er eine genauere Einordnung und Kommentierung einzelner Punkte des Geständnisses. Die Verbindung mit dem Herzog von Burgund wird in Stück 14 des Transkriptes aufgezeigt. 639 Vgl. ausführlicher Utz Tremp, Von der Häresie zur Hexerei, S. 422-427; Boudet, Les condamnations de la magie à Paris en 1398, S. 121-157. 146 einen Rechnungsbeleg nachzuvollziehen, wenngleich das Unternehmen letztlich nicht erfolgreich war. Ebenfalls aus Burgund kamen 1399 einige Zisterzienser auf Einladung von Louis de Sancerre, connétable von Frankreich, nach Paris. Mithilfe eines Leichentuches, in das angeblich Jesus nach der Kreuzigung gehüllt worden ist und mit dem schon viele Kranke geheilt worden sein sollen, wollten sie der Krankheit Karls VI. nun mit einem christlichen Wunder beikommen. Diese Heilungsversuche mit unterschiedlichsten christlichen und magischen Methoden belegen, dass man hinter der Krankheit des Königs Magie vermutete. Auch wenn Gelehrte wie Jean Petit oder Laurens Pignon, Autor des Werkes Contre les devineurs, die Gerüchte gegen den Herzog von Orléans stützten, begegnet man ebenso Philipp dem Kühnen als Unterstützer magischer Praktiken, sobald er sich machtpolitische Vorteile dadurch versprach. 640 An den Höfen wurden nicht nur adelige Personen mit dem Vorwurf der Ausübung von Zauberei konfrontiert. Und auch außerhalb der höfischen Ebene finden sich im burgundischen Raum zahlreiche Hinweise auf magische Praktiken. Neben Fällen, die in Chroniken oder Prozessakten tradiert sind, sind aus der Diözese Cambrai zwei Werke des Dekans Gilles Carlier aus dem 15. Jahrhundert überliefert. 641 Dieser Schüler Jean Gersons und Pierre d’Aillys konnte aufgrund der ständigen Abwesenheit des Bischofs in Cambrai recht eigenständig in der Diözese walten. Aufgrund zahlreicher Anfragen auch aus benachbarten Diözesen verfasste Gilles Carlier die Werke Sporta fragmentorum und Sportula fragmentorum. Einige der dort aufgeführten Ratschläge umfassen auch den Umgang mit magischen Praktiken. Als eine Kategorie unter diesen Anfragen kann der Liebeszauber ausgemacht werden. In einem der überlieferten Fälle ging es beispielsweise um einen Priester aus Tournai, der eine Wachsfigur und ein mit Kohle gemaltes Bild angefertigt und diese auf den Namen eines Mädchens getaufte hatte, dessen Liebe er mit den Bildern erringen wollte. Zu dem Ritus gehörte zudem die Anrufung eines Dämons, dessen Name aber nicht überliefert wurde. 642 Andere, offenbar gerne verwendete Liebeszauber wurden mit Talismanen ausgeführt; ein ebenso altes magisches Utensil wie die Wachsfiguren. Neben dieser magie traditionelle 643 beschäftigte sich Gilles Carlier mit Beratungen bei Nigromantiefällen, speziell beim persönlichen Kontakt mit Dämonen. Wie seine Sporta belegt, war Carlier auch als Berater bei der grande vauderie 1459/ 60 in Arras tätig. 644 Die Tätigkeit in diesem Fall qualifizierte den Dekan augenscheinlich dafür, in 640 Veenstra, Magic and Divination at the courts of Burgundy and France, S. 65-96; Mirot, Un essai de guérison, S. 96-99. 641 Für den folgenden Abschnitt vgl. den Aufsatz Platelle, Les consultations de Gilles Carlier, S. 225-252. Die Ratschläge, die er auf Anfragen bei Magievorwürfen, Fällen von Dämonenanrufungen oder -besessenheit gab, aber auch Fragenkataloge im Umgang mit dämonischer Magie fasste er in zwei Werken zusammen. Vgl. Frédéricq, Corpus inquisitonis Neerlandicae; Frédéricq, De Sporta en de Sportula fragmentorum, S. 1-31. 642 Platelle, Les consultations de Gilles Carlier, S. 230-231. 643 Platelle, Les consultations de Gilles Carlier, S. 237. 644 Veenstra, Les fons d’aulcuns secrets de la theologie, S. 433. 147 ähnlichen Situationen Rat geben zu können. Ende 1460 erhielt er, neben anderen Geistlichen, von Papst Pius II. die Aufgabe zugewiesen, über die Vaudois zu richten, die sich an den Heiligen Stuhl gewandt hatten. Gilles Carlier urteilte allerdings oft eher moderat, nach Gesichtspunkten der direkten oder indirekten Beeinflussung der Person seitens von Dämonen. 645 Es bleibt an dieser Stelle festzustellen, dass Gilles Carlier, obgleich er sich offenbar in der Materie gut auskannte und in der Diözese Cambrai tätig war, im Processus contra dominum de Stampis keine Rolle spielte, was an der sehr spezifischen Zusammensetzung der Kommission liegen mag. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass der Dekan als Berater der Vauderie d’Arras Kontakt zu Mitgliedern des burgundischen Hofes hatte. Die Vauderie d’Arras bezeichnet eine Reihe von Verfahren, die 1459/ 60 in der Stadt Arras angestrengt worden waren. 646 Diese Ereignisse sind für den Umgang des burgundischen Hofs mit Zaubereivorwürfen nicht unwichtig, belegen sie doch, dass der herzogliche Hof durchaus auf derartige Vorwürfe reagierte, dies aber maßvoll tat. Der Begriff Vauderie hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Bedeutungserweiterung erfahren, sodass er nicht nur mit häretischen Praktiken in Verbindung gebracht wurde, sondern auch allgemein mit Zauberei und Magie. Die Verdächtigungen in Arras glichen in vielen Details bereits den späteren Vorstellungen von Hexensabbaten. 647 Die Prozesse wurden von dem bereits erfahrenen Inquisitor Pierre le Broussart geleitet und folgten mit mehrmaligen Befragungen und Folter der zu dieser Zeit bereits üblichen Form der Inquisitionsprozesse. Im Fokus des Interesses lagen dabei die genauen Ausprägungen der vorgeworfenen Praktiken und Erkenntnisse über Mittäter. Konzentrierte man sich aber zu Beginn noch darauf, die vaudois in den Randgruppen der städtischen Gesellschaft zu suchen, wurden im Prozessverlauf die verschiedensten Schichten und Personengruppen verdächtigt. In späteren Verfahren mussten sich auch einige Personen der Oberschicht Arras’ der Vorwürfe der Inquisition erwehren. Die Prozesse führten zu einem Klima des Misstrauens und der Angst in der Stadt, sodass Auswärtige, besonders Kaufleute, Arras mieden. Erster Widerstand der Stadt gegen die massiven Verfolgungen und die sich immer stärker ausweitenden Verdächtigungen, die sich mit der Zeit auch auf Nachbarstädte erstreckten, führte dazu, dass der in dieser Angelegenheit eifrig agierende Dekan Jacques du Bois sowie der Suffragan- 645 Platelle, Les consultations de Gilles Carlier, S. 237-246. 646 Zuletzt legte Franck Mercier eine sehr umfassende und gründliche Untersuchung und Einordnung der Ereignisse vor. Mercier, La vauderie d’Arras; lediglich die etwas sparsame Setzung von Anmerkungen und die zum Teil mangelhafte Wahrnehmung deutscher und englischer Literatur ist zu bemängeln, wie auch die Einordnung der Ereignisse, die zum Teil etwas spekulativ geraten ist. Zur Einordnung des Begriffes der Vauderie siehe Hansen, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung, S. 408-415. Frühere Untersuchungen, Duverger, La Vauderie dans les États de Philippe le Bon; Singer, La vauderie d’Arras, 1459 - 1491; Veenstra, Les fons d’aulcuns secrets de la theologie; Mercier, La torture en procès, S. 175-185; Mercier, Un trompe-’œil malefique, S. 97-115. 647 Mercier, La vauderie d’Arras, S. 10. 148 bischof Jean Fauconnier zu dem herzoglichen Vertreter der Region, dem Grafen von Étampes, nach Péronne reisten, um dessen Unterstützung zu erlangen. Der Graf spielte seinen Einfluss aus, indem er Vertraute im Untersuchungsapparat platzieren ließ. Dabei handelte es sich mit dem Seigneur de Saveuese, dem Bailli d’Amiens, Seigneur de Crèvecœur, und dem lieutenant des Bailli, Guillaume de Berry, um picardische Adelige. Zudem wurde der Sekretär des Grafen nach Arras beordert. Welche Haltung der Graf von Étampes konkret hinsichtlich der Vorwürfe und Verfolgungen der Vauderie eingenommen hat, ist aus den Archivalien nicht zu entnehmen. Zwar intervenierte er auch weiterhin durch Briefe, doch ging es in der Hauptsache darum, dass er die kritischen Vikare in Arras bat, ihren Pflichten nachzukommen. Auch der Herzog von Burgund soll über eigene Leute den Prozess verfolgt haben, er griff allerdings selbst nicht aktiv ein. 648 Die Abwesenheit des Herzogs bedeutete aber kein mangelndes Interesse seinerseits; er ließ sich im Sommer 1460 von einer Delegation des Tribunals von Arras von dem Verlauf berichten. Zudem strengte er eine theologische Diskussion zu diesem Fall an der Universität Löwen an. Die Feststellung des Chronisten Mathieu d’Escouchy, der Herzog habe durch sein Eingreifen die Verfolgungen erst beendet, erscheinen bei genauerer Betrachtung, so Mercier, etwas hoch gegriffen. Dennoch kann man davon ausgehen, dass der Herzog auch aufgrund der erwähnten wirtschaftlichen Probleme der Region ein Interesse daran hatte, dass die Situation schnell gelöst würde. 649 Die machtpolitischen Konstellationen in Arras zwischen der kirchlichen und der weltlichen Seite waren also gespannt. Trotz oder wegen dieser Situation fielen nach den anfänglich verordneten Feuerstrafen die Ahndungen für die weiteren Verdächtigten moderater aus. Sie endeten nicht zwangsläufig mit dem Feuertod, sondern konnten beispielsweise auch aus Gefängnisstrafen bestehen; einige wenige wurden sogar freigesprochen. 650 Eine weitere Instanz beschäftigte sich - sehr zum Missfallen des Herzogs von Burgund, der ein Eingreifen in seine Kompetenzen beanstandete - mit der Vauderie d’Arras: das Parlament von Paris. Der Pariser Gerichtshof benötigte allerdings dreißig Jahre, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Inquisition in Arras fehlerhaft gearbeitet hatte. Die Konsequenz war, dass sämtliche Angeklagte der Vauderie d’Arras nachträglich rehabilitiert wurden. Zu dieser Zeit waren die Umstände der Verfolgungen im Bewusstsein der Bevölkerung allerdings noch sehr lebendig. 651 648 Die Anwesenheit der herzoglich-gräflichen Getreuen führte allerdings auch zu Konflikten in Arras, da insbesondere einige Vikare den Machtverlust des kirchlichen Gerichtes fürchteten. Mercier, Vauderie (2006), S. 11 und 146-149. 649 D’Escouchy, Chroniques II, S. 416-421; Mercier, la vauderie d’Arras, S. 15-153, Veenstra, Les fons d’aulcuns secrets de la theologie, S. 431-132. 650 Veenstra, Les fons d’aulcuns secrets de la theologie, S. 432-433. 651 Unterstützend wirkte hier sicherlich die literarische Beschäftigung mit der Vauderie. Neben der chronikalischen Überlieferung bei Du Clercq ist hier besonders die Häresie bekämpfende Schrift Jean Tinctors »Tractatus de secta vaudensium«, der es in französischer Übersetzung (Contre la Vauderie) auch in die burgundisch-herzogliche Bibliothek geschafft hat, zu nennen. Vgl. Veenstra, Les fons d’aulcuns secrets de la theologie, S. 440-447. 149 Diese exemplarischen Beispiele von Magiefällen, -vorwürfen und -verdächtigungen im franco-burgundischen Umfeld zeigen, dass diese Praktiken im höfischen und städtischen Umfeld, unabhängig von bestimmten Schichten ausgeübt wurden. Mitglieder der fürstlichen Höfe hatten ein offenes Interesse an magischen Praktiken; zum Teil scheint dies von den Fürsten selbst geduldet oder sogar gefördert worden zu sein. Die politisch motivierten Intentionen traten oft deutlich zutage. Dabei halten die Beispiele sowohl Fälle bereit, in denen die politische Motivation in den magischen Praktiken selbst liegt, als auch solche, in denen die Vorwürfe der Anwendung von Magie dem Ruf der Beschuldigten schaden sollten. Daneben werden aber auch die verstärkte Verfolgung dieser Praktiken und das Entgegentreten der Kirche sichtbar, was sich in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten noch verschärfen sollte. 4.3. Der Processus contra dominum de Stampis: eine erste Einordnung Um den Processus contra dominum de Stampis in dieses Panorama der gerichtlichen Verfolgung und Ausbreitung von Zaubereivorwürfen einzuordnen, ist es sinnvoll, noch einmal einen Blick auf seinen Beginn, also auf die Einberufung der Kommission zu werfen: Der Graf von Charolais, Karl von Burgund, wandte sich mit Informationen über einen versuchten Anschlag auf seine Person an die höchste kirchliche Instanz der Diözese Cambrai. Damit trug er einerseits dem Umstand Rechnung, dass die Ereignisse um den Grafen von Étampes in dieser Diözese stattgefunden haben. Zudem legten die Zaubereivorwürfe ein kirchliches, inquisitorisches Verfahren nahe. Es finden sich in den Untersuchungen der Kommission daher zahlreiche Elemente eines solchen Verfahrens. So ist das von Brundage festgestellte Vorgehen, dass die Richter sich insbesondere auf Zeugenaussagen möglichst beider Seiten stützten, aber auch schriftliche Dokumente als Zeugnisse heranzogen, 652 auch bei diesem Prozess zu beobachten, versuchten die Kommissare doch, die notwendigen Beweise bzw. ein Geständnis mittels gründlicher Befragungen und unter Anwendung der verfahrenstechnisch üblichen Schritte zu erlangen. Dazu gehörten die Anwendung von Folter, das Sammeln von schriftlichen und mündlichen Zeugenaussagen, die Gegenüberstellungen und der Rückgriff auf weitere schriftliche Beweisstücke. Dennoch fällt die Bildung der Kommission aus burgundischen Vertrauten und insbesondere aus solchen des Grafen von Charolais auf, bei der ein mit magischen Delikten vertrauter Dekan aus der Diözese Cambrai, Gilles Carlier, nicht berücksichtigt wurde. Im Mittelpunkt der Befragungen in Le Quesnoy stand zwar Jean de Bruyère, aber bereits die Titulierung des Aktenmaterials als Processus contra dominum de 652 Brundage, Medieval canon law, S. 132-133. 150 Stampis macht deutlich, dass die Untersuchungen perspektivisch auf den Grafen von Étampes gerichtet waren. Da der Graf in dieser Phase des Prozesses allerdings lediglich in den Aussagen des Hauptverdächtigen Jean de Bruyère und in einigen knappen Erwähnungen der Brüsseler Zeugen auftauchte, nicht aber persönlich befragt wurde, 653 bietet es sich an, die in den Akten dargestellten Verfahrensschritte als Voruntersuchungen für einen späteren Prozess gegen Johann von Burgund zu klassifizieren. Gegen Jean de Bruyère aber, dies geht aus den Akten deutlich hervor, sollten diese Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt bereits in Form eines Prozesses geführt werden. 654 Das Aktenmaterial selbst stellt eine Kompilation der für den Fall Étampes relevanten Stücke dar, die - gemäß den Regeln eines kirchlichen Verfahrens - die Ergebnisse der bis dahin getätigten Voruntersuchungen mitsamt allen verfügbaren zusätzlichen Informationen und Schriftstücken für einen Prozess gegen den Grafen von Étampes verbindet. Im Untersuchungsfeld der Ketzerei-, Zauberei- und beginnenden Hexenprozesse ist dieser Prozess zudem deutlich der Form des Zaubereiprozesses zuzuordnen. Fragen nach möglichen Teufelspakten oder Sabbaten, wie sie für die Hexenprozesse als typisch angesehen werden, spielten bei der Untersuchung keine Rolle. 655 Insbesondere die Zusammensetzung der Kommission und das Zustandekommen der Untersuchungen deuten allerdings bereits an, dass auch dieser Zaubereiprozess im burgundischen Umfeld politisch motiviert gewesen ist, wenngleich eine Kommission aus geistlichen und weltlichen Mitglieder eine durchaus nicht unübliche Kombination auch bei kirchlichen Untersuchungen darstellte. 656 Dass der Graf von Charolais allerdings durch die Kommission und seine Anwesenheit vor Ort einen gewissen Einfluss auf den Prozess hatte, darf nicht außer Acht gelassen werden. Neben diesen äußeren Umständen sind auch die eigentlichen Vergehen von Interesse, die durch die Befragungen zutage gefördert werden und die letztlich die Bedeutsamkeit des Falles Étampes ausmachen. 657 Die Vorwürfe gegen Johann konnten kaum dadurch gemildert werden, dass gegenüber dem französischen König und dem Herzog von Burgund Zuneigungszauber und lediglich gegen den Grafen von Charolais Schadenszauber eingesetzt wurde. Gegen Karl sollte der Zauber zu langwierigem Leiden und sogar zum Tode führen. Es ist daher an dieser Stelle zu fragen, inwieweit man diesen Komplott als ein Majestätsverbrechen verstehen kann, einen Vorwurf, der ge- 653 Eine ausführliche Untersuchung der Rolle des Grafen von Étampes bei dem Komplott, wie sie sich in den Akten darstellt, bietet Kap. 3.4. 654 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 11r. 655 Blauert, Frühe Hexenverfolgungen, S. 43-56. Dennoch soll nochmals auf die Schwierigkeiten der Unterscheidungen zwischen diesen Prozessarten hingewiesen werden, die auch Blauert thematisiert. 656 Mercier, La vauderie d’Arras, S. 383; Schild, Die Geschichte der Gerichtsbarkeit, S. 130. 657 Die Schwere der Vorwürfe gegen Johann von Burgund lässt erwarten, dass die Arbeit der Kommission nicht ohne Folgen für den Grafen von Étampes geblieben ist. Inwieweit die Affäre die Karriere des Grafen beeinflusst hat, soll daher in den folgenden Kapiteln betrachtet werden. 151 rade bei politischen Prozessen des französischen Spätmittelalters oft gebraucht wurde. Wie bereits eingangs gezeigt werden konnte, 658 wurde der Vorwurf des Majestätsverbrechens bei unterschiedlichen Vergehen vorgebracht. Dies konnte beispielsweise Aufruhr, Rebellion, Verrat oder Mord umfassen, allerdings konnte man auch bei Zauberei des Hochverrats beschuldigt werden. 659 Der Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen dem König bzw. dem hochgestelltem Fürsten und dem Angeklagten, das aus den aufgezählten Taten resultieren konnte, war dabei ein besonders schwerwiegendes Element, beeinträchtigte es doch zugleich die spezifische Treue einer Person gegen seinen König oder Fürsten. 660 Die französische Geschichte kennt eine Vielzahl an Fällen, bei denen der Vorwurf des Majestätsverbrechens gegen höhergestellte Personen zum Tragen gekommen ist und von denen einige in der Hinführung bereits erwähnt wurden. 661 Der Vorwurf war - wie insbesondere Wim Blockmans nachgewiesen hat - auch eine häufige Anklage Karls des Kühnen gegenüber seinen Feinden, den er später als Herzog von Burgund einsetzte. 662 Für diese Untersuchung ist besonders einer der frühen Fälle der Verwendung dieses Vorwurfes von Interesse. Herzog Karl beschuldigte nämlich auf dem Vliesordensfest in Brügge von 1468, auf dem auch der Ausschluss Johanns verkündet wurde, die Ordensritter der Familie Croÿ dieses Verbrechens. 663 Die geäußerten Vorwürfe verliefen aber letztlich im Sande, vermutlich auch, da Karl keine Handhabe gegen die Croÿ hatte und diese sich sogar auf dem Wege der Rehabilitation am burgundischen Hof befanden. 664 Inwieweit reihen sich nun die Vorwürfe gegen den Grafen von Étampes in das Konzept des Majestätsverbrechens ein? Man muss zunächst konstatieren, dass das Verbrechen Johanns von Étampes in den uns überlieferten Dokumenten nicht explizit so bezeichnet wird, aber die Reaktionen des Grafen von Charolais bestätigen diese vermutete burgundische Einstellung, die - wie eingangs bereits diskutiert - auch legitim ist: Zwar lagen hier, soweit uns die überlieferten Dokumente einen Blick darauf erlauben, keine direkten körperlichen oder physischen Folgen beim Grafen von Charolais vor, anders als beispielsweise bei der Ermordung Herzog Johanns Ohnefurcht. Es handelte sich lediglich um den Versuch, solche körperliche Beeinträchtigungen hervorzurufen. Vergleicht man aber die Anschuldigungen gegen den Grafen von Étampes mit den Charakteristika des diskutierten Vorwurfs, so ist eine Einordnung des Anschlagversuchs auf Karl in diese Kategorie durchaus gerechtfertigt, hatte sich Johann doch der Zauberei schuldig gemacht. Der Anschlag mit magischen Hilfsmitteln richtete sich direkt gegen den Grafen von Charolais, was durch dessen Stellung als burgundischer Erbe von 658 Vgl. Kap. 1.2.2. 659 Chiffoleau, Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 612-613. 660 Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI., S. 41. 661 Siehe Kap. 1.2.2. 662 Blockmans, »Crisme de leze magesté«, S. 71-81. 663 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil" S. 49. 664 Paravicini, Moers, Croy und Burgund, S, 262. 152 besonderer Brisanz war. Insbesondere muss der Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Johann von Burgund und Karl, aber auch zwischen Johann und Herzog Philipp beachtet werden, den ein solches Komplott nach sich ziehen musste. Jacques Chiffoleau deutet in dem auch von ihm beobachteten Phänomen, dass der Vorwurf des Majestätsverbrechens seltener verwendet wurde als es offenbar möglich gewesen wäre, dann auch keine Abkehr von diesem Vorwurf oder dessen vorsichtigerer Verwendung; vielmehr geht er davon aus, dass er implizit in einer Anklage der Vorwurf beispielsweise wegen Verrats oder Zauberei mit enthalten gewesen sei. 665 Diese Prämisse vorausgesetzt, ist eine Klassifizierung der Vergehen des Grafen von Étampes als Majestätsverbrechen naheliegend. Die Position des Grafen von Étampes als ein naher Verwandter des Herzogs von Burgund, der am Hof und unter den Vliesordensrittern bereits eine hohe Reputation erwerben konnte, führt dazu, dass der Prozess gegen seinen Bediensteten Jean de Bruyère und die darauf folgenden Ereignisse zudem als politischer Prozess identifiziert werden können. Diese Einschätzung kann auch unabhängig von der Beweislage hinsichtlich der Zauberei getroffen werden, entfalten sich die Stränge der politischen Taktiken doch insbesondere aus den Folgen des Processus contra dominum de Stampis. Der Umgang der drei betroffenen Fürsten mit den bekannt gewordenen Ereignissen zeigt dabei, dass offenbar weniger die Sorge um die Taten und deren (mögliche) Konsequenzen als vielmehr die politischen Implikationen der Affäre Beachtung fanden und den jeweiligen Interessen entsprechend genutzt wurden. Die folgenden Schilderungen der Reaktionen der involvierten Seiten und die weitere Entwicklung des Konfliktes ermöglichen daher einen Blick auf vormodernes politisches Handeln, das ganz durch das Ringen um Macht und Einfluss im burgundischen und französischen Herrschaftsbereich bestimmt ist; ein Konflikt, der sich aus dem inneren, familiären burgundischen Zirkel, aber gleichsam auch aus dessen Hofgesellschaft heraus entwickelte und in seiner Konsequenz direkt das burgundisch-französische Verhältnis beeinflusste. 665 Chiffoleau, Le crime de majesté, la politique et l’extraordinaire, S. 614-615. 153 5. Die Folgen 5.1. Erste Maßnahmen Das aufgedeckte Komplott des Grafen von Étampes führte zu unterschiedlichen Reaktionen, nicht nur am burgundischen Hof. Der Graf von Charolais zeigte - wie den Prozessakten zu entnehmen ist - bereits direkt nach Beendigung der Untersuchungen in Le Quesnoy erste Reaktionen. So erwähnte der als Notar fungierende Jean Gros am Ende der Prozessakten, dass der Graf von Charolais nach Brügge zu seinem Vater gereist sei. 666 Zudem wurde offenbar bald nach Beendigung des Prozesses ein Schreiben an Papst Pius II. gesandt. Ob die Kurie durch Karl von Burgund oder durch Herzog Philipp informiert wurde, ist nicht eindeutig zu erschließen, da der Text des Schreibens selbst nicht überliefert ist. Jedoch liegen den Prozessakten ein Antwortschreiben der Kurie und ein Zusatzschreiben des burgundischen Prokurators bei. In der Bibliothèque Nationale de France sind zudem Schriftstücke überliefert, die belegen, dass Karl den französischen König kurze Zeit nach dem Prozessende über die Ergebnisse der Untersuchungen in Le Quesnoy informiert hatte. Diese Schreiben stehen für die unmittelbaren Folgen im Mittelpunkt der folgenden Untersuchungen. Zudem wurden für die weiteren Entwicklungen des Verhältnisses Johanns von Burgund zu Philipp dem Guten sowie zum Grafen von Charolais und Ludwig XI. auch die Chroniken sowie wissenschaftliche Arbeiten zum Haus Valois, Valois-Burgund und dem burgundisch-französischen Verhältnis im 15. Jahrhundert als Grundlage der folgenden Darstellungen herangezogen. 5.1.1. Die Reaktion der Kurie Die Prozessakten überliefern zwei kopierte Schreiben der Kurie. 667 Eines der Schriftstücke ist an den Grafen von Charolais gerichtet und auf den 6. September [1463] datiert. Bei dem zweiten Text handelt es sich offenbar um ein Begleitschreiben, auf dessen Rückseite vermerkt ist, dass es sich um einen Brief des Meisters Pierre Bogaert handelte, der die Kopie einer Bulle, den Herrn Grafen 666 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 26v. Dies belegen auch die Itinerare Philipps des Guten und Karls des Kühnen. Vander Linden, Itinéraires de Philippe le Bon, S. 452-453. 667 Die beiden Schriftstücke sind der Edition der Untersuchungsakten mit beigegeben. Siehe HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1 und HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 2. 154 von Étampes betreffend, enthielt. 668 Der Verfasser dieser Notiz, Pierre Bogaert, war der Archidiakon von Cambrai und Valenciennes, aber auch Prokurator 669 des Herzogs am päpstlichen Hof. Gerichtet waren die Schreiben an Martin Steenberch, Sekretär Philipps des Guten, Pronotar und seit 1461 Greffier des Ordens vom Goldenen Vlies. Bei dem ersten Schriftstück handelte es der Form nach um ein Exemplar aus der großen Gattung päpstlicher Urkunden im 15. Jahrhundert, der Breven, deren Entstehung und Überlieferung insbesondere Karl August Fink untersucht hat. 670 Zwar gibt die Abschrift des Schreibens die typische, längliche Form der Breven nicht wieder, und die unter Pius II. tätigen Sekretäre, die Breven schrieben, werden nicht genannt, 671 es gibt aber einige Anzeichen im Text, die darauf hinweisen, dass es sich um ein Breve handelt. Das Begleitschreiben des Pierre Bogaert an Martin Steenberch belegt zunächst, dass das Breve ein Entwurf gewesen ist, denn der Prokurator fragte in diesem Brief, ob das Breve in der vorliegenden Form ausreichen würde. Anderenfalls könne man es noch ändern. 672 Diese Wortwahl suggeriert, dass der Inhalt des Schreibens zwischen der Kurie und einer weiteren Partei abgestimmt wurde. Der Tenor lässt darauf schließen, dass es sich dabei nicht um den Grafen von Charolais gehandelt hat, der zwar als Adressat des Breve in der Anrede genannt wird, dem aber der genaue Wortlaut des Schreibens nicht gefallen haben dürfte. Das Breve hätte also noch einer endgültigen, offiziellen Ausfertigung bedurft. Die textimmanenten Hinweise auf den Brevencharakter der Bulle sind zum einen die vokativische, unpersonalisierte Anrede (Dilecte fili), die stark gekürzt auftretende Grußformel (ein gekürztes salutem statt salutem et apostolicam benedictionem) sowie die Adressatennennung im Dativ auf der Rückseite (bzw. hier dem Schreiben vorangestellt: Dilecto filio nobili viro Carolo comiti Cadralesii). Es fehlen, da es sich um eine Abschrift handelt, eben die typische Form und das Fischerringsiegel; der Entwurfscharakter wird durch das Fehlen der üblichen Datumszeile und der Unterschrift des jeweiligen päpstlichen Sekretärs unterstrichen. 673 Der Inhalt des Breve-Entwurfs macht deutlich, dass die Kurie genauestens über die Ergebnisse der Untersuchungen informiert war. Die einleitenden Sätze drückten zwar sehr deutlich den Unmut des Papstes über das Verhalten Johanns 668 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 2. 669 Zur Entwicklung des Prokuratorenwesens an der Kurie siehe Sohn, Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431 - 1474), S. 61-82. 670 Fink, Untersuchungen über die päpstlichen Breven des 15. Jahrhunderts, S. 55-98. Neben den Breven bilden Privilegien und Briefe (litterae oder epistola) die beiden weiteren Gruppen der Papsturkunden, die zunächst insbesondere für politische Korrespondenz genutzt wurden. Herde, Audientia litterarum contradictarum, S. 1-3; Frenz, Art. Breve, Sp. 637. 671 Fink, Untersuchungen über die päpstlichen Breven des 15. Jahrhunderts, S. 71-72. 672 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 2. 673 Frenz, Art. Breve, Sp. 636-638. 155 von Burgund aus, etwa wenn er darstellte, wie sehr es ihm missfällt, dass der Graf von Étampes als Verwandter Karls auf falsche Ratschläge gehört und sich zu Leichtsinn habe anstiften lassen. 674 Explizit betont wurden neben der Mittäterschaft des Grafen von Étampes bei der Verschwörung zudem das Anfertigen von Wachsfiguren, deren Beschriftung mit Zeichen, Namen und dem Wort Belial sowie die Taufe der Wachsfiguren. Es wurde allerdings nur erwähnt, dass der Graf von Étampes durch diese Praktiken Zuneigung erlangen wollte 675 Von Schadenszauber, der ja - wie die Befragungen Jean de Bruyères in Le Quesnoy ergeben hatten - in Bezug auf die Person Karls von Burgund geplant war, war nicht die Rede. Die weitere Stoßrichtung, die das Breve nahm, musste ebenfalls den Plänen Karls entgegen wirken. Zunächst betonte Pius II. zwar durchaus, dass er Nigromantie nicht dulden könne und er Verständnis für den Unmut Karls gegenüber seinem Cousin gehabt habe. Zugleich gab er aber auch zu bedenken, wie schwer es dem Menschen aufgrund seiner Schwäche falle, dem bösen satanischen Geist zu entfliehen. 676 Zudem führte Pius an, dass der Graf von Étampes die ganze Angelegenheit sehr und ehrlich bereuen würde. Daher berief sich der Papst auf die Lehre des Vergebens und plädierte für einen nachsichtigen Umgang mit Johann. Zugleich erwähnte er, dass er in diese Richtung auch auf Herzog Philipp und die Vliesordensritter würde einwirken wollen, damit diese und auch Karl selbst die Schwäche der menschlichen Natur berücksichtigten und Johann von Burgund als Bruder und Mitbruder behandelten. 677 Der Papst deutete Karl hier schon an, dass - auch auf sein Einwirken hin - die Ordensritter und der Herzog von Burgund das Vorhaben des Grafen von Charolais, das offenbar zumindest aus einer harten Sanktion gegen Johann vor dem Ordensgericht bestehen sollte, 678 nicht unterstützen würden, was wiederum durch die Kurie bekräftigt wurde. Zudem forderte Pius II. den Herzogssohn mit deutlichen Worten auf, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Er mahnte, den Leichtsinn des Grafen zu verzeihen, dessen Buße und Zerknirschung in Betracht zu ziehen und auf die Ehre seines eigenen Blutes zu achten. Auch der schlechte Gesundheitszustand des Vaters, Herzog Philipps, wurde von Pius als Argument ins Feld geführt sowie die Tatsache, dass jenen der Konflikt seines Sohnes mit seinem Cousin belaste. 679 Zuletzt 674 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1. 675 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1 676 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1 677 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1 678 Zur Ordensgerichtsbarkeit und den corrections als zentraler Teil innerhalb des Ordensprotokolls vgl. zusammenfassend Sterchi, Der Orden vom Goldenen Vlies und die Überläufer von 1477, S. 37-61. 679 HStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), Anhang 1. 156 wurde noch an die hohe Abstammung des Grafen von Charolais appelliert, und der Papst bat darum, seinen Worten zu folgen und damit dem Großmut eines Fürsten angemessen zu handeln. Das Breve endete somit mit der Aufforderung an Karl von Burgund, dem Grafen von Étampes den Anschlagsversuch mittels magischer Praktiken zu verzeihen. Vor dem Hintergrund der Intention des Breves erscheint es nur folgerichtig, dass man die Schwere des Vergehens nicht hervorgehoben, sondern lediglich summarisch erwähnt hatte. Damit steht das Breve in einem starken Gegensatz zu dem ersten Schreiben von geistlicher Seite im Zusammenhang mit dem Processus contra dominum de Stampis, nämlich dem Brief des Bischofs von Cambrai, mit dem dieser vor Beginn des Prozesses gegen Jean de Bruyère die Notwendigkeit einer Verfolgung der Vorwürfe durch die Einberufung einer Untersuchungskommission begründet hatte. Wurden dort noch vor magischen Praktiken und Wahrsagerei als vom Teufel begünstigten Handlungen und Abweichung von der kirchlichen Lehre gewarnt, Apostelzitate als Beleg hinzugezogen und die Schändlichkeit des Vorhabens betont, standen diese Themen in dem kurialen Schreiben nicht mehr im Vordergrund. Die Verführungskraft des Teufels wurde zwar erwähnt, allerdings erhielt dies in dem päpstlichen Schreiben eine andere Konnotation. Pius II. stellte diese Verführungskraft neben die Schwäche des menschlichen Geistes und die damit verbundene Schwierigkeit, den Versuchungen des Teufels zu entfliehen. Durch den gleich zu Beginn erfolgten Hinweis auf die schlechten Ratgeber des Grafen von Étampes schwächte der Papst zudem die Verantwortung Johanns von Burgund stark ab. Wenn dieser durch falschen Ratschlag und durch den Teufel auf einen Irrweg geführt worden war, schien sich der bewusste, eigene Anteil am Vergehen wesentlich geringer auszunehmen. Diese Darstellung der Ereignisse bereitete sodann den Weg für die weitere Argumentation, bei der einerseits die große Reue des Grafen von Étampes in den Vordergrund gestellt, andererseits an die Fähigkeit Karls appelliert wurde, zu verzeihen. Mit der Erwähnung des Ordens vom Goldenen Vlies erinnerte Pius zugleich an die Mitgliedschaft Johanns in dieser Ritterschaft und auf dessen dort erlangten Verdienste. Man kann davon ausgehen, dass dies dessen bisheriges ehrenhaftes, tapferes und für das Haus Burgund verdienstvolles Handeln herausstreichen sollte. Das Breve liefert zudem ein Indiz dafür, dass der Herzog ebenfalls bereit gewesen ist, Gnade walten zu lassen, wenn der Papst erwähnte, dass der kranke Vater durch eine Geste des Verzeihens getröstet werden könne. Diese Formulierung deutet auch darauf hin, dass den Herzog dieser Konflikt belastet hat, richteten sich die Anschuldigungen doch gegen ein enges, geschätztes und protegiertes Mitglied der herzoglichen Familie. Über das genaue Zustandekommen des Schreibens Pierre Bogaerts und des Breves kann man nur Vermutungen anstellen. Einerseits besteht sicherlich die Möglichkeit, dass der Graf von Charolais neben seinem Vater und dem fran- 157 zösischen König auch die Kurie direkt informiert hatte. In diesem Fall könnte man davon ausgehen, dass er sich entsprechende Konsequenzen von dieser Seite erhoffte. Da die Befragungen Jean de Bruyères ergeben hatten, dass der Verhörte, Charles de Noyers und der Graf von Étampes sich durch magischen Praktiken des devianten Verhaltens schuldig gemacht hatten, ist anzunehmen, dass Karl mit Sanktionen gerechnet hat, die bei einem derartigen Anklagepunkt üblich waren. Wahrscheinlicher hingegen ist, dass der durch seinen Sohn in Kenntnis gesetzte Herzog Philipp sich in dem Wunsche, seinen Neffen zu schützen, direkt an die höchste kirchliche Instanz wandte, um die von Karl gewünschten Konsequenzen zu verhindern. Das Breve zeigt hier zumindest deutlich, dass die Kurie einen Standpunkt einnahm, der den Wünschen Karls nach einer Sanktionierung der Vergehen entgegen stand. Denn selbst ohne eine gezielte Einflussnahme durch den Grafen von Charolais hätten diese Taten eine Reaktion auf das deviante Verhalten hervorrufen müssen, wie alleine der Brief des Bischofs von Cambrai nahelegt. 680 Der Tatsache, dass mit Pierre Bogaert und Martin Steenberch zwei Personen in die Angelegenheit involviert waren, die eindeutig das Vertrauen des Herzogs von Burgund genossen und im Falle Pierre Bogaerts auch an der Kurie tätig waren, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Herzog von Burgund mit der päpstlichen Kanzlei im Kontakt stand. Diese personelle Konstellation lässt zudem vermuten, dass Philipp der Gute den Inhalt des Schreibens mitbestimmt haben könnte. Denkbar ist, dass er, einmal über die Vorgänge ins Bild gesetzt, selbst seine Verbindungen zur Kurie aktiviert hatte, um dem Papst seine Vorstellungen zur Lösung des Konfliktes zu übermitteln. Die im Begleitschreiben auftauchende Frage, ob der Inhalt des Breves in dieser Form ausreichen würde, belegt entsprechend, dass die Kurie sich mit dem herzoglichen Hof absprechen wollte. Auch wenn die Abschrift des Breves keine Signatur des Papstes verzeichnet, kann man davon ausgehen, dass das Verfahren per camera, also über Pius II. persönlich, gestaltet wurde. 681 Darauf lassen Erkenntnisse schließen, die man über den Arbeitsalltag von Pius II. hat. Dieser Papst soll ein sehr hohes tägliches Arbeitspensum absolviert haben, bei dem er sich mit zahlreichen Angelegenheiten selbst befasste. Zudem wird ihm ein ausgesprochen diplomatischer Umgang mit machtvollen Fürsten nachgesagt. 682 Doch nicht nur dies könnte Pius II. dazu bewogen haben, einem Wunsch des burgundischen Herzogs zu entsprechen. Philipp der Gute hatte sich das Wohlwollen des Papstes durch sein unermüdliches Engagement für einen - letztlich nicht stattfindenden - Kreuzzug sichern können, den Vaughan als »Achse der päpstlich-burgundischen Beziehungen« seit den 1450er Jahren bezeichnete. 683 Das gute Verhältnis Philipps zur Kurie, das bereits 680 Obgleich man in Rechnung stellen muss, dass dieser Brief im Auftrag Karls und so auch in dessen Sinne geschrieben worden ist. 681 Sohn, Deutsche Prokuratoren an der römischen Kurie in der Frührenaissance (1431 - 1474), S. 83-95, hier insbes. S. 86. 682 Märtl, Alltag an der Kurie, S. 117-121. 683 Vaughan, Philip the Good, S. 216. 158 zu den Vorgängern Pius’ II. bestand, drückt sich eben auch durch die Anwesenheit eines procureur de monseigneur le duc en cour de Rome, in diesem Falle Pierre Bogaerts, aus. 684 Für ein Entgegenkommen des Papstes spricht auch die zeitnahe Reaktion bereits Anfang September des Jahres 1463. Es ist kein offizielles Breve des Papstes in dieser Angelegenheit überliefert, weshalb man, trotz einer lückenhaften Überlieferungssituation der Breven, davon ausgehen kann, dass auch bereits das in den Prozessakten als Abschrift überlieferte Schriftstück für die Zwecke Philipps des Guten ausgereicht hatte. Der Herzog konnte den Entwurf des Breve dazu nutzen, seinen Sohn Karl davon zu überzeugen, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Philipp dem Guten lag sicherlich viel an einer Aussöhnung seines Sohnes mit dem Grafen von Étampes, den er sehr schätzte, mindestens aber an einer Unterdrückung eines eskalierenden Konfliktes. Der Graf von Charolais wird einem solchen Vorgehen höchstwahrscheinlich nicht ganz freiwillig zugestimmt haben, doch die unterstützende Haltung des Herzogs und des Papstes gegenüber Johann von Burgund, die in dem Breve deutlich wird, wird Karl die Aussichtslosigkeit der Verfolgung der Verschwörung Johanns zu diesem Zeitpunkt vor Augen geführt haben. Da der Graf von Charolais die Affäre auch vom Orden vom Goldenen Vlies sanktioniert sehen wollte, dessen Mitglied Johann von Burgund war, ist es nur folgerichtig, dass die Abschriften der Befragungen mitsamt den Abschriften der zusätzlichen Materialien und den Schreiben der Kurie auch im Archiv des Ordens aufbewahrt wurden. Ein Nachvollziehen der Ereignisse war dadurch jederzeit möglich. Durch das Aufbewahren sowohl des Breves als auch des Begleitschreibens wurden zudem die guten Verbindungen zwischen Herzog Philipp dem Guten und Papst Pius II. dokumentiert, der offenbar ohne Weiteres bereit war, auf Bitten des Herzogs den Verstoß Johanns von Burgund gegen die christliche Lehre nicht weiter zu verfolgen. Der Kommunikationsweg über den Prokurator Pierre Bogaert und Martin Steenberch, Sekretär Philipps des Guten und Ordensgreffier, gewährleistete zugleich, dass der Orden durch den Greffier, ergo den Sekretär und Historiographen des Ordens, über die Vorgänge informiert war. Es ist davon auszugehen, dass die Abschriften noch einmal im Jahre 1468, nach dem Tod Philipps, eine Rolle gespielt haben. 685 684 Vaughan, Philip the Good, S. 205-206. 685 Die Verwendung der Akten beim Ausschluss des Grafen von Étampes (seit 1464 Graf von Nevers) im Jahre 1468 werden in den Protokollbüchern allerdings nicht gesondert erwähnt. Die Verwendung von Beleg- oder Beweismaterial findet sich allerdings auch bei anderen Fällen des Ordensgerichtes nicht wieder. [Für diesen Hinweis soll an dieser Stelle Sonja Dünnebeil gedankt werden]. Entweder war dies nicht üblich, oder aber es wurde nicht gesondert vermerkt. Die Tatsache, dass die Prozessabschriften im AOGV aufbewahrt wurden, deutet allerdings darauf hin, dass man sie sehr wohl als Beweis der Anschuldigungen erhalten wollte. 159 5.1.2. Der Graf von Étampes und König Ludwig XI. Wie bereits angeklungen ist, war eine der ersten Reaktionen, die der Graf von Charolais nach Beendigung der Untersuchungen in Le Quesnoy zeigte, den französischen König Ludwig XI. über die Ergebnisse der Untersuchungen zu informieren. 686 Überliefert sind diese Nachrichten in einem Manuskript der Bibliothèque Nationale in Paris. Es wurde später von Abbé Legrand für sein Werk Vie et histoire de Louis XI und in seinem Skriptband unter dem (nachträglich eingefügten) Titel Extraits des plaintes du comte de Charolois contre Jean de Bourgogne, comte d’Estampes verwendet. 687 Übermittelt wurde die Nachricht über die Wachsfigurenzauberei durch den Seigneur de Mouy, 688 der sie am 28. Juni 1463 zunächst Ludwig XI. vorgetragen haben soll. Auf Anweisung des Königs ist der Bericht offenbar noch einmal vor Guillaume Juvénal, Seigneur de Treynel, und Adam Rolant zum Zwecke einer Niederschrift wiederholt worden. 689 Mit den Nachrichten wurde übermittelt, dass der Graf von Étampes Unternehmungen angestrengt hatte, die den König von Frankreich, den Herzog von Burgund und den Grafen von Charolais sowie deren Ehefrauen betrafen. Auch der Arzt des Grafen, Jean de Bruyère, sei verdächtig gewesen, in die Angelegenheit verwickelt gewesen zu sein, weswegen er 686 Überliefert ist diese Nachricht in BNF ms. fr. 5040, fol. 180r-181r, worauf die folgenden Zitate zurückgehen. Dies ist wohl auch die Vorlage für den Abbé Legrand. 687 Das dreibändige Werk des Abbé Legrand »Vie et histoire de Louis XI« (BNF ms. fr. 6960- 6962) geht auf diverse Schriftstücke der französischen Bibliotheken, insbesondere der Bibliothèque Nationale de France, ein. Die angesprochene Nachricht Karls des Kühnen ist im Textcorpus unter BNF ms. fr. 6960, S. 529-531, bearbeitet. In einem der Skriptbände BNF ms. fr. 6970, fol. 134r-134v findet sich eine Inhaltsangabe von BNF ms. fr. 5040. Auf Legrand gehen wiederum Godefroy und Lenglet in ihrer Edition der Mémoires Philippe de Commynes ein, indem sie die von Legrand verarbeiteten Informationen im Anhang mit anführen. Commynes, Mémoires II, S. 392. Die nachträglich mit roter Tinte hinzugefügte Überschrift in dem Skriptband entspricht der Hand der ebenfalls roten Paginierung und stammt vermutlich aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, da zeitlich auch ein Verweis auf Monstrelet zu finden ist. Vgl. auch Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini, S. 87, Nr. 159. 688 Der Seigneur de Mouy gehörte zu der französischen Familie Moy. Durch die fehlende Angabe eines Vornamens ist es allerdings nicht möglich ihn einer bestimmten Person zuzuordnen. Zu der Familie Moy vgl. auch BNF ms. fr. 5481, S. 57-61, 61-62 und 139-141. (Das Dokument enthält Seitennummerierungen anstelle von Foliierungen, die folglich verwendet werden). Die rein genealogische Aufzeichnung gibt keine Hinweise auf eine Beschäftigung eines der Familienmitglieder am burgundischen Hof. Bei Colard, Baron von Moy, kann man zumindest eine verwandtschaftliche Beziehung zu Johann von Burgund konstatieren, war doch Colard mit Marguerite von Ailly, Tocher Raouls von Ailly, dem Vidame von Amiens verheiratet, seine diversen Ämter (u.a. connétable de France) weisen ihn aber als im Dienst des Königs befindlichen Adeligen aus. BNF ms. fr. 5481, S. 59. Bereits 1460 ist Colard Mouy als Kammerherr Karls VII. nachweisbar. Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 238. 689 Guillaume Juvenel, Seigneur de Treynel (oder Teignel), war Rat Ludwigs XI.; Adam Rolant war Sekretär Ludwigs. BNF ms. fr. 5040, fol. 180r. 160 in Le Quesnoy befragt worden sei. Durch das kirchliche Gericht sei bei der Untersuchung herausgekommen, dass Jean de Bruyère in Komplizenschaft mit dem Grafen von Étampes, Charles de Noyers und einem Mönch sechs Wachsfiguren hergestellt habe und die männlichen Figuren die Namen des Königs, des Herzogs von Burgund und des Grafen von Charolais getragen haben. Die Nachricht enthielt zudem die Information, dass die Figur des Grafen von Charolais in der Intention gestochen worden sei, diesem große Schmerzen zu bereiten. Es wurde zudem berichtet, dass die Wachsfigurenzauberei bewirken sollte, dass der König und der Herzog dem Grafen von Étampes keinen Wunsch hätten verwehren können. 690 Bezüglich der Frauenfiguren gab der Seigneur de Mouy wieder, dass eine Figur für die Gräfin von Charolais gestanden habe und dass diese getauft worden sei; über die anderen beiden wisse man nichts Genaues. Er informierte den König zudem darüber, dass auch der Komplize Charles de Noyers und ein Benediktiner (moyne noir) gefasst und nach Brügge gebracht worden sind. 691 Charles habe sämtliche Aussagen Jean de Bruyères bestätigt, und auch die Wachsfiguren seien bei ihm gefunden worden. 692 Am Ende des Dokumentes erfährt man, dass der königliche Hof zudem darüber informiert wurde, dass man die Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies in dieser Angelegenheit versammeln wolle. 693 Bei diesem Bericht Karls an den französischen König fällt auf, dass zwar die Vergehen des Grafen und seiner Komplizen klar benannt, jedoch nicht die Begriffe Magie oder Zauberei verwendet wurden. Offenbar empfand man dies angesichts der Eindeutigkeit des Falles als nicht nötig. Dass Ludwig XI. überhaupt informiert wurde, hatte unterschiedliche Gründe: Am Gewichtigsten wird die Tatsache gewesen sein, dass die Zaubereien des Grafen von Étampes auch seine Frau und ihn persönlich betrafen. 694 Dass es sich um Zuneigungszauber gehandelt haben soll, der die beiden Personen für den Grafen von Étampes einnehmen sollte, änderte an der Quintessenz nichts: Der Graf von Étampes hatte Zauberei verwendet, um Einfluss auf den König von Frankreich zu erzielen. Der Graf von Charolais hatte womöglich im König den Argwohn wecken zu wollen, dass der Graf von Étampes auch bei ihm die Mittel eines Schadensanstelle von Zuneigungszauber hätte anwenden können. Denn selbst wenn die Verschwörung des Grafen von Étampes sich in der Hauptsache gegen Karl richtete, ist doch nicht davon auszugehen, dass der König sie alleine deshalb für gut befunden hätte. Zudem lagen die Vorstellungen von Liebesbzw. Zuneigungszauber und Scha- 690 BNF ms. fr. 5040, fol. 180v. Die Zusammenfassungen des Berichtes gehen auf das gleiche Dokument zurück. 691 Die Bezeichnung »schwarzer Mönch« erklärt sich aus dem traditionell schwarzen Habit der Benediktiner. 692 BNF ms. fr. 5040, fol. 180r. 693 BNF ms. fr. 5040, fol. 181r. 694 Wenngleich es eine Diskrepanz zwischen der Aussage Jean de Bruyères hinsichtlich der Adressatinnen, nämlich der Königin, der Herzogin und der Gräfin von Charolais und den von ihm genannten Namen gab, die er aber nicht erläutern konnte. z.B. HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 24r. 161 densmagie eng beieinander. Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass die Gelegenheit gut schien, den Grafen von Étampes nicht nur am burgundischen Hof, sondern auch auf der französischen Gegenseite bei Ludwig XI. zu diskreditieren. Johann von Burgund wäre damit von den für ihn maßgeblichen Fürsten weitgehend isoliert gewesen. Wäre der Graf von Étampes auf diese Weise bei Ludwig in Verruf geraten, hätte er seine bereits seit längerer Zeit gehegte Hoffnung auf das Amt des connétable von Frankreich, das zu diesem Zeitpunkt seit einigen Jahren nicht mehr besetzt war, aufgeben können. Dieses Hoffnung Johanns speist sich aus früheren Verbindungen des Grafen von Étampes zu Ludwig XI. Die beiden lernten sich spätestens 1456 am burgundischen Hof kennen, nachdem Ludwig, damals noch Dauphin, im Herbst dem Zwist mit seinem Vater König Karl VII. entflohen war und Schutz in den burgundischen Landen suchte. Als Herzog Philipp die Nachricht erreichte, dass Ludwig auf dem Weg zu ihm sei, sandte er zu dessen Empfang hohe Vertreter des Hofes voraus. Bei den Chronisten Georges Chastelain, Oliver de la Marche und Mathieu d’Escouchy erfährt man, dass auch Johann von Burgund Teil dieser Abordnung war und sich nach der Ankunft des Dauphin um diesen kümmerte. 695 Ein früherer Kontakt der beiden ist sicherlich denkbar, kann aber nicht gesondert belegt werden. Zumindest während des mehrjährigen Aufenthaltes Ludwigs am Hof seines Onkels Philipp trafen die beiden Fürsten aber nachweisbar zusammen. 696 Dass der Dauphin eine gewisse Wertschätzung für den Grafen empfunden haben muss, erschließt sich aus einem bei Georges Chastelain überlieferten Detail: Der Chronist beschreibt, dass Ludwig während seines Aufenthaltes in den burgundischen Ländern verschiedenen Personen Posten und Ehrungen versprochen habe. Einer der Nutznießer sollte dabei der Graf von Étampes sein, dem Ludwig für die Zeit nach seiner Krönung den Posten des connétable von Frankreich versprach, also eine der bedeutendsten militärischen Positionen im Königreich. 697 Der Graf von Étampes musste jedoch nach der Erhebung Ludwigs zum französischen König feststellen, dass dieser die zuvor getroffene Ankündigung hinsichtlich seiner Person nicht einhielt. Der Posten blieb noch einige Jahre vakant und hielt so die Hoffnungen Johanns darauf bis nach dem Ende der Guerre du Bien Public 1465 aufrecht, als anstelle des Grafen von Étampes der Graf von Saint-Pol zum connétable von Frankreich ernannt wurde; ein Schritt, der im Allgemeinen als Entgegenkommen Ludwigs XI. gegenüber dem Grafen von Charolais gewertet wird. 698 Die bereits lange andauernde Feindschaft Johanns mit dem Grafen von Saint-Pol 695 Chastelain, Œuvres III, S. 195-199; La Marche, Mémoires II, S. 409; D’Escouchy, Chronique II, S. 328-334. 696 Chastelain, Œuvres III, S. 293 u. 297. 697 Chastelain, Œuvres IV, S. 35. 698 Die Besetzung mit Louis de Luxembourg als connétable wird als eine durchaus riskante Strategie Ludwigs angesehen, die Verbündeten seines Feindes, des Grafen von Charolais, einzubinden, auf dessen Bitte die Vergabe des Amtes an Saint-Pol auch erfolgte. Soumillion, Le procès de Louis de Luxembourg, S. 215-216. 162 auf der einen Seite 699 und der Konflikt zwischen Johann von Burgund und Karl auf der anderen Seite wirft allerdings noch ein weiteres Licht auf diese Personalie. Zwar schlug der Graf von Charolais dem König mit Ludwig von Saint-Pol einen von Karls wichtigsten militärischen Führern als connétable vor, aber es ist ebenso denkbar, dass nicht nur die Qualifikation dieses Grafen und dessen Ansehen bei Karl ausschlaggebend waren. Möglicherweise nutzte letzterer auch an dieser Stelle die Gelegenheit, mit der Durchsetzung dieser Personalie am französischen Hof Johann von Burgund einen Schlag zu versetzen. Die bei Chastelain belegten Versprechungen um das Amt des connétable finden sich auch in den Prozessakten des Processus contra dominum de Stampis wieder, als Jean de Bruyère erwähnte, dass Charles de Noyers dem Grafen von Étampes die Anwendung von Wachsfiguren vorgeschlagen habe, da man durch die genannten Figuren starke Zuneigung zwischen dem König und dem Grafen von Étampes herstellen könne, sodass der Graf von Étampes connétable von Frankreich würde. 700 Dies deutet darauf hin, dass die Hoffnungen des Grafen von Étampes auf diesen Posten sehr groß gewesen sein müssen und dies an seinem hôtel allgemein bekannt gewesen ist; so groß, dass sich eine Person wie Charles de Noyers Hoffnung machen konnte, über die Erfüllung dieses Wunsches wieder als Bediensteter beim Grafen aufgenommen zu werden. Es verdeutlicht aber auch, dass Johann die Aussicht auf eine bessere Position am französischen Hof als Chance für eine Zeit gesehen haben mochte, an der er nicht mehr der protegierte Verwandte Herzog Philipps sein würde, sondern sich gegen dessen Sohn und Nachfolger Karl würde durchsetzen müssen. Dies kann als Indiz gesehen werden, dass der Graf von Étampes bereits zu Lebzeiten Herzog Philipps damit begonnen hatte, sich für die Zeit abzusichern, wenn dessen Sohn Karl die herzogliche Macht innehaben würde. Bei der Krönung Ludwigs zum französischen König 1461 befand sich der Graf von Étampes allerdings noch im Gefolge des burgundischen Herzogs; ebenso wie sein Bruder Karl, Graf von Nevers, der nach dem Tod König Karls VII. wieder an den burgundischen Hof zurückgekehrt war. 701 Wie ferner zu zeigen sein wird, nutzte der französische König den Grafen von Étampes und dessen Einfluss und Wissen bei seinem Kampf gegen Karl noch während der Guerre du Bien Public und bei den Erbschaftsstreitigkeiten um das Herzogtum Brabant nach dem Tod Philipps des Guten 1467. Der Blick auf die 1470er Jahre zeigt freilich, dass der zu dieser Zeit auch schon über 50-jährige Johann keine große Karriere mehr am französischen Hof machte. Zwar versorgte der König ihn noch 1475 mit einer Rente und verschiedenen Besitztümern, doch scheint diese Versorgung, wie ein Beschwerdebrief des Grafen von Nevers zeigt, unsicher gewesen zu sein. 702 699 Bittman, Ludwig XI. und Karl der Kühne, S. 38. Siehe auch Anm. 136. 700 HHStA, AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschließung Nevers, Türck’sche Systematik: 2. Partie § 2, 11 C), fol. 17V; 18v. 701 Wavrin, Recueil IV, S. 399. 702 Lettres de Louis XI, Roi de France VI, hrsg. von Charavay und Vaesen, S. 5-6; BNF ms. fr. 163 Die insgesamt spärlichen Belege in der Forschung hinsichtlich der Beziehung zwischen Johann von Burgund und Ludwig XI. spiegeln aber auch die mangelnde Wahrnehmung dieses Verhältnisses und seiner Bedeutung für die konfliktreichen 1460er Jahre in Burgund wider. Weder die neuere Forschung über Ludwig XI. noch die ältere französische Geschichtsschreibung nahm - soweit dies überblickt werden kann - Notiz von dem Komplott des Grafen von Étampes gegen seinen Cousin Karl. 703 Dies verweist auch darauf, dass diese Ereignisse für die burgundische Geschichte von größerer Bedeutung als für die französische waren, in der die Intrige des Grafen von Étampes nur eine kleine, für das französisch-burgundische Verhältnis nicht allzu wichtige Episode gewesen zu sein scheint. Kommen wir aber auf die Beweggründe des Grafen von Charolais zurück, den König direkt nach dem Prozess zu informieren. Wenn eine Diskreditierung Johanns ein Anliegen Karls gewesen war, so ist sein Kalkül an dieser Stelle nicht aufgegangen, begab sich doch der Graf von Étampes noch 1463 an den Hof des französischen Königs. Ein Aufenthalt am burgundischen Hof war unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich. Dies merken auch die Chronisten an, die davon sprechen, dass Johann dort in Ungnade gefallen sei. Ludwig XI., der an einer Eindämmung des burgundischen Einflusses interessiert war, wird die Anwesenheit eines intimen Kenners des burgundischen Hofes durchaus willkommen geheißen haben, wenngleich Reaktionen des Königs auf die Vorwürfe gegen den Grafen nicht überliefert sind. Die Tatsache aber, dass der König den Grafen bereitwillig aufgenommen hat, deutet darauf hin, dass er entweder den Berichten wenig Glauben geschenkt oder aber nicht die Befürchtung gehabt hatte, der Graf könne sich gegen ihn wenden. 5.2. Der Graf von Nevers und Étampes im Spannungsfeld burgundisch-französischer Politik Der Einfluss des Falls Étampes auf das spannungsgeladene französisch-burgundische Verhältnis beschränkte sich nicht auf die Ereignisse um das Jahr 1463. Die Konfliktlinien lassen sich vielmehr bis zum Tode Herzog Philipps des Guten und der darauffolgenden Umbruchszeit in den Jahren 1467/ 68 beobachten. Anhand der burgundischen Chronistik soll aber zunächst nachvollzogen werden, inwieweit die Ereignisse bei den Chronisten rezipiert wurden. 2811, fol. 197. 703 So erwähnt Favier Johann von Burgund nur an drei kleineren Stellen, bei der er ihn im Zusammenhang mit der Krönung Ludwigs zudem mit seinem Bruder Karl von Nevers verwechselt. Favier, Louis XI, S. 200. Ebenso unerwähnt bleibt der Graf von Étampes bei Paravicini, Charles le Téméraire à Tours. Für die französische ältere Geschichtsschreibung vgl. bspw. Lussan, Histoire et règne de Louis XI.; Duclos, Histoire de Louis XI.; Varillas, Histoire de Louis XI.; Troyes, Histoire de Louis XI roy de France. 164 5.2.1. Die Ereignisse des Jahres 1463 im Lichte der burgundischen Chronistik Bei den drei Chronisten, die über die Ereignisse von 1463 berichten - Jean de Wavrin, Jacques du Clercq und Georges Chastelain - fällt zunächst auf, dass keiner der Autoren ein umfassendes Bild von dem Prozess oder den Zaubereivorwürfen zu Protokoll gab. Zwar wurden durchaus immer wieder verschiedene Details der Vorkommnisse erwähnt; sie gingen aber nicht über die Informationen hinaus, die auch Ludwig XI. übermittelt wurden, und die Ereignisse wurden nicht unbedingt zusammenhängend dargestellt. Des Weiteren ist zu bemerken, dass sich die Wachsfiguren-Affäre in einen größeren Rahmen - den der konfliktreichen 1460er Jahre - einzufügen scheint. 704 Bereits erwähnt wurde die durch die zeitlichen Rahmenbedingungen bedingte Beschränkung auf die Darstellungen Jacques du Clercqs und Jean de Wavrins. 705 Bei diesen beiden Chronisten können starke Ähnlichkeiten festgestellt werden, die sich nicht nur auf die Affäre Étampes erstrecken. Stengers konnte hier nachweisen, dass Jean de Wavrin offenbar bei einigen Teilen die Texte Jacques du Clercqs als Vorlage verwendet hatte. 706 Dies soll im Weiteren berücksichtigt werden. Bei dem burgundischen Hofchronisten Georges Chastelain findet man nur indirekte Erwähnungen der Ereignisse, nicht aber deren konkrete Darstellung. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Chronist sie nicht wahrgenommen hat; vielmehr scheint es, dass diese Passagen verloren gegangen sind. So weist Chastelain selbst auf bereits erwähnte Streitigkeiten (dont dessus a esté faite mention) 707 zwischen Herzog Philipp und seinem Sohn hin. Laut Hinweis des Editors Kervyn de Lettenhove sind ebenjene Kapitel der Chronik zwar verloren; dennoch beschreibt er in der entsprechenden Anmerkung, dass es sich dabei um die Festnahme des Arztes Jean de Bruyère, Angehöriger des hôtel von Étampes, handelte. 708 Eine Bewertung der Verschwörung des Grafen von Étampes gegen den Grafen von Charolais durch den burgundischen Hofhistoriographen wäre auch für die Einschätzung der Informationspolitik des burgundischen Hofes sehr interessant gewesen, da er in seiner Position über andere und mehr Informationen verfügen konnte als Chronisten, die in einer weniger engen Beziehung zum burgundischen Hof standen. 709 Durch die gegebenen Umstände können aber nur die Erwähnungen der beiden anderen Chronisten und die - indirekten - Verweise Chastelain 704 Auf diesen weiteren Rahmen soll in Kap. 4.5.2.2 noch eingegangen werden. 705 Du Clercq, Mémoires III, S. 236-237, IV, S. 6-7; Wavrin, Recueil V, S. 417-418. Siehe Kap. 1.1.1.3. 706 Zu den Ähnlichkeiten der Darstellungen zwischen Jacques du Clercq und Jean de Wavrin vgl. Stengers, Sur trois chroniqueurs, S. 122-130. 707 Chastelain, Œuvres IV, S. 314. 708 Chastelain, Œuvres IV, S. 314, Anm. 1. 709 Vgl. hierzu Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, S. 128-129. 165 auf die Ereignisse (diese jedoch an späterer Stelle) in die Untersuchung einfließen; wartet letzterer doch mit einigen weiteren aufschlussreichen Informationen hinsichtlich Johanns von Burgund auf. Jacques du Clercq berichtet, 710 dass auf Befehl des Grafen von Charolais drei Männer zusammen mit einem Apotheker in Brüssel gefangen genommen wurden. Dem Chronisten ist bekannt, dass die Gefassten sechs Wachsfiguren gemacht hatten - je drei pro Geschlecht -, und dass diese zur Vergiftung des Grafen verwendet werden sollten. Laut du Clercq wurden die Vorkommnisse durch den ebenfalls festgenommenen Apotheker bekannt gemacht. 711 Zudem findet sich an dieser Stelle ein Verweis auf den Grafen von Étampes: Der Chronist erwähnt einen weiteren, allerdings flüchtigen Täter, einen gewissen Charles de Noyers, der Verbindungen zu Johann von Burgund unterhalten haben soll. Dieser sei letztlich gefasst und in Le Quesnoy eingesperrt worden. Ein anderer Angehöriger des Hofs von Étampes, der Arzt des Grafen, Jean de Bruyère, soll ferner von Johann von Burgund, unter der Bewachung des vom Grafen von Charolais entsandten Seigneur de Crèvecœur, zum Vernehmungsort nach Le Quesnoy geschickt worden sein. Du Clercq teilt seinen Lesern mit, dass sie wundersame und schlimme Dinge gestanden hätten, die so geheim gehalten wurden, dass man nichts darüber wusste. 712 Die Gefangenen, dies kann der Chronist berichten, sollen bis auf den Apotheker im Gefängnis verblieben sein. Dieser Bericht umreißt die Vorkommnisse in groben Zügen. Die wichtigsten Punkte werden genannt, ohne dass aber auf weitere Details eingegangen wird. Dass der Chronist die Verwendungsweise der Wachsfiguren mit dem Begriff der Vergiftung umschreibt (empoisonner), mag darauf zurückzuführen sein, dass für das Spätmittelalter oftmals eine Verbindung zwischen Gift und Magie hergestellt und die Terminologie diesbezüglich daher nicht immer präzise verwendet wurde. 713 Eine Verbindung zum Grafen von Étampes weisen die Schilderungen du Clercqs dahingehend auf, dass die zwei namentlich genannten Hauptverdächtigen als seine (ehemaligen) Bediensteten bezeichnet werden. Du Clercq betont zudem, dass der Graf von Étampes Jean de Bruyère nur auf Befehl des Grafen von Charolais zur Befragung geschickt habe. Eine eigenständige Initiative Johanns von Burgund wird hier nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint der Graf von Charolais als die treibende Kraft hinter der Aufdeckung der Ereignisse, erwähnt der Chronist doch zweimal, dass die Untersuchungen auf dessen Befehl hin stattfanden. Diese Darstellung deckt sich auch mit den Erkenntnissen aus den Prozessakten, in denen der Graf von Étampes durch Jean zumindest zu Beginn eher 710 Für das Folgende du Clercq, Mémoires III, S. 236-237. 711 Du Clercq, Mémoires III, S. 236. 712 Du Clercq, Mémoires III, S. 237. Die Gerüchte als Teil der Kommunikationsstrategie des Grafen von Charolais sollen in Kap. 6 noch eingehender beschrieben werden. 713 Zu Magie und Gift als Methoden des Anschlags im Mittelalter vgl. Collard, Veneficiis vel maleficiis, S. 9-57; Mercier, La vauderie d’Arras, S. 366-367. 166 als reagierende Person dargestellt wird. 714 Weiterhin ist festzustellen, dass wir nur bei du Clercq Informationen über die Aufdeckung der Verschwörung erhalten: Der festgenommene Apotheker aus Brüssel - wir können davon ausgehen, dass es sich hierbei um Franck op te Waghe handelt - soll mit Bediensteten des Grafen von Charolais über das Anfertigen von den Wachspuppen gesprochen und die Pläne der Auftraggeber hinsichtlich einer Einflussnahme auf Karl erwähnt haben. Dabei bleibt die Beschreibung der geplanten Maßnahmen (aulcune habilité) denkbar vage. Es wird zwar von Fähigkeiten gesprochen, die man gegenüber dem Grafen anwenden wollte; ob diese jedoch positive oder negative Auswirkungen gehabt hätten, lässt sich dieser Darstellung des Chronisten nicht entnehmen. Nur aus dem Umstand, dass sechs angefertigte Wachsfiguren erwähnt werden, der Apotheker aber lediglich von Maßnahmen gegen den Grafen von Charolais sprach, könnte man schließen, dass man auch nur bezüglich dieser Figur respektive Person negative Auswirkungen befürchtete. Bei du Clercq finden wir aber auch Hinweise darauf, dass man nichts Weiteres über die Vorkommnisse erfahren konnte, da diese geheim gehalten wurden. Wer tatsächlich die Berichte über die Ereignisse zurückhielt, wird nicht ausdrücklich benannt. Bezieht man in diese Überlegungen aber die Schlüsse, die man aus dem Breve-Entwurf ziehen konnte, mit ein, so ist die Vermutung nicht abwegig, dass ein Gebot zur Verschwiegenheit von höchster Stelle, durch Philipp den Guten, ausgesprochen wurde, an das sich auch der Graf von Charolais und dessen Vertraute zu halten hatten. Ein weiteres Mal werden die Vorkommnisse um den Grafen von Étampes explizit erwähnt, als Jacques du Clercq die Abwendung des Grafen von Étampes vom burgundischen Hof beschreibt. Johann von Burgund sei beim Grafen von Charolais in Ungnade gefallen. Den genauen Grund wisse man zwar nicht, man vermute aber, dass der Graf von Étampes mehr über die Affäre mit seinen Bediensteten und den Wachsfiguren wisse. 715 Der Chronist kann also an dieser Stelle wieder nur berichten, dass der Graf in Ungnade bei Karl gefallen ist, nicht aber weswegen. Da nun weder der Herzog von Burgund, wie du Clercq weiter berichtet, noch dessen Sohn die weitere Anwesenheit des Grafen von Étampes am burgundischen Hof gewünscht zu haben scheinen, habe sich Johann am 2. September 1463 in Begleitung zahlreicher Ritter und escuyers von Roye nach Pontoise zum französischen König Ludwig XI. begeben, der ihn herzlich empfangen habe. Neben diesen Gerüchten erwähnt du Clercq eine weitere Vermutung für die Differenzen zwischen Johann und dem Haus Burgund: So soll sich der Graf von Saint-Pol beim Grafen von Charolais befunden haben, und zwischen jenem und dem Grafen von Étampes habe seit langem Zwietracht geherrscht. 716 714 Vgl. Kap. 3.4. 715 Du Clercq, Mémoires IV, S. 6. 716 Du Clercq, Mémoires IV, S. 6-7. 167 Du Clercq knüpft mit dieser Beschreibung an die vorangegangene Schilderung der Wachsfiguren-Episode an, indem er auf öffentliche Gerüchte eingeht, wonach diese Vorkommnisse das Verhältnis des Grafen von Étampes zum burgundischen Hof stark verschlechtert hätten. Da man aber außerhalb des inneren höfischen Kreises offenbar nichts über die Vorkommnisse verlautbaren ließ, ist auch der Chronist auf die Aufnahme von Gerüchten angewiesen, die in diesem Fall den Grafen von Étampes in Verbindung zu den wegen der Wachsfiguren festgenommenen Personen bringen. Diese Darstellungsform lässt den Leser bewusst im Vagen, da den Gerüchten einer möglichen Mittäterschaft zwar Platz eingeräumt werden, sie aber weder an dieser noch an anderer Stelle präzisiert werden. Der Chronist enthält sich also einer dezidierten Meinung und bietet noch eine weitere Lesart an, indem er die Anwesenheit des Grafen von Saint-Pol beim Grafen von Charolais erwähnt und auf den Machtkampf Johanns von Burgund mit dem Grafen von Saint-Pol um die Gunst am herzoglichen Hof anspielt, den auch schon der Chronist Mathieu d’Escouchy erwähnt hatte. 717 Zugleich wird deutlich, dass Karl sich bei diesem Konflikt auf die Seite des Grafen von Saint-Pol gestellt hat. Diese zweite Version lässt auch die Deutung eines machtpolitischen Hintergrunds der Zwistigkeiten zwischen dem Grafen von Étampes und dem burgundischen Hof zu. Unklar bliebe hierbei aber, weshalb genau Johann auch beim Herzog von Burgund in Ungnade gefallen sein sollte. Jean de Wavrin nutzt bei der Schilderung der Vorwürfe gegen den Grafen von Étampes die Ausführungen du Clercqs als Vorlage. 718 Dabei fokussiert er hauptsächlich auf die Darstellung des Wechsels Johanns von Burgund an den französischen Hof. Auch Wavrin erwähnt, dass der Graf in Ungnade bei Vater und Sohn gefallen sei, da Wachsfiguren auf seine Anweisung hin gemacht worden seien, um den Grafen von Charolais zu vergiften. 719 Hier wird also immerhin von einer Auftraggeberschaft des Grafen von Étampes berichtet. Die in Brüssel festgenommenen Männer werden nicht erwähnt, nur dass der Graf von Charolais sich wegen der Zaubereien gefürchtet haben soll, sich in seiner Gesellschaft aufzuhalten. Wavrin übernimmt auch die Information, dass Karl das principal gouvernement seines Hofes dem Grafen von Saint-Pol übertragen habe. Einige würden behaupten, so der Chronist, dass dies nun der eigentliche Grund sei, weshalb der Graf von Étampes und auch der Seigneur de Croÿ nicht am burgundischen Hof weilten. 720 Der Chronist erwähnt also ebenfalls, dass der Graf von Saint-Pol von Antoine de Croÿ und Johann von Burgund nicht geschätzt würde. Die Ungnade der herzoglichen Familie gegenüber dem Grafen von Étampes ist für den Chronisten aus den Vergiftungsvorwürfen ohne weitere Erläuterungen ableitbar. Einleuchtender scheint aber auch ihm die Annahme, dass die Ernennung des Grafen von Saint-Pol zum principal gouvernement am hôtel des Grafen 717 Vgl. auch Anm. 136. 718 Für den folgenden Abschnitt vgl. Wavrin, Recueil V, S. 417-418. 719 Wavrin, Recueil V, S. 417. 720 Wavrin, Recueil V, S. 417-418. 168 von Charolais für Johan von Burgund der eigentliche Grund gewesen sei, auf die französische Seite zu wechseln. 721 Jean de Wavrin schließt sich hier der letzten Deutung Jacques du Clercqs an, vergrößert aber durch die Einbindung des Verhältnisses der Familie Croÿ zum Grafen von Charolais respektive zum französischen König den Bezugsrahmen der Querelen um die Macht am burgundischen Hof. Beiden Chronisten wird bezüglich des Hauses Burgund, insbesondere gegenüber Philipp dem Guten, offene Bewunderung oder zumindest großes Wohlwollen nachgesagt. 722 Während Wavrin auch den späteren Herzog Karl zumindest im Vergleich mit dem französischen König positiv erscheinen lässt, schildert du Clercq ihn an verschiedenen Stellen durchaus kritisch. 723 Dennoch ergreifen beide Chronisten nicht die Möglichkeit, den Grafen von Étampes ob seiner Vergehen oder seines Verhaltens direkt anzugreifen oder stärker zu kritisieren, auch wenn die im Vergleich zu den uns bekannten Details eher vage Darstellung der Chronisten durch die beschriebene politischen Implikationen ihre persönliche Stellungnahme zu diesem Fall zumindest durchscheinen lässt. Dies deutet wiederum darauf hin, dass die Chronisten tatsächlich nichts über die genaueren Umstände der Ereignisse wussten, was sich auch durch ihr Aufgreifen von Gerüchten und die Verweise auf das Rückhalten der Informationen schließen lässt. Man kann davon ausgehen, dass die Chronisten, wäre ihnen der volle Umfang der Ereignisse bekannt gewesen, diese stärker kommentiert oder kritisiert hätten. 724 Exkurs: Die Familie Croÿ Die bei Wavrin aufgeworfene Verbindung des Falles Étampes zu dem Konflikt des Grafen von Charolais mit der Familie Croÿ lässt es sinnvoll erscheinen, die schon mehrfach erwähnte Familie an dieser Stelle etwas genauer zu betrachten, wobei nur einige Rahmenereignisse und -daten genannt werden sollen. 725 Bei den Croÿ handelte es sich um eine picardische Adelsfamilie, die seit dem 14. Jahrhundert im Dienst des Hauses Burgund beständig aufstieg. Schon unter den Herzögen Philipp dem Kühnen und Johann Ohnefurcht gehörten ihre Mitglieder zu wichtigen Ratgebern am burgundischen Hof, doch ihre einflussreichste Zeit hatte sie während der Regentschaft Philipps des Guten. Zu den damals wichtigs- 721 Der Graf von Saint-Pol war auch mit Antoine de Croÿ verfeindet. Dubois, Charles le Téméraire, S. 69-70. 722 Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, S. 78-85, 109 und 114. 723 Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, S. 85-87, 116-117. 724 Eine solche, sehr harsche Kritik über den Grafen von Étampes ist uns bei Chastelain, Œuvres V, S. 72-74. überliefert. 725 Hinsichtlich der wechselhaften Beziehungen der Croÿ zum Haus Burgund vgl. einführend Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 471-526; Paravicini, Moers Croy und Burgund; Thiry, Les Croy face aux indicaires bourguignons. 169 ten Familienmitgliedern zählten Antoine de Croÿ, sein Bruder Jean de Croÿ und Antoines Sohn Philippe. Durch Heirat bestanden auch Verbindungen zu den einflussreichen Familien Lannoy und Rubempré. 726 Als besonderer Vertrauter Herzog Philipps von Burgund gilt besonders sein erster Kammerherr und Rat, Antoine de Croÿ. Er war zudem Statthalter des Boulonnais, seit 1459 auch von Limburg, von Namur und von Luxemburg; er besaß neben Ländereien in der Picardie auch einige in Brabant und im Hennegau. Durch die Grafschaft Porcien in der Champagne war Antoine de Croÿ allerdings auch vom französischen König lehnsabhängig. 727 Die Feindschaft zwischen Antoine und dem Grafen von Charolais, die sich besonders seit der Anwesenheit des Dauphins (seit September 1456) in den burgundischen Ländern vertiefte, beschäftigte auch die Chronisten. Während Antoine de Croÿ zu Beginn seiner burgundischen Karriere sehr positiv beschrieben wurde, änderte sich dies im Verlaufe der Zwistigkeiten zwischen dem burgundischen Erben und ihm. Chastelain beschreibt sowohl den Hass Karls auf den Kammerherrn seines Vaters, als auch das Misstrauen, das Antoine dem Grafen von Charolais gegenüber hegte. 728 Auch Philippe de Croÿ-Chimay wird zunächst positiv in der Chronistik beschrieben, unter anderem als »Kapitän des Feldzugs von Utrecht.« 729 Wäre es nach dem Willen des Herzogs von Burgund gegangen, wäre Philippe de Croÿ- Chimay Kammerherr des Grafen von Charolais geworden; eine Aufgabe, für die ihn auch die Chronisten als fähig befunden haben, nicht aber der Graf von Charolais selbst, der ein Mitglied der Familie Rolin präferierte. Dieser Konflikt, aus dem die Croÿ gestärkt hervorgingen, zählt zu den ersten großen Krisen zwischen dem Herzog von Burgund und dessen Sohn um den Einfluss der Croÿ am burgundischen Hof. 730 Dass diese Familie besonderes Vertrauen des Herzogs auch und gerade in französischen Angelegenheiten genoss, zeigte sich, als der Dauphin Ludwig 1456 überstürzt aus Frankreich in die Niederen Lande zum Herzog floh. Die Delegation, die Philipp zum französischen König schickte, um diesem die Aufnahme seines Sohnes zu erklären, wurde von Jean de Croÿ, Seigneur de Chimay, und Simon de Lalaing, Seigneur de Montigny, angeführt, verstärkt durch Jean Lefèvre de Saint-Rémy und Jean de Clugny. Die beiden erstgenannten Adeligen zeigten sich bei dieser Mission besonders engagiert und gegenüber dem französischen Hof überzeugend, wenngleich das eigentliche Problem, die Flucht des Thronfolgers 726 Thielemans, Les Croy face aux indicaires bourguignons, S. 1-17. Zu den weitverzweigten Verbindungen der Croÿ mit führenden burgundischen und französischen Adelsgeschlechtern vgl. Paravicini, Moers, Croy und Burgund, S. 251-253. Für die Einzelpersonen und Stationen des Konfliktes siehe auch Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 33-42 oder Dubois, Charles le Téméraire, S. 67-73. 727 Paravicini, Moers, Croy und Burgund, S. 21-22. 728 Thiry, Les Croy face aux indicaires bourguignons, S. 1364-1366. 729 Thiry, Les Croy face aux indicaires bourguignons, S. 1370. 730 Paravicini, Karl der Kühne, S.17-18; Thiry, Les Croy face aux indicaires bourguignons, S. 1370-1371. 170 vor seinem Vater Karl VII., nicht gelöst werden konnte. 731 Der Aufenthalt des Dauphins in den burgundischen Ländern ermöglichte es diesem - wie dargestellt werden konnte - zugleich, intensive Beziehungen zu bedeutenden Personen wie den Croÿ oder Johann von Étampes am herzoglichen Hof zu knüpfen und diese Personen auch hinsichtlich einer späteren Regentschaft als französischer König für sich einzunehmen. Die bestimmende Rolle der Familie Croÿ am burgundischen Hof in französischen Angelegenheiten zeigte sich besonders durch ihrer Einflussnahme auf den Herzog von Burgund bei dessen Verkauf der Somme-Städte an Ludwig XI. im Jahre 1463. Diese Episode hängt eng mit dem Zerwürfnis Karls mit dem Grafen von Étampes zusammen und wird - unter anderem - bei Jacques du Clercq und Jean de Wavrin beschrieben. Die im französisch-burgundischen Grenzgebiet gelegenen Städte, die zu verschiedenen Fürstentümern gehörten, waren von strategisch sehr wichtiger Bedeutung und wurden 1435 durch den Vertrag von Arras dem Herzog von Burgund zugesprochen; sie sollten aber aufgrund einer zusätzlichen Klausel in diesem Vertrag durch den französischen König für 400.000 Goldstücke zurückgekauft werden können. 732 Die immense Bedeutung, die diese Städte innehatten, lassen die Vermutungen Heribert Müllers nicht unwahrscheinlich erscheinen, wonach sich Herzog Philipp durch einen Verkauf der Städte in Anbetracht der 1463 zeitgleich stattfindenden Vorbereitungen für einen Kreuzzug eine Entspannung des französisch-burgundischen Verhältnisses erhoffte. Der Erlös aus dem Verkauf hätte zudem ebenfalls dem Kreuzzug zugutekommen können. 733 Beide Chronisten schließen ihre Darstellung des Rückkaufs der Somme-Städte durch Ludwig XI. fast direkt an die Schilderung der Vorwürfe gegen den Grafen von Étampes an. 734 Ein Grund dafür ist sicherlich die zeitliche Nähe der Ereignisse; es wird aber dadurch auch erkennbar, dass sich die Probleme zwischen dem Grafen von Charolais und dem Grafen von Étampes direkt auf das Verhältnis des 731 Prietzel, Reden als Waffen der Diplomatie, S. 76-81. 732 Ausführlich zum Vertrag von Arras Dickinson, The Congress of Arras 1435, S. 160-198, insbes. S. 167-168; Schnerb, L’État bourguignon, S. 187; Dubois, Charles le Téméraire, S. 96- 97. Konkret ging es um die Städte Saint-Quentin, Corbie, Amiens, Abbeville, die Grafschaft Ponthieu, Doullens, Saint-Riquier, Crèvecœur, Arleux und Mortagne. Das Gebiet der Somme- Städte verteilte sich damit auf die Grafschaften Ponthieu und Vermandois sowie insbesondere auf die Pikardie. Neben den »villes de la Somme« erhielt der Herzog von Burgund auch die Grafschaften Mâcon und Auxerre, die Herrschaft Bar-sur-Seine und die châtellennies Roye, Péronne und Montdidier. Schnerb, L’État bourguignon, S. 184-188. 733 Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philpps des Guten von Burgund, S. 119-120. 734 Vgl. Du Clercq, Mémoires IV, S. 10-12 und Wavrin, Recueil V, S. 419-420. Auch hier scheint Wavrin die Vorlage Jacques du Clercqs verwendet zu haben, ohne in der Sache neue Erkenntnisse einzubringen. 171 Herzogssohnes zum französischen König auswirkten. Die Tatsache, dass der Graf von Étampes bei der Schilderung der Ereignisse - im Gegensatz zur Familie Croÿ - nur bei diesen beiden Chronisten auftaucht, obgleich auch Chastelain vom Verkauf der Somme-Städte berichtet, sollte nicht an dem Wahrheitsgehalt der Darstellung zweifeln lassen. Vielmehr deutet dies darauf hin, dass die Chronisten durch die vorherigen Schilderungen der Gerüchte für einen möglichen Einfluss des Grafen von Étampes auf das burgundisch-französische Verhältnis sensibilisiert waren. In der Darstellung Chastelains wird die Zuspitzung des Verkaufs der Somme-Städte hingegen nur auf Einflüsterungen der Familie Croÿ zurückgeführt. 735 Nach den Darstellungen der Chronisten können die Verhandlungen wie folgt skizziert werden: Im Spätsommer 1463 begab sich Ludwig XI. zu Philipp von Burgund auf dessen Schloss Hesdin, um mit dem Herzog über den Rückkauf der Somme-Städte zu verhandeln. In der Begleitung des Königs hatte sich auch der Graf von Étampes befunden, der zu dieser Zeit bereits an den französischen Hof gewechselt war. Auf burgundischer Seite ist die Anwesenheit von Antoine de Croÿ belegt. Nach Abschluss der Verhandlung soll Herzog Philipp auch seinen Sohn nach Hesdin gebeten haben; aber der in Holland weilende Karl verweigerte sein Erscheinen mit der Begründung, der Graf von Étampes und der Seigneur de Croÿ seien anwesend. Antoine de Croÿ, so schildert es du Clercq, verübelte Karl die Einflussnahme auf den Herzog beim Verkauf der Somme-Städte zugunsten Ludwigs; dem König soll Karl gegrollt haben, da dieser den Grafen von Étampes mitgebracht hatte, obwohl Karl ihm - ebenso wie Antoine de Croÿ - gegenüber feindlich gesinnt war. 736 Zudem soll der Graf von Charolais die Croÿ und den Grafen von Étampes für enge Ratgeber des Königs gehalten haben. 737 Weder du Clercq noch Wavrin erwähnen an dieser Stelle die bereits vorher geschilderten Gerüchte um die Wachsfiguren. Vielmehr wird das Verhältnis des Grafen von Charolais zu Johann, Graf von Étampes, durch diese Darstellung in ein allgemeines Klima des Misstrauens seitens des Grafen von Charolais hinsichtlich der Vertrauten seines Vaters eingeordnet. Sowohl der Graf von Étampes als auch die Familie Croÿ, insbesondere Antoine de Croÿ, werden als Verbündete des französischen Königs dargestellt, die vielmehr die französischen Interessen als die burgundischen im Sinne hatten. Beide Chronisten weisen an dieser Stelle somit auf die Machtkämpfe um den Einfluss am Hof Herzog Philipps von Burgund hin. Diese Verschiebungen der Verhältnisse entwickelten sich für den Grafen von Charolais in diesem Fall - der Einflussnahme seiner Widersacher in der Frage der Somme-Städte - negativ. Der Zeitpunkt des Rückkaufs hätte für 735 Chastelain, Œuvres IV, S. 403-405. 736 Du Clercq, Mémoires IV, S. 12. Mandrot vermutet sogar, dass die Anwesenheit des Grafen von Étampes und den Croÿ ein bewusstes Kalkül von Ludwig XI. gewesen sein kann, um den Grafen von Charolais von den Verhandlungen um die Somme-Städte fern zu halten; ein Gedanke, der angesichts von Ludwigs späterer offensiver Unterstützung von Karls Gegnern nicht ganz abwegig erscheint. Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 11-12. 737 Wavrin, Recueil V, S. 420. 172 den Grafen nicht ungünstiger sein können: Karl weilte zu dieser Zeit in Holland, da sich der Konflikt zwischen seinem Vater und ihm zugespitzt hatte. Von den holländischen Städten erhoffte sich der burgundische Erbe in dieser Situation die offizielle Anerkennung und Unterstützung als Nachfolger Philipps. Durch den familiären Zwist musste Karl allerdings auch auf deren finanzielle Unterstützung hoffen, da sein Vater ihm diese weitestgehend entzogen hatte. 738 Zudem musste die Weigerung Karls, nach Hesdin zu reisen, zwangsläufig auch Ludwig XI. und Philipp von Burgund, der die Einladung ausgesprochen hatte, brüskiert haben. Nur durch die unspezifische Erwähnung eines früheren Zerwürfnisses zwischen dem Grafen von Charolais und den Croÿ bzw. dem Grafen von Étampes werden vorherige Konflikte angedeutet. Damit wird insbesondere bei Wavrin und du Clercq, die zuvor auch die Wachsfiguren-Affäre beschreiben hatten, das Verhältnis des Grafen von Étampes zu Karl in einen machtpolitischen Kontext gerückt. Mit den Schilderungen der Gerüchte um die Wachsfiguren hatten die Chronisten allerdings bereits erahnen lassen, dass die Abneigung des Grafen von Charolais zu Johann eine Qualität erreicht hatte, die über einen alltäglichen Machtkampf weit hinausging. 5.2.2. Zwistigkeiten und Versöhnungsversuche (1464 - 1468) Die Beziehung des Grafen von Étampes zum Haus Burgund brach nach der Entdeckung der Verschwörungspläne Johanns gegen Karl von Charolais und seinem Wechsel an die Seite des französischen Königs nicht ab. Die Ereignisse von 1463 kamen aber während neuerlicher Streitigkeiten zwischen dem Herzog und seinem Sohn wieder zur Sprache und verschlechterten die Situation für den Grafen von Étampes im Laufe der kommenden Jahre, obschon er seinerseits durchaus versucht zu haben schien, eine Versöhnung mit dem Haus Burgund herbeizuführen. 5.2.2.1. Die Generalständeversammlung von 1464 Einen Höhepunkt im gespannten Verhältnis zwischen dem Grafen von Charolais und seinem Vater, Philipp dem Guten, stellen die Geschehnisse um die Versammlung der Generalstände der Niederen Lande in Brügge am 9. Januar 1464 dar. Die Ereignisse sind in der Forschung bereits verschiedene Male unter diversen Aspekten besprochen worden. Daher soll an dieser Stelle nur der grobe Rahmen skizziert und auf die mit dem Prozess in Verbindung stehenden Gesichtspunkte eingegangen werden; im Übrigen sei auf einführende Literatur zu diesem Thema verwiesen. 739 738 Dubois, Charles le Téméraire, S. 96. 739 Zu den Generalständen einführend Wellens, Les États Généraux des Pays-Bas des origins à la fin du règne de Philippe le Beau 1464 - 1506, S. 89-101; für die Generalständeversammlung von 1464 insbesondere S. 102-124. Ausführlich mit besonderem Bezug auf die Familie Croÿ 173 Der Vater-Sohn-Konflikt und Karls Vermutungen über die Absichten der Croÿ vertieften sich im Dezember 1463 durch Gerüchte, die bezüglich der Statthalterschaft der Niederen Lande während des geplanten Kreuzzuges in Umlauf kamen. 740 So hieß es, dass Jean de Croÿ, Seigneur de Chimay, die Verwaltung der Niederen Lande im Falle der Abwesenheit des Herzogs obliegen sollte. Karls Befürchtungen um einen noch größeren Einfluss der Mitglieder der Familie Croÿ am burgundischen Hof, die wiederum selbst unter der Einwirkung der französischen Krone zu stehen schienen, wurden durch diese Ereignisse nur weiter angefacht. »Die Erlangung des legitimen Erbes des Grafen von Charolais«, so urteilt Grunzweig, »war in großer Gefahr; zumindest wurde es für ihn sehr schwierig.« 741 Die Zwistigkeiten eskalierten daher im Januar 1464, insbesondere, da der Kreuzzug Philipps in absehbarer Zeit bevorzustehen schien. 742 Die Stände indes versuchten, die Situation durch Vermittlung zwischen dem Herzog und seinem Sohn, die sich bis in den Februar hinein erstreckte, zu entspannen. Dies war besonders im Interesse Karls, der eine Enterbung durch den Vater oder eine Verminderung seines eigenen Einflusses verhindern wollte. Eine dauerhafte Versöhnung wurde allerdings erst im April 1465 erreicht und ging mit der Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Herzogs von Burgund sowie der durch Karl gezielt herbeigeführten Eintrübung des Verhältnisses zwischen seinem Vater und den Croÿ einher. 743 Nun birgt die Beschreibung der Chronisten Jacques du Clercq und Jean de Wavrin der Ereignisse von Anfang 1464 auch einen neuerlichen Verweis auf die Vorwürfe gegen den Grafen von Étampes. 744 In einem Brief des Grafen von Charolais an seinen Vater, den jener am 10. Januar 1464 745 vor den Vertretern der Stände vorlesen ließ, thematisierte Karl das schlechte Verhältnis zu seinem Vater und drückte sein Bedauern über das Zerwürfnis aus. Er begründete seine Abwesenheit vom Hof des Vaters damit, dass sich dort Personen aufhielten, die ver- Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 478-479; Vaughan, Philipp the Good, S. 345-346. 740 Wellens, Les États Généraux des Pays-Bas des origins à la fin du règne de Philippe le Beau 1464 - 1506, S. 103-118, Paravicini, Karl der Kühne, S. 22. 741 L’accession du comte de Charolais à son légitime héritage était en grand danger de devenir, pour le moins, fort difficile. Grunzweig, Namur et le début de la Guerre du Bien Public, S. 534. 742 Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philpps des Guten von Burgund, S. 119-120. 743 Dubois, Charles le Téméraire, S. 106-115. 744 Für den folgenden Abschnitt vgl. Du Clercq, Mémoires IV, S. 24-33, und Wavrin, Recueil V, S. 420-425. Die Schilderungen der Chronisten ähneln sich wieder stark, wenngleich sich die Schilderungen du Clercqs etwas ausführlicher ausnehmen; sie sollen daher zusammengefasst werden und nur Abweichungen werden gesondert dargestellt. Georges Chastelain berichtet zwar auch über die Ständeversammlung und die darauf folgenden Vermittlungsversuche; die für uns interessanten Vorwürfe bleiben allerdings unerwähnt. 745 Zur Überlieferung vgl. Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini, S. 97, Nr. 190. 174 sucht hätten, ihn zu töten. 746 Im weiteren Verlauf des Schreibens zählte Karl die Hauptursachen des Konfliktes wie folgt auf: Als ersten Punkt nannte er seine Antipathie gegenüber den Croÿ und verwies bezüglich der Gründe auf eine bereits vorangegangene Thematisierung des Problems sowie auf seinen Ärger über deren Einfluss beim Rückkauf der Somme-Städte. An zweiter Stelle wurde erwähnt, dass der Herzog von Burgund nach der Meinung seines Sohns ihm gegenüber verstimmt gewesen sei, da er, Karl, den Archidiakon von Avallon, Guillaume de Clugny, bei sich aufgenommen hatte, als dieser vom hôtel des Grafen von Étampes fortgegangen war. Deswegen habe der Vater aber nicht erzürnt sein sollen, kannte er doch die Gründe dieses Handelns. 747 Als letzten Punkt führte Karl die Probleme mit seinem Vater wegen Anthoine Michiel an, die wiederum in den Croÿ-Konflikt hineinspieltPropsten. 748 Bei den auf diesen Brief hin von den Ständen in Bewegung gesetzten Vermittlungsversuchen zwischen dem Herzog von Burgund und dessen Sohn kamen während einer Audienz von Ständevertretern bei Karl noch weitere Beweggründe des Grafen zur Sprache, in deren Mittelpunkt die Beschwerden des Herzogsohnes über die Croÿ standen. Neben mehreren anderen Beispielen des für den Grafen offensichtlichen Fehlverhaltens und Intrigierens der Familie gegen ihn beschuldigte er Antoine de Croÿ vor den Ständevertretern, dass dieser dem Propst von Watten den Auftrag gegeben habe, ein Geburtshoroskop Karls anzufertigen, anhand dessen man Vorhersagen über dessen Zukunft vornehmen wollte. 749 Demnach hätten sie erfahren, dass dem Grafen großes Unglück drohe, und diese Vorhersage dem Herzog mitgeteilt, um den Grafen in Misskredit zu bringen. Der Graf von Charolais verdächtigte die Croÿ zudem, sie hätten nach dem Propst geschickt, damit dieser für die Croÿ Schadenszauber gegen Karl anwende. 750 Diese Befürchtungen haben sich möglicherweise aus den durch die Befragungen in Le Quesnoy hervorgegangenen Informationen genährt, nachdem auch die Croÿ Interesse an Meistern magischer Praktiken gehabt hatten. Direkt an diesen Vorwurf anlehnend erwähnte Karl zudem, dass es verschiedene Leute gegeben habe, die seinen Tod mittels Zauberei und anderer Praktiken verfolgt hätten und er erzählte den Abgesandten von den sechs Wachsfiguren 751 , auf die die Namen der zu treffenden Personen geschrieben worden seien. Der Graf benannte auch genau die Gründe, weshalb diese Figuren hergestellt worden seien. Zum ersten, um dem Hersteller der Wachsfiguren Zuneigung zu verschaffen, zum zweiten, um je nach Bedarf Hass zu erzeugen, und zum Dritten, um 746 Du Clercq, Mémoires IV, S. 26. 747 Wavrin, Recueil V, S. 422. 748 Anthoine Michiel war receveur général in Holland. Seine Unterstützung Karls in Holland führte zu Spannungen mit dem Statthalter der Region Jean von Lannoy, einem Mitglied der Familie Croÿ, und somit auch mit dem Herzog von Burgund. Vaughan, Philip the Good, S. 343-344. 749 Du Clercq, Mémoires IV, S. 31. Zur Einordnung dieser Vorwürfe siehe auch Kap. 4.4.2.2. 750 Du Clercq, Mémoires IV, S. 31. 751 Du Clercq, Mémoires IV, S. 31. 175 Gunst zu erzeugen oder halten zu können. Auch das Taufen der Figuren, das von einem Priester in Burgund ausgeführt worden sei, wurde erwähnt. Karl fügte hinzu, dass die Personen, die dieser Dinge verdächtigt würden, Bedienstete des Grafen von Étampes seien, von denen einer, dessen Arzt, eingesperrt sei. Zum Schluss bat der Graf von Charolais die Ständevertreter, ihm nachzusehen, dass er nicht alle Details erzählen und alle Namen derer nennen würde, die seinen Tod verfolgten. Dies würde er tun, um die Ehre der Personen zu beschützen und um den Anwesenden das Erschrecken über die Bekanntgabe der Namen zu ersparen. Zudem wollte er die anwesenden Vertreter der Stände um Rat bitten, wie er sich in einer solchen Situation verhalten solle. 752 Die skizzierten Stellen belegen, dass neben der ausführlichen Darstellung der Anklagepunkte des Grafen von Charolais gegen die Familie Croÿ auch einige Verweise auf den Anschlagsversuch durch den Grafen von Étampes aufgeführt wurden. Zunächst ist hier der oben erwähnte »zweite Grund«, den Karl in dem Brief an seinen Vater anführt, zu nennen. Man erfährt, dass der Archidiakon von Avallon, Guillaume de Clugny, am hôtel des Grafen von Étampes gewesen war. Die Gründe hierfür werden zwar nicht eindeutig benannt, durch das Prozessmaterial können diesbezüglich jedoch zumindest einige Vermutungen angestellt werden: Eine Verbindung zu Johann von Burgund kann über sein Amt als Archidiakon von Avallon gezogen werden, da dieser Ort dem Bistum Auxerre zugehörig war und der Graf von Étampes - durch die Förderung Philipps des Guten 753 - Ansprüche auf die Grafschaft Auxerre geltend machte. Da Guillaume de Clugny bei den Befragungen Jacques de Knibberes in Brüssel anwesend gewesen war, könnte er aber auch einer der Männer gewesen sein, die den Grafen von Charolais initial auf die Machenschaften Johanns von Burgund aufmerksam gemacht hatten. 754 Ein vorheriger Aufenthalt im hôtel des Grafen von Étampes könnte ihn diesbezüglich zu einem unfreiwilligen Mitwisser gemacht haben. Die Verstimmung des Herzogs, auf die Karl in seiner Rede anspielte, könnte ferner auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Philipp über den Informationsfluss und die dadurch geschaffenen Tatsachen verärgert war. Anhand seiner Reaktionen direkt nach Bekanntwerden der Vorwürfe lässt sich vermuten, dass er das Komplott des Grafen von Étampes möglicherweise vollständig verschleiert hätte. Obwohl der burgundische Erbe bei der Schilderung der Wachsfiguren-Affäre vor den Ständevertretern nur die Bediensteten des Grafen von Étampes als Verdächtige genannt hatte, war dies ausreichend, um die Spekulationen bewusst in die Richtung seines Cousins zu lenken, auch wenn er kurz darauf erwähnte dass er nicht alle Namen der Personen, die seinen Tod wollen, angeben wolle. Karl wies zudem noch einmal bewusst auf verschiedene Details der Vorwürfe gegen Jean de Bruyère, Charles de Noyers und den Grafen von Étampes hin. Dabei 752 Wavrin, Recueil V, S. 425; Du Clercq, Mémoires IV, S. 32. 753 ADC, B 1046. Es handelt sich hierbei um die Kopie einer Vereinbarung zwischen Philipp dem Guten und Johann von Burgund (Copie des lettres de certain treictiez) vom 8. September 1438. 754 Vgl. auch Kap. 2.3.1. 176 stimmten die Einzelheiten mit denjenigen Informationen, die in den Verhören Jean de Bruyères zutage traten, überein. Der Graf von Charolais nutzte hier zwar die Gelegenheit, den Magiefall noch einmal zu erwähnen, allerdings wurde aus seiner Wortwahl heraus deutlich, dass es Anweisungen gegeben hatte, ein weiteres Verbreiten der - nun bestätigten - Gerüchte zu unterlassen und die verantwortliche Person nicht direkt zu benennen. Dieser Eindruck korrespondiert mit den seitens der Chronisten angestellten Vermutungen. Durch eine derart verklausulierte und detailreiche Erwähnung des versuchten Anschlages wird man dem Grafen von Charolais zwar nicht vorwerfen können, er habe die Ehre des Grafen von Étampes verletzt; durch die neuerliche Nennung sowohl der Zaubereivorwürfe als auch der Verdächtigungen gegen Bedienstete des Grafen von Étampes hielt er aber Gerüchte über diese Vorfälle im Umlauf und unterstrich damit seinen Vorwurf, er habe sich durch Mitglieder des väterlichen Hofes bedroht gefühlt. In diesen Zusammenhang fügt sich auch die Beschwerde Karls darüber ein, dass die Croÿ den Probst von Watten geben hätten, ein Geburtshoroskop Karls zu erstellen. Da bei dieser großes Unglück für Karl vorhergesagt worden sei, befürchtete der Graf offenbar, dass man versuchte, seine Position am Hof durch üble Nachrede und Vorhersagen zu schwächen. In einer Zeit, als es offene Gerüchte darüber gab, dass dem Grafen von Charolais die Nachfolge des Herzogtums entzogen werden könnte, mussten solche Vorhersagen auf ihn besonders bedrohlich und schädigend gewirkt haben. Die Aufdeckung aller Vorwürfe vor den Ständevertretern erscheinen hier als ein Mittel für den Herzogsohn, seine Befürchtungen zu belegen und so glaubhafter darzustellen, welche Gefahren ihm am Hof seines Vaters drohten. Die Forschung hat die Vorwürfe gegen die Croÿ und hier den Propst von Watten oft in eine Reihe mit denjenigen gegen die Bediensteten des Grafen von Étampes oder mit dem Fall Coustain gestellt. 755 Die inhaltliche Nähe der Anschuldigungen verleitet auch zur Annahme von Parallelen, da Karl behauptete, der Propst habe im Auftrag der Croÿ astrologische Fähigkeiten und Zauberei nutzen sollen. So sehr die Anschuldigungen sich auch ähneln, so fällt doch ein feiner Unterschied auf: Der Graf von Charolais verwendete bei der Aufzählung der Fehlverhalten der Croÿ immer eindeutige Bezeichnungen (le seigneur de Croÿ, icelluy de Croÿ, ledit seigneur de Croÿ). Als er auf den Fall der Wachsfigurenzauberei zu sprechen kam, redete er hingegen von »diese[n], die seinen Tod verfolgt haben.« 756 Es mutet seltsam an, dass der Graf von Charolais in diesem Zusammenhang die Croÿ nicht ein weiteres Mal klar benennt. Gerade diese Zurückhaltung ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Croÿ nicht am Fall Étampes beteiligt gewesen waren. Die Nicht-Nennung konkreter Namen im Fall Étampes passt 755 Zuletzt Mercier, La vauderie d’Arras, S. 373-374, aber auch Paravicini, Karl der Kühne, S. 24; Vaughan, Philipp the Good, S. 343-344. Für den Fall Coustain vgl. Kap. 6.1. 756 ceulx qu’ils avoient pourchassié sa mort. Du Clercq, Mémoires IV, S. 31. Diese Episode nimmt auch Wavrin in ähnlicher auf, Wavrin, Recueil V, S. 423-424. 177 somit nicht zu Karls Strategie, die Vorwürfe gegen missliebige Personen oft zu wiederholen. Die Begründung, wonach dadurch die Ehre der Person hätte geschützt werden sollen, widerspricht zudem dem Vorgehen Karls nach der Beendigung der Befragungen in Le Quesnoy, als er versucht hatte, die Anschuldigungen gegen den Grafen von Étampes möglichst weit zu verbreiten. Nimmt man diese Hinweise zusammen, ergeben sich auch hier starke Anhaltspunkte für die bereits erwähnte These, dass der Herzog von Burgund aktiv dafür gesorgt hatte, dass man Stillschweigen über das Verhalten des Grafen von Étampes und seinen Anteil an den Zaubereien bewahren wollte bzw. sollte. Dies verdichtet die Vermutung, dass Philipp der Gute in dieser Zeit seine Macht noch dazu genutzt hatte, seine Hand über seinen Neffen Johann von Burgund zu halten, eine Haltung, die sich später noch ändern sollte. Dass Karl gegen Antoine de Croÿ ähnliche Vorwürfe vorbrachte, wie sie uns auch in den Prozessakten begegnen, weist weniger auf eine Vermischung dieser beiden Fälle hin als auf die Allgegenwärtigkeit solcher Vorwürfe und Versuche der Beeinflussung am burgundischen Hof. Die einzige Verbindung, die neben der offenen Protektion des Herzogs von Burgund zwischen den Croÿ und dem Grafen von Étampes bestand, war, dass beide Parteien gute Verbindungen zum französischen König unterhielten. Besonders bei Johann von Burgund zeigte sich in den kommenden Jahren, dass er von nun an alle Hoffnungen auf Frankreich gesetzt hatte. 5.2.2.2. Das Verhältnis Johanns von Burgund, Graf von Nevers, zum französischen und zum burgundischen Hof Die Machtverhältnisse verschoben sich 1464 durch den Tod von Johannes Bruder, Karl von Nevers. Karl hinterließ zwar eine Witwe, aber keine Kinder, sodass Johann von Burgund die Grafschaft Nevers, die ein französisches Lehen war, sowie die Grafschaft Rethel und die Baronie Rosay erbte. Johann von Burgund soll daher von dieser Stelle an Graf von Nevers (anstatt Graf von Étampes) genannt werden, da er auch in den zeitgenössischen Quellen und in der Forschung ab diesem Zeitpunkt als Johann von Nevers zu finden ist. Im Zuge dieser Erbschaft verfügte Ludwig XI., dass Johann pair von Frankreich werden solle, und erinnerte an »die großen, rühmenswerten und ansprechenden Dienste, die er uns [Ludwig XI.] jeden Tag erwiesen hat.« 757 Im selben Jahr ernannte der König den Grafen von Nevers zum capitaine général und zu seinem königlichen Stellvertreter in der Picardie. Johann übernahm damit ein Gebiet, in dem er auch schon für den Herzog von Burgund mit ähnlichen Aufgaben betraut gewesen war. Er spielte als Oberbefehlshaber der Picardie und durch seine neu geerbten Besitzun- 757 En memoire les grands louables et agreables services qu’il nous a faict chacun jour. BNF ms. fr. 2758, fol. 205r-206r, hier 205v. Zur Treueverpflichtung des pair vgl. Prietzel, Reden als Waffen der Diplomatie, S. 87. 178 gen eine wichtige Rolle an bedeutenden Stellen des französisch-burgundischen Grenzgebietes. 758 Die Aussichten für den Grafen am französischen Hof ließen sich also sehr gut an. Über einen Erbkonflikt mit der Witwe Karls, Marie d’Albret, kam es allerdings zum endgültigen Bruch des Grafen von Nevers mit dem Haus Burgund. Die Witwe wandte sich mit Klagen über das harsche Verhalten ihres Schwagers an den Herzog von Burgund. 759 Dieser bestellte Johann zu sich nach Hesdin, um mit ihm über Marie d’Albret zu sprechen. Der Herzog bat ihn, die Witwe im Andenken an seinen Bruder und im Eingedenken an seine Ehre gut zu behandeln. 760 Chastelain konstatiert in diesem Zusammenhang, dass Johann sich wegen des Konfliktes mit dem Grafen von Charolais enger an den König gebunden habe, auch weil Johann gewusst habe, dass Ludwig selbst den Grafen von Charolais nicht mochte. Wir erfahren weiter, dass der Herzog die Schlichtung um die brüderliche Erbschaft zum Anlass nahm, den Grafen von Nevers an die Zuwendungen zu erinnern, die der burgundische Hof ihm gewährt hatte, als er noch auf burgundischer Seite stand. Der Herzog führte weiter aus, durch den Wechsel zu König Ludwig XI., von dem er eine Pension erhalte, könne der Herzog Johanns Unterhalt wegen eigener großer Belastungen nicht mehr aufrechterhalten. Die Geduld Philipps mit dem Grafen von Nevers, so scheint es bei dem Chronisten, war zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht mehr sonderlich ausgeprägt. Antwortete der Graf in Gegenwart des Herzogs noch sehr höflich auf diese Verabschiedung, so soll er, als er den Herzog verließ, gegenüber einem seiner Bediensteten begonnen haben, schlecht über den Herzog zu sprechen. Er beschwerte sich, dass Karl ihn habe entehren wollen und der Herzog ihn aus seinem Haus geworfen hätte. 761 Chastelain nutzt im Folgenden seine Beobachtungen oder Informationen über den Konflikt mit der Witwe Nevers und dem Zerwürfnis Johanns mit dem Herzog geschickt, um in den Lesern gegenüber dem Grafen von Étampes eine negative Stimmung zu wecken. Denn daran anschließend lässt der Chronist ein Kapitel mit einer Charakterstudie des Grafen von Nevers folgen, die diesen in einem denkbar schlechten Licht erscheinen lässt. 762 Zu Beginn der wortreichen Klage des Chronisten erwähnt er die edle Herkunft des Grafen und bedauert das Unglück, dass dieser sich in die Hände schlechter Menschen begeben habe und sich von den großen Versuchungen des Teufels habe verleiten lassen. 763 Dadurch habe er seinen guten Ruf verloren. Auch bedauert Chastelain an dieser 758 Bittmann, Ludwig XI. und Karl der Kühne, S. 65. 759 Für die gesamte Passage vergleiche Chastelain, Œuvres V, S. 69-72. Maries Groll gegenüber dem Schwager scheint aber mit der Zeit verflogen zu sein, übertrug sie doch im Jahre 1480 ihrer Nichte Françoise d’Albret anlässlich deren Heirat mit eben jenem Johann von Burgund verschiedene ihrer Besitztümer. BNF ms. fr. 4792, fol. 110v-120r, insbes. 112r-113r. 760 Chastelain, Œuvres V, S. 70. 761 Chastelain, Œuvres V, S. 71. 762 Für die folgenden Ausführungen vgl. Chastelain, Œuvres V, S. 72-74. 763 Chastelain, Œuvres V, S. 72. 179 Stelle, so schlecht über den Fürsten schreiben zu müssen, habe dieser sich doch auf mannigfache Weise ausgezeichnet. Den dadurch entstandenen Verlust des Hauses Burgund beklagt er, da Johann sich nicht als ehrenvolles Mitglied dieses Hauses gezeigt hatte. 764 Der Chronist erwähnt zwar auch die Klagen Johanns selbst, das Haus Burgund habe ihm, dem Grafen von Nevers, Unrecht getan, aber diese Vorwürfe weist Chastelain für den Herzog und dessen Sohn zurück, habe doch insbesondere der Herzog sogar Streit mit seinem Sohn in Kauf genommen, um dem Grafen von Nevers dessen Ehre zu bewahren. Chastelain urteilt sogar, dass »das Betragen dieses Grafen gegen ihn [den Grafen von Charolais] zu einem der schlimmsten Themen wurde, die jemals zwischen dem Vater und dem Sohn gewesen sind.« 765 Der Graf von Charolais sei zudem durch die Vorwürfe gegen den Grafen von Nevers in seinem Misstrauen gegenüber allen, außer sich selbst, bestätigt worden. Auch in den weiteren, ähnlich klingenden Klagen des Chronisten erfahren wir keine konkreten Hinweise auf das mehrfach erwähnte Missverhalten des Grafen, abgesehen von dessen unrühmlichem Auftreten gegenüber der Witwe von Nevers. Nur der Hinweis, er habe sich durch den Teufel verführen lassen, lässt den Hintergrund der Klage erahnen. Es wird zudem deutlich, dass der Chronist, der seinen Schilderungen nach zu urteilen vormals sehr viel vom Grafen von Nevers gehalten hatte, die ganze Schuld an der Misere bei eben diesem Johann von Burgund sah und dessen Zerwürfnis mit dem Haus Burgund dem schlechten Betragen des Grafen, dessen eigenmächtigem Wechsel auf die Seite Ludwigs XI. und dessen mangelnder Bereitschaft zur Versöhnung anlastet. Der Hinweis, dass der Herzog für Johann einen ernsthaften Streit mit seinem Sohn in Kauf genommen habe, weist auf den an verschiedenen Stellen durchscheinenden Konflikt zwischen Philipp und Karl hin, der sich daran entzündet hatte, dass der Herzog den Grafen von Nevers trotz dessen magischen Anschlagsversuchs geschützt hatte. Besonders schwer scheint für Chastelain die Tatsache zu wiegen, dass sich der Graf von Nevers gegen dasjenige Haus stellte, das ihn großgezogen hatte. Hinsichtlich der in der spätmittelalterlichen Gesellschaft verbreiteten Wahrnehmung der Familie als »Kerngruppe affektiver Zuwendung und praktischer Hilfeleistung« 766 musste dies als Verrat an einem Idealtypus des Zusammenhaltes erscheinen, der zugleich als sicher angenommene Hilfsbindungen in Frage stellte. Die Parteinahme des burgundischen Hofchronisten für den Herzog und dessen Sohn nimmt sich an dieser Stelle sehr deutlich aus. 767 Seine Bewunderung für Philipp den Guten und sein Wohlwollen gegenüber dessen Sohn Karl mögen die Heftigkeit erklären, mit der Chastelain gegen Johann von Burgund polemisierte. 764 Chastelain, Œuvres V, S. 72. 765 Et laquelle portance de ce comte contre luy devient depuis matière du plus mauvais fons que onceques avoit esté entre le fils et le père. Chastelain, Œuvres V, S. 73-43. 766 Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, S. 258. 767 Zur Haltung Chastelains zu Frankreich und Burgund vgl. Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, S. 128-156. 180 Ob der Chronist allerdings auf Anweisung des Herzogs konkretere Details in seiner Schilderung ausgelassen hatte, wie dies bereits von du Clercq angedeutet wurde, lässt sich aufgrund der lückenhaften Überlieferung der Chronik nicht mit Sicherheit sagen. Fest steht zumindest und wird in den folgenden Kapiteln noch gezeigt, dass Georges Chastelain im weiteren Verlauf seiner Chronik noch mehrfach die Gegebenheiten zum Anlass nimmt, ein schlechtes Licht auf den Grafen von Nevers zu werfen. Als sicher darf hier gelten, dass solche Schilderungen nicht das Missfallen des Grafen von Charolais und späteren Herzogs von Burgund hervorgerufen haben werden. Dass Chastelain die Verfehlungen Johanns von Nevers immer wieder - wenn auch verdeckt - aufnimmt, ist auch als Versuch des Chronisten zu verstehen, sich dem zukünftigen Herzog von Burgund zu empfehlen. 5.2.2.3. Die Rolle des Grafen von Nevers zur Zeit der Guerre du Bien Public Der Wechsel des Grafen von Nevers und Rethel an den französischen Hof und der Bruch mit dem Haus Burgund beendeten den schwelenden Konflikt zwischen Johann und Karl allerdings nicht. In den folgenden ruhelosen Jahren, in denen das französisch-burgundische Verhältnis deutlich angespannter wurde, spitzte sich auch der Streit der Grafen weiter zu. Im Vordergrund standen dabei immer häufiger machtpolitische Fragen. Das innerburgundische Verhältnis zwischen dem Grafen von Charolais und seinem Vater hingegen konnte sich 1464/ 65 langsam wieder stabilisieren. War der Versöhnungsversuch der Vertreter der Generalstände Anfang 1464 noch gescheitert, führten verschiedene Ereignisse in den folgenden Monaten zunächst zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen dem Grafen von Charolais und Ludwig XI. 768 und infolgedessen zu einer Annäherung zwischen dem kranken Vater und seinem Sohn. Im September 1464 tauchte der Bastard von Rubempré, ein (weitläufiger) Verwandter der Croÿ, 769 im Auftrag des Königs mit einer stark bemannten französischen Barke in der Nähe von Karls Aufenthaltsort Gorinchem in Zeeland auf. Das genaue Ziel seiner Reise war nicht klar, allerdings kamen sehr schnell Gerüchte auf, dass der Bastard den Auftrag gehabt habe, dem Grafen von Charolais zu schaden. Karl argwöhnte, dass dahinter entweder die Familie Croÿ oder der französische König selbst steckten. Die Versuche Ludwigs XI., die Verdächtigungen zu zerstreuen, schlugen fehl. Auf das innerburgundische Verhältnis scheint die Affäre um den Bastard von Rubempré allerdings eine für seinen Sohn positive Wirkung gehabt zu haben, schenkte der Herzog doch den Verdächtigungen Karls vermehrt Glauben. Dies zeigt sich insbesondere an der Brüskierung des Königs durch Philipp den Guten im Zuge der diplomatischen Folgen der Affäre Rubempré. 770 An Ostern des Jahres 1465 kam es schließlich zur Versöhnung zwi- 768 Hierzu einführend Paravicini, Einen neuen Staat verhindern, insbes. S. 29-31. 769 Zu den verwandtschaftlichen Verbindungen der Croÿ und Rubempré Win, Jean de Rubempré, seigneur de Biénviène, S. 147-149. 770 Die Affäre Rubempré wird ausführlich in Kap. 6 behandelt. 181 schen Philipp und Karl. Der Herzog ernannte ihn dabei zum lieutenant der burgundischen Länder, auch im Hinblick auf eine Unterstützung des Herzogs von Berry gegen den König in der Ligue du Bien Public. Dies war für die Absicherung Karls als Erbe des Herzogtums ein großer Schritt, wenngleich die eigentliche Gewalt über diese Länder, wie Vaughan betont, bis zu dessen Tod bei Philipp dem Guten und seinem Rat lag. 771 Für die französische Sache stand es hingegen weder am burgundischen Hof noch in anderen Teilen des Königreiches besonders gut. Symptomatisch für diese Situation war der Putsch des Grafen von Charolais, mit dem er die Mitglieder der Familie Croÿ zeitweise vom burgundischen Hof vertrieb. Weitergehende Konsequenzen hatte aber der Zusammenschluss einiger dem König in Opposition gegenüberstehender französischer Fürsten zur Ligue du Bien Public im Jahre 1465. Angeführt wurde diese Bewegung zunächst durch Karl, den Herzog von Berry und Bruder Ludwigs, der zu dieser Zeit Thronfolger war, sowie durch den Herzog der Bretagne, der den Herzog von Berry in seinen Anliegen unterstützte. Ursprünglich formulierte das Bündnis seine Opposition aus der königlichen Steuerpolitik heraus, die man im Sinne eines öffentlichen Gemeinwohles zu ändern ankündigte. Dazu kamen bei den teilnehmen Fürsten allerdings auch jeweils persönliche und machtpolitische Gründe, gegen Ludwig XI. zu opponieren. Durch die Teilnahme des Hauses Burgund in Person des Grafen von Charolais wurde die 1465 ausbrechende Guerre du Bien Public aber auch zu einer offenen Austragung der Feindschaft zwischen dem burgundischen Erben und dem französischen König. 772 In diesem Konflikt finden wir den Grafen von Étampes kämpfend an der Seite des Königs, erhalten aber auch Hinweise auf eine versuchte Aussöhnung Johanns mit dem Haus Burgund. Angesichts der militärischen Stärke, die die Fürstenopposition präsentierte, sandte Ludwig XI. den Grafen von Nevers gleich zu Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung an die Somme, um die Johann gut vertrauten Gebiete für Frankreich gegen den Grafen von Charolais zu verteidigen. Unterstützt wurde Johann unter anderem durch den königlichen Kanzler Pierre Morvillier und durch seinen Onkel, den Grafen von Eu. Die Vorbereitungen auf die militärische Auseinandersetzung gingen nicht ohne propagandistisches Säbelrasseln vonstatten. Johann von Burgund nutzte seine Ernennung sogleich, um sich am 16. März 1465 den Städten persönlich als lieutenant und capitaine général des Königs zu präsentieren. Er wandte sich dabei mit einem Brief, der im teneur durch du Clercq überliefert ist, 773 an die wichtigsten Ortschaften in dem 771 Wavrin, Recueil V, S. 468-469; Vaughan, Philipp the Good, S. 374-376. 772 Prietzel, Reden als Waffen der Diplomatie, S. 90; Bittmann, Ludwig XI. und Karl der Kühne, S. 26-29; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 297-313; Vaughan, Philipp the Good, S. 369-370, 374-380; Heers, Louis XI., S. 62-65. Zur königlichen Finanz- und besonders Steuerpolitik unter Ludwig XI. vgl. Schmidt, »Bien public« und »raison d’Etat«, S. 190-191. 773 Du Clercq, Mémoires IV, S. 130-132. 182 ihm untergeordneten Gebiet und verwies auf seine durch den König mitgeteilten Rechte, die er auch erfüllen wolle. Zugleich machte er auf die angespannte Lage aufmerksam, die eine Mobilmachung von Soldaten für den König erfordere, und dass die Männer unter dem Befehl des Königs oder seinem eigenen zu stehen hätten. Dieser Brief fiel genau in die Zeit, in der der Graf von Charolais aktiv die Entmachtung der Croÿ am burgundischen Hof betrieb. Hierbei setzte auch der burgundische Erbe gezielt auf publizistische, wenn nicht sogar propagandistische Aktivitäten. Mit zwei Manifesten und mit Drohungen gelang es Karl im März 1465, die Croÿ aus den burgundischen Ländern zu vertreiben, was durch die Versöhnung mit seinem Vater im April des gleichen Jahres noch bekräftigt wurde. 774 Die Manifeste und Briefe als eine kommunikative Form, Einfluss - hier auf die Bevölkerung der Städte der niederen Landen - auszuüben, die Unabdingbarkeit, mit der der Graf von Charolais seine Ansichten vertrat, und die sich zuspitzende Krise kurz vor dem Ausbruch der Guerre du Bien Public ermöglichen es nach der Beurteilung von Birgit Studt, diese Schreiben auch in der Zeit des Spätmittelalters als Propagandaschriften zu identifizieren. 775 Deren intendierte Wirkung konnte durch die Aufnahme der Konflikte in die burgundische Chronistik noch erweitert werden, wobei unklar bleibt, inwieweit dies einer Steuerung des burgundischen Erben oder seiner Anhänger unterlag. In seinen Schreiben wandte sich Karl wiederholt auch gegen den Grafen von Nevers. Der erste Brief vom 12. März 1465, 776 den er an die Herrschaftsträger der Niederen Lande richtete, beschäftigte sich insbesondere mit den Verfehlungen der Familie Croÿ. Über den Grafen von Nevers fand Karl ebenfalls scharfe Worte hinsichtlich dessen Position am französischen Hof. Zugleich prangerte er an, dass ebendieser Graf, sein Cousin, durch den König unterstützt werde, Ansprüche auf das Herzogtum Brabant zu erheben und ihn damit um sein Erbe zu bringen. 777 In dem Brief vom 25. März 1465 778 (ebenfalls an die Herrschaftsträger der Niederen Lande) ging Karl auf die Inhalte des ersten Manifestes ein und versuchte, vor An- 774 Paravicini, Moers, Croy und Burgund, S. 259-262. Zur Wirksamkeit von schriftlichen Medien in der Stadt des späten Mittelalters vgl. Mersiowsky, Wege zur Öffentlichkeit, S. 13-57, und Monnet, Die Stadt, ein Ort politischer Öffentlichkeit im Spätmittelalter? , S. 329-359. 775 Studt, Geplante Öffentlichkeit, S. 203-236; hierzu auch von Seggern, Herrschermedien im Mittelalter, S. 48-52. 776 Zur Überlieferung dieses Manifestes, das als das erste Manifest gegen die Croÿ in die Forschung eingegangen ist, vgl. umfassend Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini, S. 111-114, Nr. 231ff, sowie Bonenfant und Stengers, Le rôle de Charles le Téméraire dans le gouvernement de l’État bourguignon en 1465-1467, S. 10f und dort Anm. 4. 777 Collection des documents inédits concernant l’histoire de la Belgique 1, hg. von Gachard, S. 136. 778 Zur Überlieferung dieses Manifestes vgl. umfassend Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini, S. 116-118, Nr. 253ff und Bonefant und Stengers, Le rôle de Charles le Téméraire dans le gouvernement de l’État bourguignon en 1465-1467, S. 10 und Anm. 5. Dieses Manifest wird als das zweite Manifest gegen die Croÿ benannt. 183 toine de Croÿ und dem Grafen von Nevers zu warnen und sich die Unterstützung der Städte zu sichern. Er schien von diesen eine Parteinahme für den Grafen von Nevers und die Croÿ zu befürchten. 779 Dabei wurden die Croÿ ausdrücklich als seine Feinde bezeichnet (nos ennemys), beim Grafen von Nevers wurde jedoch nur die Bezeichnung unser Cousin (nostre cousin) verwendet. Offenbar gebot es die enge familiäre Verbindung hier, den Grafen von Nevers weniger abwertend zu betiteln als die Aufsteiger der Familie Croÿ. Die Angst des Grafen von Charolais vor Ansprüchen Johanns auf das Herzogtum Brabant, die sich in diesen Briefen bereits herausschält, wurde durch eine Ankündigung König Ludwigs XI. genährt, der Johann in diesem Falle gegen den burgundischen Erben unterstützen wollte. 780 Der erwähnte Brief des Grafen von Nevers an die Somme-Städte vom 16. März und die demonstrative Untermauerung seiner dortigen Machtposition werden Karls Befürchtungen einer französischen Einflussnahme nur bekräftigt haben. Andererseits erhielt der Graf von Charolais zu dieser Zeit die lange erwünschte Unterstützung von burgundischer Seite, als die Generalstände ihn am 27. April als einzigen und legitimen Erben Philipps des Guten anerkannten. 781 Johann wird nicht alleine der Dienst am König Antrieb gewesen sein, sondern auch seine eigenen Konflikte mit dem Haus Burgund im Allgemeinen und dem Grafen von Charolais im Besonderen. Jedoch musste der Graf von Nevers feststellen, dass einige seiner Adelige, Ritter und gens d’armes ihren Dienst quittierten, weil sie nicht gegen Burgund kämpfen wollten. Einige seiner engsten Bediensteten sollen sogar an die Seite Karls von Burgund gewechselt sein. 782 Du Clercq verbindet die Abwendung dieser Personen vom Grafen von Nevers mit der Schilderung eines Versöhnungsversuches: Das Verhalten seines Umfelds soll den Ausschlag für Johann gegeben haben, einen Versöhnungsversuch mit dem Grafen von Charolais und dem Haus Burgund zu wagen. Als Vermittler in dem Konflikt wählte er den burgundertreuen Philippe, Seigneur de Saveuse, zu dem er während seiner Zeit am burgundischen Hof gute Kontakte gepflegt hatte. In einem persönlichen Gespräch überzeugte der Graf von Nevers den Seigneur de Saveuse, dass dieser sich - trotz der erklärten Todfeindschaft des Grafen von Charolais gegenüber Johann von Burgund 783 - bereit erklärte, mit Karl zu reden. Die Bedingung des Vermittlers war dabei allerdings, dass der Graf von Nevers sich nicht in die Kämpfe der Ligue einmischen und er keine Garnison in Péronne stationieren sollte. 784 Die Akzeptanz dieser Bedingungen, die Johann zunächst zugestand, währte nicht lange, da er kurz darauf erfahren musste, dass der Graf von Saint-Pol mit seinen Leuten im Auftrag des Grafen von Charolais nach Péronne 779 Du Clercq, Mémoires IV, S. 133-134. 780 Zu den Erbstreitigkeiten um Brabant siehe auch Kap. 5.2.2.4. 781 Bonefant und Stengers, Le rôle de Charles le Téméraire dans le gouvernement de l’État bourguignon en 1465 - 1467, S. 13. 782 Du Clercq, Mémoires IV, S. 142, Wavrin, Recueil V, S. 468-472. 783 Cremieux, Jean de Clamecy, S. 218. 784 Du Clercq, Mémoires IV, S. 144. 184 zog, um die Stadt und die umliegenden Gebiete wieder in burgundischen Besitz zu bringen. Dieses Manöver Karls in dem unbedingten Willen, der Picardie wieder habhaft zu werden, ließ die Vermittlungsversuche des Seigneur de Saveuse scheitern, bevor sie begonnen hatten, denn der Graf von Nevers eilte zusammen mit dem Marschall von Frankreich sogleich nach Péronne, um die Ländereien des Königs gegen zwei seiner Intimfeinde - den Grafen von Charolais als Befehlshaber und den Grafen von Saint-Pol als Ausführenden - zu schützen. Der angestrebte Versöhnungsversuch wurde damit hinfällig. 785 Die Bereitschaft des Seigneurs de Saveuse, noch zu diesem Zeitpunkt eine Versöhnung zwischen dem Haus Burgund und dem Grafen von Nevers herbeiführen zu wollen, zeugt von dem hohen Ansehen, das Johann von Burgund vormals am burgundischen Hof genossen hatte. Die Bitte um Vermittlung beim Grafen von Charolais scheint für Johann an dieser Stelle aber eher taktischer Natur entsprungen zu sein als aus dem Bedürfnis, sich mit dem Haus Burgund zu versöhnen. Es ist zu bezweifeln, ob sich Johann bei einem erfolgreichen Vermittlungsversuch tatsächlich gegen den Befehl des Königs, die Picardie zu verteidigen, gestellt hätte. Der Wunsch nach Versöhnung scheint daher eher kriegstaktisch motiviert gewesen zu sein. Diese Episode bleibt aber nicht der einzige Versöhnungsversuch, der während der Guerre du Bien Public 1465 für den Grafen von Nevers unternommen wurde. 786 Im Sommer 1465 trat die Tochter Johanns, Elisabeth, Herzogin von Kleve, als Fürsprecherin ihres Vaters auf. Ihr Mann, Johann von Kleve, stand in hohem Ansehen des Herzogs von Burgund, und auch die Herzogin Elisabeth konnte sich auf enge Verbindungen zum burgundischen Hof, an dem sie aufgewachsen war, berufen. In ihrer Mission begab sich Elisabeth direkt nach Brüssel zu Herzog Philipp, der ihr nach einigen Tagen ein Gespräch gewährte. Dabei, so Wavrin, soll sie unter Tränen an das Mitgefühl des Herzogs appelliert haben und auf die Nachteile verwiesen haben, die auch ihr und ihren Kindern entwüchsen. 787 Der Herzog sei von dieser Ansprache - glaubt man dem Chronisten - zu Tränen gerührt gewesen, habe aber weitere Hilfe für den Grafen abgelehnt, da dieser die Chance auf eine Versöhnung gehabt hätte, so er Péronne verlassen, sich in seine Grafschaften begeben und nicht gegen den Herzog von Berry und seinen Sohn gekämpft hätte. Herzog Philipp kritisierte demnach, wie schon vorher sein Sohn, stark, dass der Graf von Nevers für den König in der Picardie tätig war, welche die Burgunder immer noch als zu ihrem Gebiet zugehörig ansahen. 788 Die Interventionen seiner Tochter führten für den Grafen von Nevers also auch zu keiner Verbesserung seines Verhältnisses zu Philipp dem Guten. Die von der Herzogin angesprochenen Unannehmlichkeiten für ihre Familie werden bei Wavrin nicht näher erläutert. Es ist aber bekannt, dass der Herzog von Kleve im September 1464 dem Grafen von Charolais die Treue schwören 785 Du Clercq, Mémoires IV, S. 144-146; Wavrin, Recueil V, S. 471-472. 786 Wavrin, Recueil V, S. 496-497. 787 Wavrin, Recueil V, S. 496. 788 Wavrin, Recueil V, S. 469; 271-272. 185 und ihm versprechen musste, ihn gegen jeden zu verteidigen. 789 Diese Loyalitätsadresse ist möglicherweise durch die verwandtschaftlichen Verbindungen des Herzogs von Kleve zu einem erklärten Feind des Grafen von Charolais zu begründen. Wenn die Herzogin auch 1465 noch über Nachteile für sich und ihre Kinder spricht, so zeigt dies, dass Karl die Familie mit ihren Verbindungen zum Grafen von Nevers argwöhnisch betrachtete. Die zitierte Aussage Herzog Philipps hingegen lässt darauf schließen, dass dieser zu einem früheren Zeitpunkt noch durchaus gewillt war, seinem Neffen eine weitere Chance zur Rehabilitation zu geben wenn dieser nicht auf Seiten des Königs gegen die Ligue du Bien Public kämpft. Der Herzog war also nur bis zu dem Punkt zu Zugeständnissen bereit, dass der Graf von Nevers keine (weiteren) Handlungen gegen das Haus Burgund anstrebte. Da dies - wie gezeigt - nicht der Fall war, musste eine Versöhnung mit dem Herzog scheitern. Die Wortwahl, die sowohl der Herzog als auch sein Sohn verwendete, wenn sie von den Städten der Somme sprachen - Philipp und Karl sprachen von den Ländereien jeweils als ihren Erbschaften und verwiesen auf die nun gut gestellte Position Johanns als Graf von Nevers und Rethel - zeigt, dass man auf burgundischer Seite nicht gewillt war, den Gedanken an die Somme-Städte einfach aufzugeben. 790 Wie der weitere Verlauf der Konflikte zeigt, hatte der Graf von Charolais beim beharrlichen Verfolgen seiner Ziele Erfolg. Entgegen kam Karl dabei, dass der Graf von Nevers sein militärisches Geschick während der Guerre du Bien Public nicht noch ein weiteres Mal unter Beweis stellen konnte. Die vielfältige Korrespondenz, die Johann von Burgund in dieser Zeit mit dem König, dem Grafen von Eu und dem Marschall von Frankreich, aber auch mit königstreuen Städten führte, bezeugt zunächst seine aktive Teilhabe an der Verteidigung der französischen Sache und den Willen, sich in der Guerre du Bien Public für den König zu engagieren. 791 Daneben zeigte er auch und gerade im Kampf gegen die burgundische Seite besonderes Engagement. 792 Der Konflikt endete für ihn allerdings schmachvoll, als er am 3. Oktober 1465 mit seinen Mitstreitern von Vertrauten des Grafen von Charolais, Peter von Hagenbach sowie den Seigneurs de Fourmelles und de Roubaix, und einer Truppe von mehreren hundert Leuten in Péronne überrascht und gefangen genommen wurde. Er 789 Vaughan, Philipp the Good, S. 377. 790 Wavrin, Recueil V, S. 496; Du Clercq, Mémoires IV, S. 145-153. Dies weist auch auf mögliche äußere Umstände hin, die den Verkauf der Somme-Städte für Herzog Philipp 1463 nötig gemacht haben. Vgl. Kap. 5.2. 791 Vgl. hierzu die überlieferte Korrespondenz unter AN J 1021, 38, 39, 40, 46, 51, 61, 66, 67, 71. Für die Briefe des französischen Königs an den Grafen von Nevers und über ihn während der Guerre du Bien Public vgl. Lettres de Louis XI, Roi de France II, hrsg. von Charavay und Vaesen, S. 258-262, 271-277. 792 Eindrücklich ist hier die Wortwahl, mit der Johann von Burgund dem französischen Kanzler am 17. Juni mitteilte, dass die Stadt Lüttich auf französischer Seite mit 3000 Kämpfern in den Konflikt eingreifen werde gegen monseigneur le duc et le conte de Charrolois et leur faire toute la guerre a eulx possible. AN J 1021, 61. 186 wurde nach Béthune zum Grafen von Charolais gebracht, der diese Gelegenheit nutzte, um sich diejenigen Ländereien zu sichern, die der Graf von Nevers vormals von Philipp dem Guten erhalten hatte. Karl bat den Seigneur de Fourmelles am 22. September, dass er ihm vom Grafen von Nevers die Briefe der Güter und Übertragungen, die dieser von Herzog Philipp erhalten hatte, übergebe. Dieser Aufgabe kam Guillaume de Bery, Rat des Grafen von Nevers, für seinen inhaftierten Herrn nach, der die entsprechenden Schriftstücke aus Amiens holte und nach Béthune brachte. Auch die Grafschaft Auxerre und die Summen, die dem Grafen einst zugestanden wurden, ebenso wie Ländereien in Holland, wurden auf diese Weise durch den Grafen von Charolais in Frage gestellt. Zudem musste der Graf von Nevers auf seine Rechte auf das Herzogtum Brabant verzichten. 793 Dafür gestand Karl seinem gefangenen Verwandten in einem Brief vom 23. September 1465 zu, dass er Johann, da dieser sich seinem Willen in den angesprochenen Gelegenheiten gebeugt habe, immer so behandeln wolle, dass dieser nicht zu leiden hätte, und er nicht als Kriegsgefangener behandelt würde. 794 Das Versprechen, Johanns Güter unangetastet zu lassen, kann sich allerdings nur auf dessen vom König her lehnsabhängigen Gebiete, die Grafschaften Nevers und Rethel, bezogen haben, hatte sich Karl doch bereits der burgundischen Übertragungen zurückversichert. Auch die Brüsseler Güter des Grafen von Nevers wurden von einem gewissen Clais le Brodeur konfisziert, wie eine ausführliche, von diesem für den Grafen von Charolais angefertigte Inventarliste bezeugt. 795 Diesem Entzug der Güter soll - folgt man Chastelain - ein Versöhnungsversuch auf Initiative des Grafen von Charolais vorangegangen sein, als Johann von ihm gefangen gesetzt war. Ein Diener des Grafen von Nevers, Boutillard, soll diesem aber von einer Versöhnung abgeraten haben, was zu einem entsprechend harschen Urteil des Chronisten über den Diener sowie dessen Herrn führte. 796 Die Ereignisse um die Festnahme des Grafen von Nevers zeigen, dass Karl die Gelegenheit, die sich ihm dadurch geboten hatte, ergriff, um seinem Gegner einen empfindlichen Schlag zu versetzen. Der Entzug sämtlicher Güter von burgundischer Seite und auf burgundischem Boden kappte die Verbindungen zwischen dem Grafen von Nevers und dem Haus Burgund nun auch auf materieller Ebene. Besonders der verlangte Verzicht Johanns, Ansprüche auf das Herzogtum Brabant zu erheben, war für den burgundischen Erben von besonderer Bedeutung, musste er doch die Gefahr sehen, dass der Graf von Nevers diese Ansprüche, möglicherweise auch mit französischer Hilfe, nach dem Dahinscheiden Herzog Philipps geltend machen würde. Die Befürchtung, dass der König 793 BNF ms fr. 2832, fol. 308v; BNF ms. fr. 2901, fol. 12 794 BNF ms. fr. 2901, fol. 12. 795 BNF ms. fr. 2901, fol. 31. Die dort aufgeführten Güter zeugen durch ihre hohe Qualität - es werden verschiedene farbige Stoffe, Mäntel oder Bordüren, oft mit Gold- oder Silberverzierung, Samt und andere wertvolle Gegenstände aufgeführt - wiederum für den vornehmen Lebensstil des Grafen von Nevers. 796 Chastelain, Œuvres V, S. 280-282. 187 Johann in seinem Streben nach dem Herzogtum unterstützen würde, formulierte Karl deutlich in seinem Brief vom 12. März 1464. 797 Die Konfiszierung der Güter Johanns in einer der wichtigsten brabantischen Städte nach dessen Festnahme 1465 sollte ein weiterer Schritt sein, dies zu verhindern. Die Festnahme des Grafen war also nicht nur eine willkommene Rache gegenüber einem dem Haus Burgund abtrünnig gewordenen Verwandten; sie hatte vor allem den Nutzen, die Macht des Grafen von Charolais in den burgundischen Ländern weiter auszubauen. In diese Richtung zielte auch der Vertrag von Conflans, den Ludwig XI. am 5. Oktober 1465 mit dem Grafen von Charolais und seinem Bruder, Karl von Frankreich, geschlossen hatte. In diesem übertrug Ludwig Karl von Burgund unter anderem wieder die Städte der Somme und das Recht, diese an seine Erben weiterzugeben, sowie für die Städte Péronne, Montdidier und Roye die vollen Besitzrechte. 798 Karl beendete damit die Guerre du Bien Public für sich durchaus erfolgreich; er erhielt genau diejenigen Ländereien zurück, deren Verkauf ihn 1463 so sehr aufgebracht hatte. Der strategische Vorteil, den die Besitzungen in der Picardie bedeuteten, vergrößerte seine Machtposition sowohl gegenüber Ludwig XI. als auch am burgundischen Hof. Zugleich konnte er mit der Übernahme dieser umstrittenen Ländereien einen weiteren empfindlichen Schlag gegen den Grafen von Nevers austeilen, der somit gänzlich auf die Grafschaften Nevers und Rethel und den Unterhalt seitens des französischen Königs angewiesen war. Jean de Wavrin ist der einzige Chronist, der von einem geglückten Versöhnungsversuch Ende des Jahres 1465 oder zu Beginn des folgenden Jahres berichtet. Folgt man seinem Bericht, so habe der Graf von Charolais Johann in Saint- Omer getroffen. Der Graf von Nevers soll Karl dort um Gnade gebeten und sich für alle Übeltaten entschuldigt haben, die er gegen ihn begangen hatte. Karl habe ihm daraufhin verziehen. 799 War dies der erste Schritt zu einer Aussöhnung des Grafen von Nevers mit dem Haus Burgund? Die Konflikte zwischen den Cousins, die nach dem Tod Herzog Philipps 1467 um das Herzogtum Brabant ausbrachen, zeigen, dass alle Bemühungen um Aussöhnung - wie intensiv sie auch immer verfolgt wurden - nur von kurzer Dauer gewesen sein können. 5.2.2.4. Erbstreitigkeiten um das Herzogtum Brabant Die Erbangelegenheit Brabant war eines der wichtigsten Konfliktfelder des neuen Herzogs von Burgund, Karls des Kühnen. 800 Die Ansprüche, die Johann von 797 Du Clercq, Mémoires IV, S. 102. 798 Für den Wortlaut des Vertrags von Conflans vgl. Wavrin, Recueil V, S. 507. 799 Wavrin, Recueil V, S. 522. 800 Auch wenn diesen Erbstreitigkeiten in der Literatur keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurden, ist sie doch für die Beurteilung des Verhältnisses zwischen Karl dem Kühnen und dem Grafen von Nevers nach dem Tod Herzog Philipps nicht unwichtig. Blockmans und Prevenier bspw. widmen aber diesem Konflikt nur wenige Zeilen; Robert Stein erwähnt sie gar nicht. Blockmans und Prevenier, De Bourgondiërs, S. 218; Stein, Natuurlijk Filips de Goede. 188 Nevers auf dieses - wie es hieß - älteste und vornehmste Herzogtum 801 formulierte, entbehrten freilich nicht einer plausiblen Grundlage: Die Verbindung Brabants mit dem Herzogtum Burgund ergab sich im Jahr 1406 nach dem Tod der Herzogin Johanna von Brabant, die ihrem Vater Johann III. von Brabant nachgefolgt war. 802 Die Rechte der kinderlos verstorbenen Herzogin fielen an die Nachkommen ihrer Schwester Margarete. Diese war mit Ludwig II. von Flandern, Nevers und Rethel, Baron de Donzy und Palatin der Freigrafschaft Burgund, auch Ludwig von Male genannt, verheiratet gewesen. Die aus dieser Verbindung hervorgegangene Tochter Margarete von Male heiratete in zweiter Ehe Philipp den Kühnen von Burgund. Deren erstgeborener Sohn, Johann, sollte das Herzogtum Burgund erben; für die Söhne Anton und Philipp waren die Herzogtümer Brabant und Limburg (durch Heirat auch Luxemburg) einerseits und die Grafschaft Nevers andererseits vorgesehen. Da 1427 und 1430 beide Söhne Antons kinderlos verstorben waren, war im Jahre 1430 das Herzogtum Brabant jedoch erneut vakant. Zu diesem Zeitpunkt stand die Entscheidung an, an welche Nachkommen Herzog Philipps des Kühnen das Herzogtum Brabant fiel. Ansprüche aus dem gleichen Verwandtschaftsverhältnis konnten sowohl Philipp der Gute als auch die Söhne des Grafen von Nevers, Karl und Johann, erheben, die im gleichen Grad mit Philipp dem Kühnen verwandt waren. Der wesentlich ältere Herzog Philipp der Gute intervenierte jedoch bereits während der Herrschaft des wenig begabten Herzog Johanns IV. von Brabant, eines Sohns Antons von Brabant. Aufbauend auf diesem Einfluss konnte er sich während der Herrschaft von dessen Bruder Philipp als Gouverneur von Brabant zum Erben einsetzen lassen. Mittels dieser Legitimation konnte sich Philipp der Gute 1430 gegen alle anderen Anwärter auf das Herzogtum durchsetzen 803 und somit den Streit um Brabant zu seinen Gunsten entscheiden. Bei möglichen Erbstreitigkeiten um das Herzogtum nach dem Tode Philipps des Guten befürchtete Karl von Burgund aber schon zu Lebzeiten seines Vaters, dass besonders die Stadt Lüttich und König Ludwig XI. Johann von Burgund in einem solchen Konflikt unterstützen könnten. 804 Aus diesem Grunde ließ er den während der Guerre du Bien Public gefangen genommenen Grafen von Nevers auch im März 1466 eine Verzichtserklärung auf Brabant, Lothringen, Limburg und andere Ländereien unterschreiben, bevor Johann wieder freigelassen wurde. 805 801 Müller, Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten, S. 432. 802 Siehe auch Anhang 2. 803 Ausführlich hierfür Stein, Natuurlijk Filips de Goede, S. 18-21, aber auch Mandrot, Jean de Bourgogne, S. 44-45. Robert Stein geht an dieser Stelle leider nicht auf mögliche Ansprüche Philipps, dem dritten Sohn Herzog Philipps des Kühnen und Graf von Nevers und Rethel, Baron von Donzy, ein. Zur Übersicht siehe auch den Stammbaum in Anhang 2. 804 Erste Anzeichen zeigten sich in der Unterstützung des Grafen von Nevers durch die Stadt Lüttich während der Guerre du Bien Public. In diesem Zusammenhang tauchten auch erste Befürchtungen Karls hinsichtlich eines Konfliktes um Brabant auf. Vgl. Kap. 5.2.2.3. 805 Caron, Jean de Bourgogne, S. 117. Vgl. auch das vorangegangene Kapitel. 189 Tatsächlich kam es nach dem Tod Philipps des Guten zu den befürchteten Konflikten um die Nachfolge in den burgundischen Ländern, an denen auch der Graf von Nevers und Ludwig XI. ihren Anteil hatten. Eingebettet waren diese erneuten Spannungen unter den burgundischen Cousins in Herzog Karls Probleme mit Lüttich und den flandrischen Städten, besonders mit Gent und Brügge. 806 Die Revolten der Städte gegen den neuen Herzog waren für das Haus Burgund nicht überraschend; auch Philipp der Gute hatte mit den selbstbewussten Städten zu kämpfen. 807 Unklar in Bezug auf den ersten Konflikt Herzog Karls mit den Städten ist jedoch, ob Ludwig XI. versucht hatte, die Stadt Lüttich zu unterstützen. Vaughan bezweifelt diese Auffassung zwar stark, gebe es doch Korrespondenz zwischen dem König und Karl aus den Monaten Juli und August des Jahres 1467, die eindeutig belege, dass Ludwig XI. bestrebt war, Krieg zwischen Frankreich und Burgund zu vermeiden. 808 Für eine Unterstützung des Grafen von Nevers, der die Lütticher zu einer Revolte anzustacheln suchte, durch den König habe es keinerlei Beweise gegeben. Von solchen Ereignissen erfahren wir hingegen vom Chronisten Chastelain. Dieser wirft dem Grafen von Nevers vor, Manifeste an brabantische Städte versandt zu haben, um seine Rechte auf das Herzogtum Brabant geltend zu machen; einen Anspruch, den der Chronist nicht gelten lassen möchte und ihn zu widerlegen sucht. Für Städter - besonders die Bewohner der Stadt Brüssel -, die sich Johann von Burgund als Herzog von Brabant offenbar durchaus hatten vorstellen können, hat der Chronist nur Verachtung übrig. Diese drückt er durch den blumigen Vergleich aus, dass diejenigen Städte, »wo natürlicherweise Gemurre im Volk entsteht und der Wille, den Fürsten zu wechseln, wie verrückte Frauen [seien], die immer das Gute und Vergnügliche im Neuen sehen.« 809 Der Graf von Nevers habe zudem Manifeste an die Stände in Löwen gesandt, wo sich auch Karl der Kühne aufhielt, in denen er seine Ansprüche auf das Herzogtum Brabant noch einmal bekräftigte. Kervyn de Lettenhove erläutert an dieser Stelle, dass der Graf von Nevers zwar nicht von den Ständen, aber von der Stadt Lüttich und besonders jedoch von Ludwig XI., als Herzog von Brabant anerkannt wurde. 810 Johann von Burgund fügte seit jener Zeit seinem Titel in der Regel den eines Herzogs von Brabant hinzu und führte diesen in seiner Korrespondenz. Wie stark er selbst an dem Anspruch auf Brabant festhielt, zeigt seine Grabplatte, die mehrere Ländereien sein Eigen nennt, die er teils lange nicht mehr, teils niemals wäh- 806 Für diese Episode vgl. besonders Chastelain, Œuvres V, S. 275-287. 807 Zu den Revolten der Städte der Niederen Landen vgl. DeVries, The rebellions of southern low countries’ towns during the fourteenth and fifteenth centuries und allgemein zur Entwicklung der Niederen Lande im 15. Jahrhundert Blockmans, Die Niederlande vor und nach 1400. 808 Vaughan, Charles the Bold, S. 12-14. Für den gesamten Konflikt Karls des Kühnen in dieser frühen Phase seiner Herrschaft vgl. ebd. S. 5-40. 809 Ou naturellement toujours se trouve murmure en peuple et volonté de changer prince, comme en folles femmes qui toujours réputent plus de bien et de plaisir en un nouveau Chastelain, Œuvres V, S. 283. 810 Chastelain, Œuvres V, S. 284, Anm. 1. 190 rend seiner Herrschaft besessen hatte. Dies brachte ihm von Maurice Hurbain den Titel eines Johann Ohneland ein. 811 Indizien für die Unterstützung durch Ludwig XI. sind über dessen Korrespondenz greifbar, wenn er Johann mit »unser sehr verehrter und hochgeschätzter Cousin, der Herzog von Brabant, Graf von Nevers und Rethel«. 812 anredet. Auch in der königlichen Kanzlei verwendete man also die Bezeichnung eines Herzogs von Brabant. Da Ludwig die Ansprüche des Grafen von Nevers also offenbar auch nach der Entscheidung der Generalstände für Karl den Kühnen anerkannte, scheint eine Unterstützung des Grafen von Nevers oder der Revolten durch den französischen König nicht unwahrscheinlich. Dieser Umstand passt auch zu der bisher konstatierten Strategie Ludwigs XI., Gegner des Grafen von Charolais, nun Herzog von Burgund, zu stärken, um den Burgunder zu schwächen. Es zeigt sich aber, da Ludwig aus machtstrategischen Überlegungen heraus diese Linie - wie bei der Unterstützung Karls des Kühnen gegen Lüttich nach dem Vertrag von Péronne 1468 - nicht unbegrenzt durchhielt, dass sich der Graf von Nevers des königlichen Beistands nicht allzu sicher sein durfte. 813 Johann gab seine Ansprüche jedoch auch dann nicht auf, als Herzog Karl von den Brabantern bereits anerkannt worden war, was durch feierliche Einzüge in die Städte bekräftigt wurde. Wieder verwies er durch Manifeste nach Löwen und Brüssel auf seine Rechte. Sein Cousin Karl der Kühne nutzte diese Gelegenheit aber lediglich, um sich über den Grafen von Nevers lustig zu machen. 814 Einen neuerlichen Höhepunkt der Konflikte Karls und Johanns und zugleich deren Abschluss bildete der Ausschluss des Grafen von Nevers aus dem Orden vom Goldenen Vlies wenige Zeit später im Jahr 1468. Die Ereignisse dieses ersten Kapitels unter Karl dem Kühnen sollen daher im Folgenden Gegenstand der Betrachtungen sein. 811 Hurbain, Jean de Clamecy, S. 11. 812 Notre trescher et tresamé cousin le duc de Brabant, conte de Nevers et de Rethel BNF ms. fr. 2901, fol. 2. Diese Titulierung wird allerdings nicht durchgehalten. AD Nièvre 3 B 3, 72. Die Titelführung bzw. Titulierung des Grafen ändert sich situationsbedingt. Während er eine zeitlang, wohl auf Verlangen Karls des Kühnen, auf das Führen des Titels »Graf von Étampes« verzichtete, taucht diese Bezeichnung wieder in einem Brief des Königs aus dem Jahre 1491 auf, die Bezeichnung als Herzog von Brabant fehlt hier allerdings. Jehan, conte de Nevers de Rethel et d’Estampes, baron de Douzy et seigneur de Dourdan AD Nièvre 3 B 6, 36 (2). Auch bei der Anrede des Grafen persönlich und dessen Erwähnungen in anderen Briefen divergieren die Bezeichnungen. Vgl. bspw. Lettres de Louis XI, Roi de France V, hrsg. von Charavay und Vaesen, S. 131, 185; VI, S. 5-6; 11. 813 Paravicini, Einen neuen Staat verhindern, S. 30-31. 814 Chastelain, Œuvres V, S. 288, für den gesamten Abschnitt siehe S. 284-289. 191 5.3. Der Graf von Nevers und das Vliesordenskapitel von 1468 in Brügge Der Fall des Grafen von Nevers betraf nicht nur dessen Verhältnis zu Karl dem Kühnen, er berührte durch dessen Mitgliedschaft im Orden vom Goldenen Vlies auch dessen Regeln und Traditionen. Der Orden wurde von Karl wohl nicht ohne Grund zum Schauplatz der finalen Konfrontation gewählt. Von Herzog Philipp dem Guten im Januar des Jahres 1430 anlässlich seiner Hochzeit mit Isabella von Portugal in Brügge als weltlicher Ritterorden gegründet, versammelte der Orden Adelige Burgunds und der Niederen Lande sowie höchste europäische Würdenträger unter seinem Namen. 815 Zu den ersten Zielen des Ordens gehörte der Schutz der Kirche und des christlichen Glaubens. Neben diesen religiös motivierten Interessen war der Ritterorden aber auch ein politisches Instrument für die Herzöge von Burgund und ein wichtiger Rahmen, um die eigene Macht und daraus abgeleitete Ansprüche zu präsentieren. 816 Der Orden griff dabei die höfische burgundische Kultur mit ihren mythologischen, historischen und epischen Bezügen auf und spiegelte zugleich die das religiöse und politische Handeln der Herzöge prägende Ideologie wider. 817 Für den Vliesordensritter selbst versprach die Aufnahme Ruhm und Ehre, symbolisiert insbesondere durch das Tragen der Ordenskette. Der Orden verfügte aber auch durch ein in den Statuten implementiertes System der Korrekturen, die sich insbesondere auch auf das moralische Verhalten der Ritter bezogen. 818 Das Ordenskapitel 815 Der Orden vom Goldenen Vlies ist bereits hinsichtlich vieler Aspekte sehr gut erforscht, obgleich die andauernde Edition der Protokollbücher noch weitere Forschungsfelder eröffnet. Eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Monographie bleibt noch zu erwarten. Verwiesen sei aber auf eine Auswahl an einführender Literatur zum Orden vom Goldenen Vlies: Dünnebeil, Der Orden vom Goldenen Vlies zwischen Burgund und dem Hause Österreich, S. 13-30; Dies., Die Entwicklung des Orden sunter den Burgunderherzögen (1430 - 1477), S. 13-35; de Smedt, Der Orden vom Goldenen Vlies im Lichte der burgundisch-habsburgischen Politik; Boulton, The knights of the crown, S. 356-396; Niederhäuser, Burgundian court culture under Philipp the Good (1419 - 1467), S. 171-211; der Ausstellungskatalog Liez (Hrsg.), La Toison d’or; zahlreiche einführende Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Geschichte dieses Ritterordens bietet besonders: Bergen-Patens und Cockshaw (Hrsg.), L’ordre de la Toison d’or; eine knappe Einführung zur Gründung des Ordens und Einordnung in die Ordenslandschaft bietet Pastoureau, Un nouvel ordre de la chevalrie, S. 65-66, eine Zusammenfassung der Kapitel Gruben, Les chapitres de la Tosion d’or `s l’époque bourguignonne. Für die Mitglieder vgl. insbesondere: de Smedt, Les Chevaliers de l’ordre de la Toison d’or au XV e siècle, S. 1-3 u. 145-146; Paviot, Le recrutement des chevaliers de l’ordre de la Toison d’or, S. 75-79, insbes. S. 78-79. Zum Zeremoniell vgl. auch aktuell Haggh, Between council and crusade, S. 51-58. 816 Melville, Le »mystère« de l’orde de la Toison d’or; Boulton, The Order of the Golden Fleece and the creation of Burgundian national identity, S. 21-97, Richard, Le rôle politique de l’ordre sous Philippe le Bon et Charles le Téméraire, S. 67-70. 817 Vanderjagt, Practicing nobility in fifteenth-century Burgundian courtly culture, S. 327-325. 818 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 200, § 8; de Smedt, Der Orden vom Goldenen Vlies im Lichte der burgundisch-habsburgischen Politik, 192 fungierte dabei vielfach als Schiedsgericht, das bei Streitfällen angerufen wurde, in die Mitglieder des Ordens verwickelt waren. 819 Mit dem versuchten Magieanschlag hatte der Graf von Nevers nicht nur das Treueverhältnis zu seinem Herzog verletzt, er hatte auch gegen den Ehrenkodex des Ordens vom Goldenen Vlies verstoßen und zugleich sein soziales Ansehen als Vliesordensritter beschädigt. 820 Wollte der Graf von Charolais bereits 1463, wie gezeigt werden konnte, im Orden vom Goldenen Vlies für Konsequenzen gegenüber Johann sorgen, so musste dies aufgrund der herzoglichen Interventionen und dem Unwillen Philipps, ein Kapitel einzuberufen, bis zur nächsten Zusammenkunft der Ordensritter im Frühjahr 1468 aufgeschoben werden. Nach dem Tod seines Vaters und Ordenssouveräns gab es für den neuen Herzog Karl von Burgund dann aber keine Hindernisse mehr, um die Vergehen seines Cousins auch im Orden zu ahnden. Der Ablauf und die Ereignisse dieses Kapitels sind uns in den Protokollbüchern des Ordens vom Goldenen Vlies sowie bei den Chronisten Georges Chastelain und Jean de Wavrin überliefert; aber auch bei Jean de Haynin finden wir Hinweise auf das Kapitel und den Ausschluss des Grafen. 821 Zum Kapitel des Jahres 1468 wurden sowohl der Graf von Nevers als auch die Croÿ für gesonderte Untersuchungen vorgeladen, die vor Beginn der eigentlichen Kapitelsitzung stattfinden sollten. Der vollständige Ablauf des Ordenskapitels wird an dieser Stelle nicht dargelegt; es wird aber anhand der Edition der Protokollbücher auf die für den Grafen von Nevers relevanten Stellen eingegangen. 822 Hinzugezogen werden können zudem einige Briefe aus dem AOGV, die bislang nur im Regest vorliegen. 823 Ordensgreffier, und damit Verfasser des zweiten Protokollbuches, war seit dem Kapitel in Den Haag 1456 Martin Steenberch. In dieser Funktion wurden ihm wahrscheinlich die Abschriften des Prozessprotokolls als Processus contra dominum de Stampis zugestellt, da der Greffier des Ordens für die Aufzeichnung der Ordenskapitel zuständig war. Auffallend an dem Protokollbuch des Jahres 1468 S. 133-135; Sterchi, Der Orden vom Goldenen Vlies und die burgundischen Überläufer von 1477, S. 37-61; Ders., Rendre compte de leur honneur, S. 137-160; Ders., Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 420-440; Ders., The importance of reputation in the theory and practice of Burgundian chivalry, S. 99-115; Melville, Rituelle Ostentation und pragmatische Inquisition, S. 259-262. 819 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 15-16. 820 Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 233-236 zum Konzept des sozialen Ansehens. 821 Wavrin, Recueil V, S. 562-564; Chastelain, Œuvres V, S. 377; Haynin, Mémoires II, S. 14-16. 822 Für eine umfassende Darstellung dieses Ordenskapitels sei nochmals auf die Edition Dünnebeils, die auch über eine nützliche Zusammenfassung in deutscher Sprache verfügt, verwiesen. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil. 823 Die freundliche Erlaubnis, die Briefe für die vorliegende Arbeit zu verwenden erteilte mir der Ordenskanzler Alexander von Pachta-Reyhofen. 193 ist seine Ausführlichkeit, da die 79 Blätter nur ein einziges Ordensfest beschreiben, während Steenberchs Vorgänger Jean Hibert die vorherigen Ordensfeste auf lediglich 48 folii zusammenfasste. 824 Die Einladungen für das 19. Ordenskapitel in Brügge im Jahr 1468 wurden im Februar und März von Herzog Karl an die Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies versandt. Erste Treffen fanden ab dem 28. April statt, wobei die Gottesdienste und somit das eigentliche Ordensfest 1468 erst am 8. Mai statt wie üblich am 2. Mai beginnen sollten. 825 In der Zeit vor dem Ordensfest wurden auf Wunsch des Souveräns auch die Angelegenheiten des Grafen von Nevers und der Familie Croÿ behandelt. Für die Croÿ war es das zweite Mal, dass ihre Konflikte mit Karl vor dem Vliesorden thematisiert wurden, da der Graf von Charolais bereits beim 18. Ordensfest in Saint-Omer 1461 das Schiedsgericht des Ordens wegen seiner Probleme mit Antoine de Croÿ angerufen hatte. 826 Im aktuellen Fall kamen Antoine und Jean de Croÿ sowie ihr Neffe Jean de Lannoy am 28. April mit den Ordensmitgliedern zusammen. Karl erhob Anklage, dass die Croÿ ihm zu unterschiedlichen Gelegenheiten hätten schaden wollen, dass sie gegen ihn intrigierten und sich mit dem französischen König gegen ihn verbunden hätten. Die Causa Croÿ zog sich einige Tage hin, ehe Karl der Kühne beschied, dass dieser Fall nicht vor das Schiedsgericht des Ordens gehöre, sondern vor seine eigene Justiz. 827 Man kann davon ausgehen, dass es der persönlichen Anwesenheit der Croÿ auf dem Ordenskapitel geschuldet ist, dass ihr Fall wesentlich mehr Raum einnimmt als die Affäre um den Grafen von Nevers. Die Angelegenheit um Johann von Burgund, Graf von Nevers, ist in den Ordensprotokollen erstmals unter den Einträgen für Samstag, den 30. April 1468, erwähnt. 828 Die Protokollbücher geben darüber Auskunft, dass man auf Anweisung des Ordenssouveräns den Herold Fusil mit einem besonderen Auftrag losgeschickt hatte. Der Herold sollte den Grafen von Nevers zu dem Brügger Kapitel vorladen, bei dem dieser sich verschiedener Anklagen zu rechtfertigen gehabt hätte. Johann lehnte diese Aufforderung aber ab und sandte zugleich sein 824 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 10-12; Cockshaw und Paravicini, Prosopographie des secrétaires de la cour de Bourgogne (1384 - 1477), S. 92-94, Nr. 95; van Hoorebeeck, À l’ombre de la Librairie de Bourgogne, S. 307- 364; Gruben, Les chapitres de la Tosion d’or ‘s l’époque bourguignonne, S. 34-35. Der Trend zu umfangreicheren Dokumentationen setzte sich allerdings fort, wie das Ordensfest in Valenciennes zeigt und wie dies insbesondere in der habsburgischen Zeit fortgeführt wurde. Auch hier sei auf die bereits bestehenden und noch zu erwartenden Editionen Sonja Dünnebeils verwiesen. 825 Man nahm dabei auf lokale Festivitäten in Brügge Rücksicht. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 13. 826 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 131-133 und 138-140. 827 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 19-20. 828 Für die folgenden Ausführungen vgl. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 41-42, § 10. 194 Ordenscollier zurück. Angesichts der Vorwürfe, die den Grafen erwartet hätten, mag es nicht unwahrscheinlich sein, dass Johann einen Ausschluss erwartet hatte und er sich der für ihn mit Sicherheit unangenehmen Situation entziehen wollte. Zusammen mit dem Collier erreichten auch zwei Briefe das Kapitel, mit denen Jean sein Fehlen und das Zurücksenden der Ordenskette erklären wollte; 829 der eine richtete sich an Karl den Kühnen, der andere an die Ordensbrüder. 830 Der Ordenssouverän und die Teilnehmer des Kapitels kamen nach der Lektüre der Briefe schließlich zu dem Schluss, dass der Wappenschild des Grafen im Chor der Kirche Notre Dame, dort also, wo mit den Gottesdiensten die eigentlichen Feierlichkeiten stattfinden würden, entfernt werden sollte. Besonders betont wurde ferner, dass an der Stelle, an der die Ordensritter während der Messe zum feierlichen Opfer aufgerufen würden, der Ausschluss des Grafen aus dem Orden verkündet werden und im Zuge dessen anstelle des Wappenschildes ein Schild mit den Verfehlungen des Grafen aufgehängt werden solle. Der Ausschluss Johanns war der erste Fall seit demjenigen der Ordensritter Pierre de Vauldrey und des Seigneur de Montagu, Jean I. de Neufchâtel, die auf dem ersten Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies 1431 in Lille wegen feigen Verhaltens auf dem Schlachtfeld ausgeschlossen worden waren. 831 Im Anschluss an die Aufzeichnungen zu dem Beschluss vom 30. April finden sich die Briefe Johanns von Burgund, die vom Ordensgreffier in Abschrift dem Protokollbuch beigefügt wurden, aber auch die Antworten Karls und der Ordensbrüder. Insbesondere die Schreiben Johanns enthalten einige interessante Begründungen für sein Verhalten. In seinem ersten Brief 832 wandte sich der Graf von Nevers an den Ordenssouverän Karl den Kühnen. Er ließ ihn wissen, dass er die Einladung durch Fusil erhalten habe und daher über den Plan des Herzogs, über seinen Fall auf dem nächsten Kapitel - auch in seiner Abwesenheit - verhandeln zu wollen, informiert sei. 833 Nach dieser Einleitung drückte Johann seine Enttäuschung darüber aus, dass er von seinem Verwandten und Angehörigen des Hauses, dem er so lange gedient habe, mit so viel Missgunst behandelt worden sei. Auf diese erste 829 Sämtliche erwähnten Briefe sind - ursprünglich mit den Prozessakten - in dem Dossier über die Ausschließung des Grafen von Nevers in einem Konvolut überliefert (HHStA, AOGV, Akten, Karton 5, Dossier: Ausschließung Nevers (Türck’sche Systematik 2. Partie, § 2, 11 C). Die Antwortschreiben Karls des Kühnen und der Ordensritter sind, im Gegensatz zu den Briefen des Grafen, nicht ediert. Siehe hierzu auch Kap. 2.1.1. 830 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 41. Die Briefe sind in den Protokollbüchern des Kapitels überliefert, sodass noch näher auf sie eingegangen werden kann. 831 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 14 und 31- 33; Melville, Rituelle Ostentation und pragmatische Inquisition, S. 245; Gruben, Les chapitres de la Tosion d’or ’s l’époque bourguignonne, S. 137-139. 832 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, 42-43 mit Reg. 19 auf S. 184 (mit weiteren Angaben zur Überlieferung). 833 Et soit que y soie ou non on procedera contre moy ainsi qu’il appartendra selon les chappittres dudit ordre Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 42. 195 Unmutsäußerung folgend, erinnerte er Karl den Kühnen daran, wie viele Dienste er für den verstorbenen Herzog Philipp geleistet und wie wenig er dafür in der letzten Zeit erhalten habe. Wortreich legte Johann dar, dass er der nächste Verwandte des Herzogs und dass seine Besitztümer und die Erbgüter seiner Mutter aufs Engste mit dem Haus Burgund verbunden gewesen seien. Johann wisse jedoch auch, dass andere Personen den Herzog gegen ihn aufbrächten. Aus diesen Gründen habe er das Ordenscollier nicht mehr zu Karls Missfallen tragen wollen; er gab jedoch zu erkennen, dass er die ihm angediehene Behandlung als nicht angebracht erachtete. 834 Der Graf betonte in seinem Brief weiterhin, dass er die Entscheidung, das Ordenscollier zurückzusenden, auf den Rat guter Freunde und treuer Verwandter getroffen habe. 835 Johann verwies zudem auf die Versöhnungsversuche, die er erfolglos unternommen habe. Zuletzt bat der Graf von Nevers Karl, dieser möge auf seine Besitztümer achtgeben und er möge sich um seine Güter kümmern, die ihm durch Gott gehörten. Ferner drückte er die Gewissheit aus, dass er sich bei Karls Ehre und der des Hauses Burgund sicher sei, dass er die ihm verbleibenden Tage ehrenhaft verbringen könne. Datum und Ausstellungsort werden mit Tours, den 15. April, angegeben. Johann unterschrieb als votre humble cousin, le conte de Nevers et de Rethel Jehan. 836 Der Brief, mit dem Johann von Burgund Karl dem Kühnen seinen Austritt aus dem Vliesorden erklärt, behandelte folglich in großen Teilen Johanns Enttäuschung über das Haus Burgund. Dabei ist offensichtlich, dass er besonders die Behandlung, die ihm durch den neuen Herzog zuteilwurde, als nicht angemessen empfand. Dazu zählte sowohl der Umstand, dass Karl angeblich auf Gerüchte gegen den Grafen von Nevers hören würde, als auch das Empfinden, dass er, Johann, als enger Verwandter des Hauses Burgund eine bessere Behandlung verdient hätte. Sein eigenes Verhalten versuchte Johann als notwendig, überlegt und ehrbar darzustellen, indem er den Schritt, aus dem Orden auszutreten, als wohl bedacht und gut beraten beschrieb. Das Zurücksenden des Colliers, was - wie Johann sicherlich wusste - von Karl dem Kühnen als Affront aufgefasst werden musste, wird durch die Betonung des scheinbar vorbildlichen und familiären Verhaltens durch den Grafen von Nevers zu rechtfertigen versucht, auch wenn Johann klar gewesen sein muss, dass diese Geste weder beim Ordenssouverän noch bei den übrigen Mitgliedern auf Beifall stoßen konnte. Aus dieser Situation heraus ist auch der gesonderte Brief an die Ordensmitglieder zu betrachten. In Johanns zweitem Brief, der mit der Ordenskette an die Ordensritter gesandt worden war, änderte sich die Argumentation in einem Punkt wesentlich. 837 834 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 43. 835 Bei diesen handelt es sich um den bien amé poursuivant d’armes Donzy und seinen amé et feal conseiller, maistre Jehan Germain. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 43. 836 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 43. 837 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 43-45 mit Reg. 20 auf S. 184 (mit weiteren Angaben zur Überlieferung). 196 Der Graf erklärte, dass er sich derzeit in Tours beim französischen König aufhalte, den er als seinen naturel et souverain seigneur bezeichnete. 838 Dieser habe ihn zu sich gebeten und könne auf seine Dienste nicht verzichten. Zudem seien nach Erhalt der Briefe nur drei Wochen verblieben und die Zeit habe nicht ausgereicht, um rechtzeitig in Brügge sein zu können. Der Graf von Nevers ging auch auf die Ordensregeln ein, die von den Mitgliedern nicht nur Treue gegenüber dem Souverän, sondern auch Unterstützung der anderen Ordensbrüder verlangten. 839 Aufgrund seines Eides als Ordensmitglied habe er sich nicht gegen seinen Cousin stellen können und wollen und er habe auch die Ordensregeln beachtet, sofern ihn nicht seine Ehre und das Lehnsrecht sowie die Treue, die ihn an seinen Herrn und König binde, gehindert hätten. Tatsächlich soll der König ihn gezwungen haben, ihm gegen den Herzog von Burgund zu dienen, was er andernfalls nicht getan hätte. 840 Aus diesen Gründen, so argumentiert Johann von Burgund, und weil er nicht den Unwillen Karls auf sich ziehen wolle, habe er unter Beratung von Freunden, Verwandten und edlen Personen den Entschluss gefasst, die Ordenskette zurückzusenden. Der Graf erinnerte zudem an den verstorbenen Herzog Philipp und bat darum, dass die Ordensritter sich bei Karl für ihn in Erinnerung an seine enge Verbindung zum Haus Burgund einsetzen mögen. 841 Dieser zweite Brief, den Johann von Nevers an die Ordensritter verfasst hatte, griff mit dem Verweis auf die enge Familienverbindung und seine treuen Dienste für das Haus Burgund ähnliche Argumente auf, wie der Graf sie in seinem Brief an Karl verwendet hatte. Neu hingegen war aber, dass er auf seine Verbindung zum französischen König hinwies. Neben dem rein zeitlichen Aspekt, sprach Johann von Nevers das schwierige Verhältnis der Treue zu seinem obersten Lehnsherrn im Vergleich zum Ordenssouverän an, befand sich der Graf von Nevers doch 1468 als Mitglied des königlichen Rats und Pair von Frankreich auf der Generalständeversammlung Ludwigs XI. in Tours. 842 Dieses Problem wird auch einigen der anderen Ordensmitglieder nicht fremd gewesen sein. 843 Johann wollte damit offenbar an das Verständnis der Ritter appellieren. Die Hoffnung auf Unterstützung wird gegen Ende des Briefes noch einmal sehr deutlich, womit 838 Der Aufenthalt des Grafen in Tours ist auch über den Chronisten Wavrin in der Auswahl Duponts belegt: Wavrin, Chroniques II, S. 366. Zu Problematik der Titulierung Ludwigs XI. durch Karl den Kühnen vgl. Paravicini, ›Mon souverain seigneur‹. 839 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 44. Dieser vierte Paragraph der Ordensregeln verweist dabei darauf, dass sich die Ordensmitglieder auch für ein anderes Mitglied einsetzten sollen, wenn dessen Ehre gefährdet ist. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 198. 840 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 44. 841 Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 44. 842 Zur Bedeutung der Generalständeversammlung und der Rolle des Grafen von Nevers vgl. Bulst, Die französischen Generalstände von 1468 und 1484, S. 32-49 und 97-98. 843 Zur Bedeutung des Lehens und der Bindung zum Lehnsherrn sowie den Veränderungen dieser Phänomene unter Karl dem Kühnen vgl. Caron, La fidélité dans la noblesse bourguignonne à la fin du Moyen Age, S. 103-127. 197 er versuchte, die Ordensritter davon zu überzeugen, dass er grundsätzlich dem Willen des Ordenssouveräns folgen wollen würde, sofern anderweitige Gründe nicht entgegenstehen. Als Beleg führte er hier sein gutes Verhältnis zum verstorbenen Herzog an. Dieser Hinweis wird nicht nur den Zweck gehabt haben, seine eigene Person zu verteidigen. Es ist wahrscheinlich, dass Johann von Burgund damit zugleich an die Zeiten unter Philipp dem Guten erinnern und Beistand im Sinne des alten Herzogs heraufbeschwören wollte. Angesichts der Spannungen, die zuletzt durch die Guerre du Bien Public nicht nur zwischen ihm und Karl, sondern gegenüber dem gesamten Haus Burgund bestanden haben, mag dies nicht unbedingt überzeugt haben. Der Vergleich dieser beiden Briefe zeigt, dass Johann von Burgund sich der Wirkung und der Konsequenzen seiner symbolischen Handlung - der Rücksendung des Colliers - bewusst gewesen ist. Daher versuchte er in beiden Briefen, die Schuld an dieser Zuspitzung der Situation dem Herzog von Burgund zuzuweisen, wohingegen er sich selbst mit verschiedenen Argumenten in ein besseres Licht zu rücken versuchte und auf Unterstützung der Ordensritter hoffte. Durch die Briefe wird zudem nochmals deutlich, dass die Konflikte zwischen Karl dem Kühnen und dem Grafen von Nevers nicht alleine diese beiden Männer betrafen. Auch die Ordensritter, die Mitglieder des Herzogshofes und der französischen König waren in die Ereignisse involviert. Dies zeigt die politischen Dimensionen des Konfliktes auch bei diesem neuerlichen Höhepunkt der Affäre Nevers/ Étampes deutlich auf. Der Graf von Nevers erhielt auf seine Briefe sowohl von Karl dem Kühnen als auch von den Ordensrittern Antwortschreiben, die den auf dem Kapitel vollzogenen Ausschluss des Grafen mitteilten und erläuterten. 844 Der Brief Karls des Kühnen war dabei wesentlich länger als die eher knapp gehaltene Antwort der Ordensritter. Der Ordenssouverän ging in seinem Schreiben auf die wesentlichen Punkte aus dem Brief Johanns ein. Er erwähnte, dass die Güter der Eltern und Verwandten des Grafen von Nevers ebenso wie dessen Heirat auf das Haus Burgund zurückzuführen seien. Zudem machte er deutlich, dass Johann bei ihm persönlich in Ungnade gefallen sei, dass aber die Institution des Ordens vom Goldenen Vlies die Möglichkeit der Entlastung vorsehen würde. 845 Karl unterstellte dem Grafen von Nevers aber, dass dieser mit den Briefen nur habe demonstrieren wollen, grundlos durch den Souverän vorgeladen worden zu sein, um damit die Zurücksendung des Ordenscolliers sinnvoll zu begründen. In diesem Zusammenhang 844 Die Briefe liegen im Archiv des Ordens vom Goldenen Vlies in Wien und gehören zu dem Konvolut, in das auch die Prozesshandschrift eingeordnet werden kann. AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 6 (Türck’sche Sytematik: 2. Partie § 2, 11 C); AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 7r-8v (Türck’sche Sytematik: 2. Partie § 2, 11 C). 845 AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 7r. 198 verwies Karl auf das Ordensgericht, dessen originäre Aufgabe es gewesen sei, Ehrverletzungen der Ordensritter zu beurteilen. Da Johann zur Zeit der Vorladung Ordensritter gewesen sei, hätte er sich nicht schlecht behandelt fühlen können, da es gute Gründe für die Vorladung gegeben habe, nämlich die Fälle von Zauberei und Aberglaube gegen die Sakramente und Regeln der Kirche. 846 Das Bemühen und die Verdienste des Grafen von Nevers um und für das Haus Burgund, die dieser immer wieder in seiner Argumentation bemüht hatte, wurden hingegen durch Karl klein geredet. Auch bei der Rücksendung des Ordenscolliers warf er Johann vor, die Implikation dieser Geste bewusst in Kauf genommen zu haben; eine Vermutung, die sich, wie wir sehen konnten, auch in den Briefen des Grafen widerspiegelte. 847 Karl bestritt auch die Behauptung Johanns, wonach die Vorladung etwas mit seinem Dienst beim französischen König zu tun gehabt habe oder diesem schaden sollte, war doch der König auch Lehnsherr anderer Ordensmitglieder. 848 Mit dieser Bemerkung belegte Karl zugleich, dass er auch über den Inhalt des Briefes Johanns an die Ordensmitglieder informiert gewesen war, hatte der Graf doch diesen Aspekt in seinem Brief an den Herzog nicht explizit erwähnt. In dem Brief der Ordensritter drückte sich die Unterstützung der Mitglieder für ihren Souverän sehr deutlich aus. So zeigten sie sich erstaunt darüber, dass der Graf von Nevers das Collier zurückgesandt habe, ohne die dafür vorgesehenen Regelungen zu beachten. 849 Sie erinnerten an die drei Möglichkeiten, derentwegen ein Ausschluss aus dem Orden vom Goldenen Vlies vorgenommen werden könne, wohingegen ein eigenmächtiges Zurücksenden diesen Regeln nicht entsprochen habe. Ferner sei Johann nicht bereit gewesen, die in § 8 der Ordensstatuten angeführte Schlichtungsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen, zu der er persönlich hätte erscheinen oder einen Bevollmächtigten hätte schicken müssen. Daher, so schlossen die Ordensritter, würden sie sich der Antwort Karls des Kühnen in dessen Brief anschließen. Die beiden Antwortbriefe an Johann von Burgund enthalten sehr deutliche Stellungnahmen zu dessen Vorwürfen einerseits und sein Werben um Verständnis andererseits. Ihm wurde vorgehalten, dass er die Möglichkeiten, die der Vliesorden zur Verteidigung der Ehre vor dem Ordensgericht vorsah, nicht wahrgenommen hatte. Die Anschuldigungen, die Karl gegen den Grafen von Nevers vorbrachte, wurden dabei nicht in Frage gestellt. Der Herzog versuchte zudem, die Verdienste Johanns um das Haus Burgund abzuschwächen, was zugleich die Diskreditierung eines erbberechtigten Verwandten bedeutete, an der Karl wegen der Position des Grafen gelegen sein musste. Die gegenüber den Ordensritten vorgebrachte Problematik verschiedener Lehnsherren wird durch 846 AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 7v. 847 AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 8r. 848 Karl verweist hier auf den Herzog von Orléans und den Grafen von Alençon. AOGV, Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 8r. 849 AOGV Akten, Karton 5 (Dossier: Ausschliessung Nevers), fol. 6. 199 den Herzog selbst widerlegt und mit Gegenbeispielen bedacht. Die großen Bemühungen Johanns, sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, waren - dies zeigen die Antwortschreiben sehr deutlich - durch das Ordenskapitel zunichte gemacht worden. Die Konsequenzen dieser Angelegenheit wurden, wie aus dem Protokollbuch hervorgeht, im Rahmen des Ordenskapitels sichtbar gemacht. Für Freitag, den 6. Mai, ist die Entscheidung über den Ausschluss des Grafen von Nevers protokolliert. Dort wurde noch einmal dargelegt, dass die Briefe des Grafen gelesen und mit den Protokollen überliefert wurden. Der Greffier Steenberch führte aus, dass Johann von Burgund die in den Ordensstatuten niedergelegten Regeln zur Rückgabe der Ordenskette nicht beachtet habe. 850 Dies sei unter den Ordensrittern und dem Ordenssouverän ausführlich debattiert worden mit dem Ergebnis, dass sowohl der Souverän als auch die anwesenden Ritter beschlossen hätten, den Grafen von Nevers aus dem Orden auszuschließen. Der Greffier erwähnte zudem, dass entschieden wurde, die Angelegenheit öffentlich zu machen, indem ein schwarzer Schild anstelle des Wappenschildes des Grafen im Chor der Marienkirche in Brügge aufgehängt würde. Die Beschriftung dieses Schildes wurde zudem vorgetragen: »Der Graf von Nevers, geladen durch die Briefe des höchsten und besten Fürsten und meines angesehenen Herrn, des Herrn Herzog, gesiegelt mit dem Siegel seines Ordens vom Goldenen Vlies, [wurde] in Person vor das gegenwärtige Kapitel zitiert, um hier auf den Fall der Zauberei Antwort zu geben, der seine Ehre berührt, indem er die heiligen Sakramente der Kirche missachtet, ist weder vertreten worden noch ist er erschienen, hat also einen Fehler gemacht. Und um den Prozess zu vermeiden und den Ausschluss, den der Orden gegen ihn erwirkt hat, hat er das Collier zurückgeschickt. Und dafür ist sein Ausschluss aus dem Orden verkündet worden, und er ist nicht zum Opfer aufgerufen worden.« 851 Der Grund für den Ausschluss des Grafen von Nevers wurde also mit der Anwendung von Zauberei und dem Missbrauch der heiligen Sakramente begründet. Durch seine Abwesenheit - dies suggeriert der Text - habe der Graf die Vorwürfe gegen ihn nur bestätigt. 852 Diese Begründungen deckten sich auch mit den 850 § 16 der Statuten in: Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, S. 203-204. 851 Le conte de Nevers adjourné par lettres patentes de treshault et tresexcellent prince et mon tresredoubté seigneur monseigneur le duc, seelles du seel de son ordre de la Thoison d’or, a comparoir en personne ou present chapittre, pour y respondre de son honneur touchant cas de sortilege, en abusant des sains sacramens de l’eglise, ne s’est presenté ne comparu, ainçois a fait deffault. Et pour eschiever le proces et la privacion de l’ordre a faire contre lui a renvoyé le colier. Et pour ce a esté et est declaré hors dudit ordre et non appellé a l’offrande. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 76 mit Reg. 37 auf S. 189 inklusive einer Aufzählung der weiteren Überlieferung. 852 Erwähnt werden soll auch, dass der Ordenssouverän Karl der Kühne laut Protokollbuch zu 200 Ordensregeln, die einen Ausschluss bei Ketzerei und Verirrung im christlichen Glauben, bei Verrat oder bei Feigheit auf dem Schlachtfeld vorsahen. 853 Da die Ordensregeln zudem bestimmten, dass dies nur geschehen dürfe, wenn es sich nicht um Diffamierung handelt, ist davon auszugehen, dass die Ordensbrüder von der Richtigkeit der Vorwürfe gegen Johann überzeugt gewesen waren oder dies zumindest nicht ausgeschlossen haben. Ob die Prozessakten des Processus contra dominum de Stampis aus dem Jahr 1463, die gemeinsam mit den Briefen in einem Dossier überliefert worden sind, zu dieser Gelegenheit noch einmal gezeigt wurden, oder ob man dem Herzog ohnedies glaubte, geht aus den Protokollen nicht hervor. Auch an dieser Stelle sprach Karl der Kühne - im Gegensatz zu den Vorwürfen gegenüber der Familie Croÿ - nicht von einem Majestätsverbrechen. 854 Vielmehr legte der neue Herzog den Schwerpunkt der Anklage auf die blasphemische Seite des Verbrechens; seine eigene Rolle in den Ereignissen wurde hingegen ausgespart. Dies deutet darauf hin, dass die Taten des Grafen von Nevers soweit bekannt gewesen sind, dass es einer neuerlichen Erläuterung nicht bedurfte. Ein letztes Mal wurde auf den Grafen von Nevers eingegangen, als während der Messe in der Marienkirche am Sonntag, dem 8. Mai, die Ordensritter nacheinander zum Opfer aufgerufen wurden. Als die Reihe an vierter Stelle zu dem abwesenden Grafen kam, wurde vom Toison d’Or, wie es zuvor beschlossen worden war, der Schild abgenommen und durch den neuen Schild mit den Anklagepunkten ersetzt. Dabei wurde der Spruch öffentlich verlesen. Durch diesen hoch symbolischen Akt in Wort und Tat wurden auch den übrigen Besuchern der Messe der Ausschluss und seine Gründe bekannt gemacht. Karl der Kühne ließ somit die Vorwürfe gegen Johann von Nevers nicht nur im Ordenskapitel verbreiten, sondern sorgte dafür, dass mit den Teilnehmern an der Messe auch eine breite Öffentlichkeit davon erfuhr. Eine weitere Verbreitung der Vergehen des Grafen von Nevers und der Kunde über dessen Ordensausschluss wird dabei durchaus im Sinne des Souveräns und in dessen Kalkül gewesen sein. Auch dieses Mal nutzte Karl klug den öffentlichen Raum, hier das Ordenskapitel und die Messe. Neben der Tatsache, dass Kirchen generell keine unwichtigen Orte der Öffentlichkeit in der mittelalterlichen Stadt waren, 855 kann man davon ausgehen, dass das Spektakel einer Messe des Ordens vom Goldenen Vlies eine große Anzahl an Gläubigen in die Kirche geführt hatte. Durch das internationale Beginn dieses Tages unter Beratung der Ordensmitglieder beschlossen hatte, die Gerichtsbarkeit des Ordens vom Goldenen Vlies nur noch bei Ehrensachen in Anspruch zu nehmen. Für die Causa Nevers hätte eine zeitige Änderung wohl keine Auswirkungen gehabt, da - wie auf dem Schild ausdrücklich vermerkt wurde - er in einer Angelegenheit vorsprechen sollte, die auch seine Ehre betraf. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 2, hrsg. von Dünnebeil, S. 72-74. 853 Für die entsprechenden Paragraphen in den Ordensstatuten vgl. Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies 1, hrsg. von Dünnebeil, [14], [15] und [16], S. 202-203. 854 Zu der Einordnung der Vorwürfe in des Konzept des Majestätsverbrechens vgl. auch Kap. 4.3. 855 Mersiowsky, Wege zur Öffentlichkeit, S. 21-22; Signori, Sakral oder profan? , S. 121. 201 Umfeld der Stadt Brügge konnte der neue Herzog sicher sein, dass die Nachricht vom Ausschluss des Grafen von Nevers größere Kreise ziehen würde. Weitere Verbreitung fand das Ereignis zudem durch die Chronistik, in der zum Teil auch der Ausschlusstext veröffentlicht wurde. 856 Die Begebenheiten auf dem ersten Ordenskapitel Karls des Kühnen als Souverän zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Herzog wenige Monate nach dem Tod seines Vaters die erste Gelegenheit genutzt hatte, um gegen seine Widersacher, die Mitglieder der Familie Croÿ und den Grafen von Nevers, vorzugehen. Die bei Wavrin angedeutete Versöhnung scheint also schnell wieder hinfällig gewesen zu sein. Die Entscheidung im Fall Étampes, die Karl der Kühne schon 1463 durch den Orden vom Goldenen Vlies hatte herbeiführen wollen, war also nur aufgeschoben worden. 1468 erreichte der Herzog von Burgund von seiner neuen Machtposition aus etwas, das er bereits fünf Jahre vorher angestrebt hatte: den öffentlichen Ausschluss und die Herabwürdigung seines Cousins Johann von Burgund, Graf von Nevers. 856 Chastelain, Œuvres V, S. 377. Zur Verbreitung von Neuigkeiten am burgundischen Hof und insbesondere in der burgundischen Chronistik im Zusammenhang mit dem Ordenskapitel und weiteren Ereignissen vgl. auch Paravicini, Die zwölf »Magnificences« Karls des Kühnen, S. 319-322 und 375-379. 203 6. Handlungs- und Kommunikationsstrategien Der Anschlag des Grafen von Nevers auf Karl von Burgund war nicht das einzige Ereignis dieser Art in den 1460er Jahren. Besonders zu nennen sind hier die bereits angesprochenen Fälle des burgundischen Kammerdieners Jean Coustain (1462) und des Bastards von Rubempré (1464). Zusammen mit den Geschehnissen um den Grafen von Nevers fallen sie in die Zeit sich steigernder Spannungen und Konflikte zwischen dem Haus Burgund und Frankreich einerseits und dem Herzog von Burgund und seinem Sohn andererseits. Die Ereignisse um Jean Coustain und den Bastard von Rubempré waren bereits mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen, 857 wobei zum Teil sowohl diese beiden Fälle als auch der Fall Coustain und der Fall Étampes jeweils in einen Bedeutungszusammenhang gestellt wurden. 858 Zurückzuführen ist dies - wie bereits festgestellt werden konnte - auf die teils vagen Darstellungen in der burgundischen Chronistik im Fall Étampes einerseits und auf die vermuteten Verbindungen der Familie Croÿ mit den Fällen Coustain und Rubempré andererseits. Hinsichtlich der Handlungs- und Kommunikationsstrategien Karls in Zusammenhang mit diesen drei Fällen lassen sich nun aber Unterschiede und Entwicklungen ausmachen. 859 Im Folgenden sollen daher die jeweiligen Umstände der Aufdeckung der Vorfälle sowie die direkten Reaktionen des Grafen von Charolais und seines Vaters dargestellt werden. In einem weiteren Schritt soll unser Augenmerk auf die Kommunikationsstrategien des Grafen von Charolais gerichtet werden, die dieser bei der Verbreitung der Vorfälle angewandt hatte. Da die angesprochenen Ereignisse bereits mehrfach ausführlich in der Literatur behandelt worden sind, sollen für diese Untersuchungen nur kurze Zusammenfassungen erfolgen, die die für die Fragestellung wichtigsten Gesichtspunkte aufgreifen. 857 Vaughan, Philip the Good, S. 344 u. 374-375; Ross, The strange case of Jean Coustain or how »not« to write a thriller, S. 148-152; Mercier, La vauderie d’Arras, S. 366-370; Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 480-486 u. 491; Paravicini, Karl der Kühne, S. 24-25; und für die Affaire Rubempré mehrfach auch Fillastre, Ausgewählte Werke, hrsg. von Prietzel; Prietzel, Rumeurs, honneurs et politique, S. 159-176; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 307-312 u. 480-485; Prietzel, Reden als Waffen der Diplomatie, S. 90. 858 Paravicini, Karl der Kühne, S. 24; zuletzt auch Mercier, La vauderie d’Arras, S. 373. 859 Zum Forschungsfeld von Medien und Kommunikation im Mittelalter vgl. den Aufsatz von Mersiowsky, mit einem ausführlichen Literaturüberblick. Mersiowsky, Wege zur Öffentlichkeit, S. 13-16, und Anm. 3. 204 6.1. (Versuchte) Anschläge auf den Grafen von Charolais Der früheste Fall ist der des herzoglichen Kammerdieners Jean Coustain aus dem Jahre 1462, den die Chronisten Jacques du Clercq und Georges Chastelain ausführlich wiedergeben. 860 Der Protagonist, der von seinem Onkel die Position des Kammerdieners Herzog Philipps erbte, zählte zu den Aufsteigern am Hof des Herzogs und soll von den Croÿ gefördert worden sein. Seine Frau stand zudem in einem engen freundschaftlichen Verhältnis zur Gräfin von Charolais, Isabella von Bourbon. Was wie eine ideale Ausgangsposition auch für eine weitere Beschäftigung unter einem zukünftigen Herzog Karl von Burgund anmutete, endete allerdings mit der Hinrichtung des Kammerdieners. Ausgangspunkt der Affäre Coustain war, so schildern die Chronisten, die erklärte Abneigung des Grafen von Charolais gegen die Freundschaft der Gräfin mit der Ehefrau Coustains, sodass das Paar um seine Zukunft am Hof nach dem Ableben Herzog Philipps fürchtete. Zur Lösung dieses Problems beschloss Jean Coustain, den Erben mit einem über einen längeren Zeitraum wirkenden Gift umzubringen, das er sich von einem Edelmann namens Jean de Vy (bei du Clercq Jean Diny) hatte besorgen lassen. Das Gift soll de Vy aus der Lombardei besorgt haben. 861 Die gewählte Form des Anschlags war eine der am häufigsten angewandten Varianten des Komplottes an Höfen, die gerade in der französischen Geschichte eine lange Tradition hatte. 862 Der Vorteil dieser Waffe, des idealerweise spurlosen Attentats, bei dem man nur vermuten, nicht aber nachweisen konnte, entfaltete allerdings nur im Schutz von Heimlichkeit und Verschwiegenheit seine Wirkung. Für Jean Coustain wurde jedoch die Komplizenschaft mit de Vy problematisch, da der Kammerdiener diesen nach der Auftragserfüllung nicht bezahlen wollte. De Vy wandte sich daher an Peter von Hagenbach, Rat und maître d’hôtel Karls des Kühnen, und an Tristan von Toulongeon. Zum Beweis seiner Geschichte legte er Briefe aus der Hand Jean Coustains vor. Die beiden überzeugten wiederum de Vy, eine schriftliche Aussage niederzulegen, und informierten den Grafen umgehend über die Anschlagspläne auf dessen Leben. Karl beriet sich daraufhin mit einigen Rittern des Ordens vom Goldenen Vlies. Auch der Herzog wurde von seinem Sohn über die schweren Vergehen seines Kammerdieners unterrichtet. Peter von Hagenbach und Tristan de Toulongeon mussten dabei den Ärger des Herzogs über sich ergehen lassen, da sie zunächst den Grafen und nicht dessen Vater informiert hatten. Karls Vorschlag, dem Kammerdiener den Prozess zu machen, ließ der Herzog eine Nacht Wartezeit folgen. Dass Philipp auf diesen Vorschlag nicht umgehend einging, so urteilt Ross, sei in der Sorge des Herzogs begründet gewesen, dass Informanten des französischen Königs an seinem Hof andernfalls 860 Du Clercq, Mémoires III, S. 212-218; Chastelain, Œuvres IV, S. 234-269. Die ausführlichere, dramatischere Version bietet Georges Chastelain. 861 Chastelain, Œuvres IV, S. 239. 862 Kintzinger, Maleficium et veneficium, S. 80-81; übergreifend hierzu Minois, Le couteau et le poison; Collard, Le crime de poison au Moyen Age und Collard, Veneficiis vel maleficiis. 205 den Eindruck bekämen, die Macht würde ihm aus den Händen gleiten. 863 Man kann das bedächtige Vorgehen des Herzogs also als einen Versuch verstehen, die Oberhand über die Ereignisse zu gewinnen. Der Graf von Charolais setzte sich mit seiner Forderung, Jean Coustain einen Prozess zu machen, jedoch durch. Karl selbst begab sich daraufhin mit Anton, dem Bastard von Burgund, Antoine de Croÿ, dem Bischof von Tournai, seinem Beichtvater Enguerrand Signard und anderen nach Rupelmonde, wo der Bischof Jean Coustain streng befragte. Der Graf soll die Angelegenheit beschleunigt haben, da er argwöhnte, der Herzog würde seinem Kammerdiener noch verzeihen. Coustain wurde dort mit dem Edelmann de Vy und mit Briefen aus seiner Hand konfrontiert, die ihn stark belasteten. Durch diese erdrückende Beweislast wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Bevor das Urteil aber ausgeführt wurde, so berichten sowohl du Clercq als auch Chastelain, erbat sich Coustain von Enguerrand Signard ein Gespräch mit Karl von Burgund. Über dessen Inhalt ist nichts weiter bekannt, außer dass es dabei um das Geständnis des herzoglichen Kammerdieners ging. Die Reaktionen des Grafen wurden allerdings sehr bildhaft beschrieben: »Der Graf wechselte, während er den Sünder sprechen hörte, oft die Farbe und machte ununterbrochen das Kreuzzeichen vor sich.« 864 Nach der Beschreibung der Vollstreckung des Urteils erfährt man bei Chastelain, dass der Diener bereits zuvor mehrfach unehrenhaft gehandelt haben soll. 865 Dies kann als Versuch gewertet werden, von dem zuvor nicht schlecht beleumundeten Coustain im Nachhinein ein negatives Charakterbild zu zeichnen. Und ein weiteres Gerücht wird von dem Chronisten kolportiert, das allerdings durch keinerlei Beweise gestützt wird: der von Jean Coustain geplante Anschlag auf das Leben des Herzogssohnes sei auch mit Wohlwollen der Familie Croÿ geplant worden. Während die Affäre um Jean Coustain vor den Ereignissen des Jahres 1463 stattfand, kam es im September des Jahres 1464, im Vorfeld der Guerre du Bien Public, zu einem weiteren, für uns interessanten Vorfall um den Bastard von Rubempré. Auch von diesen Ereignissen wissen wir in der Hauptsache nur durch die Berichte der Chronisten, mit denen sich die Forschung, insbesondere Malte Prietzel, mehrfach auseinandergesetzt hat. 866 In den Chroniken heißt es, dass der Bastard von Rubempré im September 1464 mit einer stark bemannten französischen Barke vor Zeeland aufgetaucht war, nahe Gornichem, dem damaligen Aufenthaltsort des Grafen von Charolais. Bezüglich der Gründe dieser Reise gibt es zwei konkurrierende Darstellungen. Die eine greift die französische Sichtweise auf, die zweite Darstellung geht auf die Deutung der burgundischen Seite, insbesondere des Grafen von Charolais, zurück. In der Version Ludwigs XI. wurde 863 Ross, The strange case of Jean Coustain or how »not« to write a thriller, S. 150. 864 Donc, le comte, en oyant parler le pécheur, mua couleur souvent et fit continuellement le signe de la croix devant luy. Chastelain, Œuvres IV, S. 263. 865 Chastelain, Œuvres IV, S. 267-269. 866 Du Clercq, Mémoires IV, Bd. IV, S. 66-68; Chastelain, Œuvres V, S. 81-85; Commynes, Mémoires I, S. 5-9. Zur Forschung vgl. Anm. 857. 206 der Bastard von Rubempré von ihm in einer wichtigen Mission losgeschickt. Grund für die Reise soll die Entsendung des bretonischen Vizekanzlers Jean de Rouville nach England durch seinen Herrn, den Herzog der Bretagne, gewesen sein. Aus Sorge vor möglichen französisch-burgundischen Allianzen habe dieser um englische Unterstützung ersucht. Der Bastard habe nun den bretonischen Gesandten abfangen und die Ergebnisse der Unterredung herausfinden sollen. 867 Folgt man den Chronisten - und damit der burgundischen Version -, so erfährt man hingegen, dass der Bastard von Rubempré mitnichten versuchte, den bretonischen Vizekanzler auf dem Meer abzupassen, sondern sich vielmehr Richtung Zeeland gewandt hatte. In einem holländischen Hafen habe er das französische Schiff verlassen und dann in Gorinchem begonnen, die Leute in der Umgebung nach dem Tagesablauf und den Aufenthaltsorten Karls des Kühnen zu befragen. Dabei soll er sich insbesondere erkundigt haben, wann der Graf von Charolais sein Schloss verlasse und wann er in kleiner oder großer Begleitung unterwegs sei. Dies habe nun dazu geführt, dass allerlei Gerüchte aufgekommen seien, wonach der Bastard von Rubempré Böses gegen Karl im Schilde geführt habe. Der Graf von Charolais reagierte darauf mit der Festnahme des Bastards von Rubempré. Dieser wurde zunächst verhört; wohl durch den Grafen von Charolais selbst und dessen Vertraute. Die ersten Verhöre förderten unterschiedliche Versionen der Ereignisse zutage, sodass sich die bereits verbreiteten Gerüchte verstärkten. Wegen der divergierenden Aussagen vermutete man, dass der Bastard von Rubempré ausgeschickt worden sei, Karl zu entführen oder zu töten. Als Karl seinem Vater von den Vorfällen berichten ließ, schickte er zur Untermauerung seiner Neuigkeiten die schriftlichen Aussagen des Bastards von Rubempré mit. Der Herzog scheint seinem Sohn und den Gerüchten in der Affäre Rubempré geglaubt zu haben, denn er erlaubte weitere Untersuchungen und die andauernde Festsetzung des Bastards. 868 Die Ereignisse riefen noch weitere Gerüchte hervor. Da der Bastard von Rubempré über seinen Halbbruder, den Seigneur de Rubempré, mit den Croÿ verwandt war, vermutete man auch hier wieder eine Einflussnahme dieser Familie. Insbesondere waren die Gerüchte aber gegen Ludwig XI. gerichtet, in dessen Dienst der Bastard gestanden hatte. Diesbezügliche Vermutungen seien angeblich durch einen Brief des Königs mit belastenden Aussagen belegt worden. 869 Keine der Behauptungen konnte allerdings verifiziert werden. Die Versuche Ludwigs XI., die für ihn höchst brisante Angelegenheit mit dem Herzog von Burgund zu 867 Dubois, Charles le Téméraire, S. 104. 868 Diese Verfahren wurden allerdings nie angestrengt, doch der Bastard von Rubempré blieb bis zum Tode Philipps des Guten in Haft. 869 Bittmann, Ludwig XI. und Karl der Kühne, S. 31; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 308. 207 klären, führten jedoch zu einem, durch Philipp bewusst herbeigeführten Eklat, 870 der die Beziehungen zwischen Frankreich und Burgund weiter verschlechterte. 871 Betrachtet man die beiden geschilderten Fälle zusammen mit dem geplanten Wachsfigurenattentat auf Karl durch den Grafen von Nevers, so kann man feststellen, dass Karl in den 1460er Jahren mehrere Male das Ziel von Anschlägen oder vermuteten Anschlagsversuchen gewesen ist. Es zeigt sich, dass der Graf von Charolais, einmal informiert über Gerüchte oder Anschlagsversuche, sofort versuchte, die Kontrolle und so auch die Deutungshoheit über diese Fälle zu erlangen. Bernhard Sterchi hat diese Taktik Karls bereits ausführlich in seiner Studie »Über den Umgang mit Lob und Tadel« für die Kampagne des Grafen gegen die Croÿ beschrieben. 872 So soll Karl das ohnehin kursierende Gerede über den wundersamen Einfluss der Croÿ genutzt und verstärkt haben, indem er Gerüchte schürte, wonach der Herzog plane, dem französischen König und einem Mitglied der Croÿ während des geplanten Kreuzzuges die Verantwortung über Teile seiner Länder zu überlassen. Zwar ist nicht überliefert, wo diese Nachricht entstanden ist und ob sie eine reale Grundlage hatte. Karl jedoch nutzte sie, um dem Hof den gefährlichen Einfluss der Croÿ deutlich zu machen. 873 Die Beobachtung, dass Karl versuchte, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, lässt sich auch auf die drei vorgestellten Affären übertragen. Die Handlungs- und Kommunikationsstrategien des Grafen von Charolais und des Herzogs von Burgund sollen im Folgenden mit Bezug auf den Fall Jean Coustain, auf den Fall des Grafen von Nevers und den des Bastards von Rubempré diskutiert werden. Zunächst können für die drei Fälle gewisse Ähnlichkeiten in der Vorgehensweise Karls ausgemacht werden. Der Graf erfuhr von den Anschuldigungen gegen Jean Coustain durch zwei seiner Vertrauten, an die das Geheimnis herangetragen worden war. Im Fall Étampes gab es Gerüchte um die magischen Praktiken des Grafen und seiner Helfer. Diese Gerüchte können einerseits durch Gerede der zahlreichen beteiligten Personen ausgelöst, andererseits auch erst durch die Befragungen seitens des Brüsseler Schöffengerichtes zutage getreten sein. 874 Zumindest aber bestand auch hier ein Anfangsverdacht. Beim Fall Rubempré waren es die Aktionen des Bastards in Zeeland selbst und die daraus resultierenden Gerüchte, die die Reaktionen Karls in Gang setzten. Karl begegnete diesen Vermutungen, indem er die jeweils verdächtige Person festsetzen ließ. Jean Coustain wurde festgenommen und erst in Brüssel, dann auf Schloss Rupelmonde festgehalten. Im Falle Nevers war der ursprüngliche Verdächtige nicht der Neffe des Herzogs, sondern einer seiner Diener, Jean de 870 Über dessen Motivation es nur Vermutungen gibt. Chastelain, Œuvres V, S. 105-106. 871 Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 308-312. Zu den diplomatischen Verstrickungen folgen weiterführende Informationen später in diesem Kapitel. 872 Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 471-526. 873 Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 477-478. 874 Zu den in diesem Fall umhergehenden Gerüchten vgl. Kap. 2.3.1. 208 Bruyère. Auch dieser wurde im Vorfeld der Untersuchungen durch den Grafen nahe stehenden Personen befragt, die wiederum Karl informierten. Diese Informationen waren der Grund dafür, dass Karl veranlasste, dass der Graf von Nevers ihm dessen Bediensteten Jean de Bruyère zur Befragung und Inhaftierung nach Le Quesnoy überstellte. Im Fall Rubempré befahl Karl aufgrund der Gerüchte, den Bastard gefangen zu setzen. In allen drei Fällen wurden die festgesetzten Personen durch Vertraute aus dem Umfeld des Grafen verhört. Bei Jean Coustain war zwar mit Antoine de Croÿ auch ein Vertrauter des Vaters anwesend, doch war der Beichtvater Karls, Enguerrand Signard, maßgeblich an den Befragungen, beteiligt. Dieser war auch Vorsitzender der Kommission, die Jean de Bruyère im Falle Étampes befragte. 875 Über die befragenden Personen im Fall Rubempré gibt es zwar keine genaueren Auskünfte, da aber der Graf von Charolais diesen gefangen nehmen ließ, ist es unwahrscheinlich, dass er die ersten Befragungen nicht an ihm vertraute Personen delegiert hatte. Der Inhalt des Verhörs blieb geheim, sodass nur Karl und seine Vertrauten um die Aussagen des Bastards wussten. Die Darstellungen der Chronisten weichen allerdings hinsichtlich der Geheimhaltung der Verhörinhalte ab. Nach Chastelain habe der Bastard von Rubempré dies gewünscht, gemäß du Clercq soll hingegen Karl die Einzelheiten verschwiegen haben. 876 Die Gerüchte über diese Ereignisse verbreiteten sich aber dennoch rasch. Karl, dies wird deutlich, reagierte in allen Fällen sofort auf die ihm zugetragenen Informationen und sicherte sich dadurch einen entscheidenden Wissensvorsprung. Es lag somit auch in seiner Hand, diese Informationen seinem Vater, dem Herzog von Burgund, zu übermitteln. Dieser war dadurch in allen drei Fällen in der Situation, nur noch auf die Ereignisse reagieren zu können. Im Fall Coustain informierte Karl Philipp den Guten noch frühzeitig. Nach der Festsetzung Jean Coustains, bei der er bereits über die Aussagen Jean de Vys und die Briefe verfügte, teilte Karl seinem Vater vergleichsweise früh Details mit, noch bevor die eigentlichen Befragungen angestrengt wurden, die mit dem Todesurteil für den Kammerdiener endeten. Beim Fall Étampes wurde der Herzog erst deutlich später, nämlich nach Beendigung des Verfahrens und der langwierigen Befragungen Jean de Bruyères, informiert. Es scheint, dass der Graf von Charolais hier zunächst erst alle Beweise sichern wollte, bevor er den Herzog mit dem Ergebnis der Befragungen konfrontierte. Wie uns bekannt ist, ließ er Kopien der Zeugenaussagen aus Brüssel anfertigen und einige der Zeugen in Le Quesnoy erneut befragen sowie dem Verdächtigen Jean de Bruyère gegenüberstellen. Die Abschriften der Prozessprotokolle, der Zeugenaussagen und der erwähnten belastenden Briefe wurden dem Greffier des Ordens vom Goldenen Vlies zugesandt. Erst in diesem Zusammenhang zog Karl seinen Vater ins Vertrauen. 877 Die Re- 875 Vgl. auch Kap. 2.3.2. 876 Chastelain, Œuvres V, S. 82-83; Du Clercq, Mémoires IV, S. 66-67. 877 Zumindest sind dies die Informationen, die man aus den Prozessakten entnehmen kann. Philipp der Gute wird am Ende der Befragungen Jean de Bruyères über das Ergebnis in Kenntnis 209 aktionen und Folgen - das Hinzuziehen Papst Pius’ II. und Ludwigs XI. - sind hierzu bereits beschrieben worden. Auch bei der Affäre Rubempré sprach Karl mit Herzog Philipp erst nach dem Festsetzen und einem ersten Verhör des Bastards, woraufhin er die Erlaubnis erhielt, den Bastard weiter befragen zu lassen. Dies sollte aber vor einem ordentlichen Gericht geschehen. 878 Am Ende all dieser Prozesse und Untersuchungen lagen dem Grafen von Charolais Zeugenaussagen von den Hauptverdächtigen oder von beteiligten Personen vor, und in allen drei Fällen soll es zudem Briefe gegeben haben: im Fall Coustain dessen Briefe an den Komplizen de Vy, im Fall Étampes diejenigen Briefe, die zwischen Jean de Bruyère und dem Apotheker Franck gewechselt wurden. Und auch in der Affäre Rubempré wurde am Hofe Ludwigs XI. von einem belastenden Brief gesprochen, der in die Hände des Grafen von Charolais gelangt sein soll, aber nicht überliefert ist. 879 6.2. Die Reaktionen Herzog Philipps des Guten Der Herzog befand sich zum Zeitpunkt der Informationsübermittlung in allen drei Fällen in einer Situation, in der er auf die Handlungen seines Sohnes lediglich reagieren konnte. Die herzoglichen Positionen fielen dabei sehr unterschiedlich aus. Über Chastelain erhalten wir einige Hinweise auf Philipps Reaktion im Fall Coustain. So deutet sich an, dass Karl um eine schnelle Abwicklung des Verfahrens bemüht und darauf bedacht war, sich die Handlungshoheit über die Ereignisse zu bewahren. Ein Vorgehen, das nicht den ungeteilten Beifall seines Vaters fand; erfahren wir doch durch den Chronisten, dass Peter von Hagenbach und Tristan de Toulongeon den Zorn des Herzogs über sich ergehen lassen mussten, da sie diesen nicht zuerst über die Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt hatten. 880 Zudem zeigte sich Philipp gegenüber den Informationen seines Sohnes zunächst ausgesprochen skeptisch und verlangte Beweise als Gegenleistung für eine Unterstützung, die dann in Form der erwähnten Briefe und Aussagen erbracht werden konnten. 881 Aber auch das Bedauern des Herzogs über den Verlust seines Kammerdieners kommt bei Chastelain zum Ausdruck. Dies ist umso verständlicher, als Coustain als Kammerdiener durch seine Arbeit im innersten Kreis des burgundischen Hof tätig war und also beim Herzog hohes Vertrauen genossen haben muss. Man kann daher fragen, ob Karl fürchtete, dass sein Vater gesetzt. Ob er bereits vorher über die Befragungen informiert gewesen ist, lässt sich nicht nachvollziehen. 878 Prietzel, Rumeurs, honneurs et politique, S. 166. 879 Vgl. Anm. 869. 880 Chastelain, Œuvres IV, S. 255-257. 881 Chastelain, Œuvres IV, S. 252-254. 210 zu mild mit Jean Coustain umgegangen wäre, hätte dieser mehr Zeit und Einfluss gehabt. Oder wollte er lediglich selbst Herr über das Verfahren bleiben? Beim Fall Étampes ist bereits deutlich geworden, dass der Herzog aktiv gegen eine weitere Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse vorging. Man kann davon ausgehen, dass sich Philipp der Gute, dem es als Ordenssouverän einzig möglich war, ein Kapitel einzuberufen, gegen den Wunsch seines Sohnes stellte, eine Versammlung der Vliesordensritter einzuberufen. Auch die Beeinflussung der Kurie scheint vom burgundischen Hof ausgegangen zu sein. Ob es im Zuge der Wachsfigurenaffäre auch Kontakte des Herzogs nach Frankreich gab, ist nicht nachgewiesen. Die Bemühungen Philipps des Guten zeugen jedoch davon, dass er gewillt war, seinen Neffen, den Grafen von Nevers, vor Konsequenzen zu schützen, und dies trotz der zahlreichen Beweise, die Karl gesammelt hatte. Der Graf von Nevers hätte zumindest mit dem Ausschluss aus dem Orden vom Goldenen Vlies rechnen müssen; von Seiten der Kurie sogar möglicherweise mit schlimmeren Konsequenzen. Das Verhalten Philipps kann man nur auf das eingangs beschriebene enge Verhältnis Johanns von Burgund zu seinem Herzog und Onkel zurückführen. Johann gehörte nach Karl zu den nächsten Verwandten des alten Herzogs und hatte lange Zeit in der Gunst Philipps gestanden, zwei Umstände, auf die der Graf von Nevers auch in seinen Schreiben an Karl den Kühnen und die Ordensbrüder immer wieder eingegangen ist. Die starken familiären Bande scheinen in diesem Falle eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt zu haben. Wie bereits gezeigt wurde, kühlte das Verhältnis Philipps zu Johann zwar im Verlauf von dessen Engagement am französischen Hof merklich ab, 882 aber direkt nach dem Bekanntwerden der Ereignisse und sogar bis zum Tode Philipps des Guten wurde von offizieller Seite nicht über die Zaubereivorwürfe gesprochen. In dieses Bild passen die beschriebenen Bemerkungen der Chronisten, wonach die Sache geheim gehalten würde. Öffentlich erwähnt wurde sie erst wieder auf dem Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies 1468 beim Ausschluss des Grafen von Nevers. Anders sah es beim Fall des Bastards von Rubempré aus. Der Herzog von Burgund wurde auch hier von seinem Sohn über die Ereignisse und die Aussagen des Bastards informiert. Zudem waren zu diesem Zeitpunkt schon diverse Gerüchte über die bösen Absichten des Verdächtigen in Umlauf, die dem Herzog zu Ohren gekommen waren. Erinnert sei an dieser Stelle, dass sich die französischburgundischen Konflikte im Verlauf der Jahre 1463/ 64 verschärft hatten. Nach der von französischer Seite aus erfolgreich betriebenen Rückgewinnung der Somme-Städte war Ludwig XI. nicht bereit, den geplanten Kreuzzug Philipps, ein Herzensthema des Herzogs von Burgund, zu unterstützen. Auch neue Konflikte in den französisch-englischen Beziehungen und die sich langsam formierende Bewegung französischer Fürsten gegen ihren König deuteten auf eine mögliche Eskalation der Konflikte hin. Die Vorwürfe gegen den Bastard von Rubempré 882 Vgl. Kap. 4.5.2. 211 kamen für Ludwig XI. also zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt, insbesondere da der Herzog von Burgund im Fall Rubempré seinem Sohn von Beginn an Glauben schenkte. Die vorangegangenen Fälle des Jean Coustain und des Grafen von Nevers und die andauernden Verdächtigungen gegenüber der Familie Croÿ mögen das Ihrige dazu beigetragen haben, die Vorwürfe Karls gegenüber dem Bastard für seinen Vater Philipp glaubhaft erscheinen zu lassen, wobei nicht ausgeschlossen werden soll, dass die Reaktion Philipps auch der geänderten politischen Situation geschuldet gewesen sein könnte. Der Konflikt mit Frankreich verschärfte sich noch einmal mit der Düpierung des französischen Königs durch Philipp den Guten, als Ludwig XI. einen Besuch in Hesdin zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn im Fall Rubempré ankündigte, Philipp sich diesem Besuch des Königs aber entzog. 883 Dies wiederum führte zu sehr scharfen Reaktionen Ludwigs, der die Vorwürfe weiter bestritt und seinerseits den Grafen von Charolais des Hochverrats bezichtigte. Das Auftreten einer französischen Gesandtschaft am burgundischen Hof, die bewusst das diplomatische Protokoll brach, führte beinahe zu einer Eskalation der Situation. 884 Den Ausbruch kriegerischer Aktivitäten wollte der Herzog aber offenbar dennoch verhindern, indem er eine Delegation von Männern, angeführt von dem herzoglichen Rat Guillaume Fillastre, zum König schickte. In einer Rede vor Ludwig XI. strich dieser das Verhalten Karls als vorbildlich heraus, indem er darstellte, dass der Sohn mit Rücksprache des Herzogs gehandelt und dieser so einen Einfluss auf das Verfahren gehabt habe. Um dem französischen Hof keine Angriffsfläche zu bieten, habe Philipp der Gute auch versucht, so wenig Details wie eben möglich über die Ergebnisse der Affäre zu veröffentlichen. 885 Die Lage zwischen Frankreich und Burgund blieb aber dennoch sehr angespannt; die Konflikte entluden sich etwas später in der Guerre du Bien Public. Der Herzog zeigte bei diesem letzten Fall also wesentlich mehr Verständnis gegenüber den Ansinnen seines Sohnes als in den Fällen Coustain und Nevers. Die in ihrem Konfliktpotential derart verdichteten Ereignisse führten nicht nur zu der erwähnten Annäherung zwischen Philipp und Karl, sie bereiteten dem Grafen von Charolais auch den Boden für die Entmachtung der Croÿ im März 1465. 886 883 Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 308-310. Zum aggressiven Wortlaut der Rede des königlichen Gesandten Morvillier vgl. Prietzel, Reden als Waffen der Diplomatie, S. 90-91. 884 Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 309. 885 Prietzel, Rumeurs, honneurs et politique, S. 163-165; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473), S. 310-312. Die Überlieferung der Rede findet sich unter Fillastre, Ausgewählte Werke, hrsg. von Prietzel, C4 886 Paravicini, Karl der Kühne, S. 24-26; Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 488- 493. 212 6.3. Burgundische Handlungs- und Kommunikationsstrategien bei Anschlägen in den 1460er Jahren Anhand dieser drei versuchten oder vermuteten Anschläge auf den Grafen von Charolais kann man beim Umgang des Geschädigten mit den Informationen eine gewisse Progression erkennen. Waren die Informationen, die er seinem Vater im Falle Coustain zukommen ließ, noch in einem frühen, nicht vollständig abgesicherten Status, so sammelte er im Falle Étampes zunächst eine stattliche Anzahl von Beweisen und sicherte sich mit ersten Untersuchungen gegen einen der Hauptverdächtigen ab. Zwar beriet er sich auch im Fall Coustain mit einigen Vliesordensrittern, doch mit der versuchten Einberufung des Ritterordens nach dem Ende des Prozesses gegen Jean de Bruyère und der Informationsübermittlung an den Herzog und den französischen König versuchte er offenbar, die Verbreitung der Ergebnisse zu steuern. Im Fall Rubempré änderte sich die Strategie Karls dahingehend, dass nicht alle Informationen herausgegeben wurden und der Bastard ohne weitere Konsequenzen in Haft verblieb. Zudem half es ihm, das aufkommende Gerede zu befeuern, um die stärksten Mitglieder der französischen Partei am Hof des Vaters, die Familie Croÿ, zu entmachten und Philipps Rückendeckung für die Ligue du Bien Public zu erhalten. Die Absicht des Grafen, die Informationen einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurde allerdings durch das oft zögerliche Verhalten des Herzogs im Umgang mit den drei Anschlagsversuchen konterkariert. Um sein Vorhaben dennoch durchzusetzen, nutzte Karl daher die Wirksamkeit der umgehenden Gerüchte. Diese Strategie lässt sich aus der Darstellung der drei Ereignisse in der burgundischen Chronistik ableiten. Bei denjenigen Chronisten, die über die Affären berichten, kann man feststellen, dass sie immer wieder auf das sich über die Fälle ausbreitende Gerede eingingen. 887 Dabei lassen sich verschiedene öffentliche Räume ausmachen, in denen die Gerüchte zirkulierten und die Karl offenbar gleichsam für sich nutzbar machte. So verwendete Chastelain beim Fall Jean Coustain Ausdrücke wie »und so, dass irgendwelche darüber murmelten« 888 oder beschreibt, dass »Brüssel zu dieser Zeit voll der Gerüchte« 889 gewesen sei, »und es machten noble Leute und andere nichts als gemeinsam zu flüstern.« Das erste Zitat bildet ein eher allgemeines Gerede ab. Wer das Ge- 887 Zur Verbreitung von Gesprächen und Hörensagen im spätmittelalterlichen Frankreich und Burgund siehe Seggern, Herrschermedien im Mittelalter, S. 44-48. Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Autorin die Einschätzung Seggerns über den Begriff des Gerüchtes nicht teilt. Er verweist auf die heutige Verwendungsweise dieses Begriffes als Falschaussage. Eine rein pejorative Verwendung des Begriffes kann allerdings nicht nachgewiesen werden, weshalb die Verwendung des Begriffes Gerücht in dieser Arbeit als unproblematisch angesehen wird. 888 et tellement que aucuns en murmuroient. Chastelain, Œuvres IV, S. 239. 889 Bruxelles à ceste heure estoit pleine de murmure; et ne faisoitent nobles gens et autres que suceller ensemble. Chastelain, Œuvres IV, S. 260. 213 rücht verbreitet, wird nicht klar. Der Chronist kann damit den Kreis der Hofgesellschaft meinen, es ist aber auch denkbar, dass das Gerücht weitere Kreise zog. Beim zweiten Zitat wird allerdings deutlich, dass der Unruheherd in der Stadt lag und das Gerede auch an Standesgrenzen nicht haltmachte. Sowohl die Adelsgesellschaft als auch die einfachen Leute sprachen über die Anschuldigungen gegen Coustain. Zudem belegt der ausführliche Bericht Chastelains, dass es die Ereignisse in die burgundische Hofchronistik geschafft hatten. Es ist also davon auszugehen, dass sie Gegenstand des öffentlichen Diskurses gewesen sind. 890 Chastelain greift auch in anderen Zusammenhängen auf Gerüchte zurück. Er verwendet dabei oft Ausdrücke wie »verschiedenes Geraune« oder »es ging ein öffentliches Gerücht herum.« 891 Bei diesen Aussagen scheint sich der Chronist wiederum auf eine nicht näher definierte Allgemeinheit zu beziehen. Wie die Gerüchte bei der Affäre Coustain bereits deutlich machten, differenziert Chastelain durchaus die unterschiedlichen Milieus, in denen die Gerüchte kursierten, etwa wenn er erwähnt, dass Gerüchte in Brüssel umhergingen oder - in einem anderen Zusammenhang - dass das Gerede zwischen Leuten des Herzogs kursierte. 892 Die Prozessakten belegen einen weiteren Fall von städtischem Gerede, denn Jean de Bruyère erwähnte, dass er - bevor er selbst vernommen wurde - gehört habe, dass sein Bekannter, Meister Gilles, festgenommen worden sei. Dies schien ihn so sehr beunruhigt zu haben, dass er Charles de Noyers davon unterrichtete. 893 An diesem Beispiel kann man gut erkennen, wie rasch sich neue Ereignisse oder Gerüchte innerhalb eines bestehenden Netzwerkes verbreiteten. Diese Beobachtung wird auch durch neuere Forschungen zu urbanen Netzwerken in der mittelalterlichen Stadt gestützt, die deutlich zeigen, dass die Städte der Niederen Lande den entsprechenden Raum für die Ansammlung größerer Menschenmengen boten. So wurde durch Festivitäten, Pilgerkontakte und auch durch die vermehrte Schriftlichkeit in den Städten und im Austausch mit anderen Orten der Transport und Austausch von Neuigkeiten sowohl erleichtert als auch vielfach intendiert. 894 Die sprachliche Heterogenität in den burgundischen Landen scheint dabei kein größeres Hindernis gewesen zu sein; eine Beobachtung, die auch durch das Aktenmaterial des Processus contra dominum de Stampis belegt werden kann. Auch der Fall des Bastards von Rubempré weist einen zweifachen Bezug zu Gerüchten auf. Zum einen haben die Chronisten bei ihren Berichten über die Ereignisse auf Gerede zurückgegriffen. Zum anderen waren es eben die umlaufenden öffentlichen (publiquement) Gerüchte, die den Grafen von Charolais auf die Aktivitäten des Bastards aufmerksam gemacht und letztendlich zu seiner Ver- 890 Paravicini, Die zwölf «Magnificences» Karls des Kühnen, S. 320-322. 891 Comment plusieurs murmurations se firent. Chastelain, Œuvres IV, S. 347; Car couroit voix toute commune. Chastelain, Œuvres IV, S. 410. 892 Chastelain, Œuvres IV, S. 410. 893 Vgl. auch Kap 2.3.1. 894 Vgl. hierzu Stein, An urban network in the medieval low countries, S. 48-61. 214 haftung geführt hatten. 895 Aber die Chronisten beschreiben auch die Grenzen dieses Kommunikationsmittels, wenn beispielsweise angeführt wird, »dass man über die Aussage des Bastards nichts mit Sicherheit sagen konnte, weil der Graf nicht wollte, dass man es wisse.« 896 Im Zusammenhang mit der Festnahme des Bastards von Rubempré sollen sich auch »unendliche Gerüchte und volkstümliches Rumoren« 897 verbreitet haben. Die Chronisten bildeten so mit der Erwähnung dieser Gerüchte unterschiedliche Versionen von Öffentlichkeit ab, die sich entweder in klar abgrenzbaren Milieus, wie dem des Hofes oder einer Stadt, abspielte; oder aber das Gerücht schien so allgemein bekannt zu sein, dass sein Auftreten nicht mehr als auf bestimmte Örtlichkeiten begrenzt beschrieben wurde. Diese Thematik einer mittelalterlichen Öffentlichkeit rührt an eines der am meisten diskutierten Konzepte in zumindest der deutschen Geschichtswissenschaft. 898 Nachdem zunächst vor allem »öffentlich« und »privat« als Gegensatzpaar diskutiert wurden, spielen heute - und so auch für diese Arbeit - vor allem politische Öffentlichkeiten, Teilöffentlichkeiten und klandestine Räume eine wichtige Rolle. 899 Die Chroniken kennen jedoch keinen zeitgenössischen Ausdruck für den Begriff »Öffentlichkeit« oder ein Wort für das Gegenteilige, das Verheimlichen. Es werden vielmehr Umschreibungen gewählt, die allerdings den Sachverhalt, nämlich dass eine größere Anzahl an Menschen von bestimmten Ereignissen oder Bruchstücken davon erfahren hat, klar benennen. Dass es eine »öffentliche Meinung« gab, die durchaus ernst genommen wurde, wie die Kommunikationsstrategien einflussreicher Personen zeigen, ist unbestritten. Im Vordergrund der Bemühungen stand dabei in der Regel das Bewahren der eigenen Ehre, Tugend und fama oder das Schädigen der Ehre bei anderen Personen. 900 Die Darstellung des öffentlichen Geredes in der Chronistik bildet - um mit Klaus Oschema zu sprechen - die Meinungen der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten in der Funktion eines »Resonanzkörpers« für die Anerkennung einer Person ab. 901 895 Chastelain, Œuvres V, S. 82; Du Clercq, Mémoires IV, S. 67. 896 de laquelle confession on ne peult rien sçavoir au vray, car le comte ne volt pas que on le sceust. Du Clercq, Mémoires IV, S. 66. 897 infinies murmures et rumeurs populaires. Chastelain, Œuvres V, S. 82. 898 Erste begriffsgeschichtliche Untersuchungen und diskursgeschichtliche Einordnungen bei Moos, »Öffentlichkeit« und »privat« im Mittelalter, hier insbes. S. 38-40 für die romanischfranzösische Begriffsentwicklung; Willoweit, Zum Begriff des Öffentlichen im späten Mittelalter, S. 335-340; Mersiowsky, Wege der Öffentlichkeit, S. 14 und Anm. 16; Kamp, Philippe de Commynes und der Umgang mit der Öffentlichkeit in der Politik seiner Zeit; die sich an Habermas entzündeten Diskussionen und einen Forschungsüberblick bietet Oschema, Die Öffentlichkeit des Politischen, S. 41-86. 899 Dazu zuletzt der Sammelband Kintzinger und Schneidmüller (Hrsg.) Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter mit zahlreichen einschlägigen Artikeln. 900 Melville und von Moos, Vorbemerkungen, S. XIII-XIV. 901 Oschema, Die Öffentlichkeit des Politischen, S. 61. Zur Problematisierung des Öffentlichen in der Chronik von Philippe de Commynes vgl. auch Kamp, Philippe de Commynes und der Umgang mit der Öffentlichkeit in der Politik seiner Zeit. 215 Gerade bei den Kommunikationsstrategien Karls des Kühnen kann man beobachten, dass die jeweilige Öffentlichkeit oft zweckgebunden war und als okkasionelle Öffentlichkeit erst geschaffen werden musste bzw. konnte. 902 Dies zeigt sich auch bei den Briefen des Grafen von Charolais und des Grafen von Étampes im März 1465, also in der Phase direkt vor der Guerre du Bien Public. Die Briefe, die Karl am 12. und am 25. März an die Herrschaftsträger der Niederen Lande geschrieben hatte, und der Brief des Grafen von Nevers am 16. März an die Somme-Städte weisen zwar eindeutige Adressaten auf, 903 dennoch muss hier eine erweiterte Öffentlichkeit mitgedacht werden, betraf die Korrespondenz doch eindeutig auch das Verhalten des jeweils anderen Grafen, nahmen die Briefe also mithin eine kommunikative Doppelfunktion ein. Da die Briefe sowohl durch die Chronisten, z.B. bei du Clercq, überliefert 904 als auch in einigen Städten öffentlich verlesen wurden, 905 ist zudem anzunehmen, dass das Wissen um die Inhalte sogar einen noch größeren Personenkreis erreichte. Die in diesem Falle offenbar bewusste Inszenierung von politischer Öffentlichkeit, die der Graf von Charolais und der Graf von Nevers mit ihrer Korrespondenz intendiert zu haben scheinen, sollte zwar einerseits die Solidarität der Adressaten mit den jeweiligen Autoren hervorrufen, sie zielte dabei aber auch auf den jeweils anderen Herrschaftsträger ab. 906 Hinsichtlich der umlaufenden Gerüchte muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass die Chronisten bei der Beschreibung der rumeurs dem Leser lediglich gefilterte Informationen zukommen ließen, die sie ihren jeweiligen Vorstellungen über ein Ereignis oder eine Person angepasst haben werden. Der Verweis auf Gerüchte muss dabei als eines von mehreren Stilmitteln angesehen werden, mit dem die Autoren ihrer Meinung und ihren Ansichten Ausdruck verleihen wollten. 907 Gerede, das nicht mit der Vorstellung des Chronisten kompatibel war, wurde sicherlich nicht mit in die Darstellung aufgenommen. Dass die Gerüchte den betroffenen Personen erheblichen Schaden zufügen konnten, zeigt sich in allen drei beschriebenen Fällen deutlich. Die Größe des Personenkreises war dabei nicht unbedingt entscheidend, denn jede das Gerücht hörende Person konnte als Multiplikator der Nachricht dienen. 908 Auf dieses 902 Mersiowsky, Wege zur Öffentlichkeit, S. 33. 903 Vgl. hierzu Kap. 4.2.2.3. 904 Vgl. Du Clercq, Mémoires IV, S. 99-108. 905 Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433 - 1477), hrsg. von Dünnebeil, Kruse u. Paravicini, S. 113; Seggern, Herrschermedien im Mittelalter, S. 48-52. 906 Zur Doppelfunktion von öffentlicher Kommunikation vgl. Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 420. 907 Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 419. 908 Ein Zitat des Chronisten Commynes beschriebt diesen Mechanismus sehr deutlich: les serviteurs ne se peuent tenir de parler des choses passées […] Les premiers jours qu’ilz sont departiz, tous ces bons comptes se disent en l’oreille et bas; et après, par accoustumance, s’en parle en disant et en souppant; et puis est rapporté des deux costéz, car peu de choses y a secrettes en ce monde, par especial de celles qui sont dictes. Commynes, Mémoires I, S. 141, zitiert nach Kamp, Philippe de Commynes und der Umgang mit der Öffentlichkeit in der Politik seiner Zeit, S. 704. Zur Erforschung der 216 Verhalten scheint auch Karl gesetzt zu haben, wenn er sich selbst des Geredes bediente. Für seine Strategie war dabei unerheblich, ob der Inhalt der Wahrheit entsprach; entscheidend war der beabsichtigte Effekt. Der Graf von Charolais verwendete bekannte Gerüchte in seinem Sinne beispielsweise während der Rede vor den Ständevertretern 1464, als er von den Freveln und Missetaten berichtet, die der Seigneur de Croÿ und seine Verbündeten gemacht haben sollen. 909 Er griff damit Anschuldigungen auf, die er bereits einige Jahre zuvor vor dem Herzog und dem Seigneur de Croÿ erhoben hatte und die die Ehre des Seigneur de Croÿ betrafen. 910 Unklar ist, ob die öffentliche Anklage des Grafen den initialen Verdacht gegen die Croÿ begründete oder ob die Gerüchte aufgrund der einflussreichen Stellung der Croÿ bereits vorher aufgetreten waren. Bis zur Rede Karls vor den Vertretern der Generalstände 1464 scheinen die Worte, mit denen der Graf von seinen Widersachern sprach, aber qualitativ an Schärfe gewonnen zu haben; zumindest legt der Wortlaut, den die Chronisten kolportieren, dies nahe. Verändert hatte sich zudem der quantitative Umfang der Beschuldigungen. Während der Herzog den ersten Vorstoß seines Sohnes und dessen Vertrauten 1457 rasch beendet hatte, nutzte der Graf von Charolais sein Treffen mit den Ständevertretern 1464, um die Verfehlungen der Croÿ konkret zu benennen. 911 Er wies aber auch auf die Vorfälle um seinen Cousin Johann hin; nur dies ohne dessen Namen zu nennen. Geht man von einem Interesse Philipps des Guten aus, seinen Neffen Johann von Burgund zu schützen und ihn keinem Prozess auszusetzen, so ist anzunehmen, dass man sich auf Wunsch des Herzogs auf eine offizielle Sprachregelung geeinigt hatte, die die Täterschaft des Grafen verschwieg. Karl hielt sich zwar an den Kern dieser Vorgehensweise, durch die neuerliche Erwähnung der Wachsfigurenaffäre inklusive einiger Details und dem Verweis auf das Mitwirken von Bediensteten des Grafen von Nevers wurden aber zugleich die bereits bekannten Geschichten über den Fall wieder aufgefrischt. Diese zurückhaltende Informationspolitik deutete sich bereits bei den direkten Berichten der Chronisten Jean de Wavrin und Jacques du Clercq über diese Episode an. Wavrin bildet die Gerüchte um die Zusammenhänge zwischen dem Grafen von Nevers, dessen Wechsel an die Seite des Königs und den Wachsfiguren ab, indem er beschreibt, wie sich der Graf von Nevers vom Haus Burgund entfernte und dem König zuwandte und dass sich im Zuge dessen Gerüchte um die Wachsfiguren ausbreiteten. 912 Bei dem Bericht du Clercqs findet man eine Abschwächung, indem er in die Erklärung, dass der Graf in Ungnade gefallen sei, noch einbaut, dass man den wahren Grund nicht genau wisse, aber auch er greift die Gerüchte um die Wachsfiguren auf. 913 Und auch bei der Ersterwähnung des Falles deutet »rumeurs« siehe auch Gauvard, Introduction, S. 13 und Anm. 7. 909 Du Clercq, Mémoires IV, S. 29. 910 Du Clercq, Mémoires III, S. 91. 911 Du Clercq, Mémoires IV, S. 29-31. Vgl. Kap. 5.2.2.1. 912 Wavrin, Recueil V, S. 417. 913 Du Clercq, Mémoires IV, S. 237. 217 du Clercq eine Verschleierung der Ereignisse bereits an, denn »man sagt, dass sie wundersame und schlimme Dinge gestanden haben, welche so geheim gehalten wurden, dass man gar nichts darüber weiß.« 914 Auch dieser letzte Satz deutet sehr konkret auf eine bewusste Geheimhaltung der genauen Umstände hin, die aber, vergleicht man die anderen Zitate und betrachtet man die von den Chronisten aufgenommenen Details, nicht vollständig umsetzbar gewesen zu sein scheint. Man kann also annehmen, dass auf der Generalständeversammlung bereits die Andeutung einiger Details als Erinnerungshilfe ausgereicht hatte, um die Gerüchte um die Wachsfiguren und die dazugehörigen Verschwörer weiter im Gespräch zu halten. Ein Übriges taten auch die Briefe, die der Graf von Charolais vor Ausbruch der Guerre du Bien Public versandte und in denen der Graf von Nevers in einem Atemzug mit den Feinden des Grafen von Charolais, der Familie Croÿ, genannt und als Bedrohung des Herzogtums Burgund dargestellt wurde. 915 Auch in ein - in der Forschung viel zitiertes - Schmählied gegen die Croÿ finden sowohl der Bastard von Rubempré und seine vermuteten Verbindungen zu der Familie Croÿ als auch der Graf von Nevers Eingang, dessen Aufwachsen am burgundischen Hof und späterer Verrat thematisiert werden. 916 Obgleich der Ursprung des Liedes unbekannt ist und man nicht viel über seine Verbreitung sagen kann, belegt es doch, dass man eine Verbindung des Grafen von Nevers zu den Anführern der französischen Partei am burgundischen Hof vermutete bzw. die Aktivitäten dieser Personen als ähnlich schädlich für den burgundischen Hof einstufte. Auch wenn die Gerüchte dauerhaft am Leben gehalten wurden, wurde der Graf von Nevers bis nach dem Tod Philipps von Burgund nie öffentlich der Verwendung magischer Praktiken beschuldigt. Erst die Kapitelsitzung des Ordens vom Goldenen Vlies unter Karl dem Kühnen bot - wie beschrieben - dem neuen Ordenssouverän die passende Gelegenheit, den Verfehlungen Johanns Konsequenzen folgen zu lassen. Das Vorgehen Karls des Kühnen auf dieser Sitzung reiht sich daher in dessen Strategie mit dem Umgang der Affäre Nevers ein; im Unterschied zu den Lebzeiten seines Vaters aber konnte er als neuer Ordenssouverän seine Pläne wesentlich offensiver umsetzen. Die Inszenierung des Ausschlusses mit den dabei vorkommenden symbolischen Handlungen wurde während der Messe, also vor einer breiten Öffentlichkeit vorgenommen. Denn einer großen Anzahl an Messebesuchern während eines Gottesdienstes des Ordens vom Goldenen Vlies konnte sich Karl ebenso gewiss sein wie der Tatsache, dass die dortigen Ereignisse große Verbreitung finden würden. 914 Et disoit on qu’ils avoient confessé des merveilles choses et mauvais, lesquelles feurent tenues sy secretes qu’on ne peut rien sçavoir. Du Clercq, Mémoires IV, S. 237. 915 Vgl. Kap. 5.2.2.3. 916 Chants historiques et populaire en temps de Charles VII. Et Louis XI., hrsg. von Lincy, S. 71; eine auf die Croÿ bezogene Analyse liefert Sterchi, Über den Umgang mit Lob und Tadel, S. 494-495. 218 6.4. Schlussfolgerungen Die genannten Beispiele verdeutlichen exemplarisch, wie der Graf von Charolais Kommunikationsstrategien und Öffentlichkeit für seine politischen Zwecke einsetzte. 917 Er nutzte sowohl öffentliche Räume wie die Stadt, den (begrenzten) öffentlichen Raum der Ständeversammlung und die Örtlichkeiten der Vliesordenszeremonien als öffentliche Kommunikationsmittel wie Briefe bzw. Manifeste. Auch der Schild mit der Inschrift der Verfehlungen des Grafen von Nevers kann als ein solches Medium gedeutet werden. Insbesondere beim Fall des Johann von Burgund, Grafen von Nevers, sowie bei den Croÿ spielte die öffentliche Meinung die Rolle eines Zeugen: Das durch den Grafen von Charolais betriebene stetige Erinnern an die Anschläge auf seine Person und an die Verfehlungen anderer sorgte dafür, dass die Ereignisse im kollektiven Gedächtnis, insbesondere der Hofgesellschaft, verhaftet blieben. Karl konnte auf diese Weise die Reputation der in Ungnade gefallenen Personen systematisch schädigen, sodass er seine politischen Interessen mit abnehmender Gesundheit des Vaters, spätestens aber mit seiner Installierung als neuer Herzog von Burgund durchsetzen konnte. Dieses Vorgehen zeigt, dass er die Ahndung der Vorfälle immer mitgedacht und seine Kommunikationsstrategie derart erweitert hatte, dass auch eine viel spätere Thematisierung der Affären noch erfolgreich war. Die durch den Grafen von Charolais aktiv betriebene Strategie der Veröffentlichung und Verbreitung von befürchteten oder tatsächlichen Anschlagsplänen auf sein Leben, die immer auf eine sofortige Lösung der Konfliktsituation abzielte, konnte auf diese Weise bei ausbleibendem kurzfristigen Erfolg auch in eine nachhaltige Strategie umgewandelt werden. Dies war insofern notwendig, da der Herzog von Burgund, wie gezeigt werden konnte, mitnichten bereit gewesen war, den Wünschen seines Sohnes nach einer schnellen Aufklärung und Ahndung der Fälle Folge zu leisten. Die Strategie Karls erwies sich aber auf Dauer gesehen als erfolgreicher. So schaffte es der Graf von Charolais letztlich bei allen Affären, sein Ziel zu erreichen. Jean Coustain wurde wegen des Vergiftungsversuchs hingerichtet. Die in den Raum gestellten Verdächtigungen gegen die Familie Croÿ blieben bestehen und im öffentlichen Bewusstsein. Und wie bedroht auch immer sich Karl durch den Bastard von Rubempré und die damit einhergehenden Gerüchte gefühlt haben mochte, so konnte er deren Bedrohung doch zu Propagandazwecken gegen Frankreich und die Croÿ nutzen. Die auch hier auftauchende Verbindung zu dieser Familie war schließlich ein weiteres Puzzlestück bei der Entmachtung der Croÿ am burgundischen Hof wenige Zeit später (1465). Die Versuche Philipps, dem Gerede und den Verdächtigungen weniger Raum zu geben, scheiterten an der langfristigen Strategie seines Sohnes. Insbesondere im Fall Étampes erwies 917 Von der Diskrepanz der theoretischen Diskussion der Politik im Mittelalter und von der heutigen Warte aus als politisch wahrgenommen Aktivitäten der Fürsten vgl. Oschema, Die Öffentlichkeit des Politischen, S. 51-73. 219 sich die Aufrechterhaltung der Gerüchte als eine wichtige Kommunikationsstrategie Karls. Durch dieses Vorgehen, aber auch durch die Existenz schriftlicher Belege im Vliesordensarchiv, konnte Karl der Kühne über einen längeren Zeitraum hinweg seine Pläne gegen den Grafen von Nevers, nämlich die Diskreditierung seines Gegners, aufrecht erhalten und zuletzt für sich zu einem Erfolg bringen. 221 7. Schlussbetrachtungen Im Zentrum dieser Arbeit stand das Aktenmaterial des Zaubereiprozesses gegen Jean de Bruyère und hier insbesondere dessen erste Erschließung und Einordnung in den Kontext der Geschichte des burgundischen Hofes sowie des magiegeschichtlichen Forschungsfeldes. Durch die Beschäftigung mit dem Aktenmaterial kristallisierten sich drei größere Themenfelder heraus. Die Aussagen der Brüsseler Zeugen und Jean de Bruyères geben detaillierte Einblicke in magische Vorstellungswelten im Brüssel des 15. Jahrhunderts und in die Kommunikationswege in diesem Milieu. Gerade dieser Prozess zeigt aber auch, wie eng dieses Milieu mit dem burgundischen Hof und damit der Adelsschicht verknüpft gewesen ist. Den Verbindungen der beschuldigten Personen und insbesondere der Einordnung des Anschlagsversuches in das machtpolitische Gefüge des burgundischen Hofes wurde daher auf einer zweiten Ebene besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein drittes Themenfeld erschloss sich über die Befragungen in Le Quesnoy und die Folgen des Processus contra dominum de Stampis, nämlich dasjenige der Kommunikationsstrategien, die sich sowohl in den Prozessakten als auch anhand der Reaktionen Karls des Kühnen und Herzog Philipps festmachen lassen. Durchzogen sind diese Themenfelder von den Fragen nach den Konfliktursachen zwischen Johann von Burgund und dem Grafen von Charolais und nach dem Charakter des Prozesses. Diese Fragen lassen sich durch die Verknüpfung der drei Untersuchungsebenen beantworten, deren Verflechtungen und Ergebnisse an dieser Stelle rekapituliert werden. Die Untersuchung der magischen Vorstellungswelten hat zunächst zu dem Ergebnis geführt, dass die Ereignisse um die Zaubereivorwürfe gegen den Grafen von Étampes als ein Phänomen magischer Praktiken zu verstehen sind, das sich hinsichtlich der Zielrichtung ganz dezidiert im Milieu des Hofes ansiedeln lässt. Der Versuch eines magischen Anschlages auf einen Fürsten passt sich in das Schema höfischer Machtkämpfe im Europa des späten Mittelalters ein. Derlei Anwendungen müssen dabei als ein regelmäßiges Mittel unter vielen gelten, Gegner am Hof unschädlich zu machen oder ihnen empfindlich zu schaden. Magische Anschläge wurden dabei häufig mit Giftattentaten in Verbindung gebracht. Dies trifft - zumindest in der Chronistik - auch im Fall des Grafen von Nevers zu. Die angewandten magischen Praktiken, die bei dem versuchten Anschlag auf Karl den Kühnen eine Rolle spielten, lassen sich wiederum nicht ausschließlich in eine einzelne der durch die Forschung aufgeworfenen Kategorien einordnen. Das Spektrum der Praktiken, das sich durch die Aussagen Jean de Bruyères und 222 der Brüsseler Zeugen vor uns ausbreitet, fächert sich in höchst unterschiedliche Arten auf. Besonders zu Beginn der Aussagen berichtete Jean de Bruyère von seinem Interesse an und seinem Können von unterschiedlichen Handhabungen, die man in den Bereich unterhaltsamer Tricks einordnen kann. Ferner lassen sich durch die Angaben Jean de Bruyères einerseits Einblicke in Kenntnisse über alchimistische Rezepturen, die dem Bereich der Heilungszauber zugeordnet werden können, gewinnen, andererseits aber auch Aufschlüsse über das Wissen Jeans und seines Komplizen Charles de Noyers in Astrologie und Astronomie erlangen. Die Brüsseler Zeugenaussagen und die Auskünfte Jean de Bruyères wiesen später auf dämonische Magie hin und zeugten von komplizierten nigromantischen Praktiken zur Erlangung oder Lösung von Zuneigung zwischen verschiedenen Personen. Die eigentlichen magischen Handlungen, für die Jean de Bruyère und Charles de Noyers dann aber im Auftrag des Grafen von Étampes Utensilien gesucht haben, waren Teil der Wachsfigurenmagie, die zu den weitverbreitetsten Magieformen gehörte. Durch die mit der Wachsfigurenmagie verbundene Beschwörung Belials wiesen die Zaubereien des Grafen und seiner Komplizen eindeutig auf nigromantische Praktiken hin. Doch nicht nur über die Ausprägungen der Magie geben die Untersuchungsakten Auskunft. Sehr detailliert lassen sich zudem die Verbindungen von Jean de Bruyère und Charles de Noyers zu ihren Kontaktleuten in den städtischen Strukturen nachweisen, die während der Materialbeschaffung für die Wachsfiguren aufgesucht worden waren. Die Untersuchungen konnten hier zeigen, dass die Kommunikation sowohl über Bekanntschaften der Komplizen als auch im Milieu der angesprochenen Fachpersonen, wie Steinschleifer, Goldschmiede oder des besonders involvierten Apothekers Franck op te Waghe, funktionierte. Die Analyse der Prozessakten zeigte zudem, dass diese Verbindungen nicht nur in der städtischen Schicht zu suchen waren. Es konnten über die Vermutungen hinsichtlich der Croÿ und durch die nachweisbaren Verbindungen zu dem adeligen Auftraggeber Johann von Burgund deutliche Verbindungen in die höfische Gesellschaft gezogen werden. Insbesondere über Charles de Noyers hatte es zudem Kontakte mit verschiedenen Klerikern gegeben, die bis an den Hof des Kardinals von Autun zurückverfolgt werden können. Magische Praktiken, dies machen die Prozessakten eindrücklich deutlich, wurden demnach über die unterschiedlichen und zugleich sich berührenden Milieus transportiert; ihre Bezugspersonen waren standesunabhängig. Die Beziehungen des Auftraggebers Johann von Burgund zum Verhörten Jean de Bruyère, zu Charles de Noyers und zu den Adressaten der zauberischen Anschläge standen von Beginn an im Fokus der Untersuchungen. Die Analyse der Prozessakten hat gezeigt, dass Jean de Bruyère zunächst bemüht war, den Anschuldigungen einen harmlosen Anstrich zu geben, und dass er lange versucht hatte, seinen Herrn zu schützen. Die erfolgreichen Verhörmethoden der Kom- 223 mission haben jedoch letztlich dazu geführt, dass die gesamte Affäre ergründet werden konnte. In der engen Beziehung des Grafen von Nevers zum Haus Burgund, dessen Erben er mit den Zaubereien schaden wollte, lag zugleich die Brisanz und die Ursache dieses Komplottes. Die Untersuchungsakten zeichnen hier ein Bild eines Johanns von Burgund, der sich mithilfe der Zaubereien die Zuneigung des französischen Königs, des Herzogs von Burgund und derer Ehefrauen sichern wollte. Der gegen Karl angewandte Schadenszauber hingegen zielte auf die Schwächung oder gar Beseitigung seines Cousins ab. Johann von Burgund hoffte dabei, auf die auch vorher schon existente Gunst des Königs und des Herzogs zählen zu können. Selbst von königlichem Blut und eng verwandt mit dem Haus Burgund, muss sich der ehrgeizige Graf Hoffnungen auf einen größeren Erbteil im Falle des Ablebens des einzigen Sohnes Philipps des Guten gemacht haben. Die schwache Position, die Karl, Graf von Charolais, zu diesem Zeitpunkt in Opposition zu den Vertretern des französischen Einflusses am väterlichen Hof hatte, wird die Chancen eines Neffen und Stiefsohnes Philipps des Guten nicht gemindert haben. Der Fall des Grafen von Nevers fiel dabei in eine Hochphase der Verdächtigungen am burgundischen Hof, die allesamt politische Implikationen besaßen. Zu nennen sind neben dem Fall Étampes besonders das Komplott des herzoglichen Kammerdieners Jean Coustain, die Feindschaft Karls des Kühnen gegenüber der Familie Croÿ und die sich verschlechternden Beziehungen zwischen Frankreich und Burgund, die insbesondere auf die Abneigung zwischen Ludwigs XI. und Karl dem Kühnen zurückzuführen sind. Ein derartiges Klima am burgundischen Hof war der ideale Nährboden für Intrigen und Diffamierungen. Zauberei oder okkulte Praktiken waren dabei wirksame Instrumente sowohl auf Seiten der Komplott schmiedenden Personen als auch hinsichtlich der politischen Verleumdungen. Die sich häufenden Anschläge oder Gerüchte um geplante Attentate können als Ausdruck einer Krise des politischen Systems Burgunds angesehen werden. Anlehnend an diese Deutung kann man den Prozess gegen Jean de Bruyère und damit die ersten Ermittlungen gegen den Grafen von Nevers im eingangs zitierten Sinne Battenbergs deutlich als ein Verfahren beschreiben, das Konflikte um Grundlegung, Stabilisierung, Ausweitung und Verteidigung der Herrschaft lösen sollte. Nach dieser Definition war der von Karl dem Kühnen initiierte Prozess ein nachgerade klassischer politischer Prozess, bei dem es nicht nur in zweiter Linie, sondern vielmehr in der Hauptsache um die Abwendung eines drohenden Machtverlusts des Grafen von Charolais in den Ländern seines Vaters ging. Damit verbunden waren auch die Machtsicherung des burgundischen Erben und die Stabilisierung des heterogenen burgundischen Staates unter einem Herzog Karl dem Kühnen. Zu dieser Machtsicherung, die Karl im Konflikt mit seinem Vater aus ungünstiger Position in Angriff nehmen musste, gehörte die über einen langfristigen Zeitraum betriebene Entmachtung 224 der Croÿ ebenso wie die Zerstörung der Reputation Johanns von Burgund. Als einer der engsten Verwandten des Hauses Burgund mit Erbansprüchen auf wichtige Teile des burgundischen Staatengefüges war Johann von Burgund für Karl den Kühnen ein ernstzunehmender Unsicherheitsfaktor auf dem Weg zur Macht. Die Verdächtigungen und schließlich auch Beweise für die Magieanschläge, die Johann begangen hatte, spielten Karl dabei auf ideale Weise in die Hände. Sie ermöglichten es ihm nicht nur, das Ansehen des Grafen am burgundischen Hof zu beschädigen, sondern diese beweisbaren Vorfälle verliehen auch den vorherigen und folgenden Anschuldigungen gegen Vertraute des Herzogs oder Gesandte des Königs zusätzliches Gewicht. Der Graf von Charolais behielt von dem Bekanntwerden der ersten Gerüchte um das Komplott seines Cousins bis zum Ende der Untersuchungen gegen Jean de Bruyère in Le Quesnoy die Handlungshoheit und Definitionsmacht über die Ereignisse um den Grafen von Nevers. Seine Anwesenheit am Prozessort lässt auf eine Kontrolle des Verfahrensverlaufes seitens des burgundischen Erben schließen. Es ist zwar zu beobachten, dass Karl durch die Weitergabe des Falles in geistliche Hände seinen Einfluss auf das weitere Geschehen zunächst abgibt, doch wie anhand der Zusammensetzung der Kommission und der Verbindungslinien zwischen den Richtern und dem burgundischen Hof gezeigt werden konnte, sicherte sich Karl der Kühne durch eine ihm ergebene Untersuchungskommission entsprechenden Einfluss. Ein direktes Eingreifen in das Prozessgeschehen kann zwar nicht nachgewiesen werden und auch bei dem Gespräch zwischen Karl dem Kühnen und Jean de Bruyère ist zu beobachten, dass der Graf eine passive, zuhörende Rolle einnimmt, es ist allerdings wahrscheinlich, dass Karl den Untersuchungsverlauf und dessen Richtung durch Anweisungen mitbestimmen konnte. Dies erklärt die detailversessene Konzentration der Kommission auf die konkreten Ereignisse und die Verbindungen der beteiligten Personen insbesondere zu Johann von Burgund sowie die Aussparung anderer Themen, wie der Häresie oder Teufelspakte, wie sie in den Ketzerei- und Hexereiprozessen der Zeit bereits zu finden waren. Dieser Umstand weist sehr deutlich auf den politischen Charakter der Untersuchungen hin. Karl der Kühne sah in den Vorwürfen gegen seinen Cousin die Möglichkeit, dessen Einfluss am burgundischen Hof zu dezimieren, wie auch sein weiteres Vorgehen in diesem Falle beweist. Die Ahndung der Taten als deviantes Verhalten war dabei nur ein Mittel zur Durchsetzung der politischen Interessen des burgundischen Erben; es hatte aufgrund der Schwere der Vergehen aber auch den Vorteil einer zu erwartenden Verurteilung der Taten durch die Kirche und den Orden vom Goldenen Vlies. Dass eine derartige Verurteilung und eine allgemeine Ruchbarmachung des Komplottes zunächst unterblieben, hängt mit dem Verlust der Deutungshoheit Karls des Kühnen an seinen Vater Philipp den Guten zusammen. Letzterer konnte durch seine Verbindungen zur Kurie und als Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies seinen Einfluss derart geltend machen, dass die Ergebnisse der Untersuchungen in Le 225 Quesnoy nicht öffentlich gemacht und ein gesonderter Prozess gegen Johann von Burgund verhindert wurde. Durch die Strategie Karls, die Gerüchte über den Zaubereifall Étampes aufrechtzuerhalten, und die wiederholten Anschuldigungen gegenüber »denen, die seinen Tod verfolgten,« konnte der Graf von Charolais das Wissen um dieses Komplott jedoch so lange im Gedächtnis der Hofgemeinschaft erhalten, dass er nach dem Tode des Vaters als neuer Ordenssouverän eine Ahndung der Taten Johanns vor dem Ordensgericht durchsetzen konnte. Diese Vorgehensweisen sowohl Herzog Philipps als auch Karls des Kühnen verdeutlichen nicht nur das Ringen der beiden Fürsten um die Deutungshoheit derartiger Fälle im burgundischen Einflussbereich. Die Reaktionen beider Männer weisen zudem darauf hin, dass die natürliche Erbfolge in den burgundischen Ländern nicht gesichert war. Die durch den Processus contra dominum de Stampis bekannt gewordenen Pläne des Grafen von Nevers waren durch die engen familiären Bindungen von einer im Vergleich zu anderen Fällen höheren Brisanz, bedrohten die Stellung Johanns in der burgundischen Familie und seine berechtigten Ansprüche auf wichtige Herrschaften im burgundischen Staatengebilde doch direkt das zu dieser Zeit auf unsicheren Säulen ruhende Erbe des Grafen von Charolais. Die Zaubereivorwürfe boten Karl daher eine ideale Gelegenheit, diesen potentiell gefährlichsten Widersacher um das burgundische Erbe auszuschalten. Die Versuche des Herzogs, ebendies zu verhindern, können vor einem ähnlichen Hintergrund gesehen werden, wonach er versuchte, zumindest die Reputation seines Ziehsohnes aufrechtzuerhalten. Die Kommunikationsstrategien Karls bei (versuchten) Anschlägen auf seine Person waren - und hier lässt sich in den 1460er Jahren durchaus eine Linie von Jean Coustain über die Croÿ und den Grafen von Nevers bis hin zur Affäre Rubempré ziehen - also darauf ausgerichtet, politischen Profit aus der jeweiligen Situation zu ziehen, was er in allen Fällen mit Vehemenz verfolgte. Dieses Verhalten weist aber ebenso wie auch die Reaktionen aus dem höfischen Umfeld auf die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe und Ereignisse hin, auf eine Hochphase politischer, kriminell inkriminierter Ereignisse im Zentrum der burgundischen Macht, denen in mehr als einem Fall der Ruch zauberischer Praktiken anhing. Was nun den Grafen von Nevers anbelangt, so zeigt sein nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe vollzogener Wechsel an die Seite des französischen Königs deutlich dessen Orientierung an seinen obersten Lehnsherrn Ludwig auf. Sein Verhalten während der Guerre du Bien Public und seine Hoffnungen auf das Amt des connétable von Frankreich weisen darauf hin, dass er auch am französischen Hof auf die Fortsetzung seiner Karriere abzielte. Diese Hoffnungen geben wiederum Einblicke in eine Absicherungspolitik, die dieser Fürst auf verschiedenen Ebenen anzustoßen versuchte. Die Versuche Johanns, auch am französischen Hof in einflussreiche Positionen zu kommen, scheiterten aber durch den für Frankreich ungünstigen Verlauf der Guerre du Bien Public und das weitere gezielte Vorgehen Karls gegen seinen Cousin. Die Unterstützung des Königs für Johann 226 von Burgund, die sich insbesondere in der Frage um das brabantische Erbe manifestierte, scheint nach dem Herrschaftsantritt Karls des Kühnen allerdings merklich abgekühlt zu sein. Johann selbst tritt später nur noch durch seine zweite und dritte Ehe und die Verwaltung der Grafschaft Nevers in Erscheinung. Gemessen an seinen Ansprüchen an eine Karriere am burgundischen und später am französischen Hof kann man seinen diesbezüglich unternommenen Anstrengungen, so Aufsehen erregend sie auch waren, aber keinen nachhaltigen Erfolg bescheinigen. 227 8. Anhang Anhang 1 - Stammbaum des Herzogtums Burgund Entwurf Berlin, nach Vaughan: Philip the Good (1970). 228 Anhang 2 - Stammbaum des Herzogtums Brabant Angelehnt an Stein: Natuurlijk Filips de Goede (2010); erweitert durch Berlin. 229 9. Edition des Processus contra dominum de Stampis Anlage der Edition Die Grundsätze der vorliegenden Edition richten sich im Wesentlichen nach den Instructions pour la publication der belgischen Commission royale d’histoire aus dem Jahre 1985. Es wurde dabei versucht, möglichst wenig am Originaltext zu verändern. Insbesondere zur verbesserten Lesbarkeit war es aber an einigen Stellen dennoch nötig, vorsichtig in den Text einzugreifen. Dementsprechend wurden bei der Orthographie die Buchstaben u/ v und i/ j dem heutigen Gebrauch angepasst. Akzente wurden in der Regel nicht aufgegriffen, außer bei Worten mit einem betont auslautenden e (beispielsweise deposé). Die im mittelfranzösisch häufig auftretenden Wortzusammenschreibungen wurden nach dem heutigen Gebrauch getrennt (beispielsweise qu’il). Da der Schreiber der Prozessakten die Orthographie seiner Vorlagen sehr stark berücksichtigt hat, können viele Begriffe in unterschiedlichen Schreibweisen auftauchen. Diese Abweichungen wurden nicht gesondert aufgezeigt, sondern als Besonderheit der Zusammenstellung im Text belassen. Lediglich auch für diesen Text ungewöhnliche grammatikalische Abweichungen wurden folgendermaßen gekenn zeichnet [! ]. Außer bei Satzanfängen, Eigennamen von Personen oder Orten, Nomina Sacra und Festtagen wurden die Worte kleingeschrieben. Die Prozessakten enthalten zahlreiche Kürzungen, die in der Regel kommentarlos aufgelöst werden. Unsichere Auflösungen wurden in runde Klammern gesetzt. Für eine bessere Lesbarkeit wurde versucht, die Interpunktion des Textes an eine moderne anzupassen. Die Gliederung des Textes entspricht der Vorlage. Die größeren Abschnitte (beispielsweise Zeugenaussagen, Untersuchungstage) wurden in eckigen Klammern [ ] mit einer kursiven Überschrift und einem Regest in deutscher Sprache versehen. Wort- oder Buchstabenstreichungen im Originaltext wurden an den entsprechenden Stellen in spitzen Klammern < > gesetzt in den Text eingefügt. Die Streichungen wurden von der Anlagehand vorgenommen. Die folio-Angaben stehen in eckigen Klammern und sind fett gesetzt: [fol. 1v]. 230 Processus contra dominum de Stampis [fol. 1r-1v] [nicht beschrieben] [Aussage des Brüsseler Arzt Colart Faverreel über verschiedene magische Praktiken und die Suche Meister Gilles, des Apothekers Franck, des Wachsziehers Josse Doegens, und weiteren nicht benannten Personen nach Utensilien für Wachsfiguren.] [fol. 2r] S’ensieut la deposicion de maistre Colart Faverreel, 918 medeciin: Maistre Colart Favereel, medicin, a deposé qu’il a oy dire que maistre Gilles, le medicin, demourant en la Putterie, est alé a Paris querré ung maistre de nygromannt pour accomplir ou parfaire ce qu’il ne savoit faire. Item que ledit maistre Colart a oy dire que le maistre de Paris est venu en la maison dudit maistre Gilles. Et la a fait parler ung esperit hors d’un pot en fourme d’une personne atout deux rouges horribles yeulx, et parla comme s’il eust parlé hors d’un puych. Item ledit maistre Colart a encores deposé qu’il a veu en la maison de Francq, l’apothecaire a Bruxelles, ung homme noir vestu lequel il ne scet nommer et ne le congnoissoit. Et icellui homme avoit une forme de bois onquel avoit taillié une forme d’un petit enfant. Et ledit maistre Colart veist que ledit homme noir vestu en ce fondi de la chiere pour avoir le personnaige lequel il ne savoit adrechier ne faire. Item ce propre jour apres disner revint ledit maistre Colart en ladit maison et illec trouva arriere ledit homme noir vestu. Et illec avoit icellui homme ung hommoncian ou marmouset fait de bois en la presence dudit Francq. Et illec estoit fait une paste de grasse terre et de farine, et estoit ledit marmouset de bois en ce forme, et encloz pour avoir la forme, et fut porte en la maison d’un fournier pour seichier. [fol. 2v] Item ledit maistre Colart a deposé que ledit homme noir vestu il veist la nuyt de Notre Dame la Chandeleur 919 derrenier passee entrer dans la maison de Joos Doegens qui fait des chandelles de cire. Et illec fist faire audit Josse une forme en cire d’un enfant. Laquelle forme ledit Josse lui fist et en eust de lui xij pattars. Et ledit Josse demanda audit homme qu’il en vouloit faire. Lequel lui respondi que on le useroit en ung bancquet pour le faire danser seul. Item dit ledit maistre Colart, que apres ce il oyt dire audit Josse, qu’il avoit esté audit bancquet, mais il n’y avoit veu danser aucuns hommonciaux ne marmouses. Item le samedi apres ce ledit maistre Colart ala aux Freres mineurs et illec trouva Jehan de Bosselaer qui lui dist qu’il savoit pluseurs nouvelles et qu’il avoit 918 Die Brüsseler Zeugen konnten nicht durch andere Quellen nachgewiesen werden. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.5. 919 Mariä Lichtmess, 2. Februar. 231 parlé a maistre Gilles, en disant maistre Gilles acquiert bien de l’argent car il a eu cinquante couronnes et son compaignon qui est venu de Paris xxv pour aler a Coulongne querir ung autre maistre qui scet beaucop plus que ledit maistre de Paris et ilz apporteront ung livre. Et quant ledit maistre Gilles sera revenu de Paris il parfera son fait et aura .C. couronnes, et ainsi est ledit maistre Gilles alé a Coulongne et fut hors xiiij. jours ou plus, mais il n’avoit point mené son compaignon avec lui. Item le jour des Cendres 920 ledit maistre Colart deist a Francq l’apoticaire en la presence de Josse Doegens que ledit maistre Gilles estoit venu de Coulongne et a donc lui respondi ledit Francq maistre Gilles est ung [fol. 3r] mauvais cocquin et bourdeur car il labeure pour faire en la court de monseigneur si grave trouble ou noise qui fust en cent ans en court de prince. [Aussage des Brüsseler Wachsziehers Josse Doegens über seine Kontakte zu Frank op te Waghe, den Bailli von Englemoustier, Jean de Bruyère, Meister Gilles und weiteren Personen im Zuge der Suche nach magischen Praktiken und Utensilien für Wachsfiguren.] Deposicion de Josse Doegens cirier. Il est vray que Vranck opte Waghe, espicier, est venu en la maison de Josse Doegens, cirier, et lui a demandé apres des ymaiges des hommes et de femmes de cire. Surquoy ledit Josse disoit que non, mais avoit bien formes assez grandes et petittes pour getter ymaiges de cire, soit des hommes et des femmes. Apres lequel ledit Vranck a veu une forme en laquelle il vouloit avoir getté ung ymaige, comme appert par la figure que ledit Josse a bailler a monseigneur l’arcediacre. Laquelle ymaige ledit Josse a getter en sa propre forme de cire qu’il a eu passé trois ou quatre ans. Et le ymaige que Vranck emporta hors sa maison dudit Josse ne scet Josse qu’il est devenue ne que ledit Vranck en voulait faire. Item ung mois ou plus apres cedit premier point, sont venuz en ladite maison dudit Josse ledit Vranck et ung grant homme noir vestu et ont apporté avec eulx deux patrons de bois, une femme et ung homme, en priant audit Josse qu’il voulsist faire une forme de cire, d’un quartier de long ou environ, apres le patron de bois de l’omme qu’ilz apporteront pour faire project en icelle forme a la figure dudit ymaige de bois lequel ledit Josse lui fist et en fut bien paié et ledit Vranck disoit que ledit homme demouroit en l’ostel de monseigneur d’Estampes. 921 Item ceste fourme ainsi faite ledit grant homme disoit qu’il fondroit en icelle forme cire blanche et qu’il fournieroit hors ung ymaige en samblance d’un homme, et disoit que de l’autre ymaige de bois samblant a la femme il le feroit faire cy apres comme l’autre. Mais depuis ledit Josse ne vit ledit homme en sa maison. 920 Aschermittwoch, 3. März 1462. 921 Johann von Burgund, Graf von Étampes. In dieser Arbeit vgl. Kap. 1.2.3. 232 [fol. 3v] Item ledit homme a dit audit Josse qu’il feroit danser lesdites ymaiges sur une table apar eulx, quant il vouldroit, et qu’il scavoit icelle science bien faire. Et ledit Josse cuidoit qu’il voulsist de ce faire ung esbatement ou entremetz au bancquet de monseigneur d’Estampes qu’il bailla a Bruxelles a l’ostel de monseigneur de Berghes. 922 Et ledit Josse se advisa d’aler audit bancquet pour regarder se ledit homme y feroit aucuns esbatemens. Dont ledit Josse riens ne vit, mais veoit ledit homme aller en la salle derriere monseigneur d’Estampes. Et ledit Josse se partit de la environ xj heures de la nuyt avec le bailli d’Englemoustier. 923 Item ledit Josse a autresfoiz veu et mengié avec maistre Jehan de Bruyeres, 924 mais oncques ne lui oyt dire de nulles sciences fors que de deux. L’une est qu’il savoit bien faire une maniere de perles qui estoient tresbelles sur la maniere d’Oriente, l’autre estoit qu’il savoit bien quel chose on diroit d’une personne oultre xl. lieues. Enoultre ledit Josse a oy dire a Vranck opte Waghe, especier, qu’il a esté en places la, ou maistre Jehan de Bruyeres et ung nommé maistre Gilles et ung autre homme de dehors <maistre Gilles>. Lequel homme de dehors maistre Gilles avoit esté querié dehors la ville. Et que icellui homme en la presence d’eulx a mis ung pot sur une table et dehors ledit pot vint une figure d’un homme avec une cappe vestue. Et de ce point n’a ledit Josse plus oy, et n’en scet plus riens fors ce que ledit Vranck lui a dit. Apres ce ledit Vranck a dit audit Josse que ledit maistre Gilles a depuis chevauchie dehors la ville pour ung autre homme qui estoit meilleur maistre dudit ouvraige. Et le devoit en aler querre a Coulongne et dist ledit Vranck audit Josse que monseigneur d’Éstampes l’envoyoit querre. Et je Josse Doegens, cirier, prens sur ma foy et sur le serment que j’ay fait a monseigneur et a la ville de Bruxelles que riens plus n’en scay a parler ce congnoist Dieu. [Der Apotheker Frank op te Waghe aus Brüssel berichtet von seinen Kontakten mit einem Meister Gilles und Jean de Bruyère. Er thematisiert die Verbindungen Jeans zum Grafen von Étampes sowie magische Praktiken.] 922 Mit Seigneur de Berghes ist vermutlich Jean de Ghines, Seigneur de Bergen op Zoom, erster Kammerherr des Herzogs von Kleve gemeint. In dieser Arbeit vgl. Kap. 3.3.1, Anm. 446. 923 In den Rechnungen des Jahres 1461 für Engelmoustier ist Guillaume de Corte als Bailli nachweisbar. Die chambre de comptes von Englemoustier überliefern Rechnungen für die 1450er Jahre bis 1461, sowie für das Jahr 1465. Für die Jahre 1462-1464 sind keine Rechnungen erhalten. Die Rechnungen weisen aber eine starke Konstanz hinsichtlich der Amtspersonen auf, sodass es sehr wahrscheinlich ist, dass Josse Doegens das Bankett in Begleitung Guillaumes de Corte besucht hat. Ein Josse Doegens oder anderweitige Personen aus den Prozessakten kommen in den Rechnungen nicht vor. AR CC 7386, fol. 6r. 924 Jean de Bruyère, einer der Helfer des Grafen von Étampes. In dieser Arbeit vgl.. Kap. 2.3.4. 233 [fol. 4r] Deposicion de Francque, l’apothecaire. Ou temps passé j’ay oy dire a maistre Gilles d’un grant maistre astronomien qui estoit d’Alemaigne et expert en diverses sciences. Et ce a dit ledit maistre Gilles a ung nommé maistre Jehan de Bruyeres; lequel le rapporta a monsieur d’Estampes. Et tant en est advenu que ledit maistre Gilles pour mondit seigneur d’Estampes a esté querié icellui homme a Paris ou la entour. Et ledit maistre lui estant venu a Bruxelles fist faire audit maistre Jehan de Bruyeres ung pot de plonc a ung samedi. Et adonc ledit maistre Jehan de Bruyeres vint devers moy et me dist que ledit astronomien lui avoit fait faire ledit pot. Et adonc je lui demanday qu’il voulait faire dudit pot et il me respondit que en icellui il feroit venir ung esperit, comme il feist, ainsi que j’ay depuis entendu, mais quelle chose il en advint je n’en say riens, car je ne fu prez ne present, mais je demouray au vespre souppant avec eulx ou ilz encent ensemble plusieurs collacions d’astronomie et du cours des planetes. Item il y a encores ung autre bon homme que ledit maistre Jehan de Bruyeres amena devers moy, lequel me demanda se je ne lui savroit aidier ou assigner a ung maistre qui lui vouldroit taillier deux formes l’une d’une femme et l’autre d’un homme. Et adonc je alay avec lui en l’ostel du maistre et la furent d’accord ensemble, et quant lesdites ymaiges furent parfaiz il ala a Josse Doegens, lequel lui fist une forme de cire. Mais comment apres en fut fait, je ne say riens. Item est il encores depuis revenu pardevers moy et me demanda si on ne pouvroit faire icelle forme d’autre chose que de cire. Et je lui respondis que on la pouvroit assaier de paste. Et a donc il me pria que je le voulisse assaier. Ce que je fiz mais ne valoit riens. Et c’est toute la meilleur declaracion et tout ce que je say de ceste matiere sur la mort que j’attens, quant Dieu plaira et sur le diffinement de mon ame. [Der Apotheker Frank op te Waghe berichtet von seiner Verbindung zum Grafen vom Étampes und Jean de Bruyère sowie von magischen Utensilien und der Suche nach magischen Praktiken.] [f. 4v] La secunde deposicion de Francque, l’apothecaire. Idem 925 Francque l’apothecaire dit qu’il ne parla oncques a monseigneur d’Estampes que une seulle foiz et ne fut a cause de medecine. Idem dit ledit Francque qu’il ne fut oncques en place ou il vit la mynue hors du pot, et ce qu’il en a dit c’est par maistre Jehan de Bruyeres et dit maistre Jehan de Bruyeres a Francque que restoit une mynue a yeulx ardans hors d’un pot de plonc et disoit que l’esperit estoit mute. 925 Jean Gros verwendet ab hier sowohl die Schreibweise Idem als auch das vorher verwendete Item. Die Wahl der Schreibweise wird mit der Vorlage zusammen hängen. 234 Idem du voiaige de maistre Gilles et de sa revenue et du retour de Coulongne et de l’argent qu’il en a receu par oy dire maistre Jehan de Bruyere et maistre Thomas il en a disposé. Idem des especes que maistre Jehan a apportees a Bruxelles ledit Francque ne scet qu’il en vuelt faire, mais maistre Jehan de Bruyeres dist a Francque, que ledit maistre Jehan de Paris en a donné ung a maistre Gilles pour iugier orine et savoir adire les maladies des gens. Idem dit ledit Francque que ledit maistre Jean de Bruyere et le chevalier vindrent a lui et lui dirent qu’il les voulsist mener a ung entailleur d’ymaiges pour faire ung personnaige de bois a leur devise. Et deux jours apres il demanda audit maistre Jehan qu’il vouloient faire de ce personnaige. Et ledit maistre Jehan lui respond que c’estoit ad amorem d’Estampes. Mais ledit Francque pensoit bien que c’estoit entre monseigneur de Charolois 926 et monseigneur. Idem frere Jehan Mussche, frere mineur, a prestré a maistre Jehan de Bruyeres deux livres, et ne scet ledit Francque dequoy ilz parlent et ne vit oncques ens Et ledit maistre Jehan de Bruyeres presta a maistre Thomas l’un desdis livres. Et quant ledit maistre Jehan se partit de Bruxelles, il bailla l’autre livre audit Francque pour le rendre audit frere Jehan Mussche, comme il a fait. Et ledit maistre Thomas a [fol. 5r] retenu l’autre, et vint depuis audit frere mineur, lui prier qu’il lui voulsist lassier ledit livre. Idem depuis vint ledit maistre Thomas audit Francque se plaindant de maistre Gilles, et disoit que ledit maistre Gilles n’avoit point esté a Coulongne, comme il avoit promis a monseigneur d’Estampes et qu’il ne devoit retourner jusques a pasques. Et qu’il auroit besongnie et qu’il avoit enconnent a mondit seigneur d’Estampes et d’amener ung plus grant maistre et apporter deux livres. Disoit ledit maistre Thomas que c’estoit ung cocquin, car il lui avoit promis qu’il partiroit a l’argent avec lui et que s’il mengoit il mengeroit aussi. Et dist ledit maistre Thomas que maistre Gilles estoit ung cocquin, car il avoit amené maistre Jehan de Paris en l’ostel monseigneur de Croy, 927 dont il en pourroit avenir grant trouble a la court se monseigneur d’Estampes le savoit. Et a ceste cause ledit Francque a dit les parolles dessusdites. Et tout ce que Francque dit ne scet il fois que par oyr dire. Et de ce il se rapporté a maistre Gilles prisonnier maistre Jehan de Bruyeres, a maistre Thomas a maistre Jehan de Paris au chevalier, a Fruke a frere Jehan Mussche. Idem au regard de Frucke monseigneur le demanda par maistre Jehan de Bruyere, pour ce qu’il avoit dire qu’il avoit esté prisonnier trois ou quart fois, et tousiours vuydoit hors et monseigneur d’Estampes vouloit savoir par quelle maniere il en vuydoit. 926 Karl von Burgund, Graf von Charolais und Sohn Herzog Philipps des Guten von Burgund. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.3. 927 Antoine de Croÿ, Erster Kammerherr und Rat Philipps des Guten. Für die Familie Croÿ vgl. in dieser Arbeit Kap. 5.2.1. 235 Idem deposee Francque de frere Jehan Mussche frere mineur qu’il disoit a maistre Jehan de Bruyeres que s’il faisoit dire une somme de messes il amendroit a ung art, mais ledit Francq ne scet lequel, mais ledit frere Jehan Mussche le dira bien. Je, Francque, ay deposé ce qui est cy devant escript. Et par la mort que je feray, quant plaira a Dieu, je n’en scay plus, et de ce m’en rapporte aux autres qui sont prins. [Der Minoritenmönch Jean Mussche aus Brüssel schildert seine Treffen mit Jean de Bosselaer, Franck ot te Waghe, Jean de Bruyère, Meister Colart, Meister Gilles und Jean d’Alemaigne sowie der Suche nach magisch befähigten Personen und Utensilien.] [fol. 5v] Deposicion de frere Jehan Mussche Premier me pria Jehan de Borsselaer et Francque que je voulsisse faire du feu en ma chambre et mettre la table. Et la vint maistre Jehan de Bruyeres, maistre Colart, Francke, Jehan de Borselaer et la ne fut de nulle chose parlé que de faire bonne chiere. Item la nuyt de Nostre Dame Chandleur me vint a confession maistre Jehan l’Alleman. Et ledit jour de Nostre Dame fusmes Jehan de Bosselaer et moy sur ma chambre, et la vindrent maistre Gilles, Francke et maistre Jehan l’Alleman. Et la nous busmes et me dist ledit maistre Jehan que tous les mois, quant il vouloit, il parloit a son propre angele. Idem l’autre ou le tiers jour apres me dirent maistre Jehan de Bruyeres et Francque que oncques ilz n’avoient veu plus habillé quel <lui> estoit. Idem quant il fut parti, fut dit que maistre Gilles avoit cinquante couronnes et Jehan l’Alleman xxxiiij couronnes et qu’il yroit querre son compaignon a Couloingne ou a Basle. Idem maistre Colart demanda a Jehan de Borsselaer et a moy se nous avions veu danser et salir les ymaiges. Idem je prestay a maistre Jehan de Bruyeres des livres comme Cyromancia Rachiel et coniurations, par lesquelz a l’ayde de Dieu j’ay aidié a delivrer pluseurs personnes qui estoient obces. [fol. 6r] Idem en ung temps je venoyt du marchie et rattaindy maistre Jehan de Bruyeres et Francque, et je leur demanday ou ilz s’en aloient. Et ilz me dirent qu’ilz yroient avec moy et qu’ilz avoient grant froit et me dirent que je alasse avec eulx. Et ilz viendroient <et b> incontinent et buveroient une quarte. Et ainsi m’en alay avec eulx, en la rue de Melestrate ou on fait des salieres despiantir. Et comme je cuide est l’omme ung arbalestrier. Ainsi qu’ilz furent querir icellui homme nommé Jehan de la chambre des arbalestrieres et lui parlerent moult en walech. Ainsi que je entendy qu’ilz eussent voulentiers en forme d’imaige de plonc et cellui homme en demanda tant qu’ilz ne assemblerent point. 236 [Der Minoritenmönch Jean Mussche legt schriftlich auf Latein zusätzliche Informationen über Jean de Bruyère und Franck op te Waghe nieder.] Frater Johannes Mussche, ordinis minorum. Ego frater Johannes Mussche per presentes offero me ad canonicam purgationem de obiectis et obiciendis secundum traditiones sanctorum patrum juris peritorum. Et juxta scripta declarata dominice secunde quadragesime dominis scabinis tradita nunc et in <ei> euum tamquam vera <proste> protestor salvo tamen meliori judicio quod tunc prepeditus divinis serviciis et confessionibus audiendis rubore profusus non occurrebat quod magister Johannes Bruyeres et Franco opte Waghe venerunt miehi obviam in platea et quesivi abeis quid pretendrent rendrunt quod statim venirent ad conventum supplicantes quod vellem unacum eis transire ibi lac venditur ad domic(ilium) cuiusdam mechanici ibi parue olle stagnee conficiuntur et libenter fecissent contractum pro una ymagine plumbea facienda. Et tandem non poterant convenire in contractu <pp> propter excellenciam precii quod prefatus mechanicas postulavit ab eis. [Der Brüsseler Figurenschnitzer Jacques de Knibbere berichtet von dem Besuch Franck op te Waghes und anderer ihm nicht namentlich bekannter Personen sowie von deren Suche nach Formen für Wachsfiguren.] [fol. 6v] Deposicion du tailleur des ymaiges. Jaques de Knibbere, tailleur d’imaiges, demourant empres Carmelites. Par monseigneur l’arcediacre d’Avalon 928 et par ceulx de la loy de Bruxelles interrogué, a deposé<t> que environ xiiij jours <des> devant les quarenmeaux derrenier passes sont venu a sa maison ung homme non tresloin ne trescourt vestu d’une longue robe de gris mesle, lequel il ne congnissoit point. Et avec lui Francque opte Waghe, lequel fist la parolle pour ledit homme pour ce qu’il ne savoit parler thioix. Et apres ce qu’ilz eurent deux foiz esté querir ledit tailleur a sa maison, et point ne le trouvorent, iIz le trouverent la tierce foiz a sa maison. Et lui ont monstré ung ymaige de femme faite de chiere en forme de ung enfant, lonc environ demj piet, ayans ses mains droit pendans embaz. Demandans audit tailleur s’il vouldroit faire et taillier de bois deux ymaiges, l’une ymaige apres ung homme et l’autre façonné selon une femme, on l’en paieroit. Sur lequel ledit tailleur des ymaiges a respondu que oyl et le accepta. Et ainsi a il fait deux ymaiges rondes de bois selon la figure de cire qu’ilz lui avoient monstré. Dist avant que apres ce homme a la longue robe est revenu avec ledit Franck pour avoir leurs deux ymaiges. Demandans se elles estoient faites, le tailleur leur respond que oyl et les porta avant. Et quant icellui homme a la longue robe les vey se n’en estoit il point bien content et les jetta envoys, disant audit tailleur qu’il ne vouloit point avoir teles ymaiges, mais estoit son entencion et vouloit avoir fait formes vuydes 928 Guillaume de Clugny, Archidiakon von Avallon. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 237 dedens et au desseure ung trau selon lesdites ymaiges. Et ainsi lui fist il deux formes servantes aux dictes ymaiges pardevant, et une forme servant aux dos desdites deux ymaiges derriere, et au dessus ung trau pour former parmi ce. Et quant il avoit fait icelles formes et ledit homme a la longue robe avec ledit Franck revenoient icelles querir, se les a ledit [fol. 7r] tailleur a iceulx delivré. Et ilz ont audit tailleur au desseure de iiij patars qu’il avoit receu au commenchement encores baillir v patars. De laquelle solucion le tailleur ne vouloit estre content complaignant le grant labeur que ace avoit fait. Et adonc lui donna l’omme a la longue robe encores ung pattart estoient ensemble x pattars disant que plus n’en vouloit donner. Et ainsi print il les formes et s’en ala atout icelles. Dist enoultre ledit tailleur qu’il a oy dire que l’omme a la longue robe et Franck avoient essayé les formes par infusion de cire et quelles n’estoient point adrechees ne assenees. Et revindrent arriere a la maison dudit tailleur, lui disans que les formes n’estoient pas bien adrechiez ou faites. Et que ledit homme a la longue robe les avoit jettez envoys. Et demandoit audit tailleur s’il ne vouldroit point encores faire une plusgrande et plus longue, surquoy le tailleur respondi disant que nannil, car il n’en vouldroit plus entreprendre la paine. Et adonc ilz si partirent de la et dist ledit tailleur que oncques depuis il ne vist ledit homme ala longue robe. Et plus ne autre chose ne scet ledit tailleur de ceste matiere se qu’il dist. [Jean Pepercoiren, Formschneider aus Brüssel, erzählt von seinen Verbindungen zu Jean de Bruyères, Jean Mussches und Franck op te Waghe sowie deren Suche nach Formen für Wachsfiguren.] Deposition du tailleur des fourmes. Jehan Pepercoiren, tailleur de formes, demoirant a Bruxelles en la rue appellee Melestrate empres Saint Nicolas dit et declaré par son meilleur entendement que nagares c’est assavoir le lundi apres ce que mon tresredubte seigneur monseigneur le duc de Bourgogne fut parti de Bruxelles pour aler a Bruges a naviere, vindrent en son hostel maistre Jehan de Bruyere, frere Jehan Mussche frere mineur, et Francke. Sur la balance portant ledit maistre Jehan de Bruyere avec lui ung petit homme fait de cire pendans ses bras et mains d’en bas [fol. 7v] de la longeur d’un demi piet ou environ bien fait de tous membres. Et <led> le monstra audit Jehan Pepercoiren en sa maison, et se tournoit ledit maistre le doz envers la rue, et tenoit ledit petit homme devant lui entre ses deux mains. Et demanda illec ledit maistre Jehan audit Jehan Pepercoiren, faseur d’imaiges, qu’il lui voulsist faire et taillier une forme de pierre pour, y fondre dedens et faire de cire ung petit homme ainsi qu’il lui monstroit. Et vouloit ledit maistre Jehan et avoir fait endedens deux, jours apres car il lui failloit partir de 238 Bruxelles. Surquoy ledit fasour d’imaiges lui demanda, se il fauldroit si bien faire la forme si comme le patron du petit homme estoit fait de cire et se il le failloit faire de tous membres bien faiz, c’est assavoir aux doiz ungles et autrement. Et ledit maistre Jehan lui respondi qu’il vouloit qu’il fust fait en toute telle forme et maniere comme ledit petit homme estoit fait de cire. Et lui demanda qu’il en vouloit avoir de le faire, et lors lui respondi qu’il ne pourroit faire lesdites fourmes si hastivement mais seroit sur ce occupé bien viij jours et y desserviroit bien deux nobles d’or. Et ledit maistre Jehan dist que ce seroit beaucoup et qu’il le feroit bien lui mesmes endedens ung jour s’il vouloit. Et apres ce lui dit ledit faiseur d’imaiges qu’il ne le vouloit pas faire, car il avoit autreffoiz oy dire, que par telle chose on souloit faire sourcerie. Et lui sembloit que par ce il vouloit faire quelque chose qui ne soroit pas bonne, car il savoit bien que ledit maistre Jehan estoit ung maistre de sciences. Et ledit maistre Jehan lui respondi nennul nanil on n’en fera point de mal ou de sourcerie. Et par ceste maniere se partirent ilz tous trois dudit faisour d’imaiges et porterent leur homme de cire avec eulx sans avoir de lui aucune fourme. Dit aussi ledit faiseur d’imaiges que frere Jehan Musssche ne Francque sur la balance a ce ne [fol. 8r] dirent riens, mais estoient emprez ou lesdites paroles furent dites et vindrent ensemble en sadite maison et partirent et sen retournerent ensemble d’icelle maison. [Der Brüsseler Goldschmied Jean de Lombeke sagt aus, dass er für Jean de Bruyère und Franck op te Waghe männliche und weibliche Bleiformen gegossen hat.] Deposicion de Jehan de Lombeke, orfevre. Jehan de Lombeke, orfevre, demourant en la ville de Bruxelles dit et declairé bonne foy, que bien pres du parlement de monseigneur le duc ilz sont venuz en la maison dudit orfevre maistre Jehan de Bruyeres et Franck opte Waghe, et lui ont demandé apres des patrons <faiz> de plonc faiz comme ymaiges d’omme et de femme. Et ledit orfeure leur monstra ung grant mont de patrons de plonc, et en fin ledit maistre Jehan choisy desdis patrons deux, et en fist faire audit orfevre deux patrons d’estaing, ung homme et une femme, de tele fourme et maniere comme sont les patrons que ledit orfevre a baillié oultre. Et ledit maistre Jehan paya audit orfeure deux groz d’Engleterre. Mais ledit orfevre ne scet pourquoy ilz les ont fait faire. [Die Schöffen H. de Palude und P. Marscalc führen aus, dass sie mehrere Schriftstücke der Aussagenden und zu Befragenden auf Latein, Französisch und Niederländisch besitzen und dass der niederländische Text ins Französische übersetzt wurde. Sie geben an, alles gesammelt und am 19. März 1462 (63) zusammengeschrieben zu haben.] Ceulx de la loy de la ville de Bruxelles ont regardent soubz eulx diverses cedules, une en latin, aucunes en françoys, et les autres en thioix. Lesquelles estans en thioix, 239 sont translatées en françois. Et apres de tout est faite collacion au commandement d’aucuns de ladite loy, et concordent celles cy devant en ce cohire escriptes le xix me jour de mars, l’an xiiij c . lxij. Tesmoing noz saings manuelz, signatum H. de Palude P Maerscalc [fol. 8v - 10v] [nicht beschrieben] [Der burgundische Sekretär Jean Gros erläutert, dass Karl der Kühne über die Ereignisse informiert gewesen ist und die Angelegenheit in die Hände der Kirche gelegt hat. Der Bischof von Cambrai hat Enguerrand Signard und Girard Vurry als Kommissare berufen, die durch die Seigneures de Fourmelles und de Contay sowie Meister Guillaume de Clugny, den Archidiakon von Avallon unterstützt werden.] [fol. 11r] Mon tresredubte seigneur monseigneur le conte de Charolois, averty et informé que puis nagaires ung nommé Jehan de Bruyere et autres avoient poursuy et fait faire aucuns ymaiges ou parsonnaiges de cire en la ville de Brucelles. Et ailleurs par le moien desquelz et de certaines conjuracions sortileges et invocacions dyaboliques l’on contendoit faire et entreprendre aucunes choses a l’encontre de sa personne et d’autrepart considerant que la matiere touchoit la sainte foy catholique, parquoy de soy n’en vouloit prendre la congnoissance envoya maistre Innocent de Crecy, 929 licentiat en decret, son aulmosnier, par devers reverend pere en Dieu monseigneur l’evesque de Cambray 930 ou diocese, du quelle ladite ville de Brucelles est constituee, pour avoir de lui ses lettres de commission adreçans a maistre Enguerran Signard, 931 docteur en theologie, et messire Girart Vurry, 932 docteur en loix, afin de sur ladite matiere faire le proces dudit maistre Jehan de Bruyeres et autres que l’on en trouveroit chargiez et coulpables. Lesquelles lettres de commission mondit seigneur de Cambray ait envoiées a mondit seigneur de Charrolois selon la forme, dont la teneur est inscrivé en la fin de ce present proces. Et depuis lesdites maistre Enguerran Signard et messire Girart Vurry, commissaires deleguez en ceste partie, veues par eulx certaines informacions faites touchant ladite matiere audit lieu de Brucelles et par ceulx de la loy d’illec. Requirent a mondit seigneur de Charrolois que pour mieulx et plus seurement proceder en ladite matiere, il lui pleust escripre ausdites de la loy de Brucelles qu’ilz envoiassent devers luy au Quesnoy le conte ou il estoit lors aucuns tesmoings demorant audit Brucelles qui savoient a parler d’icelle matiere. Et delaquelle ilz avoient desla une fois deposé devant iceulx de la loy, pour lesdites tesmoings confronter devant ledit maistre Jehan de Bruyeres qui estoit prisonnier audit lieu du Quesnoy ou diocese de Cambray. Ce que mondit seigneur de Charrolois accorda, et en escripvit ausdites de la loy de Brucelles. Lesquelz tantost envoierent 929 Lizentiat en decret, Rat und aulmosnier des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl.Kap. 2.3.2. 930 Johann von Burgund, Bischof von Cambrai. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 931 Enguerrand Signard, Beichtvater des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 932 Girard Vurry, maître de requêtes des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 240 lesdites tesmoings audit lieu du Quesnoy. Et eulx venuz lesdis commissaires juges deleguez en ceste partie prins et apellez avec eulx les seigneurs de Fourmelles 933 et de Contay 934 et maistre Guillaume de Clugny, arcediacre d’Avalon, procederent et ont procedé a leur examen et apres icelui examen a les confronter devant ledit maistre Jehan de Bruyere en la maniere qui s’ensuit: [Am ersten Befragungstag werden Befragungen und Gegenüberstellungen durch die Kommissare Enguerrand Signard und Girard Vurry sowie den Seigneures de Fourmelles und de Contay sowie den Archidiakon von Avallon durchgeführt. Befragt werden Franck de Merita, genannt op te Waghe, Josse Doegens, Jean Pepercoiren, Jean de Lombeque, Jean Mussche und Jean de Bruyère.] Premierement le dernier jour de mars mil cccc lxij avant Pasques 935 et devant disner, lesdis commissaires firent venir devant eulx en la chambre dudit seigneur de Fourmelles, Franque de Merita, dit opte Waghe, apoticaire demorant a Brucelles, lequel sur Sains Ewangiles et sub pena convicti presens lesdis seigneurs de Fourmelles, de Contay et arcediacre appellez que dit est, promit de dire verite dece qu’il savoit sur ce que lesdis commissaires lui demanderoient. [fol. 11v] Lesquelz commissaires demanderent audit Franque pour la premiere interrogatoire s’il vouloit maintenu estre vray ce qu’il avoit deposé devant lesdis de la loy de Brucelles, a quoy il respondit que ouy. Interrogué lequel des deux hommes avec qui il ala querré des ymaiges, luy parla premierement desdites ymaiges, dit que ce fut maistre Jehan de Bruyere lequel lui pria de les mener devers le tailleur d’ymaiges. Interrogué s’il a point parlé a Charles de Noyers autrement ne autrepart que en l’ostel du tailleur d’ymaiges pour avoir des ymaiges, de lors dit que ouy. Interrogué se maistre Jehan Bruyere a tousiours esté present quant Charles de Noyers a parlé a luy, dit que non et que ledit Charles a parlé a lui deux fois sans ledit maistre Jehan. En ly requerant qu’il alast avec lui querré lesdites ymaiges, a quoy il respondit qu’il estoit empeschié et n’y povoit aler pour lors. Mais une fois entre les autres il ala vers Joesse Doenges ciryer avec ledit Charles seul. Interrogué en combien de lieux il a esté avec lesdis Charles et maistre Jehan pour avoir des ymaiges, dit qu’il a esté en quatre lieux. C’est assavoir premierement en l’ostel d’un tailleur de pierre maistre Jehan Pepercoren, secondement en l’ostel d’un tailleur d’ymaiges de bois, demorant en la rue ou demeuré ledit tailleur de pierre duquel il ne scet le nom, tiercement en l’ostel d’un autre tailleur de bois, nommé Pieter van Romme. Et quartement en l’ostel d’un autre tailleur de bois, 933 Jean de Rosimbos, Seigneur de Fourmelles, écuyant tranchant, Rat und Späterer Kammerherr des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 934 Guillaume le Jeune, Seigneur de Contay. Hofmeister des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 935 Der Ostertag fiel 1463 auf den 10. April. 241 nommé 936 Jehan de Knibbere 937 demorant empres les Carmes, lequel Jehan fist les ymaiges de bois. Et dit icelui deposa sur ce interrogué que lesdis Charles et maistre Jehan avoient priant haste d’avoir lesdites ymaiges et en firent faire deux, assavoir une en figure de homme et l’autre en forme de femme. Interrogué se ledit maistre Jehan a esté en tous lesdis quatre lieux, dit que ouy. Dit aussi que ledit maistre Jehan luy dist qu’il auroit volentiers une chievre et lui demanda s’il en pourroit recouvrer d’une, a quoy il lui respondit qu’il en verroit et trouveroit assez sur les rues parmy la ville. Et deux ou trois jours apres en lui parlant encores de ladite chievre. Dit icelui maistre Jehan que s’il povoit avoir les cornes d’icelles chievre il ne faisoit pas grant compte du surplus. Dit encores que ledit maistre Jehan lui requist depuis qu’il le menast a l’ostel de son wisin Jehan de Lombecque orfevre pour luy faire deux petiz ymaiges de plonc qu’il desiroit avoir. Ce que fist ledit deposer, mais il ne vit point ledites petiz ymaiges. Interrogué se la deposicion qu’il a faite devant la loy de Brucelles touchant l’esperet que maistre Jehan Bruyere et ung nommé maistre Jehan d’Alemaigne firent venir hors d’un pot d’estain est veritable et s’il la veult maintenir, dit que ouy. Dit en oultre que maistre Thomas lui dist que maistre Gilles tenoit ledit maistre Jehan d’Alemaigne si court que nul ne povoit parler a lui. [fol. 12r] Interrogué s’il ouyt onques dire a Charles de Noyers ne a maistre Jehan Bruyere qu’ilz voulsissent donner ou envoier lesdites ymaiges qu’ilz faisoient faire a aucuns leurs voisins ou amis <autres>, dit que non. Interrogué s’il a escript nulles lettres audit maistre Jehan de Bruyere, dit qu’il ne ly escripvit onques, mais il luy fit escripre une lettre par son filz faisant mencion de Jehan van Womberghe et d’un nommé maistre Thierry lesquelz il n’avoit point trouvez a Anvers ne aussi ung cirie, dont ledit maistre Jehan luy avoit escript. Interrogué s’il scet point que ledit maistre Jehan vouloit faire des personnes, dont il ly avoit ainsi escript. Dit premierement que on vouloit savoir de maistre Thierry maniere pour faire apparoir gens d’armes sur les champs. Dit secondement que ledit maistre Jehan ly avoit requis qu’il lui voulsist faire avoir une agulle dont l’on cout les linceux enquoy l’on ensevelist les mors. Car s’il avoit ladite agulle quant il la mettroit dessoubz une table, il feroit dormir ceulx qui seroient dessus. 936 Pieter van Romme. Et quartement en l’ostel d’un autre tailleur de bois nommé steht am linken Rand und eine Marke zeigt auf die dafür vorgesehene Stelle im Text. 937 Der Vorname des Figurenschneiders de Knibbere wird hier abweichend zu den Brüsseler Aussagen (Jaques) mit Jehan angegeben. Man kann aber davon ausgehen, dass es sich um die selbe Person handelt. Möglicherweise erinnerte sich der Aussagende Apotheker Franck nicht mehr genau an den Namen des Figurenschneiders und nannte ihn Jean anstelle von Jacques. 242 Interrogué dequoy ne dequelle matiere il avoit parlé a ung begaert. Lequel lui avoit respondu que pour argent ne pour l’autre chose quelconque il ne feroit et qu’il lui avoit requis, comme il apparoit par une <cedule> lettre 938 qu’il a escripte audit maistre Jehan Bruyere, laquelle lui a esté monstree et a congneu quelle estoit escripté de la main de son filz, mais finablement il a fort varyé et na riens voulu sur ce confesser pour l’eure. Apres ledit Franque fut cedit jour par lesdis commissaires interrogué par serment que dessus Josse Doenges cirier demorant a Brucelles, s’il vouloit maintenir estre vray ce qu’il avoit deposé devant la loy dudit Brucelles. Aquoy il a respondu que ouy, pour vivre et mourir. Et dit oultre sa deposicion qu’il a ouy dire audit Franque que maistre Jehan de Bruyere lui avoit dit present maistre Nicole Favereau comme il lui semble que les ymaiges estoient fais ad amorem vel pro amore. Cedit jour fut Jehan Pepercoren, tailleur d’ymaiges de pierre demourant audit Brucelles, interrogué par serment comme dessus par lesdis commissaires sur ce que s’ensuit. Premierement s’il tient pour vray et veult maintenir tout ce qu’il a dit et deposé devant la loy dudit Brucelles dit que ouy Item oultre sa deposicion a dit icelui Jehan que quant maistre Jehan de Bruyere ly monstra le petit ymaige de cire, lequel estoit envelopé en une drapeau, il le monstra de loingt assiz couvertement. Et lors se doubta ledit deposeur que ce ne feust pour faire aucun mal. Dit aussi sur ce interrogué que ledit Franque et frere Jehan Mussche, virent et ouyrent bien comment ledit Bruyere ly dit qu’il voulat avoir l’ymaige de pierre tout tel que celui de cire, bien formé [fol. 12v] de ongles, de yeulx et de tous membres comme une personne vive et lui demanda combien il vouloit avoir pour ce faire. Aquoy ledit deposeur respondit qu’il en vouloit avoir ung noble. Mais quant apres ce icelui deposeur dist audit maistre Jehan qu’il doubtoit que ce ne feust pour faire quelque mal, car autrefois il avoit ouy dire que de telz ymaiges l’on faisoit de mauvaises choses. Lesdis Franque et frere Jehan se retournoient et fuent semblant qu’ilz ny entendoient riens. Interrogué s’il oseroit bien dire devant maister Jehan Bruyere ce que dit est et ce qui est contenu en sa deposicion de Brucelles, dit que ouy. <Item oultre sa deposicion a dit> Cedit jour apres ledit tailleur d’ymaiges de pierre a aussi esté interrogué comme dessus par lesdis commissaires Jehan de Lombecque, orfevre demorant audit Brucelles. Premierement s’il veult maintenir ce qu’il a deposé devant la loy dudit Brucelles tout ainsi qu’il est contenu en sa deposicion, dit que ouy. Item oultre sa deposicion a dit que avant qu’il feist les ymaiges d’estain, que maistre Jehan de Bruyere lui fist faire, ledit maistre Jehan et Franque, l’apoticaire, 938 Ms.: lettre steht nach der Streichung oberhalb der Zeile. 243 furent vers lui ung matin. Et lui requist icelui maistre Jehan qu’il lui voulsist faire une forme d’ymaige de pierre dela grandeur d’environ deux pie. Aquoy il respondit qu’il ne le saroit faire et que ce n’estoit pas son mestier. Mais il lui enseingna ledit tailleur de pierre. Et ce jour mesmes environ le soir retourneront devers luy lesdis maistre Jehan et Franque et luy dirent que ledit tailleur de pierre ne leur avoit voulu faire ledit ymaige. Et pour ce lui requist ledit maistre Jehan qu’il voulsist faire lesdites ymaiges d’estain, ce qu’il fist. Dit aussi que ledit Bruyere avoit esté parler a ung autre orfevre, nommé Jehan Lievins, pour faire faire lesdites ymaiges, mais il ne les avoit voulu faire. Ainsi que depuis ce que ledit Franque a esté prisonnier audit Brucelles, icelui deposicion la ouy dire audit Jehan Lyevins. Cedit jour apres disner ledit maistre Jehan de Bruyere fut par lesdis commissaires apellé avec eulx les seigneurs devant nommez interrogué par serment sur les choses qui s’ensuivent en la chambre du seigneur de Fourmelles. Premierement s’il dist onques a Franque, l’apoticaire, que l’esperit qui partit du pot eust yeulx estincelans et ardans, dit que non. Interrogué s’il porta point l’ymaige de cire en l’ostel du tailleur de pierre, dit que non et ne scet se Charles de Noyers ou autre le porta. Mais il vit bien ladite ymaige et lui semble que ledit tailleur le tint. Dit en oultre que Charles de Noyers lui avoit dit qu’il avoit ung sien parent ou ami prieur d’un priore en son pais, auquel il vouloit envoyer des ymaiges de cire, pour les mettre en son eglise. Car en sondit pars n’en avoit nulz si bien faiz. Interrogué s’il dit point a Franque l’apoticaire que lesdites ymaiges estoient faiz ad amorem, dit que ouy. [fol.13r] Interrogué pourquoy donques il disoit que lesdites ymaiges estoient fais pour les envoier audit prieur pour les mettre en son eglise, dit que ledit Charles lui avoit dit qu’il les faisoit faire pour amour et pour sa plaisance. Depuis lesdis interrogatoires et incontinent apres lesdis commissaires ont fait amener et confronter ledit Josse Doenges, cirier, devant ledit maistre Jehan. Lequel Josse <devant> a dit et affermé que icelui maistre Jehan lui avoit dit qu’il savoit bien quel chose l’on pourroit dire d’un homme oultre xl lieues. Sur quoy ledit maistre Jehan a respondu qu’il ne lui avoit point dit en ceste façon. Ains lui avoit dit qu’il le feroit bien savoir par feu oultre xl lieues. Se ceulx qui y seroient entendoient les signes qu’il savoit faire pour ceste cause. A quoy ledit Josse a repliqué en disant franchement et sans varier qu’il ne lui ouy onques parler de feu ains lui avoit dit simplement ce qu’il a deposé. Apres ledit cirier a aussi esté amené et confronté devant ledit maistre Jehan Bruyere ledit Jehan Pepercoren, tailleur d’ymaiges de pierre. Lequel, sur ce interrogué, a dit qu’il congnissoit bien ledit maistre Jehan. Et en oultre que icelui maistre Jehan avoit aporté l’ymaige de cire en son hostel, envelopé en ung drapeau. Et estoient en sa compaignie Franque, l’apoticaire, et frere Jehan Mussche. 244 Aquoy ledit maistre Jehan a respondu que ledit Franque portoit ledit[! ] ymaige et non point lui et ne scet proprement s’il le tint. Mais ledit tailleur a repliqué et dit en perseverant formement qu’il ne vit onques nul autre tenir ledit ymaige que ledit maistre Jehan. Et que lui mesmes l’emporta avecques lui, quant il se partit de son hostel et sera tousjours prest de maintenir qu’il est ainsi. Et pour ce que ledit maistre Jehan a dit qu’il ne parla point a lui pour marchander de faire la forme de pierre. Ledit tailleur a encores repliqué et dit qu’il le disoit en françois audit Franque lequel selon sa parole le lui disoit et raportoit en langaige thyois. Ledit tailleur de pierre party de la chambre a esté ledit maistre Jehan interrogué par lesdis commissaires quel chose il vouloit faire dudit ymaige de cire, dit que c’estoit pour Charles de Noyers et que ledit Charles le lui bailla pour le porter audit tailleur de pierre. Interrogué pourquoy les ymaiges d’omme et de femme que l’on avoit faiz avoient les bras en bas et ainsi que renversez, dit qu’il ne scet, si non pour mettre en une eglise, ainsi que ledit Charles de Noyers, qui les avoit fait faire, le lui avoit dit. Et quant lesdis commissaires lui ont remonstré que l’on ne mettoit aucunes telz ymaiges es eglises et que ceulx que l’on y mettoit estoient communement vesties et les mains jointes comme il peut aparoir a Notre Dame de Haulx a Saint Adrian et ailleurs, il a sur ce respondu qu’il a bien veu es eglises des ymaiges qui ont les bras en bas. [fol. 13v] Apres lesquelles interrogatoires ledit Jehan de Lombecque 939 , orfevre, a aussi esté amené et confronté devant ledit maistre Jehan, et premierement a esté interrogué s’il congnissoit point icelui maistre Jehan. A quoy il a respondu que ouy. Item en la presence dudit Jehan de Lombeque a esté interrogué ledit maistre Jehan se icelui Jehan de Lombeque enseingna point le tailleur de pierre a lui et a Franque. Dit que ouy et qu’il faisoit ce que Charles de Noyers lui faisoit faire. Item a dit icelui Jehan de Lombeque devant ledit maistre Jehan que icelui maistre Jehan retourna devers lui le soir du jour, qu’il fut devers ledit tailleur de pierre. Et lui fist faire deux petis ymaiges d’estain l’un d’omme et l’autre de femme ayans les mains en bas, et pour ce faire lui bailla a deux fois deux tetars d’Angleterre. Item a esté ledit maistre Jehan interrogué, pourquoy il faisoit faire lesdites ymaiges. A quoy il a respondu qu’il le faisoit pour ce que maistre Hansse d’Alemaigne luy avoit dit que qui auroit ces deux ymaiges fonduz et faiz en or - en certain jour et en certain signe d’aucune influance en regart de planette que l’on pourroit eslire par point d’astronomye -, il auroit la grace et seroit amé de toutes les gens qu’il vouldroit. 939 Jean Gros verwendet hier die französische Schreibweise von Lombeke. 245 Autrefois avoit esté interrogué ledit maistre Jehan sur ceste matiere qu’il vouloit faire de ces deux ymaiges. A quoy il avoit respondu qu’il les vouloit faire mettre sur sa gibessiere. Interrogué en oultre s’il fut point en l’ostel d’un autre orfevre pour faire des autres ymaiges doz contre doz, dit que nauy. Et en sa presence icelui de Lombeque a dit et repliqué que ledit orfevre, lequel a nom Jehan Lievin, lui a nagaires dit qu’il ne volt faire lesdites ymaiges combien que ledit maistre Jehan l’en requist. A quoy icelui maistre Jehan na sceu que dire. Interrogué s’il a point escript depuis ung an a Franque, l’apoticaire, qu’il lui fist aucuns messaiges a aucunes personnes a Anvers dit qu’il est vray qu’il escripvit pieça audit Franque que s’il trouvoit audit Anvers ung nommé maitre Thierry, qui estoit de Hollande ou de Zellande. Lequel savoit une science de faire que en buvant que ung homme faisoit a ung pot ou a une tasse. Le pot ou la tasse lui demouroit ataichié au visaige ou il perdoit la parole. Lequel que mieulx plaisoit audit maistre Thierry. Et que mesmes paravant ledit Franque y avoit esté trompé en la presence dudit deposeur, et estoit la cause pourquoy il avoit escript audit Franque qu’il desiroit aprendre ceste science et autres joieuses habilitez que savoit faire ledit maistre Thierry. Interrogué s’il escripvit point audit Franque pour quelque autre cause, dit que non, fors seulement que s’il trouvoit aucuns qui sceussent aucunes sciences, il lui fist savoir, afin qu’il les peust apprendre. Interrogué quel chose il vouloit faire dire ou enquerré par Franque a ung duré duquel ledit depositeur lui avoit escript, dit qui’l ne scet. [f. 14r] Interrogué quel chose il vouloit avoir et savoir du bogart, dont il avoit aussi escript audit Franque par une lettre qui a esté trouvee en sa boiste. Dit qu’il avoit ouy dire que se ledit bogart estoit es prisons de monseigneur de Cambray, il savoit une science par laquelle il eschappoit tantost desdites prisons. Et pour ce desiroit fort savoir ladite science. Interrogué quelles bonnes nouvelles ledit Franque lui devoit dire comme il lui escripvoit par sesdites lettres, dit qu’il ne scet si non qu’il lui deust dire aucune chose d’arquemye. Interrogué quel chose il vouloit faire d’une agulle dont il avoit escript audit Franque, dit qu’il a bien souvent a faire d’agulles pour sa cirurgye. Interrogué encores quel chose il vouloit faire de ceste agulle et quelle agulle cestoit, dit qu’il avoit requis audit Franque qu’il lui fist avoir une agulle, de quoy les femmes consent les linceux, dont elles ensevelissent les gens mors. Pour ce qu’il avoit ouy dire que quant l’on avoit une telle agulle, se on la plantoit ou millieu d’une table ceulx, qui estoient a ladite table, se dormoyent. Ledit dernier jour de mars avant que ledit maistre Jehan de Bruyere feust amené, frere Jehan Musche fut par lesdis commissaires. Interrogué par serement 246 et sub pena convicti, s’il vouloit demoirier empres sa deposicion qu’il avoit faite devant la loy de Brucelles. Surquoy il a respondu que pour avertir, il vouloit bien dire aucunes choses servans a la matiere lesquelles n’estoient point en sadite deposicion. Et pour ce lui a esté odonné par iceulx commissaires de mettre par escript ce qu’il vouloit dire. Laquelle chose il a fait comme il apparoit par ce qu’il a baillé oultre escript de sa propre main. [Enguerrand Signard und Girard Vurry befragen hintereinander den Apotheker Franck op te Waghe und Jean de Bruyère. Im Anschluss daran konfrontieren die Kommissare Jean de Bruyère mit Franck op te Waghe.] Le seconde jour d’avril ensuivant, ledit frere Jehan Mussche de sa franche volenté a dit devant les commissaires dessus nommez qu’il veult demoirier empres sadite deposicion de Brucelles et aussi empres ce qu’il a escript de sa main ou feuillet de papier, cy ataichié, et ainsi le veult maintenir. Et ce fait lui ont iceulx commissaires donné congie, moyennant qu’il a promis de retourner toutes les fois qu’il sera mandé sub pena convicti etc. Le premier jour d’avril mil quatre cent 940 lxij avant Pasches devant disner. A esté de rechief interrogué <Franque> par lesdis commissaires Franque, l’apoticaire, sur le serement par lui faite, quel chose il vouloit faire touchant le contenu en la lettre par lui escripte a maistre Jehan de Bruyere. Surquoy il a dit qu’il avoit chargé dudit maistre Jehan de Bruyere de parler a maistre Thierry. Pour ce qu’il avoit promis audit maistre Jehan de lui aprendre deux sciences, l’une de mettre une lame dedans ung pot et l’autre de faire venir gens <g>d’armes aux champs en aparance. Et aussi la science de faire ataichier une tasse ou ung pot a la bouche d’une personne en buvant tellement qu’il ne le pourroit estre. [fol. 14v] Dit aussi il, qui deposé, avoir averty ledit maistre Jehan de Bruyere d’un compaignon nomme Gherquin, lequel il disoit estre milleure maistre que ledit maistre Thierry en icez d’apertise, tellement que ledit maistre Jehan lui avoit charger de parler audit Gherquin et le lui envoier. Mais il ne le trouva point et pour ce n’en fist riens Dit encores qu’il parla au lieu de Brucelles a ung nommé Pieter van der Lele, lequel savoit faire la quinte essence et aurum potabile, que il disoit sans corrosif Lequel maistre disoit que par ladite quinte essence il avoit guery une abbesse qui longuement et en grant langueur avoit esté malade au lit et avoit perdu ses sens et la parole, tellement quelle estoit comme morte. Et avoit tant fait moyenn ladite quinte essence et aussi ledit aurum potabile quelle s’estoit levee saine de son lit et 940 Die Handschrift weist vier Striche mit einem Überstrich auf, die die üblicheren vierfachen c ersetzen. 247 estoit aler <saine> parmy son eglise comme elle faisoit avant sa maladie. Laquelle chose, ouye par ledit deposeur, il lui demanda s’il vouldroit point monstrer et aprendre ladite sience pour quelque pris audit maistre Jehan. Mais il respondit que pour or ne pour argent il ne l’aprendroit point. Mais se ledit maistre Jehan savoit quelque autre science aussi bonne il aprendroit volontiers sienne pour sienne. Et est ce que ledit depositeur escripvoit comme il dit audit maistre Jehan que l’on ne lui vouloit faire pour argent ne pour autre chose ainsi que sadite lettre le contient. Interrogué quel chose vouloit faire ledit maistre Jehan de l’aguille[! ] qu’il lui avoit demandee, dit qu’il ne scet excepte que ledit maistre Jehan lui avoit dit que de ladite agulle, quant on la mettoit soubz une table et moiennant ung pseaume, qu’on disoit l’on fasoit endormir les gens qui estoient a la table. Et lui avoit escript ledit maistre Jehan depuis qu’il estoit party de Brucelles qu’il avoit fait diligence de recouvrier ladite agulle mais il n’en avoit peu finer. Et pour ce lui prioit qu’il fist tant qu’il en eust une. Cedit jour avant disner maistre Jehan de Bruyere fut de rechief ameé en la chambre du seigneur de Fourmelles et par lesdis commissaires lui fut demandé s’il s’estoit point avisé plusavant qu’il n’avoit dit en sa premiere deposicion. Aquoy il respondit qu’il avoit dit et diroit tousiours verite et que au request du fait de Charles de Noyers, ledit Charles lui dit d’errer a Bruges qu’il s’en yroit a tout les ymaiges devers le prieur qui est son parent. Et que quant il seroit pardela il estoit seur qu’il aprendroit la vraye science d’amour, et que a son retour il la lui aprendroit. Et croit bien lui, qui deposé, qu’il entendoit que ceseroit par vertu desdites ymaiges. Mais il ne le scet point de vray. Interrogué s’il congnoit point la femme de Charles de Noyers, dit que ouy. Interrogué se ladite femme ne autre avoient point esté avec lui et avec ledit Charles quant ilz parloient desdiz ymaiges, dit qu’il n’y avoit que eulx deux seulement. [fol. 15r] Interrogué quel chose il vouloit faire d’une chievre, que lui et Charles avoient demandee a Franque, dit que ledit Charles lui avoit dit que de ladite chievre il feroit du verre qui ployroit ainsi que l’on vouldroit, et ledit <d..> deposeur lui respondit qu’il creoit plustost que ce feust pour faire quelque mal. Mais ledit Charles repliqua et dit que ce n’estoit seulement que pour faire ledit verre ployant. Apres lesquelles interrogatories lesdis commissaires firent amener et confronter ledit Franque, l’apoticaire, devant ledit maistre Jehan. Et lui fut demandé s’il congnissoit point icelui maistre Jehan, aquoy il respondit que ouy. Item dit ledit Franque audit maistre Jehan qu’il savoit plusavant qu’il ne disoit toucher le fait des ymaiges et de l’agulle. Item lui a dit aussi que lui mesmes fist faire lesdites ymaiges au tailleur de bois et qu’il bailla de larges d’erres audit tailleur afin qu’il y besongnast diligemment. 248 A quoy ledit maistre Jehan respondit et dist qu’il avoit voirement baillé lesdis erres mais c’estoit pour ledit Charles lequel lui avoit depuis rendu son argent. Et disoit que ledit Franque le savoit bien, mais ledit Franque respondit qu’il n’en savoit riens. Interrogué ledit maistre Jehan quel pseaume ou verset estoit que l’on devoit dire quant on vouloit faire dormir les gens a table par le moien deladite agulle, dit qu’il n’en scet riens et qu’il n’en parla onques. A quoy ledit Franque a repliqué et dit que si avoit, et ledit maistre Jehan lui a demandé quel pseaulme c’estoit. Et a ce a respondu ledit Franque qu’il le savoit mieulx que lui s’il le vouloit dire. Encores a esté interrogué ledit maistre Jehan quel chose c’estoit qu’il vouloit faire de la chievre noire a cornes noires, qu’il avoit demander audit Franque, dit que Charles la demandoit et vouloit avoir et que c’estoit pour luy. A quoy ledit Franque a repliqué et dit que ledit maistre Jehan la demanda lui mesmes et que ledit Charles n’en parla jusques au derrenier. Item a esté ledit Franque interrogué quel chose il pensoit en soy mesmes quant ledit maistre Jehan lui demanda ladite chievre, dit qu’il n’y pensoit point de bien et que ledit maistre Jehan le scet mieulx que lui s’il en vouloit dire la verite. Item a aussi dit ledit maistre Jehan sur ce interrogué qu’il lui sembloit pareillement que ce n’estoit point pour bien que ledit Charles vouloit avoir ladite chievre. Et qu’il lui dit que c’estoit pour faire quelque sotye ou faulsete pour decevoir femmes ou autrement. Mais icelui Charles lui respondit qu’il le laissast faire. Et que quant il avoit ladit chievre il lui diroit bien quel chose il es vouloit faire. Item a esté ledit Franque interrogué se ledit maistre Jehan lui avoit point dit que ledit Charles feust de son pais et qu’il eust perdu le sien pour quoy il avoit tant fait qu’il estoit retenu chambellan de monseigneur d’Estampes. A quoy il a respondu que ledit maistre Jehan lui dist que ledit Charles avoit demoure a Romme et qu’il avoit perdu ses biens et estoit chambellan de monseigneur d’Estampes. [fol. 15v] Ledit maistre Jehan a sur ce dit qu’il ne scet point, qu’il deist audit Franque que ledit Charles eust demodemouré a Romme. Mais bien est vray qu’il a une fille mariee en Savoye, pourquoy il avoit congnoissance a lui. Ledit Franque a sur ce repliqué soustenant tousiours que ledit maistre Jehan lui avoit dit ce que dit est. Item a esté encores interrogué ledit maistre Jehan quel chose ledit Charles vouloit faire des cornes de ladite chievre, dit par son serment qu’il lui semble qu’il en vouloit decevoir quelque femme. Item pour ce que ledit maistre Jehan par sa premiere deposicion a nyé qu’il eust dit audit Franque que l’esperit, qui partit hors du pot, avoit yeulx ardans. 249 Icelui maistre Jehan sur ce de nouvel interrogué l’a de rechief nyé. Mais ledit Franque luy a respondu bien franchement qu’il luy avoit ainsi dit. Item ledit maistre Jehan sur ce interrogué a confessé qu’il avoit dit audit Franque que maistre Jehan d’Alemaigne avoit donné ung especit a maistre Gilles pour juger des urines, comme il lui avoit ouy dire. Cedit jour apres disner a esté par lesdis commissaires demandé a Franque, l’apoticaire, s’il s’estoit point avisé sur les choses, dont il avoit desja esté interrogué. Surquoy ledit Franque a dit en effect que trois ou quatre jours avant que monseigneur partist derrier de Brucelles, il se trouva ascier goule avec maistre Jehan Bruyere, lequel le pourmena longuement parmy l’eglise. Et parlerent de plusieurs choses ensemble, en especial des ymaiges que Charles de Noyers avoit fait faire en l’ostel de Josse et ailleurs. Et demanda lui, qui deposé, audit maistre Jehan pourquoy lesdites ymaiges cestoient faiz. Lequel maistre Jehan lui respondit qu’ilz estoient faiz ad amorem et plusavant ne ly en dit. Dit en oultre que le jour mesmes qu’il parla audit maistre Jehan, il ala en l’ostel de monseigneur d’Estampes a Brucelles en la maison, ou se tient maistre Jehan concierge dudit hostel. Et illec ledit Charles de Noyers lui demanda, s’il avoit point de blanche cire. Lequel deposeur lui respondit que non, mais il en trouverioit assez en la ville. Et le mena en l’ostel de la couronne, ou il en avoit, et en acheta six onces pour ledit Charles. Et ainsi que dez ledit hostel de monseigneur d’Estampes, ilz aloient acheter ladite blanche cire. Ledit deposeur demanda audit Charles pourquoy ne a quel fin estoient faiz les ymaiges de cire que desja il avoit fait faire. Lequel Charles lui dit apres aucuns langaiges qu’ilz estoient faiz pour mettre amour entre monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. Interrogué s’il lui semble en sa conscience que maistre Jehan Bruyere s’eust autant du fait des ymaiges que ledit Charles, dit par sa foy qu’il croit que c’estoit tout ung desdis Charles et maistre Jehan. Et en especial que icelui maistre Jehan lui parloit plussouvent et plus soingneusement desdites ymaiges que ne faisoit ledit Charles. [Am vierten April befragen die Kommissare Enguerrand Signard und Girard Vurry sowie die Seigneures de Fourmelles und de Contay und der Archidiakon von Avallon Jean de Bruyère zu Unstimmigkeiten in vorherigen Aussagen. Die Befragung wird streckenweise unter der Anwendung von Folter durchgeführt.] [fol. 16r] Le lundi iiij e jour dudit mois d’avril l’an lxij avant Pasques audit lieu du Quesnoy. Veues par lesdis maistre Enguerran Signard et messire Girart Vurry, commissaires et juges deleguez en ceste partie, comme dessous presens. Et apellez avec eulx pour plus grande et seure consultacion lesdis seigneurs de Fourmelles, de Contay et arcediacre d’Avalon. Les deposicions faites a diverses fois par maistre Jehan de Bruyeres touchans les ymaiges de cire, d’estain et autres que Charles de Noyers et ledit maistre Jehan avoient fait faire a Brucelles ceste année presente, 250 lesquelz ymaiges l’on veult dire estré fais ad amorem. Veues aussi les deposicions d’aucuns testmoings faisans contre ce que ledit maistre Jehan avoit deposé et les variacions et contrarietez trouvées esdites deposicions d’icelle maistre Jehan et la constance et perseverance d’iceulx testmoings en leurs deposicions contre lui. Veues semblemment les manieres et vaxilliacions dudit maistre Jehan, lequel a leur deul se rendoit tresfort suspect et chargie en ceste matiere a esté par lesdis commissaires et juges en ceste partie, a bonne et meliure deliberacion. Et en versant du povoir a eulx donné par mondit seigneur de Cambray, ordonné et declaré par sentence interlocutorie que ledit maistre Jehan de Bruyere seroit mis a la voye extraordinarie et apliqué a la question. Et icelle interrogué sur les choses cy apres declarees. Mais avant ladite sentence interlocutorie pronuncee, ledit maistre Jehan a esté par lesdis commissaires doulcement exhorté et amonnesté de dire pleinement verite sans aucune variacion. Et premierement a esté interrogué entre qui ne pour qui estoient fais les ymaiges que Charles de Noyers avoit fait faire puisqu’il avoit dit, que c’estoit ad amorem. Dit sur ce que lesdites ymaiges ont esté faiz pour mettre amour entre les princes, c’est assavoir le roy, monseigneur le duc de Bourgogne, monseigneur de Charolois et monseigneur d’Estampes. Interrogué s’il scet point que lesdites ymaiges desservissent a autre chose et feussent faiz a autre fin que ad amorem, dit que non, et que ledit Charles lui avoit dit que ainsi se devoit faire et non autrement. Interrogué se ledit Charles entendoit adresser ceste amour particulierement ou generalement et se cestoit pour mettre amour entre le roy et monseigneur le duc apart, entre le roy et monseigneur d’Estampes, entre monseigneur le duc et monseigneur d’Estampes ou entre monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes, dit par sa foy que riens n’en scet. Interrogué a quoy servoient ne pour quelles femmes c’estoit que les ymaiges de femme estoient faiz, dit qu’il n’en scet autre chose si non que Charles de Noyers lui avoit dit que c’estoit pour faire amour entre hommes et femmes et aussi bien pour femmes que pour hommes. Pour ce que ledit maistre Jehan par doulceur n’a plusavant voulu dire ne confesser quelque amonnestement ne exhortacion que lesdiz commissaires lui aient s’en faire. Ladite sentence interlocutoire a esté par iceulx commissaires pronuncee et donnee contre lui. Et pour les causes desseure touchees a esté apliqué et mis a la question du chapelet, laquelle a esté assez legiere et sans quelque mutilacion de membre, en laquelle question il a esté par lesdiz commissaires interrogué sur ce qui sensuit: [fol.16v] Premierement quel chose l’on vouloit ou cuidoit faire desdites ymaiges et par quel maniere ou conjuracion on les devoit adresser, pour mettre amour entre les princes et se Charles de Noyers lui en a riens dit. Dit que non, excepté 251 que ledit Charles lui a dit que le prieur devoit faire ladite amour par le moien desdites ymaiges. Et de ce qu’il y feroit. Interrogué quel chose il vouloit faire du bogart, dont les lettres que Franque lui a escripte font mencion, dit que ce n’estoit fors pour ce que ledit bogaert savoit bien maniere d’eschaper de prison, quant il y estoit mis quelque forte prison que ce feust. Et qu’il eust volentiers apris ceste science. Interrogué quel chose estoit escript en ce que l’on avoit coppé jus de la lettre que ledit Franque lui avoit escripté, dit qu’il s’en raporté audit Franque et qu’il non scet riens. Interrogué de l’agulle, dont aussi il avoit baillé chargé a Franque et quel chose il en vouloit faire, dit qu’il ne scet fors pour faire dormir les gens a table. Interrogué qui l’a meu aprendre et avoir l’acointance de maistre Gilles, dit par sa foy que ce ne fut que pour la sience d’arquemye. Et pour ce que ledit maistre Gilles disoit savoir faire aurum potabile. Interrogué qui le mehut a amener Charles de Noyers devers monseigneur d’Estampes, dit que ledit Charles s’adressa a luy et ly demanda premierement apres ung sien neveu nommé Charles de Lor, qui est de l’ostel de mondit seigneur d’Estampes. Et apres aucuns langaiges lui dit, qu’il esté arquemisté et qu’il savoit aucunes espesses d’arquemye. Lesquelles il lui permit d’aprendre et pour ce lui donna entree devers mondit seigneur d’Estampes. Interrogué sur le fait des yeux ardans de l’esperit qui partit hors du pot d’estain, dit qu’il n’en scet riens, mais maistre Gilles scet bien faire le personnaige d’icelui escript. Interrogué s’il a point dit a aucuns que lesdites ymaiges se faisoient ad amorem, dit qu’il en a parlé audit Franque et a deux ou trois autres. Interrogué qui sont les autres ausquelz il en a parlé avant qu’il feust prisonnier, dit qu’il en a parlé a maistre Thomas et aussi au bailli d’Amiens 941 et a Henry de Chissey 942 ,passé ung mois premierement a Bruges et depuis a Peronne. Et en ceste ville de Quesnoy et qu’il leur a dit que Charles de Noyers devoit faire l’amour par le moien dudit prieur. Interrogué quelle conjuracion on devoit faire sur les ymaiges, dit qu’il pensoit et se doubtoit bien que l’on ny voulsist faire aucune conjuracion, mais plus n’en scet. Interrogué se Charles de Noyers a emporté avec lui aucuns desdites ymaiges, dit que ouy, assavoir ceulx qui furent faiz a Brucelles et aussi les formes. 941 Philippe de Crèvecœur hatte seit Juli/ August 1462 die burgundische Bailliage »dela la Somme«inne. Philippe de Crèvecœur war nicht nur bailli d’Amiens, er wuchs am burgundischen Hof auf, war Rat Philipps des Guten und kämpfte an der Seite Karls des Kühnen. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.1. 942 Henry de Chissey (Sissey), Edelmann aus der Pikardie, ist gemeinsam mit einem Herrn Erart bereits im Jahre 1459 am Hof des Herrn von Étampes in Amiens nachweisbar. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.1. 252 Dit aussi sur ce interrogué qu’il ne scet, se lesdites ymaiges ont esté conjurez ou non, avant le partement dudit Charles. [fol. 17r] Interrogué quel chose il vouloit faire des conjuracions et du livre appellé Rachel que frere Jehan Musch lui a baillé, dit qu’il a eu et veu ledit livre. Mais il meu fist onques mal, et ne usa onques de conjuracions. Et si ne scet qu’est devenu ledit livre. Interrogué par quelle ordonnance ne a la requeste de qui Charles de Noyers faisoit faire lesdites ymaiges, dit que ledit Charles les faisoit faire a la requeste dudit prieur et non d’autre, qu’il sceust. 943 Dit encores de soy mesmes sur le fait des ymaiges que Charles de Noyers en avertit monseigneur d’Éstampes, lequel n’en fist pas grant compte. Dit aussi ledit deposeur que lui mesmes parla desdites ymaiges a mondit seigneur d’Éstampes, lequel ly dit qu’il ne lui en chailloit. Interrogué pourquoy faire ledit Charles a emporté avec lui lesdites ymaiges, dit qu’il les a emportez pour aprendre la science d’amour et que ledit prieur devoit faire aucunes choses pour faire avoir ausdites ymaiges la vertu d’amour. Et tellement la devoit faire que jamais n’aroit que bonne amour entre les princes dessus nommez. Interrogué pourquoy ledit Charles avoit fait faire les ymaiges de femme, dit que c’estoit aussi pour mettre bonne amour entre les princesses avec les princes et plus n’en scet. Dit aussi que ledit Charles lui devoit aprendre la maniere desdites ymaiges et la vertu qu’ilz auroient. Et lui avoit promis qu’il lui feroit beaucop de biens. Interrogué pourquoy il vouloit savoir ceste science d’amour, puisque celle se fait par sorssorye et conjuracions, dit qu’il ny entendoit point de mal. Interrogué se ledit Charles ly avoit point dit que pour mettre amour entre gens il failloit mettre aucunes herbes ou autre choses sur les personnes, dit qu’il ne scet. Mais il convenoit avoir les noms des personnes entre lesquelles on vouloit mettre l’amour ainçois que lesdites ymaiges peussent avoir vertu. Interrogué quelz noms ledit Charles a emportez avecques lui, dit qu’il a emporté les noms des quatre princes devant nommez. Et que ledit Charles lui avoit dit qu’il lui feulloit avoir lesdiz noms, et les lui bailla. Interrogué se ledit Charles a emportez nulz autres noms dit qu’il ne scet. Interrogué encores de la copure de la lettre, laquelle a ceste fin lui a esté monstrée, dit que c’estoit pour parler a une femme qui savoit tresbien ouvrir serrures sans clefz. Et que Franque parla a ladite femme de par lui, afin qu’il peust savoir ceste science. Interrogué se l’effect de ce qui estoit escript en ladite copure n’estoit point pour parler au bogaert d’autre chose, dit que non. 943 Ms.: qu’il sceust wurde vermutlich nachträglich mit hellerer Tinte am Ende der Zeile angehängt. 253 Interrogué quelle nouvelle ledit Franque lui devoit dire quant il viendroit a Brucelles, dit que c’estoit touchant ung nommé maistre Michiel, lequel savoit la perfection d’arquemye, et estoit acointe de frere Jehan Musche, et aussi pour autres sciences, lesquelles il desiroit savoir. [fol. 17v] Interrogué de la messe que frere Jehan Musche lui bailla, dit que ledit frere Jehan lui avoit dit que qui feroit dire ladite messe xv ou xvj fois avec aucunes autres choses, il seroit en grace de toutes gens. Et que s’il avoit quelque tribulacion ou aversité , il en seroit tantost delivré par le moien de ladite messe. Interrogué par quel moien ne par quelz gens ledit Charles lui devoit faire des biens beaucop, dit que icelui Charles lui avoit dit que puisqu’il estoit serviteur de monseigneur d’Estampes, il feroit tant par le moyen des ymaiges qu’il auroit des biens si largement qu’il vouldroit. Et qu’il en feroit aussi avoir beaucoup audit deposeur. Interrogué se ledit Charles lui avoit dit qu’il feroit conjurer lesdites ymaiges, dit que ouy et que ledit prieur devoit faire la conjuracion par certains poins. Interrogué si’l a aucune congnoissance dudit prieur, dit qu’il demeuré en Bourgogne et qu’il est bien riche. Et a eu son benefice et les biens qu’il a par le moien d’aucuns ymaiges, comme ledit Charles lui a dit. Interrogué comment ledit Charles vouloit mettre l’amour entre les princes dessus nommez, dit en generale qu’il vouloit mettre ladite amour par le moien des ymaiges entre lesdis quatre princes ensemble. Interrogué encores se ledit Charles vouloit point mettre d’amour particuliere entre aucuns desdis princes, dit qu’il vouloit mettre bonne amour entre monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. Interrogué pourquoy ne a quel fin ledit Charles vouloit mettre ladite amour particuliere, dit que c’estoit pour faire que monseigneur d’Estampes feust bien en grace de mondit seigneur de Charrolois. Et que cy apres mondit seigneur de Charrolois lui fist des biens beaucop. Dit en oultre ledit deposeur de son mouvement que ledit Charles lui avoit dit qu’il avoit different entre monseigneur le duc et monseigneur de Charrolois. Et que par le moien des ymaiges, il vouloit mettre bonne amour entre eulx deux. Dit aussi que par vertu desdites ymaiges ledit Charles devoit mettre amour entre le roy et monseigneur d’Estampes au moien de laquelle mondit seigneur d’Estampes seroit connestable de France. Interrogué s’il scet point ou est alé ledit Charles, dit que non se n’est qu’il soit alé vers le prieur. Et croit qu’il y soit alé pour le fait desdites ymaiges. Interrogué pourquoy principalement l’on envoya querré maistre Hansse d’Alemaigne ne quel chose on vouloit faire de lui, dit que c’estoit pour faire des jugemens sur nativitez de gens. 254 [fol. 18r] Ledit maistre Jehan de Bruyeres estant encores en la question. Requist d’en estre mis hors et promist de soy mesmes qu’il diroit verité. Pourquoy il fut incontinement mis hors de ladite question par l’ordonnance desdis commissaires. Et luy estat deslyre et assiz sur ung siege en la place et pres du banc ou icelle question avoit esté exercee. Dit et deposa de sa franche volonté et sans nulle interrogatoire les choses qui sensuivent. C’est assavoir que environ le Noël dernier passé Charles de Noyers, lequel il ne congnissoit paravant, s’adressa a lui a Brucelles et ly dit comment passé xxiiij ans il avoit esté serviteur de monseigneur d’Estampes et son chambellan a la requeste de messire Berard de Lor. Et a ceste occasion avoit tousiours singulierement et sur tous autres princes desiré et desiroit le bien de mondit seigneur d’Estampes plus que de nul autre prince. Dit aussi que ledit Charles lui avoit dit en apres qu’il entendoit que mondit seigneur d’Estampes n’estoit pas avec monseigneur de Charrolois en si bonne amour ne en si bonne familiarite qu’il devoit. Et qu’il eust bien voulu, dont ledit Charles estoit bien desplaisant. Et apres lui dit icelui Charles qu’il avoit ung prieur en Bourgoingne qui avoit quatre religieux en son priore. Lequel prieur savoit pluseurs sciences, et entre les autres savoit faire par le moien d’aucuns ymaiges que deux gens seroient en si bonne amour l’un avec l’autre qu’ilz ne s’en pourroient separer. Et que ledit prieur l’avoit lui mesmes experimenté, car il avoit demouré en court de Romme en l’ostel d’un cardinal, lequel il ne scet de present nommer. Et pour ce qu’il n’estoit pas bien amé du maistre d’ostel dudit cardinal, parquoy il ne povoit avoir telle privauté ne avancement entour son maistre qu’il eust bien desiré et voulu. Il s’arrivta[! ] d’un ytalien qui lui fist et bailla ung ymaige par le<q> moien duquel il fut bien dudit maistre d’ostel. Et par ce entra en la grace dudit cardinal tellement qu’il fut tantost pourveu d’un bon benefice. Et dit aussi ledit maistre Jehan que icelui prieur a esté par cidit abbe d’une abbaye et qu’il en fut bonté hors ne scet par quel moien. Et depuis a esté pourveu du priore qu’il a de present lequel comme ledit Charles lui a dit peut bien valoir xj d florins en escuz par an. Dit encores ledit maistre Jehan que ledit Charles apres les devises dessus dites lui avoit dit que ledit ytalien avoit apris audit prieur la science de faire les ymaiges pour mettre amour entre gens en telle maniere que nul ne la povoit separer, fors seulement ceulx qui usoyent desdites ymaiges. Et tellement que nul ne povoit vouloir le contraire de ce que l’autre vouloit et feussent ores a cent lieues l’un arriere de l’autre. Mais se celui qui use des ymaiges pour parvenir a ladite amour et qui est parvenu a icelle s’en veult departir, quant il a assez de biens a sa volonté. Ledit prieur scet aussi la maniere de le faire sans faire mal ausdites personnes. [fol. 18v] Dit apres ledit Charles audit maistre Jehan qu’il estoit tout seur, se monseigneur d’Estampes vouloit qu’il trouveroit maniere de faire des ymaiges que ledit prieur conjureroit par certaines conjuracions qu’il savoit bien faire. Et 255 que par le moien desdites ymaiges il feroit mettre bonne amour entre le roy et mondit seigneur d’Estampes, en telle façon que icelui monseigneur d’Estampes parvenroit a estre connestable de France. Et feroit aussi mettre amour entre monseigneur le duc, monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes et en especiales entre mondit seigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. Et finablement requist ledit Charles audit maistre Jehan qu’il le voulsist adreçer devers mondit seigneur d’Estampes et lui aidier a conduire ceste besongne. Sur quoy ledit maistre Jehan demanda, comme il dit, audit Charles, se par lesdites ymaiges l’on pourroit faire aucun mal aux personnes entre lesquelles on mettroit l’amour. Mais icelui Charles lui respondit que non et lui en fist de bien grands sermens. Bien lui dit icelui Charles que quant il yroit vers ledit prieur il lui demanderoit, s’il en savoit aucune chose. Et quant ledit maistre Jehan repliqua et demanda audit Charles s’il avoit avecques lui aucunes conjuracions pour faire avoir presentement vertu ausdites ymaiges, il lui respondit et jura que non. Mais il ne doubtoit point que quant mondit seigneur d’Estampes auroit lesdites ymaiges il n’eust des biens, autant qu’il vouldroit. Dist aussi ledit Charles apres toutes ces choses audit maitre Jehan pour le mouvoir a faire ce qu’il queroit que de present il estoit povre gentil homme combien qu’il eust encores aucuns bons villaiges a lui appartenans. Mais quant mondit seigneur d’Estampes seroit parvenu a la bonne grace et amour des princes et seigneurs, il avoit bien intencion de faire suer sa boursse tellement que lui et ledit maistre Jehan auroient des biens largement. Pour lesquelles causes ledit maistre Jehan accorda audit Charles de parler a mondit seigneur d’Estampes et de lui aidier a trouver des ymaiges et des formes audit Brucelles, pour faire ce que dit est. Mais ledit Charles parla lui mesmes premierement de fait desdites ymaiges a mondit seigneur d’Estampes lequel n’en fist pas grant compte. Et lui dit que beaucop de fois il avoit esté trompé et abusé en plusieurs cas et de plusieurs maistres, comme depuis ledit Charles le recita audit maistre Jehan. Lequel maistre Jehan a la requeste d’icelui Charles, comme il dit, parla assez tost apres des choses dessus dites a mondit seigneur d’Estampes tellement qu’il fut content que lesdites ymaiges feussent faiz. Et a ceste cause bailla ledit maistre Jehan l’adresse et assistence de faire lesdites ymaiges audit lieu de Brucelles, selon qu’il est contenu en ses autres deposicions ses informacions sur ce faittes. [fol. 19r] Dit en oultre ledit maistre Jehan que ledit Charles de Noyers aporta lesdites ymaiges a Bruges ensemble les formes pour faire les semblables quant il vouldroit. Et de Bruges s’en vint a Lille avec mondit seigneur d’Estampes derriere qu’il y fut duquel lieu de Lille. Il se partit a tout lesdites ymaiges par le congie de mondit seigneur d’Estampes pour aler devers ledit prieur, mettre a effect ce qu’il avoit conclut touchant lesdites ymaiges. Et apres le congie de mondit seigneur d’Estampes parla audit maistre Jehan et ly dit je m’en voys la ou vous savez et ne 256 fay nulle doubte que je ne besongne bien. Et a mon retour je vous avertiray de tout. [Am 5. April 1463 bestätigt Jean de Bruyère seine ihm schriftlich vorgelegte Befragung des Vortages. Die Untersuchungskommission führt die Befragung fort.] Le v e jour dudit mois d’avril suigant en la chambre d’empres la prison, ou estoit maistre Jehan de Bruyeres tout hors et bien loingt du lieu de la question, ceste derraine deposicion dessus escripte a esté monstree et luté mot apres autre audit maistre Jehan, pour savoir s’il y vouloit aucune chose adiouster ou diminuer. Lequel maistre Jehan devant lesdis commissaires et autres dessus nommez appellez avec eulx a dit et affermé icelle estre vray par le serment qu’il a autrefois fait. Et depuis a esté par iceulx commissaires interrogué en la meisme instance sur ce qui s’ensuit sans quelque contrainte, mais par doulce amonicion de dire seulement la vraye verité. Premierement qui la meu ne par quelle ordonnance et par quel moien il s’est icy venu rendre prisonnier, dit que trois ou quatre jours apres, ce que monseigneur le duc et monseigneur d’Estampes furent derrnier 944 arrivez a Bruges, ledit maistre Jehan ouyt dire que maistre Gilles estoit prisonnier a Brucelles. Dont il fut bien esbahy et se doubta tantost du fait des ymaiges que lui et Charles de Noyers avoient fait faire, pourquoy il s’en ala vers ledit Charles et lui dit ces nouvelles. Mais il n’en tint gueres de compte. Et depuis le bailli d’Amiens et maistre Guillaume de Bery 945 manderent ledit maistre Jehan en la chambre dudit Bery. Lequel bailli lui demanda s’il estoit vraye que l’on eust envoié querré ung astrologue en Alemaigne qui devoit par point d’astrologie faire des ymaiges moyennant lesquelz il feroit tant que icelui maistre Jehan seroit amé de toutes gens. Aquoy ledit maistre Jehan respondit que voirenat l’on estoit alé querré ledit astrologue. Et ce fait ledit bailli se partit de ladite chambre pour s’en <c> aler vers monseigneur d’Estampes. Et depuis ne fist de riens semblablement audit maistre Jehan jusques a ce que mondit seigneur d’Estampes fut a Peronne. Et dit icelui maistre Jehan que ledit bailli estoit averti dudit astrologue dez Brucelles et que ledit maistre Thomas lui avoit dit, comme il avoit entendu, auquel lieu de Peronne mondit seigneur d’Estampes manda. Et fist venir devers lui ledit maistre Jehan et lui dit qu’il avoit esté averty qu’il coirroit de bien estranges langaiges a cause desdites ymaiges dont il estoit tres dessus laisant. [fol. 19v] Et demanda audit maistre Jehan, s’il savoit point que l’on peust ou deust faire a personne vivant quelque mal par lesdites ymaiges. A quoy il, qui deposé, lui respondit et afferma en sa conscience que onques en sa vie il n’avoit sceu ne ouy 944 Ms.: derrnier steht über der Zeile und eine Marke zeigt auf die dafür vorgesehene Stelle im Text. 945 Guillaume de Bery, Herr von Hamel, Metz und de Seleux, war Sohn von Mile de Bery. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.1, Anm. 232. 257 dire que l’on en deust faire aucune mal. Finablement mondit seigneur d’Estampes lui dit que lui mesmes vouldroit estre et seroit le premier qui le pugneroit, comme bien l’aroit dessuys s’il savoit ou povoit savoir le contraire. Mais puisqu’il ne se s’entoit en riens coulpable, il vouloit et ly commanda qu’il se vint rendre prisonnier devers mondit seigneur de Charrolois pour la descharge de chacun. Et pour ce que ledit maistre Jehan lui dit qu’il n’avoit pas grant congnoissance en l’ostel de mondit seigneur de Charrolois, mondit seigneur d’Estampes ordonna que ledit bailli d’Amiens l’amenroit pardeça comme il a faites. Interrogué pourquoy il a tant differé de confesser la verité desdites ymaiges comme il fist le jour de hier, puisque l’on n’en povoit ne ne peut mal faire, dit que l’on ne lui avoit point demandé entre quelz gens se devoit mettre l’amour par le moien desdites ymaiges. A quoy lui a bien esté respondu que si avoit. Mais en fin il na sceu sur ce que dire. Interrogué pour ce qu’il a dit que par le moien des ymaiges l’on pourroit mettre amour non pas seulement entre les princes, mais entre toutes gens etc. S’il falloit avoir autant d’ymaiges que l’on vouloit faire amer de personnes, dit que Charles de Noyers lui a dit que ouy et qu’il convenoit avoir les noms. Dit encore et confessé sur ce interrogué que quatre cinq ou six jours avant son partement de Brucelles il parla a ung cordelier nommé frere Fonke pour savoir, s’il lui vouldroit aprendre la science de mettre amour entre monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. Interrogué encore sur le fait desdites ymaiges et comment il est vray semblement que par deux ymaiges l’on <prest> peust gouverner le royaume de France et en especiale sur quelles femmes l’on vouloit esprouver l’imaige de femme que lui et Charles de Noyers ont fait faire. Dit que icelui Charles lui avoit dit qu’il ny savoit autre chose si non pour mettre amour aussi bien entre les princesses que entre les princes. Et que ledit Charles a aussi bien les formes pour getter ymaiges de femmes que ymaiges d’ommes. Interrogué puisqu’il n’y avoit que ung ymaige de femme comme il a dit, s’il scet point pour quelle dame estoit ledit ymaige de femme et se c’estoit pour la royne, pour madame la duchesse, ou pour madame de Charolois et pour laquelle desdites dames c’estoit, dit par sa foy qu’il n’en scet riens et que Charles ne lui en parla que en generale. [fol. 20r] Interrogué se ledit Charles ne fist que ung ymaige d’omme, dit que non. Interrogué pour qui estoit ledit ymaige d’omme, dit que ledit Charles lui avoit dit plainement que c’estoit pour mettre amour entre monseigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. A quoy lui a esté repliqué et dit que pour mettre amour entre deux hommes il falloit avoir deux ymaiges d’omme et non pas ung d’omme et 946 ung de femme. 946 Ms.: Non pas ung d’omme et steht über der Zeile und eine Marke zeigt auf die dafür vorgesehene Stelle im Text. 258 Et qui vouloit mettre amour entre homme et femme il estoit bien acroire qu’il convenoit avoir deux ymaiges l’un d’omme et l’autre de femme. Sur ce a esté respondu par ledit deposeur qu’il ne falloit que ung ymaige d’omme pour mettre amour entre deux hommes ne que ung ymaige de femme pour mettre amour entre ung homme et une femme. Mais pour autant de paires de gens que l’on vouloit faire amer l’un l’autre, il falloit avoir autant d’ymaiges en la maniere dessusdite. Interrogué doncques puisques Charles de Noyers n’en avoit porté avecques lui que deux ymaiges faiz l’un d’omme et l’autre de femme, ainsi que disoit lui, qui parlé, entre qui et pour quelles personnes lesdites deux ymaiges d’omme et de femme estoient faiz. Dit que ledit Charles lui avoit dit que c’estoit pour mettre amour aussi bien entre mondit seigneur d’Estampes et madame de Charrolois, comme entre mondit seigneur de Charrolois et mondit seigneur d’Estampes. Afin que madite dame entretint mondit seigneur d’Estampes en la grace de mondit seigneur de Charrolois. Et dit une fois ledit Charles a lui, qui deposé, en parlant de ceste matiere que l’oiseau qui chantoit de nuyt faisoit beaucop. Dit aussi lui, qui deposé, que l’ymaige de femme que ledit Charles a emporté a esté fait pour madite dame de Charrolois. Et cuidoit ledit deposeur que icelui Charles deust faire ce qu’il disoit desdites ymaiges. Interrogué s’il veult perseverer en sa deposicion des deux articles precendens lesquelz lui ont esté monstrez et leuz trois fois l’une apres l’autre, s’il les oseroit bien maintenir devant ledit Charles de Noyers, dit que ouy. Interrogué a quelle fin ne pourquoy l’on vouloit mettre l’amour entre madite dame de Charrolois et mondit seigneur d’Estampes, et entre mondit seigneur de Charrolois et monseigneur d’Estampes. Dit qu’il n’en scet autre chose, si non afin que mondit seigneur d’Estampes feust tousiours en la grace de mondit seigneur de Charrolois et de madite dame sa compaigne pareillement. Interrogué s’il a point parlé a monseigneur d’Estampes de l’amour d’entre lui et madite dame de Charrolois, dit que non. Mais Charles de Noyers a dit a mondit seigneur d’Estampes qu’il mettroit bien amour entre hommes et femmes par le moien desdites ymaiges. Et aussi le dit audit deposeur. Et avec ce lui a dit que l’ymaige de femme qu’il a emporté estoit pour madite dame. Interrogué par quel adveu ne par quelle ordonnance a esté fait l’ymaige de femme dont dessus est touchié, dit qu’il n’en scet riens. [fol. 20v] Interrogué se les deux ymaiges d’omme et de femme qui ont esté faiz et aussi les formes ont point esté monstrez a monseigneur d’Estampes, dit qu’ilz ne lui ont point esté monstrez en sa presence Mais il est vray que certains jours avant le partence de monseigneur de la ville de Brucelles et luy estant en la salette de l’ostel de mondit seigneur d’Estampes, il trouva ledit Charles venant de devers mondit seigneur d’Estampes, lequel portoit les formes des ymaiges envelopees en papier. Et lui dit qu’il les venoit de monstrer a mondit seigneur d’Estampes. 259 Interrogué quel chose Charles lui avoit dit que mondit seigneur d’Estampes lui avoit respondu desdites formes, dit que ledit Charles disoit qu’il ne lui en avoit riens dit pour leure, car il venoit tant de gens vers lui qu’il n’avoit peu besongnier. Mais encore parleroit il a lui plusapres et feroit bien. Interrogué du fait de l’agulle et qu’il en vouloit faire, dit qu’il n’en vouloit faire autre chose que ce que desla il a deposé. Interrogué s’il a point experimenté la science de faire dormir gens a table par le moien de ladite agulle et de moiennye, comme autrefois avoit dit que faire se povoit, dit que ouy. Interrogué en quel lieu il l’a experimenté, dit qu’il l’a experimenté a Mondidier et qu’il y avoit deux des varle des permentres de l’ostel monseigneur d’Estampes et aucuns varlez de chambre. Et dit aussi que une parisienne lui bailla une agulle, dont l’on avoit consu les mors comme elle disoit. Interrogué se les presens audit experiment en sentent riens, dit que non. Interrogué se ledit Charles monstra point les ymaiges a monseigneur d’Estampes, dit que pluseursfois ledit Charles lui avoit dit qu’il les lui monstreroit et qu’il failloit bien qu’il vit tout. Interrogué s’il fut point present quant ledit Charles monstra lesdites ymaiges a mondit seigneur d’Estampes, dit que non. Interrogué se ledit Charles lui avoit point dit qu’il eust monstré lesdites ymaiges a mondit seigneur d’Estampes, dit que non. Mais comme dit est il lui avoit dit qu’il les lui monstreroit. Interrogué s’il parla onques a mondit seigneur d’Estampes du fait desdites ymaiges en la presence dudit Charles ne ledit Charles en sa presence, dit que ouy. Interrogué quel chose mondit seigneur d’Estampes disoit desdites ymaiges tant a lui que audit Charles, dit que quant Charles ot parlé desdites ymaiges a mondit seigneur d’Estampes en sa presence, mondit seigneur d’Estampes ne monstra pas semblement d’en faire grant compte. Mais il tira apart ledit deposeur et ly dit, qu’il n’avoit pas grant fiance ondit Charles et ne lui sembloit pas estré homme pour faire ce qu’il disoit. A quoy lui, qui deposé, respondit a mondit seigneur d’Estampes que c’estoit belle science et que ce seroit grant chose, se ledit Charles faisoit lesdites ymaiges comme il disoit. Mais aussi n’y adioustoit il pas grant foy. Et apres aucuns langaiges mondit seigneur d’Estampes dit audit deposeur qu’il n’avoit pas bien fermé esperance on fait desdites ymaiges. Mais il estoit content qu’on laissast faire audit Charles et que l’on verroit quel chose il feroit. Et dit aussi icelui deposeur que mondit seigneur d’Estampes et lui furent abusez par les grans seremens que ledit Charles leur faisoit de la science dudit prieur et de sa maniere de faire lesdites ymaiges. 947 947 Der letzte Absatz ab Interrogué quel chose mondit seigneur d’Estampes ist gedrängter geschrieben als die vorherigen Teile. 260 [fol. 21r] Interrogué se ledit Charles lui avoit point dit a son partement ce que monseigneur d’Estampes lui avoit dit au prendre congie de lui, dit que ledit Charles lui avoit dit comment il avoit prins congie de mondit seigneur d’Estampes. Et qu’il lui avoit dit tout ce qu’il vouloit faire et que mondit seigneur d’Estampes ly avoit dit, qu’il fist bien la besongne. Et que a son retour il ly feroit le mieulx quel pourroit. Et avoit ledit Charles esperance d’estre retenu de son hostel, quant il seroit retourné. Interrogué de la chievre noire et des cornes etc dit, que nagaire. Et environs le temps que les ymaiges furent faiz Charles de Noyers en soy devisant avec lui, qui deposé, lui dit qu’il vouloit avoir une dame par amours. Et qu’il congnissoit une vielle qui savoit une science de lui faire avoir a sa volonté et a son plaisir une fille ou une femme telle, qu’il vouldroit par le moien des cornes d’une chievre noire. A tour desquelles cornes elle mettroit une corde faite de cheveux d’omme et de femme a tout certains noux. Et devoit ladite vielle aprendre ladite science a icelui Charles comme il disoit. Interrogué se avec ladite corde de cheveux il falloit dire aucunes paroles ou conjuracions sur ladite corne, dit que ledit Charles ne lui en avoit riens dit. Mais il ne croit point que la chose se peust faire sans paroles, car icelui Charles lui avoit aussi dit et declaré, que par le moien de ladite corne l’en povoit bien mettre hayne et distort entre telz gens qu’on vouldroit. Et que ladite vielle ne savoit ladite science de la corne 948 que pour filles et femmes. Mais le prieur savoit le surplus pour faire mettre distort entre toutes gens (etc). Et la devoit monstrer et aprendre audit Charles, lequel la devoit raporter par deça. Interrogué entre quelles personnes ledit Charles vouloit mettre hayne par le moien de ladite corne, dit qu’il vouloit mettre en l’indignacion des princes. Ceulx de leurs serviteurs qui voudroient empescher que lesdites princes n’eussent amour l’un avec l’autre assavoir le roy, monseigneur le duc, monseigneur de Charolois et monseigneur d’Estampes. Dit aussi sur ce interrogué, qu’il entendoit que ladite corne deust servir a mettre en l’indignacion des princes. Ceulx qui empescheroient ladite amour d’entre eulx tant et quant que en particulier de personne a autre, dont dessus il a deposé. Interrogué se ledit Charles a parlé a autre que a lui du fait de ladite corne, dit que non aumoins qu’il sache. Interrogué se ledit Charles lui a point dit qu’il en eust parlé a monseigneur d’Estampes, dit qu’il ne scet de vray. Mais il croit mieulx qu’il lui en ait parlé que autrement. Car tousiours lui avoit dit, qu’il diroit a mondit seigneur d’Estampes tout ce qu’il saroit. Interrogué s’il scet point quel chose l’on veult faire des ymaiges que lui et ledit Charles vouloient avoir faiz doz contre doz, dit par sa foy que c’estoit pour amour tout ainsi que <cest> des ymaiges de cire et plus n’en scet. 948 Ms.: de la corne steht über der Zeile und eine Marke zeigt auf die vorgesehene Stelle im Text. 261 [Die Befragung des 6. April 1463 kommt auf eigenes Betreiben Jean de Bruyères zustande, der um ein Gespräch mit den Seigneures de Fourmelles und de Contay bittet. Er legt die an diesem Tag getätigten Aussagen schriftlich in Gegenwart der Seigneures de Fourmelles und de Contay sowie des Sekretärs Jean Gros nieder.] [fol. 21v] Le vj e jour dudit mois d’avril avant Pasques maistre Jehan de Bruyere de son propre mouvement fist prier et requerre qu’il peust parler a part aux seigeneurs de Fourmelles et de Contay. Laquelle chose lesdis commissaires accorderent. Et quant lesdis seigeneurs furent vers lui, il leur dit et declaira pluseurs choses de bouche, lesquelles de sa propre main et de sa franche volonté il mist incontinent par escript en leur presence. Ainsi que cy apres s’ensuit: § Environ le Noel derriere passé vint Charles de Noyer a Brucelles et me trouva a Sainte Goule, et me demanda se je estoie des gens a monseigneur d’Estampes. Et je ly dy que oy. Et lors y me dist qu’il estoit des ses anciens serviteurs, et que messire Berart de Lor ly avoit fait avoir l’office. Et qui parleroit volentier a ly. A donc je ly dy qui vint a sa messe et qui pourroit parler a luy, lors y me dit qu’il ne povoit venir pour l’eure. Mais que je ly deusse faire une recommendacion de par lui. Lors je vin a l’ostel et trouvé mondit seigneur, qui avoit oy messe et qui estoit seul hors son cappelain et le clerc. A donc que je ly dy que j’avoye parlé a ung homme nommé Charles de Noyer, lequel se recommendoit a luy et se disoit est son second chambellan. Et lors monseigneur me respondi qui lui en souvenoit bien et que messire Berard ly avoit mis. Depuis je trouvé ledit Charles parmy la ville et ly dy que j’avoyé fait son messaige. A doncq il me remercia grandement et me dit que il yroit pardevers mondit seigneur. Lequel y vint ung jour apres avec ung sien nepveur nommé Charles de Lor et a doncq il parla a mondit seigneur et dina avec mondit seigneur. Et le landemain il me dy qui l’avoit parlé a monseigneur et qui ly avoit faite bonne chiere. Depuis apres vij ou viij jours ledit Charle s’en ala en Bourgoingne et me dit en luy en alan que monseigneur luy avoit donné ung chival et qui s’en aloit en Bourgoingne et qui reviendroit le plustost que pourroit et demoura bien envoyrens cinq sepmainne. Et vint trouvé mondit seigneur a Roye. Et pour l’eure je n’estoye mye a Roye, car je estoie venuz a Brucelle. Et tantost mondit seigneur s’en vint et ledit Charle avec luy puis apres envoyrens quatre ou cinq jour apres ledit Charle parla a mondit seigneur, dont je ne scay quoy. Lors monseigneur mit fit apellé et me dit sans dire autre chose que je deusse aler avecq ledit Charle. Et que je le deusse conduire a l’ostel du sarrurier, lequel est sarrurier de l’ostel et demeuré en la rue de la pouterie et par tout la ou il vouroit alé. Et la ledit Charle ly ordonna a faire deux engin pour tenir ung homme a chival que jamais ne peut cheoir du chival. Et ly parla encores ledit Charle de faire certaines eschielles pour prendre places et chatiaux. Apres ledit Charle me dist que je le menasse a ung apoticaire pour achater aucune chose lors je ly mena, et ledit Charle demanda audit apoticaire se il l’avoit nulles ymaiges de cire et nulles formes. Lequel apoticaire respondit, car il n’en vendoit nulles et que 262 ceulx qui faissent les torches les vendrent. Lors ledit Charles s’en vint et moy aussi a l’ostel dun ciryer et ne le trouvemé mye. Et lors nos retournemes a l’ostel de monseigneur et la demeura ledit Charles pour attendre monseigneur lequel estoit alé a la court de mon tresredoubté seigneur monseigneur le duc. Et la y [fol. 22r] demeura tant qui parla a mondit seigneur et lui dit qui n’avoit rien fait. Lors y me vint dire le landemain qui nous failloit retourné et que monseigneur ly avoit dit. A doncq nous retournasmes et ne trouvamé mye ledit cire. A doncq je le mena a l’ostel d’un apoticaire, nommé Francq, et lui dy que je ly menoyé ung homme qui demandoit pour avoir des formes et ymaiges de cire. A doncq il nous mena a l’ostel d’un sien paran, nommé George, qui en veut. Et ne trouvames point ledit George, toutefois. A doncq nous retournames a l’ostel de monseigneur et a doncq ledit Charles parla a monseigneur lors monseigneur luy dit que il l’en fist provision. Lors nous alames tant que nous trouvames ung homme, lequel homme nous en fit et ly devisa ledit Charles la façon et qu’il les vouloit avoir nus et les bras pendant en bas et toutes parfaite de tout leurs membres. Lors ledit Charles les aporta et les paya et les aporta a mondit seigneur et les ly monstra. A doncq il ly dit qu’il les garda tant que le signe fut venuz pour faire les ymaiges. Et les garda ensemble deux ymaiges d’omme et de femme que ledit Charle me dit qu’il fit et getta luy mesme. Et me dit qui les avoit faite pour faire parvenir monseigneur d’Estampes a la bonne grace de monseigneur de Charrolois et aussi de madame de Charrolois. Depuis monseigneur se partit de Brucelles et s’en ala apres monseigneur le duc et depuis vint a Gand ou je estoye. Et Charles se partit dudit Brucelles pour aler jusques a Tournay comme y disoit. Et depuis y revint a Gand devers mondit seigneur et s’en ala avec lui a Bruges. Et apres trois ou quatre jours y dit a monseigneur et que il l’estoit heure de faire les ymaiges et que les signes estoient venuz pour y besoingnier, c’estassavoir le signe du Lyon et le 949 signe de la Virge. Et de la s’en vin ledit Charles a moy et me dist que je deusse venir devers monseigneur et me dit aussi que les signes estoient venuz. A donc je m’en ala avec lui devers mondit seigneur en sa chambre a la court en laquelle n’avoit que nous trois. Lors ledit Charle dist a mondit seigneur qui failloit faire ses ymaiges. Lors Charles me dit que je ly aportassé de liau et que je fisse du feu. Et que je ly fisse avoir une louche de fer pour fondre lesdites ymaiges, a doncq je le fy. Lors y me dit que je fondisse ladite cire, lors je la fondi, lors ledit Charles vint prendre ladite cire. 950 Et la fit getter a mondit seigneur dedens les formes trois ymaiges d’ommes pour ce que disoit ledit Charles que ce estoit le signe du Lyon. Et quant les trois ymaiges furent faiz, Charles dit a monseigneur qui failoit mettre enseingne dessus pour congnoitre le premier le second et le tiers. Et me fist mettre sus le premier ymaige ung billet depapier ou y l’avoit escript premierymaige, ung autre sus le second, ung autre sus le iij e . Et se fait Charles print les trois ymaiges et les envelouppa en papier et en ung cuevrechief qui l’avoit et les mit en sa manche. Et 949 Ms.: le ist über der Zeile nachgetragen. 950 Lors je - ladite cire am Rand nachgetragen; eine Marke verwies auf die Stelle im Text. 263 les enporta en son loigiz a la fausille vers la petite boucherie ouquel je estoit loigier avec lui et couchion aucune fois ensemble. Et je reporté la loyche enquoy on avoit fondue ladite cire et laissa mondit seigneur tout seul. Landemain Charles [fol. 22v] me dit en la chambre de monseigneur en fin qui dinoit que le signe de la Virge estoit venuz pour faire les ymaiges de femme et que apres disne il failoit faire lesdites ymaiges. Et apres dine mondit seigneur se retrahit et alames vers lui. Et la me firent fondre la cire blanche dedens la loiche pour en faire les ymaiges de femme. Lesquelz ymaiges ledit Charle fit getter a mondit seigneur jusques a trois. Et quant les ymaige furent toute faiz et refroidier mondit seigneur et Charles les mirent sus une fenestre avec les trois ymaiges d’omme qui furent fais le jour devant. Et bailla ledit Charle comme il me semble une agulle a mondit seigneur, de laquelle mondit seigneur escripvit aucune chose. Et ne scay proprement se ce estoient noms ou aucune figure, y avant comme y escripvit mondit seigneur et Charles n’etierent lesdites ymaiges. Et me dy ledit Charles devant que les ymaiges fussent faiz que quant on les fondoit et gettoit il failloit penser a la personne pour laquelle se faisoit l’ymaiges. Et apres que monseigneur eut escript sur les ymaige de l’egulle ledit Charles les print et les enveloupa tous six dedens ung couvrechief et les mit en sa boiste et les emporta en son loigiz. Apres quatre ou cinq jours monseigneur se partit pour aler a Lille et vint au gite a Roulers et Charles aussi et moy ausy. Et landemain alamé au dine a Menin. Et apres dine monseigneur et Charles s’en aleré joué sus ung molin pres de la ville tirant de l’arbeleste. Et prit Charle de l’eaue dudit molin en ung pot de terre qui portoit avec lui. Et s’en revint devant et vint a son loigis pour avoir une bouteille pour aporté ladite eaue et demandoit une boutaille de terre. Et pour ce il on acheta une de boire en laquelle y mit l’eau dudit pot et la fit aporter a Lille par son varlet. Et le soir Charles me vint querir quant nous fumes a Lille pour aler devers mondit seigneur qui estoit loigiez a Lyon d’or. Et alames ledit Charle et moy en la grande robe de mondit seigneur, lequel ledit Charle ala querré et l’amena en ladite grande robe. Et quant il y fut Charle ferma luys et me dit que je prisse l’eau qui estoit en ladite boutaille. Et que je la vuidassé dedans ung bassin qui estoit la, se que je fis. Et quant l’eau fut on bacin monseigneur et Charles s’en vinrent vers le bacin. Et print Charles sa boite et tira les ymaiges dehors. Et les bailla l’un apres l’autre a monseigneur. Et dit a mondit seigneur quy failloit faire ainsiy. Et ly dit aucune parole que je n’entendy point. Et ledit Charle ly fit getter de l’eaue du bacin contre lesdites ymaiges l’un apres l’autre a tout la main. Et ledit Charle se fait, renvelopa lesdites ymaiges et les mit en sa boite. Et puis dit a monseigneur qu’il le failloit aler le landemain. Puis y se party et emporta ses ymaiges en son logis au Chevalet ouquel je estoyé logier et coucha en la chambre ou y coucha. Et tantost apres je m’en alé audit logis le landemain ledit Charle se leva bien matin pour venir prendre congiet a mondit seigneur comme il me dit. Et quant il l’ont congier, il me vint trouvé en my la rue et me dit qui l’avoit congier de s’en alé 264 devers sa femme et qui retourneroit a Pasques devers mondit seigneur. Et apres me dit qui laloit besongnier pour monseigneur. Fait y escript de ma main de ma franche et liberale volenté et propre mouvement en la chambre d’accosté la prison ou je me tiens presens ace monseigneur de Formelles, monseigneur, de Contay et maistre Jehan Gros, lesquelz sont venuz a ma prieré et requeste devers moy le vj e jour d’avril devant Pasques l’an lxij devant dine. Ainsi signé Jehan de Bruiere. [Am 8. April 1463 werden die Seigneures de Fourmelles und de Contay von Enguerrand Signard und Girars Vurry erneut zu Jean de Bruyère geschickt. Dieser bestätigt seine Aussage vom 6. April und muss sich weiterer Befragungen stellen.] [fol. 23r] Le jeudi viij e jour dudit mois d’avril par l’ordonnance desdis commissaires les seigneurs de Fourmelles et de Contay retournerent devers maistre Jehan de Bruyere. Et ly demanderent en toute doulceur s’il vouloit tenir et tenoit pour vraye sa derreniere deposicion par lui escripté et signee de sa main le jour precedent et s’il vouloit riens dire plusavant. Surquoy ledit maistre Jehan respondit que pour vivre et morir il vouloit maintenir sadite deposicion estre vraye tout ainsi qu’il l’avoit faite et escripte et qu’il ne savoit autre chose plusavant. Touteffois pour ce que sadite deposicion estoit obscure en aucunes choses lesdis seigneurs de Formelles et de Contay par l’ordonnance que dessus lui requirent par doulce exhortacion qu’il la voulsist esclerssir a la verité sur les poins qui sensuivent: Premierement pour quelles personnes ont esté fais les six ymaiges de cire blanche dont sadite deposicion fait mencion. Dit par sa foy qu’ilz ont esté fais comme Charles de Noyers ly a dit pour le roy, pour monseigneur le duc et pour monseigneur Charrolois pour la <dernier a plainement> royne, pour madame la duchesse et pour madame de Charrolois. Et au derrenier a plainement declaré que ledit Charles lui avoit dit que lesdites ymaiges estoient principalement faiz pour monseigneur et pour madame de Charrolois afin que monseigneur d’Estampes feust bien en leur grace. Car ledit Charles estoit bien averty comme il disoit qu’il y avoit aucune rancune entre mondit seigneur de Charrolois et mondit seigneur d’Estampes. Item quelle agulle s’estoit dont l’on avoit escript sur lesdites ymaiges ne dont elle venoit et s’il l’avoit point baillé audit Charles. Dit qu’il n’a point baillé ladite agulle. Et que ledit Charles l’avoit achetee toute meme en l’ostel d’un mercier a Bruges. Et lui avoit dit auirois qu’il l’achetast qu’il lui falloit avoir une agulle pour escripre sur lesdites ymaiges. Et quant ledit maistre Jehan lui demanda se de ladite agulle l’on vouloit faire aucunes caraters sur lesdites ymaiges ou se l’on en vouloit escripre les noms de ceulx pour qui se faisoient iceulx ymaiges, ledit 265 Charles lui respondit ne vous chaille l’on en veult escripre aucunes choses et fault bien qu’il soit. Item s’il scet point quel chose a esté escript de ladite agulle sur lesdites ymaiges et quelz noms ou figures ce sont et se ledit Charles lui en avoit riens declaré, dit qu’il ne scet de vray quel chose il y a escript sur lesdites ymaiges et n’est point recors que ledit Charles lui en ait dit aucune chose. Mais s’il vouloit maintenant morir et on ly en demandast, il lui semble par sa foy et autrement ne le diroit que les noms deceulx pour qui sont faiz les ymaiges ont esté escrips sur lesdites ymaiges. Dit en oultre que Charles bailla l’agulle a monseigneur d’Estampes pour y escripre et apres la reprint devers luy. Dit aussi ledit maistre Jehan que icelui Charles lui avoit dit que l’escripture qu’on faisoit sur lesdites ymaiges devoit estre la plus menue qu’il estoit possible de la faire. Item comment le baptesme des ymaiges a esté fait et quelles paroles ont esté dites en le faisant, dit sur ce par son serement qu’il n’en scet autre chose plusavant qu’il est contenu en sadite deposicion, [fol. 23v] escripte de sa main et qu’il ne vit ne ouyt dire aucunes autres paroles que ce qu’il a deposé. Car il estoit bien loingt de monseigneur d’Estampes et de Charles de Noyers et ne povoit ouyr ce qu’ilz disoient quant ores ilz eussent dit aucune chose, dont a la verité il ne sauroit parler. Item s’il scet point que sont devenuz ledites ymaiges ne en quelz mains ilz sont a present. Surquoy il a respondu qu’il scet bien que Charles de Noyers les a emportez. Car deux ou trois jours avant son partement, il lui dit qu’il les emporteroie vors le prieur pour parfaire le surplus de ce qui restoit encores a faire sur lesdites ymaiges. Et le jour mesmes qu’il se partit avant qu’il print congie de monseigneur d’Estampes lui dit aussi qu’il les emporteroit. [Jean de Bruyère sucht über einen Leibbogner des Grafen von Charolais Kontakt zum Grafen, um eine weitere Aussage zu machen. Der Graf von Charolais erfährt auf Anraten und in Begleitung Enguerrand Signards einige Details vorangegangener Aussagen über den Grafen von Étampes und Charles de Noyers; Jean de Bruyère gibt eine Beschwörung zu Protokoll.] Le xij e jour d’avril l’an lxiij apres Pasques maistre Jehan de Bruyere fist suplier a mon tresredoubté seigneur monseigneur de Charrolois par Tassin de Lasques son archer de corps, qui estoit l’un de ses gardes, qu’il eust ceste grace de povoir parler a mondit seigneur, disant et affermant audit Tassin qu’il desnoveroit a mondit seigneur le neu de la matiere pour laquelle il estoit prisonnier. Et qu’il en savoit autant que Charles de Noyers et le prieur en diroient s’ilz estoient icy. Laquelle chose par l’advis et conseil dudit maistre Enguerrain, l’un desdis commissaires, mondit seigneur accorda et en fut content pour honneur et reverence de Dieu, pourveu que ledit maistre Enguerran feust avecques lui. 266 Et quant cedit jour ledit maistre Jehan fut devant mondit seigneur et ledit maistre Enguerrain, son confesseur, l’un desdis commissaires, tant seulement il dit en effect ce qui s’ensuit: C’estassavoir qu’il avoit esté present et tenoit la chandelle a faire le baptesme des six ymaiges de cire blanche que mondit seigneur d’Estampes baptisa a Lille de l’eau prinsé au molin d’empres Menin. Et que mondit seigneur d’Estampes tenoit en sa main au commencement ung billet de papier ou estoient escriptes les paroles d’icelui baptesme. Lequel billet il tenoit si pres de luy et de Charles de Noyers que ledit maistre Jehan ne povoit lire ne congnoistre les mos qui y estoient escriptes. Mais ainsi que mondit seigneur d’Estampes et ledit Charles se tirerent ung peu arriere pour parler ensemble et laisserent ledit billet sur ung tresteau de bois, ledit maistre Jehan s’aproucha d’icelui billet et vit que entre autres paroles les mos qui sensuivent y estoient escrips comme il dit: « Coniuro te Belyal, princeps amoris, per patrem filium et spiritum sanctum ut facias me diligere vel amari a tali sicut mater vel mulier diligit filium et eciam sicut ista aqua fecit circuire rotam molendini. Et sic fiat amor inter ipsum et me. Fiat, fiat. » [Am 14. April 1463 legen Enguerrand Signard, der Archidiakon von Avallon und die Seigneures de Fourmelles und de Contay Jean de Bruyère seine Aussagen vom 12. April zur Bestätigung vor und stellen einige Nachfragen.] Le xiiij e jour dudit mois ledit maistre Enguerran commissaire que dessus prins et apellez avec lui les seigneurs de Fourmelles et de Contay et l’arcediacre d’Avalon fit lire ce que dessus est escript [fol. 24r] audit maistre Jehan de Bruyere en la chambre d’empres sa prison. Et apres lui demanda s’il l’avoit ainsi dit a mondit seigneur quant il parla a luy lequel maistre Jehan respondit et confessa que ouy. Et depuis fut par ledit maistre Enguerran interrogué en toute doulceur sur ce, qui s’ensuit: Premierement quelz noms estoient escrips sur lesdites ymaiges, dit que sur les trois ymaiges d’omme avoit escript Phelippe, Charles et Loys et sur les trois ymaiges de femme Ysabeau, Jehanne et Jehannette. Interrogué en oultre de la maniere de mettre discorde et hayne entre gens etc. et comment il se faisoit, dit qu’il failloit avoir la corne d’une chievre noire et prendre a ung jour de sammedi du lin dela connoille d’une femme mariee qui fourfait son mariaige. Et dudis lin faire une corde avec plusieurs noux, laquelle corde et les noux faiz en icelle celui qui veult faire la discorde ou hayne doit desnouer lesdites noux en disant les paroles suigans: « Ainsi que je desnoué ces noux que jay fais pour amour de tel, ainsi se deffacé et separé l’amour d’un tel et d’un tel, ou d’un tel et d’une telle. » Dit aussi qu’il convient faire ladite corde avec lesdites noux, les deffaire et dire lesdites paroles en ung cymitiere. Et les paroles dites fault mettre ladite corde dedens la corne de la chievre. Et le tout bouter et enterrer oudit cymitiere en la 267 fosse d’un corps mort et en l’enterrant dire ce qui sensuit: « Ainsi comme ce corps mort est separé des umans et de leur amour et communication, ainsi soit separee et et deffaitté l’amour de tel et de tel, ou de tel et de telle. » [Am 15. April 1463 wird Jean de Bruyère von Enguerrand Signard, dem Archidiakon von Avallon sowie den Seigneures de Fourmelles und de Contay im Folterraum befragt, ohne dass die peinliche Befragung angewendet wird.] Le xv e jour d’avril l’an lxiij apres Pasques maistre Jehan de Bruyere veues ses variacions precedentes. Et ce qu’il avoit dit qu’il desnoveroit a mondit seigneur de Charrolois le neu de la matiere, laquelle chose il n’avoit pas fait. Fut amené au lieu de la question par devers ledit maistre Enguerran, commissaire et juge que dessus prins encores et apellez avecques lui les seigneurs de Fourmelles et de Contay et l’arcediacre d’Avalon. Et illec par icelui commissaire fut doulcement exhorté et ammonesté de dire et esclerssir la droitte verité seulement et non autre chose de ce qu’il savoit du fait des ymaiges de cire. Surquoy il dit et deposa de son plain gre et de sa franche volenté sans aucunement estre apliqué a la question les choses cy apres declairees: Premierement sur ce quoy ly demanda s’il savoit point enquel lieu estoient lesdites ymaiges, dit que Charles de Noyers lui avoit dit a son partement qu’il les emportoit avecques lui. Et incontinent apres se reprint et de soy mesmes confessa que ledit Charles lui avoit dit, qu’il falloit que celui qui fondoyt et faisoit [fol. 24v] les ymaiges les gardast devers lui, et cuidé lui, qui deposé, que lesdites ymaiges soient es mains de monseigneur d’Estampes. Ne 951 scet proprement se c’est a Peronne, a Roye ou a Mondidier. Mais quant il partit dudit Peronne lesdites ymaiges y estoient et les avoit mondit seigneur d’Estampes devers lui. Dit aussi que Charles de Noyers apres le baptesme desdites ymaiges les envelopa en couton et en ung couvrechief et les remist dedens sa boiste. Et a tout sadite boiste partit de la chambre ou avoit esté fait ledit baptesme. Mais tantost apres il retourna et bailla sa boite a tout lesdites ymaiges qui estoient dedens a monseigneur d’Estampes, lequel, comme il semble a ly, qui deposé, <le> la bailla a ung de ses varlez de chambre. Dit encores, lui qui depose, qu’il avoit eu agulle, dont l’on consoit les linceux enquoy l’on ensevelissoit les mors, laquelle agulle il bailla audit Charles. Mais il ne scet proprement se de ladite agulle, ou de celle dudit Charles qui <estoient> estoit pareille a la sienne furent escrips les noms sur lesdites ymaiges par monseigneur d’Estampes. Interrogué ou ne de qui il avoit en ladite agulle dit qu’il l’avoit eue a Mondidier d’une femme de Paris, mais il ne scet ou ledit Charles avoit eue la sienne. 951 Ms.: Ne ist mit sehr heller Tinte geschrieben. 268 Interrogué se avant que les noms feussent escrips sur les ymaiges il savoit point qu’il faillit escripre lesdis noms d’une agulle de quoy l’on consoit les linceaux, dont l’on ensevelissoit les mors, dit que ouy. Interrogué par quel commandement ne a la requeste de qui il s’est mesle du fait desdites ymaiges, dit que tout ce qu’il en a fait, il l’a fait par le commandement de monseigneur d’Estampes et a la requeste de Charles de Noyers. Interrogué quelles picqures ou pointures l’on a faites de ladite agulle sur les ymaiges et en quelz lieux le[s]dites piqures ont esté faites, dit qu’il n’en scet riens. Interrogué pourquoy ne a quel fin les ymaiges ont esté faiz les mains et les bras pendans en bas comme gens impotens et quant ne en quel temps les hommes et femmes pour qu’ilz sont faiz doivent avoir aucune maladie ou impotence soit par mort ou autrement, dit par sa foy que lesdites ymaiges ont esté ainsi faiz les mains et les bras pendans en bas pour hayne. Interrogué qui sont ceulx contre lesquelz la hayne se devoit faire, dit que c’este contre ceulx que monseigneur d’Estampes avoit en indignacion. Dit aussi que mondit seigneur d’Estampes n’aymé point ledit arcediacre, mais il ne croit nullement qu’il ait esté escript sur les ymaiges. [fol. 25r] Interrogué des ymaiges qui ont esté fais pour monseigneur et pour madame de Charrolois et quel chose l’on vouloit faire contre eulx par le moien desdites ymaiges veu qu’ilz avoient les mains et les bras pendans en bas et estoient impotens comme les autres, dit que lesdiz ymaiges ont esté fais afin de mettre mondit seigneur et madite dame de Charrolois et pareillement ceulx pour qui estoient et sont faiz les autres ymaiges en la subjection et volonté de mondit seigneur d’Estampes et pour les faire malades quant il vouldroit. Et aussi le faire garir quant bon ly sembleroit sans ce que nul autre les peust garir que mondit seigneur d’Estampes. Dit en oultre, que quant l’ont fait aucuns poins ou picqures de ladite agulle sur aucuns desdites ymaiges en quelque membre que ce soit, les personnes pour qui les ymaiges ainsi poins ou piquez sont faiz doivent estre malades es semblables lieux de leurs corps que la picqure se fait sur lesdites ymaiges. Et ont lesdites personnes maladies de fievres, d’estomac, de la poitterine et autres. Interrogué en quel lieu l’ymaige, qui a esté fait pour monseigneur de Charrolois, a esté picqué de ladite agulle et combien depoins ou picqures l’on a fait sur ledite[! ] ymaige, dit que l’on y a fait deux picqures ou millieu de la fourcelle en hault et l’une empres l’autre et qu’il vit faire lesdites deux picqures a monseigneur d’Estampes tout a une fois. Interrogué pour quelle maladie ont esté faites lesdites deux picqures dit que c’estoit pour maladie de la poiterine. Interrogué s’il est en la puissance de celui qui fait les picqures sur les ymaiges de faire morir les personnes aussi bien que de les faire malades, dit que ouy et aussi de les faire languir si longuement qu’il veult. 269 Interrogué comment l’on gettoit l’eaue sur les ymaiges et quel chose l’on disoit en faisant le baptesme dit que l’on gettoit l’eaue a la main dessus lesdites ymaiges l’un apres l’autre. Et que monseigneur d’Estampes disoit apres la conjuracion: « Je te baptise tel » et nommoit la personne et apres gettoit l’eaue sur lesdites ymaiges. Interrogué ou est la recepte de ladite conjuracion, laquelle il a confessé, avoir tenue veue et lute tout au long, dit que monseigneur d’Estampes l’a pardevers lui. Interrogué quel chose monseigneur d’Estampes donna ou promist donner a l’esperit nommé Belyal quant il fist le baptesme afin que lesdiz ymaiges eussent leur vertu, et se ce fut devant ou apres ledit baptesme, dit que mondit seigneur d’Estampes apres la conjuracion faite selon les paroles dont il a deposé et apres le [fol. 25v] baptesme fait print a la main de l’eaue du bassin sur lequel lesdites ymaiges avoient esté baptisez et la getta enmy la chambre en disant « Belyal vade in pace ». Interrogué se l’on <q> fait aucune picqure de ladite agulle sur l’ymaige qui a esté fait pour madame de Charrolois dit que non. Interrogué encores pour qui sont les quatre ymaiges qui ont esté faiz avec les deux ymaiges de monseigneur et de madame de Charrolois, dit que au regart desdites quatre ymaiges, les deux d’omme ont esté faiz pour le roy et pour monseigneur le duc de Bourgoingne et que sur l’un a esté escript Loys et sur l’autre Phelippe. Et les deux autres ymaiges qui sont en forme de femmes sont faiz pour deux femmes, l’une nommée Jehanne et l’autre Jehannette. Interrogué qui sont lesdites deux femmes et s’il les congnoit point, dit que non. [Im Beisein des Kommissars Enguerrand Signard, den Seigneures de Fourmelles und de Contay sowie des Archidiakons von Avallon werden Jean de Bruyère am 16. April 1463 seine Aussagen des vorherigen Tages vorgelesen und von ihm bestätigt. Jean de Bruyère gibt eine Version einer Beschwörung zu Protokoll.] Le xvj e jour dudit mois d’avril suigant avant disner ceste presente deposicion fut luté bien a trait de mot a mot et article apres autre a maistre Jehan de Bruyere en la chambre d’empres sa prison bien loingt et arriere du lieu de la question en la presence dudit maistre Enguerran, commissaire et juge en ceste partie apellez avec lui les seigneurs de Fourmelles et de Contay et l’arcidiacre d’Avalon. Lequel maistre Jehan afferma de rechief par sa foy et en sa conscience icelle deposicion estre vraye et l’avoir faite et proferee de sa propre bouche et franche volonté sans contrainte nulle ainsi et par la maniere quelle est cy dessus escripte. Et en oultre pour ce que le jour precedent avoit esté dit audit maistre Jehan qu’il pensast encores sur le fait des paroles de la conjuracion faite en batisant les ymaiges et qu’il mist par escript ce que a la vraye verité ly en pourroit venir a memoire, icelui maistre Jehan bailla audit commissaire une cedule de papier escripte de sa main contenant les mos qui sensuigvent: 270 « Conjuro te Belyar princeps amoris per illum qui te creavit scilicet per patrem et filium et spiritum sanctum quatenus tu ita fortiter et perfecte cogas et ardere facias in meo amore talem et firmiter eum teneas sine separacione aliqua sicut bona mater amat et diligit filium vel infantem suum et vaca vitulum suum et eciam sicut ista aqua fecit circulare et vertere rotam molendini ita perfectam sit inter ipsum et me fiat fiat. » Laquelle cedule veue par ledit commissaire et les dessus nommez qu’il avoit appellez 952 avec lui fut par icelui commissaire demandé audit maistre Jehan par le serment qu’il avoit fait se sur les deux ymaiges qui ont esté faiz et batisez pour le roy et pour monseigneur le duc ont esté faites aucune picqures et combien ne en quelz lieux. [fol. 26r] Surquoy il a respondu et affermé que sur lesdites ymaiges n’ont esté faites nulles picqures de ladite agulle qu’il saiche, mais il est bien en cely qui les a. Et qui a escript les <mo> noms sur iceulx ymaiges de les faire toutes les fois que bon ly semblera. Et dit aussi que nulle picqure n’a esté faite sur les ymaiges fais a Bruges et batisez a Lille fors seulement sur l’ymaige de monseigneur de Charrolois ainsi qu’il a ja confessé. Interrogué dedens quel temps les picqures que l’on fait sur les ymaiges doivent avoir leur effect, dit quelles doivent avoir effect tantost que les ymaiges sont picquez de l’agulle comme il a entendu de Charles de Noyers. Finablement suplia et requist icelui maistre Jehan audit commissaire et autres dessus nommez qu’ilz l’eussent pour recommandé envers mon tresredoubte seigneur monseigneur de Charrolois afin que de sa grace il eust coité delui, disant qu’il n’est que serviteur et n’a fait autre chose que ce qu’on ly a commandé, et que la cause pourquoy il a si longuement tardé de dire et confesser la verité des choses dessusdites, a esté pour garder l’onneur de monseigneur d’Estampes son maistre, le plus qu’il a peu, comme bien le desiroit. A quoy mesdis seigneurs lui respondirent qu’ilz en parleroient volontiers a mondit seigneur et feroient pour lui et le mieulx que bonnement pourroierent. Et ainsi que le dessusdit commissaire et lesdis autres seigneurs, qu’il avoit apellez avec lui comme dit est se vouloient partir, fut dit par icelui commissaire audit maistre Jehan qu’il voulsist a la verité et non autrement dire et declarer les paroles qui furent dites par monseigneur d’Estampes en faisant les deux pointures ou picqures dont dessus est touchié sur l’ymaige qui a esté fait pour monseigneur de Charrolois et batisé en son nom, ou lesdites <parr> paroles mettre par escript selon qu’il en pourroit avoir memoire. Surquoy ledit maistre Jehan requist d’y povoir penser jusques au lendemain et que volontiers lui fut accordé par ledit commissaire. 952 Ms.: lez steht bei dem abgekürzten Wort etwas über der Zeile am Rand. 271 [Jean de Bruyère bringt dem Seigneur de Contay und dem Archidiakon von Avallon ein Papier, mit einer Beschwörung für das Stechen von Wachsfiguren, die der Graf von Étampes verwendet haben soll.] Et ledit lendemain xvij e jour dudit mois d’avril icelui maistre Jehan bailla au seigneur de Contay et a l’arcediacre d’Avalon lesquelz a sa priere et requeste ledit maistre Enguerran, commissaire que dessus, envoia devers lui, ung billet de papier contenant les paroles qui sensuivent: « Poncto te ymago sive figura ymaginis facta nomine Karoli quod sicut hec ponctura fit in te ita fiat in corpore suo et lezus sit pariter et fiat. » Lesquelles paroles, le dessusdit maistre Jehan a dit ausdis seigneur de Contay et arcediacre, avoir esté dites et proferee par monseigneur d’Estampes en faisant lesdites deux picqures sur l’ymaige de mondit seigneur de Charolois. Et aussi leur a dit que mondit seigneur d’Estampes a devers lui le semble billet, onquel ledites paroles sont escriptes et selon lequel il les dit et profera. [Der Sekretär Jean Gros schließt die Aufzeichnung der Befragungen ab. Er bestätigt, dass alle Befragungen in seiner Anwesenheit stattgefunden haben, und verweist noch einmal auf die Anweisungen, die er von den Kommissaren diesbezüglich erhalten hat.] 953 Ce present proces a esté fait et demené en la presence de moy, Jehan Gros le Jeune, secretaire de monseigneur le duc de Bourgogne et de monseigneur de Charrolois a ce apellé pour scribe par lesdis commissaires et a y tousjours esté present a toutes les interrogatoires, reponses et deposicions de maistre Jehan de Bruyere dont ondit proces est faite mencion lesquelles par l’ordonnance desdis commissaires et en leur presence j’ay a chacune journee mise par escript en la forme et maniere quelles sont cy dessus escriptes, excepté quant icelui maistre Jehan bailla au seigneur de Contay et a l’arcediacre d’Avalon le billet des paroles dites en faisant les picqures sur l’ymaige de mondit seigneur de Charrolois, laquelle billet lesdis seigneur de Contay et arcediacre aporterent incontinent audit maistre Enguerran, l’un desdis 954 commissaires, comme il m’a dit present mondit seigneur de Charrolois et lui firent la relacion de ce que ledit maistre Jehan leur avoit dit, telle que cy dessus est escript. n Jehan Gros 955 manu propria notarius 953 Die letzten Zeilen sind in engerem Abstand bei Wort und Zeile geschrieben, was offenbar dem Ende der Seite geschuldet war. 954 Ms.: maistre desdis ist über der Zeile nachgetragen 955 Jean III. Gros, Sekretär des Herzogs von Burgund und des Grafen von Charolais. In dieser Arbeit vgl. Kap. 2.3.2. 272 [Jean Gros legt dar, dass der Graf von Charolais im Anschluss an die Befragungen nach Brügge zu seinem Vater gefahren ist. Jean de Bruyère ist zu Jean de Salins und Jacques de Villiers gebracht worden, wo er ein Geständnis unterschreibt und er Auskunft über den Aufbewahrungsort der Wachsfiguren gibt, die daraufhin aufgefunden werden. Der Sekretär erläutert, dass der Prozess auf Französisch und der Vulgärsprachliche niedergelegt wurde. Um den Prozess an kirchliche Normen anzupassen, soll der Text auf Anweisungen der Kommissare noch ins Lateinische übersetzt werden.] [fol. 26v] Depuis que monseigneur de Charrolois est venu a Bruges devers monseigneur son pere, maistre Jehan de Bruyere a baillié a Jehan de Salins et Jacques de Villers au question la cedule de laquelle cy apres la teneur sensuit escripté et signee de sa propre main leur supliant, qu’ilz la voulsistent envoier a mondit seigneur de Charrolois ce qu’ilz ont fait: Il est vray que depuis que jay esté questionné je ne suis pas bien souvenant, se je diz comme Charles de Noyers dit a monseigneur d’Estampes en ma presence comment son compere le prieur, duquel la science vient a une ymaige de cire faite pour monseigneur le cardinal d’Ostun 956 , dont il entretient en son amitié. Laquelle ymaige est envelopee en draps, linges et draps de soye et est couchee en ung bressel et la tient en ung coffre bien secretement en son priore. Et pourtant il seroit de neccessité de bien cerchier tous les coffres qui sont en son hostel pour trouver ladite ymaige, car il la monstra audit Charles quant il ly a print la science. Et aussi ledit Charles m’en parla depuis et qu’il l’avoit veue et qu’il estoit vray. Et cecy je certiffie estre ainsi Jehan de Bruyere Et certains jours apres ont esté aportez et delivrez en une boiste audit lieu de Bruges es mains de maistre Enguerran Signart, l’un desdis commissaires, six ymaiges de cire blanche envelopez en draps linges assavoir trois de homme et trois de femme. Sur lesquelz diverses choses sont escriptes selon que maistre Jehan de Bruyere avoit deposé en sa confession et encores plus. Et sur lesdites ymaiges couvers desdites draps linges avoit ung corporal et une pierre de marbre faite en maniere d’un autel. Lesquelz ymaiges Charles de Noyers avoit laissez a sa femme, a laquelle il a escript et mandé les delivrer a cely qui les a aportez, comme elle a fait. Ce present proces a esté commencé, continué et escript en langaige françois et vulgaire en la forme que les interrogatoires estoient faites, pour mettre et translater en latin, quant ledit proces prendra fin selon la forme et maniere de proceder en l’eglise en matiere de la sainte foy catholique par l’ordonnance desdis commissaires, a celle fin que ceulx qui la estoient presens non entendans latin peussent entendre et congnoistre tout ce dequoy maistre Jehan de Bruyere estoit interrogué et comment il en respondoit. Et en oultre pour cause que la principale 956 Kardinal von Ostun bzw. Autun, Jean Rolin, Sohn des burgundischen Kanzlers Nicolas Rolin und Patenkind Johanns Ohnefurcht. In dieser Arbeit vgl. Kap. 3.3.1.1. 273 partie du proces et de sa confession il a lui mesmes escript de sa propre main en cedit langaige vulgaire. Jehan Gros manu propria notarius [Der Bischof von Cambrai, Johann von Burgund, schreibt am 28. Mai 1462 einen Brief an Girard Vurry und Enguerrand Signard, mit dem er sie als Kommissare in der Angelegenheit Jean d’Étampes einsetzt.] [fol. 27r] Copie des lettres de commission de monseigneur de Cambray Johannes de Burgundia dei gratia episcopus cameracensis dilectissimis 957 nostris magistris Engherannio Synart, in sacra thelogia[! ] doctori, et Girardo Votry, utriusque juris doctori, salutem in domino. Cum locorum ordinarii eorum que ministri omnibus modis elaborare debeant ut perniciosam et acabulo inventam sortilegam et magicam artem, ex parochijs suis eraderent, et si aliquem virum aut mulierem hujusmodi sceleris sectacione invenerant turpiter dehonestatum de parrochijs suis tales eicere debent, ait enin apostolicus hereticum hominem post primam et secundam correctionem devita sciens quia subversus est qui ejusmodi est. Subversi enin sunt et dyabolo captivi tenentur qui suo creatore relicto diaboli suffragia querunt et ideo a tali peste mundari debet ecclesia sancta. Sane nobis exposito pro parte illustrissimi domini nostri domini comiti de Charolois quod quidem magister Johannes Bruyere magister Egidius, medicus, et Franco, apoticarius. Nonnullique alii sub nostra diocesi constituti sic salutis ac christianam nominis quo censentur penitus immemores diversa quam sortilegiorum tam ymaginum impressione demonum consultacione que sacramentorum ecclesiasticorum ammixione atque aliarum perniciosarum inventionum factione adinveniunt et suggerente dyabolo omnium malorum satore adinventa excercent et ad opus extendere conantur. Et de facto ut timere dum est conati sunt, et quod dictu horrendum est predictis suis facinoribus et perniciosissimis invencionibus in salutem dicti illustrissimi domini nostri domini comitis atque sui status machinare moliuntur et ut timendum est moliti sunt. Cumque ut prescriptum est ad nostrum pastorale spectet officium premissas factiones ex nostra diocesi et parrochia eradicare quas nedum canones ipsi et pontificum decreta sed et leges ipse imperiales studiosissime vetuerunt maxime nobis et toti populo cure et studio esse debeat circa salutem et statum principis nostri qui lex est animata in terris invigilare, vobis de quorum fide industria et legalitate non inmerito confidimus committimis per presentes quatenus dictis Johanne, Egidio et Francone atque alijs quos desuper reperietis infamatos coram vobis constitutis aut evocatis de premissis omnibus et singulis ac eorum deppendencijs universo vos diligenter informetis et si dictos aut alios ut 957 Ms.: mis ist am rechten oberen Rand des Wortes notiert. 274 premittitur infamatos per informacionem debitam culpabiles invenentis eos per vestram sentenciam prout sacris canonibus est institutum aut acrius si rei qualitas et circonstancie negocii debite pensate exposcerint, puniatis et corrigatis, Vobis quo ad hoc circa premissa inquirendi cognoscendi puniendi et corrigendi vices nostras ex integro committentes datum Brucelle nostre diocesis sub sigillo nostro anno Domini millesimo quadringentesimo sexagesimo seconde die xxviij a mensis marcii ante pascha sic signatum per dominum episcopum Pe de Spera [Kopie verschiedener Briefe zwischen Jean de Bruyère und Franck op te Waghe.] [fol. 27v] Sensuit la copie d’aucunes lettres escriptes par maistre Jehan de Bruyere a Francque, l’apoticaire, demorant a Brucelles lesquelles ledit Francque a delivres a aucuns de la loy de Brucelles pour les envoier ausdis commissaires et sont escriptes lesdites lettres de la propre main dudit de Bruyere. [Jean de Bruyère schreibt am 18. Juni an den Apotheker Franck und erbittet neue Informationen zu verschiedenen Themen, die ihn im Auftrag seines Meisters interessieren.] Carissime compater humiliter me vobis recommitto noventis me sanum et jocosum per dei graciam rogo deum de vobis etc compater ad vos mitto unum nuncium expressum ut possim habere nova de vobis, et eciam dominus ac magister noster qui dedit michi honus quod vobis scriberem, et quod dictus nuncius michi aportaret nova de vobis et responsionem de litteris meis vobis missis, quapropter rogo ac humiliter imploro quatenus michi velitis notificare vestro ac nobili statu quod deus augmentare dignetur. Et primo si habuistis colloquium cum amico vestro illi curato pro facto amoris etc. Item eciam cum illo de Ennorpia pro aliis jocosis ut sitis. Item cum illo qui moratur Brucellis scilicet cum illo arigario qui ducit currus ad ligna <nesco> nescio de nominibus neque de cognominibus eorum item si res domini est parata, et quando feceritis scilicet de erectione ut scitis. Item quod vobis placeat tantum facere cum illis bogardis qui infouent gentes quod possumus habere unum vel duos accus ad faciendum dormire et quod solvatis ea que petiunt vobis, et vobis satisfaciam bono corde per fidem mei. Et eciam quod si aliqua venient jocosa velitis addicere et vobis solvam ego met carissime compater dominus et magister noster habet magnam fiduciam in vobis et magnum affectum valde desiderat faciendo vobis unum bonum ac magnum servicium et dicit michi quod vobis rescriberem si aliqua indigeretis quod posset pro vobis ipse adimplebit bono corde precipiatis et vere fiet. Rogo quod per latorem presencium michi rescribatis omnia illa que fecistis et facietis, si mittatis michi receptam cumpater non alia pro presentj altissimus vos conseruet feliciter et longeue. Ex Corbye die xviij a junij recommendetis me filio vestro et omnibus de me petentibus 275 Egregio viro Francho du Wangie, apothecario Brucellis, commoranti ante ecclesiam Sancti Nicholaj humiliter. Vester ut suus humilis compater et servitor Johannes de Brueria. [Jean de Bruyère bittet Franck am 18. Juni im Auftrag seines Herrn um seine Anwesenheit in Montdidier und erkundigt sich nach verschiedenen Kontakten und Utensilien.] Compater carissime humiliter me recommitto vobis, sciatis quod dominus ac magister noster libenter vos haberet et si vobis esset possibile quod possetis venire huc scilicet in Monte Diderio ipse libenter vellet, et possetis habere vobiscum magistrum Theodoricum vel illum dominum curatum quem scitis vel aliquem alium qui sciret aliquid vel aliqua ipse rogat vos quod veniatis cum ipsis et ipse solvet vobis omnia que volveritis rogando vos cordialissime 958 quod hoc adimpleatis et quod in hoc non sit falla, et eciam ego rogo vos quia nos oportet equitare in Francia infra decem vel duodecim decembris 959 , et si non sit vobis possibile huc venire, ipse rogat vos, et ego vos rogo, quod michi mittatis ea que audisistis postquam non vos vidi, et quod michi rescribatis de longo ad longum, et quid fecistis et mittatis michi per presentem latorem et claudatis bene litteras vestras, et nolite ponere oblivioni quod habeatis colloquium cum nostris amicis scilicet cum presbitero vestro [fol. 28r] et cum arigario qui sit illam scienciam quod sitis de ferris, et illam de amore et discordia, scilicet presbiterum, et mittatis michi accus ad faciendum dormire, non alia pro presenti, altissimus vos conseruet feliciter et longeue ex Monte Diderio decima octava junij. Carissime compater rogo quod in hoc non deficiatis vel quod veniatis vel michi scribatis sicut vobis rescribo, et sito rescribatis <quod i> quia nos faciemus mangnum yter et vyagium brevi tempore infra tempus predictum, mitto expresse ad vos nuncios proprios ex ea de causa cum licencia domini, dominus equitasset in ista septimana ventura nisi fuisset pro vobis et amore vestra quia ego credo quod in fine vos eatis de domo nostra quia dominus vos affectat valde et desiderat, ydeo faciatis totam diligenciam In istis prescriptis, dominus hoc michi precepit et ego vos rogo si non sit vobis possibile nunc venire rescribatis quia in regressu nostro dubito quod ipse volverit vos habere cum ipso, ydeo videatis Ita si vobis placet quia ego sic intelligo etc. Mittatis michi ad minus omnia que vobis rescribo, et secrete. Et quod in hoc non sit deffectus, recommendetis me omnibus et compatri nostro thome et dicatis sibi quod dominus equitat Burgundiam, Delphinatu, Normandiam et en Nevers, et si ipse veniet dominus tamen nichil michi locutus fuit de ipso non habet ipsum in memoriam. 958 Ms.: me ist als Kürzung an den oberen Zeilenrand geschrieben. 959 Hier handelt es sich offensichtlich um eine Abschreibefehler. Es müsste dierum heißen. 276 Egregio viro Francho du Wangie, appothecario, in Brucellis ante portam Sancti Nicholaj dentur. Vester ut suus humilis servitor et compater Jo de Brueria. [Die Abschrift des Briefes, den der Apotheker Franck am 26. Juni in Brüssel an Jean de Bruyère geschrieben hat, wird von Jean Gros mit der Information eingeleitet, dass in einer Zeile Teile des Satzes fehlen. Zudem soll der Brief in einer Kiste Meister Jean de Bruyères gefunden worden sein.] Sensuit la copie d’une autre lettre escripte par ledit Franque audit maistre Jehan de Bruyere laquelle en une clause contenant demie ligne a esté rompue de fait a pensé et a esté trouvés en la boiste d’icelui maistre Jehan avec plusieurs autres. [Franck op te Waghe berichtet Jean de Bruyère über Treffen mit verschiedenen Personen.] Humili recommendacione premissa amicorum meorum dilectissimo Johanni de Bruerya mi quia compatri me in bono statu cum omnibus meis amicis esse siatis per dei graciam. Ita de vobis cum omnibus que vestris amicis esse spero, et sciatis me recipisse vestras litteras et bene vicitasse quarum responsionem brevis verbis vobisque transcribo, et primo de magistro Theodorico vobis scire placet dilectissime compater mi me fuisse Antwerpie, et per quatuor dies post eum ibidem expectasse eum invenire non potui quia ibidem non fuit. Secundo de illo curato siatis quod non potui eo loqui quia iuit Romam racione quare nulla nova vobis transcribere nescio. Tercio vobis transcribo de isto bogaerdo quod eo fui locutus sed non vult michi facere neque pro argento ne pro nulla re, sed fui locutus [...] 960 aei bono tempore bona nova de acubus sed quando Bruxellam venientes vobis mangna nova dicam quia locutus fui aliquibus personis multa scientibus, non alia vobis re transcribere nescio pro presenti <misse> 961 quod altissimus vos cum omnibusque nostris amicis sano corpore et longeue tenere valeat, scriptum Bruxelle cum magna festinancia xxvj a die junij. Venerabili et scientifico viro Johannj de Brueria in arte medicine que licenciato omni meorum amicorum secretissimo meo amico. Ego Franco de Thimo vesterque humilis servitor ad placita vestra omnibus temporibus paratus. Collacio facta est per me Jehan Gros manu propria notarius 960 Etwa halbe Zeile wurde ausgelassen (vgl. die Vorbemerkung Jean Gros’ zu dieser Briefabschrift) 961 Ms.: misse ist über der Zeile nachgetragen und durchgestrichen. 277 [fol. 28v-30v] [unbeschrieben] [fol. 31r-31v] [Umschlagseite] processus contra dominum de Stampis xxiiij <L L> 1462 Detur magistro Martino Steenberch 962 [rote Wachsspuren von verlorenem aufgedrücktem Siegel] Anhang 1 [Breve (Entwurf ) Papst Pius’ II., in dem er deutlich macht, dass er über die Angelegenheit Étampes informiert ist und appelliert an das Familiengefühl Karls, damit dieser seinem Cousin verzeihe.] Dilecto filio Nobili viro Carolo Comiti Cadralesii Dilecte fili. Salutem non sine animi displicentia intelleximus dilectum filium nobilem virum Johannem comitem de Stampis consanguineum tuum nonnullorum suasionibus inductum et quadam levitate ut estimaret per quasdem ymagines cereas artificiosa machinacione confectas et caracterum descriptione et tui ac sui et aliorum principum nominis adiectione certo ritu baptizatas tuam et illorum amiciciam consequi et ut quidam dicunt tibi et eis efficere si vellet posse nec possumus animo quieto illos tollerare qui tam impudenter diabolico spiritu instigari nobilem comitis parentem fallacissimis comentis corrumpere sunt conati nec miramur nobilitatem tuam huiusmodi seductoribus et ipso comiti indignatam esse. Eciam cum animo reputamus malignum spiritum Sathane et quantum difficile est hominibus propter fragilitatem humanam frigore eius insidiosas machinationes ac deinde quod ex predictis nullum persone tue nocumentum allatum est comitem autem ipsum ea que incaute gesserat saniori consilio fretum revocasse et emendasse et actoris ab intimis penituisse ut hec gravissimorum virorum testimonio nobis nota sunt deo gratias agentes non parum letari sumus. Et quem redeuntem ad cor comitem et penitentem iuxta doctrina salvatoris non repellere se benigne suscipere debemus volentes propterea ut tue et ipsius comitis imdempnitati et saluti provideretur nobilibus viris Philippo duci Burgundie genitori tuo ceterisque militibus ordinis seu milicie vellerisaurei quorum tu 962 Martin Steenberch, seit 1461 Greffier des Ordens vom Goldenen Vlies. In dieser Arbeit vgl. Kap. 5.3. 278 unus es scripsimus suadentes ac paterne admonentes ut condicionis humane imbecillitatem et alia que sunt attendenda considerantes eundem comitem quemadmodum temporibus retroactis tamquam fratrem et commilitonem carissimum tractare deberent. Sed qua hec personam tue nobilitatis specialiter concernunt tibi specialiter curavimus eandem nobilitatem tuam quantum possumus exhortantes et paterne astringentes ut ei ignoscas teque in eo ut decet magnanimum ostendas rem profecto te dignam efficies ignosce levitari qua ad id ductus fuit intuere penitentiam et contritionem suam consule honori sanguinis tui consolare genitorem tuum iam senio confractum moveat te pietas <eg> erga patrem tuum quem scis magna ob hanc rem mesticia affligi parce commilitoni tuo. Et nos tandem stricte nobilitatem tuam rogamus ut ita efficias ut intercessiones et verba nostra que honori et commoditati tue Nobilitatis convenire maxime arbitramur non sunt per nos inutiliter diffusa. Certe rem deo et hominibus gratam et te magnanimo principe dignam efficies Datum tibure viij septembris anno sexto [Vermerk Rückseite: ] Copia Brevis Anhang 2 [Der burgundische Protonotar Petrus Bogaert schreibt dem burgundischen Sekretär und Greffier des Ordens vom Goldenen Vlies, Martin Steenberch in der Sache des Grafen von Étampes und dem päpstlichen Breve.] [Rückvermerk (über der Adresse von anderer Hand)] Littera magistri Petri Bogaert cum copia bulle concernentis dominum comitem de stampis etc. 963 Venerando patri et domino. Domino et magistro Martino Steenberch ecclesie Sancte Gudille Bruxellensis ac domini ducis Burgundie Secretario dignissimo domino prothonotario. Venerande domine mi et pater precipue obsequiosa recommendacione premissa putabam propter communis amici et confratris magistri egidii absenciam crebris vestris litteris debere visitari sed quemadmodum eius visione itaet litteris vestris orbatus maneo, non quod ignorem dominacio vestra tantis arduis circa res publicas implicatam 963 Ms.: Littera - etc. wurde in hellerer Tinte über der Adresse nachgetragen. 279 quod nec tempus neque oportunitas assit ut supervacuas <ve> epistolas ad hanc causam destinare possitis ordinationem reverendissimi domini mei Tornacensis 964 per eius absentiam procuram litteras apostolicas et breve quas ad metuendum domini nostri ducis manus in presenciarum cum eiusdem brevis copia transmitto expediri magna cum solicitudine et diligentia nec usque in horam hanc illarum valui compos fieri, nuncium itaque qui hac eadem hora terrarum equum ascensurus est excusacio reddere licet si moram fecerit invitus, nostris qui curie modi scire et usus, traductionem et litterarum et brevis comittit sero paternitas vestra prefatus dominus meus Tornacensis bulle prius plumbate et deinceps correcte fuere et tandem iterum de novo expedite cum modica inmutatione retenta <sp> sententia si itaque ineptum aliquid inveneritis causantibus correctionibus manu pontificis advertere vel in minutis, adaptare bene fietis et omnia ad bonum sensum reducere, nil ultra occurrit nisi quod me aliqando ut solitus estis commendatum habeatis suscipiens grata gracia possetenus implere curabo favente domino qui eiusdem vestre dominatio feliciter conservet Ex tibure ix septembris hora <primarum> terciarum 1463 … B. eum cuius manus nota est P Bogart 964 Guillaume Fillastre d.J., Bischof von Tournai (*1400 oder 1407 - †1472). Siehe insbesondere Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/ 07 - 1473). 281 10. Quellen- und Literaturverzeichnis 10.1. Quellen 10.1.1. Ungedruckte Quellen Archives départementales du Nord, Lille (ADN) B 371 B 3418 B 2068 B 3419 B 2217 B 426, 15.696 B 2218 B 456, 15.507 B 2139 B 1464, 15.510 B 3403 B 1464, 15.510 B 3404 B 780 16.062 B 3405 B 783, 16.664 B 3411 B 817, 15.716 B 3412 3 G 337, 7532 B 3414 3 G 543, 7. B 3416 Cumulus 16.049-16.055 Cumulus 16.060-16.062 Archives départementales de la Côte d’Or, Dijon (ADC) B 1046 B 2574 Bibliothèque municipale d’Amiens, Amiens (BmA) BB 8, fol. 109v-210v. BB 9, fol. 6v Archives départementales de Nièvre, Nevers (AD Nièvre) 3 B 1 (1188-1697), Nr. 9. 3 B 3, 72 3 B 6, 36 (2) Archives nationales de France, Paris (AN) J 520, 39 J 1021, 51 J 1021, 38 J 1021, 61 282 J 1021, 39 J 1021, 66 J 1021, 40 J 1021, 67 J 1021, 46 J 1021, 71. 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